Kultur und Wissenschaft: Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Frankfurt am Main vom 5. bis 8. Oktober 2005 9783110927832, 9783899493245

The volume presents the reports and discussions held at the conference of the “Association of German Constitutional Law

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Kultur und Wissenschaft: Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Frankfurt am Main vom 5. bis 8. Oktober 2005
 9783110927832, 9783899493245

Table of contents :
Jahrestagung 2005
Erster Beratungsgegenstand. Kultur im Verfassungsstaat
1. Bericht von Professor Dr. Karl-Peter Sommermann
Leitsätze des Berichterstatters
2. Bericht von Professor Dr. Stefan Huster
Leitsätze des Berichterstatters
3. Aussprache und Schlussworte
Zweiter Beratungsgegenstand. Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit
1. Bericht von Professor Dr. Martin Schulte
Leitsätze des Berichterstatters
2. Bericht von Professor Dr. Matthias Ruffert
Leitsätze des Berichterstatters
3. Aussprache und Schlussworte
Dritter Beratungsgegenstand. Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung und Internationalisierung
1. Bericht von Professor Dr. Reinhard Hendler
Leitsätze des Berichterstatters
2. Bericht von Professorin Dr. Ute Mager
Leitsätze der Berichterstatterin
3. Aussprache und Schlussworte
Vierter Beratungsgegenstand. Sprache als Kultur- und Rechtsgut
1. Bericht von Professor Dr. Schweizer
Leitsätze des Berichterstatters
2. Bericht von Professor Dr. Wolfgang Kahl
Leitsätze des Berichterstatters
3. Aussprache und Schlussworte
Verzeichnis der Redner
Verzeichnis der Mitglieder der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
Satzung der Vereinigung

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1

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Band 65

Kultur und Wissenschaft Karl-Peter Sommermann, Stefan Huster

Kultur im Verfassungsstaat Martin Schulte, Matthias Ruffert

Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit Reinhard Hendler, Ute Mager

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung und Internationalisierung Rainer J. Schweizer, Wolfgang Kahl

Sprache als Kultur- und Rechtsgut Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Frankfurt am Main vom 5. bis 8. Oktober 2005

De Gruyter Recht · Berlin

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Redaktion: Prof. Dr. Friedhelm Hufen (Mainz)

Ü Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN-13: 978-3-89949-324-5 ISBN-10: 3-89949-324-9

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© Copyright 2006 by De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Diskettenkonvertierung: Dörlemann Satz, Lemförde Druck: Hubert & Co. GmbH KG, Göttingen Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin

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Inhalt Jahrestagung 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erster Beratungsgegenstand Kultur im Verfassungsstaat 1. Bericht von Professor Dr. Karl-Peter Sommermann Leitsätze des Berichterstatters . . . . . . . . . . . . . 2. Bericht von Professor Dr. Stefan Huster . . . . . . . Leitsätze des Berichterstatters . . . . . . . . . . . . . 3. Aussprache und Schlussworte . . . . . . . . . . . . .

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Zweiter Beratungsgegenstand Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit 1. Bericht von Professor Dr. Martin Schulte . Leitsätze des Berichterstatters . . . . . . . . 2. Bericht von Professor Dr. Matthias Ruffert Leitsätze des Berichterstatters . . . . . . . . 3. Aussprache und Schlussworte . . . . . . . .

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. 238 . 268 . 274 . 311 . 316

Dritter Beratungsgegenstand Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung und Internationalisierung 1. Bericht von Professor Dr. Reinhard Hendler Leitsätze des Berichterstatters . . . . . . . . . 2. Bericht von Professorin Dr. Ute Mager . . . Leitsätze der Berichterstatterin . . . . . . . . 3. Aussprache und Schlussworte . . . . . . . . .

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Inhalt

Vierter Beratungsgegenstand Sprache als Kultur- und Rechtsgut 1. Bericht von Professor Dr. Schweizer . . . Leitsätze des Berichterstatters . . . . . . . 2. Bericht von Professor Dr. Wolfgang Kahl Leitsätze des Berichterstatters . . . . . . . 3. Aussprache und Schlussworte . . . . . .

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Verzeichnis der Redner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Verzeichnis der Mitglieder der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Satzung der Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Jahrestagung 2005 Ihre jährliche Tagung veranstaltete die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer vom 5. bis zum 8. Oktober in Frankfurt am Main, wo man zuletzt 1967 zusammengekommen war. In diesem Jahr nahmen mehr als 350 Mitglieder teil, des weiteren rund 150 Begleitpersonen und andere Gäste, unter ihnen auch zahlreiche Kollegen aus dem Ausland. Die Orte der Mitgliederversammlung, der Empfänge und nicht zuletzt der wissenschaftlichen Beratungen waren zugleich Stätten von herausragender kultureller, historischer und zeitgeschichtlicher Bedeutung. Das erwies sich bereits bei der Mitgliederversammlung am Mittwochnachmittag, die im Casinogebäude des Universitätscampus Westend stattfand. Dieser nach seinem Architekten „Poelzig“-Bau benannte markante Komplex war 1930 für die I.G. Farben errichtet und erst im Jahre 2001 von der Universität bezogen worden, deren Präsident ein kurzes Grußwort an die Vereinigung richtete. Hier übergaben am 1. Juli 1948 die Militärgouverneure der drei Westmächte die sog. Frankfurter Dokumente, die die Einsetzung einer verfassunggebenden Versammlung vorsahen. Damit war der entscheidende Schritt auf dem Weg zur Gründung der Bundesrepublik als demokratisch verfaßter Teilnation Deutschlands getan. In der Mitgliederversammlung wurde zunächst der seit der vorjährigen Tagung in Jena verstorbenen Mitglieder gedacht: Giesbert Uber, Kurt Eichenberger, Gunter Kisker, Konrad Hesse, Dieter Blumenwitz und Peter J. Tettinger. Die Vereinigung wird ihnen stets ein ehrendes Andenken bewahren. Insgesamt 26 neue Mitglieder stellten sich der Vereinigung vor, deren Gesamtzahl sich nunmehr auf rund 640 beläuft. Zum neuen Vorstand, an den die Amtsgeschäfte am 6. Januar 2006 in Heidelberg übergeben wurden, wählte die Versammlung Friedrich Schoch (Vorsitzender) sowie Bodo Pieroth und Ferdinand Kirchhof (Stellvertreter). Der abendliche Empfang durch die Stadt Frankfurt und den Präsidenten der Johann Wolfgang Goethe-Universität fand im Kaisersaal des Römer statt und bot im Angesicht der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Porträts deutscher Herrschergestalten von 800 bis 1800 mit ihren Wahlsprüchen Gelegenheit, über Ähnlichkeiten zwischen dem protonationalstaatlichen Alten Reich und dem postnationalstaatlichen Gebilde der Europäischen Union nachzudenken. Im übrigen fand hier 1923 die 75-Jahr-Feier der Revolution von 1848 statt, bei der sich tausend geladene Gäste, die Honoratioren der Stadt und die politischen Spitzen

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Jahrestagung 2005

des Reiches unter Führung von Reichspräsident Ebert zu einem wahren republikanischen Hochamt versammelten und sodann in feierlicher Prozession durch eine dichtgedrängte und begeisterte Menschenmenge in die Paulskirche einzogen. Diese selbst war eigentlicher Tagungsort, wo nach Begrüßung durch die Dekanin des Fachbereichs Rechtswissenschaften die Berichte erstattet und die Aussprachen geführt wurden. An der Stätte tagen zu können, an der die erste freiheitliche Verfassung für Gesamtdeutschland beraten und ausgearbeitet wurde, war für alle Beteiligten ein erhebendes und unvergeßliches Gefühl. Mit „Kultur und Wissenschaft“ hätte auch das Generalthema der Tagung an keinem geeigneteren Orte verhandelt werden können – war doch im Grundrechtsteil der Paulskirchenverfassung anders als in den Katalogen aus der Zeit der amerikanischen und französischen Revolution die Wissenschaftsfreiheit explizit verankert worden. Der vorliegende Band dokumentiert die acht Referate ebenso wie die anschließenden Diskussionen. Der Empfang durch den Ministerpräsidenten des Landes Hessen am Donnerstagabend führte die Vereinigung zum Kloster Eberbach und hielt auch auf diese Weise Kontakt zum Tagungsthema. Denn obwohl als Zisterziensergründung ursprünglich auf eher praktische Dinge wie Landwirtschaft, Fischzucht und Weinbau gerichtet, wurde es später ausweislich seiner imposanten Bibliotheksbestände – wie so viele andere Klöster auch – Stätte der Bildung und der Kulturbewahrung, gleichsam Kulturspeicher in einem ganz handfesten Sinne. Parallel zu den wissenschaftlichen Beratungen wurde ein Begleitprogramm von denkbar größter Vielfalt geboten. Herrn Ingwer Ebsen, dem vom Vorstand kooptierten Frankfurter Fakultätskollegen, gebührt für den entsprechenden Aufwand sowie für die gesamte Mühe der Vorbereitung und Durchführung einer wirklich perfekt organisierten Tagung der tief empfundene Dank der Vereinigung, der beim festlichen Abendessen am Freitagabend auch reichlich gespendet wurde. Beim traditionellen Samstagsausflug schließlich besuchte die Vereinigung zunächst das gern als „Schatzkästlein der Gotik“ apostrophierte Weindorf Kiedrich und wohnte in der St. Valentiuskirche einer eindrucksvollen Vorführung auf der ältesten noch bespielbaren Orgel der Welt bei, um die Tagung sodann auf der sonnendurchfluteten Terrasse von Schloß Johannisberg langsam ausklingen zu lassen. Der grandiose Rheinblick auf eine seit Römerzeiten gepflegte Kulturlandschaft, schon von Goethe und vielen Romantikern wie etwa Clemens Brentano gerühmt, bildete den lange nachhallenden Schlußakkord einer ertragreichen Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer. Horst Dreier

Kultur im Verfassungsstaat

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Erster Beratungsgegenstand

Kultur im Verfassungsstaat 1. Bericht von Karl-Peter Sommermann Inhalt Seite

I. II .

Der Verfassungsstaat als Kulturphänomen . . . . . . . . Der Verfassungsstaat als Kulturträger . . . . . . . . . . . 1. Die funktionale Verzahnung von Verfassungsstaat und Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum Stand des nationalen Kulturverfassungsrechts in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kulturelle Konflikte als Verfassungsstreitigkeiten . . . III . Der Verfassungsstaat vor den Herausforderungen der Globalisierung und der Europäisierung der Kultur . . . . 1. Die Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kulturwandel durch Globalisierung . . . . . . . . . b) Entstehung eines integrierten europäischen Kulturraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entstaatlichung kulturbezogener Infrastruktur . . . 2. Strategien zur Wahrung kultureller Identität . . . . . . a) Pflege des kulturellen Erbes . . . . . . . . . . . . . b) Schutz der kulturellen Vielfalt und „exception culturelle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mobilisierung der subnationalen Ebenen . . . . . . IV. Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Kulturföderalismus 1. Förderung kultureller Vielfalt durch föderale Aufgabenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kulturkompetenzen des Bundes im international offenen Verfassungsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Schutz des kulturellen Erbes als Staatsziel . . . . V. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I.

Karl-Peter Sommermann

Der Verfassungsstaat als Kulturphänomen

Kultur ist die eine Gesellschaft prägende Wahrnehmung, Deutung und Gestaltung der Lebenswirklichkeit.1 Sie umfasst das Denken und Fühlen, Sitten und Gebräuche, Glauben und Moral. Dem weitgereisten Schriftsteller George Orwell traten, als er in sein Heimatland zurückkehrte, die kulturellen Eigenheiten Englands an den nächstbesten Kleinigkeiten ins Bewusstsein, ja er vermeinte sogleich eine andere Luft zu atmen.2 In der Kultur sind die Erfahrungen vieler Generationen gespeichert, und sie entwickelt sich durch neue Einprägungen, beruhend auf sich wandelnden Lebensumständen, kollektiven Erlebnissen und kulturellem Austausch, stetig fort. Man hat die Kultur daher auch als das „Gedächtnis der Gesellschaft“ bezeichnet.3 1 Diese Definition entspricht im Wesentlichen dem heute von Anthropologie, Soziologie und Geschichtswissenschaft überwiegend zugrundegelegten weiten Verständnis, das zunehmend auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum Verbreitung findet. Vgl. Bronislaw Malinowski A Scientific Theory of Culture, in deutscher Übersetzung abgedruckt in: ders. Eine wissenschaftliche Theorie der Kultur und andere Aufsätze, 1975, 45 ff.; Ute Daniel Kompendium Kulturgeschichte, 2001, 17; J. Paulmann Grenzüberschreitungen und Grenzräume, in: E. Conze/U. Lappenküper/G. Müller (Hrsg.) Geschichte der internationalen Beziehungen, 2004, 169, 183 f.; P. Häberle Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 1982, 10 f.; G. Britz Kulturelle Rechte und Verfassung, 2000, 68 ff.; A. Uhle Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004, 10 ff.; U. Di Fabio Die Kultur der Freiheit, 2005, 1 f. Von einem weiten, allerdings durch das Erfordernis eines Wertbezuges wieder eingeengten Kulturbegriff ging bereits Max Weber aus, vgl. dens. Die „Objektivität“ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis (1904), in: ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 1988, 146, 175: „Der Begriff der Kultur ist ein Wertbegriff. Die empirische Wirklichkeit ist für uns ‚Kultur‘, weil und sofern wir sie mit Wertideen in Beziehung setzen, sie umfaßt diejenigen Bestandteile der Wirklichkeit, welche durch jene Beziehungen für uns bedeutsam werden, und nur diese.“ (Hervorhebungen im Original). Zur Begriffsgeschichte, insbes. zum unterschiedlichen Gebrauch der Begriffe „Kultur“ und „Zivilisation“, näher Norbert Elias Über den Prozeß der Zivilisation, Bd. 1, 2. Aufl., 1969, 1 ff., sowie J. Fisch Kultur/Zivilisation, in: O. Brunner/W. Conze/R. Koselleck (Hrsg.) Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7, 1993 (Studienausgabe 2004), 679–774. 2 G. Orwell England your England, 1941 (erster Essay in: ders. The Lion and the Unicorn: Socialism and the English Genius, London 1941). Eine ähnliche Synästhesie findet sich zuvor beispielsweise bei Heinrich Heine Deutschland ein Wintermärchen (1844), Caput VIII („Das ist ja meine Heimatluft!“) u. Caput XXIV („Die sonst so leichte französische Luft …“). Im Mittelalter wurde die „Stadtluft“ zur Metapher für die Bürgerfreiheit, vgl. dazu K. Bosl Staat, Gesellschaft, Wirtschaft im deutschen Mittelalter, 1970, 189 ff. 3 N. Luhmann Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997, 587; ausführlich dazu ders. Kultur als historischer Begriff, in: ders. Gesellschaftsstruktur und Semantik, 1995, 31, 42 ff.; vgl. auch T. W. Adorno Kultur und Verwaltung (1960), in: ders. Soziologische

Kultur im Verfassungsstaat

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Die Ausdrucksformen der Kultur als „das über das System der Selbsterhaltung der Gattung Hinausweisende“4 sind vielfältig. Im Vordergrund der Betrachtung stehen meist Sprache und Religion, Wissenschaft und Kunst, Erziehung und Bildung sowie die Kulturgüter. Kunstwerke und Denkmale, Literatur, Musik und Architektur lassen als geronnene Lebens-, Anschauungs- und Gestaltungsformen individuelle Prägungen einer Kultur besonders deutlich hervortreten und halten als Gedächtnisstützen der Gesellschaft die Kenntnis und das Bewusstsein des kulturellen Erbes wach. Sie sind damit zugleich Orientierungspunkte im Prozess der individuellen und der kollektiven Identitätsbildung.5 Zu den kulturellen Äußerungsformen zählen aber auch die Institutionen und die politische Ordnung einer Gesellschaft. Staat und Recht sind Kulturphänomene,6 und dies nicht nur, wenn man den Staat mit der romantischen Staatslehre7 als „Kunstwerk“ konzeptualisiert. Staat und Schriften I , 2003, 122, 128 („Was mit Grund kulturell heißt, muß erinnernd aufnehmen, was am Wege liegen bleibt bei jenem Prozeß fortschreitender Naturbeherrschung …“). Udo di Fabio (Fn. 1), 1, spricht von Kultur als der „Substanz der Gesellschaft“. Zu den kulturwissenschaftlichen, auch in der Archäologie angewandten Analysekategorien des „sozialen“ und „kulturellen“ Gedächtnisses eingehend J. Assmann/T. Hölscher (Hrsg.) Kultur und Gedächtnis, 1988; J. Assmann Das kulturelle Gedächtnis, 1992, insbes. 29 ff.; A. Assmann Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnis, 1999, insbes. 130 ff.; H. Welzer (Hrsg.) Das Soziale Gedächtnis, 2001. Das Konzept des „kollektiven Gedächtnisses“ hatte zuerst der Soziologe Maurice Halbwachs entwickelt, vgl. dens., Les cadres sociaux de la mémoire, Paris 1925, u. dens., La mémoire collective, Paris 1950. 4 Adorno Kultur und Verwaltung (Fn. 3), 131. 5 Während sich die kollektive kulturelle Identität aus den eine Gesellschaft oder eine Gruppe prägenden und verbindenden kulturellen (d. h. gemäß der eingangs gegebenen Definition: auf die Wahrnehmung, Deutung und Gestaltung der Lebenswirklichkeit bezogenen) Gemeinsamkeiten ergibt, kann die individuelle kulturelle Identität mit Britz Kulturelle Rechte und Verfassung (Fn. 1), 303, als „ein spezifisches, nämlich auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur oder zu einer bestimmten kulturellen Gruppe bezogenes Selbstverständnis“ verstanden werden (dazu näher ebd., 93 ff.). Im Zeichen sozialer Differenzierung ist freilich eine Selbstverortung in verschiedenen kollektiven Identitäten die Regel. Zwischen kollektiven und individuellen Identitätsbildungsprozessen bestehen naturgemäß Wechselwirkungen. 6 Vgl. dazu jüngst R. G. Asch/D. Feist (Hrsg.) Staatsbildung als kultureller Prozeß, 2005, insbes. die Einleitung von D. Feist (1–47). Zur Verfassung „als Kultur“ P. Häberle Europäische Verfassungslehre, 3. Aufl., 2005, 204. 7 Vgl. vor allem die ersten beiden Vorlesungen von A. H. Müller Die Elemente der Staatskunst, 1809, in der Neuausgabe 1922, 2. Halbbd., 3–49; zuerst hatte F. W. J. v. Schelling in seinen Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums, 1803, enthalten in: Schellings Werke (hrsg. Von M. Schröter), Bd. 3, 1927, 229, 334, von dem Staat als „Kunstwerk“ gesprochen.

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Karl-Peter Sommermann

Recht gehören zu der von den Menschen gestalteten Lebenswirklichkeit und wirken ihrerseits an der Gestaltung der Lebenswirklichkeit der Menschen mit. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht, der sich auch die rechtsvergleichende Analyse bedient,8 sind Verfassungsurkunden nicht nur rechtsnormative Texte besonderen Ranges, sie sind mit den Worten Peter Häberles zugleich „Ausdruck eines kulturellen Entwicklungsstandes, Mittel der kulturellen Selbstdarstellung des Volkes, Spiegel seines kulturellen Erbes und Fundament seiner Hoffnungen“.9 Dabei gibt es freilich eher wortkarge und eher gesprächige Verfassungen. Da in Europa heute das Leitbild einer „normativen Verfassung“10 dominiert,11 und somit auch auf Kulturaufgaben bezogene Verfassungsbestimmungen nicht von vornherein als bloßes Kolorit abgetan werden können, liegt die Frage nach der Rechtfertigung einer Kultursteuerung durch den Staat auf der Hand. Seit der Fundamentalkritik des modernen „Kulturstaates“12 durch Friedrich Nietzsche 13 wird immer wieder ein Antagonismus zwischen Kultur und Staat konstatiert, zwischen der ungesteuerten, aleatorischen Entfaltung der Lebens- und Ausdruckformen

8 Vgl. K.-P. Sommermann Die Bedeutung der Rechtsvergleichung für die Fortentwicklung des Staats- und Verwaltungsrechts in Europa, DÖV 1999, 1017 f. 9 Häberle Verfassungslehre als Kulturwissenschaft (Fn. 1), 19. 10 Zu diesem Verfassungstyp in Abgrenzung von „nominalistischen“ und „semantischen“ Verfassungen näher K. Löwenstein Verfassungslehre, 3. Aufl., 1975, 152 ff. 11 Indikator dafür ist der hohe Verbreitungsgrad einer verfassungsgerichtlichen oder einfachgerichtlichen Verfassungskontrolle in den europäischen Staaten. Vgl. dazu nur die Dokumentation der Verfassungsrechtrechtsprechung von rund 50 Staaten in dem von der „Commission de Venise“ des Europarats seit 1993 hrsg. Bulletin de jurisprudence constitutionnelle (Bulletin on Constitutional Case-Law). Die Selbstbehauptung der Verfassungsordnungen im europäischen Wettbewerb und gegenüber der europäischen Integrationsdynamik haben insoweit eine deutliche Konvergenz bewirkt. Zu dem von der Institutionenökonomik nachgewiesenen Zusammenhang zwischen einer effektiven, verlässlichen Verfassungsordnung und wirtschaftlichem Erfolg, vgl. nur I. Baron Adamovich Entstehung von Verfassungen. Ökonomische Theorie und Anwendung auf Mittel- und Osteuropa nach 1989, 2004, insbes. 267 ff., 287. 12 Zur Geschichte des Begriffs „Kulturstaat“, der bereits Anfang des 19. Jahrhunderts schriftlich dokumentiert ist, vgl. O. Jung Die Entwicklung des Kulturstaatsbegriffs von J. G. Fichte bis zur Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung der Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946, 1973; M.-E. Geis Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, 123 ff. 13 F. Nietzsche Götzen-Dämmerung oder wie man mit dem Hammer philosophiert, 1888, enthalten in: ders. Götzendämmerung, der Antichrist, Ecce homo, Gedichte (= Kröners Taschenausgabe, Bd. 77), 7. Aufl. 1978, 77, 125; vgl. bereits dens. Unzeitgemäße Betrachtungen (= Kröners Taschenausgabe, Bd. 71), 6. Aufl. 1976, 256 ff. (Vortrag von 1872).

Kultur im Verfassungsstaat

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einer Gesellschaft einerseits 14 und ihrer staatlichen, ressortmäßig organisierten Planung andererseits.15 „Je mehr für die Kultur geschieht, desto schlechter für sie“, soll der Pianist Eduard Steuermann gesagt haben.16 Dem Ziel des freiheitlichen Verfassungsstaates, durch Zügelung der Herrschaftsgewalt und Eindämmung ihres Regelungs- und Gestaltungsdranges die freie Entfaltung des Einzelnen in der Gesellschaft und damit eine autonome kulturelle Entwicklung zu ermöglichen,17 scheint eine Kulturpolitik, die über die Wahrung gesellschaftlicher Freiheit hinausgeht, fundamental zu widersprechen. Strukturell geht es um eine vergleichbare Debatte, wie sie – nicht zuletzt in dieser Vereinigung18 – über die Vereinbarkeit von Rechtsstaat und Sozialstaat geführt wurde. Ohne weiteren Überlegungen vorzugreifen, lässt sich aus der damaligen Debatte jedenfalls die Einsicht gewinnen, dass sich im freiheitlichen Verfassungsstaat Kulturpolitik an dem Ziel einer Sicherung und Ermöglichung kultureller Selbstbestimmung des Einzelnen zu orientieren hat.19 Im Folgenden sollen zunächst die konzeptionellen Grundlagen des Verfassungsstaates als Kulturträger ( II ), sodann der durch Globalisierung und Europäisierung bedingte Kulturwandel sowie die Bewältigungsstrategien der Staaten (III ) und schließlich daran anknüpfend die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des deutschen Kulturföderalismus erörtert werden ( IV ). Wenn dazu im Folgenden die Kultur als Gegenstand des Verfassungsrechts betrachtet wird, so werden unter dem Begriff der Kultur insbesondere die klassischen Bereiche Bildung, Wissenschaft und Kunst sowie das kulturelle Erbe angesprochen;20 Bildung

14 Zur Kulturbetrachtung „sub specie ludi“ J. Huizinga Homo ludens. Proeve eener bepaling van het spel-element der cultuur, 1938, deutsche Ausgabe: Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel, 1987 (Zitat auf S. 13). 15 Vgl. dazu Adorno Kultur und Verwaltung (Fn. 3), 122 ff.; U. Scheuner Die Bundesrepublik als Kulturstaat, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 1977–1978, 113, 116; G. Roellecke Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, DÖV 1983, 653 f. 16 Zitiert bei Adorno Kultur und Verwaltung (Fn. 3), 123. 17 Dazu E. R. Huber Zur Problematik des Kulturstaats, 1958, 8 ff. 18 Vgl. E. Forsthoff u. O. Bachof Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaats, VVDStRL 12 (1954), 8–36 bzw. 37–84, und die anschließende Aussprache, ebd., 85–128. 19 Vgl. zur entsprechenden Verbindung zwischen dem materiell auf den Schutz der Menschenwürde und der individuellen Freiheit gerichteten Rechtsstaat und dem Sozialstaat K.-P. Sommermann Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, 172 ff.; ders. Art. 20 GG , in: v. Mangoldt/Klein/Starck Das Bonner Grundgesetz, Bd. 2, 5. Aufl., München 2005, Rn. 107 ff. 20 Vgl. T. Oppermann Kulturverwaltungsrecht. Bildung – Wissenschaft – Kunst, 1969, 8 f. („ … diejenige Sphäre, in welcher der Staat mit der Welt des Geistes, wie sie inner-

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Karl-Peter Sommermann

wird nur dann als aliud zur Kultur benannt, wenn die Analyse an entsprechende Kategorien in Politik oder Recht anknüpft.21 Erziehung und Bildung sind in ihren Strukturen Ausdrucksformen der Kultur22, und sie vermitteln und prägen zugleich die Kultur einer Gesellschaft.

II.

Der Verfassungsstaat als Kulturträger

1.

Die funktionale Verzahnung von Verfassungsstaat und Kultur

Eine historische Betrachtung ergibt zunächst den Befund, dass eine funktionelle Verzahnung von Staat und Kultur im Konstitutionalismus von Anfang an angelegt war. Vor allem dem öffentlichen Bildungswesen als Stätte der Schulung des Verstandes und der Vermittlung bürgerlicher Tugenden galt die besondere Aufmerksamkeit der Verfassunggeber. Zwei Leitideen der Aufklärungsphilosophie übten erkennbar den größten Einfluss aus. Die erste betrifft die Bedeutung der Persönlichkeitsbildung für die Demokratie. Montesquieu hatte als ein Ergebnis seiner vergleichenden Untersuchungen der Regierungssysteme festgestellt, dass despotische Regierungen auf Einschüchterung und Angst, die Monarchie

halb der Gesellschaft in vielfältiger Form in Erscheinung tritt, eine besonders enge Verbindung eingeht. Sie umfaßt die drei Hauptbereiche Bildung, Wissenschaft und Kunst.“); P. Häberle Verfassungslehre als Kulturwissenschaft (Fn. 1), 10; U. Steiner Kuturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, in: VVDStRL 42 (1984), 7, 8 f.; C. Tomuschat Rechtliche Aspekte des Gemeinschaftshandelns im Bereich der Kultur, in: Fédération Internationale pour le Droit Européen ( F.I.D.E. ), Reports of the 13th Congress, Bd. 1, Athen 1988, 17, 20; R. Zippelius/T. Würtenberger Deutsches Staatsrecht, 31. Aufl. (des von T. Maunz begr. Werkes), 2005, § 36 (309 ff.). – Das häufig in Definitionen nicht erwähnte „kulturelle Erbe“ wird als heute charakteristischer Bestandteil des europäischen Kulturverfassungsrechts (dazu sogleich unter II ) im vorliegenden Beitrag gesondert genannt. 21 Zwischen Bildung und Kultur wird beispielsweise in der Systematik des EG -Vertrags unterschieden, vgl. im Dritten Teil des EG -Vertrags (i. d. F. des Maastrichter Vertrags vom 7. 2. 1992, BGBl . 1992 II , 1256; zuletzt geändert durch den Vertrag von Nizza vom 26. 2. 2001, BGBl . 2001 II , 1671) Titel XI (Art. 149 u. 150) einerseits und Titel XII (Art. 151) andererseits. Diese Unterscheidung wird im Vertrag über eine Verfassung für Europa vom 29. 10. 2004 (ABl . C 310 v. 16. 12. 2004, 1) beibehalten, vgl. dort die Überschriften zu Art. III -280 einerseits und Art. III -282 u. 283 andererseits. 22 Vgl. J. Nida-Rümelin Zur kulturellen Dimension der Bildung, in: Deutscher Hochschulverband (Hrsg.), Glanzlichter der Wissenschaft 2002, 89: „Die unterschiedlichen Bildungskonzeptionen in der Geschichte spiegeln das Selbstverständnis der jeweiligen Kultur wider, die Bildungspraxis ist getreulicher Spiegel des Entwicklungsstandes der jeweiligen Kultur.“

Kultur im Verfassungsstaat

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auf Ehre, die Republik aber, als die anspruchsvollste Staatsform, auf die Tugend aufbauten.23 Die Tugend der Bürger, die in der Liebe zu den Gesetzen und zum Vaterland Ausdruck finden müsse, sei insbesondere für das Funktionieren der Demokratie unerlässlich, in der die Regierung – hier folgt Montesquieu dem zeitgenössischen Demokratieverständnis – jedem einzelnen Bürger anvertraut sei.24 Ganz im Sinne Montesquieus bestimmte die französische Verfassung von 1791, dass allen Bürgern ein kostenloser Schulunterricht zur Verfügung gestellt werden solle, durch Nationalfeiertage die Erinnerung an die Französische Revolution bewahrt, die Brüderlichkeit zwischen den Bürgern gepflegt und die innere Bindung der Bürger an Verfassung, Vaterland sowie die Gesetze befördert werden solle.25 In der Tradition der Montesquieu’schen Ethik wird bis heute auf die Entwicklung demokratischer Tugenden immer dann hingewirkt, wenn die Demokratie begründet, gefestigt oder Legitimationsschwächen überwunden werden sollen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in diesem Sinne in Deutschland die politische Bildung institutionalisiert26 und die Politikwissenschaft als Demokratiewissenschaft begründet.27 Ähnlich stellt das vom Ministerkomitee des Europarates im Jahre 1997 initiierte Programm über Erziehung zur demokrati-

23 Montesquieu De l’esprit des lois, 1748, Livre IV , Chap. 1 ff.; benutzte Ausgabe: Montesquieu Œuvres complètes (ed. R. Caillois), Bd. 2, Paris 1951, 225, 261 ff. 24 Livre IV , Chap. 5 (ebd., 266 f.). Rousseau Du contrat social ou principes du droit politique, 1762 (Neuausgabe Paris 1966), Livre III chap. 4, stellte bald darauf hinsichtlich einer streng identitär verstandenen Demokratie fest, dass nur „ein Volk von Göttern“ sich wahrhaft demokratisch regieren könne; dazu D. Merten Bürgerverantwortung im demokratischen Verfassungsstaat, VVDStRL 55 (1996), 7, 11. 25 Titel I der Verfassung von 1791, abgedruckt in: J. Godechot (Hrsg.) Les constitutions de la France depuis 1789, Paris 1979, 33 ff. In den der girondistisch-jakobinisch geprägten Verfassung von 1793 vorangestellten Grundrechten (abgedruckt ebd. 79 ff.) taucht der Schulunterricht sodann als Pflicht auf (Art. 22 Satz 1). Die große Bedeutung, die diese Verfassung dem Bildungswesen beilegt, erweist sich auch an seiner Zuordnung zu den wenigen Gesetzesmaterien, die durch Gesetz zu regeln sind, wobei das Gesetzgebungsverfahren mit direktdemokratischen Elementen versehen war. Durch die Zuordnung zu den Gesetzesmaterien ebenfalls hervorgehoben waren die öffentlichen Ehrungen zur Erinnerung an die grands hommes, d. h. die Vorbilder der Französischen Revolution (Art. 54). Vgl. auch unten Fn. 34. 26 Vgl. W. Gagel Geschichte der politischen Bildung in der Bundesrepublik Deutschland 1945–1989, 1994 (31 ff. zu den Anfängen in Gestalt der „re-education“ durch die Besatzungsmächte). Zu den grundrechtlichen Schranken von „Identifikationszumutungen“ vgl. A. v. Bogdandy Europäische und nationale Identität: Integration durch Verfassungsrecht?, in: VVDStRL 62 (2003), 156, 180 ff. (auf S. 182 zu Ausnahmen „in Zeiten des Übergangs“). 27 Vgl. Wilhelm Bleek Geschichte der Politikwissenschaft in Deutschland, 2001, 279 ff.

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schen Bürgerverantwortung28 einen Versuch der Stärkung der europäischen Demokratien angesichts von Transformationsschwierigkeiten in den mittel- und osteuropäischen und Schwächesymptomen in den westeuropäischen Staaten29 dar30, auch wenn die symbolträchtige Erklärung des Jahres 2005 zum „Europäischen Jahr der Demokratieerziehung“31 hierzulande nur von wenigen wahrgenommen worden sein dürfte. Die zweite Leitidee ist die der Selbstvervollkommnungsfähigkeit, der perfectibilité des Menschen. Sie wurde nahezu zeitgleich mit Montesquieus Ethiklehre (Mitte des 18. Jahrhunderts) programmatisch von Turgot in seinem an der Sorbonne gehaltenen Vortrag über die stetigen Fortschritte des menschlichen Geistes entwickelt.32 Auf dieser Grundlage konnte später Condorcet, der in der französischen Nationalversammlung im Jahre 1792 den Entwurf eines nationalen Erziehungsplans vorgelegt hatte,33 es zum Ziel aller Bildungspolitik erklären, die Ungleichheit der Bildung nicht nur innerhalb eines Volkes, sondern letztlich auch zwischen den Völkern zu beseitigen und so die Menschen zu

28 Vgl. dazu den Bericht zur Konferenz von Sofia vom 13./14. 12. 2004 „Learning and Living Democracy“, Europarat-Dokument DGIV / EDU / CIT (2005) 2 rev 1, 5 ff. 29 Vgl. dazu Helmut Klages Vertrauen und Vertrauensverlust in westlichen Demokratien, in: ders. Traditionsbruch als Herausforderung. Perspektiven der Wertewandelgesellschaft, 1993, 120 ff.; ders./Carmen Daramus/Kai Masser, Vertrauensverlust in der Demokratie – Lösen Beteiligungsstrategien das Problem? (= FÖV Discussion Papers Nr. 15), 2004, 1 ff. 30 Vgl. auch das im Rahmen der Europäischen Union vom Rat am 26. 1. 2004 beschlossene Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Förderung einer aktiven europäischen Bürgerschaft (Bürgerbeteiligung), ABl . Nr. L 30 v. 4. 2. 2004, 6, das stärker auf bürgerschaftliche Netzwerkbildung in Europa gerichtet ist. Die Kommission hat darauf aufbauend am 6. 4. 2005 den Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das Programm „Bürger/innen für Europa“ für den Zeitraum 2007–2013 zur Förderung einer aktiven europäischen Bürgerschaft vorgelegt, KOM (2005) 116 endg. Zu den Programmen von Europarat und Europäischer Union K. Dürr Die Europäisierung der Demokratiebildung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 36/2005, 16–21. 31 Der Aktionsplan ist abgedruckt im Europarat-Dokument DGIV / EDU / CIT (2005) 2 rev 1, 57 ff. 32 A. R. J. Turgot Tableau philosophique des progrès successifs de l’esprit humain (1750), enthalten in: Oeuvres de Turgot et documents le concernant (hrsg. von G. Schelle), Bd. 1, Paris 1913 (Neudruck Glashütten i.Ts. 1972), 214–235. Turgot erkannte dabei unterschiedliche geistige Anlagen der Menschen an, vgl. ebd., 217. Zu den nachfolgenden Erziehungsschriften der französischen Aufklärung vgl. A. de Baecque/ F. Mélonio, Histoire culturelle de la France, Bd. 3, Paris 2005, 99 ff. 33 „Rapport et projet de décret sur l’organisation générale de l’instruction publique“; vgl. dazu H. Hierdeis Der nationale Erziehungsplan Condorcets, in: H. Reinalter (Hg.) Die Französische Revolution. Forschung – Geschichte – Wirkung, 1991, 115–128.

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Wohlstand und Selbstvervollkommnung zu führen.34 Die Überzeugung, dass Wissen und Bildung letztlich die entscheidenden Voraussetzungen für die Erlangung von Freiheit und Glück sind, kommt auch in den frühen Dokumenten der nordamerikanischen Staaten zum Ausdruck.35 „Wenn ein Volk meint, ungebildet und frei sein zu können, so erwartet es etwas, was es niemals gab und niemals geben wird“, schrieb später Thomas Jefferson.36 In Deutschland, wo sich die von einem kulturellen Universalismus durchdrungenen Bildungsideale der Französischen Revolution37 mit Postulaten des kritischen Idealismus trafen, wurde im öffentlichen Unterricht vor allem eine Möglichkeit gesehen, neben der Humanität die Nationalität auszubilden. Dabei gehen universalistischer Vernunftglaube und kulturalistisches Traditionsbewusstsein, gehen Kant 38 und Herder 39

34 A. Marquis de Condorcet Esquisse d’un tableau historique des progrès de l’esprit humain, Paris 1795, Neuausgabe Paris 1988, 265 ff. In der Verfassung von 1793 (Fundstelle oben in Fn. 25) klingt das Motiv der perfectibilité an, wenn es heißt, dass die Gesellschaft mit allen Kräften die Fortschritte der öffentlichen Vernunft fördern und den Unterricht allen Bürgern zugänglich machen müsse, vgl. Art. 22 Satz 2 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte der Verfassung von 1793; dazu K.-P. Sommermann Zweihundert Jahre französische Verfassung von 1793: Die Verfassungstradition des Jahres I, in: Der Staat 32 (1993), 611, 628 f. 35 Vgl. namentlich 1780 Part II Chapt. V Section 2 der Verfassung von Massachusetts von 1780: „Wisdom and knowledge, as well as virtue, diffused generally among the body of the people, being necessary for the preservation of their rights and liberties; and as these depend on spreading the opportunities and advantages of education in the various parts of the country, and among the different orders of the people, it shall be the duty of legislatures and magistrates, in all future periods of this commonwealth, to cherish the interests of literature and the sciences, and all seminaries of them; especially the university at Cambridge, public schools, and grammar-schools in the towns; to encourage private societies and public institutions …“. 36 „If a nation expects to be ignorant and free, … it expects what never was and never will be.“, Zitat aus T. Jefferson Letter to Colonel Charles Yancey (6. 1. 1816), abgedruckt in: The Writings of Thomas Jefferson (Memorial Edition), Bd. 14, Washington (D.C.) 1904, 384. Die Zitate von Jefferson sind Legion, vgl. z. B. auch dens. Letter to Cornelius Camden Blatchly (21. 10. 1822), abgedruckt ebd., Bd. 15, 1905, 399: „I look to the diffusion of light and education as the resource most to be relied on for ameliorating the conditions, promoting the virtue and advancing the happiness of man.“ 37 Erst mit Napoleon griff schrittweise die Idee der Grande Nation bzw. des Grand Empire Platz, vgl. A. Leca La république européenne, Bd. 1, Aix-en-Provence 2000, 661 ff.; J. W. Willms Napoleon, 2005, 433 ff. 38 Vgl. insbesondere die Leitschrift Kants „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“, 1783, Theorie-Werkausgabe (hrsg. von W. Weischedel) Bd. 11, 53–61. 39 Vgl. J. G. Herder Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, 1793, Ausgabe mit Einleitung von G. Schmidt 1966. Die „Humanität als Zweck der Menschen-

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sowie die politische Romantik 40 eine Synthese ein.41 Das von Fichte am Vorabend der Befreiungskriege in seinen Reden an die deutsche Nation entworfene Konzept einer „deutschen Nationalerziehung“42 konnte freilich mit Einsetzen der Restauration keine Verbreitung mehr finden. Erst die Revolution von 1848 griff es wieder auf,43 gab ihm in den hier in der Paulskirche ausgetragenen Debatten freilich eine antiklerikale Stoßrichtung.44 Die Reichsverfassung von 1849 garantierte die Einrichtung eines kostenlos zugänglichen „Unterrichts- und Erziehungswesens“,45 welches nicht mehr unter der Aufsicht der Geistlichkeit, sondern unter der des Staates stehen sollte.46 Verankert wurde zudem im Geiste Wilhelm von Humboldts 47 erstmals die Freiheit von Wissenschaft und Lehre,48 wobei darin zugleich ein notwendiges Gegengewicht zu der natur“ (ebd., 397 ff.) ist für Herder das übergreifende Leitprinzip der Kulturen, deren Historizität und Vielfalt (dazu insbesondere ebd., Teil II ., 153 ff.) er als grundsätzlich gleichberechtigt anerkennt. Wegen einer Verteidigung der von seinen Zeitgenossen als barbarisch bezeichneten Kulturen vgl. auch dens. Briefe zur Beförderung der Humanität, 10. Sammlung, Riga 1797, 45. 40 Zu ihr M. Stolleis Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2, 1992, S. 139 ff. 41 Zur Bedeutung dieser Verbindung vgl. H.-G. Gadamer Hermeneutik I . Wahrheit und Methode, 1960 (6. Aufl. 1990), 285 f., der ein entscheidendes Verdienst der Romantik in der „Berichtigung der Aufklärung, daß außerhalb der Vernunftgründe auch Tradition ein Recht behält und in weitem Maße unsere Einrichtungen und Verhalten bestimmt“, sieht. 42 Dieses sollte das durch eine alle Schichten des Volkes erfassende „Nationalschule“ verwirklicht werden, vgl. J. G. Fichte Reden an die Deutsche Nation, Berlin 1808 (Neuausgabe von F. Medicus, 1916), 9.–11. Rede (143–191). Zur Deutung F. Meinecke Weltbürgertum und Nationalstaat, 1908, 89 ff., der in der Synthese Fichtes das Ziel der Herausbildung einer „Art Vernunftnation“ sieht (102). 43 Vgl. dazu K.-E. Jeismann in: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 3, 1987, 106 ff. 44 Ganz im Sinne der Aufklärungsschrift Kants (oben Fn. 38). 45 Nach § 157 der Verfassung von 1849 sollte der Volksschulunterricht kostenlos sein, für „Unbemittelte“ auch der Besuch aller sonstigen „öffentlichen Unterrichtsanstalten“. Ähnlich die Regelungen in Art. 9 der französischen Verfassung von 1848, abgedruckt bei Godechot (Fn. 25), 263 ff. 46 § 153 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 ( RGBl ., 101) Zu den Beratungen in der Nationalversammlung zu diesem Punkt W. Ribhegge Das Parlament als Nation. Die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, 1998, 78 ff. 47 Vgl. insbesondere W. von Humboldt Ueber die innere und äussere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin, 1810, abgedruckt in: ders. Schriften zur Politik und zum Bildungswesen, 2. Aufl., 1969, 255–266. 48 Die Kunstfreiheit wurde neben der Meinungsäußerungsfreiheit (§ 143: „ … durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung …“) noch nicht gesondert gewährleistet. Dies geschah auf Reichsebene in der Weimarer Verfassung (Art. 142).

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ebenfalls umfassend garantierten Religions- und Bekenntnisfreiheit gesehen wurde.49 2.

Zum Stand des nationalen Kulturverfassungsrechts in Europa

Die Trias von Bildung, Demokratie und freier Entfaltung der Persönlichkeit als dreier einander bedingender und sich gegenseitig verstärkender Elemente bildet bis heute Ziel und Grundlage des freiheitlichen Verfassungsstaats. Der Kreis der vom Staat übernommenen Kulturaufgaben erweiterte sich freilich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und im 20. Jahrhundert beträchtlich,50 wobei sich die Entwicklung des Verfassungsstaats teilweise mit großen Brüchen vollzog. Bei einer typisierenden Betrachtung, d. h. unter Anerkennung großer verfassungskultureller Varianzen und Mischformen im einzelnen,51 lässt sich folgendes feststellen: Neben die Elemente eines liberalen Kulturstaats sind solche eines sozialen Kulturstaats getreten, der die tatsächlichen Voraussetzungen für Kulturschaffen und Kulturzugang verbessert, solche eines international offenen Kulturstaats, der Kulturaustausch und kulturelle Selbstbestimmung staatenübergreifend fördert, und schließlich Elemente eines ökologischen Kulturstaates, in dem Kultur und Natur zum Ausgleich gebracht werden sollen52. Alle drei Erweiterungen53 klingen bereits in der Weimarer Verfassung54 an.55 Sie übte erheblichen Ein49 Vgl. J.-D. Kühne Die Reichsverfassung der Paulskirche. Vorbild und Verwirklichung im späteren deutschen Rechtsleben, 2. Aufl. 1998, 503. 50 Vgl. dazu Oppermann Kulturverwaltungsrecht (Fn. 20), 39–144; U. Scheuner Die Kunst als Staatsaufgabe im 19. Jahrhundert, in: E. Mai/S. Waetzodt (Hrsg.) Kunstverwaltung, Bau- und Denkmal-Politik im Kaiserreich, 1981, 13–46; F. Hufen Die Freiheit der Kunst in staatlichen Institutionen, 1982, 80 ff.; D. Grimm Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, in: VVDStRL 42 (1984), 46, 47 ff. 51 Kritik an einer verallgemeinernden Verwendung des Begriffs „Kulturstaat“ zur Begründung einer Kulturstaatstradition übt Geis Kulturstaat und kulturelle Freiheit (Fn. 12), 120 ff. 52 Ein sich ergänzender Schutz wird am Schutz von Kulturlandschaften augenfällig, vgl. dazu R. Bartlsperger Rechtstheorie der Kulturlandschaft, in: H. de Wall/M. Germann (Hrsg.), Bürgerliche Freiheit und Christliche Verantwortung. Festschrift für Christoph Link zum siebzigsten Geburtstag, 2003, 1029–1046. Zu den Facetten des Themas vgl. im übrigen die Beiträge in F. Brickwede/A. Weinmann (Hrsg.) Nachhaltiger Schutz des kulturellen Erbes – Umwelt und Kulturgüter, 2004. 53 Zur Einordnung dieser Erweiterungen in die Entwicklung der Staatsziele auf international vergleichender Grundlage vgl. Sommermann Staatsziele (Fn. 19), 198–252. 54 RGBl . 1919, 1383. 55 Im Bereich des Kulturverfassungsrechts brachte sie im Wesentlichen drei thematische Erweiterungen. Erstens werden die um die Freiheit der Kunst ergänzten kulturellen Freiheiten mit einer entsprechenden Verpflichtung des Staates zum Schutz und zur

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fluss auf die europäische Verfassungsentwicklung aus,56 wenngleich ihre rechtsnormative Wirkung im Innern bekanntlich schwach blieb.57 Das geltende Kulturverfassungsrecht in Europa, nimmt man an den 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz Maß, stellt sich bei einer Textbetrachtung58 wie folgt dar: Neben den kulturellen Freiheiten, zu denen in mehreren Verfassungen spezielle medienbezogene Freiheitsverbürgungen hinzugetreten sind,59 dominieren weiterhin die in allen Verfassungen präsenten Bestimmungen über das BildungsFörderung dieser Freiheiten verbunden (Art. 142), so dass der status negativus durch den status positivus ergänzt wird. Zweitens werden die Bestimmungen über die Organisation des Bildungswesens verfeinert und inhaltliche Bildungsziele festgelegt, einschließlich des über den nationalen Rahmen hinausweisenden Ziels der „Völkerversöhnung“ (Art. 148). Drittens schließlich wird die Kulturpflege des Staates auf die „Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft“ erstreckt (Art. 150), womit eine mittlerweile gefestigte Staatsaufgabe konstitutionalisiert wurde. Vor dem Krieg war in einigen Bundesstaaten (Ländern) des Deutschen Reiches sowie in Frankreich der Denkmalschutz erstmals gesetzlich kodifiziert worden. In Deutschland hatte, nachdem es bereits im 19. Jahrhundert Gesetzentwürfe gegeben hatte, im Jahr 1902 das Großherzogtum Hessen-Darmstadt als erster Bundesstaat ein Denkmalschutzgesetz erlassen (RegBl. 1902, 275); vgl. dazu und zur weiteren Entwicklung Felix Hammer Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, 1995, 151 ff. Für Frankreich, wo im Jahre 1840 mit einer Inventarisierung der zu schützenden Gegenstände begonnen wurde, vgl. das mit Änderungen bis heute geltende Denkmalgesetz vom 31. 12. 1913 („Loi sur les monuments historiques“, Journal Officiel v. 4. 1. 1914), in dem der Begriff und das Schutzregime für unbewegliche und bewegliche Denkmale festgelegt wird. 56 Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 entfaltete Vorbildwirkung insbesondere für die spanische Verfassung von 1931 und die italienische Verfassung von 1947 sowie die deutschen Landesverfassungen der Zwischenkriegszeit (abgedruckt in F. Wittreck Hrsg. Weimarer Landesverfassungen, 2004) und der Bundesrepublik Deutschland (abgedruckt in C. Pestalozza Hrsg. Verfassungen der deutschen Bundesländer, 8. Aufl., 2005). 57 In der Verfassungslehre hatte es hingegen durchaus dogmatische Ansätze zu einer normativen Effektuierung der Verfassung gegeben, vgl. dazu nur K. Stern Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III /1, 1988, 59 V 6 b (123 ff.). 58 Diese kann bei einem Rechtsvergleich lediglich ein erster Schritt sein, vgl. Sommermann Die Bedeutung der Rechtsvergleichung (Fn. 8), 1021 ff.; ders. Funktionen und Methoden der Grundrechtsvergleichung, in: D. Merten/H.-J. Papier (Hrsg.) Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. 1, 2004, § 16, 631, 659 ff. (Rn. 50 ff.). 59 Vgl. Art. 5 Abs. 1 S. 2 deutsches Grundgesetz, Art. 15 griechische Verfassung, Art. 40 Abs. 6 lit. a irische Verfassung, Art. 44 litauische Verfassung, Art. 118 u. 119 maltesische Verfassung, Art. 7 Abs. 2 niederländische Verfassung, Art. 38 u. 39 portugiesische Verfassung, Art. 20 spanische Verfassung, Art. 61 Abs. 4 ungarische Verfassung, Art. 171 zypriotische Verfassung. Aktuelle deutsche Übersetzungen dieser und der meisten anderen nachfolgend zitierten Verfassungen finden sich in A. Kimmel/ C. Kimmel (Hrsg.) Verfassungen der EU -Mitgliedstaaten, 6. Aufl., 2005.

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wesen60, teilweise in erheblich ausdifferenzierter Form. Immer weitere Verbreitung finden Bestimmungen zum Schutz des kulturellen Erbes61, die häufig im Zusammenhang mit Umweltschutzklauseln eingeführt und mit diesen in Formeln wie „Umwelt und Kulturerbe“ oder „Natürliche und kulturelle Umwelt“ verknüpft werden.62 Spezielle Klauseln zur Garantie der kulturellen Vielfalt63 und zum Schutz kultureller, insbesondere auch sprachlicher Minderheiten64 enthalten mehrere Verfassungen; ein Prinzip „Multikulturalismus“, wie es in Kanada zur Minderung des kulturellen Konfliktpotentials zwischen verschiedenen Volksgruppen seit 1971 staatsrechtlich verankert ist,65 findet sich bislang in keiner eu60 Art. 24 belgische Verfassung, § 76 dänische Verfassung, Art. 7 deutsches Grundgesetz, § 37 estnische Verfassung, § 16 finnische Verfassung, Präambel französische Verfassung, Art. 16 griechische Verfassung, Art. 42 irische Verfassung, Art. 33 italienische Verfassung, Art. 112 lettische Verfassung, Art. 40 u. 41 litauische Verfassung, Art. 23 luxemburgische Verfassung, Art. 10 u. 11 maltesische Verfassung, Art. 23 niederländische Verfassung, Art. 70 polnische Verfassung, Art. 43, 73 ff. portugiesische Verfassung, § 21 schwedische Verfassung, Art. 62 Schweizer Verfassung, Art. 42 slowakische Verfassung, Art. 57 slowenische Verfassung, Art. 27 spanische Verfassung, Art. 33 tschechische Charta, Art. 16, 70 f. ungarische Verfassung, Art. 20 zypriotische Verfassung. Für Österreich und das Vereinigte Königreich ist Art. 2 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK zu nennen, wo dieses Konventionsrecht Verfassungsrang bzw. eine funktionell nahezu vergleichbare Verankerung im Human Rights Act 1998 (1998 Chapter 42) besitzt. 61 Präambel estnische Verfassung, § 20 Abs. 1 finnische Verfassung, Art. 24 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 6 griechische Verfassung, Art. 2 S. 3 irische Verfassung, Art. 9 Abs. 2 italienische Verfassung, Art. 42 Abs. 2 litauische Verfassung, Art. 9 maltesische Verfassung, Art. 5 polnische Verfassung, Art. 73 Abs. 2 lit. c portugiesische Verfassung, Art. 78 Abs. 2 der Schweizer Verfassung, Art. 44 Abs. 2 slowakische Verfassung, Art. 73 slowenische Verfassung, Art. 46 spanische Verfassung, Präambel tschechische Verfassung und Art. 35 der tschechischen Charta. 62 So (in der Reihenfolge der Zitate) § 20 Abs. 1 finnische Verfassung, Art. 24 Abs. 1 S. 1 und die griechische Verfassung; ähnlich Art. 9 Abs. 2 italienische Verfassung, Art. 5 polnische Verfassung, Art. 44 Abs. 2 slowakische Verfassung, Art. 73 Abs. 2 slowenische Verfassung und Art. 35 Abs. 3 der tschechischen Charta. 63 § 50 estnische Verfassung, § 17 finnische Verfassung, Art. 114 lettische Verfassung, Art. 45 litauische Verfassung, § 2 Abs. 5 schwedische Verfassung, Art. 33 u. 34 slowakische Verfassung, Art. 61, 64 slowenische Verfassung, Art. 68 ungarische Verfassung, Art. 24 u. 25 tschechische Verfassung. 64 Art. 3, 30 belgische Verfassung, § 37 Abs. 4, 52 estnische Verfassung, § 17 finnische Verfassung, Art. 6 italienische Verfassung, Art. 114 lettische Verfassung, Art. 8 österreichische Verfassung, § 2 Abs. 5 schwedische Verfassung, Art. 34 slowakische Verfassung, Art. 61, 64 slowenische Verfassung, Art. 3 spanische Verfassung, Art. 68 ungarische Verfassung. 65 Vgl. den an die kanadische Verfassung und den Canadian Human Rights Act anknüpfenden Canadian Multiculturalism Act i. d. F. von 1985 (R.S., 1985, c 24, 4th Suppl.), mit Amendment von 1993 (R.S., 1993, c. 28, s. 78, Sch. III , s. 16)

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ropäischen Verfassung.66 Selten sind im übrigen der Zugang zur Kultur67 und die Kulturförderung68 explizit Gegenstand von Verfassungsnormen. Und nur vereinzelt69 findet sich eine ausdrückliche wohlstandsfunktionale Zielsetzung von Bildung und Wissenschaft, die in der Praxis heute immer stärker hervortritt.70 Das hier für die nationalen Verfassungen skizzierte Bild wird durch die gliedstaatlichen Verfassungen der Bundesstaaten, insbesondere die Verfassungen der deutschen Länder und der Schweizer Kantone, erheblich angereichert.71 Subjektive Rechte verleihen im Allgemeinen nur die kulturellen Freiheits- und Gleichheitsrechte. Eine partielle Ausnahme macht das Recht auf Bildung. Auch dann, wenn es nach der Verfassungssystematik eindeutig als subjektives Recht zu qualifizieren ist, wird es im Interesse seiner Einlösbarkeit restriktiv interpretiert. So hat das brandenburgische Verfassungsgericht die subjektiv-rechtliche Seite des Rechts auf Bildung analog zur numerus clausus-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts72 zu Recht auf das „vorhandene Bildungsangebot“ begrenzt.73 Und das spanische Verfassungsgericht unterscheidet beim Recht auf Bildung eine freiheitsrechtliche Dimension, der subjektivrechtlicher Charakter zukomme, von einer leistungsrechtlichen Dimension, die auf die Verpflichtung des Staates zur Effektuierung des Rechts beschränkt sei.74

66 Vgl. aber M. Bothe Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat, in: VVDStRL 54 (1995), 7, 40, der aus dem deutschen Landesverfassungsrecht „Multikulturalität als Erziehungsziel“ herleitet. 67 Art. 6 Abs. 1 polnische Verfassung, Art. 73 Abs. 3, 78 portugiesische Verfassung, Art. 43 Abs. 2 slowakische Verfassung, Art. 44 Abs. 1 spanische Verfassung. 68 Art. 9 italienische Verfassung, Art. 42 Abs. 2 litauische Verfassung, Art. 8 maltesische Verfassung und Art. 73 Abs. 3, 78 portugiesische Verfassung. 69 Vgl. etwa Art. 73 Abs. 4 der portugiesischen Verfassung und Art. 44 Abs. 2 der spanischen Verfassung. 70 Siehe dazu unten unter III 1. 71 Speziell zu den Erziehungszielen in den Landesverfassungen A. Dittmann Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat, in: VVDStRL 54 (1995), 47, 60 ff. 72 BVerfGE 33, 303, 332 ff. 73 Urteil des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 25. 2. 1999, LVerfGE 10, 151, 155. Zur Herleitung eines entsprechenden „Rechts auf Bildung“ aus dem Grundgesetz vgl. G. Robbers in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.) Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 5. Aufl., 2005, Art. 7 Rn. 31. 74 Urteil 86/1985 des Tribunal Constitucional vom 10. 7. 1985, Boletín Oficial del Estado núm. 194 v. 14. 8. 1985, sub II 3: „El derecho de todos a la educación … incorpora así, sin duda, junto a su contenido primario de derecho de libertad, una dimension prestacional, en cuya virtud los poderes públicos habrán de procurar la efectividad de tal derecho …“.

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Es geht hierbei der Sache nach um rein objektiv-rechtliche Schutz- und Förderpflichten, wie sie auch das Bundesverfassungsgericht aus herkömmlichen Freiheitsrechten herleitet.75 3.

Kulturelle Konflikte als Verfassungsstreitigkeiten

Kulturelle Konflikte werden als Verfassungsstreitigkeiten daher in erster Linie nicht auf der Grundlage der kulturverfassungsrechtlichen Zielbestimmungen und Gesetzgebungsaufträge, sondern im Rahmen der Freiheits- und Gleichheitsrechte ausgetragen, wobei häufig die Religionsfreiheit Prüfungsmaßstab ist. Bei der Lösung grundlegender Konflikte kommt den Verfassungsgerichten eine entscheidende Rolle zu. Sie müssen die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen, die aus einem Wertkonsens hervorgegangen sind,76 konkretisieren und unter Umständen gegen abweichende Wertvorstellungen in der Gesellschaft zur Geltung bringen. So sieht sich der Supreme Court der USA , obwohl die Bundesverfassung kein Kulturverfassungsrecht im engeren Sinne enthält,77 seit einigen Jahren in einen Kulturkampf verstrickt. Die religiöskonservative, teilweise fundamentalistische Kritik sieht in Entscheidungen des Gerichts wie denen zur Untersagung des Schulgebets78 eine Beteiligung an einem in der amerikanischen Gesellschaft herrschenden

Vgl. dazu unten Fn. 213. C. Tomuschat Der Verfassungsstaat im Geflecht der internationalen Beziehungen, in: VVDStRL 36 (1978), 7, 47. 77 Obwohl auch keine Verfassungsbestimmungen zum Bildungswesen existieren, gibt es dennoch eine umfangreiche Rechtsprechung zur Organisation des Bildungswesens, darunter neben den zahlreichen Entscheidungen zur Rassentrennung in den Schulen und Universitäten (in der Folge des Urteils „Brown v. Board of Education“ vom 17. 5. 1954, 347 U.S. 483, durch das die im Urteil „Plessy v. Ferguson“ vom 18. 5. 1896, 163 U.S. 537, aufgestellte Doktrin „Separate but equal“ aufgehoben wurde, ergingen zahlreiche Entscheidungen zur „desegregation“) eine Judikatur zum Verhältnis von Kirche und Staat (vgl. etwa die Urteile „Everson v. Board of Education of Ewing Township“ vom 10. 2. 1947, 330 U.S. 1, „Illinois ex rel. McCollum v. Board of Education“ vom 8. 3. 1948, 333 U.S. 203, „Zorach v. Clanson“ vom 28. 4. 1952, 343 U.S. 306, „Lemon v. Kurtzman“ vom 28. 6. 1971, 403 U.S. 602, „Agostini v. Felton“ vom 23. 6. 1997, 521 U.S. 203) oder zu dem eine vergleichbare Ausstattung der Schulen ermöglichenden Finanzierungsmodus (vgl. das Urteil „San Antonio Independent School District v. Rodriguez“ vom 21. 3. 1973, 411 U.S. 1). 78 Vgl. von den frühen Entscheidungen insbesondere das Urteil „Murray v. Curlett“ vom 17. 6. 1963, 374 U.S. 203; aus jüngerer Zeit das Urteil „Santa Fe Independent School District v. Doe“ vom 19. 6. 2000, 530 U.S. 290, m.w.N. Zur Rechtsprechung des Supreme Court auch W. Brugger Einführung in das öffentliche Recht der USA , 2. Aufl., 2001, 188 f. 75 76

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culture war. In dem Fall Lawrence v. Texas vom 26. Juni 2003, in dem die Mehrheit des Gerichts ein texanisches Gesetz, das gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen unter Strafe stellte, für verfassungswidrig erklärte, gipfelte die Auseinandersetzung darin, dass ein Mitglied des Gerichts diesem in seinem Minderheitsvotum vorwarf, seine Rolle als neutraler Beobachter und Wächter über die Einhaltung der demokratischen Regeln verlassen und im „Kulturkrieg“ Partei ergriffen zu haben.79 Die Integrationsleistung, die von Verfassungsgerichten in derartigen Konflikten erwartet wird, ist kaum zu erfüllen.80 Abgesehen von der Autorität ihrer Entscheidung können sie nur mit der Kraft ihrer Argumente einer sie delegitimierenden Kulturinkongruenz81 ihrer Rechtsprechung entgegenwirken. Zuweilen, aber meist nur vorübergehend kann ein Verfassungsgericht den Ball an den Gesetzgeber zurückspielen, wie im Falle des Kopftuchstreits in Deutschland geschehen82.

III. Der Verfassungsstaat vor den Herausforderungen der Globalisierung und der Europäisierung der Kultur 1.

Die Herausforderungen

Nicht nur unterschiedliche kulturelle Leitbilder und religiöse oder weltanschauliche Werthaltungen innerhalb einer Gesellschaft, sondern auch die nationalen Kulturen und die Kulturkreise83 stehen seit jeher im Austausch, Wettbewerb und teilweise im offenen Konflikt miteinander. Durch Verallgemeinerungen des Verhaltens bestimmter Gruppen, z. B.

79 Lawrence v. Texas, 539 U.S. 558, Dissenting Opinion von Justice Scalia (V): „It is clear from this that the Court has taken sides in the culture war, departing from its role of assuring, as neutral observer, that the democratic rules of engagement are observed.“ 80 Vgl. E. R. Haltern Integration als Mythos. Zur Überforderung des Bundesverfassungsgerichts, in: JöR N.F. 45 (1997), 32, 67 ff.; F. Hufen Die Bewahrung gesellschaftlicher Werte durch das Bundesverfassungsgericht, in: G. F. Schuppert/C. Bumke (Hrsg.) Bundesverfassungsgericht und gesellschaftlicher Grundkonsens, 2000, 61–81. 81 Zur Bedeutung der „Kulturkongruenz“ des Verfassungsrechts R. Arnold, Überlegungen zur gegenseitigen Abhängigkeit von Verfassungsrecht und Kultur, in: E. Banús (Hrsg.) Actas del I Congreso „Cultura Europea“, Pamplona 1992, 55 ff. Die Notwendigkeit der Kulturkongruenz von Verfassungen betonte bereits F. Murhard Das Recht der Nationen zur Erstrebung zeitgemäßer, ihrem Kulturgrade angemessener Staatsverfassungen, 1832, insbesondere S. 88. 82 BVerfGE 108, 282 ff. 83 Zum Begriff Uhle (Fn. 1) 13 f.

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religiöser Fundamentalisten, verschärfen sich in der Wahrnehmung die bestehenden Gegensätze und wird das Szenario eines Kampfes der Kulturen84 oder der Kulturkreise plausibler. Selbst dann, wenn eine Gruppe oder ein Staat die interkulturelle Kommunikation auszuschließen sucht, ist in der Regel die fremde Kultur als Gegenentwurf zur eigenen präsent und beeinflusst so die Kulturentwicklung.85 Die bereits den totalitären Regimen im 20. Jahrhundert nur bedingt und mit aufwändigen Repressionsapparaten gelungene kulturelle Abschottung wird heute allein wegen der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie immer schwieriger. Das von Fichte als Friedenskonzept verstandene Modell eines geschlossenen Handelsstaats hatte von vornherein den kulturellen Austausch von den Handels- und Reisesperren ausgenommen; reisen dürften allerdings zu diesem Zweck, so schreibt er, „aus einem geschlossenen Handelsstaate nur der Gelehrte und der höhere Künstler: Der Müßigen Neugier und Zerstreuungssucht soll es nicht länger erlaubt werden, ihre Langeweile durch alle Länder herumzutragen“.86 a)

Kulturwandel durch Globalisierung

Die Dialektik zwischen Abschottung und Öffnung der Staaten87 wirkt zwar in herkömmlichen und neuen Formen fort; sie wird jedoch zunehmend durch die auch innerhalb der Gesellschaften wirkende Dialektik von Globalisierung und Lokalisierung, von kultureller Universalität und kultureller Diversität, von kultureller Inklusion und kultureller Exklusion ergänzt oder verdrängt. Die Mobilität der Menschen, neue Migrationsströme, die Kolonisierung der Lebenswelt88 durch moderne Technologien und Konsumgüter, die Zirkulierung von kulturprägenden

84 S. P. Huntington The Clash of Civilizations, New York 1996; dt. Ausgabe: ders. Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, 2. Aufl., 1998. H. Schwengel Globalisierung mit europäischem Gesicht – Der Kampf um die politische Form der Zukunft, 1999, 13, hebt hervor, dass die „Pointe“ des Werkes „nicht in der Vorhersage eines Kampfes der Kulturen, sondern im Verzicht auf die Behauptung universalistischer Modernisierungsprinzipien“ liege. 85 Haltern Integration als Mythos (Fn. 80), 43, spricht im Falle einer Integration „in Abgrenzung zu etwas“ von „heteronomer Integration“. 86 J.G. Fichte Der geschloßne Handelsstaat, 1800, zit. aus: ders. Ausgewählte politische Schriften (hrsg. von Z. Batscha/R. Saage), 1977, 136, 162. 87 Vgl. dazu K.-P. Sommermannn Der entgrenzte Verfassungsstaat, in: KritV 81 (1998), 404, 408 ff. 88 Begriff in Anlehnung an J. Habermas Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 2, 1981, 293, 452.

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Gütern und Dienstleistungen auf globalisierten Märkten verändern nicht nur die Oberflächenstrukturen der Gesellschaften, sondern haben einen tiefgreifenden Kulturwandel in Gang gesetzt.89 Die Bildung als kulturprägender Faktor ist davon keineswegs ausgenommen. Aus der Erkenntnis des Zusammenhangs zwischen Bildung, wirtschaftlichem Fortschritt und Wohlstand erwächst das Streben, Strukturen des Bildungssystems, Lernmethoden und Lerninhalte „erfolgreicher“ Staaten nachzuahmen.90 Dies gilt insbesondere für die Entwicklungsländer. Historisch bietet die von der Meiji-Regierung gesteuerte Modernisierung Japans seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts91 durch Anverwandlung europäischer Bildungsinhalte und -standards ein bekanntes Beispiel. Heute wird der ökonomisch motivierte Bildungstransfer durch die völkerrechtliche Institutionalisierung eines Rechts auf Bildung verstärkt,92 dessen Verwirklichung sich insbesondere die im Jahre 1946 gegründete Sonderorganisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, und Kultur ( UNESCO ) zum Ziel gesetzt hat.93 In der Tradition des Fortschrittsgedankens der Aufklärung wird die Bildung als

89 Auch in den Ländern, in denen eine ökonomisch wirkmächtige Kultur wie die westliche scheinbar ungehemmt die autochthone Kultur verdrängt, findet freilich nicht ein bloßer Kulturtransfer, sondern ein Prozess wechselseitiger Beeinflussung, jedenfalls aber eine je eigene Verarbeitung der Einflüsse statt, sodass die Triebkräfte einer kulturellen Unitarisierung zugleich Kräfte einer neuen kulturellen Differenzierung freisetzen, vgl. auch G. Preyer Luhmanns Theorie der sozialen Differenzierung – Das Ende der Inklusionslogik, in: Rechtstheorie 36 (2005), 49, 55 f. Anthropologie und Kulturwissenschaft sprechen daher heute vorzugsweise nicht mehr von „Akkulturation“, sondern von „Transkulturation“ (Begriff von F. Ortiz Fernández Contrapunteo cubano del tabaco y el azúcar, La Habana 1940, Neuausgabe 1983, insbes. S. 90), vgl. dazu P. M. Kaberry Einleitung zu B. Malinowski, die Dynamik des Kulturwandels, 1951, 9 f. Vgl. auch den Analysebegriff „interkultureller Transfer“, den der Historiker Johannes Paulmann vorgeschlagen hat, dazu ders. Internationaler Vergleich und interkultureller Transfer, in: HZ 267 (1998), 649–685; ders. Grenzüberschreitungen und Grenzräume (Fn. 1), 179 ff. 90 Vgl. J. W. Meyer/F. O. Ramirez Die globale Institutionalisierung der Bildung, in: J. W. Meyer Wie die westlichen Prinzipien die Welt durchdringen (hrsg. v. G. Krücken), 2005, 212 ff. 91 Vgl. dazu Kiyoshi Inone Geschichte Japans, 1993, 334 ff.; speziell zur Modernisierung von Staat und Verwaltung B. Becker in: ders. (Hrsg.) Georg Michaelis. Ein preußischer Jurist im Japan der Meiji-Zeit, 2001, 14, 27 ff. 92 Wegen der völkerrechtlichen Statuierung des Rechts auf Bildung vgl. insbesondere Art. 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 (Yearbook of the United Nations 1948–49, 535) und Art. 13 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ( BGBl . 1973 II , 1570). 93 Vgl. Art. 1 der Satzung der UNESCO , BGBl . 1971 II , 473. Die Satzung ist für die Bundesrepublik am 11. 7. 1951 in Kraft getreten (ebd., 471).

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entscheidende Voraussetzung für die Ausübung der Menschenrechte und für Entwicklung angesehen.94 Doch auch innerhalb des Kreises der wirtschaftlich erfolgreichen Staaten nimmt im Zeichen der Ökonomisierung der Konformitätsdruck zu. Die Vergleichsstudien der OECD , die die Leistungen der Bildungssysteme transparent machen sollen,95 münden in ein internationales Benchmarking, in dem spezifische Errungenschaften der nationalen Systeme nur unzureichend berücksichtigt und Bildungseinrichtungen in erster Linie als Produktionsstätten von Humankapital (human capital)96 oder Bildungskapital („capital culturel“ und „capital scientifique“)97 wahrgenommen werden. Da Vergleiche gewachsener Bildungssysteme schwierig sind, tendiert nationale Bildungspolitik zunehmend zur Komplexitätsreduktion durch Strukturangleichungen. b)

Entstehung eines integrierten europäischen Kulturraums

Eine besondere Verdichtung der transkulturellen Prozesse findet in Europa statt. Nachdem diese zunächst durch Konventionen und Programme des Europarats strukturiert wurden,98 prägt heute für den Kreis ihrer Mitgliedstaaten immer stärker die Europäische Union die Bildungs-, Forschungs- und Kulturpolitik.99 Ausgehend von marktbezogenen Aspekten der beruflichen Bildung hat die Europäische Gemeinschaft im Zeichen eines „Europas der Bürger“100 immer weitere Bereiche der Bildungspolitik arrondiert,101 bis im Maastrichter Vertrag

94 Dieser Gedanke ist in allen Initiativen und Programmen der Vereinten Nationen präsent, so z. B. auch im Programm der für die Jahre 2005 bis 2014 ausgerufenen Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, vgl. die Resolution 57/254 der Generalversammlung der Vereinten Nationen v. 20. 12. 2002, UN -Doc. A/ RES /57/254. 95 Vgl. zuletzt OECD (Hrsg.), Education at a Glance. OECD Indicators 2005, Paris 2005. 96 G. S. Becker Human Capital, New York 1964 (3. Aufl. 1993). 97 Dazu P. Bourdieu/J.-C. Passeron La reproduction. Éléments pour une théorie du système d’enseignement, Paris 1979, 87 ff.; P. Bourdieu Science de la science et réflexivité, Paris 2001, 110 ff. Bourdieu hat dabei freilich in erster Linie die Status- und Machtverhältnisse in der Gesellschaft bzw. in der Wissenschaftsgemeinschaft im Blick. 98 Vgl. dazu H.-J. Blanke Europa auf dem Weg zu einer Bildungs- und Kulturgemeinschaft, 1994, 7 ff. 99 Aktueller Überblick bei T. Oppermann Europarecht, 3. Aufl., 2005, § 28, 577–603. 100 Vgl. dazu S. Magiera Ansätze für ein Europa der Bürger in der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaft, in: ders. (Hrsg.), Das Europa der Bürger in einer Gemeinschaft ohne Binnengrenzen, 1990, 13, 21 ff.; M. Niedobitek Pläne und Entwicklung eines Europas der Bürger, 1989, 32 ff. 101 Vgl. M. Niedobitek Kultur und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1992, 124 ff.

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Bildung und Kultur eigene Bestimmungen gewidmet wurden.102 Die „Übernahme von Kulturverantwortung“103 musste notwendig die ersten Schritte zu einer politischen Union begleiten. Zu einer erheblichen Beschleunigung der Entwicklung soll das vom Europäischen Rat auf seiner Tagung in Lissabon im März 2000 formulierte strategische Ziel beitragen, die Union „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ zu machen.104 Ein wesentlicher Baustein soll ein transnationales Bildungssystem sein. Der im Jahre 1999 auf Ministerebene von zunächst 29 europäischen Staaten durch Selbstverpflichtungserklärungen angestoßene und auf offener Koordinierung105 beruhende Prozess von Bologna106 entfaltet in diesem Sinne für den Hochschulbereich größere harmonisierende Wirkung als alle 102 Art. 126 u. 128 EG -Vertrag i. d. F. des Vertrags von Maastricht, BGBl . 1992 II , 1256; dazu M. Niedobitek Die kulturelle Dimension im Vertrag über die Europäische Union, in: EuR 1995, 349–376. 103 M. Nettesheim Das Kulturverfassungsrecht der Europäischen Union, in: JZ 2002, 157. 104 Ziff. 5 der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rats (Lissabon) vom 23. u. 24. 3. 2000, SN 100/00; vgl. dazu D. Archibugi/A. Coco Is Europe Becoming the Most Dynamic Knowledge Economy in the World?, in: JCMS 43 (2005), 433–459. Im sogenannten „Europa des Wissens“ wird den Universitäten eine Schlüsselfunktion beigemessen, vgl. die Mitteilung der Kommission über „Die Rolle der Universitäten im Europa des Wissens“, KOM (2003) 58 endg.; Prospektivstellungnahme des Ausschusses der Regionen über „Die Rolle der Universitäten in der lokalen und regionalen Entwicklung im Europa des Wissens“, ABl . C 73/22 vom 22. 3. 2004. 105 Vgl. J. Pitseys Le processus de Bologne, in: Revue Interdisciplinaire d’Etudes Juridiques 2004, 143, 158 ff. Zum Verfahren der offenen Koordinierung im Rahmen der Europäischen Union (der Bologna-Prozess bezieht mittlerweile mehr als 40 Staaten ein) vgl. Ziff. 37 ff. der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rats (Lissabon) vom 23. u. 24. 3. 2000, SN 100/00, sowie aus dem Schrifttum H. Hill Zur „Methode der offenen Koordinierung“ in der Europäischen Union, in: K.-P. Sommermann/J. Ziekow (Hrsg.) Perspektiven der Verwaltungsforschung, 2002, 139–162; M. W. Bauer/R. Knöll Die Methode der offenen Koordinierung: Zukunft europäischer Politikgestaltung oder schleichende Zentralisierung?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 1–2/2003, 33–38. 106 Vgl. die Gemeinsame Erklärung der europäischen Bildungsminister „Der europäische Hochschulraum“ v. 19. 6. 1999, Bologna, Dok. 3/324–41124–2/2 (bologn-d.doc). Im Zuge des Prozesses von Bologna soll ein System vergleichbarer Abschlüsse eingeführt werden, das sich auf die Zyklen „Bachelor“ und „Master“, ein Leistungspunktesystem sowie Mobilität, Qualitätssicherung und die Förderung der europäischen Dimension stützt. Vorausgegangen war im Jahre 1988 die Proklamation einer Magna Charta Universitatum durch eine Reihe europäischer Hochschulrektoren sowie daran anknüpfend die von den größten EU -Staaten Frankreich, Italien, Vereinigtes Königreich und Deutschland verabschiedete Sorbonne-Erklärung vom 25. 5. 1998, die u. a. „die Schlüsselrolle der Hochschulen für die Entwicklung europäischer kultureller Dimensionen“ betont hatte.

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vertraglichen und supranationalen Rechtsinstrumente zuvor. Die Europäische Union fördert längst nicht mehr nur die Herausbildung eines europäischen Wissens-, Bildungs- und Hochschulraums, sondern gestaltet einen europäischen Kulturraum im umfassenden Sinne.107 In dem vom Rat am 25. Juni 2002 verabschiedeten neuen Arbeitsplan für die europäische Zusammenarbeit im Kulturbereich108 heißt es, dass die Kultur in den Mittelpunkt der europäischen Integration gestellt werden solle.109 Mit dem Verfassungsvertrag, dessen Präambel110 mit einer Bezugnahme auf das „kulturelle, religiöse und humanistische Erbe Europas“111 beginnt, sollte dieses Ziel vertraglich verfestigt werden. Damit hat die Ablösung des funktionalistischen Integrationsansatzes von Jean Monnet 112 durch ein kulturzentriertes Paradigma 113 begonnen. 107 Die Steuerung vollzieht sich zum einen durch die in Art. 151 Abs. 2 EGV vorgesehene „supranationale Förderung der mitgliedstaatlichen Kulturpolitik“ (dazu H.-J. Blanke in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.) EUV / EGV , 2. Aufl., 2002, Art. 151 Rn. 4 f.), zum anderenauf der Grundlage binnenmarktbezogener Kompetenzen, die aufgrund ihres Querschnittscharakters auch in die kulturelle Dimension hineinwirken, sowie auf der Basis intergouvernementaler Zusammenarbeit. 108 ABl . Nr. C 162 v. 6. 7. 2002, 5. 109 Ebd., Ziff. 11. Zuvor war in der Entschließung des Rates vom 21. 1. 2002 über die Bedeutung der Kultur im europäischen Aufbauwerk, ABl . Nr. C 32 v. 5. 2. 2002, 2 (7. Erwägungsgrund), die Kultur als „ein sehr wichtiger Bestandteil der Entwicklung und Konsolidierung des Integrationsprozesses der Gemeinschaft“ bezeichnet worden. Durch den Vertrag von Amsterdam v. 2. 10. 1997 ( BGBl . 1998 II , 387) war in den Kulturartikel des EG -Vertrags folgende Kulturverträglichkeitsklausel aufgenommen worden (Art. 151 Abs. 4): „Die Gemeinschaft trägt bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen dieses Vertrags den kulturellen Aspekten Rechnung, insbesondere zur Wahrung und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen.“ Vgl. zuvor die Entschließung des Rates vom 20. 1. 1997 über die Einbeziehung der kulturellen Aspekte in die Tätigkeit der Gemeinschaft, ABl . Nr. C 36 v. 5. 2. 1997, 4. 110 Vertrag über eine Verfassung für Europa v. 29. 10. 2004, ABl . Nr. C 310 v. 16. 12. 2004, 1. 111 Wegen einer Analyse der kulturbezogenen Verfassungsvertragsbestimmungen vgl. T. v. Danwitz Die Kultur in der Verfassungsordnung der Europäischen Union, in: NJW 2005, 529, 530 ff., aus dessen Sicht die „kulturelle Dimension der europäischen Integration … viel zu lange vernachlässigt“ wurde (S. 536). 112 Vgl. dazu Jean Monnet Mémoires Paris 1976, insbes. 341–434. 113 Der kulturzentrierten Integrationsansatz konkurrierte von Anfang an mit dem funktionalistischen Ansatz, vgl. dazu D. de Rougemont Lettre ouverte aux Européens, Paris 1970, S. 17 ff. Selbst Robert Schuman nach dem der Plan zur Gründung der (funktionalistisch konzipierten) Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl benannt ist, schrieb später in seiner programmatischen Schrift „Pour l’Europe“ (1963), dt. Ausgabe: Für Europa, 1963, S. 47: „Europa muss, ehe es zur militärischen Allianz oder zum wirtschaftlichen Bündnis wird, vor allem eine kulturelle Gemeinschaft im höchsten Sinne des Wortes bilden.“

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Entstaatlichung kulturbezogener Infrastruktur

Globalisierung und Europäisierung gehen mit Entstaatlichungstendenzen einher, die durch eine Öffnung der Märkte und wettbewerbsrechtlich induzierte Privatisierungen bisher staatlicher Dienstleistungen bewirkt wird.114 Nach dem Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS )115 zählen auch die Bildungsdienstleistungen (educational services) von der Grundschul- bis zur Erwachsenenbildung zu den Dienstleistungen, für die die Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation (WTO ) und die Europäische Union als Vertragspartner grundsätzlich freien Marktzugang und Inländergleichbehandlung garantiert haben.116 Auch wenn das GATS entgegen manchen Befürchtungen die Staaten nicht dazu verpflichtet, das gesamte Bildungswesen zu privatisieren,117 so engt es doch die Bewegungsspielräume der Staaten und ihre Steuerung der privaten Bildungsangebote erheblich ein. Die „Entstehung internationaler Bildungsmärkte“118 ist ein Phänomen, das auch auf die staatlichen Bildungssysteme nachhaltigen Einfluss ausüben wird. Hier besteht auch ein höherer Grad an Liberalisierung als im Bereich der Kulturgüter, für die nicht nur durch spezielle völkerrechtliche Abkommen zum Kulturgüterschutz, sondern auch im europäischen Gemeinschaftsrecht119 und im Welthandelsrecht120 Schutzbestimmungen getroffen wurden. Die Dienstleistungsfreiheit im Welthandelsrecht wie im Gemeinschaftsrecht erstrecken sich grundsätzlich auch auf die telekommunikativen und audiovisuellen Medien121 sowie den Zugang zu kulturellen Einrichtungen. Daher hat 114 Für die Europäische Union vgl. J. Ennuschat Europäische Impulse zur Entstaatlichung des Bildungswesens, in: Wissenschaftsrecht Bd. 36 (2003), 186–203. 115 Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services – GATS ) v. 15. 4. 1994, BGBl . 1994 II , 1643. 116 Vgl. M. Michaelis Dienstleistungshandel, in: M. Hilf/S. Oeter (Hrsg.) WTO -Recht. Rechtsordnung des Welthandels, 2005, § 22, 375, 386 (Rn. 26). 117 Von dem Welthandelsregime sind diejenigen Dienstleistungen ausgenommen, „die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden“, Art. I Abs. 3 lit b GATS . 118 C. Scherrer Bildung als Handelsware? Die neue GATS -Verhandlungsrunde, RdJB 2003, 86, 91. 119 Vgl. die Verordnung ( EWG ) Nr. 3911/92 des Rates vom 9. 12. 1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern, ABl . Nr. L 395 v. 31. 12. 1992, 1. 120 Vgl. Art. XX lit. f des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT 1947) v. 30. 10. 1947 ( BGBl . 1951 II , 173). 121 Die EWG -Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ vom 3. Oktober 1989 (Richtlinie 89/552/ EWG , ABl . L 298 vom 17. 10. 1989, 23; neugefasst durch die Richtlinie 97/36/ EG des Parlaments und des Rates vom 30. 6. 1997, ABl . L 202 vom 30. 7. 1997) verpflichtet die Mitgliedstaaten, den freien Empfang von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet gemäß den Binnenmarktprinzipien zu

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der Europäische Gerichtshof kostenlose Museumsbesuche, die ein Mitgliedstaat ausschließlich seinen Staatsangehörigen in Erfüllung eines Verfassungsauftrags gewährt hatte, für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt.122 2.

Strategien zur Wahrung der kulturellen Identität

Die skizzierte Entwicklung führt zunächst zu der Feststellung, dass Globalisierung und Europäisierung die individuellen Wahl- und Entfaltungsmöglichkeiten potenziert. Den freiheitlichen Verfassungsstaaten ist es seit dem Zweiten Weltkrieg zudem in beispielloser Weise gelungen, die gemeinsamen Grundlagen ihrer Verfassungskultur: Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, im regionalen Völkerrecht und durch Verbindung mit humanistischen Werten anderer Kulturen weitgehend auch im universellen Völkerrecht zu verankern,123 sodass auch die internationale Kulturpolitik dem Ziel kultureller Selbstbestimmung des Einzelnen verpflichtet ist. Die bestehenden kulturellen Grenzen einer Universalisierung dieses Prinzips liegen freilich auf der Hand. An Regimen, die sich – wie derzeit vor allem in der islamischen Welt zu beobachten – auf einen religiös-politischen Fundamentalismus stützen, werden sie besonders deutlich. Doch auch unter der Ägide eines verfassungsstaatlich geprägten völkerrechtlichen Leitbildes werfen die beschriebenen Transkulturationsprozesse124 spezifische Integrations- und Legitimationsprobleme auf.125 Zum einen ist die Entwicklung durch Intransparenz und Anonymität geprägt. Angesichts der Vielzahl der beteiligten Staaten wird die Steuerung der internationalen Kulturpolitik durch die nationalen Regierungen, wie etwa im Bologna-Verbund, kaum als demokratischer Prozess wahrgenommen,126 zumal parlamentarische oder öffentliche Debatten vor der

gewährleisten. Bereits vor der letzten Erweiterung der EU wurden in den damals 15 Mitgliedstaaten 843 Fernseh- und 1 424 Rundfunkanstalten, darunter die Mehrzahl in privater Hand, ermittelt, vgl. die schriftliche Anfrage P 0523/02 vom 19. 2. 2002 an die Kommission, ABl . C 205 E/160. 122 EuGH , Urteil v. 15. 3. 1994, Rs. C-45/93 (Kommission/Spanien), Slg. 1994, I-911; entsprechend das Urteil v. 16. 1. 2003, Rs. C-388/01 (Patakia/Italien), Slg. 2003, I-721. 123 Vgl. Tomuschat Der Verfassungsstaat im Geflecht der internationalen Beziehungen (Fn. 76), 50 ff. 124 Zum Begriff oben Fn. 89. 125 Vgl. dazu S. Korioth Europäische und nationale Identität: Integration durch Verfassungsrecht?, in: VVDStRL 62 (2003), 117, 135 ff. 126 Dies gilt beispielsweise auch für den Bologna-Prozess (oben Fn. 106). Die Sorbonne-Erklärung vom 25. 5. 1998 war von deutscher Seite vom damaligen Minister für

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Beschlussfassung über teilweise weitreichende Maßnahmen die Ausnahme bleiben.127 Zum anderen können Internationalisierung und Ökonomisierung der Kultur zum Verlust kultureller Orientierung und damit zu einer Gefährdung gesellschaftlicher Integration führen.128 Zur Wahrung der nationalen kulturellen Identität und zur Rückgewinnung nationaler kulturpolitischer Gestaltungsspielräume verfolgen die Staaten im wesentlichen drei Strategien. a)

Pflege des kulturellen Erbes

Die erste Strategie zielt auf einen effektiven Schutz des kulturellen Erbes der Völker. Den nationalen Kulturgüterschutz suchen die Staaten im Wege der internationalen Zusammenarbeit abzusichern. Parallel zum Prozess einer internationalen Öffnung der Staaten hat sich der Kulturgüterschutz von den ersten Ansätzen im Kriegsvölkerrecht129 zu einem umfassenden Teilgebiet des Völkerrechts und einer Querschnittsmaterie entwickelt. Dabei lässt sich seit längerem eine ideelle Appropriation des kulturellen Erbes der Völker durch die internationale Gemeinschaft beobachten. Zentral ist dabei die Leitidee des „gemeinsamen kulturellen Erbes der Menschheit“. Zum ersten Mal in der Haager Konvention von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten in einem völkerrechtlichen Vertrag angesprochen,130 wird sie in dem ebenfalls im Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie unterzeichnet worden, die Erklärung vom 19. 6. 1999, an der sich zunächst 29 (mittlerweile über 40) europäische Staaten beteiligten, vom Parlamentarischen Staatssekretär des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie vom schleswig-holsteinischen Minister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur als Vertreter der deutschen Länder. 127 Allgemein zur Entparlamentarisierung grundlegender Entscheidungen durch „fortschreitende Internationalisierung von Politik“ T. Puhl Entparlamentarisierung und Auslagerung staatlicher Entscheidungsverantwortung, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.) Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 3, 3. Aufl., 2005, § 48, 639, 641 ff. 128 Zur „Plausibilität“ einer solchen Annahme vgl. A. v. Bogdandy Europäische Verfassung und europäische Identität, in: JZ 2004, 53. 129 Dazu J. Berndt Internationaler Kulturgüterschutz, 1998, 7–39; K. Odendahl Kulturgüterschutz, 2005, 107 ff. 130 BGBl . 1967 II , 1235; in der Präambel heißt es: „Being convinced that damage to cultural property belonging to any people whatsoever means damage to the cultural heritage of all mankind, since each people makes its contribution to the culture of the world …“. Eine erhebliche Verstärkung des Kulturgüterschutzes in bewaffneten Konflikten bedeutet Art. 8 Abs. 2 lit. b des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs v. 17. 7. 1998, BGBl . 2000 II , 1394, der Angriffe auf bestimmte Kulturgüter in internationalen bewaffneten Konflikten als Kriegsverbrechen unter Strafe stellt, und wird ferner vom Zweiten Protokoll zur Haager Konvention v. 26. 3. 1999 (International Legal Materials Bd. 38, 1999, 769) erwartet. Vgl. R. Pienkny Der Schutz von Kulturgü-

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Rahmen der UNESCO ausgearbeiteten Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt131 praktisch erfahrbar. Auf der Grundlage dieses von 180 Staaten ratifizierten Vertrages132 erhebt ein zwischenstaatliches Komitee in Abstimmung mit dem jeweiligen Vertragsstaat ausgewählte Kulturgüter zum besonders zu schützenden „Weltkulturerbe“.133 Die Reaktion der Weltöffentlichkeit auf die Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamiyan durch die afghanischen Taliban, aber auch auf die Vernichtung von nicht in den Sonderstatus erhobenen Kulturgütern etwa im Zusammenhang mit den letzten Irak-Kriegen134 ist ein Indiz für die zunehmende universelle Wahrnehmung von Kultur. b)

Schutz der kulturellen Vielfalt und „exception culturelle“

Eine zweite Strategie ergänzt den Schutz des kulturellen Erbes durch das Leitprinzip der kulturellen Vielfalt. In das EG -Primärrecht hat dieses Prinzip bereits mit dem Maastrichter Vertrag Eingang gefunden.135 Auf Weltebene soll die im Rahmen der UNESCO verabschiedete Universelle Erklärung über die kulturelle Vielfalt wegweisend sein.136 Kurz nach dem terroristischen Anschlag auf das New Yorker World Trade

tern bei bewaffneten Konflikten im Lichte jüngster völkerrechtlicher Entwicklungen, in: Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften 2003, 27–34. 131 Übereinkommen vom 16. 11. 1972; BGBl . 1977 II , 215. Auf europäischer Ebene, wo bereits die Satzung des Europarats von 1949 auf das gemeinsame Erbe der europäischen Völker Bezug genommen hatte, wurde durch das Europäische Kulturabkommen von 1954 ein regionales Schutzregime für das kulturelle Erbe Europas errichtet. Art. 1 des Europäischen Kulturabkommens vom 19. 12. 1954 ( BGBl . 1955 II , 1128) lautet: „Jede Vertragspartei trifft geeignete Maßnahmen zum Schutz und zur Mehrung ihres Beitrags zum gemeinsamen kulturellen Erbe Europas.“ 132 Aktueller Ratifikationsstand im Internet unter „http://whc.unesco.org/en/statesparties/“ abzufragen. 133 Ein ähnliches Verfahren ist auch in der UNESCO -Konvention „for the Safeguarding of the Intangible Cultural Heritage“ vom 17. 10. 2003, MISC /2003/ CLT / CH /14, vorgesehen, die dem Schutz mündlicher Überlieferung und Ausdrucksweisen, Sitten und Gebräuchen und handwerklichen Traditionen dienen soll (Art. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 2) 134 Vgl. nur aus Sicht der Europäischen Union die Erklärung des Rates vom 26. 5. 2003 „zur tragischen Zerstörung von Kulturgütern, archäologischen Stätten, Denkmälern und Bibliotheken in Irak“, ABl . Nr. C 136 v. 11. 6. 2003, 2. 135 Art. 128 EG -Vertrag i. d. F. des Vertrags von Maastricht, BGBl . 1992 II , 1256, seit dem Vertrag von Amsterdam ( BGBl . 1998 II , 387) Art. 151. Durch den Amsterdamer Vertrag wurde zudem die sog. „Kulturverträglichkeitsklausel“ (Art. 151 Abs. 4) eingefügt, vgl. oben Fn. 109. 136 Auf europäischer Ebene hatte das Ministerkomitee des Europarats bereits am 7. 12. 2000 eine Erklärung zur kulturellen Vielfalt verabschiedet, CDMM (2000) 44.

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Center verabschiedet,137 zielt sie auf den interkulturellen Dialog als zentrales Instrument der Friedenssicherung. Mittlerweile liegt der Entwurf einer Konvention über den Schutz der Vielfalt der kulturellen Inhalte und künstlerischen Ausdrucksformen vor,138 der deutlicher noch als die Erklärung zugleich das Prinzip der „exception culturelle“ verankert. Hierfür hatte sich nachdrücklich Frankreich eingesetzt, wo unter diesem Leitbegriff namentlich im Bereich der Sprach- und Medienpolitik ein ausgeprägter Protektionismus praktiziert wird.139 Kulturelle Güter und Dienstleistungen, so heißt es im Konventionsentwurf, seien sowohl ökonomischer als auch kultureller Natur. Im Hinblick darauf, dass sie Identitäten, Werte und geistige Inhalte vermittelten, dürften sie nicht wie gewöhnliche Waren oder Konsumgüter behandelt werden.140 Schwieriger wird es sein, die UNESCO -Prinzipien im Rahmen der Welthandelsorganisation über die bestehenden Vorbehalte141 hinaus zur Geltung zu bringen.142 Hiermit ist freilich das allgemeine Problem des geltenden 137 Text der Erklärung vom 2. 11. 2001 in der UNESCO -Publikation „Déclaration universelle de l’UNESCO sur la diversité culturelle“, Paris 2002, und entsprechenden Ausgaben in anderen Sprachen. 138 Preliminary Draft Convention of the Protection of the Diversity of Culturelle Contents and Artistics Impressions, Text revised by the Drafting Commitee 14.–17. December 2004, UNESCO Dok. CLT / CPD /2000/ CONF 607/6 vom 23. 12. 2004. 139 Sinnfällig wird diese Politik an der (nach dem seinerzeit zuständigen Minister) sogenannten „Loi Tubon“, Gesetz Nr. 94–665 v. 4. 8. 1994, „relative à l’emploi de la langue française“, Journal Officiel (J. O.) v. 5. 8. 1994, geändert durch Gesetz Nr. 96–597 v. 2. 7. 1996, J. O. v. 4. 7. 1996; dazu als Ausführungsverordnung das Dekret Nr. 95–240 vom 3. 3. 1995 „pour l’application de la loi relative à l’emploi de la langue française“, J. O. v. 5. 3. 1995, geändert durch Dekret Nr. 98–563 v. 1. 7. 1998, J. O. v. 8. 7. 1998, und von den Verwaltunsgvorschriften insbes. der Circulaire v. 19. 3. 1996 „concernant l’application de la loi no. 94–665 vom 4. 8. 1994 relative à l’emploi de la langue française“. Das Gesetz verpflichtet, gestützt auf die im Jahr 1992 eingefügte Sprachenklausel der Verfassung (Art. 2 Abs. 1) u. a. Schulen und Universitäten zum Unterricht in französischer Sprache, mit Ausnahme des Fremdsprachenunterrichts, sieht den Gebrauch der französischen Sprache etwa auch für wissenschaftliche Kongresse vor, wobei fremdsprachliche Beiträge dann erlaubt sein sollen, wenn mindestens eine schriftliche Inhaltsangabe in französischer Sprache zur Verfügung gestellt wird. Art. 28 Abs. 2 Ziff. 2 bis des Gesetzes Nr. 86–1067 vom 30. 9. 1986 „relative á la liberté de communication – loi Léotard“, J. O. v. 1. 10. 1986, zuletzt geändert durch Gesetz Nr. 2005–102 v. 11. 2. 2005, J. O. v. 12. 2. 2005, schreibt zudem für im Rundfunk ausgestrahlte Musikstücke mit Gesang eine Mindestquote von 40 Prozent in französischer Sprache vor, darunter mindestens die Hälfte von „neuen Talenten oder neuen Produktionen“, und dies während der Hauptsendezeiten. 140 Art. 10 des Konventionsentwurfs (Fn. 138). 141 Vgl. oben Fn. 117. 142 Zum Diskussionsstand in der WTO F. Theume WTO und Kultur, in: M. Hilf/ S. Oeter (Hrsg.) WTO -Recht. Rechtsordnung des Welthandels, 2005, § 35, 665 ff.

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Völkerrechts angesprochen, die sektoriell gewachsenen Völkerrechtsregime bei unterschiedlichen Ratifikationsständen in eine kohärente übergreifende Völkerrechtsordnung zu transformieren. c)

Mobilisierung der subnationalen Ebenen

Die dritte Strategie oder Reaktionsweise auf Globalisierung und Europäisierung kann in der Mobilisierung der subnationalen Ebene, d. h. der Regionen und Kommunen, für den Schutz und die Entfaltung der Kultur gesehen werden. So wie in der kommunalen Selbstverwaltung seit langem ein Kernelement des demokratischen Staatsaufbaus gesehen wird,143 ist den Kommunen und Regionen eine Schlüsselfunktion für die Ausbildung kultureller Identität zuzuschreiben. Das Phänomen, dass die Globalisierung nicht die örtlichen Bindungen auflöst, sondern im Gegenteil eine Kommunalisierung fördert, hat die Soziologie mit dem Kunstwort „Glokalisierung“ gekennzeichnet.144 Die ausdrückliche Erstreckung des Subsidiaritätsprinzips auf die regionale und die lokale Ebene im europäischen Verfassungsvertrag145 darf ebenso als Ausdruck dieser Erkenntnis gewertet werden wie die in den letzten Jahren zu beobachtenden starken Dezentralisierungsschübe in bislang unitarischen Staaten. Dies gilt für die Devolution im Vereinigten Königreich146 und mehr noch für die in den Jahren 2003 und 2004 realisierte große Reform zur Stärkung der Gebietskörperschaften (collectivités territoriales) in Frankreich,147 wo im Hinblick auf die Kompetenzübertragungen 143 Vgl. nur Carl J. Friedrich Der Verfassungsstaat der Neuzeit, 1953, 272 ff. Dieser Gedanke kommt z. B. auch in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung vom 15. 10. 1985, BGBl . 1987 II , 66, zum Ausdruck. 144 R. Robertson Glocalization: Time-Space and Heterogeneity-Homogeneity, in: M. Featherstone/S. Lash/R. Robertson (Hrsg.) Global Modernities, London 1995, 25–44. Wegen einer Rezeption im deutschen Schrifttum vgl. U. Beck Was ist Globalisierung?, 1997, 88 ff. 145 Art. I-11 Abs. 3 des Vertrags (Fn. 110). 146 Zur Devolution in England vgl. nur den Government of Wales Act 1998 (1998 Chapter 38), den Scotland Act 1998 (1998 Chapter 46), den Northern Ireland Act 1998 (1998 Chapter 47) und den Greater London Authority Act 1999 (1999 Chapter 29) sowie aus dem Schrifttum Dawn Oliver Constitutional Reform in the United Kingdom, Oxford 2003, 258–294. 147 Durch Verfassungsgesetz vom 28. 3. 2003 (Loi Constitutionnelle no. 2003–276, J. O. no. 75 vom 29. 3. 2003, 5568) wurde in der Verfassung von 1958 der Titel über die Gebietskörperschaften grundlegend neugefasst; auf dieser Grundlage ergingen in der Folge die Loi organique no. 2003–705 v. 1. 8. 2003 „relative au référendum local“, J. O. no. 177 vom 2. 8. 2003, 13218; Loi organique no. 2004–758 v. 29. 7. 2004 „prise en application de l’article 72–2 de la Constitution relative à l’autonomie financière des collectivités territoriales“, J. O. no. 175 vom 30. 7. 2004, 13561; Loi no. 2004–809 v. 13. 8.

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von einer „kulturellen Dezentralisierung“ gesprochen wird148 und auch neue Formen einer institutionalisierten Kooperation zwischen dem Staat und den Gebietskörperschaften auf dem Gebiet der Kultur eröffnet wurden.149

IV. Die Zukunftsfähigkeit des deutschen Kulturföderalismus 1.

Förderung kultureller Vielfalt durch föderale Aufgabenverteilung

Betrachtet man vor diesem Hintergrund die Lage des deutschen Verfassungsstaates, so ist zunächst festzustellen, dass die föderale Ordnung, basierend auf der sog. Kulturhoheit der Länder150 und einer verfassungsrechtlich abgesicherten kommunalen Selbstverwaltung,151 die Bewahrung und Entwicklung lokaler und regionaler kultureller Identitäten fördert152 und einen geeigneten Rahmen für die Entfaltung kultureller Vielfalt bietet.153 Der kulturelle Trägerpluralismus wird durch eine Vielzahl privater Akteure verstärkt, mit denen die verschiedenen öffentlichen Träger kooperieren.154 So steht der deutsche Föderalismus ungeachtet aller Unitarisierungstendenzen kulturfunktional betrachtet dort, wohin immer mehr Staaten streben.155

2004 „relative aux libertés et responsabilités locales“, J. O. no. 190 vom 17. 8. 2004, 14545. 148 Vgl. dazu J.-M. Pontier La décentralisation culturelle et la loi du 13 août 2004, in: Revue française de droit administratif 21 (2005), 697–713. Wegen einer kritischen Bewertung der Reformen von 1982/83 vgl. G. Saez Vers la fin de l’Etat culturel?, in: Revue francaise d’administration publique 1993, Nr. 65, 63–72. 149 Bereits durch Loi no. 2002–6 v. 4. 1. 2002 „relative à la création d’Etablissements publics de coopération culturelle“, J. O. no. 4 vom 5. 1. 2002. 150 BVerfGE 6, 309, 346 f., 353 f.; 37, 313, 322; 106, 62, 132; 108, 1, 14. 151 Aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung folgt eine „Ermächtigung der Gemeinden zur Selbstdefinition ihres Kulturauftrags“, so U. Steiner Der gemeindliche Kulturauftrag, in: der Städtetag 1986, 512, 513; vgl. auch O. Scheytt Kommunales Kulturrecht, 2005, 37 ff. (Rn. 99 ff.). Zur kommunalen Selbstverwaltung als „Element grundrechtskonformer Kulturorganisation“ F. Hufen Kulturauftrag als Selbstverwaltungsgarantie, in: NVwZ 1983, 516, 520 ff. 152 Vgl. auch W. Graf Vitzthum Der Föderalismus in der europäischen und internationalen Einbindung der Staaten, in: AöR Bd. 115 (1990), 281, 303 f. 153 Vgl. auch F. Hufen Gegenwartsfragen des Kulturföderalismus, BayVBl . 1985, 1, 6 (l. Sp.). 154 Vgl. Scheytt (Fn. 151), 35 ff. (Rn. 95 ff.). 155 In der „kulturellen Dezentralisation“ erblickt P. Häberle Europäische Verfassungslehre, 3. Aufl., 2005, 511 ff., „ein Stück europäischen Kulturverfassungsrechts ‚im Werden‘“.

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Einen Indikator für die tatsächliche aktuelle Gewichtsverteilung der drei Verwaltungsebenen Bund, Länder und Gemeinden in der Kulturpolitik liefern die Haushaltsdaten. Während im Bildungsbereich die Länder den Löwenanteil der Ausgaben tragen156 und der Bund nur im Bereich von Wissenschaft und Forschung erhebliche Anteile übernimmt,157 unterstreicht die Ausgabenverteilung im Übrigen die wichtige Rolle der Kommunen bei den „kulturellen Angelegenheiten“. Die Kommunen, d. h. die Gemeinden und Gemeindeverbände, tragen rund 50 % der Ausgaben, die Länder 46 % und der Bund 4 %.158 Die kulturellen Aufgaben der Kommunen, die Kern ihres eigenverantwortlichen Wirkungskreises sind159 und nur in ordnungsrechtlich geprägten Bereichen, wie etwa dem Denkmalschutz, zu ihrem übertragenen Wirkungskreis gehören, fördern und prägen maßgeblich das Kulturleben der Bürger und pflegen die örtliche Erinnerungskultur, für Einwohner wie Besucher.160 Die übergreifende Kulturpflege im Bereich des Denkmalschut-

156 Im Jahr 2001 beliefen sich die Ausgaben für Schulen und vorschulische Bildung beim Bund auf 90 Mio. Euro (0,16 % der Gesamtausgaben der öffentlichen Haushalte für diesen Bereich), bei den Ländern auf 41 218 Mio. Euro (71,14 %) und bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden auf 16 632 Mio. Euro (28,70 %); Zahlen entnommen und errechnet aus: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2004, 664 f. 157 Die Ausgaben für die Hochschulen betrugen im Jahr 2001 auf Bundesebene 2081 Mio. Euro (10,66 % der Gesamtausgaben der öffentlichen Haushalte für die Hochschulen) und auf Länderebene 17 436 (89, 34 %). Für die Ausgaben im Bereich der außeruniversitären Wissenschaft und Forschung sind für den Bund im selben Jahr 6695 Mio. Euro (69,77 %), für die Länder 2703 Mio. Euro (28,17 %) und für die Kommunen 198 Mio. Euro (2,06 %) ausgewiesen. Zahlen entnommen und errechnet aus: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2004, 664 f. 158 Die Ausgaben für „kulturelle Angelegenheiten“ sind im Einzelnen wie folgt zuzuordnen: Bund 357 Mio. Euro (4,36 % der Gesamtausgaben der öffentlichen Haushalte für diese Angelegenheiten), Länder 3784 Mio. Euro (46,76 %), Kommunen 3996 Mio. Euro (48,76 %) und Zweckverbände 59 Mio. Euro (0,72 %). Zahlen entnommen und errechnet aus: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2004, 664 f. 159 Die Kulturarbeit der Kommunen wird dabei im Hinblick auf allgemeine Aufträge des Landesverfassungs- und des Kommunalverfassungsrechts als überwiegend pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe qualifiziert, vgl. E. Pappermann Grundzüge eines kommunalen Kulturverfassungsrechts, in: DVBl . 1980, 701, 704 ff.; im Ergebnis auch Scheytt (Fn. 151), 42 ff. (Rn. 114 ff.). 160 Die Sicherung der Leistungsfähigkeit der Kommunen im Bereich ihrer Selbstverwaltungsaufgaben ist daher vor allem für die Ermöglichung einer eigenverantwortlichen Kulturpflege von zentraler Bedeutung, vgl. Hufen, Gegenwartsfragen (Fn. 153), 2. Dieser Aspekt darf bei einer Föderalismusreform nicht ausgeklammert werden, vgl. dazu K.-P. Sommermann Kommunen und Föderalismusreform, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch I/2005 (erscheint 2006).

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zes, der Museen, der Bibliotheken und der Kunstförderung einschließlich der Musikpflege obliegt den Ländern. In der Liste der vom Bund mit kulturpolitischer Zielsetzung geförderten Einrichtungen finden sich 163 Einträge, darunter so unterschiedliche Einrichtungen wie der Adalbert Stifter Verein, die Deutsche Welle, die Filmförderungsanstalt, die Gedenkstätte Deutscher Widerstand und das Schlesische Museum zu Görlitz.161 Überwiegend handelt es sich freilich um Kofinanzierungen mit den Ländern, Kommunen oder privaten Trägern. Die Zuständigkeit des Bundes wird teils auf spezielle Kompetenztitel,162 teils auf eine Kompetenz „kraft Natur der Sache“ gestützt.163 Nicht immer erschließt sich dem Betrachter die Notwendigkeit einer Beteiligung des Bundes, zumal nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Begründung einer Zuständigkeit aus der Natur der Sache nicht die Feststellung einer überregionalen Bedeutung oder einer Überforderung der regionalen Finanzkraft genügen soll.164 Bei den zahlreichen vom Bund geförderten Einrichtungen in den neuen Ländern scheint sich die in Art. 35 des Einigungsvertrags165 als übergangsweise Förderung vorgesehene Mitfinanzierung166 zu perpetuieren. 2.

Kulturkompetenzen des Bundes im international offenen Verfassungsstaat

Die finanzielle Beteiligung des Bundes an der Kulturpflege und die seit einigen Jahren verstärkte eigenständige Wahrnehmung von Kulturaufgaben167 sind indes nur bedingt mit der „Anziehungskraft des größten Etats“168 oder bundespolitischem Expansionsstreben zu erklä161 Die Liste der vom Bund geförderten Einrichtungen ist im Internet zugänglich unter http://www.kulturportal-deutschland.de. 162 So auf Art. 32, 73 Ziff. 1 (Beispiel: Deutsche Welle), Art. 73 Nr. 9 i.V.m. 74 Abs. 1 Nr. 11 (Beispiel Filmförderung), Art. 91 b (Beispiel: das zoologische Museum König in Bonn) und Art. 135 Abs. 4 GG (Stiftung Preußischer Kulturbesitz). 163 Vgl. O. Singer Kulturpolitik und Parlament. Kulturpolitische Debatten in der Bundesrepublik Deutschland seit 1945 (Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages), 2003, 7. 164 BVerfGE 12, 205, 251 f. 165 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. 8. 1990 ( BGBl . 1990 II , 889). 166 Vgl. dazu M. Kilian Die Erhaltung der kulturellen Substanz der neuen Bundesländer in Art. 35 II EinigungsV, in: LKV 1992, 241–247. 167 Dazu eingehend Singer (Fn. 163), 35 ff. 168 J. Popitz Der Finanzausgleich, in: W. Gerloff/F. Meisel (Hrsg.) Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 2, 1927, 338, 348 f.

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ren.169 Das gestiegene Engagement des Bundes ist zu einem wesentlichen Teil notwendige Konsequenz der starken Internationalisierung der Kulturpolitik. Verantwortliche internationale Mitgestaltung setzt ein Mindestmaß gesamtstaatlicher Willensbildung und Gestaltung der Kulturpolitik voraus. Das Grundgesetz hat dem Bund dafür auch Kompetenzen verliehen. Neben den Spezialzuständigkeiten etwa im Bereich des Kulturgüterschutzes,170 des Hochschulwesens,171 des Urheber- und Verlagsrechts172 und der Gemeinschaftsaufgaben173 kommt den Kompetenzen des Bundes für auswärtige Angelegenheiten174 besondere Bedeutung zu. Diese definieren sich durch ihre Zugehörigkeit oder Nähe zu den völkerrechtlichen Beziehungen der Bundesrepublik.175 Danach besitzt der Bund erstens die Zuständigkeit für die im Ausland im gesamtstaatlichen Interesse wirkenden Einrichtungen wie Auslandsschulen, Auslandsrundfunk und namentlich das Goethe-Institut,176 zu dem die großen europäischen Staaten analoge Einrichtungen unterhal-

169 Finanzverfassungsrechtliche Einbruchstellen für einen prinzipiell expansionsverdächtigen Bund glaubten bereits Mitglieder des Parlamentarischen Rates namentlich mit Blick auf eine Gefährdung der Kulturhoheit der Länder identifizieren zu können. Vgl. den Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Schwalber (CSU ) in der 10. Sitzung des Plenums am 8. 5. 1948, abgedruckt in: Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 9, 1996, 615. 170 Art. 75 Abs. 1 Ziff. 6 GG . Nach dem Vorschlag der Vorsitzenden der 2003/2004 tagenden sog. Föderalismuskommission, Müntefering und Stoiber, sollte die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland von der Rahmenkompetenz in eine ausschließliche Kompetenz des Bundes überführt werden; vgl. den Vorentwurf vom 13. 12. 2004, Arbeitsunterlage 0104 – neu – der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung. 171 Art. 75 Abs. 1a GG . 172 Art. 73 Ziff. 9 GG . 173 Insbes. Art. 91b GG . 174 Insbes. Art. 32 Abs. 1, 73 Ziff. 1, 87 Abs. 1 GG . 175 Vgl. BVerfGE 33, 52, 60 (zu Art. 73 Nr. 1 GG ): „Auswärtige Angelegenheiten im Sinne dieser Grundgesetzvorschrift sind nur Beziehungen, die sich aus der Stellung der Bundesrepublik als Völkerrechtssubjekt zu anderen Staaten ergeben.“ 176 Knapper Überblick über den aktuellen Stand im Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik 2003, 2004. Zur Entstehungsgeschichte des als Nachfolger der „Akademie zur wissenschaftlichen Erforschung und Pflege des Deutschtums/Deutsche Akademie“ im Jahre 1932 gegründeten Goethe-Instituts näher Eckard Michels Von der Deutschen Akademie zum Goethe-Institut. Sprach- und auswärtige Kulturpolitik 1923–1960, 2005; vgl. auch K. Wieland Das Goethe-Institut Paris: Möglichkeiten und Ziele der Vermittlung deutscher Sprache und Kultur in Frankreich, 2001.

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ten177.178 Bei einer Auslegung der Kompetenzbestimmungen im Lichte der „Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit“179 werden zweitens aber auch solche im Inland tätigen Kultureinrichtungen erfasst, die im Schwerpunkt dem internationalen Kulturaustausch oder der gesamtstaatlichen Repräsentation nach außen dienen. Die Errichtung der – mittlerweile wieder als einsparungsfähiger Finanzierungsposten entdeckten – Kulturstiftung des Bundes im Jahre 2002180 lässt sich im Hinblick auf ihre Zielsetzung181 nach den genannten Kriterien rechtfertigen,182 die Errichtung der Aka-

177 Aufgaben der auswärtigen Sprach-, Bildungs- und Kulturpolitik nehmen wahr: für Frankreich, das eine besonders aktive auswärtige Kulturpolitik betreibt, die Centres culturels et instituts français sowie die Alliances françaises, vgl. dazu Ministère des affaires étrangères (Hrsg.), La coopération internationale française, Paris 2005, 49 ff.; für Großbritannien die Einrichtungen des 1934 gegründeten British Council, Internetinformation unter http://www.britishcouncil.org; für Italien die Niederlassungen der 1889 gegründeten Società Dante Alighieri, zu ihrer Geschichte B. Pisa, Nazione e politica nella Società „Dante Alighieri“, Roma 1995, u. P. Salvetti, Immagine nazionale ed emigrazione nella Società „Dante Alighieri“, Roma 1995; für Spanien die Zentren des durch Gesetz 7/1991 vom 21. 3. 1991 (Boletín Oficial del Estado v. 22. 3. 1991) gegründeten Instituto Cervantes, vgl. dazu Instituto Cervantes (Hrsg.), Memoria del Instituto Cervantes 2003/2004, Madrid 2005; für Portugal die Zentren des 1992 gegründeten Instituto Camões, dessen Aufgaben im Decreto-Lei Nr. 170/97 vom 5. 7. 1997 (Diário da República I Série-A Nr. 153 v. 5. 7. 1997), zuletzt geändert durch Decreto-Lei 19/2000 (Diário da República I Série-A Nr. 51 v. 1. 3. 2000), niedergelegt sind. 178 Vgl. M. Heintzen in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.) Das Bonner Grundgesetz, Bd. 2, 2000, Art. 73 Nr. 1, Rn. 9. Zur Kooperation des Bundes mit den Ländern beim Abschluss von Kulturabkommen nach den Regeln des Lindauer Abkommens v. 14. 11. 1957 (Bull. des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung 1957, 1966) vgl. nur I. Pernice in: H. Dreier (Hrsg.) Grundgesetz. Kommentar, Bd. 2, 1998, Art. 32 Rn. 43 (Abdruck des Lindauer Abkommens auch ebd., Rn. 48). 179 K. Vogel Die Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit, 1964; vgl. zu dieser Auslegungsdirektive des Grundgesetzes auch C. Tomuschat Die staatsrechtliche Entscheidung für die internationale Offenheit, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.) Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VII , 1992, § 172, 483, 484 ff. (Rn. 1 ff.). 180 Zu ihr A. Klein Kulturpolitik, 2003, 120 ff. Die – bislang nicht gelungene – Fusion der Stiftung mit der vom Bund mitfinanzierten Kulturstiftung der Länder wäre im Hinblick auf eine koordinierte Wahrnehmung der Aufgaben wünschenswert, vgl. auch U. Steiner Kulturauftrag im Grundgesetz – verfassungsrechtliche Aspekte. Vortrag beim 7. Berliner Forum für Kultur- und Medienmanagement am 10. 6. 2005. 181 Die Kulturstiftung des Bundes fördert nach ihrer Satzung (im Internet abrufbar unter www.kulturstiftung-bund.de) im Schwerpunkt Programme und Projekte im internationalen Kontext. 182 R. Zippelius/T. Würtenberger Deutsches Staatsrecht, 31. Aufl., 2005, § 36 II (311), sehen eine Zuständigkeit „kraft Natur der Sache“.

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demie der Künste in diesem Jahr183 allenfalls durch eine Kompetenz kraft Natur der Sache184; dass ihr Wirken auch eine „internationale Wirkung“ entfalten soll,185 rechtfertigt die Zurechnung zu den auswärtigen Angelegenheiten noch nicht. Die Kulturkompetenzen des Bundes erlaubten im übrigen auch die Errichtung eines kompetenzbündelnden Bundeskulturministeriums oder die Eingliederung der Kompetenzen in ein Bundesministerium für Bildung, Kultur und Forschung. Im Unterschied zu dem im Jahre 1998 geschaffenen Regierungsbeauftragten für Angelegenheiten der Kultur und der Medien,186 der als unmittelbar dem Bundeskanzler unterstehender Staatsminister gleichsam einen Geschäftsbereich außerhalb des Ministerkollegiums bildet, wäre diese Lösung im Hinblick auf das Prinzip der Ressortfreiheit des Amtes des Bundeskanzlers187 unbedenklich.188 Für die internationale Zusammenarbeit im Kulturbereich ist die Bundesrepublik Deutschland vor allem insoweit gut aufgestellt, als es um die Ausweitung der internationalen Beziehungen auf subnationaler Ebene geht.189 Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes ermöglicht den Ländern und Kommunen, lebendige auswärtige Kulturbeziehungen zu pflegen,190 ohne Zustimmung der Bundesregierung191 etwa im Rahmen von Städte- und Schulpartnerschaften192 sowie internationalen Kommunal- und Regionalkonferenzen.193 Auch hat man auf internationaler

Errichtungsgesetz vom 1. 5. 2005, BGBl . 2005 I, 1218. Zu ihren Voraussetzungen: BVerfGE 12, 205 (251). Kritisch zur extensiven Nutzung dieses Rechtsinstituts durch den Bund Hufen Gegenwartsfragen (Fn. 153), 37 ff. 185 Vgl. § 2 des Errichtungsgesetzes (Fn. 183). 186 Organisationserlass v. 27. 10. 1998, BGBl . 1998 I, 3288. 187 Vgl. dazu G. Hermes in: H. Dreier (Hrsg.) Grundgesetz. Kommentar, Bd. 2, 1998, Art. 62 Rn. 16; M. Oldiges in: M. Sachs (Hrsg.) Grundgesetz. Kommentar, 3. Aufl., 2003, Art. 62 Rn. 40. 188 Zutreffend erhebt A. Hense Bundeskulturpolitik als verfassungs- und verwaltungsrechtliches Problem, in: DVBl . 2000, 376, 381 ff., gegen die derzeitige organisationsrechtliche Lösung verfassungsrechtliche Einwände; Bedenken auch bei Oldiges (vorige Fn.), Rn. 40 a. 189 Zur „Dezentralisierung der staatlichen Außenpolitik“ bereits Tomuschat Der Verfassungsstaat im Geflecht der internationalen Beziehungen (Fn. 76), 23 ff. 190 Vgl. H. Dreier in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Bd. 2, 1998, Art. 28 Rn. 136 mwN. 191 Wegen dieses Erfordernisses vgl. Art. 32 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1a GG . 192 Vgl. dazu J. Sticker Kommunale Außenpolitik, 1975. 193 So beispielsweise unter dem Dach des im Jahr 1951 gegründeten Rates der Gemeinden und Regionen Europas (Council of European Municipalities and Regions) und im Rahmen des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas (von 1957 bis 1994: Ständige Konferenz der Gemeinden und Regionen Europas), dessen Stellung als Kon183 184

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Ebene immer wieder Wege gefunden, die Länder in die gesamtstaatliche Repräsentanz einzubeziehen.194 Doch bedarf es bei der Teilnahme an der Willensbildung in den internationalen Organisationen und in der Europäischen Union unbeschadet der innerstaatlichen Kooperationspflichten195 letztlich einer gebündelten Wahrnehmung der gesamtstaatlichen Interessen durch den Bund. Eine Föderalismusreform sollte auch die inhaltliche Handlungsfähigkeit des Bundes als kulturpolitischer Akteur im staatenübergreifenden Mehrebenensystem im Auge behalten. 3.

Der Schutz des kulturellen Erbes als Staatsziel

Mit der Kompetenzfrage verknüpft wird häufig die in den letzten drei Jahrzehnten zyklisch geführte Debatte über die Einfügung eines Staatsziels „Kultur“ in das Grundgesetz.196 Zuletzt befasste sich die vom Bundestag im Jahr 2003 eingesetzte197 22köpfige Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ mit dem Thema. In ihrem im Juni dieses Jahres vorgelegten Zwischenbericht empfahl sie einstimmig, das Grundgesetz um folgenden Art. 20 b zu ergänzen:198 „Der Staat schützt und fördert die Kultur.“ Dennoch ist eine entsprechende Verfassungsänderung noch nicht beschlossene Sache. Die mit einem Staatsziel „Kultur“ verbundenen verfassungspolitischen und verfassungsrechtlichen Fragen sind vielschichtig, wie die sultativorgan des Europarates durch die „Statutory Resolution (2000) 1 Relating to the Congress of Local and Regional Authorities of Europe“ festgelegt ist. 194 So firmiert beispielsweise in der beim Europarat geführten Liste der nationalen Kulturminister für Deutschland neben dem Auswärtigen Amt und dem Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien das Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland. 195 Vgl. auch Hense Bundeskulturpolitik (Fn. 188), 383 f. Zu den Nachteilen der komplexe Abgleichungsprozesse bedingenden vertikalen Politikverflechtung zwischen Bund und Ländern aus politikwissenschaftlicher Sicht: K.-S. Schulte Auswärtige Kulturpolitik im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, 2000, 111 f. 196 Vgl. insbes. den Bericht der von der Bundesregierung eingesetzten Sachverständigenkommission „Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge“, hrsg. vom Bundesminister des Innern und vom Bundesminister der Justiz, 1983; W. Wienholtz Arbeit, Kultur und Umwelt als Gegenstände verfassungsrechtlicher Staatszielbestimmungen, in: AöR 109 (1984), 532–554; M.-E. Geis Ergänzung des Grundgesetzes um eine „Kulturklausel“?, in: ZG 7 (1992), 38–50. Für die Einfügung einer Kulturstaatsklausel in Art. 28 GG war bereits früh Peter Häberle eingetreten, vgl. dens. Kulturverfassungsrecht im Bundesstaat, 1980, 59. 197 Auf der Grundlage eines von allen im Bundestag vertretenen Fraktionen gestellten Antrags, Bundestags-Drs. 15/1308 v. 1. 7. 2003. 198 Deutscher Bundestag, Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“: Kultur als Staatsziel, Bundestags-Drs. 15/5560 v. 1. 6. 2005, 2 u. 12.

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schriftlichen und mündlichen Beiträge der von der Enquete-Kommission angehörten Sachverständigen199 noch einmal eindrücklich dokumentieren.200 Wenngleich Einigkeit über einen prinzipiellen Kulturauftrag des Staates besteht,201 werden teilweise noch erhebliche Bedenken gegen die Verankerung eines entsprechenden Staatsziels im Grundgesetz erhoben, und zwar unter kompetenziellen, normativen und inhaltlichen Gesichtspunkten. Was zunächst die Befürchtung anbetrifft, ein entsprechendes Staatsziel könne zu einer Ausdehnung der Kulturpflege des Bundes zu Lasten der Kulturhoheit der Länder führen, so wurde in den Beratungen zu Recht darauf hingewiesen, dass Staatszielbestimmungen keine Kompetenznormen darstellen.202 Die Verwirklichung von Staatszielen hat immer im Rahmen der bestehenden Kompetenzordnung zu erfolgen. Eine Staatszielbestimmung „Kultur“ würde dabei den Gesamtstaat von der Bundesebene bis zur kommunalen Ebene binden, wie dies auch bei Art. 20a GG der Fall ist.203 Hinsichtlich des Bundes, der wie dargelegt nur begrenzte Kompetenzen im Kulturbereich besitzt, würde das Staatsziel vor allem als Direktive für die auswärtige Kulturpolitik wirken204 und wäre im übrigen als Querschnittsklausel in zahlreichen Gesetzgebungsmaterien des Bundes zu beachten. Kulturelle Aspekte wurden freilich bereits bisher, auch ohne eine entsprechende Staatszielbestimmung etwa im Bauplanungs-,205 Natur-

199 Peter Badura, Max-Emanuel Geis, Peter Häberle, Friedhelm Hufen, Ulrich Karpen und Bodo Pieroth. 200 Wegen der Anhörung vgl. das Kurzprotokoll der 19. Sitzung der Enquete-Kommission am 20. 9. 2004 (Deutscher Bundestag, Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, Protokoll Nr. 15/19); die schriftlichen Stellungnahmen sind als Kommissionsdrucksachen zugänglich. Wegen einer Zusammenfassung der Beratungen vgl. den Zwischenbericht der Enquete-Kommission (Fn. 198), 2 ff. 201 Kritisch zur Voraussetzung eines verfassungsrechtlichen Kulturauftrags des Staates R. Wahl Grundrechte und Staatszielbestimmungen im Bundesstaat, in: AöR 112 (1987), 26, 48 ff. 202 Staatszielbestimmungen stellen überdies auch keine Befugnisnormen dar, so dass selbst bei gegebener Kompetenz grundrechtsbeeinträchtigende Zielverwirklichungsmaßnahmen einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. 203 Vgl. A. Epiney in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.) Das Bonner Grundgesetz, Bd. 2, 2000, Art. 20a Rn. 56; H. Schulze-Fielitz in: H. Dreier (Hrsg.) Grundgesetz. Kommentar, Bd. 2, 4. Aufl., 1998, Art. 20a Rn. 51; K.-P. Sommermann in: von Münch/Kunig (Hrsg.) Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 4./5. Aufl., 2001, Art. 20a Rn. 7. 204 Zur Bindung der Auswärtigen Gewalt an Staatszielbestimmungen näher Sommermann Staatsziele (Fn. 19), 387 ff. 205 Siehe nur § 1 Abs. 5 S. 2 sowie Abs. 6 Ziff. 3–6 Baugesetzbuch i. d. F. v. 23. 9. 2004 ( BGBl . 2004 I, 2414).

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schutz-206 und Gewerberecht207 berücksichtigt. Da die verschiedenen staatlichen Ebenen zudem heute schon eine aktive Kulturpolitik treiben, die Länder und Kommunen meist auch angeleitet durch Aufträge im Landesverfassungsrecht,208 stellt sich die Frage, ob einem Staatsziel „Kultur“ im Grundgesetz mehr als programmatische oder symbolische Bedeutung zukäme. Dies ist in der Tat zu bejahen, da das kulturelle Staatsziel als Abwägungsgesichtspunkt künftig zwingend bei kulturrelevanten Entscheidungen, insbesondere des Gesetzgebers, zu berücksichtigen wäre.209 Auch ein Staatsziel „Kultur“ würde sich in die Logik des Grundgesetzes als normativer Verfassung einordnen, oder, mit den Worten Udo Steiners:210 „Wer Verfassungsrecht sät, wird Verfassungsrechtsprechung ernten.“ Zu Recht hat allerdings das Bundesverfassungsgericht zur Wahrung eines offenen demokratischen Prozesses dem Gesetzgeber bei der Verwirklichung von Staatszielen stets einen weiten Ermessensspielraum zuerkannt und sich auf eine Evidenzkontrolle beschränkt.211 Dies muß in besonderem Maße bei offen formulierten Zielen und für die Auflösung von Zielkonflikten gelten.212 Die Offenheit und Unbestimmtheit eines allgemeinen Staatsziels „Kultur“ kennzeichnet freilich ein weiteres und vielleicht das entscheidende Problem, nämlich die Frage der normativen Reichweite ratione materiae. Bereits im geltenden Verfassungsrecht werden die für eine 206 Vgl. § 2 Abs. 1 Ziff. 14 Bundesnaturschutzgesetz v. 25. 3. 2002 ( BGBl . 2002 I, 1193), zuletzt geändert durch Gesetz v. 21. 12. 2004 ( BGBl . 2005 I, 186). 207 Vgl. § 33 a Abs. 1 S. 2 Gewerbeordnung i. d. F. v. 22. 2. 1999 ( BGBl . 1999 I, 202), zuletzt geändert durch Gesetz v. 30. 7. 2004 ( BGBl . 2004 I, 2014). 208 Eine Zusammenstellung der kulturverfassungsrechtlichen Bestimmungen der Länder findet sich im Anhang des Zwischenberichts der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, Bundestags-Drs. 15/5560 v. 1. 6. 2005, 13 f. 209 Beispielsweise hätten im Falle der umstrittenen Umsetzung der EWG -Richtlinie 93/7 vom 15. 3. 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern (ABl . Nr. L 74 v. 27. 3. 1993, S. 74), die schließlich durch das Kultursicherungsgesetz vom 15. 10. 1998 ( BGBl . 1998 I, S. 3162) erfolgte, bei Bestehen einer entsprechenden Staatszielbestimmung die Argumente der Vertreter eines (nach der Richtlinie möglichen) erweiterten Schutzes mehr Gewicht gehabt. Damit ist freilich nicht gesagt, dass das Ergebnis nach Abwägung notwendig ein anderes gewesen wäre. 210 U. Steiner Kulturauftrag im Grundgesetz – verfassungsrechtliche Aspekte. Vortrag beim 7. Berliner Forum für Kultur- und Medienmanagement am 10. 6. 2005. 211 Vgl. für das soziale Staatsziel BVerfGE 1, 97, 105: „Das Wesentliche zur Verwirklichung des Sozialstaates aber kann nur der Gesetzgeber tun …“. Ausdrücklich von einem „weiten Gestaltungsspielraum“ ist z. B. in BVerfGE 59, 231, 263, sowie in BVerfGE 82, 60, 80, und 103, 197, 223 f., die Rede. 212 Zum Zusammenhang zwischen Abstraktionsgrad und Normativkraft Sommermann Staatsziele (Fn. 19), 397 f.; zur Lösung von Zielkonflikten ebd., 411 ff.

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offene kulturelle Entwicklung maßgeblichen Freiheiten gewährleistet, neben der Kunstfreiheit namentlich die Wissenschaftsfreiheit und die Religionsfreiheit; ergänzend treten Grundrechte wie die Berufsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit und letztlich die allgemeine Handlungsfreiheit hinzu. Aus der wertsetzenden Bedeutung der kulturellen Freiheiten, aus ihrem Staatszielgehalt, hat das Bundesverfassungsgericht auch Schutzund Förderpflichten einschließlich institutioneller und prozeduraler Grundsätze abgeleitet.213 Verankert sind im Grundgesetz des Weiteren die „Schulverantwortung“ des Staates214 sowie mit dem Schulwesen verbundene Grundrechte. Bislang nicht vom Grundgesetz erfasst ist die seit langem unumstrittene und mittlerweile durch eine Vielzahl völkerrechtlicher Verträge verdichtete Verantwortung des Staates für die Pflege des kulturellen Erbes. Sie ist im Übrigen auch nur in vier Landesverfassungen mehr oder weniger explizit niedergelegt,215 obwohl den Kulturgütern wie dargelegt216 als Orientierungspunkte für die individuelle und kollektive Identitätsbildung herausragende Bedeutung zukommt. Durch Globalisierung und Europäisierung wird der Schutz dringlicher. Neben den sächlichen Gütern, auf deren Schutz sich derzeit die völkerrechtlichen Rechtsinstrumente meist beschränken,217 umfasst das kulturelle Erbe die immateriellen Kulturgüter. Es geht beim Schutz des kulturellen Erbes auch um die

213 Vgl. wegen der Schutz- und Förderverpflichtungen insbes. BVerfGE 35, 79, 112 f., u. 111, 333, 353 f. (Wissenschaft); 36, 321, 331 (Kunst); 81, 108, 116 (zusammenfassend zu Art. 5 Abs. 3 GG : „Als objektive Grundsatzentscheidung für die Freiheit von Kunst und Wissenschaft stellt sie aber zugleich dem Staat, der sich – im Sinne einer Staatszielbestimmung – auch als Kulturstaat versteht, die Aufgabe, ein freiheitliches Kunstund Wissenschaftleben zu erhalten und zu fördern …“); 93, 1, 16 (Religion). Zu Recht hat man die Bezugnahmen des Bundesverfassungsgerichts auf ein Staatsziel „Kulturstaat“ so interpretiert, dass damit nicht eine globale Staatszielbestimmung „Kultur“ als im Grundgesetz verankert vorausgesetzt wird, sondern, da Art. 5 Abs. 3 GG Anknüpfungspunkt war, nur eine entsprechende Wertentscheidung hinsichtlich Wissenschaft und Kunst; vgl. insbes. U. Steiner Öffentliche Kulturpflege als Gegenstand des deutschen Staatsrechts, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.) Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 3, 1988, § 86, 1235, 1237 ff. (Rn. 3 f.); vgl. auch dens. Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, in: VVDStRL 42 (1984), 7, 12 ff. 214 R. Gröschner in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Bd. 1, 2. Aufl., 2004, Art. 7 Rn. 37 ff.; vgl. auch Robbers (Fn. 73), Rn. 31. 215 Vgl. Art. 34 der brandenburgischen Verfassung, Art. 62 der hessischen Verfassung, Art. 11 Abs. 2 der sächsischen Verfassung und Art. 36 Abs. 3 der sachsen-anhaltinischen Verfassung. 216 Oben sub I. 217 Vgl. aber die in Fn. 133 nachgewiesene UNESCO -Konvention.

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Pflege und Sichtbarmachung der vielfältigen kulturellen und geistesgeschichtlichen Einflüsse der Gesellschaft, nicht zuletzt der Grundlagen des freiheitlichen Gemeinwesens selbst.218 Die Vermittlung der Beziehungen zum kulturellen Erbe anderer Nationen gehört im international offenen Verfassungsstaat dazu. Darüber, inwieweit der Einzelne seine kulturelle Identität mit einer lokalen, regionalen, nationalen, europäischen oder einer kosmopolitischen Kultur verbindet, entscheiden sein Lebensentwurf und die seinen Lebensweg prägenden Umstände. Diese Erwägungen führen zu der Empfehlung, das Grundgesetz nicht durch eine globale Staatszielbestimmung „Kultur“, sondern durch eine konkreter und damit enger auf den Schutz des kulturellen Erbes abhebende Klausel zu ergänzen. Durch Hinzufügung der Worte „das kulturelle Erbe“ könnte Art. 20a GG wie folgt lauten: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen das kulturelle Erbe, die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere.“ Die übrigen Worte des Art. 20 a GG könnten ohne Änderung des normativen Aussagegehalts gestrichen werden.219 Die hier vorgeschlagene Lösung220 korrespondiert der Verfassungsentwicklung in anderen europäischen Staaten, die nicht zuletzt aus Gründen der Zielsymmetrie den Schutz der Umwelt zusammen mit dem Schutz des kulturellen Erbes verankert haben.221

218 Weitergehend spricht sich Arnd Uhle, der dem Grundgesetz in seiner geltenden Fassung ein Staatsziel der „Vitalität und Dauerhaftigkeit der freiheitlichen Verfassungsordnung“ entnimmt (ders. Fn. 1, 386 ff.), aus verfassungspolitischen Erwägungen für eine „mittelbare Einwirkung auf die Entwicklung der kulturellen Identität“ insbesondere durch „staatliche Förderung identitätsstärkender gesellschaftlicher Potenzen“ aus (ebd., 434 ff., Zitate auf S. 435 u. 436). 219 Vgl. K.-P. Sommermann Staatsziel „Umweltschutz“ mit Gesetzesvorbehalt?, in: DVBl . 1991, 24 ff.; ders. in: I. von Münch/P. Kunig (Hrsg.) Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 2001, Art. 20 a, Rn. 24, 38. 220 Zur Klarstellung: Ziel wäre damit nicht eine Musealisierung der Lebenswirklichkeit oder eine freiheitsfeindliche Versteinerung des Kulturraums. Ein Staatsziel „Schutz des kulturellen Erbes“ würde eine relative Schutzwirkung entfalten, die von der Bedeutung des Kulturgutes für das kulturelle Gedächtnis der Gesellschaft und der internationalen Gemeinschaft sowie (einschränkend) gegebenenfalls damit verbundenen Zielkonflikten oder Grundrechtsbeeinträchtigungen abhängt; zu den allgemeinen Grundsätzen der Lösung von Zielkonflikten bzw. Konflikten zwischen Staatszielen und Grundrechten Sommermann Staatsziele (Fn. 19), 411 ff. 221 Vgl. die Nachweise in Fn. 61 u. 62. Vgl. auch die Verbindung von Kultur- und Umweltschutz im Vorschlag der Sachverständigenkommission „Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge“ (oben Fn. 196), 106, aus dem Jahre 1983, wonach Art. 20 Abs. 1 GG wie folgt gefasst werden sollte: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Sie pflegt die Kultur und die natürlichen Le-

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V.

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Ausblick

Der Verfassungsstaat steht als Kulturstaat im 21. Jahrhundert vor großen Herausforderungen. Im 19. Jahrhundert in die Rolle des Bildungsträgers und Kunstmäzens hineingewachsen, hat er im 20. Jahrhundert – unterbrochen durch Phasen zivilisatorischer Amnesie – Verantwortung auch für die Pflege des kulturellen Gedächtnisses des Gemeinwesens und für die Schaffung der tatsächlichen Voraussetzungen einer sich frei entfaltenden und jedermann zugänglichen Kultur übernommen. Als Mittler zwischen subnationaler, nationaler und überstaatlicher Ebene gestaltet er heute eine europäische und eine globale Bildungs- und Kulturpolitik mit, die in der Tradition der Aufklärung den Menschen Freiheit, Demokratie und Wohlstand sichern und zugleich der homogenisierenden Wirkung der Globalisierung durch Schutz und Förderung kultureller Vielfalt entgegenwirken soll. Sein weiterer Erfolg wird nicht zuletzt davon abhängen, ob trotz eines beschleunigten transnationalen Kulturwandels und trotz der durch Migration verstärkten kulturellen Fragmentierung der Gesellschaften immer wieder neu die Bildung einer einenden, ihn tragenden kulturellen Identität gelingt.

bensgrundlagen des Menschen.“ Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG sollte durch Statuierung einer „Verantwortung des Staates für Kultur und natürliche Umwelt“ entsprechend angepasst werden.

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Leitsätze des 1. Berichterstatters über:

Kultur im Verfassungsstaat I.

Der Verfassungsstaat als Kulturphänomen

1. Kultur ist die eine Gesellschaft prägende Wahrnehmung, Deutung und Gestaltung der Lebenswirklichkeit. Im Vordergrund der Betrachtung stehen meist Sprache und Religion, Wissenschaft und Kunst, Erziehung und Bildung sowie die Kulturgüter. Diese halten als Gedächtnisstützen der Gesellschaft die Kenntnis und das Bewusstsein des kulturellen Erbes wach. Sie sind damit zugleich Orientierungspunkte im Prozess der individuellen und kollektiven Identitätsbildung. 2. Zu den kulturellen Äußerungsformen zählen auch die Institutionen und die politische Ordnung einer Gesellschaft. Staat und Recht sind Kulturphänomene. Sie gehören zu der von den Menschen gestalteten Lebenswirklichkeit und wirken ihrerseits an der Gestaltung der Lebenswirklichkeit der Menschen mit. 3. Die klassischen Kulturaufgaben des Staates betreffen die Bereiche Bildung, Wissenschaft, Kunst und das kulturelle Erbe. Kultursteuerung durch den Staat bedarf der Rechtfertigung. Im freiheitlichen Verfassungsstaat (Rechtsstaat) muss die Sicherung und Ermöglichung kultureller Selbstbestimmung des Einzelnen Ziel der Kulturpolitik sein.

II.

Der Verfassungsstaat als Kulturträger

4. Eine funktionale Verzahnung von Staat und Kultur war im Konstitutionalismus von Anfang an angelegt. Vor allem dem öffentlichen Bildungswesen als Stätte der Schulung des Verstandes und der Vermittlung demokratischer Tugenden galt die besondere Aufmerksamkeit der revolutionären Verfassunggeber. In Deutschland wurde im öffentlichen Unterricht vor allem eine Möglichkeit gesehen, neben der Humanität die Nationalität auszubilden. 5. Die Trias von Bildung, Demokratie und freier Entfaltung der Persönlichkeit als dreier einander bedingender und sich gegenseitig verstärkender Elemente bildet bis heute Ziel und Grundlage des freiheitlichen Verfassungsstaats.

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6. Bei einer typisierenden Betrachtung, d. h. unter Anerkennung großer verfassungskultureller Varianzen und Mischformen im Einzelnen, lässt sich feststellen, dass neben die Elemente eines die kulturellen Freiheiten schützenden liberalen Kulturstaats solche eines sozialen, eines international offenen und eines ökologischen Kulturstaats getreten sind. Das nationale Kulturverfassungsrecht in Europa ist heute entsprechend ausdifferenziert. Häufig sind in jüngerer Zeit Bestimmungen zum Schutz des kulturellen Erbes im Zusammenhang mit Umweltschutzklauseln eingeführt worden. 7. Subjektive Rechte verleihen im Allgemeinen nur die kulturellen Freiheits- und Gleichheitsrechte. Daher werden kulturelle Konflikte in erster Linie nicht auf der Grundlage der kulturverfassungsrechtlichen Zielbestimmungen und Gesetzgebungsaufträge, sondern im Rahmen der Freiheits- und Gleichheitsrechte ausgetragen. Dabei werden von Verfassungsgerichten teilweise Integrationsleistungen erwartet, die in einer pluralistischen Demokratie kaum zu erfüllen sind.

III. Der Verfassungsstaat vor den Herausforderungen der Globalisierung und der Europäisierung der Kultur 1.

Die Herausforderungen

8. Die Globalisierung hat einen tiefgreifenden Kulturwandel in Gang gesetzt. Die Erkenntnis des Zusammenhangs zwischen Bildung, wirtschaftlichem Fortschritt und Wohlstand fördert die Wahrnehmung von Bildungseinrichtungen als Produktionsstätten von Humankapital und übt einen an „erfolgreichen“ Staaten orientierten Konformitätsdruck im Bildungswesen aus. 9. Eine besondere Verdichtung der transkulturellen Prozesse findet in Europa statt. Die Europäische Union fördert längst nicht mehr nur die Herausbildung eines europäischen Wissens-, Bildungs- und Hochschulraums, sondern gestaltet einen europäischen Kulturraum im umfassenden Sinne. Die Ablösung des funktionalistischen Integrationsansatzes durch ein kulturzentriertes Paradigma hat begonnen. 10. Globalisierung und Europäisierung potenzieren die individuellen Wahl- und Entfaltungsmöglichkeiten, werfen aber auch Legitimations- und Integrationsprobleme auf: Die demokratische Steuerung der Prozesse ist unzureichend und bleibt intransparent. Internationalisierung und Ökonomisierung der Kultur können zum Verlust kultureller Orientierung und damit zu einer Gefährdung gesellschaftlicher Integration führen.

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2.

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Strategien zur Wahrung der kulturellen Identität

11. Zur Wahrung der kulturellen Identität und zur Rückgewinnung nationaler kulturpolitischer Gestaltungsspielräume verfolgen die Staaten im Wesentlichen drei Strategien. Die erste Strategie zielt auf einen effektiven Schutz des kulturellen Erbes, den die Staaten vor allem in Gestalt des Kulturgüterschutzes zu einem umfassenden Teilgebiet des Völkerrechts und einer Querschnittsmaterie entwickelt haben. Die Leitidee des „gemeinsamen kulturellen Erbes der Menschheit“ hat zugleich zu einer ideellen Appropriation des kulturellen Erbes der Völker durch die internationale Gemeinschaft geführt. 12. Eine zweite Strategie ergänzt den Schutz des kulturellen Erbes durch das Leitprinzip der kulturellen Vielfalt. Eine besondere Ausprägung ist das vor allem auf Betreiben Frankreichs expandierende Prinzip der „exception culturelle“, nach dem kulturelle Güter und Dienstleistungen nicht wie gewöhnliche Waren oder Konsumgüter behandelt werden dürfen. 13. Die dritte Strategie kann in der Mobilisierung der subnationalen Ebene für den Schutz und die Entfaltung der Kultur gesehen werden. Die ausdrückliche Erstreckung des Subsidiaritätsprinzips auf die regionale und die lokale Ebene im europäischen Verfassungsvertrag ist ebenso Ausdruck dieser Erkenntnis wie die in den letzten Jahren zu beobachtenden starken Dezentralisierungsschübe in bislang unitarischen Staaten.

IV. Zukunftsfähigkeit des deutschen Kulturföderalismus 1.

Förderung kultureller Vielfalt durch föderale Aufgabenverteilung

14. Die föderale Ordnung der Bundesrepublik sichert die Bewahrung und Entwicklung lokaler und regionaler kultureller Identitäten und bietet einen geeigneten Rahmen für die Entfaltung kultureller Vielfalt. Der deutsche Föderalismus steht ungeachtet aller Unitarisierungstendenzen kulturfunktional betrachtet dort, wohin immer mehr Staaten streben. 2.

Kulturkompetenzen des Bundes im international offenen Verfassungsstaat

15. Die finanzielle Beteiligung des Bundes an der Kulturpflege und die seit einigen Jahren verstärkte eigenständige Wahrnehmung von Kulturaufgaben sind zu einem wesentlichen Teil notwendige Konsequenz der starken Internationalisierung der Kulturpolitik. Verantwortliche internationale Mitgestaltung setzt ein Mindestmaß gesamtstaatlicher Willensbildung und Gestaltung der Kulturpolitik voraus.

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16. Unter den dem Bund durch das Grundgesetz verliehenen Kompetenzen kommt insoweit neben Spezialzuständigkeiten den Kompetenzen für auswärtige Angelegenheiten besondere Bedeutung zu. Bei einer Auslegung der Kompetenzbestimmungen im Lichte der „Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit“ werden nicht nur im Ausland tätige Einrichtungen erfasst, sondern auch im Inland tätige Kultureinrichtungen, die im Schwerpunkt dem internationalen Kulturaustausch oder der gesamtstaatlichen Repräsentation nach außen dienen. 17. Die Kulturkompetenzen des Bundes erlauben die Errichtung eines kompetenzbündelnden Bundeskulturministeriums oder die Eingliederung der Kompetenzen in ein Bundesministerium für Bildung, Kultur und Forschung. 3.

Der Schutz des kulturellen Erbes als Staatsziel

18. Mit der Kompetenzfrage wird häufig die Frage nach der Einfügung eines Staatsziels „Kultur“ in das Grundgesetz verknüpft. Die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ hat in ihrem im Juni 2005 vorgelegten Zwischenbericht einstimmig empfohlen, das Grundgesetz um folgenden Art. 20 b zu ergänzen: „Der Staat schützt und fördert die Kultur.“ 19. Ein entsprechendes Staatsziel würde nicht zu einer Kompetenzerweiterung des Bundes führen. Staatsziele sind im Rahmen der bestehenden Kompetenzordnung zu verwirklichen. Hinsichtlich des Bundes würde das Staatsziel vor allem als Direktive für die auswärtige Kulturpolitik wirken. 20. Fraglich ist die normative Reichweite eines allgemeinen Staatsziels „Kultur“. Bereits im geltenden Verfassungsrecht werden die kulturellen Freiheiten gewährleistet. Das Bundesverfassungsgericht hat aus ihrer wertsetzenden Bedeutung auch staatliche Schutz- und Förderpflichten insbesondere hinsichtlich Wissenschaft und Kunst abgeleitet. Bislang nicht vom Grundgesetz erfasst ist hingegen die seit langem unumstrittene und mittlerweile durch eine Vielzahl völkerrechtlicher Verträge verdichtete Verantwortung des Staates für die Pflege des kulturellen Erbes. Diesem kommt für die individuelle und kollektive Identitätsbildung herausragende Bedeutung zu. 21. Zu empfehlen ist, das Grundgesetz nicht durch eine globale Staatszielbestimmung „Kultur“, sondern durch eine konkreter und damit enger auf den Schutz des kulturellen Erbes abhebende Klausel zu ergänzen. Durch Hinzufügung der Worte „das kulturelle Erbe“ könnte Art. 20a GG wie folgt lauten: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen das kulturelle Erbe, die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere.“ Die übrigen Worte des Art. 20 a GG könnten ohne Änderung des normativen Aussagegehalts gestrichen werden. 22. Diese Lösung korrespondiert der Verfassungsentwicklung in anderen europäischen Staaten, die nicht zuletzt aus Gründen der Zielsymmetrie den

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Schutz der Umwelt zusammen mit dem Schutz des kulturellen Erbes verankert haben.

V.

Ausblick

23. Als Mittler zwischen subnationaler, nationaler und überstaatlicher Ebene gestaltet der Verfassungsstaat heute eine europäische und eine globale Bildungs- und Kulturpolitik mit, die in der Tradition der Aufklärung den Menschen Freiheit, Demokratie und Wohlstand sichern und zugleich der homogenisierenden Wirkung der Globalisierung durch Schutz des kulturellen Erbes und Förderung kultureller Vielfalt entgegenwirken soll. Sein weiterer Erfolg wird nicht zuletzt davon abhängen, ob trotz eines beschleunigten Kulturwandels und trotz einer sich verstärkenden kulturellen Fragmentierung der Gesellschaft immer wieder neu die Bildung einer einenden, ihn tragenden kulturellen Identität gelingt.

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Erster Beratungsgegenstand:

Kultur im Verfassungsstaat 2. Bericht von Prof. Dr. Stefan Huster, Bochum Inhalt Seite

I.

Warum Kultur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Konjunktur des Kulturbegriffs . . . . . . . . . . . . 2. Die Kultur im Verfassungsstaat . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Kultur des Verfassungsstaates . . . . . . . . . . . . 4. Die kulturellen Herausforderungen . . . . . . . . . . . . 5. Verfassungsrecht, Politik und Kultur . . . . . . . . . . . II . Kultur im Verfassungsstaat: Kunstfreiheit und Kunstförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Dilemma der ästhetischen Neutralität des Staates . a) Freiheitsschutz und Wertungsverbot . . . . . . . . . b) Die Maßstabsangewiesenheit der Kunstförderung . . 2. Kunstförderung als Freiheitsverpflichtung? . . . . . . . a) Das Scheitern einer sozialstaatlichen Begründung . . b) Die institutionelle Deutung der Kunstfreiheit . . . . c) Kunst als öffentliches Gut . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Spannungsverhältnis von Kunstfreiheit und Kunstförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kunstförderung als politisches Ziel . . . . . . . . . . c) Ästhetische Funktionalisierung des Grundrechtsschutzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . III . Kultur des Verfassungsstaates: Erziehung in der öffentlichen Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Erforderlichkeit und Zulässigkeit der politischen Festlegung von Erziehungszielen . . . . . . . . . . . . . 2. Offene oder distanzierende Neutralität? . . . . . . . . . 3. Kulturkonflikte in der öffentlichen Schule . . . . . . . . a) Die entdifferenzierende Wirkung des Kulturbegriffs b) Die erzieherische Gewaltenteilung . . . . . . . . . .

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IV. Gegen Kultur

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kultur als verfassungsrechtlicher Begriff? . . . . . . . 2. Kultur- und Verfassungspflege als politische Aufgabe 3. Die Eigenständigkeit des Verfassungsstaates . . . . .

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. . . .

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I.

Warum Kultur?

1.

Die Konjunktur des Kulturbegriffs

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Der Kulturbegriff hat Konjunktur. Nicht nur zwischen Kultur und Politik, sondern auch zwischen Kultur und Recht – einschließlich der Rechtswissenschaft – scheint sich in den letzten Jahren eine neue Intimität1 entwickelt zu haben: Kultur ist als Gegenstand und Faktor von Politik und Recht in aller Munde.2 Diese Entwicklung zu analysieren und zu bewerten, fällt allerdings schon deshalb nicht leicht, weil auch und gerade die Verfassungsrechtswissenschaft über keinen präzisen Begriff der Kultur verfügt. Dies ist kein Versagen der Disziplin, sondern liegt in der Natur der Sache: Kaum ein anderer Begriff ist derartig unscharf, vieldeutig und ideologisch aufgeladen.3 In dieser Situation empfiehlt sich nicht eine abstrakte Entfaltung des Kulturbegriffs, die letztlich wiederum nur seine Unschärfe und Vieldeutigkeit feststellen könnte, sondern ein pragmatisches Vorgehen, das an den Funktionen dieses Begriffs in juristischen Kontexten ansetzt. Insoweit lassen sich zwei Problemfelder benennen, die nicht völlig unverbunden nebeneinander stehen, aber doch unterschieden werden können und sollten.4 2.

Die Kultur im Verfassungsstaat

Zum einen geht es um die Verantwortung des Staates für die Kultur, also – sehr verkürzt formuliert – um die Kultur im Verfassungsstaat. Dabei handelt es sich um einen engeren Kulturbegriff, der die Kunst, häu-

1 Zum Begriff vgl. J. Habermas Die neue Intimität zwischen Kultur und Politik, in: ders., Die nachholende Revolution, 1990, 9 ff. 2 Als Beleg für die Prominenz des Kulturbegriffs in der verfassungsrechtlichen Diskussion seien nur einigere neuere Werke zitiert, die den Begriff bereits im Titel führen: G. Britz Kulturelle Rechte und Verfassung, 2000; U. Di Fabio Die Kultur der Freiheit, 2005; A. Uhle Staat – Kirche – Kultur, 2004; ders. Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004. 3 Die Literatur zum Kulturbegriff ist unüberschaubar. Vieldiskutiert in jüngerer Zeit: T. Eagleton Was ist Kultur?, 2001. In jüngerer Zeit haben insbesondere die Kulturwissenschaften, die wissenschaftspolitisch die Geisteswissenschaften weithin ersetzt haben, zahlreiche – und nicht immer zur Nachahmung einladende – Versuche unternommen, den Begriff und damit auch sich selbst zu definieren (vgl. dazu jetzt statt aller und umfassend F. Jaeger/B. Liebsch [Hrsg.] Handbuch der Kulturwissenschaften, 3 Bde., 2004). 4 Ähnliche Unterscheidung in verfassungsrechtlichem und -theoretischem Kontext bei Uhle Freiheitlicher Verfassungsstaat (Fn. 2), 10 ff.

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fig auch Bildung und Wissenschaft umfasst.5 Diese Debatte knüpft an die traditionellen Überlegungen zum verfassungsrechtlichen Schutz der kulturellen Freiheit,6 zu Grund und Grenzen der staatlichen Kulturund insbesondere Kunstförderung,7 zum kulturstaatlichen Charakter des Gemeinwesens8 und zu den Kulturklauseln in den Verfassungen der Bundesländer und in den europäischen Verträgen an.9 Ihre aktuellen Gegenstände sind die Fragen nach der Aufnahme einer kulturellen Staatszielbestimmung in das Grundgesetz,10 nach der Verteilung der kulturbezogenen Kompetenzen zwischen Bund und Ländern11 und nach dem Erhalt kultureller Qualität und Pluralität durch staatliche Kulturpolitik und internationale Abkommen.12

5 Vgl. dazu die Darstellungen bei W. Maihofer in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.) Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 2004, 1201 ff.; T. Oppermann Kulturverwaltungsrecht, 1969; und insbesondere die Berichte von U. Steiner und D. Grimm Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, VVDStRL 42 (1984), 7 ff., 46 ff. 6 Vgl. dazu Britz (Fn. 2); E. Denninger in: HStR VI , 1989, § 146; G. Erbel Inhalt und Auswirkungen der verfassungsrechtlichen Kunstfreiheitsgarantie, 1966; F. J. Henschel Kunstfreiheit als Grundrecht, 1993; F. Hufen Die Freiheit der Kunst in staatlichen Institutionen, 1982; W. Knies Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, 1967; E. G. Mahrenholz in: Benda/Maihofer/Vogel (Fn. 5), 1289 ff.; J. Würkner Das Bundesverfassungsgericht und die Freiheit der Kunst, 1994. 7 Vgl. B. Geissler Staatliche Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG , 1994; H. Graul Künstlerische Urteile im Rahmen der staatlichen Förderungstätigkeit, 1970; H.-G. Hennecke Der Landkreis 1/2000, 20 ff.; M. Mihatsch Öffentliche Kunstsubventionierung, 1989; W. Palm Öffentliche Kunstförderung zwischen Kunstfreiheitsgarantie und Kulturstaat, 1998; O. Scheytt Kommunales Kulturrecht, 2005; U. Steiner in: HStR III , 1988, § 86. 8 Grundlegend E. R. Huber Zur Problematik des Kulturstaats, 1958; ferner M.-E. Geis Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990; O. Jung Zum Kulturstaatsbegriff, 1976; sowie die Beiträge in P. Häberle (Hrsg.) Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982. 9 Zur Kultur im Unionsrecht vgl. zuletzt G. Britz EuR 2004, 1 ff.; T. v. Danwitz NJW 2005, 529 ff.; R. Mußgnug FS Steinberger, 2002, 1303 ff.; M. Nettesheim JZ 2002, 157 ff.; sowie die Beiträge in R. C. Smith (Hrsg.) Culture and European Union Law, 2004. 10 Vgl. dazu jetzt den Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“: Kultur als Staatsziel, BT-Drks. 15/5560 v. 1. 6. 2005; aus der älteren Diskussion vgl. BMI / BMJ (Hrsg.) Bericht der Sachverständigenkommission „Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge“, 1983, Rn. 169 ff.; M.-E. Geis ZG 1992, 38 ff.; B. Pieroth/ A. Siegert RdJB 1984, 438 ff.; E. Wienholtz AöR 109 (1984), 532 (543 ff.). 11 Vgl. dazu zuletzt E. G. Mahrenholz DVBl . 2002, 857 ff.; R. Stettner FS Häberle, 2004, 681 ff. 12 Hier ist insbesondere die Diskussion über die Bedeutung des GATS und den Entwurf einer UNESCO -Konvention zum Schutz kultureller Vielfalt zu erwähnen; vgl. dazu nur M. Krajewski Auswirkungen des GATS auf Instrumente der Kulturpolitik und Kulturförderung in Deutschland, 2005.

Kultur im Verfassungsstaat

3.

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Die Kultur des Verfassungsstaates

Zum anderen geht es nicht um die Verantwortung des Staates für die Kultur, sondern um die Verantwortung der Kultur für das Gemeinwesen, also um die kulturellen Grundlagen der freiheitlichen und demokratischen Ordnung oder um – wiederum sehr verkürzt formuliert – die Kultur des Verfassungsstaates.13 Dieser Debatte liegt ein erheblich weiterer Kulturbegriff zugrunde, der die Gesamtheit der Überzeugungen, Einstellungen und Lebensformen der Bürger umfasst.14 In diesem Sinne kann auch die Rechtsordnung selbst als eine Kulturerscheinung wahrgenommen werden.15 4.

Die kulturellen Herausforderungen

Die gemeinsame Verwendung des Wortes „Kultur“ in diesen beiden Diskussionen darf nicht über ihre Unterschiede hinwegtäuschen. Geht es bei der Kultur im engeren Sinne um die spezifischen Faktoren der ideellen Reproduktion des Gemeinwesens,16 fasst der weite Kulturbegriff recht disparate Phänomene zusammen, die sich nur schwer auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Trotzdem sind in der Beschreibung der aktuellen Problemlage auch Gemeinsamkeiten festzustellen. Beide Diskussionen und das sie tragende Krisenbewusstsein gehen von Globalisierungs-, Ökonomisierungs-, Medialisierungs-, Indi-

13 In diesem Sinne jetzt z. B. Di Fabio (Fn. 2); Uhle Freiheitlicher Verfassungsstaat (Fn. 2). 14 In den Worten des Bundesverfassungsgerichts: „die Gesamtheit der innerhalb einer Gemeinschaft wirksamen geistigen Kräfte, die sich unabhängig vom Staat entfalten und ihren Wert in sich tragen“ (BVerfGE 10, 20, 36). 15 Dies hat bereits die neukantianische Rechtsphilosophie betont; so hat insbesondere G. Radbruch Rechtsphilosophie (3. Aufl. 1932), in: ders. Gesamtausgabe: Rechtsphilosophie II , 1993, 29, den Rechtsbegriff als einen „Kulturbegriff“ bezeichnet. Die gegenwärtige deutsche verfassungsrechtliche und -theoretische Diskussion wird um kulturwissenschaftliche Zugänge zum einen bereichert durch die Arbeiten von P. Häberle (Europäische Rechtskultur, 1994; Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 2. Aufl. 1998); zum anderen werden die Ansätze der „cultural studies“ in der Rechtswissenschaft (vgl. nur P. W. Kahn The Cultural Study of Law, 1999; A. Sarat/T. R. Kearns [Hrsg.] Law in the Domains of Culture, 2000; dies. [Hrsg.] Cultural Pluralism, Identity Politics, and the Law, 2001; A. Sarat/J. Simon [Hrsg.] Cultural Analysis, Cultural Studies, and the Law, 2003) aufgegriffen (vgl. insbesondere U. Haltern KritV 2002, 261 ff.; ders. AöR 128 [2003], 511 ff.; ders. Völkerrecht und Liebe, in: R. Elm [Hrsg.] Ethik, Politik und Kultur im Globalisierungsprozess, 2003, 429 ff.; ders. Europarecht und das Politische, 2005). 16 So der hilfreiche Definitionsvorschlag bei Grimm VVDStRL 42 (Fn. 5), 60.

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vidualisierungs- und Pluralisierungsphänomenen und deren Wirkungen auf die Kultur aus. Soweit es dabei um die Kultur im engeren Sinne geht, steht die Sorge im Vordergrund, dass sie durch Verflachungs- und Vereinheitlichungstendenzen gefährdet werden könnte, wenn in Zeiten leerer öffentlicher Kassen kulturelle Inhalte und Institutionen maßgeblich von einer global agierenden Kulturindustrie bestimmt werden. Soweit die kulturellen Implikationen und Voraussetzungen des Verfassungsstaates in ihrer Gesamtheit in Rede stehen, nimmt die Diskussion eine Befürchtung auf, die die offenen Gesellschaften seit ihrer Entstehung begleitet hat: dass nämlich die – wie Schumpeter sie genannt hat – „kapitalistische Zivilisation“17 ihre eigenen kulturellen Grundlagen zerstört.18 Aktuell stehen dabei die Herausforderungen im Vordergrund, die die nationalen und internationalen Konflikte mit kulturellem Hintergrund, die bereits als „Kulturkriege“ und als „Kampf der Kulturen“ bezeichnet worden sind,19 für die freiheitliche Ordnung darstellen. Dies gilt insbesondere für das Wiedererstarken der Religion als einer politisch handlungsmächtigen Kraft, das die im historischen und internationalen Vergleich hochgradig säkularisierten europäischen Gesellschaften recht unvorbereitet getroffen hat.20 5.

Verfassungsrecht, Politik und Kultur

Derartige Wechselbeziehungen zwischen politischer Ordnung und Kulturerscheinungen begründen ein zunehmendes Interesse der öffentlichen Gewalt an der kulturellen Entwicklung. Die Rolle des Verfassungsrechts ist dabei durchaus ambivalent. Auf der einen Seite beschränken freiheitliche Verfassungen die staatlichen Handlungsmöglichkeiten, weil insbesondere die Grundrechte in einem bereichsspezifisch näher zu bestimmenden, aber jedenfalls nicht unbeachtlichen Umfang kulturelle Orientierungen und die darauf beruhenden Verhaltensweisen in die gesellschaftliche Freiheit entlassen.21 Auf der anderen Seite mag man fraJ. A. Schumpeter Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 7. Aufl. 1993, 198 ff. Vgl. dazu nur D. Bell Die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus, 1991. 19 Begriffsprägend insoweit – zumindest in der deutschen Übersetzung – S. P. Huntington Kampf der Kulturen, 4. Aufl. 2002. Zur Diskussion vgl. ders./L. E. Harrison (Hrsg.) Streit um Werte, 2002; M. Riesebrodt Rückkehr der Religionen, 2. Aufl. 2001. 20 Unter Säkularisierung wird hier mit H. Lübbe Religion nach der Aufklärung, 1986, 91, die „abnehmende soziale Mächtigkeit religiöser Institutionen“ verstanden. 21 Aus diesem Grunde kann der freiheitliche, säkularisierte Staat seine kulturellen Voraussetzungen auch nicht selbst garantieren, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben; vgl. E.-W. Böckenförde Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders. Recht, Staat, Freiheit, 2. Aufl. 1992, 92 (112 f.). 17

18

Kultur im Verfassungsstaat

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gen, ob die Verfassung die Politik nicht auch ermächtigt oder gar verpflichtet, die für das Gemeinwesen unentbehrlichen oder zumindest förderlichen kulturellen Überzeugungen, Einstellungen und Lebensformen zu schützen und zu pflegen.22 Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Frage, wie das Grundgesetz dieses Verhältnis von grundrechtlich geschützter kultureller Freiheit einerseits und staatlicher Sorge um die Kultur andererseits bestimmt. Angesprochen ist damit gleichzeitig die Zuständigkeitsverteilung zwischen Gesetzgeber und Verfassungsrechtsprechung in Fragen der Kulturpflege.

II.

Kultur im Verfassungsstaat: Kunstfreiheit und Kunstförderung

Für die Kultur im engeren Sinne lässt sich diese Fragestellung auf ein zentrales Rechtsproblem zuspitzen, nämlich das Verhältnis von Kunstfreiheit und staatlicher Kunstförderung. 1.

Das Dilemma der ästhetischen Neutralität des Staates

a)

Freiheitsschutz und Wertungsverbot

Die Gewährleistung der Kunstfreiheit in Art. 5 Abs. 3 GG stellt in erster Linie ein Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat dar. In dieser Funktion wendet sich die Freiheitsgarantie insbesondere gegen ein staatliches Kunstrichtertum. Eine „Niveaukontrolle, also eine Differenzierung zwischen ‚höherer‘ und ‚niederer‘, ‚guter‘ und ‚schlechter‘ (und deshalb nicht oder weniger schutzwürdiger) Kunst“ stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine „verfassungsrechtlich unstatthafte Inhaltskontrolle“ dar.23 Die Freiheitsgarantie wehrt also nicht nur zu intensive, sondern auch Beschränkungen aus den falschen Gründen ab.24 Sie verpflichtet den

22 Sehr entschieden in diesem Sinne jetzt Di Fabio (Fn. 2); R. Tillmanns Wehrhaftigkeit durch Werthaftigkeit, in: M. Thiel (Hrsg.) Wehrhafte Demokratie, 2003, 25 (31 ff.); Uhle Freiheitlicher Verfassungsstaat (Fn. 2). Nach konkreten Vorschlägen, wie diese Pflege vonstatten gehen soll, sucht man dabei allerdings weithin vergeblich – was angesichts der erwähnten Grenzen, die die verfassungsrechtlich verbürgten Freiheits- und Gleichheitsrechte der öffentlichen Gewalt setzen, auch kaum erstaunt. 23 BVerfGE 75, 369 (377). Besonders entschieden auch BVerfGE 81, 278 (291): „Kunst ist einer staatlichen Stil- oder Niveaukontrolle nicht zugänglich.“ 24 Grundsätzlich zu dieser Unterscheidung vgl. S. Huster Die ethische Neutralität des Staates, 2002, 657.

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Staat insoweit zu einer „ästhetischen Farbenblindheit“25 und nimmt Elemente eines Differenzierungsverbotes oder – positiv gewendet – eines Neutralitätsgebotes in sich auf.26 Das Motiv, eine normativ-ästhetische Einengung des Grundrechtsschutzes zu verhindern, liegt auch der vielfach diskutierten Problematik des Kunstbegriffs zugrunde, der auf der einen Seite eine Definition finden muss, wenn der Schutzbereich des Grundrechts nicht konturenlos werden soll, auf der anderen Seite aber hinreichend offen zu halten ist, um auch neue Kunstformen zu erfassen und eine „wertende Einengung des Kunstbegriffs“27 zu vermeiden.28 b)

Die Maßstabsangewiesenheit der Kunstförderung

Mit dieser Rigidität des Verbotes einer qualitativen Wertung steht es in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis, wenn die Verfassungsrechtsprechung gleichzeitig aus Art. 5 Abs. 3 GG als wertentscheidender Grundsatznorm die staatliche Verpflichtung zur Pflege und Förderung der Kunst ableitet: Denn staatliche Kunstförderung kann immer nur eine selektive, vorrangig an Qualitätsmaßstäben orientierte Förderung sein.29 Eine Gießkannenförderung von allem und jedem würde nämlich – wie das Verfassungsgericht selbst betont hat – „den staatlichen Auftrag zur Sicherung der Kunstfreiheit eher verfehlen, indem sie auf der einen Seite zur Steigerung der künstlerischen Produktion nach 25 So die auf die Terminologie des amerikanischen Verfassungsrechts anspielende Formulierung bei J. Isensee AfP 1993, 619 (621). 26 Die Annahme einer staatlichen Neutralitätsverpflichtung in Kunstfragen ist weit verbreitet; vgl. BGH , NJW 1975, 1882 (1884); VGH Kassel, NJW 1987, 1436 (1437); VG Wiesbaden, NJW 1988, 356 (364); D. Beisel Die Kunstfreiheitsgarantie des Grundgesetzes und ihre strafrechtlichen Grenzen, 1997, 62 ff.; H. Bethge in: M. Sachs (Hrsg.) GG , 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 190; Denninger (Fn. 6), Rn. 35; G. Haverkate Rechtsfragen des Leistungsstaats, 1983, 166 f.; M. Heckel Staat – Kirche – Kunst, 1968, 97 ff.; C.-H. Heuer Die Besteuerung der Kunst, 2. Aufl. 1984, 86 ff.; W. Höfling DÖV 1985, 387 (388 f.); S. Kadelbach NJW 1997, 1114 (1115 ff.); G. Lübbe-Wolff Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, 301 f.; Maihofer (Fn. 5), Rn. 83 und passim; Mahrenholz (Fn. 6), Rn. 135 ff.; Mihatsch (Fn. 7), 82 ff.; I. Pernice in: H. Dreier (Hrsg.) GGK I, 2. Aufl. 2004, Art. 5 III Rn. 48; U. Scheuner in: Bitburger Gespräche 1977/78, 113 (120 f. und passim); R. Scholz in: Maunz/Dürig, GG , Art. 5 Abs. III Rn. 8, 28 und 32; U. Steiner (Fn. 7), Rn. 9. 27 BVerfGE 67, 213 (224); 81, 298 (305); NJW 2001, 596 (597). 28 Zum Zusammenhang von Neutralitätsgebot und Kunstdefinition vgl. vor allem Knies (Fn. 6), 170 ff. Zu den Versuchen, eine juristisch verwendbare Definition des Kunstbegriffs zu entwickeln, vgl. nur die umfassenden Überblicke bei Beisel (Fn. 26), 49 ff.; Palm (Fn. 7), 35 ff. 29 Dieses Spannungsverhältnis ist häufig bemerkt worden; vgl. Geis (Fn. 8), 246 ff.; Mahrenholz (Fn. 6), Rn. 135 ff.; M. Sachs Staatsrecht II – Grundrechte, 2. Aufl. 2003, 316. Im Kontext des Gemeinschaftsrechts vgl. dazu M. Nettesheim JZ 2002, 157 (165).

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Qualität und Umfang kaum etwas beitrüge, auf der anderen Seite die – stets nur beschränkt verfügbaren – staatlichen Mittel der wirksamen Förderung wirklich förderungsbedürftiger künstlerischer Leistungen entzöge.“30 Damit stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis staatliche Kunstpflege zur Garantie der Kunstfreiheit steht: Lässt sich Kunstförderung tatsächlich als eine Verlängerung der Freiheitsgarantie verstehen? 2.

Kunstförderung als Freiheitsverpflichtung?

a)

Das Scheitern einer sozialstaatlichen Begründung

Dabei ist inzwischen weithin anerkannt, dass Kunstförderung im Kern nicht als Sicherstellung der materiellen Freiheitsvoraussetzungen zugunsten der Grundrechtsträger und damit als – im weitesten Sinne – sozialstaatliche Tätigkeit begriffen werden kann. So ist die Förderung von Künstlern und Kunstinstitutionen primär nicht an sozialrechtlichen Bedürftigkeits-, sondern an kulturpolitischen Qualitätsmaßstäben orientiert.31 Auch die Argumentation, die Unterstützung künstlerischer Tätigkeit und kultureller Institutionen diene nicht der Alimentierung der Kunstschaffenden, sondern ermögliche dem Publikum den Zugang zu einer Hochkultur, deren Finanzierung allein über den Markt insbesondere für sozial schwächere Bevölkerungsschichten prohibitiven Charakter hätte, trägt lediglich eine sozialstaatliche Flankierung des Kulturwesens, nicht eine eigenständige, an Kriterien der Exzellenz ausgerichtete Kulturpolitik. Abgesehen davon, dass sich die Kunstrezipienten nach überwiegender Auffassung nicht auf Art. 5 Abs. 3 GG und damit wohl auch nicht auf etwaige aus diesem Grundrecht abgeleitete sozialstaatliche Effektuierungspflichten berufen können,32 dürfte es sich bei der staatlichen 30 BVerfGE 36, 321 (333). Das Plädoyer für eine neutralitätsmotivierte „Förderung schlechthin“ (H. Krüger Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, 808) ist daher auch nahezu ohne Resonanz geblieben. 31 Treffend W. Knies, in: Bitburger Gespräche 1977/78, 141 (145): „Künstlerförderung geschieht um der Kunstförderung willen. Die Unterstützung und Förderung der Künstler durch die öffentlichen Hände ist auch ein sozialpolitisches, in erster Linie aber ein kulturpolitisches Thema. Es ist der Kulturstaat (und nicht, jedenfalls nicht primär, der Sozialstaat), der hier pflegend, fördernd, stützend, tragend tätig wird.“ Näher dazu Huster (Fn. 24), 448 f. 32 Gegen die Einbeziehung der Kunstrezipienten in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG vgl. nur B. Pieroth/B. Schlink Grundrechte, 21. Aufl. 2005, Rn. 614; C. Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG , Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 5 Abs. 3 Rn. 323; und in der Sache auch BVerfG , NJW 1985, 263 f. (aA aber Isensee, AfP 1993, 624; Mahrenholz [Fn. 6], Rn. 48 ff.). Dass damit auch die aus Art. 5 Abs. 3 GG abgeleiteten objektivrecht-

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Kunstförderung vielfach um eine massive Umverteilung von Unten nach Oben handeln: nämlich um eine von allen Steuerzahlern finanzierte Subventionierung des Distinktionsgewinns33 vornehmlich einer gebildeten und gutsituierten Mittel- und Oberschicht, die – wie empirische Untersuchungen belegen34 – ganz überwiegend das Publikum hochkultureller Veranstaltungen bildet.35 b)

Die institutionelle Deutung der Kunstfreiheit

Diese Aporien des Versuchs, staatliche Kunstförderung freiheitsfunktional zu begründen, vermeidet eine institutionelle Deutung des Grundrechts, die den Sinn der Kunstfreiheitsgarantie darin erblickt, die – in den Worten des Bundesverfassungsgerichts – „auf der Eigengesetzlichkeit der Kunst beruhenden, von ästhetischen Rücksichten bestimmten Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen“ zu schützen.36 Daher wird der Freiheitsgarantie die Aufgabe zugesprochen, die Kunst nicht nur vor staatlichen Eingriffen zu schützen, sondern sie auch vor gesellschaftlichen Pressionen zu bewahren, die die Autonomie und Eigengesetzlichkeit der Kunst beeinträchtigen, und gerade diejenigen Künstler und Kunstwerke zu unterstützen, die zwar hohen ästhetischen Ansprülichen Verpflichtungen konsequenterweise nicht auf die Interessen des Publikums bezogen werden dürfen, wird allerdings weithin nicht gesehen. 33 Zum Begriff vgl. P. Bourdieu Die feinen Unterschiede, 1987. 34 So kommt beispielsweise eine neuere Studie der Johann Wolfgang Goethe-Universität, die die soziodemographische Zusammensetzung des Publikums bei Konzerten des Hessischen Rundfunks im Bereich der klassischen und der neuen Musik in Frankfurt untersucht hat, zum Ergebnis, dass „die Altersstruktur des Publikums etwas unter sechzig Jahren in Verbindung mit recht hohen individuellen beruflichen Prestigewerten sowie entsprechenden Werten bezüglich des Sozialstatus (…) darauf schließen (lässt), dass der Besuch klassischer Konzerte zum Freizeitverhalten einer bestimmten, sozial und ökonomisch privilegierten Gruppe gehört.“ Vgl. G. Kreutz u. a. Das Orchester 12/2003, 8 ff. 35 Wenn es für diese Behauptung angesichts der lebensweltlichen Evidenz überhaupt weiterer Belege bedarf, sei hingewiesen auf die sozialwissenschaftliche Beschreibung der „Hochkulturszene“ bei G. Schulze Die Erlebnisgesellschaft, 6. Aufl. 1996, 475 ff. 36 BVerfGE 30, 173 (190); 31, 229 (238 f.) – allerdings in diesen Entscheidungen, die sämtlich den Eingriffsbereich betreffen, ohne ersichtliche dogmatische Konsequenzen. Zur institutionellen Deutung besonders dezidiert H. Ridder Freiheit der Kunst nach dem Grundgesetz, 1963, 12 und passim. Vgl. ferner K.-H. Ladeur in: Alternativkommentar zum GG , 3. Aufl., Art. 5 Abs. 3 II Rn. 18 ff.; Palm (Fn. 7), 79 ff.; ähnlich auch, allerdings mit ausdrücklicher Ablehnung des Begriffs des Institutionellen, Graul (Fn. 7), 49 ff. Weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur herrscht aber Klarheit über das Rangverhältnis dieser Grundrechtsdimension zu den anderen – subjektiv-abwehrrechtlichen und objektiv-förderungsrechtlichen – Schutzrichtungen, die Art. 5 Abs. 3 GG gemeinhin zugeschrieben werden; vgl. dazu treffend Denninger (Fn. 6), Rn. 24.

Kultur im Verfassungsstaat

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chen genügen, aber trotz – oder gerade wegen – dieser Ansprüche ihr Publikum nicht finden.37 Kunstförderung reagiert insoweit auf ein „ästhetisches Marktversagen“; sie schützt die Kunst und die Künstler vor dem Zwang zur Marktkonformität. Diese Begründung dürfte ein wesentliches Motiv staatlicher Kunstförderung erfassen. Es ist aber fraglich, ob es ihr auch gelingt, eine entsprechende Förderungspflicht im Grundgesetz zu verankern. Art. 5 Abs. 3 GG in seiner originären abwehrrechtlichen Funktion lässt sich keine Wertentscheidung für die Orientierung an ästhetischen Eigengesetzlichkeiten, sondern lediglich für die Freiheit der Kunst entnehmen.38 Dem Abwehrrecht geht es nicht um den Schutz der Kunst, sondern um den Schutz der Freiheit des Individuums, sich künstlerisch auszudrücken; es dient nicht der Autonomie des Lebensbereiches Kunst, sondern Autonomie und Orientierung an ästhetischen Gesetzen sind eine Folge der individuellen Freiheit. Diese Folge ist möglich, nicht notwendig: Weder verpflichtet das Grundrecht zu künstlerischer Tätigkeit, noch setzt der Grundrechtsschutz voraus, dass sich die Bürger bei Kunstproduktion und -rezeption an spezifisch ästhetischen Maßstäben orientieren.39 Das sich daraus ergebende Spannungsverhältnis wird gerade mit Blick auf die Kunstförderung deutlich. In dem institutionellen Ansatz zeichnet sich diese Förderung dadurch aus, dass sie die aktuellen Produktionsund Rezeptionsinteressen der Bürger, wie sie in Marktentscheidungen zum Ausdruck kommen, korrigieren will. Es ist dieser sozusagen kontrafaktische Charakter, der sich nicht nur nicht aus der Kunstfreiheitsgarantie ableiten lässt, sondern tendenziell sogar zu ihr in Widerspruch tritt. Die institutionelle Deutung nimmt somit gegenläufige Schutzrichtungen in das Grundrecht auf – mit der Gefahr, dass die Freiheit derjenigen Bürger, die sich den jeweiligen Prozessimperativen und Systemerwartungen nicht fügen, den grundrechtlichen Schutz verliert.40

37 Das „Ausgeliefertsein (der Kunst, S. H.) an das Publikum en large“ (Ridder [Fn. 36], 24) wird in der verfassungsrechtlichen Literatur häufig als Gefahr für die Kunstfreiheit betrachtet; vgl. z. B. Graul (Fn. 7), 79 ff.; Hufen (Fn. 6), 30 („Gefährdung durch ‚Nichtbeachtung‘“); Oppermann (Fn. 5), 443; J. Schwarze AfP 1974, 692 (696). Auf diese Gefährdung wird für die Legitimation kunstfördernder Maßnahmen dann auch vielfach hingewiesen; vgl. z. B. Heckel (Fn. 26), 91, 95, 127 f.; Huber (Fn. 8), 127 f.; Hufen ebd., 185 f.; Mihatsch (Fn. 7), 40, 48; Oppermann ebd., 443; Ridder ebd., 20 und passim. 38 Knies (Fn. 31), 155. 39 Zur Kunstfreiheit vgl. J. Isensee FS Heckel, 1999, 739 (746): „Die Freiheit braucht sich nicht durch Leistung zu rechtfertigen.“ 40 Dass institutionelle Grundrechtsdeutungen zu illiberalen Konsequenzen tendieren, ist häufig bemerkt worden; vgl. E.-W. Böckenförde Grundrechtstheorie und Grund-

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c)

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Kunst als öffentliches Gut

Erheblich plausibler ist es daher, die staatliche Kunstförderung nicht auf die individuelle Freiheit, sondern auf ein öffentliches Interesse zu stützen. Dabei mag es dahinstehen, ob Kunst und damit auch Kunstförderung einen besonderen Beitrag zur politischen Integration des Gemeinwesens leisten.41 Ästhetisch ambitionierte Kunst führt jedenfalls ganz unabhängig davon zu einer reichhaltigeren, differenzierteren und komplexeren Struktur der intellektuellen und ästhetischen Umwelt.42 Dies lässt sich kunstintern feststellen, wirkt sich aber auch auf die kulturelle Struktur im umfassenden Sinne aus. Dies beginnt damit, dass die Umgangssprache in ihrer Entwicklungsfähigkeit und Differenziertheit des Ausdrucks zu einem nicht unerheblichen Teil davon abhängig ist, dass sie durch Impulse aus dem kreativen dichterischen Umgang mit Sprache belebt und erneuert wird. Und es endet damit, dass „große“ Kunstwerke – gemeinsam und in Wechselwirkung mit anderen Faktoren der ideellen Reproduktion – das Selbstverständnis eines Gemeinwesens beeinflussen, indem sie es ermöglichen, neue Sichtweisen kennenzulernen, neue Sinnzusammenhänge zu erschließen und Erfahrungen auf neue Weise zu artikulieren.43 Diese Auswirkungen sind nun nicht nur für die unmittelbaren Kunstproduzenten und -rezipienten vorteilhaft; vielmehr profitieren von ihnen alle Mitglieder des Gemeinwesens, weil sie an dessen kultureller Struktur teilhaben. Und da dieser Vorteil unteilbar und öffentlich ist,44 lässt sich ästhetisch ambitionierte Kunst als ein öffentliches Gut mit positiven externen Effekten auffassen.45 Entscheidend ist nun, dass sich diese Ef-

rechtsinterpretation, in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, 115 (124 ff.); E. Grabitz Freiheit und Verfassungsrecht, 1976, 218 ff.; H. Steiger Institutionalisierung der Freiheit?, in: H. Schelsky (Hrsg) Zur Theorie der Institution, 1970, 91 (111 ff.). 41 Mit großer Skepsis insoweit jetzt J. Carey What Good Are the Arts?, 2005. Vgl. auch A. Hauser Soziologie der Kunst, 3. Aufl. 1988, 335. 42 Zur folgenden Argumentation vgl. vor allem R. Dworkin Can a Liberal State Support Art?, in: ders., A Matter of Principle, 1985, 221 (224 ff.). 43 Dies entspricht weithin den Begründungen in der einschlägigen kulturpolitischen Literatur; vgl. grundlegend H. Hoffmann Kultur für alle, 1981; ferner aus jüngerer Zeit M. Opielka APuZ B 12/2003, 21 ff.; O. Scheytt APuZ B 12/2003, 6 ff.; und die Beiträge in N. Lammert (Hrsg.) Alles nur Theater?, 2004; jew. mwN. 44 Zu dieser Definition des öffentlichen Guts vgl. z. B. J. Rawls Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1979, 299 f. 45 Vgl. auch dazu Dworkin (Fn. 42). Zur Diskussion dieses Ansatzes vgl. H. Brighouse Philosophy & Public Affairs 24 (1995), 35 ff. Zu dieser Qualifikation vgl. weiter E. Bechler Über den Gütercharakter der Kunst, in: R. Graf Strachwitz/S. Toepler (Hrsg.) Kultur-Förderung: Mehr als Sponsoring, 1993, 41 (50 ff.). Auch R. Alexy Individuelle

Kultur im Verfassungsstaat

63

fekte nicht adäquat auf die Marktbeziehungen zwischen Produzenten und Rezipienten auswirken, da die mittelbaren Nutznießer an diesen Beziehungen gar nicht beteiligt sind. Die Kunst vollständig dem Markt zu überlassen, führte daher mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu, dass die kulturelle Struktur ärmer wird. In dieser Situation ist es gerechtfertigt, auf dieses „ästhetische Marktversagen“ zu reagieren, indem die Erhaltung der Kunst als eines öffentlichen Guts politisch geregelt wird und alle Bürger – auch diejenigen, die selbst kein unmittelbares Interesse an dieser Kunst besitzen – an der Finanzierung beteiligt werden.46 3.

Folgerungen

Wenn diese Rekonstruktion den Sinn staatlicher Kunstförderung zutreffend erfasst, liegen in verfassungsrechtlicher Hinsicht drei Folgerungen nahe. a)

Das Spannungsverhältnis von Kunstfreiheit und Kunstförderung

Zwischen individueller Kunstfreiheit und qualitätsorientierter staatlicher Pflege und Förderung der Kunst besteht eher ein Spannungsals ein Entsprechungsverhältnis. Auf Ableitungen dieser Förderung aus Art. 5 Abs. 3 GG sollte daher verzichtet werden: Kunstförderung findet – entgegen einer weitverbreiteten Ansicht – nicht wegen, sondern trotz der Kunstfreiheitsgarantie statt, weil und soweit sie gerade darauf abzielt, die Ergebnisse des individuellen Freiheitsgebrauchs zu korrigieren.47 b)

Kunstförderung als politisches Ziel

Die Verwirklichung öffentlicher Güter ist eine Aufgabe, die aus Gründen der funktionsgerechten Kompetenzverteilung grundsätzlich der Po-

Rechte und kollektive Güter, in: ders. Recht, Vernunft, Diskurs, 1995, 232 (239), bezeichnet ein „hohes kulturelles Niveau“ als ein kollektives Gut. 46 Eine derartige Rechtfertigung staatlicher Kunstförderung ist also möglich, aber auch geboten – und zwar mit Blick sowohl auf deren Lenkungsambitionen in einem grundrechtlich geschützten Bereich als auch auf die Verwendung öffentlicher Mittel; vgl. dazu Huster (Fn. 24), 457 ff. 47 Diese These richtet sich nicht grundsätzlich gegen objektivrechtliche Gehalte der Grundrechte, die über ihre subjektiv-abwehrrechtliche Wirkung hinausgehen, sondern betont, dass sich auch diese Gehalte auf die individuelle Freiheit zurückbeziehen lassen müssen. Institutionelle Grundrechtsdeutungen liegt dagegen ein aufgeladenerer Freiheitsbegriff zugrunde, dessen Folgerungen zur individuellen Freiheit gerade in Widerspruch treten können und deshalb in den Freiheitsrechten nicht gut aufgehoben sind.

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litik und nicht dem Verfassungsrecht obliegt.48 Zum einen konkurrieren – insbesondere in finanzieller Hinsicht – derartige politische Ziele mit anderen Zielen. Die dann zu treffende Prioritätsentscheidung ist aber typischerweise eine originär politische Angelegenheit und verfassungsrechtlich nur schwer zu determinieren. Zum anderen sind in diesem Zusammenhang schwierige empirische Einschätzungen erforderlich. So setzt die Begründung staatlicher Kunstförderung die keineswegs selbstverständliche Annahme voraus, dass diese Förderung im Vergleich zu marktgesteuerten Prozessen einen ästhetischen Mehrwert garantiert. Dies mag gelegentlich oder sogar häufig, muss aber keineswegs immer und in allen Kunstbereichen der Fall sein.49 Ob die künstlerische Eigengesetzlichkeit durch Marktzwänge stärker beeinträchtigt wird als durch die Anpassung an die Erwartungen öffentlicher Fördergremien, und ob künstlerische Kreativität, Innovationsbereitschaft und Pluralität in marktgeschützten öffentlichen Räumen besser gedeihen als in nachfragegesteuerten Prozessen, sind offene Fragen, die von Fall zu Fall ganz unterschiedlich zu beantworten sein können. Sie verlangen nicht nach einer verfassungsrechtlichen Beurteilung, sondern nach einer sachbereichsspezifischen kulturpolitischen Einschätzung. Diese beiden Aspekte erklären auch, warum die Kulturklauseln in den Verfassungen der Bundesländer keine größere praktische Bedeutung erlangt haben;50 von einer kulturellen Staatszielbestimmung im Grundgesetz wäre dies ebenso wenig zu erwarten.51

48 Vgl. dazu grundlegend R. Dworkin Bürgerrechte ernstgenommen, 1984, 147 ff.; exemplifiziert am Beispiel des Ehe- und Familienschutzes im deutschen Verfassungsrecht bei S. Huster, in: C. Hiebaum/P. Koller (Hrsg.) Politische Ziele und juristische Argumentation, 2003, 47 ff. 49 Skepsis gegenüber dem unhinterfragten „Zutrauen“ der deutschen Verfassungsrechtswissenschaft „in den kultursichernden, ja kulturschaffenden Staat“ auch bei G. Haverkate AöR 108 (1983), 624 (635 f.). 50 Vgl. pars pro toto zur nordrhein-westfälischen Rechtslage T. Mann in: W. Löwer/ P. J. Tettinger (Hrsg.) Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Art. 18 Rn. 5 ff. 51 Im Hinblick auf die derzeit diskutierte Verankerung einer kulturellen Staatszielbestimmung im Grundgesetz (vgl. die Nachweise in Fn. 10) legt dies eine zurückhaltende Beurteilung nahe. Auf der einen Seite kann ein Übergang von originär politischen Entscheidungsbefugnissen auf die Verfassungsgerichtsbarkeit nur dann verhindert werden, wenn eine derartige Bestimmung sogleich ihrer Justitiabilität weithin entkleidet wird. Zudem ist die Gefahr einer schleichenden Verlagerung der kulturpolitischen Kompetenzen auf die Bundesebene nicht von der Hand zu weisen (vgl. Stettner [Fn. 11], 682) – eine Entwicklung, die schon deshalb problematisch ist, weil sie den Trägerpluralismus von Bund, Ländern und Gemeinden zu schwächen droht, dessen freiheitserhaltende Wirkung man angesichts der rechtlich kaum kontrollierbaren Auswahlentscheidungen

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Ästhetische Funktionalisierung des Grundrechtsschutzes?

Wenn es richtig ist, dass die Schutzwürdigkeit ambitionierter Kunst auf einem öffentlichen Interesse beruht, legt dies für die Dogmatik des abwehrrechtlichen Grundrechtsschutzes die Folgerung nahe, dass Abstufungen der Schutzintensität nach dem künstlerischen Wert des jeweiligen Werkes verfassungsrechtlich möglich, aber nicht geboten sind. Die Rechtsprechung zum Verhältnis von Kunstfreiheit und Jugendschutz leitet aus Art. 5 Abs. 3 GG allerdings die Verpflichtung ab, den künstlerischen Wert eines Werkes, das von einem staatlichen Eingriff betroffen ist, zu berücksichtigen. So heißt es in der „Mutzenbacher“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, für die Frage, ob dem Jugendschutz oder der Kunstfreiheit Vorrang einzuräumen ist, ergebe sich aus Art. 5 Abs. 3 GG , dass auch auf das Ansehen des jeweiligen Werkes beim Publikum sowie die Ehre und Wertschätzung abzustellen ist, die es in Kritik und Wissenschaft gefunden hat.52 Unter Berufung auf diese Entscheidung hat sich das Bundesverwaltungsgericht dann gegen eine „unzulässig verengende Betrachtungsweise“ der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften gewandt, die von einer „‚Gleichwertigkeit‘ aller Kunstwerke in Bezug auf die Kunstfreiheit“ ausgegangen war; bei einer Indizierungsentscheidung sei vielmehr aus verfassungsrechtlichen Gründen auch der künstlerische Wert in die Abwägung einzustellen.53 Wenn man in dem künstlerischen Wert einen abwägungsrelevanten „Belang der Kunstfreiheit“ sieht,54 so liegt darin eine ästhetische Funktionalisierung des Grundrechtsschutzes.55 Nach der hier vertretenen Konzeption schützt die Garantie der Kunstfreiheit aber die individuelle Freiheit, während die Existenz hoher Kunst ein öffentliches Gut dar-

im Bereich der Kunstförderung nicht gering schätzen sollte. Auf der anderen Seite stellt eine derartige Staatszielbestimmung – wie es in den Landesverfassungen schon der Fall ist – klar, dass Kunstförderung nicht in Kunstfreiheit aufgeht. Abgesehen von dieser eher formalen Transparenzerwägung mag für sie vor allem sprechen, dass der notorisch durchsetzungsschwache Kulturbelang jedenfalls auf einer symbolischen Ebene gestärkt wird. 52 BVerfGE 83, 130 (148). 53 BVerwG , NJW 1997, 602 (603). Zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und ihrer wechselhaften Entwicklung vgl. die Darstellung bei H. Weber FG 50 Jahre BVerwG , 2003, 991 (996 ff.). 54 Vgl. BVerwG , NJW 1997, 75 (76 ff.). 55 Diese erinnert an die demokratisch-funktionale Verstärkung, die das Bundesverfassungsgericht dem Grundrecht der Meinungsfreiheit zubilligt, sobald die fragliche Meinungsäußerung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung darstellt; st. Rspr. seit BVerfGE 7, 198 (212); vgl. dazu auch D. Grimm NJW 1995, 1697 (1703 f).

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stellt, über dessen Schutz und Förderung politisch zu entscheiden ist. Aus dem Freiheitsrecht kann daher nicht die Verpflichtung abgeleitet werden, ein öffentliches Gut durch die Verstärkung des abwehrrechtlichen Schutzes zu verfolgen. Plausibel wäre es dagegen, wenn der einfache Gesetzgeber den Freiheitsschutz qualitätsspezifisch ausgestaltet und die Rechtsprechung – unter Hinweis auf die Nachvollziehbarkeit der gesetzgeberischen Überlegung, dass die Existenz hoher Kunst für die kulturelle Struktur des Gemeinwesens förderlich ist – darauf mit der Feststellung reagiert hätte, dass Art. 5 Abs. 3 GG diese Differenzierung erlaubt. Da der Gesetzgeber diese Ausgestaltung aber wohl – dies ist eine Frage der Auslegung des einfachen Rechts – weder im Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften noch im jetzt einschlägigen Jugendschutzgesetz vorgenommen hat,56 besteht für die von der Rechtsprechung vorgenommene Qualitätsdifferenzierung des Freiheitsschutzes keine rechtliche Grundlage.57

III. Kultur des Verfassungsstaates: Erziehung in der öffentlichen Schule Ähnliche treten auf, nimmt, der normativen

Fragen der Abgrenzung von Verfassungsrecht und Politik wenn man den umfassenden Kulturbegriff in den Blick die Gesamtheit der intellektuellen, weltanschaulichen und Implikationen und Voraussetzungen der freiheitlichen Ord-

56 Die Kommentarliteratur ist insoweit ohne Problembewusstsein; vgl. R. Scholz/ M. Liesching Jugendschutz. Kommentar, 4. Aufl. 2004, § 18 JuSchG Rn. 36 ff.; J. Ukrow Jugendschutzrecht, 2004, Rn. 301 ff. Für die hiesige Argumentation reicht aber der Hinweis aus, dass die Rechtsprechung die Berücksichtigung des künstlerischen Wertes nicht aus § 1 Abs. 2 Nr. 2 GjS bzw. § 18 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG, sondern unmittelbar aus Art. 5 Abs. 3 GG abgeleitet hat. 57 Ob und inwieweit sich diese Grundsätze auf andere Grundrechte und ihr Verhältnis zu bestimmten öffentlichen Gütern übertragen lassen, kann nur von Fall zu Fall entschieden werden. So ist die Überlegung nicht von der Hand zu weisen, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit angesichts seiner Funktion für den politischen Prozess und dessen im Grundgesetz festgeschriebenen demokratischen Charakter (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG ) eine bereits in der Verfassung selbst angelegte Verstärkung erfahren muss, soweit Meinungsäußerungen einen Beitrag zu diesem Prozess darstellen. Dass eine verfassungsrechtliche Verpflichtung besteht, ein möglichst hochstehendes kulturelles Leben anzustreben, lässt sich dem Grundgesetz dagegen nicht entnehmen, so dass sich – obwohl es in beiden Fällen um ein öffentliches Gut geht – unter diesem Gesichtspunkt eine differenzierte Behandlung von Meinungs- und Kunstfreiheit begründen ließe. Anders aber M. Flitsch Die Funktionalisierung der Kommunikationsgrundrechte, 1998, 209, der eine derartige funktionale Verstärkung der Kommunikationsfreiheiten grundsätzlich ablehnt.

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nung bezeichnet.58 Im folgenden soll paradigmatisch ein Lebensbereich betrachtet werden, in dem die öffentliche Gewalt besonders intensiv auf die Orientierungen und Werthaltungen der Bürger Einfluss nimmt und der daher auch bevorzugter Schauplatz der einschlägigen Kulturdebatten und -konflikte ist: die öffentliche Schule. 1.

Die Erforderlichkeit und Zulässigkeit der politischen Festlegung von Erziehungszielen

Bildung und Erziehung in der öffentlichen Schule sollen zur Persönlichkeitsentfaltung des Kindes ebenso beitragen wie zur Integration des Gemeinwesens.59 Insbesondere für den Integrationszweck stellt sich die Frage, welche Erziehungsziele die Schule verfolgen darf, um die kulturellen Grundlagen der freiheitlichen Ordnung zu vermitteln und zu stärken.60 Nicht zuletzt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die von einer Gleichordnung von staatlichem Erziehungsauftrag und elterlichem Erziehungsrecht in der Schule ausgeht61 und damit die schulischen Erziehungsziele einer besonderen Rechtfertigungsnotwendigkeit unterstellt, hat zu einer Reihe von Ansätzen geführt, die die Verfassung selbst als Erziehungsleitlinie auffassen. Eine derartige „pädagogische Verfassungsinterpretation“62 muss das Grundgesetz aber überfordern.63 Dies gilt insbesondere für den Versuch, aus den Freiheitsrechten Erziehungsziele abzuleiten. In der Sache geht es hier nämlich jeweils um Funktionsbedingungen des Gemeinwesens, die mit dem grundrechtlichen Freiheitsschutz nicht notwendigerweise parallel laufen, sondern mit ihm eher zufällig übereinstimmen: Manche Freiheitsausübungen Vgl. oben I. 3. Prägnant BVerwG , NJW 1982, 250: „Die Schule soll zur Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und zu seiner Eingliederung in die Gesellschaft beitragen“. 60 Vgl. dazu H.-U. Evers Die Befugnis des Staates zur Festlegung von Erziehungszielen in der pluralistischen Gesellschaft, 1979; Y. Hsu Selbstverwirklichungsrecht im pluralistischen Kulturstaat, 2000; A. Schmitt-Kammler Elternrecht und schulisches Erziehungsrecht nach dem Grundgesetz, 1983; E. Stein Das Recht des Kindes auf Selbstentfaltung in der Schule, 1967; M. Thiel Der Erziehungsauftrag des Staates in der Schule, 2000; sowie die Berichte von M. Bothe, A. Dittmann, W. Mantl und Y. Hangartner, Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat, VVDStRL 54 (1995), 7 ff., 47 ff., 75 ff.; 95 ff. 61 Vgl. BVerfGE 34, 165 (183); 96, 288 (304); 98, 218 (244). 62 Vgl. P. Häberle FS Hans Huber, 1981, 211 und passim; umfassend ders. Erziehungsziele und Orientierungswerte im Verfassungsstaat, 1981, 71 ff. 63 Kritisch auch J. Isensee Verfassung als Erziehungsprogramm?, in: A. Regenbrecht (Hrsg.), Bildungstheorie und Schulstruktur, 2. Aufl. 1996, 190 (192 ff.). 58 59

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entsprechen diesen Bedingungen, andere nicht; der Zusammenhang ist völlig kontingent.64 Dieser Einwand lässt sich im übrigen generell gegen den Versuch erheben, diese Funktionsbedingungen als Grundrechtsvoraussetzungen oder -erwartungen zu formulieren und ihnen dadurch einen besonderen verfassungstheoretischen oder gar verfassungsrechtlichen Rang zu verleihen.65 Sachhaltige Erziehungsvorgaben enthält das Grundgesetz allenfalls für den relativ engen Bereich der politischen Bildung, in dem auf die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen für Demokratie und Rechts- und Sozialstaatlichkeit zurückgegriffen werden kann und muss. Das bedeutet nun allerdings keineswegs, dass die Erziehung in der öffentlichen Schule, die sich sinnvollerweise nicht auf die politische Bildung beschränken kann,66 im übrigen eine wertfreie oder wertneutrale Erziehung sein müsste. Auch in der Schule steht das staatliche Handeln nicht unter einem umfassenden Verfassungsvorbehalt, so dass die Festlegung weiterer schulischer Erziehungsziele dem Gesetzgeber obliegt, der von dieser Kompetenz in den Landesverfassungen und in den Schulgesetzen auch umfassend Gebrauch gemacht hat. 2.

Offene oder distanzierende Neutralität?

Aufgrund ihrer Verpflichtung zur Neutralität in religiös-weltanschaulichen Fragen ist die öffentliche Schule allerdings nicht in der Lage, diese Erziehungsziele in ein geschlossenes ethisches Fundament einzubetten. Wer der Ansicht ist, dass weder politische Grundentscheidungen noch sozialmoralische Vorgaben und Tugenden der persönlichen Lebensführung ohne ein derartiges Fundament vermittel-, begründ- und konkretisierbar sind, wird dessen Fehlen für eine empfindliche Schwä64 Wenn beispielsweise die Berufsfreiheit des Art. 12 GG als Argument dafür angeführt wird, dass die öffentliche Schule zu einer Erziehung zur beruflichen Tüchtigkeit berechtigt oder gar verpflichtet ist (in diese Richtung beispielsweise Häberle FS Huber [Fn. 62], 232), überzeugt dies schon deshalb nicht, weil dieses Erziehungsziel auch dann sinnvoll und zulässig wäre, wenn die Berufsfreiheit im Grundgesetz keinen ausdrücklichen grundrechtlichen Schutz gefunden hätte – wie dies in vielen anderen Verfassungen und auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention der Fall ist. Im Gegenteil: In seiner primären abwehrrechtlichen Wirkung beschränkt Art. 12 GG entsprechende staatliche Aktivitäten eher, als dass er sie legitimiert; dies hat zuletzt die Diskussion um Arbeitsanreize in den Sozialleistungssystemen deutlich gemacht (vgl. dazu nur W. Boecken SGb 2001, 525 ff.). 65 Vgl. insbesondere J. Isensee HStR V, 1992, § 115 Rn. 222 ff.; P. Kirchhof HStR IX , 1997, § 221 Rn. 59 ff. Zur Kritik vgl. Huster (Fn. 24), 647 f. 66 Daran krankt die Konzeption von Schmitt-Kammler (Fn. 60), 41 ff.; zur Diskussion dieses Ansatzes vgl. Huster (Fn. 24), 286 ff.

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che halten.67 Als Ausweg aus diesem Dilemma war nun lange Zeit die staatliche Förderung derjenigen gesellschaftlichen Kräfte anerkannt, die zur Pflege eines religiös-weltanschaulichen Fundaments bereit und in der Lage sind.68 Für die öffentliche Schule findet dies seinen sinnfälligsten Ausdruck in der Einrichtung des Religionsunterrichts, die es ermöglicht, eine religiös-weltanschauliche Erziehung in die Schule zu integrieren, ohne dass der Neutralitätsanspruch aufgegeben werden muss.69 Inzwischen mehren sich jedoch die Anzeichen dafür, dass dieses Regelungsmodell der offenen oder positiven Neutralität an seine Grenzen stößt. Die Inanspruchnahme der einschlägigen Rechtsformen und Institute – vom Körperschaftsstatus70 über den Religionsunterricht71 bis hin zur Errichtung von Bekenntnisschulen72 – durch neue und zugewanderte Gemeinschaften mag man unter dem Gesichtspunkt der Kulturpflege nämlich für fragwürdig halten; zudem kann die Offenheit der öffentlichen Schule für religiös-weltanschauliche Überzeugungen und Bekundungen in einer zunehmend pluralistischen Gesellschaft durchaus konfliktträchtig sein. Für einen generellen Kulturvorbehalt zugunsten oder zulasten bestimmter religiös-weltanschaulicher Richtungen enthält das Grundge-

67 Eine sehr pointierte Formulierung hat diese Position in einem Diskussionsbeitrag von T. Oppermann in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 32 (1998), 46, gefunden: In der öffentlichen Schule könne mangels eines „geschlossenen Weltbildes“ nur „eine etwas dünne Suppe“ angeboten werden. Prägnant auch W. Rüfner, ebd., 51: „Die primären Werte und damit die letzte Verbindlichkeit bleiben offen und dürfen in der öffentlichen Schule nicht behandelt werden (…). Die letzte Verbindlichkeit kann der pluralistische Staat nicht geben, und alles andere hängt danach in der Luft.“ Zum Neutralitätsbegriff vgl. K. Schlaich Neutralität als verfassungstechtliches Prinzip, 1972; Huster (Fn. 24). 68 Zu dieser Argumentation vgl. nur K. G. Meyer-Teschendorf Staat und Kirche im pluralistischen Gemeinwesen, 1979, 135 ff. 69 Vgl. dazu Huster (Fn. 24), 349 ff. mwN. 70 Insoweit hat insbesondere das Begehren der Zeugen Jehovas, als öffentlich-rechtliche Körperschaft nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV anerkannt zu werden, die Diskussion belebt; vgl. BVerfGE 102, 370 ff.; sowie aus der umfangreichen Literatur vgl. die monographischen Darstellungen bei E. D. Bohl, Der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaften, 2000; H. M. Heinig Öffentlichrechtliche Religionsgesellschaften, 2003; S. Magen Körperschaftsstatus und Religionsfreiheit, 2004. 71 Zum islamischen Religionsunterricht vgl. nur A. Emenet Verfassungsrechtliche Probleme einer islamischen Religionskunde an öffentlichen Schulen, 2003; M. Heckel JZ 1999, 741 ff.; S. Muckel, JZ 2001, 58 ff.; M. Stock Islamunterricht: Religionskunde, Bekenntnisunterricht oder was sonst?, 2003; 72 Auch hier spielt der Islam die zentrale Rolle; vgl. J. Isensee FS Rüfner, 2003, 355 ff.

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setz dabei keinen Anhaltspunkt.73 Wer dies anders sieht, wird sich nicht nur mit dem verfassungsrechtlichen Neutralitätsgebot auseinandersetzen, sondern auch damit rechnen müssen, dass die Beurteilung der jeweiligen Kulturverträglichkeit mangels verfassungsrechtlicher Vorgaben zu einer politischen Angelegenheit mit ungewissem Ausgang werden wird: Was dem einen Bundesland das Kopftuch ist, das einer Kultur der Gleichberechtigung der Geschlechter entgegenstehe,74 wird dem anderen eine kirchliche Stellungnahme zur gleichgeschlechtlichen Orientierung sein, die mit einer Kultur der Gleichberechtigung unterschiedlicher sexueller Ausrichtungen nicht vereinbar sei.75 Hält man derartige Kulturverträglichkeitsprüfungen daher weder für verfassungsrechtlich möglich noch für verfassungspolitisch klug, steht als Alternative nur das Regelungsmodell einer distanzierenden oder negativen Neutralität zur Verfügung. Ob man in staatlichen Institutionen eher auf Integration oder auf Ausgrenzung religiös-weltanschaulicher Elemente setzt, muss jedes Gemeinwesen anhand seiner historischen Erfahrungen und seiner gesellschaftlichen Situation klären.76 Dabei handelt es sich – anders als bei der Gleichbehandlungsforderung des Neutralitätsgebotes – nicht um ein fundamentales Gerechtigkeitsproblem, sondern um eine Frage der gesellschaftspolitischen Klugheit. Dies wird besonders deutlich, wenn auch die Verfechter der offenen Neutralität betonen, dass der Staat um seiner selbst willen Religion und Weltanschauung nicht ignorieren dürfe.77 Angesichts der großen Herausforderung, den religiös-weltanschaulichen Pluralismus zu bewältigen, wären verfassungsrechtliche Verfestigungen insoweit allerdings problematisch. Wichtig ist es vielmehr, der Politik ausreichenden Gestaltungsspielraum zu gewährleisten, um sachbereichs-, situations- und problemspezifisch reagieren zu können.

73 Anders aber jetzt – und mit dem bisherigen Verständnis der verfassungsrechtlichen Vorgaben schwerlich vereinbar – insbesondere P. Kirchhof in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 39 (2005), 105 ff. Vgl. auch J. Isensee (Fn. 72), 377 f., zu privaten Bekenntnisschulen; sowie H. Maurer FS Zacher, 1998, 577 (583 Fn. 21) zum Religionsunterricht. Von einem „verdeckten Kulturvorbehalt“ des Grundgesetzes zugunsten des Christentums spricht C. Hillgruber JZ 1999, 538 (547). 74 Vgl. dazu die Nachweise in Fn. 83. 75 Die nahe liegende Frage, wer denn nach welchen Maßstäben die – wenn es denn schon darauf ankommen soll – Kulturverträglichkeit einer Überzeugung oder Lebensform beurteilen darf, gerät erstaunlicherweise bei Uhle (Fn. 2) nicht einmal in den Blick. 76 Vgl. dazu und zum Folgenden S. Huster Der Grundsatz der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates – Gehalt und Grenzen, 2004, 14 ff. 77 So beispielsweise H. Steiger FS Kriele, 1997, 105 (121).

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Das Grundgesetz bietet dafür gute Voraussetzungen. Zwar enthält das deutsche Verfassungsrecht – worauf häufig hingewiesen worden ist – kein Prinzip des Laizismus und errichtet auch keinen „wall of separation“ zwischen Staat und Kirche bzw. Religion.78 Nicht so deutlich wird dagegen gesehen, dass das Grundgesetz auch nicht durchweg zu einer positiven Neutralität verpflichtet, die den religiös-weltanschaulichen Pluralismus wohlwollend in öffentliche Institutionen integriert.79 Gerade für die Schule ist dies zwar immer wieder behauptet worden,80 es stimmt aber mit dem verfassungsrechtlichen Normbestand nicht überein: Abgesehen von speziellen Regelungen – wie etwa Art. 7 GG für den Religionsunterricht –, die ersichtlich Ausnahmecharakter besitzen und deshalb keine Analogie zulassen, enthält sich das Grundgesetz einer Stellungnahme, ob und inwieweit sich die Schule und andere öffentliche Einrichtungen dem weltanschaulichen Pluralismus öffnen oder verschließen müssen. In diese Richtung weist nun auch das KopftuchUrteil des Bundesverfassungsgerichts, wenn dort heißt, dass der „mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel (…) Anlass zu einer Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser Bezüge in der Schule sein“ könne, und es dem Gesetzgeber frei stehe, „der staatlichen Neutralitätspflicht im schulischen Bereich eine striktere und mehr als bisher distanzierende Bedeutung beizumessen (…), um Konflikte mit Schülern, Eltern und anderen Lehrkräften von vornherein zu vermeiden.“81 Diese politische Flexibilität ist das unvorhergesehene, aber nicht unplausible Resultat der „Formelkompromisse“82 des deutschen Staatskirchen- und Religionsverfassungsrechts. Dementsprechend kann der Schulgesetzgeber nicht nur bestimmen, ob und inwieweit Lehrer ihre Glaubensüberzeugungen in der Schule be-

78 Vgl. dazu nur zuletzt J. Kokott Der Staat 44 (2005), 343 ff.; und die Systematik staatskirchenrechtlicher Ordnungen bei A. v. Campenhausen Staatskirchenrecht, 3. Aufl. 1996, 385 ff. 79 Zur Gegenüberstellung von positiver/offener und negativer/ausgrenzender Neutralität vgl. grundlegend E.-W. Böckenförde ZevKirchR 20 (1975), 119 (131 ff.). 80 Vgl. Böckenförde, ebd. 81 BVerfGE 108, 282 (309 f.). Die verfassungsrechtliche Beurteilung des Kopftuches einer Lehrerin war vor dieser Entscheidung umstritten, vgl. T. Anger Islam in der Schule, 246 ff.; J. Bader VBlBW 1998, 361 ff.; E.-W. Böckenförde NJW 2001, 723 ff.; A. Debus KJ 1999, 430 ff.; dies. NVwZ 2001, 1355 ff.; H. Goerlich NJW 1999, 2929 ff.; R. Halfmann NVwZ 2000, 862 ff.; S. Huster FS Tsatsos, 2003, 215 ff.; N. Janz/S. Rademacher JuS 2001, 440 ff.; M. Jestaedt FS Listl, 1999, 259 ff.; K.-H. Kästner FS M. Heckel, 1999, 359 ff.; S. Mückl Der Staat 40 (2001), 96 ff.; R. Zuck NJW 1999, 2948 f. 82 Vgl. F. Hufen NJW 1999, 1504 (1506).

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kunden dürfen,83 sondern in den Bundesländern, in denen Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG nicht greift, auch eine verfassungsrechtlich freie Entscheidung treffen, ob der traditionelle Religionsunterricht oder ein für alle Schüler obligatorischer Werteunterricht mit religionskundlichen Anteilen veranstaltet wird.84 3.

Kulturkonflikte in der öffentlichen Schule

Eine nähere Betrachtung der Konflikte mit religiös-weltanschaulichem oder allgemein „kulturellem“ Hintergrund, die in der öffentlichen Schule gegenwärtig auftreten, zeigt schließlich, dass der Kulturbegriff für deren verfassungsrechtliche Analyse und Lösung von äußerst begrenzter Leistungsfähigkeit ist. a)

Die entdifferenzierende Wirkung des Kulturbegriffs

So ist der Kulturbegriff denkbar ungeeignet, Inhalt und Grenzen des staatlichen Erziehungsauftrages zu bestimmen. Die Aussage, dass in der öffentlichen Schule die kulturellen Grundlagen unseres Gemeinwesens vermittelt werden sollen, wird auf keinen Widerspruch stoßen. Die Unklarheiten beginnen aber, wenn näher gefragt wird, was Bestandteil dieser Grundlagen ist, zu denen die Schule sich affirmativ verhalten darf oder muss. So hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise in seinen Urteilen zur christlichen Gemeinschaftsschule den Kulturbegriff tendenziell gegen den Religionsbegriff in Stellung gebracht. Dort heißt es, in der öffentliche Schule dürfe sich die „Bejahung des Christentums“ nicht auf „Glaubenswahrheiten“ beziehen, sondern lediglich auf die „Anerkennung eines prägenden Kultur- und Bildungsfaktors“ und auf

83 Allerdings verbietet – was in den Bundesländern, die zu einem Verbot des Kopftuches gelangen wollen, ohne die Religion insgesamt aus der Schule hinauszudrängen, erhebliche Probleme bereitet – das Neutralitätsgebot insoweit eine pauschale Differenzierung zwischen den unterschiedlichen religiös-weltanschaulichen Überzeugungen und Bekundungen; vgl. zur Rechtslage nach der verfassungsgerichtlichen Entscheidung BVerwG , NJW 2004, 3581 ff.; S. Baer/M. Wrase JuS 2003, 1162 ff.; U. Battis FS v. Renesse, 2005, 113 ff.; ders./P. F. Bultmann JZ 2004, 581 ff.; K. Engelken BayVBl . 2004, 97 ff.; ders. Schulgesetzregelungen der Länder zum Kopftuch, 2004; Huster (Fn. 76), 19 ff.; J. Ipsen NVwZ 2003, 1210 ff.; K.-H. Kästner JZ 2003, 1178 ff.; M. Kriele FS v. Arnim, 2004, 103 ff.; J. Krüper JöR nF. 53 (2005), 79 ff.; C. Langenfeld RdJB 2004, 4 ff.; S. R. Laskowski KJ 2003, 420 ff.; U. Mager RSG 2004, 275 ff.; M. Morlok RdJB 2003, 381 ff.; G. Neureither ZRP 2003, 465 ff.; E. Röper VBLBW 2005, 81 ff.; J. Rux ZAR 2004, 14 ff.; ders. ZAR 2004, 188 ff.; U. Sacksofsky NJW 2003, 3297 ff.; E. Schwerdtner VBlBW 2004, 137 ff. 84 Vgl. dazu näher Huster (Fn. 24), 325 ff.

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diejenigen „Werte und Normen, die, vom Christentum maßgeblich geprägt, auch weitgehend zum Gemeingut des abendländischen Kulturkreises geworden sind“.85 Kultur wird hier also gerade von den Glaubenswahrheiten als dem religiösen Kern unterschieden. Ebenso verbreitet ist aber die entgegengesetzte Argumentation, die über den Kulturbegriff die traditionellen oder die mehrheitlich vertretenen religiös-weltanschaulichen Überzeugungen in das schulische Erziehungsprogramm integrieren will. Der Kulturbegriff trägt zur Klärung dieser Frage nichts bei, weil er beiden Deutungen offen steht; dies wurde dann im Streit um das Kreuz im Klassenzimmer offenbar.86 Dieses Beispiel zeigt, wie der Kulturbegriff dazu tendiert, in sehr intransparenter Weise Gehalte zusammenzuzwingen, die der weltanschaulich neutrale Verfassungsstaat gerade auseinanderzuhalten verspricht. Diese Eigenschaft teilt er mit der allgegenwärtigen und häufig parallel laufenden Werteterminologie, die ebenfalls dazu neigt, normative Gegenstände vielfältigster Art – von Vorstellungen der gelungenen persönlichen Lebensführung über Normen der Sozialmoral bis hin zu politischen Zielen und den grundlegenden Strukturen der politischen Ordnung – in dem Begriff des Wertes oder gar der Wertordnung zu entdifferenzieren.87 b)

Die erzieherische Gewaltenteilung

Der Kulturbegriff und insbesondere die Rede von „kulturellen Rechten“ und „kultureller Identität“ suggerieren, dass es Aufgabe des Verfassungsstaates sei, bestehende kulturelle Orientierungen in leit- oder multikulturalistischer Manier – je nachdem, ob es um die Mehrheits- oder eine Minderheitenkultur geht – zu bewahren. Dies ist aber höchstens in dem Sinne richtig, dass der öffentlichen Gewalt über diese Orientierungen als solche kein Urteil zusteht; es kann nicht bedeuten, dass sie verpflichtet wäre, diese Orientierungen gegen Veränderungen und einen BVerfGE 41, 65 (78 und 84 f.). BVerfGE 93, 1 ff. Aus der umfangreichen Diskussion dieser Entscheidung vgl. M. Brenner ThürVBl . 1996, 145 ff.; A. v. Campenhausen AöR 121 (1996), 448 ff.; G. Czermak NJW 1995, 3348 ff.; ders. ZRP 1996, 201 ff.; H.-U. Gallwas FS Zacher, 1998, 185 ff.; M.-E. Geis RdJB 1995, 373 ff.; M. Heckel DVBl . 1996, 453 ff.; J. Isensee ZRP 1996, 10 ff.; C. Jakobs Kreuze in Der Schule, 2000; M. Jestaedt JRP 1995, 237 ff.; K.-H. Kästner ZevKR 41 (1996), 241 ff.; D. Merten FS Stern, 1997, 987 ff.; S. Muckel KuR 1996, 65 ff.; L. Renck ZRP 1996, 16 ff.; J. Rux Der Staat 35 (1996), 523 ff.; A. Schmitt-Kammler FS Friauf, 1996, 343 ff.; T. Würtenberger FS Knöpfle, 1996, 397 ff.; sowie die Beiträge in 85 86

W. Brugger/S. Huster (Hrsg.) Der Streit um das Kreuz in der Schule, 1998. 87 Zur Problematik des Wertebegriffs unter diesem Gesichtspunkt vgl. auch J. Habermas Faktizität und Geltung, 1992, 309 ff.; H. Schnädelbach LOGOS n.F. 7 (2001), 149 ff.

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Anpassungsdruck, den das Leben in einer freiheitlichen Ordnung mit sich bringen mag, zu schützen, oder dafür zu sorgen, dass alle Lebensformen in dieser Ordnung in gleicher Weise zurechtkommen.88 Dies wäre – worauf schon Kant entschieden hingewiesen hat – eine eudaimonistische Überforderung von Politik und Recht.89 Dies gilt auch für die Erziehung in der öffentlichen Schule. Es mag durchaus sein und ist sogar wahrscheinlich, dass Kenntnisse, Fertigkeiten und Einstellungen, die dort mit guten Gründen vermittelt werden, inhaltlich oder strukturell mit einigen kulturellen Lebensformen in Konflikt geraten. Dies kann aber zum einen schon deshalb keinen durchgreifenden Einwand darstellen, weil eine gemeinsame Schule in einer pluralistischen Gesellschaft gar nicht mehr möglich wäre, wenn alle Bildungsinhalte und Erziehungsziele unter dem Vorbehalt der Kulturverträglichkeit ständen. Zum anderen ist eine bruchlose Übereinstimmung mit den kulturell geprägten Erziehungsvorstellungen der Eltern gar nicht das Ziel der öffentlichen Schule. Der staatliche Erziehungsauftrag besitzt im Sinne einer erzieherischen Gewaltenteilung90 zwischen Elternhaus und Schule vielmehr eine komplementäre und ggf. auch korrigierende Funktion: Während die familiäre Erziehung der Inkulturation in eine bestimmte Lebensform dient, hat die Erziehung in der öffentlichen Schule den Zweck, die Orientierung in den verschiedenen gesellschaftlichen Funktionssystemen zu ermöglichen und insbesondere auf das Zusammenleben in einem kulturell pluralistischen Gemeinwesen vorzubereiten.91 Wenn es richtig ist, dass nicht – wie das Bundesverfassungsgericht annimmt – die „möglichst einheitliche Persönlichkeit“ das Erziehungsziel ist, sondern eine differenzierte Persönlichkeit, die mit den unterschied88 J. Habermas Anerkennungskämpfe im demokratischen Rechtsstaat, in: Amy Gutmann (Hrsg.), Charles Taylor: Multikulturalismus und die Politik der Anerkennung, 1993, 147 (171 ff.), hat dafür die eingängige Formulierung gefunden, es könne insoweit keinen „Artenschutz“ geben. In der verfassungsrechtlichen Diskussion entspricht diese Einsicht der These, dass rechtliche Gleichheit in einer pluralistischen Gesellschaft notwendigerweise zu tatsächlichen Ungleichheiten führt; vgl. dazu – mit kulturellem, nämlich staatskirchenrechtlichem Bezug – M. Heckel JZ 1999, 741 (745 f.). 89 Sozialphilosophisch formuliert: Sinnvollerweise kann nur eine Begründungs-, nicht aber eine Wirkungsneutralität des Handelns der öffentlichen Gewalt verlangt werden; vgl. dazu Huster (Fn. 24), 98 ff. und passim; im Anschluss an C. Larmore Strukturen moralischer Komplexität, 1995, 46 ff.; J. Rawls Political Liberalism, 1993, 190 ff. Eine scharfsinnige Kritik kulturalistischer Sichtweisen, die maßgeblich auf dieser Unterscheidung beruht, findet sich bei B. Barry Culture and Equality, 2001. 90 Zum Begriff vgl. Isensee in: Regenbrecht (Fn. 63), 202. 91 Grundlegend dazu A. Gutmann Democratic Education, 2. Aufl. 1999; im Anschluss daran vgl. S. Huster Neue Sammlung 41 (2001), 399 ff.; ders. (Fn. 24), 365 ff.

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lichen Rollenerwartungen umzugehen weiß, die an sie gestellt werden, so hat dies dogmatische Konsequenzen. Elterliches und staatliches Erziehungsrecht können in der öffentlichen Schule nicht in dem Sinne gleichgeordnet sein, dass sich die schulischen Erziehungsziele gegenüber den subjektiven Erziehungsvorstellungen der Eltern in einem Abwägungsprozess umfassend rechtfertigen müssen. Die Schule darf – etwa um überhaupt bei bestimmten Gruppen akzeptiert zu werden – auf kulturelle Besonderheiten Rücksicht nehmen; es besteht aber gegenüber dem eigenständigen staatlichen Erziehungsauftrag grundsätzlich kein Anspruch auf diese Rücksichtnahme.92 Dies spricht dafür, die schulische Erziehung, soweit sich ihre Ziele an nachvollziehbaren Gemeinwohlinteressen orientieren und gerade dadurch das Gebot der weltanschaulichen Neutralität wahren, von vornherein nicht als Eingriff in das elterliche Erziehungsrecht aufzufassen.93

IV. Gegen Kultur Die bisherigen Überlegungen zur Bedeutung des Kulturbegriffs für das Verfassungsrecht legen eine skeptische Beurteilung nahe. 1.

Kultur als verfassungsrechtlicher Begriff?

Als verfassungsrechtlicher Begriff ist der Kulturbegriff zu weit und zu vage. „Kultur“ im umfassenden Sinne bezeichnet Gegenstände und Sachverhalte unterschiedlichster Art – von Religion und Kunst über Wirtschaft und Politik bis zur Rechts- und Verfassungsordnung selbst –, zu denen der Staat sich gewiss nicht in jeweils gleicher Weise verhalten darf oder muss.94 Der Kulturbegriff mag in der Lage sein, Zusammen-

92 Anders mag es dagegen liegen, wenn die schulische Erziehung sich als Beeinträchtigung spezieller Grundrechte darstellt. Allerdings ist dies, wenn man das Grundrecht der Religionsausübung nicht in sehr unplausibler Weise überdehnt, nur mit Blick auf die Gewissensfreiheit denkbar; vgl. näher dazu Huster (Fn. 24), 371 ff. 93 Die Schranken des staatlichen Erziehungsauftrages ergeben sich danach aus objektiven Grundsätzen, insbesondere dem Zweck dieses Erziehungsauftrages und dem Gebot der religiös-weltanschaulichen Neutralität. Diese Grundsätze werden durch das elterliche Erziehungsrecht subjektiviert, das aber gerade deshalb nicht dazu dienen kann, die subjektiven Erziehungsvorstellungen der Eltern als abwägungsfähigen Belang er schulischen Erziehung gegenüberzustellen. Näher zu der dogmatischen Konstruktion dieses „Abschichtungsmodells“ vgl. Huster (Fn. 24), 298 ff. 94 Darauf hat in einem Diskussionsbeitrag bereits entschieden G. Roellecke VVDStRL 59 (2000), 328 (329), hingewiesen.

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hänge und Bedingungsverhältnisse zwischen diesen Bereichen aufzuzeigen, aber gerade deshalb steht er auch in der Gefahr, Differenzierungen zu überspielen, die das Verfassungsrecht aus guten Gründen vorsieht. Um transparente Argumentationen zu ermöglichen, muss der Begriff daher auf einzelne Sachfragen heruntergebrochen werden, für die das Grundgesetz dann jeweils spezielle und durchaus unterschiedliche Regelungen enthält.95 Zugespitzt formuliert: Wenn wir uns in der verfassungsrechtlichen Dogmatik mit Kultur beschäftigen, sprechen wir über alles Mögliche, aber gewiss nicht allgemein über „Kultur“. Kultur ist nur soweit verfassungsrechtlich geschützt, wie die einzelnen Normen des Grundgesetzes dies vorsehen; sie verdichten sich nicht zur Figur einer verfassungsrechtlichen oder gar vorverfassungsrechtlichen Gesamtkultur, der eigenständige Argumentationskraft zukäme.96 Wenn in der verfassungsrechtlichen Diskussion dennoch allgemein von „Kultur“ die Rede ist, lässt sich dementsprechend oft beobachten, dass partikulare politische oder weltanschauliche Positionen argumentativ unausgewiesen dem Grundgesetz unterlegt werden. 2.

Kultur- und Verfassungspflege als politische Aufgabe

Ob und wie in einzelnen Sach- und Lebensbereichen die Kultur – sei es nun die Kultur im engeren Sinne oder die Gesamtheit der Überzeugungen und Lebensformen – gepflegt und gefördert wird, ist im Grundsatz jeweils eine politische, keine verfassungsrechtliche Frage. Dies gilt auch, soweit man kulturelle Sachverhalte – manchmal plausibel, gelegentlich auch etwas gekünstelt – auf Funktionsvoraussetzungen des Verfassungsstaates beziehen kann: Dass es klug sein mag, diese Voraussetzungen zu pflegen, ändert nichts daran, dass dafür – neben den Bürgern selbst, die insoweit die Hauptverantwortung tragen – die Politik und

95 So auch K. Stern FS Heckel, 1999, 857 (862): „Da (…) die Versuche eines abstrakten Begriffsverständnisses weder methodisch noch inhaltlich erfolgversprechend sind, ist einer bereichsspezifischen Auslegung kulturrelevanter Normen der Vorzug zu geben. Eine Definition der Kultur ‚an sich‘ hilft nicht weiter. Kultur als solche ist juristisch nicht fassbar. Der Begriff ‚Kultur‘ ist jeweils im konkreten Normzusammenhang zu bestimmen.“ 96 Diese Argumentation lässt sich entsprechend gegen den Begriff des Kulturstaates wenden. Vgl. auch dazu Stern ebd, 865: „Die Herleitung eines geschlossenen Kulturstaatssystems aus der Verfassung überschreitet den Charakter dieser Rahmenordnung. (…) Er (der Kulturstaatsbegriff, S.H.) suggeriert ein tatsächlich nicht bestehendes System kulturrelevanter Normen. Ungeachtet seiner ohnehin bestehenden historischen Belastung sollte daher für den Bereich des Rechts von dem Begriff des Kulturstaats Abschied genommen (…) werden.“ Kritisch zum Begriff auch bereits Geis (Fn. 8).

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nicht das Verfassungsgericht zuständig ist, wenn die Verfassung eine Rahmenordnung bleiben und sich nicht zu einem umfassenden gesellschaftspolitischen Programm entgrenzen soll.97 3.

Die Eigenständigkeit des Verfassungsstaates

„Kultur“ als verfassungsrechtlicher und -theoretischer Begriff suggeriert eine Einheitlichkeit der Sichtweise auf das Gemeinwesen, die dem Verfassungsstaat fremd ist. Zwar hängt irgendwie alles mit allem zusammen, aber der moderne Verfassungsstaat lebt davon, dass bestimmte Zusammenhänge normativ entkoppelt sind. So ist der Status des Bürgers mit gleichen Freiheits- und Mitwirkungsrechten von seiner kulturellen – insbesondere religiös-weltanschaulichen – Orientierung gerade unabhängig und dadurch von kulturellen Homogenitätsansprüchen entlastet. Dies mag man für eine Schwäche der freiheitlichen Ordnung halten; gerade heute ist es aber ihre größte Stärke. In pluralistischen Gesellschaften – und dies sind im unterschiedlichen Ausmaße alle modernen Gesellschaften – ist es gefährlich, die politische Ordnung mit kulturellen Orientierungen zu identifizieren, in denen wir uns unterscheiden.98 Uneinigkeiten und die sich daraus ergebenden Konflikte sind für moderne Gesellschaften im Grundsatz nichts Schädliches – im Gegenteil: Die Notwendigkeit der Konfliktlösung in demokratischen Prozessen ver-

97 Vgl. insofern bereits die Einwände von R. Wahl AöR 112 (1987), 26 (48 ff.), gegen den Ansatz von Grimm VVDStRL 42 (Fn. 5). Im Hintergrund steht dabei insbesondere die Sorge vor einem „gleitenden Übergang vom parlamentarischen Gesetzgebungsstaat zum verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat“ (E.-W. Böckenförde Grundrechte als Grundsatznormen, in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, 159 [190]). 98 Am Rande sei angemerkt, dass kulturalistische und kulturwissenschaftliche Ansätze Gefahr laufen, sehr viel „handfestere“ politische und soziale Integrationsvoraussetzungen aus dem Blick zu verlieren (vgl. dazu auch bereits die Einwände von B. Schlink AöR 109 [1984], 143 [148] gegen die kulturwissenschaftliche Herangehensweise bei Häberle [Fn. 15]). So dürfte die Akzeptanz einer Verfassungsordnung im wesentlichen davon abhängen, dass die einschlägigen Institutionen und Verfahren funktionieren. Unter diesem Gesichtspunkt setzt eine kulturalistische Sichtweise, die beispielsweise dem Verfassungsentwurf für die Europäische Union kritisch begegnet, weil in dessen Präambel die christlich-abendländische Tradition Europas nicht hinreichend gewürdigt werde, einen zumindest eigenwilligen Schwerpunkt, wenn man bedenkt, dass die institutionellen Reformen des Verfassungsvertrag für die Arbeitsfähigkeit der erweiterten Union unverzichtbar sind (zur Kritik der europäischen Verfassungs- als Identitätspolitik vgl. zuletzt A. v. Bogdandy KJ 2005, 110 ff.). Zu einer sowohl politischen als auch philosophisch fundierten Kritik (multi-)kulturalistischen Denkens vgl. Barry (Fn. 89); sowie R. Rorty Achieving Our Country, 1998.

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dichtet die sozialen Beziehungen und integriert dadurch das Gemeinwesen.99 Dies gilt allerdings nur für diejenigen Konflikte, die – wie Verteilungskonflikte – Kompromisslösungen zulassen. Kulturkonflikte sind dagegen typischerweise unteilbar und neigen zu ideologischer Unversöhnlichkeit. Der Verfassungsstaat sollte daher ein Interesse daran haben, kulturelle Unterschiede in ihrer politischen Bedeutung nicht zu betonen und stattdessen seine eigenen normativen Entscheidungen für gleiche Freiheit, Demokratie und Rechts- und Sozialstaatlichkeit herauszustellen. Gewiss ist und bleibt der Verfassungsstaat – wie jede politische Ordnung – auf entgegenkommende Lebensformen und Überzeugungen angewiesen.100 Aber er sollte sich in seinem Selbstverständnis nicht in die Abhängigkeit von einer vorpolitisch gedachten Kultur begeben, sondern das Selbstbewusstsein besitzen, darauf zu vertrauen, dass die freiheitliche und demokratische Ordnung eine eigene Attraktivität besitzt und daher ihrerseits auf die Kultur der Bürger nicht ohne prägenden Einfluss bleiben wird.101

Vgl. dazu und zum Folgenden grundlegend A. O. Hirschman Leviathan 1994, 293 ff. Zum Begriff der „entgegenkommenden Lebensform“ vgl. J. Habermas Diskursethik – Notizen zu einem Begründungsprogramm, in: ders., Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, 1983, 53 (119); ders. Moralität und Sittlichkeit, in: W. Kuhlmann (Hrsg.) Moralität und Sittlichkeit, 1986, 16 (28). 101 Die moderierende Wirkung der freiheitlichen Ordnung und ihrer Institutionen auf kulturelle Überzeugungen und Lebensformen stellt gerade eine ihrer wichtigsten Vorteile dar; vgl. dazu S. Macedo Political Theory 26 (1998), 26 ff. 99

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Leitsätze des 2. Berichterstatters über:

Kultur im Verfassungsstaat I.

Warum Kultur?

1. Die Konjunktur des Kulturbegriffs in Recht und Politik kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verfassungsrechtswissenschaft über keinen präzisen Begriff der Kultur verfügt. Angesichts der Unschärfe und Vieldeutigkeit des Begriffs empfiehlt sich ein pragmatisches Vorgehen, das an den Funktionen dieses Begriffs in juristischen Kontexten ansetzt. 2. Zum einen geht es in diesen Kontexten um die Verantwortung des Staates für die Kultur, also um die Kultur im Verfassungsstaat. Hier liegt ein engerer Kulturbegriff zugrunde, der die Kunst, häufig auch Bildung und Wissenschaft umfasst. 3. Zum anderen zielt der Kulturbegriff auf die Grundlagen der freiheitlichen und demokratischen Ordnung, also auf die Kultur des Verfassungsstaates. Dieser erheblich weitere Kulturbegriff umfasst die Gesamtheit der Überzeugungen, Einstellungen und Lebensformen der Bürger. 4. Beide Diskussionen und das sie tragende Krisenbewusstsein gehen von Globalisierungs-, Ökonomisierungs-, Medialisierungs-, Individualisierungsund Pluralisierungsphänomenen und deren Wirkungen auf die Kultur aus. 5. Die verfassungsrechtliche Kernfrage lautet, wie das Grundgesetz das Verhältnis von grundrechtlich geschützter kultureller Freiheit und staatlicher Sorge um die Kultur bestimmt. Angesprochen ist damit gleichzeitig die Zuständigkeitsverteilung zwischen Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht in Fragen der Kulturpflege.

II.

Kultur im Verfassungsstaat: Kunstfreiheit und Kunstförderung

6. Für die Kultur im engeren Sinne lässt sich diese Fragestellung auf das Verhältnis von Kunstfreiheit und staatlicher Kunstförderung zuspitzen. 7. In ihrer abwehrrechtlichen Dimension wendet sich die Garantie der Kunstfreiheit insbesondere gegen ein staatliches Kunstrichtertum. Mit diesem Verbot einer qualitativen Wertung steht es in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis, wenn die Verfassungsrechtsprechung gleichzeitig aus Art. 5

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Abs. 3 GG als wertentscheidender Grundsatznorm die staatliche Verpflichtung zur Förderung der Kunst ableitet, da es sich dabei nur um eine selektive, vorrangig an Qualitätsmaßstäben orientierte Förderung handeln kann. 8. Staatliche Kunstförderung kann im Kern nicht als sozialstaatlich motivierte Sicherstellung der materiellen Freiheitsvoraussetzungen zugunsten der Grundrechtsträger begriffen werden. 9. Die institutionelle Deutung des Art. 5 Abs. 3 GG erfasst zutreffend das Motiv staatlicher Kunstförderung, die Eigengesetzlichkeit künstlerischer Prozesse vor dem Zwang zur Marktkonformität zu schützen. Gerade aufgrund dieses – gemessen an den aktuellen Produktions- und Rezeptionsinteressen – kontrafaktischen Charakters kann sich Kunstförderung aber nicht aus individueller Freiheit legitimieren. 10. Staatliche Kunstförderung beruht auf einem öffentlichen Interesse an der Existenz ästhetisch ambitionierter Kunst, die aufgrund ihrer positiven Effekte auf die kulturelle Struktur des Gemeinwesens als ein öffentliches Gut aufgefasst werden kann. 11. Zwischen individueller Kunstfreiheit und qualitätsorientierter staatlicher Pflege und Förderung der Kunst besteht eher ein Spannungs- als ein Entsprechungsverhältnis; auf Ableitungen dieser Förderung aus Art. 5 Abs. 3 GG sollte daher verzichtet werden. 12. Angesichts der Konkurrenz mit anderen politischen Zielen und der Erforderlichkeit kulturpolitischer Einschätzungen obliegt die Aufgabe der Kunstförderung grundsätzlich der Politik und nicht dem Verfassungsrecht. 13. Da die Schutzwürdigkeit ambitionierter Kunst auf einem öffentlichen Interesse beruht, sind Abstufungen der abwehrechtlichen Schutzintensität nach dem künstlerischen Wert des jeweiligen Werkes verfassungsrechtlich möglich, aber nicht geboten. Derartigen Abstufungen in der Rechtsprechung zum Verhältnis von Kunstfreiheit und Jugendschutz fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

III. Kultur des Verfassungsstaates: Erziehung in der öffentlichen Schule 14. Probleme der Abgrenzung von Verfassungsrecht und Politik treten auch in der öffentlichen Schule auf, in der die öffentliche Gewalt besonders intensiv auf die Orientierungen und Werthaltungen der Bürger Einfluss nimmt. 15. Die Erziehungsziele der öffentlichen Schule ergeben sich nicht aus der Verfassung – insbesondere nicht aus den Freiheitsrechten –, sondern können und müssen durch den einfachen Gesetzgeber bestimmt werden. 16. Da die öffentliche Schule aufgrund ihrer Verpflichtung zur Neutralität in religiös-weltanschaulichen Fragen nicht in der Lage ist, diese Erziehungs-

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ziele in ein geschlossenes ethisches Fundament einzubetten, werden – beispielsweise in Form des Religionsunterrichts – gesellschaftlichen Kräfte in die Schule integriert, die zur Pflege eines religiös-weltanschaulichen Fundaments bereit und in der Lage sind. 17. Inzwischen mehren sich jedoch die Anzeichen dafür, dass diese offene oder positive Neutralität in einer pluralistischen Gesellschaft an ihre Grenzen stößt. Da das Grundgesetz für einen Kulturvorbehalt zugunsten oder zulasten bestimmter religiös-weltanschaulicher Gemeinschaften keinen Anhaltspunkt enthält, steht als Alternative nur das Regelungsmodell einer distanzierenden oder negativen Neutralität zur Verfügung. Mangels verfassungsrechtlicher Vorgaben obliegt die Wahl zwischen diesen Regelungsmodellen dem Gesetzgeber. 18. Der Kulturbegriff ist nicht geeignet, Inhalt und Grenzen des staatlichen Erziehungsauftrages zu bestimmen. Er tendiert vielmehr dazu – ähnlich wie die Werteterminologie –, verfassungsrechtliche Differenzierungen einzuebnen. 19. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsstaates, bestehende kulturelle Orientierungen und Lebensformen zu bewahren. 20. Auch in der öffentlichen Schule kann eine bruchlose Übereinstimmung mit den kulturell geprägten Erziehungsvorstellungen der Eltern nicht das Ziel sein. Der staatliche Erziehungsauftrag besitzt im Sinne einer erzieherischen Gewaltenteilung zwischen Elternhaus und Schule vielmehr eine komplementäre und ggf. auch korrigierende Funktion. Die schulische Erziehung ist daher, soweit sich ihre Erziehungsziele an nachvollziehbaren Gemeinwohlinteressen orientieren und gerade dadurch das Gebot der weltanschaulichen Neutralität wahren, von vornherein nicht als Eingriff in das elterliche Erziehungsrecht aufzufassen.

IV. Gegen Kultur 21. Als verfassungsrechtlicher Begriff ist der Kulturbegriff zu weit und zu vage; er muss daher auf einzelne Sachfragen heruntergebrochen werden, für die die Verfassung jeweils spezielle und durchaus unterschiedliche Regelungen enthält. Die kulturbezogenen Normen des Grundgesetzes verdichten sich nicht zur Figur einer verfassungsrechtlichen oder gar vorverfassungsrechtlichen Gesamtkultur, der eigenständige Argumentationskraft zukäme. 22. Ob und wie in einzelnen Sach- und Lebensbereichen die Kultur gepflegt und gefördert wird, ist im Grundsatz jeweils eine politische, keine verfassungsrechtliche Frage. 23. In der freiheitlichen Ordnung sind die Rechtsansprüche der Bürger von ihren kulturellen Orientierungen unabhängig. Angesichts der Unver-

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söhnlichkeit von Kulturkonflikten ist dies ein Vorteil; zudem darf der Verfassungsstaat darauf vertrauen, dass die freiheitliche und demokratische Ordnung eine eigene Attraktivität besitzt und daher ihrerseits auf die Kultur der Bürger nicht ohne prägenden Einfluss bleiben wird.

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3. Aussprache und Schlussworte

Kultur im Verfassungsstaat Vorsitzender (Hufen): Wir kommen dann zur Diskussion. Es gibt eine Wortmeldung zu methodischen Grundfragen von Herrn Haltern, die ich an den Anfang stellen möchte. Haltern: Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst möchte ich dem Vorstand herzlich gratulieren zur Wahl des Gegenstandes und den Referenten zu dessen souveräner Behandlung. Angesichts der beschränkten Zeit ergreife ich das Wort ganz undiplomatisch, um auf eine Lücke aufmerksam zu machen – die auch nicht dadurch geschlossen ist, dass der Kulturbegriff vielleicht ebenso vage ist wie der Begriff der Freiheit und der Demokratie und dass er vielleicht eingeschränkt oder jedenfalls nur in Differenzierung zur rechtlichen Argumentation taugt. Diese Lücke betrifft den Bereich Kultur und Wissenschaft, also just das Thema, unter dem unsere diesjährige Versammlung steht. Dies ist auch der Bereich der Selbstvergewisserung und des Selbstverständnisses unserer eigenen Wissenschaft. Gegenstand der Vorträge war eine anwendungsorientierte Perspektive auf die Kultur: Was kann der Staat, was darf er, was soll er in Bezug auf die Kultur tun dürfen? Das passt zum Selbstverständnis der Rechtswissenschaft, die zumeist dann als wertvoll anerkannt wird, wenn sie zwar einerseits ein wenig Theoriebezug aufweist, andererseits aber immer auf die konkrete Problemebene des Alltags heruntergebrochen wird. Theorie nimmt dadurch an der Praxis teil, als Prolog, als Voraussetzung, als Kritik, als Reflexion. Dadurch bricht aber die Grenze zwischen demjenigen, der das Recht als Objekt studiert, und demjenigen, der das Recht anwendet, in sich zusammen. Ich halte das für eine Schwäche, denn man versäumt, dem Recht innerhalb einer Kultur, die vom Recht durchdrungen ist, einen Ort einzuräumen, an dem das Recht frei von den Zwängen der Praxis studiert werden kann. Ich meine, ein solcher Ort ergibt sich dann, wenn man etwas Distanz von den Inhalten des Rechts zu gewinnen versucht. Ein Beispiel, das ich aus Zeitgründen nicht weiter ausführen kann, ist das Studium der Religion im 19. Jahrhundert, in dem auch erst eine solche Distanz zu den Inhalten der Theologie durch die Religionswissenschaft gefunden werden musste. Erst als es möglich wurde, den

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Aussprache

Glauben an das zu studierende Objekt zumindest zeitweilig einzustellen, konnte die Religionswissenschaft als tatsächliche Wissenschaft entstehen. Vielleicht ist dies die Aufgabe, vor der wir heute stehen: Das Studium des Rechts in einem Raum der Distanz. Wer außer uns Rechtswissenschaftlern sollte das tun, denn wir sind immerhin Wissenschaftler des Rechts. Was tun unsere Referenten? Recht und Staat – sagen beide jeweils zu Beginn ihrer Referate – sind Teil der Kultur. Eine kurze Verbeugung vor dieser interessanten Erkenntnis, und dann geht es im Modus des „business as usual“ weiter. Aber ich meine, hier müsste man vertieft nachdenken, denn Recht ist ja kein Normkörper, der von außen auf den Gesellschaftskörper einwirkt. Recht ist vielmehr eine Perspektive auf das Gesellschaftlich-Politische. Es strukturiert unsere Vorstellung des Gesellschaftlich-Politischen viel mehr oder jedenfalls eher, als es den Staat strukturiert. Recht ist eine Vorstellungs- oder Imaginationsform. Cassirer hat gesagt, die Wissenschaft – er hat das auf die Geschichtswissenschaft bezogen, aber es gilt zu gleichen Teilen auch für die Rechtswissenschaft – ist nicht Erkenntnis äußerer Fakten oder Ereignisse, sondern eine Form der Selbsterkenntnis. Wie erkennen wir Rechtswissenschaftler uns selbst? Mein Vorschlag ist, dass wir uns selbst erkennen, wenn wir uns ein bisschen, wenigstens ein bisschen, irritieren lassen von dem, was andere Disziplinen zur Kultur herausgefunden haben. Es gibt eine ganze Wissenschaft, meine Damen und Herren, die Kulturwissenschaft heißt und die nicht etwa eine irrationale Wissenschaft ist. Sie verfügt über ihre eigenen vernünftigen Methoden, an die man anschließen und die man fruchtbar machen könnte – freilich nicht im Bayreuther Sinne, sondern dadurch, dass man sie in der Form, in der sie sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, wissenschaftlich ernst nimmt. Das bedeutet keineswegs eine Aufgabe der Autonomie des Rechts oder unserer eigenen Wissenschaft vom Recht. Aber wir brauchen nicht zu hoffen, als Geisteswissenschaft oder von den anderen Geisteswissenschaften ernst genommen zu werden, wenn wir uns nicht wenigstens marginal von deren Erkenntnissen irritieren lassen. Vielen Dank. Vorsitzender: Vielen Dank Herr Haltern, für diese Mahnung zur interdisziplinären Offenheit und zur Kenntnisnahme anderer Disziplinen. Wir kommen dann zu den Beiträgen zum Kulturbegriff im engeren Sinne. Geis: Ich verzichte auf alle Komplimente, die angesichts der beiden Referate berechtigt wären, und möchte nur zwei kurze Punkte ansprechen. Erstens: Herr Sommermann, Sie verknüpfen den Begriff der Kultur in These 1 mit dem der Gesellschaft. Sie kommen daher nicht umhin, auch

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den Begriff der Gesellschaft jedenfalls räumlich zu definieren. Wenn Sie den Kulturbegriff zunächst auf die staatliche Ebene beziehen und dann auf die europäische Ebene und schließlich auch auf die Weltkulturebene ausweiten, dann brauchen Sie auch belastbare Aussagen über die jeweilige Gesellschaft. Gibt es eine europäische Gesellschaft? Existiert bereits eine, die etwa Berlin/Kreuzberg, Oberammergau, Palermo und Paris/ St. Denis miteinander vereinigen kann? Geht eine europäische Gesellschaft über die Grenzen der EU hinaus, wenn ja, wie weit? Wäre alles zu überprüfen, wenn Sie eben die unterschiedlichen Moral – und sonstigen Wertvorstellungen miteinbeziehen wollen? Gar die Frage: Gibt es eine Weltgesellschaft? Auch hier wäre eine entsprechende Definition doch immerhin in Blick zu nehmen. Und in der Goethestadt Frankfurt sei abschließend die Gretchenfrage erlaubt: Wie halten Sie es in diesem Zusammenhang mit dem Begriff der Leitkultur? Zweitens, Sie reduzieren den verfassungsrechtlichen Schutz gegen Ende Ihres Referats auf den Begriff des kulturellen Erbes. Das halte ich für nicht unproblematisch, da zu retrospektiv. Sie berücksichtigen dadurch zu wenig die Prozesshaftigkeit der Kultur. Und auch die rechtliche Frage entsteht: Wer entscheidet über die Aufnahme in das sogenannte Erbe oder was fällt heraus? Fällt der „Äppelwoi“ drunter oder nur der „Kölner Dom“, „die Paulskirche“, „Liebigs Fleischextrakt“, „die monogame Ehe zwischen Mann und Frau“, alles Fragen, die dann entschieden werden müssten. Die dritte Bemerkung, die zielt jetzt – leicht verbrämt – ins Verfassungsrechtliche. Aus diesen Gründen würde ich auch die Aufnahme in eine Staatszielbestimmung, Art. 20a GG in der von Ihnen vorgeschlagenen Form nicht empfehlen, denn, wenn schon im Grundgesetz, dann muss dieser prozesshafte Charakter mit vertreten sein. Ihre Formulierung hat noch dazu das Problem, dass die Systematiker sich darauf stürzen werden und nicht nur das kulturelle Erbe ernst nehmen, sondern auch die Reihenfolge prüfen werden: Erst das kulturelle Erbe vor den natürlichen Lebensgrundlagen und dann kommen noch die Tiere? Die Frage ist, ob man nicht auch noch eine andere Reihenfolge und damit eine Wertung zum Ausdruck bringen kann, ganz abgesehen davon, dass die Grenzen hier ja recht verschwimmend sind. Art. 20a GG ist ohnehin meines Erachtens das Paradigma einer absolut missglückten Verfassungsnorm, die sich dann immer noch mehr zum Gemischtwarenladen ausweiten würde. Schließlich eine letzte Frage, nur ganz kurz: Der Begriff des ökologischen Kulturstaats, für den Sie ja gewisse Sympathie gehegt haben, scheint mir fast eine coniunctio oppositorum, quasi eine Wundertüte einer allfälligen JamaikaKoalition. An Herrn Huster nur eine Frage aus Zeitgründen: Sie haben, sehr zu Recht, von den öffentlichen Schulen als Träger der Kultur ge-

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Aussprache

sprochen. Wie halten Sie es in diesem Zusammenhang mit den privaten? Herzlichen Dank. Leisner: Die Frage, was Kultur sei, ist viel diskutiert worden und auch hier stand sie im Mittelpunkt. Dazu aber zwei Fragen und eine kurze Randbemerkung. Erste Frage: Ist denn das wirkliche Problem nicht eine anderes, insbesondere im Recht? Was gehört denn nicht zur Kultur? Es gibt, wie ich meine, kaum etwas, von der politischen Kultur bis zur deutschen Leitkultur und allen Grundbedürfnissen des Menschen. Wohnkultur, Essenskultur, Anziehenskultur (siehe Kopftuch und ähnliches), was nicht Kultur ist. Ist dann aber „Kultur“ nicht eine Molluske, die freiheitsgefährdend, ja freiheitszerstörend, alles Mögliche und Unmögliche beinhaltet. Zweite Frage: Es ist sehr viel über Erziehung gesprochen worden, müssen wir uns aber nicht die Frage stellen, ob die Erziehung nicht eher etwas ist wie ein Instrument der Kultur und der Kulturvermittlung, des Kulturschutzes, der Kulturförderung? Den Inhalt des Kulturbegriffs – können wir den wirklich aus der Erziehung definieren? Laufen wir hier nicht Gefahr, einem elementaren Fehler zu unterliegen, nämlich die Aufgabe, aus gewissen Befugnissen Verbreitungsformen definieren zu wollen. Und schließlich eine Randbemerkung: Der Begriff Kultur wird tagtäglich von zahllosen emsigen Finanzbeamten in unserem Lande praktiziert. Sie zerbrechen sich darüber den Kopf, denn in § 52 der Abgabenordnung heißt es, dass gemeinnützig unter anderem auch die Förderung der Kultur sei. Neben sehr vielen Begriffen, die heute hier auch gefallen sind, Kunst und Erziehung, Wissenschaft usw., was sollen nun diese Beamten entscheiden? Wenn sie Kommentare aufschlagen, finden sie zu „Kultur“ so gut wie nichts. Bieten wir ihnen nun etwas? Ich danke. Fromont: Ich will Aspekte der Rechtsvergleichung ansprechen. Zum Beispiel haben Schottland oder Quebec ihre kulturelle Identität teilweise dank ihrer eigenen Rechtsordnung verteidigt. Rechtsordnung und Rechtswissenschaft sind eindeutig wichtige Bestandteile der Kultur. Recht und Kultur sind untrennbar zu denken. Rechtsordnung und Rechtswissenschaft sind aber ihrerseits mit der Sprache eng verbunden. Die Sprache ist das Vermittlungsinstrument der Rechtsordnung. Zum Beispiel, während der französischen Revolution wurde eine Untersuchung vom Nationalen Konvent angeordnet. Die französischen Revolutionäre wollten wissen, wer die französische Sprache wirklich spricht, liest und versteht. Das Ergebnis der Untersuchung war: Nur ein Drittel der Bevölkerung konnte tatsächlich die französische Sprache verstehen. Dann haben die Revolutionäre die Ausbreitung der französischen Spra-

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che durch das ganze Land fördern wollen, damit jeder Bürger die neuen Gesetze verstehen konnte. Rechtswissenschaft ist auch mit der Ethik der Bevölkerung eng verbunden. In den europäischen Ländern ist aber diese Ethik heute mit der christlichen Ethik nur teilweise identisch. Scheidung, Abtreibung, Schwangerschaftsverhütung sind zum Beispiel von der Rechtsordnung erlaubt, aber von der katholischen Kirche verboten. Die Kultur einer Nation ist zwar von der Religion, aber auch von anderen Weltanschauungen und moralischen Strömungen beeinflusst. Diese Bemerkung gilt nicht nur für Frankreich, sondern auch für Deutschland. Vielen Dank. Vorsitzender: Ja, vielen Dank, Herr Fromont, das Thema Sprache war uns natürlich so wichtig, dass wir es zu einem ganzen eigenen Thema gemacht haben, aber wir sind froh, dass Sie die Verbindung der Themen gezeigt haben. Haverkate: Herr Sommermann, als Sie die „Kultivierung“ in das Zentrum des Kulturbegriffs gebracht haben mit der schönen Formel von der „Perfektibilität des Menschen“, habe ich etwas gezögert. Das ist die schneidige Aufklärung, die Sie hier beschwören. Nicht ist dabei benannt das Moment einer Zähmung der Natur, noch das Moment des Wachsenlassens – zwei Momente, die mir für einen Begriff der Kultivierung wesentlich scheinen. Also: Condorcet scheint mir ein schwieriger Apostel zu sein. Ich hätte einen Gegenvorschlag. Zur gleichen Zeit hat Lichtenberg gesagt: Wie perfektibel und korruptibel ist doch der Mensch! – das scheint mir eine sehr viel klügere Aufklärung zu sein. Sollten wir nicht vielleicht diesen Lichtenberg-Satz als Bezugspunkt nehmen? Von da aus käme man zu einem weniger fortschrittsgläubigen Kulturbegriff: Kultur ist alles das, was daneben gehen kann. Ein Bewusstsein von Gefährdung, das Wissen darum, dass man das Danebengehen so einfach nicht berechnen kann. Lichtenberg hat in diesem Kontext, wenn ich mich recht erinnere, übrigens auch von der zukünftigen Entwicklung der Universitäten gesprochen – auch da die Überlegung: es kann daneben gehen! – und spekulierte: vielleicht werde man künftig noch Universitäten zur Wiedereinführung der Unwissenheit einrichten. Wenn wir morgen über „Bachelor“ und „Master“ und Schmalspurstudiengänge diskutieren, werden wir möglicherweise feststellen, dass Lichtenbergs Warnung recht aktuell ist. Die Wiedereinführung der Unwissenheit scheint eine wichtige Aufgabe der Universität geworden zu sein. Das zweite Stichwort: Globalisierung. Sie haben dies als einen Kulturwandel bezeichnet, dem kann man natürlich nicht widersprechen. Nur würde ich etwas gegenhalten: keine vorschnelle Warnung vor Glo-

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balisierung. Das ist ja kein grundsätzlich neuer Prozess und wir hatten immer schon Globalisierung; die abendländischen Philosophen Platon und Aristoteles haben wir aus den Händen morgenländischer Gelehrter bekommen und ohne diese hätten wir jene nur in Bruchstücken. Das war gute Globalisierung; also sollten wir schärfer unterscheiden: Es gibt kluge, kulturfördernde Globalisierung und die wollen wir reichlich nutzen – und es gibt einen unkultivierten Wildwuchs ökonomischer oder scheinökonomischer Überlegungen, der in der Tat kulturfeindlich ist. Der dritte Punkt, Herr Huster. Sie haben gesagt, insgesamt sei Kultur kein verfassungsrechtlicher Argumentationstopos: dabei gebrauchen Sie Kultur in einem bestimmten, prägnanten Sinne, nämlich als Inbegriff von Konsens und Tradition, die sich in einer Gesellschaft gebildet haben. Wir wollen in der Tat, dem schließe ich mich an, keine verfassungsrechtliche Verpflichtung auf eine bestimmte Tradition, nur weil sie Tradition ist. Aber: gibt es nicht noch einen anderen Begriff von Kultur? Muss man hier nicht unterscheiden? Ich sage es in zwei Stichworten: Kultur als Konsens und Kultur als Konflikt. Liegt es nicht im öffentlichen Interesse, dass Auseinandersetzungen in einer Gesellschaft um existenzielle Fragen auf einem einmal erreichten Reflexionsniveau stattfinden? Und könnte man nicht von diesem bescheidenen Begriff der Kultur aus doch an verfassungsrechtliche Verfestigungen denken: nicht, um inhaltliche Antworten einer bestimmten Tradition verfassungsrechtlich verbindlich zu machen, sondern zur Sicherung einer problemadäquaten Beschäftigung einer Gesellschaft mit unausweichlichen Fragen? Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Haverkate. „Kultur ist, was daneben gehen kann“. Das muss man natürlich notieren. Ich hoffe aber auch, dass Kultur etwas ist, das gelingen kann. In diesem Sinne gehen wir jetzt über zum Thema „Verfassung und Kultur“. Häberle: Verehrte Kolleginnen und Kollegen. Ich versuche ein Votum auf drei Stufen. Auf der Nullpunktstufe hier nur die freundliche Erinnerung daran, dass der Begriff Kultur von Cicero stammt und meint: Hegen, pflegen, bewahren. Also: Von der Natur herkommend – ich könnte auch ein einschlägiges Goethe-Zitat („Natur und Kunst …“) anführen – das muss ich mir indes aus Zeitgründen leider versagen. Erste Stufe: Großes Kompliment an den Vorstand, weil er gemäß dem St. Galler Modell ein übergreifendes Gesamtthema für alle vier Themenblöcke gefunden hat. Gleichzeitig sind wir auch im Rückblick dankbar für die aparte Paarung, die es seinerzeit in Köln gab (1984) durch die Herren Grimm und Steiner, die damals noch nicht Bundesverfassungsrichter waren und die gleichwohl wesentlich für unsere heutige Tagung

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vorgearbeitet haben. Der Vorstand – in seiner schönen Dreieinigkeit und Dreiheiligkeit – hat ja den Begriff „Kultur im Verfassungsstaat“ gewählt und damit die Möglichkeit offengelassen, ob wir wie herkömmlich und üblich sagen: „Verfassung und Kultur“ oder wie seit den achtziger Jahren „Verfassung als Kultur“. Beides ist möglich und ein wichtiger Einstieg. Zweitens zu Herrn Sommermann: Es liegt auf der Hand, dass ich Herrn Sommermann methodisch besonders nahe stehe, denn er hat praktiziert, was Verfassungsvergleichung als Kulturvergleichung leisten kann und was Kulturvergleichung als Verfassungsvergleichung bedeutet. Ich erinnere an Ihre Bezugnahmen auf die Entscheidungen des US – Supreme Court. Sie bringen in Ihrem Gesamtkonzept auch Begriffe unter wie „Verfassungskultur“, ein Begriff, der mittlerweile weltweit Karriere gemacht hat – dies mag vielleicht auch gegen ihn sprechen, wie Ironiker denken könnten. Die einzige Frage an Herrn Sommermann lautet: Könnten Sie bitte noch aufschlüsseln, was Sie unter „kulturellen Freiheiten“ verstehen, mit noch mehr Beispielen, und hier können wir ja von Herrn Huster lernen. Herrn Husters Verdienst, aus meiner Sicht, und das ist mein dritter Punkt, besteht darin, dass er ein Kontrastprogramm entworfen hat. Für mich besonders erfreulich ist, dass ich ihm in keinem einzigen Punkt zustimmen kann. Das beginnt schon mit dem überaus skeptischen restriktiven – mit Verlaub – fast agnostischen Kulturbegriff, den Sie gefunden haben. Man kann doch nicht über die vielen positivrechtlichen Texte hinweggehen, die es im deutschen Landesverfassungsrecht in Sachen Kultur gibt. Etwa bei den Erziehungszielen – ich zweifle an deren Herabstufung. Gerade, wenn man das positive Recht ernst nimmt, wie ich es ab und zu tue, dann muss man doch erst recht die positiven Aussagen, auch des Europäischen Verfassungsrechts, ernst nehmen: Klauseln etwa zur nationalen Identität können wir ohne den kulturwissenschaftlichen Ansatz gar nicht verstehen. – Letzte Fußnote: Wenn man das Glück hat, Brasilien zu bereisen und fragt, was die kulturellen Identitätselemente des Verfassungsstaats Brasilien sind, teils ausweislich der Verfassungstexte, teils ausweislich der gelebten Kultur und Tradition, dann sind es in folgender Reihung diese: Sprache, Fußball – diesen nenne ich sehr ungern – und drittens die Musik. Das brasilianische Portugiesisch ist als Sprache fast so musikalisch wie das Italienische. Wenn man mit den Kollegen dort spricht – seit Jahren sind sie am kulturwissenschaftlichen Ansatz außerordentlich interessiert – dann gelangt man zu den geschilderten Fragestellungen. Insofern rate ich Ihnen – mit Verlaub in den angemessenen späteren Jahren – auch einmal zu einer Brasilienreise.

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D. Dörr:. Ich möchte aus den hochinteressanten Referaten einen Punkt herausgreifen, den Sie, Herr Huster, angesprochen haben, den Sie auch benannt haben: „Kultur des Verfassungsstaates“. Ihre interessanten Überlegungen fordern bei mir doch ein Stück weit Widerspruch heraus, der ein wenig an Herrn Häberle anknüpft. Wenn ich Ihre These richtig verstanden habe, sagen Sie, die Erziehungsziele seien durch die Verfassung überhaupt nicht vorgegeben. Ich möchte die Gegenthese aufstellen: Unser demokratischer Rechtsstaat und insoweit knüpfe ich an Überlegungen an, die Herr Kirchhof und auch Herr Böckenförde vorentwickelt haben, ist ein Staat der Hochkultur und damit meine ich genau das, was Sie mit Kultur des Verfassungsstaates auch thematisieren. Was liegt diesem Verfassungsstaat an kulturellen Werten zugrunde? Und ich meine, ihm liegt eine ganze Menge zugrunde und auch eine ganze Menge an konkreten Werten, für die dieser Verfassungsstaat trotz aller Internationalität, trotz aller Pluralität und trotz aller Zusammenarbeit in Europa ganz entschieden streitet. Und die muss man aus meiner Sicht aus den Freiheitsrechten und natürlich aus den verfassungsrechtlichen Festlegungen in Artikel 20 ableiten. Der Staat, dieser Verfassungsstaat, das ist ein kultureller Grundwert, streitet entschieden für die Menschenwürde. Er streitet entschieden für Gleichberechtigung von Mann und Frau. Damit steht er nicht gleichgültig etwa religiösen Überlegungen gegenüber, die sagen, es ist richtig, Frauen zu unterdrücken oder Männer zu unterdrücken. Genauso entschieden streitet er für ein bestimmtes Verständnis von Freiheit, nämlich von Freiheit im kantianischen Sinne. Dies ist sogar eine Grundvoraussetzung für die Demokratie und für den Rechtsstaat, ohne die kann dieser Staat überhaupt nicht funktionieren. Wenn diese kulturellen Werte nicht mehr auf ein Grundkonsens stoßen sollten, wäre die rechtsstaatliche Demokratie am Ende. Und ich meine, dass gerade die Schule eine der Einrichtungen ist, der Staat selbst hat nämlich nur sehr wenig Einflussmöglichkeiten, solche Werte zu vermitteln. Aber nicht nur die Schule, sondern genauso die Universität und erst Recht – und insoweit knüpfe ich an Herrn Kirchhof an – der öffentlichrechtliche Rundfunk, das ist nämlich das, was das Bundesverfassungsgericht unter der kulturellen Aufgabe des Rundfunks versteht. Ich meine, dass gerade der Rundfunk als Kulturträger oft unterschätzt wird und Kulturträger ist dort im ersten Sinne gemeint als Vermittlung von bestimmten Grundwerten, nicht so sehr Kultur im engeren Sinne. Insoweit stimme ich Ihnen zu, dass man unterscheiden muss, in welchem Zusammenhang der Begriff Kultur verwandt wird, Kultur im Verfassungsstaat ist etwas anderes als Kultur des Verfassungsstaats. Aber ich meine, die Kultur des Verfassungsstaats ist in erster Linie bei kultureller Aufgabe des Rundfunks, vor allem des öffentlichrechtlichen Rundfunks,

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der Schule und der Universität gemeint, und insoweit glaube ich gibt die Verfassung sehr viel an Erziehungszielen vor. An dieser Stelle möchte ich doch deutlichen Widerspruch zu ihren Überlegungen anmelden. Vielen Dank. Alexy: Herr Huster hat die Kultur als öffentliches Gut bezeichnet, und das ist sie auch. Aber sie ist nicht irgendein öffentliches Gut, sondern ein öffentliches Gut besonderer Art. Man könnte vielleicht sogar sagen, sie ist das öffentliche Gut. Kultur ist das Wahre, das Gute und das Schöne in hoher – besser höchster – und gemeinsamer Form. Deshalb irritiert uns das öffentliche Gut Kultur. Wenn wir die Radbruch’sche Dreiteilung der Rechtszwecke nehmen, dann gibt es individualistische Rechtszwecke, die uns als individuelle Güter und individuelle Freiheiten vertraut sind, kollektive oder überindividualistische Rechtszwecke, das sind gemeinsame Zwecke wie Vollbeschäftigung und Erhöhung des Bruttosozialproduktes, und schließlich transpersonale Zwecke. Letztere haben eine eigenartige Existenzform. Das ist die Kultur. Die Kultur ist deshalb ein so besonderes Gut oder, um einen anderen Begriff zu nehmen, ein Wert von so besonderer Art, weil Kultur unsere Identität prägt. Und hier komme ich zu Herrn Sommermann. Es ist sicherlich nicht von ungefähr, dass Sie den Begriff des kulturellen Erbes verwendet haben, und ich meine, wir sollten, auch wenn wir beides gleich wieder verbinden, erst einmal scharf zwischen dem kulturellen Erbe und dem kulturellen Leben unterscheiden. Das kulturelle Erbe jeder Gemeinschaft ist stets in Gefahr, und es ist eine Frage, die jede Gemeinschaft sich stellen muss, ob sie ihr kulturelles Erbe am Leben erhalten will. Damit komme ich zu dem Problem, was hier in die Verfassung gehört. Wir brauchen in der Verfassung Klauseln zum Schutz dessen, was schutzbedürftig ist und was wir auf dieser Ebene schützen wollen. Die Frage lautet: Wollen wir unsere kulturelle Identität schützen? Es gibt einige Völker, die das tun, und wenn wir es auch tun wollen, dann wäre es zweckmäßig, das in die Verfassung aufzunehmen, denn der Schutz des kulturellen Erbes oder der kulturellen Identität kostet Freiheitsverluste, womit die Frage beantwortet ist, weshalb die Sache in die Verfassung gehört. Wenn das kulturelle Erbe, wie Herr Sommermann es vorschlägt, in Art. 20a geschützt werden soll, dann wäre das verfassungstechnisch gesehen eine Schrankenklausel von vielleicht allerhöchster Bedeutung. Derartiges gehört in die Verfassung. Herrn Huster stimme ich nicht ganz darin zu, dass sich bei Art. 5 III gar nichts machen lässt, aber insgesamt ist diese Vorschrift in der Tat zu eng. Kultur müsste, wenn sie verfassungsrechtlich verankert werden soll, eigentlich eine eigene Norm bekommen, und meinetwegen mag man diese auch weit fassen. Das kulturelle Erbe müsste da-

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bei sein, aber, Herr Sommermann, vielleicht sollte man, damit es nicht zu eng wird, zum kulturellen Erbe das kulturelle Leben hinzufügen, gerade auch, um beides zu unterscheiden. Vielen Dank. Vorsitzender: Ein kurzer Einwurf von Herrn Meyer. Meyer: Herr Alexy, haben Sie den Begriff denn nicht zu statisch aufgefasst? Ist Identität bestimmt durch die Vergangenheit? Kann die Vergangenheit nicht anders bewertet werden und wir gleichwohl unsere Identität behalten? Ist das kulturelle Erbe etwas Feststehendes? Alexy: Ja und Nein. Waechter: Nein, zur Identität kann ich gar nichts sagen. Ich habe nur eine ganz schlichte Frage an Herrn Huster: Die Spannung zwischen dem Abwehrrecht und dem Förderungswunsch in Bezug auf die engere Kultur, die Sie beschrieben haben, hat mich stark erinnert an dieses Diktum von Herrn Böckenförde. Er hat immer beschworen, der Staat beruht auf etwas, in was er aber nicht eingreifen dürfe und was zu beeinflussen, ihm nicht erlaubt sei. Und Sie haben jetzt gesagt, die Kultur im engeren Sinne ist etwas, was auch zur Identitätsstiftung beiträgt und Ihre Lösung dieses Dilemmas ist, er darf doch eingreifen und beeinflussen. Und zwar deswegen, weil Kultur im engeren Sinne identitätsstiftend wirkt. Zwei Einwände dagegen: Erstens, Ihr Beispiel betraf die Hochkultur. Dass Hochkultur identitätsstiftend oder demokratiefördernd wirkt, ist eine empirisch völlig unbelegbare These. Zweiter Einwand: Wenn man davon ausgeht – was allerdings ja nur eine historische Erscheinung ist – dass Kultur autonom sein will, dann wäre das Anlegen eines Differenzierungskriteriums bezüglich der Förderung nach Integrationswirkung ein sachfremdes Differenzierungskriterium. Die Übertragung dieses Kriteriums auf den Kulturbereich wäre eine nicht zulässige Bereichsüberschreitung im Sinne von Michael Walzer. Also dürfte man das gar nicht tun und deswegen meine Frage: Ist nicht die andere Auflösung des Dilemmas viel naheliegender? Der Staat ist gar nicht auf Kultur im engeren Sinne angewiesen. Kultur passiert sowieso. Kotzur: Auch ich darf meine Frage an die Klausel anknüpfen, die Herr Sommermann zum kulturellen Erbe vorgeschlagen hat. Ich halte das für einen sehr interessanten und ebenso geglückten Vorschlag. Ich glaube auch, dass die Bedenken, die Herr Geis vorgetragen hat, eine solche Klausel könnte allzu statisch geraten, gerade durch den systematischen Kontext schon relativiert werden. Hier nämlich steht das kulturelle Erbe

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in der Generationenperspektive und Generationenverantwortung. Es wird somit seinerseits als etwas definiert, was nicht statisch feststeht, sondern im stetigen Werden begriffen ist. Nun aber die zentrale Frage: Was ist dieses kulturelle Erbe? Im Vortrag von Herrn Sommermann ist ein wichtiger Verständniswandel angeklungen, der bedingt wird durch Globalisierung, Internationalisierung und Europäisierung. Gerade den völkerrechtlichen Texten zum gemeinsamen kulturellen Erbe der ganzen Menschheit liegt ein universalistischer Kulturbegriff zugrunde, der fast schon ein Widerspruch in sich selbst zu sein scheint. Wenn „kulturell“ all das ist, was die je eigene Identität ausmacht, wie kann es dann das gemeinsame kulturelle Erbe der Menschheit geben? Es ist gewiss eine echte Herausforderung an uns, dass der Kölner Dom auch kulturelles Erbe asiatischer, afrikanischer, lateinamerikanischer Kulturen ist und dass unser kulturelles Erbe vice versa Bauwerke aus dem islamischen Kulturkreis oder den verschiedensten Weltregionen mitumfasst. Dies ist der erste Punkt, der das Spannungsfeld von universellem und national identitätsbildendem Kulturverständnis prägt. Aber auch der Blick auf das je Eigene der Kultur wurde wohl gerade durch die Europäisierung stark gewandelt. Die Texte der europäischen Verfassung – die vielleicht gelingen, vielleicht auch nicht gelingen wird –, aber auch die Texte des gegenwärtigen Primärrechts zwingen uns dazu, das kulturell Eigene, die kulturelle Identität gleichsam aus der Außenperspektive zu betrachten. Sie haben die Identitätsdiskussion somit neu befruchtet, indem sie die Perspektive gewechselt haben. Von Europa aus richtet sich der Blick auf die je eigene Kultur der Mitgliedstaaten, nicht mehr nur umgekehrt von den mitgliedstaatlichen Kulturen auf die europäische Kultur. Gerade dieser Perspektivenwechsel zeigt das Spannungsfeld zwischen einem universellen und einem partikulär nationalen Kulturverständnis auf. Meine Frage: Würden Sie die von Ihnen vorgeschlagene „kulturelles Erbe-Klausel“ in diesem Spannungsfeld sehen? Interpretieren Sie sie nicht nur als eine Art nationalverfassungsstaatlicher Identitätssicherungsklausel, sondern zugleich als kulturelle Öffnungsklausel, die die offene Staatlichkeit des Grundgesetzes konsequent fortsetzt und noch weiter ausdifferenziert. Hier könnte das, was in der Diskussion schon mehrfach angesprochen wurde, noch einmal aufgegriffen werden: „Kulturell“ ist keineswegs mit „homogen“ gleich zu setzen. Kultur besteht aus Konsens und Konflikt. In diesem Sinne kann Kultur vielleicht auch jene Differenzierungsleistungen ermöglichen, die Herr Huster sehr skeptisch beurteilt hat. Vielen Dank. Vorsitzender: Nun zum nächsten Aspekt: Kulturverfassungsrecht, Kulturstaatsklausel. Dazu zunächst Herr Marko.

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Marko: Joseph Marko, Universität Graz und Europäische Akademie Bozen, Südtirol. Sie sehen schon, dass ich mit dieser Bezeichnung auf etwas ganz Konkretes hinaus will und mich da Herrn Fromont anschließen möchte, der ja schon Schottland und Quebec als Beispiele angesprochen hat und in diesem Sinne wird sich meine Wortmeldung eher auf die Frage der kulturellen Identität, der nationalen Identität und der Fragen der Integration und der Integrationsleistung von Verfassungen beschäftigen. Herr Huster geht in seinen Thesen, die er uns auch schriftlich vorgelegt hat, davon aus und hat hier noch ergänzt, dass Integration oder Ausgrenzung jeder politischen Gemeinschaft überlassen bleiben muss, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich frage mich: Sind tatsächlich Ausgrenzung oder – um andere Worte zu verwenden – Apartheid und Segregation verfassungsrechtlich neutral oder sind wir hier nicht durchaus auch durch die völkerrechtlichen Vorgaben und auch durch die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Gleichheitssatzes gebunden, ja gezwungen, gewissen Phänomenen wie Assimilation und Segregation entgegen zu wirken? Ich darf da nur an die berühmte Leitentscheidung des amerikanischen Surpreme Court in Brown vs. Board of Education 1955 erinnern, wo eben diese Formel „separate, but equal“ als Basis der Rassensegration in den USA als „inherently unequal“ und damit Verletzung des Gleichheitssatzes bezeichnet worden ist. Also ich frage mich schon, ob wir auch von unseren nationalen Verfassungen her und vor allem durch die völkerrechtlichen Vorgaben der Rassendiskriminierungskonvention, aber auch die Rahmenkonvention zum Schutz der nationalen Minderheiten, Assimilation auf der einen Seite oder Segregation auf der anderen, den politischen Entscheidungsmechanismen überlassen können. Ihre These 19: „Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsstaates, bestehende kulturelle Orientierungen und Lebensformen zu bewahren“, regt natürlich auch zu der konkreten Gegenfrage an: Was ergibt sich aus den Menschenrechten, zu denen wir uns verpflichtet haben, zur Freiheit, Gleichheit und Solidarität, um diese drei berühmten Prinzipien hier aufzugreifen, die in den menschenrechtlichen Dokumenten auch normative Kraft entwickeln? Beruhen darauf nicht auch bestehende, auch kulturelle Orientierung der Lebensformen, die wir sehr wohl zu bewahren haben? Und das vor allem vor dem Hintergrund, dass der Verfassungsstaat ja kein Abstraktum ist, sondern dass der Verfassungsstaat (und damit auch der kulturelle Verfassungsstaat) oder auch die Kultur des Verfassungsstaates, wie Sie es hier differenziert haben, immer ein Nationalstaat oder ein multinationaler Staat ist. So und wenn wir uns jetzt hier die Praktiken der Nationalstaaten ansehen, dann sehen wir genau diese Probleme, die wir mit dem Schutz der alten Minderheiten, der Kultur der alten Minderheiten, aber auch mit der Proble-

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matik der neuen Minderheiten, die sich aus der Migration ergeben bis hin zur Frage der Integration der Muslime aus der Türkei in unseren europäischen Staaten haben. Also hier würde ich schon der Frage nachgehen wollen, wie weit auch die Schule zu einer Verpflichtung zur Neutralität instrumentalisiert werden kann oder ob nicht auch die Schule eine Erziehungsaufgabe hat, diese kulturelle Integration, abgeleitet aus den menschenrechtlichen Grunddokumenten, zu verfolgen. Dann ein letzter Punkt zu Herrn Sommermann. Eine historische Bemerkung: Ich teile diesen Optimismus der Aufklärung nicht ganz, es ist schon darauf hingewiesen worden, Kultur kann auch daneben gehen. Unser österreichischer Dichter Grillparzer hat schon hellsichtig vorhergesagt: „Von der Humanität über die Nationalität zur Bestialität“ – und das war die Geschichte des 20. Jahrhunderts, wie auch die der Balkankriege in den Neunziger Jahren. Kulturkonflikte können auch Staaten zersprengen und zum Krieg aller gegen alle führen. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Marko für diese wichtige Abrundung des ersten Teils, wir kommen dann zum zweiten Themenblock, in dem es um die konkreten verfassungsrechtlichen Themen, vor allem um die Frage Kulturstaatsklausel und kulturelle Kompetenzen, gehen soll. Kloepfer: Das Thema geht ja davon aus, dass es so etwas geben könnte wie eine Kulturverfassung. Dabei muss man sich der Frage stellen, ob sich Kultur nicht von sich selbst heraus als ein eigenständiges System entwickelt, was nur gewisse Anbindungen zum Staat hat. Man muss dann zwischen den im Grunde selbständigen Systemen Kultur und Staat Übergänge schaffen. Ich glaube, in unserer rechtswissenschaftlichen Diskussion haben wir ein ganz ähnliches Thema: „Wirtschaftsverfassung“. Auch Wirtschaft entwickelt sich sozusagen aus sich selbst heraus. Aber gleichwohl hat die bisherige Diskussion erbracht, dass es klug sein kann, von Wirtschaftsverfassung zu sprechen, wenn man damit eine gewisse Bescheidung verbindet. Gefragt ist also nicht etwa die Vorstellung, man könne nun die Wirtschaft gestalten in einer Art Gesamtentscheidung, sondern es geht darum, gewisse hochrangige Ordnungsrahmen zu schaffen und hier und da diese Rahmen ein bisschen auszutarieren. In diesem bescheidenen Sinne, meine ich, macht es Sinn, auch von Kulturverfassung zu sprechen. Man muss diese aber so konzipieren, dass sie zugleich den Respekt des Staates vor dem selbständigen System Kultur mitenthält und damit haben wir den Grundwiderspruch einer staatlichen Kulturverfassung beschrieben. Wem dient Kulturpolitik? Da haben wir ja nun zwei sehr entgegengesetzte Positionen und da mich beide Referate in ihrer Weise angespro-

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chen haben, würde ich hier eine Synthese vorschlagen. Natürlich dient Kultur auch der individuellen Entfaltung, aber selbstverständlich hat sie auch einen systemhaften Aspekt. Kultur ist ein System, in dem viele miteinander sprechen, indem es sozusagen überindividuelle Systeme gibt, Wissenschaftsstrukturen, Universitäten, Akademien und dergleichen mehr, so dass ich meine, es gibt hier kein „weder noch“ sondern ein „sowohl als auch“. Die ästhetisch ambitionierte Kultur, die uns in einem der Referate angeboten worden ist, hat natürlich gewisse Probleme. Sie würde zur Frage führen, was eigentlich Kunst ist. Herr Knies könnte uns manches dazu sagen. Gerade auch die für viele u. U. zunächst einmal ästhetisch nicht ansprechenden Teile moderner Kunst in bestimmten Bereichen sind unzweifelhaft aus meiner Sicht Kultur, deswegen ist dieses Kriterium der ästhetischen Ambition doch etwas mit Vorsicht zu genießen. Zur Kulturzuständigkeit des Bundes: Dieser trägt etwa vier Prozent bis sechs Prozent an kulturbezogenen Ausgaben in Deutschland. Legitimiert das eigentlich schon eine Bundeskulturzuständigkeit, wenn so wenig vom Bund dazugelegt wird? Und die zweite für mich als überzeugtem Föderalisten wichtigere Frage: Muss man das alles nicht im Gesamtzusammenhang mit der flächendeckenden Erosion von Länderkompetenzen im Föderalismus sehen? Die Kulturstaatsklausel im Grundgesetz würde für den Bund im wesentlichen – nach einer Föderalismusreform voraussichtlich um so mehr – ein Kulturstaatsziel ohne nennenswerte Kompetenzen bedeuten. Das macht diese Kulturstaatsklausel sozusagen zu einem eigenen Problem und lässt sich insoweit nicht vergleichen mit dem Umweltstaatsziel, wobei ich Herrn Sommermann insoweit recht geben würde, als wir hier doch gemeinsame Wurzeln haben. In Preußen waren das Denkmalschutzrecht und das Naturschutzrecht in einer ministeriellen Hand. In der Figur des Naturdenkmals sind gemeinsame Wurzeln von Denkmal- und Umweltschutz erkennbar, wie z. B. beim Schutz des Bodens als Archiv. Letzter Punkt, der mich bewegt: Natürlich möchte ich als jemand, der die Kultur liebt und der die Verfassung schätzt, sehr daran glauben, dass ein freiheitliches System sozusagen ein Garant für Kultur ist. Nur, ist das eigentlich ebenso historisch belegbar? Sind nicht eigentlich unsere Hochkulturen typischerweise Kulturen, die auch in Staatsformen entstanden sind, die alles andere waren als Demokratien und Rechtsstaate? Das ist eine Frage, die mich quält, weil sie sozusagen in einem Widerspruch meiner Präferenzen endet. In diesem Zusammenhang noch eine Betrachtung aus Berlin, nämlich zu den Kulturprodukten in der DDR . In einer sozialistischen Diktatur ist es gelungen, (auch) hochrangige Kultur zu schaffen und man muss sich ja heute anschauen, dass das

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Theater in Berlin in wesentlichen Teilen die Fortführung von Ansätzen des DDR-Theaters ist und wichtige Teile der Malerei die Fortsetzung der Leipziger Schule darstellt, also die Fortsetzung von Kunst in der DDR . Die Frage nach dem Zusammenhang von politischer Freiheit und Kultur ist so schwierig, dass ich sie gerne noch einmal zum Schluss beantwortet haben möchte von unseren Referenten. Fechner: Ich möchte aus dem interessanten und sehr facettenreichen Beratungsgegenstand gerne drei Punkte herausgreifen. Der erste: die Kulturzentrierung der EU . Diesbezüglich wäre meine Frage: Besteht insoweit überhaupt eine Kompetenz der Gemeinschaft? Der Kulturartikel enthält ja nur die Möglichkeit, Fördermaßnahmen und Empfehlungen zu erlassen. Müsste nicht an dieser Stelle etwas geschehen, wenn man es mit der Kulturzentrierung der EU ernst meint? In diesem Zusammenhang: Herr Sommermann, Sie hatten hervorgehoben beim Kulturgüterschutz, dass dieses „gemeinsame Erbe der Menschheit“ eigentlich ein positiver Ansatz sei. Einen solchen Ansatz kann ich eigentlich im Kulturgüterschutzrecht auf europäischer Ebene nicht nachvollziehen, da wird doch lediglich den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gegeben, ihren nationalen Kulturgüterschutz noch etwas zu erweitern. Damit handelt es sich doch wieder letztlich um einen kulturnationalistischen Ansatz. Zweitens unser Kulturstaatsprinzip. Da vermisse ich noch einen Ansatz, den man doch zumindest erwähnen müsste: Dass das Kulturstaatsprinzip als selbstverständlich der Verfassung zugrunde liegt, etwa wie das Rechtsstaatsprinzip, das in Artikel 20 Absatz 1 GG nicht ausdrücklich erwähnt ist, aber als selbstverständlich der Verfassung zugrunde liegt, wie sich dann aus Artikel 28 GG auch ergibt. Vielleicht wurde es einfach nicht erwähnt, um den Ländern hier nichts von ihren Kompetenzen wegzunehmen. Die Annahme eines Kulturstaatsprinzips als Staatszielbestimmung ist letztlich unabhängig von der Kompetenzfrage. Wenn dieser Ansatz zutreffend ist, dann ist die Einfügung des vorgeschlagenen Wortlautes für eine Aufnahme des Kulturgüterschutzes ins Grundgesetz gefährlich, weil man dann im Umkehrschluss ableiten könnte, es bestehe im übrigen eben keine solche Kompetenz. Eine Staatszielbestimmung ist ja etwas anderes als eine Gesetzgebungskompetenz und ich denke als Staatszielbestimmung sollte die Kultur, wenn nicht ausdrücklich, dann doch zumindest interpretatorisch aus dieser Norm herausgelesen werden. Es gibt ja verschiedene Artikel, die für diese Interpretation sprechen, wie die Kunst- und die Wissenschaftsfreiheit in Art. 5 Abs. 3, Art. 7, der Kulturgüterschutz in Art. 75 Abs. 1, Nr. 6, der Ausbau und Neubau von Hochschulen in Art. 91 a GG usw.

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Dritter Punkt: Erziehung und Schule. Eine wertfreie Erziehung, denke ich, gibt es nicht. Allerdings lassen sich sehr unterschiedliche Werte vermitteln. Dann ist die Frage, an was soll sich die Schule orientieren? Hat der Gesetzgeber denn tatsächlich diese Aufgabe übernommen, den Lehrern Erziehungsziele an die Hand zu geben? An was sollen sie sich denn orientieren? Ich denke, die Verfassung enthält durchaus Werte in einem Normensystem, die brauchbar sind in diesem Kontext und die auch herangezogen werden sollten. Wir sehen es etwa im Zusammenhang mit der Drittwirkung der Grundrechte im Medienbereich, wo diese auch praktisch eine ganz enorme Wirkung entfalten. Wenn es dort der Fall ist, warum dann nicht um so mehr im Bereich der Erziehung, wo man nach Normen sucht und Normen benötigt? Deswegen meine Frage an Herrn Huster: Wird von Ihnen die Verfassung insoweit nicht unterschätzt? Isensee: Wir pflegen hier die Vereinskultur, die Diskussions- und die Streitkultur, packen bereits die Koffer, um die vor zehn Minuten entdeckte professorale Reisekultur gen Brasilien auszuleben. So heikel und unbegrenzt der Begriff auch ist – ich möchte einmal unterstellen, er sei rechtlich brauchbar. Dann kommt die Frage, wer verbindlich interpretiert, was Kultur sei. Wo die Sache unklar ist, muss wenigstens klar sein, wer verbindlich darüber entscheidet. Wenn eine Kulturstaatsklausel in das Grundgesetz eingefügt werden sollte, wäre es Selbsttäuschung, anzunehmen, sie sei kompetenz-indifferent. Indifferent ist sie nur im Blick auf Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen; doch die Judikative gewänne die Interpretationskompetenz. Das Bundesverfassungsgericht würde sie nutzen. Damit wäre die Auszehrung des Föderalismus weiter vorangetrieben. Für die Verteilung der föderalen Gewichte im Bundesstaat haben die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen nicht solches Gewicht wie die unitarischen Grundrechte des Grundgesetzes, verbunden mit dem ebenfalls unitarischen sozialen Staatsziel. Kultur hat mit Wachsen zu tun, und das Gewachsene kann man pflegen, auch beschneiden; aber Kultur kann man nicht „machen“. Daher ist Kultur eigentlich nicht Sache des Staates. Der Staat selbst ist sicherlich so etwas wie ein Kunstwerk, aber nicht im romantischen Sinne des Wachsens, sondern als rationalistisch-aufklärerisches Konstrukt. Der Staat ist verfaßt, Kultur aber ist unverfaßbar. Kultur setzt Spontaneität und Kreativität voraus. Daher ist selbst das Staatstheater letztlich kein echter Verwaltungszweig, weil, wenn es seine Erwartungen erfüllt, es einen Moment der Kreativität haben muss, der Schauspieler kein Darstellungsbeamter und der Regisseur kein Behördenleiter sein kann. Hier gedeiht ein Kulturleben jenseits von Staat und Markt, vom Staat finanziert und organisiert, doch ohne demokratische Legitimation, aber auch

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ohne grundrechtliche Legitimation aus der Nachfrage und Akzeptanz der Besucher. Es regiert eine selbsttragende Elite der Macher des Regietheaters, die sich nicht um demokratische Mehrheiten kümmern müssen und nicht um den Zuspruch des Publikums, sondern lediglich um den kleinen Zirkel der Rezensenten („Theater heute“), der sie im Gespräch hält und damit ihre Karriere sichert. Diese Form von Freiheit ist auch keine Garantie für künstlerische Qualität. Keine Diktatur, sagt Egon Friedell, komme sie von rechts oder von links, ist der Kunst so schädlich wie die lauwarme Zimmertemperatur des Liberalismus. Die eigentliche Quelle der Kultur, ihres Schaffens und ihres schöpferischen Pflegens – „Erwirb es, um es zu besitzen“ – sind Elternhaus und Familie. Deswegen ist für unser Thema das Institut der Staatsangehörigkeit von zentraler Bedeutung. Das ius sanguinis setzt voraus, dass das Elternhaus die Inkulturation leistet, beginnend mit der Muttersprache. Darauf hat Deutschland mit der Einführung der Kinderstaatsangehörigkeit für Kinder von ausländischen Zuwanderern, die zumeist nicht in die deutsche Gesellschaft integriert sind, weitgehend verzichtet. Das ius soli, wie es in Frankreich herrscht, abstrahiert vom erzieherischen Einfluß der Eltern und baut auf die Assimilationskraft der französischen Zivilisation (einer fraglosen „Leitkultur“), der französischen Sprache und der Bildungseinrichtungen des französischen Staates. Dagegen verfügt das öffentliche Erziehungssystem in Deutschland nicht über entsprechendes Selbstbewußtsein; ihm gehen Wille und Kraft zur Assimilation ab. Es gibt eine letzte Kompetenz in Kulturfragen, die ich in Erinnerung rufen möchte: Die internationale öffentliche Meinung, in der eine intellektuelle Elite politisch wirksam wird. Bismarck fürchtete diese Macht, als 1870 Preußens Truppen Paris belagerten, und drängte auf raschen Friedensschluß, damit die Sympathie, die diese Stadt in aller Welt genoß, nicht unerwünschten außenpolitischen Widerstand in neutralen Staaten weckte. Das ästhetische Argument wirkt stärker als das humanitäre. Die internationale Öffentlichkeit kümmerte sich nicht um das brutale Treiben der Taliban in Afghanistan, bevor diese das Weltkulturerbe der Buddhastatuen sprengten; von nun an wurden sie geächtet. Massenvertreibung und Massenmord im Krieg zwischen Serbien und Kroatien ließen die Weltmeinung kalt. Als aber serbische Truppen zu Lande und zur See begannen, Dubrovnik zu beschießen und eine kulturhistorische Kostbarkeit zu zerstören, kippte sie und trat auf die Seite Kroatiens. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Isensee. Jetzt Herr Möstl, zur Bedeutung des Landesverfassungsrechts.

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Möstl: Es ist meines Erachtens in den Vorträgen ein bisschen zuviel vom Grundgesetz und ein bisschen zu wenig vom Landesverfassungsrecht die Rede gewesen. Die Kultur ist ein Bereich, in dem die Länder weitgehende Zuständigkeiten haben und wo deswegen auch das Landesverfassungsrecht effektive Steuerungskraft entfalten kann. In einem solchen Bereich ergibt sich ein etwas schiefes Bild, wenn man allein auf das Grundgesetz blickt. Wer von der Kulturhoheit der Länder spricht, muss auch von ihrer Verfassungshoheit sprechen. Als Beispiel möchte ich die These 15 von Herrn Huster heranziehen. Da heißt es: „Die Erziehungsziele der öffentlichen Schule ergeben sich nicht aus der Verfassung …, sondern können und müssen durch den einfachen Gesetzgeber bestimmt werden“. Ein solcher Satz geht etwa in einem Land wie Bayern, in dem die Landesverfassung ausführliche Erziehungsziele normiert, schlichtweg an der Verfassungswirklichkeit vorbei. Will man solchen Festlegungen des Landesverfassungsrechts, die in großer Zahl existieren, ihre Bedeutung absprechen, müsste man nachweisen, dass sie mit dem Grundgesetz, insbesondere mit den Freiheitsrechten des Grundgesetzes, nicht im Einklang stehen. Ein solcher Nachweis ist nicht erbracht worden. Bezeichnend für die Geringschätzung des Landesverfassungsrechts ist auch gewesen, dass Herr Huster das Landesverfassungsrecht bei seiner These 15 erst im Kontext der einfachen Gesetzgebung ins Spiel gebracht hat, so als sei das Landesverfassungsrecht eine Art konkretisierende Gesetzgebung zum Grundgesetz. Es ist demgegenüber meines Erachtens daran zu erinnern, dass die Landesverfassungen mehr sind als einfache Gesetzgebung unter dem Grundgesetz, nämlich ein Stück originärer verfassungsgebender Gewalt, und als solches sollte man sie gerade im Bereich Kultur schon ernst nehmen. Danke. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Möstl. Das Stichwort Erziehung leitet über zu den ganz konkreten Themen wie Schule und Kunstförderung. Zunächst Herr Böckenförde zur „offenen Neutralität“ der Schule. Böckenförde: Herr Huster, ich stimme mit Ihrem Grundansatz durchaus überein, der Politik einen eigenständigen rechtlichen Gestaltungsraum offen zu halten, der sich nicht lediglich als Grundrechtsverwirklichung darstellt und davon geprägt ist. Gleichwohl möchte ich einen Vorbehalt anbringen zu Ihrer These 16. Die Wahl zwischen offener und distanzierter Neutralität ist, wenn ich Sie richtig verstanden habe, für Sie offen; der Gesetzgeber kann es so oder anders entscheiden. Ich bin der Auffassung, dass das nicht in dieser Weise offen ist und meine, dass Sie die Bedeutung der Religionsfreiheit unterschätzt haben. Zur Religionsfreiheit gehört die private und die öffentliche Freiheit der Religions-

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ausübung einschließlich der Bekenntnisfreiheit, und das ist eine ganz deutliche Abgrenzung zur französischen laicité. In Frankreich ist das Bekenntnis zur laicité eine Verfassungsstrukturbestimmung. Es steht gleich im ersten Artikel der Constitution, dass Frankreich eine laizistische Republik ist. Von daher ist die Zurückdrängung der Religion auf den privaten Bereich ausdrücklich legitimiert. So etwas haben wir nicht und ich meine deshalb, dass weder die Laizität (das haben Sie auch nicht gesagt), noch auch die distanzierende Neutralität vom Grundgesetz her als Grundprinzip angenommen werden kann. Vielmehr stellt das offene Übergreifen der Religion ohne Identifikation – Sie haben es positive Neutralität genannt – das Grundprinzip dar. Auch das Bundesverfassungsgericht hat im Kopftuchurteil am Anfang ein Bekenntnis zu dieser offenen Neutralität abgelegt und das auch deutlich unterstrichen. Es hat dann freilich an späterer Stelle den Weg zu einer distanzierenden Neutralität im Schulbereich geöffnet – und das im Blick auf die Integrationsaufgabe, aber es hat das zugleich wieder in die Gleichbehandlung aller Glaubensbekenntnisse und Glaubensgemeinschaften eingebettet (Ob das ganz konsistent ist innerhalb des Urteils oder ob das vielleicht eine Kompromisslinie war, das mag auf sich beruhen). Jedenfalls zeigt sich, dass die Integrationsaufgabe gerade im Schulbereich doch komplexer und schwieriger ist und sich nicht mit einem frei wählbaren EntwederOder lösen lässt. Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, dass man nicht mit einem Kulturvorbehalt argumentieren kann. Es gibt keinen Anhaltspunkt im Grundgesetz, ich würde sogar sagen, es ist ausgeschlossen, die Religionsfreiheit im Blick auf Kulturvorbehalte zu begrenzen. Art. 4 ist eben als ein Menschenrecht gewährleistet. Wenn durch Immigration andere Bekenntnisse, die uns fremd sind, hier hereinkommen, so kommen die Menschen, die hier aufgenommen werden, mit ihren menschenrechtlichen Kleidern. Die Integrationsaufgabe kann nicht durch Ausgrenzung gelöst werden, die Vielfalt der Religionen muss in die Integrationsaufgabe aufgenommen werden. Deshalb ist auch die Gleichbehandlung aller Glaubensgemeinschaften bei der Entscheidung zwischen mehr offenen oder distanzierenden Elementen in der Neutralität so wichtig. Das hat sich auch im Kopftuchstreit gezeigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat letztlich die Intention, die der baden-württembergische Gesetzgeber bei seinem Gesetz hatte, nämlich ein Vorbehalt zugunsten christlicher und jüdischer Glaubensbekundungen zu installieren, voll ins Leere laufen lassen. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Böckenförde. Jetzt Herr Borowski zum Elternrecht.

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Borowski: Eine Frage an Herrn Huster zu seiner These 20 – ein vielleicht bescheidener Punkt, aber Ausdruck einer Tendenz und schon deshalb wichtig. Ihre These lautet, die staatliche Erziehung sei kein Eingriff in das Elternrecht, wenn sich das Erziehungsziel an nachvollziehbaren Gemeinwohlinteressen orientiere. Dies folgt der engen Tatbestandstheorie der Grundrechte, die in letzter Zeit einen modischen Aufschwung genommen hat. Hier sind neben einigen Äußerungen in der Literatur nur die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Diethylenglykol im Wein und der „Osho-Bewegung“ zu nennen. Diesen Aufschwung sehe ich durch nichts gerechtfertigt. Die Probleme und Nachteile einer engen Tatbestandstheorie sind ausgiebig diskutiert worden. Daher sollen hier zwei Bemerkungen genügen. Erstens: Das Kriterium „Erziehungsziele, orientiert an nachvollziehbaren Gemeinwohlinteressen“ ist unscharf. Wer bestimmt, was nachvollziehbar ist und vor allen Dingen: an Hand welcher Kriterien? Wie kann man vorschlagen, eine solche Unsicherheit im Tatbestand eines Grundrechts zu verankern? Zweitens: Was ist, wenn nachvollziehbare Ziele verfolgt werden, aber mit unverhältnismäßigen Mitteln? Soll auch dann keine Verletzung des Elternrechts gegeben sein? Man könnte daran denken, das Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG aufleben zu lassen. Wenn dieser Weg gegangen werden soll, stellt sich die Frage, warum das Elternrecht insoweit in die allgemeine Handlungsfreiheit verschoben wird. Diesen Weg wollen Sie, glaube ich, aber gar nicht beschreiten. Ich habe Sie sagen hören, die Erziehungsziele müssten sich nicht vor dem Elternrecht in einer Abwägung rechtfertigen. Die Anwendung des Artikels 2 Abs. 1 setzte die Möglichkeit einer Abwägung voraus, deshalb kommt diese Lösung für Sie nicht in Frage. Dies lässt mich etwas ratlos zurück. Soll es denn gar keinen Grundrechtsschutz geben? Ich sehe nicht, wieso der Staat sich nicht für seine Erziehung der Kinder auch gegenüber den Eltern soll rechtfertigen müssen. Soweit die Erziehung legitim ist, kann er sich ohne weiteres rechtfertigen, soweit nicht, müssen die Eltern sich – im wohlverstandenen Interesse ihrer Kinder – dagegen mit den Grundrechten wehren können. Rüfner: Was zur positiven Neutralität zu sagen ist, hat Herr Böckenförde schon gesagt. Ich sehe wohl, dass das Konzept des Bundesverfassungsgerichts da und dort an Grenzen stößt. Im übrigen möchte ich mich Herrn Böckenförde anschließen. Das Grundgesetz will im Religionsunterricht ersichtlich religiöse Vielfalt und die Möglichkeit religiöser Erziehung in der Schule. Darauf beruht die Regelung des Religionsunterrichts. Religiöse Erziehung ist inhaltlich nicht Sache des Staates. Wenn sich der Staat in die Nähe der religiösen Erziehung wagt, sollte er Be-

Kultur im Verfassungsstaat

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freiungsmöglichkeiten geben. Die LER-Lösung ist vielleicht nicht gut, aber erträglich. Was in Berlin jetzt geplant wird, dagegen nicht. Auf den Zusammenhang zwischen dem Grundsatz der öffentlichen Schule und der Möglichkeit differenzierter Pflege der Religion in der Schule möchte ich hinweisen. Wenn die Religionspflege nicht mehr möglich ist, verliert die öffentliche Schule als Regelschule an Legitimation. Dann müssten wir der Privatschule mehr Raum geben, dafür gibt es auch Beispiele im Ausland. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Rüfner. Der Bereich der Kunstförderung soll nicht ganz ausgeklammert werden, weil auch Herr Huster einen weiten Bereich seines Referats dem Thema gewidmet hat. Dazu also zunächst Herr Hase. Hase: Eine ganz kurze Anmerkung zu dem Referat von Herrn Huster, und zwar zum Leitsatz Nummer 8. Ich stimme Herrn Huster darin zu, dass Kunstförderung nicht als sozialstaatlich motivierte Sicherstellung der materiellen Freiheitsvoraussetzungen zugunsten der Grundrechtsträger begriffen werden sollte, aber weil ich mich mit dem Sozialrecht befasse, muss ich doch darauf hinweisen, dass auch diese Dimension einer sozialen Umhegung der Kunst längst existiert. Wir haben seit mehr als 20 Jahren ein Künstlersozialversicherungsgesetz, das die selbständigen Künstler als Pflichtversicherte in die gesetzliche Kranken- und in die Rentenversicherung einbezieht. Das Gesetz ist, wie Sie sicher wissen, sehr umstritten gewesen und auch geblieben, vor allem deshalb, weil es die sogenannten Vermarkter von Kunst einer Abgabepflicht unterwirft. Die Vermarkter haben eine Künstlersozialabgabe zu zahlen, die sich in grundlegender Hinsicht vom herkömmlichen Sozialbeitrag unterscheidet. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Konstruktion für verfassungskonform erklärt, auch die Entscheidung ist bis heute sehr umstritten. Das Bundesverfassungsgericht stützt sich vor allem auf das Argument, zwischen den Vermarktern als Gruppe und den Künstlern – wiederum als Gruppe – seien quasi-symbiotische Beziehungen gewachsen, durch die eine gleichsam kollektivierte Beitragsbelastung zu rechtfertigen sei. Meines Erachtens hat man hier letzten Endes das Modell der Arbeitnehmergesellschaft auf die selbständigen Künstler projiziert. Es gibt demnach, jenseits der Kunstförderung, in der Bundesrepublik auch eine spezifisch sozialstaatliche Absicherung der Bedingungen von Kunstproduktion und -vermittlung, die wir in die Betrachtung einbeziehen sollten, wenn wir das Thema „Kultur im Verfassungsstaat“ behandeln.

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Mantl: Eine ganz kurze Bemerkung: Es war interessant, dass der Sport nicht vorgekommen ist, der in sozialwissenschaftlichen Diskussionen immer als zur Kultur gehörig erwähnt wird und der ja in den totalitären Systemen des 20. Jahrhunderts eine große Rolle gespielt hat. Der Sport kam nur vor in Häberles skeptischem Hinweis auf den Fußball als brasilianisches Identitätsmerkmal. Es ist auffallend, dass der fortschrittsgläubige Liberalismus überzeugt war von der Kreativität der Wissenschaft als Produktionsfaktor und sie grundrechtlich „freisetzte“. Die Begeisterung für die Kunst war deutlich geringer, sie wurde letztlich als „ancilla“, als „Magd“ der bürgerlichen Lebenswelt betrachtet. Die Kunstfreiheit wurde auch meist später als die Wissenschaftsfreiheit verfassungsrechtlich positiviert; in Österreich erst 1982. Nichts zeigt diese bürgerliche Distanz zur Kunst mehr als der Beschluss des Akademischen Senats der Wiener Universität am Beginn des 20. Jahrhunderts, die kühnen Fakultätsbilder Gustav Klimts im Festsaal nicht zu applizieren. Es war die Mehrheit der bürgerlichen Elite im Wiener Senat, welche die moderne Kunst ablehnte. Ich glaube, dass es angemessen ist, die Eigengesetzlichkeit der Kunst zu schützen und dies im öffentlichen Interesse zu tun. Da stimme ich Kollegen Huster zu; er weicht auch nicht der Definitionsfrage aus, präzisiert sie freilich zu wenig. Er sagt, die Politik entscheide dieses Problem. Politik heißt, noch weiter konkretisiert, dass der Stimmzettel in der Hand und die Parteien letztlich bestimmen, was Kunst im öffentlichen Interesse sei. Die Thesen 2 und 9 ff. bei Herrn Huster sind meinem Urteil nach zu optimistisch und harmonisierend. Mit dem Begriff des öffentlichen Interesses beginnen ja erst gewaltige Spannungen im Pluralismus, die sich auch nicht durch Konstruktionen wie Kunstbeiräte friktionslos aus der Welt schaffen lassen. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Mantl. Herr Huster hat jetzt die schwierige Aufgabe, die Antworten auf die vielen Fragen zu bündeln. Huster: Ich werde sicherlich nicht allen Anmerkungen gerecht werden können, bedanke mich aber um so mehr dafür, insbesondere auch für die kritischen Nachfragen, weil sie mir vielleicht doch erlauben, das eine oder andere noch einmal zu erläutern und klarzustellen. Zunächst zum Thema Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft: Ich habe mich nun tatsächlich in meinem Referat auf eine Position zurückgezogen, die bemüht war, einige dogmatische Konsequenzen und Probleme des Kulturbegriffs herauszustellen. Das ist, so glaube ich, zunächst einmal das primäre Geschäft der Rechtswissenschaft als einer anwendungsorientierten Wissenschaft. Ich gebe aber zu, dass es daneben auch noch eine andere Form der Rechtswissenschaft geben kann, die sich von diesen dogmati-

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schen Zwängen, von dieser dogmatischen Zulieferungstätigkeit gerade distanziert. Ich wäre sehr dafür, dass es so etwas gibt, aber wenn ich mir angucke, was da gemacht wird, was man traditionellerweise inzwischen ja schon die Kulturwissenschaften nennt, dann lädt mich das nicht immer zur Nachahmung ein. Aber das ist vielleicht auch eine Frage des Temperaments. Ich bin sehr dafür, dass es so etwas auch gibt, solange ich es nicht tun muss. Die Hinweise zum Kulturbegriff selbst möchte ich in der Weise aufnehmen, dass ich betone, dass der Kulturbegriff jeweils kontextspezifisch zu konkretisieren ist. Und das heißt, dass man sich genau das Umfeld etwa im Steuerrecht oder im EGV – oder wo auch immer wir den Kulturbegriff finden – angucken muss und dass der Kulturbegriff gerade, weil er so vage ist, in diesen Kontexten eben auch eine besondere Arbeit am Text verlangt. Die Frage nach der Ableitung der Erziehungsziele aus der Verfassung, Herr Dörr. Ich habe ja darauf hingewiesen, dass es eine ganze Reihe von Ansätzen gibt, die versuchen, aus der Verfassung Erziehungsziele abzuleiten. Ob das funktioniert, muss man sich im einzelnen anschauen. Ich habe jedenfalls die Beobachtung gemacht, dass viele Argumente hier nicht überzeugen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Artikel 12 GG – Berufsfreiheit. Die Ableitung eines Erziehungsziels würde dann lauten: Die Schule ist berechtigt, zur beruflichen Tüchtigkeit zu erziehen, weil wir den Artikel 12 im Grundgesetz haben. Das finde ich von vorne bis hinten unplausibel, weil das erstens ein sinnvolles Erziehungsziel ist unabhängig davon, ob wir die Berufsfreiheit im Grundgesetz speziell geschützt haben. Viele andere Verfassungen haben gar kein spezielles Grundrecht der Berufsfreiheit; trotzdem muss das ja ein sinnvolles Erziehungsziel bleiben. Deswegen scheint mir der Zusammenhang einigermaßen kontingent zu sein. Und zum zweiten möchte ich darauf hinweisen, dass die Freiheitsrechte hier auf eine seltsame Art und Weise ihre Funktion verändern. Grundrechte sind doch eigentlich ein Schutzschild des Bürgers gegen staatliche Intervention; hier werden sie aber plötzlich gegen den Bürger in Stellung gebracht, der sich die Erziehung in einer bestimmten Richtung zumuten lassen soll. Wenn dies nun gerade durch seine Freiheitsrechte gerechtfertigt werden soll, finde ich das schon von der Konstruktion her kontraproduktiv. Kann man das alles besser machen? Ich will das nicht ausschließen, aber ich hoffe, ich beleidige niemanden, wenn ich sage, dass ich es sehr viel besser eben weithin nicht gefunden habe in der Literatur. Noch ein Wort zu dem besonders wichtigen Punkt, den Herr Böckenförde und Herr Rüfner angesprochen haben: das Verhältnis von ausgrenzender, negativer und übergreifender, offener Neutralität. Natürlich ist es in einer Verfassungsordnung, die kein Prinzip der strikten Tren-

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nung und kein Prinzip des Laizismus kennt, notwendig, eine bestimmte Ausgestaltung einer öffentlichen Einrichtung – etwa der öffentlichen Schule – gegenüber der Religionsfreiheit zu rechtfertigen. Aber die Frage ist, ob das Grundrecht der Religionsfreiheit tatsächlich so weit führen kann, dass beispielsweise die Kinder und ihre Eltern in der öffentlichen Schule einen Anspruch darauf haben, dass ihr Glaube in Form des Religionsunterrichts dargestellt wird. Mir scheint das nicht zusammenzupassen mit der bisherigen Rechtsprechung zum Ethikunterricht in den alten Bundesländern: Dort werden ja auch – ich mag das Wort nicht – alle möglichen „Werte“ vermittelt, dort finden sich auch große Anteile an Religionskunde, und dies ist immer verfassungsrechtlich gerechtfertigt worden. Ich sehe eigentlich nicht ein, warum, wenn der Artikel 7 Abs. 3 GG beispielsweise in Berlin nicht gilt, der Schulgesetzgeber dort nicht sagen sollte: In unserer Berliner Situation scheint es uns angemessener zu sein, ein einheitliches Fach „Ethik“, „Werte“ – oder wie immer man auch das nennen will – zu veranstalten, anstatt die Schülerschaft im Religionsunterricht konfessionell aufzuspalten. Ich glaube, das ist eine legitime bildungspolitische Überlegung, gegen die das Grundrecht an dieser Stelle schon deshalb keinen Schutz bieten kann, weil wir eben auch in anderen Staaten, die die Religionsfreiheit durchaus sehr hoch halten, nicht überall den Religionsunterricht in der Form haben, wie wir ihn in Deutschland kennen. Ob freiheitliche Ordnungen in der Lage sind, Kunst besonderer Exzellenz und besonderer Qualität zu produzieren, ist tatsächlich eine offene Frage. Aber das ist auch deshalb kein verfassungsrechtliches Thema, weil es nun einmal so ist, dass die Regeln eines gerechten und friedlichen Zusammenlebens Vorrang haben vor der Verfolgung bestimmter öffentlicher Güter. Und die Kunstförderung und auch die Kunstproduktion in einer freiheitlichen rechtstaatlichen Ordnung können sich eben nur innerhalb der geltenden Gesetze bewegen, innerhalb der Grundanforderungen eines gleichberechtigten Zusammenlebens. Wenn das dazu führen sollte, dass die kulturelle Landschaft verflacht, dann kann man nur sagen: Dann sei es so. Wir können in einer politischen Ordnung nicht alle Güter dieser Welt gleichzeitig optimal entwickeln. An bestimmten Stellen muss man dann akzeptieren: Die Bedrückung, die zu existentiellen Krisen führt, unter denen dann Kunst besonderer Qualität entstehen mag, kann und will das freiheitliche Gemeinwesen eben nicht herstellen. Nicht alle Lebensformen und nicht alle Güter sind in unserer Ordnung zu verwirklichen, das muss man offen zugeben. Mit Blick auf die Zeit möchte ich hier enden und bitte um Verständnis dafür, dass ich nur so wenige Punkte ansprechen konnte.

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Vorsitzender: Vielen Dank Herr Huster. Auch die Knappheit der Zeit darf nicht verdrängen, dass diese Vereinigung Ihnen sehr viel Dank und Anerkennung schuldig ist für Ihren Beitrag. Nun das Schlusswort von Herrn Sommermann. Sommermann: Zunächst auch von meiner Seite ganz herzlichen Dank für die Diskussionsbeiträge, die mich natürlich zum Weiterdenken anregen. Ich möchte mit einem Grundproblem beginnen, das in der Diskussion sehr deutlich wurde. Es geht um die Frage, ob wir überhaupt pauschal von einem „Kulturstaat“ oder auch von einem „ökologischen Kulturstaat“ usw. sprechen dürfen. Ist eine solche Pauschalierung nicht methodisch sehr angreifbar? Der Kulturstaatsbegriff ist in Deutschland bekanntlich mit vielen Theorien, Doktrinen und auch Ideologien belastet. Das erschwert den Umgang mit ihm. Ich habe versucht, ein etwas entkrampfteres Verhältnis dazu zu finden, indem ich Kulturstaatlichkeit zunächst als einen deskriptiven Begriff verstehe, der bestimmte kulturbezogene Merkmale zusammenfasst, und so wird er heute auch im Ausland verstärkt gebraucht. Wenn ich also vom ökologischen Kulturstaat geredet habe, Herr Geis, so war das kein Programm, kein normatives Verständnis, sondern es war eine Beobachtung von Phänomenen. Diese offenbaren allerdings, wie ich meine, die genannten Entwicklungsstufen, für deren Verdeutlichung der Wissenschaftler Kategorien finden muss. Welche normativen Konsequenzen daraus folgen, ist eine weitere Frage. In ähnlichem Sinne hat Herr Kloepfer die Reichweite des Begriffs „Kulturverfassung“ beschränkt. Artikel 20a GG als „Wundertüte“: Das ist natürlich eine provokante Formulierung. In der Tat, kulturelles Erbe, natürliche Lebensgrundlagen und Tiere passen schwerlich zusammen, und zumal Juristen, die um eine klare Trennung der Kategorien bemüht sind, müssen damit ihre Schwierigkeit haben. Das gebe ich zu. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat nun aber einmal die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere in einer gemeinsamen Schutzvorschrift zusammengeführt. Ich könnte indes sehr gut damit leben, wenn man im Falle einer weiteren Grundgesetzänderung nur das kulturelle Erbe und die natürlichen Lebensgrundlagen gemeinsam behandelt, wie das viele Verfassungen in Europa getan haben, und den Tierschutz in einer gesonderten Bestimmung niederlegen würde. Mein Formulierungsvorschlag stellt im übrigen den Versuch dar, den Verfassungstext nicht ausufern zu lassen. Sie haben vielleicht bemerkt, dass ich den Artikel 20a sehr viel kürzer als bisher fassen würde. Die in meinem Vorschlag gestrichenen Klauseln sind überflüssig, wie ich an anderer Stelle ausführlich dargelegt habe.

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Dann die Frage „Kulturelles Erbe“. Ich habe bewusst „kulturelles Erbe“ und „Kultur“ unterschieden. Auch wenn das kulturelle Erbe enger zu verstehen ist, so könnte es durchaus, Herr Alexy hat darauf hingewiesen, eine gewisse Sprengkraft besitzen, insbesondere als mögliche Schrankenbestimmung für die Grundrechte. Zum klassischen Schutz des kulturellen Erbes gehört der Denkmalschutz; die ersten großen Kodifikationen etwa in Deutschland und Frankreich stammen vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Denkmalschutz hat zur Folge, dass der Gebrauch des Eigentums in erheblicher Weise eingeschränkt wird. Daraus folgt die Frage, wie die normativen Wirkungen einer Staatszielbestimmung „Schutz des kulturellen Erbes“ begrenzt werden können. Und da würde ich zwei Punkte hervorheben. Erstens: Das Grundgesetz konstituiert eine Verfassungsordnung, in der der Freiheitsschutz im Vordergrund steht und daher eine entsprechende Staatszielbestimmung nicht extensiv in einem Sinne ausgelegt werden darf, dass die kulturelle Lebenswelt der Bürger zu versteinern droht. Zweitens müssen die Kulturphänomene gewichtet werden. Ein Staatsziel hat immer einen bestimmten Kern, der stärker geschützt ist, und dann gibt es Randbereiche, wo sich die Wirkung mehr oder weniger normativ verflüchtigt. Im freiheitlichen Verfassungsstaat müssen die zu schützenden Güter maßgeblich unter Berücksichtigung der Grundrechte bestimmt werden. Dabei werden Kriterien wie etwa die Repräsentativität der Kulturgüter eine Rolle spielen. Die Operationalisierung einer solchen Auswahl ist freilich nicht leicht und nur bedingt durch gesetzliche Definitionen zu erreichen. Notwendig ist die Einrichtung geeigneter Verfahren, wobei bei der Ausgestaltung an bestehende Verfahren zur Bewertung komplexer Gegenstände angeknüpft werden könnte. Herr Meyer hat gefragt, ob nicht die Gefahr eines rein statischen Verständnisses des kulturellen Erbes bestehe. Hierauf möchte ich mit der erkenntnistheoretischen Einsicht antworten, die ein Rechtsvergleicher (H. Patrick Glenn) mit der Sentenz „The changing presence of the past“ zum Ausdruck gebracht hat. Sie bedeutet, dass sich jede Generation das kulturelle Erbe aus einer veränderten Perspektive neu aneignen muss und dabei neue Akzente in der Bewertung setzen wird. Es handelt sich um einen stetigen Prozess, in dem man nie wird sagen können, das kulturelle Erbe sei dieses allein, sondern in dem es durch jede Generation neu definiert wird. Kurz eingehen möchte ich noch auf die Frage von Herrn Haverkate. Immerhin: Condorcet war Girondin und nicht radikaler Jakobiner (Montagnard). Das sollten wir festhalten. Lichtenberg hat natürlich recht, dass uns die Geschichte lehrt, dass der Mensch auch korruptibel ist. Das steht außer Frage. Aber es ist so, dass es – und ich hatte u. a. auf Turgot als prägenden Denker hingewiesen – doch gewisse Leitideen der

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Aufklärung gegeben hat, die für die weitere politische Entwicklung wichtig waren. Mein Beispiel aus dem US -amerikanischen Verfassungsrecht sollte auch zeigen, dass man dort von einem eher theoretischen Verständnis der „perfectibilité“ zu einem pragmatischen Verständnis der Bildung gefunden hat, wie man etwa auch bei Thomas Jefferson sieht. Aber die große Leitidee bleibt. Nun zu dem Argument „Globalisierung gab es schon immer“. Natürlich gibt es schon lange globalisierte Phänomene und auch kulturellen Austausch. Nur denke ich, dass die Bildungs- und Kulturpolitik heute in einem Maße internationalisiert wird, dass eine qualitativ neue Stufe erreicht ist, was in der öffentlichen Diskussion vielleicht immer noch zu wenig wahrgenommen wird. Aufgabe der Rechtswissenschaft ist es ja auch, Entwicklungen, die die Rechtspraxis bestimmen, sichtbar zu machen, damit die Rechtsgestaltung darauf steuernd Einfluss nehmen kann. Zum Schluss zu Herrn Haltern und zur Bedeutung der Kulturwissenschaft. Und damit möchte ich zugleich auf Herrn Fromont antworten, der auf die Rolle der Sprache hingewiesen hat. Die Einbeziehung des kulturwissenschaftlichen Ansatzes ist für mich gerade als Rechtsvergleicher ein sehr wichtiger Punkt. In einem kurzen Referat können die Dimensionen der Rechtsvergleichung allenfalls ansatzweise angedeutet werden. Der Rechtsvergleich bedient sich kulturwissenschaftlicher Erkenntnisse, um zu zeigen, dass Rechtsnormen in einem kulturellen Kontext stehen, auch in einem sprachlichen Kontext, und wer Rechtsvergleichung betrieben hat, wird feststellen, wie bereichernd es ist, aus dieser Perspektive Erkenntnisse über die eigene Rechtsordnung zu gewinnen. Daher möchte ich das Plädoyer für eine kulturwissenschaftliche Stärkung der Rechtswissenschaft durchaus unterstützen. Auf mehrere Redner bin ich nicht namentlich eingegangen, wofür ich um Nachsicht bitte; ich sollte mich sehr kurz fassen. Allen gilt mein herzlicher Dank, nicht zuletzt dem Vorstand, der mich eingeladen hat, über ein spannendes Thema zu diskutieren an diesem wunderbaren Ort der Paulskirche. Vorsitzender: Ich kann nur sagen, der Dank ist ganz unsererseits. Wir haben einen schönen Auftakt der Tagung erlebt und ich danke auch allen Teilnehmern an der Diskussion.

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Martin Schulte

Zweiter Beratungsgegenstand *

*

Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit* 1. Bericht von Prof. Dr. Martin Schulte, Dresden Inhalt

Seite

I. II . III . IV. V. VI . VII .

Die Idee der Wissenschaftsfreiheit . . . . . . Von Humboldt 1 zu Humboldt 2 . . . . . . Wissenschaft in normativ verfasster Freiheit Wissenschaft und Politik . . . . . . . . . . . Wissenschaft und Wirtschaft . . . . . . . . . Wissenschaft und Moral . . . . . . . . . . . Wissenschaftsfreiheit in der Krise? . . . . .

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** Für Petra, Hilke, Meike, Klaas und Imke. Die nachfolgenden Überlegungen verstehen sich nicht normativ; mit Ausnahme dieser Aussage selbst, versteht sich!

Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit

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Es ist schon einigermaßen erstaunlich, dass sich unsere Vereinigung, der es ihrer Satzung nach darum geht, wissenschaftliche Fragen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch Aussprache zu klären, seit ihrer Gründung nicht dezidiert mit der Wissenschaftsfreiheit befasst hat. Auf der Jahrestagung 1927 wurde sie von Rothenbücher und Smend allein in Abgrenzung zum Recht der freien Meinungsäußerung und auf der Jahrestagung 1969 von Rupp und Geck lediglich aus der Perspektive der Stellung der Studenten in der Universität thematisiert. Um so erfreulicher ist es, dass die Wissenschaftsfreiheit hier und heute ausdrücklicher Beratungsgegenstand ist, fand diese doch über die Frankfurter Paulskirchenversammlung als § 152 normativen Eingang in die Reichsverfassung vom 28. März 1849. Von daher gäbe es wohl kaum einen geeigneteren Ort für unsere Vereinigung, um über Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit nachzudenken.

I.

Die Idee der Wissenschaftsfreiheit

Die Idee der Wissenschaftsfreiheit ist untrennbar mit dem Begriff der Wissenschaft verbunden. Für Rechtspraxis und Rechtsdogmatik bezeichnet Wissenschaft alles, „was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist“.1 Ihr Kommunikationsmedium ist Wahrheit, wahr/unwahr ist der Code, an dem sie sich orientiert, Theorie und Methode sind ihre wissenschaftlichen Programme.2 Um der Idee der Wissenschaftsfreiheit näher zu kommen, wird man dabei allerdings nicht stehen bleiben dürfen. Vielmehr prägen drei weitere Strukturmerkmale das soziale Funktionssystem Wissenschaft. Sie lässt sich nur weltgesellschaftlich denken, weil Wissenschaft von Rovaniemi bis Buenos Aires und San Francisco bis Tokio weltumspannend dem Code wahr/unwahr folgt; sie erweist sich funktional ausdifferenziert, wobei jede wissenschaftliche Disziplin im Schutz der Wissenschaft als Domäne ihren Beitrag zum Wissenschaftssystem leistet; sie operiert autonom, d. h. sie stellt ihre Einheit durch die eigenen Operationen des Systems her. Und es ist genau diese Autonomie des Wissenschaftssystems, der wir unsere besondere Aufmerksamkeit schenken müssen, um der Idee der

1 St. Rspr. seit BVerfGE 35, 79 (113); ebenso die hM im Schrifttum, s. dazu insb. M. Fehling in BK Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 60 ff., 63 mwN. 2 Dazu und zum folgenden N. Luhmann Die Wissenschaft der Gesellschaft, 1990, passim.

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Wissenschaftsfreiheit auf die Spur zu kommen. In der Selbstbeschreibung der Wissenschaft entspricht ihrer Autonomie die Annahme wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit.3 Sie umreißt Schutzgrund und Rechtsfolge zugleich: Wissenschaft ist verfassungsrechtlich geschützt, weil sie eigengesetzlich abläuft, und ihr Schutz dient dazu, dass sie eigengesetzlich abläuft.4 Eigengesetzlichkeit im normativen Sinne meint, dass es Lebensbereiche, Erkenntnisprozesse und Kommunikationszusammenhänge gibt, die sich externer Steuerung entziehen;5 und zwar in Anbetracht ihrer spezifischen Struktur, der Spezifika ihrer Organisations- und Verfahrensabläufe sowie der fehlenden Planbarkeit und Nachvollziehbarkeit.6 Natürlich heißt dies nicht, Steuerung in der Wissenschaft für schlechterdings unmöglich zu halten. Dies wäre tatsächlich absurd, weil damit geleugnet würde, was faktisch in erheblichem Umfang geschieht.7 Allerdings darf Steuerung eben nicht länger als Zentralsteuerung von außen verstanden werden, sondern erweist sich als Differenzminderung durch Selbststeuerung.8 Diese Selbststeuerung der Wissenschaft kennt unterschiedliche Facetten und Erscheinungsformen. Dazu zählt zunächst die Entwicklung eines 3 Aus der Rspr. siehe in diesem Sinne jüngst BVerfG DVBl . 2005, 109 (111 mwN): „Den Kernbereich wissenschaftlicher Betätigung stellen die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe dar.“; für die Rechtsdogmatik grundlegend bereits R. Smend Das Recht der freien Meinungsäußerung, VVDStRL 4 (1928), 44 (61): „Der Kerngedanke des Grundrechts ist natürlich die Anerkennung der Eigengesetzlichkeit des wissenschaftlichen Lebens, das vermöge dieser Eigengesetzlichkeit der rechtlichen Normierung und Nachprüfung entzogen ist.“; kritisch zur Autonomie der Wissenschaft M. Nettesheim Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit, DVBl . 2005, 1072 f.; aus wissenschaftshistoriographischer Sicht s K. Fischer Was heißt Freiheit der Wissenschaft heute?, in: A.W. Müller/R. Hettich (Hrsg.), Die gute Universität, 2000, 83 mwN. 4 Am Beispiel der Kunstfreiheit paradigmatisch F. Hufen Die Freiheit der Kunst in staatlichen Institutionen. Dargestellt am Beispiel der Kunst- und Musikhochschulen, 1982, 180. 5 Ders. ebd., 180 f.; H. Trute Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung. Das Wissenschaftsrecht als Recht kooperativer Verwaltungsvorgänge, 1994, 54 f. 6 Hufen Freiheit der Kunst, 180; Trute Forschung, 54 f. 7 N. Luhmann Politische Steuerungsfähigkeit eines Gemeinwesens, in: Göhner (Hrsg.), Die Gesellschaft für morgen, 1993, 50 (55, 56); ders. Steuerung durch Recht? Einige klarstellende Bemerkungen, ZRSoz 12 (1991), 142 (143 f.); ders. Politische Steuerung: ein Diskussionsbeitrag, PVS XXXI (1989), 4 ff. 8 N. Luhmann Das Recht der Gesellschaft, 1993, 154; ders. Selbststeuerung der Wissenschaft, in: ders. Soziologische Aufklärung 1, 7. Aufl., 2005, 291 ff.; siehe ferner U. Di Fabio Diskussionsbeitrag, VVDStRL 56 (1997), 317 f.

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wissenschaftlichen Selbstverständnisses.9 In der Paradigmaherrschaft, d. h. der Anleitung und Prägung von Wissenschaft durch spezifische Muster und Modelle wissenschaftlicher Arbeit,10 findet es seinen besonderen Ausdruck. Mit ihm einher geht eine wissenschaftliche Eigensprache, die im Duktus der Argumentation und der Linearität der Kommunikation eine drastische Reduktion verstehensfähiger Adressaten unvermeidlich macht.11 Dies schließt moderne, teilweise bis zum Überdruss strapazierte Formeln wie „Public Understanding of Science“ und „Science goes public“12 nicht grundsätzlich aus, weist diese Bemühungen aber einem anderen Funktionssystem und einer anderen Literaturgattung der Gesellschaft zu.13 Vor allem aber lässt sich die Selbststeuerung der Wissenschaft nicht ohne wissenschaftliche Selbstverwaltung denken.14 Das heißt nicht zwangsläufig, das klassische Strukturmodell der deutschen Universität auf Dauer zu stellen, bedeutet aber schon, der Wissenschaft zum Schutz vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen im dafür erforderlichen Umfang Teilhabe an öffentlichen Ressourcen und an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs zu gewähren.15 In unmittelbarem Sachzusammenhang damit steht der Gedanke wissenschaftlicher Selbstkontrolle. Er ist in den vergangenen zehn Jahren vor dem Hintergrund eines sich zunehmend rigider gestaltenden Verteilungskampfes um immer knapper werdende öffentliche Ressourcen ge-

9 Grundlegend dazu J. Esser Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, 2. Aufl. 1972; M. Morlok Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993. 10 Morlok Selbstverständnis, 97 f.; zum ursprünglichen Begriff des Paradigmas s. Th. Kuhn Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 13. Aufl. 1996, 25, der darunter Werke verstand, die neuartig genug waren, um eine beständige Gruppe von Anhängern anzuziehen, die ihre Wissenschaft bisher auf andere Art betrieben hatten, und gleichzeitig noch offen genug waren, um der neuen Gruppe von Fachleuten alle möglichen ungelösten Probleme zu stellen (z. B. die Physik des Aristoteles, der Almagest des Ptolemäus, Newtons Principia und Opricks, Fanklins Electricity, Lavoisiers Chimie, Lyells Geology). 11 Luhmann Wissenschaft, 623 f. 12 S. dazu neuerdings insb. P. Weingart Die Wissenschaft der Öffentlichkeit. Essays zum Verhältnis von Wissenschaft, Medien und Öffentlichkeit, 2005; vgl auch kritisch F. Neidhardt Wissenschaft als öffentliche Angelegenheit, 2002, 23. 13 Luhmann Wissenschaft, 624. 14 S. dazu insb. Fehling in BK Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 192 ff. mwN; zum Prinzip der Selbstverwaltung allgemein und grundlegend s. J. Oebbecke Selbstverwaltung angesichts von Europäisierung und Ökonomisierung, VVDStRL 62 (2003), 366 ff.; M. Burgi Selbstverwaltung angesichts von Europäisierung und Ökonomisierung, VVDStRL 62 (2003), 405 ff. 15 BVerfG DVBl . 2005, 109 (111); grundlegend BVerfGE 35, 79 (115 f.).

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Martin Schulte

radewegs zu einem Erfolgsmodell wissenschaftlicher Selbstverwaltung avanciert.16 Es ist diese Selbststeuerung der Wissenschaft, die zur Idee der Wissenschaftsfreiheit wird. Wo einst materiale Einheit17 stand, steht heute funktionale Differenzierung.

II.

Von Humboldt 1 zu Humboldt 2

So sehr diese These nahe legt, nach Ursprung und Entwicklung der Wissenschaftsfreiheit zu suchen, so vergeblich müsste eine solche Suche letztlich bleiben. Es kann uns nicht um die „Einheit der Geschichte als Entwicklung von einem Anfang bis heute“18 gehen; allenfalls gibt es eine Chance, die Emergenz des Gedankens der Wissenschaftsfreiheit zu beobachten.19 Emergenz meint das „Benutzen oder Ausnutzen der Vergangenheit (in Form vorhandener Elemente), markiert jedoch zugleich den Bruch mit der Vergangenheit durch das Entstehen einer neuen Eigenschaft, die nicht in den ursprünglichen Elementen enthalten und nicht 16 Als Ausgangspunkt s. die Empfehlungen der DFG -Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ vom Januar 1998, NJW 1998, 1764; neuerdings hat die DFG mit dem Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung“ (IFQ ) eine weitere Initiative gestartet, s dazu www.dfg.de/ifq/; aus der Rechtsprechung s. insb. BVerwGE 102, 304 ff.; aus der Rechtsdogmatik s. in jüngster Zeit K. Hartmann/T. Fuchs Standards guter wissenschaftlicher Praxis und wissenschaftliches Fehlverhalten vor dem Hintergrund der Wissenschaftsfreiheit, WissR 36 (2003), 204 ff.; E. Deutsch Ombudsgremien und Wissenschaftsfreiheit, ZRP 2003, 159 ff.; H. Schulze-Fielitz Rechtliche Rahmenbedingungen von Ombus- und Untersuchungsverfahren zur Aufklärung wissenschaftlichen Fehlverhaltens, 37 (2004), 100 ff.; R. Grunwald Gute wissenschaftliche Praxis: Mehr als die Kehrseite wissenschaftlichen Fehlverhaltens, in: P. Hanau/D. Leuze/W. Löwer/ H. Schiedermair (Hrsg.), Wissenschaftsrecht im Umbruch. GS Hartmut Krüger, 2001, 127 ff.; St. Muckel Der Ombusmann zur Anhörung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens, ebd, 275 ff.; W. Löwer Normen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. Die Freiburger Leitlinien, WissR 33 (2000), 219 ff.; R. Höhne Rechtsprobleme bei der Kontrolle der Lauterkeit in der Forschung, 2001; vgl. aber zuvor schon E. Schmidt-Aßmann Fehlverhalten in der Forschung – Reaktionen des Rechts, NVwZ 1998, 1225 ff. 17 S. dazu noch K. Jaspers Die Idee der Universität, 1923; Th. Ellwein Die deutsche Universität. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, 1985; M. Eigen/ H.-G. Gadamer/ J. Habermas/ W. Lepenies/ H. Lübbe/ K. M. Meyer-Abich Die Idee der Universität. Versuch einer Standortbestimmung, 1988. 18 Luhmann Recht, 240. 19 Hierzu und zum Folgenden M. Th. Fögen Zufälle, Fälle und Formeln, Rg 6 (2005), 84 (85 f. mwN); vgl. auch Th. Wägenbaur (Hrsg.) Blinde Emergenz? Interdisziplinäre Beiträge zu Fragen kultureller Evolution, 2000.

Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit

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auf sie zurückzuführen ist“. Es geht um eine „Momentaufnahme, um die Rekonstruktion einer Situation in der systemeigenen Evolution“, in der irgendwo, irgendwann und irgendwie der Wissenschaft und Wissenschaftsrecht bis heute prägende Gedanke der Wissenschaftsfreiheit entstand. Eine solche Momentaufnahme ist zunächst einmal auf die Befreiung moderner Wissenschaft von absolutistischem Staat und religiöser Orthodoxie gerichtet, wie sie in der libertas conscientiae und der libertas philosophandi des 17. Jahrhunderts sichtbaren Ausdruck fand.20 Des weiteren nimmt sie den Deutschen Idealismus in den Blick, als dessen „Erbschaft“ die Wissenschaftsfreiheit bisweilen noch heute gilt.21 Seine Leitgedanken der Bildung durch Wissenschaft,22 der Einheit von Forschung und Lehre23 sowie akademischer Einsamkeit und Freiheit24 stehen gleichsam paradigmatisch für eine materiale Idee der Wissenschaftsfreiheit. Diesen Humboldt 1, nennen wir ihn den der Wissenschaftsfreiheit in der Wissenschaftsgesellschaft, hat die Evolution allerdings weitgehend hinter sich gelassen. Etwa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kommt es nämlich zu einer grundlegenden, bis heute fortwirkenden Ausdifferenzierung des Wissenschaftssystems.25 Zum einen ist hier die 20 Beispielhaft Spinozas Tractatus Theologico-Politicus von 1670, s. B. De Spinoza Theologisch-Politischer Traktat. Übersetzt und eingeleitet von C. Gebhardt, 1955, 854: „Wir sehen also, wie jedermann unbeschadet des Rechtes und der Autorität der höchsten Gewalten, d. h. unbeschadet des Friedens im Staate, alles, was er denkt, sagen und lehren kann; …“; vgl. ferner Trute Forschung, 17; W. Schmidt Die Freiheit der Wissenschaft. Ein Beitrag zur Geschichte und Auslegung des Art. 142 der Reichsverfassung, 1929, 31 f.; H. Zwirner Zum Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit, AöR 98 (1973), 313, 314 f. 21 Ausgehend von Smend Meinungsäußerung (Fn. 3), 59; relativierend neuerdings Fehling (Fn. 1), Rn. 7 mwN; vgl. ferner H. Kreß Wissenschaftsfreiheit – Ein Grundrecht in der Krise, Ethica 11 (2003), 363 (369 ff.); R. A. Müller Vom Ideal zum Verfassungsprinzip. Die Diskussion um die Wissenschaftsfreiheit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: R. Chr. Schwinges (Hrsg.), Humboldt International. Der Export des deutschen Universitätsmodells im 19. und 20. Jahrhundert, 2001, 349ff.; W. Siemann Chancen und Schranken von Wissenschaftsfreiheit im deutschen Konstitutionalismus 1815–1918, Historisches Jahrbuch 107 (1987), 315 ff.; Schmidt Freiheit der Wissenschaft, 43 ff.; H.-J. Strauch Wissenschaftsfreiheit, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte ( HRG ), Bd. V, 1998, Sp. 1455, 1457; Trute Forschung, 17 ff.; Zwirner (Fn. 20), 314 ff. 22 S. dazu insb. Th. Ellwein (Fn. 17), 111 ff. 23 S. dazu insb. A. Schulz-Prießnitz Einheit von Forschung und Lehre, 1981, passim. 24 S. dazu insb. H. Schelsky Einsamkeit und Freiheit. Idee und Gestalt der deutschen Universität und ihrer Reformen, 1963, passim. 25 Eingehend dazu Th. Nipperdey Deutsche Geschichte 1866–1918. Erster Band: Arbeitswelt und Bürgergeist, 3. Aufl., 1993, 602–691; Trute Forschung, 20 ff.

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Entstehung des modernen Systems wissenschaftlicher Disziplinen zu nennen,26 das fortan nicht mehr nur Geistes-, sondern auch Natur- und Technikwissenschaften kennt. Zum anderen geht damit fast zeitgleich eine mit dem Aufkommen des modernen Industrie- und Interventionsstaates27 im Zusammenhang stehende Ausdifferenzierung der Organisation von Wissenschaft einher.28 Neben die klassischen Universitäten treten die Technischen Hochschulen, erste Ansätze industrieller Forschung werden sichtbar, z. B. die Gründung eines glastechnischen Laboratoriums bei Abbe/Schott in den Jahren 1882/84, und auch der Staat entdeckt sein Interesse an der Forschung, wie die Gründung des Kaiserlichen Gesundheitsamtes (1876), der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (1887), des Robert Koch – Instituts (1891) oder des Paul Ehrlich – Instituts (1906) belegen. Außerdem etabliert sich mit der Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Jahre 1911, dem Vorläufer der heutigen Max-Planck-Gesellschaft, erstmals ein neuer Typus zwischen Staat und Wirtschaft angesiedelter außeruniversitärer Forschung. Diese Pluralisierung der Orte der Wissensproduktion hat aber keinen Bedeutungsverlust der Universität und anderer akademischer Institutionen zur Folge, sie verlieren vielmehr nur ihren Exklusivanspruch auf die Produktion wissenschaftlichen Wissens.29 Wissen steht fortan orthogonal zum Prinzip funktionaler Differenzierung und es ist diese Stellung, die es rechtfertigt, von der Entstehung der modernen Wissensgesellschaft zu sprechen.30

26 S. dazu ausführlich R. Stichweh Zur Entstehung des modernen Systems wissenschaftlicher Disziplinen. Physik in Deutschland 1740–1890, 1984, passim; ders. Genese des globalen Wissenschaftssystems, Soziale Systeme 9 (2003), 3 ff. 27 S. dazu insb. M. Stolleis Die Entstehung des Interventionsstaates und das öffentliche Recht, ZNR 11 (1989), 129 ff.; ders. Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. Zweiter Band: Staatsrechtslehre und Verwaltungswissenschaft 1800–1914, 1992, 455 ff.: ders. Der lange Abschied vom 19. Jahrhundert, 1997, 14 ff. 28 S. dazu Trute Forschung, 24 ff. 29 R. Stichweh Wissensgesellschaft und Wissenssystem (noch unveröffentlichtes Manuskript), 7 ff.; aA H. Nowotny/ P. Scott/ M. Gibbons Wissenschaft neu denken. Wissen und Öffentlichkeit in einem Zeitalter der Ungewissheit, 2004, 105 ff.; H. Schulze-Fielitz Freiheit der Wissenschaft, in: E. Benda/W. Maihofer/ H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., 1994, § 27 Rn. 21. 30 S. aber auch R. van Dülmen/ S. Rauschenbach (Hrsg.) Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft, 2004, 1 ff., die diesen Prozess bereits in der Mitte des 15. Jahrhunderts ansetzen sowie U. von Rauchhaupt Fragen Sie nach Risiken und Nebenwirkungen. Wir feiern die Wissensgesellschaft, doch hinter diesem Wort steht ein Phänomen – keine Idee und erst recht keine Verheißung, FAZ v. 28. 5. 05, Nr. 121, 39.

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In dieser Wissensgesellschaft sind heute zwar noch immer ca. 166 000 Wissenschaftler an Hochschulen tätig; schon jeweils etwa 5000 Wissenschaftler beschäftigen die Max-Plank- und die Fraunhofer-Gesellschaft sowie die Leibniz-Gemeinschaft; sogar 10 000 Wissenschaftler zählt die Helmholtz-Gesellschaft in ihren Reihen. Vor allem aber leistet sich ein einziger Großkonzern, wie die Siemens AG , eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung mit weltweit 45 000, davon in Deutschland etwa 23 000 Wissenschaftlern.31 Und eine noch deutlichere Sprache sprechen die Forschungsausgaben. Auf private Forschungseinrichtungen, die von Bund und Ländern gemeinsam gefördert werden, entfielen im Jahre 2003 rund drei Viertel der Forschungsausgaben. Die öffentlichen Forschungseinrichtungen von Bund, Ländern und Gemeinden hatten einen Anteil von 11,2 % an den gesamten Ausgaben der außeruniversitären Einrichtungen für Forschung und Entwicklung. Diese machen zusammen mit den Forschungsausgaben der Hochschulen ein Drittel der gesamten Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Deutschland aus. Gut zwei Drittel der Forschungstätigkeiten finden aber im industriellen Sektor statt; der Philipskonzern gibt dafür beispielsweise jährlich 2,5 Milliarden, die Siemens AG sogar 5 Milliarden € aus.32 Vor diesem Hintergrund erscheint es geboten, die Idee der Wissenschaftsfreiheit mit der veränderten Realität abzugleichen und das normative Postulat der Wissenschaftsfreiheit in einer den gegenwärtigen Bedingungen gerecht werdenden Weise fortzuschreiben. Humboldt 2 fragt nach der Wissenschaftsfreiheit in der Wissensgesellschaft.33

III. Wissenschaft in normativ verfasster Freiheit Das heißt: Die Freiheit der Wissenschaft ist in ihrer europa- und verfassungs-, aber auch einfachrechtlichen Verfasstheit als durchgängiges Strukturprinzip moderner Wissenschaft zu begreifen. Es gibt schon lange keinen Grund mehr für eine an der Realität der ausdifferenzierten Wissensgesellschaft vorbeigehende „Hochschulzentriertheit“ einer Theorie und Dogmatik der Wissenschaftsfreiheit.34 Sie ist vielmehr all-

R. Köhn Motor des Erfolgs, FAZ v. 25. 6. 05, Nr. 145, 18. Ders., ebd. 33 Eine ganz andere – kosmopolitische – Konnotation findet sich bei U. Beck Vorwärts zu >>Humboldt 2Hjuristischen ), sowie die Zentralen Forderungen der Allianz der Wissenschaftsorganisationen an das Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 28. 4. 2005 (abrufbar unter: http://www.hrk.de/de/download/dateien/Allianz_Position_Urheberrecht.pdf < 22. 3. 2006>). 197 S. §§ 52a, 137k UrhG. G. Gounalakis Elektronische Kopien für Unterricht und Forschung (§ 52a UrhG) im Lichte der Verfassung, 2003, 11, sieht in dieser Regelung keinen Eingriff in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG . S. zur Neuregelung Dreyer (Fn. 184), § 52a UrhG, Rn. 1 ff.; S. Lüft in: A.-A. Wandtke/W. Bullinger (Hrsg.) Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, 2003, § 52a UrhG, Rn. 1 ff.; W. von Bernuth Streitpunkt – der Regelungsgehalt des § 52a UrhG, ZUM 2003, 438. Zur Gesetzgebungsgeschichte ausf. S. Haupt in: E. J. Mestmäcker/E. Schulze (Hrsg.) Kommentar zum deutschen Urheberrecht, Band 1, § 52a (2003), sub III . Schon länger ermöglicht § 53 Abs. 2 S. 1 UrhG die Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke eines Werkes zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch. Zu den Schranken des Urheberrechts im Überblick Schricker (Fn. 188), Rn. 35 ff.; speziell zur einschlägigen Schranke des Zitierrechts Schack (Fn. 187), Rn. 487.

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Im Patentrecht steht die Wissenschaftsfreiheit einer schematischen Handhabung der unterkomplexen Differenzierung Erfindung/Entdeckung entgegen und streitet für das Kriterium der gewerblichen Anwendbarkeit.198 Der Interessenausgleich in der biotechnologischen Forschung199 ist in Deutschland erst 2005 durch Umsetzung der EG -Biopatentrichtichtlinie gelungen.200 In diesem zukunftsträchtigen Forschungsfeld201 drohte die Monopolisierung von Wissen über DNA Sequenzen bei dem Unternehmen, in dessen Laboren die chemischstoffliche Zusammensetzung zuerst ermittelt wurde.202 Das neugefaßte 198 Allgemein R. Kraßer in: Hartmer/Detmer (Fn. 29), Kap. IX /2, Rn. 15, sowie für Biopatente Godt (Fn. 184), 29; H.-J. Sellnick Erfindung, Entdeckung und die Auseinandersetzung um die Umsetzung der Biopatentrichtlinie der EU , GRUR 2002, 121 (123). Sellnick ebd., 123, weist darauf hin, daß sich patentfähige Erfindungen kaum von „bloßen“ naturwissenschaftlichen Entdeckungen abgrenzen lassen, wenn erstere nach ständiger Rechtsprechung des BGH (seit BGH , GRUR 1969, 672 (675) – Rote Taube) problemlösungsbezogen als Lehre zum technischen Handeln, d. h. als Lehre zum Einsatz beherrschbarer Naturkräfte mit einem vorhersehbaren Erfolg, bezeichnet werden und letztere auch nur belegt werden können, wenn sie unter Versuchsbedingungen zum Zweck des Nachweises gleichsam beherrschbar sind und sich der Erfolg des Experiments vorhersehbar wiederholen läßt. 199 M. Herdegen Rechtsfragen der Patentierung von Teilen des menschlichen Körpers, Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2002/ II , 2003, 75 (79). 200 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, BGBl . I 2005, 146. Richtlinie 98/44/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. 7. 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, ABl . EG 1998 Nr. L 213/13. Vgl. C. Calliess/C. Meiser Menschenwürde und Biotechnologie: Die EG -Biopatentrichtlinie auf dem Prüfstand des europäischen Verfassungsrechts, JuS 2002, 426 (427 f.). Zur vorherigen Praxis U. Schatz Zur Patentierbarkeit gentechnischer Erfindungen in der Praxis des Europäischen Patentamts, GRUR Int 1997, 588. 201 S. Calliess/Meiser (Fn. 200), 426; Wolfrum/Stoll/Franck (Fn. 52), 33 ff.; M. Haedicke Kein Patent auf Leben? – Grundlagen des Patentrechts und der Schutz biotechnologischer Erfindungen, JuS 2002, 113 (114); M. A. Kock/S. Porzig/E. Wilnegger Der Schutz von pflanzenbiotechnologischen Erfindungen und von Pflanzensorten unter Berücksichtigung der Umsetzung der Biopatentrichtlinie, GRUR Int 2005, 183; P.-T. Stoll Patentschutz in der Biotechnologie – Hemmschuh der Forschung?, in: Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen, Jahrbuch 2001/2001, 61. 202 S. nur Calliess/Meiser (Fn. 200), 426. Die unreflektierte Fortschreibung des im deutschen Patentrecht entwickelten Stoffschutzes hätte zu einer übermäßigen Beschränkung der Forschungsfreiheit geführt, weil sie denjenigen, der einen chemischen Stoff erstmals beschreibt, als dessen Erfinder ansieht und ihm das ausschließliche Nutzungsrecht garantiert, so daß ein solches Recht an der genetischen Information hätte entstehen können, obwohl es nicht auf die chemische Zusammensetzung der Nukleinsäuren in der DNA -Doppelhelix ankommt, sondern auf ihren durch die Kombination ermittelten Informationsgehalt, vgl. L. van Raden/D. von Renesse „Überbelohnung“ – Anmerkung zum Stoffschutz für biotechnologische Erfindungen, GRUR 2002, 393; A. Fuchs

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Patentgesetz sichert die Wissenschaftsfreiheit richtlinienkonform, indem die geplante gewerbliche Nutzung durch die konkrete Funktion der DNA -Sequenz fixiert werden muß.203 Schon dadurch erledigen sich ethische Bedenken gegen eine Patentierung von Teilen des menschlichen Körpers.204

Patentrecht und Gentechnik in Europa, in: H.-L. Schreiber/H. Rosenau/S. Ishizuka/ S. Kim (Hrsg.) Recht und Ethik im Zeitalter der Gentechnik, 2004, 259 (262 ff., 270 ff.); J. Lege Das Recht der Bio- und Gentechnik, in: M. Schulte (Hrsg.) Handbuch des Technikrechts, 2003, 669 (804); weniger zurückhaltend U. Köster Absoluter oder auf die Funktion eingeschränkter Stoffschutz im Rahmen von „Biotech“-Erfindungen, insbesondere bei Gen-Patenten, GRUR 2002, 833. Kritisch zu einer entsprechenden Regelung im Entwurf zur Richtlinienumsetzung Wolfrum/Stoll/Franck (Fn. 52), 57 ff. Zum Stoffschutz im deutschen Patentrecht im Überblick Kraßer (Fn. 184), § 11 III . § 11 Nr. 2 PatG schafft insoweit keine Abhilfe, da die Vorschrift nur den Nachvollzug der patentierten Erfindung erlaubt: Sellnick (Fn. 198), 124, allgemein Godt (Fn. 184), 37; K.-H. Meyer-Dulheuer Der Schutzbereich von auf Nucleotid- oder Aminosäuresequenzen gerichteten biotechnologischen Patenten, GRUR 2000, 179, sowie nochmals BVerfG (Fn. 186). In den U.S.A. bestand sogar die Möglichkeit der Patentanmeldung von DNA -Sequenzen „ins Blaue hinein“ ohne Kenntnis der Genfunktion, so daß durch besondere Sequenzierungsmethoden eine Flut von Patentanmeldungen ausgelöst wurde, ohne daß der genetische Informationsgehalt der formal ermittelten DNA -Sequenz bekannt war oder in absehbarer Zeit in Erfahrung gebracht werden konnte (sog. „Expressed Sequence Tags“ ( ESTs ): A. Oser Patentierung von (Teil-)Gensequenzen unter besonderer Berücksichtigung der EST-Problematik, GRUR Int 1998, 648; J. Straus Abhängigkeit bei Patenten auf genetische Information – ein Sonderfall?, GRUR 1998, 314; Calliess/ Meiser (Fn. 200), 427). 203 § 1a Abs. 3 PatG in Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 der Biopatentrichtlinie (Fn. 200); Haedicke (Fn. 201), 115; zur Interessenlage Sellnick (Fn. 198), 121 (124). Skeptisch zur Umsetzung W. Tilmann Reichweite des Stoffschutzes bei Gensequenzen, GRUR 2004, 561 (565), sowie bereits vorher A. Schrell Funktionsgebundener Stoffschutz für biotechnologische Erfindungen?, GRUR 2001, 782. Vgl. auch M. Herdegen Die Patentierbarkeit von Stammzellenverfahren nach der Richtlinie 98/44/ EG , GRUR Int. 2000, 859, und C. Luttermann Patentschutz für Biotechnologie RIW 1998, 916 919 (beide zur Richtlinie). 204 Diese – mit dem Menschenwürdeprinzip aufgeladenen – Bedenken beherrschen die Diskussion im Umfeld der Biopatentrichtlinie. Es soll kein Verfahren patentiert werden, bei dem sich der Mensch anmaßt, Schöpfer seiner selbst zu sein: J. Busche Patentrecht zwischen Innovationsschutz und ethischer Verantwortung, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 2001, 4 (8); s. auch umfassend T. Barton Der „Ordre public“ als Grenze der Biopatentierung, 2004, 217 ff., sowie ferner M. von Renesse/K. Tanner/D. von Renesse Das Biopatent – eine Herausforderung an die rechtsethische Reflexion, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 2001, 1; S. Burdach Patentrecht: eine neue Dimension in der medizinischen Ethik?, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 2001, 9; J. Kersten Das Klonen von Menschen, 2004, 120 ff.; Fuchs (Fn. 202), 265 ff.; C. Koenig/ E.-M. Müller EG -Rechtlicher Schutz biotechnologischer Erfindungen am Beispiel von

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Hingegen kann die Abschaffung des sog. „Hochschullehrerprivilegs“ zur Steigerung der Patentanmeldungen aus den Hochschulen205 vor der Wissenschaftsfreiheit nicht bestehen.206 Die pauschal (30 %) vergütungs-

Klonverfahren an menschlichen Stammzellen, EuZW 1999, 681 (682). Nach Isensee (Fn. 53), 255, gibt die Verfassung dem Gesetzgeber indes hier freie Hand. Unter den Voraussetzungen der Richtlinie für den Patentschutz ist es konsequent, daß Teile des menschlichen Körpers einschließlich von Gensequenzen nicht patentierbar sind (Art. 5 Abs. 1). Hinzu treten die Ausschlußtatbestände des Art. 6, wonach die gegen den ordre public verstoßenden Erfindungen nicht patentierbar sind, insbesondere Verfahren zum Klonen von Menschen, Verfahren zur Veränderung der Keimbahn und Verfahren zur Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken. Hierzu auch die Entscheidung des EuGH , Rs. C-377/98, Slg. 2001, I-7079, Rn. 69 ff. (Niederlande/Parlament und Rat; dazu M. Rau/F. Schorkopf Der EuGH und die Menschenwürde, NJW 2002, 2448; T. M. Spranger Anmerkung, GRUR Int 2001, 1047 (1048)), sowie im Vorfeld die Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Patentierung der Gene BRCA 1 und BRCA 2 („Brustkrebsgene“), B5–0633, 0641, 0651 und 0663/2001, ABl .EG 2001 Nr. C 87 E/265. 205 Art. 42 ArbEG idF des Art. 1 Ziff. 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen vom 18. 1. 2002, BGBl . 2002 I, 414. S. dazu die Begründung im Gesetzentwurf ( BT-Drs. 14/5975, im Kontext der Förderung des Wissensund Technologietransfers, § 2 Abs. 7 HRG ), sowie K. Bartenbach/F.-E. Volz Erfindungen an Hochschulen – Zur Neufassung des § 42 ArbEG , GRUR 2002, 743; K. Bartenbach/O. Hellenbrand Zur Abschaffung des Hochschullehrerprivilegs (§ 42 ArbEG ) – Auswirkungen auf den Abschluß von Forschungsaufträgen, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 2002, 165; T. Beyerlein Der Wegfall des „Hochschullehrerprivilegs“ (§ 42 ArbEG ) – eine Erleichterung für die Forschung an deutschen Hochschulen?, NZA 2002, 1020; I. Böhringer Die Novellierung des „Hochschullehrerprivilegs“ (§ 42 ArbnErfG), NJW 2002, 952; M. Körting/P. M. Kummer Von der Hochschullehrererfindung zur Hochschulerfindung – Der Wandel des Hochschullehrerprivilegs, RdA 2003, 279; D. Leuze Kritische Anmerkungen zu § 42 ArbEG , GRUR 2005, 27; H.-J. Sellnick Die Neuregelung des Rechts der Diensterfindungen an den Hochschulen durch die Abschaffung des Hochschullehrerprivilegs, NVwZ 2002, 1340; G. Beaucamp Aufhebung des „Hochschullehrerprivilegs“ im Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG ), DÖD 2003, 99; S. Post/M. Kuschka Verwertungspflichten nach Abschaffung des Hochschullehrerprivilegs, GRUR 2003, 494; R. Schippan Über die Abschaffung des Hochschullehrerprivilegs, FuL 2002, 648. – Während Rechte an Erfindungen, die ein Arbeitnehmer im Rahmen der dienstlich ihm obliegenden Tätigkeit macht (Diensterfindungen), grundsätzlich unbeschränkt vom Arbeitgeber in Anspruch genommen werden können, waren Erfindungen von Hochschulwissenschaftlern durch § 42 ArbEG grundsätzlich frei, d. h. sie konnten vom Hochschulwissenschaftler z. B. durch Patentierung verwertet werden. Zur langen Tradition dieser Regelung H. Fahse Das Hochschullehrerprivileg des Arbeitnehmererfindungsgesetzes – beibehalten oder abschaffen?, GS Krüger, 2001, 93 (93). 206 J. Hübner Erfindungen von Beschäftigen an Hochschulen, 2003, 92 ff. andeutungsweise Beyerlein (Fn. 205), 1024 (Wechsel von Universitätsforschern in die Wirtschaft befürchtet). D. Leuze Anmerkungen zur Beseitigung des Hochschullehrerprivilegs im

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pflichtige207 Verlagerung der Rechte an Diensterfindungen208 auf die Hochschule beachtet die Rückwirkungen auf die Forschungsfreiheit un-

Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG ), WissR 35 (2002), 342 (346 f.), hält die Regelung für verfassungswidrig, weil sie die Auswahl von Forschungsprojekten (von der Grundlagenforschung zu wirtschaftlich lukrativer Forschung) steuere. Eine erste Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG (Vorlagebeschluß des LG Braunschweig, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 95 (2004), 74) hat das Bundesverfassungsgericht sehr kursorisch als unzulässig zurückgewiesen, BVerfG , NVwZ 2004, 974; dort (975) wird u. a. die fehlende Argumentation mit „ … der Funktionsfähigkeit der Hochschulen, Pflichten aus dem Beamtenverhältnis und anderen Gemeinwohlzielen von Verfassungsrang.“ gerügt (Hervorhebung vom Verf.), dazu zustimmend T. Beyerlein Anmerkungen, Mitteilungen der deuschen Patentanwälte 95 (2004), 75; zu Recht kritisch hingegen J. Hübner § 42 Nr. 1 ArbEG und die Freiheit der wissenschaftlichen Kommunikation, WissR 38 (2005), 34 (43 ff.). Die Argumentation mit den Pflichten aus dem Beamtenverhältnis ist zirkulär, denn solche Pflichten sollen durch die Norm begründet werden, so daß sie verfassungskonform sein muß (ähnlich Leuze (Fn. 205) 28). Ob die Funktionsfähigkeit der Hochschulen zur Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit Verfassungsrang hätte, ist äußerst fraglich, was erst recht für die anderen Gemeinwohlziele gilt, um die es in erster Linie geht. Ob das BVerfG mit der Beurteilung der verfassungskonformen Auslegung der Fristbestimmungen des ArbEG auch angesichts von § 6 Abs. 2 ArbEG (Frist des Arbeitgebers zur Entscheidung über die Inanspruchnahme) richtig liegt, kann ebenfalls bezweifelt werden; vgl. Leuze (Fn. 205), 28; Hübner a.a.O., 37. Für Verfassungskonformität hingegen Gesetzentwurf (Fn. 205), 5. Bartenbach/Volz (Fn. 205), 750 ff.; A. v. Falck/C. Schmaltz Hochschulerfindungen: Zuordnung und Vergütung in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, den USA und Japan, GRUR 2004, 469 (469 f.). 207 Nach der Begründung des Gesetzesentwurfes (Fn. 205), 4 li. Sp., ist die Hochschule eher bereit und in der Lage, die Risiken und Lasten der Patentanmeldung zu tragen, als der einzelne Hochschulwissenschaftler. Nach Post/Kuschka (Fn. 205), 497 f., fordert das haushaltsrechtliche Wirtschaftlichketsprinzip sogar eine Patentanmeldung durch die Hochschule. 208 Zu deren Umfang nach der Neuregelung Bartenbach/Volz (Fn. 205), 748 f., die den Kreis von Diensterfindungen wegen Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG für klein halten; ähnlich zurückhaltend A. Keukenschrijver in: R. Busse (Begr.) Patentgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2003, § 42 ArbEG , Rn. 8; K. Bartenbach/F.-E. Volz Arbeitnehmererfindungsgesetz, 4. Aufl. 2002, Art. 42 ArbEG n.F., Rn. 37 ff.; Körting/Kummer (Fn. 205), 282 f. Weiter hingegen Kraßer (Fn. 198), Kap. IX /2, Rn. 58 f. mit Fn. 32–35. Da der Arbeitgeber nach § 43 UrhG nur Nutzungsrechte an sog. Pflichtwerken erwirbt (d. h. solchen, die aufgrund der arbeits- oder dienstrechtlichen Pflicht geschuldet sind), sich aufgrund von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG im Hochschulrecht aber keine Pflicht zur Schaffung urheberrechtlich geschützter Werke begründen läßt, gibt es ein vergleichbares Problem im Urheberrecht nicht: Schricker (Fn. 188), Rn. 62–67 mwN; D. Leuze Urheberrechte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, 2. Aufl. 2003, § 6, Rn. 2; H. Fahse Artikel 5 GG und das Urheberrecht der Architektur-Professoren, GRUR 1996, 331 (336).

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zureichend und ist nicht erforderlich,209 weil weniger einschneidende, gleichermaßen effiziente Regelungsmodelle zur Verfügung stehen – Meldepflicht für Erfindungen, obligatorischer Verwertungsplan, flexible vertragliche Vereinbarungen nach amerikanischem Vorbild.210 3.

Wissenschaftsfreiheit im Risikoverwaltungsrecht

a)

Wissenschaftsrechtliches Risikomanagement

Ein an der Wissenschaftsfreiheit ausgerichtetes Wissenschaftsrecht muß die erhöhten Risiken handlungsorientierter Forschung in effizienten Kontrollstrukturen verarbeiten können, 211 um dem nicht zuletzt durch diese Risiken ausgelösten Vertrauensverlust in der Wissenschaft zu begegnen212. Sie werden seit langem als Laborrisiken, Risiken des 209 Bartenbach/Volz (Fn. 205), 755, weisen darüber hinaus auf die Ungleichbehandlung verschiedener Wissenschaftler durch die Vergütungsregelung allein für Hochschulangehörige hin; ähnlich A. Fleuchaus/S.-E. Braitmayer Hochschullehrerprivileg adé?, GRUR 2002, 653 (656). S. auch die Bedenken der Minderheitsmeinung in der BundLänder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung ( BLK ) in: BLK Förderung von Erfindungen und Patenten im Forschungsbereich, Materialien zur Bildungsplanung und zur Forschungsförderung, Heft 56 (1997), 12 f. 210 Erörtert bei T. Gering § 19 Patent-, Urheber-, Erfinder- und Lizenzrecht, in: Wagner (Fn. 182), 149 (181 ff.), sowie in der Resolution „Neuregelung des Patentrechtes durch Änderung des Verwertungsrechts der Hochschullehrer“ des Deutschen Hochschulverbandes vom 30. 6. 2000 (abrufbar unter: http://www.hochschulverband.de/ cms/index.php?id=131< 23. 3. 2006 >). Die verbliebenen Sonderregelungen zur Erhaltung der positiven und negativen Publikationsfreiheit – Offenbarungsmöglichkeit nach Anzeige oder Verschweigen der Erfindung, nichtausschließliches Nutzungsrecht in Lehre und Forschung – sind nicht hinreichend. Der Gesetzentwurf (Fn. 205), 7, spricht von „wissenschaftlich-ethischen“ Gründen für ein Verschweigen. – Statt vieler dazu C. Lux-Wesener Rechtsfragen der Kooperation zwischen Hochschulen und Wirtschaft, 2002, 155 ff.; dies. Die wirtschaftliche Verwertung von Hochschulerfindungen und die Gründung von Technologietransferunternehmen, DAJV -Newsletter 2002, 116 (118). Ein Antrag der Opposition vom 8. 3. 2005 ( BT-Drs. 15/5023) konzentriert sich auf die technische Umsetzung der Verwertung über Patent- und Verwertungsagenturen ( PVA ). 211 Für eine entsprechende „Wissenspolitik“ N. Stehr Wissenspolitik, 2003, 130 ff. 212 Zu diesem s. Schulze-Fielitz (Fn. 57), 63 f., 70 ff. Die Debatte um riskante Tätigkeiten konzentriert sich nicht auf die Wissenschaftsfreiheit, sondern auf den Schutz der bedrohten Güter. Die Existenz offen wissenschaftsfeindlicher Tendenzen in der allgemeinen Öffentlichkeit ist bekannt: Ossenbühl (Fn. 129), 506, unter Rückgriff auf DFG Forschungsfreiheit, Ein Plädoyer für bessere Rahmenbedingungen der Forschung in Deutschland, 1996, V. Auch die Vereinigung hat sich bislang im Schwerpunkt den Risiken gewidmet: J. Ipsen/D. Murswiek/B. Schlink Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen

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Mißbrauchs von Forschungsergebnissen213 sowie riskante Folgelasten der technischen Umsetzung wissenschaftlicher Resultate214 typologisch erfaßt. Die zwischen Erkenntnisdrang der Forschung und Rechtsgüterschutz abwägende Gesetzgebung muß im Rückgriff auf die Optionen des Risikoverwaltungsrechts215 grundrechts- wie risikoadäquate materielle Regelungen, Zulassungsverfahren und Kontrollmechanismen bereitstellen. 216 Diese gesetzgeberische Folgenverantwortung muß bei privat veranlaßter Forschung einen erhöhten Kontrollbedarf durch die Nähe zu ökonomischen Produktionsprozessen gewärtigen.217 b)

Von der Atomforschung zur grünen Gentechnik

Hatte das Atomrecht die Kernforschung ursprünglich zu einem primären Ziel erklärt, 218 ist die chemische Forschung noch gesetzlich

Entwicklungen durch das Verwaltungsrecht, VVDStRL 48 (1990), 177, 207 und 235, sowie A. Scherzberg und O. Lepsius Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht: Ermöglichung oder Begrenzung von Innovationen?, VVDStRL 63 (2004), 214 und 264. Kritisch auch Ossenbühl (Fn. 129), 520; s. aber Dederer (Fn. 59), 54 ff. (dort auch 72 ff., insbesondere 107 ff. zur Risikoproblematik im Verfassungsrecht). 213 Hier können auch die Probleme der sog. Militärforschung eingebunden werden, die unter die Forschungsfreiheit fällt, deren Risiken aber durch verhältnismäßige gesetzliche Regelungen berücksichtigt werden können, die völker- (Gewaltverbot über Art. 25 GG ) wie verfassungsrechtliche (Art. 26 GG ) Vorgaben berücksichtigt; vgl. Dickert (Fn. 3), 463 f.; T. Oppermann Verteidigungsforschung und Wissenschaftsfreiheit, FS Thieme, 1993, 671; Losch (Fn. 3), 27; G. Böhme Schützt das Grundgesetz die Rüstungsforschung?, FS Podlech, 1994, 85; zur rechtstatsächlichen Entwicklung W. A. Smit Science, Technology, and the Military, in: Jasanoff/Markle/Petersen/Pinch (Fn. 46), 598. 214 Typologie nach Dickert (Fn. 3), 29 ff.; ferner P. R. Josephson Social Responsibility in Sciences, in: J. L. Heilbron (Hrsg.) The Oxford Companion to The History of Modern Science, 2003, 756. Aus der älteren Literatur schon Gerlach (Fn. 42), 26 f., der zudem auf die Gefahren auch der Geisteswissenschaften hinweist. 215 S. nur Scherzberg und Lepsius Risikosteuerung (Fn. 212), sowie B. Gill/J. Bizer/ G. Roller Riskante Forschung, 1998, 70 ff., W. Hoffmann-Riem Risiko- und Innovationsrecht im Verbund, Die Verwaltung 38 (2005), 145 (146 ff.); Trute (Fn. 67), 91; A. Scherzberg Wissen, Nichtwissen und Ungewißheit im Recht, in: C. Engel/J. Halfmann/ M. Schulte (Hrsg.) Wissen – Nichtwissen – Unsicheres Wissen, 2002, 113. 216 Zur verfassungskonformen Auslegung entsprechender Regelungen BVerfGE 47, 327 (381 ff.); zur damit verbundenen Verantwortung der Wissenschaft B. Losch Verantwortung der Wissenschaft als Rechtsproblem, NVwZ 1993, 625; ders./Radau Forschungsverantwortung als Verfahrensaufgabe, NVwZ 2003, 390. 217 Anders Nettesheim (Fn. 23), 1081. 218 Zur historischen Entwicklung R. Sparwasser/R. Engel/A. Voßkuhle Umweltrecht, 5. Aufl. 2003, Rn. 142. S. ferner R. Grunwald Wissenschaftsrecht: Ein Paradoxon?, FS Meusel, 1997, 47 (48 ff.).

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privilegiert worden,219 fehlen nun in der Neuregelung der „grünen“ Gentechnologie220 durch das GenTG 2004221 Privilegierungstatbestände zugunsten der Wissenschaft.222 Der Freisetzung zu Forschungszwecken 219 §§ 3 Ziff. 11, 5 Abs. 1 Ziff. 2, 16a ChemG. Dazu M. Kloepfer Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 74; M. Nöthlichs/M. Au/M. Henn/H. P. Weber Gefahrstoffe, Kommentar, § 3 ChemG (1995), Anm. zu Nr. 11 und 12, mit dem Hinweis auf den weiten Forschungsbegriff des Gesetzes (einschl. Produktentwicklung). Zum früheren Recht W. Graf Vitzthum Das Forschungsprivileg im Gentechnikgesetz, FS Lerche, 1993, 341. Generell zu forschungsprivilegierenden Klauseln Wagner (Fn. 64), 1236; ders. § 12 Zur Stellung der Forschungsfreiheit im Gefüge der Grundrechte, in: ders. (Fn. 3), 229 (236 ff.); Ossenbühl (Fn. 129), 510. 220 Zum Begriff Sparwasser/Engel/Voßkuhle (Fn. 218), Rn. 326, die den Begriff „Umweltgentechnik“ vorziehen. Zu den Risiken ebd. Rn. 342 ff., sowie C. Palme/ M. Schlee/J. Schumacher Das neue Recht der Grünen Gentechnik: Europarechtliche Vorgaben und fachliche Praxis, EurUP 2004, 170 (179 f.); M. Reese Die Grüne Gentechnik in der Novellierung des Gentechnikrechts, EurUP 2004, 184 (185 f.); Dederer (Fn. 59), 32 ff. (zurückhaltend); zu den Chancen ebd., 17 ff.; schließlich umfassend Rat von Sachverständigen für Umweltfragen Umweltgutachten 2004, BT-Drs. 15/3600, Ziff. 837 ff., und vorher Enquete-Kommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie“ des 10. Deutschen Bundestages Chancen und Risiken der Gentechnologie, 1987 (mit BT-Drs. 10/6775). 221 Gesetz zur Regelung der Gentechnik vom 20. 6. 1990 (GenTG ) idF des Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung der Gentechnik vom 21. 12. 2004 ( BGBl . I 2005, S. 186). Im Überblick C. Palme Das neue Gentechnik-Gesetz, NVwZ 2005, 253; zur gemeinschaftsrechtlichen Grundlage U. Di Fabio/S. Kreiner Bio- und Gentechnik, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.) Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II /1, 2. Aufl. 2003, § 63, Rn. 8 f. und 52–55; Kloepfer (Fn. 219), § 18, Rn. 19–23; Palme/ Schlee/Schumacher (Fn. 220), 170; Reese (Fn. 220), 187 ff. Basis des deutschen Gentechnikrechts ist das Gemeinschaftsrecht: Richtlinie 90/219/ EWG des Rates vom 23. 4. 1990 über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen, ABl .EG 1990 Nr. L117/1; Richtlinie 2001/18/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. 3. 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtline 90/220/ EWG des Rates, ABl .EG 2001 Nr. L 106/1. Seine Umsetzung erfolgte verspätet: EuGH , Rs. C-420/03, Urt. v. 15. 7. 2004. Zum Ganzen C. Calliess/S. Korte Das neue Recht der Grünen Gentechnik im europäischen Verwaltungsverbund, DÖV 2006, 10. 222 S. die Begriffsbestimmung in § 3 Ziff. 5 GenTG im Gegensatz zu § 3 Ziff. 5 GenTG a.F.; dazu J. Knoche Der Begriff der „Forschung“ im Gentechnikrecht, NVwZ 1991, 964; R. Wahl in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV Sonstiges Umweltrecht, § 3 GenTG (1994), Rn. 40 ff. (mit dem Hinweis, daß der Forschungsbegriff des Gentechnikrechts weiter sei als der des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ); Graf Vitzthum/Geddert-Steinacher (Fn. 55), 63 ff. Nach G. Winter/G. Mahro/H. Ginzky Grundprobleme des Gentechnikrechts, 1993, 70, ist eine solche Privilegierung verfassungsrechtlich nicht geboten. Nicht relevant in diesem Zusammenhang ist die neu eingefügte Genehmigungsbedürftigkeit des Inverkehrbringens lediglich zu Forschungszwecken angebauter genetisch veränderter Organismen (§ 14 Abs. 1 Ziff. GenTG ), dazu Palme (Fn. 221), 255.

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droht bei Beeinträchtigung anderer Nutzungen die gleiche unbegrenzte und damit unverhältnismäßige, mithin verfassungsrechtlich fragwürdige223 privatrechtliche Haftung wie dem kommerziellen Anbau.224 Ferner ist gerade bei buchstäblich unerforschten Risiken wie denen der grünen Gentechnik der kognitive Vorsprung wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit vor staatlichem Wissen organisatorisch und prozedural zu nutzen. Dies wird durch die Zusammensetzung der Ausschüsse der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS ) erstrebt,225 wobei sich die Regelung von Einrichtung, Zusammensetzung und Aufgaben im Gesetz zugunsten der Grundrechtskonformität auswirkt.226 4.

Wissenschaftsfreiheit als Motor des wissenschaftsethischen Diskurses

a)

Wissenschaftsfreiheit und Menschenwürde: Forschung mit Embryonen

Die Orientierung des Wissenschaftsrechts auf die Wissenschaftsfreiheit birgt schließlich auch das Potential, Verkrustungen im wissenschaftsethischen Diskurs aufzubrechen. Hier verkrampft sich

Aufschlußreich der Beitrag des Abg. Röspel BT-Prot. 15/167, 15674 f. Dies wird – allerdings als ein Punkt unter vielen – vom Normenkontrollantrag des Landes Sachsen-Anhalt gegen das GenTG gerügt; vgl. Ministerium für Wirtschaft und Arbeit – Pressemitteilung Nr. 045/05 vom 12. 4. 2005. 224 Am Haftungstatbestand § 36a GenTG entzündet sich die Kritik des Schrifttums vor allem für die Tätigkeiten, die nicht als Forschung qualifiziert werden können (landwirtschaftliche Nutzung); s. – mit unterschiedlichen Auffassungen –: A. Dolde Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts – Neue Haftungsrisiken für Landwirte und Hersteller gentechnisch veränderten Saatguts, ZRP 2005, 25; M. Herdegen Koexistenz und Haftung, 2004, 29 ff.; S. Schmieder Die Neuregelung der Folgen von Auskreuzungen im Gentechnikrecht, UPR 2005, 49 (53 f.); B. Wolfers/M. Kaufmann Grüne Gentechnik – Koexistenz und Haftung, ZUR 2004, 321; J. Kohler Schadensausgleich in Fällen des § 36a Gentechnikgesetz, NuR 2005, 566. Auch im Zweiten Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts wird die Forschungsfreiheit nicht eigens thematisiert: BR-Drs. 189/05 mit dem Text des Gesetzesbeschlusses des Deutschen Bundestages vom 18. 3. 2005 (s. Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Grüne BT-Drs. 15/4834, sowie die Plenarprotokolle 15/ 158, 14858 ff. und 15/167, 15667 ff.). Der Bundesrat hat eine ablehnende Haltung eingenommen: BR Drs. 153/05. 225 S. §§ 4, 5 und 5a GenTG ; dazu Wahl (Fn. 222), §§ 4, 5 GenTG (1996), Rn. 16–18; T. Steigleder § 7 Eigenverantwortung und Selbstregulierung unter staatlicher Kontrolle, in: Wagner (Fn. 3), 125 (130 ff.). Allgemein A. Karthaus Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit, ZUR 2001, 61. 226 Sparwasser/Engel/Voßkuhle (Fn. 218), Rn. 493. 223

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die Debatte über die Embryonenforschung227 in der Frage nach dem Lebensbeginn. 228 Die moralischen229 und religiösen Implikatio-

Zur naturwissenschaftlichen Grundlage statt vieler Kersten (Fn. 204), 6 ff. S. nur W. Heun Embryonenforschung und Verfassung – Lebensrecht und Menschenwürde des Embryos, JZ 2002, 517; H.-G. Dederer Menschenwürde des Embryo in vitro?, AöR 127 (2002), 1 (4 ff.); J. Ipsen Der „verfassungsrechtliche Status“ des Embryos in vitro, JZ 2001, 989 (996); Taupitz (Fn. 100), 3437 f.; R. Wolfrum Forschung an humanen Stammzellen: ethische und juristische Grenzen, APuZ 2001, B 27, 3 (4); H. Hofmann Biotechnik, Gentherapie, Genmanipulation – Wissenschaft im rechtsfreien Raum?, JZ 1986, 253 (258); H.-H. Trute Die Forschung an humanen Stammzellen als Ordnungsproblem des Wissenschaftsrechts, GS Krüger, 2001, 385 (393 f.); Haßmann (Fn. 92), 90 ff.; U. Schroth Forschung mit embryonalen Stammzellen und Präimplantationsdiagnostik im Lichte des Rechts, JZ 2002, 170 (175 ff.); H. Rosenau Der Streit um das Klonen und das deutsche Stammzellgesetz, in: Schreiber/Rosenau/Ishizuka/Kim (Fn. 202), 135 (146); N. Hoerster Ethik des Embryonenschutzes, 2002, 87 ff. einerseits; E.-W. Böckenförde Menschenwürde als normatives Prinzip, JZ 2003, 809 (811 f.); C. Starck Verfassungsrechtliche Grenzen der Biowissenschaft und Fortpflanzungsmedizin, JZ 2002, 1065 (1067); W. Höfling Biomedizinische Auflösung der Grundrechte?, in: Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2002/ II , 2003, 99 (103 ff.); Isensee (Fn. 53), 252 f.; ders. Der grundrechtliche Status des Embryos, in: O. Höffe/L. Honnefelder/J. Isensee/ P. Kirchhof, Gentechnik und Menschenwürde, 2002, 37 (55 ff.); P. Kirchhof Genforschung und die Freiheit der Wissenschaft, ebd., 9 (21 ff.); J. Dietlein „Life Science“ und Embryonenschutz, NWVBl . 2002, 453 (454 f.); U. Sacksofsky Der verfassungsrechliche Status des Embryos in vitro, 2001, 6 ff.; M. Nettesheim Die Garantie der Menschenwürde zwischen metaphysischer Überhöhung und bloßem Abwägungstopos, AöR 130 (2005), 71 (106 f.), andererseits. Instruktiv N. Knoepffler Menschenwürde in der Bioethik, 2004, 19 ff., 49 ff., sowie ferner N. Hoerster Forum: Kompromißlösungen zum Menschenrecht des Embryos auf Leben?, JuS 2003, 529. Dabei sind beide Positionen mit Wertungswidersprüchen belastet, vgl. differenzierend Position C (Verbot des Forschungsklonens zum gegenwärtigen Zeitpunkt) in: Nationaler Ethikrat Klonen zu Fortzpflanzungszwecken und Klonen zu biomedizinischen Forschungszwecken, 2004, 84 ff.; C. Starck Wider die Verdinglichung menschlicher Embryonen, in: ders., Freiheit und Institutionen, 2002, 131 (135 f.), sowie die Stimmen in Rengeling/Szczekalla (Fn. 90), Rn. 602, Fn. 110. Nach der Regelungssystematik des Embryonenschutzgesetzes beginnt das Leben mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle: A. Eser/H.-G. Koch Rechtsprobleme biomedizinischer Fortschritte in vergleichender Perspektive, GS Keller, 2003, 15 (19); S. Hetz Schutzwürdigkeit menschlicher Klone?, 2005, 83 f. Die verwandten Themen Präimplantationsdiagnostik (s. nur B. Böckenförde-Wunderlich Präimplantationsdiagnostik als Rechtsproblem, 2002; F. Hufen Präimplantationsdiagnostik aus verfassungsrechtlicher Sicht, MedR 2001, 440) und Gentests (s. nur R. Damm Gesetzgebungsprojekt Gentestgesetz – Regelungsprinzipien und Regelungsmaterien, MedR 2004, 1) werden wegen ihres geringeren Bezugs zur Forschungsfreiheit hier ausgeklammert. 229 J. Ipsen Verfassungsrecht und Biotechnologie, DVBl . 2004, 1381 (1383): Menschenwürde „als eine Art ethischer Chiffre“. S. auch die Beiträge in N. Knoepffler/A. Ha227 228

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nen,230 die Nähe zum Abtreibungsproblem231 sowie die statische Argumentation mit der abwägungsresistenten Menschenwürde232 haben die Diskussion in einen „Stellungskrieg“ geführt, in dem weiteres Engagement mehr Materialverluste befürchten als Erkenntnisgewinn erwarten läßt.233 Unterschiede im internationalen Vergleich bei der Zulassung von Stammzellfor-

niel (Hrsg.) Menschenwürde und medizinethische Konfliktfälle, 2000; Schreiber/Rosenau/Ishizuka/Kim (Fn. 202); S. F. Winter/H. Fenger/H.-L. Schreiber Genmedizin und Recht, 2001; F. S. Oduncu/U. Schroth/W. Vossenkuhl (Hrsg.) Stammzellenforschung und therapeutisches Klonen, 2002; R. Merkel Forschungsobjekt Embryo, 2002; H. Kreß/ K. Racké (Hrsg.) Medizin an den Grenzen des Lebens, 2002; sowie H. Dreier/W. Huber Bioethik und Menschenwürde, 2002, und N. Hoerster Stufungen des vorgeburtlichen Lebensschutzes, ZRP 2003, 218; Losch (Fn. 3), 293 ff. 230 Zur restriktiven Position der katholischen Kirche Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.) Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung, 1987, 18 f. Zu den Unsicherheiten der theologischen Bewertung im Überblick Knoepffler (Fn. 228), 33 ff. 231 Hierzu – mit unterschiedlichen Schlußfolgerungen – R. Stürner Rezension, FamRZ 1989, 358 (359); Höfling (Fn. 228), 112 f.; Starck Verfassungsrechtliche Grenzen (Fn. 228), 1066 und 1070 f.; Isensee (Fn. 228), 53; C. Hillgruber Recht und Ethik vor der Herausforderung der Fortpflanzungsmedizin und „verbrauchender Embryonenforschung“, FS Link, 2003, 637; sowie Dreier in: ders. (Fn. 3), Art. 1 I, Rn. 86; K. Faßbender Der Schutz des Embryos und die Humangenetik: Zur Verfassungsmäßigkeit des neuen Stammzellengesetzes und des Embryonenschutzgesetzes im Lichte des einschlägigen Arzthaftungsrechts, MedR 2003, 279 (285); Ipsen (Fn. 228), 991 f.; ders. Zur Zukunft der Embryonenforschung, NJW 2004, 268; Sacksofsky (Fn. 228), 29 ff.; W. Brohm Forum: Humanbiotechnik, Eigentum und Menschenwürde, JuS 1998, 197 (200); E. H. Mildenberger Der Streit um die Embryonen: Warum ungewollte Schwangerschaften, Embryoselektion und Embryonenforschung grundsätzlich unterschiedlich behandelt werden müssen, MedR 2002, 293. 232 Plastisch Taupitz (Fn. 100), 3435 f.; Kirchhof (Fn. 228), 12; A. Blankenagel Wissenschaft und Forschung zwischen Freiheit und Verantwortung, in: H. Däubler-Gmelin/ W. Adlerstein (Hrsg.) Menschengerecht, 1986, 122 (130); U. Neumann Die Tyrannei der Würde, ARSP 84 (1998), 153; G. Robbers in: Umbach/Clemens (Fn. 132), Art. 1, Rn. 69, sowie (kritisch) Isensee (Fn. 53), 247; E. Fechner Menschenwürde und generative Forschung und Technik, JZ 1986, 653 (657); R. Scholz Verfassungsfragen zur Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie, FS Lukes, 1989, 203 (209 ff.). – Ausgangspunkt ist das Diktum des Bundesverfassungsgerichts, wonach es kein menschliches Leben ohne Menschenwürde gibt: BVerfGE 39, 1 (41); 88, 203 (252); vgl. die Schlußfolgerung bei Starck in: von Mangoldt/Klein/ders. (Fn. 23), Art. 1 Abs. 1, Rn. 100. Beim Schutzgut Leben wäre die Differenzierung einfacher: H. Schulze-Fielitz in: Dreier (Fn. 3), Art. 2 II , Rn. 66 ff.; Iliadou (Fn. 129), 135 ff.; Trute (Fn. 228), 397 ff.; T. Hörnle Menschenwürde und Lebensschutz, ARSP 89 (2003), 318; E. Schmidt-Jortzig Systematische Bedingungen der Garantie unbedingten Schutzes der Menschenwürde in Art. 1 GG , DÖV 2001, 925. 233 Höfling (Fn. 228), 99 (zum „moralischen Stellungskrieg“). Schulze-Fielitz (Fn. 57), 70, stellt mit Recht fest, daß die Positionen im Kern unvereinbar sind.

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schung und therapeutischem Klonen setzen staatliche Regulierung234 unter Druck.235 Das Verbot reproduzierenden Klonens im Unionsverfassungs-236

234 Rechtsvergleichend vor allem J. Taupitz Rechtliche Regelung der Embryonenforschung im internationalen Vergleich, 2003 (insbesondere 221 ff.); Haßmann (Fn. 92), 125 ff.; Ipsen (Fn. 229), 1386. Zu den kollisionsrechtlichen Folgen A. Spickhoff Der Schutz von Embryo und Stammzelle im Internationalen Straf- und Privatrecht, FS Schreiber, 2003, 881; zur internationalstrafrechtlichen Problematik A. Eser/ H.-G. Koch/S. König Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen im In- und Ausland, 2003. Zur restriktiven verfassungsrechtlichen Regelung in der Schweiz (s. Art. 119 BV 1999) R. J. Schweizer Verfassungs- und völkerechtliche Vorgaben für den Umgang mit Embryonen, Föten sowie Zellen und Geweben, 2002; ferner M. Koechlin-Büttiker Schranken der Forschungsfreiheit bei der Forschung an menschlichen Embryonen, 1997; zur Rechtslage in Frankreich A. Leborgne/D. Viriot-Barrial La vie, défi juridique ou l’identité bioéthique européenne, in: W. Graf Vitzthum/M. Pena (Hrsg.) L’identité de l’Europe/Die Identität Europas, 2002, 393 (404 ff.); Haßmann (Fn. 92), 165 ff., sowie die Loi n° 2004–800 du 6 août 2004 relative à la bioéthique, J.O. 182 (2004); zu den U.S.A. ders. (Fn. 92) ebd., 125 ff.; leading case in England ist R. v. Secretary of State for Health (Respondent), ex parte Quintavalle (on behalf of Pro-Life Allicance) (Appellant) [2003] UKHL 13, zur Erlaubnis des therapeutischen Klonens nach der Zellkerntransfermethode; s. auch House of Lords, Stem Cell Research – Report (13. 2. 2002). 235 F. Bodendiek/K. Nowrot Bioethik und Völkerrecht, ArchVR 37 (1999), 177 (208); Isensee (Fn. 228), 44 ff.; R. Zippelius/T. Würtenberger Deutsches Staatsrecht, 31. Aufl. 2005, § 26 III 2 b aa; zum hieraus resultierenden, globalisierungsbedingten Regulierungsbedarf. Ähnlich K.-A. Schwarz Strafrechtliche Grenzen der Stammzellenforschung?, MedR 2003, 158 (159); Trute (Fn. 228), 400. – Zum Regulierungsdruck durch Freiverkehrsbestimmungen vgl. M. Schweitzer/M. Selmayr/H.-G. Kamann/S. Ahlers Gesetzgebungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft im Bereich Fortpflanzungsgenetik und Humanmedizin, 2001, 66 f., zum Aspekt der Auslandswirkung deutscher Grundrechte Faßbender (Fn. 231), 282 f. Dies betrifft auch die Glaubwürdigkeit nationaler Regelungen wie der Fristenregelung in § 4 Abs. 2 Nr. 1 lit. a Stammzellgesetz: J. Raasch Das Stammzellengesetz, KJ 35 (2002), 285 (294 f.); C. D. Classen Die Forschung mit embryonalen Stammzellen im Spiegel der Grundrechte, DVBl . 2002, 141 (146 f.); sehr kritisch aus Sicht der Menschenwürde Starck (Fn. 232), Rn. 103. Vgl. allgemein zur Debatte über diese Vorschrift H.-G. Dederer Verfassungskonkretisierung im Verfassungsneuland: das Stammzellgesetz, JZ 2003, 986; M. Gehrlein Das Stammzellgesetz im Überblick, NJW 2002, 3681, sowie im Vorfeld J. Taupitz Import enbryonaler Stammzellen, ZRP 2002, 111; R. Müller-Terpitz Die neuesten Empfehlungen der DFG zur Forschung mit embryonalen Stammzellen, WissR 34 (2001), 271; R. Wolfrum Stammzellen importieren? – Fragen des Rechts und der Ethik, in: G. Bockenheimer-Lucius (Hrsg.) Forschung an embryonalen Stammzellen, 2002, 62. 236 Art. II -3 Abs. 2 lit. d GRCh /Art. II -63 Abs. 2 lit. d VerfEU (s. o. Fn. 13). Das therapeutische Klonen ist nach der Charta nicht verboten: Calliess (Fn. 90), Rn. 6; Rengeling/Szczekalla (Fn. 90), Rn. 601 f.; Kersten (Fn. 204), 115. Zur Entwicklung im Unions-

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und Völkerrecht – in zahlreichen vertraglichen Regelungen und universellen Erklärungen zu Gewohnheitsrecht verdichtet237 – bekräftigt ledig-

recht ebd. 87 ff., sowie N. Lenoir L’Europe, le droit et la bioéthique, LA Gros Espiell, 1997, 641. 237 Bodendiek/Nowrot (Fn. 235), 201 f. Ähnlich Kersten (Fn. 204), 296 ff., Klein (Fn. 79), 91 ff. und 97; S. F. Schulz Die Biomedizin im Europa- und Völkerrecht, 2002, 67 ff.; Trute (Fn. 228), 396. S. auch die Beiträge in S. Vöneky/R. Wolfrum (Hrsg.) Human Dignity and Human Cloning, 2004, sowie N. Petersen The Legal Status of the Human Embryo in vitro: General Human Rights Instruments, ZaöRV 65 (2005), 447. Bedeutsam in diesem Zusammenhang sind die Regelungen im institutionellen Rahmen von Europarat, UNO , UNESCO und WHO : – Europarat: Art. 18 Abs. 2 des völkerrechtlich verbindlichen, aber von Deutschland nicht ratifizierten (zu den Gründen für die deutsche Nichtbeteiligung – Debatte über Schutzniveau: Bericht der Bundesregierung über den Verhandlungsstand des Menschenrechtsübereinkommens zur Beomedizin, BR-Drs. 617/96, 8; Trute (Fn. 228), 401 f.) Übereinkommens zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin (Oviedo Konvention vom 4. 6. 1997; CETS Nr. 164) verbietet die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken. Das – ebenfalls nicht für Deutschland geltende – Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin über das Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen (12. 1. 1998; CETS Nr. 168) enthält in Art. 1 ein Verbot des reproduzierenden Klonens. Ein weiteres Zusatzprotokoll (Additional Protocol to the Convention on Human Rights and Biomedicine, Concerning Biomedical Research, 25. 1. 2005, CETS Nr. 195) regelt Verfahrensfragen (Genehmigung, Ethikkommissionen etc.). Vgl. E. Riedel Global Responsibilities and Bioethics: Reflections on the Council of Europe’s Bioethics Convention, Indiana Journal of Global Legal Studies 5 (1997), 179; Explanatory Report to the Convention for the Protection of Human Rights and Dignity with Regard to the Application of Biology and Medicine, HRLJ 18 (1997), 139; T. Kienle Bioethik und Pränataldiagnostik in Europa, ZRP 1996, 253 (255 f.); ders. Das Verbot des Klonens von Menschen, 1998, 186 (187); A. Laufs Das Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin und das deutsche Recht, NJW 1997, 776; T. Degener Chronologie der Bioethik-Konvention und ihre Streitpunkte, KritV 81 (1998), 7 (31 ff. zur Umsetzung); Kersten (Fn. 204), 49 ff.; Haßmann (Fn. 92), 4 ff., sowie (zur Frage eines Beitritts der EG ) J.-P. Cot Un rendez-vous manqué: La Communauté européenne, le Conseil de l’Europe et la Convention sur la bioéthique, LA Gros Espiell, 1997, 235. – UNO : Die Bemühungen der Vereinten Nationen um ein völkervertragsrechtliches Verbot des reproduzierenden Klonens (International convention against the reproductive cloning of human beings) verlaufen wenig erfolgreich, weil der Umfang des Klonverbots (Ausdehnung auf therapeutisches Klonen und Forschungsklonen) umstritten ist. Sie haben zur Erklärung der Vereinten Nationen über das Klonen von Menschen (8. 3. 2005), A/ RES /59/280, geführt; s. dazu den Entwurf in UN Doc. A/59/516/Add. 1 (24. 2. 2005) mit der erläuternden Presseerklärung GA /L/3271 (18. 2. 2005) sowie zum Beratungsprozeß Report of the Working Group established pursuant to General Assembly decision 59/547 to finalize the

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lich einen vorhandenen Konsens238 und spart den eigentlichen Konflikt aus. Der Perspektivenwandel zur Wissenschaftsfreiheit239 zeigt dem Verfassungsrecht indes Möglichkeiten auf, seine Argumentationsbasis durch text of a United Nations declaration on human cloning UN Doc. A/C.6/59/ L. 27/Rev. 1; Informationspapier des Heiligen Stuhls UN Doc. A/C.6/59/ INF/1; Bericht des Sechsten Ausschusses UN Doc. A/59/516 (19. 11. 2004); Bericht der Arbeitsgruppe des Sechsten Ausschusses UN Doc. A/C.6/59/L.27/Rev. 1 (23. 2. 2005). S. auch Kersten (Fn. 204), 278 ff.; H. Lilie Das Verbot des Klonens menschlichen Lebens: Reproduktives und therapeutisches Klonen im internationalen Rahmen, in: Schreiber/Rosenau/Ishizuka/Kim (Fn. 202), 183. – UNESCO : Die Universal Declaration on the Human Genome and Human Rights (U.N. Doc. A/ RES /53/152 (1999)/ UNESCO Records of the General Conference, 29th Session, Vol. I, Resolutions, 1997, 41) verbietet in Art. 11 das reproduktive Klonen; der Konventionsentwurf (Preliminary Draft Declaration on Universal Norms on Bioethics) UNESCO Doc. SH / EST / CIB - EXTR /05/ CONF.202/2 (9. 2. 2005). mit erläuterndem Memorandum UNESCO Doc. SHS / EST / CIB - CIGB 05/ CONF. 202/4 (21. 5. 2005), nimmt generell auf die Menschenwürde Bezug (Ausgangspunkt: Report of the International Bioethics Committee on the Possibility of Elaborating a Universal Instrument on Bioethics, SHS / EST /02/ CIB –9/5 (Rev. 3) (13. 6. 2003). Zur Aktivität der UNESCO G. B. Kutukdjian Le génome humain: partrimoine commun de l’humanité, LA Gros Espiell, 1997, 601; Kersten (Fn. 204), 220 ff. – WHO : Die WHO hat das reproduzierende Klonen in ihrer Erklärung vom 14. 5. 1997 verboten (WHO -Res. 50.37, Cloing in Human Reproduction): Kersten (Fn. 204), 206ff. 238 Ob die Menschenwürde hier mehr als objektiv-rechtliches Konstituens einer menschlichen Rechtsordnung oder als subjektives Individualgrundrecht angesprochen wird, ist umstritten; s. einerseits Kersten (Fn. 204), 307 ff., andererseits Dreier (Fn. 231), Rn. 111. S. ferner L. Witteck/C. Erich Straf- und verfassungsrechtliche Gedanken zum Verbot des Klonens von Menschen, MedR 2003, 258; G. Frankenberg Die Würde des Klons und die Krise des Rechts, KJ 2000, 325. 239 Sie wird bisweilen völlig ausgeblendet; kritisch daher Ipsen (Fn. 229), 1382, 1383 und 1386; ders. (Fn. 228), 995 f.; Position B (Begrenzte Zulassung des Forschungsklonens) in: Nationaler Ethikrat (Fn. 228), 63 f. Illustrativ Enders (Fn. 129), 673: Forschungsfreiheit als verfassungsrechtliche Grenze des Embryonenschutzes; ähnlich Isensee (Fn. 228), 72; Kirchhof (Fn. 228), 26: Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG stärker als Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG . Erörterung der Wissenschaftsfreiheit hingegen bei Hofmann (Fn. 228), 255; Dederer (Fn. 235), 987; Schwarz (Fn. 235), 160 f.; ders. „Therapeutisches Klonen“ – ein Angriff auf Lebensrecht und Menschenwürde des Embryos?, KritV 84 (2001), 182 (189 ff.); Taupitz (Fn. 235), 113 und 115; ders. Der Status des Embryos, insbesondere die Produktion und Verwendung von Embryonen zur Forschung, in: Schreiber/Rosenau/ Ishizuka/Kim (Fn. 202), 96 (99); Kersten (Fn. 204), 557 ff., und kursorisch bei Classen (Fn. 235), 141; R. Keller Das Recht und die medizinische Forschung, MedR 1991, 11 (11 f.), sowie Hetz (Fn. 228), 131 ff. S. auch die programmatische Rede des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft H. Markl Freiheit, Verantwortung, Menschenwürde: Warum Lebenswissenschaften mehr sind als Biologie, Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft 2001, 11, sowie zur (herausragenden) faktischen Bedeutung der Biotechnologie in der deutschen Forschung Bundesministerium für Bildung und Forschung (Fn. 46), 283 ff.

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den wissenschaftlichen Fortschritt zu erweitern. Der Wissenschaft ist nicht nur das bioethische Problem geschuldet; ihr verdankt sich nicht nur die Hoffnung auf heilende Wirkungen, deren wertender Einbeziehung sich die Debatte nicht verschließen darf.240 Neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse über den Lebensbeginn241 und neue biomedizinische Optionen ringen dem Verfassungsrecht neue, eigener Werte bewußte Differenzierungen ab und ermöglichen ihm damit eigenen Fortschritt. Diese durch die Eigengesetzlichkeit wissenschaftlicher Betätigung erzielte Leistung kann das Verfassungsrecht nicht ersetzen, darf sich seiner normativen Gestaltungskraft aber auch nicht durch übereilten Rekurs auf Modelle abgestufter Würdegewährleistung242 entledigen.

Über die bei Böckenförde (Fn. 228), 813, angedeutete Argumentation hinaus. Häufig wird für eine aufwertende Verbindung der Forschungsfreiheit mit den Wirkungen des medizinischen Fortschritts eingetreten: F. Hufen Erosion der Menschenwürde, JZ 2004, 313 (316) (= ders. Gedanken zur Menschenwürde in der Medizin aus der Sicht des Verfassungsrechts, Rechtsmedizin 2004, 168 (171 f.)); E. Hilgendorf Klonverbot und Menschenwürde – Vom Homo sapiens zum Homo xerox? Überlegungen zu § 6 Embryonenschutzgesetz, FS Maurer, 2001, 1147 (1155); Dederer (Fn. 228), 2; Taupitz (Fn. 228), 3436 und 3438; M. Kloepfer Humangentechnik als Verfassungsfrage, JZ 2002, 417 (425); Dreier (Fn. 231), Rn. 50; Hofmann (Fn. 228), 259. Differenzierend Kirchhof (Fn. 228), 27 ff. S. in diesem Kontext die Forderung von über 40 Nobelpreisträgern in den U.S.A. , das therapeutische Klonen zuzulassen: The American Society for Cell Biology Nobel Letter, 10. 4. 2002, abrufbar unter: http://www.ascb.org/publicpolicy/ Nobelletter.html < 23. 3. 2006 >). 241 Namentlich bei der exakten Aufarbeitung der „SKIP -Kriterien“ (Spezieszugehörigkeit, Kontinuität, Identität, Potentialität): Hetz (Fn. 228), 95 ff. Aufgeschlüsselt in Position A (Beibehaltung des Verbots des Forschungsklonens) in: Nationaler Ethikrat (Fn. 228), 54; sowie bei Starck Verfassungsrechtliche Grenzen (Fn. 228), 1068 f.; U. Haltern/L. Viellechner Import embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken, JuS 2002, 1197 (1200); Knoepffler (Fn. 228), 56 ff. Ferner H.-L. Schreiber Die Würde des Menschen – eine rechtliche Fiktion?, MedR 2003, 367; ders. Stammzellverwendung in Forschung und Therapie, FS Eser, 2005, 1129 (1135 ff.); W. Graf Vitzthum Gentechnologie und Menschenwürde, MedR 1985, 249 (253 ff.). 242 S. vor allem M. Herdegen Die Menschenwürde im Fluß des bioethischen Diskurses, JZ 2001, 773 (774 f.); ders. in: Maunz/Dürig (Fn. 3), Art. 1 Abs. 1 (2005), Rn. 65 f.; sowie Taupitz (Fn. 235), 113; Hetz (Fn. 228), 151 ff. Im Ansatz auch Ipsen (Fn. 228), 994; Kloepfer (Fn. 240), 420 f („Grundrechtsanwartschaft“). Ähnlich das Postulat der Abwägungsfähigkeit der Menschenwürde: s. vor allem Kloepfer (Fn. 240), 422 f.; ders. Grundrechtstatbestand und Grundrechtsschranken in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – dargestellt am Beispiel der Menschenwürde –, FS BVerfG II , 1976, 405 (411 ff.); sowie in der Schutzpflichtendimension Ipsen (Fn. 229), 1383. Äußere Argumentationslinie dieser Modelle ist die Verneinung des Menschenwürdeschutzes für frühe Lebensformen, s. vor allem Dreier (Fn. 231), 81 ff.; sowie Ipsen (Fn. 228), 991; Trute (Fn. 228), 397 ff., und die Position B (Begrenzte Zulassung des Forschungsklonens) in: Nationaler Ethikrat (Fn. 228), 63 ff. 240

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Die Grenzen der Forschungsfreiheit sind daher normativ durch philosophisch und theologisch informierte Beurteilungen des Verfassungsrechts243 in einem organisatorisch-prozeduralen Rahmen zu bestimmen, der in der konkreten Entscheidungsfindung wissenschaftliche Erkenntnisse, Erkenntnismöglichkeiten und Erkenntniserwartungen einbezieht.244 Auf dieser Grundlage wirken Wissenschaftler in Ethikkommissionen auf entsprechende Verwaltungsentscheidungen ein und bereiten die Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ des Bundestages245 sowie der Nationale Ethikrat246 die notwendigen Gesetzgebungs- und Regierungsakte vor. In diesem Rahmen kann die Abwägung auch mit forschungsspezifischen Kriterien wie Verhältnismäßigkeit, Alternativlosigkeit und Hochrangigkeit angereichert werden.247 Je höher das Gewicht jener Gremien, um so begründeter die Notwendigkeit nach gesetzlicher Absicherung ihrer Organisation, Zusammensetzung und Verfahren.248 Die prozedural und organisatorisch abgestützte, Ähnlich Classen (Fn. 235), 143; Herdegen (Fn. 242), 778 f. Trute (Fn. 228), 404 f.; Schmidt-Aßmann (Fn. 100), 54; Haßmann (Fn. 92), 119; im Sinne einer prozeduralen Pflicht des Gesetzgebers Kloepfer (Fn. 240), 428; Gramm (Fn. 99), 625. Illustrativ das Beispiel von Blankenagel (Fn. 232), 134. 245 Einsetzungsbeschluß vom 20. 2. 2003, BT-Drs. 15/464. 246 Zur Errichtung durch Kabinettsbeschluß vom 2. 5. 2001 M. Schröder Die Institutionalisierung des Nationalen Ethikrates: Ein bedenklicher Regierungsakt?, NJW 2001, 2144. In den Ländern vefügt Rheinland-Pfalz seit langem über eine Bioethik-Kommission, s. Stammzellen. Medizinische, ethische und juristische Bewertung der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen unter Einbeziehung des Stammzellgesetzes vom 28. 6. 2002, Bericht der Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz vom 23. 8. 2002, 2003. S. auch die Zentrale Ethik-Kommission für Stammzellenforschung nach § 8 f. StammzellG; dazu Taupitz (Fn. 235), 115. 247 Position C (Verbot des Forschungsklonens zum gegenwärtigen Zeitpunkt) in: Nationaler Ethikrat (Fn. 228), 86. 248 S. Schulze-Fielitz (Fn. 57), 77 ff.; M. Albers Die Institutionalisierung von EthikKommissionen: Zur Renaissance der Ethik im Recht, KritV 86 (2003), 419 (431 ff.) – beide mit einzelnen Kriterien über Struktur und Verfahren der Kommissionen) sowie K. Sobota Die Ethik-Kommission – ein neues Institut des Verwaltungsrechts?, AöR 121 (1996), 229 (232 ff.); Haßmann (Fn. 92), 244 ff.; Trute (Fn. 120), 236; P. Häberle die Menschwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, in: HStR I, 3. Aufl. 2004, § 22, Rn. 84; ferner E. Deutsch Ethik-Kommissionen für die klinische Forschung: Grundlagen und Funktionen, FS Bydlinski, 2002, 105; J. Taupitz Ethikkommissionen in der Politik: Bleibt die Ethik auf der Strecke?, JZ 2003, 815; K. Grupp Zur Stellung von Ethik-Kommissionen unter öffentlich-rechtlichen Aspekten, in: F. Furkel/H. Jung (Hrsg.) Bioethik und Menschenrechte – Bioéthique et Droits de l’Homme, 1993, 125. Kritisch hingegen Isensee (Fn. 228), 40; differenzierend auch Schmidt-Aßmann (Fn. 53), 389 ff., sowie H. H. Rupp Sind Ethik-Kommissionen Rechtsausschüsse und ihre Voten Verwaltungsakte?, FS Heckel, 1999, 839. 243 244

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wissenschaftlich informierte Einzelfallbeurteilung ist starren Argumentationsmustern überlegen und ermöglicht zugleich die Etablierung effektiver Kontrollstrukturen,249 wiederum unter Berücksichtigung der Produktionsnähe der Industrieforschung.250 b)

Wissenschaftsfreiheit und Selbstbestimmung: Forschung an Einwilligungsunfähigen

In der ähnlich verhärteten Diskussion über Forschung an Einwilligungsunfähigen (Kinder und Demente) ist die Erarbeitung tragfähiger Kriterien für Umfang und sachliche Grenzen der Selbstbestimmung251 ebenfalls auf das in Ausübung der Forschungsfreiheit generierte Wissen angewiesen.252 Selbst bei der fremdnützigen, über den Heilversuch hinausgehenden Forschung253 scheint die Wissenschaftsfreiheit als RechtHieran fehlt es gegenwärtig beim Nationalen Ethikrat. Differenzierend Schröder (Fn. 246), 2146 (Kabinettsbeschluß hätte veröffentlicht werden müssen). 249 Diese sind vorrangig vor Forschungsverboten: Wolfrum (Fn. 228), 5. Für ein generelles Lösungskonzept durch „grundrechtliche Vorverfahren“ G. Britz Prozedurale Lösung von Grundrechtskollisionen durch „grundrechtliches Vorverfahren“, Der Staat 42 (2003), 35. 250 S.o. bei Fn. 217. 251 Anders als bei der Embryonenforschung geht es nicht um den Beginn würdebegabten Lebens, sondern um die sachliche Reichweite des Schutzes: J. Taupitz Forschung mit Kindern, JZ 2003, 109 (115 ff.); E. Picker Menschenrettung durch Menschennutzung?, JZ 2000, 693 (704 f.); ders. Schlußwort, JZ 2001, 345 (346); M. Köhler Europäische Bioethikkonvention – Beitritt unter Vorbehalt?, ZRP 2000, 8; L. Siep Ethische Aspekte der Forschung nicht-einwilligungsfähiger Personen, Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 4 (1999), 115. 252 Die maßgeblichen Kriterien Erforderlichkeit, Subsidiarität und Unerheblichkeit entstammen einem verwickelten Geflecht völkerrechtlicher Verträge, transnationaler privater Rechtsetzung und nationaler Gesetzgebung: T. M. Spranger Fremdnützige Forschung an Einwilligungsunfähigen, Bioethik und klinische Arzneimitttelprüfung, MedR 2001, 238 (239 ff.); M. Herdegen/ders. in: M. Herdegen (Hrsg.) Internationale Praxis Gentechnik, Teil 5 I Internationales Recht/Erläuterungen, 5. – Biomedizin-Übereinkommen und Klonprotokoll (2000), Rn. 42 ff.; Taupitz (Fn. 251), 111 ff.; E. Deutsch/ders. Forschungsfreiheit und Forschungskontrolle in der Medizin, 2000. Zu nennen ist vor allem Art. 17 der Bioethik- (= Oviedo-)Konvention des Europarates (Fn. 237); dazu G. Wolfslast Einwilligungsunfähigkeit im Lichte der Bioethik-Konvention, KritV 81 (1998), 74. S. ferner K. Sobota Patientenrecht und Forschungsfreiheit. Ein Konflikt aufgezeigt am Beispiel der klinischen Forschung an nicht-einwilligungsfähigen Patienten, FS Kriele, 1997, 367 (386), sowie Art. 15 des Zusatzprotokolls zur Bioethikkonvention (Additional Protocol to the Convention on Human Rights and Biomedicine Concerning Biomedical Research, 25. 1. 2005, ETS No. 195; zu dessen Entwurf J. Taupitz Biomedizinische Forschung zwischen Freiheit und Verantwortung, 2002). 253 Zu den Konzepten E. Deutsch Der Doppelblindversuch, JZ 1980, 289 (290); ders./A. Spickhoff Medizinrecht, 5. Aufl. 2003, Rn. 649 ff.; I. Kamp Die Europäische Bio-

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fertigungstopos hinter den greifbaren medizinischen Erfolgen zurückzutreten.254 Dennoch können starre Entscheidungsmuster, die mangels Fähigkeit zur Verarbeitung künftiger Entwicklungen auch der Menschenwürde nicht gerecht werden,255 nur unter Berücksichtigung der Forschungsfreiheit vermieden und wissenschaftsadäquate Konfliktlösung sowie wirksame Kontrolle nur durch grundrechtsadäquate Prozeduralisierung erreicht werden.256 c)

Wissenschaftsfreiheit und Verantwortungsethik: Tierversuche

Wirkt der verfassungsändernde Gesetzgeber durch Aufwertung ethischer Belange wie des Tierschutzes auf das Wissenschaftsrecht ein,257 so

ethik-Konvention, 2000, 17 ff.; O. Elzer Allgemeine und besondere klinische Prüfungen an Einwilligungsunfähigen, 1998; B. Morsey § 14 Verfassungsrechtliche Spannungsfelder der biomedizinischen Forschung, in: Wagner (Fn. 3), 293 (296). 254 Aus der umfangreichen Literatur s. etwa Taupitz (Fn. 100), 114 f.; Sobota (Fn. 252), 374 ff.; M. Strätling/V. E. Scharf/C. Wedel/F. Oehmichen/B. Eisenbart Möglichkeiten zur Verminderung rechtlicher und ethischer Probleme bei der Behandlung nicht einwilligungsfähiger oder von Entscheidungsunfähigkeit bedrohter Patienten, MedR 2001, 385; H. Helmchen Forschung mit nicht-einwilligungsfähigen Demenzkranken, Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 4 (1999), 127. Generell zur Entwicklung des Medizinrechts in diesem Bereich Spranger (Fn. 252), 239 ff. 255 Erneut scheint die Abwägungsresistenz der Menschenwürde differenzierten Lösungen entgegenzustehen: Spranger (Fn. 252), 242 f.; M. Wunder Unrecht durch Ungleichbehandlung oder Gleichbehandlung im Unrecht?, JZ 2001, 344 (345). 256 S. daher §§ 40 Abs. 1 S. 2, 42 AMG , 20 Abs. 7 MPG und die gemeinschaftsrechtliche Vorgabe in Art. 6 der Richtlinie 2001/20/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln, ABl .EG 2001, Nr. L 121/34. S. ferner die Europaratsempfehlung Rec.(2004) 10 des Ministerrates über den Schutz der Menschenrechte und Würde geistig verwirrter Personen vom 22. 9. 2004. Aus dem Schrifttum Deutsch/Spickhoff (Fn. 253), Rn. 716 ff.; A. Jürgens Fremdnützige Forschung an einwilligungsunfähigen Peronen nach deutschem Recht und nach dem Menschenrechtsübereinkommen für Biomedizin, KritV 81 (1998), 34 (42 ff.); J. Taupitz Schutzmechanismen zugunsten des Probanden und Patienten in der medizinischen Forschung, in: H.-D. Lippert/W. Eisenmenger (Hrsg.) Forschung am Menschen, 1999, 13; E. Deutsch Ethik-Kommissionen: Probandenschutz in der medizinischen Forschung, ebd., 33; U. Fröhlich Forschung wider Willen?, 1999, 61 ff. 257 Der Konflikt ist emotional erheblich aufgeladen; vgl. J. Caspar/M. Geissen Das neue Staatsziel „Tierschutz“ in Art. 20a GG , NVwZ 2002, 913 (913); wobei es allerdings wohl nicht um „ … eines der umstrittensten rechtspolitischen Projekte in der Bundesrepublik …“ geht. Immerhin erreichten die Gemeinsame Verfassungskommission aber 170 000 Eingaben aus der Bevölkerung, die zweithöchste Zahl von Äußerungen zu einem Beratungsgegenstand, s. BT-Drs.12/6000, S. 69.; T. M. Spranger Auswirkungen

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fällt anders als bei der Menschenwürde die Beachtung der Wissenschaftsfreiheit in der Einzelfallabwägung leichter.258 Die Ergänzung des Art. 20a GG 259 hat die kaum tragfähigen Versuche, den Verfassungsrang des Tierschutzes aus formellem260 oder materiellem Verfassungs-

einer Staatszielbestimmung „Tierschutz“ auf die Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit, ZRP 2000, 285 (285). 258 Pernice (Fn. 3), Rn. 45; Jarass in: ders./Pieroth (Fn. 58), Art. 20a, Rn. 15; Pieroth/ Schlink (Fn. 58), Rn. 631; Caspar/Geissen (Fn. 257), 914 f.; M. Knauff Das Tierschutzprinzip, SächsVBl 2003, 101 (103); M. Faber Der grundgesetzliche Tierschutzauftrag des Art. 20a GG , UPR 2002, 378 (381 f.). – Diese Kollision ist keinesfalls neu, wie Erörterung und Zitat des preußischen „Vivisektionserlasses“ von 1885 bei Smend Meinungsäußerung (Fn. 2), 69 f., belegt. Zur neueren rechtstatsächlichen Situation Dickert (Fn. 3), 49 f. mwN. – Die Rechtsprechung des BVerfG bezieht sich bislang nur auf die Berufsfreiheit: BVerfGE 48, 376 (388 f.). 259 Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel Tierschutz), BGBl . 2002 I 2862. Vorausgegangen war der gescheiterte Vorschlag eines entsprechenden Art. 20b GG (dazu ausf. M. Kloepfer/M. Rossi Tierschutz in das Grundgesetz?, JZ 1998, 369 (mit Kritik am Entwurf 373)). Zur Forderung nach der Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung S. Huster Gehört der Tierschutz ins Grundgesetz?, ZRP 1993, 326; E. von Loeper Tierschutz ins Grundgesetz, ZRP 1996, 143; U. M. Händel Chancen und Risiken einer Novellierung des Tierschutzgesetzes, ZRP 1996, 137; skeptisch H. H. Rupp Tierschutz ins Grundgesetz?, WissR 32 (1999), 177 (179). Das einschlägige Tierschutz-Protokoll im Vertrag von Amsterdam (jetzt als „Querschnittsklausel“ in Art. III -121 VerfEU ) bezieht sich nur auf den Kompetenzbereich der EG . Vgl. zur Übersicht F. Herrer Die Regelungen der EU auf dem Gebiet des Tierschutzrechts, in: J. Caspar/H.-J. Koch (Hrsg.) Tierschutz für Versuchstiere – Ein Widerspruch in sich?, 1998, 33. S. bereits die Anforderungen der Richtlinie 86/609// EWG des Rates vom 24. 1. 1986 zur Annäherung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere, ABl .EG 1986 Nr. L 358/1, sowie die Anforderungen des Sechsten Forschungsrahmenprogrammes: Beschluß Nr. 1513/2002/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. 6. 2002 über das Sechste Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration als Beitrag zur Verwirklichung des Europäischen Forschungsraumes und zur Innovation (2002–2006), ABl .EG 2002 Nr. L 232/1, Anhang I, Einleitung und allgemeiner Überblick a.E., Punkt 1.1.5, 4. Abs. a.E., Punkt 1.2.1 A 2 b, Punkt 1.3.1 a. 260 Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG . Die h.M. lehnte diese Herleitung ab: G. Erbel Rechtsschutz für Tiere – Eine Bestandsaufnahme anläßlich der Novellierung des Tierschutzgesetzes, DVBl . 1986, 1235 (1249); Kloepfer/Rossi (Fn. 259), 370; Winkler (Fn. 98), 104; aA W. Löwer Tierschutz und Verfassung – Rechtliche Überlegungen zur Forderung nach einer Ergänzung des Grundgesetzes, GS Kimminich, 1999, 54 (60 f.); H.-G. Kluge Grundrechtlicher Freiraum des Forschers und ethischer Tierschutz, NVwZ 1994, 869 (872); ders. Vorbehaltlose Grundrechte am Beispiel des Schächtens, ZRP 1992, 141 (143 f.); B. Pieroth Materiale Rechtsfolgen grundgesetzlicher Kompetenz- und Organisationsnormen, AöR 114 (1989), 422 (447), C. Degenhart in: Sachs (Fn. 2), Art. 70, Rn. 60, andeutungsweise VGH Kassel, NJW 1994, 1608 (1609).

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recht261 herzuleiten262 oder den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit zu verengen263, beendet.264 Gleichzeitig wurde dadurch der ethisch notwendigen tierschutzrechtlichen Regulierung eine verfassungsrechtliche Basis verliehen.265 Auch nach der Verfassungsänderung bewirkt der

261 Zu den materiell-verfassungsrechtlichen Ansätzen (Menschenbild des Grundgesetzes, Menschenwürde, metakonstitutionelle Verantwortungsethik) mit Differenzierungen im einzelnen Starck (Fn. 23), Rn. 423; S. Mädrich Forschungsfreiheit und Tierschutz im Spiegel des Verfassungsrechts, 1988, 89 ff., insbesondere 97 ff.; Erbel (Fn. 260), 1251; A. Lübbe Hat der Tierschutz Verfassungsrang?, NuR 1994, 469 (471); H. Kuhlmann Der Mitweltschutz im gesamtdeutschen Grundgesetz, NuR 1995, 1; s. die knappen Hinweise zum TierSchG in BVerfGE 36, 47 (57); 48, 376 (389); 104, 337 (347, 351) – zu diesem Aspekt der Entscheidung U. Volkmann DVBl . 2002, 332 (333) –, sowie auch Kloepfer/Rossi (Fn. 259), 370 re.Sp. wonach der Tierschutz zwar keinen Verfassungsrang genießt, sondern „Einzelaspekte des Tierschutzes mittelbar, d. h. über andere Verfassungswerte (z. B. Sittengesetz) behutsam zur Begrenzung der Forschungsfreiheit herangezogen werden können.“ Ähnliche Argumentation mit dem Sittengesetz bei H.-J. Papier Genehmigung von Tierversuchen, NuR 1991, 162 (164). Gegen eine Herleitung aus der Menschenwürde zutreffend Dreier (Fn. 231), Rn. 122; E. I. Obergfell Wissenschaftsfreiheit und Tireschutz – Zur Wertigkeit des Tierschutzes im deutschen Verfassungsrechtssystem, ZRP 2001, 193 (195 f.). 262 Weiterer, kaum überzeugender Ansatz – Art. 20a GG a.F.: Starck (Fn. 23), Rn. 383 in der 4. Aufl. 1999; Kuhlmann (Fn. 261), 3 ff. (dagegen zutreffend Winkler (Fn. 98), 166 f. Gegen den Verfassungsrang des Tierschutzes vor der Änderung des Art. 20a GG auch BVerwGE 105, 73 (81), im Konflikt zwischen Gewissensfreiheit einer Biologiestudentin und Lehrfreiheit des Hochschullehrers in einer Lehrveranstaltung mit Tierversuchen, dazu J. Caspar Freiheit des Gewissens oder Freiheit der Lehre? – Zur Tierversuchsproblematik im Studium, NVwZ 1998, 814 (816). 263 S. Kleindiek (Fn. 2), 184 ff.; Dickert (Fn. 3), 443; Lorenz (Fn. 129), 278; ähnlich M. Kriele in: U. M. Händel (Hrsg.) Tierschutz – Testfall unserer Menschlichkeit, 1984, 113 (114 ff.); dagegen S. Hobe Tierversuche zwischen Tierschutz und Forschungsfreiheit, WissR 31 (1998), 309 (329 f.). S. generell oben bei Fn. 129. 264 Teilweise aA Nettesheim (Fn. 23), 1079: keine „Neubewertung des grundrechtlichen Freiheitsraums“. Zur föderalen Spannungslage vor der GG -Änderung durch die Verankerung des Tierschutzes in zahlreichen Landesverfassungen Kloepfer/Rossi (Fn. 259), 372; K. Leondarakis Tierversuche – Kollisionen mit dem Tierschutz, 2001, 98 ff. 265 Ihr Fehlen wurde vorher durch eine vermeintlich verfassungskonforme Interpretation der Anforderungen des Tierschutzrechts kompensiert, wonach der Forscher den Versuchszweck und seine ethische Vertretbarkeit lediglich wissenschaftlich begründet darzulegen hatte: BVerfG , NVwZ 1994, 894 (895); Vorlagebeschluß VG Berlin, NVwZ - RR 1994, 506; Folgeentscheidung VG Berlin, ZUR 1995, 201 m. krit. Anm. J. Caspar Zur ethischen Vertretbarkeit ders. Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft, 1999, 464 ff. Auch eine solche Darlegungs- und Begründungslast kann dem Grundrechtsträger nur zugunsten eines anderen Verfassungsgutes auferlegt werden, woran es beim Tierschutz gerade fehlte: R. Faller Staatsziel Tierschutz, 2005, 78;

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Grundrechtsschutz des Forschungs- und Lehrinteresses, das nur bei unnötigen Versuchen fehlt,266 den Vorrang autonomer Beurteilung von Versuchszweck und ethischer Vertretbarkeit durch die Forschung vor der heteronomen Beurteilung durch die Behörde,267 denn auch der Tierschutz mit Verfassungsrang muß die grundrechtlich umhegte Eigengesetzlichkeit der Wissenschaft beachten.268 Kluge (Fn. 260), 869 (870 f.); Caspar/Geissen (Fn. 257), 915; G. Frankenberg Tierschutz oder Wissenschaftsfreiheit, KJ 27 (1994), 421 (432 ff.); Ossenbühl (Fn. 129), 518. 266 Diese sind daher nicht durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützt. S. das Erfordernis der Unerläßlichkeit in § 7 Abs. 2 TierSchG sowie auch Trute (Fn. 9), 147 f., und bereits M. Kloepfer Tierversuchsbeschränkungen und Verfassungsrecht, JZ 1986, 205 (211); Deutsche Forschungsgemeinschaft (Hrsg.) Tierversuche in der Forschung – Denkschrift, 1993. Einen generellen Vorrang der Forschungsfreiheit begründet der schon für den Umweltschutz enthaltene Passus „nach Maßgabe von Gesetz und Recht“ nicht, denn die Formulierung soll allein die prinzipiell-abstrakte Gleichordnung von Umwelt- und Tierschutz mit anderen Verfassungsgütern zum Ausdruck bringen: Jarass in: ders./Pieroth (Fn. 58), Art. 20a, Rn. 14; D. Murswiek in: Sachs (Fn. 2), Art. 20a, Rn. 55; R. Scholz in: Maunz/Dürig (Fn. 3), Art. 20a (2002), Rn. 66. Für den Umweltschutz BVerwG , NVwZ - RR 2003, 171; M. Schröder Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen umweltpolitischer Steuerung in einem deregulierten Strommarkt, DVBl . 1994, 835 (837); A. Schink Umweltschutz als Staatsziel, DÖV 1997, 221 (225), sowie ausf. Calliess (Fn. 128), 125 ff. AA (grundsätzlicher Vorrang der Forschungsfreiheit) Spranger (Fn. 257), 289 f.; S. Braun Tierschutz in der Verfassung – und was nun? Die Bedeutung des neuen Art. 20a GG , DÖV 2003, 488 (492). 267 Dies hat entgegen den Vorstellungen des verfassungsändernden Gesetzgebers ( BTDrs. 9090, S. 4) keine geänderte Auslegung der im Wortlaut nicht geänderten §§ 7 ff. TierSchG zur Folge. Wie hier (teils darüber hinausgehend) U. Stelkens Erweitert das neue Staatsziel „Tierschutz“ die behördliche Prüfdichte bei der Genehmigung von Tierversuchen?, NuR 2003, 401 (406); R. Lange Wissenschaft zwischen Verfassungsgarantie und Staatszielbestimmung, KritV 87 (2004), 171 (174 ff.), sowie deutlich Kloepfer (Fn. 219), § 11, Rn. 340; für die Zeit vor der Verfassungsänderung VGH Kassel, NJW 1994, 1608 (1609, 1610). AA VG Gießen NuR 2004, 64; Caspar/Geissen (Fn. 257), 915 f.; J. Caspar/M. W. Schröter Das Statsziel Tierschutz in Art. 20a GG , 2003, 78 ff.; Faller (Fn. 265), 239; H.-G. Kluge Staatsziel Tierschutz – Am Scheideweg zwischen verfassungspolitischer Deklamation und verfassungsrechtlichem Handlungsauftrag, ZRP 2004, 10; Obergfell (Fn. 261), 194 f.; C. C. Hillmer Auswirkungen einer Staatszielbestimmung „Tierschutz“ im Grundgesetz, insbesondere auf die Forschungsfreiheit, 2000, 203 (prognostizierend). Differenzierend Pernice (Fn. 3), Rn. 45 (strengere Handhabung der Prüfungs- und Darlegungspflichten). VGH Kassel, NVwZ 2003, 881, geht nicht auf eine Verschärfung durch die Neufassung des Art. 20a GG ein. – Auch nach der Neufassung darf es kein „staatliches ‚Forschungsrichtertum‘“ geben, vgl. Papier (Fn. 261), 171, so daß eine Neuregelung des Tierschutzrechts den im Text erläuterten Vorrang ebenfalls zu beachten hätte. Zu Tierversuchen in der Lehre § 10 Abs. 1 S. Nr. 1, S. 2 TierSchG. 268 Mit dieser Tendenz Jarass in: ders./Pieroth (Fn. 58), Art. 20a, Rn. 16; Gramm (Fn. 99), 621 f. Die bei Kloepfer/Rossi (Fn. 259), 374 ff., sowie Löwer (Fn. 260), 63 ff.,

Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit

209

IV. Ausblick: Von der deutschen Grundrechtsdogmatik zur global governance der Wissenschaft Die angemessene Antwort des Verfassungsrechts auf die akuten Probleme in den wechselseitigen Beziehungen von Staat, Wissenschaft und Gesellschaft besteht darin, die individuelle Wissenschaftsfreiheit in ihrer mehrdimensionalen Grundlage und ihren mehrschichtigen Funktionen ins Zentrum des Wissenschaftsrechts zu rücken. Weil wissenschaftliche Eigengesetzlichkeit für demokratisch verantwortete Steuerung grundsätzlich unzugänglich ist, kann wissenschaftsbezogene Gesetzgebung ihren Regulierungsanspruch nur dann verfassungskonform aufrechterhalten, wenn sie sicherstellt, daß die Autonomie des wissenschaftlichen Prozesses in materiellen Regelungen abgebildet und in Organisation und Verfahren repräsentiert wird. Dieses Verständnis von Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit ermöglicht nicht nur der deutschen Grundrechtsdogmatik und dem deutschen Wissenschaftsrecht eine wirkungsvolle Entfaltung unter Globalisierungsbedingungen. Über sie hinausgreifend kann es auch den Schwerpunkt der vielfältigen Regelungen des supra- und internationalen Wissenschaftsrechts von der Wissenschaftspolitik269 und gemeinwohlorientierten Begrenzungs- und Kontrollmechanismen270 auf die menschenrechtlich im Ansatz verankerte Wissenschaftsfreiheit verlagern.271 Dem globalen Netzwerk zur governance globalisierter Wissenschaft, über den Europäischen Forschungs-

befürchteten negativen Folgen einer verfassungsrechtlichen Normierung in einem gesonderten Staatsziel ohne den Passus „nach Maßgabe von Gesetz und Recht“ werden mithin vermieden. – Speziell zur Problematik des Klonierens von Tieren S. Braun Das Klonieren von Tieren, ZRP 2003, 453 (455). Prozedural wird der Verfassungsrang der Wissenschaftsfreiheit durch den fachwissenschaftlichen Sachverstand in der Kommission nach § 15 Abs. 1 S. 2 TierSchG abgesichert: Kluge (Fn. 260), 871; Obergfell (Fn. 261), 194 f.; Starck (Fn. 23), Rn. 423 a.E. Auch die nach § 15 Abs. 1 S. 3 TierSchG von Vorschlagslisten der Tierschutzverbände gestellten Mitglieder, die ein Drittel der Kommissionsmitglieder betragen müssen, können nach dem Wortlaut der Vorschrift diesen Sachverstand einbringen; wie hier wohl A. Lorz/E. Metzger Tierschutzgesetz, 5. Aufl. 1999, § 15, Rn. 13; aA wohl H.-G. Kluge in: ders. (Hrsg.) Tierschutzgesetz, 2002, § 15, Rn. 2. 269 S.o. Fn. 106. 270 Zum Völkerrecht: Röben (Fn. 79), 267 ff., sowie die konkreten Anwendungsfälle o. Fn. 237; zum europäischen Verfassungsrecht s. o. Fn. 236, sowie Fehling (Fn. 3), Rn. 286, zum sekundären Gemeinschaftsrecht: Kallmayer in: Calliess/Ruffert (Fn. 90), Art. 163 EGV , Rn. 13, sowie die Beispiele o. Fn. 221 und 259. 271 Nach Döhler/Nemitz (Fn. 94), 163, wird die Bedeutung des Völkerrechts für die Forschungsfreiheit unterschätzt.

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raum272 hinaus aus Staaten, Internationalen Organisationen und transnational agierenden substaatlichen wie privaten Akteuren gebildet,273 wird dadurch ein rechtsordnungsübergreifendes, menschenrechtliches Rückgrat eingezogen.

272 H.-H. Trute in: Streinz (Fn. 78), Art. 163 EGV , Rn. 7; Pernice (Fn. 3), Rn. 10 (zu den Implikationen für die Forschungsfreiheit); J. Elizalde Legal Aspects of Community Policy on Research and Technological Development (RTD ), CMLRev . 29 (1992), 309; Beschluß Nr. 1513/2002/ EG (Fn. 259). Zur institutionellen Absicherung A. von Bogdandy/D. Westphal Der rechtliche Rahmen eines autonomen Europäischen Wissenschaftsrates, WissR 37 (2004), 224; W. Krull/S. Sommer Independent Research Funding for Europe. Conditiones sine qua non for a successful European Research Council, WissR 37 (2004), 190, sowie bereits E. Schmidt-Aßmann Organisationsfragen der europäischen Forschungspolitik, FS Everling II , 1995, 1281. 273 Ähnlich Döhler/Nemitz (Fn. 94), 185: „Geflecht“. Vgl. auch Röben (Fn. 79), 256, sowie – unter der Chiffre „scientific citizenship“ S. Jasanoff Science and citizenship: a new synergy, Science and Public Policy 31 (2004), 90; U. Felt Scientific Citizenship, Gegenworte 11/2003, 16; M. Elam/M. Bertilsson Consuming, Engaging and Confronting Science, European Journal of Social Theory 6 (2003), 233.

Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit

211

Leitsätze des 2. Berichterstatters über:

Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit I.

Einführung: Verborgene Defizite im Grundrecht der Wissensgesellschaft

(1) Theorie und Dogmatik der Wissenschaftsfreiheit sind schlecht gerüstet, das Grundrecht unter den heutigen Bedingungen von Wachstum und Wandel der Wissenschaft zu garantieren. (2) Die Entstehungsgeschichte des Art. 5 Abs. 3 GG bringt für aktuelle Fragestellungen wenig Gewinn, weil der Text des Grundrechts in den verfassungsgebenden Gremien seit der Paulskirchenverfassung nicht mehr substantiell diskutiert wurde. In der Verfassungspraxis droht seine Reduktion auf eine lediglich symbolische Position.

II.

Annäherung an die Wissenschaftsfreiheit: Theorie und Dogmatik eines Grundrechts

1.

Das Paradigma der Eigengesetzlichkeit

a)

Wissenschaft und Wissenschaften

(3) Zentrale verfassungsrechtliche Grundannahme zur Freiheit der Wissenschaft ist deren Eigengesetzlichkeit, die sie prinzipiell dem regulierenden Zugriff von Staat und Recht entzieht. (4) Der am Identifikationsverbot ausgerichtete formale Wissenschaftsbegriff bedarf der Ausfüllung durch das Selbstverständnis der Wissenschaft, in dem Selbstdefinition des Wissenschaftlers und Anerkennung in der scientific community in einem komplexen Gleichgewichtsverhältnis verkoppelt sind. Weder Wissenschaftssoziologie noch Standards guter wissenschaftlicher Praxis stellen durchweg verbindliche, präzise und legitime Kriterien für Wissenschaftlichkeit im Sinne des Verfassungsrechts bereit. b)

Wissenschaft, Technologie und Wirtschaft

(5) Der verfassungsrechtliche Wissenschaftsbegriff muß die wirklichkeitsgestaltende technologische Forschung integrieren. Wissenschaftliche Betäti-

212

Matthias Ruffert

gung sucht nicht nur nach der Wahrheit, sondern generiert methodisch geleitet neues Wissen. (6) Fremdsteuerung durch Marktmechanismen in der ökonomisch motivierten Forschung verschließt nicht den Schutzbereich, sondern stellt Anforderungen an Grundrechtsfunktionen und -schranken. c)

Eigengesetzlichkeit als Provokation

(7) Eigengesetzlichkeit der Wissenschaft erweist sich für den rechtlich verfaßten Staat als Provokation, die sich zur Spannungslage zwischen Wissenschaft und Demokratie steigert. 2.

Gründe der Wissenschaftsfreiheit

a)

Wissenschaft und Toleranz: Die intellektuelle Seite der Glaubensund Gewissensfreiheit

(8) Wenn auch Denkverbote die Wissenschaftsfreiheit aktuell kaum gefährden, entfaltet sie sich in der Geschichte zuerst als Toleranzgebot. b)

Wissenschaft als Lebensform: Die personale Dimension der Wissenschaftsfreiheit

(9) Wissenschaftsfreiheit garantiert zweitens Wissenschaft als Lebensform. In der dogmatischen Entwicklung tritt die invidualrechtliche Gewährleistung vielfach hinter die institutionelle und funktionale Perspektive zurück. Völker- und europarechtliche Garantien stellen sie indes in den Mittelpunkt. c)

Wissenschaft und Innovation: Die unsichtbare Hand der Wissenschaftsfreiheit

(10) Drittens kann der dem Gemeinwesen dienende wissenschaftliche Fortschritt nur von freier Wissenschaft erwartet werden. Die unsichtbare Hand der Wissenschaftsfreiheit bringt Innovationen hervor. Hierin liegt ein grundrechtsspezifischer Kern von Kulturstaatlichkeit. 3.

Die Wissenschaftsfreiheit im Gefüge der Grundrechtsdogmatik

a)

Eigengesetzlichkeit in funktionaler Auffächerung

(11) Die Wissenschaftsfreiheit ist als Grundrecht in der Auffächerung der Grundrechtsfunktionen zu erfassen, die neben die Abwehrfunktion weitere, durch Ausdifferenzierung der vom Bundesverfassungsgericht errichteten objektiven Wertordnung gewonnene Funktionen stellt. (12) Selbst in der Angewiesenheit auf organisationsrechtliche Regulierung widersetzt sich die Eigengesetzlichkeit der Wissenschaft einer Gestal-

Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit

213

tungsprärogative des Organisationsgesetzgebers. Organisation und Verfahren sind auch an den Grenzen der Wissenschaftsfreiheit relevant. b)

Vom Grund zu den Grenzen

(13) Der Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit ist nicht auf Fragestellung und inhaltlichen Diskurs zu begrenzen. Gerade die Wissenschaftsfreiheit bietet keinen Anlaß für den grundrechtsdogmatischen Umsturz vom weiten Schutzbereich zur engen, staatlich geordneten Gewährleistung. (14) Begrenzt wird die Wissenschaftsfreiheit allein durch Rechtsgüter von Verfassungsrang. c)

Ein deutscher Sonderweg? – Wissenschaftsfreiheit unter Globalisierungsbedingungen

(15) In der grundrechtsfunktionalen Vielfalt beschreitet die deutsche Dogmatik der Wissenschaftsfreiheit keinen Sonderweg. In der globalisierten Wissenschaft steht die Verwirklichung des Grundrechts in Deutschland im Wettbewerb mit anderen Rechtsordnungen.

III. Die Wissenschaftsfreiheit im Zentrum des Wissenschaftsrechts 1.

Wissenschaftsfreiheit in der Wissenschaftsorganisation

a)

Grundrechtsträger als Akteure im Fokus der Wissenschaftsfreiheit

(16) Wissenschaftsadäquanz bedeutet nicht institutionellen Schutz eines Gefüges funktionaler Systeme, sondern Achtung und Schutz grundrechtlicher Freiheit. b)

Konturen eines freiheitlichen Organisationsrechts der Wissenschaft

(17) Wenngleich Ressortforschung nicht grundrechtlich geschützt ist, können ministerielle Weisungen ihre Wissenschaftlichkeit beeinträchtigen und sich dadurch in Widerspruch zur politischen Vernunft setzen. (18) Privatwirtschaftliche Forschung verlangt dem Wissenschaftsrecht die Sicherung der Wissenschaftsfreiheit in der kooperativen Grundrechtswahrnehmung mit Kollisionsrisiko ab. Forschende Unternehmen (über Art. 19 Abs. 3 GG ) wie „Arbeitnehmer-Forscher“ sind Grundrechtsträger. Der gesetzgeberische Spielraum ist aufgrund des Untermaßverbotes und der privatautonomen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses weit. (19) Einzige Einrichtung, in der Institution wie Angehörige gleichgewichtig Träger der Wissenschaftsfreiheit sind, ist die (staatliche oder private) Universität. Daher muß die individuelle Wissenschaftsfreiheit in der Universität

214

Matthias Ruffert

organisatorisch abgesichert werden. Die Unabhängigkeit der Hochschullehrer muß gewahrt bleiben. Kontrollmechanismen sind wissenschaftsintern zu institutionalisieren. c)

Wissenschaftsförderung in der Wissenschaftsorganisation

(20) Der leistungsrechtliche Gehalt der Wissenschaftsfreiheit kommt im freiheitlichen Wissenschaftsorganisationsrecht zur Geltung. Organisation und Finanzausstattung sind aufeinander bezogen. Staatliche Förderung von Wissenschaft muß transparent sein und Kontinuität garantieren. Lenkende Finanzierung ist auf wissenschaftsinterne Bewertung angewiesen. 2.

Wissenschaftsfreiheit in der Informationsordnung

a)

Informationszugang der Wissenschaft

(21) Die Wissenschaftsfreiheit gewährt keinen grundrechtlichen Leistungsanspruch auf Information, fordert jedoch als Abwehrrecht verfassungsrechtliche Gründe für Schranken des Informationszugangs. b)

Wissenschaft zwischen offenem Informationsaustausch und Schutz geistigen Eigentums

(22) Die Informationsordnung des freiheitlichen Wissenschaftsrechts gewährleistet die Wissenschaftsfreiheit auch bei der Ergebnisverwertung. Das einfachrechtlich anerkannte Interesse der Wissenschaft an offenem Informationsfluß ist grundrechtlich durch konkrete Abwehrrechte zu untermauern. Positive und negative Publikationsfreiheit bleiben dadurch erhalten. Rückwirkungen kommerzieller Verwertungsoptionen auf wissenschaftliche Betätigung (über Motivation und Reputation) sind zu beachten. (23) Die Freistellung wissenschaftlicher Informationen im Urheberrecht hat sich allein nach den Bedürfnissen wissenschaftlicher Kommunikation zu richten. (24) Die Neuregelung des Patentgesetzes bereichert die unterkomplexe Differenzierung Erfindung/Entdeckung verfassungs- und richtlinienkonform um das Kriterium der gewerblichen Anwendbarkeit. (25) Die Abschaffung des „Hochschullehrerprivilegs“ im Arbeitnehmererfindungsrecht war nicht erforderlich, denn es gibt weniger einschneidende und gleichermaßen effiziente Regelungsmodelle.

Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit

3.

Wissenschaftsfreiheit im Risikoverwaltungsrecht

a)

Wissenschaftsrechtliches Risikomanagement

215

(26) Zur Verarbeitung der gestiegenen Risiken handlungsorientierter Forschung stellt das Risikoverwaltungsrecht effiziente Regelungen, Zulassungsverfahren und Kontrollmechanismen zur Verfügung, die den erhöhten Kontrollbedarf bei privater, produktionsnaher Forschung berücksichtigen müssen. b)

Von der Atomforschung zur grünen Gentechnik

(27) Das Fehlen eines Forschungsprivilegs für die grüne Gentechnik im neuen Gentechnikrecht ist verfassungsrechtlich fragwürdig. (28) Der kognitive Vorsprung wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit vor staatlicher Regulierung wird bei unerforschten Risiken durch organisatorische Vorkehrungen genutzt. 4.

Wissenschaftsfreiheit als Motor des wissenschaftsethischen Diskurses

a)

Wissenschaftsfreiheit und Menschenwürde: Forschung mit Embryonen

(29) Die Debatte über die Embryonenforschung ist in der Frage nach dem Lebensbeginn festgefahren. Die Beachtung der Wissenschaftsfreiheit kann dem Verfassungsrecht hier zu eigenem Fortschritt verhelfen. Die Grenzen der Forschungsfreiheit bei der Embryonenforschung sind normativ in einem organisatorisch-prozeduralen Rahmen zu bestimmen, der in der konkreten Entscheidungsfindung wissenschaftliche Erkenntnisse, Erkenntnismöglichkeiten und Erkenntniserwartungen einbezieht. (30) Ethikkomissionen und -räte spielen bei der effektiven Kontrolle der Embryonenforschung eine entscheidende Rolle. Je größer ihr Gewicht, um so begründeter der Bedarf gesetzlicher Absicherung. b)

Wissenschaftsfreiheit und Selbstbestimmung: Forschung an Einwilligungsunfähigen

(31) Nur unter Berücksichtigung der Forschungsfreiheit können menschenwürdegerechte Kriterien und Entscheidungsstrukturen für die Forschung an Einwilligungsunfähigen etabliert werden. c)

Wissenschaftsfreiheit und Verantwortungsethik: Tierversuche

(32) Der durch Verfassungsänderung (Art. 20a GG ) aufgewertete Tierschutz ist mit der Wissenschaftsfreiheit abzuwägen. Daher hat die autonome Beurteilung von Versuchszweck und ethischer Vertretbarkeit durch die Forschung weiterhin Vorrang vor der heteronomen behördlichen Einschätzung.

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Matthias Ruffert

IV. Ausblick: Von der deutschen Grundrechtsdogmatik zur global governance der Wissenschaft (33) Das grundrechtszentrierte Verständnis von Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit ermöglicht nicht nur der deutschen Grundrechtsdogmatik und dem deutschen Wissenschaftsrecht eine wirkungsvolle Entfaltung unter Globalisierungsbedingungen. Es kann auch das supra- und internationale Wissenschaftsrecht auf die im Ansatz menschenrechtlich gewährleistete Wissenschaftsfreiheit hin orientieren und die global governance der Wissenschaft freiheitlich ordnen.

Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit

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3. Aussprache und Schlussworte

Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit Vorsitzender (Huber): Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir kommen zur Diskussion, und ich darf beginnen mit Herrn Morlok, der sich zu einem Statement zu beiden Referaten und der konkreten Frage zum Begriff der Wissenschaft im Sinne des Verfassungsrechts gemeldet hat. Morlok: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. Soeben wurde gesagt, ich wolle die beiden Referate miteinander vergleichen. Das ist natürlich eine große Ansage für eine kleine Möglichkeit in begrenzter Zeit. Gleichwohl. Herr Schulte hat sich sozialwissenschaftlich informiert auf einen Vogelflug eingelassen über die Landschaft der Wissenschaftsfreiheit. Ich fand es sehr beeindruckend, wie er herausgearbeitet hat, worin denn unser Interesse an der Wissenschaftsfreiheit liegt und welche Probleme sich in diesem Zusammenhang stellen, insbesondere die drei Problembereiche des Verhältnisses der Wissenschaftsfreiheit zur Politik, zur Wirtschaft und zur Moral. Das strukturiert das Feld für weitere detailliertere Erörterungen. Auch der Hinweis darauf, dass Wissenschaft eben als soziales System funktioniere, ist, glaube ich, folgenreich. Freilich hat diese Überblicksperspektive den Preis, dass der dogmatische Teil eher kurz gehalten wurde. Insofern hat Herr Ruffert uns mehr an dogmatisch anschlussfähigem Material geliefert. Dabei hat er vielleicht umgekehrt in den relativ vielen Einzelheiten die grobe Struktur nicht so deutlich erkennen lassen. Insgesamt ergänzten sich die beiden Referate ganz glücklich; sie haben jeweils das, was der andere durch seine Schwerpunktsetzung in den Hintergrund gerückt hat, kompensiert. Meine konkrete Frage jetzt: Was ist eigentlich der Gegenstand der Wissenschaftsfreiheit und ihr Schutzbereich? Insbesondere möchte ich diese Frage stellen im Hinblick auf die Industrieforschung. Beide Referenten haben darauf hingewiesen, dass Wissenschaft soziale Gemeinschaft – scientific community – oder soziales System sei. Herr Ruffert hat die bekannten vier Prinzipien der Wissenschaft genannt, denen ich zustimme. Wissenschaft ist nicht in erster Linie und im Kern eine Sache des einzelnen Wissenschaftlers, sondern ein soziales Unternehmen. Das ist keine Aussage gegen die individuelle Seite der Wissenschaftsfreiheit,

218

Aussprache

aber um die Wissenschaftsfreiheit effektiv zu schützen, muss ich ihren sozialen Kern begreifen, dazu gehört ganz entscheidend eben auch die Kommunikation der wissenschaftlichen Ergebnisse. Wenn das so ist, dann ist eine Wissenschaft, die von Anfang an sich vorbehält, Ergebnisse nicht zu kommunizieren, nur mit großem Fragezeichen als Wissenschaft zu begreifen. Das hat zwei Fragen an Herrn Schulte zur Folge. Zunächst die Frage, wie er die Wissenschaftsfreiheit begreift im Hinblick auf den Schutz der Kommunikationsbedingungen und der Kritikmöglichkeiten. Wissenschaft muss die Vorlage der eigenen Ergebnisse an die Kollegen mit umfassen, muss Kreativitätsbedingungen, Kontrolle, Anregung, Widerspruch einbeziehen. Insofern fehlt es bei der Industrieforschung doch wohl an einem wesentlichen Kern. Schließlich bleibt noch die Frage nach der sozialen Folgenverantwortung. Auch dies verlangt die Einbeziehung anderer – externer – Wissenschaftler oder auch von Laien; die Publizität der wissenschaftlichen Ergebnisse ist also geboten – auch um der Folgenverantwortung willen. Ich frage also: Ist Forschung, die nicht systematisch auf Publizität setzt, wirklich Wissenschaft im Sinne der Verfassungsgarantie? Dederer: Ich wollte mich nur kurz auf die Gründe der Wissenschaftsfreiheit beziehen, wie sie von Herrn Ruffert ganz ausgezeichnet entfaltet worden sind. Ich wollte eine Ergänzung versuchen und zwar meine ich, dass die Wissenschaftsfreiheit ganz erheblich, substantiell, der Gewährleistung eines freien „Marktplatzes der Ideen“ dient. Die Idee des „Marktplatzes der Ideen“ kommt aus dem US -amerikanischen Recht und erklärt auch, warum man dort beispielweise Wissenschaftsfreiheit nicht in einem besonderen Grundrecht findet, sondern stattdessen in der Meinungsfreiheit verankert hat. Dass die Wissenschaftsfreiheit diese besondere Funktion übernimmt, zum „Marktplatz der Ideen“ beizutragen, zeigt das Beispiel Galileo Galilei, der Begründer der modernen Wissenschaft, der eine neue Wahrheit auf diesen „Marktplatz die Ideen“ eingebracht hat oder einbringen wollte, mit der die alten „Wahrheiten“ konfrontiert wurden, und zwar so, dass die alten „Wahrheiten“ am Ende stürzten. Diese „Weltbilder umstürzende“ Bedeutung der Wissenschaft haben wir eigentlich jetzt auch wieder am Anfang des 21. Jahrhunderts, wenn wir an die moderne Hirnforschung denken. Diese stellt Konzepte wie die Menschenwürde und Selbstbestimmung in Frage, beispielsweise Autonomie des Einzelnen, Schuld, Verantwortung, freie Willensentschließung usw. Scherzberg: Es war in den Referaten relativ viel von dem Schutz der Wissenschaft und von den Rechten der Wissenschaft die Rede, aber weniger von dem Schutz vor der Wissenschaft. Bei Herrn Schulte, wenn ich

Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit

219

das richtig gehört habe, gar nicht und bei Herrn Ruffert in These 26 an einer Stelle. Aber Wissenschaft unterscheidet sich doch von der Kunst vor allem dadurch, dass sie nicht nur einfach existiert und wirkt, so wie dieser Raum hier auf uns wirkt, sondern dadurch, dass sie potentiell Folgen zeitigt, nicht nur für das Denken sondern auch für die materielle Welt. Zugespitzt gesagt: Auch die Atombombe, sei es in wohlmeinenden, sei es in böswilligen Händen, ist ein Ergebnis wissenschaftlicher Forschung. Und auch das Apfelbäumchen von Herrn Schulte muss, wenn es gentechnisch behandelt ist, nicht unbedingt mehr Äpfel werfen. Entweder es wirft gar nicht mehr oder vielleicht sind es Birnpfel. Die Frage, die ich stellen möchte, ist also die nach der Realisierung der Verantwortung der Wissenschaft und diese Frage hat für mich drei Aspekte. Zum einen: Hat die Wissenschaft überhaupt eine rechtlich relevante Verantwortung oder hat vielleicht nur der Staat eine Verantwortung für ihre Regulierung? Zweitens, wie weit trägt die Idee der Selbstregulierung? Reichen hier Ethikräte? Gibt es sonstige prozedurale Verpflichtungen des Staates, etwa zur Begründung einer Pflicht zur Folgenerforschung oder sogar eine Pflicht, bestimmte Ergebnisse nicht zu veröffentlichen, weil sie eben in falschen Händen inakzeptable Folgen haben könnte? Und die dritte Frage: Wie weit ist die Wissenschaft bei derartigen Regulierungsmöglichkeiten denn privilegiert gegenüber der Risikobegründung aus anderen, z. B. ökonomischen, Kontexten? Kann man etwa aus Artikel 5 Absatz 3 eine verfassungsrechtliche Vorentscheidung dafür entnehmen, im Zweifel zugunsten des Erkenntnisgewinns durch Wissenschaft zu entscheiden? Bullinger: Ich habe mit großer Anerkennung gehört, wie Sie, Herr Schulte, und Sie, Herr Ruffert, in einer jeweils ganz anderen Weise ein Hauptproblem angeschnitten haben, das gerade auch Herr Scherzberg aufgegriffen hat: Die Verantwortung der Wissenschaft vor der Gesellschaft und vor den Menschen. Um Ihnen das Problem noch etwas deutlicher zu zeigen, gehe ich von der Rechtswissenschaft, wo Fragen im wesentlichen ganz unschädlich erforscht werden können, zu den Naturwissenschaften und hier zur Biotechnologie über. Dort bahnt sich etwa folgendes an. Man erforscht die Zelle, deren Lebensmöglichkeiten, deren Tod und die dahin führenden Steuerungsvorgänge und gibt damit der pharmazeutischen Industrie auf Dauer die Möglichkeit, diesen Vorgang umzusteuern und das Absterben der Zelle zu vermeiden. Diese Entwicklung ist weltweit in vollem Gange, überall werden Millionen und Milliarden investiert. Ist das nicht ein Ergebnis, dessen erschreckende Folgen man sich noch überlegen muss, um sich zu fragen: Genügt ein Ethikrat, genügt eine gewisse Selbstregulierung, oder muss man

220

Aussprache

in anderer Weise weltweit gemeinsame Maßnahmen ergreifen, um diese Forschung davor zu bewahren, zur Geißel der Menschheit zu werden? Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Bullinger. Jetzt habe ich Herrn Engel, der fragt, ob durch das Instrument des Grundrechtschutzes durch Organisation und Verfahren die Systemtheorie normativiert werden soll. Engel: Sie haben es schon vorweg genommen. Ich fange trotzdem mit der Einleitung an, die ich mir ausgedacht hatte. Dieses ist eine Versuchung, sprach der Monsignore und erlag ihr. Nach meiner Wahrnehmung ist Herr Schulte vorhin in den Habit des Monsignore geschlüpft. Dafür habe ich unter rheinischen Katholiken erhebliche Sympathie, frage mich aber, ob das wirklich der Weg zum wissenschaftlichen Fortschritt ist. Herr Schulte, Sie werden sonst nicht müde, darauf zu beharren, dass die Systemtheorie eine Beobachtungstheorie ist. Vorher haben Sie dagegen aus einer systemtheoretischen Einsicht eine normative Vorgabe gemacht, indem Sie sie eingefügt haben in den Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren und daraus dann abgeleitet haben, die Wissenschaft müsse in einer Weise organisiert sein, die ihre Autopoiesis schützt. Wenn man das an dieser einen Stelle so macht, müsste man es auch sonst so machen. Man müsste also aus der Religionsfreiheit schließen, dass das für die meisten Kirchen prägende hierarchische Prinzip von der Verfassung geschützt ist. Der Papst wäre verfassungsfest. Und man müsste über die Berufs- und Eigentumsfreiheit den für das Wirtschaften typischen Koordinationsmechanismus mit verfassungsrechtlichem Schutz versehen. Wir hätten dann plötzlich doch, worüber im Mitbestimmungsurteil alle so heftig gerungen haben, nämlich eine Wirtschaftsverfassung. Dem hätten Sie jetzt mit Gebotsrang eine Wissenschaftsverfassung zur Seite gestellt. In diesem Punkt möchte ich zugleich auch Herrn Ruffert widersprechen. Er hat sich mit dem systemtheoretischen Vokabular zwar zurückgehalten. Aber in These 12 sagt auch er, es folge aus der Verfassung, dass die Dinge gerade in dieser Weise organisiert sein müssen. Ich habe daran zunächst Zweifel, weil Sie beide für mich völlig überzeugend gesagt haben, auch Industrieforschung sei mit geschützt. Dort finden wir aber einen völligen anderen organisatorischen Rahmen. Wie passt das zusammen? Und mir scheint, dass Sie auf diese Weise die Wissenschaftsfreiheit auf den Kopf stellen. Ein Schuh wird daraus, wenn man umgekehrt abwehrrechtlich anfängt und konstatiert, dass wir Wissenschaftler entgegen den Sonntagsreden natürlich an allen Ecken und Enden Versuchungen ausgesetzt sind, uns von außen die Fragestellungen vorgeben zu lassen, und die Art, wie wir auf diese Fragen Antworten ge-

Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit

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ben. Eigentlich müssten wir deshalb sagen, da hat der Staat eine Schutzpflicht. Dem können wir aber entgegensetzen, dass die Zumutungen und Versuchungen verfassungsrechtlich akzeptabel werden, wenn sie in einem Rahmen geschehen, der organisatorisch und verfahrensmäßig wissenschaftsadäquat ist. Hammer (Wien): Beide Referenten haben den individualrechtlichen Ausgangspunkt ins Zentrum ihrer Ausführungen gestellt. Wenn man dies im Sinne unseres Beratungsgegenstandes als Grund der Wissenschaftsfreiheit, als Fundament der ganzen dogmatischen Konstruktion der Wissenschaftsfreiheit nimmt, so habe ich in der Tat Zweifel, ob sich aus dieser individualrechtlichen Fundierung die ganzen institutionellen Differenzierungen, die der staatlichen Schutzpflicht für das Grundrecht zugeordnet werden, wirklich begründen lassen. Vor allem Herr Ruffert hat ja hier schön differenziert zwischen Industrieforschung, Ressortforschung und Forschung an wissenschaftlichen Institutionen und hat als Grund für den besonderen Schutz an letzteren eben deren wissenschaftliche Zweckwidmung genommen. Meines Erachtens lässt sich das schwer mit einem rein individualrechtlichen Ansatz begründen, wenn man nicht zugleich auf derselben Begründungsebene mitbedenkt, dass eine grundrechtliche Garantie eben auch für die wissenschaftliche Zweckwidmung bestimmter Institutionen besteht. Das müssen jetzt nicht grundrechtliche fixierte Institutionen sein, aber aus dem Schutzanspruch, aus der staatlichen Schutzpflicht für die Wissenschaft muss es eine Gewährleistungspflicht für die Existenz solcher Institutionen geben. Ich würde sogar soweit gehen zu zweifeln, ob sich überhaupt die Freiheit des Forschers von einem inhaltlichen Diktat, soweit er nämlich an einer staatlichen Institution angestellt ist, aus einem allgemeinen individuellen Abwehrrecht ergeben kann. Wäre er dann nicht automatisch gleichgeordnet einem Ressortforscher, der einen zeitlich und inhaltlich begrenzten wissenschaftlichen Auftrag durchzuführen hat, der ihm auch jederzeit wieder entzogen werden kann. Ich finde deshalb, dass diese institutionelle Begründungsdimension nicht irrelevant ist, gerade auch wenn man sich über die grundrechtlichen Differenzierungen weitgehend einig ist, die auch in den Referaten, vor allem von Herrn Ruffert, so schön auseinandergesetzt worden sind. Das zeigt nämlich das österreichische Beispiel, wo der Verfassungsgerichtshof in den 70er Jahren mit jenem berühmt-berüchtigten Urteil zum damaligen Universitätsorganisationsgesetz sich auf eine rein individualrechtliche Konzeption der Wissenschaftsfreiheit zurückgezogen hat und damit bis heute eigentlich ein Vakuum hinterlassen hat, das genau jene Anforderungen, die auch Herr Ruffert an eine grundrechtliche Durchdringung des Wissenschaftsorga-

222

Aussprache

nisationsrechts gestellt hat, fast brach liegen hat lassen, bis heute. Ich glaube also, dass etwas dran ist an der alten These von Roellecke, dass Wissenschaftsfreiheit eigentlich begriffen werden muss als Meinungsfreiheit der in staatlichen Organisationen tätigen Wissenschaftler. Bleibend daran ist eigentlich die Einsicht, dass es sich dabei um ein institutionell begründetes Funktionsgrundrecht handeln muss, was ja in weiterer Folge in der Lehre von der Wissenschaftsfreiheit als Funktionsgrundrecht auch entfaltet worden ist. Breuer: Beide Referenten haben einen Standpunkt eingenommen, der die Wissenschaftsfreiheit sehr stark individualrechtlich aufzieht. Bei Herrn Schulte war dies sehr apodiktisch formuliert, bei Herrn Ruffert etwas differenzierter. Ich fühle mich dadurch herausgefordert; denn so richtig es ist, dass die Wissenschaftsfreiheit seit den Zeiten des 19. Jahrhunderts entfesselt worden ist unter dem allgemeinen Vorzeichen der individuellen Freiheit, müssen wir doch sehen, dass die kritische Zone erreicht wird, sobald der Wissenschaftler in die Rechte oder die Rechtsgüter anderer eingreift. Der Geisteswissenschaftler gerät selten in diese Gefahr, und da wir Rechtswissenschaftler uns zu den Geisteswissenschaftlern rechnen, ist wahrscheinlich das hohe Lied der individuellen wissenschaftlichen Freiheit hier so unverhohlen angestimmt worden. Aber wie ist es denn bei den Naturwissenschaften? Wie ist es in der Medizin? Wie ist es im Bereich der medizinischen Forschung, der Biotechnologie und der Gentechnik, und wie ist es beim Klonen am Menschen oder bei anderen Lebewesen? Hier stellt sich doch grundrechtsdogmatisch zumindest die Frage, ob der Wissenschaftler sich noch im Schutzbereich oder Tatbestand des Artikels 5 Absatz 3 Satz 1 bewegt oder ob er nicht in den Schutzbereich anderer Grundrechte übergreift, also in die Rechte oder Rechtsgüter anderer. Die Extremthese, die ich formulieren möchte, lautet: Sobald der Wissenschaftler in Rechte oder Rechtsgüter anderer eingreift oder darauf zugreift, bewegt er sich nicht mehr im Schutzbereich des Artikels 5 Absatz 3. Wenn man nicht ganz so weit geht, könnte man sagen, es gebe eine Überschneidungszone zwischen der Wissenschaftsfreiheit und den Rechten oder Rechtsgütern anderer, die ihrerseits grundrechtlich geschützt sind. Insofern sind meines Erachtens doch erhebliche Mahnzeichen angebracht angesichts der rein individuellen Lehre der Wissenschaftsfreiheit. Damit verbinden möchte ich die Frage, ob es wahr ist, dass der Gesetzesvorbehalt hier keine Rolle spielt. Denn wenn Grundrechtsgüter miteinander kollidieren und die Rechtsbetroffenen keine Sicherheit mehr haben, wie sie sich verhalten sollen, dann ist meines Erachtens in der parlamentarischen Demokratie der Gesetzesvorbehalt einschlägig. Er sollte nicht überzogen wer-

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den, wie es bisweilen in der älteren Judikatur anklang. Aber ohne eine gesetzliche Regelung diese Konflikte durchstehen zu wollen, schiene mir als Forderung der Wissenschaftsfreiheit doch zu weit zu gehen. Am Ende stelle ich noch eine Frage, die sich auf die Schranken der Wissenschaftsfreiheit bezieht, und hier wende ich mich an die eigene Zunft. Der Artikel 5 Absatz 3 Satz 2 mit seinem Treuevorbehalt sollte wenigstens eines Wortes der Erläuterung wert sein: Wie halten wir es damit? Was verlangt eigentlich die Treue zur Verfassung vom Geisteswissenschaftler, insbesondere vom Rechtswissenschaftler? Ein klärendes Wort an dieser Stelle könnte nützlich sein, und auch damit möchte ich beide Referenten ansprechen. Grimm: Man kann den Sinn einer grundrechtlichen Freiheit nicht bestimmen, ohne Rücksicht zu nehmen auf die Verwirklichungsbedingungen. Das Ziel der Wissenschaftsfreiheit bleibt zwar gleich. Es ist von beiden Referenten als Autonomie angegeben worden, verstanden als die Möglichkeit, sich ausschließlich an wissenschaftlichen Kriterien zu orientieren und nicht den Kriterien anderer Funktionssysteme unterworfen zu sein, dies bezogen auf den einzelnen Forscher wie auf die Institutionen, in denen Wissenschaft betrieben wird. Aber die Bedingungen verändern sich. Ich fand es besonders verdienstvoll, dass beide Referenten auf den Wandel der Bedingungen, unter denen Wissenschaftler operieren, ausführlich eingegangen sind. Herr Schulte, um nur dieses Beispiel zu nehmen, macht eine Trias von Gefahrenquellen aus: Politik, Wirtschaft und Moral. Alle drei stellen externe Gefahren dar, und die Gefahrenabwehr sieht er im Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren: Initiierung wissenschaftlicher Selbststeuerung mit Hilfe gesetzlicher Anregung. Er antwortet also auf eine externe Gefahr mit einer internen Lösung. Die Frage, die ich mir stelle, lautet, ob damit den Bedingungen ausreichend Rechnung getragen ist. Sind das die einzigen Gefahren, die der Autonomie der Wissenschaft drohen? Oder kommen nicht aus der Wissenschaft selbst ebenfalls Gefahren für die Autonomie? Dabei denke ich nicht an den pathologischen Fall von Fälschung oder wissenschaftlichem Fehlverhalten, sondern an den sich mehrenden Fall des Autonomieverkaufs durch Wissenschaftler selbst, teilweise durch einzelne Forscher, indem sie sich auf Publikationsverbote einlassen oder, wie man hört, in ihrem Hörsaal Reklame dulden, um als Gegenleistung kostenloses Material für Prüfexperimente zu bekommen; teilweise aber auch durch die Institutionen der Wissenschaft und ihre Leitungen, etwa dann, wenn sie ihre Forscher aus finanziellen Gründen dazu anhalten, sich an den Operationskriterien der Wirtschaft zu orientieren. Das sind Gefahren, die der Wissenschaftsfreiheit von innen dro-

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hen. Folglich kann man ihnen mit einem Rezept, das auf externe Gefahren reagiert, nicht begegnen. Vielmehr muss man dann die Autonomie der Wissenschaft gegenüber den Wissenschaftlern oder wissenschaftlichen Institutionen verteidigen, die sie freiwillig preisgeben. Das geht allerdings wiederum nur extern, es geht nur mit Hilfe des Gesetzgebers, der die Autonomie gegenüber den autonomiemissachtenden Wissenschaftlern schützt. Dazu verpflichtet ihn Artikel 5 Absatz 3, wenn Autonomie das Ziel dieses Grundrechts ist. Eine Gefahr, dann mit dem vorbehaltlos gewährleisteten Artikel 5 Absatz 3 in Konflikt zu kommen, sehe ich nicht, denn es handelt sich ja um einen grundrechtsinternen Konflikt, der innerhalb von 5 Absatz 3 – individuelle Seite gegenüber objektivrechtlicher Seite – ausgefochten werden muss. Hailbronner: Meine Bemerkung geht eigentlich auf die dogmatische Konstruktion der Wissenschaftsfreiheit. Beginnen möchte ich aber mit der These 17, die Herr Ruffert aufgestellt hat, und das Stichwort Ressortforschung als Anhaltspunkt aufnehmen. Ich komme gerade von der Evaluation eines Ressortforschungsinstituts durch den Wissenschaftsrat. Ressortforschung ist übrigens ein finanzieller Bereich, der größer ist als die Max-Planck-Institute und Fraunhofer-Institute zusammengenommen. Der Wissenschaftsrat hat gerade beschlossen, diese Institute zu evaluieren. Das militärgeschichtliche Forschungsamt erledigt seine Forschungsaufgaben auf der Grundlage einer „Forschungsweisung“ des Bundesministers für Verteidigung. Seit 30 Jahren wird hier wissenschaftliche Forschung betrieben. Auch das ist Forschung. Und von daher meine Frage an Sie, Herr Ruffert: Wenn ich mir die These 17 anschaue, so beginnt das damit, dass Ressortforschung nicht grundrechtlich geschützt ist. Dann kommt die nächste These: privatwirtschaftliche Forschung, die soll geschützt sein, auch der individuelle Arbeitnehmer, der also z. B. bei Siemens arbeitet, soll bezüglich seiner Tätigkeit der Wissenschaftsfreiheit unterliegen, und da frage ich mich: Bekommen wir eigentlich mit dieser grunddogmatischen Konstruktion, die offenbar – wenn ich es richtig verstehe – beiden Referenten zugrunde liegt, nämlich der Idee einer einheitlichen Wissenschaftsfreiheit die Komplexität und Vielfalt der Forschung, die sich in der Bundesrepublik Deutschland abspielt, wirklich in den Griff, grundrechtlich und verfassungsrechtlich? Und ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, doch noch mal die Frage aufzuwerfen, ob eigentlich die These einer einheitlichen Wissenschaftsfreiheit richtig ist. Das Grundgesetz spricht ja selbst nicht nur von Freiheit der Wissenschaft, sondern auch von Forschung und Lehre und ich frage mich, oder ob man nicht doch gewisse Differenzierung machen muss. Ich gestehe gern zu, dass ich vor ca. 30 Jahren auch einmal versucht

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habe, ziemlich erfolglos, die These einer Trennung zwischen einer allgemeinen Wissenschaftsfreiheit und einer spezifischen Freiheit von Forschung und Lehre sozusagen für den Hochschulbereich oder für den Wissenschaftsbereich, wo Wissenschaft als Amt übertragen wird, in die verfassungsrechtliche Diskussion einzuführen und ich will auch das gar nicht perpetuieren, aber ich denke doch, dass man sich die Frage stellen muss, ist nicht doch ein Unterschied zu machen zwischen der allgemeinen Wissenschaftsfreiheit und die Freiheit von Forschung und Lehre. So habe ich zum Beispiel Zweifel, ob man wirklich sagen kann: „wenden wir doch die gleichen Prinzipien an für die staatliche Forschung wie für den Siemens-Forscher“. Hinsichtlich der Wissenschaftsfreiheit hätte ich gar keine Bedenken, dass diese auch für Siemens anwendbar ist, aber wenn ein Arbeitnehmer in einem Siemens-Forschungsinstitut forscht, dann forscht er eben nach den Regeln von Siemens. Aber gilt das auch und können wir insoweit im Prinzip die gleichen Grundsätze anwenden für den, dem die freie Forschung in der Hochschule als Ort der wissenschaftlichen Forschung und Lehre übertragen ist, und muss man nicht auch nicht zwischen Ressortforschung und Hochschulforschung differenzieren? Welche Regeln gelten hier? Ist das mit Ihren Thesen adäquat erfasst? Ich sehe da einen gewissen Widerspruch und Ihre Lösung überzeugt mich nicht ganz. Streinz: Ich möchte mit Anmerkungen und Fragen anknüpfen an die Thesen 20 und 29 von Herrn Ruffert. Das betrifft die wissenschaftsinterne Bewertung und die politische Entscheidung. Zunächst zur These 20. Es ist natürlich richtig, dass Finanzierung durch den Staat oder durch vom Staat geförderte oder finanzierte Einrichtungen und „durch den Staat“, das heißt: durch den Steuerzahler, auf wissenschaftsinterne Bewertungen angewiesen ist. Aber das Problem ist deren Organisation. Wenn man sich die Frage stellt, was viele fundamentale Erfindungen und Entdeckungen gemeinsam haben, dann wäre wohl die Antwort, dass diese von der DFG oder ähnlichen Einrichtungen nicht gefördert worden wären. Im letzten Heft von „Forschung und Lehre“ war ein effektiver Absagebrief an Albert Einstein enthalten, weil er die damaligen Kriterien der Forschungsförderung nicht erfüllt haben soll. Nun es ist ja so, dass das zum Teil mit dem Problem zusammenhängt, das wohl nicht lösbar ist, denn viele dieser Entdeckungen beruhten auf Zufall oder Schlamperei und ich sehe ein, dass man so etwas nicht systematisch fördern kann. Ein Problem ist aber in dem Zusammenhang, und das ist das Problem der Bewertungskartelle, also die „Gutachteritis“. Oder anders: „hier ist ein Antrag, den unterstützen wir, und das nächste Mal wird unser Antrag auch gefördert. Das ist ja etwas, das im Hochschulrecht jetzt auch

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in unserem Bereich durch Zitierkartelle gefördert wird. Wie kann man dem entgegensteuern und wie kann sichergestellt werden, dass auch alternative und ungewöhnliche Dinge gefördert werden? Meine zweite Frage zu These 29. Da sagen Sie, Herr Ruffert, völlig richtig, dass die Grenzen der Forschungsfreiheit bei der Embryonenforschung normativ in einem organisatorisch prozeduralen Rahmen zu bestimmen sind und wir nennen natürlich die Frage nach dem Lebensbeginn. Also, wer soll den Lebensbeginn bestimmen? Sollen das die Wissenschaftler selber sein, die werden ihn so festlegen, so die jeweiligen Wissenschaftler, wie sie ihn gerade brauchen. Das kann es wohl nicht sein. Also ist es letztlich bei der Politik, die wird’s vielleicht auch so tun, das ist auch dort nicht ausgeschlossen, aber dort habe ich dann die demokratische Verantwortlichkeit. Meines Erachtens kann dann die Aufgabe der wissenschaftlichen Gremien von Ethikräten etc. nur beratend sein für den Entscheider, der selbst entscheiden muss. Wichtig ist also die Trennung zwischen der Bewertung und der Entscheidung, wie wir das ja auch im Technikrecht haben, durch die Trennung von risk management und risk assessment. Eine andere Frage ist auch dann noch, ob es darüber hinaus unübersteigbare Schranken für den Gesetzgeber und für den Verfassungsgeber selbst gibt, wie wir ja auch Art. 79 Abs. 3 GG haben, und wer diese Grenzen dann festlegen soll. Aber hier kommen wir wohl an Grenzen der Leistungsfähigkeit des Verfassungsrechts. Grenzen, wie sie sich auch heute Vormittag bei der normativen Kraft der Verfassung im Bereich der Kultur zeigten. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Streinz. Wir wären damit schon mit dem zweiten Gliederungspunkt am Ende und würden den dritten eröffnen mit Herrn Häberle, der eine Bemerkung zu Wissenschaft und Politik machen möchte. Häberle: Verehrte Kolleginnen und Kollegen. Der dritte Teil unserer Aussprache ist oft der „Lumpensammler-Teil“: in ihm kann man allerhand Wichtiges oder Unwichtiges, Listiges oder Böses unterbringen, und ich werde heute etwas Böses zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik aus aktuellem Anlass beitragen. Positiv möchte ich vorweg sagen: Die beiden Referate waren, wie schon erwähnt, nicht kontrastreich sondern komplementär. Sie haben die Mehrdimensionalität des Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz eindrucksvoll von der individualrechtlichen über die objektivrechtliche, leistungsrechtliche und prozessuale Seite hin entfaltet, und dafür bin ich besonders dankbar. Hier noch einige Klassikertexte zur letzten, tiefsten Begründung der Wissenschaftsfreiheit, über die wir Wissenschaftler allein urteilen sollten. Dies ist gewiss ganz altmo-

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disch. Erster Klassikertext: Aus dem Mittelalter stammt die schöne Sentenz, die Wissenschaft sei „donum dei“, die nicht für Geld zu haben und wegzugeben sei. Zweiter Klassikertext, von Goethe, der als Frankfurter hier zitiert werden sollte: „Wer Wissenschaft und Kunst hat, hat Religion. Wer diese beiden nicht hat, habe Religion.“ Einer der fruchtbarsten Sätze, weil wir damit auch die menschenrechtliche Verwurzelung, um welche die beiden Referenten gerungen haben, in der Tiefe begründet sehen. Nicht nur die Religionsfreiheit besitzt diesen tiefen Urgrund sondern die Trias dieser drei kulturellen Ur-Freiheiten insgesamt. Wissenschaft, Religion und Kunst sind so in einzigartiger Weise zusammengebunden. Nun zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik ein scharfes Wort aus aktuellem Anlass. Die Referenten haben wissenschaftlich vortrefflich das spannungsreiche, aber auch kooperative Verhältnis beider Bereiche geschildert. Aber ich war bestürzt angesichts eines Vorgangs, der sich in den letzten zwei Wochen vor den Bundestagswahlen im September 2005 zugetragen hat. Was ist geschehen? Ein hochangesehenes Mitglied unserer Vereinigung, eine wissenschaftlich tief ausgewiesene Persönlichkeit, wurde als „der Professor aus Heidelberg“ denunziert. Von wem? Von einem Rechtsanwalt aus Hannover, der noch als Kanzler amtiert, von Herrn Schröder. Fehling: Meine Frage zielt in gewisser Anknüpfung an Herrn Engel und auch ein wenig an Herrn Hailbronner noch einmal auf die Industrieforschung. Beide Referenten haben ja sehr betont, dass wir heute die Wissenschaftsfreiheit nicht mehr vorrangig von der Hochschule und der Hochschulforschung her denken können. Dazu die Frage: Wie können wir die Industrieforschung dogmatisch bewältigen? Ich habe den Eindruck, dass die Kategorien Autonomie und Eigengesetzlichkeit, die in den Referaten in den Vordergrund gerückt wurden, hier nur bedingt passen. An die Stelle individueller Freiheit tritt verstärkt die arbeitsrechtliche Abhängigkeit, statt staatlicher Sicherung von Rahmenbedingungen der Kreativität dominieren Marktprozesse. Vor allem: Statt offenem Informationsaustausch findet letztendlich eine mehr oder minder abgeschottete wirtschaftliche Verwertung von Forschungsergebnissen statt. Ich sehe eigentlich nur zwei Bewältigungsstrategien. Die erste Möglichkeit: Man stellt weiterhin sehr hohe Anforderungen an die Wissenschaftsfreiheit und den Wissenschaftsbegriff, wie das idealisierend auch hier geschah. Dies hätte jedoch zur Konsequenz, dass, wenn die geforderte Autonomie nicht gegeben ist, die Betätigung aus Artikel 5 Absatz 3 hinausfiele und nur noch die wirtschaftlichen Grundrechte einschlägig wären. Eine solche Lösung würde der hohen praktischen Be-

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deutung der Industrieforschung für den wissenschaftlichen Fortschritt und auch dem Schutzbedarf kaum gerecht. Dann bliebe wohl nur folgende zweite Möglichkeit: Man fordert gewisse rechtliche Grundsicherungen für ein Mindestmaß an wissenschaftlicher Autonomie auch in der Industrieforschung. Dies ließe sich dogmatisch konstruieren, indem wir die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auch für die Wissenschaftsfreiheit noch stärker entfalten und überlegen, inwieweit wir Ausstrahlungswirkungen der Wissenschaftsfreiheit auf das Arbeitsrecht, aber vielleicht auch auf das Patentrecht mobilisieren müssen. Ähnliches ließe sich für die Kooperation von Staat und Wirtschaft in „public-private-partnerships“ im wissenschaftlichen Bereich erwägen. Mich würde interessieren, was die Referenten davon halten. Eine letzte Frage in diesem Zusammenhang: Inwieweit ändert sich die Beurteilung, wenn wir aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive heraus einen wesentlichen Zweck der Wissenschaftsfreiheit in der Innovationsförderung erblicken? Ist dann noch der Schutz des einzelnen Wissenschaftlers das Entscheidende oder sollte der Schutz der Industrieforschung unter diesem Gesichtpunkt doch stärker beim Unternehmen konzentriert werden? Welches Verständnis der Wissenschaftsfreiheit ist erforderlich, um auch für die Industrieforschung möglichst innovationsfreundliche rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen? Hillgruber: Herr Ruffert, ich habe mit Ihren Thesen 29 bis 31 erhebliche Probleme und darf dabei an die Ausführungen der Kollegen Breuer und Streinz anknüpfen. Mir scheint gerade dieser von Ihnen erwähnte Fall zu zeigen, dass und wo das organisatorisch – prozedurale Grundrechtsdenken an seine Grenzen stößt. Auch auf die Gefahr hin, hier sozusagen als Stellungskrieger stigmatisiert zu werden: Der Frage, ob der menschliche Embryo grundrechtlichen Lebensschutz genießt und Träger der Menschenwürde ist, können Sie schlicht und einfach nicht ausweichen. Wenn es so sein sollte, dann stößt die Forschungsfreiheit hier an absolute Grenzen. Sollte es sich anders verhalten, haben Sie sogar Schwierigkeiten, Einschränkungen der Forschungsfreiheit überhaupt zu legitimieren. Aber dieser Frage kann der Staat nicht ausweichen, kann die staatliche Rechtsordnung nicht ausweichen. Ich finde auch ihre Etikettierung, das als wissenschaftsethische Fragestellung zu bezeichnen, schon ein Stück weit verzerrend. Wenn es allein eine wissenschaftsethische Frage wäre, könnte man sie wohl der wissenschaftlichen Selbstverantwortung überlassen. Hier wäre Platz für Selbstregulierung. Wenn es dagegen und ich glaube, das hat ja Herr Breuer sehr nachdrücklich betont und wie ich finde völlig mit Recht, wenn es – um die Formulierung des Verfassungsgerichts im zweiten Abtreibungsurteil zu zitieren – um

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das Einwirken des Einen auf den Anderen geht, wenn es um Eingriffe in Rechte und Rechtsgüter Anderer geht, kann man das schlechterdings nicht der Selbstregulierung überlassen. Herr Streinz hat mit Recht darauf hingewiesen, wie eine solche „Selbstregulierung“ ausfallen würde. Hier stößt nach meiner Einschätzung eben das organisatorisch-prozedurale Grundrechtsdenken an eine Grenze. Ich möchte auch gern noch einmal den Gedanken kurz aufgreifen, den Herr Breuer mit dem Stichwort „Tatbestandslösung“ eingeführt hat. Ich glaube in der Tat, genau wie er, dass Forschungsfreiheit verstanden als Autonomie und Selbstbestimmung, vom Schutzbereich her von vornherein nicht den Zugriff auf Rechte Anderer und Rechtsgüter Anderer umschließt. Nehmen Sie das Beispiel des geborenen Menschen, bei dem wir uns ja auf einem relativ sicheren Terrain bewegen. Wenn ich an einer Krankheit, beispielsweise an Alzheimer leiden würde und ein medizinischer Forscher, der sich der Erforschung der Alzheimerkrankheit zuwenden will, mich zu seinem Forschungsobjekt machen wollte, dann wäre ganz offensichtlich, dass ich dafür nicht zur Verfügung stehen muss und dass die Forschungsfreiheit sich von vornherein nicht darauf erstreckt. Der Staat muss nicht rechtfertigen, dass ich diesem Forscher nicht zur Verfügung stehe und ich muss mich auch nicht rechtfertigen, sondern umgekehrt, der Zugriff müsste staatlicherseits gerechtfertigt werden, und zwar vor meinen Grundrechten. Das Beispiel des geborenen Menschen zeigt es: Die Einwilligung, die ich erteile, eröffnet hier erst den Freiheitsraum des Forschers. Ohne diese Einwilligung könnte er allein unter Berufung auf seine Autonomie auf mich nicht zugreifen; sonst mutiert Selbstbestimmung in Fremdbestimmung über andere. Mußgnug: Herr Ruffert hat am Ende seines Referats die Forschung an Einwilligungsunfähigen und den Tierversuch angesprochen. Daran möchte ich anknüpfen. Denn der Vergleich von beidem verdeutlicht besonders anschaulich, wie die anderen verfassungsrechtlich verankerten Rechtspositionen der Forschungsfreiheit Schranken ziehen, und wie umgekehrt aber auch die Forschungsfreiheit der Entfaltung des übrigen Verfassungsrechts Grenzen setzt. Beim Tierversuch schlägt zu Buch, dass das Grundgesetz den Tierschutz in seinem Art. 20 a GG lediglich als Staatsaufgabe anerkennt, ihn aber bewusst nicht zur institutionellen Garantie und erst recht nicht zum Grund- und Individualrecht aufstuft. Art. 20 a GG hat den in der Natur der Sache begründeten Unterschied zwischen den Tier- und den Menschenrechten daher keineswegs eingeebnet; die Tierschützer sind nicht die Adressaten dieser Verfassungsnorm. Die Staatsaufgabe Tierschutz

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steht also nicht etwa ranggleich neben dem Grundrecht der Forschungsfreiheit; sie steht ihm um einiges nach. Aus diesem Grunde kann der Tierschutz die Forschungsfreiheit, dort wo sie ihm – wie beim Tierversuch – im Weg zu stehen scheint, nicht einfach beiseite schieben; er muss ihr im Gegenteil Rechung tragen. Darin gleicht das Spannungsverhältnis zwischen dem Tierschutz und der Forschungsfreiheit aufs Haar dem, zu dem Art. 1 Abs. 3 GG sämtliche Staatsaufgaben und sämtliche Grundrechte miteinander zusammenspannt. Haben alle verfassungsrechtlich anerkannten Staatsaufgaben die Grundrechte zu respektieren, so kann für den Tierschutz, die derzeit jüngste und nicht gerade die allerwichtigste, schwerlich eine Ausnahme gelten; was den Staatsaufgaben Gesetzgebung, Regierung, Verwaltung recht ist, hat vielmehr der Staatsaufgabe Tierschutz billig zu sein. Daraus folgt: Am Anfang einer jeden juristischen Befassung mit dem Tierversuch hat als von Art. 5 Abs. 3 GG und m. E. auch von Art. 19 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich abgesicherter Leitsatz zu stehen „Der Tierversuch ist grundsätzlich erlaubt“. Um das unnütze, unverhältnismäßige oder dilettantische Herumexperimentieren mit Tieren zu unterbinden, bedarf der Tierversuch selbstverständlich der staatlichen Kontrolle und zwar einer strengen Kontrolle, die ihr Ziel nicht nur vortäuscht, sondern es auch erreicht. Aber das ändert nichts daran, dass Art. 20 a GG den Staat nur zur Überwachung der Tierversuche verpflichtet. Ein Verbot des Tierversuchs rechtfertigt er nicht. Ein Verbot liefe der Freiheit der auf Tierversuche angewiesenen Forschung konträr zuwider; es höbe sie aus den Angeln. In der Sprache des klassischen Verwaltungsrechts heißt das: Der Tierversuch untersteht einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Wenn gegen ihn nichts einzuwenden ist, so ist er zu erlauben. Für Ermessensentscheidungen, wie sie das Verbot mit Befreiungsvorbehalt vorsieht, besteht kein Raum. Auf die Erlaubnis steht dem Forscher ein einklagbarer Rechtsanspruch zu. Daran ist auch und vor allem für den Fall des non liquet festzuhalten. Es gilt nicht der Grundsatz „in dubio pro animale“; es gilt das rechtsstaatliche Fundamentalprinzip „in dubio pro libertate“. Ganz anders beim Versuch am Einwilligungsunfähigen: Einwilligungsunfähige stehen für die Forschung grundsätzlich nicht zur Verfügung. Herr Hillgruber hat das bereits hervorgehoben. Forschung am Menschen setzt voraus, dass der von ihr in Anspruch Genommene ausdrücklich und unmissverständlich in sie einwilligt. Seine Einwilligung muß auf einem „informed consent“ beruhen, so sagt es die Fachsprache. Wer sich als Proband oder Patient für die Forschung zur Verfügung stellt, muss lückenlos erfahren und begriffen haben, worauf er sich ein-

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läßt. Ein solcher „informed consent“ ist beim Säugling und beim Kleinkind, beim Dementen, beim bewusstlosen Unfallopfer, beim Patienten mit einem akuten Schlaganfall und bei anderen mehr nicht zu erreichen. Deshalb scheiden medizinische und naturwissenschaftliche Versuche an diesen Patienten grundsätzlich aus. Sie verstießen gegen die Menschenwürde, gegen das Selbstbestimmungsrecht und in aller Regel auch gegen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Ein gänzlicher Verzicht auf den Versuch am Einwilligungsunfähigen liefe freilich auf ein Verbot der pädiatrischen Forschung hinaus und behinderte die geriatrische, psychiatrische, die Schlaganfallforschung und die Forschung auf vielen anderen wichtigen Gebieten der Medizin erheblich. Soll die Forschung auf diesen Gebieten nicht lahmgelegt werden, so führt daher am Rückgriff auch auf Einwilligungsunfähige kein Weg vorbei. Man kann den Versuch am Einwilligungsunfähigen auf die Fälle beschränken, in denen seine Notwendigkeit außer Zweifel steht. Aber man kann ihn nicht gänzlich verbieten. Aber hier steht Grundrecht gegen Grundrecht. Die Grundrechte des einwilligungsunfähigen Patienten dominieren; das Freiheitsrecht der Forschung tritt hinter ihnen ins zweite Glied zurück. Aber auch dort fordert die Forschungsfreiheit ihr Recht. Verspricht der Versuch am Einwilligungsunfähigen einen relevanten wissenschaftlichen Fortschritt, steht ihm der mutmaßliche Wille des Betroffenen nicht entgegen, und gehen mit ihm keine unvertretbaren Risken oder Belastungen einher, so kann er daher in Kauf genommen werden. Anders als beim Tierversuch, wo der Forschungsfreiheit nur eine Staatsaufgabe entgegensteht, fordern die mit der Forschungsfreiheit kollidierenden Grundrechte des einwilligungsunfähigen Menschen allerdings ein kategorisches „in dubio pro aegroto“, wie es zugunsten der Tiere gerade nicht gilt. Das läuft in der Sprache des allgemeinen Verwaltungsrechts auf ein Verbot mit einem Dispensationsvorbehalt hinaus, das der Forschungsfreiheit an wesentlich andere, strengere Maßstäbe bindet als das für den Tierversuch gültige Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Diesen Unterschied zwischen dem Tierversuch und dem Versuch am Einwilligungsunfähigen gilt es im Auge zu behalten. Die Unproportionalität, mit der der deutsche Gesetzgeber beides behandelt, lässt leider befürchten, dass er in Vergessenheit zu geraten droht. Wo der Tierversuch gesetzlich minutiös genau geregelt ist, der Versuch am Einwilligungsunfähigen aber nur im Zusammenhang mit der Arzneimittelzulassung und auch dort nur auf ausdrückliches Geheiß einer EG -Richtlinie Eingang in das Gesetzesrecht gefunden hat, entsteht allzu leicht der Eindruck, der Tierschutz sei ungleich wichtiger als der Menschenschutz.

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Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Mußgnug. Herr Ruffert hat jetzt gleich die Möglichkeit, das zurechtzurücken. Damit kommen wir zum Schlusswort. Ruffert: Ich möchte zu vier Punkten aus der Diskussion Stellung nehmen: zum Wissenschaftsbegriff, zur Verantwortung des Wissenschaftlers, zum Gesichtspunkt Organisation und zum Aspekt der Autonomie. Zunächst zum Wissenschaftsbegriff, mit dem Herr Morlok die Diskussion eröffnet hat. Ich begrüße sehr, dass Sie in Ihrem Diskussionsbeitrag auf die eigentliche Frage abstellen, die in der Tat in der Rolle der Industrieforschung besteht. Die Ausgrenzung nichtwissenschaftlicher Betätigung, die früher viel diskutiert wurde, ist nicht mehr unser herausragendes Problem, sondern die Abgrenzung wissenschaftliche/wirtschaftliche Betätigung. Ich finde keinen verfassungsrechtlich tragenden Grund, die Industrieforschung herauszunehmen. Auch die Frage von Publikationshindernissen, die unter anderem Herr Fehling angesprochen hat, scheint mir kein Gesichtspunkt zu sein, der gegen die Einbeziehung in den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit spricht, denn im Rahmen der Industrieforschung finden sich andere Mechanismen der Wertschätzung von Wissenschaft als das Publizieren und Diskutieren im Diskurs der Wissenschaftler. Die gegenteilige Annahme schiene mir in der Tat eine Überhöhung der Kriterien Mertons zu sein, die ja bekanntermaßen aus ganz anderem Grund formuliert worden sind, nämlich zur Abgrenzung von Wissenschaft und Nichtwissenschaft in Diktaturen, und nun zu pauschal auf die Frage der Wissenschaftsfreiheit für die Industrieforschung übertragen zu werden drohen. Die These ist seit langem im Raum – etwa Herr Blankenagel hat sie mit Nachdruck vertreten – dass es sich bei der Industrieforschung nicht um Wissenschaft im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GG handle. Ich möchte dem entgegentreten. Die Einbeziehung der Industrieforschung in die Wissenschaftsfreiheit bedingt dann allerdings Ausdifferenzierungen: – In der Tat ist es so, Herr Fehling was als mittelbare Drittwirkung bezeichnet wird, gehört in den organisationsrechtlichen Komplex zur Aufarbeitung der Wissenschaftsfreiheit. Ich bin nur, was die Grundrechtswirkung im Privatrecht betrifft, etwas „verbildet“ und habe die Frage gleich auf die abstrakte Ebene des Zusammenspiels von Abwehrrechten und Schutzpflichten gehoben. – Herr Hailbronner, es tut mir Leid, dass Ihre Differenzierung im Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 GG , die ein anderer Autor als Nutzung des semantischen Potentials des Grundrechts bezeichnet hat, bei mir ein wenig als Seitwärtsbewegung untergegangen ist. In der Tat ist es aber so, dass diese Idee, die, wenn ich es recht sehe, von Herrn Roellecke formuliert und dann von Ihnen ausgebaut wurde, so wenig Gefolgschaft gefunden hat,

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dass ich den Gedanken nicht weitergeführt habe, um nicht die ganze Diskussion umzudrehen. Angesichts dessen, was ich über die Industrieforschung gesagt habe, sehe ich auch nicht die Notwendigkeit für diesen Kraftakt; diskutabel bleibt die Idee natürlich weiterhin. – Zum Wissenschaftsbegriff noch Herr Dederer und der „market place of ideas“: Das lässt sich, denke ich, dem Aspekt der unsichtbaren Hand, wie ich es bezeichnet habe, durchaus zuordnen. Zweiter Punkt: Die Verantwortung des Wissenschaftlers angesichts eines – im Bewusstsein der Gefahren von Wissenschaft – ohne geschriebene Schranken niedergelegten Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit. Man mag sagen, der Parlamentarische Rat oder vorherige Gremien waren sich der Problematik nicht bewusst. Spätestens der EU -Grundrechtekonvent, 2000, musste sie aber kennen und hätte in irgendeiner Weise darauf reagieren müssen. Weil das unterblieben ist, stellt sich der grundrechtliche Befund doch eher so dar, dass die vorbehaltlose Wissenschaftsfreiheit auch als eine Art Bekenntnis zum Risiko gesehen werden kann. Warum ich weniger auf den Schutz anderer Rechtsgüter eingegangen bin, liegt schlicht daran, dass dies bisher der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen war. Bisher hat man über die Risiken gesprochen oder den Umweltschutz – alles Themen, die mir nicht fern liegen, aber es schien mir doch reizvoll zu sein, einmal die Perspektive umzudrehen. Eine grundrechtlich bestimmte Verantwortung des Wissenschaftlers schon im wissenschaftlichen Handeln scheint es mir prinzipiell nicht zu geben. Hier besteht eine Kontrollverantwortung des Staates, hier eröffnen sich mehrpolige Grundrechtskonstellationen, in denen der Staat regulierend wirkt. – Anschließend an das, was Herr Bullinger gesagt hat: Dieser Menschheitstraum oder Menschheitsalbtraum von der Unsterblichkeit ist in der Tat der Wissenschaftsfreiheit immanent. Ich will nicht bei der Erfindung des Rades beginnen, aber mit jedem Schritt wissenschaftlichen Fortschritts werden Menschheitsträume verwirklicht, die in letzter Konsequenz zu Albträumen werden können, und ich glaube, deswegen ist die Wissenschaftsfreiheit als „unbegrenztes“, als Grundrecht ohne geschriebene Schranken niedergelegt. Dass es Schranken in den Grundrechten anderer gibt – keine Frage – bringt uns auf diese Spur und darauf eben, dass man jeweils neu entscheiden kann, welcher Schritt der Schritt zuviel wäre. Ich widerspreche ungern Herrn Breuer, aber ich wende mich ausdrücklich gegen einen engen Schutzbereichsbegriff. Es reicht aus, über den Gedanken verfassungsimmanenter Schranken, also gleichgewichtiger oder im Einzelfall übergewichtiger Verfassungswerte, die Wissenschaftsfreiheit zu begrenzen, und dann natürlich im Rahmen gesetzlicher Regelungen. Das ist klar, aber a priori durch den Verfassungsanwender etwas aus dem Schutzbereich herauszuneh-

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men, scheint mir auch in der funktionalen Konsequenz der falsche Weg zu sein, denn dann entscheidet letztlich wieder ein Organ der Judikative. „Wer entscheidet über den Lebensbeginn?“, gehört als Frage zu diesem Komplex hinzu. Ich habe den Begriff des Stellungskrieges bei Herrn Höfling „geklaut“, und ich möchte gar nicht die Beteiligten an dieser Auseinandersetzung als Stellungskrieger diffamieren – sie säßen dann übrigens auf beiden Seiten im Graben – sondern ich möchte zunächst vermeiden, in einem dieser beiden Gräben zu landen und mich an diesem Konflikt zu beteiligen, weil mir scheint, dass dieser in eine Sackgasse gelangt ist. Die Frage ist doch, wie wir aus der Sackgasse herauskommen. Meine Antwort wäre: auch, wenn natürlich nicht allein, durch die Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Im Ergebnis kann sich die Problemlösung dann in die eine wie in die andere Richtung entwickeln. Ein Beispiel: Früher wurde zum Teil noch das Lebensrecht und die Personqualität der Gameten behauptet. Das ist später aufgegeben worden, aber nur über wissenschaftliche Forschung können wir hinreichend genaue Erkenntnisse über die Entstehung des Lebens bekommen. Das Verfassungsrecht allein verfügt nicht über diesen Wissensstand. Obwohl also eine Entwicklung in Richtung einer Ausdehnung des Lebensschutzes möglich wäre, verstehe ich Ihre Befürchtung gleichwohl – ich habe auch Sympathie für Ihre Positionen – insofern, als die Entwicklung eben doch zur immer weiteren Zulassung von Forschung in der Biomedizin fortschreiten würde. Ich sehe aber nicht, wie wir ohne Berücksichtigung wissenschaftlicher Ergebnisse aus diesem Dilemma herauskommen. Das Gleiche gilt für die Forschung an Demenzkranken und an Kindern. Sie haben den Konflikt, Herr Mußgnug, ja aufgezeigt, dass durch das Verhindern der Forschung die therapeutischen Möglichkeiten eingeschränkt sind, und ich sehe auch hier nur den Weg über eine Verfeinerung wissenschaftlicher Erkenntnis, und diese erreichen wir nur durch Aktivierung der Wissenschaftsfreiheit. Die zusätzliche Zeile in den Thesen beim Tierschutz im Verhältnis zur Forschung an Einwilligungsfähigen ist schlicht dem Umstand geschuldet, dass die Struktur des Problems Forschung an Einwilligungsfähigen große Ähnlichkeit mit der vorher ausgeführten Embryonenforschung aufweist und dass beim Tierschutz ein ganz eigentümliches grundrechtliches Problem zu lösen ist. Wir haben ein Tierschutzgesetz, das wahrscheinlich bis zum Inkrafttreten des Art. 20a GG verfassungswidrig war, und jetzt soll es verfassungskonform werden durch das Unterschieben einer verfassungsrechtlichen Grundlage. Darüber könnte man auch diskutieren. Zum dritten Punkt: Organisation, also zu Herrn Engel, Herrn Fehling und im gewissen Sinne noch einmal zu Herrn Hailbronner. Ich würde nicht sagen, dass die starke individualrechtliche Betonung organisa-

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tionsrelevante Inhalte zwingend ausblendet, sondern es ist gerade die Entfaltung der einzelnen Grundrechtspositionen, die den Organisationsgehalt des Grundrechts ausmacht und auch einen Vorteil bietet gegenüber dem, was ich an der systemtheoretischen Perspektive kritisiert habe: Man findet nicht mehr die Hochschule als existierendes System vor und macht dessen Schutz wie bei der Tagung 1927 dann zum Grundrecht der deutschen Universität, sondern man findet jetzt Strukturen vor, die aus Wissenschaftsförderungsorganisationen, DFG , MaxPlanck-Gesellschaft etc. bestehen und fordert dann den institutionellen Schutz dieser Struktur ein. Der Ansatz beim Individualgrundrecht vermeidet dies. Damit komme ich zum vierten und letzten Punkt: zur Autonomie. Ich meine schon, dass der Ausgangspunkt bei der Mittelverteilung, wie etwa von Ihnen angesprochen, Herr Streinz, wissenschaftsinterne Kriterien sein müssen. Ich sehe aber auch, dass es dort Schwächen geben kann. Deswegen definiere ich die Wissenschaft in der Wissenschaftsfreiheit ja auch über das Zusammenwirken vom Selbstverständnis des Wissenschaftlers und den Mechanismen, die innerhalb der Wissenschaftsorganisation wirken. Wenn diese in punkto Wissenschaftsfreiheit nicht optimal abgebildet sind, dann liegt hier kein autonomer Prozess vor, der verfassungsrechtlich zu schützen wäre. Schulte: Ich darf drei Wortmeldungen zusammenfassen: Herr Scherzberg hat nach dem Schutz vor der Wissenschaft gefragt, Herr Bullinger nach der Verantwortung der Wissenschaft vor der Gesellschaft und Herr Breuer nach dem Verhältnis von Wissenschaftsfreiheit und den Rechten Dritter. Insoweit möchte ich noch einmal darauf hinweisen, was für meinen Bericht aus Zeitgründen in die Fußnoten „verbannt“ werden musste, dass sich eine Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit nur aus der Verfassung selbst herleiten lässt. Als „Schranken“ der Wissenschaftsfreiheit kommen Grundrechte Dritter, ausdrücklich geschützte Verfassungsrechtsgüter, Staatszielbestimmungen und Funktionsgarantien der Verfassung in Betracht. Denkt man an Grundrechte Dritter, geht es zum Beispiel bei humangenetischen Forschungen um den Schutz der Menschenwürde, aber auch um den Persönlichkeits- und Datenschutz. Im Hinblick auf ausdrücklich geschützte Verfassungsrechtsgüter möchte ich das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nach Artikel 140 in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3 Satz 1 GG erwähnen. Das wäre aber gleichsam ein eigenständiges Thema, nämlich Wissenschaftsfreiheit in kirchlichen Hochschulen. Ich würde aber an dieser Stelle auch aufgreifen wollen, ob die europäische Integration ein Verfassungsziel sein kann, das hier zu berücksichtigen ist. Im Hintergrund stehen die Diskus-

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sion um Bachelor- und Masterstudiengänge sowie die damit zusammenhängenden Akkreditierungsvorgänge. Für die Staatszielbestimmungen möchte ich noch einmal auf den Umwelt- und Tierschutz verweisen. Die Funktionsgarantien der Verfassung schließlich sind im vorliegenden Zusammenhang wohl weniger relevant. Alles in allem sehe ich jedenfalls keinen Grund, Begrenzungen der Wissenschaftsfreiheit schon in ihrem Schutzbereich vornehmen zu müssen. Ich glaube, die Probleme lassen sich vielmehr über die Frage der verfassungsimmanenten Schranken abarbeiten. Insoweit würde ich dem Gesetzgeber einen gewissen Gestaltungsspielraum zugestehen, ihn aber auch mit einem Gestaltungsauftrag versehen. Des weiteren möchte ich die Wortmeldung von Herrn Fehling und seine Frage zur Industrieforschung aufgreifen. Herr Fehling hat vor allem danach gefragt, wie es in diesem Bereich mit der Autonomie der Wissenschaft bestellt sei. Gerade im Bereich der Industrieforschung ist natürlich eine große Gefahr darin zu sehen, dass es zu Autonomieverlusten kommen kann. Vorbehaltlich der Grenze eines völligen Autonomieverlusts wird allerdings Raum gelassen für freiwillige Autonomiebeschränkungen, denen ich mich unterwerfe, wenn ich mich in die industrielle Forschung begebe. Natürlich existieren gerade über das Arbeits- und Dienstvertragsrecht Begrenzungsmöglichkeiten. Allerdings wird man deswegen wohl nicht so weit gehen müssen, den Wissenschaftscharakter der Tätigkeit vollständig zu verneinen. Ein interessanter Aspekt, den Herr Fehling auch noch aufgeworfen hat, ist die Frage der mittelbaren Drittwirkung des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit. In besonderer Weise stellt sich dieses Problem an einer privat getragenen Hochschule, wie zum Beispiel der Bucerius Law School. Hier wird in der Rechtslehre mit Grund von der Geltung des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit ausgegangen. Herr Grimm, Sie haben vom „Autonomieverkauf “ durch Wissenschaftler gesprochen. Ich glaube, dass das eine zutreffende Beschreibung dessen ist, was wir gegenwärtig jedenfalls teilweise in der Wissenschaft erleben und dass dies bisweilen schwerer wiegt als Beeinträchtigungen von außen. Sehr schön hat Jürgen Kaube dies vor einiger Zeit in der wenig bekannten, aber nichts desto weniger sehr guten Zeitschrift „Gegenworte“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften hervorgehoben. In einem Beitrag über soziologische Anmerkungen zur Wissenschaftsfreiheit hat er darauf aufmerksam gemacht, dass die Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit vor allem durch die Wissenschaft selbst erfolge. Und insoweit würde ich ihnen Recht geben wollen, dass dies einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf auszulösen vermag, der sich im komplizierten und nicht ganz einfach auf-

Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit

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zulösenden Verhältnis von wissenschaftlicher Freiheit einerseits und berechtigter Beschränkung andererseits bewegen muss. Herr Morlok hat nach der Publizität als Voraussetzung der Wissenschaft gefragt. Dieser Gedanke wird auch in verschiedenen Grundgesetzkommentierungen thematisiert. Dort wird allerdings zumindest mit guten Gründen vertreten, dass sich eine solche Voraussetzung so nicht aus dem Normtext der Verfassung herleiten lasse. Und nun abschließend zur Frage von Herrn Engel und damit in gewisser Weise zusammenhängend zum Hinweis von Herrn Morlok auf meinen „Vogelflug über die Landschaft der Wissenschaftsfreiheit“. Herr Engel, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass ich regelmäßig nicht müde werde, auf dem Status der Systemtheorie als Beobachtungstheorie zu beharren. Und natürlich hat dies eine besondere Schwierigkeit meines heutigen Vortrags ausgemacht. Ich will Ihnen aber gerne sagen, wie ich meinen Vortrag verstanden habe. Ich habe mit ihm zu keinem Zeitpunkt eine normative Aussage treffen wollen. Der Vortrag versteht sich vielmehr als Beschreibung dessen, was ich bei meiner Beobachtung der Rechtspraxis, Rechtsdogmatik und Rechtsphilosophie in ihrer Befassung mit Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit zu erkennen vermochte. Insoweit konnte ich übrigens den von mir zu erstattenden „Bericht“ erfreulich wörtlich nehmen, erschiene mir doch ein normativer Bericht gleichsam als contradictio in adjecto. Gestatten sie mir eine Schlussbemerkung: Meine Beobachtungen haben mich zu dem Ergebnis geführt, dass es die Selbststeuerung der Wissenschaft ist, die zur Idee der Wissenschaftsfreiheit wird. Die Antworten der Wissenschaft auf die Herausforderungen von Politik, Wirtschaft und Moral bestätigen diesen Eindruck. Das Recht leistet einen gewissen Flankenschutz, vor allem über das von der Rechtsdogmatik entwickelte Modell der regulierten Selbstregulierung. Dass nur noch auf diese Weise Wissenschaftsfreiheit in der Wissensgesellschaft zu gewährleisten ist, stellt übrigens keine grundstürzend neue Erkenntnis dar, findet sich doch schon vor 40 Jahren die Feststellung: „Will die Gesellschaft die Vorteile eines autonomen Wissenschaftssystems genießen, muss sie sich darauf beschränken, es als System über dessen eigene Selbststeuerungsprozesse zu beeinflussen“. Das Zitat stammt von Niklas Luhmann. Vorsitzender: Lieber Herr Schulte, auch Ihnen vielen Dank für Ihr Schlusswort, mit dem Sie das Monitum von Herrn Haltern, der heute morgen die Diskussion eröffnet hat, ja in gewisser Weise erfüllt haben. Wir sind am Ende der heutigen Verhandlungen. Ich danke Ihnen für Ihre konzentrierte Mitarbeit. Ich danke beiden Referenten für zwei spannende Referate und einen spannenden Nachmittag.

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Reinhard Hendler

Dritter Beratungsgegenstand:

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung und Internationalisierung 1. Bericht von Prof. Dr. Reinhard Hendler, Trier Inhalt Seite

I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II . Historische Grundlagen und Wegweisungen . . . . . . . . . III . Ökonomisierung der Universitäten . . . . . . . . . . . . . .

1. Der Wettbewerbsgedanke im Hochschulwesen und die Stärkung universitärer Autonomie . . . . . . . . . . . 2. Die organisationsrechtliche Dimension der Ökonomisierung der Universitäten . . . . . . . . . . . . a) Konzentration und Kooperation wissenschaftlicher Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organisationsstrukturen von Wirtschaftsunternehmen als Konstruktionsmuster für Universitäten . . . . . . . aa) Stärkung der Leitungsorgane . . . . . . . . . . . . bb) Hochschulräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Finanzierung der Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . a) Tendenz zur Schwerpunkt- und Projektfinanzierung . b) Erschließung und Ausschöpfung von Finanzquellen . c) Leistungsorientierter Mitteleinsatz und Evaluation . . IV. Internationalisierung der Universitäten . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationalisierung im Bereich der Forschung . . . . . 3. Internationalisierung im Bereich von Ausbildung und Studium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Bologna-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhaltlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zur Rahmenausfüllung im nationalen Bereich unter besonderer Berücksichtigung der Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung u. Internationalisierung

I.

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Einleitung

Die Universität befindet sich derzeit im Umbruch. Sie unterliegt einem Reformprozess, der sowohl ihre Organisationsstrukturen als auch ihre Finanzierung, den Aufbau ihrer Studiengänge, ihr Promotionswesen sowie ihre Bildungsinhalte erfasst. Zwar ist die Geschichte der modernen Universität reich an Reformen, die jeweils mit mehr oder minder einschneidenden Umbaumaßnahmen verbunden waren. Das letzte hochschulorganisatorische Reformwerk substantieller Art, das viele von uns (sei es als Vorkämpfer, sei es – wie wohl zumeist – als Abwehrkämpfer) noch in lebhafter Erinnerung haben dürften, betraf den Wandel von der Ordinarien- zur Gruppenuniversität. Allerdings deutet vieles darauf hin, dass der aktuelle, vornehmlich (aber keineswegs allein) von staatlichen Sparzwängen angetriebene Reformprozess besonders tiefgreifende und folgenreiche Veränderungen hervorbringt. Die Reichweite der sich abzeichnenden Veränderungen wird bereits mit der Neuordnung des Universitätswesens zu Beginn des 19. Jahrhunderts verglichen.1

II.

Historische Grundlagen und Wegweisungen

Die mittelalterliche Gelehrtenrepublik, d. h. die alte genossenschaftliche, auf ständisch-korporativer Grundlage beruhende Universitätsfreiheit, war in der Epoche des absolutistischen Staates spürbar demontiert worden. Zwar hatten die Universitäten auch in dieser Zeit ihre überkommene Korporationsverfassung rechtlich beibehalten, aber de facto hatten sie sich – wenn auch in unterschiedlichem Grade – zu kameralistisch verwalteten Staatsanstalten entwickelt.2 Während des 18. Jahrhunderts boten die Universitäten vielfach ein wenig attraktives Bild, zu dem eine teilweise extreme Disziplinlosigkeit der Studenten nicht unwesentlich beitrug. In weiten Kreisen galten sie seinerzeit als sittenverderbend und zum großen Teil auch als leistungsschwach, so dass nicht selten kurzerhand ihre Auflösung gefordert 1 D. Langewiesche Schöne neue Hochschulwelt, FAZ vom 23. 6. 2005, S. 7; H. Schmoll Umwälzender als Humboldts Universitätsreform, FAZ vom 11. 8. 2005, S. 4. 2 Näher zur Lage der Universitäten im Zeitalter des Absolutismus W. Kahl Hochschule und Staat, 2004, 11 ff.; A. Kluge Die Universitäts-Selbstverwaltung, 1958, 53 ff., 226 ff., 240 ff.; A. Gallas Die Staatsaufsicht über die wissenschaftlichen Hochschulen unter besonderer Berücksichtigung der Staatsaufsicht über die Studentenschaften, 1976, 44 ff. Zu den mittelalterlichen Ursprüngen jüngst T. Mies Die Entstehung der Universität im Mittelalter, WissR 38 (2005), 102 ff.

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wurde.3 Zu den Begleiterscheinungen des universitären Niedergangs gehörte, dass in Preußen während der Zeit von 1790 – 1806 mehrere spezialisierte berufsbezogene Ausbildungsstätten gegründet wurden, wie z. B. die Tierarzneischule (1790), die Pépinière für die Militärärzte (1795) und die Bauakademie (1799) in Berlin sowie das Ackerbauinstitut (1806) in Möglin.4 Es handelte sich bei diesen Einrichtungen um Ausprägungen des Fachhochschulkonzepts, das im napoleonischen Frankreich bevorzugt wurde und auch in Preußen viele Anhänger hatte.5 Dem vom nüchternen Rationalismus der Aufklärung beeinflussten Fachhochschulkonzept lag die Intention zugrunde, angelehnt an verschiedene wissenschaftliche Disziplinen jeweils institutionell verselbständigte Berufsausbildungsstätten zu schaffen. Diese Ausbildungsstätten sollten zudem lediglich der Lehre dienen, während die Forschung in besonderen Einrichtungen (Akademien der Wissenschaften) erfolgen sollte. Im Ergebnis vermochte sich das Fachhochschulkonzept jedoch nicht durchzusetzen. Entscheidenden Anteil daran hatte die Gründung der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität im Jahr 1809.6 Diese Neugründung, die gleichsam die Negation des Fachhochschulkonzepts darstellte, entfaltete seinerzeit außerordentlich starke Ausstrahlungswirkungen. Sie war vor allem das von den geistigen Zeitströmungen des klassischen Idealismus und des Neuhumanismus geprägte Werk Wilhelm von Humboldts, des damaligen Geheimen Staatsrats und Direktors der Sektion für Kultus und öffentlichen Unterricht im preußischen Ministerium des Innern. Organisatorisch waren in der Universität Berlin – anknüpfend an die europäische Tradition – die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen in einer Einrichtung zusammengefasst worden (Prinzip der Einheit der Wissenschaft), wobei die neue Einrichtung sowohl der Forschung als auch der Lehre diente (Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre). Ihr lag zudem ein Freiheitspostulat zugrunde (Prinzip der Freiheit von Forschung und Lehre), das eine doppelte Zielrichtung aufwies. Insoweit ging es einmal um die Freiheit gegenüber ideologischen, Vgl. dazu R. Hendler Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip, 1984, 31 f. m.w.N. E. R. Huber Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. I, 2. Aufl. 1967, 287 Fn. 1. 5 Näher dazu G. Schubring Spezialschulmodell versus Universitätsmodell: Die Institutionalisierung von Forschung, in: ders. (Hrsg.) „Einsamkeit und Freiheit“ neu besichtigt, 1991, 276 ff. 6 Zur Gründung und historischen Entwicklung vgl. das umfassende Werk von M. Lenz Geschichte der königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität, 4 Bände, 1910 bzw. 1918. Über gründungsgeschichtliche Einzelheiten informieren ferner z. B. H. Schelsky Einsamkeit und Freiheit, 1963, 50 ff., sowie R. König Vom Wesen der deutschen Universität, 1935, 53 ff., 60 ff. 3 4

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wirtschaftlichen, praktischen und sonstigen Zwecken sowie zum anderen um Unabhängigkeit gegenüber dem Staat. Wenngleich Humboldt die Freiheit von Forschung und Lehre gegenüber staatlicher Einmischung als unerlässliche Voraussetzung für eine gedeihliche Entfaltung der Wissenschaft anerkannte, so zog er daraus doch keine weiterreichenden organisatorischen Konsequenzen. Es lag ihm fern, den wissenschaftlichen Hochschulen eine rechtlich garantierte akademische Selbstverwaltung einzuräumen. Das Prinzip der Wissenschaftsfreiheit war für ihn hauptsächlich eine kulturstaatliche Handlungsmaxime, eine Art Verhaltensethos für die Behörden im Umgang mit der Universität. Mehrfach wies er darauf hin, dass die Tätigkeit der Universitäten aufs engste mit staatlichen Belangen verknüpft sei, was aus seiner Sicht relativ umfangreiche rechtliche Befugnisse zugunsten der „Leitung und Oberaufsicht“ des Staates erforderte.7 Nach der neuhumanistisch-idealistischen Reformkonzeption, die der Gründung der Berliner Universität zugrunde lag, bestand die universitäre Aufgabe weniger in der Vermittlung berufsrelevanter Kenntnisse und Fähigkeiten, sondern hauptsächlich in der geistigen und sittlichen Vervollkommnung des Menschen durch die Beschäftigung mit der Wissenschaft, die als unablässige Wahrheitssuche verstanden wurde. Der Philosophie galt dabei eine besonders hohe Wertschätzung. Es ging – schlagwortartig ausgedrückt – um „Bildung durch Wissenschaft“, und zwar nicht nur in intellektueller, sondern auch in charakterlicher Hinsicht.8 Auf der Grundlage der Humboldtschen Reformidee erlebten die deutschen Universitäten bis in das 20. Jahrhundert hinein eine Blütezeit mit kräftiger Vorbildwirkung für das Ausland, insbesondere die USA . Inzwischen hat sich jedoch das ausländische Universitätswesen durch die zunehmende Ausprägung eigener Strukturen erheblich weiterentwickelt und dabei beeindruckende wissenschaftliche Erfolge erzielt. Insofern kann nicht angenommen werden, dass die derzeit unter dem Ein7 W. v. Humboldt Über die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin, abgedruckt in: Weischedel (Hrsg.) Idee und Wirklichkeit einer Universität. Dokumente zur Geschichte der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, 1960, 193 (200 ff.). Näheres zur Position Humboldts bezüglich des Verhältnisses zwischen Hochschule (Wissenschaft) und Staat bei Kahl Hochschule (Fn. 2), 25 ff.; Kluge Universitäts-Selbstverwaltung (Fn. 2), 76 ff.; Schelsky Einsamkeit (Fn. 6), 141 ff. 8 Vgl. dazu neben anderen E. Spranger Wilhelm von Humboldt und die Reform des Bildungswesens, 1960 (Nachdruck der Ausgabe von 1910 mit Nachträgen), 199 ff.; T. Nipperdey Deutsche Geschichte 1800 – 1866, 1983, 57 ff.; H.H. Klein „Demokratisierung“ der Universität?, 1968, 24 ff.; W. Nitsch/U. Gerhardt/C. Offe/U.K. Preuß Hochschule in der Demokratie, 1965, 240 ff.; Schelsky Einsamkeit (Fn. 6), 60 ff.

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druck dieser Erfolge angestrebte Verbesserung universitärer Leistungen in Deutschland allein mit einer Rückbesinnung auf die Reformidee Humboldts gelingen könnte. Vielmehr ist jeweils sorgfältig zu prüfen, was von dieser Idee und was an ausländischen Strukturelementen aufgegriffen werden sollte, um die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der deutschen Universitäten zu steigern. Das neuhumanistisch-idealistische Bildungskonzept des studentischen Lernens durch Teilhabe an der Forschung und am wissenschaftlichen Diskurs kann indes nach wie vor als Leitbild dienen. Allerdings taugt dieses Konzept nicht für die Massenuniversität. Hierbei soll nicht das in der Bildungspolitik derzeit angestrebte Ziel, den Anteil der Studienanfänger eines Altersjahrgangs auf 40 % zu erhöhen9, in Frage gestellt werden. Dass für jeden jungen Menschen das Angebot besteht, eine möglichst qualifizierte, von ihm bzw. seiner Familie finanzierbare Ausbildung zu erhalten, erweist sich nicht nur als ein ethisch-politisches Postulat, sondern in einem Land mit einem hohen industriellen und technischen Standard auch als eine Voraussetzung für weitere Prosperität. Entscheidend ist, wie viele Personen aus der 40 %-Gruppe für ein Studium gerade an der Universität vorgesehen sind. Insoweit gilt es zu beachten, dass Begabung (Leistungsfähigkeit), Neigung (Präferenzen) und Leistungsbereitschaft (Leistungswilligkeit) unter den Mitgliedern dieser Gruppe höchst ungleich verteilt sind. Nicht alle sind zu einer vertieften Auseinandersetzung mit der Wissenschaft befähigt oder auch nur daran interessiert. Eine Gruppe von Studierwilligen, die 40 % eines Altersjahrgangs umfasst, erweist sich als derart heterogen, dass man ihr nur durch ein nach Begabung, Neigung und Leistungsbereitschaft differenzierendes Hochschulangebot gerecht zu werden vermag. Dabei muss die Differenzierung tiefer reichen als bei der herkömmlichen Zweiteilung zwischen Universitäten und Fachhochschulen.10 Hinsichtlich dieser Zweiteilung ist ohnehin festzustellen, dass sie einem fortschreitenden Erosionsprozess unterliegt, da die Rahmenbedingungen zunehmend in der Weise ausgestaltet werden, dass sich Universitäten und Fachhochschulen strukturell angleichen und ihre je9 Vgl. dazu beispielsweise die Antwort der Bundesregierung auf ein Kleine Anfrage im Bundestag ( BT-Drucks. 15/1659, S. 1 f.) sowie den Koalitionsvertrag zwischen CDU ,CSU und SPD vom 11. 11. 2005 (abrufbar unter http://www.cdu.de/doc/pdf/ 05_11_11_Koalitionsvertrag.pdf), Gliederungsabschn. B I 3.6. 10 Zu einem „differenzierten Hochschulsystem“ bzw. zu einer stärkeren „Differenzierung nach Hochschularten“ raten auch J. Mittelstraß Die unzeitgemäße Universität, 1994, 18, sowie P.Wex Das bolognakonforme Diplom, FuL 2005, 538 (539). Sinngemäß ebenso M. Erhardt Mehr Wettbewerb – weniger Staat: Hochschulreform in Deutschland, WissR 32 (1999), 1 (7); D. Müller-Böling Die entfesselte Hochschule, 2000, 120 ff.

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weiligen Konturen einbüßen. Es handelt sich hierbei um eine Entwicklung, die nicht auf mehr, sondern auf weniger Differenzierung gerichtet ist. Das klassische Universitätskonzept der Bildung durch Wissenschaft hat nur dann eine Überlebenschance, wenn das Universitätsstudium auf diejenigen beschränkt wird, die nach Begabung, Neigung und Leistungsbereitschaft für eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Wissenschaft in Betracht kommen. Zur Durchsetzung dieser Beschränkung könnte den Universitäten das Recht eingeräumt werden, ihre Studierenden selbst auszuwählen,11 wobei den Anforderungen des Grundrechts der Ausbildungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG ) Rechnung zu tragen ist.12 Denjenigen Studierwilligen, die in diesem Auswahlverfahren nicht zum Zuge gekommen sind oder sich ihm mangels Interesses an einem Universitätsstudium nicht unterzogen haben, wäre im Rahmen eines differenzierten Hochschulsystems ein qualifiziertes Ausbildungsangebot zu unterbreiten, das ihren jeweiligen Fähigkeiten bzw. Präferenzen entspricht. Bei den politischen Bemühungen um die Erhöhung der Studienanfängerquote ist man mithin nicht auf die Option angewiesen, dass die Studierwilligen zum weit überwiegenden Teil speziell von den Universitäten aufgenommen werden. Sollte diese Option gleichwohl bevorzugt werden, so bestünde die unausweichliche Folge darin, dass die Universitäten unter endgültiger Preisgabe des Konzepts der Bildung durch Wissenschaft gleichsam in veredelte Berufsschulen umgewandelt würden. Sofern eine derartige Entwicklung der Universitäten nicht gewünscht wird, gilt es, mehr Differenzierung zu wagen.

III. Ökonomisierung der Universitäten Das aktuelle Reformgeschehen auf dem Gebiet der Bildungspolitik erschöpft sich freilich keineswegs darin, die Studierendenzahlen zu steigern, wenngleich den Lösungen, die hierbei verwirklicht werden, für die Zukunft der Universität eine elementare Bedeutung zukommt. Soweit

11 Für ein derartiges Recht plädiert neben anderen die Monopolkommission, Wettbewerb als Leitbild für die Hochschulpolitik, Sondergutachten 30, 2000, 103 (Tz. 130). Aus der rechtswissenschaftlichen Literatur vgl. z. B. Kahl Hochschule (Fn. 2), 113. 12 Darauf weisen H.P. Bull/V. Mehde Reform der Hochschulorganisation – die populären Modelle und ihre Probleme, JZ 2000, 650 (655), sowie Müller-Böling Hochschule (Fn. 10), 125, besonders hin. Vgl. hierzu auch W. Kluth Der Übergang von der selbstverwalteten Gruppenuniversität zur Hochschule als autonomer Forschungs- und Dienstleistungseinheit, RdJB 2004, 174 (188 f.).

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der gegenwärtige bildungspolitische Reformprozess die Universitäten betrifft, zeichnet er sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Vorstöße aus, von denen ein großer Teil eine Zielrichtung aufweist, die verbreitet mit dem Begriff der Ökonomisierung charakterisiert wird. Dass es diesem Begriff an scharfen Konturen und Abgrenzungssicherheit fehlt, ist insofern unschädlich, als er keine rechtsdogmatische Funktion erfüllt. In der Reformdebatte dient er dem Zweck, eine Tendenz anzuzeigen bzw. ein Phänomen zu beschreiben.13 In diesem Sinne wird er auch bei den nachfolgenden Überlegungen verwandt. Es geht um die verstärkte Ausrichtung der Universität an Struktur- und Handlungsprinzipien, die für den ökonomischen Bereich, insbesondere Wirtschaftsunternehmen, kennzeichnend sind, um die universitäre Leistungsbilanz in Forschung und Lehre zu verbessern.14 1.

Der Wettbewerbsgedanke im Hochschulwesen und die Stärkung universitärer Autonomie

Eine herausgehobene Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Wettbewerbsgedanke.15 Hierbei geht es nicht darum, den Wettbewerb der Wirtschaft im Bereich der Wissenschaft schlicht zu kopieren, so dass dahingestellt bleiben kann, ob dies faktisch überhaupt möglich wäre. Vielmehr sind die entsprechenden Reformvorstellungen im wesentlichen darauf gerichtet, dass die Universitäten über den herkömmlichen Rahmen hinaus in einen Wettbewerb um die begabtesten Studenten und die herausragendsten Forscher eintreten, wobei angenommen wird, dass sie nur dann erfolgreich sein werden, wenn sie die besten Ausbildungs-

13 Zum Ökonomisierungsbegriff allgemein im Kontext von öffentlicher Verwaltung und Verwaltungsrecht J. Oebbecke Selbstverwaltung angesichts von Europäisierung und Ökonomisierung, VVDStRL 62 (2003), 366 (367 f.); M. Burgi Selbstverwaltung angesichts von Europäisierung und Ökonomisierung, VVDStRL 62 (2003), 405 (416 f.), jeweils m.w.N. 14 B. Kempen Die Universität im Zeichen der Ökonomisierung und Internationalisierung, DVBl . 2005, 1082 (1083), versteht unter der Ökonomisierung der Universität deren „Ausrichtung an einem betriebs- und volkswirtschaftlichen Ertrag.“ Ähnlich W. Thieme Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 465. Eine derartige Akzentuierung erfasst zwar die bei den Reformbestrebungen mitschwingende Gewichtsverlagerung von der Grundlagenforschung zur anwendungs- oder verwertungsorientierten Forschung, wird aber dem Umstand nicht gerecht, dass bei den Reformbestrebungen die universitäre Leistungssteigerung auf dem Gebiet von Forschung und Lehre im Vordergrund steht. 15 Vgl. dazu exemplarisch den Titel des in Fn. 11 angegebenen Sondergutachtens der Monopolkommission: „Wettbewerb als Leitbild für die Hochschulpolitik“.

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und Forschungsleistungen vorweisen können.16 Namentlich im Fall überlegener Forschungsstärke ist zudem in besonderem Maße mit staatlicher Förderung (unter Einschluss der Grundlagenforschung) und außerstaatlichen Aufträgen zu rechnen, so dass sich auch monetäre Erfolge einstellen, die wiederum der Verbesserung der Forschungsbedingungen zugute kommen.17 Da Wettbewerb Handlungssubjekte voraussetzt, die eigenverantwortlich und flexibel agieren können, impliziert die Anwendung des Wettbewerbsgedankens auf das Hochschulwesen eine Stärkung der Autonomie der Universitäten.18 Vor diesem Hintergrund erweist es sich z. B. als folgerichtig, die Universitäten mit einem Globalhaushalt19 auszustatten und ihren Bewegungsspielraum bei der Haushaltsführung mit Hilfe des Neuen Steuerungsmodells zu erweitern. Im Sinne von Wettbewerb und 16 Bei dieser Zielrichtung werden Einwände des Inhalts, dass Wettbewerb in der Wirtschaft etwas anderes sei als Wettbewerb in der Wissenschaft, dass Universitäten keine Wirtschaftsunternehmen seien, dass die Wissenschaft einer besonderen Eigengesetzlichkeit unterliege etc., relativiert. Vgl. zu derartigen Einwänden z. B. W.-R. Schenke Neue Fragen an die Wissenschaftsfreiheit, NVwZ 2005, 1000 (1002); M.-E. Geis Das Selbstbestimmungsrecht der Universitäten, WissR 37 (2004), 2 (5, 7 ff.); J. Ipsen Hochschulen als Unternehmen?, NdsVBl . 2001, 6 (10). 17 Den monetären Aspekt universitären Wettbewerbs betonen E. Hödl/W. Zegelin Hochschulreform und Hochschulmanagement, 1999, 195, die sich im weiteren (S. 196 ff.) generell skeptisch äußern, allerdings auf der Grundlage des Hochschulrechts vor der Jahrtausendwende. 18 Der Sache nach ebenso Bull/Mehde Hochschulorganisation (Fn. 9), 651. Kritisch zum Umgang mit dem Autonomiebegriff im Hochschulbereich D. Fittschen, Wider die Einführung von Hochschulräten, WissR 30 (1997), 325 (325 ff.), der geltend macht, für eine weisungsfrei tätige unabhängige Hochschule fehle es in Deutschland an fast allen Voraussetzungen. Unabhängig davon, ob dem gefolgt werden kann, ist jedoch hervorzuheben, dass der Autonomiebegriff in der aktuellen Reformdiskussion üblicherweise lediglich die Funktion besitzt, den gesetzlich geschützten Gestaltungsfreiraum der Hochschulen gegenüber staatsbehördlichen Einwirkungen, der mehr oder weniger eng sein kann, zu kennzeichnen. Ein Beispiel für einen relativ weitreichenden universitären Gestaltungsfreiraum stellt das hessische „Gesetz zur organisatorischen Fortentwicklung der Technischen Universität Darmstadt (TUD -Gesetz)“ vom 5. 12. 2004 (GVBl . I S. 382) dar. 19 Begriffskritische Hinweise dazu bei Fittschen Hochschulräte (Fn. 18), 331 Fn. 24. Zur hochschulpolitischen Kritik an der Verlagerung der Verteilungskonflikte vom Land auf die Universitäten namentlich in Zeiten der Mittelkürzung vgl. z. B. Monopolkommission, Wettbewerb (Fn. 11), 87 (Tz. 106); Schenke Fragen (Fn. 16), 1002; D. Dörr/ S. Schiedermair Die zukünftige Finanzierung der deutschen Universitäten, 2004, 63; U. Karpen in: Hailbronner/Geis (Hrsg.) Kommentar zum Hochschulrahmengesetz ( HRG ), Stand: Sept. 2004, § 5 Rn. 41, 49. Relativierend H. H. Seidler Hochschulfinanzierung, Evaluation und Mittelvergabe, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.) Hochschulrecht, 2004, 478 (498 Rn. 58).

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universitärer Autonomie liegt es zudem, die Auswahl der Studierenden den Hochschulen zu überlassen.20 Auch die in § 58 Abs. 1 HRG eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Rechtsform der Hochschulen lassen sich für eine Stärkung der Universitätsautonomie nutzen. Nach dieser Vorschrift stellen die Hochschulen in der Regel Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich staatliche Einrichtungen dar, wobei ausdrücklich zugelassen wird, dass sie von den Ländern in anderer Rechtsform errichtet werden. Die vom Regeltypus abweichende Rechtsform kann ebenso öffentlichrechtlicher wie privatrechtlicher Natur sein.21 Doch darf nicht übersehen werden, dass ein Rechtsformwechsel keinesfalls per se, sondern lediglich bei entsprechender organisatorischer Ausgestaltung zu einer Stärkung universitärer Autonomie im Sinne des Wettbewerbsgedankens führt. Dies gilt namentlich für den Rechtsformwechsel innerhalb des öffentlichen Rechts, für den das vom Land Niedersachsen verwirklichte Modell der Stiftungsuniversität ein vielerörtertes Beispiel22 bildet. 2.

Die organisationsrechtliche Dimension der Ökonomisierung der Universitäten

a)

Konzentration und Kooperation wissenschaftlicher Einrichtungen

Die Ökonomisierung der Universitäten besitzt über die Rechtsformfrage hinaus eine ausgeprägte organisationsrechtliche Dimension23, wo20 Vgl. zu diesem Gesichtspunkt in anderem Zusammenhang bereits oben Gliederungsabschn. II bei und mit den Fn. 11, 12. 21 Kahl Hochschule (Fn. 2), 94 m.w.N. 22 Vgl. dazu neben anderen W. Löwer Das Stiftungsmodell Universität – ein neuer Weg?, RdJB 2004, 190 ff.; M. Braukmann Mangelnde demokratische Legitimation und funktionswidrige Organisationsstrukturen der niedersächsischen Stiftungsuniversitäten, JZ 2004, 662 ff.; R. Herfurth/ D. Kirmse Die Stiftungsuniversität, WissR 36 (2003), 51 ff.; O. Behrends (Hrsg.) Göttingen Stiftungsuniversität?, 2003; A. v. Brünneck Verfassungsrechtliche Probleme der öffentlich-rechtlichen Stiftungshochschule, WissR 35 (2002), 21 ff.; J.Perels Verfassungsrechtliche Analyse der Hochschulen in Trägerschaft von rechtsfähigen Stiftungen des öffentlichen Rechts, in: Sterzel/Perels, Freiheit der Wissenschaft und Hochschulmodernisierung, 2003, 236 ff. 23 Zur hinzutretenden steuerungstechnischen Dimension, die durch die Stichworte Kontraktmanagement bzw. Zielvereinbarungen gekennzeichnet ist, vgl. z. B. W. Hoffacker Die Universität des 21. Jahrhunderts, 2000, 109 ff.; Deutscher Hochschulverband (Hrsg.) Steuerung der Hochschulen durch Zielvereinbarungen, 2004; H. H. Trute Die Rechtsqualität von Zielvereinbarungen und Leistungsverträgen im Hochschulbereich, WissR 33 (2000), 134 ff.; J. Fedrowitz/E. Krasny/F. Ziegele (Hrsg.) Hochschulen und Zielvereinbarungen – neue Perspektiven der Autonomie, 1999; Müller-Böling Hochschule (Fn. 10), 58 ff.

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung u. Internationalisierung

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bei sich mehrere Aspekte unterscheiden lassen. Der erste betrifft die Konzentration wissenschaftlicher Einrichtungen, d. h. die Zusammenlegung oder Schließung von Universitäten, Fakultäten (Fachbereichen), Fächern oder Studiengängen mit dem Ziel, die Kostenstrukturen im Hochschulwesen zu verbessern. Wenngleich hierbei bestimmte formelle und materielle rechtliche Anforderungen einzuhalten sind (wie z. B. Anhörungs- und Abwägungserfordernisse), so fehlt es doch weithin an verfassungskräftigen Bestandsgarantien.24 Dies bedeutet, dass es bei den angesprochenen organisatorischen Reformmaßnahmen weniger um die Frage geht, ob sie überhaupt zulässig sind, als vielmehr darum, welche Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Einzelfall bestehen. Entsprechendes gilt für die Schaffung von Kooperationsstrukturen oder auch Kooperationszwängen zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen, wobei zu berücksichtigen ist, dass derartige Maßnahmen in ihrer Eingriffsintensität hinter der Schließung und Zusammenlegung von Einrichtungen zurückbleiben. b)

Organisationsstrukturen von Wirtschaftsunternehmen als Konstruktionsmuster für Universitäten

Die organisationsrechtliche Dimension der Ökonomisierung der Universitäten weist indes noch einen weiteren, aus juristischer Sicht wesentlich ergiebigeren Aspekt auf. Dieser bezieht sich auf die Anpassung der Universitäten an Organisationsstrukturen von Wirtschaftsunternehmen. Die Anpassung wirkt sich vor allem in der Weise aus, dass der herkömmliche Einfluss der Kollegialorgane (Senat, Fakultäts- bzw. Fachbereichsrat) zugunsten einer Stärkung der Leitungsorgane (Rektor/Rektorat bzw. Präsident/Präsidium, Dekan/Dekanat) zurückgedrängt und ein zusätzliches Organ geschaffen wird, welches in der Reformdebatte gewöhnlich als Hochschulrat bezeichnet wird, wenngleich es in den Gesetzen unterschiedliche Namen trägt. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die mit diesen universitären Strukturveränderungen verbundenen Gewichtsverlagerungen und Kräfteverschiebungen sowie deren rechtliche Bewertung. Maßstab dieser Bewertung ist vor allem das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG ), das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts25, der sich die Lehre weitgehend angeschlos24 Vgl. hierzu BVerfGE 85, 360 (382, 384 f.); Geis Selbstbestimmungsrecht (Fn. 16), 18 ff. m. w. N.; Schenke Fragen (Fn. 16), 1003 m.w.N.; Kempen Universität (Fn. 14),1088; U. Hufeld Rechtsfragen zur Schließung von Studiengängen und Fakultäten, DÖV 1997, 1025 (1027 ff.). 25 BVerfGE 35, 79 (112); 93, 85 (95); BVerfG , NVwZ 2005, 315 (316).

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sen hat26, neben einer individuellen Freiheitsgarantie eine objektive Wertentscheidung enthält. Für den Staat ergibt sich hieraus die Verpflichtung, die Freiheit von Forschung und Lehre auch durch geeignete organisationsrechtliche Maßnahmen zu fördern und zu schützen. Allerdings schreibt Art. 5 Abs. 3 GG keine bestimmte Organisationsform des Wissenschaftsbetriebs an den Hochschulen vor.27 Der in dieser Verfassungsbestimmung enthaltene Grundrechtsschutz durch Organisation zielt darauf ab, die Träger der Wissenschaftsfreiheit gegenüber wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen abzuschirmen. Dies bedeutet, dass die freie wissenschaftliche Betätigung und Aufgabenerfüllung durch Organisationsnormen nicht strukturell gefährdet werden darf. Bei der Klärung der Frage, ob eine Regelung vorliegt, die eine strukturelle Gefährdungslage schafft, ist das hochschulorganisatorische Gesamtgefüge mit seinen unterschiedlichen Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten in den Blick zu nehmen. Einen wichtigen Indikator für verfassungskonforme Universitätsstrukturen stellt die Teilnahme der Grundrechtsträger am universitären Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß dar. Das Bundesverfassungsgericht verlangt ein „hinreichendes Maß an organisatorischer Selbstbestimmung“.28 Zwar dürften sich strukturelle Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit vornehmlich dadurch verhindern lassen, dass die Grundrechtsträger in möglichst weitem Umfang am universitären Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß beteiligt werden. Doch ist der Gesetzgeber nicht zur Gewährleistung eines partizipatorischen Maximums verpflichtet, da er bei der Ausgestaltung der Hochschulorganisation auch weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen hat oder jedenfalls berücksichtigen darf. Auf welche Art und Weise er das gebotene Mindestmaß an organisatorischer Selbstbestimmung der Grundrechtsträger sicherstellt, um eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit auszuschließen, liegt in seinem gestalterischen Ermessen.29 In der Fachliteratur ist diese Rechtsprechung jüngst auf deutliche Kritik gestoßen, teilweise auch zum Anlass genommen worden, über eine

26 Vgl. z. B. C. Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, Bd. I, 5. Aufl. 2005, Art. 5 Abs. 3 Rn. 291 f.; H. D. Jarass in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 7. Aufl. 2004, Art. 5 Rn. 120; H. Bethge in: Sachs (Hrsg.) Grundgesetz, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 201; R. Wendt in: v. Münch/Kunig (Hrsg.) Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 5. Aufl. 2000, Art. 5 Rn. 104; I. Pernice in: Dreier (Hrsg.) Grundgesetz, Bd. I, 1996, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 16. 27 So ausdrücklich BVerfGE 35, 79 (116). 28 BVerfG , NVwZ 2005, 315 (316). 29 BVerfG , NVwZ 2005, 315 (316 m.w.N.).

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Erneuerung der Dogmatik des Art. 5 Abs. 3 GG nachzudenken.30 So wird zum Beispiel eine „Resubjektivierung“ des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit bzw. dessen Rekonstruktion als Individualgrundrecht gefordert.31 Doch fallen selbst bei diesen sachlich übereinstimmenden Ausgangsforderungen sowohl die vorgeschlagenen neuen dogmatischen Ansätze als auch die entwickelten rechtlichen Ergebnisse unterschiedlich aus. Einmal wird Art. 5 Abs. 3 GG eine staatliche Optimierungspflicht des Inhalts entnommen, jeden Organisationsakt so zu gestalten, dass er einer möglichst weitgehenden Förderung individueller Wissenschaft nützlich ist. Die intendierte Folge besteht hierbei darin, dass außerwissenschaftliche Gemeinwohlbelange von vornherein als nicht-legitime Eingriffs- und Gestaltungszwecke weit zurückgedrängt werden, wodurch sich die gesetzgeberischen Entscheidungsspielräume erheblich verengen.32 Doch ist nicht erkennbar, weshalb es dem Gesetzgeber zum großen Teil versagt sein soll, die Wissenschaftsfreiheit einzuschränken, um einen Ausgleich zwischen ihr und anderen Verfassungsgütern, etwa dem Tierschutz oder dem Eigentumsschutz, herzustellen. Ebenso wenig überzeugt der andere, den individualrechtlichen Gehalt des Art. 5 Abs. 3 GG betonende Standpunkt, dem zufolge es bei der Herstellung eines derartigen Ausgleichs „prima facie“ nicht darauf ankommt, ob das mit der Wissenschaftsfreiheit konkurrierende Rechtsgut in der Verfassung erwähnt wird oder nicht. Diesem Standpunkt liegt die Intention zugrunde, dem Gesetzgeber im Vergleich zur herkömmlichen Dogmatik des Art. 5 Abs. 3 GG einen deutlich größeren Entscheidungsspielraum

30 Vgl. dazu Kempen Universität (Fn. 14), 1089 f.; M. Nettesheim Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit, DVBl . 2005, 1072 ff.; K.-H. Ladeur Die Wissenschaftsfreiheit der „entfesselten Hochschule“, DÖV 2005, 753 ff.; K.F. Gärditz Hochschulmanagement und Wissenschaftsadäquanz, NVwZ 2005, 407 ff., unter gelegentlicher Vernachlässigung kritischen Augenmaßes (z. B. S. 409: „Die Verfassung dankt ab!“). 31 Nettesheim Wissenschaftsfreiheit (Fn. 30), 1072; Kempen Universität (Fn. 14), 1089. Anders Ladeur Wissenschaftsfreiheit (Fn. 30), 764, dem es vornehmlich um die „Entwicklung eines Konzepts der objektiv-rechtlichen Dimension der Wissenschaftsfreiheit jenseits ihrer ergänzenden Funktion der Abstützung der subjektiv-rechtlichen Freiheit“ geht. 32 Kempen Universität (Fn. 14), 1090. Für eine Einschränkung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit plädiert auch Ladeur Wissenschaftsfreiheit (Fn. 30), 758 f., der allerdings – wie oben in Fn. 31 dargelegt – von einem anderen rechtsdogmatischen Ansatz ausgeht. Sein Anliegen bezieht sich auf Konsistenzanforderungen beim gesetzgeberischen Gestaltungskonzept (S. 759, 763), die sich jedoch auch aus allgemeinen Maßstäben (Systemgerechtigkeit, Geeignetheit der Regelungen, Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung etc.) herleiten lassen, so dass es keiner Neuordnung der Dogmatik des Art. 5 Abs. 3 GG bedarf.

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zu gewähren.33 Allerdings ist schwerlich einzusehen, weshalb der anerkannte rechtsmethodische Grundsatz, wonach dem Wortlaut von Normtexten bei der juristischen Auslegung eine herausgehobene Bedeutung zukommt, für gesetzgeberische Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit nicht gelten soll. Insgesamt spricht viel dafür, dass die herkömmliche, maßgeblich vom Bundesverfassungsgericht konzipierte Dogmatik des Art. 5 Abs. 3 GG den gegen sie gerichteten kritischen Vorstößen durchaus standzuhalten vermag. aa) Stärkung der Leitungsorgane Nach bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung stellt die Hierarchisierung des universitären Entscheidungsprozesses, die in der Kompetenzerweiterung der monokratischen Leitungsorgane auf Universitäts- und Fakultätsebene zum Ausdruck kommt, grundsätzlich keine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit dar.34 Wie das Gericht ausdrücklich betont, folgt aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG für die Verfassung der Hochschulselbstverwaltung nicht, dass den Kollegialorganen gegenüber monokratischen Leitungsorganen ein Vorrang zukommt.35 Allerdings gilt es zu beachten, dass das Maß der Teilnahme der Grundrechtsträger am universitären Geschehen durch eine Stärkung der Stellung der Leitungsorgane gemindert wird. Daher sind geeignete Vorkehrungen zu treffen, um das partizipatorische Mindestmaß der Grundrechtsträger sicherzustellen.36 Dies kann etwa in der Weise geschehen, dass den Kollegialorganen ein hinreichender Einfluss auf die Leitungsorgane eingeräumt wird, z. B. durch Wahl, Abwahl, Kontrolle etc.37 33 Nettesheim Wissenschaftsfreiheit (Fn. 30), 1080, 1082. Im Ergebnis gleichsinnig T. Groß Wissenschaftsadäquates Wissenschaftsrecht, WissR 35 (2002), 313 (331). 34 BVerfG , NVwZ 2005, 315 (317). Auf gleicher Linie bereits BVerfGE 57, 70 (92); 93, 85 (96). Zustimmend Schenke Fragen (Fn. 16), 1007; C. Görisch Wissenschaftsfreiheit und Hochschulmanagement, DÖV 2003, 583 (585 f.). Abweichend A. Uhle Abschied vom universitären Kollegalitätsprinzip, NVwZ 1996, 661 (662 f.). Skeptisch W. Löwer „Starke Männer“ oder „starke Frauen“ an der Spitze der Universität?, in: Ruffert (Hrsg.) Recht und Organisation, 2003, 25 (40 ff.), wobei der Autor auch auf den Maßstab landesverfassungsrechtlicher Garantien der akademischen Selbstverwaltung eingeht (S. 32 ff.). 35 BVerfG , NVwZ 2005, 315 (317). Ebenso Groß Wissenschaftsrecht (Fn. 33), 329. 36 Sinngemäß ebenso Schenke Fragen (Fn. 16), 1007; Kahl Hochschule (Fn. 2), 100; M. Fehling Neue Herausforderungen an die Selbstverwaltung in Hochschule und Wissenschaft, DV 35 (2002), 399 (418). 37 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den landesverfassungsrechtlichen Garantien der akademischen Selbstverwaltung, da diese den Grundrechtsträgern keine Partizipationsrechte verbürgen, die über das vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 5

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bb) Hochschulräte Wenngleich Hochschulräte in Deutschland kein völlig neues Phänomen darstellen38, so handelt es sich bei ihnen doch um einen besonders umstrittenen Bestandteil des aktuellen Reformgeschehens.39 Sie sind während des vergangenen Jahrzehnts durch die Ländergesetzgebung in etlichen Organisationsvarianten mit dem Ziel errichtet worden, externen, namentlich ökonomischen bzw. unternehmerischen Sachverstand in die akademische Selbstverwaltung einzubringen, die Universitäten mit gesellschaftlichen Erwartungen zu konfrontieren sowie den Einfluss inneruniversitärer Standes- und sonstiger Partikularinteressen einzudämmen.40 Solange die Hochschulräte lediglich eine beratende und empfehlende Tätigkeit (einschließlich eines suspensiven Vetos) gegenüber den Universitäten ausüben, unterliegen sie keinen rechtlichen Bedenken.41 Anders verhält es sich jedoch dann, wenn sie mit Entscheidungskompetenzen ausgestattet werden. Maßgebliche Bedeutung kommt hierbei dem Prinzip politischer Gleichheit zu, das zu den Kernbestandteilen einer demokratischen Staatsverfassung gehört. Nach der repräsentativdemokratischen Konzeption des Grundgesetzes bestehen die bedeutsamsten staatsbürgerschaftlichen Beteiligungsrechte in den Wahlen zu den staatlichen Parlamenten und kommunalen Vertretungskörperschaften. Diese Wahlen sind kraft verfassungsrechtlicher Vorgabe allgemein und gleich (Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG ). Dem liegt ein streng formales Gleichheitsverständnis zuAbs. 3 S. 1 GG hergeleitete hinreichende Maß an organisatorischer Selbstbestimmung (vgl. oben Fn. 28) hinausgehen. Festgestellt werden kann lediglich, dass die Kompetenzschwächung der Kollegialorgane gegenüber den Leitungsorganen der Idee der akademischen Selbstverwaltung widerspricht. Rechtlich ausschlaggebend ist indes allein das verfassungskräftig gebotene Maß an Ideeverwirklichung. 38 Einen geschichtlichen Kurzüberblick liefert T. Groß Das Kuratorium – Hochschulautonomie durch institutionalisierte Kooperation?, DÖV 1999, 895 (895 f. m. w. N.). 39 Ausführliche Gesamtdarstellung bei A. Laqua, Der Hochschulrat zwischen Selbstverwaltung und staatlicher Verwaltung, 2004, und T. Schmidt Deutsche Hochschulräte, 2004. 40 Vgl. dazu W. Kahl Hochschulräte – Demokratieprinzip – Selbstverwaltung, AöR 130 (2005), 225 (226 f.); Groß Kuratorium (Fn. 38), 895. 41 Kahl Hochschulräte (Fn. 40), 227; ders. Hochschule (Fn. 2), 102 f; Fehling Herausforderungen (Fn. 36), 420; D. Sterzel Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Niedersächsischen Hochschulgesetzes im Blick auf die Hochschulen in staatlicher Trägerschaft, in: Sterzel/Perels, Freiheit (Fn. 22), 164 (189 ff.). Im gleichen Sinne, aber ohne ausdrückliche Stellungnahme zum suspensiven Veto auch BVerfG , NVwZ 2005, 315 (318 f.); Geis Selbstbestimmungsrecht (Fn. 16), 15; Görisch Wissenschaftsfreiheit (Fn. 34), 587. Abweichend dagegen im Hinblick auf Empfehlungen J. Kersten Alle Macht den Hochschulräten?, DVBl . 1999, 1704 (1707).

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grunde, wonach alle Staatsbürger – unabhängig von Sachkunde, Sachnähe, gesellschaftlichem Stand, Betroffenheit etc. – zu gleichen Teilen an der Wahrnehmung der öffentlichen Angelegenheiten mitzuwirken berechtigt sind. Das Bundesverfassungsgericht spricht von dem „Grundsatz …, dass alle der Staatsgewalt Unterworfenen den gleichen Einfluss auf die Ausübung von Staatsgewalt haben müssen“.42 Zu beachten ist in dem hier behandelten Zusammenhang, dass die Mitglieder von entscheidungsbefugten Hochschulgremien über deutlich weiterreichende Mitwirkungsrechte bei der Wahrnehmung öffentlicher Angelegenheiten verfügen als andere Staatsbürger. Dagegen ist verfassungsrechtlich insoweit nichts einzuwenden, als solche Mitwirkungsrechte lediglich den Betroffenen eingeräumt werden, d. h. denjenigen Personen, die von den Gremienentscheidungen besonders stark berührt sind. Denn die Betroffenheit stellt ein Kriterium dar, das die Gewährung erweiterter Partizipationsmöglichkeiten und die damit verbundene Abweichung vom demokratischen Egalitätsprinzip zu rechtfertigen vermag, wie sich aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Selbstverwaltungsprinzips ergibt.43 Anders verhält es sich jedoch mit denjenigen Mitgliedern entscheidungsbefugter Hochschulräte, die von den universitären Angelegenheiten nicht stärker berührt sind als die übrigen Staatsbürger. Im Fachschrifttum wird bei der Klärung der Vereinbarkeit von Hochschulräten mit dem Demokratieprinzip auf den Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation abgestellt.44 Das führt zu der – von den betreffenden Autoren mit unterschiedlichen Ergebnissen abgeschlossenen – Prüfung, ob die personelle Legitimationskette vom Volk zu den Mitgliedern des Hochschulrates die erforderlichen Verknüpfungen aufweist, und ob zudem hinsichtlich der Tätigkeit der Hochschulräte die Anforde-

42 BVerfGE 107, 59 (88), unter Hinweis auf BVerfGE 93, 37 (69), wo sich allerdings die zusätzliche Bemerkung findet, dass „Bürgern, die von einer bestimmten Ausübung von Staatsgewalt individuell betroffen sind, keine besonderen Mitentscheidungsbefugnisse eingeräumt werden dürfen“. Doch richtet sich diese Bemerkung nicht gegen die Betroffenenpartizipation mit Hilfe von Selbstverwaltungseinheiten, wie aus der bundesverfassungsgerichtlichen Selbstverwaltungsjudikatur hervorgeht (vgl. dazu die nachfolgenden Darlegungen oben im Text mit Fn. 43). 43 Vgl. z. B. BVerfGE 15, 235 (242); 33, 125 (157); 107, 59 (91 f.); Hendler HStR IV , 2. Aufl. 1999, § 106 Rn. 49 ff., 55. 44 Eingehend Kahl Hochschulräte (Fn. 2), 236 ff. Vgl. ferner z. B. Schenke Fragen (Fn. 16), 1004 f.; C. D. Classen Wissenschaftspolitik im Zeichen der Wirtschaft?, in: Liber Amicorum Oppermann, 2001, 857 (864 f.); B. Kempen Bayerische Hochschulräte, BayVBl . 1999, 454 (457); ders. Grundfragen des institutionellen Hochschulrechts, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht (Fn. 19), 1 (43 Rn. 135).

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rungen der sachlich-inhaltlichen Legitimation erfüllt sind, d. h. eine hinreichende staatliche Determinierung bzw. Steuerungsmöglichkeit besteht.45 Mit derartigen, bei Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG ansetzenden Erwägungen lassen sich zwar die Grenzen der Vereinbarkeit von Betroffenenpartizipation und funktionaler Selbstverwaltung mit dem demokratischen Prinzip der Volkssouveränität näher bestimmen. Doch geben sie keine Antwort auf die Frage nach dem Sachgrund, der es zu rechtfertigen vermag, unter Abweichung vom demokratischen Egalitätsprinzip, das maßgeblich in Art. 38 Abs. 1 S. 1 und Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG zum Ausdruck kommt, auch Nichtbetroffenen (Mit-)Entscheidungsbefugnisse bei der Wahrnehmung administrativer Angelegenheiten im wissenschaftlichen Bereich zu gewähren. Das gesetzgeberische Motiv der stärkeren Einbringung besonderen externen, namentlich wirtschaftlichen Sachverstands in die akademische Selbstverwaltung zum Zweck universitärer Effizienzsteigerung reicht jedenfalls nicht aus. Denn nach dem demokratischen Egalitätsprinzip ist besonderer Sachverstand gerade kein Rechtfertigungsgrund dafür, entsprechenden Personen weiterreichende Mitbestimmungsrechte bei der Wahrnehmung öffentlicher Angelegenheiten einzuräumen als anderen Staatsbürgern. Das Bundesverfassungsgericht stellt bei der unlängst erfolgten Prüfung der brandenburgischen Vorschriften zum Hochschulrat ausdrücklich fest, dass dessen Aufgaben „überwiegend beratender und empfehlender Natur“ seien,46 wobei sich seinen Ausführungen nicht eindeutig entnehmen lässt, ob es einen (auch) mit Externen besetzten Hochschulrat, der über die Befugnis zu abschließender Entscheidung verfügt, als verfassungskonform erachtet. Das Gericht geht davon aus, dass die „Organisation eines grundrechtlichen Freiheitsbereichs mittels Einschaltung unabhängiger Gremien, um die Organisation des Freiheitsbereichs staatsfrei, aber unter öffentlicher Kontrolle zu halten“, verfassungsrechtlich unbedenklich sei.47 Dem kann allerdings nur insoweit zugestimmt werden, als bei der Zusammensetzung des Gremiums das demokratische Egalitätsprinzip beachtet wird. Hieraus folgt: Werden zu einem entscheidungsbefugten Hochschulrat Externe herangezogen, so ist ein gruppenpluralistisches Konzept nach Art der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (§ 19 JuSchG) oder – noch naheliegender – der Rundfunkräte zu verfolgen. Ähnlich wie das Rundfunkwesen betrifft 45 Zu den unterschiedlichen Prüfungsergebnissen vgl. beispielsweise Kahl Hochschulräte (Fn. 2), 246, einerseits sowie Kersten Macht (Fn. 41), 1709, andererseits. 46 BVerfG , NVwZ 2005, 315 (318). 47 Vgl. oben Fn. 46.

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das Hochschulwesen grundsätzlich die Gesamtgesellschaft.48 Es widerspricht daher dem Prinzip gleicher Teilhabe am (wissenschafts)politischen Geschehen, wenn die Externen lediglich aus wenigen gesellschaftlichen Bereichen, etwa der Wirtschaft (und zudem möglicherweise nur von der Arbeitgeberseite), kommen. 3.

Finanzierung der Universitäten

a)

Tendenz zur Schwerpunkt- und Projektfinanzierung

Von besonderer Bedeutung für die Universitäten sind nach wie vor die staatlichen Mittel.49 Es entspricht dem Ökonomisierungsprozess, dass der Staat zunehmend von der Grundfinanzierung zur steuerungswirksameren Schwerpunkt- und Projektfinanzierung übergeht. Dies bedeutet, dass die verfügbaren öffentlichen Mittel weniger für die Erhöhung oder auch nur die Bestandssicherung der allgemeinen Grundausstattung als vielmehr für Kompetenz- oder Exzellenzzentren bzw. für bestimmte Forschungsvorhaben eingesetzt werden. Dass eine schwerpunkt- und projektbezogene staatliche Forschungsfinanzierung verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig ist, kann schon im Hinblick auf die demokratisch-parlamentarische Budgetverantwortung nicht zweifelhaft sein. Die verfassungsrechtliche Grenze verläuft dort, wo Mittel aus der Grundfinanzierung in die Schwerpunkt- und Projektförderung mit der Folge umgeschichtet werden, dass nicht mehr jeder Grundrechtsträger die Möglichkeit zu freier wissenschaftlicher Betätigung hat.50 Allerdings handelt es sich hierbei lediglich um eine äußerste Grenze, deren praktische Bedeutung marginal bleiben dürfte. b)

Erschließung und Ausschöpfung von Finanzquellen

Die aktuelle Entwicklung auf dem Gebiet der Hochschulfinanzierung ist ferner durch die Erschließung neuer sowie die vermehrte Ausschöpfung bestehender Finanzquellen gekennzeichnet. Hierzu zählt insbesondere die – politisch lebhaft umstrittene – Erhebung von Studiengebüh-

48 Auf „deutliche Parallelen“ zwischen Universitäten und öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten weisen auch Dörr/ Schiedermair Finanzierung (Fn. 19), 5, hin. 49 Allgemeine Überlegungen hierzu bei F. Kirchhof Rechtliche Grundsätze der Universitätsfinanzierung, JZ 1998, 275 ff. Eine grundlegende Neuausrichtung der Universitätsfinanzierung am Muster der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten empfehlen Dörr/Schiedermair Finanzierung (Fn. 19), 66 ff. 50 Zum grundgesetzlichen Schutz dieser Möglichkeit vgl. BVerfG , NVwZ 2005, 315 (318 m.w.N.).

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ren, der allerdings die Verfassung nicht entgegensteht,51 wenngleich bei der Gebührengestaltung verfassungsrechtliche Anforderungen, wie etwa der Gleichheitssatz in seinen verschiedenen Ausprägungen (Art. 3, 33 Abs. 1 GG ), zu beachten sind.52 Zudem wird von den Universitäten eine stärkere Eigeninitiative bei der Beschaffung von Finanzmitteln erwartet. Dieser Erwartung versuchen die Universitäten vor allem dadurch gerecht zu werden, dass sie der Spendenakquisition höhere Aufmerksamkeit widmen, unter anderem durch den Aufbau eines Alumni-Systems nach amerikanischem Muster. Allerdings reicht das Spektrum der universitären Eigeninitiative zur Beschaffung von Finanzmitteln deutlich weiter und betrifft namentlich auch die Forschung im Auftrag der Wirtschaft. Zwar stellt die Auftragsforschung kein neues Phänomen wissenschaftlicher Betätigung dar, doch könnte sie im Zuge der Ökonomisierung der Universitäten wachsende Bedeutung erlangen. Eine derartige Entwicklung bedarf insofern besonderer Aufmerksamkeit, als sich die Gefahr erhöht, dass wissenschaftsfremde Einflüsse in die Forschung eindringen. Nicht ohne Grund hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass die Einwerbung von Drittmitteln, deren Entgegennahme Anreize für eine auftragsund ergebnisorientierte Forschung setzt, nicht als Bewertungskriterium bei der hochschulinternen Ressourcenverteilung dienen darf.53 Hieraus lässt sich für die staatliche Hochschulfinanzierung die Schlussfolgerung ziehen, dass die Mittelbeschaffung durch Auftragsforschung bei der Bemessung der Mindestausstattung unberücksichtigt bleiben muss. Der Staat ist nach Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verpflichtet, die Mindestausstattung so zu bemessen, dass eine auftragsforschungsfreie Wissenschaft ermöglicht wird. Erfüllt der Staat diese Pflicht, so genügt er den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Der Wissenschaftler ist dann für seine Freiheit und Unabhängigkeit beim Forschungsprozess selbst verantwortlich. Die Möglichkeit der wissenschaftlichen Hochschulen, durch Kooperation mit der Wirtschaft zusätzliche Finanzmittel zu erlangen, beschränkt sich indes nicht auf die Forschung. Vielmehr besteht sie auch auf dem Gebiet von Lehre und Ausbildung. Insoweit kommt der Einrichtung neuer Studiengänge, namentlich im Weiterbildungsbereich, be-

51 BVerwGE 115, 32 ff (zu Langzeitstudiengebühren); V. Haug Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen einer Einführung von Studiengebühren, WissR 33 (2000), 1 (7 ff.); C. Waldhoff Studiengebühren im Bundesstaat, JuS 2005, 391 (393). Zu gesetzgebungskompetenziellen Fragen vgl. BVerfG, NJW 2005, 493 ff. 52 Vgl. dazu K. F. Gärditz Studiengebühren, staatsbürgerliche Gleichheit und Vorteilsausgleich, WissR 38 (2005), 157 ff. 53 BVerfG , NVwZ 2005, 315 (317).

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sondere Bedeutung zu. Auch hierbei sind enge Kooperationsformen denkbar, die teilweise auch schon praktiziert werden.54 Auf dem Gebiet von Lehre und Ausbildung erweist es sich als besonders dringlich, zur Sicherung der Wissenschaftsfreiheit Regeln und Standards zu entwickeln. c)

Leistungsorientierter Mitteleinsatz und Evaluation

Die gegenwärtigen Reformbestrebungen sind nicht zuletzt auch darauf gerichtet, beim Einsatz öffentlicher Mittel stärker als bisher Leistungsgesichtspunkte zu berücksichtigen. Dies betrifft die persönlichen Bezüge des wissenschaftlichen Personals ebenso wie die inneruniversitäre Ressourcenverteilung unter den Fakultäten (Fachbereichen), Fächern und Lehrstühlen. Bei der unlängst eingeführten neuen Besoldungsstruktur für das wissenschaftliche Personal geht der Reformgedanke dahin, ein Grundgehalt vorzusehen, das durch besondere Zulagen (variable Leistungsbezüge) aufgestockt werden kann. Die Zulagen können nach § 33 Abs. 1 BBesG aus Anlass von Berufungs- und Bleibeverhandlungen, für besondere Leistungen vor allem auch in Forschung und Lehre sowie für die Wahrnehmung von Funktionen oder besonderen Aufgaben im Rahmen der Hochschulselbstverwaltung oder der Hochschulleitung gewährt werden. Lebhaft kritisiert wird das vom Reformgesetzgeber geregelte Zulagensystem insoweit, als es sich auf individuelle Leistungen in Forschung und Lehre bezieht, wobei die Kritik vor allem auf dem Zweifel beruht, dass sich diese Leistungen sachgerecht messen und bewerten lassen.55 Doch gilt es hierbei zu beachten, dass eine abschließende seriöse Beurteilung „im gegenwärtigen Stadium der Diskussion, Erprobung und erst allmählichen Herausbildung bewährter Praktiken der Wissenschaftsevaluation auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene“56 kaum möglich sein dürfte. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der Frage der Evaluation von Leistungen auf dem Gebiet von Forschung und Lehre im Zusam54 So bietet z. B. die Universität Frankfurt gemeinsam mit dem Wirtschaftsprüfungsund Beratungsunternehmen KPMG für Mitarbeiter dieses Unternehmens einen entgeltpflichtigen Weiterbildungsstudiengang an, der zum Universitätsabschluss „Master of Finance and Accounting“ führt, wobei sich das Lehrpersonal aus Universitätsprofessoren sowie Lehrkräften des beteiligten Unternehmens zusammensetzt (FAZ vom 12. 3. 2005, S. 61). 55 Vgl. dazu beispielsweise Thieme Hochschulrecht (Fn. 14), Rn. 48 (S. 34). Näher zu den allgemeinen Zweifeln an der sachgerechten Mess- und Bewertbarkeit wissenschaftlicher Leistungen Hoffacker Universität (Fn. 23), 95 ff. Differenzierend M. Bullinger Finanzierung der Universität nach ihren Leistungen, JZ 1998, 109 (114 f.). 56 BVerfG , NVwZ 2005, 315 (317).

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menhang mit der hochschulinternen Ressourcenverteilung auf wissenschaftliche Einrichtungen unlängst näher befasst.57 Hierbei weist es zu Recht darauf hin, dass sich aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG weder ein Verbot der Bewertung wissenschaftlicher Qualität noch ein Verbot, an die Bewertung Folgen bei der Ressourcenverteilung zu knüpfen, herleiten lasse.58 Ergänzend kann hinzugefügt werden, dass derartige Verbote auch nicht nach anderen verfassungsrechtlichen Normen bestehen.59 Allerdings stellt das Gericht besondere formelle und materielle Anforderungen an die Evaluationskriterien. So erklärt es beispielsweise, dass die Vertreter der Wissenschaft an der Kriterienfestlegung angemessen beteiligt werden müssten. Und hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung der Kriterien macht es geltend, dass Unterschiede in Rechnung zu stellen seien, etwa zwischen einer abstrakt-theoretischen Grundlagenforschung mit (ungewissem) langfristigem Ertrag einerseits sowie einer kurzfristig ausgerichteten anwendungs- und nachfrageorientierten wissenschaftlichen Tätigkeit andererseits. Eine Evaluation dürfe sich auch nicht auf ein einziges Kriterium, etwa eingeworbene Drittmittel, stützen.60 Wenngleich die dargelegten Rechtsgrundsätze zur Evaluation von Lehr- und Forschungsleistungen im Zusammenhang mit der hochschulinternen Ressourcenverteilung auf wissenschaftliche Einrichtungen stehen, so spricht doch nichts dagegen, sie auf die Fälle der Verbesserung der persönlichen Bezüge von Wissenschaftlern zu übertragen. Es kann demnach festgehalten werden, dass die Vergütung der Wissenschaftler auf der Grundlage evaluierter Leistungen in Forschung und Lehre grundsätzlich zulässig ist, wobei allerdings an die Evaluation besondere formelle und materielle Anforderungen zu stellen sind. Es gehört zu den Aufgaben der nächsten Zeit, diese Anforderungen auf der Grundlage zunehmender Evaluationserfahrungen sowie weiterer Untersuchungen zur wissenschaftsadäquaten Messbarkeit von Lehr- und Forschungsleistungen zu präzisieren. Perfektion im Sinne vollständiger Bewertungsgerechtigkeit wird auch hier nicht zu erreichen sein, aber voraussichtlich

BVerfG , NVwZ 2005, 315 (317 f.). Strenger – unter Berufung auf BVerwGE 102, 304 ff. – Wendt (Fn. 26), Art. 5 Rn. 104 a, sowie A. Schachtschneider/T.C.W. Beyer Forschung und Lehre sind frei, BayVBl . 1998, 171 ff., mit Replik von T. Bauer, BayVBl . 1998, 459 ff. 57 58

59 Im Ergebnis ebenso Seidler Hochschulfinanzierung (Fn. 19), 505 f. Rn. 81, mit dem zutreffenden Hinweis, dass die Mindestausstattung der Wissenschaftler im Rahmen von Evaluationsverfahren nicht angetastet werden darf. Das wissenschaftliche Existenzminimum ist gleichsam evaluationsfest. 60 BVerfG , NVwZ 2005, 315 (317).

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doch ein höheres Maß an Rationalität als in den anfänglichen kritischen Diskussionen erwartet worden ist. IV. Internationalisierung der Universitäten 1.

Vorbemerkung

Es gehört seit jeher zum Selbstverständnis der Universitäten, dass sie ein Ort internationaler fachlicher Begegnungen und Beziehungen sind. Dies gilt sowohl für Forscher als auch für Studierende. Durch die rasanten technischen Entwicklungen im Verkehrs- sowie vor allem im Informations- und Kommunikationswesen während der letzten Jahrzehnte sind die Möglichkeiten der Universitäten erheblich verbessert worden, ihrem Anspruch gerecht zu werden, international ausgerichtete Stätten der Forschung und Ausbildung zu sein. Wenngleich Internationalität traditionell ein besonderes Kennzeichen universitären Lebens darstellt, so gewinnt sie doch in jüngster Zeit erheblich an Dynamik und Gewicht.61 Bei der näheren Betrachtung dieses Phänomens gilt es, zwischen den Bereichen der Forschung einerseits sowie der Ausbildung und des Studiums andererseits zu unterscheiden. 2.

Internationalisierung im Bereich der Forschung

Im Bereich der Forschung kommt die Internationalisierung maßgeblich darin zum Ausdruck, dass die grenzüberschreitende wissenschaftliche Kooperation ausgebaut und verstärkt wird. Dabei geht es nicht bloß um die wechselseitige Versorgung mit Fachinformationen auf elektronischem Weg, sondern vor allem auch um den Austausch von Gastwissenschaftlern, die Ausrichtung von Fachtagungen mit internationaler Beteiligung und die gemeinsame Bearbeitung von Forschungsvorhaben durch Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern.62 Entsprechende Fördermittel werden von etlichen öffentlichen Stellen (auch auf supranationaler Ebene) sowie von privaten Organisationen bereitgestellt.63 Internationalität ist (neben Interdisziplinarität) zu einem entscheidenden 61 Von einem „akademischen Megatrend“ spricht K. Hahn Die Internationalisierung der deutschen Hochschulen, 2004, 130, unter Hinweis auf S. Groennings Higher Education, International Education and the Academic Disciplines, in: S. Groennings/ D. Wiley (Hrsg.) Groups Portrait: Internationalizing the Disciplines, New York 1990, 27. 62 Auf den zusätzlichen Gesichtspunkt eines vermehrten dauerhaften Wechsels von Wissenschaftlern an ausländische Hochschulen weist J. Heß Der Bologna-Prozess, WissR 36 (2003), 272 (277), hin. 63 Vgl. dazu den Überblick von Hödl/Zegelin Hochschulreform (Fn. 17), 432 ff.

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Kriterium für die Förderungswürdigkeit wissenschaftlicher Tätigkeiten oder Veranstaltungen geworden. Allerdings handelt es sich bei alledem weniger um originäre Neuheiten, als vielmehr um die zeitgenössische Entfaltung bekannter Ansätze. Für die Internationalisierung im Bereich der Forschung ist kennzeichnend, dass sie sich im wesentlichen auf die Ausdehnung und Intensivierung des Herkömmlichen beschränkt, wenngleich nicht übersehen werden darf, dass die internationale Zusammenarbeit, etwa bei länderübergreifenden Großprojekten, inzwischen eine neue Dimension erreicht hat.64 3.

Internationalisierung im Bereich von Ausbildung und Studium

a)

Allgemeine Tendenzen

Was den Bereich von Ausbildung und Studium anbelangt, so gehört der weitere Ausbau überkommener Ansätze ebenfalls zu den Erscheinungsformen der Internationalisierung. Dies betrifft etwa den verstärkten grenzüberschreitenden Studienortwechsel, für den spezielle Förderprogramme (z. B. Erasmus/Sokrates, Tempus) bestehen65 und der von den Fakultäten tatkräftig unterstützt wird. Doch reichen die aktuellen Internationalisierungsbestrebungen hierüber weit hinaus. Es zeigt sich bereits, dass sie im Bereich von Ausbildung und Studium zu tiefgreifenden Veränderungen führen. Denn in diesem Bereich stehen derzeit die internationale Vergleichbarkeit und Anerkennung der Studiengänge und Abschlüsse sowie damit einhergehende Erleichterungen des Auslandsstudiums im Vordergrund. Es geht hierbei neben der systematischen Anrechnung der im Ausland erbrachten Studienleistungen vor allem auch um eine gestufte, modularisierte Studienstruktur, ein Leistungspunktsystem und die qualitätssichernde Akkreditierung von Studiengängen. Die aktuellen Internationalisierungsbestrebungen laufen mithin auf die Vereinheitlichung des universitären Ausbildungsbetriebs hinaus. Dadurch unterscheiden sie sich wesentlich vom herkömmlichen Verständnis universitärer Internationalität, wonach die Bereicherung des grenzüberschreitenden Studienortwechsels für den Einzelnen gerade aus der Verschiedenartigkeit der Studienangebote und Lehrinhalte resultiert. Die neue Entwicklung ist darauf gerichtet, den Studienaufenthalt im Ausland durch weitreichende ausbildungsstrukturelle Maßnahmen zu forcieren und den akademischen Nachwuchs auf den europäischen Ar64 Ausführlicher zur Thematik H.F. Zacher Die Internationalität der Forschung: ein Forschungsprogramm, in: Haller et al. (Hrsg.) FS Winkler, 1997, 1273 ff. 65 Näheres hierzu bei Hödl/Zegelin Hochschulreform (Fn. 17), 424 ff.

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beitsmarkt vorzubereiten. Doch geht es bei den Reformmaßnahmen hierzulande nicht zuletzt auch darum, den deutschen Hochschulen einen Anteil am internationalen Bildungsmarkt zu sichern, wobei diesem Gesichtspunkt nicht nur eine kulturelle und politische, sondern insbesondere auch eine wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Anderenorts (wie z. B. in Australien) wird die universitäre Anziehungskraft gegenüber ausländischen Studierenden mit Rücksicht darauf, dass diese Studiengebühren zu entrichten und ihre Lebenshaltungskosten zu bestreiten haben, bereits als Wirtschaftsfaktor betrachtet.66 Die ökonomische Dimension des internationalen Bildungsmarktes könnte bewirken, dass deutsche Universitäten im Ausland und ausländische Universitäten in Deutschland Dependancen gründen und Ausbildungsangebote (namentlich Aufbau- und Weiterbildungsstudiengänge) unterbreiten. Das gilt selbst für den rechtswissenschaftlichen Bereich. So liegt es längst nicht mehr außerhalb der Vorstellungskraft, dass beispielsweise eine angesehene amerikanische Universität in Deutschland mit Hilfe einer GmbH-Gründung ein juristisches Masterstudium offeriert.67 Eine zentrale Bedeutung für die Internationalisierung der Universitäten im Bereich von Ausbildung und Studium kommt gegenwärtig dem sog. Bologna-Prozess68 zu, so dass ihm erhöhte Aufmerksamkeit gebührt, zumal er – was hier besonders interessiert – auch die Rechtswissenschaft betrifft. b)

Der Bologna-Prozess

aa) Inhaltlicher Rahmen Im Juni 1999 haben die Bildungsminister aus 29 europäischen Staaten anlässlich einer hochschulpolitischen Konferenz in Bologna eine Erklärung69 unterzeichnet, in der verschiedene Ziele zur Errichtung des euro-

66 E. Mielenhausen Der internationale Bildungsmarkt, in: T. Oppermann (Hrsg.) Vom Staatsbetrieb zur Stiftung, 2002, 62 (62). 67 Zu den Bemühungen der WTO um Deregulierung und Liberalisierung der Bildungsmärkte, die im „General Agreement on Trade in Services“ (GATS ) sowie den Verhandlungen über die Fortentwicklung dieses Abkommens zum Ausdruck kommen, vgl. z. B. C. Scherrer Öffentliche und private Bildungsmärkte und die Verhandlungen des GATS , in: Bretschneider/Wildt (Hrsg.) Handbuch Akkreditierung von Studiengängen, 2005, 29 ff. m.w.N; H. Anthofer GATS und die Liberalisierung von Bildungsdienstleistungen, Schriftenreihe „Zur Zukunft öffentlicher Dienstleistungen“ der Kammer für Angestellte und Arbeiter für Wien, Nr. 5, 2005; Hahn Internationalisierung (Fn. 61), 58 ff. 68 Instruktiver Überblick bei Heß Bologna-Prozess (Fn. 62), 272 ff. 69 Abgedruckt u. a. in: Hochschulrektorenkonferenz (Hrsg.) Bologna-Reader, 4. Aufl. 2005, 285 ff.

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päischen Hochschulraums sowie zur Förderung der europäischen Hochschulen formuliert worden sind, die bis spätestens 2010 „unter uneingeschränkter Achtung der Vielfalt der Kulturen, der Sprachen, der nationalen Bildungssysteme und der Autonomie der Universitäten“ erreicht werden sollen. Zu den Zielen dieser sog. Bologna-Erklärung gehört insbesondere die Verwirklichung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse, auch unter Verwendung eines Diplomzusatzes (Diploma Supplement)70, um die arbeitsmarktrelevanten Qualifikationen der europäischen Bürger sowie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Hochschulsystems zu verbessern. Es ist vorgesehen, eine aus zwei Hauptzyklen bestehende Ausbildungsstruktur einzuführen, wobei der erste Zyklus mindestens drei Jahre dauern und einen berufsqualifizierenden Abschluss (undergraduate) für den europäischen Arbeitsmarkt vermitteln soll. Der zweite Ausbildungszyklus, der in der Regel nur unter der Voraussetzung aufgenommen werden kann, dass der erste erfolgreich absolviert worden ist, soll mit einem Master- oder Doktorgrad abschließen (graduate). Damit übernimmt die Bologna-Erklärung für die angestrebte Konvergenz der Ausbildungsstrukturen im Hochschulwesen das aus dem angelsächsischen Bereich bekannte Bachelor-Master-System. Die in der Erklärung enthaltenen Ziele beziehen sich ferner unter anderem auf die Einführung eines Leistungspunktsystems zur Förderung der größtmöglichen Mobilität der Studierenden sowie auf die europäische Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung im Hinblick auf die Entwicklung vergleichbarer Kriterien und Methoden. Mittlerweile haben sich fast alle europäischen Staaten dem BolognaProzess angeschlossen, der mit Folgekonferenzen, die jeweils im zweijährigen Abstand stattfinden, in Bewegung gehalten und vorangetrieben wird.71 Der Zweck dieser Folgekonferenzen besteht jeweils darin, Zwischenbilanz zu ziehen, für die kommenden Jahre Prioritäten zu setzen sowie gegebenenfalls inhaltliche Konkretisierungen, neue Ziele oder weitere Maßnahmen zu beschließen. Was die inzwischen erfolgten konzeptionellen Fortentwicklungen angeht, so fällt besonders auf, dass die in der Bologna-Erklärung für den zweiten Ausbildungszyklus vorgese-

70 Näher dazu T. N. Mitchell Diploma Supplement, in: Bretschneider/Wildt, Handbuch (Fn. 67), 276 ff. 71 Vgl. dazu die Kommuniqués von Prag (2001) und Berlin (2003), beide abgedruckt in: Hochschulrektorenkonferenz, Bologna-Reader (Fn. 69), 291 ff. bzw. 299 ff., sowie das Kommuniqué von Bergen (2005), abrufbar unter http://www.bmbf.de/pub/ bergen_kommunique_dt.pdf. Die nächste Konferenz ist für das Jahr 2007 in London geplant.

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hene Alternativität von Master- oder Promotionsabschluss inzwischen aufgegeben worden ist. Nach den jüngst erfolgten Präzisierungen72 soll die Promotion den Abschluss des Doktorandenstudiums bilden, das seinerseits als eigenständiger dritter Zyklus (im Anschluss an das Bachelor- und das Masterstudium) auszugestalten ist. Die Ausgestaltung des dritten Zyklus wird dabei bereits als ein Schritt verstanden, der über den europäischen Hochschulraum hinausführt und der Erschließung des europäischen Forschungsraums dient.73 Wer an diesem Zyklus teilnimmt, soll zugleich als Studierender und als Nachwuchswissenschaftler betrachtet und im Sinne der Förderung des Wissens durch originäre Forschung ausgebildet werden.74 Einigkeit besteht in der Fachliteratur darüber, dass mit der BolognaErklärung keine (völker)rechtlichen Verpflichtungen verbunden sind.75 Es handelt sich hierbei um ein wechselseitiges politisches Versprechen, das darauf gerichtet ist, bestimmte gemeinsame Ziele im Hochschulwesen innerhalb einer festgelegten Frist durch entsprechende nationale Maßnahmen (auch bi- oder multilateraler Art) zu verwirklichen. Wenngleich die Missachtung dieses Versprechens keinen Rechtsverstoß darstellt, so birgt sie immerhin das Risiko eines Verlustes an Ansehen und Seriosität, weil ein gegebenes Wort nicht eingehalten wird. bb) Zur Rahmenausfüllung im nationalen Bereich unter besonderer Berücksichtigung der Rechtswissenschaft Der Bundesgesetzgeber hat die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen in der Kann-Vorschrift des § 19 Abs. 1 HRG und die Schaffung eines Leistungspunktsystems in der Soll-Vorschrift des § 15 Abs. 3 HRG geregelt. Von den Ländern sind vielfach ähnliche gesetzliche Regelungen erlassen worden.76 Soweit sich der Bund dazu entschließt, ökonomische Anreize aus Bundesmitteln zu setzen, um die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen zu unterstützen und zu beschleunigen, hat er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Kommuniqué von Bergen (Fn. 71), Gliederungsabschn. III . Vgl. dazu neben dem Hinweis oben in Fn. 72 auch das Kommuniqué von Berlin (Fn. 71), Gliederungsabschn. „Europäischer Hochschul- und Forschungsraum – zwei Säulen der Wissensgesellschaft.“ 74 Kommuniqué von Bergen (Fn. 71), Gliederungsabschn. III . 75 Kempen Universität (Fn. 14), 1085; M. Wulffen/R. Schlegel Der Bologna-Prozeß und seine möglichen Auswirkungen auf die Justiz, NVwZ 2005, 890 (891); J. Ziekow Die Auswirkungen des Bologna-Prozesses auf die deutsche Juristenausbildung, in: Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz (Hrsg.), Mainzer Runde 2004, o. J., 6. 76 Vgl. z. B. § 19 Abs. 4 S. 1, § 25 Abs. 3 HochSchG (RhPf.); § 6 Abs. 3, § 7 Abs. 2 NHG ; § 29 Abs. 2, 3, § 32 Abs. 3 LHG (BaWü). 72

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Verwaltungs- und Finanzierungskompetenz (insbesondere die Art. 83, 91 b, 104 a GG ) zu beachten.77 Hinsichtlich der Qualitätssicherung der Bachelor- und Masterstudiengänge wird derzeit außerhalb der Ministerialverwaltung ein Akkreditierungssystem mit privatrechtlich organisierten Akkreditierungsagenturen aufgebaut.78 Gegenüber einer landesgesetzlichen Pflicht, neu konzipierte Studiengänge vor dem praktischen Einsatz einer (kostenpflichtigen) Begutachtung durch derartige Agenturen zu unterwerfen, bestehen keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal der Staat im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG auch Verantwortung für die Validität der studentischen Ausbildung trägt. Allerdings sind erhöhte, namentlich aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG und dem Demokratieprinzip resultierende organisatorische Anforderungen zu beachten, wenn der betreffende Studiengang in dem Fall, dass das Akkreditierungsverfahren zu einem negativen Ergebnis führt, von der Universität nicht verwirklicht werden darf, sei es, dass die erforderliche staatsbehördliche Genehmigung ausbleibt, weil die Ministerialverwaltung an das Akkreditierungsergebnis gebunden ist, sei es, dass bei fehlendem Genehmigungserfordernis eine universitäre Direktbindung besteht.79 Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang der Umstand, dass dem Staat die Aufgabe obliegt, für einen Ausgleich zwischen der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ) einerseits sowie der studentischen Ausbildungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG ) andererseits zu sorgen. Inwieweit es sinnvoll und gegenüber der jungen Generation zu verantworten ist, von der gesetzlich eröffneten Möglichkeit Gebrauch zu machen, die einstufigen, mit einem Diplom, Magister oder Staatsexamen abschließenden Studiengänge in ein zweistufiges Bachelor-Master-System zu überführen80, hängt maßgeblich von den Arbeitsmarkt-

77 Die Thematik ist Gegenstand eines Bund-Länder-Streits vor dem Bundesverfassungsgericht (2 BvG 1/05). Den Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Gericht abgelehnt ( BVerfGE 112, 321 ff.). 78 Vgl. dazu den Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 15. 10. 2004 über „Eckpunkte für die Weiterentwicklung der Akkreditierung in Deutschland“ (abrufbar unter http://www.akkreditierungsrat.de/ KMK _Eckpunkte.pdf) sowie das nordrhein-westfälische „Gesetz zur Errichtung einer Stiftung ‚Stiftung zur Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland‘“ vom 15. 2. 2005 (GV.NRW S. 45). Weitere Einzelheiten zum Akkreditierungswesen ergeben sich aus dem oben in Fn. 67 erwähnten Handbuch. 79 Weitreichende (teilweise allerdings unbegründete) verfassungsrechtliche Einwände gegenüber der derzeitigen Ausgestaltung des Akkreditierungswesens erhebt J. Lege Die Akkreditierung von Studiengängen, JZ 2005, 698 ff. 80 Mit den bisherigen Studienreformen im Sinne des Bologna-Prozesses befassen sich S. Schwarz-Hahn/M. Rehburg Bachelor und Master in Deutschland, 2004. Einen Über-

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chancen der Absolventen eines Bachelorstudiums ab. Gesichtspunkten wie der Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse im europäischen Maßstab und der Erleichterung des grenzüberschreitenden Studienortwechsels kommt nur eine sekundäre Bedeutung zu. Denn all dies hilft nicht, wenn die Absolventen keine Beschäftigung finden. Die Frage der Arbeitsmarktchancen kann hier indes nicht im einzelnen beurteilt werden, weil es an geeigneten systematischen Untersuchungen fehlt. Besondere Schwierigkeiten bereitet die von offizieller hochschulpolitischer Seite angestrebte Übertragung des Bachelor-Master-Systems auf den Bereich der Rechtswissenschaft.81 Das gilt jedenfalls insoweit, als es um die universitäre Ausbildung für die klassischen juristischen Berufsfelder geht (Justiz, Anwaltschaft, Notariat, höherer Verwaltungsdienst). Hier lassen sich keine geeigneten Ansatzpunkte für eine konsekutiv angelegte Zweiteilung in ein Bachelor- und ein Masterstudium ausmachen.82 Zwar ist denkbar, formal ein dreijähriges Bachelorstudium einzuführen, an das sich ein einjähriges Masterstudium anschließt, bevor der praktische Vorbereitungsdienst beginnt. Doch ist nicht erkennbar, dass die Absolventen des Bachelorstudiums bereits über berufliche Qualifikationen verfügen, die auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt werden. Es kommt daher allenfalls ein vierjähriges Bachelorstudium in Betracht. Allerdings müsste dieses ungeachtet der Frage, ob hierdurch die Arbeitsmarktchancen der Absolventen spürbar verbessert werden, den blick zu den Ergebnissen dieser Untersuchung vermittelt M. Rehburg Alle Wege führen nach Bologna: Studienreformen im europäischen Hochschulraum, RdJB 2004, 476 ff. 81 Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Realisierung der Ziele des Bologna-Prozesses. Nationaler Bericht 2004 von KMK und BMBF (abrufbar unter http://www.kmk.org/doc/publ/ BE _041220_Bologna_NationalerBericht%20Endfassung.pdf), Gliederungsabschn. 13, Unterabschn. „Gestufte Studienstruktur“, 1. Querstr.: „Die Umstellung auf das gestufte Studiensystem wird fortgesetzt, das Angebot akkreditierter Bachelor- und Masterstudiengänge ausgebaut. Ziel bleibt es, weitere Studiengänge, die mit Staatsexamensprüfungen (wie z. B. Rechtswissenschaft, Medizin, Pharmazie) abschließen, in die gestufte Struktur zu überführen“. Eine andere Aussage hinsichtlich der Rechtswissenschaft enthalten allerdings der Koalitionsvertrag (Fn. 9), Gliederungsabschn. B VIII 2.4, sowie der Bericht des Ausschusses der Justizministerkonferenz zur Koordinierung der Juristenausbildung, Der Bologna-Prozess und seine möglichen Auswirkungen auf die Juristenausbildung, Stand: 15. 10. 2005 (abrufbar unter http://www.justiz.nrw.de/JM /justizpolitik/schwerpunkte/bologna_prozess/abschlussbericht.pdf), S. 23. 82 Ablehnend auch die Beschlüsse des 84. und 85. Deutschen Juristen-Fakultätentages, (abrufbar unter http://www.jura.uni-muenchen.de/einrichtungen/fakultaetentag/ 85/protokoll.pdf); B. Merk Der Bologna-Prozess – die Erste Juristische Staatsprüfung auf dem Prüfstand?, ZRP 2004, 264 ff.; P. Wex Bachelor und Master, 2005, 302 ff. Skeptisch Ziekow Auswirkungen (Fn. 75), 16 ff. (mit Überlegungen zu etwaigen Reformmaßnahmen im Sinne des Bologna-Prozesses).

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Eintritt in den praktischen Vorbereitungsdienst ermöglichen, sofern eine Studienzeitverlängerung vermieden werden soll. Gegen eine derartige Ausbildungsstruktur spricht wiederum, dass sich das Masterstudium nicht sachgerecht einbauen lässt. Wie man es auch dreht und wendet: Das Bachelor-Master-System ist für die universitäre Juristenausbildung ungeeignet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der berufsqualifizierende Abschluss des Bachelorstudiums ernst genommen, eine Studienzeitverlängerung abgewendet und das Masterstudium als Zugangsvoraussetzung zu den klassischen juristischen Berufsfeldern ausgestaltet werden soll.83 Was die von der neueren Entwicklung des Bologna-Prozesses umfasste strukturierte universitäre Doktorandenausbildung angeht, so ist festzustellen, dass sich diese ohne weiteres auch im rechtswissenschaftlichen Bereich realisieren lässt, wie die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG ) geförderten juristischen Graduiertenkollegs belegen. Eine andere Frage ist, inwieweit es sich empfiehlt, eine entsprechende Umstellung des überkommenen Promotionswesens vorzunehmen. Aus dem deutschen Landesbericht 2004 zum Bologna-Prozess geht hervor, dass die Angebote strukturierter Doktorandenausbildung ausgebaut, aber auch andere Wege zur Promotion offengehalten werden sollen.84 Dieser Konzeption kann uneingeschränkt zugestimmt werden. Sie nimmt nicht zuletzt darauf Rücksicht, dass die Ausgestaltung des Promotionswesens zum engsten Bereich der grundrechtlich geschützten Wissenschaftsfreiheit der Universitäten bzw. Fakultäten (Fachbereiche) gehört85, was namentlich auch im Hinblick auf Erwägungen, die 83 Zu rechtswissenschaftlichen Studiengängen nach dem Bachelor-Master-System außerhalb der Ausbildung zu den klassischen juristischen Berufsfeldern bzw. unter Verlängerung der Ausbildungszeit vgl. z. B. H. Heiss/D. Bremer Modularisierung als Königsweg? – Zur Konkurrenz von Staatsexamen und Bachelor am Beispiel der Juristenausbildung an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, in: Münch (Hrsg.) Die neue Juristenausbildung, 2004, 55 ff.; N. Reich/F. Vanistendael Bologna und der EuroJurist, ZRP 2002, 268 (271). Relativierend zum berufsqualifizierenden Abschluss der Bachelor-Studiengänge L. Gieseke Ein gestuftes Studiensystem ist überfällig, WissR 38 (2005), 55 (55, 59 f.). 84 Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Nationaler Bericht 2004 (Fn. 81), Gliederungsabschn. 13, Unterabschn. „Strukturierte Doktorandenausbildung“. Demgegenüber erwägt Heß BolognaProzess (Fn. 62), eine „obligatorische Einbettung der Doktorarbeit in eine lehrbezogene Umfeldorientierung und damit auch in ein kommunikatives Netzwerk“ (Hervorhebung nicht im Original). 85 Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Nationaler Bericht 2004 (Fn. 81), Gliederungsabschn. 6.1: „Das Promotionsrecht ist in Deutschland ein Kernstück universitärer Autonomie.“ Zur

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Promotionsstudiengänge ebenfalls einer qualitätssichernden Akkreditierung zu unterziehen, bedeutsam ist. Die Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG an die Organisation der Akkreditierung sind bei den Promotionsstudiengängen strenger als bei den Bachelor- und Masterstudiengängen. Es mindert jedoch die Eingriffsintensität, wenn die Fakultäten (Fachbereiche) Promotionen in jedem Fall auf traditionelle Weise durchführen dürfen, und zwar vor allem auch dann, wenn das Akkreditierungsverfahren mit rechtlichen Bindungswirkungen in dem Sinne ausgestattet werden sollte, dass bei einem negativen Verfahrensergebnis die Einrichtung eines bestimmten Promotionsstudiengangs unzulässig ist. Andererseits gilt es zu beachten, dass die Teilnehmer an einer strukturierten Doktorandenausbildung zugleich als Nachwuchswissenschaftler und als Studierende zu betrachten sind86, so dass auch hier eine – wiewohl im Vergleich zu den Bachelor- und Masterstudiengängen weniger ausgeprägte – staatliche Verantwortung aus Art. 12 Abs. 1 GG für die Validität der Ausbildung besteht.

V.

Schlussbetrachtung

Die Universität beruht auf einer wechselhaften, teilweise glanzvollen Geschichte, erlebt eine bewegte Gegenwart und steuert in eine ungewisse Zukunft. Allerdings sind bereits einige ausgeprägte Entwicklungstendenzen erkennbar, die es ermöglichen, sich zumindest ein umrisshaftes Bild vom künftigen Hochschulwesen zu verschaffen. Von der europäischen Ebene gehen kräftige, das Ausbildungssystem betreffende Vereinheitlichungstendenzen aus, die in Deutschland aller Voraussicht nach über die inzwischen erfolgten ausbildungsstrukturellen Veränderungen hinaus weitere Anpassungsmaßnahmen auslösen werden. Mit der europäischen Vereinheitlichungstendenz überschneidet sich eine Differenzierungstendenz nationalen Ursprungs, die aus der verstärkten Ausrichtung des Wissenschaftsbereichs an Funktionsprinzipien von Markt und Wettbewerb resultiert. Die sich abzeichnende Differenzierung erfolgt – wesentlich offener und stärker als bisher – vor allem unter den Universitäten und Fakultäten, und zwar nach Maßgabe der von ihnen erbrachten Leistungen in Forschung und Lehre. Sofern es jedoch auf diese Weise gelingen sollte, dass die leistungsstarken wissenschaftlichen Einrichtungen noch besser werden, dürften sich die Reformangrundrechtlichen Absicherung des universitären Promotionsrechts jüngst dezidiert BerlVerfGH , Urt. v. 6. 9. 2004 – 210/03, Gliederungsabschn. III 1a. 86 Vgl. dazu oben bei und mit Fn. 74.

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung u. Internationalisierung

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strengungen durchaus lohnen, und zwar deshalb, weil die zur Sicherung gesellschaftlichen Fortschritts und Wohlstands dringend benötigten Forschungsleistungen nicht zustande kommen, wenn viele Durchschnittliches leisten, wohl aber dann, wenn wenige die entscheidenden Spitzenleistungen erbringen.

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Leitsätze des 1. Berichterstatters über:

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung und Internationalisierung I.

Einleitung

1) Die Universität unterliegt derzeit einem Reformprozeß, der sowohl ihre Organisationsstrukturen als auch ihre Finanzierung, den Aufbau ihrer Studiengänge, ihr Promotionswesen sowie ihre Bildungsinhalte erfaßt.

II.

Historische Grundlagen und Wegweisungen

2) Die neuhumanistisch-idealistische Universitätskonzeption Wilhelm von Humboldts beruht auf den vier Prinzipien der Einheit der Wissenschaft, der Freiheit der Wissenschaft, der Einheit von Forschung und Lehre sowie der Bildung durch Wissenschaft. 3) Auf der Grundlage dieser Konzeption erlebten die deutschen Universitäten eine Blütezeit mit kräftiger Vorbildwirkung für das Ausland. Inzwischen hat sich jedoch das ausländische Universitätswesen durch die Ausprägung eigener Strukturen erheblich fortentwickelt und dabei beeindruckende wissenschaftliche Erfolge erzielt. Insofern kann nicht angenommen werden, daß die derzeit unter dem Eindruck dieser Erfolge angestrebte Verbesserung universitärer Leistungen in Deutschland allein mit einer Rückbesinnung auf die Universitätsidee Humboldts gelingen könnte. 4) Wenngleich das neuhumanistisch-idealistische Konzept des studentischen Lernens durch Teilhabe an der Forschung und am fachlichen Diskurs (Bildung durch Wissenschaft) nach wie vor als Leitbild dienen kann, so taugt es doch nicht für die Massenuniversität. Eine Gruppe von Studierwilligen, die – wie von der Politik angestrebt – 40 % eines Altersjahrgangs erfaßt, erweist sich als derart heterogen, daß man ihr nur durch ein nach Begabung, Neigung und Leistungsbereitschaft differenzierendes Hochschulangebot gerecht zu werden vermag. Dabei muß die Differenzierung tiefer reichen als bei der herkömmlichen Zweiteilung zwischen Universitäten und Fachhochschulen. 5) Bei den politischen Bemühungen um die Erhöhung der Studienanfängerquote, für die gute Gründe sprechen, ist man nicht auf die Option ange-

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung u. Internationalisierung

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wiesen, daß die Studierwilligen zum weit überwiegenden Teil von den Universitäten aufgenommen werden. Bezüglich des Hochschulangebots gilt es, mehr Differenzierung zu wagen.

III. Ökonomisierung der Universitäten 6) In der gegenwärtigen Reformdiskussion erfüllt der Begriff der Ökonomisierung keine rechtsdogmatische Funktion, sondern dient dem Zweck, eine Tendenz anzuzeigen bzw. ein Phänomen zu beschreiben. Er bezieht sich auf die verstärkte Ausrichtung der Universität an Struktur- und Handlungsprinzipien, die für den ökonomischen Bereich kennzeichnend sind, um die universitäre Leistungsbilanz in Forschung und Lehre zu verbessern. 1.

Der Wettbewerbsgedanke im Hochschulwesen und die Stärkung universitärer Autonomie

7) Eine herausgehobene Rolle beim aktuellen Reformgeschehen spielt der Wettbewerbsgedanke. Insoweit geht es nicht darum, den Wettbewerb der Wirtschaft im Bereich der Wissenschaft schlicht zu kopieren. Vielmehr sind die entsprechenden Reformvorstellungen im wesentlichen darauf gerichtet, daß die Universitäten in einen Wettbewerb um die begabtesten Studenten und die herausragendsten Forscher eintreten, wobei angenommen wird, daß sie nur dann erfolgreich sein werden, wenn sie die besten Ausbildungs- und Forschungsleistungen vorweisen können. 8) Da Wettbewerb Handlungssubjekte voraussetzt, die eigenverantwortlich und flexibel agieren können, impliziert die Anwendung des Wettbewerbsgedankens auf das Hochschulwesen eine Stärkung der Autonomie der Universitäten. 2.

Die organisationsrechtliche Dimension der Ökonomisierung der Universitäten

a)

Konzentration und Kooperation wissenschaftlicher Einrichtungen

9) Bei der Konzentration wissenschaftlicher Einrichtungen (Zusammenlegung und Schließung von Universitäten, Fakultäten, Studiengängen etc.) mit dem Ziel, Kostenstrukturen zu verbessern, sind zwar formelle und materielle Anforderungen, wie z. B. Anhörungs- und Abwägungserfordernisse, einzuhalten. Doch fehlt es weithin an verfassungskräftigen Bestandsgarantien. Daraus folgt, daß es bei derartigen Reformmaßnahmen weniger um die Frage geht, ob sie überhaupt zulässig sind, als vielmehr darum, welche Zu-

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lässigkeitsvoraussetzungen für den Einzelfall bestehen. Entsprechendes gilt für die Schaffung von Kooperationsbeziehungen bzw. Kooperationszwängen zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen. b)

Organisationsstrukturen von Wirtschaftsunternehmen als Konstruktionsmuster für Universitäten

10) Die Anpassung der Universitäten an die Organisationsstrukturen von Wirtschaftsunternehmen wirkt sich vornehmlich in der Weise aus, daß der herkömmliche Einfluß der Kollegialorgane zugunsten einer Stärkung der Leitungsorgane zurückgedrängt und ein zusätzliches, vielfach als Hochschulrat bezeichnetes Organ geschaffen wird. 11) Verfassungsrechtlicher Bewertungsmaßstab für diese universitären Strukturveränderungen ist vor allem das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 III GG ), das nach herkömmlicher Dogmatik neben einer individuellen Freiheitsgarantie eine objektive Wertentscheidung enthält. Aus der Wertentscheidung leitet das BVerfG den Rechtsgrundsatz her, daß die freie wissenschaftliche Betätigung und Aufgabenerfüllung durch Organisationsnormen nicht strukturell gefährdet werden darf. In der Fachliteratur wird derzeit des öfteren ein neues dogmatisches Verständnis des Art. 5 III GG angeregt. Doch vermag die herkömmliche, maßgeblich vom BVerfG entwickelte Dogmatik den gegen sie gerichteten kritischen Vorstößen durchaus standzuhalten. 12) Dem BVerfG ist darin zuzustimmen, daß die Stärkung der Leitungsorgane gegenüber den Kollegialorganen grundsätzlich keine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit darstellt. Gleiches gilt für die Hochschulräte, solange sie lediglich eine beratende oder empfehlende Tätigkeit (einschließlich eines suspensiven Vetos) ausüben. 13) Bei den auch mit Externen besetzten entscheidungsbefugten Hochschulräten ist das (maßgeblich in Art. 38 I 1, 28 I 2 GG zum Ausdruck kommende) demokratische Egalitätsprinzip zu beachten, dem ein streng formales Gleichheitsverständnis zugrunde liegt, wonach alle Staatsbürger – unabhängig von Sachkunde, Sachnähe, gesellschaftlichem Stand, Betroffenheit etc. – zu gleichen Teilen an der Wahrnehmung der öffentlichen Angelegenheiten mitzuwirken berechtigt sind. Die Mitglieder von entscheidungsbefugten Hochschulräten verfügen indes über deutlich weiterreichende Mitwirkungsrechte bei der Wahrnehmung öffentlicher Angelegenheiten als andere Staatsbürger, was im Hinblick auf die grundgesetzliche Anerkennung des Selbstverwaltungsprinzips nur insoweit unbedenklich ist, als derartige Mitwirkungsrechte Betroffenen eingeräumt werden. 14) Sofern die Heranziehung gesellschaftlicher Kräfte zum Hochschulrat lediglich der Gewinnung externen Sachverstands dient, erweist es sich als

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung u. Internationalisierung

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unzulässig, diesem Gremium Entscheidungskompetenzen zu übertragen, da besonderer Sachverstand keinen Rechtfertigungsgrund für Abweichungen vom demokratischen Egalitätsprinzip bildet. Geht es dagegen bei der Zusammensetzung eines entscheidungsbefugten Hochschulrats auch um gesellschaftliche Repräsentanz, so ist ein gruppenpluralistisches Konzept zu verfolgen. Kommen die Externen lediglich aus bestimmten Bereichen, etwa der Wirtschaft (und zudem möglicherweise nur von der Arbeitgeberseite), so liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz gleicher Teilhabe am (wissenschafts)politischen Geschehen vor. 3.

Finanzierung der Universitäten

15) Es entspricht dem Ökonomisierungsprozeß, daß der Staat zunehmend von der Grundfinanzierung zur steuerungswirksameren Schwerpunktund Projektfinanzierung übergeht. Allerdings hat er hierbei im Hinblick auf Art. 5 III GG sicherzustellen, daß jedem Grundrechtsträger die Möglichkeit zu freier wissenschaftlicher Betätigung verbleibt. 16) Der Staat ist nach Art. 5 III GG zudem verpflichtet, die Mindestausstattung so zu bemessen, daß den Grundrechtsträgern eine auftragsforschungsfreie Wissenschaft ermöglicht wird. Erfüllt der Staat diese Pflicht, so ist der Wissenschaftler für seine Freiheit und Unabhängigkeit beim Forschungsprozeß selbst verantwortlich. 17) Die Mittelvergabe nach Maßgabe evaluierter Leistungen in Forschung und Lehre ist aus verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich unbedenklich. Allerdings sind an die Evaluation besondere formelle und materielle Anforderungen zu stellen. Es gehört zu den Aufgaben der nächsten Zeit, diese Anforderungen auf der Grundlage zunehmender Evaluationserfahrungen sowie weiterer Untersuchungen zur wissenschaftsadäquaten Meßbarkeit von Lehr- und Forschungsleistungen zu präzisieren.

IV. Internationalisierung der Universitäten 18) Wenngleich Internationalität traditionell ein besonderes Kennzeichen universitären Lebens darstellt, so gewinnt sie doch in jüngster Zeit erheblich an Dynamik und Gewicht. Dabei deutet sich an, daß die hierdurch veranlaßten strukturellen Veränderungen im Bereich von Ausbildung und Studium tiefgreifender sein werden als auf dem Gebiet der Forschung. 19) Im Bereich von Ausbildung und Studium stehen derzeit die internationale Vergleichbarkeit und Anerkennung von Studiengängen und Abschlüssen sowie damit zusammenhängende Erleichterungen des grenzüberschreitenden Studienortwechsels im Vordergrund.

272

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20) Bei den Reformmaßnahmen in Deutschland geht es überdies darum, den hiesigen Hochschulen einen Anteil am internationalen Bildungsmarkt zu sichern, wobei diesem Gesichtspunkt nicht nur eine kulturelle und politische, sondern auch eine wirtschaftliche Bedeutung zukommt. 21) Maßgeblich angetrieben und bestimmt wird das Reformgeschehen im Bereich von Ausbildung und Studium durch die von den Bildungsministern aus 29 europäischen Staaten im Juni 1999 unterzeichnete Bologna-Erklärung, wiewohl diese nicht mit (völker)rechtlichen Verpflichtungen verbunden ist. 22) Die der Bologna-Erklärung zugrunde liegenden, auf die Konvergenz der Ausbildungsstrukturen im europäischen Hochschulwesen gerichteten Reformvorstellungen sind inzwischen fortentwickelt worden. Sie umfassen ein dreistufiges Modell, das aus berufsqualifizierenden Bachelorstudiengängen, weiterführenden Masterstudiengängen und nachfolgenden strukturierten Promotionsstudiengängen besteht. Außerdem betreffen sie die Einführung eines Leistungspunktsystems sowie die Qualitätssicherung von Studiengängen. 23) Hinsichtlich der Qualitätssicherung von Studiengängen wird derzeit außerhalb der Ministerialverwaltung ein Akkreditierungssystem mit privatrechtlich organisierten Akkreditierungsagenturen aufgebaut. Gegenüber einer landesgesetzlichen Pflicht, neu konzipierte Studiengänge vor dem praktischen Einsatz einer (kostenpflichtigen) Begutachtung durch derartige Agenturen zu unterwerfen, bestehen keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Allerdings sind erhöhte, namentlich aus Art. 5 III GG und dem Demokratieprinzip folgende Anforderungen zu beachten, wenn der betreffende Studiengang in dem Fall, daß das Akkreditierungsverfahren zu einem negativen Ergebnis führt, nicht verwirklicht werden darf. Dies gilt in besonderem Maße für Doktorandenstudiengänge, da das Promotionswesen zum engsten Bereich der grundrechtlich geschützten Wissenschaftsfreiheit der Universitäten bzw. Fakultäten gehört. 24) Was die universitäre Ausbildung für die klassischen juristischen Berufsfelder (Justiz, Anwaltschaft, Notariat, höherer Verwaltungsdienst) angeht, so lassen sich keine geeigneten Ansatzpunkte für eine konsekutiv angelegte Zweiteilung in einen Bachelor- und einen Masterstudiengang ausmachen. 25) Die von der neueren Entwicklung des Bologna-Prozesses umfaßte strukturierte Doktorandenausbildung läßt sich dagegen ohne weiteres auch im rechtswissenschaftlichen Bereich realisieren. Allerdings darf den Universitäten bzw. Fakultäten vor dem Hintergrund des Art. 5 III GG nicht untersagt werden, zusätzlich auch andere Promotionswege zu eröffnen.

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung u. Internationalisierung

V.

273

Schlußbetrachtung

26) Mit der von der europäischen Ebene ausgehenden Vereinheitlichungstendenz auf dem universitären Ausbildungssektor überschneidet sich eine Differenzierungstendenz nationalen Ursprungs, die aus der verstärkten Ausrichtung des Wissenschaftsbereichs an Funktionsprinzipien von Markt und Wettbewerb resultiert. Die Differenzierung erfolgt vor allem unter den Universitäten und Fakultäten, und zwar nach Maßgabe der von ihnen erbrachten Leistungen in Forschung und Lehre. Sofern es auf diese Weise gelingt, daß die leistungsstarken wissenschaftlichen Einrichtungen noch besser werden, dürften sich die Reformanstrengungen bereits lohnen, und zwar deshalb, weil die zur Sicherung gesellschaftlichen Fortschritts und Wohlstands dringend benötigten Forschungsleistungen nicht zustande kommen, wenn viele Durchschnittliches leisten, wohl aber dann, wenn wenige die entscheidenden Spitzenleistungen erbringen.

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Dritter Beratungsgegenstand:

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung und Internationalisierung *0

2. Bericht von Prof. Dr. Ute Mager, Heidelberg*

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Inhalt Seite

Einführung I. Ökonomisierung, Internationalisierung und die Aufgabe des Öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Facetten der Ökonomisierung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Neuartige an der Internationalisierung der Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die rechtswissenschaftlichen Fragestellungen angesichts von Ökonomisierung und Internationalisierung der Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II . Der verfassungsrechtliche Rahmen . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Hochschulautonomie als Resultante von Wissenschaftsfreiheit und staatlicher Verantwortung . . . 2. Die Kompetenzverteilung im Hochschulwesen . . . . . . III . Ökonomisierung der Universitäten durch Finanzierungsund Organisationsreformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Finanzierung der Universitäten . . . . . . . . . . . .

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*0 Für Unterstützung in vielfältiger Weise, von informativen und weiterführenden Gesprächen über Recherchen und kritische Lektüre bis hin zur technischen Umsetzung möchte ich mich sehr herzlich bedanken bei den Herren Professoren Dr. Armin von Bogdandy, Dr. Dr. h.c. Peter Hommelhoff, Dr. Ulrich Hufeld, Dr. Philip Kunig, Dr. Detlef Leenen, Dr. Dr. h.c. Peter-Christian Müller-Graff, Dr. Dr. h.c. Eberhard Schmidt-Aßmann, Dr. Dr. h.c. Günter Stock, Dr. Dr. h.c. Rüdiger Wolfrum und Dr. Robert Uerpmann, bei den Herren Privatdozenten Dr. Michael Anderheiden und Dr. Stephan Kirste sowie den Habilitandinnen Dr. Bettina Schöndorf-Haubold und insbesondere Dr. Diana Zacharias, bei dem Leiter des Akademischen Auslandsamts der Universität Heidelberg Dr. Joachim Gerke, dem Fakultätsassistenten Dr. Rainer Keil, der Leiterin des Projektes Impulse der Universität Heidelberg Dipl.-Kauffrau Angela Schröder, bei dem Wiss. Mitarbeiter Dennis Kümmel sowie bei meinen studentischen Mitarbeitern Dominic Divivier, Moritz Lange und Anna Lutz-Bachmann.

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung u. Internationalisierung

a) Die Finanzierungsverantwortung des Staates . . . . b) Die Finanzierungsweise der Universitäten nach dem neuen Steuerungsmodell . . . . . . . . . . . . . aa) Globalhaushalte als Flexibilisierungsmaßnahme . bb) Zielvereinbarungen als Steuerungsinstrument . . cc) Erfolgskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung im Lichte der Hochschulautonomie . . . 2. Die Organisationsreformen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Neue Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hierarchisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Hochschulrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassende Bewertung der Reformen . . . . . . IV. Internationalisierung der deutschen Universitäten . . . . . 1. Der Einfluss inter- und supranationalen Rechts auf das deutsche Hochschulrecht . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Recht der Europäischen Gemeinschaft . . . . . c) Der Bologna-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ziel und Inhalt des Prozesses . . . . . . . . . . . bb) Völkerrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . cc) Unterlaufen der europarechtlichen Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verschiebungen in der grundgesetzlichen Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Internationalisierung der Universitäten als Ziel nationaler Bildungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen der Internationalisierung . . . . . . . . . . . . . Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. 285 . . . . . . . . . . .

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Einführung Die deutsche Universität ist krank. Sie leidet an Überlast und Unterfinanzierung.1 So lautet die Diagnose spätestens seit Anfang der 80iger Jahre. Reglementierung und Bürokratisierung brachten der Patientin keine Linderung,2 führten vielmehr aus vermeintlicher Unbeweglichkeit in die Fesselung. Nunmehr ist allenthalben von Autonomie und Wettbewerb3 die Rede. Zwei Ursachen lassen sich dafür benennen: Zum einen verbreitete sich die Einsicht, dass Bildung und Wissen in der globalen Dienstleistungsund Wissensgesellschaft von entscheidender Bedeutung im internationalen Wirtschafts- und Standortwettbewerb sind.4 Ökonomisierung und In1 J. Mittelstraß Am Krankenbett der Universität, in: ders. Die unzeitgemäße Universität, 1994, 54 ff.; D. Müller-Böling Von der Gelehrtenrepublik zum Dienstleistungsunternehmen, FuL 1994, 272; Sondergutachten der Monopolkommission „Wettbewerb als Leitbild für die Hochschulpolitik“ vom 30. 6. 2000 gemäß § 44 Abs. 1 S. 4 GWB , Tz. 146; H.-H. Trute Die Rechtsqualität von Zielvereinbarungen und Leistungsverträgen im Hochschulbereich, WissR 33 (2000), 134 ff. mit Hinweis auf Mittelstraß ebd., 54 ff.; U. Karpen Vom Zauber des Universitäts-Globalhaushaltes, FS Friauf, 1996, 507 (508): Überlast von über 100 %; H. Schiedermair Deutsches Hochschulwesen der Gegenwart, in: HdbWissR I, 2. Aufl. 1996, 37 (43, 58 ff.); M. Erhardt Mehr Wettbewerb – weniger Staat: Hochschulreform in Deutschland, WissR 32 (1999), 1 (9); M. Hartmer Wozu Universitäten, Tradition versus institutionelle Performance, FS Schiedermair, 2001, 477 (480): Universitäten fehlen jedes Jahr 6–8 Milliarden Euro; P. O. Oberender/J. Fleischmann Wettbewerb als Reformperspektive für die Hochschulen, ORDO Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, 2003, 93 (93, 97). 2 H. H. Seidler Die Ersetzung des Rechts durch die Ökonomie, WissR 32 (1999), 261 (262); M. Erhardt Hochschulfinanzierung und Hochschulstruktur vor neuen Herausforderungen, WissR 29 (1996), 307 (313 f.); ders. WissR 32 (1999), 1 (9); U. Matz Autonomie der Universitäten: Universitätsidee, bildungspolitische Legitimation und institutionelle Prinzipien, FS Kriele, 1997, 1231 (1240); W. Hoffacker Zur Rolle von Vertrauen und Recht, Markt und Kontrakt, WissR 36 (2003), 92 (96 f.). 3 S. die in Fn. 1 Genannten sowie Stifterverband der deutschen Wissenschaft Studie: „Qualität durch Wettbewerb und Autonomie“; Erhardt WissR 32 (1999), 1 f.; M. Fehling Hochschulen in Rechtsformen des öffentlichen Rechts, in: Kämmerer/Rawert (Hrsg.) Hochschulstandort Deutschland, 2003, 83; M. Prisching Bildungstrends in Europa, in: Prisching/Lenz/Hauser (Hrsg.) Bildung in Europa, 2005, 19 (22 ff.); J. Dräger Reform der Hochschullandschaft in Deutschland, in: Kämmerer/Rawert, ebd., 171 (172 f.); P. Hommelhoff Politische und finanzielle Rahmenbedingungen am Hochschulstandort Deutschland, in: Kämmerer/Rawert, ebd., 175; W. Kluth Der Übergang von der selbstverwalteten Gruppenuniversität zur Hochschule als autonomer Forschungs- und Dienstleistungseinheit, RdJB 2004, 174. 4 BT-Drs. 13/9372 vom 9. 12. 1997: „Internationale Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Hochschulstandorts Deutschland als Aufgabe der deutschen Politik“; s. zu diesen Reformgründen auch Trute WissR 33 (2000), 134 ff.; H. P. Bull/V. Mehde Reform

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ternationalisierung haben damit eine gemeinsame Basis im Prozess der Globalisierung.5 Zum anderen wurde die Finanznot der öffentlichen Haushalte infolge der Kosten der Wiedervereinigung noch einmal drastisch verschärft. Zunehmender Leistungsdruck und weniger Mittel verlangten nach einschneidenden Veränderungen.6

I.

Ökonomisierung, Internationalisierung und die Aufgabe des Öffentlichen Rechts

Vor diesem Hintergrund ist mit den Schlagworten „Ökonomisierung“ und „Internationalisierung“ die Richtung einer Vielzahl von Veränderungen gekennzeichnet, mit denen sich die Universitäten seit einigen Jahren konfrontiert sehen. 1.

Facetten der Ökonomisierung 7

Dabei weist der Begriff der Ökonomisierung unterschiedliche Facetten auf: In der radikalsten Form bedeutet Ökonomisierung die Verlagerung der Aufgabenerfüllung in den freien Markt. Voraussetzung dafür ist die Marktfähigkeit der „Produkte“, die in Bezug auf die Leistungen einer Universität nur teilweise besteht.8

der Hochschulorganisation – die populären Modelle und ihre Probleme, JZ 2000, 650 (651); kritisch Prisching Bildungstrends (Fn. 3), 19 f.: Bildungspolitik als Ersatz für Wirtschaftspolitik. 5 Der Begriff der Globalisierung bezeichnet die weltweite Zunahme der nationenübergreifenden wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Beziehungen. Dieser Prozess hat seinen Motor im technischen Fortschritt, insbesondere in den Bereichen Verkehr und Kommunikation sowie in der zunehmenden Liberalisierung des Welthandels. Der Begriff der Globalisierung umfasst damit sowohl tatsächliche als auch rechtliche Phänomene: zum einen technischer Fortschritt, zum anderen Liberalisierung. S. zum Begriff der Globalisierung mit zahlreichen Nachweisen M. Anderheiden/S. Huster/S. Kirste Einleitung der Herausgeber, in: dies. (Hrsg.) Globalisierung als Problem der Gerechtigkeit und Steuerungsfähigkeit des Rechts, ARSP Beiheft Nr. 79, 2001, 7 ff.; M. Ruffert Globalisierung als Herausforderung an das Öffentliche Recht, 2004, 11–18; zur Verbindung von Internationalisierung und Globalisierung ebd., 68. 6 S. zu diesen Gründen auch Kluth RdJB 2004, 175 (176). 7 S. S. F. Franke Ökonomisierung, in: R. Voigt/R. Walkenhaus (Hrsg.) Handwörterbuch zur Verwaltungsreform, 2003, Stichwort: Ökonomisierung = www.ivr.uni-stuttgart.de/wipo/FrankeAufsaetze/Oekonomisierung.pdf; J.-P. Schneider Zur Ökonomisierung von Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft, DV 2001, 317 (322). 8 S. Sondergutachten der Monopolkommission (Fn. 1), Gliederungspunkt 3.4.2. und in der Zusammenfassung Tz. 145.

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Eine zweite Facette des Ökonomisierungsbegriffs betrifft die Übertragung betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente auf den Bereich der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung. Es handelt sich um die Reformen der staatlichen Verwaltung nach dem Ansatz des New Public Management. Schließlich umfasst der Begriff der Ökonomisierung die rechtlich geforderte oder erlaubte Berücksichtigung von Interessen der Wirtschaft bei der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung. Die Ökonomisierung erreicht die Universitäten in Deutschland vor allem über den Pfad der Ökonomisierung der Aufgabenwahrnehmung.9 Die bekannten Instrumente des New Public Management wie Globalhaushalte, die Vereinigung von Aufgabenwahrnehmung und Finanzverantwortung, Kosten-Nutzen-Rechnung, Mittelzuweisung nach Belastungs-, Funktions- und Leistungskriterien, Zielvereinbarungen und Berichtswesen10 treten an die Stelle der bisher rechtssatzmäßig typisierten Aufgabenwahrnehmung und Finanzierung. In der Organisation findet diese Art der Ökonomisierung Ausdruck in der Stärkung der Leitungsfunktionen unter Abschwächung der körperschaftlichen Mitbestimmungselemente. Demgegenüber sind die Hochschulreformen von einer materiellen Privatisierung der Universitäten weit entfernt.11 Dies findet seinen Grund ebenso in der Tradition der deutschen Universität wie in der anhaltenden Angewiesenheit auf staatliche Finanzierung. Es zeigen sich jedoch Ansätze zu einem unternehmerischen Leitbild in Regelungen, die den Universitäten ermöglichen oder sie verpflichten, zu ihrer Finanzierung beizutragen, etwa durch Unternehmensgründungen – auch als Mittel zum Wissens- und Technologietransfer in die Praxis12 –, S. auch Hartmer FS Schiedermair, 2001, 477 (478). S. zum neuen Steuerungsmodell U. Karpen in: Hailbronner/Geis, HRG , Stand 9/ 2004, § 5 Rn. 30; s. auch W. Kluth Hochschulstandort Deutschland – Der Ordnungsrahmen des Hochschulrechts, in: Kämmerer/Rawert (Fn. 3), 44; Trute WissR 33 (2000), 134 f.; M.-E. Geis Das Selbstbestimmungsrecht der Hochschulen, WissR 37 (2004), 1 (9); von marktförmiger statt normativer Steuerung spricht Hoffacker WissR 36 (2003), 92 (96); W. Schluchter/C. Mülke Profile: Begriff und Funktion, Handbuch Qualität in Studium und Lehre, 2004, D 4.1, 17; Trute WissR 33 (2000), 134 (135 f.) mit Hinweis auf Ch. Winter Kontraktmanagement, 1998, 175 ff.; J. P. Schneider Das neue Steuerungsmodell als Innovationsimpuls für Verwaltungsorganisation und Verwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.) Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts, Band 4, 1997, 103 ff. 11 S. auch Bull/Mehde JZ 2000, 650 (652 f.); A. Musil Hochschulen und Wettbewerb, in: Recht und Ökonomik, 44. Assistententagung Öffentliches Recht, 2004, 339 (340). 12 § 2 Abs. 5 LHG BW ; Art. 96 Abs. 1 Nr. 6 LHG Bay; § 4 Abs. 11 LHG Bln; § 108 Abs. 3 LHG Bremen; § 3 Abs. 9 LHG Hbg; § 3 Abs. 7 u. 8 sowie § 105 Abs. 4 LHG MV ; § 50 Abs. 4 LHG Nds; § 2 Abs. 4 LHG Saarl; § 113 Abs. 1 LHG S-Anh; § 2 Abs. 7 LHG 9

10

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durch Professionalisierung der Verwertung von Erfindungen, wie sie die Abschaffung des Hochschullehrerprivilegs im Arbeitnehmererfindungsrecht13 eröffnet, oder durch Engagement auf dem Weiterbildungsmarkt14. Die Lehre steht als berufsbefähigende Ausbildung unter wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nützlichkeitserwartungen.15 Verfahrensrechtliche Ausprägung findet dieser Aspekt der Ökonomisierung etwa in der Beteiligung von Vertretern aus der beruflichen Praxis in Verfahren der Akkreditierung von Studiengängen16 oder der Evaluation17. Die insgesamt angestrebte Öffnung der Universitäten für die Bedürfnisse der Gesellschaft zeigt organisationsrechtlichen Niederschlag in der Einrichtung von Hochschulräten, die mit externen Honoratioren besetzt sind.18

Schl-H. Die Gründungen stehen idR unter Genehmigungs- oder Zustimmungsvorbehalt, gelegentlich unter dem Vorbehalt des § 65 LHO ; in BW unter Anzeigepflicht. Zum Teil handelt es sich explizit um ein Mittel zum Wissens- und Technologietransfer in die Praxis. S. § 1 Abs. 4 LHG Bremen; § 3 Abs. 7 u. 8 LHG MV ; § 50 Abs. 4 LHG Nds; § 3 Abs. 6 LHG NRW ; §§ 2 Abs. 6, 2 Abs. 4 LHG Saarl; § 2 Abs. 7 LHG Schl-H. Weiterführend C. Lux Rechtsfragen der Kooperation zwischen Hochschulen und Wirtschaft. Ein Rechtsvergleich: Deutschland – USA , 2002. 13 Gesetz zur Änderung des § 42 Arbeitnehmererfindungsgesetz vom 19. 1. 2002, BGBl . I, 414; s. zur Umsetzung § 3 VI LHG NRW. 14 §§ 2 Abs. 1, 31 LHG BW ; Art. 2 Abs. 1, 85 Abs. 4 LHG Bay; §§ 83, 85 LHG Bln; §§ 4 Abs. 1 u. 5, 60 LHG Bremen; § 3 Abs. 1 LHG Hbg; §§ 3 Abs. 1, 21 LHG Hess; §§ 3 Abs. 1 u. 3, 31 LHG MV ; § 3 Abs. 4 LHG Nds; §§ 3 Abs. 4, 90 LHG NRW ; §§ 3 Abs. 3, 35 LHG Rh-Pf; § 4 Abs. 1 LHG Saarl; §§ 3 Abs. 1 u. 3, 16, 113 LHG S-Anh; §§ 2 Abs. 1, 80a Nr. 7, 80b LHG Schl-H. 15 S. nur den Beschluss der KMK vom 12. 6. 2003, 10 Thesen zur Bachelor- und Masterstruktur in Deutschland: „nachhaltige Verbesserung der Berufsqualifizierung und der Arbeitsmarktfähigkeit der Absolventen“, abgedruckt in HRK (Hrsg.) Bologna-Reader, Beiträge zur Hochschulpolitik 8/2004, 31; s. auch den Beschluss der KMK vom 14. 4. 2000, abgedruckt ebd., 42 (43, 44, 47). 16 Dazu J. Lege Die Akkreditierung von Studiengängen – Wissenschaftsfreiheit in den Händen privater Parallelverwaltung?, JZ 2005, 698 (704); A. Schade Akkreditierung: Gütesiegel für Bachelor- und Masterstudiengänge im Wettbewerb der Hochschulen, RdJB 2000, 389 (395). 17 Evaluationsagentur Baden-Württemberg Qualität in Forschung und Lehre, 8; H. Reuke Zum Verhältnis von Evaluation und Akkreditierung im Rahmen der ZEvA , in: HRK (Hrsg.) Internationalisierung = Evaluation + Akkreditierung?, 3. Nationales Expertenseminar zur Qualitätssicherung, Beiträge zur Hochschulpolitik 8/2001, 33 (37). 18 S. Schneider DV 2001, 317 (322) und noch unten III . 2. c).

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2.

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Das Neuartige an der Internationalisierung der Universitäten

Die Indienstnahme der Universitäten für die Verfolgung wirtschaftspolitischer Zwecke ist es auch, was die neue Qualität der Internationalisierung der Universitäten ausmacht. International war die Universität vom Beginn ihrer Geschichte an. Bereits die universitäre Autonomie in ihrer ursprünglichen Bedeutung eines besonderen Rechts- und Gerichtsbezirkes für die Mitglieder der Korporation war Reaktion auf deren Internationalität.19 Erst die ökonomische Betrachtung der Universitäten als Standortfaktoren, als Dienstleister von global zu vermarktender Bildung und als Produzenten von weltweit einsetzbaren Arbeitskräften hat zu dem ausgeprägten staatlichen Interesse an der Internationalität der Studenten und Dozenten, der Studieninhalte und Forschungsgegenstände geführt. Neu ist zudem der wachsende Einfluss internationalen und supranationalen Rechts auf das Hochschulrecht, einst Domäne der Kulturhoheit der Länder. 3.

Die rechtswissenschaftlichen Fragestellungen angesichts von Ökonomisierung und Internationalisierung der Universitäten

Ökonomisierung und Internationalisierung der Universitäten schlagen sich nieder in Änderungen bezüglich der Finanzierung, in veränderten Handlungs-, Rechts- und Organisationsformen. Aufgabe der Wissenschaft vom Öffentlichen Recht ist es, diese Veränderungen im Lichte der Grundfunktionen unseres Rechtsgebiets, namentlich der Sicherung von Freiheit und Autonomie einerseits, der Legitimation staatlichen Handelns20 andererseits zu analysieren, Letzteres sowohl im Sinne der Reichweite staatlicher Verantwortung wie im Sinne demokratischer Rückbindung. Aufzuzeigen ist nicht nur, wo das Recht diesen Veränderungen unübersteigbare Grenzen setzt, sondern bereits, wo insbesondere für die Wissenschaftsfreiheit und die Hochschulautonomie die Chancen und die Gefahren liegen.

II.

Der verfassungsrechtliche Rahmen

Für diese Untersuchung ist zunächst der verfassungsrechtliche Rahmen abzustecken. 19 H. Boockmann Wissen und Widerstand, Geschichte der deutschen Universität, o.D. (1999), 16, 18–26, insbes. 23; G. Roellecke Geschichte des deutschen Hochschulwesens, in: HdbWissR I, 2. Aufl. 1996, 3 (5 ff.). 20 S. Ruffert Globalisierung (Fn. 5), 69.

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Das Problem der Freiheits- und Autonomiesicherung im Verhältnis der Universitäten zum Staat stellt sich in besonderer Weise, weil die deutsche Universität, seit und soweit der Staat ihr Träger und Finanzier ist,21 stets ein Zwittergebilde22 mit Anteilen beider Sphären war. Erklärtes Ziel der Reformen ist es, die Autonomie der Hochschulen zu steigern.23 1.

Die Hochschulautonomie als Resultante von Wissenschaftsfreiheit und staatlicher Verantwortung

Hochschulautonomie ist in den meisten Landesverfassungen ausdrücklich verbürgt.24 Sie ist zudem von der Wissenschaftsfreiheit umfasst.25 Aus der Wissenschaftsfreiheit folgt für den einzelnen Wissenschaftler in der Organisation Universität wie für die Organisation selbst ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in Inhalte, Methoden und Gegenstände der Wissenschaft,26 ein Teilhaberecht an den staatlichen 21 S. dazu P. Badura Die Universität in Europa, FS Schiedermair, 2001, 465 (466) mit Hinweis auf §§ 1, 2, 67 ff. II 12 PrALR . 22 Von organisationsrechtlicher Zwitterstellung sprechen H.-U. Erichsen/A. Scherzberg Verfassungsrechtliche Determinanten staatlicher Hochschulpolitik, NVwZ 1990, 8 (9); zum Streit um die Auslegung „Körperschaft“ und „staatliche Einrichtung“ s. ebd., 13 f.; O. Kimminich Die Rechtsgestalt der Hochschulen, in: HdbWissR I, 2. Aufl. 1996, 227 (insbes. 231 ff.); zur Rechtsnatur der Hochschulen auch W. Thieme Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, 124 ff. 23 Den Begriff Autonomie problematisiert D. Fittschen Wider die Einführung von Hochschulräten, WissR 30 (1997), 325 (326): „Autonom ist, wer unabhängig von den Weisungen eines anderen wirken und selbständig handeln darf, kann und muss.“ mit Hinweis auf F.-L. Knemeyer Hochschulautonomie/Hochschulselbstverwaltung, in: HdbWissRI, 2. Aufl. 1996, 237 (241 f.). 24 S. etwa Art. 20 Abs. 2 LV BW ; Art. 138 Abs. 2 BV ; Art. 60 Abs. 1 LV Hess; Art. 5 Abs. 3 LV Nds; Art. 16 Abs. 1 LV NRW ; Art. 39 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 LV Rh-Pf; Art. 33 Abs. 2 LV Saarl; seit 1990 sind hinzugekommen: Art. 32 Abs. 1 LV Bbg; Art. 7 Abs. 3 S. 2 LV MV ; Art. 107 LV Sachs; Art. 31 Abs. 2 LV S-Anh; Art. 28 Abs. 1 S. 2 LV Thür; s. dazu J.-D. Kühne Die Landesverfassungsgarantien hochschulischer Selbstverwaltung – ein unentfaltetes Autonomiepotential, DÖV 1997, 1 ff. 25 Allg. Meinung; s. nur R. Wendt in: von Münch/Kunig (Hrsg.) Grundgesetz-Kommentar I, 4./5. Aufl. 2000, Art. 5 Rn. 112; E. Schmidt-Aßmann Die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG als Organisationsgrundrecht, FS Thieme, 1993, 697; M. Fehling Neue Herausforderungen an die Selbstverwaltung in Hochschule und Wissenschaft, DV 35 (2002), 399 f.; T. Oppermann Freiheit von Forschung und Lehre, in: HStR VI , 2. Aufl. 2001, § 145 Rn. 52. 26 BVerfGE 35, 79 (112, 113); 47, 327 (367); 90, 1 (11); BVerwGE 102, 304 (307); U. Karpen Der verfassungsrechtliche Rahmen für den Hochschulbetrieb in Deutschland, in: Kämmerer/Rawert (Fn. 3), 19; Trute WissR 33 (2000), 134 (142) Fn. 20: „Kernbereich des auch in der Selbstverwaltung nicht Abstimmbaren ist der Bereich der wis-

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Leistungen27 und ein Recht auf wissenschaftsadäquate organisatorische Maßnahmen28.29 Gibt man dem Begriff der Autonomie gegenüber dem organisationsrechtlichen Gehalt der Wissenschaftsfreiheit eine spezifische Bedeutung, so betrifft er nicht die universitäre Binnenorganisation, sondern als Garantie wissenschaftsgeforderter Selbstverwaltung die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Universität und Staat.30 Das Aufeinandertreffen der verschiedenen Rechtspositionen strukturiert die Drei-Sphären-Theorie mit ihrer Unterscheidung zwischen den akademischen Angelegenheiten, den staatlichen Angelegenheiten und – dazwischen liegend – den gemeinsam wahrzunehmenden Angelegenheiten in Form einer abgestuften Autonomie.31 Zu den staatlichen Angelegenheiten gehören herkömmlich insbesondere die Personal-, Wirtschafts-, Haushalts- und Finanzverwaltung.32 Das Zusammenwirken betrifft etwa die Ordnung des Studiums und der Hochschulprüfungen, die Errichtung, Änderung und Aufhebung von Fachbereichen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen sowie die Bestellung des Rektors.33 senschaftsrelevanten Handlungen und Kommunikation, also insbes. Theoriebildung, Kriterienbildung, Forschungsdurchführung und -bewertung sowie Kommunikation der Ergebnisse“; s. auch F. Kirchhof Rechtliche Grundsätze der Universitätsfinanzierung, JZ 1998, 275 (277); K. Grupp Zur Stellung der Universitäten in den Zeiten ihres Rückbaus, FS Roellecke, 1997, 97 (105). 27 I. Pernice in: H. Dreier (Hrsg.) Grundgesetz-Kommentar I, 2. Aufl. 2004; Art. 5 Abs. 3 Rn. 54 mit Hinweis auf BVerfG , NVwZ - RR 1998, 175; grds. auch schon BVerfGE 35, 79 (115); 88, 129 (137); s. auch Wendt in: von Münch/Kunig (Fn. 25), Art. 5 Rn. 104; F. Kirchhof JZ 1998, 275 (277). 28 BVerfGE 35, 79 (115); BVerfGE 111, 333 (353 ff.) u. Karpen Hochschulbetrieb (Fn. 26), 19 f. 29 S. BVerfGE 35, 79 (115); 111, 333 (353 ff.); O. Kimminich Hochschule im Grundrechtssystem, in: HdbWissR I, 2. Aufl. 1996, 121 (142–145); F. Ossenbühl Wissenschaftsfreiheit und Gesetzgebung, FS Schiedermair, 2001, 505 (509). 30 In diese Richtung auch Erichsen/Scherzberg NVwZ 1990, 8 (12); Knemeyer Hochschulautonomie (Fn. 23), 237 (242); Oppermann Freiheit (Fn. 25), § 145 Rn. 52–54; enger Thieme Hochschulrecht (Fn. 22), 135 f.: nur Normsetzungsbefugnis der Universität. 31 Grundlegend dazu H.-J. Schuster/F. Graf Stenbock-Fermor Überlegungen zur Eigenart der Hochschulverwaltung, WissR 1968, 28 (33 ff.); s. auch R. Hendler Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip, 1984, 215–217; T. Oppermann Selbstverwaltung und staatliche Verwaltung, in: HdbWissR I, 2. Aufl. 1996, 1009 (1022 f.); Knemeyer Hochschulautonomie (Fn. 23), 237 (247–251). 32 J. Kersten Alle Macht den Hochschulräten?, DVBl . 1999, 1704 (1706). 33 Vgl. § 60 HRG a.F.; Kersten DVBl . 1999, 1704 (1706); Grupp FS Roellecke, 1997, 97 (103); Fehling DV 35 (2002), 399 (408): Bereich der Kooperation dominiert.

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Für die uneingeschränkte Selbstbestimmung der Universitäten verbleiben die Bereiche, die Forschung und Lehre unmittelbar berühren. Hierzu zählen das Satzungsrecht bezüglich akademischer Angelegenheiten, die Forschungs- und Lehrplanung sowie die Entscheidungen in Promotions- und Habilitationsverfahren. Sofern etwa auch das Vorschlagsrecht für den Haushaltsplan und die Entscheidung über die Verwendung der zugewiesenen Finanzmittel sowie das Wahlrecht hinsichtlich der akademischen Hochschulleitung zum Kernbereich gezählt wird34, handelt es sich jeweils nur um Teilaspekte eines Gesamtvorgangs, an dem der Staat wiederum notwendig mitwirkt. Insgesamt ist die Abgrenzung der Sphären nicht „naturgegeben“, sondern Sache des Gesetzgebers, der dabei insbesondere die Wissenschaftsfreiheit, die Berufsfreiheit der Studierenden und die aus der Trägerschaft folgende Verantwortung des Staates zu berücksichtigen hat. Versteht man Autonomie als Kategorie für die Abgrenzung der Kompetenzsphären zwischen Universität und Staat, so hat die Verlagerung von Befugnissen zwischen den Hochschulorganen mit einer Autonomiesteigerung oder -minderung nichts zu tun. Eine Steigerung der Autonomie kann nur erfolgen durch die Verlagerung von staatlichen Entscheidungsbefugnissen auf die Hochschulen oder durch den Abbau staatlicher Mitwirkung im Kondominialbereich. Die Grenze möglicher Kompetenzverlagerungen ergibt sich aus der Verantwortung, die der Staat als Träger der Universitäten für ihre Funktionsfähigkeit im Allgemeinen und für die Kontrolle hinsichtlich der Erfüllung der ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben hat. 2.

Die Kompetenzverteilung im Hochschulwesen

Bisher war nur allgemein vom Staat die Rede. Dieser hat im Bundesstaat verschiedene Gesichter. Nach der bundesstaatlichen Kompetenzordnung tritt der Staat den Universitäten in erster Linie in Gestalt der Bundesländer gegenüber.35 Die Kompetenzen des Bundes sind andererseits keineswegs marginal. Neben seiner Rahmengesetzgebungskompetenz für das Hochschulwesen sowie der konkurrierenden Gesetzge-

34 Kersten DVBl . 1999, 1704 (1706); etwas weniger umfangreich Grupp FS Roellecke, 1997, 97 (103). 35 Zur Hochschule in der bundesstaatlichen Verfassungsordnung s. H. Krüger Hochschule in der bundesstaatlichen Verfassungsordnung, in: HdbWissR I, 2. Aufl. 1996, 157 ff.; Thieme Hochschulrecht (Fn. 22), 164 ff.; zur Reformdebatte U. Mager Die Neuordnung der Kompetenzen im Bereich von Bildung und Forschung – Eine kritische Analyse der Debatte in der Föderalismuskommission, RdJB 2005, 312 ff.

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bungskompetenzen für das Dienstrecht der Hochschullehrer und das Ausbildungsförderungsrecht entfaltet der Bund seinen hochschulgestaltenden Einfluss im Wesentlichen mit finanziellen Mitteln im Wege der Hochschulbau- und Forschungsförderung36 sowie auf der Grundlage seiner Kompetenz für die auswärtige Kulturpolitik.37 Dies rechtfertigt schon an dieser Stelle die These, dass Ökonomisierung und Internationalisierung den Einfluss des Bundes auf die Hochschulpolitik stärken. Eine wichtige Vermittlerrolle zwischen Bund, Ländern und Universitäten kommt Institutionen des kooperativen Föderalismus und Mittlerorganisationen zu, namentlich der Kultusministerkonferenz, dem Wissenschaftsrat, der Hochschulrektorenkonferenz, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Deutschen Akademischen Austausch Dienst.38

III. Ökonomisierung der Universitäten durch Finanzierungsund Organisationsreformen Vor dem Hintergrund dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben konzentrieren sich die weiteren Ausführungen zur Ökonomisierung der Universitäten auf die Finanzierungs- und Organisationsreformen. Sie hängen eng miteinander zusammen und machen angesichts ihrer Bedeutung als Steuerungsmittel39 den Kern der neueren Hochschulreformen aus.

Im Rahmen der sog. Gemeinschaftsaufgaben gemäß Art. 91 a und b GG . Der DAAD ist als sog. Mittlerorganisation im Bereich der auswärtigen Kulturpolitik auf der Grundlage von Art. 87 Abs. 1 GG eingerichtet. Siehe T. Köstlin Die Kulturhoheit des Bundes, 1989, 71. 38 S. zur DFG F. Letzelter Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, in: HdbWissR II , 2. Aufl. 1996, 1381 ff.; Thieme Hochschulrecht (Fn. 22), 186 ff.; zum DAAD C. Bode Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD ), in: HdbWissR II , 2. Aufl. 1996, 1401 ff.; zur HRK H.-U. Erichsen Hochschulrektorenkonferenz ( HRK ), in: HdbWissR II , 2. Aufl. 1996, 1637 ff.; Thieme Hochschulrecht (Fn. 22), 183 ff.; zur KMK J. SchulzHordt Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK ), in: HdbWissR II , 2. Aufl. 1996, 1655; Thieme Hochschulrecht (Fn. 22), 181 ff.; zum Wissenschaftsrat W. Benz Der Wissenschaftsrat, in: HdbWissR II , 2. Aufl. 1996, 1667; Thieme Hochschulrecht (Fn. 22), 184 ff. 39 So U. Battis/J. Kersten Rahmenbedingungen für die verhandelnde Verwaltung im Hochschulbereich, DVBl . 2003, 349 (350) mit Hinweis auf Schmidt-Aßmann FS Thieme, 1993, 697 ff.; ders. Wissenschaftsplanung im Wandel, FS Hoppe, 2000, 639 (657 f.); H.-H. Trute Innovationssteuerung im Wissenschaftsrecht, in: Hoffmann-Riem/ Schneider (Hrsg.) Rechtswissenschaftliche Innovationsforschung, 1998, 208 (217 ff., 226 ff.). 36 37

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1.

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Die Finanzierung der Universitäten

Als Träger der Universität ist der Staat verantwortlich für deren aufgabengerechte Finanzierung.40 a)

Die Finanzierungsverantwortung des Staates

Richtet der Staat Universitäten ein und weist er ihnen Aufgaben zu, muss er ihnen die Mittel, die für die Aufgabenerfüllung notwendig sind, gewähren oder er muss ihnen die Möglichkeit eröffnen, die für die Aufgabenerfüllung nötigen Mittel zu erlangen.41 Ein Aspekt der Ökonomisierung der Universitäten besteht gerade darin, dass der Staat die Universitäten verstärkt in die Pflicht nimmt, für ihre Finanzierung selbst zu sorgen. Die Notwendigkeit der Mittelerlangung darf jedoch nicht die Erfüllung der Aufgaben beeinträchtigen. Überträgt der Staat den Universitäten die Aufgabe der Forschung, die von Verfassungs wegen staatsfrei zu sein hat, so setzt dies Grenzen für die Steuerung von Forschung durch Finanzierung und entsprechend für die Verpflichtung der Universitäten, sich ihre Mittel selbst zu beschaffen.42 Insoweit ergeben sich rechtliche Vorgaben für die Wahrnehmung der staatlichen Finanzierungsverantwortung aus der Wissenschaftsfreiheit und dem darin enthaltenen rechtsstaatlichen Konsequenzgebot.43 Demgemäß ist es dem Staat verwehrt, Forschungsfinanzierung in einem Umfang von seiner Nachfrage nach Forschungsleistungen abhängig zu

40 F. Kirchhof JZ 1998, 275 (278), der außerdem auf die Anstaltslast verweist (279); s. auch U. Hufeld Staatlicher Schutz der Universitas litterarum, DÖV 2002, 309 (310): Gewährträgerhaftung; Erichsen/Scherzberg NVwZ 1990, 8 (12, 15 f.): institutionelle Garantie; zur institutionellen Garantie als Grundlage der Finanzierungsverantwortung s. U. Mager Einrichtungsgarantien, 2003, 302, 426; ein Schutz vor Auflösung kommt wissenschaftlichen Einrichtungen dagegen nicht zu, s. BVerfGE 85, 360 (384). 41 R. Uerpmann Rechtsfragen von Vereinbarungen zwischen Universität und Staat, JZ 1999, 644 (647); H.-H. Trute Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, 1994, 422; Hufeld DÖV 2002, 309 (310); Grupp FS Roellecke, 1997, 97 (100 f.). 42 Hommelhoff Rahmenbedingungen (Fn. 3), 182: „Forschungsschwerpunkte sind und werden von der Politik massiv gesteuert.“; s. auch D. Langewiesche Schöne neue Hochschulwelt, FAZ v. 23. 6. 2005; zur Problematik der Projektförderung Prisching Bildungstrends (Fn. 3), 30 f. auch bezügl. „Humankapital“ und „Nachhaltigkeit“; F. Kirchhof JZ 1998, 275 (280). 43 Uerpmann JZ 1999, 644 (647); Battis/Kersten DVBl . 2003, 349 (355); zum Konsequenzgebot als Inhalt der Forschungsfreiheit s. Trute Forschung (Fn. 41), 289–295; zum Teilhaberecht an finanziellen Leistungen als Konsequenz aus der Entscheidung, einen Wissenschaftler für einen bestimmten Forschungsbereich einzusetzen C. Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.) GG I, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Rn. 351.

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machen, dass den Forschenden hinsichtlich ihrer Forschungsgegenstände keine Wahl bleibt.44 Gleiches gilt im Hinblick auf private Nachfrage, denn es wäre inkonsequent, wenn der Staat Institutionen einrichtet, die der Eigengesetzlichkeit der Wissenschaft verpflichtet sind, um sie dann in die Abhängigkeit einer privaten Nachfrage zu bringen, die ganz anderen Gesetzlichkeiten folgt.45 Dagegen lässt sich aus der Wissenschaftsfreiheit gegen eine wissenschaftsadäquate Qualitätskontrolle, wie es die Funktion des DFG -Normalverfahrens46 ist, nichts einwenden. Zumindest die Ausstattung, die es ermöglicht, Projekte bis zur Antragsreife zu entwickeln, muss der Staat infolge des Konsequenzgebots allerdings bereitstellen. Eine darüber hinausgehende Grundausstattung ist sinnvoll, um wissenschaftlicher Spontaneität und kreativem Außenseitertum eine Chance zu lassen; sie ist angesichts des verfassungsrechtlichen Schutzes der Eigengesetzlichkeit der Wissenschaft wohl auch verfassungsgefordert, der Höhe nach allerdings kaum zu konkretisieren.47 Insgesamt ist die Befähigung der Universitäten, finanzielle Mittel von verschiedenen Geldgebern zu erlangen, eine Möglichkeit zur Steigerung ihrer Autonomie, sofern ihr die Mittel verbleiben48. Ein rechtlicher oder faktischer Zwang ist dagegen unzulässig, denn das Gesamtsystem muss so organisiert sein, dass die Wissenschaft ihrem Lebensgesetz, der Wahrheitssuche, verpflichtet bleiben kann.49

44 S. auch Schmidt-Aßmann FS Thieme, 1993, 697 (711); zur Forschungsplanung H. Krüger Forschung, in: HdbWissR I, 2. Aufl. 1996, 261 (298 f.). 45 Zu Gefahren insoweit W.-R. Schenke Neue Fragen an die Wissenschaftsfreiheit, NVwZ 2005, 1000 (1002 f.); s. auch M. Kamp Forschungsfreiheit und Kommerz, SöR 954, 2004; B. Kempen Die Universität im Zeichen der Ökonomisierung und Internationalisierung, DVBl . 2005, 1082 (1090), s. auch BVerfGE 111, 333 (359). 46 S. dazu Trute Forschung (Fn. 41), 664 ff., 679 ff., 688. 47 S. zur Mindestausstattung BVerfGE 43, 242 (285); s. auch F. Kirchhof JZ 1998, 275 (278); K-H. Ladeur Die Wissenschaftsfreiheit der entfesselten Hochschule, DÖV 2005, 753 (762); Versuch einer Neubestimmung bei M. Nettesheim Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit, DVBl . 2005, 1072 (1080): Den Staat trifft die Pflicht „den in staatlichen Forschungseinrichtungen forschenden Wissenschaftler so auszustatten, dass er – je nach wissenschaftlichem Anspruch der Forschungseinrichtung – im jeweiligen wissenschaftlichen Wettbewerb konkurrenzfähig bleibt.“ 48 § 14 Abs. 1 u. 6 LHG Rh-Pf: Erträge aus Unternehmen stehen der Universität zu. 49 Prisching Bildungstrends (Fn. 3), 25; G. Roellecke Wissenschaft und Wissenschaftsfreiheit, FS Schiedermair, 2001, 491 (496 f.); s. auch den Hinweis auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrats für eine dreigliedrige Forschungsfinanzierung bei Karpen in: Hailbronner/Geis (Fn. 10), § 5 Rn. 61.

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Eine weitere bisher nur in geringem Umfang vom Staat eröffnete Einnahmequelle bestünde darin, die Studierenden an den Kosten ihrer Ausbildung zu beteiligen. Ausbildung ist grundsätzlich ein marktfähiges Gut.50 Eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, dieses Gut kostenlos zur Verfügung zu stellen, besteht nicht.51 Die universitäre Aufgabe der Bildung und Ausbildung sowie die Freiheit der Lehre werden durch die Beteiligung der Studierenden an den Kosten nicht beeinträchtigt. Auch Art. 12 Abs. 1 GG verbürgt keinen Anspruch auf kostenfreies Studium. Die Kostenfreiheit ist vielmehr teils sozialstaatlich, teils bildungspolitisch motiviert.52 Dem Sozialstaatsgebot kann der Staat aber auch in anderer Weise als durch kostenfreie Bereitstellung des Studiums gerecht werden. Er hat damit die Wahl zwischen direkter Aufgabenfinanzierung oder der Herstellung von Marktbedingungen unter Wahrung der kultur- und sozialstaatlichen Gewährleistungsverantwortung. Angesichts des bestehenden Finanzbedarfs erscheint die politische Entscheidung gegen eine mehr als nur symbolische Beteiligung der Studierenden an den Kosten der Lehre auch als eine Steuerungsentscheidung.53 Insgesamt ist festzuhalten, dass der sowohl dem einzelnen Wissenschaftler wie der Universität zustehende Anspruch auf eine aufgabengerechte Finanzierung der Ökonomisierung der Universitäten eine unübersteigbare Grenze zieht. Dabei sind die dargelegten Grundsätze der staatlichen Finanzierungsverantwortung nicht neu; sie erhalten aber angesichts der Ökonomisierungsbestrebungen neues Gewicht.

50 Sondergutachten der Monopolkommission (Fn. 1), Gliederungspunkt 3.4.2.1. sowie in der Zusammenfassung Tz. 145: Ausbildung ist ein marktfähiges Gut; s. auch Oberender/Fleischmann (Fn. 1), 93 (104): Hochschulbildung ist ein privates Gut. 51 S. auch BVerfG , NJW 2005, 493 ff. – Studiengebühren – mit dem Hinweis auf die sozialstaatliche Pflicht zur Wahrung gleicher Bildungschancen. Mehr als eine solche Verpflichtung folgt auch nicht aus dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. 12. 1966 ( BGBl . II 1973, 1569), der in Art. 13 Abs. 2 lit. c bestimmt, dass der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden soll. S. dazu auch BVerwGE 102, 142 (147); 115, 32 (37, 49). 52 Durch Gesetz vom 15. 8. 2002 Verbot von Studiengebühren, aufgehoben durch das BVerfG , NJW 2005, 493 ff. 53 Zu den Konsequenzen s. Oberender/Fleischmann (Fn. 1), 93 (99 f.). Kritisch zu den geplanten einheitlichen Studiengebühren Schenke NVwZ 2005, 1000 (1002); für Studiengebühren Kempen DVBl . 2005, 1082 (1088).

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b)

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Die Finanzierungsweise der Universitäten nach dem neuen Steuerungsmodell

Einem neuen Steuerungsmodell folgt die Finanzierungsweise der Universitäten. Deren wesentliches Element ist die Einführung von Globalhaushalten.54 aa) Globalhaushalte als Flexibilisierungsmaßnahme Globalhaushalte stellen eine höchst wirksame Flexibilisierungsmaßnahme dar.55 Der Autonomiegewinn für die Universität liegt auf der Seite der Mittelverwendung. Insoweit ist sie nicht mehr durch einen detailgenauen Haushaltsplan sachlich und zeitlich gebunden.56 Der Flexibilitätsgewinn bleibt allerdings ohne beflügelnde Wirkung, wenn die Einführung von Globalhaushalten mit Mittelkürzungen verbunden wird57, was nicht selten geschehen ist. bb) Zielvereinbarungen als Steuerungsinstrument Die Übertragung von Globalhaushalten ist in der Regel verknüpft mit dem Abschluss von Hochschulverträgen58 und/oder Zielvereinbarungen.59 Damit wird erstmalig ein ergebnisorientierter Planungsprozess in Bezug auf die Erfüllung der gesetzlich übertragenen Aufgaben ein-

54 Karpen FS Friauf, 1996, 507 (510 ff.) mit Einzelheiten am Beispiel Hamburg, ebd., 513 ff.; positiv zu Globalhaushalten F. Kirchhof JZ 1998, 275 (282). 55 Karpen FS Friauf, 1996, 507 (520), der aber auch auf den erheblich höheren Aufwand im Haushaltsverfahren aufmerksam macht (523); ders. in: Hailbronner/Geis (Fn. 10), § 5 Rn. 21; Geis WissR 37 (2004), 1 (9); s. auch J. Harms/T. Naumann Globalhaushalte und das Problem der Wirtschaftlichkeit von Hochschulen, DÖV 1992, 822 ff.; H.H. Seidler Hochschulfinanzierung, Evaluation und Mittelvergabe, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.) Hochschulrecht. Ein Handbuch für die Praxis, 2004, 478 (496 ff.); Schenke NVwZ 2005, 1000 (1002). 56 S. zum traditionellen Verfahren Seidler Hochschulfinanzierung (Fn. 55), 480 f.; s. auch Karpen in: Hailbronner/Geis (Fn. 10), § 5 Rn. 34. 57 S. Karpen in: Hailbronner/Geis (Fn. 10), § 5 Rn. 49: Stärkung der Autonomie auch Recht oder Pflicht zur Selbstamputation. 58 Zum Solidarpakt in Baden-Württemberg R. Gräfin vom Hagen Hochschulfinanzierung und Hochschulsteuerung in Baden-Württemberg, Beiträge zur Hochschulforschung 2002, 30 (33). 59 Kluth Hochschulstandort (Fn. 10), 47; Praxisüberblick bei B. Remmert Verwaltungsvertrag und Parlamentskompetenz, LA Erichsen 2004, 163 f; s. auch § 105a Abs. 1 LHG Bremen (dessen Abs. 2 zu internen Zielvereinbarungen); § 2 Abs. 3 LHG Hbg; § 88 Abs. 2 LHG Hess zum Inhalt von Zielvereinbarungen; § 15 Abs. 3 LHG MV ; § 9 LHG NRW.

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geführt.60 Gleichzeitig wird das bisher in akademische und staatliche Teilakte gegliederte und gesetzlich determinierte Verfahren der Mittelbereitstellung und -verwendung in den Bereich des Zusammenwirkens verlagert. Das Mittel der Zielvereinbarungen institutionalisiert den zuvor informell gebliebenen Abstimmungsprozess zwischen Ministerium und Universitäten. Besteht Bindungswille, ist die Rechtsnatur der Zielvereinbarungen als öffentlich-rechtlicher Vertrag inzwischen überwiegend anerkannt.61 Einigkeit besteht auch, dass zur Wahrung der parlamentarischen Budgethoheit derartige Verträge unter dem Vorbehalt der parlamentarischen Zustimmung stehen.62 Bedenken gegen die vertragliche Verknüpfung von Mittelzuweisungen und erfolgsorientierter Aufgabenerfüllung ergeben sich jedoch aus der strukturell überlegenen Position des Ministeriums.63 Gerade weil es sich beim Vertrag um eine kooperative Handlungsform handelt, enthält das Verfahren der Vertragsverhandlung keine Ausgleichsmechanismen für die Machtverhältnisse zwischen den Vertragspartnern.64 Umso wichtiger

60 Hufeld DÖV 2002, 309 (316): „konkretisierte Planung in Vertragsform“. Inhalt von Zielvereinbarungen (Beispiel Münster): Ausbau bestimmter Forschungszentren, Einrichtung konkreter Studiengänge, Forschungskooperationen, als Gegenleistung Finanzmittel und Delegation von Kompetenzen vom Staat auf die Universität. Beispiele bei Trute WissR 33 (2000), 134 (149): Universitätsentwicklung, Lehre und Studium, Forschung und Wissenstransfer, Internationalisierung, Ressourcen, Investitionsplanungen, Deckungsfähigkeit von Haushaltstiteln; Musil Hochschulen (Fn. 11), 350. 61 S. § 9 LHG NRW sowie § 57 Abs. 6 LHG S-Anh, die die Vorschriften über den öffentlich-rechtlichen Vertrag für anwendbar erklären; s. Gegenbeispiel bei Uerpmann JZ 1999, 644 (646): in Hamburg bestand kein Vertragsabschlusswillen. 62 Vgl. § 13 Abs. 2 S. 4 LHG BW ; § 15 Abs. 3 LHG MV ; § 1 Abs. 4 LHG Nds; s. auch Karpen Hochschulbetrieb (Fn. 26), 26; Trute WissR 33 (2000), 134 (148); Uerpmann JZ 1999, 644 (645, 648 f.) mit Hinweis auf Art. II § 1 Abs. 4 S. 2 HStrG 1997 Berlin, s. auch Remmert LA Erichsen, 2004, 163 ff.; Fehling Hochschulrechtsform (Fn. 3), 97. Verfassungsrechtliche Bedenken wegen Einbuße an Transparenz bestehen nicht. So Karpen FS Friauf, 1996, 507 (513) mit Hinweis auf Art 110 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG sowie die §§ 15 und 26 BHO / LHO . Näher hierzu noch ebd., 522; krit. Hoffacker WissR 36 (2003), 92 (102): Verlust an demokratischer Legitimation: An die Stelle von Recht tritt das Geld: the „Managers right to manage“. 63 Battis/Kersten DVBl . 2003, 349 (350). Sehr nachdrücklich bei Hoffacker WissR 36 (2003), 92 (100 f.). (101): Verantwortungsbereiche ungeklärt. 64 Battis/Kersten DVBl . 2003, 349 (351) „synallagmatische Asymmetrie“, mit Hinweis auf E. Schmidt-Aßmann Zur Gesetzesbindung der verhandelnden Verwaltung, FS Brohm, 2002, 547 (555); s. auch die Bedenken bei Kluth Hochschulstandort (Fn. 10), 48; W. Hoffacker Kontrakt und Kontraktmanagement, DÖV 2001, 681 (685): keine erweiterten Handlungs- und Gestaltungsspielräume, und ebd., 686: Verbesserung des Rechtsstatus entscheidend.

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ist es, die rechtlichen Grenzen in Bezug auf den Vertragsinhalt zu klären: Zunächst muss sich der Vertragsinhalt im Rahmen der Aufgaben halten, die den Universitäten gesetzlich übertragen sind.65 Im Übrigen ergeben sich die Grenzen wiederum aus der Wissenschaftsfreiheit66: So darf die Vereinbarung keine Regelungen enthalten, die weder Staat noch Universität gegenüber den Wissenschaftlern treffen könnten, ohne die Freiheit von Forschung und Lehre zu verletzen.67 Dies bedeutet, dass etwa Ziele, die sich auf Struktur und Entwicklung einer Universität beziehen, im Bereich der institutionellen Vorgaben bleiben müssen und keinesfalls den Inhalt von Forschung und Lehre unmittelbar regeln dürfen.68 Hinsichtlich der Höhe der Mittelzuweisung ergibt sich eine untere Grenze aus dem oben dargelegten Anspruch auf eine aufgabengerechte Grundausstattung.69 Daraus folgt, dass nur ein geringer Finanzierungsanteil tatsächlich leistungsbezogen flexibel vereinbart werden kann.70 Außerhalb dieser Grenzen hängt die autonomiesteigernde Wirkung einer Zielvereinbarung wesentlich von der inhaltlichen Zurückhaltung hinsichtlich der Formulierung der Ziele71 und dem korrespondierenden Wegfall der Fachaufsicht ab.72 Angesichts der finanziellen Abhängigkeit 65 Battis/Kersten DVBl . 2003, 349 (351), die außerdem auf Rücksichtnahme und Vertrauensschutz hinweisen. 66 Vgl. § 2 Abs. 6 LHG Bbg: Zielvereinbarungen zwischen Ministerium und Hochschulen in Angelegenheiten, die der Genehmigung oder Fachaufsicht unterliegen, insbesondere für die Erfüllung staatlicher Aufgaben. 67 Uerpmann JZ 1999, 644 (648). 68 Die Vorgaben in § 88 Abs. 2 LHG Hess bedürfen der verfassungskonformen Auslegung. 69 S. auch Kluth RdJB 2004, 174 (182 f.); Seidler Hochschulfinanzierung (Fn. 55), 483. 70 Vgl. § 6 Abs. 1 LHG Hbg: Unterscheidung zwischen Grundbudget und Leistungsbudget; ähnlich § 15 Abs. 3 LHG MV ; s. auch Uerpmann JZ 1999, 644 (648): kein Verzicht auf Grundausstattung. M. Leszcensky Zukunftsweisendes Modell? Indikatorgesteuerte Mittelverteilung/Dokumentation und Analyse der Verfahren in elf Bundesländern, FuL 2004, 493: zum Berliner und Hessischen Verfahren: Im Hessischen Verfahren sind 15 % leistungsbezogen; Budgetveränderungen durchschnittlich bei 1– über 2 %. 86 % Grundlast, 14 % Anreiz und Volumenteil; Einzelheiten auch bei Gräfin vom Hagen Beiträge zur Hochschulforschung 2002, 30 (34 f.); Technische Universitäten gewinnen hinzu, kleinere Universitäten werden durch den Sockel geschützt. 71 F. Kirchhof JZ 1998, 275 (278, 280) Finanzierungssicherungsverträge sind bei entsprechender inhaltlicher Zurückhaltung verfassungsfreundlicher Weg der Universitätsfinanzierung; grds. positiv auch Trute WissR 33 (2000), 134 (138, 140): Kooperation als adäquates Mittel zwischen Hochschule und Staat. 72 S. Schneider Steuerungsmodell (Fn. 10), 134; G. Sandberger Staatliche Hochschulen in alternativen Rechtsformen, in: Heß/Leuze (Hrsg.) Die janusköpfige Universität, WissR Beiheft 15, 2005, 19 (24) kritisiert, dass das Verhältnis der neuen Steuerungs-

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der Universitäten ist die Vermeidung einer „Rebürokratisierung im neuen Gewande“ vor allem kluge Selbstbeschränkung der staatlichen Seite.73 Rechtliche Sicherungen können sich aus Verfahrensregelungen74 ergeben oder aus der Fassung der gesetzlichen Auffangregelung für den Fall, dass die Vertragsverhandlungen scheitern. Die meisten LHG stellen die Verhandlungen allerdings in den „Schatten der Hierarchie“75, wonach im Fall des Scheiterns das Ministerium die Mittelzuweisungen einseitig festsetzt.76 Vorzugswürdig ist die Lösung im LHG von SachsenAnhalt, wonach das Parlament einzuschalten ist.77 Kritisch angemerkt sei aber auch, dass Autonomie im Sinne eigenständiger Profilbildung solange unmöglich bleibt, wie die LHG dem Staat die Letztentscheidung in Fragen der strategischen Ausrichtung zum Zweck der Abstimmung mit den Profilen der anderen Hochschulen überlassen.78 Staatliche Planwirtschaft in Bezug auf das universitäre Angebot79 und Profilbildung im Wettbewerb autonomer Universitäten lassen sich nicht gleichzeitig verwirklichen.80 instrumente zu der Steuerung über die Fachaufsicht vielfach offen bleibt. Konsequent die Regelung zur Fachaufsicht in § 6 Abs. 4 LHG Hbg; problematisch § 110 Abs. 4 LHG Bremen, wonach die Genehmigungsübertragung in Zielvereinbarungen jederzeit aus Sachgründen widerrufen werden kann und alle Genehmigungen anzuzeigen sind. 73 So F. Kirchhof JZ 1998, 275 (282); auf Möglichkeit der Feinabstimmung weisen hin Battis/Kersten DVBl . 2003, 349 (351); T. Oppermann Die Entstaatlichung der Hochschulen in Niedersachsen, in: Kämmerer/Rawert (Fn. 3), 166 warnt vor Gefahr der Rebürokratisierung durch Zielvereinbarungen und plädiert für die Begrenzung auf strategische Leistungsziele mit Hinweis auf § 1 Abs. 3 LHG Nds; zu dieser Gefahr auch Hoffacker DÖV 2001, 681 (682); weitere Kritik: Intransparenz und Regelungsheterogenität; 683: Machtverhältnisse werden als Rechtsverhältnisse etabliert; 684: Problematik der Verhandelbarkeit der Autonomiebereiche, Ressourcen stehen nicht mehr im Dienst der Wissenschaft, sondern beherrschen Wissenschaft als Steuerungsinstrument; Vorteile sieht Trute WissR 33 (2000), 134 (140). 74 Siehe etwa die Verankerung des Gegenstromprinzips mit der Gestaltungsinitiative bei den Hochschulen für die Struktur- und Entwicklungsplanung in § 15 LHG MV. 75 F. Scharpf Verhandlungen im Schatten der Hierarchie, PVS 32 (1991), 621 (629); s. auch W. Löwer Das Stiftungsmodell Universität – ein neuer Weg?, RdJB 2004, 190 (195). 76 S. § 13 Abs. 2 S. 5 LHG BW ; § 3 Abs. 3 S. 2 LHG Hbg; § 88 Abs. 5 LHG Hess; § 1 Abs. 4 LHG Nds; § 7 Abs. 3 LHG Saarl. 77 § 57 Abs. 4 LHG S-Anh. 78 S. §§ 7 Abs. 2, 13 Abs. 2 S. 5, 66 Abs. 3 LHG BW ; § 3 Abs. 3 S. 1 LHG Hbg; § 88 Abs. 1 LHG Hess. S. auch die Kritik bei Gräfin vom Hagen Beiträge zur Hochschulforschung 2002, 30 (31). 79 Positiv dazu dagegen Hufeld DÖV 2002, 309 (316). 80 Für eigene Schwerpunktsetzung sowie eigenständige Studien- und Prüfungsordnungen auch Sondergutachten der Monopolkommission (Fn. 1), Tz. 147; unschlüssig insoweit z. B. § 6 Abs. 1 S. 3 LHG BW : fachaufsichtliche Weisung bezüglich Kooperationen.

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cc) Erfolgskontrolle Die Finanzierung der Universitäten auf der Grundlage von Zielvereinbarungen hat Konsequenzen für die Kontrolle der Mittelverwendung durch den Staat. Es geht nicht mehr nur um eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Mittelverwendung, sondern um eine Prüfung der Zielerreichung. Systemkonformes Kontrollmittel sind Berichte der Universität über die ergriffenen Maßnahmen und den Stand der Zielerreichung. Hierbei erfordern leistungsbezogene Mittelzuweisungen notwendig Leistungsbewertungen. Zur Zeit lässt sich den Hochschulgesetzen kein einheitliches System aus Zielvereinbarungen, Evaluationen und Berichtswesen entnehmen. In der Sache streitig und in den Gesetzen sehr unterschiedlich geregelt ist die Funktion der Evaluationen. Sie reicht vom universitätsinternen Optimierungsinstrument81 über die Herstellung von Transparenz für die Öffentlichkeit82 bis hin zum ressourcenwirksamen Kontrollinstrument.83 Mit Blick auf alle diese Zwecke ist festzuhalten, dass die Wissenschaftsfreiheit es kategorisch verbietet, die Durchführung und die Ergebnisse der Forschung sowie die Durchführung der Lehre inhaltlich zu bewerten. 84 Tatsächlich richten sich die Bewertungen, oder besser Messungen, auch nicht direkt auf Methoden und Inhalte, sondern auf „Quantität und Qualität im Blick auf Effizienz85 und Effektivi-

81 So § 5 LHG Saarl; § 69 Abs. 1 LHG Bremen; § 111 LHG Hbg bzgl. interner Lehrevaluation. 82 So § 3 Abs. 9 LHG Bbg; § 3 Abs. 2 LHG Hbg; § 6 LHG NRW ; § 5 LHG Rh-Pf; § 4 LHG Sachs; § 3 Abs. 10 LHG S-Anh; § 6 LHG Schl-H. 83 So § 92 LHG Hess; s. auch §§ 65 Abs. 1 S. 4 Nr. 4 u. 5, 73 Abs. 3 S. 1 LHG Bbg; § 13 Abs. 2 S. 3 iVm Abs. 9 LHG BW ; §§ 12, 35, 98 LHG Sachs; §§ 69 Abs. 3, 106 Abs. 2 LHG Bremen; § 7 LHG Saarl; alle drei Funktionen verbunden in § 33 LHG MV ; §§ 10a, 32, 105 LHG Thür; s. zu den verschiedenen Zwecken auch F. Hufen Rechtsfragen der Lehrevaluation an wissenschaftlichen Hochschulen, 1995, 1 f.; zu einem weiteren Zweck s. Leszcensky FuL 2004, 493 (494): Evaluation als Gegenmittel für Qualitätsabbau infolge quantitativer Leistungsindikatoren; I. Liefner Leistungsorientierte Ressourcensteuerung in Hochschulsystemen. Ein internationaler Vergleich, 2001. 84 Eine Prüfung, ob es sich um ein Verhalten handelt, das in den Schutzbereich fällt, ist im Falle eines Missbrauchsverdachts dagegen möglich. Siehe dazu BVerwGE 102, 304 ff. 85 S. Kuhlmann/T. Heinze Evaluation von Forschungsleistungen in Deutschland: Erzeuger und Bedarf, Teil 1: Konzeptionelle Grundlagen, WissR 37 (2004), 53 (56): Effizienz = Leistungserstellung im Blick auf eingesetzte Ressourceneinheiten.

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tät86, Produktivität und Wirkung“87. Auch die Verpflichtung zur Rechenschaftslegung über grundrechtlich geschütztes Verhalten stellt aber einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit dar. Die Wissenschaftsfreiheit schützt die Eigengesetzlichkeit eines auf Wahrheitssuche ausgerichteten Verhaltens. Die Verpflichtung zu Messungen und Rechenschaftslegung anhand der genannten Evaluationskriterien macht Wissenschaft zwar nicht unmöglich, beeinträchtigt aber deren Eigengesetzlichkeit.88 Dieser Eingriff 89 ist allerdings prinzipiell rechtfertigungsfähig. Grundlagen hierfür sind die aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende staatliche Schutzpflicht zugunsten der Studierenden90 sowie die parlamentarische Verantwortlichkeit für die Verwendung staatlicher Mittel.91 Der Maßstab der Geeignetheit erfordert wissenschaftsadäquate Bewertungskriterien. Gefordert ist damit prinzipiell eine fachspezifische Evaluierung92 möglichst anhand einer Kombination aus quantitativen und qualitativen Kriterien.93 Bei der Festlegung der Kriterien müssen

86 Kuhlmann/Heinze WissR 37 (2004), 53 (56): Effektivität: Leistungserstellung im Blick auf Zielgrößen. 87 Kuhlmann/Heinze WissR 37 (2004), 53 (56); s. ebd., 58 zu quantitativen und qualitativen Indikatoren bzgl. Produktivität die Tabelle 1; ebd., 59 bzgl. Wirkung Tabelle 2. 88 Auf die andere Rationalität der Evaluationsparameter verweist auch Geis WissR 37 (2004), 1 (7); anschaulich dargestellt für die Forschungsevaluation in Großbritannien von R. Ahrens Eine Gefahr für die Universitäten? – Forschungsevaluation in Großbritannien, FuL 2000, 182 ff. 89 So BVerwGE 102, 304 (307); s. auch Hufen Lehrevaluation (Fn. 83), 25, 32; B. Schlink Evaluierte Freiheit? Zu den Bemühungen um eine Verbesserung der wissenschaftlichen Lehre, Reihe Öffentliche Vorlesungen der Humboldt-Universität, Heft 100, 1999, 8, 13. 90 Hufen Lehrevaluation (Fn. 83), 27 mit Hinweis auch auf Art. 5 Abs. 3 GG ; Schlink Evaluierte Freiheit? (Fn. 89), 15 skeptisch unter Hinweis auf das Fehlen des notwendigen Kontextes von Wettbewerb, Konkurrenz und Verantwortung auch und gerade der Studierenden; Musil Hochschulen (Fn. 11), 346. 91 Geis WissR 37 (2004), 1 (6); Kluth RdJB 2004, 175 (184); Fehling DV 35 (2002), 399 (400): Demokratiegebot als Grundlage der Budgetverantwortung; dagegen nicht die Wissenschaftsfreiheit der Universität! Siehe BVerwGE 102, 304 (309); Trute WissR 33 (2000), 134 (142) mit Hinweis auf G. Haverkate Prüfungsfreie Räume, in: Zavelberg (Hrsg.) Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989, 197 (212 f.); Hufen Lehrevaluation (Fn. 83), 33: auch nicht Fach- oder Dienstaufsicht. 92 Trute WissR 33 (2000), 134 (145). Karpen FS Friauf, 1996, 507 (524); Hufeld DÖV 2002, 309 (317); Kuhlmann/Heinze WissR 37 (2004), 53 (67); BVerfGE 111, 333 (359). 93 Trute WissR 33 (2000), 134 (145); Kuhlmann/Heinze WissR 37 (2004), 53 (67); BVerfGE 111, 333 (359): ein Kriterium genügt nicht!; Seidler WissR 32 (1999), 261 (264 f.); zur Problematik der Bewertung Hoffacker WissR 36 (2003), 92 (99 f.).

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Vertreter der Wissenschaft angemessen beteiligt werden.94 Die Evaluation selbst muss durch Sachverständige erfolgen.95 Im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG ist eine Beteiligung von Studierenden und von Vertretern der Berufswelt bezüglich der Lehrevaluation gerechtfertigt.96 Der Maßstab der Erforderlichkeit verlangt die Ausrichtung und Begrenzung der Evaluation auf den jeweils verfolgten Zweck. Notwendig sind daher ggf. unterschiedliche Evaluierungsverfahren für unterschiedliche Zwecke, zumindest eine jeweils zweckgerechte Aufbereitung der Ergebnisse.97 Der Maßstab der Angemessenheit fordert schließlich die kooperative Ausgestaltung des Evaluierungsverfahrens.98 Angesichts der Grundrechtsrelevanz99 muss der Gesetzgeber das Evaluationsverfahren in seinen wesentlichen Strukturen, das heißt in Bezug auf den jeweils verfolgten Zweck, das Evaluierungspersonal, das Verfahren zur Festsetzung der Evaluierungskriterien, die Periodizität, aber auch den Datenschutz100 regeln.101 Dies ist bisher vielfach nicht in genügender Weise geschehen. Für den Einsatz als universitätsinternes Optimierungsinstrument genügt die Ermächtigung zur näheren Regelung durch das satzungsgebende Organ der Universität.102 Für ressour94 BVerfGE 111, 333 (359) zur Rechtslage in Bbg: § 67 Abs. 1 Nr. 2: Senat ist für die Festlegung der Evaluationskriterien zuständig. Nach § 92 Abs. 3 LHG Hess legen die Hochschulen Kennzahlen und Verfahren im Benehmen mit dem Ministerium fest. 95 S. § 3 Abs. 2 S. 2 LHG Hbg; Kuhlmann/Heinze WissR 37 (2004), 53 (69) weisen darauf hin, dass hierzu auch ausgewiesenes Expertentum im Bereich der Wissenschaftsindikatorik und der Evaluationsverfahren gehören. 96 Eine Beteiligung der Studierenden verlangt § 6 S. 2 HRG . Eine Beteiligung von Vertretern der beruflichen Praxis ist üblich, bedürfte allerdings auch der gesetzlichen Regelung, was bisher nicht in ausreichendem Maße der Fall ist. § 9 Abs. 1 und 2 HRG als Rahmenregelungen genügen nicht. 97 Kuhlmann/Heinze WissR 37 (2004), 53 (68 f.) betonen, dass der Verwendungskontext bewusst gehalten werden muss; s. auch M. Winter Evaluation – Neuere Entwicklungen und Erfahrungen, in: HRK (Fn. 17), 65 (69); vorbildlich insoweit § 69 LHG Bremen; s. auch §§ 5 u. 7 LHG Saarl; § 7 LHG S-Anh; unzureichend dagegen § 33 LHG MV. 98 Hufen Lehrevaluation (Fn. 83), 28; zum Verfahren Trute WissR 33 (2000), 134 und 157. 99 S. auch Hufen Lehrevaluation (Fn. 83), 26, 34. 100 S. dazu H. H. Seidler in: Hailbronner/Geis (Fn. 10), § 6 Rn. 17–19; s. auch Hufen Lehrevaluation (Fn. 83), 10 f., 29 ff.; H. Krüger Lehre, in: HdbWissR I, 2. Aufl. 1996, 302 (321). 101 Besonders ausführliche Regelungen enthalten §§ 26 Abs. 4 und 36 LHG Hess; zur Periodizität Angaben in § 5 Abs. 1 LHG Nds sowie § 33 LHG MV. 102 Vgl. § 6 Abs. 3 LHG NRW ; § 33 LHG MV ; § 3 Abs. 2 S. 4 LHG Hbg.

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cenrelevante Evaluationen ist eine vorerst tragfähige Lösung, zur näheren Regelung in Vereinbarungen zwischen Universität und Ministerium zu ermächtigen.103 Dies trägt dem Erprobungscharakter Rechnung und vermeidet Überregulierung. c)

Bewertung im Lichte der Hochschulautonomie

Zusammenfassend ist festzustellen, dass das neue Finanzierungsmodell auf der Seite der Mittelverwendung mit einem klaren Flexibilitätsgewinn für die Universitäten verbunden ist. Das Mittel der Zielvereinbarungen ist dagegen im Lichte der Autonomie ambivalent. Evaluationen sind ein die Wissenschaftsfreiheit berührendes, aber zulässiges Kontrollinstrument. Überspitzt lässt sich formulieren, dass die Universität den Preis für den Flexibilitätsgewinn mit der Münze der Wissenschaftsfreiheit zahlt.104 Dieser Preis ist nicht zu hoch, wenn die Evaluationsverfahren tatsächlich zu einem Rationalitätszuwachs bei der Mittelverteilung führen. Die Gefahr von Fehlanreizen ist allerdings hoch. Der Gesetzgeber unterliegt deshalb in besonderem Maße einer Beobachtungspflicht.105 2.

Die Organisationsreformen

Hand in Hand mit der Einführung des neuen Finanzierungsmodells erfolgten Änderungen in der Organisation der Universitäten mit dem Ziel, diese zu effektiver und effizienter Aufgabenerfüllung zu befähigen.106 a)

Neue Rechtsformen

Die seit 1998 eröffnete Möglichkeit, neben der bisherigen Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts andere Rechtsformen zu erproben,107 wird bisher wenig genutzt.108 Es sei hier deshalb nur angeVgl. § 3 Abs. 14 LHG S-Anh; §§ 27 Abs. 4, 92 Abs. 3 LHG Hess. S. auch den Hinweis bei Schneider Steuerungsmodell (Fn. 10), 133: Erwartung einer „Überkompensation“ an Kontrollwirkung durch das neue Steuerungsinstrumentarium. 105 BVerfGE 111, 333 (360). 106 Karpen FS Friauf, 1996, 507 (512): Neue Finanzierung durch Globalhaushalte setzt handlungsfähiges Management voraus; s. auch Hufeld DÖV 2002, 309: allgemein Überzeugung, dass Finanzreform von einer Organisationsreform, die insbesondere Leistungsstrukturen mit klaren Verantwortlichkeiten schafft, begleitet werden muss; Trute WissR 33 (2000), 134 (139); Fehling Hochschulrechtsform (Fn. 3), 83; Schenke NVwZ 2005, 1000 (1003). 107 § 58 Abs. 1 S. 2 HRG . 108 So auch die Einschätzung von Kluth RdJB 2004, 174 (182). 103 104

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merkt, dass die zahlreichen Analysen zu der häufigsten alternativen Rechtsform, der Stiftung des öffentlichen Rechts109, zu dem Ergebnis kommen, dass nicht die Rechtsform, sondern die jeweilige hochschulrechtliche Ausgestaltung entscheidend ist für den Grad an Autonomie.110 Insbesondere fehlt das faktische Substrat für echte Selbständigkeit, solange die Stiftung finanziell von jährlichen staatlichen Zuwendungen abhängig bleibt und nicht über ein eigenes und ausreichendes Stiftungskapital verfügt.111 Rechtlich konstruierte Selbständigkeit lässt sich aber gleichermaßen im Rahmen der herkömmlichen Organisationsform der Körperschaft herstellen. b)

Hierarchisierung

Die Aufmerksamkeit ist deshalb von der Rechtsform auf die praktisch bedeutsameren Veränderungen in der Binnenorganisation der Universität zu richten. Die mit dem neuen Finanzierungsmodell notwendig gewordenen Entscheidungen über die Mittelverwendung, die Schwerpunktsetzung mit Folgen für Berufungen oder die Verwirklichung von Berichtspflichten sind organisatorisch den Leitungsorganen der Universität zugeordnet worden.112 Die Gremien werden vielfach auf Kontroll-

109 Zu den Gründen für den Regelfall Stiftung des öffentlichen Rechts siehe Fehling Hochschulrechtsform (Fn. 3), 91 f. Die Rechtsform bezieht sich auf die Trägerorganisation. Angestrebt wird damit die Verselbständigung von Vermögen, Haushalt und Verwaltung. Fehling ebd., 85: Erwartungen: Eigenverantwortung, Staatsferne, Planungssicherheit, größere Attraktivität für private Zustifter; Kluth Hochschulstandort (Fn. 10), 45, 46: nur noch rechtsaufsichtliche Beziehungen zwischen Staat und Stiftung nach § 62 LHG Nds. S. zu Universitäten in der Rechtsform der Stiftung des öffentlichen Rechts noch Sandberger Alternative Rechtsformen (Fn. 72), 40 ff.; W. Löwer Das Stiftungsmodell Universität – ein neuer Weg?, in: Heß/Leuze (Fn. 72), 69 ff. mwN in Fn. 10; J. Ipsen Stiftungshochschule und Hochschulstiftung, RdJB 2003, 36 ff.; R. Herfurth/D. Kirmse Die Stiftungsuniversität, WissR 36 (2003), 51 ff. 110 Kluth RdJB 2004, 174 (182); so auch Fehling Hochschulrechtsform (Fn. 3), 93 ff.: nicht Rechtsform, sondern hochschulrechtliche Ausgestaltung ist entscheidend, zusammenfassend ebd., 103; Sandberger Alternative Rechtsformen (Fn. 72), 26. 111 J. A. Kämmerer Regulierung staatlicher und privater Hochschulen, in: Kämmerer/ Rawert (Fn. 3), 135: Mittelgroße Universität benötigt ein Stiftungskapital von einer halben Milliarde Euro; Sandberger Alternative Rechtsformen (Fn. 72), 43: mittlere bis größere Universitäten benötigen ein Stiftungskapital von fünf bis sechs Milliarden Euro; s. auch ebd., 54. 112 Kluth RdJB 2004, 174 (179) mit Hinweis auf BVerfGE 93, 85 mit Besprechungen von V. Epping NWVBl . 1997, 92 ff.; A. Uhle NVwZ 1996, 661 ff.; W.-R. Schenke Das neue baden-württembergische Hochschulgesetz auf dem Prüfstand des Verfassungsrechts, FS Mußgnug, 2005, 439 (440); T. Oppermann Ordinarienuniversität – Gruppenuniversität – Räteuniversität, Wege und Irrwege, in: J. Heß/W. Leuze (Fn. 72), 1 (11). Vgl. zur

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und Informationsrechte beschränkt.113 Die Zentralebene hat gegenüber der Fakultätsebene an Einfluss gewonnen,114 letztere ist mit neuen Verwaltungs- und Berichtspflichten belastet.115 Tatsächlich führt die Anwendung des NPM -Instrumentariums auf die Universität – anders als bei der unmittelbar staatlichen Verwaltung – zu einer bisher nicht gekannten organisatorischen Straffung und Hierarchisierung.116 Die Pflicht des Gesetzgebers zu wissenschaftsadäquater Ausgestaltung der Organisation hat dem wenig entgegenzusetzen.117 Gefordert ist allerdings ein System der checks and balances118, in dem Aufgaben organ- und funktionsadäquat zugeteilt sind.119 Nach dem Maß, in dem es

zentralen Leitung etwa Art. 23 Abs. 2 S. 2 LHG Bay; § 65 Abs. 1 LHG Bbg; § 81 LHG Bremen; § 79 LHG Hbg; § 42 LHG Hess; § 37 LHG Nds; § 20 LHG NRW ; § 15 Abs. 5 LHG Saarl; § 68 LHG S-Anh; § 44 LHG Schl-H; s. zur Leitung auf Fachbereichsebene § 73 LHG Bbg; § 92 Abs. 2 LHG MV ; § 43 Abs. 1 LHG Nds; § 27 Abs. 1 LHG NRW ; § 22 LHG Saarl / klassisch dagegen § 88 LHG Rh-Pf; Ladeur DÖV 2005, 753 (754). 113 Stark zurückgenommene Kompetenzen des Senats in § 85 LHG Hbg; § 40 LHG Hess; § 81 LHG MV ; § 41 LHG Nds; § 22 LHG NRW ; § 19 LHG Saarl / Umfangreich dagegen die Befugnisse in § 76 LHG Rh-Pf sowie § 93 LHG Sachs; stark zurückgenommene Befugnisse der Fakultätsräte nach § 91 LHG Hbg; § 50 LHG Hess; § 91 LHG MV ; § 44 LHG Nds; § 28 LHG NRW ; § 23 LHG Saarl. 114 Kluth RdJB 2004, 174 (183); E. Schmidt-Aßmann Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Fn. 10), 9 (31). Vgl. Art. 24 Abs. 4 LHG Bay: Weisungsrecht Präsident f Dekan; ebenso § 69 Abs. 2 LHG S-Anh; § 79 Abs. 3 LHG Hbg: Weisungsrecht des Präsidiums in die Fachbereiche hinein; s. auch § 44 Abs. 1 LHG Hess; § 73 LHG Bbg: Präsident schlägt Dekan vor; ähnlich § 90 LHG Hbg; § 86 LHG Sachs; Bestätigung durch Präsidium gemäß § 43 LHG Nds; ähnlich § 22 Abs. 4 LHG Saarl. 115 Vgl. § 89 Abs. 5 LHG Bremen; § 90 Abs. 5 LHG Hbg; § 51 LHG Hess. 116 Trute WissR 33 (2000), 134 (136–141). 117 So auch T. Groß Wissenschaftsadäquates Wissenschaftsrecht, WissR 35 (2002), 313 ff.; C. Görisch Wissenschaftsfreiheit und Hochschulmanagement, DÖV 2003, 583 (584); Oppermann Ordinarienuniversität (Fn. 112), 15 f.; Schenke NVwZ 2005, 1000 (1007); vgl. auch in BVerfGE 35, 79 (148 ff. – Sondervotum); krit. Geis WissR 37 (2004), 1 (17). Kritisch zur neuesten Rechtsprechung auch Nettesheim DVBl . 2005, 1072 (1077); W. Löwer Universitätsreform im Spiegel der Rechtsprechung, FS Mußgnug, 2005, 421 (433–437). 118 Vgl. Löwer Stiftungsmodell (Fn. 109), 83; ders. RdJB 2004, 190 (200); in BVerfGE 111, 333 (364) wird zugunsten der Verfassungsmäßigkeit der Hierarchisierung betont, dass der Senat die Möglichkeit habe, den Präsidenten abzuwählen. Insoweit kritisch zum LHG BW – Abwahl nur durch Aufsichtsrat im Einvernehmen mit dem Wissenschaftsministerium – W. Kahl Hochschulräte – Demokratie – Selbstverwaltung, AöR 130 (2005), 225 (259) und Schenke FS Mußgnug, 2005, 439 (453 f., 456); zur Kompensation von hierarchisierender Kompetenzverlagerung durch Kontrollrechte ders. NVwZ 2005, 1000 (1007 f.). 119 S. dazu Schmidt-Aßmann FS Thieme, 1993, 697 (700 f.).

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bei Entscheidungen auf wissenschaftlichen Sachverstand ankommt120 und nach den Auswirkungen, die Entscheidungen nur für Teile oder für die Universität insgesamt haben, sind die Zuständigkeiten und die Verfahren der Beteiligung zu gestalten.121 Dem wissenschaftsadäquaten Kooperationsprinzip entspricht zwischen den universitären Ebenen das aus dem Raumordnungsrecht bekannte Gegenstromprinzip122. Im Übrigen lässt sich der Verfassung ein prinzipieller Vorrang der Gremien vor den Leitungsorganen123 ebenso wenig entnehmen wie ein prinzipieller Vorrang der Fakultätsebene vor der Zentralebene.124 c)

Hochschulrat

Nicht nur Fragen der wissenschaftsadäquaten Organisation, sondern auch der demokratischen Legitimation wirft das in der Breite seiner Verwendung neuartige Organ des Hochschulrats auf. Sein Zweck besteht bei allen Unterschieden in den Einzelheiten darin, die Universität, auch organisatorisch sichtbar, den Anforderungen der Gesellschaft zu öffnen,125 indem in diesem Organ ausschließlich, mehrheitlich oder zumindest hälftig universitätsexterne Mitglieder vertreten sind.126 Zumeist ist der Hochschulrat als Universitätsorgan verfasst.127 Auch in dieser Form ist die Variationsbreite hinsichtlich Besetzung, Aufgaben und Befugnissen jedoch beträchtlich.128 120 BVerfGE 35, 79 (130, 132 f.); 54, 363 (388); Oppermann Ordinarienuniversität (Fn. 112), 17. 121 S. auch Sandberger Alternative Rechtsformen (Fn. 72), 31, 32 f.; s. sehr konkret Karpen in: Hailbronner/Geis (Fn. 10), § 5 Rn. 24. 122 S. Schmidt-Aßmann FS Hoppe, 2000, 639 (649); Löwer Stiftungsmodell (Fn. 109), 76. 123 Geis WissR 37 (2004), 1 (10 f.) weist auf den Verlust von Transparenz und damit Akzeptanz hin, der im Gefolge der Entmachtung der Gremien eintritt bzw. eintreten kann. Zur Zulässigkeit der Stärkung der Rechtsstellung der Dekane BVerfGE 93, 85 (96–98); zur Hierarchisierung allg. BVerfGE 111, 333 (356 ff.). 124 BVerfGE 111, 333 (355 f.); Schenke FS Mußgnug, 2005, 439 (450 f.); a.A. offenbar Hufeld DÖV 2002, 309 (314): Senat als verfassungsgefordertes Hauptorgan der universitas litterarum. 125 K. von Trotha Die Beweglichkeit der Unbeweglichen, in: Kämmerer/Rawert (Fn. 3), 3 (9). Fittschen WissR 30 (1997), 325 (334 f.); Ladeur DÖV 2005, 753 (754). 126 Kersten DVBl. 1999, 1704 (1705). 127 So die LHG in BW § 20; Bay § 26; Bln § 64; Hbg § 84; Hess § 48; MV § 86; Nds § 52; NRW § 24; Rh-Pf § 74; Saarl § 20; Sachs § 97; S-Anh § 74; anders in Bbg § 63, dazu BVerfGE 111, 333 (362 f.). 128 Siehe die Klassifizierung bei Kersten DVBl . 1999, 1704 (1705); A. Laqua Der Hochschulrat zwischen Selbstverwaltung und staatlicher Verwaltung – Eine Analyse der Ratsmodelle nach dem LHG , 2004, 117–124: Beratung und Anhörung, Stellungnahme und Empfehlung, Entscheidung, Initiative, Vorschlag, Aufsicht, Generalkompetenz.

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Die Verfassungsmäßigkeit einzelner Gestaltungen wird in der Literatur anhand höchst komplizierter Kombinationen aus den Kriterien Besetzungsmodus, Mehrheiten zwischen externen und internen Mitgliedern, Aufgaben und Befugnissen geprüft. Einigkeit besteht nur darüber, dass reine Beratungsfunktionen rechtlich unproblematisch sind.129 Am weitesten reichen die Aufgaben und Befugnisse des sog. Aufsichtsrats nach dem LHG BW :130 Er hat etwa das Recht zur Wahl und Abwahl der hauptamtlichen Vorstandsmitglieder, Letzteres ohne Beteiligung des Senats131. Ihm kommt die Beschlussfassung über den Struktur- und Entwicklungsplan und die Grundsätze der universitätsinternen Mittelvergabe zu sowie über die Funktionsbeschreibung von Professuren. Ihm obliegt des Weiteren die Zustimmung zu Hochschulverträgen, Unternehmensgründungen und Hochschulkooperationen sowie zu Veränderungen von Hochschuleinrichtungen.132 Die meisten Befugnisse des Hochschulrats liegen im Kondominialbereich, insbesondere in dem mit dem neuen Steuerungsmodell entstandenen Bereich der planerischen Abstimmung von Aufgaben und Ressourcen.133 Dabei kommt es im Hochschulrat zu einer organisatorischen Vermischung der Verantwortungssphären, die mit den herkömmlichen Kriterien von grundrechtlicher Freiheit auf der einen Seite, staatlicher Legitimation auf der anderen Seite nicht zu entwirren ist. Träger der Wissenschaftsfreiheit sind nur die Mitglieder des Hochschulrats, die gleichzeitig Universitätsangehörige sind. Die rechtliche Absicherung, wonach die jeweiligen externen Mitglieder der Universität nicht aufgezwungen werden können,134 macht diese weder zu Trägern der Wissenschaftsfreiheit135 noch zu Repräsentanten der wissenschaftsgebotenen Hochschulautonomie.136

129 Kersten DVBl . 1999, 1704 (1707); Geis WissR 37 (2004), 1 (15); Kahl AöR 130 (2005), 225 (227); Laqua Hochschulrat (Fn. 128), 158, 162 f., 215 f. So die LHG in Hess § 48; MV § 86; NRW § 24; S-Anh § 74; Thür § 82. 130 Ausführlich dazu Kahl AöR 130 (2005), 225 (228); Schenke FS Mußgnug, 2005, 439 (440 f.); ders. NVwZ 2005, 1000 (1004). 131 Insoweit für Verfassungswidrigkeit Kahl AöR 130 (2005), 225 (258). 132 Vgl. § 20 LHG BW. 133 S. Oppermann Ordinarienuniversität (Fn. 112), 11 f.; G. Püttner Der Hochschulrat – oder: Was wird aus der deutschen Universität?, FS Schiedermair, 2001, 557 (562). 134 Diese Notwendigkeit betont Kahl AöR 130 (2005), 225 (255 ff.). 135 U. Hufeld Tragfähige „Brücke in die Gesellschaft“? Der Hochschulrat in BadenWürttemberg – ein Wechselbalg, FuL 2001, 420 (421). 136 Vgl. B. Kempen Bayerische Hochschulräte, BayVBl . 1999, 454 (455). Differenzierend Laqua Hochschulrat (Fn. 128), 168 f.

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Die demokratische Legitimation der externen Hochschulratsmitglieder ist regelmäßig schwach. Sie verfügen im Falle der Ernennung durch das Parlament, durch die Landesregierung oder durch den Wissenschaftsminister zwar über eine personelle demokratische Legitimation.137 Diese allein genügt jedoch nicht. Hinzutreten muss eine sachlich-materielle Legitimation, die ihre Grundlage in unmittelbarer Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament138 oder in gesetzlichen Vorgaben und rechtsaufsichtlicher Kontrolle findet.139 Nicht nur die gesetzlichen Vorgaben sind aber vage; hinzukommt, dass die hinter diesem Legitimationsstrang stehende Vorstellung, mit dem Vollzug des Gesetzes werde das im repräsentativen parlamentarischen Verfahren aggregierte Gemeinwohl verwirklicht, ohne jeden Bezug ist zu der Funktion der externen Hochschulratsmitglieder. Sie sollen vielmehr unmittelbar Interessen der Gesellschaft an die Universitäten herantragen.140 Die Gewähr für die Relevanz dieser Interessen folgt aus der in der Gesellschaft errungenen Stellung oder Bedeutung der Person. Eine demokratische Legitimation ergibt sich daraus nicht.141 Im Lichte des Autonomiekriteriums zeigt sich das Problem in der Weise, dass die Übertragung von bisher staatlichen Entscheidungsbefugnissen auf einen mit Externen besetzten Hochschulrat zwar formal zu einem Zuwachs an Autonomie für die Universitäten führt, da ein Universitätsorgan mit Befugnissen ausgestattet wird. Ein materieller Autonomiezuwachs im Sinne einer Steigerung der grundrechtlich legitimierten Selbstbestimmung tritt dagegen nicht ein.142 Der Staat gibt Verantwortung ab, ohne sie der Universität im eigentlichen Sinne zu übertragen. Kersten DVBl . 1999, 1704 (1708). Wahl von externen Mitgliedern durch das Abgeordnetenhaus gemäß § 64 Abs. 2 LHG Bln; s. auch Hufeld FuL 2001, 420 (421). 139 Kahl AöR 130 (2005), 225 (244); zu BW ebd., 246: Rechtsaufsicht und Möglichkeit der Abberufung nach § 86 LVwV fG BW analog; Rechtsaufsicht sieht auch Hufeld DÖV 2002, 309 (315); grds. Verstoß gegen Demokratieprinzip nimmt Kersten DVBl . 1999, 1704 (1709) an. 140 Schenke FS Mußgnug, 2005, 439 (443); ders. NVwZ 2005, 1000 (1004); Hufeld FuL 2001, 420 (421): Janusköpfigkeit wird zur Hydra. 141 S. auch Hufeld DÖV 2002, 309 (315): „konstitutionell ungewisse Repräsentationsfähigkeit“; mit ähnlicher Argumentation kritisch zum Stiftungsrat Löwer Stiftungsmodell (Fn. 109), 90 f.; keine durchschlagenden Bedenken hinsichtlich demokratischer Legitimation bei Püttner FS Schiedermair, 2001, 557 (565); Schenke NVwZ 2005, 1000 (1005). 142 Ähnlich Geis WissR 37 (2004), 1 (15 f.); T. Groß Das Kuratorium – Hochschulautonomie durch institutionalisierte Kooperation?, DÖV 1999, 895 (902); Hartmer FS Schiedermair, 2001, 447 (484): Instrument der Fremdbestimmung; für Verfassungswidrigkeit nur bei rein externer Besetzung Kahl AöR 130 (2005), 225 (254). 137

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Nur ergänzend sei bezweifelt, ob die Häufung wichtiger Entscheidungsbefugnisse bei einem Organ, dessen Mitglieder im Neben- oder Ehrenamt tätig werden, eine funktions- und organadäquate Aufgabenverteilung darstellt.143 Keiner der hier untersuchten Bestandteile der Organisationsreformen führt damit zu einem Zuwachs an Autonomie für die Universitäten. 3.

Zusammenfassende Bewertung der Reformen

Betrachtet man die Reformen, die die Universitäten unter den Schlagworten von Autonomie und Wettbewerb erfahren, so ist festzustellen, dass der Zuwachs an Autonomie kaum weiter reicht, als dies zur Umsetzung der effizienz- und effektivitätssteigernden Maßnahmen des neuen Steuerungsmodells notwendig ist.144 Solange Struktur- und Entwicklungspläne der Genehmigung nach Maßgabe landesweiter Koordinationsvorstellungen unterliegen,145 Ministerien in Bezug auf Kooperationen fachaufsichtliche Weisungen erteilen können,146 Betreuungsrelation und Studienbeiträge nicht, Studiengänge und Studierende nur eingeschränkt von den Universitäten bestimmt werden dürfen147 und ein Wettbewerb um Professoren wegen der Kostenneutralität der 143 Insoweit kritisch zum Stiftungsrat Löwer Stiftungsmodell (Fn. 109), 78 f., 92 f.; Schenke NVwZ 2005, 1000 (1004); s. auch Fehling DV 35 (2002), 399 (405): Selbstverwaltungsgarantie schützt auch vor Überforderung mit Aufgabenzuweisung an ungeeignete Gremien. 144 S. auch die Einschätzung von Sandberger Alternative Rechtsformen (Fn. 72), 23: „Das Zögern, die bestehenden Handlungsspielräume hochschulfreundlicher zu gestalten, liegt in der Furcht, damit die Instrumente der Steuerung des Hochschulsystems aus der Hand zu geben.“ sowie ebd., 26; Hartmer FS Schiedermair, 2001, 447 (479): Hochschulpolitik will politische Verantwortung abgeben, ohne gleichzeitig auf weitestgehende Detailsteuerung durch hypertrophe Ministerien verzichten zu wollen. 145 S. die Nachweise oben Fn. 78. 146 Vgl. § 6 Abs. 1 S. 3 LHG BW. 147 Zur Betreuungsrelation s. grdl. BVerfGE 33, 334ff. – numerus clausus. Das BVerfG hat damals in zeitgeistgebundener Überbewertung des Sozialstaatsprinzips die Betroffenheit der Wissenschaftsfreiheit verkannt. S. zur Kritik nunmehr etwa Ladeur DÖV 2005, 753 (763); Nettesheim DVBl . 2005, 1072 (1076); P. Hommelhoff Eliteuniversitäten in Deutschland: Ein Irrweg?, FS Mußgnug, 2005, 407 (415–417). Hinsichtlich des Hochschulzugangs ist durch das 7. Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 28. 8. 2004 (BGBl . I, 2298) die Möglichkeit der Hochschulauswahl ausgeweitet worden. Die Regulierung ist dennoch nach wie vor beträchtlich. S. zur alten Rechtslage C. Bode/J. Weber Hochschulzulassung, in: HdbWissR I, 2. Aufl. 1996, 673ff.; R. Brehm/W. Zimmerling Aktuelle Rechtsfragen des Hochschulzulassungsrechts, RdJB 2004, 376 ff.; K. Hailbronner Hochschulzugang, zentrale Studienplatzvergabe und Hochschulauswahlverfahren, WissR 35 (2002), 209ff.; zur Koordinierung der Ordnung von Studium und Prüfungen s. § 9 HRG .

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Ute Mager

Besoldungsreform148 auf absehbare Zeit nicht realisierbar ist, fehlen grundlegende Voraussetzungen für Autonomie und echten Wettbewerb149 zwischen den Universitäten.

IV. Internationalisierung der deutschen Universitäten Es bleibt die Frage, in welche Richtung die Internationalisierung die Entwicklung der Universitäten drängt. Insoweit sind zum einen der Einfluss inter- und supranationalen Rechts auf das deutsche Hochschulrecht, zum zweiten die Mittel der nationalen Bildungspolitik zur Internationalisierung der Universitäten zu betrachten. 1.

Der Einfluss inter- und supranationalen Rechts auf das deutsche Hochschulrecht

a)

Allgemeine Entwicklung

Auch wenn es sich bei der Internationalisierung des Bildungswesens um eine weltweite Entwicklung handelt, findet sie global nur in dem Umfang statt, wie die jeweiligen Staaten es für richtig halten.150 148 S. dazu M. Hartmer Zur leistungsorientierten Besoldung der Professoren – Wünsche, Pläne und Grenzen, ZBR 1999, 217 ff.; U. Battis Leistungsorientierte Besoldung von Professoren, ZBR 2000, 253 (255); W. Thieme Leistungsbezahlung für Hochschullehrer, FS Schiedermair, 2001, 595 ff.; Schenke NVwZ 2005, 1000 (1003); Kempen DVBl . 2005, 1082 (1088). 149 Zu den Voraussetzungen einer Marktlösung s. Oberender/Fleischmann (Fn. 1), 105 ff. Die Stellungnahme der Universität Heidelberg zum Regierungsentwurf des inzwischen Gesetz gewordenen LGH BW mit Hinweisen auf autonomieschädliche Regelungen in Bezug auf Kooperationen (§ 6 Abs. 1 S. 3 LHG ), Abwahl der Vorstandsmitglieder (§ 17 Abs. 7 LHG ), Studiengänge (§ 30 Abs. 3 und § 36 LHG ), Generalermächtigung des Wissenschaftsministeriums (§ 66 Abs. 3 und 4 LHG ), Struktur- und Entwicklungsplanung (§ 7 Abs. 2 S. 3, § 13 Abs. 2 S. 3 LHG ) verhallte ungehört. Eine probeweise Befreiung von den Regulierungsvorgaben enthält das auf fünf Jahre befristete Gesetz zur organisatorischen Fortentwicklung der Technischen Universität Darmstadt v. 5. 12. 2004, GVBl . Hessen 2004, 382 ff. 150 S. dazu World Trade Organization, Council for Trade Services, Education Services, Background Note by the Secretariat vom 23. 9. 1998, 98–3691; R. Sturn GATS im Kontext der Internationalisierung von Bildungsprozessen und der Neudefinition von Bildungspolitik, in: Prisching/Lenz/Hauser (Fn. 3), 117 ff.; R. Sasser/S. Fasel Negotiating Trade in Educational Services in the WTO / GATS Context, Aussenwirtschaft 59 (2003), 275 ff., zu Handelshindernissen S. 290–292; Gesamtbewertung der aktuellen Situation ebd., 303 „Internationalisation, particularly of higher education has intensified quite independently of trade in Educational Services within the WTO / GATS context.“

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung u. Internationalisierung

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Zwar bietet das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen aus dem Jahre 1994 – GATS – die völkerrechtliche Grundlage für eine weltweite Liberalisierung des Bildungsmarktes.151 Die Staaten, insbesondere auch die EU und ihre Mitgliedstaaten, machen von spezifischen Verpflichtungen wie Marktzugang und Inländergleichbehandlung insbesondere in Bezug auf Anbieter von Bildungsdienstleistungen bisher aber nur unter Vorbehalten Gebrauch.152 Von erheblich größerer Bedeutung für die Internationalisierung der deutschen Universitäten sind das Europarecht und der auf die Region Europa bezogene Bologna-Prozess. b)

Das Recht der Europäischen Gemeinschaft

Bis zum Vertrag von Maastricht hatte die EG keinerlei ausdrückliche Kompetenzen für das allgemeine Bildungswesen.153 Dennoch war und ist auch dieser Bereich nicht von der Anwendung der Grundfreiheiten ausgespart,154 was inzwischen auch für Anbieter von Bildungsdienstleistungen zunehmend relevant wird.155 S. auch C. Scherrer Bildung als Handelsware? Die neue GATS -Verhandlungsrunde, RdJB 2003, 86 ff.; S. Hennes Bildungsdienstleistungen im Welthandelsrecht: Bestehen die Probleme der Anwendbarkeit des GATS sowie der Vergleichbarkeit der Anbieter und Angebote über die Doha-Runde hinaus fort?, RdJB 2003, 449 ff. 151 Sturn GATS (Fn. 150), 117 ff.; Sasser/Fasel Aussenwirtschaft 59 (2003), 275 ff.; Scherrer RdJB 2003, 86 ff. 152 Die Europäische Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten haben in Bezug auf Bildungsdienstleistungen uneingeschränkten Marktzugang und Inländergleichbehandlung nur für die Nachfrage von Bildungsdienstleistungen durch Ausländer im Inland, sprich in Bezug auf ausländische Studierende gewährt. Markzugangsschranken bestehen dagegen für ausländische Dienstleistungserbringer. Eine allgemein geltende Ausnahme von der Inländergleichbehandlung hat die Europäische Union für einen weit verstandenen öffentlichen Sektor und für die Gewährung von Subventionen vorgenommen (BGBl . 1994 II , 1679 f.). Zu den Gefahren einer weiteren Liberalisierung Sturn GATS (Fn. 150), 126–132, der insbesondere auf die Notwendigkeit von „Quersubventionierung“ im Bildungsbereich hinweist. 153 S. zur Entwicklung Badura FS Schiedermair, 2001, 465 (468 ff.); Schiedermair HdbWissR I, 2. Aufl. 1996, 37 (78 ff.); H. Krüger Hochschule in der europäischen Rechtsordnung, in: HdbWissR I, 2. Aufl. 1996, 189 (196 ff.). 154 S. N. Porr Bildungsrechtliche Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft im Widerstreit mit Länderkompetenzen, 2004, 56 ff., 76 ff.; A. Fürst Die bildungspolitischen Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 1999. Speziell zur Anerkennung ausländischer Hochschulqualifikationen s. G. Reuhl Die Anerkennung ausländischer Hochschulqualifikationen in der Bundesrepublik Deutschland, RdJB 1999, 62 ff. 155 S. dazu C. Ohler Die Anerkennung ausländischer Hochschulen in Deutschland als Problem des Gemeinschaftsrechts, WissR 31 (1998), 170 ff.; T. Richter/T. Pierlings Franchising-Kooperationen im Hochschulbereich, WissR 36 (2003), 223 ff.

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Von großer Bedeutung ist die Rechtsprechung des EuGH , wonach der Zugang zu den Bildungseinrichtungen uneingeschränkt dem Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit unterliegt.156 Diese Öffnung der mitgliedstaatlichen Bildungsangebote für die europaweite Nachfrage kann zu erheblichen Friktionen mit der Konzeption von Hochschulbildung als öffentlichem Gut und staatlich zu finanzierender Leistung führen. Die auf die eigenen Staatsangehörigen bezogenen sozialstaatlichen und bildungspolitischen Motive für die Regelung des Hochschulzugangs laufen ins Leere, wenn die Nachfrage aus dem Ausland so groß ist, dass sie zur Verdrängung der eigenen Staatsangehörigen führt. Belgien157 und Österreich158, Mitgliedstaaten ohne Sprachbarrieren neben großen Nachbarn, erleben die Folgen dieser Rechtsprechung. Die Lösung des Problems steht noch aus. Eine Möglichkeit wäre, im Bildungsbereich wie in anderen Bereichen, die ausdrücklich der mitgliedstaatlichen Ordnung vorbehalten sind, die Anwendung des Diskriminierungsverbots so zu modifizieren, dass es in seiner Wirkung den Kompetenzvorbehalt nicht unterläuft.159 Die Alternative ist die europaweite Harmonisierung des Hochschulzulassungsrechts, für die eine Kompetenzgrundlage erst noch geschaffen werden müsste. Die Kompetenzen der Gemeinschaft mit Auswirkungen auf die Hochschulen sind im Übrigen getrennt nach Bildung und Forschung geregelt.160 In Bezug auf die Forschung kommen der EG umfangreiche Förderkompetenzen zu.161 Die Maßnahmen sind nicht auf die Hochschulen beschränkt, streben vielmehr die Kooperation zwischen Unternehmen, Forschungszentren und Hochschulen an und sind wirtschaftspolitisch motiviert.162 Allerdings wächst auf der europäischen Ebene die Einsicht, 156 EuGH , Rs. 293/83, Slg. 1985, 593 – Gravier; Rs. 24/86, Slg. 1988, 379 – Blaizot; Rs. C-357/89, Slg. 1992, I-1027 – Raulin; Rs. C-184/99, Slg. 2001, I-6193 – Grzelczyk; Rs. C-209/03, EuZW 2005, 276 – Bidar. 157 EuGH , Rs. C-65/03, Slg. 2004, I-6427 – Kommission/Belgien. 158 EuGH , Rs. C-147/03, EuZW 2005, 465 – Kommission/Österreich; s. auch die Anmerkung von T. Fetzer/T. Groß EWS 2005, 373. 159 Dies wäre möglich durch eine Reduktion des Tatbestands auf Fälle unmittelbarer Diskriminierung oder durch Lockerung der Anforderungen an die Rechtfertigung in Fällen mittelbarer Diskriminierung. 160 S. den Überblick bei Badura FS Schiedermair, 2001, 465 (468 ff.). 161 Auf der Grundlage von Art. 163–173 EG , dazu C. M. Pelzer Die Kompetenzen der EG im Bereich der Forschung, 2004, 65 ff.; A. Pfeiffer Die Forschungs- und Technologiepolitik der Europäischen Gemeinschaft als Referenzgebiet für das europäische Verwaltungsrecht, 2002, 31 ff., 85 ff., 227 ff. 162 S. Art. 163 Abs. 1 EG ; s. auch H.-H. Trute/T. Groß Rechtsvergleichende Grundlagen der europäischen Forschungspolitik, WissR 27 (1994), 203 (204, 206); E. Schmidt-

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung u. Internationalisierung

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dass eine erfolgreiche Forschungsförderung der Eigengesetzlichkeit der Wissenschaft Raum geben muss.163 Die verstärkte Förderung der Grundlagenforschung und deren wissenschaftsadäquate institutionelle Absicherung durch einen Europäischen Wissenschaftsrat sind die erklärten Ziele für das 7. Europäische Forschungsrahmenprogramm.164 Angesichts von Ökonomisierung und Internationalisierung des Hochschulwesens gehört die Stärkung der Wissenschaftsfreiheit auf der europäischen Ebene auch und gerade in ihren verfahrensrechtlichen und organisatorischen Dimensionen zu den wichtigsten Aufgaben des europäischen Wissenschaftsrechts und der europäischen Wissenschaftspolitik. Im Bildungsbereich ist die EG zu strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für ihre Bildungssysteme verpflichtet und auf die Förderung, Unterstützung und Ergänzung von Aktivitäten der Mitgliedstaaten beschränkt.165 Die hochgradige Wirksamkeit dieser äußerst zurückhaltend formulierten Kompetenzen zeigt sich jedoch an den bekannten Programmen zur Förderung der Studenten- und Dozentenmobilität,166 die zu den stärksten Motoren der Internationalisierung der Universitäten in Europa und nicht zuletzt in Deutschland gehören.167 Die Förderkompetenz erstreckt sich darüber hinaus auch auf die Zusammenarbeit mit dritten Ländern und mit internationalen Organisationen, insbesondere dem Europarat.168 Aßmann Organisationsfragen der europäischen Forschungspolitik, FS Everling II , 1995, 1281 ff.; Kempen DVBl . 2005, 1082 (1086 f.). 163 W. Krull „Europäischer Mehrwert“? Probleme und Chancen europäischer Forschungsförderung, RdJB 2004, 490 ff. 164 S. das Kommissionsdokument „Building the Europe of knowledge“, COM (2005) 119 final; s. dazu A. von Bogdandy/D. Westphal Der rechtliche Rahmen eines autonomen Wissenschaftsrates, WissR 37 (2004), 224 ff.; W. Krull RdJB 2004, 490 ff.; s. auch schon Schmidt-Aßmann FS Everling II , 1995, 1281 (1289). 165 S. dazu Badura FS Schiedermair, 2001, 465 (472). 166 Das erste Erasmusprogramm (Ratsbeschluss 87/327/ EWG vom 15. 6. 1987, ABl . L 166 vom 25. 6. 1987, 20) wurde noch auf der Grundlage von Art. 128 EGV (Berufsbildung) erlassen; krit. dazu C. D. Classen Bildungspolitische Förderprogramme der EG – Eine kritische Untersuchung der vertragsrechtlichen Grundlagen, EuR 1990, 10 ff.; zum Sokrates-Programm Ratsbeschluss 819/95/ EWG vom 14. 3. 1995 (ABl . L 87 vom 20. 4. 1995, 10); Sokrates II s. Ratsbeschluss 253/2000/ EG vom 24. 1. 2000 (ABl . L 28 vom 3. 2. 2000, 1), geändert durch den Beschluss 451/2003/ EG (ABl . L 69 vom 13. 3. 2003, 6). 167 S. Wuttig Die Entwicklung der Europäischen Bildungsprogramme mit Hochschulbezug, RdJB 1999, 80 (80, 83). 168 Im Rahmen des Europarates sind insbesondere die Abkommen über die Anerkennung von Abschlüssen von Bedeutung, s. dazu W. Hummer Vom „Europäischen Hochschulraum“ zum „Europäischen Forschungsraum“. Ansätze und Perspektiven einer eu-

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c)

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Der Bologna-Prozess

In Wahrnehmung dieser Förderkompetenzen unterstützt die Europäische Union auch den sog. Bologna-Prozess169, der eine Harmonisierung des tertiären Bildungsbereichs auf der Basis freiwilliger Koordination darstellt, die alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union umfasst, aber nicht auf diese beschränkt ist. aa) Ziel und Inhalt des Prozesses Ziel dieses Prozesses ist die Schaffung eines europäischen Hochschulraums, in dem in Bezug auf Studiengänge und Abschlüsse Transparenz und Vergleichbarkeit herrscht, so dass Mobilität der Studierenden, noch mehr aber ihre europaweite Berufsbefähigung erreicht wird. Nicht zuletzt soll der europäische Hochschulraum mit dem europäischen Forschungsraum verbunden werden mit dem erklärten Ziel, Europa zum weltweit stärksten wissensbasierten Wirtschaftsraum zu machen. Mittel zur Schaffung des europäischen Hochschulraums sind insbesondere – die Standardisierung der Abschlüsse und mit ihnen der Studiengänge auf einen ersten berufsbefähigenden Bachelor- und einen weiterführenden Masterabschluss,170 sowie die Angleichung der „Doktorandenausbildung“, – die Modularisierung der Studiengänge und ihre Bewertung mit einem einheitlichen Leistungspunktesystem namens ECTS 171, – die Qualitätssicherung durch Akkreditierung und Evaluation, – die Ergänzung des Abschlusszeugnisses um eine in einer verbreiteten europäischen Sprache ausgestellte Erläuterung namens diploma supplement, also eine Art Produktinformation. ropäischen Bildungs- und Forschungspolitik, in: Prisching/Lenz/Hauser (Fn. 3), 33 (42–47); Krüger in: HdbWissR I, 2. Aufl. 1996, 189 (190–195). 169 Dazu Hummer Europäischer Hochschulraum (Fn. 168), 47 ff.; J. Heß Der Bologna-Prozess u. seine Zukunft, ebd., 85 (89 ff.); ders. Der Bologna-Prozess: Die europäische Perspektive der Hochschulentwicklung – Wirkungsmechanismen und Zielsetzungen bei der Schaffung eines europäischen Hochschulraumes, WissR 36 (2003), 272 ff.; M. Rehburg Alle Wege führen nach Bologna: Studienreformen im europäischen Hochschulraum, RdJB 2004, 476 ff.; s. auch HRK (Hrsg.) Bologna-Reader, Beiträge zur Hochschulpolitik 8/2004; krit. Kempen DVBl . 2005, 1082 (1086). 170 S. noch die Bedenken des BRats gegen das erste Erasmusprogramm in BR -Drs. 45/86: „Im Interesse des kulturellen Erbes und des Pluralitätsgedankens im akademischen Ausbildungswesen kann es nicht erwünscht sein, die Verschiedenartigkeit der historisch gewachsenen Ausbildungsgänge in den einzelnen Mitgliedstaaten zu nivellieren.“ 171 European credit transfer system.

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Das Erstaunliche an diesem Prozess ist die Diskrepanz zwischen rechtlicher Verbindlichkeit und faktischer Wirkung. bb) Völkerrechtliche Einordnung Auch wenn der Prozess mit einer Erklärung von vier Bildungsministern aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union seinen Ausgang genommen hat, zeigt der Teilnehmerkreis von inzwischen 40 Staaten, dass es sich um einen Vorgang handelt, der dem Völkerrecht zuzuordnen ist. Die Erklärungen lassen sich charakterisieren als Selbstverpflichtungen172, deren Verbindlichkeit allein faktisch aus dem gleichgerichteten Interesse folgt, das für jeden einzelnen Staat nur durch Beteiligung verwirklicht werden kann. Nach den Kategorien des Völkerrechts handelt es sich damit um soft law.173 cc) Unterlaufen der europarechtlichen Kompetenzordnung Faktisch zielt der Prozess auf Harmonisierung in einem Bereich, der der harmonisierenden Rechtsetzung durch die EU verschlossen ist.174 Freiwillige Koordination tritt an die Stelle der ausdrücklich verbotenen normativen Rechtsvereinheitlichung. Dieser Prozess wird durch die EU mit erheblichen Finanzmitteln gefördert, wofür Art. 149 Abs. 4 EG eine ausreichende Rechtsgrundlage enthält. Die faktische Äquivalenz mit der europarechtlichen Rechtsangleichung zeigt sich an den Instrumenten der Harmonisierung: Standardisierung, Auditierung, Akkreditierung, Zertifizierung und Produktinformation sind aus anderen Bereichen der europäischen Harmonisierungsrechtssetzung wohlbekannt.175 dd) Verschiebungen in der grundgesetzlichen Kompetenzordnung Innerstaatlich steigert der Bologna-Prozess den Einfluss des Bundes und insbesondere der Bundesexekutive auf die Hochschulpolitik. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung ist nicht nur an der Formulierung der Ziele maßgeblich beteiligt, sondern fördert auch die Umsetzung mit Bundesmitteln,176 wobei es sich für die Verteilung der HRK So Hummer Europäischer Hochschulraum (Fn. 168), 53. So Hummer Europäischer Hochschulraum (Fn. 168), 53; zur Qualität von soft law als Setzung von „Verhaltenserwartungen“ s. D. Thürer „Soft law“ – eine neue Form von Völkerrecht?, ZfSchwR 104 (1985), 429 (434). 174 Vgl. Art. 149 Abs. 4 EG ; Prisching Bildungstrends (Fn. 3), 21: Europäisierung nichteuropäischer Materien. 175 S. H. C. Röhl Akkreditierung und Zertifizierung im Produktsicherheitsrecht, 2000. 176 Information des BMBF vom 22. 7. 2005, www.bmbf.de/de/3336.php: Das BMBF fördert das Projekt der HRK „Bologna-Kompetenzzentrum“ mit 4,4 Millionen Euro in 172 173

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bedient, ohne die Länder zu beteiligen. Mag sich für die finanzielle Förderung eine Kompetenzgrundlage konstruieren lassen,177 liegt zumindest in dem Übergehen der Länder ein Verstoß gegen die Bundestreue, wie dies von Hessen mit Recht, aber im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ohne Erfolg, gerügt wurde.178 2.

Die Internationalisierung der Universitäten als Ziel nationaler Bildungspolitik

Auch die Internationalisierung der Universitäten als Ziel nationaler Bildungspolitik wird vom Bund nicht nur mittelbar über das Hochschulrahmengesetz179, sondern sehr viel effektiver durch die Finanzierung einer Vielzahl von Projekten und Programmen verwirklicht.180 Sie werden vom DAAD , zum Teil in Zusammenarbeit mit der DFG verwaltet und fördern etwa die Einrichtung Internationaler Masterprogramme, Gaststudenten- und Gastdozentenprogramme, Studienangebote im Ausland und die Begründung von Partnerschaften mit ausländischen Universitäten.181 Die rechtliche Durchführung dieser Programme erfolgt durch Verträge, die ihrer Struktur nach Subventionsverträgen gleichen und ihrem Gegenstand nach als öffentlich-rechtliche Verträge einzuordnen sind.182

den kommenden zweieinhalb Jahren. Der Bund-Länder-Modellversuch ECTS wurde von 2001–2004 mit 3,824 Millionen Euro unterstützt; seit 1998 erhält die HRK jährlich 0,5 Millionen Euro für das Projekt Q = Qualitätssicherung nach internationalen Standards. 177 Zu denken wäre an Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG . 178 Bund-Länder-Streit 2 BVQ 6/05 vom 12. 4. 2005 ( HessLReg gegen BReg ). Ähnlich wie hier auch Löwer FS Mußgnug, 2005, 421 (428). 179 Bereits seit 1976 wird in § 2 Abs. 5 HRG als Aufgabe der Hochschulen die Förderung internationaler und insbesondere europäischer Zusammenarbeit im Hochschulbereich und die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse ausländischer Studierender vorgegeben. Für zulassungsbegrenzte Fächer sieht § 32 Abs. 2 Nr. 3 HRG einen Vorbehalt zugunsten ausländischer Bewerber vor. Durch Gesetz zur Änderung dienstund arbeitsrechtlicher Vorschriften im Hochschulbereich vom 27. 12. 2004 ( BGBl . I, 3835) verlangt § 45 HRG nunmehr als Regelfall die internationale Ausschreibung von Professuren. 180 Z.B. Förderprogramm „Export deutscher Studienangebote“ in Höhe von 10 Millionen Euro von 2001–2003. 181 S. www.bmbf.de/de/908.php, Internationalisierung der Hochschulen mit Hinweis auf German University of Cairo; Heidelberg Center in Santiago de Chile u. a. 182 Die Verträge zwischen den Universitäten und dem DAAD enthalten allerdings Gerichtsstandsvereinbarungen. Da solche nach dem Verwaltungsprozessrecht unzulässig sind (s. ausführlich J. Ziekow in: H. Sodan/J. Ziekow (Hrsg.) VwGO , 1. Aufl. 1996, § 45

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Die Ausgründungen deutscher Universitäten im Ausland bedienen sich des privaten Gesellschafts- und Vertragsrechts. Nach der Programmbeschreibung des DAAD werden „unternehmerisch geplante konkurrenzstarke Off-Shore-Gründungen“ gefördert.183 Die Einrichtungen stimmen ihre Angebote auf die Nachfrage ab, wählen ihre Studenten aus und erheben Studiengebühren. Unter den Bedingungen des internationalen Wettbewerbs wird somit in Bereichen Autonomie eingeräumt, die innerstaatlich nach wie vor ganz oder weitgehend der staatlichen Regulierung vorbehalten sind.184 3.

Folgen der Internationalisierung

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Internationalisierung für die Universitäten viele Veränderungen mit sich bringt, aber auch viele Chancen bietet. Verlierer der Internationalisierung der Universitäten sind die Bundesländer und insbesondere die Landtage. Die Ökonomisierung der Universitäten erleichtert deren Internationalisierung, weil sie die Universitäten für die Beteiligung an Förderprogrammen belohnt. Der Bund und die EG bekommen auf diese Weise faktisch einen unmittelbaren Einfluss auf die Universitäten, der ihnen kompetenzrechtlich versperrt ist.

Schlussbemerkung Die aus öffentlich-rechtlicher Perspektive vorgenommene Analyse der Ökonomisierung und Internationalisierung der Universitäten in Deutschland erlaubt nur ein vorläufiges Fazit, denn dieser Prozess ist noch keineswegs abgeschlossen, und beide Entwicklungen verstärken sich gegenseitig.

Rn. 10 ff., § 52 Rn. 3), ist anzunehmen, dass der DAAD den Willen hat, privatrechtliche Verträge zu schließen. 183 S. die Ausschreibung des DAAD für das Programm „Studienangebote deutscher Hochschulen im Ausland“ unter www.daad.de/hochschulen/de/5.2.2.6.html. 184 S. Frankfurter Rundschau online vom 9. 7. 2003 „Brückenköpfe“ von K.-H. Heinemann: „Nur hinter vorgehaltener Hand wird darüber spekuliert, welche Impulse von den Ausgründungen für die deutschen Hochschulen ausgehen könnten: Die enge Abstimmung der Studiengänge auf den Markt, das Kostendeckungsprinzip, sprich: Studiengebühren, die Auswahl der Studierenden – da kann man „off-shore“ etwas ausprobieren, woran deutsche Hochschulleitungen hier zu Lande gesetzlich gehindert werden.“

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Als vorläufiges Fazit sei mein Eindruck vom aktuellen Zustand der deutschen Universitäten in ein Bild gefasst: Der Staat behandelt die Universitäten wie eine Mutter, die den Wunsch hat, dass ihre Kinder zu selbstbestimmten, erfolgreichen und nützlichen Mitgliedern der Gesellschaft werden, die gleichzeitig aber Angst hat, sie könnten ihrer Kontrolle entgleiten. Sie nimmt sie deshalb aus dem Laufgitter heraus, lässt sie aber am Gängelband.185 So dürfen sie um die Wette laufen, wobei für Siegerprämien, um die zu laufen sich lohnte, das Geld leider nicht reicht.

185 Das Laufgitter steht für die bürokratische Steuerung zur Verwirklichung sozialstaatlich motivierter bildungspolitischer Ziele (s. dazu etwa Schiedermair, in: HdbWissR I, 2. Aufl. 1996, 37 [39 ff.]). Das Gängelband steht für die ökonomische Steuerung zur Verwirklichung wirtschaftspolitischer Ziele. Siehe auch den Leitsatz Nr. 28.

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung u. Internationalisierung

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Leitsätze des 2. Berichterstatters über:

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung und Internationalisierung Einführung (1) Ökonomisierung und Internationalisierung der Universitäten haben eine gemeinsame Basis im Prozess der Globalisierung.

I.

Ökonomisierung, Internationalisierung und die Aufgabe des Öffentlichen Rechts

1.

Facetten der Ökonomisierung

(2) Der Begriff der Ökonomisierung ist mehrdeutig. In Bezug auf die Universitäten bezeichnet er in erster Linie die Steuerung mit Instrumenten des New Public Management und die Ausrichtung an Bedürfnissen der Wirtschaft. 2.

Das Neuartige an der Internationalisierung der Universitäten

(3) Das Neuartige an der Internationalisierung der Universitäten ist ebenfalls die Indienstnahme für wirtschaftspolitische Zwecke sowie der wachsende Einfluss internationalen und supranationalen Rechts auf das Hochschulrecht. 3.

Die Aufgabe des Öffentlichen Rechts

(4) Aufgabe des Öffentlichen Rechts angesichts von Ökonomisierung und Internationalisierung ist es nicht nur die rechtlichen Grenzen aufzuzeigen, sondern auch die Veränderungen im Lichte der Grundfunktionen unseres Rechtsgebiets, namentlich der Sicherung von Freiheit und Autonomie sowie der Legitimation staatlichen Handelns zu analysieren.

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II.

Verfassungsrechtlicher Rahmen

1.

Hochschulautonomie

(5) Die Garantie der Hochschulautonomie strukturiert die Verteilung der Befugnisse zwischen Universitäten und Staat nach Maßgabe wissenschaftsgeforderter Selbstverwaltung einerseits, der Verantwortung des Staates als Träger und Finanzier der Universitäten und als Adressat grundrechtlicher Gewährleistungspflichten andererseits. 2.

Kompetenzverteilung

(6) Auch wenn das Hochschulrecht als Domäne der Länder wahrgenommen wird, verfügt der Bund über beträchtliche Kompetenzen, auf deren Grundlage er die Hochschulpolitik beeinflussen kann. Ökonomisierung und Internationalisierung sind geeignet, den Einfluss des Bundes auf die Universitäten auf der Grundlage bestehender Förderkompetenzen zu steigern.

III. Ökonomisierung der Universitäten (7) Finanzierungs- und Organisationsreformen bilden den Kern der neueren Hochschulreformen. 1. a) Finanzierungsverantwortung (8) Aus der staatlichen Trägerschaft der Universitäten folgt die staatliche Verantwortung für eine aufgabengerechte Finanzierung. Diese Verantwortung ist nicht gleichbedeutend mit einer umfassenden staatlichen Finanzierung. Aus der Wissenschaftsfreiheit und dem rechtsstaatlichen Konsequenzgebot ergibt sich jedoch, dass die Verpflichtung der Universitäten, zu ihrer Finanzierung beizutragen, sie nicht an der Wahrnehmung ihrer Aufgabe hindern darf, in Freiheit zu forschen und zu lehren. (9) Weder die Wissenschaftsfreiheit noch die Berufsfreiheit oder das Sozialstaatsprinzip stehen einer Beteiligung der Studierenden an den Kosten der Lehre entgegen. (10) Der sowohl dem einzelnen Wissenschaftler wie der Universität zustehende Anspruch auf eine aufgabengerechte Finanzierung zieht der Ökonomisierung der Universitäten eine unübersteigbare Grenze.

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung u. Internationalisierung

b)

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Finanzierungsweise nach dem neuen Steuerungsmodell

(11) Mit der Finanzierung der Universitäten im Wege von Globalhaushalten ist ein Autonomiegewinn in Form eines Flexibilitätsgewinns auf Seiten der Mittelverwendung verbunden. (12) Die ergebnisorientierte Steuerung des Mitteleinsatzes im Wege von Zielvereinbarungen ist wegen der strukturellen Überlegenheit der staatlichen Seite im Lichte der Hochschulautonomie ambivalent. (13) Evaluationen stellen einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit dar. Dieser ist grundsätzlich rechtfertigungsfähig. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen sind bisher allerdings vielfach unzureichend. (14) Die Universitäten zahlen den Zuwachs an Autonomie auf Seiten der Mittelverwendung mit der Münze der Wissenschaftsfreiheit. Ob dieser Preis gerechtfertigt oder zu hoch ist, hängt maßgeblich von der Rationalität der Evaluationskriterien ab.

2.

Organisationsreformen

a)

Neue Rechtsformen

(15) Solange eine Universität finanziell von regelmäßigen Zuwendungen des Staates abhängig ist, bestimmt sich der Grad an Hochschulautonomie nach der jeweiligen rechtlichen Ausgestaltung durch das Hochschulgesetz. Die Rechtsform ist zweitrangig. b)

Hierarchisierung

(16) Der organisationsrechtliche Gehalt der Wissenschaftsfreiheit steht der Einführung von Managementstrukturen in den Universitäten nicht prinzipiell entgegen. Leitend für die inneruniversitäre Kompetenzverteilung sind die Kriterien „Sachverstand“, „Betroffenheit“ und „Kooperation“. Dem wissenschaftsadäquaten Kooperationsprinzip entspricht zwischen den universitären Ebenen das aus dem Raumordnungsrecht bekannte Gegenstromprinzip. c)

Hochschulrat

(17) Der mit externen Mitgliedern besetzte Hochschulrat als Organ der Universität ist ein hybrides Gebilde, in dem eine organisatorische Vermischung der Verantwortungssphären stattfindet, die sich mit den herkömmlichen Kriterien von grundrechtlicher Freiheit und demokratischer Legitimation nicht entwirren lässt. Unproblematisch ist allein eine beratende Funktion.

314

3.

Ute Mager

Zusammenfassende Bewertung der Reformen

(18) Insgesamt reicht der mit den Finanzierungs- und Organisationsreformen verbundene Zuwachs an Autonomie kaum weiter, als dies zur Umsetzung der effizienz- und effektivitätssteigernden Maßnahmen nach dem neuen ökonomischen Steuerungsmodell unbedingt erforderlich ist.

IV. Internationalisierung der Universitäten 1. a) Allgemeine Entwicklung (19) Das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen – GATS – erstreckt sich auch auf den Bildungssektor, spielt bisher aber für die Internationalisierung dieses Bereichs nur eine geringe Rolle. Von großer Bedeutung für die Internationalisierung der deutschen Universitäten sind dagegen das Europarecht und der auf die Region Europa bezogene Bologna-Prozess. b)

Das Recht der Europäischen Gemeinschaft

(20) Innerhalb der EU ist das allgemeine Bildungswesen zwar Sache der Mitgliedstaaten. Dies schließt aber weder die Anwendung der Grundfreiheiten noch des Diskriminierungsverbots wegen der Staatsangehörigkeit aus. Insbesondere Letzteres führt zu Friktionen mit mitgliedstaatlichen Konzeptionen der Hochschulbildung als öffentlichem Gut und entfaltet starken Harmonisierungsdruck auf die Regelungen des Hochschulzugangs. (21) In Bezug auf die Forschungsförderung ist es angesichts von Ökonomisierung und Internationalisierung der Universitäten wichtige Aufgabe, wissenschaftsadäquate Strukturen auf der europäischen Ebene zu entwickeln. (22) Die Programme zur Förderung der Mobilität von Studierenden und Lehrenden auf der Grundlage der bildungspolitischen Kompetenzen der EU zeigen, dass auch auf schmaler Kompetenzgrundlage sehr wirkungsvolle Internationalisierungsmaßnahmen durchgeführt werden können. c)

Der Bologna-Prozess

(23) Im Rahmen des Bologna-Prozesses wird aus primär wirtschaftspolitischen Motiven ein europäischer Hochschulraum angestrebt. (24) Die Harmonisierung der Strukturen im tertiären Bildungsbereich findet im Wege der freiwilligen Koordination in den Formen des völkerrechtlichen soft law mit Unterstützung der EU statt. (25) Damit unterläuft der Bologna-Prozess die Kompetenzordnung nach

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung u. Internationalisierung

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dem EG -Vertrag, wonach eine supranationale Harmonisierung dieses Bereichs ausdrücklich ausgeschlossen ist. (26) Innerstaatlich hat der Bologna-Prozess eine faktische Kompetenzverlagerung von den Ländern auf den Bund und vom Parlament auf die Exekutive zur Folge. Einen Verstoß gegen die Bundestreue stellt es dar, wenn der Bund durch Fördermittel mit Hilfe der HRK , aber ohne Beteiligung der Länder, die Umsetzung des Bologna-Prozesses in den Universitäten vorantreibt. 2.

Internationalisierung als Ziel nationaler Bildungspolitik

(27) Auch die Internationalisierung der Universitäten als Ziel nationaler Bildungspolitik erfolgt wesentlich durch Förderprogramme des Bundes und stärkt dessen Einfluss auf die Universitäten.

Schlussbemerkung (28) Ökonomisierung und Internationalisierung verstärken sich gegenseitig. Sie begünstigen faktische Verschiebungen in der Kompetenzordnung. Die mit den Begriffen Autonomie und Wettbewerb verbundenen Freiheitsverheißungen für die Universitäten sind bisher trügerisch. Der staatliche Steuerungswille ist ungebrochen. Ausgetauscht wird nur das bürokratische gegen das ökonomische Steuerungsinstrumentarium, was der Ersetzung sozialstaatlicher durch ökonomische Ziele in der Hochschulpolitik entspricht.

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Aussprache

3. Aussprache und Schlussworte

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung und Internationalisierung Vorsitzender (Dreier): Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nunmehr zur Aussprache, die durch Herrn Haverkate eröffnet wird. Wir beginnen mit dem ersten Komplex von Grundsatzfragen und Internationalisierung. Haverkate: Als ich das Thema las „Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung und Internationalisierung“, fragte ich mich: Hat das etwas miteinander zu tun? Und ich dachte: Da wird man basteln müssen, um das zusammenzubringen. Nun, das haben beide Referenten auf vorzügliche Weise geschafft. Es war erhellend, wie der ökonomische Hauptakzent des Bologna-Prozesses auf den Punkt gebracht worden ist; es war eine spannende Stunde hier zuzuhören, über einen Gegenstand zu hören, der uns ja alle betrifft. Wir sind alle befangen bei diesem Thema, aber wie wir wissen, ist sachliche Nähe nicht nur ein Befangenheitsgrund, sondern sie bietet auch die Chance zu einer tieferen Sicht, vor allem, wenn wir die unterschiedlichen Ansichten und Wertungen, die es unter uns gibt, miteinander diskutieren. Ich habe vor einiger Zeit eine Karikatur gesehen, in einem alten Simplicissimus-Band von 1914. Kriegsfreiwillig angetretene Professoren bemühen sich, militärisch ordentlich zu stehen, und ein Feldwebel, die Arme in die Seite gestützt, steht vor ihnen und schreit sie an: „Euch Professorenbande will ich scheuchen, bis ihr mich nicht mehr von einem Kultusminister unterscheiden könnt!“ Heute, so könnte es scheinen, ist die Situation umgekehrt: Heute steht der Wissenschaftsminister vor den um Haltung bemühten Professoren und herrscht sie an: „Euch Professorenbande will ich scheuchen, bis ihr mich nicht mehr von einem Unteroffizier unterscheiden könnt!“ Das wäre eine etwas schroffe, aber treffende Zusammenfassung dessen, was viele Kritiker zu den neuerlichen „Reformprozessen“ angemerkt haben. Ich zögere zu sagen, es sind Reformprozesse, Herr Hendler: „Reform“ hat doch noch die eine oder andere positive Konnotation. Ein kurzer Blick in die Uni-Landschaft zeigt ja, dass sich in der Tat gewaltige Veränderungen ergeben haben, Veränderungen, die insgesamt

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von einer deutlichen Fremdheit gegenüber dem Gedanken der universitären Selbstverwaltung geprägt sind. Ich nenne hier die Obrigkeitsrolle der Universitätsorgane gegenüber den Fakultäten, die neuerlich scharf akzentuiert wird, die Obrigkeitsrolle vor allem der Rektorate, der „Vorstandsvorsitzenden“, der Präsidenten mit straffen Interventionspotentialen. Ich nenne hier die Aufweichung von Selbstverwaltung durch Elemente der Fremdverwaltung, die Beteiligung Außenstehender, die beide Referenten angesprochen haben, außenstehender Dritter in den Universitätsräten, auch nicht zu vergessen die Beteiligung von Ministerialen in den Universitätsräten. Die Landesbürokratien haben sich hier bedeutsame Einwirkungsmöglichkeiten geschaffen – unter der Flagge der Selbstverwaltung. Ich nenne hier Elemente der Disziplinierung durch die sogenannte leistungsbezogene Besoldung – auf die Definition dessen, was als Leistung zählen soll, haben die Ministerien maßgeblichen Einfluss. Ich nenne hier die geradezu über Nacht bei uns hereingebrochene Pflicht zur Drittmittelbeschaffung – wohlgemerkt als Amtspflicht. Ich nenne hier die Praxis der Zielvereinbarungen, die vor allem Sie, Frau Mager, scharfsichtig und prägnant angesprochen haben, die so genannten freiwilligen Zielvereinbarungen – eigentlich ein Mittel der Planwirtschaft: Fakultäten verpflichten sich heute „freiwillig“ zu kontinuierlicher (!) Drittmitteleinwerbung in einer Höhe, die die Gehälter aller Professoren der Fakultät überschreitet. … wenn ich noch zwei Sätze sagen darf. Die neueren Universitätsgesetze, so hat vor einiger Zeit ein Kollege zusammengefasst, sind bestimmt von zwei staatsrechtlichen Prinzipien, die sich beide nicht bewährt haben, nämlich vom Führerprinzip und von der Planwirtschaft. Das ist eine polemische Formel – mit einem kräftigen Wahrheitsgehalt. Wir werden die Substanz dieses Vorwurfs in der Diskussion zu klären haben. Kempen: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. Dem berechtigten Sparappell zur Einhaltung der Redezeit fallen nun bedauerlicherweise auch die Komplimente zum Opfer, die ich sehr gerne aussprechen wollte. Ich fand, dass beide Referenten einen hervorragenden Beitrag zur wissenschaftsrechtlichen und wissenschaftspolitischen Diskussion geliefert haben. In der großen Koalition der Bildungspolitiker ist der Begriff der Internationalisierung positiv besetzt. Der Begriff der Ökonomisierung wird eher verschwiegen und nur gelegentlich etwas verschämt gebraucht. Der Begriff der Ökonomisierung ist ja bereits eine Deutung der Vorgänge, mit denen wir es zu tun haben. Beiden Bewegungen gemeinsam ist, dass wir einer neuen Universität entgegensehen, entgegensehen müssen, darf ich hinzufügen. Und ich würde anregen, dass wir dieses neue Bild der

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Aussprache

Universität, das Sie detailliert und präzise beschrieben haben, vielleicht noch genauer und noch exakter auf den Punkt bringen. Was wird denn eigentlich das Prägende der Universität des 21. Jahrhunderts sein, wenn der Prozess der Internationalisierung und Ökonomisierung, so wie er in Gang gekommen ist, ungebremst weiterläuft? Ich will zwei Punkte nennen. Der erste Punkt ist: Die Universität wird weitgehend entwissenschaftlicht sein. Wissenschaft als ein Prozess der Wahrheitssuche wird zurückgedrängt werden zu Lasten ganz neuer Funktionen, die die Universitäten zu erfüllen haben werden, nämlich als Ausbildungsbetrieb zu fungieren und als Innovationslieferant für die Wirtschaft zu dienen. Das wird die zukünftige doppelte Aufgabe der Universitäten sein, und Hand in Hand mit diesem Prozess wird eine Entwicklung der Entindividualisierung von Wissenschaft gehen. Wir werden nicht mehr Wissenschaft als einen individuellen Prozess des Wissenschaftlers begreifen, sondern als einen Kollektivprozess der Einrichtung eines Instituts, der Universität, womöglich gar eines ganzen Bundeslandes. Diese Prozesse aufzuhalten, ist die Rechtsordnung möglicherweise berufen. Und ich hätte mir gewünscht, das ist das Einzige, das ich zu dem präzisen Bild, das Sie gemalt haben, vielleicht anregen, nicht einmal kritisieren möchte, dass wir gerade vor dem Hintergrund der jüngeren Brandenburg-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts überlegen müssen, ob wir denn dogmatisch gerüstet sind, die neue Herausforderung zu bewältigen. Ist es wirklich so, dass wir mit dem Begriff der „strukturellen Gefährdung“ – das ist der Schlüsselbegriff der Brandenburg-Entscheidung – alle neuen Situationen beherrschen, also richtig austarieren, wie weit der politische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers reicht und wie weit der nicht antastbare Bereich individueller Wissenschaft geht? Können wir das damit meistern? Ich wäre dankbar, wenn beide Referenten dieser dogmatischen Grundanforderung vielleicht noch etwas mehr Augenmerk zuwenden könnten. Herzlichen Dank. Thieme: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Ich möchte zum Problem der Rechtsform der Universität sprechen, weil mit Aussagen hierzu zuweilen auch inhaltliche Vorstellungen verbunden werden, etwa mit der Stiftung als eine Figur, die Selbstständigkeit und Autonomie schafft, ebenso wie angeblich die Körperschaft. Ich möchte dringend davor warnen, mit der Rechtsform irgendwelche derartigen Hoffnungen zu verbinden. Worte wie Körperschaft, Anstalt usw. sind nur Worthülsen, hinter denen man vieles verbergen kann, und mit denen man vieles und sehr unterschiedliches verbindet und im Laufe der Geschichte verbunden hat. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, dass die Universität nicht entweder eine Körperschaft oder eine Anstalt

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war, sondern nach dem Preußischen Allgemeinen Landrecht beides zugleich, Körperschaft und Anstalt des Staates. Wenn ich mir das ansehe, was diese Körperschaften, die ja vorher nicht rechtlich definiert waren, geleistet haben, dann waren dies die real existierenden Körperschaften als Gemeinschaften, die die Wissenschaften unmittelbar betrieben. Das ist aber etwas, was durch die große Zahl der Professoren, durch die Spezialisierung der Fächer und durch die Gruppenuniversität nicht mehr existent ist. In diesem Zusammenhang komme ich auf die Stiftung. Wir haben zwei Stiftungsbegriffe, die echte und die unechte Stiftung. Die echte Stiftung hat ein Stiftungskapital, das staatsunabhängig ist, bei der – wie in Amerika – Bankdirektoren das Stiftungskapital verwalten und darauf sehen, dass möglichst viele Zustiftungen hinzu kommen und die Stiftung immer reicher wird. Daneben haben wir in Deutschland die unechten Stiftungen, die nichts weiter sind als eine öffentliche Anstalt, für die die Bezeichnung Stiftung ein Missbrauch ist. Noch ein Wort zum Hochschulrat. Ich würde mir wünschen, dass die Hochschulräte einmal untersucht werden, erstens welchem Zweck sie eigentlich dienen. Daran fehlt es vollständig. Zweitens, dass einmal empirisch untersucht wird: Was tun sie eigentlich? Die Evaluierung der Hochschulräte halte ich für eine ganz wichtige Aufgabe. Ich fürchte, diese Institutionen werden ihren Nimbus sehr schnell verlieren, wenn man sie überprüft. Danke sehr. Kischel: Die deutsche Universität ist nicht krank. Sie wird aber krank geredet, und das mit einer teilweise lemminghaften Begeisterung. Ich bin immer froh, wenn ich sehe, dass es auch moderate Gegenstimmen gibt, wie wir sie in beiden Vorträgen gehört haben. Es gäbe unendlich viel zu diesen Vorträgen zu sagen. Ich möchte nur zwei Punkte herausgreifen: einen betriebswirtschaftlichen und einen rechtsvergleichenden. Wir sollten darauf achten, dass es auch in der Betriebswirtschaftslehre ernstzunehmende Stimmen gibt, die sich den Vergleichen zwischen Universität und Wirtschaftsunternehmen vehement widersetzen und diese für wissenschaftlich falsch halten. Das betrifft nicht nur die Frage, ob der wissenschaftliche Erkenntnisprozess überhaupt steuerbar ist, sondern auch die Frage, was bei einem Wirtschaftsunternehmen der Universität entsprechen soll. Die Existenz solcher Entsprechungen wird von manchen Stimmen verneint, so dass die Übertragung von Strukturen und Verfahren, wie wir sie in der Wirtschaft kennen, auf die Universität von vornherein sinnlos ist. Was soll denn etwa das Produkt sein, das wir an der Universität produzieren? Bildung, Ausbildung und materielle Inhalte sind als solche nicht zu messen. Was bleibt, ist der materielle Nie-

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Aussprache

derschlag der Ausbildungsinhalte und der Bildung, die wir vermitteln, also Noten und Abschlüsse. Ganz einfach und betriebswirtschaftlich: Wir verkaufen gegen Geld Noten und Abschlüsse. Welche Steuerungswirkung das, wenn es tatsächlich so wäre, auf uns als Hochschullehrer hätte, können Sie sich ausmalen. Ein anderer Aspekt, den ich hervorheben möchte, ist der rechtsvergleichende. Auch wenn es in den Referaten beruhigenderweise nicht zum hundertsten Mal angesprochen wurde, so schweift doch der Blick bei diesem Thema immer unweigerlich in die Vereinigten Staaten. Ich weiß selbst nicht genau warum, denn auch in Frankreich gibt es hervorragende Hochschulen, aber mit der ENA werden wir aus irgendwelchen Gründen niemals verglichen. Ich möchte nur einige der Einzelaspekte ganz kurz andeuten. So existiert eine Bachelor/Master-Struktur in den USA als solche im juristischen Studium gar nicht, zumindest nicht so, wie mancher es sich denkt. Die Übertragung ist ein typischer rechtsvergleichender Fehler. Ebenso ist die Akkreditierung in den USA ein freiwilliger Vorgang, dem sich gerade die Spitzenuniversitäten sehr gern entziehen und der gerade von den schwachen, kleinen Provinzuniversitäten mit Begeisterung aufgegriffen wird. Zur Evaluierung möchte ich vorwegschicken, dass ich mich durchaus gern von Studenten evaluieren lasse. Aber beispielsweise an der Yale Law School, die in den USA seit vielen Jahren den unangefochtenen Spitzenplatz einnimmt, gibt es eine zwangsweise studentische Evaluierung nicht und es hat sie, glaube ich, auch nie gegeben – zumindest ist sie mir nicht untergekommen. Der wichtigste Punkt aber ist, dass nach meiner persönlichen Erfahrung und nach den Erfahrungen, die ich in vielen Gesprächen von Personen berichtet bekommen habe, die ebenfalls an den so genannten Spitzenuniversitäten der USA studiert haben, die dortigen Universitäten nicht besser sind als unsere: Die Qualität der Lehrenden ist nicht besser. Sie sind auch weder didaktisch höher qualifiziert, noch für Studenten leichter verfügbar. Wichtiger noch, auch die Studenten sind qualitativ im Grundsatz vergleichbar. Wenn ich bedenke, mit welchen Studentenzahlen, welchen Geldressourcen und welchen Professorenzahlen wir arbeiten und wie viel wir damit „produzieren“, dann stehen wir – ganz ökonomisch betrachtet – phänomenal da. Was verbleibt dann eigentlich als Unterschied zwischen den USA und uns? Geben Sie uns das Geld, das an den US Law Schools vorhanden ist, streichen Sie uns die schlechtesten zwei Drittel der Studenten heraus und wir produzieren Ihnen, wenn gewünscht, dasselbe wie in Harvard. Vorsitzender: Dankeschön, jetzt hat Herr Steinberg das Wort. Mit dem Stichwort „Ökonomisierung“ sind wir jetzt beim zweiten Themenkomplex.

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Steinberg: Meine Damen und Herren, ich möchte zunächst beiden Referenten gratulieren zu den außerordentlich ausgewogenen, differenzierten und sachkundigen Referaten. Ich war beeindruckt. Ich möchte mir dann eine generelle Anmerkung erlauben und zu drei Spezialthemen Stellung nehmen. Erstens: Ich möchte warnen vor dem undifferenzierten Rekurs auf Humboldt. Wenn wir gerade wieder gehört haben, die Zukunft der deutschen Universität liegt in einer Entwissenschaftlichung, sie werden Stätte der Berufsausbildung, dann möchte ich darauf hinweisen, dass das auch bei Humboldt die Aufgabe der Universität gewesen ist. Die sogenannten höheren Fakultäten dienten selbstverständlich der Berufsausbildung und dienten interessegeleiteten Tätigkeiten: Das hat Kant nicht bestritten, das hat Humboldt nicht bestritten, das hat Schleiermacher nicht bestritten. Es gab dann aber die Philosophische Fakultät und was zu der gesagt wird, das wird jetzt immer auf die gesamte Universität projiziert. Die Amerikaner haben diese regulative Idee der Einheit von Forschung und Lehre übernommen, aber mit ganz anderen Organisationsstrukturen verbunden. Und das erweist sich heute eben als sehr erfolgreich und mein Eindruck ist, dass wir in vielen Dingen zu unserer traditionellen regulativen Idee die amerikanischen Strukturelemente der Organisation hinzufügen. Herr Hendler hat zu Recht darauf hingewiesen: Es gibt bei Humboldt kein Organisationsmodell der Universität. Sie können sogar große Reserven und Skepsis gegenüber Professoren nachlesen und das hat etwa dazu geführt, dass das Ministerium selbstverständlich die wichtigste Aufgabe behielt, nämlich die Berufung von Professoren, weil man denselben eben nicht traute. Vielleicht sollte auch von daher die Institution des Hochschulrats doch einmal anders bedacht werden. Ich habe so ein bisschen Zweifel, ob die Kriterien, die Sie beide genannt haben, hier zu einer Bewertung wirklich ausreichen und ich würde Herrn Thieme uneingeschränkt zustimmen, man sollte die Hochschulräte, die wir haben, wirklich einmal evaluieren, um zu gucken, was sie machen. Jetzt zu ganz konkreten Themen. Erstens, Frau Mager, Sie haben außerordentlich präzise die neuen Instrumente beschrieben, Sie haben zu Recht kritisiert, dass hier kein einheitliches System besteht. Das führt zu vielen praktischen Schwierigkeiten. Das führt auch zu Widersprüchlichkeiten, zur Friktion. Es droht eine neue Bürokratie zu entstehen. Evaluierungsbürokratie, Kennzahlen, Berichtsbürokratie, die Systeme sind nicht aufeinander abgestellt. Ich teile Ihre Bedenken, was die Akkreditierung angeht. Hier entsteht oder hier ist schon eine Privatbürokratie von Graden entstanden, die wahnsinnig viel Geld kostet. Ich habe auch durchaus rechtliche Zweifel, ob die Ausgestaltung der Verfahren den

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Aussprache

inhaltlichen Anforderungen und der Wissenschaftsfreiheit genügt. Ich kann das jetzt nicht mehr erläutern. Herrn Hendler möchte ich mit großem Nachdruck zustimmen zu seiner Forderung nach Differenzierung. Wir erleben aber eigentlich im Augenblick genau das Entgegengesetzte, auch darauf haben Sie zu Recht hingewiesen. Vor allem über das Institut der neuen Studiengänge Bachelor und Master sehen wir einen Prozess der Nivellierung, auch das könnte ich belegen. An einer Stelle möchte ich ganz besonders der geltenden Praxis, auch der Kultusministerkonferenz widersprechen, die festgelegt hat, dass der Bachelor-Grad nicht wissenschaftsorientiert sein darf, sondern nur berufsorientiert, anders als der Master-Grad. Das halte ich ganz klar für verfassungswidrig und dagegen kämpfen wir auch ganz praktisch. Vielleicht die letzte Bemerkung. Es wäre, Frau Mager, ein kleines bisschen optimistischer gewesen, wenn Sie eine rechtliche Neuregelung in Hessen betrachtet hätten und zwar das TU Darmstadt-Gesetz, das tatsächlich den Staatseinfluss, den Sie ja zutreffend beschrieben haben, abbaut. Wir haben hier nur noch die Rechtsaufsicht und alle Fragen, Haushalt, Personal, Bewirtschaftung der Ressourcen, also vor allem die Liegenschaften, liegen hier beim Präsidium, dem Präsidenten und dem Hochschulrat. Ich glaube, das ist durchaus eine zukunftsweisende Entwicklung. Vielen Dank. D. Dörr: Ich möchte aus den ausgezeichneten Referaten lediglich zwei Punkte ganz kurz ansprechen. Einmal haben Sie, Herr Hendler und auch Sie, Frau Mager die Frage der Wissenschaftsfreiheit als individuelle Freiheit und ihre institutionelle Seite angesprochen, um die neuen Steuerungsmodelle beurteilen zu können. Ich meine, dass man hier, Herr Hendler vielleicht anders vorgehen könnte. Aus meiner Sicht ist die Wissenschaftsfreiheit, die allgemeine Wissenschaftsfreiheit, eine rein individuelle Freiheit, die man aber trennen muss von der institutionellen Freiheit von Forschung und Lehre und insoweit knüpfe ich an die Überlegungen von Herrn Hailbronner und Herrn Schiedermair an. Dort liegt, glaube ich, die institutionelle Verankerung der objektiven Seite und dort liegt auch die Verankerung der Universität. Und dann komme ich zum konkreten Punkt der Finanzierung. Und dort habe ich in Ihren Referaten einen deutlichen Unterschied festgestellt. Sie, Herr Hendler, gehen davon aus, dass es lediglich einen Anspruch auf Mindestausstattung gibt und dass ansonsten der Staat bei der Finanzierung völlig frei sei, was aus der Haushaltsautonomie folge. Sie, Frau Mager, gehen davon aus, dass der einzelne Forscher und die Universität einen Anspruch auf aufgabengerechte Finanzierung haben. Dem stimme ich nachdrücklich zu. Ich meine aber, dass man einen Schritt weitergehen muss als Sie, Frau Mager. Man muss, und das liegt bei Artikel 5 GG nahe, auch die Parallele zur

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Rundfunkfreiheit sehen. Rundfunkfreiheit und die institutionelle Seite der Freiheit von Forschung und Lehre weisen ganz erstaunliche Parallelen auf. Sie sind beide institutionell zu verstehen. Sie enthalten auch eine Einrichtungsgarantie und sie enthalten auch eine Finanzierungsgarantie. Und Sie, Frau Mager, haben aus meiner Sicht völlig zu Recht angesprochen, dass gerade in dem neuen Finanzierungsmodell die Gefahr liegt, dass sie um die Münze der individuellen Wissenschaftsfreiheit eingekauft werden. Und bei der Rundfunkfinanzierung hat das Bundesverfassungsgericht seine verfahrensrechtlichen Anforderungen genau deshalb entwickelt. Es hat nämlich gesagt, es gibt ein Dilemma bei der staatlichen Finanzierung. Es hat selber von einem Dilemma gesprochen, weil einerseits der Staat zur Finanzierung aufgerufen ist, andererseits natürlich alle Finanzierungsmodelle die klassischen Eingriffsmöglichkeiten in die Programmfreiheit sind. Wenn man dies auf die Universität überträgt, so bestehen klassische Eingriffsmöglichkeiten in die Forschungsfreiheit. Und Sie, Frau Mager und Sie, Herr Hendler haben ganz eindrucksvoll beschrieben, wo dort die Probleme liegen. Und deshalb meine ich, und das ist mein Appell, man sollte die Überlegungen, die das Verfassungsgericht zur verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der Finanzierung entwickelt hat, einmal auf die Wissenschaftsfreiheit und die Hochschulfinanzierung übertragen. Ich kann das hier nicht im Einzelnen aufführen, aber ich meine, darüber lohnt es sich, genauer nachzudenken. Sachs: Vielen Dank, Herr Vorsitzender: Ich will ein paar kurze Bemerkungen zu den Hochschulräten machen, und zwar zu den Entscheidungsbefugnissen der externen Hochschulräte und da sehe ich mich mit Frau Mager weitestgehend d’accord, bei Herrn Hendlers Thesen 12–14 nur teilweise. Einverstanden bin ich allerdings mit dem Postulat der demokratischen Egalität, weil und soweit es an den öffentlichen Hochschulen auch um die Ausübung von Staatsgewalt geht. Nach Artikel 20 Absatz 2 GG muss die bekanntlich vom Volke ausgehen und deswegen geht demokratische Egalität. Darum ist es auch vollkommen richtig, dass Sachverstand, wenn er von draußen kommt, wenn er extern ist, keinerlei Sonderrechte begründen kann, denn er kann ja auf Artikel 5 Absatz 3 GG , anders als der der Wissenschaftler, nicht gestützt werden. Bedenken habe ich aber dagegen, dass ein externer Gruppenpluralismus als unbedenklich angesehen wird. Das entnehme ich der These 14 von Herrn Hendler, wobei da aber nicht ganz deutlich wird, wie er diese Unbedenklichkeit konstruiert. Es kann ja wohl nicht darum gehen, dass hier eine Variante demokratischer Egalität vorliegen soll. Wenn das nicht der Fall ist, dann müsste es eine Durchbrechung dieser Egalität sein und dann vermisse ich die Grundlage ihrer Legitimität – wie mir

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Aussprache

überhaupt dieser Gruppenpluralismus fragwürdig erscheint, jedenfalls, wenn es um Ausübung von Staatsgewalt geht, auch an Universitäten. Die Gruppen sind allzu vielfältig. Eine Auswahl ist deswegen zwangsläufig notwendig. Manche werden berücksichtigt, andere fallen unter den Tisch. Es kann nicht immer der „main stream“ sein, auch das widerspricht demokratischer Egalität. Vor allem werden gruppenferne Interessen automatisch bei Gruppenpluralismus unter den Tisch gekehrt und das, obwohl wir doch die negative Vereinigungsfreiheit anerkennen. Mir scheint, dass dieser Gruppenpluralismus bei Ausübung von Staatsfunktionen ein Rückfall in den Ständestaat ist, den soll man an der Universität zumindest vermeiden. Vielen Dank. Ehrenzeller: Herr Präsident, verehrte Anwesende. Schon gestern ist ja von Herrn Schulte gesagt worden, dass zur Wissenschaftsfreiheit auch die Steuerung der Wissenschaft durch professionelle Selbststeuerung gehöre. Allerdings haben wir dabei vor allem von der Wissenschaftsfreiheit der Einzelnen gehört. Von der Selbststeuerung im Verhältnis zwischen der Wissenschaftsfreiheit des Einzelnen und der Universität als Institution, die heute im wesentlichen Gegenstand der Debatte ist, wurden gestern noch relativ wenig gesprochen. Heute ist gesagt worden: Wir sichern die Freiheit durch die Partizipation der Betroffenen, der Grundrechtsbetroffenen, also im wesentlichen der Hochschulangehörigen. Nun: In welchem Verhältnis steht jetzt diese Partizipation zu den Zielsetzungen der neuen Universität, wie gesagt worden ist, oder anders gesagt: den Charaktereigenschaften der Ökonomisierung und der Internationalisierung der Universität? Zweifellos führt das Bologna-System zu einer Verstärkung der institutionellen Freiheit und damit auch zu einer stärkeren Integration des einzelnen Hochschulangehörigen in diese Institution. Aus Schweizer Sicht, glaube ich, muss man allerdings sagen – und vielleicht sagt das auch noch ein anderer Vertreter aus der Schweiz, dass es bisher der ganzen Bologna-Bewegung an der demokratischen Abstützung und damit auch an Partizipation – allerdings nicht nur der Hochschulangehörigen, sondern auch der Öffentlichkeit – mangelt. Wir hätten auf diesen Prozess eigentlich primär in unseren Universitätsgesetzen auf kantonaler Ebene und auf schweizerischer Ebene im Rahmen der Hochschulgesetzgebung einwirken müssen. Diese Diskussion ist nicht geführt worden und das ist speziell aus demokratischer Sicht der Schweiz außerordentlich bedauerlich. Ich glaube, das muss auf die eine oder andere Weise nachgeholt werden und vielleicht ist das auch ein Moment, Ihnen zu sagen, dass wir im Moment an der Diskussion über eine neue Bildungs- und Hochschulverfassung der Schweiz sind – gerade diese Woche hat der Nationalrat eine

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große Verfassungsvorlage verabschiedet, die im Kern darauf hinausläuft, dass Bund und Kantone einen gemeinsamen und koordinierten Hochschulraum bilden, dass Verfahren und Institutionen dieser Koordination bestehen und – falls diese Koordination nicht gelingen sollte – dass dann subsidiäre Bundeskompetenzen zum Tragen kommen. Auf diesem Wege wird also ein gemeinsam verantwortender Hochschulraum geschaffen. Das bedeutet dann z. B. auch, dass es möglich ist und möglich sein muss, dass für die Bundes wie für die kantonalen Universitäten gemeinsame Finanzierungsgrundsätze erarbeitet werden. Ich finde diesen Teil von Ökonomisierung einen außerordentlichen Fortschritt und er setzt die Universitäten auch unter einen Transparenz- und Rechtfertigungsdruck, den wir bisher eindeutig nicht hatten. Als Gegenpol zur Kooperation gehört natürlich die Sicherung der Autonomie der Hochschulen zum Thema. Beide Referenten heute morgen – und das hat mir an sich gut gefallen – haben betont, dass die Garantie der Führungsfähigkeit der Universitäten mit der Wissenschaftsfreiheit an sich vereinbar ist. Das wird bedeuten, dass die Stellung der Leitungsorgane auf Fakultätsebene und auf Universitätsebene deutlich gestärkt wird, zum Beispiel durch längere Amtszeiten und Erweiterung der Kompetenzen der Dekane und der Rektorate. Ich halte dies grundsätzlich für wichtig und richtig. Interessant ist in diesem Zusammenhang das Stichwort: Hochschulräte. Aus Schweizer Sicht habe ich etwas Mühe, Ihre Bedenken zu teilen – ja, Frau Mager, Sie haben von einem hybriden Gebilde gesprochen und das damit auch irgendwo als undemokratisch abqualifiziert; ich weiß nicht, warum denn eigentlich? Warum können diese hochschuleigenen Organe nicht mehr als eine Konsultationsfunktion haben? Warum können diese Organe nicht auch grundsätzlich Leitungskompetenzen haben? Natürlich braucht es eine Abstimmung zwischen dem Senat und den Kompetenzen dieser Universitätsräte. Aber, wenn Sie die neue Hochschullandschaft, die durch Ökonomisierung und Internationalisierung, aber auch durch eine stärkere Verantwortlichkeit gegenüber der Öffentlichkeit gekennzeichnet ist, unterstützen, dann sind doch diese Organe der Ort, wo man internationale Experten einbeziehen kann, wo man auch Vertreter der Zivilgesellschaft einbeziehen kann, die durchaus mehr haben können und sollen als eine reine Konsultationsfunktion. Ich finde, das müsste möglich sein, und ich halte dies auch mit der Wissenschaftsfreiheit durchaus vereinbar. Danke. Gersdorf: Ich möchte an das, was Herr Dörr gesagt hat, anknüpfen. Frau Mager, Sie haben in Ihrem Vortrag aus der staatlichen Trägerschaft das Gebot einer aufgabengerechten – ich würde formulieren: funktionsgerechten – Finanzierung der Universitäten abgeleitet. Die konkrete

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Aussprache

Frage: Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie dieses Finanzierungsgebot nur organisationsrechtlich abstützen? Liegt es nicht nahe, dieses Finanzierungsgebot auch grundrechtlich, nämlich unter Rekurs auf 5 Absatz 3 des Grundgesetzes, zu fundieren? Ihrer These kann man das nicht entnehmen. Der zweite Punkt kreist ebenfalls um die Forderung einer aufgabengereichten Finanzierung. Herr Dörr hat schon darauf hingewiesen, dass es gewisse Parallelen zwischen der Rundfunkautonomie einerseits und der Hochschulautonomie andererseits gibt. Ich möchte das Verhältnis der einzelnen Finanzierungsformen und Finanzierungsarten ein wenig zu beleuchten versuchen. In welchem Verhältnis steht die staatliche Finanzierung zur Finanzierung aus Drittmitteln im Hochschulbereich? Ich wage es, eine gewisse Parallele zur Rundfunkautonomie zu ziehen, zur Finanzierung aus Werbung. Das Bundesverfassungsgericht betont in ständiger Rechtsprechung, dass die Finanzierung aus Werbung sehr wohl verfassungsrechtlich zulässig ist. Es weist aber zugleich auf die strukturellen Defizite hin, die dieser Finanzierungsform inhärent sind. Diese Finanzierung führe zur Gruppenabhängigkeit, zur Abhängigkeit von der werbetreibenden Wirtschaft. Bezogen auf den Hochschulbereich: Gehen von der Drittmittelfinanzierung für die Hochschulautonomie nicht entsprechende Gefährdungen aus? Zu diesem Aspekt würde ich gerne Näheres von Ihnen hören. Wenn Sie dieser Grundthese folgen sollten, dann bedeutete dies, dass wir einen Vorrang der staatlichen Finanzierung der Hochschulen haben und nur subsidiär, nur ergänzend auf Drittmittel und auf andere Finanzierungsquellen zurückgreifen können, weil nur dann die funktionsgerechte Finanzierung der Hochschulen gewährleistet ist. Geis: Zwei Bemerkungen plus eine Präambel. Zunächst die Präambel: Ich halte es für sehr begrüßenswert, dass der Vorstand ein politisch so aktuelles Thema gewählt hat. Wir alle sind ja von den Veränderungen betroffen. Ich befürchte aber, dass wir das Schlachtfeld viel zu lange der ideologischen Hochschulpolitik und den Visionären sich entfesselnder Hochschulen überlassen haben und uns auf die Rolle von Getriebenen beschränkt haben. Deswegen ist es hohe Zeit, rechtliche Kriterien zur Domestizierung einer wilden Ökonomisierung zu entwickeln, wie es Frau Mager ja in der These 4 gefordert hat. Ich denke, das ist unsere ureigenste Aufgabe. Wessen sonst? Insofern wäre es schön, wenn Impulse aus der Paulskirche auch einmal wieder in der Politik ankämen. Erste Anmerkung: Frau Mager, Sie haben auf die Hierarchisierung hingewiesen, die Einzug gehalten hat. Richtig ist sicher, dass es keinen Vorrang der Fakultät vor der Zentralebene geben kann. Aber auf der anderen Seite ist es doch so, dass der aktuelle Gebrauch des Begriffs

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Autonomie sich in der Diskussion so gut wie ausschließlich auf das Verhältnis Staat – Universität beschränkt. Was dabei weitgehend marginalisiert, ja nahezu paralysiert wird, ist der Schutz der Binnenautonomie, die den Fakultäten und Fachbereichen auch gegenüber der Hochschulleitung zukommt. Hier würde ich noch weitere Aufklärung von beiden Referenten erbitten. Zweite Anmerkung: Ganz tückisch ist es mit der Autonomie auf dem Feld der Hochschulmedizin, ein hier sicher fernliegenderes Thema. Ministerpräsident Koch hat gestern auf die geplante Privatisierung der Universitätsklinik Marburg-Gießen hingewiesen. Geplant ist hier, den Schutz von Forschung und Lehre am privatisierten Klinikum fast ausschließlich durch Kooperationsverträge zu regeln. Reicht das verfassungsrechtlich aus, um sicherzustellen, dass die wissenschaftlichen Ressourcen der professoralen Chefärzte nicht peu à peu von der Krankenversorgung aufgesogen werden? Welche gesetzlichen Regelungen, welche organisatorischen Regelungen wären im Falle solcher Privatisierungen unabdingbar, um die Autonomie der Wissenschaft und den Schutz von Forschung und Lehre sicherzustellen? Danke. Groß: Ich finde es bedauerlich, dass bis auf wenige Sätze bei Frau Mager die Verfassungsgarantie der Selbstverwaltung der Hochschulen, die in fast allen Landesverfassungen enthalten ist, so eine geringe Rolle gespielt hat. Ich bin sehr skeptisch, aus der Wissenschaftsfreiheit viel abzuleiten, um den Reformprozess, der in diesem Augenblick stattfindet, irgendwie verfassungsrechtlich zu begrenzen. Das hängt mit der dogmatischen Struktur des Grundrechtschutzes durch Organisationsregelungen zusammen, denn dies ist nach meiner Auffassung eine Unterform der staatlichen Schutzpflicht. Wo aber die gesetzgeberische Konkretisierungsprärogative im Vordergrund steht und nur offensichtlich ungeeignete, wissenschaftsinadäquate – oder wie man es auch nennen will – Gestaltungen unzulässig sind, sind diese schleichenden Veränderungen kaum in den Griff zu bekommen. Dagegen enthält die Selbstverwaltungsgarantie nicht nur eine Autonomiegarantie gegenüber dem jeweiligen Land, sondern durchaus auch Aussagen zur internen Struktur der jeweiligen Einheit. Auch wenn man es nicht vollständig mit der kommunalen Selbstverwaltung parallelisieren kann, würde ich doch darauf bestehen, dass ein gewisses Mindestmaß an Partizipation der Mitglieder der Organisation durch die Selbstverwaltungsgarantie festgeschrieben ist, was jedenfalls der weitgehenden Entmachtung der gewählten Kollegialgremien der Universität durchaus Grenzen setzt. Auch kann es möglicherweise Auswirkungen auf den Einfluss eines extern besetzten Hochschulrates haben. Außerdem könnte man daraus wegen der Verbindung

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zu Lehre und Forschung durchaus Anforderungen an die Einschaltung externer Akkreditierungsagenturen ableiten, jedenfalls im Sinne eines Gesetzesvorbehaltes. Denn wenn dieses Verfahren nicht gesetzgeberisch strukturiert ist, ist der Gesetzesvorbehalt für Einschränkungen des Selbstverwaltungsrechts der Hochschulen nicht respektiert. Starck: Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen. Beide Referate haben meines Erachtens im Prinzip zutreffend den Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes als Maßstab für ihre Darlegungen verwendet. Dabei hat Herr Hendler die Stiftungsuniversität erwähnt und Frau Mager zur Stiftungsuniversität einige Andeutungen gemacht. Ich möchte dazu etwas Ergänzendes sagen. Sie haben immer vom Hochschulrat gesprochen, der jedoch nur beratend tätig sei. Bei der Stiftungsuniversität heißt der Hochschulrat Stiftungsrat und dieser Stiftungsrat hat ganz enorme Entscheidungskompetenzen, die vom Präsidenten gelenkt werden können. Der Präsident ist Chef der Universitätsverwaltung, gleichzeitig ist er Mitglied des Stiftungsrates und bereitet die Geschäfte des Stiftungsrates vor. Er steht zwar als Leiter der Universitätsverwaltung unter der Aufsicht des Stiftungsrates. Aber wie soll der Stiftungsrat die Aufsicht ausüben, wenn der Präsident die Geschäfte vorbereitet? Der Stiftungsrat müsste sich eines Beamten von außerhalb bedienen, um eventuelle Aufsichtsmaßnahmen vorbereiten und wahrnehmen zu können. Der Präsident schlägt die Mitglieder des Stiftungsrates vor. Er setzt sich den Stiftungsrat im Einvernehmen mit dem Senat – so ist es in Göttingen geschehen – nach Belieben zusammen. Der Präsident, nicht mehr die Fakultät, macht laut Gesetz den Berufungsvorschlag. Im Gesetz heißt es, die Befugnis des Präsidenten zur abschließenden Entscheidung über den Berufungsvorschlag sei zu gewährleisten. Die Berufung wird ausgesprochen vom Stiftungsrat, in dem der Präsident sitzt. Der Stiftungsrat beaufsichtigt den Präsidenten und nimmt – so kann man sagen – Teile der Aufgaben wahr, die früher das Ministerium wahrgenommen hat. Es gibt noch den Senat. Der Präsident ist Vorsitzender des Senats und bereitet dessen Geschäfte vor. Das Konzil ist abgeschafft. Das ist das eigentlich verfassunggebende Organ gewesen. In dem Zusammenhang muss man noch darauf hinweisen, dass die Stiftungsuniversität nicht durch Gesetz eingeführt worden ist, sondern die Stiftungsuniversität ist eine bloße gesetzliche Möglichkeit, die die Universität ergreifen kann. Darüber hat aber nicht das Konzil entschieden, das über diese Verfassungsfrage eigentlich hätte entscheiden müssen, sondern darüber hat der Senat entschieden, weil das Konzil pikanterweise durch dasselbe Gesetz abgeschafft worden ist, das die Entscheidung für die Stiftungsuniversität ermöglichte. Alles das sind Probleme, die ich nicht hier beurteilen

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möchte. Ich möchte nur sagen, dass der Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes und Artikel 5 Absatz 3 der Niedersächsischen Verfassung beachtet werden müssen. Herr Groß hatte schon darauf hingewiesen, dass eine Selbstverwaltungsgarantie in Art. 5 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung enthalten ist und im übrigen auch eine Verantwortung des Staates für die Universität garantiert ist. Darüber ist möglicherweise hinweg gegangen worden. Und schließlich das Dritte ist die Frage, liegt eigentlich noch eine rechtsstaatliche Organisation vor, wenn man dem Präsidenten eine solche ungeheure Macht anvertraut: Hochschulleitung, Geschäftsführung des Stiftungsrates, Vorsitz des Senats? Soviel ergänzend zu den beiden Referaten. Ich möchte noch eine kurze Bemerkung machen zu dem jetzt aufgekommenen Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Universität. Ich möchte abraten, weiter an diesem Vergleich zu arbeiten; denn wir haben den Artikel 5 Absatz 3 GG als individuelles Grundrecht der Wissenschaftler; so etwas gibt es in der Rundfunkanstalt überhaupt nicht. Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt als solche hat die Rundfunkfreiheit, aber nicht die Mitarbeiter. Classen: Wenn man aus einem vergleichsweise finanzschwachen Bundesland kommt wie ich, freut man sich natürlich zu lesen, dass die Universitäten aufgabengerecht finanziert werden sollen. Das Problem ist nur, dass diese Aufgabe mit den Worten Forschung und Lehre ja noch sehr pauschal umschrieben ist. In welchen Bereichen, in welchen Fächern das konkret erfolgen soll, ist damit noch nicht gesagt. Praktisch laufen Diskussionen um solche Fragen dann aus meiner Sicht so, dass gesagt wird: Die Universität hat, wenn es finanziell eng wird, die Freiheit, gegebenenfalls bestimmte Aufgaben aufzugeben – zum Beispiel entweder selbst oder mit Zustimmung des Bildungsministeriums bestimmte Studiengänge einzustellen und ähnliches. Herr Dörr hat die interessante Parallele aufgeworfen zur Rundfunkfreiheit; das führt zur Frage nach der Grundversorgung: In größeren Bundesländern muss vielleicht irgendwie jedes Fach einmal vorhanden sein, in kleineren Bundesländern kann man vielleicht auch sagen, dass das im Nachbarbundesland ausreicht; praktisch ist das nicht sehr befriedigend. Was man dann noch vorbringt, dass Gelder nicht von heute auf morgen weggenommen werden dürfen, weil man ja bei der Aufhebung von Studiengängen Zeit braucht, um die vorhandenen Studenten zu Ende zu betreuen, kann das Land, wenn es tatsächlich oder wegen entsprechender Deckungsvermerke faktisch ein Globalbudget gibt, das Problem relativ einfach lösen, indem es, wenn irgendwelche Beschwerden kommen, sich einfach auf den Standpunkt stellt, dass es eben Aufgabe der Hoch-

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schulleitung sei, das Problem im Rahmen des Budgets irgendwie zu lösen; damit hat das Land für sich das Problem bewältigt. Sie haben daneben auch die individuellen Wissenschaftler angesprochen, verbunden mit der Frage der Mindestausstattung. Dieses Stichwort geistert ja seit langem herum. Ich würde gerne einmal wissen, ob sich das eigentlich irgendwie auch handfest konkretisieren lässt. Und wenn man das wirklich versucht für den Professor, den wir alle kennen, den für öffentliches Recht, kommt dabei wirklich Entscheidendes herum? Man muss sicher eine Bibliothek haben. Man muss vielleicht auch, weil die Bibliotheksmittel begrenzt sind, ein bisschen Fernleihen machen können, man braucht etwas Papier, Bleistifte, vielleicht auch alle 5 Jahre einen neuen Computer, aber wesentlich mehr ist es eigentlich nicht. Ist uns mit diesen Dingen nun wirklich entscheidend geholfen? Ein zweiter Punkt betrifft die Evaluation. Frau Mager, Sie haben gesagt, dass diese einen Grundrechtseingriff beinhalte, der gegebenenfalls gerechtfertigt werden kann. Herr Hailbronner hat gestern schon angesprochen, dass man vielleicht ein bisschen differenzieren muss zwischen der allgemeinen Wissenschaftsfreiheit und der Stellung des Forschers einer Universität. Es geht ja ganz praktisch um den Umfang von Ausstattungen, es geht gegebenenfalls auch um das Gehalt im Zusammenhang mit dem neuen Besoldungsrecht, das heißt es geht im Kern um den Umfang staatlicher Leistungen. Bei der Frage, unter welchen Bedingungen, nach welchen Kriterien staatliche Leistungen gewährt werden, wie sie wieder eingeschränkt werden können, kann man sicher manche Bausteine aus der Eingriffsdogmatik herannehmen; aber es einfach als Eingriff zu bezeichnen, wenn eine Leistung zurückgefahren wird, aus welchen Gründen auch immer, da wäre ich vorsichtiger. Das zweite zur Evaluation. Solange es einfach darum geht, ein Fach anzugucken, um zu sehen, ob es gut ist oder schlecht, gegebenenfalls auch im Vergleich mit ähnlichen Fächern an anderen Universitäten, ist das alles in Ordnung. Wenn es darum geht, Verteilungskämpfe zwischen verschiedenen Wissenschaftsbereichen zu organisieren, wird es natürlich sehr schwierig. Ich kann nicht etwa dem Sinologen vorwerfen, dass er nur drei Studenten in seiner Vorlesung hat, wenn in ganz Deutschland dieses Fach nur begrenzt nachgefragt wird. Bei anderen Bereichen ist das ähnlich. Deswegen neige ich hier zu einer differenzierenden Bewertung. Schließlich eine abschließende Bemerkung im Vorgriff auf die Internationalisierung. Ich würde die These 24 von Herrn Hendler um einen Satz ergänzen: Wenn wir den Umfang der Ausbildungsmöglichkeiten in der Bundesrepublik angucken und gleichzeitig die Aufnahmefähigkeit der klassischen juristischen Berufsfelder, kann das nur funktionieren,

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wenn man neben das Modell, das wir kennen, auch etwas setzt, was eine Tätigkeit ermöglicht in Bereichen, für die man keine spezifische Juristenausbildung benötigt, bei dem die Absolventen dann also in ganz anderen Bereichen tätig werden können und müssen. Es mag sicher schwierig sein, sich konkrete Berufsfelder zu überlegen, aber verglichen mit den Berufsmöglichkeiten von Anglisten und Philosophen wird uns da für Bachelors of Law auch irgendetwas Kluges einfallen. Mann: Mein Beitrag betrifft das Akkreditierungswesen und insbesondere die These 23 von Herrn Hendler. Herr Hendler hat vorsichtig formuliert: „Es bestehen keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken“ gegen das Akkreditierungswesen. Ich möchte zwei Punkte dazu erwähnen. Zum einen beruht das gesamte Akkreditierungswesen allein auf Beschlüssen der Kultusministerkonferenz und der Hochschulrektorenkonferenz und es gibt, soweit ich das sehe, nur in Nordrhein-Westfalen ein Gesetz dazu. Es gibt also keine gesetzliche Grundlage, die präzise Maßstäbe für die Akkreditierung und für ein einheitliches Verfahren festlegt. Insoweit sehe ich genauso wie Herr Groß erhebliche Bedenken. Außerdem ist dieser Akkreditierungsrat, der die Aufgabe hat, die Akkreditierungsagenturen zu akkreditieren, auch wiederum besetzt mit Vertretern aus der Wirtschaft, und ich denke, es lohnt sich darüber nachzudenken, ob sich nicht auch hier die Frage der demokratischen Legitimation stellt. Sie haben das Stichwort Demokratieprinzip durchaus erwähnt. Aus Zeitgründen werden Sie das nicht weiter ausgeführt haben. Man kann den Anforderungen des Demokratieprinzips eigentlich nur entkommen, indem man sagt, dass der Akkreditierungsrat keine Staatsgewalt ausübt, in diesem Zusammenhang also kein Handeln mit Entscheidungscharakter vorliegt. Ich denke, das wird man aber so nicht unterstreichen können. Mein zweiter Gesichtspunkt ist ein verwaltungsrechtlicher, weil das Verwaltungsrecht bei unserer diesjährigen Tagung vielleicht ein bisschen zu kurz gekommen ist, betrifft aber auch das Akkreditierungsverfahren. Ich möchte Sie alle auffordern, mal gemeinsam darüber nachzudenken, wie wir das Akkreditierungswesen denn verwaltungsrechtlich fassen können, denn da ist vieles im Unklaren. Diese Akkreditierungsagenturen sind privatrechtliche Vereine, die gemeinnützig tätig sein sollen. Sie agieren in einem Raum, von dem nicht klar ist, ob er öffentlichrechtlich strukturiert ist oder privatrechtlich. Einerseits werden Verträge geschlossen, aber andererseits wird auch ein Akkreditat erteilt. Ist dieses Akkreditat nun ein Verwaltungsakt, trifft es eine verbindliche Regelung? Ich meine, es müsste als verbindlich anzusehen sein, denn wenn es nicht verbindlich wäre, wäre es ein ganz teurer Firlefanz, den wir uns da leisten. Eine Akkreditierung kostet bis zu 15 000 Euro.

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Das ist Geld, welches wir in unseren Fakultäten gut an anderer Stelle gebrauchen könnten. Wenn aber ein VA vorliegt, handelt es sich dann vielleicht um Beliehene, um eine Art Studiengang-TÜV ? Müsste man nicht die verwaltungsrechtlichen Maßstäbe, die für Beliehene gelten, anwenden? Wenn ich das aber tue, dann fehlt schon ein Beleihungsgesetz. Dann hat man bereits keine Maßstäbe, die für die Verwaltungstätigkeit gelten. Die Agenturen wehren sich gegen diese Sichtweise, indem sie die Gewerbefreiheit ins Feld führen. Als gemeinnützige Vereine können sie das, so meine ich, aber nicht tun. Wir wissen alle, dass dafür die Gewinnerzielungsabsicht erforderlich ist. Kurzum: Ich denke, wenn wir – im Sinne von Herrn Geis – zu einer „Domestizierung der Ökonomisierung“ ansetzen wollen, dann ist das Verwaltungsrecht ein probates Mittel, mit dem wir viel schneller zum Ziel kommen und mit dem wir über schlagkräftige Argumente verfügen, um Veränderungen herbeizuführen. Ich glaube, das Akkreditierungssystem, so wie es jetzt ist, ist rechtlich nicht haltbar. Danke. Kneihs: Herr Hendler, Sie hatten zuerst das Wagnis des Differenzierungsund Bildungsangebots eingefordert, was ich sehr schön fand und haben dann recht vehement gegen den Bachelor-Studiengang in Jura oder Jus – wie wir sagen würden – Stellung bezogen und eine andere Wortmeldung hier ist auch in diese Richtung gegangen. Ich glaube nicht, dass der Bachelor- oder Masterstudiengang in Jus zur Nivellierung führen muss, und ich glaube vor allem nicht, dass er im Widerspruch zur Differenzierung steht, sondern ganz im Gegenteil. Ich möchte zunächst daran erinnern, das ist hier auch schon gefallen, dass das Jus-Studium ja nicht nur für die klassischen juristischen Berufe ausbilden soll, sondern dass Juristen auch in einer Vielzahl anderer Berufe tätig sind. Ich selbst komme von einer Universität, die zur Zeit einen dreigliedrigen juristischen Studiengang vorbereitet, und es zeigt sich, dass etwa die Bundeskammer der Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater ganz und gar nichts dagegen hat, unsere künftigen Baccalaurii zur Wirtschaftstreuhänder- und Steuerberaterprüfung anzunehmen. Und was schließlich die klassischen juristischen Berufe anbelangt, so kann ich unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten, aber auch unter sachlichen Gesichtspunkten, überhaupt nicht erkennen, warum dann ein insgesamt fünfjähriges Studium schlechter sein soll als ein jetziges vierjähriges Diplomstudium. Oppermann: Ich möchte doch zunächst ganz kurz den Vorstand beglückwünschen. Wir haben wirklich heute Vormittag das zentrale Thema der Hochschulen ausgewählt und das war sicher sehr gut. Gleichzeitig beglückwünsche ich beide Referenten. Ich will einmal sagen: Der doch

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grundsätzliche Gleichklang der beiden Referate könnte doch vielleicht ein Indiz für die Richtigkeit vieler Ihrer Ausführungen gewesen sein. Meinerseits zwei Bemerkungen zur Autonomie und Ökonomisierung, nachher kurz zum Bologna-Prozess, zur Autonomie unter dem Aspekt Finanzautonomie und Berufungsautonomie. Eine Vorbemerkung: Ich bin ein Gegner dieses oftmals auch heute anklingenden Freund-FeindVerhältnisses zwischen Universität und Ministerien. Ich spreche eigentlich mehr von den Beamten, nicht von den Ministern, das ist manchmal unterschiedlich. Ich habe in Jahrzehnten die Erfahrung gemacht, wenn man den Ministerien nicht gleich in der Ritterrüstung des Grundrechtsträgers der Wissenschaftsfreiheit entgegentritt, sondern auf normale Weise, dass man mit sehr vielen Beamten dort sehr gut reden kann, dann auch zu guten, für die Hochschulen vernünftigen, Ergebnissen kommen kann. Das darf vielleicht auch einmal gesagt werden. Um so mehr bedaure ich eigentlich, oder empfinde es als Danaergeschenk, diese sogenannte Stärkung der Finanzautonomie der Hochschulen. Ob nun der Rektor oder auch Präsident als Gesprächspartner wirklich die bessere Figur ist als das Ministerium, scheint mir sehr fraglich zu sein, und zwar nicht wegen der Qualität der Personen sondern durch dieses System. Zielvereinbarung und dann Globalhaushalt sind angesprochen worden. Wird von vornherein ein enger Finanzrahmen unter den heutigen Verhältnissen gegeben, dann müssen sich Rektor und Professoren damit herumschlagen. Der direkte Verkehr mit dem Ministerium, hinter dem dann doch der Staatshaushalt in einer etwas größeren Form steht, bietet meines Erachtens viel bessere Möglichkeiten, im Einzelfall zu guten Ergebnissen zu kommen. Ähnliches gilt auch für das Berufungswesen. Das scheint auch so zu bleiben, obwohl beispielsweise in Baden-Württemberg auch da die Stellung des Rektors sehr gestärkt wird, aber das letztlich das Einvernehmen des Ministeriums auch möglich macht. Auch hier hat die Letztverantwortung des Ministeriums, die ja schließlich auch die zahlende Stelle ist, eine objektivierende Wirkung gegenüber mancherlei Menschlichkeiten und „allzu Menschlichkeiten“ innerhalb der Universität. Also die Möglichkeit des Ministeriums – natürlich im Rahmen des Berufungsvorschlages – hier ein wenig im gegebenen Falle Einfluss zu nehmen, halte ich weiterhin nicht für falsch und würde hier vor stärkerer Autonomie warnen. Zweiter Punkt Bologna, eine allgemeine Bemerkung: Bologna scheint mir letztlich auch ein Beispiel für die Anglomania oder genauer gesagt Amerikanomania unserer heutigen Zeit zu sein. Es bewahrheitet sich der alte Satz, dass politische Herrschaft und politische Vorherrschaft auch weit in Bildung und Wissenschaft mit eingreift und sich bemerkbar macht. Ganz kurz nur: Wir leben unter „Bologna“ und man muss damit zurecht kommen. Man darf nicht vergessen, bei den

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Bachelor – ich spreche nicht von den Juristen, da teile ich alle Skepsis – ermöglicht Bologna auch einen vierjährigen Bachelor und wenn man das macht und wenn man gleichzeitig die Alternative statt „Master“ gleich Doktorandenstudium offen hält, dann kann man im Grunde mit unserem gar nicht so schlechten bisherigen System Diplome, Staatsexamen und Doktorandenzeit, zurecht kommen, im Grunde läuft es dann mehr auf eine Frage anderer Etikettierung hinaus. Man sollte nicht vorschnell eigentlich bewährte Elemente unseres Systems aufgeben. Vielen Dank. Rauschning: Der Vorstand hat in den Themenvorschlägen zur Diskussion nach den Referaten gesagt, er denke auch an die Geschichte. Deshalb habe ich mich gemeldet. Wir sollten an die sechziger und siebziger Jahre zurückdenken, und da gab es noch die staatliche Verantwortung für die Universitäten und eben auch die staatliche Objektivität und die Rückbindung zu der Staatsverwaltung. Jedenfalls im früher preußischen Bereich wurden die Aufgaben des Staates für die Universität durch den Kurator wahrgenommen, in der Wirtschafts- und Mittelverwaltung. Und ich kann nur sagen, dass ich mich auch hinsichtlich meiner individuellen Wissenschaftsfreiheit im Kuratorialsystem mindestens so gut aufgehoben gefühlt habe, wie ich das jetzt beobachten kann. Eine zweite Bemerkung zur Frage der Ökonomisierung oder dann auch der Effektivität. Man kann fragen, ob eigentlich diese neue Universitätsstruktur einschließlich Autonomie und Gremien unter dem Gesichtspunkt der Kosten betrachtet wird. Was wäre das Ergebnis einer solchen Untersuchung auch unter dem Gesichtspunkt der Kosten für die Wissenschaftstätigkeit und vielleicht sogar unter dem Gesichtspunkt der betriebswirtschaftlichen Kosten? Ich habe den Eindruck, dass jetzt ein erheblicher Aufwand getrieben und eine ganz erhebliche Kapazität bei uns in Anspruch genommen wird durch das Schreiben von Anträgen und das Schreiben von Berichten und dass das in ganz erheblichem Umfang zu Lasten der Wissenschaftstätigkeit geht. Das waren wir früher nicht gewohnt. Die Kosten für den wissenschaftlichen Ertrag, in welcher Einheit man ihn auch messen mag, mögen trotz „neuer Wirtschaftlichkeit“ höher sein als früher. Ich danke Ihnen sehr. Müller: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, leider kann ich meinen Beitrag nicht zurückziehen unter Hinweis auf das Votum von Herrn Ehrenzeller, weil ich nämlich die Dinge etwas anders sehe als er. Der Grund könnte sein, dass er auch noch Prorektor ist an der Universität St. Gallen. Ich habe den Eindruck, dass die Hochschulreform in der Schweiz, wenn es, Herr Haverkate, überhaupt eine ist, mit einem gewaltigen Demokratiedefizit und einer eindrücklich arroganten Bil-

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dungsbürokratie eingeführt oder durchgeführt wird. Die Zustimmung zur Bologna-Erklärung erfolgte durch den obersten Bildungsbürokraten, einen Staatssekretär. Eine innerstaatliche Legitimierung ist bisher nicht erfolgt. Im Bund kann sie nicht erfolgen, denn der Bund ist gar nicht kompetent in diesem Bereich. Er verfügt über die Macht – das heißt über das Geld – und deswegen machen die Universitäten alles, was man von ihnen verlangt. Immerhin – und das möchte ich ausdrücklich sagen – wird jetzt eine verfassungsrechtliche Grundlage geschaffen. Herr Ehrenzeller hat das gesagt. Was er aber nicht gesagt hat, ist, dass er selbst wesentlich beteiligt ist an dieser Reform der Bildungsverfassung und wir sind ihm sehr dankbar dafür. Es kommt jetzt endlich Ordnung in die Geschichte. Aber es ist im Grunde genommen zu spät. Es gibt ja keine anständige gesetzliche Grundlage, im Bund kann es sie nicht geben. Die Kantone haben sie auch nicht. Sie haben alles delegiert an irgendwelche Räte irgendeiner Art. Die Umsetzung erfolgt nicht nur bürokratisch, sondern auch unheimlich pedantisch. Die einzelnen Kreditpunkte werden uns vorgegeben für jedes Semester, für jede Art von Veranstaltung, also ich sehe da sehr schwarz und ich muss Ihnen sagen, bei uns wird das auch für die juristischen Fakultäten eingeführt. Wir werden also auch den Bachelor bekommen, obwohl, da muss ich Ihnen Recht geben, Herr Hendler, niemand weiß, was wir dann mit diesen Bachelors machen können. Was wir schon wissen, ist, dass man mit diesem Bachelor nicht zum Anwaltsexamen zugelassen wird. Und was heißt das? Das heißt, dass alle in das Masterstudium steigen werden, der Effekt der Entlastung tritt nicht ein. Wir werden einfach eine Verlängerung des Studiums haben, genau das Gegenteil dessen, was ursprünglich das Ziel des ganzen Prozesses war. Die letzte schlechte Kunde, die ich noch aus der Schweiz zu überbringen habe, die betrifft uns alle. Die Bürokratie, d. h. die Rektorenkonferenz, hat beschlossen, die Semesterdaten zu verschieben. Wir werden jetzt amerikanische Semesterdaten bekommen: Im Herbst werden wir Mitte September beginnen und an Weihnachten aufhören; das Frühjahrsemester dauert von Mitte Februar bis Ende Mai. Das heißt, wir können nicht mehr an diese Tagungen kommen, die fallen dann mitten in das Herbstsemester. Also freuen Sie sich einmal über die Situation in Deutschland. Sonst sagen wir immer gerne, in der Schweiz sei alles besser. Einmal ist es in der Schweiz deutlich schlechter. Schulev-Steindl: Ich möchte, nachdem wir jetzt die Schweizer Sicht kennen gelernt haben, noch eine Anmerkung aus österreichischer Perspektive machen und zwar zur Frage der Internationalisierung durch Europarecht, die besonders Sie, Frau Mager, angesprochen haben. Ich weiß

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nicht, inwiefern Sie es in den Medien verfolgt haben, aber wie Sie sicherlich wissen, ist Österreich im Juli vom EuGH verurteilt worden, weil es Unionsbürger beim Hochschulzugang diskriminiert hat. Man kann über das Urteil streiten; unsere bildungspolitische Idee war es jedenfalls, den offenen Hochschulzugang aufrechtzuerhalten, das bedeutet, es sollte die allgemeine Universitätsreife für den Hochschulzugang ausreichen. In Deutschland kennen sie ja die mit dem Numerus Clausus verbundene Problematik schon lange – um nun ein Ausweichen von Numerus-Clausus-Flüchtlingen nach Österreich zu verhindern, hatten wir eine Art Herkunftslandprinzip eingeführt. Das heißt, wir forderten, dass für den Hochschulzugang in Österreich die Zulassungsvoraussetzungen im jeweiligen Heimatland gegeben sein mussten; dies hat eben vor dem EuGH nicht gehalten. Was war die Folge? Deutsche Studienbewerber haben mittlerweile österreichische Universitäten gestürmt: Betroffen sind vor allem die medizinischen Universitäten von Innsbruck und Graz, die an die 80 Prozent deutsche Studienbewerber verzeichnen. Der österreichische Gesetzgeber hat mittlerweile auch schon reagiert und die Universitäten ermächtigt, Zugangsbeschränkungen zu erlassen. Diese greifen nunmehr langsam: So können die Universitäten zum Beispiel im Laufe des Semesters ein Auswahlverfahren durchführen. Also, worauf es mir jetzt angekommen ist, ist die Tatsache, dass wir zwar den Drang und den Druck zur Internationalisierung haben, aber die ökonomischen Folgen bis jetzt noch nicht bedacht worden sind. Frau Mager hat das Problem ja angesprochen: Man kann nun einerseits das Hochschulzulassungsrecht harmonisieren – das ist de facto schon passiert. Aber ich denke, man könnte auch noch auf der ökonomischen Ebene ansetzen und vielleicht einmal einen europäischen Finanzausgleich auf dem Gebiet des Hochschulwesens ins Auge fassen. Häberle: Verehrte Kolleginnen und Kollegen. Auf der Basis der beiden hervorragenden Referate erlaube ich mir folgende Frage: Was ist das kulturelle und wissenschaftliche Europabild hinter diesem ominösen „Bologna-Prozess“? Als ich zum ersten Mal den Begriff „Bologna-Prozess“ hörte, war ich begeistert – weil naiv. Bologna ist eine der schönsten und edelsten Städte, nicht nur Italiens. Bologna hat uns ab 1100 das Römische Recht wiedergebracht. Was sich jetzt aber entwickelt in Sachen Bologna, ist nicht das kulturelle Europabild, um das wir uns bemühen. Was ist das kulturelle Europabild? Eine subtile Balance von Differenz, Vielfalt und Einheit. Was sehen wir aber? Modularisierung, Verschulung, Unitarisierung, Vereinheitlichung, Quantifizierung, Ökonomisierung, und ich bin froh, dass die beiden Referenten hier maßvolle Kritik geäußert haben. Wie werden wir mit diesem Problem „Bologna“ fertig? Wir müs-

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sen ganz sicher sein – ich kann nur für die deutsche Seite sprechen – die Rechtswissenschaft darf nicht „bolognisiert“ werden: ein furchtbares Wort, aber es ist immerhin noch besser als die übliche anglizistische Sprachweise. Zum Schluss eine Referenz vor unserem Gastgeber. An diesem heutigen Tag, und Herr Präsident Steinberg kann sich freuen, arbeiten die hiesigen Pädagogen der Universität Frankfurt an einem Papier, das am nächsten Montag mit großem Presseaufwand veröffentlicht werden soll unter dem Stichwort „Bildung ist kein Wirtschaftsbetrieb“. Ich glaube, wir könnten auch ein wenig von diesem pädagogischen Papier lernen, mit seiner Stoßrichtung gegen fremde Kontroll- und Akkreditierungsmaßnahmen sowie gegen den Nützlichkeitswahn. Die altmodische Idee, dass die Universität auch ein Stück Bildung ist: An ihr sollten wir festhalten. Im übrigen: Wenn ich nach Frankreich zum Studium gehe, dann will ich ein Stück cartesianische Methode im geistigen Leben und in der Rechtswissenschaft lernen. Wenn ich nach England gehe, will ich ein Stück Pragmatismus lernen. Und wenn ich nach Österreich gehe, will ich sogar Hans Kelsen lernen. Vielen Dank. Bryde: Auch wenn es selten vorkommt, aber ich muss Herrn Häberle widersprechen. Die Kritik an Bologna, was die Kompetenzen angeht und das Verfahren, über soft law Universitätsausbildung zu steuern, kann ich gut teilen. Aber die Kritik, die hier geäußert wird in Bezug auf Verdummung, Verflachung usw., kann ich nicht teilen, weil sie mir einfach von einem zu unkritischem Bild unserer eigenen Juristenausbildung ausgeht. Wenn wir bei der Differenzierung anfangen, die Herr Hendler eingefordert hat und sagen, die Fächer gehören nicht mehr auf die Universität, in denen sich die Studenten nicht für Wissenschaft interessieren, dann trifft das doch gerade die Juristenausbildung. Achtzig Prozent unserer Studenten haben das Ziel, nach wenigen Semestern „scheinfrei“ zu sein und dann sehen wir sie nicht mehr, weil sie allein an einem Berufsabschluss interessiert sind. Und vor diesem Hintergrund scheint mir eine Ausdifferenzierung innerhalb des Jurastudiums, wie sie Bologna vorsieht, nachdenkenswert zu sein. Das geht natürlich nicht, ohne dass wir völlig umdenken. Und das geht auch nicht, ohne völlig neue Lehrbücher, und daher gibt es verständliche Vorbehalte. Aber, Herr Häberle, der Sinn von Bologna ist nicht, dass die Leute überall dasselbe lernen, sondern dass unterschiedliche Inhalte für die Qualifikation anerkannt werden, dass man deutscher Jurist werden kann, obwohl man in Frankreich cartesianisch und in England pragmatisch gelernt hat und trotzdem einen Abschluss als deutscher Jurist macht. Und das scheint mir eine sehr gute Sache zu sein.

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Pieroth: Ich kann mich kurz fassen, weil Herr Bryde einiges von dem vorweggenommen hat, was ich mir vorgenommen habe zu sagen: dass wir nämlich unsere kritische Abwehrhaltung gegenüber Bologna überdenken sollten. Wenn Sie in andere Länder gehen, Frankreich, Italien, Spanien, überall hat man sich voll auf den Bolognaprozess eingestellt, um den eigenen Ausbildungsmarkt in dem zusammenwachsenden Europa für andere zugänglich zu halten und Kompatibilitäten herzustellen. Und wenn wir bei unserer Abwehrhaltung so strikt, wie sie bisher vielfach geäußert wurde, bleiben, dann versäumen wir den Anschluss. Die deutschen Juristenfakultäten werden in dem zusammenwachsenden Europa wenig attraktiv sein. Insbesondere bin ich gestolpert über die These 24 bei Herrn Hendler: Es ließen sich keine geeigneten Ansatzpunkte für eine konsekutiv angelegte Zweiteilung im Jurastudium feststellen. Ja, gucken Sie doch einmal genauer hin. Spätestens – das Wort scheinfrei ist schon gefallen – nach fünf oder sechs Semestern sehen wir die Leute nicht mehr. Sie fangen ein zweites Paukstudium an. „Scheinfrei“ finde ich einen schrecklichen Ausdruck (man ist doch scheinvoll!), aber der hat sich eingebürgert. In diesem zweiten Studium wird nur noch aufs Staatsexamen gepaukt. Ich habe als Dekan bei der Umsetzung des Juristenausbildungsgesetzes eine strukturelle Anpassung an Bologna versucht – ich bin gescheitert an dem Widerstand, übrigens nicht nur der Kollegen, sondern auch der Studierenden. Die sagten, dieses eine Jahr ausschließlicher Vorbereitung auf das Staatsexamen, das brauchen wir. In der Tat, so wie das Staatsexamen momentan ist, brauchen sie’s. Aber muss das alles so bleiben? Wir sind das einzige Land mit einem überwiegenden Staatsexamen als Abschluss der juristischen Hochschulausbildung, werden wir das in dem zusammenwachsenden Europa so beibehalten können? Und dass ich erst im Anschluss an dieses ein- bis eineinhalbjährige Paukstudium beim Repetitor erkennen können soll, was ein guter Jurist ist, das stimmt nicht. Das weiß ich nach drei, vier Semestern und den bis dahin vorgelegten Leistungsnachweisen. Und ob man all das, was man sich in der Examensvorbereitung heutzutage reinpaukt, in den zukünftigen Berufsfeldern wirklich braucht oder ob man nicht besser in drei Jahren zu einem denkenden Juristen ausgebildet werden sollte, das steht auch dahin. Ich meine, wir sollten auch das Gesamtfeld der juristischen Berufe besser in den Blick nehmen, ob wir nicht dort Ansätze für eine Stufung – in einigen Beiträgen ist das angelegt – finden. Eine Vereinheitlichung zur Förderung der Freizügigkeit bedeutet nicht Vereinheitlichung der Inhalte. Das sollte man immer auseinander halten. Insgesamt sollten wir ein bisschen mehr Phantasie walten lassen.

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Vorsitzender: Herzlichen Dank, Herr Pieroth. Damit ist die eigentliche Aussprache beendet. Die beiden Referenten haben jetzt die nicht ganz leichte Aufgabe, auf über zwanzig Wortmeldungen und Beiträge in jeweils gut sieben Minuten zu antworten. Mager: Ich möchte etwas sagen zu der Frage, inwieweit Artikel 5 Absatz 3 GG der diskutierten Entwicklung grundsätzlich etwas entgegenzusetzen hat. Außerdem möchte ich auf Beiträge zur Finanzierung und zur Organisation der Universitäten eingehen. Die erste Frage wurde aufgeworfen von Herrn Kempen. Sie ging dahin, ob man nicht Artikel 5 Abs. 3 GG besser in Stellung bringen kann gegen die Entwicklung, die wir sehen, und inwieweit der Begriff der strukturellen Gefährdung nicht zu schwach gefasst ist. Der Begriff der strukturellen Gefährdung ist in der Tat eine substanzlose Formel. Mein Ansatz zur Bestimmung des organisationsrechtlichen Gehalts der Wissenschaftsfreiheit bestand deshalb darin, die entscheidenden Kriterien für eine sachgerechte Organisation hervorzuheben – namentlich Sachverstand, Betroffenheit und Kooperation. Auch bei diesen Kriterien handelt es sich allerdings nur um Abwägungskriterien. Daraus kann auch ich nicht das „eine“ Modell entwickeln; das bleibt verhältnismäßig flexibel. In Art. 5 Abs. 3 GG steht aber nicht mehr als: „Forschung und Lehre sind frei“, vorherrschend zu interpretieren als Individualgrundrecht. Damit bleibt aus meiner Sicht das entscheidende Bollwerk gegen eine Rundum-Ökonomisierung der Universitäten der Anspruch auf Grundausstattung, trotz aller Schwierigkeit dessen Umfang zu bestimmen. Damit liegt es, was auch gestern schon anklang, in der Verantwortung des einzelnen Wissenschaftlers, seine Wissenschaft mit dieser Grundausstattung zu betreiben. Diese Verantwortung umfasst, sich den Verlockungen, von denen Herr Grimm gestern sprach, auch zu widersetzen und den eigenen wissenschaftlichen Interessen zu folgen. Das leitet über zur Finanzierung. Hierzu hatte Herr Gersdorf gemeint, ich würde ausgehen von einer Art Anstaltslast oder -gewährleistung. Das ist insofern richtig, als ich der Auffassung bin, dass eine vom Staat eingerichtete Institution, die freie Forschung und Lehre betreiben soll, vom Staat dazu auch finanziell in die Lage versetzt werden muss. Dies bedeutet meines Erachtens nicht, dass es sich im gesamten Umfang um eine unmittelbar staatliche Finanzierung handeln muss. Ich habe dann aber weiter vertreten, dass die Art und Weise der Finanzierung durch die Wissenschaftsfreiheit geleitet und beherrscht wird. Und auf diese Weise kommt man am Ende wohl in der Tat zu einem Vorrang staatlicher Finanzierung. Insofern gibt es eine gewisse Parallele, die Sie zum Rundfunk gezogen haben. Ich denke, dass ich das auch deutlich ge-

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macht habe: Richtet der Staat eine Institution ein, die freie Wissenschaft und Lehre betreiben soll, kann der Staat diese nicht in einer die wissenschaftliche Eigengesetzlichkeit gefährdenden Weise der Notwendigkeit aussetzen, sich privat selbst zu finanzieren. Also kein Dissens, sondern vielleicht ein kleines Missverständnis an dieser Stelle von Herrn Gersdorf, denn die Wissenschaftsfreiheit spielt auch meiner Meinung nach jedenfalls hinsichtlich der Art und Weise der Finanzierung der Universitäten die entscheidende Rolle. Zur Finanzierung der Universitäten wurde der Vorschlag von Herrn Dörr gebracht, diese in Parallele zur Rundfunkfinanzierung auszugestalten. Da habe ich eine gewisse Skepsis, denn beim Rundfunk geht es um eine Gebührenfinanzierung, und hier ginge es dann doch um unmittelbar staatliche Finanzierung. Bei der Gebührenfinanzierung ist es so, dass die Rundfunkteilnehmer verpflichtet werden zu bezahlen, das ist praktisch die ganze Gesellschaft, denn es sind ja fast alle Rundfunkteilnehmer. Diese können jedoch kein gemeinsames Interesse artikulieren. Aus der Rundfunkfreiheit folgt andererseits die Notwendigkeit, den politischen Einfluss fernzuhalten. Das heißt, wir haben eine etwas andere Konstellation als im Bereich der Universitäten, wo es um die wissenschaftsadäquate Finanzierung staatlicher Einrichtungen geht. Ich glaube, der Vergleichbarkeit sind da Grenzen gezogen. Herr Classen fragte ganz konkret, was bedeutet überhaupt Grundausstattung? Das kann ich natürlich auch allenfalls für den Öffentlichrechtler bestimmen. Es ist wohl nicht vielmehr als das, was Sie gesagt haben. Aber damit kann man doch eigentlich auch schon ganz schön arbeiten. Und für Mehr muss man sehen, dass man von dritter Seite etwas bekommt, etwa auch in Verfahren der wissenschaftsadäquaten Qualitätskontrolle, wie sie im Rahmen der DFG -Förderung vorgesehen sind. Für den Rechtswissenschaftler umfasst die Grundausstattung sicher ein Büro, Bibliothekszugang, Fernleihe und eine Computerausstattung, das ist es zur Not. Bei besserer Finanzlage gibt es außerdem einen abgeleiteten Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Kollegen, die die gleiche Arbeit tun. Zwei Bemerkungen zur Bedeutung des Autonomiegedankens. Herr Geis fragte, ob nicht die Autonomie nach innen zu kurz gekommen ist. Die Autonomie nach innen ist meines Erachtens nichts anderes als ein Element der wissenschaftsadäquaten Organisation. Diese muss sich orientieren an den Kriterien „Sachverstand“, „Betroffenheit“ und „Kooperation“. Aus dem Gedanken der Autonomie kann man für die innere Organisation der Universität, glaube ich, nichts Zusätzliches gewinnen. Herr Groß hat angemahnt, die Autonomieverbürgungen in den Landesverfassungen stärker zu gewichten und das auch im Blick auf die Au-

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tonomie der Universitäten im Verhältnis zum Staat. Zu bedenken ist, dass die Hochschulautonomie im Rahmen der Gesetze verbürgt ist. Wenn man diesen Vorbehalt konkretisiert, kommt man am Ende bei dem Kern der akademischen Selbstverwaltung an, wie ich ihn geschildert habe. Es wäre allerdings interessant, einmal die Frage anzugehen, was der Staat denn nun wirklich zwingend regeln muss. Diese Frage hat man bisher gar nicht gestellt. Auch ich konnte ihr im Rahmen des Vortrags nicht nachgehen. Aber es wäre sehr interessant, die Frage aufzuwerfen, was denn eigentlich von all den Dingen, die der Staat in Bezug auf die Universitäten regelt, tatsächlich von Verfassungs wegen von ihm geregelt werden muss. Wo verläuft dieses aus Schutzpflichten im Zusammenhang mit Art. 12 GG abgeleitete Untermaßverbot? Wie weit muss die Kontrolle im Lichte der Budgetverantwortung wirklich gehen? Wo muss tatsächlich eine staatliche Kontrolle stattfinden? So herum ist noch nicht gefragt worden. Das wäre eine interessante Aufgabe. Unter dem Stichwort „Organisation“ möchte ich noch etwas zum Hochschulrat sagen. Herr Ehrenzeller, Sie haben gefragt, was denn gegen den Hochschulrat spricht. Ich habe genau andersherum gefragt, –warum und wozu ein Hochschulrat? – und habe so recht nichts gefunden, zumindest nicht für Hochschulräte mit Entscheidungsbefugnissen. Nicht zuletzt haben diverse Beiträge zum Ausdruck gebracht, was in der Auseinandersetzung mit dem Thema auch zu meinem Grundanliegen geworden ist. Mein Anliegen war es, die politische Rhetorik, die sich auch in vielen Gesetzesbegründungen findet, auf ihre rechtliche Substanz zu überprüfen, denn das ist meine Aufgabe als Rechtswissenschaftlerin. Die Frage lautete, ob die Hochschulreformen tatsächlich die Autonomie der Universitäten und damit auch ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Im Ergebnis ist es zu einer Entlarvung dieser Rhetorik gekommen, weil die Reformen letztendlich nur in geringem Umfang die Autonomie der Universitäten steigern, tatsächlich vielmehr eine planwirtschaftliche ökonomische Steuerung darstellen. Vorsitzender: Ich danke Ihnen sehr für diese komprimierte Zusammenfassung. Jetzt bitte Herr Hendler. Hendler: Zunächst eine grundsätzliche Bemerkung: Unsere Aufgabe als Juristen besteht in der Tat darin, das Recht zu entfalten, um die Veränderungsprozesse darauf hin zu überprüfen, ob sie den Anforderungen genügen oder nicht. Es ist darauf hingewiesen worden, dass wir bisher von der Politik gewissermaßen getrieben worden sind und uns mehr oder weniger haben treiben lassen, aber ich meine, dass wir der Politik verbal auch einiges entgegengeschleudert haben mit Ausdrücken wie

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Aussprache

Führerprinzip, Planwirtschaft usw. Wir haben uns durchaus wortkräftig in die Debatte eingemischt, doch können wir hierbei nicht stehen bleiben. Wir müssen auch in die Sachanalyse gehen und prüfen, wo die rechtlichen Grenzen des Veränderungsprozesses liegen. Ich fange beim Grundsätzlichen an: Humboldt und Berufsausbildung. Gewiss hatten Humboldt und die anderen Reformer seinerzeit auch die Berufsausbildung im Auge, wenngleich dies in den damaligen Reformschriften etwas zurückgedrängt worden ist, weil nicht zuletzt ein Gegenmodell entworfen werden sollte zu dem Fachhochschulkonzept, das damals in weiten Kreisen bevorzugt wurde. Schon dadurch ist erklärbar, dass Humboldt das Bildungsmoment besonders stark betont hat. Hiervon sollten wir uns nicht irritieren lassen. Für uns ist wichtig, wie die Universität an die Berufsausbildung herangeht, welche Methode sie zugrunde legt, ob sie eher wissenschaftsorientiert oder eher pragmatisch, streng orientiert an den Anforderungen der Berufspraxis, vorgeht. Nach meiner Auffassung sollten wir die Studierenden für ihre jeweiligen Berufe in der Weise ausbilden und vorbereiten, dass wir sie möglichst nah an die Wissenschaft heranführen und sie teilhaben lassen am Forschungsprozess sowie am wissenschaftlichen Diskurs. Allerdings können wir das nicht im Rahmen der Massenuniversität leisten. Diese verstärkt das insbesondere in unserer Disziplin verbreitete Phänomen, dass sich in der Endphase des Studiums viele von der Universität abwenden und auf das Einpauken von Wissen konzentrieren. Sofern wir unsere Studierenden selbst auswählen und das Mengenproblem durch Reduzierung der Studierendenzahl bewältigen können, haben wir eine größere Chance, das Humboldt’sche Bildungskonzept in seiner Grundidee aufrechtzuerhalten. Der universitäre Bachelor beispielsweise sollte wissenschaftsorientiert sein, wie es gefordert worden ist und dem universitären Auftrag entspricht. Dass den Universitäten im Bachelor-Bereich die Möglichkeit genommen werden soll, die Wissenschaft in die Ausbildung einzubeziehen, ist überhaupt nicht einzusehen. Zur Grundrechtsdogmatik: Hier geht es um den Begriff der strukturellen Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit, der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine zentrale Rolle spielt. Dieser Begriff ist in der Tat konkretisierungsbedürftig, aber auch konkretisierungsfähig. Man muss sich das dahinter stehende Konzept vergegenwärtigen. Strukturelle Gefährdung ist mehr als eine bloß hypothetische Gefährdung. Durch Organisationsrecht lässt sich eben nicht ausschließen, dass ein universitäres Organ eine wissenschaftsinadäquate Entscheidung trifft. Deshalb besteht die entscheidende Frage nicht darin, was das Organ später einmal beschließen könnte, sondern sie lautet: Ist das Organ strukturell auf wissenschaftsinadäquate Entscheidungen angelegt? Hier-

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung u. Internationalisierung

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für haben wir einen wichtigen Indikator, und zwar die Beteiligung der Grundrechtsträger am Entscheidungsprozeß. Nach diesem Maßstab kommt es bei der Analyse der Universitätsorganisation darauf an, wer welche Mittelbestimmungsrechte besitzt und an welcher Stelle möglicherweise wissenschaftsfremde Einflüsse in Forschung und Lehre eindringen können. Wo sind die Tore so weit geöffnet, dass ein derartiges Eindringen strukturell unvermeidbar ist? Diese Frage erschließt den Zugang zu weiteren Differenzierungen im Umgang mit dem Begriff der strukturellen Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit. Außerdem darf nicht übersehen werden, dass wir über flankierende rechtliche Instrumente verfügen, um die Wissenschaftsfreiheit abzusichern und die universitäre Autonomie zu schützen, nämlich das Demokratieprinzip. Insoweit geht es um Fragen der demokratischen Legitimation und der demokratischen Gleichheit im Zusammenhang mit den Mitbestimmungsberechtigten. Neben der Wissenschaftsfreiheit besteht mithin ein zweites Instrument, das bei der rechtlichen Beurteilung von Reformbemühungen einzusetzen ist. Eine weitere Frage zur Grundrechtsdogmatik betrifft das Verhältnis von individueller und institutioneller Seite. Insoweit bin ich allerdings eher geschichtstreu. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass sich die Grundrechte als individuelle Freiheitsrechte entwickelt haben, dann stellt die rechtlich-institutionelle Seite eine Abschirmung des Individualgrundrechts vor freiheitsbeeinträchtigenden Einflüssen von außen dar. Dies bedeutet, dass organisationsrechtliche Ausgestaltungen aus der Perspektive des Individualgrundrechts zu bewerten sind. In der Fachliteratur gibt es den Ansatz, die organisationsrechtliche Dimension verstärkt zu betrachten und dafür Kriterien, namentlich Konsistenzkriterien, zu entwickeln. Allerdings ist hierbei sicherzustellen, dass die an die universitäre Organisation gestellten Anforderungen nicht den Kontakt zum Individualgrundrecht verlieren und kein Eigenleben führen. Angesprochen worden ist zudem die Selbstverwaltung, also gewissermaßen ein Lieblingsthema von mir, und ihr Verhältnis zum Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit. Hierbei geht es vor allem darum, dass die in verschiedenen Landesverfassungen garantierte akademische Selbstverwaltung ein Mindestmaß an Partizipation verbürgt. Aber dieses Partizipationserfordernis ergibt sich auch aus dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht verlangt ein „hinreichendes Maß an organisatorischer Selbstbestimmung der Grundrechtsträger“. Nach meiner Auffassung geht das Prinzip der akademischen Selbstverwaltung in den Landesverfassungen unter partizipatorischen Gesichtspunkten nicht über das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit hinaus. Deshalb bin ich darauf nicht im einzelnen eingegangen.

344

Aussprache

Weitere Stichworte: Gruppenpluralismus, Entscheidungsbefugnis, Hochschulräte. Ich bin zur rechtlichen Herleitung meiner Position gefragt worden. Der Ausgangspunkt hierfür ist die bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung zum brandenburgischen Hochschulgesetz. Dort ist die Rede davon, dass der Gesetzgeber befugt sei, die Universitäten staatsfrei, aber unter öffentlicher Kontrolle zu halten. „Staatsfrei, aber unter öffentlichen Kontrolle“ – in dieser Formel schwingt der Rundfunkrat deutlich mit! Hierdurch bin ich angeregt worden, das gruppenpluralistische Modell zur Diskussion zu stellen. Es geht bei den entscheidungsbefugten Hochschulräten um die Verteilung von Partizipationschancen in der Wissenschaftsverwaltung. Insofern ist es erforderlich, dass man das demokratische Gleichheitsprinzip nicht außer acht lässt. Der Gruppenpluralismus muss ja nicht so tief gehen und so differenziert sein wie bei den Rundfunkräten. Auch hier ist die weitreichende, vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung nicht in vollem Umfang verfassungsrechtlich geboten. Dass der Gesetzgeber demgegenüber bei den entscheidungsbefugten Hochschulräten häufig nicht näher bestimmt hat, welche gesellschaftliche Gruppe welches Maß an Mitbestimmung in diesen Gremien und damit in der Wissenschaftsverwaltung besitzt, stellt meines Erachtens ein verfassungsrechtlich relevantes Manko dar. Der Einwand, dass es auch gruppenferne Interessen gebe, ist durchaus gravierend. Doch kann dem beispielsweise dadurch Rechnung getragen werden, dass auch Vertreter der Ministerialverwaltung hinzugezogen werden, denen die Aufgabe obliegt, im Rahmen der Gemeinwohlorientierung unter anderem die im Gremium nicht präsenten Interessen zur Geltung zu bringen. Aus der Vielzahl der angesprochenen Themen möchte ich mit Rücksicht auf mein fast schon ausgeschöpftes Zeitbudget nur noch einen Fragenkreis herausgreifen: Bologna-Prozess und Juristenausbildung. Selbstverständlich haben wir Bewegungsspielraum, um den Anregungen des Bologna-Prozesses zu folgen. Ich habe mich jedoch auf die universitäre Ausbildung für die klassischen juristischen Berufe konzentriert und dabei drei Fixpunkte genannt. Erstens: Das Bachelorstudium soll einen berufsqualifizierenden Abschluss vermitteln. Es handelt sich hierbei um ein besonderes Anliegen der Bologna-Erklärung. Zweitens: Eine Studienzeitverlängerung soll vermieden werden. Insoweit gilt es zu beachten, dass die letzte Reform der Juristenausbildung gerade auch dem Ziel diente, die Studienzeit in den Griff zu bekommen. Drittens: Der Zugang zu den klassischen juristischen Berufen setzt ein erfolgreich absolviertes Masterstudium voraus. Wenn man an einem dieser drei Fixpunkte Abstriche macht, lässt sich das Bologna-Modell ohne weiteres verwirklichen. Wird beispielsweise ein dreijähriges Bachelor-

Die Universität im Zeichen von Ökonomisierung u. Internationalisierung

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studium so ausgestaltet, dass Wirtschaftsrecht und Elemente der Wirtschaftswissenschaften eine besondere Rolle spielen, so mag durchaus ein berufsqualifizierender Abschluss dabei herauskommen. Der Nachteil besteht jedoch in der Verlängerung des rechtswissenschaftlichen Studiums hinsichtlich der Vorbereitung auf die klassischen juristischen Berufe. Denn sofern die ersten drei Studienjahre fächerübergreifend angelegt werden, reicht ein zwei- oder dreisemestriges Masterstudium nicht mehr aus, um Juristen zu der fachlichen Reife zu bringen, die sie heute zum Zeitpunkt des Staatsexamens aufweisen. Wir befinden uns gewissermaßen in einem magischen Dreieck: Einführung eines Bachelors mit berufsqualifizierendem Abschluss, Anschluss eines Masterstudiums zur Vorbereitung auf die klassischen juristischen Berufe, Abwendung einer Studienzeitverlängerung. Meine These geht dahin, dass sich die drei Ziele nicht gleichzeitig erreichen lassen. Vorsitzender: Frau Mager, Herr Hendler, von unserer Seite noch einmal herzlichen Dank für die Gestaltung dieses Vormittages, der sich natürlich auch auf alle Diskussionsredner erstreckt. Die beiden Referate des gestrigen Vormittages wurden allgemein als Kontrast höchst unterschiedlicher Positionen betrachtet, während man für die beiden nachmittäglichen Berichte das Bild des Komplementärprogramms gefunden hat. Vorhin hat nun Herr Oppermann die beiden Referate des heutigen Vormittages als im Gleichklang stehend bezeichnet. Wenn wir auf dieser Schiene fortfahren, dann müssen heute Nachmittag eigentlich die beiden Referenten einen gemeinsamen Text präsentieren. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass es dazu nicht kommen wird. Freuen Sie sich auf zwei interessante Schlussreferate. Wir setzen unsere Tagung nach einer knapp bemessenen Mittagspause pünktlich um 14.15 Uhr fort.

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Rainer J. Schweizer

Vierter Beratungsgegenstand:

Sprache als Kultur- und Rechtsgut *

1. Bericht von Professor Dr. Rainer J. Schweizer *

*

Inhalt Seite

I.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung des Themas . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriffe, Fakten, Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . II . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die existenzielle Bedeutung von Sprechen und Sprache 2. Die kulturelle Dimension der Sprache . . . . . . . . . . 3. Sprache als Kulturgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sprache als Grundlage des Rechts . . . . . . . . . . . . 5. Sprache als Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III . Verantwortungen für das Kultur- und Rechtsgut Sprache . 1. Dimensionen der Verantwortung . . . . . . . . . . . . . 2. Staatliche Verantwortung und Minderheiten . . . . . . 3. Die Verantwortung für die Sprache als nationale Herausforderung am Beispiel der fortgesetzt reformbedürftigen schweizerischen Sprachenordnung . . . . . 4. Die Verantwortung für die Sprache als europäische Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Pflicht zur Überprüfung unserer Sprachenordnungen . . . 1. Ein erweitertes Verständnis der Sprachenfreiheit . . . . 2. Die Stärkung des sprachenrechtlichen Minderheitenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Neue Minderheiten und allgemeine Sprachprobleme unserer multilingualen Gesellschaft . . . . . . . . . . . V. Sprachenrechtsfragen sind Fragen der Rechtskultur . . . .

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** Für vielfache wertvolle Anregung und Unterstützung danke ich besonders Prof. Dr. phil. Isolde Burr, Köln, Prof. Dr. iur. Kerstin Odendahl, St.Gallen, sowie meinem unersetzlichen Assistenten lic. iur. et cand. phil. Florian Windisch, St.Gallen.

Sprache als Kultur- und Rechtsgut

I.

Einleitung

1.

Bedeutung des Themas

347

Sprache als Kultur- und Rechtsgut: Ich freue mich, dass der Vorstand für dieses wunderbare Thema einen Vertreter der Schweiz, eines Landes mit offiziell vier Landessprachen, eingeladen hat. Denn in der Schweiz wurden, ähnlich wie in Österreich, Fragen des Sprachenrechts und der Stellung der verschiedenen Sprachen und Kulturen seit dem Beginn des modernen Verfassungsstaates 1848 bis heute ständig thematisiert.1/2 Demgegenüber wurden in Deutschland, das als Nationalstaat mit offiziell einer Sprache konstituiert ist,3 die im 19. Jahrhundert und in der Weimarer Reichsverfassung4 verankerten Bestimmungen zur Vielsprachigkeit nach dem 2. Weltkrieg verständlicherweise nicht mehr weiterverfolgt. Für die Bürgerinnen und Bürger eines Staates mit einer einheitlichen Nationalsprache stehen vorwiegend deren Erhalt, Förderung und Qualität im Vordergrund, während die Menschen eines mehrsprachigen Landes von vornherein die Vielfalt der Sprachen im Blick haben. In dieser Perspektive möchte ich über den Zusammenhang von Sprache und Recht aus kultur-, sprach- und rechtswissenschaftlicher Sicht referieren.

1 Zu den Sprachenrechtsartikeln in den österreichischen Verfassungsentwürfen von 1848/9, besonders zu § 21 Kremsier Entwurf, sowie zu § 19 des Staatsgrundgesetzes von 1867 s. A. Fischel Das österreichische Sprachenrecht. Eine Quellensammlung, 2. Aufl. 1910; G. Stourzh Die Gleichberechtigung der Volksstämme als Verfassungsprinzip 1848–1918, in: A. Wandruszka/P. Urbanitsch (Hrsg.) Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Bd. III /2, Die Völker des Reiches, 1980, 975; I. Burr Amtssprachenregelung in Finnland und in der Habsburgermonarchie 1848–1918, Babylonia 1996, 54 ff.; D. Kolonovits Sprachenrecht in Österreich. Das individuelle Recht auf Gebrauch der Volksgruppensprache im Verkehr mit Verwaltungsbehörden und Gerichten, 1999, 97 ff.; P. Hilpold Modernes Minderheitenrecht. Eine rechtsvergleichende Untersuchung des Minderheitenrechts in Österreich und Italien unter besonderer Berücksichtigung völkerrechtlicher Aspekte, 2001, 23 ff. 2 Zu den Anfängen der schweizerischen Sprachrechtsentwicklung s. D. Richter Sprachenordnung und Minderheitenschutz im schweizerischen Bundesstaat. Relativität des Sprachenrechts und Sicherung des Sprachenfriedens, 2005, besonders 75 ff.; vgl. zum Thema auch U. Loeckx Das Sprachenrecht der Schweiz und Belgiens. Ein Rechtsvergleich unter besonderer Berücksichtigung der Minderheitensprachen, 2003; und letzthin A. Guckelberger Das Sprachenrecht in der Schweiz, ZBl . 2005, 609 ff. 3 Z.B. P. Kirchhof Deutsche Sprache, HStR II , 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 78. 4 Vgl. P. Häberle Sprachen-Artikel und Sprachenprobleme in westlichen Verfassungsstaaten – eine vergleichende Textstufenanalyse, FS Pedrazzini, 1990, 105 (111 f.); D. Franke/R. Hofmann Nationale Minderheiten – ein Thema für das Grundgesetz? Verfassungs- und völkerrechtliche Aspekte des Schutzes nationaler Minderheiten, EuGRZ 1992, 401 (405 f.).

348

2.

Rainer J. Schweizer

Begriffe, Fakten, Fragen

Was ist Sprache? Die Linguistik lehrt uns, dass Sprache ein „[…] auf kognitiven Prozessen basierendes, gesellschaftlich bedingtes, historischen Entwicklungen unterworfenes Mittel zum […] Austausch von Gedanken, Vorstellungen, Erkenntnissen und Informationen sowie zur Fixierung und Tradierung von Erfahrung und Wissen“5 ist bzw. diese mitkonstituiert. Sprache ist somit ein zentrales System, dessen sich der Mensch in existenzieller Weise für sein Denken, Kommunizieren und Handeln bedient.6 Dass das Sprechen und die Sprachen zugleich eminente Teile einer gemeinschaftlichen Kultur sind, ist uns allen bewusst. Denn die kulturelle Relevanz von Sprache bestimmt nicht zuletzt die Staatenordnung seit jeher, ja das kulturelle Verständnis von Sprache kann, wie die Geschichte Europas zeigt, Grund für Krieg und Frieden, für Staatenbildung7 und Staatenzerfall sein. Ausgangspunkt für einen Diskurs über Sprache sollten neben sprachund kulturwissenschaftlichen Reflexionen zum Sprachbegriff die tatsächlichen Sprachverhältnisse in unseren Ländern sein. Wenn ich mit der Schweiz beginnen darf, so hat diese bekanntlich Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch als Landes- resp. Nationalsprachen. Die Eidgenössische Volkszählung gibt genauere Auskunft: die 63,7 % Deutschschweizer (von knapp 7,3 Mio. Einwohnern im Jahr 2000) sprechen generell „Schweizerdeutsch“ in einer Fülle von meist alemannischen Mundarten und „Schriftdeutsch“ nur als Standardsprache.8 Demgegenüber wurden in der Romandie die vorwiegend frankoprovenzialischen Dialekte („patois“) durch das übernommene offizielle Französisch weitgehend verdrängt und im Tessin sowie in ItalienischGraubünden die regionalen Dialekte („dialetti“) ebenfalls durch die italienische Hochsprache in den Hintergrund gedrängt.9 Französisch sprechen 20,4 % und Italienisch 6,5 % der Bevölkerung. Rätoromanisch wird 5 Artikel „Sprache“ in: H. Bußmann (Hrsg.) Lexikon der Sprachwissenschaft, 3. Aufl. 2002, 616. 6 Womit die sprachwissenschaftlichen, in F. de Saussures berühmtem Werk Cours de linguistique générale, 1916, geprägten Begriffsunterscheidungen von Sprache („langue“) und Sprechen („parole“) oder die Unterscheidung von „Kompetenz“ und „Performanz“ nach N. Chomsky Aspects of the Theory of Syntax, 1965, angesprochen sind. 7 A. Caviedes The Role of Language in Nation-Building within the European Union, Dialectical Anthropology 27 (2003), 249 (250 ff.). 8 Das wird als eine Unterart der Zweisprachigkeit angesehen. 9 Vgl. Richter Sprachenordnung und Minderheitenschutz (Fn. 2), 21 ff.; G. Lüdi/ I. Werlen, in: Bundesamt für Statistik (Hrsg.) Eidgenössische Volkszählung 2000. Sprachenlandschaft in der Schweiz, 2005, 7 ff.

Sprache als Kultur- und Rechtsgut

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leider nur noch von 0,5 %, d. h. von rund 35 000 Personen in Graubünden gesprochen, und dies noch in fünf teilweise recht verschiedenen Idiomen.10 Im übrigen werden noch die jüdische Gemeinde (mit Jiddisch)11 sowie die Fahrenden (mit Jenisch) als nationale Minderheiten anerkannt.12 Beachtlich sind auch die weiteren Sprachgruppen. Zwar sprechen von den schweizerischen Staatsangehörigen nur 1,6 %13 eine Nichtlandessprache. Von dem Fünftel der schweizerischen Bevölkerung, welcher ausländischer Nationalität ist, sind es aber 37,7 % bzw. mehr als 560 000 Personen14, die eine Nichtlandessprache sprechen.15 Die Angehörigen der Nichtlandessprachen nehmen in ganz unterschiedlicher Weise die an ihrem Wohnort gesprochene Landessprache in ihr Repertoire auf; die sprachliche Integration ist sehr ungleich.16 Diese Angaben aus der Schweiz sind im westeuropäischen Vergleich nichts Aussergewöhnliches. In Deutschland gibt es, durch Länderrecht geschützt, die anerkannten sieben Minderheitensprachen (Dänisch, Ober- und Niedersorbisch, Nord- und Saterfriesisch, Niederdeutsch und Romanes).17 Das Statistische Bundesamt weist zudem rund sieben Millionen Ausländer aus nicht deutschsprachigen Staaten aus, wobei die 10 Lüdi/Werlen Volkszählung 2000 (Fn. 9), bes. 97 ff.; Richter Sprachenordnung und Minderheitenschutz (Fn. 2), 29 ff.; G. Biaggini Sprache als Kultur- und Rechtsgut, DVBl 2005, 1090 ff.; vgl. auch J. Widmer Langues nationales et identités collectives, L’exemple de la Suisse, 2004, 19 ff. 11 Der schweizerische Israelitische Gemeindebund hält aber dafür, dass Jiddisch keine Rolle mehr spiele. Vgl. den Zweiten Bericht der Schweiz zur Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen von 2002, 13. 12 Vgl. Informationen zur Vervollständigung des Ersten Berichts der Schweiz zur Umsetzung des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten vom August 2002, 5 ff., 9 ff. 13 Immerhin 92 000 Menschen. 14 Neben 29,4 % Deutsch, 18 % Französisch und 14 % Italienisch Sprechenden. 15 Am häufigsten werden Serbisch/Kroatisch, Albanisch, Portugiesisch, Spanisch, Englisch und Türkisch als Mutter- oder Hauptsprache genannt; jede dieser Gruppen ist zwei bis drei Mal so gross wie die Gruppe der Rätoromanen. 16 Lüdi/Werlen Volkszählung 2000 (Fn. 9), 10 ff, 32 ff. Bei allen diesen Sprachgruppen sind im Übrigen die Asylsuchenden, die Mitglieder diplomatischer, konsularischer Vertretungen und internationaler Organisationen, geschweige die Touristen nicht mitgerechnet. 17 Vgl. Zweiter Bericht der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 15 Abs. 1 der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, 2003, sowie Zweiter Bericht der BRD gemäß Art. 25 Abs. 2 des Rahmenübereinkommens des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten, 2004.

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Rainer J. Schweizer

grössten Gruppen von ihnen aus Griechenland, Italien, dem ehemaligen Jugoslawien, Polen und der Türkei kommen. In Österreich ist „Deutsch“ nach Art. 8 B-VG die „Staatssprache“, doch sind auf Grund des Friedensvertrags in Saint-Germain vom 10. September 191918 und des Staatsvertrages von Wien vom 15. Mai 195519 sechs einheimische sprachliche Minderheiten bundesrechtlich anerkannt und namentlich durch das Volksgruppengesetz20 von 1976 geschützt:21 nämlich Kroatisch, Slowenisch, Ungarisch, Tschechisch, Slowakisch und Romanes.22 Daneben hat Österreich einen prozentual ähnlich grossen Anteil an Bewohnern, die als europäische Wanderarbeiter, als unter wirtschaftlichem Zwang Immigrierte, als anerkannte Flüchtlinge oder als Übersiedler in das Land gekommen sind. Unsere Rechtsordnungen stehen heute aber nicht nur innerstaatlich vor sprachenbezogenen Herausforderungen. Hinzu kommen noch die gewichtigen wirtschaftlichen und rechtlichen Wirkungen der vielsprachigen europäischen und internationalen Staatenkooperation. Innerstaatliche Realitäten und überstaatliche sprachliche Beeinflussungen verlangen heute von unseren Ländern Erhalt und Förderung sprachlicher Vielfalt (im Sinne von Art. 22 EU -Grundrechte-Charta), der regionalen und ethnischen kulturellen Vielfalt (gemäss Art. 151 EGV ) sowie der nationalen sprachlichen, kulturellen Identität (im Sinne von Art. 6 EUV ). Zugleich verlangen sie in den Schulen, im Gesundheits- und Sozialwesen, in Steuer- und Strafverfahren oder beim Medienzugang den Abbau individueller Sprachhindernisse und -inkompetenzen sowie die Förderung der Mehrsprachigkeit der Bevölkerung und der Behörden.23 18 StGBl . Nr. 3003/1920. Diese Bestimmungen stehen gemäss Art. 149 Abs. 1 B-VG im Verfassungsrang. 19 BGBl . Nr. 12/1955. Die Bestimmung steht gemäss Art. II . Ziff. 3 der B-VG -Novelle ( BGBl . Nr. 59/1964) im Verfassungsrang. 20 Volksgruppengesetz, BGBl . Nr. 396/1976, in der Kundmachung BGBl . I Nr. 35/2002. 21 Vgl. Kolonovits Sprachenrecht in Österreich (Fn. 1), 25 ff., 111 ff., 212 ff.; Hilpold Modernes Minderheitenrecht (Fn. 1), 240 ff. 22 Vgl. Bericht der Republik Österreich gemäß Art. 25 Abs. 1 des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten vom 30. Juni 2000, 2 ff.; Bericht gemäß Art. 15 Abs. 1 der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen vom 1. Oktober 2002, 18 f. 23 Dazu unter vielen G. N. Toggenburg Der Status von Amts- und Minderheitssprachen in der Europäischen Union. Sprachen im Kulturkonflikt zwischen kultureller Vielfalt und effizientem Binnenmarkt, in: J. Besters-Dilger/R. de Cilia/H.-J. Krumm/ R. Rindler-Schjerve (Hrsg.) Mehrsprachigkeit in der erweiterten Europäischen Union, 2003, 266 ff.

Sprache als Kultur- und Rechtsgut

II.

Grundlagen

1.

Die existenzielle Bedeutung von Sprechen und Sprache

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Die Sprache dient unter anderem der Vermittlung von Gedanken unter den Menschen. Doch nicht nur das: sie erlaubt es auch, unter Menschen Gefühle auszudrücken; sie ermöglicht soziale Interaktionen; sie schafft Realitäten, bestätigt Fakten oder Ideen und sie begründet zwischen den Menschen Abhängigkeiten und Macht. Für den einzelnen Menschen ist Sprache vor allem Denken.24 Sie beeinflusst unsere Wahrnehmungen und Erinnerungen sowie die Fähigkeit, zu reflektieren und geistige Aufgaben zu meistern.25 Diese existenzielle Bedeutung von Sprachdispositionen und Sprachverwendung zeigt klar, dass das Sprechen und das Sprachenverstehen ganz wesentlich sowohl die menschliche Individualität als auch deren gesellschaftliche Identität bestimmen. Die Sprache der Person wird durch physische und psychische Faktoren wie beispielsweise das Geschlecht26 beeinflusst. Aber zugleich haben kulturelle, gesellschaftliche Prägungen, geographische Zugehörigkeit sowie kulturell-ethnische, soziale (etwa berufs- oder schichtbedingt) und nationale Identitäten in komplexer Weise Einfluss.27 Die existenzielle und persönlichkeitsprägende Bedeutung der Sprache wird schon dadurch deutlich, dass diese sich ab der Geburt herausbildet, eigentlich nicht verfügbar und schwierig ersetzbar ist.28 Welche identitätsprägende Rolle die Sprache beim Menschen spielt, wie sehr sie sein „akustisches Gesicht“ ist, zeigt etwa das sog. LINGUA -Verfahren, welches inter24 Im Sinne des abgeschwächten Determinismus bestimmt die Sprache nicht unmittelbar unsere Art zu denken. Zur Frage des sprachlichen Determinismus und der sprachlichen Relativität vgl. etwa die entsprechenden Schriften von W. von Humboldt, z. B. Über die Kawi-Sprache auf der Insel Java, nebst einer Einleitung über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts, 1836–1839, oder die sog. Sapir-Whorf-Hypothese nach E. Sapir und B. L. Whorf; zu letzterer der gleichnamige Artikel in: Bußmann Lexikon (Fn. 5), 577 mwN. Zum Stand der Diskussion, ob und in welcher Art die Sprache schlechthin (wie die Universalisten meinen) oder eine Einzelsprache (wie die Relativisten es sehen) das Denken der Menschen beeinflussen, vgl. I. Werlen Sprachliche Relativität, 2002. 25 Näheres bei D. Crystal, Cambridge Enzyklopädie der Sprache, 1993, 14 f. 26 Zur Geschlechtsspezifikation der Sprache vgl. die linguistische Geschlechterforschung. Übersicht bei M. Hellinger/H. Bußmann Gender across Languages. The Linguistic Representation of Woman and Men, in: dies. (Hrsg.) Gender across Languages, 2001, Bd. I, 1. 27 Vgl. Hinweise bei Crystal, Cambridge Enzyklopädie (Fn. 25), 17 ff. 28 Vgl. zum Erstsprachenerwerb den Artikel „Spracherwerb“ in: Bußmann Lexikon (Fn. 5), 620, mwN.

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national angewendet wird, um gesprächsweise die Herkunft von Asylsuchenden zu ermitteln, die (aus nachvollziehbaren Gründen) häufig ihre Identität und Herkunft verheimlichen.29/30 Die existenzielle Bedeutung sowie individuellen und kulturellen Spezifika der Sprache jedes Menschen machen deutlich, dass die Sprache eine zentrale Funktion und Rolle in der individuellen Persönlichkeitsentfaltung hat. Sie bestimmt entscheidend die selbst bestimmte Ortung der Person in der Gesellschaft und deren kulturelle Zugehörigkeiten mit.31 2.

Die kulturelle Dimension der Sprache

Inwiefern kommt aber der Sprache eine kulturelle Dimension zu? Der Begriff der Kultur ist schwer fassbar. Aus einer sozialwissenschaftlichen, namentlich anthropologischen Sicht werden unter Kultur die spezifischen, anerkannten Verhaltens- und Orientierungsmuster einer Menschengruppe verstanden.32 Wie die heutigen Sprachenlandschaften unserer Länder es illustrieren, ist die Sprache ein zentraler Teil jeder Kultur. Sie dient unserer Kultur als kollektive Erinnerung und Vorstellung, als wichtigstes Medium für die zwischenmenschliche und kollektive Kommunikation und die Beziehungspflege sowie als gemeinsames Ausdrucksmittel. Damit prägt sie die kulturelle Identität, das kulturelle Selbstverständnis der Glieder einer Gruppe33 und der Gruppe selbst34 wesentlich. Diese Prägung ist (heute jedenfalls) mindestens so stark wie

29 Im LINGUA -Verfahren werden vertraulich detaillierte sprachpraktische, sprachwissenschaftliche, besonders sprachanalytische sowie länderkundliche Kenntnisse eingesetzt, um die Herkunftsregion der gesuchsstellenden Person gesprächsweise zu ermitteln. 30 Vgl. Urteil der Schweizerischen Asylrekurskommission vom 20. Oktober 1998, VPB 63.41. 31 Wegweisend G. Britz Kulturelle Rechte und Verfassung, 2000, bes. 210 ff., 238 ff.; M. Morlok Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993. 32 Vgl. zur ausserrechtlichen Kulturdiskussion K. Odendahl Kulturgüterschutz. Entwicklung, Struktur und Dogmatik eines ebenenübergreifenden Normensystems, 2005, 356 ff., sowie z. B. A. L. Kroeber/C. Kluckhohn Culture. A critical review of concepts and definitions, 1963, 181. 33 Zur kulturellen Identität als Selbstverständnis einer Person, Britz Kulturelle Rechte (Fn. 31), 93–108. 34 Vgl. K. Henrard The Interrelationship between Individual Human Rights, Minority Rights and the Right to Self-Determination and Its Importance for the Adequate Protection of Linguistic Minorities, The Global Review of Ethnopolitics 1 (2001), 41 (45); sowie aus soziologischer Sicht Widmer Langues nationales et identités collectives (Fn. 10), 57 ff., 167 ff.

Sprache als Kultur- und Rechtsgut

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in der Regel die durch die Religion oder durch eine gemeinsame Geschichte oder durch den geografischen Raum erlangte. Aus rechtlicher Sicht lassen sich dem Völkerrecht, das die vielfältigen Gegenstände der Kultur und die Pluralitäten der Kulturen betont,35 dem Europarecht, das ebenfalls die Vielfalt der Kulturen anspricht und bewahren helfen will (Art. 151 Abs. 1 EGV , Art. 22 GRCh ),36 sowie dem Verfassungsrecht, das vor allem den staatlichen Kulturförderungsauftrag unterstreicht (so Art. 69 schweiz. BV ),37 verschiedene wichtige Elemente entnehmen. Diese unterschiedlichen Sichtweisen auf den Kulturbegriff zeigen treffend die kulturelle Dimension der Sprache: ihre soziale Verwurzelung, ihr Wirken durch geistige Werke, ihre historische Komponente; dann ihre gleichzeitige Wandelfähigkeit und Offenheit sowie ihre für die Sprachgruppen identitätsstiftende Kraft.38 Wir sollten aber bedenken, dass Sprache zwar jeweils ein Teil einer Kultur ist, dass sie aber weit über dieses soziale Phänomen hinausreicht, namentlich durch ihre psychischen Grundlagen und Wirkungen. 3.

Sprache als Kulturgut

So wie religiöse Betätigungen und religiöse Gemeinschaft seit jeher Schutz und Förderung oder Bevormundung durch Staat und Recht erfahren, so werden auch kulturelle Äusserungen, Werke und Gebräuche staatlicherseits – aus welchen Motiven auch immer – gefördert und geschützt oder aber behindert und unterbunden. Namentlich Zeiten des Kriegs, mit ihren Zerstörungen, Plünderungen, Vernichtungen und Vertreibungen, haben schon in der Antike und seit den Anfängen des modernen Völkerrechts im 16. Jahrhundert immer stärkere Forderungen nach einem rechtlichen Schutz von Kulturgütern ausgelöst. Das moderne Kriegsvölkerrecht hat namentlich durch die Haager Konvention

35 Vgl. Odendahl Kulturgüterschutz (Fn. 32), 364 ff.; M. Ph. Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung, 1992, 40 ff. 36 Vgl. Odendahl Kulturgüterschutz (Fn. 32), 368 ff.; R. Mußgnug Kultur und Kulturgut in der Europäischen Gemeinschaft, FS Steinberger, 2002, 1303; I. Hochbaum Der Begriff der Kultur im Maastrichter und Amsterdamer Vertrag, BayVBl 1997, 641, 680. 37 Für die Schweiz: R. J. Schweizer, Art. 69 BV , in: B. Ehrenzeller/Ph. Mastronardi/ R. J. Schweizer/K. Vallender (Hrsg.) Die schweizerische Bundesverfassung. Kommentar, 2002; für Österreich: K. Korinek/R. Potz/A. Bammer./W. Wieshaider (Hrsg.) Kulturrecht im Überblick, 28 ff.; für Deutschland: z. B. R. Scholz Art. 5 III GG (1977), in: Th. Maunz/G. Dürig (Hrsg.) Grundgesetz. Kommentar, Rn. 40. 38 Vgl. die von K. Odendahl ausdifferenzierten Begriffselemente: Odendahl Kulturgüterschutz (Fn. 32), 377.

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von 1954 den Begriff des Kulturgutes massgeblich definiert.39/40 Die späteren Konventionen des humanitären Völkerrechts sowie die Kulturgüterkonventionen der UNESCO oder von UNIDROIT 41 haben den Begriff des Kulturgutes gefestigt und weiterentwickelt. Sie alle schützen es vor Eingriffen in seine Substanz und seine kulturellen Bindungen sowie vor sonstigen Minderungen seines kulturellen Wertes.42 Es ist offensichtlich: die Schutzgegenstände des kulturellen Erbes wie die rechtliche Schutzrichtung machen auch im Bereich der Sprache Sinn. So etwa wenn Minderheitensprachen durch zwangsweise oder mindestens wirtschaftlich beeinflusste Assimilation zum Verschwinden gebracht werden, wenn bestimmte, für eine Gruppe wichtige Sprachwerke unterdrückt und ihre Benutzung verboten werden oder wenn Bibliotheken und Archive geplündert und durch Brand vernichtet werden.43 Rechtlich konnte aber der geltende völkerrechtliche Kulturgüterschutz für Kultur und Sprache nur punktuell helfen, weil der Kulturgüterbegriff bisher auf materielle Gegenstände ausgerichtet war. Doch die UNESCO -Konvention vom 17. Oktober 2003 zur Bewahrung des

39 Vgl. M. Boguslavsky Der Begriff des Kulturgutes und seine rechtliche Relevanz, in: R. Dolzer/E. Jayme/R. Mußgnug (Hrsg.) Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994, 3 ff.; E.-R. Hönes Kennzeichnung des Kulturgutes nach der Haager Konvention vom 14. Mai 1954 in Friedenszeiten, DÖV 1988, 538, sowie ders. Zum Kulturgutbegriff der Haager Konventionen von 1899 bis heute, DÖV 1998, 985; jetzt umfassend Odendahl Kulturgüterschutz (Fn. 32), 375 ff. 40 Nach Art. 1 der Haager Konvention von 1954 umfasst Kulturgut Folgendes: (1) bewegliches oder unbewegliches Gut, das für das kulturelle Erbe aller Völker von grosser Bedeutung ist, (2) Baulichkeiten, die in der Hauptsache und tatsächlich der Erhaltung oder Herstellung bzw. Bergung der genannten beweglichen Güter dienen, und (3) Orte, die in beträchtlichem Umfang Kulturgut der beiden genannten Kategorien aufweisen (sog. Denkmalorte). Eine beispielhafte Aufzählung erläutert das schützenswerte Gut: „Bau-, Kunst- oder geschichtliche Denkmäler religiöser oder weltlicher Art, archäologische Stätten, Gebäudegruppen, die als Ganzes von historischem oder künstlerischem Interesse sind, Kunstwerke, Manuskripte, Bücher und andere Gegenstände von künstlerischem, historischem oder archäologischem Interesse sowie wissenschaftliche Sammlungen und bedeutende Sammlungen von Büchern, Archivalien oder Reproduktionen des oben bezeichneten Kulturgutes.“ 41 Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 23. November 1972 (Weltkulturerbe-Konvention), Art. 1; UNIDROIT-Übereinkommen über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter vom 24. Juni 1995, Art. 2. 42 Odendahl Kulturgüterschutz (Fn. 32), 403. 43 Vgl. für Beispiele solcher verheerender Praktiken R. J. Schweizer/K. Hailbronner/K. H. Burmeister Der Anspruch von St. Gallen auf Rückerstattung seiner Kulturgüter aus Zürich. Gutachten im Auftrag der Regierung und des Katholischen Kollegiums des Kantons St. Gallen, 2002, 26 ff., 76 ff., 174 ff.

Sprache als Kultur- und Rechtsgut

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immateriellen Kulturerbes44 bringt hier erste Korrekturen: Sie will als „immaterielles Kulturerbe“ (nach Art. 2 Abs. 2) namentlich auch a) mündliche Traditionen und Ausdrucksformen, einschliesslich der Sprache als Vermittlerin des immateriellen Kulturerbes; b) darstellende Künste; und c) soziale Bräuche, Riten und Feste bewahren helfen. Der grosse Nachteil dieses Ansatzes ist allerdings, dass die Sprache45 in dieser Konvention – aus politischen Gründen – nur als Mittlerin bestimmter immaterieller Kulturgüter, aber nicht als Kulturgut an sich rechtlich erfasst wird.46 Es wird Zeit, auch im Europarecht und im nationalen Recht entweder den Rechtsbegriff des Kulturgutes zu erweitern oder aber – wie jetzt im Völkerrecht – die Schutzinstrumente auf das immaterielle Erbe auszudehnen. Sprache als zentraler Teil der Kultur verlangt allerdings noch viel mehr von Kulturrecht als lediglich Schutz, wie er vorwiegend vom Kulturgüterrecht gewährt wird! Der sprachenbezogene, staatliche Kulturauftrag47 muss im Bereich der allgemeinen Bildung, der Unterstützung und Sicherung der sprachlich wirkenden Kulturschaffenden, der sprachlichen Qualität der elektronischen Medien oder der sprachwissenschaftlichen Forschung verstärkt werden. Diese Hinweise führen zur weiteren zentralen Frage, was Sprache für das Recht bedeutet und warum sie ein schützenswertes Rechtsgut ist. 4.

Sprache als Grundlage des Rechts

Die Sprache ist, auf Grund ihrer kulturellen Funktion, die Grundlage jeder nationalen oder internationalen Rechtsordnung. Sprache strukturiert das Leben und die sozialen Beziehungen; sie charakterisiert die „sittlichen Verhältnisse“ (Walter Benjamin) einer Gesellschaft bzw. kulturellen Gemeinschaft. Sprache institutionalisiert und strukturiert das Recht. Die Sprache „verfasst“ die gemeinschaftliche Ordnung, insbesondere die Verfassungsordnung. Die (nichtsprachliche) staatliche Gewalt ist darauf beschränkt, den Rahmen rechtlichen Sprechens zu sichern und der Sprache rechtlicher Entscheidungen Nachachtung zu

44 Weder Deutschland noch Österreich noch die Schweiz haben die Konvention bisher ratifiziert. 45 – die ja nicht nur über Sprechen und Hören und nicht nur via Schreiben und Lesen, sondern auch über Gebärden kommuniziert wird – 46 Dazu Näheres in Odendahl Die Bewahrung des immateriellen Kulturerbes als neues Thema des Völkerrechts, SZIER 3/2005, 19 (29 f.). 47 Zum Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen D. Grimm VVDStRL 42 (1984), 46, und U. Steiner VVDStRL 42 (1984), 7.

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verschaffen. Das wichtigste Mittel des Rechtsstaates ist die Sprache; aus der Sprache zieht er ganz wesentlich seine Legitimation. Braucht es dafür nicht eine homogene Sprachgemeinschaft? Sicherlich ist es einfacher, rechtliches Sprechen, Handeln und Verstehen in einer einheitlichen Sprachgemeinschaft aufzubauen, und sicher kann die Homogenität einer Sprachgemeinschaft Geltung und Effektivität einer Rechtsordnung stärken.48 Doch weder Staat und Nation noch die Geltung der Rechtsordnung hängen notwendigerweise von der Verbindlichkeit einer Sprache ab. Wo Vielsprachigkeit herrscht, sind Regelbefolgung und Verständigung sicher schwieriger herzustellen. Aber umso mehr braucht es in einer vielsprachigen Welt eine Kultur der SprachFreiheit, des freien Wortes, eine Sprachenvielfalt der Medien sowie sprachliche Offenheit des Staates und den Respekt des Rechts vor den Sprechenden und der Sprache. Sprache ist aber nicht nur Voraussetzung und Grundlage von Recht und Staat, sondern auch deren wichtigstes Arbeits- und Wirkungsinstrument. In dieser, die Bedeutung der Sprache für das Recht allerdings verkürzenden Sichtweise wird die Sprache vor allem rechtstheoretisch und rechtsmethodisch behandelt: als „Arbeitsgerät der Juristen“ (B. Rüthers 49), als „Entstehens- und Erkenntnisquelle für Recht“ (P. Kirchhof 50). Die Sprache als Instrument des Rechts ist jedoch aufgrund ihrer inhärenten Mehrdeutigkeit so nur schwer fassbar und handhabbar. Auch haben Sprachen teilweise unterschiedliche Konzepte der Wortbildung (man denke nur, wie unterschiedlich Ehegatten oder die Schwägerschaft in den europäischen Sprachen bezeichnet werden). Die Sprachen erweisen sich stets als verschiedenartig, wandelbar in wechselndem Kontext sowie kulturell unterschiedlich wertbezogen. Entsprechend versucht der juristische Diskurs durch Vereinfachung, Abstraktion resp. Generalisierung sowie durch Bestimmtheit und durch Definition eine eigene, verlässliche Fachsprache51 aufzubauen. Zudem hat die Rechtspraxis besondere juristische Rechtserzeugungs- und Rechtsgewinnungsregeln entwickelt, ungeachtet der linguistischen Bedingungen der Sprache.52

Vgl. Kirchhof Deutsche Sprache (Fn. 3), Rn. 5 und 78 ff. B. Rüthers, Rechtstheorie, 2. Aufl. 2005, § 5 Rn. 150 ff. 50 Kirchhof Deutsche Sprache (Fn. 3), Rn. 23 ff. 51 U. Neumann Juristische Fachsprache und Umgangssprache, in: G. Grewendorf (Hrsg.) Rechtskultur als Sprachkultur. Zur forensischen Funktion der Sprachanalyse, 1992, 110. 52 Zwar kann dort, wo juristische Sprachbezüge oder wo Sprachgemeinschaften bestehen, wie im Common Law, fachtechnisch auch in staaten- und nationenübergreifender Weise juristisch gearbeitet werden. In anderen Rechtskreisen müssen, bei Mehr48 49

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Zwei rechtsrelevante, kulturelle Aspekte des instrumentalen Verständnisses von Sprache und Recht möchte ich noch ansprechen. Erstens: die Art und Weise, wie Juristinnen und Juristen im Recht sprechen bzw. die Rechtssprache gestalten, hat eine stark kulturelle (und damit auch soziale) Komponente. Das erfährt man namentlich rechtsvergleichend bei den jeweiligen Besonderheiten der forensischen Sprache und der nationalen Gesetzessprache. Diese kulturelle Seite der Rechtssprache wird uns namentlich bei einem Vergleich zwischen einer stark der Begrifflichkeit verpflichteten oder einer mehr narrativen Rechtssprache (einem mehr „metaphorical reasoning in law“) bewusst.53 Dieser „technische“, instrumentale Gesichtspunkt der Gestaltung des juristischen Sprachentextes führt zum zweiten rechtskulturellen Aspekt: Die Rechtssprache kann, wie Sprache überhaupt, ein zentrales Instrument staatlicher Macht sein. Das hat in denkwürdiger Weise schon Antonio de Nebrija im Vorwort zu seiner „Gramàtica de la lengua castellana“, der ersten volkssprachlichen Grammatik Spaniens gesagt, als er diese 1492 der Königin Isabella von Kastilien widmete: „una cosa hallo y saco por conclusión muy cierta: que siempre la lengua fué compañera del imperio“, zu deutsch: „Auf eine Sache bin ich gestossen, die ich als sehr sichere Schlussfolgerung ziehe: Die Sprache war immer Begleiterin der Herrschaft resp. des Reiches“. Staatlich-autoritäre Festlegung von Amts- und Gerichtssprachen hat seit jeher Tradition.54 Schlimm hingegen sind staatliche Sprachverbote, wie für die Balten im zaristischen Russland oder für nicht italienische Sprachgruppen im faschistischen

sprachigkeit, Rechtsvergleichung und linguistische Textarbeit den juristischen Diskurs unterstützen. 53 Dazu etwa B. Grossfeld Bildhaftes Rechtsdenken, 1996; ders. Sprache und Schrift als Grundlage des Rechts, JZ 52 (1997), 633 (637). 54 Denken wir nur an die 1539 von König François Ier erlassene Ordonnance de Villers-Cotterêts, wonach alle Verwaltungsakte der Justiz in „französischer Muttersprache“ („language maternel françois et non autrement“) – also auch nicht in Latein oder Okzitanisch – abzufassen seien. Im 20. Jahrhundert erfuhren solche sprachenpolitischen Aktivitäten eine weitere sprachenrechtliche Umsetzung zum Schutz des Französischen in der Loi Bas-Lauriol von 1975 und in der Loi Toubon von 1994. Dazu und zur Geschichte der französischen Sprachenregelung A. Theme Sprache und Gesetzgeber. Grenzen sprachgesetzlicher Regelungen in Deutschland und Frankreich nach dem EG Vertrag und nationalem Verfassungsrecht, 2002, 29 ff.; zur Lage der Minderheitensprachen in Frankreich ferner J. Polakiewicz Die rechtliche Stellung der Minderheiten in Frankreich, in: J. Frowein/R. Hofmann/S. Oeter (Hrsg.) Das Minderheitenrecht europäischer Staaten, Bd. I, 1993, 126 (bes. 131 ff.), und R. Hofmann Minderheitenschutz in Europa. Völker- und staatsrechtliche Lage im Überblick, 1995, 91 ff.

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Staat Mussolinis.55 Aber selbst unsere liberalen, demokratischen Verfassungsstaaten kennen aus Gründen des Verfassungs- resp. Staatsschutzes Rede- und Propagandaverbote.56 Die sprachliche Machtkultur der Regierenden wird besonders erkennbar in der Art und Weise, wie sie sich an das „Volk“ wenden, sich mit ihm identifizieren wollen und es zugleich mit Floskeln in Rechtserlassen und Kundmachungen in seinen Rechten und Pflichten autoritativ belehren.57 5.

Sprache als Rechtsgut

Mit all den genannten, vielfältigen, für die menschliche Existenz und Identität in ihren individuellen und kollektiven Erscheinungsformen so grundlegenden Funktionen einerseits und ihrer grundlegenden Bedeutung für das Recht andererseits ist Sprache ein eminent wichtiges Rechtsgut. Der Begriff Rechtsgut stammt aus der Strafrechtsdogmatik; er bildet im Haftungsrecht, insbesondere im Staatshaftungsrecht das Korrelat zur Widerrechtlichkeit.58 Der Begriff hat aber auch seinen verfassungsrechtlichen Stellenwert. So spricht ein Teil der Grundrechtslehre von den grundrechtlichen Schutzgütern (wie z. B. Leben und körperliche Unversehrtheit), während ein anderer Teil zusammen mit dem BVerfG von „Schutzbereich“ spricht.59 Der Rechtsgüterschutz hat dank den grundrechtlichen Schutzpflichten Profil gewonnen.60 Zugleich ist

55 Abschreckende Beispiele bieten ebenso die Tudor Acts von 1536 und 1543, die ein Verbot für Richter und Behörden statuierten, die walisische Sprache zu gebrauchen (T. Marauhn Die rechtliche Stellung der walisischen Minderheit in Grossbritannien, in: Frowein/Hofmann/Oeter (Fn. 54) 160 (161 f., 166)), oder die Unterdrückung des Baskischen unter dem Franco-Regime (S. Oeter Die rechtliche Stellung der Minderheiten in Spanien, in: Frowein/Hofmann/Oeter (Fn. 54), 369 (374)) und die insgesamt problematische Entwicklung des türkischen Sprachenrechts, das noch 1983 ein Sprachverbotsgesetz schuf, mit dem etwa das Kurdische kategorisch diskriminiert wurde (C. Rumpf Die rechtliche Stellung der Minderheiten in der Türkei, in: Frowein/Hofmann/Oeter (Fn. 54), 448 (bes. 489 f.); Hofmann Minderheitenschutz (Fn. 54), 162 ff.). 56 Für die Schweiz z. B. A. Kley/E. Tophinke Art. 16 BV , in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender (Fn. 37), Rn. 13 ff., und H. Burkert Art. 17 BV , in: ebd., Rn. 34 ff. 57 Vgl. die anschaulichen Untersuchungen von N. Fairclough, Language and Power, 1989. 58 Für die Schweiz vgl. etwa U. Häfelin/G. Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2002, Rn. 2248 ff. 59 Vgl. J. Ipsen Staatsrecht II . Grundrechte, 7. Aufl. 2004, 29 ff., 41 ff., mit Kritik an der Assoziation von Räumlichkeit beim allgemeinen Begriff des Schutzbereichs. 60 Dazu in der schweizerischen Lehre P. Egli Drittwirkung von Grundrechten. Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten im Schweizer Recht, 2002.

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der Schutz verfassungsrechtlich anerkannter Rechtsgüter ein Rechtfertigungsgrund für Grundrechtseingriffe61, seien dies grundrechtlich geschützte oder vorstaatliche Rechtsgüter, welche „eingriffslegitimierende Gemeinwohlbelange“62 bzw. verfassungsrechtlich anerkannte, überwiegende öffentliche Interessen bezeichnen. Allgemein rechtstheoretisch kann man sagen, dass ein Rechtsgut dasjenige materielle oder immaterielle (persönliche) Interesse ist, das vom Recht als schützenswert anerkannt wird.63 Die Sprache als (schützenswertes) Rechtsgut, als Gut, aus dem rechtlich schützenswerte Interessen erwachsen, wird in der Rechtswissenschaft kaum diskutiert, ganz im Gegensatz zum Bildungsgut Sprache in den Geisteswissenschaften. Einige sprachenbezogene Rechtsgüter sind klassisch: die Redefreiheit (Art. 16 BV ),64/65 die Sprachenfreiheit als freier Gebrauch der Mutter- resp. Erstsprache (Art. 18 BV )66 sowie die sprachenbezogenen Aspekte des rechtlichen Gehörs, wie das Äusserungsrecht, das Akteneinsichtsrecht oder der Anspruch auf einen begründeten und damit nachvollziehbaren Entscheid (Art. 29 BV , Art. 6 EMRK , Art. 41 GRCh ).67 Dieser grund- und menschenrechtliche Rechtsgüterschutz kommt keineswegs nur fremdsprachigen Personen zu Gute, sondern genauso Personen, welche die Standardsprache des Landes beherrschen.68 Ob und inwieweit es neben den individualrechtlichen auch kollektive Rechtsgüter bezüglich der Sprache gibt, z. B. bezüglich Bildung, Medienzugang oder politischer Repräsentation für Sprachenminderheiten, ist vorwiegend eine Frage des nationalen (Ver-

61 Schweizer Art. 35 BV , in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender (Fn. 37), Rn. 18, und ders. Art. 36 BV , in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender (Fn. 37), Rn. 20. 62 Z.B. R. Breuer Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, HStR VI , 1989, § 148 Rn. 21. 63 Ph. Mastronardi Juristisches Denken. Eine Einführung, 2. Aufl. 2003, Rn. 925, die Terminologie von F. Müller Strukturierende Rechtslehre, 2. Aufl. 1994, 271 f., aufgreifend, die Rechtsgüter als rechtlich gewährleistete Sachbereiche bezeichnet. Der Schutz der Rechtsgüter erwächst nach Mastronardi durch (Rechts-)Grundsätze, d. h. normative Ideen für den Schutz der Rechtsgüter, die durch Rechtsnormen ausgestaltet werden. 64 Art. 5 Abs. 1 GG . 65 Die z. B. in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung sogar den Schutz und die Förderung der Fremdsprachenfähigkeiten gewährleistet. 66 Dazu z. B. R. Kägi-Diener Art 18 BV , in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender (Fn. 37). 67 Vgl. Art. 8 EMRK ; Art. 13 Abs. 1 BV für den Schutz des Familienlebens, sowie bes. Art. 6 GG (Kirchhof Deutsche Sprache (Fn. 3), Rn. 94). 68 Einschliesslich der juristischen Personen.

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fassungs-)rechts und im Europa- und im Völkerrecht (noch) nicht entschieden.69 Darauf ist zurückzukommen.

III. Verantwortungen für das Kultur- und Rechtsgut Sprache 1.

Dimensionen der Verantwortung

Die dargelegte Bedeutung der Sprache als Kultur- und Rechtsgut lässt angesichts der faktischen Sprachverhältnisse in unseren Rechtsordnungen vielfältige rechtliche Verantwortungen für die Sprache entstehen. Dabei geht es m. E. erstens um den grund- und menschenrechtlichen Schutz von Sprachen, von Sprachfähigkeiten und zum Teil von Sprachzugehörigkeiten, einschliesslich positiver Schutz-, Gewährleistungs- und sozialstaatlicher Förderpflichten. Zweitens geht es um Erhaltung und Förderung von Sprachgruppen, sofern sie Sprachminderheiten sind, jedenfalls wenn es sich um autochthone Sprachminderheiten handelt. Drittens bestehen allgemeine, insbesondere rechtsstaatliche und soziale Handlungs- und Leistungspflichten, um der Vielsprachigkeit unserer Gesellschaft gerecht zu werden. Und viertens gibt es breite rechtliche Verantwortungen für die sprachliche Kultur des Rechts selbst. 2.

Staatliche Verantwortung und Minderheiten

Diese vier Verantwortungsbereiche sind primär staats- und verfassungsrechtlicher sowie völker- und europarechtlicher Natur. Allein die Träger der Sprachinteressen sind vorwiegend die verschiedenen Sprachgemeinschaften, die meist Minderheiten sind. Die sprachlichen Verantwortungen bestehen gegenüber den einzelnen Menschen sowie gegenüber den Sprachminderheiten. Die Mehrheitssprache braucht m. E. keinen Schutz, noch sollte sie, wie in Frankreich, generell reguliert werden. Im Bereich der Mehrheitssprache liegt die staatliche Verantwortung in der Pflege der Qualität der Rechtssprache. Anderes gilt für die Minderheiten, die heute in Europa vorwiegend durch ihre Sprache, nur selten noch durch ethnisch-kulturelle Besonderheiten70 oder durch religiöse Ausrichtung charakterisiert werden.

69 Vgl. jetzt das Urteil des EGMR vom 17. Februar 2004, Gorzelik u. a. vs. Polen, Recueil 2004-I ( NVwZ 2006, 65); dazu R. Wolfrum Aspekte des Schutzes von Minderheiten unter dem Europäischen Menschenrechtsschutzsystem, FS Ress, 2005, 1109. 70 Zum Begriff der Ethnie vgl. Britz Kulturelle Rechte (Fn. 31), 72 ff.

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Der Begriff der Minderheit wird völkerrechtlich bestimmt.71 Art. 27 UN -Pakt II bezeichnet als Minderheit eine Gruppe, die ethnische, re-

ligiöse, sprachliche Gemeinschaften pflegt (persons […] in community with others) und nicht die Bevölkerungsmehrheit im Staat ausmacht.72 Staatsangehörigkeit oder eine territorial geschlossene Lebensweise werden heute nicht mehr verlangt. Was bezweckt der internationale und der europäische Minderheitenschutz? Die Angehörigen einer Minderheit sollen, wie Art. 5 Abs. 1 des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten vom 1. Februar 199573 sagt, in der Lage sein „ihre Kultur zu pflegen und weiterzuentwickeln und die wesentlichen Bestandteile ihrer Identität, nämlich ihre Religion, ihre Sprache, ihre Traditionen und ihr kulturelles Erbe, zu bewahren.“ Anders gesagt geht es darum, dass kulturell distinkte Menschengruppen nicht unter politischen, kulturellen oder strukturellen Druck kommen, entgegen ihren Bedürfnissen und Absichten kulturell auf für sie Wesentliches verzichten zu müssen und assimiliert zu werden. Davor will Art. 27 UN Pakt II und das europäische Minderheitenrecht die Menschen schützen.74 Und wie sind kulturelle, besonders sprachliche Minderheiten rechtlich zu schützen? Es geht zum einen darum, Diskriminierungen zu bekämpfen, und zum andern darum, ihre Gleichstellung durch Schutzund Förderungsmassnahmen zu sichern, was u. U. bis zu Einschränkun-

71 Vgl. das IGH -Gutachten vom 6. April 1935, Series A/B No. 64 (Minority schools in Albania), 11, über die Minderheitenschulen in Albanien. Der IGH bestätigte dort seine bereits im Gutachten vom 31. Juli 1930, Series B No. 17 (Greco-Bulgarian „Communities“), 21, vorgenommene Kennzeichnung einer Minderheitengemeinschaft durch folgende fünf Elemente: territorial geschlossene Lebensweise, objektive Merkmale wie Sprache oder Religion, das Bewusstsein der Gruppenidentität, der Wille zur Erhaltung der Gruppe und dessen faktische Betätigung. Vgl. Wolfrum Aspekte des Schutzes von Minderheiten (Fn. 69), 1109 (1111 f.); F. de Varennes Language, Minorities and Human Rights, 1996, 130 ff.; S. Pritchard Der völkerrechtliche Minderheitenschutz. Historische und neuere Entwicklungen, 2001, 92 ff.; D. Thürer Das Selbstbestimmungsrecht der Völker, 1976, 61. 72 Näheres bei S. Joseph/J. Schultz/M. Castan The International Covenant on Civil and Political Rights, 2. Aufl. 2004, Art. 27 Rn. 24.05 ff. Das für nationale Minderheiten häufig geforderte Element der Staatsangehörigkeit fehlt (vgl. Art. 1 des Entwurfs der Parlamentarischen Versammlung des Europarates eines Zusatzprotokolls zur EMRK vom 1. Februar 1993 ( BBl 1997 1303)); und umstritten ist, ob eine solide, dauerhafte Beziehung und ob eine regionale Verankerung gefordert werden kann (vgl. C. Tomuschat Protection of Minorities under Article 27 of The International Convenant on Civil and Political Rights, FS Mosler, 1983, 949 (955)). 73 SEV -Nr. 157, vom 1. Februar 1995; in Kraft seit 1. Februar 1998, für Deutschland seit 1. Februar 1998, für Österreich seit 1. Juli 1998, für die Schweiz seit 1. Februar 1999. 74 Tomuschat Protection of Minorities (Fn. 72), 949 (950 ff.).

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gen der Wirtschaftsfreiheit oder zu Wahl- und Stimmrechtsprivilegien gehen muss.75 Die Staaten akzeptieren die Pflichten gegenüber ihren Minderheiten sehr unterschiedlich.76 In Europa sind es namentlich Frankreich und Griechenland, die aus historisch-kulturellen Gründen zumindest offiziell den Bestand und die Schutzbedürfnisse von linguistischen Minderheiten nicht beachten wollen. In Frankreich wurde als Folge der Grande Révolution von 1789 das Französisch zur Sprache der Nation erklärt, denn sie war Trägerin der revolutionären Ideen. Der Monolinguismus war dabei sowohl ein Angebot an die allgemeine Volksbildung als auch eine Stütze für die neue nationale, politische Gemeinschaft.77 Danach wurde Französisch für das Kaiserreich, die Kolonialmacht und die Republik die obligatorische und einzige Sprache. Dies bewirkte noch 1992

75 Vgl. die grundlegenden Staatenverpflichtungen nach Art. 7 Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen vom 5. November 1992. Generell de Varennes Equality and Non-discrimination. Fundamental Principles of Minority Language Rights, International Journal on Minority and Group Rights 6 (1999), 307 (bes. 309, 311 ff.); Henrard Individual Human Rights Minority Rights and the Right to Self-Determination (Fn. 34), 43 ff. Diese doppelte Schiene des Minderheitenschutzes hat schon der IGH 1935 festgelegt: „The idea underlying the treaties for the protection of minorities is to secure for certain elements incorporated in a State, the population of which differs from them in race, language or religion, the possibility of living peaceably alongside that population and co-operating amicably with it, while at the same time preserving the characteristics which distinguish them from the majority, and satisfying the ensuing special needs. In order to attain this object, two things were regarded as particularly necessary … The first is to ensure that nationals belonging to racial, religious or linguistic minorities shall be placed in every respect on a footing of perfect equality with the other nationals of the State. The second is to ensure for the minority elements suitable means for the preservation of their racial peculiarities, their traditions and their national characteristics. These two requirements are indeed closely interlocked, for there would be no true equality between a majority and a minority if the latter were deprived of its own institutions, and were consequently compelled to renounce that which constitutes the very essence of its being as a minority.“ ( IGH -Gutachten Minority schools in Albania (Fn. 71), 17). 76 Wie sie ähnlich verschieden auf die völkerrechtlichen Verbote der Diskriminierung von Frauen, Kindern oder Rassen reagieren. 77 Dies geschah, obwohl als Alltagssprache nur drei von 27 Millionen Bewohnern Frankreichs die Sprache der Île-de-France gebrauchten, wie der Abbé Grégoire 1794 ermittelt hatte. Vgl. den Bericht des Abbé Grégoire vom 16. Mai 1794 „Sur la nécessité et les moyens d’anéantir les patois et d’universaliser l’usage de la langue française“, in: H. Berschin/J. Felixberger/H. Goebl (Hrsg.) Französische Sprachgeschichte. Lateinische Basis – Interne und externe Geschichte – Sprachliche Gliederung Frankreichs, 1978, 215. Vgl. auch Richter Sprachenordnung und Minderheitenschutz (Fn. 2), 62; F. Coulmas Sprache und Staat. Studien zur Sprachenplanung, 1985, 30.

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eine entsprechende Änderung von Art. 2 der Constitution. Regionale und Minderheitensprachen werden nur „hors du domaine public“ geduldet und einen Unterricht in der Muttersprache Baskisch, Bretonisch, Katalanisch, Korsisch, Okzitanisch, Elsässisch oder Pikardisch kann ein Kind realistisch nur in einer Privatschule erhalten.78 Selbstverständlich gibt es auch in Frankreich gegenläufige Strömungen, namentlich im Zuge der fortschreitenden Regionalisierung des Landes und dessen europäischer Einbindung. Ob heutzutage überhaupt eine Nationalsprache wie im 19. und 20. Jahrhundert unter den anderen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen ein massgebliches Mittel der „Bildung der Staaten“ sein könnte, erscheint den Soziolinguisten fraglich79 und ist europarechtlich zweifelhaft. Im Fall Sidiropoulos gegen Griechenland sagte der EGMR 1998: „Die verschiedenen Kulturen und Minderheiten sind historische Fakten, die eine demokratische Gesellschaft nicht nur dulden, sondern nach Völkerrecht schützen und fördern muss.“79a 3.

Die Verantwortung für die Sprache als nationale Herausforderung am Beispiel der fortgesetzt reformbedürftigen schweizerischen Sprachenordnung

Als traditionell mehrsprachiges Land verfolgt die Schweiz seit 1848 eine völlig andere Sprachpolitik als Frankreich. Sie verfügt, wie Österreich, Italien oder Spanien, über eine ausgebaute Sprachenverfassung.80/81 Wie erwähnt, bezeichnet Art. 4 BV von 1999 die Landesspra-

78 J.-M. Larralde Les langues régionales en droit français, in: R. Ahrens (Hrsg.) Europäische Sprachenpolitik. European Language Policy, 2003, 191. Auf zehn Millionen Schüler sind das ca. 150 000, obwohl die Regionalsprachen von einem Viertel der Landesbevölkerung gesprochen werden. Einlässlich zum französischen Sprachenrecht C. Teissier Zum Schutz der Regionalsprachen im europäischen Frankreich. Rechtstatsachen und Rechtsprobleme, 2005, bes. 163 ff. 79 Vgl. den kritischen Artikel „Nationalsprache“ mwN in: Bußmann Lexikon (Fn. 5), 458. 79a EGMR Urteil vom 10. Juli 1998, Sidiropoulos vs. Griechenland, Recueil 1998-IV, § 41. 80 Während in der Bundesrepublik die staatliche Sprachenordnung weitgehend Ländersache ist (etwa in Schleswig-Holstein, Brandenburg, Sachsen) und auf Bundesebene allenfalls aus der Rechtsgleichheit resp. dem Diskriminierungsverbot von Art. 3 Abs. 3 GG Sprachenprobleme zu lösen versucht werden. 81 Zur Schweizer Ordnung Richter Sprachenordnung und Minderheitenschutz (Fn. 2), bes. 209 ff., 263 ff.; Thürer Recht und Sprache: Von Bivio bis Babylon. Zum Fall der Schweiz und – in der Schweiz – Graubündens, in: P. Hilpold/C. Perathoner (Hrsg.) Die

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chen, und im Grundrechtskatalog gewährleistet Art. 18 BV explizit die Sprachenfreiheit. Schliesslich legt Art. 70 BV 82 die Sprachenordnung im Sinne der föderalistischen Staatsordnung fest: Der Bund anerkennt (neu seit 1996) alle vier Sprachgemeinschaften und deren Angehörige als gleichberechtigt. Zugleich ist er Garant der schweizerischen Viersprachigkeit. Das Bundesverfassungsrecht verpflichtet Bund und Kantone, in Sprachenfragen das Einvernehmen und den Sprachenfrieden zu wahren sowie insbesondere die Verständigung und den sprachlichen Austausch zu fördern.83 Schliesslich soll der Bund die italienische und rätoromanische Minderheit (unter den drei Minderheiten)84 in den Bemühungen zur Spracherhaltung und Sprachförderung finanziell unterstützen. Für die Behörden des Bundes gilt eine Amtssprachenregel von dreieinhalb Sprachen (namentlich indem es nur zu einer reduzierten Übersetzung der Rechts- und Verwaltungstexte ins Rätoromanische kommt). Als entscheidend wird aber die personelle Repräsentation angesehen, auf die besonders bei den Gerichten des Bundes erster und zweiter Instanz sorgfältig und proportional geachtet wird.

Ladiner. Eine Minderheit in der Minderheit, 2005, 141 (148 ff.); weitere Darstellungen des Sprachenrechts der Schweiz bei C. Hegnauer Das Sprachenrecht der Schweiz, 1947; R. Viletta Grundlagen des Sprachenrechts, 1978; M. Ph. Wyss Das Sprachenrecht der Schweiz nach der Revision von Art. 116 BV , ZSR 1997, 141; M. Borghi Langues nationales et langues officielles, in: D. Thürer/J.-F. Aubert/J. P. Müller (Hrsg.) Verfassungsrecht der Schweiz, 2001, § 37 Rn. 1 ff.; Kägi-Diener Art. 4 BV und Art. 70 BV , in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender (Fn. 37); Guckelberger Das Sprachenrecht der Schweiz (Fn. 2) 611 ff. Eine aufschlussreiche amtliche Darstellung vermitteln namentlich die Informationen zur Vervollständigung des Ersten Berichts (Fn. 12), 52 ff. 82 Art. 70 BV bestimmt: 1 Die Amtssprachen des Bundes sind Deutsch, Französisch und Italienisch. Im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache ist auch das Rätoromanische Amtssprache des Bundes. 2 Die Kantone bestimmen ihre Amtssprachen. Um das Einvernehmen zwischen den Sprachgemeinschaften zu wahren, achten sie auf die herkömmliche sprachliche Zusammensetzung der Gebiete und nehmen Rücksicht auf die angestammten sprachlichen Minderheiten. 3 Bund und Kantone fördern die Verständigung und den Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften. 4 Der Bund unterstützt die mehrsprachigen Kantone bei der Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben. 5 Der Bund unterstützt Massnahmen der Kantone Graubünden und Tessin zur Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache. 83 Dazu Kägi-Diener Art. 70 (Fn. 80), Rn. 17 ff. 84 Zur Definition der „Minderheit in der Minderheit“ Hilpold Der Schutz der Minderheit in der Minderheit, in: Hilpold/Perathoner (Fn. 80), 9 (bes. 14 ff.).

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Die Kantone sind in der Sprachenfrage, wie in Kulturfragen überhaupt, weitgehend autonom.85 Art. 70 Abs. 2 BV will aber die herkömmliche Gebietsverteilung der Sprachen bewahrt wissen (sog. Territorialitätsprinzip)86, dies zum Schutz der drei Minderheitensprachen. Drei Kantone – Wallis, Freiburg und Bern – sind zweisprachig, Graubünden ist dreisprachig, und sie alle bezeichnen ihre Kantonssprachen als gleichwertige kantonale Amtssprachen. Dabei wurden in den letzten Jahren für die jeweiligen Minderheitensprachen (z. B. Französisch im Berner Jura oder Deutsch in Freiburg/Fribourg) erhebliche Anstrengungen zur annähernden Gleichstellung unternommen. Die schweizerische Sprachenordnung ist zweifelsohne ein Beleg für ein Staatsverständnis, das kulturelle und sprachliche Minderheiten – nicht zuletzt weil mit ihnen in früheren Jahrhunderten bös umgegangen wurde – in ihrer Eigenart und Eigenständigkeit schützen will.87 Doch auch diese in langer Zeit herangewachsene Ordnung ist stets neuen Herausforderungen ausgesetzt.87a Solche sind z. B. der faktische Druck der Wirtschaft und der Medien auf die Sprachenlandschaften, die unbestreitbaren Bildungs- und Berufsnachteile der Angehörigen der Minderheitensprachen, die starke, beängstigende Regression der rätoromanischen Sprache(n),88 aber auch gesamtschweizerisch die Schwierigkeiten im Umgang mit Immigrantinnen und Immigranten, welche die regionale Standardsprache nicht beherrschen oder gar nicht erwerben wollen.

85

Vgl. Kägi-Diener Die Kompetenzen von Bund und Kantonen im Sprachenrecht,

ZBl 102 (2001), 505. 86 Biaggini Sprachenfreiheit und Territorialprinzip, recht 1997, 112; C.-A. Morand Liberté de la langue et principe de territorialité, ZSR 1993, 11; T. Fleiner-Gerster Das sprachliche Territorialprinzip in gemischtsprachigen Gebieten, LeGes 1991, 93; kritisch u. a. A. Auer D’une liberté non écrite qui n’aurait pas dû l’être: la „liberté de la langue“, AJP 1992, 955 (963 f.). 87 Thürer Recht und Sprache (Fn. 80), bes. 148 ff. 87a Die Bundesversammlung hat deshalb 2005 beschlossen, ein „Bundesgesetz über die Landessprachen und die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften (Sprachengesetz)“ zu erlassen. 88 J.-J. Furer in: Bundesamt für Statistik (Hrsg.) Eidgenössische Volkszählung 2000. Die aktuelle Lage des Romanischen, 2005, Zur prekären Lage des Rätoromanischen. Einlässlich zu den aktuellen Sprachenfragen in der Schweiz: Europarat (Hrsg.) Gutachten für die Schweiz des Beratenden Ausschusses für das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates vom 10. Februar 2003 (ACFC / OP/I[2003]001). Dazu: Stellungnahme der Schweiz zum Gutachten des Beratenden Ausschusses vom August 2003; B. Wilson La liberté de la langue des minorités dans l’enseignement. Etude de droit international et de droit suisse, 1999, 333 ff.; Thürer Recht und Sprache (Fn. 80), 156 ff.; Biaggini Sprache als Kultur- und Rechtsgut (Fn. 10), 1099 ff.

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4.

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Die Verantwortung für die Sprache als europäische Herausforderung

Die Verantwortung für die Sprache obliegt aber nicht nur den Nationalstaaten. In den rund fünfzehn Jahren seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist es in Europa, nach schrecklichen Kriegsjahren, zu einer zwar nicht endgültigen, aber einigermassen stabilen europäischen Friedensordnung sowie einer starken europäischen Vereinigung – inkl. dem assoziierten, zugewandten Ort Schweiz – gekommen. In diesen politischen Entwicklungen spielten aber kulturell-sprachlich-ethnische Probleme immer eine ganz zentrale Rolle.89 Das ist schon allein deshalb nicht erstaunlich, weil alle der über 45 europäischen Staaten, ausser den Kleinstaaten wie Liechtenstein, San Marino oder Monaco, ethnisch-kulturelle und sprachliche Minderheiten haben.90/91 Das europäische Recht (als weiter, über das EU -Recht hinausreichender Begriff) hat zuerst eher vorsichtig, in jüngerer Zeit aber deutlicher und wegweisend auf die Sprachprobleme Europas reagiert. Die ersten Schritte unternahm 1989/90 die KSZE resp. OSZE : 1990 wurden im sog. Kopenhagener Dokument u. a. die Schulbildung in der Muttersprache und deren Verwendung im Verkehr mit den nationalen Behörden propagiert.92 Aus dem Wirken des Hochkommissärs der OSZE für Minderheiten erwuchsen die bedeutsamen „Oslo Recommendations

89 Das ist auch nicht erstaunlich, haben doch die Jugoslawienkriege in erschreckender Weise gezeigt, dass die ethnischen und kulturellen Fehler der Pariser Vorortsverträge von 1919 in Europa 70 Jahre unkorrigiert blieben. 90 Dazu z. B. B. S. Pfeil Die Erhaltung von Minderheitensprachen in Europa und das aktuelle Europarat-Instrumentarium, Europa ethnica 57 (2000), 1. 91 Die erweiterte EU der 25 muss selber im Verkehr mit den Unionsbürgern (Art. 21 Abs. 5 EGV ) und den Mitgliedstaaten 21 offizielle (Vertrags-)Sprachen betreuen (nach Art. 53 EUV , Art. 314 EGV und Art. 225 EAGV sind die 21 Sprachfassungen der Grundverträge auch je authentisch; zu den Verfahrenssprachen des EuGH : Art. 29 § 1 der Verfahrensordnung des EuGH vom 19. Juni 1991 (Abl. L 176/7 vom 4. Juli 1991 und L 383 vom 29. Dezember 1992 – Berichtigungen); zur Sprachenordnung der EU vgl. z. B. Th. Oppermann Reform der EU -Sprachenordnung?, NJW 2001, 2663), zugleich muss sie sich nach dem Erweiterungsprozess auch damit auseinandersetzen, dass sie seit 2004 in ihren Mitgliedstaaten 156 nationale Minderheiten hat, mit der voraussichtlichen Erweiterung von 2007 gar 187, die dann zwar nur, aber immerhin 8,8 % der EU -Gesamtbevölkerung ausmachen (dazu Näheres bei C. Pan Minderheitenschutz in Europa und in der EU : Theorie und Praxis, Europa ethnica 60 (2003), 3): Bulgarien hat zwölf, Rumänien gar 19 nationale Minderheiten. 92 Vgl. § 34 Kopenhagener Dokument. Dazu: H. Hannum Contemporary Developments in the International Protection of the Rights of Minorities, Notre Dame Law Review 66 (1991), 1431.

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Regarding the Linguistic Rights of Minorities“ von 1998.93 Diese auf die Lebenswirklichkeit in Mittel- und Osteuropa ausgerichteten Empfehlungen betreffen Fragen wie Namen, Religionsausübung, Gemeinschaftsleben, NGO ’s, Medien, Wirtschaft, Behörden, Service Public oder Justizwesen. Der Europarat seinerseits hat sich, als er sich den mittel- und osteuropäischen Staaten öffnete, ganz gezielt der menschenrechtlichen und demokratischen Anliegen der Bevölkerungen dieser kulturell-ethnisch und sprachlich so gemischten Staaten angenommen, insbesondere über die Beratung durch die Venedig-Kommission, die „European Commission for Democracy through Law“.94 Gleichzeitig wurden zwei bedeutende kultur- und sprachenrechtliche Abkommen ausgearbeitet: das erwähnte Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten vom 1. Februar 199595 sowie vorgängig die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen vom 5. November 1992, die konkrete sprachenpolitische Postulate an die Mitgliedstaaten richtet.96/97 Beide Abkommen werden über periodische Berichte überwacht. Entscheidend für die europäische Rechtsentwicklung ist allerdings, wie sich die Rechtsprechung zur EMRK und zu ihren Protokollen ent93 Die „Oslo Empfehlungen“ sind abgedruckt in: International Journal on Minority and Group Rights, 6 (1999), 359. Dazu: A. Eide The Oslo Recommandations Regarding the Linguisitic Rights of Minorities: An Overview, International Journal on Minority and Group Rights, 6 (1999), 319. 94 Dazu J. Raue Instrumente des Europarats zur Einflussnahme auf die Verfassungsentwicklungen seiner neuen Mitgliedstaaten, 2005, 44 ff. 95 Vgl. Fn. 73. Dazu: H. Klebes La Convention-cadre du Conseil de l’Europe pour la protection des minorités nationales, RUDH 1995, 165; ders. Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten, verabschiedet vom Ministerkomitee des Europarates am 10. November 1994, EuGRZ 1995, 262, inkl. Text (268 ff.) und Erläuterndem Bericht (271 ff.); G. Malinverni La Convention-cadre du Conseil de l’Europe pour la protection des minorités nationales, SZIER 5 (1995), 521; Botschaft des Bundesrates vom 19. November 1997, BBl 1998 1293; detailliert nun M. Weller (Hrsg.) The Rights of Minorities. A Commentary on the European Framework Convention for the Protection of National Minorities, 2005. 96 SEV -Nr. 148; inkraftgetreten am 1. März 1998, für Deutschland am 1. Januar 1999, für Österreich am 1. Dezember 2001, für die Schweiz am 1. April 1998. Dazu B. S. Pfeil Ziele der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen und Möglichkeiten staatlicher Umsetzung, Europa ethnica, 1/60 (2003), 24; Botschaft des Bundesrates vom 25. November 1996, BBl 1997 I 1165. 97 Leider ist die Wirksamkeit der Übereinkommen durch die Möglichkeit der Vorbehalte und Erklärungen „à la carte“ eher beschränkt; vgl. zu diesem Problem S. Trifunovska Factors Affecting the Applicability and Efficiency of International Norms Protecting Linguistic Rights of Minorities, International Journal on Minority and Group Rights 9 (2002), 235 (246 ff.).

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wickelt. Die EMRK kennt kein Menschenrecht auf Sprache.98 Ein von der Parlamentarischen Versammlung 1993 empfohlenes Zusatzprotokoll über Minderheitenrechte (inkl. Sprachengarantien)99 wurde vom Ministerrat nicht angenommen. Der EGMR hat sich jahrzehntelang sehr zurückhaltend gezeigt; dem staatlichen Sprachenordnungsinteresse wurde selbst gegenüber sprachlichen Diskriminierungen durch forcierte Assimilierung der Vorrang eingeräumt.100 Änderungen zeichnen sich jetzt aber ab. Das 12. Protokoll vom 4. November 2000, in Kraft seit dem 1. April 2005, enthält eine allgemeine Garantie der Rechtsgleichheit ohne die Akzessorietät zur Verletzung eines anderen Konventionsrechts wie Art. 14 EMRK .101 Wurde bisher aus dem Recht auf Bildung nach Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK keine Pflicht der Vertragsstaaten anerkannt, Schulunterricht in einer bestimmten Sprache anzubieten102, so können jetzt Eltern, deren Kinder in der gewünschten Sprache die Elementarschule besucht haben, verlangen, dass den Kindern nicht der Zugang zur Sekundarstufe dadurch verwehrt wird, dass diese nur in einer anderen Sprache angeboten bzw. durchgeführt wird.103/104 In der Europäischen Union lebt auf Unionsebene seit der Gründung der EWG die Vielsprachigkeit.105 Sie bekennt sich, wie es z. B. in einer Entschliessung des Europäischen Parlaments von 1995 heisst, dazu, „dass die Vielsprachigkeit eines der charakteristischen Merkmale der 98 Sie enthält bekanntlich nur zwei punktuelle strafverfahrensrechtliche Übersetzungsgarantien in Art. 5 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 3 Bst. f, dazu im 1. Zusatzprotokoll zur EMRK in Art. 2 ein Recht auf Bildung sowie ein beschränktes Diskriminierungsverbot in Art. 14 EMRK . 99 Empfehlung 1201 (1993) betr. ein Zusatzprotokoll zur EMRK über Minderheitenrechte vom 1. Februar 1993, s. EuGRZ 1993, 151. 100 Dies wurde zuletzt im Fall des Wahlregistrierungsbegehrens des schlesisch-polnischen Wählerverbandes bezüglich der Vereinigungsfreiheit von Art. 11 bestätigt ( EGMR Urteil Gorzelik u. a. vs. Polen (Fn. 69)). 101 C. Grabenwarter Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl. 2005, 384 f.; aA S. Trechsel Überlegungen zum Verhältnis zwischen Art. 14 EMRK und dem 12. ZP, in: R. Wolfrum (Hrsg.) Gleichheit und Nichtdiskriminierung im nationalen und internationalen Menschenrechtsschutz, 2003, 119 (130 ff.). 102 EGMR Urteil vom 23. Juli 1968 (Belgischer Sprachenfall) Série A 6 ( EuGRZ 1975, 298). 103 EGMR Urteil vom 10. Mai 2001, Zypern vs. Türkei, Recueil 2001- IV (§ 277 f.). 104 Ähnlich hat der österreichische Verfassungsgerichtshof es als unzulässig bezeichnet, nur in den ersten drei Elementarschuljahren in Slowenisch zu unterrichten und dieses danach nur noch als Fremdsprache zu behandeln: VfGH Erkenntnis vom 3. September 2000, G 2/00 u. a. 105 Verordnung ( EWG ) Nr. 1, ABl . 17 vom 6. Oktober 1958, 385, und seitherige Änderungen.

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Kultur, der europäischen Zivilisation und wichtiger Bestandteil der Pluralität und des kulturellen Reichtums Europas ist“.106 Die Union anerkennt in ihrer Sprachenverfassung allerdings aus vertragsrechtlichen bzw. staats- und kulturpolitischen Gründen nur die 21 Nationalsprachen der Mitgliedstaaten. Sie überlässt den Umgang mit den weiteren rund 40 europäischen Sprachen der über 150 nationalen Minderheiten den Mitgliedstaaten.107 Dennoch hat die EU schon früh punktuell, und seit ca. 2000 gezielt eine Sprachenpolitik aufgebaut, die allen Unionsbürgern (einschliesslich der Minderheiten) in den Mitgliedstaaten zugute kommen soll. Schon bald wurde mit der Forcierung der Personenfreizügigkeit deutlich, dass die damit verbundenen Sprachprobleme angegangen werden mussten. So erging 1977 die Richtlinie über die schulische Betreuung der Wanderarbeiter108, ein Thema, das auch die ILO und die UNO mittels Konventionen aufgenommen haben.109/110/111 Aufschlussreich ist im Weiteren die Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit: Nationale Vorschriften bezüglich der Verwendung von Landessprachen für die Verbraucherinformation bzw. Produktekennzeichnung wurden vom EuGH als mit dem Primär- und Sekundärrecht kompatibel be106 Entschliessung des Europäischen Parlaments zur Verwendung der Amtssprachen in den Organen der Europäischen Union vom 19. Januar 1995, ABl . C 19 vom 26. Januar 1995 ( EuGRZ 1995, 199). Vgl. R. L. Creech Law and Language in the European Union. The Paradox of a Babel „United in Diversity“, 2005, 49 ff. 107 Damit ist wohl die Pflege von Maltesisch, doch nicht die von Sardisch oder Katalanisch, unmittelbar Sache der Union. Zur Sprachenpolitik der EU vgl. Caviedes The Role of Language in Nation-Building (Fn. 7). 108 ABl . Nr. L 199 vom 6. August 1977. Creech Law and Language in the European Union (Fn. 106), 99 ff.; Hilpold Minderheiten im Unionsrecht, AVR 39 (2001), 432 (438). 109 ILO -Übereinkommen 97 über Wanderarbeiter in der Neufassung von 1949, in Kraft seit dem 22. Januar 1952 und ILO -Übereinkommen 143 über Missbräuche bei Wanderungen und die Förderung der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung der Wanderarbeitnehmer von 1975, in Kraft seit dem 9. Dezember 1978; Internationales Übereinkommen über den Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familien, angenommen durch Resolution 45/158 der UNO -Generalversammlung vom 18. Dezember 1990, in Kraft seit dem 1. Juli 2003. 110 Aus der Grundfreiheit der Freizügigkeit ergab sich der entschlossene Kampf gegen jede Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit, welche in der Regel auch eine ethnische, evtl. sprachliche Diskriminierung einschliesst. Dabei können allerdings Gleichbehandlungshindernisse aus mitgliedstaatlichen Sprachenregelungen als besondere, berechtigte Interessen eines Mitgliedstaates anerkannt werden; A. Epiney Art. 12 EGV , in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.) EUV / EGV -Kommentar, 2. Aufl. 2002, Rn. 36 ff. 111 Art. 12 und 13 EGV. Dazu z. B. M. Zuleeg Art. 13 EGV , in: H. von der Groeben/ J. Schwarze (Hrsg.) EUV / EGV -Kommentar, 6. Aufl. 2003, Rn. 36 ff.; vgl. auch Richtlinie des Rates 2000/43/ EG vom 29. Juni 2000. ABl . Nr. L 180 vom 19. Juli 2000, 22.

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zeichnet.112 Bedeutsamer für die Sprachenkultur in den Mitgliedstaaten sind allerdings die Regionalförderung sowie verschiedene bildungspolitische Initiativen und Programme wie Erasmus, Lingua, Sokrates und Leonardo oder Kulturprogramme wie Kaleidoscope, Ariane und Raphael.113 Gleichzeitig hat die Union in ihrer Aussenpolitik gegenüber Staaten Mittel- und Osteuropas, die an der Assoziierung oder der Mitgliedschaft interessiert sind, im Sinne der Verfassungsprinzipien der Union (Art. 6 EUV ) gemäss Art. 49 EUV Standards aufgestellt für den Menschenrechte- und Demokratieschutz.114 Hier wurde z. B. die Lage der Ungarn in der Slowakei oder der Russen in den baltischen Staaten daraufhin überprüft, ob deren Diskriminierung nicht zu einer Gefahr für den Integrationsprozess werden könnte, und es wurden entsprechende gesetzliche Abhilfen verlangt. Heute verfolgt die EU nach der von Art. 22 Grundrechte-Charta geforderten Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen eine mehrdimensionale Sprachenpolitik. Sie will zum einen das Erlernen und Verbreiten der Sprachen der Mitgliedstaaten, aber auch regionaler und weniger verbreiteter Sprachen im Sinne der Zwei- oder Mehrsprachigkeit fördern. Zum anderen will sie die Kommunikation der Unionsbürgerinnen und -bürger mit den Behörden in vielfältigen Sprachen im Geiste des Rechtes auf gute Verwaltung (Art. 41 GRCh ) ermöglichen und grundsätzlich115 die Vielsprachigkeit auf Unionsebene langfristig sichern.116

IV. Pflicht zur Überprüfung unserer Sprachenordnungen 1.

Ein erweitertes Verständnis der Sprachenfreiheit

Wie dieser Blick aufs Europarecht zeigt, werden unsere Länder den erwähnten vier Verantwortungen nur in Teilen gerecht. Wir haben daher 112 Vgl. z. B. EuGH Urteil vom 3. Juni 1999, Rs. C-33/97, Slg. 1999, I-03175; EuGH Urteil vom 9. August 1994, Rs. C-51/93, Slg. 1994, I-03879. Dazu Creech Law and Language in the European Union (Fn. 106), 71 ff. 113 Dazu einlässlich Hilpold Minderheiten (Fn. 108), 437 ff. 114 Die Einhaltung wird in den sog. Europa-Abkommen von 1993 und in den Gutachten zur „Beitrittsfähigkeit“ von den Kandidatenländern verlangt. Hilpold Minderheiten (Fn. 108), 444 ff.; F. Hoffmeister Menschenrechts- und Demokratieklauseln in den vertraglichen Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft, 1998; Besters-Dilger/ de Cilia/Krumm/Rindler-Schjerve (Fn. 23) mit zahlreichen Hinweisen. 115 „Grundsätzlich“ wegen des EuGH Urteils Kik vom 9. September 2003, Rs. C-361/01 P, Slg. 2003, I-08283. 116 Dazu J. Ennuschat Art. 22 GRCh , in: K. Stern/P. J. Tettinger (Hrsg.) Kommentar Europäische Grundrechte Charta, im Druck, Rn. 26 f.

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nach all den Veränderungen der letzten Jahrzehnte heute die dringende Pflicht, unsere staatlichen Sprachenordnungen zu überprüfen. Der erste Schritt dazu ist, dass wir nicht nur von der Existenz eines Grundrechts auf Sprachenfreiheit ausgehen, sondern auch diesem ein weiteres Verständnis zu Grunde legen. Die Freiheit einer Person, in ihrer Mutterresp. Erstsprache zu sprechen, darf nicht wie bisher nur als ein subjektives Recht auf eine ungestörte Kommunikation in den privaten Lebensbeziehungen verstanden werden.117 Dass ein Mensch das Recht hat, sich in der ihm eigenen, vertrauten Sprache entsprechend seinen Sprachfähigkeiten auszudrücken und sich damit implizit auch kulturell und sozial zu definieren, das gebietet schon die Achtung seiner Würde, Identität und Einmaligkeit.118 Wichtiger noch ist, dass anerkannt wird, wie Gabriele Britz entwickelte, dass die Sprachenentscheidung und die Sprechakte einer Person zentrale Elemente der Autonomie resp. Selbstbestimmung und Persönlichkeitsentfaltung sind.119 Beispielhaft sei die amtliche Schreibweise des Namens genannt, die nicht nach den Sprach- und Filiationsregeln unserer Länder allein erfolgen darf.120 Darüber hinaus kann die Verwendung einer bestimmten Minderheitssprache (wie Baskisch oder Bretonisch) z. B. durch demonstratives „Praktizieren“ von (allenfalls verbotenen) Sprach„bräuchen“ auch als Ausübung des Grundrechts auf freie Weltanschauung nach Art. 9 EMRK angesehen werden.121 Der freie Zugang zu Sprachenkenntnissen ist sodann nach Völkerrecht eine Teilgarantie der Bildungsfreiheit.122 Schliesslich erfordert die Sprachenfreiheit im Verkehr mit staatlichen Stellen zwingend soziale und verfahrensrechtliche Garantien. Zusammenfassend bin ich der Auffassung, dass die Freiheit der Sprache als ein spezifisches, eigenständiges Grund- und Menschenrecht mit einem breiten Schutzbereich anerkannt werden muss, das nicht so sehr ein Aspekt der KommunikaSo schon Auer la „liberté de la langue“ (Fn. 86). Zur Grundlage der Menschenwürde für die grundrechtliche Sprachenfreiheit Häberle Sprachen-Artikel und Sprachenprobleme (Fn. 4), 120 ff. 119 Britz Kulturelle Rechte und Verfassung (Fn. 31), 92 ff.; vgl. auch Kägi-Diener Art. 18 BV , in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender (Fn. 37), Rz. 10 ff. 120 Vgl. BGE 131 III 201; EJPD Richtlinien und Weisungen über die Bestimmungen und Schreibweisen der Namen von ausländischen Staatsangehörigen vom 1. Dezember 1995. 121 Zu Art. 9 EMRK Grabenwarter Europäische Menschenrechtskonvention (Fn. 101), 224. 122 Vgl. z. B. Art. 30 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention) sowie Art. 5 Abs. 1 Bst. c der Konvention gegen Diskriminierung in der Bildung, angenommen durch die Generalkonferenz der UNESCO am 14. Dezember 1960; Art. 12–14 Europäisches Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten. 117

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tionsfreiheit, sondern vor allem ein wichtiger Teil des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes ist. 2.

Die Stärkung des sprachenrechtlichen Minderheitenschutzes

Der zweite Schritt ist die Stärkung des sprachenrechtlichen Minderheitenschutzes, entsprechend der Fortentwicklung des Völker- und Europarechts. Dieser Schutz ist weitgehend noch ein Individualrechtsschutz. Die über 45 europäischen Staaten mit ihrer unterschiedlichen Sprachenpolitik sehen zum Teil in der Anerkennung von sprachpolitischen Gruppenrechten noch Gefährdungen ihrer Staatseinheit oder ihres politischen Systems. Entsprechend enthalten sowohl das Rahmenübereinkommen als auch die Sprachen-Charta des Europarates praktisch keine Anspruchsrechte der Minderheiten selbst. Doch sollen überhaupt Minderheitensprachen wie die der Samen oder der Ladiner und Rätoromanen noch als solche geschützt und erhalten werden? Wäre es denn nicht ehrlicher und wirtschaftlicher, solche kleine Sprachen sterben zu lassen? Nein, die Minderheitensprachen sind existenziell für die Menschen ihrer Sprachgemeinschaften, sie sind wesentlicher Bestandteil des kulturellen Erbes und sie sind für die staatliche Demokratie im Sinne eines auch kulturellen Pluralismus unverzichtbar.123 Die Hauptprobleme bestehen heute für die tradierten, autochthonen Sprachminderheiten im Bildungsangebot, im Medienzugang und Medienangebot sowie im Kampf gegen wirtschaftliche Rücksichtslosigkeiten diesen Sprachen gegenüber.124 Als positive wie negative Bei-

123 Vgl. M. Kusy Innate Dignity, Cultural Identity and Minority Language Rights, International Journal on Minority on Group Rights 6 (1999), 299. 124 Vgl. dazu und zu entsprechenden Massnahmen der Bundesrepublik Deutschland, Österreichs und der Schweiz einschliesslich den Regelungen des minderheitensprachlichen Behördenverkehrs die Länderberichte an den Europarat zum Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (für Deutschland: Zweiter Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Rahmenübereinkommen (Fn. 17), bes. 48 f., 50 ff., 117 ff., 139 ff., 160 ff., 169 ff., 202 ff., 206 ff., 256 f., 258 ff.; für Österreich: Bericht der Republik Österreich zum Rahmenübereinkommen (Fn. 22), bes. 26 ff., 48 ff., 59 ff., 66 f., 67 ff., 110 ff., und die Stellungnahme der Volksgruppen zum Österreichischen Staatenbericht vom Oktober 2000, die Zusatzfragen des Europarates vom Mai 2001 und die Zusätzlichen Informationen zum Österreichischen Staatenbericht 2001, bes. 35 ff., sowie den Prüfbericht über Österreich des Beratenden Ausschusses für das Rahmenabkommen zum Schutz nationaler Minderheiten vom 16. Mai 2002 (ACFC / OP/I[2002]4), bes. 19 ff., 21 ff., 27 ff., 30 f., 31 ff., 35 ff., 37 f., 38 ff., 46 ff., und Stellungnahme der Republik Österreich zum Prüfbericht des Beratenden Ausschusses nach der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten von 2002; für die Schweiz:

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spiele für Lösungsansätze können aus der Schweiz genannt werden: Wenn der Anteil der die bedrohte Minderheitssprache sprechenden sowie diese Sprache als Bildungssprache wählenden Schüler in einer Gemeinde stark sinkt, darf nicht sogleich, wie dies noch vor wenigen Jahren praktiziert wurde, die Schulsprache zur Mehrheitssprache hin wechseln.125 Zum Vergleich: Der österreichische Verfassungsgerichtshof spricht bei einem Anteil von 10,4 % Slowenisch sprechenden Gemeindeeinwohnern zu Recht (schon) von einer gemischten Gemeinde.126 Im Weiteren sollte, da immer mehr Menschen beruflich zur Mobilität gezwungen sind, auch ausserhalb der traditionellen Sprachgebiete in den urbanen Zentren Unterricht in der Minderheitensprache angeboten werden.127 Printmedien in der Minderheitssprache müssen, trotz Vorbehalten bezüglich der Presseförderung, mindestens mittelbar unterstützt werden, ebenso Lokalradios und besondere Fernseh-Gefässe der öffentlichrechtlichen Anstalten (auch damit Art. 17 UNO -Kinderrechtskonvention entsprochen wird).128 Entscheidend aber ist, wie weit von der Erster Bericht der Schweiz zur Umsetzung des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten vom April 2001, bes. 48 ff., 61 ff., 65 ff., 69 ff., 71 f., 72, 73, 74 ff., die Informationen zur Vervollständigung des ersten Berichts (Fn. 12), bes. 25, 47 ff., 59 f., 64 ff., 68 f., 70 ff., und das Gutachten des Beratenden Ausschusses (Fn. 88), bes. 9, 10, 15, 17, 18 ff., 21, 23 ff., sowie die Stellungnahme der Schweiz (Fn. 88)) und zur Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen für Deutschland: Zweiter Bericht der Bundesrepublik Deutschland zur Europäischen Charta (Fn. 17), 20 ff., 32 ff., 38 ff., 67 ff., Teil E (Stellungnahme der Minderheiten/ Sprachgruppen); für Österreich: Bericht zur Europäischen Charta (Fn. 22), 20 ff., 26 ff.; für die Schweiz: Zweiter Bericht zur Europäischen Charta (Fn. 11), bes. 13 ff., 16 ff., 33 ff., 39 ff.). 125 Denn, so meinte das Bundesgericht in einem anderen Zusammenhang, „ … in traditionell zwei- und mehrsprachigen Gebieten“ kann sich „aus der Sprachenfreiheit ein Anspruch darauf ergeben, in einer der mehreren traditionellen Sprachen unterrichtet zu werden, sofern dies nicht zu einer unverhältnismässigen Belastung des Gemeinwesens führt.“ ( BGE 125 I 359). Vgl. auch Wilson La liberté de la langue (Fn. 88), 361 ff.; Thürer Recht und Sprache (Fn. 80), 160 f. Früher betonte das Bundesgericht zu sehr das Territorialprinzip und lehnte solche Forderungen noch ab, vgl. BGE 91 I 480, 487; 100 Ia 462, 466 ff.; 122 I 236, 239 ff.; siehe Guckelberger Das Sprachenrecht in der Schweiz (Fn. 2), 628 ff. Die Anerkennung einer Schutz- und Förderpflicht entspricht auch Art. 14 Abs. 2 Europäisches Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (Fn. 73). 126 VfGH Erkenntnis vom 10. April 2000, V 91/99. 127 So werden im deutschsprachigen Chur seit einigen Jahren in der Grundschule deutsch-italienische sowie deutsch-rätoromanische Schulgänge geführt, die sogar Kinder deutscher Muttersprache gern wählen. Dazu Wilson La liberté de la langue (Fn. 88), 371 ff., 377 ff.; Thürer Recht und Sprache (Fn. 80), 159. 128 Zweiter Bericht der Schweiz an den Europarat zur Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, 2002, 18 f., 47 f., 55 f., 63.

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Wirtschaft Konzessionen verlangt werden können. Das Schweizerische Bundesgericht hat vor einigen Jahren die Gemeindebehörden von Disentis geschützt, als sie einer Restaurantkette untersagten, die Leuchtreklame „Bar Amici“ aufzuhängen und eine rätoromanische Beschilderung verlangten.129 Unser Staatsunternehmen „Die Post“ hingegen bietet viele seiner Kundeninformationen auf Englisch, doch nur einen kleinen Teil auf Rätoromanisch und keineswegs alle auf Italienisch an, als ob es keine Grundrechtsbindung öffentlicher Unternehmen noch europarechtliche Pflichten der Schweiz, etwa aus Art. 10 und 11 des Rahmenübereinkommens gäbe. Positiv zu werten ist hingegen, dass ein führendes Informatikunternehmen unlängst das erste Textverarbeitungsprogramm auf Rumantsch Grischun bereitgestellt hat. Verfassungs- und europarechtlich kann es somit besondere, berechtigte Interessen geben, durch Sprachengesetze der Wirtschaft Auflagen zu machen und Anreize zu bieten. 3.

Neue Minderheiten und allgemeine Sprachprobleme unserer multilingualen Gesellschaft

Der dritte erforderliche Schritt ist eine bewusste Regelung wichtiger Sprachprobleme der sog. neuen Minderheiten, ja der immigrierten fremdsprachigen Bevölkerung generell. Österreich, Deutschland und die Schweiz haben anlässlich ihrer Ratifikationen des Europäischen Rahmenübereinkommens und der Europäischen Sprachen-Charta (aus nachvollziehbaren politischen Überlegungen) je eine Erklärung abgegeben, nach welcher sie einzig die autochthonen Sprachenminderheiten als nationale anerkennen.130 Aber hat die Gemeinschaft der Albaner in der Schweiz, der Türken in Deutschland oder der Polen in Österreich keine spezifischen sprachlichen Schutzbedürfnisse? Die Lehre131 und die menschenrechtliche Spruchpraxis anerkennen, dass nach Art. 27 UN -Pakt II auch immigrierte ethnisch-kulturelle, reli129 BGE 116 Ia 345. Vgl. zum Konflikt zwischen den Interessen an einer Marke und der Sprachkultur auch Creech Law and Language in the European Union (Fn. 106), 91 ff. 130 Vgl. zum Rahmenübereinkommen die Erklärungen der BRD vom 10. September 1997, Österreichs vom 31. März 1998 und der Schweiz vom 21. Oktober 1998 sowie zur Charta die Erklärungen der Bundesrepublik vom 16. September 1998 und 17. März 2003, Österreichs vom 28. Juni 2001 sowie der Schweiz vom 23. Dezember 1997. 131 Tomuschat Protection of Minorities (Fn. 72), 960 ff.; Henrard Individual Human Rights, Minority Rights and the Right to Self-Determination (Fn. 34), 42 f.; M. Nowak UNO -Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll. CCPRKommentar, 1989, Art. 27 Rn. 16 f., Rn. 18 ff.

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giöse oder sprachliche Minderheiten als solche zu anerkennen sind.132 Entsprechend haben sich nicht nur der Europarat, sondern auch die EU , etwa in den Beitrittsverfahren der baltischen Länder, für die Gleichstellung und die demokratischen Rechte dort immigrierter Russen genauso eingesetzt, wie sie es für die angestammte italienische Minderheit in Slowenien oder die ungarische in der Slowakei getan hat.133 Mit dieser Rechtsentwicklung sind unsere Länder konfrontiert. Selbstverständlich besteht staats- und verfassungsrechtlich z. B. in der Schweiz keine Verpflichtung, den grössten Gruppen von Immigrantensprachen einen den Landessprachen vergleichbaren Status zu geben. Aber es ist z. B. sinnvoll, dass die Kommunen und Bundesländer resp. Kantone heute selber schon den Verkehr mit offiziellen Vertretern von immigrierten Minderheiten pflegen, deren Sprachanliegen im Schulbereich und im Verkehr mit Amtsstellen beachten oder Minderheiten mit längerer Anwesenheitsdauer gewisse politische Mitwirkungsrechte, ähnlich denen der EU -Bürger, gewähren.134 Die aktuellen rechtlichen Sprachenprobleme reichen aber über die Diskussionen eines erweiterten Minderheitenbegriffs weit hinaus. Sprache ist unstreitig ein zwingender Bestandteil jeder öffentlichen Dienstleistung oder Ordnungsvorkehr. Entsprechend sind alle Angehörigen von fremden Sprachen in eine ungleiche und nachteilige Position versetzt, wenn sie die öffentlichen Dienstleistungen nützen oder sich gegenüber staatlichen Eingriffen wehren wollen.135 Wie kann eine griechische Patientin in einem deutsch geführten Spital zu einem notwendigen medizinischen Eingriff ihren „informed consent“136 äussern, ohne angemessene schriftliche und mündliche Erläuterungen in ihrer Erstsprache? Wie kann eine kosovarische Flüchtlingsfamilie ihr Kind in unseren Staaten überhaupt bei der Einschulung begleiten, und welche Sprachenausbildung ist für dieses Kind angezeigt?137

132

Vgl. die Allgemeinen Bemerkungen des Menschenrechtsausschusses zu Art. 27

UN -Pakt II : General Comment No. 23 (Art. 27), 08/04/94.CCPR /C/21/Rev.1/Add.5. 133 Nachweise bei de Varennes, Language, Minorities and Human Rights (Fn. 71) 157 ff.; Besters-Dilger/de Cilia/Krumm/Rindler-Schjerve (Fn. 23), passim. 134 D. Thürer Kommunalwahlrecht in der Rechtsordnung der Europäischen Union, in: Konferenz der Kantonsregierungen (Hrsg.) Die Kantone vor der Herausforderung eines EU -Beitritts, 2001, 209–231. 135 Z. B. Henrard Individual Human Rights, Minority Rights and the Right to SelfDetermination (Fn. 34), 47. 136 Vgl. Art. 6 Biomedizin-Konvention des Europarates vom 4. April 1997. 137 Oder: Wie ist eine Anamnese im Rahmen medizinischer Untersuchung einer sozialversicherten Person oder wie eine Abklärung der Vermittlungsfähigkeit einer arbeitslosen fremdsprachigen Person durchzuführen? Wie sind schliesslich Auseinan-

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Unsere Gesetze enthalten nur rudimentäre Garantien, wie den Anspruch auf einen Dolmetscher nach Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 3 Bst. a und f EMRK , und sie genügen längst nicht mehr.138 Einzelfallentscheidungen über das Verhältnismässigkeitsprinzip können diese erheblichen Probleme des Sozialstaates und des Rechtsstaates nicht mehr angemessen lösen.139 Selbst das Diskriminierungsverbot hilft in Einzelfällen, wie die Strassburger Rechtsprechung zeigt, nicht. Denn häufig ist strittig, ob eine unhaltbare Differenzierung bzw. Nichtdifferenzierung noch in der staatlichen „margin of appreciation“ liegt, und zudem müssen die Auswirkungen auf andere Sprachen mit bedacht werden. Es braucht also gezielte Normsetzungen, die den Zahlen der Sprachgruppenmitglieder, dann sozialen, kulturellen oder religiösen Überlegungen sowie den fachlichen und finanziellen Möglichkeiten und den Effizienzgeboten (kombiniert) Rechnung tragen. Für solche sprachlich-kulturelle Entscheidungen seien zwei Beispiele genannt: x Das Erziehungsdepartement des Kantons (Bundeslandes) St. Gallen bietet die wichtigsten Informationen über die Kindergärten und die Grundschule in Deutsch, Albanisch, Serbisch/Kroatisch, Bosnisch, Spanisch und Türkisch an. Das ist in Hessen oder in Wien zweifelsohne ganz ähnlich. Die kantonalen Weisungen zur Unterrichtssprache halten u. a. fest, dass Hochdeutsch und nicht ein mündlicher Dialekt ab der ersten Primarklasse in allen Schulstufen konsequent die Unterrichtssprache ist. In der ersten Klasse, in der Einführungsklasse und im Einschulungsjahr verwenden die Schülerinnen und Schüler Hochdeutsch entsprechend ihren Möglichkeiten; ab der zweiten Primarklasse soll Hochdeutsch konsequent gesprochen werden, wobei fremdsprachige Kinder bei Bedarf je einzeln „Stützunterricht“ erhalten.140 Zugleich gilt: „Die möglichst gute Beherrschung der Erst- oder Muttersprache ist Grundvoraussetzung für das Erlernen von Deutsch als Zweitsprache. Kinder mit Migrationshintergrund werden daher zum Besuch des Unterrichts in heimatdersetzungen über Verwaltungssanktionen, z. B. im Strassenverkehr, in der multilingualen Gesellschaft zu bewältigen (vgl. EGMR Urteil Öztürk vs. Deutschland vom 21. Februar 1984, Série A 73)? 138 Für die BRD vgl. etwa Art. 103 Abs. 1 GG und §§ 184–191 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG ). 139 Ebenso in ihrer Analyse der EMRK -Spruchpraxis Henrard Individual Human Rights, Minority Rights and the Right to Self-Determination (Fn. 34), 48 ff.; sowie dies. Language and the Administration of Justice: The International Framework, International Journal on Minority and Group Rights 7 (2000), 75. 140 Weisungen zur Unterrichtssprache vom 19. Mai 2005, im Amtlichen Schulblatt des Kantons St. Gallen veröffentlich am 15. Juni 2005.

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licher Sprache und Kultur ermuntert. Kinder der Primarstufe werden dazu vom Klassenunterricht während zweier Wochenlektionen dispensiert.“141 x Ein anderes Beispiel: Eine für die Rentenversicherung nötige, psychiatrisch-medizinische Begutachtung einer gesundheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit (etwa einer Bosnierin oder einer Spanierin) muss gemäss Bundesgericht bei Sprachproblemen zwingend mit Hilfe einer Dolmetscherin durchgeführt werden, welche die „doppelte Übersetzung“ leisten kann, die sprachliche und die kulturelle.142 Was zeigen diese Beispiele? Die Rechtsprobleme unserer multilingualen Bevölkerungen können nicht mit einer (abstrakten) Assimilierungspflicht143 beantwortet werden, auch wenn der Erwerb der Landessprachen klar im Interesse der Migranten selbst liegt und wenn die nationale Kultur- und Wertegemeinschaft (etwa bezüglich Gleichstellung der Geschlechter oder konfessioneller und ethischer Neutralität der öffentlichen Schulen) klar vertreten werden muss. Umgekehrt lassen sich aus Sicht der fremdsprachigen Landesbewohner deren Spracherwartungen nicht allein aus der Sprachenfreiheit beantworten (z. B. bezüglich zweisprachiger Ortstafeln)144. Es geht letztlich vorrangig darum, den staatlichen Bildungsauftrag im Rahmen der staatlichen Schulpflicht zu erfüllen145, die Sozialstaatspflicht zur Gewährleistung der Chancengleichheit zu beachten sowie rechtliches Gehör und Fairness in allen Verfahren zu garantieren, in denen sonst (im Sinne des BVerfG ) der 141 Kreisschreiben über die Beschulung von Kindern mit Migratonshintergrund vom 15. Juni 2005, St. Gallen. 142 BGer Urteil vom 30. Dez. 2003, I 245/00, E. 4.2 (AHI 2004 143 (146 f.)); BGer Urteil vom 30. Dezember 2003, I 451/00, E.2.3; BGer Urteil vom 16. Januar 2004, I 664/01, I 682/01; vgl. auch S. Fankhauser Begutachtung von Migrantinnen und Migranten, SZS 49 (2005), 410. Ein weiteres Beispiel: Eine strafrechtlich verurteilte, fremdsprachige Person, die im Verfahren die Möglichkeit zur Unterstützung durch einen Dolmetscher hatte, kann dagegen nicht verlangen, dass das Strafurteil in ihre Nichtlandessprache übersetzt wird ( BGE 118 Ia 462, E. 3 (468)). Doch in Sozialversicherungsstreitigkeiten hat das Bundesgericht wiederum entschieden, dass sich eine französischsprachige Person im Kanton Bern nicht auf Deutsch untersuchen lassen muss, sondern diese Untersuchung in der Romandie durchführen lassen kann (Urteil vom 2. Juli 2003 (I 790/2002). 143 So Kirchhof Deutsche Sprache (Fn. 3), Rn. 121 f. 144 Dazu Beschlüsse des österr. VfGH vom 13. Dez. 2001 (V 62/01), 14. Dez. 2004 (V 131/03) und 12. Dez. 2005 (V 64/05). 145 Art. 13/14 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; Art. 28/9 Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Vgl. z. B. Wilson La liberté de la langue (Fn. 88), 27 ff., 79 ff., 227 ff.

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nicht Sprachkundige zu einem Objekt des Verfahrens herabgewürdigt würde.146/147/148

V.

Sprachenrechtsfragen sind Fragen der Rechtskultur

Lassen Sie mich als letzten Punkt noch auf die Frage der Rechtskultur eingehen. Sprache als Kultur- und Rechtsgut ist ein Grundthema des Rechts und der juristischen Tätigkeiten selbst.149 So wie Juristinnen und Juristen in sprachlicher Beziehung arbeiten und rechtlich argumentieren, was sie zur Klarheit und Verständlichkeit der Rechtserlasse und der Verträge beitragen, wie sie die juristischen Sprechakte (Gesetzestexte, Verwaltungsakte und Urteile) transparent und bürgernah gestalten, so prägen sie auch die Rechtskultur in ihren Wirkungsfeldern. Hier eröffnet nun die moderne Sprachwissenschaft wesentliche Einsichten in die Strukturen und Bedingungen der Spracharbeit.150 Diesen Einsichten jenseits der rechtswissenschaftlichen Disziplin dürfen sich die Rechtstheorie und besonders die juristische Methodenlehre nicht mehr verschliessen.151 146 Th. Braitsch Gerichtssprache für Sprachunkundige im Lichte des „fair trial“. Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum geltenden Recht der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz unter dem Blickwinkel der Europäischen Menschenrechtskonvention, 1991; de Varennes Commentry on Art. 10(3) European Framework Convention, in: Weller (Hrsg.) The Rights of Minorities (Fn. 95), 323 ff. 147 BVerfGE 64, 135 (145), bzgl. Strafverfahren. 148 Wegleitend dafür, wie staatliches Sprachenrecht geordnet sein sollte, ist Art. 6 Abs. 1 des Rahmenübereinkommens (Fn. 73): „Die Vertragsparteien fördern den Geist der Toleranz und des interkulturellen Dialogs und treffen wirksame Massnahmen zur Förderung der gegenseitigen Achtung und des gegenseitigen Verständnisses sowie der Zusammenarbeit zwischen allen in ihrem Hoheitsgebiet lebenden Menschen, unabhängig von deren ethnischer, kultureller, sprachlicher oder religiöser Identität, und zwar insbesondere in den Bereichen Bildung, Kultur und Medien.“ 149 Rechtsfragen der Sprachen sind im Grunde keine Minderheitenprobleme; die Minderheitenprobleme fördern nur die grundsätzlichen Fragen zu Tage, weil dort Rechtsgemeinschaft und Sprachgemeinschaft in kulturellen Konflikten auseinander driften können. 150 Vgl. z. B. D. Busse Recht als Text. Linguistische Untersuchungen zur Arbeit mit Sprache in einer gesellschaftlichen Institution, 1992; F. Müller/R. Christensen/M. Sokolowski Rechtstext und Textarbeit, 1997; sowie die Studien der interdisziplinären Arbeitsgruppe Sprache des Rechts der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in: K. D. Lerch Die Sprache des Rechts, 3 Bde., 2004 f. 151 Vgl. dazu allen voran die bisherigen Verdienste der Strukturierenden Rechtslehre von F. Müller, z. B. in: ders./R. Christensen (Hrsg.) Juristische Methodik. Band I. Grundlagen. Öffentliches Recht, 9. Aufl. 2004; D. Busse Juristische Semantik. Grundfragen

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Doch darüber hinaus müssen wir in allen europäischen Staaten, dem Beispiel der EU folgend, bei den komplexen Normierungsaufgaben in unseren multilingualen Staatsgemeinschaften die Chancen, die eine vielsprachige Rechtsordnung bietet, besser wahrnehmen,152 und dies nicht nur im Vollzug des Unions- und Völkerrechts oder im Rahmen des internationalen Wirtschaftsrechts. Das Recht soll responsiv die sprachlich-kulturellen Unterschiedlichkeiten und Anliegen der Bevölkerung aufnehmen. Dazu sind besonders die Translationsmittel in der Gesetzespublikation und im Gesetzesvollzug erheblich auszubauen. Doch es braucht noch mehr: Wo eine mehrsprachige Gesetzgebung geboten ist, soll die Erarbeitung des Gesetzes wenn immer möglich in diesen Sprachen parallel geführt werden, damit die unterschiedlichen Text-Kontexte inhaltlich Aufnahme finden. Aus der so mehrsprachig parallel geführten Rechtsetzung und Rechtsprechung, aus der Gehörsgewährung an sprachlich-kulturell differente Menschen und aus dem demokratischen politischen Dialog mit Sprach- und Kulturminderheiten gewinnt das Recht zusätzliche Wirklichkeitsnähe, Qualität und Billigkeit, die wir alle in der offenen, vielsprachigen Welt von heute so sehr brauchen. Die heutige Rechtskultur in sprachlicher Sicht verlangt vom europäischen Recht und dem Staats- und Verwaltungsrecht nicht nur grosse Anstrengungen in der Verständlichkeit des Rechts, nicht nur eine den sozialen Realien entsprechende Bereitschaft zur gleichberechtigten Mehrsprachigkeit in Rechtsetzung und Rechtsvollzug, sondern sie verlangt in Rechtsordnung und Rechtspraxis auch sprachliche „Verständigungsbereitschaft“. Verständigungsbereitschaft, oder wie Art. 6 Rahmenübereinkommen fordert: „Toleranz“, sind Grundlagen der rechtsstaatlichen Demokratie. Demokratie muss in einer vielsprachigen Gesellschaft sicher mancherlei Komplikationen überwinden, aber sie wird gerade dann „direkt“ und „unmittelbar“, wenn kollektiv der Respekt waltet vor dem

der juristischen Interpretationstheorie in sprachwissenschaftlicher Sicht. 1993. Auf aus Unkenntnis der Linguistik herrührende Fehler der Rechtsprechung wird ferner hingewiesen etwa bei Braselmann Der Richter als Linguist. Linguistische Überlegungen zu Sprachproblemen in Urteilen des Europäischen Gerichtshofs, in: Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht 68 (1991), 68, oder G. Grewendorf Rechtskultur als Sprachkultur. Der sprachanalytische Sachverstand im Recht, in: ders. (Fn. 51), 11 (29). 152 Zu den methodischen Fragen der Rechtsetzung und Rechtsprechung in mehrsprachigen Rechtsordnungen siehe R. Christensen/F. Müller Mehrsprachigkeit oder das eine Recht in vielen Sprachen, in: F. Müller/I. Burr (Hrsg.) Rechtssprache Europas, Reflexion der Praxis von Sprache und Mehrsprachigkeit im supranationalen Recht, 2004, 9; R. Christensen/M. Sokolowski Juristisches Entscheiden unter der Vorgabe der Mehrsprachigkeit, in: ebd., 113; I. Burr/T. Gallas Zur Textproduktion im Gemeinschaftsrecht, in: ebd., 195.

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Kultur- und Rechtsgut Sprache und vor jedem Menschen, welche Sprache in welcher Art auch immer er spricht. An diesem so ehrwürdigen Ort hier in Frankfurt möchte ich in einer verfassungsrechtlichen Perspektive schliessen.153 Art. XIII § 188 der Pauls-Kirchenverfassung von 1849 bestimmte: „Den nicht deutsch redenden Volksstämmen Deutschlands ist ihre volkstümliche Entwicklung gewährleistet, namentlich die Gleichberechtigung ihrer Sprachen, soweit deren Gebiete reichen, in dem Kirchenwesen, dem Unterrichte, der inneren Verwaltung und der Rechtspflege.“154 Mögen diese Normen auch künftig für die anstehenden notwendigen Reformen unserer Sprachenordnung inspirierend wirken und unsere sprachenbezogene Verständigungsbereitschaft anleiten.

153 Art. 19 Abs. 2 des Staatsgrundgesetzes für die Völker der Habsburgermonarchie von 1857 lautete: „Die Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt und öffentlichem Leben wird vom Staate anerkannt.“; Hilpold Minderheitenrecht (Fn. 1), 24. 154 Dieser Artikel war Vorbild für Art. 133 Weimarer Reichsverfassung: „Die fremdsprachigen Volksteile des Reichs dürfen durch die Gesetzgebung und Verwaltung nicht in ihrer freien, volkstümlichen Entwicklung, besonders nicht im Gebrauch ihrer Muttersprache beim Unterricht, sowie bei der inneren Verwaltung und der Rechtspflege beeinträchtigt werden.“

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Leitsätze des 1. Berichterstatters über:

Sprache als Kultur- und Rechtsgut I.

Die tatsächlichen Sprachverhältnisse

1. Unverzichtbar für einen Diskurs über Sprache und Recht sind Kenntnisse über die tatsächlichen Sprachverhältnisse in unseren Ländern sowie (zumindest ansatzweise) eine sprach- und kulturwissenschaftliche Reflexion des Sprachbegriffs. 2. Die tatsächlichen Sprachverhältnisse in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeichnen sich aus durch eine starke Mehrheitssprache, mehr oder weniger verbreitete Minderheitensprachen sog. „nationaler Minderheiten“ sowie durch eine Vielzahl immigrierter Minderheitensprachen mit einem erheblichen Bevölkerungsanteil. 3. Auf unsere Rechtsordnungen wirken heute aber auch die vielsprachigen europäischen und internationalen Staatenkooperationen ein.

II.

Sprache als Teil der Kultur und als Kulturgut

4. Sprache ist ein zentrales System, dessen sich der Mensch in existenzieller Weise für sein Denken, Kommunizieren und Handeln bedient. Dass das Sprechen und die Sprachen zugleich eminente Teile einer gemeinschaftlichen Kultur sind, ist uns allen bewusst: denn die kulturelle Relevanz von Sprache prägt die Staatenordnung seit Jahrhunderten. 5. Sprache ist ein zentraler Teil jeder Kultur. Sie dient als kollektive Erinnerung und Vorstellung, als wichtigstes Medium für die zwischenmenschliche und kollektive Kommunikation und die Beziehungspflege sowie als gemeinsames Ausdrucksmittel. Damit prägt sie die kulturelle Identität, das kulturelle Selbstverständnis der Glieder einer Gruppe und der Gruppe selbst wesentlich. 6. Das moderne Kriegsvölkerrecht hat den Begriff des Kulturgutes definiert. Das Kulturgut ist vor Eingriffen in seine Substanz und seine kulturellen Bindungen sowie vor sonstigen Minderungen seines kulturellen Wertes zu schützen. Das geltende Völkerrecht des Kulturgüterschutzes kann für Kultur und Sprache wenig bringen, weil der Kulturgüterbegriff bisher auf materielle

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Gegenstände ausgerichtet war. Die UNESCO -Konvention vom 17. Oktober 2003 zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes bringt hier eine erste notwendige Korrektur.

III. Sprache als Teil des Rechts und als Rechtsgut 7. Allerdings: Sprache als zentraler Teil der Kultur verlangt noch viel mehr vom Kulturrecht als lediglich Schutz, wie er vorwiegend durch das Kulturgüterrecht gewährt wird. Der sprachenbezogene, staatliche Kulturauftrag muss im Bereich der allgemeinen Bildung, der Unterstützung und Sicherung der sprachlich wirkenden Kulturschaffenden, der sprachlichen Qualität der elektronischen Medien oder der sprachwissenschaftlichen Forschung verstärkt werden. 8. Die Sprache ist auf Grund ihrer kulturellen Funktion und ihres Potenzials zur friedlichen Konfliktlösung die Grundlage jeder rechtsstaatlichen Rechtsordnung. Sprache strukturiert das Leben und die sozialen Beziehungen. Sprache institutionalisiert und strukturiert auch das Recht. Die Sprache „verfasst“ die gemeinschaftliche Ordnung, insbesondere die Verfassungsordnung. 9. Sprache ist aber nicht nur Voraussetzung und Grundlage von Recht, sondern zugleich dessen Medium und wichtigstes Arbeits- und Wirkungsinstrument. Die Sprache ist jedoch aufgrund ihrer Mehrdeutigkeit nur schwer fassbar und handhabbar. Die Sprachen erweisen sich als vielfach wandelbar in wechselndem Kontext sowie kulturell unterschiedlich wertbezogen. 10. In ihrer grundlegenden, konstituierenden Funktion ist Sprache, in allen ihren wesentlichen Aspekten, ein eminent wichtiges Rechtsgut. Allgemein rechtstheoretisch kann man sagen, dass ein Rechtsgut dasjenige materielle oder immaterielle (persönliche) Interesse ist, das vom Recht als schützenswert anerkannt wird. Einige sprachenbezogene Rechtsgüter sind klassisch: die Redefreiheit, die Sprachenfreiheit sowie die sprachenbezogenen Aspekte des rechtlichen Gehörs. Ob und inwieweit es neben den individualrechtlichen auch kollektive Rechtsgüter bezüglich der Sprache gibt, z. B. beim Recht auf Bildung, Medienzugang oder politischer Repräsentation für Sprachenminderheiten, ist eine offene Frage.

IV. Die Verantwortungen für Sprache 11. Die Staats- und Rechtsordnungen haben vielfältige rechtliche Verantwortungen für die Sprache. Dabei geht es erstens um den grund- und menschenrechtlichen Schutz von Sprachen, von Sprachfähigkeiten und zum Teil

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von Sprachzugehörigkeiten, einschliesslich positiver Schutz-, Gewährleistungs- und sozialstaatlicher Förderpflichten. Zweitens geht es um Erhaltung und Förderung von Sprachgruppen, sofern sie Sprachminderheiten sind, jedenfalls wenn es sich um autochthone Sprachminderheiten handelt. Drittens bestehen allgemeine, insbesondere rechtsstaatliche und soziale Handlungsund Leistungspflichten, um der Vielsprachigkeit unserer Gesellschaft gerecht zu werden. Und viertens gibt es breite rechtliche Verantwortungen für die sprachliche Kultur des Rechts selbst. 12. Die Träger der Sprachinteressen sind vorwiegend die verschiedenen Sprachgemeinschaften, die innerhalb der Staaten meist Minderheiten sind. Die Mehrheitssprache braucht m. E. keinen Schutz, noch sollte sie generell reguliert werden. Im Bereich der Mehrheitssprache liegt die staatliche Verantwortung m. E. bei der Pflege der Qualität der Rechtssprache. Die Angehörigen einer Minderheit sollen, wie Art. 5 Abs. 1 des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten von 1995 sagt, in der Lage sein, „ihre Kultur zu pflegen und weiterzuentwickeln und die wesentlichen Bestandteile ihrer Identität, nämlich ihre Religion, ihre Sprache, ihre Traditionen und ihr kulturelles Erbe, zu bewahren.“ 13. Die Schweiz als traditionell mehrsprachiges Land verfolgt seit 1848 eine andere Sprachpolitik als beispielsweise Frankreich. Sie verfügt, wie Österreich, Italien oder Spanien, über eine ausgebaute Sprachenverfassung. Der Bund anerkennt (neu) alle vier Sprachgemeinschaften und deren Angehörige als gleichberechtigt und er ist zugleich Garant der schweizerischen Viersprachigkeit. Die Kantone sind in der Sprachenfrage weitgehend autonom, sie sollen aber die herkömmlichen Sprachgebiete respektieren. 14. Das europäische Recht hat zuerst eher vorsichtig, in jüngerer Zeit aber deutlicher und wegweisend auf die Sprachprobleme Europas reagiert. Aus dem Wirken des Hochkommissärs der OSZE für Minderheiten erwuchsen die bedeutsamen „Oslo Recommandations Regarding the Linguistic Rights of Minorities“ von 1998. 15. Der Europarat hat zwei grundlegende kultur- und sprachenrechtliche Abkommen ausgearbeitet. Entscheidend für die europäische Rechtsentwicklung ist allerdings die Rechtsprechung zur EMRK . Diese kennt kein Menschenrecht auf Sprache. Der EGMR hat sich jahrzehntelang sehr zurückhaltend gezeigt; Änderungen zeichnen sich jetzt aber ab. Das 12. Zusatzprotokoll zur EMRK vom 4. November 2000, in Kraft seit dem 1. April 2005, bringt zudem eine allgemeine Garantie der Rechtsgleichheit, ohne die Akzessorietät von Art. 14 EMRK . 16. In der Europäischen Union lebt auf Unionsebene die Vielsprachigkeit. Die Union anerkennt in ihrer Sprachenverfassung allerdings aus vertragsrechtlichen bzw. staats- und kulturpolitischen Gründen nur die 21 Nationalsprachen der Mitgliedstaaten und überlässt den Umgang mit den weiteren

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rund 40 europäischen Sprachen der über 150 nationalen Minderheiten den Mitgliedstaaten. Dennoch hat die EU schon früh punktuell, und seit ca. 2000 gezielt eine Sprachenpolitik aufgebaut, die allen Unionsbürgern (einschliesslich der Minderheiten) in den Mitgliedstaaten zugute kommen soll. Gleichzeitig hat die Union in ihrer Aussenpolitik für den Menschenrechteund Demokratieschutz gemäss Art. 49 EUV strenge Standards zugunsten diskriminierter Sprachminderheiten aufgestellt.

V.

Aktuelle Sprachprobleme und Ansätze zu deren Lösung

17. Unsere Länder werden den unter Ziff. 12 erwähnten vier Verantwortungen nur in Teilen gerecht. Der erste Schritt dazu ist, dass wir die Existenz des spezifischen Grundrechts auf Sprachenfreiheit anerkennen und dass wir seinen Schutzbereich weit verstehen. Der Mensch hat um seiner Würde willen das Recht, sich in der ihm eigenen, vertrauten Sprache, entsprechend seinen Sprachfähigkeiten auszudrücken und sich damit auch kulturell und sozial zu definieren. Wichtiger noch ist, zu anerkennen, dass die Sprachenentscheidung und die Sprechakte einer Person zentrale Elemente der Selbstbestimmung und Persönlichkeitsentfaltung sind. Die so weiter verstandene Sprachenfreiheit ist Teil des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes. 18. Minderheitensprachen dürfen nicht verschwinden. Sie sind existenziell für die Menschen ihrer Sprachgemeinschaften, sie sind essenzieller Bestandteil des kulturellen Erbes eines Landes, und sie sind für die Demokratie im Sinne eines auch kulturellen Pluralismus notwendig. Erhebliche Probleme bestehen heute allerdings für die tradierten, autochthonen Sprachminderheiten im Bildungsangebot, im Medienzugang und dem Medienangebot sowie im Kampf gegen wirtschaftliche Rücksichtslosigkeiten diesen Sprachen gegenüber. 19. Die Lehre und die menschenrechtliche Spruchpraxis anerkennen, dass auch immigrierte ethnisch-kulturelle, religiöse oder sprachliche Minderheiten als solche nach Art. 27 UN -Pakt II zu anerkennen sind. Selbstverständlich besteht staats- und verfassungsrechtlich kein Anlass, den grösseren Gruppen von Immigrantensprachen einen den Landessprachen vergleichbaren Status zu geben. Aber es ist richtig, dass die Kommunen und Bundesländer resp. Kantone heute z. B. von sich aus die Beziehungen mit Vertretern von immigrierten Minderheiten pflegen, deren Sprachanliegen im Schulbereich und im Verkehr mit den Behörden beachten oder Minderheiten mit längerer Anwesenheitsdauer gewisse politische Mitwirkungsrechte gewähren. 20. Die rechtlichen Sprachenprobleme reichen aber über die Diskussionen eines erweiterten Minderheitenbegriffs weit hinaus. Personen ohne Kenntnisse der Nationalsprachen oder sprachlich behinderte Personen sind

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oft in eine ungleiche und nachteilige Position versetzt, wenn sie die öffentlichen Dienstleistungen nützen oder sich gegenüber staatlichen Eingriffen wehren wollen. Die rudimentären Garantien unserer Gesetze genügen längst nicht mehr. Einzelfallentscheidungen über das Verhältnismässigkeitsprinzip können diese erheblichen Probleme des Sozialstaates nicht lösen. Selbst das Diskriminierungsverbot hilft in Einzelfällen nicht. Es braucht legislatorische Lösungen, die der Zahl der Sprachgruppenmitglieder, den sozialen, kulturellen oder religiösen Anliegen von Minderheiten und staatlicher Gemeinschaft sowie den fachlichen und finanziellen Möglichkeiten und den Effizienzgeboten (kombiniert) Rechnung tragen.

VI. Sprache als Teil der Rechtskultur 21. Sprachenrechtsfragen sind nicht zuletzt Fragen der Rechtskultur. So wie Juristinnen und Juristen in sprachlicher Beziehung arbeiten, wie sie sprachlich rechtlich argumentieren, was sie zur Klarheit und Verständlichkeit der Rechtserlasse und der Verträge beitragen, wie sie die Gesetzestexte, Verwaltungsakte und Urteile transparent und bürgernah gestalten, so prägen sie auch die Rechtskultur in ihren Wirkungsfeldern. Dieser Aufgabe müssen wir uns bewusst sein und in unserer juristischen Tätigkeit entsprechend verantwortungsvoll handeln. 22. Darüber hinaus müssen wir in allen europäischen Staaten, dem Beispiel der EU folgend und entsprechend den wachsenden sprachlichen Bedürfnissen unserer multilingualen Gesellschaften, die Chancen wahrnehmen, die eine mehrsprachige Rechtsordnung bietet. Diese kann das Recht qualitätsvoller und wirklichkeitsnäher machen. 23. Eine zeitgemässe Rechtskultur verlangt vom europäischen Recht und vom Staats- und Verwaltungsrecht unserer Staaten letztlich in der Rechtsordnung und der Rechtspraxis namentlich sprachliche „Verständigungsbereitschaft“. Eine rechtsstaatliche Demokratie muss in einer vielsprachigen Gesellschaft sicher mancherlei Komplikationen überwinden, aber sie wird gerade dann „direkt“ und „unmittelbar“, wenn kollektiv Respekt und Toleranz walten gegenüber dem Kultur- und Rechtsgut Sprache sowie gegenüber jedem Menschen, welche Sprache er in welcher Art auch immer spricht.

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Wolfgang Kahl

Vierter Beratungsgegenstand:

Sprache als Kultur- und Rechtsgut *

2. Bericht von Prof. Dr. Wolfgang Kahl, Bayreuth*

*

Inhalt Seite

I.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sprache und Recht – Annäherungen an ein Thema . . 2. Identität als Schlüsselbegriff . . . . . . . . . . . . . . . II . Sprache und Identität des Einzelnen . . . . . . . . . . . . . 1. Grundrecht der Sprachenfreiheit . . . . . . . . . . . . . a) Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzgehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Beispiel: Rechtschreibreform . . . . . . . . . . 2. Sprachliche Diskriminierungsverbote . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrechtliche Verfahrensgarantien . . . . . . . a) Gerichtliches Rechtsschutzverfahren . . . . . . . . . b) Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . III . Sprache und nationale Identität . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sprache, Staat und Nation . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsch als Amts-, Schul- und Gerichtssprache . . . . 3. Bedeutung der Sprache für den Wissenschaftsstandort Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sprache als Integrationsfaktor im kulturpluralistischen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sprache und europäische Identität . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Grundsatz kultureller und sprachlicher Vielfalt . . 2. Sprache, Öffentlichkeit und Demokratie . . . . . . . . 3. Das Sprachenregime der EU . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sprache und Auslegung des Gemeinschaftsrechts . . . 5. Sprachenpolitische Reformperspektiven . . . . . . . . . V. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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428 439 439 443 446 453 456 462

** Für kritische Lektüre danke ich Gabriele Britz, Klaus F. Gärditz, Andreas Glaser, Peter Häberle, Hans Christian Röhl, Reiner Schmidt, Isabel Schübel-Pfister und Andreas Voßkuhle.

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I.

Einleitung

1.

Sprache und Recht – Annäherungen an ein Thema

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Recht lebt in der Sprache und wirkt durch die Sprache.1 Recht bedarf der Sprache zur Repräsentation,2 Klassifikation und vor allem Kommunikation.3 Sprache steuert in gewissem Umfang die formale Denkstruk1 Ähnlich J. Isensee FS 180 Jahre Carl Heymanns Verlag, 1995, 571 (577); W. Merk Werdegang und Wandlungen der deutschen Rechtssprache, 1933, 4; R. Pound FS Rabel, Bd. 1, 1954, 7; ferner E. Forsthoff Recht und Sprache, 1940, 1; B. Großfeld Macht und Ohnmacht der Rechtsvergleichung, 1984, 152; ders. JZ 1984, 1 (2); W. C. Lohse in: ders. (Hrsg.) Die deutsche Sprache in der Europäischen Union, 2004, 96 (96 f.); C. Luttermann/K. Luttermann JZ 2004, 1002 (1004); D. Martiny ZEuP 1998, 227 (231); B. Rüthers Rechtstheorie, 1999, Rn. 150 ff. Sprache (Schrift) ist dabei nur ein Zeichensystem des Rechts neben anderen (Bilder, Gesten, Körpersprache etc.); vgl. B. Großfeld NJW 1994, 1911; zum Unterschied der expressiven Kraft und der höheren Genauigkeit der Sprache gegenüber Bildern siehe K. F. Röhl JZ 2003, 339 (340 f.). 2 Nach Aristoteles Peri Hermenias, in: Flashar (Hrsg.) Aristoteles Werk in deutscher Übersetzung (übersetzt von Weidemann), Bd. 1/ II , 1994, 3 f., liegt die Funktion von Sprache darin, dass ein Wort anstelle eines Dings steht, dieses also abbildet bzw. repräsentiert. Zur späteren Überwindung dieser für sich genommen zu engen Sicht vgl. A. Jaspersen Über die mangelnde Verständlichkeit des Rechts für den Laien, 1998, 204 ff.; M. Dederichs Die Methodik des EuGH , 2004, 15 f. mwN. 3 Die in der Sprachwissenschaft heute anerkannten primären Funktionen der Sprache (Kommunikation, Klassifikation) hat die moderne Sprachphilosophie herausgearbeitet, die ihre maßgeblichen Impulse vor allem durch W. von Humboldt, B. L. Whorf und L. Wittgenstein empfangen hat. Für W. von Humboldt sind Sprache und Gedanken eine Einheit. Die Sprache ist dabei das bildende Organ des Gedankens. Demnach besteht ein inniger Zusammenhang zwischen dem Charakter eines Volkes, seiner Sprache und seines Landes. Die Sprache prägt die Vorstellung von der Welt mit. Es ergibt sich eine eigentümliche Weltansicht, die nicht nur von Subjekt zu Subjekt, sondern auch von Sprachgemeinschaft zu Sprachgemeinschaft differiert; vgl. W. von Humboldt Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts, hrsg. von Di Cesare, 1998, §§ 5 ff.; vgl. auch G. F. Herder Abhandlungen über den Ursprung der Sprache, 1965 (1772), 31 ff., 80 ff. Nach B. L. Whorf Sprache, Denken, Wirklichkeit, 1963, 46 ff., formt die Sprachstruktur die Denkstruktur, steuert also die Gedanken des Sprachbenutzers. Whorf sieht wichtige Verbindungen zwischen der Grammatik und der allgemeinen Charakteristik einer Kultur im Sinne eines sprachlichen Relativitätsprinzips („the Whorfian hypothesis“). Die Theorie Whorfs wurde später von Sprachwissenschaftlern vereinzelt abgelehnt (vgl. B. Weinstein The Civic Tongue, 1983, 19 ff. [32]), überwiegend aber im Sinne eines gemäßigten Relativitätsprinzips bestätigt. Vgl. stellv. H. Gipper Gibt es ein sprachliches Relativitätsprinzip? Untersuchungen zur Sapir-Whorf-Hypothese, 1972, 248: „Das Denken jedes Menschen ist insofern ‚relativ‘ zu den Ausdrucksmöglichkeiten der verfügbaren Sprachsysteme und ihrer semantischen Strukturen, als es nur Gestalt gewinnen kann, indem es sich diesen gegebenen Bedingungen fügt. Abstraktes Denken auf höheren Stufen kann sich durch die Schaffung künstlicher Symbolsysteme von der Ge-

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tur, wertet und beeinflusst dadurch das Gefühl und die gedanklichen Inhalte.4 Carl Zuckmayer meint sogar, Sprache sei „für den Schreibenden das Element und Material seiner gesamten Tätigkeit, also auch ihres Ertrags, und für jeden Menschen die eigentliche Substanz, Quelle und Wurzel aller Erkenntnis, Erfahrung, Kommunikation – des Humanen schlechthin“5. Bei Sprachenfragen geht es auch um Macht und Einfluss. Speziell der Rhetorik dient die Sprache neben dem Argument als wichtigstes Mittel der Überzeugung, aber auch der Manipulation.6 Generell bildet die Sprache nicht nur das Kleid, sondern auch die Verkleidung des Gedan-

meinsprache emanzipieren, ohne deshalb jedoch völlig sprachunabhängig zu sein. (…) ‚Relativität‘ bedeutet nicht ‚Determinismus‘.“ Grundlegend für die Sprachphilosophie des Weiteren L. Wittgenstein Philosophische Untersuchungen, 1977 (1952); ders. Tractatus logico philosophicus, 7. Aufl. 1969 (1959), 89 Nr. 5.6 („Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“; Hervorhebung im Original); zu ihm M. Herbert Rechtstheorie als Sprachkritik, 1995. Überblick über die wichtigsten sprachphilosophischen Entwicklungslinien und den aktuellen Stand der sprachwissenschaftlichen Diskussion bei Jaspersen (Fn. 2), 208 ff., 211 ff., 216 ff., 227 f.; P. A. Kraus Europäische Öffentlichkeit und Sprachpolitik, 2004, 99 ff.; F. Müller/R. Christensen Juristische Methodik, Bd. I, 9. Aufl. 2004, Rn. 67c, 128, 208, 209 ff., 506 ff., 545 ff.; U. Neumann in: Luchterhandt Lexion des Rechts, 2/320 (Bearbeitung April 1987); K. F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 2. Aufl. 2001, 12 ff., 25 ff., 65 ff.; eingehend K. D. Lerch (Hrsg.) Die Sprache des Rechts, Bd. 1, 2004; Bd. 2, 2005. Für die Systemtheorie ist Sprache Voraussetzung für die Ausdifferenzierung von Kommunikationsprozessen und damit (mittelbar) sozialer Systeme; vgl. N. Luhmann Soziale Systeme, 6. Aufl. 1996, 207 ff. (210), 220 f., 367 ff. Ob über die notwendige interdisziplinäre Zusammenarbeit von Rechtswissenschaft (insbesondere Rechtstheorie) und Sprachwissenschaft (dazu H.-P. Schwintowski NJW 2003, 632) hinaus die Etablierung einer eigenen juristischen Teildisziplin der Rechtslinguistik weitergehenden Ertrag verspricht, erscheint eher zweifelhaft; hierfür aber die „Heidelberger Gruppe für Rechtslinguistik“, vgl. F. Müller (Hrsg.) Untersuchungen zur Rechtslinguistik, 1989; F. Müller GS Jeand’Heur, 1999, 29; ders. in: ders./R. Wimmer (Hrsg.) Neue Studien zur Rechtslinguistik, 2001, 5 f., 11 ff.; vgl. ferner die von C. Kramsch/C. Luttermann hrsg. Schriftenreihe „Rechtslinguistik“, bisher 8 Bde.; H. E. S. Mattila in: ders. (Hrsg.) The Development of Legal Language, 2002, 167 sowie speziell zu rechtslinguistischen Aspekten offizieller Mehrsprachigkeit I. Burr Offizielle Mehrsprachigkeit und Frankophonie, Habilitationsschrift Köln, 1995, 99–273. 4 Vgl. B. Großfeld NJW 1985, 1577 (1578); ders. (Fn. 1), Macht und Ohnmacht, 169 ff., 172 ff.; P. Kirchhof Die Bestimmtheit und Offenheit der Rechtssprache, 1987, 6 f.; E. Oksaar ZG 1989, 210 (213 ff.) sowie bereits H. Neumann-Duesberg Sprache im Recht, 1949, 10, 60 ff., 69 ff. (72), 82. 5 C. Zuckmayer Als wär’s ein Stück von mir, 31. Aufl. 2002 (1966), 45. 6 Zum Thema Sprache und Rhetorik, das im anglo-amerikanischen Rechtskreis eine größere Rolle spielt als in Kontinentaleuropa, vgl. H. Kötz FS Schlechtriem, 2003, 79; ferner W. Schreckenberger ARSP 2000, 367.

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kens (Wittgenstein)7. Dies gilt für die Allgemeinsprache, aber ebenso für die Verfassungs-,8 Gesetzes-9, Verwaltungs-10 und Justizsprache11, die als Fachsprache12 für Nichtjuristen strukturell nur schwer zugänglich Vgl. Wittgenstein (Fn. 3), Tractatus logico philosophicus, 4.002. Zu deren Erscheinungsformen und der Unterscheidung der Sprachebenen „Feiertagssprache“, „Umgangssprache“ und „Fachsprache“ siehe P. Häberle Rechtsvergleichung im Kraftfeld des Verfassungsstaates, 1992, 228 (230); speziell zu Präambeltexten ders. ebd., 176 (190 ff., 193 f.); ders. Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 2. Aufl. 1998, 555 f. sowie allgemein zur Verfassungssprache ders. in: Lerch (Fn. 3), Bd. 1, 2004, 155; erhellend zur sprachlichen Struktur der Verfassung M. Hilf HStR VII , 1992, § 161 Rn. 1 ff. 9 Zur Sprache des Gesetzes siehe die Beiträge von W. Hassemer, U. Schroth und L. Hoffmann in: Grewendorf (Hrsg.) Rechtskultur als Sprachkultur, 1992, 71–109, 122; ferner M. Baumann Gesetzessprachen – Sprachen der Rechtssetzung, 2002; T. Fleiner Liber Amicorum Häberle, 2004, 145; I. von Münch NJW 2002, 1995 (1996 ff.); zur Sprache als Gegenstand der Gesetzgebungslehre (Legistik) vgl. T. Fleiner-Gerster Wie soll man Gesetze schreiben?, 1985, 145 ff.; H. Schneider Gesetzgebung, 3. Aufl. 2002, Rn. 423 ff.; F. Schönherr Sprache und Recht, 1985; aus historischer Sicht H. Hattenhauer Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache, 1987; ders. JZ 2000, 545; R. M. Kiesow Das Alphabet des Rechts, 2004; Merk (Fn. 1), 8 ff.; R. Schmidt-Wiegand in: Erler/Kaufmann (Hrsg.) Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. IV , 1990, 343 (344 f.). 10 Zur Verwaltungssprache vgl. F. Hufen Fehler im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl. 2002, Rn. 214 ff.; G. Püttner Verwaltungslehre, 3. Aufl. 2000, 303 ff.; E. Oksaar in: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (Hrsg.) Der deutsche Sprachgebrauch, Bd. 2, 1981, 170; zur historischen Entwicklung der deutschen Verwaltungssprache siehe H. Eggers Deutsche Sprachgeschichte, Bd. III , 1969 (Nachdruck 1973), 20 ff., 137 ff., 171 f.; H. Moser Deutsche Sprachgeschichte, 6. Aufl. 1969, 133 f., 142. 11 Vgl. zum Problem einer bürgerfreundlichen Kommunikation zwischen Öffentlichkeit und Justiz die Beiträge von H.-G. Soeffner, L. Huth, L. Paul, W. Kallmeyer und G. Stickel in: Wassermann/Petersen (Hrsg.) Recht und Sprache, 1983, 73–165 sowie die von G. Ellscheid und T.-M. Seibert in: Grewendorf (Fn. 9), 275; 332; ferner R. Gerhardt DRiZ 1996, 222. 12 Zur Rechtssprache als Fachsprache vgl. U. Daum in: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (Fn. 10), 83 (84 f.); B. Eckardt Fachsprache als Kommunikationsbarriere?, 2000, 21 ff. (24); Merk (Fn. 1), 5 f.; E. Oksaar ZG 1989, 210 (223); W. Raible in: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (Fn. 10), 20; E. Strouhal ZG 1986, 117; a.A. P. Kirchhof (Fn. 4), 5 f., für den die Rechtssprache keine Fachsprache ist, „sondern fachlich geprägter Teil einer an die Allgemeinheit gewendeten oder in ihren Inhalten zumindest der Allgemeinheit vermittelbaren Sprache“; vgl. auch N. Luhmann Das Recht der Gesellschaft, 1995, 36. Die weitgehende Verwurzelung der Juristensprache(n) im Wortschatz der Allgemeinheit bildet in der Tat einen Unterschied zu „klassischen“ Fachsprachen etwa von Mathematikern, Medizinern oder Informatikern, die mit einem weitgehend autonomen Begriffs- und Zeichenapparat arbeiten. Insofern handelt es sich bei der Rechtssprache um eine Fachsprache sui generis. Im Übrigen existieren innerhalb der Rechtssprache (teilweise) spezielle Unterfachsprachen einzelner juristischer Berufssparten oder Fachrichtungen. 7 8

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ist.13 Umso mehr ist dem Rechtsstaat das Streben nach größtmöglicher Verständlichkeit, Klarheit und Bestimmtheit jedenfalls der präskriptiven14 Rechtssätze ein wichtiges Anliegen.15 Die Befolgungs- bzw. Befriedungswirkung von Gesetzen, Verwaltungsakten und Gerichtsurteilen erwächst gerade aus der Publizität in Sprachform sowie aus dem Verstehen oder jedenfalls dem Vertrauen in das geschriebene und das gesprochene Wort. Indem der freiheitliche Verfassungsstaat im Interesse aller Beteiligten Erwartungshaltungen zuverlässig befriedigt, unterscheidet er sich kulturell16 vom totalitären Staat, der Sprache als Mittel der propagandistischen Verschleierung, der hohlen Versprechung und der Gleichschaltung einsetzt.17

13 Vgl. M. Herberger in: Wassermann/Petersen (Fn. 11), 19; U. Neumann in: Grewendorf (Fn. 9), 110; Jaspersen (Fn. 2), 201 ff. (230 ff.); H. Mertin ZRP 2004, 266 (268); H. Steger in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.) Staatslexikon, Bd. 5, 7. Aufl. 1995, Sp. 125; allgemein F. Weyreuther DÖV 1997, 177. 14 Während der deskriptive Rechtssatz auf Abstraktheit und Offenheit angelegt ist, um die Differenziertheit und Komplexität der sozialen Wirklichkeit abzubilden; vgl. O. Lepsius in: Bollenbeck/Knobloch (Hrsg.) Resonanzkonstellationen, 2004, 49. Auch der Umstand, dass das Recht und seine Sprache primär dem bestmöglichen Funktionieren der jeweiligen Teilsysteme (Verwaltung, Justiz etc.) dienen und an innerhalb dieser Teilsysteme und Fachsprache(n) sozialisierte Anwender adressiert sind, ist tendenziell gegenläufig zum Ziel der Schaffung einer „volksnahen“ Rechtssprache. 15 Eingehend zu Fragen der Verständlichkeit des Rechts die Beiträge von R. Christensen, M. Herberger, W. Klein, K. D. Lerch, H. Rottleuthner, C. F. G. Schendera, S. Simitis, D. Simon in: Lerch (Fn. 3), Bd. 1, 21, 185, 197, 225, 307, 321, 393, 405; vgl. auch B. Großfeld JZ 1997, 633 (634). Zur Bedeutung der Grundsätze der Bestimmtheit und Rechtsklarheit für die Rechtssprache G. Robbers in: Schulze/Ajani (Hrsg.) Gemeinsame Prinzipien des Europäischen Privatrechts: Studien eines Forschungsnetzwerks, 2003, 419 (421); D. Schwab FS Rolland, 1999, 345. Gegenüber der Verständlichkeit und Lesbarkeit der Texte, insbesondere der Dignität einer Verfassung, hat die außerhalb des Verfassungsrechts angesiedelte Forderung nach „politisch korrekter“ (insbesondere geschlechtsneutraler) Sprache (vgl. stellv. M. Grabrucker Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993; dies. in: Battis/Schulz [Hrsg.] Frauen im Recht, 1990, 281 [290 ff.]) im Einzelfall zurückzutreten, soweit sich keine unter Stilaspekten hinnnehmbaren Lösungen wie geschlechtsneutrale Bezeichnungen, Vorspruchlösungen u. ä. finden lassen; vgl. W. Rüfner in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.) Bonner Kommentar zum GG (Stand 4/2005), Art. 3 Abs. 2 und 3 (Bearbeitung 5/1996) Rn. 822 ff. mwN. 16 Zum Zusammenhang von Rechtskultur bzw. politischer Kultur und Sprachkultur s. G. Grewendorf in: ders. (Fn. 9), 11; L. Jäger in: Böke/Jung/Wengeler (Hrsg.) Öffentlicher Sprachgebrauch, 1996, 67; R. Wassermann in: ders./Petersen (Fn. 11), 40. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1982) im Spiegel der jeweiligen politischen Sprache findet sich bei W. Bergsdorf Herrschaft und Sprache, 1983. 17 Vgl. übergreifend für totalitäre Herrschaftstypen C. Bergmann APuZ B 38/99, 18; W. Bergsdorf in: Friedrich (Hrsg.) Die totalitäre Herrschaft der SED , 1998, 23; für den Nationalsozialismus siehe O. Lepsius Gegensatzaufhebende Begriffsbildung, 1994, 13 ff.,

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Bereits diese Eingangsüberlegungen unterstreichen: Das Verhältnis von Recht und Sprache18 ist ein sehr enges und grundlegendes19. Es verwundert daher nicht, dass Sprache als Erkenntnismittel 20 und Erkenntnisgegenstand Juristen in Österreich,21 Deutschland22 und vor allem der

126 ff., 156 ff., 365 ff.; ders. (Fn. 14), 53 ff.; M. Stolleis Recht im Unrecht, 1994, 94; für die Verfassungen des früheren Warschauer Paktes (zumeist am Beispiel der Grundrechtskapitel) G. Brunner HGR I, 2004, § 13 Rn. 76 ff.; ders. Die Grundrechte im Sowjetsystem, 1963, 109 ff.; W. Kahl Das Grundrechtsverständnis der postsozialistischen Verfassungen Osteuropas, 1994, 19 ff. (33 f.); E. Klein HGR I, 2004, § 5 Rn. 35 ff.; vgl. auch V. Havel Versuch, in der Wahrheit zu leben, 1993, 65 ff. (67: „Worte, Worte, Worte“) sowie bereits G. Orwell Nineteen Eighty-Four, 1982 (1954), 42 ff. („Newspeak“, „Ingsoc“). Zum Ganzen auch P. Kirchhof HStR II 3. Aufl. 2004, § 21 Rn. 29; U. Di Fabio Die Kultur der Freiheit, 2005, 261; J. Isensee HStR II , ebd., § 15 Rn. 169 („semantische Verfassungen“). 18 Zu dem benachbarten, aber eigenständigen Thema Recht und schöne Literatur bzw. Dichtung siehe grundlegend J. Grimm Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft 2 (1816), 25; H. Fehr Das Recht in der Dichtung, 1931; E. Wohlhaupter Dichterjuristen, 3 Bde., 1953–1957; E. Wolf Vom Wesen des Rechts in deutscher Dichtung, 1946; des Weiteren B. Großfeld JZ 2003, 1149; P. Häberle Das Grundgesetz der Literaten, 1983; K. Lüdersen NJW 1997, 1106; H. Müller-Dietz JZ 1984, 699; W. Graf Vitzthum NJW 2000, 2138. Zu der amerikanischen Diskussion um „Law and Literature“ vgl. frühzeitig E. London (Hrsg.) The World of Law, 2 Bde., 1960; aus neuerer Zeit T. Morawetz in: Patterson (Hrsg.) A Companion to Philosophy of Law and Legal Theory, 1999, 450; R. A. Posner Law and Literature, 1998. 19 Siehe bereits die zahlreichen ethymologischen Verknüpfungen zwischen den Wörtern „Recht“ und „Sprache“ (z. B. An-spruch, Ein-spruch, Juris-diktion, Recht-setzung, Recht-sprechung, Rechts-spruch, Satz-ung, Spruch-reife, Wider-spruch etc.); vgl. dazu Merk (Fn. 1), 3. 20 Zur Instrumentalität der Rechtssprache s. unter vergleichender Betrachtung mit anderen Wortwissenschaften (insbes. Philologie, Theologie) J. Isensee in: Borchard/ Hirdt/ders. Grenzüberschreitende Wissenschaft, Bonner Akademische Reden 90 (2004), 31 (32 f.); ferner F. E. Schnapp JZ 2004, 473. 21 Ausführlich P. Pernthaler Österreichisches Bundesstaatsrecht, 2004, S. 733 ff.; ferner L. K. Adamovich/B.-C. Funk/G. Holzinger Österreichisches Staatsrecht, Bd. 1, 1997, Rn. 18.022; F. Ermacora Österreichische Verfassungslehre, 1998, 255 f.; T. Öhlinger Verfassungsrecht, 5. Aufl. 2003, Rn. 230. 22 Genauere Ausführungen finden sich z. B. bei J. K. Bluntschli Allgemeine Staatslehre (Lehre vom modernen Staat, Bd. 1), 6. Aufl. 1886 (Neudruck 1965), 94 ff.; G. Jellinek Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1913 (6. Neudruck 1959), 118, 122 f., 252 f.; H. Nawiasky Allgemeine Staatslehre, Bd. II /1, 1952, 15 ff. und bei H. Kelsen Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2. Aufl. 1929 (Nachdruck 1963), 66; ders. Allgemeine Staatslehre, 1925 (Nachdruck 1966), 324; eher kursorisch dagegen H. Heller Staatslehre, 1934 (6. Aufl. 1983), 107, 179; R. Smend Verfassung und Verfassungsrecht, 1928, 52, 54; Fehlanzeige bei C. Schmitt Verfassungslehre, 1928 (7. Aufl. 1989), 77 ff., 223 ff.; L. Waldecker Allgemeine Staatslehre, 1927, 502 ff.

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Schweiz23 seit langer Zeit beschäftigt hat.24 In Deutschland ist die Sprache regelmäßiger Bestandteil der Staats- und Verfassungslehren,25 während die staatsrechtliche Seite, von Ausnahmen abgesehen,26 in den Lehrbüchern, Lexika und Kommentaren zumeist eine eher knappe Behandlung erfährt. Die Hauptursache hierfür dürfte in der regulativen Enthaltsamkeit des Grundgesetzes liegen, welches die Sprache nur an einer Stelle, nämlich in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG , erwähnt.27 Im Folgenden soll es um die staatstheoretische und staatsrechtliche Bedeutung der Sprache gehen, wobei die Bezüge zum Politischen nicht ausgeklammert werden können. Zusätzlich wird die europarechtliche Dimension, die aktuell eine bemerkenswerte wissenschaftliche Blüte erlebt,28 in den Blick genommen. 23 Vgl. M. Borghi in: Thürer/Aubert/Müller (Hrsg.) Verfassungsrecht der Schweiz, 2001, §§ 37 f.; T. Fleiner/L. R. Basta Fleiner Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 2004, 629 ff.; U. Häfelin/W. Haller Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 508 ff., 1435 ff.; R. A. Rhinow Grundzüge des Schweizerischen Verfassungsrechts, 2003, Rn. 195, 544, 1382 ff.; P. Tschannen Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2004, § 14. 24 Umfassende Bibliographien zum Thema Sprache und Recht bei T. Bungarten/ J. Engberg (Hrsg.) Recht und Sprache, 2003; M. Nussbaumer Sprache und Recht, 1997, 11 ff.; zu möglichen thematischen Zugriffen vgl. stellv. die Beiträge in dem Sammelband von U. Haß-Zumkehr (Hrsg.) Sprache und Recht, 2002. 25 Siehe die Nachweise oben in Fn. 22. Im aktuellen Schrifttum finden sich knappe Hinweise zumeist mit Blick auf den Volksbegriff etwa bei G. Besier in: Evangelisches Staatslexikon, Bd. 2, 3. Aufl. 1987, 3890 (3891); G. Haverkate Verfassungslehre, 1992, 331; R. Herzog Allgemeine Staatslehre, 1971, 42. Keine Ausführungen zur Sprache dagegen etwa bei K. Doehring Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 2004, Rn. 39 ff.; E. v. Hippel Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1967, 9 ff.; H. Krüger Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966; R. Zippelius Allgemeine Staatslehre, 14. Aufl. 2003, § 11 II 4. 26 Frühzeitig Forsthoff (Fn. 1), 1 ff.; unter dem Grundgesetz vor allem P. Kirchhof GS F. Klein, 1977, 227; ders (Fn. 4), 5 ff.; ders. HStR I, 1987, § 18, in überarbeiteter und erweiterter Fassung jetzt ders. (Fn. 17), § 20; ders. Stetige Verfassung und politische Erneuerung, 1995, 9 ff.; ders. FS Jayme, Bd. I, 2004, 1165; ferner P. Häberle FS Pedrazzini, 1990, 105; P. M. Huber BayVBl . 1992, 1; Isensee (Fn. 1), 571; A. Theme Sprache und Gesetzgeber, 2002; für das Völkerrecht grundlegend M. Hilf Die Auslegung mehrsprachiger Verträge, 1973; W. Rudolf Die Sprache in der Diplomatie und internationalen Verträgen, 1972, 50 ff., 61 ff. 27 Folglich beschränken sich die Hand- und Lehrbücher sowie Kommentare zum Grundgesetz häufig auf den grundrechtlichen Aspekt des sprachlichen Diskriminierungsverbots, soweit sie das Thema Sprache überhaupt erwähnen. Häberle ([Fn. 26], 106) hat kritisch angemerkt, der „spezifisch staatsrechtliche Aspekt“ des Zusammenhangs von Sprache und Recht sei in Deutschland „unterbelichtet“. 28 Vgl. nur aus dem deutschen Schrifttum R. Ahrens (Hrsg.) Europäische Sprachenpolitik, 2004; V. Bansch Sprachvorgaben im Binnenmarktrecht, 2005; I. Burr/G. Gréciano (Hrsg.) Europa: Sprache und Recht, 2003; K. Ehlich/V. Schubert (Hrsg.) Sprachen

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Identität als Schlüsselbegriff

Im Mittelpunkt der Überlegungen steht der Begriff der Identität. Identität bezeichnet die Ideengehalte, mit denen sich ein Individuum oder ein Kollektiv (z. B. Gruppe, Vereinigung, Nation, Staatenzusammenschluss) identifiziert, um auf diese Weise die für seine Selbstbestimmung und innere Stabilität notwendige Gewissheit über das eigene Sein auch in Abgrenzung zum Sein Anderer und deren Selbstwahrnehmung zu erhalten.29 Der Begriff der Identität im Allgemeinen wie auch der Begriff der kulturellen Identität im Besonderen ist mittlerweile als nicht nur verfassungstheoretische, sondern auch verfassungsrechtliche Größe überzeugend nachgewiesen30 – ihm soll hier der Begriff der sprachlichen Identität als Ausschnitt kultureller31 Identität an die Seite gestellt werden. Spra-

und Sprachenpolitik in Europa, 2002; H. P. Kelz (Hrsg.) Die sprachliche Zukunft Europas: Mehrsprachigkeit und Sprachenpolitik, 2002; E. Klein in: Grözinger (Hrsg.) Sprache und Identität im Judentum, 1998, 59; Kraus (Fn. 3); M. A. Kürten Die Bedeutung der deutschen Sprache im Recht der Europäischen Union, 2004; K. Loehr Mehrsprachigkeitsprobleme in der Europäischen Union, 1998; Lohse (Fn. 1); V. Manz Sprachenvielfalt und europäische Integration, 2002; F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 367; F. Müller/I. Burr (Hrsg.) Rechtssprache Europas, 2004; T. Oppermann ZEuS 2001, 1; ders. NJW 2001, 2663; D. Rutke (Hrsg.) Europäische Mehrsprachigkeit: Analysen – Konzepte – Dokumente, 2002; I. Schübel-Pfister Sprache und Gemeinschaftsrecht, 2004; sowie bereits J. Schwarze Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. II , 1988, 1171 ff.; M. Hättich/P. D. Pfitzner (Hrsg.) Nationalsprachen und die Europäische Gemeinschaft, 1989. Aus dem ausländischen Schrifttum vgl. insbesondere R. L. Creech Law and Language in the European Union, 2005; ferner P. Berteloot in: Jayme (Hrsg.) Langue et Droit, 1999, 345; G. van Calster YEL 17 (1997), 363; A. Fenet RTDE 2001, 235; A. Lopes Sabino RTD eur. 1999, 159; A. Milian-Massana Rivista di diritto europeo 1995, 485; J. Usher in: Anderson/Bort (Hrsg.) The Frontiers of Europe, 1998, 222; B. de Witte in: Craufurd Smith (Hrsg.) Culture and European Union Law, 2004, 205 ff. 29 Ähnlich A. Bleckmann JZ 1997, 265 (265 f.); ferner E. Pache DVBl . 2002, 1154 (1155 f.); H. Walkenhorst Europäischer Integrationsprozeß und europäische Identität, 1999, 19 ff. (48 f.); mit Blick auf Art. 6 Abs. 3 EUV M. Hilf GS Grabitz, 1995, 157 (162 ff.); A. Puttler in: Calliess/Ruffert (Hrsg.) Kommentar zu EUV und EGV , 2. Aufl. 2002, Art. 6 EUV Rn. 213. Anders (Identität als Synonym für innere Einstellungen) A. von Bogdandy Europäische und nationale Identität: Integration durch Verfassungsrecht, VVDStRL 62 (2003), 156 (160 ff., insbes. 162). 30 Grundlegend und überzeugend G. Britz Kulturelle Rechte und Verfassung, 2000, 93 ff., 303; C. Langenfeld Integration und kulturelle Identität zugewanderter Minderheiten, 2001, 352 ff.; A. Uhle Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität, 2004, 7 f., 10 ff., 89 ff., 105 ff. Während Britz und Langenfeld das Hauptaugenmerk auf die individuelle Identität legen, geht es Uhle primär um die Identität der Kulturgemeinschaft (Nation); siehe auch die Nachweise unten in Fn. 32. 31 Zu dem hier grundsätzlich zugrunde gelegten weiten (deskriptiven) Kulturbegriff vgl. Häberle Verfassungslehre (Fn. 8), 2 ff.; ders. JöR N.F. 49 (2001), 125 (135 ff.); Britz

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che ist Medium der Identitätsbildung und Bezugspunkt der Identität zugleich. Grundrechtlich ist die Identität als Teil der menschlichen Persönlichkeit geschützt. Die Identität ist aber auch – von Art. 6 Abs. 3 EUV vorausgesetzte – Geltungsbedingung des nationalen Verfassungsstaates und in dem Maße, wie sie durch Bestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere durch Art. 1, 20, 23 Abs. 1 und 79 Abs. 3 GG , zu geltendem Verfassungsrecht erhoben wird, von unmittelbarer normativer Relevanz.32 Für die Ebene der Europäischen Union lassen sich identitätsprägende Vorschriften etwa in Art. 1, 2 und 6 EUV , Art. 2, 17 EGV finden.33 Identität weist dabei jeweils eine historische, sprich eher sta-

(Fn. 30), 68 ff.; Uhle (Fn. 30), 10 ff.; enger U. Steiner Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, VVDStRL 42 (1984), 7 (8 f.). Zur unstrittigen Bedeutung von Sprache als Kulturgut vgl. nur Häberle ebd., Verfassungslehre, 155, 616; H. Hoffmann in: Gardt (Hrsg.) Nation und Sprache, 2000, 495 (499 f.); H. Lwowski Der Städtetag 1992, 193 (196); P. Kirchhof (Fn. 17), § 20 Rn. 99. 32 Vgl. eingehend Uhle (Fn. 30), 22 ff., unter Betonung zahlreicher weiterer normativer Anknüpfungspunkte im Grundgesetz (ebd., 108–352)D. Murswiek in: Bonner Kommentar zum GG (Fn. 15), Präambel (Bearbeitung 9/2005) Rn. 233 ff., 322. Die Existenz einer nationalen Identität als auch verfassungsrechtliche Größe ist in Deutschland freilich nach wie vor umstritten. Das BVerfG ( NJW 2005, 2289 [2291]) spricht aber – zu Recht – ausdrücklich von der „nationale(n) Identität und Staatlichkeit“ und nimmt dabei auf Art. 6 Abs. 3 EUV und Art. 23 Abs. 1 GG Bezug; zuvor bereits U. Di Fabio Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, 2001, 31; vgl. auch M. Kloepfer DÖV 2006, 45 (54). Dazu, dass Art. 6 EUV explizit von der Existenz einer nationalen Identität als rechtliche Kategorie ausgeht, siehe die Nachw. oben in Fn. 29 sowie unten in Fn. 215–217; aus politikwissenschaftlicher Sicht: D. Löcherbach PVS 1983, 188 mwN. Allgemein zur Identität der Verfassung BVerfGE 73, 339 (375); P. Badura HStR VII , 1992, § 160 Rn. 12; K.-E. Hain in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.) GG , Bd. 5, 5. Aufl. 2002, Art. 79 Abs. 3 Rn. 43; C. Hillgruber HStR II , 3. Aufl. 2004, § 32 Rn. 15; P. M. Huber in: Sachs (Hrsg.) GG , 3. Aufl. 2003, Art. 146 Rn. 9; Isensee (Fn. 17), § 15 Rn. 197; P. Kirchhof (Fn. 17), § 21 Rn. 11, 64, 79; K.-P. Sommermann in: v. Mangoldt/Klein/ Starck ebd., Art. 20 Abs. 1 Rn. 3 („Identitätsgarantie“); Uhle ebd., 111. Unstrittig ist dagegen die normative Existenz der Identität als Ausdruck individueller, auch kulturgeprägter, menschlicher Persönlichkeit, die rechtlich im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. in engster Relation zum Identitätskern in der Menschenwürde zu verorten ist; siehe BVerfGE 109, 279 (312); H. Dreier in: ders. (Hrsg.) GG , 2. Aufl. 2004, Art. 1 I Rn. 45; W. Höfling in: Sachs ebd., Art. 1 Rn. 28 ff. Zu sozialwissenschaftlichen Identitätskonzepten vgl. P. Häberle HStR II , 2. Aufl. 2004, § 22 Rn. 48 ff. mwN. 33 Näheres hierzu unten in Fn. 212. Der Begriff der Europäischen Union ( EU ) wird hier verstanden als Oberbegriff für die EU ieS (Politiken und Formen der Zusammenarbeit gemäß Titel V und VI des EUV ) und die EG ; vgl. Art. 1 Abs. 3 S. 1 EUV. Eine zusammengezogene Behandlung der verschiedenen Säulen der EU ist somit für die Sprachenfrage legitim, da insoweit materiell-rechtlich keine wesentlichen Unterschiede bestehen; vgl. Art. 28 Abs. 1 EUV (iVm Art. 290 EGV ), Art. 41 Abs. 1 EUV (iVm Art. 290 EGV ), Art. 53 EUV /Art. 314 EGV.

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tisch-traditionsorientierte, und eine gegenwarts- und zukunftsbezogene, also dynamische, Seite auf. Ausgehend hiervon werden im Folgenden in drei Schritten die zwar nicht abschließenden, aber besonders wichtigen identitätsstiftenden Wirkungen der Sprache für den Einzelnen, den Nationalstaat und die Europäische Union betrachtet.34

II.

Sprache und Identität des Einzelnen

1.

Grundrecht der Sprachenfreiheit

a)

Herleitung

Für den Einzelnen ist die Sprache – vergleichbar dem Namen, dem Geschlecht, dem Aussehen, der sexuellen Orientierung und der Abstammung – unmittelbar identitätsprägend.35 Dies haben gerade Dichter und Juristen oft empfunden, vor allem im Exil. Die Sprache ist konstitutiver Bestandteil der Menschenwürde,36 untrennbar mit der „kulturellen und sozialen Entfaltung“37 autonomer Persönlichkeit verknüpft. In Deutschland ergibt sich daher als Teilausprägung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG )38 ein Grundrecht auf

34 Die Bedeutung der Sprache in sonstigen Identitätskontexten, insbesondere für Minderheiten (ethnische Gruppen; vgl. dazu allgemein Britz [Fn. 30], 72 ff., 198 ff.) und die Länder bzw. Kantone in föderalistischen Staaten (vgl. dazu R.J. Schweizer ZSR N.F. 120 [2001], 189 [194]; ders. JöR N.F. 48 [2000], 263 [276, 280] sowie im Übrigen die Nachweise unten in Fn. 58, 78 zum deutschen Landesverfassungssprachenrecht), kann aus Platzgründen nur sehr am Rande einfließen. 35 Hierüber besteht, soweit ersichtlich, kein Streit; vgl. nur B. Großfeld Unsere Sprache: Die Sicht des Juristen, 1990, 13 f.; P. Kirchhof (Fn. 17), § 20 Rn. 7; E. Klein (Fn. 28), 59 f.; E. Oksaar in: Bruha/Seeler (Hrsg.) Die Europäische Union und ihre Sprachen, 1998, 16 (16); C. Starck in: von Mangoldt/Klein/ders. (Fn. 32), Bd. 1, Art. 3 Abs. 3 Rn. 392; allgemein eher skeptisch dagegen von Bogdandy (Fn. 29), 178 ff., 180 ff. 36 Der Zusammenhang von Menschenwürde und Sprache wird zutreffend betont von Häberle Verfassungslehre (Fn. 8), 744 ff.; E. Klein (Fn. 28), 59. 37 Formulierung aus Art. 23 Nr. 5 Verf. Belgien (1994); ähnliche Formulierung in Art. 22 Abs. 3 Verf. Niederlande (1983). 38 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt auch die kulturelle und als Teilmenge hiervon die sprachliche Identität des Menschen; vgl. Britz (Fn. 30), 211 ff., 238 ff., 263 ff., 267 ff. Folgt man der verbreiteten Einteilung in eine „personale“ und „soziale Identität“ (so H. D. Jarass NJW 1989, 857 [859]; W. Schmitt Glaeser in: HStR VI , 1989, § 129 Rn. 23, 30 ff.), so ergibt sich im Ergebnis nichts anderes. Die Sprachenfreiheit ist danach Teil der personalen und der sozialen Identität; sie erfasst den Menschen als individuelles wie geselliges Wesen gleichermaßen; vgl. Oksaar (Fn. 35), 16; allgemein zum engen Persönlichkeitsbezug der Sprache Häberle (Fn. 26), 119 ff.; P. Saladin Grundrechte im Wan-

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Sprachenfreiheit als Innominatfreiheitsrecht.39 Dieses selbstständige unbenannte Freiheitsrecht tritt gegenüber den Verbürgungen der Sprachenfreiheit in speziellen Freiheitsrechten zurück, soweit diese zugleich eine Garantie des für ihren Gebrauch unverzichtbaren Mediums der Sprache enthalten.40 In der EU folgt das Grundrecht der Sprachenfreiheit als allgemeiner Rechtsgrundsatz im Wege kritisch-wertender Rechtsvergleichung41 aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten42 iVm verschiedenen Vorschriften des Primärrechts43, während

del, 3. Aufl. 1982, 87; für eine Verankerung der personalen Identität in der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG ) Häberle (Fn. 32), § 22 Rn. 47; ähnlich für die kulturelle Identität Uhle (Fn. 30), 112 ff. 39 Vgl. F. Dietrich ARSP 90 (2004), 1 (8); P. Kirchhof (Fn. 17), § 20 Rn. 18, 111, 114 (dessen Begriff der „Sprechfreiheit“ aber nur eine Seite der Sprachenfreiheit erfasst); C. L. Lässig Deutsch als Gerichts- und Amtssprache, 1980, 60 f., 90; Langenfeld (Fn. 30), 336 f. Speziell zum Schutz der Schreibfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG R. Gröschner/W. Kopke JuS 1997, 298 (299); W. Kopke NJW 1996, 1081 (1083); U. Hufeld JuS 1996, 1072 (1073); M. Kilian NJW 1997, 308 (309); W. Roth BayVBl . 1999, 257 (258); andeutungsweise auch BVerfGE 98, 218 (257; vgl. auch ebd., 249: „grundrechtlich verbürgte Kommunikationsmöglichkeit“); für einen Schutz durch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG ) B. Pieroth/B. Schlink Grundrechte, 20. Aufl. 2004, Rn. 370. 40 Dies ist etwa bei der Glaubens-, Meinungs-, Informations-, Presse-, Rundfunk-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit (näher dazu unten bei Fn. 62 ff.), dem Elternrecht oder dem Brief- und Fernmeldegeheimnis der Fall; vgl. Isensee (Fn. 1), 574; R. KägiDiener AJP 1995, 443 (448 f.); W. Mäder JuS 2000, 1150 (1151 f.); speziell für die Meinungsäußerungsfreiheit R. Herzog in: Maunz/Dürig GG , Kommentar (Stand 2/2005), Art. 5 Abs. I, II (Bearbeitung 1992) Rn. 69 ff. (70 f.); Theme (Fn. 26), 183 ff., 195 f.; für die Informationsfreiheit BVerfGE 90, 27 (36); Starck (Fn. 35), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 42; für ein unter das Briefgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG ) fallendes Sprachenproblem vgl. OLG Braunschweig NJW 1973, 2168. Die zahlreichen Sprachanforderungen des deutschen Rechts bei freiberuflichen oder gewerblichen Tätigkeiten sind Eingriffe in die Berufsfreiheit (konkret: subjektive Zulassungsvoraussetzungen) und als solche auf der Grundlage der Drei-Stufen-Theorie des BVerfG regelmäßig zu rechtferigen; vgl. H.-C. von Ebner DVBl . 1971, 341 (342 ff.). 41 Zur Herleitung der EG -Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze vgl. Art. 6 Abs. 2 EUV ; T. Kingreen in: Calliess/Ruffert (Fn. 29), Art. 6 EUV Rn. 20 ff.; R. Streinz in: ders. (Hrsg.) EUV / EGV , 2003, Art. 6 EUV Rn. 8 f. 42 Art. 23 Nr. 5, Art. 30 Verf. Belgien; § 17 Grundgesetz Finnland (1999); Art. 22 Abs. 3 Verf. Niederlande; Art. 73 Verf. Portugal (1976); Kap. 1 § 2 Verf. Schweden (1975); Präambel, Art. 3 Verf. Spanien (1978); Art. 100 des Autonomiestatuts für Südtirol (1972). 43 Vgl. Art. 21 Abs. 3 EGV (dazu M. Hilf in: Grabitz/ders. [Hrsg.] Das Recht der Europäischen Union [Stand 1/2005], Art. 21 EGV [Bearbeitung 1/2002] Rn. 3), Art. I-10 Abs. 2 lit. d, Art. II -101 Abs. 4 des Vertrags über eine Verfassung für Europa (VV E) vom 29. 10. 2004 (ABl . 2004 C 310, 1) = Art. 41 Abs. 4 der Grundrechte-Charta (GrCh)

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die EMRK in diesem Fall als Rechtserkenntnisquelle aussagearm bleibt44.45 vom 7. 10. 2000 (ABl . 2000 C 364, 1). Indiziell-abstützend, aber nicht im Sinne einer Rechtserkenntnisquelle, kann ferner auf das EG -Sekundärrecht verwiesen werden; vgl. Art. 2, 3 VO Nr. 1 (ABl . 1958 Nr. 17, 358; speziell zu dem aus Art. 3 VO Nr. 1 iVm Art. 254 Abs. 3 EGV folgenden Anspruch des Unionsbürgers auf Zugang von an ihn gerichteten Entscheidungen in der eigenen Sprache: EuGH E 1975, 1663 Rn. 113); Art. 84 Abs. 4 VO ( EWG ) 1408/71 des Rates vom 14. 6. 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige (konsolidierte Fassung ABl . 1997 L 28, 1) über das Recht der Wanderarbeitnehmer, sich im Behördenverkehr ihrer Muttersprache zu bedienen, in der (extensiven) Auslegung des EuGH (dazu Schübel-Pfister [Fn. 28], 264 f. mwN); Art. 3 RL 77/486/ EWG des Rates vom 25. 7. 1977 über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern (ABl . 1977 L 199, 32), wonach die Unterrichtung der Kinder von Wanderarbeitnehmern in ihrer Muttersprache zu fördern ist. 44 Die EMRK kennt kein positiviertes Recht auf besonderen Sprachenschutz. Der EGMR hat dies im Jahr 1968 im „Belgischen Sprachenfall“ (EuGRZ 1975, 298; dazu C. Hillgruber/M. Jestaedt Die Europäische Menschenrechtskonvention und der Schutz nationaler Minderheiten, 1993, 24 ff.; L. Wildhaber SJIR XXVI [1969/70], 9; A. Alen ZaöRV 50 [1990], 501 [504 ff.]) insbesondere hinsichtlich Art. 8, 14 EMRK , Art. 2 1. ZP zur EMRK entschieden; zur Sonderregelung des Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK siehe unten Fn. 114. Unter das „Privatleben“ iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK fällt aber auch der „Lebensstil“ (vgl. EGMR , LKV 2001, 69 [70]; C. Grabenwarter Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl. 2005, § 22 Rn. 12; A. Peters Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention, 2003, 178) und damit wohl auch die Pflege von Minderheitensprachen. An Entwürfen des Europarates zum Minderheitenschutz sind zu nennen: (1) Der nicht ratifizierte Entwurf des Europarats eines Zusatzprotokolls zur EMRK betreffend die nationalen Minderheiten und ihre Angehörigen (EuGRZ 1993, 152; dazu H. Klebes EuGRZ 1993, 148), der ein Recht der Minderheiten vorsieht, ihre Muttersprache zu lernen und in ihr unterrichtet zu werden (Art. 8 Abs. 1); (2) das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten vom 1. 2. 1995 ( EuGRZ 1995, 268) mit der Garantie des Rechts von Minderheiten, ihre Sprache öffentlich und privat zu verwenden, einer „Bemühensklausel“ hinsichtlich der Kommunikation mit Behörden und der Betonung des Anspruchs auf einen Dolmetscher im Strafverfahren auch für Minderheiten (Art. 10); (3) die für Deutschland am 1. 1. 1999 in Kraft getretene Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen vom 5. 11. 1992 ( BGBl . 1998 II 1314; dazu B. S. Pfeil europa ethnica 2003, 24; D. O. Riagáin International Journal on Minority and Group Rights [IJMGR ] 6 [1999], 289 [293 f.]), die Verpflichtungen der Staaten enthält, die sich nicht auf einen bloßen Diskriminierungsschutz beschränken, sondern eine positive Pflege der Sprachen verlangen (Art. 7 ff.). Überblick zum sprachbezogenen Minderheitenschutzkonzpet des Europarats bei A. Kaiser Minderheitenschutz in der Europäischen Union, 2005, 18 ff.; R. K. M. Smith IJMGR 7 (2000), 173 (177 ff.); R. Wolfrum FS Ress, 2005, 1109 (1114 ff., 1117 ff.). 45 Im Ergebnis wie hier, mit zum Teil anders akzentuierter Begründung, W. Pfeil in: de Groot/Schulze (Hrsg.) Recht und Übersetzen, 1999, 136 (142 f.), 146 f.; Schübel-Pfister (Fn. 28), 376 ff. (383 f.); J. C. Wichard in: Calliess/Ruffert (Fn. 29), Art. 290 EGV Rn. 2; vgl. auch C. Luttermann/K. Luttermann JZ 2004, 1002 (1006; EG -Grundrecht auf

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Schutzgehalte

In sachlicher Hinsicht verbürgt das Grundrecht der Sprachenfreiheit, das primär ein Abwehrrecht darstellt, in Anlehnung an die Judikatur des Schweizerischen Bundesgerichts46 und Art. 18 der Schweizerischen Bundesverfassung ( BV )47 die Befugnis zum Gebrauch der selbst gewähl„Kommunikationsfreiheit“). Tendenziell a.A., aber wohl nur hinsichtlich eines objektivrechtlichen Grundsatzes der Gleichheit der Sprachen, EuGHE 2003, I-8283 Rn. 82. Danach können die Bezugnahmen des EGV auf die Sprachenfrage, vor allem Art. 21 Abs. 3 und Art. 314 EGV , „nicht als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts angesehen werden, der jedem Bürger einen Anspruch darauf gewährte, dass alles, was seine Interessen berühren könnte, unter allen Umständen in seiner Sprache verfasst sein müsste.“ Umgekehrt folgt hieraus, dass ein solcher Grundsatz aber jedenfalls dann gilt, wenn rechtliche Interessen des Bürgers beeinträchtigt werden können (vgl. EuGH ebd., Rn. 96). Sollte der EuGH mit dieser Entscheidung – entgegen der hier vertretenen Auffassung – auch ein Grundrecht auf Sprachenfreiheit abgelehnt haben, so überzeugte dies vor dem Hintergrund der Nichtbeachtung von Art. 41 Abs. 4 GrCh und der nationalen Verfassungsüberlieferungen nicht; krit. auch F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 367 (381); N. N. Shuibhne ( ML Rev. 41 (2004), 1093 (1103 ff.). Eine andere Möglichkeit der Begründung eines EG -Grundrechts der Sprachenfreiheit ergibt sich, wenn man – entgegen der h.M. – das allgemeine Persönlichkeitsrecht als EG -Grundrecht anerkennt (in diesem Sinne unter Berufung auf Art. II-67f. VVE /Art. 7 f. GrCh iVm Art. II-61 VVE / Art. 1 GrCh H.-W. Rengeling/P. Szczekalla Grundrechte in der Europäischen Union, 2004, § 14 Rn. 643) und die Sprachenfreiheit als Teilausprägung hiervon ansieht. 46 Grundlegend zur Sprachenfreiheit als ungeschriebenem Grundrecht der Schweizerischen Bundesverfassung Schweizerisches Bundesgericht BGE 91 I, 480 (485 f.); aus dem Schrifttum D. Thürer Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung 1984, 241 (242 ff.); R. Viletta Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung 1981, 193 (206 ff.). 47 Art. 18 BV Schweiz (1999) schützt über die Muttersprache und eine etwaige Zweitsprache hinaus jede Sprache, derer sich jemand bedienen will, einschließlich der dialektalen Formen. Vgl. BGE 122 I 236 (238); A. Auer/G. Malinverni/M. Hottelier Droit constitutionnel suisse, Bd. II , 2000, Rn. 944; Häfelin/Haller (Fn. 23), Rn. 514; L. Mader NZZ Nr. 185 vom 12. 8. 1999, 29; Rhinow (Fn. 23), Rn. 1398; zur Vorbildfunktion dieses Artikels für andere Staaten P. Häberle Europäische Rechtskultur, 1994, 360. Für das Grundrecht der Sprachenfreiheit gilt – wie für alle Grundrechte der Schweizerischen BV – der allgemeine Gesetzesvorbehalt nach Art. 36 BV (iVm Art. 5 Abs. 1 und 2 BV ); krit. dazu R. J. Schweizer JöR N.F. 48 (2000), 263 (270 f. m. Fn. 61). Zur näheren Bestimmung des eine Beschränkung rechtfertigenden öffentlichen Interesses sind vor allem die objektiv-rechtlichen Bestimmungen über die Sprachenordnung (Art. 4, 70 BV) heranzuziehen. Speziell zu der auf dem Territorialitätsprinzip (Sprachgebietsprinzip) des Art. 70 Abs. 2 BV (dazu Borghi [Fn. 23], § 38 Rn. 24; Fleiner/Basta Fleiner [Fn. 23], 630; Häfelin/Haller ebd., Rn. 517; R. Kägi-Diener in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender [Hrsg.] St. Galler Kommentar zur schweizerischen Bundesverfassung, 2002, Art. 70 Rn. 14; D. Thürer Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung 1984, 241 [246 ff.]; R. Viletta Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung 1981, 193 [210 ff.]) beruhenden strikten Separation der Sprachge-

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ten Sprache in Wort und Schrift im privaten und öffentlichen Bereich.48 Dies wird regelmäßig, wenngleich nicht zwingend,49 die Muttersprache50 sein. Ein so umschriebenes Freiheitsrecht vermag komplementär51 das Bedürfnis nach Schutz der Sprache jenseits der bloßen Nichtdiskriminierung zu befriedigen und hat folglich eine Daseinsberechtigung neben Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG .52 Für die EU resultiert aus der Sprachenfreiheit biete, welche in der Praxis der Schweiz einschneidende Beschränkungen der Sprachenfreiheit zulässt; vgl. BGE 91 I 480 (485 ff.); 100 Ia 462 (466 ff.); 106 Ia 299 (303 ff.); 121 I 196 (198 ff.); 122 I 236 (240); Auer/Malinverni/Hottelier ebd., Rn. 914; Häfelin/Haller ebd., Rn. 519; Kägi-Diener ebd., Art. 18 Rn. 21; P. Mahon in: Aubert/ders. Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999, 2003, Art. 18 Rn. 11; umfassend zum schweizerischen Sprachenrecht D. Richter Sprachenordnung und Minderheitenschutz im schweizerischen Bundesstaat, 2005. 48 Das Recht auf Sprachenfreiheit umfasst somit – in positiver wie negativer Hinsicht – als Teilrechte eine Sprechfreiheit (Wort) und eine Schreibfreiheit (Schrift). Die Schreibfreiheit beinhaltet unter anderem das Recht zur Bestimmung über die eigene Rechtschreibung (Rechtschreibfreiheit). Die Sprechfreiheit ist zu unterscheiden von dem gleichfalls in Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG wurzelnden, aber eigenständigen Innominatfreiheitsrecht des Rechts am eigenen Wort, das die „Selbstbestimmung über die Adressierung des Gesprächs“ ( BVerfGE 106, 28 [44]), also die Entscheidung, welche Äußerung des Grundrechtsträgers welchem Personenkreis zugänglich wird (H. Dreier [Fn. 32], Art. 2 I Rn. 73), schützt. Zur faktisch regelmäßigen Durchbrechung der Sprachenfreiheit durch das Prinzip sprachlicher Homogenität im öffentlichen Bereich siehe unten bei Fn. 65. 49 Geschützt ist auch der spätere Ersatz der Muttersprache durch eine andere frei gewählte Sprache, etwa bei Eheleuten oder Familienmitgliedern unterschiedlicher Nationalität oder bei Emigranten; vgl. F. Dietrich ARSP 90 (2004), 1 (8 m. Fn. 15). 50 Hierbei kann es sich auch um die Muttersprache einer Minderheit handeln; vgl. deklaratorisch z. B. § 2 Abs. 3 S. 2, § 8 S. 3 und 4 Gesetz über die Rechte der Sorben im Freistaat Sachsen (Sächsisches Sorbengesetz – SächsSorbG) vom 31. 3. 1999 (SächsGVBl . 1999, 161). Das Kompositum mutterspraach (von mittellat. lingua materna) steht für die „von der mutter her überkommene sprache“ und bildet den Gegenbegriff zu „Fremdsprache“; vgl. J. u. W. Grimm Deutsches Wörterbuch, Bd. 12, 1984 (1885), 2827; ausführlich I. Kühn/M. Lehker (Hrsg.) Deutsch in Europa: Muttersprache und Fremdsprache, 2. Aufl. 2002; vgl. ferner F. Coulmas Sprache und Staat, 1985, 31 f., 67 ff., 199 f.; R. Viletta Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung 1981, 193 (199 ff.); sprachgeschichtlich U. Eco Die Suche nach der vollkommenen Sprache, 2. Aufl. 1994, insbes. 44 ff., 84 ff. 51 Vgl. dazu auch die Nachweise unten in Fn. 79. 52 Selbst wenn man das Recht auf den Gebrauch der Muttersprache bereits als in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG radiziert ansieht (so W. Heun in: H. Dreier [Fn. 32], Art. 3 Rn. 129), enthält ein positives Sprachenfreiheitsrecht eine darüber hinausgehende objektive Wertentscheidung für den sozialen und kulturellen Wert der Sprache als solchen. Mit der Anerkennung der Sprachenfreiheit lassen sich daher unter Rückgriff auf die allgemeinen Grundrechtslehren objektive Schutz- und Förderpflichten insbesondere im Bildungsbereich und im Rahmen kulturstaatlichen Staatshandelns gewinnen, die über

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insbesondere nach Maßgabe des Art. 21 Abs. 3 EGV 53 bzw. Art. 41 Abs. 4 GrCh das Recht von jedermann, sich in einer der Vertragssprachen und nunmehr auch in bestimmten Regionalsprachen54 an die Organe und Einrichtungen der EU 55 sowie an den Bürgerbeauftragten zu wenden und von diesen eine Antwort in derselben Sprache zu erhalten (Korrespondenzrecht).56 Spiegelbildlich zu dem Recht, sich gegenüber Hoheitsträgern der eigenen Sprache zu bedienen, folgt aus dem Grundrecht der Sprachenfreiheit in der Zusammenschau mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Bestimmtheitsgebot, dass der Einzelne bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich nicht verpflichtet ist, alle Vertragssprachen zu Rate zu ziehen. Er darf sich vielmehr allein auf die Fassung in seiner Sprache verlassen und diese als maßgeblich betrachten.57 eine Nichtdiskriminierung hinausgehen. Dagegen ist die Annahme einer staatlichen Schutzpflicht aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG streitig und wird von der h.M. zu Recht abgelehnt; vgl. G. Britz Diskriminierungsschutz und Privatautonomie, VVDStRL 64 (2005), 354 (362 ff.); dies. (Fn. 30), 148 ff., 156 ff.; für die Gegenansicht vgl. H. D. Jarass in: ders./Pieroth (Hrsg.) GG , 7. Aufl. 2004, Art. 3 Rn. 119a, beide mwN. 53 Zur Nichtverallgemeinerungsfähigkeit von Art. 21 Abs. 3 EGV vgl. EuGHE 2003, I-8283 Rn. 82; EuGE 2001, II -2235 Rn. 64; Generalanwalt F. G. Jacobs EuGHE 2003, I-8283 Rn. 47. 54 Vgl. Schlussfolgerungen des Rates vom 13. 6. 2005 über den Gebrauch zusätzlicher Sprachen im Rat und gegebenenfalls in anderen Organen und Einrichtungen der Europäischen Union, ABl . 2005 C 148, 1. Danach können sich die Unionsbürger – vermittelt durch eine nationale Stelle, die eine Übersetzung in die jeweilige nationale Amtssprache des Mitgliedstaates vorzunehmen hat – in ihrer Regionalsprache an die Organe und Einrichtungen der EU wenden. Der Beschluss kam auf Drängen Spaniens zustande, das seit langem um eine Aufwertung des Baskischen, Galicischen, Katalanischen und Valencianischen (vgl. Art. 3 Abs. 2 Verf Spanien) in der EU bemüht war. Zur Sprachensituation in Spanien eingehend S. Riechert Der Gleichheitsgrundsatz im spanischen Verfassungsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Sprachengleichheit, 2001, 177 ff., sowie überblicksartig C. Vidal VR 2002, 55; speziell zur rechtlichen Stellung des Katalanischen K. Ebner europa ethnica 2005, 23. 55 ISv Art. 7 EGV ; Art. 3 Abs. 1, Art. 5 EUV. 56 Vgl. Art. 21 UAbs . 3 EGV , Art. 41 Abs. 4 GrCh; vgl. auch Art. I-10 Abs. 2 lit. d iVm Art. III -128; Art. II -101 Abs. 4 VVE ; aus dem Schrifttum H. D. Jarass EU -Grundrechte, 2005, § 36 Rn. 35 ff. W. Kluth in: Calliess/Ruffert (Fn. 29) Art. 21 EGV Rn. 2; S. Magiera in: Streinz (Fn. 41) Art. 21 EGV Rn. 5, 7; ders. in: Meyer (Hrsg.) Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2003, Art. 41 GrCh Rn. 22 ff.; Streinz (Fn. 41), Art. 41 GrCh Rn. 16. 57 Dies gilt jedenfalls solange, bis der Einzelne an der Richtigkeit des Auslegungsergebnisses zweifeln muss. Letzteres ist bei Unternehmen der Fall, wenn die Sprachdivergenz für sie erkennbar war. Dagegen ist der Bürger erst dann zur Durchführung eines Sprachvergleichs verpflichtet, wenn sich ihm Zweifel an seiner Sprachfassung aufdrängen. Dies grundlegend und genau entfaltend Schübel-Pfister (Fn. 28), 361 ff. (384),

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In persönlicher Hinsicht verkörpert die Sprachenfreiheit ein für jedermann geltendes subjektives Recht (Menschenrecht), aber kein Recht der Minderheiten als solcher. Der Minderheitenschutz des Grundgesetzes ist individualrechtlich konzipiert. Ein (sprachlicher) Gruppenschutz kann dem Grundgesetz – im Gegensatz zu verschiedenen Landesverfassungen,58 Verfassungen anderer Staaten59 und dem Völkerrecht60 – 384 ff., 402 ff., 457 ff., 470 ff. (470). Zum Teil strenger aber die EuGH -Rechtsprechung; vgl. die Analyse und Nachweise bei Schübel-Pfister ebd., 332 ff. 58 Diskriminierungsverbote hinsichtlich sprachlicher Minderheiten finden sich für die Sorben (Wenden) in Art. 25 Abs. 3 BbgVerf iVm § 1 Abs. 1 und 2 Gesetz zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben (Wenden) im Land Brandenburg (Sorben[Wenden]-Gesetz – SWG ) vom 7. 7. 1994 ( BbgGVBl . 1994, 294), Art. 6 Abs. 1 S. 2 SächsVerf. und allgemein in Art. 17 Abs. 4 RhPfVerf, Art. 12 Abs. 3 SaarlVerf, Art. 5 Abs. 2 SächsVerf., Art. 7 Abs. 2 VerfLSA , Art. 2 Abs. 3 ThürVerf. Allgemeine Minderheitenschutzklauseln ohne explizite Erwähnung der Sprache: Art. 18 M-VVerf , Art. 37 Abs. 1 VerfLSA , Art. 5 Abs. 2 SchlHVerf . 59 Vgl. § 17 UAbs . 3, § 121 Grundgesetz Finnland; Art. 6, 116 Verf. Italien (1947) iVm Gesetz Nr. 482 (1999); Art. 68 Verf. Ungarn (1949); Art. 35 Verf. Polen (1997); Art. 32 Abs. 3, Art. 120 Abs. 2 Verf. Rumänien (1991); Art. 64 Verf. Slowenien (1991); Kap. 1 § 2 Abs. 4 Verf. Schweden; vgl. auch Häberle Verfassungslehre (Fn. 8), 552 f. Fn. 990. Vgl. außerdem bereits Art. 18 Abs. 1 des Österreichischen Staatsgrundgesetzes (1867) sowie in dessen Ausführung § 1 des Österreichischen Bundesgesetzes über die Rechtsstellung von Volksgruppen in Österreich vom 7. 7. 1976 ( BGBl . Nr. 396/1976); dazu VerfGH EuGRZ 1984, 19; D. Kolonovits Sprachenrecht in Österreich: Das individuelle Recht auf Gebrauch der Volksgruppensprachen im Verkehr mit Verwaltungsbehörden und Gerichten, 1999. Zum Schutz sprachlicher Minderheiten in Österreich und Italien rechtsvergleichend G. Rautz Die Sprachenrechte der Minderheiten, 1999. Vgl. auch das Österreichisch-italienische Abkommen über Südtirol vom 5. 9. 1946, zit. nach H. Hannum Documents on Autonomy and Minority Rights, 1993, 462; dazu P. Hilpold europa ethnica 53 (1996), 117 (121 f.); R. Hofmann Minderheitenschutz in Europa, 1995, 100 ff. sowie das Autonomiestatut für Südtirol von 1971/72; dazu Hilpold ebd., 124 ff.; P. Sandrini in: de Groot/Schulze (Fn. 45), 189. 60 Vgl. Art. 27 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte ( IPbpR ) vom 19. 12. 1966, BGBl . 1973 II 1534. Ausführlich dazu C. Tomuschat FS Mosler, 949. Art. 27 IPbpR geht es in erster Linie um den gruppenspezifischen Schutz vor kultureller Assimilation (vgl. Tomuschat ebd., 952). Generell spielt die Sprache eine entscheidende Rolle im Rahmen der Definition, ob eine Gruppe als zu schützende Minderheit anzusehen ist; vgl. G. H. Gornig in: Blumenwitz/ders./Murswiek (Hrsg.) Ein Jahrhundert Minderheiten und Volksgruppenschutz, 2001, 19 (36); C. Scherer Minderheiten und sonstige ethnische Gruppen, 1997, 56 ff.; allg. zum völkerrechtlichen Minderheitenbegriff D. Murswiek Minderheitenschutz – für welche Minderheiten?, 1994, 11 f. Überwiegend finden über einen bloßen Diskriminierungsschutz hinausgehende unmittelbare Gewährleistungsverpflichtungen des Staates im Rahmen des Art. 27 IPbpR keine Anerkennung (vgl. Tomuschat ebd., 969; siehe auch J. A. Sigler Minority Rights, 1983, 79; a.A. S. Pritchard Der völkerrechtliche Minderheitenschutz, 2001, 226 ff.). Dennoch setzt sich zunehmend die Auffassung durch, dass Art. 27 IPbpR jedenfalls ansatzweise auch

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nicht entnommen werden.61 Der (auch verbeamtete) Wissenschaftler oder Künstler genießt, soweit er durch seine geistig-schöpferische TäSchutzpflichten des Staates enthält (T. Schilling Internationaler Menschenrechtsschutz, 2004, Rn. 420 ff.). Allgemein zur Sprachenautonomie und zum Sprachenschutz im Völkerrecht D. Blumenwitz Volksgruppen und Minderheiten, 1995, 83, 152 ff., 179 ff.; D. Engel Die sprachenrechtliche Situation der Angehörigen von Minderheiten im Völkerrecht, 2002, insbes. 53 ff.; O. Kimminich Rechtsprobleme der polyethnischen Staatsorganisation, 1985, 196 ff.; M. Krugmann Das Recht der Minderheiten, 2004, 68 f., 71, 111 f.; S. Trifunovska IJMGR 9 (2002), 235. Zur „sprachlichen Minderheit“ („linguistic minority“) als Trägerin von Gruppenrechten im Völkerrecht R. Oxenknecht Der Schutz ethnischer, religiöser und sprachlicher Minderheiten in Art. 27 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, 1988, 116 ff. Die meisten Deklarationen, die sich mit Minderheitensprachen befassen, sind völkerrechtlich unverbindlich. Vgl. insbesondere: (1) UNESCO -Konvention gegen die Diskriminierung im Unterrichtswesen vom 14. 12. 1960 (zit. nach Blumenwitz ebd., 152), die in Art. 5 zwar das Recht ethnischer Minderheiten, eigene Schulen zur Kulturpflege zu unterhalten, betont, aber den Unterricht in eigener Sprache ausdrücklich in das Ermessen des jeweiligen Staates stellt; (2) Abschlussdokument des Kopenhagener Treffens der Konferenz über die menschliche Dimension der KSZE ( EuGRZ 1990, 239) mit der Regelung des Schutzes vor Diskriminierungen wegen der Sprache und des Rechts von Minderheiten, ihre sprachliche Identität zu wahren (Ziff. 25.4, 32); (3) UN -Deklaration über die Rechte von Angehörigen nationaler, religiöser oder ethnischer Minderheiten vom 18. 12. 1992 (GA Resolution 47/135, ILM 32 [1993], 911) mit Anerkennung auch sprachlicher Minderheiten und einer weitgehend im Ermessen der Staaten liegenden Pflicht, „appropriate measures“ zur Förderung von Minderheitensprachen zu ergreifen (Art. 2, 4 Abs. 3); (4) Budapester Dokument der KSZE / OSZE vom 6. 12. 1994 ( EuGRZ 1995, 329) mit einer „Gipfelerklärung“, die unter Nr. 21, 22 allgemein die Bedeutung des Minderheitenschutzes betont; ausführlich zu den Deklarationen im Rahmen der KSZE / OSZE A. Eide IJMGR 6 (1999), 319. Zum Sprachenschutz im Rahmen des Europarats siehe oben Fn. 44. Völkerrechtlich verbindliche Sprachenregelungen sind in verschiedenen bilateralen Abkommen enthalten; vgl. Blumenwitz ebd., 160 ff.; ders. in: ders./Gornig/Murswiek ebd., 49 (57 ff.); A. Verdross/B. Simma Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, § 1253. 61 Vgl. Langenfeld (Fn. 30), 363, anders für die Schweiz G. Biaggini DVBl . 2005, 1090 (1096). Ungeachtet dessen genießen die (sprachlichen) Minderheiten in Deutschland durch die Individualrechte des Grundgesetzes und gruppenrechtlich auf Grund der Staatszielbestimmungen zum Minderheitenschutz im Landesverfassungsrecht (siehe Fn. 58) einen ausreichenden Schutz. Eine grundgesetzliche Minderheitenschutzklausel, wie sie als Art. 20b GG n.F. von der Gemeinsamen Verfassungskommission 1993 („Der Staat achtet die Identität der ethnischen, kulturellen und sprachlichen Minderheiten“; vgl. BT-Drs. 12/6000, 71; zustimmend H. Schulze-Fielitz in: Fleiner [Hrsg.] Die multikulturelle und multi-ethnische Gesellschaft, 1995, 133 [169 ff.]) vorgeschlagen wurde, ist daher nicht erforderlich. Sie wäre – im Gegenteil – kontraproduktiv, da sie im Sinne eines Rechts auf ein unverbundenes kulturelles Nebeneinander und einer Untersagung jeglichen Integrationsdrucks (so zumindest tendenziell die Mehrheitsmeinung in der Gemeinsamen Verfassungskommission, ebd., 74) verstanden würde; wie hier die Gegenmeinung in der Verfassungskommission ebd., 74 f.; Britz (Fn. 30), 183 ff. (198), 199 ff., 307, 312 f.; Murswiek (Fn. 60), 14 f., 23 f., 26 ff.

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tigkeit zugleich weisungsfreie Dienstpflichten erfüllt,62 als Ausprägung von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG den Schutz der Sprachenfreiheit. Allerdings gilt dies nicht für Dienstpflichten, die außerhalb der Wissenschaft oder Kunst im engeren Sinne liegen, etwa für die Korrespondenz mit dem Dienstherrn oder die Ausführung von Verwaltungsaufgaben wie die Abnahme staatlicher Prüfungen. 63 Im Übrigen ist der Hochschullehrer unbeschadet des Art. 5 Abs. 3 GG zur Abhaltung von Lehrveranstaltungen entsprechend den Erfordernissen eines ordnungsgemäßen Lehrbetriebs verpflichtet.64 Dies setzt voraus, dass sich der Lehrende solcher Kommunikationsformen bedient, die eine ordnungsgemäße Erfüllung des Ausbildungsauftrages der Universität gewährleisten, wozu im Hinblick auf den Empfängerhorizont und die Ausbildungsfunktion der Universität jedenfalls für die Rechtswissenschaft grundsätzlich – von fremdsprachlichen Spezialveranstaltungen abgesehen – die Abhaltung der Veranstaltungen in deutscher Sprache zählt. c)

Das Beispiel: Rechtschreibreform

Deutschland überlässt die Sprache somit im Prinzip dem freien und dynamischen Spiel der gesellschaftlichen Kräfte und schirmt sie grundrechtlich gegen den Staat ab. Die Sprachenfreiheit gilt jedoch nicht schrankenlos. Sie unterliegt dem begrenzten, stets rechtfertigungsbedürftigen gestaltenden Eingriff des Staates. 65 Dies betrifft vor

Siehe nur W. Thieme Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 701. Auch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG schützt insoweit nur die wissenschaftliche Betätigung, nicht den Wissenschaftler ad personam. Insgesamt wird sich eine Parallele zum Richterdienstrecht gemäß Art. 97 GG (siehe unten Fn. 74) ziehen lassen; vgl. W. Löwer WissR 33 (2000), 302 (305); Thieme (Fn. 62), Rn. 706. 64 Vgl. B. Kempen in: Hartmer/Detmer (Hrsg.) Hochschulrecht, 2004, Kap. I Rn. 94; H. Krüger in: Flämig u. a. (Hrsg.) Handbuch des Wissenschaftsrechts, 2. Aufl. 1996, 309 (314 f.); I. Pernice in: H. Dreier (Fn. 32), Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 33; allgemein BVerfGE 55, 37 (68). 65 P. Kirchhof (Fn. 17), § 20 Rn. 95 f.; zur Abgrenzung des gestaltenden Eingriffs (Sprachbeeinflussung), der nur in engen Grenzen zulässig ist, von der (unstrittig zulässigen) bloßen Sprachpflege siehe die Nachweise unten in Fn. 308. Die Zulässigkeit des gestaltenden Eingriffs in die Schreibfreiheit gilt insbesondere für den Schulbereich und ergibt sich dort aus dem umfassenden Erziehungsauftrag des staatlichen Schulwesens, den Art. 7 Abs. 1 GG voraussetzt und der im Landesverfassungsrecht inhaltlich näher ausgestaltet ist. Rechtfertigungsbedürftige Einschränkungen der Sprachenfreiheit ergeben sich ferner vor allem aus den Bestimmungen über die Amts-, Schul- und Gerichtssprache (siehe unten bei Fn. 153 ff.); vgl. G. Biaggini DVBl . 2005, 1090 (1098); Häberle (Fn. 26), 123; Kirchhof ebd., Rn. 118 ff. 62 63

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allem den Bereich der Orthographie, der dem Regelungszugriff des Staates nicht von vornherein entzogen ist. 66 Will der Staat intervenieren, wie im Falle der Rechtschreibreform,67 die zum 1. August 2005 für die Schulen und die Verwaltung weitgehend allein verbindlich ge-

66 Wie hier BVerfGE 98, 218 (246 ff.); A. Bleckmann FS Großfeld, 1999, 97 (102); H. Bauer/C. Möllers JZ 1999, 697 (699); F. Hufen RdJB 1998, 472 (475); B. W. Wegener Jura 1999, 185 (188); konkludent auch OVG NW NJW 1998, 1240 (1241 f.); U. Hufeld JuS 1996, 1072 (1076); a.A. M. Kilian NJW 1997, 308 (309); W. Löwer RdJB 1997, 226 (226 f.); W. Roth BayVBl . 1999, 257 (260 ff.); E. Wolf NJW 1997, 3421 (3422); tendenziell auch OVG Lüneburg NJW 1997, 3456 (3459 f.); SächsOVG DÖV 1998, 118 (119) sowie, wenngleich offen lassend, P. Häberle JZ 1996, 719. Die staatliche Befassungskompetenz folgt aus der prinzipiellen („virtuellen“) Allzuständigkeit des Staates, die durch die Verfassung lediglich ihre formelle und materielle Begrenzung erfährt; so Bauer/Möllers ebd.; vgl. dazu allgemein J. Isensee HStR III , 2. Aufl. 1996, § 57 Rn. 159; R. Schmidt NJW 1980, 160 (161 f.). Diese Sichtweise wird durch die historische Betrachtung zusätzlich bestätigt; vgl. Hufen ebd., 474 f.; J. Menzel RdJB 1998, 36 (44 ff.); ausführlich zur historischen Entwicklung W. Kopke Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, 1 ff. 67 Vgl. den Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 30. 11./1. 12. 1995. Diesem Beschluss stimmte am 14. 12. 1995 die Ministerpräsidentenkonferenz zu und am 17. 4. 1996 nahm das Bundeskabinett davon Kenntnis. Es folgte die Gemeinsame Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Sprache – Wiener Absichtserklärung – vom 1. 7. 1996, BAnz Nr. 205a (Sonderbeilage) vom 31. 10. 1996, die von Ministern und anderen Funktionsträgern u. a. aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein abgegeben wurde und in der die Unterzeichner erklären zu beabsichtigen, sich innerhalb ihres Wirkungsbereichs für die Umsetzung dieses Regelwerks einzusetzen; vgl. O. R. Kissel NJW 1997, 1097 (1098). Die Umsetzung der Rechtschreibreform erfolgte dezentral durch entsprechende Erlasse und Weisungen in Verwaltung und Justiz des Bundes und der Länder. Politisch betrachtet ist die Neuregelung der Rechtschreibung primär eine in hohem Maße überflüssige Reform. Weder dies, der Umstand, dass die Reform mit einer Reihe handwerklicher Fehler versehen ist, um deren Beseitigung sich nunmehr ein Rat für Rechtschreibung kümmert (zu dessen Mandat vgl. H. Zehetmaier FAZ Nr. 283 v. 3. 12. 2004, 33), noch sonstige Aspekte rechtfertigen freilich die Aufgeregtheit und Polemik, mit der die Diskussion in Deutschland teilweise geführt wurde und die Züge eines „Glaubenskrieg(es)“ (F. Hufen RdJB 1998, 472 [473]) annahm, der die Gerichte aller Instanzen über viele Jahre intensiv beschäftigt hat und noch immer beschäftigt (siehe zuletzt wieder den Beschluss des OVG Lüneburg NJW 2005, 3590); vgl. zur „Prozessgeschichte“ die Zusammenfassung bei K. F. Gärditz NJW 2005, 3531; J. Menzel in: ders. (Hrsg.) Verfassungsrechtsprechung, 2000, 648 ff.; zu den – mit dortigen Volksbegehren verknüpften – Spezifika in Schleswig-Holstein und Berlin BVerfG -K NJW 1999, 3477; BVerfG -K NJW 2000, 1104; BerlVerfGH LKV 2001, 121. Zusammenfassung des inhaltlichen Für und Wider der Rechtschreibreform bei G. Augst/ B. Schaeder Rechtschreibreform. Eine Antwort an die Kritiker, 1997; H.-W. Eroms/ H. Haider (Hrsg.) Die Rechtschreibreform. Pro und Contra, 1997; T. Ickler Die sogenannte Rechtschreibreform, 1997.

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worden ist, liegt die Zuständigkeit grundsätzlich68 bei den Ländern69 (Art. 30, 70, 83 GG )70. Sie sind infolge des Grundsatzes der Bundestreue zu einer Abstimmung und Selbstkoordination verpflichtet, soweit dies im Interesse der sprachlichen Homogenität im Bundesgebiet zwingend erforderlich ist,71 wobei nicht jegliche Disparität der amtlichen Schreibweise bereits Gefährdungen von gesamtstaatlicher Relevanz hervorruft.72 Die Änderung der Rechtschreibregeln greift in das Grundrecht der Schüler auf Sprachenfreiheit, genauer auf Schreibfreiheit (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG ),73 sowie das Recht der Eltern auf Spracherziehung ihrer Kinder (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ) ein.74 Allerdings bleibt 68 Für die Bundesverwaltung könnte der Bund die neue Rechtschreibung unabhängig von den Ländern einführen, entweder mittels Gesetzgebung für das Dienstrecht des Bundes nach Art. 73 Nr. 8 GG oder durch Anweisung im Vollzug nach Art. 86 ff. GG . 69 Insbesondere besteht keine Bundeskompetenz kraft Natur der Sache; vgl. BVerfGE 98, 218 (248 ff.); H. Bauer/C. Möllers JZ 1999, 697 (699); A. Hense DVBl . 2000, 376 (378); F. Hufen RdJB 1998, 472 (475); Kopke (Fn. 66), 79 f.; B. Pieroth in: Jarass/ders. (Fn. 52), Art. 70 Rn. 9; U. Steiner HStR III , 1988, § 86 Rn. 18 f.; Theme (Fn. 26), 161 f., 171 ff.; a.A. W. Roth BayVBl . 1999, 257 (263). Anders war dies – losgelöst von der Frage der Rechtschreibreform – für die allgemeine Sprachpflege in den beiden früheren deutschen Teilstaaten bis zur Vereinigung im Jahre 1990. Für sie war der Bund zuständig; vgl. Steiner ebd., Rn. 17; allgemein zur Bedeutung der nationalen Kultur als einheitsstiftendes Moment gerade in den Jahren der deutschen Teilung siehe Art. 35 Abs. 1 S. 1 Einigungsvertrag vom 31. 8. 1990, BGBl . 1990 II 889. Für die Pflege der deutschen Sprache im Ausland ergibt sich die Bundeskompetenz aus Art. 71, 73 Nr. 1 GG . 70 Für den Schulbereich folgt dies aus der „Kultushoheit der Länder“ (Art. 30, 70 GG ); vgl. SächsOVG DÖV 1998, 118 (119); F. Hufen RdJB 1998, 472 (476); W. Löwer RdJB 1997, 226 (227); allgemein Steiner (Fn. 31), 19 ff. Für den Bereich öffentlicher Verwaltung ist danach zu differenzieren, wem die Vollzugskompetenz obliegt (Art. 30, 83 ff. GG ). 71 Vgl. H. Bauer/C. Möllers JZ 1999, 697 (699); W. Löwer RdJB 1997, 226 (228); ohne Berufung auf die Bundestreue im Ergebnis auch BVerfGE 98, 218 (249); P. Kirchhof (Fn. 17), § 21 Rn. 96. 72 In der Tendenz ebenso aus grundrechtlicher Sicht BVerfG -K NJW 1999, 3477. 73 Vgl. R. Gröschner/W. Kopke JuS 1997, 298 (299); U. Hufeld JuS 1996, 1072 (1073); Kopke (Fn. 66), 177 ff.; W. Roth BayVBl . 1999, 257 (258); R. Wassermann BRAK-Mitt. 3/1997, 108 (109); a.A. C. Degenhart Staatsrecht I, 20. Aufl. 2004, Rn. 339; J. Menzel RdJB 1998, 36 (51); G. Roellecke NJW 1997, 2500. 74 Wie hier Kopke (Fn. 66), 191 ff.; W. Roth BayVBl . 1999, 257 (257 f.); R. Wassermann BRAK-Mitt. 3/1997, 108 (109); offenlassend BVerfGE 98, 218 (245, 251 ff.); a.A. Degenhart (Fn. 73). Dagegen liegt mangels berufsregelnder Tendenz kein Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG ) der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer (insbesondere Schulbuchverlage) vor; im Erg. ebenso, aber unter Verortung des Problems beim Schutzbereich BVerfGE 98, 218 (258 f.). Für Beamte bzw. Soldaten bedeutet die Anordnung der neuen Rechtschreibregeln eine dienstliche Bagatellmaßnahme im „Betriebsverhältnis“, die nicht das Gewicht hat, in das Persönlichkeitsrecht des Beamten überzu-

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der Eingriff in seiner Intensität gering, zumal sich die Reform auf wertfrei-wissensbezogene („technische“) Fragen der Lehrplangestaltung beschränkt und keine neuen Bildungsziele einführt. Die Reform ist daher von den allgemeinen Erziehungs- und Bildungszielen der Landesschulgesetze gedeckt und bedarf keines speziellen Gesetzes.75 Die mit ihr verbundenen Grundrechtseingriffe sind zudem verhältnismäßig und gerechtfertigt.76 Für die Zukunft sei der Wunsch angefügt, die Auseinandersetzung um die wirklich drängenden schulischen Probleme der Zeit, die auch und gerade kulturell-sprachlicher Natur sind, möge mit dersel-

greifen ( BVerwG NVwZ 2002, 610 [610 f.]; U. Hufeld JuS 1996, 1072 [1075]), da der Beamte nicht gezwungen ist, sich auch privat den dienstlichen Schreibgewohnheiten anzupassen; a.A. R. Gröschner/W. Kopke JuS 1997, 298 (300); W. Kopke (Fn. 66), 277 ff.; M. Kilian NJW 1997, 308 (309). Zum (auch verbeamteten) Wissenschaftler oder Künstler siehe oben bei Fn. 62 ff. Der Richter kann sich gegenüber der Anordnung der Geltung der neuen Rechtschreibregeln nicht auf die Unabhängigkeitsgarantie des Art. 97 Abs. 1 GG berufen. Von dieser Norm nämlich nicht erfasst sind Tätigkeiten, „die dem Kernbereich der eigentlichen Rechtsprechung so weit entrückt sind, dass für die die Garantie des Art. 97 I GG nicht in Anspruch genommen werden kann“, so BGHZ 70, 1 (4); O. R. Kissel/H. Mayer GVG , Kommentar, 4. Aufl. 2005, § 1 Rn. 56; R. Schmidt-Räntsch Dienstaufsicht über Richter, 1985, 61 ff. Hierzu wird man auch Vorgaben über die Amtssprache einschließlich der Rechtschreibregeln zu zählen haben; wie hier O. R. Kissel NJW 1997, 1097 (1103, 1106). Bereits mangels Verbindlichkeit keinen Eingriffscharakter hat die Rechtschreibreform für die Allgemeinheit der Bürger; vgl. B. W. Wegener Jura 1999, 185 (187). 75 Die Einführung der neuen Rechtschreibregeln ist nicht grundrechtswesentlich (wegen der Übergangsfrist von zehn Jahren auch nicht für Schüler, die bereits die alte Rechtschreibung gelernt hatten). Sie ist aber auch nicht allgemeinwohlwesentlich, weil die auf Schule und Amt beschränkten Änderungen für die allgemeinen Lebensverhältnisse qualitativ und quantitativ von objektiv geringem Gewicht sind und die deutsche Sprache als Kulturgut intakt lassen. Hieran vermag auch die politische Umstrittenheit der Reform nichts zu ändern. Wie hier BVerfGE 98, 218 (250 ff.); Degenhart (Fn. 73), Rn. 339; U. Hufeld JuS 1996, 1072 (1075); P. Kirchhof (Fn. 17), § 20 Rn. 96 Fn. 139; W. Löwer RdJB 1997, 226 (227); J. Menzel RdJB 1998, 36 (53 ff.); G. Robbers in: von Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 35), Art. 7 Rn. 29; R. Zippelius/T. Würtenberger Deutsches Staatsrecht, 31. Aufl. 2005, 104. Im Ergebnis ebenso, aber mit abweichender, nicht überzeugender Begründung OVG Schleswig NJW 1997, 2536 (2537). Praktische Einwände gegen einen Gesetzesvorbehalt bei J. Menzel ebd., 56; G. Roellecke NJW 1997, 2500 (2500 f.). A.A. (für die Wesentlichkeit der Rechtschreibreform) H. Bauer/C. Möllers JZ 1999, 697 (702); R. Gröschner in: Dreier (Fn. 32), Art. 7 Rn. 55; ders./W. Kopke JuS 1997, 298 (299 f.); P. Häberle JZ 1996, 719; W. Kopke JZ 1995, 874 (876 f.); B. W. Wegener Jura 1999, 185 (190 f.); SächsOVG DÖV 1998, 118; VG Berlin NJW 1998, 1243; VG Hannover NJW 1998, 1250; VG Wiesbaden NJW 1998, 1246. 76 So wohl auch BVerfGE 98, 218 (252 ff.); a.A. W. Kopke NJW 1996, 1081 (1084 ff.); R. Wassermann BRAK-Mitt. 3/1997, 108 (109); offen lassend W. Roth BayVBl . 1999, 257 (258).

Sprache als Kultur- und Rechtsgut

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ben Energie geführt werden wie die Debatte um die Rechtschreibreform in Deutschland.77 2.

Sprachliche Diskriminierungsverbote

Das Grundgesetz 78 enthält mit Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG eine ergänzende79 Absicherung der Sprachenfreiheit in Gestalt eines speziellen Diskriminierungsverbots aus Gründen der Sprache80. Diese Bestimmung hat

77 Ähnlich F. Hufen RdJB 1998, 472 (480). Interessanterweise war die Rechtschreibreform in Österreich und in der Schweiz, von Einzelstimmen abgesehen, kaum umstritten. Eine größere öffentliche Debatte blieb dort aus, erst recht eine Emotionalisierung wie in Deutschland; vgl. G. Biaggini DVBl . 2005, 1090 (1095); R. Olt FAZ Nr. 177 vom 2. 8. 2005, 5. Wohltuend nüchtern in der deutschen Diskussion frühzeitig M. Stolleis FAZ Nr. 134 vom 12. 6. 1996, 38: „Wenn sich der juristische Pulverdampf verzogen hat und der Kreidestaub von den Schultafeln gewischt ist, wird sich Normalität einstellen.“ 78 Auch die überwiegende Zahl der Landesverfassungen sieht entweder einen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG entsprechenden Diskriminierungsschutz der Sprache vor (Art. 10 Abs. 2 BerlVerf, Art. 12 Abs. 2 BbgVerf, Art. 2 Abs. 2 BremVerf, Art. 12 Abs. 2 SaarlVerf, Art. 18 Abs. 3 SächsVerf, Art. 7 Abs. 3 VerfLSA [in Ergänzung zu dem Staatsziel des Art. 37 VerfLSA ], Art. 2 Abs. 3 ThürVerf) oder verweist auf den Grundrechtsteil des Grundgesetzes (Art. 5 Abs. 3 MVVerf, Art. 3 Abs. 2 NdsVerf, Art. 4 Abs. 1 NWVerf ). Einen besonderen Schutz sprachlicher Minderheiten kennen Art. 17 Abs. 4 RPVerf („Der Staat achtet ethnische und sprachliche Minderheiten“) und Art. 5 Abs. 2 SächsVerf („Das Land gewährleistet und schützt das Recht nationaler und ethnischer Minderheiten deutscher Staatsangehörigkeit auf Bewahrung ihrer Identität sowie auf Pflege ihrer Sprache, Religion, Kultur und Überlieferung.“), wobei Art. 6 SächsVerf einen qualifizierten Minderheitenschutz für die Sorben enthält. Auf eine ausdrückliche Erwähnung der Sprache im Rahmen der Gleichheitsgrundrechte verzichten dagegen Art. 118 BayVerf, Art. 1 HessVerf, Art. 18 MVVerf („Die kulturelle Eigenständigkeit ethnischer und nationaler Minderheiten und Volksgruppen von Bürgern deutscher Staatsangehörigkeit steht unter dem besonderen Schutz des Landes.“). 79 Entgegen dem BVerfG , das Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG neben den Freiheitsrechten offenbar für nicht anwendbar hält (vgl. BVerfGE 39, 334 [368]), ist von einer Idealkonkurrenz zwischen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG und den Freiheitsrechten auszugehen; wie hier K. F. Gärditz WissR 38 (2005), 157 (160 f.); Heun (Fn. 52), Art. 3 Rn. 87; Lässig (Fn. 39), 94; L. Osterloh in: Sachs (Fn. 32), Art. 3 Rn. 236 („flankierender Freiheitsschutz“); M. Ruffert Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, 177 ff., 492 ff., 504; U. Sacksofsky in: Umbach/Clemens (Hrsg.) Mitarbeiterkommentar zum GG , 2002, Art. 3 Rn. 330; M.-T. Tinnefeld Der Schutz der Sprache als verfassungsrechtliche Aufgabe und die Form ihrer Verwirklichung in Art. 3 Abs. 3 GG , Diss. Köln 1967, 68 ff., sowie J. Ipsen Staatsrecht II , 8. Aufl. 2005, Rn. 807, der darauf hinweist, dass das Konkurrenzverhältnis zwischen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG und den Freiheitsrechten noch ungeklärt ist; ebenso Osterloh ebd., Rn. 301; Jarass (Fn. 52), Art. 3 Rn. 106. 80 „Sprache“ iSd Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG bezeichnet die jeweilige Muttersprache. Umfasst sind faktisch vor allem die Sprachen der in Deutschland seit langem ansässigen

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verfassungsgeschichtlich eine lange Tradition,81 die bis auf Art. XIII § 188 der Paulskirchenverfassung (1849)82 zurückreicht und von dort zunächst unter anderem83 in Art. 113 der Weimarer Reichsverfassung (1919)84 und über diesen wiederum in das Grundgesetz sowie Art. 11 der

(autochthonen) nationalen sprachlichen Minderheiten (Dänen [Art. 5 Abs. 2 S. 2 SchlHVerf ], Sorben [Art. 25 BbgVerf, Art. 5 Abs. 2, Art. 6 SächsVerf], Sinti und Roma) sowie die Sprachen der in Deutschland lebenden Ausländer; vgl. Heun (Fn. 52), Art. 3 Rn. 129; Starck (Fn. 35), Art. 3 Abs. 3 Rn. 389; zu eng G. Dürig in: Maunz/ders. (Fn. 40), Art. 3 Abs. 3 (Bearbeitung 1973) Rn. 73; siehe auch unten Fn. 90. 81 Vgl. dazu Häberle (Fn. 26), 111 f., 122. Entstehungsgeschichtlich wurden die Worte „seiner Sprache“ in Art. 3 Abs. 3 GG auf Vorschlag des Abg. Dr. Bergsträsser eingefügt, um vor dem Hintergrund der Erfahrungen im Nationalsozialismus die gleiche Behandlung fremdsprachiger Minderheiten zu gewährleisten, zit. nach K.-B. von Doemming/ R. W. Füßlein/W. Matz JöR N.F. 1 (1951), 1 (69). Vgl. auch die Aufnahme der Sprache durch Art. 4 Abs. 3 des Entwurfs zum Grundgesetz in der vom Hauptausschuss am 10. 12. 1948 in erster Lesung angenommenen Fassung; fortgeführt in Art. 7–1 Abs. 2 des Entwurfs zum Grundgesetz in der vom Allgemeinen Redaktionsausschuss redigierten Fassung, Stand: 13.–18. 12. 1948 (abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv [Hrsg.] Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Bd. 7, bearbeitet von M. Hollmann, 1995, 91 [92], 133 [137]) und seitdem beibehalten. Die vorangegangenen Entwürfe enthielten einen Verweis auf die Sprache noch nicht (vgl. Art. 1b in der Fassung der Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses zu den Formulierungen der Fachausschüsse, Stand: 10. 11.–5. 12. 1948 sowie Art. 19 Abs. 3 der in den Beratungen der Fachausschüsse in vorläufiger Fassung formulierten Artikel des Grundgesetzes, Stand: 18. 10. 1948; beide abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv [Hrsg.] ebd., 1 [6], 36). Referierend M. Eckertz-Höfer in: Denninger u. a. (Hrsg.) AK- GG , 3. Aufl. 2002, Art. 3 Abs. 2, 3 (Bearbeitung 2001) Rn. 83; Starck (Fn. 35), Art. 3 Abs. 3 Rn. 367; Tinnefeld (Fn. 79), 44 ff. 82 Zu dieser Bestimmung, ihrer historisch wichtigen Rolle und der breiten Zustimmung, die sie sowohl in der Versammlung als auch in der kommentierenden Öffentlichkeit fand, siehe ausführlich J.-D. Kühne Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. Aufl. 1998, 308 ff. 83 Zur Schul- und Sprachenfrage im Kaiserreich, insbesondere mit Blick auf Polen und Elsass-Lothringen, vgl. E. R. Huber Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. IV , 1969, 483 ff. (insbes. 493, 507). Aus dem Landesverfassungsrecht der Weimarer Republik vgl. Art. 1 Abs. 4, Art. 73 Verf. Preußen (1920), Art. 5 S. 1 Verf. Danzig (1920). 84 Zu Art. 113 WRV , insbesondere zu der nach der h.M. fehlenden subjektiv-rechtlichen Qualität der Norm, aus der zeitgenössischen Literatur: G. Anschütz Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl. 1933, Art. 113 Rn. 1 („Richtschnur für den Gesetzgeber“); R. Laun in: Anschütz/Thoma (Hrsg.) Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 1, 1930, 244 (256 f.), immerhin unter Anerkennung der Bedeutung der Bestimmung für die Kulturautonomie und mit Verweis auf die Minderheitenpolitik des Völkerbundes. Tendenziell höhere Gewichtung des (Wert-)Gehalts der Vorschrift bei H. Gerber in: Nipperdey (Hrsg.) Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1, 1929, 269 ff. (276).

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DDR-Verfassung (1949)85 Eingang fand. Sprache meint die Muttersprache sowie eine sonstige frei gewählte Sprache einschließlich des Dialekts.86 Grundrechtsberechtigt sind alle Menschen, nicht aber, da die Sprache ein höchstpersönliches Merkmal darstellt, Personenvereinigungen.87 Keine Grundrechtsträger sind erneut sprachliche Minderheiten als solche.88 Gleichwohl wirkt Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG – ebenso wie die Sprachenfreiheit – im Ergebnis als „‚versteckte‘ Minderheitenschutzklausel“89. Hinter der Vorschrift steht das historische Motiv, gerade sprachliche Minderheiten gegen Ungleichbehandlungen zu schützen, wobei mit Minderheiten sowohl in geschlossenen Gebieten ansässige (z. B. die dänische und die sorbische Minderheit) als auch verstreut lebende Gruppen (z. B. Sinti und Roma, Gastarbeiter oder Flüchtlinge) gemeint waren.90 Aus dem sprachlichen Diskriminierungsverbot al-

85 Art. 11 DDR -Verfassung (1949) lautete: „Die fremdsprachigen Volksteile der Republik sind durch Gesetzgebung und Verwaltung in ihrer freien volkstümlichen Entwicklung zu fördern; sie dürfen insbesondere am Gebrauch ihrer Muttersprache im Unterricht, in der inneren Verwaltung und in der Rechtspflege nicht gehindert werden.“ Die Nachfolgebestimmung des Art. 20 Abs. 1 S. 1 DDR-Verfassung (1968) enthielt keine Bezugnahme auf die Sprache mehr. Allerdings bestand eine Sprachen- und Kulturschutzbestimmung zugunsten der Sorben in Art. 40 S. 1. 86 Vgl. Jarass (Fn. 52), Art. 3 Rn. 112; Osterloh (Fn. 79), Art. 3 Rn. 298; Sacksofsky (Fn. 79), Art. 3 Rn. 321; A. Siegert Minderheitenschutz in der Bundesrepublik Deutschland, 1999, 36, 102 f.; enger (bezüglich Dialekt und Wahlsprache) M. Sachs HStR V, 1. Aufl. 1992, § 126 Rn. 45. Ausführlich zum Inhalt des sprachlichen Diskriminierungsverbots Krugmann (Fn. 60), 223 ff. (zweifelnd bezüglich Dialektschutz, ebd., 225); Tinnefeld (Fn. 79), 53 ff. 87 Wie hier Jarass (Fn. 52), Art. 3 Rn. 116; Osterloh (Fn. 79), Art. 3 Rn. 238; Starck (Fn. 35), Art. 3 Abs. 3 Rn. 374; a.A. Rüfner (Fn. 15), Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 595; mit Einschränkungen auch Heun (Fn. 52), Art. 3 Rn. 117. 88 Heun (Fn. 52), Art. 3 Rn. 117 m. Fn. 680. 89 Häberle Verfassungslehre (Fn. 8), 746 f. (746), der sogar so weit geht, den Bestimmungen die Garantie eines „status corporativus“ zu entnehmen. 90 Heun (Fn. 52), Art. 3 Rn. 129; Jarass (Fn. 52), Art. 3 Rn. 112; Starck (Fn. 35), Art. 3 Abs. 3 Rn. 389; siehe auch oben Fn. 80. Die Ungleichbehandlung kann durch positives Tun sowie – allerdings nur bei konkreter Handlungspflicht des Staates, an der es zumeist fehlen dürfte – durch Unterlassen des Staates erfolgen; vgl. Starck ebd., Rn. 380; die Unterlassungskonstruktion zu Recht deutlich relativierend Britz (Fn. 30), 160 ff. Geschützt wird auch vor indirekten (verdeckten, faktischen) Diskriminierungen; vgl. BVerfGE 97, 35 (43); 104, 373 (393); BVerfG -K NJW 2004, 1095; Jarass ebd., Rn. 108; Osterloh (Fn. 79), Art. 3 Rn. 255 ff. („mittelbare“ Diskriminierungen). A.A. Rüfner (Fn. 15) Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 562 ff. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG enthält kein absolutes Differenzierungsverbot. Eine Rechtfertigung der Diskriminierung ist unter engen Voraussetzungen, insbesondere unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, durch kollidierendes Verfassungsrecht möglich; vgl. BVerfGE 85, 191

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leine91 folgt jedoch keine Pflicht zum Ausgleich faktischer Nachteile und kein Anspruch auf tatsächliche Gleichstellung.92 Auch im EG -Recht besteht ein grundrechtliches Diskriminierungsverbot aus Gründen der Sprache. Es ergibt sich als allgemeiner Rechtsgrundsatz aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten,93 Art. 21 Abs. 1 GrCh94, Art. 14 EMRK und anderen internationalen Menschenrechtstexten95.96 Auf der grundfreiheitlichen Ebene greifen das allgemeine Diskriminierungsverbot97 sowie (209); 92, 91 (109); BVerfG -K NVwZ 1999, 756; BVerfG-K NJW 2004, 1095 f.; Jarass ebd., Rn. 120 f. 91 Etwas anderes kann sich aus dem Zusammenwirken von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG mit anderen Grundrechten ergeben; siehe unten Fn. 117. 92 BVerfGE 8, 51 (66 f.); 64, 135 (156 f.); 85, 191 (206 f.); 92, 91 (109); Britz (Fn. 30), 155 f.; Heun (Fn. 52), Art. 3 Rn. 116; Langenfeld (Fn. 30), 445, 471; J. F. Lindner Theorie der Grundrechtsdogmatik, 2005, S. 399 ff.; C. Meissner in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner (Hrsg.) VwGO , Kommentar (Stand 9/2004), § 55 VwGO Rn. 55; Starck (Fn. 35), Art. 3 Abs. 1 Rn. 6; Art. 3 Abs. 3 Rn. 371 f.; a.A. Dürig (Fn. 80), Art. 3 Abs. 3 Rn. 72; J. A. Frowein FS Zacher, 1998, 157, der Art. 3 Abs. 3 GG mit sozialstaatlichen Leistungskomponenten anreichern will; ähnlich („gleiche Lebensverhältnisse“) Rüfner (Fn. 15), Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 609 ff.; weitergehend wohl auch Krugmann (Fn. 60), 244 ff. Abgesehen davon ist der Staat unstrittig u. a. durch Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG legitimiert, die tatsächliche Gleichbehandlung von Menschen mit Minderheitssprachen herbeizuführen; vgl. nur Jarass (Fn. 52), Art. 3 Rn. 119. Zu der Frage fremdsprachigen Schulunterrichts siehe unten bei Fn. 201 ff. Zulässig ist auch, dass der Gesetzgeber sprachliche Vielfalt insgesamt fördert; vgl. Pieroth/Schlink (Fn. 39), Rn. 450. 93 Vgl. neben Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG : § 6 Grundgesetz Finnland, Art. 5 Abs. 2 Verf. Griechenland (1975), Art. 3 S. 1 Verf. Italien (1947), Art. 13 Abs. 2 Verf. Portugal; siehe auch Art. 14 Verf. Spanien, der die Benachteiligung oder Bevorzugung „wegen jedweder anderer persönlicher oder sozialer Umstände“ verbietet. Hierzu zählt auch die Sprache. Für die Schweiz: Art. 8 Abs. 2 BV. 94 Bzw. Art. II -81 Abs. 1 VV E. Siehe S. Hölscheidt in: Meyer (Fn. 56), Art. 21 GrCh Rn. 37; Jarass (Fn. 56), § 25 Rn. 13; Streinz (Fn. 41), Art. 21 GrCh Rn. 4; ausführlich I. Pernice/F. C. Mayer in: Grabitz/Hilf (Fn. 43), nach Art. 6 EUV (Bearbeitung 2002) Rn. 256 ff. 95 Art. 2 Nr. 1 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UN vom 10. 12. 1948; Art. 26 S. 2 IPbpR (Fn. 60); Art. 1 Nr. 3, Art. 55 lit. c UN -Charta (1945). Für sprachliche Diskriminierungsverbote außerhalb Europas im Übrigen von rechtsvergleichendem Interesse Art. 2 African Charta of Human and Peoples’ Rights vom 27. 6. 1981 ( ILM 21 [1982], 59); Art. 1 Abs. 1 Amerian Convention of Human Rights (ILM 9 [1970], 99). 96 Erneut kann zwar nicht im Sinne einer Rechtserkenntnisquelle, aber indiziell-abstützend auf das EG -Sekundärrecht verwiesen werden; vgl. Art. 3 Abs. 1 VO 1612/68, ABl . 1968 L 257, 2. 97 Art. 12 EGV , Art. I-4 Abs. 2, II -81 Abs. 2 VVE ; dazu auch Shuibhne (Fn. 45), 1105 f. Zu dem aus Art. 12 EGV folgenden Verbot versteckter (materieller, mittelbarer, indirekter) Diskriminierung wegen der Muttersprache vgl. EuGHE 1973, 153 Rn. 11;

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die speziellen Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote98 ein. Mitgliedstaatliche Sprachregelungen können gemeinschaftsrechtswidrige Hindernisse etwa beim freien Waren-99 und Dienstleistungsverkehr100 sowie beim Berufszugang101 errichten, auch wenn es der EuGH A. Epiney in: Calliess/Ruffert (Fn. 29), Art. 12 EGV Rn. 13. Das grundfreiheitliche Gebot der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Sprache gilt aufgrund von Art. 12 iVm Art. 17 EGV auch außerhalb des Ökonomischen. So ist etwa die Beschränkung deutschsprachiger Gerichtsverfahren in Südtirol auf den Schutz ansässiger ethnischkultureller Minderheiten, also deutschsprachiger Südtiroler, gemeinschaftsrechtswidrig, da sie für andere deutschsprachige Unionsbürger diskriminierend wirkt; vgl. EuGHE 1998, I-7637 Rn. 20 ff.; dazu Kaiser (Fn. 44), 192 ff.; vgl. auch – die Tragweite der Entscheidung eher relativierend – Generalanwalt Jacobs (Fn. 53), Rn. 48 ff. 98 Art. 28 ff., 39 ff., 43 ff., 49 ff., 56 ff. EGV ; Art. I-4 Abs. 1, Art. III -133 ff., III -137 ff., III -144 ff., III -151 ff., III -156 ff. VVE . 99 Dazu ausführlich Bansch (Fn. 28), 24 ff.; Manz (Fn. 28), 98 ff.; Theme (Fn. 26), 71 ff. Im Lebensmittelrecht sind aus Gründen des Verbraucherschutzes nationale Vorschriften zulässig, die für die Kennzeichnung von Waren den Gebrauch der Verkehrssprache des Verkaufsgebiets vorschreiben, da es sich nur bei der Muttersprache der Verbraucher um eine „leicht verständliche Sprache“ iSd einschlägigen Etikettierungsrichtlinie der EG handelt. Maßstab war früher Art. 14 der RL 79/112/ EWG vom 18. 12. 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln einschließlich Werbung, ABl . 1979 L 33, 1 und ist jetzt Art. 16 (Abs. 2) der RL 97/4/ EG zur Änderung der RL 79/112/ EWG , ABl . 1997 L 43, 21, kodifiziert in RL 2000/13/ EG , ABl . 2000 L 109, 29. Vgl. Schübel-Pfister (Fn. 28), 368 ff.; R. Streinz JuS 2001, 493 (494 f.), sowie für gemeinschaftsrechtliche Sprachenregelungen bereits EuGH E 1994, I-3879 Rn. 19; anders Bansch ebd., 79 ff., 121 f., W. Schroeder in: Streinz (Fn. 41), Art. 30 EGV Rn. 38, sowie – allerdings noch auf der Basis der RL 79/112/ EWG – EuGH E 1991, I-2971 Rn. 16; Slg. 1995, I-2955 Rn. 15, 29 f.; 2000, I-6579 Rn. 28; zu Recht krit. dazu M. Brenner/P. M. Huber DVBl . 2001, 1013 (1016). Zahlreiche sonstige sekundärrechtliche Kennzeichnungsregeln berechtigen oder verpflichten die Mitgliedstaaten ausdrücklich, aus Gründen des Verbraucherschutzes die Benutzung der Landessprache festzulegen: Dies gilt z. B. für Spielzeuge (vgl. Art. 11 Abs. 5 S. 2 RL 88/378/ EWG vom 3. 5. 1988 über Rechtsangleichung bei Sicherheit von Spielzeug, ABl . 1988 L 187, 1), Humanarzneimittel (vgl. Art. 8 S. 1 RL 92/27/ EWG vom 31. 3. 1992 über Etikettierung und Packungsbeilage von Humanarzneimitteln, ABl . 1992 L 113, 8), gefährliche Stoffe (vgl. Art. 11 Abs. 5 RL 1999/45/ EG vom 31. 5. 1999 zur Rechtsangleichung bei Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen, ABl . 1999 L 200, 1). Beim Verbraucherschutz im Fernabsatz (Internethandel, Teleshopping etc.) ist die Frage, welche Sprachen bei Vertragsabschlüssen zu verwenden sind, nach der 8. Erwägung der RL 97/7/ EG vom 20. 5. 1997, ABl . 1997 L 144, 19, in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten gestellt. 100 Vgl. am Beispiel von Werbung und Fernsehen Manz (Fn. 28), 114 ff. mwN. 101 Vgl. EuGH E 1985, 2681 Rn. 14 ff.; 1989, 3967 Rn. 1998, I-7637 Rn. 13 f.; Bansch (Fn. 28), 133 ff.; 170 ff.; J. Bröhmer in: Calliess/Ruffert (Fn. 29), Art. 43 EGV Rn. 31; Creech (Fn. 28), 99 ff.; Manz (Fn. 28), 84 ff.; A. Rogmann in: Bongartz (Hrsg.) Europa im Wandel, 2000, 249 (266 ff.).

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als grundsätzlich legitim anerkannt hat, von einem Bewerber um eine Stelle Sprachkenntnisse eines bestimmten Niveaus und den Besitz eines entsprechenden Nachweises zu verlangen.102 3.

Verfassungsrechtliche Verfahrensgarantien

a)

Gerichtliches Rechtsschutzverfahren

Sprache bedarf daneben auch und gerade des Schutzes im Verfahren. Den Verfahrensrechten des Grundgesetzes kommt daher eine die sprachliche Identität mit garantierende Stützfunktion zu. Das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG )103 bzw. auf ein rechtsstaatliches und faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 iVm dem Rechtsstaatsprinzip)104 sichert auch eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands.105 Zum Teil wird daher die Frage, ob und in welchem Umfang ein der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtiger Beteiligter an einem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren Anspruch

102 Vgl. EuGHE 1989, 3967 Rn. 19 ff. (19, 24), betreffend Dozent einer öffentlichen Berufsbildungseinrichtung; EuGHE 2000, I-5123 Rn. 50 ff. (59 ff.), betreffend Zahnarzt; dazu R. Streinz JuS 2001, 285; vgl. auch OVG NW NJW 2002, 914; ferner – für die Arbeitnehmerfreizügigkeit – Art. 3 Abs. 1 VO 1612/68 (Fn. 96), der zwar indirekte Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit (folglich auch aus Sprachgründen) verbietet, aber zugleich eine Ausnahme für „Bedingungen, welche die in Anbetracht der Besonderheit der zu vergebenden Stelle erforderlichen Sprachkenntnisse betreffen“ normiert; dazu W. Brechmann in: Calliess/Ruffert (Fn. 29) Art. 39 EGV Rn. 53. Eine Vorschrift, die vorsieht, dass das notwendige Sprachdiplom nur in dem Mitgliedstaat, in dem das Auswahlverfahren durchgeführt wird, erlangt werden kann, diskriminiert jedoch mittelbar die nicht in dem Mitgliedstaat ansässigen Unionsbürger und stellt daher einen nicht erforderlichen Eingriff etwa in die Arbeitnehmerfreizügigkeit dar; vgl. EuGH E 1989, 3967 Rn. 23; 2000, I-4139 Rn. 37 ff. (44). 103 Für die europäische Ebene: Art. 47 Abs. 1 GrCh/Art. II -107 UAbs . 1 VV E, Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK ; EuGH E 1991, I-415 Rn. 18; 1996, I-6065 Rn. 49; C. Grabenwarter in: Ehlers (Hrsg.) Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 6 Rn. 35 ff.; E. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig (Fn. 40), Art. 19 Abs. 4 (Bearbeitung 2/2003) Rn. 37c; F. Schoch FG 50 Jahre BVerwG , 2003, 507 (512). 104 BVerfGE 38, 105 (111); 57, 250 (274 f.); 101, 397 (404); 103, 44 (64); 109, 13 (34); 110, 339 (342); Art. 6 Abs. 1 EMRK , Art. 47 Abs. 2 GrCh/Art. II -107 Abs. 2 VV E; W. Kahl HGR V, im Erscheinen, § 122 (Die allgemeine Handlungsfreiheit als Auffangtatbestand) Rn. 68; A. Voßkuhle Rechtsschutz gegen den Richter, 1993, 109 f. 105 Zum Gebot tatsächlich wirksamer gerichtlicher Kontrolle aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG bereits O. Bachof DRZ 1950, 245 (246); ferner BVerfGE 35, 263 (274); 37, 150 (153); 84, 34 (49); 101, 397 (407); P. M. Huber in: von Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 35), Art. 19 Abs. 4 Rn. 469 ff.; H. Maurer FS BVerfG II , 2001, 467 (487 ff.); W.-R. Schenke in: Bonner Kommentar zum GG (Stand: 4/2005), Art. 19 Abs. 4 (Bearbeitung 1982) Rn. 383.

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auf Ausräumung der daraus folgenden Verständnisschwierigkeiten hat, nach diesen Grundrechten beurteilt.106 Regelmäßig dürfte hierfür jedoch das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG )107 lex specialis sein.108 Es untersagt, den der deutschen Gerichtssprache Unkundigen zu einem unverstandenen Objekt des Verfahrens zu machen109 und räumt mit Blick auf die wesentlichen Verfahrensvorgänge ein Recht zum Sich-Äußern und Gehörtwerden in der eigenen Sprache ein.110 Die Prozessgrundrechte des Grundgesetzes, aber immer stärker auch Art. 5 Abs. 2, Art. 6 EMRK ,111 strahlen auf die Auslegung und An-

106 Vgl. BVerfGE 64, 135 (135 Ls. 1 und 2; 144 f.); Häberle (Fn. 26), 119, 122; für eine Heranziehung von Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG BVerfGE 42, 120 (123); P. Kirchhof (Fn. 17), § 20 Rn. 104, 112, 124; umfassend T. Braitsch Gerichtssprache für Sprachunkundige im Lichte des „fair trial“, 1991. 107 Für das EU -Recht siehe Art. 5 Abs. 2, 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 EMRK ; EuGHE 1961, 109 (169); Grabenwarter (Fn. 44), § 24 Rn. 60 ff.; P. Grzybek Prozessuale Grundrechte im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1993, 89 ff., 145 ff.; W. Kahl VerwArch 95 (2004), 1 (8 f.); für die Schweiz vgl. – in Anlehnung an Art. 5 Abs. 2 EMRK – Art. 31 Abs. 2 BV. Die funktionalen Zusammenhänge zwischen Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK , Art. 47 Abs. 2 GrCh explizit betonend BVerfGE 107, 395 (408 f.). 108 So auch das BVerfG in seiner früheren Rechtsprechung; vgl. BVerfGE 40, 95 (99); ebenso BVerwG NVwZ 1983, 668; Meissner (Fn. 92), § 55 VwGO Rn. 56; G. Nolte in: von Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 32), Bd. 3, Art. 103 Abs. 1 Rn. 73; P. Kunig in: von Münch/ders. (Hrsg.) GG -Kommentar, 5. Aufl. 2003, Art. 103 Rn. 15; Pieroth (Fn. 69), Art. 103 Rn. 2, 35; Schmidt-Aßmann (Fn. 103), Art. 103 Abs. 1 (Bearbeitung 1988) Rn. 118; H. Schulze-Fielitz in: H. Dreier (Fn. 32), Bd. III , 2000, Art. 103 I Rn. 53; a.A. (Rechtsstaatsprinzip, faires Verfahren) BVerfGE 64, 135 (144 ff.); BVerfG (Vorprüfungsausschuss) NVwZ 1987, 785. 109 Siehe BVerfGE 9, 89 (95); 39, 156 (168); 107, 395 (409); F. O. Kopp/W.-R. Schenke VwGO , 13. Aufl. 2003, § 55 Rn. 10; Pieroth (Fn. 69) Art. 103 Rn. 1; Voßkuhle (Fn. 104), 115 ff.; vgl. auch Hufen (Fn. 10), Rn. 220 („Zustand des Ausgeliefertseins“ bei fehlenden Sprachkenntnissen). 110 Vgl. BVerfGE 64, 135 (145 f.), sowie allgemein zuletzt BVerfG NJW 2005, 2289 (2292); aus dem Schrifttum stellv. E. Schmidt-Aßmann in: Schoch/ders./Pietzner (Fn. 92), Einleitung Rn. 46. Zum Recht auf Verwendung der Muttersprache gegenüber Gerichten und Behörden bereits im Imperium Romanum s. H. Hattenhauer JZ 2000, 545 (547). Auch nach dem Sachsenspiegel konnte jeder vor Gericht die Antwort verweigern, der nicht in seiner Muttersprache beschuldigt wurde; wer sich auf Deutsch eingelassen hatte, musste weiter auf Deutsch handeln – außer vor dem König, denn dort hatte jeder Recht „seiner Geburt entsprechend“; vgl. E. von Repgow Sachsenspiegel, um 1220 bis 1230, Landrecht, Drittes Buch, Nr. LXXI §§ 1, 2 (zitiert nach der von F. Friedrich herausgegebenen Ausgabe [1999]). 111 Zur Bedeutung des Art. 6 EMRK für das nationale Prozessrecht weiterführend E. Schmidt-Aßmann FS Bernhardt, 1995, 1283 (1290 ff.); ders. FS Schmitt Glaeser, 2003, 317 (322 ff.); ders. (Fn. 110), Einleitung Rn. 132 ff.; vgl. auch R. Hofmann FS Ress 2005, 1011 (1017).

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wendung der den „status activus processualis“112 ausformenden Gesetzesnormen, insbesondere § 185 GVG , aus.113 So folgt etwa114 unmittelVgl. P. Häberle Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), 43 (86 ff.). Allgemein zur Ausformung des Art. 103 Abs. 1 GG durch das einfach-gesetzliche Verfahrensrecht einerseits und dessen verfassungsrechtliche Überlagerung andererseits BVerfGE 9, 89 (96); 15, 303 (307); 17, 356 (361); 24, 56 (62); P. Lerche ZZP 78 (1965), 1 (3, 11 ff.); Schmidt-Aßmann (Fn. 110), Einleitung Rn. 45. 114 Aus einer insgesamt facettenreichen Kasuistik seien hier nur die wichtigsten Aspekte erwähnt (vgl. zur Gesamtproblematik R. E. Ingerl Sprachrisiko im Verfahren, 1988, 42 ff.): (1) Die Gerichte sind grundsätzlich nicht verpflichtet, schriftliche Äußerungen (z. B. Entscheidungen, Rechtsmittelbelehrungen) fremdsprachig abzufassen bzw. ihnen eine Übersetzung beizufügen; vgl. BVerfGE 64, 135 (150 ff.); Kopp/Schenke (Fn. 109), § 55 Rn. 10; Meissner (Fn. 92), § 55 VwGO Rn. 60; siehe aber unten (4) und (6). (2) Grundsätzlich ist eine Selbstanhörung der deutschunkundigen Partei erforderlich; die Anhörung des deutschsprachigen Prozessvertreters genügt nicht; vgl. Lässig (Fn. 39), 99 f.; R. Stober VR 1979, 325 (329). (3) Fremdsprachige Schriftstücke dürfen nicht als generell unbeachtlich und damit nicht fristwahrend behandelt werden; vgl. Pieroth (Fn. 69), Art. 103 Rn. 36. Die beantragte Verwertung einer fremdsprachigen Urkunde darf erst abgelehnt werden, wenn das Gericht eine im konkreten Fall angemessene Frist zur Vorlage einer Übersetzung gesetzt hat und die Übersetzung nicht fristgemäß vorgelegt wurde; vgl. BVerwG NJW 1996, 1553; Kopp/Schenke (Fn. 109), § 55 Rn. 10. Einen Beteiligten, der sich auf ein fremdsprachiges Schriftstück berufen will, trifft die Obliegenheit, die Entscheidungserheblichkeit des Inhalts darzutun; vgl. BVerwG NJW 1996, 1553. Art. 103 Abs. 1 GG fordert andererseits nicht, entgegen § 184 GVG fremdsprachlichen Schriftsätzen stets Beachtlichkeit zukommen zu lassen. Daher kann eine Rechtsmittelschrift unter Verweis auf § 184 GVG als unzulässig verworfen werden, wenn sie nicht in deutscher Sprache verfasst ist; vgl. BGH NJW 1982, 532 f.; Pieroth ebd. (4) Ist die Fristversäumung bei der Einlegung eines Rechtsbehelfs auf mangelnde Kenntnis der deutschen Sprache zurückzuführen, so wird es regelmäßig an einem Verschulden im Sinne der Bestimmungen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fehlen; vgl. BVerfGE 40, 95 (99 f.); 86, 280 (284 f.); BVerfG -K NJW 1991, 2208; weitergehend Schmidt-Aßmann (Fn. 103), Art. 103 Abs. 1 Rn. 120; Schulze-Fielitz (Fn. 108), Art. 103 I Rn. 53. Den Sprachunkundigen trifft die Obliegenheit, zur Beseitigung des Sprachhindernisses beizutragen, deren Versäumnis einen Anspruch auf Wiedereinsetzung ausschließen kann, vgl. BVerfGE 86, 280 (285). (5) Anders als im Strafverfahren nach Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK (siehe unten [6]) sind Übersetzungskosten zwar grundsätzlich Verfahrenskosten, die von der unterlegenen Partei zu tragen sind (Kopp/Schenke [Fn. 109], § 55 Rn. 11). Die Kosten, die einer Partei infolge mangelnder Sprachkenntnisse entstehen, dürfen jedoch keinen Umfang annehmen, der das Kostenrisiko gemessen am Äquivalenzprinzip als nicht mehr tragbar erscheinen lässt und daher prohibitiv wirkt; vgl. Lässig (Fn. 39), 103 ff. Auch steht die Abwälzung von Kosten, die übersetzungsbedingt entstehen, unter dem Vorbehalt prozessualer Notwendigkeit. Übersetzungen von verfahrensrelevanten Schriftstücken müssen ggf. von Amts wegen eingeholt werden, wenn der Ausländer darlegt, dass er diese auf Grund finanzieller Notlage nicht beibringen kann; vgl. BVerfG (Vorprüfungsaus112 113

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bar115 aus Art. 103 Abs. 1 GG ein Anspruch des deutschunkundigen Beteiligten auf Hinzuziehung eines Dolmetschers.116 b)

Verwaltungsverfahren

Im Verwaltungsverfahren resultieren grundrechtliche Schutzgarantien zugunsten der Beteiligten aus den jeweils konkret einschlägigen materiellen Grundrechten117 und vor allem dem Rechtsstaatsprinzip.118 Ferschuss) NVwZ 1987, 785; BVerwG NJW 1996, 1553. Das Äquivalenzprinzip beschränkt auch die Entschädigung für Dolmetscher und Übersetzer auf bestimmte, gesetzlich festzulegende Höchstbeträge; vgl. §§ 8 ff. JVEG ; allgemein BVerfGE 33, 240 (246 f.). (6) Weitergehende Rechte auf Übersetzung bestehen im Strafverfahren. Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK garantiert dem Beschuldigten einen Anspruch auf kostenfreie Sprachmittlung selbst bei abschließender Verurteilung, vgl. EGMR NJW 1979, 1091; BGHSt 46, 178 (184 f.); W. Peukert in: Frowein/ders. (Hrsg.) EMRK , 2. Aufl. 1996, Art. 6 Rn. 204. Eine Anklageschrift ist wegen Art. 6 Abs. 3 lit. a, b EMRK (vgl. dazu OLG Hamm StV 2004, 364; OLG Stuttgart NStZ 2005, 471) einem Ausländer, der die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht, in der Regel mit einer Übersetzung in der Muttersprache bekannt zu geben; vgl. BVerfGE 64, 135 (147); Nr. 181 Abs. 2 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV ), zit. nach L. Meyer-Goßner StPO , 48. Aufl. 2005, Anh 12, 1936 (1989). Im beschleunigten Verfahren gilt dies nicht, sofern die mündlich bei Beginn der Hauptverhandlung erhobene Anklage durch einen Dolmetscher übersetzt wird; vgl. OLG Stuttgart ebd. 115 Die verfassungsrechtliche Rechtslage daher nur nachzeichnend: § 185 Abs. 1 S. 1 GVG . Zu möglichen Ausnahmen siehe § 185 Abs. 2 GVG . § 185 GVG gilt qua Verweisung in sämtlichen Prozessordnungen; vgl. § 173 VwGO , § 52 Abs. 1 FGO , § 61 Abs. 1 SGG , § 9 Abs. 1 ArbGG , § 77 IRG . Auf der Ebene der Verwaltungsvorschriften ist das Recht auf einen Dolmetscher in Nr. 181 RiStBV (Fn. 114) geregelt. Verstöße gegen §§ 185, 189 GVG stellen im Strafprozess stets (§ 338 Nr. 5 StPO ) und unter dem Gesichtspunkt der Gehörsverletzung im Verwaltungsprozess regelmäßig (§ 138 Nr. 3 VwGO, § 199 Nr. 3 FGO ) absolute Revisionsgründe dar. 116 Grundlegend BVerfGE 64, 135 (145 ff.); ferner BVerfG -K NJW 2004, 1095 (1097); BVerwG NVwZ 1983, 668; BayVBl . 1982, 349; Heun (Fn. 52), Art. 3 Rn. 129; Pieroth (Fn. 69), Art. 103 Rn. 36; Schmidt-Aßmann (Fn. 103), Art. 103 Abs. 1 Rn. 119. Ein Anspruch auf einen Dolmetscher soll nicht bestehen, wenn der Beteiligte die deutsche Sprache zwar nicht beherrscht, sich jedoch ausreichend verständigen kann; in diesem Sinne – nicht unproblematisch – BFH / NV 2000, 983; BVerwG DÖV 1991, 564 Ls. 117 Beispielsweise folgt aus Art. 16a Abs. 1 GG iVm Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ein Anspruch des deutschunkundigen Beteiligten auf einen Dolmetscher im Asylverfahren; vgl. deklaratorisch § 17 Abs. 1 AsylVfG; eingehend zur Problematik P. Jacob VBlBW 1991, 205. 118 In Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG bzw. dem speziell einschlägigen Freiheitsgrundrecht; vgl. BVerfGE 6, 32 (38 ff.); 91, 335 (340); 108, 238 (247) – Elfes-Doktrin; dazu W. Kahl (Fn. 104), § 122 Rn. 68. Zur Nichtgeltung von Art. 19 Abs. 4 S. 1, 103 Abs. 1 GG im Verwaltungsverfahren BVerfGE 101, 397 (404 f.); BVerwG NVwZ 2001, 94 (95 f.); K. A. Bettermann Diskussionsbeitrag, VVDStRL 17 (1959), 242 (244 f.); H. J. Bonk/D. Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.) VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 28 Rn. 2 f.;

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ner dürfen die Vorwirkungen, die sich aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG ergeben und die eine Vereitelung effektiven Rechtsschutzes durch Verfahrensgestaltung verbieten, nicht verkannt werden.119 Mit der Frage nach der Eröffnung sprachlicher Kommunikationsmöglichkeiten, also einer verständlichen Begründungs-, Anhörungs- und Beratungssprache120, ist auch im Verwaltungsverfahren die grundrechtsrelevante Stellung des Einzelnen als Verfahrenssubjekt (Art. 1 Abs. 1 GG ) betroffen, die insbesondere mit § 23 Abs. 2–4 VwVfG121 und den landesrechtlichen Spezialregelungen für die Sorben in Sachsen und Brandenburg122 eine insgesamt ausgewogene und tragfähige gesetzliche Regelung erfahren hat.123

W. Clausen in: Knack (Hrsg.) VwVfG, 8. Aufl. 2004, § 28 Rn. 3; C. Degenhart in: Sachs (Fn. 32), Art. 103 Rn. 5; F. O. Kopp Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, 1971, 75, 149; ders./U. Ramsauer VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 28 Rn. 3a; H. Maurer Allgemeines Verwaltungsrecht 15. Aufl. 2004, § 19 Rn. 20; F. Schoch NVwZ 1983, 249 (251 f.). A.A. noch BVerwG DÖV 1987, 467; J. Feuchthofen DVBl . 1984, 170 (172 f.); U. Scheuner Diskussionsbeitrag, VVDStRL 17 (1959), 237 (238). 119 BVerfGE 22, 49 (81 f.); 61, 82 (110); 69, 1 (49); Schmidt-Aßmann (Fn. 103), Art. 19 Abs. 4 Rn. 26. 120 Vgl. Hufen (Fn. 10), Rn. 214 f., der zu Recht betont, dass mangelnde Verständlichkeit der Verwaltungssprache in Verfahrensfehler umschlagen kann; siehe auch oben Fn. 15. 121 Diese Bestimmungen (vgl. ergänzend noch § 19 Abs. 2–4 SGB X, § 87 Abs. 2–4 AO ) sind verfassungskonform; vgl. Britz (Fn. 30), 162; C. H. Ule in: ders./Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl. 1995, § 28 Rn. 4 ff.; verfassungsrechtliche Bedenken dagegen bei P. Häberle in: Schmitt Glaeser (Hrsg.) FS 50 Jahre Boorberg Verlag, 1977, 47 (61 f.). Grundsätzlich trägt der Fremdsprachige die Verständigungs- und Verstehenslast einschließlich der Kostenlast für etwaige Sprachmittlung; vgl. § 23 Abs. 2 S. 1–3 VwVfG; dazu G. Engelhardt in: Obermayer (Hrsg.) Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl. 1999, § 23 Rn. 52 ff.; Lässig (Fn. 39), 112; modifizierend § 23 Abs. 5 BbgVwVfG (keine Erhebung von Dolmetscherkosten von sorbischen Verfahrensbeteiligten innerhalb der Siedlungsgebiete der Sorben). Die Kosten dürfen jedoch nicht unverhältnismäßig sein (vgl. § 23 Abs. 2 S. 4 VwVfG). Bei der Entscheidung über einen Anspruch auf staatliche Kostenübernahme sind unter anderem die Dauer des Aufenthalts des Ausländers im Bundesgebiet, der Gegenstand des Verwaltungsverfahrens und die Frage, in wessen Interesse das Verfahren durchgeführt wird, zu berücksichtigen. Von praktisch besonderer Bedeutung sind im Übrigen noch die Bestimmungen über die fristwahrende Wirkung von in fremder Sprache abgefassten Anträgen; vgl. § 23 Abs. 4 VwVfG und die Sonderregelung des § 23 Abs. 5 BbgVwVfG. 122 Vgl. § 9 SächsSorbG (Fn. 50); § 23 Abs. 5 BbgVwVfG. 123 Im Einzelnen stellen sich im Verwaltungsverfahren weitgehend parallele, nicht minder umstrittene Fragen wie im prozessualen Verfahren (s. o. Fn. 114). Der Meinungsstand (vgl. allgemein den Überblick bei Ingerl [Fn. 114], 155 ff.) lässt sich wie folgt zusammenfassen:

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III. Sprache und nationale Identität 1.

Sprache, Staat und Nation

Die Sprache ist – wie Flagge, Hymne, Hauptstadt, Nationalfeiertag, Gedenkstätte124 – Teil der nationalen Identität eines Staates, deren Wahrung dem Verfassungsstaat aufgegeben ist125. Sie verkörpert ein rationales, vor allem aber ein emotionales einheitsbildendes Verbindungs- und Integrationselement ersten Ranges 126 und reicht dabei in die innersten Zo(1) Es ist grundsätzlich zulässig, die Rechtsbehelfsbelehrung allein in deutscher Sprache zu erteilen; vgl. BVerwG NJW 1978, 1988 Ls. 1; BayVGH NJW 1977, 1213 Ls. 2; Britz (Fn. 30), 162; Ule (Fn. 121), § 28 Rn. 2, 7. Dagegen ist die Rechtsbehelfsbelehrung in der Muttersprache des Betroffenen abzufassen, soweit ein Verstoß gegen das aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG folgende Vereitelungsverbot (s. o. Fn. 119) droht, der durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (dazu unten [2]) nicht aufzufangen ist; vgl. BVerfGE 94, 166 (206); Lässig (Fn. 39), 107 f. (108); R. Stober VR 1979, 325 (328); Schmidt-Aßmann (Fn. 103), Art. 103 Abs. 1 Rn. 120. (2) Bei einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 79 VwVfG iVm §§ 70 Abs. 2, 60 VwGO ; §§ 84 Abs. 2 S. 3, 67 SGG ; § 110 AO ) wegen Versäumung der Widerspruchs- (§§ 70 Abs. 1 VwGO , 84 SGG ) oder Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1 AO ) sind im Rahmen der Frage des Verschuldens Sprach- und Verständnisschwierigkeiten des Betroffenen angemessen zu berücksichtigen; vgl. BVerfGE 40, 95 (98 ff.); 42, 120 (123 ff.); BVerwG NJW 1978, 1988 Ls. 2. (3) Im förmlichen Verwaltungsverfahren ist analog § 185 Abs. 1 S. 1 GVG bei Beteiligung Deutschunkundiger in der mündlichen Verhandlung grundsätzlich ein Dolmetscher hinzuzuziehen, im nichtförmlichen Verfahren gilt dies nur ausnahmsweise, sofern nach einfachem Verwaltungsverfahrensrecht im konkreten Falle eine Anhörungspflicht für die Behörde besteht und ihre Amtswalter nicht selbst über hinreichende Fremdsprachenkenntnisse verfügen; vgl. Lässig (Fn. 39), 109 ff.; Ule ebd. (Fn. 121), § 28 Rn. 3; weitergehend Hufen (Fn. 10), Rn. 223. (4) Zu den Sprachenfragen, die sich im Zusammenhang mit der Ausübung des Petitionsrechts durch Ausländer stellen können, und ihrer grundrechtskonformen Behandlung vgl. noch Lässig ebd., 112 ff.; Stober ebd., 327. 124 Vgl. auch die Regelung der Sprachenfrage im Zusammenhang mit den nationalen Symbolen in Art. 2 Verf. Frankreich (1958, eingefügt 1992), Art. 3 Abs. 1 S. 2 Verf. Türkei (1982). 125 Zur Pflicht des nationalen Verfassungsstaates zur Identitätswahrung vgl. R. Schmidt Der Verfassungsstaat im Geflecht der internationalen Beziehungen, VVDStRL 36 (1978), 65 (103 f.). 126 Ähnlich G. Dürig Der deutsche Staat im Jahre 1945 und danach, VVDStRL 13 (1955), 27 (45; „Die vorhandene Gemeinsamkeit der Sprache als einheitsbildendes und -erhaltendes Bindemittel“); Häberle Verfassungslehre (Fn. 8), 744, 749; ders. (Fn. 47), 178. Grundlegend zur Integrationslehre Smend (Fn. 22), 25 ff., speziell zur Sprache, ebd., 52 (Sprache sei nicht „ein technisches Artefakt“, sondern als „elementare(n), wesenmäßig notwendige(n) Lebensform des menschlichen Geistes“ zu erklären); ders. in: HSW V, 1956, 299; allgemein ähnlich für eine dem Verfassungsstaat aufgegebene poli-

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nen hinab, in denen ein Volk „wurzelt“ und aus denen heraus es sich selbst über die Generationen hinweg kulturell begreift und in die Zukunft blickt.127 Die Sprache ist kein unmittelbar konstitutives Merkmal des Staatsvolkes und damit des Staatsbegriffs,128 sie ist aber von mittelbarer Relevanz für die Bestimmung des für die Zugehörigkeit zum Staatsvolk konstitutiven Merkmals129 der Staatsangehörigkeit, etwa im Rahmen der Voraussetzungen für eine Einbürgerung130 oder der Entscheidung, ob ein Vertriebener oder Flüchtling „deutscher Volkszugehöriger“ im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG (sog. Statusdeutscher) ist131.132 tische Einheitsbildung K. Hesse Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 6 f. 127 Ähnlich Häberle (Fn. 26), 105; P. Kirchhof (Fn. 4), 8 f. Frühzeitig Isidorus Hispalensis (Isidor von Sevilla) Etymologiarum sive originum libri XX (Etymologiae sive Origines), erschienen um 620 bis 630 n. Chr., zit. nach der von Lindsay hrsg. Ausgabe von 1911, Lib. IX , Cap. I, 14: „Ideo autem prius de linguis, ac deinde de gentibus posuimus, quia ex linguis gentes, non ex gentibus linguae exortae sunt.“ Vgl. auch – allerdings bereits relativierend – E. Lemberg Ideologie und Gesellschaft, 1971, 200 f. 128 Im Sinne der Drei-Elemente-Lehre von G. Jellinek (Fn. 22), 394 ff. Wie hier Isensee (Fn. 1), 571 („Sprache ist ‚Element‘ des Staates, weniger im Sinne eines Bauelements wie die drei völkerrechtlichen Definitionsmerkmale, sondern mehr im Sinne eines Lebenselements wie das Wasser für den Fisch, die Luft für den Vogel.“); E. Klein (Fn. 28), 60 (Sprache als „staatsbildendes und staatstragendes Element“). 129 Zum zentralen Zusammenhang von Staatsvolk und Staatsangehörigkeit vgl. BVerfGE 83, 37 (51); 83, 60 (71 ff.); P. Badura FS BVerfG , Bd. 2, 2001, 897 (907); H. Dreier in: ders. (Fn. 32), Bd. II , 1998, Art. 20 (Demokratie) Rn. 83 f.; R. Grawert HStR II , 3. Aufl. 2004, § 16 Rn. 20, 35 ff.; ebenso mit Blick auf die EMRK R. Thienel FS Öhlinger, 2004, 356 (362 ff., insbes. 365 f.). 130 Näheres dazu mit Nachweisen unten bei Fn. 188 ff. 131 Vgl. § 6 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 BVFG in der seit dem 7. 9. 2001 geltenden Fassung (Gesetz vom 30. 8. 2001, BGBl . 2001 I 3306); BVerfGE 59, 128 (150 ff.); BVerwGE 5, 239 (240 f.); 98, 367 (368 f.); Grawert (Fn. 129), § 16 Rn. 38 f.; zur Auslegung der Voraussetzung der Befähigung, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen, siehe unten Fn. 196. Zu der über das Bindeglied der Staatsangehörigkeit vermittelten Verklammerung zwischen dem Begriff der Nation (Volk im metaphysisch-soziologischen Sinne) einerseits und den Begriffen des Staates und Volkes im juristischen Sinne vgl. W. Bußmann in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.) Staatslexikon, Bd. 7, 1995, Sp. 1265 (1266); Grawert ebd., Rn. 17, 20, 42; Hillgruber (Fn. 32), § 32 Rn. 22 ff.; J. Isensee FS Roellecke, 1997, 137 (146); G. Leibholz in: Evangelisches Staatslexikon (Fn. 25), Sp. 2193; K. A. Schachtschneider Res publica res populi, 1994, 1194; U. Schliesky Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004, 31 ff., 102 f.; ferner BVerfGE 36, 1 (19), sowie bereits Heller (Fn. 22), 180 ff.; G. Jellinek (Fn. 22), 117 ff. 132 In der Rechtsprechung von EGMR und BVerfG ist ferner anerkannt, dass im Rahmen der Entscheidung über die Zulässigkeit der Ausweisung eines Ausländers zu berücksichtigen ist, inwieweit noch ein Bezug des Ausländers zu dem Staat seiner Staatsangehörigkeit besteht und dass dabei die Kenntnis der Sprache des Herkunftsstaates als ein bedeutsamer Umstand – im Hinblick auf die Zumutbarkeit einer Integration in die

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Zwar lässt sich erwägen, die Sprache als viertes Staatselement neben Volk, Gebiet und Gewalt einzustufen.133 Dagegen spricht freilich die reale Existenz zahlreicher mehrsprachiger Staaten.134 Der richtige Ansatzpunkt erscheint deshalb eher der soziologische Begriff der Nation zu sein. Es ist das Gefühl der Zusammengehörigkeit135 als Schicksalsgemeinschaft,136 das eine Nation ausmacht. Worauf dieses Nationalbewusstsein beruht, ist vor allem historisch bedingt von Fall zu Fall verschieden.137 Abstammung, Sprache, Kultur, Geschichte, gemeinsame Sitten und Gebräuche sowie religiöse Zugehörigkeiten sind aber generell Faktoren, die geeignet sind, ein Volk zur Nation zu einen.138 Für eine dortigen Lebensverhältnisse – betont werden darf; vgl. BVerfG -K NVwZ 2004, 852 (853) mwN. 133 Anstoßend Dürig (Fn. 126), 37 ff., 45; im Anschluss an diesen Häberle (Fn. 26), 119; ders. JöR N.F. 49 (2001), 125 (141). 134 Vgl. nur Art. 2 Verf. Belgien; § 17 S. 1, § 51 Grundgesetz Finnland; Art. 16 Abs. 1 Verf. Kanada (1982); Art. 4, 70 Abs. 1 S. 1 BV Schweiz; wie hier G. Biagini DVBl . 2005, 1090 (1091, 1102). Auch sind die Sprachen regelmäßig nicht einem einzelnen Staat exklusiv zugeordnet, sondern gibt es, etwa bei den Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch oder Deutsch, mehrere oder sogar zahlreiche Staaten, in denen dieselbe Sprache gesprochen wird. 135 Zur Nation als Schicksalsgemeinschaft vgl. O. Depenheuer DÖV 1995, 854 (859); Nawiasky (Fn. 22), 21. 136 Zu dieser Vorstellung vgl. A. Bleckmann JZ 1997, 265 (268); Isensee (Fn. 17), § 15 Rn. 123 ff.; R. Scholz Deutschland – In guter Verfassung?, 2004, 17; Uhle (Fn. 30), 108 ff. (109); a.A. U. Haltern Der Staat 37 (1998), 591 (595, 598). Zur Unterscheidung von ethnisch-kulturellen Nationen (Kulturnationen) wie Deutschland und politisch-voluntativen Nationen (Staatsnationen) wie Frankreich vgl. grundlegend F. Meinecke Weltbürgertum und Nationalstaat, 1969, 14 f.; im Anschluss daran E.-W. Böckenförde Staat, Nation, Europa, 1999, 25 (27 f.); 34 ff. zur Nation als Seele bzw. geistiges Prinzip („plébiscite de tous les jours“) E. Renan Was ist eine Nation?, zit. nach der deutschen Ausgabe von 1996, 34, dabei aber gegen die Sprache als Fundament einer Nation (ebd., 27 ff.); erläuternd R. Streinz FS Ress, 2005, 1277 (1282). 137 Böckenförde (Fn. 136), 34 (41 ff., 51 f.); Bußmann (Fn. 131), Sp. 1269 f.; H. Schulze Staat und Nation in der europäischen Geschichte, 1994, 112 ff. Zur „Erfindung“ der Volksnationen in einer bestimmten historischen Epoche im Sinne eines von einer bürgerlich-intellektuellen Elite geschaffenen Substrats und zum Zusammenhang von Nationalstaat, Kommunikationsverdichtung und nationaler Öffentlichkeit vgl. Böckenförde ebd., 39, 42 f.; O. Dann Nation und Nationalismus in Deutschland, 3. Aufl. 1996, 30 ff., 65 ff., 102 ff., 134, 165 ff., 211 ff.; W. Reinhard Geschichte der Staatsgewalt, 2. Aufl. 2000, 441 f.; Schulze ebd., 160 ff., 172 ff.; Walkenhorst (Fn. 29), 71 ff. Zu den verschiedenen Möglichkeiten der Klassifikation von Nationen (Volksnation, Kulturnation, Klassennation, Staatsbürgernation) vgl. M. R. Lepsius Interessen, Ideen und Institutionen, 1990, 232 (235 ff.). 138 Vgl. bereits Bluntschli (Fn. 22), 97 (Nation als „Geistes-, Charakter-, Sprach- und Sittengemeinschaft“) sowie konkret für die Sprache Kelsen Demokratie (Fn. 22), 66. Aus neuerer Zeit Bußmann (Fn. 131), Sp. 1266; Coulmas (Fn. 50), 11 ff. (12); Isensee

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Kulturnation wie Deutschland139 hat die Sprache eine gesteigerte Bedeutung.140 Sie vermittelt in Abgrenzung zu anderen Nationen141 das geschichtlich gewachsene Selbst- und Weltbild des individuellen Personenverbandes, das sich dessen Angehörige im Regelfall nicht aussuchen, sondern in das sie durch Geburt mit dem Erlernen der Sprache hinein-

(Fn. 17), § 15 Rn. 123; P. Kirchhof in: Isensee (Hrsg.) Europa als politische Idee und als rechtliche Form, 2. Aufl. 1994, 63 (79); Schachtschneider (Fn. 131), 1186 ff.; K. Stern Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II , 1980, 6 ff. Zur terminologischen Differenz von Volk und Nation G. Leibholz Das Wesen der Repräsentation, 1929, 48; Nawiasky (Fn. 22), 22 ff.; Schmitt (Fn. 22), 79. 139 Art. 35 Abs. 1 S. 3 Einigungsvertrag (Fn. 69); J.-D. Gauger in: Weigelt (Hrsg.) Heimat und Nation, 1984, 26 (33); Isensee (Fn. 17), § 15 Rn. 41; Dann (Fn. 137), 34 f.; E. Lemberg Geschichte des Nationalismus in Europa, 1950, 152 f., 166 ff.; Meinecke (Fn. 136), 30 ff.; ähnlich („Kulturgemeinschaft“) BVerwGE 98, 367 (368 f.); Grawert (Fn. 129), § 16 Rn. 39; P. Kirchhof (Fn. 17), § 20 Rn. 80, 99; zur Kulturstaatlichkeit siehe die Nachweise in Fn. 149. 140 Böckenförde (Fn. 136), 25 (26 f.); 34 (35, 47 und besonders 49); F. Hanschmann in: Müller/Burr (Fn. 28), 63 (83); Isensee (Fn. 1), 573; S. Korioth Europäische und nationale Identität: Integration durch Verfassungsrecht?, VVDStRL 62 (2003), 117 (139); P. A. Kraus Berl.J.Soziol. 2000, 203 (209 f.); Nawiasky (Fn. 22), 16 ff.; vgl. auch Di Fabio (Fn. 17), 256 f. (257). Zur generellen Bedeutung der Sprache als identitätsstiftender Faktor für Nationen bzw. Völker vgl. G. Batliner in: Fleiner (Hrsg.) Die multikulturelle und multi-ethnische Gesellschaft, 1995, 21 (24 f.); Böckenförde ebd., 25 (28), 34 (45); Isensee ebd., 571 f.; Kürten (Fn. 28), 37; G. Mann Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, 1999, 1048; A. Weber in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.) EUV / EGV , 6. Aufl. 2004, Art. 290 EGV Rn. 1. Nationbildung ist zwar, wie die Beispiele Belgien, Kanada und Schweiz zeigen, in mehrsprachigen, strikt föderalistisch organisierten Gemeinwesen möglich, dies ändert indes nichts an der grundsätzlich zentralen, zumindest indiziellen Bedeutung der Sprache für das Vorliegen eines Nationalbewusstseins; vgl. Bußmann (Fn. 131), Sp. 1266; Isensee ebd., 572. Der Umstand, dass es historisch vielfältige Stämme und Landessprachen waren, die zur Entstehung des Deutschen beigetragen haben, ist ebenso wenig ein überzeugendes Gegenargument wie der Hinweis, dass die Sprache als Fundament nationaler Einheit nicht tauge, sondern auf die bewusste Konstruktion von Nationen hinweise; in diesem Sinne aber U. Haltern Der Staat 37 (1998), 591 (596 m. Fn. 29); a.A. zutreffend Bußmann ebd., Sp. 1265, 1268; O. Dann in: ders. (Hrsg.) Nationalismus und sozialer Wandel, 1978, 9 (12 f.); Gauger (Fn. 139), 32 f. ausführlich zur historischen Dimension die Beiträge in: Gardt (Fn. 31), 7–381, sowie – für Österreich – P. Wiesinger in: Gardt ebd., 525. 141 Dazu, dass die Begriffe Nation und Identität stets Bezug haben auf ein fremdes Gegenüber, sei es eine andere Nation, Person, Wertvorstellung, Kultur, Religion, Geschichte oder Sprache, vgl. Böckenförde (Fn. 136), 34 (42); M. R. Lepsius APuZ B 38/2004, 3; Puttler (Fn. 29), Art. 6 EUV Rn. 213. Identität durch Differenz und Achtung des Anderen sind kein Widerspruch, sondern – im Gegenteil – Kennzeichen des offenen Verfassungsstaates; vgl. B. Beutler in: von der Groeben/Schwarze (Fn. 140), Art. 6 EUV Rn. 202 f.; W. Graf Vitzthum EuR 2002, 1 (8).

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wachsen.142 Kulturgemeinschaft ist hier zuvörderst Sprachgemeinschaft, Sprache eines der höchsten Kulturgüter.143 Dass Sprache ein wesentlicher Bestandteil nationaler Identität ist, wird durch die Verfassungsvergleichung bestätigt: In zahlreichen europäischen und außereuropäischen Verfassungen finden sich, häufig an systematisch prominenter Stelle, Bestimmungen über die Staats- bzw. Nationalsprache144 sowie die Landessprache145. In Deutschland ist zwar allgemein anerkannt, dass die Staatssprache Deutsch ist, geregelt ist dies im Grundgesetz allerdings nur implizit und inzident.146 Aus Gründen der Integrationsfunktion der Verfassung und der Klarstellung ist deshalb die Aufnahme eines Art. 22 Abs. 2 in das Grundgesetz zu empfehlen, der lautet: „Die Staatssprache ist Deutsch.“ Aus einer solchen Bestimmung, die die Kompetenzverteilung im Bundesstaat unberührt ließe, könnte 142 Anschaulich beschrieben bei Isensee (Fn. 1), 573 f.; vgl. auch Häberle Verfassungslehre (Fn. 8), 616, der von Sprache als „kulturellem Gen“ eines Volkes spricht. Zum Kontext von Sprache und Denken siehe bereits die Nachweise oben in Fn. 4. 143 Vgl. G. Jellinek (Fn. 22), 16, 18 („Kulturgemeinschaft“ als „Sprachgemeinschaft“ bzw. „Sprachnation“). 144 Vgl. § 17 A bs. 1 Grundgesetz Finnland; Art. 2 Verf. Frankreich; Art. 8, 18 Abs. 7a Verf. Irland (1937); Art. 8 B-VG Österreich (1920); Art. 4, 70 BV Schweiz; Art. 11 Verf. Slowenien (1991); Art. 3 Verf. Spanien; Art. 3 Nr. 1 Verf. Zypern (1960). Sehr verbreitet ist die verfassungsrechtliche Festlegung der Staatssprache vor dem Hintergrund jahrzehntelanger sowjetischer Gewaltherrschaft in den heute freien Staaten Mittel- und Osteuropas; vgl. Art. 6 Verf. Estland (1992), Art. 4 S. 1 Verf. Lettland (1992), Art. 14 Verf. Litauen (1992), Art. 27 S. 1 Verf. Polen (1997), Art. 13 Verf. Rumänien (1991), Art. 6 Verf. Slowakei (1992). Bereits in rechtsvergleichender Perspektive kann daher die Kritik, die M. Zuleeg JöR N.F. 51 (2003), 81 (88), pauschal an Sprachenartikeln übt, nicht überzeugen. Sprachenartikel entsprechen längst gemeineuropäischem und über Europa hinaus verbreiteten (für die Entwicklungsländer vgl. Häberle Rechtsvergleichung [Fn. 8], 791 [838 f.]) Verfassungsrecht – zumal in jüngeren europäischen Verfassungen. Sie haben sich als wichtiges Stück nationaler Identität durchgesetzt und bewährt. 145 Vgl. für Österreich Art. 6 Landes-Verfassungsgesetz Burgenland, Art. 6 Landesverfassung Niederösterreich, Art. 4 Landes-Verfassungsgesetz Oberösterreich, Art. 7 Abs. 1 Landes-Verfassungsgesetz Salzburg, § 5 Landes-Verfassungsgesetz Steiermark, Art. 5 S. 1 Landesverfassung Vorarlberg; für die Schweiz Art. 3 Abs. 1 Verf. Kanton Graubünden, Art. 6 Verf. Kanton Bern, Art. 6 Abs. 1 Verf. Kanton Freiburg (vgl. dort auch zur Regelung der Amtssprachen auf kommunaler Ebene: Art. 12 Abs. 3 Verf. Kanton Freiburg), Art. 12 Abs. 1 Verf. Kanton Wallis, Art. 3 Kanton Jura, Art. 1 Abs. 1 Kanton Tessin. 146 Grundlegend P. Kirchhof (Fn. 17), § 20 Rn. 100 f. m. den Normzitaten in Fn. 146–149 unter Hinweis auf die Rede vom „Deutsche(n) Volk“, die Statuierung einer „Bundesrepublik Deutschland“, die Sicherung der deutschen Staatsangehörigkeit, die Verankerung von Deutschengrundrechten sowie auf die einzige verbindliche Fassung des Grundgesetzes in deutscher Sprache. Vgl. auch Murswiek (Fn. 32), Rn. 143.

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– jenseits der nicht zu unterschätzenden politisch-symbolischen Funktion147 – ein deutlicherer Förderungs- und Pflegeauftrag des Staates148 für die deutsche Sprache gewonnen werden als aus dem ungeschriebenen Kulturstaatsprinzip des Grundgesetzes, das eher vage und in seiner Existenz nach wie vor umstritten ist.149 Aus einer Sprachenklausel im Grundgesetz folgte zwar keine Pflicht zum Erlass sanktionsbewehrter Sprachschutzgesetze,150 wohl aber zum Beispiel die Pflicht zur Förderung der deutschen Sprache im Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik 151 oder die Pflicht der Staatsorgane und Amtsträger, sich grundsätzlich der deutschen Sprache zu bedienen. Eine solche Verfassungspflicht zur Sprachloyalität 152 wäre – vorbehaltlich vorrangiger Bestimmungen

147 Häberle Rechtsvergleichung (Fn. 8), 739 (775), nennt die Sprachenartikel „klassische Symbol-Artikel“; vgl. auch ders. Verfassungslehre (Fn. 8), 749. 148 Zu entsprechenden Schutz- und Förderungsklauseln im Landesverfassungsrecht vgl. Art. 9 Abs. 2 SchlHVerf , Art. 16 Abs. 2 M-VVerf (jeweils zugunsten der niederdeutschen Sprache). Aus dem europäischen Verfassungsrecht: Präambel und Art. 3 Abs. 3 Verf. Spanien sowie für das kulturelle Erbe allgemein Art. 46 S. 1 Verf. Spanien. 149 Hierauf beruft sich P. Kirchhof (Fn. 17), § 20 Rn. 107 ff.; ähnlich M. Elicker ZRP 2002, 415 (416). Für die Anerkennung eines Kulturstaatsprinzips im Sinne einer Staatszielbestimmung nicht nur auf der Landesebene (vgl. z. B. Art. 3 Abs. 1 S. 1 BayVerf; Art. 1 S. 2, Art. 11 SächsVerf; Art. 34 Abs. 2 S. 1 BbgVerf; dazu BVerfGE 111, 226 [240]), sondern auch für den Bund grundlegend E. R. Huber in: Häberle (Hrsg.) Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, 122; Krüger (Fn. 25), 178 ff., 808; im Ergebnis ebenso unter Hinweis auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG als objektiver Wertentscheidung BVerfGE 36, 321 (331); 81, 108 (115 f.); 111, 333 (353); BVerfG NJW 2005, 2843; R. Scholz in: Maunz/Dürig (Fn. 40), Art. 5 III (Bearbeitung 1977) Rn. 8; ähnlich, aber stärker auf Art. 1 Abs. 1 GG abstellend Häberle (Fn. 26), 123; ders. (Fn. 32), § 22 Rn. 60 sowie (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG ) D. Grimm Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, VVDStRL 42 (1984), 46 (65, 67); wieder anders (Parallele zum Sozialstaatsprinzip) P. Kirchhof (Fn. 4), 11; zur Kultur als Staatszweck/-aufgabe siehe R. Schmidt NJW 1980, 160 (161); zur verfassungspolitischen Debatte P. Häberle Das Grundgesetz zwischen Verfassungsrecht und Verfassungspolitik, 1996, 124 ff. Zutreffend dürfte eine wertende Gesamtschau der Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 2, 5 Abs. 1 S. 2, 5 Abs. 3, 9 Abs. 1, 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 GG sein. Ablehnend dagegen Britz (Fn. 30), 183 ff. (194 ff.), 235; M.-E. Geis Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990, 162 ff., 260 ff.; Steiner (Fn. 31), 16; Theme (Fn. 26), 159 ff.; M. Zuleeg ZRP 1987, 188 (189 f.). Zur Geschichte des Begriffs „Kulturstaat“ siehe Steiner ebd., 47 ff., 53. 150 So aber der fehlgehende Einwand von G. Stickel ZRP 2002, 417 (418). 151 Durch Goethe-Institute (zu deren Funktion vgl. Hoffmann [Fn. 31], 495), Stellen für Beamte für sprachpolitische Aufgaben im Auswärtigen Amt, deutschsprachige Universitäten im Ausland, Deutschkurse für nicht deutschsprachige EU -Bedienstete etc. Vgl. auch Art. 108 Verf. Griechenland (1975), Art. 2 S. 3 Verf. Irland (1937); Art. 74 Abs. 2 lit. h und i Verf. Portugal. 152 Hierfür im Ergebnis auch M. Elicker ZRP 2002, 415 (416); H. Jochum ZRP 2003, 27.

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des EG -Rechts – insbesondere für die Tätigkeit deutscher Beamter in inter- und supranationalen Organen und Einrichtungen von praktischer Relevanz. 2.

Deutsch als Amts-, Schul- und Gerichtssprache

Für staatliche Institutionen ist die Sprache Abbild nationalsprachlicher Identität, sprachkulturell geronnene Sichtbarmachung demokratischer Volksrepräsentation und Voraussetzung funktionsfähiger öffentlicher Kommunikationsbeziehungen. Daher ist in Deutschland Deutsch grundsätzlich153 alleinige Amts-,154 Schul-155 und Gerichts-

153 Zum Teil gelten landesrechtliche Ausnahmen; vgl. hinsichtlich der Anerkennung des Sorbischen vor Gerichten und Behörden des Freistaates Sachsen, der Zweisprachigkeit der Beschilderung im öffentlichen Raum und des Vorhandenseins zweisprachiger Ansprechpartner bei Behörden §§ 9–11 SächsSorbG (Fn. 50; dazu U. Fastenrath in: Degenhart/Meissner [Hrsg.] Handbuch der Verfassung des Freistaates Sachsen, 1994, § 4 Rn. 40 f.; H. Goerlich/D. Hegele in: Stober [Hrsg.] Handbuch des sächsischen Staatsund Verwaltungsrechts, 1996, § 3 Rn. 47) sowie hinsichtlich der für die Sorben (Wenden) in Brandenburg geltenden Sonderregelungen betreffend die Schulbildung und Hinweisschilderbeschriftung vgl. §§ 10, 11 SWG (Fn. 58). Vgl. auch Anlage I, Teil B, Kap. III , Sachgebiet A, Abschnitt III Nr. 1 lit. r Einigungsvertrag (Fn. 69). E. Klein (Fn. 28), 72, weist zu Recht darauf hin, dass die landesrechtlichen Sonderregelungen in der Regel auf das angestammte Siedlungsgebiet der jeweiligen Minderheit beschränkt sind und die Situation von Streuminderheiten hierdurch daher oft nicht erfasst wird. Erst recht nicht erfasst werden Immigranten. Die Sonderbehandlung autochthoner sprachlicher Minoritäten bei den Amts- und Schulsprachen lässt sich auf der Basis der sog. neuen Formel zu Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen. Als Diskriminierungsgründe sind die Unterscheidung zwischen eingesessenen Bevölkerungsgruppen und Immigranten (Kriterium der Verweildauer) sowie die Größe und die territoriale Konzentration der kulturellen Gemeinschaft anerkannt. Daher begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass etwa in Sachsen zwar die Sorben einen Anspruch auf Verwendung ihrer Sprache in öffentlichen Schulen und Behörden haben, nicht aber die in Sachsen lebenden Türken; vgl. F. Dietrich ARSP 90 (2004), 1 (16 ff.); zum Problem auch T. Fleiner FS Öhlinger, 2004, 235 (238, 241). 154 § 23 Abs. 1 VwVfG bzw. die entsprechenden Bestimmungen der Landesverwaltungsverfahrensgesetze, § 87 Abs. 1 AO , § 19 Abs. 1 SGB X. Diese Festlegungen gelten nur für den Anwendungsbereich der jeweiligen Gesetze. 155 Die meisten Schulgesetze enthalten zwar keine explizite Regelung über die Schulsprache. Sie setzen jedoch die Schulsprache Deutsch ersichtlich als Bestandteil des allgemeinen Bildungsauftrags voraus. Teilweise ergibt sich dies jedenfalls implizit aus Regelungen über besonderen Sprach- oder Förderunterricht für Schüler nicht deutscher Muttersprache, sprachliche Aufnahmetests oder allgemein den Fremdsprachenunterricht; vgl. z. B. Art. 89 Abs. 2 Nr. 6 BayEUG ; § 4 Abs. 8 BbgSchulG; § 14 Abs. 2 S. 3 2. Hs., § 36 Abs. 1 BremSchulG; § 3 Abs. 13, § 8a, § 70 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 HessSchulG; § 5 Abs. 3, § 60 Nr. 14 ThürSchulG.

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sprache156. Dies wird durch die einfachen Gesetze klargestellt, folgt aber bereits aus dem Grundgesetz selbst.157 Deutsche Behörden und Gerichte sind daher verpflichtet, alle amtlichen Äußerungen gegenüber Bürgern und anderen Hoheitsträgern in deutscher Sprache vorzunehmen; rechtliches Gehör ist prinzipiell in deutscher Sprache zu gewähren.158 Behörden und Gerichte sind grundsätzlich berechtigt zu verlangen, dass Bürger mit ihnen nur in der Amts- oder Gerichtssprache kommunizieren.159 Dies verstößt nicht gegen die Sprachenfreiheit des Fremdsprachigen, da dessen Kommunikationschancen im Interesse der Funktionsfähigkeit und Effizienz öffentlicher Gewalt allenfalls durch die Notwendigkeit einer Sprachmittlung kanalisiert, nicht hingegen beseitigt werden und daher der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG liegt nicht vor, weil die Sprache nicht als Anknüpfungspunkt für Rechtsnachteile Fremdsprachiger dient160 und somit keine Diskriminierung „wegen“ der Sprache erfolgt.161 Werden für den Zugang zu einem öffentlichen Amt

156 § 184 GVG bzw. § 8 FGG , § 9 Abs. 2 ArbGG , § 55 VwGO , § 61 Abs. 1 SGG , § 52 Abs. 1 FGO , § 77 Abs. 1 IRG , jeweils iVm § 184 GVG . Zum Anwendungsbereich von § 184 GVG im Einzelnen Kissel/Mayer (Fn. 74), § 184 Rn. 3 ff.; Meissner (Fn. 92), § 55 Rn. 50 ff.; M. Wolf Münchener Kommentar zur ZPO , Bd. 3, 2. Aufl. 2001, § 184 GVG Rn. 4 ff. 157 Vgl. Lässig (Fn. 39), 91; P. Stelkens/H. Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 118), § 23 VwVfG Rn. 3; R. Stober VR 1979, 325 (326); siehe auch oben Fn. 146. 158 Vgl. P. Kirchhof (Fn. 17), § 20 Rn. 103 f.; Meissner (Fn. 92), § 55 VwGO Rn. 49. Für Österreich ebenso Öhlinger (Fn. 21), Rn. 230; R. Walter/H. Mayer Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 8. Aufl. 1996, Rn. 207. Die Behörde ist nicht gehindert, sich in fremder Sprache zu artikulieren (z. B. in mündlichen Erörterungen mit den Betroffenen), muss aber den Inhalt der wesentlichen Verfahrenshandlungen jedenfalls auch in deutscher Sprache festlegen; vgl. Engelhardt (Fn. 121), § 23 Rn. 52; Kopp/Ramsauer (Fn. 118), § 23 Rn. 6. 159 Dies ergibt sich implizit aus § 23 Abs. 2 VwVfG, § 19 Abs. 2 SGB X, § 87 Abs. 2 AO ; siehe Engelhardt (Fn. 121), § 23 Rn. 70 ff.; Kopp/Ramsauer (Fn. 118), § 23 Rn. 7 ff.; Stelkens/Schmitz (Fn. 157), § 23 Rn. 32 ff. 160 So das heute herrschende Modell des Anknüpfungsverbots; vgl. M. Sachs Grenzen des Diskriminierungsverbotes, 1987, 421 ff.; ders. (Fn. 86), § 126 Rn. 65 ff. (66); BVerfGE 75, 40 (69 f.); 85, 191 (206); 89, 276 (288 f.); 97, 35 (43); BVerfG -K NJW 2004, 1095; Jarass (Fn. 52), Art. 3 Rn. 118. Zu weiteren Modellen hinsichtlich der Auslegung des Wortes „wegen“ (Kausalitätsmodell, Finalitätsmodell, Modell der Ausschließlichkeit, Modell des Begründungsverbots) vgl. die Darstellung des Meinungsstandes bei Heun (Fn. 52), Art. 3 Rn. 119 ff.; Sachs ebd., Grenzen, 390 ff. 161 Ganz h.M.; vgl. BVerfGE 64, 135 (157); BVerfG (Vorprüfungsausschuss) NVwZ 1987, 785; Britz (Fn. 30), 162; Jarass (Fn. 52), Art. 3 Rn. 112; Langenfeld (Fn. 30), 444; Sachs Grenzen (Fn. 160), 255 ff.; Sacksofsky (Fn. 79), Art. 3 Rn. 322; Starck (Fn. 35), Art. 3 Abs. 3 Rn. 392.

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Deutschkenntnisse verlangt, so verletzt dies die Bewerber nicht in Art. 33 Abs. 2 GG .162 3.

Bedeutung der Sprache für den Wissenschaftsstandort Deutschland

Was die Identität der Bundesrepublik Deutschland als Wissenschaftsstandort und das Selbstverständnis der nationalen Wissenschaftlergemeinschaft angeht, so befinden sich diese, gerade in sprachlicher Hinsicht, gegenwärtig unter einem erheblichen Anglisierungsdruck: Im Zuge der Globalisierung und Europäisierung sowie der gestiegenen Bedeutung des Internet dringt Englisch – zu Lasten vor allem von Deutsch und Französisch – als einheitliche Verständigungssprache auch in der Rechtswissenschaft unaufhaltsam vor.163 Gleichwohl ist es bislang zu keiner Verdrängung des Deutschen gekommen. Aus sprachund wissenschaftspolitischer Sicht bleibt Deutsch – mit gewissen Einschränkungen für den Bereich des Völker- und Europarechts, insbesondere des internationalen Wirtschaftsrechts – als Rechtswissenschaftssprache aus verschiedenen Gründen unentbehrlich164: Zum einen ist gerade der Wissenschaftler auf die Fähigkeit zu optimaler 162 Vgl. BVerfGE 39, 334 (368); Heun (Fn. 52), Art. 3 Rn. 129. Gleichfalls grundrechtskonform und rechtspolitisch sinnvoll die Festschreibung des Erfordernisses hinreichender Deutschkenntnisse von Schöffen; dafür die Gesetzesinitiative des Bundesrats vom 21. 12. 2005, BR-Drs. 841/05. 163 Globalisierung und Europäisierung haben zur Herstellung einer mittlerweile relativ gut entwickelten, weitgehend auf Englisch kommunizierenden Teilöffentlichkeit internationaler und vor allem europäischer Rechtswissenschaft geführt (vgl. aus rechtssoziologischer Sicht K. Günther/S. Randeria Recht, Kultur und Gesellschaft im Prozeß der Globalisierung, 2001, 35 ff., 52 ff.), wenngleich der Ausbildungs- und Berufsalltag der überwiegenden Zahl von (praktizierenden) Juristen nach wie vor im Wesentlichen national, regional bzw. lokal und damit sprachlich durch das Deutsche geprägt ist. Im Internet dominiert indes immer mehr die englische Sprache, Deutsch spielt dort nur eine nachrangige Rolle. Die Anglisierung geht so weit, dass deutschsprachige wissenschaftliche Publikationen häufig nicht in internationale Literaturdatenbanken aufgenommen werden. Zum Aufstieg von Englisch als Sprache des transnationalen (rechts)wissenschaftlichen Diskurses und zum parallelen internationalen Bedeutungsverlust von Deutsch vgl. U. Ammon in: Ahrens (Fn. 28), 215; O. Moréteau in: Schulze/Ajani (Fn. 15), 405; grundsätzlich die Beiträge in: W. Wilss (Hrsg.) Weltgesellschaft Weltverkehrssprache Weltkultur, 2000. 164 Vgl. auch H. Hattenhauer JZ 2000, 545 (548 ff.); H. D. Jarass in: Schulze/Ajani (Fn. 15), 371 (373); tendenziell a.A. (für eine Umstellung der wissenschaftlichen Publikationstätigkeit in Deutschland auf Englisch) E. Bohne in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.) Strukturen des europäischen Verwaltungsrechts, 1999, 217 (276), sowie generell für die deutsche Rechtswissenschaft O. Sandrock FS Großfeld, 1999, 971 (990 ff.).

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sprachlicher Präzision, Nuancierung und Metaphorik angewiesen, die ihm regelmäßig nur in der Muttersprache eignet.165 Zum anderen unterscheidet sich die Rechtswissenschaft durch ihre ausgeprägte Kulturgebundenheit166 und den geringen Standardisierungsgrad ihrer Sprache sowie die hieraus folgenden Grenzen der Übersetzung167 und der Ver-

165 Weshalb sich Englisch als Sprache für einen europäischen Wissenschaftsdiskurs auf hohem Niveau nicht eignet. Dies gilt hauptsächlich für Fächer wie Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie, aber auch für die Kernfächer des Bürgerlichen Rechts, des Strafrechts und besonders des – stark national und regional geprägten – Öffentlichen Rechts, und zwar des Verfassungsrechts wie des Verwaltungsrechts gleichermaßen. Es ist gerade das Kennzeichen einer Lingua franca, dass sie, wie auch die Sprachgeschichte zeigt, in der Regel funktional auf den Austausch eher einfacher Basisinformationen bei Verwendung eines reduzierten Sprachinventars gerichtet ist; vgl. H.-J. Meyer FAZ Nr. 3 vom 5. 1. 2005, 6 1.–4. Sp; ferner B. Seidlhofer in: Ahrens (Fn. 28), 123. 166 Zum einen haben die Sprachen eine unterschiedliche Struktur, zum anderen haben alle Wörter lokale, regionale, nationale, geschichtliche und semantische Wurzeln. Derselbe Text gewinnt in anderen Kulturen, je nach Raum, Zeit und Betrachter einen anderen Inhalt; alle Arbeit am Recht, insbesondere alle Auslegung, ist kulturspezifisch, mit anderen Worten, Kulturwissenschaft und damit von den jeweiligen kulturellen Kontexten nicht ablösbar, sondern in diese eingestiftet; grundlegend Häberle Verfassungslehre (Fn. 8), 29, 40ff., 83ff.; ferner B. Großfeld JZ 1997, 633 (635f.); ders. Macht und Ohnmacht (Fn. 1), 80ff.; Neumann-Duesberg (Fn. 4), 42 (Sprachen der Völker als „verschieden geschliffene Prismen, durch die die einzelnen Sprecher die Welt jeweils anders sehen“); siehe auch oben Fn. 4. Zu den Problemen des Übersetzens juristischer Texte eingehend die Beiträge von G.-R. de Groot, K. Luttermann, P. Pescatore, P. Berteloot, G. R. Weyers in: de Groot/ Schulze (Fn. 45), 11, 47, 91, 101, 151 sowie von P. Sandrini, R. Stolze, A. L. Kjær, J. Engberg, S. Sˇarcˇevic´, S. Vlachopoulos in: Sandrini (Hrsg.) Übersetzen von Rechtstexten, 1999, 9, 34, 63, 83, 103, 137; allgemein zur Kulturalität der Wissenschaftssprache M. Clyne/H. Kreutz in: Wierlacher/Bogner (Hrsg.) Handbuch interkulturelle Germanistik, 2003, 60. 167 Die Kultur- und Sprachgebundenheit des Rechts wird beim Übersetzen durchtrennt. Übersetzen bedeutet ein „Über-Setzen“ von in Sprache geronnenen Bildern oder Gedanken aus einer Sprache in eine andere, wobei in der anderen Sprache mit dem „über-setzten“ Wort für die juristische Kommunikation möglicherweise andere oder überhaupt keine Bilder oder Gedanken verbunden sein können. Allgemein zur Unmöglichkeit bedeutungsidentischer Übersetzung Loehr (Fn. 28), 20 ff.; C. Luttermann FS Großfeld, 1999, 771 (779 ff.); D. Martiny ZEuP 1998, 227 (231); umfassend C. SchmidtKönig Die Problematik der Übersetzung juristischer Terminologie, 2005, 83 ff., 227 ff. Wichtige deutsche Rechtswerke wie das BGB oder das EStG und Kommentare wie der Palandt gelten – zum Nachteil der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Rechtsordnung – nicht zuletzt auf Grund ihres hochtechnisierten Sprachstils und umständlichen Satzbaus als kaum mehr übersetzbar; vgl. H. Hattenhauer JZ 2000, 545 (548 f.); H.-J. Schroth FAZ Nr. 281 vom 2. 12. 1999, 10. Dazu, dass jede Übersetzung zugleich einen Vorgang der Auslegung darstellt, grundlegend H.-G. Gadamer Wahrheit und Methode, 4. Aufl. 1975, 362 f.; vgl. ferner I. Burr/T. Gallas in: Müller/Burr (Fn. 28), 195 (231 ff.). Dies gilt erst recht, solange es (noch) keine europaweit oder gar weltweit einheitliche Rechtsterminologie gibt; vgl. T. Groh in: Müller/Burr (Fn. 28), 263 (273); Hilf (Fn. 26), 22 f.;

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gleichung168 strukturell von den Naturwissenschaften. Ferner schließen in fremder Sprache geführte Diskurse einen erheblichen Teil der nationalen Leserschaft aus dem fachlichen Diskurs aus und führen in der Tendenz dazu, dass Veröffentlichungen nur noch von Spezialisten zur Kenntnis genommen werden.169 Vor allem aber schadet die Umstellung auf die englische Sprache, etwa bei der Einführung neuer Studiengänge, bei Kongressen in Deutschland, bei Dissertationen oder bei der Beantragung von Drittmitteln, der Position der deutschen Sprache sowie dem Ansehen und der Attraktivität des Wissenschaftsstandorts Deutschland im In- und Ausland mehr als sie ihm nützt. Ungeachtet dessen sollten die Bemühungen intensiviert werden, die unzureichende Kommunikation zwischen den einzelnen nationalen EU -Rechtswissenschaften, zuC. Luttermann JZ 1998, 880 (882); Schübel-Pfister (Fn. 28), 112 ff. Vorsichtiges Plädoyer für eine einheitliche europäische Rechtssprache daher bei Schübel-Pfister ebd., 479 und P. Pescatore in: Müller/Burr (Fn. 28), 243 (259); zu weitgehend die unitarisierende Forderung nach einer EU -Terminologieplanung bei R. Christensen/F. Müller in: Müller/ Burr (Fn. 28), 9 (14 ff.), sowie P. Sandrini in: Müller/Burr (Fn. 28), 139 (147). 168 Die Kultur- und Sprachgebundenheit des Rechts erschwert die Rechtsvergleichung, etwa zwischen den kontinaleuropäischen Rechtsordnungen und den Rechtsordnungen des Common Law (grundlegend O. Lepsius Verwaltungsrecht unter dem Common Law, 1997), da bei der Übersetzung die pluralistischen kulturellen Kontexte nicht mit transferiert werden (können); siehe B. Großfeld JZ 1984, 1 (5); H. Hattenhauer JZ 2000, 545 (548 f.); A. Teichmann FG Zivilrechtslehrer 1934/35, 1999, 629 (645 ff.). Sprache wirkt insoweit auch als Grenze von Rechtsvergleichung und internationaler Rechtskommunikation; vgl. P. Häberle JöR N.F. 53 (2005), 345 (351 f.); F. Holldack Grenzen der Erkenntnis ausländischen Rechts, 1919, 82 ff. Diese Grenze ist nicht unüberwindbar (vgl. Gipper [Fn. 3], 248; ferner Teichmann ebd., 647 f., der fordert die spätere Übersetzbarkeit bereits beim Verfassen der Texte zu berücksichtigen und auf nicht übersetzbare Begriffe sowie nicht vermittelbare dogmatische Verästelungen zu verzichten) – im Gegenteil: die Bemühungen zu ihrer Überwindung gerade durch Rechtsvergleichung müssen weiter zunehmen. Die Rechtsvergleichung hat sich aber stets der methodologischen Probleme, die aus der Mehrsprachigkeit erwachsen, bewusst zu sein („kritische“ Rechtsvergleichung); tendenziell ähnlich S. Baer ZaöRV 64 (2004), 735 (753 ff.); Großfeld (Fn. 1), Macht und Ohnmacht, 149 ff., 179 ff. (182). 169 So lehnen etwa 84,1 Prozent der Mediziner rein englischsprachige Publikationen in deutschen Fachzeitschriften ab; vgl. W. Hasse/R.-J. Fischer Deutsche Medizinische Wochenschrift ( DMW ) 128 (2003), 1338. Nach einer Untersuchung des Deutschen Studentenwerks (16. Sozialerhebung, 2000, Frage 71) lesen und verstehen 29 Prozent der Studenten Englisch sehr gut, aber nur 11,8 Prozent bestätigen diese Fähigkeiten im Bereich der jeweiligen Terminologie; vgl. W. Hasse FAZ Nr. 65 vom 18. 3. 2005, 8. Zu positiveren, allerdings wenig aussagekräftigen (vgl. V. Ginsburgh/S. Weber JCMSt 2005, 273 [277]), Ergebnissen kommen Umfragen, die Sprachkenntnisse subjektiv (nach Selbsteinschätzung der Befragten) ermitteln; so z. B. Europäische Kommission Viele Sprachen, eine einzige Familie, 2004, 5, wonach 66 Prozent der 15- bis 24-Jährigen und 53 Prozent der 25- bis 39-Jährigen in der EU Englisch sprechen.

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mal die defizitäre Wahrnehmung deutschsprachiger Texte durch Teile der ausländischen Wissenschaft,170 den EuGH und seine Generalanwälte171 sowie die Kommission durch fachkundige Übersetzungen wichtiger Monographien und Aufsätze, eine Sammlung ausgewählter Grundsatzentscheidungen der obersten Gerichte in englischer Sprache, zweisprachige Journale sowie routinemäßige aussagekräftige englischsprachige Zusammenfassungen zu fördern.172 Hierbei handelt es sich um eine im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Rechtsordnung und -kultur liegende Aufgabe von nationalem Interesse, derer sich der Bund verstärkt durch finanzielle Förderung annehmen sollte. 4.

Sprache als Integrationsfaktor im kulturpluralistischen Staat

Die nationale Identität Deutschlands im 21. Jahrhundert ist auch untrennbar damit verbunden, wie sich der Staat integrations- und sprachpolitisch gegenüber der steigenden Zahl an Zuwanderern positioniert. Deutschland ist empirisch eine unerklärte Einwanderungsgesellschaft mit 7,3 Millionen Ausländern und erheblicher ethnisch-kultureller Vielfalt.173 Es ist aber – ebenso wie die in diesem Kontext gerne angeführten174 USA 175, 170 Zu diesem Befund vgl. H. Hattenhauer JZ 2000, 545 (550); Bohne (Fn. 164), 276; Jarass (Fn. 164), 371. Auch hier bedarf es freilich der Differenzierung: In einzelnen Ländern, z. B. Mittel-, Ost- und Südeuropas sowie Asiens, wird die deutsche rechtswissenschaftliche Literatur und Rechtsprechung intensiv rezipiert, in anderen Ländern, z. B. den Niederlanden, Belgien, Frankreich, den skandinavischen Staaten, dem Vereinigten Königreich und Irland, dagegen eher wenig. 171 Kritisch zur unzureichenden Auseinandersetzung des EuGH mit dem nationalen Schrifttum etwa P. Hommelhoff in: Schulze (Hrsg.) Auslegung europäischen Privatrechts und angeglichenen Rechts, 1999, 29 (42 ff.); M. Lutter in: Schulze ebd., 83 (83); Streinz ZEuS 2004, 387 (400 f.). 172 Wie hier H. Hattenhauer JZ 2000, 545 (550); Teichmann (Fn. 168), 646 ff.; vgl. auch Jarass (Fn. 164), 374 f. Wichtig daher z. B. die vom BVerfG herausgegebene, bislang dreibändige Sammlung „Decisions of the Bundesverfassungsgericht – Federal Constitutional Court – Federal Republic of Germany, 1993, 1998, 2005. 173 Zum tatsächlichen Hintergrund siehe Bundesministerium des Innern (Hrsg.) Zuwanderungsrecht und Zuwanderungspolitik, 2005, 11 ff.; daneben K. J. Bade/J. Oltmer Normalfall Migration, 2004., 97 ff., 133 ff.; K. Hailbronner in: Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission, Multikulturelle Gesellschaft und Wertegesellschaft, 2000, 27 (29 ff.); V. Kronenberg ZfP 2005, 169 (171 f.). 174 Auf die Gegenbeispiele Schweiz und Indien als Beleg für das Funktionieren von Mehrsprachigkeit beruft sich etwa D. Oberndörfer APuZ B 52–53/96, 37 (44 f.), der eine „Mythisierung der Funktion der Sprache“ konstatiert und ein Abtragen von „Erblasten der romantischen Ideologie“ fordert. 175 Vgl. B. Tibi APuZ B 52–53/96, 27 (28 f.), der betont, dass der Multikulturalismus als Bedrohung des amerikanischen Gemeinwesens empfunden wird und jeder Ameri-

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Belgien176 oder Schweiz177 – keine multikulturelle Gesellschaft in dem mit diesem Begriff überwiegend verbundenen theoretisch-programmatischen Sinne178.179 Das Konzept des Multikulturalismus und seine Tochkaner, unabhängig von seiner Herkunft, selbstverständlich Englisch als Leitsprache annimmt und sich als „American“ begreift. Vgl. auch A. M. Schlesinger Jr. The Disuniting of America, 2. Aufl. 1998, 125 ff.; Scholz (Fn. 136), 19; differ. J. Mejias FAZ Nr. 58 vom 9. 3. 2006, 36. 176 Belgien kennt aus Gründen des inneren Friedens ein strikt am Territorialitätsprinzip orientiertes Sprachenregime (vgl. Art. 4 Verf. Belgien), welches die Folge des jahrzehntelang schwelenden Konflikts zwischen der flämischen und der französischen Sprachgruppe ist, der mit Hilfe einer starken Föderalisierung und klarer rechtlicher Vorgaben deutlich entschärft werden konnte; vgl. Hanschmann (Fn. 140), 77 f. m. Fn. 53, 55; K.-H. Lambertz NWVBl . 2003, 329 (331 ff.). 177 Nach K. Mrusek FAZ Nr. 302 vom 27. 12. 2004, 8, ist die Bezeichnung der Schweiz als multikulturelles Land „ein Mythos“. Die vier Sprachengruppen der Schweiz lebten „nicht miteinander, sondern eher nebeneinander in sorgsam abgetrennten Sprachregionen“. Daher misstraue die Schweiz instinktiv einem Konzept des Multikulturalismus. Tendenziell ähnlich Langenfeld (Fn. 30), 277 ff.; P. Saladin in: Fleiner (Hrsg.) Die multikulturelle und multi-ethnische Gesellschaft, 1995, 7 (18 f.); R. J. Schweizer ZSR N.F. 120 (2001), 187 (194), nach dem mit „kultureller Vielfalt“ iSd Art. 2 Abs. 2, 69 Abs. 3 BV im Wesentlichen diejenige der viersprachigen Schweiz (vgl. Art. 4, 70 Abs. 3 BV) gemeint ist, weniger die kulturelle Vielfalt immigrierter Volksgruppen; vgl. auch ders. JöR N.F. 48 (2000), 263 (276). Auch die Kantone der Schweiz folgen bei der Festlegung ihrer Amtssprachen dem Sprachgebietsprinzip (s. o. Fn. 47); vgl. D. Thürer Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung 1984, 241 (255ff.), sowie zu den einschlägigen Regelungen der schweizerischen Kantonsverfassungen oben Fn. 145. Von einer Mehrsprachigkeit der Schweiz(er) kann daher nur bedingt gesprochen werden; a.A. P. Häberle Europäische Verfassungslehre, 3. Aufl. 2005, 60. Zum großen Teil werden die vier Sprachregionen – mit Ausnahme der Rätoromanen – von einsprachigen Menschen bewohnt; vgl. Borghi (Fn. 23), § 37 Rn. 10. Zum Vordringen und zur Dominanz des Englischen als fünfter (De-facto-)Amtssprache in der Schweiz siehe M. Baumann SJZ 101 (2005), 34. Dazu sowie zur Zunahme der Mundart vgl. J. Altwegg FAZ Nr. 52 vom 2. 3. 2006, 35. 178 Das Konzept des Multikulturalismus und Multilingualismus setzt auf Relativierung der nationalen kulturellen Werte sowie ein ungeregeltes Nebeneinander der Kulturen und Sprachen mit dem Ziel eines entnationalisierten Vielvölkerstaates, in dem es keine Mehrheit und keine Minderheit mehr gibt. Vgl. stellv. C. Leggewie Ist kulturelle Koexistenz erlernbar? 1995, 12 ff. (insbes. 14); ders. in: Nahamowitz/Breuer (Hrsg.) Politik – Verfassung – Gesellschaft: Traditionslinien und Entwicklungsperspektiven, 1995, 257 (261). Überblick und Nachweise zu dem schillernden Begriff des Multikulturalismus bei Langenfeld (Fn. 30), 266 ff. 179 Wie hier P. Kirchhof in: Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission (Fn. 173), 1 (6); Korioth (Fn. 140), 146 f.; Langenfeld (Fn. 30), 325 ff., 572 f.; W. Mäder ZFSH / SGB 1999, 3; J. Mittelstraß in: Kopetz/Marko/Poier (Hrsg.) Soziokultureller Wandel im Verfassungsstaat, 2004, 1484 (1492 f.); Scholz (Fn. 136), 16 ff.; B. Tibi Europa ohne Identität? Die Krise der multikulturellen Gesellschaft, 1998. A.A. B.-O. Bryde in: Sitter-Liver (Hrsg.) Herausgeforderte Verfassung, 1999, 223 (231); Schulze-Fielitz (Fn. 61), 160, 172 und passim.

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teridee des Multilingualismus ist an einer Realität zerbrochen, die durch konfliktanfällige Parallelgesellschaften, Segregation, zunehmende, gerade sprachliche, Herkunftsorientierung und Desintegration180 sowie dauerhafte soziale Unterschichtung der Zuwanderer gekennzeichnet ist.181 Diese Situation wird durch die demographische Entwicklung zukünftig weiter verschärft werden.182 Zu ihrer Bewältigung bietet sich das 180 Von den ausländischen Schülern verlässt jeder fünfte die Schule ohne Abschluss, das Abitur schafft nur jeder achte ausländische Schüler eines Jahrgangs, vgl. Statistisches Bundesamt, zit. nach H. Riebsamen Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 43 vom 24. 10. 2004, 6; ähnlich R. Ohliger/U. Raiser Integration und Migration in Berlin, 2005, 35. Kinder und Jugendliche aus Zuwandererfamilien haben – vor allem aufgrund fehlender Sprachkompetenz und schulischer Qualifikation – deutlich schlechtere Chancen als ihre deutschen Altersgenossen, einen Ausbildungsplatz zu finden (z. B. in Berlin: 10,7 Prozent zu 34,5 Prozent). Eine Ausländerelite, die schon aus demographischen Gründen zukünftig eine noch wichtigere Rolle bei der Sicherung des wirtschaftlichen Wohlstands in Deutschland spielen wird, fehlt nahezu völlig. Selbst in Deutschland geborene Kinder von Ausländern sprechen – bis hinein in die Universitäten – häufig nur gebrochen Deutsch. In Berlin sprechen fast 24 Prozent aller Schüler zu Hause nicht regelmäßig Deutsch. Dortige Innenstadtbezirke wie Mitte, KreuzbergFriedrichshain und Neukölln weisen 45–55 Prozent an Schülern nicht-deutscher Herkunftssprache auf. 60 Prozent der Kinder, bei denen zu Hause nicht deutsch gesprochen wird, bedürfen einer intensiven und fast 30 Prozent einer normalen Sprachförderung; lediglich rund 10 Prozent von ihnen können ohne Förderung am Unterricht teilnehmen. Die Folgen hiervon sind eine überdurchschnittlich hohe Ausländerkriminalität, eine erhöhte Anfälligkeit für Fundamentalismus und Extremismus, soziale Spannungen zwischen integrierten und nicht integrierten Bevölkerungsgruppen in den Schulen und Wohnvierteln der Städte („Abstimmung mit Füßen“), hohe Arbeitslosigkeit sowie hohe und langfristige Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme. Vgl. dazu am Beispiel Berlins mit aktuellem Zahlenmaterial S. Luft FAZ Nr. 148 vom 29. 6. 2005, 8, 1. und 2. Sp.; R. Mönch FAZ Nr. 47 vom 25. 2. 2005, 48; Ohliger/Raiser ebd., 30 ff.; allgemein W. Laqueur Merkur 2005, 653 (656); D. Smolka APuZ 12/2005, 20 (23); zur Ausgrenzung gering qualifizierter Jugendlicher und zu ethnischen Unterschieden im deutschen Schulsystem vgl. die Beiträge von H. Solga und C. Kristen APuZ 21–22/2003, 19; 26. 181 Betroffen hiervon sind gerade die Zuwanderer der zweiten und dritten Generation. Vgl. nur am Beispiel Berlins Luft (Fn. 180), 1. Sp.; Ohliger/Raiser (Fn. 180), 33 („ethnosoziale Unterschichtung ganzer Stadtteile und … Verstetigung von Problemen“); generell C. Gusy in: Davy (Hrsg.) Politische Integration ausländischer Wohnbevölkerung, 1999, 262 (270 f.); Langenfeld (Fn. 30), 274 f.; vgl. auch VG Hamburg anders dagegen von Bogdandy (Fn. 29), 173 f., NVwZ-RR 2006, 121 (123); und die dort in Fn. 78 f. nachgewiesenen Autoren. 182 Erhellend W. Laqueur Merkur 2005, 653 (656); H. Birg FAZ Nr. 51 vom 2. 3. 2005, 39. Birg (ebd.) nennt als eine der vier demographischen Konfliktlinien der Zukunft „das Auseinanderdriften der zugewanderten Populationen und der autochthonen Bevölkerung“ und führt aus: „Die zugewanderte Population wächst durch Geburtenüberschüsse und weitere Zuwanderungen, gleichzeitig schrumpft die autochthone, wobei die Zugewanderten, bedingt durch wesentlich ungünstigere Bildungsvoraussetzungen, eine

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Konzept eines Kulturpluralismus an.183 Der Kulturpluralismus setzt auf kulturelle Vielfalt, Offenheit und Toleranz, aber auf der Basis und im Rahmen der Rechtsordnung, verbindlicher (Verfassungs-)Werte184 und Mitwirkungspflichten der Ausländer bei der eigenen Integration, insbesondere in sprachlicher Hinsicht. Integration bedeutet dabei nicht Zwang zur Assimilation,185 also vollständige Übernahme der Kultur der Mehrheit oder fugenlose „Eindeutschung“. Unverzichtbare Voraussetzung für eine nachhaltige, aktivierende Integration ist aber die mündliche und schriftliche Beherrschung der deutschen Sprache, da hierin der Schlüssel ethnisch geprägte Unterschicht bilden, die einen wachsenden Anteil des staatlichen Sozialbudgets beansprucht.“ 183 Vgl. B. Tibi APuZ B 52–53/96, 27 (28f., 33); zustimmend V. Kronenberg ZfP 2005, 169 (174 ff.); W. W. Mickel APuZ B 10/97, 14 (21); ähnlich P. Kirchhof (Fn. 179), 6; Korioth (Fn. 140), 139; R. Machacek in: Deutsche Sektion der Internationalen JuristenKommission (Fn. 173), 77 (77, 85); G. Witzsch in: Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission (Fn. 173), 47 (72); allgemein zu einer Theorie des pluralistischen Staates T. Würtenberger in: Venizelos/Pantélis (Hrsg.) Civilisations and Public Law, 2005, 49. Das Konzept des Kulturpluralismus überzeugt in verfassungstheoretischer, aber auch in normativer Hinsicht. Normativ folgt es aus einer Gesamtschau aus der Präambel zum GG („Deutsche Volk“, „Die Deutschen“), Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG (Staatsangehörigkeit als zulässiger Differenzierungsgrund), den Deutschengrundrechten (z. B. Art. 8, 9, 11, 12, 16 GG ), Art. 20 Abs. 2 GG iVm Art. 116 Abs. 1 GG ( BVerfGE 83, 37 [50ff.]; Pieroth [Fn. 69] Art. 20 Rn. 4; Art. 116 Rn. 2), den staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten (Art. 33 Abs. 1 und 2, 38, 54 Abs. 1 S. 2 GG ), Art. 56 Abs. 2 GG sowie Art. 146 GG . Übereinstimmender Befund bei T. Fleiner FS Öhlinger, 2004, 235 (236); ausführlich zum Ganzen unter Betonung weiterer normativer Anknüpfungspunkte Uhle (Fn. 30), 108–352. 184 Dazu gehören im Sinne der christlichen, jüdischen und humanistischen Tradition auf der Basis des Grundgesetzes: Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit (insbesondere Gleichberechtigung von Mann und Frau), Leben und Gesundheit, Eigentum, Solidarität, Subsidiarität, Toleranz, Pluralismus, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Sozialstaat, Sicherung der Interessen der künftigen Generationen (Nachhaltigkeit), religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates, Frieden, Gewaltverbot/staatliches Gewaltmonopol, Sicherheit, Minderheitenschutz. Für eine Orientierung am Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung iSv BVerfGE 2, 1 (12 f.): Korioth (Fn. 140), 139; zu den Werten auf der EU -Ebene weiterführend C. Calliess JZ 2004, 1033. Wie hier im Sinne einer kulturellen Mindesthomogenität Britz (Fn. 30), 222 f.; E.-W. Böckenförde in: ders. Staat, Verfassung, Demokratie, 2. Aufl. 1992, 289 (332 f.); Langenfeld (Fn. 30), 374; Scholz (Fn. 136), 16; Uhle (Fn. 30), 109 ff., 347 ff. Abzulehnen, da für ein pluralistisches Gesellschafts- und parlamentarisch-repräsentatives Demokratiekonzept ungeeignet, dagegen die Vorstellung einer essentialistisch-substanzhaften Homogenität bei Schmitt (Fn. 22), 228 ff.; ders. Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 2. Aufl. 1926, 14 ff.; dagegen zu Recht statt vieler Hesse (Fn. 126), Rn. 6. 185 So aber Schulze-Fielitz (Fn. 61), 133, 157, 169 ff.; a.A. Britz (Fn. 30), 206, 239 f., 312; Langenfeld (Fn. 30), 270 f., 305, 369, 384; vgl. auch BT-Drs. 12/2035, 4 sowie BVerfG -K NVwZ 2003, 1113; zur Terminologie (Akkomodation, Akkulturation, Assimilierung) vgl. Langenfeld ebd., 283 ff. mwN.

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für den schulischen und beruflichen Erfolg wie auch für die politischdemokratische Verständigungs- und Partizipationsfähigkeit liegt.186 Eine kulturell-sprachliche Neutralität des Staates kann es – im Gegensatz zur religiös-weltanschaulichen Neutralität – nicht geben. Für die Sprache gilt vielmehr das Prinzip der Identifikation.187 Das seit dem 1. Januar 2005 geltende Zuwanderungs- und Aufenthaltsrecht 188 beruht auf dem richtigen189 Ansatz einer sanktionsbewehrten, nämlich konditional mit der Aufenthalts-190 bzw. Niederlassungserlaub186 Mit dieser Stoßrichtung ist die zentrale Bedeutung der deutschen Sprache als Leitsprache für die Ausländerintegration mittlerweile der Sache nach weitgehend anerkannt; vgl. nur die amtliche Begründung zu § 86 AuslG a.F. im Rahmen der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, BT-Drs. 14/533, 18; P. Kirchhof (Fn. 17), § 20 Rn. 82, 95, 121 f.; E. Schindler/H. Ryfisch ZAR 2004, 318 (319); anders U. Volkmann DVBl . 2005, 1061 (1070), der aus der zunehmenden sprachlichen Herkunftsorientierung unter türkischen Migranten der zweiten und dritten Generation folgert, die Sprache würde „als Basis gelingender Integration künftig noch stärker als bisher ausfallen“. Dies überzeugt weder deskriptiv noch perspektivisch, da hiermit der normative Steuerungsanspruch der Rechtsordnung im Ergebnis zu sehr einer (zu einseitg erfassten) Faktizität geopfert wird. 187 Wie hier im Ergebnis Britz (Fn. 30), 231 ff.; Batliner (Fn. 140), 25; Uhle (Fn. 30), 458 ff. (468 f.), der für ein „mittleres“ Schutzkonzept der Gleichzeitigkeit kultureller Offenheit und kultureller Bindung plädiert (ebd., 91 ff. [98 ff.], 106 f., 469 ff.); zutreffend auch K. Doehring FAZ Nr. 44 vom 21. 2. 2006, 11. Auch in der philosophischen Diskussion wird – sowohl unter liberalen (W. Kymlicka) als auch kommunitaristischen Autoren (C. Taylor, M. Walzer) – die Übertragbarkeit des Neutralitätsgedankens auf kulturell-sprachliche Konflikte mehrheitlich für unmöglich erachtet; vgl. die Nachweise bei F. Dietrich ARSP 90 (2004), 1 (2 Fn. 4), der selbst eine differenzierte Position vertritt (ebd., 13 ff., 15 ff.). Zu dem für die Kultur allgemein (insbesondere Wissenschaft, Kunst, Religion, Weltanschauung) geltenden Prinzip der Nicht-Identifikation grundlegend Krüger (Fn. 25), 178 ff. Dazu, dass es nicht gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verstößt, wenn die Einbürgerung von Sprachkenntnissen abhängig gemacht wird, vgl. Jarass (Fn. 52), Art. 3 Rn. 124; Starck (Fn. 35), Art. 3 Abs. 3 Rn. 395. 188 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG) = Art. 1 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz – ZuwG) vom 30. 7. 2004, BGBl . 2004 I 1950, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. 3. 2005, BGBl . 2005 I 721; Überblick dazu bei Bundesministerium des Innern (Fn. 173), 28 ff.; B. Huber NVwZ 2005, 1. 189 A.A. Schulze-Fielitz (Fn. 61), 152, 170 f., der eine doppelte Staatsbürgerschaft, mehr Minderheitenschutz und ein „Modell der kulturellen Ambivalenz“ vorschlägt, das zu einem Prozess der allmählichen freiwilligen Assimilation führen soll. 190 Vgl. § 8 Abs. 3 AufenthG. Diese Bestimmung verstößt weder gegen die EMRK noch gegen Grundrechte des Grundgesetzes; a.A. B. Huber ZAR 2004, 86 (89 ff.), der einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK , Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 GG annimmt. Dies verkennt, dass die Integrationsbereitschaft und -fähigkeit der Ausländer ein sowohl in deren Eigeninteresse wie auch im Interesse der Gesellschaft und des Staates liegender

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nis191 und der Anspruchsberechtigung hinsichtlich von Sozialleistungen192 verknüpften, Verpflichtung der Migranten zum Lernen der deutschen Sprache.193 Es wird ergänzt durch die Erleichterung der Einbürgerung von Ausländern bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, vor allem ausreichender Sprachkenntnisse, gemäß §§ 10 und 11 StAG .194 Zustim-

Gemeinwohlbelang von besonderer Wichtigkeit ist und die Regelung im Übrigen eine hinreichende Berücksichtigung individueller Sonderbelastungen und Härten, insbesondere im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG , im Rahmen der Ermessensausübung zulässt. 191 § 9 Abs. 2 S. 1 AufenthG. 192 § 44a Abs. 3 S. 2 AufenthG. 193 §§ 43 ff. AufenthG etablieren ein Anspruchs- (§ 44 AufenthG) und Verpflichtungssystem (§ 44a Abs. 1 AufenthG) zur Teilnahme von Ausländern an Integrationskursen; siehe dazu C. Hauschild ZAR 2005, 56; B. Huber ZAR 2004, 86; C. Storr/R. Albrecht Das neue Zuwanderungsrecht, 2. Aufl. 2005, 13 f.; speziell zur Sprachförderung E. Schindler/H. Ryfisch ZAR 2004, 318. Für Spätaussiedler ergibt sich ein Teilnahmeanspruch aus § 9 Abs. 1 BVFG , Unionsbürger können nach § 11 Abs. 1 FreizügG/ EU iVm § 44 Abs. 4 AufenthG zu einem Integrationskurs zugelassen werden. Durchführung, Entwicklung der Grundstruktur und Lerninhalte der Integrationskurse obliegen nach § 75 Nr. 2 AufenthG, § 9 Abs. 5 BVFG dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF ). Die näheren Einzelheiten sind in der – ebenfalls zum 1. 1. 2005 in Kraft getretenen – Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler (Integrationskursverordnung – IntV) vom 13. 12. 2004, BGBl . 2004 I 3370, enthalten. Vorrangiges Ziel der Integrationskurse ist der Erwerb ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache (§ 43 Abs. 3 S. 1 AufenthG, § 9 Abs. 1 S. 1 BVFG , § 3 Abs. 1 Nr. 1 IntV). Herzstück des Integrationskurses ist daher der Sprachkurs (§ 11 IntV), der mit einem Test (Zertifikat B 1 entsprechend dem Gemeinsamen Referenzrahmen für Sprachen [GER ]) abgeschlossen wird (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 IntV). Zur ähnlichen Rechtslage in Österreich seit 2002 vgl. die sog. Integrationsvereinbarung nach § 50a Fremdengesetz (FrG), BGBl . I Nr. 75/1997 idF BGBl . I Nr. 126/2002 und BGBl . I Nr. 134/2002, die gezielt auf die Schaffung der Voraussetzungen eines Staatsbürgerschaftserwerbs, insbesondere der erforderlichen Sprachkenntnisse nach § 10a Staatsbürgerschaftsgesetz, gerichtet ist. Ergänzt wird die Integrationsvereinbarung ebenfalls durch eine Nachweispflicht (§ 50c FrG), ein staatliches Kursangebot (§ 50d FrG) und die Sanktion der möglichen Ausweisung im Falle der Nichterfüllung (§ 34 Abs. 2a, Abs. 2b FrG); instruktiv dazu M. Pöschl in: Sahlfeld u. a. (Hrsg.) Integration durch Recht, 2003, 197 (201 ff.). Siehe auch Art. 33 RL 2004/83/ EG des Rates vom 29. 4. 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. EG -Flüchtlingsrichtlinie), ABl . 2004 L 304, 12. 194 Vgl. den gebundenen Anspruch nach § 10 (insbesondere Abs. 3), § 11 Abs. 1 Nr. 1 StA idF des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. 7. 1999 (in Kraft getreten am 1. 1. 2000), BGBl . 1999 I 1618. Nach der früheren Praxis waren die Sprachkenntnisse dagegen nicht formell festzustellen, sondern wurden vermutet, soweit nicht anderweitige Anhaltspunkte auf eine mangelnde Beherrschung des Deutschen schließen ließen; vgl. Gesetzesbegründung zu § 86 AuslG a. F. BT-Drs. 14/533, 18; berechtigte Kritik hieran bei R. Göbel-Zimmermann ZAR 2003, 65 (72 f.). Was die nach

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mung verdient auch der Beschluss der Innenministerkonferenz, die Zuwanderung jüdischer Kontingentflüchtlinge aus osteuropäischen Staaten ab Juli 2006 neu zu regeln. Danach sollen zukünftig im Rahmen des Verfahrens nach § 23 AufenthG erstmalig deutsche Sprachkenntnisse verlangt und die aufnehmenden jüdischen Gemeinden in eine „Integrationsprognose“ einzubezogen werden.195 Korrekturbedürftig ist dagegen, dass bei Spätaussiedlern für den Nachweis der Volksangehörigkeit im Rahmen des Aufnahmeverfahrens lediglich verlangt wird, „ein eindem StAG 1999 geforderten „ausreichenden Sprachkenntnisse“ angeht, so bestimmt die noch die Altregelung nach § 8 StAG , § 86 AuslG betreffende, bislang nicht revidierte StAR-VwV vom 13. 12. 2000, BAnz . 2001, 1418, unter Nr. 8.1.2.1.1, dass diese vorliegen, wenn „sich der Einbürgerungsbewerber im täglichen Leben einschließlich der üblichen Kontakte mit Behörden in seiner deutschen Umgebung sprachlich zurechtzufinden vermag und mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch geführt werden kann. Dazu gehört auch, dass der Einbürgerungsbewerber einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens lesen, verstehen und die wesentlichen Inhalte mündlich wiedergeben kann.“ Praktisch wichtig ist dabei insbesondere, wie diese Kenntnisse nachzuweisen sind; vgl. dazu Nr. 8.1.2.1.2 StAR-VwV (anerkannte Zertifikate, erfolgreiche schulische Leistungen, persönliches Erscheinen) sowie im Übrigen die einschlägigen Verwaltungsvorschriften der Länder, die zum Teil bedenkliche Disparitäten aufweisen; vgl. Göbel-Zimmermann ebd., 73 ff.; K. Hailbronner in: ders./Renner (Hrsg.) Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, § 8 StAG Rn. 54b. Zur umstrittenen Frage, ob § 11 Nr. 1 StAG auch den Nachweis schriftlicher Sprachkenntnisse fordert, vgl. zu Recht bejahend BVerwG NVwZ 2006, 61; HessVGH NVwZ 2003, 762 (763 f.); im Ergebnis ebenso K. Mertens Das neue Staatsangehörigkeitsrecht – eine verfassungsrechtliche Untersuchung, Diss. Bonn 2004, 133 f.; krit. dagegen Göbel-Zimmermann ebd., 74; Hailbronner ebd., § 8 StAG Rn. 54a. Hinter den hier verlangten Anforderungen bleibt das BVerwG (Urt. v. 20. 10. 2005, Az.: 5 C 8.05 und 5 C 17.05, BeckRS 2006, 21274) jüngst zurück, wenn es feststellt, erforderlich seien zwar gewisse Kenntnisse der deutschen Schriftsprache, der Einbürgerungsbewerber müsse sich hierfür jedoch nicht eigenhändig schriftlich ausdrücken können. Es solle ausreichen, wenn er einen deutschsprachigen Text des täglichen Lebens lesen und deutsch diktieren sowie das von Dritten oder mit technischen Hilfsmitteln Geschriebene auf seine Richtigkeit überprüfen könne. Insgesamt folgt die Regelung der Einbürgerung nach dem StAG 1999 deutlicher als die Altregelung dem zutreffenden Konzept „Staatsangehörigkeit nach Integration“ statt „Integration durch Staatsangehörigkeit“; vgl. zu diesen Konzepten Gusy (Fn. 181), 262 f.; wie hier auch P. Badura in: Deutscher Bundestag/Referat Öffentlichkeitsarbeit (Hrsg.) Reform des Staatsangehörigkeitsrechts – Die parlamentarische Beratung, 1999, 156 (163); Hillgruber (Fn. 32), § 32 Rn. 32; partiell anders Gusy ebd., 269. Davon zu unterscheiden ist die gleichfalls mit Wirkung zum 1. 1. 2000 neu eingeführte Möglichkeit des Erwerbs der Staatsangehörigkeit durch Geburt gemäß § 4 Abs. 3 S. 1, § 29 StAG (ius soli; sog. Optionsmodell). Sie ist unabhängig vom Stand der individuellen Integration, insbesondere jeglicher Sprachkenntnisse des Kindes; vgl. dazu J. Masing Wandel im Staatsangehörigkeitsrecht vor den Herausforderungen moderner Migration, 2001, 29 ff., 71 f. 195 Innenministerkonferenz-Beschluss Nr. 28 vom 24. 6. 2005. Nähere Einzelheiten sind bislang, soweit ersichtlich, noch nicht verbindlich festgelegt.

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faches Gespräch auf Deutsch führen“ zu können, was deutlich hinter den Sprachanforderungen an einbürgerungswillige Ausländer zurückbleibt.196 Den Staat trifft hinsichtlich der Durchführung der Integrations- und Sprachkurse eine objektive Handlungspflicht, die aus dem Grundrecht der Zuwanderer auf Integration 197 und auf Bildung 198 als objektive Wertent-

196 Vgl. § 6 Abs. 2 S. 3 BVFG ; dazu G. Renner in: Hailbronner/ders. (Fn. 194), Art. 116 GG Rn. 56 ff. (62); zur Bedeutung der Deutschkenntnisse für die Integration der Statusdeutschen sowie die Sozialverträglichkeit und Akzeptanz der Spätaussiedlungen BT-Drs. 14/6310, 5; VGH BW DÖV 2003, 38 (39 f.). § 15 Abs. 1 S. 2 BVFG schließt eine Wiederholung des Testgesprächs im Verfahren über die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung aus, so dass letztlich eine summarische Prüfung im Rahmen einer Vorstellung bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung entscheidet. Das BVerwG (E 119, 6 [Ls.]) hat das Erfordernis der Sprachkunde nach § 6 Abs. 2 S. 3 BVFG zudem dahingehend interpretiert, dass ein einfaches Gespräch lediglich „die Fähigkeit zu einem einigermaßen flüssigen, in ganzen Sätzen erfolgenden Austausch von Rede und Gegenrede“ meint; Defizite in Grammatik, Wortschatz oder Aussprache seien unschädlich, solange sie einem richtigen Verstehen nicht entgegen stünden. Gerade im Vergleich zu den – mit Recht – angehobenen Maßstäben des § 11 Abs. 1 StAG erscheint diese deutliche Relativierung des Erfordernisses von Sprachkenntnissen der Tragweite der mit der Anerkennung verbundenen „Quasi-Einbürgerung“ (vgl. § 7 StAG ) nicht gerecht zu werden. Für die in einen Aufnahmebescheid miteinbezogenen nichtdeutschen Familienangehörigen werden durch die Änderungen im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes nunmehr ebenfalls „Grundkenntnisse der deutschen Sprache“ gefordert; vgl. hierzu W. Peters NVwZ 2005, 778. Dies geht über die vom Aussiedler selbst verlangten Sprachkenntnisse hinaus, was nicht konsequent und daher korrekturbedürftig ist; vgl. auch G. Renner ZAR 2004, 176 (182). 197 Das Recht auf Integration folgt aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG . Es weist eine gewisse dogmatische Parallele zum Grundrecht auf ein soziokulturelles Existenzminimum auf, aus dem ebenfalls sozialstaatliche Teilhabeansprüche folgen (vgl. J. M. Soria JZ 2005, 644 [648 f.]), die über den bloßen Erhalt der menschenwürdigen Lebensbedingungen hinaus Ansprüche auf die Sicherung gesellschaftlich-kommunikativer Partizipationschancen begründen und eine soziale Ausgrenzung des Hilfsbedürftigen verhindern sollen (vgl. für das Sozialrecht BVerwGE 107, 234 [236]; 14, 294 [296 f.], hier auch zum „kulturellen Bedarf“). Zur Konkretisierung grundrechtlicher Positionen aus der Kombination eines Freiheitsgrundrechts mit dem Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip allgemein Lindner (Fn. 92), S. 338 ff. (344 ff.); Sommermann (Fn. 32), Art. 20 Abs. 1 Rn. 125. Tendenziell a.A. noch J. Isensee Die staatsrechtliche Stellung des Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland, VVDStRL 32 (1974), 49 (84 ff.), wenngleich vor dem Hintergrund einer anderen Migrationsrealität. In der Wirklichkeit einer Zuwanderungsgesellschaft, in der – entgegen den Vorstellungen der sechziger und siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts (Stichwort: „Gastarbeiter“) – der Aufenthalt des ganz überwiegenden Teils der Ausländer, ob mit dem Ziel der Einbürgerung oder ohne, auf Dauer angelegt ist (s. o. Fn. 173), stellen sich zwangläufig andere Integrationsbedürfnisse und damit auch Forderungen an eine sozialstaatliche Lastenbewältigung. 198 Zur zutreffenden Herleitung eines Grundrechts auf Bildung aus Art. 2 Abs. 1 GG vgl. BVerfGE 98, 288 (306); BVerwGE 47, 201 (206); 56, 155 (158); HessStGH NJW

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scheidung iVm dem Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip folgt, bei deren Erfüllung der Staat aber, nicht zuletzt im Hinblick auf die Begrenztheit seiner Ressourcen, über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügt.199 Staatlich finanzierte Sprachkurse zur Verbesserung der Deutschkenntnisse von Migranten und Aussiedlern verstoßen nicht gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG .200 Umgekehrt besteht grundsätzlich keine Verpflichtung des Staates, die Kultur und Heimatsprache der Zuwanderer zu unterstützen, insbesondere deren Kindern zusätzlichen Unterricht in der Muttersprache201 anzubieten. Eine solche Pflicht ist weder völker-202

1982, 1381 (1385); Britz (Fn. 30), 160; H. D. Jarass DÖV 1995, 674 (677 f.), der für den schulischen Bereich zudem Art. 7 Abs. 1 GG heranzieht; vgl. auch BVerfGE 96, 288 (290 ff.); für ein Leistungsrecht auf Mindeststandards aus Art. 3 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip U. Di Fabio in: Maunz/Dürig (Fn. 40), Art. 2 Abs. 1 GG (Bearbeitung Juli 2001) Rn. 58. Für den Bereich der beruflichen Ausbildung ist (für Deutsche) Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG lex specialis. Zum Grundrecht auf Bildung im Landesverfassungsrecht vgl. Art. 11 Abs. 1 BaWüVerf, Art. 20 Abs. 1 BerlVerf, Art. 29 Abs. 1 BbgVerf, Art. 27 Abs. 1 BremVerf, Art. 8 M-VVerf, Art. 4 Abs. 1 NdsVerf, Art. 8 Abs. 1 NRWVerf , Art. 25 Abs. 1 VerfLSA , Art. 20 S. 1 ThürVerf; J. Menzel Landesverfassungsrecht 2002, 498 ff.; zum internationalen und europäischen Recht vgl. Art. 2 S. 1 1. ZP zur EMRK , Art. 14 GrCh/Art. II -74 VV E. 199 Ähnlich Britz (Fn. 30), 159 ff.; Langenfeld (Fn. 30), 370 ff., 426 ff., 429 ff.; allgemein zum Gestaltungsspielraum des Staates Sommermann (Fn. 32), Art. 20 Abs. 1 Rn. 110; a.A. P. Kirchhof (Fn. 17), § 20 Rn. 123 („Gebot politischer Umsicht, nicht Verfassungspflicht“). 200 Dürig (Fn. 80), Art. 3 Abs. 3 Rn. 72; Heun (Fn. 52), Art. 3 Rn. 129; Jarass (Fn. 52), Art. 3 Rn. 119, 124; Langenfeld (Fn. 30), 446 ff.; Starck (Fn. 35), Art. 3 Abs. 3 Rn. 391. 201 Das Gleiche gilt für eine Unterrichtung der Schüler in ihrer Herkunftskultur, eine staatliche Lehrerausbildung im Hinblick auf muttersprachlichen oder herkunftskulturellen Unterricht, die Förderung muttersprachlicher Programme im öffentlich-rechtlichen Rundfunk etc.; vgl. Britz (Fn. 30), 283. 202 Grundlegend EGMR (Fn. 44), EuGRZ 1975, 298 (299 ff.). Danach verstößt das Territorialitätsprinzip nicht gegen Art. 2 S. 1 1. ZP zur EMRK (Recht auf Bildung). Art. 2 S. 1 1. ZP zur EMRK garantiere nur das Recht, eine Ausbildung in einer der Landessprachen zu erhalten. Ein Anspruch auf Unterrichtung in der eigenen Muttersprache ergebe sich hieraus nicht. Auch ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 14 EMRK ) liege nicht vor, da die Bevorzugung der mehrheitlich gesprochenen Sprache im schulischen Bereich durch das einen objektiven und angemessenen Rechtfertigungsgrund verkörpernde öffentliche Interesse getragen sei, dass alle staatlichen und staatlich subventionierten Schulanstalten zur Wahrung der sprachlichen Homogenität ihren Unterricht in der jeweils vorherrschenden Sprache erteilten; vgl. EGMR ebd., §§ 17 ff.; krit. A. Khol ZaöRV 30 (1970), 263 (292 f., 296 ff.); Saladin (Fn. 38), 87; L. Wildhaber SJIR XXVI (1969/70), 9 (31, 34 f.).

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und europarechtlich203 noch verfassungsrechtlich204 begründbar, verfassungspolitisch ist sie nicht sinnvoll205.206 Weder aus dem Elternrecht noch 203 Sie folgt – ungeachtet eines allgemein sehr expansiven, primär ergebnisorientierten Richterrechts des EuGH zum Unionsbürgerstatus – insbesondere nicht aus Art. 12 iVm Art. 17 f. EGV. 204 Insbesondere nicht aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ; wie hier Britz (Fn. 30), 148; F. Dietrich ARSP 90 (2004), 1 (10 f. m. Fn. 24); Heun (Fn. 52), Art. 3 Rn. 129 Fn. 725; Jarass (Fn. 52), Art. 3 Rn. 124; a.A. Starck (Fn. 35), Art. 3 Abs. 3 Rn. 382; Häberle (Fn. 26), 120 f., 124. 205 Die Forderung nach (zusätzlichem) muttersprachlichen Schulunterricht ist finanzpolitisch unrealistisch und integrationspolitisch kontraproduktiv, da sie die Integrationsperspektiven, insbesondere die Ausbildungs- und Berufschancen, der Angehörigen sprachlicher Minoritäten, die längerfristig in Deutschland bleiben wollen, mindert und den notwendigen Druck, sich durch Erlernen der deutschen Sprache und Vertrautmachen mit der politischen und rechtlichen Kultur des Landes selbst zu integrieren, zurücknimmt. Sie steht somit in Gefahr, an der Produktion gespaltener Identität und doppelter Halbsprachigkeit der Immigranten aktiv mitzuwirken; ähnlich Britz (Fn. 30), 198, 202 f., 282 f., 307, die eine Schutz- und Förderungspflicht nur im Fall autochthoner Gruppen und Sinti und Roma für sinnvoll hält; vgl. zu den Erfahrungen der Sprachenpolitik in den USA dies. ebd., 206 f. mwN. Der Rechtspolitik ist daher ein gegenteiliger Kurs anzuraten: Erhöhung des Angebots an Sprachkursen für ausländische Kinder bereits im Vorschulalter; verpflichtende Sprachkurse für die Eltern, insbesondere die Mütter, ausländischer Kinder; obligatorische Eingangstests in Deutsch als Zulassungsvoraussetzung für die Grundschule sowie obligatorischer Unterricht in Deutsch in allen Jahrgangsstufen einschließlich verpflichtender Abschlussprüfung in Deutsch in allen Schularten. Ferner ist sämtlicher Unterricht, auch der islamische Religionsunterricht, an deutschen Schulen in deutscher Sprache abzuhalten. Dagegen stellt es einen unzumutbaren und damit unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff (Art. 4 Abs. 1, 2 GG ) dar, in islamischen Moscheen nur noch deutschsprachige und in Deutschland sozialisierte Geistliche zuzulassen, denn die Religionsfreiheit umfasst auch das Recht, den Glauben in der eigenen Sprache zu praktizieren (religiöse Sprachenfreiheit als Teil des forum externum). Eingriffe in dieses Recht sind nur gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass in den Predigten Inhalte vermittelt werden, die sich mit den objektiven Wertentscheidungen des Grundgesetzes nicht vereinbaren lassen (sog. Hassprediger). Gefahrunabhängige vorbeugende Kontrollzwecke der Sicherheitsbehörden genügen dagegen in Anbetracht der Eingriffsschwere nicht zur Rechtfertigung. Dass ein Angebot von landeskundlichen und landessprachlichen Studien- und Lehrgängen für in Moscheen in Deutschland predigende Imame politisch sinnvoll ist und die Teilnahme hieran durch wirksame Anreize gefördert werden sollte, steht auf einem anderen Blatt. 206 Lediglich in dem Sonderfall eines erkennbar nur vorübergehenden Aufenthalts etwa der Kinder von Wanderarbeitnehmern (vgl. dazu auch M. Bothe Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat, VVDStRL 54 [1995], 7 [39 f.]) oder von Bürgerkriegsflüchtlingen ist eine Ausnahme zu machen und die Möglichkeit vorzusehen, dass schulischer Unterricht in der Muttersprache jedenfalls in den Kernfächern in zumutbarer Entfernung in den größeren Städten angeboten wird; vgl. auch Jarass (Fn. 52), Art. 3 Rn. 124; Osterloh (Fn. 79), Art. 3 Rn. 300. Das Flücht-

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aus dem Recht des Kindes auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit folgt ein Anspruch auf Bewahrung und Förderung der Ursprungsidentität der Migranten gerade durch den Staat, insbesondere die Schule.207 Im Gegenteil: Der Staat ist unter Berufung auf sein Wächteramt für das Kindeswohl (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG ) und seine Schulhoheit (Art. 7 Abs. 1 GG iVm Landesverfassungsrecht)208 berechtigt, die elterliche Erziehungspflicht209 durch geeignete Maßnahmen zu konkretisieren.210 Erweist sich dabei eine Politik der Angebote und Anreize als unzureichend, so ist für Kinder mit Migrationshintergrund, die bei obligatorischen Sprachtests im Vorschulalter keine hinreichenden Deutschkenntnisse nachweisen, ggf. eine gesetzliche Kindergartenpflicht oder eine Pflicht zur Teilnahme an deutschsprachigen Vorschulprogrammen einzuführen. Insgesamt muss deutlicher in das Bewusstsein dringen: Mit der Offenheit der Aufnahmegesellschaft und dem Recht auf Integration korrespondiert die aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG folgende, bislang vor allem unter türkischstämmigen Migranten vielfach vernachlässigte, Pflicht der Einwanderer zur Mitwirkung an der Integration ihrer Kinder, die auch eine Pflicht zur Selbstintegration der Eltern umgreift.211 lingsvölkerrecht selbst fordert muttersprachlichen Unterricht nicht, sondern beschränkt sich auf ein Gebot, Flüchtlingen denselben Zugang zum Unterricht an Volksschulen zu gewähren wie den Staatsangehörigen des aufnehmenden Staates; vgl. Art. 22 Abs. 1 Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. 7. 1951, BGBl . 1953 II 560; ebenso Art. 27 RL 2004/83/ EG (Fn. 193). Das deutsche Verfassungsrecht geht insoweit über die internationalen Rahmenbedingungen hinaus. 207 So aber C. Langenfeld AöR 123 (1998), 375 (385, 394 ff.); dies. (Fn. 30), 294 ff., 457 ff., 581, die hieraus eine Pflicht der öffentlichen Schule gegenüber anderssprachigen Schülern und ihren Eltern ableitet, ein ergänzendes, freiwilliges Angebot muttersprachlicher Unterweisung anzubieten; dagegen mit Recht Britz (Fn. 30), 205 ff., 241 ff. 208 Eingehend zur staatlichen Schulhoheit und zum staatlichen Erziehungsauftrag sowie dessen Begründung vor allem aus der Integrationsfunktion H. Wißmann Pädagogische Freiheit als Rechtsbegriff, 2002, 96 ff.; vgl. auch BVerfGE 34, 165 (188); BVerfG -K NVwZ 2003, 1113. 209 Zur „Elternverantwortung“ als Grundpflicht gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG BVerfGE 37, 217 (252); 79, 203 (210); H. H. Klein HGR I, 2004, § 6 Rn. 42; zutreffend auch VG Hamburg NVwZ-RR 2006, 121. 210 Vgl. auch Langenfeld (Fn. 30), 439 ff. 211 Die Pflicht der Eltern bezieht sich unmittelbar auf das Kind, dessen Teilnahme an integrierter und integrierender Beschulung in deutscher Sprache die Eltern zu dulden haben, mittelbar erfasst sie aber auch die Eltern selbst, da Eltern, die sich der eigenen (insbesondere sprachlichen) Integration entziehen, ihrer Erziehungspflicht nicht in dem Maße nachkommen können, wie dies das Grundgesetz im Interesse des Kindeswohls erwartet. In der Tendenz ähnlich Britz (Fn. 30), 295 ff.; vgl. allgemein auch BVerfG -K NVwZ 2003, 1113: Integration verlange von den Minderheiten, „dass diese sich nicht selbst abgrenzen“. Ebenso VG Hamburg NVwZ-RR 2006, 121 (123). Dazu, dass viele

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IV. Sprache und europäische Identität 1.

Der Grundsatz kultureller und sprachlicher Vielfalt

Selbst wenn es gelingen sollte, die bislang nur schwach entwickelte europäische Identität212 zukünftig über einen längeren Zeitraum hinweg zu festigen und zu entfalten,213 so wird es sich dabei stets um die Identität einer Vielvölkerkonstellation handeln. Die nationalen Identitäten mit ihren Kulturen und Sprachen bleiben die Bausteine des Hauses Europa.214 Art. 6 Abs. 3 EUV zieht hieraus die Konsequenz und verpflichtet die EU , die nationale Identität der Mitgliedstaaten zu achder Immigranten gegenwärtig keine Integration in dem neuen Heimatland, mit dem sie sich nicht identifizieren, wollen, sondern bewusst in separierten (Sprach)Gemeinschaften unter sich leben, vgl. W. Laqueur Merkur 2005, 653 (659). 212 Eine solche wird normativ angenommen im 10. Erwägungsgrund der Präambel zum EUV sowie in Art. 2 UAbs . 1 2. Spstr. EUV , ist aber empirisch kaum ausgebildet und im Belastungsfall bislang eher instabil; wie hier A. von Bogdandy JZ 2004, 53 (60 f.); P. M. Huber Europäisches und nationales Verfassungsrecht, VVDStRL 60 (2001), 194 (206, 221); M. Kotzur DÖV 2005, 313; M. Nettesheim Integration 2003, 428 (432 ff., 434 ff.); S. Nissen APuZ B 38/2004, 21; ausführlich Walkenhorst (Fn. 29), 107 ff., 119 ff., 157 ff., 209 ff., 241 ff. Optimistischer A. Peters Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, 707 ff.; eingehend zum Ganzen R. Viehoff/R. T. Segers (Hrsg.) Kultur Identität Europa, 1999. 213 Der Verfassungsvertrag in seiner bislang vorliegenden Form kann hierzu – von dem Grundrechtskatalog und einigen gelungenen Formulierungen in den Eingangsbestimmungen abgesehen – wenig beitragen. In formaler Hinsicht ist er ungeachtet gewisser Fortschritte gegenüber dem bisherigen Primärrechtskonglomerat (zur Kritik an dessen Unlesbarkeit vgl. mit Blick auf den Maastrichter Vertrag Burr/Gallas [Fn. 167], 209 f. und den Amsterdamer Vertrag M. Hilf Integration 1998, 247 [252 f.]) aufgrund seiner Länge, seiner zahlreichen Anhänge und Protokolle, aber vor allem seiner Unübersichtlichkeit und Mehrfachregelungen durch mangelnde Konsistenz, mangelnde Präzision und mangelnden sprachlichen Stil gekennzeichnet. Dezidiert kritisch zur Sprache des EU -Verfassungsvertrags S. Kadelbach FS Ress, 2005, 527 (533 ff., 538); J. Sack Der Staat 44 (2005), 67 (84 f.); D. Grimm Leviathan 2004, 448 (461); a.A. S. Hölscheidt JöR N.F. 53 (2005), 429 (430). Allgemein grundlegend zum Thema Sprache und Stil des Rechts H. Triepel Vom Stil des Rechts, 1947; P. Lerche DVBl . 1961, 690; J. Isensee Vom Stil der Verfassung, 1999; Hilf (Fn. 8), § 161 Rn. 1 ff.; A. Voßkuhle AöR 119 (1994), 35. Erfolgversprechender erscheint eine europäische Identitätsbildung „von unten“, also durch Etablierung einer europäischen Dimension in der Bildungs- und Kulturpolitik, welche stärker die gemeinsame Geschichte Europas als historische Schicksalsgemeinschaft und die gemeinsame Kultur betont sowie auf menschliche Begegnung, interkulturelle Kompetenz und Sprachenerwerb setzt. Ähnlich Böckenförde (Fn. 136), 93, 100 f. m. Fn. 79. 214 Ähnlich M. R. Lepsius APuZ B 38/2004, 3 (5); M. Pechstein in: Streinz (Fn. 41), Art. 6 EUV Rn. 25; H. A. Winkler Der lange Weg nach Westen, Bd. II , 5. Aufl. 2002, 657; tendenziell auch Beutler (Fn. 141), Art. 6 EUV Rn. 196.

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ten.215 Mit dieser Scharnierbestimmung wird die grundlegende politische und verfassungsrechtliche Struktur der Mitgliedstaaten216 einschließlich der Kultur und Sprache geschützt.217 Als Kultur- und Bildungsunion 218 wahrt die EU den Reichtum der kulturellen und sprach-

215

Noch deutlicher zugunsten der Sicherung nationaler Identität: Art. I-5 Abs. 1 S. 1

VV E, vgl. zudem 3. Erwägungsgrund der Präambel zum VV E, 3. Erwägungsgrund der

Präambel zur GrCh. Die Achtungspflicht gegenüber der nationalen Identität stellt eine Teilausprägung des insbesondere in Art. 10 EGV (Art. I-5 Abs. 2 VV E) zum Ausdruck kommenden Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit dar; vgl. A. von Bogdandy in: Grabitz/Hilf (Fn. 43), Art. 10 EGV (Bearbeitung 8/2002) Rn. 82; C. Calliess in: Hrbek (Hrsg.) Europapolitik und Bundesstaatsprinzip, 2000, 13 (21 f.); A. Epiney in: Beutler/ dies./Haag Die Europäische Union, 6. Aufl. 2005, § 2 Rn. 54, 59, 61; Hilf (Fn. 29), 168 f.; W. Kahl in: Calliess/Ruffert (Fn. 29), Art. 10 EGV Rn. 50; I. Pernice DVBl . 2000, 847 (857); N. Rauer Zwischen Binnenmarkt und Wahrung nationaler Identität, 2003, 211 ff.; Streinz (Fn. 41), Art. 10 EGV Rn. 6, 48; Uhle (Fn. 30), 4 ff., 474 ff.; W. Graf Vitzthum VBlBW 1991, 241 (247). Aus diesem Grundsatz ergibt sich auch eine Pflicht der EU / EG zur Rücksichtnahme auf die elementaren Interessen der Mitgliedstaaten; vgl. W. Brohm StWuStP 1990, 132 (148 ff.); C. Calliess Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der EU , 2. Aufl. 1999, 168 ff.; W. Durner EuR 2004, 547 (561); A. Epiney EuR 1994, 301 (310 ff.); R. Geiger EUV / EGV , Kommentar, 4. Aufl. 2004, Art. 10 EGV Rn. 5; K. Hailbronner JZ 1990, 149 (152 ff.); A. Hatje Loyalität als Rechtsprinzip in der Europäischen Union, 2001, 76; P. M. Huber (Fn. 212), 227 f.; W. Kahl ebd., Rn. 52; H.-P. Kraußer Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG -Vertrages, 1991, 145 ff.; I. Pernice DVBl . 1993, 908 (916); Streinz ebd., Art. 10 EGV Rn. 50; K. Zweigert RabelsZ 28 (1964), 601 (620); zurückhaltend dagegen M. Zuleeg in: von der Groeben/Schwarze (Fn. 140), Art. 10 EGV Rn. 11; ablehnend W. Schroeder AöR 129 (2004), 3 (34). 216 BVerfG NJW 2005, 2289 (2291), unter Hinweis auf M. Hilf/F. Schorkopf in: Grabitz/Hilf (Fn. 43), Art. 6 EUV (Bearbeitung 1/2004) Rn. 78 ff. 217 Wie hier für einen (nationalen) Sprachenschutz über Art. 6 Abs. 3 EUV (Art. I-5 Abs. 1 VV E) P. Berteloot in: Schulze/Ajani (Fn. 15), 357 (364); W. Graf Vitzthum EuR 2002, 1 (3); Kürten (Fn. 28), 41 f., 43 f., 47; T. Oppermann NJW 2001, 2663 (2664); ders. ZEuS 2001, 1 (2 f.); ders. DVBl . 2003, 1165 (1170); Schübel-Pfister (Fn. 28), 380; G. Stickel ZRP 2002, 417. Allgemein zum Schutz der kulturellen Eigenheiten der Mitgliedstaaten als Teil deren nationaler Identität grundlegend A. Bleckmann DVBl . 1992, 335 (336); ders. JZ 1997, 265 (268 f.); tendenziell gleichsinnig Beutler (Fn. 142), Art. 6 EUV Rn. 201; C. Calliess AöR 121 (1996), 509 (533); K. Doehring FS Everling, Bd. I, 1995, 263 (264); Pechstein (Fn. 214), Art. 6 EUV Rn. 27; G. Ress/J. Ukrow in: Grabitz/Hilf (Fn. 43), Art. 128 EGV (Bearbeitung 5/1998) Rn. 23, 56. 218 5. Erwägungsgrund der Präambel zum EUV ; 9. Erwägungsgrund der Präambel zum EGV , Art. 3 Abs. 1 lit. q, Art. 149–151 EGV. Vgl. auch noch 1. und 2. Erwägungsgrund der Präambel zum VV E, 3. Erwägungsgrund der Präambel zur GrCh, Art. I-3 Abs. 3 UAbs . 4, III -167 Abs. 3 lit. d, III -280, III -282 f. VV E; aus dem Schrifttum: T. von Danwitz NJW 2005, 529 (530); M. Kotzur DÖV 2005, 313 (321); ausführlich H.-J. Blanke Europa auf dem Weg zu einer Bildungs- und Kulturgemeinschaft, 1994; S. Schmahl Die Kulturkompetenz der Europäischen Gemeinschaft, 1996; J. Schwarze in: ders. (Hrsg.)

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lichen Vielfalt.219 Für die Sprachen wird dies explizit durch Art. 149 Abs. 1 EGV und Art. 22 GrCh festgelegt. Gerade in der Vielfalt liegt die größte Stärke Europas.220 Die EU hat weder die Aufgabe noch Kompetenz, eine Eurosprache zu schaffen oder Sprachenunterschiede zu harmonisieren.221 Sie hat vielmehr die Sprachen ihrer Mitgliedstaaten als Teil des kulturellen Erbes zu bewahren,222 zu fördern223 und zu verbreiGeistiges Eigentum und Kultur im Spannungsfeld von nationaler Regelungskompetenz und europäischem Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht, 1998, 125; Uhle (Fn. 30), 493 ff. 219 Vgl. – als leges speciales zu Art. 10 EGV , 6 Abs. 3 EUV – Art. 149 Abs. 1 („Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen“), 151 Abs. 1 („Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt“), Abs. 4 EGV („Wahrung und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen“). Mit Blick auf den VV E: 4. Erwägungsgrund der Präambel zum VV E („in Vielfalt geeint“); Art. I-3 Abs. 3 UAbs . 4 („wahrt den Reichtum ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt“); 3. Erwägungsgrund der Präambel zur GrCh („Achtung der Vielfalt der Kulturen und Traditionen der Völker Europas“); Art. 22 GrCh/Art. II -82 VV E („achtet die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen“); Art. III -280 Abs. 1 und 4, III -282 Abs. 1 UAbs . 1 S. 2 VV E („achtet … die Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen“); dazu Jarass (Fn. 56), § 25 Rn. 43 ff. Allgemein A. Leisner-Egensperger Vielfalt – ein Begriff des Öffentlichen Rechts, 2004. 220 Gleichsinnig Kaiser (Fn. 44), 89 ff.; Manz (Fn. 28), 185 ff.; de Witte (Fn. 28), 241. Zur Sprachenvielfalt als europäischem Rechtswert siehe A. Fenet RTDE 2001, 235; E. Jayme in: ders. Ein Internationales Privatrecht für Europa, 1991, 5 (12 ff.); Y. Yvon EuR 2003, 681 (690 f.). 221 Vgl. Art. 149 Abs. 4 1. Spstr., Art. 150 Abs. 4 EGV („unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung“); wie hier Robbers (Fn. 15), 419 f.; eingehend Manz (Fn. 28), 125 ff. Auch die Art. 94, 95 Abs. 1, 308 EGV liefern hierfür keine taugliche Rechtsgrundlage. Die Flexibilitätsklausel des Art. 308 EGV (Art. I-18 VV E) gestattet mit Einstimmigkeit im Rat und Anhörung (nach Art. I-18 VV E: mit Zustimmung) des Europäischen Parlaments lediglich nicht-harmonisierende (vgl. die ausdrückliche Klarstellung in Art. I-18 Abs. 4 VV E) ergänzende Maßnahmen, die der Verwirklichung auch sprachenpolitischer Ziele als Teil der kultur- und bildungspolitischen Ziele der Union dienen. 222 Vgl. bereits Art. 151 Abs. 1 EGV („Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes“); zusätzlich akzentuiert durch den VV E; vgl. 1. Erwägungsgrund der Präambel zum VV E („schöpfend aus dem kulturellen […] Erbe Europas“), Art. I-3 Abs. 3 UAbs . 4 („sorgt für den Schutz und die Entwicklung des kulturellen Erbes“), Art. III -167 Abs. 3 lit. d („Erhaltung des kulturellen Erbes“), Art. III -280 Abs. 1 VV E („unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes“). 223 Vgl. W. Pfeil RdJB 1999, 43 (52 ff.). Die Bedeutung indirekter, weicher Steuerung von Sprache durch Maßnahmen der Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung im Bereich der europäischen Kultur- und Bildungspolitik darf nicht unterschätzt werden. Vgl. die – allerdings nicht kompetenzbegründenden – Art. I-12 Abs. 5, I-17 lit. c und e VV E. Zuständigkeitsbegründend wirken Art. 151 EGV /Art. III -280 VV E (Kultur) bzw. Art. 149, 150 EGV /Art. III -282, 283 VV E (Bildung). Danach hat die EU die Kompetenz, Fördermaßnahmen festzulegen und Empfehlungen abzugeben. Zur umfangreichen bildungs- und kulturpolitischen Förderpraxis der EU im Bereich des Sprachenler-

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ten.224 Damit sind nicht nur die 21 Amtssprachen gemeint. Zu schützen sind auch die gegenwärtig von 50 Millionen Unionsbürgern gesprochenen 150 Regional- und Minderheitensprachen.225 Erhaltenswert sind überdies Besonderheiten bei der Verwendung einzelner Sprachen. Daher wurde etwa der Beitrittsakte von 1994 das Protokoll Nr. 10 über die Verwendung spezifisch österreichischer Ausdrücke der deutschen Sprache im Rahmen der EU beigefügt.226

nens siehe Europäische Kommission (Fn. 169), 11 ff., 15 f.; Berteloot (Fn. 217), 364 ff.; Kürten (Fn. 28), 50 f. Im Rahmen ihrer Kulturpolitik leistet die EU einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten unter anderem dadurch, dass sie unter Wahrung der nationalen und regionalen kulturellen Vielfalt die gegenseitige Kenntnis und Verbreitung der Kulturen (und damit auch der Sprachen) der europäischen Völker unterstützt; vgl. Art. 151 Abs. 1, Abs. 2 1. Spstr. EGV /Art. III -280 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a VV E. Vgl. schon Art. 2 Europäisches Kulturabkommen vom 19. 12. 1954, BGBl . 1955 II 1128. Die bildungspolitische Tätigkeit der EU hat auch zum Ziel, die Entwicklung der europäischen Dimension im Bildungswesen zu fördern, insbesondere durch Erlernen und Verbreitung der Sprachen der Mitgliedstaaten; vgl. Art. 149 Abs. 1, Abs. 2 1. Spstr. EGV /Art. III -282 Abs. 1 UAbs . 3 lit. a VV E. 224 Siehe T. von Danwitz NJW 2005, 529 (534 f.). 225 Vgl. Schübel-Pfister (Fn. 28), 50 mit Nachweisen der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Entschließungen (ebd., Fn. 8); vgl. auch Creech (Fn. 28), 57 ff.; C. Herrmann in: Streinz (Fn. 41), Art. 290 EGV Rn. 4; J. Woelk JA 1995, 909 sowie eingehend Kaiser (Fn. 44). Die genaue Zahl der Regional- und Minderheitensprachen in der EU schwankt und hängt davon ab, wie eng bzw. weit deren Begriff definiert wird. Die Kommission versteht hierunter Sprachen, die in einer bestimmten Region gesprochen werden, die sich ganz oder teilweise über einen oder mehrere Mitgliedstaaten erstreckt (z. B. das Samische, das Baskische, das Bretonische, das Friesische, das Sardische), Amtssprachen eines Mitgliedstaates, die zugleich von einer Bevölkerungsminderheit in einem anderen Mitgliedstaat gesprochen werden (z. B. Deutsch in Süddänemark, Französisch im Aostatal in Norditalien, Ungarisch in der Slowakei) und Sprachen, die nicht territorial verankert sind (z. B. Romanes, Jiddisch, Armenisch). Nicht umfasst sind dagegen Dialekte von Amtssprachen, ebenso wenig Sprachen, die von Zuwanderern in der EU gesprochen werden. Zu Begrifflichkeit und Zahlen vgl. Europäische Kommission (Fn. 169), 8 f. 226 BGBl . 1994 II 2307. Nach dem Protokoll sind die im Anhang genannten 23 spezifisch österreichischen Ausdrücke den deutschen Sprachfassungen von Rechtsakten, welche nach dem Beitritt Österreichs verabschiedet wurden, den in Deutschland gebräuchlichen Ausdrücken in geeigneter Weise anzufügen. Im Übrigen genießen die deutschen und die österreichischen Ausdrücke denselben Status und dürfen mit der gleichen Rechtswirkung verwendet werden; vgl. Kürten (Fn. 28), 36 f.; T. Oppermann ZEuS 2001, 1 (6); M. Schweitzer in: Grabitz/Hilf (Fn. 43), Art. 290 EGV (Bearbeitung 10/1999) Rn. 9. Allgemein zur teilweise spezifischen rechtssprachlichen Verwendung des Deutschen in den verschiedenen deutschsprachigen Staaten M. Lohaus Recht und Sprache in Österreich und Deutschland, 2000; Sandrini (Fn. 167), 144 ff.

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2.

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Sprache, Öffentlichkeit und Demokratie

Die Herstellung einer bislang kaum vorhandenen europäischen Öffentlichkeit227 und einer europäischen Zivilgesellschaft228 gestaltet sich als schwieriges Unterfangen, was mit der räumlichen Distanz, der Anonymität und Intransparenz der EU 229, aber auch mit der fehlenden gemeinsamen Sprache zu tun hat.230 Auf den Zusammenhang von Sprache und Demokratie hat bereits John Stuart Mill hingewiesen: „Fehlt einem Volk das Zusammengehörigkeitsgefühl, sprechen und schreiben verschiedene Bevölkerungsgruppen gar verschiedene Sprachen, so kann es die für die Funktionsfähigkeit des Repräsentativsystems unerlässliche Gesamtöffentlichkeit nicht geben: die meinungsbildenden und das politische Handeln entscheidenden Einflüsse sind in den verschiedenen Landesteilen unterschiedlich.“231 Die Abwesenheit des gemeinsamen

227 Zum weitgehenden Fehlen einer europäischen Öffentlichkeit (öffentlichen und veröffentlichten Meinung) vgl. A. Bleckmann JZ 1990, 301; A. von Brünneck EuR 1989, 249; U. Di Fabio Der Staat 32 (1993), 191 (203 ff.); D. Grimm Braucht Europa eine Verfassung?, 1995, 44; ders. JbStVWiss 6 (1992/93), 13 (15 f.); ders. Die Verfassung und die Politik, 2001, 72 f.; G. G. Kopper in: ders. (Hrsg.) Europäische Öffentlichkeit: Entwicklung von Strukturen und Theorie, 1997, 9; P. A. Kraus Blätter für deutsche und internationale Politik 2004, 722 (731 f.); G. Nicolaysen in: Bruha/Seeler (Fn. 35), 21 (22); zur grundlegenden Bedeutung von Öffentlichkeit (und damit sprachlicher Verständigungsfähigkeit) für das Funktionieren der Demokratie BVerfGE 89, 155 (185); P. M. Huber in: J. Drexl u. a. (Hrsg.) Europäische Demokratie, 1999, 27 (49); Schachtschneider (Fn. 131), 1194 ff. sowie zu der Frage, ob es auf europäischer Ebene eine Kommunikationsgemeinschaft gibt, A. Augustin Das Volk der Europäischen Union, 2000, 142 ff.; W. Kluth Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, 1995, 62 ff. Positivere Einschätzung bei Manz (Fn. 28), 207 ff.; L. Michael Liber Amicorum Häberle, 2004, 435 (435 f., 450 f.); A. Peters EuR 2004, 375 (378 f.); vgl. auch P. Häberle ThürVBl . 1998, 121 (123 ff.); ders. DVBl . 2000, 840 (844 f.); ders. Gibt es eine europäische Öffentlichkeit? – Kunst, Kultur und Recht in Europa am Beispiel Liechtenstein, 2003, 14 ff. (22 ff.), mit der These, eine – seit langem existierende – kulturelle Öffentlichkeit sei entscheidend, die wissenschaftliche und politische Öffentlichkeit sei nur komplementär hierzu. 228 Ansätze in diese Richtung auf höchster Abstraktionsebene enthalten Art. I-2 S. 2, I-47 Abs. 2, I-50 Abs. 1 VV E. 229 Plastisch dazu H. F. Zacher EuR 2002, 147 (164). 230 Im Ansatzpunkt berechtigt, wenngleich zur Problemlösung alleine nicht ausreichend, daher die Forderungen nach Förderung von Übersetzungen und mehrsprachigen Veröffentlichungen sowie nach Ausbau von Internet-Foren und Live-Berichterstattung aus EU -Gremiensitzungen in nationalen Nachrichtensendern mit simultaner Übersetzung bei T. Schmitz EuR 2003, 217 (240). 231 J. S. Mill Betrachtungen über die repräsentative Demokratie 1971 (1861), 242; zum Hintergrund Kraus (Fn. 3), 106 ff. Vgl. auch Kelsen Demokratie (Fn. 22), 324, der mit Blick auf die Demokratie und das Majoritätsprinzip feststellt: „Die tatsächlichen Voraussetzungen für die gegenseitige Verständigung der an der sozialen Willensbildung

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Bandes der Sprache schließt zwar eine europäische Staatswerdung und Formaldemokratie nicht aus, erschwert es der EU aber, mehr als eine zweckrationale Organisation, nämlich ein akzeptanz- und funktionsfähiger, bürgernaher (Art. 1 Abs. 2 EUV ) demokratischer Verband mit eigener Identität („Politische“ Union) zu werden, der nicht nur die Vernunft, sondern auch die Gefühle der Bürger erreicht.232 Für die Vertreter einer materialen Gemeinschaftsidee muss die Sprache als Teil der Kultur in dem Maße an Bedeutung gewinnen wie andere Bindekräfte wie Tradition, Sitten, Ehe, Familie und vor allem Religion europaweit schwinden. Für die Anhänger der Theorie kommunikativen Handelns ist die Sprache die conditio sine qua non schlechthin.233 Die Möglichkeit zum Verstehen und folglich der intersubjektiven Anerken-

Beteiligten müssen also gegeben sein: eine kulturell relativ homogene Gesellschaft, insbesondere gleiche Sprache.“ 232 Nach D. Grimm JZ 1995, 581 (588 f.), liegt in der sprachlichen Heterogenität Europas das „größte Hemmnis für eine Europäisierung der politischen Substruktur, von der das Funktionieren eines demokratischen Systems und das Leistungsvermögen eines Parlaments abhängt. (…) Dagegen hat das vor allem in der Sprachenvielfalt begründete Fehlen eines europäischen Kommunikationssystems zur Folge, dass es auf längere Sicht weder eine europäische Öffentlichkeit noch einen europäischen politischen Diskurs geben wird“; vgl. auch ders. Braucht Europa eine Verfassung? (Fn. 227), 42 ff.; ders. StwStp 1995, 509 (523); ders. Die Verfassung und die Politik (Fn. 227), 262, 270; ähnlich A. Bleckmann JZ 1990, 301 (303); U. Di Fabio Der Staat 32 (1993), 191 (203 f.); M. von Donat EU -Magazin 12/1999, 18 (18, 22); Isensee (Fn. 1), 572 f.; P. Kirchhof JZ 2004, 981 (982); ders. HStR VII , 1992, § 183 Rn. 38; E. Klein (Fn. 28), 61; C. Koenig DÖV 1998, 268 (271); M. R. Lepsius in: ders. Demokratie in Deutschland, 1993, 249 (255); T. Oppermann ZEuS 2001, 1 (17); F. Ossenbühl DVBl . 1993, 629 (634). Zum Zusammenhang von national zersplitterter Öffentlichkeit und Sprache in der EU ferner in der Tendenz ähnlich C. Kirchner/J. Haas JZ 1993, 760 (767); J. Gerhards Zeitschrift für Soziologie 22 (1993), 96 (100); F. W. Scharpf StwStp 1992, 293 (296 ff.). A.A. A. Beierwaltes Demokratie und Medien, 2000, 235; U. Fastenrath EuR Beiheft 1/1994, 101 (117 f.); J. Habermas European Law Journal 1995, 303; Hanschmann (Fn. 140), 102 f.; M. Hilf in: Bruha/Seeler (Fn. 35), 49; Manz (Fn. 28), 199 ff., 201 ff.; F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 367 (397). Allgemein zur Unterscheidung einer kognitiven (utilitaristischen) und einer emotionalen (affektiven) europäischen Identität vgl. S. Nissen APuZ B 38/2004, 21 (21 f., 28 f.). 233 Grundlegend zur Sprechakttheorie und zum Erfordernis realer sprachlicher Homogenität J. L. Austin Zur Theorie der Sprechakte, 1989 (1962/75); J. R. Searle Sprechakte, 5. Aufl. 1992; J. Habermas Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 1, 1995, 148 ff., 397 ff., 427 ff.; ders. in: ders. Nachmetaphysisches Denken, 1988, 63 (64 ff.); ders. in: ders. Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, 1983, 53 (68 f.), 73 ff., 86 ff.; ders. PVS Sonderheft 7, 1976, 39 (42, 47, 49 f.). Vgl. auch R. Alexy Recht, Vernunft, Diskurs, 1995, 127 (129 ff.). Guter Überblick bei A. Engländer Diskurs als Rechtsquelle?, 2002, 15 ff. (19 ff.), 38, 53 ff., 84 ff.; vgl. zudem noch Kraus (Fn. 3), 162 ff.

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nung bzw. der Verständigung hängt nach der Diskurstheorie neben dem Konsens über die Diskursregeln entscheidend von der strukturell gleichen Sprachkompetenz der Diskursteilnehmer ab. Gerade diese ist aber in weiten Teilen Fiktion. Ein herrschaftsfreier Diskurs ohne Asymmetrien ist schon im nationalen Raum kaum möglich, noch um Vieles schwieriger wird er, wenn er in fremder Sprache erfolgt. Der voluntaristische Standpunkt, Englisch als „zweite Erstsprache“234 zu etablieren,235 ist hier wenig hilfreich. Der Verweis auf die USA , Kanada, Belgien oder die Schweiz236 unterschätzt die je spezifische Situation, die sich auf

234 J. Habermas Zeit der Übergänge, 2001, 122; ders. Die Einbeziehung des Anderen, 1996, 185 (191); ähnlich D. Oberndörfer APuZ B 52–53/96, 37 (44 f.). 235 Verbunden mit der Hoffnung, die Fremdsprachenkompetenz der Bürger werde sich schon noch entwickeln; vgl. J. Habermas Die postnationale Konstellation, 1998, 155 (skeptisch P. A. Kraus ÖZP 27 [1998], 443 [454]); I. Pernice Die Verwaltung 1993, 449 (480: „Sprachen werden gelernt und übersetzt.“); Nicolaysen (Fn. 227), 23 („Dinge, die technisch bewältigt werden können“); ders. FS Everling, Bd. II , 1995, 945 (953), sowie bereits W. Hallstein Die Europäische Gemeinschaft, 5. Aufl. 1979, 14: „Auch daß die Europäer nicht eine Sprache sprechen, kann uns nicht stören. (…) Die Mehrzahl der Sprachen ist kein Hemmnis, sondern ein Ansporn. Die Erfahrungen mit unseren europäischen Beamten in Brüssel (…) beweisen es.“ 236 Für eine Vorbildrolle dieser Länder (einzeln oder ingesamt) zur Bewältigung der Sprachenfrage in der EU mit Unterschieden im Detail C. D. Classen AöR 116 (1994), 238 (256); U. Fastenrath EuR Beiheft 1/1994, 101 (117); Häberle (Fn. 177), 60; Manz (Fn. 28), 202 ff., 209 f.; F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 367 (397); I. Pernice Die Verwaltung 1993, 449 (479 f.); J. Schwarze NJ 1994, 1 (4); M. Zuleeg JöR N.F. 51 (2003), 81; J. H. H. Weiler JöR N.F. 44 (1996), 91 (112). Vgl. aber zu den historischen Besonderheiten des Modells der schweizerischen „Staatsnation“ Böckenförde (Fn. 136), 28 f. bzw. „politischen Willensnation“ B. Schoch Die Friedens-Warte 75 (2000), 349 (351 f.); R. Viletta Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung 1981, 193 (202 ff., insbes. 204) und im Anschluss daran P. Kirchhof (Fn. 17), § 20 Rn. 78; ausführlich zum Thema „Sprache und Nation“ in der Schweiz aus historischer Sicht W. Koller in: Gardt (Fn. 31), 563. Das Modell Schweiz, in dem faktisch nur zwei Amtssprachen existieren (Deutsch mit einem Anteil von ca. 66 Prozent, Französisch mit einem Anteil von 19 Prozent; die Bedeutung des Italienischen – mit einem Anteil von acht Prozent – und des Rätoromanischen – mit einem Anteil von einem Prozent – ist demgegenüber vergleichsweise gering und geht weiter zurück; vgl. Hanschmann [Fn. 140], 77; ähnlich G. Biaggini DVBl . 2005, 1090 [1092]) lässt sich aus historischen, kulturellen, geographischen und soziologischen Gründen nicht auf einen riesigen, in seinen Strukturen eigenartigen Staatenverbund wie die EU mit ca. 175 Sprachen (einschließlich der Regionalsprachen), 460 Millionen Unionsbürgern und historisch gewachsenen, fest verwurzelten nationalen Identitäten übertragen. Wie hier D. Grimm JZ 1995, 581 (589); ders. Braucht Europa eine Verfassung? (Fn. 227), 43 f.; Hanschmann ebd.; P. Graf Kielmansegg in: Jachtenfuchs/Kohler-Koch (Hrsg.) Europäische Integration, 1996, 47 (56); P. A. Kraus ÖZP 27 (1998), 443 (445). Gleiches gilt für Belgien. Dort sind Niederländisch und Französisch annähernd paritätisch verteilt und spielt Deutsch nur eine mar-

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die EU kaum übertragen lässt. Der von Vertretern eines post- oder transnationalen Demokratiemodells vorgeschlagene Ansatz, auf das Erfordernis einer sprachlichen Mindesthomogenität und auf eine direkte interpersonale Kommunikation zwischen verschiedensprachigen Unionsbürgern ganz zu verzichten und stattdessen auf ein polyzentrisches Ensemble lokaler, regionaler und nationaler Teilöffentlichkeiten zu setzen,237 leistet nur einen recht begrenzten Beitrag zur Problemlösung, erweist sich insgesamt aber als eher resignativ und verkennt die fortbestehende Bedeutung einer Gesamtöffentlichkeit für jedes politische Gemeinwesen. 3.

Das Sprachenregime der EU

Der dargestellte theoretische und verfassungsrechtliche Befund, die europäische Identität sei unter dem Aspekt der Sprache eine solche der Vielfalt und der souveränen Parität der Mitgliedstaaten, findet seinen konkreten Niederschlag in den Regelungen über das EU -Sprachenregime: Vertragssprachen 238 sind mit Ausnahme des Luxemburgiginale Rolle. Gleichwohl kam es beim Aufeinandertreffen von nur zwei größeren Sprachengruppen bekanntlich zu erheblichen Spannungen (s. o. Fn. 176). Erst recht führt die Orientierung an den USA als einer aus einem kollektiven historischen Gründungsmoment hervorgegangenen Einwanderernation der ersten Stunde mit einer Leitsprache und -kultur (s. o. Fn. 175) nicht weiter. Zu den Besonderheiten der Nationbildung in den USA vgl. Böckenförde ebd., 34 (46 f.); wie hier M. von Donat EU -Magazin 12/1999, 18 (19); P. A. Kraus Blätter für deutsche und internationale Politik 2004, 722 (729 f.), der im Übrigen eine stärkere Orientierung an Kanada vorschlägt. 237 So etwa bei Augustin (Fn. 227), 306 f.; A. Beierwaltes Sprachenvielfalt in der EU – Grenze einer Demokratisierung Europas?, 1998, 12 ff.; Hanschmann (Fn. 140), 98 ff., 102 ff.; M. Zuleeg JöR N.F. 51 (2003), 81 (95 f.); ähnlich P. A. Kraus ÖZP 27 (1998), 443 (454 ff.); Manz (Fn. 28), 211 f. Die Vorstellung, die Medien sorgten für einen demokratischen Meinungsaustausch über die Sprachgrenzen hinweg (so Zuleeg ebd., 95 f.), ist unrealistisch. Die Schweiz dient hier eher als Gegenbeleg: Die Schweizerische Radiound Fernsehgesellschaft ( SRG ) besteht aus strikt nach Sprachregionen getrennten Radio- und Fernsehanstalten. Mehrsprachige Programme existieren ebenso wenig wie mehrsprachige Presseerzeugnisse. 238 Für die Definition und Abgrenzung der Begriffe Vertragssprache, Amtssprache und Arbeitssprache sei statt vieler verwiesen auf Schübel-Pfister (Fn. 28), 52; vgl. auch P. M. Huber BayVBl . 1992, 1 (2 f.); Kürten (Fn. 28), 57 ff. (68 f.). Die Minderheitensprachen der mehrsprachigen Mitgliedstaaten Belgien, Finnland, Irland, Italien, Luxemburg und Spanien (ausführlich dazu H. Haarmann Grundfragen der Sprachenregelung in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft, 1973, 20 ff.) sind grundsätzlich keine Vertrags-, Amts- oder Arbeitssprachen der EU ; vgl. Pfeil (Fn. 45), 127 ff. mwN. Zu gewissen Ausnahmen hinsichtlich der vier größten spanischen Minderheitensprachen siehe Fn. 54, 243.

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schen (Lëtzebuergesch) alle 21 offiziellen nationalen Amtssprachen.239 Die 21 Amts- und Arbeitssprachen der EG -Organe240 sind in der auf den früheren Art. 217 EWGV (heute Art. 290 EGV) gestützten VO Nr. 1/58 zur Regelung der Sprachenfrage fixiert. 241 Es handelt sich um die Vertragssprachen, seit dem 1. Januar 2007 einschließlich des bis dahin nicht berücksichtigten Gälischen242.243 Eine Unterscheidung zwischen

239 Art. 314 EGV , Art. 53 EUV , Art. 225 EAGV , Art. 61 Abs. 2 UAbs . 2 Beitrittsakte 2003 (Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge vom 16. 4. 2003, ABl . 2003 L 236, 33); Art. IV -448 VV E; anders noch, aber durch Zeitablauf gemäß Art. 97 EGKSV am 23. 7. 2002 hinfällig geworden, Art. 100 EGKSV (nur Französisch). Siehe auch EuGH E 1982, 3415 Rn. 18 f. In der Verbindlichkeit der Gründungsverträge (bzw. des VV E) in allen Vertragssprachen liegt ein wesentlicher Unterschied zum Völkerrecht: So ist etwa die UN -Charta nur in chinesischer, französischer, russischer, englischer und spanischer Fassung verbindlich (Art. 111 UN -Charta), die Satzung des Europarates (Art. 42 lit c Satzung Europarat) und der Nordatlantikvertrag (Art. 14 Nordatlantikvertrag) nur in französischer und englischer Sprache. 240 Vgl. Art. 7 EGV. Für die EU -Organe (Art. 1, 5 EUV ) gilt nichts anderes; vgl. Art. 28 Abs. 1, 41 Abs. 1 EUV ; Weber (Fn. 140), Art. 290 EGV Rn. 13. Nicht erfasst sind danach der Europäische Rat, die EZB sowie die Ämter und Agenturen. 241 Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. 4. 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (fortan abgekürzt: VO Nr. 1), ABl . 1958 Nr. 17, 385, zuletzt geändert durch die Beitrittsakte 2003 (Fn. 239), 791 und die Verordnung ( EG ) Nr. 920/2005 des Rates vom 13. 6. 2005, ABl . 2005 L 156, 3. Vgl. auch Art. 28 Abs. 1, 41 Abs. 1 EUV , Art. 34 EEA , daneben noch Art. III -433 VV E. Zu den späteren Fortschreibungen der VO Nr. 1 anlässlich der verschiedenen Erweiterungen der E(W)G bzw. EU siehe Schübel-Pfister (Fn. 28), 56 f. mwN; zur Auslegung von Art. 290 EGV im Einzelnen: Herrmann (Fn. 225), Art. 290 EGV Rn. 6 ff. Das Pendant für die EAG ist die VO Nr. 1 zur Regelung der Sprachenfrage für die EAG vom 15. 4. 1958, ABl . 1958 Nr. 17, 401, gestützt auf Art. 190 EAGV. Zum entstehungsgeschichtlichen Hintergrund des europäischen Sprachensekundärrechts vgl. B. Hemblenne in: Heyen (Hrsg.) Die Anfänge der Verwaltung der Europäischen Gemeinschaft, 1992, 107; Kürten (Fn. 28), 30 ff.; W. Pfeil ZfRV 1996, 11 (12 f.). 242 Vgl. VO ( EG ) Nr. 920/2005 (Fn. 241). Die Vereinbarung entspricht weitgehend jener, die mit Malta über die Übersetzung von Schriftstücken ins Maltesische getroffen wurde. Die irische Regierung hat sich verpflichtet, die erforderliche Anzahl von Übersetzern und Dolmetschern auszubilden und die damit verbundenen Kosten (etwa 3,5 Millionen Euro pro Jahr) zu tragen. 243 Die 21 Amts- und Arbeitssprachen der EU sind ab dem 1. 1. 2007 gemäß Art. 1 VO Nr. 1: Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch,

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Amtssprachen und Arbeitssprachen existiert formal nicht.244 Es gilt der Grundsatz der Gleichberechtigung.245 Dieser ist aber nur hinsichtlich der Vertragssprachen primärrechtlich verankert, hinsichtlich der Arbeits- und Amtssprachen dagegen allein sekundärrechtlicher Natur.246

Irisch, Italienisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Schwedisch, Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch. Der Rat der EU hat zudem beschlossen (vgl. Schlussfolgerungen vom 13. 6. 2005 [Fn. 54]), auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung mit einzelnen Mitgliedstaaten Regionalsprachen, deren Status durch die Verfassung des Mitgliedstaats im gesamten Hoheitsgebiet desselben oder in einem Teil davon anerkannt wird oder deren Gebrauch als Landessprache gesetzlich zulässig ist, als zusätzliche Arbeitssprachen im Rat anzuerkennen, und andere EU -Organe eingeladen, in gleicher Weise zu verfahren. Zusätzlich wurden diese Regionalsprachen gewissermaßen zu EU -Amtssprachen zweiten Ranges erklärt: Ein Mitgliedstaat kann von EG -Rechtsakten zukünftig Fassungen in diesen Sprachen herstellen, die beim Rat hinterlegt werden, aber nicht rechtsverbindlich sind. Die hierdurch verursachten Kosten gehen zu Lasten des Mitgliedstaates, der den amtlichen Gebrauch seiner Regionalsprache(n) in der EU beantragt. 244 Art. 1 VO Nr. 1; Pfeil (Fn. 45), 129 m. Fn. 24; Schübel-Pfister (Fn. 28), 60. 245 In dem Grundsatz der Gleichberechtigung der Amts- und Arbeitssprachen liegt ein Wesensmerkmal der EG als eines supranationalen Staatenverbundes mit der Befugnis zur Setzung vorrangigen, auch unmittelbar in den nationalen Rechtsordnungen wirkenden Rechts. Dagegen gilt in internationalen Organisationen ein selektives Prinzip; vgl. z. B. Art. 30 Abs. 1 der Verfahrensordnung der Europäischen Kommission für Menschenrechte, Art. 34 Abs. 1 VerfO EuGMR , Art. 12 S. 1 Satzung des Europarats (Englisch und Französisch als alleinige Amtssprachen). In den Vereinten Nationen wurden die sechs Amts- bzw. Arbeitssprachen (Chinesisch, Französisch, Russisch, Englisch, Spanisch, Arabisch) durch Beschlüsse der jeweiligen Organe im Rahmen ihrer Geschäftsordnungsautonomie festgelegt. Ausprägung des in der Souveränität der Mitgliedstaaten wurzelnden egalitären Sprachenprinzips der EU ist auch die Geltung des Einstimmigkeitsprinzips bei der Regelung der Sprachenfrage; vgl. Art. 290 EGV , Art. III -176 Abs. 2, III -433 VV E. 246 Weder aus Art. 314 EGV noch aus Art. 12, 21, 290 EGV , Art. 1 VO Nr. 1 folgt ein allgemeiner (primärrechtlicher) Grundsatz der Gleichheit der Amts- und Arbeitssprachen; vgl. EuGE 2001, II -2235 Rn. 58 ff.; EuGH E 2003, I-8283 Rn. 81 f., 87; Generalanwalt Jacobs (Fn. 53), Rn. 44 ff.; Weber (Fn. 140), Art. 314 Rn. 4; de Witte (Fn. 28), 223. Dagegen hinsichtlich der Gleichberechtigung der Amtssprachen von einem ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatz ausgehend Bansch (Fn. 28), 18, 127 f., 132; F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 367 (394 f.); Schweitzer (Fn. 226), Art. 290 EGV Rn. 11; Wichard (Fn. 45), Art. 290 EGV Rn. 11. Näher zum Prinzip der sprachlichen Gleichberechtigung und seiner Ableitung Kürten (Fn. 28), 40, 52 ff.; T. Oppermann ZEuS 2001, 1 (4, 7); R. Priebe in: Schwarze (Hrsg.) EU -Kommentar, 2000, Art. 290 Rn. 2; SchübelPfister (Fn. 28), 83 ff.

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Er gilt überdies nicht schrankenlos.247 Empirisch ist er von Anfang an „eher ein Mythos“248. Ungeachtet der sprachenpolitischen Bewertung, auf die zurückzukommen sein wird,249 stellt es keinen Verstoß gegen EG -Recht dar, dass sich in der Praxis vielfache Reduktionen250 der Zahl der Arbeitssprachen herausgebildet haben.251 Beim Geschäftsgang in den Dienststellen der 247 Wie sich bereits aus Art. 4 ff. VO Nr. 1 ergibt. Nach Art. 4 VO Nr. 1, Art. 254 EGV iVm Art. 5 VO Nr. 1 sind Verordnungen und „andere Schriftstücke von allgemeiner Geltung“ sowie das Amtsblatt in allen Amtssprachen zu veröffentlichen (dazu auch P. M. Huber Recht der Europäischen Integration 2. Aufl. 2002, § 2 Rn. 21 unter zutreffender Betonung der Bedeutung dieser Bestimmungen für die Wettbewerbsgleichheit der – vor allem kleinen und mittleren – Unternehmer in der EU sowie J. Gundel EuR 2001, 776 [781 f.]). Im Umkehrschluss folgt aus den genannten Vorschriften nach dem EuGH , dass eine individuelle Entscheidung nicht unbedingt in allen Amtssprachen abgefasst werden muss, auch wenn sie die Rechte eines Unionsbürgers beeinträchtigen könnte, der nicht der Adressat dieser Entscheidung ist, wie z. B. eines konkurrierenden Wirtschaftsteilnehmers; vgl. – nicht unproblematisch – EuGH E 2003, I-8283 Rn. 85. Nach Art. 6 VO Nr. 1 können die Organe in ihrer Geschäftsordnung festlegen, wie die Regelung der Sprachenfrage im Einzelnen anzuwenden ist. Vgl. Art. 138 GeschO des Europäischen Parlaments vom Juli 2004, ABl . 2005 L 44, 1; Art. 14 GeschO des Rates vom 22. 7. 2002, ABl . 2002 L 325, 52; Art. 18 GeschO der Kommission vom 29. 11. 2000, ABl . 2000 L 308, 26. Dazu sowie zu den Amts- und Arbeitssprachen der sonstigen Institutionen der EG siehe Herrmann (Fn. 225), Art. 290 EGV Rn. 17 ff., 29 ff.; Schübel-Pfister (Fn. 28), 62 ff., 77 ff. Besonderheiten bestehen gemäß Art. 7 VO Nr. 1 ferner beim EuGH und EuG, deren Verfahrensordnungen von Art. 290 EGV iVm VO Nr. 1 nicht erfasst sind. Vgl. Art. 29 ff. Verfahrensordnung des EuGH vom 19. 6. 1991, ABl . 1991 L 176, 7; Art. 35 ff. Verfahrensordnung des EuG vom 2. 5. 1991, ABl . 1991 L 136, 1; vgl. aber auch das Einstimmigkeitserfordernis in Art. 245 Abs. 2 EGV. Nach Art. 31 VerfO EuGH werden Entscheidungen zwar grundsätzlich in jeder Amtssprache veröffentlicht, verbindlich ist in der Regel aber nur die Fassung der Entscheidung in der Verfahrenssprache. Die Verfahrenssprache kann grundsätzlich der Kläger frei aus allen Amtssprachen wählen (Art. 29 § 2 VerfO EuGH ). 248 F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 367 (375). 249 Siehe unten bei Fn. 287 ff. 250 Ausführliche Darstellung bei M. Schloßmacher Sociolinguistica 1994, 101 (106 ff., 111 ff.); ders. Die Amtssprachen in den Organen der Europäischen Gemeinschaft, 1996, insbes. 61 ff., 82 ff.; Kraus (Fn. 3), 141 ff. 251 Vgl. eingehend Kürten (Fn. 28), 72 f., 75 f., 77 f., 82 f., 89 ff., 91, 93 f., 94 f., 96 f., 118 f., 157 f.; i. Erg. ebenso Rogmann (Fn. 101), 259 f. Allgemein zu dem Spannungsverhältnis zwischen einer möglichst gleichberechtigten Sprachenverwendung und praktischen Erwägungen, das zu einem schonenden Ausgleich gebracht werden muss, T. Oppermann ZEuS 2001, 1 (4 f.). A.A. P. M. Huber BayVBl . 1992, 1 (3, 6), nach dem jede Ungleichbehandlung einer Arbeitssprache (konkret des Deutschen) wegen Verstoßes gegen Art. 290 EGV , Art. 1 VO Nr. 1 rechtswidrig ist. Dies übersieht freilich, dass nur die Möglichkeit, nicht aber die Pflicht der Organe besteht, alle Amtssprachen auch als Arbeitssprachen zu verwenden; vgl. Oppermann ebd., 9; Weber (Fn. 140), Art. 290 EGV

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Europäischen Kommission dominieren Englisch und Französisch.252 Die Entwürfe der Kommission werden grundsätzlich in der internen Arbeitssprache der jeweiligen Generaldirektion erstellt. Die Angaben über die Ursprungssprachen divergieren zwar, es lässt sich aber sagen, dass das Englische das in der Anfangsphase dominante Französische253 in den letzten Jahren „eingeholt, wenn nicht überholt haben dürfte“254. Im Ausschuss der Ständigen Vertreter und in anderen wichtigen Ausschüssen des Rates255 werden traditionell Deutsch, Englisch und Französisch gedolmetscht. Bei informellen Ministertreffen wurden in jüngerer Zeit zum Teil nur französische und englische Übersetzungen angeboten; Rn. 5; Wichard (Fn. 45), Art. 290 EGV Rn. 10 f.; Schübel-Pfister (Fn. 28), 60 f. Dazu, dass Deutsch als Arbeitssprache der EU nicht mutwillig ausgegrenzt wird, sondern die Benachteiligung vor allem eine Folge des Umstands ist, dass – bezogen auf die EU der 15 – nur etwa 13 Prozent der EU -Beamten Deutsche, Österreicher und Luxemburger sind und von den anderen 87 Prozent die wenigsten während der Schulzeit Deutsch als erste Fremdsprache gelernt haben, vgl. M. von Donat EU -Magazin 12/1999, 18 (19). 252 C. Luttermann/K. Luttermann JZ 2004, 1002 (1003); Schübel-Pfister (Fn. 28), 67 ff., dort auch zur umstrittenen Stellung des Deutschen als Arbeitssprache der Kommission. Die unklare Stellung des Deutschen innerhalb der Kommission hängt mit der – weitgehend nicht vollzogenen – Protokollerklärung v. 1. 8. 1993 (veröffentlicht in EG -Nachrichten Nr. 34 v. 6. 9. 1993, 4) zusammen, in der die Kommission festgelegt hat, dass alle internen Dokumente des Kommissionskollegiums in den Arbeitssprachen Deutsch, Englisch und Französisch vorgelegt werden müssen; vgl. M. von Donat EU -Magazin 12/1999, 18 (19). Siehe ferner R. Hoheisel in: Lohse (Fn. 1), 73; Kürten (Fn. 28), 77 ff.; Wichard (Fn. 45) Art. 290 EGV Rn. 11. 253 Vgl. A. Madero Terminologie et Traduction 1992/1, 343 (345); ausführlich Haarmann (Fn. 238), 122 ff.; R. Haas Französische Sprachgesetzgebung und europäische Integration, 1991, 144 ff. 254 R. Streinz ZEuS 2004, 387 (404 Fn. 106); vgl. auch F. Coulmas Sociolinguistica 1991, 24 (29); F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 367 (376 f.). Allgemein zur Entstehung von Rechtstexten unter den praktischen, durch die Mehrsprachigkeit bedingten Alltagsschwierigkeiten der Brüsseler Institutionen siehe Burr/Gallas (Fn. 167), 195; W. Schütte in: Born/Stickel (Hrsg.) Deutsch als Verkehrssprache in Europa, 1993, 88 (99); R. Hoheisel in: Schulze/Ajani (Fn. 15), 377. Für ein konkretes Beispiel siehe Art. 1 (Begriff des öffentlichen Auftraggebers) in den Richtlinien des Rates Nr. 92/50/ EWG vom 18. 6. 1992 sowie Nr. 93/36/ EWG und Nr. 93/37/ EWG vom 14. 6. 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (bzw. Lieferaufträge bzw. Bauaufträge), ABl . 1992 L 209, 1; 1993 L 199, 1 bzw. 54; vgl. K. Hailbronner EWS 1995, 285 (287). Zu einseitig Müller/Christensen (Fn. 3), Bd. II , 2003, 222, die in der Mehrsprachigkeit des EG -Rechts eine „große Chance für die Rationalität des Rechts“ sehen. 255 Z.B. der Wirtschafts- und Finanzauschuss, der Ausschuss für Wirtschaftspolitik, die sog. Antici- und die Euro-Gruppe; vgl. F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 365 (378); vgl. dort auch die Ausführungen zum eingeschränkten Arbeitssprachenregime im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (COREU -Kommunikationsnetz).

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Deutschland und Österreich haben sich dem mit Erfolg widersetzt.256 Die Übung in den Arbeitsgruppen des Rates ist uneinheitlich: Grundsatz ist zwar das Vollsprachenmodell, zum Teil wird aber auch ein reduziertes Sprachenregime oder gar ein völliger Verzicht auf Dolmetschung praktiziert.257 In der europäischen Gerichtsbarkeit spielt die kulturelle Verwurzelung sowie die Verwendung der Sprache für Urteilsstil258 und Urteilspraxis eine besonders wichtige Rolle.259 Arbeitssprache ist hier von jeher allein Französisch.260 Dies hat mit zu der starken Beeinflussung des EG -Rechts durch dogmatische Institute und Begriffe beigetragen, die dem französischen Rechtsdenken entspringen.261 Sprache, Methodik, Inhalt und äußere Form von Gerichtsentscheidungen erweisen sich auf sublime Art miteinander verknüpft.262 Die mit dem monolingualen Arbeitssprachensystem der EU -Gerichtsbarkeit verbundene Ungleichbehandlung ist unter diesem Aspekt bedenklich. Mit den hierfür üblicherweise genannten Gründen der Tradition und der Vertraulichkeit der richterlichen Beratungen lässt sie sich nicht rechtfertigen. Auch die Zahl der Amtssprachen kann im Einzelfall eingeschränkt werden, sofern hieraus keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung von 256 62. Bericht der Bundesregierung über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Union, BT-Drs. 14/8565, 10 f. 257 Vgl. F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 367 (379). 258 Die Urteilsstile in Europa reichen „von der mit apodiktischer Kürze noch zurückhaltend beschriebenen Praxis des französischen Conseil d’État über die von Fallrecht und Richterpersönlichkeit geprägten Urteile des House of Lords bis zu den Tatbestandsepen und monographieartigen Erörterungen des deutschen BVerfG “; so R. Streinz ZEuS 2004, 387 (407); vgl. auch U. Everling EuR 1994, 127 (132 ff.); krit. zum Urteilsstil des EuGH T. von Danwitz JZ 1994, 335 (338); F. Ossenbühl DVBl . 1992, 993 (995); zutreffend von einer „Wechselwirkung zwischen Stil und Dogmatik“ ausgehend R. Schmidt (Fn. 125), 102 Fn. 161. 259 Vgl. G. Bergholtz in: Gessner/Hoeland/Varga (Hrsg.) European Legal Cultures, 1996, 122; J. L. Goutal in: Gessner/Hoeland/Varga ebd., 116; U. Everling EuR 1994, 127 (131); H. Kötz in: Università degli studi di Ferrara (Hrsg.) La sentenza in Europa. Metodo, technica e stile, 1988, 129 (137 f.); R. Streinz ZEuS 2004, 387 (407). 260 Vgl. D. Martiny ZEuP 1998, 227 (238 f.); Schübel-Pfister (Fn. 28), 71 ff.; de Witte (Fn. 28), 221. Zur Rolle der deutschen Sprache im EuGH siehe S. Alber in: Lohse (Fn. 1), 51. 261 Siehe U. Everling EuR 1994, 127 (136 ff.). Zur Unterschiedlichkeit von Methode und Dogmatik innerhalb der Mitgliedstaaten der EU , speziell zwischen Deutschland und Frankreich, vergleichend M. Ruffert in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.) Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, 2004, 165 (168 ff., 178 ff.); scharf kontrastierend R. Breuer Die Verwaltung 36 (2003), 271 (275 ff., 278 ff.). 262 Vgl. T. Oppermann ZEuS 2001, 1 (10); R. Streinz ZEuS 2004, 387 (407, 412 ff.); differenziert Schübel-Pfister (Fn. 28), 73 ff., 285 ff. und zum Einfluss der Muttersprache auf die Schlussanträge der Generalanwälte ebd., 288 f.

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Bürgerbelangen folgt.263 So sind die Amtssprachen des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle – HABM ) außerhalb der Anmeldung von Gemeinschaftsmarken nur Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch. Der Anmelder hat eine dieser fünf Sprachen anzugeben, mit deren Benutzung er in Widerspruchs-, Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren einverstanden ist.264 Diese Durchbrechung der Gleichberechtigung der Amtssprachen, deren Gemeinschaftsrechtskonformität im Schrifttum umstritten war,265 wurde vom EuGH in der Entscheidung „Kik“ bestätigt.266 In Zeiten von Finanznot und einer weiter wachsenden Zahl von Mitgliedstaaten steht zu besorgen, dass dieses Fünf-Sprachen-Modell eine Vorbildwirkung für andere Bereiche, etwa das geplante Gemeinschaftspatent der EU , entfalten wird.267 Überzeugender erscheint es demgegenüber, Abwei263 EuGHE 2003, I-8283 Rn. 82 ff. (92 ff.); F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 367 (380 f., 394). Nach dem EuGH (ebd., Rn. 82) hat der Bürger keinen Anspruch, „dass alles, was seine Interessen berühren könnte, unter allen Umständen in seiner Sprache verfasst sein müsste“. Wesentlich für die „schwierige Suche nach dem gebotenen Ausgleich zwischen den Interessen“ (ebd., Rn. 92) aller Beteiligten und der Allgemeinheit ist vor allem die Intensität der Beeinträchtigung des Bürgers durch die Nichtgleichbehandlung aller Sprachen. Diese ist bei einer beschränkenden Sprachenregelung, die den direkten Kontakt Bürger-Behörde (z. B. Antragstellung) betrifft, höher, als wenn es „nur“ um Mitteilungen geht, die inhaltlich nicht Verfahrenshandlungen gleichstehen (ebd., Rn. 96). Ebenso bereits Schübel-Pfister (Fn. 28), 489. Zur notwendigen Unterscheidung zwischen der Binnensituation und der Adressatensituation und den schwierigen Grenzfällen der mittelbaren Betroffenheit (Entscheidung, die an Dritte gerichtet ist) und der Betroffenheit einer abgrenzbaren, privilegierten Personengruppe (z. B. Wirtschaftsteilnehmer beim Markenamt im Gegensatz zur Allgemeinheit) siehe F. C. Mayer ebd., 395. 264 Vgl. zu den Einzelheiten Art. 115 (insbes. Abs. 2, Abs. 3 UAbs . 1) VO Nr. 40/94 vom 20. 12. 1993 über die Gemeinschaftsmarke, ABl . 1994 L 11, 1; dazu Kürten (Fn. 28), 100 ff. 265 Verneinend etwa J. Gundel EuR 2001, 776 (782 f.), unter Hinweis auf die Geltung des Allsprachigkeitsgrundsatzes für das Gemeinschafts-Sortenamt gemäß Art. 34 Abs. 1 der VO 2100/94/ EG vom 27. 7. 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz, ABl . 1994 L 227, 1; Kürten (Fn. 28), 113 ff. (116 f.); Pfeil (Fn. 45), 145 f.; wohl auch Schweitzer (Fn. 226), Art. 290 EGV Rn. 13. 266 EuGH E 2003, I-8283 Rn. 81 ff. (88 ff., 93 ff.) unter Hinweis auf das Eigeninteresse der Antragsteller an der Gemeinschaftsmarke und die Besonderheit der häufigen Beteiligung verschiedensprachiger Parteien, die sich nicht freiwillig auf eine Verfahrenssprache einigen können. Im Ergebnis ebenso bereits EuGE 2001, II -2235 Rn. 62 f.; Generalanwalt Jacobs (Fn. 53), Rn. 53 ff., 63; M. Hilf Integration 1997, 247 (254 m. Fn. 14); T. Oppermann ZEuS 2001, 1 (11, 20); Robbers (Fn. 15), 422; vgl. auch Jarass (Fn. 56), § 25 Rn. 23. 267 Vgl. KOM (2000), 412 endg. Eine Einigung hierüber konnte im Rat bislang – auch wegen der Sprachenfrage – nicht erzielt werden; vgl. den letzten Vorschlag des Rates

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chungen vom Vollsprachenregime bei den Amtssprachen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zuzulassen, insbesondere in hochtechnisierten, bürgerfernen Sektoren, in denen die Verwendung bestimmter Sprachen traditionell branchentypisch ist.268 4.

Sprache und Auslegung des Gemeinschaftsrechts

Ausgehend von der Identität der EU als multilingualer Rechtsunion kommt funktionell-rechtlich dem EuGH als einem mit Richtern unterschiedlicher sprachlicher und kultureller Herkunft besetzten Verfassungsorgan und methodologisch der grammatischen Auslegung269 ein besonderes Gewicht zu. Der EuGH 270 orientiert sich bei der Wahrung des Rechts (Art. 220 EGV ) im theoretischen Ausgangspunkt an den

vom 8. 3. 2004, Dok. 7119/04, abgelehnt in der Ratssitzung vom 17./18. 5. 2004; vgl. Dok. 9586/04, 8. Vgl. auch Art. III -176 (Abs. 2) VV E. Nach dem Kommissionsvorschlag wäre ein Patent gemeinschaftsweit gültig, wenn die Patentschrift in einer der Arbeitssprachen des Europäischen Patentamts (Deutsch, Englisch, Französisch; zur Vereinbarkeit des Drei-Sprachen-Regimes mit dem GG : BGHZ 102, 118 [123]) vorliegt und lediglich die Patentansprüche in die beiden anderen Arbeitssprachen übersetzt worden sind; vgl. Schübel-Pfister (Fn. 28), 80 f. Zum HABM als möglichem sprachenrechtlichen „Testlauf“ für weitere Gemeinschaftseinrichtungen siehe T. Bruha in: ders./ Seeler (Fn. 35), 83 (92); Kürten (Fn. 28), 118; de Witte (Fn. 28), 223. Tendenziell a.A. Generalanwalt Jacobs (Fn. 53), Rn. 59 ff. unter Betonung der in der außergewöhnlichen Arbeitslast begründeten Sondersituation des HABM . 268 Wie hier J. Gundel EuR 2001, 776 (782 f.). Als Beispiel für eine zulässige Durchbrechung des Vollsprachenregimes ist auf die EZB -Leitlinien und Weisungen des EZB Direktoriums (Art. 17.2 S. 1, 17.6 S. 1 GO EZB ) zu verweisen, für die sich die alleinige Wahl des Englischen aus der herkömmlichen Verwendung der Sprache im internationalen Währungs- und Bankenverkehr rechtfertigt. 269 Zur besonderen Bedeutung der grammatischen Auslegung in der Spruchpraxis des EuGH vgl. die sorgfältige Analyse bei Dederichs (Fn. 2), 64 ff. (79 f.), 134 f.; zustimmend R. Christensen/M. Sokolowski in: Müller/Burr (Fn. 28), 113 (126 ff.). Allgemein zur Bedeutung der Sprache für die grammatische Auslegung O. Depenheuer Der Wortlaut als Grenze, 1988; E. A. Kramer Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2005, 51 ff.; Loehr (Fn. 28), 118 ff., 127 ff.; R. Zippelius Juristische Methodenlehre, 9. Aufl. 2005, 19 ff., 46 f.; für den Zivilprozess J. Goebel Rechtsgespräch und kreativer Dissens, 2001, 109 ff., 150 ff. 270 Für die nationalen Gerichte gilt die Pflicht zur Berücksichtigung aller Sprachfassungen schon aus Gründen der Praktikabilität grundsätzlich nicht; anders (aber wohl nur im Sinne einer Prüfungspflicht für die letztinstanzlichen Gerichte) EuGH E 1982, 3415 Rn. 16; zu Recht krit. dazu Groh (Fn. 167), 269; Schübel-Pfister (Fn. 28), 324 ff. (331 f.). Erst Recht kann von den Unionsbürgern grundsätzlich kein umfassender Sprachenvergleich gefordert werden, s. o. bei Fn. 57.

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Grundsätzen der autonomen 271 und einheitlichen 272 Auslegung.273 Damit erhält die Rechtsvergleichung, die stets zugleich Sprachenvergleichung ist, eine zentrale Bedeutung.274 Dies gilt besonders bei der Auslegung und Anwendung der auf Umsetzung in nationales Recht angelegten Richtlinien.275 Praktische Auslegungsschwierigkeiten resultieren aus den zahlreichen Sprachdivergenzen 276 im Primär-277 und vor allem im Sekun271 EuGH E 1976, 455 Rn. 28; 1982, 1035 Rn. 11; 1999, I-2277 Rn. 26; 2000, I-6917 Rn. 43; 2003, I-2439 Rn. 25 f.; W. Schroeder JuS 2004, 180 (185). 272 EuGH E 1998, I-3809 Rn. 29; 1999, I-3055 Rn. 40; 1999, I-7877 Rn. 46; 2001, I-8615 Rn. 47; Dederichs (Fn. 2), 70 f.; C. Luttermann EuZW 1999, 401 (404); M. Potacs Auslegung im öffentlichen Recht, 1994, 113 f. Einheitliche Auslegung bedeutet, dass allen Sprachfassungen unabhängig vom Umfang der Bevölkerung der Mitgliedstaaten, die die betreffende Sprache gebraucht, grundsätzlich der gleiche Wert beizumessen ist; vgl. EuGH E 1977, 425 Rn. 11/12; 1998, I-1605 Rn. 36; 2003, I-345 Rn. 36; 2003, I-13821 Rn. 32. 273 Allgemein zu den Auslegungsmethoden des EuGH siehe J. Anweiler Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, 1997; K.-D. Borchardt in: Lenz/ders. (Hrsg.) EUV / EGV , Kommentar, 3. Aufl. 2003, Art. 220 EGV Rn. 14 ff.; C. Buck Über die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft, 1998, 143 ff.; S. M. Grundmann Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof, 1997; H. Kutscher in: Begegnung von Justiz und Hochschule am 22. und 28. 9. 1976, 1976, Bd. I, 1 (5 ff.); Müller/Christensen (Fn. 255), 205 ff.; J. Schwarze in: ders. (Fn. 246), Art. 220 EGV Rn. 27 ff.; R. Streinz ZEuS 2004, 387 (401 ff.); B. Wegener in: Calliess/Ruffert (Fn. 29), Art. 220 EGV Rn. 11 ff.; zu den Differenzen zu den traditionellen völkerrechtlichen Interpretationsmethoden vgl. Kutscher ebd., 32 ff.; Schwarze ebd., Rn. 27; relativierend Streinz ebd., 405 ff. 274 Vgl. EuGH E 2000, I-1157 Rn. 42; 2002, I-2753 Rn. 26, 39; C. Luttermann/K. Luttermann JZ 2004, 1002 (1004). Zur Rechtsvergleichung als „fünfter Auslegungsmethode“ P. Häberle JZ 1989, 913. Das Funktionieren der Rechtsvergleichung ist auf den kooperativen Dialog zwischen dem EuGH bzw. EuG einerseits und den nationalen Rechtsinterpreten andererseits angewiesen; vgl. Anweiler (Fn. 273), 277 ff. Dieser Dialog findet insbesondere (vgl. Art. 234 EGV ), aber keineswegs nur in institutionalisierter Form statt. Immer wichtiger werden daneben etwa europäische Hochschulen, europäische Tagungen und Zeitschriften, die Ausbildung „europäischer Juristen“ (dazu Häberle JöR N.F. 53 [2005], 457) sowie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit nationaler Wissenschaftlergemeinschaften (dazu Häberle JöR N.F. 53 [2005], 345). 275 Gerade hier liegt, wie Beispiele aus dem Arbeits-, Gesellschafts- und Bilanzrecht (vgl. die Nachweise bei R. Streinz ZEuS 2004, 387 [391 ff., insbes. Fn. 26–29]) zeigen, noch einiges im Argen. 276 Vgl. Schübel-Pfister (Fn. 28), 99 ff.; zur Unterscheidung von Begriffs- und Bedeutungsdivergenzen allgemein dies. ebd., 105 ff.; vgl. auch Loehr (Fn. 28), 20 ff., 59 ff., 81 ff. 277 Vgl. K. Armbrüster EuZW 1990, 246; J. Burr in: Stern/Tettinger (Hrsg.) Die Europäische Grundrechte-Charta im wertenden Verfassungsvergleich, 2005, 61; F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 367 (386); Schweitzer (Fn. 226), Art. 314 EGV (Bearbeitung 10/1999) Rn. 6; Weyers (Fn. 166), 154 ff.; siehe auch Generalanwalt M. Lagrange EuGH E 1962, 97 (149).

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därrecht.278 Gemeinschaftsrecht ist strukturell unscharfes Recht.279 Die Sprachdivergenzen können ihre Ursachen in Missverständnissen, unterschiedlichem Begriffsgebrauch, sprachlichen Einigungsmängeln zwischen Parlament und Rat280, mangelnder redaktioneller Qualität, Übersetzungsfehlern,281 absichtsvoll mehrdeutigen Formulierungen282 oder nationalen Sonderwegen bei der Richtlinienumsetzung haben.283 Weichen die Sprachfassungen voneinander ab, so kommt der systemati-

278 Siehe exemplarisch aus neuerer Zeit EuGH E 2004, I-3219 Rn. 19 ff. Vgl. auch Schübel-Pfister (Fn. 28), 172 ff., die bis zum Jahre 2000 152 Urteile des EuGH mit Ausführungen zu Sprachdivergenzproblem gezählt, klassifiziert (ebd., 205 ff.) und auf ihre rechtliche Behandlung durch den EuGH hin ausgewertet hat (ebd., 227 ff.). 279 So zutreffend F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 367 (391); vgl. auch Müller/Christensen (Fn. 255), 22 ff., 218 ff., 381 ff. Die These der Unvermeidbarkeit von Sprachdivergenzen im EG -Recht teilen auch Kürten (Fn. 28), 38; Schübel-Pfister (Fn. 28), 121 f.; Weber (Fn. 140), Art. 314 EGV Rn. 6. 280 Dazu und zum Umgang mit Korrekturen durch die Rechts- und Sprachendienste der EU -Institutionen anhand eines konkreten Beispielsfalles I. Pernice EuZW 2004, 743. 281 Vgl. Creech (Fn. 28), 26 ff.; C. Dwyer The Law Society’s Gazette 1979, 244 (244); T. C. Hartley The foundations of European Community Law, 5. Aufl. 2003, 71 ff.; Weyers (Fn. 166), 153 ff. Übersetzungsfehler können auf Fehlern und Missverständnissen der Übersetzer selbst beruhen. Häufiger werden sie aber auf die schlechte Qualität (unklare Struktur, Ungenauigkeit) der Ursprungstexte zurückzuführen sein; vgl. W. Volz in: Born/Stickel (Fn. 254), 64 (71). Die schlechte sprachliche Qualität des Gemeinschaftsrechts hat ihre Ursachen ihrerseits in der Flut des Sekundärrechts, der Eile der Rechtsproduktion sowie den Gesetzmäßigkeiten des politischen Kompromisses, insbesondere der unabgestimmten nachträglichen Korrektur der Ursprungsfassung; vgl. R. Streinz ZEuS 2004, 387 (404). Vgl. auch die Bemerkung von Generalanwalt F. Mancini EuGH E 1985, 1169 Rn. 4. Problembewusst: Erklärung Nr. 39 zur redaktionellen Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften, die von der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der Schlussakte zum Amsterdamer Vertrag vom 2. 10. 1997 beigefügt wurde, ABl . 1997 C 340, 139; dazu Berteloot (Fn. 217), 361 ff. 282 Zur Instrumentalisierung sprachlicher Unterschiede bei der Fassung der Präambel der GrCh („geistig-religiöses Erbe“ versus „patrimoine spirituel et moral“) siehe F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 367 (390); Hervorhebung hinzugefügt. Vgl. ferner Generalanwalt Jacobs (Fn. 53), Rn. 36. Der Generalanwalt hat hier der Genese der RL Nr. 89/552/ EWG des Rates vom 3. 10. 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl . 1989 L 298, 23; ABl . 1989 L 331, 51) zum Problem des sog. Brutto- oder Nettoprinzips entnommen, dass aufgrund der Meinungsverschiedenheiten in den Rechtsetzungsorganen absichtlich eine mehrdeutige Formulierung beibehalten wurde. Vgl. dazu auch M. D. Cole/F. C. Haus JuS 2001, 435 (435 f.). 283 Vgl. Hilf (Fn. 26), 25 f.; C. Luttermann JZ 1998, 880 (881); P. Pescatore ZEuP 1998, 1 (5); Schübel-Pfister (Fn. 28), 109 ff., 112 ff.; R. Streinz ZEuS 2004, 387 (402 f.); zu pauschal die Kritik an einem Verfall der europäischen Rechtssprache bei M. Reinhardt NJW 2003, 3449.

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schen und vor allem der teleologischen Auslegung der Vorrang zu.284 In der Praxis verfahren der EuGH und die Generalanwälte dagegen nicht selten auch nach dem Grundsatz der faktischen Anerkennung der Originalfassung eines Rechtsakts als führender Sprache.285 Diese Vorgehensweise ist aus Gründen der Praktikabilität verständlich, rechtlich aber nur hinnehmbar, wenn sie klar in die historische Auslegung eingebettet und durch eine harmonisierende Auslegung alter und neuer Sprachfassungen ergänzt wird.286 5.

Sprachenpolitische Reformperspektiven

Die EU als zahlenmäßig stark angewachsener Staaten- und Verfassungsverbund sieht sich immer stärker mit – zur ihrer Identität und zum Grundsatz der Gleichberechtigung aller Sprachen gegenläufigen – Effizienz- und Pragmatismuserwägungen konfrontiert, die auf eine Beschränkung des Vollsprachenregimes aus Kostengründen zielen. Dabei steht nicht selten die Forderung nach einer auch formalen Sonderrolle für das Englische im Mittelpunkt. In Wirtschaft, Technik, Verkehr, Großkanzleien, Politik und Kultur Europas dient Englisch heute weitgehend als Lingua franca.287 Für die Funktionseliten288 ist das Erlernen des Eng284 Vgl. Art. 33 (Abs. 4) WVRK (dazu H. Dölle RabelsZ 26 [1961], 4; Hilf [Fn. 26], 48 f., 101 ff.); EuGH E 1974, 1287 Rn. 9 ff.; 1977, 1999 Rn. 13 f.; 1985, 1169 Rn. 16 f.; 1998, I-8679 Rn. 26; 2000, I-1157 Rn. 42; 2000, I-2847 Rn. 21; 2003, I-345 Rn. 37; 2003, I-13821 Rn. 33; 2004, I-3219 Rn. 25; Schübel-Pfister (Fn. 28), 227 ff.; R. Streinz Europarecht 7. Aufl. 2005, Rn. 275, 279; krit. Christensen/Sokolowski (Fn. 269), 123 ff. 285 Ausführlich dargelegt bei Schübel-Pfister (Fn. 28), 289 ff. (320 f.), die feststellt, die Gleichberechtigung aller Amts- und Arbeitssprachen sei für den Bereich der EuGH Rechtsprechung „bloße Fiktion“ (ebd., 289). Ebenso bereits P. Baselmann EuR 1992, 55 (73). 286 Schübel-Pfister (Fn. 28), 298, 321. 287 Vgl. Coulmas (Fn. 50), 167 ff.; P. Kirchhof (Fn. 17), § 20 Rn. 85; I. von Münch NJW 2002, 1995 (1999 f.); für die Schweiz J. Drolshammer/N. P. Vogt English as the Language of Law?, 19 ff., 32 ff., 55; zur Frage, ob Englisch aus kommunikationswissenschaftlicher und sprachenpolitischer Sicht zu einer allgemeinen Lingua franca in der EU taugt, skeptisch M. Clyne in: Kelz (Fn. 28), 63 (64, 73 f.); Kraus (Fn. 3), 193 ff.; H. Hattenhauer JZ 2000, 545 (547); differenziert Sir P. Lever in: Ahrens (Fn. 28), 101; zur begrenzten Qualität des durchschnittlichen nichtmuttersprachlichen „Euro-Englisch“ H.-J. Meyer (Fn. 165), 1.–2. Sp. Zu den durch das Vordringen des Englischen im internationalen Sprachverkehr zugleich hervorgerufenen Gegen- und Abwehrreaktionen nicht-englischsprachiger Nationalstaaten, vgl. P. A. Kraus Berl.J.Soziol. 2000, 203 (212 f.), der rät, „das Beharrungsvermögen der Idee der Nationalsprache im institutionellen Kontext der EU “ nicht zu unterschätzen (ebd., 213). 288 Zukünftig wird sich die faktische Hegemonie des Englischen unter den Funktionseliten weiter verstärken und dabei nicht mehr nur das obere Management betreffen,

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lischen daher längst ein Muss. Aber auch in der allgemeinen Bevölkerung sollte eine möglichst hohe Sprachkompetenz in Englisch („EuroEnglisch“) angestrebt werden, weil hierin eine grundlegende Voraussetzung für interkulturelle Offenheit und interkulturelle Kompetenz sowie globale Kommunikationsfähigkeit liegt. Mit Blick auf die Masse der Bürger, die bislang in weitgehender Einsprachigkeit verharrt,289 müssen sämtliche sprachenpolitischen Vorschläge indes stets realistisch bleiben. Zwar gibt es Fortschritte und auch noch Optimierungsreserven beim Sprachenerwerb in der Breite. Die Sprachenlernkompetenz und -bereitschaft des durchschnittlichen Unionsbürgers darf aber nicht überschätzt werden.290 Aus rechtlichen, aber vor allem aus tatsächlichen Gründen

sondern in zunehmendem Maße mittelbar auch auf die mittleren Hierarchieebenen durchgreifen; so das Ergebnis der im Jahre 2005 vorgelegten Studie des Erziehungswissenschaftlichen Instituts der Universität Düsseldorf (Leitung H. Barz) und der Universität München zu Fragen des Weiterbildungsmarketings und speziell zum Sprachenlernen von Erwachsenen, zit. nach F. Rumpf Nordbayerischer Kurier vom 7./8. 5. 2005, V. 289 Zu den Zahlen vgl. Europäische Kommission Foreign language skills in the European Union, Mitteilung vom 17. 9. 2002, rev 01 2005, 2. Danach sind nach Selbsteinschätzung der Befragten in Deutschland etwa 53 Prozent in der Lage, an (irgend)einer fremdsprachigen Konversation teilzunehmen. 44 Prozent der befragten Deutschen sprechen nach ihrer Selbsteinschätzung Englisch als Fremdsprache (ebd., S. 3). Bei beiden Prozentsätzen handelt es sich im EU -Vergleich jeweils um einen Mittelwert. Zur Sprachenkompetenz der Unionsbürger vgl. auch Eurydice (Hrsg.) Schlüsselzahlen zum Sprachenlernen an den Schulen in Europa, 2005. In der Bewertung des empirischen Befundes wie hier M. R. Lepsius APuZ B 38/2004, 3 (5); vgl. auch K. Adam Die deutsche Bildungsmisere, 2002, 144, für den in Anbetracht des Umstandes, dass jedes dritte oder vierte Grundschulkind bereits in Deutsch sprachauffällig ist, in vielen Fällen wenig Raum für zusätzlichen Fremdsprachenunterricht verbleibt. 290 Diese Gefahr besteht bei der offiziellen Sprachenpolitik der EU , die auf dem Ziel basiert, dass jeder Europäer neben seiner Muttersprache mindestens zwei weitere Sprachen sprechen soll; vgl. Europäische Kommission (Fn. 169), 7, 15. Gegenwärtig liegt der Anteil der Unionsbürger, die drei oder mehr Sprachen sprechen, bei nur 26 Prozent. 54 Prozent der Unionsbürger halten es nicht für sinnvoll, eine zweite Fremdsprache zu lernen. Nur 32 Prozent sind dafür, dass jeder neben seiner Muttersprache zwei Fremdsprachen spricht. 60 Prozent der Unionsbürger sind der Ansicht, dass jeder Englisch können sollte. Auf die Frage, welche Sprachen neben der Muttersprache gelernt werden sollten, antworteten 75 Prozent der Befragten Englisch, 40 Prozent Französisch, 23 Prozent Deutsch und 18 Prozent Spanisch; vgl. Europäische Kommission ebd., 7, 15. Zu den diesbezüglichen Einstellungen der Deutschen vgl. G. Stickel in: Wilss (Fn. 163), 27 (44 ff.). Vorzugswürdig erscheint vor diesem Hintergrund eine Sprachenpolitik, die auf sehr gute Kenntnisse der Muttersprache und des Englischen setzt (Konzentrationsgrundsatz), wobei daneben die Bedeutung des Lateinischen – als der weiterhin verlässlichsten Grundlage für die Beherrschung der eigenen und das Erlernen anderer Sprachen sowie als Voraussetzung für das erfolgreiche Studium zahlreicher Fächer – nicht übersehen werden darf.

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erscheint es ausgeschlossen, dass sich Europa zu einem homogenen Sprachraum entwickelt.291 Vielsprachigkeit wird vielmehr Wesensmerkmal und Funktionsbedingung der europäischen Integration bleiben. Vor diesem Hintergrund ist im Bereich der Amtssprachen der EU -Organe, Nebenorgane und sonstigen Einrichtungen überall dort, wo Bürger nicht nur völlig bagatellhaft betroffen sind, insbesondere bei sämtlichen amtlichen Mitteilungen, Ausschreibungen, Anmeldungen und Gerichtsentscheidungen (auch Kammerentscheidungen), am Grundsatz der Gleichberechtigung aller Sprachen zwingend festzuhalten.292 Dies impliziert zwar einen erheblichen Dolmetscher- und Übersetzungsaufwand,293 der aber nicht als Verlust, sondern als unverzichtbare Investition in die Vielfalt Europas und das Gelingen des Integrationsprojektes gesehen werden darf. Zur Bewältigung der praktischen Probleme sind die Sprachmittlung über Relaissprachen, die Schaffung von Terminologie-Datenbanken (z. B. EURODICAUTOM ) und die, technisch noch entwicklungsfähige, automatisierte Übersetzung von Dokumenten (z. B. EUROTRA , SYSTRAN ) verstärkt zu nutzen. Diese Instrumente stoßen zwar an Leistungsgrenzen, nämlich die Gefahr der Diffusion sprachlicher Genauigkeit und die Schwierigkeit der Übertragung nicht nur einzelner Begriffe, sondern ganzer Sinneinheiten, sie können aber doch zu einer relevanten Zeit- und Kostenersparnis beitragen und insofern die Sprachmittlung durch Menschen zwar nicht vollständig ersetzen, aber erleichtern.294

291 Wie hier Beierwaltes (Fn. 237), 9 f., 25; Hanschmann (Fn. 140), 72 ff. m. Fn. 36, 42; Manz (Fn. 28), 184 f.; H.-J. Meyer (Fn. 165) 2.–4. Sp.; offen lassend F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 367 (393). Ausdrücklich für ein Konzept der Mehrsprachigkeit nun auch die Europäische Kommission KOM (2005), 596 endg. 292 Ebenso J. Gundel EuR 2001, 776 (781); F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 367 (395); Streinz (Fn. 284), Rn. 272; R. Streinz/S. Leible EWS 2001, 1 (10). 293 Jeder dritte Mitarbeiter der EU -Organe mit Hochschulabschluss ist Dolmetscher oder Übersetzer. Bis zur Erweiterung 2004 wurden in der Europäischen Kommission, dem Ministerrat und dem Europäischen Parlament fast drei Millionen Seiten pro Jahr übersetzt. Die jährlichen Ausgaben für Übersetzer und Dolmetscher beliefen sich auf 686 Mio. Euro bzw. 2 Euro pro EU -Bürger im Jahr. Durch die Osterweiterung wird, jedenfalls in den ersten Jahren, mit einem Mehraufwand von rund 650 Mio. Euro gerechnet. Vgl. Europäische Kommission (Fn. 169), 18 ff.; Kraus (Fn. 3), 144 f.; Kürten (Fn. 28), 156 f. 294 Vgl. dazu gleichfalls mit differenzierter Einschätzung Kürten (Fn. 28), 158 ff.; F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 367 (384); Schübel-Pfister (Fn. 28), 87, 120; sehr optimistisch hinsichtlich des zukünftigen Beitrags der Technik zur Lösung des Sprachenproblems Robbers (Fn. 15), 420; kritisch dagegen A. Ciancio in: Wallace/Herreman (Hrsg.) A Community of Twelve?, 1978, 113 (121 f.); G.-R. de Groot Terminologie & Traduction 1991/3, 279 (280); M. Siguan La Europa de las lenguas, 1996, 151 f. Zur bishe-

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Was die Arbeitssprachen angeht, so streiten gute Gründe für eine auch formale Aufgabe der Vorstellung der Gleichberechtigung. Notwendig ist das Vollsprachenregime aus Gründen des Demokratieprinzips, der Transparenz und der Bürgernähe weiterhin beim internen Sprachgebrauch in den „politischen“ Organen, die in besonderer Weise der Repräsentation der Bürger dienen, also dem Europäischen Parlament, dem Ausschuss der Regionen sowie dem Wirtschafts- und Sozialausschuss. Im Übrigen sind295 aus Gründen der Arbeitsfähigkeit und Effizienz Englisch, Französisch und Deutsch durch ausdrückliche Regelung in der VO Nr. 1 zu den alleinigen gleichberechtigten Arbeitssprachen zu erklären. Von besonderer Dringlichkeit ist ein solches Dreisprachenregime für den Rat (einschließlich seiner Ausschüsse und Arbeitsgruppen), die Europäische Kommission, den EuGH und das EuG.296 Mit dem hier vertretenen Vorschlag für eine zukünftige Sprachenregelung der EU könnte die mittlerweile zwar deutlich zurückgegangene, in der Praxis aber immer noch anzutreffende Diskriminierung der deut-

rigen Praxis vgl. Europäische Kommission (Fn. 169), 19 f.; N. Labrie La construction linguistique de la Communauté européenne, 100 f.; B. Patterson Multilingua 1982, 9 (14 f.). 295 Mit wenigen Ausnahmen, in denen sich wie in der Europäischen Zentralbank das Englische als alleinige Arbeitssprache bewährt hat. Vgl. Kürten (Fn. 28), 96 f.; T. Oppermann ZEuS 2001, 1 (11). 296 Wie hier für ein Drei-Arbeitssprachenmodell (Englisch, Französisch, Deutsch) C. Földes in: Kühn/Lehker (Fn. 50), 145 (159); V. Ginsburgh/S. Weber JCMSt 2005, 273 (285); P. M. Huber (Fn. 247), § 2 Rn. 29 f.; Kraus (Fn. 3), 157 ff.; Kürten (Fn. 28), 160 ff.; H. Menke in: Bruha/Seeler (Fn. 35) 29 (31 ff.); W. Röhr in: Bruha/Seeler ebd., 110 (111); Weber (Fn. 140), Art. 290 EGV Rn. 14; hinsichtlich der Arbeitssprachen für einen pragmatischen Kompromiss (intere Verwaltung: Englisch; Zusammenkünfte zwischen Gemeinschafts- und nationalen Bediensteten: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, evtl. Niederländisch) T. Oppermann ZEuS 2001, 1 (17 f.). Partiell weitergehend als hier Schübel-Pfister (Fn. 28), 299 f., 484 ff. (491 ff., 493 ff., 497 ff.), die die hier vertretene Position grundsätzlich teilt, diese aber hinsichtlich der Arbeitssprachen auch auf das Europäische Parlament erstrecken möchte (a.A. zu Recht Kürten [Fn. 28], 75 f., 157 f. mwN; vgl. auch das Bekenntnis des Europäischen Parlaments zur Mehrsprachigkeit in ABl . 1991 C 19, 42; allgemein zur Diskussion des Multilingualismus durch das Parlament selbst vgl. F. Coulmas Sociolinguistica 1991, 24 [30 ff.]) und die zugleich für eine Anpassung des Amtssprachenregimes de lege ferenda im Bereich des legislativen Sprachenrechts eintritt. Zu den sonstigen, äußerst vielfältigen Alternativvorschlägen für eine zukünftige Reform des EU -Sprachenregimes, die von Einsprachigkeit (Englisch), über Zweisprachigkeit (Englisch, Französisch) und Fünfsprachigkeit (Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Spanisch) bis zur Rückkehr zum Lateinischen oder zur Hinwendung zu einer Kunstsprache wie Esperanto reichen und auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, siehe mit ausführlichen Nachweisen Schübel-Pfister ebd., 486.

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schen Sprache 297 beseitigt und ihrer numerischen wie ökonomischen Bedeutung in Europa,298 die infolge der Osterweiterung weiter zugenom297 Vgl. den 62. (und zugleich letzten) Bericht der Deutschen Bundesregierung über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Union, BT-Drs. 14/8565, 10 f., sowie den Antrag der Fraktionen SPD , CDU / CSU , BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP Deutsch als Arbeitssprache auf europäischer Ebene festigen – Verstärkte Förderung von Deutsch als erlernbare Sprache im Ausland, BT-Drs. 15/1574, 1. Aus der Literatur instruktiv Kürten (Fn. 28), 120 ff., der eine Phase deutlicher Verstöße (1990–1993), eine Phase beginnender Verbesserung (1994–1999) und eine Phase deutlicher Verbesserungen (2000–heute) unterscheidet. Nach Kürten ebd., 130, hat sich die tatsächliche Bedeutung des Deutschen mittlerweile insgesamt „dem positiv-rechtlich verbürgten Rang als Amts- und Arbeitssprache der EU angenähert. Dennoch verbleiben weiterhin Zurücksetzungen im arbeitssprachlichen und – seltener – im amtssprachlichen Bereich.“ Tendenziell ähnlich P. M. Huber (Fn. 247), § 2 Rn. 29 f.; Rogmann (Fn. 101), 257 ff.; Schübel-Pfister (Fn. 28), 67 f. Im amtssprachlichen Bereich ist vor allem die verzögerte oder fehlende Veröffentlichung bzw. Versendung von EG -Dokumenten, insbesondere Ausschreibungen der EG , in deutscher Sprache zu rügen. Zu den rechtlichen Konsequenzen solcher Verstöße (insbesondere Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 Abs. 2 und 4 EGV – vgl. dazu einschränkend EuGH E 1970, 661 Rn. 47 ff.; EuGE 2000, II -491 Rn. 630 ff. – bzw. Anfechtungsklage vor dem nationalen Verwaltungsgericht iVm Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 Abs. 1 lit. b EGV ; Einstufung von Sekundärrechtsakten als Nichtakt; Schadenersatzanspruch gemäß Art. 288 Abs. 2 EGV ) P. M. Huber BayVBl . 1992, 1 (4 ff.); ihm weitgehend folgend Kürten ebd., 131 ff. (Fazit: 153 f.). Die geringe Bedeutung des Deutschen als Arbeitssprache wird allein durch die Zahlen zu den Sprachen des internen Dienstgebrauchs der EG -Organe unterstrichen (Stand 1999): Englisch: 45,3 Prozent, Französisch: 40,4 Prozent; Deutsch: 5,4 Prozent; vgl. A. Weber (Fn. 140), Art. 290 EGV Rn. 5. 298 Vgl. F. Stark in: Ehlich/Krumm (Hrsg.) Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache, 30 (2004), 150: „Bei allen (…) Kriterien nimmt Deutsch in Europa den ersten oder den zweiten Platz ein. Den ersten Platz bei der Zahl der Muttersprachler: etwa 93 Millionen (Mio); bei der Zahl der Länder, in denen es – national oder regional – Amtssprachenfunktion besitzt, nämlich sieben (Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien, Südtirol); bei der Zahl der Kontakte mit angrenzenden Sprachen auf Grund der geographischen Lage (…). In der Gleichmäßigkeit der geographischen Verbreitung als Fremdsprache in Europa unterscheidet sich Deutsch mit je etwa 27 Mio in der West- und der Osthälfte stark vom Französischen, das im Westen zwar etwa 39 Mio, im Osten jedoch nur etwa 7 Mio Sprecher besitzt. Und schließlich nimmt Deutsch – mit weitem Abstand – Platz 1 bei der ökononomischen Stärke der Sprache ein. Nur als Fremdsprache liegt Deutsch in Gesamteuropa nicht auf Platz eins.“ Ähnlich stellt sich die Situation nach den Zahlen der EU dar; vgl. Europäische Kommission, Sonderumfrage Eurobarometer 54, Sonderbericht, Februar 2001: Danach lag der Anteil der Unionsbürger, die Deutsch als Muttersprache haben, bezogen auf die alte EU der 15 (Stand 2001) bei 24 Prozent, der Anteil von Unionsbürgern mit Englisch, Französisch und Italienisch als Muttersprache bei 16 Prozent, gefolgt von Spanisch mit 11 Prozent. Betrachtet man die Verbreitung der Sprache (Muttersprachler zuzüglich Konversationssprache), so nahm Englisch eine deutliche Spitzenposition ein (47 Prozent). Deutsch kam immerhin auf 32 Prozent, Französisch auf 28, Italienisch auf 18 Prozent und Spa-

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men hat,299 angemessen Rechnung getragen werden. Die Hoffnungen auf eine Realisierung dieses oder jedes anderen, den sprachenpolitischen Status quo in der EU verändernden Vorschlags bleiben indes auch in der Zukunft sehr gering;300 die Widerstände der nicht berücksichtigten Staaten, vor allem der größeren Sprachgemeinschaften (Spanien, Italien, Polen), sind vorhersehbar. Bei der Sprachenfrage geht es, wie eingangs betont, um eine politische Machtfrage von höchster Brisanz, wie zuletzt im Jahre 1999 und 2001 der Sprachenstreit um die Verwendung von Deutsch als Konferenzsprache bei informellen Treffen des Ministerrats gezeigt hat.301 Die EU wagte bislang nicht, das „heiße Eisen“ der Sprachenfrage ernsthaft anzurühren302 – in der gegenwärtigen Phase

nisch auf 15 Prozent. Siehe zum Ganzen auch U. Ammon in: Wierlacher/Bogner (Fn. 166), 345; ders. in: Gardt (Fn. 31), 471; H. Glück in: Kühn/Lehker (Fn. 50), 9; Kraus (Fn. 3), 174 ff.; Kürten (Fn. 28), 161 f.; Schübel-Pfister (Fn. 28), 498 f.; zu Deutsch als plurinationaler Sprache vgl. Ammon in: Gardt ebd., 509. 299 Infolge der Osterweiterung hat die Bedeutung des Deutschen gemessen an seiner prozentualen Verbreitung als erster Fremdsprache weiter zugenommen. Nach der Europäischen Kommission (Fn. 289), 4, sprechen Deutsch als Fremdsprache in Slowenien 38 Prozent, in der Tschechischen Republik 27 Prozent, in der Slowakei 20 Prozent und in Polen 16 Prozent. Vgl. auch K. Ehlich/H.-J. Krumm in: dies. (Fn. 298), 132: In der „alten“ EU lernen/sprechen als Fremdsprache 41 Prozent Englisch, 19 Prozent Französisch, 10 Prozent Deutsch, in den neuen EU -Mitgliedstaaten lernen/sprechen als Fremdsprache 23 Prozent Russisch, 21 Prozent Englisch, 17 Prozent Deutsch. Allgemein zur Bedeutung von Deutsch aus Sicht des Auslands vgl. die Beiträge von C. Földes, M. Nekula und P. Wiesinger in: Lohse (Fn. 1), 109, 129, 145. 300 Um die Realisierungschancen eines reduzierten Arbeitssprachen-Modells zu erhöhen, werden in der Literatur zum Teil Kompensationen für die Mitgliedstaaten gefordert, deren nationale Amtssprache durch das Drei-Arbeitssprachenregime nicht erfasst wäre. Vorgeschlagen wird, die Staaten, deren nationale Amtssprache als EU -Arbeitssprache anerkannt werde, sollten den gesamten Sprachendienst zu je einem Drittel finanzieren. Darüber hinaus wird ein Verbot der Verwendung der Muttersprache in den EU -Institutionen erwogen, das auch dann gelten soll, wenn die Muttersprache anerkannte Arbeitssprache ist. Danach wäre insoweit eine strikte Gleichbehandlung gewahrt, als jeder in einer Fremdsprache sprechen müssste. In diesem Sinne U. Ammon in: Kelz (Fn. 28), 19 (34); Kürten (Fn. 28), 165. Der zuletzt genannte Vorschlag dürfte indes realistischerweise am Widerstand jedenfalls des Vereinigten Königreichs und Frankreichs scheitern und daher kaum Erfolgschancen haben. 301 Auch die seit November 2004 praktizierte, mit Sparzwängen begründete Einschränkung der Vielsprachigkeit bei Simultanübersetzungen in bestimmten Pressekonferenzen der Europäischen Kommission auf vier Sprachen hat zu einem heftigen Sprachenstreit in Brüssel geführt; vgl. FAZ Nr. 48 vom 26. 2. 2005, 8. 302 Das Thema Reform des Sprachenregimes fehlt in den EU -Strategiepapieren der letzten Jahre nahezu völlig. Ein letzter Reformanstoß ging mit Blick auf die Osterweiterung vom Europäischen Rat von Sevilla vom 21. 6. 2002 aus; vgl. Bulletin- EU

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der europäischen Identitäts- und Verfassungskrise dürfte sich hieran kaum etwas ändern.303

V. Ausblick Die Pflege der deutschen Sprache erweist sich als Querschnittsaufgabe par excellence. Gefordert ist zunächst die Gesellschaft selbst, angefangen von den Familien,304 Elternhäusern und einzelnen Grundrechtsträgern bis hin zu den zahlreichen mit der Sprache befassten Vereini-

6–2002, Ziff. 6. Der Europäische Rat von Kopenhagen, Ratsdok. 15334/1/02 vom 5. 12. 2002, verabschiedete einen Bericht „Verwendung von Sprachen im Rat im Hinblick auf eine erweiterte Union“, der als eine wesentliche Option zur Reform des Sprachenregimes in den Ratsgremien das von der Deutschen Bundesregierung vorgeschlagene „Marktmodell“ aufführt. Dieses Modell, das zunächst für eine Probephase gelten soll, sieht vor, dass unter Beibehaltung des Vollsprachenregimes auf der Ebene des Europäischen Rates und der Ministerräte sowie des Dreisprachenregimes (Deutsch, Englisch, Französisch) im Ausschuss der Ständigen Vertreter für die Ratsgruppen ein System eingeführt wird, wonach jeder Mitgliedstaat auf eigene Kosten Dolmetschung verlangen kann. Zu einem verbindlichen Beschluss hierüber kam es bisher nicht. Strittig blieb vor allem, ob das Marktmodell auf einem bestimmten Grundbestand an Sprachen oder auf Nulldolmetschung aufbaut; vgl. F. C. Mayer Der Staat 44 (2005), 367 (385). Die Sprachenfrage stand nicht auf der Tagesordnung der Vertragsreformkonferenz von Nizza und des Verfassungskonvents. Kein Weiß- oder Grünbuch der Kommission äußert sich zur Sprachenfrage; vgl. Schübel-Pfister (Fn. 28), 485 mwN. P. A. Kraus ÖZP 27 (1998), 443 (451), wirft der EU -Sprachenpolitik insgesamt „Diffusität und Widersprüchlichkeit“ vor. Nach de Witte (Fn. 28), 240, kann von einer kohärenten Sprachenpolitik der EU nicht gesprochen werden; gleichsinnig F. Coulmas Sociolinguistica 1991, 24 (33); Shuibhne (Fn. 45), 1108 ff. 303 Die aktuelle Entwicklung des europäischen Sprachenregimes weist sogar in die gegenteilige Richtung: Getragen von dem Ziel, die Bürgernähe der EU zu verbessern und die Vielfalt der Sprachen der EU stärker zu berücksichtigen (vgl. 2. Erwägungsgrund der Schlussfolgerungen des Rates vom 13. 6. 2005 [Fn. 54]), geht das Bestreben dahin, die Zahl der Arbeits- und (Quasi-)Amtssprachen nicht zu verringern, sondern (um die größeren Regionalsprachen) zu erhöhen. 304 Die Bedeutung der frühkindlichen Phase sowie einer emotional intakten ElternKind-Beziehung für die sprachlich-intellektuelle Entwicklung des Kindes wird von Kinderärzten und -psychologen sowie Vertretern der neueren Hirnforschung gerade vor dem Hintergrund einer zunehmenden asozialen Brutalisierung zwischenmenschlicher Auseinandersetzung infolge mangelnder Ausdifferenzierung sprachlich-kommunikativer Konfliktlösungsfähigkeiten zu Recht betont; vgl. Adam Bildungsmisere (Fn. 289), 171 ff., 184 f.; G. Dietrich FAZ Nr. 51 vom 2. 3. 2005, 37; A. Kilb FAZ Nr. 186 vom 12. 8. 2005, 35.

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gungen, Räten, Akademien und Stiftungen.305 Nur sekundär ist die Sprachpflege eine Staatsaufgabe. Die Sprachpflege in Deutschland hat einen Mittelweg zu finden zwischen der aktuell verbreiteten Indifferenz und Sprachflucht Deutschsprechender einerseits,306 für die die Worte „Bachelor“, „Master“ und „Exzellenzcluster“ gleichsam als wissenschaftssprachliche Menetekel stehen, und der etwa in Frankreich oder Polen praktizierten307 puristisch-militanten Sprachbeeinflussung308 an-

305 Wie hier für die generelle Aufgabenverteilung bei der Pflege kultureller Identität J. Isensee Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 11 (1977), 92 (104 ff.); ders. NJW 1977, 545 (551); Uhle (Fn. 30), 101 ff. 306 Zur aktuellen, teilweise fast groteske Ausmaße annehmenden Sprachilloyalität und sprachlichen Selbstverleugnung eines erheblichen Teils der Deutschen, gerade der öffentlichen Repräsentanten Deutschlands aus Politik, Wirtschaft, Kunst, Sport, Wissenschaft etc., mit der Weltoffenheit, Modernität und Distanzierung vom Nationalsozialismus zum Ausdruck gebracht werden soll, vgl. M. Elicker ZRP 2002, 415; Földes (Fn. 296), 147 f., 152 f.; J. Limbach FAZ Nr. 32 vom 8. 2. 2005, 36 4. Sp.; H. Munske FAZ Nr. 11 vom 14. 1. 2005, 9. Zu den zahlreichen Anglizismen in der deutschen Rechtssprache vgl. die Auflistung bei I. von Münch NJW 2002, 1995 (1999 f.). Dabei geht es nicht darum, die deutsche Sprache von – bereichernden – Fremd- und Lehnwörtern „rein“ zu halten, sondern die übermäßige Verwendung von Anglizismen und „Denglisch“-Ausdrücken dort einzudämmen, wo für dieselbe Sache präzisere oder schönere deutsche Worte bestehen. Zu dem insgesamt schwierigen Verhältnis der Deutschen zu ihrem Staat bzw. ihrer Nation, das sich in dem Verhältnis zur eigenen Sprache lediglich pars pro toto abbildet, vgl. statt vieler T. Blank APuZ B 13/97, 38; D. Grieswelle in: Weigelt (Fn. 139), 45; J. Kaube FAZ Nr. 26 vom 31. 1. 2006, 33. 307 In Frankreich ist es den Anbietern von Waren und Dienstleistungen bis auf wenige Ausnahmen verboten, für ihre Produkte in einer anderen als der französischen Sprache zu werben; Verstöße können mit hohen Geldstrafen oder bis zu einem halben Jahr Gefängnis geahndet werden; vgl. das französische Sprachenschutzgesetz vom 4. 8. 1994 (Gesetz Nr. 94/665), sog. „Loi Toubon“, zit. nach F. Dietrich ARSP 90 (2004), 1 (9 m. Fn. 16); ausführlich dazu Theme (Fn. 26), 35 ff.; vgl. auch J. Niebling WiB 1996, 426; A. Somma ZEuP 1998, 701. Zur Kollision zwischen der französischen Sprachgesetzgebung und dem Grundsatz des freien Warenverkehrs (Art. 28 ff. EGV ) und den deshalb gegen Frankreich in der Vergangenheit durch die Europäische Kommission eingeleiteten Verfahren vgl. F. Endrös RIW 1995, 17; Haas (Fn. 253), 141 ff.; Theme ebd., 68 ff. Zum französischen Sprachenschutzgesetz vom 4. 1. 1976 (Gesetz Nr. 75/1349) siehe Haas ebd., 57 ff.; Theme ebd., 30 ff. Zur ähnlich rigiden polnischen Gesetzgebung siehe das Gesetz über die polnische Spache vom 7. 10. 1999, DzU Nr. 90, Pos 999; dazu W. Gärtner/M. Hempel ZfRV 2001, 9; K. Klapsa WiRO 2000, 233; M. Perdeus WiRO 2004, 72. 308 Die Sprachpflege soll Bestand und Entfaltung der Sprache sichern. Dagegen versucht die Sprachbeeinflussung (ebenso wie die Sprachlenkung), die Begriffsbildung und Sichtweise innerhalb der Sprache zu formen, die Sprachgemeinschaft auf diese auszurichten und ihr bestimmte Wertungen zu vermitteln; vgl. P. Kirchhof (Fn. 17), § 20 Rn. 109 f.; vgl. auch ders. ebd., Rn. 111 (zum sprachrechtlichen Repressionsverbot und Verbot des Sprachimperialismus); Limbach (Fn. 306), 4. Sp.

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dererseits.309 Von zentraler Bedeutung ist hierfür der Bereich der vorschulischen und schulischen Bildung und mithin der staatliche Erziehungsauftrag.310 Die weiterführende, außerschulische Ausbildung (Beruf, Universität) und die Erwachsenenbildung haben die so fundierte Mehrsprachigkeit zu konservieren und auszubauen. Die Grundrechte auf Bildung und Integration sind zu diesem Zweck insgesamt politisch höher zu gewichten. Ihr dogmatisches Leistungspotenzial ist weiter zu erschließen. Dabei wird auch deutlich werden, dass das Recht gerade im Bereich der Sprachpolitik auf die Ergänzung durch andere Steuerungsfaktoren wie Finanzen und Personal angewiesen ist. Insgesamt gilt es vor allem, das Sprachbewusstsein der Öffentlichkeit zu fördern, so dass sich auch in Deutschland eine Sprachloyalität herausbildet, welche sich in einer erhöhten Wertschätzung gegenüber der eigenen Sprache, gerade auf internationalem Parkett, niederschlägt.311 In europäischer Perspektive wird die zukünftige Erweiterungspolitik der EU Auswirkungen auch auf die Sprachenfrage haben: Sollten bis 2007 mit Bulgarisch und Rumänisch zwei weitere Sprachen hinzukommen, so erhöhte sich die Zahl der möglichen Sprachrichtungen auf 506. Sollten andere Mitgliedstaaten dem Vorbild Spaniens folgend – verständlicherweise – gleichfalls auf die Anerkennung ihrer größeren Regionalsprachen als europäische Arbeits- und Semiamtssprachen drängen,312 sind über 1000 Sprachrichtungen vorstellbar, darunter auch exotische, 309 Freilich ist die Gefahr einer sprachlichen Übersteuerung auch in Deutschland zumindest latent stets gegeben, wie das Beispiel der beantragten (freiwilligen) Mindestquoten für deutsche Musik im Rundfunk zeigt; vgl. die – nicht beschlossenen – Anträge der Regierungsfraktionen, BT-Drs. 15/4521, und der CDU / CSU -Fraktion im Deutschen Bundestag, BT-Drs. 15/4495. Soweit die Quoten auch für private Rundfunkveranstalter gelten und nicht nur deutschsprachige Musik, sondern auch in Deutschland produzierte Musik erfassen, sind sie protektionistisch und verstoßen gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 2. Alt. GG ; Art. 10 EMRK ; Art. 28, 49 EGV. Vgl. zum Ganzen J. Gundel ZUM 1998, 1002; 1998, 1029; T. Hoeren Beilage MMR 2003, 1. 310 Zutreffend Murswiek (Fn. 32), Rn. 233 ff. (236 f.). Ohne dass in eine (falsche) Bildungsplanungseuphorie eingestimmt werden sollte. Zum Stand der didaktischen Forschung in Sachen Fremdsprachenlernen siehe H. Schlemmer in: Kelz (Fn. 28), 233, sowie die Beiträge von S. Weinert, L. Götze, M. Candelier in: Ahrens (Fn. 28), 313–357; zur europäischen Dimension siehe die Beiträge von T. Berchem, S. Vlaeminck, T. van Els, M. Byram, U. Bliesener in: Ahrens ebd., 23–98. 311 In der Belebung des Feingefühls der deutschen Gesellschaft für die deutsche Sprache liegt das Hauptziel des neugebildeten Deutschen Sprachrats, zu dem sich das Institut für Deutsche Sprache, die Gesellschaft für Deutsche Sprache und das Goethe-Institut verbunden haben; vgl. Limbach (Fn. 306), 5. Sp. 312 In diese Richtung generell das Petitum von S. González-Varas NVwZ 2002, 947 (949 f.), der eine Sonderbehandlung der spanischen Regionalsprachen (s. o. Fn. 54, 243) gegenüber Regionalsprachen anderer Mitgliedstaaten für nicht gerechtfertigt hält.

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für die sich nur noch mit Mühe werden Übersetzer finden lassen. Die babylonische Sprachverwirrung in den Organen und Einrichtungen der EU rückte dann immer näher.313 Nicht nur quantitativ, sondern vor allem qualitativ wären die Veränderungen für Deutschland und Europa, falls die EU in ihrem kulturell-historischen Blindflug tatsächlich die Türkei als Mitglied aufnähme.314 Die kulturelle Frage ist die Frage des 21. Jahrhunderts. Sie steht in ihrer Bedeutung auf einer Stufe mit der sozialen Frage des 19. Jahrhunderts und der freiheitlich-demokratischen Frage des 20. Jahrhunderts. Bei der kulturellen Frage geht es im Kern darum, ob sich die Vorstellung der Toleranz, der Gewaltfreiheit und der friedlichen Koexistenz oder das Szenario vom Kampf der Kulturen315, Werte und Religionen durchsetzt. Sprache ist für den Einzelnen, den Staat und die EU Baustein der kulturellen Identität und Merkmal der kulturellen Diversität, aber nicht zuletzt auch Medium für den interkulturellen Dialog. Als integraler Teil der kulturellen Frage steht die Sprache mit im Zentrum von Recht und Politik des 21. Jahrhunderts.

313 Vgl. Genesis 11, 1–11 (9). Zu dem im Zusammenhang mit der Sprachenfrage in Europa häufig bemühten Bild des Sprachenbabylons vgl. die Nachweise bei Herrmann (Fn. 225), Art. 290 EGV Rn. 3 Fn. 9. Grundlegend A. Borst Der Turmbau zu Babel, 4 Bde., 1957 ff. 314 Vgl. D. Murswiek FS Ress, 2005, 657 (680 ff.); ders. (Fn. 32), Rn. 253 ff. (277 ff.), nach dessen Analyse das Grundgesetz eine Zustimmung der Deutschen Bundesregierung zum EU -Beitritt der Türkei verbietet, da sich die Türkei sowohl territorial als auch historisch-kulturell nicht unter den Europabegriff des Grundgesetzes subsumieren lässt. Ein türkisches Volk von (im voraussichtlichen eventuellen Beitrittszeitpunkt) 90 Millionen oder mehr würde bereits infolge seiner Größe und seiner im islamischen Kulturkreis verwurzelten Werte (vgl. J. Gerhards APuZ B 38/2004, 14), aber auch infolge der beitrittsbedingt zu erwartenden Abwanderung von 15–18 Millionen Türken die EU , Österreich und Deutschland als Kulturgemeinschaften im Allgemeinen sowie die dortigen Sprachenregime im Besonderen im Kern verändern. Sie würde die Integrationskapazität der bisherigen EU -Mitgliedstaaten übersteigen. So würde die in Deutschland und Österreich eben erst begonnene (Sprach)Integrationspolitik (s. o. bei Fn. 188 ff.), die wesentlich den dort lebenden Türken zugute kommt, faktisch torpediert. Vgl. zu den genannten Zahlen und mit übereinstimmender Bewertung H.-U. Wehler APuZ B 33–34/2004, 6 (7 f.); ähnlich auch E.-W. Böckenförde MUT 2005, 14. 315 Klassisch S. P. Huntington Kampf der Kulturen, 6. Aufl. 1997; dazu E.M. Maier ZRph 2004, 49.

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Leitsätze des 2. Berichterstatters über:

Sprache als Kultur- und Rechtsgut I.

Einleitung

(1) Das Verhältnis von Sprache und Recht ist ein sehr enges und grundlegendes. Die Befolgungs- bzw. Befriedungswirkung von Gesetzen, Verwaltungsakten und Gerichtsurteilen erwächst aus der Publizität in Sprachform (Schriftform) sowie aus dem Verstehen oder jedenfalls dem Vertrauen in das möglichst bestimmte und verständliche Wort. (2) Schlüsselbegriff zur Erfassung der Sprache als Kultur- und Rechtsgut ist die Identität als verfassungstheoretische und verfassungsrechtliche Größe. Identität bezeichnet die Ideengehalte, mit denen sich ein Individuum oder Kollektiv (z. B. Gruppe, Vereinigung, Nation, Staatenzusammenschluss) identifiziert, um auf diese Weise die für seine Selbstbestimmung und innere Stabilität notwendige Gewissheit über das eigene Sein auch in Abgrenzung zum Sein Anderer und deren Selbstwahrnehmung zu erhalten. Die sprachliche Identität bildet einen wesentlichen Ausschnitt der kulturellen Identität.

II.

Sprache und Identität des Einzelnen

1.

Grundrecht der Sprachenfreiheit

a)

Herleitung

(3) In Deutschland ergibt sich als Teilausprägung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG ) ein Grundrecht auf Sprachenfreiheit als Innominatfreiheitsrecht. Dieses tritt gegenüber den Verbürgungen der Sprachenfreiheit in speziellen Freiheitsrechten (z. B. Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1 GG ) zurück, soweit diese zugleich eine Garantie des für ihren Gebrauch unverzichtbaren Mediums der Sprache enthalten. (4) In der EU folgt das Grundrecht der Sprachenfreiheit als allgemeiner Rechtsgrundsatz aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten iVm Art. 21 Abs. 3 EGV , Art. I-10 Abs. 2 lit. d VV E, Art. 41 Abs. 4 GrCh/Art. II -101 Abs. 4 VV E.

Sprache als Kultur- und Rechtsgut

b)

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Schutzgehalte

(5) In sachlicher Hinsicht verbürgt das Grundrecht der Sprachenfreiheit die Befugnis zum Gebrauch der selbst gewählten Sprache in Wort (Sprechfreiheit) und Schrift (Schreibfreiheit) im privaten und öffentlichen Bereich. (6) In persönlicher Hinsicht verkörpert die Sprachenfreiheit ein für jedermann geltendes subjektives Recht (Menschenrecht). Ein (sprachlicher) Minderheitenschutz (Gruppenschutz) ist dem Grundgesetz – im Gegensatz zu verschiedenen Landesverfassungen, Verfassungen anderer Staaten und dem Völkerrecht (insbesondere Art. 27 IPbpR ) – nicht zu entnehmen. c)

Das Beispiel: Rechtschreibreform

(7) Die Sprachenfreiheit unterliegt dem begrenzten, rechtfertigungsbedürftigen Eingriff des Staates. Dies gilt vor allem für die Orthographie, die dem Regelungszugriff des Staates nicht von vornherein entzogen ist. Die Änderung der Rechtschreibregeln greift in das Grundrecht der Schüler auf (Recht-)Schreibfreiheit (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG ) sowie das Recht der Eltern auf Spracherziehung ihrer Kinder (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ) ein. Allerdings bleibt der Eingriff in seiner Intensität gering und bedarf daher keines speziellen Gesetzes. Er ist zudem verhältnismäßig und verfassungsrechtlich gerechtfertigt. 2.

Sprachliche Diskriminierungsverbote

(8) Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG enthält eine ergänzende Absicherung der Sprachenfreiheit in Gestalt eines speziellen Diskriminierungsverbots aus Gründen der Sprache. Aus der Norm folgt jedoch keine Pflicht zum Ausgleich faktischer Nachteile und kein Anspruch auf tatsächliche Gleichstellung. (9) Auch im EG -Recht besteht ein grundrechtliches Diskriminierungsverbot aus Gründen der Sprache. Es ergibt sich als allgemeiner Rechtsgrundsatz aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten, Art. 21 Abs. 1 GrCh/Art. II -81 Abs. 1 VV E und Art. 14 EMRK . Auf der grundfreiheitlichen Ebene greifen das allgemeine Diskriminierungsverbot (Art. 12 EGV ) sowie die speziellen Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote (insbesondere Art. 28 ff., 39 ff., 43 ff. EGV ) ein. 3.

Verfassungsrechtliche Verfahrensgarantien

(10) Das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ) untersagt es, den der deutschen Gerichtssprache Unkundigen zu einem unverstandenen Objekt des Verfahrens zu machen und räumt mit Blick auf die wesentlichen Verfahrensvorgänge ein Recht zum Sich-Äußern und Gehörtwerden in der eigenen Sprache ein. Die Prozessgrundrechte des Grundgesetzes, aber immer

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Wolfgang Kahl

stärker auch Art. 5 Abs. 2, Art. 6 EMRK , strahlen auf die Auslegung und Anwendung der sie konkretisierenden Gesetzesvorschriften (z. B. § 185 GVG ) aus. (11) Mit der Frage nach der Eröffnung sprachlicher Kommunikationsmöglichkeiten ist auch im Verwaltungsverfahren die grundrechts- und rechtsstaatsrelevante Stellung des Einzelnen als Verfahrenssubjekt betroffen, die insbesondere mit § 23 Abs. 2–4 VwVfG und den landesrechtlichen Spezialregelungen für die Sorben in Sachsen und Brandenburg eine insgesamt ausgewogene und tragfähige gesetzliche Regelung erfahren hat.

III. Sprache und nationale Identität 1.

Sprache, Staat und Nation

(12) Die Sprache ist Teil der nationalen Identität eines Staates. Sie verkörpert ein rationales, vor allem aber ein emotionales einheitsbildendes Verbindungs- und Integrationselement ersten Ranges. (13) Die Sprache ist kein unmittelbar konstitutives Merkmal des Staatsbegriffs, sie ist aber von mittelbarer Relevanz für die Bestimmung des für die Zugehörigkeit zum Staatsvolk konstitutiven Merkmals der Staatsangehörigkeit (teilweise Einbürgerungsvoraussetzung) sowie der deutschen Volkszugehörigkeit von Statusdeutschen. (14) Für eine Kulturnation wie Deutschland hat die Sprache eine gesteigerte Bedeutung. Sie vermittelt in Abgrenzung zu anderen Nationen das geschichtlich gewachsene Selbst- und Weltbild eines individuellen Personenverbandes, das sich dessen Angehörige im Regelfall nicht aussuchen, sondern in das sie durch Geburt mit dem Erlernen der Sprache hineinwachsen. Kulturgemeinschaft ist hier zuvörderst Sprachgemeinschaft, Sprache eines der höchsten Kulturgüter. (15) In Deutschland ist Deutsch als Staatssprache zwar nicht explizit in der Verfassung geregelt, wird aber von dieser vorausgesetzt. Aus Gründen der Integrationsfunktion des Grundgesetzes und der Klarstellung ist – dem Vorbild ausländischer Verfassungen folgend – die Aufnahme eines neuen Art. 22 Abs. 2 GG zu empfehlen, der lautet: „Die Staatssprache ist Deutsch.“ 2.

Deutsch als Amts-, Schul- und Gerichtssprache

(16) Deutsch ist in Deutschland grundsätzlich die alleinige Amts-, Schulund Gerichtssprache. Behörden und Gerichte sind verpflichtet, alle amtlichen Äußerungen in deutscher Sprache vorzunehmen; rechtliches Gehör ist prinzipiell in deutscher Sprache zu gewähren. (17) Vom (auch ausländischen) Einzelnen kann grundsätzlich verlangt werden, dass er – ggf. unterstützt durch Sprachmittler – in der Amts- oder

Sprache als Kultur- und Rechtsgut

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Gerichtssprache mit der Behörde oder dem Gericht kommuniziert. Hierin liegt kein Verstoß gegen die Sprachenfreiheit und Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG . 3.

Bedeutung der Sprache für den Wissenschaftsstandort Deutschland

(18) Die Rechtswissenschaft ist durch eine hohe Kultur- und Sprachgebundenheit bei geringer sprachlicher Standardisierung gekennzeichnet. Hieraus folgen Grenzen der Rechtsvergleichung und der transnationalen Rechtskommunikation (Übersetzbarkeit). Umso wichtiger ist eine methodologisch reflektierte („kritische“) Rechtsvergleichung, welche stets zugleich Sprachenvergleichung ist. (19) Aus sprach- und wissenschaftspolitischer Sicht bleibt Deutsch – mit gewissen Einschränkungen für den Bereich des Völker- und Europarechts, insbesondere des internationalen Wirtschaftsrechts, in dem sich Englisch als Lingua franca immer stärker durchsetzt – als Rechtswissenschaftssprache unentbehrlich. Eine übermäßige (auch sprachliche) Anglisierung schadet dem Rechtswissenschaftsstandort Deutschland mehr als sie ihm nützt. 4.

Sprache als Integrationsfaktor im kulturpluralistischen Staat

(20) Zur Bewältigung der Probleme einer Zuwanderungsgesellschaft bietet sich das Konzept eines Kulturpluralismus an. Dieses setzt auf kulturelle Vielfalt, Offenheit und Toleranz, aber auf der Basis und im Rahmen der Rechtsordnung, verbindlicher (Verfassungs-)Werte und Mitwirkungspflichten der Migranten bei der eigenen Integration, insbesondere in sprachlicher Hinsicht. (21) Voraussetzung für eine nachhaltige, aktivierende Integration ist die mündliche und schriftliche Beherrschung der deutschen Sprache, da hierin der Schlüssel für den schulischen und beruflichen Erfolg wie auch für die politischdemokratische Verständigungs- und Partizipationsfähigkeit liegt. Eine kulturell-sprachliche Neutralität des Staates kann es – im Gegensatz zur religiösweltanschaulichen Neutralität – nicht geben (Prinzip der Identifikation). (22) Den Staat trifft hinsichtlich der Durchführung der Sprachkurse eine objektive Handlungspflicht, die aus dem Grundrecht der Zuwanderer auf Integration (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1) und auf Bildung (Art. 2 Abs. 1 GG ) iVm dem Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip folgt, bei deren Erfüllung der Staat aber über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügt. (23) Rechtlich besteht grundsätzlich keine Verpflichtung des Staates, die Kultur und Heimatsprache der Zuwanderer zu unterstützen, insbesondere deren Kindern zusätzlichen Unterricht in ihrer Muttersprache anzubieten. Politisch ist eine staatliche Pflege der sprachlichen Herkunftsidentität der Migranten nicht sinnvoll.

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Wolfgang Kahl

IV. Sprache und europäische Identität 1.

Der Grundsatz kultureller und sprachlicher Vielfalt

(24) Art. 6 Abs. 3 EUV verpflichtet die EU , die nationale Identität der Mitgliedstaaten zu achten. Damit wird unter anderem die Kultur und Sprache der Mitgliedstaaten geschützt. (25) Als Kultur- und Bildungsunion wahrt die EU den Reichtum der kulturellen und sprachlichen Vielfalt, wie er sich aus dem Erbe der Nationen und Regionen speist (Art. 149 Abs. 1 EGV , Art. 22 GrCh). Die EU hat weder die Aufgabe noch die Kompetenz, eine Eurosprache zu schaffen oder Sprachenunterschiede zu harmonisieren.

2.

Sprache, Öffentlichkeit und Demokratie

(26) Die Abwesenheit des gemeinsamen Bandes der Sprache schließt zwar eine europäische Staatswerdung und Formaldemokratie nicht aus, erschwert es der EU aber, mehr als eine zweckrationale Organisation, nämlich ein akzeptanz- und funktionsfähiger, bürgernaher demokratischer Verband mit eigener Identität („Politische“ Union), zu werden. (27) Der von Vertretern eines post- oder transnationalen Demokratiemodells vorgeschlagene Ansatz, auf das Erfordernis einer sprachlichen Mindesthomogenität und auf eine direkte interpersonale Kommunikation zwischen verschiedensprachigen Unionsbürgern ganz zu verzichten und stattdessen auf ein polyzentrisches Ensemble lokaler, regionaler und nationaler Teilöffentlichkeiten zu setzen, leistet nur einen sehr begrenzten Beitrag zur Problemlösung. Er verkennt die fortbestehende Bedeutung einer Gesamtöffentlichkeit für jedes politische Gemeinwesen.

3.

Das Sprachenregime der EU

(28) Das EU -Sprachenrecht basiert auf dem (objektiv-rechtlichen) Grundsatz der Gleichberechtigung. Dieser ist aber nur hinsichtlich der Vertragssprachen primärrechtlich verankert (Art. 314 EGV ), hinsichtlich der Arbeits- und Amtssprachen dagegen nur sekundärrechtlicher Natur (Art. 1 VO Nr. 1/58). (29) Der Grundsatz der Gleichberechtigung der Amts- und Arbeitssprachen gilt nicht schrankenlos. In der Praxis erfährt er von jeher – in jüngerer Zeit tendenziell zunehmende – Durchbrechungen aus Gründen der Tradition, Effizienz und Funktionsfähigkeit. Die Restriktionen des Vollsprachenregimes sind sprachenpolitisch zum Teil nicht unproblematisch, rechtlich – bei Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – aber zulässig.

Sprache als Kultur- und Rechtsgut

4.

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Sprache und Auslegung des Gemeinschaftsrechts

(30) Schwierigkeiten bei der Auslegung des EG -Rechts resultieren aus den zahlreichen Sprachdivergenzen im Primär- und vor allem im Sekundärrecht. Gemeinschaftsrecht ist strukturell unscharfes Recht. 5.

Sprachenpolitische Reformperspektiven

(31) Aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen erscheint es ausgeschlossen, dass sich Europa zu einem homogenen Sprachraum entwickelt. Vielsprachigkeit wird Wesensmerkmal und Funktionsbedingung der europäischen Integration bleiben. (32) Für die Amtssprachen der EU -Organe, Nebenorgane und sonstigen Einrichtungen ist überall dort, wo Bürger nicht nur völlig geringfügig betroffen sind, insbesondere bei sämtlichen amtlichen Mitteilungen, Ausschreibungen, Anmeldungen und Gerichtsentscheidungen, am Grundsatz der Gleichberechtigung aller Sprachen festzuhalten. (33) Hinsichtlich der Arbeitssprachen sollte mit Ausnahme der „politischen“ Organe, die in besonderer Weise der Repräsentation der Bürger dienen (insbesondere Europäisches Parlament), im Wege der Änderung der VO Nr. 1/58 ein Dreisprachenregime (Englisch, Französisch, Deutsch) festgelegt werden.

V.

Ausblick

(34) Die Pflege der deutschen Sprache ist eine Querschnittsaufgabe par excellence, die primär die Gesellschaft und sekundär den Staat vor vielfältige Herausforderungen stellt. (35) Die Sprachpflege hat einen Mittelweg zu finden zwischen der aktuell verbreiteten Indifferenz und Sprachilloyalität Deutschsprechender einerseits und der etwa in Frankreich oder Polen praktizierten puristisch-militanten Sprachbeeinflussung andererseits. (36) In europäischer Perspektive werden die bevorstehenden bzw. möglichen Erweiterungen der EU und der damit verbundene Anstieg der Zahl der Vertrags-, Amts- und Arbeitssprachen, aber auch die im Jahre 2005 beschlossene Aufwertung der Regionalsprachen unter dem Aspekt der Finanzierbarkeit und Praktikabilität des Dolmetscher- und Übersetzungsaufwandes den Druck in Richtung auf eine – politisch sehr heikle und daher äußerst schwierige – Reform des EU -Sprachenregimes erhöhen.

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Aussprache

3. Aussprache und Schlussworte

Sprache als Kultur- und Rechtsgut Vorsitzender (Huber): Meine Damen und Herren, wir kommen zur Diskussion. Als Erster Herr Tomuschat, bitte. Tomuschat: Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Vorträge haben uns gezeigt, dass Selbstverständlichkeiten in einer Verfassung gar nicht niedergelegt zu werden brauchen. Dass die deutsche Sprache die Staatssprache der Bundesrepublik ist, war 1949 so selbstverständlich, dass man es für keiner ausdrücklichen Regel für würdig erachtet hat. Damit bestätigt sich die alte Regel, dass man in einer Verfassung immer das niederlegt, was irgendwann einmal streitig war, und dass Verfassungen häufig rückwärtsgewandt irgendwelche Kontroversen aufnehmen, die nun beigelegt sind. Die deutsche Sprache war bei der Gründung der Bundesrepublik als Staatssprache nicht streitig. Zur Zeit der Paulskirche andererseits gab es viele Polen, das heißt deutsche Staatsangehörige mit polnischer Abstammung, die eben auch in ihrer polnischen Sprache kommunizieren wollten. Die Lage war also damals völlig anders. Lassen Sie mich nun zunächst etwas zur Sprache als Ausdruck der grundrechtlichen Freiheit (Artikel 2 Absatz 1, Artikel 5 Absatz 1) sagen. Dass man sich in seiner eigenen Sprache artikulieren können muss, dass der Staat das nicht behindern darf, ist ebenfalls eine Selbstverständlichkeit, und beide Referenten haben das zutreffend unterstrichen. Die Frage aber lautet, wie weit man ein Leistungsrecht aus den Grundrechten ableiten kann, und insoweit ist es keineswegs so evident, dass die staatlichen Behörden mit einem Ausländer in seiner Sprache verkehren. Dass man auch vor Gericht seine eigene Sprache benutzen darf, ergibt sich keineswegs unmittelbar aus dem Grundrecht der Sprachfreiheit. Man kann hier allerdings nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewisse abgestufte Regeln finden. Im System der EMRK zum Beispiel wird noch nicht einmal demjenigen, der eine Beschwerde erhoben hat, garantiert, dass er ein Urteil in seiner eigenen Sprache erhält. Die Urteile werden nach wie vor nur auf Englisch und Französisch publiziert – eigentlich ein unhaltbarer Zustand. Im Strafprozess hingegen muss auch

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der Ausländer, der eine exotische Sprache spricht, die Möglichkeit haben, sich zu verteidigen, damit seine Argumente nicht untergehen. Hier muss also ein Leistungsrecht angenommen werden. In der Tat würde die Verurteilung eines Angeklagten, der nicht in der Lage ist, die Beweissituation zu würdigen, einem Eingriff gleichkommen. Man sieht, wie sich hier Leistungsrecht und Abwehrrecht miteinander verbinden. Vom Staat wird eine Leistung erwartet. Auf der anderen Seite wäre die Nichtleistung, also die Nichtgewährung des Ausdrucks in der eigenen Sprache, ein schwerwiegender Eingriff. Lassen Sie mich noch etwas zum Begriff der Leitkultur sagen, insbesondere zur deutschen Sprache als Leitkultur. Kann man bei der Einbürgerung einer Person die Kenntnis der deutschen Sprache verlangen? Wir halten das für selbstverständlich. Wir sehen es auch nicht als eine Diskriminierung an, wenn jemand wegen seiner Sprache, genauer: wegen fehlender Sprachkenntnisse, nicht eingebürgert wird. Sie wissen, dass es hier vor allem in den baltischen Staaten große Probleme gegeben hat, weil man von den dort verbliebenen Russen verlangt hat, dass sie in Litauisch, Lettisch oder Estnisch solide Kenntnisse besitzen. Die sich daran anknüpfenden Kontroversen sind bis zum heutigen Tage nicht definitiv ausgetragen. In Deutschland gibt es das Sonderproblem derjenigen nicht, die aus früherer Zeit und früheren Herrschaftsverhältnissen dageblieben sind. Nochmals also: ich sehe es nicht als eine Diskriminierung an, wenn man von einem Ausländer als Voraussetzung für die Einbürgerung einigermaßen standfeste deutsche Sprachkenntnisse verlangt. Danke. Kloepfer: Vier Bemerkungen. Erste Bemerkung: Ist Sprache vielleicht das demokratischste Rechtsgut, das wir überhaupt kennen? An der Sprache beteiligt sich jeder, unabhängig von sozialem Stand, Ausbildung, Volljährigkeit, unabhängig aber auch von der Staatsangehörigkeit, und deshalb die Frage: Liegt die Verfügungsbefugnis der Sprache nicht bei jedermann, liegt sie nicht beim Volk? Das bedeutet eine gewisse Offenheit, auch für Sprachentwicklungen, etwa, wenn sich das, was Sie als Anglizismen bezeichnet haben, in der täglichen Sprache oder Jugendsprache eine Bestätigung findet – was auch immer. Zweite Bemerkung: Obwohl an der Sprache sozusagen jedermann mitgestaltet, ist Sprache Gemeingut. Sie ist nicht der Verfügungsbefugnis des Einzelnen überlassen, sondern das ist etwas Gemeinschaftliches. Und da ist eine innere Spannung zwischen der Beteiligung an der Sprachfortentwicklung wie an der Bewahrung der Sprache als ein öffentliches Gut. Denn es entzieht sich schon deswegen der Alleinverfügungsbefugnis eines Einzelnen, weil Sprache ein interpersonaler Vorgang ist. Wenn

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Aussprache

ich aufgrund eigener, nur mir bekannter Sprachschöpfungen nicht verstanden werden kann, dann kann ich sozusagen auch nicht allein über Sprache verfügen. Dritte Bemerkung zur Herrschaft über Sprache: Für uns Juristen wird dieses Problem derzeit am deutlichsten bei der verbindlichen Festlegung der richtigen Schreibweise der deutschen Sprache. Dort werden dann die juristischen Fragen relativ präzise und es gibt ja immer wieder Versuche, – die Referenten haben das auch teilweise schon erwähnt – Herrschaft über Sprache zu organisieren. Die Rechtschreibreform ist in den Schulen dabei eine, wie ich finde, relativ unproblematische Steuerungsform, weil sie durch Artikel 7 Absatz 1 GG grundsätzlich zu rechtfertigen ist; jedenfalls für die schulische Form des Einwirkens auf Sprache. Aber staatliche Herrschaft über Sprache sollte stets nur mit äußerster Behutsamkeit deswegen angewandt werden, weil – damit komme ich auf meine erste Bemerkung zurück – Sprachgestaltung letztendlich die Teilhabe von jedermann voraussetzt. Und Sprache als Herrschaftsmittel ist etwas, was äußerst schwierige verfassungsrechtliche Probleme in sich birgt. Ganz zurückhaltend sollte man sein gegenüber Formen der rechtlichen Verbindlichkeit politischer Korrektheitsansprüche an die Sprache. Ich erinnere an die Zeit vor der Wiedervereinigung, mit staatlichen Vorgaben z. B. in der Bundesrepublik, wie man „DDR“ (statt DDR ), wie man „Bundesrepublik Deutschland“ (statt BRD ) zu schreiben hatte. Viertens: Sprachfortbildung. Was bedeutet dies eigentlich für die Sprachfortentwicklung? Eine lebendige Sprache ist eine Sprache, die sich ständig fortentwickelt. Eine tote Sprache, die wird konserviert. Der Zauber, der gelingen muss, ist einerseits, Sprache zu bewahren, andererseits, die Sprache für Fortentwicklungen offen zu halten. Juristisch bedeutet dies meines Erachtens, dass das gestern beschworene Leitbild der Selbstregulierung hier besonders wichtig ist und zwar im Sinne einer nicht regulierten Selbstregulierung, so wie dies die Dudenredaktion im Grunde macht, ein sich Verständigen von Sachverständigen auf fachliche Regeln. Die Aufgabe der Juristen ist dabei die Verflanschung dieser selbst erarbeiteten fachlichen Regeln mit rechtlichen Entscheidungen. Und insoweit kann man auch für die Sprache sicherlich manche Ideen z. B. aus der Rezeption technischer Norm übernehmen. Also: Eine wichtige Frage ist dabei, wie schafft man es, Rezeptionsentscheidungen so zu gestalten, dass sie auch rechtsstaatlichen Standards entsprechen. Engel: In unserer Vereinigung gibt es eine ungeschriebene Regel, die man auf die Formel bringen könnte: De praesidentibus nil nise bene. Ich würde mir also lieber auf die Zunge beißen, als jetzt den Vorstand für die vielleicht etwas enge Formulierung des Themas zu kritisieren, und

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flüchte mich in den Irrealis. Was wäre geschehen, wenn im Thema auch gestanden hätte: nicht nur Sprache als Kulturgut und als Rechtsgut, sondern auch als Wirtschaftsgut? Sie werden jetzt vielleicht denken: So ein Unsinn, das ist doch gar keine Frage. Ich will Sie ein bisschen irritieren durch die Parallele zu einem Gegenstand, den wir hier in unserer Vereinigung schon intensiv diskutiert haben, nämlich technische Standards, also etwa das Betriebssystem Ihres Computers oder das Verhältnis von Stecker und Steckdose. Konzeptionell lässt sich das in vollständig identischen Kategorien verhandeln. Sie haben in beiden Fällen ein reines öffentliches Gut vor sich. Das Ausschlussprinzip ist nicht gewährleistet, also wir können niemanden daran hindern, dass er Sprache nutzt. Außerdem fehlt die Konsumrivalität. Die Tatsache, dass da einer die Sprache nutzt, verbraucht sie in keiner Weise. Die zweite, noch unruhiger machende Parallele: wir haben starke Netzexternalitäten. Das Gut wird um so wertvoller, je mehr es nutzen. Wir müssten also eigentlich erwarten, dass Sprache von niemandem bereit gestellt wird, und wir müssten gleichzeitig ein extremes Zutrittshindernis für neue Anbieter von Sprache erwarten, weil die Netzexternalitäten so schwer zu überwinden sind. Tatsächlich haben wir das Problem ja aber gar nicht. Wir reden alle miteinander. Wenn wir uns fragen, woran das liegt, dann ist es einerseits gerade der Umstand, dass die Sprache da und extrem verbreitet ist. Die Opportunitätskosten, wie die Ökonomen sagen würden, des Nichtlernens der Sprache sind so hoch, dass Sie halt als Individuum die Investition leisten. Zweitens haben wir die Besonderheit eines extrem langlebigen Guts. Wir können also ein bisschen auf die Jahrhunderte vor uns zurückgreifen. Bisher haben wir also nichts als eine andere Sprache für etwas, das wir auch in einfacheren Begriffen hätten sagen können. Scheinbar sind meine Beobachtungen für die Juristerei deshalb uninteressant. Interessant wird es aber, wenn wir uns die beiden Zankäpfel angucken, mit denen unsere Referenten heute gespielt haben. Nämlich in dem einen Fall die Frage: wie sollen wir mit Minderheitssprachen umgehen? Im anderen Fall die Frage: wie sollen wir mit dem Wettbewerb zwischen dem Deutschen und dem Englischen umgehen? Da passen die Kategorien nun sehr gut, die ich Ihnen vorgestellt habe. Weil das öffentliche Güter sind; weil wir diese hohen Netzexternalitäten haben, ist in der Tat sehr wenig wahrscheinlich, dass Investitionen in Minderheitssprachen getätigt werden. Andererseits ist es sehr wahrscheinlich, dass sich das Englische mittelfristig gegen das Deutsche auf voller Front durchsetzen wird. Wir haben also zwar nicht im Sinne eines Wirtschaftsrechts, dem es um Geld geht, sehr wohl aber eines Wirtschaftsrechts, das sich des methodologischen Individualismus als Erklärungsprinzip bedient, ein

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Aussprache

ausgesprochen kraftvolles konzeptionelles Werkzeug, um unsere Probleme zu verstehen. Dafür wollte ich ein bisschen werben. Walter: Ich wollte eine Bemerkung zur Bedeutung der Sprache für Deutschland als rechtswissenschaftlichen Standort machen und mich damit ein Stück weit gegen die Grundmelodie der These 19 von Herrn Kahl wenden. Mir scheint in der These eine etwas übertriebene Frontstellung zwischen einerseits der Gefahr der Internationalisierung und andererseits dem Schutz von Deutsch als rechtswissenschaftlicher Sprache zum Ausdruck zu kommen. Ich glaube nicht, dass wir ernsthaft Sorge haben müssen, dass im Rahmen der deutschen juristischen Ausbildung Baurecht, Sachenrecht usw., also die gängigen Themen, tatsächlich auf Englisch unterrichtet würden. Das ist nicht das Thema, sondern die Frage ist, ob in bestimmten Bereichen darüber hinaus, daneben, ergänzend auch auf Englisch unterrichtet wird. Insoweit haben Sie zwar einen kleinen Vorbehalt zugunsten des Völker- und Europarechts gemacht. Das habe ich wohl gesehen. Sie haben aber auch in Ihrem Vortrag gesagt, Dissertationen müssten weiter auf Deutsch geschrieben werden. Wenn das so ist, verschaffen wir uns nicht zumindest für die völkerrechtlichen und europarechtlichen Dissertationen einen Standortnachteil? Vor allem aber möchte ich werbend für das Benutzen von Englisch auch sonst im Bereich des öffentlichen Rechts, und zwar des nationalen öffentlichen Rechts, eintreten wollen. Es gibt von außen am deutschen öffentlichen Recht ein enormes Interesse, und zwar auch von Leuten, die der deutschen Sprache nicht so mächtig sind, dass sie es hier in unserer Sprache zur Kenntnis nehmen könnten. Es gibt nun seit einigen Jahren ein erstes online-journal, das deutsche Rechtsentwicklungen auf Englisch analysiert und so exportiert. Aber ich glaube, wir müssten uns alle sehr viel mehr darum bemühen, die Inhalte und die Konzeptionen, die bei uns vorhanden sind, auch in anderen Sprachen zu vermitteln und nach außen zu tragen. Dazu gehört auch, dass wir im Rahmen der Ausbildung, etwa von Graduiertenprogrammen, uns selbst trainieren, das zu tun. Wenn man es nie tut, dann kann man auch nicht erwarten, dass man, – wenn man alle fünf Jahre einmal auf eine internationale Konferenz fährt, – in der Lage ist, das dann auch aus dem Stand zu machen. Also: Ich glaube, dass es sozusagen Teil der eigenen Aus- und Weiterbildung ist, in der Sprache zu arbeiten. Sie haben auch gesagt, Sprachfragen seien Machtfragen. Ich will einmal dahinstehen lassen, ob das auch wirklich in der Zuspitzung stimmt. Aber wenn es so ist, dann ist doch unsere Machtfrage nicht, dass wir die Sprache durchsetzen wollen, sondern wir wollen Inhalte durchsetzen. Um die Inhalte durchzusetzen, und zwar auch gegenüber denjenigen, die des Deutschen nicht

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ausreichend mächtig sind, bleibt uns nichts anderes als uns darum zu bemühen, das auch in fremden Sprachen zu tun. Darum müssen wir uns, so glaube ich, sehr viel mehr bemühen, als wir das bisher getan haben. Meyer: Ich habe große Probleme mit dem Begriff der Identität. Identität ist ein außerordentlich rabiater, ausschließender Begriff und wenn ich in der These 2 von Herrn Kahl etwas von kultureller Identität lese, dann muss ich sagen, Deutschland wäre kulturell als arm zu bezeichnen, wenn es eine kulturelle Identität hätte. Es hat viele kulturelle Gemeinsamkeiten, aber eine Identität sollte es nicht haben. Das würde bedeuten, wir würden in unserem eigenen Saft schmoren. Das haben wir nie gemacht. Unsere kulturellen Erfahrungen sind durchaus immer auf Europa ausgerichtet gewesen. Beethoven und Verdi, Picasso und Dürer gehören selbstverständlich zu unseren kulturellen Erfahrungen und haben mit dem Nationalstaat oder mit dem Staat überhaupt nichts zu tun. In der These 12, 13 haben Sie, Herr Kahl, die Identität noch einmal auf den Staat angewandt. Sprache ist Teil der nationalen Identität eines Staates, nicht etwa Deutschlands, sondern überhaupt eines Staates. Danach gäbe es nur Nationalstaaten, das stimmt doch offensichtlich nicht. Die Schweiz ist kein Nationalstaat, England ist auch kein Nationalstaat, gleichwohl sind es Staaten. Wir sollten vielleicht vorsichtig sein mit solchen Behauptungen, die nur von unserer Situation ausgehen. Natürlich ist es richtig, wenn Sie sagen, dass die Sprache ein einheitsbildendes Moment hat. Aber ich habe schon Bedenken und halte es auch für falsch, was Sie in der These 13 sagen. Dass die Sprache mittelbare Relevanz für die Bestimmung, jetzt nicht für die Staatsbürgerschaft – da mag ich Ihnen ja Recht geben – sondern auch für die deutsche Volkszugehörigkeit von Statusdeutschen hat, stimmt schlicht nicht. Artikel 116 GG verlangt Volkszugehörigkeit. Das wurde immer so praktiziert, dass die Leute, die aus Russland kamen, mindestens ein Weihnachtslied können mussten. Dann wurden sie als Deutsche anerkannt. Aber in Art. 116 GG steht auch, dass die Ehegatten automatisch Deutsche sind und zwar völlig unabhängig davon, ob sie die deutsche Sprache beherrschen. Das waren zum größten Teil Russinnen, die gar kein Deutsch konnten; auch der Volkszugehörige hat in Russland kein Deutsch mehr gesprochen. Der Parlamentarische Rat war also in der Sprachenfrage sehr viel offener, als man jetzt ist, wo wir so doktrinär werden. Ich halte das nicht für richtig. Scherzberg: Die beiden Referate haben einen mehr oder weniger übereinstimmenden Ausgangspunkt gehabt, nämlich den, dass Sprache iden-

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titätsbildend ist, jedenfalls, dies zu Herrn Meyer, auf der Ebene des Individuums, ferner, dass Sprache nicht zur Diskriminierung verwendet werden darf und dass Sprachregeln potentiell Instrumente zur Machtausübung sind. Die Frage, die sich an das Recht stellt, ist, welche Konsequenzen aus diesem übereinstimmenden Befund zu ziehen sind. Und dabei hat gerade die Gegensätzlichkeit der beiden Referate aus meiner Sicht das Dilemma aufgezeigt, dass die Sprache für das Recht bildet. Dieses Dilemma spitzt sich zu, wenn man einige dogmatische Institute betrachtet, die auf unausgesprochenen Prämissen im Hinblick auf die Sprache basieren. Nehmen wir als erstes Beispiel das Demokratieprinzip. Das Demokratieprinzip setzt voraus und die Kommunikationsgrundrechte setzen das fort, dass wir uns überhaupt verstehen, dass es sinnvoll ist, dass wir miteinander kommunizieren und dass es in diesem Kommunikationsprozess auch zu einer Meinungsbildung und einer Entwicklung von politischen Auffassungen kommt. Zweites Beispiel: Das Rechtsstaatsprinzip. Das Rechtsstaatsprinzip basiert bei uns auf der Vorstellung der hinreichenden Bestimmtheit von Normen, diese müssen wenigstens auslegungsfähig sein. Aus der rechtsstaatlichen Perspektive ist es eigentlich nicht denkbar, dass dieselbe Norm gleichzeitig in unterschiedlichen Fassungen gilt, was nämlich heißt, dass eine Norm letztendlich nicht mehr auslegungsfähig ist, wenn die eine Fassung diesen Inhalt und die andere Fassung wegen einer anderen Übersetzung einen anderen Inhalt hat. Die Frage und das Dilemma ist jetzt eigentlich: Ändern wir die Rechtsinstitute, weil sich die sprachliche Realität geändert hat oder verpflichten uns die Rechtsinstitute dazu, Einfluss auf die sprachliche Wirklichkeit zu nehmen. An dieser Stelle scheinen mir die beiden Referate unterschiedliche Wege gegangen zu sein. Ich kann den Streit jetzt natürlich nicht entscheiden. Ich möchte nur Herrn Kahl im Ansatz zustimmen, dass es wohl eine Abwägung braucht zwischen dem Schutz der eigenen Sprache auf der einen Seite und den schon bezeichneten, überwiegend kollektiven Gütern, auf der anderen Seite. Ich glaube allerdings nicht, dass der Staat die Aufgabe hat, die Entwicklung der Sprache in der Gesellschaft oder sogar Loyalitätspflichten für eine Sprache zu begründen. Oeter: Den klar nuancierten Ausführungen von Herrn Schweizer kann ich praktisch vollständig beipflichten. Um so weniger verwunderlich ist es, dass ich einigen Widerspruch zu den Thesen von Herrn Kahl äußern möchte. Das fängt im Grunde schon mit der verfassungsrechtlichen Überhöhung einer kulturellen und sprachlichen Identität zusammen und der Formulierung eines Postulates der Bewahrung und Erhaltung dieser kulturellen und sprachlichen Identität, aus der ja dann auch so et-

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was wie ein verfassungsrechtliches Gebot der Einsprachigkeit abgeleitet wird. Man könnte über diese Ableitung schon vieles sagen. Das möchte ich jetzt an der Stelle nicht tun. Die gezogenen Folgerungen überzeugen mich letztlich nicht. Ich möchte das Ganze aber vielmehr auf eine etwas pragmatischere Ebene heben. Die Bundesrepublik selbst hat sich in ihrem völkerrechtlichen Vertragsrecht zum Ideal der Erhaltung der Mehrsprachigkeit als Ideal bekannt. Das wird ganz deutlich, wenn Sie sich die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitssprachen ansehen – einer der beiden Europaratsverträge, auf die Herr Schweizer hingewiesen hat. In diesem Vertrag wird das Bekenntnis zur Mehrsprachigkeit sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, die letztlich das zentrale Schutzgut des Vertrages darstellt. Man könnte diesen Verweis jetzt natürlich beiseite schieben mit dem Hinweis auf die Verfassung – so wie es der französische Conseil Constitutionnel anlässlich der anstehenden Ratifikation dieses Vertrages getan hat – und sagen: Die Ratifikation eines solchen Vertrages ist verfassungswidrig, weil er sich eben über die kulturelle und sprachliche Identität hinwegsetzt. Das hat glücklicherweise bisher für Deutschland noch niemand getan, auch explorativ nicht. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass dieser Vertrag auf die sogenannten autochthonen Minderheiten beschränkt ist und damit ein für die Bundesrepublik relativ randständiges Problem betrifft, das wenig politische und rechtliche Sprengkraft für unsere Rechtsordnung hat. Was nicht heißen soll, dass unsere Art des Umgangs mit diesem Problem richtig wäre, aber jedenfalls ist der Vertrag insofern für die Bundesrepublik wenig dramatisch. Ich glaube aber gleichwohl, dass wir die Erfahrungen, die dahinter stecken, zu wenig zur Kenntnis nehmen. Die Instrumente des Minderheitenschutzes, des Schutzes der autochthonen Minderheiten, sind ein hochinteressantes Laboratorium des Umgangs mit sprachlicher Vielfalt, zum Teil mit sehr langer Tradition in anderen europäischen Staaten. Herr Kahl hat selbst demonstriert, die eigentliche Brisanz der Frage für uns liegt im Umgang mit „neuen“ Minderheiten. Man kann das eine nicht auf das andere übertragen, aber zumindest bestimmte Erfahrungen lassen sich daraus verallgemeinern. Der eine Punkt, auf den ich zentral hinweisen möchte, das ist der Zielkonflikt, der sich da eröffnet. Wir können an der Einsprachlichkeit als normativen Postulat festhalten. Wir geben damit aber implizit andere verfassungsrechtliche Leitbilder auf, da möchte ich Herrn Kahl ausdrücklich widersprechen, nämlich verfassungsrechtliche Leitbilder wie soziale Inklusion, sprachliche und kulturelle Kohäsion einer Gesellschaft. Das können Sie ganz unmittelbar in der Auseinandersetzung über den richtigen Umgang mit Migranten und deren Integration erleben – und da halte ich auch schlicht und einfach die Interpretation der soziologischen

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Befunde von Herrn Kahl für falsch. Wenn Sie sich etwa die PISA -Ergebnisse ansehen mit ihrem hohen Befund der sozialen Selektivität des deutschen Bildungssystems, das hängt gerade auch mit der traditionell sehr unreflektierten Politik der Einsprachigkeit der Beschulung zusammen. Wenn Sie sich im Umgang mit diesem Problem die internationalen Erfahrungen ansehen, dann zeigt es sich, dass Sie mit Kindern, die die (in der Schule gelehrte) Standardsprache nicht als Muttersprache sprechen, ein enormes soziales Problempotential an den Hals hängen, wenn Sie die einfach simpel einsprachlich beschulen im Sinne der Mehrheitssprache, ohne ergänzende Hilfestellungen zur Kompensation der sprachlichen Defizite. Sie werden des Problems nur Herr mit maßgeschneiderten bilingualen Schulmodellen, in denen Sie in der Muttersprache alphabetisieren, aber an die Mehrheitssprache heranführen. Das Ganze – damit bin ich auch am Ende – war eigentlich als Warnhinweis gemeint – als Warnhinweis über die Risiken und Nebenwirkungen der Verfassungspolitik, die aus meiner Sicht Herr Kahl hier formuliert hatte. Risiken und Nebenwirkungen, die letztlich zu dem Befund führen: Das absehbare Scheitern einer so konzipierten schulischen Integration der Bevölkerung wird auf mittlere Sicht die Frage der Emigrantensprache als Amtssprache nur so sicherer auftreten lassen, als Folgewirkung des Unterlassens einer sachangemessenen Reaktion im Schulbereich. Marko: Ich möchte zu Herrn Schweizer nur eine Bemerkung machen und danach zu Herrn Kahl. Bei der These 14 von Herrn Schweizer ist doch ein Fragezeichen anzubringen. Sie haben – zu Recht natürlich – die Konventionen des Europarates angesprochen, aber dann festgestellt, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte der entscheidende Schritt wäre. Das würde ich aber genau umgekehrt sehen. Mangels einer ausdrücklichen Minderheitenschutzbestimmung oder auch eigener sprachenrechtlicher Bestimmungen in der EMRK ist diese Rechtsprechung insgesamt sehr restriktiv geblieben. Zwar wurden in den Urteilen United Communist Party v. Turkey (1998), Sidiropoulos v. Greece (1998), Stankov and Ilinden v. Bulgaria (2001) zu Artikel 11 EMRK und in den Roma betreffenden Fällen zu Artikel 8 EMRK (Buckley, Chapman und Connors) herausgearbeitet, dass die Beschränkung der Vereins- und Versammlungsfreiheit zur Bewahrung und Förderung einer ethnischen Identität von den nationalen Behörden in „unverhältnismäßiger Weise“ eingeschränkt wurde, weil selbst der Aufruf zur Sezession bei einer Demonstration „in einer demokratischen Gesellschaft“ nicht automatisch eine Bedrohung der nationalen Sicherheit darstellt (Stankov). Demokratie – so der Gerichtshof – bedeutet Dialog und Pluralismus. In diesem Sinne führt der

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Gerichtshof in Chapman aus, gehört zum Schutzbereich des Artikel 8, des Rechts auf Achtung des Privatlebens, auch die ethnische Identität und Lebensform, aber nicht nur um „die Interessen der Minderheiten selbst, sondern um auch die kulturelle Vielfalt als Wert für die gesamte Gemeinschaft zu schützen.“ Daher folge aus Artikel 8 sogar die Pflicht des Staates, die Lebensform der Roma zu fördern. Im Fall Gorzelik v. Poland ist der EGMR dann jedoch wieder zwei Schritte zurück gegangen, indem er es den Staaten überlässt, „eine bestimmte Konzeption von Minderheit oder ein Verfahren zur offiziellen Anerkennung“ in der Gesetzgebung zu verankern, was jedoch dem Artikel 3 der Rahmenkonvention zum Schutz der nationalen Minderheiten nicht entspricht. Im Ergebnis ist mit der Rechtsprechung des EGMR zwar verfassungsrechtlichen Traditionen wie in Frankreich, Griechenland und der Türkei, die die Existenz von Minderheiten überhaupt ablehnen, eine Absage erteilt, insofern sich auch in diesen Ländern die angesprochenen individuellen Grundrechte des Schutzes des Privatlebens, der Meinungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit unter bestimmten faktischen Voraussetzungen (d. h. es darf kein Aufruf zur Gewalt damit verbunden sein) für den Schutz von ethnischen Minderheiten fruchtbar machen lassen, aber eben nur indirekt. Mit dem Regelungssystem der EMRK ist ein effektiver Schutz vor Assimilation jedoch nicht möglich. Demgegenüber glaube ich aber, dass gerade die Rahmenkonvention zum Schutz der nationalen Minderheiten und die Tätigkeit des Advisory Committee einen entscheidenen Fortschritt bringen. Mit den Opinions des Advisory Committee, die zu den Staatenberichten mittlerweile von mehr als 40 Mitgliedsstaaten des Europarates veröffentlicht worden sind, entwickelt sich so etwas wie ein europäischer Standard im Minderheitenschutz, der weit über die Rechtsprechung des EGMR hinausgeht und den man durchaus als völkerrechtliches „soft law“ bezeichnen kann. Gerade unser Kollege Hoffmann, der bis vor kurzem Präsident des Advisory Committee gewesen ist, hat ja einen entscheidenden Anteil daran genommen, dass hier eine Entwicklung stattfindet, die man sehr viel stärker hervorheben müsste. So ist es durch die Tätigkeit des Advisory Committee gelungen, viele der vagen Bestimmungen der Rahmenkonvention zu präzisieren und durch die Bewertungen der Staatenpraxis auch „Standards“ zu entwickeln. Andererseits wurde der Begriff der „nationalen Minderheit“, für den es ja auch in der Konvention selbst keine Definition gibt, sehr flexibel gehandhabt und auch für „neue Minderheiten“, die aus der Migration entstehen, zum Teil fruchtbar gemacht. Gerade im Gegensatz zum Urteil des EGMR im Fall Gorzelik hat das Advisory Committee – in Interpretation des Artikel 3 – aber den Staaten auch die völlige Diskretion entzogen, festzulegen, welche

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Gruppe sich als „nationale Minderheit“ bezeichnen darf. Die Implementierung der Rahmenkonvention lässt zwar auch nach Meinung des Advisory Committee den Staaten einen Beurteilungsspielraum um die besonderen Umstände des Landes zu berücksichtigen, doch dürfen keine willkürlichen Unterscheidungen zwischen Gruppen getroffen werden. Dies wird – vom Advisory Committee überprüft – als Verletzung des Artikel 3 gerügt. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal eine Warntafel aufstellen, weil Sie hier auf die Begriffe individuelle und kollektive Rechte eingehen. Ich glaube, dass das eine „falsche“, weil nur ideologisch begründete – Dichotomie ist. Ein Vergleich verschiedener Minderheitenbestimmungen auf internationaler und nationaler Ebene zeigt vielmehr, dass es – wie ich es nenne – zumindest drei Stufen des Gruppenbezugs gibt. Selbst individualrechtlich formulierte Bestimmungen wie Artikel 27 des Internationalen Paktes über die bürgerlichen und politischen Rechte weisen einen Gruppenbezug auf, wenn sie davon ausgehen, dass die Ausübung dieser Rechte nur einen Sinn macht, wenn dies zusammen mit anderen erfolgen kann. Insofern ist die rechtsstrukturelle Voraussetzung der faktischen Existenz einer Gruppe die erste Stufe eines Gruppenbezugs. Die zweite Stufe ist gegeben, wenn die Gruppe selbst Schutzobjekt der Norm wird, wie dies beispielsweise in Österreich in Artikel 8 Absatz 2 B-VG in Form einer Staatszielbestimmung verankert ist. Damit ist natürlich auch schon das Problem angesprochen: Wer kann sich darauf berufen, wie kann das gerichtlich durchgesetzt werden? Erst wenn dies durch „kollektive“ oder „Gruppengrundrechte“ im engeren Sinn gegeben ist, wo also die Gruppe selbst zum subjektiven Rechtsträger und damit auch klagelegitimiert wird, ist die dritte Stufe des Gruppenbezugs erreicht, wie sie dies beispielhaft in der slowenischen Verfassung in Artikel 64 finden. Zu Herrn Kahl möchte ich nur ein Wort sagen: „Vorbild“ Österreich mit Artikel 8 Abs. 1 der Bundesverfassung – also Deutsch als Staatssprache – da hätte ich so mein historisches Bauchweh und darauf ist auch schon von meinem Vorredner Stefan Oeter hingewiesen worden, welche problematische Konzeption hier mit dem Begriff der Kulturnation dahintersteht. Ich möchte Sie daher wirklich fragen, sehen Sie das nicht zu sehr aus der deutschen Perspektive? Müssten wir in Europa nicht vielmehr die „kulturelle Vielfalt“ als europäischen Wert viel ernster nehmen und darauf auch eine „europäische Identität“ aufbauen, die sich nicht auf die Ausschließlichkeit eines Kulturnationskonzepts stützten kann, wie Sie es vertreten? Im Gegensatz zur ethnischen Exklusivität aller Kulturnationskonzepte, der Formel „eine Sprache – ein Volk – ein Staat“, der wohl auch das Bundesverfassungsgericht in seinem

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Maastricht-Urteil anhängt und mit der es sogar die Möglichkeit der politischen Finalität Europas zu verneinen können glaubt, müssten vielmehr Inklusion und die Möglichkeit multipler Identitäten rechtlich institutionalisiert werden, zu denen auch eine funktionale Mehrsprachigkeit gehört. Warum ist es, wenn sie die Praxis von Ländern wie die Niederlande, Belgien oder Luxemburg in Betracht ziehen „undenkbar“, dass wir in Europa im Zeitalter der Globalisierung und der europäischen Integration nicht von einer funktionalen Dreisprachigkeit ausgehen müssen, dass wir eben die Muttersprache, eine universale Verkehrssprache und auf der regionalen Ebene die Sprache eines Nachbarlandes lernen sollten – angesichts der Osterweiterung der Europäischen Union vielleicht sogar eine slawische? Hier in der Paulskirche ist es daher wohl angebracht, in diesem Sinne abschließend an eine Passage des Briefes zu erinnern, den Franz Palacky 1848 dem Fünfziger Ausschuss zugesandt hat. Unter Berufung auf die Multiethnizität Mittel- und Südosteuropas richtete er den Delegierten in Frankfurt aus, warum eine „Großdeutsche Lösung“ für ihn nicht in Frage kommt: „Wahrlich, existirte der österreichische Kaiserstaat nicht schon längst, man müsste im Interesse Europas, im Interesse der Humanität selbst sich beeilen, ihn zu schaffen.“ Vorsitzender: Vielen Dank. Herr Murswiek, Sie haben sich zwar dazwischengedrängt, aber Sie passen jetzt nur an dieser Stelle. Murswiek: Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Das passt jetzt gut rein, weil ich sowohl zu Herrn Meyer als auch zu Herrn Oeter etwas sagen möchte. Begriff der Identität, Herr Meyer. Klar, alle Menschen sind verschieden, also können sie nicht identisch sein. Aber der Begriff wird natürlich als Kürzel verwendet, und zwar nicht nur von irgendwelchen abgehobenen Wissenschaftlern, sondern zum Beispiel auch vom EU -Vertrag, wo ja nicht nur von der Identität Europas und der Europäischen Union, sondern auch von der nationalen Identität der Mitgliedstaaten die Rede ist, die gewahrt werden soll im Prozess der Integration. Und was ist damit gemeint? Es ist doch das, was die Menschen der jeweiligen Gruppe verbindet, bewusstseinsmäßig verbindet, was sie in ihrem Bewusstsein zu einer Gruppe macht. Und dass im Nationalstaat die Sprache das Zentrum der Identitätsbildung ist, lässt sich, glaube ich, kaum hinwegreden. Wo wir keinen Nationalstaat haben, in Staaten wie der Schweiz, die mehrsprachig sind, auch da spielt Sprache als Medium der Identitätsbildung eine große Rolle, nur, dass es dann eben die Identität der Gruppen ist innerhalb dieses Staates, während im Staat selbst das gesamtstaatliche Bewusstsein identitätsbildend wirkt. Dazu gehört eben auch das

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Bewusstsein der Mehrsprachlichkeit; das impliziert die gleichberechtigte Anerkennung der verschiedenen Sprachen, also den Verzicht, eine Sprachgruppendominanz über die anderen zu gewinnen. Und von daher komme ich zu dem, was Herr Oeter gesagt hat. Ich glaube, es ist ganz falsch, einen Gegensatz aufzubauen zwischen den Positionen, die von Herrn Schweizer und von Herrn Kahl vertreten worden sind. Die beiden Referate haben sich meines Erachtens in hervorragender Weise ergänzt. Sie sind nicht konträr, sondern komplementär. Herr Schweizer hat den Akzent gelegt auf die Situation von Staaten mit mehrsprachiger Bevölkerung mit der Schweiz als Modellfall. Bei Herrn Kahl hat eher unsere Situation in Deutschland im Vordergrund gestanden. Deutschland ist eben als Nationalstaat der durch die deutsche Sprache geprägten Nation entstanden und auch vom Grundgesetz so verfasst worden. Die deutsche Sprache ist für den deutschen Staat Verfassungsvoraussetzung; sie ist vom Grundgesetz implizit geregelt als Staatssprache. Für das, was man als politische Einheitsbildung versteht oder was Smend oder Hesse Integration genannt haben, folgt daraus: Integration findet vor allem durch Sprache statt, durch gemeinsame Sprache. Deshalb ist mit Herrn Kahl zu fordern, dass die Kenntnis der deutschen Sprache Voraussetzung für die Einbürgerung neuer Staatsbürger ist. Denn die Kommunikation in dieser Sprache ist in Deutschland auch Demokratievoraussetzung. Mantl: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. Ein Thema ist nicht angeschnitten worden, das doch zur Sprache als Kultur- und Rechtsgut gehört: die Frage der Mündlichkeit im Verhältnis zur Schriftlichkeit. Die elektronische Revolution der letzten 15 Jahre hat den neuzeitlichen Siegeszug der Schriftlichkeit verstärkt. Dennoch glaube ich, dass gerade die Zunahme der Virtualität vieler Kontakte die unmittelbare Mündlichkeit als Komplementärerscheinung wichtiger erscheinen lässt, als meist angenommen wird. Ich meine damit das Face-to-FaceGegenübertreten von Menschen als sympathetische Affektbrücke, wie die Psychologen sagen. Unmittelbare Mündlichkeit erhöht die Plausibilität und Akzeptanz der Rechtsordnung. Dies ist für mich auch ein Argument für eine weiterhin flächendeckende Behördenorganisation, die sich nicht in völliger Virtualität auflösen kann, wobei selbstverständlich Änderungen der örtlichen und sachlichen Zuständigkeitsbereiche nicht ausgeschlossen sind. Die Mündlichkeit in ihrer Spontaneität ist auch ein wichtiger Demokratiefaktor. Es gibt ein kleines Zeugnis hierfür, das ist der parlamentarische Zwischenruf, der Inbegriff spontaner Mündlichkeit, der nicht pönalisiert ist, sondern sogar protokolliert wird und damit rechtlich anerkannt ist.

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Ein weiteres Thema sind sprachnationale Probleme. Dabei will ich nicht die komplexe Diskussion um den Identitätsbegriff durchforsten, sondern nur illustrative Beispiele aus Irland und Österreich bringen: Ich bin auf den EuGH -Fall Anita Groener aus dem Jahre 1989 gestoßen, als eine niederländische Designlehrerin an der Dublin School of Design eine Dauerplanstelle erhalten wollte, aber die erforderliche Gälischprüfung nach mehrmaligem Antritt und trotz großzügiger Hilfe nicht bestand. Frau Groener hat sich dann nach Luxemburg gewandt. Man nahm aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Gesamtintention an, dass sie Recht bekommen werde. Aber Irlands Verweigerung der Planstelle wurde vom EuGH als rechtens bestätigt. In den Ausführungen des Gerichtshofs findet sich geradezu ein Hohelied auf die sprachnationale Identität im Allgemeinen und Irlands im Besonderen. Und jetzt ganz kurz zu Österreich: Es gibt ein apokryphes Wort von Karl Kraus, das in seinen Schriften nicht belegt wird, aber immer wieder als sein Aphorismus zitiert wird und wahrscheinlich im Zeitgeist der zwanziger/dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts entstanden ist, vielleicht auf Oscar Wilde zurückgehend (Verhältnis des britischen zum amerikanischen Englisch): „Der Österreicher unterscheidet sich vom Deutschen durch die gemeinsame Sprache“. Es gab sogar ein Preisausschreiben unserer Germanisten, ob jemand die Stelle entdecken könne. Es wurde nichts gefunden. Österreich versucht immer wieder, auch seine Spracheigentümlichkeiten als „differentia specifica“ ins Treffen zu führen, die aber – anders als im irischen Beispiel – keine wirklich tragende Identitätssäule bilden. Berühmt ist das Zusatzprotokoll anlässlich Österreichs EU -Beitritts 1994, in dem die Marille tapfer gegen die Aprikose in Position gebracht wurde, um Austriazismen zu retten, die übrigens überwiegend im Gastronomischen enthalten sind. Das ist ja auch ein Kulturbereich – für mich zumindest. Dennoch muss trotz dieser Anklänge an sprachnationale Identitätsstiftung gesagt werden, dass Österreich – wie übrigens auch die Schweiz – Willensnation ist, die sich jeweils partizipatorisch in Wahlen und Abstimmungen erneuert. Österreich und die Schweiz sind ein Beispiel dafür, dass es sehr belebende Sprachvarietäten gibt, die jedoch der Einheitsbildung im politischen Prozess der Demokratie und der daraus hervorgehenden Rechtsordnung bedürfen. Gleichsam „naturwüchsige“ Homogenitätsfiktionen verbieten sich. Gröschner: Die Laienspielschar der Kultusministerkonferenz ist zurückgekehrt auf die Probebühne des politischen Provinztheaters. Sie probt dort ein Stück mit dem Titel „Rechtschreibreform – der Tragikkomödie zweiter Teil“. Wirklich komisch daran ist, dass das Stück ausschließlich

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für Schüler und Lehrer geschrieben wurde, sich nun aber auch sogenannte Hochschüler und Hochschullehrer davon angesprochen fühlen, ja sogar selbst mitspielen wollen. Nicht mehr komisch finde ich es, wenn darunter gestandene Staatsrechtslehrer sind, die den Unterschied zwischen Schule und Hochschule – präziser: Universität – offenbar nicht mehr wahrhaben wollen und an jener Nivellierung nach unten mitwirken, die wir allenthalben beobachten. Wir beobachten sie auch bei Verlagen, die in sogenannter neuer Rechtschreibung publizieren, teilweise gegen den Willen des Autors. Welch eine Terminologie: „Neue“ Rechtschreibung! „Orthographie“ sagt’s im Griechischen doch genauso deutlich wie „Rechtschreibung“ im Deutschen: Es geht um „richtig“ oder „falsch“, nicht um „alt“ oder „neu“. Es gab auch in der alten Rechtschreibung grammatisch falsche Schreibungen, es gibt in der neuen aber deutlich mehr davon. Als Wissenschaftler sollten wir, und das ist der Bezug zum gestrigen Thema, autonom – mehr oder weniger systemtheoretisch fundiert in unserem eigengesetzlichen Wissenschaftssystem – entscheiden, was wir für richtig oder falsch halten. Das liegt für unsere Rechtswissenschaft selbstverständlich im Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3, nicht in demjenigen des Art. 7 Abs. 1 GG . Für den Bereich der Schule ist das bekanntlich entschieden. Ich halte die Entscheidung BVerfGE 98, 218 für die klassischste – bewusst im Superlativ gebraucht – petitio principii, die sich das Gericht je geleistet hat; gleichwohl ist die Entscheidung in Bindungswirkung erwachsen. § 31 BVerfGG bindet jedoch nur bezogen auf die tragenden Gründe, selbstverständlich nicht bezogen auf eine Prognose, wie sich die Schulorthographie in der Gesellschaft entwickeln wird. Schon prinzipiell bindet diese Prognose nicht, abgesehen davon ist sie evidentermaßen nicht wahr geworden. Der erhoffte Vorbildeffekt der Orthographiereform hat sich in der Schreibgemeinschaft einfach nicht eingestellt. Wir kompetenten Schreiberinnen und Schreiber haben immer noch die Kraft der Unterscheidung zwischen richtig und falsch. Wie schön! Bezug zum heutigen Thema, zum Bericht von Herrn Kahl, dem ich emphatisch zustimmen möchte zu seiner Schreibweise des „Deutschen“ in Leitsatz 15. Denn im GVG und im VwVfG hat der Gesetzgeber „deutsch“ kleingeschrieben. Es heißt dort, die Gerichtssprache beziehungsweise die Amtssprache „ist deutsch“, so als sei dies die Satzaussage wie in den Sätzen „sie ist hölzern“ oder „sie ist schwer verständlich“. Das lässt sich von der Amtssprache vielleicht sagen. In § 23 Abs. 1 VwVfG ist Deutsch dagegen Satzgegenstand, muss also zwingend großgeschrieben werden. Ich hoffe, Herr Kahl sagt mir nicht, er habe es nach neuer Rechtschreibung, die im Zweifel groß schreibt, so formuliert. Was die Bindungswirkung betrifft, so gibt es eine zweite Runde der Auseinan-

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dersetzung. Der Beschluss des OVG Lüneburg wird auch zu einer Entscheidung in der Hauptsache führen, jedenfalls bemühe ich mich gegenwärtig darum, damit das Laienspiel der KMK nicht doch noch zur Tragödie wird. Letzter Satz: Bernd Rüthers hat uns Juristen aufgefordert, die Entwicklung nicht – Zitat – „ein zweites Mal zu verschlafen“. Herr Rüthers hat recht und da ich „Recht“ hier nicht substantivisch, sondern adverbial gebraucht habe, hätte ich es in der Druckfassung gern kleingeschrieben und die Regieanweisung „kleingeschrieben“ gern zusammengeschrieben. Danke. Vorsitzender: Dankeschön, dafür können Sie ja bei der Korrektur der Druckfahnen selbst Sorge tragen, falls Herr Hufen, der ein Anhänger der neuen Rechtschreibung ist, Sie nicht korrigiert. Ich habe jetzt – Scherz beiseite – Herrn von Coelln und dann Herrn Meßerschmidt. Von Coelln: Ich kann anknüpfen an Herrn Gröschner und habe zwei kurze Fragen zu dem Beitrag von Herrn Kahl. Die kritischen Situationen, in denen die neue Rechtschreibung relevant wird, sind ja in erster Linie die Schule und die Universität. Daher meine erste Frage, die sich auf den Maßstab bezieht, an dem der mögliche Grundrechtsschutz eines Betroffenen sich dann zu orientieren hat. Inwiefern ist denn hier nicht der Artikel 12 GG auch so relevant, dass man ihn jedenfalls nicht vollkommen ausblenden kann? Möglicherweise für den Schüler, dem der Abschluss versagt wird wegen vermeintlich falscher Rechtschreibung, jedenfalls aber für den Germanistikstudenten, der sein Studium nicht beenden kann wegen einer vermeintlich zu großen Zahl von Rechtschreibfehlern. Das eine zum Prüfungsmaßstab, das zweite betrifft ebenfalls die Frage der Regelungsbedürftigkeit. Sie haben gesagt, das ist nicht mit einem speziellen Gesetz regelbedürftig, sondern es reichen die Schulgesetze der Länder, dass es hier nur um die inhaltliche Ausfüllung des Lehrplans geht. Ist es denn aber nicht etwas anderes, ob ich beispielsweise festlege, dass der Biologieunterricht nun von der achten in die neunte Klasse verlegt wird oder ob ich etwas, was sich zum damaligen Zeitpunkt und offenbar – jedenfalls aus der Sicht des OVG Lüneburg – auch heute noch als Kunstgebilde, als fiktiver Gegenstand herausstellt, ob ich den zum verbindlichen Lehrinhalt an Schulen mache? Ich nenne nur die Getrennt- und Zusammenschreibung, da sind sprachliche Differenzierungsmöglichkeiten verloren gegangen, wir alle kennen die Beispiele mit dem „viel versprechenden“ oder mit dem „vielversprechenden“ Bewerber etc. etc. Ist das nicht eine noch qualitativ andere Situation als das, was man normalerweise unter Ausfüllung des Lehrplans versteht? Sie haben selber gesagt, diese Gegenstände unterliegen

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dem begrenzten Zugriff des Staates. Wo endet dieser begrenzte Zugriff? Wäre, was sprachwissenschaftlich ja auch schon diskutiert worden ist, auch die komplette Abschaffung der Großschreibung da noch mit in begriffen und stellt sich – damit komme ich zum Schluss – vor diesem Hintergrund nicht die Frage, ob es nicht doch einer formell-gesetzlichen Regelung, jedenfalls aber unter dem Gesichtspunkt des Parlamentsvorbehalts einer parlamentarischen Befassung mit diesen Themen bedarf? Meßerschmidt: Erlauben Sie mir einen persönlichen Einstieg. Wenn man in Frankfurt lebt und zwei Jahre in Lettland zugebracht hat, dann empfindet man das „Kulturgut Sprache“, den Beratungsgegenstand des heutigen Nachmittags, als besonders wichtig. Lettland weist eine Titularnation auf, die knapp über 50 Prozent der Gesamtbevölkerung darstellt. In Frankfurt – ich übertreibe nur wenig – bewegen wir uns auf dem Weg dorthin, wer etwa im Ramada-Hotel übernachtet hat, weiß, dass in ganzen Stadtgebieten eher schon die 10-Prozent-Klausel für den deutschen Bevölkerungsanteil gilt. Nun ergibt sich aus diesen beiden Situationen in beiden Ländern eine nicht von der Hand zu weisende Sorge um die kulturelle und sprachliche Identität. Lettland beschreitet hierbei, dies haben dankenswerterweise Herr Schweizer und Herr Tomuschat in der Diskussion bereits angedeutet, einen problematischen Weg. In Stichworten: Ein restriktives Staatsbürgerschaftsrecht, die Zurückdrängung der russischen Minderheitssprache aus dem öffentlichen Raum, aus den elektronischen Medien und aus der Schule. Dies hat auch schon die europäischen Institutionen befasst, dies ist bereits erwähnt worden. Ich möchte dazu noch ein persönliches Erleben wiedergeben. Eine meiner besten Studentinnen fragte mich, als ich sie als Hilfskraft einstellen wollte, welchen Namen sie denn im Vertrag angeben sollte. Da ich sie nicht für überspannt hielt, dachte ich, sie hat doch keinen Künstlernamen und als ich sie darauf ansprach, erklärte sie mir etwas, was ich vielleicht hätte wissen sollen, wenn ich mich besser auf meinen Aufenthalt dort vorbereitet hätte, dass in Lettland der Eigenname in der Staatssprache gebraucht werden muss. Frau Mentzen bzw. Mencene, deren Fall später die Straßburger Richter beschäftigt hat, habe ich erst später kennen gelernt. Persönlich war ich dann auch noch vom Sprachenstreit betroffen, weil ein kleines Lehrbuch, das ich verfasst habe, plangemäß ins Lettische übersetzt wurde, aber die versprochene Übersetzung ins Russische auf der Strecke geblieben ist – angeblich liegt es zu 90 Prozent vor, und das schon seit über einem Jahr. Soviel zur Lage in Lettland, die Lage in Deutschland brauche ich Ihnen nicht zu schildern. Und nun komme ich aus diesem subjektiven Ansatz vielleicht, so hoffe ich, zu einer etwas analytischeren Bewertung, weshalb ich dann hier von autochthonen und

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emigrierten Minderheiten spreche. Ich glaube, es zeigt sich im Umgang mit diesen Minderheitsproblemen eine gewisse Doppelmoral. Anhänger der multikulturellen Gesellschaft in Deutschland haben sehr oft die Äußerung getan, es sei doch wirklich ein Problem, dass es in Lettland so viele Russen gäbe. Man verstehe ja die Letten, dass sie das irgendwie in den Griff bekommen müssten. Ein nichtdeutscher, nichtlettischer Direktor der Institution, an der ich gearbeitet habe, vertrat sogar die Auffassung, man müsse die Zahl der Russen reduzieren, dann könnte man ihnen demokratische Rechte gewähren. Äußerungen, die wir in Deutschland nicht wagen und die ich auch wirklich zurückweise. Herr Murswiek hat gemeint, eigentlich passen die Positionen von Herrn Schweizer und Herrn Kahl zusammen. Ich selbst bin für mehr Minderheitenschutz in Lettland, und ich bin für mehr Integration auch mit verpflichtenden Mitteln in Deutschland. Lassen Sie mich das noch ganz kurz erklären, denn damit komme ich zur autochthonen und zur emigrierten Minderheit. In Lettland haben wir eine emigrierte Minderheit, aber auch eine alte Minderheit seit 200 Jahren. Dies ist eine klassische Minderheit, weil sie von der typischen Situation des Entstehens von Minderheitsproblemen erfasst war, nämlich dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Die hatten nie das Bewusstsein auszuwandern in ein anderes Land. In Deutschland haben wir typische neue Minderheiten, und ich will anregen, dass man hier stärker den Gedanken des Vertrauensschutzes berücksichtigt. Denn wer nach Deutschland kommt, weiß, er geht ins Ausland und er muss sich auf die neue Sprache einstellen und das sollte man jetzt nicht mit den Situationen der alten Minderheiten verwechseln. Allerdings auch nicht mit der Zwischensituation in Lettland. Kotzur: Auch wenn es angesichts der vielleicht „komplementären Kontrapunkte“ der beiden Referate sehr reizvoll wäre, die bisherige Diskussion fortzuführen, erlauben Sie mir, auf ein Thema zu kommen, das bisher in den Referaten nicht angeklungen ist: die sprachliche Verantwortung und die sprachliche Gestaltungsmacht der Dritten Gewalt. In St. Gallen ist eine diesbezügliche Tagung für Ende Oktober seit langem geplant, aber vielleicht kann ich Herrn Schweizer trotzdem heute schon einen Vorabkommentar dazu entlocken, Herrn Kahl ebenfalls. Im Wort Rechtsprechung finden Sprache und Recht schon begrifflich zusammen. Die Spruchspraxis der Gerichte ist gewiss auch deren Sprachpraxis. Der Anspruch auf rechtliches Gehör liefe vollkommen ins Leere, würde ihm nicht ein „Anspruch auf rechtliche Antwort“ wenigstens in gewisser Weise korrespondieren – eine Antwort, die der Bürger, die der Rechtsschutzsuchende verstehen kann, die ihm transparent und einsehbar ist,

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die ihm wenigstens durch seinen Anwalt übersetzbar ist. Insofern ist den Gerichten unglaubliche „Sprachgewalt“ gegeben. Herr Kahl hat das Thema angesichts der Sprachproblematik bei EuGH -Entscheidungen angesprochen, aber es gibt hier auch andere, sehr subtile Probleme, wie nämlich durch die sprachliche Gestaltung von Urteilen Rationales und Emotionales vermengt werden kann, wie stark Richter in sprachliche Verantwortung zu nehmen sind. Gerade in der amerikanischen Theorie und Literatur finden sich sehr interessante Ansätze zu den narrativen Momenten in Gerichtsentscheidungen, vor allem in den Sachverhaltsdarstellungen. Ein Beispiel sind Urteile zur „affirmative action“: Wird der Rechtsschutzsuchende als ein sympathischer, liebenswürdiger, gesellschaftlich Unterdrückter dargestellt oder aber als ein gefährlicher potentieller Verbrecher, gar „Kinderschänder“ etc., vor dem die Gesellschaft bewahrt werden muss. Je nach Darstellung könnte ein und dieselbe Frage – beispielsweise nach der zulässigen „affirmative action“ – psychologisch gesehen ganz unterschiedlich beantwortet werden. Auch deutsche und europäische Gerichte sind von solchen emotionalen Momenten nicht ganz frei. Ich denke da an eine ganz aktuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Gewissensfreiheit eines Soldaten, der sich darauf berufen hat, ein Computerprogramm nicht weiter entwickeln zu wollen, weil der Irak-Krieg dadurch eventuell hätte unterstützt werden können. Auf 126 sehr ausführlichen Seiten nimmt das Bundesverwaltungsgericht zu dem Problem mit durchaus überraschenden Ergebnissen Stellung. Die Analyse des Urteils wäre vielleicht in sprachwissenschaftlicher noch interessanter als in rechtswissenschaftlicher Hinsicht. Sprachliche Aspekte der Urteilsgestaltung gilt es sowohl für den nationalen Rechtsstaat als auch für die europäische Rechtsgemeinschaft zu untersuchen. Ein Sprachversagen der Rechtsprechungsorgane hätte gravierende Folgen. Und der Rest wäre Schweigen. Kugelmann: Herr Schweizer, meine erste Frage richtet sich an Sie hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Sprache und Minderheitenschutz. Sie haben völlig zu Recht erläutert, dass der Minderheitenschutz immer stärker an die Sprache anknüpft, weniger an die ethnische Zugehörigkeit, also Sprache als konstituierendes Merkmal der Minderheit hervorhebt. Umgekehrt haben Sie den Minderheiten unabhängig von ihren Merkmalen pauschal Rechte eingeräumt. Meines Erachtens schießen Sie aber etwas über das Ziel hinaus, wenn Sie sagen, man muss Sprachgruppen ähnliche Rechte einräumen wie Minderheiten. Ich stimme Ihnen noch zu, dass man sagen kann, neue Minderheiten, also die Türken in Deutschland oder die Russen in Estland, haben ähnliche gruppenbezogene Rechte wie klassische nationale Minderheiten. Aber darüber

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hinaus jenseits eines individualrechtlichen Zugangs kollektive Rechte zu gewähren, also Gruppenrechte, zum Beispiel bei der Finanzierung einer Schule, möglicherweise auch den Spaniern in Deutschland oder den Polen in Österreich, das geht mir zu weit. Da glaube ich, gibt man den Betroffenen Steine statt Brot, weil die Regierungen dann eher noch zurückhaltender als bisher sein würden bei der Gewährung von Minderheitenrechten. Sie sehen es ja an dem Ratifikationsstand der Europäischen Charta für Regional- und Minderheitensprachen von 1992, die von deutlich weniger Staaten ratifiziert ist als das Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten, weshalb wir uns hinsichtlich der Sprache immer noch vorwiegend auf die Vorschriften des Rahmenübereinkommens stützen. Aber auch da ist es so, dass jeder Staat nur die Minderheiten fördern muss, die er selbst anerkennt. Wir sind ja schon froh, wenn das der Fall ist. Deshalb meine ich, dass Sie über das Ziel hinausschießen. Meine zweite Frage an Herrn Kahl betrifft einen ganz kleinen Punkt. Ich gebe Ihnen vollkommen Recht, es ist wünschenswert, wenn Ausländer, die in der Bundesrepublik Deutschland einen ausländerrechtlichen Status begehren, die deutsche Sprache beherrschen, wenn sie Integrationskurse machen und auch machen müssen. Aber es wird dann problematisch, wenn das Bestehen des Integrationskurses oder die Teilnahme Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis ist, wenn also die Versagung einer Genehmigung daran anknüpft, dass ein Ausländer nicht genug Deutsch kann. Könnte das möglicherweise, so meine Frage, im Hinblick auf die Sprachenfreiheit, die Sie mit Nachdruck und zu Recht mit dem Persönlichkeitsrecht verknüpft haben, Schwierigkeiten bereiten? Denn wir brauchen doch einen Rechtfertigungsgrund dafür, dass wir dem Ausländer sagen, Du kannst nicht genug Deutsch, also sprich Deine Sprache, aber bitte zu Hause. Wenn also die Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis versagt wird, brauchen wir dann nicht einen Rechtfertigungsgrund, der im Einzelfall möglicherweise nicht vorhanden sein könnte, so dass die Sprachenfreiheit einer derartigen Entscheidung deutscher Staatsgewalt entgegenstehen kann? Germann: Beide Referenten haben zu Recht den gemeinsamen Ausgangspunkt gesucht in dem Zusammenhang zwischen Sprache und Persönlichkeitsrecht. Eine wichtige Folge davon hat Herr Kahl in seiner 7. These benannt: Der Zugriff des Staates auf die Sprache ist grundrechtsrelevant und rechtfertigungsbedürftig. Ein Brennpunkt dafür ist die öffentliche Schule. Dabei sollten wir eins noch in den Blick nehmen: Es ist ja nicht in erster Linie so etwas wie die Rechtschreibreform (ich zögere jetzt bei dem Wort Reform – heute morgen ist ja Sorgfalt mit

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dem Begriff Reform angemahnt worden – also sage ich lieber: Rechtschreibdekrete) – es ist also nicht zuerst so eine Maßnahme wie die, dass neue Regeln aufgestellt werden, als Grundrechtseingriff zu beschreiben. Sondern dem Zugriff des Staates auf die Sprache liegt ja ein anderer Zugriff hier zugrunde, nämlich der Erziehungsanspruch des Staates. Das ist doch der erste Schritt. Aus guten Gründen nimmt der Staat die Erziehung in Anspruch: Es geht um Integration in die Gesellschaft. Es geht hier um Integration in die Sprachgemeinschaft. Aber der Zugriff des Staates darauf ist nicht naturgegeben, sondern als eine Intervention des Staates in die Eigengesetzlichkeit der Sprachgemeinschaft zu erkennen. Und daraus folgt, dass der staatliche Zugriff auf die Sprache, hier im Wege der Erziehung, erkannt werden muss als etwas, was das in der Gesellschaft persönlichkeitsbildend Wirkende verdrängt oder dominiert. Deshalb ist dieser Zugriff rechtfertigungsbedürftig. Damit ergibt sich ein Zusammenhang zu gestern. Diese Rechtfertigungslast nämlich ist von Herrn Huster verkannt worden, indem er die Erziehung ganz der Politik überantwortet hat, also die Entscheidung darüber, wozu der Staat erzieht. Dort ging es um religiöse Erziehung, hier geht es um Spracherziehung. Beide sind Aspekte der kulturellen Identität. Beide betreffen deshalb das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Die Rechtfertigung dieses Zugriffs ist an Bedingungen gebunden. Der Zugriff muss seinem Zweck, also den guten Gründen für staatliche Erziehung entsprechen. Er muss also gerichtet sein auf die Erziehung zur Kommunikationsfähigkeit in der Gesellschaft. Er muss darauf Rücksicht nehmen und muss Anschluss finden an das, was in der Gesellschaft, in der Sprachgemeinschaft wirksam ist. Daraus ergeben sich Grenzen des Erziehungsanspruchs und auch Anforderungen an seine inhaltliche Gestaltung. Ein Beispiel dafür ist die Rechtschreibung, ich nenne sie noch einmal. Ja, es gehört zum Erziehungsanspruch des Staates, Normen der Sprachgemeinschaft zu transportieren. Aber es gehört nicht zu seinem Erziehungsauftrag, gegen die Sprachgemeinschaft Normen zu dekretieren. Sie finden das unerheblich, ich bin da anderer Meinung – eher der Meinung von Vicco von Bülow: „Die Rechtschreibreform ist überhaupt kein Problem für Leute, die nicht lesen und nicht schreiben können.“ Für Schüler aber doch. Ein anderes Beispiel: Fremdsprachen. Dass es Fremdsprachenerziehung in der Schule gibt – auch das ist ein Aspekt der Kommunikationsfähigkeit, und hier ist Vielfalt geboten. Ich denke daran, dass es Leute gibt, die etwa grundständiges Latein für wichtig und wertvoll halten. Da mögen die Meinungen geteilt sein. Es gibt eben Vielfalt in der Gesellschaft, und der Erziehungsanspruch des Staates muss diese Vielfalt aufgreifen. In der Landesverfassung von Sachsen-Anhalt ist das auch so festgeschrieben. Die Realität sieht etwas anders aus: Mo-

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nokultur des Englischen; da wird schon in der dritten Klasse mit einem angelsächsischen Idiom angefangen, Angelsächsisch mit der Betonung auf dem zweiten Teil dieses Wortes. Biaggini: Erlauben Sie mir eine kurze Bemerkung und zwei Fragen aus Schweizer Sicht. Die Bemerkung bezieht sich auf beide Referate. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass der Ausgangspunkt beider Referenten die menschenrechtliche Dimension und speziell das Grundrecht der Sprachenfreiheit war. Die erste Frage bezieht sich auf Herrn Kahl und seine These 15. Ihr Vorschlag lautet, Deutsch als „Staatssprache“ im Grundgesetz zu verankern. Dass man in Österreich mit einer vergleichbaren Bestimmung nicht sehr glücklich ist, haben wir gehört. Auch die anderen Verfassungen, die im Vortrag nicht einzeln genannt wurden, müsste man sehr exakt daraufhin untersuchen, ob sie als Vorbild taugen. Ich glaube, die Verfassungsvergleichung könnte generell im Bereich des Sprachenverfassungsrechts einigen Aufschluss geben und ein Warnschild sein vor allzu großen Illusionen. Meine Frage: Ich habe nichts dagegen einzuwenden, wenn in der Verfassung etwas über Sprache steht, aber muss es gerade der besitzergreifende Begriff „Staatssprache“ sein? Warum nicht sagen, wie es in These 16 anklingt: Deutsch ist Amts-, Schul- und Gerichtssprache? Oder meinetwegen an die These 14 (Stichwort Kulturnation) anknüpfend: Deutsch ist die Nationalsprache. Warum muss es gerade die „Staatssprache“ sein? Die zweite Frage bezieht sich auf die These 35 und das Thema „Sprachloyalität“. Wenn ich richtig verstanden habe, fordern Sie – im Referat deutlicher als in der These – Sprachloyalität nicht nur von den Staatsbediensteten, sondern auch von den Bürgerinnen und Bürgern. (Kleine Randbemerkung: Hat das vielleicht zu tun mit der von Ihnen postulierten Aufwertung von Deutsch zur „Staatssprache“ im Grundgesetz?) Meine Frage: Steht diese Forderung nach Sprachloyalität nicht in einem diametralen Gegensatz zu Ihrem Ausgangspunkt – den Sie, – zu Recht, wie ich meine – bei der menschenrechtlichen Dimension, beim Grundrecht der Sprachenfreiheit genommen haben? Wie lässt sich das miteinander in Einklang bringen? Oppermann: Herr Vorsitzender, mir haben eigentlich beide Referate gut gefallen. Herr Schweizer, der ja seinen Namen mit Recht trägt, hat mit der warmen Toleranz eines Staates mit mehrsprachigem Regime gesprochen, und bei Herrn Kahl hat mir eben besonders seine wirklich exakte und eigentlich alle Probleme ansprechende Darstellung des EU -Sprachenregimes gefallen und dass sich dabei ein paar Worte mit einer gewissen Sympathie für unsere Muttersprache gefunden haben, also das

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hat mich auch nicht gestört. Ich will einmal sagen, wenn wir das nicht tun, wer soll das letztlich eigentlich noch tun. Meinerseits nur noch eine zusätzliche Bemerkung. Die Vielsprachigkeit in der Europäischen Union ist, glaube ich, einer der wesentlichen Gründe – nicht der einzige – weswegen die Europäische Union niemals ein Bundesstaat werden wird. Man kann zwar einen Bundesstaat machen wie in Kanada mit zwei Sprachen wie auch in der Schweiz mit vier Sprachen, mit einer immerhin etwas auch hervorstechenden Sprache dabei, aber ich halte es für unmöglich, einen Bundesstaat seinerzeit schon mit elf Amtssprachen zu machen, jetzt sind wir bei zwanzig und wenn wir demnächst also in den zweiten Europarat mit dreißig Mitgliedsstaaten übergehen, wird das noch schwieriger werden, um nicht zu sagen unmöglich. Aber auf der anderen Seite, die Europäische Union ist eben nicht eine beliebige völkerrechtliche Organisation bekanntermaßen, sondern sie ist, nennen wir es Staatenverbund oder nennen wir es Union, wie auch immer, sie hat etwas Staatsähnliches und das bringt auch das Sprachenregime sehr gut zum Ausdruck, nämlich insbesondere die absolut notwendige Regelung, dass die allgemeinen Amtssprachen, wo die Union mit dem Bürger verkehrt, alle Sprachen sein müssen. Ich lasse jetzt einmal die Minderheitensprachen beiseite, das ist ein besonderes Problem, aber es müssten, auch wenn wir dreißig Mitgliedsstaaten würden und 28 Nationalsprachen hätten, alle Amtssprachen sein, denn der Grieche in Penelopes, der muss sich also auch in seiner Sprache über die Agrarpolitik unterrichten können und so fort. Das ist eben der Unterschied zwischen der Europäischen Union und einer beliebigen völkerrechtlichen Organisation. Der Europarat, obwohl es da auch schon etwas anders aussieht, kommt im Prinzip noch mit zwei Sprachen, Englisch/Französisch aus, die Vereinten Nationen, ich glaube es sind vier, aber hier, weil wir uns in der Nähe des Staates befinden, muss also auch wirklich jede Nationalsprache zu ihrem Recht kommen. Vielen Dank. Streinz: Ich möchte eine Bemerkung zu Deutsch als Wissenschafts- und Amtssprache machen, wobei das Deutsche nur ein Beispiel ist. Denn dies gilt natürlich auch für andere Sprachen, das Italienische, das Französische, ja vielleicht alle anderen, außer dem Englischen und vielleicht auch für das Englische, wie es in England gesprochen wird, im Vergleich zu dem Englischen, wie es international gesprochen wird. Dass eine solche Behauptung der eigenen Sprache wichtig ist, zeigt sich doch, wie herausgearbeitet wurde, darin, dass Sprachen ein Machtfaktor, aber auch ein Kulturfaktor sind. Dass Sprachen ein Machtfaktor sind, zeigt sich in der Auseinandersetzung, welche Sprache in völkerrechtlichen Verträgen verbindlich sein soll und die Folgen daraus. Dies gilt auch für privat-

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rechtliche Verträge. Man kann viel Geld verlieren, wenn man einen Vertrag auf Englisch oder Spanisch abgeschlossen hat und dabei nicht so genau wusste, was ein bestimmter Begriff eigentlich bedeutet, und die vereinbarte dann die verbindliche Sprache ist. Zweitens: Sprache ist ein Kulturfaktor, die sprachliche Vielfalt ist ein Kulturfaktor. Herr Kahl hat dies bezogen auf Deutsch als Rechtswissenschaftssprache. Dies kann natürlich allein von der Profession her gerechtfertigt sein, und vielleicht ist es auch so, dass in anderen Wissenschaften das Feld schon geräumt ist und es allein nur noch um das Deutsche als Rechtswissenschaftssprache geht. Die Behauptung des Deutschen heißt nicht, dass wir nicht versuchen sollen, deutsches Recht in anderen Sprachen zu vermitteln. Das ist kein Gegensatz dazu, das ist ganz wichtig, und dass ich hier keinen Gegensatz sehe zeigt sich darin, dass ich mich gerne an solchen Programmen beteilige. Das Problem der Mehrsprachigkeit und der Reduktion der Mehrsprachigkeit in der Europäischen Union ist angesprochen worden. Es gibt gute Gründe dafür. Die Thematik ist noch in einer Dissertation an meinem Lehrstuhl in Bayreuth bearbeitet worden: Englisch, Französisch, Deutsch scheinen hier im Vordergrund zu stehen, angeblich gibt es dafür auch eine Anweisung, deren Originalfassung ich freilich nicht ermitteln konnte. Aber das wird wohl kaum so funktionieren. Man muss z. B. an Italienisch und Spanisch und man muss auch an die neuen Mitgliedsstaaten denken, hier insbesondere an Polnisch. Das heißt, man wird mit dieser Mehrsprachigkeit leben müssen, auch mit den entsprechenden Kosten. Ich denke aber, es gibt bedenklichere Zwecke, für die in der EU Geld ausgegeben wurde, als Übersetzer zu finanzieren. Für sehr richtig und wichtig halte ich auch, was Herr Oppermann gesagt hat. Wir müssen darauf bestehen, dass die europäischen Institutionen sich an ihr eigenes Sprachenregime beim Kontakt mit dem Bürger halten. Hierin liegt die Lösung. Zwei Ansätze noch zur Behauptung als Wissenschaftssprache und im politischen Bereich, und zwar Ansätze, die man verfolgen kann, ohne dass man rechtlich dazu verpflichtet ist. Herr Kahl hat sich auch dagegen ausgesprochen, wie in Frankreich und in Polen dies vorzuschreiben und dann auch noch strafrechtlich zu bewehren oder dergleichen. Manche Konferenzen in Deutschland zwischen Deutschen finden auf Englisch statt. Anderswo ist dies eigentlich kaum denkbar. In Frankreich nicht, in Polen nicht, in Katalonien nicht, da darf sicherlich Catalan nicht fehlen, vielleicht auch deshalb, weil die Katalanen nach der auch für sie geltenden spanischen Verfassung verpflichtet sind, Kastilisch zu beherrschen. Also: Konferenzen auf Englisch zwischen Deutschen in Deutschland, nein, das wird zu einer Verarmung führen. Es gibt, glaube ich, eine realistische Lösung für international besetzte Konferenzen. Übersetzungen sind oft zu teuer. Aber

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ich habe die Erfahrung gemacht, dass in gewissem Umfang und in gewisser Breite folgendes funktioniert: Jeder darf in seiner Sprache oder muss in seiner Sprache sprechen, und es wird erwartet, dass er die Sprache des jeweils anderen versteht. Ich glaube, das wäre eine praktikable Lösung. Zweitens: In internationalen oder supranationalen Organisationen sollen die jeweiligen Vertreter in ihrer Muttersprache sprechen, und sie müssen in ihrer Muttersprache sprechen. Anders machen das aus meiner Erfahrung heraus gelegentlich nur Deutsche und Österreicher. So gibt es einen Fall, dass ein deutscher Abgeordneter im Europäischen Parlament Französisch gesprochen hat. Das bringt ja keine Ersparnis, weil auch dies ins Deutsche übersetzt werden muss. Daraufhin reagierte ein sprachbewusster Däne empört, indem er sich entschloss, am Ende seiner Rede auf südjütländisch zu sprechen, wozu im Protokoll nur vermerkt war, dass sich das Folgende nicht übersetzen ließ. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Streinz. Jetzt haben wir als letztes Frau Schmahl, die bezweifelt, dass beim indirekten Vollzug des Unionsrechts Deutsch als Sprache verwendet werden muss, wenn ich das richtig verstanden habe. Schmahl: Ich habe eine Frage zur These Nr. 17 von Herrn Kahl. Dort, Herr Kahl, legen Sie dar, dass aus der nationalen Identität das Gebot zur Anwendung der nationalen Sprache als Amtssprache folge. Daher könne, so stellen Sie fest, auch vom ausländischen Bürger prinzipiell verlangt werden, dass er in deutscher Sprache mit deutschen Behörden und Gerichten kommuniziere. Nun meine Frage: Gilt dieser Grundsatz auch, wenn die deutschen Behörden EG -Recht durchführen oder sich sonst im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts befinden? Liegt dann nicht eine Verletzung des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbotes vor, wenn ein EU -Ausländer nur in Deutsch beschieden wird? Ich denke insoweit an den vom EuGH entschiedenen Fall Bickel, wobei sich diese Rechtssache freilich spezifisch auf Südtirol bezog, also auf eine Region, die ohnehin zweisprachig ist. Aber kann – und das ist wohl die relevante Frage – etwa ein Franzose, der in Deutschland von einer EG -Verordnung betroffen ist, sich in französischer Sprache gegen den auf dieser Verordnung ergangenen Verwaltungsakt wehren? Und kann er darüber hinaus erwarten, dass er von deutschen Behörden in Französisch beschieden wird? Das ist sicherlich eine Frage, die viele praktische Probleme aufwerfen wird, führt man sich vor Augen, dass die Europäische Union zwanzig verschiedene Vertrags- und Amtssprachen kennt. Zur rechtlichen Lösung könnte man vielleicht auf folgende Argumentation zurückgreifen: Sprache ist nicht ausschließlich als individual-

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rechtliches Gemeinschaftsgrundrecht zu verstehen, sondern im Schwerpunkt als gemeinschaftsbezogenes Rechts- und Kulturgut. Vorsitzender: Vielen Dank. Bevor ich jetzt den Referenten das Wort zum Abschlussstatement übergebe, hat sich Herr Huster herausgefordert gefühlt durch Herrn Germann und wollte sich auf zwei Sätze beschränken. Huster: Nur damit nicht der falsche Eindruck entsteht, ich wollte der Politik völlig freie Hand lassen, was in der Schule unterrichtet wird und was nicht. Mein Punkt ist folgender: Dass in der öffentlichen Schule in Deutschland Deutsch unterrichtet und gelernt wird, ist völlig unabhängig davon, ob die Eltern das wollen oder nicht. Dass die Evolutionstheorie unterrichtet wird, ist völlig unabhängig davon, ob 50 Prozent der Eltern, wie in den Vereinigten Staaten irgendwelche kreationistischen Überzeugungen haben. Wenn wir das Ernst nehmen, dass wir das Elternrecht, das die subjektiven Erziehungsvorstellungen der Eltern zusammenfasst, als wirklich gleichgeordnetes Gegengewicht zum staatlichen Erziehungsauftrag in Stellung bringen, dann müssten wir auch in eine Abwägung eintreten. Dann müssten wir überlegen, ob nicht das Deutsch an der Stelle, wo 90 Prozent Türken in der Klasse sitzen und die türkischen Eltern gar nicht wollen, dass ihre Kinder Deutsch lernen, zurücktreten muss. Oder wenn die Eltern gar nicht wollen, dass die Evolutionstheorie vermittelt wird, müssen wir dann den Kreationismus im Sinne der praktischen Konkordanz in die Schule bringen? Um solchen Unsinn auszuschließen, bin ich der Meinung: Wir können das elterliche Erziehungsrecht nicht als Summe der subjektiven Erziehungsvorstellungen der Eltern ins Spiel bringen, sondern wir können über das elterliche Erziehungsrecht nur die objektiven Grenzen des staatlichen Erziehungsauftrags mobilisieren. Diese Grenzen ergeben sich nicht aus den subjektiven Erziehungsvorstellungen der Eltern, sondern aus objektiven Rechtsgrundsätzen, die die Eltern über dieses Recht geltend machen können. Vorsitzender: Das waren zwei umfangreiche Sätze, aber die Botschaft ist angekommen. Herr Kahl. Kahl: Ich möchte mich zunächst bei allen Teilnehmern an der Aussprache sehr herzlich bedanken für die vielfältigen Fragen, Anregungen und Hinweise, auf die ich aus Zeitgründen leider nicht vollständig eingehen kann. Dafür bitte ich um Ihr Verständnis. Ich habe drei thematische Komplexe herausgeschält, auf die ich näher eingehen möchte. Erstens: Grundrechtsprobleme. Herr Tomuschat hat darauf hingewiesen, dass 1948/1949 Deutsch als Staatssprache nicht streitig war. Das ist

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zweifelsohne richtig. Genau so wichtig bleibt es meines Erachtens aber, sich die doch deutlich veränderte soziologische Situation im Jahre 2005 vor Augen zu führen. Ich habe ja bewusst von der „unerklärten Einwanderungsgesellschaft“ gesprochen und auf die weiteren demographischen Entwicklungen hingewiesen, die uns in den nächsten 30 bis 50 Jahren in Deutschland ins Haus stehen. Wir haben mittlerweile bereits in Berlin erste Schulen, an denen kein einziges deutsches Kind mehr unterrichtet wird. Wir haben in Städten wie Frankfurt oder Berlin ganze Stadtviertel, in denen man kaum mehr ein deutsches Wort hört, und diese Entwicklung wird sich vor dem Hintergrund der absehbaren demographischen Entwicklung spürbar verstärken. Das war mir Anlass, auf diese Problematik vertieft einzugehen. Aus den Sprachengrundrechten, so wie ich sie hier vorgestellt habe, auch das hat Herr Tomuschat angesprochen, ergeben sich meines Erachtens nur ganz begrenzt Leistungsrechte. Das Sprachenfreiheitsrecht ist primär ein Abwehrrecht. Man kann in Kombination mit anderen Grundrechten, zum Beispiel in Verbindung mit Artikel 3 Abs. 3 Satz 1, 16a, 103 Abs. 1 GG , zum Teil Ansprüche gewinnen. Insoweit bestehen einzelne begrenzte leistungsrechtliche Ansatzpunkte, aber primär haben wir es doch mit abwehrrechtlichen Konstellationen zu tun. Zu Herrn Gröschner, Herrn von Coelln und Herrn Germann, die die Rechtschreibreform angesprochen haben, soviel: Hochschullehrer sind selbstverständlich frei, die Rechtschreibung in der von ihnen gewünschten Form zu wählen, das ist für sie Teil der Schreibfreiheit als Ausprägung des Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 GG . Auch die Zeitungsverlage und die Allgemeinheit der Bürger bleiben in dieser Frage meines Erachtens völlig frei. Das Argument des faktischen Zwanges oder eines übergreifenden Effektes der Rechtschreibreform auf diese Bereiche hat mich nicht überzeugt. Für die Schüler dagegen würde ich daran festhalten, dass die Kultushoheit des Staates das Recht gibt, die Rechtschreibregeln verbindlich vorzugeben. Ähnliches gilt auch für die Verwaltung. Auch hier ist eine verbindliche Anordnung möglich. Eingegriffen wird dann in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. l Abs. 1 GG . Ich sehe grundsätzlich keinen Eingriff in die Berufsfreiheit, wie das von Herrn von Coelln thematisiert worden ist. Art. 12 Abs. 1 GG ist also meines Erachtens durch die Rechtschreibreform im Regelfall nicht berührt. Hier würde ich dem Bundesverfassungsgericht zustimmen: weder die Schüler noch der Student, noch der Verlag sind in Art. 12 Abs. 1 GG betroffen. Man kann dann dogmatisch darüber streiten, ob schon der Schutzbereich der Berufsfreiheit nicht eröffnet ist, so verstehe ich das Bundesverfassungsgericht, oder ob man die Grundrechtsbetroffenheit erst an der berufsregelnden Tendenz scheitern lässt. Ich würde weiter daran festhalten wollen, dass es durchaus einen Unterschied macht, ob

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es um Fragen wie Sexualkunde als Unterrichtseinführung in der Schule oder Versetzungsprobleme in der Schule geht, für die wir den parlamentarischen Gesetzgeber wegen der Wesentlichkeit brauchen oder ob es sich um eher fachlich-technizistische Fragen handelt wie die Rechtschreibreform. Ich habe auch bewusst und begrenzt von der Möglichkeit zum gestaltenden Eingriff gesprochen. Die völlige Abschaffung der Groß- und Kleinschreibung, die Deutschland sprachlich weitgehend isolieren würde, würde zu sinnentstellenden, ja geradezu absurden Ergebnissen führen. Sie wäre ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Sprachfreiheit und ist meines Erachtens daher nicht zu rechtfertigen. Dass die Rechtschreibreform ein Problem für die Schüler ist, wie Herr Germann meinte, ist mein Eindruck nicht. Aus allen Gesprächen und auch aus der Lektüre einschlägiger Beiträge wurde mir das Gegenteil deutlich, dass nämlich die Schüler im Grunde diese Reform weitgehend problemlos verarbeitet haben. Mir scheint es möglicherweise eher ein Problem der älteren als der jüngeren Generation zu sein. Herr Kugelmann hat gefragt, ob die Ausweisung von Emigranten oder Aussiedlern, die die verpflichtend vorgeschriebenen Deutschkurse nicht besuchen wollen oder nicht ernsthaft besuchen, nicht möglicherweise ein Grundrechtsproblem ist, gerade vor dem Hintergrund der von mir postulierten Sprachenfreiheit. Ich sehe das nicht so. Ich halte auch die Ausübung eines solchen Zwangs vor dem Hintergrund einer gescheiterten Politik der freiwilligen Anreize für nicht nur politisch geboten, sondern auch für verfassungsgemäß und nicht für unverhältnismäßig. Natürlich sind das Ermessensentscheidungen. Sie müssen daher etwa vor allem Art. 6 Abs. 1 GG berücksichtigen, wenn Sie ausweisen wollen. Diese Grundrechte werden häufig einer Ausweisung entgegen stehen. Insgesamt lässt das Ermessen somit ausreichend Spielraum, die einschlägigen Grundrechtspositionen zu beachten. Die Sprachenfreiheit dagegen sehe ich hier nicht unbedingt als einen Ausschlussgrund. Andernfalls blieben auch die neueren Integrationsmaßnahmen von vornherein zahnlos. Ich würde – im Gegenteil – sagen, dass gerade die Sanktionsbewehrung, auch in punkto Sozialleistungskürzungen, wahrscheinlich mit der Grund dafür war, dass plötzlich die Sprachenkurse für Immigranten in Deutschland völlig überlaufen sind und es viel zu wenige Kurse gibt. Wenn Sie die Berichte lesen, ist die Nachfrage mittlerweile deutlich größer als das Angebot an Kursen, obwohl der Bund hier durchaus beträchtliche finanzielle Leistungen getätigt hat. Mein zweiter Themenkomplex betrifft die Herrschaft über Sprache. Ich stimme Herrn Kloepfer zu: Sprache ist primär ein gesellschaftliches Gut. Das habe ich auch ausdrücklich betont. Eine Sprachpflege ist gleichwohl zulässig, wir müssen sie aber unterscheiden und trennen von

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der Sprachbeeinflussung oder dem Sprachdirigismus, die unzulässig sind. Eine vorsichtige Sprachgestaltung ist etwa im Bereich der Rechtschreibreform – so wie geschehen – möglich. Sprachloyalität kann – und da sehe ich einen Unterschied zu Herrn Scherzberg und zu Herrn Biaggini – etwa gegenüber Amtsträgern durchaus auch rechtlich gesteuert werden. Warum soll es unmöglich sein, dem deutschen Beamten, der in Brüssel für Deutschland innerhalb der EU agiert, durch ein Gebot der Sprachloyalität aufzugeben, dass er die deutsche Sprache benutzen sollte? Das wird natürlich gegenüber der Gesellschaft nur in ganz engen Grenzen möglich sein. Hier habe ich daher nur von einer Förderung gesprochen und einer Sprachbewusstseinspolitik, die mit wesentlich weicheren Instrumenten, sicherlich nicht mit Geboten und Anordnungen, wird arbeiten können. Bindende rechtliche Vorgaben kann man sich hier auch schon rein praktisch nicht vorstellen. Was mir nicht vorschwebt, ist eine Bereinigung der deutschen Sprache von sämtlichen Fremdwörtern, weil auch das gesagt wurde. Ein Sprachpurismus dieser Art ist mir völlig fremd. Wir sollten fremde Wörter weiterhin auch als Bereicherung der deutschen Sprache betrachten. Wir sollten uns aber vor einem vorschnellen und übermäßigen Gebrauch von Anglizismen in den Fällen hüten, in denen es möglicherweise präzisere oder schönere deutsche Worte für ein und dieselbe Sache gibt. Aber wir sollten nicht Fremdwörter austreiben, wie es in Frankreich versucht wird. Herr Walter hat hinterfragt, ob Deutsch als Wissenschaftssprache von mir nicht zu sehr betont worden sei. Ich habe ja bewusst eine Einschränkung für das Völker- und Europarecht und für das Wirtschaftsrecht gemacht, würde aber daran festhalten wollen, dass an deutschen Universitäten Dissertationen in deutscher Sprache eingereicht werden sollten und das Öffentliche Recht in Deutschland weiter auf Deutsch unterrichtet werden sollte. Damit meine ich das Staats- und Verwaltungsrecht einschließlich seiner Grundlagenfächer. Die Umstellung dieser Fachgebiete auf Englisch produziert erhebliche Ungenauigkeiten, inhaltliche Verflachung und führt vor allem dazu, dass wir die Attraktivität unserer Universitäten gerade nicht steigern werden können. Japaner oder Koreaner kommen nicht zu uns, weil sie hier Staats- und Verwaltungsrecht in mehr oder weniger gutem Englisch hören. Das können sie in Staaten, in denen Englisch als Muttersprache gelehrt wird, im Zweifel wesentlich kompetenter lernen. Davon unbenommen bleibt selbstverständlich die Forderung, die Fremdsprachenlernkompetenz auch in der Universität zu fordern und zu fördern, aber das sehe ich auf einem separaten Gebiet. Hier geht es nicht darum, die Fremdsprache in die Fächer selbst hineinzutragen. Bei Herrn Meyer bleibt mir nur, einen doch deutlichen Grunddissens festzuhalten. Die kulturelle Identität des Staates scheint

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mir eine relativ gesicherte verfassungsrechtliche Größe zu sein. Herr Murswiek hat zu Recht auf Art. 6 Absatz 3 EUV verwiesen, wo sie ausdrücklich normiert ist. Ich denke auch: für einen Polen, einen Engländer oder einen Franzosen wäre dies kein Streitgegenstand. Der Begriff der kulturellen Identität ist auch nicht nur traditionsorientiert, wie gesagt wurde, sondern er ist offen, er ist dynamisch, auch gegenüber Europa. Kulturelle Identität, Herr Meyer, haben meines Erachtens nicht nur klassische Nationalstaaten. Auch die Schweiz und andere Staaten haben natürlich eine kulturelle Identität. Bei Art. 116 Abs. 1 GG würde ich daran festhalten wollen, auch vor dem Hintergrund des positiven Rechts, dass für so genannte Statusdeutsche Deutschkenntnisse gefordert werden, deren Umfang ich im Übrigen für nicht ausreichend halte. Wenn dann die Eheleute der Statusdeutschen mit nach Deutschland hereinkommen, ist das ein Problem des Art. 6 Abs. 1 GG , über das man rechtspolitisch nachdenken kann. Herrn Oeter würde ich widersprechen wollen, insbesondere was seine Ausführungen zu und seine Folgerungen aus der Pisa-Studie angeht. Er hat gesagt, dass die Einsprachigkeit das Hauptproblem sei für die schlechten Ergebnisse Deutschlands in der Pisa-Studie. Ich sehe das anders. Die Pisa-Studie hat erwiesen, dass die Sprachkompetenz in der Muttersprache in Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten spürbar defizitär ist, auch Pisa II hat keine wesentliche Besserung gezeigt. Die Konsequenz daraus kann zunächst nur sein, dass wir den Deutschunterricht in den Schulen stärken, weil die Beherrschung der eigenen Sprache die Grundlage des Erlernens fremder Sprachen ist. Wenn Herr Oeter dann einen bilingualen Schulunterricht fordert, dann gehe ich mit ihm konform, wenn er das so versteht, dass das Deutsch und Englisch sein sollen. Das wäre auch mein sprachenpolitisches Modell im Sinne eines Konzentrationsprinzips einer intensiven Beschulung in diesen beiden Sprachen, wobei jedenfalls in höheren Schulen die alten Sprachen, insbesondere Latein, nicht vergessen werden sollten. Ich gehe mit Herrn Oeter aber nicht konform, wenn er bilingualen Schulunterricht so versteht, dass die zweite Sprache die Sprache der jeweiligen Immigranten ist. Das halte ich zum einen schon für nicht praktikabel und, wie ich ausgeführt habe, rechtlich für nicht geboten. Lassen Sie mich einen kurzen letzten Satz zum dritten Komplex, dem Europarecht, machen: Eine Bemerkung von Herrn Oppermann weist darauf hin, dass es in Europa einen Bundesstaat schon wegen der 21 Sprachen nicht geben könne. Ich denke, diese Einschätzung hat sehr viel für sich und sollte uns dazu anregen, noch einmal neu darüber nachzudenken, wo wir das Element „Sprache“ im Staatsbegriff, wenn wir einmal vom klassischen Staatsbegriff im Sinne von Georg Jellinek ausgehen, ver-

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ankern würden. Dann verstehe ich Sie so, Herr Oppermann, dass es ein europäisches Staatsvolk bei 21 unterschiedlichen nationalen Amtssprachen nicht geben kann. Herr Dürig hat diese These im Rahmen unserer Vereinigung schon vor langer Zeit aufgestellt, Herr Häberle ist dem gefolgt. Nach ihnen setzt ein Staat gleichsam als „viertes Element“ auch eine gemeinsame Staatssprache voraus. Abschließend möchte ich dem Vorstand der Vereinigung sehr herzlich dafür danken, dass er mir dieses schöne Thema anvertraut hat, das mir viel Freude bereitet hat, vor allem aufgrund des damit verbundenen Anreizes, interdisziplinärer zu arbeiten als es das Alltagsgeschäft ansonsten für gewöhnlich zulässt. Die Beschäftigung mit diesem Thema hat mir zweierlei erneut deutlich vor Augen geführt: zum einen, dass es sich immer lohnt, auch bei einem vermeintlich „weichen“ Thema wie dem der Sprache, zunächst einmal von den Normen auszugehen und die Normativität nicht vorschnell der Faktizität zu opfern, kurzum den Charakter unserer Wissenschaft als Normwissenschaft weiter zur Geltung zu bringen. Zum anderen aber auch, dass unsere Wissenschaft verdörrte, wenn sie nicht die vielfältige Ambiance und die tatsächlichen Hintergründe des Normativen in diese Thematik einbezogen hätte und hier das Gespräch etwa mit der Sprachwissenschaft aufgenommen hätte. Ob es dafür einer eigenen Disziplin „Rechtslinguistik“ bedarf, erscheint mir eine eher nachrangige Frage zu sein. Dass die Sprache aber sowohl in dogmatischer wie auch in theoretischer Hinsicht noch viele Fragen gerade an die deutsche Staatsrechtslehre zu richten hat, scheint mir dagegen offenbar. Der vergleichende Blick über die Staatsgrenzen, etwa nach Österreich, aber vor allem in die Schweiz und auf das dortige Grundrecht der Sprachenfreiheit, erweist sich als lohnend. Lohnend auch deshalb, um etwa im Umgang mit Fragen wie der Rechtschreibreform ein Stück von der dortigen Gelassenheit zu lernen. Vielen Dank. Schweizer: Liebe Kolleginnen und Kollegen. Ganz herzlichen Dank für die anregende, vielfältige Diskussion. Ich nehme auch das Thema Grundrechte als erstes und denke, dass Herr Tomuschat eigentlich den wichtigsten Punkt angesprochen hat, dass eben im Bereiche Sprache es nicht nur um ein Abwehrrecht, sondern auch um gewisse Leistungsrechte geht. Die Untersuchung zeigt aber, dass diese Leistungsrechte dann in Bereichen wie Bildung oder Medien weitergehen, als wir das bisher gesehen haben. Ich danke auch Herrn Kloepfer für seine Abstufung über das Verhältnis Sprache und Staat und meine, dass seine Idee, hier die Selbstregulierung als primäre Form zu befürworten, jedenfalls auch aus unserer Sicht richtig ist. Nun folgte eine besonders prägnante Diskussion über das Thema Identität, und ich will hier eben nicht nur

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die Harmonie beschwören. Denn ich glaube tatsächlich, dass es für eine Person nicht nur eine einzige Identität gibt, sondern eine Identität mit mehreren Schichten, eine Identität der Familie, der Sprachgruppe, der Region usw. Ja selbst in der EU -Verfassung haben Sie mehrere Identitäten: die Identitäten der Staaten, der Kulturen und auch die Identitäten, die Sie in politischen Belangen sehen. Insofern ist eben die Gefahr einer Überhöhung der kulturellen und sprachlichen Identität doch ein Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Wenn ich etwa die Voten bedenke, die gefallen sind, wo z. B. von Herrn Scherzberg die Frage gestellt wurde nach der sprachlichen Grundlage von Demokratie und Rechtsstaat, so setzen diese nicht zwingend eine sprachliche Identität voraus. Es besteht kein Zweifel, dass Demokratie und Rechtsstaat je sprachgebunden sind. Aber wer wollte die Anstrengung, die wir in Europa machen mit vielsprachiger Demokratie und vielsprachigem Rechtsstaat, wieder rückgängig machen? Und vor allem kommt jetzt eine Kritik aus den Kreisen unserer jeweiligen eigenen Mutter- und Standardsprache. Das ist beim Votum etwa von Herrn Mantl angeklungen. Wir dürfen uns keine Illusionen machen: die Identitäten zwischen den Bergbauern und den Stadtbewohnern einer Sprachregion sind heute geringer als die zwischen den Menschen in Mailand, Brüssel und Frankfurt. Die sozialen Brüche sind heute viel größer als eben diejenigen, die etwa im Zusammenhang mit einer einheitlichen Sprache angedeutet wurden. Das führt dann natürlich zur Frage der Behandlung der Minderheiten. Vorausgeschickt sei, dass die rechtlichen Probleme der Minderheiten mit ihren sprachlichen Anliegen nur die Beziehungen von Sprache und Recht besonders deutlich machen, aber diese Beziehungen selbstverständlich viel grundsätzlicher sind, als das Minderheitenrecht den Anschein macht. Zur Rechtstellung der Minderheiten möchte ich etwas klar stellen: Bei den Rechten der Sprachminderheiten wurde bewusst im europäischen Recht unterschieden zwischen den Rechten der autochthonen und denen der emigrierten Gruppen. Und dass wir uns heute um die Autochthonen, die wirklich bedroht sind, mehr kümmern, das ist ein verdienstvolles Anliegen des Europarates und auch der EU in der Sprachenförderung usw. Zu Recht hat Herr Marko die entsprechenden Berichte des Advisory Committee zur Rahmenkonvention erwähnt, eine unerschöpfliche Quelle zum Sprachenrecht. Ich kann sie Ihnen nur empfehlen. Wie ist es mit den Rechten der Immigrierten? Sie erinnern sich, ich habe nicht gesagt, dass die den gleichen Status haben sollen wie die im Lande Ansässigen. Meine These ist nur, dass diese, wenn sie ein/ zwei Generationen da sind, selbst wenn sie freiwillig gekommen sind, vielleicht halt doch bestimmte Minderheitsrechte wahrnehmen werden, ja dazu auch völkerrechtliche Instrumente haben, und wir das ihnen

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nicht verbieten können. Wie soll hier kulturell reagiert werden? Da ist die Schule zentral; und ich kann Ihnen eine Regelung aus der Schweiz nennen, und ich bin überzeugt, dass die in Frankfurt identisch ist. Nämlich: Die Schülerinnen und Schüler sollen in der ersten Klasse schon aufs Hochdeutsch eingestellt werden – das ist ja für die Deutschschweizer eine Fremdsprache – und sie aber noch entsprechend ihren Sprachfähigkeiten benutzen können. Das ist dann erst ab der zweiten Klasse zwingend. Wobei den Fremdsprachigen in der zweiten Klasse auch noch individuell ein so genannter Stützunterricht geboten wird. Und dann heißt es: Die möglichst gute Beherrschung der Erst- oder Muttersprache ist Grundvoraussetzung für das Lernen von Deutsch als Zweitsprache. Kinder mit Migrationshintergrund werden daher zum Besuch des Unterrichts in heimischer Sprache und Kultur ermuntert, und ihre Eltern auch. Die Kinder der Unterstufe werden dazu vom Klassenunterricht während zwei Wochen-Lektionen dispensiert. Das ist die neue erziehungswissenschaftliche Erkenntnis, dass man durch Zweisprachigkeit Sprachen lernt und nicht durch bloßen Zwang zu einer Sprache. Wir können uns nicht über die Realitäten hinwegsetzen, etwa die, das glaube ich, dass Sprache nicht erzwingbar ist, genauso wenig wie der Glaube oder die Weltanschauung. Dann noch zum internationalen Kontext, wo ich wohl das Wichtigste schon gesagt habe. Ich möchte eben nicht den Minderheitenbegriff überdehnen. Ich denke nur, wir sind hier in einem Wandel, und das wirkt sich dann natürlich auch auf die Staatsgestaltung aus. Abschließend meine ich, dass vielleicht Frau Kollegin Schmahl Recht hat. Ich erwarte den Entscheid, dass der EuGH sagt, der Franzose kann sich auch in einem deutschen Verfahren auf Französisch durchsetzen. Die EMRK ist schon auf diesem Weg und auch einzelne Mitgliedsstaaten. Wir müssen uns also zukünftig in vielfältiger Weise mit der Mehrsprachigkeit auseinandersetzen. Bei Ihnen sind es immerhin 9 Prozent der Bevölkerung, die nicht Deutsch sprechen. Die gehören auch zu Ihrem Kulturraum. Bei uns sind es etwas mehr, und die gehören zu unserem, und ohne dass wir unsere Werte, zum Beispiel die deutsche Sprache, die gerade den Schweizern soviel gegeben hat, aufgeben wollen. Das Ziel ist meines Erachtens, was Art. 19 Abs. 2 des k. und k. Staatsgrundgesetzes von 1867 für die österreichisch-ungarischen Völker gesagt hat: Die Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt und öffentlichem Leben wird vom Staate anerkannt. Wir können das in Europa nicht mehr bremsen. Ich danke dem Vorstand ganz herzlich für die Themenwahl und für die Chance, ein Referat halten zu können, und ich danke besonders dafür, dass ich es in Frankfurt tun durfte, wo ich vor 20 Jahren einmal an der Universität unterrichtet habe.

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Vorsitzender: Auch Ihnen, Herr Schweizer, herzlichen Dank für dieses Abschlussplädoyer. Mit nochmaligen Dank an beide Referenten schließe ich die wissenschaftlichen Verhandlungen unserer diesjährigen Staatsrechtslehrertagung.

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Verzeichnis der Redner Alexy 91 Biaggini 493 Böckenförde 100 Borowski 102 Breuer 222 Bryde 337 Bullinger 219 Classen 329 Coelln von 487 Dederer 218 D. Dörr 90, 322 Ehrenzeller 324 Engel 220, 474 Fechner 97 Fehling 227 Fromont 86 Geis 84, 326 Germann 491 Gersdorf 325 Grimm 223 Gröschner 485 Groß 327 Häberle 88, 226, 336 Hailbronner 224 Haltern 83 Hammer 221 Hase 103 Haverkate 87, 316 Hendler 341 Hillgruber 228 Huster 104, 497 Isensee 98 Kahl 497 Kempen 317 Kischel 319 Kloepfer 95, 473

Kneihs 332 Kotzur 92, 489 Kugelmann 490 Leisner 86 Mager 339 Mann 331 Mantl 104, 484 Marko 94, 480 Meßerschmidt 488 Meyer 92, 477 Möstl 100 Morlok 217 Müller 334 Murswiek 483 Mußgnug 229 Oeter 478 Oppermann 332, 493 Pieroth 338 Rauschning 334 Rüfner 102 Ruffert 232 Sachs 323 Scherzberg 218, 477 Schmahl 496 Schulev-Steindl 335 Schulte 235 Schweizer 502 Sommermann 107 Starck 328 Steinberg 321 Streinz 225, 494 Thieme 318 Tomuschat 472 Waechter 92 Walter 476

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Verzeichnis der Mitglieder der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Stand: 15. Februar 2006 Vorstand 1. Schoch, Dr. Friedrich, o. Professor Kastelbergstr. 19, 79189 Bad Krozingen, (0 76 33) 94 81 04, Fax (0 76 33) 94 81 05, Institut für Öffentliches Recht IV , Universität Freiburg, Postfach, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03-22 57 oder 22 58, Fax (07 61) 2 03-22 97, E-mail: [email protected] 2. Pieroth, Dr. Bodo, Professor, Gluckweg 19, 48147 Münster, (02 51) 23 32 91, Fax (02 51) 23 32 94; Institut für Öffentliches Recht und Politik, Universität Münster, Wilmergasse 28, 48143 Münster, (02 51) 51 04 90, Fax (02 51) 5 10 49 19, E-mail: [email protected] 3. Kirchhof, Dr. Ferdinand, o. Professor, Walther-Rathenau-Str. 28, 72766 Reutlingen, (0 71 21) 49 02 81, Fax (0 71 21) 47 94 47; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 2 97-25 61 oder -81 18, Fax (0 70 71) 29 43 58, E-mail: [email protected] Mitglieder 1. Abelein, Dr. Manfred, o. Professor, Schafhofstraße 21, 73479 Ellwangen a.d. Jagst 2. Adamovich, DDr. Dr. h.c. Ludwig, Professor, Roosevelt-Platz 4, A-1090 Wien, (00 43-1) 4 08 55 70; Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Judenplatz 11, A-1010 Wien, (00 43-1) 5 31 22-4 15

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

3. Albers, Dr. iur., Dipl. soz. Marion, Privatdozentin, Malzweg 26, 20535 Hamburg, (0 40) 25 31 57 74; Helmut-Schmidt-Universität, Institut für Öffentliches Recht, Holstenhofweg 85, 22043 Hamburg, (0 40) 65 41-25 28, E-mail: [email protected] 4. Alexy, Dr. Robert, o. Professor, Klausbrooker Weg 122, 24106 Kiel, (04 31) 54 97 42; Universität Kiel, 24098 Kiel, (04 31) 8 80 35 43, Fax (04 31) 8 80 37 45, E-mail: [email protected] 5. Alleweldt, Dr. Ralf, Privatdozent, LL .M. Finkensteig 8, 15234 Frankfurt/Oder, (03 35) 6 22 47 Europa-Universität Viadrina, Postfach 1786, 15207 Frankfurt/Oder (03 35) 55 34 78 75, E-mail: [email protected] 6. Anderheiden, Dr. Michael, Privatdozent, Oppelner Straße 45, 69124 Heidelberg, (0 62 21) 78 65 95, Ruprechts-Karls-Universität Heidelberg, Juristisches Seminar, Friedrich-Ebert-Anlage 6-10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 74 97, Fax: (0 62 21) 54 74 63, E-mail: [email protected] 7. Antoniolli, Dr. Dr. h.c. Walter, Universitätsprofessor, Hasnerstr. 3/I, A-3100 At. Pölten, (00 43) 27 42-7 59 17; Universität Wien 8. Appel, Dr. Ivo, Professor, Cheruskerstraße 14, 10829 Berlin; Universität Augsburg, Juristische Fakultät, 86135 Augsburg, (08 21) 5 98 45 35, Fax (08 21) 5 98 45 37, E-mail: [email protected] 9. Arnauld, Dr. Andreas v., Privatdozent Brunhildstraße 4, 10829 Berlin, (0 30) 78 71 64 50, Freie Universität Berlin, Fachbereich Rechtswissenschaft Van’t-Hoff-Straße 8, 14195 Berlin, (0 30) 8 38-5 55 95 E-mail: [email protected] 10. Arndt, Dr. Hans-Wolfgang, o. Professor, Waldstr. 34, 67434 Neustadt/Weinstr., (0 63 21) 3 33 85; Universität Mannheim, 68131 Mannheim, (06 21) 2 92-51 95, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

11. Arnim, Dr. Hans Herbert v., o. Professor, Im Oberkämmerer 26, 67346 Speyer, (0 62 32) 9 81 23; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 67324 Speyer, (0 62 32) 65 43 43, E-mail: [email protected] 12. Arnold, Dr. Rainer, o. Professor, Plattenweg 7, 93055 Regensburg, (09 41) 7 44 65; Universität Regensburg, 93053 Regensburg, (09 41) 9 43-26 54/5, E-mail: [email protected] 13. Aulehner, Dr. Josef, Privatdozent, Hans-Böckler-Str. 8, 80995 München, (0 89) 1 23 84 02, Fax: (0 89) 12 74 96 88, E-mail: [email protected], Ludwig-Maximilians-Universität München, Leopoldstr. 3, 80802 München, (0 89) 21 80-37 30, Fax: (0 89) 21 80-29 85, E-mail: [email protected] 14. Autexier, Dr. Christian, Professor, Egon-Reinert-Str. 19, 66111 Saarbrücken, (06 81) 37 14 87; Universität Saarbrücken, Postfach 15 11 50, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02-21 85, E-mail: [email protected] 15. Axer, Dr. Peter, Professor, Marienholzstraße 47b, 54286 Trier, (06 51) 1 70 18 64; Universität Trier, Fachbereich V, 54286 Trier, (06 51) 2 01-25 89, Fax (06 51) 2 01-33 94 E-mail: [email protected] 16. Baade, Dr. Hans W., Professor, 6002 Mountain Climb Drive, Austin/Texas, USA , 78 731, (0 01-5 12) 4 52 50 71; dienstl., (0 01-5 12) 4 71 51 51, E-mail: [email protected] 17. Bachof, Dr. Dr. h.c. mult. Otto, o. Professor, Auf dem Kreuz 3, 72076 Tübingen, (0 70 71) 6 11 44; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 2 97 25 49

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

18. Badura, Dr. Peter, o. Professor, Am Rothenberg Süd 4, 82431 Kochel am See, (0 88 51) 52 89; Universität München, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-35 76, E-mail: [email protected] 19. Baer, Dr. Susanne, Professorin, Pestalozzistr. 7, 10625 Berlin, (0 30) 31 50 39 13; Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93 33 24, Fax (0 30) 20 93 33 45, E-mail: [email protected] 20. Baldus, Dr. Manfred, Universitätsprofessor, Herderstraße 41 A, 99096 Erfurt, (03 61) 5 94 70 64; Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsgeschichte, Staatswissenschaftliche Fakultät, Universität Erfurt, 99089 Erfurt, (03 61) 7 37 47 11 (oder -40 40), E-mail: [email protected] 21. Barfuß, Dr. iur. Dr. rer. pol. Walter, o. Universitätsprofessor, Präsident des Österreichischen Normungsinstituts, Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde der Republik Österreich, Heinestraße 38, A-1020 Wien, (00 43-1) 2 13 00/6 12, Fax (00 43-1) 2 13 00/6 09 22. Bartlsperger, Dr. Richard, o. Professor, Schleifweg 55, 91080 Uttenreuth, (0 91 31) 5 99 16, Fax (0 91 31) 53 33 04; Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, Institut für Staatsund Verwaltungsrecht, Schillerstr. 1, 91054 Erlangen, (0 91 31) 8 52 28 18, Fax (0 91 31) 8 52 63 82, E-mail: [email protected] 23. Battis, Dr. Dr. h.c. Ulrich, Professor, Beiersdorfer Weg 42, 12589 Berlin-Rahnsdorf, (0 30) 6 48 19 47; Humboldt-Universität zu Berlin, Lehrstuhl für Staatsund Verwaltungsrecht sowie Verwaltungswissenschaften, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-35 33, Fax (0 30) 20 93-36 89, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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24. Bauer, Dr. Hartmut, Professor, Am Hegereiter 13, 01462 Cossebaude, (03 51) 4 52 16 03; TU Dresden, Juristische Fakultät, 01062 Dresden, (0 35 1) 46 33 73 13 oder 46 33 73 14, Fax (0 35 1) 46 33 72 07, E-mail: [email protected] 25. Baumeister, Dr. Peter, Privatdozent, Langebrücker Str. 24, 68809 Neulußheim, (0 62 05) 39 78 17; Universität Mannheim, Schloß W 124, 68131 Mannheim, (06 21) 1 81 14 09, Fax (06 21) 1 81 14 11, E-mail: [email protected] 26. Baumgartner, Dr. Gerhard, Ao. Univ.-Prof., Brückengasse 4/30, A-1060 Wien; Bundeskanzleramt, Ballhausplatz 2, A-1014 Wien, (00 43) 1-5 31 15 27 06, E-mail: [email protected] 27. Bausback, Dr. Winfried, Privatdozent, Im Neurod 8, 63741 Aschaffenburg, (0 60 21) 45 66 06, Fax (0 60 21) 45 66 07; Lehrstuhl für Völkerrecht, allgemeine Staatslehre, deutsches und bayrisches Staatsrecht und politische Wissenschaften, Julius-Maximilians Universität Würzburg, Domerschulstraße 16, 97070 Würzburg, (09 31) 31 23 08, Fax (09 31) 31 27 93, E-mail: [email protected] 28. Bayer, Dr. Hermann-Wilfried, Professor, Henkenbergstr. 45a, 44797 Bochum, (02 34) 79 17 44; Universität Bochum, 44780 Bochum, (02 34) 3 22 57 24 29. Beaucamp, Dr. Guy, Professor, Nordstr. 21, 18107 Elmenhorst, (03 81) 7 68 69 50; Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Schwenkestraße 100, 20255 Hamburg, E-mail: [email protected] 30. Becker, Dr. Florian, Professor, 61 Blenheim P1, AB 25 2DZ Aberdeen, (00 44) 12 24 64 51 40; Aberdeen University, School of Law, Taylor Building, AB 24 3UB Aberdeen, Scotland, (00 44) 12 24 27 44 37, Fax: (00 44) 12 24 27 24 42, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

31. Becker, Dr. Joachim, Privatdozent, Kreuznacher Str. 6, 14197 Berlin, (0 30) 8 22 40 12; Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93 33 83, E-mail: [email protected] 32. Becker, Dr. Jürgen, o. Professor, Kellerstr. 7, 81667 München; GEMA , Rosenheimer Straße 11, 81667 München, (0 89) 4 80 03-6 23, Fax (0 89) 4 80 03-6 20 33. Becker, Dr. Ulrich, LLM . ( EHI ), Professor, Pfarrsiedlungsstr. 9, 93161 Sinzing, (0 94 04) 34 78; Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht, Amalienstr. 33, 80799 München, (0 89) 3 86 02-5 11, Fax (0 89) 3 86 02-4 90, E-mail: [email protected] 34. Berchthold, Dr. Klaus, Universitätsprofessor, Bräunerstr. 4–6/22, A-1010 Wien, (00 43-1) 53 14 34 35. Berg, Dr. Wilfried, o. Professor, Waldsteinring 25, 95448 Bayreuth, (09 21) 9 90 08 14; Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth, (09 21) 55 28 76, E-mail: [email protected] 36. Berka, Dr. Walter, o. Universitätsprofessor, Birkenweg 2, A-5400 Aallein, (00 43-6 62 45) 7 67 58; Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht der Universität Salzburg, Kapitelgasse 5–7, A-5020 Salzburg, (00 43) 6 62-80 44 36 20, Fax (00 43) 6 62-8 04 43 03, E-mail: [email protected] 37. Bernhardt, Dr. Dr. h.c. Rudolf, o. Professor, Gustav-Kirchhoff-Str. 2a, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 41 36 99; MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 48 22 53, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

38. Bethge, Dr. Herbert, o. Professor, Am Seidenhof 8, 94034 Passau, (08 51) 4 16 97; Universität Passau, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wirtschaftsverwaltungsrecht und Medienrecht, 94030 Passau, (08 51) 5 09-22 20, Fax (08 51) 5 09-22 22, E-mail: [email protected] 39. Beyerlin, Dr. Ulrich, apl. Professor, Luisenstr. 7, 69151 Neckargmünd; MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 48 22 30, E-mail: [email protected] 40. Biaggini, Dr. Giovanni, o. Professor, Kantstraße 12, CH –8044 Hürich, (00 41-44) 2 51 11 58; Lehrstuhl für Staats-, Verwaltungs- und Europarecht, Rechtswissenschaftliches Institut, Freiestrasse 15, CH –8032 Hürich, (00 41-44) 6 34 30 11, Fax (00 41-44) 6 34 43 89, E-mail: [email protected] 41. Bieber, Dr. Uwe Roland, o. Professor, 19, rue de la Fonderie, F-67400 Illkirch/Strasbourg, (00 33) 3 88 67 02 29; Universität Lausanne, CH –1015 Hausanne-Dorigny, (00 41) 21-6 92 27 91, Fax (00 41) 21-6 92 27 85, E-mail: [email protected] 42. Biehler, Dr. Gernot, Privatdozent, M.A., LL .M. (Cantab.), Lecturer in Law, Trinity College 39, Dublin 2, Irland, (00 35 31) 6 08 12 01, E-mail: [email protected] 43. Binder, Dr. Bruno, Universitätsprofessor, Wischerstr. 30, A-4040 Ainz, (00 43) 7 32-71 77 72-0, Fax (00 43) 7 32-71 77 72-4; Universität Linz, Altenbergerstr. 69, A-4020 Ainz, (00 43) 7 32-24 68-0, Fax (00 43) 7 32-24 68 10, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

44. Birk, Dr. Dieter, o. Professor, Borkumweg 43, 48159 Münster, (02 51) 21 84 78, Fax (02 51) 21 84 76; Universität Münster, 48143 Münster, (02 51) 8 32 27 95, Fax (02 51) 8 32 83 86, E-mail: [email protected] 45. Blanke, Dr. Hermann-Josef, Universitätsprofessor, Universität Erfurt, Staatswissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl für Staatsrecht und Europäische Integration, Nordhäuser Straße 63, 99089 Erfurt, (03 61) 7 37-47 51, (03 61) 7 37-47 50 (Sekr.), Fax (03 61) 7 37-47 59, E-mail: [email protected] 46. Blankenagel, Dr. Alexander, Professor, Türksteinstraße 10, 14167 Berlin, (0 30) 8 54 95 82; Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-33 81, Fax (0 30) 20 93-33 45, E-mail: [email protected] 47. Blümel, Dr. Willi, Universitätsprofessor, Angelhofweg 65, 69259 Wilhelmsfeld, (0 62 20) 18 80; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 67324 Speyer, (0 62 32) 6 54-3 62/3 60, Fax (0 62 32) 9 10-2 08 oder 9 10-2 90 48. Bock, Dr. Wolfgang, Privatdozent, Am Ebelfeld 10, 60488 Frankfurt a.M., (0 69) 76 57 17; FEST, Schmeilweg 5, 69118 Heidelberg, (0 62 21) 91 22 39, Fax (0 62 21) 16 72 57, E-mail: [email protected] 49. Böckenförde, Dr. iur. Dr. phil. Dr. h.c. Ernst-Wolfgang, o. Professor, Türkheimstr. 1, 79280 Au bei Freiburg, (07 61) 40 56 23; Universität Freiburg, 79098 Freiburg, (07 61) 2 03 22 63 oder -22 62 50. Bogdandy, Dr. Armin v., M.A., Professor, Mühltalstr. 117, 69121 Heidelberg, (0 62 21) 58 94 33; Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 48 26 02, Fax (0 62 21) 48 26 03, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

51. Bogs, Dr. Harald, o. Professor, Dresdenerstr. 7, 37120 Bovenden, (05 51) 8 15 95, Fax (05 51) 8 35 98; Universität Göttingen, (05 51) 39 73 92, Fax (05 51) 39 48 72, E-mail: [email protected] 52. Böhm, Dr. Monika, Professorin, Lessingstr. 24, 65719 Hofheim/Ts., (0 61 92) 2 48 29, Fax (0 61 92) 2 48 14; Philipps-Universität Marburg, Institut für Öffentliches Rechts, FB 01, Universitätsstraße 6, 35032 Marburg/Lahn, (0 64 21) 2 82-38 08, Fax (0 64 21) 2 82-89 82, E-mail: [email protected] 53. Borowski, Dr. Martin, Privatdozent Kleiststraße 27, 24105 Kiel, (04 31) 8 50 27; Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Juristisches Seminar, Leibnizstraße 6, 24118 Kiel, (04 31) 8 80-35 50, E-mail: [email protected] 54. Bothe, Dr. Michael, Universitätsprofessor, Theodor-Heuss-Str. 6, 64625 Bensheim, (0 62 51) 43 45; Universität Frankfurt a.M., Senckenberganlage 31, 60054 Frankfurt a.M., (0 69) 79 82 22 64, E-mail: [email protected] 55. Brandner, Dr. Thilo, Privatdozent, Fritz-Reuter-Str. 13, 10827 Berlin, (0 30) 78 70 42 44; Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 9–11, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-33 41, E-mail: [email protected] 56. Brandt, Dr. Edmund, Professor, Präsident der Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld, Adolph-Roemer-Straße 2 A, 38678 Clausthal-Zellerfeld, (0 53 23) 72-30 18, E-mail: [email protected] 57. Breitenmoser, Dr. Stephan, Professor, Ordinarius für Europarecht, Juristische Fakultät der Universität Basel, Maiengasse 51, 4056 Basel, (00 41) 6 12 67 25 16, Fax (00 41) 6 12 67 07 94, E-mail: [email protected]

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58. Breining-Kaufmann, Dr. Christine, Professorin, Ordinaria für Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht, Rechtswissenschaftliches Institut der Universität Zürich, Rämistrasse 74, CH –8001 Hürich, (00 41) 16 34 48 60, Fax (00 41) 16 34 43 78, E-mail: [email protected] 59. Brenner, Dr. Michael, Professor, Gedonstr. 6, 80802 München, (0 89) 2 71 85 24; Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Verfassungsund Verwaltungsrecht, Universität Jena, Carl-Zeiss-Str. 3, 07743 Jena, (0 36 41) 94 22 40 oder -41, Fax (0 36 41) 94 22 42, E-mail: [email protected] 60. Breuer, Dr. Rüdiger, Professor, Buschstr. 56, 53113 Bonn, (02 28) 21 79 72, Fax (02 28) 22 48 32; Universität Bonn, Adenauerallee 44, 53113 Bonn, (02 28) 73 91 51, Fax (02 28) 73 55 82, E-mail: [email protected] 61. Brinktrine, Dr. Ralf, Privatdozent Windmühlenweg 11, 04863 Naunhof, (03 42 93) 3 30 75; Juristenfakultät Universität Leipzig, Burgstraße 27, 04109 Leipzig, (03 41) 9 73 51 32, E-mail: [email protected] 62. Britz, Dr. Gabriele, Professorin, Lenaustr. 77, 60318 Frankfurt a.M.; Professur für Öffentliches Recht und Europarecht, Fachbereich Rechtswissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen, Hein-Heckroth-Straße 5, 35390 Gießen, (06 41) 9 92 10 70 Fax (06 41) 9 92 10 79, E-mail: [email protected] 63. Brohm, Dr. Winfried, o. Professor, Wydenmööslistr. 11, CH –8280 Hreuzlingen, (00 41) 71-6 88 15 25; Universität Konstanz, Postfach 55 60 D 100, 78434 Konstanz, (0 75 31) 88 21 69 oder -21 76

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64. Bröhmer, Dr. Jürgen, Privatdozent, Lüderitzstrasse 2, 66123 Saarbrücken, (06 81) 3 90 56 94; Europa-Institut, Geb. 16.4, Universität des Saarlandes, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02 66 63/25 03, Fax (06 81) 3 02 66 62, E-mail: [email protected] 65. Brugger, Dr. Winfried, LL .M., Universitätsprofessor, Blumenstr. 16, 69115 Heidelberg, (0 62 21) 16 13 19; Universität Heidelberg, Friedrich-Ebert-Anlage 6–10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 74 62, Fax (0 62 21) 54 74 63, E-mail: [email protected] 66. Brüning, Dr. Christoph, Privatdozent, Bornstraße 10, 44575 Castrop-Rauxel, (0 23 05) 4 21 46; Ruhr-Universität Bochum, Juristische Fakultät, Universitätsstraße 150, 44780 Bochum, Gebäude GC 8/145, (02 34) 32-2 27 69 oder -2 28 09, Fax (02 34) 32 14-2 36, E-mail: [email protected] 67. Brünneck, Dr. Alexander v., Professor, Blumenhagenstr. 5, 30167 Hannover, (05 11) 71 69 11; Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder, Postfach 17 86, 15207 Frankfurt/Oder, (03 35) 55 34-22 64 oder -22 95, Fax (03 35) 55 34-24 18, E-mail: [email protected] 68. Bryde, Dr. Brun-Otto, o. Professor, Richter des Bundesverfassungsgerichts, Schlossbezirk 3, 76131 Karlsruhe; Universität Gießen, Hein-Heckroth-Str. 5, 35390 Gießen, (0 64 1) 99-2 10 60/61, Fax (06 41) 99-2 10 69, E-mail: [email protected] 69. Bull, Dr. Hans Peter, o. Professor, Falckweg 16, 22605 Hamburg, Tel./Fax (0 40) 8 80 56 52; Universität Hamburg, Seminar für Verwaltungslehre, Schlüterstraße 28, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-35 03, Fax (0 40) 4 28 38-50 62, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

70. Bullinger, Dr. Dr. h.c. (Université de Dijon), Martin, o. Professor, Altschlößleweg 4, 79280 Au bei Freiburg, (07 61) 40 23 89; Universität Freiburg, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03 22 48 oder -47, E-mail: [email protected] 71. Bultmann, Dr. Peter Friedrich, Privatdozent, Zionskirchplatz 26, 10119 Berlin, (0 30) 44 05 64 43; Juristische Fakultät, Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, E-mail: [email protected] 72. Bumke, Dr. Christian, Privatdozent, Gotenstraße 78, 10829 Berlin, (0 30) 7 82 67 87, Bucerius-Law-School, Commerzbank Stiftungsstuhl, Jungiusstraße 6, 20355 Hamburg, (0 40) 3 07 06-2 37, Fax (0 40) 3 07 06-2 59, E-mail: [email protected] 73. Burgi, Dr. Martin, Professor, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, (02 34) 3 22 52 75, Fax (02 34) 3 21 42 82, E-mail: [email protected] 74. Burkert, Dr. Herbert, Professor, Uferstr. 31, 50996 Köln-Rodenkirchen, (02 21) 39 77 00, Fax (02 21) 39 77 11; MCM - HSG , Universität St. Gallen, Müller-Friedberg-Str. 8, CH –9000 Ht. Gallen, (00 41) 71-2 22 48 75, (0 04 92 21) 39 77 00, Fax (00 41) 71-2 22 48 75, (0 04 92 21) 39 77 11, E-mail: [email protected] 75. Bußjäger, Dr. Peter, Privatdozent, Institut für Föderalismus, Maria-Theresien-Straße 38b, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-57 45 94, Fax (00 43) 5 12-57 45 94-4, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

76. Butzer, Dr. Hermann, Professor, Orffstr. 3 C, 30989 Gehrden, (0 51 08) 91 22 85, Fax: (0 51 08) 91 22 86, Universität Hannover, Fachbereich Rechtswissenschaft, Lehrstuhl für öffentliches Recht mit Schwerpunkten im Verwaltungsrecht und im Recht der staatlichen Transfersysteme, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62-81 69, Fax (05 11) 7 62-82 03, E-mail: [email protected] 77. Calliess, Dr. Christian, o. Univ.-Prof., LL .M. Eur., M.A.E.S. (Brügge), Georg-August-Universität Göttingen, Institut für Völkerrecht, Abteilung Europarecht, Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen, (05 51) 39-47 61, Fax (05 51) 39-21 96, E-mail: [email protected] 78. Campenhausen, Dr. Axel Frhr. v., Professor, Oppenbornstr. 5, 30559 Hannover, (05 11) 52 81 74; Kirchenrechtliches Institut der EKD , Goßlerstr. 11, 37073 Göttingen, Tel. (05 51) 5 77 11, Fax (05 51) 53 10 51 79. Caspar, Dr. Johannes, Privatdozent, Tronjeweg 16, 22559 Hamburg, (0 40) 81 96 11 95, Fax (0 40) 81 96 11 21; Universität Hamburg, Fachbereich Rechtswissenschaft, Edmund-Siemers-Allee 1, Flügel West, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-57 60, Fax (0 40) 4 28 38-62 80, E-mail: [email protected] 80. Classen, Dr. Claus Dieter, Professor, Jasmunder Weg 4, 17493 Greifswald, (0 38 34) 84 49 63; Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, 17487 Greifswald, (0 38 34) 86 21 21 oder 21 24, Fax (0 38 34) 86 20 02, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

81. Coelln, Dr. Christian von, Privatdozent, Schillerstraße 5, 94032 Passau, (08 51) 3 74 26, Fax (08 51) 4 90 37 19; Universität Passau, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wirtschaftsverwaltungsrecht und Medienrecht, Innstraße 40, 94032 Passau, (08 51) 5 09-22 23, Fax (08 51) 5 09-22 22, E-mail: [email protected] 82. Cornils, Dr. Matthias, Privatdozent, Buschstraße 53, 53113 Bonn, (02 28) 69 84 85; Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für Öffentliches Recht – Abt. Staatsrecht, Adenauerallee 42–44, 53113 Bonn, (02 28) 73 55 74, Fax (02 28) 73 61 69, E-mail: [email protected] 83. Cremer, Dr. Hans-Joachim, Universitätsprofessor, Steinritzstr. 21, 60437 Frankfurt a.M.; Universität Mannheim, Fakultät für Rechtswissenschaft, Schloß, Westflügel, 68131 Mannheim, (06 21) 1 81-14 28, -14 29 (Sekr.), Fax (06 21) 1 81-14 30, E-mail: [email protected] 84. Cremer, Dr. Wolfram, Privatdozent, Lokstedter Damm 29, 22453 Hamburg; Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg, Institut für Öffentliches Recht, Holstenhofweg 35, 22043 Hamburg, (0 40) 65 41-32 96, E-mail: [email protected] 85. Czybulka, Dr. Detlef, Universitätsprofessor, Bergstraße 24–25, 18107 Elmenhorst, (03 81) 7 95 39 44, Fax (03 81) 7 95 39 45; Universität Rostock, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Umweltrecht Und Öffentliches Wirtschaftsrecht, Universitätsplatz 1, 18051 Rostock, (03 81) 4 98-82 50, Fax (03 81) 4 98-82 52, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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86. Dagtoglou, Dr. Prodromos, Professor, Hippokratous 33, GR-Athen 144, (00 30-1) 3 22 11 90; (00 30-1) 3 62 90 65 87. Danwitz, Dr. Thomas v., Professor, Klinkenbergsweg 1, 53332 Bornheim, (0 22 27) 90 91 04, Fax (0 22 27) 90 91 05; Institut für Medienrecht, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht, insb. Medien- und Kommunikationsrecht, Universität zu Köln, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 28 55 61 11, Fax (02 21) 28 55 61 22, E-mail: [email protected] 88. Davy, Dr. Benjamin, Universitätsprofessor, Korte Geitke 5, 44227 Dortmund, (02 31) 77 99 94; Fachgebiet Bodenpolitik, Bodenmanagement und kommunales Vermessungswesen, Fakultät Raumplanung, Universität Dortmund, 44221 Dortmund, (02 31) 7 55 22 28, Fax (02 31) 7 55 48 86, E-mail: [email protected] 89. Davy, Dr. Ulrike, Universitätsprofessorin, Korte Geitke 5, 44227 Dortmund, (02 31) 77 99 94 oder 7 94 99 79; Lehrstuhl für öffentliches Recht, deutsches und internationales Sozialrecht und Rechtsvergleichung, Universität Bielefeld, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, (05 21) 1 06 44 00 oder 68 93 (Sekr.), Fax (05 21) 1 06 80 83, E-mail: [email protected] 90. Dederer, Dr. Hans-Georg, Privatdozent, Karthäuserstraße 5, 53129 Bonn, (02 28) 4 79 75 95; Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für Öffentliches Recht, Abt. Verwaltungsrecht, Adenauerallee 24–42, 53113 Bonn, (02 28) 73-94 49, Fax (02 28) 73-79 01, E-mail: [email protected] 91. De Wall, Dr. Heinrich, Professor, Schronfeld 108, 91054 Erlangen, (0 91 31) 97 15 45; Hans-Liermann-Institut für Kirchenrecht der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Hindenburgstraße 34, 91054 Erlangen, (0 91 31) 85-2 22 42, Fax (0 91 31) 85-2 40 64, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

92. Degenhart, Dr. Christoph, Universitätsprofessor, Stormstr. 3, 90491 Nürnberg, (09 11) 59 24 62, Fax (09 11) 59 24 62; Juristenfakultät, Universität Leipzig, Otto-Schill-Str. 2, 04109 Leipzig, (03 41) 97-3 51 91, Fax (03 41) 97-3 51 99, E-mail: [email protected] 93. Delbanco, Dr. Heike, Privatdozentin, Großbeerenstr. 83b, 28211 Bremen; Ärztekammer Bremen, Schwachhauser Heerstr. 30, 28209 Bremen, E-mail: [email protected] 94. Delbrück, Jost, Dr. Dr. rer.pol.h.c., LL .D. h.c., Professor em., Schoolredder 20, 24161 Altenholz, (04 31) 32 29 95; Universität Kiel, 24098 Kiel, (04 31) 8 80 21 88, Fax (04 31) 8 80 16 19, E-mail: [email protected] 95. Denninger, Dr. Dr. h.c. Erhard, Professor em., Am Wiesenhof 1, 61462 Königstein, (0 61 73) 7 89 88; Universität Frankfurt, Institut für Öffentliches Recht, Senckenberganlage 31, 60325 Frankfurt a.M., E-mail: [email protected] 96. Depenheuer, Dr. Otto, Professor, Joachimstr. 4, 53113 Bonn, (02 28) 92 89 43 63, Fax (02 28) 92 89 43 64; Universität zu Köln, Seminar für Staatsphilosophie und Rechtspolitik, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70 22 30, Fax (02 21) 4 70 50 10, E-mail: [email protected] 97. Determann, Dr. Lothar, Privatdozent, 1275 California Street, USA -San Francisco, CA 94109, E-mail: [email protected]; Freie Universität Berlin, Ehrenbergstr. 17, 14195 Berlin 98. Detterbeck, Dr. Steffen, o. Professor, Stettiner Str. 60, 35274 Kirchhain, (0 64 22) 45 31; Institut für Öffentliches Recht, Universität Marburg, Universitätsstr. 6, 35032 Marburg, (0 64 21) 2 82 31 23, Fax (0 64 21) 2 82 32 09, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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99. Di Fabio, Dr. Dr. Udo, Professor, Richter des Bundesverfassungsgerichts, Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe, (07 21) 91 01-0, Fax (07 21) 91 01-3 82; Institut für Öffentliches Recht, Abt. Staatsrecht, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Adenauerallee 44, 53113 Bonn, (02 28) 73 55-73, Fax (02 28) 73 79 35, E-mail: [email protected] 100. Dietlein, Dr. Johannes, Professor, Heinrich-Heine-Universität, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre, Zentrum für Informationsrecht, Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf, (02 11) 81-1 14 20, Fax (02 11) 81-1 14 55, E-mail: [email protected] 101. Dittmann, Dr. Armin, o. Professor, Karl-Brennenstuhl-Str. 11, 72074 Tübingen, (0 70 71) 8 24 56; Universität Hohenheim – Schloß, Postfach 70 05 62, 70593 Stuttgart, (07 11) 4 59-27 91, Fax (07 11) 4 59-34 82, E-mail: [email protected] 102. Doehring, Dr. Dr. h.c. Karl, o. Professor, Mühltalstr. 117/3, 69121 Heidelberg, (0 62 21) 40 98 80, Universität (0 62 21) 54 74 46; MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 4 82-2 64 103. Dolderer, Dr. Michael, Privatdozent, Erwinstr. 48, 79102 Freiburg, (07 61) 7 81 06; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Hauffstraße 5, 70190 Stuttgart, (07 11) 9 21-20 72 oder 9 21-20 66 104. Dolzer, Dr. Dr. Rudolf, Professor, Am Pferchelhang 4/1, 69118 Heidelberg, (0 62 21) 80 33 44; Rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät, Universität Bonn, Adenauerallee 24–42, 53113 Bonn, (02 28) 73 91 72, Fax (02 28) 73 91 71, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

105. Dörr, Dr. Dieter, Professor, Am Stadtwald 6, 66123 Saarbrücken; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Medienrecht, Universität Mainz, 55099 Mainz, (0 61 31) 3 92 26 81 oder 3 92 30 44, Fax (0 61 31) 3 92 56 97, E-mail: [email protected]; Direktor des Mainzer Medieninstituts ( MMI ), Mainzer Medieninstitut e.V., Kaiserstr. 32, 55116 Mainz, (0 61 31) 1 44 92 50, Fax (0 61 31) 1 44 92 60, E-mail: [email protected] 106. Dörr, Dr. Oliver, LL .M. (London), Professor, Bergstr. 14, 14532 Stahnsdorf; Universität Osnabrück, Fachbereich Rechtswissenschaft, European Legal Studies Institute, 49069 Osnabrück, (05 41) 9 69 60 50 oder -60 51, Fax (05 41) 9 69 60 49, E-mail: [email protected] 107. Dreier, Dr. Horst, o. Professor, Bismarckstr. 13, 21465 Reinbek, (0 40) 7 22 58 34; Lehrstuhl für Rechtsphilosophie, Staats- und Verwaltungsrecht, Universität Würzburg, Domerschulstraße 16, 97070 Würzburg, (09 31) 31 23 21, Fax (09 31) 31 29 11, E-mail: [email protected] 108. Dreier, Dr. Ralf, o. Professor, Wilhelm-Weber-Str. 4, 37073 Göttingen, (05 51) 5 91 14; Universität Göttingen, 37073 Göttingen, (05 51) 39 73 84 109. Durner, Dr. jur., Dr. phil. Wolfgang, LL .M. (London), Privatdozent, Viktoriaplatz 1, 53173 Bonn-Bad Godesberg; Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, Adenauerallee 44, 53113 Bonn, (02 28) 73 91 51, Fax (02 28) 73 55 82, E-mail: [email protected] 110. Eberle, Dr. Carl-Eugen, Professor, Kapellenstr. 68a, 65193 Wiesbaden, (06 11) 52 04 68; ZDF, 55100 Mainz, (0 61 31) 70-41 00, Fax (0 61 31) 70 54 52, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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111. Ebsen, Dr. Ingwer, Professor, Alfred-Mumbächer-Str. 19, 55128 Mainz, (0 61 31) 33 10 20; FB Rechtswissenschaft, Universität Frankfurt, Postfach 11 19 32, 60054 Frankfurt am Main, (0 69) 7 92 27 03, E-mail: [email protected] 112. Eckhoff, Dr. Rolf, Professor, Bornwiesweg 37, 65388 Schlangenbad-Georgenborn, (0 61 29) 48 93 70, Fax (0 61 29) 48 93 72; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Finanz- und Steuerrecht, Universitätsstr. 31, 93040 Regensburg, (09 41) 9 43-26 56/57, Fax (09 41) 9 43-19 74, E-mail: [email protected] 113. Ehlers, Dr. Dirk, Professor, Am Mühlenbach 14, 48308 Senden, (0 25 97) 84 15, E-mail: [email protected]; Institut für öffentliches Wirtschaftsrecht, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Universitätsstr. 14–16, 48143 Münster, (02 51) 83-2 27 01, Fax (02 51) 83-2 83 15, E-mail: IOEW @uni-muenster.de 114. Ehmke, Dr. Horst, o. Professor, Am Römerlager 4, 53117 Bonn 115. Ehrenzeller, Dr. Bernhard, o. Professor, Kirchlistraße 36 a, CH –9010 St. Gallen, (00 41) 71-2 44 26 08; Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechtsund Sozialwissenschaften, Bodanstraße 4, CH –9000 Ht. Gallen, (00 41) 71-2 24 24 40 oder -46, Fax (00 41) 71-2 24 24 41, E-mail: [email protected] 116. Eifert, Dr. Martin, Privatdozent, Bötzowstraße 27, 10407 Berlin (0 30) 61 62 74 64; Justus-Liebig-Universität Gießen, Professur für Öffentliches Recht II , Hein-Heckroth-Straße 5, 35390 Gießen, (06 41) 9 92 10 90, Fax (06 41) 9 92 10 99, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

117. Ekardt, Dr. Felix, Professor, LL .M., M.A., Könneritzstraße 41, 04229 Leipzig; Forschungsstelle für Europäisches Umweltrecht & Bremer Institut für transnationales Verfassungsrecht, Universität Bremen, Universitätsallee GW I, 28359 Bremen, (04 21) 2 18-21 36 oder -31 70 oder -21 33, Fax (04 21) 2 18-93 16, E-mail: [email protected] 118. Elicker, Dr. Michael, Privatdozent, Dunzweiler Straße 6, 66564 Ottweiler, Tel. + Fax (0 68 58) 69 98 53, Universität des Saarlandes, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Wirtschafts-, Finanz- u. Steuerrecht, Im Stadtwald, 66123 Saarbrücken, (06 81) 3 02-21 04, Fax (06 81) 3 02-47 79, E-mail: [email protected] 119. Enders, Dr. Christoph, Universitätsprofessor, Prellerstraße 1A, 04155 Leipzig, (03 41) 5 64 33 71, Fax (03 41) 5 64 33 72; Universität Leipzig, Juristenfakultät, Otto-Schill-Str. 2, 04109 Leipzig, (03 41) 97 35-3 51, Fax (03 41) 97 35-3 59, E-mail: [email protected] 120. Engel, Dr. Christoph, Professor, Königsplatz 25, 53173 Bonn, (02 28) 9 56 34 49, Fax (02 28) 9 56 39 44; Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Kurt-Schumacher-Straße 10, 53113 Bonn, (02 28) 9 14 16-10, Fax (02 28) 9 14 16-11, E-mail: [email protected] 121. Ennuschat, Dr. Jörg, Professor, Elberfelder Str. 23, 58452 Witten, (0 23 02) 39 00 28; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und Bildungsrecht, Universität Bielefeld, 33501 Bielefeld, (05 21) 1 06-69 57 o. -44 01, Fax (02 51) 1 06-60 48, E-mail: [email protected]

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122. Epiney, Dr. Astrid, Professorin, Avenue du Moléson 18, CH –1700 Fribourg, (00 41) 26-3 23 42 24; Universität Fribourg, Lehrstuhl für Europa-, Völkerund Öffentliches Recht, Av. de Beauregard 11, CH –1700 Fribourg, (00 41) 26-3 00 80 90, Fax (00 41) 26-3 00 97 76, E-mail: [email protected] 123. Epping, Dr. Volker, Professor, Neddernwanne 38, 30989 Gehrden, (0 51 08) 91 26 97, Fax (0 51 08) 91 26 98; Universität Hannover, Fachbereich Rechtswissenschaft, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62 82 48/49, Fax (05 11) 7 62 82 52, E-mail: [email protected] 124. Erbel, Dr. Günter, Professor, Burbacher Str. 10, 53129 Bonn; Universität Bonn, Adenauerallee 24–42, 53113 Bonn, (02 28) 73 55 83 125. Erbguth, Dr. Wilfried, Professor, Friedrich-Franz-Str. 38, 18119 Rostock-Warnemünde, (03 81) 5 48 67 09, Fax (03 81) 5 48 67 15; Universität Rostock, Juristische Fakultät, Richard-Wagner-Str. 31, 18119 Rostock-Warnemünde, (03 81) 4 98 38 44, Fax (03 81) 4 98 38 62, E-mail: [email protected] 126. Erichsen, Dr. Hans-Uwe, o. Professor, Falkenhorst 17, 48155 Münster, (02 51) 3 13 12; Kommunalwissenschaftliches Institut, Universität Münster, Universitätsstr. 14–16, 48143 Münster, (02 51) 83 27 41 127. Faber, Dr. Heiko, Professor, Wunstorfer Str. 1, 30989 Gehrden, (0 51 08) 22 34; Universität Hannover, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62-82 06 E-mail: [email protected] 128. Faber, Dr. Angela, Privatdozentin, Am Dörnchesweg 42, 50259 Pulheim, (0 22 34) 6 43 70, Fax (0 22 34) 80 29 93, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

129. Faßbender, Dr. Bardo, LL .M., Privatdozent, Institut für Völker- und Europarecht, Humboldt-Universiät zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-33 22 E-mail: [email protected] 130. Fastenrath, Dr. Ulrich, Professor, Liliensteinstraße 4, 01277 Dresden, (03 51) 2 54 05 36; Juristische Fakultät der TU Dresden, Bergstr. 53, 01069 Dresden, (03 51) 46 33-73 33, Fax (03 51) 46 33-72 13 E-mail: [email protected] 131. Fechner, Dr. Frank, Professor, Fischersand 57, 99084 Erfurt, (03 61) 6 44 56 96; TU Ilmenau, Institut für Rechtswissenschaft, Postfach 100 565, 98684 Ilmenau, (0 36 77) 69-40 22, E-mail: [email protected] 132. Fehling, Dr. Michael, Professor, LL .M. (Berkeley), Hirtenkamp 9, 22359 Hamburg, (0 40) 60 95 14 65; Bucerius Law School, Hochschule für Rechtswissenschaft, Jungiusstraße 6, 20355 Hamburg, Postfach 30 10 30, (0 40) 3 07 06-2 31, Fax (0 40) 3 07 06-2 35, E-mail: [email protected] 133. Feik, Dr. Rudolf, Ao. Univ.-Professor, Hans Sperl Straße 7, A-5020 Salzburg, (00 43) 67 67 30 43 74; Fachbereich Öffentliches Recht, Universität Salzburg, Kapitelgasse 5–7, A-5020 Salzburg, (00 43) 6 62 80 44 36 03, Fax (00 43) 6 62 80 44 36 29, E-mail: [email protected] 134. Felix, Dr. Dagmar, Professorin, An den Fischteichen 47, 21227 Bendestorf, (0 41 83) 50 06 67, Fax (0 41 83) 50 07 29; Universität Hamburg, Öffentliches Recht und Sozialrecht, Fakultät für Rechtswissenschaft, Edmund-Siemers-Allee 1, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-26 65, Fax (0 40) 4 28 38-29 30, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

135. Fiedler, Dr. Wilfried, o. Professor, Am Löbel 2, 66125 Saarbrücken-Dudweiler, (0 68 97) 76 64 01; Forschungsstelle Internationaler Kulturgüterschutz, Universität des Saarlandes, Gebäude 16, Postfach 15 11 50, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02-32 00, Fax (06 81) 3 02-43 30, E-mail: [email protected] 136. Fink, Dr. Udo, Univ.-Professor, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, 55099 Mainz (0 61 31) 3 92 23 84, E-mail: [email protected] 137. Fisahn, Dr. Andreas, Professor, Grüner Weg 83, 32130 Enger, E-mail: [email protected]; Universität Bielefeld, Fakultät für Rechtswissenschaft, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, (05 21) 1 06-43 84, E-mail: [email protected] 138. Fischer, Dr. Kristian, Privatdozent, Deidesheimer Str. 52, 68309 Mannheim, (06 21) 73 82 45; Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Steuerrecht, Universität Mannheim, Schloß, Westflügel, 68131 Mannheim, (06 21) 1 81-14 35, Fax (06 21) 1 81-14 37, E-mail: [email protected] 139. Fleiner, Dr. Dr. h.c. Thomas, o. Professor, rte. Beaumont 9, CH –1700 Hribourg, (00 41) 26-4 24 66 94; Institut für Föderalismus, Universität Fribourg, rte. Englisberg 7, CH –1763 Hranges-Paccot, (00 41) 26-3 00 81 25 oder -28, Fax (00 41) 26-3 00 97 24, E-mail: [email protected] 140. Folz, Dr. Hans-Ernst, Professor, Bispinger Weg 11, 30625 Hannover, (05 11) 57 57 19 oder 56 28 92; Universität Hannover, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62-82 48 oder -82 49

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

141. Folz, Dr. Hans-Peter, Privatdozent, Christoph von Schmid-Straße 11, 86159 Augsburg, (08 21) 5 89 41 83; Juristische Fakultät, Universität Augsburg, Universitätsstraße 24, 86159 Augsburg, (08 21) 59 84 54 73, Fax (08 21) 5 98 45 72, E-mail: [email protected] 142. Frank, Dr. Dr. h.c. Götz, Professor, Cäcilienplatz 4, 26122 Oldenburg, (04 41) 7 56 89; Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Juristisches Seminar, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 26111 Oldenburg, Paketanschrift: Ammerländer Heerstraße 114–118, 26129 Oldenburg; (04 41) 7 98-41 43, Fax (04 41) 7 98-41 51, E-mail: [email protected] 143. Frankenberg, Dr. Dr. Günter, Professor, Buchrainweg 17, 63069 Offenbach; Institut für Öffentliches Recht, Universität Frankfurt, Senckenberganlage 31, 60054 Frankfurt a.M., (0 69) 79 82 29 91, Fax (0 69) 79 82 83 83, E-mail: [email protected] 144. Franz, Dr. Thorsten, Privatdozent, Emil-Eichhorn-Str. 6a, 06114 Halle (Saale), (03 45) 5 22 06 87; Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Universitätsplatz 5/Juridicum 1.1.4, 06108 Halle/Saale, (03 45) 5 52 32 24, Fax (03 45) 5 52 72 93, E-mail: [email protected] 145. Friauf, Dr. Karl Heinrich, o. Professor, Eichenhainallee 17, 51427 Bergisch-Gladbach, (0 22 04) 6 19 84; Universität Köln, 50923 Köln 146. Fromont, Dr. Dr. mult. h.c. Michel, Professor, 12, Boulevard de Port Royal, F-75005 Paris, (00 33 1) 45 35 73 71, E-mail: [email protected]; Universität Paris I Panthéon-Sorbonne, Études Internationales et Européennes, 12, place du Panthéon, F-75231 Paris Cédex 05

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

147. Frotscher, Dr. Werner, Professor, Habichtstalgasse 32, 35037 Marburg/Lahn, (0 64 21) 3 29 61; Universität Marburg, Universitätsstr. 6, 35032 Marburg/Lahn, (0 64 21) 28-2 31 22/1 26 (Sekr.), Fax (0 64 21) 2 82-38 40, E-mail: [email protected] 148. Frowein, Dr. Dr. h.c. Jochen Abr., o. Professor, Blumenthalstr. 53, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 47 46 82; MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 4 82-2 58, Fax (0 62 21) 4 82-6 77, E-mail: [email protected] 149. Führ, Dr. Martin, Professor, Fachhochschule Darmstadt, Haardtring 100, 64295 Darmstadt E-mail: [email protected] 150. Funk, Dr. Bernd-Christian, o. Professor, Franz Grassler Gasse 23, A-1230 Wien, Tel./Fax (00 43-1) 8 89 29 35; Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Universität Wien, Juridicum, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien; Institut für Universitätsrecht und Universitätsmanagement, Johannes Kepler Universität Linz, Altenbergerstr. 69, A-4040 Ainz, (00 43) 7 32-24 68-93 36, Fax (00 43) 7 32-24 68 93 99, E-mail: [email protected] 151. Gächter, Dr. Thomas, Professor, Zeppelinstrasse 69, CH –8057 Hürich, (00 41-1) 3 63 37 24; Universität Zürich, Cäcilienstraße 5, CH –8032 Hürich, (00 41-44) 6 34 30 62, E-mail: [email protected] 152. Gaitanides, Dr. Charlotte, LL .M. (E), Privatdozentin, 22041 Hamburg, (0 40) 68 28 48 77; Helmut Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg, Institut für Öffentliches Recht, Holstenhofweg 85, 22043 Hamburg, (0 40) 65 41-29 40, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

153. Gallent, DDr. Kurt, Universitätsprofessor, Obersenatsrat i.R., Pestalozzistr. 1/ III , A-8010 Graz, (00 43) 3 16-84 76 22 154. Gallwas, Dr. Hans-Ulrich, Professor, Hans-Leipelt-Str. 16, 80805 München, (0 89) 32 83 66; Universität München, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-32 62 155. Gamper, Dr. Anna, Univ.-Doz., Universität Innsbruck, Institut für öffentliches Recht, Staatsund Verwaltungslehre, Innrain 80, A-6020 Innsbruck, (00 43-0) 5 12-5 07-82 24, Fax (00 43-0) 5 12-5 07-28 28, E-mail: [email protected] 156. Gassner, Dr. Ulrich M., Mag.rer.publ., M.Jur. (Oxon), Professor, Scharnitzer Weg 9, 86163 Augsburg, (08 21) 6 32 50; Universität Augsburg, Universitätsstr. 2, 86135 Augsburg, (08 21) 5 98-45 46, Fax (08 21) 5 98-45 47, E-mail: [email protected] 157. Geis, Dr. Max-Emanuel, o. Professor, Valentin-Rathgeber-Str. 1, 96049 Bamberg, (09 51) 51 93-3 05 oder -3 06, Fax (09 51) 51 93-3 08; Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, Institut für Staatsund Verwaltungsrecht, Schillerstr. 1, 91054 Erlangen, (0 91 31) 8 52 28 18, Fax (0 91 31) 8 52 63 82, E-mail: [email protected] 158. Gellermann, Dr. Martin, apl. Professor, Schlesierstraße 14, 49492 Westerkappeln, (0 54 04) 20 47 (pr.), (0 54 04) 91 96 95 (Büro), Fax (0 54 04) 91 94 75; Universität Osnabrück, FB Rechtswissenschaften, 49069 Osnabrück, E-mail: [email protected] 159. Germann, Dr. Michael, Professor, Rathenauplatz 13, 06114 Halle, (03 45) 5 23 89 32; Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Staatskirchenrecht und Kirchenrecht, Juristische Fakultät, Universitätsplatz 5, 06108 Halle, (03 45) 55-2 32 20, Fax (03 45) 55-2 76 74, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

160. Gersdorf, Dr. Hubertus, Professor, Jägerstraße 65, 10117 Berlin, (0 30) 20 61 96 61, Fax (0 30) 20 61 96 62; Universität Rostock, Lehrstuhl für Kommunikationsrecht, Gerd Bucerius-Stiftungsprofessur, Richard-Wagner-Straße 7, 18055 Rostock, (03 81) 2 03 60 76, Fax (03 81) 2 03 60 75, E-mail: [email protected] 161. Giegerich, Dr. Thomas, Professor, Hugenottenstraße 6, 68229 Mannheim; Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht, Universität Kiel, Westring 400, 24098 Kiel, (04 31) 8 80 21 89 (-17 33 [Sekr.]), E-mail: [email protected] 162. Goerlich, Dr. Helmut, Professor, Universität Leipzig, Juristenfakultät, Otto-Schill-Str. 2, 04109 Leipzig, (03 41) 97-3 51 71, Fax (03 41) 97-3 51 79 E-mail: [email protected] 163. Göldner, Dr. Detlef, Privatdozent, Wilhelmshavener Str. 20, 24105 Kiel, (04 31) 8 16 44 164. Gornig, Dr. Dr. h c. Gilbert, Professor, Pfarracker 4, 35043 Marburg-Bauerbach, (0 64 21) 16 35 66, Fax (0 64 21) 16 37 66; Institut für Öffentliches Recht, Universität Marburg, Universitätsstr. 6, 35032 Marburg, (0 64 21) 28-31 31 oder 28-31 27, Fax (0 64 21) 28-38 53, E-mail: [email protected] 165. Götz, Dr. Volkmar, o. Professor, Geismarlandstr. 17a, 37083 Göttingen, (05 51) 4 31 19; Universität Göttingen, Abt. Europarecht des Instituts für Völkerrecht, Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen, (05 51) 39-47 61, Fax (05 51) 39-21 96, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

166. Grabenwarter, Dr. Dr. Christoph, Universitätsprofessor, Institut für österreichisches, europäisches und vergleichendes Öffentliches Recht, Karl-Franzens-Universität Graz, Universitätsstraße 15/D3, A-8010 Graz, (0 43) 31 63 80 36 02, Fax: (0 43) 31 63 80 94 53, E-mail: [email protected] 167. Gramlich, Dr. Ludwig, Professor, Justus-Liebig-Str. 38 A, 64839 Münster; Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, TU Chemnitz-Zwickau, Postfach 9 64, 09009 Chemnitz, (03 71) 5 31 41 64, -65, Fax (03 71) 5 31 39 61, E-mail: [email protected], Internet: http://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jural/ 168. Gramm, Dr. Christof, Privatdozent, MinRat, Wilhelmstraße 10, 53604 Bad Honnef, (0 22 24) 48 34; Bundesministerium der Verteidigung, Postfach 13 28, 53003 Bonn, (02 28) 12-77 20, E-mail: [email protected] 169. Grawert, Dr. Dr. h.c. Rolf, o. Professor, Aloysiusstrasse 28, 44795 Bochum, (02 34) 47 36 92, Fax (02 34) 5 16 91 36; Ruhr-Universität Bochum, Juristische Fakultät, Universitätsstrasse 150, GC 8/59, 44721 Bochum, (02 34) 32 22 52 65, Fax (02 34) 3 21 42 36, E-mail: [email protected] 170. Grewlich, Dr. Dr. Klaus W. LLM ., Professor, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland (z.b.V.), Diplomatischer Berater des Staatspräsidenten von Rumänien, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät und Zentrum für Europäische Integrationsforschung, Universität Bonn, Colmantstr. 43, 53113 Bonn,E-mail: [email protected] 171. Grigoleit, Dr. Klaus Joachim, Privatdozent, Charlottenbrunner Straße 5a, 14193 Berlin, (0 30) 50 40 04; Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-35 27, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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172. Griller, Dr. Stefan, Universitätsprofessor, Hungerbergstr. 11–13, A-1190 Wien, (00 43-1) 32 24 05; Forschungsinstitut für Europafragen, Wirtschaftsuniversität Wien, Althanstr. 39–45, A-1090 Wien, (00 43-1) 3 13 36-41 35 oder 41 36, Fax (00 43-1) 3 13 36-7 58 173. Grimm, Dr. Dieter, o. Professor, Bayerische Straße 5, 10707 Berlin, (0 30) 88 72 57 99, Fax (0 30) 88 72 58 99; Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-35 66 (Büro), -35 67 (Sekretariat), -35 36 (Mitarbeiter), Fax (0 30) 20 93-34 78, E-mail: [email protected], Wissenschaftskolleg zu Berlin, Institute for Advanced Study, Wallotstr. 19, 14193 Berlin, (0 30) 8 90 01-0 (Zentrale), (0 30) 8 90 01-1 19, Fax (0 30) 8 90 01-1 00, E-mail: [email protected] 174. Gröpl, Dr. Christoph, Professor, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Universität des Saarlandes, Postfach 15 11 50, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02-32 00, Fax (06 81) 3 02-43 30, E-mail: [email protected] 175. Gröschner, Dr. Rolf, o. Professor, Stormstr. 39, 90491 Nürnberg, (09 11) 59 14 08; Rechtswissenschaftliche Fakultät, Universität Jena, Carl-Zeiss-Straße 3, 07743 Jena, (0 36 41) 94 22 20 oder -21, Fax (0 36 41) 94 22 22, E-mail: [email protected] 176. Gromitsaris, Dr. Athanasios, Privatdozent, 1160, Chemin du Vierayms, F-59270 Méteren, E-mail: [email protected] 177. Groß, Dr. Thomas, Professor, Gottfried-Keller-Str. 56, 60431 Frankfurt/M., (0 69) 95 15 39 39; Justus-Liebig-Universität, Fachbereich Rechtswissenschaft, Licher Straße 64, 35394 Gießen, (06 41) 99-2 11 20/-21, Fax (06 41) 99-2 11 29, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

178. Grote, Dr. Rainer, LL .M. (Edinburgh) Privatdozent, Im Sand 3A, 69115 Heidelberg, (0 62 21) 16 43 46, Fax (0 62 21) 91 47 35; Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 48 22 44, Fax (0 62 21) 48 22 88, E-mail: [email protected] 179. Grupp, Dr. Klaus, Universitätsprofessor, Universität des Saarlandes, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Postfach 15 11 50, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02-35 08 oder -35 48, Fax (06 81) 3 02-43 37, E-mail: [email protected] 180. Grzeszick, Dr. Bernd, Professor, Henkestraße 74–76, 91052 Erlangen, (0 91 31) 1 23 28 14, E-mail: [email protected], Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Rechtsphilosophie und Allgemeine Staatslehre, Schillerstraße 1, 91054 Erlangen, (0 91 31) 8 52 22 60/-59, Fax (0 91 31) 8 52 69 50, E-mail: [email protected] 181. Guckelberger, Dr. Anette, Privatdozentin, Albert-Schweitzer-Straße 16, 67346 Speyer, (0 62 32) 62 28 11; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Freiherr-vom-Stein-Straße 2, 67346 Speyer, (0 62 32) 65 43 19, E-mail: [email protected] 182. Gundel, Dr. Jörg, Professor, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth, (09 21) 55-29 43, E-mail: [email protected] 183. Gurlit, Dr. Elke, Universitätsprofessorin, Rüdesheimer Strasse 18, 65197 Wiesbaden, E-mail: [email protected]; Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaft, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 55099 Mainz, (0 61 31) 3 92 31 14, Fax (0 61 31) 3 92 40 59, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

184. Gusy, Dr. Christoph, Professor, Wendischhof 14, 33619 Bielefeld, (05 21) 9 67 79 67; Universität Bielefeld, Fakultät für Rechtswissenschaft, Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld, (05 21) 1 06 43 97, E-mail: [email protected] 185. Häberle, Dr. Dr. h.c. mult. Peter, o. Professor, Forschungsstelle für Europäisches Verfassungsrecht, Universität Bayreuth, Universitätsstraße 30, Postfach, 95440 Bayreuth, (09 21) 55 70 88, Fax (09 21) 55 70 99, E-mail: [email protected] 186. Häde, Dr. Ulrich, Universitätsprofessor, Lennéstraße 15, 15234 Frankfurt/Oder, (03 35) 6 85 74 38; Europa-Universität Viadrina, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insb. Verwaltungsrecht, Finanzrecht und Währungsrecht, Postfach 17 86, 15207 Frankfurt/Oder, Hausanschrift: Große Scharrnstr. 59, 15230 Frankfurt/Oder, (03 35) 55 34-26 70, Fax (03 35) 55 34-25 25, E-mail: [email protected] 187. Haedrich, Dr. Martina, Professorin, Im Ritzetal 20, 07749 Jena, (0 36 41) 44 85 25, Fax (0 36 41) 44 44 14; Rechtswissenschaftliche Fakultät, Friedrich-Schiller-Universität, Carl-Zeiss-Straße 3, 07743 Jena, (0 36 41) 94 22 15, Fax (0 36 41) 94 20 02, E-mail: [email protected] 188. Häfelin, Dr. Ulrich, o. Professor, Müseliweg 1, CH –8049 Hürich, (00 41-1) 56 84 60 189. Härtel, Dr. Ines, Privatdozentin, Schopenhauerweg 2, 37083 Göttingen, (05 51) 7 70 67 27, Fax (05 51) 7 70 67 27, Juristische Fakultät der Georg-August-Universität, Institut für Landwirtschaftsrecht, Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen, (05 51) 39 74 47, Fax (05 51) 3 99 12 68, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

190. Hafner, Dr. Felix, Professor, Hirzbrunnenschanze 67, CH –4058 Hasel, (00 41) 61-6 91 40 64; Titularprofessor für öffentliches Recht, insb. Kirchenrecht der Universität Basel, Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt, CH –4001 Hasel, (00 41) 61-2 67 81 19, Fax (00 41) 61-2 67 81 37, E-mail: [email protected] 191. Hahn, Dr. Dr. h.c. Hugo J., LL .M. (Harvard), o. Professor, Frankenstr. 63, 97078 Würzburg, (09 31) 28 42 86; Universität Würzburg, (09 31) 31 23 10, Fax (09 31) 31 23 17 192. Hailbronner, Dr. Kay, o. Professor, Toggenbühl, CH –8269 Hruthwilen, (00 41) 71-6 64 19 46; Universität Konstanz, (0 75 31) 88 22 47, E-mail: [email protected] 193. Hain, Dr. Karl-E., Professor, Herrnstraße 10, 57627 Hachenburg (0 26 62) 94 20 64; Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Jakob-Welder-Weg 9, 55099 Mainz, (0 61 31) 39-2 33 75, Fax (0 61 31) 39-2 30 09, E-mail: [email protected] 194. Haller, Dr. Herbert, Universitätsprofessor, Felix-Mottl-Str. 48, Haus 2, A-1190 Wien, (00 43-1) 3 42 93 82; Wirtschafts-Universität Wien, (00 43-1) 3 13 36-46 68, E-mail: [email protected] 195. Haller, Dr. Walter, o. Professor, Burgstr. 264, CH –8706 Heilen, (00 41-1) 9 23 10 14; Universität Zürich, Institut für Völkerrecht und ausländisches Verfassungsrecht, Hirschengraben 40, CH –8001 Hürich, (00 41-1) 6 34-20 52, Fax (00 41-1) 6 34-49 93, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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196. Haltern, Dr. Ulrich, LL .M. (Yale), Universitätsprofessor, Lister Platz 3, 30163 Hannover, (05 11) 3 57 62 59; Universität Hannover, Lehrstuhl für deutsches und europäisches Staats- und Verwaltungsrecht, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62 81 86, Fax (05 11) 7 62 81 73, E-mail: [email protected] 197. Hammer, Dr. Felix, Privatdozent, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Kirchenrecht, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen 198. Hammer, Dr. Stefan, Univ.-Doz., Anton-Frank-Gasse 17, A-1180 Wien, (00 43-1)4 70 59 76; Universität Wien, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43-1) 42 77-3 54 65, Fax (00 43-1) 42 77-3 54 69, E-mail: [email protected] 199. Hangartner, Dr. Yvo, o. Professor, Am Gozenberg 2, CH –9202 Hossau, (00 41) 71-85 15 11; Hochschule St. Gallen 200. Hänni, Dr. Peter, o. Professor, Stadtgraben 6, CH –3280 Hurten, (00 41) 26-6 70 58 15; Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Universität Fribourg, Les Portes de Fribourg, Route d’Englisberg 7, CH –1763 Hranges-Paccot, (00 41) 26-3 00 81 29, Fax (00 41) 26-3 00 97 24, E-mail: [email protected] 201. Haratsch, Dr. Andreas, Privatdozent, Am Alten Weg 11, 55127 Mainz, (06 13 11) 36 21 33; Zentrum für Europäische Integrationsforschung an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Walter-Flex-Straße 3, 53113 Bonn, (02 28) 73-18 98, E-mail: [email protected] 202. Hase, Dr. Friedhelm, Professor, Ewald-Rübsamen-Weg 7, 57076 Siegen, (02 71) 2 50 65 47; Universität Siegen, Fachbereich 5, Wirtschaftswissenschaften, Hölderlinstr. 3, 57068 Siegen, (02 71) 7 40-32 19 oder 7 40-32 08, Fax (02 71) 7 40-24 77, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

203. Hatje, Dr. Armin, Professor, Sauerbruchstr. 36, 32049 Herford, Tel./Fax (0 52 21) 27 03 10; Universität Bielefeld, Fakultät für Rechtswissenschaft, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, (05 21) 1 06 44 12, Fax (05 21) 10 68 90 16, E-mail: [email protected] 204. Haverkate, Dr. Görg, Universitätsprofessor, Klingenweg 26, 69118 Heidelberg, (0 62 21) 80 05 81; Universität Heidelberg, Friedrich-Ebert-Anlage 3, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 77 23 205. Heckel, Dr. iur. Dr. theol. h.c. Martin, o. Universitätsprofessor, Lieschingstr. 3, 72076 Tübingen, (0 70 71) 6 14 27 206. Hecker, Dr. Jan, Privatdozent, LL .M. Marienstraße 25, 10177 Berlin, (0 30) 44 31 76 85, Mobil: (01 76) 23 29 28 26; Bundesamt für Verfassungsschutz, Merianstraße 100, 50765 Köln (01 88) 7 92 10 07, E-mail: [email protected] 207. Heckmann, Dr. Dirk, Universitätsprofessor, stv. Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Schärdinger Straße 11e, 94032 Passau, (08 51) 75 38 83, Fax (08 51) 4 90 58 20; Universität Passau, Ordinarius für Internetund Sicherheitsrecht, Innstraße 40, 94032 Passau, (08 51) 5 09-22 90, Fax (08 51) 5 09-22 92, E-mail: [email protected] 208. Heintschel von Heinegg, Dr. Wolff, Professor, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder, Lehrstuhl für Öffentl. Recht, August-Bebel-Str. 12, 15234 Frankfurt/Oder, (03 35) 55 34-29 16, Fax (03 35) 55 34-29 15, E-mail: [email protected] 209. Heintzen, Dr. Markus, Professor, Freie Universität Berlin, FB Rechtswissenschaft, Van’t-Hoff-Str. 8, 14195 Berlin, (0 30) 8 38-5 24 79, Fax (0 30) 8 38-5 21 05, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

210. Heitsch, Dr. Christian, Privatdozent, Zurmaiener Straße 18, 54292 Trier, (06 51) 9 91 62 08; FB Rechtswissenschaft, Universität Trier, Universitätsring 15, 54268 Trier, (06 51) 2 01-25 57, Fax (06 51) 2 01-39 03, E-mail: [email protected] 211. Hellermann, Dr. Johannes, Universitätsprofessor, Am Pappelkrug 3, 33619 Bielefeld, (05 21) 16 00 38; Universität Bielefeld, Fakultät für Rechtswissenschaft, Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld, (05 21) 1 06-44 22, Fax (05 21) 1 06-60 48, E-mail: [email protected] 212. Hendler, Dr. Reinhard, Universitätsprofessor, Laurentius-Zeller-Str. 12, 54294 Trier, (06 51) 9 37 29 44; Universität Trier, FB Rechtswissenschaft, Universitätsring 15, 54286 Trier, (06 51) 2 01-25 56 oder 25 58, Fax (06 51) 2 01-39 03, E-mail: [email protected] 213. Hengstschläger, Dr. Johann, o. Universitätsprofessor, Steinfeldgasse 7, A-1190 Wien, (00 43) 1 32-8 17 27; Johannes-Kepler-Universität, Altenbergerstr. 69, A-4040 Ainz, (00 43) 7 32-24 68-4 01, Fax (00 43) 7 32-2 46 43, E-mail: [email protected] 214. Hense, Dr. Ansgar, Privatdozent, Auststr. 5, 53179 Bonn (02 28) 4 29 53 72; Institut für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, Adenauerallee 19, 53111 Bonn, (02 28) 26 74-3 61 E-mail: [email protected] 215. Herdegen, Dr. Matthias, Professor, Friedrich-Wilhelm-Str. 35, 53113 Bonn; Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, Universität Bonn, Adenauerallee 44, 53113 Bonn, (02 28) 73 55 70/-80, Fax (02 28) 73 79 01, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

216. Hermes, Dr. Georg, Professor, Alt Höchst 1–3, 65929 Frankfurt a.M., (0 69) 43 05 77 50, Fax (0 69) 49 08 40 58; Universität Frankfurt, FB Rechtswissenschaft, Postfach 11 19 31, 60054 Frankfurt a.M., (0 69) 7 98-2 38 63, Fax (0 69) 7 98-2 87 50, E-mail: [email protected] 217. Herrmann, Dr. Günter, Professor, Wankweg 13, 87642 Buching/Allgäu, (0 83 68) 16 96; Universität München, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München 218. Herzog, Dr. Roman, Professor, Bundespräsident a. D., Postfach 86 04 45, 81631 München 219. Heun, Dr. Werner, Professor, Bürgerstraße 5, 37073 Göttingen, (05 51) 70 62 48; Universität Göttingen, Institut für Allgemeine Staatslehre und Politische Wissenschaften, Goßlerstraße 11, 37073 Göttingen, (05 51) 39-46 93, Fax (05 51) 39-22 39, E-mail: [email protected] 220. Hey, Dr. Johanna, Professorin, Wiethasestraße 73, 50933 Köln, (02 21) 4 91 17 38, Fax (02 21) 4 91 17 34; Universität Düsseldorf, Lehrstuhl für Unternehmenssteuerrecht, Universitätsstraße 1, 40225 Düsseldorf, (02 11) 81-15 86 76, Fax (02 11) 81-1 58 70, E-mail: [email protected] 221. Heyen, Dr. iur. lic. phil. Erk Volkmar, Universitätsprofessor, Arndtstraße 22, 17489 Greifswald, (0 38 34) 50 27 16; Ernst Moritz Arndt-Universität, Domstr. 20, 17489 Greifswald, (0 38 34) 86-21 08, Fax (0 38 34) 86-20 02, E-mail: [email protected] 222. Hidien, Dr. Jürgen W., Professor, Königsstr. 37, 48143 Münster, (02 51) 4 78 77

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

223. Hilf, Dr. Meinhard, Universitätsprofessor, Kückallee 19, 21465 Reinbek bei Hamburg (0 40) 78 10 75 10, Fax (0 40) 78 10 75 12; Bucerius Law School, Jungiusstraße 6, 20355 Hamburg, (0 40) 30 70 61 58, Fax (0 40) 30 70 62 46, E-mail: [email protected] 224. Hill, Dr. Hermann, Professor, Habichtstr. 15, 67373 Dudenhofen; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Postfach 14 09, 67324 Speyer, (0 62 32) 6 54-3 28, E-mail: [email protected] 225. Hillgruber, Dr. Christian, Professor, Ortwinstr. 1, 53179 Bonn, (02 28) 4 10 06 38; Institut für Öffentliches Recht, Adenauerallee 24–42, 53113 Bonn, (02 28) 73 79 25, Fax (02 28) 73 48 69, E-mail: [email protected] 226. Hobe, Dr. Stephan, LL .M., Universitätsprofessor, In der Asbach 32, 53347 Alfter-Impekoven; Universität zu Köln, Institut für Luft- und Weltraumrecht und Lehrstuhl für Völker- und Europarecht, europäisches und internationales Wirtschaftsrecht, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70 23 37, E-mail: [email protected] 227. Hochhuth, Dr. Martin, Privatdozent, Kaiser-Joseph-Straße 268, 79098 Freiburg; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Öffentliches Recht, Abteilung II , Staatsrecht, Platz der Alten Synagoge 1, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03-22 43, Fax (07 61) 2 03-22 40, E-mail: [email protected] 228. Hoffmann, Dr. Dr. h.c. Gerhard, o. Professor, Ernst-Lemmer-Str. 10, 35041 Marburg, 0 64 21-8 16 45; Universität Marburg, 35037 Marburg 229. Hoffmann-Riem, Dr. Wolfgang, Professor, Bundesverfassungsrichter, Bundesverfassungsgericht, Postfach 17 71, 76131 Karlsruhe

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

230. Höfling, Dr. Wolfram, Professor, M.A., Bruchweg 2, 52441 Linnich, (0 24 62) 36 16; Universität zu Köln, Institut für Staatsrecht, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70-33 95, Fax (02 21) 4 70-50 75, E-mail: [email protected] 231. Hofmann, Dr. Dr. h.c. Hasso, o. Professor, Christoph-Mayer-Weg 5, 97082 Würzburg, (09 31) 8 73 88, oder Torstr. 176, 10115 Berlin, (0 30) 2 81 30 75; Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-35 53, E-mail: [email protected] 232. Hofmann, Dr. Dr. Rainer, Universitätsprofessor, Bergstr. 83, 69121 Heidelberg, (0 62 21) 40 10 04; Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt/M., Lehrstuhl für öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht, Senckenberganlage 31, 60325 Frankfurt/M., (0 69) 7 98-2 53 17, Fax (0 69) 7 98-2 53 18, E-mail: [email protected] 233. Hohmann, Dr. Harald, Privatdozent, Furthwiese 10, 63654 Büdingen, (0 60 49) 95 29 12, Fax (0 60 49) 95 29 13; Hohmann & Partner Rechtsanwälte, Schloßgasse 2, 63654 Büdingen, (0 60 42) 95 67-0, Fax (0 60 42) 95 67-67, E-mail: [email protected] 234. Hollerbach, Dr. Dr. h.c. Alexander, o. Professor, Runzstraße 86, 79102 Freiburg i.Br., (07 61) 2 17 14 13; Universität Freiburg, Europaplatz, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03 22 58, Fax (07 61) 2 03 22 97 235. Holoubek, Dr. Michael, Universitätsprofessor, Zehenthofgasse 36/8, A-1190 Wien, (00 43-1) 3 17 73 72; Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht, Wirtschaftsuniversität Wien, Althanstraße 39–45, A-1090 Wien, (00 43-1) 3 13 36-46 60, Fax (00 43-1) 3 13 36-7 13, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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236. Hölscheidt, Dr. Sven, Ministerialrat, Privatdozent, Westfälische Straße 45, 10711 Berlin, (0 30) 89 06 09 78; Deutscher Bundestag, Fachbereich Verfassung und Verwaltung, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, (0 30) 2 27-3 24 25/3 23 25, Fax (0 30) 2 27-3 64 71/3 62 07, E-mail: [email protected] 237. Holzinger, Dr. Gerhart, Sektionschef, Universitätsdozent, Mitglied des Verfassungsgerichtshofs, Judenplatz 11, A-1010 Wien, (00 43-1) 02 22-5 31-22/4 12, Fax (00 43-1) 02 22-5 31-22-5 18 238. Holznagel, Dr. Bernd, LL .M., Professor, Kronprinzenstraße 105, 44135 Dortmund, (02 31) 5 89 87 06, Fax (02 31) 5 89 87 09; Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht ( ITM ), FB Rechtswissenschaften, Universität Münster, Universitätsstr. 14–16, 48143 Münster, (02 51) 83-2 84 11, Fax (02 51) 83-2 18 30, E-mail: [email protected] 239. Hoppe, Dr. Werner, o. Professor, Erphostr. 36, 48145 Münster, (02 51) 39 18 99, Fax (02 51) 39 24 71; c/o RAe Gleiss, Lutz, Hootz, Hirsch & Partner, Stuttgart, (07 11) 8 99 73 29, Fax (07 11) 85 50 96 240. Horn, Dr. Hans-Detlef, Professor, In der Görtzbach 43, 35041 Marburg; Philipps-Universität Marburg, FB Rechtswissenschaften, Institut für Öffentliches Recht, Universitätsstr. 6, 35032 Marburg, (0 64 21) 2 82 38 10 oder 2 82 31 26, Fax: (0 64 21) 2 82 38 39, E-mail: [email protected] 241. Hösch, Dr. Ulrich, Privatdozent, Silberburgstraße 187, 70178 Stuttgart, (07 11) 60 17 08 32; Kanzlei Gronefeld, Thoma & Kollegen, Prinzregentenplatz 22, 81675 München, (0 89) 41 10 90, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

242. Hotz, Dr. Reinhold, Professor, Rötelistr. 12, CH –9000 Ht. Gallen, (00 41 71) 24 67 77; dienstlich (00 41 71) 22 03 03 243. Huber, Dr. Peter M., o. Professor, Gistlstraße 141, 82049 Pullach i. I., (0 89) 74 42 46 62, Fax (0 89) 74 42 48 52; Universität München, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Staatsphilosophie, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-35 76, Fax (0 89) 21 80-50 63, E-mail: [email protected] 244. Hufeld, Dr. Ulrich, Universitätsprofessor, Karlsruher Str. 64, 69126 Heidelberg; Andrássy Gyula Deutschsprachige Universität Budapest, H-1464 Hudapest, Pf. 14 22, E-mail: [email protected], Friedrich-Ebert-Anlage 6–10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 75 01, Fax (0 62 21) 54 77 91, E-mail: [email protected] 245. Hufen, Dr. Friedhelm, o. Professor, Backhaushohl 62, 55128 Mainz, (0 61 31) 3 44 44, Fax (0 61 31) 36 14 49; Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, FB Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, 55099 Mainz, (0 61 31) 39-2 23 54 oder 39-2 30 45, Fax (0 61 31) 39-2 42 47, E-mail: [email protected] 246. Huster, Dr. Stefan, Professor, Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Öffentliches Recht II : Staats- und Verwaltungsrecht mit bes. Berücksichtigung des Sozialrechts, Universitätsstraße 150, 44780 Bochum, Gebäude GC 7/135, (02 34) 32-2 22 39, Fax (02 34) 32-1 42 71, E-mail: [email protected] 247. Ibler, Dr. Martin, Professor, Lindauer Straße 3, 78464 Konstanz; Universität Konstanz, FB Rechtswissenschaften, Postfach D 106, Universitätsstraße 10, 78457 Konstanz, (0 75 31) 88-24 80/-23 28, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

248. Ipsen, Dr. Jörn, o. Professor, Luisenstr. 41, 49565 Bramsche, (0 54 61) 44 96, Fax (0 54 61) 6 34 62; Institut für Kommunalrecht, Universität Osnabrück, 49069 Osnabrück, (05 41) 9 69-61 69 oder -61 58, Fax (05 41) 9 69-61 70, E-mail: [email protected] 249. Ipsen, Dr. Dr. h.c. mult. Knut, o. Professor, Nevelstr. 59, 44795 Bochum, (02 34) 43 12 66; Deutsches Rotes Kreuz ( DRK ), Königswinterer Str. 29, 53227 Bonn 250. Isensee, Dr. Dr. h.c. Josef, o. Professor, Meckenheimer Allee 150, 53115 Bonn, (02 28) 69 34 69; Universität Bonn, Adenauerallee 24–42, 53113 Bonn, (02 28) 73 58 50, Fax (02 28) 73 48 69, E-mail: [email protected] 251. Jaag, Dr. Tobias, o. Professor, Bahnhofstr. 22, CH –8022 Hürich, (00 41-1) 2 11 25 50; Universität, (00 41-1) 2 57 31 70, E-mail: [email protected] 252. Jachmann, Dr. Monika, Universitätsprofessorin, Richterin am Bundesfinanzhof, Meichelbeckstr. 5, 85356 Freising, (0 81 61) 6 92 71, Fax (0 81 61) 6 92 73, Mobil: (01 72) 7 40 44 48, E-mail: [email protected]; Bundesfinanzhof München, Ismaninger Straße 109, 81675 München, (0 89) 92 31-0, Fax: (0 89) 92 31-2 01 253. Jaenicke, Dr. Günther, Professor, Waldstr. 13, 69181 Leimen, (0 62 24) 7 25 71; Universität Frankfurt, 60054 Frankfurt a.M. 254. Jahndorf, Dr. Christian, Privatdozent, c/o Institut für Steuerrecht, Universitätsstr. 14–16, 48143 Münster, (02 51) 8 32 27 95, Fax (02 51) 8 32 83 86, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

255. Jakob, Dr. Wolfgang, o. Professor, Wilhelmstr. 25, 80801 München, (0 89) 39 05 06; Universität Augsburg, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht, Juristische Fakultät, Universitätsstr. 2, 86159 Augsburg, (08 21) 5 98 45 40 oder -45 41, Fax: (08 21) 5 98 45 42, E-mail: [email protected] 256. Janssen, Dr. Albert, apl. Professor, Landtagsdirektor, Langelinienwall 16, 31134 Hildesheim, (0 51 21) 13 11 12; Niedersächsischer Landtag, Hinrich Wilhelm Kopf-Platz 1, 30159 Hannover, (05 11) 30 30-20 61 257. Jarass, Dr. Hans D., LL .M. (Harvard), o. Professor, Baumhofstr. 37 d, 44799 Bochum, (02 34) 77 20 25; Institut für Umwelt- und Planungsrecht, Universität Münster, Universitätsstr. 14–16, 48143 Münster, (02 51) 8 32 97 93, Fax (02 51) 8 32 92 97, E-mail: [email protected] 258. Jestaedt, Dr. Matthias, Professor, Röntgenstraße 12a, 91080 Uttenreuth, (0 91 31) 40 19 72; Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Friedrich-Alexander-Universität, Schillerstraße 1, 91054 Erlangen, (0 91 31) 8 52 28 20, Fax (0 91 31) 8 52 63 81, E-mail: [email protected] 259. Jochum, Dr. Georg, Privatdozent, Zum Klausenhorn 2b, 78465 Konstanz, (01 70) 2 38 67 58, Universität Konstanz, Fach D116, 78457 Konstanz, (0 75 31) 88-27 30, Fax (0 75 31) 88-31 46, E-mail: [email protected] 260. Jochum, Dr. jur. Heike, Mag. rer. publ., Privatdozentin, Buchsweilerstraße 77, 66953 Pirmasens, Professur für Öffentliches Recht und Steuerrecht, Institut für Finanz- und Steuerrecht, Universität Osnabrück, Fachbereich Rechtswissenschaft, Martinistraße 10, 49080 Osnabrück, (05 41) 9 69-61 68 (Sekr.), (05 41) 9 69-61 95 (Durchwahl) E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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261. Kadelbach, Dr. Stefan, LL .M., Professor, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Institut für Öffentliches Recht, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht, Senckenberganlage 31, 60325 Frankfurt/M., (0 69) 79 82-85 83, Fax (0 69) 79 82-86 84, E-mail: [email protected] 262. Kägi-Diener, Dr. Regula, Professorin, Rechtsanwältin Marktgasse 14, CH –9004 Ht. Gallen, (00 41) 71-2 23 81 21, Fax (00 41) 71-2 23 81 28, E-mail: [email protected] 263. Kahl, Dr. Arno, Privatdozent, Lärchenstraße 4a, A-6063 Aum, (00 43-0) 5 12-26 55 00; Universität Innsbruck, Institut für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Politikwissenschaft, Innrain 82, A-6020 Innsbruck, (00 43-0) 5 12-5 07-82 04, Fax (00 43-0) 5 12-5 07-27 48, E-mail: [email protected] 264. Kahl, Dr. Wolfgang, M.A., o. Professor, Albert-Schweitzer-Straße 2, 95447 Bayreuth; Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht, Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth, (09 21) 55 43 30, Fax (09 21) 55 43 35, E-mail: [email protected] 265. Kaltenborn, Dr. Markus, Privatdozent, An der Löchte 8, 58454 Witten, (0 23 02) 8 99 66; Ruhr-Universität Bochum, Juristische Fakultät, Universitätsstraße 150, 44780 Bochum, (02 34) 32-2 52 55 oder -2 22 39, Fax (02 34) 32-1 42 71, E-mail: [email protected] 266. Kämmerer, Dr. Jörn Axel, Professor, Hudtwalckertwiete 10, 22299 Hamburg, (0 40) 48 09 22 23; Bucerius Law School, Hochschule für Rechtswissenschaft, Jungiusstraße 6, 20335 Hamburg, (0 40) 3 07 06-1 90, Fax (0 40) 30 70 6-1 95, E-mail: [email protected] 267. Karpen, Dr. Ulrich, Professor, Ringstr. 181, 22145 Hamburg, (0 40) 6 77 83 98; Universität Hamburg, Schlüterstr. 28, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-30 23 oder -45 14 od. -45 55, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

268. Kästner, Dr. Karl-Hermann, o. Professor, Alt-Rathausstr. 5, 72511 Bingen, (0 75 71) 32 23, Fax (0 75 71) 32 12; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstraße 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 2 97 29 71, Fax (0 70 71) 29 50 96, E-mail: [email protected] 269. Kaufmann, Dr. Marcel, Privatdozent, Senefelderstraße 7, 10437 Berlin; Freshfields Bruckhaus Deringer Environment, Planning and Regulatory ( EPR ) Potsdamer Platz 1, 10785 Berlin, (0 30) 2 02 83-8 57, Fax (0 30) 2 02 83-7 66, (Simone Sansür, Secretary), (0 30) 20 28 37 66 E-mail: [email protected] 270. Keller, Dr. Helen, Professorin, Eigenstraße 16, CH –8008 Hürich, (+41(0)44) 6 34 36 89, Fax (+41(0)44) 6 34 43 39 E-mail: [email protected] 271. Kempen, Dr. Bernhard, Universitätsprofessor, Rheinblick 1, 53424 Remagen-Oberwinter, (0 22 28) 91 32 91, Fax (0 22 28) 91 32 93 E-mail: [email protected]; Institut für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht, Universität Köln, Gottfried-Keller-Straße 2, 50931 Köln, (02 21) 4 70 23 64, Fax (02 21) 4 70 51 46, E-mail: [email protected] 272. Kersten, Dr. Jens, Privatdozent, Essenerstraße 2, 10555 Berlin, (0 30) 39 88 56 99; Juristische Fakultät, Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-35 33, Fax (0 30) 20 93-36 89, E-mail: [email protected] 273. Khan, Dr. Daniel-Erasmus, Professor, Institut für Internationale Politik, Sicherheitspolitik, Wehr- und Völkerrecht, Universität der Bundeswehr München, Werner-Heisenberg-Weg 39, 85579 Neubiberg, (0 89) 60 04 46 90 oder -42 62 oder -20 48, Fax (0 89) 60 04-46 91, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

274. Kilian, Dr. Michael, Professor, Am Burgwall 15, 06198 Brachwitz; Juristische Fakultät, Universität Halle-Wittenberg, Universitätsplatz 3–5, Juridicum, 06099 Halle (Saale), (03 45) 55-2 31 70, Fax (03 45) 55-2 72 69, E-mail: [email protected] 275. Kingreen, Dr. Thorsten, Professor, Agnes-Miegel-Weg 10, 93055 Regensburg, (09 41) 7 04 02 41; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Gesundheitsrecht, Universität Regensburg, Universitätsstr. 31, 93053 Regensburg, (09 41) 9 43 26 07 od. 26 08, Fax (09 41) 9 43 36 34, E-mail: [email protected] 276. Kirchhof, Dr. Ferdinand, o. Professor, Walther-Rathenau-Str. 28, 72766 Reutlingen, (0 71 21) 49 02 81, Fax (0 71 21) 47 94 47; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 2 97-25 61 oder -81 18, Fax (0 70 71) 29 43 58, E-mail: [email protected] 277. Kirchhof, Dr. Paul, o. Professor, Am Pferchelhang 33/1, 69118 Heidelberg, (0 62 21) 80 14 47; Universität Heidelberg, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 74 57, E-mail: [email protected] 278. Kirn, Dr. Michael, o. Professor, Rummelsburgerstr. 3, 22147 Hamburg, (0 40) 6 47 38 43; Universität der Bundeswehr, Institut für Öffentliches Recht, Postfach 70 08 22, 22043 Hamburg, (0 40) 65 41-27 82 oder (0 40) 65 41-25 90 279. Kirste, Dr. Stephan, Privatdozent, Am Gutleuthofhang 18, 69118 Heidelberg, Tel. + Fax (0 62 21) 80 45 03; Universität Heidelberg, Juristisches Seminar, Friedrich-Ebert-Anlage 6–10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 74 64, Fax (0 62 21) 54 74 63, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

280. Kischel, Dr. Uwe, LL .M. (Yale), Attorney-at-law (New York), o. Professor, Arndtstraße 35, 17489 Greifswald, (0 38 34) 56 60 60; Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsvergleichung (Nordosteuropa), Mercator Stiftungslehrstuhl, Domstr. 20, 17489 Greifswald, (0 38 34) 86-21 80, Fax (0 38 34) 86-21 82 E-mail: [email protected] 281. Klein, Dr. Eckart, Universitätsprofessor, Heideweg 45, 14482 Potsdam, (03 31) 70 58 47; Lehrstuhl für Staatsrecht, Völkerrecht und Europarecht, Universität Potsdam, Postfach 90 03 27, 14439 Potsdam, (03 31) 9 77-35 16, oder -35 11, Fax (03 31) 9 77-32 24, E-mail: [email protected] 282. Klein, Dr. Hans Hugo, o. Professor, Heilbrunnstr. 4, 76327 Pfinztal-Söllingen, (0 72 40) 73 00; Universität Göttingen, (05 51) 39 46 35, E-mail: [email protected] 283. Kley, Dr. Andreas, Professor, Institut für Öffentliches Recht, Hochschulstr. 4, CH –3012 Hern, (00 41) 31-6 31 88 96, Fax (00 41) 31-6 31 38 83 284. Kloepfer, Dr. Michael, o. Professor, Taubertstraße 19, 14193 Berlin, (0 30) 8 25 24 90, Fax (0 30) 8 25 26 90; Institut für Öffentliches Recht und Völkerrecht, Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 9–11 (Palais), 10099 Berlin, (0 30) 20 93-33 40 oder -33 31, Fax (0 30) 20 93-34 38, E-mail: [email protected] 285. Kluth, Dr. Winfried, Professor, Blumenstr. 17, 06108 Halle (Saale), (03 45) 2 90 85 10; Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Universitätsplatz 10 a, 06099 Halle (Saale), (03 45) 5 52 32 22, Fax (03 45) 5 52 72 65, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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286. Kneihs, Dr. Benjamin, ao. Univ. Professor, Raffaelgasse 5/1, A-1200 Wien; Wirtschaftsuniversität Wien, Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht, Althanstraße 39–45, A-1090 Wien, (00 43) 1-31 33 60, Fax (00 43) 1-3 13 36-7 13 287. Knemeyer, Dr. Franz-Ludwig, o. Professor, Unterdürrbacher Str. 353, 97080 Würzburg, (09 31) 9 61 18; Universität Würzburg, 97070 Würzburg, (09 31) 31 28 99, Fax (09 31) 31 23 17, E-mail: [email protected] 288. Knies, Dr. Wolfgang, o. Professor, Am Botanischen Garten 5, 66123 Saarbrücken, (06 81) 39 98 88; Universität Saarbrücken, Postfach 11 50, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02 31 58, Fax (06 81) 3 02-31 98, E-mail: [email protected] 289. Knöpfle, Dr. Franz, em. Professor, Höhenweg 22, 86391 Stadtbergen; Universität Augsburg, Universitätsstr. 2, 86135 Augsburg, (08 21) 5 98-46 59, Fax (08 21) 5 98-45 47 290. Koch, Dr. Hans-Joachim, Professor, Wendlohstr. 80, 22459 Hamburg, Tel./Fax (0 40) 5 51 88 04; Universität Hamburg, FB Rechtswissenschaft II , Edmund-Siemers-Allee 1, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-39 77 oder -54 43, Fax (0 40) 4 28 38-62 80, E-mail: [email protected] 291. Koch, Dr. Thorsten, Privatdozent, Emanuel-Geibel-Straße 4, 49143 Bissendorf, (0 54 02) 77 74, E-mail: [email protected] 292. Köck, Dr. Wolfgang, Professor, UFZ -Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH, Permoserstraße 15, 04318 Leipzig; Universität Leipzig, Juristenfakultät, Burgstraße 27, 04109 Leipzig, (03 41) 2 35-31 40, Fax (03 41) 2 35-28 25, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

293. Koenig, Dr. Christian, LL .M. (London), Universitätsprofessor, Zentrum für Europäische Integrationsforschung, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Walter-Flex-Str. 3, 53113 Bonn, (02 28) 73-18-91/-92/-95, Fax (02 28) 73-18 93, E-mail: [email protected], Internet: http://www.zei.de 294. Kokott, Dr. Dr. Juliane, LL .M. (Am. Un.), S.J.D. (Harvard), Universitätsprofessorin, Generalanwältin, Mönchhofstr. 42, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 45 16-16; Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Th. More 2214, Bd. Konrad Adenauer, L-2925 Luxemburg, (0 03 52) 43 03 22 21, (0 62 21) 45 16 17, E-mail: [email protected] 295. Kolonovits, Dr. Dieter, Mag., M.C.J. , ao. Univ.-Professor, Universität Wien, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien (Juridicum), (00 43) 1-42 77-3 54-16, Fax: (00 43) 1-42 77-3 54-19, E-mail: [email protected] 296. König, Dr. Doris, Professorin, Bucerius Law School, Hochschule für Rechtswissenschaft, Jungiusstr. 6, 20355 Hamburg, (0 40) 3 07 06-2 01 Fax (0 40) 3 07 06-1 90, E-mail: [email protected] 297. König, Dr. Dr. Klaus, Universitätsprofessor, Albrecht-Dürer-Str. 20, 67346 Speyer, (0 62 32) 29 02 16; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Postfach 14 09, 67324 Speyer, (0 62 32) 6 54-3 69 oder -3 50 oder -3 55, E-mail: [email protected] 298. Kopetzki, DDr. Christian, Universitätsprofessor, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Medizienrecht, Universität Wien, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43) 14 27 73 54 11, Fax (00 43) 14 27 73 54 19, E-mail: [email protected], Internet: http://www.univie.ac.at/medizinrecht

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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299. Korinek, Dr. Dr. h.c. Karl, o. Professor, Präsident des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Auhofstr. 225–227, A-1130 Wien, (00 43-1) 8 76 48 76; Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Universität Wien, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43-1) 42 77-3 54 42, Fax (00 43-1) 42 77-3 54 49 300. Korioth, Dr. Stefan, Professor, Institut für Politik und Öffentliches Recht der Universität München, Professor-Huber-Platz 2/ III , 80539 München, (0 89) 21 80-27 37, Fax (0 89) 21 80-39 90, E-mail: [email protected] 301. Kotulla, Dr. Michael, Professor, M.A., Universität Bielefeld, Fakultät für Rechtswissenschaft, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, (05 21) 1 06-25 00, Fax (05 21) 1 06-80 91, E-mail: [email protected] 302. Kotzur, Dr. Markus, LL .M., (Duke Univ.), o. Professor, Thomasgasse 4, 04109 Leipzig (03 41) 2 24 87 96; Lehrstuhl für Europarecht, Völkerrecht, Öffentliches Recht, Universität Leipzig, Juristenfakultät, Otto-Schill-Straße 2, 04109 Leipzig, (03 41) 97-3 52 11, Fax (03 41) 97-3 52 19, E-mail: [email protected] 303. Krause, Dr. Peter, o. Professor, Weinbergstr. 12, 54317 Korlingen, (0 65 88) 73 33; Universität Trier, 54286 Trier, (06 51) 2 01-25 87, Fax (06 51) 2 01-38 03, E-mail: [email protected] 304. Krawietz, Dr. Werner, o. Professor, Nienbergweg 29, 48161 Münster, (02 51) 86 14 51; Lehrstuhl für Rechtssoziologie, Universität Münster, Bispinghof 24–25, 48143 Münster, (02 51) 83 25 91, E-mail: [email protected] 305. Krebs, Dr. Walter, Professor, Kaulbachstraße 33–35, 12247 Berlin, Tel/Fax (0 30) 83 85 59 21; Freie Universität Berlin, Boltzmannstr. 4, 14195 Berlin, (0 30) 8 38-59 21, Fax (0 30) 8 38-59 22, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

306. Kreßel, Dr. Eckhard, Professor, Körschtalstr. 21, 73760 Ostfildern, (09 31) 3 13 05; Juristische Fakultät der Universität Würzburg, Domerschulstr. 16, 97070 Würzburg, E-mail: [email protected] 307. Kriele, Dr. Martin, o. Professor, Dorf 11, A-6900 Aöggers, (00 43) 55 73-8 24 96, Fax (00 43) 55 73-8 24 97; Universität Köln, Albertus-Magnus-Platz 1, 50923 Köln, (02 21) 4 70-22 30, Fax (02 21) 4 70-50 10 308. Kröger, Dr. Klaus, Universitätsprofessor, Hölderlinweg 14, 35396 Gießen, (06 41) 5 22 40; Universität Gießen, 35394 Gießen, (06 41) 99 23-1 30, Fax (06 41) 99 23-0 59 309. Krugmann, Dr. Michael, Privatdozent, Buchwaldstr. 46, 22143 Hamburg, Tel./Fax (0 40) 6 77 88 60; E-mail: [email protected] 310. Kube, Dr. Hanno, LL .M. (Cornell), Universitätsprofessor, Am Langenstück 23, 65343 Eltville (0 61 23) 7 95 78 48; Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Steuerrecht, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Jakob-Welder-Weg 9, 55128 Mainz, (0 61 31) 3 92 27 25 / 3 92 30 43 (Sekr.), Fax (0 61 31) 3 92 38 26 E-mail: [email protected] 311. Küchenhoff, Dr. Erich, Universitätsprofessor, Dachsleite 65, 48157 Münster, (02 51) 24 72 71; Universität Münster, 44780 Münster, (02 51) 83-27 06 oder -27 05 312. Kusco-Stadlmayer, Dr. Gabriele, Ao. Universitätsprofessorin, Rooseveltplatz 4–5, A-1090 Wien, (00 43) 14 08 38 59; Universität Wien, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43) 14 27 73 54 18, Fax (00 43) 1 42 77 93 54 E-Mail: [email protected] 313. Kugelmann, Dr. Dieter, Privatdozent, Eschenweg 13, 55128 Mainz, (0 61 31) 36 91 89; Universität Mainz, 55099 Mainz E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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314. Kühling, Dr. Jürgen, LL .M. (Brüssel), Universitätsprofessor, Ochsenwiese 43, 76228 Karlsruhe, (07 21) 4 76 33 77; Universität Karlsruhe, Zentrum für angewande Rechtswissenschaft (ZAR ), Institut für Informationsrecht – Institutsleitung –, Fasanengarten 5, Geb. 50.31, 76128 Karlsruhe E-mail: [email protected] 315. Kühne, Dr. Jörg-Detlef, Professor, Münchhausenstr. 2, 30625 Hannover, (05 11) 55 65 63; Universität Hannover, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62-82 25 oder -82 26, Fax (05 11) 7 62-82 28, E-mail: [email protected] 316. Kunig, Dr. Philip, Professor, FU Berlin, Institut für Staatslehre, Boltzmannstraße 3, 14195 Berlin, (0 30) 83 85 30-10, Fax (0 30) 83 85 30-11, E-mail: [email protected] 317. Küpper, Dr. Herbert, Privatdozent, Theodor-Heuss-Ring 1, 50668 Köln, Institut für Ostrecht, Tegernseer Landstraße 161, 81539 München, (0 89) 2 86-7 74-0, Fax (0 89) 2 86-7 74-10 E-mail: [email protected] 318. Ladeur, Dr. Karl-Heinz, Professor, Universität Hamburg, FB Rechtswissenschaft, Schlüterstraße 28, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-57 52, Fax (0 40) 4 28 38-26 35, E-mail: [email protected] 319. Lang, Dr. Heinrich, Professor, Dipl.-Sozialpädagoge, Nikolausstraße 48, 51149 Köln, Universität Rostock, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Möllner Straße 10, 18109 Rostock, (03 81) 4 98-81 70, Fax (03 81) 4 98-81 72, E-mail: [email protected] 320. Lange, Dr. Klaus, Universitätsprofessor, Lilienweg 22, 35423 Lich, (0 64 04) 56 81; Universität Gießen, FB Rechtswissenschaften, Hein-Heckroth-Straße 5, 35390 Gießen, (06 41) 9 92 11-80 oder -81, Fax (06 41) 9 92 11-89, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

321. Langenfeld, Dr. Christine, Professor, Rückertstraße 1, 66121 Saarbrücken, (0 61 72) 73 75 78, Fax (0 61 72) 73 75 80, E-mail: [email protected]; Juristisches Seminar der Georg-August-Universität, Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen, (05 51) 39-47 23, Fax (05 51) 39-79 78, E-mail: [email protected] 322. Laubinger, Dr. Hans-Werner, M.C.L. , Professor, Philipp-Wasserburg-Str. 45, 55122 Mainz, (0 61 31) 4 31 91; Universität Mainz, 55099 Mainz, (0 61 31) 39 59 42, E-mail: [email protected] 323. Laurer, DDr. Hans René, a.o. Universitätsprofessor, Scheffergasse 27a, A-2340 Aödling, (00 43-26 36) 2 04 02; Wirtschafts-Universität, Augasse 2–6, A-1190 Wien, (00 43-1) 3 13 36 oder 46 69 oder 41 58 324. Lecheler, Dr. Helmut, o. Professor, Freie Universität Berlin, FB Rechtswissenschaft, Institut für Völkerrecht, Europarecht und ausl. öff. Recht, Vant’-Hoff-Str. 8, 14195 Berlin, (0 30) 83 85 49 49, Fax (0 30) 83 85 20 71, E-mail: [email protected] 325. Lege, Dr. Joachim, Professor, Fischstr. 19, 17489 Greifswald, (0 38 34) 77 39 41; Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Domstr. 20, 17489 Greifswald, (0 38 34) 86-21 50, Fax (0 38 34) 86-21 56, E-mail: [email protected] 326. Lehner, Dr. Moris, Universitätsprofessor, Kaiserplatz 7, 80803 München, (0 89) 34 02 06 46; Ludwig-Maximilians-Universität, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere öffentliches Wirtschaftsrecht und Steuerrecht, Ludwigstr. 28 (Rgb.), 80539 München, (0 89) 21 80 27 18, Fax (0 89) 33 35 66, E-mail: [email protected] 327. Leisner, Dr. mult. Dr. h.c. Walter, o. Professor, Pienzenauerstr. 99, 81925 München, (0 89) 98 94 05, Fax (0 89) 98 29 09 97; Universität Erlangen, Schillerstr. 1, 91054 Erlangen, (0 91 31) 85 22 60

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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328. Leisner-Egensperger, Dr. Anna, Universitätsprofessorin, An der Leutra 2, 07743 Jena, (01 73) 3 92 41 45; Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Steuerrecht, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Carl-Zeiss-Straße 3, 07743 Jena, (0 36 41) 94 22 51, Fax (0 36 41) 94 22 52, E-mail: [email protected] 329. Lenze, Dr. Anne, Privatdozentin, Sandstr. 19, 64625 Bensheim, (0 62 51) 58 08 52; Fachhochschule Darmstadt, Adelungstr. 51, 64283 Darmstadt, (0 61 51) 16 89 65, Fax (0 61 51) 16 89 90, E-mail: [email protected] 330. Lepsius, Dr. Oliver, LL .M. (Chicago), Professor, Eckenheimer Landstraße 11, 60318 Frankfurt a.M., (0 69) 95 15 69 35; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Allgemeine und Vergleichende Staatslehre, Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth, (09 21) 55 29 47 331. Lerche, Dr. Dr. h.c. Peter, o. Professor, Junkersstr. 13, 82131 Gauting, (0 89) 8 50 20 88, Fax (0 89) 8 50 20 88 332. Lienbacher, Dr. Georg, Sektionsleiter, Universitätsprofessor, Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, Ballhausplatz 2, A-1014 Wien, (00 43-1) 5 31 15-23 75, E-mail: [email protected]; Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht, Wirtschaftsuniversität Wien, Althanstraße 39–45 (UZA 3), A-1090 Wien, (00 43) 13 13 36-44 24, Fax (00 43) 13 13 36-7 13, E-mail: [email protected] 333. Lindner, Dr. Josef Franz, Privatdozent, Großhaderner Straße 14 b, 81375 München, (0 89) 70 32 45, Fax (0 89) 74 00 93 85, E-mail: [email protected] 334. Link, Dr. jur. Dres. theol. h.c. Heinz-Christoph, em. Professor, Rühlstraße 35, 91054 Erlangen, (0 91 31) 20 93 35, Fax (0 91 31) 53 45 66; Hans-Liermann-Institut für Kirchenrecht, Hindenburgstr. 34, 91054 Erlangen, (0 91 31) 8 52 28 25, Fax (0 91 31) 8 52 40 64

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

335. Lipphardt, Dr. Hanns-Rudolf, apl. Professor, Auf der Weide 7, 69126 Heidelberg, (0 62 21) 38 23 12; Universität Heidelberg, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 41 11 98, Fax (0 62 21) 40 06 75 336. Listl, Dr. Joseph, o. Professor, Jesuitengemeinschaft Pedro Arrupe, Bibergerstr. 8, 82008 Unterhaching; dienstlich (stets für die Post benutzen!): Institut für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, Lennéstr. 15, 53113 Bonn 337. Lorenz, Dr. Dieter, o. Professor, Bohlstr. 21, 78465 Konstanz, (0 75 33) 68 22; Universität Konstanz, Postfach 55 60 D 100, 78434 Konstanz, (0 75 31) 88 25 30, E-mail: [email protected] 338. Lorz, Dr. Ralph Alexander, LL .M. (Harvard), Attorney-at-Law (New York), Universitätsprofessor, Paderborner Straße 7, 40468 Düsseldorf; Universität Düsseldorf, Lehrstuhl für deutsches und ausländisches öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Juristische Fakultät, Universitätsstraße 1, 40225 Düsseldorf, (02 11) 8 11-14 35, Fax (02 11) 8 11-14 56, E-mail: [email protected] 339. Losch, Dr. Dr. Bernhard, Professor, Dürerstr. 9, 42119 Wuppertal, (02 02) 42 35 25; Bergische Universität Wuppertal, FB 6, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Gaußstr. 20, 42097 Wuppertal, (02 02) 4 39-22 85/-81, Fax (02 02) 4 39-38 37, E-mail: [email protected] 340. Loschelder, Dr. Wolfgang, Professor, Sonnenlandstr. 5, 14471 Potsdam, (03 31) 97 36 80; Fax (03 31) 9 51 19 95; Universität Potsdam, Postfach 9 00 37, August-Bebel-Str. 89, 14439 Potsdam, (03 31) 9 77-34 12 341. Löwer, Dr. Wolfgang, Professor, Hobsweg 15, 53125 Bonn, (02 28) 25 06 92, Fax (02 28) 25 04 14; Universität Bonn, Adenauerallee 24–42, 53113 Bonn, (02 28) 73 92 78/73 92 80, Fax (02 28) 73 39 57, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

342. Lübbe-Wolff, Dr. Gertrude, Professorin, Universität Bielefeld, Fakultät Rechtswissenschaft, Universitätsstr. 25, Postfach 10 01 31, 33615 Bielefeld, (05 21) 1 06-43 86, Fax (05 21) 1 06-80 85, E-mail: [email protected] 343. Luchterhandt, Dr. Otto, Professor, Im Wendischen Dorfe 28, 21335 Lüneburg, Tel./Fax (0 41 31) 23 29 65; Seminarabteilung für Ostrechtsforschung, Universität Hamburg, Moorweidenstr. 7, 20148 Hamburg, (0 40) 4 28 38-26 30/-39 86 344. Lühmann, Dr. Hans, Privatdozent, Pannebäcker Str. 7a, 40593 Düsseldorf, (02 11) 2 39 95 34 345. Mächler, Dr. iur. August, Privatdozent, Schindellegistrasse 15, CH –8808 Hfäffikon, (00 41) 5 54 10 43 20; Justizdepartment des Kt. Schwyz, Postfach 1200, 6431 Schwyz, (00 41) 4 18 19 20 02, Fax (00 41) 4 18 19 20 19, E-mail: [email protected] 346. Mager, Dr. Ute, Universitätsprofessorin, Universität Heidelberg, Juristische Fakultät, Friedrich-Ebert-Anlage 6–10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 77 37 oder: 0 17 15 54 00 78, E-mail: [email protected] 347. Magiera, Dr. Siegfried, o. Professor, Feuerbachstr. 1, 67354 Römerberg, (0 62 32) 8 48 98; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Freiherr-vom-Stein-Str. 2–6, 67324 Speyer, (0 62 32) 65 43 48, Fax (0 62 32) 65 44 15, E-mail: [email protected] 348. Mahlmann, Dr. Matthias, Privatdozent Gervinusstraße 22, 10629 Berlin, (0 30) 32 70 86 15; Freie Universität Berlin, Fachbereich Rechtswissenschaft Van’t-Hoff-Straße 8, 14195 Berlin, (0 30) 83 85 47 03, Fax (0 30) 83 85 31 74 E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

349. Majer, Dr. Diemut, Professorin, Welfenstr. 35, 76137 Karlsruhe, (07 21) 81 65 50 oder -41 12; Fachhochschule für Öff. Verwaltung, Bundeswehrverwaltung, Seckenheimer Landstr. 8–10, 68163 Mannheim, (06 21) 41 80 91 350. Mangoldt, Dr. Hans v., Professor, Goetheweg 1, 72147 Nehren, (0 74 73) 79 08; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 2 97 33 02 351. Mann, Dr. Thomas, Professor, Im Torfveen 19, 46147 Oberhausen, (02 28) 67 54 98; Juristisches Seminar der Georg-August-Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen, (05 51) 39-47 23, Fax (05 51) 39-79 78, E-mail: [email protected] 352. Manssen, Dr. Gerrit, Universitätsprofessor, Konrad-Adenauer-Allee 15, 93051 Regensburg, (09 41) 9 28 45; Juristische Fakultät, Universität Regensburg, 93040 Regensburg, (09 41) 9 43-32 55, Fax (09 41) 9 43-32 57, E-mail: [email protected] 353. Mantl, Dr. Wolfgang, o. Universitätsprofessor, Wiener Str. 256/XI /33, A-8051 Graz XIII , (00 43) 3 16-68 13 06; Institut für österreichisches, europäisches und vergleichendes Recht, Karl-Franzens-Universität, Universitätsstr. 15/ C3, A-8010 Graz, (00 43) 3 16-3 80-33 70 E-mail: [email protected] 354. Marauhn, Dr. Thilo, Professor, M.Phil., An der Fels 20, 35435 Wettenberg, (06 41) 8 77 32 75, Fax (06 41) 8 77 32 75; Professur für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht, Justus-Liebig-Universität Gießen, Licher Straße 76, 35394 Gießen, (06 41) 9 92 11 50/51, Fax (06 41) 9 92 11 59, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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355. Marko, Dr. Joseph, o. Professor, Kasernstr. 35, A-8010 Graz, (00 43) 3 16-46 22 38 Institute of Austrian, European and Comparative Public Law, University of Graz, Universitätsstraße 15/B4, A-8010 Graz, (00 43) 31 63 80-33 74, Fax (00 43) 31 63 80-94 52, E-mail: [email protected] 356. Marti, Dr. Arnold, Privatdozent, Fernsichtstraße 5, CH –8200 Hchaffhausen, (00 41) 52-6 24 18 10, E-mail: [email protected]; Obergericht des Kantons Schaffhausen, Frauengasse 17, CH –8200 Hchaffhausen, (00 41) 52-6 32 74 24, Fax (00 41) 52-6 32 78 36, E-mail: [email protected] 357. Martínez Soria, Dr. José, Privatdozent Sandersbeek 23, 37085 Göttingen, (05 51) 2 55 67; Institut für Völkerrecht der Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen, (05 51) 39 21 97, Fax (05 51) 39 21 96, E-mail: [email protected] 358. März, Dr. Wolfgang, Professor, Bismarckstr. 54, 70197 Stuttgart, (07 11) 6 36 25 32 oder -33; Juristische Fakultät der Universität Rostock, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte, Möllner Str. 10, 18109 Rostock, (03 81) 4 98 37 90, Fax (03 81) 4 98 37 70, E-mail: [email protected] 359. Masing, Dr. Johannes, Professor, Puccinistraße 15c, 86199 Augsburg, (08 21) 9 98 43 09, Fax (08 21) 9 98 43 08; Juristische Fakultät der Universität Augsburg, 86135 Augsburg, (08 21) 5 98-45 45, Fax (08 21) 5 98-45 47, E-mail: [email protected] 360. Mastronardi, Dr. Philippe Andrea, Professor, Universität St. Gallen, Rechtswissenschaftliche Abteilung Bodanstr. 3, CH –9000 Ht. Gallen, (+ 41 71) 2 24 23 35, Fax (+ 41 71) 2 24 39 08, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

361. Maurer, Dr. Hartmut, o. Professor, Säntisblick 10, 78465 Konstanz, (0 75 33) 13 12; Universität Konstanz, (0 75 31) 88 36 57, Fax (0 75 31) 88 31 96 E-mail: [email protected] 362. Mayer-Tasch, Dr. Peter Cornelius, Professor, Am Seeberg 11, 86938 Schondorf, (0 81 92) 86 68; Universität München, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-30 20 oder -30 21, Fax (0 89) 21 80-30 22 363. Meessen, Dr. Karl Matthias, Professor, Rotterdamer Straße 45, 40474 Düsseldorf, (02 11) 1 59 42 11, Fax (02 11) 1 59 42 12; E-mail: [email protected] 364. Mehde, Dr. Veith, Privatdozent, Mag. rer. publ. Hartwig-Hesse-Straße 41, 20257 Hamburg, (0 40) 43 27 22 49, mobil: 01 79/5 21 48 09; Seminar für Verwaltungslehre, Universität Hamburg, Schlüterstraße 28, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38 45 69, E-mail: [email protected] 365. Meng, Dr. Werner, Universitätsprofessor, Preussenstr. 42, 66111 Saarbrücken, (06 81) 6 85 26 74; Direktor des Europa-Instituts, Universität des Saarlandes, Postfach 15 11 50, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02 66 60, Fax (06 81) 3 02 66 62, E-mail: [email protected] 366. Menger, Dr. Christian-Friedrich, o. Professor, St.-Josef-Strasse 4, 48324 Albersloh, (02 51) 4 82 84 36; Universität Münster, (02 51) 83 27 41 367. Merli, Dr. Franz, Universitätsprofessor, Helmholtzstr. 1, 01069 Dresden, (03 51) 4 77 60 91; Jean-Monnet-Lehrstuhl für das Recht der Europäischen Integration und Rechtsvergleichung, Juristische Fakultät, TU Dresden, Mommsenstr. 13, 01062 Dresden, (03 51) 4 63-73 74, Fax (03 51) 4 63-77 98, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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368. Merten, Dr. Dr. Detlef, o. Professor, Von-Dalberg-Str. 8, 67487 St. Martin, (0 63 23) 18 75; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Freiherr-vom-Stein-Str. 2–6, 67346 Speyer, (0 62 32) 6 54-3 49, oder -3 30, E-mail: [email protected] 369. Meßerschmidt, Dr. Klaus, Privatdozent, Hynspergstr. 29, 60322 Frankfurt a.M., (0 69) 55 45 87; University of Latvia, EuroFaculty, Raina bulv. 19, LV –1586 Viga/Lettland, (0 03 71) 7 82 02 78, Fax (0 03 71) 7 82 02 60, E-mail: [email protected] 370. Meyer, Dr. Dr. h.c. Hans, Professor, Georg-Speyer-Str. 28, 60487 Frankfurt a.M., (0 69) 77 01 29 26, Fax (0 69) 77 01 29 27; Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93 35 28 (Sekr.) oder -33 47, Fax (0 30) 20 93 27 29, E-mail: [email protected] 371. Meyn, Dr. Karl-Ulrich, Professor, Leyer Str. 36, 49076 Osnabrück, (05 41) 12 64 82; Universität Jena, Schillergässchen 2, Schillerhaus, 07745 Jena, (0 36 41) 93 11 85, Fax (0 36 41) 93 11 87, E-mail: [email protected] 372. Michael, Dr. Lothar, Professor, Niederkasseler Kirchweg 124, 40547 Düsseldorf; Professur für öffentliches Recht, Universitätsstraße 1, Geb. 24.91, 40225 Düsseldorf, (02 11) 8 11 14 12, E-mail: [email protected] 373. Morgenthaler, Dr. Gerd, Professor, Hauptstraße 19, 74858 Aglasterhausen; Universität Siegen, Fachbereich 5, Hölderlinstr. 3, 57068 Siegen, (02 71) 7 40 24 02, E-mail: [email protected] 374. Morlok, Dr. Martin, Professor, Poßbergweg 51, 40629 Düsseldorf, (02 11) 28 68 68; Heinrich-Heine-Universität, Juristische Fakultät, Universitätsstr. 1, Gebäude 24.91, 40225 Düsseldorf, (02 11) 8 11 53 51, Fax (02 11) 81 14 60, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

375. Morscher, Dr. Siegbert, o. Universitätsprofessor, Tschiggyfreystr. 11a, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-28 62 10; Leopold-Franzens-Universität, Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft, Innrain 80, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-5 07-82 10 oder -11, Fax (00 43) 5 12-5 07-28 28 376. Möllers, Dr. Christoph, LL .M., Professor, Käthe-Niderkirchner-Str. 23, 10407 Berlin (0 30) 42 02 23 35; Westfälische Wilhelms-Universität, Professor für Öffentliches Recht, Universitätsstraße 14–16, 48143 Münster, (02 51) 83-2 27 15, Fax (02 51) 83-2 27 94 E-mail: [email protected] 377. Mössner, Dr. Jörg Manfred, Professor, Uhlandstr. 53, 49134 Wallenhorst, (0 54 07) 45 09, Fax (0 54 07) 82 26 71; Universität Osnabrück, FB 10, Rechtswissenschaften, Martinistr. 10, 49069 Osnabrück, (05 41) 9 69-61 61/-68, Fax (05 41) 9 69-61 67, E-mail: [email protected] 378. Möstl, Dr. Markus, Professor, Birkenstraße 77, 95447 Bayreuth, (09 21) 5 07 17 68; Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, 95440 Bayreuth (09 21) 55-28 66, E-mail: [email protected] 379. Muckel, Dr. Stefan, Universitätsprofessor, Ringstraße 122, 42929 Wermelskirchen, (0 21 93) 53 10 74; Universität zu Köln, Institut für Kirchenrecht, 50923 Köln, (02 21) 4 70-37 77 oder 4 70-26 79, E-mail: [email protected] 380. Mückl, Dr. Stefan, Privatdozent, Gewerbestraße 16, 79194 Gundelfingen (07 61) 58 00 39; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br., Institut für Öffentliches Recht IV , Postfach, 79085 Freiburg i.Br. (07 61) 2 03-22 64, Fax (07 61) 2 03-22 97, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

381. Müller, Dr. Georg, o. Professor, Sugenreben 10, CH –5018 Erlinsbach, E-mail: [email protected] (00 41-62) 8 44 38 73, Fax (00 41-62) 8 44 42 04; Universität Zürich, Wilfriedstr. 6, CH –8032 Zürich, (00 41-1) 6 34 44 41, Fax (00 41-1) 6 34 49 38, E-mail: [email protected] 382. Müller, Dr. Jörg Paul, o. Professor, Kappelenring 42a, CH –3032 Hinterkappelen, (00 41 31) 9 01 05 70; Seminar für Öffentliches Recht, Hochschulstraße 4, CH –3012 Hern, (00 41 31) 6 31 88 94 oder -99, Fax (00 41 31) 6 31 38 83 383. Müller-Franken, Dr. Sebastian, Professor, Auenstraße 36, 80469 München, (0 89) 20 23 98 28; Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Fachbereich Rechtswissenschaften, Universitätsstraße 14–16, 48143 Münster, (02 51) 8 32 19 02, Fax (02 51) 8 32 19 01, E-mail: [email protected] 384. Müller-Terpitz, Dr. Ralf, Privatdozent, Naegelestraße 5, 40225 Düsseldorf, (02 11) 1 60 16 35, Universität Bonn, Institut für Öffentliches Recht, Abt. Wirtschaftsrecht, Adenauerallee 44, 53113 Bonn, (02 28) 79 92 80, E-mail: [email protected] 385. Müller-Volbehr, Dr. Jörg, Universitätsprofessor, Waxensteinstr. 16, 82194 Gröbenzell b. München, (0 81 42) 79 73; Universität Marburg, Universitätsstr. 6, 35037 Marburg 386. Münch, Dr. Dr. h.c. Ingo v., Professor, Hochrad 9, 22605 Hamburg, (0 40) 82 96 24 Fax (0 40) 82 34 49 387. Murswiek, Dr. Dietrich, o. Professor, Institut für Öffentliches Recht, Universität Freiburg, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03-22 37 oder -41, Fax (07 61) 2 03-22 40, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

388. Musil, Dr. Andreas, Privatdozent, Eintrachtstraße 6, 13187 Berlin, (0 30) 4 42 98 19; Freie Universität Berlin, Fachbereich Rechtswissenschaft, Van’t-Hoff-Straße 8, 14195 Berlin, (0 30) 83 85 47 21, Fax (0 30) 83 85 21 05, E-mail: [email protected] 389. Mußgnug, Dr. Reinhard, o. Professor, Keplerstr. 40, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 43 62 22, Fax (0 62 21) 40 83 09; Universität Heidelberg, Institut für Finanz- und Steuerrecht, Friedrich-Ebert-Anlage 6–10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 74 66, Fax (0 62 21) 54 76 54, E-mail: [email protected] 390. Mutius, Dr. Albert v., o. Professor, Westring 377, 24118 Kiel; Geschäftsführender Vorstand des Lorenz-von-SteinInstitutes für Verwaltungswissenschaften an der Universität Kiel, 24098 Kiel, (04 31) 8 80 -45 40 oder -15 05, E-mail: [email protected] 391. Nettesheim, Dr. Martin, o. Professor, Haußerstr. 48, 72074 Tübingen, (0 70 71) 25 46 04; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 29-7 25 60, Fax (0 70 71) 29-58 47, E-mail: [email protected] 392. Neumann, Dr. Volker, Professor, Neckarstaden 10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 16 12 66; Humboldt-Universität zu Berlin, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Staatstheorie, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93 34 60, Fax (0 30) 20 93 34 52, E-mail: [email protected] 393. Nicolaysen, Dr. Gert, Professor, Bockhorst 68a, 22589 Hamburg, (0 40) 8 70 17 47; Universität Hamburg, Seminar für Öffentliches Recht und Staatslehre, Abteilung Europarecht, Schlüterstraße 28, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-45 68, Fax (0 40) 4 28 38-62 52, E-mail: [email protected]

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394. Niedobitek, Dr. Matthias, Universitätsprofessor, Lauergasse 23, 67346 Speyer, (0 62 32) 7 28 51; Professur für Europäische Integration mit dem Schwerpunkt Europäische Verwaltung, Technische Universität Chemnitz, Reichenhainer Str. 39, 09126 Chemnitz, (03 71) 5 31-49 12, E-mail: [email protected] 395. Nierhaus, Dr. Michael, Professor, Am Moosberg 1c, 50997 Köln, (0 22 36) 6 36 29; Universität Potsdam, Juristische Fakultät, Postfach 90 03 27, 14439 Potsdam, (03 31) 9 77-32 84, oder -35 19, Fax (03 31) 9 77-35 35, Geschäftsführender Direktor des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Potsdam, (03 31) 9 77-32 52 oder -32 15, Fax (03 31) 9 77-45 31, E-mail: [email protected] 396. Nolte, Dr. Georg, Professor, Degenfeldstraße 7, 80803 München, Tel./Fax (0 89) 32 37 67 59; Institut für Internationales Recht, Abteilung Völkerrecht, Universität München, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-27 41, Fax (0 89) 21 80-38 41, E-mail: [email protected] 397. Nolte, Dr. Martin, Privatdozent, Moltkestraße 10, 24105 Kiel, (04 31) 56 58 22 (auch Fax), Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre, Olshausenstraße 75, 24098 Kiel, (04 31) 8 80-45 46, Fax: (04 31) 8 80-45 82, E-mail: [email protected] 398. Novak, Dr. Richard, o. Professor, Thadd. Stammel-Str. 8, A-8020 Graz, (00 43) 3 16-5 35 16; Universität (00 43) 3 16-3 80-33 71 E-mail: [email protected] 399. Nußberger, Dr. Angelika, Professorin, Direktorin des Instituts für Ostrecht an der Universität zu Köln, Klosterstr. 79 d, 50931 Köln, Tel.: (02 21) 4 70 55 83, Fax: (02 21) 4 70 55 82, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

400. Oebbecke, Dr. Janbernd, Universitätsprofessor, Kronacher Weg 36, 40627 Düsseldorf, (02 11) 9 26 25 57; Geschäftsführender Direktor des Kommunalwissenschaftlichen Instituts, Universität Münster, Universitätsstr. 14–16, 48143 Münster, (02 51) 83-2 18 06, Fax (02 51) 83-2 18 33, E-mail: [email protected] 401. Oeter, Dr. Stefan, Professor, Wulfsdorfer Weg 122, 22359 Hamburg, (0 40) 60 95 19 57; Universität Hamburg, Institut für Internationale Angelegenheiten, Rothenbaumchaussee 19, 20148 Hamburg, (0 40) 4 28 38 45 65, Fax (0 40) 4 28 38 62 62, E-mail: [email protected] 402. Öhlinger, Dr. Theo, o. Universitätsprofessor, Tolstojgasse 5/6, A-1130 Wien, (00 43-1) 8 77 12 60; Universität Wien, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43-1) 42 77-3 54 62, Fax (00 43-1) 42 77-3 54 69, E-mail: [email protected] 403. Odendahl, Dr. Kerstin, Professorin, Magnihalden 6, CH –9000 Ht. Gallen; Universität St. Gallen, Lehrstuhl für Völkerund Europarecht, Tigerbergstraße 21, CH –9000 Ht. Gallen; (0 04 17 12 24 28 37, Fax (0 04 17 12 24 21 62, E-mail: [email protected] 404. Ohler, Dr. Christoph, Privatdozent, LL .M. Türkenstraße 23, 80799 München, (0 89) 28 80 89 99; Universität München, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-39 47, Fax (0 89) 21 80-24 40, E-mail: [email protected] 405. Oldiges, Dr. Martin, Universitätsprofessor, August-Bebel-Straße 31, 04275 Leipzig, (03 41) 2 11 92 33, Fax: (03 41) 1 49 68 16, E-mail: [email protected], Universität Leipzig, Juristenfakultät, Otto-Schill-Str. 2, 04109 Leipzig, (03 41) 9 73 51 31, Fax (03 41) 9 73 51 39, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

406. Oppermann, Dr. Dres. h.c. Thomas, o. Professor, Burgholzweg 122, 72070 Tübingen, (0 70 71) 4 95 33, Fax (0 70 71) 4 47 02, E-mail: [email protected]; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 2 97 25 58, Fax (0 70 71) 29 58 47, E-mail: [email protected] 407. Ossenbühl, Dr. Fritz, Professor, Im Wingert 12, 53340 Meckenheim, (0 22 25) 1 74 82; Universität Bonn, 53113 Bonn, (02 28) 73 55-72 oder -73 408. Osterloh, Dr. Lerke, Professorin, Richterin des Bundesverfassungsgerichts, Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe, (07 21) 91 01-0, Fax (07 21) 91 01-3 82; Institut für Öffentliches Recht, Universität Frankfurt, Postfach 11 19 32, 60054 Frankfurt a.M., (0 69) 79 82 27 11 oder 2 86 11, Fax (0 69) 79 82 25 62, E-mail: [email protected] 409. Pabst, Dr. Heinz-Joachim, Privatdozent, Universität zu Köln, Prüfungsamt der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70-57 99, Fax (02 21) 4 70-67 22, E-mail: [email protected] 410. Pache, Dr. Eckhard, Professor, Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Domerschulstraße 16, 97070 Würzburg, (09 31) 31 23 09, Fax (09 31) 31 23 19, E-mail: [email protected] 411. Papier, Dr. Dr. h.c. Hans-Jürgen, o. Professor, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Institut für Politik und Öffentliches Recht, Universität München, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-62 94 oder -62 95, Fax (0 89) 21 80 31 99, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

412. Pauger, Dr. Dietmar, Universitätsprofessor, Engelgasse 51, A-8010 Graz, (00 43) 3 16-3 17 97; Universität Graz, Universitätsstr. 15/3, A-8010 Graz, (00 43) 3 16-3 80-33 75 oder -33 64, Fax (00 43) 3 16-38 40 94 50, E-mail: [email protected] 413. Pauly, Dr. Walter, o. Professor, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechts- und Verfassungsgeschichte, Rechtsphilosophie, Universität Jena, Carl-Zeiss-Str. 3, 07740 Jena, (0 36 41) 94 22 30 oder -31, Fax (0 36 41) 94 22 32, E-mail: [email protected] 414. Pechstein, Dr. Matthias, Universitätsprofessor, Lindenallee 40, 14050 Berlin, (0 30) 3 01 94 17, Fax (0 30) 3 01 94 17; Jean-Monnet-Institut für Öffentliches Recht und Europarecht, Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder, Große Scharrnstr. 59, 15230 Frankfurt/Oder, (03 35) 5 53 47 60, E-mail: [email protected] 415. Peine, Dr. jur. Dr. h.c. Franz-Joseph, Professor, Kurpromenade 56, 14089 Berlin-Kladow, Tel. + Fax (0 30) 3 65 61 93; Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), Große Scharrnstr. 59, 15230 Frankfurt (Oder), (03 35) 55 34-25 28, Fax (03 35) 55 34-25 69, E-mail: [email protected] 416. Pernice, Dr. Ingolf, Universitätsprofessor, Laehrstraße 17a, 14165 Berlin, (0 30) 84 72 36 15, Fax (0 30) 84 50 91 62; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-34 40, Fax (0 30) 20 93-34 49, E-mail: [email protected] 417. Pernthaler, Dr. Peter, o. Universitätsprofessor, Philippine-Welser-Str. 27, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-41 82 84; Universität Innsbruck, Innrain 80, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-5 07 26 70

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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418. Pesendorfer, Dr. Wolfgang, Universitätsprofessor, Vizepräsident des Verwaltungsgerichtshofes Wien, Judenplatz 11, A-1014 Wien, (00 43-1) 5 31 11 / 2 45, Fax (00 43-1) 5 31 11 / 1 40, E-mail: [email protected] 419. Pestalozza, Dr. Christian Graf v., o. Professor, Bayernallee 12, 14052 Berlin (Westend), (0 30) 3 04 63 29, Mobil (01 75) 4 19 20 78, Fax (0 30) 30 81 31 04, FU Berlin, Dienstanschrift: Boltzmannstr. 3, 14195 Berlin, Postanschrift: Van’t-Hoff-Str. 8, 14195 Berlin, (0 30) 83 85 30 14, Fax (0 30) 83 85 30 12, E-mail: [email protected] 420. Peters, Dr. Anne, Professorin, LL .M. Bollwerkstr. 134, CH –4102 Hinningen; Lehrstuhl für Völker- und Staatsrecht, Universität Basel, Maiengasse 51, CH –4056 Hasel, (00 41) 61-2 67-25-55, Fax (00 41) 61-2 67-25-71, E-mail: [email protected] 421. Pielow, Dr. Johann-Christian, Professor, Stiepeler Str. 96, 44801 Bochum (02 34) 7 46 33; Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Wirtschaftswissenschaft – Recht der Wirtschaft –, Universitätsstr. 150, 44780 Bochum, (02 34) 32-2 57 23/4, Fax (02 34) 32-1 40 74, E-mail: [email protected] 422. Pieper, Dr. Stefan Ulrich, Privatdozent, Bundespräsidialamt, Spreeweg 1, 10557 Berlin, 0 18 88-5 00 21 20, Fax (0 30) 20 00-19 99, E-mail: [email protected] 423. Pieroth, Dr. Bodo, Professor, Gluckweg 19, 48147 Münster, (02 51) 23 32 91, Fax (02 51) 23 32 94; Institut für Öffentliches Recht und Politik, Universität Münster, Wilmergasse 28, 48143 Münster, (02 51) 51 04 90, Fax (02 51) 5 10 49 19, E-mail: [email protected] 424. Pietzcker, Dr. Jost, Professor, Hausdorffstr. 95, 53129 Bonn, (02 28) 23 39 54; Universität Bonn, 53113 Bonn, (02 28) 73 91 77, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

425. Pirson, Dr. Dr. Dietrich, o. Professor, Brunnenanger 15, 82418 Seehausen, (0 88 41) 4 78 68; Universität München, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-27 15 E-mail: [email protected] 426. Pitschas, Dr. Rainer, o. Universitätsprofessor, Hermann-Jürgens-Str. 8, 76829 Landau-Godramstein, (0 63 41) 96 93 81, Fax (0 63 41) 96 93 82; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Postfach 14 09, 67324 Speyer, (0 62 32) 6 54-3 45, Fax (0 62 32) 6 54-3 05, E-mail: [email protected] 427. Poscher, Dr. Ralf, Universitätsprofessor, Crellestr. 45, 10827 Berlin, (0 30) 6 92 53 98; Ruhr-Universität Bochum, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechtssoziologie und Rechtsphilosophie, Universitätsstraße 150/Gebäude GC 8/135, 44801 Bochum, (02 34) 3 22 28 09, Fax (02 34) 3 21 43 27, E-mail: [email protected] 428. Pöschl, Dr., Magdalena, a. Univ.-Prof., Sternbachplatz 2/2, A-6020 Innsbruck; Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Institut für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Politikwissenschaft, Innrain 82, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-5 07-82 42, Fax (00 43) 5 12-5 07-27 48, E-mail: [email protected] 429. Potacs, Dr. Michael, Professor, Hartäckerstraße 25–27/3, A-1190 Wien, (00 43-1) 3 24 66 23; Universität Klagenfurt, Universitätsstr. 65–67, A-9020 Klagenfurt, (00 43) 4 63-27 00-87 9; Fax (00 43) 4 63-27 00-8 68, E-mail: [email protected] 430. Preuß, Dr. Ulrich K., Professor, Friedbergstraße 47, 14057 Berlin (0 30) 30 81 94 33; Freie Universität Berlin, FB Politische Wissenschaft, Ihnestraße 22, 14195 Berlin, (0 30) 8 38-47 22 oder -49 48, Fax (0 30) 8 38-50 96, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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431. Puhl, Dr. Thomas, o. Professor, In der Aue 26a, 69118 Heidelberg, (0 62 21) 80 36 64, Fax (0 62 21) 80 36 69; Universität Mannheim, Schloß W 226, 68131 Mannheim, (06 21) 1 81 13-54/-55/-57/-58, Fax (06 21) 1 81 13 61, E-mail: [email protected] 432. Pünder, Dr. Hermann, LL .M (Iowa), Universitätsprofessor, Hochallee 106, 20149 Hamburg, (0 40) 41 46 69 34; Bucerius Law School, Lehrstuhl für Öffentliches Recht (einschließlich Europarecht), Verwaltungswissenschaft und Rechtsvergleichung, Postfach 30 10 30, 20304 Hamburg, (0 40) 3 07 06-2 60, Fax (0 40) 3 07 06-2 35, E-mail: [email protected] 433. Puttler, Dr. Adelheid, LL .M. (University of Chicago), diplomée de l’E.N.A. , Universitätsprofessorin, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Europarecht, Völkerrecht und Internationales Wirtschaftsrecht, Ruhr-Universität Bochum, Juristische Fakultät, 44780 Bochum, (02 34) 3 22 28 20, Fax (02 34) 3 21 41 39, E-mail: [email protected] 434. Püttner, Dr. Dr. h.c. Günter. o. Professor, Schwerdstraße 3, 67346 Speyer, (0 62 32) 7 19 97; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstraße 7, 72074 Tübingen E-mail: [email protected] 435. Quaritsch, Dr. Helmut, o. Professor, Otterstadter Weg 139, 67346 Speyer, (0 62 32) 6 31 81; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Freiherr-vom-Stein-Str. 2–6, 67346 Speyer, (0 62 32) 6 54-2 89, Fax (0 62 32) 6 54-3 05 436. Rack, Dr. Reinhard, a.o. Universitätsprofessor, Obere Teichstr. 19, A-8010 Graz, (00 43) 3 16-43 88 42; Universität Graz, (00 43) 3 16-3 80-33 73, E-mail: [email protected] 437. Ramsauer, Dr. Ulrich, Professor, Wiesenstraße 5, 20255 Hamburg, (0 40) 43 18 12 53/52; Universität Hamburg, FB Rechtswissenschaft, Öffentliches Recht, Edmund-Siemers-Allee 1, 20146 Hamburg, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

438. Randelzhofer, Dr. Albrecht, o. Professor, Wulffstr. 12, 12165 Berlin, (0 30) 7 92 60 85; FU Berlin, Ehrenbergstr. 17, 14195 Berlin 439. Raschauer, Dr. Bernhard, o. Universitätsprofessor, Pfeilgasse 7/2/6, A-1080 Wien, (00 43-1) 4 08 33 53; Universität Wien, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43-1) 42 77-3 53 52, Fax (00 43-1) 42 77-3 54 59 E-mail: [email protected] 440. Rasenack, Dr. Christian A.L., LL .M., Professor, Taunusstr. 8, 12309 Berlin, (0 30) 7 45 25 43; TU Berlin, Institut für Rechtswissenschaft, H 81, Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin, (0 30) 31 42-58 74 oder -58 75, Fax (0 30) 7 45 25 43 441. Rauschning, Dr. Dr. h.c. Dietrich, o. Professor, Rodetal 1, 37120 Bovenden, (0 55 94) 9 31 74, Fax (0 55 94) 9 31 75; Institut für Völkerrecht, Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen, E-mail: [email protected] 442. Reimer, Dr. Ekkehart, Privatdozent, Deglergasse 3a, 82362 Weilheim, (08 81) 9 27 52 48, Fax (0 89) 33 35 66, E-mail: [email protected] 443. Reinhardt, Dr. Michael, LL .M. (Cantab.), Professor, Universität Trier, FB V, 54286 Trier, (06 51) 2 01-25 78, Fax (06 51) 2 01 25 80, E-mail: [email protected] 444. Remmert, Dr. Barbara, Universitätsprofessorin, Bei der Fruchtschranne 4, 72070 Tübingen; Eberhard Karls Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Wilhelmstraße 7(Neue Aula), E-mail: [email protected] 445. Rengeling, Dr. Hans-Werner, Universitätsprofessor, Langeworth 143, 48159 Münster, (02 51) 21 20 38, Fax (02 51) 21 20 44; Institut für Europarecht der Universität Osnabrück, Martinistr. 8, 49069 Osnabrück, (05 41) 9 69-45 05 oder -45 04, Fax (05 41) 9 69-45 09, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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446. Ress, Dr. iur. Dr. rer. pol. Dr. iur. h.c. mult., Georg, Universitätsprofessor, Am Botanischen Garten 26/6, 66123 Saarbrücken, (06 81) 3 02 30 55 oder 37 25 45; E-mail: [email protected], Judge, President of the 3rd Section, European Cour of Human Rights, Council of Europe, (+33) 3 90 21 44 91, Fax (+33) 3 88 47 27 30, E-mail: [email protected] 447. Rhinow, Dr. René, o. Professor, Jurastr. 48, CH –4411 Heltisberg, (00 41) 61-9 11 99 35, Fax (00 41) 61-9 11 82 88; stets für Post benutzen: Juristische Fakultät Universität Basel, Maiengasse 51, CH –4056 Hasel, (00 41) 61-2 67-25 67, Fax (00 41) 61-2 67-25 68, E-mail: [email protected] 448. Richter, Dr. Dagmar, Privatdozentin, Hugenottenstr. 6, 68229 Mannheim; MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 48 25 08, E-mail: [email protected] 449. Riedel, Dr. Eibe H., Universitätsprofessor, Haagwiesenweg 19, 67434 Neustadt, (0 63 21) 8 48 19; Lehrstuhl für Deutsches und Ausländisches Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht, Universität Mannheim, Schloß/Westflügel, 68131 Mannheim, (06 21) 1 81-14 17 oder 14 18 oder 14 20b–22, Fax (06 21) 1 81-14 19, E-mail: [email protected] 450. Rill, Dr. Heinz Peter, Universitätsprofessor, Peter-Jordan-Str. 145, A-1180 Wien, (00 43-1) 4 79-86 74; Forschungsinstitut für Europafragen, Wirtschaftsuniversität Wien, Althanstraße 39–45, A-1090 Wien, (00 43-1) 3 13 36 46-65 oder -66 451. Rinken, Dr. Alfred, Professor, Treseburger Str. 37, 28205 Bremen, (04 21) 44 07 62; Universität Bremen, Universitätsallee, GW 1, Postfach 33 04 40 Bremen, 28334 Bremen, E-mail: [email protected]

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452. Rixen, Dr. Stephan, Privatdozent, Torstraße 97, 10119 Berlin, (0 30) 29 36 76 63; Universität zu Köln, Institut für Staatsrecht, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70-33 95, Fax (02 21) 4 70-50 75, E-mail: [email protected] 453. Robbers, Dr. Gerhard, Universitätsprofessor, Dagobertstr. 17, 54292 Trier, (06 51) 5 37 10; Universität Trier, Postfach 38 25, 54286 Trier, (06 51) 2 01-25 42, Fax (06 51) 2 01-39 05, E-mail: [email protected] 454. Rodi, Dr. Michael, M.A., Universitätsprofessor, Marienstr. 42, 17489 Greifswald, (0 38 34) 89 75 65; Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht, 17487 Greifswald, (0 38 34) 86 21 00, E-mail: [email protected] 455. Roellecke, Dr. Gerd, o. Professor, Kreuzackerstr. 8, 76228 Karlsruhe, (07 21) 49 17 39, Fax (07 21) 4 76 87 80; Universität Mannheim, 68131 Mannheim, (06 21) 1 81-14 29, E-mail: [email protected] 456. Röger, Dr. Ralf, Professor, Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Bundesgrenzschutz, Ratzeburger Landstraße 4, 23562 Lübeck, (04 51) 2 03-17 36, Fax (04 51) 2 03-17 09, E-mail: [email protected] 457. Röhl, Dr. Hans Christian, Professor, Mainaustraße 207a, 78464 Konstanz (0 75 31) 36 22 43; Universität Konstanz, Lehrstuhl für Staatsund Verwaltungsrecht, Europarecht und Rechtsvergleichung, Universitätsstraße 10, Fach D 115, 78464 Konstanz, (0 75 31) 88-23 13, Fax (0 75 31) 88-25 63, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

458. Ronellenfitsch, Dr. Michael, o. Professor, Augusta-Anlage 15, 68165 Mannheim, (06 21) 41 23 34; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 2 97 21 09, Fax (0 70 71) 2 97 49 05, E-mail: [email protected] 459. Rossen-Stadtfeld, Dr. Helge, Professor, Marklandstraße 17, 81549 München; Universität der Bundeswehr München, Fakultät für Wirtschafts- und Organisationswissenschaften, Werner-Heisenberg-Weg 39, 85577 Neubiberg, E-mail: [email protected] 460. Rossi, Dr., Matthias, Privatdozent, Wilhelmshöher Straße 25, 12161 Berlin, (0 30) 8 51 79 67, Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 9–11, 10117 Berlin, (0 30) 20 93-33 33, Fax (0 30) 20 93-33 83, E-mail: [email protected] 461. Roth, Dr. Wolfgang, LL .M. (Michigan), apl. Professor, An der Elisabethkirche 48, 53113 Bonn, (02 28) 9 12 52 73; RAe Redeker Sellner Dahs & Widmaier, Mozartstraße 4–10, 53115 Bonn, (02 28) 7 26 25-5 42, E-mail: [email protected] 462. Rozek, Dr. Jochen, Universitätsprofessor, Friedrich-Hegel-Str. 16, 01187 Dresden; Lehrstuhl für Öffentliches Recht unter besonderer Berücksichtigung von Verwaltungsrecht, Juristische Fakultät, TU Dresden, 01062 Dresden, (03 51) 4 63-73 39 oder -73 40, Fax (03 51) 4 63-72 14, E-mail: [email protected] 463. Ruch, Dr. Alexander, o. Professor, Gartenstr. 85, CH –4052 Hasel, (00 41) 61-2 72 36 22; ETH Zentrum, D- REOK , Rämistr. 101, CH –8092 Hürich, (00 41-1) 6 32 60 01 E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

464. Rudolf, Dr. Walter, o. Professor, Rubensallee 55a, 55127 Mainz, (0 61 31) 7 19 42; FB Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Universität Mainz, 55099 Mainz, (0 61 31) 39-24 12, Fax (0 61 31) 39-54 39 465. Ruffert, Dr. Matthias, Professor, Reichardtstieg 3, 07743 Jena, (0 36 41) 20 72 63; Rechtswissenschaftliche Fakultät, Universität Jena, Carl-Zeiss-Straße 3, 07743 Jena, (0 36 41) 94 22 01, Fax (0 36 41) 94 22 02, E-mail: [email protected] 466. Rüfner, Dr. Wolfgang, Professor, Hagebuttenstr. 26, 53340 Meckenheim, (0 22 25) 71 07, E-mail: [email protected]; Institut für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, Adenauerallee 19, 53111 Bonn, (02 28) 26 74-3 62, Fax (02 28) 26 74-3 69 467. Rühl, Dr. Ulli F.H., Professor, Hermann-Allmers-Str. 34, 28209 Bremen, (04 21) 3 46 74 84; Universität Bremen, FB 6 Rechtswissenschaft, Universitätsallee, GW 1, Postfach 33 04 40, 28334 Bremen, (04 21) 2 18-46 06, Sekretariat: (04 21) 2 18-21 27, E-mail: [email protected] 468. Ruland, Dr. Franz, Professor, Strasslacher Straße 1b, 81479 München, (0 89) 72 48 32 18. E-mail: [email protected] Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger a. D. (VDR ), Halleschestraße 1, 10963 Berlin, (0 30) 86 58 91 00, E-mail: [email protected] 469. Rupp, Dr. Hans Heinrich, o. Professor, Am Marienpfad 29, 55128 Mainz, (0 61 31) 3 45 88 470. Ruthig, Dr. Josef, Universitätsprofessor, C8 1, 68159 Mannheim; Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, 55099 Mainz, (0 61 31) 39-2 09 64, (06 21) 1 81-14 08, Fax (06 21) 1 81-14 11, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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471. Sachs, Dr. Michael, Universitätsprofessor, Dattenfelder Str. 7, 51109 Köln, (02 21) 84 46 57, Fax (02 21) 84 06 70; Universität zu Köln, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70-44 54, Fax (02 21) 4 70-51 35, E-mail: @uni-koeln.de 472. Sacksofsky, Dr. Ute, Professorin, Bundenweg 16, 60320 Frankfurt a.M., (0 69) 95 62 20 51, Fax (0 69) 95 62 20 52; Goethe-Universität, FB Rechtswissenschaft, Senckenberganlage 31, 60054 Frankfurt a.M. Postfach 11 19 32, 60325 Frankfurt a.M., (0 69) 79 82 86 54 oder 2 26 54, E-mail: [email protected] 473. Sarcevic, Dr. Edin, apl. Professor, Thomasiusstr. 5, 04109 Leipzig, (03 41) 6 01 73 93; Juristenfakultät Leipzig, Postfach 100 920, (03 41) 9 73 52 10, Fax (03 41) 9 73 52 18, E-mail: [email protected] 474. Salzwedel, Dr. Jürgen, o. Professor, Siebengebirgsstr. 86, 53229 Bonn, (02 28) 48 17 10; c/o RAe Norton, Rose, Vieregge, Köln, (02 21) 77 16-2 16, Fax (02 21) 77 16-1 10 475. Sattler, Dr. Andreas, Professor, Ludwig-Beck-Str. 17, 37075 Göttingen, (05 51) 2 23 40 476. Saxer, Dr. Urs, Privatdozent, LL .M., Kantstr. 15, CH –8044 Hürich, (00 41-1) 4 22 40 42; Büro: Steinbrüchel Hüssy Rechtsanwälte, Grossmünsterplatz 8, Postfach, CH –8024 Hürich, (00 41-1) 2 69 40 00, Fax (00 41-1) 2 69 40 01, E-mail: [email protected] 477. Schachtschneider, Dr. Karl Albrecht, o. Professor, Hubertusstraße 6, 94091 Nürnberg, (09 11) 59 94 36; Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Universität Erlangen-Nürnberg, Lange Gasse 20, 90403 Nürnberg, (09 11) 53 02-3 29 oder -3 11, Fax (09 11) 53 02-2 97, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

478. Schäffer, Dr. Heinz, o. Universitätsprofessor, Große Neugasse 6/14, A-1040 Wien, (00 43-1) 5 81 17 21; Universität Salzburg, Kapitelgasse 5–7, A-5020 Salzburg, (00 43) 6 62-80 44-36 31, Fax (00 43) 6 62-80 44-3 03, E-mail: [email protected] 479. Schambeck, Dr. Dr. h.c. mult. Herbert, o. Universitätsprofessor, Hofzeile 21, A-1190 Wien, (00 43-1) 36 34 94; Universität Linz, (00 43) 7 32-24 68/-4 24 480. Schefer, Dr. Markus, Professor, Gartenstadt 18, 4142 Münchenstein/ BL , Schweiz, (00 41) 6 14 11 36 28; Universität Basel Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Staatsund Verwaltungsrecht, Maiengasse 51, 4056 Basel, (00 41) 6 12 67 25 13, E-mail: [email protected] 481. Schefold, Dr. Dian, Universitätsprofessor, Mathildenstraße 93, 28203 Bremen, (04 21) 7 25 76; FB Rechtswissenschaft der Universität Bremen, Universitätsallee, GW 1, Postfach 33 04 40, 28334 Bremen, (04 21) 2 18-21 66, Fax (04 21) 2 18-34 94, E-mail: [email protected] 482. Schenke, Dr. Ralf P., Privatdozent, Alte Straße 8 B, 79249 Merzhausen, (07 61) 7 07 15 70; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Öffentliches Recht, Abt. II , (07 61) 2 03-22 42, Fax (07 61) 2 03-92 50, E-mail: [email protected] 483. Schenke, Dr. Wolf-Rüdiger, o. Professor, Beim Hochwald 30, 68305 Mannheim, (06 21) 74 42 00; Universität Mannheim, 68131 Mannheim, (06 21) 1 81 14 10, E-mail: [email protected] 484. Scherer, Dr. Joachim, LL .M., apl. Prof., Privatweg 9, 64342 Seeheim-Jugenheim, (0 62 57) 90 37 39; RAe Baker & McKenzie, Bethmannstr. 50–54, 60311 Frankfurt a.M., (0 69) 29 90 81 89, Fax (0 69) 29 90 81 08, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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485. Scherzberg, Dr. Arno, Professor, Wartburgstr. 34, 99094 Erfurt; Universität Erfurt, Staatswissenschaftliche Fakultät, Postfach 900 221, 99105 Erfurt; (03 61) 7 37-47 61, (03 61) 7 37-47 60 (Sekr.), Fax (03 61) 7 37-47 09, E-mail: [email protected] 486. Scheuing, Dr. Dieter H., o. Professor, Finkenstr. 17, 97204 Höchberg, (09 31) 4 83 31, Fax (09 31) 40 81 98; Universität Würzburg, 97070 Würzburg, (09 31) 31 23 24, Fax (09 31) 31 27 92, E-mail: [email protected] 487. Schiedermair, Dr. Hartmut, o. Professor, Wittelsbacher Str. 7, 53173 Bonn-Bad Godesberg; Institut für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht, Universität Köln, Gottfried-Keller-Str. 2, 50931 Köln, (02 21) 4 70 23 64 488. Schilling, Dr. Theodor, apl. Professor, Humboldt-Universität zu Berlin, 10117 Berlin, 13, rue de Moutfort, L-5355 Letrange, (0 03 52) 35 85 76; Gerichtshof der EG , L-2925 Luxemburg, (0 03 52) 43 03-34 13, E-mail: [email protected] 489. Schindler, Dr. Dr. h.c. Dietrich, Professor, Lenzenwiesstr. 8, CH –8702 Hollikon; Universität Zürich, (00 41-1) 3 91-71 18 oder 41 40, Fax (00 41-1) 3 91-71 18 490. Schlette, Dr. Volker, Privatdozent, Hirberg 4, 37170 Uslar, (0 55 73) 99 98 68; Universität Göttingen, Juristisches Seminar, Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen, (05 51) 39 44 13, Fax (05 51) 39 74 14 491. Schlieffen, Dr. Katharina Gräfin v., Universitätsprofessorin, FernUniversität Hagen, FB Rechtswissenschaft, Universitätsstr. 21, 58084 Hagen, (0 23 31) 9 87-28 78, Fax (0 23 31) 9 87-3 95, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

492. Schliesky, Dr. Utz, Privatdozent, Ministerialdirigent, Christianshagener Weg 21a, 24229 Dänischenhagen, (0 43 49) 91 42 77 Leiter der Abteilung Verwaltungsmodernisierung, Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein, Düsternbrooker Weg 64, 24105 Kiel (04 31) 98 8-39 05, Fax (04 31) 98 8-41 04 E-mail: [email protected] oder [email protected] 493. Schlink, Dr. Bernhard, Professor, Endenicher Allee 16, 53115 Bonn, (02 28) 65 23 58; Institut für Öffentliches Recht und Völkerrecht, Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-34 54 oder -34 72, Fax (0 30) 20 93-34 52, E-mail: [email protected] 494. Schmahl, Dr. Stefanie, LL .M., Privatdozentin, Wittelsbacherstraße 10 A, 10707 Berlin, (0 30) 88 67 61 42; Universität Potsdam, Juristische Fakultät, August-Bebel-Straße 89, 14482 Potsdam, (03 31) 9 77 32 47, Fax (03 31) 9 77 32 24, E-mail: [email protected] 495. Schmalenbach, Dr. Kirsten, Professorin, Richard Wagner Gasse 13; Karl-Franzens-Universität Graz, Universitätsplatz 3, 8010 Graz, (00 43) 31 63 80 34 16 496. Schmehl, Dr. Arndt, Privatdozent, Altenfeldsweg 17, 35394 Gießen, (06 41) 4 80 93 10 oder 9 92 11 82, Universität Hamburg, Fakultät für Rechtswissenschaft Edmund-Siemers-Allee 1, ESA W 218, 20146 Hamburg, (0 40) 42 83 8-30 26, Fax (0 40) 42 83 8-30 28 E-mail: [email protected] 497. Schmid, Dr. Gerhard, Professor, Hochwaldstr. 24, CH –4059 Hasel, (00 41) 61-3 31 84 25; c/o Wenger Plattner, Aeschenvorstadt 55, CH –4010 Hasel, (00 41) 61-2 79-70 00, Fax (00 41) 61-2 79-70 01, E-mail: [email protected] 498. Schmid, Dr. Viola, LL .M., Universitätsprofessorin, Institut für Öffentliches Recht, Technische Universität Darmstadt, Hochschulstr. 1, 64289 Darmstadt, (0 61 51) 16 64 64; Fax (0 61 51) 16 39 84, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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499. Schmidt, Dr. Reiner, o. Professor, Bachwiesenstr. 5, 86459 Gessertshausen, (0 82 38) 41 11, Fax (0 82 38) 49 37; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Wirtschaftsverwaltungsrecht und Umweltrecht, Universität Augsburg, Universitätsstr. 2, 86135 Augsburg, (08 21) 5 98-45 50, Fax (08 21) 5 98-45 52, E-mail: [email protected] 500. Schmidt, Dr., Thorsten, Ingo, Privatdozent, Herkulesstraße 7, 34266 Niestetal, (05 61) 52 89 06, Georg-August-Universität Göttingen, Juristisches Seminar, Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen, (05 51) 39 74 19, Fax (05 51) 39 74 14, E-mail: [email protected] 501. Schmidt, Dr. Walter, Universitätsprofessor, Brüder-Knauß-Str. 86, 64285 Darmstadt, (0 61 51) 6 47 10; Universität Frankfurt, 60054 Frankfurt a.M., (0 69) 79 82 21 89 502. Schmidt-Aßmann, Dr. Dr. h.c. Eberhard, o. Professor, Höhenstr. 30, 69118 Heidelberg, (0 62 21) 80 08 03; Universität Heidelberg, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 74 28, E-mail: [email protected] 503. Schmidt-De Caluwe, Reimund, Universitätsprofessor, Unterer Hardthof 17 B, 35398 Gießen, (06 41) 3 45 66, Fax (06 41) 9 60 99 66; Juristische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Universitätsplatz 3–5, 06099 Halle (Saale), (03 45) 55-2 31 38 oder -39, E-mail: [email protected] 504. Schmidt-Jortzig, Dr. Edzard, o. Professor, Graf-Spee-Straße 18 a, 24105 Kiel, (04 31) 8 95 01 95; Rechtswissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Universität Kiel, 24118 Kiel, (04 31) 8 80-35 45, Fax (04 31) 8 80-34 90, E-mail: [email protected] 505. Schmidt-Preuß, Dr. Matthias, o. Professor, E.-T.-A.-Hoffmann-Straße 12, 53113 Bonn, (02 28) 67 80 91; Universität Bonn, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, Adenauerallee 24–42, 53113 Bonn, (02 28) 73 65 02, Fax (02 28) 73 65 07, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

506. Schmidt-Radefeldt, Dr. Roman, Privatdozent, Schleiermacherstr. 5, 68165 Mannheim, (06 21) 8 20 75 02, E-mail: [email protected] Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Bundeswehrverwaltung, Seckenheimer Landstr. 30, 68163 Mannheim, (06 21) 42 95-4 60, E-mail: [email protected] 507. Schmitt Glaeser, Dr. Alexander, LL .M. (Yale), Privatdozent, Kaulbachstraße 64, 80539 München, (0 89) 38 54 79 31, E-mail: [email protected] 508. Schmitt Glaeser, Dr. Dr. h.c. Walter, o. Professor, Rübezahlweg 9 A, 95447 Bayreuth, (09 21) 3 20 70, Fax (09 21) 7 56 38 66, E-mail: [email protected] 509. Schmitt-Kammler, Dr. Arnulf, Universitätsprofessor, Renthof 33, 35037 Marburg/Lahn, (0 64 21) 6 49 02; Universität zu Köln, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70-40 66 oder -40 67 E-mail: [email protected] 510. Schmitz, Dr. Thomas, Privatdozent, Juristisches Seminar der Georg-August-Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen, (05 51) 39 46 37, Fax (05 51) 39 74 14, E-mail: [email protected] 511. Schnapp, Dr. Friedrich E., o. Professor, Efeuweg 22, 44869 Bochum, (0 23 27) 7 42 13; Universität Bochum, 44780 Bochum, (02 34) 3 22 22 39 Fax (02 34) 3 21 42 71, E-mail: [email protected] 512. Schneider, Dr. Hans, o. Professor, Ludolf-Krehl-Str. 44, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 48 03 81; Universität Heidelberg, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 74 46 513. Schneider, Dr. Dr. h.c. Hans-Peter, o. Professor, Rominteweg 1, 30559 Hannover, (05 11) 51 10 50, Fax (05 11) 51 10 50; FB Rechtswissenschaften, Universität Hannover, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62-81 85 oder 81 86 E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

514. Schneider, Dr. Jens-Peter, Professor, Uhlenfluchtweg 7, 49078 Osnabrück, (05 41) 6 68 82 08, Fax (05 41) 6 68 82 07; European Legal Studies Institute, Universität Osnabrück, 49069 Osnabrück, (05 41) 9 69-45 00, Fax (05 41) 9 69-45 09, E-mail: [email protected] 515. Schöbener, Dr. Burkhard, Professor, Am Glösberg 27, 97342 Obernbreit, (0 93 32) 50 00 04; Universität zu Köln, Fachbereich Rechtswissenschaft, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht, Gottfried-Keller-Straße 2, 50931 Köln, (02 21) 4 70-38 34 oder 38 75 E-mail: [email protected] 516. Schoch, Dr. Friedrich, o. Professor, Kastelbergstr. 19, 79189 Bad Krozingen, (0 76 33) 94 81 04, Fax (0 76 33) 94 81 05; Institut für Öffentliches Recht IV , Universität Freiburg, Postfach, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03-22 57 oder 22 58, Fax (07 61) 2 03-22 97, E-mail: [email protected] 517. Scholler, Dr. Dr. h.c. Heinrich, Professor, Zwengauerweg 5, 81479 München, (0 89) 79 64 24; Universität München, Institut für Politik und Öffentliches Recht, Ludwigstr. 28/ RG , 80539 München, (0 89) 21 80-27 24 518. Scholz, Dr. Rupert, o. Professor, Königsallee 71 a, 14193 Berlin; Universität München, Institut für Politik und Öffentliches Recht, Ludwigstr. 28/ RG , 80539 München, (0 89) 21 80-21 13 E-mail: [email protected] 519. Schröder, Dr. Meinhard, o. Professor, Zum Wingert 2, 54318 Mertesdorf, (06 51) 5 78 87; Universität Trier, 54286 Trier, (06 51) 2 01 25 86, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

520. Schroeder, Dr. Werner, Professor, LL .M., Universität Innsbruck, Institut für Völkerrecht, Europarecht und Internationale Beziehungen, Innrain 52, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-5 07-83 20, Fax (00 43) 5 12-5 07-26 51, E-mail: [email protected] 521. Schuler-Harms, Dr. Margarete, Privatdozentin, Heidkoppel 19, 22145 Hamburg, Tel. + Fax (0 40) 6 78 63 73; Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Fachbereich Rechtswissenschaft, Senckenberganlage 31, 60054 Frankfurt am Main, (0 69) 7 98-2 36 16, E-mail: [email protected] 522. Schulev-Steindl, Dr. MM ag. Eva, LL .M. (London), a.o. Univ. Prof., Auhofstraße 158/20, A-1130 Wien; Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Universität Wien, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43-1) 42 77-3 54 53 oder -51, Fax (00 43-1) 42 77-3 54 59, E-mail: [email protected] 523. Schulte, Dr. Martin, Professor, Neuostra 15, 01219 Dresden, (03 51) 4 72 25 50; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Umwelt- und Technikrecht, Juristische Fakultät, TU Dresden, von-Gerber-Bau, Bergstr. 53, 01069 Dresden, (03 51) 46 33-73 62, Fax (03 51) 46 33-72 20, E-mail: [email protected] 524. Schulze-Fielitz, Dr. Helmuth, Professor, Klara-Löwe-Str. 5, 97082 Würzburg, (09 31) 7 84 10 25, Fax (09 31) 7 84 10 34; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Umweltrecht und Verwaltungswissenschaften, Universität Würzburg, Domerschulstr. 16, 97070 Würzburg, (09 31) 31 23 31/2, Fax (09 31) 31 26 17, E-mail: [email protected] 525. Schuppert, Dr. Gunnar Folke, Professor, Kaiserdamm 28, 14057 Berlin, (0 30) 30 61 21 68; Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-35 02, Fax (0 30) 20 93-33 44, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

591

526. Schwabe, Dr. Jürgen, Professor, Erlenweg 1, 21614 Buxtehude, (0 41 61) 8 71 41, Fax (0 41 61) 72 26 00, E-mail: [email protected] 527. Schwartmann, Dr. Rolf, Professor Brucknerstraße 18, 50931 Köln, (02 21) 4 00 90 94; Fachhochschule Köln, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Claudiusstraße 1, 50678 Köln, (02 21) 82 75-34 46, Fax (02 21) 82 75-7-34 46, E-mail: [email protected] 528. Schwarz, Dr. Kyrill-A., Privatdozent, Dr. Martin-Luther-Str. 7, 91550 Dinkelsbühl, (01 77) 83 10 76 8 Bundesverfassungsgericht, Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe E-mail: [email protected] 529. Schwarze, Dr. Jürgen, Professor, Universität Freiburg, Institut für Öffentliches Recht Abt. I, Platz der Alten Synagoge 1, 79098 Freiburg, (07 61) 2 03-22 38, oder -51, Fax (07 61) 2 03-22 34, E-mail: [email protected] 530. Schwarzer, Mag., Dr. Stephan, Universitätsdozent, Rodlergasse 7/10, A-1190 Wien, (00 43-1) 3 69 17 46; Bundeswirtschaftskammer, Wiedner Hauptstr. 63, A-1045 Wien, (00 43-1) 5 01 05-41 95 531. Schweitzer, Dr. Michael, Professor, Göttweiger Str. 135, 94032 Passau, (08 51) 3 45 33; Universität Passau, 94032 Passau, (08 51) 5 09-23 30, Fax (08 51) 5 09-23 32, E-mail: [email protected] 532. Schweizer, Dr. Rainer J., o. Professor, Kirchgasse 9, CH –9220 Hischofszell; Forschungsgemeinschaft für Rechtswissenschaften, Universität St. Gallen, Tigerbergstr. 21, CH –9000 Ht. Gallen, (00 41) 7 12 24 21 61, Fax (00 41) 7 12 24 21 62, E-mail: [email protected] 533. Schwerdtfeger, Dr. Gunther, Universitätsprofessor, Hülsebrinkstr. 23, 30974 Wennigsen/Deister, (0 51 03) 13 11; FB Rechtswissenschaften, Universität Hannover, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62-82 80

592

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

534. Seer, Dr. Roman, Universitätsprofessor, Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Steuerrecht, Gebäude GC 8/137, Universitätstr. 150, (02 34) 3 22 82 69, Fax (02 34) 3 21 46 14, E-mail: [email protected] 535. Seewald, Dr. Otfried, o. Professor, Schärdingerstraße 21 A, 94032 Passau, Tel/Fax (08 51) 3 51 45; Universität Passau, Innstr. 40, Postfach 25 40, 94030 Passau, (08 51) 50 9-23 40 oder -41, Fax (08 51) 5 09-23 42, E-mail: [email protected] 536. Seidel, Dr. Gerd, Professor, Donizettistraße 102, 12623 Berlin, (0 30) 56 59 75 56; Humboldt Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-35 17/-12, Fax (0 30) 20 93-33 84, E-mail: [email protected] 537. Seiler, Dr. Christian, Professor, Erwin-Rohde-Str. 6, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 47 59 79; Institut für Finanz- und Steuerrecht, Universität Heidelberg, Friedrich-Ebert-Anlage 6–10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54 74 59, E-mail: [email protected] 538. Selmer, Dr. Peter, Professor, Akazienweg 9, 22587 Hamburg, (0 40) 86 47 43; Universität Hamburg, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-45 76, Fax (0 40) 4 28 38-30 28 539. Sieckmann, Dr. Jan-Reinhard, Professor, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Feldkirchenstr. 21, 96051 Bamberg, (09 51) 8 63-27 40, Fax (09 51) 8 63-57 40, E-mail: [email protected] 540. Siedentopf, Dr. Dr. h.c. Heinrich, o. Professor, Hauptstr. 170, 76829 Landau, (0 63 41) 6 07 57; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Freiherr-vom-Stein-Str. 2–6, 67324 Speyer, (0 62 32) 6 54-3 65 oder -3 58, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

541. Siekmann, Dr. Helmut, Professor, Hustadtring 143, 44801 Bochum; Ruhr-Universität Bochum, Juristische Fakultät, 44780 Bochum, (02 34) 3 22 52 52, E-mail: [email protected] 542. Silagi, Dr. Dr. Michael, Privatdozent, Institut für Völkerrecht, Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen, (05 51) 39-47 34 543. Skouris, Dr. Wassilios, Professor, Nikolaou Manou 18, GR –54643 Thessaloniki, (00 30-31) 83 14 44; Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Palais de la Cour de Justice, L-2925 Luxembourg, (0 03 52) 43 03 22 09, Fax (0 03 52) 43 03 27 36 544. Sodan, Dr. Helge, Universitätsprofessor, Fachbereich Rechtswissenschaft, Lehrstuhl für Staatsund Verwaltungsrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Sozialrecht, Freie Universität Berlin, Van’t-Hoff-Str. 8, 14195 Berlin, (0 30) 8 38-5 39 72 oder -7 39 73, Fax (0 30) 8 38-5 44 44, Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin, Elßholzstr. 30–33, 10781 Berlin, (0 30) 90 15-26 50, Fax (0 30) 90 15-26 66, E-mail: [email protected] 545. Söhn, Dr. Hartmut, o. Professor, Eppanerstr. 9, 94036 Passau, (08 51) 5 85 20; Universität Passau, Lehrstuhl für Staatsu. Verwaltungsrecht insbesondere Finanz- und Steuerrecht, 94032 Passau, (08 51) 5 09-23 50, Fax (08 51) 5 09-23 52, E-mail: [email protected] 546. Somek, Dr. Alexander, Professor, University of Iowa, College of Law, Melrose and Byington Iowa City, Iowa USA 52242, (3 19) 3 35 90 34, Fax: (31 91) 33 59 01 98, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

547. Sommermann, Dr. Karl-Peter, Universitätsprofessor, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Staatslehre und Rechtsvergleichung, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Postfach 14 09, 67346 Speyer, (0 62 32) 6 54-3 44, Fax (0 62 32) 6 54-3 05, E-mail: [email protected] 548. Spannowsky, Dr. Willy, Universitätsprofessor, Auf dem Kleehügel 17, 67706 Krickenbach, (0 63 07) 99 39 63, Fax (0 63 07) 99 39 49; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Postfach 30 49, 67653 Kaiserslautern, (06 31) 2 05-39 75, Fax (06 31) 2 05-39 77 E-mail: [email protected] 549. Staff, Dr. Ilse, Universitätsprofessorin, Am Forum 4, 65779 Kelkheim, (0 61 95) 33 08; Universität Frankfurt, 60054 Frankfurt a.M. 550. Starck, Dr. Christian, o. Professor, Schlegelweg 10, 37075 Göttingen, (05 51) 5 54 54; Universität Göttingen, Juristisches Seminar, Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen, ·05 51) 39-74 12, Fax (05 51) 4 88 28 91 E-mail: [email protected] 551. Steiger, Dr. Heinhard, Universitätsprofessor, Oberhof 16, 35440 Linden, (06 41) 2 32 52; Universität Gießen, 35394 Gießen, (06 41) 9 92 11-50 oder -51, Fax (06 41) 9 92 11-59 552. Stein, Dr. Ekkehart, o. Professor, Magdebergstr. 16 b, 78224 Singen, (0 77 31) 94 85 71; Universität Konstanz, Postfach 55 60 D 104, 78434 Konstanz, (0 75 31) 88 23-29 oder -28 553. Stein, Dr. Torsten, Universitätsprofessor, Ludolf-Krehl-Str. 1 b, 69120 Heidelberg, Tel/Fax (0 62 21) 48 04 38; Universität des Saarlandes, Europa-Institut, Am Stadtwald, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02-45 67 oder -36 95, Fax (06 81) 3 02-48 79, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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554. Steinberg, Dr. Rudolf, Universitätsprofessor, Wingertstr. 2a, 65719 Hofheim; Präsident der Goethe-Universität Frankfurt, Senckenberganlage 31, 60054 Frankfurt a.M., (0 69) 79 82 22 31, Fax (0 69) 7 98-2 87 93, E-mail: [email protected] 555. Steinberger, Dr. Helmut, o. Professor, Saphirweg 13, 69181 Leimen; MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 4 82-2 61, Fax (0 62 21) 4 82-2 88; Juristisches Seminar, Universität Heidelberg, Friedrich-Ebert-Anlage 6–10, 69117 Heidelberg, (0 62 21) 54-74 54 oder -55, Fax (0 62 21) 54-77 44, E-mail: [email protected] 556. Steiner, Dr. Udo, o. Professor, Richter des Bundesverfassungsgerichts, Am Katzenbühl 5, 93055 Regensburg, (09 41) 70 09 13; Universität Regensburg, 93040 Regensburg, (09 41) 9 43-26 66 oder -26 67, Fax (09 41) 9 43-49 93, oder Karlsruhe (07 21) 91 01-2 17, Fax (07 21) 91 01-3 82, E-mail: [email protected] 557. Stelkens, Dr. Ulrich, Privatdozent, Bruchwiesenstraße 27, 66111 Saarbrücken, (06 81) 37 64 20; Universität des Saarlandes, Im Stadtwald, 66123 Saarbrücken, (06 81) 3 02-43 59, Fax (06 81) 3 02-43 37, E-mail: [email protected] 558. Stelzer, Dr. Manfred, Universitätsprofessor, Anton-Wildgansgasse 12/4, A-2380 Aerchtoldsdorf, (00 43-6 64) 2 12 56 18; Universität Wien, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43-1) 42 77-3 54 31 oder -32, E-mail: [email protected] 559. Stender-Vorwachs, Dr. Jutta LL . M. ( UVA , USA ), Privatdozentin, Universität Hannover, Fachbereich Rechtswissenschaften, Königsworter Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62-82 50 oder -82 49; Am Ortfelde 99A, 30916 Isernhagen N.B., (05 11) 7 24 08 07, Fax (05 11) 7 24 08 54, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

560. Stern, Dr. Dr. h.c. mult. Klaus, o. Professor, Am Stockberger Busch 10, 51515 Kürten, (0 22 68) 61 67; Universität Köln, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, (02 21) 4 70 22 89 561. Stettner, Dr. Rupert, Professor, Alpenstr. 11 a, 85221 Dachau, (0 81 31) 27 89 96, Tel./Fax (0 81 31) 27 89 98; Institut für Staatswissenschaften, Universität der Bundeswehr München, Werner-Heisenberg-Weg 39, 85579 Neubiberg, (0 89) 60 04-38 64 oder -37 02 oder -20 43, Fax (0 89) 60 04-28 41, E-mail: [email protected] 562. Stober, Dr. Dr. h.c. mult. Rolf, Professor, Am Blütenhain 33, 48163 Münster, (0 25 36) 17 34, Fax (0 25 36) 68 38; Institut für Recht der Wirtschaft, Universität Hamburg, Max-Brauer-Allee 60, 22765 Hamburg, (0 40) 4 28 38-46 37, Fax (0 40) 4 28 38-64 58, E-mail: [email protected] 563. Stock, Dr. Martin, Professor, Lina-Oetker-Str. 22, 33615 Bielefeld, (05 21) 12 19 95; Fakultät für Rechtswissenschaft, Universität Bielefeld, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, (05 21) 1 06 43 90, Fax (05 21) 1 06 80 55, E-mail: [email protected] 564. Stoll, Dr. Peter-Tobias, Professor, Institut für Völkerrecht, Abteilung für Internationales Wirtschaftsrecht, Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen, (05 51) 39 46 61, E-mail: [email protected] 565. Stolleis, Dr. Dr. h.c. mult. Michael, Universitätsprofessor, Waldstr. 15, 61476 Kronberg, (0 61 73) 6 56 51; Universität Frankfurt, MPI für europäische Rechtsgeschichte, Hausener Weg 120, 60489 Frankfurt a.M., (0 69) 7 89 78-2 22, Fax (0 69) 7 89 78-1 69, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

566. Stolzlechner, Dr. Harald, o. Universitätsprofessor, Gneiser Straße 57, A-5020 Salzburg, (00 43) 6 62-82 39 35; Universität Salzburg, (00 43) 6 62-80 44 36 01, E-mail: [email protected] 567. Storr, Dr. Stefan, Privatdozent, Lassallestraße 12, 07743 Jena, (0 36 41) 82 80 62; Juristische Fakultät, TU Dresden, von-Gerber-Bau, Bergstraße 53, 01069 Dresden (03 51) 46 33 73 68, E-mail: [email protected] 568. Streinz, Dr. Rudolf, o. Professor, Waldsteinring 26, 95448 Bayreuth, (09 21) 9 47 30, E-mail: [email protected]; Ludwig-Maximilians-Universität München, Juristische Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-33 35, Fax (0 89) 21 80-24 40, E-mail: [email protected] 569. Stumpf, Dr. Christoph, Privatdozent, Hagener Allee 4, 22926 Ahrensburg, (0 41 02) 45 51 30, Fax (0 41 02) 45 51 31; Wilhelm-Ziegler-Weg 14, 91541 Rotenburg o.d.T., (0 98 61) 74 11, E-mail: [email protected] 570. Suerbaum, Dr. Joachim, o. Professor, Hattinger Str. 574, 44879 Bochum, (02 34) 47 26 26; Universität Würzburg, Domerschulstraße 16, 97070 Würzburg, (09 31) 31-28 97 oder 31-28 99, E-mail: [email protected] 571. Sydow, Dr. Gernot, M.A., Privatdozent, Dietenbachstraße 14, 79114 Freiburg, (07 61) 8 97 22 23; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Öffentliches Recht II , Platz der Alten Synagoge 1, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03-22 44, Fax (07 61) 2 03-22 91, E-mail: [email protected]

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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

572. Talmon, D. Phil. (Oxon.) Stefan, LL .M. (Cantab.), Privatdozent, 14 Derwent Avenue, Headington, Oxford OX 3 0AP, (00 44) (0) 18 65 42 75 44, Fax (00 44) (0) 18 65 42 75 44; St Anne’s College, Woodstock Road, Oxford OX 2 6HS , (00 44) (0) 18 65 28 45 30, Fax (00 44) (0) 18 65 27 48 99, E-mail: [email protected] 573. Thieme, Dr. Werner, Professor, Berggartenstraße 14, 29223 Celle, (0 51 41) 3 73 69, Fax (0 51 41) 93 13 73; Universität Hamburg, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-45 69 574. Thienel, Dr. Rudolf, Universitätsprofessor, Pfeilgasse 31/10, A-1080 Wien; Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Universität Wien, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43-1) 4 01 03-32 60, Fax (00 43-1) 5 33 40 99 575. Thürer, Dr. Dr. h.c. Daniel, LL .M., o. Professor, Abeggweg 20, CH –8057 Hürich, (00 41-1) 3 62 65 47; Universität Zürich, Institut für Völkerrecht und Ausländisches Verfassungsrecht, Hirschgraben 40, CH –8001 Hürich, (00 41-1) 6 34-20 31, Fax (00 41-1) 6 34-49 92, E-mail: [email protected] 576. Tietje, Dr. Christian, Professor, Hegelstraße 14, 06144 Halle (Saale), (03 45) 5 48 39 13; Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Juristische Fakultät, Juridicum, Universitätsplatz 5, 06108 Halle (Saale), (03 45) 5 52-31 80, Fax (03 45) 5 52-72 01, E-mail: [email protected] 577. Tomuschat, Dr. Christian, Professor, Odilostraße 25a, 13467 Berlin, (0 30) 40 54 14 86, Fax (0 30) 40 54 14 88; Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Völker- und Europarecht, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-33 35 oder -05 oder -22, Fax (0 30) 20 93 33 65, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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578. Trute, Dr. Hans-Heinrich, Universitätsprofessor, Wettinplatz 3, 01896 Pulsnitz, (03 59 55) 4 53 01; Universität Hamburg, Fachbereich Rechtswissenschaft, Edmund-Siemers-Allee 1, 20146 Hamburg, (0 40) 4 28 38-57 21 oder -56 25, Fax (0 40) 4 28 38-27 00, E-mail: [email protected] 579. Tsatsos, Dr. Dimitris Th., o. Professor, Kockenhof 12, 58093 Hagen, (0 23 34) 95 47 47; FernUniversität Hagen, 58097 Hagen, (0 23 31) 9 87-28 76 Fax (0 23 31) 9 87-3 24 580. Tschentscher, Dr. jur. Axel, LL .M., Professor, Lehrstuhl für Staatsrecht, Rechtsphilosophie und Verfassungsgeschichte, Universität Bern, Institut für öffentliches Recht, Schanzeneckstraße 1, CH –3011 Hern, (00 41) 31-6 31 88 99 (direkt), (00 41) 31-6 31 32 36 (Sekretariat), Fax (00 41) 31-6 31 38 83 E-mail: [email protected] 581. Uerpmann-Wittzack, Dr. Robert, Professor, Pfarrergasse 9, 93047 Regensburg, (09 41) 5 67 64 91; Universität Regensburg, Juristische Fakultät, 93040 Regensburg, (09 41) 9 43-26 60 oder 26 59, Fax (09 41) 9 43-19 73, E-mail: [email protected] 582. Uhle, Dr. Arnd, Privatdozent, Denglerstraße 54, 53173 Bonn-Bad Godesberg, (02 28) 9 02 58 09; Ludwig-Maximilians-Universität München, Juristische Fakultät (Lehrstuhl Prof. Dr. Rupert Scholz), Prof.-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80 21 13, E-mail: [email protected] 583. Umbach, Dr. Dieter C., Professor, Lehrstuhl für Verwaltungsrecht mit Sozialrecht sowie europäisches Verfassungsrecht, Universität Potsdam, PF 90 03 27, 14439 Potsdam,(03 31) 9 77-32 E-mail: [email protected] 584. Unruh, Dr. Georg-Christoph v., o. Professor, Steenkamp 2, 24226 Heikendorf, (04 31) 23 14 59; Universität Kiel, Lorenz vom Stein-Institut, 24106 Kiel, (04 31) 8 80 35-22 oder -29

600

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

585. Unruh, Dr. Peter, Privatdozent, Juristisches Seminar der Georg-August-Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen, E-mail: [email protected] 586. Vallender, Dr. Klaus A., Professor, Unterbach 4, CH –9043 Hrogen, (00 41 71) 94 27 69; Universität St. Gallen, Bodanstr. 4, CH –9000 Ht. Gallen, (00 41 71) 2 24 25 19 587. Vedder, Dr. Christoph, Professor, Sollner Str. 33, 81479 München, (0 89) 79 10 03 83, Fax (0 89) 79 10 03 84; Juristische Fakultät, Universität Augsburg, Postfach, 86135 Augsburg, (08 21) 5 98-45 70, Fax (08 21) 5 98-45 72, E-mail: [email protected] 588. Vesting, Dr. Thomas, Universitätsprofessor, Habsburgerstr. 3, 80801 München, (0 89) 39 21 44; Fachbereich Rechtswissenschaft, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Senckenberganlage 31–33, 60054 Frankfurt am Main, (0 69) 79 82 85 09, Fax (0 69) 79 82 80 73, E-mail: [email protected] 589. Vitzthum, Dr. Dr. h.c. Wolfgang Graf, o. Professor, Im Rotbad 19, 72076 Tübingen, (0 70 71) 6 38 44, Fax (0 70 71) 6 38 88; Universität Tübingen, Juristische Fakultät, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 2 97 52 66, Fax (0 70 71) 2 97 49 05, E-mail: [email protected] 590. Vogel, Dr. Dr. h.c. Klaus, o. Professor, Konradstraße 9 Rgb., 80801 München, (0 89) 38 86 92 03, Fax (0 89) 38 86 92 04; Institut für Politik und Öffentliches Recht, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80-27 18, Fax (0 89) 34 14 40, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

601

591. Volkmann, Dr. Uwe, Professor, Am Bonifatiusbrunnen 231, 60439 Frankfurt a.M., (0 69) 51 86 73; Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, FB Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Rechtsphilosophie und Öffentliches Recht, 55099 Mainz, (0 61 31) 39-2 34 53, Fax (0 61 31) 39-2 30 90, E-mail: [email protected] 592. Voßkuhle, Dr. Andreas, Professor, Jacobistraße 44, 79104 Freiburg, Tel./Fax: (07 61) 7 07 52 11; Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie, Postfach, 79085 Freiburg i. Br., (07 61) 2 03-22 09, Fax (07 61) 2 03-91 93, E-mail: [email protected] 593. Waechter, Dr. Kay, Professor, Ceciliengärten 12, 12159 Berlin; FB Rechtswissenschaft, Universität Hannover, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 7 62-82 27, E-mail: [email protected] 594. Wahl, Dr. Rainer, o. Professor, Hagenmattenstr. 6, 79117 Freiburg, (07 61) 6 59 60; Universität Freiburg, Institut für Öffentliches Recht VI , Wilhelmstr. 26, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03-22 52 oder -53, Fax (07 61) 2 03 22 93, E-mail: [email protected] 595. Waldhoff, Dr. Christian, Professor, Lennéstraße 47, 53113 Bonn, (0 22) 2 89 10 64, Universität Bonn, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Kirchenrechtliches Institut, Adenauerallee 24-42, 53113 Bonn, (02 28) 73-91 25, Fax (02 28) 73-40 49, E-mail: [email protected] 596. Wallerath, Dr. Maximilian, Universitätsprofessor, Gudenauer Weg 86, 53127 Bonn, (02 28) 28 32 02; Universität Greifswald, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, 17487 Greifswald, (0 38 34) 86 21 44 Fax (0 38 34) 8 68 00 77, E-mail: [email protected]

602

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

597. Walter, Dr. Christian, Professor, Zähringerstraße 50, 69115 Heidelberg, (0 62 21) 60 28 06, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Lehrstuhl für Öffentliches Recht Einschließlich Völker- und Europarecht, Bispinghof 24/25, 48143 Münster, (02 51) 83-2 20 21, Fax (02 51) 83-2 20 43, E-mail: [email protected] 598. Weber, Dr. Albrecht, Professor, Weidenweg 20, 49143 Bissendorf, (0 54 02) 39 07; Universität Osnabrück, 49069 Osnabrück, (05 41) 9 69-61 88, E-mail: [email protected] 599. Weber, Dr. Karl, o. Universitätsprofessor, Noldinstr. 14, A-6020 Innsbruck, (00 43) 06 64-1 62 57 39; Universität Innsbruck, Institut für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Politikwissenschaft, Innrain 80, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-5 07-82 30, E-mail: [email protected] 600. Weber-Dürler, Dr. Beatrice, o. Professorin, Ackermannstr. 24, CH –8044 Hürich, (00 41-44) 2 62 04 20; Universität Zürich, Rechtswissenschaftliches Institut, Rämistrasse 74/20, CH –8001 Hürich, (00 41-44) 6 34 44 40, Fax (00 41-44) 6 34 47 96, E-mail: [email protected] 601. Wegener, Dr. Bernhard W., Professor, Vierzigmannstraße 23, 91054 Erlangen, (01 79) 4 66 18 32; Friedrich-Alexander-Universität, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Schillerstraße 1, 91054 Erlangen, Sek. (0 91 31) 8 52 92 85, Fax (0 91 31) 8 52 64 39, E-mail: [email protected] 602. Wehr, Dr. Matthias, Privatdozent, Am Schwarzenberg 37, 97078 Würzburg, (09 31) 2 16 30; Universität Würzburg, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Rechtsphilosophie, Domerschulstraße 16, 97070 Würzburg, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

603

603. Weiß, Dr. Wolfgang, Privatdozent, Oxford Brookes University, Law Department Headington Hill Hall, Headington Campus, Oxford, OX 3 OBP/GREAT BRITAIN E-mail: [email protected] 604. Welti, Dr. Felix, Privatdozent, Konrad-Adenauer-Straße 3, 23558 Lübeck, (04 51) 8 13 27 42, Fax (04 51) 8 13 27 43, E-mail: [email protected] 605. Wendt, Dr. Rudolf, o. Professor, Schulstr. 45, 66386 St. Ingbert-Hassel, (0 68 94) 5 32 87; Universität des Saarlandes, Institut für Finanzund Steuerrecht, Postfach 11 50, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02-21 04 oder -31 04, Fax (06 81) 3 02-47 79, E-mail: [email protected] 606. Wernsmann, Dr. Rainer, Professor, Gasselstiege 48, 48159 Münster, (02 51) 52 50 27; Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, Professur für Öffentliches Recht und Steuerrecht, Holstenhofeweg 85, 22043 Hamburg, (0 40) 65 41-28 59 oder -29 62, E-mail: [email protected] 607. Wiederin, Dr. Ewald, Universitätsprofessor, Universität Salzburg, Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht, Kapitelgasse 5–7, A-5020 Salzburg, (00 43) 6 62-80 44- 36 11, Fax (00 43) 6 62-80 44-1 69, E-mail: [email protected] 608. Wieland, Dr. Joachim, LL .M., Universitätsprofessor, Gregor-Mendel-Straße 13, 53115 Bonn, (02 28) 6 19 59 98, Fax (02 28) 3 49 48 98; FB Rechtwissenschaften, Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht, Johann-Wolfgang-von-Goethe Universität, 60325 Frankfurt a.M., (0 69) 7 98-2 27 11, Fax (0 69) 7 98-2 25 62, E-mail: [email protected] 609. Wielinger, Dr. Gerhard, Universitätsdozent, Bergmanngasse 22, A-8010 Graz, (00 43) 3 16-31 87 14; dienstl. (00 43) 3 16-70 31 24 28

604

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

610. Wieser, DDr. Bernd, a.o. Universitätsprofessor, Wittenbauerstr. 76, A-8010 Graz; Institut für Öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre, Karl-Franzens-Universität Graz, Universitätsstr. 15/C3, A-8010 Graz, (00 43) 3 16-3 80-33 81 oder -83, Fax (00 43) 3 16-3 80-94 50, E-mail: [email protected] 611. Wildhaber, Dr. Luzius, o. Professor, Auf der Wacht 21, CH –4104 Hberwil, (00 41 61) 4 01 25 21; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Europarat, F-67075 Strasbourg Cedex, (00 33-3 88) 41 23 91 612. Will, Dr. Rosemarie, Professorin, Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93 33 00/36 82, Fax (0 30) 20 93 34 53, E-mail: [email protected] 613. Wilke, Dr. Dieter, Präsident des OVG Berlin a. D., Universitätsprofessor a. D., apl. Professor an der Freien Universität Berlin, Schweinfurthstr. 10, 14195 Berlin 614. Wilms, Dr. Heinrich, o. Professor Friedenstrasse 3, 78166 Donaueschingen, (07 00) 88 40 04 00, Fax (07 00) 88 40 04 01; Fachbereich Rechtswissenschaft, Universität Konstanz, Fach D-110, 78457 Konstanz, (0 75 31) 88-30 04, Fax (0 75 31) 88-40 08, Fax (0 75 31) 88-40 08, E-mail: [email protected] 615. Wimmer, Dr. Norbert, o. Universitätsprofessor, Heiliggeiststr. 16, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-58 61 44; Universität Innsbruck, Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaften, Innrain 80/82, A-6020 Innsbruck, (00 43) 5 12-82 00 oder 82 01, E-mail: [email protected], 616. Winkler, Dr. DDr. h.c. Günther, o. Universitätsprofessor, Reisnerstr. 22/5/11, A-1030 Wien, (00 43-1) 7 13 44 15; Universität Wien, Schottenbastei 10–16, A-1010 Wien, (00 43-1) 4 01 03-31 31

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

605

617. Winkler, Dr., Roland, a.o. Universitätsprofessor, Borromäumstraße 10/2, A–5020 Salzburg, (00 43) 6 62 64 12 60, o. (00 43) 67 69 07 01 71 Fachbereich Öffentliches Recht, Universität Salzburg, Kapitelgasse 5–7, A–5020 Salzburg (00 43) 6 62 80 44 36 24, Fax (00 43) 6 62 80 44 36 29 E-mail: [email protected] http://www.sbg.ac.at/ver/people/winkler/winkler.htm 618. Winter, Dr. Gerd, Professor, FB 6: Rechtswissenschaft, Universität Bremen, Postfach 33 04 40, 28334 Bremen, (04 21) 2 18-28 40, Fax (04 21) 2 18-34 94, E-mail: [email protected] 619. Winzeler, Dr. Christoph, LL . M. (Harv.) Privatdozent, St.-Jakobs-Strasse 96, CH –4052 Hasel, (00 41) 6 12 95 93 93 (Büro), Fax (00 41) 6 12 72 53 82 (Büro); Universität Fribourg, Institut für Religionsrecht, Miséricorde, Büro 4119, CH –1700 Hribourg, (00 41) 2 63 00 80 23, Fax (00 41) 2 63 00 96 66, E-mail: [email protected] 620. Wittinger, Dr. Michaela, Privatdozentin, Schauinslandstraße 1, 76199 Karlsruhe, (07 21) 59 16 81, Fax (07 21) 9 59 77 40, E-mail: [email protected] Universität des Saarlandes, c/o Forschungsstelle Internationaler Kulturgüterschutz Prof. D. W. Fiedler, Postfach 15 11 50, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02-32 00 621. Wittmann, Dr. Heinz, a.o. Universitätsprofessor, Steinböckengasse 4/14, A-1140 Wien, (00 43-1) 9 14 31 75; Verlag Medien und Recht GmbH, Danhausergasse 6, A-1040 Wien, (00 43-1) 5 05 27 66, Fax (00 43-1) 5 05 27 66-15 622. Wittreck, Dr. Fabian, Privatdozent, Fichtestraße 5, 97074 Würzburg, (09 31) 88 55 15; Universität Würzburg, Lehrstuhl für Rechtsphilosophie, Staats- und Verwaltungsrecht, Domerschulstraße 16, 97070 Würzburg, (09 31) 31 23 37, Fax (09 31) 31 29 11, E-mail: [email protected]

606

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

623. Wolf, Dr. Joachim, Professor, Von-Velsen-Straße 17, 44625 Herne, (0 23 23) 45 96 25; Juristische Fakultät, Ruhr-Universität Bochum, Umweltrecht, Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre, Gebäude GC , Universitätsstr. 150, 44789 Bochum, (02 34) 3 22-52 52, Fax (02 34) 3 21 44 21, E-mail: [email protected] 624. Wolff, Dr. Heinrich Amadeus, Professor, Rudolf-Ditzen-Weg 12, 13156 Berlin; LMU München, Institut für Politik und Öffentliches Recht der Universität München, Professor-Huber-Platz 2, 80539 München, (0 89) 21 80 32 62 und (0 30) 48 09 79 48, E-mail: [email protected] 625. Wolfrum, Dr. Dr. h.c. Rüdiger, o. Professor, Mühltalstr. 129 b, 69121 Heidelberg, (0 62 21) 47 52 36; MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Im Neuenheimer Feld 535, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 48 22-55 oder -56, Fax (0 62 21) 48 22 88, E-mail: [email protected] 626. Wollenschläger, Dr. Michael, Professor, An den Forstäckern 15, 97204 Höchberg, (09 31) 4 91 96; Universität Würzburg, Domerschulstr. 16, 97070 Würzburg, (09 31) 31 23 05, Fax (09 31) 31 23 17, E-mail: [email protected] 627. Wolter, Dr. Henner, Privatdozent, Kanzleianschrift: Knesebeckstr. 76, 10623 Berlin, (0 30) 9 39 33 30, Fax (0 30) 93 93 33 33, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, (0 30) 20 93-34 72, Fax (0 30) 20 93-34 52, E-mail: [email protected] 628. Würtenberger, Dr. Thomas, o. Professor, Beethovenstr. 9, 79100 Freiburg, (07 61) 7 86 23; Universität Freiburg, Postfach, 79085 Freiburg, (07 61) 2 03-22 46 oder -22 49, E-mail: [email protected]

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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629. Wyduckel, Dr. Dieter, Professor, Juristische Fakultät, TU Dresden, 01062 Dresden, (03 51) 4 63-73 21, Fax (03 51) 4 63-72 09, E-mail: [email protected] 630. Wyss, Dr. iur. Martin, Privatdozent, Stellvertretender Leiter der Abteilung 2 für Rechtsetzung, Bundesamt für Justiz, Bundeshaus West, CH –3003 Hern, (0 31) 3 22 75 75, E-mail: [email protected] 631. Zacher, Dr. Dr. h.c. mult. Hans F., o. Professor, Starnberger Weg 7, 82343 Pöcking, (0 81 57) 13 84; MPI für ausländisches und internationales Sozialrecht Amalienstr. 33, 80799 München, Postfach 34 01 21, 80098 München, (0 89) 3 86 02-5 02, Fax (0 89) 3 86 02-5 90 632. Zeh, Dr. Wolfgang, Professor, Ministerialdirektor, Brunhildstr. 9, 10829 Berlin, (0 30) 78 70 75 63; Deutscher Bundestag, Platz der Republik, 11011 Berlin, (0 30) 22 73 28 00, Fax (0 30) 2 27-3 60 38 E-mail: [email protected] 633. Zezschwitz, Dr. Friedrich v., Universitätsprofessor, Petersweiher 47, 35394 Gießen, (06 41) 4 51 52; Universität Gießen, 35390 Gießen, (06 41) 7 02 50 20, E-mail: [email protected] 634. Ziegler, Dr. Andreas R., Professor, LL .M., Gründenstraße 66, CH –8247 Hlurlingen; Universität Lausanne, Juristische Fakultät, BFSH 1, CH –1015 Hausanne, E-mail: [email protected] 635. Ziekow, Dr. Jan, Universitätsprofessor, Gartenstraße 3, 67361 Freisbach, (0 63 44) 59 02, Fax (0 63 44) 59 02; Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Postfach 14 09, 67324 Speyer, (0 62 32) 6 54-0, E-mail: [email protected] 636. Zimmer, Dr. Gerhard, Professor, Waldschützpfad 9, 12589 Berlin, (0 30) 6 48 95 90; Universität der Bundeswehr, 22043 Hamburg, (0 40) 65 41 27 71

608

Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

637. Zimmermann, Dr. Andreas, Professor, Walther-Schücking-Institut für internationales Recht, Universität Kiel, Olshausener Straße 40, 24098 Kiel, (04 31) 8 80-21 49 oder 8 80 21 52, Fax (04 31) 8 80 16 19, E-mail: [email protected] 638. Zippelius, Dr. Dr. h.c. Reinhold, o. Professor, Niendorfstr. 5, 91054 Erlangen, (0 91 31) 5 57 26; Universität Erlangen-Nürnberg, 91054 Erlangen, (0 91 31) 85 28 20 639. Zuleeg, Dr. Dr. h.c. Manfred, Professor, Kaiser-Sigmund-Str. 32, 60320 Frankfurt a.M., (0 69) 56 43 93; FB Rechtswissenschaft, Institut für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Universität Frankfurt, Senckenberganlage 31, 60325 Frankfurt a.M., (0 69) 79 82 23 82, Fax (0 69) 79 82 87 50, E-mail: [email protected]

Satzung

609

Satzung (Nach den Beschlüssen vom 21. Oktober 1949, 19. Oktober 1951, 14. Oktober 1954, 10. Oktober 1956, 13. Oktober 1960, 5. Oktober 1962, 1. Oktober 1971, 6. Oktober 1976, 3. Oktober 1979 und 6. Oktober 1999) §1 Die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer stellt sich die Aufgabe: 1. wissenschaftliche und Gesetzgebungsfragen aus dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch Aussprache in Versammlungen der Mitglieder zu klären; 2. auf die ausreichende Berücksichtigung des öffentlichen Rechts im Hochschulunterricht und bei staatlichen und akademischen Prüfungen hinzuwirken; 3. in wichtigen Fällen zu Fragen des öffentlichen Rechts durch Eingaben an Regierungen oder Volksvertretungen oder durch schriftliche Kundgebungen Stellung zu nehmen. §2 Mitglied der Vereinigung kann werden, wer auf dem Gebiet des Staatsrechts und mindestens eines weiteren öffentlich-rechtlichen Fachs a) seine Befähigung zu Forschung und Lehre durch hervorragende wissenschaftliche Leistung nachgewiesen hat1 und b) an einer deutschen oder deutschsprachigen Universität2 oder der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer als Forscher und Lehrer tätig ist oder gewesen ist. 1 Mit der oben abgedruckten, am 1. 10. 1971 in Regensburg beschlossenen Fassung des § 2 hat die Mitgliederversammlung den folgenden erläuternden Zusatz angenommen. „Eine hervorragende wissenschaftliche Leistung im Sinne dieser Vorschrift ist eine den bisher üblichen Anforderungen an die Habilitation entsprechende Leistung.“ 2 In Berlin hat die Mitgliederversammlung am 3. 10. 1979 die folgende zusätzliche Erläuterung aufgenommen: „Universität im Sinne dieser Vorschrift ist eine wissenschaftliche Hochschule, die das Habilitationsrecht in den Fächern des öffentlichen Rechts und die Promotionsbefugnis zum Doctor iuris besitzt und an der Juristen durch einen Lehrkörper herkömmlicher Besetzung ausgebildet werden.“

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Satzung

Das Aufnahmeverfahren wird durch schriftlichen Vorschlag von drei Mitgliedern der Vereinigung eingeleitet. Ist der Vorstand einstimmig der Auffassung, daß die Voraussetzungen für den Erwerb der Mitgliedschaft erfüllt sind, so verständigt er in einem Rundschreiben die Mitglieder von seiner Absicht, dem Vorgeschlagenen die Mitgliedschaft anzutragen. Erheben mindestens fünf Mitglieder binnen Monatsfrist gegen die Absicht des Vorstandes Einspruch oder beantragen sie mündliche Erörterung, so beschließt die Mitgliederversammlung über die Aufnahme. Die Mitgliederversammlung beschließt ferner, wenn sich im Vorstand Zweifel erheben, ob die Voraussetzungen der Mitgliedschaft erfüllt sind. Von jeder Neuaufnahme außerhalb einer Mitgliederversammlung sind die Mitglieder zu unterrichten. §3 Eine Mitgliederversammlung soll regelmäßig einmal in jedem Jahr an einem vom Vorstand zu bestimmenden Ort stattfinden. In dringenden Fällen können außerordentliche Versammlungen einberufen werden. Die Tagesordnung wird durch den Vorstand bestimmt. Auf jeder ordentlichen Mitgliederversammlung muß mindestens ein wissenschaftlicher Vortrag mit anschließender Aussprache gehalten werden. § 43 Der Vorstand der Vereinigung besteht aus einem Vorsitzenden und zwei Stellvertretern. Die Vorstandsmitglieder teilen die Geschäfte untereinander nach eigenem Ermessen. Der Vorstand wird von der Mitgliederversammlung auf zwei Jahre gewählt. Zur Vorbereitung der Jahrestagung ergänzt sich der Vorstand um ein Mitglied, das kein Stimmrecht hat. Auch ist Selbstergänzung zulässig, wenn ein Mitglied des Vorstandes in der Zeit zwischen zwei Mitgliederversammlungen ausscheidet. Auf der nächsten Mitgliederversammlung findet eine Nachwahl für den Rest der Amtszeit des Ausgeschiedenen statt. §5 Zur Vorbereitung ihrer Beratungen kann die Mitgliederversammlung, in eiligen Fällen auch der Vorstand, besondere Ausschüsse bestellen.

3 § 4 in der Fassung des Beschlusses der Mitgliederversammlung in Heidelberg vom 6. 10. 1999; in Kraft getreten am 1. 10. 2001.

Satzung

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§6 Über Eingaben in den Fällen des § 1 Ziffer 2 und 3 und über öffentliche Kundgebungen kann nach Vorbereitung durch den Vorstand oder einen Ausschuß im Wege schriftlicher Abstimmung der Mitglieder beschlossen werden. Ein solcher Beschluß bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitgliederzahl; die Namen der Zustimmenden müssen unter das Schriftstück gesetzt werden. §7 Der Mitgliedsbeitrag wird von der Mitgliederversammlung festgesetzt. Der Vorstand kann den Beitrag aus Billigkeitsgründen erlassen.

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