Armenier im östlichen Europa: Eine Anthologie [1 ed.] 9783412212155, 9783412211042

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Armenier im östlichen Europa: Eine Anthologie [1 ed.]
 9783412212155, 9783412211042

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ARMENIER IM ÖSTLICHEN EUROPA EINE ANTHOLOGIE

TAMARA GANJALYAN BÁLINT KOVÁCS STEFAN TROEBST

Armenier im östlichen Europa Armenians in Eastern Europe Schriftenreihe des Leibniz-Instituts für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) Publication series of the Leibniz Institute for the History and Culture of Eastern Europe (GWZO) herausgegeben von/edited by Bálint Kovács und/and Stefan Troebst in Verbindung mit/in connection with Marina Dmitrieva und/and Christian Lübke Band / Volume 1 Herausgeberbeirat Editorial Board: René Bekius, Amsterdam (NL) Gérard Dédéyan, Montpellier (FR) Waldemar Deluga, Brno (CZ) Viktor I. Djatlov, Irkutsk (RU) Armenuhi Drost-Abgarjan, Halle/S. (DE) Irina Ja. Hajuk, L’viv (UA) Richard G. Hovannisian, Los Angeles (USA) Andreas Kappeler, Vienna (AT) Armen Ju. Kazarjan, Moscow (RU) Kéram Kévonian, Paris (FR) Dickran Kouymjian, Fresno (USA) Rudi Matthee, Newark (USA) Evgenija Mitseva (†), Sofia (BG) Claire Mouradian, Paris (FR) Claude Mutafian, Paris (FR) Aleksandr L. Osipjan, Kramatorsk (UA) Judit Pál, Cluj-Napoca (RO) Irina N. Skvorcova, Minsk (BY) Anna Sirinian, Bologna (IT) Krzysztof Stopka, Cracow (PL) Ronald G. Suny, Ann Arbor (USA) Šušanik Xačikjan, Yerevan (AM)

Armenier im östlichen Europa Eine Anthologie

Herausgegeben von Tamara Ganjalyan, Bálint Kovács und Stefan Troebst

BÖHL­AU VER­L AG WIEN KÖLN WEI­M AR

Das dieser Publikation zugrunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01UG1410 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Armen. Häuser in Zamosc, Privataufnahme

© 2018 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Lindenstraße 14, D-50674 Köln Vandenhoeck & Ruprecht Verlage www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Rebecca Wache, Castrop-Rauxel Satz: büro mn, Bielefeld Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien

ISBN 978-3-412-21215-5

In memoriam Jaroslav Daškevyč (1926 – 2010)

Inhalt Vorwort der Herausgeber 



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Ältere Forschungen  

Ödön Schütz Die Hauptrichtungen der armenischen Auswanderer im Mittelalter und die armenische Kolonie in Esztergom  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

15

Jaroslav R. Daškevyč Die Armenierviertel in den Städten der Ukraine (14. – 18. Jahrhundert) 

.............

44

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91

Nicolae Iorga Armenier und Rumänen: eine historische Parallele 

Gregorio Petrowicz Die Armenier im diplomatischen Dienst des Königreichs Polen 

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124

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134

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156

Schuschanik Khatschikjan Der armenisch-russische Handelsvertrag vom Jahr 1667 und die autonomen Körperschaften von Neu-Dschulfa  Zsolt Trócsányi Die Rechtslage der Armenier in Transsilvanien während des Diploma Leopoldinum (1690 – 1848) 



Neue Perspektiven  

Ashot Melkonyan Armenische Prediger und Missionare in Europa (4. – 11. Jahrhundert) 

............... 

Alexandr Osipian Who was Nekomat Surozhanin?  An Armenian Merchant in Big Politics in Eastern Europe in 1375 – 1383 

.............

215

220

8

Inhalt

Alexandr Osipian The “Invitation” of the Armenians into the Galician Rus’ in the Renaissance Historical Imagination  Sources and Their Interpretations in Late 16th – Early 17th Century Lemberg 

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231

Stefan Troebst Armenian Merchants in 17th Century North-Eastern Europe  Bringing Raw Silk from Iran to Amsterdam  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  246 Wolfgang Sartor Der armenische Rohseidenhandel im 17. und 18. Jahrhundert  Die Russland-Route  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  252 Sándor Őze Inside and Outside the Gates of Alexander I.  Various Meanings of a Topos among the Armenian and Hungarian Inhabitants of Early Modern Hungary 

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276

Dóra Kerekes Im Auftrag des Kaisers  Armenier im Dienste des Hofkriegsrates am Ende des 17. Jahrhunderts  .. . . . . . . . . . . .  308 Ernst Christoph Suttner Die Armenier Polens und Ungarns des 17. Jahrhunderts in gleichzeitiger Communio mit Rom und mit Etschmiadzin 

......................

332

Tamara Ganjalyan Armenische Kolonien im Russland des 18. und 19. Jahrhunderts  Ein Beitrag zur Diasporaforschung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  341 Piroska Krajcsir Traditionelle Kleidung und Tracht im 17. – 18. Jahrhundert  Ethnografische Daten zu den Armeniern Transsilvaniens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  353 Dezső Garda The Mercantile Forum, the Administrative and Legal Institution of the Armenians from Gheorgheni  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  367 Judit Pál Changing Identities  The Armenians from Gherla and the Revolution of 1848 in Transylvania  .. . . . . . . . . . .  382

9

Inhalt

Krzysztof Stopka Die Armenier im österreichischen Galizien  Ethnische Verwandlungen in der modernisierenden Gesellschaft 

...................

Iván Bertényi d. J. Politiker armenischer Abstammung in Ungarn im Zeitalter des Dualismus 

.........

393

434

Anahit Simonyan The Weekly Newspapers of Hungarian-Armenian Communities at the End of the 19th/Beginning of the 20th Century  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  485 Elke Hartmann Geschichtsschreibung als Nationsbildung  Die armenischen Kolonien Ostmitteleuropas in der armenischen Geschichtsschreibung und Erinnerung nach 1915  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  494 Abstracts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  529 Personenregister  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  545 Geographisches Register  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  559

Vorwort der Herausgeber Der Sammelband „Armenier im östlichen Europa. Eine Anthologie“ ist der erste Band der Buchreihe „Armenier im östlichen Europa – Armenians in Eastern Europe“, die von der Forschungsgruppe „Armenier in Wirtschaft und Kultur Ostmitteleuropas (14.–19. Jahrhundert)“ am Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) an der Universität Leipzig herausgegeben wird. Ziel dieser Buchreihe ist es einerseits, bereits früher in einer Vielzahl von Sprachen (armenisch, ungarisch, polnisch, russisch, rumänisch) wie auch über einen Zeitraum vom 19. bis ins späte 20. Jahrhundert publizierte Untersuchungen und Quellen zur Geschichte der allochthonen Minderheit der Armenier in Osteuropa zusammenzuführen und durch deren erstmalige Veröffentlichung in deutscher bzw. englischer Sprache ein breiteres Lesepublikum zu erschließen. Zum anderen sollen aber auch neue Forschungsarbeiten präsentiert werden, welche sich auf genannte Forschungstradition beziehen und diese im Rahmen gegenwärtiger geschichtswissenschaftlicher Fragestellungen und Methodik weiterführen. Ganz im Sinne dieser Zielsetzungen vereint der nun erscheinende Band sowohl einige ausgewählte ältere Forschungen zur Geschichte armenischer Gemeinwesen sowie einzelner Persönlichkeiten im östlichen Europa, welche zwischen 1914 und 1987 in mehreren sowje­ tischen, rumänischen, ungarischen und italienischen Zeitschriften erschienen, als auch neuere Zugänge zur Thematik, welche hiermit erstmals publiziert werden. Letztere entstanden vor allem im Rahmen zweier internationaler Tagungen, welche dem multi­disziplinären Studium der armenischen Geschichte des östlichen Europa gewidmet waren: Vom 26.–27. September 2007 organisierten Sándor Őze und Bálint Kovács die Konferenz „Die armenische Diaspora in Mitteleuropa“ in Piliscsaba; die Artikel von Dezső Garda, Dóra Kerekes, Piroska Krajcsír, Ashot Melkonyan, Judit Pál, Anahit Simonyan, Ernst C. Suttner und Sandor Őze sind Ergebnis dieser Konferenz. Des Weiteren veranstaltete die Forschungsgruppe „Armenier“ vom 24. bis 25. November 2011 die Jahrestagung des GWZO unter dem Titel „Armenier in Wirtschaft, Kultur und Politik des östlichen Europa (1000 – 1900)“. Die hier veröffentlichten Beiträge von Iván Bertényi und Tamara Ganjalyan basieren auf den Vorträgen der Autoren im Rahmen dieser Jahrestagung. Schließlich konnten in den Jahren 2008 – 2010 die Historiker Alexandr Osipian, Wolfgang Sartor, Elke Hartmann und Krzysztof Stopka als Gastwissenschaftler bzw. Vortragende der Forschungsgruppe gewonnen werden, deren Präsentationen im Rahmen ihrer Aufenthalte am GWZO hier veröffentlicht werden. Die inhaltliche wie auch methodische Ausrichtung der vorliegenden Anthologie spiegelt das breite disziplinäre und thematische Spektrum der Erforschung der Armenier in Osteuropa wider. Vertreten sind politikgeschichtliche, wirtschafts- und sozialhistorische, kirchen- und religionsgeschichtliche sowie ethnographische Zugänge, die einen zeitlichen Bogen von der Spätantike des 4. Jahrhunderts bis in die jüngste Vergangenheit des 20. Jahrhunderts

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Vorwort der Herausgeber

spannen. Schließlich äußert sich diese weite Bandbreite auch in der Vielzahl der untersuchten Geschichtsregionen: Von Siebenbürgen und Galizien über weitere Gebiete der Habsburgermonarchie, Polens, des Ostseeraums und der Ukraine bis nach Russland reicht der geographische Rahmen der hier versammelten Beiträge. Wenn nicht anders angegeben, stammen die englischen Abstracts am Ende des Bandes von den Autor/innen selbst. Die Transliterationen aus dem Armenischen erfolgten gemäß dem Regelwerk der Revue des Études Arméniennes, jene aus dem Russischen und Ukrainischen nach DIN 1460; wenn auf Deutsch ein geographischer oder Personenname existiert, wird die deutsche Version genannt. Die Herausgeber hoffen, dass diese Publikation dazu beitragen wird, jene Wissenschaftler/innen und Institutionen, welche sich der Erforschung historischer wie gegenwärtiger armenischer Präsenz im östlichen Europa widmen, zu vernetzen und die Ergebnisse ihrer Arbeiten einer interessierten Fach- und Laienleserschaft zugänglich zu machen. Leipzig, im Januar 2018

Tamara Ganjalyan Bálint Kovács Stefan Troebst

Ältere Forschungen

Ödön Schütz

Die Hauptrichtungen der armenischen Auswanderer im Mittelalter und die armenische Kolonie in Esztergom

Während der Herrschaft der Árpáden sind sowohl aus dem Osten als auch aus dem ­Westen verschiedene ethnische Gruppen nach Ungarn eingewandert. Einige der verbliebenen Nomadenstämme (Petschenegen, Kumanen) haben als letzte große Auswanderungswelle aus dem Osten das Karpatenbecken erreicht. Durch die neu entstandenen dynastischen Beziehungen sind als Vorreiter des christlichen Glaubens eine Vielzahl deutscher, französischer und italienischer Ritter aus dem Westen gekommen, um die Sippen, die sich als „Heiden“ beharrlich an ihren alten Glauben klammerten, zu unterdrücken. Neben den Geistlichen als Prediger des neuen Glaubens kamen auch französische, italienische, deutsche Handwerker und Händler, um eine neue Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu errichten. Die Berichte in den Chroniken nennen unter den Völkern, die zur Herrschaftszeit der Árpáden nach Ungarn einwanderten, auch armenische Einwanderer, unter diesen sogar Adelige. In der Zeit nach den tatarischen Feldzügen wird in den Dokumenten mehrmals über die armenische Siedlung nahe der Stadt Esztergom berichtet: entweder über die armenische Ortschaft (terra Armenorum) oder über die Siedlung der Armenier (villa Armenorum). Um die Umstände der armenischen Einwanderung nach Ungarn im genannten Zeitraum zu klären, müssen wir vor allem untersuchen, aufgrund welcher historischen Ereignisse und welcher wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reformen sie gezwungen gewesen waren, die Grenzen ihrer Heimat zu verlassen und in ferne Länder auszuwandern. 1. a Im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung war das Territorium Armeniens zwischen dem Perserreich und dem Oströmischen (Byzantinischen) Reich geteilt.1 Aus den Siedlungsgebieten der Armenier im Osten des Byzantinischen Reiches strömten ununterbrochen Menschen in Richtung der Hauptstadt Byzanz.2 Im Byzantinischen Reich finden wir

1 Grousset, René: Histoire de l’Arménie des origines á 1071. Paris 1947, 113 – 295. 2 Der-Nersessian, Sirarpie: Armenia and Byzantine Empire. A Brief Study of Armenian Art and Civilization. Cambridge 1947; Charanis, Peter: The Armenians in the Byzantine Empire. Lisboa 1963, 12 f.

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Ödön Schütz

Armenier im militärischen Dienst und in verschiedenen Verwaltungspositionen. Viele von ihnen bekleideten hohe Posten bis zum kaiserlichen Thron.3 In der byzantinischen Geschichte war Leo V. (813 – 820) unter den armenischstämmigen Kaisern ein bekannter Feldherr, der in den Geschichtsquellen mit dem Beinamen „Armenier“ auftaucht. In der Geschichte des byzantinischen Reiches spielte die sogenannte makedonische Dynastie (867 – 1056), deren Gründer der in Makedonien geborene armenischstämmige Kaiser Basileios I. (867 – 886) war, eine bedeutende Rolle.4 Demzufolge war auch sein Enkel Konstantin VII. Porphyrogenitus (913 – 959) väterlicherseits armenischer Abstammung. Er ist der Autor des Werkes „De administrando imperio“ [Über das Regieren des Kaiserreichs], das eine kostbare Quelle der ungarischen Geschichte darstellt. Armenischer Herkunft war auch sein Schwiegervater und Mitkaiser Romanos I. Lakapenos (920 – 944), später auch Johannes I. Tzimiskes (969 – 976),5 wie auch die darauf folgenden Kaiser dieser Dynastie bis zu Basileios II. (976 – 1025). Die Zahl der armenischstämmigen Palastherrschaften, Soldaten und Feldherren war auch nicht gering. Das bedeutete jedoch nicht, dass sich die Vertreter der genannten Dynastie für die armenischen Angelegenheiten einsetzten. Sie waren byzantinisch geworden – sowohl durch ihre Verwandtschaftsbeziehungen als auch auf kultureller Ebene –, auch wenn man den Gegensätzen zwischen den Vertretern der griechischen und armenischen Kirchen keine Beachtung schenkte. Der armenischstämmige Vertreter der makedonischen Dynastie, ­Konstantin IX. Monomach (1042 – 1055), war derjenige, der den letzten König der Bagratiden­dynastie, Gagik II., stürzte.6 1. b Bei der Untersuchung der Entstehung der armenischen Kolonien in Ungarn kann die Existenz der militärischen und sektiererischen Massen der Armenier auf dem Balkan als Ausgangspunkt dienen. In der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung schickten die byzantinischen Kaiser hauptsächlich armenische Truppenteile zur Bekämpfung der Nomadenstämme und Slawen, die in das kaiserliche Territorium vorgedrungen waren. Bis zum Beginn der Kreuzzüge spielten die überwiegend aus den Ostregionen umgesiedelten Armenier 7 eine große Rolle in der byzantinischen Armee.

3 Charanis, The Armenians (wie Anm. 2), 16 f.; Adontz, Nicolaj: Sur l’origine de Léon V. In: Études Arméno-byzantines. Hg. v. Dems. Lisbonne 1965, 37 – 46. 4 Adontz, Nicolaj: L’age et l’origine de l’empereur Basile I. In: Byzantion 8 (1933), 475 – 500; ­Byzantion 9 (1934), 223 – 260. Wieder veröffentlicht: Etudes Arméno-byzantines (wie Anm. 3), 47 – 109; ­Charanis, The Armenians (wie Anm. 2), 23, 34 f. 5 Charanis, The Armenians (wie Anm. 2), 37 f.; Der-Nersessian, Armenia (wie Anm. 2), 19 f. 6 Grousset, Histoire (wie Anm. 1), 574 – 581. 7 Charanis, The Armenians (wie Anm. 2), 20.

Die Hauptrichtungen der armenischen Auswanderer

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Der Plan, die Armenier weit von ihrer Heimat zu entfernen, verfolgte im Grunde zwei Ziele: Anfangs erfolgte die Anordnung aus rein militärischer Notwendigkeit, später sollte dadurch die Entmachtung der militärischen Kräfte der regelmäßig erwachenden armenischen Nationalbewegungen erreicht werden. Diese Art der politischen Vorgehensweise kommt auch in einem Brief zum Ausdruck, den Kaiser Maurikios an den persischen König Chosrau I. Anuschirwan sandte. Er selbst schickte Armenier zum Militärdienst nach Thrakien, um dadurch von diesem ungehorsamen Volk befreit zu werden. Der Kaiser gab dem König den Rat, die gleiche Vorgehensweise anzuwenden. Er sollte seine armenischen Untertanen an die fern liegenden Ostgrenzen von Persien umsiedeln, „falls sie sterben, sterben die Feinde und falls sie jemanden umbringen, dann bringen sie Feinde um […]“8. Ende des Jahrhunderts schickte Basileios II. eine große armenische Armee in den Kampf gegen das Königreich Bulgarien. Es war eben diese armenische Infanterie, die im Jahr 986 den byzantinischen Kaiser rettete. Und im Jahr 991 schickte der Kaiser eine neue armenische Armee unter der Leitung des armenischen Feldherren Grigor Tabonac’i nach Bulgarien.9 Um die Bedrohung durch die Seldschuken im 11. Jahrhundert aufzuhalten, gründeten die byzantinischen Kaiser eine neue Schutzzone im Osten. Aus diesem Grunde wiesen sie die armenischen Fürsten aus der östlichen Schutzgrenzzone, die das armenische Territorium durchquerte, aus und brachten sie in den westlichen Regionen des byzantinischen Reiches unter. Matt’eos Uřhayec’i hatte allen Grund zu klagen, da die „Verteidiger“ Armeniens ausgerechnet die kampftüchtigen und tapferen Kräfte der Armenier aus dem Land entfernten.10 1. c Auch der religiöse Faktor spielte keine geringe Rolle bei der armenischen Massenauswanderung zum Balkan. Vom 8. bis 9. Jahrhundert siedelten die byzantinischen Kaiser tausende Anhänger der Sekte der Paulikianer, die sich in den östlichen Landesteilen von Byzanz stetig ausgebreitet hatte, auf den Balkan um. Im 10. und 11. Jahrhundert wurden die Anhänger dieser Bewegung, die nach ihrem Zentrum T’ondrakec’is genannt wurden und sich stark ausgebreitet hatten, mit Feuer und Schwert vertrieben und gleichfalls auf dem Balkan untergebracht.11 Genau diese armenischen Häretiker veranlassten später die

8 Abgaryan, Gevorg Varagi: Patmowt’iwn Sebēosi [Die Geschichte von Sebeus]. Erevan 1979, 86. 9 [Step’anos Tarōnec’i]: Step’anosi Tarōnec’woy Asołkan Patmowt’iwn Tiezerakan [Erzählerische Universalgeschichte von Stepanos Taron]. S. Peterbowrg 1885, 245, 260 f. 10 [Matt’ēos Uřhayec’i]: Patmowt’iwn Matt’ēosi Owřhayec’woy [Die Geschichte von Matt’ēos Uřhayec’i]. Yerusalem 1869, 162 f.; Bartikian, Hratch, M.: La conquête de l’Arménie par l’Empire Byzantine. In: Revue des Études Arméniennes VII (1971), 327 – 340, hier 331 f. 11 Ter-Mkrtschian, Karapet: Die Paulikianer im Byzantinischen Kaiserreiche und verwandte ketzerische Erscheinungen in Armenien. Leipzig 1893; Garsoian, Nina: The Paulician Heresy. Paris – The Hague 1967; Bartikjan, Rac’ja Mikaelovic: Istočniki dlja izučenija istorii Pavlikjanskogo dviženija [Quellen für das Studium der Geschichte der paulikianischen Bewegung]. Erevan 1961; Bartikian, La conquête de l’Arménie (wie Anm. 10), 327 – 330.

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Ödön Schütz

Gründung der Bewegung der Bogomilen.12 Um gegen die Häretiker zu kämpfen, die sich in den Gebirgsgebieten Bulgariens, Bosniens und Serbiens niederließen, wandten sich die byzantinischen Herrscher mit der Bitte um Hilfe auch an die ungarischen Könige, obwohl König Emmerich (1196 – 1204) Krieg gegen Byzanz geführt und König Béla IV. einen Kreuzzug organisiert hatte.13 Die uns bekannten Informationen über die ungarisch-byzantinischen Beziehungen lassen den Schluss zu, dass Armenier sowohl aus Byzanz als auch vom Balkan nach Ungarn kommen konnten. Zwar können diese Vermutungen weder durch byzantinische noch durch ungarische Quellen bestätigt werden, dennoch könnte die Auswanderung der Armenier Richtung Norden und Nordwesten tatsächlich zu Beziehungen mit Ungarn geführt haben, ähnlich den bereits erwähnten, die durch die Auswanderung nach Süden und Südwesten entstanden waren. 2. Wenn wir die Auswanderungen der Armenier in den Nordkaukasus aus früheren Zeiten berücksichtigen, können wir die Entstehungsperiode der armenisch-ungarischen Beziehungen sogar in der Zeitspanne der ungarisch-chasarischen Beziehungen verorten. Armenier, die infolge eines Krieges oder auf friedlichem Wege bei den Chasaren Zuflucht gefunden hatten, konnten mit den ungarischen Nachbarn des chasarischen Khanats oder mit den unter dessen Herrschaft lebenden Ungarn langfristige Beziehungen über 200 oder 300 Jahre eingegangen sein.14 Im Laufe der Jahrhunderte ist die Heimat der Armenier immer wieder von den Nomadenstämmen, die die kaukasische Gebirgskette überquerten, angegriffen worden. Anfang des vierten Jahrhunderts waren die verschiedenen Nomadenstämme (Hunnen, Savinen, Awaren, Chasaren), die sich nacheinander vom Kaukasus nach Norden ausbreiteten, mehrfach in die an Byzanz und das Reich der Sassaniden angrenzenden Territorien eingedrungen. Insbesondere die Invasionen der Chasaren, die als Verbündete des Kaisers Herakleios in Transkaukasien einmarschierten, hatten große Gebiete in Mitleidenschaft gezogen. Der armenische Geschichtsschreiber Movses Kałankatvac’i beschreibt ausführlich die Einzelheiten der Invasion der Chasaren von 626 bis 628.15 In diesem Krieg von 684 bis 685 12 Obolenskij, Dimitrij: The Bogomils. A Study in Balkan Neo-Manicheism. Cambridge 1948; A ­ ngelov, Dimitur: Der Bogomilismus auf dem Gebiete des Byzantinischen Reiches. Ursprung, Wesen und Geschichte. Sofija 1950 (Annuaire de l’Université de Sofia, Faculté historico-philologique XLVI 2), 26 f. 13 Hóman-Szekfü; Magyar történet [Ungarische Geschichte] I. Budapest 1935, 427 – 429; Angelov, Der Bogomilismus (wie Anm. 12), 33. 14 Vgl. Constantinus Porphyrogenitus: De administrando imperio; Gombocz, Zoltán: Die Bulgarisch-Türkischen Lehnwörter der Ungarischen Sprache. Helsinki 1912, 194, 204 f.; Németh, Gyula: A honfoglaló magyarság kialakulása [Die Bildung der landnehmenden Ungaren]. Budapest 1930, 216 f.; Czeglédy, Károly: Etymológia és filológia (Bolgár-török jövevényszavaink átvételének történeti hátteréről) [Über den Hintergrund unserer bulgarisch-türkischen Lehnwörter]. Nytud. Értekezések 89 (1976), 84 f. 15 [Movsesi Kałankatowac’i]: Movsesi Kałankatowac’woy patmowt’iwn Ałowanic’ ašxarhi [Die Geschichte Albaniens von Movsēs Kałankatowac’i]. Hg. v. M. Ēmin. Moskva 1860; [Łevond, der

Die Hauptrichtungen der armenischen Auswanderer

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ist faktisch der Kern der armenischen Armee umgekommen, darunter auch Fürst Grigor Mamikonyan.16 Zur Zeit der arabischen Herrschaft in Armenien entwickelte sich Transkaukasien zu einem dauerhaften Schauplatz des Krieges zwischen den Chasaren und den Arabern. Die arabischen Quellen, aber auch die „Geschichte“ von Łevond beschreiben in Einzelheiten die von der arabischen Armee gegen die Chasaren durchgeführten Strafexpeditionen im fortschreitenden Krieg von 707 bis 737 und die sich ausweitenden kriegerischen Auseinander­ setzungen von 762 bis 764.17 Während der Herrschaft der letzten Umayyaden im arabischen Kalifat und auch nach der Machtübernahme der Dynastie der Abbasiden schien es, als ob sich das Gleichgewicht im arabisch-chasarischen Krieg zugunsten der Chasaren verschieben würde. Aber Kalif ­Mansur (754 – 775) stärkte konsequent die Macht der Abbasiden, die im Jahr 750 die Führung übernahmen. Da er um die Rückendeckung im Norden besorgt war, verheiratete er einen seiner Feldherren mit einer chasarischen Fürstin. Der frühe (verdächtige) Tod der jungen Dame entfachte die Feindschaft jedoch wieder mit neuer Kraft.18 Die Chasaren überrannten Transkaukasien, namentlich Georgien, Armenien und Aghvank, und kehrten mit reicher Beute und zahlreichen Gefangenen in ihr Land zurück. Nach Angaben von Bar Hebraeus oder Agapius Mabbugensis nahmen die Chasaren 50.000 Gefangene.19 Über die chasarischen Soldaten wird im Werk von Łevond, den Patkanyan ins Russische übersetzte, gesagt: „Mit einem großen Heer und mächtigen Recken, über deren Kraft sich der Ruhm unter allen Völkern verbreitete.“20 In diesem fehlerhaft übersetzten Abschnitt werden keine Armenier erwähnt. Es ist daher möglich, dass etwaige Hinweise auf frühere armenisch-ungarische Beziehungen aus den Dokumenten getilgt wurden. Da die Armenier jedoch, wie bereits erwähnt, große Teile der arabischen Heere stellten, ist anzunehmen, dass die Ungarn durch ihre engen Beziehungen zu den Chasaren auch mit den von diesen gefangen genommenen Armeniern hätten in Kontakt kommen können.

Große Vardapēt]: Patmowt’iwn Łevondeay Meci vardapeti hayoc’ [Die Geschiche von Łevond, dem Großen, Vardapēt Armeniens]. S. Peterbowrg 1887, 15 f.; Step’anos Tarônec’i Asołik: Patmowt’iwn tiezerakan.[Universale Geschichte], Erivan, 1987, 122. 16 Ter-Gevondjan, Aram Nagapetovič: Armenija i Arabskij chalifat [Armenien und das arabische Kalifat]. Erevan 1977, 51; Artamonov, M. N.: Istorija chazar [Geschichte der Chasaren]. Leningrad 1962, 190. 17 Dunlop, Douglas M.: The History of the Jewish Khazars. New York 1954, 58 – 87; Czeglédy, Károly: Khazar Raids in Transcaucasia in 762 – 764. In: Acta Orient-Hungarica XI (1960), 75 – 88. 18 Gzeglédy, Khazar Raids (wie Anm. 17), 78 – 81; Markwart, Josef: Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. Leipzig 1903, 5 f.; Dunlop, The History (wie Anm. 17), 178 – 181. 19 Czeglédy (wie Anm. 17), 87; Velence 1868, 261; Gregorii Abulpharadjsive Bar-Hebraei Chronicon Syriacum. Hg. v. Paul Jacob Bruns. Leipzig 1789, 129; Agapius Mabbugensis, Historia Universalis, Paris-Turnhout 1911, 7; Kmoskó, Mihály: Die Quellen Istachri’s in seinem Berichte über die Chasaren. Kőrösi Csoma Archivum I (1921 – 1925), 141 – 148, hier 147; Markwart, Streifzüge (wie Anm. 18), 6. 20 [Łevond, der Große Vardapēt] (wie Anm. 15), 28.

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Ödön Schütz

Aber die Armenier könnten auch auf friedlichen Wegen sowohl das Territorium der kauka­ sischen Hunnen, die unter der Chasarenherrschaft standen, als auch die Chasarenhauptstadt Itil erreicht haben. Die Informationen über die religiösen Beziehungen der Armenier mit den „nördlichen“ Völkern belegen dies. Im Auftrag des armenischen Katholikos ist Bischof Israyel aus Aghvank in den Jahren 681 bis 682 als Prediger in die Hauptstadt der kaukasischen Hunnen, Varachan, gereist. Dort kam es zu einer Einigung über die Christianisierung des hunnischen Fürsten und seines Volkes, und Israyel wurde sogar zum Bischof in den chasarischen und hunnischen Provinzen des Kaukasus ernannt.21 Diese Quelle berichtet jedoch nicht darüber, ob es tatsächlich irgendeine weltliche oder geistliche Vertretung in Varachan gegeben hat, die sich um die neu gegründete Diözese kümmerte. Auch ob diese kirchliche Beziehung wirklich mit dem Zustrom armenischer Einwanderer in Verbindung stand, bleibt offen. Die oben genannte Vermutung scheint durch die Angaben von Lukácsi bestätigt zu werden.22 Demnach hat der chasarische Khan zahlreiche armenische Soldaten in seine Armee aufgenommen. Diese wurden wegen ihrer Tapferkeit gepriesen: „Sub initium saeculi 8. Chazarorum ad Chaucasum Chagonum, Magnum [sic!] semper numerum Armenorum, quorum bellica fortitudo probe ipsi cognita esset, in exercitu habuisse iisque primas in praeliis deferre partes solitum fuisse.“ Aufgrund dieses Abschnitts kommt Lukácsi zu der Schlussfolgerung, dass in den für Ungarn schwierigen Zeiten zusammen mit den chasarischen Stämmen auch Armenier nach Ungarn einwanderten. „Jam cum aliunde sciamus septem tribus Chazarorum, Hungaris novas sedes quaerentibus sese adjunxisse, nihil obstat, quominus Armenos quoque Chazaris et cum Hungaris junctos, cum iisdem Pannoniam et Daciam venisse.“ Auch Ł. Inčičyan nennt diesen Fakt,23 wenn an der genannten Stelle das Wort hayazunsn, also „die Armenier“, zu lesen ist. Inčičyan hat dieses Zitat aus dem 12. Kapitel des Werkes von Łevond entnommen. Aber wenn wir den genannten Abschnitt mit dem Original vergleichen, sehen wir, dass Inčičyan sich auf einen falschen Text bezog, da im Original und in allen anderen Veröffentlichungen das Wort hskayazunsn zu lesen ist.24 In der Übersetzung von Šahnazaryan steht folgendes: „Le Khaqan (roi) des Khazirs […] réunit à la hâte un corps d’armée très considérable et tous ces soldats robustes et vaillants 21 Kałankatvac’i, Movses: (wie Anm. 15) 188; Eremjan, S. T.: Moisej Kalankatujskij o posol’stve albanskogo knjazja Varaz Trdata k chazarskomu chakanu Ali-Ilutveru [Moisej Kalankatujskij über die Gesandtschaft des albanischen Fürsten Varaz Trdat zum chasarischen Chakan Ali-Ilutver]. In: Zapiski Instituta Vostokovedenija AH SSSR VII (1939), 134 – 137; Artamonov, Istorija chazar (wie Anm.  16), 186 – 189; Ter-Gevondjan, Armenija (wie Anm. 16), 50. 22 Lukácsi, Christophorus: Historia Armenorum Transylvaniae. Vienna 1859, 12. 23 Inčičyan, Ł: Archäologie des geographischen Landes Armenien. Bd. 1. Wien 1835, 338. 24 Ališan, Łevond: [Arabische Invasion in Armenien] Paris 1857, 65; ders., Geschichte des großen armenischen Vardapet Łevond. St. Peterburg 1887, 41; Matenadaran, Handschrift Nr. 1902, im Original steht das Wort skayazunsn.

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dont la renommée est connue de tout le monde se mirent en route.“25 In dem Zeitraum, als sich die Ungarn in ihrer heutigen Heimat ansiedelten, waren Armenier schon nach Ungarn eingewandert. Einige erklären dies mit den bereits existierenden Beziehungen zu den kaukasischen Chasaren, bedingt durch die Vereinigung der kabarischen Stämme mit den Ungarn. Als Beweis dafür führen sie einige Parallelen auf, die zwischen den kaukasischen und ungarischen Denkmälern vorhanden sind. Die typischen Elemente der kaukasischen Architektur sind in der Kirche Feldebrő in ihrer Ursprungsform erhalten. Diese Kirche in der Region Eger des Komitats Heves ist an drei Seiten halbrund, der Hauptteil ist mit einer Apsis verbunden. Es ist möglich, dass die Bauform dieser Kirche dem 11. Jahrhundert eigen war. Die Bautechnik, der griechische Kreuzgrundriss, die Formdetails und die stilistischen Elemente der Kirche erinnern uns an die armenische und georgische Architektur. Die Frage nach Ort und Zeit der Wurzeln dieses Einflusses hat jahrzehntelang Streit zwischen den ungarischen Geschichtswissenschaftlern und den Fachleuten der Kunstgeschichte hervorgerufen. Die Kirche gehörte dem Stammkloster des ungarischen Königs Sámuel Aba (1041 – 1044). Daher greifen die Forscher auf die Genealogie der Familie Aba zurück, um diese Frage zu klären. Der oben genannten Hypothese entsprechend fügten sie den transkaukasischen Einfluss der chasarisch-kabarischen Herkunft der Sippe Aba hinzu. Das bedeutet, dass diese Sippe zu einem Zeitpunkt entstanden war, als sich die ungarischen Stämme noch nicht in ihrer Heimat niedergelassen hatten. Ein armenisch-georgischer Einfluss auf die Architektur mehr als 200 bis 300 Jahre vor den heidnischen Kabaren kann jedoch nicht bestätigt werden. Wie schon erwähnt, setzte der armenische Bischof seine Predigten in den 680er Jahren von der Stadt Derbent aus in die von Hunnen bewohnten nördlichen Regionen fort.26 Dennoch ist weder in der Religion noch in der geistlichen Architektur ein entsprechender Einfluss nachweisbar. Auf diese Frage, die jahrzehntelang für Streitigkeiten sorgte, ist György Győrffy in seinem Bericht über die Erhaltung der historischen Denkmäler auf neuem Wege eingegangen. Er versuchte, diesen kulturellen Einfluss durch die vorhandenen entfernten Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Sámuel Aba und dem ungarischen Zaren Samuil zu erklären. Trotz der Tatsache, dass Sámuel Aba der Sohn der Schwester des ungarischen Königs Stephan I. der Heilige war und zudem die andere Schwester Stephans I. mit dem Sohn des Zaren Samuil verheiratet war, ist es möglich, dass Sámuel Aba auch andere Verwandtschaftsbeziehungen zum Zaren Samuil hatte.27 Die Namensgleichheit lässt diesen

25 Ališan, [Arabische Invasion] (wie Anm. 24), 39. 26 Kałankatvac’i, Movsesi Kałankatowac’woy Patmowt’iwn (wie Anm. 15), 40 – 45. 27 Vgl. Győrffy, György, István király és műve. [Der König Stephan und seine Werk] Budapest, 1977.

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Schluss zu. Höchstwahrscheinlich schickte die byzantinische Regierung den armenischen Fürsten Nikolai nach Makedonien.28 Nach Angaben von Asołik sandte Kaiser Basileios beide Brüder mit den Söldnern nach Makedonien, um gegen die Bulgaren zu kämpfen.29 Samuil jedoch verriet den Kaiser und kämpfte auf bulgarischer Seite. Später, nach dem Tod des bulgarischen Zaren (997/998), wurde er zum König von Bulgarien. Auf jeden Fall finden wir weder in den Unterlagen des bulgarischen Militärdienstes noch in den Unterlagen aus den Herrschaftszeiten von Bulgarien entsprechende Aussagen, die auf die Herkunft von Samuil hinweisen. Aber es muss noch erwähnt werden, dass seine Tochter den Sohn des Fürsten Grigor von Taron, Ašot, heiratete, der in Gefangenschaft gewesen war. Diese Hochzeit fand ausschließlich auf Wunsch der Tochter statt, wie der Geschichtsschreiber Kedrenos bezeugt.30 Und schließlich können wir sicher sagen, dass es keine Grundlage gibt, die Nachahmung der stilistischen Elemente der Denkmäler und die transkaukasischen (chasarisch-georgischarmenischen) Beziehungen mit der kabarischen Herkunft der Familie Aba zu erklären. Auch die halb-armenische Abstammung des Zaren Samuil ist keine ausreichende Grundlage, um solch eine Beziehung zu belegen. Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich, dass die armenisch-georgischen stilistischen Elemente, die beim Bau der Kirche Feldebrő maßgebend waren, von armenischen Architekten aus Byzanz beeinflusst oder gar ausgeführt wurden. Am byzantinischen Königshof, im Staatsapparat, bei allen Dienstgraden der militärischen Institutionen, im Kunstbereich und in vielen kulturellen Bereichen waren zahlreiche Armenier aktiv. Sogar die Vertreter der makedonischen Dynastie, angefangen von Basileios I. bis Basileios II., waren armenischer Abstammung.31 Es ist bekannt, dass sich armenische Architekten am Bau und Wiederaufbau der K ­ irche der Heiligen Sophia und der anderen byzantinischen Kirchen beteiligt haben. Daher ist es durchaus möglich, dass armenische Architekten auch am Bau der Kirche Feldebrő beteiligt waren. Erwähnenswert sind die christlichen Reliquien, die der ungarische König Stephan I. der Heilige ausgerechnet vom Kaiser Basileios II . bekommen hatte und die die Förderung der Gründung der Kirche Heiligkreuz ermöglichten. Darüber berichtete auch Győrffy. Die kulturellen Beziehungen der Armenier blieben auf jeden Fall außerhalb der Grenzen der armenischen Möglichkeiten. Ein armenischer Einfluss auf Ungarn entsprang den

28 Moses und Aharon starben zwischen 986 und 988. Die anderen beiden Brüder nannte man „Grafenküken“, der älteste hieß Samuel. Der Abstammung nach sind sie Armenier aus der Provinz Derǰan. Adontz, Nikolaj: Samuel l’Arménien, roi des bulgares. In: Études armeno-byzantines (wie Anm. 4), 347 – 407, hier 380 – 394. 29 Ebd., 381. 30 Ebd., 365. 31 Charanis, The Armenians (wie Anm. 2), 39 f.

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chasarisch-kaukasischen Beziehungen und erreichte es erst nach Beginn der byzantinischungarischen Beziehungen. Diese könnten den armenischen Einfluss vermittelt haben. Unter Berücksichtigung des Interesses der führenden Schichten der Nomadenstämme an byzantinischen oder vorderasiatischen Schmuckstücken kann man die armenische Beteiligung am Transithandel und eine Anwesenheit armenischer Händler im chasarischen Khanat, vor allem in Itil, vermuten. Bei der Beschreibung des östlichen Handelsviertels der chasarischen Hauptstadt Itil erwähnen die arabischen Quellen aus verständlichen Gründen als erstes die mohammedanischen Händler, dann Juden und Christen,32 sie berichten jedoch nicht explizit über armenische Händler. Konnten die Armenier tatsächlich Kontakte zu den Wolgabulgaren, die unter der Herrschaft des chasarischen Khanats standen, gehabt haben? Der Reisebericht von Ibn Fadlan mit seinen zahlreichen wertvollen Informationen aus der Blütezeit der Regierung der Wolgabulgaren erwähnt auch, dass der Zeltboden des bulgarischen Königs mit armenischen Teppichen geschmückt war.33 Kann man daher davon ausgehen, dass sich bei den Wolgabulgaren Armenier aufgehalten hatten? Wir wissen ebenso aus anderen Quellen, dass armenische Teppiche zu diesem Zeitpunkt auch in fernen Ländern bekannt waren. Die genannten Teppiche lassen daher nicht unbedingt auf die Anwesenheit armenischer Händler schließen, da auch die bulgarischen Händler ferne Länder bereisten und die erwähnten Teppiche mitgebracht haben könnten. Einige Forscher folgern aus den Zeugnissen des Ibn Fadlan eine Anwesenheit von Armeniern, zumal in den Ruinen der Stadt Bolgar gefundene armenische Gedenksteine die Existenz einer armenischen Kolonie belegen.34 Diese Gedenksteine waren bereits Zar Peter dem Großen aufgefallen, als er während des Krieges gegen Persien 1722 die Ruinen der Stadt Bolgar besuchte.35 Aus historischer und sprachwissenschaftlicher Sicht ist als wichtig

32 De Goeje, Michael Jan: Al-Istaxri. Kitâb Masâlik al-Mamâlik. Leiden 1927, 222; Kmoskó, Mihály: Die Quellen (wie Anm. 19.) 143; De Goeje, Michael Jan: Ibn Hawqal, Abu al-Qasim Muhammad. Kitab Surat al-Ardh. Leiden 1873, 278; Dunlop, The History (wie Anm. 17), 93, 133. 33 Togan, Zeki Validi: Ibn Fadlan’s Reisebericht. In: Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes XXIV/3. Leipzig 1939, 64; Kovalevskij, Andrej Petrovič: Kniga Achmed Ibn-Fadlana i ego putešestvie na Volgu, v. 921 – 922 gg. [Das Buch Achmed Ibn-Fadlans und seine Reise auf der Wolga]. Char’kov 1956, 137; Ibn-Fadlan, Putešestvie na Volgu [Die Reise auf der Volga]. Hg. v. Ignatij Julianovič Kračkovskij. Moskva-Leningrad 1939, 73. 34 Abrahamyan, Ashot Garegin: Hamařot urvagic hay gałt’avayreri patmut’yan [Eine kurze Skizze über die Geschichte der Armenischen Siedlungen]. Bd. 1. Erevan 1964, 122; Togan, Ibn Fadlan’s Reise­ bericht (wie Anm. 33), 64, Fußnote 1; Janp’oladyan, H. M.: Boldar k’ałak’i haykakan hnut’yunnerĕ [Die armenischen Altertümer der Stadt Boldar]. In: Patmabanasirakan Handes 2 (1971), 194. 35 Šiplevskij, S. M.: Drevnie goroda i drugie bolgaro-tatarskie pamjatniki v Kazanskoj gubernii [Antike Städte und andere bulgarisch-tatarische Denkmäler im Gouvernement Kazan’]. Kazan’ 1877, 226; Jusupov, G. V.: Vvedenie v bolgaro-tatarskuju ėpigrafiku [Einführung in die bulgarisch-tatarische

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zu erachten, dass es neben den bulgarisch-tatarischen Gedenksteinen auch einige armenische, in jedoch recht schlechtem Zustand, gab. Diese wurden später als Baumaterial von den lokalen Einwohnern verwendet. Die auf den Gedenksteinen eingravierten Inschriften, von denen nach 1722 und im 19. Jahrhundert Kopien gemacht wurden, beinhalten, neben ihren gewöhnlichen Aussagen, wertvolle Informationen darüber, dass vom 14. bis ins 15. Jahrhundert hinein eine bedeutende armenische Kolonie in Bolgar existierte.36 Auch das tschuwaschische Wort für Seide, ermen puršan (armenischer Samt), belegt armenische Einflüsse. Die bedeutenden Forscher zu diesem Themenkomplex, B. A. Miller und andere, sind durch altertümliche Angaben und die genannte Bezeichnung der Seide zu der Schlussfolgerung gekommen, dass die armenische Handelskolonie oder die armenischen Händler eine große Rolle in Bolgar gespielt haben müssen, welches eine wichtige Station an der Seidenstraße war.37 Die Bezeichnung des Wortes Seide in der tschuwaschischen Sprache, die als Erbe der wolgabulgarischen Sprache angesehen wird, ist jedoch kein armenisches Wort, sondern das tschuwaschische Äquivalent des türkischen Wortes barçin, barçun.38 In der armenischen Sprache gibt es zwei Wörter für „Seide“. Seide, die noch in der Bibelübersetzung vorkommt, ist eine Entlehnung aus dem Griechischen μέταξα. Das in der Umgangssprache verwendete Wort aprešum ist eine Entlehnung des Wortes aprešum aus der Pahlavi-Sprache. Das weist darauf hin, dass Armenier den Seidenstoff in den frühen Zeiten des Seidenhandels, als er noch über den Iran gehandelt wurde, kennengelernt haben.39 Die türkische Herkunft des tschuwaschischen Wortes barčin beweist jedoch, dass die Bulgartürken die Seide durch den Handel in Richtung Bolgar vor der Einwanderung der armenischen Händler gekannt haben.

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Epigrafik]. Moskva-Leningrad 1960; Róna-Tas, András/Fodor, Sándor: Epigraphica Bulgarica: A volgai bolgár-török feliratok [Die bulgarisch-türkischen Inschriften an der Wolga]. Szeged 1973. Miller, B. A.: Ob armjanskich nadpisjach v Bolgarach i Kazani [Über die armenischen Inschriften in Bulgary und Kazan’]. In: Izvestija Rossijskoj Akademii istorii material’noj kul’tury IV (1925), 65 – 80; Smirnov, A. P.: Armjanskaja kolonija goroda Bolgar [Die armenische Kolonie der Stadt Bolgar]. In: Materialy po issledovaniju archeologii CCCR 61 (1958), 330 – 359. Miller, Ob armjanskich nadpisjach (wie Anm. 36), 79; Smirnov, Armjanskaja kolonija (wie Anm. 36), 330. Gombocz, Zoltán: Bársony [Der Velours]. In: Magyar Nyelv XXIV (1928), 344; Kāšġarī, Maḥmūd Ibn-al-Ḥusain/Brockelmann, Carl: Mitteltürkischer Wortschatz: nach Maḥmūd Al-Kašgarīs Dīvān Lugāt at-Turk. Budapest 1928, 31; Ligeti, Lajos: Régibb török jövevényszavaink magyarázatához (Saru; ködmön; bársony; ölt).[Zur Erklärung unserer älteren türkischen Lehnwörter.] In: Magyar Nyelv XXXI (1935), 281 – 287, ders.: A magyar nyelv török kapcsolatai és ami körülöttük van [Die türkischen Beziehungen der ungarischen Sprache und was darum ist]. Budapest 1977 (Budapest Oriental Reprints. Series A 1), 32 f. Hübschmann, Heinrich: Armenische Grammatik. Bd. 1: Armenische Etymologie. Leipzig 1897, 107; Ačaṙyan, Hrčaṙyan: Hayeren armatakan bařaran [Armenisches etymologisches Wörterbuch]. Erevan 1971, h. 1, 244; ebd., Erevan 1977, h. 3, 306.

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Auf jeden Fall stellt sich die Frage, ob zwischen der armenischen Kolonie in Bolgar und der ungarisch-armenischen Kolonie in Esztergom ein Zusammenhang bestand. Nach den Angaben des ungarischen Chronisten Ananun sind noch zu Herrschaftszeiten von Taksony zahlreiche Ismailiten aus Wolgabulgarien nach Ungarn eingewandert: „[D]e terra Bular venerunt quidam nobilissimi domini cum magna multitudine Hismahelitarum“ [Aus dem Land Bular sind einige adlige Herren mit zahlreichen Ismailiten gekommen].40 Wenn wir die Einwanderung der Ismailiten vor der Zeit von Anonymus’ Werk setzen, tauchen auf jeden Fall schon im 12. Jahrhundert deren Namen immer in den Dokumenten und königlichen Befehlen auf. Auf Anweisung des römischen Papstes versuchten die Könige Ladislaus und Koloman deren ökonomische Vormachtstellung zurückzudrängen.41 Es ist möglich, dass unabhängig oder gleichzeitig mit den mohammedanischen Wolgabulgaren aus Bolgar auch Armenier nach Ungarn eingewandert sind, dafür haben wir allerdings keine Beweise. Die oben genannten Handelsanordnungen geben keine Auskünfte über die Armenier. Aber der Beleg dafür, dass Armenier erst viel später zum Vorschein kommen, ist in erster Linie damit verbunden, dass die auf dem Friedhof der armenischen Kolonie in Bolgar gefundenen Gedenksteine nur aus der Zeitspanne vom 13. bis zum 15. Jahrhundert stammen.42 Diese Beweise aus späteren Zeiten zeugen davon, dass die dortige armenische Kolonie erst nach den tatarischen Invasionen in der Zeit der Goldenen Horde gegründet worden ist. 3. Aus den ergänzenden historischen, kulturellen, wissenschaftlichen oder allgemeinverständlichen Arbeiten erfahren wir, dass die Armenier aufgrund der Vertreibung durch die eingedrungenen Feinde vom 11. bis zum 13. Jahrhundert nach Norden und Süden ausgewandert sind. Da in dieser Zeit zwei verhängnisvolle Ereignisse in der armenischen Geschichte stattfanden, nämlich das Eindringen der Seldschuken im 11. Jahrhundert und die mongolisch-tatarische Verwüstungen im 13. Jahrhundert, fragt sich die Forschung, welche Auswirkung diese beiden Ereignisse jeweils auf die Auswanderung der Armenier hatten. Wenn man die Zeit der Invasion der Seldschuken und Mongolen in der armenischen Geschichtsschreibung und der Chronik betrachtet, kommt man zu dem Schluss, dass diese trotz der ausführlichen Beschreibungen der örtlichen Ereignisse keine verlässlichen Argumente für die armenische Auswanderung liefern.

40 Szentpétery, Emericus (Hg.): Scriptores Rerum Hungaricarum tempore ducum regumque stirpis Arpadianae gestarum (SRH). Budapest, 1937. Bd. 1, 114. 41 Pauler, Gyula: A magyar nemzet története az Árpádházi királyok alatt [Die Geschichte der ungarischen Nation unter der Arpaden]. 2. Ausgabe Bd. 1. Budapest 1899, 166 – 169, 182 – 185; Czeglédy, Károly: Az Árpád-kori mohamedánokról és neveikről [Über die Mohammedanen und ihre Namen in der Arpadenzeit]. In: Nytud. Erd. 70 (1970), 254 – 259. 42 Miller, Ob armjanskich nadpisjach (wie Anm. 36), 67; Smirnov, Armjanskaja kolonija (wie Anm. 36), 343.

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Sowohl die Hauptquelle von Aristakes Lastivertc’i über den Angriff der Seldschuken als auch der Geschichtsschreiber der mongolisch-tatarischen Einfälle, Kirakos Ganjakec’i, beschreiben ausführlich die Zerstörung des Landes, die Vernichtung der Bevölkerung und die Gefangenschaft, geben aber keine Auskunft darüber, ob sich die geflohene Bevölkerung nur vorübergehend vor den Gräueltaten des Feindes verborgen und Schutz gesucht oder tatsächlich ihre Heimat verlassen hat.43 In beiden Fällen kannte die Bevölkerung die gefährlichen Angriffe der Nomadenstämme, da vor der Eroberung von Ani (1064) die Horden der Seldschuken in den Jahren 1048, 1054 und 1062 armenische Territorien überfallen hatten. Und vor ihrem Haupteinmarsch in Transkaukasien im Jahr 1236 führten die Mongolen noch im Jahr 1221 unter der Leitung von Subotai Aufklärungsangriffe durch. Wir haben keine Informationen darüber, ob es sich um einen einmaligen oder einen langanhaltenden Auswanderungsstrom der Bevölkerung handelte. Als Zeugen wurden die Geschichtsschreiber in erster Linie von den grausamen Ereignissen, die sich vor ihren Augen abspielten, gefesselt, worüber sie auch berichteten. Leider haben sie nicht daran gedacht, diesen Ereignissen nachzugehen. Über die demographischen Folgen der Seldschuken-Invasionen schreibt Matt’eos Uřhayec’i sehr bildhaft.44 Die Auskunft von Matt’eos Uřhayec’i wirft schon ein bestimmtes Licht darauf, dass Auswanderungsströme der Armenier in Richtung der Grenzgebiete und nach Süden stattfanden. Aber vor der Invasion der Seldschuken kamen Nachrichten von den Ereignissen, die sich an der Ostgrenze des Iran abgespielt hatten. Unter den Angriffen der sich in der Nähe von Syr Darja vermehrenden Horden war im Jahre 999 das Samaridenreich untergegangen. Sogar die Dynastie der Ghaznawiden (Łaznewyan), die anfangs unter den Seldschuken nach Verbündeten suchten, war in der Schlacht bei Dandanakan (1040) geschlagen worden. Demzufolge war für die Nomadenarmeen der Weg nach Westen frei geworden. Byzanz wusste um das Ausmaß der drohenden Gefahr und versuchte, die Verteidigung an den Ostgrenzen vorzubereiten. Mit der Beseitigung der armenisch-avantgardistischen Fürstentümer und dem Aufstellen einer Garnison an deren Stelle, die hauptsächlich aus ausländischen Söldnern bestand, hatte das Byzantinische Reich einen unverzeihlichen Fehler begangen. Aus der Sicht der Historiografie wird diese Maßnahme von Basileios II. meistens verurteilt, aber der Zusammenstoß von Arcrunis mit der Armee der Seldschuken im Jahr 1016 zeigt, dass die armenischen Fürstentümer mit ihren getrennten feudalen Kräften den Angriffen der Seldschuken kaum Widerstand hätten leisten können. Die ungewöhnliche Kampfstrategie der Nomaden, ein aus der Ferne geschossener Pfeilhagel, verwirrte 43 Yuzrbašyan, K. N.: Patmut’yun Aristakesi Lastiverc’woy [Die Geschichte Armeniens von Aristakēs Lastivertc’i]. Erevan 1963, Kapitel ŽA–IA, ID; Melik’-Ohanǰanyan, K. A.: Kirakos Ganjakec’i, Patmut’iwn hayoc’ [Die Geschichte Armeniens von Kirakos Ganjakec’i]. Erevan 1961, Kapitel IA – L A. 44 Owřhayec’i, Matt’eos: Žamanakagrut’iwn, 261 f.

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die Soldaten des Fürsten Davit’, die mit Schwertern bewaffnet den Nahkampf gewohnt waren.45 Als der Fürst Senek’erim Arcruni aus Vaspurakan im Jahr 1021 sein Land mit 72 Festungen, acht Städten und 400 Dörfern dem byzantinischen Kaiser übergab und stattdessen mit der Hälfte seiner Untertanen, etwa 14.000 Familien, nach Sebastia umsiedelte, tat er dies nicht auf Befehl des Kaisers, sondern weil es unmöglich war, gegen das „pfeilschießende Volk“ zu kämpfen. Vielleicht ist die Aussage des Matt’eos Uřhayec’i überhaupt nicht wahr, laut der Senek’erim sich, als Mensch des Mittelalters, auf das Buch des Propheten Jesaja bezieht.46 Vielleicht folgte Senek’erim Arcruni nicht dem Beispiel aus der Bibel, dennoch entschloss er sich umzusiedeln. Kurz darauf, im Jahr 1045, wurde der armenische König Gagik II. von Monomachos gestürzt. Im Jahre 1064 zog König Bagratuni aus Vanand nach Kappadokien um.47 Natürlich war die unorganisierte byzantinische Verteidigung nicht in der Lage, das Eindringen der Nomadenstämme zu verhindern. Die in die byzantinische Armee einberufenen Söldner, wie Petschenegen und Kiptschaken, gingen zum Feind über und besiegelten somit das Schicksal des Byzantinischen Reiches.48 Die Mehrheit der Bevölkerung des armenischen Königreichs und der armenischen Fürstentümer strömte nach Südwesten, in Richtung der Ostprovinzen von Byzanz, in Richtung der erneut entstehenden armenischen Zentren. Und als die Horden der Seldschu­ken in die Ebene Ostanatoliens einfielen, wichen die Armenier von ihrem Weg in Richtung Süden nach Kilikien, Marasch, Urfa und Antiochien aus. Dort wurden nacheinander kleine, kurzlebige armenische Fürstentümer und schließlich der Staat Kilikien mit fast ausschließlich armenischer Bevölkerung gegründet. Dieser existierte von 1080 bis 1375, also nahezu 300 Jahre. Nachdem Matt’eos Uřhayec’i die von der Invasion der Seldschukenhorden verursachten Umsiedlungen der armenischen Bevölkerung zusammengefasst hatte, ging er auf deren Völkerwanderung nach Süden ein. Das Gleiche berichtete er auch über das in Kilikien 1080 entstandene armenische Fürstentum, das im Jahr 1198 zum Königreich wurde. Zwar war die im 11. Jahrhundert etablierte Herrschaft der in der Umgebung von Urfa gegründeten armenischen Fürstentümer nur vorübergehend, aber der Großteil der armenischen Bevölkerung hat dieses Siedlungsgebiet nicht verlassen und blieb an Ort und Stelle. Wir haben keine Informationen über den Wanderungsstrom der armenischen Bevölkerung im 11. Jahrhundert. Woher kommt dann die verallgemeinernde Schlussfolgerung, laut der die Armenier vom 11. bis zum 13. Jahrhundert sowohl nach Norden als auch nach Süden ausgewandert sind?

45 Uřhayec’i, Žamanakagrut’iwn (wie Anm. 44), 57 – 60. 46 Ter-Mikelean, Arshak: Samowēli kahanayi Anec’woy hawak’mownk’ i groc’ patmagrac’ yaṙaǰabanov [Sammlungen von geschichtlichen Schriften von Priester Samuel aus Ani]. Vałaršapat 1893, 104. 47 Uṙhayec’i, Žamanakagrut’iwn (wie Anm. 44); Uṙhayec’i, 77 f., 126. 48 Ebd., Uṙhayec’i, 242.

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4. Welche Grundlagen geben uns die historischen Quellen und die Lapidarinschriften zur Lösung der Auswanderungsfrage, die vom 11. bis zum 13. Jahrhundert „in Richtung Norden“ stattfand? Selbstverständlich sollten die Aussagen der alten Lapidarinschriften von entscheidender Bedeutung gewesen sein. Der Universitätslektor der Lazarev-Akademie in Moskau, H. Kučuk-Ioannesov, untersuchte 1895/96 etwa 150 Grabsteine, die sich an der Nordküste des Schwarzen Meers und auf der Krim befanden. Aber nur einige davon stammten aus dem 11. Jahrhundert. Die Inschrift eines Kreuzsteines aus dem Museum in Theodosia ordnete er ins Jahr 1027 (476 + 551 nach armenischen Zahlen) ein, die Inschrift eines anderen Kreuzsteines aus dem Kloster H. Sargis ins Jahr 1047.49 Mit armenischen Zahlen bezeichnete Anfangsbuchstaben wurden im Laufe der Jahrhunderte beschädigt, sie wurden fast unleserlich, und bei der Entschlüsselung dieser Buchstaben sind oft Zweifel angebracht. Das Entstehungsjahr eines der genannten Kreuzsteine hat später I. Babkov auf 1327 korrigiert, der andere Kreuzstein wurde von A. Orbeli ins Jahr 1557 (1006 + 551) eingeordnet.50 Die letztgenannten Dechiffrierungen sind heutzutage anerkannt, weshalb die genannten Lapidarinschriften nicht auf eine frühe Einwanderung der Armenier hinweisen. Für die genannte Datierung spricht noch die archäologische Gesamtmaterie, da sich die anderen entschlüsselten Inschriften auch auf das 14. Jahrhundert und sogar auf noch später beziehen. Eine der bedeutendsten schriftlichen Frühquellen über die „nördlichen Gebiete“, die wir haben, ist der „Kiewer Paterikon“. Im berühmten biographischen Sammelband aus dem Kiewer Höhlenkloster finden wir eine Vita des Heiligen Agapitos, in welcher in einer der Erzählungen neben dem armenischen Arzt, der als wichtige Person galt, noch dessen lokale Gläubiger erwähnt werden. Daher können wir schlussfolgern, dass in Kiew noch in den 1080er bis 1090er Jahren eine mehr oder weniger bedeutende armenische Kolonie existierte.51 Zwischen dem Byzantinischen Reich und den Kiewer Fürstentümern bestanden noch Anfang des 11. Jahrhunderts enge Beziehungen. Fürst Vladimir I. von Kiew nahm 988 das Christentum nach griechisch-orthodoxer Glaubensrichtung an. Dieser entscheidende Schritt wurde durch eine dynastische Heirat abgesichert. Vladimir I. ehelichte 989 Anna, die Schwester des Kaisers Basileios II. Einige Forscher vermuten, dass die Armenier mit der Herrscherin Anna, die aus der sogenannten Makedonischen Dynastie armenischer

49 Kučuk-Ioannesov, Ch.: Starinnye armjanskie nadpisi i starinnye rukopisi w predelach Jugo-zapadnoj Rusi i v Krymu [Altertümliche armenische Inschriften und altertümliche Handschriften in der südwestlichen Rus’ und auf der Krim]. In: Drevnosti vostočnye 11/3 (1903), 61 – 75, hier 70, 67. 50 Babkov, I. K.: Očerki po istoričeskoj i kul’turnoj geografii Kryma [Essays über die historische und kulturelle Geografie der Krim]. In: Izvestija Gosudarstvennogo geografičeskogo obščestva 71/9 (1939), 1383 – 1385; Orbeli, I. A.: Dva serebrjanych kovša XVI veka s armjanskoj i grečeskoj nadpisjami [Zwei silberne Gefäße des 16. Jahrhunderts mit armenischen und griechischen Inschriften]. Izbrannye trudy. Erevan 1963, 214. 51 Paterik Kievo-Pečerskogo monastyrja [Das Paterikon des Kiewer Höhlenklosters]. Hg. v. Archeolo­ gičeskaja komissija. Sankt Peterburg 1911, 93 – 95.

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Herkunft stammte, nach Kiew gekommen sein könnten.52 Unserer Ansicht nach überschätzt diese Vermutung die im Verlaufe der Zeit abgeschwächte Bindung der sogenannten armenisch-bulgarischen Blutsverwandtschaft der erwähnten Dynastie. Außerdem stand, wie bereits erwähnt, der griechisch-orthodoxe Glaube, dessen Vertreterin in Kiew Anna war, im scharfen Widerspruch zu dem „sektiererischen“ armenischen Glauben. Das wird auch sehr deutlich im oben erwähnten Original des Paterikons betont. Viel später könnte, durch die Vermittlung der armenischen Kolonie in Kiew in der Mitte des 13. Jahrhunderts, der Bericht über das Leben der Söhne des Vladimir – Boris und Gleb –, die von ihrem älteren Bruder Svjatopolsk ermordet und daraufhin zu Heiligen ernannt wurden, aus dem Original des Paterikons in die armenische Sammlung Haysmavurk’ (Buch der Heiligen) aufgenommen worden sein.53 Außer der armenischen Kolonie, die am Ende des 11. Jahrhunderts in Kiew existierte, haben wir keine glaubwürdigen Beweise für eine armenische Auswanderung „in Richtung Norden“ in diesem Jahrhundert. 5. In den historischen Quellen kann man nur ein Werk herausheben, das für die Richtungen der armenischen Auswanderung als Wegweiser gelten kann: die Nesvit’ische Chronik. Sie ist im Grunde ein ausführliches Schriftdenkmal, das im Jahre 1690 aus einem Haysmavurk’ abgeschrieben wurde und die Geschichte der Auswanderung der Armenier auf die Krim berichtet. In der Chronik wird nach der Invasion der Tataren darüber Folgendes gesagt: „[…] dann eine Menge […] als Flüchtlinge (und später, 1330, von dort aus nach Kaffa), einige gingen nach Dschulfa, einige nach Van und die anderen nach Sis.“54 Wenn wir einen kurzen Blick auf das genannte Städteverzeichnis werfen, wird deutlich, dass der Bericht aus dieser Chronik im Grunde genommen fast alle Auswanderungsorte aufzählt, die im Verlauf der armenischen Auswanderungsgeschichte jemals vorkamen, ohne jedoch den Zeitraum dieser Auswanderungen zu nennen. Aksaray war der Sitz des Batu Khans, demzufolge hat die Auswanderung der Armenier in diese Richtung nach der tatarischen Invasion in Transkaukasien stattgefunden. Sis, welches die Hauptstadt des armenischen Königreiches in Kilikien war, erinnert an die Auswanderung der Armenier nach Süden während der Invasion der Seldschuken. Man berichtet über die Einwohner von Julfa während der Besetzung der Vorstadt Isfahan durch Schah Abbas im Jahre 1605. Und Van wird im Zusammenhang mit den Auswanderungen des 17. Jahrhunderts

52 Voskanjan, V. K.: Drevnjaja Rus’ i Ukraina v sud’bach armjan [Die antike Rus’ und die Ukraine in den Schicksalen der Armenier]. In: Istoričeskie svjazi i družba ukrainskogo i armjanskogo narodov. Erevan 1961, 62; Abrahamyan, A. G.: Hamaṙot urvagic hay gałtavayreri patmut’yan [Eine kurze Skizze der Siedlungen der armenische Kolonien]. Erevan 1964, 118. 53 Daškevič, Jaroslav: Les arméniens à Kiev. In: Revue des études arméniennes XI (1975 – 1976), 343 – 375. 54 Bžškeanc’, Minas: Čanaparhordowt’iwn i Lehastan ew yayl kołmans bnakeals i haykazanc’ sereloc’ i naxneac’ Ani k’ałak’in [Eine Reise nach Polen und in die anderen Länder, die von Armeniern bewohnt sind, deren Vorfahren aus der Stadt Ani stammen]. Venetik 1830, 337.

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erwähnt. Das bedeutet, dass der Autor Davit’ Grič’ in seinem Schriftdenkmal von 1690 alle stattgefundenen Großauswanderungen nach der tatarischen Invasion zusammengefasst hat. Und da noch Sis erwähnt wird, kommt die Auswanderung nach der Invasion der Seldschuken hinzu. Die oben genannte Aufzählung zitiert noch einen Abschnitt von etwa einer halben Seite aus dem Geschichtswerk von Kirakos Ganjakec’i über die erste Invasion der Tataren in Armenien. Diese war der hauptsächliche Auslöser der „Nordauswanderung“. Aber dieses Schriftdenkmal über die Auswanderung der Armenier ist nicht das Werk von Davit’ Grič’. Er könnte es aus einem kirchlichen Schriftstück übernommen haben. Einen entsprechenden Bericht finden wir zum Beispiel im Buch „Anwoy patmowt’iwnĕ“ des Katholikos Abraham von Kreta (1734 – 1737) sowie im Buch „Draxt c’ankali“ des nachfolgenden Katholikos Łazar (1737 – 1751), das in der Literaturgeschichte als Schulbuch verwendet wurde. Während die Auswanderung der Armenier in der Nesvit’ischen Chronik als Folge der tatarischen Invasion betrachtet wird, wird sie bei den geistlichen Autoren als Auswirkung eines 1319 stattgefundenen Erdbebens dargestellt. Das bedeutet, dass die Massenauswanderung der Armenier mit gewissen Ereignissen des 14. Jahrhunderts zusammenhängt.55 Die chronologische Geschichte der Armenier von der Krim hatte wahrscheinlich eine frühere Variante, die vor Davit’s Schriftdenkmal 56 erstellt wurde, da Martiros Łrimec’i schon im Jahre 1672 aus dieser Geschichte ein Gedicht gemacht hat.57 Seit 1830 ist das Original 58 der Nesvit’yan Chronik den Forschern bekannt, da Minas Bžškyan es im Kapitel „Patmutiwn Anec’woc K’ēfēi“ seines Buches „Čanaparhordowt’iwn i Lehastan“ zitiert.59 Minas Bžškyan, der Primas der Diözese Taurien von der Venediger Mechitaristenordensgemeinschaft, ist von 1810 bis 1820 in die armenischen Kolonien seiner Diözese, also nach Galizien, Novorossijsk, auf die Krim und nach Ungarn (Siebenbürgen) gereist. Bžškyan stellt die Geschichte der Kolonien als „C’rowmn Anec’woc’“ dar. Sein Buch wurde mit dem Titel „Patmowt’iwn Anwoj kam čanaparhordowt’iwn i Lehastan“ in den Katalog der Venediger Druckerei der Mechitaristen aufgenommen.60 Bžškyan schildert in seinem Werk die Auswanderung der Armenier aus Ani (aus dem armenischen Bagratidenreich), und er zitiert vermutlich überdies aus dem Original des 55 Brosset, Marie Felicité: Collection d’historiens arméniens. Sankt Peterburg 1876, 330 – 335; Dzahkeci, Łazar: Girk’ astvacabanakan or koč’i draxt c’ankali [Ein theologisches Buch, welches das erwünschte Paradies heißt]. Kostandtowpolis 1735, 629 – 634. 56 Eganyan, Ô.; Zeyt’ownyan, Andranik S.; Ant’abyan, P’. (Hg.): C’owc’ak jeṙagrac’ Maštoc’i anvan Matenadarani [Handschriftenkatalog des Maschtoz-Instituts von Matenadaran]. Bd. 2. Erewan 1970, 534. 57 Martirosyan, A. A.: Martiros Łrimec’i [Martiros von Krim]. Erewan 1958, 28. 58 Die Handschrift des in 1690 in Kafa abgeschriebenen Schriftdenkmals nahmen die Armenier, die 1778 in Nor Naxiǰewan bei Rostow am Don auswanderten, mit sich. Später gelangte die Handschrift auf verschiedenen Wegen in das Erewane Matenadaren, wo sie unter der Nummer 74442 aufbewahrt wird. 59 Bžškeanc’ (wie Anm. 54), 335 – 342. 60 Catalogo delle publicazioni, Casa editrice dei patri mechitaristi. San-Lazzaro. Venezia 1960, 32.

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Dokuments, das als Quelle für die Auswanderung der Armenier nach Polen und in die Moldau diente: „Der Herzog T’eodoros Demeter [Fëdor Dimitrievič] ist der Nachfahre der Armenier aus Kosoxac’k. Wer kommen und mir helfen will, dem gebe ich Rechte, aber wer mit mir kämpfen will, den lasse ich später frei.“61 Nach seinen Aussagen hat Minas Bžškyan das Original dieses Textes im Bistumsarchiv von Lemberg (L’viv, Lwów, L’vov) gefunden und es aus dem Ruthenischen ins Armenische übersetzt. Wir zweifeln daran, dass Bžškyan das ruthenische Original des Dokumentes ­überhaupt gesehen hat. Wenn Bžškyan das Dokument aus dem ruthenischen Original übersetzt hätte, würde er kaum „Herzog T’eodoros“ schreiben, er würde das Wort „knjaz’“ aus dem Original mit dem entsprechenden Wort „išxan“ aus dem Armenischen übersetzen. Er hat wahrscheinlich nur die lateinische Variante des Dokuments gesehen. Das ruthenische Original war kürzer und das Datum wurde nicht angegeben.62 Ein Teil der lateinischen Übersetzung aus diesem vermuteten Ausgangsdokument ist von Władisław IV. in die veröffentlichte Beglaubigung, die für die Armenier aus Lemberg gedacht war, aufgenommen worden. Das bedeutet, dass der König den ihm vorgelegten Auszug als beglaubigtes Dokument anerkannt hatte.63 Im Kapitel „C’rowmn Anec’woc’“ seines Buches stützt sich Bžškyan auf das Jahr 1062 (bei Řoška 1060): „In dieser Zeit, im Jahre des Herrn 1062, fingen die Anier an, nach Lēhastan (Polen) auszuwandern, wie wir es später erzählen werden.“64 Vieles hat Bžškyan in den genannten Absatz aus unterschiedlichen Quellen übernommen, indem er eigenwillig die Zahlen veränderte, Ereignisse aus verschiedenen Zeiten miteinander in Zusammenhang brachte und das Ganze mit dem letzten, zusammenfassenden Satz aus der Chronik Nesvit’ beendete. Das von Řoška übernommene Jahr verbindet er unmittelbar mit den später stattgefundenen Auswanderungsströmungen. Aber da er die Eroberung von Ani durch die Seldschuken im Jahr 1064 nicht umgehen konnte, bezeichnet er sie als eine zweite Auswanderung. Die der tatarischen Invasion folgende Auswanderung behandelt Bžškyan inkonsequent, indem er behauptet, dass nur die Anführer nach Aksaray gegangen sind. Damit wiederholt er die Aussage von Kirakos Ganjakec’i, laut der die von der tatarischen Aristokratie Transkaukasiens bedrängten Armenier sich tatsächlich an den

61 Bžškeanc’: Čanaparhordowt’iwn i Lehastan (wie Anm. 54), 85; Daškevič, Les arméniens à Kiev. In: Revue des études arméniennes X (1973/74), 305 – 358, hier 342; „Ecce magni ducis Theodori Demetri filii Kosohacensibus Armenis, qui huc volunt venire, veniant in auxilium meum, et ego vobis dabo lebertatem ad tres annos et cum fueritis apud me, ubi quis voluerit illuc ibit libere.“ 62 Zacharyasiewicz, F. X.: Wiadomośći o Ormianach w Polsce [Nachrichten über die Armenier in Polen]. Lwów 1842, 9; Daškevič, Les arméniens à Kiev (wie Anm. 61), 342 f. 63 Bischoff, Ferdinand: Urkunden zur Geschichte der Armenier zu Lemberg. Wien 1864, 3; Daškevič, Jaroslav: Gramota Fedora Dmitroviča 1062 roku [Die Urkunde Fedor Dmitrovičs aus dem Jahr 1062]. In: Naukovo inform. Bul. Arhivnogo Upravl. URSR (1962), 9 – 20; ders., Les arméniens à Kiev (wie Anm.  61), 341 – 356. 64 Bžškeanc’: Čanaparhordowt’iwn i Lehastan (wie Anm. 54), 83.

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Batu Khan gewandt haben sollen. Aber hier wird hauptsächlich über die Gesandtschaft der Fürsten und Minister und nicht über die Auswanderung berichtet.65 Wenn Bžškyan auf die Armenier aus Kamenec’ (Kam’janec’-Podil’s’kij, Kamieniec Podolski) zu sprechen kommt, zitiert er wieder das gleiche Dokument, nur bringt er es diesmal mit den Einwohnern aus Kamenec’ in Verbindung. Auf der Suche nach der Glaubwürdigkeit des möglicherweise gefälschten ­Dokumentes von 1062 (oder der Ausschnitte des schon in den 1820er Jahren verschwundenen Blattes) wird deutlich, dass nach 1475, nach der Eroberung der Krim durch die Türken, die Auswanderung der Armenier nach Polen massiv zunahm. Die Glaubwürdigkeit des Dokumentes ist insofern hoch, als es vielleicht als Zeichen der Erinnerung an die Armenier aus „Ko-solxac’k“, das heißt aus Solchat, berichtet.66 Da der Großteil der armeno-kiptschakisch sprechenden Armenier aus dem Verwaltungszentrum Solchat (Eski Qırım) von der Krim stammte, kann man annehmen, dass es wahrscheinlich die Erinnerung an diese Armenier war, die im Gedächtnis dieses Dokumentenverfassers erhalten geblieben ist.67 Über die Glaubwürdigkeit dieses Dokumentes wird schon anderthalb Jahrhunderte lang gestritten. Aufgrund der überzeugenden Beweise ist es schon vor einem Jahrhundert als Fälschung erkannt worden. Da diese Auseinandersetzung, von der Veröffentlichung von F. Bischof abgesehen, zumeist auf Polnisch und Russisch geführt wurde, haben die westeuropäischen Geschichtsschreiber nicht darauf reagiert. Aus diesem Grunde kann man auch heutzutage sowohl in der allgemeinverständlichen und orientalistischen Literatur als auch in der Geschichtsschreibung dieses Dokument als Beweis für die Auswanderung der Armenier in die polnisch-ukrainischen Provinzgrenzen finden, zumal es als das älteste Dokument zu dieser Auswanderung gegolten hat.68 Da ein gefälschtes Dokument als Fundament genommen wurde, entstand die Vermutung, dass die Armenier noch im 11. Jahrhundert massenweise nach Norden oder Nordwesten ausgewandert sind. Aber die Geschichtsquellen bezeugen, dass neben den viel früher (sogar vor dem 11. Jahrhundert) entstandenen Kleinkolonien die ­bedeutendsten armenischen Kolonien in den „nördlichen Gebieten“ erst nach den tatarischen Invasionen gegründet wurden. Neben der alten armenischen Gemeinde in der Kiewer Region tauchten erst im 13. Jahrhundert zahlreiche Armenier in „nördlichen Gebieten“ auf, nämlich auf der Krim. Die Krim war den Armeniern schon früher durch den Handel über das Schwarze Meer bekannt. Laut der Chronik Nesvit’ sind im Jahr 1330 viele Armenier auf die Krim ausgewandert. Eine andere Version nennt das Jahr 1331, und nach Meinung von Sestrencevič Boguč 65 Melik’-Ohanǰanyan, Kirakos Ganjakec’i (wie Anm. 43), 358. 66 Mik’ayelyan, Vardges: Łrimi haykakan gałowt’i patmowt’yown [Die Geschichte der armenischen Kolonien der Krim]. Erewan 1964, 54; Daškevič, Les Arméniens à Kiev (wie Anm. 61), 354. 67 Schütz, Ödön: Armeno-Kiptschakisch und die Krim. Budapest 1976, 200 – 208. 68 Mik’ayelyan, Łrimi haykakan (wie Anm. 66), 51 f.

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fand dieses Ereignis erst im Jahr 1340 statt.69 Aber dieses Datum ist nicht glaubwürdig, da es auch davor in den genuesischen Quellen dutzende zuverlässige Beweise gibt. In den genuesischen Notarprotokollen 70 aus den Jahren 1280 bis 1290 finden wir einige Namen ­armenischer Händler von der Krim, die Geschäftspartner der genuesischen Händler gewesen waren, die im Jahr 1290 vom byzantinischen Kaiser das Recht auf ein Monopol auf dem Schwarzen Meer bekamen. Während der Gründung von Kaffa und vor deren Blütezeit war Sudak der Haupthafen der Halbinsel. Die aus vielen Nationalitäten bestehende Einwohnerschaft beherbergte auch eine große armenische Gemeinde. In einem abgeschriebenen Haysmavurk’ von 1292 zeigt der zwischen Armeniern und Griechen entstandene Streit um das O ­ sterdatum sehr gut das Zahlenverhältnis der Armenier und deren dominierende Stellung in der Gesellschaft.71 Das Anfang des 14. Jahrhunderts gegründete genuesische „Officium Gazariae“ informiert über das Vorhandensein einiger armenischer Kirchen. In dem gleichen Dokument wird über den Schutz der städtischen Wasserleitungen durch den armenischen Bischof in Kaffa berichtet.72 Fünf Kilometer von Solchat entfernt wurde das Schloss des Khans der Goldenen Horde erbaut und im Jahre 1358 der Bau der Pflanzstätte der armenischen Kultur der Krim, der Surb Xač’ Kirche (Heilige Kreuz Kirche), beendet.73 Diese Beweise bezeugen die Existenz einer armenischen Kolonie auf der Krim, die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstand und Anfang des 14. Jahrhunderts schon ihre Blütezeit erreichte. 6. Als zweite Etappe der Verbreitung der armenischen Bevölkerung in den nördlichen Gebieten kann man die Niederlassung der Armenier in den Städten der ukrainischen Grenzprovinzen (Lemberg, Kamieniec-Podolski [Kam’janec-Podil’s’kij, Kamenec-Podolski]) in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts betrachten, die unter dem Fürsten von Galizien an Polen fielen. Als 1356 Kasimir III. der Stadt Lemberg Rechte gemäß der Magdeburger Verfassung verlieh, fiel die lokale armenische Bevölkerung unter die Rechtsprechung des Wójt (Bürgermeister) der Stadt.74 69 Bžškeanc’ (wie Anm. 54), 338; Sestrencevič, Boguš: Istorija o Tavrii [Geschichte über Taurien]. Bd. 2. Sankt Peterburg 1806, 178; Siestrzencevics de Bohunz, S.: Histoire du royaume de la Chersonese Taurique. Bd. 2. Sankt Peterburg 1824, 320. 70 Bratianu, Gheorghe I.: Actes des notaires genois de Pera et de Caffa de la fin du treizieme siècle (1281 – 1290). Bucarest 1927. 71 Brun, Filipp Karlovič: Černomor’e [Das Schwarze Meer]. Bd. 2. Odessa 1880, 139 f. 72 Albert, Carl: Monumenta historiae patriae. Bd. 2. Augusta Taurinorum 1838, 407, 380. 73 Jakobson, A. A.: Armjanskaja srednevekovaja architektura v Krymu [Armenische mittelalterliche Architektur auf der Krim]. In: Vizantijskij vremennik VIII (1956), 166 – 191, hier 173. 74 Kripjakevič, Ivan Petrovič: K voprosu o načale armjanskoj kolonii vo L’vove [Zur Frage des Beginns der armenischen Kolonie in Lemberg]. In: Istoričeskie svjazi i družba ukrainskogo i armjanskogo narodov. Kiev 1965, 123; Bischoff, Ferdinand: Das alte Recht der Armenier in Lemberg. Wien 1862, 3.

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Schon aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts berichten zahlreiche Dokumente vom Anwachsen der armenischen Einwohnerzahl in Lemberg und von deren herausragender Stellung in der Gesellschaft. Leuchtende Beispiele für die armenisch-ungarischen Beziehungen sind die zahlreichen an Armenier verliehenen Dokumente, beispielsweise von der Mutter Ludwigs des Großen, Elisabeth, im Jahr 1397 in der Stadt Eperjes, von Ludwig dem Großen im Jahr 1380 in der Festung Diósgyőr, von der Königin Hedwig im Jahr 1387 in Lemberg und von Władisław Jagiełło.75 Auch in Kamieniec-Podolski ließen sich die Armenier erst nach den mongolisch-tata­ rischen Invasionen nieder und spielten sehr bald eine bedeutende Rolle im Stadtleben. Ein herausragendes Beispiel ist der Bau der neuen Kirche an der Stelle der alten armenischen Kirche durch den aus Solchat eingewanderten Sohn von Xut’lowbey, Sinan, im Jahre 1364, über deren Gründung die armenische Urkunde erhalten geblieben ist.76 7. Oben haben wir weitestgehend unsere Vermutung über die wichtigsten Zeiträume und die Hauptrichtungen der historischen armenischen Massenauswanderungen nach Südund Nordwesten dargestellt. Ein ständiger Strom von Armeniern in die Westprovinzen des Byzantinischen Reiches, insbesondere in die Hauptstadt, ist festgestellt worden. Durch die Einbeziehung in das Militär-, Dienst- und Wirtschaftsleben fand bald eine Verschmelzung der Armenier mit den Byzantinern statt. Die armenische Nationalzugehörigkeit einzelner Personen kommt lediglich durch Eigennamen zum Ausdruck, und das nur bei wenigen Generationen. Zahlreiche armenische Einwohner wurden auf den Balkan umgesiedelt, sowohl wegen der militärischen Umstände als auch wegen der Verbannung der Vertreter der Paulikianersekte. Vom 11. bis zum 13. Jahrhundert war aufgrund der ungarisch-byzantinischen Beziehungen eine Auswanderung der armenischen Bevölkerung in gewissem Maße sowohl vom Balkan als auch aus Byzanz über den Balkan möglich. Wie wir schon erwähnt haben, sind die Auswanderungen des armenischen Volkes vom 11. bis zum 13. Jahrhundert unmittelbare Folge der beiden großen Nationalkatastrophen: der Invasion der Seldschuken und der mongolisch-tatarischen Invasionen im 11. und im 13. Jahrhundert. Die ausführlichen Untersuchungen der Geschichtsquellen zeigen, dass aufgrund der Seldschuken-Invasionen die armenische Bevölkerung in den Süden, in die südwestlichen

75 Akta grodzkie i zemskie [Städtische und ländliche Akten]. Bd. 3. Lwów 1872, 58 – 80; ebd., Bd. 4. Lwów 1873, 85 – 87; Bischoff, Das alte Recht (wie Anm. 74), 10 – 12; Gromnicki, T.: Ormianie w Polsce, ich historia, prawa, przywileje. Warszawa, 1889, 9 f.; Macler, Frédéric: Rapports sur une m ­ ission scientifique en Galicie et en Bukovine, juillet-août 1925. In: Revue des études arméniennes  VII (1927), hier 15 f. 76 Ališan, Łewond: Kamenic. Venètik 1875, 131 – 133; Müller, Friedrich: Zwei armenische Inschriften aus Galizien und die Gründungsurkunde der armenischen Kirche in Kamenec Podolsk. In: Sitzungs­berichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Wien, Phil.-hist. Kl. Bd. CXXXV. Wien 1896, hier 5 f.

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Provinzen des Byzantinischen Reiches, in die nördliche Asorik und nach Kilikien auswanderte. Die mongolisch-tatarischen Invasionen vertrieben Armenier größtenteils nach Norden, später nach Nordwesten. Aufgrund der letzten Auswanderung entstanden allmählich armenische Kolonien mit großer Bewohnerzahl auf der Krim, in Galizien-Podolien und in der Moldau. 8. Um die dürftigen Geschichtsquellen zu ergänzen und um die Herkunft der Armenier, die zur Herrschaftszeit der Árpáden vorkommen, zu klären, haben wir ungefähr 20 Jahre lang versucht, im Sprachbereich Anhaltspunkte zu finden. In mittelalterlichen Namensverzeichnissen der Einwanderer oder Flüchtlinge haben wir Namen armenischer Abstammung gesucht, aber nur einen zweifelhaften Vornamen, nämlich Katapan, gefunden. Es ist möglich, dass der Name von der Amtsbezeichnung abstammte. Diese byzantinische Dienststelle haben auch einige armenische militärische Anführer bekleidet. So ist nach der Eroberung von Ani, der Hauptstadt der Bagraditen, im Jahre 1045 der Armenier Bagarat zum Katapan ernannt worden, und den Posten Katapan in Vaspurakan und Taron besetzte Grigor Pahlavuni.77 Uns ist es nicht gelungen, außer Katapan noch andere armenische Namen im Namensverzeichnis aus der Herrschaftszeit der Árpáden zu finden. Die Untersuchung einiger armenischer Wörter aus frühen Zeiten (hauptsächlich die übernommenen Namen der Hauterkrankungen aus dem Zeitraum der Kreuzzüge), die in die ungarische Sprache übergingen, hat zu der Vermutung geführt, dass die Armenier auch zur Zeit König Andreas’ II . nach Ungarn ausgewandert sein könnten, als Andreas II . wegen der ständigen Belehrungen durch die römischen Päpste letztendlich eine „Pilgerfahrt“ ins Heilige Land unternahm. Außer der Einhaltung seines alten Versprechens hegte er natürlich noch einige Großmachtpläne. Hauptsächlich dem Großmachtstreben von Béla III . folgend, wünschte sich Andreas II . die Eroberung des Byzantinischen Reiches. Diesem Ziel diente die von ihm geplante Heirat mit Jolante, der Tochter des Monarchen Pierre de Courtenay des lateinischen Kaiserreichs. Aber die politischen Pläne von Andreas II . schlossen weitere Gebiete ein. Er wollte auch mit den benachbarten Staaten des Kaiserreichs enge dynastische Beziehungen eingehen. Daher hatte er seinen Sohn Andreas auf dem Rückweg aus dem Heiligen Land mit Zabel, der Tochter des armenischen Königs von Kilikien, Leo II ., vermählt, seinen anderen Sohn Béla mit der Tochter von Theodoros Laskaris des Kaiserreichs Nicäa, und seine Tochter Maria mit dem ungarischen König. Die oben genannten Vermutungen, die sich auf sprachliche Beweise stützen und mit den Geschichtszeiträumen übereinstimmen, lehnten wir ab, da in das Ungarische übernommene armenische Wörter ostarmenische statt westarmenische Spracheigenschaften aufweisen.

77 Schütz, Ödön: Katapán. In: Magyar Nyelv LIII (1957), 221 – 223; ders. Katapan, In: Handes amsorya LXXV (1961), 515 – 520.

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Aber da die Armee von Andreas II. durch das armenische Kilikien gezogen ist, können die oben genannten Wörter von der kilikischen Umgangssprache beeinflusst gewesen sein.78 Auch wenn Andreas II . die von Leo II . ernannten Ritter begleiteten, würde deren Anzahl kaum dafür ausreichend gewesen sein, um den Kern der armenischen Kolonie in Esztergom zu bilden. Letztendlich haben die sprachlichen Analysen keines der gewünschten Ergebnisse erbracht. Uns ist es nicht gelungen, beweiskräftige Fakten zu finden, welche die Herkunft der Armenier aus Esztergom, geschweige denn deren Auswanderungsweg klären. Wir haben daher die Aussagen der ungarischen Dokumente in Bezug auf die in Ungarn lebenden Armenier zur Zeit des Árpáden-Königreichs untersucht. Aus der Frühzeit des Árpáden-Königreichs erwähnt die ungarische Geschichtsschreibung unter den Einwanderern aus dem Westen und unter den aus dem Osten ausgewanderten Überresten der Nomadenstämme auch die Armenier. Indem das Werk von Simon Kézai als Grundlage in den historiographischen Arbeiten und in der entsprechenden Literatur, die der Chronik der armenischen Kolonien gewidmet ist, genommen wird, bezeugen sie, dass Armenier zur Herrschaftszeit von Géza nach Ungarn eingewandert sind.79 Kézai formulierte im 94. Unterkapitel seiner Chronik über die Einwanderung der Armenier: „Wie zu Herrschaftszeiten des Fürsten Géza als auch der anderen Könige sind Tschechen, Polen, Griechen, Petschenegen, Armenier und Vertreter fast aller Nationen […] gekommen.“80 Simon Kézai, der Hofpriester von Ladislaus IV ., schrieb seine Arbeit von 1282 bis 1285, indem er eine zur Herrschaftszeit von Stephan V. (1270 – 1272) verfasste Chronik (Gesta) als Hauptquelle nutzte. Die ungarischen Geschichtsschreiber (Pauler, Domanovski) kamen beim Vergleichen der Chronik von Kézai mit einer Sammlung der Chronik aus dem 14. Jahrhundert zu der Schlussfolgerung, dass diese vorherige Gesta existiert hat. Später konnte Győrffy sogar den Autor dieser Chronik identifizieren: Ákos, der Prepositos und Magister von Buda. Mályusz konnte in seinen Untersuchungen zudem solche Abschnitte nachweisen, die der Autor der vorherigen Gesta von seinen Vorgängern übernommen hatte, wie auch die Teile, die das eigenständige Werk des Autors gewesen waren. Es konnten auch die Beweggründe für deren Überarbeitung geklärt werden.81

78 Schütz, Ödön: Néhány örmény eredetű betegségnevünkről. (Az Árpád-kori magyarországi örmények történetéhez) [Zu der Geschichte der Armenier unter den Árpáden]. In: Mky LIV (1958), 459 f.; ders.: Messze van mint Makó Jeruzsálemtől [Es ist weit weg wie Mako von Jerusalem]. In: Magyar Nyelv LV (1959), 125 f. 79 Lukácsy, Kristóf: A magyarok őselei [Die Vorfahren der Ungaren]. Kolozsvár 1870, 245; Lukácsy, Kristóf: Historia Armenorum Transylvaniae. Viennae 1859, 9. 80 SRH 1 (wie Anm. 40.), 192. 81 Domanovszky, Sándor: Kézai Simon mester krónikája [Die Chronik von Simon Kézai]. Budapest 1906, 128, 133, 180; Győrffy, György: Krónikáink és a magyar östörténet [Unsere Chroniken und die ungarische Urgeschichte]. Budapest 1948, 167 – 180; Mályusz, Elemér: Az V. István-kori gesta [Die

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Die Chronik von Kézai über die Einwanderer ist nichts anderes als die Zusammenfassung des entsprechenden Kapitels aus dem Werk von Magister Ákos. Im Original der Chroniksammlung des 14. Jahrhunderts werden im 53. Unterkapitel unter der Überschrift „Einwanderung der verschiedenen Völker“ die Einwanderer viel ausführlicher aufgezählt: „Wie zu Herrschaftszeiten des Fürsten Géza und des Heiligen Königs Stephan als auch der anderen Herrscher sind nach Ungarn ehemals Tschechen, Polen, Griechen, Spanier, Ismailiten, oder Sarakinen, Petschenegen, Armenier, Sachsen, Thüringer, und neben Rayna lebende Kumanen und Latiner [gekommen].“82 Bei der Beurteilung der Informationen aus Chroniken müssen die wichtigsten Unterschiede der mittelalterlichen Chroniken und der neuen Chronikvariante der Gesta aus späteren Zeiten in Betracht gezogen werden. Wenn die mittelalterlichen Chronisten mit trockener Eintönigkeit und religiöser Wachsamkeit über die geschichtlichen Ereignisse in ihrer chronologischen Reihenfolge berichteten, dann gingen die Autoren der Gesta, die Geistliche mit ausländischem Universitätsabschluss waren, mit literarischer Inspiration auf die Geschichtskunst zu. Sie priesen in ihren Werken die damaligen herrschenden Schichten und deren Stammbaum, indem deren hochrangige Posten mit Ehre gewürdigt wurden. Gleichzeitig vermieden sie, die schriftlich und mündlich überlieferten Geschichtsstoffe zu verwenden. Die Herrschaft der alten ungarischen Stämme kommt schon in der Gesta des Anonymus zum Vorschein. Er hatte sich auch zum Ziel gesetzt, „[d]ie Genealogie der ungarischen Könige und deren Adliger“ zu verewigen.83 Dieses Vorhaben zieht sich wie ein roter Faden durch sein ganzes Geschichtswerk. Die Einwanderung der emigrierten ritterlichen Schicht begann noch zur Zeit der Stärkung der ungarischen Fürstenherrschaft, wie Anonymus berichtet: „Die Nachbarvölker hörten über deren Heldentaten, kamen zum Fürst Árpád und gehorchten ihm mit aufrichtiger Treue, dienten mit großer Ergebenheit. Auf diese Art und Weise und dank des Königs sind zahlreiche Gäste allmählich zum Einwohner geworden.“84 Die zuletzt Genannten gehörten zwar zum Adel, nutzten aber die Adelsprivilegien der gebürtigen Ungarn noch nicht. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts fand aufgrund der Gewöhnung an die neue Umgebung und der ausländischen Masseneinwanderung eine Umschichtung der ungarischen Adligen statt, die ihren besonderen Ausdruck schon in der Gesta von Magister Ákos zeigte. Das Ziel dieses Autors war mehr die Lobpreisung der Vergangenheit und der Fürstenzeit. Er versuchte den Sachverhalt zu bezeugen, dass die Vertreter der neuen Adelsschicht unter den Migranten den alten adligen Stämmen glichen: „[D]ie Gäste […] mit Adelsstand Gesta aus der Zeit Stephan des V.]. Budapest 1971 (= Értekezesek a történeti tudományok köréből, No. 58). 82 SRH 1 (wie Anm. 40), 303. 83 Ebd., 3. 84 Ebd., 88: „vicine nationes audientes facinora eorum, confluebant ad ducem Arpad et pura fide subditi serviebant sub magna cura et plurimi hospites facta sunt domestici“.

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sind den Ungarn gleich.“85 Dementsprechend setzte Magister Ákos all seine Bemühungen daran, das Alter der zu seiner Zeit berühmten Stämme zu belegen.86 In der mittelalterlichen Chronikensammlung (14. Jahrhundert im Kapitel 37 bis 52) kommen die ausländischen Adelsbeziehungen der eingewanderten Stämme ans Licht. Die von den genannten Familien besetzten hochrangigen Posten und deren Einfluss im Palast berücksichtigend, wird deren Vergangenheit durch interessante Anekdoten illustriert, ohne auf anachronistische Erfindungen zu verzichten. Den einfachen Rittern von damals wird eine alte adelige Abkunft zugeschrieben, und deren Vorfahren werden aus den hochrangigen Familien von Grafen, Baronen und Fürsten ausgewählt. Um das Lebensalter der genannten Stämme zu klären, wird deren Einwanderung nach Ungarn ein bis zwei Jahrhunderte vorverlegt. Die Herkunft der Sippe Héder wird zum Beispiel aus der Herrschaftszeit Géza II. (1141 – 1161) in die Herrschaftszeit des Fürsten Géza (970 – 997) verlegt.87 In Wirklichkeit begann die Masseneinwanderung von Ausländern nach Ungarn während der Herrschaftszeit von Géza, da für die Christianisierung der Ungarn dringend christliche Streitkräfte benötigt wurden. Dieser Umstand wird im Original einer Sammlung von Chroniken des 14. Jahrhunderts (37. Unterkapitel) deutlich zum Ausdruck gebracht. „Durch die Warnung der göttlichen Vorsehung hat Géza angefangen, das ungarische Volk zum Christentum zu bekehren, aber als er es nicht schaffte, sie mit Belehrungen zu überzeugen […], war er gezwungen, einige von ihnen mit Waffeneinsatz zu unter­drücken […], um so zu handeln, musste er seine Absichten den christlichen Königen und Fürsten bekannt geben. Und sie erhörten seinen Wunsch und schickten [dem ungarischen Fürsten] Hilfe.“88 Auch danach kamen Einwanderer nach Ungarn. Diesmal war es nicht nur der die ausländische Ehefrau des Königs begleitende Hof, Dienst und Glück suchende Ritter, die nach Ungarn einzogen, sondern auch zahlreiche deutsche, französische, flämische, wallonische und italienische Handwerker, Händler und Landwirte. Diese Handwerker- und Händlerschicht ließ sich in den Königs- und Bischofssitzen wie Esztergom, Fehérvár (Alba Iulia, Karlsburg/Weißenburg, Gyulafehérvár) und Buda nieder. Es scheint, dass in der Aufzählungsordnung der Nationen auch die chronologische Reihenfolge zum Ausdruck kommt: zur Zeit der Fürsten Zoltán und Taksony sind die Petsche­negen eingewandert und zur Zeit seines Sohnes Géza die Armenier. Im oben zitierten Abschnitt werden in der Aufzählungsordnung der eingewanderten Nationen die Armenier nach den Petschenegen erwähnt.89 Den Petschenegen hatte noch Fürst Zoltán in Ungarn Unterkunft gewährt, und Fürst Taksony hatte dem Stammesführer der Petschenegen, ­Tonusoba, großflächige Landgüter geschenkt.

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Ebd., 294. Mályusz, Az V. István-kori gesta (wie Anm. 81), 57. SHR 1 (wie Anm. 40), 296; Mályusz, Az V. István-kori gesta (wie Anm. 81), 72 f. SHR 1 (wie Anm. 40), 295. SHR 1 (wie Anm. 40), 192, 303.

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Aber wenn wir den genannten Abschnitt der Chronik genauer lesen, wird deutlich, dass die Zeitfrage hier auf eine sehr allgemeine Art geregelt wurde: Die aufgezählten Einwanderer sind „zur Zeit des Fürsten Géza, des heiligen Stephan wie auch zur Zeit der anderen Könige“90 nach Ungarn eingewandert. Bei dieser Aufzählung treten die Armenier höchstwahrscheinlich nur durch Zufall neben den Petschenegen auf. Überdies findet sich die Einwanderung der Petschenegen, d. h. der missglückte Versuch, Tonusoba auf den richtigen Weg zu bringen, im letzten Kapitel der Chronik des Anonymus.91 Die Beschreibung der Ereignisse nach der tatarischen Invasion ist bei Anonymus, der um 1200 lebte, erhalten geblieben; er erwähnt jedoch die oben genannte Aufzählung der Einwanderer nach Nationen nicht. Über Armenier und einige andere ausländische Einwanderer berichten die Quellen aus früheren Zeiten nichts. Daher müssen wir, wenn das Zurücksetzen der Eroberungszeit des eigenen Landes durch zahlreiche Ungarn mit Adelsherkunft aus dem 13. Jahrhundert ein Ergebnis der Geschicklichkeit des Magisters Ákos ist, das gleiche auch über die Aufzählung der Einwanderer sagen.92 Magister Ákos hat in das Verzeichnis der Einwanderer nicht nur die zu seiner Zeit im Lande lebenden Völker aufgenommen, sondern auch diejenigen, über die er in verschiedenen Geschichtsdokumenten Angaben vorgefunden hat. Er war bestens mit dem Archivfundus vertraut, da er als capellanus von 1244 bis 1268 und als Kanzler der Königin von 1248 bis 1261 der Beschützer der Hofkanzlei war.93 Wenn wir auch die Einwanderung der Armenier nach Ungarn zur Fürstenzeit nicht beweisen können, so ist deren Anwesenheit zur Zeit der Árpáden nicht fragwürdig. Durch das von Béla IV. an die armenische Ostgemeinde verliehene Privileg vom 31. März 1243 wird deren Wohnrecht in Esztergom bestätigt: „Cum Armeni, Predecessorum ipsius Domini regis et suo temporibus in Strigonium ad hospitandum congregati, privilegium super libertatem corum obtentum, Tartaris totam villam Strigoniensem hostiliter invadentibus et cam funditus destruentibus, amisissent […] Seriem liberatis ipsorum per singulos articulos prae oculis habendo, cum fuisset notorium ipsos ea usos libertate […] ‚innovat‘ […] quod inter caetera tale exstitisset ut iidem Armeni cum suis Mercimoniis ad quemcumque locum tributarium accederent, inter terminos Regni-nullum persolverent tributum.“94 In diesem Dokument, das direkt nach der tatarischen Invasion für die armenische Gemeinde veröffentlicht wurde, ist nicht angegeben, in welchem Teil von Esztergom die Armenier gelebt haben. Darüber erfahren wir erst Jahrzehnte später

90 Ebd. 91 SHR 1 (wie Anm. 40), 114 – 117. 92 Domanovszky, Sándor: Kézai Simon mester Krónikája [Die Chronik des Magisters Simon Kézai]. Budapest 1906, 115 – 121; Mályusz, Az V. István-kori gesta (wie Anm. 81), 63. 93 Mályusz, Az V. István-kori gesta (wie Anm. 81), 124. 94 Simor, Johannes: Monumenta Ecclesiae Strigoniensis. Hg. v. Nándor Knauz. Bd. 1: Ab a. 979 ad a. 1273. Strigonia 1881, 345 f.

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aus einigen veröffentlichten Dokumenten, als Armenier von dort schon längst in die „damalige Ortschaft der Armenier“ (quandam terra Armenorum) weggegangen waren.95 Aufgrund der veröffentlichten Dokumente 96 von László IV. vom 1. März 1281 und Andreas III. von 1290 ist es möglich, genau die Lage der „Armenischen Ortschaft“ (terra Armenorum) festzustellen. Laut des oben genannten Dokumentes von Ladislaus IV. hat er die von Armeniern bewohnte Ortschaft den Mönchen der augustinischen Bruderschaft zur Verfügung gestellt. Hier errichteten die Augustiner ihr Kloster „Heilige Anna“. 1290 wandten sie sich mit einer neuen Bitte an den König, als sie für die Erweiterung des Klosters noch um die Grundstücke der Umgebung baten. Andreas III. kam noch im selben Jahr dieser Bitte nach und erweiterte das Landgut auf Kosten eines neuen Teils der „Armenischen Ortschaft“.97 Den Augustinern ist dieses Territorium für die Gründung der Schule gegeben worden, um dort Theologie und andere Wissenschaften zu unterrichten. Einige andere Dokumente erwähnen die umgangssprachliche Variante der Bezeichnung „Vorortssiedlung der Armenier“.98 Einige Schwierigkeiten bereitet die Tatsache, dass die „Armenische Ortschaft“ als Gegenstand des Anliegens der ungarischen Könige zweimal urkundlich verschenkt worden ist – 1281 von Ladislaus IV. und 1290 von Andreas III. Die Lösung hierzu ist, dass das von ­Ladislaus IV. den Augustinern geschenkte Territorium nicht die gesamte „Armenische Ortschaft“ umfasste. Wir müssen annehmen, dass das den Augustinern übereignete Grundstück auch nicht allzu groß gewesen ist, denn fast ein Jahrzehnt später baten sie den König um die Erweiterung ihres Klosters um ein neues Grundstück. Diese beiden Grundstücke zusammengenommen sollten schon ein recht beachtliches Territorium umfasst haben, da es sich von der Landgutsgrenze der Kirche „Heilige T’ovma [Thomas]“ bis zu dem Landgut der Dominikaner, das viel später gegründet wurde, erstreckte. Es ist auch möglich, dass die in den königlichen Dokumenten erwähnte „Armenische Ortschaft“ in beiden Fällen nicht das damalige armenische Landgut betraf, sondern auch mit den nach den tatarischen Invasionen verlassenen, verkommenen Landgebieten, die sich nördlich und südlich des eigentlichen Landguts erstreckten, gleichzusetzen war. Die Dokumente von 1243 benennen die Zeit der armenischen Einwanderung nicht eindeutig. Der Ausdruck „zur Zeit ihrer königlichen Vorfahren und zu ihrer Zeit [d. h. zur Zeit von Béla IV.]“ ist eine sehr allgemeine Angabe, wodurch der Anfang der Gründung der armenischen Gemeinde in Esztergom schwer zu verorten ist. Der Ausdruck „Vorfahren“ kann sich nicht auf die Fürstenzeit beziehen, wie wir bereits oben gesehen haben. Falls zu Königszeiten zahlreiche Armenier nach Ungarn ausgewandert wären, würde darüber bestimmt etwas in den Dokumenten stehen, da das die Tatsache lang bestehender Bürgerrechte bewiese. 95 Schünemann, Konrad: Die Entstehung des Städtewesens in Südosteuropa. Breslau 1929 (Südosteuropäische Bibliothek 1), 56, 67. 96 Simor, Monumenta Ecclesiae Strigoniensis (wie Anm. 93), Bd. 2: Ab a. 1273 ad a. 1321. Strigonia 1882, 142 f. (Nr. 112). 97 Ebd., 271 (Nr. 265). 98 Ebd., 248 (Nr. 228).

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Da die armenische Kolonie vom Handel geprägt gewesen ist, können wir sie aus der Sicht der frühen Zeit mit den Handelskolonien der anderen Nationen in Ungarn vergleichen. Die Könige Ladislaus der Heilige und Koloman haben oft verschiedene Order auf Anweisung ihrer Großväter veröffentlicht, um die Tätigkeit der mohammedanischen (Ismailiten, Böszörmény-Volksgruppe) wie auch der jüdischen Händler und der Steuerpächter einzuschränken.99 Die genannten Händler werden auch in den späteren Quellen zahlreich erwähnt; über armenische Händler hingegen gibt es solche Angaben nicht. Mit den gegen jüdische Händler unternommenen Maßnahmen wurde bezweckt, sie zum Christen­tum zu bekehren. Da aber die Armenier Christen waren, wurden keine Vorkehrungen gegen sie unternommen. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass auch die nach Ungarn eingewanderten Armenier keine Anhänger der römisch-katholischen Kirche waren, sondern der monophysitischen Ostkirche angehörten. Sie wurden daher von den Oberhäuptern der katholischen Kirche und sogar am Bischofssitz als eine gefährliche Sekte angesehen. Kurz gesagt: die Tatsache, dass wir in den Befehlen der ungarischen Könige hinsichtlich der Händler keine Angaben über Armenier finden, bedeutet, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Ungarn waren. Wenn wir über das Nichterscheinen der Armenier in Dokumenten sprechen, müssen wir die Tatsache erwähnen, dass die Hofkanzlei ihre Tätigkeiten nur ein halbes Jahrhundert vor der tatarischen Invasion begonnen hat. Mit seinem Befehl von 1181 hat Béla III. die Niederschrift der königlichen Anordnungen eingeführt: „Alles, was vor der Majestät diskutiert wird, soll schriftlich bestätigt werden.“100 Obwohl diese Neuerung noch lange kein Allgemeingut war, beeilten sich die Landgutsmänner, ihre Güter schriftlich bestätigt zu bekommen. Wenn Armenier zur Zeit von Béla III. nach Ungarn eingewandert wären, was in Anbetracht der engen Beziehungen dieses Königs zu Byzanz wahrscheinlich zu sein scheint, wäre dies unbedingt in die 1243 neu bearbeiteten Dokumente aufgenommen worden. Es ist unwahrscheinlich, dass ein einstmals vorhandenes altes Dokument verloren gegangen ist; in diesem Falle wäre im Original der Verleger oder in der Kopie das Datum des Originals erwähnt. Es ist aber möglich, dass die in der Nähe der Festung Esztergom lebenden Armenier in die Festung geflüchtet waren, nachdem sie die Nachricht vom Herannahen der Tataren bekamen. Der Graf Simon verteidigte bis zum Abzug der Tataren diese Festung erfolgreich. Andernfalls wären die Armenier zusammen mit den Latinern, wie Franken und Lombarden, den Tataren zum Opfer gefallen, wenn sie, wie diese, in die nur mit einem Pfahlzaun befestigte Stadt der Latiner geflohen wären.101 99 Pauler, Gyula: A magyar nemzet története az Árpádházi királyok alatt [Die Geschichte der Ungaren unter den Arpaden]. Bd. 1. Budapest 1899, 166 – 168, 178. 100 Fejér, Györgi: Codex diplomaticus Hungariae. Bd. 1. Budae 1829, 198. – Mályusz, Az V. István-kori gesta (wie Anm. 81), 13 f. 101 Rogerius Carmen miserabile super Destructione Regni Hungariae per Tartaros. In: SRH (wie Anm. 40), Bd. 2. Budapest 1938, 543 – 588, hier 584 f.

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Es ist wahrscheinlicher, dass das genannte Dokument aufgrund der mündlichen Verkündung nach Brauchtumsrecht und des Erkennungsprinzips der Ereignisse („denn es wurde bekannt, dass sie von diesem Recht Gebrauch gemacht haben“) von den armenischen Gemeindevorstehern formuliert wurde. Laut der Angaben der „vorherigen Könige“ strebten die Armenier aus Esztergom auf jeden Fall danach, den Eindruck einer früheren Staatsangehörigkeit zu erwecken. Aber das Fehlen weiterer Informationen über sie lässt uns vermuten, dass sie zur Zeit der „vorhe­rigen Könige“ vielleicht nur in unbedeutenden Gruppen nach Ungarn eingewandert waren. Möglicherweise kam deren Mehrheit erst während der Massenauswanderung der Armenier nach Nordwesten infolge des tatarisch-mongolischen Überfalls auf Armenien dort an. Tatarische Horden aus dem Süden hatten 1236 Kaukasus und Armenien erreicht. Zu diesem Zeitpunkt begann die Massenauswanderung aus dem Kaukasus nach Norden, auf die Krim und von dort aus in Richtung der nordwestlichen Länder des Schwarzen Meers. Die ungarischen Könige nahmen all die Einwanderer mit offenen Armen auf, da sie imstande waren, die militärische und wirtschaftliche Lage des Landes, das von den tatarischen Überfällen bedroht war, zu verbessern. Was das spätere Schicksal der armenischen Kolonie in Esztergom betrifft, sind wir gezwungen, uns nur mit Vermutungen zu begnügen. Nach der tatarischen Invasion war es in Ungarn keinesfalls unbegründet, sich vor einer neuen Invasionsgefahr in Acht zu nehmen. Demzufolge hat Béla IV . den Königssitz aus militärischen und wirtschaftlichen Gründen nach Buda verlegt und siedelte die übrig gebliebenen Einwohner aus dem verödeten Esztergom um. Aus dem Dokument von 1243 kann man vermuten, dass auch die armenischen Einwanderer nach der tatarischen Invasion Esztergom umgehend verlassen haben, da sie weder davor noch danach in den Dokumenten erwähnt werden. Es ist auch unwahrscheinlich, dass sie sich mit der Bevölkerung von Buda oder einer anderen Stadt vermischt haben, denn in diesem Falle würden zumindest die armenischen Namen die damalige Existenz der Armenier verraten. Auf jeden Fall verschafften sie sich im Resümee des für sie veröffentlichten Privilegs das Recht zum Umsiedeln, indem sie den König baten, sich im ganzen Land frei mit Handel beschäftigen zu dürfen. Das von den Tataren verwüstete Land bot ihnen keine günstigen Bedingungen, sich erfolgreich zu entfalten, weswegen sie wahrscheinlich bald von dort fortgingen. Es ist noch wichtig, die Richtung ihrer Auswanderung zu klären. Als Transithändler konnten sie sowohl westwärts als auch ostwärts gehen. In Anbetracht ihrer Erfahrungen im Fernhandel können beide Richtungen in Erwägung gezogen werden. Viel wahrscheinlicher ist jedoch ihre Umsiedlung nach Lemberg, da zu diesem Zeitpunkt Lemberg die Kolonie im Nordosten war, die armenische Einwanderer aufgrund ihrer günstigen Lage für die Entwicklung neuer Handelstätigkeiten Richtung Westen anzog. Auf jeden Fall finden wir armenische Händler auf dem Territorium Ungarns in den späteren Jahrhunderten. Sie werden gelegentlich in den Dokumenten aus Transsilvanien als ständige Reisende auf der internationalen Handelsstraße Lemberg–Moldau erwähnt. Ein interessantes Quellendetail ist, dass armenische Händler aus Lemberg größtenteils

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über den Gebirgspass von Kronstadt (Braşov, Brassó) nach Ungarn einwanderten, was bedeutet, dass sie ihre Waren nicht über die in unmittelbarer Nähe liegenden nördlichen Gebirgspässe, sondern aus dem Süden, durch Kronstadt, einführten. Der Hauptgrund dafür war, dass ausschließlich dieser Weg nach Transsilvanien die Eignung für schwere Wagen bot.102 Die aus dem armenischen Zentrum in Lemberg durch die Moldau und die Walachei nach Ungarn verlaufende Handelsstraße war eine günstige Verbindung zu der levantinischen Handelsstraße, die aus dem Osten über das Schwarze Meer nach Westeuropa führte.103

102 Nistor, Jancu: Handel und Wandel in der Moldau bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Czernowitz 1912, 16 f., 25 f. 103 Pach, Zsigmond Pál: A Levante-kereskedelem erdélyi útvonala I. Lajos és Zsigmond korában [Die Siebenbürgische Straße des Levanten Handels in der Zeit Ludwigs I. und Siegmunds]. In: Századok 109 (1975), 3 – 32, hier Nr. L.

Jaroslav R. Daškevyč

Die Armenierviertel in den Städten der Ukraine (14. – 18. Jahrhundert) Die für viele Städte der Ukraine im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit charakteristische Existenz von separaten Armeniervierteln ist ein Phänomen, das aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht zu werden verdient. So lässt sich die Vergangenheit dieser Viertel beispielsweise auf der Ebene der Soziotopografie, der Demografie, der Rechtsgeschichte oder auch der Bau- und Architekturgeschichte betrachten. Letztere sowie in begrenztem Maße auch die Urbanistik liegen der vorliegenden Studie zugrunde, was selbstverständlich nicht die Notwendigkeit leugnet, das Phänomen in seiner ganzen Vielschichtigkeit und Komplexität zu erforschen. Ungeachtet des Umstandes, dass die Architektur der Armenierviertel in den Städten der Ukraine des 14.–18. Jahrhunderts erst unzureichend erforscht ist – existiert bereits heute wertvolles faktografisches Material –, wurden vorläufige Synthesen verfasst, die es ermög­ lichen, die sich dem Forscher stellende, ganz praktische und wichtige Frage zu beantworten: Wie realistisch ist eine Rekonstruktion der baulich-architektonischen Manifestationen des Lebens der Armenier in der Ukraine, Manifestationen, die in ihrer überwiegenden Mehrzahl im Laufe der Jahrhunderte verlorengegangen sind? Bei dem Versuch, diese wichtige Frage zu beantworten, werden wir uns auf Genese und Formierung der Viertel konzentrieren, auf Quellen und Forschungsstand, auf eine Typologie der Armenierviertel und auf eine Charakterisierung ihrer architektonischen Gestalt. Außerdem wird es unerlässlich sein, sich, wenn auch nur kurz, bei der für die armenische Kulturgeschichte so wichtigen Frage nach den Wechselbeziehungen zwischen den armenischen Elementen in der Baukunst der Kolonien und der in der Diaspora vorherrschenden und völlig anderen Stilistik aufzuhalten. Indem wir die vorläufigen Forschungsresultate anführen, bemühen wir uns auch, auf jene in bedeutendem Maße quellenkundlichen Probleme hinzuweisen, die noch ihrer Lösung harren. Ausgehend von den in der Vergangenheit dominierenden baustilistischen Spezifika lässt sich das Territorium der heutigen Ukraine in drei Regionen unterteilen: die Schwarzmeerregion mit einem im 15.–18. Jahrhundert vorherrschenden türkisch-tatarischen Architekturtypus, die Donauregion mit einer Vorherrschaft der moldauischen Architektur (14.–18. Jahrhundert) und schließlich die rechts des Dnepr gelegene Region der westlichen Ukraine, wo die bis zum 14. Jahrhundert mit einer altukrainischen Bauweise koexistierende byzantinische und romanische Architektur von anderen, westeuropäischen Stilen abgelöst wurde (14.–18. Jahrhundert), die das einheimische Kultursubstrat überlagerten. Die überwiegende Mehrheit der armenischen Kolonien verteilte sich auf dem Gebiet der dritten Region, die auch Gegenstand

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dieser Studie sein soll. Diese Region hatte im 14.–18. Jahrhundert eine Reihe von politischen Veränderungen erlebt. Nach dem Untergang des Fürstentums Halyč-Wolhynien (1349) geriet dessen Territorium unter die Herrschaft Polens und Litauens und kurzzeitig auch Ungarns, um dann im 18. Jahrhundert in Russland und Österreich aufzugehen.

Die Genese der Armenierviertel In der mittelalterlich-frühneuzeitlichen (wie auch in der modernen) Stadt unterscheidet man bei einer soziotopografischen Herangehensweise zwei Kategorien von Räumen: die über­ geordneten wie Viertel, Zentrum, Vorstadt sowie städtische Kardinalpunkte, und die ihnen untergeordneten wie Straße, Platz und Gebäude. Unsere Vorstellung von einem Armenierviertel gehört in die übergeordnete Kategorie; aber nicht alle armenischen Ansiedlungen (die von uns so genannten Kolonien) befanden sich tatsächlich auf diesem Niveau. Es gab einige nicht-architektonische Faktoren, die die Herausbildung eines Viertels als stadträumliche Struktur beeinflussten: das Vorhandensein einer mehr oder minder bedeutenden und relativ stabilen armenischen Bevölkerungsgruppe, das Entstehen einer rechtlich-administrativen Autonomie (Selbstverwaltung), die Existenz einer (entsprechend dem Charakter der armenischen Kirche monoethnischen) Religionsgemeinde und anderer sozialer Vereinigungen und Einrichtungen wie Bruderschaften, Zünfte, Schulen, Spitäler oder Finanzierungsgesellschaften (Banken) armenischer Kaufleute. Separate armenische Wohnviertel als stabile sozio-ethnische Einheiten entstanden in Mittelalter und Früher Neuzeit in mehr als 20 Städten der Ukraine. In großen Städten wie Kiew, Lemberg (Lwów, L’vov; heute L’viv), Kamieniec Podolski (Kamenec-Podolski; heute Kam’janec’-Podil’s’kij) oder Stanislau (Stanis­law, Stanislawiw, Stanisławów; heute Ivano-Frankivs’k) nahmen sie einen bedeutenden Raum ein und drückten mittleren und kleinen Städten wie Zamość, Jazłowiec (Jazlovec’; heute Jablunovka), Tyśmienica (Tismenicja), Śniatyń (Snjatin), Kuty (Kuti), Studzieniec (Studenica) oder Mohylów Podolski (Mogiliv Podil’s’kyj) ihren Stempel auf. Die Existenz eines Armenierviertels spiegelte sich in den meisten Fällen in der Mikrotoponymie der Stadt wider, in Bezeichnungen wie Armenierstadt, Armenierviertel, Armeniervorstadt, armenischer Rechtsbezirk (jurydyka), Armenierstraße, Armenierplatz, Armenierbrücke u. a. Doch auch das Fehlen eines entsprechenden, möglicherweise nicht bis heute überlieferten Toponyms bedeutet noch nicht, dass tatsächlich kein Armenierviertel existierte. Die Entstehungszeit der Viertel ist unterschiedlich. Das Viertel in Kiew existierte offenbar schon in der vormongolischen Zeit, also vor 1240, auch wenn sich keine direkten Quellenbelege darüber erhalten haben.1 In Lemberg und Kamieniec Podolski konstituierten sich 1 Die in der Literatur anzutreffenden Behauptungen, dass in Kiew in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ein Armenierviertel existiert habe, beruhen auf einem Missverständnis: I. Troickij ist seinerzeit ein Fehler unterlaufen, als er schrieb, dass der Hl. Feodosij Pečerskij in Kiew mit den Armeniern in deren Viertel religiöse Disputationen geführt habe (Troickij, I.: Izloženie very cerkvi armjanskija.

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die Viertel schon bald nach der Gründung dieser Städte, also in der zweiten Hälfte des 13. bzw. 14. Jahrhunderts.2 In der Mehrzahl der kleineren Städte, besonders in denen Podoliens und des Karpatenvorlandes, entstanden die Armenierviertel erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts oder sogar noch später. Die Existenz und das Funktionieren eines solchen Viertels waren davon abhängig, ob dort auch Armenier wohnten; ein Viertel „starb“ in dem Moment, in dem seine Bewohner an andere Orte auswanderten oder als Folge eines Assimilationsprozesses, der in einigen Kolonien jedoch erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts oder sogar erst im 20. Jahrhundert seinen Abschluss fand. Die früheste Erwähnung eines armenischen Viertels bezieht sich auf Lemberg: in den Erinnerungen des deutschen Alchimisten Leonhard von Marburg, der sich 1394 in Lemberg aufhielt, wird ein vicus armenorum (Armenierviertel) erwähnt.3 Toponymische Daten belegen außerdem die Existenz armenischer Viertel in den folgenden Städten: Brzeżany [Berežani] (Armenierstraße), Brody (Armenierstraße), Złoczów [Zoličiv] (Armenierstraße), Kamieniec Podolski (circulus armenorum 15254, Armenierstraße, Armenierplatz), Łuck [Luc’k] (Armenierstraße, armenischer Rechtsbezirk), Lemberg (Armenierviertel, s. o., Armeniervorstadt – suburbium Armenicale 14895; die Ormenische Gasse 14416; in der Folgezeit armenische Ober-, Unter- und Quergasse, alle in der Stadt 7; [Darstellung des Glaubens der armenischen Kirche]. Sankt Peterburg 1875, 246). Tatsächlich ist in der entsprechenden Quelle, der Vita des Heiligen (Žitie sv. Feodosija) von Disputationen mit Juden die Rede. Vgl. Dachkévytch, Yaroslav: Les Arméniens à Kiev (jusqu’à 1240). 1ère partie. In: Revue des Études Arméniennes 10 (1973/74), 356 – 358. 2 Kripjakevič, I. P.: K voprosu o načale armjanskoj kolonii vo L’vove [Zu den Anfängen der armenischen Kolonie in Lemberg]. In: Istoriko-filologičeskij žurnal 1 (1963), 163 – 165; Daškevič, Jaroslav P.: Kamenec – ešče raz [Noch einmal zu Kamenec]. In: Russia Mediaevalis 5/1 (1984), 8 – 11. 3 Corbett, James: L’alchimiste Léonard de Maurperg (XIVe siècle), sa collection de recettes et ses voyages. Paris 1936 (Bibliothèque de l’École des Chartes, Bd. 97), 140. Lemberg wird dort unter dem Namen Livouia erwähnt (in der Edition falsch wiedergegeben als Livonia). Als Argument für eine Identifizierung der Stadt Livouia mit Lemberg lässt sich anführen, dass der Armenier Dmitrij, an den Leonhard sich wandte, tatsächlich an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert in Lemberg lebte (Voigt, Johannes: Geschichte Preußens von den ältesten Zeiten bis zum Untergange der Herrschaft des Deutschen Ordens. Bd. 6. Königsberg in Preußen 1834, 134). 4 Matricularum Regni Poloniae summaria (im Folgenden MRPS). Hg. v. Teodor Wierzbowski. Bd. 2. Varsovia 1912, Nr. 14155. Die Quellenverweise beziehen sich auf Material aus dem 14.–15. Jahrhundert, aber auch auf spätere Quelleninformationen, sofern sie die oben angeführten räumlichen Kategorien betreffen. Zu weiteren mikrotoponymischen Quellen vgl. Daškevyč, Ja.: Rozselennja virmeniv na Ukrajini v XI‒XVIII st. [Die Ansiedlung der Armenier in der Ukraine im XI.‒XVIII. Jahrhundert]. In: Ukraїns’kyj istoryko-geografičnyj zbirnyk, Nr. 1, Kyïv (1971), 151−181. 5 Central’nyj deržavnij istoričnij archiv Ukrainy u L’vovi [Zentrales Historisches Staatsarchiv der Ukraine in Lemberg] (im Folgenden CDIA-L), Fond 52, Inv. 2, Bd. 8, 557. 6 Pomniki dziejowe Lwowa [Lemberger Geschichtsdenkmäler]. Bd. 4. Hg. v. Aleksander Czołowski und Franciszek Jaworski. Lwów 1921, 2 f., 13, 16. 7 Zu den Lemberger Bezeichnungen vgl. Hrabko, L. P/Mel’nyk, B. V.: Dovidnyk perejmenuvan’ vulyc’ ta plošč L’vova [Findbuch der Umbenennungen Lemberger Straßen und Plätze], L’viv 1971, 11−12.

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Armenierstraße, -platz und -brücke – pontum Armenicale – 14838 und Armenierbrückenstraße in der Krakauer Vorstadt), Mohylów Podolski (Armenierstraße), Olesko [Oles’ko] (Armenierstraße), Śniatyń (Armenierstraße), Stanislau (je eine Armenierstraße in der Stadt und in der Tyśmienicer Vorstadt), Jazłowiec (Armenierstadt – miasto Ormiańskie – 16729, Armeniermarkt). Diesen elf Städten lassen sich noch die folgenden hinzufügen, für die sich indirekte Belege dort existierender Armenierviertel erhalten haben (d. h. Belege einer administrativ-religiösen Autonomie der dortigen Gemeinden): Bełz (Bels), Buczacz (Bučač), Włodzimierz Wołyński (Volodimir Volins’kyj), Horodenka, Żwaniec (Žvanec’), Kiew, Kuty, Łysiec (Lisec’), Obertyn (Obertin), Podhajce (Pidhajci), Raszków (Raškiv), Studzieniec, Tyśmienica sowie Józefgród (Balta). Der Begriff des „Armenierviertels“ existierte faktisch und traditionell, doch in offiziellen Dokumenten fiel er nur selten und wurde ungern verwendet. Gewöhnlich wurde er durch umschreibende Phrasen oder Formulierungen zur ethnischen Zuordnung wie „armenische natio“ (natio Armenorum vel Armenicalis) ersetzt. Während in einer königlichen Urkunde aus dem Jahr 1525 ein Armenierbezirk in Kamieniec Podolski erwähnt wird,10 ist in einem königlichen Dekret von 1651 in Bezug auf die Lemberger Armenier lediglich von „ihren Straßen“ (platea suae) zu lesen,11 und in einer Urkunde für die Armenier von Stanisławów aus dem Jahr 1677 wird der Begriff „Rechtsbezirk der armenischen natio“ (jurysdykcia nacji ormiańskiej) verwendet, und zwar nicht nur im juristischen, sondern auch im territorialen Sinne, wenn die Anweisung erteilt wird, dass im Falle einer Aufteilung der Stadt unter den Nachfolgern des Königs der armenische Rechtsbezirk nicht aufgeteilt werden dürfe.12 Gleichzeitig aber muss man sich bei der Lokalisierung der Armenierviertel vor Vereinfachungen und einer Gleichsetzung von Viertel und Straße hüten. Besonders in der Blütezeit der armenischen Kolonien konnten Armenier auch jenseits „ihrer“ Straße wohnen. Andererseits tauchten gleichzeitig mit dem Absterben armenischen Lebens in einer solchen Armenierstraße auch Angehörige anderer Nationalitäten auf. Der Ort, an dem sich die Armenier in einer Stadt niederließen, wurde vom Stadtherrn, d. h. vom jeweils herrschenden Fürsten bzw. König (im Fürstentum Halyč-Wolhynien), Großfürsten (in Litauen) oder König (in Polen) festgelegt, oder vom adligen Feudalherrn, wenn es sich um eine Privatstadt handelte. Die Anordnungen eines Stadtherrn zu dem Ort, an dem sich die Armenier ansiedeln sollten, darf man nicht so auffassen, als

8 Akta grodzkie i ziemskie [Stadt- und Landakten]. Bd. 15. Lwów 1891, Nr. 1648. 9 L’vivs’ka naukova biblioteka Akademii Nauk Ukrainy [Bibliothek der Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Lemberg] (im Folgenden LNB), Handschriftenabteilung, Fond Ossoliński, Nr. II, 1485, Bl. 86 f. 10 MRPS, Bd. 2, Nr. 14155. 11 Bischoff, Ferdinand: Urkunden zur Geschichte der Armenier in Lemberg. Wien 1864, 117. 12 Chowaniec, Czesław: Ormianie w Stanisławowie w XVII i XVIII wieku [Die Armenier in Stanisławów im 17. und 18. Jahrhundert]. Stanisławów 1928, 51.

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hätte man ihnen ausschließlich in dem entsprechenden Viertel zu wohnen erlaubt.13 Die Armenier konnten auch außerhalb des für sie vorgesehenen Ortes wohnen, was sie jedoch vermieden; sie zogen es aus unterschiedlichen Gründen vor, sich innerhalb des eigenen Viertels niederzulassen. Der wichtigste Faktor war dabei zweifelsohne der Wunsch, sich sozusagen „um den eigenen Herd“ zu scharen; auf diese Weise wurde die Stabilität der Gemeinschaft vis-à-vis einer ihr nicht immer freundlich gesonnenen, anderen Nationalitäten und Religionsgruppen angehörenden (ein im Mittelalter sehr wichtiges Moment) Umgebung gestärkt. Die wechselseitigen Beziehungen basierten auf der Opposition „wir (die Eigenen)“ gegenüber „sie (die Fremden)“; dies wurde durch – besonders in der Zeit der kämpferischen Gegenreformation in Polen spürbare – Versuche verstärkt, die Rechte der Kolonisten auch in Hinblick auf ihren Wohnort einzuschränken. Bis zur Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert, d. h. bis zur endgültigen Umsetzung der Union der armenischen Kirche Polens und der Ukraine mit Rom, wurden den Armeniern verschiedene ökonomische, rechtliche und religiöse (man betrachtete die Armenier als „Schismatiker“) Beschränkungen auferlegt.14 Noch 1682 wurde ein Armenier bei seiner Aufnahme in die Bürgerschaft von Stanislau gezwungen, einen Eid zu leisten, dass er „keinerlei Geheimnisse über die Grenzen des Königreiches hinaustragen“ werde. 15 All das spiegelte sich in Charakter und Größe der Armenierviertel wider, die häufig einer strengen Reglementierung unterlagen. So wurde zum Beispiel 1597 in Lemberg die Forderung erhoben, den Platz, an dem die Armenier lebten, zu begrenzen (dafür traten sowohl das katholische Patriziat Lembergs als auch der katholische Erzbischof Solikowski

13 So schreibt etwa R. Lipka, dass in Lemberg ein gesondertes Tor für das Armenierviertel existiert habe (Lypka, R. M.: Amsambl’ vulyci virmens’koї [Das Ensemble der Armenischen Straße]. L’viv 1983, 12). Der Autor hielt das Tor zum armenischen Friedhof für ein Tor in das Armenierviertel (zu diesem Friedhofstor vgl. eine Erwähnung aus dem Jahr 1646 in: Mańkowski, Tadeusz: Sztuka Ormian ­lwowskich [Die Kunst der Lemberger Armenier]. In: Prace Komisji Historii Sztuki 6/1 (1934), 70). 14 Dazu die Aussagen polnischer Historiker: Łoziński, Władysław: Patrycjat i mieszczaństwo lwowskie w XVI i XVII wieku [Patriziat und Bürgertum in Lemberg im 16. und 17. Jahrhundert]. Lemberg 2 1892, 269; Balzer, Oswald Marian: Sądownictwo ormiańskie w średniowiecznym Lwowie [Das armenische Rechtswesen im mittelalterlichen Lemberg]. Lwów 1910, 72 f.; Ptaśnik, Jan: Walki o demokratyzację Lwowa od XVI do XVIII wieku [Der Kampf um eine Demokratisierung Lembergs im 16.–18. Jahrhundert]. Lwów 1925, 23 f.; ders.: Miasta i mieszczaństwo w dawnej Polsce [Stadt und Bürgertum im alten Polen]. Warszawa 21949, 274 – 276, 281; Charewiczowa, Łucja: Ograniczenia gospodarcze nacji schizmatyckich i Żydów we Lwowie [Wirtschaftliche Restriktionen gegen Schismatiker und Juden in Lemberg]. In: Kwartalnik Historyczny 39/2 (1925), 193 – 227; Gierszowski, Stanisław: Obywatele miast Polski przedrozbiorowej [Die Bewohner der Städte Polens vor den Teilungen]. Warszawa 1973, 74 – 76; Lustracja województwa ruskiego 1661 – 1665 [Lustration der Woiwodschaft Rus’ 1661 – 1665]. Bd. 2. Hg. v. Kazimierz Arłamowski und Wanda Kaput, Wrocław u. a.  1974, 6; Wypowiedzi w diskusji [Diskussionsbeiträge]. In: Miasta doby feudalnej w Europie środkowowschodniej. ­Warszawa-Poznań-Toruń 1976, 322 f. 15 Chowaniec, Ormianie w Stanisławowie (wie Anm. 12), 28.

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ein).16 Mit einem königlichen Dekret aus dem Jahr 1600 wurde es den Armeniern untersagt, mehr als 73 Häuser in der Stadt zu besitzen, der Besitz von Immobilien am Markt wurde ihnen ganz verboten.17 Den zu jener Zeit in Lemberg entbrannten Streit um eine räumliche Beschränkung des Armenierviertels charakterisiert eine Äußerung des polnischen Philosophen Petrycy aus dem Jahr 1605: „Den Armeniern gaben sie eine Straße im Norden, auf der rückwärtigen Seite [des Marktes]; sie bebauten diese jedoch so, dass sie mit ihren Ausgängen beinah bis zum Markt durchstießen. Jedes steinerne Haus am Markt hatte einen Durchgang zur anderen Seite, wo die Armenier die Höfe einnahmen. [Jetzt] hat kein einziges Haus einen Durchgang oder eine Durchfahrt mehr, außer dem einen beim Gießer, doch auch dort kommt man mit einem Zuber Wasser kaum hindurch […]. Die Kirche Corpus Christi der Dominikanerbrüder haben sie so bedrängt, dass sie auch den ganzen Friedhof bebaut haben, und an die Kirchenwand beim Klostertor haben sie ein Haus gebaut […]. Sie haben überall, wo es ging, gebaut, Bauten nicht nur aus Notwendigkeit, sondern auch des Vergnügens halber: Anbauten, Bäder, Gärten, Säle, in der Stadt wie auch in der Vorstadt. Entgegen dem vor kurzem ausgegebenen Dekret wohnen sie am Markt.“18 Die diskriminierenden Beschränkungen trugen dazu bei, dass sich die Armenier zu einer homogenen nationalen Gemeinschaft zusammenschlossen. Es ist anzunehmen, dass das auffällige Fehlen armenisch-nationaler Elemente in der Architektur der Armenierviertel des 16.–17. Jahrhunderts solcher Städte wie Lemberg oder Stanisławów mit der Notwendigkeit zusammenhängt, seine nationalen Gefühle nicht allzu deutlich zu äußern. In Kamieniec Podolski waren die Beschränkungen geringer. Allerdings war auch der dortige Armeniervogt Zadykowicz (gest. 1565) gezwungen, 23-mal beim König vorzusprechen, um „das Recht auf das eigene Gericht zu verteidigen, das die Polen den Armeniern aus den Händen nehmen wollten“19; und ihr Rathaus mussten die Armenier ohne den für die Rathäuser in Polen und der Ukraine so typischen Turm bauen (an der Fassade verwendete man jedoch ein armenisches epigrafisches Element). In Lemberg wurden dagegen die Gebäude nur im Inneren – in Räumen, Aufgängen und geschlossenen Höfen – mit armenischen Aufschriften verziert. Jenseits des eigenen Viertels ließen sich Armenier noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nur ungern nieder. Aus dieser Beobachtung ist ein für Architekturhistoriker wichtiger Schluss zu ziehen: Die auf dem Areal der mittelalterlich-frühneuzeitlichen Armenierviertel

16 Solikowski, J. D.: Szrodki do zgody podane między pany rajce i miescanie catholickie a p. Ormiany [Die Mittel, verwendet auf eine Übereinkunft zwischen den Herren katholischen Ratsmännern und Bürgern und den Herren Armeniern]. In: CDIA-L, Fond. 52, Inv. 1, Bd. 136, 249. 17 Bischoff, Urkunden (wie Anm. 11), 96. 18 Petrycy, S.: Jesli Żydowie więcey podeyrzani y gorszy są Rzeczyposp. nizli Ormianie [Wenn die Juden verdächtiger und der Adelsrepublik schädlicher sind als die Armenier]. In: Aristotelesa Polityki to iest Rządu Rzeczypospolitej z dokładem ksiąg ośmioro. Bd. 1. Kraków 1605, XXXI. 19 Zitat aus der armenischen Chronik von Kamieniec Podolski (Ališan, L: Kamenic; Taregirk’ hayoc’ Lehastani ew Rowmenioy Venice, 1896).

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erhaltene alte Bebauung (bis zum Ende des 18. Jahrhunderts) kann als Überrest einer genuin armenischen Architektur gelten, die erst in den darauf folgenden Jahrhunderten einige Veränderungen erfuhr. In verschiedenen Rechtsdokumenten wurde nicht nur das Territorium der Armenierviertel beschränkt, sondern fast immer auch deren monumentalarchitektonische Ausstattung festgelegt, indem man Lage und Zahl der Kirchen und Gebäude für die Selbstverwaltungsorgane reglementierte. Sobald es um die Errichtung einer „schismatischen“ Kirche ging, benötigte man eine gesonderte Genehmigung des Stadtherrn, und für den Bau eines armenischen Rathauses in Kamieniec Podolski, an Stelle des zuvor abgebrannten, war 1604 die Genehmigung des Königs selbst notwendig.20 In anderen Städten wurde die Errichtung armenischer Rathäuser gar nicht erst erlaubt; für die Sitzungen der armenischen Gerichte wurden, damit diese sich der Beobachtung nicht entziehen konnten, Räume im städtischen Rathaus bestimmt, so zum Beispiel in Lemberg und Stanislau. Bis zu einem gewissen Maße wurde, besonders in den westukrainischen Städten mit ihrer strikten Raumplanung innerhalb der Stadtmauern, auch der Charakter der Bebauung reglementiert: So entstand entlang einer Armenierstraße oder eines Armenierplatzes aus Angst vor Bränden eine kompakte Reihe von überwiegend steinernen Häusern. Die an ein Armenierviertel angrenzenden Befestigungsanlagen wurden der Aufsicht der Armenier übertragen und erhielten Benennungen wie „armenischer Turm“ (für Lemberg wird etwa 1606 ein „armenischer Turm“, ormiańska wieża, erwähnt)21, „armenische Bastion“ (bastione die pietre secate fatto della natione Armeno, Kamieniec Podolski)22, „Armeniertor“ (Studzieniec 1633, Jazłowiec 1669)23 oder Armenierpforte (Stanislau im

20 Zum Inhalt der Urkunde Marczyński, Wawrzyniec: Statystyczne, topograficzne i historyczne opisanie gubernii podolskiej z rycinami i mapami [Statistische, topografische und historische Beschreibung des Gouvernements Podolien]. Bd. 3. Wilno 1823, 12 f. 21 CDIA-L, Fond 9, Inv. 1, Bd. 215, 315, Bd. 361, 590; Oganesjan, M. L.: Armjanskie pereselency i nacional’no-osvoboditel’naja bor’ba ukrainskogo naroda protiv turecko-tatarskich zachvatčikov [Die armenischen Siedler und der nationale Befreiungskampf des ukrainischen Volkes gegen die turkotatarischen Besatzer]. In: Istoričeskie svjazi i družba armjanskogo i ukrainskogo narodov. Bd. 3. Erevan 1971, 238. Die Aussagen dieses Autors über eine armenische Redoute in Lemberg werden durch die Quellen jedoch nicht gestützt. 22 Die womöglich erste Erwähnung auf einem 1684 in Rom publizierten Ansichtsplan von Kamieniec Podolski: Central’nyj gosudarstvennyj voenno-istoričeskij archiv Rossii [Zentrales Militärhisto­ risches Staatsarchiv Russlands] (im Folgenden CGVIA), Fond VUA, Nr. 21998. In der Literatur wird außerdem davon gesprochen, dass in Kamieniec Podolski neben einer armenischen Bastion auch ein „armenischer Wehrturm“ existiert habe (Škurko, S.: Armjanskie architekturnye pamjatniki v gorode Kamenec-Podol’ske [Armenische Architekturdenkmäler in Kam’janec-Podil’s’kij]. In: Istoriko-filologičeskij žurnal 2 (1968), 235, 242 f.). Tatsächlich handelte es sich dabei um ein von den Osmanen 1673 in der Armenierstraße errichtetes Bollwerk. Vgl. Sicinskyj, Ju.: Oboronni zamky Zachidnoho Podillja XIV‒XVII st. [Die Wehrburgen Westpodoliens im XIV.‒XVII. Jahrhundert], Kyïv 1928, 12. 23 Rolle, Antoni Józef: Losy kresowego miasteczka [Das Schicksal einer Kleinstadt in den östlichen Randgebieten]. In: Nowe opowiadania historyczne. Hg. v. dems. Lwów 1878, 97 f. (für Studzienice); LNB, Handschriftenabteilung, Nr. II (1485), Bl. 191 (für Jazłowiec).

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18. Jahrhundert)24. Daran geknüpft war nicht nur eine Verteidigung des entsprechenden Befestigungsabschnittes durch die Armenier, sondern auch die Durchführung der notwendigen Bau- und Reparaturarbeiten durch deren Gemeinde. Auf diese Weise wurden, häufig unabhängig von den topografischen Gegebenheiten und den Wünschen der Armenier selbst, Konfiguration und Raumgestaltung des Viertels von oben festgelegt. Die Bezeichnung „Armenierviertel“ ist relativ zu sehen. De facto, besonders bei einer großen Zahl von Kolonisten, bestand der armenische Bezirk in einer Stadt oder Vorstadt aus einigen mehr oder minder dicht bebauten Quartieren mit mehreren Straßen und Gassen und manchmal auch mit einem eigenen Zentrum sowie einem Komplex von Sakral- und Profanbauten, der den administrativen und religiösen Kern des Bezirks bildete, welcher gewöhnlich mit dessen ökonomischem Zentrum in Gestalt eines Marktes oder Platzes nicht identisch war (Kamieniec Podolski, Jazłowiec, eine Vorstadt von Lemberg). In Kamieniec Podolski formierte sich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts im armenischen Bezirk das „Lange Viertel“ (erstmals belegt 1614, als man an derselben Stelle begann eine Straße anzulegen, die dann später Lange Straße genannt wurde) und wahrscheinlich das „Unterviertel“ (1621, armenische Benennung)25 sowie ein als „Spitze“ oder „Schneide“ (acies, 1525) bezeichnetes Areal.26 In Lemberg gab es, wie bereits erwähnt, im armenischen Bezirk innerhalb der Stadtmauern zwei und später drei Armenierstraßen, die die Bezeichnung Obere, Untere und Querstraße trugen. Der armenische Bezirk war eine Stadt in der Stadt (nicht umsonst existierte in Jazłowiec die Bezeichnung „Armenierstadt“), die in sich polyfunktional war, ohne dass man separate Handwerks-, Handels- oder andere Quartiere voneinander trennte.27 Manchmal bildeten sich im Lauf der Zeit innerhalb einer Stadt zwei armenische Bezirke heraus. In Kiew, wo man den Armeniern in der vormongolischen Zeit lediglich in der Handelsvorstadt, dem sogenannten Podol’ (Podil), zu wohnen erlaubt hatte,28 blieben sie aus alter 24 Płoščanśkiy, V. M.: Galicko-russkij gorod Stanislavov, po dostověrnym istočnikam opis. [Die Stadt Stanislavov in Galizien, beschrieben durch die relevanten Quellen]. In: Naukovyj sbornik izdavaemyj Literaturnym Obščestvom Galicko-Russkoj Maticy 1 – 2 (1868), 16 – 56, hier 17. 25 Ent’at’ałamas. 26 MRPS, Bd. 2, Nr. 14155. 27 In der neueren Literatur taucht der Begriff „armenischer Handelsbezirk“ zur Bezeichnung von ausschließlich dem Handel dienenden Vierteln auf, wie sie angeblich in den armenischen Kolonien existiert haben sollen. Dieser Begriff entspricht nicht der Realität: In den Armenierbezirken der ukrainischen Städte gab es keine gesonderten Handelsviertel, da ein Handel in den Städten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit fast ausschließlich unter der Kontrolle der Stadtoberen auf einem zentralen, eigens dafür ausgewiesenen Platz (dem Markt) stattfinden durfte. Wenn den Armeniern ein Einzelhandel gestattet wurde (und dies geschah nicht immer und nicht in allen Städten, oder nur in beschränktem Umfang; eine ökonomische Diskriminierung drückte sich häufig darin aus, dass den Armeniern nur der Großhandel gestattet wurde), dann nur auf dem städtischen Marktplatz, oder manchmal auf dem Platz des Armenierviertels, dessen Funktionen jedoch nicht ganz klar sind. 28 Entsprechend den byzantinischen Bestimmungen, denen zufolge es Andersgläubigen nicht gestattet war, innerhalb der Stadtmauern zu wohnen, sondern nur in den Vorstädten. In Bezug auf die

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Gewohnheit auch in der nachmongolischen Zeit dort wohnen. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts hatten sich nach einer Beschreibung der Kiewer Burg aus dem Jahr 155229 zwei armenische Siedlungsschwerpunkte herausgebildet: einer rund um die armenische Kirche, auf einem Areal, das dem Stadtrat unterstand, und der zweite auf einem Areal, das rechtlich der Kiewer Burg zugeordnet war. In Lemberg entstand das ursprüngliche Viertel in der Fürstenstadt in der Mitte des 13. Jahrhunderts rund um die älteste armenische Kirche St. Anna. Nach der Einnahme der Stadt durch König Kasimir im Jahr 1349 wurde den Armeniern in der an neuer Stelle errichteten „gotischen“ Stadt ein Viertel an deren Westseite zur kompakten Bebauung zugeteilt, in dem sich nur die besonders vermögende Oberschicht niederließ. Auf diese Weise entstanden in Lemberg zwei armenische Bezirke. Ihnen gesellte sich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts noch ein dritter von armenischen Katholiken rund um die Kirche Johannes des Täufers in der Vorstadt hinzu, der wegen der schnellen Assimilation dieser wahrscheinlich durch gregorianische Armenier aus Kiew vertriebenen Gruppe aber nicht lange existieren sollte. In Stanislawów entstanden in den 1660er Jahren gleichzeitig zwei armenische Wohnbezirke: einer mit kompakter Bebauung innerhalb der Stadtmauern, der andere als Streusiedlung in der Tyśmienicer Vorstadt. In jedem Fall waren aber die Armenierbezirke in der Ukraine nie so groß und in sich in verschiedene Quartiere differenziert wie auf der nicht weit entfernten Krim, wo es zum Beispiel in Kaffa im 16.–17. Jahrhundert mindestens fünf armenische Quartiere gab, die jeweils nach ihren Quartierskirchen benannt waren (parallel zu den dortigen Quartiersmoscheen).30

Quellen Einige der mittelalterlich-frühneuzeitlichen armenischen Kolonien existierten nicht länger als bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, „lebten“ aber in transformierter Gestalt bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts weiter. Eine recht bedeutende Anzahl von Armeniern und deren Nachfahren lebten der Tradition folgend weiterhin in den Armenierstraßen, deren endgültige Auflösung sich erst in der Zeit des Zweiten Weltkrieges und in den ersten Nachkriegsjahren vollzog. Die Gebäude in den Armeniervierteln inklusive der Sakralbauten wurden noch bis zum Beginn der 1940er Jahre genutzt. Viele von ihnen sind bis heute erhalten. Ein Teil der alten Bebauung ging in den Bestand der vom Staat erhaltenen Architekturdenkmäler über.

Armenier fand diese Vorschrift ihren deutlichsten Ausdruck in den Antworten des Bischofs von Kythera, ­Ioannis, an Konstantin Kavasila, den Erzbischof von Dyrrhachion (dem heutigen Durrës in Albanien), von der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert. Patrologiae cursus completus … Series Graeca. Hg. v. Jacques-Paul Migne. Paris 1881, col. 977 – 978. 29 Archiv Jugo-Zapadnoj Rossii [Südwestrussisches Archiv], T. 7, Bd. 1. Hg. v. Vladimir B. Antonovič. Kiew 1886, 106 – 122. 30 Fisher, Alan: The Ottoman Crimea in the Mid-Seventeenth Century: Some Problems and Preliminary Considerations. In: Harvard Ukrainian Studies 3 – 4/1 (1979/80), 225.

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In etwa zehn Städten der Ukraine haben sich Teile der Bebauung der Armenierviertel des 16.–18. Jahrhunderts erhalten (Lemberg, Kamieniec-Podolski, Stanislau, Berežani, Tismenicja, Snjatin, Horodenka, Lisec’ und Kuti). Manchmal wurden sie in kaum veränderter, in den meisten Fällen aber in umgestalteter Form bewahrt. In einigen Orten sind von den Armeniervierteln lediglich die großen, als Warenlager dienenden Kellergewölbe geblieben (Kamieniec-Podolski, Jazlovec’ und eventuell Žvanec’). Diese Baudenkmäler sind nur in geringem Maße und ausschließlich in den großen Städten einer wissenschaftlichen Untersuchung unterzogen worden. In erster Linie haben die ältesten sakralen Architekturdenkmäler des 14.–17. Jahrhunderts (die Kathedralen in Lemberg, Kamieniec-Podolski, Luc’k und Jazlovec’) sowie einzelne durch ihren Bauschmuck hervorstechende Wohngebäude (Lemberg, Kamieniec-Podolski) das Interesse der Forscher auf sich gezogen. Die einfacheren Profanbauten bilden weiterhin ein seinem Umfang nach bedeutendes, bislang nicht ausgeschöpftes, aber schnell verschwindendes Reservoir für die Forschung. Doch gerade sie sind eine wichtige Quelle für die Erforschung der Struktur der Viertel sowie einzelner, konstruktiver wie dekorativer Elemente armenischer Häuser. Ein zweites, nicht besonders intensiv und in der Mehrzahl der Fälle ohne ausreichende Vorbereitung genutztes Reservoir stellen archäologische (genauer: archäologisch-architektonische) Untersuchungen dar. Sie waren bisher wenig ergiebig. Im Kiewer Podol’ etwa haben Archäologen nicht einmal erkannt, dass sie Ausgrabungen in einem Armenierviertel durchführen und waren daher nicht in der Lage, die Relikte einer armenischen Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert korrekt zu identifizieren.31 In Lemberg hat man bei Grabungen auf dem Areal eines großen armenischen Gebäudekomplexes in der Krakauer Vorstadt (zwei Kirchen, Kloster, Bischofspalast und Wirtschaftsgebäude) nicht einmal Spuren der wichtigsten Objekte gefunden, und andere Relikte wurden nicht identifiziert.32 In Kamieniec-Podolski ist bis heute nicht endgültig und präzise bestimmt worden, ob man dort den Bischofspalast, ein Handelshaus oder das Haus eines Priesters entdeckt hat,33 obgleich ein

31 Ivakin, Gleb Ju.: Do pytannja pro kamjanu architekturu pizn’oseredn’ovičnoho Kyjeva [Zur Frage der Steinarchitektur im spätmittelalterlichen Kiew]. In: Archeolohija Kyjeva. Doslidžennja i materialy. Kyïv 1979, 115−119. – Ivakin, Gleb Ju.: Kiev v XIII–XV vv. [Kiew im 13.–15. Jahrhundert]. Kiev 1982, 70 f.; Daškevič, Jaroslav R.: Neizvestnye pamjatniki armjanskogo zodčestva na Ukraine (XIII – XVII vv.) [Unbekannte armenische Baudenkmäler in der Ukraine (13.–17. Jahrhundert)]. In: V Respublikanskaja naučnaja konferencija po problemam kultury i iskusstva Armenii. Tezisy dokladov. Erevan 1982, 66 f., 305 f. 32 Bagrij, R. S./Magityč, I. R./Svešnikov, I. K.: Raboty drevnerusskogo otrjada l’vovskoj ekspedicji [Die Arbeiten der altrussischen Abteilung der Lemberger Expedition]. In: Archeologičeskie otkrytija 1976 g. Moskva 1977, 264 f.; Daškevič, Jaroslav R.: Drevnjaja Rus’ i Armenija v obšestvenno-političeskich svjazach XI–XIII vv. (Istočniki issledovanija temy) [Das Alte Russland und Armenien in ihren gesellschaftlichen und politischen Beziehungen, 11.–13. Jahrhundert (Quellen zu ihrer Erforschung)]. In: Drevnejšie gosudarstva na territorii SSSR. Materialy i issledovanija 1982 g. Moskva 1984, 189 f. 33 Tjupič, A./Chotjun, G.: Armjanskie sooruženija Kamenec-Podol’skogo [Die armenischen Bauten in Kamieniec-Podolski]. In: Vtoroj meždunarodnyj simpozium po armjanskomu iskusstvu (Erevan

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paralleles Studium der schriftlichen und kartografischen Quellen die Zweifel hätte beseitigen können. Bei Grabungen an den Fundamenten der dortigen Kathedrale St. Nikolaus 34 ahnte man nicht, dass man Relikte von mindestens vier in Schichten übereinander liegenden Sakralbauten entdecken würde: der Marienkathedrale von 1522, der zwei ursprünglichen Nikolaikirchen aus den Jahren 1566 und 1577 sowie der Kathedrale St. Nikolaus aus den Jahren 1756 – 1761. Ungeachtet der nicht sehr ermutigenden Resultate all dieser Versuche ist festzuhalten, dass nur archäologische Methoden und zum Teil großflächige Grabungen in der Lage sein werden, Licht in einige ungeklärte Fragen zur armenischen Architektur des 13.–16. Jahrhunderts in der Ukraine zu bringen. Das ikonografische Material aus dem 17.–18. Jahrhundert – Stiche von Stadtansichten und Zeichnungen einzelner Gebäude und Städte – wird in der Forschung relativ häufig genutzt. Erhalten sind im 17. Jahrhundert angefertigte Zeichnungen von armenischen Häusern in Lemberg und Kiew, ausgeführt vom deutschen Autor Martin Gruneweg (Haus des Nurbeg in Lemberg, Herberge des Avraam in Kiew), die vor kurzem publiziert worden sind,35 sowie ein Panorama von Lemberg und eine Ansicht von Zamość aus der Vogelperspektive, die auf der Grundlage vor Ort angefertigter Zeichnungen vom deutschen Graveur A. Hoghenberg gestochen und 1618 in Köln publiziert wurden.36 Es gibt eine Panoramazeichnung von Kiew, geschaffen vom holländischen Künstler A. van Vestervelde am Vorabend der Brandschatzung der Stadt durch polnisch-litauische Heere im Jahr 165137 und außerdem eine Ansicht aus der Vogelperspektive von Kamieniec Podolski, ausgeführt vom dortigen Graveur K. Tomaszewicz und etwa 1673 – 1679 in Krakau herausgegeben.38 Der

1978). Bd. 2. Erevan 1981, 429 – 431. 34 Ebd., 427 f.  – Kačurovskyj, A. I/Vinjukov, O. M.: Kamjanec’-Podil’s’kyj istoryko-architekturnyj zapovidnyk. Istoryko-architekturnyj narys [Das denkmalgeschützte historisch-architektonische Ensemble von Kamieniec-Podolski. Ein historisch-architektonischer Abriss]. Kyïv 1984, 51. 35 Zum Haus des Nurbek vgl. Abb. 1. – Hruneveh, M.: Z podorožnich zapysok (uryvok pro Kyïv) [Aus den Reisenotizen (Auszug über Kiew)]. In: Kyїvs’ka Rus’: kultura, traduziï. Kyïv. 1982, 120. 36 Braun, Georg/Heirat, Antonius/Hoghenberg, Abraham: Theatri praecipuarum totius mundi urbium lib 6. Colonia Agrippinae 1618, Nr. 49, 50 (analoge deutsche und französische Ausgaben). Als Reprint: Braun, Georg/Hogenberg, Abraham: Civitatis orbis terrarum 1572 – 1618. Hg. v. Ronald Vere Tooley und Raleigh Ashlin Skelton. Amsterdam 1965. Der Stich von Zamość diente als Vorlage einer Reihe von Nachahmungen des 17.–18. Jahrhunderts. 37 Die Originalstiche und ein wesentlicher Teil ihrer Kopien sind verlorengegangen. Reproduktionen in: Smirnov, Ja. I.: Risunki Kieva 1651 g. po kopiam ich konca XVIII v. [Zeichnungen Kiews aus dem Jahr 1651 nach Kopien vom Ende des 18. Jahrhunderts]. In: Trudy XIII Archeologičeskogo s’ezda v Ekaterinoslave 1905 g. Bd. 2. Moskva 1908, Abb. III,1 (in der Literatur wird der Künstler oft fälschlich „Westerfeld“ statt „Vestervelde“ genannt). 38 Der Stich wurde als Einzelblatt publiziert und vielfach reproduziert, häufig jedoch nach qualitativ minderwertigen Kopien des 19. Jahrhunderts. Reproduktionen des Originals in: Dachkévytch, Yaroslav: Le quartier arménien de Kaménetz-Podolsk sur les gravures du XVII siècle. In: Revue des Études Arméniennes (1970), 7, Abb. XC, XCI; ebd., 467 zur Datierung des Stiches. Für einen Ausschnitt des Armenierviertels vgl. Abb. 2. Die Ansicht von Tomaszewicz wird häufig fälschlich auf

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Stich von Tomaszewicz diente als Vorlage für zahlreiche (mindestens zehn) Nachahmungen. Stiche eines analogen oder ähnlichen Typs wurden zwischen 1684 und 1729 in Rom, Paris, Frankfurt, Leiden, Amsterdam und Augsburg publiziert.39 Auf den oben aufgezählten Zeichnungen und Stichen werden die Armenierviertel von Lemberg und Kamieniec Podolski dargestellt,40 in den Erklärungen dazu die armenischen Objekte aufgezählt. Leider werden solche Stadtansichten – zweifelsohne eine wertvolle ikonografische Quelle – ohne Berücksichtigung der dazu erforderlichen wissenschaftlichen Methodik benutzt. Die mittelalterlich-frühneuzeitlichen Stiche und Zeichnungen werden nahezu mit Fotografien gleichgesetzt, und dem Stich von Tomaszewicz versucht man, die hochtrabende Bezeichnung „axonometrischer Plan“ zu geben, obgleich von Axonometrie und Plan gar keine Rede sein kann. Die Forscher vergessen häufig, dass sie keine realistische Abbildung einer Stadt in Händen halten; die Aufmerksamkeit der Künstler galt in erster Linie öffentlichen Gebäuden und Befestigungsanlagen, die sie in vergrößertem Maßstab abbildeten. Nachrangige Objekte, also einfache Profanbauten inklusive der Bebauung der Armenierviertel, wurden nur sehr schematisch dargestellt.41 Es ist unmöglich, aus solchen Stichen, auf denen eine Stadt nicht so abgebildet wurde, wie sie in der Realität aussah, sondern so, wie man sie zeigen wollte, weitreichende Schlüsse zu ziehen.42 Bei der Benutzung der Ansichten von Kamieniec Podolski etwa wird vergessen, dass die Nachahmungen des Stiches von ­Tomaszewicz aus den Jahren 1684 – 1729 keine eigenständigen Stadtansichten darstellen und dass auf einem zum Beispiel auf 1729 datierten Stich tatsächlich eine um 50 Jahre ältere Stadt abgebildet ist, nur etwas „frisiert“ durch die verfeinerten Techniken der westeuropäischen Graveure.43 Daher besitzen Schlussfolgerungen über vermeintliche Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes eines Viertels anhand eines Vergleiches von zehn Stadtansichten keinerlei wissenschaftlichen Wert. Unter den Stichen von Kamieniec Podolski gibt es zum Beispiel seitenverkehrte Darstellungen, auf denen das bei Tomaszewicz

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1672 oder sogar 1684 – 1700 datiert (z. B. (Plomenyc’ka, Je. M.: Doslidžennja kam’janec’-podil’s’koho zamku [Untersuchungen zum Schloss von Kamjanec’-Podil’s’kyj] ‒ Archeologija. Kyïv 1975, Nr. 16, 16.). Daškevyč, Ja.: Vydy i plany Kamjancja-Podil’s’kogo XVII‒XVIII st. [Ansichten und Pläne von Kam’janec’-Podil’s’kyj im XVII.‒XVIII. Jahrhundert]. In: Tezy dopodivej V Podil’s’koї istoryko-­ krajeznavčoї konferenciї [1979], Kamjanec’-Podil’s’kyj, 1980, 91 f. Reproduktionen von Ansichten Lembergs aus den 1770er–90er Jahren und von Kamieniec Podolski aus den 1790er Jahren (zum Teil frei erfundene) sind über viele Ausgaben verstreut. Zu Ansichten von Zamość aus dem 18. Jahrhundert vgl. Herbst, Stanisław: Zamość. Warszawa 1955. Dies macht sich auf der hier wiedergegebenen Ansicht von Zamość aus dem Jahr 1618 deutlich bemerkbar (Abb. 3). Daškevyč, Ja.: Vydy mist Ukraїny XVI ‒ peršoї polovyny XVIII st. jak istoryko-krajäznavče džerelo [Stadttypen der Ukraine vom XVI. bis zur ersten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts als historisch-­ landeskundliche Quelle). In: II Respublikans’ka naukova konferencija z istorychnoho krajeznavstva … (Tezy dopovidej). Kyïv 1982, 156−157. Vgl. die Abb. 4 und 5 (ein Stich von K. Tomaszewicz sowie eine wohl Ende des 17. Jahrhunderts in Amsterdam publizierte Nachahmung).

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richtig auf der rechten Seite gelegene Armenierviertel nun links dargestellt erscheint. Die Forscher, die solche spiegelverkehrten Abbildungen publizieren, bemerken (und vermerken!) den Fehler des Graveurs nicht.44 Eine aus verschiedenen Blickwinkeln ausgeführte Panoramaansicht Kiews aus dem Jahr 1651 lässt sich, ungeachtet langjähriger Anstrengungen, nicht zufriedenstellend entziffern. Die Suche nach dem Armenierviertel auf der Zeichnung van Vesterveldes dauert noch an.45 Von bedeutendem Wert für die Architekturgeschichte sind auch spätere Zeichnungen und Fotografien besonders solcher armenischer Profanbauten, die an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert noch existierten, aber im Folgenden zerstört worden sind.46 Recherchen nach ikonografischem Material in alten Zeitschriften und den Fototheken von Bibliotheken, Museen und Archiven könnten noch überraschende Entdeckungen bringen. Mit der Anfertigung von detaillierteren topografischen Stadtplänen, mit deren Hilfe man die Konfiguration und Struktur der Armenierviertel analysieren und die wichtigsten Objekte lokalisieren könnte, begann man erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Informationen über solche Pläne sind nie einheitlich zusammengefasst worden und der Aufbewahrungsort einiger aus der Literatur bekannter Pläne (z. B. von Brzeżany 1755, Kuty 1781 oder Stanislau 1792)47 lässt sich heute nicht mehr bestimmen. Für die Forschungen zu den Armeniervierteln Lembergs sind die folgenden Pläne aus dem 18. Jahrhundert von großem Wert: jene aus den Jahren um 1750 oder 1770 (Skizze, Ž. Deč und Ansen’)48, von 44 Rappoport, Pavel Aleksandrovič: Voennoe zodčestvo zapadnorusskich zemel’ X–XIV vv. [Militärarchitektur in den westrussischen Territorien, 10.–14. Jahrhundert]. Leningrad 1967, 109. 45 Es gibt verschiedene Ansichten zur Lokalisierung der armenischen Kirche in Kiew: Petrov, N. I.: Novootkrytyj al’bom vidov i risunkov dostoprimečatel’nostej Kieva 1651 g. [Ein neu entdecktes Album mit Ansichten und Zeichnungen der Sehenswürdigkeiten Kiews]. In: Trudy Kievskoj duchovnoj akademii 7 (1905), 470; Ernst, F. L.: Architektura Kieva XVII v. [Die Architektur Kiews aus dem 17. Jahrhundert]. In: Kiev v fondach Central’noj naučnoj biblioteki AN USSR. Sbornik naučnych trudov. Kiew 1984, 24. 46 Interessant sind etwa Skizzen eines armenischen Hausportals aus dem 17. Jahrhundert in Jazłowiec (Bołoz Antoniewicz, J. von: Die Armenier. In: Die Österreichisch-Ungarische Monarchie in Wort und Bild. Galizien. Wien 1898, 458) oder von Gehöften des 18. Jahrhunderts in Stanisławów, dem heutigen Ivano-Frankivs’k (Chowaniec, Ormianie w Stanisławowie (wie Anm. 12), 12, 25). Vgl. außerdem Grajewski, Ludwik: Bibliografia ilustracji w czasopismach polskich XIX i pocz. XX w. (do 1918 r.) [Bibliografie der Illustrationen in polnischen Zeitschriften des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts (bis 1918)]. Warszawa 21972. 47 Maciszewski, Maurycy: Brzeżany w czasach Rzeczypospolitej Polskiej [Brzeżany in der Zeit der polnischen Adelsrepublik]. Brody 1910, IX, 24 f.; Czołowski, Aleksander: Wystawa zabytków ormiańskich we Lwowie. Przewodnik [Ausstellung armenischer Altertümer in Lemberg. Ein Führer]. Lwów 1932, 40. (Kuty). – Eine Kopie eines Plans von Stanisławów aus dem Jahr 1792 findet sich im HistorischLandeskundlichen Museum von Ivano-Frankivs’k. 48 L`vivsk`yj istoryčnyj muzej[Staatliches Historisches Museum Lemberg], Bestände, Nr. G-4302. Auf der Grundlage eines zweiten Exemplars dieses Planes (datiert auf „um 1750“) wurde auf einem separaten Blatt Ende des 19. Jahrhunderts in Lemberg eine Lithografie angefertigt. Reproduktion. in: Kripjakevič, 164 f. (wie Anm. 2)

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1766 (J.-M. Defis)49, 177250 und 1781 (A.-F. Pintrshoffen)51. Exklusive Bedeutung haben die in den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts vom bereits erwähnten Martin Gruneweg angefertigten Pläne der einzelnen Teile des Armenierviertels innerhalb der Stadtmauern. Seine Erinnerungen hat er mit dem Plan eines Komplexes von Profan- und Sakralbauten in der Nähe der Kathedrale sowie mit einem Lageplan einiger Armenierhäuser beim Dominikanerkloster illustriert.52 Ähnliches Material lässt sich auch für Kamieniec Podolski vorlegen. Für die Untersuchung des dortigen Armenierviertels von bedeutendem Wert sind Pläne aus den Jahren 177353, 178254, 179755 sowie ein weiterer aus demselben Jahr 56, 179857, 179958 und 180059. Die Nutzung solcher Pläne bedarf zweifelsohne einer definierten Methodik. Die verschiedenen Pläne Lembergs aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts etwa geben keine identischen Konturen der armenischen Objekte wieder; die Aufgabe des Forschers besteht hier darin, eine wissenschaftlich fundierte Auswahl der zuverlässigsten kartografischen Grundlagen zu erarbeiten. Zu den einzigartigen grafischen Zeugnissen gehören alte Bauzeichnungen. Doch nur eine Quelle dieser Art konnte bisher gefunden werden: ein Fassadenaufriss und zwei Grundrissvarianten des Erdgeschosses eines Wohnhauses in Kamieniec Podolski. Soweit sich dies paläografisch bestimmen lässt, sind die zufällig erhaltenen Zeichnungen auf die Mitte des 18. Jahrhunderts zu datieren.60 Erwähnungen in Memoiren belegen, dass ein ähnlicher

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CDIA-L, Fond 742, Inv. 1, Dok. 1149.

Universitätsbibliothek Lemberg, Handschriftenabteilung, Nr. 1361, III.

CDIA-L, Fond 742, Inv. 1, Dok. 1146.

Die Pläne sind erhalten im Manuskript der Erinnerungen von M. Gruneweg in der Bibliothek der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Danzig, Handschriftenabteilung, Nr. 1300. Am. d. Hrsg.: Vgl. Abb. 6 zeigt eine nach dem Manuskript angefertigte Zeichnung eines Komplexes von Sakralund Profanbauten. Gruneweg fertigte auch einen (nicht publizierten) schematischen Stadtplan an. CGVIA, Fond 349, Inv. 17, Dok. 597, 598. Ebd., Dok. 599, 602. Ebd., Dok. 613. Central’nyj Gosudarstvennyj archiv Voenno-Morskogo flota SSSR v Leningrade [Zentrales Staatsarchiv der Russischen Kriegsmarine in Leningrad], Fond 3, Inv. 24, Dok. 41. CGVIA, Fond 349, Inv. 17, Dok. 620. Ebd., Dok. 623. Ebd., Dok. 627, 632, 633. Während meiner Recherchen im CGVIA im November 1981 hatte ich nicht die Möglichkeit, alle Pläne zu sichten (die Pläne der Jahre 1773, 1797, 1798, 1799 und zum Teil 1800 waren im Magazin nicht auffindbar), die im Inventar und in der Literatur aufgeführt werden. Vgl. die Abb. 2 und 7, die hier erstmals publiziert werden. Eine Zeichnung hat sich in der Gosudarstvennaja publičnaja biblioteka im. Saltykova-Ščedrina [Saltykov-Ščedrin-Bibliothek] in St. Petersburg erhalten (Handschriftenabteilung, Ms.-Sammlung, Maštoc’, Nr. Arm. 35, 81a–81b). Die undatierte Handschrift wird anhand des Wasserzeichens auf dem Papier auf die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert datiert, die Zeichnungen wurden später angefertigt. Bis zu ihrer Übergabe an die Bibliothek befand sich die Handschrift in der armenischen Kathedrale von Kamieniec Podolski, d. h. die Zeichnung wurde tatsächlich in einem armenischen Umfeld angefertigt.

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Gebäudetyp auch für die Armenierviertel in den Städten der ukrainischen Dnjestr-Region charakteristisch war. Es versteht sich von selbst, dass in der enormen Menge an Schriftquellen (wenngleich sich diese für die verschiedenen Kolonien und Zeiten sehr unregelmäßig erhalten haben) solche Quellen bevorzugt genutzt werden müssen, die im 16.–18. Jahrhundert innerhalb der armenischen Gemeinden in der Ukraine entstanden sind (frühere Quellen lokaler Herkunft haben sich nicht erhalten). Im Vordergrund stehen dabei narrative Quellen synthetisierenden Charakters: Chroniken, wie sie für Lemberg und Kamieniec Podolski zusammengestellt wurden, aber auch Memoiren, angefangen mit den Aufzeichnungen des armenischen Reisenden Simeon dpir Lehaci (1585–nach 1639) bis hin zu der sehr wertvollen, jedoch eine strikt kritische Herangehensweise erfordernden Reisebeschreibung des Minas Bžškjan (1777 – 1851), der die armenischen Kolonien im Jahr 1820 bereiste.61 In der sogenannten Venezianischen Chronik (die tatsächlich in den 1520er–30er Jahren in Lemberg in Armeno-Kipčak verfasst wurde) werden verschiedene Dinge erwähnt und manchmal ziemlich detailliert beschrieben: der Bau der Kathedrale im Jahr 1361 (zwei Jahre bevor sie den Gläubigen übergeben wurde), die Deckenfresken der Kathedrale im Jahr 1510, die Generalüberholung der Kathedrale mit einer Vergrößerung der Fenster, einer Begradigung der Mauern und dem Einbau einer umlaufenden Galerie im Jahr 1535 etc.62 Die Verfasser einer in Armenisch und Kipčak geschriebenen Chronik von Kamieniec Podolski aus dem 16.–17. Jahrhundert interessierten sich für die folgenden, mit dem Armenierviertel zusammenhängenden Ereignisse: ein Feuer im Jahr 1552, bei dem 16 armenische Läden und sieben Wohnhäuser zerstört wurden; der Bau der Nikolaikirche im Jahr 1566; ein Feuer im Jahr 1602, bei dem armenische Kirchen und hölzerne sowie steinerne Wohnhäuser verbrannten; Renovierungsarbeiten an der Marien- und der Nikolaikirche im Jahr 1614; der Bau einer Straße im Langen Viertel im selben Jahr; ein weiteres Feuer im Jahr 1616, das einen Teil des Viertels verschlang; der Bau eines Walls um die Kirche des Hl. Auxentios etc.63 Unter den narrativen und teilweise archivalischen Quellen nehmen die in jeder armenischen Kirchgemeinde geführten Protokoll- und Kanzleibücher einen besonderen Platz ein. In ihnen wurden sämtliche Bauarbeiten an Sakralbauten und den mit ihnen zusammenhängenden anderen Bauten vermerkt, es wurden die für Bau und Reparaturen aufgewendeten

61 Ein Überblick über die Quellen in unterschiedlichen Sprachen findet sich in: Daškevič, Jaroslav R.: Armjanskie kolonii na Ukraine v istočnikach i literature XV–XIX vekov. Istoriografičeskij očerk [Die armenischen Kolonien in der Ukraine in Quellen und der Literatur des 15.–19. Jahrhunderts. Historiografischer Abriss]. Erevan 1962. 62 Text der Chronik in: Ališan, Łevond: Kamenic; Taregirk’ hayoc’ Lehastani ew Rowmenioy. Venetik 1896, 115 – 121. Es existieren armenische und französische Übersetzungen. 63 Text der Chronik in: Ališan, Łevond: Kamenic; Taregirk’ hayoc’ Lehastani ew Rowmenioy. Venetik 1896, 15 – 112. Es gibt eine Reihe von Übersetzungen ins Russische, Ukrainische, Französische, Englische und Rumänische.

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Mittel notiert, Originale oder Kopien verschiedener Dokumente im Zusammenhang mit Sakralbauten gesammelt usw. Bücher solcher Art aus dem 16.–18. Jahrhundert, die für drei Kirchen in Kamieniec Podolski, zwei in Lemberg und je eine in Stanislau und Mohylów Podolski bekannt sind, wurden teilweise zerstört, aber wichtiges in ihnen enthaltenes Material ist in Ausschnitten publiziert 64 oder bei der Abfassung historischer Skizzen zu den einzelnen Gemeinden verwendet worden.65 Die Bedeutung genauer Datierungen für eine Reihe von armenischen Profan- und Sakralbauten, von Bränden oder Renovierungsarbeiten ist schwer zu überschätzen. Nichtsdestoweniger gibt es hierbei ein unerklärliches Phänomen: Quellen und Bauforschung existieren nebeneinander, ohne dass letztere die wichtigsten Schriftquellen auch nutzen würde. Es ist unverständlich, warum zum Beispiel bis heute die Angaben aus den Protokollbüchern der drei Kirchgemeinden von Kamieniec Podolski keinen Eingang in den wissenschaftlichen Diskurs gefunden haben (eine Zusammenstellung der wichtigsten Daten aus diesen Quellen wird im Folgenden angeführt). Statt diese so wertvollen armenischen Quellen zu nutzen, treten Autoren seit Jahrzehnten auf der Stelle, überliefern aus dem Quellenzusammenhang gerissene Hypothesen von vor hundert oder mehr Jahren und verfälschen damit unser Bild von Charakter, Zeit und Dynamik der armenischen Bautätigkeit in den mittelalterlich-frühneuzeitlichen Städten der Ukraine. Eine nicht minder wertvolle, aber wesentlich komplexere (wegen des bedeutenden Umfangs des zu sichtenden Materials) Quellengruppe bilden die noch erhaltenen nichtkirchlichen armenischen Archivmaterialien, die im 16.–18. Jahrhundert in den Kolonien nicht nur von Lemberg oder Kamieniec Podolski, sondern auch in Stanislau, Jazłowiec, Tyśmienica oder Śniatyń entstanden sind.66 Es bleibt noch viel zu tun, um vor allem der

64 Zu den Lemberger Quellen Barącz, Sadok: O rękopismach kapituły ormiańskiej lwowskiej [Zu den Handschriften des armenischen Domkapitels von Lemberg]. In: Dziennik Literacki 34 – 37, 39 (1853). – Zu Kamieniec Podolski: Bžškeanc’, Minas: „Čanaparhordowt’iwn i Lehastan ew yayl kołmans bnakeals i haykazanc’ sereloc’ i naxneac’ Ani k’ałak’in“ [Eine Reise nach Polen und in die anderen Länder, die von Armeniern bewohnt werden, deren Vorfahren aus der Stadt Ani stammen] Venetik 1830, 140 – 160. Die Quellenaufzeichnungen aus Kamieniec Podolski hat schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts S. Roška (1670 – 1739) genutzt: Rošk’ay, Step’anos: Žamanakagrut’iwn tarekank’ ekełec’akank’ [Chronologie oder kirchliche Jahrbücher]. Viennae 1964, 158, 159, 161, 169, 172, 174. 65 Krzyżanowski, Stanisław: Silva rerum księdza Szymona Krzysztofowicza, kanonika Katedry Kamie­ nieckiéj officiała, podolskiego proboszcza mohylowskiego (1763—1808) [Silva rerum des Paters Szymon Krzysztofowicz, Probst von Mohylów]. Odessa 1864; ders.: Kościół N. Marii Panny w Mohylowie nad Dniestrem [Die Kirche Unserer Jungfrau Maria in Mohylów am Dnjestr]. Kraków 1867; Zieliński, J.: Z dziejów parafii ormiańskiej w Stanisławowie [Zur Geschichte der armenischen Pfarrgemeinde in Stanisławów]. In: Wystawa zabytków ormiańskich we Lwowie. Lwów 1933, 29 – 39. 66 Ein Überblick über die Quellen findet sich in: Daškevič, Jaroslav R.: Administratyvni, sudovi j finansovi knyhy na Ukraїni v XIII‒XVIII st. ‒ Istoryčni džerela ta їch vykorystannja Verwaltungs-, Gerichts- und Finanzbücher der Ukraine vom XIII. bis XVIII. Jahrhundert ‒ Historische Quellen und deren Verwendung]. Nr. 4, Kyïv 1969, 129−171; Daškevič, Jaroslav R.: Armjanskoe samoupravlenie vo L’vove v 60 – 80 gg. XVII v. (Protokoly armjanskogo soveta starejšin kak istoričeskij istočnik) [Die armenische Selbstverwaltung in Lemberg in den 60er–80er Jahren des 17. Jahrhunderts (die Protokolle

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enormen Quellenschätze Herr zu werden, die mit der armenischen profanen Bautätigkeit zusammenhängen. In dieser Art Materialien haben sich detaillierte Angaben über Bautätigkeit, äußere Gestalt, Innengrundrisse und die Ausstattung armenischer Bürgerhäuser erhalten, über durchgeführte Reparaturarbeiten usw. Nach dem Tode eines Bürgers wurden häufig Inventare der jeweiligen Besitztümer verfasst, unter denen die Immobilien nicht an letzter Stelle standen. Noch detailliertere Inventare der Häuser wurden bei der Aufteilung des Besitzes unter den Erben verfasst; in ihnen wurden, Etage für Etage, Zahl und Anordnung der Räume aufgeführt.67 Wichtige Informationen liefern uns jedoch nicht nur innerhalb der armenischen Gemeinden entstandene Quellen. Von erheblichem Informationsgehalt sind solche Quellen, die die geschäftlichen Aktivitäten der mittelalterlich-frühneuzeitlichen Städte der Ukraine widerspiegeln, in erster Linie von Lemberg, dessen Akten seit dem Ende des 14. Jahrhunderts in gutem Zustand erhalten sind. Steuerlisten der Bürger und der ihnen gehörenden Gebäude (Schoßregister, im 18. Jahrhundert auch mit Angaben zu den Dimensionen der Häuser),68 Schadensmeldungen mit Beschreibungen der reparaturbedürftigen Stellen,69 Mitteilungen über den Zustand der Straßen, des Kanalisationsnetzes und der Stadtviertel – dies sind einige der Materialien, die unmittelbar mit unserem Thema zusammenhängen. Für Kamieniec Podolski spielt eine detaillierte Stadtrevision im Jahr 1700 eine wichtige Rolle.70 Kleine, aber manchmal sehr wertvolle Informationssplitter etwa zur armenischen Mikrotoponymie sind in narrativen und archivalischen Quellen enthalten, die im 15.–18. Jahrhundert in lateinischer, polnischer, deutscher, ukrainischer oder anderen Sprachen verfasst wurden. Den Historikern der armenischen Architektur in der Ukraine steht also noch eine enorme, sorgfältige quellenkundliche Arbeit bevor.

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des armenischen Ältestenrates als historische Quelle)]. In: Vestnik Matenadarana 9 (1969), 213 – 240; ders.: L’vovskie armjano-kypčakckie dokumenty XVI–XVII vv. kak istoričeskij istočnik [Die Lemberger Dokumente des 16.–17. Jahrhunderts in Armeno-Kipčak als historische Quelle]. In: Istorikofilologičeskij žurnal 2 (1977), 151 – 176. Zum Beispiel Anordnungen und andere Dokumente zur Aufteilung armenischer Immobilien in Lemberg: Aufteilung des Hauses des Tomanowicz (1610): CDIA-L, Fond 52, Inv. 2, Bd. 30, 159 – 163; Aufteilung des Hauses des Iwaszko Jurkowicz (1610): ebd., 331; Aufteilung des Hauses des Filip Filipkowicz (1626): ebd., Bd. 178, 339 f.; Aufteilung des Hauses des Iwaszkowicz (1654): ebd., Bd. 530, 292 – 294; Aufteilung des Hauses des Zadykowicz (1658): ebd., 1193 f.; Aufteilung der Häuser des Steckiewicz (1683): ebd., Bd. 86, 734 – 738. Drei Inventare finden sich im Anhang zu diesem Text. Etwa Steuerlisten der einzelnen Viertel aus dem Jahr 1608: CDIA-L, Fond 52, Inv. 2, Bd. 718, 198 – 291; aus dem Jahr 1634: ebd., Inv. 3, Bd. 179, Bl. 727 – 814; aus dem Jahr 1664: ebd., Inv. 2, Bd. 371, 347 – 370, 378 – 398; aus dem Jahr 1671: ebd., Bd. 548, 1379 – 1386; die Steuerbücher der Jahre 1709 – 1754: ebd., Bd. 823. Beispiel im Anhang. Archiv Jugo-Zapadnoj Rossii, 556 – 583. – Ein vollständigeres Exemplar des Revisionsberichtes findet sich in: LNB, Handschriftenabteilung, Fond Czołowski, Nr. 2409, II.

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Probleme der Forschung Erwähnungen der städtischen Armenierviertel durchziehen die der Vergangenheit der armenischen Kolonien in der Ukraine gewidmete Literatur wie ein roter Faden. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um knappe Bemerkungen über die isolierte Lebensweise der Armenier. Manchmal fügten die Autoren dem noch genauere und substantiellere Beobachtungen hinzu, aber Informationen zur Architektur der Viertel sind wenige darunter; die einzige Ausnahme machen Angaben zu den Sakralbauten vorwiegend des 17.–18. Jahrhunderts. Eine wissenschaftliche Untersuchung der architektonischen Gestalt der Viertel setzte erst in den 1890er Jahren ein und wird, mit bedeutenden Unterbrechungen, bis heute fortgesetzt. Als deren Initiator trat der armenischstämmige Kunsthistoriker J. Bołoz Antoniewicz (1858 – 1922) auf, der die Bauten in einer Reihe von Kolonien (Lemberg, Kamieniec Podolski, Jazłowiec, Śniatyń, Kuty u. a.) untersucht hat, zu einer Zeit, als diese noch ihr spezifisch orientalisches Gepräge besaßen. Leider wandte er sich schnell wieder von diesem Thema ab (vielleicht, weil die von ihm aufgestellte These, dass im 14.–18. Jahrhundert ein spezifisch armeno-polnischer Stil existiert habe – dazu später mehr –, sich als enttäuschender Ansatz erwies), nachdem er seine Thesen und einige eher populärwissenschaftliche Skizzen publiziert hatte.71 Die Forschungen zur Architektur der Lemberger Kolonie wurden erst Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre wieder aufgenommen, deutlich beeinflusst von den Diskussionen um die damals durchgeführte Restaurierung der armenischen Kathedrale und den dabei entdeckten Freskenfragmenten aus dem 16. Jahrhundert. Eine bedeutende Rolle bei der Wiederaufnahme solcher Forschungen spielten die ukrainischen Kunsthistoriker und Historiker B. Janusz (1889 – 1930, er entdeckte die Fresken)72 und M. Holubec’ (1892 – 1942)73. 71 Bołoz Antoniewicz, J.: Cechy świeckiej architektury Ormian polskich [Charakteristika der weltlichen Architektur der polnischen Armenier]. In: Czas 171 (1895); ders.: O sztuce polskich Ormian (architektura, malarstwo, ornamentyka) [Zur Kunst der polnischen Armenier (Architektur, Malerei, Ornamentik)]. In: Kwartalnik Historyczny 10 (1896), 729 f.; ders.: O architekturze kościelnej oraz ornamentyce ormiańskiej w Polsce [Zur armenischen Kirchenarchitektur und Ornamentik in Polen]. In: Sprawozdania Komisji do Badania Historii Sztuki w Polsce 6/1 (1897), XII–XIV; ders.: Die Armenier (wie Anm. 46), 440 – 463; Hajk’ Gowt’era. In: Bazmavep, Venetik 1898, Nr. 8, 387 – 389; Nr. 9, 419 – 422; Nr. 10, 441 – 445; Nr. 11, 520 – 523; Nr. 12, 561 – 563. 72 Janusz, B.: Ulica Ormiańska w Zamościu [Die Armenierstraße in Zamość]. In: Gazeta Kościelna 31 (1917), 365, 368; ders.: O restauracji katedry ormiańskiej [Zur Restaurierung der armenischen Kathedrale]. In: Wiadomości Konserwatorskie 7 (1925), 185 – 191; ders.: Zabytki monumentalnej architektury Lwowa [Denkmäler der Monumentalarchitektur in Lemberg]. Lwów 1928, 7 f., 16 – 22. Eine zweibändige Arbeit desselben Autors zur Lemberger Kathedrale ist unveröffentlicht geblieben. 73 M. Golubec’. Vidkryttja sededn’ovičnych freskiv u virmens’komu sobori u L’vovi ‒ Stara Ukraїna [Die Entdeckung mittelalterlicher Fresken in der armenischen Kathedrale in Lemberg]. L’viv 1925, Nr. 7−10, 119−126; M. Golubec’. Seredn’ovični fresky u virmens’komu sobori u L’vovi [Die mittelalterlichen Fresken in der armenischen Kathedrale in Lemberg]. In: M. Golubec’. Halyc’ke maljarstvo. L’viv 1926, 49−74; M. Golubec’. Rez. für: Piotrowski J. Katedra armianska … Lwow 1925. ‒ Sapysky Čyna sv. Vasylja Velykoho [Manuskripte von St. Vasylj der Große]. T. 1, Nr. 4, Žovkva 1926, 637−645;

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Der polnische Kunsthistoriker T. Mańkowski (1878 – 1956), der sich jedoch vor allem auf die Lemberger Kathedrale konzentrierte und das Thema der Profanbauten kaum berührte,74 hat mit seinen grundlegenden Arbeiten die Studien seiner Vorgänger W. Łoziński (1843 – 1913)75, W. Żyła (1877 – 1925)76 oder J. Piotrowski 77 in den Hintergrund gedrängt. Nicht allen Thesen und Interpretationen Mańkowskis ist zuzustimmen 78 (er ging gelegentlich sehr subjektiv an die Schriftquellen heran), doch an dem von ihm für die Lemberger Kathedrale erarbeiteten chronologisch-faktografischen Schema lässt sich schwerlich etwas bemängeln. In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Erforschung der Armenierviertel erneut aufgenommen, aber nun mit einem wesentlich breiteren Forschungsprogramm als früher. Diese Richtung entwickelte sich unter den Vorzeichen einer engen Zusammenarbeit armenischer und ukrainischer Wissenschaftler, und zwar nicht nur von Architekturund Kunsthistorikern, sondern auch von Kulturwissenschaftlern mit einem breiteren Forschungsprofil. An erster Stelle stehen dabei die Forschungen von O. Ch. Chalpachč’jan, die ein neues Licht auf die Architektur der Kolonien im Vergleich mit der Baukunst der transkaukasischen Armenier werfen. Der armenische Architekturhistoriker hat eine Reihe von Problemen formuliert, die die Grundlage für zweifelsohne fruchtbare Diskussionen bilden.79

M. Golubec’. Architektura starogo L’vova [Die Architektur des alten L’viv] ‒Svit. L’viv 1928, Nr. 7, 8−9. 74 Mańkowski, Sztuka Ormian lwowskich (wie Anm. 13), 61 – 163; ders.: Dawny Lwów, jego sztuka i kultura artystyczna [Das alte Lemberg. Seine Kunst und künstlerische Kultur]. London 1974; ­Mankovski, T: Arvestǝ haj gałout’nerow meǰ. […] In: Handes Amsorja. Vienna 1934, Nr. 3 – 4, 125 – 129. Von den Nachfolgern Mańkowskis sei hier E. Chojecka angeführt: Der armenische Beitrag zum Orientalisierungsprozess der polnischen Kunst. In: Vtoroj meždunarodnyj simpozium po armjanskomu iskusstvu. Bd. 3, Erevan 1978, 303 – 311. 75 Łoziński, Władysław: Sztuka lwowska w XVI i XVII w. Architektura i rzeźba [Die Kunst Lembergs im 16. und 17. Jahrhundert. Architektur und Skulptur]. Rev. Ausg. Lwów 1901. 76 Żyła, Władysław: Katedra ormiańska we Lwowie [Die armenische Kathedrale in Lemberg]. Kraków 1919. 77 Piotrowski, Józef: Katedra ormiańska we Lwowie w świetle restauracji i ostatnich odkryć [Die armenische Kathedrale in Lemberg im Lichte ihrer Restaurierung und der neuesten Entdeckungen]. Lwów 1925. 78 Dachkévytch, Yaroslav: Compte-rendu: T. Mańkowski, Orient w polskiej kulturze artystycznej. Warszawa-Wrocław-Kraków 1959. In: Revue des Études Arméniennes 2 (1965), 434 – 444. Weitere Positionen zu dem Buch von Mańkowski bei Gąsiorowski, S. J.: L’art du Proche Orient et l’art en Pologne selon Th. Mańkowski. In: Folia Orientalia 2, fasc. 1 – 2 (1960), 248 – 259; Galastjan, H./ Mankovskin, T.: Miǰnadarjan Lehastani arvesti hetazotoł. In: Lraber hasgit 1966, Nr. 3, 76. 79 Chalpachč’jan, O. P.: Sooruženija armjanskoj kolonii vo L’vove v XVI – načale XX vv. [Die Bauten der armenischen Kolonie in Lemberg vom 16. bis zum beginnenden 20. Jahrhundert]. In: Architekturnoe nasledie 27 (1979), 58 ff.; ders.: Sooruženija armjanskoj kolonii v Kamenec-Podol’ske [Die Bauten der armenischen Kolonie in Kam’janec-Podil’s’kij]. In: Architekturnoe nasledie 28 (1980), 133 – 149; ders.: Stroitel’naja dejatel’nost’ armjan na territorii Vostočnoj Evropy [Die Bautätigkeit der Armenier in Osteuropa]. In: Vtoroj meždunarodnyj simpozium po armjanskomu iskusstvu (Erevan 1978). Bd. 2. Erevan 1981, 377 ff.; ders.: Architektura armjanskich kolonij v Lucke i Zamost’e [Die Architektur der armenischen Kolonien in Luc’k und Zamość]. In: V Resp. Konf., 101 – 103, 422 – 424;

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Von ukrainischer Seite haben sich G. N. Logvin 80, V. A. Ovsijčuk 81, M. Ju. Brajčevskij 82, B. V. Kolosok 83, R. M. Lipka 84 und andere 85 in die Diskussionen um die architektonische Vergangenheit der armenischen Kolonien eingeschaltet. Die recht bedeutende Anzahl qualifizierter Arbeiten zur Architektur der armenischen Kolonien in der Ukraine belegt in überzeugender Weise, dass hier eine ziemlich leistungsfähige Forschungsrichtung entstanden ist, deren künftige Ausweitung in erster Linie von einer profunderen Kenntnis der verschiedenen Quellentypen abhängen wird. Wie die neuere und neueste Literatur belegt, wird es unerlässlich sein, sich einigen strittigen Fragen zuzuwenden. Dabei handelt es sich um Probleme unterschiedlicher Relevanz; es steht jedoch außer Zweifel, dass deren Lösung von einer vollwertigen und wirklich objektiven faktografischen Basis abhängt. Ich habe eingangs auf die schwer erklärbaren Diskrepanzen zwischen den seit langem bekannten Quellenzeugnissen und den Feststellungen einiger Wissenschaftler hingewiesen. Besonders deutlich zeigt sich dieser Gegensatz bei einer Sichtung des Materials zum Armenierviertel von Kamieniec-Podolski. Auch wenn man die ungenauen Beschreibungen von

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ders.: Architekturnye pamjatniki jazloveckich armjan [Architekturdenkmäler der Armenier von ­Jazlovec]. In: Problemy architektury Armenii. Respublikanskaja naučnaja konferencija, posveščennaja 120-letiju T. Toramanjana. Tezisy dokladov. Erevan 1984, 15 – 17, 112 – 114. Logvin, G. N.: Ukrainsko-armjanskie srednevekovye chudožestvennye svjazi [Ukrainisch-armenische Beziehungen in der Kunst des Mittelalters]. In: Vtoroj meždunarodnyj simpozium po armjanskomu iskusstvu (Erevan 1978). Bd. 2. Erevan 1981, 312 – 317. Ovsijčuk, V. A.: Dejatel’nost’ armjanskich živopiscev vo L’vove (XV – XVII vv.) [Die Tätigkeit armenischer Maler in Lemberg (15. – 17. Jahrhundert)]. In: Istoriko-filologičeskij žurnal 2 (1966), 249.; Ovsijčuk, V. A.: Pam’jatnyky ukraїns’ko-virmens’kych mystec’kych zvjazkiv XIII – XVIII st. − Ukraїns’ke mystectvoznavstvo [Denkmäler ukrainisch-armenischer Kunstbeziehungen vom XIII. bis XVIII. Jahrhundert]. Kyïv 1976, Nr. 6, 111−120; ders.: Armjano-ukrainskie tvorčeskie svjazi [Künstlerische Beziehungen zwischen Armeniern und Ukrainern]. In: Vtoroj meždunarodnyj simpozium po armjanskomu iskusstvu. Bd. 3. Erevan 1978, 297 – 302. Brajčevskij, M. Ju.: Architekturnye pamjatniki armjanskoj kolonii v gorode Kamence-Podol’skom [Architekturdenkmäler der armenischen Kolonie in Kam’janec’-Podil’s’kij]. In: Istoričeskie svjazi i družba armjanskogo i ukrainskogo narodov. Bd. 3. Erevan 1971, 290 – 293. Kolosok, B. V.: K istorii armjanskogo stroitel’stva v Lucke [Zur Geschichte der armenischen Architektur in Luc’k]. In: Architekturnoe nasledie 32 (1984), 119 – 124. Lipka, Amsambl` (wie Anm. 13) Jackevič, E. A.: Pamjatniki armjanskoj kultury vo L’vove [Armenische Kulturdenkmäler in Lemberg]. In: Istoričeskie svjazi i družba armjanskogo i ukrainskogo narodov. Bd. 1. Erevan 1961, 121 – 131; ­Krivonos, N. K.: Armjanskie istoričeskie pamjatniki na L’vovščine [Armenische Geschichtsdenkmäler in der Region Lemberg]. In: Vestnik archivov Armenii 4 (1971), 107 – 120; Arsenič, P. M./Kaljus, N. V.: Armjanskie pamjatniki XVIII v. Ivano-Frankovskoj oblasti USSR [Armenische Denkmäler des 18. Jahrhunderts im Bezirk Ivano-Frankovsk der USSR]. In: V Respublikanskaja naučnaja konferencija po problemam kultury i iskusstva Armenii. Tezisy dokladov. Erevan 1982, 23 – 25, 258 – 260; Gajda, N. P.: Pamjatniki armjanskoj kultury Jazlovca [Die armenischen Kulturdenkmäler von Jazlovec]. In: ebd., 40 – 43, 280 – 282. Dort weitere Literaturangaben.

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dessen Zentrum einmal beiseitelässt („Der von hohen steinernen Häusern und Speichern umgebene Platz wurde von vier Kirchen geschmückt: der Mariä-Entschlafungskathedrale sowie der Nikolai-, Jungfrauen- und Stephanskirche“)86, ist zu konstatieren, dass einstweilen zwei unterschiedliche, von O. Ch. Chalpachč’jan 87 und V. R. Grigorjan 88 vorgelegte Sichten auf die armenischen Bauten von Kamieniec-Podolski existieren, wobei letzterer völlig zu Recht anmerkt, dass „diese Fragen einer ergänzenden Untersuchung bedürfen“89. Die mangelnde faktografische Stichhaltigkeit mancher Ansätze zeigt sich am besten bei einem Vergleich der Quelleninformationen mit den durch die verschiedenen Arbeiten verbreiteten „Daten“. Wir werden uns dabei auf die Klärung der Frage nach der Entstehungszeit der wichtigsten armenischen Sakralbauten von Kamieniec-Podolski konzentrieren. Marienkathedrale. In der neueren Literatur wird die Existenz dieser enormen Kathedrale 90 verschwiegen, und ihre Baugeschichte wird mit der der späteren, 1756 – 1761 errichteten Nikolaikathedrale durcheinandergebracht. Tatsächlich wurde die Marienkathedrale 1522 errichtet und später ausgemalt; 1570 baute man an sie eine ebenfalls ausgemalte Kapelle und einen Bogen an.91 Die Kathedrale wurde während der osmanischen Besatzung im Jahr 1672 beschädigt und danach nicht renoviert. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde an ihrer (und der nahegelegenen kleinen Nikolaikirche) Stelle die neue Nikolaikathedrale errichtet. Nikolaikirche. Sie wird (wo sie nicht mit der ukrainischen Nikolaikirche verwechselt wird, die wiederum aus der umgeweihten armenischen Mariä-Verkündigungskirche hervorging) als ein Bau aus dem Jahr 1495 betrachtet, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts restauriert worden sei. Tatsächlich wurde diese Kirche 157792 an der Stelle eines steinernen Vorgängerbaus aus dem Jahr 1566 errichtet.93 Ende des 16. Jahrhunderts baute man um die Kirche herum eine Galerie, 1603 wurde eine neue Kuppel aufgesetzt und 1623 ein kleiner Chor angebaut.94 Auch diese Kirche litt während der osmanischen Okkupation, und an ihrer sowie der Stelle der Marienkathedrale wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die neue Nikolaikathedrale erbaut.

86 Galustjan, Dž. O.: Iz istorii stroitel’noj dejatel’nosti v armjanskich poselenijach Pol’ši [Zur Geschichte der Bautätigkeit in den armenischen Siedlungen Polens]. In: Istoriko-filologičeskij žurnal 3 (1975), 141. 87 Chalpachč’jan, Sooruženija, In: Architekturnoe nasledie 28 (1980) (wie Anm. 79), 133 – 149. 88 Grigorjan, V. R.: Istorija armjanskich kolonii Ukrainy i Pol’ši (armjane v Podolii) [Die Geschichte der armenischen Kolonien in der Ukraine und in Polen (die Armenier in Podolien)]. Erevan 1981, 73 – 82. 89 Ebd., 76. 90 Vgl. den beigefügten Ausschnitt aus der Stadtansicht von K. Tomaszewicz (Abb. 4, Buchstabe T). 91 Bžškeanc’, Minas (wie Anm. 64.), 148 – 151. Zur Erhellung der Baugeschichte der Sakralbauten in Kamieniec Podolski führen wir hier nur die wichtigsten Aspekte aus den Protokollbüchern an. 92 Das Datum wird durch ein Dokument zur Übergabe der neuerrichteten Kirche an die Gläubigen bestätigt. CDIA-Kyiv, Fond 39, Inv. 1, Bd. 8, Bl. 20b (in Armeno-Kipčak). 93 Das Datum wird durch die armenische Chronik von Kamieniec Podolski bestätigt (vgl. oben). 94 Bžškeanc’, Minas (wie Anm. 64.), 151 – 154.

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Mariä-Verkündigungskirche (seit dem 19. Jahrhundert die ukrainische Nikolaikirche). Wegen ihrer „stilistischen Besonderheiten“ betrachtet man sie als das älteste Gebäude in Kamieniec-Podolski aus dem 11.–13. Jahrhundert (d. h. kurioserweise aus einer Zeit, als es die Stadt noch gar nicht gab).95 Tatsächlich wurde sie 1597 auf den Fundamenten einer baufälligen hölzernen Kirche erbaut; 1607 baute man an sie eine Sakristei an.96 Das Gebäude hat sich in umgebauter Form bis heute erhalten. Glockenturm. Er wird wahlweise auf das Jahr 1495 oder die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert datiert, obgleich nach den Schriftquellen „der kostbare und prächtige Glockenturm der Kirche des Patriarchen St. Nikolaus“ in den Jahren 1630 – 1633 an Stelle eines älteren, 1493 errichteten Glockenturms erbaut wurde.97 Der Wunsch, die untersuchten Objekte um jeden Preis älter zu machen, führt zu Diskrepanzen mit den Schriftquellen, die dabei vollständig ignoriert werden. Außerdem werden so ganze, hochinteressante Kapitel aus der Geschichte der armenischen Baukunst in Kamieniec-Podolski gestrichen. Einstweilen steht außer Zweifel, dass die gesamte Geschichte der armenischen Bautätigkeit einer sorgfältigen Revision unterzogen werden muss und einer neuen Darstellung in Übereinstimmung mit den materiellen, grafischen und besonders den schriftlichen Quellen bedarf. Um diese Forderung nach faktografischer Glaubwürdigkeit zu begründen, lässt sich noch eine Reihe von Informationen über die Lemberger Bauten anführen: Die dortige Kathedrale soll an Stelle der ihrerseits im 12. Jahrhundert errichteten Annenkirche erbaut worden sein;98 tatsächlich liegen mehrere Kilometer zwischen der Kathedrale und der Annenkirche, zudem existierte Lemberg im 12. Jahrhundert noch gar nicht. Der mittlere Teil der Kathedrale soll 1908 beim Bau der Krakauer Straße abgerissen worden sein; tatsächlich stürzte das Dach über dem mittleren Teil der Kathedrale als Folge einer misslungenen Renovierung ein. In Jazlovec’ wiederum sollen bis heute „viele großartige Bauten des 16.–17. Jahrhunderts“ erhalten sein, die tatsächlich während der polnisch-osmanischen Kriege in den 1670er–90er Jahren endgültig zerstört wurden, bis auf eine Kirche, die erst während des Ersten Weltkrieges vernichtet wurde.99 Bekanntermaßen sind die meisten Erbauer der im Mittelalter errichteten Gebäude – der Sakral- ebenso wie der Profanarchitektur – anonym geblieben. Deswegen gewinnt noch die geringste Möglichkeit für die Zuschreibung eines Bauwerkes besondere Bedeutung.

95 96 97 98

Daškevič, Kamenec – ešče raz (wie Anm. 2), 7 – 19. Bžškeanc’, Minas (wie Anm. 64), 140 – 148. Řōšk’a. nsv. asx, 158, 159, 161, 174. Viele Autoren nennen das Jahr 1183 als vermeintlich aus alten Quellen stammendes Datum für die Errichtung einer hölzernen armenischen Kirche in Lemberg. Solche Hypothesen entbehren jedoch jeglicher Grundlage. Dazu Daškevič, Drevnjaja Rus’ i Armenija (wie Anm. 32), 191 f. 99 Galustjan, Dž. O.: Kulturnaja žizn’ armjanskich kolonii srednevekovoj Pol’ši (XVI–XVII vv.) [Das kulturelle Leben der armenischen Kolonien im mittelalterlichen Polen (16.–17. Jahrhundert)]. Erevan 1981, 33 – 39.

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Die Baumeister der Armenierviertel sind beinah zur Gänze anonym. Daraus entspringt der Wunsch und auch die Versuchung, die dortigen Bauten mit den verschiedensten armenischen Architekten in Zusammenhang zu bringen. Charakteristisch für diese Tendenz ist die um die Person des Erbauers der armenischen Kathedrale in Lemberg entstandene Diskussion. Der frühneuzeitliche Chronist J. B. Zimorowicz (1597 – 1677), der viele Jahre als Schreiber des armenischen Gerichtes in Lemberg fungierte, notierte in seinem Werk „Leopolis triplex“ (entstanden zwischen 1665 und 1672), dass die Kathedrale von einem Architekten namens Dore erbaut worden sei.100 W. Łoziński schlug nach den von ihm durchgeführten Archivrecherchen vor, diesen womöglich entstellt wiedergegebenen Namen mit dem des in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Lemberg lebenden deutschen Baumeisters Doring zu identifizieren.101 Diese Hypothese wurde von vielen Kunsthistorikern als bewiesene oder doch fast bewiesene Tatsache übernommen (J. Bołoz Antoniewicz, B. Janusz, M. Holubec’, V. E. Sičinskij, J. Piotrowski, V. A. Ovsijčuk, V. F. Ljubčenko, W. S. Vujcik). Gleichzeitig aber erschien es seltsam, dass ein westlicher Architekt den Ideengehalt der armenischen Architektur so gut erfasst haben könnte, dass er in der Lage war, in dessen Geist (nicht nur in Hinblick auf Stil und Konstruktion, sondern sogar hinsichtlich der Bauchtechniken) ein echtes Meisterwerk armenischer Sakralarchitektur des 14. Jahrhunderts zu schaffen. So brachte T. Mańkowski die These auf, ein gewisser Dorchi sei der Erbauer gewesen, angeblich ein Italiener aus Kaffa, der mit Stil und Verfahren der armenischen Baukunst vertraut gewesen sei.102 Abgesehen davon, dass diese These aus quellenkundlicher Perspektive mehr als angreifbar ist, begann sie doch Wurzeln zu schlagen. Da Mańkowskis These für die Klärung der Frage nach dem Erbauer des wichtigsten armenischen Architekturdenkmals in der Ukraine von besonderer Bedeutung ist, lohnt es, ihrer Entstehung etwas mehr Aufmerksamkeit zu widmen. T. Mańkowski stützte sich auf ein publiziertes Fragment eines von dem armenischen Priester Ch. Faruchowicz 1756 verfassten Inventars der Lemberger Kathedrale.103 In dieser Notiz wird mitgeteilt, dass „der Architekt ein Italiener namens Dorchi war, der zuvor die Georgenkirche der Basilianerbrüder erbaut hatte, so wie es in ihrem Archiv vermerkt ist; unsere heutige Kirche wurde nach seiner Architektur erbaut“. Mańkowski machte sich nicht die Mühe, nach dem Originalmanuskript von Faruchowicz zu suchen, und erklärte, dass es verschollen sei. Seltsamerweise befand sich die Handschrift damals in Lemberg in der Bibliothek des Ossolineums, deren Bestände Mańkowski häufig nutzte. Aber seine Schlussfolgerungen gingen noch weiter:104 Ohne zu zögern verkündete er, dass jener Dorchi aus Kaffa stamme (was in der Notiz nicht erwähnt wird), wo er nach den 100 Zimorowicz, Józef B.: Pisma do dziejów Lwowa odnoszące się [Schriften zur Geschichte Lembergs]. Hg. v. K. Heck. Lwów 1899, 69. 101 Łoziński, Sztuka (wie Anm. 75), 3. 102 Mańkowski, Sztuka Ormian lwowskich (wie Anm. 13), 77 – 85. 103 Barącz, O rękopismach … In: Dziennik Literacki 39 (1853), (wie Anm. 64, 307). 104 Mańkowski, Sztuka Ormian lwowskich (wie Anm. 13), 77 – 85.

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Regeln der armenischen Baukunst gebaut habe, und dass sein Name in Lemberg zum deutschen Doring entstellt worden sei. Mit anderen Worten: Der Doring der Lemberger Stadtbücher sei eben jener Dorchi, dessen Namen Faruchowicz in alten Dokumenten gefunden und in seine Aufzeichnungen übernommen habe. Entsprechend präsentierte Mańkowski die Biografie jenes vermeintlichen Dorchi in einem polnischen biografischen Lexikon.105 Er war vollkommen von seiner Hypothese überzeugt und präsentierte sie als bewiesene Tatsache. Tatsächlich hatte sich Mańkowski schwerwiegend geirrt. Die vermeintliche Notiz des Priesters Faruchowicz aus dem Jahr 1756 ist tatsächlich der Entwurf eines Dokumentes von 1773, das auf Verlangen der neuen österreichischen Machthaber vom Lemberger armenisch-katholischen Erzbischof J. S. Augustynowicz oder einem seiner Mitarbeiter angefertigt wurde.106 Das Blatt Papier, auf dem der Entwurf des Erzbischofs verfasst war, wurde später in das Inventar des Priesters Faruchowicz eingeklebt, der damals wahrscheinlich schon nicht mehr lebte (er wurde 1695 geboren). Dieser Text aus dem Jahr 1773 lässt sich also keinesfalls als „Aufzeichnung des Faruchowicz“ bezeichnen. Der Lemberger Erzbischof hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte der Kathedrale so darzustellen, dass sie sehr alt erscheinen musste (daher auch die Geschichte von der angeblichen hölzernen Kirche aus dem Jahr 1183), und präsentierte sie in einem pompösen, für das Ende des 18. Jahrhunderts typischen Stil, in erster Linie, um seine Kirche vor möglichen Eingriffen der Österreicher zu schützen. Den Aufzeichnungen über den Bau einer steinernen Kathedrale im Jahr 1363 lag eine damals noch vorhandene Urkunde der Stifter über die Übergabe der Kirche an die armenischen Kolonisten zu Grunde, und aus der Chronik von Zimorowicz zog man die Informationen über den Architekten, der etwa zur selben Zeit das armenische und das ukrainische Gotteshaus gebaut hatte. Zimorowicz hatte den Architekten „Dore“ genannt, was auch als „Dorc“ gelesen werden konnte (ein solcher Fehler wäre eine paläografisch betrachtet vollkommen zulässige Lesart). Man darf nicht vergessen, dass die Lemberger armenische Geistlichkeit zu jener Zeit eine im wahrsten Sinne des Wortes italienische Ausbildung genoss, denn die Priester studierten am armenisch-ukrainischen Kolleg des Theatinerordens in Lemberg, in dem vor allem Italiener unterrichteten und dessen Schüler fließend Italienisch sprechen mussten.107 So wurde beinah automatisch aus einem achtlos gelesenen lateinischen „Dorc“ (das den Leser womöglich an das mittellateinische dorcas ‚Reh‘ erinnerte) ein italienisches „Dorchi“. Dem italienischen Namen fügte man dann die entsprechende ethnische Bezeichnung „Italiener“ hinzu (umso mehr, als die Italiener zu jener Zeit als Baumeister berühmt waren), und so entstand die Legende vom italienischen Architekten Dorchi, versehen mit einem Verweis 105 Mańkowski, Tadeusz: Dorchi lub Dorc [Dorchi oder Dorc]. In: Polski Słownik Biograficzny. Bd. 5. Kraków 1939, 328 f. 106 Ich hatte Gelegenheit, diese Aufzeichnungen in der Bibliothek des Ossolineums in Breslau einzusehen (Handschriftenabteilung, Nr. 1740, II, Bl. I röm. Paginierung). 107 Blažejovskyj, Dmytro: Ukrainian and Armenian Pontifical Seminaries of Lviv (1665 – 1784). Roma 1975.

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auf ein nicht armenisches, sondern ukrainisches Klosterarchiv, dessen alte Manuskripte zu jener Zeit bereits seit langem verlorengegangen waren. Man muss aber zugleich betonen, dass man in den Lemberger Akten vom Ende des 14. Jahrhunderts auf Namen unterschiedlichster Herkunft trifft, also nicht nur italienische, sondern auch (durchaus nicht entstellte) armenische oder ukrainische. Den Namen Dorchi findet man dort allerdings nicht, und daraus einen Doring zu machen, wäre vollkommen sinnlos gewesen, umso mehr, als es sich dabei um einen namhaften Architekten gehandelt haben soll (und die Lemberger Kathedrale selbst zeugt davon, dass sie von einem exzeptionellen Baumeister errichtet wurde!). Ein Doring aber wird in den Akten mindestens sechsmal erwähnt (in den Jahren 1383/84; 1384 starb er). Zweifelsohne sprechen mehr Argumente für die Möglichkeit, den real existierenden Doring des 14. Jahrhunderts mit dem Architekten Dore aus der Chronik des 17. Jahrhunderts zu identifizieren als mit einem nichtexistenten und durch keinerlei parallele Quelleninformationen belegten Dorchi. Wir haben diesen Exkurs unternommen, um zu zeigen, auf welch komplizierten Wegen die Recherchen nach den Erbauern der armenischen Monumentalarchitektur in der Ukraine verlaufen. Nach Mańkowski, einem zweifelsohne ernstzunehmenden Kunsthistoriker, fand seine neue Hypothese eine Reihe von Anhängern (in jüngerer Zeit haben sich Dž. Galustjan, E. Chojecka und J. D. Isaevič für „Dorchi“ ausgesprochen). Doch bei dieser einen Verwandlung des Namens Dore aus der Chronik von Zimorowicz ist es nicht geblieben. Wie ein Deus ex Machina sollte er sich plötzlich und ohne die geringsten Begründungen oder Indizien zuerst in einen ukrainischen Dorko (ein Diminutiv von „Fjodor“) verwandeln;108 im Folgenden wurde dessen vermeintlicher Träger nicht nur zu einem armenischen, in Kaffa gebürtigen Baumeister,109 sondern auch gleich zum Erbauer der Georgenkirche des Heiligkreuzklosters auf der Krim erklärt. Diese neue These war weniger als eine Vermutung, da es keinerlei Quellen gibt, die die Existenz eines solchen Baumeisters bestätigen würden. Auch mit dem Text des armenischen Erzbischofs aus dem Jahr 1773 gibt es keinerlei Übereinstimmungen, so dass man der Idee, dass Dore ein ukrainischer Dorko sein könne, denn auch mit Skepsis begegnete.110 Doch als wollte man solche Vermutungen nun endgültig diskreditieren, werden sowohl „Dorchi“ als auch „Dorko“ (die beide nirgends in den Quellen auftauchen) weiterhin mit dem aus den Quellen gut bekannten Baumeister Doring gleichgesetzt, obwohl auch diese Gleichsetzung keiner Kritik standhält.111

108 Lohvyn, H. N.: Architektura XIV – peršoї polovyny XVI st. [Architektur vom XIV. bis zur ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts]. In: Istorija ukraїns’kogo mystectva. Bd. 2. Kyïv 1967, 24. 109 [Lohvyn, H. N.]: Dorko. In: Slovnyk chudožnykiv Ukraїny [Gleichsetzung von „Dorko“ mit „Doring“]. Kyïv 1973, 77; Logvin, Ukrainsko-armjanskie (wie Anm. 80), 314. 110 Ostrovskij, Grigorij: L’vov. Moskva 1982, 45. 111 Logvin, Dorko, 77 (wie Anm. 109) (dort seine Gleichsetzung von „Dorko“ mit „Doring“); Isajevyč, Ja. D.: Kultura [Die Kultur] – In: Istorija L’vova. Kyïv 1984, 57.

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Nach etwas einfacheren Rezepten verfuhr man mit den armenischen Architekten anderer Bauten. Stifter oder Eigentümer von Häusern, die in Schriftquellen oder epigrafischem Material (den sogenannten Bauinschriften) genannt werden, ließen sich leicht in Architekten verwandeln. Der Lemberger armenisch-katholische Erzbischof Wardan Hunanian (er amtierte 1686 – 1715), in dessen Amtszeit das erzbischöfliche Palais neben der Kathedrale in Lemberg errichtet wurde, wurde so als Architekt klassifiziert und sein Palais entgegen der Wahrheit vor die Stadtmauern verlegt. Es lassen sich weitere solcher Beispiele anführen, doch es sind größte Zweifel angebracht, dass dies die richtigen Wege zur Lösung wichtiger kunsthistorischer Probleme sind. Strittig ist die Frage nach der Technik, in der die Wandmalereien der armenischen Kathedrale ausgeführt wurden. Eine gleich nach deren Entdeckung im Jahr 1925 durchgeführte Analyse sollte bestätigen, dass es sich um Fresken handelt.112 Diese These hat bis heute ihre Anhänger (B. Janusz, M. Holubec, G. N. Logvin, O. Ch. Chalpachč’jan, V. S. Vujcik, G. Ostrovskij). Einige Zeit später wurde eine wiederholte Analyse durchgeführt, die zeigen sollte, dass die Wandmalereien in Tempera ausgeführt wurden.113 Auch diese Schlussfolgerung fand ihre Unterstützer (T. Mańkowski, V. Ovsijčuk). Schließlich stellte man als Kompromiss die These auf, dass die Malereien selbst in Tempera, aber womöglich auf Freskenvorzeichnungen ausgeführt worden seien.114 Anscheinend ist die Zeit für eine sorgfältigere Untersuchung dieses technischen Problems gekommen. Dabei muss man zum einen unbedingt berücksichtigen, dass es nicht weniger als sechs Farb- und Putzschichten an den Wänden der Kathedrale gab (wenn auch nicht an allen Stellen), und zum anderen, dass nach deren Entdeckung die Restaurierung der beschädigten Stellen tatsächlich in Tempera ausgeführt wurde. Sollte man sich aber am Schluss doch zugunsten der Freskotechnik entscheiden, dann wäre die Lemberger Kathedrale kein Ausnahmefall; die armenische Kathedrale in Kiew war ebenfalls mit Freskenmalereien bedeckt.115 Strittig ist auch die Herkunft zweier in die Wände der Lemberger Kathedrale eingemauerter Reliefs. Sie sollen entweder von den Wänden der armenischen Annenkirche in Lemberg genommen worden sein 116 oder von Grabsteinen stammen.117 Beide Versionen sind wenig überzeugend. Die Grabsteine, von denen man die Basreliefs des Ungläubigen Thomas sowie der Hl. Sofia und ihrer Töchter hätte abnehmen können, hätten (bei den bedeutenden Ausmaßen dieser Reliefs) riesig und dem Stil armenischer Grabplatten des 112 Peščans’kyj, V./Cholodnyj, P.: Technika mal’ovyl virmens’kogo soboru u L’vovi [Die Maltechnik der Armenischen Kathedrale in Lemberg]. – Stara Ukraїna. L’viv 1925, Nr. 7 – 10, 126. 113 Mańkowski, Sztuka Ormian lwowskich (wie Anm. 13), 126 f. (dort werden die Resultate der von S. Matusiak durchgeführten Analyse angeführt). 114 Ovsijčuk, Dejatel’nost’ armjanskich živopiscev vo L’vove (wie Anm. 81), 249. 115 Ivakin, H. Ju.: Do pytannja, 118. 116 Lohvyn, H. N.: Skulptura ta rizblennja XIV–peršoї polovyny XVI st. // Istorija ukraїns’kogo mystectva [Skulptur und Schnitzerei vom XIV. bis zur ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts]. Bd. 2. Kyïv 1967, 427. 117 Piotrowski, Katedra ormiańska we Lwowie (wie Anm. 77), 17.

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15.–17. Jahrhunderts zuwider sein müssen; und an den Wänden der Ende des 18. Jahrhunderts abgetragenen Annenkirche gab es (wie eine Abbildung aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts belegt)118 keinerlei Reliefs. Ihre Herkunft bleibt also einstweilen ungeklärt. In der Historiografie verspürt man seit langem die Notwendigkeit, die Forschungen zu den Armeniervierteln auch kartografisch umzusetzen. Diese methodische Forderung stellt O. Ch. Chalpachč’jan in fast allen seinen Arbeiten, doch bis zu einer Realisierung ist es noch recht weit. Pläne der Armenierviertel von Lemberg etwa beschränken sich in der Regel auf die Straßen innerhalb der Stadtmauern; und selbst dann stellen sie das Viertel kleiner dar, als es tatsächlich war.119 Die wenigen Karten des Armenierviertels von Kamieniec Podolski sind allzu schematisch.120

Typologie und Stilmerkmale Die funktionale Undifferenziertheit der Armenierviertel, in denen gewöhnlich nur ein zentraler Komplex von administrativen Profan- sowie Sakralbauten hervortrat, schloss eine bautypologische Vielfalt in Abhängigkeit von der geografischen Lage der Städte und der in ihnen vorherrschenden städtebaulichen Strukturen nicht aus. Die Herausbildung der verschiedenen Stadt- und Quartierstypen wurde von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Einige Historiker versuchen, eine Unterteilung der Städte in der Rus’ in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in einen „östlichen“ und einen „westlichen“ Stadttypus zu begründen, wobei sie davon ausgehen, dass es der ethnische Faktor war, der dabei ausschlaggebend war – nur in den „östlichen“ Städten hätten, so die Annahme, Vertreter unterschiedlicher östlicher Nationalitäten, unter ihnen auch Armenier, gelebt.121 Doch in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts lebten Armenier sowohl in sogenannten „östlichen“ (wie etwa Kiew) als auch in „westlichen“ Städten (wie z. B. Lemberg). Als Faktoren, die das äußere Erscheinungsbild der Armenierviertel beeinflussten, sind unbedingt und in erster Linie die folgenden zu berücksichtigen: die Entstehungszeit eines Viertels, durch Katastrophen (insbesondere Brände) verursachte Zerstörungen, die Lage eines Viertels im Verhältnis zum Stadtkern, Geländekonfiguration und Topografie, horizontale und vertikale Gliederung (Bebauungsdichte, Straßennetz, Geschosszahl der Häuser), architektonischer Stil und verwendete Baumaterialien. Jeder dieser Faktoren verdient eine gesonderte Untersuchung, jedoch würde dies den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes überschreiten. Er wird sich lediglich der Lage und der Gliederung der Armenierviertel widmen, bezüglich derer eine typologische Einteilung der Viertel in mehrere Kategorien möglich 118 Daškevič, Neizvestnye pamjatniki (wie Anm. 31), 66 f., 305 f. 119 Chalpachč’jan, Sooruženija. In: Architekturnoe nasledie 27 (1979) (wie Anm. 79), 59, 64; Lipka, (wie Anm. 13), Hajkakan sovetakan hanragitaran [Soviet-Armenisches Lexikon] Band. 4. Erevan 1978, 670. 120 Tjupič/Chotjun, Armjanskie sooruženija Kamenec-Podol’skogo (wie Anm. 33), Abb. 147. 121 Pritsak, Omeljan: Kievian Rus’ and Sixteenth–Seventeenth Century Ukrainian History. In: Rethink­ ing Ukrainian History. Hg. v. Ivan L. Rudnyitsky und John-Paul Himka. Edmonton 1981, 10.

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ist. Hinsichtlich der Lage der Armenierviertel im Verhältnis zur befestigten Stadt und dem Stadtkern (die Stadt innerhalb ihrer Mauern im Unterschied zu den Vorstädten jenseits davon) lassen sich zwei Haupttypen unterscheiden: 1. die innerhalb der befestigten Stadt gelegenen Viertel, 2. die in einer Vorstadt gelegenen Viertel. Wie bereits erwähnt, existierten in einigen Städten (Kiew, Lemberg, Stanisławów) zwei Armenierviertel – eines innerhalb der befestigten Stadt und eines außerhalb der Stadtmauern. Die innerhalb einer Stadt gelegenen Armenierviertel nahmen gewöhnlich einen Raum zwischen den Befestigungsanlagen (wo es sogenannte armenische Verteidigungsanlagen gab) und dem Zentrum ein, wobei sie an einer, der schmaleren, Seite an den städtischen Marktplatz angrenzen konnten. Der Armenierplatz, sofern ein solcher in der Kolonie existierte, bildete niemals das geometrische Zentrum des Viertels, sondern war in die Richtung des administrativen und ökonomischen Zentrums der Stadt verschoben (Kamieniec-Podolski, Jazlovec’), wobei er sich Gegebenheiten des Geländeprofils anpasste (in Kamieniec-Podolski befindet sich der Platz auf einer Anhöhe; in Jazlovec’ dagegen unterhalb einer Schlucht). Die innerhalb der befestigten Stadt gelegenen Viertel waren hinsichtlich des Charakters und der Dichte ihrer Bebauung wiederum in zwei Typen unterteilt. Gab es merkliche territoriale Einschränkungen (wie z. B. in Lemberg), dann bestand das Viertel aus ein oder zwei recht langen – jedoch nicht über die gesamte Länge der befestigten Stadt reichenden – Parallelstraßen und ein oder zwei Gassen mit der Kirche oder genauer mit deren Glockenturm als einziger Dominante. Innerhalb des Viertels, in der Nähe der Kirche (oder der Kirchen), befand sich auch der Friedhof. Die Bebauung war nahezu kompakt und bestand gewöhnlich (wegen der territorialen Einschränkungen) aus zwei- oder dreigeschossigen, überwiegend steinernen Häusern. In Lemberg erreichte die Bebauungsdichte im 18. Jahrhundert 80 Prozent. Die öffentlichen Bauten, aber auch andere, sakrale Gebäude (abgesehen von Kirche und Glockenturm) – wie das Haus der armenischen Selbstverwaltung (manchmal als Rathaus bezeichnet), die bischöfliche Residenz, das Haus des Priesters, das Kloster, die Schule, die Bank der Gemeinde, das Spital – stachen nicht durch ihre Architektur hervor, sondern glichen im Aussehen gewöhnlichen Wohnhäusern (manchmal handelte es sich auch um an den jeweiligen Zweck angepasste Wohngebäude). Die besonders prachtvollen Wohnhäuser des armenischen Patriziates befanden sich in der Nähe der öffentlichen und sakralen Bauten des Viertels oder auch nahe am administrativen und ökonomischen Zentrum der Stadt (Marktplatz) und taten sich manchmal durch ihre luxuriöse Fassadengestaltung hervor. Das Zentrum des Viertels bildeten die Kathedrale oder Kirche und die um sie herum gelegenen öffentlichen und sakralen Bauten. Es gab eine deutlich zu registrierende Tendenz, diese Bauten zu Komplexen zusammenzufassen (dazu weiter unten). Wenn das Armenierviertel freier innerhalb der befestigten Stadt gelegen war, und die Gemeinde mehr Land zur Verfügung hatte (wie in Kamieniec-Podolski oder ­Jazlovec’), existierte neben einigen ziemlich dicht bebauten Straßen und Gassen aus ein- und

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zweigeschossigen Häusern, die näher am öffentlichen Zentrum des Viertels gelegen waren, ein mit einstöckigen Häusern chaotisch bebautes Gelände. Das – im Verhältnis zur Konfiguration des Viertels nicht notwendigerweise geometrisch präzise – Zentrum bestand aus einem sakralen Gebäudekomplex oder aber aus einem Armenierplatz mit dem Gebäude der Selbstverwaltung und den eleganteren Häusern des Patriziats. Den Hauptakzent setzte die (Kathedral-)Kirche mit einem wehrturmartigen Glockenturm. Auf dem übrigen Territorium des Viertels konnten sich noch weitere kleinere Kirchen (Kapellen), ein Kloster und ein Spital befinden. Die Armenierviertel in den Vorstädten (Lemberg, Stanislau) hatten keine klar umrissenen Straßen, aber sie waren an eine der aus der Stadt herausführenden Magistralen angebunden. Sie bestanden aus verstreut, häufig an Hügelabhängen, gelegenen Häusern und Gehöften. Die vorstädtischen Armenierviertel besaßen ebenfalls strukturierende Akzente – eine oder zwei Kirchen, die manchmal innerhalb eines Komplexes zusammengefasst waren, der jedoch bescheidener war als derjenige innerhalb der Stadt. Im 18. Jahrhundert war die mittelalterliche Reglementierung der Bautätigkeit überlebt. Die Städte wuchsen schließlich über die Begrenzung ihrer Befestigungsmauern hinaus oder wurden ohne Mauern gebaut, mit Wallanlagen und separaten Verteidigungsstützpunkten, da Stadtmauern aufgrund einer gewandelten Kriegstaktik keinen zuverlässigen Schutz mehr bieten konnten. In Städten mit einer neueren und weniger dichten Bebauung (wie z. B. in Mogiliv Podil’s’kij oder Žvanec’), in denen erst später armenische Siedler auftauchten, erhielt sich eine Bebauung östlichen Typs – einstöckige Häuser mit von Mauern umgebenen Höfen. Charakteristisch war, dass sich der Bebauungstyp der Armenierviertel vom Südosten der Ukraine nach Westen hin veränderte. In den westukrainischen Städten wurden selbst dort, wo die mittelalterliche Reglementierung der Vergangenheit angehörte, die in die Länge gezogenen, das Viertel bildenden Straßen gewöhnlich ziemlich dicht bebaut (Berežani). Für die ostukrainischen Städte war eine Bebauung mit freistehenden Gehöften typischer. Bezogen auf die zahlreichen Besonderheiten in der Bebauung lassen sich einige Regionen mit einem jeweils in ihnen vorherrschenden Typus von Armeniervierteln bestimmen. Die folgende Kategorisierung wird durch Aussagen von Reisenden und Forschern begleitet, die die zu ihrer Zeit noch nicht verschwundenen Viertel mit eigenen Augen gesehen haben.

Dnepr-Region und östliches Podolien (Kiew, Mogiliv Podil’s’kij) „In Kiew“, so ein Memoirenschreiber, der die Stadt 1584 besuchte, „gehst du zwischen hölzernen Häusern und Zäunen als wie in einem dicht besiedelten Dorf, durch krumme, unregelmäßige Straßen. Jedes Gehöft hat seinen eigenen großen Garten, Gemüsebeete und viele Gebäude für Vieh und Menschen. All’ dies ist hier und da verstreut, als würde eines dem anderen hinterherjagen. Jedes Haus hat sein eigenes Badehaus […]. Die Zäune um die Häuser sind aus senkrechten Brettern gut zusammengefügt […]. Die Häuser sind mit

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Schindeln gedeckt, mit zweimal so großen wie in Polen; man sollte sie richtiger als Bretter bezeichnen.“122 Derselbe Bebauungstyp, dem sich auch das Armenierviertel anpasste, ist für Kiew noch durch andere Quellen verschiedener Art bestätigt.123 „Mogilev ähnelt den Städten, die einem in den zentralen und südlichen Gouvernements begegnen, nicht – es ist ein rein lokales Produkt, in dem aber der Typus der westlichen Gouvernements einen irgendwie östlichen Beigeschmack hat und den Betrachter in Verwirrung stürzt, der mit seiner Geschichte nicht vertraut ist“ – so der ukrainische Schriftsteller und Ethnograf A. S. Afanas’ev-Čužbinskij – „Tatsächlich erinnert in Mogilev […] die Architektur eines beliebigen Hauses an Tiflis oder eher noch an Erevan.“124 Noch Ende des 19. Jahrhunderts war in Mogiliv „eine orientalische Nuance in der Architektur [spürbar] – die letzte sichtbare Spur der hier über lange Zeit hinweg anwesenden armenischen Kolonisten […]. Jedes Wohnhaus ist gänzlich isoliert, sowohl von der Straße als auch von seinen Nachbarn, und stellt eine Art von kleiner Festung dar, wie man dies auf der Krim oder im Kaukasus sehen kann […]. Neue Häuser baut man in einem anderen Typ von Architektur.“125

Westliches Podolien (Kamieniec-Podolski, Studenica, Jazlovec’), Pokutien (Snjatin) und Karpatenvorland (Stanislau) Hier handelt es sich um eine Übergangsregion, die in ihrer Bauweise östliche und westliche Züge vereint. Innerhalb eines Armenierviertels oder einer Stadt mit zwei Armeniervierteln existierten nebeneinander kompakt bebaute Straßen und an den Abhängen oder über unebenes Gelände verstreute Einzelgehöfte. In Studenica „baute man [zu Beginn des 19. Jahrhunderts] die Kaufmannshäuser auf asiatische Art in zwei Reihen, und in der Mitte erstreckte sich, um hindurchzufahren und -zugehen, ein Weg bis zu den steinernen, gut befestigten Toren [der Stadt].“126 Diesen Charakter hatte Studenica sich noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bewahrt: Damals bestand der Marktplatz aus „soliden Steinhäusern mit schattigen Veranden nach östlicher Manier, mit kleinen vergitterten Fenstern.“127 Nach den Worten eines anderen Beobachters, des ukrainischen 122 Gruneweg, Manuskript (wie Anm. 52), 119. 123 Ernst, Architektura (vgl. Anm. 45), 50 f. 124 Afanas’ev-Čužbinskij, A.: Poezdka v Južnuju Rossiju [Reise in das südliche Russland]. T. 2. Sankt Peterburg 1863, 211. Der Autor war durchaus befähigt, Mogiliv mit Erevan zu vergleichen, da er Transkaukasien gut kannte. 125 Mel’nik, Katerina: Putevye očerki Podolii [Reiseskizzen aus Podolien]. In: Kievskaja Starina 13/12 (1885), 651 – 683, hier 656. Ich konnte mich im Jahr 1969 davon überzeugen, dass sich Spuren einer solchen Bebauung in Mogiliv bis heute erhalten haben. 126 Marczyński, Wawrzyniec: Statystyczne, topograficzne i historyczne opisanie gubernii Podolskiej [Statistische, topografische und historische Beschreibung des Gouvernements Podolien]. Bd. 1. Wilno 1820, 269. 127 Rolle, Losy kresowego miasteczka (wie Anm. 23), 97.

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Archäologen und Historikers K. Mel’nik-Antonovič, bebauten die Armenier und die anderen östlichen Kaufleute „den Marktplatz mit zweistöckigen Steinhäusern im östlichen Stil, mit Balkonen, Läden und Kellern, wie sie noch in Kamenec, Mogilev und anderen podolischen Städten erhalten sind, in denen Kolonien östlicher Kaufleute existierten […]. Aus der alten Zeit sind nur zwei oder drei Häuser mit Balkonen und Mezzaninen bewahrt geblieben, die nicht mehr bewohnt sind und allmählich verfallen.“128 In ihrem Viertel in Jazlovec’ bauten die Armenier „aus Stein und eines nah am anderen ihre eleganten, niedrigen Häuser und verzierten sie anfangs mit delikaten und zurückhaltenden, aber später, unter dem spürbaren Einfluss der Lemberger Steinmetze, mit etwas überladenen Einfassungen an Türen und Fenstern. Erstaunt finden wir in den weitläufigen Zimmern und Vestibülen schöne Kreuzgewölbe, delikate steinerne Ornamente, und darunter große Kellergewölbe.“129 In Jazlovec’ „lebte ein reiches Kaufmannspatriziat in luxuriösen Gebäuden, die durch ihre reichhaltigen, in Stein geschnittenen Verzierungen beeindruckten.“130

Die westukrainischen Grenzgebiete (Lemberg) Hier herrschte eine kompakte Straßenbebauung vor, die sich dem westeuropäischen städtebaulichen Denken unterordnete, dem zufolge das Straßennetz im 14.–16. Jahrhundert durch einen vorab entschiedenen Generalplan festgelegt wurde, der nicht nur östliche, sondern auch lokale Spezifika nivellierte. Die Bebauung in den Vorstädten war freier. Armenische Elemente drückten sich hier fast ausschließlich im Bauschmuck aus, doch auch dieser war nicht so sehr originär armenisch, als vielmehr „nach orientalischer Art“ üppig. Dieser östliche Prunk erreichte auch Jarosław (Jaroslav), wo einem an den Häusern in Stein geschnittener Fassadenschmuck desselben Ursprungs begegnete.131

128 Mel’nik, Katerina: Putevye očerki Podolii [Reiseskizzen aus Podolien]. In: Kievskaja Starina 10/9 (1884), 53 – 81, hier 71, 74 f. Ich habe mich 1978 in Studenica aufgehalten, kurz vor dessen Überflutung durch den Dnjestr. Die alte Bebauung ist damals endgültig verschwunden. 129 Bołoz Antoniewicz, Die Armenier (wie Anm. 46), 458. 130 Janusz, Bohdan: Domy boże, dwory, pomniki [Gotteshäuser, Höfe, Denkmäler]. In: ders./ Czołowski, Aleksander: Przeszłość i zabytki województwa Tarnopolskiego [Vergangenheit und Kulturdenkmäler der Woiwodschaft Tarnopol]. Tarnopol 1926, 189. Während der Untersuchung von Jablunovka (dem ehemaligen Jazlovec’) in den Jahren 1969 und 1978 zeugten abgesehen von der Kirche und einer Quelle nur noch die Keller und einzelne architektonische Details wie der in Stein geschnittene Fassadenschmuck von der einstigen Pracht. 131 Es ist möglich, dass die Armenier in ähnlichen Häusern lebten. Vgl. Sas-Zubrzycki, Jan: Miasto Jarosław i jego zabytki [Die Stadt Jarosław und ihre Kunstdenkmäler]. In: Sprawozdania Komisji do Badania Historii Sztuki w Polsce 7/3 (1903), 381 f. Die in der Literatur vorkommenden B ­ ehauptungen, dass in Jarosław im 14.–15. Jahrhundert eine armenische Kirche existiert habe (was auf das Vorhandensein eines Armenierviertels schließen ließe), entsprechen nicht der Realität.

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Die seit beinahe 100 Jahren diskutierte Frage nach der stilistischen Typologie der Armenier­ viertel harrt weiterhin ihrer Beantwortung. Diesbezüglich steht das Problem der Wechsel­ beziehungen zwischen armenischen Architektur- und Bautraditionen und den Traditionen der ukrainischen, in Stein ausgeführten Monumentalarchitektur (einheimische Rezeptionen byzantinischer, aber auch romanischer Architektur), aber auch der einander ablösenden westlichen Stile (Gotik, Renaissance, Barock) im Vordergrund. Armenische Baudenkmäler (hier ist es vor allem unabdingbar, die konservativeren Sakralbauten im Blick zu haben) koexistierten in den einzelnen armenischen Kolonien in je unterschiedlicher Weise mit dieser stilistischen Vielfalt. Da die große Masse der bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts (d. h. bis in die Zeit der den lateinischen Einfluss immer weiter verstärkenden Kirchenunion) entstandenen Denkmäler der armenischen Monumentalarchitektur in der Ukraine leider verlorengegangen ist, ist es unmöglich, auch nur etwas über die Typologie armenischer Kirchen zu sagen. Abgesehen von der sehr gut erforschten armenischen Kathedrale in Lemberg (1363 fertiggestellt), die man den unterschiedlichsten Stilen zugeordnet hat,132 gibt es keine weiteren derart detailliert untersuchten Baudenkmäler. Und es gäbe kaum Vergleichsbeispiele: die Lemberger St. Annenkirche aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde Ende des 18. Jahrhunderts abgetragen; die Kiewer Kathedrale des 14. Jahrhunderts wurde augenscheinlich während des Tatarenüberfalls im Jahr 1482 zerstört; die St. Stefanskirche in Luc’k aus dem Jahr 1378133 wurde in den 1960er Jahren aus unverständlichen Gründen in ein Wohnhaus umgebaut; die Marienkirche von Jazlovec’ aus dem Jahr 1551 ist heute halb zerstört; die Marienkathedrale (1552) und die St. Nikolaikirche (1577) in Kamieniec-Podolski wurden während der Türkenbelagerung in den Jahren 1672 – 1699 zerstört: In dieser Aufzählung sind Dutzende weitere Sakralbauten nicht erfasst, von denen bestenfalls die Namen übriggeblieben sind.134 Schon ein nur oberflächlicher Vergleich der Grundrisse, manchmal auch der Fassadengestaltung der Kirchen mit Architekturdenkmälern in Armenien oder auch in den armenischen Kolonien auf der Krim macht deutlich,135 dass sie zu einem gewissen Grad armenische Architekturtraditionen verkörpern, aber selbstverständlich nicht frei von einheimischen ukrainisch-byzantinischen oder westeuropäischen Einflüssen sind. 132 Vgl. die Auswahl verschiedener Definitionen bei Chalpachč’jan, Sooruženija. In: Architekturnoe nasledie (wie Anm. 79), 66. 133 In der Literatur wird ohne hinreichende Begründung das Jahr 1427 angenommen, vgl. Kolosok, K istorii armjanskogo stroitel’stva v Lucke (wie Anm. 83), 121. Nach einem erhaltenen Kolophon (Archiv des Mechitaristenordens in Venedig, armenische Urkunde Nr. 1912) wurde die Kirche von Luc’k im Jahr 1378 errichtet. Vgl. die Edition eines Fragments dieses Schriftstücks: Petrowicz, Gregorio: La chiesa armena in Polonia. Bd. 1. Roma 1971, 25. Die Kirche wurde selbstverständlich vielfach umgebaut, bewahrte aber lange Zeit ihren ursprünglichen Grundriss. 134 In der Literatur gelegentlich vorkommende Behauptungen, dass es im alten Halič armenische Monumentalbauten gegeben habe, entbehren jeder Grundlage. In den schriftlichen Quellen werden Armenier in Halič erst Mitte des 15. Jahrhunderts erwähnt. 135 In dieser Beziehung sind die komparativen Untersuchungen von Chalpachč’jan ergiebig (vgl. die in Anm. 79 aufgeführten Arbeiten).

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Bei all dem ist auch unbedingt zu berücksichtigen, dass die große Masse der Armenier nicht unmittelbar aus dem transkaukasischen Armenien in die Ukraine kam, sondern aus anderen armenischen Kolonien (Konstantinopel und Umgebung, Krim, Moldau), und dass nicht alle architektonischen Ideen der Metropolie genuin armenisch waren. Man weiß, dass die armenische Architektur bereits auf der Krim substantielle Veränderungen erlebte. So wird etwa die Architektur eines so charakteristischen krim-armenischen Baudenkmals wie des Heiligkreuzklosters als „armenische Architektur in für die Krim spezifischer, einheimischer Brechung“ beurteilt, „in traditioneller lokaler Technik und mit zurückhaltendem Bauschmuck, der vom eigentlich armenischen schon abweicht, welcher den Baumeistern wahrscheinlich gar nicht bekannt war“.136 Und auch in der Ukraine gingen bestenfalls „die Ansprüche der Ktitoren eines Gotteshauses, die bei sich ein armenisches Gotteshaus zu sehen wünschten, nicht über die Grundlagen der eigentlichen architektonischen Komposition hinaus“137. Deswegen nimmt man die deutlich zum Ausdruck kommende armenische Bautechnik der Lemberger Kathedrale von 1363, die buchstäblich aus Transkaukasien „transplantiert“ wurde, als Dissonanz wahr. Nichtsdestoweniger harrt die Frage, ob man es bei der armenischen Monumentalarchitektur in der Ukraine, und sei es auch nur im Falle der oben aufgezählten sieben Gotteshäuser (bei aller zweifelsohne vorhandenen typologischen Unterschiedlichkeit) tatsächlich mit einer genauen Reproduktion der in Armenien verwendeten sakralen Bautypen zu tun hat, weiterhin ihrer Beantwortung. Eine direkte Gegenüberstellung mit ihren armenischen Prototypen wäre höchst notwendig, aber mit Schlussfolgerungen aus möglichen Analogien müsste man vorsichtig sein. Vor übermäßigem Optimismus ist diesbezüglich unbedingt zu warnen. Eine objektive Untersuchung sowohl der erhaltenen Baudenkmäler als auch der in Archiven und Literatur zu findenden Angaben liefert ein sehr buntes Bild. In der Sakralarchitektur (Kreuzkuppel- und Saalkirchen) herrschte bis zum Ende des 15. Jahrhunderts augenscheinlich ein armenischer Stil mit einigen Anklängen an die Architektur der Krim sowie mit einem Anflug byzantinisch-ukrainischer und westeuropäischer Einflüsse vor (Lemberg, Kiew, Luc’k). In den Baudenkmälern des 16. Jahrhunderts (wiederum Kreuzkuppel- sowie eingewölbte Saalbauten) nimmt der Anteil armenischer Elemente ab (Jazlovec’, Kam’janec’-Podil’s’kij). Dies findet seinen Widerhall in einigen konstruktiven Details (die womöglich durch die Anforderungen des religiösen Ritus’ diktiert waren) sowie in dem in Stein geschnittenen Dekor an der Fassade und im Innenraum, aber das westeuropäische architektonische Denken in einheimischer Ausführung ist in diesen Bauten vorherrschend. In den Sakralbauten der zweiten Hälfte des 17. und des 18. Jahrhunderts (Stanislau, Berežani, Žvanec’ u. a.) sind keine armenischen Elemente mehr vorhanden.

136 Jakobson, Anatolij L.: Armjanskaja srednevekovaja architektura v Krymu [Die armenische mittelalterliche Architektur auf der Krim]. In: Vizantijskij vremennik 8 (1956), 166 – 191, hier 180. 137 Ebd.

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Augenscheinlich muss man bei der Beantwortung der Frage, in welcher Weise sich traditionelle Züge einer armenischen Nationalarchitektur in Ost- und Südosteuropa verbreiteten, berücksichtigen, dass dies in Abstufungen und in Abhängigkeit vom jeweiligen historisch-kulturellen Kontext geschah. Während man in Bulgarien und der alten Rus’ selbst bei nicht armenischen Baudenkmälern von Reminiszenzen armenischer Architektur sprechen kann, die durch die Hülle eines generell byzantinischen Stils hindurchscheinen (für die Krim der späteren Zeit von der Beibehaltung bestimmter kompositorischer Schemata in der armenischen Baukunst, in der Moldau von armenischen Einflüssen auf die einheimische Architektur), so muss man in der Ukraine mit ihrer eigentümlichen Verflechtung unterschiedlicher Stile des 14.–18. Jahrhunderts armenische Elemente in erster Linie in der Baupraxis der armenischen Kolonien selbst suchen. In den Sakralbauten waren deren Ktitoren bewusst bemüht, besonders spezifische Erscheinungsformen der armenischen Architektur zu konservieren, und sei es auch nur in bestimmten Konstruktionsmerkmalen. Die Wohngebäude dagegen durften – in einer nicht immer wohlwollenden Umgebung – auch aus taktischen Erwägungen nicht fremdartig sein. Die armenische Profanarchitektur war gezwungen, sich den städtischen Reglementierungen und der jeweils im Bauwesen herrschenden Mode zu unterwerfen. Nach jedem der häufigen Brände erneuerte sich das Aussehen der Armenierviertel. Es sei hier an die anschauliche und bittere Charakterisierung der Wohngebäude des Lemberger Armenierviertels von Ja. Pogos-Antonevič erinnert: „In Lemberg sucht man vergeblich eine profane armenische Architektur. Die eleganten Häuser der armenischen Straßen erscheinen im Gegenteil wie eine Bekundung des Bestrebens ihrer Eigentümer, sie mithilfe ihres Reichtums den Patrizierhäusern in ihrer im üppigen Stil der Spätrenaissance gehaltenen Fassadengestaltung anzugleichen.“138 Deswegen verdienen die spezifischen Züge der armenischen Wohnviertel, die diese von der umgebenden Bebauung unterscheiden, eine aufmerksame Betrachtung. Für Viertel in Hanglage ist dies die Blockierung der Gebäude, die dem Geländerelief folgt und auf diese Weise eine sehr exakte Struktur hervorbringt (Jazlovec’, Kamieniec-Podolski, M ­ ogiliv, vielleicht die Armeniervorstadt von Lemberg).139 Die in Stein geschnittenen Ornamente mit überwiegend geometrischen und Pflanzenmotiven (oder einer Kombination aus beiden) besonders im Dekor von Tür- und Fenstereinfassungen an der Fassade und im Innenraum (Kamieniec-Podolski, Jazlovec’, seltener Lemberg) sind ebenfalls Relikte eines armenischen Stils. Für das 18. Jahrhundert ist für einige neu entstandene armenische Kolonien (Snjatin,

138 Bołoz Antoniewicz, Die Armenier (wie Anm. 46), 456, 458. 139 Vgl. die oben angeführten Äußerungen von Beobachtern des 19. Jahrhunderts. Ein ähnliches Phäno­ men zeigt sich auch auf der Krim, wo es als Einfluss der armenischen Architektur betrachtet wird. Vgl. Tymofijenko, V. I.: Pro vzajemodiju nacional’nych tradycij u procesi formuvannja architektury Pivdennoї Ukraїny v kinci XVIII st. // Ukraїns’ke mystectvo u mižnarodnych zvjazkach. Dožovtnevyj period. [Über das Zusammenwirken nationaler Traditionen im Formierungsprozess der Architektur der Südukraine am Ende des XVIII. Jahrhunderts // Die ukrainische Kunst in den internationalen Beziehungen. Die Voroktoberzeit]. Kyïv 1983, 119.

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Kuti) außerdem ein ganz eigentümlicher Typus hölzerner Wohnhäuser (der augenscheinlich nicht spezifisch armenisch, sondern balkanischer Herkunft, aber in jedem Fall für die Ukraine exotisch ist): breit im Grundriss, niedrig, aber mit einem enormen, hohen Dach mit konkaven Seiten und einer in der Mitte konkaven Dachlinie, mit lanzettförmigen, nach oben zeigenden seitlichen Fortsätzen.140 Möglicherweise werden künftige Forschungen noch weitere charakteristische Züge der armenischen Profanarchitektur in der Ukraine bestimmen.

Die architektonische Gestalt der Armenierviertel Unabhängig davon, ob ein Viertel mit einer strukturellen Fixierung mikrolandschaftlicher Elemente (in Hanglage) entstand oder nicht (auf ebenem Gelände), war es für die besonders reichen und großen Kolonien charakteristisch, dass sie gemischt sakral-profane oder rein sakrale Gebäudekomplexe schufen. Diese Komplexe entstanden schrittweise, manchmal im Verlauf eines oder zweier Jahrhunderte. In Kamieniec Podolski wurde die Formierung eines solchen sakralen Gebäudekom­ plexes erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts abgeschlossen. Er fasste auf einem relativ kleinen Gelände drei Gotteshäuser (die Marienkathedrale mit einem kleinen Glockenturm, die St. Nikolaikirche mit einer Galerie, einer angebauten Kapelle und einem enormen, im Verhältnis zur eher kleinen Kirche disproportional großen, aber dem Gesamtkomplex adäquaten Glocken­turm [vgl. Abb. 5], und die Mariä-Verkündigungskirche) sowie ein Frauenkloster, ein Gemeindehaus und ein Wirtschaftsgebäude zusammen. Die Kirchen waren von Friedhöfen umgeben (für deren Erweiterung wurden eigens die umliegenden Gehöfte aufgekauft und umgewandelt). Auf den von Zäunen oder Mauern umgebenen Friedhöfen befand sich jeweils eine kleine Kapelle. Der dominante Glockenturm der Nikolaikirche war gleichzeitig dazu bestimmt, einen wichtigen Platz in den städtischen Wehranlagen einzunehmen, er wurde als veritabler Wehrturm errichtet. Weltliche Einrichtungen waren nicht Teil des Baukomplexes, sie befanden sich an anderer Stelle, am Armenierplatz. In Lemberg entstanden, den historischen Rahmenbedingungen geschuldet, zwei solche Gebäudekomplexe. Der ältere, dessen Anfänge wahrscheinlich in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts fallen, entstand in der alten Fürstenresidenz Lemberg, die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zur Vorstadt der neuen, gotischen Lokationsstadt wurde. Eine etwa aus dem Jahr 1618 stammende Beschreibung dieses Komplexes 141 hat sich dank der Reisenotizen des armenischen Diakons Simeon Lehaci erhalten: „Außerhalb der Stadt gibt 140 Bołoz Antoniewicz, O architekturze (wie Anm. 71), XIII; ders., O sztuce (wie Anm. 71), 73; ders., Die Armenier (wie Anm. 46), 460. 141 Zur richtigen Datierung vgl. Daškevič, Jaroslav R.: Simeon dpir Lehaci – kto on? [Wer ist der Diakon Simeon Lehaci?]. In: Anantaparam kila sabdasastram … Księga pamiątkowa ku czci Eugeniusza Słuszkiewicza. Hg. v. Jan Reychman. Warszawa 1974, 69.

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es drei aus Stein erbaute Klöster;142 eines neben dem anderen befinden sich St. Ačkatar und St. Jakob, daneben steht der Bischofspalast, und für sich das wohl- und festgebaute Heiligkreuzkloster; neben ihnen befinden sich ein kleiner Brunnen, eine Wirtschaft, Pferdeställe, zwei oder drei Gemüsegärten und Räumlichkeiten für Mönche, Priester und sonstige Brüder.“143 In der Nähe des Klosters befand sich außerdem ein Spital. Innerhalb der befestigten Stadt bildete sich ein zweiter, gemischt profan-sakraler Gebäudekomplex heraus. Eine Beschreibung in Wort und Bild hat der Memoirenschreiber des frühen 17. Jahrhunderts M. Gruneweg hinterlassen.144 Auf einem nicht sehr großen Terrain, eingezwängt zwischen dem umzäunten Friedhof, Oberer und Unterer Armenierstraße und Wohnhäusern, lagen die Kathedrale, umgeben von einer Galerie und einer Mauer, ein hoher Glockenturm, der Palast des Bischofs, das Gemeindehaus, Räumlichkeiten für die Priester, ein Kloster, eine Schule, die Gebäude des Ältestenrates und des geistlichen Gerichtes (früher, bis zur Aufhebung der administrativen und gerichtlichen Autonomie der Lemberger Armenier im Jahr 1469, die armenische Vogtei), ein Spital, ein Brunnen sowie Wirtschaftsgebäude. Eine durch den Komplex hindurchführende kleine Gasse verband Obere und Untere Armenierstraße miteinander. Dieser Gebäudekomplex hat sich mit erheblichen Umbauten bis heute erhalten (der heutige Bauzustand entspricht etwa dem der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts). Möglicherweise existierte auch in anderen Kolonien (etwa in Jazłowiec) die Tendenz, solche gemischten Komplexe aus öffentlichen und sakralen Bauten zu schaffen. Das Armenierviertel, eine Art Stadt in der Stadt, verfügte über fast das komplette Repertoire an Gebäuden und Räumlichkeiten, um ein normales Funktionieren des Viertels zu gewährleisten. Die administrative und gerichtliche Autonomie der Armenier war in der Mehrzahl der Städte eingeschränkt, und nur in Kamieniec Podolski existierte ein separates Gebäude – ein Rathaus für den armenischen Vogt und den Ältestenrat, dem er vorsaß. Von den gewöhnlichen Wohnhäusern unterschied es sich nur durch seine Ausmaße und den Vorbau mit seiner architektonischen Ausstattung. Die städtischen Autoritäten verhinderten, dass dem Gebäude der für die mittelalterlichen Rathäuser der Ukraine so typische Turm angefügt wurde, augenscheinlich aus Furcht vor einer „Konkurrenz“ für den polnischen Rathausturm, die Dominante der Stadt. Wie das armenische Rathaus in Lemberg ursprünglich aussah, ist nicht bekannt; dessen Relikte waren im 16.–17. Jahrhundert ein Sitzungssaal für den Ältestenrat und das geistliche Gericht sowie angrenzende Räumlichkeiten für den Sekretär und das Archiv der Gemeinde, die in einen städtischen Komplex aus Profan- und

142 Tatsächlich befand sich in der Nähe der Kirchen St. Anna (bei Simeon St. Ačkatar) und St. Jakob nur ein Kloster. 143 Simon Dpri Lehac’woy Ułegrut’iwn; die russische (ungenaue) Übersetzung: Simeon Lehaci. Putevye zametki [Simeon Lehaci. Reiseanmerkungen]. Moskva 1965, 243. 144 Seine literarische Beschreibung ist bis heute unveröffentlicht geblieben. Zum Plan des Gebäudekomplexes vgl. Abb. 4. Vgl. außerdem die Beschreibung bei Simeon Lehaci: Simon Dpri Lehac’woy Ułegrut’iwn, 243 – 245 (in der russ. Übersetzung).

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Sakralbauten eingingen. In anderen Städten erlaubte man den Armeniergemeinden gar nicht erst, separate Gebäude für die Wahrnehmung ihrer administrativen und gerichtlichen Funktionen zu errichten; das armenische Gericht besetzte gewöhnlich einen Raum im städtischen Rathaus. Sehr wenig ist über die Spezifik derjenigen Bauten bekannt, in denen sich die Kulturund Wohlfahrtseinrichtungen der Armenier befanden – ihre Schulen (praktisch in jeder Pfarrei), Spitäler, Hospize. Manchmal handelte es sich dabei um spezielle Bauten. In Kamieniec Podolski wurden 1604 bei der Schule zwei große Holzhäuser mit Fenstern aus venezianischem Glas, einem Boden aus Ziegeln, geschnitzten Türen und bemalten Fensterläden errichtet.145 In Lemberg gab es eine große Schule, die Räumlichkeiten für den Unterricht im Sommer und im Winter besaß; möglicherweise wurde (wie es einige Autoren nahelegen)146 die Galerie bei der Kathedrale als Sommerschule eingerichtet. Unter „Spitälern“ sind (wie überall im Mittelalter) in erster Linie Siechenheime und keine medizinischen Einrichtungen zu verstehen. Manchmal fungierten sie auch als Hospize. Als Spitäler wurden gewöhnliche Wohngebäude eingerichtet. So erwarb man etwa in Lemberg im Jahr 1750 das aus Stein errichtete Rabičkov-Haus als neues städtisches Armenierspital, in dem ein Siechenheim, aber auch Räumlichkeiten für Pilger untergebracht wurden.147 Wie oben bereits erwähnt, verfügten die Wohnbauten der Armenier, gelegen in den dicht bebauten Straßen von Städten westlichen Typs (Lemberg, bis zu einem gewissen Grad auch Stanisławów und Kamieniec Podolski), die aus Stein ebenso wie die aus Holz errichteten, äußerlich über keine spezifischen Besonderheiten, mit Ausnahme des ornamentalen Dekors der Tür- und Fenstereinfassungen. Die gehöftartigen Häuser verfügten augenscheinlich über ausgeprägtere Eigenarten. Bei den Bauten des 16. und 17. Jahrhunderts in Jazłowiec handelte es sich um ebenerdige Häuser, gewölbte Räumlichkeiten, große Kellergewölbe, die an den Fassaden und in den Innenräumen mit relativ üppigen Steinmetzarbeiten verziert waren. Die Häuser des 18. Jahrhunderts in Mohylów Podolski hatten besonders dicke Wände, langgestreckte Balkone, Mezzanine und niedrige Dächer; die Gehöfte waren von Steinmauern mit einer besonderen, spitz zulaufenden Bedachung umgeben. Im Śniatyn des 18. Jahrhunderts gab es Häuser mit einem breiten Grundriss und sehr hohen, spitz zulaufenden, konkaven Dächern mit lanzettförmigen Fortsätzen. Im Studzieniec derselben Zeit fanden sich zweigeschossige Häuser mit Balkonen, Mezzaninen und weitläufigen Kellern. In Kamieniec Podolski, Lemberg, Stanisławów, Złoczów, Brzeżany und augenscheinlich auch in Kuty 148 besaßen die Gebäude der Gehöfte keine spezifischen Besonderheiten. In den großen Steinhäusern Lembergs, die häufig unter den Erben aufgeteilt wurden, war die funktionale Raumaufteilung relativ. Einzelne Räume – Wohnstuben, Säle, Zimmer 145 146 147 148

Bžškeanc’, Minas (wie Anm. 64), 156. Mańkowski, Sztuka Ormian lwowskich (wie Anm. 13), 75. Barącz, O rękopismach. In: Dziennik Literacki 34 – 37, 39 (1853) (wie Anm. 64), 306. Kovaljuk M.: Kuty – antropoheohrafična studija [Kuty. Eine anthropogeografische Studie]. In: Naukovyj zbirnyk heohrafičnoї sekciї pry ukraїns’kij students’kij hromadi v Krakovi. Krakiw 1930, 63 f.

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unterschiedlicher Bestimmung, Küchen, Vorratskammern, Dachböden, Kellergewölbe, Räume im Souterrain, Aborte – gab es in den aufgeteilten Häusern mehrfach. Bei den Häusern befanden sich Wirtschaftsgebäude und Abfallgruben (s. die Dokumente 1 – 3 im Anhang). Fester war die funktionale Aufteilung der Häuser in den Gehöften, z. B. in Kamieniec Podolski in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (vgl. Abb. 2, 7). Außer den gewöhnlichen Zimmern gab es dort einen Salon, ein Esszimmer, eine Küche, viele Nebenräume (Lagerräume, Vorratskammern, eine Kornkammer), einen Keller und einen Abort. Noch bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde Handel hauptsächlich auf dem städtischen Marktplatz getrieben, wo die Armenier (sofern ihnen der Einzelhandel erlaubt war) eigene Läden besaßen. Die Keller oder Souterrains der Wohnhäuser waren für die Lagerung der Waren (sowohl für den Einzel- als auch für den Großhandel) bestimmt; dabei handelte es sich oft um große Gewölbe, die bis heute nicht nur in Lemberg und Kam’janec’-Podil’s’kij, sondern auch in den kleineren Städten erhalten sind (Jazlovec’, möglicherweise Žvanec’). Augenscheinlich errichtete man manchmal riesige Lagerhäuser, die nicht für einen einzelnen Kaufmann, sondern für ganze Handelskompanien bestimmt waren (Kam’janec’-Podil’s’kij, Berežani). In den Armenierstraßen traten Läden erst spät, Ende des 18. Jahrhunderts, in Erscheinung. Die für die Armenier typischen Handwerke (Juweliere, Sticker, Waffenschmiede, Schuhmacher, Sattler, Maler) benötigten separate Räumlichkeiten für ihre Werkstätten, die manchmal außerhalb der Wohnhäuser und außerhalb des Armenierviertels eingerichtet wurden (Seifensieder, Kürschner, Saffianlederproduktion). In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden armenische Webereimanufakturen. Armenische Häuser und Gehöfte dienten häufig als Herbergen für Kaufleute (z. B. das Haus des Kiewer armenischen Kaufmanns Abraam im Jahr 1584)149, was im Laufe der Zeit zur Entstehung von Gästehäusern mit einer spezifischen Architektur (mit großen Tordurchfahrten für Fuhrwerke) führte.150 Den Armeniern waren (eingeschränkt) Produktion und Verkauf alkoholischer Getränke wie Bier, Met oder Wein erlaubt, so dass in- oder außerhalb der Stadt entsprechende Produktionsstätten und in der Stadt Weinstuben und Schänken entstanden, die gewöhnlich in Kellern und Souterrains untergebracht wurden. Die armenischen Kolonien in der Ukraine verfügten auch über alle Arten von Sakralbauten. Für die Errichtung einer Kirche bedurfte es der Erlaubnis des Stadtherrn. Augenscheinlich verhielt es sich mit der Errichtung von Glockentürmen, Kapellen (als Anbauten an den Kirchen oder auf Friedhöfen), Klöstern, Bischofsresidenzen, Gemeindehäusern einfacher, wenngleich in den Urkunden der Stadtherren auch solche Bauten erwähnt werden, was gleichbedeutend mit einer Erlaubnis zu deren Errichtung war. Kirchen, Klöster und sakrale Gebäudekomplexe waren in der Regel von Mauern (selbst innerhalb der dicht bebauten Städte), Wällen oder festen Zäunen eingefasst. Befanden sich diese Anlagen in schlecht befestigten Städten oder außerhalb der städtischen Befestigungsanlagen, dann umgab man sie mit befestigten

149 Gruneweg, Manuskript (wie Anm. 52), 119. 150 Chowaniec, Ormianie w Stanisławowie (wie Anm. 12), 12.

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Mauern. In Žvanec’ etwa hat sich bis heute rund um die armenische Kirche eine massive, hohe Steinmauer mit Resten von Schießscharten und Strebepfeilern erhalten. Im Falle einer Belagerung, etwa bei den Tatarenüberfällen, verwandelten sich ähnliche Bauobjekte in Zufluchtsorte für die Bevölkerung. Auch die armenischen Glockentürme konnten die Rolle von Geschützstellungen übernehmen (Lemberg, Kamieniec Podolski). Innerhalb der Kircheneinfriedung befanden sich auch die Friedhöfe, die mit für die Armenier typischen (zumindest bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts) verzierten „Grabstelen“ versehen waren, d. h. mit Grabplatten, die in der Ukraine augenscheinlich nur horizontal angebracht wurden. Möchte man versuchen, die Analyseresultate zur Architektur der Armenierviertel im engeren Sinne, d. h. zur Architektur als Baukunst mit bestimmten künstlerischen Ausdruckselementen, zusammenzufassen, dann sollte man außerdem noch folgende Besonder­ heiten beachten: Für die Bauten der armenischen Kolonien typisch ist die – hauptsächlich orientalische und teilweise armenische Wurzeln besitzende – Verzierung von Tür- und Fenstereinfassungen (seltener von ganzen Fassaden), gewöhnlich mit Steinmetzarbeiten, bestehend aus geometrischen Figuren, Flechtwerk und ineinander verflochtenen Weinranken. Die ganze Vielfalt des ornamentalen Dekors zeigt sich auf den Grabplatten, auf denen es eine Evolution von einfachen geometrischen Formen bis hin zu der armenischen Tradition fremden Rokoko-Verzierungen durchlief. Die bevorzugten Stellen für die Anbringung von Ornamenten – Tür- und Fenstereinfassungen – wurden manchmal sogar mit epigrafischen Elementen verziert (Lemberg). Die armenische monogrammische Emblematik kam hier in westlicher Ausprägung auf Kartuschen vor. Die Wände der Sakralbauten bedeckte man mit in Stein gemeißelten Kreuzen (Gedenkkreuzen) in unterschiedlichen Konfigurationen. Kleine armenische Kreuzsteine, bestehend aus farbig bemalten Flechtkreuzen mit Halbpalmetten (Lemberg 14.–16. Jahrhundert, Kamieniec Podolski 16. Jahrhundert) auf eingelegten Platten, die sich sowohl an den Innenwänden als auch an den Fassaden der Kirchen befanden,151 entsprechen typologisch den auf der Krim und generell an der nördlichen Schwarzmeerküste (Bilgorod-Dnistrovskij) verbreiteten Kreuzsteinen. Diese Kreuzsteine erreichten nirgendwo die Ausmaße armenischer Kreuzsteine. Basreliefs (heute an den Wänden der Lemberger Kathedrale) und halbrunde Skulpturen (die Grabmale der Katholikoi des 16.–17. Jahrhunderts in Lemberg und Kamieniec Podolski) erfuhren keine große Verbreitung. Zu den Interieurs der Sakralbauten des 15.–16. Jahrhunderts gehörten monumentale Fresken (die Fresken der Kiewer Kathedrale des 14. Jahrhunderts; die Deckenfresken der Lemberger Kathedrale von 1509 – 1510, die polychrome Bemalung des Kirchenraumes stammt augenscheinlich aus früherer Zeit; die Fresken der Marienkathedrale in Kamieniec Podolski, entstanden bald nach 1522; die ornamentalen Fresken im Glockenturm der Nikolaikirche in Kamieniec

151 Daškevič, Jaroslav R.: Armjanskie rel’efnye kresty L’vova i Kamenca-Podol’skogo XIV – XVII vv. [Die armenischen Reliefkreuze des 14.–17. Jahrhunderts in Lemberg und Kamieniec Podolski]. In: Istoriko-filologičeskij žurnal 3 (1980), 125 – 145.

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Podolski aus der Mitte des 17. Jahrhunderts u. a.). Polychrom wurden auch die Balkendecken in den städtischen Wohngebäuden der Armenier bemalt (in Lemberg z. B. mit Pflanzenornamenten); die Balken versah man mit Schnitzwerk (ein sehr häufiges Motiv waren die auch für die ukrainische Ornamentik charakteristischen Rosetten), Datumsangaben, Aufschriften und Emblemen (Lemberg).152 In Kamieniec Podolski bemalte man auch die Fensterläden. Die Steinarchitektur wurde durch Erzeugnisse des Schmiedehandwerks ergänzt – mit schmiedeeisernen Ornamenten beschlagene Türen (Lemberger Kathedrale, die armenische Bank Mons Pius in Lemberg), Fensterläden (Bank in Lemberg), Fenstergitter, Balkone. Die Dächer der Sakralbauten wurden mit Schieferplatten, Blei oder glasierten Ziegeln gedeckt, die städtischen Wohnhäuser mit Holzschindeln. Die Böden der Gotteshäuser legte man mit Keramikplatten (Kiew) oder Steinplatten aus, die öffentlichen Gebäude mit Ziegeln. Die Interieurs der städtischen Wohnhäuser lassen sich auf der Grundlage von Nachlassinventaren ziemlich detailliert beurteilen, in denen Kunstwerke – Gemälde mit religiösen und historischen Sujets, manchmal ganze Porträtgalerien – aufgelistet werden. Ein wesentliches Element armenischer Interieurs waren orientalische Teppiche unterschiedlichen Typs (Lemberg, 16.–17. Jahrhundert). Armenier lebten nicht nur in Städten, sondern auch auf dem Land. Über den Charakter der ländlichen armenischen Bauten in der Ukraine lässt sich, da sie ausschließlich aus Holz waren, nichts Konkretes sagen. Sie werden sich jedoch kaum substantiell von den umliegenden ukrainischen Bauten unterschieden haben. Holzbauten nahmen noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts selbst in den großen Städten einen bedeutenden Platz ein, in den kleineren Städten und den Vorstädten der großen Städte waren sie vorherrschend. Ende des 17. Jahrhunderts (im Jahr 1700) waren in Kamieniec Podolski gerade einmal zwei bis drei Prozent der Wohngebäude aus Stein gebaut.153 Ein schwer zu lösendes Rätsel stellt die hölzerne Monumentalarchitektur der Armenier dar. Dutzende von Erwähnungen in den Quellen sprechen von der Existenz armenischer Holzkirchen in einer Reihe von Städten, anstelle derer in der Mehrzahl aller Fälle später Kirchen aus Stein errichtet wurden. Erwähnt werden sie zuerst in Lemberg (eine erste hölzerne Armenierkirche ist, mit unsicherer Datierung, für das Jahr 1183 belegt; die Heiligkreuzkirche als Holzbau vor 1629), in Kamieniec Podolski (eine erste armenische Kirche gab es mög­ licherweise im Jahr 1398; die Mariä-Verkündigungskirche in hölzerner Ausführung vor 1597), in Kiew (eine Kirche vor 1651), in Snjatin (drei aufeinanderfolgende Holzkirchen um 1631, nach 1676 und nach 1718), in Stanislau (eine Kirche im Jahr 1665), in Berežani (um 1710)

152 Daškevič, Jaroslav R./Tryjarski, E.: Armjano-kypčackaja nadpis’ iz L’vova (1609 g.) i voprosy izučenija srednevekovych pamjatnikov armjanskoj epigrafiki [Eine Aufschrift in Armeno-Kipčak aus dem Jahr 1609 in Lemberg. Fragen zur Erforschung mittelalterlicher Zeugnisse der armenischen Epigrafik]. In: Rocznik Orientalistyczny 35/2 (1973), 123 – 135. 153 Krykun, M. H. Pro žytlovyj fond Kamjancja-Podil’s’koho u XVIII st. [Über den Wohnungsbestand von Kamieniec Podolski im XVIII. Jahrhundert] (Vortrag auf der V. Konferenz zu Geschichte und Landeskunde Podoliens [1979]).

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etc. Die Existenz von Denkmälern einer in Holz ausgeführten armenischen Monumentalund Sakralarchitektur in der Ukraine ist in gewisser Weise überraschend: Es erscheint derart selbstverständlich, die armenische Architektur mit Steinbauten zu assoziieren, dass die Überzeugung, Stein sei das ausschließliche Material armenischer Kirchenbauten gewesen, beinah zu einem Axiom in der internationalen Kunstgeschichte geworden ist. Doch die Suche nach einer Abbildung der hölzernen Armenierkirche in Kiew auf der Zeichnung von A. van Westervelde dauert an. Möglicherweise wird man ergänzendes ikonografisches Material finden. Die Frage, in welcher Weise sich das Holz als typisch ukrainisches Bauelement in der armenischen Architektur wiederfand, harrt weiterhin ihrer Beantwortung. Eine umfassende Erforschung der Armenierviertel in den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten der Ukraine aus dem Blickwinkel der Bau- und Architekturgeschichte, der Urbanistik und der Kulturgeschichte insgesamt erscheint als ein sehr aussichtsreicher und interessante Entdeckungen versprechender Ansatz. Als Antwort auf die zu Beginn dieses Aufsatzes gestellte Frage lässt sich mit voller Berechtigung konstatieren, dass sich die baulich-architektonischen Manifestationen armenischen Lebens in der Ukraine in bedeutendem Maße zufriedenstellend rekonstruieren lassen. Zugleich lässt sich schon heute sagen, dass den armenischen Siedlern, die sich in der Ukraine in neuen Lebensumständen wiederfanden, der Wunsch eigen war, Elemente ihrer Heimatkultur – und sei es auch nur in nachrangigen Details – zu bewahren. In der Architektur der Armenierviertel in der Ukraine schlagen sich die Versuche nieder, einen Abglanz der fernen Heimat zu erhalten. Dies ruft Begeisterung und tiefen Respekt hervor.

Anhang Dokument Nr. 1 28. Mai 1610. – Aufteilung des Steinhauses des verstorbenen Lemberger Armeniers Ivaško Jurkovič (gelegen in der Armenierstraße) zwischen seinen Erben Emerencija, Witwe des Ivaško Jurkovič, Grigorij Ivaškovič und Jakov Ivaškovič, bestätigt vom Lemberger Stadtrat. Erster Teil. Das große untere Zimmer, daneben die Diele – zur Gänze – mit der Küche. Außerdem das kleine Zimmer über dem Tor mit Dielen und Galerie. Außerdem das kleine Gewölbe (sklepik), gemietet von der Amambekova, mit seinem Eingang von [der Seite] der großen Diele. Außerdem der kleine Keller, hinten der letzte, vom hinteren Tor aus [gezählt]. Außerdem der halbe Dachboden bis zum Abflussrohr – wie ausgemessen. Zweiter Teil. Das Zimmer über dem unteren Zimmer mit der Diele – zur Gänze – und der Küche, und mit den hölzernen Vorratskammern. Außerdem das kleine Gewölbe gegenüber dem unteren Zimmer. Außerdem der Speicher mit den Vorratskammern. Außerdem das kleine Zimmer oben über dem vorderen Tor mit allem [zusammen]. Außerdem der große Keller unter dem großen unteren Zimmer. Außerdem der Keller unter der Diele gegenüber dem genannten [großen] Keller. Außerdem der halbe Dachboden bis zum Abflussrohr – wie ausgemessen.

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Dritter Teil. Das große Zimmer hinten mit Küche und Diele. Außerdem darüber die kleine Stube mit dem großen Zimmer. Außerdem unten das große hintere Gewölbe vom hinteren Tor [aus]. Außerdem der kleine Keller, in den man vom Hof aus hineingeht. Außerdem der Dachboden dem Teil entsprechend. Zum gemeinsamen [Nutzen]. Der Hof – zur Gänze, freie Ein- und Ausfahrt für alle Teile. Der obere Abort gehört den zwei Teilen, und dem dritten Teil – der untere Abort. Die Abfuhr [des Unrats] den Teilen entsprechend. Freier Zutritt für alle sowohl zu den Räumen, als auch in die Gewölbe und über die Treppe, so wie er auch jetzt frei ist.

CDIA-L [Central’nyj Deržavnyj Istoričnyj Archiv L’viv – Zentrales Historisches Archiv Lemberg], f. [Bestandsgruppe] 52, op. [Bestand] 2, t. [Faszikel] 30, s. [Folio] 331. Handschrift, Original, in polnischer Sprache.

Dokument Nr. 2 30. November 1626. – Aufteilung des Steinhauses des verstorbenen Lemberger Armeniers Filipp Filipkovič (gelegen in der Armenierstraße) zwischen den Erben Ivaško Filipkovič und Grigorij Filipkovič. Erster Teil. Das große Zimmer unten mit der Küche. Außerdem das große Zimmer in der dritten Etage mit den Fenstern nach hinten, mit dem Saal zur Gänze, jedoch dürfen die Fenster, durch welche man zur Straße hinausblickt, nicht zum Dachboden zugebaut werden. Außerdem der halbe Dachboden von der Seite des Steinhauses des Mikolaevič auf 14 Ellen von der Straße. Außerdem bei der Einfahrt, beim Keller die Stelle, wo man einen Keller bauen kann, für den zweiten Teil. Außerdem im Hof, angefangen von der hölzernen Konsole in der Wand, das kleine Zimmer bei der Mauer. Dieses Zimmer soll [der erste] Teil benutzen, ohne es zu verbauen, wenn sie es jedoch zumauern wollen (denn es wird jetzt gebaut), dann ist das erlaubt. Zweiter Teil. Das Gewölbe mit den Fenstern zur Straße und vor dem Gewölbe das Freie [der freie Platz] von der Dielentür zum Fenster auf die Straße, um [Sachen] hinzustellen, jedoch darf dieser Platz nicht verbaut werden. Der Schrank an der Wand bei der Dielentür soll bei jenem [zweiten] Teil bleiben, der zweite Schrank aber beim ersten Teil, welcher ihn von diesem Platz in seinen [Teil] tragen soll. Außerdem das Zimmer über der Einfahrt mit den Fenstern zur Straße und das zweite Zimmer diesem gegenüber. Die Fenster nach hinten zur Gänze. Außerdem der halbe Dachboden vom Steinhaus des Mikolaevič auf 14 Ellen vom Giebelkran. Außerdem der Keller unter dem Gewölbe mit den Fenstern zur Straße. Außerdem der Hof von der Schwelle der Einfahrt bis zur hölzernen Konsole in der Wand, wobei die Aborte zur gemeinsamen Benutzung gelassen werden so wie jetzt und nicht mehr. Außerdem die Grube hinten. Zur gemeinsamen Benutzung. Freier Durchgang überall der ursprünglichen Aufteilung entsprechend, gemeinsame Abfuhr [des Unrats] aus dem Abort und dessen Benutzung. Alle Abgaben und Lasten sollen auch gemeinsame sein. CDIA-L, f. 52, op. 2, t. 178, s. 339 f. Handschrift, Original, in polnischer Sprache.

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Dokument Nr. 3 29. Juni 1683. – Aufteilung der beiden Steinhäuser des verstorbenen Lemberger Armeniers Nikolaj Sdeckevič, eines in der Armenierstraße und das zweite (der dritte Teil des Hauses) in der Ruthenenstraße, durchgeführt vom armenischen Ältesten D. Bogdanovič unter den Erben M. Dervackevič und D. Bogdanovič. […]154 Erster Teil. Im Haus des Steckevič das untere Zimmer und die Diele unten mit der Küche, der große Keller unten und der zweite, ebenfalls große ihm gegenüber. Der Platz bei der kleinen Vorratskammer, [dort] wo das Fenster über der Tür ist – wer ihn bekommt, der kann sich dort ein Zimmer aus Holz oder Stein bauen. Die Vorratskammer, gebaut aus Holz, auf dem Dachboden, das halbe Zimmer oben (damit es immer während der öffentlichen Zusammenkünfte des Adelsstandes zur offiziellen Vermietung bereit ist; unter der Bedingung, dass von einem Jahr auf das andere folgend, ein Jahr dieses Zimmer in dem einen Teil enthalten und von diesem benutzt wird, im nächsten Jahr aber von dem zweiten Teil). In demselben Steinhaus für beide Teile frei die Grube, gemeinsam Wasser, Ein- und Ausfahrt, und der Abort. Aber zur Aufbewahrung der Hof – der Platz unter der Galerie beim Gewölbe, ohne in dem Raum das Fenster gegen eine Tür einzutauschen. Im zweiten Haus des Nikolaj Steckevič das große Zimmer mit den Fenstern nach hinten und die ganze Galerie, und das Gewölbe hinten, und der Keller darunter. Aber der Dachboden oben ist zur Gänze frei zur gemeinsamen [Benutzung] mit dem zweiten Teil. Und der ganze Platz unter der Galerie gehört zu dem Teil, welcher oben beschrieben ist. Zweiter Teil. Im Steinhaus des Nikolaj Steckevič oben das Zimmer mit den Fenstern zur Straße, mit der Diele und der Küche, dazu die Galerie zur Gänze und die kleine Vorratskammer auf dem Weg von der Galerie. Das Gewölbe unten gegenüber dem unteren Zimmer, der abgetrennte Keller in der Kellermündung, der Dachboden zur Gänze, außer der fertigen Kammer. Das halbe Zimmer oben, erwähnt im ersten Teil, damit es immer (wie im ersten Teil gesagt worden), zur Gänze, bereit ist für Gäste während der öffentlichen Zusammenkünfte des Adelsstandes, damit sie den beiden Teilen in den anderen Räumen nicht lästig sind. Wechselseitig sollen das Zimmer nutzen ohne Gäste abwechselnd durch das Jahr die [oben] erwähnten einzelnen Teile. Die Grube, das Wasser, die Einfahrt, die Ausfahrt in diesem zweiten Teil gemeinsam mit dem ersten Teil, wie es oben erwähnt worden. Der Platz zur Aufbewahrung von Brennholz bei der Wand des unteren Zimmers beim Tor. Aber im Steinhaus des Nikolaevič wird diesem zweiten Teil das Folgende angeschlossen: das Zimmer oben mit den Fenstern zur Straße und mit der Diele, und mit der Küche, das Zimmer hinten mit der Küche. Der Keller in der Diele unten mit dem Gitter hinten […].155 CDIA-L, f. 52, op. 2, t. 86, s. 735. Handschrift, Original, in polnischer Sprache.

154 Die Aufzählung der Häuser und Erben wurde ausgelassen. 155 Die Zustimmung der Parteien zur Aufteilung, Datum und Unterschriften wurden ausgelassen.

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Dokument Nr. 4 1646. – Auflistung der Mängel im Steinhaus des verstorbenen Lemberger Armeniers Golub Davidovič (in der Ruthenenstraße), angefertigt auf Verlangen der Erben. Erstens, im Gewölbe unten, bei der Dielentür, auf der linken Seite, wenn man das Steinhaus betritt, ist das Fenster mit dem Gitter ohne Haut. Am Gewölbe desselben Raumes, oben, ist an einer Stelle direkt in der Mitte der Stuck abgefallen. Ebendort, über der Tür, sind einige Risse in der Wand, ebenso in der Tür. Ebendort, an der Seite, ist ein erheblicher Riss in der Wand, der Boden ist schlecht und verdorben. Außerdem fehlen im Zimmer oben mit den Fenstern zur Straße in der ersten Etage in den Fenstern einige Gläser, [sie] sind mit Papier verschlossen. Auf dem Dachboden wiederum hat sich gezeigt, dass es dort keine Vorratskammer gibt, sondern nur den Platz für sie. Schließlich ist der Keller, zur Seite der Straße gelegen, voller Schmutz, in welchen Wasser fließt; die Türen sind schlecht und fallen heraus. CDIA-L, f. 52, op. 2, t. 527, s. 999. Handschrift, Original, in polnischer Sprache.

Übersetzt von Heidemarie Petersen.

Abb. 1  Das Haus des Nurbeg in Lemberg. Zeichnung von M. Gruneweg, ca. 1601 – 1606.

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Abb. 2  Armenisches Haus in Kamieniec Podolski. Aufriss der Fassade und Grundriss des Erdgeschosses (1. Variante). Von Unbekannt, 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Abb. 3  Ansicht von Zamość. Gestochen von A. Hoghenberg und publiziert in Köln im Jahr 1618.

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Abb. 4  Armenierviertel von Kamieniec Podolski. Ausschnitt einer Stadtansicht. Gestochen von K. Tomaszewicz und publiziert in Krakau, ca.  1673 – 1679.

Abb. 5  Armenierviertel von Kamieniec Podolski. Ausschnitt einer Stadtansicht. Gestochen nach einer Zeichnung von K. Tomaszewicz und publiziert in Amsterdam, ohne Datierung (wohl Ende des 17. Jahrhunderts).

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Abb. 6  Grundriss eines Komplexes von Sakral- und Profanbauten in Lemberg. Zeichnung nach M. Gruneweg, ca.  1601 – 1606.

Abb. 7  Armenisches Haus in Kamieniec Podolski. Grundriss des Erdgeschosses. Von Unbekannt, 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Nicolae Iorga

Armenier und Rumänen: eine historische Parallele Das Volk der Rumänen und das Volk der Armenier gleichen sich in vielerlei Hinsicht: nationale Gestaltung, geografisch bedingte Schicksale, Außenwahrnehmung und die von den Nachbarländern beeinflusste Geschichte seien hier als Beispiele genannt. Beide Völker und Länder ähneln darin auch gewissen asiatischen Provinzen, die ebenfalls als Treffpunkt zwischen Ariern und Turaniern – ambigua gens 1, wie Tacitus sagt – Wiege einer plünderungsfreudigen und eroberungslustigen kriegerischen Bevölkerung der Provinzen Mazedoniens, Roms und später von Byzanz waren. Diese dem Fremden unterworfenen Provinzen waren auf eine in mehrere Staaten zerrissenen Autonomie reduziert worden, bis herumirrende einzelne Elemente, Hüter gegen das Verschwinden der nationalen Kultur, die nationalen Traditionen wiederbelebten. Diese Provinzen an den Quellen von Euphrat und Tigris, im Gebiet zwischen dem Kaukasus, dem östlichen Ende des Schwarzen Meeres und der Westseite des Kaspischen Meeres waren die Heimat der Iberer, Georgier und vor allem der Armenier. Auch ohne die uralten kulturellen Einflüsse und Handelswege, die Armeniersiedlungen im Moldaugebiet – möglicherweise sogar älter als die Herrschaft des Gründers Bogdan Vodă –, ohne die Tausende zählenden armenischen Bewohner Rumäniens,2 die im politischen und kulturellen Leben des Landes als Staatsführer, Gelehrte und Dichter Bedeutendes leisteten, wären diese Ähnlichkeiten Anlass genug – auch ohne die selbstlose Spende eines Grigore Buiucliu an unsere Akademie –, die beiden Nationen und Regionen vergleichend zu erforschen.

I. Die o. g. Nationen leben wohl in Asien, sind aber von der Herkunft her keine Asiaten. Zwar sind die Namen der Länder teilweise jung, haben jedoch Tradition: Georgien wurde durch westeuropäische Reisende wie Marco Polo zur geografischen Bezeichnung, Kurdistan

1 „Les contrées traversées par la chaîne de Taurus, et particulièrement la Cilicie, offrent ce phénomène remarquable qu’à toutes les époques de l’histoire elles ont été le point de jonction où sont venus se réunir les deux éléments, asiatique et européen.“ Langlois, Victor: Essai historique et critique sur la constitution sociale et politique de l’Arménie sous les rois de la dynastie roupénienne. St. Pétersbourg 1860 (Mémoires de l’Académie de St.-Pétersbourg, seria VII, tom. III, no. 3n), Vorwort. 2 Bis heute besteht das auch für die ungarischen Armenier zuständige Bistum von Suceava mit etwa 9.000 Gläubigen.

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ist das Land am Fluss Gur (Kur/Cyrus),3 und auch die Namen der Nationen – Abhasen, Iberier (für unsere Vorfahren Iverier) und Armenier verdeutlichen die Vielfalt dieser an Geschichte so reichen Region. Langwierige Kriege zwischen dem mächtigen und grausamen Assyrien und den turanischen Bergbewohnern an den Quellen von Euphrat und Tigris (die Hittiten [Hethiter], deren Burgen mit Tausenden von Tonrollen mit Keilschrift in einer noch nicht verstandenen Sprache jetzt entdeckt werden, die Khaldi aus dem Land „Urarti“ der mesopotamischen Zivilisationen) und der Kampf gegen die hunnischen Skythen aus der Steppe östlich des Kaspischen Sees führten im 7. Jahrhundert v. Chr. zum Erlöschen dieser primitiven Dynastien. Danach kam mit dem phrygischen Volk der Arme, verwandt mit den Türken,4 ein arisches Element in die Region. Unter die Herrschaft dieser Armenier geriet durch kräftige Einwanderungen auch Kleinasien. Entlang der Flüsse Sangaris und Meandrer erreichten sie die vulkanische Region der salzigen Seen und erloschenen Krater, an deren Hängen sie sich als Schafhirten niederließen. Diese Region wurde so sehr ihre Heimat, dass die nationalen Historiker, von Moses von Coren im 7. Jahrhundert bis zu den Patrioten des 19. Jahrhunderts, Ingigian (1835), Alischan, Catergian (1852)5, in dieser Gegend die durch eine dreitausendjährige Tradition geheiligte Wiege der Nation sahen. Die Aufteilung des Territoriums in mehrere getrennte Becken förderte von Anfang an das lokale Leben, die Bildung mehrerer Armenien. Die Aufeinanderfolge der Täler in Richtung Kaukasus führte zur Gestaltung eines individuellen politischen Lebens für die Georgier, Iberer und Abhasen sowie für deren einzelne Stämme (Halibi, Mosci, Tococi, Sapiri, Matiani usw.). Die Einfälle der Cimmerier – von thrakisch-keltischem Blut – stärkten die Energie der neuen Herren des Gebirges nördlich Mesopotamiens. Wie die thrakischen Urahnen der Rumänen die Donau-Linie gegen die südlich liegenden großen Staaten verteidigten, so verteidigten diese Stämme die Euphrat-Linie gegen die mesopotamischen Königreiche. Assyrien konnte sie trotz blutiger Schlachten nicht vernichten und das Persien des Kyrus gab sich mit einer Provinz der Satrapen zufrieden und

3 Mourier, Jules/Baratov, Sulchan: Histoire de la Géorgie. Histoire ancienne. Paris 1888, 14, Anm. 3; Vailhé, Siméon: Formation de l’Église arménienne. In: Échos d’Orient XVI (1913), 109 – 122, hier 109 f. 4 Die Dakier/Dagier bewohnten Dagestan und hatten ähnliche Sitten wie die Armenier (z. B. Blutsbruderschaft: Mourier/Baratov, Histoire de la Géorgie [wie Anm. 3], 80). Die Osseten, nach oss ‚blond‘ (Chantre, Ernest: Rapport sur une mission scientifique dans l’Asie occidentale et spécialment dans les régions de l’Ararat et du Caucase. Paris 1883, 27), waren der Herkunft nach Europäer, obwohl Chantre meint, dass sie, wie auch die Kurden, mit persischem Dialekt aus den medopersischen Gebieten kamen. Durch deren Migration sei die Bronze nicht nur zum Ural, sondern auch zur Donau gekommen (ebd., 29, 34 f.). Zum anthropologischen Unterschied zwischen Armeniern und Kurden: ebd., 43. 5 Thopdschian, Hagob: Politische und Kirchengeschichte unter Ašot I. und Sambat I. In: Mitteilungen des Seminars für orientalische Sprachen an der königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Hg. v. Eduard Sachau. Jahrgang VIII. Berlin 1905, 99; ebd., 1000: „Eine vollständige Geschichte der Armenier zu schreiben ist vorläufig nicht gut möglich, weil dazu noch viele Hilfsquellen fehlen.“

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verzichtete auf ihre Vernichtung. Im Gegenteil: mit Baruir, Helfer König Arbaces,6 Tigranes, dem treuen Gehilfen des Kyrus 7, und anderen hatten die Armenier bis zum Niedergang Persiens eigene Könige. Mit Tigranes fand Alexander der Große, der die Gründung eines universalen Reiches hellenistischer Kultur beabsichtigte, einen mächtigen Patriarchen, so wie er auf dem Balkan Dromichaites antraf, der seine einfachen Speisen von Holzplatten aß. Von 331 bis 190 v. Chr. hielten die Seleukiden die benachbarten Provinzen, die sie aus Antiochien verwalteten. Ihr Einfluss auf die Gebiete am Ararat war jedoch nicht größer als jener des makedonischen Königreiches von Thrakien auf die Geten jenseits der Donau: faktisch die gleiche Situation an beiden Enden des von Alexander geschaffenen Reiches. Der patriarchale Thrakismus widerstand dem Hellenismus und wurde zum Wegbereiter einer neuen Kultur. An der griechisch besiedelten Küste und in den hellenisierten Regionen unter den Herrschern Olbia, Tanais oder Boirebista entstand unter dem dennoch sehr asiatischen Mithridates das Königreich Pontus mit internationalem Charakter und hellenischer Sprache, die Skythen gründeten ihren sowohl iranisch als auch römisch beeinflussten Staat der Parther, Rom, als Erbe und Beherrscher der hellenistischen Zivilisation von Alexanders Makedonien, drang bis zu den Flüssen Mesopotamiens vor. In den Armenien am Euphrat und unter Araxes entwickelte sich jedoch zwischen 190 v. Chr. und 93 n. Chr. unter den von den Parthern eingesetzten Arsakiden – Valarsace (Vargharschag) war der Bruder von „Arsakes dem Großen“ oder Mithridates dem Parther 8 – ein unabhängiges politisches Leben. Aber als Tigranes II. (Dicran) (90 – 55 v. Chr.), Schwager des Mithridates von Pontus, durch einen Einfall in Syrien die Tradition der von den römischen Legionen vernichteten Seleukiden wieder aufzunehmen versuchte, war das der Beginn der Katastrophe. Unter Augustus begann der Eroberungskampf, die Königssöhne wurden als Geiseln nach Rom geführt und die abgesetzten Prinzen wurden ermordet. Allein die Rivalität zwischen Römern und Parthern erhielt Armeniens eigenständiges Staatsleben.9 Der Nachfolger von Tigranes, Tiridates (Trdat), Bruder von Vologes dem Parther, besuchte nach den Siegen von Corbulo das Rom des Nero, zu dessen Ehren er eine seiner Burgen in Neronia umbenannte; sein Nachfolger Mithridates, georgischer Herkunft, kam 40 n. Chr. als Gefangener nach Rom. Aber hier endete der römische Einfluss. Zwar befuhr Trajan den Euphrat von Circesium bis zum Meer 10 – wie er auch die Donau überschritt –, traf hier auf Barthamessir (­Partamazir) –

6 Langlois, Essai historique et critique (wie Anm. 1), 38. 7 Langlois, Victor: Numismatique de l’Arménie dans l’antiquité. Paris 1859, 1 f. 8 Saint-Martin, Antoine: Fragments d’une histoire des Arsacides. Bd. 1. Paris 1850, 154 f.; Langlois, Numismatique (wie Anm. 7), 6. 9 Vailhé, Formation (wie Anm. 3), 113 f. 10 Boré, Eugène: Arménie. In: Univers pittoresque. L’Univers Pittoresque. Histoire et description de tous les peuples. Europe. Bd. 7 – 8: Russie, Teil 2: La fin de la Russie d’Europe y compris la Crimée et les provinces russes en Asie ainsi que l’Arménie. Hg. v. Jean Marie Chopin, Stanislas Marie Cesar

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einen armenischen Decebal –, den er zuerst auf Arthasars Thron setzte, später besiegte und sein Land anschloss – „Armenia et Mesopotamia in potestatem P. R. redactae“11 –, genau wie das Land der besiegten Dakier, doch fand eine Romanisierung hier nicht statt. Weder wurden italische Bauern sesshaft noch wurden lateinischsprachige Siedlungen eingebürgert oder Veteranen der Armee und der zivilen Ämter, die an der Donau die römische Mundart und das römische Denken verbreiteten, angesiedelt. Dennoch konnte Hadrian, der in Rom den Georgier Pharasman III. empfing,12 die Legionen zurückziehen und das Königreich des Barthamispat gründen, das aber so sehr von Rom abhing, dass, als Marcus Aurelius die Donau den gotischen Foederati überließ, der armenische Fürst Sohem dem Cäsaren in Rom seine untertänige Huldigung erbrachte. Der Anschluss des benachbarten semitischen Osroeniens 13 durch Caracalla und später Gordianus III. stärkte die römische Hegemonie. Osroenien, der alte Klientelstaat und zeitweilige Provinz von Trajan – seit einiger Zeit von Arsakidenfürsten geführt – wurde von Hadrian befreit (der christlichen Legende nach schrieb Jesus selbst an König Abgar in die Hauptstadt Edessa). Ein Neffe Konstantins des Großen trug den Ehrentitel des Königs von Pontus, Kappadokien und Armenien.14 Vor und nach Tiridates dem Großen blieben die Armenier in den darauffolgenden Kämpfen zwischen den Römern und den Sassaniden von Persien unter ihren toleranten Königen Zuschauer und konnten daher die Ergebnisse des Streites ausnutzen. Dennoch war Armenien von 233 bis 28715 wohl Klientelstaat seiner Nachbarn im Osten. Nach dem Aussterben der männlichen Linie der Arsakiden in Georgien kam der siegreiche persische König Schapur ins Land; man bewegte ihn dazu, seinem Sohn Mirian die Mitregentschaft neben der Tochter des letzten nationalen Herrschers anzubieten.16 Tiridates versuchte unter Diocletianus in Georgien – trotz des Widerstands Behrams von Persien – das königliche politische Leben wiederaufzunehmen. Der Frieden von Nisibis sicherte seine Herrschaft und Rom erhielt das Recht auf die Ernennung der Könige von Georgien. Die folgende Zeit teilweise gewaltsam wechselnder Könige und blutiger Fehden um die Herrschaft zog am nahezu unbeteiligten armenischen Volk vorbei, so wie auch das rumänische Volk dem erbitterten Krieg zwischen den Oströmern und den auf dem Balkan einfallenden Goten eher zusah. 387 wurde Armenien aufgeteilt und 428 beendete die persische Eroberung diesen geschickten Balanceakt.

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Famin und Eugène Boré. Paris 1838, 9. Zum vorbereitenden Königreich des Samosates oder Comagenes syrischen Charakters: Langlois, Numismatique (wie Anm. 7), 7 f.; für jenes von Arsamosaa mit Xerxes: ebd., 11 f.; für jenes des Mithridates (Klein-Armenien): ebd., 20 f.; auch die Dynastien scheinen fremde gewesen zu sein (ebd., 17). Wird mit den beiden mesopotamischen Flüssen zu Füßen dargestellt. Zonaras, Johannes: Joannis Zonarae annales. Hg. v. Moritz Pinder. Bd. 1: Editio emendatior et copiosior. Bonn 1841, 390. Langlois, Numismatique (wie Anm. 7), 48 f. Langlois, Numismatique (wie Anm. 7), 47; Vailhé, Formation (wie Anm. 3), 115. Mourier/Baratov, Histoire de la Géorgie (wie Anm. 3), 104. Ebd., 106 f.

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Der Schatz von Pietroasa, die großen Münzhorte, weisen darauf hin, dass Rumänien Anteil an jenem Handel zwischen Morgen- und Abendland hatte, der auch den Wohlstand Pannoniens unter Etzel hervorbrachte. Armenien profitierte seinerseits vom Handel zwischen Indien und dem Schwarzen Meer; der Weg von Baktrien zur Küste von Trapesunt wurde laut Plinius d. Ä. (VI. Kap. XIX) in sieben Tagen zurückgelegt. Die Makedonier erforschten die Küste des Kaspischen Meeres und dachten sogar an einen Kanal, der es mit dem Schwarzen Meer verbinden würde.17

II. Dieser Zufluchtsort, Rastplatz der Karawanen, blieb die Heimat des armenischen Volkes, an die es sich auch in der entferntesten Diaspora erinnerte; Ursache dafür waren sicher die besonderen Bedingungen, unter denen das Christentum angenommen wurde.18 Über das Zeitalter der Teilbekehrungen, der persönlichen Fälle, die den Einwanderungen der Fremden und den Handelsbeziehungen zu verdanken waren, ist nur wenig bekannt, so wie in Rumänien. Dennoch zählte Tertullian zu den christianisierten Völkern auch die Armenier; bei den Georgiern und den benachbarten Völkern hätten ein Simon und Andreas gepredigt,19 die auch auf dem Balkan besonders wichtig waren. Die Christianisierung des ganzen Volkes der Armenier ist hingegen mit der Legende um Gregor den Erleuchter (Lusarovici), einen Arsakiden königlicher Abkunft (um 240–um 332), verknüpft. Diese Legende sagt, dass er 290 – 29520 beim Erzbischof von Caesaraea (einem Griechen und Vertreter des griechischen Ritus) studierte. Armenien wäre wahrscheinlich in dieser Tradition geblieben, wobei es sich – zumindest für das Abendland – in der kulturellen Welt des Byzantinischen Reiches verloren hätte, wenn nicht 387 der byzantinische Kaiser Teodosius der Große und der persische König Schapur II. das Land geteilt hätten. Dadurch wurden die Griechen zum nationalen Feind. Um 400 übersetzten Mesrop und Sahak (Isaac, Katholikos bis 428) die Heilige Schrift ins Armenische, wofür Mesrop ein eigenes Alphabet mit Buchstaben iranischer und syrischer Herkunft neben der Nachahmung der griechischen schuf. Mit der Kalenderumstellung am 11. Juli 552 endete das „dionysische“ Zeitalter der Weihnachtsberechnung.21 Diese Ereignisse 17 Mourier/Baratov, Histoire de la Géorgie (wie Anm. 3), Beziehungen zu China; Boré, Arménie (wie Anm. 10), 23 f. (nach Moses von Coren). 18 Vailhé, Formation (wie Anm. 3). 19 Ormanian, Malachia: L’Église arménienne. Son histoire, sa doctrine, son régime, sa discipline, sa liturgie, sa littérature, son présent. Paris 1910, 3 f.; Mourier/Baratov, Histoire de la Géorgie (wie Anm. 3), 82. Auch ein Apostel Bartholomäus und sein Schüler Taddäus (Boré, Arménie [wie Anm. 10], 37 f.) sollen hier aktiv gewesen sein; die angebliche Urkunde von Papst Silvester: Boré, Arménie (wie Anm. 10), 39.; Langlois, Numismatique (wie Anm. 7), XII f. 20 Vailhé, Formation (wie Anm. 3), 195. 21 Es wurde aber die griechische Indiktion bewahrt.

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stellen die eigentliche Gründung der armenischen Nation auf der Grundlage ihrer Kirche und der damit verbundenen Literatur dar. Warum sich Armenien von der römischen Staatskirche trennte, ein eigenes Alphabet entwickelte und einen eigenen Kalender einführte, ist nicht abschließend zu klären. Betrachtet man andere Regionen in der Nachbarschaft des Ostreiches, das um diese Zeit in der politischen Form noch römisch war, aber in der kirchlichen Form die volkstümliche Religion des Christentums hellenisierte, bieten sich einige Anknüpfungspunkte: Georgien hatte möglicherweise zwei nationale Alphabete (mkhedruli und khutsuri)22, also eine heilige Schrift vor dem 4. Jahrhundert; einige Tatsachen lassen diese Selbstbehauptung jedoch als unwahrscheinlich erscheinen.23 Im 4. Jahrhundert, als die Römer und die Perser vor den Augen der Armenier um Amida am Euphrat kämpften, erhielten die Goten, die sich zum offiziellen Arianismus Konstantinopels bekehrten, durch Ulfila die Bibel in ihrer Sprache, wenn auch nicht in ihren uralten Runen. Die von der griechisch-römischen Kultur beeinflussten Nationen konnten also bei allen territorialen Änderungen ihre neue Religion kaum verlieren.24 Der nationale Unterschied vertiefte sich nicht nur im Süden zu Syrien, das seinen kulturellen Einfluss vergrößerte,25 sondern auch gegenüber den georgischen Teilen, vom Araxes bis zum Meer. Zwar bestanden, seit Farnavazd (gest. 237 v. Chr.) ein georgisches Königreich gegründet hatte (das die Armenier in ihrer Expansionsbewegung gegen die Seleukiden in Syrien unterworfen hatten), bereits Unterschiede, doch waren diese eher politischer Natur. Zudem annektierten sie mit Genehmigung des benachbarten parthischen Königs auch Mingrelien und Albanien, wo sie einen autonomen Fürsten hinterließen,26 sowie das Land der Lazier. Später gelangten diese Gebiete in die Hand des großen hellenisch-armenischen Königs von Pontus; die Provinzen bewahrten aber weiterhin ihre traditionellen Königtümer. Als Pontus am Anfang des christlichen Zeitalters aufgelöst wurde, erhielt Armenien Könige georgischer Herkunft, wie Mithridates und Radamist, während andere Kandidaten aus den armenisch-turanischen Partien kamen.27 Bei der Trennung schloss Nero armenische Regionen an das freie Georgien des Farasman an.28 Dass die folgenden Diarchen gegen das Armenien des Sempades kämpften, zeugt auf beiden Seiten von einem nicht vorhandenen nationalen Bewusstsein; bis 265 wurde die dynastische Beziehung der Arsakiden zwischen Pontus, Armenien und Georgien bewahrt. 22 Mourier/Baratov, Histoire de la Géorgie (wie Anm. 3), 36 f. 23 Der Sohn von Tigranes, Artavasd, schrieb griechisch (Langlois, Numismatique [wie Anm. 7], XV), die alten Münzen haben nur griechische Inschriften und unter den armenischen Königen der Arsakidendynastie gab es auch einen Alexander. 24 Im Vorwort zu Ormanian, L’Église arménienne (wie Anm. 19), IV, verbindet Bertrand Bareilles die Christianisierung von Armenien mit der viel späteren der Slawen. 25 Langlois, Numismatique (wie Anm. 7), XV–XVII. 26 Saint-Martin, Antoine Jean: Recherches sur l’histoire de l’Asie, Kap. XX, 50. 27 Ebd., 80 f. 28 Ebd., 83.

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Jetzt aber gehörte auch das vom Hl. Andreas und der sagenhaften Hl. Nino 29 evangelisierte Georgien – wie auch Albanien – zur „Gemeinschaft der Armenier“30: selbstverständlich denselben Urhebern zugeschrieben, denen in diesen Gebieten dieselbe große Rolle zuteilwurde wie vier Jahrhunderte später Kyrillos und Methodius im slawischen Westen. Dass nach dem Ende der Arsakidenherrschaft in Armenien die Albaner mit den Usen von den Ufern des Cura-Flusses und mit anderen 31 ein neues, aggressives politisches Leben begannen, zeigt den Unterschied noch besser. Im 5. und 6. Jahrhundert vollzog sich die völlige Trennung der Armenier von den westlichen und östlichen Nachbarn, also die religiöse und nationale Isolierung. Diese Trennung und der Kampf um Einheit oder Dualität der Natur Christi verursachten im byzantinischen Reich erneut leidenschaftliche Auseinandersetzungen. Die Synode von Chalkedon (451) stellte sich gegen den monophysitischen Eutychianismus; Armenien konnte ihn nicht anerkennen 32 und erhielt später (482) den Chenotikos. Gerade in dieser Zeit legte Konstantinopel das römische Gewand ab, um Byzanz für die opportunistische, griechischsprachige Orthodoxie des Justinian vorzubereiten. Schon 552 wurde eine eigene armenische Zeitrechnung festgesetzt. 524 – 527 stellte sich einige Meilen von Eriwan entfernt die Synode von Dwin (Tovin), wo auch Georgier und Albaner vertreten waren, gegen das chalkedonische Bekenntnis und gegen den syrischen Nestorianismus.33 552 trug Patriarch Abraham dazu bei, dass auf einer neuen Synode von Duin nicht nur die Widerlegung der dogmatischen Entscheidungen von Chalkedon, sondern auch die Unterbrechung der als gefährlich betrachteten Beziehungen zu den Griechen und sogar zu den heiligen Orten (die ihnen unterworfen waren) beschlossen wurde.34 Iberien blieb chalkedonisch, die religiöse und politische Grenze wurde in diesem Gebiet festgelegt: die dritte Synode von Dwin (609) vereinigte Georgien mir der griechischen Welt. Dies war letztlich der erste Schritt auf dem langen Weg in die Assimilierung durch die russischen Glaubensbrüder.35

29 Mourier, Jules: L’art religieux au Caucase. Paris 1887, 6. 30 Boré, Arménie (wie Anm. 10), 22. 31 Zu den georgischen Stämmen (Grusiner, Mingrelier, Gurier, Kartvelinianer – auch die Lazier sprechen einen kartvelinianischen Dialekt): Chantre, Rapport (wie Anm. 4), 428. 32 Vailhé, Formation (wie Anm. 3), 206 – 209. Zu den Subtilitäten, auf die sich heute die armenische Kirche, die Anhänger der Lehre der beiden Naturen und die Gegner des Eutychios der Monophysiten berufen: Dan, Dimitrie: Monofisitismul în Biserica armeană-orientală [Der Monophysitismus in der orientalisch-armenischen Kirche]. Cernăuţ 1902; Nilles, Nicolao: Symbolae ad Illustrandam Historiam Ecclesiae Orientalis in Terris Coronae S. Stephani. Bd. 2. Oeniponte 1885, 916 f.; Die Sammlung des Metropoliten der Ungrowalachei, Grigore: Dovedire împotriva eresului Armenilor [Beweis gegen die Ketzerei der Armenier]. Bucureşti 1824. 33 Ebd., 80 f. 34 Eine vorübergehende Union mit den Griechen aus politischen Gründen 571. Boré, Arménie (wie Anm. 10); Vailhé, Formation (wie Anm. 3), 210. 35 Ormanian, L’Église arménienne (wie Anm. 19), 32.

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Zur Zeit des Herakleios, dem Bezwinger der Perser in Syrien, entflammte der Krieg am Euphrat erneut. Zwar hinterließ er bei Patriarch Esra (Iezer) einen bleibenden Eindruck, dennoch vermochte die neue byzantinische Form des Monotheismus trotz der Union von Erzerum von 62236 die Annäherung zwischen den beiden Religionen, Kulturen und politischen Formen zu stabilisieren. Die Einverleibung der (zwischen 633 und 693 von den Byzantinern bewahrten) Burgen Dara und Martyropolis unter Mauritius trug auch nicht dazu bei, die Griechen bei der hartnäckigen armenischen Nation beliebter zu machen. Zwar wurde den Untertanen des Kaisers das chalkedonische Bekenntnis aufgezwungen, doch freuten sie sich eher über die persische Herrschaft, die schon ab dem 5. Jahrhundert in den Gebieten zwischen Van, Araxes und Ani durch die Grenzhauptmänner marzpani 37, oft einheimischer Herkunft (wie die Mamigonier-Dynastie), ausgeübt wurde. Als ab 632 die Sarazenen als Eroberer Persiens deren Platz einnahmen, wurde gegenüber diesen anderen Heiden eine ähnliche Politik geführt. Dies bedeutet nicht, dass die Beziehungen zu Byzanz schwächer wurden; im Gegenteil: nachdem dieses auch Theodosiopolis verlor, entstanden dynastische Beziehungen zu den Kaisern. Maria die Armenierin wurde zur Frau von Konstantin Porphyrogennetos. Armenier wurden sogar zu Kaisern: 711 – 713 Bardanes aus Vardan (als Kaiser: Filipic), 813 – 820 Leon aus dem alten Stamm der Arzeruni (Basileus Leon der Armenier); sein Nachfolger Teofil tauchte um 830 in Armenien auf.38 Auch die Georgier suchten ähnliche Beziehungen zu Byzanz: Bagrat IV. heiratete Helena, die Tochter Kaiser Romanos’ III. Argyros.39 Aber gegen Byzanz, das sich als einziger legitimer Herrscher betrachtete, behielt Armenien eigene Fürsten, von denen sich Bagrat Bagratides von Taron (gest. 845)40 heraushob. Dessen Nachfolger Aschot (853 – 890) kämpfte 25 Jahre lang dafür, ein auch von Byzanz anerkanntes autonomes Königreich Armenien zu etablieren, was schließlich Gagic I. Arzeruni (971 – 992) zusammen mit Schahinschachi 41 gelang. Diese entstammten den alten Osdigani, neben denen die Arzeruni in Van und Nakschivan und die Sunisen an der Grenze Armeniens (Hauptstadt: Capru) – für kurze Zeit auch sie Könige – und in Vaspurakan (Hauptstadt: Vostan) lebten. In dieser Zeit blühte die armenische Zivilisation auf; nahezu alle auffindbaren Spuren des armenischen Volkes datieren aus der Zeit der Bagratiden. Damals entwickelte sich die armenische Literatur, reich an enkomiastischen und hagiografischen Schriften, die

36 Ebd., 34; Vailhé, Formation (wie Anm. 3), 210. 37 Langlois, Essai historique et critique (wie Anm. 1), 40. Die Byzantiner hatten an ihrer Stelle Hofpalatine und Patrizier; ebd.: „Aber für einen Justin war auch Clovis nur ein römischer Patrizier.“ 38 Ormanian, L’Église arménienne (wie Anm. 19), 34. 39 Mourier, L’art religieux au Caucase (wie Anm. 29), 13, Anm. 2. 40 Zu Mamigonian, der von Moaviah ernannt wurde: Langlois, Numismatique (wie Anm. 7), 84; allgemein: Thopdschian, Politische und Kirchengeschichte (wie Anm. 5). 41 Für die Byzantiner nur „Herr der Herren“

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den Königen der alten Dynastien und den ersten Patriarchen gewidmet wurden. Diese Werke sind teilweise auch jenen zugänglich, die die alte armenische Sprache nicht beherrschen: Johannes Katholikos aus dem 9. Jahrhundert wurde teilweise von Hl. Martin und Goriun ins Französische übersetzt, ebenso wie die Biografie des Hl. Mesrop (R. J. Emine) und Mowses von Khoren, der eine Geschichte der Welt bis zum Niedergang der Arsakiden schrieb (Langlois und Levaillat de Florival); diesen übersetzten Cappelletti und die Mechitaristen auch ins Italienische. Thomas Arzeruni schrieb über Vaspurakan (10. Jahrhundert), Ełišē Vardapet über die Sekten und die Kämpfe der Perser in Armenien unter Vardan im 5. Jahrhundert – übersetzt von Karapet Cabaragi und Langlois ins Französische, von Neumann ins Englische, von Cappelletti ins Italienische (und Russische) –, Agatanghel über die Bekehrung Armeniens (übersetzt von Tommaseo). Auch die „Geschichte Armeniens“ von Faust von Byzanz wurde übersetzt von Langlois ins Französische und ins Deutsche von Lauer. Langlois und Cabaragi übersetzten die Lieder von Lazarus von Pharbe, der erzählt, was von Cosroe III . bis Vahan ­Mamigonian geschehen war. Auch Łevond aus dem Ende des 8. Jahrhunderts (der Historiker der Kalifen) wurde übersetzt: Garabet Saxasarianz (Paris 1857). Sebeos, der Erzähler der Kämpfe des Heraklius, wurde ins Russische übersetzt. Mowses K ­ oaliankatovac, der über die Albaner geschrieben hat, wurde von Boré und Brosset ins Russische bzw. ins Französische übersetzt. Aus den darauffolgenden Jahrhunderten sind Asalik (gest. 1004), Aristakes (gest. 1071), Mechitar (Ende des 13. Jahrhunderts), Jovanscher (der Historiker Georgiens), Stephans Orbelian (über Siunien; französische Übersetzung von Brosset), Vardan Vartabiet, Kirak von Gandzak (13. Jahrhundert), Sempad (der Historiker des Hetum I.) und Thomas von Medzob (schrieb über Timur Lenk) in heutige Sprachen übertragen worden.42 Darüber hinaus existieren noch religiöse Übersetzungen des Hl. Johannes Chrysostomus, der Heiligen Basilius und Kyrill, des Ephraim des Syrers und aus der Geschichte des Eusebius sowie Bearbeitungen in demselben Bereich, wie jene von Eznik (Gegen die Ketzer) oder Faust von Byzanz (5. Jahrhundert) und Übersetzungen zahlreicher philosophischer Werke.43 Während Byzanz den kühnen Einfall der seldschukischen Türken siegreich zurückwies, blühte Ani, die Hauptstadt des Armenien der Bagratyder, des Smbat I. (890 – 913), des Smbat II . (977 – 989) und des Gagik (989 – 1020). Ani hatte zwei Jahrhunderte lang eine Fläche von mehr als fünf Werst und beherbergte in seinen Mauern etwa zwanzig bewundernswerte Kirchen. Seine Kathedrale hatte wie die Kathedralen von Kutaisi, ­Manglis bei Tiflis, Mokri in Abchasien und Martvili in Mingrelien 44 eine Länge von 37 m und eine Breite von 24 m. Während derselben Zeit, zwischen 930 und 936, wurde unter König Abas dem 42 Brosset, Lavrentiĭ Marievich: Les ruines d’Ani, capitale de l’Arménie sous les rois bagratides aux Xe et XIe siècle. Bd. 2. Petersburg 1860/61, 1 f. Genaue bibliografische Angaben bei Thopdschian, Politische und Kirchengeschichte (wie Anm. 5). 43 Ormanian, L’Église arménienne (wie Anm. 19), 153. 44 Mourier, L’art religieux au Caucase (wie Anm. 29), 13 f.

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Friedensstifter auch das Kloster von Etschmiadsin, der zukünftige Sitz der Patriarchen 45, gebaut; jenes von Harhigi haben auf Befehl Kaiser Romanos die Flüchtlinge errichtet, die in ihr Land zurückkehren durften.46 Die gierigen und im Luxus schwelgenden Herrscher Armeniens betrachteten sich als richtige Basileis, ebenso wie die slawischen Zare der Bulgaren in derselben Zeit. Wie diese verewigten sie in den steinernen Säulen ihre Taten, unterzeichneten mit Zinnober und setzten in dieser Farbe eigenhändig auch das Datum.47 Die goldenen Siegel wurden bis zu den Königen von Kilikien bewahrt.48 Die Metropolitaner-Kirche von Ani war der Hl. Sophia geweiht.49 Diese separatistischen Bestrebungen wurden jedoch von den alten „griechischen“ Feinden niedergeschlagen, nachdem das Kriegsglück Nichifor Phokas und Johannes Zimiskes – er selbst armenischen Blutes – nicht nur die Herrschaft über Bulgarien und die gesamte Donau, sondern auch über Syrien gebracht hatte; der Euphrat als Grenzfluss Armeniens sah die Rückkehr der Adler der Caesaren. Trotzdem bewahrte noch Gagik – obwohl Basilius II. Taic und Gogarena nahm – nicht nur den Großteil seines Armeniens, sondern auch die Herrschaft über die Könige von Albanien, Kars und Vaspurakan. Diese Provinz wurde zwar 1022 byzantinisch, aber Michael IV. setzte den Kampf fort und 1045 musste Gagik II. seine Staaten Kaiser Constantinos Monomachos abtreten. Dieser unterwarf auch das Iberien des Liparit, dessen „König“ nichts anderes war als ein einfacher Grenzheerführer; der König von Kars ging in die Verbannung nach Amasie. Der Patriarch der armenischen Kirche ließ sich in Trapezunt nieder (in Sebaste, wo der ehemalige König von Van residierte) und Senekerim verbrachte einige Zeit in Konstantinopel, um 1027 seine Tage ebenfalls in Sebaste zu beenden.50 Fast zu derselben Zeit überfielen die Seldschuken Persarmenien. 1064 verwüsteten ihre Horden die wunderbare Hauptstadt. Der Katholikos, Flüchtling in Konstantinopel, kehrte nicht mehr zurück; seine Nachkommen wohnten in Zamentan im Taurus und 1147 – 1293 in Rum-Calà am Euphrat.51

45 Ebd., 69. 46 Zu den alten armenischen Kirchen (z. B. die von Usunlàr von 718 – 729): Mourier, L’art religieux au Caucase (wie Anm. 29), 10. 47 Langlois, Essai historique et critique (wie Anm. 1), 11 f. 48 Ebd., 12 f. 49 Mourier, L’art religieux au Caucase (wie Anm. 29), 69. 50 Ormanian, L’Église arménienne (wie Anm. 19), 41; Gelzer, Heinrich: Skizze der byzantinischen Geschichte von 395 bis 1453. In: Geschichte der byzantinischen Literatur von Justinian bis zum Ende des oströmischen Reiches (527 – 1453). Hg. v. Karl Krumbacher. München 1897, 997, 1004. 51 Iorga, Nicolae: Geschichte des osmanischen Reiches nach den Quellen dargestellt. 5 Bd. Gotha 1908 – 1913, hier Bd. 1, 44 f.; Ormanian, L’Église arménienne (wie Anm. 19).

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III. Gleichzeitig mit dem Regime der „Herzöge“ verschwand in Armenien, wie in Durazzo und Belgrad, die griechische Kirchenorganisation. Von der römisch-byzantinischen Tradition blieben die Schatzmeister, proximi, parachimomeni und domestici, was der byzantinischen Ordnung auf dem Balkan unter Mircea und Alexandru entsprach, und die griechischen Herrschernamen auf den Münzen.52 Das politische Leben Armeniens verlagerte sich in die kaukasischen Täler von Georgien, die von einem tapferen und kühnen Volk bewohnt wurden. Im 12. Jahrhundert herrschte hier die berühmte Königin Thamar, „Semiramis des Kaukasus“, Tochter König Georgs, Stifterin der Kirchen von Caben, Bethanien, Vartzia u. a. und des Klosters von Ghelati, reich an dekorativen Skulpturen, die in Details den damaligen rumänischen Kirchen ähnelten.53 In Mingrelien regierten die Dadianii, entsprechend den Komitatsvorstehern des Balkan, die schon im 11. Jahrhundert erwähnt wurden. In genau diesem Jahrhundert erlebte die georgische Literatur durch Übersetzung und Ergänzung alter Übersetzungen der Heiligen Schriften durch teilweise athonitische Schriftsteller ihre erste Blüte. Dennoch brachte diese Vereinigung Kleinasiens unter den Seldschuken den Armeniern neue Möglichkeiten: Sie konnten sich nun bis zu den Pässen und Häfen von Kilikien, bis zu den Toren von Syrien und sogar bis nach Antiochien frei bewegen. So wie die Eroberungen der Osmanen den byzantinischen Griechen neue Möglichkeiten brachten, erschlossen nun auch die Armenier neue Handelsplätze und -wege. Einige Jahrzehnte später ermöglichten die Kreuzzüge den Armeniern aus den Städten erste Verbindungen zu den Ritterscharen aus Westeuropa, Kontakte zu anderen Sprachen, anderen Lebensweisen und anderen Anschauungen. In Tars, das ein „Armenien“ war,54 in Adana, wo „Ursinus“, der „Herr“, ein Oschin war (ein in den neun Dynastien beliebter, typisch armenischer Name), wahrscheinlich auch in dem benachbarten Mamistra und in den vielen Burgen dieser Gegenden, wo die kleinen lokalen Herrscher saßen, empfingen die Armenier, sicher auch aus Hass gegen die Griechen und aus Furcht vor den Muslimen, die Neuankömmlinge freudig mit Kreuzen und Kirchenfahnen und küssten ihre Füße und Rockschöße.55 Diese armenischen Hauptmänner – Constantinus de Montanis, Pangradius (Pangratie), dessen Name an die Bagratiden von einst erinnert,56 u. a. – versuchten ihre Fürstentümer mithilfe der Westeuropäer zu stabilisieren. In Edessa selbst herrschte, unterstützt vom Bischof und den Führern der Stadt,

52 Mourier, a. a. O, nach Kondakov, N. P., 16 f., 85 f. 53 Ebd., 129. Die ältesten Handschriften sind vom Ende des 10. Jahrhunderts (131 f.). Weiterführend: Tamarati, Michel: Église de Géorgie. Paris 1911. 54 Gutschmid, Alfred von. In: Zapiski Imperatorskoj Peterburgskoj Akademii Nauk. Serie VIII, Bd. XXXV, 1 f. 55 Der Brief des Anselm von Ribeaumont in: Die Kreuzzugsbriefe aus den Jahren 1088 – 1100. Hg. v. Heinrich Hagenmeyer. Innsbruck 1901, 145. 56 Röhricht, Reinhold: Geschichte des ersten Kreuzzuges. Innsbruck 1901, 97 f.

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ein Toros: Er nahm Balduin den Normannen an und legte ihn, nach der Sitte des Stammes, zwischen Hemd und Körper. Ein Simon und andere pflegten dieselben Beziehungen zu den Franken, die sie aber als paulikianische Ketzer, als „Paulikianer“57 betrachteten. Für die „regio Turbaisel“ ist ein „Nicusus“ als „princeps armenicus“ erwähnt.58 In den „schwarzen Bergen“ eine Paguni 59, ein Cog-Basilius, den die Kreuzritter „Corrovasilius“ nannten.60 Zu dieser Zeit wurde in den Tälern von Kilikien neben dem von Byzanz abhängigen Lehen der Hetumiener von Lampron (die den Titel „Sebasten“ trugen) der unabhängige Sitz des Barons Rupens (Rubin) und seines Sohnes Konstantin (1095 – 1110) – ähnlich wie die ältesten Bergwoiwodaten Rumäniens – gegründet; auch Rupens und sein Sohn waren Freunde der lateinischen Invasion, von der sie politische Vorteile erwarteten.61 Diese armenischen Fürsten blieben, während die anderen in den Kämpfen der militä­ rischen Expansion der Westeuropäer hin zum Heiligen Grab ihre Macht oder sogar ihr Leben verloren. Der erste Kreuzzug verhinderte eigentlich die Gründung jener „Armenien“, über die Ribeaumont in seinem Brief schreibt; dennoch entstand – wenn auch in bescheidenerem Umfang – das Fürstentum Armenien, um ungefähr dreihundert Jahre lang zu bestehen. Aber die neuen politischen Umstände beeinflussten von Anfang an dessen Charakter. Neben der alten nationalen Tradition orientierte sich das kilikische Armenien noch an Byzanz, aber nicht ohne gewisse persische Elemente, die es zum Mittelmeer mitgebracht hatte und die auch im künstlerischen Charakter der Miniaturen der Manuskripte deutlich hervortreten.62 Kaiser Manuel Komnenos versuchte diese Anfänge der Unabhängigkeit zu vernichten und das gesamte Kilikien für das Reich zurückzugewinnen. Leon, der Rupenidenfürst seiner Zeit (1123 – 1137), geriet in die Gefangenschaft der Byzantiner, aber die unmittelbare Herrschaft von Konstantinopel dauerte nur bis 1144, als Toros, Leons Sohn, erneut Unabhängigkeit erlangte, wie eine Reihe armenischer Chronisten (Vahram Rapun, Gregorius Eretz, Ghiragos, Vartan) berichteten.63 Die Armenier am Meer machten den Lateinern und folglich auch dem Papst, der sie mit seinem Geld und seiner Propaganda unterstützte, die größten Zugeständnisse, um sich von der kaiserlichen Tyrannei zu befreien. Parallel zu den Verhandlungen mit der Kirche von Konstantinopel wurden um 1150, zwischen 1173 und 1175 und 1177 auch dem römischen Stuhl Vorschläge gemacht. Nach der Synode in Rum-Calà, dem Sitz des Patriarchen des nationalen Schismas, gelangte man schließlich 1198 zu einer Vereinbarung mit Papst Innozenz III.

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Ebd., 104, Anm. 4. Alberic. In: Recueil des historiens des croisades. Paris 1898. hier Bd. 4, 10.; Zitat 9. Matthias von Edessa zitiert bei Alberic (wie Anm. 58), Bd. 4, 33 f. Alberic. In: Recueil des historiens des croisades. Bd. 5, 12.; Zitat 14. Matthias von Edessa zitiert bei Alberic (wie Anm. 58), Bd. 4, 33 f. Strzygowski, Josef: Ostasien im Rahmen vergleichender Kunstforschung. In: Ostasiatische Zeitschrift 2 (1913), 1 – 15. Es findet sich der Löwe mit Menschengesicht in der assyrischen künstlerischen Tradition, die beiden Löwen neben einem Doppelkreuz oder das Füllhorn in der Hand des Königs. 63 Langlois, Essai historique et critique (wie Anm. 1), 53, 59.

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Um seinen Machtbereich auszudehnen, verteilte dieser Papst überall Königskronen, solange die neuen Herrscher sich dem Katholizismus anschlossen, die römische Universalität der Kirche anerkannten und seine Vasallen wurden. Ohne die Sensibilitäten des alten griechischen Byzanz oder des neuen lateinischen Byzanz, das der vierte Kreuzzug eben erzwungen hatte, besonders zu beachten, entschied derselbe geistliche Herrscher der Christenheit, der am Adriatischen Meer einen König der Serben, in Thrakien einen „König der Walachen und Bulgaren“ ernannte, im Januar 1199, vor der Gründung des Reiches von Ioniţă, aber drei Jahre nach der Gründung des Königreiches von Stephan, die Beförderung des neuen Armenien zum Königreich.64 Der päpstliche Legat Konrad von ­Wittelsbach krönte Leon II. († 06. 02. 1289), den Eroberer von Satalien und Heraklien, in Sis als tacafur zum König der Armenier, „rex omnium Hermenorum“ – ein Titel, der jenem des Fürsten der „gesamten Walachei“ entsprach. Die Ehe von Leon mit der Schwester von Balduin de Bourg, dem Grafen von Edessa,65 band ihn noch mehr an die lateinische Welt; Leons Tochter Isabella (armenisch: Zabel), die nachher als Regentin (1219 – 1224) Hetum von Pardzepert heiratete und ihm den Thron überließ, sollte die Frau von Andreas werden, der der Sohn jenes Königs Andreas II. war, der für einen erfolglosen Kreuzzug sein Land über den Haufen warf.66 Der westeuropäische und auch der byzantinische Kaiser erkannten „Leo, Dei gratia rex Armenorum, permotus divina clementia ad regalem dignitatem et sublimatus regali corona per manus Imperii romani“67 an. Um seine politische Orientierung sichtbarer zu machen, knüpfte Leon, der weiterhin als Λέο unterschrieb 68, seine Urkunden armenisch verfasste und sie mit der byzantinischen Krone und dem Löwen, der auf seinem Rücken das Kreuz trägt, besiegelte, die engsten Beziehungen zu den lateinischen Kaufleuten aus seiner Umgebung, so wie die neuen slawischen Königreiche auf dem Balkan sich durch den besonderen Schutz der italienischen Händler hervortaten. Aber die Privilegien der armenischen Könige wurden bewahrt: schon unter Rupen II. (1175 – 1187), der abdankte, hatten die am Levant interessierten Republiken Venedig, Genua und Pisa vom Fürsten anerkannte finanzielle Interessen; 1196 wird sogar ein Konsul von Venedig erwähnt und Venedig wurde 1201 das erste Privileg gewährt und 1245, 1271, 1307, 1320, 1321 und 1333 erneuert.69 1201 wurden den Genuesen Privilegien verliehen, die 1215, 1281 und 1288/89 bekräftigt wurden.70 1216 wurde ein Privileg bestätigt, das die Lateiner aus Antiochien den Pisanern verliehen hatten.71 Es wurde sogar ein ­Abkommen mit

64 65 66 67

Ormanian, L’Église arménienne (wie Anm. 19), 48 – 53. Langlois, Essai historique et critique (wie Anm. 1), 70. Ebd., 24. Ebd., 60. – Sein Zepter zeigt die Lilie. Alishan, Ghewond: L’armeno-veneto: compendio storico e documenti delle relazioni degli Armeni con Veneziani. Venezia 1893. 68 Langlois, Essai historique et critique (wie Anm. 1), 12. 69 Ebd., 16 – 18; Langlois, Victor: Trésor des chartes d’arménie. Venise 1863, 126 f. 70 Ebd. 71 Langlois, Trésor des chartes d’arménie (wie Anm. 69), 138 f.

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den Spitalherren geschlossen, um ihnen im Falle einer muslimischen Eroberung Larenda anzuvertrauen.72 Den Katalanen wurde erst um 1293 und den Provensalen von Montpellier um 1314 erlaubt, an diesem Handel teilzunehmen,73 und 1331 kamen endlich auch die Sizilianer dazu.74 Daneben wurden noch Beziehungen zu Florenz (Bardi-Haus), zu Mallorca, Nîmes, Brügge und sogar zu London gepflegt.75 Neben den alten nationalen Würden im Sinne der nationalen Partei des Narses von Lampron (marzban oder merzpan, sbasalar usw.)76, zusammen mit den von den Griechen übernommenen (einen proximo gab es auch in dieser Zeit), stehen neben dem König Freiherren, Kammerherren, Seneschalle 77 und Baili (wie der „Freiherr“ Konstantin von Pardzepert, Vater König Hetums). Ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurden die Urkunden auch in Französisch verfasst, das als Lingua franca der Kreuzzüge und der durch sie gegründeten Staaten betrachtet wurde. Die Gesetze des neuen Königreiches zeigten deutlich den lateinisch-byzantinischen Doppelcharakter mit zusätzlichen nationalen Elementen – so wie bei den rumänischen Fürstentümern. Diese Gesetze sind, wie viele andere Werke, neu veröffentlicht worden.78 In den Institutionen vermischten sich die beiden Charaktere, wobei der byzantinische überwog. Die Bewohner verschiedener Ethnien der von den Rupenidern beherrschten Gebiete zahlten den Zehnt, die „Gepflogenheit“ (consuetudo), die „Abmachung“ (pactum), die Steuer (occasio, achoison), den Dienst (servitium), Abgaben und das Eichmaß (conirarieias, exaciio, angosia) neben unterschiedlichen Zoll- und Durchfahrtsgebühren (drictura Maris et terrae, transitus, möglich aus tabulagium)79 wie auf dem Balkan. Beiderorts zahlte man nach Belastung (tamtallaugia 4 Prozent)80 und eine proportionale Abgabe nach Kategorien: Wein, Speiseöl, Rinder, Holz, Eisen, Leder, Wolle oder Tuch.81 Eine große Zollstation befand sich neben einer kleinen.82 Dieses alte tatarische System des Peysonnel bestand im 18. Jahrhundert auch auf der Krim. Kaufmännisches Kalkül schuf Kleinarmenien, wie später ein anderes kaufmännisches Kalkül das rumänische Fürstentum von Argeş und das jüngere, separatistische Fürstentum der Moldau schuf. Dieses Königreich, das Sis, Mamistra, Adana und Tars umfasste, vertrat nicht nur die besonderen Interessen dieses Teils der kilikischen Küste. Beziehungen, die von einer ununterbrochenen nationalen Ausdehnung begünstigt wurden, pflegte man 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82

Ebd., 115 – 117. Ebd., 178 f. Ebd., 186 f. Ebd., 202 f. Langlois, Essai historique et critique (wie Anm. 1), 53. Langlois, Trésor des chartes d’arménie (wie Anm. 69), 185; Langlois, Essai historique et critique (wie Anm. 1), 47; Alishan, L’armeno-veneto (wie Anm. 67), Bd. 2. Edition/Auflage der Mechitaristen von Venedig 1876. Langlois, Essai historique et critique (wie Anm. 1), 52. Ebd., 74 f. Ebd., 81. Brosset, Les ruines d’Ani (wie Anm. 42), 20.

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auch ins Hinterland, so dass die Karawanen aus Persien und Mittelasien nach Tebriz sich in Richtung des westlichen Meeres voneinander trennen konnten, statt das Schwarze Meer zu suchen. Als die muslimischen Häfen von Trapezunt kurz darauf unter die Herrschaft der Mongolen gerieten, wodurch die Zollgebühren mehr als lästig wurden, verstärkten sich diese Beziehungen weiter. Um den Staat und den Handel abzusichern, wurden auch Beziehungen zu den mohammedanischen Fürsten der Nachbarschaft geknüpft. So schloss Hetum I. ein Abkommen mit dem Seldschuken Calcobad (1231),83 ein anderes mit dem ägyptischen „Sudaner“ Bibars, dem Herrscher von Syrien,84 der ihn besiegte und auch seinen Sohn Toros tötete,85 sowie mit dessen Nachfolger Chelaùn (1285). Die Beziehungen zu den Mongolen, die 1242 mit Erzerum, Gaiasedin und Ersengian das alte Armenien erobert hatten und bis nach Caesaraea und Amasien vordrangen,86 hatten dagegen eher privaten Charakter, wobei die armenischen Könige auch hier die Rolle der Vermittler von Westeuropa und der Vorbereiter eines befreienden Kreuzzuges, der von dort kommen musste, übernahmen.87 Es überrascht daher nur auf den ersten Blick, dass Mangù-Khan versprach, sich taufen zu lassen, den christlichen Glauben auszuüben, und seinen Bruder Hulagú zur Vernichtung des Kalifen ausschickte.88 Tatsächlich kamen 1293 westeuropäische Gesandte aus Aragonien zu einer Vereinbarung mit den Mongolen, und mithilfe von Armenien wurde eine Abmachung zwischen dem lateinischen Zypern, den Spitalherren und Tempelherren einerseits und Georgien und dem Khan andererseits geschlossen. Es gelang, die bei Homs besiegten ägyptischen Truppen aus den Übergangsgebieten zu verjagen; dort kämpften später – mit ägyptischem Sieg – die Heere von Mohammed-Ali und Sultan Mahmud. Hetum, der in den Minoritenorden eintrat, führte 3.000 Armenier an. Während die Zyprioten die Küsten Syriens und sogar Ägyptens angriffen, plünderte Schah Cutlùc mit den Truppen des Khans das Gebiet um Aleppo. Das Niederbrennen von Tir und der ägyptische Angriff auf Lajazz (März 1307) waren die Strafe für die Organisatoren dieses kurzlebigen Bündnisses.89 Nachdem ein Khan Armenien an König Sempad gab, der den Vorgänger Hetums geblendet und seinen Sohn Toros getötet hatte, ließ Bilagù Leon III. und den Regenten Hetùm töten;90 ein anderer Hetùm, ein 83 84 85 86 87

Langlois, Trésor des chartes d’arménie (wie Anm. 69), 213. Ebd., 216 f. Langlois, Essai historique et critique (wie Anm. 1), 28. Iorga, Geschichte des osmanischen Reiches (wie Anm. 51), Bd. 1, 131 f. Beziehungen zu Clemens IV.: Langlois, Essai historique et critique (wie Anm. 1), 28; die Mission von Vahrane Ladif in Neapel (1277): ebd., 29; 1292: Boten bei Philip dem Schönen: ebd., 30; aber Rita, die Schwester von Hetum II. heiratet den Sohn des Kaisers (Alishan, L’armeno-veneto [wie Anm. 67], 45) und 1296 kamen Hetum und Toros nach Konstantinopel, bevor sie von Sempad beseitigt wurden, den der Khan zum König machte (ebd., 45). 88 Langlois, Trésor des chartes d’arménie (wie Anm. 69), 214, 215, „me faciam baptizari. Tenebo fidem quam tenent hodie Christiani.“ 89 Iorga, Nicolae: Philippe de Mézières. Paris 1896, 34 f.; Alishan, L’armeno-veneto (wie Anm. 67), 46. 90 Ebd., 47.

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lateinischer Mönch, durchquerte die Welt und predigte den befreienden Kreuzzug. Doch nicht nur die Westeuropäer, sondern auch Türken und Mongolen beeinflussten Armenien: das Abkommen von 1285 mit Ägypten enthält den Eid, der jenem aus den Dokumenten der osmanischen Sultane entspricht, auf die vier Evangelisten, auf die zwölf Apostel, auf die 318 Bischöfe von Nicaea, auf die Stimme von Jordan, auf die Mutter Gottes und auf den Heiligen Johannes, Thomas und Matthias.91 Armenien vermied es, an den folgenden Kämpfen der Westeuropäer teilzunehmen, die in einem neuen Bündnis mit den Türken von Smyrna vereinigt waren, und versuchte, wenigstens seine immer stärker gefährdete Existenz zu retten. 1318 verlangte zwar König Oschin den – für ihn schützenden – Kreuzzug von Robert von Sizilien, Philip von Tarent und Philip dem Langen, König Frankreichs,92 aber 1323 schreibt das noch von Leon V. mit dem Sudan abgeschlossene Abkommen einen jährlichen Tribut von 1.200.000 Dirhemi sowie die Hälfte der Zollgebühren der Häfen Lajazzo und Ponbetta und die Verantwortung für die Einkünfte der Salzgruben als Lösegeld vor; „vom Fluss (Piram) rüber nach Syrien“ sollen die Bewohner die übliche Zwangsabgabe (Haratsch) zahlen.93 Oschin, in zweiter Ehe mit einer tarentinischen Prinzessin verheiratet, starb am 2. Juli 132094; einer der Vormünder seines Sohnes Leon V. war Balduin, ein Franzose. Am 28. August 1342 starb auch dieser Sohn, Ehemann von Konstanze, der Tochter Friedrichs II. von Sizilien.95 Ihm folgte Konstantin IV., der Sohn von Balduin und Marianna, die als Tochter von Leon und Enkeltochter von Sempad das dynastische Recht verkörperte. Konstantin IV. näherte sich wieder Rom an und nahm Verhandlungen auf, derentwegen er ermordet wurde. Seine Witwe Maria, eine Verwandte König Roberts von Neapel und Enkelin des Prinzen von Tarent, war 1368 noch Regentin.96 Aber sein Nachfolger 97 war Guy de Lusignan (alias Konstantin IV.), der bis dahin in den Angelegenheiten des von den Parteien aufgestachelten Byzanz verwickelt war.98 Sein Vater war Amalrich von Lusignan, Bruder König Heinrichs von Zypern; seine Witwe ehelichte später Leon IV.99 Guys Mutter Isabella (Zablun) war

91 Langlois, Trésor des chartes d’arménie (wie Anm. 69). – Vgl. das ungarisch-türkische Abkommen von 1452 in: Iorga, Nicolae: Acte şi fragmente [Akten und Fragmente], Bd. 3. Bucuresti 1897, 23 – 27: Eid auf Mohammed, auf die sieben Lektüren des Korans, auf die 1001 Namen von Allah, auf die Seelen der gesamten Familie. 92 Langlois, Essai historique et critique (wie Anm. 1), 33. 93 Langlois, Trésor des chartes d’arménie (wie Anm. 69), 232 f. 94 Alishan, L’armeno-veneto (wie Anm. 67), 52 f. 95 Langlois, Essai historique et critique (wie Anm. 1), 20. 96 Iorga, Philippe de Mézières (wie Anm. 89), 380, Anm. 5. 97 Alishan, L’armeno-veneto (wie Anm. 67), 60. Die Tochter Isabella floh nach Rhodos (ebd., 64). Konstantin wäre erst 1363, nach seinen Söhnen Oschin und Leon, gestorben. Ein anderer Konstantin herrschte bis 1372. 98 Iorga, Nicolae: Latins et Grecs d’Orient. In: Byzantinische Zeitschrift XV (1906), 179 – 222, hier 195. 99 Maria, die ehemalige Regentin, starb 1377 in Jerusalem. Alishan, L’armeno-veneto (wie Anm. 67), 62 – 64. Der Papst wollte sie mit jenem Otto von Braunschweig verheiraten, der in den Kreuzzug

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die Schwester von König Oschin.100 Als Könige folgten ihm – ohne die folgenlose Verkündigung von Peter I. zu erwähnen – aus der Reihe der Lusignanen von Zypern Bohemund, der Sohn von Johannes († 1363)101, und Leon VI., Bruder des Johannes, auch er ein treuer Katholik, der am 29. November 1393 seinen Tod im französischen Kastell Tournelles und seine Ruhe im Cölestinerkloster von Paris fand. Armenien wurde damals völlig lateinisch, aber auch Byzanz selbst latinisierte sich durch die Beziehungen zu Venedig und Genua, durch die Hilfen der Katalanen und der Kreuzritter und durch die Verwandtschaft des Andronicus dem Jüngeren mit dem Haus ­Savoyen. Prinzessin Maria, die Witwe Konstantins IV., aus dem Hause Anjou-Tarent war eher Französin; die Tochter von Guy ehelichte Manuel Kantakuzenos, den Despoten von Morea, während Leon, der Katharina, die Erbin Arkadiens, hätte heiraten sollen, sich schließlich mit Margarethe von Soissons vermählte.102 Alle Urkunden wurden nur in Französisch verfasst; die nationale Mundart nur auf Siegeln und Münzen bewahrt. Der neue Titel in der Zeit von Leon III. lautete: „roy de tote Hermenie, féal en Christ“ (oder: „en Crist Deu feel“, „féal en Jesu-Crist“) oder „roy de tous Armenes“.103 Leon III., der auch der letzte König von Armenien war, erhielt in Spanien die Lehen von Madrid, Villareal und Andujar 104 und kam schließlich in das Land seiner Vorfahren, die einst aus Frankreich aufgebrochen waren, um als Kreuzfahrer die Krone von Jerusalem zu erlangen. Von Kleinarmenien hingegen blieb nur eine kleine lokale Herrschaft, die auch zum Untergang verurteilt war: das Heer aus dem Sudan erreichte die Gebiete von Kilikien, die keinen Widerstand mehr leisten konnten. Im Juni 1346 wurden in Zypern Hunderte von Flüchtlingen aus Lajazzo, dem größten Hafen des Königreiches, an Land gesetzt, während die „Sarazenen“ die weniger Glücklichen niedermetzelten.105 Die anderen Häfen des Königreiches, jene von Genua, Pisa, Portus Pallorum, waren nur eine Erinnerung; ­Alexandretta und Satalia gehörten seit langem nicht mehr den Rupeniden. Nur Gorigos, das alte Korykos, unterhielt die Verbindung zu Westeuropa. Es blieben nur Sis und die Burgen in den Bergen. „Der Livonerkönig“, schreibt der zypriotische Chronist Macheras,

verwickelt war. Nach Alishan (ebd., 54) war Johanna oder Irina, die Tochter von Philip von AnjouTarent, die Ehefrau des Königs Oschin; „die heiratete später den Freiherrn Oschin von Gorigos, den Sohn des Schriftstellers Haiton. Die Tochter von Amalrich mit der Nichte von Hetum, Agnea, heiratet König Leon III.“ Ebd., 46. 100 Iorga, Latins et Grecs (wie Anm. 98), 184 f., 184, Anm. 2. 101 Iorga, Philippe de Mézières (wie Anm. 89). – Die Chronik von Dardel: im letzten Band von „Histo­ riens arméniens des croisades“. 102 Iorga, Philippe de Mézières (wie Anm. 89), 385, Anm. 2. 103 Langlois, Essai historique et critique (wie Anm. 1), 9. 104 Iorga, Philippe de Mézières (wie Anm. 89), 462, Anm. 4; Langlois, Essai historique et critique (wie Anm. 1). 105 Röhricht, Reinhold/Meisner, Heinrich: Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande. Berlin 1880, 51.

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„hatte zweihundert Städte und Burgen, verlor sie aber und war arm.“106 Vor dem Kreuzzug von Peter I. von Zypern an der Küste Kleinasiens mit der Absicht, dieses Armenien wiederzubeleben, dessen König er durch einen Sieg wurde, waren auch Tars, dessen Erzbischof 1360 mit Beschwerden zum Papst kam,107 Adana, Malmistra und Pilerga gefallen. In diesem Königreich war die armenische Bevölkerung nie zu übermächtig geworden. Zwar stellten sie die führende Schicht und die sie umgebenden Krieger sowie sehr wenige Kaufleute, doch die Dorfbewohner gehörten zu einem Gemisch der alten Rassen, was das Ergebnis der Ereignisse ihrer Geschichte war. Als Peter 1359 gebeten wurde, das Land vor einem nahen Untergang zu retten, waren die Boten, die in die kleine Festung der Stadt Gorigos kamen, zwei Griechen, Psararis und Philitzis. Viele Lateiner und ziemlich viele Juden – es gab auch eine Iudecca – waren Händler in der Stadt; an ihrer Spitze stand ein Graf als Vertreter des Königs.108 Die zypriotische Eroberung bestand jedoch nur bis zum Tod des Eroberers. Mit seiner Ermordung vernichteten seine eigenen Freiherren das Ideal, das er zum letzten Mal verkörperte. 1375, im Jahr, das auf den Einzug des letzten Königs in das von den Syrern eingekreiste Sis folgte, unterwarf ein neuer sarazenischer Angriff das ganze Land des ägyptischen Sudans. Leon wurde in Kairo eingesperrt und erst 1380 auf die dringende Bitte des Königs von Kastilien freigelassen; 1382 schließlich suchte er in Rom Zuflucht.109 Nach einer Audienz bei Papst Clemens VII. und einem längeren Aufenthalt in Kastilien, wo er für seine Restaurierung um eine Flotte bat, ging er im Sommer 1384 nach Paris ins Exil. Bis zum Ende hoffte er, mithilfe seiner westeuropäischen Verwandten und der Ritter des von ihm gegründeten Axtordens wieder zum König im mittlerweile von den Heiden beherrschten Nahen Osten zu werden.

IV. Während einige armenische Kaufleute von Lajazzo nach Zypern flohen, gingen andere an die Nordküsten des Schwarzen Meeres. Da im 14. Jahrhundert an der kilikischen Küste nicht allzu viele Armenier lebten,110 können auch nur wenige nach Norden entkommen sein. Es muss also angenommen werden, dass ein Großteil der Armenier, die später auf der Krim, in Polen und in den russischen Gebieten sowie in der Moldau anzutreffen waren, älteren Ursprungs waren.

106 Sathas, Konstantinos/Miller, Emmanuel/Macheras, Leonce: Chronique de Chypre. Paris 1882, 58. 107 Iorga, Philippe de Mézières (wie Anm. 89), 381, Anm. 1. 108 Iorga, Geschichte des osmanischen Reiches (wie Anm. 51), Bd. 2, 215 – 217. 109 Ebd., 395, Anm. 1. 110 Armenische Bürger in Lajazzo im Jahre 1268: Mas-Latrie, Louis de: Histoire de l’île de Chypre sous le règne des princes de la maison de Lusignan. 3 Bd. Paris 1852 – 61, hier Bd. 2, 74 f.

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Auch andere Argumente unterstützen diese Meinung: Die Immigranten sahen stets in Ani, der Stadt mit den 1.001 Kirchen, ihre Heimat. Aber diese alte Hauptstadt von Großarmenien war schon im 11. Jahrhundert von den Seldschuken geplündert und verwüstet worden. Die Namen vieler dieser Familien, die nach Europa fliehen konnten, sind tatarisch: Schachin, Tscheausch, Aslan, Amira, Murat und als Frauenname Mugal.111 Ihre alten Evangelien waren in tatarischer Sprache geschrieben und die Chroniken der Armenier aus Polen verwenden dieselbe geliehene Sprache. Neben den italienischen, polnischen oder rumänischen Wörtern, die von der Mehrheitsbevölkerung übernommen worden waren, treffen wir in ihrem Wortschatz – bunter als jener ihrer in Asien gebliebenen Brüder – Wörter mongolischen Ursprungs an.112 Zuletzt verlieh König Béla IV . von Ungarn 1243 den Armeniern von Gran ein Privileg; ihre terra wurde nach dem Einfall der Tataren, die sie zerstreuten, dem Ritter „Kunchilmius“ und nachher den Augustinern für ihre Schule geschenkt.113 Die Gesetze, die die europäischen Armenier anerkannten, sind jene von Johannes dem Bagratiden und auch viele Bräuche bezeugen muslimische Einflüsse. Es sollte nicht vergessen werden, dass die Armenier schon ab 1253 ihr „Haus“ in Venedig, in der Calle delle Lanterne, hatten und auch andere armenische Siedlungen in Italien ihre Anfänge in derselben Zeit nahmen.114 Wären die Armenier zum ersten Mal um 1280 gekommen, als die Genuesen auf vom Khan geschenkten Boden ihre Burg Kaffa gründeten (die als Prunkstück schnellen Reichtum bringen sollte), dann wäre es für sie nicht notwendig gewesen, sich in dieser italienischen Umgebung zu tatarisieren. Also musste ihre Umsiedlung früher stattgefunden haben, bevor die Italiener die Häfen der Krim, wo Soldaia ebenso alt ist wie das benachbarte Tana,115 ausbauten; nur so konnten sie als Vermittler und Kaufleute diesen so intensiven und tiefen tatarischen Einfluss erleben. Weder im alten nationalen Armenien noch im neuen latinisierten armenischen Königreich von Kilikien wäre Ähnliches möglich gewesen.116 Der Legende nach soll 1062 der russische Fürst Theodor Dimitrievitsch von Kiew den armenischen Gästen ein Privileg verliehen haben, wobei sogar der Kontext zitiert wird. Das Original ist aber nicht aufgetaucht und es ist eher unwahrscheinlich, dass die wenigen armenischen Händler dieser Zeit in so weit entfernte Gebiete vorgedrungen waren. Lediglich 111 Lukácsi, Cristoforus: Historia Armenorum Transylvaniae. Viennae 1859, 15. 112 Die alte armenische Sprache war „presque tombée en désuétude comme celle d’Homère“. Brosset, Les ruines d’Ani (wie Anm. 42), V. 113 Lukácsi, Historia Armenorum Transylvaniae (wie Anm. 111), 10; Benkő, Josef: Milcovia, sive antiqui Episcopatus Milkoviensis. Bd. 1. Viennae 1781, Kap. IV. 114 Alishan, L’armeno-veneto (wie Anm. 67), 67 f. Das Ospizio Armeno zu Venedig stammt von 1341 (ebd., 73). 115 Iorga, Nicolae: Notes et extraits pour servir à l’histoire des croisades. Bd. 1 – 6. Paris 1899 – 1916, hier Bd. 1, 4. 116 Tataren des „Weißen Schafes“ hatten aber im 14. Jahrhundert laut der Chronik von Panaretos ihre Siedlungen zwischen Erzerum, Sivas und Amasien. Le beau, Charles: Histoire du Bas-Empire, en commençant à Constantin le Grand, in 22 vols. Paris 1756 – 1779, Bd. 5. 487.

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auf der tatarischen Krim waren damals Armenier anwesend; hier hat diese Legende wohl ihren Ursprung.117 Die armenische Auswanderung nach Europa beraubte die Nation ihrer intelligentesten und dynamischsten Elemente: Auf Zypern waren im 14. und 15. Jahrhundert auch armenische „hermins“ (Bogenschützen) anwesend, die 1373 Famagusta verteidigten.118 Dieser Exodus verhinderte die Beziehungen zu jenem Teil der arischen Rasse aus dem Kaukasus, der unter den Königen Georgiens bis zum 19. Jahrhundert politische Unabhängigkeit bewahrte. Während sich die armenische Kolonie von Kaffa im 14. Jahrhundert konsolidierte, verheiratete Basilius I., Kaiser von Trapezunt, seine Tochter mit Hatzimier, dem Sohn von Pankram.119 Eine bedeutende Rolle spielte gegen 1360 bis 1387 Bagrat V. der Bagratide, der auch der Große genannt wird, „König der Abasgen und Iberen“, Verbündeter König Georgs (Corchi) von Georgien, mit seinem Bruder Daniil, der sich König von Tiflis nannte. Diese Armenier hatten neben den alten biblischen Namen nun auch tatarische: Eudokia, die Tochter von David, wurde auch Culcan-Catùm genannt.120 Die Plünderung durch Timur Lenk beendete auch in dieser Region eine Epoche relativen Wohlstands. Der zeitgenössische Chronist Thomas von Medzob bemerkte: „Die Bevölkerung versammelte sich vor allem in den Gebieten Armeniens und die Vision und Prophezeiung des großen Narses, der gesagt hat: ,Das Haus des Aram wird von der Rasse der Bogenschützen vernichtet‘, hat sich erfüllt. Unter Georg VII. [1395 – 1407], siegreich über Alexander, den ,Tyrannen‘ von Van, türkisch: Skander, nimmt Georgien sein übliches politisches Leben wieder auf und die Kirchen blühten auf.“121 Vom Kampf zwischen den Osmanen und den Persern profitierten im 16. Jahrhundert Königin Thamar und ihr Sohn Alexander; sie konnten ihre Herrschaft festigen und sogar mit einigem Prunk regieren. Doch Armenien konnte sich nicht mehr erheben und auch die alten religiösen Differenzen waren immer wieder Ursache großen Hasses und gegenseitiger Herabsetzungen: „Die georgische Nation, feige und gefräßig, zum Trinken geneigt und Hasen essend, diese Nation, die sich immer an habsüchtige Führer klammerte, brüstete sich damit, dass sie alle anderen Nationen besiegen kann.“122

117 Auch der Missionar Pidou aus dem 17. Jahrhundert sprach – der nationalen Tradition entsprechend – über die Aussiedlung von Ani mit „bis tausend Kirchen“, über den Empfang in Russland „etwa 700 Jahre früher“ sowie darüber, dass „Herzog Theodosius, der Sohn von Dimitrij, sie um Hilfe bat“, da er mit „seinen rebellischen Untertanen“ kämpfte. Iorga, Nicolae: Studii şi documente [Studien und Dokumente]. Bd. 1 – 2 [Bucuresti 1972], 430 f., Nr. XXII. 118 Iorga, Notes et extraits (wie Anm. 115), Bd. 1, 88 Anm. 5; Bustron, Florio: Chronique de l’ile de Chypre. Paris 1886, 294 – 195. 119 Panaretos in: Le Beau, Histoire (wie Anm. 117), 495. In Lajazzo gab es auch eine Mutter Gottes der Georgier. 120 Ebd., 499 f., 502 – 504. 121 Exposé des guerres de Tamerlan et de Schah-Rokh dans l’Asie occidentale, d’après la chronique Arménienne inédite de Thomas de Medzoph. Hg. v. Félix Nève. Bruxelles 1860, 47. 122 Ebd., 149 f.; Nève, Félix: Étude sur Thomas de Medzoph, et sur son Histoire de l’Arménie au XVe siècle, d’après deux manuscrits de la Bibliothèque Imperiale. Paris 1855.

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Die Chronik des Thomas von Medzob ist die letzte freie Stimme aus Armenien. Die Traditionen in der Kunst – Kalligrafie, Miniaturmalerei, Goldschmiedekunst – wurden allein in den Kirchen Georgiens fortgesetzt.123 Diese ähneln in ihren allgemeinen Linien und Details den rumänischen: der Turm mit langen, schmalen Fenstern, umgeben von Profilen wie in der muntenischen Baukunst des 17. Jahrhunderts, die Wandmalerei in byzantinischer Tradition und die Frontispizen der Kapitel in den Handschriften. Aber das unterworfene Armenien hatte weder Meister noch Schriftsteller; seine Seele blieb nur in Volksliedern (Kriegs-, Liebesliedern, Klagegesängen) lebendig, die oft auch dem rumänischen Liedgut ähneln.124

V. In derselben Zeit gingen die Armenier von Kaffa, die ihren Bischof Taddäus, einen Lateiner, um 1326 zum Papst sandten 125 und die, wie auch die Griechen 126, beschuldigt wurden, ihr Vermögen zu verstecken, in die in Galizien im 14. Jahrhundert neugegründeten Städte Krakau (Kraków) und Lemberg (L’viv, Lwów, L’vov), die von Kasimir dem Großen angegliedert wurden.127 Von hier aus gingen sie nach Kamieniec Podolski (Kamenec-Podolski, Kam’janec’-Podil’s’kij) und in das gerade entstehende Fürstentum Moldau, dem sie sich anpassten: Ihre Kirchen – sogar Zamca Sucevei – scheinen von den Moldauern übernommen oder nach moldauischem Muster errichtet zu sein; der Versuch zu beweisen, dass die Kirche von Jassy 1390 entstand, ist nicht gelungen.128 Allein in Suceava entstand eine eigenständige armenische Welt mit einem armenischen Schultheiß (1445: Serchiz)129 und armenischen Räten.130 123 Mourier, L’art religieux au Caucase (wie Anm. 29). 124 Poèmes arméniens et modernes. Hg. v. Archag Tchobanian und Gabriel Mourey. Paris 1902; Tchobanian, Archag: L’Arménie, son histoire, sa littérature, son role en Orient. Paris 1897; ders.: Prières et poèmes mystiques du moine Grégoire de Naregh. In: [Mercure de France 36, 1900]; Nève, Félix: Les hymnes funèbres de l’Eglise arménienne, traduits sur le texte arménien du Charagan. ­Louvain 1855. 125 Alishan, L’armeno-veneto (wie Anm. 67). 126 Iorga, Notes et extraits (wie Anm. 115), Bd. 1, 384; Vigna, Amedeo: Codice diplomatico delle colonie tauro-liguri. Bd. 3. Genova 1873, 731. 127 Bischoff, Ferdinand: Urkunden zur Geschichte der Armenier in Lemberg. In: Archiv für österreichische Geschichte. Bd. 32 (1865), 1 – 155, hier: 1; Akta grodzkie i ziemskie z Archiwum t. zw. Bernar­ dyńskiego. Bd. 7 [Lwow] (1878), 134 – 136; Bd. 9 [Lwow] (1883), 116 f. 128 Bogdan, N.: Oraşul Iaşii [Die Stadt Jassy]. Iaşi 1913, 12 f.; Goilav, Grigore: Bisericile armene din Ţările Române [Armenische Kirchen in den rumänischen Ländern]. In: Revista pentru istorie, arheologie şi filologie 12 (1911), 457. 129 Dan, Monofisitismul (wie Anm. 32). 130 Hurmuzaki, Eudoxiu V.: Documente privitóare la istoria Românilor. Bd. 15. Bucureşti 1911 – 1913, 784, Nr. MDCXII: „der armenische Schultheiß“ bei c. 1601. Vgl. ebd., 856, Nr. MDCCX; Haşdeu,

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Doch auch hier wurden sie von ihrer Umgebung stark beeinflusst und verändert. Schon im ersten Jahrhundert des Zusammenlebens begann die Romanisierung, wobei sie mit Beharrlichkeit die konfessionellen Unterschiede beibehielten und armenische Namen wie Mândrul, Hârtopan, Ipefal, Lebădă, Degeratul, Hăul, Crăciun, Pruncul, Bolfosul, Ţeranut, Ciomag, Piele-Albă oder Calcăntraur annahmen.131 Dies taten auch diejenigen, die nach Siebenbürgen gingen und sich zwischen den Siebenbürger Sachsen und Ungarn niederließen. Auf der Synode von Florenz trafen die vom „Grafen“ Narses geführten Armenier aus Kaffa eine armenische Abordnung aus der Moldau. Die beiden Gruppen beschlossen ein besonderes Einheitsdokument, das in lateinischer und armenischer Sprache in Kaffa hinterlegt wurde;132 die Genuesen hofften auch, den dortigen Patriarchen beeinflussen zu können. 1439 kam in Genua anscheinend auch eine besondere Botschaft der in Kleinasien gebliebenen Armenier an,133 die Hilfe von den Westeuropäern erhofften, von denen sie der Glaube nicht mehr trennte, weil Venedig 1476 im Krieg gegen die Türken die Kampagnen des Peter von Zypern wiederaufgenommen hatte.134 Aber die Boten von Florenz ertranken auf dem Rückweg 135 und die Mehrheit der Armenier blieb zusammen mit dem Patriarchen bei der alten nationalen Religion. Wenige Jahre später kam es zur Katastrophe von Konstantinopel, die auch von dem armenischen Sänger Avraam bedauert wurde.136 Auch aus dem benachbarten Pera, das sich ebenfalls Mahommed II . unterworfen hatte, gingen natürlich ebenfalls Armenier weg, um sich neben ihren Brüdern in den autonom gebliebenen Ländern jenseits der Donau niederzulassen. Bis zum Niedergang (1484) lebten in Cetatea-Albă mehr Armenier als in Suceava 137, Siret, Hotin, Jassy, Roman, Vaslui und später Botoşani zusammen.138 Die Armenier flohen auch in die russische Provinzstadt Akerman, in die sich der berühmte Hafen von Alexander dem Guten und Stephan dem Großen verwandelt hatte.

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Bogdan Petriceicu: Istoria toleranţei religioase [Die Geschichte der religiösen Toleranz]. Bucureşti 1868, 62 f. erwähnt die Bischöfe Avedik und Johann (1415 – 1445). Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 11, 57. Iorga, Notes et extraits (wie Anm. 115), Bd. 2, 19, Anm. 2 (vgl. für die georgische Botschaft des Königs Alexander, Georg „Ivirul“, ebd., 9, Anm. 1), 51 f., 56, 62 f., 72; Bd. 3, 29; Balgy, Alexander Historia doctrinae catholicae inter Armenos unionisque eorum cum Ecclesia romana in Concilio florentino. Wien 1878. Iorga, Notes et extraits (wie Anm. 115), Bd. 3, 46 f. Iorga, Geschichte des osmanischen Reichs (wie Anm. 51), Bd. 2, 153 f. – Ein Bischof Großarmeniens war 1430 in Ragusa; er kam mit einem genuesischen Schiff. Iorga, Notes et extraits (wie Anm. 115), Bd. 2, 279 f. Magno, Stefano: Annali. In: Iorga, Notes et extraits (wie Anm. 115), Bd. 2, 19, Anm. 2. Ebd., 341. Wavrin, Jehan de: Anchiennes croniques d’Engleterre. Bd. 1 – 3. Paris 1858 – 1863, Bd. 2, 95; „beaucoup de navires estans à ceulz de Trapesunde et aux Hermins“. Lannoy, Guillebert de: Voyages et ambassades de messire Guillebert de Lannoy, 1399 – 1450. Mons 1840. – Zu den Editionen: Iorga, Nicolae: Chilia şi Cetatea-Albă. Bucuresti 1900, 82; Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 22, die Tafel.

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In den Beziehungen der Moldauer zu den Polen wurden die Armenier, die schon unter Alexander dem Guten ihre „armenischen Wagen“ fuhren,139 sofort auch als Vermittler tätig. Der Geheimdolmetscher Vartic 140 wurde für seine Dienste sogar in den Bojarenstand erhoben; er war einer der Großbojaren von Petru Rareş.141 Ähnlich erging es seinem Sohn Juraschko Varticovici, der sich seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts unter den Herren der Moldau befand.142 Auch er wechselte seinen Stand, ebenso wie jener Muratko aus der Zeit von Bogdan dem Blinden, Ehemann einer Nastasie und der Vater eines Stephans, die in dem Kloster von Iţcani unter Grabsteinen mit griechischer und slawonischer Inschrift begraben sind.143 Nachdem Fürst Ştefăniţă mit einer Armenierin einen Sohn hatte, der später Fürst Johannes der Grausame werden sollte, hatte die vorübergehende Verbannung von Stephan, dem Sohn von Fürst Peter, keine Folgen. Diese Verbannung war Strafe für den Wechsel seines Bruders Ilie zum Islam gewesen, den Minas von Tocat 144 nicht ohne Übertreibungen beschrieben hat; die Kirche von Suceava wurde jedoch tatsächlich geschändet und geplündert. Der Jesuitenprediger Mancinelli fand um 1580 Jassy voll von Armeniern, von reichen Kaufleuten, die mit „Aromatischem“ [Gewürzen] handelten, die er für den Katholizismus gewinnen wollte, wobei er ihre Kirche besuchte.145 Neben bekannten Persönlichkeiten wie dem Zöllner Konstantin Corniact (Stifter der moldauischen Kirche in Lemberg) oder Anton Confortino (Verwandter des Fürsten Iancu des Sachsen) spielte auch Bogdan der Armenier (vermutlich Bogdan Donovac oder Donovacovici, der Sohn von Drăgan, fürstlicher Vertrauensmann und Flüchtling von Suceava nach Lemberg)146 während der Zeit der Belagerung von Despot, über den wie über einen Vorsteher von Suceava während der Herrschaft von Ieremiea Movilă 147 gesprochen wird, in der Burg die Rolle eines Großhändlers. Dieser Bogdan stiftete auch das „Filialkloster“ Zamca – errichtet von Agopscha, dem Sohn 139 Haşdeu, Bogdan Petriceicu: Arhiva istorică a României. Bd. 1. Bucureşti 1865, 131. 140 Zu Basilius dem Armenier, polnischer Dolmetscher, Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 22, die Tafel. – Zu Nikolaus dem Armenier, auch polnischer Dolmetscher: Hurmuzaki, Documente (wie Anm. 130), Bd. 2. Bucuresci 1885, 225, Nr. CXCII; ebd., Bd. 11Bucuresci 1900, 595, Nr. XXIII, 599. 141 Er ermordete am 07. 04. 1548 den Fürsten Ilie. Ureche, Grigore: Letopiseţul Ţării Moldovei [Chronik der moldauischen Länder], 206. 142 Hurmuzaki, Documente (wie Anm. 130), Bd. 11, XXIX f. 143 Kozak, Jevhen: Inschriften aus der Bukovina. Bd. 1. Wien 1903, 148; Iorga, Studii şi documente, (wie Anm. 117), Bd. 6, 633 f., Bd. 11, 125, Anm. 1. – Ein Anton Muratu im Jahre 1834. Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), 461, Nr. XX. 144 Die deutsche Übersetzung in: Dan, Dimitrie: Die Verfolgung der Armenier in der Moldau im Jahre 1551 vom Diakon Minas aus Tokat. Cernăuţi 1894; die rumänische von Buiucliu, Grigore: Cîntec de jălire asupra Armenilor din Ţara Valahilor cîntat de diaconul Minas de Tokat. In: Convorbiri literare 19/2 (1895), 3, 13; Kazy, Franciscus: Historia regni Hungariae: 1664 – 1681. Bd. 3. Tyrnaviae 1749, 80. 145 Hurmuzaki, Documente (wie Anm. 130), Bd. 11, 115, Nr. CXCI. 146 Ebd., 318. 147 Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 6, 636; Haşdeu, Arhiva istorică a României (wie Anm. 139); Ghibănescu, Gheorghe: Surete şi izvoade (documente slavo-române). Bd. 5. Iaşi 1908,

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von Amiras († 1551) – welches noch heute im ursprünglichen Stil besteht.148 Bogdan lebte in Lemberg „in der großen armenischen Straße, zwischen dem alten Abraham und Johan Nizkirka […] am Anfang der Gewölbe des armenischen Klosters [und besaß] Weiden in der ,Weide der Armenier‘, Weinberge in Cotnari neben jenen des Armeniers Varlam, die Peter der Hinkende wegnahm, um sie für 12.000 Aspern dem griechischen Zöllner Sima Vorsi zu verkaufen.“149 Neben diesen assimilierten Armeniern gab es um 1601 auch andere, die ihre Traditionen bewahrten und asiatische Namen trugen: Gagĭga dùr (Hagĭgadur), Sultaniec u. a.150 In der Walachei hielten sich die Armenier nur zeitweilig auf, wie jener Avedik, der in einem Brief von Radu dem Großen an die Hermannstädter 151 genannt wurde. Bostan, der in Konstantinopel bei den Verhandlungen von Fürst Michael und seinem Onkel Peter dem Hinkenden half, war nicht von der Donau, sondern aus Caesaraea.152 Wie auch in der Moldau machten die Dolmetscher Karriere; einer der bedeutendsten diplomatischen Agenten von Michael dem Tapferen war Peter Grigorovici der Armenier, „Armin Peter“, von dem Briefe und Aufzeichnungen erhalten sind: Er unterschrieb mit uralten Buchstaben.153 Bei der Unterstützung von Mihai hat er auch an sein Land gedacht, da 1599 das Gerücht umging, dass die türkischen Niederlagen an der Donau auch in Großarmenien Veränderungen bringen würden.154 König Sigismund III. von Polen hatte den Armenier Sever Muratovici nach Persien geschickt (von wo er 1602 zurückkehrte), um mit dem Schah über ein gemeinsames Vorgehen gegen die Osmanen zu verhandeln. Dieser sprach vom Schah auch über den „muntenischen Fürsten […], großer und mächtiger Feind [des Sultans, der] mehrmals Paschas und Beglerbege geschlagen hat“, den Wesir Sinan gezwungen hat, „vor ihm zu

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227 f.; ebd., Bd. 3. Iaşi 1907, 69; Codrescu, T.: Uricariul cuprinḑĕtoriŭ de hrisoave, anaforale si alte acte. Bd. 19. Iaşi 1891, 1 f. Iorga, Nicolae: Neamul Românesc în Bucovina [Das rumänische Volk in der Bukowina]. Bucureşti 1905, 33, 47 f.; Kozak, Inschriften (wie Anm. 143), 156 f. In der auf S. 157 angegebenen Tradition müsste der Metropolit, der den Armeniern die Kirchen Mariä Himmelfahrt und Hl. Paraschiva überließ, nicht Teofil, sondern Teofan gewesen sein. Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 6. – Armenische Kaufleute zwischen Polen und der Türkei während dieser Zeit: Hurmuzaki, Documente (wie Anm. 130), Bd. 11, 673, Nr. CXVII; 678 f., Nr. CXXVI f.; 686, Nr. 1; Ioan Zamoyski, der armenische Handschriften besaß, siedelt die Armenier in seiner neuen Stadt Zamość an (ebd., 717, Nr. CLXXX; Bd. 12, 1257); armenische Kaufleute aus Siebenbürgen kommen in die Moldau: ebd., Bd. 11, 774, Nr. CCLII; Armenier von der Krim: ebd., 823; Armenier aus Lemberg kommen nach Siebenbürgen: ebd., Bd. 15, 526, Nr. DCCCCLXI. – Andere Einwohner von Suceava: ebd., 660 – 662, Nr. MCCXXIII; vgl. 773, Nr. MDXCIII; Armenier als Bankiers der Polen: ebd., Bd. 12, 244, Nr. CCCLXI; als Vermittler zwischen Siebenbürgen und der Moldau: ebd., 1079, Nr. MDLX; Codrescu, Uricariul, (wie Anm. 147), Bd. 17, 68 f. Hurmuzaki, Documente (wie Anm. 130), Bd. 12, 1175, Nr. MDCCIII. Ebd., Bd. 15, 253 f., Nr. CCLXXIX – LXXX. Ebd., Bd. 11, die Tafel. Ebd., Bd. 12, die erwähnten Stellen im Namensverzeichnis. Ebd., 453, Nr. DCCX.

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laufen und seine Heer zu zerstreuen“, vom siebenbürgischen Fürsten das Land nahm und „seine Truppen besiegte“, der den Herrscher der Moldau vertrieb und erst gestoppt wurde, als Zamoyski sich gegen seinen Ehrgeiz richtete.155 Etwa sieben Jahre später ging Joseph, der Bruder von Peter dem Armenier, im Namen des Kaisers als Botschafter zum Schah, um eine Landung von Persern in der Dobrudscha (!) zu versprechen; zudem kam ein „Erzbischof, der Bruder des Patriarchen von Armenien, ein gewisser David“,156 nach Prag zum Kaiser. Nachdem die Galizier, die Sachsen, die Bewohner von Chios und die Kreter den Handel zwischen Abend- und Morgenland aufgaben, drängten die Armenier erfolgreich in diese Lücke: Sie handelten Wein von Malvasien, Pfeffer, Safran, teure Tücher (peristromata) und Gewürze, wozu sie – wenn auch nicht ausschließlich – laut Mancinelli schon ab 1580 das Recht hatten.157 Zudem unterhielten sie, wie in Roman seit 1656 und Jassy seit 1816, Wirtshäuser, wo Reisende – wie schon im Osmanischen Reich – Proviant und Führer bekommen konnten.158 In Jassy verkauften Armenier und Juden 1663 gemeinsam Wein 159 und türkische Armenier begleiteten den englischen Botschafter Paget, der 1695 aus Konstantinopel zurückkehrte.160 Aus dem ganzen 17. Jahrhundert sind Nachrichten über die Armenier von Suceava überliefert,161 und auch die Armenier aus Siret werden erwähnt, als 1673 unter einer Urkunde auch ein Nicolae Minciună unterzeichnet;162 er könnte identisch mit „Necolai Arman, dem Sohn von Ivan Arman“, sein, der 1713 ehemaliger Statthalter war. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts waren Armenier als Händler zwischen dem Osmanischen Reich, wo so viele ihrer Landsleute lebten, und Polen aktiv. 1669 stand an der Spitze der Kirche der Armenier in Moldau ein Isaac, Bischof von Suceava,163 den der Patriarch von Etschmiadsin geweiht hatte. Ihm unterstanden die beiden Kirchen und

155 Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 11, 125 – 127. 156 Ebd., Bd. 4, 147. 157 Gorecki, Leonard: Bellum Ivoniae. In: Tezaur de monumente istorice. Hg. v. Illarian Papiu. Bd. 3. Bucureşti 1864, 213. – Für Malvasier siehe Galante, Abraham: Don Joseph, duc de Naxos. Konstantinopel 1913, 29, Nr. V. 158 Alep, Paul de: Călătoriile Patriarhului Macarie de Antiohia în ţările române 1653 – 1658 [Die Reisen des Patriarchs Macarius von Antiochien in den rumänischen Ländern 1653 – 1658]. Übersetzt von Emilia Cioran. Bucureşti 1900, 133; Iorga, Nicolae: Documente Callimachi. Bd. 1. Bucureşti 1902, 524, Nr. 230. 159 Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 6, 543; Bd. 7, 103, Nr. 5. – Über die Armenier von Jassy: Codrescu, Uricariul (wie Anm. 148), Bd. 6, 301; Bd. 22, 362 f., 367 f.; Bd. 24, 444 f., 446 f. 160 Iorga, Acte şi fragmente (wie Anm. 91), Bd. 1, 304, Nr. 2. – Für das 18. Jahrhundert siehe Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 1 – 2, 19. 161 Hurmuzaki, Documente (wie Anm. 130), Bd. 15, 1180, Nr. MMCCVIII; Fischhändler: ebd., 1320, Nr. MMCCCCXXV; ein Avan Baronce von Botoşani in Verbindungen mit dem siebenbürgischen Bistritz: ebd., 1512 f., Nr. MMDCCCXLVIII; Handel mit Schindeln: ebd., 1342, Nr. MMCCCCLVIII, 1076, Nr. MMVIII. 162 Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 5, 223, Nr. 51. 163 Siehe auch das Privileg der Steuerfreiheit von Antonie Ruset aus dem Jahre 1677. Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 6, 636. – Sein Vorgänger Johann Kessimowics war 1665 in Rom.

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das Kloster der Stadt (dort gab es auch eine Zunft der Armenier, deren Satzungen vom Januar 1673 im MS. 673 der Akademie enthalten sind). Weiterhin gehörten zu seinem Bistum die Kirchen in Siretiu, Hotin, Jassy (zwei), Botoşani, Roman, Galaţi 164 (wohin später auch die katholischen Armenier kamen und wo Bandini – so behauptet er – in der Zeit von Vasile Lupu einen armenischen Bischof gefunden hat) und Vaslui (von Paul von Aleppo,165 von Bender, Akkerman und Ismail erwähnt) mit zusammen etwa zwanzig Pfarrern.166 1768 verzeichnete Kleemann zudem zwei weitere Kirchen in Chilia.167 Um 1693 gab es in Suceava noch 3.000 Armenier, aber 20.000 Rumänen.168 1669/70 war hier Chirilă ihr Schultheiß und Ivan der Erzpriester.169 In Târgu-Ocna siedelten sich etwas später auch Armenier an, um Salz zu fördern; aus diesem Grund soll auch die mächtige Siedlung von Focşani,170 eine der neuesten Städte in der Moldau, entstanden sein. Dennoch waren sie nicht bedeutender als die Armenier Frankreichs während der Zeit von Richelieu oder in Triest in der Zeit Maria Theresias. Im alten Armenien jedoch zeigten sich Zeichen der Unzufriedenheit: Israel Ori wandte sich mit Beschwerden an Ludwig XIV. und 1722 – 1725 befanden sich die Orte von Eriwan bis Hamadan unter Daùd-beg im Aufstand gegen die Türken.171 Doch selbst die Blüte der Herrschaft von Wakhtang IV. in Tiflis, Regent im Namen Georgs von Georgien, den der Siebenbürger Mihai Iştvanovici, Abgesandter von Brâncoveanu (1709/10)172, zur Erstellung Ebd., XX, 172 f. 164 Urechia, Vasile Alexandrescu: Codex Bandinus. In: Analele Academiei Române. Memorile Secţiunii istorice 2/XVI (1893 – 1894), 1 – 335, hier 203. Der Abschnitt bezieht sich auf Galaţi und nicht Brăila. 165 Alep, Călătoriile (wie Anm. 159), 7. Zitat übersetzt nach Emilia Cioran. 166 Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 1 – 2, 429 – 431, Nr. XXII. – Für die Bischöfe Ohanes: Kozak, Inschriften (wie Anm. 143), 158. 167 Kleemann, Nikolaus Ernst: Reisen von Wien über Belgrad bis Kilianova. Leipzig 1773; Iorga, Chilia şi Cetatea-Alba (wie Anm. 138), 257 f. 168 Ebd., 193; Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 6, 421 f. (1616). – Armenier von Bârlad: Amtonovici, Ioan: Documente bârlădenei. Bd. 1. Bârlad 1911, 231 f. 169 Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 7, 379, 14, Nr. 2; Haşdeu, Arhiva istorică a României (wie Anm. 139), 139 f. – Ein armenischer Diakonus im Jahre 1675: ebd., Nr. 3. 170 Aber Bandini erwähnt „Foxan rivulus“ und sogar den Marktfleck der Focşaner (von Focşa, dem Gründer). Urechia, Codex Bandinus (wie Anm. 164), 307; Iorga, Nicolae: Geschichte des rumänischen Volkes im Rahmen seiner Staatsbildungen. Bd. 1: Geschichte des rumänischen Volkes bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Gotha 1905, 165; Alep, Călătoriile (wie Anm. 159), 133. 171 Tchobanian, Archag: Chants populaires arméniens. Paris 1903, Vorwort. 172 Bianu, Ioan/Hodoş, Nerva: Bibliografia românească veche [Die alte rumänische Bibliografie]. Bd. 1. Bucureşti 1903, 483, 544. Es ist bekannt, dass Mihail voll von Sehnsucht nach seinem Geburtsort diese Verse mit georgischen Buchstaben hinzufügte: Wie sehr die Fremden ihre Güter zu sehen wünschen, Wenn sie in einem anderen Land nicht bleiben können, Und wie die, die auf der See vom Gewitter geplagt, Gott um gute Ruhe bitten, So sagen beim Beenden des Buches auch die Drucker Unendlich Lob und Dank.

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von Kirchenbüchern in armenischer Sprache brachte, interessierte die friedlichen Kaufleute aus der Moldau oder Polen nicht. Die so entstandenen Schriften wurden daher auch in Venedig und später in Konstantinopel gedruckt, als die alten Handschriften von der Krim, die bis in unsere Tagen bewahrt geblieben sind, nicht mehr verwendet wurden. Die russischen Feldzüge nach dem Tod König Georgs und die Unterwerfung seiner Witwe Thamar und ihres Sohnes unter die Türken lösten bald auch dieses Zentrum verwandter Kultur auf.173

VI. Ab 1670 verließ ein großer Teil der Armenier die Moldau und siedelte sich in Siebenbürgen an. Ursache dafür waren sicher nicht einige spezifisch politische Gründe, sondern die Leiden und Handelsbeschränkungen während der beiden türkisch-polnischen Kriege (seit 1672 und seit 1683), die auf moldauischem Boden stattfanden. Die Belagerung von Suceava durch Ştefan und seine muntenischen und siebenbürgischen Gehilfen hatte den armenischen Händlern die Existenzgrundlage genommen. In die von ihrem Schwiegersohn Timusch Hmilnitzki verteidigte Stadt war die Frau von Vasile Lupu mit dem fürstlichen Vermögen geflohen. Eine zeitgenössische Quelle gibt an, dass 1653 die Armenier von wilden Kosaken 174 getötet wurden. Die Überlebenden flohen zusammen mit ihrem Bischof Nina, der in einem Evangelium aus Suceava von 1649 erwähnt wird, nach Siebenbürgen.175 1670 ging der junge Armenier Axintie oder Oxendio Virziresco bzw. Vărzărescul von Moldau (seinem Namen Bocsanensis nach aus Botoşani) nach Rom, wo Papst Urban VIII. 1662 das unierte armenische Kolleg gegründet hatte. Dort blieb er die folgenden 14 Jahre, während die Daheimgebliebenen von den Leiden des Krieges heimgesucht wurden. Nach seiner Rückkehr bemühte er sich bei Bischof Mina Tschilifdar (oder Silihdar) Oglu um die Union. Der Bischof sprach daraufhin 1686 bei dem armenischen Erzbischof Vartan Hunanian in Lemberg vor, der seit 1652 mit der römischen Kirche uniert war. Nach dem Tod Bischof Minas kurz darauf übertrug der Erzbischof die Verwaltung des Bistums am 13. Februar 1687 an Oxendio. Noch im habsburgisch-osmanischen Krieg wurde dieser Verwalter über die Armenier beider Fürstentümer nach zahlreichen Reisen beiderseits der Berge 176 vor dem Jahre 1690 zum bischöflichen Vikar für Siebenbürgen mit dem Titel in partibus einer Diözese aus Irland ernannt, und ein großer Teil der Armenier aus der Moldau wanderte in das Fürstentum von Michael Apaffy ein, der sein Land dem deutschen Kaiser, dem berufenen und entschlossenen Verteidiger des Katholizismus, übergab. Die Auf eines dieser Bücher schrieb Antim Ivireanul eine Anmerkung, in der er die Iberen wegen der Erziehung im Kloster der Iviren aus Athos „Iveri“ nennt. 173 Iorga, Geschichte des osmanischen Reichs (wie Anm. 51), Bd. 4, 400 f. 174 Alep, Călătoriile (wie Anm. 159), 70. 175 Lukácsi, Historia Armenorum Transylvaniae (wie Anm. 111), 66. 176 Zwei seiner Briefe von 1689 in: Hurmuzaki, Documente (wie Anm. 130), Bd. 15, 1418 f., 1421 f.

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eingewanderten Armenier blieben kirchlich von Lemberg abhängig und noch vor 1691 schloss sich Dekan Iliaş, der Stolze von Suceava, zusammen mit acht anderen Beauftragten der armenisch-katholischen Kirchenunion an.177 Die Beziehungen Oxendios und seines Dekans, die sich Görgen (Görgényszentimre, Gurghiu) im Szeklerland und später Bistritz als Zufluchtsort wählten, zur Moldau bestanden weiter. Zudem hielten die Aussiedler an den Bräuchen des Landes, wo sie mehr als drei Jahrhunderte verbracht hatten, fest. So kann erklärt werden, dass 1690 mit der Genehmigung von Vizirescul dem „Archimandriten/Erzabt Hagi-Coh [= Cog] Varzares Mândrul [der Stolze] dort die übliche Satzung für die Zunft der Jugendlichen, der Jünglinge, abgefasst wurde, die bis nach 1716 auch im Botoşani des Archimandriten neben den Zünften der Gerber, der Messingschmiede und Stiefelmacher existierte; ihre Organisierung mit den kirchlichen Praktiken, den Festen, Hochzeits- und Bestattungsbräuchen, mit ihren Unterhaltungen und Prozessionen unter Aufsehern und Profos wird bis heute bei den Jugendlichen der Kronstädter Oberen-Vorstadt angetroffen.“178 Bischof Viziresco wurde unter dem neuen rumänischen unierten Bischof Atanasie auch zum Zensor der armenischen Druckereien.179 Diese waren sehr wichtig, zumal noch 1750 die Frauen von Armenierstadt (Gherla, Szamosújvár, Hayakatak) kaum der ungarischen Sprache mächtig waren.180 Während seiner Reisen durch die Karpaten wurde der Apostel der armenischen Union von den Türken gefangen genommen, die diesen „Treulosen“ für drei Jahre festhielten. Nachdem Oxindio aus den Händen seiner ehemaligen Herren freikam, ging er nach Wien, wo er am 4. März 1715 wahrscheinlich vergiftet wurde. Er wurde dort in der Kirche der Barmherzigen Brüder bestattet.181 Ihm folgte Stefano Stefanowicz Roška im Amt.182 Schon wenige Jahre später wurden Elisabethstadt (Ibașfalău, Erzsébetváros, Dumbrăveni) und die unter Oxindio wiedererrichtete Burg von Gherla zu Zentren des siebenbürgischen Armeniertums, was sie auch heute sind. Armenisch wurden zudem die alten aber bescheideneren Siedlungen Görgen unter Ocna Moldovei und Csík-Szépvíz (Frumoasa, Sibviz), ebenfalls im Szeklerland. Da jedoch die Union mit dem Katholizismus die hierarchische Unterordnung unter das siebenbürgische Bistum brachte, wurde kein eigener Prälat für die eingewanderten Armenier ernannt.183 Dennoch 177 Nilles, Symbolae ad Illustrandam (wie Anm. 32), Bd. 2, 921 Anm. 2. 178 Goilav, Grigore: Statutele breslei tinerilor botoşăneni, ieşeni şi romanşcani [Die Satzungen der Zunft der Jugendlichen aus Botoşani, Jassy und Roman]. In Arhiva VII (1896), alle Seiten, hier 632; Pitiş, George: Sărbătoarea junilor la Paşti. In: Revista Nouă II (1899), alle Seiten, hier 278, 299. – Ich werde versuchen, einmal auch die Liste der bedeutendsten Druckwerke und aller Handschriften, die laut der Behauptung von Herrn Goilav in den „Archiven der Vormundschaft der armenischen Kirchen von Botoşani“ bewahrt sind, zu veröffentlichen. 179 Nilles, Symbolae ad Illustrandam (wie Anm. 32), 263, 421. 180 Ebd., 932, Nr. II. 181 Lukácsi, Historia Armenorum Transylvaniae (wie Anm. 111), 65 – 72. 182 Ebd., 72, 79, 113. 183 Zu den armenischen Missionaren aus Siebenbürgen: Nilles, Symbolae ad Illustrandam (wie Anm. 32), Bd. 2, 919, 924 f. – Mit der Zeit gaben sie den Mechitaristen aus Wien wie auch jenen von San Lazzaro

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wurden sie schon 1703 von der kaiserlichen Regierung Siebenbürgens belohnt: In diesem Jahr bestand neben der griechischen (Handels-)Kompanie auch die „Kompanie der Armenier“.184 Durch die Union mit den Katholiken drohte den eingewanderten Armeniern das eigene Bekenntnis und damit das nationale Bewusstsein in Vergessenheit zu geraten. Um dies zu verhindern und um alte Beziehungen aufrechtzuerhalten, entsandten die Armenier aus der entfernten asiatischen Heimat 1721 Bischof Ionà von Sivas nach Siebenbürgen.185 Und kurz bevor der siebenbürgische Unierte Ioan Jakobffy als Prediger in die „türkische Walachei“186 ging, ließ sich Bischof Ignatius von Ararat in der Moldau nieder, wo er 1745 vom Fürsten Ioan Mavrocordat anerkannt wurde.187 Ignatius ließ die Kirche wiedererrichten und Vertriebene entschädigen, wozu er sich eigens aus Gherla Urkunden bringen ließ. 1765 bekam die armenische Gemeinde „auch den Boden von Zamca und auch den Wald von dort und bis zum Fluss unter Zamca“.188 Damals hatte die armenische Kirche in der Bojaren-Gasse, die am Tor der Dreifaltigkeitskirche 189 begann, noch zahlreiche Gemeindemitglieder.

VII. Dies war wahrscheinlich der letzte armenische Bischof. Nach dem Raub der Bukowina durch Österreich erfolgte unter Joseph II. eine mit Verfolgungen seitens der Regierung einhergehende Katholisierung.190 Dennoch konnten 1782 die Armenier von Suceava eine Wahrung ihrer Besitzrechte durchsetzen.191 Unter der neuen Regierung wurde Capri, einer der ihren, sogar zum Freiherrn; er hatte bedeutende Geschäftsbeziehungen zu den armenischen Vieh- und Pferdehändlern aus Polen.192 Durch den Krieg 1788 – 1791 war es einigen Armeniern auch möglich, die Staatsangehörigkeit zu wechseln, ohne das Land zu verlassen.193

aus Venedig einen Superior: ebd., 933. 184 Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 12, 11; ebd., 45: „der alte Herr Cristea, der Armenier von Gherla [1747]“; Armenier in Hermannstadt (1779): ebd., 101, Nr. CXC; Armenier, die mit lateinischen Buchstaben rumänisch schrieben (1804): ebd., 151, Nr. CCCVII–CCCIX; ebd., Bd. 8, 85, Nr. 29. 185 Lukácsi, Historia Armenorum Transylvaniae (wie Anm. 111), 79. 186 Ebd., 104; Boten zur Krim: ebd., 105. 187 Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 6, 636. 188 Ebd., 637; Iorga, Nicolae: Documente privitoare la familia Callimachi [Dokumente die Familie Callimachi betreffend]. Bd. 1. Bucureşti 1902, 578 f., Nr. 18, 583, Nr. 25, 548, Nr. 29, 586, Nr. 33; Bd. 2. Bucureşti 1903, 87 f., Nr. 94, 200, Nr. 132. 189 Ebd., Bd. 1, 585, Nr. 30. 190 Lukácsi, Historia Armenorum Transylvaniae (wie Anm. 111), 129, 131 f. 191 Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 6, 636 – 638. 192 Iorga, Documente privitoare (wie Anm. 189), Bd. 1, 117, Nr. LXVII, 228 f., Nr. CLXXVI. 193 Ebd., 127 – 129, Nr. LXXX; Codrescu, Uricariul (wie Anm. 147), Bd. 2, 148.

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Die armenische Gemeinde von Botoşani 194 überstand den Krieg deutlich besser. Auch sie stand in Beziehung zu den Armeniern in Polen, die sich im 18. Jahrhundert Kraft des fürstlichen Privilegs vom 15. November 1760195 den gesamten Rinderhandel aneigneten (z. B. Baroncea, Cazacli oder Nikolowicz). Sie mästeten auf anerkannten moldauischen Weiden abgemagerte Rinder, verkauften diese mit Profit ins Ausland und brachten im Austausch Tuche und andere deutsche Waren mit.196 Mit diesen Gewinnen konnte die ältere Marien­ kirche aus der Zeit der Rareşer 1782 renoviert und erweitert werden; zwar blieben die alten Mauern erhalten, doch 1826 wurde der Glockenturm angegliedert. Seit September 1782 stand neben ihr die Hl. Dreifaltigkeitskirche, die mit dem Geld von Hagi-Anton, dem Sohn von Oxendie Leon 197 (dessen anderer Sohn Jacov war 1775 im „Ländchen Buhdan“ gestorben)198, errichtet wurde; Hagi-Anton hatte auch schon den Umbau der Marienkirche gestiftet. An der Spitze der Gemeinde standen in der Zeit von Dimitrie Cantemir die Brüder Hulubeiu und Hariton Lebăda, deren Läden oft erwähnt wurden.199 Dass Botoşani wohlhabend war, zeigt der Zustrom von Emigranten: diese kamen aus Rusciuc 200, Roman, Neamţ, aber auch aus Ismail und sogar aus „den Gebieten des Morgenlandes“, aus dem „Gebiet des Păstunic“201 – aus Ortschaften mit echt orientalischen Namen: Măgârdum, Khatuna, Aghabebian. Auch nach dem Privileg der partiellen Autonomie von 1819 waren die armenischen Kaufleute eine mächtige Gruppe in Botoşani.202 In dem Kampf mit einigen moldauischen Zünften, mit denen sie nicht einmal durch Heirat vermischt werden konnten 203, bewahrten 194 Ihre Mitglieder 1609: Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 5, 214, Nr. 20; 1679: Haşdeu, Arhiva istorică (wie Anm. 140), 21, Nr. 290. 195 Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 6, 271 f., Nr. 486; 349, Nr. 1.022; 430, Nr. 1.641; 438 f.; Codrescu, Uricariul (wie Anm. 148), Bd. 2, 148. Iorga, Documente privitoare (wie Anm. 189), Bd. 1, 417, Nr. IV. 196 Hurmuzaki, Documente (wie Anm. 130), Bd. 15, 1143, Nr. MMCCXV; Vorwort zu Bd. 10; Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 1 – 2, die Tafel. – Vgl. für die 1737 bezahlten Abgaben („3 Póltoraczny dem Zunftmeister und dem Hauptmann, Hornviehsteuer 1 Leu, 1 alter Póltoraczny nach Ochsen, Zoll 1 Leu, Weidesteuer 40 Bani pro Kopf, außer den Einkünften einiger Würdenträger; sie nahmen in Botoşani 200 fürstliche Heuschober mit 2 Lei pro Schober“); Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 6, 436, Nr. 1.641. 197 Iorga, Nicolae: Inscripţii din bisericile României [Inschriften aus den Kirchen Rumäniens]. Bd. 1. Bucureşti 1905, 228 f. 198 Ebd., 232, Nr. 520. 199 Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 5, 362 f., Nr. 1130; Bd. 6 (Urkunden von Botoşani) 122, Nr. 2. – Hagi-Lebădă und Toader sin des Lebădă im Jahre 1737. Sie waren Hofbäcker, Spezereihändler, Stiefelmacher usw. Ein Hariton Şăhân ist 1760 Steuerbeamter bei einem Pascha: ebd., 124, Nr. 11. 200 Iorga, Inscripţii din bisericile României (wie Anm. 198), Bd. 1, 229 f., Nr. 507, 232, Nr. 521, Nr. 522 f., 234, Nr. 530. 201 Ebd., 230, Nr. 509, 231, Nr. 514, 232, Nr. 519, 232 f. 202 Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 5, 669; Iorga, Documente privitoare (wie Anm. 189). 203 Hagi-Lelan von Botoşani wird um 1740 zum Fürsten gebracht, weil er eine „moldauische Christin“ geheiratet hat: Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 6, 213, Nr. 45. – Ein anderer erhält

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sie ihre E ­ igenständigkeit. Besonders mit den Kürschnern gab es Auseinandersetzungen, da die Armenier das Recht auf den Verkauf „gewisser Pelzmützen seitens der Kürschnerei sowie von bereits mit Pelz gefütterten Kleidern, d. h. von pelzgefütterten Frauenmänteln, Bauernpelzjacken“ hatten; in der Vereinbarung von 1797 waren Pelzmützen weggelassen worden.204 In dieser Frage unterlagen die Moldauer, die der „fremden Nation“ (wie auch die Juden eine waren) dieses Recht streitig machten.205 Einige Armenier pachteten weitläufigen Landbesitz, andere (z. B. Măgârdici Buiucliu 1822) gingen bis zur Leipziger Messe.206 In Jassy entstand eine armenische Schule (erwähnt bei Bandini) und in Botoşani stand 1844 die „Schule für die Bildung der armenischen Nation“, die in Târgul Vechiu neben dem Gasthaus des ­Vorona-Klosters fünf Läden hatte.207 In Roman stand die Kirche der Armenier neben der „Weißen Kirche“, der vermeint­ lichen Stiftung Stephans des Großen. Dort lebten einige Wohlhabende mit „großen Häusern“, wie Vasile Misir („der Erste der Armenier“) und die Familie Uscatul, von denen zwei Brüder 1791 die Österreicher mit Rindern belieferten und sie in ihren Häusern unterbrachten. Diese Armenier bekämpften 1726 und 1753 das Bistum, um nicht wie die anderen Stadtbewohner den „Zehnt“ abgeben zu müssen.208 1760, 1799, 1803, 1814 und 1827 erhielten sie von den moldauischen Fürsten ein Sonderprivileg als nationale Zunft, was ihre wirtschaftliche Bedeutung in dieser Stadt stärkte. Ihnen wurde dafür eine jährliche Steuer von 2.200 Lei und eine Zusatzsteuer abverlangt. Zudem mussten sie 15 Lei pro Manufakturwarengeschäft, 10 pro Laden mit Kronstädter Waren, 10 pro Kaffeeladen, 8 pro Spezerei, Branntweinbrennerei und Kerzengießerei zahlen. Die Kaffeehäuser hatten die Zwangsabgabe des Cafegi-Pascha zu entrichten. Die Schankhäuser zahlten 3 Lei pro Tonne und 60 Münzen pro Fass als Steuer. Dafür durften die Armenier auf allen Dörfern, Jahrmärkten und Märkten handeln (wofür sie mit 60 Bani pro Haus besteuert wurden) und auch fremde Hirten (Russen und Masuren) einstellen. Es wurden von ihnen keine

„pravoslavie leage/den rechten Glauben“, um eine Einheimische zu heiraten: ebd., 446, Nr. 1.687. – Die Tochter eines Armeniers nennt sich die „Getaufte“ und ist Nonne: Iorga, Documente privitoare (wie Anm. 189), Bd. 2, 31, Nr. 69. – Ein Armenier Sandul wird getauft: Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 6, 446, Nr. 1.687. 204 Analele Academiei Române 2/XXXIV (1912), 11; dies galt auch in Jassy: ebd., 32. 205 Ebd., 33; Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 6, 340 f., Nr. 937; ein Geigenhersteller (1741): ebd., Bd. 6, 448, Nr. 1.695. 206 Ebd., Bd. 7, 91, Nr. 85. 207 Ebd., 150, Nr. 121. 208 Melhisedec, Stefanescu: Chronica Romanului si a Episcopiei de Roman [Die Chronik von Stadt und Bistum Roman]. Bd. 2. Bucuresti 1875, 19, 41, 44 f., 99 f. (Prozess von 1777 mit der Weißen Kirche); Iorga, Nicolae: Ceva despre ocupaţia austriacă în anii 1789 – 91 [Etwas über die österreichische Besetzung in den Jahren 1789 – 1791]. In: Analele Academiei Române. Memorile Secţiunii istorice 2/XXXIII (1911), 262 f., Nr. CCIV ; Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 7, 345 Anm. 3; Ghibănescu, Gheorghe: Breasla Armenilor din Roman. In: Arhiva XX (1909), alle Seiten, hier 385.

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Pferde für Postkutschen, kein Proviant und keine Tagelöhner verlangt. Die Schuhmacher in Heimarbeit blieben steuerfrei und der Bienenstock- und Schweinezehnt betrug nur vier Münzen. Auch sonstige Abgaben und Rechte wurden geregelt. Eine provisorische „Priorität“ wurde nur „Landgütern, die sie für das nächste Jahr für die Rinderweiden und für das Heu, was dort für ihre Rinder wächst“, erlaubt.209 Für die Armenier von Bacău, Neamţ und Târgu-Frumos galten nahezu die gleichen Regeln. In Jassy bestand bis 1750 eine eigene armenische Vorstadt („Armenimea“). Die dortigen Kaufleute handelten auch in Siebenbürgen und hatten als Helfer „ungarische Jünglinge“.210 Die Armenier von Kischinow erhielten ähnliche Rechte und Steuern wie die „rumänischen Kaufleute von Jassy [und] auch die Armenier von Jassy und aus anderen Marktflecken“211. Gleichzeitig erlaubte Fürst Constantin Mavrocordat den Armeniern, dass „alle Jahrmärkte mit ihren Geschäften eröffnet werden“.212 Diese Formel macht die Bedeutung der Armenier in Rumänien zu der Zeit, als sie als religiöse und fiskalische Nation den Sitten der Türken entsprechend lebten, deutlich. Als später die Grenzen des alten Armeniertums fielen, spielten sie als Dichter (Pruncul, Asachi), Juristen, Professoren und Politiker (die Familien Buiucliu, Missir, Goilav) bedeutende R ­ ollen. Diese schnelle Entwicklung im Bereich der Kultur und des öffentlichen Lebens deutet darauf hin, dass die alten Grenzen das Übel darstellten: Sie waren einerseits die Garantien für die Aufrechterhaltung der Nation, aber andererseits waren es ebendiese Grenzen, die die Nation daran hinderten, im Leben der Menschheit mehr zu bedeuten. Aus dem großzügigen Geschenk eines Armeniers wurde in Moskau das Lazarev-Institut gegründet. Grigore Buiucliu hinterließ unserer Einrichtung sein ganzes Vermögen. Er wünschte – und drückte dies in seinem Testament deutlich aus –, dass aus den Einkünften Stipendien für das Studium orientalischer Sprachen gestiftet werden sollen. Dieses Studium benötigen wir heute besonders. Es ist tatsächlich eine Schande, dass Rumänien – an der Grenze der asiatischen Zivilisationen – trotz jahrhundertelanger Beziehungen zu den Osmanen und aller Kontakte zu den Tataren im Hochschulwesen keinen Lehrstuhl für orien­talische Studien hat. Uns fehlen die Orientalisten in solch einem Maße, dass wir für die Übersetzung türkischer Urkunden jüdische Dolmetscher aus Ministerien und für Übersetzungen aus dem Armenischen Personen ohne wissenschaftliche Kultur, die nur zufällig

209 Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 7, 341 (Nr. 941), 564 f. – Ähnlich das Privileg der Polen von 1739: ebd., 438 – 349, Nr. 1652; 1742 waren die Kaufleute von Roman „Moldauer und Armenier“, ebd., 214, Nr. 61; Hausierer aus Botoşani und Roman am Jahrmarkt von Suceava: Iorga, Documente privitoare (wie Anm. 188), Bd. 1, 446 f. 210 Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 6, 329, Nr. 836. 211 Zu den Armeniern von Jassy: Iorga, Documente privitoare (wie Anm. 188), Bd. 1, 517 f., Nr. CCXV, 546, Nr. CCLXVII; Bd. 2, 81; Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 6, 86 f., Nr. 44. 212 Iorga, Studii şi documente (wie Anm. 117), Bd. 6, 366 f., Nr. 1.163; für andere Armenier aus Bessarabien: ebd., Bd. 2, 111, 116 – 119; Iorga, Documente privitoare (wie Anm. 188), Bd. 2, 82 (aus Căuşani).

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die Sprache ihrer Eltern kennen, in Anspruch nehmen müssen. Es ist ein echter Verlust, dass wir eine Reihe schriftlicher Quellen, die in diesen Sprachen geschrieben wurden (u. a. die Chronik der Armenier von Kamieniec-Podolski), nicht verwenden und dass wir das türkische Material, das sich in unserer Bibliothek befindet, nicht veröffentlichen können. In Russland und in Ungarn ist dieser Mangel seit langer Zeit behoben und die Wissenschaft hat davon besonders profitiert. In kürzester Zeit müssen wir versuchen, auch hier den verlorenen Boden wiederzugewinnen. Durch die Verwirklichung der Wünsche von Buiucliu und die Anwendung des von ihm hinterlassenen Fonds nur für Studien über den byzantinischen, muslimischen, armenischen Orient sowie für Stipendien für die Ausbildung unserer Fachleute, die heutzutage durchaus erforderlich sind, werden wir dem Staat das Beispiel anderer geben und seine Aufgabe erleichtern.

Gregorio Petrowicz

Die Armenier im diplomatischen Dienst des Königreichs Polen Wir hatten schon die Ehre, an diesem Ort über die Wechselfälle der Armenischen Kirche in Polen zu sprechen.12 Dabei erwähnten wir kurz den unglücklichen Zusammenbruch des Königreichs Armenien, das am Anfang des 11. Jahrhunderts von den Ungläubigen zerrissen wurde, sowie den sich daraus ergebenden Massenexodus der armenischen Flüchtlinge, die sich nach und nach in den verschiedenen Regionen südlich und nördlich des Schwarzen Meeres bis nach Rotreußen und Kiew verbreiteten. Als um 1250 die Stadt Lemberg entstand, trugen unsere Armenier zusammen mit den deutschen Kolonisten nicht nur zur Entwicklung, sondern auch zum Ausbau von Handwerk, Handel und Künsten bei.3 Armenien hatte trotz der langen persischen und arabischen Besatzungszeit zwischen dem 5. und 11. Jahrhundert auf dem Gebiet der Kultur, Sakralarchitektur sowie Textil- und Goldschmiedekunst ein sehr hohes Niveau erreicht. Die noch erhaltenen Denkmäler und auch diejenigen, die allmählich durch Ausgrabungen ans Tageslicht kommen, erfüllen die europäischen Wissenschaftler mit Verwunderung und Respekt vor den Söhnen dieser großen und doch so glücklosen Nation. An dieser Stelle soll nur an die beiden umfangreichen Werke des polnischen Wissenschaftlers Strzygowski über die armenische Architektur erinnert werden;4 was den Handel betrifft, werde ich nur hervorheben, dass zwischen dem 9. und 10. Jahrhundert die große Handelsader, die vom Kaspischen zum Weißen Meer ging, eben „via armena“ genannt wurde. Während der glänzenden Regierungszeit von Kasimir dem Großen, als die polnische Rus eine neue administrative und kirchliche Organisation erhielt, erscheint auch unsere armenische Kolonie in einem neuen Licht. Sie zeigt sich uns wie eine „natio“, auf gleicher Höhe mit der polnischen, deutschen und ruthenischen. Dank des oben erwähnten Königs konnten die Armenier ihre weltliche Organisation – mit einem „wójt“ oder „advocatus“ an der Spitze – und ihre kirchliche unter der Leitung von Erzbischof Gregorio, der von seinem Klerus und Volk umgeben war, behalten. In der Epoche der jagellonischen Monarchen stiegen sie schließlich zu einem derartigen Stand von Reichtum und Wohlstand

1 Bei diesem Artikel handelt es sich um die schriftliche Ausarbeitung eines Vortrages, gehalten am 26. Januar 1961 am Institutum Historicum Polonicum Romae. 2 Duszpasterz Polski zagranica [Polnischer Kaplan im Ausland] 12 (1958), 349 f. 3 Czołowski, Aleksander: Lwów za ruskich czasów [Lemberg in der russischen Ära]. In: Kwartalnik Historyczny (1891), 786, 792. 4 Strzygowski, Josef: Die Baukunst der Armenier und Europa. 2 Bde. Wien 1918; Strzygowski, Josef: Ursprung der christlichen Kirchenkunst. Leipzig 1920.

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empor, dass sie fähig waren, beachtliche Geldsummen für die Aufrüstung des Heeres an Fürsten und selbst an Könige zu verleihen. Der Ursprung ihres Reichtums war der Handel mit dem Nahen Osten. Durch ihre ausgezeichnete Kenntnis der orientalischen Länder, Traditionen und Sprachen drangen sie in diese entfernten Regionen vor und brachten die berühmten Orientwaren mit zurück nach Lemberg (auch Lwów, L’vov; heute L’viv): Seide, Leinen, Baumwolle, Teppiche, Pelze, exotische oder orientalische Gewürze wie Zimt, Kassien, Rhabarber, Weihrauch, weißer Pfeffer, Kaviar, Safran usw.5 So erlangte auch die Stadt Lemberg mit der Zeit den Ruf eines wichtigen Zentrums oder Handelsplatzes, wo ihrerseits die orientalischen Kaufleute zusammenkamen, um ihre Waren gegen die abendländischen auszutauschen. Nicht nur heute, sondern auch in der Zeit der jagellonischen Monarchen öffneten Handels­beziehungen häufig die Türen für diplomatische Beziehungen. Da heute der Beitrag erläutert werden soll, den die Armenier für die Entwicklung der diplomatischen Beziehungen zwischen Polen und den oben genannten Ländern leisteten, werden wir zuerst über die städtischen armenischen Dolmetscher von Lemberg sprechen, dann über jene in der Kanzlei der Krone und schließlich über die Gesandten, diplomatischen Kuriere, Bevollmächtigten und Angestellten der polnischen Gesandtschaften an den Höfen der türkischen Sultane, der tatarischen Khane und der persischen Schahs. A) Zu den städtischen Dolmetschern bemerken wir, dass es gegen Ende des 14. Jahrhunderts in Lemberg schon jeweils ein Korps zur finanziellen und eines zur politischen Aufsicht gab. Das einzige Oberhaupt dieser zwei Korps war eben der „interpres“, auch „proxenata“ genannt, der die türkische, griechische, walachische, arabische und persische Sprache beherrschte. Diesem war neben der Aufgabe, die Einhaltung der den Handel und die jährlichen Messen betreffenden Gesetze zu überwachen, auch das wichtige und äußerst delikate Amt der sogenannten „politischen Spionageabwehr“ anvertraut, welches die Spione und ausländischen Bevollmächtigten betraf, die sich als Kaufleute ausgaben.6

5 Zur Bestätigung des Gesagten erlauben wir uns, hier die folgende Strophe zu zitieren, die Sebastian Klonowicz in seinem Gedicht „Roxolania“ (erschienen 1584) unseren armenischen Kaufleuten widmete: „Armenus hic etiam crinitus aromate dives / Innumeras merces ex Oriente vehit, / serica cum xylinis argenti stamen etauri, / Quas, vel humi stratus Turca tapetas habet, / Radices acori, cynammonum, gingiber …“ Zitiert bei: Łoziński, Władysław: Patrycyat i mieszczaństwo lwowskie [Patriarchat und Mittelklasse Lembergs]. Lwów 1902, 267. Ladislaus Syrokomla wollte uns außerdem folgende polnische Version anbieten: „Owi włosaci, handlowni Ormianie / Przywoża, towar ze Wschodu bogaty; / U nich tureckich kobiercóv dostanie, / U nich złotogłòw i jedwab na szaty; / Wonny cynamon, co lubimy tyle, / Do ich towarów przywoźnych się liczy; / Pieprz, trzcina, imbier i słodkie daktyle / Kwiat muszkatowy i szafran dziewiczy. / Tu, porzuciwszy macierzyste progi, / Domem osiedli armeńscy męzowie. / Wznieśli swój kościół obszerny i drogi / I, swym obrządkiem modlą się Jehowie.“ Zitiert bei: Lechicki, Czesław: Kościół ormiański w Polsce [Armenische Kirche in Polen]. Lwów 1928, 21 f. 6 Łoziński, Patrycyat i mieszczaństwo (wie Anm. 5), 301; Ptaśnik, Jan: Miasta i mieszczaństwo w dawnej Polsce [Städte und Städter im Alten Polen]. Warszawa 1949, 211.

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Gregorio Petrowicz

Die für uns verfügbaren historischen Dokumente belegen nun, dass das Amt des städtischen Dolmetschers im Laufe der Jahrhunderte fast immer von Armeniern bekleidet wurde. Schon diese Tatsache ist ein beredtes Zeugnis für die Wertschätzung und das Vertrauen, das sie bei den Konsuln von Lemberg genossen. Es würde zu lange dauern, hier die Namen der vorher erwähnten Dolmetscher aufzuzählen. Wir werden uns deswegen darauf beschränken, einige davon zu erwähnen, wie z. B. im Jahr 1383 Noradyn Kutlubej, 1389 Chaczarys, am Anfang des 14. Jahrhunderts Gregor, 1541 den berühmten Nicola Atabiowicz, 1565 Zachno und in den Jahren 1580 – 1598 Hadziejowicz „interpres polonicus, natione Armenus […], doctissimus ac dissertissimus“. Von 1629 – 1644 Warterysiewicz und 1657 – 1667 Bajdołowicz. Der letzte Dolmetscher von Lemberg, der 1705 ernannt wurde, war ein gewisser Donabiedowicz.7 B) Was die Dolmetscher und Sekretäre der königlichen Kanzlei betrifft, muss hervorgehoben werden, dass schon am Ende des 14. Jahrhunderts eine sehr lebhafte Entwicklung direkter diplomatischer Beziehungen zwischen dem Königreich Polen und der Goldenen Horde begonnen hatte. In der königlichen Kanzlei entstand deswegen die Notwendigkeit, eine kleine Gruppe ausgewählter Dolmetscher und anderer Amtsdiener zur Verfügung zu halten, die mit der tatarischen Sprache vertraut waren und sich ihrer bei den verschiedenen diplomatischen Aufgaben bedienen konnten. Diese Dolmetscher wurden unter den Tataren des Großherzogtums Litauen und den Armeniern angeworben und ausgewählt.8 Der berühmte Jesuit und Missionar Krusiński bestätigt außerdem, dass „Uladislaus Jagello et Witoldus opera Armenorum, in obeundis ad Turcarum Sultanum legationibus uteretur“9. Die Behauptung von Krusiński wird von folgendem Dekret genau bestätigt, das Władysław Jagiełło 1421 seinem Ratgeber Gregorius Armenus de Laszki verlieh, der 1415 die erste polnische Gesandtschaft zum türkischen Sultan begleitet hatte. Der oben genannte Monarch befahl: Significamus tenore praesentium quomodo grate perdendentes fidelitatis studiosa obsequia et multiplicum constantiam meritorum, quibus Gregorius Armenus de Laszki, miles fidelis noster dilectus, Nostrae placuit Majestati […]; [ac] volentes ipsum specialium gratiarum Nostrarum prosequi favoribus […], sibi et suis successoribus […] villam nostram Sroki dictam […] in […] districtu […] Leopoliensi sitam […], assignamus, donamus […] et largimur perpetuo […] cum omnibus et singulis utilitatibus […], agris […], pratis […], sylvis […], fluminibus […], molendinis et eorum emolumentis.10

7 Barącz, Sadok: Żywoty sławnych Ormiań w Polsce [Das Leben berühmter Armenier in Polen]. Lwów 1856, 4 f.; Czołowski, Aleksander: Najstarsza księga miejska Lwowa [Das älteste Buch der Stadt Lemberg]. Lwów 1892; Łozinski, Patrycyat i mieszczaństwo (wie Anm. 5), 219. 8 Baranowski, Bohdan: Znajomość Wschodu w dawnej Polsce [Wissen des Ostens im Alten Polen]. Łódz 1950, 17 f.; Baranowski, Bohdan: Ormianie w służbie dyplomatycznej [Armenier im diplomatischen Dienst]. Myśl Karaimska 1948, 122. 9 Krusiński, Judasz Tadeusz: Prodromus ad tragicam vertentis belli Persici Historiam. Leopoli 1734, 122. 10 Barącz, Żywoty sławnych Ormiań (wie Anm. 7), 135 f.

Die Armenier im diplomatischen Dienst des Königreichs Polen

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Wir werden hier, um es kurz zu machen, nur einige Namen der Armenier aufführen, die sich seit dem 16. Jahrhundert in den Dienst der königlichen Kanzlei stellten. So erwähnt z. B. König Sigismund August 1555 in einem seiner Dekrete „nobilis Nicolaus Armenus, servitor et interpres noster lingua Turcica“11. Identische Aufgaben übten 1565 Cristoforo Wasilowicz und 1582 ein gewisser Cristoforo „interpres Suae Regiae Maiestatis“ aus. Von 1620 bis 1650 werden die drei Brüder Serebkowicz erwähnt, von denen einer – Pietro – verschiedene Briefe der Sultane und türkischen Würdenträger übersetzte; die Entwürfe dieser Übersetzungen haben sich im Warschauer Archiwum Główne bis heute erhalten.12 In der Regierungszeit von Johann Kasimir sehen wir den berühmten Romaszkowicz und die Brüder Piotrowicz; zur Zeit von Sobieski Abrahamowicz, Arłakowicz und Minasowicz. Schließlich erinnern wir daran, dass viele andere Armenier die gleichen Ämter in den mächtigen polnischen Adelshäusern, z. B. bei den Żółkiewski, Lubomirski und Potocki, bekleideten.13 C) Aber die diplomatische Aktivität unserer Armenier als Gesandte, Kuriere und Bevollmächtigte behauptete sich vor allem in den direkten Beziehungen mit der Türkei, der Tatarei und Persien während des 17. und 18. Jahrhunderts. Um eine Vorstellung zu bekommen, bis zu welchem Punkt sie die Menschen, Gebräuche und Intrigen hinter den Kulissen am Hof der Sultane und auch an den europäischen Königshöfen kannten, führe ich hier den Fall von Pietro Hrehorowicz an, den Łoziński als „eine außergewöhnliche Persönlichkeit“ bezeichnet, als „eine Art diplomatischen Agenten und zugleich Handelsagenten, der weitreichende Beziehungen im Okzident und im Orient hatte und an den Höfen von Wien, Istanbul und Warschau bekannt war“14. 1619 wurde jedoch dieser Armenier auf seinem Weg in den Orient in der Walachei ermordet. Und da er „servitor regius“ von Sigismund III. Wasa war, gebot der Monarch – unter Androhung des Verlustes seiner königlichen Gnade – sofort dem Konsul von Lemberg, unverzüglich alle Dokumente zu beschlagnahmen, die im Haus des verstorbenen Hrehorowicz geblieben waren, sowie in Gegenwart von dessen Neffen ein Inventarverzeichnis zu erstellen und alles nach Warschau zu schicken. So wurden in zwei großen Kisten verschiedene Papierfaszikel gefunden; unter ihnen ein Pergament mit Adelstiteln, die Kaiser Rudolf II. (1576 – 1612) Hrehorowicz verliehen hatte; einige Pergamente waren von Fürst Báthory unterzeichnet, andere betrafen die Thronfolge Moldaus; versiegelte Briefe von Rudolf II. an den moldauischen Fürsten Costantino ­Moghila und umgekehrt; einige nicht näher bestimmte Dokumente, die von Kardinal Báthory unterschrieben waren; dicke Akten zu Finanzfragen usw.15 11 Obertyński, Zdzisław: Die Florentiner Union der polnischen Armenier und ihr Bischofskatalog. Rom 1934, 51. 12 Baranowski, Ormianie w służbie dyplomatycznej (wie Anm. 8), 127. 13 Ebd., 136. 14 Łoziński, Patrycyat i mieszczaństwo (wie Anm. 5), 282. 15 Ebd., 282 – 284.

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Bekanntlich war das Fürstentum Moldau immer der Zankapfel zwischen Polen und der Türkei, die beide versuchten, auf diesem Thron den jeweils eigenen Gefolgsmann zu platzieren. Aus diesem Grund brachen die Schlacht von Cecora (1620), in welcher der tapfere Generalissimus Żółkiewski fiel, und die Schlacht von Chocim (1621) aus, wo nur ein Präliminarfriedensvertrag zwischen den beiden kriegführenden Mächten geschlossen wurde. Der richtige „Friedensbrief“ sollte dem polnischen Gesandten jedoch erst später vom Sultan selbst ausgehändigt werden. Zu diesem Zweck wurde der Fürst Cristoforo Zbaraski als „Großgesandter“ nach Konstantinopel geschickt. Doch der Text des „Friedensbriefes“, den letzterer nach Warschau zurückbrachte, stellte die königliche Kanzlei nicht zufrieden. Denn nach der Übersetzung des erwähnten Dokumentes wurden mehrere Ungenauigkeiten und viele für Polen ungünstige Punkte festgestellt.16 Deswegen beschloss man, eine andere Gesandtschaft an den Hof von Istanbul zu schicken; „aber dieses Mal“, so Baranowski, „wurde statt des stolzen Prinzen ein bescheidener Armenier aus Lemberg, Cristoforo Serebkowicz, gesandt“.17 Die Wahl der königlichen Kanzlei erwies sich als sehr glücklich, weil Serebkowicz, ein „gebildeter und vielfach begabter Mann“, sich schon 1621 als „politischer Beobachter“ in Konstantinopel aufgehalten hatte, von wo aus er nach Warschau wichtige Nachrichten zu den politisch-militärischen Streitfragen der Türkei, Tatarei und Ungarns übermitteln konnte.18 Da er ein ausgezeichneter Kenner von Sprache und Umfeld des türkischen Hofes war, gelang es ihm durch sein Taktgefühl, seine Umsicht und Klugheit, die schwierige und äußerst delikate Mission erfolgreich unter Dach und Fach zu bringen. Die Hohe Pforte stimmte der Ausfertigung eines anderen „Friedensbriefes“ zu, den die königliche Kanzlei dieses Mal ohne Einwände annahm.19 Deswegen stimmt nicht ganz, was dazu der Historiker Konopczyński behauptet: „Einen großen Dienst für das Staatsinteresse leistete Cristoforo Zbaraski[, der] seine Gesandtschaft nach Istanbul sehr intelligent erledigte.“20 Denn Baranowski, der sich auf in Fülle zitierte Archivalien beruft, wiederholt, dass „das politische Ziel dieser Gesandtschaft gänzlich verfehlt wurde; Zbaraski gelang es nicht, irgendeinen greifbaren Vorteil zu erzielen, sodass die nachfolgenden Gesandten Serebkowicz und Kiełczewski die Fehler des Magnaten beheben mussten“21. Drei weitere armenische Diplomaten, die der polnischen Diplomatie bemerkenswerte Dienste leisteten in einer Zeit, in der es aufgrund der häufigen, einerseits von Kosaken, andererseits von Tataren verübten Raubzüge zu ständigen Missverständnissen zwischen Polen und der Türkei kam, waren Romaszkowicz, Torosowicz-Wieniawski und

16 Baranowski, Ormianie w służbie dyplomatycznej (wie Anm. 8), 126, Anm. 32. 17 Ebd. 18 Łoziński, Patrycyat i mieszczaństwo (wie Anm. 5), 281. 19 Baranowski, Ormianie w służbie dyplomatycznej (wie Anm. 8), 126 f. 20 Konopczyński, Władysław: Dzieje Polski nowożytney [Moderne Polnische Geschichte]. Bd. 1. Warszawa 1936, 263. 21 Baranowski, Znajomość Wschodu w dawnej Polsce (wie Anm. 8), 145 f., mit Bibliografie.

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Bajdułowicz. Der erste wurde als ausgewiesener Kenner der Sprache, der Personen und der Angelegenheiten der osmanischen Hauptstadt 1636 dorthin als Bevollmächtigter des Generalissimus Koniecpolski gesandt; letzterem schickte er von Zeit zu Zeit Informationen über die politischen Angelegenheiten der Türken und Tataren, die er sich gewöhnlich von seinen treuen Freunden, den türkischen Beamten, beschaffte.22 In den Jahren 1639 – 1640 und dann auch zur Zeit von Johann Kasimir (1648 – 1668) sehen wir ihn häufig in Konstantinopel als inoffiziellen Bevollmächtigten des Königreichs Polen bei der Hohen Pforte, von wo aus er weiterhin Berichte mit den unterschiedlichsten Nachrichten schickte, die – wie Baranowski angibt – „der scharfsinnige Armenier immer zur rechten Zeit erlangte“23. Am Anfang des Jahres 1665, das heißt kurz vor dem Ausbruch des Krieges zwischen der Türkei und Polen (immer noch aufgrund der kosakisch-tatarischen Streitfragen), wurde der Adlige Torosowicz-Wieniawski – königlicher Sekretär und Lemberger „senior Nationis Armenae“ – als Gesandter nach Istanbul geschickt;24 und bei Kriegsende war es der Armenier Bajdułowicz, der 1667 als Kenner der türkischen Sprache den Gesandten G. Radziejowski in die osmanische Hauptstadt begleitete, um dort die zwischen den beiden Staaten schwelenden Streitigkeiten beizulegen.25 Leider brach 1671/72 aufgrund der vorher erwähnten Gründe ein neuer türkisch-polnischer Krieg aus. Sultan Mohammed IV . marschierte selbst an der Spitze eines furchtbaren Heeres nach Polen und besetzte die Festung von Kamieniec Podolski (Kamenec-Podolski, Kam’janec’Podil’s’kij), während sich das in zwei Konföderationen geteilte Königreich Polen schon am Rande eines Bürgerkriegs befand. Baranowski stellt fest: „In dieser kritischen Situation wurde Torosowicz-Wieniawski zum Sultan geschickt, der sich noch bei Kamieniec aufhielt. Jedoch wurde er nicht vor die Person des letzteren gelassen; nur mit Mühe erhielt er eine Audienz beim Großwesir und wurde von den Türken auf eine sehr schonungslose Art und Weise behandelt.“26 Im Verlauf des 17. Jahrhunderts – und zwar vor allem zur Zeit von Władysław IV. und Johann Kasimir – unterlagen die polnisch-tatarischen Beziehungen ständig gefährlichen Veränderungen und Schwankungen, die nicht selten auf dem Schlachtfeld endeten. Dass natürlich die Türken, Moskowiter und Kosaken mit ihren jeweiligen politischen Interessen darin verwickelt waren, verkomplizierte die Lage häufig. Die polnische Kanzlei musste deswegen in der Zwischenzeit ihre fähigsten Diplomaten aufbieten, die häufig auch von unseren eifrigen Armeniern unterstützt wurden. Die bewegte diplomatische Aktivität voller tragikomischer Abenteuer des vorher erwähnten Romaszkowicz zieht hier in der Tat unsere Aufmerksamkeit auf sich, vor allem während der schwierigen Herrschaft Johann Kasimirs. Schon 1649, während in Zbaraż 22 23 24 25 26

Vgl. Biblioteka Zamojska, mms. 1808, fol. 211v. Baranowski, Ormianie w służbie dyplomatycznej (wie Anm. 8), 129 f. Barącz, Żywoty sławnych Ormiań (wie Anm. 7), 337. Baranowski, Ormianie w służbie dyplomatycznej (wie Anm. 8), 135. Ebd., 134.

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(Sbarasch) und bei Zborów (Sboriv) die blutigen Schlachten zwischen den Polen und den (von Chmielnicki und Islam Giraj angeführten) Kosaken-Tataren tobten, sehen wir ihn an der Seite des polnischen Monarchen. Sobald schließlich dank der diplomatischen Gewandtheit des Kanzlers Ossoliński der Separatfrieden mit Islam Giraj geschlossen worden war, gelang es unserem Armenier mit einem Brief des Kanzlers durch die kosakischtatarischen Linien zu kommen und so Zbaraż zu erreichen, wo die heroische polnische Garnison noch Widerstand leistete. Als dann 1650 abermals ein Krieg zwischen denselben Gegnern auszubrechen drohte, reiste Romaszkowicz als „diplomatischer Kurier“ schnell nach Bachtschyssaraj, der Hauptstadt der Tatarei, ab, aber wie Baranowski schreibt: „[A] ls Repräsentant der Polnischen Republik fand er dort eine schlechte Aufnahme und war mehrere Male auch Schmähungen verschiedener Art ausgesetzt.“27 Unser Diplomat verzagte deswegen nicht, denn kurz darauf sehen wir ihn schon wieder am Hof des Islam Giraj. Bis zu welchem Punkt er waghalsig und unbeugsam gegen alle Widrigkeiten auftrat, zeigt folgende Begebenheit: Während des Kosakenaufstandes von 1648, der von Chmielnicki geleitet wurde und mit der vernichtenden Niederlage des polnischen Heeres endete, geriet unter anderem auch der Generalissimo N. Potocki in Gefangenschaft. Die Tataren ließen Potocki frei, nachdem sie einen Teil des geforderten beachtlichen Lösegelds bekommen hatten, behielten aber dessen Sohn als Geisel. Nun hatte unser Armenier, der sich auf seine „tatarischen Freunde“ verließ, den Mut, den jungen Potocki (um das Jahr 1652) aus dem Gefängnis zu befreien. Leider wurde Romaszkowicz im letzten Moment gefasst, als er sich schon triumphierend auf die polnische Grenze zubewegte, und in der Festung von Bachtschyssaraj gefangen gesetzt, wo er bis 1654/55 blieb, als sich die ­polnisch-tatarischen Beziehungen verbesserten. Überhaupt nicht entmutigt vom Misserfolg und den Schmähungen, die er in tatarischer Gefangenschaft erduldet hatte, unternahm Romaszkowicz 1657 eine neue Reise nach Bachtschyssaraj, dieses Mal als „Untergesandter“ bei Khan Mehmed Giraj. Einige der zeitgenössischen polnischen Diplomaten priesen die Verdienste von Romaszkowicz und lobten seine Treue und Aufrichtigkeit, während andere an seiner Uneigennützigkeit zweifelten.28 Sicher ist, dass er kein gewöhnlicher Akteur war, sondern vielmehr ein umsichtiger, scharfsinniger und hervorragender Kenner der Menschen und Dinge am türkischen und tatarischen Hof. Auch in den kritischsten Situationen gelang es ihm immer, sich oben zu halten. Schließlich erwähnen wir den uns schon bekannten Cristoforo Piotrowicz, der mit seinem Bruder Zaccaria schon vor dem Jahr 1660, in dem er nämlich „Untergesandter“ am Hof von Bachtschyssaraj wurde, die Aufgaben eines „diplomatischen Kuriers“ in der Tatarei erfüllte, sowie Achwerdejowicz, der 1666 im selben Amt auf die Krim ging.29

27 Ebd., 130. 28 Ebd., 128. 29 Ebd., 136.

Die Armenier im diplomatischen Dienst des Königreichs Polen

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In der kurzen Darstellung des Beitrags unserer armenischer Diplomaten zur Entwicklung der polnisch-persischen Beziehungen ist noch zu erwähnen, dass Persien in Polen zur Zeit von Papst Gregor XIII. einiges Interesse erregte, da in Europa und von König Stephan Báthory Pläne für eine große Allianz der christlichen Staaten gegen die Türken entworfen wurden. Als der Schah Abbas I. (1586 – 1628), der ständig Krieg gegen die Türken führte und zu diesem Zweck diplomatische Beziehungen zu verschiedenen europäischen Staaten knüpfte, den persischen Thron bestieg, wurden in diesem Zusammenhang auch zwischen Persien und Polen rege Briefwechsel aufgenommen. 1601, also genau in dieser Zeit, hatte sich der Armenier Sefer Muratowicz als „servitor regius“ von Sigismund III. nach Persien begeben, um dort Vorhänge, Teppiche, Edelsteine, Waffen und andere Gegenstände zu erwerben, die gemeinhin als „Orientwaren“ bezeichnet wurden.30 Im Allgemeinen nimmt man an, dass König Sigismund III . unserem Armenier eine diplomatische Mission beim Schah Abbas anvertraut habe;31 doch geht das nicht aus dem offiziellen Bericht hervor.32 Es existieren aber noch einige Dokumente zu dieser Mission, die noch nicht veröffentlicht wurden. Schah Abbas versuchte jedenfalls während seiner letzten Jahre mehrmals, Sigismund III . für seine Sache zu gewinnen. Zur Zeit von Sobieski wurde die Frage einer antitürkischen Liga wieder aktuell.33 So wurden mehrere polnische Gesandtschaften an den persischen Hof geschickt,34 an denen auch Armenier teilnahmen, so Costante Sulejman, auch Conte de Syri oder Zgòrski genannt, der zwar kein gebürtiger Pole war, aber lange Jahre in Polen verbracht hatte. Nachdem er die Aufgaben eines „Residenten“ von König Johann Kasimir in Wien wahrgenommen und verschiedene diplomatische Ämter in Istanbul und andernorts bekleidet hatte, wurde er Gesandter Sobieskis am persischen Hof. Zwar wurde für und wider seine Person viel geschrieben,35 aber vieles zu seiner diplomatischen Aktivität in dieser Zwischenzeit ist noch in den Archiven der Propaganda Fide zu erforschen.36 Ein anderer in Polen geborener Armenier, der von Sobieski als Gesandter an den persischen Hof und gleichzeitig als Sonderberichterstatter zum armenischen Patriarchen Nahabed in Etschmiadsin geschickt wurde, war der Priester Simone Bedrosowicz, ein ehemaliger Schüler des Propaganda-Kollegs und Sekretär „Seiner Königlichen Hoheit“.37 Über die diplomatische Mission, die Bedrosowicz beim Schah verfolgen sollte, kennen wir keine 30 Baranowski, Znajomość Wschodu w dawnej Polsce (wie Anm. 8), 206. 31 Brzeziński, Stanisław: Misjonarze i dyplomaci polscy w Persji [Polnische Missionare und Diplomaten in Persien]. Potulice 1935, 9. 32 Korzeniowski, Joseph: Catalogus Codicum Manu Scriptorum Musei Principum Czartoryski Cracoviensis. Bd. 1. Cracoviae 1887, 14, Anm. 98. 33 Chowaniec, Czesław: Z dziejów polityki Jana III na Bliskim Wschodzie [Aus der Geschichte der Nahostpolitik Johannes III]. In: Kwartalnik Historyczny (1926), 154 f. 34 Baranowski, Znajomość Wschodu w dawnej Polsce (wie Anm. 8), 210. 35 Baranowski, Ormianie w służbie dyplomatycznej (wie Anm. 8), 234. 36 Petrowicz, Gregorio: L’Unione degli Armeni di Polonia. Roma 1950, 313. 37 Lettres édifiantes et curieuses. Bd. 3. Hg. v. Charles Le Gobien u. a. Paris 1780, 448.

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Einzelheiten; wir wissen jedoch von der Sorge dieses berühmten polnischen Monarchen um das Schicksal des armenischen Volkes in der Unterdrückung durch die Ungläubigen. Er hatte schon um 1678, als sich um den Patriarchen Jakob eine Bewegung der armenischen Meliks (Fürsten) gebildet hatte, um ihrer gemarterten Heimat die Unabhängigkeit wiederzugeben, mit dem erwähnten Patriarchen über den oben genannten Conte de Syri in Konstantinopel verhandelt.38 Den Inhalt dieser Verhandlungen kennen wir nicht, aber wir wissen, dass Sobieski damit zufrieden war, weil er in seinem Brief an den Patriarchen Nahabed berichtete, dass er in seinem Archiv den Brief von Jakob, dem Vorgänger Nahabeds, als liebstes Andenken aufbewahre.39 König Sobieski machte dem Patriarchen Nahabed durch Bedrosowicz die folgenden „Vorschläge“: 1) Der Patriarch solle sich mit all seinen Kräften für die Wiederauferstehung des Königreichs von Armenien einsetzen; 2) zu diesem Zweck solle er alle christlichen Fürsten Europas, vor allem den französischen König, um Hilfe bitten und die Union der Armenischen Kirche mit dem Heiligen Stuhl erleichtern; 3) er solle die Orte angeben, an denen die christlichen Heere bequem rasten könnten; 4) er solle den Umfang der armenischen Streitkräfte angeben; 5) Sobieski verpflichtete sich schließlich, denjenigen tatkräftig zu unterstützen, den sich die Armenier zu ihrem König wählten.40 Leider vereitelten zuerst der Tod von Bedrosowicz und dann der des tapferen und großmütigen polnischen Monarchen dessen großartige Pläne und die sehnsuchtsvollen Träume, welchen sich die glücklosen Armenier mit so großen Hoffnungen hingaben. Aber die Erinnerung an die Ruhmestaten und an den Großmut des Königs gegenüber dem Märtyrerland Armenien blieb bei dessen umherirrenden Söhnen lebendig. Nach dem Tod von Bedrosowicz entsandte König August II . 1699 seinen Sekretär Giacomo Nurkiewicz,41 von dem heute noch „acta et epistulae apographae ad legationem Jac. Nurkiewicz ad Hussein sultan szah Persarum 1699 spectantia“42 existieren, zum Schah Hussein (Sultan Hosein). 1739 schickte König August III. noch einmal Greg. Nikorowicz als seinen Repräsentanten an den persischen Hof. Die Ziele der diplomatischen Mission, die er unternahm, könnten uns ohne Zweifel die „epistulae Greg. Nikorowicz, ad eandem (persicam) legationem […] proficiscienti“43 erhellen. Schließlich erwähnen wir noch die Armenier Markiewicz, Arlakowicz und die anderen, die schon zur Zeit des oben genannten Sobieskis verschiedene Aufgaben am persischen Hof wahrnahmen.44 38 Terzian, Mesrob J.: Il Patriarca Giacomo IV. Beyrouth 1956, 180 f.; Petrowicz, L’Unione degli Armeni di Polonia (wie Anm. 36), 303. 39 Gromnicki, Tadeusz: Ormianie w Polsce [Armenier in Polen]. Warszawa 1891 (Encyklopedia ­Koscielna 17), 438  f. 40 Ebd., 439; Archiv. Prop. F. Congressi Armeni, vol. VIII, fol. 621 f. 41 Korzeniowski, Catalogus Codicum (wie Anm. 32), 49; Baranowski, Ormianie w służbie dyplomatycznej (wie Anm. 8), 136. 42 Ebd. 43 Ebd. 44 Baranowski, Znajomość Wschodu w dawnej Polsce (wie Anm. 8), 210.

Die Armenier im diplomatischen Dienst des Königreichs Polen

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Wir schließen diese kurze und unvollständige Schau mit den Worten des sehr verehrten Baranowski, dessen hervorragender Studien wir uns oft für die Ausarbeitung des vorliegenden Artikels bedienten: „Ohne Zweifel könnte man außer den oben erwähnten Armeniern noch weitere Vertreter dieser Nation finden, die auf eine weniger offizielle Art unserer Diplomatie im Orient viele Dienste leisteten. In der Tat müssen wir daran erinnern, dass unser Informationsamt kontinuierlich von der Hilfe der Armenier profitierte, die sich in Handelsangelegenheiten nach Persien, in die Türkei oder auf die Krim begaben. Leider finden wir in den zeitgenössischen Quellen kaum einen diesbezüglichen Hinweis. […] Auf jeden Fall müssen wir anerkennen, dass die Rolle, welche diese kleine armenische Gemeinde im Hinblick auf die politischen Beziehungen und die Handelsbeziehungen Polens mit dem Orient spielte, ziemlich groß war. Ihre Vermittlung in den oben erwähnten Angelegenheiten, die vielleicht von den Zeitgenossen nicht ausreichend anerkannt wurde,“ – schließt ­Baranowski – „verdient ohne weiteres als Ergänzung zur Geschichte der polnischen Orien­ talistik erforscht und vertieft zu werden.“45 Übersetzt von Maria Stuiber

45 Baranowski, Ormianie w służbie dyplomatycznej (wie Anm. 8), 137.

Schuschanik Khatschikjan

Der armenisch-russische Handelsvertrag vom Jahr 1667 und die autonomen Körperschaften von Neu-Dschulfa

Gemäß der traditionellen Ansicht existierte in Neu-Dschulfa schon seit der Mitte des 17. Jahrhunderts eine armenische Handelsgesellschaft. Die bevollmächtigten Vertreter dieser Handelsgesellschaft unterzeichneten in Moskau am 31. Mai 1667 jenen berühmten Handelsvertrag, durch welchen günstige Voraussetzungen für die Entwicklung der ­armenisch-russischen wirtschaftlichen Beziehungen geschaffen wurden. Der russische Histo­riker E. Zevakin zum Beispiel hielt nicht nur die Existenz der armenischen Handelskompanie für unumstritten, sondern kam auch zur Schlussfolgerung, dass die Kompanie von Step’an Romodamski und Grigor Lusikov, also jenen Vertretern der armenischen Händler Neu-Dschulfas, die zu den Verhandlungen in Moskau gesandt wurden, gegründet worden war.1 Der Historiker Ašot Yovhannisean hielt die Existenz der Handelskompanie ebenfalls für unumstritten, benannte sie jedoch anders. So verwendete er die Bezeichnungen „Armenische Handelskompanie von Neu-Dschulfa“ oder „Isfahan“, „Handelskompanie der iranischen Armenier“, oder einfach „Armenische Handelskompanie“.2 Aber ob diese Kompanie die gesamte armenische Kaufmannschaft oder nur einen Teil davon repräsentierte, klärt Yovhannisean nicht.3

1 Zevakin, E. S.: Persidskij vopros v russko-evropejskich otnošenijach XVII v. [Die persische Frage in den russisch-europäischen Beziehungen im 17. Jahrhundert]. In: Istoričeskie Zapiski 8 (1940), 158. 2 Yovhannisean, Ašot: Drowagner Hay Azatagrakan Mtk’i Patmowt’ean [Episoden der Geschichte des armenischen Befreiungsdenkens]. Bd. 1. Erewan 1957, 441 f. 3 Hinweise auf die Existenz der armenischen Handelskompanie finden sich in jenen Werken, die der Geschichte der armenisch-russischen Beziehungen im 17. Jahrhundert gewidmet sind. Zum Beispiel betrachtete V. Parsamjan die Kompanie als ein „Unternehmen, das große Handelsmöglichkeiten hatte“, und Zakar Sahradjan als einen der prominenten Leiter dieser Kompanie. Vgl. Parsamean, V.: Hay-Ṙusakan Yaraberowt’iwnneri Patmowt’iwnic’ [Aus der Geschichte der armenisch-russischen Beziehungen]. In: Tełekagir 7 (1952), 72. V. Diloyean kam zu der Schlussfolgerung, dass sich die armenischen Kaufleute von Neu-Dschulfa „nach dem Beispiel der europäischen Kaufleute“ zu einer Handelskompanie vereinigten, die „die Bezeichnung Armenische Handelskompanie von Dschulfa getragen hat“. Diese Kompanie unterhielt Handelsbeziehungen mit fremden Staaten und anderen Handelskompanien und schloss mit diesen Verträge. „In dieser Hinsicht“, schreibt Dilojan, „sind die Verträge bedeutend, die 1667 mit der russischen Regierung und 1688 mit der englischen Ostindien-Kompanie geschlossen wurden“. Vgl. Doliyean, V.: Lazareanneri Hasarakakan-K’ałak’akan

Der armenisch-russische Handelsvertrag vom Jahr 1667

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Den Ursprung des Entstehens und der Verbreitung der These der Existenz einer armenischen Handelskompanie bildeten einige Abschnitte des russischen Originals des erwähnten Handelsvertrages von 1667 sowie die zahlreichen archivalischen Dokumente, die in dieser Zeit und kurz danach verfasst wurden. Die oben erwähnten Gesandten, die von Neu-Dschulfa nach Moskau kamen, wurden oft als „von der armenischen Kompanie gesandte“ Personen bezeichnet; „armjanskie kompanejščiki“ (armenische Kompaniemitglieder) wurden auch zahlreiche Kaufleute genannt, die von Isfahan nach Moskau kamen.4 Bekanntermaßen schufen um die Mitte des 17. Jahrhunderts drei mächtige Unternehmen des europäischen Handelskapitals, die versöhnungslos miteinander konkurrierten, in zahlreichen orientalischen Ländern feste wirtschaftliche Stützpunkte. Das erste dieser Unternehmen war die englische East India Company, die 1600 ins Leben gerufen wurde und bis 1858 existierte. Zwei Jahre später, im Jahr 1602, wurde durch die Vereinigung einiger konkurrierender Kompanien die Holländische Ostindien-Kompanie geschaffen (die bis 1798 existierte), und 1664 – 1770 entfaltete auch die Französische Ostindien-Kompanie eine rege Tätigkeit. Nachdem diese Kompanien in ihren Heimatländern das Monopol auf den Orienthandel erworben hatten, schufen sie Kriegsflotten und bewaffnete Streitkräfte, führten blutige Kriege gegen fernöstliche Völker, die sich auf einem niedrigeren Entwicklungsniveau befanden, und etablierten ihre Herrschaft über Indien, Indochina, Indonesien, die philippinischen Inseln und beuteten jahrhundertelang die eroberten Völker aus. Die oben erwähnten Handelskompanien waren von den staatlichen Organen ihrer Heimatländer bevollmächtigt, Burgen und Befestigungen zu errichten, Verträge mit den lokalen Herrschern zu schließen, Kriege zu führen, um neue Gebiete zu erobern, etc.5 Diese mächtigen Handelsgesellschaften waren durch das Kapital zahlreicher Großkaufleute, Bankiers, Gutsbesitzer und staatlicher höherer Beamter ins Leben gerufen worden. Das Gründungskapital der Niederländischen Kompanie etwa belief sich auf 6,5 Millionen Florinen, wovon sich mehr als die Hälfte in Besitz von Amsterdamer Kaufleuten und Bankiers befand. Letztere spielten auch eine entscheidende Rolle unter den leitenden Organen der Kompanie. Die Gewinne der Handelskompanie wurden je nach der Höhe des Kapitals, das sie beigesteuert hatten, und nach der Anzahl der von ihnen erworbenen Aktien unter allen Teilhabern verteilt. Der Löwenanteil fiel freilich den größten Teilhabern zu. Bekanntermaßen ging der Beginn der Kolonisierung der Länder des Mittleren und Fernen Ostens mit den großen geografischen Entdeckungen jener Zeit einher. So waren

Gorcownēowt’ean Patmowt’iwnic’ [Aus der Geschichte der sozialpolitischen Tätigkeit der Lazareans]. Erewan 1966, 21 f. 4 Armjano-russkie otnošenija v XVII veke. Sbornik dokumentov [Die armenisch-russischen Beziehungen im 17. Jahrhundert. Dokumentensammlung]. Erevan 1953, 56, 58, 111, 113, 203. Armjano-russkie otnošenija v pervoj treti XVIII veka. Sbornik dokumentov [Armenisch-russische Beziehungen im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts. Dokumentensammlung]. Bd. 2, Teil 1. Erevan 1964, 15, 22, 29. 5 Čistozvonov, A. N.: Krestnye otcy Niderlandskoj Ost-Indskoj kompanii [Die Taufpaten der nieder­ ländischen ostindischen Kompanie]. In: Novaja i Novejšaja istorija 6 (1976), 134.

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die Hauptkommunikationswege der oben erwähnten Handelskompanien jene Meeresund Ozeanrouten, die sich von Europa aus nach Süden über das Kap der Guten Hoffnung und von dort in nordöstliche Richtung in den Indischen Ozean erstreckten. Nicht weniger bedeutend aber waren jene Meeres- und Landesrouten, die Indien mit dem Iran, Mesopotamien, Ägypten und Kleinasien verbanden und zu den Häfen des Mittelmeeres (Alexandrien, Alexandret, Izmir, Konstantinopel), des Schwarzen Meeres (Trabzon, Sinop) und des Kaspischen Meeres (Rescht, Astrachan’) führten. Die besagten englischen, holländischen und französischen ostindischen Handelskompanien kämpften lange Zeit gegen die venezianische Republik, die das Monopol des Handels, der auf den oben erwähnten Routen betrieben wurde, in ihrer Hand hatte, verdrängten die Venezianer letztlich aus diesen Gebieten und warfen zudem Anker in Hauptzentren des levantinischen Handels, indem sie ihren Einfluss auch auf diese Handelswege ausbreiteten. Die Bedeutung des Levantehandels für die europäischen Handelskompanien kam um die Mitte des 17. Jahrhunderts, der Meinung einiger Autoren zufolge, jener des Ostindienhandels über die Ozeanroute gleich.6 Dies erklärt sich zum einen dadurch, dass Rohseide zu jener Zeit deutlich an internationaler Bedeutung gewann. Diese Entwicklung beeinflusste auch die Konsolidierung der internationalen Beziehungen des Kapitals, über welches die armenischen Chodschas (Xoǰas) verfügten. Die Zentren der weltweit bedeutenden Seidenherstellung befanden sich in den nördlichen Regionen des Iran: Es waren dies Gilan (wo beinahe die Hälfte der Seide des Iran produziert wurde), Mazandaran, Khorasan und Transkaukasien (besonders Schirwan, die östlichen Regionen Georgiens und Karabach). Nach den Angaben Adam Olearius’: „[N]ur allein Gilan gibt in erfolgreichen Jahren 8000 Ballen [Seide], Schirwan liefert 3000 Ballen, Khorasan bis 3000, Mazandaran 2000, Karabach zweitausend. Nur rund um eintausend Ballen wurden innerhalb des Landes [Iran] verbraucht.“7 6 Masson, Paul: Histoire du Commerce Français dans le Levant au XVII siècle. Bd. 1 – 2. Paris 1911. 7 Olearius, Adam: Podrobnoe opisanie putešestvija golštinskogo posol’stva v Moskoviju i Persiju v 1633, 1636 i 1639 godach, sostavlennoe sekretarem posol’stva Adamom Oleariem [Ausführliche Beschreibung der holsteinischen Gesandtschaft nach Moskowien und Persien in den Jahren 1633, 1636 und 1639, verfasst vom Sekretär der Gesandtschaft Adam Olearius’]. Moskau 1870, 791, ­Kukanova, N. G.: Očerki po istorii russko-iranskich torgovych otnošenij v XVII – pervoj polovine XIX v. [Skizzen der Geschichte der russisch-persischen Handelsbeziehungen im 17. bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts]. Saransk 1977, 69. Wir möchten bemerken, dass es auch Angaben über das Ausmaß der Seidenproduktion gibt, die einander widersprechen. Nach Chardin wurden um die Mitte des 18. Jahrhunderts aus dem Iran 22.000 Ballen Seide exportiert. Vgl. Ališan, Ł.: Sisakan, Tełagrowt’iwn Siwneac’ ašxarhi [Sisakan, Topografie des Landes Sjunik]. Venetik 1893, 444. Aber nach Grigor Lusikenz „werden jährlich ungefähr ƏŘ (8000) Ballen aus dem ganzen Land des Schahs (das heißt aus dem ganzen Iran) exportiert, wovon 1 Ballen Z (6) Pud ergibt“. Vgl. hierzu Armjano-russkie otnošenija v XVII veke (wie Anm. 4), 71. Eine ähnliche Information finden wir auch in einem anderen Dokument dieser Quellensammlung (ebd., 46). Wenn wir die Angabe von Chardin für übertrieben halten, und die Angabe von Tusikov für zu niedrig, kommen wir zu der Überzeugung, dass die Angaben Adam Olearius’ der Wahrheit näher sind.

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Demnach waren 90 Prozent der persischen Rohseidenproduktion dazu bestimmt, die Nachfrage in den europäischen Ländern zu befriedigen, die jedes Jahr gewaltig wuchs, da der Verbrauch der Seidenstoffe überall große Verbreitung fand. Dabei sättigte die Seide nicht nur die Bedürfnisse des Adels, sondern auch wohlhabender Schichten der Stadtbevölkerung, die sich in einer regen Entwicklungsphase befanden. Die ständig wachsende Nachfrage der sich schnell entwickelnden englischen, holländischen und später auch französischen Seidenwebereien wurde oft durch die Produktion der unterschiedlich teuren und verschiedenartigen Seidenstoffe zufriedengestellt, die der häufig wechselnden Mode entsprachen und verhältnismäßig billig verkauft wurden.8 Selbstverständlich bemühten sich die Seidenfabrikanten darum, direkte Beziehungen mit jenen Orten zu knüpfen, von wo aus die Rohseide exportiert wurde, um so die Ware billiger erwerben und sie sicher und auf kürzestem Weg in ihre Länder transportieren zu können. Als Handelsrouten dienten vor allem drei Wege: Der erste und älteste war der traditionelle Weg, der über die Türkei führte und sich mit seinen zwei Nebenrouten bis zu den östlichen Ufern des Mittelmeers erstreckte, und auch durch die Provinzen des historischen Armeniens verlief. Auf diesem Weg handelten überwiegend armenische Kaufleute, die dabei fast ebenso viel Zoll an die türkische Staatskasse abzuliefern hatten, wie sie für den Erwerb der Rohseide bezahlten. Die zweite Handelsroute führte zuerst von Gilan über das Kaspische Meer nach Astrachan’ und von dort über Russland und das Weiße Meer zu den europäischen Ländern. Auf dieser Route waren armenische Kaufleute dominierend.9 Der dritte Handelsweg erstreckte sich über Land zu den Häfen des Persischen Golfes und von dort über die Kaproute bis nach Europa. Im Vergleich zu letzterer war die Handelsroute über das Kaspische Meer und Russland nicht nur sicherer und billiger, sondern vor allem auch kürzer. Die Versuche armenischer Kaufleute, am Handel über diesen Weg teilzunehmen, waren jedoch nicht sehr erfolgreich.10 Es braucht wohl kaum gesondert erwähnt zu werden, dass sowohl die Anbieter, also der persische Schah und die mit ihm in guter Beziehung stehenden armenischen Kaufleute,

8 Frolova, R. D.: Osnovnye čerty ėkonomičeskogo razvitija Italii v XVI–XVII vv. [Hauptzüge der wirtschaftlichen Entwicklung Italiens im 16.–17. Jahrhundert]. In: Vozniknovenie kapitalizma v promyšlennosti i sel’skom chozjajstve stran Evropy, Azii i Ameriki: sbornik statej. Moskva 1968, 50 – 97, hier 85 f., 92 f. 9 E. S. Zevakin zitiert in seinem oben erwähnten Werk einen Abschnitt aus einer Schrift eines russischen Kaufmannes, der so lautet: „Die Engländer und die Holländer fahren durch die türkischen Gebiete ins Land Qizilbasch …, in Qizilbasch erwerben sie Rohseide, indem sie für ein Pud 15 oder 16 Rubel zahlen …, wenn sie ihn über die Türkei transportieren, kassiert man von ihnen so viel Zoll, wie viel die gekaufte Ware kostet.“ Zevakin, Persidskij vopros (wie Anm. 1), 131. 10 Bayburdean, V. A. bemerkt in seinem Werk: Nor ǰułayi Haykakan Gałowt’ə ŽĒ d. [Die armenische Kolonie von Neu-Dschulfa im 17. Jahrhundert]. Erewan 1969, 31 – 33, dass nach 1580, als Spanien und Portugal einen gemeinsamen Staat bildeten, die Armenier Seide über den Ozean bis zum spanischen Hafen Cádiz transportierten, obwohl sie gezwungen waren, in Hormus den Portugiesen das Zweifache des zu zahlenden Zolles abzuliefern.

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als auch die europäischen Exporteure der Rohseide in erster Linie an einem sicheren und kurzen Handelsweg interessiert waren. Wie die Forschung bemerkt hat, war dies der Weg über das Kaspische Meer und Russland. Es waren zuerst die Engländer, die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts die ersten Schritte unternahmen, über das Weiße Meer nach Russland einzudringen und die Kaspi-Wolga-Route zu nutzen, um mit dem Iran und anderen orientalischen Ländern direkte Beziehungen zu knüpfen. Anthony Jenkinson erhielt als Vertreter der East India Company vom russischen Zaren gewisse Privilegien, auf erwähnter Route Handel zu treiben. Andere Mitglieder der Kompanie folgten ihm.11 Aber da sich die russischen Mächte der Gefahr bewusst wurden, die dem russischen Binnenmarkt und den äußeren Handelsbeziehungen wegen des Eindringens fremden Kapitals, besonders des englischen, drohen könnte, hoben sie jene Privilegien auf. Nach dem Verlust ihrer Privilegien setzten die Vertreter der East India Company ihr Handelstreiben in Archangel’sk im Norden Russlands fort, aber nachdem sie auch diese Möglichkeit, mit dem Iran direkte Handelsbeziehungen zu knüpfen, verloren, eröffnete sich die Möglichkeit ganz für das Kapital der armenischen Chodschas.12 Die Niederlande, die 1580 vom spanischen Joch befreit wurden, durchliefen eine intensive Entwicklung und galten schon seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts als beispielhaft, wohlhabendes Land, während sie um die Mitte desselben Jahrhunderts den Höhepunkt ihrer Handelsmacht erreichten.13 Die Holländer, die sich ebenso wie die Engländer im Wettkampf mit ihren italienischen und spanischen Konkurrenten befanden, erweiterten ihren Handel in der Levante. 1624 wurde in Amsterdam eine Sonderinstitution gegründet, deren Aufgabe es war, die internationalen Beziehungen, die über das Mittelmeer geknüpft wurden, zu kontrollieren. Jährlich legten 30 Schiffe aus Amsterdam in Izmir und anderen levantinischen Häfen an. Auch die Beziehungen der Holländer mit Aleppo hatten sich immens verfestigt.14 Hier trieben die Holländer (wie auch die Vertreter anderer europäischer Länder) Handel in erster Linie mit armenischen Kaufleuten aus Dschulfa, in deren Händen sich der Export der iranischen Rohseide nach Aleppo konzentriert hatte. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatte der berühmte Chodscha Petik, der Sohn des aus Alt-Dschulfa nach Aleppo ausgewanderten Kaufmannes Kirakos und oberster Leiter des Zollamtes, gemeinsam mit 11 Yakobean, Yovhannes.: Owłegrowt’iwnner. A. htr., ŽG–ŽZ dar (1253 – 1582) [Reisen. Bd. 1. 13.–16. Jahrhundert (1253 – 1582)]. Erewan 1932, 344 – 459. 12 Zevakin, Persidskij vopros (wie Anm. 1), 132 – 134. Im 18. Jahrhundert bemühten sich die Engländer erneut, diese Route zu benutzen, indem sie dieses Mal nicht über das Weiße, sondern über das Baltische Meer und St. Petersburg nach Russland kamen. Dem im Jahr 1734 geschlossenen Abkommen zufolge besaßen die Engländer das Recht, über das Kaspische Meer Handel zu treiben. Aber bald erwies sich, dass dadurch nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die politischen Interessen Russlands beeinträchtigt wurden. 1746 annullierte Russland die Rechte, die es den Engländern eingeräumt hatte. Vgl. Istoričeskie Zapiski 33 (1950) 109. 13 Marx, Karl: Kapitalə [Das Kapital]. Bd. 1. Erewan 1954, 784. 14 Beer, Adolf: Istorija vsemirnoj torgovli [Allgemeine Geschichte des Welthandels]. Bd. 2. Moskva 1876, 175 f.

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seinem Brüder Sanos den Gipfel des wirtschaftlichen Lebens von Aleppo erreicht. In einem Vertrag aus dem Jahr 1615 wird Chodscha Petik als der treue Vertreter (Emin) ihrer Majestät der Königin der Niederlande in Aleppo erwähnt.15 Die Vertreter der Holländischen Ostindien-Kompanie begannen seit 1632 in den Iran einzudringen; ab der Mitte des 17. Jahrhunderts waren sie die dominierenden Europäer auf dem iranischen Markt. Diese Erfolge waren wesentlich durch die engen wirtschaftlichen Beziehungen bedingt, die sich zwischen den Vertretern der Holländischen Kompanie und des armenischen Kapitals der Chodschas etabliert hatten. Amsterdam war den Armeniern seit den 1560er-Jahren bekannt. In den Jahren 1560 – 1561 kamen einige armenische Edelsteinhändler nach Amsterdam. Ihr Vorhaben war es, mit dem Erlös der veräußerten Edelsteine holländische Waren zu erwerben, um sie in die orientalischen Länder zu exportieren. Diese Beziehungen intensivierten sich besonders nach 163416, und um die Mitte des 17. Jahrhunderts besuchte bereits eine große Anzahl von Kaufleuten aus Neu-Dschulfa wie auch aus den armenischen Handelskreisstädten der Provinz Gołt’an besonders Agulis, und anderen Orten das Land. Im Jahr 1660 existierte in Amsterdam eine organisierte armenische Kolonie mit einer Kirche und einer Einwohnerschaft, die 60 Haushalte zählte. Unter der armenischen Bevölkerung Amsterdams nahm der reiche Kaufmann Ařak’el aus Neu-Dschulfa, der jedes Jahr von Gilan nach Amsterdam Seide im Wert von fünf Millionen Rubel importierte und mit dieser Summe holländische Waren kaufte, um sie auf iranischen Märkten zu verkaufen, eine führende Rolle ein.17 Zugleich entwickelte sich Amsterdam zu einem der Zentren des armenischen Buchdrucks. Durch die Bemühungen von Oskan Yerevantsi, Ghukas Vanandetsi und anderen Wohltätern wurden hier in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts prachtvolle armenische Bücher gedruckt, wie die erste gedruckte armenische Bibel, einige wertvolle historiografische Originale sowie auch nützliche Handelshandbücher für armenische Kaufleute, geografische und wissenschaftliche Werke.18 Dem Beispiel der Engländer folgend, versuchten auch die Holländer, die Rohseide über Russland in die Niederlande zu importieren. Die diesbezüglich 1615, 1620 und 1630 unternommenen Versuche blieben jedoch ohne Erfolg. Die russischen Mächte lehnten es ab, der Holländischen Ostindien-Kompanie das Transitrecht (das Recht auf die Warendurchfuhr) zu verleihen, da sie die unerwünschten Folgen der Errichtung von Handelsstützpunkten in Russland durch die mächtige Ostindien-Kompanie fürchteten. Das 15 Siwrmēean, A.: Patmowt’iwn Halēpi Hayoc’ [Geschichte der Armenier von Aleppo]. Bd. 3. Paris 1950, 288 f. 16 Nach N. G. Kukanova erklärt sich dieser Umstand aus der Tatsache, dass gerade in diesem Jahr die Holsteinische Kompanie auf den Transport der iranischen Rohseide über Russland nach Europa verzichtete, den die russischen staatlichen Organe angeboten hatten. Kukanova, Očerki po istorii (wie Anm. 7), 71. 17 Macler, Frederic: Quatre Confèrences sur l’Arménie et les Arméniens Faites en Holland. Paris 1932, 247 – 251. 18 Lewonean, Garegin: Hay Girk’ə ew Tpagrowt’ean Arowestə [Das armenische Buch und die Druckkunst]. Erewan 1946, 101 – 125.

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Transitrecht, um dessen Erhalt sich Engländer, Holländer, Verwaltungsbezirke einiger europäischer Länder und Handelskompanien 19 bemühten, wurde endlich 1667 und 1678 durch Verträge der russischen Staatsorgane den armenischen Kaufleuten aus Neu-Dschulfa verliehen. Den Holländern war es lediglich gestattet, in Archangel’sk mit den orientalischen Kaufleuten, das heißt mit Armeniern, Handel zu treiben. Den armenischen Kaufleuten wurde empfohlen, den Niederlanden bei der Weiterfahrt von Archangel’sk nach Europa den Vorrang einzuräumen.20 Unter der Leitung A. L. Ordin-Naščokins, einer bedeutenden politischen Figur und eines Patrioten, der Pläne für die wirtschaftliche Entwicklung Russlands entwarf, wurde der armenisch-russische Handelsvertrag vorbereitet. Er und seine Arbeitskollegen waren sich der Tatsache wohl bewusst, dass die armenischen Kaufleute im Unterschied zu europäischen Handelskompanien, die das Monopol erworben hatten, mit orientalischen Ländern 19 Diese Frage wurde von E. S. Zevakin erörtert, der besonders dem Umstand Beachtung schenkte, dass außer der Kaspi-Wolga-Route der Warenaustausch zwischen Europa und dem Iran auch auf der Handelsroute Warschau–Lublin–Iași–Schwarzes Meer–Transkaukasien–Iran stattfand, welche von den armenischen Kaufleuten frequentiert wurde, die in allen genannten kommerziellen Zentren eine bedeutende wirtschaftliche Rolle spielten. E. Zevakin erwähnt in seiner Besprechung des armenischstämmigen polnischen Diplomaten Bogdan Łrdi die Tatsache, dass dieser in seiner Unterredung mit dem bevollmächtigten Vertreter der Armenier aus Neu-Dschulfa, Grigor Lusikov, bemerkte, dass auch die Polen Interesse am armenisch-russischen Vertrag hätten. Zevakin kommt zu dem Schluss, „dass nicht nur die persischen Armenier nach Polen reisten, sondern auch Kaufleute von Polen nach Persien, die (wahrscheinlich auch) größtenteils armenischstämmig waren“. Zevakin, Persidskij vopros (wie Anm. 1), 141 – 146. Hier ist alles außer den in Klammern genommenen Worten „wahrscheinlich auch“ begründet. Die Experten, die sich mit der Untersuchung der jahrhundertelangen armenisch-ukrainischen Beziehungen beschäftigen, sagen, dass die Kaufleute, die von Polen in den Iran reisten, polnische Armenier waren. Auch Schweden unternahm Versuche, über Russland wirtschaftliche Beziehungen mit dem Iran zu knüpfen. Die Bemühungen des schwedischen Botschafters Fabritius in dieser Richtung führten 1686 zu dem Resultat, dass die russischen Mächte den Armeniern erlaubten, nicht nur über Archangel’sk, sondern auch über Nowgorod – und damit durch Gebiete schwedischen Besitzes – in die westeuropäischen Länder zu reisen. Schließlich soll auch bemerkt werden, dass ein armenischer Kaufmann namens Eałub Samokulti im Jahr 1670 mit einem Brief des brandenburgischen Kurfürsten nach Moskau kam. Dieser Brief besagte, dass Eałub der Handelsagent des Kurfürsten sei und das Ziel habe, Seide und andere Waren aus dem Iran nach Preußen zu exportieren. Zevakin, Persidskij vopros (wie Anm. 1), 153 f. Der heutige Stand der Forschung erlaubt es, den Schluss zu ziehen, dass alle Versuche, über Russland mit dem Iran und mit den anderen orientalischen Ländern wirtschaftliche Beziehungen zu knüpfen, unabhängig davon, welches europäische Land die Initiative ergriff, von armenischen Kaufleuten unternommen wurden. Das Monopol des Exports der iranischen Seide konzentrierte sich in ihren Händen und sie waren es auch, die vorrangig daran interessiert waren, neue, sichere, und daher auch lukrativere Handelswege zu erschließen. Das bezeugen die Aktivität des Agenten des Handelskapitals von Dschulfa, Philippe de Zagly, im Jahr 1696 und der Vertrag mit dem Herzog von Livland, Kurland und Semgallen, Fr. Kasimir. Gulbenkian, R.: Philippe et Zagly, Marchand Arménien de Julfa et l’Etablissement du Commerce Persan en Courlande en 1696. In: Revue des Études Arméniennes VII (1970), 361 – 426. 20 Zevakin, Persidskij vopros (wie Anm. 1), 136.

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Handel zu treiben, eine neutrale politische Macht waren, keineswegs die wirtschaftliche Entwicklung Russlands stören könnten und niemals das Recht, über Russland in die orien­ talischen Länder zu fahren, für die Verwirklichung irgendwelcher politisch-kolonialen Ziele benutzen würden. Im Gegenteil, indem sie Vertreter eines unterdrückten und tyrannisierten christlichen Volkes waren, bedurften die Armenier selbst der Hilfe und konnten so treue Verbündete des russischen Staates werden. Auf diese Art erwiesen sich die Vertreter des armenischen Kapitals in dem fast hundertjährigen (vom Ende des 16. Jahrhunderts bis 1667) Kampf, welchen die englischen und holländischen Ostindien-Kompanien sowie die Händlerkreise anderer europäischer Länder um die Benutzung der über Russland verlaufenden und internationale Bedeutung besitzenden Handelsstraßen führten, als Sieger. Bei der Formulierung des Vertrages von 1667 stellte sich dem russischen Staat die Frage, wer als zweiter Vertragspartner fungieren sollte. Freilich kamen dafür zunächst die armenischen Kaufleute Neu-Dschulfas in Frage, deren Bevollmächtigte Stepan Řomodamski und Grigor Lusikov die Verhandlungen führten. Aber wie konnten irgendwelche Kaufleute, die in der Hauptstadt eines fremden Landes, des Iran, wohnten, einen wichtigen wirtschaftlichen und langjährigen Vertrag mit einem mächtigen Staat unterzeichnen? Wie schon erwähnt, hatten die in europäischen Ländern geschaffenen bedeutenden Handelskompanien das Recht, mit den Herrschern fremder Länder wirtschaftliche, militärische und sogar politische Verträge abzuschließen, wovon sie auch in breitem Umfang Gebrauch machten. Demnach traten die Repräsentanten der armenischen Gemeinde von NeuDschulfa für die russische Seite als bevollmächtigte Vertreter einer Handelskompanie auf, weshalb die armenische Seite, die die Vertragsbestimmungen erfüllen sollte, als „armenische Kompanie“, „Kompanie der Armenier von Dschulfa“ etc. bezeichnet wurde. Um zu klären, ob im Rücken der den Vertrag unterzeichnenden Bevollmächtigten ein nach dem Muster der europäischen Kompanien geschaffenes Handelsunternehmen stand oder die armenische Gemeinde von Neu-Dschulfa mit ihren autonomen Körperschaften, ist es in diesem Zusammenhang von großer Wichtigkeit, die Formen der Organisation des Kapitals der Chodschas zu untersuchen. Unter den Quellen, die den Vertrag von 1667 betreffen und im Moskauer Zentralen Staatlichen Archiv für Alte Akten aufbewahrt sind, befindet sich kein Dokument, das Auskunft darüber erteilt, mit wessen Bevollmächtigung die Vertreter der Kaufleute von NeuDschulfa, Stepan Řomodamski und Grigor Lusikov, nach Moskau kamen (zumindest ist ein solches Dokument bis heute nicht gefunden und publiziert worden). Diese Lücke wird von einem im März des Jahres 1671 verfassten, wichtigen persischen Dokument geschlossen, welches an den russischen Zaren gerichtet ist und womit die wohlhabenden Neu-Dschulfaer Armenier Grigor Lusikov bevollmächtigten, in ihrem Namen mit dem russischen Zaren Verhandlungen zu führen: Lusikov sollte dem Zaren erklären, warum die Armenier die Vertragsbestimmung, die iranische Rohseide über Russland nach Europa zu transportieren, nicht erfüllten (sie begründeten dies mit der Unsicherheit der Straßen, die wegen des Aufstandes von Sten’ka Razin herrschte). Außerdem sollte Lusikov neue Versicherungen zu den

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Bedingungen erhalten, um den Handel wieder beginnen zu können. In diesem Dokument heißt es (der Abschnitt wird in unserer Übersetzung aus dem Russischen zitiert): „Euer letzter Knecht Bogdan, der Kalantar des Vorortes Dschulfa von Isfahan, verehrt Euch mit den Genossen Ältesten und teilt mit, dass mit diesem [Empfehlungs]schreiben wir nach Russland den Grigor (Lusikov) schicken, damit er Auskunft über die Sicherheit des Weges erhält und damit die Gnade Eurer königlichen Majestät weiter besteht, und wenn der Weg von den bösen Kosaken frei und sicher wird und Festungen und Zufluchtsstätten gebaut werden, dann wird den offiziellen Leuten befohlen, dass Kaufleute in beide Richtungen mit und ohne Waren fahren, bis dahin [Russland] und darüber in die deutschen [d. h. europäischen] Länder.“21 Unter dieser dem Grigor Lusikov ausgestellten Vollmacht setzten 23 Personen, reiche Dschulfaer Armenier, ihre Unterschriften und Siegel. Wie zu erwarten, war die erste Unterschrift jene des oben erwähnten Kalantar von Dschulfa, Bogdan (das ist die russische Entsprechung des armenischen Namens Astowacatowr), der folgendermaßen unterschrieb (wir geben die russischen Worte in armenischer Transkription wieder): „Vibornoy č’elovek Astowacatowr Miret’enc’“, also: „gewählte Person [d. h. Kalantar] Astuacatur Miret’enc’“. Die „Freunde Ältesten“, das heißt die Personen, deren Unterschriften jener des Kalantar folgen, werden auch in anderen Dokumenten über die Verhandlungen, die Grigor Lusikov führte, erwähnt: Sie werden einmal „leitende Personen der armenischen Kompanie“ („armeanskoy kompanii nač’alniē liwdi“)22, ein anderes Mal „die Besten von den Armeniern, die sich in Isfahan befinden“ („armeanskiē lowtč’iē liwdi, kotoriē est v Ispogani“)23 genannt. In der armenischen Bittschrift, welche an den Zaren gerichtet ist (verfasst am 27. Juli 1671), ist uns ein einziges und von Grigor Lusikov eigenhändig geschriebenes Dokument erhalten geblieben, das von den oben erwähnten 23 reichen Neu-Dschulfaer Armeniern unterschrieben wurde, mit deren Bevollmächtigung Lusikov nach Moskau reiste, und welches im Folgenden kritisch betrachtet werden soll. Lusikov schreibt hier: „Wieder ist es die Bitte unseres Kalan­tars und der [Leiter] der Kompanien, an den großen König zu schreiben: Die Bitte aller war, auf der Rückseite [des Schreibens] zu unterschreiben und [es] zu besiegeln, dass das, was ich, Fałiris, mit dem großen König von Moskau früher gemacht habe und was ich später machen werde, akzeptabel ist, und ich bringe diese Bittschrift jenem großen König.“24 21 Armjano-russkie otnošenija v XVII veke (wie Anm. 4), 90 f. 22 So in jenem im Posol’skij Prikaz (Diplomatischen Gericht) verfassten Dokument, welches das Ziel der Ankunft von Grigor Lusikov und seiner Verhandlungen betrifft. Hier werden auch von ihm vorgestellte offizielle Schreiben aufgezählt: 1. die Urkunde von Schah Sulejman; 2. der Erlass (Kondak) des Katholikos von Gandzasar; und 3. das uns interessierende Dokument, welches den Titel trägt „Die Bittschrift der leitenden 21 [korrekt wäre 23] Personen der armenischen Kompanie“. Armjanorusskie otnošenija v XVII veke (wie Anm. 4), 83. 23 So im Erlass (Kondak) des Katholikos Petros von Gandzasar, in dem Zar Aleksej Michajlovič gebeten wird, die Verhandlungen von Grigor Lusikov zu fördern. Armjano-russkie otnošenija v XVII veke (wie Anm. 4), 92. 24 Ebd., 72. Wir führen das Zitat nach dem Lichtbild und nicht nach dem Druck an, welcher Fehler enthält.

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So ergibt sich aus dem Zitat, dass Grigor Lusikov zuerst vom Kalantar von Neu-Dschulfa und dann von 22 Personen, die „Genossen Ältesten“, „leitende Personen“, „die Besten von den Armeniern“ und schließlich „Kupanek’n“ heißen, das heißt den Leitern der Kompanien (wir betonen „der Kompanien“ und nicht „der Kompanie“), nach Moskau mit dem Auftrag geschickt worden war, mit den russischen Mächten zu verhandeln. Wir können uns mit jener Liste der Leiter bekannt machen, indem wir den armenischen Familien- und Vornamen, die in russischer Transkription angegeben und ziemlich entstellt sind, möglichst ihre frühere Gestalt zurückgeben.25 (1) Astuacatur Miret’ēnc’ (der Kalantar von Dschulfa), (2) Pstikała Schahichasēnc’, (3) Ałap’iri Dschachat’unēnc’, (4) Margar Schahrimanēnc’, (5) Safar T’op’tschenc’, (6) Zak’ar Gerak’ēnc’, (7) Martiros Ałēnc’, (8) Awetik’ Gerak’ēnc’, (9) Vachgum Dschuairi, (10) Grigor Giułēnc’, (11) Hovhannēs Dschearkalanēnc’, (12) Ałazar K’amalēnc’26, (13) Łukas Dschamalēnc’, (14) Grigor Amirasat’ēnc’, (15) Ałap’iri Mirzabēgēnc’, (16) Voskan Dschahirunc’, (17) Minas P’anosēnc’, (18) Valeandis T’ałarinc’, (19) Hakobdschan Ustabaschi, (20) Apov Lusikēnc’, (21) Hovsēp’ Sanēnc’, (22) Karapet K’ařasmankanc’, (23) Hovhannēs Askandarov 27. Diese Personen, welche im Namen der Armenier von Dschulfa besagte Vollmacht unterschrieben, bildeten die Elite der Chodscha-Klasse. Sie waren vorrangig die Vorstände 25 Statt Hovhannēs, zum Beispiel, steht im Russischen Goanēs, statt Grigor Grigorēj, statt Łukas Gukas, statt Dschachatunēnc Schachatunenc, statt Kařasmankanc Karas Mankau, statt Panosenc Ponosenc etc. Für die Korrekturen haben wir auch andere Quellen verwendet, in welchen dieselben Personen oder andere Mitglieder derselben Familie erwähnt sind. 26 Nach der russischen Quelle „Kamaelenc“. 27 Armjano-russkie otnošenija v XVII veke (wie Anm. 4), 90 f.

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der Handelsfamilien, die in den 1670er-Jahren im wirtschaftlichen Leben Dschulfas am aktivsten waren. Nach dem Kalantar führt die Liste der Unterzeichner der Vollmacht Pstikała Schahichasēnc’. Die Familie, die Schahichasēnc’ oder Safrazean hieß, besaß noch in Alt-Dschulfa die höchste Stellung im Leben der Kreisstadt. Das Haupt dieser Familie, Chodscha Xačik, war der Kalantar von Alt-Dschulfa, der von Schah Abbas eine spezielle Urkunde mit dem Recht des freien Handels erhalten und zwei große Karawansereien und andere Gebäude errichtet hatte.28 Nach der Zwangsemigration wurden seine Söhne zu Kalantars der neu errichteten armenischen Stadt Dschulfa, zuerst Chodscha Sarfraz (gest. 1618), der von seinen Zeitgenossen sogar für einen „armenischen König“ gehalten wurde 29, danach sein berühmter Bruder Chodscha Nazar (gest. 1636). Pstikała Schahichasēnc’ ist eines der berühmten Enkelkinder von Sarfraz, der Sohn von Melik’ała, Xačik, der unter seinen Zeitgenossen vielmehr unter dem Beinamen „Pstikała“ bekannt war.30 Der dritte Unterzeichner der Vollmacht ist Ałap’iri Dschachat’unēnc’. Diese Familie war auch in den 1660er-Jahren eine der reichsten und bedeutendsten Chodscha-Familien von Dschulfa. Aber bisher sind keine weiteren Angaben über sie bekannt. Die vierte Unterschrift ist jene des Margar Schahrimanenc’i. Die Schahrimaneans waren die Anführer der katholischen Armenier von Dschulfa und spielten eine bedeutende Rolle im Bereich des Außenhandels des Iran. Es war Zak’ar, der Bruder von Margar Schahrimanean, der einige Jahre vor dem Abschluss des armenisch-russischen Vertrages den berühmten Diamantenthron und andere wertvolle Waren nach Russland gebracht hatte. In einem Dokument aus dem Jahr 1600 steht geschrieben, dass die zahlreichen Agenten der Schahrimaneans „wegen der Handelsangelegenheiten und mit dem Ziel, wertvolle Stoffe jeglicher Art zu erwerben, in alle Länder fahren“31. Die Schahrimaneans besaßen in Isfahan 50 Diener und ihre Handelstätigkeit entfaltete sich derart, dass sie dafür Hunderte von Agenten beschäftigen mussten.32 28 Tēr-Avetisean, S. V.: ǰuła K’ałk’ə [Die Stadt Dschulfa]. Tiflis 1937, 32 – 37. 29 Auf seinem Grabstein finden sich die Worte: „O mein unvergleichlicher Chodscha, der ein armenischer König war, dein Name ist Safraz, ein schneller mächtiger Richter …“ Tēr-Yovhaneanc, H.: Patmowt’iwn Nor ǰułayu Or Yaspahan [Die Geschichte von Neu-Dschulfa in Isfahan]. Bd. 1. Nor ǰułay 1880, 91. 30 Da H. Tēr-Hovhaneanc keine vertraulichen Quellen zur Verfügung hatte, konnte er die Genealogie der berühmten Sarfrazean oder Schahichasēnc Familie nicht rekonstruieren. Diese Lücke wurde von H. Kiwrtean erfolgreich in seinem Artikel „ǰułayec’i xoǰa Nazar e wir əntanik’ə“ [Der Dschulfaer Chodscha Nazar und seine Familie] (Post’ən 1943) geschlossen, in welchem er von wertvollen Erinnerungsschriften zahlreicher armenischer Handschriften Gebrauch machte, die an verschiedenen Orten aufbewahrt werden. Leider waren ihm die Erinnerungsschriften der Handschrift Nr. 201 vom Maštoc Matenadaran nicht bekannt, in denen (verfasst 1660) konkrete Angaben über diese Familie enthalten sind. Es wird deutlich, dass Chodscha Sarfraz Söhne mit den Namen Vatan, Melikała, Fřankigul, Sultanum und Dschalal hatte; die Namen der Söhne von Chodscha Nazar waren: Sarfraz, Ēliaz und Haykaz. Matenadran Handschrift Nr. 201, 612b. 31 Armjano-russkie otnošenija v XVII veke (wie Anm. 4), 25. 32 Gulbenkian, Philippe de Zagly (wie Anm. 19), 366. Er verweist auf: A Chronicle of the Carmelites in Persia and the Papal Mission of the XVIIth and XVIIIth Centuries. Hg. v. Herbert Chick. Bd. 2.

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Die Klärung der Frage der Identität der 23 Unterzeichner der Vollmacht und ihrer Rolle im wirtschaftlichen Leben Neu-Dschulfas ist mit großen Schwierigkeiten verbunden. In diesem Artikel halten wir die Klärung dieser schwierigen Frage jedoch für außerhalb unseres Erkenntnisinteresses und werden nur noch einigen ausgewählten Personen unsere Aufmerksamkeit schenken. Der sechste und der achte Name der Unterzeichnenden sind jene der Vertreter der zwei Zweige der Familie Gerak’enc’, die auch unter dem Familiennamen Mirman-Gerak’ bekannt waren und eine wichtige Rolle in Venedig, Livorno und anderen Orten spielten. H. TērHovhaneanc’ schreibt über die Tätigkeit eines der beiden, dass „er seine Handelstätigkeit in Europa und in Astrachan’ und Gilan verbreitet hatte“. Hier hatten die Unterzeichnenden Chodscha Zak’ar und dessen Bruder Əmprumała ebenfalls viele Agenten. 1682 gewährten sie dem Kaufmann Hovhannēs Tēr-Dawt’ean Kredit, der mit anderen Agenten seiner Aghas in Indien, Nepal und Tibet Handel trieb.33 Die armenische katholische Familie von Amirasat’enc’ Grigor war mit den Schahamireans eng verbunden. Eins seiner Enkelkinder, das den Namen des Großvaters trug, hatte sich in den 1640er-Jahren in Moskau etabliert und war im Edelsteinhandel tätig.34 Die näheren Verwandten von Łukas Dschamalenc’ waren Ende des 17. Jahrhunderts Besitzer eines enormen Reichtums geworden. Berühmt war besonders der Sohn von ­Hovhannēs Dschamalenc’, Hovhandschan, mit dessen Mitteln 1701 der Glockenturm des Klosters Amenap’kič’ gebaut wurde. In der dort eingravierten Inschrift wird dieser Chodscha mit dem folgenden Titel gelobt: „Der Herr der Herren, der adeliger Herkunft und prächtiger Ehre ist und einem Fürsten gebührende Güter und Besitztümer hat.“35 Die Familie von Karapet K’ařasmankanc’ war ebenfalls für ihre Pracht und ihren Reichtum bekannt. Der Überlieferung nach entstand der Name dieser Familie dadurch, dass einst unter ihrem Dach vierzig Kinder lebten.36 Berühmt waren auch die Mitglieder des Hauses Lusikenc’. Grigor Lusikenc’ war einer der Repräsentanten, die im Auftrag der Dschulfaer Armenier den armenisch-russischen Vertrag unterschrieben, sowie derjenige, der die zweite Phase der Verhandlungen allein führte. 1692 treffen wir zwei Mitglieder derselben Familie, Marut’ und Esaji, in Kalkutta 37, und in den 1740er-Jahren einen gewissen Grigor, den Sohn von Hovhannēs, dessen Familienname Apovenc’ war, in Amsterdam. Sehr wahrscheinlich handelte es sich bei diesem um einen

London 1939, 451. 33 Xač’ikean, L.: Yovhannēs ǰułayec’u Hašowteowmarə [Das Kontobuch von Hovhannēs von Dschulfa]. In: Armeniaca. Mélanges d’Études Arméniennes. Venetik 1969, 244 – 252. 34 Matenadaran, Handschrift Nr. 6240, 39a. 35 Tēr-Yovhaneanc, Patmowt’iwn (wie Anm. 29) Bd. 2, 5. 36 Tēr-Yovhaneanc, Patmowt’iwn (wie Anm. 29), Bd. 1, 149. 37 Yovhannēs Tēr Dawt’eani hašowematean [Das Kontobuch des Hovhannēs Tēr Dawt’ean]. Die Handschrift wird in der Nationalbibliothek von Lissabon unter der Nummer 7970 aufbewahrt. Im ­Matenadaran befindet sich eine Fotokopie dieses Kontobuches.

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der Enkel von Apov Lusikenc, was bedeutet, dass sich diese Familie verzweigt und in den Handelszentren Europas und Asiens weit verbreitet hat.38 Es wird also ersichtlich, dass im Rücken der Gesandten, die nach Russland (und auch in andere Länder) geschickt wurden, die führenden Personen der größten Handelsfamilien dieser armenischen Stadt standen, mit anderen Worten, die Hauptvertreter des Kapitals der Chodschas. Doch gibt es keinen Hinweis dafür, dass diese in einem großen Handelsunternehmen vereinigt gewesen und als Vertreter einer Handelskompanie, die den europäischen Handelskompanien ähnelte oder nach Grundsätzen einer Aktiengesellschaft ins Leben gerufen worden war, aufgetreten wären. In seiner Untersuchung der Probleme der Struktur der Handelsgesellschaften im mittelalterlichen Europa kam F. Engels zu der Schlussfolgerung, dass letztere unter dem Einfluss der Gemeinde ins Leben gerufen wurden, deren traditionelle Formen sie erbten.39 Dieser Befund ist auch vielversprechend für die Untersuchung der Verwaltungskörperschaften und der Führungsorgane des wirtschaftlichen Lebens der Handelssiedlungen, das heißt der Städte und Kreisstädte der orientalischen Länder. Wenn man das armenische Milieu in Betracht zieht, kann man schlussfolgern, dass auch Neu-Dschulfa, ähnlich allen armenischen Städten und Kreisstädten, die in den internationalen Warenaustausch eingebunden waren, in ihren inneren Angelegenheiten autonom waren, sogar dermaßen, dass manche Europäer sie für eine „kleine Republik“ hielten.40 So war Dschulfa auch vor der großen Deportation, in seinem ursprünglichen Gebiet, am Ufer des Flusses Arax gelegen. In der Erinnerungsschrift einer Predigtsammlung, die 1595 in Alt-Dschulfa kopiert wurde, steht geschrieben: „Und nun, dieses von Gott gesprochene Buch wurde in der Hauptstadt (Metropole) Dschulfa, die die Zuflucht und der Stolz des Hajkazean Geschlechtes ist, vollendet und abgeschlossen.“41 Der Schreiber berichtet, dass die Einwohner der Stadt den Schöpfer nicht um die Bewahrung ihrer „Hauptstadt“ anflehten und dass er diese Handschrift in jener Zeit kopiere, „in der Herr Sult’anavalun Melik von Dschulfa war“. Es gibt viele Belege dafür, dass das Amt eines Meliks wählbar war. Zak’aria Agulec’i zum Beispiel notierte in seinem Tagebuch, wer zu jener Zeit, in welcher er die jeweilige Information niederschrieb, Melik seiner Heimatkreisstadt Agulis war.42 Dass dieses Amt 38 Matenadaran, Handschrift Nr. 6240. 39 Sokolov, N. P.: Gino Luzzatto. Studi di storia economica veneziana. Padova 1954, 310, VI p. In: Srednie Veka 10 (1957), 263. 40 De-Chinon, der sich zur Mitte des 17. Jahrhunderts in Neu-Dschulfa aufhielt, schrieb zum Beispiel die folgenden Zeilen: „Der König hatte die Regierung dieser kleinen Republik dem armenischen Chodscha Safar gegeben, und dann seinem Bruder, dem Vater ihres jetzigen Leiters Chodscha Nazar.“ Garswell, John: New Julfa, Armenian Churches and Other Buildings. Oxford 1968, 78. 41 Tēr-Awetisean, S.: C’uc’ak Hayerēn jeṙagrac’ Nor ǰułayi Amenap’rkič’ Vank’i [Liste der armenischen Handschriften des Klosters Amenaprkič von Neu-Dschulfa]. Vienna 1970, 271. 42 Zakaria Agowlec’ow Ōragrowt’iwnə [Das Tagebuch von Zakaria Aguleci]. Erewan 1938. Wir zitieren einige Aufzeichnungen: „Im Jahr ŘČŽG (1664) … war der Melik von Agulis Badaliǰ Schahnazar“

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wählbar war, wird in zahlreiche Originalquellen deutlich. So berichtet derselbe Zak’aria in einer Aufzeichnung aus dem Jahr 1673, dass in jenem Jahr Agulis aufgrund eines Streits zwischen zwei Vierteln der Stadt zwei Meliks hatte. Die Einwohner des unteren Viertels schlugen die Kandidatur des K’urdoc’ Alek’san vor, die Einwohner des oberen Viertels jene des Ōvi: „So wurden sie in zwei Teile geteilt, und es gab viel Lärm darum.“43 Auch das Amt der Dorfschulzen-Meliks war wählbar. Wir haben Information darüber, wie die Einwohner von K’anak’eř einmütig einen gewissen Amirǰan, der einer aus ihrem Dorf war, zum Dorfschulzen wählten: „Alle Dorfbewohner einigten sich und sagten: ‚Lasst uns diesen zum Dorfschulzen wählen, vielleicht zügeln wir dadurch seinen Stolz.‘ Und sie taten so und wählten ihn zum Dorfschulzen von K’anak’eř“, so der kundige Historiker.44 Einigen Angaben zufolge sandte der Schah einen speziellen staatlichen Beamten, den Kalantar, der in stadtähnlichen Gemeinden, neben dem von der Gemeinde gewählten Melik, der Vertreter des Staates war und die Eintreibung der Steuer und anderes überwachte. In den meisten Fällen aber wurde das Amt des Kalantars in armenischen Handelszentren durch eine spezielle Urkunde des Schahs dem Melik, der von der Gemeinde gewählt wurde, verliehen. In Agulis war Schahna­ zar zum Melik und gleichzeitig zum Kalantar gewählt worden. Im Jahre 1678 sandten die Einwohner von Agulis und Dascht mit einem speziellen Vertrag ihren neu gewählten Melik Ōvi aus, um für ihn auch das Amt eines Kalantars zu erlangen.45 Das Amt des Meliks und des Kalantars war auch in Dschulfa vereinigt. Vor der Deportation bekleidete dort der schon erwähnte Chodscha Xač’ik aus dem Geschlecht Schahichasēnc’, der von Schah Abas 1580 eine spezielle Urkunde über das Recht auf freien Handel erhalten hatte, das Amt des Kalantars. Sein erhalten gebliebenes Kreuzsteingrabmal trägt die folgende Inschrift: „Das Heilige Kreuz ist Fürsprecher bei Christus für den großen und berühmten Bürgermeister Chodscha Xač’ik.“46 Nach der Gründung Neu-Dschulfas wurden dessen Söhne, zuerst Chodscha Safraz, dann sein berühmter Bruder Nazar, Kalantars dieser neuen armenischen Stadt. Nach diesen mächtigen Chodschas aus dem Geschlecht der Safrazean, die viel Einfluss am iranischen königlichen Hof besaßen und das Amt des Bürgermeisters der Stadt als erbliches Eigentum über drei oder vier Generationen hinweg innehatten, wurden Vertreter anderer Geschlechter nach dem Willen und der Wahl der Chodschas, die in der Gemeinde gewichtig waren, zu Kalantare. Diese Kalantare wurden wahrscheinlich auch wegen ihrer guten Eigenschaften und organisatorischen Begabungen gewählt.

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(S. 70), „Im Jahr ŘČŽĒ (1668) war der Melik von Agulis Melik-Manuēl“ (S. 78), „Im Jahr ŘČŽƏ (1669) … in diesem Jahr hatte Agulis keinen Melik“ (S. 80), „Im Jahr ŘČI (1671) … in diesem Jahr war der Melik von Agulis der Sohn des Kurdanc Sargawak (Diakon) Aleksan“ (S. 112) etc. Ebd., 119. Zakaria Sarkawagi Patmowt’iwn [Die Geschichte des Zakaria Sarkawag]. Bd. 2. Vałaršapat 1870, 1 f. Zakaria Aguleci berichtet, dass 1678, „da sie auch früher keinen eigenen Kalantar für Agulis und Dascht wollten, derjenige, der Melik von Agulis und Dascht wird, auch Kalantar werden sollte“. Zakaria Agowlec’ow Ōragrowt’iwnə (wie Anm. 42), 139. Ter-Avetisjan, S. V.: Gorod Džuga [Die Stadt Dschulfa]. Tbilisi 1937, 32, 37.

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Der erste Name auf der Liste der Unterzeichner der dem Lusikov ausgestellten Vollmacht war also, wie bereits bemerkt, jener der, wie es in der Quelle heißt, „gewählten Person“ („vybornyj čelovek“), des Kalantars des Jahres 1671, Astuacatur Mirit’enc’, der seinem Familiennamen zufolge ein Vertreter einer nicht sehr bekannten Familie war. Seinen Platz in der Liste der Unterzeichner hatte ferner der Vertreter der Handwerkerklasse der Stadt, der Ustabaschi (d. h. Hauptmeister) Hakobǰan. Wie bekannt spielten die Personen, welche das wählbare Amt eines Ustabaschi bekleideten und für die staatlichen Organe die Führer der städtischen Handwerksgilden waren, im sozioökonomischen Leben der mittelalterlichen Städte des Nahen und Mittleren Ostens eine bedeutende Rolle. Das Amt des Ober-­Ustabaschi entschied in Fragen des allgemeinen Interesses, schlichtete innere Streitigkeiten und war vermutlich auch an der Verteilung und Eintreibung der Abgaben und Steuern beteiligt.47 So werden die amtlichen Positionen von zwei der 23 führenden Personen der Gemeinde von Neu-Dschulfas, die des Kalantars und die des Ustabaschi, deutlich. Es versteht sich für uns von selbst, dass die restlichen 21 Unterzeichnenden Vertreter der reichen ChodschaFamilien Neu-Dschulfas waren. Wenn wir die Geschichte der Gründung Neu-Dschulfas und das System der Viertel dieser Stadt untersuchen, so können wir feststellen, welche Ämter diese 21 Personen im Rahmen der Selbstverwaltung der armenischen Stadt bekleideten. Der brutale iranische Herrscher Schah Abas, dessen Plan die Verwüstung der wohlhabenden Provinzen des östlichen Armeniens war, hatte besondere Bedingungen für die Armenier von Dschulfa und generell für in den Städten lebende Armenier geschaffen. Nach ihrer Umsiedlung in die neue Hauptstadt Isfahan erhielten die ehemaligen Einwohner Alt-Dschulfas ein eigenes Grundstück, auf welchem sie ihre neue Siedlung errichteten und ihr den Namen ihres früheren Heimatortes Dschulfa gaben. In den 1650er-Jahren wurde diese armenische Stadt durch neue Viertel erweitert, in welchen sich ehemalige Einwohner der Städte E ­ riwan, Dascht, Gask und Täbris, die zuvor in Isfahan gelebt hatten, ansiedelten. Diese neuen Viertel wurden jedoch nicht administrativ mit Neu-Dschulfa vereinigt und unterstanden nicht dessen autonomen Verwaltungsorganen, sondern sie existierten jahrzehntelang als selbständige Gemeinden.48 Die Anlage Neu-Dschulfas verlief nach einem gewissen Entwurf; 47 Eliazarov, S. A.: Issledovanie po istorii učreždenij v Zakavkaz’e [Untersuchung der Geschichte der Einrichtungen im Südkaukasus]. Bd. 2: gorodskie cechi. Kazan’ 1891, 267 – 328. 48 In dieser Hinsicht ist eine Erinnerungsschrift einer Handschrift aus dem Jahr 1702 interessant: „Dieses heilige Buch, das Agathangelos heißt, wurde abgeschlossen, es ist dort geschrieben worden, in der Stadt Šōš, welche ist Isfahan, im Dorf Neu-Eriwan, am Tor des heiligen Amenaprkič, durch die Hand des törichten und unreinen Schreibers, des Pfarrers Xačatur.“ Eganean, Ō.: C’uc’ak jeṙagrac’ Niw-Eork’abnak Y. Hazareani [Liste der Handschriften des in New York wohnhaften J. Hazarean]. Handschrift Nr. 60, unveröffentlicht. In Urquellen treffen wir oft auf verschiedene Persönlichkeiten aus Dschulfa, auf die Jerewanci („von Jerewan“, so zum Beispiel Oskan Jerewanci), die Daschteci (etwa Stepanos Daschteci) etc., welche aber weder direkt aus Eriwan noch direkt aus Dascht (eines der zwei Viertel von Agulis) stammten, sondern in den gleichnamigen Siedlungen geboren wurden, welche in der Nähe von Neu-Dschulfa erbaut worden waren.

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so verfügte die Stadt über eine Hauptallee sowie Straßen und Siedlungen, die diese Hauptallee kreuzten. Letztere erstreckte sich in gerader Linie von Ost nach West (über eine Länge von 3276 und eine Breite von 16 Schritten) und wurde nach dem berühmten Kalantar der Stadt, dem Chodscha Nazar, Nazari Xiavan genannt. Auf dieser Allee befanden sich zahlreiche Läden und Werkstätten.49 Auf der Westseite der zweigeteilten Allee, welche Safrazeanc’ Duř (Tor des Safrazean-Geschlechtes) hieß, hatten sich die a­ rmenisch-apostolischen Armenier angesiedelt, während die Ostseite, die Schahrimaneanc’ Duř, zum Viertel der römisch-katholischen Armenier wurde. Vom Fluss Zandarud nach Süden verliefen zehn geradlinige und breite Straßen, die sich, nachdem sie Nazari Xiavani kreuzten, in zwanzig Abschnitte teilten (je zehn rechts und links der Allee). Jede dieser Straßen, die ihr jeweiliges Eingangstor hatte, wurde für ein eigenes Viertel gehalten und nach je einem der berühmten Einwohner der Stadt benannt: „Tasnak“ [abgeleitet vom Wort „Zehn“] dieser oder jener Person. Dieses Tasnak-System, ein Erbe der mittelalterlichen armenischen Dorfgemeinde mit jahrhundertlanger Tradition, lag auch der strukturellen Organisation der armenischen Städte zugrunde. Die Hauptaufgabe der Tasnaks in den Dörfern war die Verwaltung von Land und Wasser, welches der Gemeinde gehörte, wie auch die Verteilung von Steuern und Abgaben auf die Familien, die dem Tasnak angehörten. Die „Leiter“ oder „Ältesten der Tasnaks“, die „Tasnakawagner“ (so wurden, wie wir weiter unten sehen werden, die Leiter der Tasnaks in den Dokumenten von Neu-Dschulfa genannt), hatten ihren festen Platz in der Leitung der Gemeinde und waren nach dem Dorfschulzen (dem Dorfältesten – Gełĵawag) die angesehensten Personen, die auch administrative Rechte innehatten.50 Das Amt des Bezirksbürgermeisters und Ältesten eines Tasnaks war ebenfalls wählbar. Bekleidet wurde es stets von Vertretern der reichen Familien des jeweiligen Viertels (Bezirks), die die entsprechende Unterstützung der weltlichen und kirch­ lichen Oberschicht, die alle Angelegenheiten der Gemeinde verwaltete, erhielten. Darüber hat Zak’aria Agulec’i geschrieben, der anstelle des Terminus „Tasnakawag“ („Ältester eines Tasnaks“) die Bezeichnung „Tanutēr“ („Dorfschulze“) wie auch den türkischen Terminus „Ałsaxkal“ gebrauchte. Er berichtet, dass über mehrere Jahre der Tanutēr (Schulze) oder Ałsaxkal des Viertels Dascht von Agulis eine sehr berühmte Person war, nämlich der Młdsi [d. h. Jerusalempilger] Melk’um, Gefährte und Kandidat des Abtes des Klosters des Apostels Thomas. Die Einwohner von Dascht entfernten jedoch Melk’um gegen den Willen des Abtes aus seinem Amt und wählten an seiner statt einen gewissen Azar, Sohn des Tēr

49 Der armenische Ašuł Bałer Ōłli aus Dschulfa schrieb die folgenden Zeilen über Nazari Xiavani: „Die Allee ist geradlinig, Der Basar von Dschulfa ist ein sauberer Laden, die Menschen sind liebenswürdig, die mit goldener Uhr auf Ałin sitzen.“ Tēr-Yovhaneanc, Patmowt’iwn (wie Anm. 29), Bd. 1, 172. 50 Eliazarov, S. A.: Issledovanie po istorii učreždenij v Zakavkaz’e [Untersuchung der Geschichte der Einrichtungen im Südkaukasus]. Bd. 1: Sel’skaja obščina. Kazan’ 1889, 110 – 120; Chanlarjan, L. A.: K charakteristike armjanskoj derevni doreformennogo perioda: 40 – 60-e gody XIX v. [Über die Beschreibung des armenischen Dorfes in der Zeit vor der Reform (1740 – 60er-Jahre)]. In: Istoričeskie Zapiski 58 (1956), 162.

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Margar, zum Tanutēr. Aus diesem Grund entwickelte sich ein langer Kampf zwischen den beiden gegnerischen Parteien.51 Über die „Tasnakawag“-Bezirksbürgermeister von Neu-Dschulfa berichten auch europäische Quellen. So heißt es in einer Quelle, dass „sie [d. h. die Einwohner von Neu-Dschulfa] ihren Kalantar oder Bürgermeister und ihre K’eałxudas oder Ältesten der Viertel [t’ałapet – auch „Bezirksbürgermeister“] haben, die das Recht haben, über alle einfachen Streitigkeiten Urteile zu fällen. Die wichtigeren Fragen müssen vom König oder vom Staatsrat geklärt werden, und die Entscheidungen werden vom Bürgermeister oder von den Bezirksbürgermeistern vollstreckt.“52 Wenn wir die uns überlieferten schriftlichen und ethnografischen Quellen miteinander vergleichen, so können wir die Haupttätigkeitsbereiche des Ältesten eines Viertels oder Bezirksbürgermeisters umreißen. In erster Linie waren diese feste Mitglieder der autonomen Verwaltungskörperschaft der armenischen Stadt und nahmen selbstverständlich an allen Versammlungen teil, auf denen über die wichtigen Probleme des inneren Lebens der Stadt diskutiert wurde. Die Streitigkeiten und Unstimmigkeiten, die unter den Einwohnern eines Viertels entstanden waren, wurden zuerst durch die Entscheidungen der „Tasnakawags“ beseitigt.53 Eine ihrer Hauptaufgaben war das Verteilen der staatlichen Steuer wie auch der außerordentlichen Abgaben, die aus verschiedenen Anlässen von den Herren eingetrieben wurden, auf die im jeweiligen Viertel wohnenden Familien je nach ihren materiellen Möglichkeiten. Zu diesem Zweck wurden in jedem Viertel Versammlungen einberufen, die oft Schauplätze heftiger Auseinandersetzungen waren. Die wohlhabenden und einflussreichen Einwohner eines Viertels setzten alles daran, die ihnen auferlegte Steuer zu reduzieren.54 Beleg dafür, dass die „Tasnakawags“ selbst die Steuern eintrieben und in die Staatskasse einzahlten, sind einige erhalten gebliebene Quittungen oder Empfangsbescheinigungen, die 1743 – 1745 von einem gewissen Hovhannēs, welcher der Älteste eines Tasnaks war (welches Tasnaks ist nicht überliefert), ausgestellt worden waren. Er bestätigte mit diesen Dokumenten den Erhalt der Steuer des „Mal“ und des „Mut’mamiš“ von der Familie des Kalantars Nazar oder dessen drei Söhnen.55

51 Zakaria Agowlec’ow Ōragrowt’iwnə (wie Anm. 42), 77 f. Wichtige Informationen enthalten die erwähnten Schriften von Zakaria Aguleci und Zakaria Sarkawag über die zwischen den Gemeindemitgliedern und den wählbaren Leitern (Melik und Tanuter) entstandenen Unstimmigkeiten und Kämpfe wie auch über das Recht, von ihnen Rechenschaft zu verlangen und sogar den Missetäter aus seinem Amt zu entfernen und zu bestrafen. Zakaria Sarkawagi Patmowt’iwn (wie Anm. 44), 2; Zakaria Agowlec’ow Ōragrowt’iwnə (wie Anm. 42), 153. 52 De Bruyn, Cornelius: Travels into Moscovy, Persia and Part of the East Indies. London 1937, 225; Garswell, New Julfa (wie Anm. 40), 78. 53 Darüber gibt es, außer dem oben erwähnten Werk von Cornelis de Bruyn, beachtenswerte Materialien im folgenden Werk: Petrosean, Pōłos: Nor ǰułayi Naxkin Bnakič’neri Keank’ə [Das Leben der früheren Einwohner von Neu-Dschulfa]. Nor ǰułay 1974. 54 Ebd., 17 – 19. 55 Das Britische Museum bewahrt fünf solcher Empfangsbescheinigungen unter den Nummern Landsowne 1047 und 1048 auf (das Matenadaran verfügt über Fotos dieser Unterlagen). Wir zitieren zwei

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Des Nachts wurden die Tore der Viertel geschlossen. Die Einwohner dieser Viertel bildeten nach einer gewissen Reihenfolge Wächtergruppen, deren Pflicht es war, bis zur Morgendämmerung in ihrem Stadtviertel zu patrouillieren und jeden Unfall und jeden Diebstahl zu verhindern. Die Wächter hatten zudem den Befehlen der ihnen übergeordneten Personen Folge zu leisten. Dieser Wachdienst gewann besonders dann an Bedeutung, wenn die Hauptstadt des Iran zum Schauplatz von Kriegsereignissen wurde.56 Eine der Pflichten eines Tasnakawags war auch die Kontrolle der organisatorischen Arbeiten für die Verteidigung des Viertels. Alle Viertel Neu-Dschulfas besaßen in ihrem Inneren gut gepflegte Gärten, worüber wir Angaben in den Quellen finden. Folglich war es eine der primären Pflichten der autonomen Körperschaften der Stadt, für die Organisation und den ungestörten Verlauf der Wasserversorgung zu sorgen. Der Puls des wirtschaftlichen Lebens von Neu-Dschulfa war eng mit dem Außenhandel verbunden. Die berühmten Chodscha-Familien trieben, zusammen mit ihren zahlreichen Agenten, Handel mit vielen Hauptstädten asiatischer und europäischer Länder. Gegenstand ihrer täglichen Sorge waren daher die komplexen Probleme der Sicherheit der Land- und Seewege, die sich von der iranischen Hauptstadt in fremde Länder erstreckten, und die Festlegung ihrer Einstellung zu den Handelsgesellschaften, die aus dem Ausland in den Orient drangen. Wahrscheinlich wurden auch Probleme dieser Art auf den regelmäßig unter der Leitung des Kalantars einberufenen Versammlungen, an denen auch die Ältesten der Tasnaks teilnahmen, gelöst. Der katholische Missionar Piromalli, der zur Mitte des 17. Jahrhunderts mehrere Jahre lang in Armenien seine missionarische Tätigkeit entfaltet hatte, betonte in seinen Aufzeichnungen den großen Einfluss, den die Einwohner von Dschulfa im Leben der armenischen Kirche und in Bereichen des kulturellen Lebens hatten: Sie „sind imstande, nach ihrem Wunsch jeglichen Archimandriten, Bischof, oder sogar Katholikos abzusetzen“.57 Und wirklich finden sich in den historischen Quellen zahlreiche Belege, die diese Information bestätigen. Ohne Zweifel fanden viele Fragen der armenischen Kultur und Kirche so wie auch Fragen von gesamtarmenischer Bedeutung ihre Lösung mit der von ihnen: „Im kleinen Jahr AČHT (1744) erreichte mich, den Tasnakawag Hovhannēs, das ­Mutmamiš [d. h. die Steuer der Familie] des Kalantar Nazar G (T’uman) BŘ Dian, dessen Hälfte ist: A (Tuman) ZŘ Dian.“ British Library, Nr. 1048, 30. „Im kleinen Jahr AČL (1745) erreichte mich, den Tasnakawag Hovhannēs, das Saršmar Mal [die Steuer] der drei Söhne des Kalantars Nazar, das TŘ Dian beträgt.“ British Library, Nr. 1048, 30. 56 „30 Reiter und 10 – 20 Infanteristen brachen ins Haus eines reichen Stoffhändlers ein, erschlugen ihn mit dem Schwert und rissen den Bauch des Reichen auf und nahmen alle Waren mit […], die Einwohner von Dschulfa bewachen jede Nacht ihre Häuser und schlafen nicht, so sollst du wissen“, so Ełia in einem seiner Briefe. Ełia Karnec’ow Diwanə [Das Archiv (Diwan) von Ełia Karneci (von Karin)]. Erewan 1968, 30. 57 Amatuni, Bischof Karapet: Oskan Vardapet Erewanc’i ew lwr Žamanakə [Oskan Vardapet von Erewan und seine Zeit]. Venetik 1975, 119.

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Kenntnis und durch die Anordnungen der leitenden Körperschaften der armenischen Gemeinde von Dschulfa. Auf diese Weise kamen die Ältesten der Tasnaks von Neu-Dschulfa, die ihr jeweiliges Tasnak repräsentierten, mit dem Kalantar zusammen, um alle wichtigen Probleme, die die Stadt betrafen, zu beraten. Einigen bedeutenden Dokumenten zufolge, die H. Tēr-Hovhaneanc’ zur Verfügung standen und die heute im Kloster Amenap’rkič’ in Dschulfa aufbewahrt werden, bestand Neu-Dschulfa aus zwanzig Tasnaks. Deren Namen wurden von den Tasnakawagnern der jeweiligen Viertel abgeleitet und nach jedem Wechsel in der Leitung des Tasnaks geändert. 1735 forderten die autonomen Körperschaften von Neu-Dschulfa die Einwohner aller Tasnaks dazu auf, ihr schriftliches Versprechen zu geben, es keiner ortsfremden Person, sei er Archimandrit (Vardapet), Priester, Duk’andar (Ladenbesitzer), oder anderes, zu erlauben, in ihrem Viertel zu übernachten. H. Tēr-Yovhaneanc’ untersuchte die Originale dieser Versprechen aus Tasnak T’ałvalēnc’ und anderen und konnte so eine Liste der Namen der im Jahre 1735 existierenden Tasnaks erstellen. Es waren dies: 1) Dilak’ēnc’, 2) Mec Xōǰēnc’, 3) Firmsēnc’, 4) Gilanēnc’, 5) Bałramēnc’, 6) Awagēnc’, 7) Mirmanēnc’, 8) Zēk’ēnc’, 9) Israyēlēnc’, 10) Fanosēnc’, 11) T’op’č’enc’, 12) Dschaxat’unēnc’, 13) Łōšłarēnc’, 14) T’ašvalēnc’, 15) Ałiǰanēnc’, 16) Tēr Ananēnc’, 17) Mušełēnc’, 18) Łaraǰanēnc’, 19) AwagEganēnc’ und 20) Dawt’ēnc’.58 Im selben Werk findet sich eine weitere Auflistung. Es handelt sich um die vom Oberhaupt Neu-Dschulfas, dem Bischof Mkrtič’, in den 1770er-Jahren durchgeführte Zählung der Einwohner. Hier sind die Namen der Vororte und der Tasnaks zusammen mit der jeweiligen Zahl der männlichen Bewohner, „sowohl Priester als auch Laien“, wie in der ersten Zeile vermerkt, angeführt.59 (1) Eriwan (Tasnak) – 199, (2) Gaskn – 6, (3) Tavrize’ik und Daštē – 136, (4) T’ōp’č’ēnc’ – 5, (5) Mušełēnc’ – 29, (6) Tēr Ananēnc’ – 24, (7) Dschaxat’unēnc’ – 34, (8) Xōǰay Nazarēnc’ – 70, (9) Awag Danēnc’ – 59, (10) Azazǰanēnc’ – 49, (11) Israyelēnc’ – 73, 58 Tēr-Yovhaneanc, Patmowt’iwn (wie Anm. 29), Bd. 1, 40, 42. 59 Allerdings darf man die Möglichkeit nicht ausschließen, dass mit den angegebenen Zahlen nicht die Zahl der männlichen Einwohner, sondern jene der im jeweiligen Viertel lebenden Familien oder Häuser angegeben wurde.

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(12) Mirmanēnc’ – 45, (13) Gilanēnc’ – 28, (14) Dilak’ēnc’ – 58, (15) Zēk’ēnc’ – 50, (16) K’ōč’ern und Davřabał – 75, (17) Babay P’anosēnc’ – 44, (18) T’ałvalēnc’ – 34, (19) Bałramēnc’ – 65, (20) Łaradanēnc’ – 103, (21) Firmsēnc’ – 80, (22) Łōšłarēnc’ – 70, (23) T’ōp’č’ēnc’ – 46, (24) Č’arsun – 135. Dies ergibt eine Anzahl von 1.517 Männern oder Schulzen. Um die Anzahl der Tasnaks festzustellen, ist es nötig, die unter den Nummern 1, 2, 3 und 16 angeführten Viertel auszuschließen, da sich diese, wie weiter oben erwähnt, nicht in Neu-Dschulfa befanden, sondern eigenständige Siedlungen mit eigener Verwaltung waren. So ergibt sich eine Zahl von 20 Tasnaks. 16 der 20 angeführten Namen der Tasnaks stimmen mit jenen der Liste aus dem Jahr 1735 überein.60 Demzufolge sind die folgenden Positionen der ersten und der zweiten Liste identisch: 3 – 21, 4 – 13, 5 – 19, 6 – 9, 7 – 12, 8 – 15, 9 – 11, 10 – 17, 11 – 4 (oder 23), 12 – 7, 13 – 22, 14 – 18, 15 – 10, 16 – 6, 17 – 5 und 18 – 20. Aus der Feststellung der Anzahl und der Bezeichnungen der Tasnaks anhand der Listen von 1735 und der der 1770er-Jahre ergibt sich die Schlussfolgerung, dass jene Personen, die das Dokument, welches die Reichen der Gemeinde Neu-Dschulfa 1671 den russischen Mächten vorlegten, unterschrieben und mit ihren Siegeln bestätigt haben, neben dem Kalantar und dem Ustabaschi, die Ältesten der Viertel oder Tasnakawagner von NeuDschulfa waren. Zwischen 1671 und 1735 liegen 64 Jahre, in welchen sich im wirtschaftlichen Leben Neu-Dschulfas freilich viele Veränderungen vollzogen. In den Jahren der zerstörerischen Feldzüge und der brutalen Herrschaft der Afghanen verließen viele wohlhabende Familien ihre Heimatstadt und ließen sich in den berühmten Zentren Indiens, des Irak, Russlands und Europas nieder. Unter ihnen befanden sich höchstwahrscheinlich auch Personen, die 60 In der Liste des Jahres 1735 sind einige Namen mit der Endung „eanc“ angegeben. Wir haben alle Endungen: auf „ēnc“ vereinheitlicht. Dies entspricht der Mundart von Neu-Dschulfa (zum Beispiel: Mirmaneanc – Mirmanēnc). In vier Fällen gibt es kleine Unterschiede, die aber auf Schreibfehler oder Veränderungen, die im Laufe der Jahre stattgefunden haben, zurückgeführt werden können. Diese Unterschiede sind: Awageanc – Awagdanēnc (6 – 9), Panoseanc – Babay Panosēnc, Ałiǰaneanc – Azizǰanēnc, Łaraǰaneanc – Łaradanēnc.

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das Amt des Ältesten eines Tasnaks bekleideten. Anstelle dieser Familien konnten nun neue Familien hohe Positionen erlangen, Mittel akkumulieren und sich damit eine Stelle in den Körperschaften der autonomen Verwaltung der Stadt sichern. Doch trotz dieser Veränderungen ergibt der Vergleich der Listen der Jahre 1671 und 1735 gewisse Übereinstimmungen der Namen. So ist der dritte Unterzeichnende des Jahres 1671 Ałap’iri Dschaxat’unenc’. Eines der Viertel Neu-Dschulfas trug auch im 18. Jahrhundert den Namen Dschaxat’unēnc’-Tasnak und wird sowohl in der ersten (12. Zeile) als auch in der zweiten Liste (7. Zeile) erwähnt. Margar Šahrimanēnc’ ist der vierte Name auf der Liste der Unterzeichnenden. Die Vertreter des Hauptzweiges dieser berühmten Familie befanden sich schon in den 1730er-Jahren außerhalb von Neu-Dschulfa, jedoch wohnten dort noch die Mitglieder eines anderen Zweiges derselben Familie mit dem Familiennamen Bałramēnc’. Das Bałramēnc’-Tasnak wird in der ersten (5. Zeile) und auch in der zweiten (19. Zeile) Liste erwähnt. Nach einem anderen der Unterzeichnenden, Safar T’op’č’ēnc’, wurde später das gleichnamige Tasnak benannt. 1671 waren zwei Chodschas aus der Familie Gerak’enc’, Zak’ar und Awetik’, die Tasnakawagner von Neu-Dschulfa. Bekanntlich trug einer der Zweige dieser Familie den Namen Mirmanean. Ein Tasnak mit der Bezeichnung Mirmanēnc’ finden wir auch in den oben erwähnten Listen des 18. Jahrhunderts (Zeile 7 der 1. und Zeile 12 der 2. Liste). Das nach Minas Fanosēnc’ oder seinem Vater Fanos benannte Tasnak existierte noch im 18. Jahrhundert (Zeile 10 der 1. und Zeile 17 der 2. Liste). Dort lebten und bekleideten das Amt des Tasnakawag vermutlich die Nachfolger des Chodschas Minas. Ein Zweig dieser Familie sollte später eine wichtige Rolle in Neu-Dschulfa spielen und war unter den Namen Chodscha-Minasēnc’ oder Ēminazēnc’ bekannt. Es wurde also ersichtlich, dass jene Personen, die die Bevollmächtigung des Grigor Lusikov (Lusikenc’), der gesandt wurde, um im Namen der Gemeinde Neu-Dschulfa mit den russischen staatlichen Organen Verhandlungen zu führen, unterzeichneten, nicht – neben dem Kalantar und dem Ustabaschi – die leitenden Personen oder reiche Kaufleute irgendeiner (nicht existierenden) Handelskompanie waren, sondern jene, die zu dieser Zeit die Ältesten der zwanzig Viertel oder Tasnaks der armenischen Stadt Neu-Dschulfa waren.61 Nachdem wir zu dieser wichtigen Schlussfolgerung gekommen sind, müssen wir nochmals den Umstand betonen, dass der Vertrag des Jahres 1667, der eine große Bedeutung für die Festigung der armenisch-russischen wirtschaftlichen und später auch kulturellen und politischen Beziehungen hatte, sowie alle späteren Verträge (die verschiedene Punkte jenes bedeutenden Vertrages klärten) durch die Initiative der Führer der autonomen 61 Das Dokument unterschrieben aber nicht 20, sondern 21 Personen. Dieser Unterschied muss wahrscheinlich damit erklärt werden, dass außer den Ältesten der Viertel von Neu-Dschulfa auch der Schulz eines der neben Neu-Dschulfa erbauten Vororte, sehr wahrscheinlich des größten Vorortes Neu-Eriwan, unterzeichnete.

Der armenisch-russische Handelsvertrag vom Jahr 1667

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Körperschaften der armenischen Gemeinde von Neu-Dschulfa, des Kalantars, Ustabaschi und der Ältesten der Tasnaks, ins Leben gerufen wurde. Diese Schlussfolgerung widerlegt jene weit verbreitete Ansicht, der zufolge in den 1660er-Jahren in Neu-Dschulfa ein nach dem Muster der europäischen Ostindien-Kompanien geschaffenes mächtiges Handelsunternehmen existierte, das über das Recht verfügte, in seinem Namen mit den staatlichen Organen verschiedener Länder Verträge abzuschließen usw. Es waren die Führer der autonomen Körperschaften der armenischen Gemeinde von Neu-Dschulfa, der Kalantar, der Ustabaschi und die Ältesten der Viertel, die sich im Namen der Gemeinde sowohl mit den staatlichen Mächten des Iran als auch mit den staatlichen Organen anderer Länder in Verbindung setzten, gewisse Pflichten wahrnahmen, Vereinbarungen trafen, Verträge unterschrieben und anderes mehr. Übersetzt von Grigor Grigoryan

Zsolt Trócsányi

Die Rechtslage der Armenier in Transsilvanien während des Diploma Leopoldinum (1690 – 1848)* Ziel dieses Artikels ist, die Rechtslage einer der bekanntesten armenischen Ansiedlungen in Transsilvanien im Zeitraum von 1690 bis 1848 zu untersuchen. Eine Zeit, die in der Geschichte als Diploma Leopoldinum bekannt ist. Unserer Ansicht nach ist es genau der Zeitraum, der dem Forscher bei der Untersuchung der Rechtslage der Armenier in Transsilvanien die meisten Schwierigkeiten bereitet. In Transsilvanien lebten schon vor 1672 Armenier; zur Regelung deren Rechtslage w ­ urden schon früher verschiedene Maßnahmen getroffen. Einige dieser Maßnahmen haben wir bereits in einem anderen Artikel erwähnt.1 Die Existenz der Armenier in Transsilvanien brachte vor 1672 nur wenige öffentliche Rechtsprobleme mit sich. Dies änderte sich nach 1672, als die Ansiedlungen der Armenier gegründet wurden. Von 1672 bis 1690 gab es keine Regelung der Rechtslage der nach Transsilvanien emigrierten Armenier, daher müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf die 150 Jahre konzentrieren, die als Diploma Leopoldinum bekannt sind. Die Bezeichnung selbst entstand, als unter Leopold I. durch den Fürsten Michael I. Apafi von Transsilvanien der transsilvanischen Bevölkerung in einer Urkunde dieses Namens verfassungsmäßige Rechte gewährt wurden. Vor diesem Hintergrund ist die rechtliche Situation der Armenier in Transsilvanien zunächst vor 1672 und dann in den Jahren 1672 bis 1690 zu betrachten. 1540 bis 1672 veröffentlichte die Ständeversammlung häufig Gesetze über die ausländischen Händler. Speziell die Armenier betraf vor allem der zweite Artikel eines Gesetzes, das in den Monaten Oktober und November 1600 verabschiedet worden war. Die Anerkennung der für die armenische Rechtslage eingeführten Gesetze war von mehreren Faktoren abhängig. Von besonderer Bedeutung waren die finanziellen Interessen des Staates. Es muss in Betracht gezogen werden, dass von den Händlern vergleichsweise mehr Steuern eingezogen wurden, außerdem waren sie gezwungen, im Außenhandel Zoll zu zahlen. Das Interesse, die Bevölkerung mit Gütern zu versorgen, bedingte gleichzeitig, den Handel zu fördern. Andererseits waren im Interesse der Sicherheit des Staates Vorsichtsmaßnahmen geboten, da die ausländischen Händler häufig und bisweilen auch zu Recht der Spionage verdächtigt wurden. Schließlich

* Gekürzte und editierte Variante. 1 Trócsányi, Zsolt: Gesetzgebung der fürstlichen Epoche Siebenbürgens und die Rechtsstellung der Balkangriechen in Siebenbürgen. In: Études Balcaniques 1 (1971), 94 – 104.

Die Rechtslage der Armenier in Transsilvanien

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provozierten die Ausländer bei den Einheimischen Neid, in erster Linie bei den sächsischen Händlern und Handwerkern. Trotz ihrer Aktivitäten führte die Existenz der Armenier in Transsilvanien vor 1672 nicht zum Entstehen einer ständigen organisierten Siedlung dieser Ethnie. In Transsilvanien finden wir verschiedene Dokumente, die zeigen, dass Händler nur vorübergehend beschäftigt oder aus anderen Gründen in Transsilvanien angekommen waren. Weiterhin finden wir Siedlungen, deren armenische Bewohner sich schon lange vor 1672 mit der einheimischen Bevölkerung vermischt hatten. Im Jahr 1672 hatte die Masseneinwanderung der Armenier zu einer ­grundsätzlichen Änderung ihrer Rechtslage geführt. Eine große Gruppe von etwa 1.000 bis 2.000 ­Moldau-­ Armeniern, die hauptsächlich aus Händlern und Handwerkern bestand, war nach Transsilvanien eingewandert.2 Diese Zahl war im Vergleich zu den damals etwa 800.000 ­Einwohnern Transsilvaniens zwar gering, aber wenn wir in Betracht ziehen, dass Transsilvanien im Vergleich zu Westeuropa wirtschaftlich sehr schlecht entwickelt war, muss eine so zahlreiche Zuwanderung von Händlern und Handwerkern für die Region von großer Bedeutung gewesen sein. Es gibt verschiedene Meinungen über die Gründe für die Einwanderung der Moldau-Armenier nach Transsilvanien. Bekannt ist, dass Oxendio Virziresco, der unter den Armeniern als legendäre Persönlichkeit galt, eine große Rolle bei den Einwanderungsfragen spielte. Er wandte sich im Jahr 1713 mit einer Bittschrift an den König, um für seine „Herde“ einige Privilegien zu erwirken. In diesem Schreiben gab er zu, dass nach der Eroberung von Kamieniec Podolski (Kam’janec’-Podil’s’kij, Kamenec-Pololski) durch die Türken die ­Moldau-Armenier nach Transsilvanien ausgewandert waren. Da nach der türkischen Eroberung der Festung Kamieniec Podolski ganz Podolien neuen Überfällen ausgesetzt war, kann diese Begründung durchaus zutreffen. Aber auch die leitende Rolle einiger Armenier im Aufstand gegen den Fürsten Duca Vodă von Moldau im Jahr 1671 hat zweifellos eine große Rolle gespielt. Dieser Aufstand wurde später vom türkischen Heer niedergeschlagen.3 Die beiden erwähnten Gründe schließen einander natürlich nicht aus und hätten tatsächlich zusammen auftreten können. Die ersten Siedlungen der ausgewanderten Armenier nach Transsilvanien wurden zumeist an der transsilvanischen Grenze zu Moldau gegründet: Bistritz (Beszterce, jetzt Bistrița), Niklasmarkt (Ĵurǰov, Gyergyószentmiklós, jetzt ­Gheorgheni), Görgen (Gurghiu, Görgényszentimre), Felfalu, Petele oder Csíkszépvíz (Szépvíz, jetzt Frumoasa). Lediglich Eppeschdorf (Ebesfalu, Ibasfalau, Pašpalov), das später Elisabethstadt (seit 1733, auch als Erzsébetváros/Elisabethstadt/Elisabethopolis bekannt, jetzt Dumbrăveni) genannt wurde, befand sich im Landesinneren Transsilvaniens.4

2 Magyar Országos Levéltár, Budapest. Az Erdélyi Udvari Kancellária Levéltára [Ungarisches Staatsarchiv, Budapest. Archiv der Hofkanzlei von Transsilvanien: Hauptakten] (im Folgenden EK: AG). 1713, 75. 3 Gergely, Moldován: Az örmények Mokovában [Armenier in Mokova]. In: Armenia 7 (1887), hier 206. 4 Vgl. Benkő, József: Transsilvania sive magnus Transsilvaniae principatus, olim Dacia Mediterranea dictus … I–II. Vienna 1777 – 1778; Farao, Simon: A szépvizi örmény telep [Die armenische Kolonie in Frumoasa]. In: Armenia 9 (1888), 7 – 11.

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Zsolt Trócsányi

Es ist schwer zu klären, welche Veränderungen es im Leben der emigrierten Armenier im Zeitraum von 1672 bis 1690 gab. Die Landesversammlungen in Transsilvanien beschäftigten sich in den damals sowohl außenpolitisch als auch innenpolitisch schwierigen Zeiten nicht speziell mit der armenischen Frage. Lediglich 1675 wurden auch Armenier neben den anderen ausländischen Händlern in einem veröffentlichten Gesetz erwähnt. Von den königlichen Büchern, in denen die den Fürsten verliehenen Privilegien und auch andere Urkunden in Kopie verzeichnet wurden, blieben nur unbedeutende Bruchstücke übrig. Aus diesem Zeitraum steht uns nur ein Beglaubigungsschreiben von 1684, das an die armenische Gemeinde in Petele gerichtet ist, zur Verfügung. Den Armeniern wurde in diesem Schreiben erlaubt, überall in Transsilvanien mit selbst verarbeitetem Fell und mit anderen Gütern zu handeln. Als Gegenleistung waren von ihnen jährlich 100 verarbeitete Felle an den Fürsten abzuführen.5 Die zwei Jahrzehnte nach 1690 brachten den Armeniern zwei Errungenschaften: Die Privilegien von 1696 und die Erfolge bei der Regelung der Rechte der Armenier in Transsilvanien. 1696 waren den Armeniern aus Eppeschdorf besondere Privilegien verliehen worden. Eppeschdorf war ein Zentrum der Erbgüter der Familie Apafi und somit keine Eroberung unter der Herrschaft von Michael I. Apafi. Es befand sich am Ufer des Großen Kokel (Nagyküküllő) und war somit geografisch äußerst günstig gelegen. Zwei Täler des Großen Kokel, die vom Rand Südwest-Transsilvaniens und aus dem Land der Szekler zum Zentrum und in den Südosten des Landes führten, waren wichtige Handelswege. Der Fluss könnte sogar für den Nordwesten des Landes von großer Bedeutung gewesen sein, da hier entlang die zwei Wege verliefen, die aus Ungarn zunächst in Richtung Klausenburg (Cluj-Napoca, Kolozsvár) und in das große Handelszentrum der Sachsen, nach Kronstadt (Braşov, Brassó), führten. Für die armenischen Händler und die ausländischen Einwohner war diese Gegend sowohl wegen der guten Wege als auch aufgrund der Verteidigungssicherheit günstig gelegen. Michael II. Apafi, der Sohn von Michael I. Apafi, war zwar nur nomineller Fürst, unterstützte dennoch von einem seiner Landgüter aus viele armenische Einwanderer im Zentrum. Zwar waren die von ihm verliehenen Rechte formal ungültig, da sie von einem Fürsten ohne legitime Herrschaft verliehen wurden, sie zeitigten dennoch reale Erfolge. Das erwähnte Privileg verlieh Michael II. Apafi den Armeniern in Eppeschdorf am 7. Februar 1696 im Schloss Fogarasch (Fogaras, heute Făgăraş), wonach diese Armenier das Recht bekamen, in ganz Transsilvanien frei zu handeln. Sie durften ihren Richter, dem sie unterworfen waren, frei wählen. Neben diesem durfte die Gemeinde einen weiteren leitenden Vertreter bestimmen. Diejenigen, die den Anweisungen des Richters und dem übergeordneten Amt nicht Folge leisteten, wurden von den Beamten des Fürstengutes der Siedlung verwiesen. Gegen das Urteil des armenischen Richters konnten die Bewohner Rechtsmittel einlegen. Sie durften sich an die griechische Gemeinde in Transsilvanien wenden, da deren Rechtslage, im Gegensatz zu derjenigen der Armenier, vollständig geregelt war.

5 Trócsányi, Zsolt: Gesetzgebung (wie Anm. 1.), 94.

Die Rechtslage der Armenier in Transsilvanien

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Wenn ein Armenier bei Gericht Klage gegen einen Einwohner anderer Nationalität erhob, fand dieses Verfahren im Gericht von Transsilvanien statt. Im umgekehrten Fall galt das armenische Gericht in Eppeschdorf als erste Instanz. Erst danach konnte man Rechtsmittel gegen das Urteil bei transsilvanischen Gerichten einlegen. In der Urkunde wurde Michael II. Apafi als Beschützer der Armenier aus Eppeschdorf vor Ungerechtigkeit jeglicher Art benannt sowie geregelt, dass Armenier ihre eigenen Priester haben können und dass niemand sie aus religiösen Gründen diskriminieren solle. Da in Eppeschdorf neben den Armeniern noch Vertreter anderer Nationen lebten, sorgte der Fürst dafür, dass sich die Armenier von den anderen Nationen des Dorfes, die dort schon früher ansässig waren, separieren konnten. In armenischen Siedlungen hingegen hatten weder Ungarn noch Rumänen das Recht, eigene Häuser zu bauen. Zwei weitere wichtige Privilegien wurden in dieser Urkunde vorausgesetzt: die Armenier waren von der Verpflichtung befreit, dem Heer des Fürsten bei einem Aufenthalt in Eppeschdorf in ihren Häusern Unterkunft zu gewähren. Außerdem waren sie, von Ausnahmen abgesehen, nicht verpflichtet, die Waren des Dorfes mit ihren Fuhrwerken zu transportieren. Mit der Andeutung, Armenier könnten sich an den Fürsten Michael II. Apafi wenden, wenn sie der Meinung sind, dass ihre Beschwerden unbeachtet gelassen würden, endet die Urkunde.6 Eine Anordnung der Ehefrau von Michael II. Apafi, Katharina Bethlen, vervollständigte die Privilegien wahrscheinlich im Jahr 1700. Diese Anordnung war an die Beamten ihrer Landgüter gerichtet und besagte, dass sie bei den auf dem Landgut stattfindenden Jahrmärkten den armenischen Händlern für ihre Zelte günstige Standorte zur Verfügung zu stellen hätten, die von den Armeniern selbst ausgesucht werden könnten.7 Aus anderer Perspektive betrachtet ist die Entwicklung der Ereignisse mit Oxendio Virziresco verbunden, der fast zur legendären Persönlichkeit in der Geschichte der transsilvanischen Armenier wurde und eine der berühmten historischen Persönlichkeiten seines Volkes war. Ende des 17. Jahrhunderts und zu Beginn des 18. Jahrhunderts übernahmen in Ungarn (wie auch in Transsilvanien) häufig hochrangige Geistliche die Obhut über die Neueinwanderer oder über die Angehörigen einer Nation, die sich in einer rechtlich ungünstigen Lage befanden. Dies galt vor allem, wenn die geografischen Grenzen eines Territoriums auch den ethnischen und religiösen Grenzen entsprachen. Oxendio Virziresco bemühte sich, für die armenischen Einwanderer in Transsilvanien dieselbe Rolle zu spielen, die der Patriarch Arsenije III. Čarnojević für emigrierte Serben in Ungarn gespielt hatte. Nach der Beendigung seines Studiums in Rom versuchte Virziresco, die armenische Kirche in Transsilvanien mit der römisch-katholischen Kirche zu vereinen. Nachdem er 6 Az első ebesfalvi kiváltságlevél [Die erste Privilegium für Eppeschdorf ]. In: Magyar Országos Levéltár, Budapest. [Ungarisches Staatsarchiv. Staatsarchiv der Regierungschronik von Transsilvanien. Schatzkammerarchiv von Transsilvanien: Notararchiv von Transsilvanien] (im Folgenden EFL). Az 1996, I. 13. D. 7 Ebd., I. 15. B.

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in den 1680er-Jahren als Geistlicher tätig wurde, hatte er bis 1690 schon einige Verdienste erworben. Dank seiner Bemühungen legte der Bischof der Armenisch-Apostolischen Kirche der transsilvanischen Armenier, Minas Zilifdarean T’oxat’ec’i (1610?–1686), vor Kardinal Pallaviccini, dem Vertreter des Papstes, im Jahr 1686 in Lemberg (L’viv, Lwów, L’vov) das Bekenntnis zur Vereinigung der Kirchen ab.8 Aber der Bischof Minas starb kurz nach seiner Rückkehr nach Transsilvanien. Der armenische Erzbischof aus Lemberg, Vardan Hunanyan, ernannte daraufhin Virziresco zum allgemeinen Vikar und Vorsteher.9 Seine Ernennung zum Erzbischof der Diözese Aladia und zum apostolischen Vikar wurde in einem kurzen Papstschreiben am 3. Oktober 1689 veröffentlicht.10 Diese biografischen Daten von Virziresco halten einer historischen Überprüfung stand, die Berichte seines Wirkens in den folgenden zwei Jahrzehnten sind hingegen vage. Zusammen mit seiner „Herde“ leistete er den Tataren, die nach Transsilvanien einmarschierten, Widerstand. Diese nahmen ihn angeblich 1696 für etwa drei Jahre gefangen; erst 1699 sei er dank des Friedensabkommens von Karlowitz freigekommen. Er reiste daraufhin nach Wien, wo er für die Siedlung Armenierstadt (Szamosújvár, Hayakałak; Armenopolis, heute: Gherla) Privilegien aushandelte. Diese ermöglichten ihm, Armenierstadt zur Stadt auszubauen und beispielsweise eine Handwerksordnung zu erlassen. Möglicherweise kam er jedoch schon vor 1699 frei, denn bereits im Sommer 1697 wandte er sich an die Regierung in Wien, um einige Rechte für transsilvanische Armenier zu erwirken.11 Daraus ergibt sich die Frage, ob er überhaupt in Gefangenschaft gewesen ist, zumal in den Archiven der Regierungsbehörden auch über die legendäre Urkunde von 1700 keine Dokumente vorliegen. Sogar die Armenier Transsilvaniens erwähnten bis zum Jahr 1848 diese Urkunde nicht, obwohl sie sich stets auf frühere Urkunden, in denen Privi­ legien gewährt oder wieder bestätigt worden sind, bezogen. So werden zum Beispiel in den Dokumenten zu verschiedenen Anlässen die 1696 an die transsilvanischen Armenier verliehenen Privilegien angeführt. Die ersten mit der Gründung der Stadt Gherla verbundenen Informationen versetzen uns an das Ende des 16. Jahrhunderts. Aber die ersten formalen, nicht privilegierten Regelungen der Rechtslage der Stadt stammen erst aus dem Jahr 1714. Es stellt sich also die Frage, wie die Entwicklung der Ereignisse als Folge der vermuteten Aktivitäten von Virziresco bei der transsilvanischen Regierung und in den Hauptregionen des habsburgischen Kaiserreichs verlaufen ist. Wir wissen nur, dass im Sommer 1696 vorgeschlagen wurde, die verstreuten Armenier aus Transsilvanien in den königlichen Landgütern 8 Benkő, József: Transsilvania (wie Anm. 4.). Bd. 2, 561; Bárány, Lukács: Verzerskul Auxentius ­aladiai felszentelt örmény katholikus püspök [Verzereskul Auxentius, armenisch-katholischer Bischof von Aladia]. In: Armenia 3 (1888), 65 – 71, hier 68 f. 9 Benkő, József: Transsilvania (wie Anm. 4), 563; Bárány, Verzerskul Stipendium (wie Anm. 8), 69 f. 10 Bárány, Verzerskul Stipendium (wie Anm. 8), 70. 11 EK: AG 1698, 233.

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von Gherla und Görgén unterzubringen. Leopold I. befahl am 28. August 1696 Istvan Apor Altorjai, dem königlichen Schatzmeister Transsilvaniens, ein Abkommen mit den Armeniern über die Mietsumme eines Landgutes zu unterzeichnen. Nach der Bestätigung des Abkommens sollte das Landgut den Armeniern übergeben werden.12 Dieses Vorhaben wurde aber nicht verwirklicht. Im Sommer 1697 legte Virziresco der Schatzkammer des habsburgischen Kaiserreichs eine erneute Bittschrift vor, die Landgüter Armenierstadt und Görgen zu erhalten, um die Armenier dort zu zentralisieren.13 Ein scheinbares Wohlwollen gegenüber diesem Anliegen vortäuschend,14 handelte Schatzmeister Apor gleichzeitig gegen dieses Vorhaben. Er zwang die Vorsitzenden der armenischen Gemeinden von Bistritz und Görgen, vor dem Bischof zu lügen. Apors Bitte entsprechend wurden sie einer Befragung durch alle Regierungskommissare unterzogen. Die Vertreter der beiden armenischen Siedlungen gestanden ein, dass sie Virziresco nicht beauftragt hatten, in Wien in ihrem Namen zu handeln. Zur gleichen Zeit kündigten die Armenier aus Bistritz an, dass sie in ihrer Ortschaft bleiben und weder nach Armenierstadt noch nach Görgen umziehen wollen. Die Armenier aus Görgen wollten ihrerseits nicht mit Armeniern aus anderen Ortschaften zusammenwohnen, lieber würden sie ihren Wohnort verlassen und auswandern. Sie drohten, dass sie so schnell wie möglich zu ihren vorherigen Wohnorten zurückkehren würden. Grundsätzlich wollte auch keine andere armenische Gemeinde irgendein Landgut mieten.15 Es ist offensichtlich, dass beide Vorsitzenden der armenischen Gemeinden solche Geständnisse aus Angst und unter Drohungen ablegten. Auf jeden Fall blieben die Bemühungen des Bischofs ohne Erfolg. Die regierenden Stände Transsilvaniens lehnten es deutlich ab, den Armeniern in dieser Hinsicht entgegenzukommen, geschweige denn ihnen eine gemeinsame Siedlung auf einem gepachteten Landgut zu ermöglichen. Sie ahnten zweifellos, dass in naher Zukunft die Problematik der armenischen Siedlungen durch Rechtsprivilegien offiziell geregelt werden würde. Wenige Jahre später begann der Befreiungskampf unter der Leitung von Franz II. Rákóczi, in dessen Gefangenschaft der Sage nach auch Virziresco einige Jahre verbringen musste. Jedenfalls erwiesen sich diese Jahre für die Regelung der Rechtslage der Armenier in Transsilvanien als ungünstig. Virzirescos letztem langjährigen Aufenthalt in Wien ging ein wichtiges Ereignis voraus, dessen genauer Zeitpunkt zwar unbekannt, wohl aber zwischen 1708 und 1711 einzuordnen ist. In diesem Zeitraum wurde die Stadt Armenierstadt gegründet. Diesmal wandte sich ein Teil der Armenier aus Transsilvanien (wahrscheinlich die Gemeinschaft aus Beszterce) an das Hauptkommando der transsilvanischen Truppen und an die gesamte Schatzkommission des 12 EFL XII 1/2. 1. C. 13 Magyar Országos Levéltár, Budapest. [Ungarisches Staatsarchiv, Budapest. Staatsarchiv der Regierungs­ chronik von Transsilvanien – Bezirkspolitik von Transsilvanien – Gesamtdokumente] (im Folgenden G. P.), 1698, 238. 14 EK: AG 1698, 233. 15 G. P. 1698, 238.

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Landes, um Wohnerlaubnis in Armenierstadt zu bekommen. Da die Regierung des Landes während und auch noch nach dem Befreiungskampf von Rákóczi unter der Leitung des Hauptkommandos der Truppen stand, war es fast unmöglich, sich direkt an die Zentralmacht in Wien zu wenden. Daher bekam eine Gruppe Armenier von den militärischen und wirtschaftlichen Institutionen des Landes die Erlaubnis, ihre Stadt neben der Festung, am Fluss Somesch (Szamos, heute Someș) zu gründen. Grundriss und Bauprojekt der Stadt wurden von Oberst Morando Visconti entworfen, der zugleich Architekt war. Während im Jahr 1713 der künstliche Bach schon die Grenzen der Ansiedlung markierte, fanden in der Stadt selbst noch Bauarbeiten statt.16 Nach dem Misserfolg von 1698 sandten die transsilvanischen Armenier Virziresco mit einem präzisen Auftrag nach Wien. In einem Memorandum, das sie am 30. November 1711 verfasst hatten, strebten sie die Anerkennung der transsilvanischen Armenier und die Wohnerlaubnis in Armenierstadt und Görgen an. In diesen Ortschaften wollten sie eigenen Baugrund erhalten, um dort von der anderen Bevölkerung getrennt ihre Häuser errichten zu können. Sie ersuchten um den Schutz des Hauptkommandos der Truppen und wollten formal der Schatzkammer und nicht der Regierung unterworfen sein. Auch im Bezug auf die Rechtsprechung und die innere Verwaltung ihrer Nation forderten die Armenier weitgehende Autonomie: Nachdem ein Richter aus der eigenen Gemeinde gewählt wurde, sollte darüber dem Verwaltungsleiter der transsilvanischen Staatskasse lediglich berichtet werden. Aus zehn Familien wählte man zusätzlich noch einen vereidigten Berater aus. Es ist interessant, dass zwischen den beiden armenischen Ortschaften gewisse rechtliche Ungleichheiten eingeplant wurden. Die armenischen Einwohner Görgens waren gezwungen, Rechtsmittel gegen das Urteil einer Gerichtsverhandlung zunächst bei dem Richter aus Armenierstadt und seinen Geschworenen einzulegen, erst danach konnten sie bei transsilvanischen Behörden vorsprechen. Die Armenier aus Armenierstadt hingegen hatten das Recht, sich sofort an die Verwaltung der Staatskasse zu wenden; zusätzliche Belastungen, wie die Verpflichtung zu Diensten und gewöhnlichen oder speziellen Steuern, lehnten sie hingegen ab. Sie wollten die Soldaten weder vorübergehend in ihren Häusern unterbringen noch ihnen ihre Fuhrwerke zur Verfügung stellen. Gleichzeitig verlangten sie sowohl das Recht, in ganz Transsilvanien frei handeln zu können, als auch königliche Privilegien auf Warenimporte aus dem Ausland und aus Regionen des habsburgischen Kaiserreichs. Die Armenier aus Transsilvanien forderten das Recht, in beiden armenischen Städten sowohl Wochenmärkte als auch Jahrmärkte zu organisieren. Sie verlangten das Recht, ihre Religion und armenische Rituale frei in ihrer Muttersprache ausüben zu dürfen und stellten Ansprüche auf einen Bischof, der aus dem eigenen Volk gewählt werden sollte. Um ihre Autonomie zu wahren, verpflichteten sie sich offiziell, aus eigenen Mitteln Kirchen und Schulen zu errichten und zu unterhalten. Die Armenier aus Transsilvanien waren bereit, auf

16 EK: AG 1713, 45.

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die zum Brauch gewordene alte Zusammenarbeit der weltlichen und geistlichen Vertreter zu verzichten. Überdies sollten allen anderen Ortschaften Transsilvaniens diese Rechte vorenthalten werden, da die Armenier in Transsilvanien schließlich nur in Armenierstadt und Görgen Wohnerlaubnis hätten.17 Uns sind die Einzelheiten der von Virziresco geführten Verhandlungen in Wien unbekannt, da wir von der Bittschrift, die die Armenier dem König vorlegten, nur eine Kopie aus dem Jahr 1712 haben, in der die Armenier lediglich um Wohnrecht für Armenierstadt und Görgen ersuchen.18 Die Verhandlungen Bischof Virzirescos in Wien verliefen jedoch nicht ohne Hindernisse. Diesmal kamen seine Gegner quasi aus den eigenen Reihen: die Armenier aus Eppeschdorf, die sich noch unter der Schirmherrschaft von Michael II. Apafi befanden, der hochverschuldet in Wien lebte. Dieser hatte zwar den transsilvanischen Fürstentitel abgelehnt und war stattdessen Fürst des Heiligen Römischen Reiches, dennoch blieb Transsilvanien sein Eigentum. Die Armenier aus Eppeschdorf hatten sich ihre ständige Niederlassung am Ufer des Flusses Großer Kokel hartnäckig erkämpft: bald nach ihrer Ansiedlung hatte ein Feuer die armenische Ortschaft zerstört und sie zum Wiederaufbau gezwungen. Einige Jahre später begann der Befreiungskampf unter Rákóczi, was die Armenier zwang, ihre Ortschaft erneut zu verlassen, da sie in den Kämpfen zerstört worden war. Nach der Beendigung des Krieges kehrten Armenier mit ihrem Priester an der Spitze zurück und mussten ihre Siedlung ein drittes Mal aufbauen. Daher war die Empörung der Armenier aus Eppeschdorf nicht gegenstandslos, als sie von dem Vorschlag Bischof Virzirescos erfuhren, alle Armenier in zwei Ortschaften zu zentralisieren. Mit der Bitte, sie von diesem Zwang zu befreien, wandten sie sich auch an Karl III. Sie wollten ihre Siedlung unter keinen Umständen verlassen müssen; das hätte sie von der armenischen Gemeinde und ihrem Bischof getrennt. Das Ausbleiben der Steuerzahlungen der transsilvanischen Armenier hätte zudem die ernsthaften Geldprobleme Michaels II. Apafi noch verschärft, daher unterstützte er in seiner dem König vorgelegten Bittschrift das Anliegen der Armenier aus Eppeschdorf.19 In dieser Situation drängte es Karl III. nicht zur Eile, den anderen Armeniern zusätzliche Rechte zu verleihen. 1715 war überdies Bischof Virziresco in Wien verstorben. Zwar besagen die Legenden um seine Person, dass er vergiftet wurde; wahrscheinlicher ist aber, dass er einem natürlichen Tod erlag, zumal er das ansehnliche Alter von etwa 65 bis 70 Jahren erreicht hatte. Mit dem Tod Virzirescos schien ein Jahrhundert zu Ende gegangen zu sein, da er als geistlicher Hirte gleichzeitig auch ein politischer Führer seines Volkes gewesen war, das er in Wien sowohl vor der Verwaltung als auch vor dem Kaiser vertrat. Nach seinem Tod

17 EFL XII 1/2. 2. A. 18 EK: AG 1713, 45. 19 Ebd., 1712, 155.

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blieb der Posten des armenischen Bischofs in Transsilvanien unbesetzt, zumal von den nachfolgenden Priestern niemand in der Lage war, die politischen Interessen der Armenier entsprechend hartnäckig zu verfolgen und durchzusetzen. Selbst Minas Barun, der politisch sehr engagiert war, konnte Virziresco nicht ersetzen. Zu Virzirescos Lebzeiten gab es mehrere Umstände, die es den Armeniern erleichterten, als eine gleichberechtigte und unabhängige Nation in die transsilvanische öffentliche Rechtsordnung aufgenommen zu werden. So war z. B. neben der instabilen politischen und wirtschaftlichen Lage Transsilvaniens innerhalb der Grenzen des habsburgischen Kaiserreichs die Unterstützung des geistlichen Führers der transsilvanischen Armenier, der der römischen Kirche untergeordnet war, von enormer Wichtigkeit. Ähnliche Möglichkeiten ergaben sich in den nächsten anderthalb Jahrhunderten nicht mehr. Die Einwohner in Armenierstadt erreichten einige Erfolge bei der Regelung ihrer Rechte und ihrer Verwaltung, weil sie sich an den Feldherrn Steinwille, den damaligen Kommandanten der transsilvanischen Truppen, wandten. Als 1698 die Vorsitzenden der armenischen Gemeinden eine Zusammenarbeit mit Virziresco noch abstritten, hatten die Gemeinden in Armenierstadt und in Görgen schon ihre eigenen Richter und Geschworenen. Die aus Bistritz nach Armenierstadt ausgewanderten Armenier wollten dort wahrscheinlich ein ähnliches Verwaltungsorgan wie in Bistritz gründen. Die Beamten der Finanzbehörden verhinderten aber dieses Vorhaben, weil dadurch deren Rechte eingeschränkt worden wären. Daher wandten sich die Armenier aus Armenierstadt Ende 1713 an den Feldherrn Steinwille, um zunächst nur in ihrer Gemeinde das Recht auf ein Schiedsrichteramt zu bekommen. Dieser sprach am 10. Februar 1714 dem Richter und seinen Geschworenen Urteilsbefugnisse zu; bald durften sie diese Rechte auch ausüben. Anfang 1715 wurde durch einen gesonderten Erlass das Recht der Armenier, den Richter selbst zu wählen, bestätigt.20 Diese neuen Regelungen motivierten die Armenier, sich auch überall in Transsilvanien aktiv zu beteiligen. Wie bereits oben erwähnt, war die Haupteinnahmequelle der nach Transsilvanien eingewanderten Armenier die Herstellung von Leder und die Veredelung von Pelzen. Aber die armenischen Gerber und Kürschner sowie die Händler der entsprechenden Rohmaterialien waren gezwungen, in einen starken Wettbewerb mit transsilvanischen und vor allem sächsischen Handwerkern und Händlern zu treten. Bereits zu Beginn des Jahrs 1694 begannen daher juristische Streitigkeiten über den Kauf und Export von Leder und Pelzen, die jahrzehntelang andauern sollten. Die sächsischen Kürschner hatten bei der transsilvanischen Regierung Beschwerde eingereicht, da die armenischen (wie auch die „raizischen“ und rumänischen) Händler durch das ganze Land reisen durften und daher Preissteigerungen bei Marder-, Luchs- und Fuchspelzen sowie bei Schaffell und den Pelzen anderer Tiere verursachten. Da

20 Molnár, Antal: Szamosujvár első választott tisztikara [Die erste gewählte Offizier-Stad von Armenierstadt]. In: Armenia 3 (1889), Heft I, 33 – 36, hier 34.

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den sächsischen Kürschnern dadurch weniger Rohmaterialien, noch dazu zu höheren Preisen, zur Verfügung standen, baten sie, den Armeniern den Ankauf von Leder und Pelzen sowie deren Verkauf im Ausland zu verbieten. Mit einem Schreiben vom 26. März 1694 beruhigte die Staatsführung die sächsischen Pelzhändler: Sie versprach, bei der nächsten Landesversammlung deren Forderungen nachzukommen und die bestehenden Privilegien der sächsischen Gerber und Kürschner nicht zu verändern. Diese Privilegien erlaubten es lediglich den in Zünften organisierten Handwerkern, echtes Leder und unbehandelte Pelze zu kaufen sowie die daraus gefertigten Waren aus Transsilvanien zu exportieren.21 Anscheinend waren die entsprechenden Bemühungen der Landesversammlung fruchtlos geblieben: In den Jahren 1710 und 1711 beschwerten sich nicht nur die sächsischen Händler und Kürschner, sondern entsprechende Vertreter aller Nationen über die armenischen Konkurrenten bei der Kommission, die die Regierung vertrat. Diese verbot am 23. April 1711 den Armeniern den Handel von unbearbeiteten Pelzen und Leder sowie jede Bearbeitung derselben. Gegen dieses Gesetz gingen die Armenier nicht vor, obwohl ihre königlichen Privilegien (absolute Freiheit des Handels) durch den Beschluss der Kommission tangiert wurden. Schließlich durften sie weiterhin von den Zunftkürschnern verarbeitete Pelze zu festgelegten Preisen kaufen und dann im Ausland verkaufen. Die Armenier begannen zudem, in den Dörfern Transsilvaniens Tierfelle, darunter auch Schaffell, aufzukaufen und dieses Rohmaterial an die sesshaften zünftigen Handwerker zu veräußern.22 Der Pelzhandel blieb so in den Händen der Armenier. Da letztlich die Handwerker der transsilvanischen Leder- und Pelzzünfte die reichen Ressourcen nicht allein verarbeiten konnten, gingen die Einnahmen des Landes spürbar zurück. Die leibeigenen Bauern, für die Anfang des 18. Jahrhunderts Viehzucht und damit Fell- und Lederverkauf eine wichtige Einnahmequelle waren, hatten nach dem Vorgehen gegen die Armenier und dem dadurch einsetzenden Preisverfall ernsthafte Probleme, ihre Steuern zu entrichten. Daher beschloss die Landesversammlung im Januar 1714, den Armeniern vorübergehend das Recht zu verleihen, von Vieh züchtenden Bauern Felle aufzukaufen.23 Darauf reagierten die Vertreter der Pelzzünfte Transsilvaniens am 14. Februar 1714 mit einer Beschwerde. Sie erklärten, auf ihr Handelsmonopol zu bestehen, andernfalls würden sie sich beim König beschweren, was sie schließlich zusammen mit je einem Vertreter der Pelzzünfte aus Hermannstadt (Nagyszeben, heute Sibiu), Bistritz und Weißenburg (Karlsburg, Károlyfehérvár/Gyulafehérvár, heute Alba Iulia) auch taten.24 Uns ist nicht bekannt, welche Wirkung die Beschwerde der Pelzzünfte und die dem König vorgelegte Bittschrift auf dieses Gesetz hatten, aber die Ministerkonferenz, die das höchste ausführende Organ des habsburgischen Reiches war, begutachtete nach fünf Jahren dieses Gesetz wie auch alle anderen Gesetze aus dem Jahr 1714. Es wurde für angemessen erachtet, die Gesetze über den 21 EK: AG 1697, 111; 1714, 108. 22 Ebd. 1714, 108. 23 Magyar Országos Levéltár, Budapest [Ungarisches Staatsarchiv, Budapest]. Staatsarchiv der Regierungs­ chronik von Transsilvanien und Distalia (im folgenden Diaet.), 183. k., f. 506 – 7. 24 EK: AG 1714, 108.

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Leder- und Pelzhandel der Armenier zunächst der königlichen gemischten Kommission vorzulegen und nicht Karl III., bei dem alle wichtigen Gesetze zur Bestätigung eingereicht werden sollten. Erst nachdem die Kommission einen endgültigen Beschluss gefasst hatte, bekam der König das Gesetz vorgelegt – und lehnte es ab.25 Damit war dieses Thema jedoch noch nicht abgeschlossen. Im Frühling 1725 stritten die Pelzzünfte Transsilvaniens mit den armenischen Händlern aus Eppeschdorf über den Handel mit Schaffell. Die Steuereinnahmen fest im Blick, gewährte die Regierung in ihrem Beschluss vom 9. März 1725 den armenischen Händlern erneut das Recht, vorübergehend mit Schaffell zu handeln.26 Die Landesversammlung hingegen ging auf diese Frage nicht ein. Dafür wurden die Armenier in mehreren Beschwerdebriefen grundsätzlich angegriffen: Die führenden Stände schrieben, dass Armenier sich nicht nur auf den Handel beschränkten. Sie ruinierten die Einwohner von Schäßburg (Segesvár, heute Sighişoara) und Bistritz, da sie auch in der Landwirtschaft tätig wären und sogar Landgüter erworben hätten. Die führenden Stände verlangten daher, dass die Armenier sich entweder auf den Handel beschränken oder als Grundherren alle festgelegten Steuern zahlen sollten.27 Mit dieser Forderung wurden die Armenier letztlich zum ersten Mal in der öffentlichen Rechtsordnung und im Steuersystem Transsilvaniens als Individuen den anderen Einwohnern gleichgestellt. Zwischen 1690 und 1725 war diese Frage durch eine Vielzahl von Gesetzen geregelt gewesen: Zunächst zahlten sie ihre Steuern an Michael I. Apafi, dann an seine Ehegattin, schließlich der Schatzkammer; die Armenier aus Gherla hatten seit der Gründung ihrer Ortschaften an die lokale Schatzkammer zu zahlen. Auch die Landgutsteuern von Eppeschdorf und die Siedlungssteuern von Görgen flossen in diese Kassen. Schon im Dezember 1693 hatte die Landesversammlung vom Januar 1694 ein Gesetz verabschiedet, nach dessen 21. Artikel die Armenier 1.000 Ungarische Forint als Steuern zu zahlen hatten. Im Vergleich dazu wurden von der großen und alten griechischen Handelsgesellschaft aus Hermannstadt 1.500 Forint verlangt.28 1699 zahlten die Armenier 1.350 Forint Steuern, die Griechen aus Hermannstadt 1.650 und die Griechen aus Kronstadt 550 Forint.29 Im gleichen Jahr wurden von den Armeniern 500 Forint als Zusatzsteuer verlangt, genauso viel wie von den griechischen Einwohnern von Hermannstadt und der Stadt Klausen­burg.30 Im Jahr 1700 hatten Armenier 1.300 Forint Steuern zu zahlen, genauso viel wie die Griechen aus Hermannstadt. Aber die Einwohner des Siebenbürgischen Erzgebirges, dem Zentrum der Bergbauregion Groß-Schlatten (auch Altenburg, Abrudbanya, heute Abrud), mussten nur 1.000 Forint zahlen.31

25 Ebd., 1714, 108. 26 G. P. 1725, 8. 27 Ebd. 1728, 369. 28 EOE XXI, 163. 29 Ebd. XXI, 410. 30 Ebd. XXI, 429. 31 Diaet. 183. k. 364. o.

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Im Jahr 1703 hatte jede armenische Familie 10 Forint zu zahlen, so wie die griechischen, bulgarischen und jüdischen Einwohner Transsilvaniens, um die 750.000 Forint Steuern Transsilvaniens zu begleichen.32 Im gleichen Jahr wurden weitere 90.000 Forint Steuern für den Bau von Gefängnissen verlangt, 50.000 Forint zahlte der königliche Hof und zu dem Restbetrag von 10.000 Forint hatten die Armenier (2.000 Forint), die Griechen aus Hermannstadt (1.000 Forint)und die Griechen aus Kronstadt (300 Forint) beizutragen.33 Bis ins Jahr 1719 änderten sich die Steuerbeträge permanent. Die Landesversammlung verlangte von den Armeniern aus Eppeschdorf 400, von den Armeniern aus Armenierstadt 500, aber von den Griechen aus Hermannstadt nur 300 Forint Steuern. Daraufhin beschwerte sich die Regierung bei der königlichen Kanzlei von Transsilvanien, da die Armenier aus Armenierstadt (so wie die Bulgaren aus Déva [Deva, Diemrich]) bei den Steuerzahlungen „behindert“ würden.34 Alle drei Ortschaften befanden sich unter dem Schutz der Schatzkammer Transsilvaniens, die ihnen wahrscheinlich ihre Unterstützung gewährte, um sie von den überall auf dem Lande geltenden hohen Steuerabgaben zu befreien. 1726 begann eine neue Epoche in der Rechtslage der Armenier Transsilvaniens. In diesem Jahr bekam die Siedlung Armenierstadt, wo die meisten Armenier wohnten, erstmalig ein „Diplom der Privilegien“ und war damit grundsätzlich deutlich besser gestellt als Eppeschdorf. Diese Siedlung hatte zwar schon vor 1696 ein „Diplom des Privilegs“, jedoch nicht vom König. Zudem war die Siedlung Eppeschdorf in diesem Zeitraum einigen Veränderungen unterworfen: Fürst Michael II. Apafi war recht jung verstorben. Nachdem die Siedlung danach für etwa zehn Jahre an dessen Witwe gefallen war, bekam 1724 die Schatzkammer alle Landgüter Apafis, da er keine weiteren Erben hatte. Unter diesen Umständen verfolgten die Armenier aufmerksam, wie sich diese Veränderungen auf ihre Rechtslage auswirken würden. Um ein „Diplom des Privilegs“ für die armenische Siedlung in Armenierstadt zu bekommen, setzte sich ein Geistlicher namens Minas Barun aktiv ein, der leider in der Literatur über die Geschichte der transsilvanischen Armenier bisher zu wenig Beachtung fand. 1722 war er von einer katholischen Bruderschaft nach Transsilvanien geschickt worden, um den römischen Katholizismus zu predigen.35 Zwar war er im Gegensatz zu Oxendio Virziresco kein Bischof, dennoch bemühte er sich aktiv um die Regelung der Rechtslage der Armenier Transsilvaniens. Die Regelung der Rechtsfrage der armenischen Siedlung in Armenierstadt ging diesmal von den Verwaltungsorganen des Landes und nicht von der Regierung aus; diese war 1713/14 neu gegründet worden und hatte schon nach wenigen Jahren die „Unterstützung“ des Hauptkommandos der Truppen verloren. Der Kommandant der Truppen von Transsilvanien, 32 33 34 35

Ebd., 395 f. Ebd., 397 – 399. EK: AG 1719, 18. Szongott, Kristóf: Szamosújvár szab. kir. város monográfiája 1700 – 1900 [Monografie der freien königlichen Stadt Armenierstadt 1700 – 1900]. 4 Bde. Szamosújvár 1901 – 1903, hier Bd. 3, 55 – 57.

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und Kammerleiter Fixter befürworteten vor den oberen Instanzen (königlicher Militärrat, königliche Kammer etc.) das Ansinnen der Armenier in Armenierstadt. Aber die königliche Kanzlei, als obere Instanz der Verwaltung und des Rechtswesens des Landes, erfuhr erst am 2. Januar 1725 davon, als der königliche Militärrat die genannte Zustimmung an sie weiterleitete.36 Der Ministerrat selbst nahm sich dieser Frage an 37, konsultierte jedoch lediglich die Hofkanzlei Transsilvaniens. Nach dem Ministerratsbeschluss und der folgenden Zustimmung des Königs wurde am 17. Oktober 1726 der armenischen Siedlung in Armenierstadt als erster überhaupt ein königliches „Diplom des Privilegs“ verliehen; der Ort bekam damit umfangreiche Rechte. Einige Artikel des Diploms hatten zwar gewisse Ähnlichkeiten mit der Eppeschdorf gewährten Beglaubigung von 1696, waren jedoch viel umfangreicher und ausführlicher geschildert. Hier war nicht nur die Rede von 412 Geschworenen des Richters, sondern auch von der fachbezogenen Bildung des Notars. Außerdem hatte die lokale Verwaltung die Möglichkeit, Zugezogenen, die darüber hinaus ein Empfehlungsschreiben benötigten, das Wohnrecht zu gewähren oder zu verweigern. Neu waren Regelungen zu den poli­ tischen, wirtschaftlichen und administrativen Fragen der Stadt. Die Stadt sollte sich bei Zivil- und Verwaltungsfragen an die Regierung wenden, bei wirtschaftlichen Fragen an die Kammerleitung; die Stadtsicherung wurde vom transsilvanischen Hauptkommando der Truppen unterstützt. Nach dem gleichen Muster wurde auch die Prozessordnung der Stadt geregelt, wobei die Lokalverwaltung erste Instanz war. Bei wirtschaftlichen Auseinandersetzungen konnte man bei der Kammerleitung Beschwerde einreichen, bei anderen Zivilfragen bei der jeweiligen königlichen Instanz oder der Verwaltung. Die Rechtsorgane von Armenierstadt hatten während eines Strafverfahrens die Herrscher aus der entsprechenden Provinz einzuladen und anzuhören. Gegen die Urteile konnte man Rechtsmittel bei der jeweiligen königlichen Instanz oder der Verwaltung einlegen. Es war auch möglich, dem König eine juristische Bittschrift vorzulegen. Darüber hinaus wurden die Zuständigkeiten bei Klagen von oder gegen Bewohner und Stadtfremde geregelt. Dieses System der Wechselbeziehungen in Verwaltung und Rechtsprechung unterschied sich vollkommen von den bisherigen Prinzipien des transsilvanischen öffentlichen Rechts. Ungewöhnlich ist auch, dass der Hauptkommandant der Truppen erwähnt wird, da Transsilvanien zu dieser Zeit schon seit 15 Jahren (1796) befriedet war. Die juristische Machtbefugnis der Kammerverwaltung galt auch als neue Regelung; vor 1690 war die Überprüfung eines Urteils, gegen das verschiedene Städte Rechtsmittel einlegen konnten, nicht Aufgabe der fürstlichen Aufseher der Finanzen, da alle Städte, frei oder privilegiert, königliches Eigentum waren. Obwohl Armenierstadt sich auf einem der Schatzkammer gehörenden Landgut befand, musste sich die Stadt nicht an die Verwaltungsregeln halten.

36 EK: AG 1725, 1. 37 Ebd. 1733, 76.

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Darüber hinaus sicherte das „Diplom des Privilegs“ den Armeniern aus Armenierstadt das Recht auf freien Handel sowohl in Transsilvanien als auch innerhalb der Grenzen des Habsburgischen Kaiserreichs und unterstützte gleichzeitig deren Aktivitäten. Armenier durften jede Woche dienstags und donnerstags eigene Märkte abhalten und sich an den allgemeinen Märkten, die jährlich am 5. Februar, am 25. Juni und am 4. November veranstaltet wurden und jeweils drei Tage währten, beteiligen. Den Handwerkern aus Armenierstadt gewährte man gewerbliche Privilegien. Im Vergleich zum „Diplom des Privilegs“ für Eppeschdorf war die Befreiung von einer Unterbringung von Truppen in Wohnhäusern und von anderen Verpflichtungen viel konkreter formuliert. Die Stadt bekam das Recht auf eine eigene Religion und die Priester waren verpflichtet, das Volk von anderen Religionen und Sekten fernzuhalten. Schließlich wurden die Abgaben der Stadt klar festgelegt: Jede Familie sollte 10 Forint Kammerzensus und 5 Forint staatliche Steuern an die Schatzkammer zahlen.38 Damit das „Diplom des Privilegs“ allgemeine Rechtskraft bekam, musste es in der Landes­versammlung veröffentlicht werden, was auch 1728 ohne Widerstand geschah, obwohl einige Artikel des Diploms dem öffentlichen Recht Transsilvaniens widersprachen.39 Die Rechtslage von Armenierstadt rief bei den führenden Ständen Transsilvaniens Neid hervor, da die wirtschaftliche Stärkung der Stadt den Gewinn der adeligen Inhaber des Landgutes schmälerte. Anzumerken wäre noch, dass im Herbst 1736 die Stadt das von der Schatzkammer an Armenierstadt verpachtete Landgut für 100.000 Forint (60.000 als Anzahlung und den Rest innerhalb von fünf Jahren) kaufen konnte.40 Dieses Landgut war einst eine Festungssiedlung gewesen und hatte der Größe einer Stadt mit ihrem Umland entsprochen, bestand jedoch später nur noch aus 22 größeren und kleineren Dörfern im Region Mezőség (heute Câmpia Transilvaniei). Der Rest des Gutes war an verschiedene Landgutsherren verpfändet worden.41 Zwar war es weniger wert als die großen Landgüter im erzreichen Gebirge oder das Landgut Fogarasch, welches noch zusammenhängend bestand, dennoch waren viele Adelige Transsilvaniens an einem Erwerb interessiert. Für das habsburgische Kaiserreich, das sich in andauernden finanziellen Schwierigkeiten befand, war die von der Stadt Armenierstadt aufgebrachte Summe jedoch wichtiger als die von den führenden Ständen Transsilvaniens zu dieser Sache eingegangenen Beschwerden. Zwar trafen diese nicht sofort ein, waren aber im Jahr 1740 unvermeidbar geworden, als das „Diplom des Privilegs“ für die Armenier aus Eppeschdorf in Kraft trat und den Neid

38 Bis 1754 wurden die vorgesehenen Steuern selten vollständig bezahlt, danach war das neue einheitliche Steuersystem in Kraft; das Gesetz über 1 Forint Steuer, den das Familienoberhaupt zahlte, wurde für ungültig erklärt. 39 EFL XII 1/2. 5. J. 40 Der Vertrag über den Rückkauf von Kapal wurde am 23. 09. 1736 zwischen Stadt und Kammerverwaltung geschlossen. Karl III. veröffentlichte dieses Dokument jedoch erst am 30. 01. 1738. In diesem Zeitraum fiel das Landgut unter die Verwaltung der armenischen Stadt. 41 EFL XII 1/2. 4. E.

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der Stände Transsilvaniens hervorrief. Diese waren der Ansicht, dass „Ausländer“ in Transsilvanien keine Landgüter erwerben dürften. Damit begann ein Streit um das Staatsbürgerschaftsrecht der Armenier Transsilvaniens, der fast 100 Jahre andauerte. „Patriot“ (hazafia) sollten sich nur Angehörige des privilegierten Stands Transsilvaniens nennen dürfen. Die transsilvanischen Armenier hatten sich bisher sowohl als Gruppe als auch als Einzelpersonen kaum darum bemüht, Staatsbürger Transsilvaniens zu werden, da dies für ihren Alltag als Händler oder Handwerker mit eigenen Rechten letztlich belanglos war. Für einen Erwerb eines Landgutes war das Staatsangehörigkeitsrecht hingegen von großer Bedeutung. Im Jahr 1740 wandte sich die Landesversammlung zunächst an die Regierung, damit diese dem König übermittelte, dass der Schatzkammer zustehende Landgüter nur an Bürger Transsilvaniens abzugeben wären. Die Armenier aus Armenierstadt wären nicht nur Nichtadlige, sondern auch noch Einwanderer und in keinem Land der Welt sei es Ausländern erlaubt, auf Kosten der Einheimischen Landgüter zu erwerben. Den Armeniern sei ein solcher Kauf nur möglich gewesen, weil sie einen überhöhten Preis bezahlt hätten, den kein Einheimischer hätte aufbringen können. Die königliche Schatzkammer solle doch bei Preisfestsetzungen für verpachtete Landgüter die allgemeine Lage Transsilvaniens beachten: Die wenig fruchtbaren Böden und der allgemein geringere Geldumlauf hätten einen Geldmangel zur Folge. Die Landesversammlung wandte sich zudem noch mit einer Bittschrift an den Herrscher Transsilvaniens: Dieser solle die Verpachtung der Ortschaft Armenierstadt für gesetzeswidrig erklären, und überhaupt sei man mit den den Armeniern, Griechen, Bulgaren und Rumänen gewährten Rechten und Privilegien unzufrieden.42 Die erste Erwiderung auf diese Bittschrift kam, wie allenthalben erwartet wurde, vom griechisch-katholischen Bischof, der als „führender rumänischer Nationalist“ die gegen die Rumänen gerichteten Artikel scharf zurückwies.43 Mit Petru Dobran, der ebenfalls rumänischer Nationalität war, wandte sich auch ein führender Vertreter der transsilvanischen Administration gegen die Bittschrift: Der von den Armeniern gezahlte Preis sei durchaus gerechtfertigt.44 Da außerdem die Armenier seit ihrer Einwanderung den öffentlichen Pflichten nachgekommen wären und in den ihnen gewährten Privilegien als Einwohner des Landes betrachtet würden, seien sie durchaus berechtigt, Landgüter zu erwerben. Überhaupt hätten die Armenier ihr Geld vielmals für verschiedene öffentliche Ziele und für die Schatzkammer verwendet, während andere Händler durch ihre Importe und Ankäufe in den anderen Ländern des habsburgischen Kaiserreiches transsilvanisches Geld im Ausland ausgegeben hätten. Auch über die Frage, ob bei der Verpachtung des Landgutes die Schatzkammer der Stadt das Recht gewährt hatte, die schon seit langem verpachteten Teile des Landgutes zurückzukaufen, ist viel diskutiert worden. Die rumänischen Einwohner traten für den Freikauf der 42 G. P. 1740; Izsépy, Edit: Az 1737t40. évi erdélyi országgyűlések története [Geschichte der transsilvanischen Landtage von 1737 – 1740]. Budapest 1943, 132 – 134. 43 Izsépy, Az 1737 – 40. évi erdélyi országgyűlések (wie Anm. 42), 134. 44 Auf den Wert des Landgutes wurden noch die Einnahmen aus der Umgebung hinzugerechnet.

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verpfändeten Güter durch die Armenier ein und hofften, dass diese wenigstens 20 Prozent der verpachteten Ländereien zurückkaufen könnten. Faktisch waren es also die transsilvanischen Rumänen, vor allem ihr Bischof Micu-Klein, die die Armenier gegen die Angriffe der führenden Stände verteidigten.45 Damit war die erste Phase des zwischen den Armeniern und den führenden Ständen ausgebrochenen Streits aber noch nicht abgeschlossen. 1741 entsandten diese eine Delegation an den königlichen Hof nach Wien, um verschiedene Forderungen zu stellen. Die Delegierten beschwerten sich über die unbeschränkte Tätigkeit der armenischen Händler, über deren niedrige Steuerabgaben und auch über die Befreiung der Armenier von den Pflichten, Soldaten in ihren Häusern Unterkunft zu gewähren und Fuhrwerke für Warentransporte zur Verfügung zu stellen. Die Delegierten hielten es für möglich, dass dadurch die Armenier die lokalen Händler und Handwerker in den Hintergrund drängen und zum Hauptkonkurrenten der lokalen Adligen würden. Ziel der Delegation war die Aberkennung armenischen Gutsbesitzes, eine Gleichstellung bei der Unterbringung der Soldaten, eine vermögensabhängige Besteuerung der Armenier und deren Unterordnung unter die provinzielle Herrschaft. Aber die Delegierten kehrten ohne Erfolge aus Wien zurück. Dennoch war die königliche Kanzlei Transsilvaniens der Ansicht, dass den Ausländern, insbesondere den Armeniern, der Erwerb der Landgüter verboten werden sollte. Außerdem sollte untersagt werden, Landgüter zu überhöhten Preisen zu verpachten. Eine Unterbringung von Soldaten auch bei Armeniern und eine für alle Nationen gleiche Besteuerung schienen angemessen. Die Ministerratssitzungen vom 5., 16. und 20. Juli 1742 kamen daher zu dem Schluss, die Privilegien der Armenier auf der nächsten bevorstehenden Landesversammlung zu diskutieren. Das letzte Wort sollte von der Königin selbst gesprochen werden: Am 20. Juli 1743 bestätigte Maria Theresia den Vorschlag des Ministerrates.46 Durch die Gewährung des königlichen „Diplom des Privilegs“ an Gherla war Eppeschdorf, die andere große armenische Siedlung Transsilvaniens, faktisch benachteiligt worden. Die Armenier dieser Siedlung erstrebten daher eine Gleichstellung, forderten also ebenfalls ein königliches Diplom, zumal die Landesversammlung Armenierstadt zunächst nicht einschränkte. Für die Verwirklichung dieser Aufgabe setzte sich Minas Barun selbst ein. Im Jahr 1730 wandte er sich an die regierenden Mächte, um für Eppeschdorf die Rechte zu erhalten, die Armenierstadt nun besaß, schließlich seien die Einwohner Eppeschdorfs auch Armenier, die Handel trieben.47 Nach dreijährigen Bemühungen wurde Eppeschdorf am 11. August 1733 auch ein „Diplom des Privilegs“ gewährt. Dieses entsprach, nach einer Mitteilung vom 14. April 1733 der transsilvanischen königlichen Kanzlei an den königlichen Palast, fast unverändert dem Diplom für Armenierstadt.48 Lediglich in einigen wenigen Einzelheiten 45 46 47 48

EFL III. 164. G. EK: AG 1742, 399.

Ebd., 1733, 76.

EFI. I. 13. T.

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(Ausdehnung des Stadtterritoriums, Bau einer Brücke etc.) sowie bei der Höhe des Kammerzensus und der Steuer (8 Forint von Häusern an großen Straßen, 4 Forint von Häusern an kleinen Straßen, 8 Forint von den noch im Bau befindlichen Häusern und jeweils die Hälfte dieser Beträge als Steuern) unterschieden sich die Diplome von Armenierstadt und Eppeschdorf (später)49. Im Diplom von Armenierstadt war noch die Abhängigkeit der Stadt von der Schatzkammerverwaltung deutlich unterstrichen worden. Bei Wahlen der städtischen Verwaltung musste die Kammerverwaltung in Kenntnis gesetzt werden, die zwar Beobachter entsenden, die Wahl jedoch nicht anfechten konnte.50 Auch das „Diplom des Privilegs“ von Eppeschdorf sollte mit Unterstützung der Kammerverwaltung in der Landesversammlung veröffentlicht werden, doch die Veröffentlichung verzögerte sich. Im November 1734 war daher mit Unterstützung der Kammerverwaltung bei der Regierung eine Bittschrift eingegangen.51 Auch die Landesversammlung von 1737 brachte kein Ergebnis. Der erneute Krieg gegen die Türken im Herbst 1737 hatte diese Frage als weniger wichtig erscheinen lassen. Außerdem war Ende September der Landesversammlungskommissar Wallis, der Kommandant der transsilvanischen Truppen, verstorben. Die Teilnehmer der Landesversammlung gingen auseinander und die Veröffentlichung des Diploms verzögerte sich erneut.52 Noch im November war eine weitere Landesversammlung einberufen worden, doch erst in der 12. Sitzung im Dezember stand die Frage der Veröffentlichung des Diploms auf der Tagesordnung. Verschiedene Streitpunkte führten jedoch dazu, dass der Regierung das Recht überlassen wurde, einen endgültigen Beschluss zu fassen, was zu einer erneuten Verzögerung führte.53 Erst am 10. März 1738 wurde das „Diplom des Privilegs“ von Eppeschdorf veröffentlicht.54 Noch während der Verhandlungen hatte die Familie Bethlen, die in Transsilvanien große Autorität besaß, Klage gegen die Schatzkammer erhoben: Als Nebenlinie der Familie Apafi (die Familie verzweigte sich Ende des 13. Jahrhunderts) hätte sie nach dem Tod Michael II. Apafi dessen Güter erben müssen, darunter auch das Landgut von Eppeschdorf. Da das Diplom deren Rechte verletzte, endete der Prozess erst 1783 mit einem Vergleich.55 Auch die Familie Deryofin sah ihre Rechte verletzt, weswegen Laszlo Gyulafin am 12. März 1738 im Namen seiner Verwandten mütterlicherseits Beschwerde einlegte.56 Doch diese Klagen und Beschwerden waren wohl rein private ökonomische Angelegenheiten und weit davon entfernt, ein ernstes Hindernis für die Veröffentlichung des Diploms von Eppeschdorf darzustellen. 49 Nur in sehr seltenen Fällen, besonders wenn die Stände unzufrieden waren, wurde Eppeschdorf in einem Dokument mit allen drei Namen (Ebesfalva, Erzsébetváros, Elisabethstadt) benannt, was jedoch stets negativ zu verstehen ist. 50 EFL. I. 13. V. 51 G. P. 1734, 330. 52 Izsépy, Az 1737 – 40. évi erdélyi országgyűlések (wie Anm. 42), 18. 53 Ebd., 25 f. 54 Ebd., 29. 55 EFL XI 1/2. 5. k. 56 EFL I. 13. V.

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Um 1740 war somit die Lage der beiden wichtigsten armenischen Siedlungen Transsilvaniens grundsätzlich geregelt. Zwar unterstanden sie der Schatzkammer, sie verfügten jedoch über eine unabhängige innere Verwaltung und hatten das Recht auf freien Handel. Die lokalen Landbesitzer hatten sich mit der Existenz der Armenier abgefunden, zumal sie von den Geschäften der armenischen Händler und Handwerker profitierten: Armenier waren die wichtigsten Abnehmer für Vieh, welches selbst aus dem Fürstentum Walachei gebracht wurde. Darüber hinaus pachteten die armenischen Händler, die das Vieh zum Weiterverkauf nach Ungarn und in den Westen brachten, deren Weiden. Die lokalen Landbesitzer waren die Abnehmer der von den Armeniern aus dem Ausland importierten Produkte und der armenischen Pelz- und Lederwaren; die Proteste der sächsischen Zünfte Transsilvaniens konnten letztlich gegen die Armenier nichts ausrichten. Wenn jedoch Armenier, egal ob Einzelpersonen oder Gruppen wie Städte oder Gemeinden, Landgüter erwerben wollten, gingen die adligen Landbesitzer gereizt zur Offensive über. Auch wenn der Angriff der führenden Stände von 1740 bis 1742 auf die Armenier erfolglos war, sahen die Einwohner von Eppeschdorf (in dieser Zeit schon Elisabethstadt) ihre Rechtslage noch als gefährdet an, zumal der Prozess zwischen der Familie Bethlen und der Schatzkammer noch andauerte und ein für die Armenier ungünstiger Ausgang nicht auszuschließen war. Zudem sollten die Angehörigen anderer Nationen in Armenierstadt und Elisabethstadt sowie die nicht dort ansässigen Armenier Transsilvaniens diesen Städten offiziell unterworfen werden.57 Gleichzeitig wollte die armenische Gemeinde von Elisabethstadt die im „Diplom des Privilegs“ vorgesehene Zunftordnung realisieren, d. h. die bestehenden Verhältnisse legalisieren und zusätzliche Privilegien, etwa ein eigenes Siegel und das Recht, Todesstrafen zu verhängen, erreichen. Auch das Ansinnen, den Ausdruck „bis auf Widerruf“ (usque ad benetplacidum) aus dem Diplom zu entfernen, hatte viel mehr als nur nur einen formellen Charakter. Wahrscheinlich reichte Elisabethstadt die entsprechende Bittschrift direkt bei der königlichen Kommission, die die Angelegenheiten im Banat, in Transsilvanien und Illyrien leitete, ein. Diese leitete das Schreiben mit Bitte um Stellungnahme an den Verwaltungsleiter der transsilvanischen Schatzkammer, Diterix, weiter und bat ihn, seine Meinung auch mit dem Vorsteher der Schatzkammer abzustimmen. Diterix und Petru Dobran legten am 31. August 1746 ihre Vorschläge dem königlichen Palast vor: Elisabethstadt solle selbst die Frage der Verwaltungssteuern lösen, denn andernfalls müsste die übrige Summe auf die anderen steuerpflichtigen Einwohner umgelegt werden; eine erbetene Freistellung von Steuerabgaben an die Schatzkammer wurde gänzlich ausgeschlossen. Die verstreut lebenden Armenier sollten in Radnuten (Radnót, Iernut) zentralisiert werden, das im Herzen eines der Landgüter der Schatzkammer lag. Ob diese neue armenische Siedlung unabhängig werden oder Ebesfalva unterworfen sein sollte, konnten Diterix und Dobran nicht klären.

57 Nach einem Dokument von 1735 gehörten die Armenier aus Niklasmarkt, Sipviz und Kanta der armenischen Gemeinde Eppeschdorf an. EFL V. 377. T.

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Diese Vorschläge aufgreifend, begannen die königliche Kommission und die königliche Kanzlei Transsilvaniens am 23. September 1746 die Verhandlungen.58 Nahezu alle Wünsche der Armenier wurden berücksichtigt, ebenso die zusätzlichen Vorschläge von Diterix und Dobran, von wenigen unbedeutenden Abweichungen abgesehen. Die Kommission billigte zwar grundsätzlich eine Umsiedlung und Zentralisierung der verstreut lebenden Armenier, blieb jedoch in dieser Frage unentschlossen. Der neu gewählte Schatzmeister Transsilvaniens sollte zwischen den Wohnorten Radnuten und Fogarasch, dem Großzentrum eines Landguts der Schatzkammer, entscheiden. Bis diese Entscheidung getroffen und eine dritte Siedlung entstanden und organisiert war, sollten die verstreuten armenischen Gemeinden Elisabethstadt unterworfen sein.59 Da Elisabethstadt einige Landgüter von den örtlichen Landbesitzern kaufen wollte, war es darum bemüht, seine Position durch eine Bestätigung des „Diploms des Privilegs“ zu festigen. Die entsprechende Bittschrift wurde zusammen mit einer ähnlichen Bittschrift der Stadt Armenierstadt von der königlichen Kommission und der königlichen Kanzlei Transsilvaniens nach gemeinschaftlich geführten Verhandlungen angenommen.60 Maria Theresia unterstützte die Vorschläge der Verhandlungen am 22. September 174661, somit wurde beiden armenischen Städten mit dem Beschluss vom 3. Oktober 1746 ihr „Diplom der Privilegien“ bestätigt, wobei im Fall Gherlas lediglich das „Diplom des Privilegs“ von 1726 erneuert und um einige Zusatzpunkte erweitert wurde:62 Die Krone verzichtete z. B. auf das Recht des Widerrufs. Eppeschdorf genehmigte sie, Todesurteile zu verhängen, wenn an den Prozessen entsprechend geschulte Juristen und Beamte der Provinz beteiligt waren. Auch das Recht auf ein eigenes Siegel wurde der Stadt verliehen und die Königin verpflichtete sich in ihrem Namen und im Namen ihrer Nachfolger, die den Städten verliehenen Rechte und Erweiterungen der Städte durch Gesetze zu schützen.63 Zwar blieben die den Zünften zugesagten Privilegien letztlich nur Versprechungen, allerdings wurden alle verstreut lebenden Armenier Transsilvaniens offiziell Elisabethstadt untergeordnet.64 Gemäß der Verfassung sollten die den armenischen Städten verliehenen neuen Privilegien 1747 in der Landesversammlung veröffentlicht werden.

58 An den Verhandlungen beteiligten sich seitens der Hofkanzlei von Transsilvanien nur der Leiter der Kanzlei Gyulafin und der Berater Kozman. Höchstwahrscheinlich war der Berater Smidlan, der zuvor der Chef der Kammerverwaltung Transsilvaniens gewesen war, verhandlungsführend. 59 EK: AG 1746, 315. 60 Ebd. 61 Ebd. 62 EFL XII 1/2. 5. J. 63 Nach transsilvanischem Recht war der Verkäufer für die verkaufte Ware verantwortlich, so wie der König für die Rechtslage eines Landguts und der dazugehörigen Ortschaften verantwortlich war. Für Elisabethstadt war dies im Falle eines Verkaufs des Landguts Eppeschdorf und seiner Ortschaften wichtig. 64 EFL I. 14. A.

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Aus den Quellen geht nicht hervor, ob 1747 Beschwerde dagegen eingelegt wurde; dies scheint jedoch sehr unwahrscheinlich, zumal bereits 1726 von Armenierstadt das „Diplom des Privilegs“ unwidersprochen angenommen worden war. Gegen das „Diplom des Privilegs“ von Elisabethstadt wurde, wie erwartet, von der Familie Bethlen unter Betonung ihrer 1738 vorgelegten Einwände Beschwerde eingelegt.65 Dennoch war die Bestätigung der beiden Diplome unter den führenden Ständen Transsilvaniens letztlich weniger umstritten als der bereits erwähnte Ankauf eines Landgutes durch Armenierstadt (1736). Die Rechtslage der Armenier Transsilvaniens blieb in den folgenden zehn Jahren nahezu unverändert. Erst nach 1750 änderten sich einige Details: 1. 1754 wurde ein neues System für die Steuererhebungen verabschiedet, das nach seinem Gründer Gábor Bethlen, dem späteren königlichen Kanzler Transsilvaniens, Bethlenisches System genannt wurde. Außer den wichtigen Ständeprivilegien berücksichtigte dieses neue System die vorherigen Privilegien aus den gewährten Diplomen nicht. Somit zahlte jede armenische Familie im Jahr 1755 zehn Forint Mittelbetrag anstatt fünf Forint, die im Diplom des Privilegs von 1726 festgehalten wurden. Selbstverständlich versuchten beide armenischen Städte, ihre vorherigen Privilegien wiederherzustellen, insbesondere die Höhe der früheren Steuerbeträge. 2. Gleichzeitig versuchten die armenischen Städte, sich von der Kammersteuerpflicht zu befreien, indem sie eine einmalige Ablöse zahlen wollten; dieser Vorschlag wurde von den zuständigen Behörden des habsburgischen Kaiserreichs mit Freude angenommen. Armenierstadt bot 1758 25.000 rheinische Forint 66 Lösegeld für den Zensus und Elisabethstadt 16.000.67 Maria Theresia war zwar mit diesen Vorschlägen einverstanden, da aber in den Diplomen beider Städte die Steuerfrage ein zentraler Punkt war, wäre die Ausfertigung und Verkündung eines neuen Diploms notwendig gewesen. 3. In der bereits erwähnten Auseinandersetzung um das Gut Eppeschdorf konnte Elisabethstadt ein eigenes Landgut erwerben, wie dies auch Armenierstadt möglich gewesen war: da noch 1747 in dieser Sache das Gerichtsverfahren zwischen der Familie Bethlen und der Schatzkammer offen war, befürchtete Elisabethstadt nicht ohne Grund, dass die Schatzkammer sich schließlich mit der Familie Bethlen einigen könnte.68 1757 hatte jedoch Gábor Bethlen, königlicher Diplomat Transsilvaniens, von der Schatzkammer alles Land, das einstmals den Apafis gehörte, aufgekauft, darunter auch Elisabethstadt. 65 Die Bestätigung des Privilegs von Eppeschdorf wurde am 27. Februar 1747 erwähnt, und die Beschwerden wurden in schriftlicher Form am 11. März des gleichen Jahres vorgelegt. 66 EK: AG 1758, 30. 67 Ebd., 389. 68 EFL I. 14. F.; EK: AG 1751, 441.

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Da er jedoch die komplette Summe nicht auf einmal zahlen konnte, war er gezwungen, Teile dieses Landguts zu verkaufen. Am 29. Juni 1758 konnte Elisabethstadt das Landgut Ebesfalva für 60.000 rheinische Forint erwerben.69 Der Kauf wurde durch eine königliche Urkunde bestätigt.70 Mit dem Kauf des Landgutes, welches kleiner als der Besitz von Armenierstadt war und nur aus fünf Dörfern bestand, sahen sich beide armenischen Städte genötigt, ihre Privilegien auch für die erworbenen Ländereien bestätigen zu lassen. Diesmal machte Armenierstadt den ersten Schritt: zusammen mit dem Vorschlag, die Steuern durch eine einmalige Zahlung abzulösen, baten die Stadtverwalter das „Diplom des Privilegs“ in zwei Punkten abzuändern: Das Widerrufsrecht sollte, wie bei Elisabethstadt, aufgehoben und die Pflicht zur Unterbringung von Truppen und zur Bereitstellung von Fuhrwerken eindeutig getilgt werden, ein neues Diplom wäre zu formulieren. Eine entsprechende Bittschrift wurde nach einer Aktennotiz vom 24. März 1758 unter Umgehung der Verwaltung und der königlichen Kanzlei Transsilvaniens durch das obere Verwaltungsorgan des habsburgischen Kaiserreichs in Zivil- und Finanzangelegenheiten direkt bei Maria Theresia eingereicht. Die neue Urkunde sollte dem Beschluss der Königin entsprechend am 1. April 1758 erarbeitet werden. Da die Kanzlei sich durch den Ablauf der Geschehnisse in ihren Machtbefugnissen eingeschränkt sah, bestand man auf einer gemeinsamen Sitzung, bevor der Königin ein Beschluss vorgelegt werden sollte. Die Kanzlei betonte, dass nicht nur ein formaler Fehler vorläge, sondern dass auch im Original des „Diploms des Privilegs“ einige Stellen stark veränderungsbedürftig wären; eine Sitzung einzuberufen wäre daher dringend geboten.71 Diese in aller Eile einberufene Zusammenkunft schlug der Königin am 15. April 1758 einige Veränderungen vor. Bei deren Zusammenstellung hatte die Kanzlei jedoch ein paar Schwierigkeiten. Ein Großteil davon waren rein formale Korrekturen, wie zum Beispiel die Einsetzung einer Gruppe von Abgeordneten verschiedener Stände anstelle des zwischenzeitlich verstorbenen Minas Barun als Vermittler. Ferner sollte die Gehorsamspflicht von Armenierstadt gegenüber dem Bischof der griechisch-katholischen Kirche Transsilvaniens entfernt werden. Überdies war in der Sitzung ein Streit über die Unterordnung von Armenierstadt zwischen der Verwaltung und der Kanzlei entstanden: während die Verwaltung das bestehende Recht beibehalten wollte, schlug die Kanzlei eine Gleichbehandlung von Armenierstadt mit den anderen Städten Transsilvaniens vor. Armenierstadt hätte somit wie die anderen Städte ein „Dreißigstel“ an die Staatskasse abführen müssen, das Militär sollte jedoch die Rechte der städtischen Verwaltung nicht antasten. Die Königin nahm die Vorschläge der Kanzlei auf, ohne jedoch in dieser Frage einen endgültigen Beschluss zu fällen.72 In der Frage der Unterordnung 69 70 71 72

EFL XI 1/2. 4. D.

Der Hauptnotar von Transsilvanien war für jede Beschwerde gegen die Beschlüsse des Diploms zuständig.

EK: AG 1758, 30.

„Placet juxta concertationem.“

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von Armenierstadt wurde daher die alte Formulierung beibehalten, was letztlich das Ungleichgewicht z­ wischen der Verwaltung und der Kanzlei verdeutlicht.73 Das neue „Diplom des Privilegs“ vom 17. April 1758 brachte Armenierstadt vor allem die Möglichkeit zur Ablösung der Steuer und die formale Unabhängigkeit von der Komitat Innere Szolnok bei Gerichtsverhandlungen der Stadt.74 Elisabethstadt hatte in dieser Zeit das Landgut Ebesfalva erworben und etwa ein halbes Jahr nach Gherla um eine Ablösung von den Steuern ersucht, ohne sich an die Hofkanzlei zu wenden. Die Ereignisse wiederholten sich in gleicher Reihenfolge.75 Dort hatte man aus dem Fall von Armenierstadt gelernt und bestand nicht auf einer Änderung der Unterordnung von Elisabethstadt, weshalb der Entwurf des Diploms vom 24. November 1758 keine Streitpunkte enthielt.76 Neben einigen Änderungen bei Dauer und Anzahl der genehmigten Märkte war die Möglichkeit zum Loskauf von der Steuerpflicht der einzige Unterschied im neuen „Diplom des Privilegs“ von Elisabethstadt.77 Aber diesmal verursachte die Veröffentlichung der beiden Diplome von 1759 in der Landesversammlung nicht wenig Streit, der erst nach einigen Jahren durch Vermittlung der Zentralverwaltung des habsburgischen Kaiserreichs beigelegt wurde. Besonders das Recht von Elisabethopolis, eigene Landgüter zu erwerben, und zwar nicht nur als Pacht-, sondern auch als Eigentumsbesitz, war der Grund für die wütende Empörung. Gegen dieses Recht richtete sich der Widerstand der drei ständischen Nationen, Ungarn, Szekler und Sachsen, die meinten, dass den Armeniern, wie den anderen ausländischen Händlern, als geduldeten Einwohnern dieses Privileg nicht zustünde.78 Lediglich Einheimische, also Angehörige der drei Nationen, könnten Eigentumsrecht an Landgütern erhalten. Unter diesem Vorwand legten sie schließlich alle ihre Beschwerden vor: Die Armenier würden die Befugnisse der provinziellen Justiz missachten, gesetzliche Gerichtsverfahren vermeiden und sich stets an das Hauptkommando der Truppen wenden, obwohl sie der Schatzkammer untergeordnet seien. Die Armenier hätten nicht nur die Besteuerung falsch organisiert, sie würden auch jede Unterstützung der Soldaten und der öffentlichen Vorhaben konsequent meiden. Durch ihr Recht auf freien Handel würden sie die anderen Händler des Landes vorsätzlich schädigen und zum Nachteil der Zünfte 73 74 75 76 77 78

EK: AG 1758, 121. EFL XII 1/2. 5. J. EK: AG 1758, 389.

Ebd., 448.

EFL XI 1/2. 4. G.

Der Ausdruck „armenische Nation“ wurde sowohl von Oxendio Virziresco als auch in einer Bittschrift von 1734 selbstverständlich verwendet. Auch die Kammerverwaltung benutzte 1737 diesen Ausdruck in der Form einer „emigrierten Nation“. Andererseits achteten die drei Nationen Transsilvaniens darauf, im politischen System des Landes keine weitere Nation zuzulassen, obwohl die transsilvanischen Armenier in aller Regel als gesonderte (unabhängige) Nation anerkannt wurden und eine Aufnahme von Armeniern in Transsilvanien zu diesem Zeitpunkt keine besondere Gefahr darstellte.

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der Städte neue Privilegien erwerben. Sie hätten ohne Erlaubnis Brücken gebaut und Zoll verlangt.79 Mit diesen Begründungen beschwerten sich die Vertreter der drei Nationen überall die Punkte im „Diplom des Privilegs“ Ebesfalvas von 1733 (und den nachfolgenden), die auf irgendeine Art und Weise die Rechte der transsilvanischen Nationen oder einzelner Einwohner berührten. Die Familie Bethlen legte Beschwerde ein, da das Gerichtsverfahren zwischen ihr und der Schatzkammer um Apafis Landgüter noch im Gange war. Auch der griechisch-katholische Bischof Transsilvaniens beschwerte sich, da mit dem Erwerb von Landgütern einschließlich der griechisch-katholischen Leibeigenen (Rumänen) oder mit deren Verbringung aus Elisabethstadt in andere Dörfer des Landgutes der griechischkatholischen Kirche und deren Gemeinden Schaden zugefügt würde. Den Beschwerden schloss sich noch der Statthalter der Provinz Großer Kokel an: Elisabethstadt würde einerseits das Landgut Ebesfalva von der Provinz trennen, ohne sich zu dessen Steuerabgaben zu verpflichten, verlange aber andererseits die Machtbefugnisse eines Provinzverwalters.80 In der gleichen Landesversammlung wurde auch gegen das „Diplom des Privilegs“ von Armenierstadt Beschwerde eingelegt.81 Zwar baten die Einwohner von Elisabethstadt die führenden Stände umgehend, ihren Widerstand einzustellen,82 erhielten jedoch auf die Bittschrift keine Antwort. Daher sahen sie sich gezwungen, den Leiter der Schatzkammer zu ersuchen, ihre Rechte zu verteidigen: Die Armenier seien vor fast 200 Jahren eingewandert und wären in Transsilvanien heimisch geworden. Überdies hätte allein der König das Recht, ein „Diplom des Privilegs“ zu gewähren oder zu verweigern.83 Und schließlich sei auch die Beschwerde zum falschen Zeitpunkt eingereicht worden; die führenden Stände hätten schon bei der ersten Veröffentlichung 1733 ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen müssen. Gleichzeitig bestritten die Armenier, Rechte der Provinz verletzt oder vom König verordnete Verpflichtungen, öffentliche Belastungen zu tragen, verweigert zu haben. In Bezug auf die Privilegien der Gerichtsbarkeit, gegen die sich die führenden Stände beschwert hatten, verwiesen sie auf ihre vorherigen Privilegien. Die Beschwerden über ihre Handelstätigkeiten seien haltlos, da die Armenier auf gleiche Weise und gleichem Niveau wie die anderen Händler handelten, sie würden lediglich billiger verkaufen, um Kunden zu werben. In Bezug auf die Zollerhebungen am Fluss Großer Kokel verwiesen die Armenier erneut auf ihre Privilegien und bemerkten außerdem, dass Zölle seit Gründung des Fürstentums erhoben würden; außerdem gäbe es

79 Michael Apafi II. hatte schon das Recht, eine Brücke zu bauen und von den Reisenden Zoll einzunehmen, bekommen. 80 EK: AG 1760, 546. 81 EK: AG 1762, 513. Der Vorsitzende der führenden Stände, der Hofkanzler und die königlichen Regalisten beteiligten sich nicht an dieser Beschwerde. EFL I. 15. B. 82 Ebd. 83 Dies war eine betont absolutistische Sicht der königlichen Rechte. Nach ungarischem Standesrecht konnte der König nur Privilegien verleihen, die die allgemeinen Gesetze des Landes nicht verletzten.

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nicht nur die Furt der Armenier. Zunftprivilegien vergäbe ebenfalls der König, und eine Zunahme von Zünften in der Provinz würde nicht schaden, sondern vielmehr das Warenangebot verbessern. Die Beschwerde des Bischofs aus Fogaras wiesen die Armenier zurück, da der Bischof in der Landesversammlung kein Stimmrecht hatte. Außerdem solle er sich besser um die untreuen Gläubigen der Römischen Kirche kümmern, die gruppenweise in die Obhut der griechisch-orthodoxen Kirche überträten; auch die in Elisabethstadt lebenden Walachen (Rumänen) wollten diesem Beispiel folgen und die Stadtverwaltung sollte versuchen, sie mit allen Mitteln von diesem Schritt abzuhalten.84 János Sellye Tolnai, der Leiter der Schatzkammer, sammelte diese Argumente, um die Einwände der Stände und der anderen Kläger zu entkräften. Schon im Mai 1760 war diese Sammlung fertig. Tolnai versuchte, die führenden Stände davon zu überzeugen, dass die Armenier aufgrund ihres zweihundertjährigen Aufenthaltes in Transsilvanien, ihrer Tätigkeiten und der bereits erworbenen Privilegien berechtigt wären, die gleichen Rechte wie die Einheimischen zu bekommen, auch wenn sie nie beanspruchen würden, die vierte Nation des Landes zu werden.85 Er versuchte zu erreichen, dass in Transsilvanien sowohl Ausländer als auch Nichtangehörige der bekannten Religionen Landgüter erwerben und sogar öffentliche Posten besetzen konnten. Nichts spräche zudem gegen den Wiederaufbau eines Dorfes durch den Landgutsbesitzer oder eine Weiterentwicklung zur Stadt. Um die vorhandenen Gerichtbarkeitsprivilegien der Armenier zu rechtfertigen, betonte er auch die von Karl III. gewährten Rechte, die dieser einerseits aus bestehenden Rechten übernommen und andererseits aus der alltäglichen Praxis abgeleitet hatte. Denn wieso sollten Armenier gezwungen sein, die verschlungenen Wege provinzieller Gerichte zu beschreiten, wenn sie gleich mit einem sofortigen Urteil jeglichen Gerichtsprozess beenden könnten? Dass Elisabethstadt unter dem Schutz des Hauptkommandos der Truppen stünde, störe wahrscheinlich niemanden. Darüber hinaus sei es tatsächlich das alleinige Recht des Königs, Privilegien zu gewähren und Steuern zu erlassen, zumal die den Armeniern gewährten Rechte dem allgemeinen System der Steuererhebungen keinen Schaden zufügten. Außerdem sei die Stadtverwaltung von Elisabethstadt besser über die Eigentumsverhältnisse und über die finanzielle Lage der verschiedenen Gemeinden informiert als die entsprechenden Beamten vor Ort. Eine Unterbringung von Soldaten in armenischen Häusern könne deren Lagerbeständen und der Produktion erheblichen Schaden zufügen, und armenische Fuhrwerke zum Transport öffentlicher Güter einziehen zu wollen, sei nicht realisierbar, da diese wegen des Handels stets irgendwo unterwegs seien. Zum Handel bemerkte er außerdem, dass Armenier niemals eine unbegrenzte Freiheit für den Handel von Fürsten verlangt hätten und mangels festgelegter Preise ihre Waren so billig verkaufen dürften, wie sie wollen. Sollten die Armenier im Handel eingeschränkt werden, hätten die Sachsen in einigen Bereichen das Monopol. 84 Der Großteil der transsilvanischen Rumänen lehnte die griechisch-katholische Kirche ab und hatte sich der griechisch-orthodoxen Kirche angeschlossen, die auch vom Habsburgerreich anerkannt wurde. 85 Dies war so nicht richtig: Zwar richteten sich die Armenier nicht nach den drei gleichberechtigten Nationen, verlangten in ihren Bittschriften jedoch die Anerkennung ihrer Nationsrechte.

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Das wäre aber weder für Käufer noch für die Staatskasse von Vorteil, da das „Dreißigstel“ größtenteils von den armenischen Händlern bezahlt würde. Schließlich meinte Tolnai, dass allein der König über die Fragen der Furt und der Beibehaltung der armenischen Zünfte entscheiden könne. Außerdem gab Tolnai offiziell bekannt, dass die Anschuldigungen der führenden Stände voll und ganz gesetzeswidrig wären, da sie nicht während der Bestätigungen von 1733 und 1746 geäußert wurden und ungeachtet dessen die königliche Autorität in Frage stellten. Nach einem zweihundertjährigen Aufenthalt in Transsilvanien 86 hätten die Armenier selbstverständlich das Recht, als Einheimische betrachtet zu werden. Sollte jedoch das Fürstentum den Armeniern ihre Rechte vorenthalten, hätte dies negative Auswirkungen auf das Land und insbesondere auf die Finanzen. Außerdem unterstünde auch die Landesversammlung dem König, der selbst das Recht hätte, Gesetze zu erlassen, die der göttlichen Natur und der Staatsverfassung nicht widersprechen. Zudem könnten Gesetze bei Bedarf geändert werden. Seine Antwort beendete Tolnai mit der Ausführung, er sei überzeugt, dass ein Land umso glücklicher sei, je mehr Handwerk und Handel blühten. Wie bereits die Bürger von Elisabethstadt war Tolnai der Ansicht, dass der griechisch-katholische Bischof sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern solle, zudem beschuldigte Tolnai ihn, die von der römischen Kirche abgefallenen Rumänen unterstützt zu haben, und wies darauf hin, dass die Armenier schon seit Ende des 17. Jahrhunderts mit der römischen Kirche vereinigt gewesen seien.87 Mit dieser Antwort war der Widerspruch der führenden Stände gegen die Privilegien der armenischen Städte jedoch noch nicht beigelegt. Der königliche Palast in Wien sollte sowohl die Antwort von Tolnai als auch die Anschuldigungen, die die Autorität der Verwaltungsorgane verletzten, diskutieren. Letztlich entschied das Kaiserreich zugunsten der beiden armenischen Städte, wohl auch aus Rücksicht auf die eigenen Finanzen. Zwar hatte Tolnai sicher übertrieben, als er behauptete, dass die Zolleinnahmen des transsilvanischen Außenhandels hauptsächlich von den armenischen Händlern bezahlt wurden, dennoch war offensichtlich, dass durch das „Dreißigstel“ Armenier bedeutende Summen entrichtet hatten. Zudem wussten die obersten Instanzen der Finanzverwaltung des Kaiserreichs um die 41.000 Forint, die beide Städte als Ablöse an die Schatzkammer gezahlt hatten. Mit dem Inkrafttreten des neuen Steuersystems wurde die Frage der Steuerbelastungen erneut geprüft, aber die Verwaltungsorgane nahmen keine besondere Rücksicht auf die Armenier. Die Armenier von Elisabethstadt, Hauptziel des Angriffs der führenden Stände, reichten bei der königlichen Kammer eine Bittschrift ein, die Beschwerden zu verwerfen. Dort waren wohl schon die Anmerkungen von Tolnai bekannt, denn man fand die Beschwerden der 86 Diese 200 Jahre leitete Tolnai aus Dokumenten von 1096 bis 1758 ab. Tatsächlich wurden in entsprechenden Gesetzen über ausländische Händler manchmal Armenier erwähnt. 87 EFL. I, 15, B. Zwar wurde noch lange über die Höhe des Preises der transsilvanischen Staatsbürgerschaft gestritten, doch war diese im 18. Jahrhundert für die meisten armenischen Fernhändler zu teuer und für die Kleinhändler und Handwerker unerschwinglich.

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wohlhabenden Stände „unverschämt“, zumal die Hofkanzlei von Transsilvanien sanftere Mittel vorgeschlagen hatte, um dieses Problem zu lösen. Dies wurde im Bericht der Kanzlei an die königliche Kammer vom 23. Oktober 1760 so erwähnt. Man strebte eine friedliche Lösung dieses Problems an und schlug vor, die führenden Stände zu überzeugen, auf ihre Beschwerden zu verzichten. Stattdessen sollte die Landesversammlung besser eine Bittschrift bei der Königin einreichen.88 Die königliche Kammer war bereit, als Vermittler in den bald erwarteten Verhandlungen zu fungieren.89 Die Königin selbst sollte die Beschwerden der führenden Stände als ungültige, unverschämte und der Monarchie unwürdige Taten zurückweisen; die Stände sollten ihre Beschwerden gegen die „königlichen Gaben“ zurückziehen. Auf diese Weise sollte betont werden, dass Maria Theresia als Königin den Widerstand der führenden Stände brechen könne. Auch die Regierung verteidigte die Privilegien der Armenier und versuchte die führenden Stände dazu zu bringen, auf ihre Beschwerden zu verzichten. Um in dieser Angelegenheit den Instanzenweg einzuhalten, reichte die Kanzlei ihre Vorschläge im Januar 1761 bei der Königin ein und formulierte im Februar desselben Jahres einen Beschluss, der die führenden Stände aufforderte, auf ihre Beschwerden zu verzichten.90 Als der Inhalt des königlichen Beschlusses in Armenierstadt bekannt wurde, reichte die Stadt am 10. Februar 1761 eine Bittschrift beim König ein, die jedoch erst am 2. September in der Hofkanzlei Transsilvaniens einging. Mit der Begründung, eine ähnliche Bittschrift von Elisabethstadt würde schon diskutiert – die Königin habe einen entsprechenden Beschluss gefasst –, hielt es die Kanzlei für angemessen, die Bittschrift direkt an den königlichen Kommissar der bevorstehenden Landesversammlung von 1761 weiterzuleiten; dieser solle die letzte Bittschrift wie die vorherige in Bearbeitung setzen.91 Die führenden Stände waren dadurch gezwungen, auf ihre vorgelegten Beschwerden zu verzichten, worüber sie im Herbst 1761 offiziell die Königin unterrichteten. Dennoch verteidigten sie weiterhin die Ansicht, die Armenier seien keine Einheimischen und entsprechendes Recht könne ihnen erst nach Ablegung eines Eides vor der Landesversammlung bei gleichzeitiger Entrichtung der festgelegten Steuer nur vom König und den fürstlichen Ständen zugesprochen werden. Die führenden Stände baten daher, dass der Leiter der Schatzkammer offiziell gegen die genannten Punkte, die ihren Rechten zuwiderliefen, auftreten solle. Falls die Königin diesen Vorschlag ablehnen sollte, müsste sie selbst von Elisabethstadt fordern, dass die Armenier ihr Ansinnen, als Einheimische bezeichnet zu werden, aufgäben. Im Falle von Armenierstadt hingegen verzichte man auf die Beschwerden, da es zwischen dem „Diplom des Privilegs“ von 1728 (das ohne Widerstand veröffentlicht worden war) und der Fassung von 1758 keine besonderen Unterschiede gäbe.92 88 89 90 91 92

EK: AG 1760, 546.

Ebd., 592. Ebd., 1761, 63; EFL I. 15. D. EK: AG 1761, 513. Ebd., 1762, 154.

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Letztlich wurden damit die Streitigkeiten um die 1758 den Armeniern verliehenen Privi­ legien und die Landgutsrechte von Elisabethstadt beendet. Zwar erklärte im Herbst 1761 die Hofkanzlei von Transsilvanien die Widersprüche der führenden Stände gegen die den Armeniern verliehenen einheimischen Rechte für begründet, dies blieb jedoch ohne praktische Auswirkungen. Auch die Widersprüche, die gegen das armenische Erwerbsrecht auf Landgüter und gegen andere Arten von armenischen Privilegien gerichtet waren, wurden als die königliche Autorität in Frage stellende direkte Andeutungen abgelehnt, vor allem da die Formel „Salvo juve alieno“ des „Diploms des Privilegs“ dafür viele Möglichkeiten bot. Der Vorgesetzte der Hofkanzlei von Transsilvanien, Gabor Bethlen, war der Meinung, dass die Bitte der führenden Stände vom Herbst 1761 die königlichen Machtbefugnisse weiter einschränken würde, demzufolge sollte auch darauf unverzüglich verzichtet werden.93 Da erst 1781 im Zusammenhang mit der Zeremonie der Treueidablegung gegenüber Josef II. die nächste Landesversammlung einberufen wurde, waren die Streitigkeiten zwischen den oberen Verwaltungsorganen und den führenden Ständen Transsilvaniens beendet. Auch die Regelungen der Rechtslage der transsilvanischen Armenier, womöglich die wichtigste Etappe des Diploma Leopoldinum, waren damit endgültig fixiert. Auch in anderen Bereichen hatten sich Entwicklungen der armenischen Gemeinden in Transsilvanien ergeben: Hatten zwischen 1726 und 1754 die führenden Stände Transsilvaniens mit allen Mitteln versucht, den Armeniern hohe Steuern aufzuerlegen, wie umfangreiche Bittschriften und Vorschläge vermuten lassen, nahmen alle Instanzen der Schatzkammerverwaltung die Armenier nun unter ihre Obhut. Zwar waren für beide Städte die Steuern festgeschrieben worden, aber bei der Verteilung der Steuern auf dem Land berücksichtigte die Landesversammlung diese Festlegungen nicht. Da sich beide Städte über diesen Zustand bei der Schatzkammer beschwerten, war diese gezwungen, sich für eine Regelung einzusetzen. Dadurch kam es zu sich überschneidenden Steuersenkungen und zusätzlichen Steuern für Armenier. Gleichzeitig versuchten die Armenier sich den öffentlichen Belastungen zu entziehen. Mit der Umsetzung des gründlich ausgearbeiteten Steuersystems von 1754, das sich auf alle steuerpflichtigen Einwohner Transsilvaniens bezog, hatten die Armenier nun Vermögenssteuer und besonders hohe Kirchensteuern zu zahlen. Bei der Kirchensteuer wurde jede Ortschaft in eine entsprechende Zone, die aus mehreren Ebenen bestand, eingeteilt. Händler und Handwerker bildeten innerhalb ihrer Ortschaft eine gesonderte Schicht. Auch die armenischen Städte wurden entsprechend klassifiziert: Armenierstadt wurde in die Gruppe der zweiklassigen Verkäufer eingeteilt. Das bedeutet, sie wurde solchen Städten wie Klausenburg und Mediasch (Medgyes, heute:Mediaş) gleichgestellt. Die Händler dieser Städte waren in sieben Kategorien eingeteilt und hatten 16, 13, 11, 9, 7, 5 und 3 Forint Steuern zu zahlen. Die sieben Kategorien der Handwerker mussten 14, 12, 10, 8, 6, 4 und 2 Forint zahlen. Elisabethstadt wurde anders eingestuft, wie beispielsweise Mühlbach (Szászsebes, heute Sebeşul Săsesc). Hier wurden die Händler in

93 Ebd.

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sechs Kategorien eingeteilt und mussten 11, 9, 7, 5, 3 und 2 Forint zahlen. Die Handwerker wurden in fünf Kategorien eingeteilt und zahlten dementsprechend acht, sechs, vier, zwei und ein Forint und 30 Kreuzer. Die Steuererhebungen der beiden armenischen Gemeinden Niklasmarkt und Sibviz (Szépvíz, heute Frumoasa), die unter der Obhut von Elisabethstadt standen, fanden getrennt statt. Die Händler aus Niklasmarkt wurden in sechs Kategorien gegliedert und zahlten zehn, acht, sechs, fünf, vier und zwei Forint, die Handwerker zahlten acht, sechs, vier, drei und ein Forint und 30 Kreuzer. Die Händler aus Sibviz hatten sechs, vier, drei, zwei und ein Forint und 30 Kreuzer, die Handwerker vier, drei, zwei und ein Forint zu entrichten.94 Außer dieser Kirchensteuer mussten die armenischen Einwohner von Transsilvanien noch Vermögenssteuer für ihre Wohnungen, Grund und Boden, Vieh, Windmühlen, Brauereien und Brennereien abführen. Die o. g. Zahlen zeigen, dass die wohlhabenden Händler aus Armenierstadt und Elisabethstadt teilweise das Dreifache der in den „Diplomen des Privilegs“ von 1726 bzw. 1733 festgelegten Steuern zu zahlen hatten. Trotz aller Beschwerden konnte die Regierung bei Steuererhebungen nicht nachgeben, um die Finanzen des Landes nicht zu gefährden. So beschwerte sich Elisabethstadt 1765 bei der Verwaltung, da zu der gesamten Steuerbasis der armenischen Händler aus Niklasmarkt noch Steuern auf das Vieh, welches die Händler zum Weiterverkauf erworben hatten, hinzugekommen waren. Der Händler Theodor Lukács sollte daher Viehsteuern für 30 Ochsen, 30 Kühe und 100 Lämmer, zusammen mit der Kirchensteuer 125 Forint, abführen. Dieses Vieh war wohl sein persönlicher Besitz und keine Handelsware; die Armenier erwarben Vieh üblicherweise im Frühling, um es über Ungarn in den Westen zu verkaufen, die Steuerschätzung fand jedoch im Herbst statt. Die Verwaltung und die Kanzlei lehnten daher einstimmig diese Beschwerde ab.95 Die armenischen Handwerker verfügten zwischen 1726 und 1762 über eigenes Recht. In den „Diplomen des Privilegs“ waren ihnen Zunftrechte vom König zugesichert worden, wobei diese sich von der Zunftordnung, die von der Stadtverwaltung für die lokalen Handwerker verfasst wurde, unterschied. Schon vor 1762 hatten die transsilvanischen Armenier lokale Zunftordnungen, selbst wenn wir die legendäre Behauptung außer Acht lassen, dass Oxendio Virziresco im Jahr 1700 angeblich den Lederarbeitern aus Armenierstadt Zunftrechte verliehen hatte; 1719 bestand tatsächlich eine solche Regelung.96 Auch Lázár Budakovics, der katholische Vorsteher der Armenier, und die Verwaltung der Stadt, Armenierstadt entwickelten Zunftregelungen für lokale Schuhmacher.97 1730 arbeiteten in Armenierstadt außer Schustern noch Gerber, Kürschner und Beutler,98 wahrscheinlich in den von der Stadtverwaltung geschaffenen lokalen Zünften. Außerdem gab es noch eine Zunft für Schneider, die aus den in den 1720er-Jahren in die Stadt eingewanderten 94 EK: AG 1757, 277. 95 G. P. 1765, 425.: 2718. 96 Vgl. Szongott, Szamosújvár (wie Anm. 35), Bd. 1, 275. 97 Szongott, Szamosújvár, Bd. 2, 131 – 134. 98 Ebd., 310.

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ungarischen und rumänischen Meistern bestand und 1729 ihre Zunftordnung von der Stadtverwaltung bekam.99 Die ersten vom König bestätigten Zunftprivilegien bekamen die Lederzünfte aus Armenierstadt und Görgen;100 die entsprechende Urkunde wurde am 11. März 1738 in der Landes­ versammlung veröffentlicht.101 Aber diese Privilegien standen lange Zeit allein. In den 1760er-Jahren bestand in Niklasmarkt eine bedeutende Zunft der Kürschner;102 zwar hatte diese kein Zunftprivileg, aber doch eigene Zunftmeister, ein eigenes Zunftgericht und war zugelassen.103 In der unbeständigen Phase nach 1762 hatten die Handwerker der armenischen Siedlungen daher die unterschiedlichsten Erwartungen. Die vor 1726 zwischen den armenischen Kürschnern und den Kürschnern anderer Nationen Transsilvaniens entstandenen Konflikte wurden bereits erwähnt. Mitte der 1740erJahre entbrannte dieser Streit erneut: Die Armenier, die sich unter der Obhut der Schatzkammer befanden, erhoben Klage und baten die Verwaltung um das Recht, Leder und Pelze auch von außerhalb der transsilvanischen Grenzen zu importieren und mit unbehandeltem Leder handeln zu dürfen; der Pelzverband Transsilvaniens hingegen wollte von der Verwaltung eine Bestätigung seiner Privilegien.104 Da die Verwaltung der Meinung war, dass der Pelzverband allein nicht den für Transsilvanien so wichtigen Export von Schaffell bewältigen könne, wurde mit Beschluss vom 27. April 1747 der Leder- und Pelzhandel der Armenier nur noch geringfügig beschränkt. Alle, auch die Armenier, durften nun während der Märkte frei Leder und Pelze kaufen. Außerhalb der Märkte hatten die Armenier das Recht, überall vom 15. Mai bis Mitte Juni und dort, wo entsprechende armenische Zünfte bestanden, unbeschränkt frei zu handeln. Jeder hatte das Recht, Leder zu exportieren, und die Armenier durften sich bei den Gerbern der Zünfte eindecken; Leder, das exportiert werden sollte, benötigte jedoch einen Zunftstempel.105 Die neuen Regelungen konnten den Streit jedoch nicht beenden. Nicht nur diese Auseinandersetzung hatte die Verwaltung Transsilvaniens zu klären: In den ungarisch besiedelten Städten hatten in den 1730er-Jahren die Händler während der Märkte 40 bis 60 Denar zu zahlen. 1734 ersuchten die Einwohner von Elisabethstadt bei der Verwaltung um Aufhebung dieser Steuer.106 Und im Jahr 1747 waren armenische Händler gezwungen, eine weitere Beschwerde der Landesversammlung vorzulegen: In Klausenburg, Weissenburg, Neumarkt am Mieresch (Marosvásárhely, heute Târgu Mureş) und Straßburg

99 Ebd., 306 – 308. 100 EK: AG 1736, 67. 101 G. P. 1737, 414. Es muss betont werden, dass Izsépy hier unzulässig zusammen mit Görgen noch über die Kürschner von Elisabethstadt berichtet. 102 1760 arbeiteten hier mehr als 100 Kürschner. EFL V. 377. T. 103 Ebd. 104 G. P. 1746, 250; 1747, 246. 105 Ebd., 1747, 263. 106 Ebd., 1734, 378.

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am Mieresch (Nagyenyed, heute Aiud) mussten armenische Händler ihre importierten Waren von der Zunft der Knopfmacher gegen Gebühr prüfen lassen, was den Handel behinderte; die Landesversammlung leitete die Bittschrift der Armenier an die Verwaltung weiter. Diese forderte die Zünfte der Knopfmacher auf, ihre Privilegien nicht zu missbrauchen.107 Ein weiterer Streit entstand um das Recht der Armenier, am Sitz von Landesversammlung und Verwaltung Zelte aufzustellen. Gerade der Sitz der Residenz änderte sich ständig. Anfangs wurden die großen sächsischen Städte bevorzugt, später diente Klausenburg als Residenzsitz und erst Mitte des 18. Jahrhunderts wurde Hermannstadt als Sitz der Landesversammlung bestätigt. Auf den ersten Blick mag es ungewöhnlich erscheinen, dass eine solch scheinbar unbedeutende Frage das Einschreiten der Verwaltungsorgane und sogar zweimal das des Königs veranlassen konnte, doch handelte es sich nicht um gewöhnliche Verkaufsstände. Mit dem Wissen um die Bedingungen für die Teilnahme an einem Markt erscheint diese Frage sogar besonders wichtig: So war ein gewisser Márton Patrubány 1765 bereit, für das Recht, am Sitz der Verwaltung in Hermannstadt ein Zelt aufzustellen, jährlich ein paar Tausend Forint an die Schatzkammer zu zahlen; er hatte wohl beträchtliche Einkünfte. Zusätzlich würde er nach der Erteilung der Erlaubnis jährlich 100 Forint an die Stadt Hermannstadt zahlen.108 Ein anderes Beispiel: Im Jahr 1767 ließ Maria Theresia nur armenische Händler mit einem Vermögen von mindestens 6.000 Forint in Hermannstadt hinein. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts lag die Zahl der Verwaltungsbeamten bei weniger als 100, dennoch waren dies wichtige und zahlungskräftige Kunden: Der römisch-katholische Bischof Transsilvaniens, der Graf der Sachsen, Leiter der sächsischen Selbstverwaltung und auch die adeligen Sekretäre verfügten über teilweise recht große Vermögen und hohe Einkünfte, die ihnen eine entsprechende Lebensweise ermöglichten. Doch auch die weniger vermögenden Vertreter aus dem Bürgertum und der unteren Schicht waren durchaus zahlungskräftige Kunden, ebenso wie die Petenten, Besucher und Beobachter der zwischen 1726 und 1761 recht häufig und lang tagenden Landesversammlung. Außerdem nutzten viele Händler, die den Residenzsitz der Verwaltung wegen Rechtsfällen oder aus einem anderen Grund besuchten, den gegebenen Anlass aus, um ohne zu zögern verschiedene Waren der Werkswerkzeuge einzukaufen, vor allem wenn es diese in ihren Herkunftsorten so nicht gab. Zu diesen Landesversammlungen konnte der ganze Adel des Landes und die reichen Landbesitzer ohne adligen Titel als Berater, Geschworene des königlichen Gerichts oder hochrangige Beamte der Siedlungsmächte anwesend sein; auch die Abgesandten der ungarischen und szeklerischen Siedlungen waren überwiegend reiche Adlige. Ein am Sitz von Landesversammlung oder Verwaltung aufgestelltes „Zelt“ konnte als Kaufhaus beträchtliche Umsätze erwirtschaften. Aus diesem Grund konnte die Genehmigung eines Zeltes den langwierigen Streit zwischen den lokalen Kauleuten und fahrenden Händlern hervorrufen.

107 Ebd., 1747, 263. 108 Ebd., 1765, 1960.

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Seit 1711 hatten Armenier auch das Recht bekommen, am Sitz der Verwaltung, während der Sitzungsperiode, Zelte aufzuschlagen und zu handeln. 1732 beschwerten sich gleichzeitig die Händler aus Hermannstadt und Sachsen über die Armenier bei der Verwaltung. Diese wies die Beschwerden der griechischen und sächsischen Händler jedoch als unbegründet ab; bei den armenischen Händlern gab es eine günstige und große Auswahl qualitativ hochwertiger Waren.109 Dennoch hatten die Händler aus Hermannstadt einigen Erfolg, denn im Jahr 1734 erbaten die Armenier bei der Verwaltung die Wiederherstellung ihrer Rechte.110 Das Problem wurde wohl nicht zufriedenstellend gelöst, denn 1736 wandten sich die Armenier aus Armenierstadt wieder an die Verwaltung mit der Bitte, ihnen das Recht zu gewähren, am Residenzsitz zu handeln. Mit dem Beschluss vom 8. Mai 1736 bekamen sie dieses Recht, zumal die Landesversammlung bald in Hermannstadt ihre Arbeit aufnehmen sollte. Außerdem hatte sich die Verwaltung in dieser Sache an Wien gewandt.111 Armenische Händler hatten demnach von der Mitte der 1730er-Jahre bis zur Mitte der 1750er-Jahre das Recht, in der Sitzungsperiode an den Sitzen von Verwaltung und Landesversammlung Zelte aufzustellen und zu handeln. 1754 änderte sich die Lage schlagartig: Maria Theresia hatte beschlossen, die Berater nach Ständen zu trennen, um die Verwaltung neu zu organisieren. Am Sitz der Verwaltung sollten stets drei bis vier Ständeberater anwesend sein. Demnach konnten auch die Händler mit entsprechenden Privilegien ununterbrochen vor Ort bleiben. Gegen diese permanente Konkurrenz wandten sich die lokalen Händler aus Hermannstadt an den königlichen Hof und erreichten mit dem Beschluss vom 5. Mai 1755 eine Rechtsbeschränkung der armenischen Händler: Diese durften nun nur während der selten tagenden Vollsitzungen der Verwaltung ihre Zelte aufstellen.112 Dieser Beschluss wurde jedoch nicht oder nur vorübergehend durchgesetzt; armenische Handwerker hatten bis 1760 ununterbrochen ein Zelt in Hermannstadt, sogar während der häufigen Sitzungspausen.113 Die Anwesenheit armenischer Händler war wohl immer wünschenswert.114 Daher bestätigte Maria Theresia drei armenischen Händlern am 23. Oktober 1760 eigenhändig die Erlaubnis, in Hermannstadt „Zelte“ aufzustellen. 4. Zwischen 1762 und 1780 gab es – im Vergleich zu der vorangegangenen Zeitspanne – deutlich weniger Änderungen bei den Rechten der transsilvanischen Armenier. Durch die klare Rechtslage der beiden armenischen Städte war auch die Lage der im Land verstreuten kleineren armenischen Gemeinden, die Elisabethstadt unterstellt worden waren, geregelt. Deren Privilegien, Rechte und Verwaltungszuständigkeiten wurden während der Habsburger Monarchie in der transsilvanischen Verwaltung eindeutig ausgearbeitet, wobei 109 EK: AG 1732, 55. 110 G. P. 1734, 378. 111 G. P. S. 10. k. 51. o. (8. Mai 1736). 112 G. P. 1755, 606. 113 G. P. 1760, 045, 1248. 114 Ebd.

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stets die neuen Gesetze galten und im Zweifelsfalle altes Recht brachen. Jedoch änderte die später von Josef II. auch in Transsilvanien forcierte Renaissance, die er in den Grenzen seines Kaiserreichs wie auch in Transsilvanien bekannt machen wollte, die Rechtslage der armenischen Gemeinden kaum. Dennoch entstand immer wieder Streit um die Rechte dieser Städte und Siedlungen. Unfrieden drohte nun jedoch weniger von den adeligen Landbesitzern als von den Sachsen. Besonders Samuel von Brukenthal, im 18. Jahrhundert der berühmte Staatsmann der transsilvanischen Sachsen, hatte großen Einfluss auf die Staatspolitik und sogar auf die Beschlüsse der Königin. Dadurch gerieten die Armenier unter Druck: Aus einem offiziellen Dokument von 1770 geht hervor, dass 190 von 781 Händlern Transsilvaniens Armenier und Griechen waren, wobei das genaue Verhältnis nicht genannt wurde, die Armenier aber wohl eine deutliche Mehrheit bildeten.115 Das Dokument geht nicht auf das genaue Verhältnis der Nationen ein, aber es gibt keinen Zweifel, dass der Großteil der 190 Händler Armenier war. Da die beiden armenischen Städte jährlich etwa 100.000 Forint Zoll zahlten,116 ist davon auszugehen, dass ein Mehrfaches dieser Summe, nahezu ein Viertel des Umsatzes im Außenhandel, in armenischen Händen lag. Zwar fehlen entsprechende Angaben über Umsätze im Handwerk, wo die Armenier deutlich geringere Aktivitäten zeigten, aber auch dort waren sie eine starke Konkurrenz für die Sachsen. Selbst die transsilvanische Regierung war äußerst beunruhigt, da reichere Armenier den Erwerb von Adelstiteln anstrebten, was zum Rückgang des Außenhandels hätte führen können. Einige Mitglieder der Regierung waren zwar einerseits stets einverstanden gewesen, die Privilegien der Armenier zu beschränken, aber andererseits verlangten die rein finanzpolitischen Interessen Unterstützung und Erweiterung der armenischen Rechte. Besondere Streitpunkte waren dabei das Recht, in Hermannstadt Marktzelte aufzustellen, sowie die Auseinandersetzungen zwischen den armenischen Städten und den Kürschnerzünften. Dieser langjährige Rechtsstreit wurde 1764 nach einer Bittschrift der Kürschnerzünfte an die Verwaltung geregelt. Zwar ist der Inhalt dieser Schrift unbekannt, doch forderte die Verwaltung am 12. Juli 1764 Elisabethstadt und Armenierstadt auf, innerhalb eines Monats über ihre Rechte im Zusammenhang mit dem Einkauf unbehandelten Leders zu berichten 117. Dieser Befehl blieb von beiden Städte unbeantwortet. Daraufhin beschwerte sich der Verband der Kürschnerzünfte erzürnt bei der Verwaltung und forderte, das Problem sofort zu lösen. Diese mahnte am 4. Oktober die Armenier wegen der Verweigerung des Berichtes ab und forderte unverzüglich eine Vorlage.118 Elisabethstadt bat daraufhin die Schatzkammer um Schutz und Unterstützung. Diese übersandte am 1. Dezember der Verwaltung ein Schutzschreiben.119 Der Streit wurde mit Verweis auf 115 EK: AF 1772, 1487. 116 Ebd. 117 G. P. 1764, 1567. 118 Ebd., 2487. 119 Ebd., 2939.

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den Verwaltungsbeschluss von 1747 zugunsten der Armenier abgeschlossen.120 Im Streit um die Handelszelte am Verwaltungssitz erlitten die Armenier jedoch eine Niederlage. Dieser Streit begann Anfang 1765 mit der Bittschrift von Márton Patrubány, der ein eigenes Zelt aufstellen wollte. Die Hofkanzlei erbat eine Stellungnahme der Verwaltung, die am 12. Juli 1765 antwortete, dass die Zelte der fünf armenischen Händler, die seit langem in Hermannstadt dieses Recht hatten, beibehalten werden sollten; ob Patrubány und zwei weitere Händler dieses Recht bekommen sollten, habe die Königin zu entscheiden.121 Nach zweijährigen schriftlichen Konsultationen der Regierungsorgane wurde am 28. September 1767 ein Beschluss gefasst und auch sofort realisiert. Maria Theresia selbst forderte die armenischen Händler aus Hermannstadt und den anderen transsilvanischen Städten auf, diesen Beschluss anzuerkennen, wonach nur noch Händler mit einem Vermögen von mindestens 6.000 Forint Zelte aufstellen durften.122 Diese mussten zudem die Staatsangehörigkeit haben, die bürgerlichen Verpflichtungen einhalten und ihre Bücher ordentlich führen. Gegen diesen Bescheid legte nur einen Tag später Samuel von Brukenthal, der faktisch Leiter der Hofkanzlei Transsilvaniens und gleichzeitig Vorsitzender des Kontrollausschusses für transsilvanische Angelegenheiten war, Beschwerde ein, die den Inhalt des Beschlusses gänzlich verneinte. Er betonte vor der Königin ausdrücklich, dass sich die deutsche Nation 123 seit ihrer Ansiedlung in Transsilvanien nicht mit anderen Völkern vermischt habe. Die Deutschen bewahrten nicht nur ihr Territorium, sondern auch die Reinheit der Nation, was auch die anderen beiden Nationen berücksichtigten, die niemals unter den Sachsen wohnen wollten.124 100 Meilen von der Heimat ihrer Vorfahren entfernt könne dieser kleine Teil des gesamten Volkes nur dann seine Existenz bewahren, wenn die treuen Volksmitglieder zusammenhielten, fleißig arbeiteten, die Traditionen der Vorfahren bewahrten und auch in der Fremde in ihrer Muttersprache denken und handeln würden. Würde jetzt den Armeniern erlaubt, in die sächsischen Städte einzuwandern, dann bekämen sie dort Wohnungen, Staatsangehörigkeit u. a. Ein Zuzug von Armeniern nach Hermannstadt würde jedoch dem deutschen Handelsverband Schaden zufügen. Um ihre nationale Existenz zu bewahren, müssten die Armenier in eigenen Gemeinden leben und handeln können. Dass in Hermannstadt und in Kronstadt griechische Handelsverbände tätig waren, verschwieg Brukenthal jedoch.

120 Ebd., 1765, 301. 121 Ebd., 2593. 122 Márton Patrubány hatte etwa 10.000 Forint Umsatz pro Jahr, sein Vermögen war wohl deutlich ­größer. Die reichen Händler der beiden armenischen Städte (wie auch aus Niklasmarkt) konnten daher ihren Wohnsitz frei wählen. 123 Er benutzte ausdrücklich „deutsche Nation“ statt „sächsische Nation“. 124 Diese Argumentation stimmt so nicht: In der Umgebung von Königsboden lebten Ungarn, die sich z. T. mit sächsischen Familien vermischt hatten. Auch Rumänen hatten sich in den sächsischen Terri­ torien niedergelassen.

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Maria Theresia gab nach und entsprach den Richtlinien von Brukenthals Vorschlag vom 29. September 1767.125 Der Beschluss der Königin datierte daher auf den 28. September 1767, wurde jedoch erst im Januar und Februar 1768 veröffentlicht. Nun benötigten armenische Händler eigens eine königliche Genehmigung, um in Hermannstadt oder an anderen Residenzorten der Verwaltung ein „Zelt“ zu haben. Diese galt lebenslang, jedoch nicht während der Verwaltungssitzungen. Eine entsprechende Sondergenehmigung bekam lediglich ein armenischer Händler. Die anderslautenden Privilegien, die den Armeniern von den Vorfahren der Königin gewährt worden waren, wurden für ungültig erklärt.126 Brukenthal war sicher auch an der Konzeption der entsprechenden Habsburger Wirtschaftspolitik beteiligt, die 1771 zur Gründung des Handelsausschusses Transsilvaniens führte.127 Diesem Ausschuss wurde die Überwachung des Handels und der Wirtschaft von Transsilvanien überlassen. Seine Anordnungen beschränkten die Armenier deutlich: Ihnen war nur noch die Teilnahme an den landesweiten Märkten und an den Märkten in ihren beiden privilegierten Städten Armenierstadt und Elisabethstadt sowie in Niklasmarkt gestattet; in anderen Orten konnten sie nur im Ausnahmefall Handel treiben. Zudem durften die armenischen Händler, die in Hermannstadt „Zelte“ besaßen, nur noch mit Einzelhandelswaren handeln, wobei ein Drittel des Lagerbestandes der armenischen Händler aus ungarischer Herstellung sein sollte (vor allem aus Leinen hergestelltes Garn und Stoffe). Außerdem war die Zentralverwaltung des Kaiserreichs der Ansicht, es gäbe zu viele Händler in den armenischen Ortschaften, ein Teil von ihnen sollte daher handwerkliche Berufe erlernen.128 Diese Vorschrift würde auch gleichzeitig die griechischen Handelsgesellschaften in Hermannstadt und Kronstadt beschränken, deren Verkäufern außer der Beteiligung an den Märkten nur noch der Handel mit türkischen Großhandelswaren erlaubt wurde. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass vor allem der Neid der konkurrierenden sächsischen Händler Ursache dieser Regelungen war. Gegen diese geplanten Veränderungen beschwerte sich diesmal die Schatzkammer. In dem Schreiben vom 9. November 1771 an die königliche Kanzlei wurde die Meinung vertreten, dass durch den Verstoß gegen die armenischen und griechischen Privilegien und die Einschränkung der Händler die Interessen der Schatzkammer und der Öffentlichkeit verletzt würden. Die öffentliche Ordnung verlange, dass alle Einwohner des Landes die Möglichkeiten des Handels nutzen können. Die Kanzlei solle daher die Interessen der Armenier und Griechen schützen.129 Bisher nicht endgültig geklärt ist, welcher Standpunkt in der mehrjährigen Tätigkeit des Handelsausschusses überwog. Tatsache bleibt jedoch, dass in den Jahren von 1762 bis 125 EK: AG 1767, 434. 126 G. P. 1767, 2678. 127 „Handel“ meinte im Habsburgerreich außer seiner eigentlichen Bedeutung noch alle anderen Tätigkeiten, die nicht unmittelbar mit der Landwirtschaft zu tun hatten. 128 EK: AG 1771, 414. 129 Ebd., 1283.

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1780, also sowohl vor der Zusammensetzung des Handelsausschusses als auch nach dessen Auflösung, die armenischen Handwerksverbünde Transsilvaniens verschiedenen Angriffen ausgesetzt waren: 1766 wurde Armenierstadt beschuldigt, ohne königliche Privilegien in der Stadt Zünfte gegründet und während der Märkte von Mitgliedern fremder Zünfte Zoll (Sak) erhoben zu haben.130 Als die armenischen Kürschner um entsprechende Privilegien ersuchten, leisteten 1777/78 die sächsischen Konkurrenten jedoch ernsthaften Widerstand. 1777 gab es in Gherla 51 armenische Kürschner; deren Ansinnen, eine Zunft zu gründen, war daher naheliegend. Die Hofkanzlei wollte durch die Verwaltung klären, ob die Initia­ toren dieses Vorhabens tatsächlich nur Handwerker oder gleichzeitig auch armenische Händler aus anderen Bereichen waren. Die Kanzlei beriet daher mit der Verwaltung eine Eingliederung der armenischen Handwerker in die Kürschnerzünfte der anderen Städte.131 In dieser Frage wandte sich die Verwaltung an die Administration von Hermannstadt, die ihrerseits um die Meinung der Kürschnerzunft bat. Diese äußerte sich nach einer langen Pause im Juni 1778 gegen die Gründung einer neuen Kürschnerzunft. Neben den eigenen Privilegien verbiete ein Verwaltungsbeschluss, wonach die Anzahl der Handwerker in den Zünften nicht die öffentlichen Bedürfnisse überschreiten solle, dieses Vorhaben. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Transsilvanien 18 Kürschnerzünfte, allein in Hermannstadt arbeiteten 91 Meister. Eine neue Zunft mit 51 Meistern wäre nicht vorteilhaft gewesen. Gleichzeitig beschwerten sich die Händler aus Armenierstadt, dass der Handel anderer Einwohner von Armenierstadt Schaden nehmen würde, bekämen die lokalen Kürschner Zunftprivilegien. Etwaige Privilegien für Kürschner aus Armenierstadt dürften daher keinesfalls die Interessen der lokalen Händler beeinflussen; diesen sei daher gleichzeitig das Recht auf Handel mit unbehandelten und behandelten Pelzen sowie mit mit Pelz besetzten Kleidungsstücken zu gewähren. Aber die Verwaltung, deren Leiter damals Brukenthal war, erklärte der Hofkanzlei am 16. Juli 1778, dass es überflüssig sei, den Kürschnern aus Armenierstadt besondere Privilegien zu gewähren; diese könnten künftig wie bisher ihr Handwerk innerhalb ihrer Stadtgrenzen frei ausüben. Die Kanzlei beschloss daher am 13. August 1778, den Kürschnern aus Armenierstadt keine besonderen Privilegien zu gewähren, ohne dieses Problem Maria Theresia zum Beschluss vorgelegt zu haben.132 Auch die Gerber aus Niklasmarkt, eine der größten Handwerkergruppen der Stadt, blieben in ihrem Bemühen, Anfang 1778 bei Maria Theresia um Zunftprivilegien zu ersuchen, erfolglos. Die Hofkanzlei wandte sich an die Verwaltung, die ihrerseits die sächsischen Gerberzünfte in Hermannstadt und Kronstadt befragte. Wie zu erwarten war, wandten sich die sächsischen Handwerker gegen dieses Ansinnen. Die Verwaltung äußerte daher in ihrem Vorschlag vom 7. Januar 1779, dass es nicht notwendig sei, den Gerbern aus Niklasmarkt Zunftprivilegien zu gewähren. Diese Privilegien würden sogar den freien Handel verletzen

130 EFL III. 161. V. 131 EK: AG 1778, 561. 132 Ebd., 1070.

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und den Interessen der anderen Gemeinden zuwiderlaufen. Dennoch mussten Kanzlei und Verwaltung eine Arbeitsordnung für die Handwerker dieser Stadt ausarbeiten. Diese wurde am 28. Juni 1780 von der königlichen Kanzlei Transsilvaniens bestätigt. Da in den entsprechenden Artikeln weder Zünfte noch Privilegien erwähnt wurden,133 beschwerten sich die armenischen Gerber im Herbst 1780 am königlichen Hof darüber, dass die Mitglieder der Gerberzünfte der anderen Ortschaften ein ernstes Hindernis für die armenischen Handelstätigkeiten während der im ganzen Land stattfindenden Märkte seien. Aber auch diesmal verweigerte die Kanzlei den Armeniern aus Niklasmarkt die Privilegien.134 Zwar sollten durch die Beschränkungen der Händler diese für das Handwerk gewonnen werden, doch wollten die sächsischen Handwerker eine Zunahme der Konkurrenz auf gleicher Basis verhindern. Als im Jahr 1769 die zweite veränderte Variante des Bethlenischen Steuersystems als Brukenthalisches System eingeführt wurde, wurden die Städte Transsilvaniens neu klassifiziert und die Lage der Armenier verschlechterte sich. Die beiden armenischen Städte mussten nun Kopfsteuer der ersten Kategorie zahlen, weil das Vermögen ihrer Einwohner dem der reichsten Städte Transsilvaniens wie Hermannstadt, das die Rolle der Hauptstadt übernahm, und der Handelsstadt Kronstadt entsprach.135 Auch in Standesfragen wurden die Armenier benachteiligt. Im Sommer 1762 ersuchten zehn Armenier gleichzeitig Maria Theresia um eine Aufnahme in den Adelsstand. Diese wollte daher von der Kanzlei erfahren, wie dies die Steuern der Armenier beeinflussen würde. Die Kanzlei erklärte der Königin in einem Schreiben vom 26. November 1762, dass in den Adelsstand erhobene Bürger, darunter auch die Armenier, nicht von der Steuerpflicht befreit seien, und zwar unabhängig von etwaigem Landbesitz. Maria Theresia war jedoch besorgt, armenische Adlige könnten wie andere Adlige einen Anspruch auf Nationalrecht erheben.136 Die Kanzlei bemühte sich vergeblich, die Zweifel der Königin zu zerstreuen: Nur wenige Armenier hätten einen Adelstitel erworben; dieser berechtige zudem nicht zum Erwerb der Nationalrechte. Und selbst wenn Armenier Nationalrechte hätten, gehörten sie in erster Linie zu der Nation, auf deren Territorium sie lebten. Dennoch lehnte die Königin eine Erhebung dieser zehn Armenier ab, denn die Adligen könnten die durch ihren Titel erworbenen Möglichkeiten nutzen, ihren Reichtum aus dem Handel herauszuziehen. In einem neuen Schreiben vom 29. Januar 1763 erklärte die Kanzlei, dass alle Armenier, die von Karl III. einen Adelstitel verliehen bekommen hatten, im Handel tätig wären. Außerdem sei es nicht möglich, die schon gewährten Titel abzuerkennen.137 Dennoch konnten zwischen 1762 und 1780 die Armenier Transsilvaniens in einem Bereich beträchtliche Fortschritte im Kampf um die Erweiterung ihrer Rechte vorweisen: 1776/77 erwarben sie das Recht, in den öffentlichen Dienst einzutreten. Als Fremde durften 133 134 135 136 137

Ebd., 1779, 140, 1314; 1780, 841. Ebd., 1780, 1446. Ebd., 1771, 219, 1148. Ebd., 1762, 567. Ebd., 1763, 21.

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Armenier zuvor nur in den Administrationen ihrer beiden Städte Ämter einnehmen. Allerdings strebten sie als Händler und Handwerker zumeist nicht danach, Ämter zu erlangen. Im öffentlichen Dienst wurde eine entsprechende Bildung und die bestmögliche Beherrschung der Amtssprachen verlangt, im Staats- und Verwaltungsapparat hauptsächlich Latein und Ungarisch, in der Finanzverwaltung, beim Militär und bei den bürgerlichen Ämtern üblicherweise Deutsch. Darüber hinaus waren Rumänischkenntnisse wünschenswert. Auch Sachkompetenz und gute Kenntnisse über die Gesellschaftsverfassung Transsilvaniens wurden verlangt. Für Bürgerliche und sogar für die in den Adel aufgenommenen Bürger war es daher schwierig, im öffentlichen Dienst aufzusteigen. Daher war diese Karriere für das armenische Bürgertum lange uninteressant. Erst in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts hatte die obere Schicht des armenischen Bürgertums Transsilvaniens Interesse daran, ihren Kindern einen Hochschulabschluss zu ermöglichen. Bei diesen war schon erstes Interesse an öffentlichen Ämtern spürbar, wobei ihr Stand es nicht zuließ, in den Verwaltungsorganen den Posten eines einfachen Schreibers oder den unteren Posten eines Provinzbeamten einzunehmen. Als Vorreiter gilt Márton Patrubány, gleichnamiger Sohn des bereits genannten Händlers. Nachdem er zwei Prüfungen an der Wiener Universität abgelegt hatte, wurde Maria Theresia auf ihn aufmerksam und wollte ihn in den öffentlichen Dienst aufnehmen. Der junge Patrubány wollte einen außeretatmäßigen Posten besetzen, obwohl dieser jungen Adeligen vorbehalten war. Daher lehnte die Hofkanzlei am 10. September 1776 Patrubánys Antrag ab: „Patrubánys Verlangen“, schrieb Mihály Kornis, faktischer Leiter der Kanzlei, „widerspricht den transsilvanischen Gesetzen, den politischen Umständen und der Gerechtigkeit.“ Nur die Einheimischen des Landes dürften in den öffentlichen Dienst eintreten; Armenier, Griechen und Ungarn aber hatten noch keine Staatsangehörigkeit. Zwar sei der genannte Posten kein Führungsdienst, jedoch denjenigen vorbehalten, die auf höhere Ämter vorbereitet würden. Kornis war der Meinung, dass die Besetzung solch eines Postens durch einen armenischen Intellektuellen politisch gesehen Gefahren mit sich brächte, da die „Armenier teilweise aus Ehrgeiz und teilweise aus Bequemlichkeit und im Gegensatz zu den Handelstätigkeiten voll mit Gefahr und Schwierigkeiten die Vorteile dieser Lebensweise wahrnehmend die Handelsbranche verlassen werden. Demzufolge werden sich aus dem Außenhandel gewonnene Zolleinnahmen der Schatzkammer verringern.“ Diese Ansicht des Leiters des obersten Staatsorgans Transsilvaniens über die Sitten der Staatsmänner höheren Grades ist sehr aufschlussreich. Sollte Patrubány ein solches Amt übernehmen, wäre dies eine Ungerechtigkeit, da es sogar in der Kanzlei viele geeignete Kandidaten gäbe, die auf diesen Posten warteten, und es wäre unmöglich, mit deren gerechten Bestrebungen um Aufstieg so umzugehen. Maria Theresia war gezwungen, auf ihr Vorhaben zu verzichten, aber sie forderte, Patrubány anzubieten, sechs Monate lang für 400 Forint Gehalt als Helfer eines Kanzleiberaters zu arbeiten, ohne ihm irgendeinen staatlichen Dienstrang zu gewähren. Gleichzeitig befahl die Königin, den würdigsten Armenier in den öffentlichen Dienst aufzunehmen, da dies für die Ungarn und Sachsen bereits gälte. Darauf antwortete, auf Initiative des nicht-transsilvanischen Beraters van der Mark, die Kanzlei am 3. Oktober 1776,

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dies sei kaum möglich, zumal die Königin selbst armenischen Händlern Adelstitel verweigert habe. Lediglich solche Armenier, die als Einheimische galten und von Adel waren, könnten öffentliche Ämter besetzen.138 Aber die Königin beabsichtigte nicht, ihre Meinung zu dieser Frage zu ändern und die Kanzlei beeilte sich, den Beschluss der Königin der Verwaltung bekannt zu geben.139 Diese schlug am 8. Februar 1777 der Königin vor, nur Armenier mit der Staatsangehörigkeit des Landes in den Dienst aufzunehmen.140 Die Kanzlei stimmte am 24. April 1777 diesem Vorschlag zu, doch Maria Theresia stand nicht nur zu ihrem Beschluss, sondern ernannte einfach Márton Patrubány zum Beamten der Hofkanzlei.141 Noch vor der Herrschaft von Josef II. war also begonnen worden, den transsilvanischen Armeniern die gleichen Rechte wie den anderen Einwohnern des Landes zu gewähren. 5. Die Herrschaftsjahre Josef II. von 1780 bis 1790 brachten überall in Habsburg große Reformen, so auch in Transsilvanien. Dies bezog sich auch und besonders auf die Armenier, die durch Gewährung des gleichen Bürger- und Staatsangehörigkeitsrechts als Einheimische anerkannt wurden. Sie sollten sich nicht mehr für Einwanderer halten, die nur wegen der von ihnen erbrachten wirtschaftlichen und finanziellen Leistungen geduldet würden. Aber das Prinzip der gleichen Bürgerrechte gefährdete gleichzeitig die besonderen Eigenschaften der armenischen Städte und Ortschaften. Jetzt konnten sich hier Ungarn, Sachsen oder Rumänen frei ansiedeln, so wie armenische Händler und Handwerker nun berechtigt waren, sich in jeder transsilvanischen Stadt niederzulassen und Handel zu treiben. Diese neuen Möglichkeiten und die Umgestaltung der Verwaltungsstruktur waren eine ernste Bedrohung der Sonderrechte der armenischen Städte Transsilvaniens. Ende des 18. Jahrhunderts war eine Neuordnung der Siedlungsstruktur Transsilvaniens unumgänglich geworden. Großflächige Siedlungen, die teilweise nur aus zwei oder drei Dörfern bestanden, waren schwer zu verwalten; andere lagen teilweise in Gebieten mehrerer Administrationen. Szolnok beispielsweise war in drei Administrationen geteilt: mittleres und unteres Szolnok sowie dazwischen der aus dem Landgut Kővár entstandene Kővárer Distrikt (Kővárvidék, Țara Chioarului). Die Siedlungen selbst durften nur von jeweils einer der drei Nationen bewohnt werden. In der Siedlung Fehér, die in zwei Administrationen geteilt war, lagen daher verstreute sächsische Enklaven und eine aus mehr als zehn Dörfern bestehende separate sächsische Siedlung. Diese Territorialverteilung erschwerte eine Verwaltung beträchtlich. Diese Struktur sowie die Siedlungsverwaltung wollte Josef II. gründlich reformieren. Die sehr umfangreiche territoriale Neugestaltung der Siedlungen berücksichtigte die nationale Identität der einzelnen zugehörigen Städte und Dörfer nicht mehr, wodurch letztlich die national beschränkten Privilegien der einzelnen Siedlungen ungültig wurden. 138 139 140 141

Ebd., 1776, 1430. Ebd., 1503. Ebd., 1777, 350. Ebd., 694.

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Schon vor dieser Umgestaltung ersuchte Elisabethstadt um eine Bestätigung und Erneuerung des „Diploms des Privilegs“. Die vereinigte ungarisch-transsilvanische Hofkanzlei schlug am 17. Juni 1783 vor, dieses Ansinnen zu prüfen und das Diplom um die beiden unter Josef II. durchgeführten Umgestaltungen, religiöse Toleranz und Gewährung gleichen Bürgerrechts, zu ergänzen. Außerdem war die Staatsverwaltung als Gericht des ganzen Landes jetzt zum Kassationsgericht geworden. Diese Vorschläge billigend forderte Josef II. die Hofkanzlei auf, einen Entwurf für das neue „Diplom des Privilegs“ zu formulieren und ihm zur Bestätigung vorzulegen. Bis dahin sollte die Kanzlei dafür sorgen, dass den beiden armenischen Städten für die den Handelsbereich erwiesenen Dienste Privilegien gewährt würden. Die Kanzlei gab am 9. Juli 1783 entsprechende Anordnungen an die Staatsverwaltung. Da sich der Vorschlag der Verwaltung verzögerte, bat Ebesfalva im Juli 1784 wieder um die Bestätigung seines „Diploms des Privilegs“, wobei einige Punkte – Gerichtsverfahren, Steuerrecht und Aufnahme von Armeniern in den öffentlichen Dienst – abgeändert wurden.142 Zudem wurde darum ersucht, ein Grundstück kaufen zu dürfen, um die Stadt vor Überschwemmungen zu schützen. Die Hofkanzlei unterstützte die Vorschläge der Armenier, diese sollten sich jedoch gedulden. In Sachen Steuerrecht könnte das königliche Gericht besondere Sitzungen einberufen und befähigte Armenier könnten sicher in den öffentlichen Dienst aufgenommen werden; der geplante Landerwerb galt als genehmigt. Die Vorschläge wurden ohne Vorbehalt von Josef II. bestätigt. Da die Verwaltungsvorlage des neuen Diploms jedoch weiterhin ausblieb, sah sich die Stadt gezwungen, eine dritte Bittschrift einzureichen, in der mit großer Zurückhaltung vorgeschlagen wurde, Elisabethstadt zu einer freien königlichen Stadt zu ernennen: Die administrative Umgestaltung Transsilvaniens könnte sonst zu einer Unterstellung von Elisabethstadt unter eine andere Siedlung führen. Am 16. November 1784 reagierte die Verwaltung auf die Bittschrift von Elisabethstadt: Die Bestätigung der von der Stadt vorgeschlagenen Privilegien überließ sie der Entscheidung des Ausschusses zur provinziellen Neuordnung, dieser habe die Territorialforderungen der Stadt zu prüfen. Ohne eine Klärung des noch offenen Streits zwischen der Familie Bethlen und der Schatzkammer könne man nicht das Landgut Ebesfalva an Elisabethstadt übergeben. Ob Armenier öffentliche Ämter besetzen können, habe allein der König zu entscheiden. Die Kanzlei hatte ihrerseits einen Entwurf des neuen „Diploms des Privilegs“ unter Berücksichtigung der entsprechenden Veränderungen formuliert. Dieser wurde am 16. Dezember 1784, einen Tag nach Eingang des Schreibens der Verwaltung, bei der Verwaltung und der Schatzkammer zur Überprüfung eingereicht. Zudem war noch der Leiter der Schatzkammer in der Sache über die neue Schenkungsurkunde des Landguts Ebesfalva anzuhören. Elisabethstadt den Titel „königliche Freistadt“ zu verleihen, schien der Kanzlei jedoch nicht angebracht. Stattdessen sollte Stadt und Bezirk Elisabethstadt der Kanzlei unterstellt werden. Einen entsprechenden allgemeinen Entschluss des Kaisers umzusetzen, war jedoch problematisch, da dieser sich lediglich auf Gemeinden ohne privilegium exclusivium

142 Der Beschluss von Maria Theresia hatte wohl diese Frage nicht endgültig geklärt.

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bezog. Aber vom kaiserlichen Beschluss waren nur solche Vorortssiedlungen betroffen, die nicht mit besonderen Privilegien ausgestattet waren. Alles hing daher von der Entscheidung Josefs II. ab. Elisabethstadt war in die gleiche Steuerklasse wie die bekanntesten Städte Transsilvaniens eingestuft worden. Von einigen politischen Vorbehalten abgesehen, sprach daher nichts gegen die Verleihung des Titels „königliche Freistadt“. Allerdings sollte zu dieser Frage die Meinung der Verwaltung eingeholt werden, zumal Armenierstadt dem Beispiel von Elisabethstadt folgen wollte. Josef II. stimmte einer Bestätigung des „Diploms des Privilegs“ zu und an der Zuordnung der Stadt änderte sich nichts; in den Fragen „königliche Freistadt“ und Landgut Ebesfalva sollte die Staatsverwaltung entscheiden.143 Daher präzisierte die Kanzlei in einem erneuten Vorschlag vom 7. Januar 1785 die geplanten Änderungen des Diploms von 1758 und nach Zustimmung Josefs II. wurden am 27. Januar 1785 die Privilegien des Diploms vom 28. November 1758 bestätigt, sofern sie nicht der Religionsfreiheit und der Gleichheit der Bürgerrechte widersprachen. Die Veröffentlichung des neuen „Diploms des Privilegs“ fand nach den erwähnten Vorschlägen der Staatsführung und nach dem Beschluss 144 von Josef II. am 27. Januar 1785 statt. In einigen Punkten wurde das Diplom ergänzt bzw. präzisiert: 1. Der Stadt und ihren Einwohnern wurde die provinzielle Führungsgewalt entzogen; sie wurden nur der Staatsverwaltung unterstellt.145 2. Gegen die Urteile der Stadt konnten nun beim Königlichen Gericht Rechtsmittel eingelegt werden. Steuerangelegenheiten sollten ausnahmslos nur am Gerichtstag der Wassersegnung angehört werden. 3. Steuerverfahren konnten ohne Ausnahmen zudem noch bei Provinzgerichten geführt werden (tabula continua). 4. Da die Armenier durch Verleihung der gleichen Bürgerrechte als Einheimische anerkannt worden waren, konnten sie für den öffentlichen Dienst kandidieren.146 Nachdem die Angelegenheiten von Elisabethstadt geregelt waren, reichte Gherla im Herbst 1785 entsprechende Vorschläge ein: Das Diplom von 1758 sollte bestätigt und erweitert werden; man wollte für Neueinwanderer zuständig sein, die Siedlung Inneres Szolnok sollte bei Gerichtsverfahren von Armenierstadt nicht mehr beteiligt sein, das Marktrecht sollte ausgeweitet werden und der Titel „königliche Freistadt“ wäre angemessen. Gegen diese Vorschläge legte György Bánffy, stellvertretender Leiter der Kanzlei, am 27. Oktober 1785 Widerspruch ein. Die Bestätigung bestehender Privilegien wäre problemlos möglich, doch die provinzielle Zuordnung von Armenierstadt hinge von der Gewährung des Titels 143 EK: AG 1785, 85. 144 Ebd., 1102. 145 Dies entsprach faktisch den Rechten einer „Königlichen Freistadt“, insbesondere dann, wenn alle anderen Vorortsiedlungen der Provinzverwaltung unterstellt waren. 146 Magyar Országos Levéltár, Budapest [Ungarisches Staatsarchiv, Budapest. Staatsarchiv der Regierungschronik von Transsilvanien. Bezirksgesetze von Transsilvanien]. I. k., 822 – 834. o.

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„königliche Freistadt“ ab. Dafür sei jedoch die Zustimmung des Königs nötig. Außerdem müsse die Stadt nachweisen, dass sie wie die anderen königlichen Freistädte die Verwaltung aus eigenen Mitteln aufrechterhalten könne; dies habe die Staatsverwaltung zu prüfen. Vor einer Erweiterung der Marktrechte seien Beratungen nötig und für Neueinwanderer sei die Stadt sicher nicht zuständig. Der Kaiser billigte diese Vorlage, schloss aber die gewünschten Änderungen in Strafverfahren aus, da die Stadt noch nicht „königliche Freistadt“ war.147 Außerdem wollte Josef II. die Armenier formell zu einheimischen Bürgern des Landes erklären.148 Die Verwaltung hatte also zu klären, wie es um die Finanzen von Armenierstadt bestellt war, ob sie die finanzielle Belastung einer königlichen Freistadt tragen konnte. Zudem sollte die Meinung der übergeordneten Siedlung bezüglich einer Erweiterung des Marktrechts eingeholt werden. Nachdem eine positive Stellungnahme eingegangen war, unterbreitete man der Hofkanzlei entsprechende Vorschläge. Diese empfahl am 11. Mai 1786, das Marktrecht zu erweitern, was Josef II. billigte.149 Allerdings wartete die Hofkanzlei monatelang auf die von der Verwaltung angeforderten Zahlen zur Einkommenslage der beiden armenischen Städte. Gherla hatte etwa 16.946 Forint und 26,5 Kreuzer jährliches Einkommen, wovon 9.908 Forint und 23 Kreuzer als Steuer abzuführen waren; also pro Jahr etwa 7.038 Forint zur freien Verfügung. Elisabethstadt hatte ein Jahreseinkommen von 10.508 Forint und 51 Kreuzer, wovon nach Steuern 3.708 Forint und 40,75 Kreuzer zur Verfügung standen. Nach Zins und anderen Kosten blieben der Stadt etwa 1.510 Forint. Die Verwaltung war daher der Ansicht, dass die Steuern erhöht werden könnten; die Kanzlei schlug am 31. August 1786 mit Einverständnis der Verwaltung vor, den beiden armenischen Städten die Rechte einer königlichen Freistadt zu verleihen.150 Mit der Ernennung beider armenischer Städte zu königlichen Freistädten wurde auch das „Diplom des Privilegs“ von Armenierstadt bestätigt und erweitert, wobei in deren Privileg ähnliche Änderungen vorgenommen wurden wie im Privileg Elisabethstadts: religiöse Toleranz, gleiche Bürgerrechte, Zugangsmöglichkeiten zum öffentlichen Dienst und Prozesse ohne Aufsicht der Provinz.151 Hier war jedoch nicht die Verwaltung als Kassationsgericht genannt, sondern es galt die bereits erwähnte neue Justizordnung Josefs II.; gegen die Urteile lokaler Gerichte sollten nach diesen Regelungen Rechtsmittel eingelegt werden können. Mit der Ernennung zur „königlichen Freistadt“ konnten Armenierstadt und

147 Sobald eine Stadt „Königliche Freistadt“ wurde, sollten Juristen diese Stadt verwalten; dieses Prinzip galt in den armenischen Städten ohnehin, da der Ortsnotar juristisch ausgebildet war. 148 EK: AG 1785, 1408. 149 Ebd., 1786, 5115. 150 Ebd., 9678. 151 Das „Diplom des Privilegs“ ist auf den 28. 09. 1786 datiert; im Text wird gesagt, dass am gleichen Tag der Titel „Königliche Freistadt“ verliehen wurde, obwohl dieses Dokument auf den 27. 12. 1786 datiert. Daher ist das exakte Datum umstritten; möglicherweise ist aus formellen Gründen der Beschluss Josefs II. mit dreimonatiger Verzögerung veröffentlicht worden.

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Elisabethstadt die damit verbundenen Rechte umgehend nutzen; beide armenischen Städte waren den königlichen Freistädten von Ungarn und Transsilvanien gleichgestellt worden.152 Dies galt sowohl für die Steuern und die anderen öffentlichen Verpflichtungen als auch für Verwaltung und Gerichtsbarkeit; die armenischen Städte durften weiterhin die Todesstrafe verhängen. Wie die anderen königlichen Freistädte konnten die armenischen Städte Kosakenrittmeister (Jessaul) für den Stadtschutz und die Gewährleistung der Marktordnung unterhalten und durften Trommler zur Verkündung von Bekanntmachungen besitzen. Das Eigentum erbenlos verstorbener Bürger ging in den Besitz der Stadt über; bei Adeligen und der feudalen Oberschicht war die königliche Schatzkammer zuständig wie auch für das Eigentum von Personen, die wegen Verrats oder Majestätsbeleidigung verurteilt wurden. Auch der Umgang mit dem persönlichen materiellen Besitz Geistlicher wurde geregelt. Die Änderungen im Marktrecht sowie die Kontrolle der Stadtverwaltung durch den Viceispán, wie bei den anderen königlichen Freistädten des entsprechenden Territoriums, sollten im jeweiligen neuen „Diplom des Privilegs“, welches zum nächsten Landtag veröffentlicht werden sollte, geregelt werden, da die Vertreter beider Städte in diesem Zusammenhang nur in den Ständen Sitz- und Wahlrecht bekommen sollten.153 Die dortigen öffentlichen Reden der Armenier aus Elisabethstadt lassen vermuten, dass die Bevölkerung der armenischen Städte mit ihrer neuen Lage nicht ganz zufrieden war: Die neuen Prinzipien der Richterwahl und die Kontrolle der Verwaltung schienen im Vergleich zur Zeit vor 1786 Einschränkungen zu sein. Im Sommer 1787 bat Elisabethstadt daher, in das neue Diplom statt der neuen die alten Regelungen zu Wahl und Kontrolle aufzunehmen. Die Kanzlei erklärte in ihrer Antwort, es sei nicht zulässig, hier von den allgemeinen Regelungen der königlichen Freistädte abzuweichen.154 Elisabethstadt bat daher, diese Verleihung hinauszuzögern; man hätte gern eine klare Aussage des Königs; diese Bitte wurde jedoch abgelehnt.155 Dies war jedoch erst das Vorspiel der nach 1790 entstandenen erbitterten Auseinandersetzung um die Verleihung des Titels „königliche Freistadt“ an beide armenische Städte. 6. Es ist bekannt, dass einige Wochen vor seinem Tod im Januar 1790 Josef II. schlagartig seine Reformen, von wenigen Anordnungen abgesehen, zurücknahm, was in Transsilvanien u. a. zur Wiederherstellung der alten territorialen Gliederung führte. Gleichzeitig wurden dadurch die Beglaubigung der Privilegien und der Erwerb des Titels „königliche Freistadt“ beider armenischer Städte vor der Landesversammlung zum Streitpunkt. Eine solche war, von der kurzen formellen Landesversammlung von 1781 abgesehen, seit 1761 nicht mehr einberufen worden. Die neue Landesversammlung schien von Beginn an gegen die Armenier eingestellt zu sein: Sowohl die adligen Gutsbesitzer als auch die sächsischen und 152 153 154 155

EFL XII 1/2. 5. J.

Über Armenierstadt als freikönigliche Stadt: EFL 1/2. 5. V.

EL (d. h. EK?): AG 1787, 11458.

Ebd., 12399.

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ungarischen Städte beschwerten sich über die neu erworbenen Privilegien von Armenierstadt und Elisabethstadt, zumal diese umfangreicher sein sollten als die Rechte der anderen königlichen Freistädte. Als Ende 1790 die Landesversammlung von Transsilvanien einberufen wurde, bestanden beide armenischen Städte mit ihrem Schreiben vom 11. Oktober 1790 auf ihr Recht, als „königliche Freistadt“ eingeladen zu werden; die Kanzlei bat daraufhin die Verwaltung um Informationen und Stellungnahme.156 Da eine Antwort ausblieb, wollte sich Ende November 1790 Elisabethstadt als privilegierte Gemeinde an der Landesversammlung beteiligen; gleichzeitig drängte sie darauf, ihre Privilegien bestätigt zu bekommen. Aber die Kanzlei wartete immer noch auf die Stellungnahme der Verwaltung, gleichzeitig bat sie die Verwaltung nun um Auskunft, auf welcher Grundlage beide Städte ihre Privilegien beibehalten wollten. Auch König Leopold II. beeilte sich nicht, sich zur Beteiligung der armenischen Städte an der Landesversammlung zu äußern.157 Schließlich antwortete die Verwaltung am 20. Dezember 1790, der König müsse die Bittschriften beider Städte der Landesversammlung vorlegen, da für beide der Titel „königliche Freistadt“ noch nicht rechtskräftig sei; diese Verantwortung wollte die Kanzlei jedoch nicht übernehmen.158 Die Verwaltung bat nun um die Meinung des Schatzkammerleiters und schlug am 25. Februar 1791 vor, den armenischen Städten neue, mit der transsilvanischen Verfassung abgestimmte „Diplome des Privilegs“ zu gewähren, damit sie sich am Landtag beteiligen könnten, andernfalls sei mit der Unzufriedenheit der führenden Stände zu rechnen.159 Allerdings sollte man beide armenischen Städte zuerst offiziell zur königlichen Freistadt ernennen und ihnen erst dann die neuen „Diplome des Privilegs“ verleihen. Leopold II. billigte am 28. Mai 1791 diesen Vorschlag, forderte jedoch am 18. Juni 1791, die Vorlagen der Privilegien beider Städte zu behandeln.160 Da die Landesversammlung mittlerweile schon ein halbes Jahr tagte, waren die Behörden an einer möglichst baldigen Beendigung dieser Angelegenheit interessiert, da die Streitigkeiten im Kaiserreich beigelegt werden sollten, selbst wenn dies nur kleinere Städte im eher unbedeutenden Transsilvanien betraf. In der Landesversammlung gab es jedoch unter den Ständen Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Armenier. Die Szekler beispielsweise verlangten, dass alle Privilegien, Schenkungen und Adelstitel der Armenier für ungültig erklärt und deren Handel auf Import beschränkt werden sollte.161 Die drei ungarischen königlichen Freistädte Klausenburg, Neumarkt am Mieresch (Marosvásárhely, heute Târgu Mureș) und Weißenburg (Gyulafehérvár, heute Alba Iulia) wären mit einer Verleihung des Titels „königliche Freistadt“ an die Armenier nur einverstanden, wenn ihre eigenen Rechte unantastbar würden, außerdem sollten 156 157 158 159 160 161

Ebd., 1790, 13246. Ebd., 16067. Ebd., 1791, 900. Ebd., 3434. Ebd., 4114; Diaet. 1791, 108. Diaet. 1791, 133.

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die Armenier die entsprechenden Privilegien nur innerhalb von Armenierstadt und Elisabethstadt nutzen dürfen, nicht jedoch in den anderen königlichen Städten, da andernfalls eine unbegrenzte Handelstätigkeit der Armenier die ungarischen Händler in den Bankrott führen würde. In anderen Freistädten sollten die Armenier lediglich mit importierten Waren handeln dürfen und auch nur nach Zahlung besonderer Steuern. Zudem wolle man Armenier nur aufnehmen, wenn eine Steuererhebung vorläge und diese ausschließlich Handel trieben; widersetzten sich die Armenier, die sich bereits in den drei o. g. Städten niedergelassen hatten, den alten Bräuchen dieser Städte, sollten sie die Staatsangehörigkeit und erworbene Landgüter zurückgeben und sonstigen Besitz legitimieren müssen. Besonders die weitere uneingeschränkte Befreiung von den Pflichten, Soldaten zu beherbergen und öffentliches Frachtgut mit eigenen Fuhrwerken zu transportieren, sorgte für Unmut; die Armenier könnten ja Kasernen errichten und unterhalten.162 Auch die Städte der Szekler brachten ähnliche Beschwerden vor; die Sachsen und die adeligen Grundbesitzer, die diesmal nicht an den armenischen Angelegenheiten interessiert schienen, schwiegen noch. Letztendlich billigten die Stände, die beiden armenischen Städte zu königlichen Freistädten des ungarischen Nationalbundes zu ernennen. Die Armenier hätten der Dynastie der Habsburger Treue erwiesen, den Handel vorangebracht und lebten schließlich schon lange im Land. Daher bekamen beide armenischen Städte in der Landesversammlung Beteiligungs- und Wahlrecht nach den königlichen Freistädten ungarischer Nation, den privilegierten Städten und der Stadt Weißenburg. Die Rechte und Privilegien von Armenierstadt und von Elisabethstadt sollten denen der ungarischen Freistädte entsprechen, gleichzeitig wurde den Armeniern untersagt, eine eigene Nation zu bilden. Dem nach 1790 beginnenden Nationalismus entsprechend sollten die armenischen Städte in ihrer Verwaltung die ungarische Sprache verwenden und ungarische Schulen eröffnen. Alle bisherigen Privilegien, die nicht der Landesverfassung und den Rechten der anderen königlichen Städte entsprächen, seien ungültig, ein neues „Diplom des Privilegs“ daher nötig. Armenier mit Adelstitel sollten bei der nächsten Landesversammlung ihre Adelsurkunden vorlegen. Dies alles sollten die Armenier vor der Versammlung der drei Nationen beeiden. Die Stände schlugen zudem vor, die Eigentumsrechte des Landes sowohl auf die beiden armenischen als auch auf die anderen königlichen Freistädte auszuweiten, dadurch wären deren Landgüter zu Schatzkammervermögen geworden.163 Es wurde erwartet, dass sich beide Städte mit allen Mitteln um eine Veränderung dieses Entwurfes bemühen würden. Tatsächlich bemühten diese sich um eine Freistellung von den Pflichten, Soldaten Unterkunft zu gewähren und öffentliches Frachtgut mit eigenen Fuhrwerken zu transportieren, obwohl sie dadurch den anderen königlichen Städten gleichgestellt wurden. Bei der Besprechung dieser Angelegenheit in der Landesversammlung schlugen die Armenier vor, 4.000 Goldgulden zur Befreiung von beiden Verpflichtungen zu zahlen,

162 Ebd., 1791, 134. 163 Ungarische und transsilvanische königliche Freistädte galten als königliches Vermögen.

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aber die Stände stimmten nicht zu.164 Nachdem die Landesversammlung im Herbst 1791 getagt hatte, wandten sich die Armenier mehrmals an den König: Dieser sollte nur solche Artikelabschnitte des neuen Gesetzes genehmigen, die ihre vorherigen Privilegien nicht antasten würden, und diese gleichzeitig bestätigen.165 Wegen der daraus folgenden, etwa 45 Jahre andauernden Auseinandersetzung verweigerten die Stände Transsilvaniens eine Anerkennung von Armenierstadt und von Elisabethstadt als königliche Freistädte. Der Streit um die Privilegien war jedoch nur Anlass, die Armenier nicht aufnehmen zu müssen; diese wären den eigenen Händlern eine zu starke Konkurrenz gewesen. Sowohl den armenischen Städten als auch den Ständen ging es hier aber um etwas ganz anderes. Die Stände vermieden weiterhin, die Armenier aufzunehmen. Zwar wären durch eine Verleihung besonderer Privilegien an die Armenier die Rechte der Städte tatsächlich verletzt worden, aber nach einiger Zeit bemühten sich Armenierstadt und Elisabethstadt kaum noch um eine Bestätigung ihrer Rechte als königliche Freistadt; von Wien wurden sie ohnehin entsprechend behandelt: Beide Städte waren nicht den Provinzgerichten untergeordnet; die Regierung verlangte, dass sie ihre Richter selbst vorschlügen. Da das Problem der Unterkunfts- und Transportpflichten noch nicht geregelt war, wurden diese Verpflichtungen den Städten nicht aufgezwungen. Zwar durften sich die Abgeordneten beider Städte nicht an der Landesversammlung beteiligen, doch nach der für sie noch interessanten Landesversammlung von 1790/91 waren die von späteren Landesversammlungen erörterten Fragen für die Armenier eher unwichtig. Zwischen 1795 und 1809 tagte in Transsilvanien zudem keine weitere Landesversammlung. Die 1809 einberufene Landesversammlung beschäftigte sich mit dem Aufbau einer Landwehr gegen Napoleon, und auch die Gesetze der Landesversammlung von 1810/11 betrafen die Armenier kaum. Gegen die drohenden Gefahren konnten sich Armenier auch außerhalb des Landtages wehren. Von 1811 bis 1834 fanden wieder keine Landesversammlungen in Transsilvanien statt. Die Armenier hatten sich schon vorher kaum am politischen Leben Transsilvaniens beteiligt; diese neue potentielle Möglichkeit schien zu uninteressant, um dafür auf Privilegien, Rechte oder Freistellungen von Pflichten zu verzichten. Noch Anfang 1792 wollte die Hofkanzlei Transsilvaniens den o. g. Gesetzesentwurf abändern: Die Abschnitte über das Eigentumsrecht der königlichen Freistädte, über die Verwendung der ungarischen Sprache in der Stadtverwaltung und den Unterhalt ungarischer Schulen sollten entfernt werden. Die Kanzlei war der Meinung, es sei nicht nötig, die armenischen Privilegien abrupt für ungültig zu erklären oder Adelstitel der Kanzlei nachzuweisen. Sie schlug jedoch vor, die Verpflichtungen der beiden Städte zur Unterbringung von Soldaten und zum Transport öffentlicher Frachtgüter mit eigenen Fuhrwerken so lange beizubehalten, bis ein entsprechender Beschluss über einen Freikauf von diesen Pflichten 164 EK: AG 1791, 5303. 165 Vom 30. August bis 14. September 1791 hat Elisabethstadt drei Bittschriften beim Kaiser eingereicht: 1791, Nr. 5670, 5694, 5741. Zu den von beiden Städten dem König gesendeten Bittschriften siehe EK: AG 1791, 6256; 1792, Nr. 668 744, 1322 – 3, 1652, 1753.

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gefällt würde. Zur Besprechung dieses Gesetzentwurfs schlugen die Ministersitzungen vom 16. und 18. März 1792 vor, zusammen mit anderen Artikeln auch die bisherige Rechtsgrundlage der beiden armenischen Städte zu bestätigen.166 Dieser Artikel trug damals die Nummer 1791 Jr. LXVII o. h.167, da aber einige Gesetze von 1791 nicht von Dauer waren, wurde die erwähnte Regelung später unter einer neuen Nummer, nämlich unter 1791 LXI o. h., eingeordnet. Beide armenischen Städte erhielten demnach den Rang einer königlichen Freistadt ungarischer Nation, wobei in der ersten Version betont wurde, dass durch diesen Rang keine neue Nation entstünde. Die Armenier bekamen gleiche Rechte und Pflichten wie die anderen königlichen Freistädte. Gleichzeitig sollten die Armenier neue Privilegien erwerben, die alten widersprächen dem Prinzip der gleichen Bürgerrechte.168 Mit seiner Antwort vom 26. Mai 1792 reichte Franz I. den von ihm bestätigten Artikel bei der Landesversammlung von Transsilvanien, die erneut getagt hatte, ein.169 Am gleichen Tag forderte der König die Staatsverwaltung auf, so schnell wie möglich festzulegen, mit welcher Summe sich die beiden Städte von ihren Pflichten freikaufen könnten; aber bis zum endgültigen Beschluss des Königs sollten die Armenier ihre vorherige Lage beibehalten.170 Mit dem vom König bestätigten Artikel waren die armenischen Städte berechtigt, sich an den Landesversammlungen zu beteiligen. In dieser Angelegenheit wandten sich die Abgeordneten von Ebesfalva und der zugehörigen Gemeinden im Herbst 1792 an die Stände: Man wolle schnellstmöglich den Treueid ablegen.171 Dieses Ansinnen blieb jedoch erfolglos, da die Rechtslage unsicher war. Das Problem der Pflichten musste vor Ausfertigung eines neuen „Diploms des Privilegs“ erledigt werden; dieses war jedoch Voraussetzung zur Anerkennung als königliche Freistadt. Bis zur Eröffnung der Landesversammlung von 1794/95 äußerten sich das Oberste Landeskommissariat, das als der Staatsverwaltung unterstellte bürgerliche Behörde die Angelegenheiten der Soldatenversorgung, darunter auch Unterbringung der Soldaten und Transport, leitete, sowie der „gesetzbildende“ Ausschuss der Landesversammlung von 1790/91 und letztendlich die Staatsverwaltung selbst wie auch die beiden Städte. Das Oberste Landeskommissariat unterbreitete hinsichtlich der Befreiung von der Unterbringung der Soldaten zwei Vorschläge: Armenierstadt und Elisabethstadt sollten entweder je eine Kaserne bauen und finanziell unterhalten oder sich durch jährliche oder eine einmalige Zahlung von den Pflichten befreien, wobei das Landeskommissariat selbst die zweite Variante bevorzugte. Auch eine Befreiung von den Transportdiensten wäre möglich: Beide Städte könnten jeweils eine Station mit 12 Pferden und einer entsprechenden Anzahl von Wagen unterhalten, um berechtigten Personen einen Wechsel zu ermöglichen. 166 167 168 169 170 171

EK: AG 1792, 1971.

Ebd., 2542.

CJ: ET 548. EK: AG 1792, 2543.

Ebd., 2893. Diaet. 1792, 2543.

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Oder sie könnten je eine Kutsche mit vier Pferden vorhalten oder jährlich jeweils 400 Forint Ablöse zahlen. Die Staatsverwaltung ihrerseits weigerte sich, einen Beschluss zu fassen: Man müsse noch die Meinung der Stände einholen. Der Ausschuss wiederum bevorzugte Befreiung gegen Barzahlung, war aber über die Summe uneins. Gherla und Ebesfalva hingegen wollten sich durch eine Einmalzahlung von 4.000 bzw. 3.500 Goldgulden von den Pflichten loskaufen.172 Die Bearbeitung der Entwürfe eines neuen „Diploms des Privilegs“ gehörte zu den Aufgaben des Schatzkammerleiters von Transsilvanien. Da dieser jedoch in Verzug geraten war, wurde der Entwurf letztendlich am 20. August 1793 von dessen Stellvertreter bearbeitet. Nachdem die Staatsverwaltung unbedeutende Änderungen vorgenommen hatte, wurde der Entwurf am 27. August 1793, also ungewöhnlich rasch, der Kanzlei vorgelegt. Dort ging man aber erst im Mai 1794 darauf ein, wobei sich der Kanzleivorsteher und die Berater einzeln schriftlich äußerten, was ungewöhnlich war. Aber sie schlugen keine schwerwiegenden Änderungen vor; man wollte lediglich noch die Meinung der oberen Finanzkammerverwaltung des Kaiserreichs und der Direktion für gesellschaftspolitische Angelegenheiten erfahren.173 Beide Institutionen warteten etwa ein halbes Jahr mit ihren Antworten. Die Direktion zeigte sich am 28. November 1794 mit dem Vorschlag der Kanzlei überwiegend einverstanden, war in den Erbrechtssachen jedoch anderer Meinung.174 Diese Antwort legte die Kanzlei zusammen mit ihrem ursprünglichen Vorschlag am 22. Dezember 1794 Franz I. vor. Dieser billigte in einem Punkt die Änderungswünsche der Direktion (das Erbschaftsrecht der städtischen oder königlichen Schatzkammer betreffend), war aber sonst mit dem Vorschlag der Kanzlei einverstanden. Somit wurden für beide Städte getrennt die „Diplome des Privilegs“ am 16. März 1795 ausgestellt, wovon die Kanzlei beide mit der Aufforderung um Abholung in Kenntnis setzte.175 Dennoch bekamen beide Städte aus einer Reihe von Gründen ihre „Diplome des Privilegs“ nicht, sie wurden auch nicht in der Landesversammlung veröffentlicht. Die Hofkanzlei von Transsilvanien und die Direktion waren sich nicht einig, wem die beiden Städte unterstehen sollten und auch in Territorial- und Eigentumsfragen, im Erbrecht und bei den Adelsprivilegien gab es noch Streitfragen.176 Auch das Problem des Loskaufs von den öffentlichen Pflichten, Soldatenquartiere und Transport, war noch ungelöst. Die Auseinandersetzungen mit Frankreich verzögerten eine Stellungnahme der Krone und die Kanzlei war nicht daran interessiert, sich aktiv für die Beschleunigung dieser Veröffentlichung einzusetzen; beide Städte schickten daher keine Abgesandten, um die Urkunden entgegenzunehmen. Dennoch sprachen beide Städte noch vor der Landesversammlung 1794/95 bei Farkas ­Kelemen, dem zuständigen Präsidenten, vor und baten um ihre Sitze in der Landesversammlung 172 173 174 175 176

EK: AG 1813, 2820.

Ebd., 1793, 3649. Ebd., 4574. Ebd., 1795, 680. Ebd., 1795, 1076, 4160.

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und darum, vor den Ständen den Treueid ablegen zu dürfen.177 Kemen unterbreitete diese Bitte gleich in der ersten Sitzung der Landesversammlung am 12. November 1794 den Ständen. Diese meinten, dass königliche Vorschläge Vorrang hätten und verzögerte damit eine Entscheidung.178 Als die Städte durch Kemen ihre Bitte am 24. November wiederholen ließen, kam eine deutliche Absage von den Ständen: Die armenischen Städte bräuchten erst neue „Diplome des Privilegs“, bevor deren Einwohnern durch Treueid die Staatsbürgerschaft verliehen werden könnte.179 Die Abgeordneten der armenischen Städte warteten noch einen Monat und wiederholten Anfang 1795 ihre Bitte. Diesmal verwiesen sie darauf, dass sie sich um ein neues „Diplom des Privilegs“ bemüht hätten, sogar die Staatsverwaltung hätte einen entsprechenden Vorschlag zu dieser Angelegenheit vorgelegt. Daher könnten die Stände, ohne auf eine Antwort der Verwaltung zu warten, den Treueid abnehmen. Außerdem seien sie bereit, die von den Ständen vorgeschlagene Summe zur Befreiung von den Verpflichtungen zu zahlen. Nun verlangten die Abgeordneten der szeklerischen und sächsischen Siedlungen und der steuerpflichtigen Ortschaften Einsicht in das Original der armenischen Bittschrift, um sich darüber äußern zu können.180 Tatsächlich legten sie wenige Tage später ihre schriftlichen Anmerkungen vor: besonders die szeklerischen Abgeordneten lehnten eine Ablösung der Armenier von den öffentlichen Pflichten kategorisch ab.181 Grund für diese Haltung war zum einen die Regelung der Rechtslage der Städte Niklasmarkt und Sibviz 1794, zum anderen aber auch die erwartete Stärkung der armenischen Gemeinden auf szeklerischem Gebiet. Die sächsische Stellungnahme war weniger direkt, doch auch hier fürchtete man die armenische Konkurrenz und war nicht bereit, Armenierstadt und Elisabethstadt Verpflichtungen zu erlassen; diese müssten dann ja andere übernehmen.182 Die königlichen Freistädte ungarischer Nation, in denen neben Händlern und Handwerkern noch Landwirte, Gärtner und Bergleute lebten, besprachen die Fragen ausführlich. Hier war man der Ansicht, Elisabethstadt und Armenierstadt könnten durch Errichtung und Unterhalt einer Kaserne und durch eine Pferdestation ihre Pflichten, die nun einmal mit den Privilegien einer königlichen Freistadt einhergingen, durchaus erfüllen und Verantwortung übernehmen. Daher handelte es sich hier hauptsächlich um die gleiche Abbildung der Lage wie in den anderen ungarischen Städten. Der Unterschied bestand nur darin, dass in den königlichen Städten von Ungarn noch Landwirte, Gärtner und Bergarbeiter lebten. Das bedeutet, dass diese Städte noch mehr Gründe für solch eine Freiheit hatten. Aber Handel trieben nicht nur beide armenischen Städte, sondern alle drei Nationen. Falls Elisabethstadt und Armenierstadt die genannten Verpflichtungen nicht übernehmen wollten, dann

177 Diaet. 1794, 16. 178 Das Gesetz wurde am 11. Mai 1794 während der Vollversammlung der siebenbürgischen drei Nationen in Klausenburg formuliert (im Folgenden 1794/5: JKV), 18. 179 Ebd., 71 f. 180 Ebd., 125 f. 181 Diaet. 1795, 96. 182 Ebd., 1795, 98.

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sollten sie Kasernen bauen und Pferdestationen einrichten. Schließlich hatten beide Städte selbst die Privilegien einer königlichen Stadt gewünscht, deswegen sollten sie sich mit dem Gedanken abfinden, dass sie gewisse Verantwortungen zu übernehmen hätten 183. Unter diesen Umständen ließen sich beide armenische Städte Zeit mit ihrer Antwort, aber diesmal wurden sie von den Abgeordneten der steuerpflichtigen Ortschaften gedrängt.184 Letztendlich übernahm der Ausschuss für Bittschriften der Landesversammlung die Vermittlung in dieser Angelegenheit und schlug eine Ablöse von jährlich insgesamt 800 Goldgulden vor.185 Da sich mittlerweile die Landesversammlung ihrem Ende zuneigte, wurde kein eindeutiger Beschluss in der armenischen Angelegenheit gefasst und man verschob eine Lösung dieser Fragen auf die nächste Landesversammlung.186 Dass diese jedoch erst 1809 stattfinden und andere Probleme zum Thema haben sollte, war nicht absehbar. Erst zur Landesversammlung von 1810/11 wurde die armenische Frage wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Bis dahin hatte es auch bei Verwaltung und Kanzlei keine Fortschritte gegeben; danach verzögerten die Armenier selbst die Lösung dieser Angelegenheit, da ihre Befreiung von den öffentlichen Verpflichtungen gemäß königlichem Beschluss in Bearbeitung war und die französischen Kriege eine Mehrbelastung bedeutet hätten. Außerdem tagte die Landesversammlung nicht, und so hatten sie nichts zu verlieren. Dennoch bereiteten sich Armenierstadt und Elisabethstadt auf die Landesversammlung von 1810/11 vor, zumal die transsilvanischen Stände sehr erbost darüber waren, dass die Armenier im Verlauf der napoleonischen Kriege von den Verpflichtungen, Soldaten unterzubringen und Frachtgüter zu transportieren, befreit blieben, während die armenischen Händler die Kriege durchaus geschickt zu nutzen wussten. Diesmal legte die Landesversammlung selbst die von den Ausschüssen formulierten Vorlagen der Gesetze von 1790/91 zur Aussprache vor, darunter besonders die Vorschläge zur administrativen und territorialen Neugestaltung Transsilvaniens. Währenddessen wurde am 26. Juli 1810 die Frage der Verkündung der königlichen Freistädte aufgeworfen. Die Abgeordneten der Siedlungen Inneres Szolnok und Komitat Klein-Kokelburg stellten fest, dass beide Städte trotz des Gesetzes 1791 LXI o. h. noch keine neuen „Diplome des Privilegs“ erworben hatten; daraufhin erklärte man dieses Gesetz für ungültig. Beide Siedlungen erkannten die Privilegien der Städte nicht an, legten selbst Widerspruch gegen deren vorherige Freiheiten ein und wollten die Städte der provinziellen Führungsgewalt unterordnen. Diese äußerst weitreichende Forderung fand jedoch keine entsprechende Zustimmung. Die Abgeordneten der in der Landesversammlung vertretenen Städte verlangten stattdessen, dass beide armenischen Städte so lange nicht den königlichen Freistädten angehören sollten, bis sie die gleichen öffentlichen Verpflichtungen wie die anderen Städte übernahmen. Letztlich wurde die Besprechung dieser

183 Ebd., 97. 184 1794/5: JKV 267 – 8.o. 185 EK: AG 1813, 2820. 186 1794/5: JKV 368, 378.

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Angelegenheit verschoben.187 Erst am 22. Februar 1811 kam sie wieder auf die Tagesordnung, als sich die fürstlichen Stände entschieden, dass beide Städte die vorgesehenen Pflichten weder umgehen noch sich davon freikaufen könnten, da es unmöglich war, vorauszusagen, welche Ausmaße die genannten Verpflichtungen in der Zukunft annehmen würden. Aus diesem Grund wurde für die Prüfung dieser Angelegenheit ein Ausschuss gebildet,188 und Abgeordnete beider Städte sollten vor dem Ausschuss gehört werden.189 Diese gaben bekannt, dass Armenierstadt und Elisabethstadt den Verpflichtungen nicht nachkommen würden. Armenierstadt schlug vor, 100.000 Forint Papiergeld 190 als Lösegeld zu zahlen, und auch Elisabethstadt war bereit zu zahlen. Der Ausschuss überließ die Entscheidung der Landesversammlung, die am 27. Mai 1811 beschoss, dass ein Freikauf von den Pflichten nicht zulässig sei. Beide Städte durften jedoch zur Pflichterfüllung Kasernen errichten und unterhalten sowie Pferdewechselstationen mit 16 Pferden einrichten.191 Damit wurde die armenische Angelegenheit wieder den Regierungsorganen Transsilvaniens übertragen. Bis 1834 wurde in Transsilvanien keine Landesversammlung einberufen und auch im Bereich der Regierungsorgane waren keine Fortschritte zu sehen. Die Prüfung der Gesetzentwürfe und anderer Beschlüsse der Landesversammlung von 1810/11 wurde viele Jahre am Königshof verzögert. Als die Hofkanzlei schließlich am 20. August 1813 einen Vorschlag zu den Pflichten beider Städte unterbreitete, bevorzugte der Leiter der Finanzadministration, Károly Zichy, aufgrund der kriegsbedingten finanziellen Probleme einen Loskauf gegen Bargeld. Die Hofkanzlei erbat daher die Meinung der Staatsverwaltung zur angemessenen Höhe des Lösegeldes.192 In Anbetracht des äußerst fortgeschrittenen Alters der Führungskräfte sowohl in der Staatsverwaltung als auch in der Hofkanzlei und des schon traditionellen Streits um Vormacht und Zuständigkeiten war eine schnelle Bearbeitung dieser Angelegenheit nicht zu erwarten. Die Staatsverwaltung bevorzugte den Standpunkt der Stände, da sie auch Mitglied des gleichen Landtages gewesen war; dennoch erbat sie vom Obersten Landeskommissariat eine Festlegung der Höhe des Lösegeldes. Den entsprechenden Vorschlag von 1817 schickte die Verwaltung der obersten Budget- und Finanzadministration des Landes, um auch deren Ansichten zu erfahren. Aber nach Erhalt recht präziser Berechnungen der Höhe des Lösegeldes beharrte die Verwaltung wieder auf den Ansichten der Stände vom Mai 1811, und erst im Falle der Ablehnung dieser Richtlinien würde sie den Vorschlag der Administration unterstützen. Die Hofkanzlei ihrerseits bestand auf Loskauf und forderte deswegen Berechnungen von der Administration.

187 In Klausenburg wurde ein Gesetz formuliert: Staatsversammlung (Landtag) von 1809/10 der Großmacht Siebenbürgen (im Folgenden 1810/1: JKV), 47 f. 188 Die Mitglieder dieser Institution wurden am 23. Februar 1811 ernannt. Auf der Liste standen u. a. János Jósika (später für mehr als 10 Jahre Gouverneur) und Elek Nopcsa (der zukünftige Kanzler Transsilvaniens). 189 Ebd., 405 – 407. 190 Die kriegsbedingte Inflation führte bei Papiergeld des Habsburgerreiches zu 20 Prozent Wertverlust. 191 Ebd., 545 f. 192 EK: AG 1813, 2820.

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Am 24. Dezember 1818, also sieben Jahre nach Beendigung der Landesversammlung, reichte die Hofkanzlei ihren Vorschlag ein. Als Antwort forderte am 4. August 1819 Großherzog Ludwig von der Hofkanzlei die vorherigen „Diplome des Privilegs“ beider Städte an.193 Diese beschuldigte in ihrem neuen Vorschlag vom 11. Februar 1820 beide Städte, immer wieder eine Lösung verhindert und seit 1791 ihren Pflichten nicht nachgekommen zu sein, was die anderen Steuerzahler benachteiligt hätte. Außerdem hätten sie nach 1813 mit der Staatsverwaltung keine Vereinbarung zur Höhe des Lösegeldes getroffen.194 Letztendlich beschloss Franz I. am 15. März 1822 ein Lösegeld und den Bau der Pferdewechselstationen, wobei vor Inkrafttreten beide Städte entscheiden sollten, ob dies in ihr neues „Diplom des Privilegs“ aufgenommen werden sollte oder ob man auf jede Erwähnung der Rechte königlicher Freistädte verzichten wolle.195 Eine Antwort darauf ist nicht bekannt. Beide armenischen Städte hatten keinen Grund zur Eile. Außerdem hatten sie keine Angst davor, dass sich die Staatsverwaltung schlagartig gegen sie wenden würde; nach 1820 war die Administration des Habsburgischen Kaiserreichs immer langsamer und untätiger geworden. Für Transsilvanien hieß das, dass beispielsweise eine Bestätigung vieler 1790/91 ausgearbeiteter Gesetze ausblieb; damit verglichen war die Frage der armenischen Städte von geringer Bedeutung. Andere Kräfte mussten sich dieser Sache annehmen. Auch in anderer Hinsicht änderte sich die Lage der beiden armenischen Städte Armenierstadt und Elisabethstadt. Dobeschdorf (Doboka, Dăbâca,), die erste armenische Siedlung, strebte danach, dass Armenierstadt zu ihrem Administrationszentrum, d. h. zu ihrer Residenz werde; Elisabethstadt sollte diese Rolle für das Gebiet Kokel übernehmen. Aber Armenierstadt lag einige Kilometer außerhalb der Grenzen der Siedlung Doboka. Mit Recht wiesen jedoch die Dobokaer darauf hin, dass sich auf dem Territorium dieser Siedlung, die sich von West nach Ost über ganz Transsilvanien erstreckte, keine wehrhafte Stadt befand. Die Stadt Secken (Szék, heute Sic), früher Zentrum der Salzgewinnung, war verlassen und öde, da die Bergwerke überschwemmt waren. Daher schlug ein Abgeordneter der Siedlung Doboka während der Landesversammlung von 1794/95 am 10. Januar 1795 vor, Armenierstadt zur Residenz der Siedlung zu machen, wogegen die Siedlung Inneres Szolnok, wo Armenierstadt lag, heftig widersprach. Daraufhin wurde die Angelegenheit beim ständigen Ausschuss der Staatsadministration eingereicht.196 Als im Herbst 1810 die Landesversammlung den bearbeitenden Vorschlag dieses Ausschusses hinsichtlich der neuen Territorialverteilung besprach, beschloss die Landesversammlung, Armenierstadt in die Siedlung Doboka einzugliedern und zur Residenz der Siedlung zu

193 Ebd., 1819, 2693. 194 Ebd., 1820, 3309. 195 Ebd., 1822, 1037. 196 1794/5: JKV 127.

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machen.197 Die Stadt versuchte umgehend, durch Bittschriften den gefällten Beschluss aufzuheben, aber ihre Argumentation war wohl nicht überzeugend. Zwar betonten die Einwohner von Armenierstadt, dass die Stadt weder den Platz noch ein passendes Bauwerk für das Administrationsgebäude der Siedlung habe und dass die Durchsetzung dieser Entscheidung zu einer Teuerung führen würde, doch die Stände beharrten auf ihrer Entscheidung 198 und die Eingliederung von Armenierstadt in die Siedlung Doboka wurde in den Beschlussentwurf der Landesversammlung aufgenommen.199 Im Fall des Komitats Klein-Kokelburg war die Lage eindeutiger, da Elisabethstadt in diesem Komitat lag. Zwar war Sankt Martin (Dicsőszentmárton, heute Târnăveni), die alte Residenz des Komitats, durchaus in der Lage, die entsprechenden Aufgaben zu erfüllen, doch konnte man mit Elisabethstadt nicht konkurrieren. Die Landesversammlung beschloss daher am 11. März 1811, die Siedlungsresidenz nach Elisabethstadt zu verlegen. Jeder Widerstand der Stadt blieb erfolglos, da die Stände diesen Erlass mit einem neuen Beschluss bestätigten.200 Diese Beschlüsse waren jedoch nicht rechtskräftig; die Bestimmung der Siedlungsresidenzen lag eindeutig in der Hand des Königs. Da dieser selbst die entsprechenden Vorschläge der Hofkanzlei vom 10. September 1813, eine Verlegung der beiden Siedlungsresidenzen in die genannten beiden Städte sei angebracht,201 ignorierte, misslang dieses Vorhaben. Die beiden armenischen Städte konnten ihre Unabhängigkeit verteidigen und sich vor äußeren Einflüssen schützen. Elisabethstadt drohte jedoch noch eine andere Gefahr. Wie bereits erwähnt, hatte zwar Familie Bethlen auf ihre Forderungen bezüglich der Landgüter von Elisabethstadt verzichtet, doch die Landesversammlung von 1810/11 hatte daraufhin beschlossen, dass diese gemäß dem Gesetzartikel XIV der Schatzkammer zugefallen seien, deren Vermögen weder verkauft noch verschenkt werden durfte.202 Da dieser Beschluss vom König bestätigt wurde, waren der Kaufvertrag von Elisabethstadt und die Bestätigung nun juristisch gefährdet, was jedoch in dem hier untersuchten Zeitraum keine unmittelbaren Folgen hatte. Zwischen 1790 und 1834 konnten von den armenischen Gemeinden Siebenbürgens außer den beiden Städten Armenierstadt und Elisabethstadt nur die armenischen Ansiedlungen Niklasmarkt und Sipviz eine gewisse Selbstverwaltung bewahren. Doch auch diese waren nach 1790/91 gezwungen, ihre Unabhängigkeit zu verteidigen. Während Elisabethstadt den Titel „königliche Freistadt“ anstrebte, hatte man die Unterstützung der anderen armenischen Gemeinden vernachlässigt.203

197 Ebd., 172. 198 Ebd., 526 f. 199 EK: AG 1811, 2191. 200 Ebd., 1755. 201 Ebd., 1813, 2871. 202 Ebd., 1811, 2191. 203 G. P. 1798, 5408.

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In Niklasmarkt lebten damals etwa 200 Familien, deutlich weniger als in Armenierstadt oder Elisabethstadt, jedoch mehr, als diese zum Zeitpunkt der ersten königlichen Privilegierung gehabt hatten. Dass Niklasmarkt 1794, letztendlich vergeblich, versuchte, ähnliche Privilegien zu bekommen, ist daher durchaus verständlich. Dennoch wollten diese Armenier ihre im Januar 1728 von einer Vollversammlung vom Csík-Gyergó-Kászon-Stuhl (Sedes) verliehenen Rechte auf einen eigenen Friedensrichter behalten. In Sachen Strafrecht war jedoch sowohl für die Armenier aus Niklasmarkt als auch aus Sibviz das Siedlungsgericht zuständig.204 Da sich diese Praxis bewährt hatte, bekamen die Armenier aus Niklasmarkt und Sibviz 1794 eine gerichtliche und fiskalische Selbstverwaltung; mit Beschluss vom 18. Juni 1794 entstand für beide armenischen Ortschaften ein Handelsgericht, bei welchem, wie bisher, der Friedensrichter die internen Streitigkeiten prüfte; sollte der Kläger in einem Zivilverfahren kein Armenier aus der Ortschaft sein, musste das Verfahren unter der Leitung eines Amtmanns aus der Siedlung stattfinden. Neu war, dass die übergeordnete Instanz nicht mehr die Verwaltung von Elisabethstadt, sondern die Staatsverwaltung war. Im Falle aller anderen Gerichtsverfahren blieben die Armenier weiterhin unter den Machtbefugnissen der entsprechenden Siedlung. Der Beschluss vom 18. Juni 1794 erlaubte zudem, die abzuführenden Steuern selbst zu erheben.205 Vor diesem Hintergrund scheint der Widerstand der Szekler gegen die Änderungen und Erweiterungen der Rechte von Armenierstadt und Elisabethstadt noch verständlicher, wurden doch eigene Rechte beschnitten. Noch in der Landesversammlung von 1794/95 verlangten die Szekler daher die Aufhebung der rechtlichen Selbstverwaltung der armenischen Gemeinden und Änderungen im Steuerrecht.206 Da ein königlicher Beschluss von 1796 vorsah, dass – von Pfändungen abgesehen – alle zivilen Streitigkeiten der beiden kleineren armenischen Siedlungen vom Handelsgericht entschieden werden sollten, blieb die Beschwerde der Stände jedoch erfolglos.207 Als jedoch 1808 ein Streit zwischen diesem Gericht und einem Armenier entstanden war, wollte auch die Kanzlei in Übereinstimmung mit der Verwaltung eigene Vertreter an diesem Gericht beteiligt wissen, zumindest als Berater.208 Franz I. entschied jedoch, dass dies erst nötig sei, wenn die Armenier selbst keine geeigneten Richter fänden. Den Ständen Siebenbürgens war das armenische Handelsgericht aus praktischeren Gründen lästig: Die armenischen Gemeinden, insbesondere Niklasmarkt, hatten von den Kriegen nicht unerheblich profitiert.209 Dies hatte den Neid der Konkurrenten noch v­ erstärkt,

204 EK: AG 1796, 2544. 205 G. P. 1794, 4872. 206 Diaet. 1795, 88, 96. 207 EK: AG 1796, 2544. 208 Ebd., 1809, 1496; 1810, 1295. 209 Zwischen dem 10. 11. 1810 und dem 22. 10. 1811 hatten armenische Händler aus Niklasmarkt allein über das für sie wichtige Grenzzollamt Tölgyes 3.397 Stück Rindvieh, 4.610 Kühe, etwa 3.700 Schafe und Lämmer, 1.200 Ziegen und 240 Schweine transportiert.

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weshalb sich die Landesversammlung von 1810/11 den Abgeordneten des Stuhls (Sedes) Csík anschloss und für eine Auflösung dieses Gerichts plädierte.210 Gleichzeitig bestimmte die neue Gerichtsordnung, dass die armenischen Gemeinden der territorialen Gerichtsbarkeit unterworfen sein sollten. Der königliche Ausschuss, unter der Leitung des Chefs der Hofkanzlei, Sámuel Teleki, beschloss im Mai 1813, dass aus den Vorlagen der Landesversammlung 1810/11 die Änderungen in Sachen Handelsgericht entfallen sollten, da der königliche Beschluss zur Bestimmung der Tätigkeiten dieses Gerichts noch gültig war.211 Weil der König die Änderungen der Gerichtsordnung und auch einige andere Vorlagen der Landesversammlung 1810/11 nicht bestätigte, setzte das Handelsgericht seine Tätigkeiten fort. Stattdessen ersuchten 1870 die Armenier aus Niklasmarkt und Sibviz um eine Ausweitung der Zuständigkeiten, doch die Hofkanzlei und auch Franz I. verweigerten dies mit Verweis auf die Entscheidungen von 1794 bis 1796.212 7. Nach 23 Jahren Pause wurde die siebenbürgische Landesversammlung 1834/35 wieder einberufen. Da sich die Verhältnisse geändert hatten – in Ungarn diskutierte die Landesversammlung bereits gegen konservative Widerstände eine bürgerlich-liberale Umgestaltung –, hatten auch die Armenier andere Ziele. Armenierstadt und Elisabethstadt war nun eine Teilhabe am politischen Leben Siebenbürgens viel wichtiger als einzelne Rechte und Privilegien, von einer Aufrechterhaltung und Ausweitung der relativen Autonomie abgesehen. In Siebenbürgen strebten liberale Landgutsbesitzer und ungarische Freidenker danach, der politischen Entwicklung Ungarns nachzueifern. Auch der Wunsch nach einer Vereinigung Siebenbürgens mit dem Mutterland Ungarn verstärkte sich mit der Zeit. Da Siebenbürgen vor 1526 Teil Ungarns war und erst das Vorrücken der Türken zu einer Trennung geführt hatte, konnte dieser Wunsch durchaus begründet werden. Zwar hatten die Habsburger nach 1690 die Länder nicht wiedervereinigt, doch leiteten sie ihren Herrschaftsanspruch über Siebenbürgen von der ungarischen Krone ab. Nun erschien eine Wiedervereinigung jedoch dringend geboten, um den politischen Fortschritt, die bürgerlich-liberale Umgestaltung Siebenbürgens, zu beschleunigen. Für die armenischen Bürgergemeinden wäre eine Nichtbeteiligung an der Umgestaltung unvernünftig gewesen; zwar hatten sie sich bereits im 18. Jahrhundert einige Rechte erkämpft, doch die neuen Bürgerrechte sollten auch für sie gelten. Daher waren sie durchaus daran interessiert, an der neuen Entwicklung teilzuhaben und diese zu beeinflussen. Sie beteiligten sich daher am Kampf der siebenbürgischen Stände. Ende 1834 erneuerte Elisabethstadt das „Diplom des Privilegs“. In dieser Sache hatte die Kanzlei am 14. Januar 1835 um die Meinung der Staatsverwaltung gebeten, die diese jedoch erst am 28. Mai 1835, also nach Beendigung der siebenbürgischen Landesversammlung 1834/35, bekanntgab: da

210 Ebd. 211 Ebd., 1813, 1171. 212 Ebd., 1817, 4192.

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Elisabethstadt nun bereit sei, die öffentlichen Pflichten (Soldatenunterbringung und Transport) zu übernehmen, könne man der Stadt ihr neues „Diplom des Privilegs“ erteilen. Dieses sollte jedoch neu formuliert werden. Der im Auftrag der Kanzlei entstandene Vorschlag forderte von Elisabethstadt die üblichen Pflichten der ungarischen königlichen Freistädte Siebenbürgens, gewährte jedoch auch die entsprechenden Rechte: Die Stadt war weder den Gerichten noch der Verwaltung der Siedlung untergeordnet. Da die Stadt Eigentum des Königs sei, müsse dieser die obersten Richter bestätigen, die Verwaltung könne man jedoch frei wählen. Die Stadt konnte die Adelsprivilegien ihrer Bürger nutzen und besaß Schutzrechte, konnte Diener und Trommler haben. Im Bereich der Marktregelung bewahrte die Stadt ihre vorherigen Privilegien; Ausländer und Kirchenbeamte hatten kein Recht, in der Stadt Immobilien zu erwerben. Nachdem dieser Entwurf in der Kanzlei diskutiert worden war, wobei die Berater Bedeuš und Lazar Apor dazu einige formelle Anmerkungen hervorbrachten, wurde dieser am 13. August 1835 der Regierung vorgelegt, die noch eine Stellungnahme von Elisabethstadt einholen sollte.213 Aber Elisabethstadt antwortete erst nach etwa einjährigem Schweigen und bat um weitere Bedenkzeit; man hatte es nicht eilig. Doch die Kanzlei wollte nur bis Ende 1836 warten;214 zum Jahreswechsel 1836/37 war nämlich schon absehbar, dass die Landesversammlung von Siebenbürgen bald wieder einberufen werden sollte. Diesmal war Elisabethstadt bereit, das „Diplom des Privilegs“ ohne Einwände anzunehmen 215 und drängte im Juni 1837 selbst zur sofortigen Veröffentlichung, damit sich die Stadt noch an der Landesversammlung beteiligen könne.216 Das neue „Diplom des Privilegs“ wurde daraufhin am 15. August 1837 veröffentlicht 217 und im März 1838 von der Landesversammlung anerkannt;218 Elisabethstadt konnte nun als königliche Freistadt an der Landesversammlung von Siebenbürgen teilnehmen. Da der Status von Elisabethstadt nun geklärt war, sollte nach dem Willen der Kanzlei auch Armenierstadt das „Diplom des Privilegs“ von 1795 annehmen.219 Die Stadt bat daher im Frühjahr 1837 um eine Festlegung der zum Freikauf von den Pflichten aufzuwendenden Summe; geschähe dies nicht, sei man bereit, sich nach den Regelungen von 1791 zu richten. Weiterhin bat man, Ländereien aufkaufen zu dürfen, eine Handelsstraße zu verlegen, die abgelaufene Verpachtung des Landgutes Armenierstadt an die Stadt zu erneuern und die Höhe der Steuern anzupassen. Die Staatsverwaltung lehnte die ersten beide Forderungen ab, die Entscheidung über die Erneuerung der Verpfändung überließ sie dem König, nur der letzten Forderung stimmte sie zu, und auch die Kanzlei schloss sich dieser Ansicht an. Am 11. Oktober 1837 reichte die Kanzlei ihre Vorlage des neuen „Diploms des Privilegs“ für

213 214 215 216 217 218 219

Ebd., 1835, 2879. Ebd., 1836, 4243. Ebd., 1837, 1420. Ebd., 3254. Ebd., 3816. Diaet. 1838, 159. EK: AG 1837, 1428.

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Armenierstadt, die sich vom Entwurf von 1795 kaum unterschied, bei Ferdinand V. ein, der am 10. März 1838 zustimmte.220 Während der Landesversammlung 1841/42 wurde das neue „Diplom des Privilegs“ von Armenierstadt schließlich veröffentlicht.221 In den Jahren nach 1830 versuchten auch die Armenier aus Niklasmarkt und Sibviz über das Handelsgericht Vorrechte zu erlangen und die Beschlüsse von 1794 und 1796 über die Teilregelung der Lage ihrer Städte bestätigt zu bekommen. Aus diesem Grund reichten sie im Herbst 1837 eine Bittschrift bei der Kanzlei ein, die daraufhin eine Stellungnahme bei Verwaltung und Schatzkammer anforderte.222 Der übergeordnete Stuhl (Sedes) Csík war mit den Beschlüssen zur Gewährung des „Diploms des Privilegs“ einverstanden, solange die Interessen der Siedlung nicht verletzt würden. Der Leiter der Schatzkammer hingegen äußerte sich gegen die Gewährung des Diploms, und die Staatsverwaltung wollte diese Frage im Landtag erörtern. Die Kanzlei schloss sich der Ansicht der Verwaltung an und betonte, die Ablehnung der Beschlüsse zum Handelsgericht der Landesversammlung von 1810/11 durch den König habe neue Verhandlungen notwendig gemacht. Der von ­Ferdinand V. am 4. Mai 1839 gefällte Beschluss bestätigte im Grunde genommen diesen Vorschlag.223 Den beiden kleineren armenischen Gemeinden Siebenbürgens war es also nicht gelungen, Privilegien zu erhalten. Zwischen 1690 und der bürgerlichen Revolution 1848 hatte sich die Rechtslage der Armenier Siebenbürgens teilweise entscheidend geändert. Die Entwicklung vom Status der geduldeten Fremden hin zu Mitgliedern der Landesversammlung ist nicht allein Rechtsgeschichte, sondern auch die politische Geschichte der siebenbürgischen Armenier. Deren politisches Handeln hatte in diesem Zeitraum unter den schwierigen Bedingungen der siebenbür­ gischen Gesellschaft mehr oder weniger zur Regelung ihrer Rechtslage geführt. Ohne das Wissen um diese Entwicklung und die dahinterstehenden Kräfte und Interessen ist es kaum möglich, die Integration der immigrierten Armenier in Siebenbürgen und letztlich auch in die ungarische Gesellschaft zu erfassen. Es wäre gleichermaßen kaum möglich, zu verstehen, warum einige ungarisch-armenische Staatsmänner während der Renaissance und in den Befreiungskriegen von 1848/49 eine so wichtige Rolle gespielt haben. Übersetzt von Hermine Nazarjan Buchholz

220 Ebd., 1837, 4515; 1838, 926. 221 Diaet. 1842, 201. 222 EK: AG 1837, 4566. 223 Ebd., 1839, 2039.

Neuere Perspektiven

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Armenische Prediger und Missionare in Europa (4. – 11. Jahrhundert) Die christliche Religion, ihre Lehre und Dogmatik haben eine etwa zweitausendjährige Geschichte. Die moderne ethnisch-religiöse Karte der Welt und damit die Geografie des Christentums, eine der einflussreichsten Religionen, sind das Produkt einer längeren histo­ rischen Epoche, bei deren Entwicklung zahlreiche Völker ihre Rolle gespielt und ihren Beitrag geleistet haben. Eines der älteren Völker der Erde, das armenische Volk, hat ebenfalls einen Anteil an der Verbreitung des Christentums sowohl in Ländern des Ostens als auch in denen des Westens. Hervorzuheben ist, dass bereits im 1. Jahrhundert, nach den Aposteln Christi, die Armenier zusammen mit anderen orientalischen Völkern zu den ersten Predigern der Welt wurden. Die Reichweite ihrer Tätigkeit umspannte ein großes Gebiet, das im Westen bis nach Spanien und Großbritannien und im Osten bis nach China reichte. Es ist kein Zufall, dass die enge Verbindung der Geschichte der apostolischen Verkündigung des Evangeliums und die Rolle der Armenier bei dieser Verkündigung in der ganzen mittelalterlichen armenischen Literatur sehr klar hervortritt. Informationen über die rege Tätigkeit der ersten Apostels Christi finden wir in einer der frühesten auf Armenisch verfassten Schriften, in der „Geschichte der Armenier“ des Agat’angełos. Darin teilt der Autor mit, dass, während einige ihre Tätigkeit in der Heimat des Christentums, in Palästina, fortsetzten, „[…] sich andere in der ganzen Welt […], manche nach Phrygien, manche nach Pamphylien, manche nach Ägypten und manche ins Land der Inder, manche ins Land der Libyer, manche in das Land der Kyrener, manche in das Land der Dalmatier, manche in das Land der Spanier, manche in die Richtung von Azovt, manche in die Richtung Thrakiens [verstreuten]“1. Aus diesen Gründen fand die neue Lehre eine gewaltige territoriale Verbreitung: „Und niemand kann [sie 2] zählen, erfahren. Ihre Sprache verbreitete sich auf der ganzen Erde, und ihre Worte [erreichten] das Ende des Universums.“3 Die Armenier haben ihre Verkündigung des Christentums schon im 1./2. Jahrhundert im eigentlichen Armenien sowie im römischen Kaiserreich begonnen. Danach zogen sie 1 Agat’angełeay patmut’iwn, Vark’ ew patmut’iwn srboyn Grigori – Matenagirk’ hayoc’ [Die Geschichte von Agathangelos, das Leben und die Geschichte des heiligen Gregor – Armenische Literaturkunde]. Antelias 2003, 1632. 2 Die Länder, in denen die christliche Lehre verbreitet wurde. 3 Agat’angełeay patmut’iwn (wie Anm. 1), 1632.

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weiter nach Osten, nach Persien, in den Kaukasus, in das heutige Gebiet Afghanistans, nach Indien und sogar bis nach China.4 Das Streben der Armenier, in die Länder des Ostens – vor allem nach Palästina – zu gehen, war verständlich. Dort in Jerusalem, an den heiligen, mit dem Wirken Jesu verbundenen Stätten, gründeten sie armenische geistliche Anstalten. Im Jahr 301, während der Regierungszeit des Königs Trdat des Großen aus der Dynastie der Arsakiden, wurde Armenien das erste Land der Welt, das das Christentum zur staat­ lichen Religion erhob. Durch dieses geschichtliche Ereignis eröffnete sich eine neue Epoche im Leben des armenischen Volkes. Die neue Religion verband – besonders nach dem Mailänder Edikt des römischen Kaisers Konstantin dem Großen, der zum toleranten Umgang mit den Christen aufrief – die Armenier noch enger mit Europa. Das Christentum war daher sowohl an der Konsolidierung der kulturellen Beziehungen zwischen Europa und Armenien als auch an der Verbreitung seiner Verkündigung durch die Armenier im Westen beträchtlich beteiligt. Wenn man sich mit der Tätigkeit armenischer christlicher Prediger und Missionare, Pilger und Reisender, die schon im frühen Mittelalter begann, vertraut macht, kann man entdecken, dass diese Menschen in einigen europäischen Ländern die ersten Fundamente für armenische Kolonien legten. Die Untersuchung der griechischen Urquellen zeigt, dass, bevor das Christentum in Armenien zur offiziellen Religion ausgerufen wurde, ein großer Teil des armenischen Berglandes – besonders Kleinarmenien (Armenia Minor) und Sebastien – unter der regen Tätigkeit christlicher Gemeinden stand.5 Von dort gingen wichtige Impulse für die Verkündigung des Christentums, nicht nur in den armenischen Provinzen, sondern auch in weiter entfernten Ländern, aus. Wie die Ereignisse der folgenden Jahrhunderte zeigten, spielte dieses Potenzial tatsächlich eine große Rolle für die Christianisierung sowohl der östlichen als auch der westlichen Völker. Schon in den ersten drei Dekaden des 4. Jahrhunderts zogen aus dem Gebiet Großarmeniens zahlreiche christliche Missionare nach Norden und leisteten einen aktiven Beitrag zur Verbreitung der neuen Lehre im benachbarten Georgien und in Albanien (Ałvank’). Es ist kein Zufall, dass Nune (Nino), eine der Jungfrauen Hripsimes, vor ihrer Reise nach Georgien Armenisch gelernt hatte. Auf ihrer Missionsreise konnte sie daher mit den Bewohnern der Provinz Djavachk auf Armenisch in Kontakt treten.6 Wie P’avstos Buzand bezeugte, wurden bald das christliche Georgien und Albanien ein Bistum der armenischen Kirche, zu dessen Leiter Grigor, der Enkel des ersten armenischen Katholikos Grigor Lusavorič’, ernannt wurde, der „[…] dahin ging und die 4 Dauviller, Jean: Histoire et institutions des Églises orientales au Moyen Age. London 1983, 1 – 17. 5 Bart’ikyan, Hrač’: Hay-byzandakan Hetazotutyunner [Armenisch-Byzantinische Forschungen]. Bd. 3. [Thessalonikē] 2007, 739 – 779. 6 Kartlis Tskhovreba [Georgische Chroniken]. Bd. 4. Tbilisi 1973, 85 f.; Movsēs Xorenac’i: Hayoc’ Patmut’iwn. Matenagirk’ Hayoc’ [Die Geschichte der Armenier]. Bd. 2. Erivan 1981 – 1984.

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Kirchen dort wie ein Erleuchter erneuerte, indem er in seinen Taten dem Vater des ersten Grigor ähnelte“.7 Die Fragmente, die in der traditionellen märtyrologischen Literatur erhalten sind, bezeugen, dass zahlreiche christliche Heilige des 3. und 4. Jahrhunderts, deren Reliquien seit mehr als 1.500 Jahren in verschiedenen europäischen Klöstern und Kirchen aufbewahrt werden, aus Armenien stammen. Im heutigen Belgien befinden sich beispielsweise die Reliquien des Heiligen Krisoleos, des Patrons von Komin; auch der Patron der Stadt ­Florenz, der Heilige Miniato (Minias, Minas), und Gregoir de Tallar (Grigor – A. M.)8 in der Provence waren Armenier. In der berühmten Kathedrale von Maastricht ist das Grab des Heiligen Servatius 9 zu finden, den die örtlichen Geistlichen und Gläubigen auch den Heiligen Armenios oder Armenianos nennen. Das Grab ist heute eine der berühmtesten Wallfahrtsstätten Europas. Vor seiner Ankunft in den Niederlanden, so verweisen touristische Reiseführer, war der Heilige Servatius bereits auf christlicher Mission in Ost- und Zentraleuropa. In seinen Untersuchungen konnte der Armenologe Levon Zekiyan nachweisen, dass der bekannte armenische Einsiedler Liberos, der als Patron von Ankon verehrt wird, im 5. Jahrhundert in der Kirche San Ciriaco beigesetzt wurde.10 Auch der in Mailand verehrte Heilige Anzas war Armenier. Zhirayr Dedejan äußerte die Meinung, dass durch den Zerfall des römischen Impe­ riums im Jahre 476 neue Ströme armenischer, syrischer und anderer christlicher Pilger, die zusammen unter dem allgemeinen Namen „Syni“ bekannt sind,11 aus östlichen Ländern 7 Buzandaran Patmutiwn – Matenagirk’ Hayoc’ [Die Geschichte von Armenien von Pawstos Byzand]. Bd. 1. Antelias 2003, 281. 8 Dedejan, Žirayr: Hay vanakannerǝ ew uxtavornerǝ (uxtagnac’nerǝ) arevmtyan evropayum 10-rd dari verǰin ew 11-rd dari skzbin [Die armenischen Mönche und Pilger in Westeuropa am Ende des 10. Jahrhunderts und am Anfang des 11. Jahrhunderts]. In: Patma-Banasirakan Handes 3 (1984), 21. 9 Servatius (* vermutlich in Armenien; † 13. Mai 384 in Maastricht) ist einer der drei Eisheiligen, der insbesondere am 13. Mai verehrt wird. Im Volksglauben wird Servatius bei Fußleiden, Frostschäden, Rheumatismus und Rattenplagen angerufen. In seiner Gestalt vermischen sich nach heutigem Stand der Forschung zwei historische Persönlichkeiten: Zum einen erwähnt Gregor von Tours in seiner (Ende des 6. Jahrhunderts verfassten) „Historia francorum“ einen Servatius episcopus tungrorum (also Bischof von Tongeren), der um 450 starb, kurz vor dem Hunneneinfall in Europa. Dieser Servatius war wohl tatsächlich der erste Bischof im heute belgischen Tongeren. In der Heiligenlegende des Gregor reiste dieser Servatius nach Rom, wo ihm in einer Erscheinung des Petrus der Hunneneinfall vorhergesagt wurde. Servatius reiste zurück, warnte die Bürger von Tongeren und verlegte den Bischofssitz nach Maastricht, wo er kurz darauf starb. Bis in die jüngste Zeit wurde mit diesem Servatius ein anderer Träger gleichen oder ähnlichen Namens vermischt: Der Geschichtsschreiber Sulpicius Severus erwähnt einen Servatius oder Sarbatios aus Gallien, der 343 an der Synode von Sardica, dem heutigen Sofia in Bulgarien, und 359 an einer weiteren in Rimini teilnahm. Er lebte also etwa einhundert Jahre vor dem bei Gregor erwähnten Servatius, zu einer Zeit, in der von Christentum in der Region um Tongeren noch keine Rede sein konnte. Dieser Servatius tat sich auf den Synoden als entschiedener Gegner des Arianismus hervor. 10 Zekiyan, Boghos Levon: Le colone armene del Medio Evo in Italia e le relazioni culturali italoarmene. Venezia 1978, 840. 11 Dedejan, Hay vanakannerǝ (wie Anm. 8), 21.

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nach Europa gelangen konnten. Das frühmittelalterliche Ost- und Zentraleuropa, das noch außerhalb der Einflusssphäre der christlichen Religion blieb, wurde zum fruchtbaren Boden für eine solche Tätigkeit. Bis zum Konzil von Chalcedon 451 gab es keine dogmatischen Probleme zwischen den frühchristlichen Kirchen. Aber auch danach, als sich die armenische Kirche für den Monophysitismus entschied und sich von der allgemeinen Kirche trennte, ließ der Zug armenischer Geistlicher und Pilger nach Europa nicht nach. Am Ende des 5. und zu Beginn des 6. Jahrhunderts konnte man daher in Gallien monophysitische Christen treffen, die hier besonders den syrischen Ritus praktizierten. Zu dieser Zeit hatte die Zahl der armenischen Funktionsträger in Europa stark zugenommen. Manche von ihnen standen sogar in hohen geistlichen Würden, wie der Bischof Simon, der nach Europa gekommen war, um dem persisch-byzantinischen Krieg der Jahre 572 – 591 zu entkommen. Im darauf folgenden Jahrhundert zogen armenische Geistliche auch nach Irland, wo sie das berühmte Kloster Sell-Aschid gründeten.12 Diese und andere Gegebenheiten zeigen uns, dass das offizielle kirchliche Schisma für die einzelnen Gläubigen, wie auch für die genannte Pilgergruppe, keine Rolle spielte, sondern dass den Menschen zuerst die allgemeinchristliche Versöhnung wichtig war. Dies blieb auch im gesamten Mittelalter vorherrschend. Armenische Geistliche errichteten in Europa stetig neue Kirchen und Klöster. Die armenische Kirche nahm auch in der Folgezeit an verschiedenen Konzilen der römisch-katholischen Kirche teil, obwohl die innerkirchlichen Streitigkeiten dadurch nicht zu beenden waren. Stepanos, ein zum Bistum Sjunik gehörender Geistlicher, ging Anfang des 8. Jahrhunderts zuerst nach Konstantinopel, dann auf Verlangen des byzantinischen Kaisers nach Rom, um Griechisch und Latein zu erlernen und in Büchern zu forschen, die die dyophysitische Lehre verkündeten. Nach Sjunik zurückgekehrt sollte er seine eigenen dogmatischen Vorstellungen niederschreiben und die Dogmen der armenischen Kirche verteidigen.13 Schon im 10. und 11. Jahrhundert, nachdem das Christentum in einem beträchtlichen Teil Europas verbreitet war – woran, wie wir zeigen konnten, Armenier einen gewissen Beitrag geleistet hatten –, wurden die Missionare durch Pilger ersetzt, unter denen auch die armenischen Christen nun vermehrt auftraten. Sie begannen, die zum Heiligtum gewordenen Gräber der ehemaligen Missionare und Pilger, die besonders durch ihre armenischen Wurzeln eine gewisse Anziehung ausübten, aufzusuchen, oder pilgerten an Orte, wo noch lebende, ehemalige armenische Missionare oder Pilger wirkten. Die bereits im 10. und 11. wie auch in den kommenden Jahrhunderten deutlich anwachsende Zahl armenischer Pilger, die nach Europa zogen, wurde durch die fehlende Staatlichkeit in Armenien und die immer neuen verwüstenden Invasionen der türkisch-tatarischen Stämme verursacht.

12 Ebd. 13 Orbeljan, Step’anos: Patmut’yun Syuneac’ [Die Geschichte von Sjunik]. Erevan 1986, 149 – 152.

Armenische Prediger und Missionare in Europa

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Dieser armenische Pilgerstrom in die europäischen Länder war auch dadurch bedingt, dass sich bei den Armeniern eine besondere Verehrung des Apostels Jakobus entwickelt hatte. Nach der Überlieferung wurde der Kopf des Heiligen Jakobus, der im Jahre 44 auf Geheiß des jüdischen Königs Herodes Agrippa getötet worden war, in der gleichnamigen armenischen Kirche in Jerusalem begraben; den Körper jedoch transportierten seine Schüler nach Spanien und setzten ihn dort bei. Später gründete man an jenem Ort die Stadt Santiago de Compostela (Heiliger Jakob von Sternenfeld), die bald zu einem der berühmtesten Wallfahrtsorte Europas avancierte. Sie wurde im Jahre 983 vom Armenier Simeon Thaumaturgus (Sk’anč’elagorc) besucht, der unter den ersten fremden Pilgern war; später war sie auch Ziel David Haykazns. Dieser hatte sein ganzes Eigentum den Armen gegeben. Er wollte Spanien über Rom erreichen, wurde aber krank und starb 1050 in der italienischen Stadt Lucca. Das Grab von David Haykazn wurde ebenfalls zum Wallfahrtsort. Menschen besuchten es in der Hoffnung, dort geheilt zu werden – auch eine armenische Fürstin, wahrscheinlich die Enkelin des Königs Senekerim Arcruni, suchte die Wallfahrtsstätte auf.14 Obwohl das Kloster des Surb Hakob (Heiligen Jakobus) für Armenier der am weitesten entfernt liegende Wallfahrtsort in Europa war – er lag am Rande der damaligen Welt –, stieg die Zahl der armenischen Pilger in den späteren Jahrhunderten weiter an. Sogar nach dem Zerfall des armenischen Staates in Kilikien besuchte der letzte armenische König, Lewon V., diesen Wallfahrtsort. Durch ihre Pilgerfahrten spielten Armenier im Laufe des ganzen Mittelalters eine beträchtliche Rolle bei der Verbreitung des Christentums und der Gründung neuer Wallfahrtsorte, Kapellen, Klöster und Kirchen in Europa. Die Armenier trugen dazu bei, besondere Elemente der christlichen Zivilisation in Europa zu verbreiten.

14 Über die armenischen Pilger, die Santiago de Compostela besuchten, siehe Erzbischof Aščjan, Mesrop: Ašxarhi cayrǝ. Hay uxtavorneri verǰin kayanǝ [Der Rand der Welt. Die letzte Station der armenischen Pilger]. Erevan 2001.

Alexandr Osipian

Who was Nekomat Surozhanin? An Armenian Merchant in Big Politics in Eastern Europe in 1375 – 1383 A medievalist studying Armenian Diaspora, or any diaspora for that matter, sometimes has a problem with the subject of his research: who was and who was not an Armenian in times when people had no surnames? In many cases, there is a precise and direct notation in the records that someone is “Armenus”. In other cases, one could use as identity markers evidently Armenian names, such as Astvatsatur, Hachatur, Avag/Avak, Smbat or Hetum, or Christian names adopted by Armenians in a specific ethnic form, such as Hovhannes/ Ovanes/Ivanis, Sarkis/Sargis, Hacob or Bedros. There were also Armenian nicknames such as Voskan (“golden” or “a goldsmith”) or second names referring to a city, a village or a district of someone’s origins, e. g. Anetsi, Tokatetsi, Areveltsi, Cafaetsi and so on. Nevertheless, there are many cases where Armenians were mentioned in the sources simply as Jacob, Abraham, Thoma or Christophor, with no ethnic/confessional identification, or with a professional, social, geographical or other title in no specific Armenian form, such as Institor (shop-keeper), Dives (rich person), Monoculos (one-eyed person), de Kamencz (from the city of Kamieniec) etc. In many cases, Armenians of the diaspora were mentioned in the sources with Iranian, Turkic, Arab or Slavonic names such as Pirzada, Kutlubey, Nuradin, Bohdan or Iwaszko. This is why many historians writing the history of their respective nations simply perceive such persons as members of their nation rather than as Armenians. It is not easy to “discover” an Armenian among other people in a certain city or country. However, such investigations can help us to broaden our knowledge of Armenian Diaspora. Moreover, some of these “crypto-Armenians” played an important role in the history of the countries in which they lived and worked. This article is devoted specifically to one of these “unearthed” Armenians and to the complex processes of the archival “excavations” surrounding him. The hero of this article was mentioned in the late 14th century sources as Nekomat Surozhanin (of Surozh). My initial inspiration for conducting this research was a note on Nekomat Surozhanin in a monograph by the Russian scholar A. P. Grigoriev, a well-known specialist in the history of the Golden Horde. Grigoriev called Nekomat “a traitor”1 and

1 Grigoriev, A. P.: Sbornik khanskih jarlykov russkim mitropolitam [The Collection of the Charters Issued by the Khans to Russian Metropolitans]. S. Petersburg 2004, 166 – 167.

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identified him as “a merchant living in Moscow” (московский купец) in the Index.2 Why was Nekomat Surozhbanin (“of Surozh”) identified as being “of Moscow”? Was he indeed “a traitor”, and if so, whom did he betray? Finally, who was Nekomat Surozhanin? The only source where Nekomat Surozhanin is mentioned in is the chronicles. Nekomat is mentioned for the first time in 1375 (6883): “In the same year at Lent time, Ivan, son of Vasilii tysiatskii,3 the grandson of Vasilii, and great-grandson of Veniamin, ran away from Moscow to Tver’ with Nekomat Surozhanin, with many false words and blandishments to the great prince of Tver’ – Mikhail, the son of Alexander. And Mikhail of Tver’ at the same time, on Sunday devoted to Saint ­Theodor, sent them to the Horde. And after their departure, they travelled to Lithuania. After a short stay in Lithuania, he returned to Tver’.”4 A well-known Russian historian in the field of the relations between Rus’ and Horde, M. D. Poluboyarinova, offers the following comment on this particular passage: “Ivan, son of Vasilii, was a very important person at the court of the prince of Moscow Dmitry Ivanovich. He was a son of tysiatskii Vasilii Vasilievich Veliaminov. Being angry with the prince, who seized the office of tysiatskii, he (Ivan Vasilievich) run away to Mikhail, son of Alexander, with Nekomat, a merchant from Surozh, and took part in the struggle between the princes of Tver’ and of Moscow for the office of great prince.”5 At that time, Rus’ was under the suzerainty of the Khan of the Golden Horde, who granted principalities and offices to the Russian princes. During the 14th century, Tver’ and Moscow were the main rivals in the competition for the office of great prince. Serving as an arbiter in their struggle, the Khan made efforts to keep a balance between the two principalities. Obviously, Nekomat was not a nobleman, since he is mentioned without the name of his father. In the Russian chronicles only princes and aristocracy were traditionally mentioned with their father’s name. Nekomat’s second name, Surozhanin, points to his connection with the city of Surozh, Soldaia, according to late Medieval Latin sources, i. e. modern Sudak in Crimea. In the thirteenth and fourteenth centuries, Surozh was a famous centre of ­oriental trade, located on the Silk Road. This port by the Black Sea was in the hands of Venice until 1365 and then in the hands of Genoa. At that time, mostly Greeks and Armenians inhabited the city. There were also Tatars, Russians and Italians. Mentioned in the chronicle together with the son of tysiatskii, and not being a nobleman, we can assume that Nekomat was probably a merchant doing business between Surozh and Moscow. This assumption could explain why Mikhail, the prince of Tver’, sent Ivan Vasilievich, son of tysiatskii, to

2 Ibid, 260. 3 Tysiatskii – the highest office in the Russian feudal hierarchy available to a representative of aristocracy (boyars), equal to the constable (connetable) in the Western Europe. 4 Polnoe sobranie russkih letopisej [Full Collection of the Russian Chronicles]. Vol. 11 – 12. Moscow 1965, 22. 5 M. D. Poluboiarinova: Russkie liudi v Zolotoi Orde [The Russian People in the Golden Horde]. Moscow 1978, 20.

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the Horde with Nekomat. The high-ranking aristocrat Ivan was probably accompanied by Nekomat as his guide and advisor on the steppe roads leading from Tver’ to the Horde. The following question also arises: to what Horde did Mikhail of Tver’ send Ivan ­Vasilievich and Nekomat? This question emerges because, at that time, the Golden Horde was divided into two rivalling parts, east and west. There was Kok-Orda (the Blue Horde) with its capital in Saray on the Volga River, ruled by the Khan, and Ak-Orda (the White Horde) with its capital in Solchat, also known as Eski Kirim, the modern Staryi Krym in Crimea, ruled by the powerful Emir Mamai. The following sentence from the chronicle answers this question: “In a short time, on 14 July, Nekomat Surozhanin went from the Horde of Mamai, with his envoy Achikhozha to Tver’ to the great prince Mikhail Alexandrovich of Tver’ with the charters (jarliks) [giving him] the great principality of Vladimir.”6 Thus, Ivan Vasilievich and Nekomat were sent to the Horde of Mamai, the Ak-Orda. The residence of Mamai was in Solchat, located less than 20 km from Surozh. The way between Rus’ (Tver’ and Moscow) and the Crimea (Solchat and Surozh) was probably Nekomat Surozhanin’s main trading route. He was also a well-known person at the court of Mamai: we see Nekomat as a companion of the Tatar envoy Achikhozha, sent by Mamai to the prince of Tver’. It was a common habit of many medieval merchants to travel under the protection of an embassy, and chronicles never list their names. But in this particular case, Nekomat was the only companion of the envoy mentioned in the chronicle. Thus, he accompanied Ivan ­Vasilievich into exile and now accompanies the official Tatar envoy. This suggests that Nekomat had been used as a secret envoy in the relations between Ivan Vasilievich and Mamai on many occasions prior to Ivan Vasilievich’s quarrel with his senior, the prince of Moscow. As a merchant doing his commerce between Moscow and Surozh, he had more freedom in his activities than official envoys and did not rouse suspicion as would be the case with a Tatar or Russian nobleman. It was common practice in the Middle Ages to use merchants and friars as secret envoys. This suggestion could also explain why Ivan Vasilievich ran away from Moscow to Tver’ and then to Mamai with Nekomat, who was a mediator between Ivan Vasilievich and Mamai and thus involved in their intrigues. In the Horde, the exiled Ivan Vasilievich used his ties with Mamai on behalf of Mikhail of Tver’, to whom Mamai delivered the highest office of the great prince of Vladimir. However, after a short time, on 1 September 1375, the princes of Tver’ and of Moscow came to an agreement to stop their rivalry. They also decided to confiscate the property owned by Ivan Vasilievich and Nekomat in Moscow.7 In the battle on the Vozha River on 11 August 1378, the Tatar military detachment was defeated by the prince of Moscow. After this victory, Moscow warriors captured a priest in the service of Ivan Vasilievich: “Arrested was a certain priest of Ivan Vasilievich tysiatskii who came from the Horde, since Ivan Vasilievich tysiatskii was in the Horde of Mamai.”8

6 Polnoe sobranie russkih letopisej. Vol.11 – 12, 22. 7 A. P. Grigiriev: Sbornik, 167; M. D. Poluboiarinova: Russkie liudi, 21. 8 Polnoe sobranie russkih letopisej. Vol. 11 – 12, 43.

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The priest was accused of being an evildoer who had with him “a sack of poison”. He was tortured and imprisoned. It is possible that the prince of Moscow fabricated the entire case in order to accuse Ivan Vasilievich. In any case, Ivan Vasilievich was seen as a threat to Moscow as long as he stayed at the court of Mamai. Then Ivan Vasilievich was lured into a trap, captured and executed on 30 August 1379: In the same year, Ivan Vasilievich tysiatskii left the Horde. He was deceived and captured in the town of Serpukhov and deported to Moscow. On 30 August, […] on Tuesday, before the afternoon, at 4 o’clock, Ivan Vasilievich tysiatskii was executed with a sword on the Kuchkovo Pole near Moscow, in accordance with the order of the great prince Dmitry Ivanovich.9

On 8 September 1380, the great prince of Moscow, Dmitry Ivanovich (1359 – 1389) defeated Mamai’s army on the Kulikovo Pole.10 After this battle, Mamai returned to the Horde and was soon thereafter defeated by his main rival, Khan Tokhtamysh, who was the ruler of the Blue Horde. Then Mamai fled to Crimea, where he found asylum in the Genoese city of Caffa. He was killed in Caffa in 1380. Thus, Nekomat lost both of his protectors within two years. Nekomat was mentioned for the last time in the chronicle in 1383: “A certain liar (брехъ) called Nekomat was executed in Moscow for a certain defamatory intrigue (крамола).”11 A chronicler used the word “брехъ” (brekh), i. e. “a liar” or “a deceiver”. According to the famous linguist in the field of Old-Russian etymology, I. I. Sreznievskii, this term had the following meanings: “a sycophant” (ябедник), “a whopper” (rabula, пустозвон), “an intriguer” or “a liar” (calumniator, интриган, клеветник, крючкотвор).12 A chronicler noted that Nekomat, “a liar” or “an intriguer”, was executed because he was involved in “a certain kramola”. Sreznievskii interpreted “kramola” as “a mutiny” (мятеж), “a revolt” (бунт), “a quarrel” (раздор).13 In the case of relations between Ivan Vasilievich and Mamai, the meaning of “kramola” will be closer to “an intrigue” or “a plot”, since there was no mutiny or revolt. The use of “brekh” with the meaning “a liar” is more typical of everyday conversation. Meanwhile, “brekh” used in connection with the political term “kramola” should be interpreted as “a plotter”. Being “a plotter”/“an intriguer”, Nekomat was quite possibly involved in the “intrigue” (kramola) of Ivan Vasilievich and Mamai, directed against the great prince of Moscow, Dmitry Ivanovich. Why did Nekomat travel to Moscow one more

9 Ibid, 51. 10 Russian historiography has traditionally considered the battle of the Kulikovo Pole as the most important event in the history of late medieval Eastern Europe and as the crucial point in the revival of Russia after the disastrous Mongol conquest in 1237 – 1241. 11 Polnoe sobranie russkih letopisej. Vol. 28, 85. 12 I. I. Sreznievskii: Slovar’ drevnerusskogo jazyka [The Lexicon of the Old-Russian Language]. Vol. 1, Pt. 1. Moscow 1989, 178. 13 Ibid, Vol. 1, Pt. 2, 1313.

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time to be captured and sentenced to death if he was such a dangerous plotter/intriguer in the eyes of the Moscow authorities? Soon after his victory over Mamai in 1380, the prince of Moscow became involved in a conflict with his suzerain, Khan Tokhtamysh. Tokhtamysh lead his troops to Moscow in 1382 to banish his excessively self-confident vassal. Dmitry Ivanovich, not having enough forces to resist the Tatars, fled from Moscow to the northern districts of his principality. Since the prince fled, there was a mutiny in Moscow. The city was controlled by the towns­people, who invited the Lithuanian prince Ostej to lead the defence of Moscow against the fast-approaching Tatars. Nekomat was able to use this opportunity to visit Moscow in order to retrieve some of his property. Although his goods and merchandise had been confiscated in 1379, he could at least make an attempt to recover his money. Having confident ­relations with the powerful Emir Mamai, the great prince of Tver’ and the tysiatskii of Moscow, Nekomat was obviously a very rich merchant. This means that he had companions, shareholders and debtors in Moscow. At least the Surozhanie, i. e. the people of Surozh/Sudak, were mentioned in the chronicle amongst those defending Moscow, which was s­ urrounded by Tatar troops in 1382. Finally, Moscow was captured and plundered by Tokhtamysh. The Tatars returned to the Horde with rich booty. The prince of Moscow returned to the ruins of his capital. It is possible that at that time Nekomat was somewhere in the prince’s domains, where he was captured and later executed in Moscow in 1383. In any case, one chronicler calls Nekomat “an intriguer”, not “a traitor”. This means that for his contemporaries Nekomat was not a traitor, even though he was a dangerous mediator between the most powerful enemies of the prince of Moscow. Perhaps Nekomat was a traitor from a modern point of view if A. P. Grigoriev called him “a traitor” in 2004. According to Grigoriev, Nekomat was “a merchant living in Moscow”, that is to say, a Russian, or at least a subject of the Moscow prince Dmitry Ivanovich. This prince traditionally possesses the glorious position in the Pantheon of Russian history as the initiator of Russia’s revival and as the “collector of the Russian lands around Moscow”. This being the case, Nekomat was a traitor to the Russian national idea in its modern sense, of course, since he helped (or did he?) the main enemy of the Moscow principality at that time to get to Mamai. My point, however, is that Nekomat was neither Russian nor a subject of the prince of Moscow. There is no direct evidence that Nekomat was a Russian or a Moscow merchant. More­ over, the chronicler almost always calls him Surozhanin. In the Russian chronicles from the second half of the 14th century, Surozhanie are mentioned many times with the epithet gosti, i. e. “guests”. In the Old-Russian, “the guests” (gosti) were either the merchants trading with other countries, or the merchants coming from other countries. It is now necessary to ask the following questions: Who were the gosti-Surozhanie of the Russian chronicles? Were they Russian merchants trading with Surozh/Sudak in the Crimea or merchants from Surozh trading in the principalities of Rus’?

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The Tatar envoy Irynchej, accompanied by gosti-Surozhanie (“guest-traders from Surozh”), arrived in Moscow from the Horde in 1356/1357.14 In 1380 the prince of Moscow, Dmitry Ivanovich, took with him ten of the gosti-Surozhanie into the steppe-land when going to war against Mamai: There the great prince took with him ten male guests of Surozh for evidence since in a case of any deed of God they would have to inform remote lands, as they travel from country to country and are well-known by all [people] in the Hordes, and in the Frank [lands] (vo Friazieh).15

Thus the prince deliberately took these merchants along in order to use them as informants after the battle, carriers of the news they would disseminate in the countries where they did their business, namely in the Hordes and in the lands of the Franks. The term vo Friazieh, i. e. “in the lands of the Franks”, used by the chronicler, means “in the lands of the Italians”, since, in the late medieval Rus’, the Italians were identified as Friagi and the term Niemtsi, that is “the Germans”, was reserved for other Western Europeans. Concerning the events of 1380, the chronicler probably used the term vo Friazieh as meaning the Genoese and Venetian trade colonies, which existed in the thirteenth and fifteenth centuries on the northern shore of the Black Sea and Azov Sea, in Caffa (Feodosia), Soldaia (Surozh, Sudak), Chembalo (Balaklava), Vosporo (Kerch’), Moncastro (Belgorod), and Azak/Tana (Azov). The Genoese and Venetians were the closest neighbours of the Hordes, with which they maintained intensive trade ties on the Silk Road. Thus, the gosti-Surozhanie would have to inform their Italian colleagues about the glorious victory of the prince of Moscow that he was hoping to achieve, and the Genoese and Venetians in turn would carry this news to Western Europe. Moreover: “[…] and another option: in any case they (the gosti-Surozhanie) have to do what is usual in accordance with their custom.”16 Here the chronicler points towards yet another function of the medieval traders: in the case of defeat, they would have to pay a ransom for the noble captives and then receive compensation from them or their relatives. The merchants trading between Rus’ and Crimea/­“the Tatar lands” were used in this way until the 17th century. The chronicler even mentioned the names of these “ten men gosti-Surozhanie”: These are their names: Vasilej Kapitsa, Sidor Elferiev, Konstantin, Kuzma Koveria, Semion Ontonov, Mikhailo Salarev, Timofej Vesiakov, Dmitrej Chernoj, Dementej Salarev, and Ivan Shikh.17

14 Ibid, Vol. 15, Pt. 1, 65. M. D. Poluboiarinova dated this event to 1356 (Poluboiarinova: Russkie liudi, 45) and V. L. Egorov to 1357 (V. L. Egorov: Istoricheskaia geografia Zolotoj Ordy v 13 – 14 vekah [Historical Geography of the Golden Horde in the 13th–14th Century]. Moscow 1985, 207). 15 Polnoe sobranie russkih letopisej. Vol. 11 – 12, 54. 16 Ibid. 17 Ibid.

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Poluboyarinova considers the names of these merchants to be Russian.18 Meanwhile, the Armenian scholar L. S. Khachikian conducted a scrupulous linguistic analysis and arrived at the conclusion that the chronicler russified their names in accordance with the existing tradition, and that these ten gosti-Surozhanie were for the most part Armenians and Greeks.19 In 1382, when Khan Tokhtamysh approached Moscow with his army and the prince Dmitry Ivanovich fled to his northern domains, the chronicler mentioned Surozhanie among other people who were in the city at the time when it was surrounded by the Tatar troops: [The Lithuanian prince Ostej] was enclosed in the city under siege with a multitude of people, with those who remained,20 and with those refugees who fled [to Moscow] from neighbouring districts, and from other towns who were at that time in the city, and from other countries, boyars (noblemen), surozhanie, and sukonniki,21 and other merchants.22

The chronicler mentioned surozhanie among the people “from other countries”, noblemen and merchants who were in Moscow at the time it was under siege by the Tatars. Thus, surozhanie were not permanent inhabitants of Moscow. They were merchants from Crimea trading with Moscow and other principalities of Rus’. There is much earlier evidence from another chronicle where surozhanie are again mentioned among foreigners. In 1288, the prince Vladimir Vasilkovich of Volhynia had died.23 A chronicler describes the sorrow of all the people who were in the prince’s capital, the city of Vladimir, at the time of his death: “And he was mourned by all the multitude of the city dwellers, including men, and women, and children, and foreigners/Germans (Niemtsi), and surozhtsi, and novgorodtsi, and the Jews.”24 The term Niemtsi was used in the medieval Rus’ to indicate not only Germans but all the Latin/Western Europeans apart from Italians (Friagi). Novgorodtsi were evidently the merchants from the prosperous city of Novgorod, a well-known centre of Baltic trade and at that time an independent state in the northern part of Rus’. Jews were not only foreigners, but also infidels. Niemtsi were non-orthodox Christians. Thus, after “men, and women, and children”, i. e. native and permanent inhabitants of Vladimir, the chronicler lists representatives of the four trading communities of the city. By building his narrative in such a way, the chronicler emphasised the totality of the sorrow: even foreigners and infidels mourned 18 Poluboiarinova, 45. 19 L. S. Khachikian: “Gosti-Surozhanie” v russkih letopisiah i Skazanii o Mamaevom poboishche. (K voprosu ob ih natsionalnoi prinadlezhnosti) [“Gosti-Surozhanie” in the Russian Chronicles and in the “Epic on the Battle with Mamai”. The Issue of Their National Identification]. In: Russkaia i armianskaia srednevekovye literatury [Russian and Armenian Medieval Literature]. Leningrad 1982, 333 – 357. 20 That is, those who did not flee with Prince Dmitry Ivanovich. 21 The term “Sukonniki” denotes rich merchants trading with the textiles (sukno). 22 Polnoe sobranie russkih letopisej. Vol. 11 – 12, 57. 23 „Volhynia” – now in the western part of Ukraine. 24 Galitsko-Volynskaia letopis’ [Chronicle of Galicia and Volhynia]. In: Pamiatniki literatury Drevnej Rusi: 13 vek [The Monuments of the Old Rus’ Literature: a Thirteenth Century]. Moscow 1981, 408.

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the prince’s death. If Niemtsi were the Roman-Catholics, and Novgorodtsi were Russian Orthodox, Surozhtsi were just merchants from Surozh or from Crimea in general, without any direct ethnic and confessional connection, since Surozh was inhabited by people from different ethnic and confessional groups. In any case, Nekomat Surozhanin was not a merchant from Moscow or a subject of the prince of Moscow, and he could not be treated as “a traitor” by his contemporaries, only as “an intriguer”. Nekomat lived in Surozh or in another city in Crimea, possibly Caffa or Solchat, both situated within 20 km of Surozh. Thus, he was a subject of Mamai or of the local Genoese authorities. However, one could suggest that Nekomat was a Russian merchant dwelling in Surozh. In this case he could be treated as a traitor from the modernist view of one’s patriotic duty toward one’s nation: why was Nekomat in the service of Mamai instead of fighting with the Tatar conquerors? Is it possible to identify the ethnic origins of Nekomat? Could his name suggest something? The Russian historian V. E. Syroechkovskii stated in reference to V. G. Vasilevskii that “[t]he name Nekomat points out that he was a Greek”.25 M. D. Poluboiarinova noted in reference to S. B. Veselovskii that Nekomat is a nickname, which means “a foxy man”, “an intriguer” in Greek.26 Actually, the name “Nekomat” could indicate associations with the Greek name ­“Nicomed”. However, L. S. Khachikian offered yet another interpretation: “[I]n many regions of Armenia and in Armenian colonies, the name Nekomat was very popular. This name was derived from the Persian in which it means ‘one who came with good luck’, that is ‘welcomed’ (‘a lucky person’).”27 One should not forget that the majority of names were always given to a new-born child who actually came into our world; parents of course wanted to protect a new human being and wish him or her a happy life, “good luck”. These names are known in anthroponomy as the desiderative names, i. e. the names by which parents hoped to have a son or a daughter with desirable features or abilities and to reinforce their fortune. And such names were very popular. In the course of my research of the Armenian community in the city of Lviv (actually Lemburga at that time; L’viv, Lemberg, Lwów), I found an interesting note in the late 14th century city records on a transaction made on 14 November 1386 in which “Awachaw, son of the dead Necomath” (Awachaw filius quondam Necomath) was mentioned.28 I suppose it

25 V. E. Syroechkovskii: Gosti-surozhanie [The Guest Traders from Surozh]. Moscow-Leningrad 1935, 24. 26 Poluboiarinova, 20. 27 Khachikian, Gosti-surozhanie, 343. Khachikian made references to the multivolume encyclopedia of the Armenian names, edited in Armenian by G. Acharian (Erevan 1948, Vol. 4), and to the sources published by Khachikian himself – colophons of the fourteenth-century Armenian manuscripts (Erevan 1950). 28 Pomniki dziejów Lwowa z archiwum miasta [The Records on the History of Lemberg from the City Archive]. Hrsg. v. Aleksander Czołowski. Vol. 1. Lwów 1892, 69.

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is possible to identify this Necomath as the Nekomat Surozhanin mentioned in the Russian chronicles. Nekomat Surozhanin was executed in 1383. This corresponds with the note in the city records about the “son of the dead Necomath”. The city magistrate of Lviv consisted exclusively of Catholic burghers, mostly of German origin. The city scribes repeatedly corrupted exotic foreign names, changing them in the records. I am sure that “Awachaw” is nothing else but a corrupted version of the Armenian name Avak/Avag, which means “an elder” in Armenian. It should also be considered that the names of many Armenians in Lviv had the flexion “scha” (sha) or “cza” (cha), such as Agopscha, Wartanscha, Kokcza etc. The same person with a name that was exotic for the German scribes could be found in the city records in various corrupted forms, e. g. as Awak/Awachaw/Awacscha. “Awacscha Armenus” was mentioned in the records in two notes on 5 November 1386. In the second note, he was identified as “Awacscha Armenian, son-in-law of the dead ­coiner Ywanis” (Awacscha Armenus gener quondam Ywanis monetarii).29 A coiner (Münzer) superintended the work of the Lviv mint. It was a prestigious and profitable office. The fact that Awacscha was a son-in-law of the coiner Ywanis points out the high social status of Awacscha in the Armenian community of Lviv. It correlates with the high social status of his father Nekomat Surozhanin, who not only conducted his commerce between Crimea and Rus’, but was also a confident person in the service of Emir Mamai, the great prince of Tver’ and the tysiatskii of Moscow. Avak/Awachaw/Awacscha, as his supposed father, was a merchant and the owner of some real estate in Lviv. There is a note in the city records on the transaction of 14 November 1386: Awachaw, son of the dead Necomath, gives his house, situated near the Dominican monastery, with one shop, situated behind the rich shops, in a pledge of 25 marks of ordinary money [grossorum] to Ywanyso, son of Gregorii, a tradesman.30

The Dominican monastery was situated in the central (intramural) part of the city, near Armenian street. Patricians and rich burghers resided in the central part of Lviv. Towns­ people with a lower level of income inhabited the city’s suburbs. The shop belonging to Awachaw was listed among “the rich shops”. This term was used to indicate shops where expensive goods were traded. These included oriental spices, silk, pearls, etc. In the second half of the 14th century, these luxury goods were transported, mostly by Armenian merchants, from Crimean seaports through Lviv to Western Europe. Also of significance is the fact that Awachaw pledges his house and shop three years after the execution of his supposed father Nekomat Surozhanin in 1383. This could be used as additional evidence in support of my hypothesis, as Nekomat’s execution would inevitably 29 Ibid, 55. 30 Ibid, 69: “Awachaw filius quondam Necomath domum suam in acie circa Predicatores iacentem cum vna instita infra diuitibus institis iacentem Ywanyso filio Gregorii institoris pro XXV marcis grossorum vsualium proposuit et obligauit.”

Who was Nekomat Surozhanin?

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have caused serious financial problems to his son. Certainly, father and son will have been commercial partners, as was commonplace in medieval trade. Unfortunately, the city records of 1389 – 1404 were not preserved. Nonetheless, there is evidence to indicate that Avak had saved his business. In the list of the Armenian houseowners in Lviv who paid taxes for their real estate on 5 September 1407,31 there also appears an “Awackbarun, son of Nekamat” (Awackbarun filius Nekamaty). The flexion barun, attached to Awack’s name, could provide some additional information. Barun is a loanword from the Old-French baron as a result of almost three centuries of intensive political, cultural and economic contact between the Armenian Kingdom of Cilicia and its Latin, mostly French, neighbours, the Crusaders’ states of Levant and Cyprus in the eleventh and fourteenth centuries. Thereafter “baron”/“barun” was transformed into “paron” (dominus), the Armenian equivalent of Mister, messier, signore, Herr, pan in other European languages. In the Middle Ages, “baron”/“barun” was a sign of upper social status and only in modern times was it transformed into a merely polite expression of respect applied to any person of any social status. Only four persons among 62 listed in the tax register in 1407 have “barun” attached to their names. The city records repeatedly mention “Avak, a butcher” (Awak carnifex) in 1384, 1388 and 1389, but never with the “barun” flexion.32 The tax register of 1407 does not indicate the sum paid by Awackbarun, son of Nekamat. However, several positions supra, there is a certain Awackbarun who paid 35 grosses. Neither his father’s name nor his nickname appears after his first name. This contradicts his high social status expressed by the “barun” attached to his name. One possible explanation could be the identification of this “Awackbarun” with “Awackbarun, son of Nekamat”. Awackbarun could have been mistakenly noted twice by the tax collectors as the owner of two houses, as he paid 35 grosses. As the owner of one house, one had to pay 20 grosses, for half of a house ten grosses, and for a quarter of a house five grosses. This explanation is a mere hypothesis. The prestigious title of “barun”, as well as the amount of tax he paid, may signify the prosperity of Avak, son of Nekomat, and his high position in the Armenian community of early 15th century Lviv. Avak, son of Nekomat, is absent in the following tax registers of 1416 and 1417. It is possible that he had died earlier. The approximate dates of Avak’s life, between 1350/1360 and 1407/1416, correlate with another piece of information at my disposal, namely that his supposed father Nekomat Surozhanin was a prosperous merchant, well known at the courts of Mamai and with the princes of Tver’ and Moscow. There are several other pieces of evidence to suggest that Armenian merchants from Caffa, Solchat and other cities on the northern shore of the Black Sea and the Azov Sea visited Lviv for commercial reasons in the second half of the 14th century. Some of them settled

31 Pomniki dziejów Lwowa z archiwum miasta [The Records on the History of Lemberg from the City Archive]. Hrsg. v. Dr. Aleksander Czołowski. Vol. 2. Lwów 1896, 40 – 41. 32 Ibid, Bd. 1, 104, 118, 174.

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there permanently, constituting the elite of the Armenian community, which had its own government and a court functioning in accordance with Armenian law. They continued to maintain ties with their relatives and partners in Crimea. The case of Nekomat and his son Awackbarun could provide researchers with a good example of commercial network building in late medieval Eastern Europe. Such networks were predominantly based on family ties. Perhaps Nekomat conducted his business in a northern direction between Crimea and the principalities of Moscow and Tver’. Then he extended the scale of his commerce with the help of his adult son, who operated in the western direction, between Crimea and Lviv. It is also possible that Avak settled in Lviv forever after the defeat of Mamai, a protector of their family, or at least after the execution of his father Nekomat in 1383. Thus, the fulfilment of the functions of an informer, mediator or secret envoy by a merchant could provide him with certain privileges and promote his business, but this close connection with the powerful policy-makers could also lead to many problems and even to death, as in the case of Nekomat.

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The “Invitation” of the Armenians into the Galician Rus’ in the Renaissance Historical Imagination Sources and Their Interpretations in Late 16th – Early 17th Century Lemberg In this research 1, I will address three moments in chronological order, always trying to contextualize them, as briefly as possible, within their historical framework. I will begin with a trial between the Catholics and Armenians in Lviv (L’viv, Lemberg, Lwów, L’vov) in the late 16th century, when the issue of the foundation of the local Armenian community emerged for the first time. Then I will consider how the arguments were constructed and which narrative strategies the authors applied, which sources were used and how they were interpreted. Finally, I will return to the framework within which any information that was received about the newcomers was required to fit. In the 13th–14th century, many Armenian merchants who were actively involved in transcontinental trade with the countries under Mongol rule migrated to the northern shore of the Black Sea. Here, Armenians established their trade colonies in Caffa (Feodosia), Soldaia (Surozh, Sudak), Solchat, Kilia (Kiliya) and Moncastro (Belgorod). They transported oriental goods to Western Europe by sea, using the land route through the Tatar lands and the Ruthenian principality of Galicia and Volhynia. In the second half of the 13th and the first half of 14th centuries, some Armenians settled in the territory of the principality, namely in the recently founded city of Lviv, where they came into contact with the German settlers. The late medieval city of Lviv (also known as Lemburga or Leopolis), situated in Ruthenia Rubra (The Western part of Ukraine), provides a good opportunity for research of interethnic relations in the late medieval and early modern city. The German merchants and artisans, invited by the Ruthenian prince Daniel (1238 – 1264) in the mid-13th century, found themselves in a totally infidel environment. From the very beginning, Lviv was a multi-ethnic city inhabited by Ruthenians, Armenians, Jews and even such exotic peoples as Tatars and Saracens. The prince and his successors protected all of these urban “nations”, as well as the

1 This article is based on a lecture entitled “The ‘Invitation’ of the Armenians into the Galician Rus’. Sources and Discussions”, which was given at the Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e. V. an der Universität Leipzig (November 11, 2008).

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Catholic community. Moreover, the Galicia and Volhynia principality (Ruthenia Rubra) in the 1240s–1340s was under the suzerainty of the Tatar rulers of the Golden Horde. Many times Tatar troops, accompanied by Ruthenian allies, passed through the principality to devastate neighbouring Poland and Hungary. Under such circumstances, German settlers in Lviv had to develop a strategy of coexistence with their numerous infidel neighbours. In this way they obtained a new experience of living with the “Other”, totally unknown to them in their German homeland. After the PolishHungarian conquest of Galicia in 1349, local German townspeople (cives catholici) became the dominant community, as Polish kings had supported the Catholics. On the other hand, the rights of other urban “nations” were guaranteed and confirmed by the Polish Crown in 1356, when the city was granted the ius theutonicum – the so-called Magdeburger Recht. In my view, the German burghers preferred to treat the heretic nations, i. e. Armenians and Ruthenians, as they were accustomed to treat Jews in Germany and Poland. Infidels (schysmatici) were not accepted into the city community. They were not treated as cives, i. e. as citizens of Lviv. All members of the city government were Catholics. In the central intramural part of the city, there were special streets for Armenians, Ruthenians and Jews. The economic opportunities of the heretics and Jews were also restricted. They were not admitted into the artisan guilds. Trade with many goods was prohibited or restricted for Armenian as well as Ruthenian and Jewish merchants, to the benefit of the Catholic ones. To summarize, non-Catholics lived and worked in the city, defended it against external enemies and paid all the taxes, but were not members of civitas or burgerschaft. Armenian merchants were well known for their oriental trade with Crimea, the ­Ottoman Empire, and Persia (mercatores peritissimi). They were also used as interpreters in the Royal chancery. Some of them were diplomats or spies, listed on the royal service. They also ­provided credits to the king in cases of emergency. For all these reasons, Polish kings ­protected the Armenian community. In 1578, in the presence of the new king Stefan Batory, there was a trial between the Catholic city-dwellers and the local Armenian community. The city’s past was actively used by both rival communities as an argument to win the trial. To obtain equal rights with the Catholic city-dwellers in Lviv, local Armenians stated that their ancestors had been invited by the Galician prince Daniel for military service and then settled by his son Leo/ Lev (1264 – 1301) in Lviv, together with the other “nations” at the time of the city’s foundation. This meant that, as the descendants of these Armenian warriors, they should not be treated as foreigners – advenae exotici – but as compatriots – concives. As a result, the king granted local Armenians, as his good subjects – fideles subditi –, the same economic rights as the Catholics. In 1597, the Catholics submitted a complaint to the court of King Zygmunt III. This time they were better prepared in the reading of historical chronicles. They admitted that the statement of the Armenians about the invitation issued to their ancestors – vocatio Armenorum – was true, but accused Armenian warriors of being involved in the hostile incursions against Poland headed by prince Daniel or Leo together with the Tatars, in the 1250s–1280s:

The “Invitation” of the Armenians into the Galician Rus’

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“L’viv was founded around 1280 by Leo, son of the Ruthenian prince Daniel. This Daniel died around 1263 or 1264. This means that the Armenians were invited earlier, since the Armenians connect their invitation with the aforementioned Daniel. At that time, the city of L’viv did not yet exist. In accordance with this, there is no doubt whatsoever that they were invited not to the city of L’viv, but to the lands of Rus’ in order to wage war together with Daniel, the Ruthenians and Tatars against the Kingdom [of Poland] as is written in the chronicles of the Kingdom at the times of [prince] Lesco Czarny. Equally, the Armenians, even if they later lived in accordance with the privileges [granted to them by] Leo – which we do not admit [as legitimate] –, lost all these privileges in accordance with the law of war. Exactly when, conquered with a sword, part of Rus’ with the city of L’viv was dominated by [King] Kazimierz in 1340. This means that the foundation of L’viv should be connected with his [Kazimierz’s] ordinance, but not with those previous princes of Rus’. This goes in accordance with the first privilege of Kazimierz, granted in Sandomierz in 1356.”2 In this way, the Catholic community won the trial in 1600. However, there is nothing on the participation of the Armenians in the Tatar and Ruthenian incursions against the Polish Kingdom in neither the Polish nor the Ruthenian chronicles. The question of when and how the Armenian colony in Lviv came into existence was not a matter of great interest to the Armenians and their neighbours until the late 16th century. From then, socio-economic competition and trials gave rise to the composition of various documents concerned with this topic. What sources were used by the Catholic city-dwellers to accuse Armenians of crimes they never committed? How did the Catholics use these sources in the trial as well as in the contemporary narrative of the city’s past? In order to answer these questions, I investigated the content of the city patri­ cians’ private libraries and one of the earliest descriptions of the city, written by a local Catholic of German origin, a pharmacologist and man of letters by the name of Johann

2 In: Daškevič, Jaroslav: “Drevnjaja Rus’ i Armenija v obščestvenno-političeskich svjazjach XI–XIII vekov. (Istočniki issledovanija temy)” [Social and Political Contacts between Ancient Rus and Armenia in the 11th–13th Century: Problems of the New Reading of Source Material]. In: Drevnejšie gosudarstva na territorii SSSR. Materialy i issledovanija 1982 god. Ed. by Anatolij Petrovič Novosel’cev. Moskva 1984, 195: “Leopolis est fundata circa annum 1280 a Leone Danielis Russiae ducis filio. Qui Daniel obiit circa annum 1263 vel quartum. Igitur anterior est vocatio Armenorum; siquidem vocationem suam Armeni ad dictum Danielem referunt, quotempore nondum Leopolis existit. Unde etiam certo constat non ad civitatem Leopoliensem sed ad terras Russiae vocatos, ut cum Russis et Tartaris contra Regnum cum Daniele bellum gererent ut patet ex annalibus Regni tempore Lesconis Nigri. Idem Armeni si quae privilegiei Leonis fuerunt successu temporisconsecuti, quod illis damus non concedimus, ea tamen omnia iure belli expirerunt, siquidem bello contingua Russiae pars Leopoli cum ipsa civitate ad Casimirum anno 1340 venit, ita ut iam ad ipsius ordinationem non ad illum prim-duam ducum Russiae fundatio civitatis Leopoliensis sit referenda. Quod probatur privilegio primi Casimiri de oblata Sandomiriae anno 1356.”

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Alembek (Ioannes Alnpekius, Hans Alnpech). Alembek wrote his “Topographia civitatis Leopolitanae” in 1603 – 1605 for Georg Braun’s multivolume “Civitates orbis terrarum”. The abbreviated version of “Topographia” was published in the sixth volume of Braun’s atlas (Cologne, 1617). The full original version began with the description of the foundation of Lviv (first and second sentences) and the settlement of the Armenians in the city (third sentence): Leo, son of Daniel, the powerful king of the Southern Rus’, grandson of Roman, prince of Volodymir and Galich, circa 1270 year of Our Saviour’s embodiment founded L’viv with two castles – one in the city and the other on the highest mount situated outside of the city – built in wood in accordance with the habits of the northern countries. [He] encircled the city with a rampart and two wide and deep moats. In L’viv [he] settled Armenians, Asian warriors with the Tatar armoury, clothes and language who (Armenians) originated under their (Tatar) dominance between the mountains of Taurus and Caucasus, and then occupied Cilicia, [for the fact that due] to their (Armenian) deeds his father (Daniel) defeated or subjugated to his own will the hostile factions of the Ruthenian princes, and became very powerful and almost established a monarchy in the Southern Rus’. In 1280 Leo had little success in his war against the Poles, namely against Lesco Czarny – prince of Krakow and Sandomierz –, [and] from that time, the Ruthenians and the Poles more than once made hostile incursions and devastated one another’s lands.3

The initial part of Alembek’s work is evidently a compilation. It appears that for this part of his “Topographia”, Alembek used Martin Kromer’s (Martinus Chromerus) “De origine et rebus gestis Polonorum libri XXX” (published in 1555, 1558, 1562, 1568, 1589). Kromer mentioned Lviv for the first time in 1280 in connection with the war between the Ruthenian prince Leo and the Polish prince Leszko Czarny (Lesco Niger).4 3 Alnpekius, Ioannes: Topographia civitatis Leopolitanae. In: Jan Alnpek i jego “Opis miasta Lwowa” z początku XVII wieku [Jan Alnpek and His “Description of the City of Lviv”, written in the early 17th century]. Ed. by Stanisław Rachwał. Lwów 1930, 10: “Leo, Danielis Russorum Australium Regis Potentissimi filius, Romani Wladimiriensium et Haliciensium ducis nepos, Leopolim circa annum salutis nostrae instauratae MCCLXX condidit cum duabus arcibus, quarum unam in oppido, aliam vero in eminentissimo scopulo extra oppidum pendente, ligneas tamen, quales et nunc in Septentrione fabricantur, extruxit. Oppidum vallo et fossis duabus latis et profundis circumdedit. Armenos Asiaticos milites armis, vestitu et lingua Tartarorum, sub quorum imperio aliquando inter Taurum et Caucasum montes ortos, quondam Ciliciam occupatos quorum opera pater adversae factionis duces Russorum vel domuit, vel in suam sententiam adduxit, ob idque magnam sibi potentiam et fere Monarchiam in Russis Australibus faciebat, Leopoli locavit. Anno MCCLXXX Leo cum Polonis et Lescone Nigro, Principe Cracoviensi et Sendomiriensi minus prospere belligeratus est, a quo tempore Russi cum Polonis crebris inter se odiis incursionibus, depopulationibus certabant.” 4 Cromerus, Martinus: De origine et rebvs gestis Polonorum libri XXX. Coloniae Agrippinae 1589, 171: “Quo circa impunem Lesco hostilem regionem ad Leopolim usque (quae arx cum oppido ab isto ipso Leone condita esse, et nomen sumpsisse videtur) pervagatus.”

The “Invitation” of the Armenians into the Galician Rus’

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Alembek’s Topographia 1603 – 1605

Kromer’s De origine 1555, 1558, 1562, 1568, 1589

Anno MCCLXXX Leo cum Polonis et Lescone Nigro, Principe Cracoviensi et Sendomiriensi minus prospere belligeratus est, a quo tempore Russi cum Polonis crebris inter se odiis incursionibus, depopulationibus certabant.

[1280] Quo circa impunem Lesco hostilem regionem ad Leopolim usque (quae arx cum oppido ab isto ipso Leone condita esse, et nomen sumpsisse videtur) pervagatus.

Alembek’s statement about the Tatar features of the Armenian warriors invited by Daniel is probably based on the text of Haitonus Armenus, “Flos historiarum terre orientis”. Alembek’s Topographia 1603 – 1605

Hetoum’s Flos historiarum 1307

[1270/1280] Armenos Asiaticos milites armis, vestitu et lingua Tartarorum, sub quorum imperio aliquando inter Taurum et Caucasum montes ortos, quondam Ciliciam occupatos

Gentes in terra Armeniae habitantes, diversis nominibus nuncupatur, secundum terras et regiones, in quibus degunt, et sunt equites et pedites strenui bellatores: in armis, equis et vestibus mores sequuntur et habitum Tartarorum, qui sub eorum dominio longo tempore sunt detenti.

Haitonus Armenus or Hetoum Patmich (Hayto de Curcus) was a member of the royal family of the Armenian Kingdom of Cilicia. In 1307, he was at the papal court in Poitiers (France). There, Hetoum presented his project of a new crusade with the assistance of the Tatar rulers – Ilkhans – of Persia. He also described Asia, Egypt and the history of the Tatars and their current relations with the sultans of Egypt (Hetoum’s information was written down by a scribe, Nicolas Falcon, in Old French, and then translated into Latin at the request of Pope Clemens V). Hetoum’s work was very popular in late medieval Europe. Editions of the Latin text were published in 1529, 1532 (twice), 1537, 1555, 1585, and later. The following sentence in the description of Armenia could be used by Alembek: Peoples living in the Armenian land have different names connected to the countries and regions they inhabit, and they are good warriors and horsemen as well as footmen: in their armoury, horses and clothes, they follow Tatar habits, since they were under their (Tatar) domination for a long time.5

5 Hayton: La flor des estoires de la terre d’Orient. In: Recueil des historiens des croisades. Documents Arméniens. Bd. 2: Documents latins et français relatifs à l’Arménie. Ed. by Académie Royale des Inscriptions et Belles-Lettres. Paris 1906, 128, 268: “Gentes in terra Armeniae habitantes, diversis nominibus nuncupatur, secundum terras et regiones, in quibus degunt, et sunt equites et pedites strenui bellatores: in armis, equis et vestibus mores sequuntur et habitum Tartarorum, qui sub eorum dominio longo tempore sunt detenti.” The same Latin text was published by Jo. Hervagium and S. Grynaeus in the 1537 edition: Novus orbis regionum ac insularum veteribus incognitarum una cum tabula cosmographica … Basileae 1537, 424.

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The Tatar features: myth or reality? Why did Hetoum write that the Armenians follow Tatar habits in armoury, horses and clothes? In the initial part of his crusade project, Hetoum described the military potential of peoples living in the Middle East; some of them were potential allies whilst others were enemies of the future crusaders. Hetoum mentioned the Tatar features of the Armenian warriors only in the description of Greater Armenia (De regno Armenie), which was under the direct control of the Mongol Ilkhans. The Kingdom of Cilicia was described in a­ nother chapter (De regno Syrie), with no mention of the Tatar features. This Armenian state was under the suzerainty of the Ilkhans of Persia, but closer to its Frankish neighbours, the crusader states. The Armenian troops of Greater Armenia as well as of Cilicia fought in the Mongol armies against the Seljuk Sultan of Iconium in 1243 – 1244, the Khalif of Baghdad in 1256 – 1258, and the Mameluk Sultans of Egypt in 1259 – 1303.6 According to the contemporary Armenian chronicler Grigor Aknerci: Hulawu Khan liked the Armenian and Georgian forces greatly because of their extreme bravery, which they displayed in every battle. Because of this, he called them bahaturs. He chose the handsome and youthful sons of the great Armenian and Georgian princes and appointed them as his guards. He called them k’esikt’oyk’, which were the palace guards with sword and bow.7

This means that the Armenian princes of Greater Armenia and their warriors really followed the Tartar habits in armoury known in Europe as the “Tartar armoury”. There is a detailed description of this armoury in Pian de Carpin’s “Ystoria mongolorum”: They also have armed horses with their shoulders and breasts protected, and have helmets and brigandines. Some of them have jacks and caparisons for their horses made of leather, artificially doubled or trebled, upon their bodies. The upper part of their helmet is of iron or steel, but that part, which covers the neck and the throat, is of leather. Albeit some of them have the foresaid furniture of iron trimmed in the following manner. They beat out many thin plates, a finger broad and a handful long, and making in every one of them eight little holes, they put thereunto three strong and straight leather thongs. So they bind the plates one to another, as it were, ascending by degrees. Then they tie the plates onto the said thongs with other small and slender thongs drawn through the holes aforesaid, and in the upper part, on each side thereof, they fasten one small doubled thong to another, so that the plates may be firmly knitted together. These they make for their horses’ caparisons, as well as for the armoury of their men: And they skewer polish them so bright that a man may behold his face in them.8

6 Boase, Thomas Sherrer Ross: The History of the Kingdom. In: The Cilician Kingdom of Armenia. Ed. by idem. New York 1978, 29. 7 Aknerci, Grigor: History of the Nation of the Archers. Trans. by Robert Blake. In: Harvard Journal of Asiatic Studies 3 – 4 (1949), 343 – 345. Actually, they were honoured hostages. 8 Dawson, Christopher H.: The Mongol Mission. Narratives and Letters of the Franciscan Missionaries in Mongolia and China in the Thirteenth and Fourteenth Centuries. New York 1955 (reprinted

The “Invitation” of the Armenians into the Galician Rus’

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The Galician prince Daniel used this “Tatar armoury” in the mid-13th century. There is a description of his army in the last part of the Hypatian redaction of the Rus’ian Primary Chronicle (Ipat’jevskaya letopis’), also known as the Galician and Volhynian Chronicle. In 1252, Prince Daniel was invited by his ally, the king of Hungary Bela IV, to provide military assistance. Their meeting was held in the city of Bratislava. According to a chronicler: “Daniel came to him [Bela IV] with all his warriors ready to fight. The Germans 9 were astonished at their Tatar armours: horses and men wearing caparisons and jackets made of leather. And there was enormous light from their shining armour.”10 This means that these leather caparisons and jackets were covered with the metal plates. Interestingly, Pian de Carpin also mentioned these bright shining armours. This Asian or Tatar armoury was produced in China and Persia, at that time ruled by the Mongols.

The “close reading” of Doctor Kromer’s work and its “creative” interpretations In Kromer’s historical work, there is also a story about Prince Daniel, who defeated alien factions of other Ruthenian princes and made them his vassals: “Daniel, son of Prince Roman, defeated or subjugated to his own will the hostile factions of the Ruthenian princes, and became very potent and almost established monarchy in the Southern Rus’.” In 1254, he was crowned by the papal legate, cardinal Oppiso, with a crown sent by the Pope on the condition of unification with the Roman Catholic Church and joint military actions against the Tatars. However, Daniel ignored his obligations and, together with the Tatars and pagan Lithuanians, devastated Christian countries. Alembek used the first part of this story almost verbatim in his own narrative: “[H]is (Leo’s) father (Daniel) defeated 1980), Chapter 17: How the Tatars behave themselves in a war, 34: “Habent et equos armatos, crura etiam tecta, galeas et loricas. Verùm loricas et equorum cooperturas quidam habent de corio, super corpus artificiosè duplicato vel etiam triplicato. Galea verò superius est de chalybe, vel de ferro: sed illud, quod in circuitu protegit collum et gulam, est de corio. Quidam autem de ferro habent omnia supradicta, in hunc modum formata. Laminas multas tenues ad vnius digni latitudinem et palmæ longitudinem faciunt, et in qualibet octo foramina paruula facientes, interius tres corrgias strictas et fortes ponunt. Sicque laminas, vnam alij quasi per gradus ascendendo, supponunt. Itáque laminas ad corrigias, tenuibus corrigiolis per foramina prædicta immissis, ligant, et in superiori parte corrigiolam vnam ex vtraque parte duplicatam cum alia corrigiola consuunt, vt laminæ simul benè firmitérque cohæreant. Hæc faciunt tam ad cooperturas equorum, quàm ad armaturas hominum. Adeóque faciunt ilia lucere, quod in eis potest homo faciem suam videre.” 9 Germans – “Niemtsy” –, in general the Latins [Franks], in this case probably Austrians and Czechs. 10 Galicko-Volynskaya letopis’ [Galician and Volhynian Chronicle]. In: Pamjatniki literatury Drevnej Rusi: trinadcatyj vek [The Monuments of Old-Russian Literature: Thirteenth Century]. Moskva 1981, 320: “Danila zhe pride k niemu, ispolchi vsia liudi svoie. Niemtsi zhe diviashchiesia oruzhiu tatarskomu, biesha bo koni v lichinakh i koiarekh kozhanykh, i liudie vo yarytsekh, i bie polkov yego svietlost’ vielika ot oruzhia blistaiushchasia.”

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or subjugated to his own will the hostile factions of the Ruthenian princes, and became very powerful and almost established monarchy in the Southern Rus’.” Alembek simply included both quotations – that of Kromer as well as that of Hetoum – in his text, combined them with one other and concluded that Daniel defeated hostile Ruthenian princes due to the Armenian warriors, since Alembek was aware of the ­Armenian-Catholic trial in 1578 – 1600 and of the statement that the Armenians were invited by Daniel to provide military assistance. Alembek’s Topographia 1603 – 1605

Kromer’s De origine 1555, 1558, 1562, 1568, 1589

quorum opera pater adversae factionis duces Russorum vel domuit, vel in suam sententiam adduxit, ob idque magnam sibi potentiam et fere Monarchiam in Russis Australibus faciebat, Leopoli locavit.

[1261] Daniel Romani ducis filius adversae factionis ducibus vel domitis, vel in suam sententiam adductis, magnam sibi potentiam et monarchiam fere in Russis Australibus usurpabat.

Kromer’s historical work was very popular in the second half of the sixteenth and early seventeenth centuries. His book was published in Latin in 1555, 1558, 1568, 1589, and in German in 1562 (Mitnächtisches Völkeren Historien). It was basic reading for all who were interested in the history of Poland. In 1580, the Polish sejm honoured Kromer (the bishop of Warmia) for his book. Kromer’s history, in the Latin as well as in the German edition, was mentioned seven times in the Catholic burghers’ book inventories, composed after their death in the late sixteenth to early seventeenth century.11They used Kromer’s work to accuse the Armenians of being allies of Daniel and the Tatars in their incursions against Poland. On the contrary, Alembek, who was at that time involved in a conflict with the city magistrate, and even imprisoned for several months and deprived of the Lviv citizenship, said nothing about the participation of the Armenians in the anti-Polish incursions. To the quotations from Kromer and Hetoum, Alembek added his own information to the effect that these Armenians originated from the land between the mountains of Taurus and Caucasus and later conquered Cilicia. It is evident that Alembek, as well as his Catholic contemporaries, used different strategies to achieve different aims in their texts. The city magistrate intended to win the trial with the local Armenians, and Alembek wanted to glorify his native city.

11 Skoczek, Józef: Lwowskie inwentarze biblioteczne w epoce renesansu [Private Library Registers in the Renaissance City of Lviv]. Lwów 1939, 45.

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Alembek’s narrative strategies Why did Alembek mention Armenians earlier than Ruthenian autochthones or dominant Catholics (mostly descendants of his German compatriots)? For which reason did he mention Cilicia and the mountains of Taurus and Caucasus in the description of the Armenians’ invitation? In order to address these questions, we need to know more about the literary methods used by Alembek in his writing. I investigated Alembek’s text as a part of neo-Latin literature, with its cult of ancient patterns and references to the Roman or Trojan origins of many European nations and cities. I also took into consideration his education – Alembek graduated from the University of Padua in 1591 – and the contents of his private library.12 Alembek’s father, who died in 1588, owned 92 books, in particular the German edition of Kromer’s history (Basel, 1562), Tit Livius’ “History of Rome” (1505 and later editions), Josephus Flavius’ De antiquitate (1531, 1574), Plutarch and Virgil – all in German. After Jan Alembek’s own death in 1636, a list of his books was composed, with 183 positions. There were at least twenty ancient authors in Latin as well as in German translation. As we can see, the favourite ancient author of Alembek was Virgil. To his father’s German edition of Virgil, Alembek added three editions by the same author. He also owned books devoted to the interpretation of Virgil works, namely Ramus Petrus (1547, 1569, 1599) and Johann Stiegel’s Carmina and Poemata (1571). There were at least three books by Alembek’s contemporary, the famous antiquarian Justus Lipsius. Evidently, the cult of antiquity influenced Alembek’s own writing. Alembek did not miss an opportunity to make a comparison between his native Lviv and the eternal city of Rome. For example, among other sources, he used Matthew de Miechów (Maciej Miechowski) “Tractatus de duabus Sarmatiae” (published in Krakow in 1517), namely the following sentence: “There are praiseworthy, big and easily divisible pikes in the district of L’viv.”13 Alembek elaborated this sentence in an antiquarian style and wrote: “In the autumn they [the inhabitants of Lviv] pickle [with salt] praiseworthy pikes comparable to those which were angled from the River of Tiber between the two bridges and were most appreciated by the ancient Romans.”14

12 Ibid, 161 – 164, 334 – 346; Różycki, Edward: Alembekowie i ich księgozbiory. Z dziejów kultury ­umyslowej mieszczaństwa lwowskiego okresu renesansu i baroku [The Alembek Family and Its Private Library. Study of the Intellectual Culture of the Lviv Townspeople in the Epoch of Renaissance and Baroque]. Katowice 2001, 195. 13 Miechowski, Maciej: Tractatus de duabus Sarmatiae. Leningrad 1936, 173 f.: “Suntque in districtu Leopoliensi lucei magni et laudabiles et in petias, tanquam in lamina, divisibiles.” 14 Alnpekius, Topographia (cf. n. 3), 22: “Hinc etiam saliuntur tempore Authumnali lupi laudabiles, quibus vix illos Tiberinos, olim inter duo pontes captos, et magni apud Romanos antiquos aestimatos, comparare audeas.”

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I suggest that Alembek used the famous Virgil story about the Trojans lead by Aeneas, who fled from their homeland in Asia Minor to Italy and later founded the eternal city of Rome. Many medieval authors,15 as well as contemporaries of Alembek, open their histories with Trojans fleeing the ruins of their native city in search of a new motherland. They then founded numerous cities in Britain, France, Italy and elsewhere in Europe. It was a typical pattern to open one’s story with a description of the origins of the city. In Georg Braun’s “Civitates orbis terrarum”, one can find “Trojan traces” in the foundation of London, Mainz, Genoa, Padua and other cities. According to this urban encyclopaedia, Lisbon was founded by Ulysses, and Poitiers and Nîmes in France by the sons of Hercules. But probably the most ancient city in the world was Trier in Germany, founded in 1947 BC by the Assyrians. In Padua, the tomb of the Trojan Antenor, the legendary founder of the city, was already “discovered” in the 13th century 16. Probably Alembek was a more accurate or modest author, since he avoided such sensational “discoveries” in his writing. But if we take into consideration the general trend of the epoch, we can answer the questions asked above. Alembek noted that the Armenians in question were from the Armenian Kingdom of Cilicia. In this way, he demonstrated his erudition, since Cilicia as well as Caucasus and Taurus were mentioned many times in ancient and neo-Latin humanist writings – Alembek’s work was addressed to well-educated Western readers of “Civitates orbis terrarum”. That is why he began his writing with the Armenian military migrants from Asia, as the ancient city of Troy was situated in Asia and the Armenians were the closest neighbours of this famous city. Like the Trojans, many Armenians left their homeland after the Saracens of Egypt conquered the Kingdom of Cilicia in 1375. The last Armenian king died in Paris in 1393 and his tomb can still be seen in Saint Denis basilica. In constructing his narrative puzzle, Alembek also used his own observations. In his quotation of Hetoum’s account of on Tatar features, Alembek replaced the word “horses” (equis) with “language” (lingua). It is a well-known fact that Armenians in Lviv spoke the Turkic (Tatar, Qipchaq) language, which was very useful for them in their trade with the Crimean Khanate and the Ottoman Empire. Alembek was aware of this fact, since he wrote that Armenians “use their native language in liturgy in church, but speak Tatar at home.”17 In this way I reconstructed the narrative strategies of Johann Alembek. Probably the same sources – at least Kromer’s historical work – were used by the Catholic burghers to reinforce their historical arguments in the 1597 appeal. But one question remains – how did they interpret their sources to prove that the Armenians took part in the incursions of the Tatars and Daniel against Poland since there was no mention of such incursions in ­Kromer’s book? Kromer only mentioned that, after the conquest of Persia (in 1258), the 15 Hoppenbrouwers, Peter: Such Stuff as Peoples Are Made on: Ethnogenesis and the Construction of Nationhood in Medieval Europe. In: The Medieval History Journal 9/2 (2006), 195 – 242. 16 Jacks, Peter: The Antiquarian and the Myth of Antiquity. The Origins of Rome in Renaissance Thought. Cambridge 1993, 41 – 43. 17 Alnpekius, Topographia (cf. n. 3), 20: “Sacra in Ecclesia nativo sermone peragunt, domi semper Tartarorum lingua utuntur.”

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Tatars began a new war in Syria against the sultan of Egypt with the assistance of their Armenian allies. Then he wrote the story about the military actions of Prince Daniel, his acceptance of the title of king and his alliance with the Tatars, formed with the goal of devastating neighbouring Christian countries. The Tatar princes in Asia were converted to Christian faith and for a long time fought great battles in Syria and Persia together with the allied Armenian kings against the Saracens and Egyptians. One of them, named Cassan, gave the title of Persian king to his successors. As for the aforementioned king of Rus’, his position was as follows: after the death of the Galician king Koloman of Hungary, Daniel, the son of Prince Roman, defeated or subjugated to his own will the hostile factions of the Ruthenian princes, thus becoming very powerful and almost establishing a monarchy in the Southern Rus’.18 The story of the Tatar and Armenian battles against the Saracens in Syria are connected to the story about Daniel’s coronation, as confirmed by a short sentence about Cassan, the Tatar king of Persia: The Tatar ruler of Persia, Ilkhan Cassan/Ghazan (1295 – 1304), with Armenian and Georgian support, invaded Syria in October 1299. On 24 December, Cassan inflicted a decisive defeat on the Mamluks near Homs. In January 1300, Damascus surrendered. But the following month, Cassan retired to Persia, and it was not long before the Mamluks were able to re-occupy the territory he had seized.19

The chronicles report that, immediately after the fall of Damascus, Cassan sent an embassy to Boniface VIII, who in turn sent it to the kings of France and England. Again in 1302, a report circulated that Cassan had appealed to the Pope for aid, with the promise of his willingness to restore the Holy Land to the Christians. The fall of Acre and the consequent loss of Jerusalem had seemed to mark the end of Christian power in the East. Then, in 1299 [1300], this sudden report arrived, telling of the

18 Cromerus, De origine (cf. n. 4), 161: “[1261] Tattarorum autem duces quidam in Asia religionem Christianam susceperunt, et magnas res in Syria et Persia socijs Armenorum regibus contra Saracenos et Aegyptios aliquandiu gesserunt. E quibus unus Cassanus successoribus suis Persarum regibus nomen dedit. Quod autem Russorum Regis mentionem dudum fecimus, ita se res habuit. Post mortem Colomanni Vngari Haliciensium regis, Daniel Romani ducis filius adversae factionis ducibus vel domitis, vel in suam sententiam adductis, magnam sibi potentiam et monarchiam fere in Russis Australibus usurpabat. Et quo maiorem sibi authoritatem compararet, legatione ad Opissonem legatum apostolicum in Poloniam missa, cum promitteret se cum universa gente sua ad Romanae et catholicae ecclesiae societatem sive unitatem accessurum, et Christianas regions adversus Tartaros, qui iam ingentem formidinem omnibus principibus Christianis incusserant, defensurum, nomen ac diadema regium sibi et posteris suis, necquicquam dissuadente Opissoni Prendota episcopo Cracoviensi, et nonnullis aliis, impetravit. Verum consecutus id quod concupierat, fidem et iurisutandi religionem violavit: et in pristinum errorem relapsus, non modo non defendit a barbaris Christianos, verum etiam cum Tartaris, ut iam diximus, partier infestavit, mox etiam cum Lithuanis.” 19 Edbury, Peter W: The Kingdom of Cyprus and the Crusades, 1191−1374. Cambridge 1991, 104.

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defeat of the Egyptian sultan by the Tatars at Damascus. This victory, the first in twenty years, was met with enthusiasm. What could have been a greater inspiration for the crusading zeal of Western rulers than the account of this astonishing Eastern potentate, Ghazan, who was willing to furnish a great army and use his resources of fabulous wealth to restore the Holy Land to the Christians?20 In almost every historical record of the great victory over the Damascenes in 1299, the Christian king of Armenia is allied with the Tatars and is said to have borne a cross and taken a leading part in the battle. Other accounts report that Frater Minor had led the victorious armies. Hetoum II, king of Armenia (1289 – 1307), who had become a Franciscan, led the Armenian allies of Ghazan against Damascus in 1299.21 In all Western chronicles, this victory is consistently attributed to Ghazan’s miraculous conversion to Christianity.22 Reports of good relations between Armenians and Tatars were almost commonplace in the numerous late medieval chronicles republished in the 16th century. For example, ­Gilberti Genebrardi wrote in his “Chronographiae” (Cologne, 1581) that “the Scythian people of Tatars under the rule of their first king Changius-khan subjugated Georgia and Greater Armenia, and later devastated Poland and Hungary.”23 He also described the miraculous baptism of the Great Khan Mangu/Mungke (1251 – 1259), who was converted thanks to his wife, a daughter of the Armenian king Haitonus.24 In his book “De signis Ecclesiae Dei” (Cologne, 1592), Thomas Bozio told a story about how the fifth Mongol emperor Mangucan was baptised thanks to divine miraculas and the efforts of his wife – a daughter of the Armenian king Haitonus 25. Later he repeated this story with reference to the writings of the Florentine chronicler Ioannus Villaneus (Giovanni Villani) illorum temporum scriptore et Haitonus Armenus testibus, reporting that in 1298 King Cassanus, also known as Mangu, conquered Syria 26 with 200,000 horsemen and was later converted to the Christian faith along with almost all of his people, thanks to his wife – a beautiful daughter of the Armenian king Haitonus – and following the miraculous healing of their son.27

20 Hornstein, Lilian H: Historical Background of The King of Tars. In: Speculum 16/4 (1941), 412. 21 Ibid. 22 Ibid, 409. 23 Genebrardi, Gilberti: Theology Parisiensis divinarum Hebraicarumque literarum professoris Regii: Chronographiae libri Quatuor. Coloniae Agrippinae 1581, 962: [1227] “Tartari gens Scythica per Changiuscā primum suū regem Georgianā Armeniāq; maiorē sibi subegerūt, inde Poloniam Hūgariamq; depopulate sunt. [Blond. [Martin in Chron.] lib. 7. dec. 2. Plati].” 24 Ibid, 975. 25 Bozio, Thoma Eugubino, Congregationis Oratorii Presbytero: De signis Ecclesiae Dei libri XXIIII. Coloniae Agrippinae 1592, 243: “Accidit autem ut filia Haytonis Armenię Regis, et uxor Mangu Quinti Tartarorum Imperatoris, virum suum perduxerit ad cultum Christi, occasione insignis cuiusdam miraculi, de quo posteà agemus suo loco.” 26 Ibid, 297: “Cassanus, quem vocant alio nomine Mangu cum ducentis equitum millib. anno [1298] Syriam coepit.” 27 Ibid, 298: “Ea re obstupefactus Cassanus cum populo ferè universo nomen Christo dedit.”

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The Patriarch of Jerusalem officially reported the news of the victory to Pope Boniface VIII immediately after the battle and then additionally in a letter from Ghazan, who was pressing for aid from the West to consolidate his gains and to drive the Egyptians out of the Holy Land permanently. For Western Christians, the tale of his conversion to Christianity would have been a welcome addition to this account of his victory. In all probability, the same ambassadors whom the Khan sent to Boniface VIII immediately after the fall of Damascus circulated the narrative. These ambassadors, two brothers minor, were received by the Pope and then sent on to the kings of France and England. The messengers doubtlessly did everything in their power to convince their Western hosts of the Deity’s special concern with the Tatar king. The story of the marriage, birth and miracles at the baptisms could only advance their cause. The Patriarch of Jerusalem himself had written that the conversion had been accompanied by miracles; these ambassadors may merely have filled in the details.28 However, in reality the situation was quite different. Ghazan was a Moslem. And ­although he had seven wives, none of them was Armenian.29 The Armenian king Hetoum II had no children. His three sisters were betrothed not to Tatars, but to other potentates of the East. Quite the reverse, in 1297 his brother Sempad was married to a relative of Ghazan.30 Moreover, all the authors confused three different Mongol rulers – the Great Khan Mangu (1251 – 1259), his brother, the first Ilkhan of Persia Hulagu (1256 – 1265) and his remote successor Ghazan (1295 – 1304). This Cassan was mentioned by the other famous Polish historian of the time, a nobleman named Marcin Bielski, who was a competitor of Kromer’s. Bielski’s “Chronicle of the Whole World” was published in Polish in 1551, 1554, 1564 and 1597. Bielski’s Chronicle was mentioned seven times in the Lviv Catholic burghers’ posthumous inventories. After ­finishing a story about the Tatars’ and Ruthenians’ invasion of Poland and the destruction of the city Sandomierz in 1260, Bielski briefly described the re-conquest of Constanti­ nople by the Emperor Constantine Palaeolog (1261), the Church Council in Lyon and the French conquest of the Sicilian and Neapolitan Kingdom (1265). Then, in a quite laconic style, he wrote on the state of affairs in the Middle East: “Meanwhile some Tatar princes, in particular Husa Kasan, accepted the Christian faith, namely the Armenian one. Then he became the king of Persia and fought against the Turks as well as against the Saracens, and his descendants have been there up to this day.”31

28 29 30 31

Hornstein, Historical Background (cf. n. 20), 413. Ibid, 411. Ibid, 410. Bielski, Marcin: Kronika wszytkiego swyata, na ssesc wyekow, monarchie czterzy rozdzielona, s Kosmographią nową … s figurami … od początku swyata aż do roku 1551 [Chronicle of the Whole World, Divided on the Six Centuries and Four Monarchies, with the New Cosmography … from the World Creation till 1551]. Kraków 1551 (renewed edition 1856), 311: “Wtenczas niektóre książęta tatarskie, zwłaszcza Husa Kasan, przyjęli chrześciańską wiare, to jest ormiańską. Który potem byl

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Bielski continued his puzzled narrative with the story of how Prince Daniel became the King of Ruthenia, how he promised to the papal legate Oppiso to unite the Orthodox Church with the Catholic one and become an ally of the Poles in the war against the Tatars. Then, within a short time, Daniel broke his promises and, together with the Lithuanians, Tatars and his son Shvarno, he attacked Poland. Perhaps quotes by Marcin Kromer, Marcin Bielski and some other authors were treated by the Lviv Catholics as a sign that Tatar and Armenian rulers were relatives and that the Armenians were allies of the Tatars in all the wars in Asia as well as in Europe and that, together with Tatars and Ruthenians, they had raided Poland in the second half of the 13th century. This interpretation was incorrect, but it appears to have been very successful, since the Catholics won the trial in 1600. Both Kromer and Bielski connected the story of joint Tatar-Armenian military actions in the Middle East with the story about Prince Daniel, who invaded Poland with his own troops and Tatar forces. Moreover, Bielski stated that the Tatar prince Cassan was baptised into the Armenian faith. From the mid-thirteenth to the early fourteenth century, the Armenians made efforts to create an image of the Mongols as friends of the Christians and as their potential allies in the new crusade against the Saracens of Egypt. For this reason, Armenians as well as other Oriental Christians disseminated rumours that they had succeeded in the baptism of some Mongol rulers. Namely, Hetoum of Corycus stated that the Armenian bishop converted the Great Khan Mangu in 1254.32 But if the Armenians’ statements about the conversion of some Tatar rulers gave rise to enthusiasm among the Latin world in the thirteenth and fourteenth centuries, in postTrident Europe – divided by religious violence –, the reaction was quite different. During the period of Counterreformation, the Catholics saw the Monophysit Armenian Church as the heresy of Euthyhius and Dioscor. Lviv Catholics treated their Armenian neighbours in the same way as they were accustomed to treating infidels or foreigners, in general known as “the others”. The image of the Jews displayed the most elaborate and suitable pattern. In 1241 – 1242, when the Tatars invaded Poland and Hungary for the first time, European Jews were accused of being secret allies of the previously unknown cruel hordes. The enclosed peoples Gog and Magog were none other than ten lost Jewish tribes. Jewish messianic hopes, which were connected to the Jewish year 5000 (1240 CE), seem to have been supported by the news of the approach of a strong army led by a king named David. Jewish hopes included the assembly of a Jewish army in Israel, which may have been the origin of a rumour among Western Christians about Jews having provided a supply of arms to the Mongols.33 królem perskim i Turki, takież Saraceny, porażał, i są potomkowie jego aż do naszej pamięci.” (An evident compilation of 14th century sources, since the Ilkhan dynasty ruled in Persia until 1335). 32 Hayton, La flor des estoires (cf. n. 5), 164 f. 33 Schmieder, Felicitas: Christians, Jews, Muslims – and Mongols: Fitting a Foreign People into the Western Christian Apocalyptic Scenario. In: Medieval Encounters 12/2 (2006), 280 – 282.

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These patterns were turned against the Armenians in Lviv. When the representatives of the city magistrate constructed their arguments to win the trial, they read the chronicles, since there was nothing in the world which had not been described in the old chronicles. And here they unearthed the information that Armenians were relatives and allies of the Tatars, with the same armoury, language and clothes. New data received from the old and “new” books was used only to reconfirm the already existing legends and expectations. In Europe, Jews were also accused many times of being the secret agents of the Moslem rulers. In the late sixteenth and first half of the seventeenth centuries, Armenians in the Kingdom of Poland, in particular clerics and merchants, were accused on many occasions of being spies of the Turkish sultan (when in fact they were the secret envoys of the Polish kings to the Khans of Crimea and Shakhs of Persia). It is not surprising then that their ancestors, together with the Tatars, were invited to devastate Poland by the traitor and schismatic Daniel. Sebastian Petrycy, a doctor of medicine and professor at the Academy of Krakow, used the same pattern. Following a conflict with the Academy, he spent ten years (1591 – 1601) in Lviv. In 1605, Petrycy included an anti-Armenian pamphlet 34 in his translation of Aristotle’s “Politics”, in which he listed the traditional accusations directed against Jews. At the end of every point, Petrycy added that Armenians are far worse, since the Jews are at least wellknown enemies of the Christians, whereas the Armenians demonstrated false friendship. It is clear that both sides of the conflict emphasized the Armenians’ descent of the warrior ancestors. For example, what did Alembek write about the Germans in Lviv? He stated that the mercenaries who served King Kazimierz III established the German settlement in Lviv. They have settled there after the conquest of Galician Rus’ in 1340. This also reflects the urban patricians’ aspiration to gain the status of nobility, which was associated with the military deeds of their glorious ancestors. Merchants and artisans were no useful ancestors in the cultural context of the epoch, particularly in the contemporary Polish-Lithuanian Commonwealth (Rzeczpospolita), where the Sarmatian myth flourished at that time.35 To summarize: there is no true evidence that the Armenian warriors were invited by Daniel and settled in Lviv by his son Leo. All the sources originating in late sixteenth to early 17th century Lviv – that is, the complaint of 1597 and Alembek’s “Topographia” – were compilations based on earlier puzzled narratives and their sophisticated humanist and postTrident interpretations. In the mid-thirteenth to early fourteenth century, the Cilician Armenians emphasised their good relations with the Tatars in the Middle East in order to play the role of middlemen between the Latins and the Mongols, but in the late 16th century the Catholic burghers in the city of Lviv turned the image of the Tatar-Armenian alliance against the Armenians. In this way, we can see how unrealised crusading dreams affected the real life of the people three hundred years later. 34 Petrici, Sebastian: Polityki Aristotelesowey, to iest rządu Rzeczypospolitey z dokładem ksiag osmioro [On the Republic’s Government, that is, Aristotle’s Politics in Eight Books]. Kraków 1605. 35 Cynarski, Stanisław: The Shape of Sarmatian Ideology in Poland. In: Acta Poloniae Historica 19 (1968), 5 – 17.

Stefan Troebst

Armenian Merchants in 17th Century North-Eastern Europe Bringing Raw Silk from Iran to Amsterdam

Introduction The Secret Prussian State Archives in Berlin contain a file on trade relations between Brandenburg-Prussia and Iran via Muscovy, dated 1697/98 and labelled Acta, betreffend Handel aus Persien nach seiner kurfürstlichen Durchlaucht Landen (Documents on Trade from ­Persia to His Electoral Highness’s Territories).1 What is unusual about this file is that its title contains a short addition summing up the commercial result of this project: woraus nichts geworden (which did not materialize). Until recently also international historiography had written off most attempts by greater and smaller European powers to direct Iranian trade on the Russian route through their own territories as failures. The various forays of Denmark, Poland-Lithuania, Brandenburg-Prussia, Holstein-Gottorf and Courland in the seventeenth and early eighteenth centuries were more often than not collectively dismissed as unsuccessful and John Foran has explicitly characterized Stockholm’s trade policy towards Iran as a ‘non-starter’.2 Even the Swedish orientalist, Gunnar Jarring, was of the opinion that in the seventeenth century no Iranian transit trade of any size took place via Sweden.3 However, recent research based on Western, Muscovite, Iranian and Armenian sources has demonstrated that the long-distance trade route via Russia was indeed an alternative for transporting raw silk and other commodities from Iran to north-western Europe.4 One 1 Acta, betr. Handel aus Persien nach S. Kurfürstl. Durchl. Landen, woraus nichts geworden. 1697/98. In: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin: Hauptabteilung 1, Repertorium XI, 203: Persien, Faszikel 4. See also Hundt, Michael: „Woraus nichts geworden“. Brandenburg-Preußens Handel mit Persien (1668 – 1720). Hamburg 1997. 2 Foran, John: The Making of an External Area: Iran’s Place in the World System, 1500 – 1722. Review. In: A Journal of the Fernand Braudel Center for the Study of Economies, Historical Systems, and Civilizations 12/1 (1998), 71 – 199, here 106. 3 Jarring, Gunnar: Vidgat horisont. In: Tre Karlar. Karl X Gustav, Karl XI, Karl XII. Ed. by Gudrun Ekstrand Stockholm 1984, 138 – 151, here 145. 4 See, first of all, Matthee, Rudolph P.: The Politics of Trade in Safavid Iran. Silk for Silver, 1600 – 1730. Cambridge 1999; Baghdiantz Mc Cabe, Ina: The Shah’s Silk for Europe’s Silver. The Eurasian Trade of the Julfa Armenians in Safavid Iran and India (1530 – 1750). Atlanta 1999; and Aslanian, Sebouh

Armenian Merchants in 17th Century North-Eastern Europe

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of the two routes from Moscow to Amsterdam ran through Narva; that is, across Swedish territory.5 The other one, however, from Archangel’sk by the White Sea around the North Cape into the Northern Sea, remained beyond Sweden’s reach. From the late sixteenth century on up to 1703, the Muscovite State had no access to the Baltic Sea because the entire Gulf of Finland, as well as Livonia, was in Swedish possession. Also, Sweden temporarily blocked Poland-Lithuania and the northern parts of the German Empire from such access. So the driving forces behind Sweden’s expansion, and her ultimate rise to Great Power status in the early modern period, were economic and financial ones. The peripheral, poor, backward and sparsely populated country tried to compensate for its paucity of resources by controlling the main arteries of East-West trade in order to increase its revenues by levying high custom fees on goods passing along these routes.6 Thus, Sweden during its Great Power period can be compared to Safavid Iran, as the two shared many similarities: For both, their rise and fall took place from the sixteenth to the eighteenth century; trade was as a core factor in their achieving Great Power status; and David: From the Indian Ocean to the Mediterranean. The Global Trade Networks of Armenian Merchants from New Julfa. Berkeley 2011; as well as Floor, Willem: A Fiscal History of Iran in the Safavid and Qajar Periods 1500 – 1925. New York 1998; idem, The Economy of Safavid Persia. Wiesbaden 2000, 232 – 244; Kukanova, Nina G., Ocherki po istorii russko-iranskich torgovych otnoshenii v XVII – pervoi polovine XIX veka [Outline of the History of Russian-Iranian Trade Relations from the 17th and the first half of the 19th Century]. Saransk 1977; Curtin, Philip D.: Overland Trade of the Seventeenth Century: Armenian Carriers between Europe and East Asia. In: idem, Cross-­ cultural Trade in World History. Cambridge 1984, 179 – 206; Bournoutian, Georges A.: Armenians and Russia 1626 – 1796. A Documentary Record. Costa Mesa, CA 2001; Troebst, Stefan: Isfahan – Moskau – Amsterdam. Zur Entstehungsgeschichte des moskauischen Transitprivilegs für die Armenische Handelskompagnie in Persien (1666 – 1676). Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 41/2 (1993), 179 – 209; and Aghassian, Michel/Kévonian, Kéram: The Armenian Merchant Network: Overall Autonomy and Local Integration. In: Merchants, Companies and Trade. Europe and Asia in the Early Modern Era. Ed. by Sushil Chaudhury and Michel Morineau. Cambridge 1999, 74 – 94; see also Khachikjan, Shushanik L.: Armjanskoe kupechestvo Novoj Dzhul’fy i ego torgovo-ekonomicheskie svjazi s Rossiej v XVII–XVIII vekakh [The Armenian Merchants of New Julfa and their Mercantile and Economic Relations with Russia in the 17th and 18th Centuries]. In: eadem, Nor Jughayi hay vacharakanut’iwnĕ ev nra arŕevtratntesakan kaperĕ Rusastani het XVII–XVIII darerum [Armenian Merchants from New Julfa and Their Trade-Economic Relations with Russia in the XVIIth–XVIIIth Century]. Yerevan 1988, 213 – 223; and eadem, Der armenisch-russische Handelsvertrag vom Jahr 1667 und die autonomen Körperschaften von Neu-Dschulfa in the present volume. 5 Troebst, Stefan: Narva und der Außenhandel Persiens im 17. Jahrhundert. Zum merkantilen Hinter­ grund schwedischer Großmachtpolitik. In: Die schwedischen Ostseeprovinzen Estland und Livland im 16.–18. Jahrhundert. Ed. by Aleksander Loit and Helmut Piirimäe. Uppsala 1993, 161 – 178. 6 Attman, Artur: Swedish Aspirations and the Russian Market during the 17th Century. Göteborg 1985. For an alternative view stressing security reasons see Roberts, Michael: The Swedish Imperial Experience, 1560 – 1717. Cambridge 1979. This historiographic controversy is covered by Zernack, Klaus: Schweden als europäische Großmacht der frühen Neuzeit. In: Historische Zeitschrift 232 (1980), 327 – 357, and Troebst, Stefan: Debating the Mercantile Background to Early Modern Swedish Empire-Building: Michael Roberts versus Artur Attman. In: European History Quarterly 24/4 (1994), 485 – 509.

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their mercantile expertise was mainly imported from abroad. Both made serious attempts to centralize the state government and create an efficient bureaucracy; in both countries, long periods of interregnum did not erode monarchic rule; and under weak rulers, royal power slowed down reforms and put their international standing at risk. The main target of Sweden’s policy of trade control was Russia’s trade with the West; that is, with England, the Netherlands, and Germany. From the mid-sixteenth century to the early eighteenth century, the re-routing of Russian foreign trade from Archangel to Swedish ports on the Eastern Baltic Sea was a core element of Sweden’s foreign policy. In the second half of the sixteenth century, the Swedish experts who were focused on Russia’s export to north-western Europe realized that commodities from Iran were a major component of the Tsar’s trade with the West. Accordingly, Swedish policy makers developed a sustained interest in Safavid Iran in general, and in Persian trade with Europe in particular. This interest is amply reflected in the rich holdings of the Riksarkiv – the Swedish National Archives in Stockholm. Yet, while the Diplomatica Persica, a series of diplomatic documents on Swedish-Persian relations, consists of only two slim volumes,7 the files of the Kommerskollegium (College of Commerce) – that is, the Swedish Ministry of Trade established in 1651 – contain large numbers of documents on bilateral Swedish-Iranian relations.8

Swedish trade policy towards Iran: 1616 – 1674 In 1616, Gustav II Adolf, king of Sweden from 1611 to 1632, tried, for the first time, to talk Tsar Mikhail Fedorovich and his father Filaret into greenlighting transit trade from Iran to Amsterdam via Narva – instead of Archangel.9 Although the king was not successful, during the 1620s, Muscovite merchants from north-western Russia did occasionally transport Iranian raw silk to Sweden’s Baltic provinces. In addition to a number of direct initiatives in Moscow, Swedish diplomats teamed up with Holstein-Gottorff on the famous Holstein Project dating from 1632 to 1635/41, which resulted in the Brüggemann-Crusius-Olearius mission, a plan to establish a trade route from Isfahan in Iran via Russia and Sweden to Friedrichstadt in Holstein. The project as such was unsuccessful, but it had at least one important medium-term effect on Sweden: one of the envoys, Philip Crusius, stayed in

7 Cf. Tommos, Sören: The Diplomatica Collection in the Swedish National Archives. Stockholm 1980, 138. 8 For examples see Ekonomiska förbindelser mellan Sverige och Ryssland under 1600-talet. Dokument ur svenska arkiv. [Economic Relations between Sweden and Russia in the 17th Century]. Ed. by Artur Attman et al. Stockholm 1978. 9 The following account is based on Troebst, Stefan: Handelskontrolle – „Derivation“ – Eindämmung. Schwedische Moskaupolitik 1617 – 1661. Wiesbaden 1997, 167 – 203, 369 – 391, 459 – 460 and 486 – 490, and idem: Russland als “Magazin der Handlung zwischen Asien und Europa”? Die Frage des Orienthandels bei der schwedischen Moskaugesandtschaft 1673/74. In: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 58 (2001), 287 – 300.

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Swedish Livonia (Livland), which became, as was said at the time, his Blievland (the land where he would stay for good). Crusius, who soon was ennobled and given the name von Krusenstiern, became the Swedish crown’s most important expert on Iran. Until his death in 1676, he wrote numerous memoranda on transit trade to Isfahan, held high-ranking administrative positions in Sweden’s Baltic provinces, and took up diplomatic missions to Moscow. Above all, he constantly urged the crown to send a mission to the Iranian shah (Shahs Abbas II and Safi III) to firmly establish bilateral diplomatic and commercial relations.10 In the 1640s, von Krusenstiern was instrumental in reforming the Swedish customs system in the trans-Baltic ports, which resulted in an increased flow of trade from Russia to Nyen, Narva, Reval and Riga. Merchants of Reval who traded with Russia now began including Persian raw silk in their mercantile transactions. The silk was bought in Moscow and Novgorod and then exported via Sweden to Amsterdam. At the same time, merchants in north-western Russia started to export raw silk to Sweden, which would go on to Lübeck and the Netherlands. Between 1600 and 1650, this trade amounted to 50 to 100 bales of Iranian raw silk annually. However, the Russian-Swedish War of 1656 to 1661, and later on Sten’ka Razin’s Cossack rebellion in the Lower Volga Region, as well as the Tsar’s determination to cling to the port of Archangel, prevented Iranian commodities from being transported through Swedish territory. Sweden’s interest in trade relations with Iran, however, did not diminish. In 1658, when Sweden was temporarily in the possession of parts of Norway and thus also in a position to control Russian trade through Archangel, Harald Appelboom, Swedish envoy to the Netherlands, wrote to King Charles X Gustav: Your Royal Majesty has the chance of getting not only all of the Muscovite trade but also a large part of the Persian trade in Your hands. This would bring Your Royal Majesty many millions and an incredible richness, so in the future Your Royal Majesty would need no more French or English subsidies and payments.11

When in late 1673 a Swedish mission to the Tsar learned of his recent trade agreement with the Armenian merchants of Isfahan, it immediately incited the new Swedish king Charles XI’s interest in the Persian connection. Alas, the plan to dispatch veteran expert von ­Krusenstiern to Isfahan could not be realized: the former Holsteinian envoy to Isfahan, now at the biblical age of 77, declined the offer of another mission to Iran due to health problems. It was not until 1677 that Charles XI embarked on the Iranian project again. By that time, a replacement for von Krusenstiern had been found in the person of the Dutch expert on Iran and Muscovy, Major Ludvig Fabritius. 10 Krusenstjern, Benigna von: Philip Crusius von Krusenstiern (1597 – 1676). Sein Wirken in Livland als Russlandkenner, Diplomat und Landespolitiker. Marburg/L. 1976. 11 Harald Appelboom to Charles X Gustav, The Hague, 28 May/7 June 1658. In: Riksarkivet Stockholm, Diplomatica Hollandica, vol. 50: Harald Appelbooms brev till K. M:t 1658 (Maj–juli till K. M:t och maj–november till rådet), fol. 4r–v.

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The missions of Ludvig Fabritius Between 1679 and 1687, Fabritius undertook his first two missions to Isfahan on behalf of the Swedish crown. In negotiations with the grand vizier and Armenian merchants, Fabritius succeeded in whetting his counterparts’ appetites for the Baltic route. In addition, in 1687, he managed to obtain the agreement of the Tsar’s chancellor that subjects of the Shah could use transit trade routes via Novgorod and Narva to Amsterdam.12 In return, on 23 September 1687, Charles XI of Sweden issued an Octroi (charter) to the Armenian merchants of Isfahan, which granted them low customs tariffs and the privilege of using Sweden’s Baltic port of Narva, including the right to operate a Persianisches Haus (Persian house), a warehouse cum hostel in the centre of town. By doing so, the Swedish crown not only hoped to increase its customs revenues but also to increase exports. When asked by Swedish officials whether the Armenian merchants would consider buying European commodities for the Iranian market in Narva instead of Amsterdam, the head of the Armenian delegation, Safar Nersisjan, reacted positively: The old Armenian emphasized to strive for no lesser aim than to turn Narva into the same staple town as Amsterdam; and if they get their retour commodities in Narva then they would be very satisfied with that.13

From 1690 on, the Octroi triggered a fairly regular transit trade in raw silk from Iran via Russia and Narva to Amsterdam, carried out by Armenian merchants. Occasionally, up to 50 merchants and their staff would stay in Narva. According to Swedish statistics, in the years between 1690 and 1697, an annual average of 250 bales of raw silk, approximately four per cent of all of Iran’s raw silk exports, were shipped via Sweden. From the mid-1690s on, internal economic completion among the Armenian merchants of Isfahan resulted in the emergence of Courland and Poland-Lithuania as competitors for the Narva route.14 Thus, in 1697, the Swedish crown sent Fabritius to Isfahan once more. According to Fabritius’ report, Shah Sultan Husayn I agreed to direct Persian transit trade through the Swedish ports on the Baltic, and even responded positively to the Swedish request for permission for Swedish merchants to trade in Iran and to open their own 12 The following account is based on Troebst, Stefan: Die Kaspi-Volga-Ostsee-Route in der Handelspolitik Karls XI. Die schwedischen Persien-Missionen von Ludvig Fabritius 1679 – 1700. Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 54 (1998), 127 – 204. See also Kempe, Johan: Kongl. Swenska Envoijen Ludwich Fabritii Lefwerne. Stockholm 1762. 13 Protocol of the session of the College of Commerce in the afternoon of 13 September 1687, in Riksarki­ vet Stockholm. Kommerskollegium, Huvudarkivet, Protokoll (A I a 1), vol. 33: 1687. 14 Troebst, Stefan: Narva, Libau oder Danzig? Die Volga-Kaspi-Ostseeroute im Außenhandel des frühneuzeitlichen Ostmittteleuropa. In: Fernhandel und Handelspolitik der baltischen Städte in der Hansezeit. Beiträge zur Erforschung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Handelsbeziehungen und -wege im europäischen Rahmen. Ed. by Norbert Angermann and Paul Kaegbein. Lüneburg 2001, 339 – 353.

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permanent trading house in Isfahan. However, the outbreak of the Great Northern War in the summer of 1700, the founding of St. Petersburg in 1703 and the Russian occupation of Reval and Riga in 1710 brought an end to the Narva route. As the Swedish historian of architecture, Sten Karling, describes it: The idea to open a trade route via Russia to Persia was dominating Sweden’s trade policy throughout all of her existence as a Great Power. This daring project was almost completely realized when Russia under Peter the Great usurped it. Narva is the monument for this grandiose mercantile intermezzo.15

In addition to mercantile information, Swedish archival sources contain very little on other aspects of Swedish-Iranian relations or, more accurately, Swedish-Armenian relations. In parti­ cular, almost nothing is known on how Armenian merchants, Swedish authorities and the inhabitants of Narva got along with each other. What is known is that religion was a problem to the Swedes. After many years of trying, English merchants in 1684 finally received permission to operate their own church in Narva. The Armenians, however, who had made the same request repeatedly, never did receive permission.16 It is also known that, in addition to the numerous Russian translators in Narva, Armenian and Farsi translators were now in demand. In 1696, one of them, Jochum Ekebohm, complained to the king in Stockholm that he was completely overloaded with work and, in compensation, asked for and received permission to do petty trading with the Armenian merchants.17 Finally, the outbreak of hostilities between Russia and Sweden in 1700 prevented a number of Armenian merchants from returning home via Moscow. They were put up in Stockholm, and the Swedish crown bore their expenses throughout the 21 years the war lasted, and some of them remained in Sweden permanently. The Great Northern War ended Sweden’s status as a Great Power. But another emerging power in the region adopted the Swedish plan to draw Iran’s trade with Western Europe to the Baltic Sea; in 1708, Brandenburg-Prussia used the Swedish Octroi of 1687 as the blueprint to attract a group of Armenian merchants to Königsberg. Despite increased Prussian diplomatic activity in Isfahan and Moscow, no substantial trade developed and in 1720 the project was cancelled. With the Peace of Nystad of 1721, Russia had ultimately emerged as the dominant power in North-Eastern Europe. One consequence of this change in the previous balance of power was that, throughout the eighteenth century, the Armenian merchants of Isfahan made ample use of the Russian route to Amsterdam – now via Peter I’s new capital Saint Petersburg by the Baltic Sea.

15 Karling, Sten: Narva. Eine baugeschichtliche Untersuchung. Stockholm 1936, 34. 16 Dashkevitch, Jaroslav R.: Armiano-shvedskie kontakty v XVII v. [Armenian-Swedish Contacts in the 17th Century]. In: Vsesoiuznaia konferentsiia po izucheniiu istorii, ekonomiki, literatury i iazyka skandinavskich stran i Finliandii. Tezisy dokladov, pt. I. Ed. by. Aleksandr O. Chubarian et al. Moskva 1989, 49 – 50. 17 Letter by the combined Colleges of Chamber and Commerce to Charles XI. Stockholm, 10 March 1696, in Riksarkivet Stockholm, Kommerskollegium till K. M:t, vol. 13: 1696.

Wolfgang Sartor

Der armenische Rohseidenhandel im 17. und 18. Jahrhundert Die Russland-Route*

Der Handel mit Rohseide Im 16. Jahrhundert stieg der Export von hochwertiger Rohseide im Zuge von Modeänderungen im 15. und 16. Jahrhundert stark an.1 Diese Kleidung war nicht nur beim Adel und

* Die nachstehende Untersuchung beruht auf der Dissertation des Verfassers „Die Wolga als internationaler Handelsweg für persische Rohseide im 17. und 18. Jahrhundert“ von 1992. Sartor, Wolfgang: Die Wolga als internationaler Handelsweg für persische Rohseide im 17. und 18. Jahrhundert. Disser­ tation Freie Universität Berlin 1992. Quellenbasis sind die umfangreichen Bestände der Zolldeklarationen aus Astrachan’, die für den Zeitraum 1660 – 1760 erhalten sind: Archiv St. Peterburgskogo Instituta Istorii Rossijskoj Akademii Nauk [Archiv des St. Peterburger Instituts für Geschichte der Akademie der Wissenschaften] (Im Folgenden SPBF IRI), F. 178, op. 1, ec. 5.170 – 13.792.; Rossijskij Gosudarstvennyj Archiv Drevnich Aktov [Das Staatliche Russische Archiv Alter Akten], Moskau (im Folgenden RGADA), F. 100; Gosudarstvennyj Archiv Astrachanskoj Oblasti [Das Staatliche Archiv des Astrachaner Gebietes] (im folgenden GAAO), F. 394 und 681. 1 Zur einschlägigen Forschungsliteratur vgl. Jucht, Aleksandr Isaevič: Torgovlja s vostočnymi stranami i vnutrennyj rynok (20 – 60-e gody XVIII veka) [Der Handel mit den östlichen Ländern und der Binnenmarkt (20er bis 60er Jahre des 18. Jahrhunderts)]. Moskva 1994; Alekseeva, Antonina, I.: Giljan v istorii russko-iranskich otnošenij [Gilan in der Geschichte der russisch-iranischen Beziehungen]. Astrachan’ 2004, hier 80 – 81, 87 – 97, 101 – 121; Istorija Astrachanskogo kraja [Geschichte des Astrachaner Gebiets]. Hg. v. Nikolaj Michajlovič Ušakov. Astrachan’ 2000, 200 – 204, 241 – 258; Rjabcev, Aleksandr Leonidovič: Ėkonomičeskoe razvitie Astrachanskogo kraja v XVIII veke [Die wirtschaftliche Entwicklung des Astrachaner Gebiets]. Moskva-Astrachan’ 2000; Zacharov, Viktor Nikolaevič: Zapadnoevropejskie kupcy v rossijskoj torgovle XVIII veka [Westeuropäische Kaufleute im russischen Handel des 18. Jahrhunderts]. Moskva 2005, 329. S. außerdem die Hinweise bei: Hausmann, Guido: Mütterchen Wolga: ein Fluss als Erinnerungsort vom 16. bis ins frühe 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 2009; sowie zur persischen Handelspolitik mit Russland auf der Basis niederländischer Quellen: Matthee, Rudolph: The Politics of Trade in Safavid Persia. Silk for Silver 1600 – 1730. Cambridge 1999, besonders Kap. 7, 175 – 202; ders.: Politics and Trade in Late Safavid Iran: Commercial Crisis and Government Reaction under Shah Sulayman (1666 – 1694). PhD Thesis, University of California, Los Angeles 1991. Weiter: Baibourtian, Vahan: International Trade and the Armenian Merchants in the Seventeenth Century. New Dehli 2004; Baghdiantz McCabe, Ina: The Shah’s Silk for Europe’s Silver. The Eurasian Trade of the Julfa Armenians in

Der armenische Rohseidenhandel im 17. und 18. Jahrhundert

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reichen Kaufleuten populär, sondern auch für die mittleren Bevölkerungsschichten zunehmend erschwinglich.2 Die eigene Produktion reichte nicht mehr aus, daher wurde in der Frühen Neuzeit persische Rohseide immer populärer. Sie wurde in dieser Zeit das wichtigste Exportgut Persiens. Die Armenier, insbesondere die Armenische Handelskompanie in NeuJulfa in der seit Ende des 16. Jahrhunderts neuen persischen Residenz Isfahan, organisierten seit Mitte des 16. Jahrhunderts den Export dieses „soft golds“3 nach Westeuropa.4 Anfang des 17. Jahrhunderts hatte Schah Abbas I. von Persien die armenische Kaufmannsgemeinde von Julfa im Südostkaukasus teils durch Vertrag, teils durch Druck 5 in das neugegründete Isfahan umgesiedelt und ihnen dort den Stadtteil Neu-Julfa zugewiesen. Sie erhielten weitgehende kommunale und steuerliche Privilegien sowie religiöse Freiheit.6 „Julfa was considered a really distinctive international trade center. It had become an irreplaceable link connecting the markets in the East and West.“7 Die Armenier, d. h. insbesondere ihre sehr wohlhabenden Spitzenfamilien, die „Choja“, führten nicht nur den Exporthandel und Binnenhandel mit Rohseide in Persien, sondern

Safavid Iran and India 1530 – 1750. Cambridge 1999, 243 – 250, 275 – 288; Erkinger, Tamara: Die armenische Diaspora im vorrevolutionären Russland. MA , Universität Wien 2010, hier 75 – 89; Aslanian, S.: Trade Diaspora versus Colonial State: Armenian Merchants, the English East India Company, and the High Court of Admiralty in London, 1748 – 1752. In: Diaspora: A Journal of Transnational Studies 13/1 (2004), 37 – 100, hier 9, 25, 44; Kurukin, Igoṙ Vladimirovič: Persidskij pochod Petra Velikogo. Nizovoj korpus na beregach Kaspija (1722 – 1735) [Der persische Feldzug Peters des Großen. Der Nizovoj Korpus an den Ufern des Kaspischen Meeres]. Moskva 2010; sowie Troebst, Stefan: Die Kaspi-Volga-Ostsee-Route in der Handelskontrollpolitik Karls XI. Die schwedischen Persien-Missionen von Ludvig Fabritius 1679 – 1700. In: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 54 (1998), 127 – 204; und ders.: Sweden, Russia and the Safavid Empire: A Mercantile Perspective. In: Iran and the World in the Safavid Age. Hg. v. Willem Floor und Edmund Herzig. London 2012, 253 – 258. 2 Baghdiantz McCabe, The Shah’s Silk for Europe’s Silver (wie Anm. 1). 3 Baibourtian (wie Anm. 1), 21. – Chaudhury, Sushil: Introduction. In: Les Arméniens dans le commerce asiatique au début de lère moderne. Hg. v. Sushil Chaudhury und Kéram Kévonian. Paris 2008, 3. 4 Herzig, Edmund The Iranian Raw Silk Trade and European Manufacture in the Seventeenth and Eighteenth Centuries. In: Journal of Economic History 19 (1990), 73 – 89, hier 74. – Baghdiantz McCabe, Ina: Caucasian Elites and Early Modern State Building in Safavid Iran. In: Les Arméniens dans le commerce asiatique au début de lère moderne. Hg. v. Sushil Chaudhury und Kéram Kévonian. Paris 2008, 92 – 98. 5 Matthee (wie Anm. 1), 85. 6 Dazu neuere Literatur: Herzig, Edmund: The Armenian merchants of New Julfa, Isfahan: a study in pre-modern Asian trade. DPhil. University of Oxford. 1991. – Ghougassian, Vazken, S.: The Emergence of the Armenian Diocese of New Julfa in the Seventeenth Century. Atlanta 1998. – Chačikjan, Šušanik: Nor Jughayi Hay Vacharakanutyun’e yev nra arevtratntesakan kaper’e Rusastani het XVII–XVIII darerum [Der armenische Handel von Neu-Julfa und seine händlerisch-wirtschaftlichen Beziehungen mit Russland im 17. und 18. Jahrhundert]. Erevan 1988. 7 Ebd., 16.

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organisierten auch Anbau und Verarbeitung von Rohseide in den nördlichen Provinzen Gilan und Mazanderan.8 Persische Kaufleute besaßen wenig internationale Erfahrung und waren weniger kapitalstark.9 Gegen die westliche Konkurrenz der Handelskompanien, insbesondere die English East Indian Company, hatten sich die Armenier 1619 endgültig durchgesetzt.10 Die führenden Choja-Familien, die aus Alt-Julfa stammten und sich bereits länger mit Fernhandel und Rohseide beschäftigt hatten, unterhielten weltweite Handelsbeziehungen.11 Der armenische Großkaufmann Safar beschrieb dem deutschen Kaufmann Schröder 1711 in Amsterdam die verschiedenen armenischen kaufmännischen Schichten: Neben Ladenhändlern und Großhändlern auf der örtlichen Ebene bestand „die dritte Kategorie aus großen Kaufleuten, die Waren nach Indien, Arabien, Afrika, ins Land Uromov (Anatolien), Europa und andere Länder bringen“.12 Der Transport erfolgte hauptsächlich auf Kamelen in Karawanen, die mit den vielen wertvollen Waren beladen und gut bewacht waren. ­Chaudhury beurteilt: „[…] the Armenians were one of the most active groups, perhaps the most dominant, in overland trade in the early modern era.“13 Die 60 reichsten Mitglieder der Kompanie hatten in der Mitte des 17. Jahrhunderts jährliche Einkommen von 10.000 bis 100.000 Tuman, so dass sie sich mit den wohlhabendsten europäischen Kaufleuten messen konnten.14 McCabe betont, dass die Armenische Handelskompanie als Familienunternehmen nicht mit den auf Aktien basierenden westeuropäischen Handelskompanien zu vergleichen ist.15 Das ist zwar richtig, dennoch waren zu dieser Zeit in Europa auf Gesellschaftskapital beruhende Unternehmen – die Ostindienkompanien waren Ausnahmen – auch noch selten, die Basis waren auch dort noch bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts Familienunternehmen.

8 Babaie, Sussan/Babayan, Kathryn/Baghdiantz McCabe, Ina/Farhad, Massuhmeh: Slaves of the Shah. New Elites of Safavid Iran. London 2004, 49 – 77, 99; Baiubourtian (wie Anm. 1), 13. 9 Kénovian, Keram: Marchands arméniens au XVIIe siècle. A propos d’un livre arménien publié à Amsterdam. In: Cahiers du monde russe et soviétique 16 (1975), 199 – 244. – Ferrier, Ronald: The Armenians and the East India Company in Persia in the Seventeenth and Early Eighteenth Century. In: Economic History Review 26 (1973), 2nd series, 38 – 62. 10 Baibourtian (wie Anm. 1), 203. 11 Ebd., 131 – 132.  – Ter-Avetisijan, Simbat Vartanovič: Gorod Džuga. Materialy po istorii torgovych snošenij džul’finskich kupcov XV–XVII vv. [Die Stadt Julfa. Materialien zur Geschichte der Handelsbeziehungen der Julfaer Kaufleute 15 – 17. Jh.]. Tbilisi 1937, 35 – 38, 89 – 99. 12 Ebd., 36. 13 Chaudhury (wie Anm. 3), 3. 14 Chačaturjan, Vartan Karapeti: Armjanskaja kolonija v Astrachani vo vtoroj polovine XVIII veke [Die armenische Kolonie in Astrachan’ in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts]. Erevan 1965, 51 – 55. – Russko-indijskie otnošenija v XVII veke [Russisch-indische Beziehungen im 17. Jahrhundert]. Hg. v. T. D. Lavrencov. Bd. XVII. Moskva 1958, Nr. 82, 159 – 160, Nr. 104, 182 – 184, Nr. 242, 347 – 349.  – Baghdiantz McCabe, Caucasian Elites (wie Anm. 4), 92. 15 Baghdiantz McCabe, The Shah’s Silk for Europe’s Silver (wie Anm. 1), 245.

Der armenische Rohseidenhandel im 17. und 18. Jahrhundert

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Die armenische kaufmännische Gemeinde war nicht nur in Persien aktiv, sondern operierte grundsätzlich weltweit und hatte im 15.–18. Jahrhundert ihren handelswirtschaftlichen Höhepunkt. Sie trat vorwiegend außerhalb Armeniens auf; ihre Heimat hatten viele Kaufleute schon seit dem 10. Jahrhundert verlassen. Sie siedelten sich im 11. Jahrhundert an der Wolga, im Moldaugebiet, in Polen und dann vermehrt in Kleinasien und in Westeuropa an. Im 16. Jahrhundert waren sie in Indien, Persien, Südostasien und China, im 17. Jahrhundert auch in Amerika anzutreffen. Ihre kaufmännische Diaspora beruhte auf einer starken inneren familiären Solidarität, wie sie auch bei den anderen ethnischen Handelsnetzwerken, in erster Linie bei Juden und Griechen, aber auch bei Italienern, auftrat: „Diaspora in the classic sense of peoples scattered dispersed – often in some way forcibly – from their original homeland but not entirely cut off from it and which then remain sharply distinct from their host society, and united among themselves, by strong ties of religion and ethnicity […].“16 Die Situation, Beziehungen zu mindestens zwei Regionen zu unterhalten, aber nirgendwo mehr verwurzelt zu sein, bildete das eine, die eng verzahnte Vertrauensbasis zwischen den Mitgliedern dieser Gemeinschaft, basierend auf gemeinsamer Kultur, Sprache, Religion, Gebräuchen und Geschäftsmethoden, das andere Merkmal der Diaspora. Der ethno-kulturelle Faktor allein stellte nicht den Hauptgrund ihrer Existenz im Ausland dar, die zudem von den Einheimischen nicht immer gern gesehen war: „There was only one way for them to protect their economic interests and to be well established in the city: to succeed.“ Eine dauerhafte und sinnvolle Existenz im Ausland konnte nur über den wirtschaftlichen Erfolg gesichert werden. „Most importantly […] a common commercial culture is created which is transmitted from generation to generation […], the elaboration of a common commercial strategy which relied first on the organizational structure of the firms and second on the methods of trading.“17 Der Erfolg hing eng mit dem Zusammenspiel von Vertrauen im Familienunternehmen, der nahen kulturellen Umgebung der Diaspora und den notwendigen ökonomisch-unternehmerischen Fähigkeiten zusammen. Wenn eine kaufmännische Diaspora im Ausland sich auch bei einigen europäischen Handelsnationen wie den Niederländern, Deutschen und Briten bildete, so war der kulturell-familiäre Zusammenhalt bei den Armeniern, wie auch bei Juden und Griechen, stärker. In Julfa existierte eine armenische Handelskompanie 18, deren Gründungsdatum unbekannt ist. Sie stellte ein den allgemeinen armenischen Diasporastrukturen entsprechendes, weitverzweigtes Familienunternehmen dar. Die Kompanie bestand aus vielen Einzelkompanien, Gruppen von zwei bis 15 Kaufleuten, die untereinander durch enge familiäre Bande 16 Israel, Jonathan: Diaspora Jewish and Non-Jewish and the World Maritime Empires. In: Diaspora Entrepreneurial Networks. Four Centuries of History. Hg. v. Ina Baghdiantz McCabe, Gelina Harlaftis und Ina Minoglou. New York 2005, XX–XXI, 3. 17 Ebd., XXI. 18 Diskussion bei Baghdiantz McCabe, The Shah’s Silk for Europe’s Silver (wie Anm. 1), 243 – 246, 275 – 288.  – Dies., Caucasian Elites (wie Anm. 4), 93 – 96.

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verbunden waren. In Julfa standen die reichen Familien der Fernhandelskaufleute an der Spitze der Hierarchie und hatten auch die Führungsrolle inne. Chaudhury vergleicht die Armenische Handelskompanie mit den venezianischen „fraterna“.19 Die bekannteste dieser armenischen Familien waren die Šachrimanjan.20 Der traditionelle Handelsweg für Rohseide war die Levanteroute über das Osmanische Reich, die Levante und das Mittelmeer. An Kleinasiens Küstenhäfen, in Tripoli, Aleppo, Smyrna, Konstantinopel und anderen Städten existierten armenische Diasporagemeinden, die die Seidenpartien auf ihrem Weg über Anatolien, der auch über Stützpunkte der Armenier führte, aufnahmen. Entweder begleiteten die Exporteure aus Neu-Julfa oder ihre Vertreter die Waren bis zum Endziel oder die Armenier der Levante schickten als Beauftragte (auch Verwandte) der Julfaer oder Zwischenhändler die Waren dann nach Westeuropa, nach Venedig, Genua, Marseille, Amsterdam und andere Städte weiter, wo wiederum oft auch armenische Firmen mit ihrer Infrastruktur existierten und hilfreich wirkten. Dennoch kam es bald zu Konflikten zwischen den westlichen Armeniern und den östlichen Julfa-Chojas, da letztere allmählich die Überhand gewannen. Sie führten den Handel zunehmend selbstständig und verdrängten die levantinischen Armenier aus ihrer Position „[…] or made them cooperate under terms most favorable to them.“21 Anhaltende Kriege zwischen Persien und der Türkei und Kriege im Mittelmeerraum zwischen Türken einerseits und Venedig, Genua und Spanien andererseits sowie ab dem 17. Jahrhundert auch innereuropäische Kriege behinderten ständig den Fluss des Handels. So führte der Ausbruch eines Krieges im Mittelmeer zum Preisverfall im Iran.22 Weiter belasteten steigende Abgaben und Behinderungen seitens der osmanischen Regierung die Handelstätigkeit der Armenier.23 Bereits im 15. Jahrhundert war die Idee aufgekommen, über die Wolga einen neuen Weg von Persien nach Europa zu organisieren. Armenier, die Seidenhändler in Westeuropa und auch die russische Regierung schlugen vor, den Rohseidenhandel über das Kaspische Meer nach Astrachan’, auf der Wolga nach Moskau und dann entweder über die Ostsee oder über Archangel’sk zu organisieren.24 Analog gab es auch Ideen, den Handelsweg über die Ukraine und Polen zu nutzen. 19 Lane, Frederic: Family Partnerships and Joint Venture, Venice and History. The Collected Papers of Frederic C. Lane. Baltimore 1966, 36 – 38, 54 f. 20 Armjano-russkie otnošenija vo vtorom tridcatiletii XVIII veka [Armenisch-russische Beziehungen im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts]. Hg. v. Vazgen Karapeti Voskanjan. Bd. III. Erevan 1978, Nr. 128, 179 f.; Nr. 155, 207; Nr. 181, 246; Nr. 155, 262 – 263; Nr. 196, 262 – 263 und Nr. 215, 286. – ­Rossijskij Gosudarstvennyj Istoričeskij Archiv [Russisches Staatliches Historisches Archiv] (im folgenden RGIA) F. 262, op. 1, d. 376. 21 Baibourtian (wie Anm. 1), 109. 22 Matthee (wie Anm. 1), 172. 23 Ebd., 81. 24 Dazu Sartor (wie Anm. *), Kapitel 2. – Über den Handel zwischen Russland und Persien und den Seidenhandel existieren einige Spezialarbeiten: Kukanova, Nina Grigor’evna: Iz istorii russko-­iranskich torgovych svjazej v XVII veke [Aus der Geschichte der russisch-iranischen Handelsbeziehungen im

Der armenische Rohseidenhandel im 17. und 18. Jahrhundert

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Der Wolga-Kaspi-Weg „Das vermutlich bekannteste Kapitel der Geschichte der armenischen Diaspora in Russland fällt in das späte 17. bis 18. Jahrhundert und betrifft die Rolle der Armenier im Transithandel mit persischer Rohseide über die Wolgaroute.“25 Die Armenische Handelskompanie aus Julfa organisierte diesen Handelsweg, die territoriale Vermittlerrolle für diese Route übernahm das Moskauer Reich, das seit der Mitte des 16. Jahrhunderts nach der Eroberung der tatarischen Wolgachanate Kazan’ und Astrachan’ die Wolga kontrollierte. Die russischen Diplomaten warben in ihrer Ostpolitik bei den Nachbarn Persien und auch Türkei allgemein um stärkeren Handelsaustausch zur merkantilistischen Steigerung der besonders seit Mitte des 17. Jahrhunderts zurückgehenden Einnahmen von Wirtschaft und Staat. Astrachan’ sollte dabei ein Zentrum des Ost-West-Handels werden.26 Bereits Anfang des 17. Jahrhunderts besaß diese Stadt einen multiethnischen Charakter, es lebten dort neben Russen auch Armenier, Inder, Perser und Tataren. Der wachsende Orienthandel führte Russland näher an die Weltwirtschaft heran.27 Es gab allerdings auch schon vorher, seit dem 16. Jahrhundert, Ansätze für eine wachsende Einbindung des Moskauer Reiches in europäische wirtschaftliche Strukturen.28 Russland war schon im Mittelalter mit Europa und Asien hauptsächlich durch den Rohstoffhandel mit Flachs, Hanf, Holz und Pottasche und durch den Luxushandel mit Pelzen verbunden gewesen. Dazu kam der Warenaustausch zwischen Asien und Europa, besonders mit China, Mittelasien und Persien. Da diese Waren teilweise auch nach Westeuropa weiterexportiert wurden, kam Russland die Vermittlerrolle zu.29 Hinzu kam nun auch die persische Rohseide. Schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gab es erste Anzeichen einer Belebung des Rohseidenhandels auf der Kaspi-Wolga-Route: 1630 gelangten 400 Ballen und 1631 700

25 26 27 28 29

17. Jahrhundert]. In: Kratkie soobščenija Instituta Narodov Azii 30 (1961), 41 – 53. – Dies.: Očerki po istorii russko-iranskich torgovych otnošenij v XVII – pervoj polovine XIX veka [Essays zur Geschichte der russisch-iranischen Handelsbeziehungen im 17. bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts]. Saransk 1977. – Jucht, Aleksandr Isaevič: Torgovlja Rossii s Zakavkaz’em i Persiej vo vtoroj četverti XVIII veka [Der Handel Russlands mit dem Transkaukasus und Persien im zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts]. In: Istorija SSSR 1 (1961), 131 – 146. – Ders., Torgovlja s vostočnymi stranami i vnutrennyj rynok (wie Anm. 1). Erkinger (wie Anm. 1), 72. Sartor (wie Anm. *), 94, 97 – 99. – Kotilaine, Jarmo: Russia’s Foreign Trade and Economic Expansion in the Seventeenth Century: Windows on the World. Leiden 2004, 57. Hellie, Richard: The Economic and Material Culture of Russia 1600 – 1725. Chicago-London 1999, 285, 8 – 11. Braudel, Fernand: Civilisation matérielle, économie et capitalisme XVe–XVIIIe siécle. Le Temps du Monde, T. 2 u. 3. Paris 1979. – Israel, Jonathan: The Dutch Republic: It’s Rise, Greatness and Fall 1477 – 1806. Oxford 1995.; ders.: Dutch Primacy in World Trade 1585 – 1740. Oxford 1989. Kellenbenz, Helmut: Der russische Transithandel mit dem Orient im 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts. In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 12 (1964), 481 – 500. – Fechner, Marija Vasil’evna: Torgovlja russkogo gosudarstva so stranami vostoka [Der Handel des russischen Staates mit den Ländern des Ostens] (Trudy Gosudarstvennoj Istoričeskoj Muzej 21). Moskva 1956.

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Ballen über Archangel’sk nach Amsterdam.30 Unsicherheiten wie Überfälle durch Nogaier oder Kosaken im Süden ließen diese Route noch unpopulär erscheinen, allerdings herrschten derartige Probleme auch auf dem traditionellen anatolischen Weg. Vorteilhaft an der neuen Route war, dass sich in den meisten Knotenpunkten eines zukünftigen Handels, wie in Astrachan’, in Moskau oder in Narva armenische Kolonien befanden, die Hilfestellung leisten konnten.31 Daran anschließend saßen die Armenier – wie viele Minderheitenkolonien von Fernhändlern in der Welt wie Juden, Griechen, Engländer, Niederländer und Deutsche 32 – in den Konsumzentren Amsterdam, London, Hamburg oder Paris. Sie ermöglichten dort den Absatz der Ware. Bis Mitte des 17. Jahrhunderts blieb aber der große Rahmen noch ein Projekt. Unter den Interessenten – die den Handel selbst kontrollieren wollten – befanden sich Vertreter fast aller europäischen Länder: Venezianer und Genueser, päpstliche Vertreter, Briten, Franzosen, Niederländer, Dänen, Schweden und Polen sowie Kaufleute mehrerer deutscher Länder.33 Die vielen ausländischen Gesandtschaften in Moskau, wie die holsteinische des Adam Olearius 1650,34 blieben aber – von interessanten Reiseberichten abgesehen – weitgehend ohne Folgen.

Die Verträge der Armenischen Handelskompanie mit dem Moskauer Reich 1667 – 1673 Der Vertrag der Armenischen Handelskompanie mit dem russischen Zaren Aleksej Michajlovič im Jahre 1667 stand symbolisch für die Öffnung der Kaspi-Wolga-Route für den Seidenhandel.35

30 Bronnen tot de geschiedenis der Oostindische Compagnie in Perzie, hg. v. Hendrik Dunlop, T. 1: 1611 – 1638. S’Gravenhage 1930, 547, 563. – Soom, Arnold: Der Handel Revals im 17. Jahrhundert. Wiesbaden 1969, 112. – Donesenie koreleve Christine iz Revelja 16 oktjabrja 1653 goda [Bericht der Königin Christine aus Reval, 16. Oktober 1653]. In: Aussführliche Relavation Der in Reusslandt umbgehenden Commertien. Moskva 1915 (Čtenija v obščestve istorii i drevnostej rossijskich pri Moskovskom Universitete), 180, 180, 208. – Neuerdings: Veluwenkamp, Jan Willem: Archangel: Nederlandse ondernemers in Rusland 1550 – 1785. Amsterdam 2000; Hart, Simon: Amsterdam Shipping and Trade to Northern Russia in the Seventeenth Century. In: Mededelingen van de Nederlandse Verenigung voor Zeegeschiedenis 26 (1973), 29; Zuiden, D. S. van: Bijdrage tot de kennis van de hollandsch-russische relaties in de 16e–18e eeuw. Amsterdam 1911. 31 Graboveckij, Vladimir Vladimirovič/Daškevič, Jaroslav Romanovič.: Armjanskie kolonii na Ukraine v istočnikach i literature XV–XIX veka [Die armenischen Kolonien in der Ukraine in Quellen und in der Literatur des 15.–19. Jahrhunderts]. Erevan 1972. 32 Kirby, David/Hinkkanen, Merija: The Baltic and the North Seas. In: Seas in History. Hg. v. G ­ eoffrey Scammell. London 2000, 161 – 162. 33 Sartor (wie Anm. *), Kapitel 1. 34 Olearius, Adam: Adam Olearii ausführliche Beschreibung der kundbaren Reyss nach Muscow und Persien, so durch Gelegenheit einer Holsteinischen Gesandtschaft von Gottorp auss an Michael ­Feodorowitz, den Grossen Zaar in Muscowy und Schach Safi Konung in Persien geschehen. Schleswig 1646. 35 Armjano-russkie otnošenija v XVII v. Hg. v. Vardan Aramovič Parsamjan. Bd. I. Erevan 1953, 45, 56 – 59.  – Solov’ev, Sergej Osipovič: Sočinenija. Istorija Rossii s drevnejšich vremen [Gesammelte Werke.

Der armenische Rohseidenhandel im 17. und 18. Jahrhundert

259

In diesem Vertrag gewährte der Zar der – darin schon vorher erfahrenen – Armenischen Handelskompanie das Recht, Rohseide über Russland nach Westeuropa zu führen. Damit hatten die Armenier das Monopol in diesem Handel, nach dem die verschiedenen Kaufleute Europas schon lange strebten, erlangt. Allerdings wollte die Armenische Kompanie die neue Route erst testen, da der Wechsel von einer alten, bis kurz vor diesem Zeitpunkt noch bewährten Route für erfahrene und meistens auch traditionsbewusste Unternehmer ein Risiko darstellte.36 Auch gab es sicherlich Widerstand der Armenier, die grundsätzlich mehr an den anatolischen Routen und der Levante orientiert waren. Anscheinend war das Projekt des Wolga-Kaspi-Weges unter den armenischen Kaufleuten in Neu-Julfa umstritten. Dennoch schritten einige, insbesondere die führende Kaufmannsfamilie Šachrimanjan, die zu ihrem Geschäftsgebiet Westeuropa, Kleinasien, Indien und auch den Fernen Osten zählte, in dem Projekt mit Russland voran. Einen weiteren wesentlichen Antriebsfaktor bei den Armeniern in Neu-Julfa stellte die veränderte Situation in Persien dar. Seit dem Tod von Abbas I. wuchs der Druck auf die Armenier seitens des Schahs; Privilegien wurden zurückgenommen, Steuern stiegen und die christliche Religion geriet unter Druck.37 Viele der Kaufleute sahen in dem neuen Handels­ weg durch Russland nicht nur eine neue Geschäftsmöglichkeit, sondern auch ein Mittel, um sich in Russland selbst anzusiedeln. Dort existierte bereits eine armenische Diaspora, insbesondere in Astrachan’, und zudem förderte die russische Regierung die armenische Einwanderung. Seit den 1580er Jahren lebten Armenier ständig in Astrachan’.38 Allerdings gab es Beschränkungen in der Freizügigkeit der armenischen Kaufleute: Sie durften nur in Astrachan’, aber nicht in Moskau handeln, eine Bestimmung, die bis Ende des 17. Jahrhunderts bestand. Allerdings fuhren die Armenier dennoch oft in die Hauptstadt – das von russischen Kaufleuten angeregte Verbot verfolgte die russische Regierung anscheinend nur halbherzig.39 Interessant ist die bisher unbewiesene These, dass „die Bildung der Julfaer Kompanie auf keiner natürlichen wirtschaftlichen Entwicklung beruht, sondern aufgrund des Willens

Geschichte Russlands seit den ältesten Zeiten]. Bd. 1 – 15. Moskva 1959 – 1966, hier Bd. 6.12, 565 – 566. 36 Voskanjan, Vazgen Karapeti: Pis’mo vostočnych armjan 1667 g. konstantinopol’skim armjanam [Der Brief der Ostarmenier des Jahres 1667 an die Armenier von Konstantinopel]. In: Vestnik Obščestvenych Nauk Armjanskoj SSR 526 (1986), 10, 40 – 43. – Kurskov, Jurij Vasil’evič: Social’no-ėkonomičeskie vzgljady i gosudarstvennaja dejate’nost’ A. L. Ordina-Naščokina, [Die sozialökonomischen Ansichten und die staatliche Tätigkeit von A. L. Ordin-Naščokin]. Leningrad 1962, 12. – Kukanova, Očerki po istorii russko-iranskich torgovych otnošenij (wie Anm. 25), 67. 37 Ebd., 275 – 276. 38 Chačaturjan, Vartan Karapeti: Obrazovanie armjanskoj kolonii v Astrachani [Die Bildung der armenischen Kolonie in Astrachan’]. In: Istoriko-filologičeskij žurnal Akademii Nauk Armjanskoj SSR 103/4 (1983), 47. 39 Ebd., Nr. 225, 306 – 312; Nr. 226, 242. – Alekseeva, A. I./Voronova, A. A./Isaev, G. G.: Astrachan’-Giljan v istorii russko-iranskich otnošenij [Astrachan’-Gilan in der Geschichte der russisch-iranischen Beziehungen]. Astrachan’ 2004, 110.

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der russischen Regierung“.40 Möglich ist, dass diese Armenische Handelskompanie sich erst wegen des Vertrags bildete, aber dies geschah innerhalb armenischer Strukturen. Armenier bildeten im 17. Jahrhundert in vielen ihrer Geschäftsgebiete Handelskompanien, sie besaßen dabei mehr Erfahrung als die zarische Regierung.41 Mitte der 1680er Jahre traten im Zusammenhang mit der anhaltenden armenischen Einwanderung nach Russland, die durch die innere Krise in Persien verstärkt wurde, einige Veränderungen auf.42 1684 wurde die Armenische Handelskompanie in Julfa neu gegründet. Von den 37 wichtigsten armenischen Händlern der Jahre vor 1685 wurden lediglich neun wieder aktiv, wohingegen nun auch 50 zuvor unbekannte Händler agierten.43 Auffällig ist auch die zunehmende Russifizierung armenischer Namen. So entwickelte sich z. B. aus Vartan Vartanov oder es traten russische Familiennamen wie Davydov oder Sergeev auf. Russische Großkaufleute, die ihren allgemeinen Handel durch die ohnehin sehr starke Konkurrenz der Armenier noch mehr gefährdet sahen, traten in dieser Zeit mit einigem Erfolg gegen den Vertrag von 1667 auf. Der freie Handel wurde jetzt auf Moskau begrenzt, ferner durfte nicht mehr ohne besondere Erlaubnis über die Grenzen gereist werden: „Der Weg […] nach Übersee in die europäischen Staaten ist unmöglich, wenn mit jenen Staaten Krieg besteht […].“44 Von Novgorod und Smolensk als Ausreisepunkte war jetzt – zumindest in den Bestimmungen – keine Rede mehr. Die Armenier selbst versuchten die Bedingungen zu ihren Gunsten zu verändern: Sie baten um Verminderung von Zöllen und beklagten die Verpflichtung, dem Zaren Seide zu einem „billigen“ Preis verkaufen zu müssen. Der Zar hatte in Moskau ein Vorkaufsrecht zu Vorzugspreisen, welches er auch ausgiebig nutzte. Niederländische Vermittlung führte dann aber 1676 wieder zur Aufnahme des stagnierenden Handels über Archangel’sk.45 1687 öffnete ein neues Abkommen zwischen Schweden und der Armenischen Kompanie wieder die Route Novgorod-Narva,46 was den Handel ebenfalls belebte. 40 Ebd., 88. 41 Baibourtian (wie Anm. 1), 103, 156. 42 Nebol’šin, Grigorij Pavlovič: Statističeskie obozrenija vnešnej torgovli Rossii [Statistische Unterschungen des Außenhandels Russlands]. Bd. 1 – 2. St. Peterburg 1835, hier Bd. 2, 147. 43 Zapiski o Kizljare [Notizen über Kizljar]. In: Čtenija v obščestve istorii i drevnostej rossijskich pri Moskovskom Universitete 4 (1861), 117. – Pisemskij, Aleksej: Astrachanskie armjane [Astrachaner Armenier]. In: Biblioteka dlja čtenija 151/8 (1858), 4. 44 Solov’ev (wie Anm. 36), 569 – 571. – Kilburger, Johann Peter: Kurzer Unterricht von dem Russischen Handel wie selbiger mit aus- und eingehenden Waren 1674 durch ganz Russland getrieben worden. In: Magazin für die neuere Historie und Geographie. Hamburg 1769, 322. 45 Troebst, Stefan: Isfahan-Moskau-Amsterdam. Zur Entstehungsgeschichte des moskauischen Transitprivilegs für die Armenische Handelskompanie in Persien (1666 – 1676). In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 41 (1993), 178 – 209, hier 206 f. 46 Troebst, Stefan: Narva und der Außenhandel Persiens im 17. Jahrhundert. Zum merkantilen Hinter­ grund schwedischer Großmachtbildung. In: Die schwedischen Ostseeprovinzen Estland und Livland im 16.–18. Jahrhundert. Hg. v. Aleksandr Loit und Helmut Piirimäe. Uppsala 1993 (Acta Universitatis Stockholmiensis Studia Baltica Stockholmiensia 11), 161 – 178, hier 168, 176.

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Der armenische Rohseidenhandel im 17. und 18. Jahrhundert

Doch wurde die Wolga-Kaspi-Route zu einem Haupthandelsweg oder gelangte sie zu keiner Bedeutung? Der Anspruch des Vertrages von 1667 „Alle persische Rohseide geht über Russland“47 muss am tatsächlichen Handel gemessen werden.

Der Handel mit Rohseide seit 1675 Der Handel mit Persien war in der Bilanz des russischen Orienthandels führend und nahm auch im gesamten Außenhandel eine gewichtige Rolle ein.48 Im Importhandel von Persien nach Russland im 17. Jahrhundert wurden jährlich Waren im Wert zwischen 40.000 und 90.000 Rubel registriert.49 Anfang des 18. Jahrhunderts, im Zeitraum von 1714 – 1717, lag die Importsumme dann zwischen 500.000 bis 1.000.000 Rubel.50 Tabelle 1: Importhandel Russlands mit Persien 1675 – 174551 Zeitraum *

Insgesamt

Veränderung (1675 = 100)

1675

76.947

1681 – 1682

53.891

70

1680 – 1688

49.111

63,8

1690 – 1694

88.045

114,4

1724 – 1728

201.800

381,3

1741 – 1745

606.548

788,3

* Jahresdurchschnittswerte

47 Vgl. Anm. 36. 48 Jucht, Torgovlja Rossii s Zakavkaz’em i Persiej (wie Anm. 25). – Kukanova, Očerki po istorii russkoiranskich torgovych otnošenij (wie Anm. 25). 49 Archiv SPBF IRI, F. 178, ec. 5.170 – 13.792. – RGADA F. 100, Snošenija s Armeniej, 1675: d. 2 – 9, und d. 16. – teilweise auch in: Armjano-russkie otnošenija v XVII v. (wie Anm. 36), 145 – 146, 151 – 152, 158 – 160, 163 – 165, 176 – 177, 180, 181, 184 – 185, 190 – 191, 196, 197 – 198, 202 – 203, 213 – 224, 224 – 225 und 237 – 243.  – Vgl. Kukanova, Očerki po istorii russko-iranskich torgovych otnošenij (wie Anm. 25), Tab. 1, 2 und S. 86. – 1698: Koloniale Archieven Oost-Indie en de Kaap: Archieven van de ­Vereenigde Oost-Indische Compagnie, 112. Die Wertangaben sind in Pud gehalten und es wird mit der Durchschnittsgröße 7 Pud berechnet. 50 Bespjatych, Jurij Nikolaevič: Ėkonomičeskaja geografija v sočinenii L. Ju. Ėrenmal’ma. Sostojanie Rossii pri Petre I (1714g.) [Die Wirtschaftsgeographie in den Werken von L. Ju. Ėrenmal’ma. Der Zustand Russlands unter Peter I. (1714)]. In: Geografija Rossii XV–XVIII vv. (po svedenijam inostrancev). Hg. v. I. P. Šaskol’skij. Leningrad 1984, 86. 51 Quelle: Archiv SPBF IRI, F. 178, op. 1, ec. 5.170 – 13.792; RGADA, F. 100; GAAO, F. 394 und F. 681.

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Wolfgang Sartor

Tabelle 2: Anteil der Rohseide am russischen Import aus Persien (in Rubel)52 Zeitraum

Umsatz (in Rubel)

1675

76.947

1681 – 1682 1688 – 1689 1690 – 1694

Rohseide (in Rubel)

%-Anteil

46.854

60,9

53.891

27.824

51,6

49.111

20.980

42,7

88.045

49.512

56,2

1724 – 1726

201.800

179.700

89,0

1744 – 1747

648.000

487.200

75,2

Rohseide hatte im Transithandel von Persien nach Westeuropa über Russland sowie im innerrussischen Binnenhandel einen Anteil von über 60 % an der gesamten Warenstruktur. Der Transit entwickelte sich gleichmäßig mit Höhepunkten in den 1690er Jahren. Anfänglich handelten die Armenier zunächst über das erwähnte Archangel’sk, seit 1687 dann auch über das günstig gelegene Novgorod und das Baltikum. Im 18. Jahrhundert wurde die Rohseide im Wesentlichen über St. Petersburg ausgeführt. Im Zeitraum 1676 – 1685 wurden durchschnittlich 700 Pud jährlich exportiert. In den 1690er Jahren vervielfachte sich der Umfang: Exportierten die Seidenhändler 1686 noch 637 Pud, so stieg die Zahl 1687 auf fast 1.100, 1688 auf 1.500, und 1690 schließlich auf über 3.360 Pud an. 1691 – 1697 lag der durchschnittliche Jahrestransit bei 2.078 Pud. 1697 fiel der Wert aber wieder auf 1.176 Pud, um mit Beginn des Großen Nordischen Krieges noch weiter zurückzugehen.53

52 Quelle: Archiv SPBF IRI, F. 178, op. 1, ec. 5.170 – 13.792; RGADA, F. 100; GAAO, F. 394; und F. 681. 53 Angaben und Berechnungen nach: Archiv SPBPF IRI, F. 178, op. 1, ec. 8.276 – 12.223. – Troebst, Narva und der Außenhandel Persiens (wie Anm. 47), 183 – 184. – Riksarkivet Stockholm Handel och sjöfart, vol. 19: Ryssland. Sv. faktorer i Moskva, Novgorod, Pskov m. m. Bf. v. Daniel Steven-Oberst R. de Funcken (Narva), Moskau 4. 12. 1691, 1 f.: 700 Pud. – Archiv der Hansestadt Lübeck (im folgenden AHL), Archiv der Novgorodfahrer: Kontorgeldrechnungen der Novgorodfahrer 1671 – 1728: H. 53a–63a., besonders H. 53a, 16. Die nach Lübeck importierte Seide stellt ungefähr 20 % der gesamten persischen Rohseide, die von 1690 bis 1699 über Russland exportiert wurde (16.000 Pud), dar. – Armjano-russkie otnošenija v XVII v. (wie Anm. 36), Nr. 92, 237 – 243.

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Der armenische Rohseidenhandel im 17. und 18. Jahrhundert

Tabelle 3: Transithandel mit Rohseide 1676 – 176054 Jahre 1676 – 1685

Pud

Pud im Jahresdurchschnitt 7.354

735

1686 – 1699

23.266

1.936

1703 – 1717

14.439

1.805

1718 – 1722

2.740

913

1723 – 1727

13.090

2.618

1730 – 1734

13.248

2.650

1735 – 1739

8.124

1.625

1740 – 1742

5.350

1.783

1743 – 1747

24.336

4.867

1748 – 1754

11.770

1.673

1755 – 1760

1.372

274

Die Ostsee war kaum befahrbar, auch wenn der Zar 1708 den Leiter der Armenischen Handelskompanie dazu aufforderte, die baltische Route zu nutzen, um den französischen Kapern im Nordmeer zu entgehen und um St. Petersburg zu fördern.55 Daher wurde auch wieder über Reval gehandelt, dennoch blieb während des Krieges der Umschlag über Archangel’sk vorherrschend. Der Handel nahm jedoch auch in der ruhigeren Periode des Krieges nach 1710 ab, was unter anderem mit den komplizierter werdenden innenpolitischen Verhältnissen in Persien zusammenhing. Besonders auffällig ist in diesem Zusammenhang der sinkende Umsatz in den Jahren 1720 – 1722. Auch die geringen Zollquellen der Jahre 1718 – 1722 deuten auf das niedrige Niveau des Handels hin. Bemerkenswerterweise gab es 1723 wieder ein Wachstum, das wahrscheinlich durch die Beendigung des Krieges mit Persien einerseits und des Großen Nordischen Krieges 1721 andererseits verursacht wurde. Der Handel erreichte Mitte der 1720er Jahre wieder das Vorkriegsniveau. Diese Konjunktur hielt bis Mitte der 1730er Jahre an, als der Jahresdurchschnitt des Handelsvolumens von gut 2.000 Pud auf fast 2.700 Pud stieg, in der zweiten Hälfte der 1730er Jahre fiel er aber wieder zurück. 1730 wurden über 4.300 Pud exportiert, 1731 noch 3.900, 1732 3.000 Pud und 1733 nur noch knapp 600 Pud. Eventuell hing dies mit den Spannungen um die Rückgabe der persischen Seidenprovinzen zusammen. 1734

54 Quelle: Tabelle 4; RGADA, F. 100; 1 361; 276, 19; GAAO, F. 394 und 681; Semenov, A.: Izučenie istoričeskich svedenij o rossijskoj vnešnej torgovle i promyšlennosti s poloviny XVII-go stoletija po 1858 god [Untersuchung der historischen Daten über den russländischen Außenhandel und die Industrie seit der Mitte des 17. Jahrhunderts bis 1858]. Bd. 4. Sankt-Peterburg 1859, 167, 454 f.; Jucht, Torgovlja Rossii s Zakavkaz’em i Persiej (wie Anm. 25), 145 und ders., Torgovlja s vostočnymi stranami i vnutrennyj rynok (wie Anm. 1), 116. 55 Sartor (wie Anm. *), 217.

264

Wolfgang Sartor

stieg die Quote wieder über 1.400 Pud, 1735 sogar auf 2.400 Pud.56 1743 – 1745 herrschte dann ein hohes Niveau im Handel, das Tatiščev sogar auf die Umlenkung des Seidenhandels von der Türkei nach Russland hoffen ließ. Im Jahre 1744 wurde mit 8.975 Pud die größte Menge überhaupt exportiert. Dieser Aufschwung erfolgte trotz der Politik Nadir-Schahs, der gegen den Handel mit Russland agitierte und der Armenischen Handelskompanie die Betätigung in Persien verbot. Auch die englische Russian Company, die von 1741 – 1746 tätig war, verlieh dem Handel Auftrieb. Gründe für den darauf folgenden Niedergang des Handels waren der Verlust der Privilegien der Russian Company 1746 und die ein Jahr später ausbrechenden Unruhen in Persien. Der Handel sank somit bis 1753 um fast 60 %. Allerdings gab es 1750/51 erneut einen zeitweiligen Aufschwung, der aber anscheinend verstärkt dem Binnenhandel zugutekam: 1750 wurden zwar noch einmal 5.000 Pud importiert, jedoch gelangten nur 1.100 Pud davon über die Ostsee nach Holland oder England. Der Zolltarif von 1754, der den Import gegenüber dem Transit ganz besonders begünstigte, führte zu dem starken Rückgang des Transits in der zweiten Hälfte der 1750er Jahre.

Die Träger des Transithandels Die Armenier und die Armenische Handelskompanie Wie groß war nun der Anteil der Armenischen Handelskompanie am Transithandel mit Rohseide durch Russland und wie kapitalkräftig waren die armenischen Kaufleute? Im Zeitraum von 1676 – 1685 sind 34 und in den Jahren 1686 – 1697 60 Armenier in diesem Handel belegt. Anfang des 18. Jahrhunderts stieg ihre Zahl über 90, um sich dann bis 1750 auf 30 – 40 einzupendeln. Tabelle 4: Anteile der Nationalitäten am Transit mit Rohseide 1676 – 1751 (in Pud)57 Zeitraum

Armenier

%

Russen

%

Briten

%

Andere

%

1676 – 1685

6.272

100







1686 – 1697

21.633

95,7

651



315

1,4

1703 – 1717

17.193

99,3

1730 – 1739

2.539

96,3





128

0,7





98

3,7

1742 – 1747

17.970

69,0

748

2,9

7.342

28,1



1748 – 1751

5.316

73,8

392

5,4

1.500

20,8



2,9

56 Siehe Tabelle 1. 57 Quelle: RGADA, F. 276, op. 1, d. 612, 636 und F. 19, op. 1, d. 240; GAAO, F. 394, op. 1, d. 539, und 637, F. 681, op. 1, d. 3.073 – 3.075, 3.077, 3.086 und 3.091.

Der armenische Rohseidenhandel im 17. und 18. Jahrhundert

265

Mitglieder der Kompanie lieferten entsprechend der Zolllisten 1676 jeweils rund 154 Pud Rohseide, ein Wert, der in den 1680er und 1690er Jahren auf 129 Pud und Anfang des 18. Jahrhunderts auf 108 Pud fiel. Die Zunahme der innerarmenischen Konkurrenz spielte bei dem Rückgang der Kaufkraft armenischer Kaufleute eine wichtige Rolle. Am aktivsten waren Jakov Vartanov, der nachweislich auf zwei Reisen über 1.400 Pud Rohseide transportierte, und Sergej Sergeev, der 16 Handelsreisen mit über 700 Pud Rohseide unternahm. Große Bedeutung hatten auch Safar Vasil’ev und Nikolaj Davydov. Die Armenier reisten in der Regel selbst in die Niederlande und nach Deutschland und traten dort in Lübeck, Königsberg und Hamburg in Erscheinung.58 Im 18. Jahrhundert sind vor allem Sergej Ivanov, Sergej Solomonov, Luki Širvanov, Vasilij Makarov, Matvej Safarov und Kalust Bunjatov sehr oft auf Handelsreisen anzutreffen.59 Unter Peter I. kam es zu Veränderungen im Verhältnis zu den Armeniern. Der Zar war an der Ausweitung des Außenhandels Russlands sehr interessiert und formulierte ein umfassendes Osthandelsprojekt: „Den China-Handel […] und den Persien-Handel mehren, und Armenier, soweit möglich, gut behandeln und beharrlich fördern, damit sie mehr Anreize haben zu kommen.“60 Und weiter: „Die Seide von den Armeniern bei Isfahan, die Gulfer genannt werden, über Astrachan’ führen, damit mit Hilfe des persischen Hofes der ganze Handel durch Russland gelenkt werde, weil der Weg durch Russland nach Europa viel näher, sicherer und freier ist.“61 Dennoch kritisierte Peter zunehmend speziell die Armenische Handelskompanie, weil diese es verabsäumte, den gesamten Rohseidetransit nach Russland umzulenken. Bereits 1698 bot der Zar holländischen Kaufleuten die Beteiligung an einer zu gründenden Handelskompanie für den Transithandel an. Im Jahre 1712 wurde der persische Gesandte Fazyl-Bek in Moskau aufgefordert, die Armenische Handelskompanie in Julfa zu befragen, weshalb sie ihre Verpflichtung im Rohseidenhandel nicht erfüllte.62 So wurde das Monopol der Armenischen Handelskompanie seit dem Ende des 17. Jahrhunderts allmählich aufgehoben: 1692 wurde dem persischen Kaufmann Agaker Murat-Chan ausnahmsweise das Transitrecht für Rohseide nach Westeuropa gewährt. Im selben Jahr erhielten erstmals auch russische Kaufleute diese Möglichkeit.63 Volynskij, der

58 AHL: Kontorgeldrechnungen 60a: 1690 wurden z. B. 853 Pud und 1699 641 Pud geliefert. Sojmonov, Fedor Ivanovič: O torgach za kaspijskoe more s drevnich, srednich i novejišch vremena, vypisano iz žurnala Fedor Ivanoviča Sojmonova i iz vnesennij vo onoj dopolnenij G. F. Millera [Über den ­Handel am Kaspischen Meer in alter, mittelalterlicher und neuerer Zeit, notiert aus dem Journal Fedor Ivanovič Sojmonovs und mit einer Ergänzung von G. F. Miller]. Moskva 1765, 71. 59 Sartor (wie Anm. *), 213, 274. 60 Solov’ev (wie Anm. 36), Bd. 9.18, 345 – 346. – Ebd., Bd. 8.16, 353. – Sartor (wie Anm. *), 127. 61 Sartor (wie Anm. *), 126 – 128. 62 Bušev, Petr Pavlovič.: Iranskoe posol’stvo Fazl Ali-Beka v Rossiju (1711 – 1713gg.) [Die iranische Gesandtschaft von Fazl Ali-Bek nach Russland]. In: Kratkie soobščenija Instituta Narodov Azii 39 (1963), 45. 63 Kukanova, Očerki po istorii russko-iranskich torgovych otnošenij (wie Anm. 1), 10. – Riksarkivet Stockholm, Kommerskollegium. Huvudarkivet. Inkomna handlingar. Kungliga brev och remisser. b) Supplementserie (E I b), vol. 1: 1673, 1688 – 1706, f. 117 – 118.

266

Wolfgang Sartor

spätere Astrachaner Gouverneur und Chef der Gesandtschaft nach Persien, äußerte: „[…] und obwohl viele ihren Handel durch Russland leiten wollen, versuchen die Julfer mit allen Mitteln, dies zu ihrem Nutzen zu verhindern, wofür sie nicht wenig Bestechung am Hofe des Schahs und auch bei den Verwaltungen in Šemacha und Gilan aufwenden, damit niemand außer ihrer Kompanie durch Russland seine Waren führt und damit nicht gestattet wird, dass Fremde oder die ihren [andere Armenier – W. S.] die Seide kauften.“64 Es dauerte aber noch bis 1718, bis das Monopol der Kompanie aufgehoben wurde; mittler­ weile wurden viele andere Armenier gefördert.65 Zur Schwächung der Armenischen Handelskompanie trug auch die Tatsache bei, dass sich wegen der Verschlechterung der Verhältnisse in Persien immer mehr Armenier in Russland – vor allem in Astrachan’ – ansiedelten, die dieser Kompanie nicht angehörten. Dies führte zu einem Rückgang der Mitgliederzahl der Julfa-Kompanie und stärkte gleichzeitig die Astrachaner Kompanie. In Astrachan’ existierte bereits ein Statut der armenischen Gemeinde, was diese auch gegen die Armenier aus Julfa stärkte. Dennoch konnten die Julfer ihre bedeutende Stellung im Transithandel faktisch noch bis in die 1730er Jahre halten. Ihr Anteil am Transithandel mit Seide sank aber danach auf ein Drittel ab, was auch mit der Tatsache zusammenhing, dass nun die meisten Mitglieder der Armenischen Handelskompanie in Astrachan’ lebten und möglicherweise der JulfaKompanie auch nicht mehr angehörten. Tabelle 5: Anteile der Armenischen Handelskompanie (AHK) und der Astrachaner Armenier am Seidenhandel 1733 – 1745 (in Rubel)66 Zeitraum

Astrachan’

%

Astrachaner Kompanie

%

AHK

%

1733 – 1734

1.960

8,4

50.965

15,9

242.942

75,7

1735 – 1743

25.160

1,9

1.130.748

84,4

182.259

13,7

1743 – 1745

146.718

21,6

356.281

52,5

175.860

25,9

1747 – 1748

230.875

70,0

98.740

30,0

64 RGADA F. 77, žurnal Volynskogo, 1.582. – Kukanova, Očerki po istorii russko-iranskich torgovych otnošenij (wie Anm. 25), 107. Dies wird durch die Bitte der Armenischen Handelskompanie an den Chan von Semacha belegt, dass er darauf achten solle, „dass kein Russe Rohseide kauft“ (1712). 65 Sartor (wie Anm. *), 144. – Čulkov, Michail Dmitrievič: Istoričeskoe opisanie Rossijskoj Imperii pri vsech portach i granicach ot drevnich vremen donyne i vsech preimuščestvennych uzakonenij po onoj gosudarja Petra Velikogo i nyne blagopolučno carstvujuščej gosudariny imperatricy Ekateriny Velikoj [Histo­rische Beschreibung des Russländischen Reiches mit allen Häfen und Grenzen von den ältesten Zeiten bis heute und den wichtigsten Gesetzen seit dem Herrscher Peter dem Großen und der jetzt erfolgreich herrschenden Kaiserin Katharina der Großen]. Bd. 1 – 7. St. Peterburg 1781 – 1788, hier T. 2.1, 51. 66 Quelle: An Quellen werden hier die unter Anm. 21 angegebenen Archivalien des 17. Jahrhunderts verwendet. Für das 18. Jahrhundert: GAAO, F. 681, op. 1, d. 3.065, 3.077, 3.086, 3.091 sowie F. 394, d. 539.

267

Der armenische Rohseidenhandel im 17. und 18. Jahrhundert

Interessant ist auch die Verteilung der armenischen Kaufleute nach den Herkunftsorten: Tabelle 6: Herkunft der armenischen Seidenhändler und Menge der von ihnen t­ ransportierten Ware in Pud Rohseide 67 Armenier

1676 – 1697

1706 – 1719

1734 – 1735

%

1745 – 1748

%

AHK-Gulfa

12.347

7.473

1.250

58,0

2.577

36,4

Astrachan’





238

11,1

3.099

43,8

Moskau





154

7,1

103

14,5

St. Petersburg





47

2,3

41

0,6

Andere





465

21,5

323

6,5

12.347

7.473

2.154

100,0

6.143

100,0

Insgesamt

Die Entwicklung zeigt, wie stark die Julfer Kompanie an Bedeutung gegenüber anderen armenischen Kaufleuten, insbesondere gegenüber der neuen Astrachaner Kompanie, verlor. Eine weniger starke Auswirkung auf den Rohseidenhandel als erhofft hatte die russische Eroberung der persischen Seidenprovinzen in den Jahren 1722/23. Der Plan zur Eroberung dieser Gebiete und die Hoffnung auf eine folgende Stimulierung des Seidenhandels waren durch die Schwächung Persiens zu jener Zeit genährt worden. Nach der Eroberung versuchte Peter der Große erneut, seinem Osthandelsprojekt entsprechend, Armenier am Handel mit den jetzt russischen Gebieten zu interessieren: Im Mai 1724 wurde in einem Ukas angeregt, „[…], dass sie sich zur Hebung des Handels mit den russischen Kaufleuten verbinden sollen und dafür Seide und andere persische Waren, welche von ihnen bis jetzt nach Europa exportiert wurden, durch Russland führen sollen. Dazu sollten sie ihre Korrespondenten und andere dortige Kaufleute aufrufen […].“68 Daneben versuchte die russische Regierung auch, Armenier, die auf der Flucht aus Armenien oder Persien nach Russland kamen und Erfahrung im Seidenbau hatten, in den Kaspi-Gebieten anzusiedeln. Im Juni 1723 übernahm Russland die „Protektion für das armenische Volk“ sowohl in Russland als auch in Persien, und Peter I. schlug ihnen vor, in die eroberten Provinzen zu ziehen. Diese „unwirtschaftlichen“ Gebiete übten jedoch keinen großen Reiz auf die Armenier aus. Sie ließen sich dagegen in Zentralrussland, insbesondere aber in Astrachan’, Moskau oder St. Petersburg nieder.69 Schließlich musste Russland die kaspischen Provinzen, die zu verwalten es nicht imstande gewesen war, 1732 und 1735 an Persien zurückgeben.

67 Quelle: siehe Tabelle 1. 68 Armjano-russkie otnošenija v pervoj treti XVIII veka. Sbornik dokumentov [Armenisch-russische Beziehungen im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts. Dokumentensammlung]. Hg. v. Ašot I­ oannisjan. Bd. II, Teil II. Erevan 1967, 39 f. 69 Sartor (wie Anm. *), 153.

268

Wolfgang Sartor

Krise des Seidenhandels seit den 1750er Jahren Ab Anfang der 1750er Jahre ist ein allgemeiner Rückgang im Seidenhandel zu beobachten, was stark mit den innerpersischen Problemen jener Zeit zusammenhängt. Erreichte der Handel in den 1730er und 40er Jahren noch einen Umsatz von rund 1.000.000 Rubel pro Jahr, fiel er 1750 – 1759 auf jährlich 699.000 und 1760 – 1769 auf 503.000 Rubel zurück.70 Die Krise im persischen Seidenexport war auch an der Levante spürbar. Hasselquist berichtete Mitte des 18. Jahrhunderts, dass „silk trade at Aleppo was entirely at a stand“71, und Hanway schrieb: „between 1750 and 1765 no Persian silk was seen there, a stoppage from which Smyrna factory also suffered.“72 Ein Grund dafür war, dass viele persische Armenier nach Indien, ins Osmanische Reich und nach Holland flüchteten; Artemij Lazarev berichtete der Zarin Elisabeth im Jahre 1760: „Jetzt flüchten wegen der großen Wirren in Persien viele unserer Nation und der bekannten Familien der Julfer Kompanie von hier ins indische und türkische Gebiet.“73 Neben Armeniern traten aber auch andere Nationalitäten im Seidenhandel auf. Jedoch beschäftigten sich nur wenige russische Kaufleute mit dem Transithandel. 1626 – 1627 verkaufte der Novgoroder Kaufmann Bogdan Šorin acht Pud Rohseide für rund 1.300 Rubel in Stockholm und 1650 veräußerten Petr Mikljaev und Konstantin Rodionov für den Zar 600 Pud in Schweden und Deutschland. An der Operation war auch der damals führende Großkaufmann Vasilij Šorin beteiligt. In den 1670er Jahren zeigt das Zollregister von Stockholm, dass einzelne russische Kaufleute in Schweden geringe Mengen Rohseide veräußerten.74 Schließlich waren auch Inder, Griechen, Perser sowie Niederländer am Zwischen­handel beteiligt.75

70 Sartor (wie Anm. *), 173. 71 Hasselquist, Frederik: Voyages and Travels in the Levant (1749 – 52). London 1766, 399 – 400. 72 Hanway, John: An Historical Account of British Trade over the Caspian Sea. Bd. 1. London 1753, 50, 102, 107. 73 Armjano-russkie otnošenija vo vtorom tridcatiletii XVIII veka (wie Anm. 20), 337. 74 Russko-švedskie ėkonomičeskie otnošenija v XVII veke. Sbornik dokumentov [Russisch-schwedische Wirtschaftsbeziehungen im 17. Jahrhundert. Dokumentensammlung]. Hg. v. Michail Porfir’evič Vjatkin. Moskva 1960, 28, 88. – Baron, S.: Vasilii Shorin: Seventeenth-Century Russian Merchant Extraordinary. In: Canadian-American Slavic Studies 4 (1972), 503 – 548, hier 524. – Kurc, B. G.: Sočinenie Kil’burgera o russkoj torgovle v carstvovanii Alekseja Michajloviča [Die Zusammenstellung Kil’burgers über den russischen Handel zur Zeit der Herrschaft von Aleksej Michajlovič]. Sbornik studenčeskogo istoriko-ėtnografičeskago kružka pri Imperatorskom Universitete Sv. Vladimira. Hg. v. Mitrofan Viktorovič Dovnar’-Zapol’skij. Bd. 6. Kiev 1915, 281. – Armjano-russkie otnošenija v XVII v. (wie Anm. 36), 151 – 152, 164. – Akty istoričeskie, sobrannye i izdannye archiologičeskoj kommissiej. Dopolnenija k aktam istoričeskim [Historische Akten, gesammelt und herausgegeben von der Archäologischen Kommission. Ergänzungen zu den historischen Akten]. Bd. 10. St. Peterburg 1867, 196. – Riksarkivet Stockholm: Handel och sjöfart, vol. 19. 75 Kukanova, Očerki po istorii russko-iranskich torgovych otnošenij (wie Anm. 1), 101.

Der armenische Rohseidenhandel im 17. und 18. Jahrhundert

269

Die Ziele des Transithandels Das Hauptziel der exportierten Rohseide waren die Niederlande. Im 17. Jahrhundert wurden wahrscheinlich mindestens 90 % aller Rohseide dorthin transportiert.76 Der Rest wurde nach Deutschland, Schweden und Dänemark transportiert. Schweden war Transitland des Handels, weshalb gewisse Mengen im Land blieben.77 Nach Deutschland wurden zeitweise beträchtliche Mengen importiert: So wurden 1690 – 1699 in Lübeck fast 3.000 Pud registriert. Die Rohseide kam fast vollständig über Narva. Armenier verkauften sie an Lübecker Kaufleute wie B. Bruer, H. Süveneck und andere. Möglicherweise reisten die Armenier in diesem Fall nicht nach Amsterdam, da die Fahrt über die Nordsee durch den Krieg zwischen Frankreich und den Niederlanden (1688 – 1697) gefährlich war. Bei der 1690 nach Lübeck gelangten Rohseide handelt es sich um einen Teil der am 4. Januar 1690 in Moskau aus Astrachan’ herangeführten Partie (853 von 1.305 Pud), an der Jakov Grigor’ev und die Davydovs Anteile hatten. Die Ware ging am 11. April in Novgorod über die schwedische Grenze, gelangte nach Narva und erreichte im Dezember des Jahres Lübeck.78 Ungewöhnlich und wahrscheinlich auch kriegsbedingt – die Kriege sperrten die Nordsee – waren die insgesamt 306 Pud Seide, die 1703 – 1705 aus Archangel’sk in Hamburg eintrafen.79 Jedoch war Rohseide aus Russland auf den Handelswegen nach Ostmitteleuropa weder in Smolensk noch in Polen noch in den deutschen Handelsstädten Leipzig oder Frankfurt zu finden. Zu den Finanzierungen von Handelsgeschäften in Russland oder gar zu internationalen Kreditgeschäften des 17. Jahrhunderts sind kaum Quellen vorhanden. Erst für das 18. Jahrhundert finden sich mehr Zeugnisse. Wie international üblich 80 finanzierten auch kapitalkräftige Kaufleute ihre Geschäfte meistens über kurz- oder langfristige Kredite. In Astrachan’ liehen sie es sich meistens bei Indern, die sich das Kreditgeschäft als Hauptbetätigungsfeld erschlossen hatten. So liehen sich auch die Armenier Arslan und Aleksandr Alekseev im Jahre 1726 für Handelsgeschäfte in Amsterdam von den Indern für zwei bis drei Jahre 12.500 Rubel, eine Summe, die für den Kauf von über 200 Pud Rohseide ausreichte.81 76 Tabeller over Skibsfart og Varetransport gennen fresund 1661 – 1783 og gennem Storebælt 1701 – 1748. Hg. v. N. E. Bang und K. Korst. Bd. 1 – 4. Kopenhagen 1930 – 1953, hier Bd. 2, 677, 696. 77 Corin, Carl-Frederik: Självstyre och kunglig maktpolitik inom Stockholms stadsförvaltning 1668 – 1697. Stockholm 1958, 356. – Tabeller over Skibsfart og Varetransport (wie Anm. 77), 2.2.1. 78 AHL: Kontorgeldrechnungen der Novgorodfahrer 1671 – 1728: H. 53a–63a. 79 Baasch, Ernst: Zur Statistik des Ein- und Ausfuhrhandels Hamburgs Anfang des 18. Jahrhunderts. In: Hansische Geschichtsblätter 4 (1929), 112. 80 Markets and Merchants of the Late Seventeenth Century. The Marescoe-David Letters. Hg. v. H. ­Rosevaree. Oxford 1987 (Records of Social and Economic History, New Series, XII), zahlreiche Beispiele. 81 Russko-indijskie otnošenija v XVIII v. Sbornik dokumentov [Russisch-indische Beziehungen im 18. Jahrhundert. Quellensammlung]. Hg. v. N. M. Gol’dberg u. a. Moskva 1965, 65 – 67, 69 f., 95 – 97, 118  f., 134  f., 155 – 157, 268  f., 274 – 278, 292 – 299, 304 – 311, 313 – 326, 345 – 356.  – Ananjan,

270

Wolfgang Sartor

Anzunehmen ist auch, dass die Armenier bei ihren niederländischen und deutschen Partnern Warenkredit erhielten, da dies allgemeine Praxis war.82

Der Binnenhandel und die innerrussische Seidenverarbeitung Nur ein geringer Teil der Rohseide blieb in Russland; deren Menge stieg aber allmählich an. Waren es bis Ende des 17. Jahrhunderts lediglich über 400 Pud jährlich, so registrierte der russische Zoll in den 1720er Jahren schon über 1.000 Pud, die im Land blieben. Somit wurde Rohseide auch im Land konsumiert und nicht nur nach Westeuropa weiterexportiert. Konsumenten in Russland gab es im 17. Jahrhundert allerdings nur in der Oberschicht. Kleingewerbliches Handwerk und Manufakturen, die Seide herstellten, existierten bis in die 1720er Jahre hinein nur in geringer Anzahl. Die Zaren bemühten sich schon im 17. Jahrhundert um den Aufbau einer Seidenindustrie. In den 1620er Jahren wurde der Brokathof im Moskauer Kreml gegründet.83 Weitere Brokathöfe gründeten um 1630 der Holländer Kaspar Lehermit und 1652 der Engländer John Hebdon, der bereits in Amsterdam und Archangel’sk mit Rohseide handelte.84 Die Spuren der Brokathöfe verlieren sich dann wieder bis 1681, als der Armenier Zachar Paulsen den „Neuen Brokathof ” gründete und ungefähr 3.000 Arsin Seide produzierte.85 Die Seidengewebe wurden entweder an den Zaren, der sie als Geschenke für höhere Würdenträger verwandte, an höhere Adelige oder an russische Kaufleute verkauft.

82 83 84

85

Žores A./Chačaturjan, V. A.: Rol’ kredita v dejatel’nosti armjanskogo kupečestva v Rossii (XVII –XVIII vv.) [Die Rolle des Kredits in der Tätigkeit der armenischen Kaufmannschaft in Russland, 17. bis 18. Jahrhundert]. In: Istoriko-filologičeskij žurnal Akademii Nauk Armjanskoj SSR 113/2 (1986), 150 – 167, hier 157 – 159. – Pol’noe sobranie zakonov Rossijskoj Imperij [Vollständige Gesetzessammlung des Russländischen Reiches]. St. Peterburg 1830, T.  1.12, Nr. 9.404, 701 – 703. Zacharov (wie Anm. 1), Kapitel 5. Der Zeitpunkt ist nicht genau bekannt: Zabelin, Ivan Egorovič: Istorija goroda Moskvy [Geschichte der Stadt Moskau]. Moskva 1905, 628. – Amburger, Erik: Die Familie Marselis. Gießen 1957, 198. Er spricht vom Jahr 1632 als Beginn der Inbetriebnahme. Zaozerskaja, Elizaveta Ivanovna: U istokov krupnogo kapitala v russkoj promyšlennosti XVI–XVII vekov [An den Ursprüngen des großen Kapitals in der russischen Industrie vom 16. bis zum 17. Jahrhundert]. Moskva 1970, 442. – Zabelin (wie Anm. 84), 628. – Amburger, Erik: Die Anwerbung ausländischer Fachkräfte für die Wirtschaft Russlands vom 15. bis ins 19. Jahrhundert. Wiesbaden 1968 (Osteuropa-Studien des Landes Hessen Reihe 1, Bd. 42), 13 – 17. Dopolnenija k aktam istoričeskim (wie Anm. 75), 180, 192 – 194: Zachar Pavlov bezeichnet sich auch als Arnaut Paulssen.

271

Der armenische Rohseidenhandel im 17. und 18. Jahrhundert

Tabelle 7: Nationalitäten im Binnenhandel mit Rohseide 1681 – 174786 Kaufleute

Anzahl

Russen

% 842

Rohseide (Pud) 59,9

%

9.416

56,7

Armenier

277

19,7

3.911

23,4

Inder

199

14,2

2.815

16,9

68

4,8

297

1,8

Tataren Sonstige Insgesamt

20

1,4

202

1,2

1.406

100,0

16.641

100,0

Armenier betätigten sich am Binnenhandel mit Rohseide – dessen Umfang erheblich geringere Ausmaße als der Transithandel hatte – deutlich weniger. Russische Kaufleute überwogen in diesem Bereich eindeutig. Bei den Handelsoperationen mit rund 6.500 Pud verzeichneter Rohseide, die von 1676 – 1685 und 1694 getätigt wurden, waren russische Unternehmer führend; der Rest entfiel auf Armenier und auf indische Kaufleute. Anfang des 18. Jahrhunderts änderte sich das Bild jedoch etwas. Bei den 1.700 Pud Rohseide, die im Jahre 1728 registriert wurden, stellten die Russen zwar mit 48 % noch die Mehrheit, die Armenier erreichten aber 45 %. Armenier nahmen jetzt zunehmend auch am Binnenhandel teil.87 Es zeigt sich aber auch im innerrussischen Handel, dass das Kapitalvermögen der Ausländer gegenüber den russischen Kaufleuten größer war. Armenier handelten mit durchschnittlich 14, russische mit 11 Pud, ein Unterschied, der allerdings nicht so eindeutig war wie beim Transithandel, bei dem die Anteile der Ausländer am Volumen und an den einzelnen Handelspartien erheblich größer waren. Tabelle 8: Kaufkraft der Nationalitäten im Binnenhandel 1681 – 174788 Kaufleute

1689

1694

1726

1737

1747

Armenier

40,0

66,7

16,5

11,5

7,7

Inder

88,3

9,0

18,4

8,3

13,4

Russen

16,5

22,6

5

6,1

13,1

Tataren

10,4

6,3

0,3

6

2,7

Sonstige

10,0

1,6

0,2

7,6

13,6

86 Quelle: SPBF IRI, F. 178; Knigi Moskovskoj Bol’šoj Tamožni 1694, RGADA, F. 1361; GAAO, F. 394 und F. 681. 87 Archiv SPBF IRI, F. 178, op. 1, ec. 5 170 – 13 792. – RGADA, F. 100; GAAO, F. 394 und 681. – Tamožennye knigi Moskovskogo gosudarstva [Die Zollbücher des Moskauer Reiches]. Hg. v.: Aleksej Ivanovič Jakovlev. Bd. 1 – 3. Moskva 1950 – 1951, Register. In Nordrussland wurden in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts 141 Operationen mit 124,7 Pud Rohseide registriert. 88 Quelle: SPBF IRI, F. 178; Knigi Moskovskoj Bol’soj Tamožni 1694, RGADA, F. 1361; GAAO, F. 394 und F. 681.

272

Wolfgang Sartor

Ein Vergleich des Kapitalaufwands ergibt folgendes Bild: Für den Transit von 120 Pud Rohseide mussten ca. 6.500 Rubel aufgewendet werden, während im Binnenhandel nur die Summe von 600 Rubel vorzufinanzieren war. Insgesamt traten über 800 russische Kaufleute im Binnenhandel auf, wobei einige auch nur Beauftragte (Prikaščiki) der Armenier sein konnten. Bedeutend war die Tätigkeit der jüdischen Unternehmerdynastie Evrejnov.89 Die indischen Kaufleuten stellten mit einem Anteil von 17 % des Handelsvolumens an Rohseide die drittstärkste ethnische Gruppe, sie waren aber gemessen an der Kaufkraft mit über 14 Pud pro Kopf zusammen mit den Armeniern die Vermögendsten,90 wobei Armenier im Binnenhandel weniger Vermögen besaßen als im Transithandel. Tabelle 9: Durchschnittliche Kaufkraft der Seidenhändler im Transit- und Binnenhandel 91 Kaufleute

Transithandel

Armenier

Binnenhandel 128

14

Briten

82



Russen

69

11



14

120

12

Inder Insgesamt

Die armenische Beteiligung am weniger einträglichen Binnenhandel war also geringer als am Transithandel; meistens handelte es sich bei den armenischen Binnenkaufleuten um kleinere Unternehmer.

Gewinne Die Gewinnspannen im Rohseidenhandel betrugen Anfang des 17. Jahrhunderts, als der Bedarf sehr groß war, manchmal bis zu 300 %, im 18. Jahrhundert fielen sie dann unter 100 %.92 89 Aksenov, Aleksandr Ivanovič: Genealogija moskovskogo kupečestva XVIII v. Iz istorii formirovanija russkoj buržuazii [Genealogie der Moskauer Kaufmannschaft. Aus der Geschichte der Bildung der Moskauer Bourgeoisie]. Moskva 1988, 52. In Archangel’sk betrug das Handelsvolumen der Evrejnovs im Jahr 1710 fast 200.000 Rubel. 90 Russko-indijskie otnošenija v XVII veke. Sbornik dokumentov [Russisch-indische Beziehungen im 17. Jahrhundert. Dokumentensammlung]. Hg. v. T. D. Lavrencova. Moskva 1958,11, 14 bzw. Nr. 225: 312 – 319, 321 – 329. 91 Quelle: siehe Tabelle 1. 92 Sahwelon ordi Sarhardi Haswemat ane orpes Haj-rousakan tntesakan kaperi skzbnan our [Das Handelstagebuch von Sarata, Sohn von Sachveli, als Quelle der armenisch-russischen Wirtschaftsbeziehungen]. In: Istoriko-filologičeskij žurnal Akademii Nauk Armjanskoj SSR 81 (1978), 2.

Der armenische Rohseidenhandel im 17. und 18. Jahrhundert

273

Ein großes Risiko für den Kaufmann im Fernhandel stellten ­Wechselkursschwankungen dar. Große Schwankungen konnten den Gewinn beträchtlich steigern oder auch schmälern, waren aber im 17. Jahrhundert weniger dramatisch als im 19. Jahrhundert. Die Preise für Rohseide in Persien sind nur mit wenigen Beispielen belegt. Armenische und russische Kaufleute zahlten in Persien je nach Qualität der Ware zwischen 15 und 50 Rubel pro Pud.93 Bei den 15 Rubel je Pud, die der armenische Kaufmann Sarata 1712 in seinem Tagebuch als Einkaufspreis für Seide aufführte, handelte es sich wahrscheinlich um einen Kauf von zweitklassiger Rohseide. Er erwarb im Jahre 1712 in Persien 945 Pud Rohseide für fast 15.000 Rubel, und nachdem er sie im üblichen Transit durch Russland geführt hatte, verkaufte er davon schließlich 171 Pud zu fast 26.000 Gulden in den Niederlanden – eine Summe, die nach dem dortigen Wechselkurs rund 7.900 Rubel entsprach. Er erhielt somit 46 Rubel für das Pud. Damit machte er nach Abzug der Unkosten mit rund 12 Rubel für Zölle, Transportkosten und übrige Betriebskosten einen Gewinn von 34 Rubel, das heißt schätzungsweise 120 %.94 Diese Gewinne erreichten fast die immensen Gewinnspannen, die die niederländischen und englischen Ostindien- und Levantekompanien erzielten.95 Hingegen lagen die Gewinne im innerrussischen Handel mit nur 50 % deutlich niedriger. Kilburger berichtet, dass der Zar in Persien Rohseide unter Einbeziehung aller Unkosten für 30 Rubel kaufte und sie in Russland für 45 Rubel verkaufte.96 Russische Kaufleute erzielten anscheinend größere Gewinnspannen, wenn sie die Rohseide in kleinen Mengen verkauften.97

93 Für die Verhältnisse in Persien: Ferrier, Ronald: Trade from the Mid-14th Century to the End of the Safavid Period. In: Cambridge History of Iran 6. Hg. v. P. Jackson und L. Lockhart. Cambridge 1986, 412 – 490. 94 Chačikjan, Šušanik: Šahvelow ordi Sarhardi hašvematjanƏ orpes haj-řowsakan tntesakan kaperi skzbnałbjowr. [Das Journal von Sarhad, dem Sohn des Schahvel, als eine Quelle der armenischrussischen wirtschaftlichen Beziehungen.]. In: Istoriko-filologičeskij žurnal 2 (1978), 93 – 108, hier 100 – 106.  – Lodyženskij, Konstantin Nikolaevič: Istorija russkogo tamožennogo tarifa [Die Geschichte des russischen Zolltarifs]. St. Peterburg 1886. – Armjano-russkie otnošenija v XVII v. (wie Anm. 36), Nr. 10, 44 – 64. – Bemerkenswert Lukas Vanandec’i mit seinem Handelslexikon „Der Schatz der Maße, Gewichte, Zahlen und Gelder der ganzen Welt“ bei Kévonian, K.: Marchands arméniens au XVIIe siècle. A propos d’un livre arménien publié à Amsterdam en 1699. In: Cahiers du monde russe et soviétique 16 (1975), 199 – 244, hier 205 – 206. 95 Meilink-Roelofsz, Marie Antoinette Petronella: Asian Trade and European Influence in the Indonesian Archipelago between 1500 and about 1630. Gravenhage 1962, 43. – 1626 wurde in Persien für 3,81 Gulden eingekauft und in Amsterdam für 15,9 Gulden verkauft. Ebd., 79, 98 f. Foran berichtet 1619 von Gewinnspannen von 40 – 80 % und sogar von über 266 % von niederländischen sowie von 46 % und bis zu 127 % von englischen Kaufleuten. Foran, J.: The Making of an External Arena: Iran’s Place in the World System, 1500 – 1722. In: Review Fernand Braudel Center 12 (1989), 71 – 119. 96 Kilburger (wie Anm. 45), 311 – 312. 97 Tamožennye knigi (wie Anm. 88). Bd. 2, 261, 298, 339 und Bd. 3, 10 – 12, 292. – Kafengauz, V.: Očerki vnutrennego rynka Rossii pervoj poloviny XVIII veka (po materialam vnutrennych tamožen) [Grundrisse des russischen Binnenmarkts in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (nach den Materialien der inneren Zollbehörden)]. Moskva 1958, 219.

274

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Die relativ großen Preisunterschiede, auch bei Berücksichtigung der Transportkosten in Russland, zeigen, dass noch kein einheitlicher Binnenmarkt mit einem relativ einheitlichen Preisniveau existierte.

Die Kaspi-Wolga-Route. Ein Alternativhandelsweg für persische Rohseide Die Kaspi-Wolga-Route wurde zu einem alternativen Handelsweg für persische Rohseide, der in besonderen Fällen stärker frequentiert wurde. Da aber exakte Vergleichszahlen nicht verfügbar sind, kann nur aus einigen bekannten Zahlen auf die allgemeinen Verhältnisse geschlossen werden. So bemerkte die Armenische Handelskompanie, dass im 17. Jahrhundert jährlich 48.000 Pud über die Levante exportiert wurden, während der Export durch Russland mit 4.000 Pud knapp 10 % des gesamten persischen Seidenexportes ausmachte. Daraus kann man schließen, dass das Ziel, den gesamten persischen Rohseidenexport über diese Alternativroute umzuleiten, nicht erreicht wurde. Da aber dennoch ein ständiger Warenverkehr eingerichtet werden konnte, kann man durchaus von einem Alternativhandelsweg sprechen. Ein kräftiger Aufschwung fand dann Mitte des 18. Jahrhunderts statt, der aber schon Ende des Jahrhunderts abfiel, was letztlich durch den Zerfall der persischen Seidenkolonien bedingt war. Bemerkenswert ist die im 18. Jahrhundert entstandene russische seidenverarbeitende Industrie, die den Handel begleitete und zeigt, dass der Transithandel auch Auswirkungen auf die russische Binnenwirtschaft hatte. Die Armenier hatten ebenso großen Anteil an deren Aufbau. Faktisch wirksam wurde der Handel nur durch die Tätigkeit der armenischen, holländischen und später der englischen Unternehmer. Die Rahmenbedingungen für den Handel konnten natürlich nur von den an ihm interessierten Ländern geschaffen werden. Die Tatsache, dass der Vertrag zwischen dem Zaren und der Armenischen Handelskompanie als einer nicht-staatlichen Gesellschaft geschlossen wurde, verweist auf das Verständnis der Beteiligten, insbesondere auch der russischen Verantwortlichen, dass die Ausführung eines solchen Projektes nur von erfahrenen Kaufleuten bewerkstelligt werden konnte. Die dennoch nur zögerlichen Handelsaktivitäten der Armenischen Handelskompanie hingen vorrangig mit grundsätzlichen geschäftlichen Überlegungen zusammen. Die russische Route war im Gegensatz zur traditionellen anatolischen Verbindung neu. Auf dieser neuen Route traten aber schnell kleinere, doch lästige bürokratische Probleme auf. Dazu kamen klimatische Probleme wie das Gefrieren der Meere im östlichen Europa sowie die unberechenbare Opposition bzw. Konkurrenz russischer Kaufleute. Zudem waren die Veränderungen in den Verträgen von 1673 und 1676 im Vergleich zum ersten Vertrag von 1667 für die Armenische Handelskompanie ungünstig. Dennoch entwickelte sich nach anfänglichen Schwierigkeiten ein regulärer Handel auf der Wolga-Kaspi-Route. Andererseits spielte bei den Verträgen das Bestreben der Armenier aus Julfa – bzw. der Armenischen Handelskompanie –, sich aus Persien allmählich zurückzuziehen und sich in Russland anzusiedeln, eine große Rolle. Die zunehmenden inneren Probleme in Persien führten dort zu einer stärkeren steuerlichen

Der armenische Rohseidenhandel im 17. und 18. Jahrhundert

275

Belastung der Armenier, zum Rückgang ihrer Privilegien und auch zu Einschränkungen der religiösen Freiheit, was viele besonders wohlhabende Kaufleute zur Auswanderung bewog. Russland bot sich mit seinen Vorschlägen als Immigrationsland an. Es zeigt sich, dass durch den Handel mit Rohseide in gewissen Grenzen eine stärkere Integration Russlands in das Welthandelssystem stattfand. Die Beeinflussung der Preise durch zentrale Märkte und Konjunkturen in Westeuropa, die wachsende Einbeziehung in das westeuropäische Finanzsystem durch Wechselbeziehungen zwischen Amsterdam, Moskau und Astrachan’ und die – wenn auch bescheidene – Entwicklung des seidenverarbeitenden Gewerbes in Russland weisen darauf hin. Eine große Rolle dabei spielten die Armenier, die in einem eigenen internationalen Handelssystem organisiert waren. Ihre Anzahl in Russland – vor allem in Astrachan’ und in Moskau – hatte mit dem Rohseidentransithandel seit den Verträgen von 1667 und 1673 deutlich zugenommen. Das Moskauer Lazarev-Institut entstand auch durch die Wohltätigkeit armenischer Großkaufleute. Die Entwicklung der armenischen Diaspora in St. Petersburg, die nach 1710 entstanden war, beruhte zudem auf Seidenhändlern wie Luki Širvanov. Der persische Seidenhandel geriet seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in eine Krise, seine Erträge gingen zurück. Anfang des 19. Jahrhunderts schließlich verschwand die Seidenproduktion in Gilan und Mazanderan wegen einer Epidemie der Seidenraupen vollständig. Bemerkenswerterweise ging dieser Prozess mit dem Rückgang der armenischen Choja einher. Sie waren bereits Anfang des 18. Jahrhunderts in Indien unter Druck geraten. Auch in Russland ging ihre unternehmerische Tätigkeit stark zurück, viele lebten als ­Rentiers. Erst mit dem Erdölboom im Kaukasus Ende des 19. Jahrhunderts traten armenische Großunternehmer wieder in Erscheinung.

Sándor Őze

Inside and Outside the Gates of Alexander I. Various Meanings of a Topos among the Armenian and Hungarian Inhabitants of Early Modern Hungary Connections between the Armenian and Hungarian people can be traced back thousands of years; in this paper I will focus on the early modern period, and specifically on which spiritual connections the Armenian immigrants coming from Moldavia in the second half of the 17th century could find in a Hungary that was split into three differently functioning parts. First of all, there was the phenomenon that can be called frontier mentality. If one visits Garni in Armenia, one finds a steep river valley dividing the landscape, on the cliff edge of which the residence of the Armenian kings once stood. Behind its ruins is the sun temple, built according to antique architectural orders in Emperor Nero’s time. The Corinthian capitals carved out of hard basalt declare even today the victory of the ­antique Greek world over Asia; the ornamentation around the tympanum, however, reflects eastern influences. In the square in front of the palace a victory inscription can be found, several thousand years old, in which the river is referred to as the frontier of the Urartian civilization, which existed in this area before the arrival of the Armenians. The river also served as the boundary between the Persian and Byzantine Empires in early medieval times. Afterwards, Armenia itself, divided between the reviving Seljuk and Persian Empires, became a bloody buffer zone. The Ottoman Sultanate had two buffer zones consisting of land: the Danubian-Hungarian and the Caucasian-Armenian, of which the latter was the bloodier one, as it provided a connection into Shia Persia. Hans Dernschwam wrote the following in 1553:1 The Armenians, like the Hungarians, lived in two states on the frontier of two great empires. As a result, there existed two Armenian territories that had slightly different cultures but shared the same language and the same roots, as it was also the case in Hungary between 1541 and 1699, which was split into three parts between the Habsburg Empire, Poland and the Ottoman Sultanate.

1 Babinger, Franz: Hans Dernschwams Leben und Wirken (1494 – 1568). In: Hans Dernschwams Tagebuch einer Reise nach Konstantinopel und Kleinasien (1553 – 1555). Ed. by Franz Babinger. München-Leipzig 1923 (Studien zur Fugger-Geschichte 7), XIV–XXVI; Dernschwam, Hans: Erdély – Besztercebánya – törökországi útinapló [A Journal of Travels in Transylvania, Besztercebánya, and Turkey]. Ed. by Lajos Tardy. Budapest. 1984, 252 – 254.

Inside and Outside the Gates of Alexander I.

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The Danube and the frontier mentality The Hungarian Kingdom was a frontier country. In the western frontier zone of the Ottoman Empire culture, identity and psychological reflexes had taken a very similar form to those of the Persian, Byzantine, and later Ottoman buffer zone, where the Armenian people were present. Both eastern and western structures were merged together in the lives of the peoples living in these areas, setting them apart in their mentality and cultural identity up until today; thereby a strong feeling of national coherence was burned into their minds. The central space-organising element of 16th century Hungary was the castle system, consisting of some 5000 smaller or larger forts, 1000 km long and in some sections 100 km wide. The Hungarian defence line meant an unstable and ever-changing frontier for Europe 2 and evoked the image of the Caucasian gate from the legend of Gog and Magog. Alexander the Great is said to have built the legendary gate in order to exclude the northern nomadic peoples whose aim was to ruin the civilised world, but who, according to belief, would break down the gate and bring the Last Day of Judgement, the Apocalypse. They were first identified as being the Huns, then in the Middle Ages the country of the Tatars was thought to be behind the wall, supposedly led by Prester John, who also possessed the Holy Grail. From the 15th century on, the Ottomans became the people of the Apocalypse in the eyes of the Europeans. The Hungarians of the 15th–16th century shared the same belief, but for them the earth was turned round, as they expected the destruction, the final attack by the people of Gog and Magog, to come from the south. The centre of the space was the gate, the imaginary line dividing the inside from the outside, the bulwark of Christendom and the civilised world. The focal point of the latter, the sacred space, was the fort, the lines of border castles surrounded by the plains, or the frontier zone. This was thought to exist in an apocalyptic time and, as a point of reference, to determine every living moment of its inhabitants. The frontier gradually pressed northwards. While it ran along the Lower Danube and Sava rivers in the 15th century, by 1543 the Ottoman conquest reached the Danube Bend and threatened Vienna. The country was split into three parts. What name can we give to this divided and occupied territory? Both its neighbouring empires, as well as its inhabitants, called it Hungary. Moreover the previous Hungarian laws survived, even in territories where the Hungarian administrative institutions had been forced to flee and which were now under Ottoman rule. But part of the territory belonged to the Ottoman Empire, which stationed its considerable military force, consisting of some forty thousand people, on this stretch of frontier. This meant that, together with reinforcements in Bosnia and troops in 2 Pálffy, Géza: A Magyar Királyság és a Habsburg Monarchia a 16. században [The Kingdom of Hungary and the Habsburg Monarchy in the 16th Century]. Budapest 2010; Őze, Sándor: A határ és a határtalan. Identitáselemek vizsgálata a 16. századi magyar határvidék társadalmánál [The Boundary and the Boundless. Analysis of Identity Elements in the Society of 16th Century Hungarian Frontier Areas]. Budapest 2006.

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Sándor Őze

the base depots on the Lower Danube, a significant portion of the Ottoman land forces were disposed in this area.3 And although its population was made up of Balkan and Turkish elements, it was this frontier position that prevented it from becoming a typical Ottoman province in a cultural sense. As part of the Habsburg Empire, it had become an outer border fortress zone of the Holy Roman Empire by the time of Rudolf II.4 Despite its reluctance, the Hungarian nobility was obliged to relinquish key features that had signified the sovereignty of the country, e. g. financial supervision, military direction and foreign relations. The Habsburg countries, financing certain castle districts and the area defence of the chief captaincies, demanded a voice and a leading role in these areas to some extent: economic allowance, influence on assignments, etc. However, in the course of repeated compromises, the Vienna court had come to consider Hungarian interests. Otherwise a destabilisation of the area may have followed, which would have been more disadvantageous than favourable for the Austrian hereditary provinces. Thus, based on the status quo, the military border zone witnessed constant changes.5 The third territory connected to this area was Transylvania, the principality situated between two great powers and often falling under Polish influence, evolving from a former eastern Hungarian kingdom. It conveyed the culture of the great eastern Slavic-Tatar areas ranging from Persia, in no small measure owing to Armenian, as well as Turkish-Balkan, Italian and German influences.6 The border served both to divide and to connect. The frontier zones of empires, both the Caucasus and the Carpathian Basin, provided a background for psychological isolation as well as cultural exchange.7 This was the reason why the Armenians who settled in Hungary did not have trouble finding their feet and were soon able to become integrated into the Hungarian social-cultural environment.

3 Hegyi, Klára: A török hódoltság várai és várkatonasága [Castles and Castle Soldiers in Ottoman Hungary]. Budapest 2007. 4 Wittek, Paul: Das Fürstentum Mentesche. Istanbul 1934. Cited by Vajda, László: Paul Witteks Konzeption vom Grenzkriegertum. In: Der Pfahl 7 (1993), 268 – 270. 5 Pálffy, Géza: A császárváros védelmében. A győri kapitányság története. 1526 – 1598 [In Defense of the Imperial City. A History of the Győr Captaincy 1526 – 1598]. Győr 1999; Lanzinner, ­Maximilian: Friedenssicherung und politische Einheit des Reiches unter Kaiser Maximilian II. (1564 – 1576). Göttingen 1993 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 45). 6 Roth, Erich: Die Reformation in Siebenbürgen. Graz 1962; Köpeczi Béla: Erdély története [The History of Transylvania]. Budapest 1988; Fata, Marta: Ungarn, das Reich der Stephanskrone, im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Multiethnizität, Land und Konfession 1500 – 1700. Münster 2000. 7 Kovács, Bálint: Az erdélyi örmények interregionális kulturális kapcsolatai a 17 – 18. században. [The Interregional Cultural Relations of the Armenians in Transylvania] In: Örmény diaszpóra a Kárpátmedencében II. Ed. by Sándor Őze and Bálint Kovács. Piliscsba 2008, 30 – 46.

Inside and Outside the Gates of Alexander I.

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The Hungarian people still speaks a Finno-Ugric language on a Slavic–German–Turkic language border, and has preserved its Western Christian identity on an Eastern Orthodox–­ Muslim religious boundary. Historic Hungary was the furthest eastern territory to be ­reached by such typical European phenomena as Gothic art or the Reformation. Its u­ nique material and spiritual culture was formed by the amalgamation of eastern and western impacts, although its inhabitants always regarded themselves as part of western civilisation, even if the idea of their eastern origin was vividly alive. From the beginning, devastating attacks on Hungarians by non-Christian Turkish ethnic peoples were expected from the east and southeast. Here, the origin of the expression “bulwark of Christendom” can be traced, which in time was used by Hungarians for themselves and by Europe to apply to Hungarians. For example, the Roman Curia referred to Hungarians in this way from the 15th century onwards. Thus, the defence line of Europe was transferred from the Caucasus to the Carpathians, facing south and east rather than north. Consequently, the inhabitants of this area, like the Armenians before them, identified themselves with the term “bulwark of Christendom” and had a strong sense of vocation up until the 20th century. Until the 18th century the population of Europe regarded them in a similar way.8 The origin of the topos is the book of Ezekiel, in which the prophet writes about Gog and Magog invading the “unwalled villages”, attacking those “that are at quiet, that dwell securely” and “all of them dwelling without walls, and having neither bars nor gates” (Ezek 38:11). This biblical text is the foundation of the medieval “bulwark or gate of Christendom” legend. The Gog and Magog myth then returns in the Apocalypse of John, referring to the apocalyptic people fighting the last battle of doomsday. In Hungary, people soon realised that wars in the Christian–Muslim buffer zones dif­ fered significantly from those of the dynastic struggles in the western parts of Europe. Fights in these zones, owing to their ideological nature, had more devastating consequences for the civil population. However, at the same time these zones functioned as contact areas to some extent, allowing cultural exchange to take place. Campaigns in the 15th century used medieval arguments, but a new ideology was already emerging. Since the great Muslim penetration of the 7th century, two alternate interpretations of Christianity existed, both of them incorporating a certain attitude towards the new phenomenon. On the one hand, there was the intention to evangelize non-Christian peoples, a mission that had strengthened the expansion of Christian Europe. On the other

8 Terbe, Lajos: Egy európai szállóige életrajza. Magyarország a kereszténység védőbástyája [Biography of a European Phrase. Hungary as the Bulwark of Christendom]. Egyetemes Philológiai Közlöny 1936, 309 – 311; Őze, Sándor/Spannenberger, Norbert: „Hungaria vulgo apellatur propugnaculum Christianitatis“. Zur politischen Instrumentalisierung einer Selbstlegitimierung. In: Beruf und Berufung. Geschichtswissenschaft und Nationsbildung in Ostmittel- und Südosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert. Ed. by Markus Krzoska and Hans-Christian Maner. Münster 2005 (Studien zur Geschichte, Kultur und Gesellschaft Südosteuropas 4), 19 – 39.

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hand, an apocalyptic model, built on the basis of Apocalypse described in the Old Testament Books of Ezekiel and Daniel, and especially in the Book of Revelation in the New Testament, tried to identify a new enemy with the biblical foe described in it. The main argument of the latter interpretation was that Islam is a heretical sect deviating from Christian teaching and could therefore be defeated only in total armed combat. The Muslims were identified with the doomsday figure of the Antichrist, who, after seducing the world and breaking it by force, sits in the true teacher’s seat (Saint John Damascene). From the beginning, Christian Europe used and upgraded the Jewish Apocalypse to determine its own identity. The Respublica Christiana divided the known world into inner and outer spaces, with Christians being inside and foreign peoples threatening them from the outside, the two domains being separated by a buffer zone. The legend of the wall built in the Caucasus protecting medieval Europe from the peoples of Gog and Magog, first mentioned by Flavius Josephus and also appearing in the romance of Alexander the Great by Pseudo-Callisthenes, was worked into this model. According to the legend, when these peoples break down the wall and are defeated in a final and all-decisive battle, the end of the world will come, time will cease to be, the conflict of the two opposing sides will dissolve and an era of everlasting peace will begin.

The Caucasian Gates The gate was remembered not only in the Christian, but also in the Jewish and Muslim traditions. The Alexander narrative was combined with the biblical Apocalypse in Flavius Josephus’ work in the 1st century 9, when he wrote about the iron gates that excluded nomadic tribes from the gorge. Josephus’ Roman contemporaries considered the Caspian Gates, north of what is Tehran today, and the Dariel gorge in the Caucasus as the Gates of Alexander.10 Herodotus introduced the Scythians, also mentioned by Josephus, into the European cultural history as the archetype of the nomadic peoples living beyond the boundaries of the civilized world. Josephus regarded them as the descendants of Magog 11, but did not describe them as part of the apocalyptic scene, the formation of which is not dated before the 395 – 396 Hun invasions in the literature, anyway. He referred to the Genesis rather than Ezekiel, who first associated Gog and Magog with the end of times.12 Saint

9 Czeglédy, Károly: A szír Nagy Sándor legenda [The Syriac Alexander Legend]. Budapest 1958, 5. 10 Pliny rejects the idea, but informs us that, after the great invasion of the Alans in 72 AD on this route, a Roman reconnaissance campaign was launched, during which remains of forts were found. The description of the buildings corresponds, often verbatim, with Josephus’ text. The forts were also known by Strabo. Ceglédy, A szír Nagy Sándor legenda (cf. n. 9). On this topic, see also Meserve, Margaret: Empires of Islam in Renaissance Historical Thought. Chicago 2008. 11 Ceglédy, A szír Nagy Sándor legenda (cf. n. 9), 5. 12 Ibid., 7 f.

Inside and Outside the Gates of Alexander I.

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Jerome, who had to flee from Bethlehem to escape the Hunnic incursions, knew Josephus’ identification of the Scythians with the people of Magog and also mentioned the Gates of Alexander in relation to the Huns whom, like Herodotus, he regarded as relatives of the Scythians.13 The Huns marching towards the Persian capital fought near the city of Amida. Since 363, the Persian-Roman frontier also stretched across this area, west of Nisibis. North of the above-mentioned cities Armenian territories extended towards the Caucasus and Lake Van. The frontier existed up to the end of the Sassanid era, but then it functioned as the border between the Byzantine Jacobite Syrians and the Nestorians and Armenian Monophysites of the northern Persian areas. Thus, the border region was inhabited by mainly a Syriac and Armenian but also Persian population. The frontier area dividing empires and constantly at war provided a multi-ethnic and multi-confessional environment, and the interaction of these features resulted in an apocalyptic way of thinking. The Gates are placed by the authors north of the headwaters of the Tigris River, beyond Armenian territories. The Hun incursions of 395 and 435 and those of the Sabirs in 515 also affected these areas.14 The original Greek text of the legend used for authentication of the name of Callisthenes of Olynthus, the great nephew of Aristotle and professional historian of Alexander the Great, who died in prison in 328 BC. The novelistic version of the legend was completed 600 years later in the 3rd century.15 The Syriac translation and the Apocrypha were created in the 6th century; certain parts of them are later additions. The legend itself, however, is more important than its Syriac translation in terms of the medieval apocalyptic literature and the steppe peoples, as, based on Ezekiel’s prophesy, it uses the Gog and Magog motif.16 The legend is a typical North-Mesopotamian syncretic creation, in which, as a local element, also the Epic of Gilgamesh appears. Its author or authors lived near the ancient Amida and had vivid memories of the 4th–5th century Hunnic incursions.

13 Ibid., 9. The reference to the Scythian invasion has also been borrowed from Isidore by Rhabanus Maurus and William of Rubruck, and was later also associated with the Hungarians because of their identification with Hunnos or Hunni. 14 Ibid., 10 – 12. In relation to the 435 incursion, the article refers to the Syriac Chronicle Liber Calipharum as well as Isaac of Antioch’s Syriac homily on the Royal City. John of Ephesus, when describing the history of his monastery, relates that the Huns invading from the direction of Armenia and Cappadocia also plundered the vicinity of Amida and prophesies on the Hunnic incursion. According to Czeglédy, this means that the Syriac Alexander legend already existed in the middle of the 6th century, while the Syriac translation of Pseudo-Callisthenes was only completed towards the end of that century and the today available Syriac legend was recorded at the end of the 7th century. 15 Huszti, József: Pier Paolo Vergerio és a magyar humanizmus kezdete [Pier Paolo Vergerio and the Beginnings of Hungarian Humanism]. In: Filológiai Közlöny 4 (1955), 521 – 533; Horváth, János: A reformáció jegyében [In the spirit of the Reformation]. Budapest 1953, 391. The legend was used by Pier Paolo Vergerio, Péter Ilosvai, Gáspár Heltai and János Haller in 16th century Hungary. Ibid., 527. 16 Ceglédy, A szír Nagy Sándor legenda (cf. n. 9), 13.

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According to Károly Czeglédy, for the war he fought with Khosrau II, Emperor ­Heraclius summoned Khazar troops from the north and Arab auxiliaries from the south, and he himself opened the gorges and forts on the northern boundary. Czeglédy is of the opinion that the Khazars thus learning the way returned and launching a multi-annual campaign in 629 they brought the Armenian and Syriac inhabitants of the area to the edge of destruction.17 The legend is aware of the Byzantine-Persian wars, but has no knowledge of the Muslim Arab victory over the Byzantine troops at the battle of Yarmuk and the conquest of Persia in 636. Therefore Czeglédy, in the wake of Kmoskó, dated it between the Khazar incursion of 626 and the Arab invasion of 636.18 The gates mentioned in the legend were later identified with the Gates of Derbend.19 The legend reveals that beyond Armenia in the north, the Caucasus Mountains and the “Stinking Sea”, i. e. most likely the marshes of the Caspian Sea, indicated the borders of the world at that time. When Alexander the Great reached this end of the world, he found Armenians there 20. Anonymus, the historian describing the Hungarian conquest, also borrowed the idea of the Caucasian Gates being the bulwark of the civilized world from the Alexander Romance. A similar notion is present in the letter of the Hungarian king Béla IV’s to Pope Innocent IV after the 1241 – 1242 great Mongol invasion, although here the importance of the Hungarian frontier and the Danube, described as the aqua contradictionis, is emphasized. Similarly to the Syriac legend, the author of the letter refers to Heraclius’ wars with the Persians and uses the bulwark motif likewise.21 The text of the legend reads as follows: [W]hen the aged men, natives of that land had come into his presence, he asked them, […] “How far does this mountain descend in this direction?” They answered him, “This mountain extends without 17 Ibid. 17 – 19. Concerning the Khazar destruction, he quotes the report of the Armenian eyewitness Moses Kałankatvac’i. Both in the Syriac legend and the Armenian narrative, there is reference to the same Jeremiah verse (13:16), which the author of the Syriac text attributes to Alexander the Great. 18 Ibid., 18. His position is not accepted by all scholars. 19 Ibid., 19. Concerning the inscription of the gate, Czeglédy cites an interesting passage from the 8th century Armenian historian Lewond (a. k. a. Ghewond or Ghevond), relating that when the Arabs demolished the fortress in 716, among the ruins they found a large stone with an inscription telling that it was built by Emperor Marcian and in later times will be demolished by the sons of Ishmael, but they will rebuild it once again through their own treasury funds. Khazars and Arabs fought heavy battles near Derbend and the Arabs rebuilt the northern fortress several times. 20 The following quotation and the accompanying analysis are taken from Mihály Kmoskó’s collection: Kmoskó, Mihály: Szír írók a Steppei népekről [Syriac Sources on the Steppe Peoples]. Ed. by Szabolcs Felfödi. Budapest 2004. 21 Marczali, Henrik: A magyar történet középkori kútfői az Árpádok korában [Medieval Sources of Hungarian History in the Árpád Era]. Budapest 1880, 161 – 166; Kardos, Tibor: A magyarság antik hagyományai [The Antique Traditions of the Hungarians]. Budapest 1942, 17 f.; Kardos, Tibor: Középkori kultúra, középkori költészet [Medieval Culture, Medieval Poetry]. Budapest 1941, 94 f.

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a break, passing by the sea […], and goes on and comes to an end in outer Persia near India; and from this road and upwards the mountain goes to a great river on this side of the sea. And there are narrow paths there which a man is unable to pass through unless he be on horseback. And people who pass though the mountain are unable to do so without bells that ring, for animals come up from the sea and from the rivers and descend from the mountains and crouch in the path, and if men go to pass through it without bells that ring, they perish immediately.” Alexander said, “This mountain is higher and more terrible than all the mountains which I have seen.” The old men, natives of the country, said to the king: “Yea, by your majesty, my lord the king, neither we nor our fathers have been able to march one step in it, for it is the boundary which God has set between us and the nations within it.22

The Huns Alexander said, “Who are the nations within this mountain upon which we are looking?… The natives of the land said, “They are the Huns.” He said to them, “Who are their kings?” The old men said: “Gôg and Mâgôg […].” Alexander said, “What is their appearance, and their clothing, and their languages?” The old men answered and said to the king: “Some of them have blue eyes, and their women have but one breast apiece; and the women fight more than the men, for they wound a man with knives. They hang knives upon their thighs and arms and necks, so that, if one of them should get into a fight, wherever she stretches out her hand she can lay hold of a knife. They wear dressed skins; and they eat the raw flesh of everything which dies of theirs; and they drink the blood of men and of animals. They do not besiege or fight against cities and fortresses, but they run to the paths and gates of fortresses and cities, and they surround the men who come out to meet them outside. They are swifter than the wind that blows, and ere the rumour of their going forth to battle is heard, they outstrip the whole world; for they are sorcerers, and they run between heaven and earth, and their chariots and swords and spears flash like fearful lightning. They carry maces in their hands, and each has two or three horses; … between fifty and sixty men, and they go before and after him, and the noise of each one’s outcry is more terrible than the voice of a lion; for it is the will of God that delivers the nations into each other’s hands, and the terror of the Huns is fearful upon all creatures that see them, for they are no lovers of mankind. When they go forth to war, they fetch a pregnant woman, and pile up a fire, and cook her child within her, and her belly bursts open and the child comes forth roasted. Then they lay it in a trough and throw water upon its body, and its body melts away in this water; and they take their swords and bows and arrows and spears, and dip them in this water. And to every one whom this water touches, it appears as if there were a hundred thousand horsemen with him; and by the side of every hundred men there seem to stand one hundred thousand bands of demons, for their sorceries are greater than those of all kingdoms. […] 23

22 Budge, Ernest A. Wallis: The History of Alexander the Great. Being the Syriac version of the PseudoCallisthenes. Cambridge 1889, 149 – 150. 23 Budge, Ernest A. Wallis: The history of Alexander the Great (cf. n. 22), 150 – 151.

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Alexander said to his troops, “Do ye desire that we should do something wonderful in this land?” They said to him, “As thy majesty commands we will do.” The king said, “Let us make a gate of brass and close up this breach.” His troops said, “As thy majesty commands we will do.” And Alexander commanded and fetched three thousand smiths, workers in iron, and three thousand men, workers in brass. And they put down brass and iron, and kneaded it as a man kneads when he works with clay. Then they brought it and made a gate, the length of which was twelve cubits and its breadth eight cubits. And he made a lower threshold from mountain to mountain, the length of which was twelve cubits; and he hammered it into the rocks of mountains, and it was fixed in with brass and iron. The height of the lower threshold was three cubits. And he made an upper threshold from mountain to mountain, twelve cubits in length; and he hammered it into the rocks of mountains, and fixed in it two bolts of iron, each bolt being twelve cubits [long]; and the bolts went into the rock two cubits; and he made it two bolts of iron from rock to rock behind the gate, and fixed the heads of the bolts into the rocks. He fixed the gate and the bolts, and he placed nails of iron and beat them down one by the other, so that if the Huns came and dug out the rock which was under the threshold of iron, even if footmen were able to pass through, the horse with its rider would be unable to pass, so long as the gate that was hammered down with bolts stood. And he brought and hammered down a lower threshold and hinge for the gate, and he cast therein bolts of iron, and made it swing round on one side like the gates of Shûshan the fortress. And the men brought and kneaded iron and brass and covered therewith the gate and its posts one by one, like a man when he moulds clay. And he made a bolt of iron in the rocks, and hammered out an iron key twelve cubits long, and made locks of brass turn therewith. And behold the gate was hung and stood.24

The oracle Alexander had this written on the gate: And King Alexander fetched [an engraver] and inscribed upon the gate: “The Huns shall go forth and conquer the countries of the Romans and of the Persians, and shall cast arrows with …, and shall return and enter their own land.25 Also, I have written that, at the conclusion of eight hundred and twenty-six years, the Huns shall go forth by the narrow way which goes forth opposite Halôrâs, whence the Tigris goes forth like the stream which turns a mill, and they shall take captive

24 Ibid. (cf. n. 22), 153. 25 In the translation of Kmoskó: “they will let off arrows in Armagesta”, which is, in fact, the Armaged­ don in John’s Book of Revelation (16:16). According to Kmoskó, this is the beginning of the second prophecy that is obviously not the continuation of the former one, but an insertion of an unknown interpolator, who, in the text of the legend, wanted to immortalize the invasion of the Huns ­described below.

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the nations, and shall cut off the roads, and shall make the earth tremble by their going forth.26 And again I have written and made known and prophesied that it shall come to pass, at the conclusion of nine hundred and forty years 27 … another king, when the world shall come to an end by the command of God the ruler of creation. Created things shall anger God, and sin shall increase, and wrath shall reign, and the sins of mankind shall mount up and shall cover the heavens, and the Lord will stir up in His anger the kingdoms that lie within this gate. […] And the Lord will gather together the kings and their hosts which are within this mountain, and they shall all be assembled at His beck, and shall come with their spears and swords, and shall stand behind the gate, and shall look up the heavens, and shall call upon the name of the Lord, saying, ‘O Lord, open to us this gate.’ And the Lord shall send his sign from heaven and a voice shall call on this gate, and it shall be destroyed and fall at the beck of the Lord, and it shall not be opened by the key which I have made for it. And a troop shall go through this gate which I have made, and a full span shall be worn away from the lower threshold by the hoofs of the horses which, with their riders, shall go forth to destroy the land by the command of the Lord; And a span shall be worn away from the upper threshold by the points of the spears of those that shall run over it and go forth. And when the Huns have gone forth, as God has commanded,28 the kingdoms of the Huns and the Persians and the Arabs, the twenty-four kingdoms that are written in this book, shall come from the ends of the heavens and shall fall upon one another, and the earth shall melt through the blood and dung of men. […] And the kingdoms of the Huns and the Persians shall be desolated the one by the other; only a few of them shall escape […]. And my kingdom, which is called that of the house of Alexander the son of Philip the Macedonian, shall go forth and destroy the earth and the ends of the heavens; and there shall not be found any among the nations and tongues who dwell in the world that shall stand before the kingdom of the Romans. Lo, I, Alexander, have written and made known [these things] in my own handwriting, and verily I have not lied in what I have written; but perhaps the nations and the world will not believe that what I have written will come to pass; but if ye will not receive my word, receive [that of ] Jeremiah the prophet who long ago pointed out that kingdom of his prophecy, and spoke thus in his book, ‘Evil shall be opened from the north upon all the inhabitants of the land.’29

The final part of the legend relates that the Persian king was defeated and an agreement was made that the iron gate built by Alexander would be guarded by 6000 Roman and 6000 Persian warriors. Then wizards and soothsayers were sent for, who told Alexander that

26 As the Seleucid era was named after Alexander the Great by the Syrians, it seems certain that the interpolator used this era and calculated the 826 years from 311 BC, in which case 515 AD corresponds to this date when the Huns (in fact the Sabirs) did cross the Caucasus and ravaged through Asia Minor. 27 This is considered unlikely by Károly Czeglédy. Czeglédy, A szír Nagy Sándor (cf. n. 9), 18, 61; Kmoskó, Szír írók, (cf. n. 20). 28 There were also some among the Muslim theologians who regarded the Turkish invasion as the sign of the end of the world. 29 Budge, Ernest A. Wallis: The history of Alexander the Great (cf. n. 22), 154 – 155.

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[A]t the final consummation of the world, the kingdom of the Romans would go forth and subdue all the kings of the earth; […] Persia should be laid to waste by the hand of the Romans, and all the kingdoms be laid to waste, but that that power should stand and rule to the end of time, and should deliver the kingdom of the earth to the Messiah who is to come.30

After this, Alexander prayed in Jerusalem, then ships were launched and he headed for Alexandria. He took a vow: If the Messiah, who is God’s son, would come in my time, my army and I will kneel before him, but if he would not come in my time, for I have defeated kings and took countries, this throne, this silver chair that I sit on, will be taken to Jerusalem. And when the Messiah appears from the sky, he will sit on my throne, for his reign will be eternal. […] The crowns of all the kings deceased in Alexandria will be hung on that silver throne, offered to the Messiah.

The emperor of the world 31 The people of Gog and Magog here are identified with the Muslims, and the Turks are referred to as the last emerging people that via the slopes of the northern mountains arrive at the Gates of Alexander and break them open. In the wake of Pseudo-Methodius, from the 9th century increasingly, the Arab-Persian, Armenian, Syrian and Greek authors identified the peoples behind the gate with the Turks, the successive tribes and associations of whom constantly attacked the civilized world. The Christian interpreter of the original non-Christian text of the Pseudo-Callisthenes legend might have known the work of Pseudo-Methodius and based on that inserted the exclusion of the people of Gog and Magog. In the centre of the narrative also the emperor of the world stands, who was identified with Alexander not only in the Syriac tradition that even numbered years according to “the years of Alexander”32 but also in Islam, as he is mentioned in the Quran 33. The Arabic tradition calls him ”The Two-Horned One”, as he unified the eastern and western world. 30 31 32 33

Ibid., 158. Alexander, Paul J.: The Byzantine Apocalyptic Tradition. Berkeley-Los Angeles-London 1985. Kmoskó, Szír írók (cf. n. 20), 32. “The Quran also mentions the barrier erected by Dhu’l-Qarnayn, the ‘Two-Horned One’, in Verse 82 of Sura 18. The later Muslim tradition influenced by the Quran regarded the existence of the barrier (sadd) erected by Dhu’l-Qarnayn a fact, without a shadow of a doubt. When in 841 the Kirghizes camping north of Lake Baykal raided on the Uyghurs that dwelt in the Orkhon and Selenga regions and occupying their lodgings forced them to migrate, Chalif Al-Wathiq (842 – 847), under the influence of the resulting migratory movements, in his dream saw that the barrier of Alexander the Great had opened. This vision frightened him so much that he sent his interpreter Sallam to investigate it. When the legend was written down is unknown, we do know, however, that the chronicle was

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Thus, there are two Syriac pseudo-texts to be analysed regarding the tradition of Alexander as the emperor of the world. The earlier of the two is the Syriac language Pseudo-Ephrem text, which was attributed to Ephrem the Syrian (who died in 373), but originated in the 6th century in an Armenian monastery close to Lake Van. The later text, entitled Revelations, originated in the 7th century and for authentication used the figure of Methodius of Patara (also called Methodius of Olympus or Eubulius), a martyr bishop who died in the early 4th century. Here, for the first time, the figure of the world emperor is fully portrayed, who, having fought with and defeated the peoples of the Antichrist, is placing his crown on the cross of Jesus – that according to the legend was made from the tree of knowledge – on Golgotha, representing the world axis. What makes it more interesting is the fact that, according to the first oracle of the above legend, the Gates of Alexander, made in the Caucasus to fend off against the people of Gog and Magog, will be broken open 826 years later. The interpreter knew that in Syria the beginning of the Seleucid era was 311 BC. 826 years added to the former results in AD 515, the year when the Huns really invaded through the Caucasus and destroyed Cappadocia, Pontus and Galatia. The second prophecy related that the twenty-four empires excluded from the gate (the Huns, Persians, Arabs etc.) would attack each other, and the remainder after this war would be defeated by the Roman Empire that would last until the end of time, when all power would be handed over to Christ. According to some interpretations, the dates of the two predictions were added together, which resulted the year 1455.34 The historical work begins with the expulsion of Adam and Eve from Paradise and divides the earthly life of mankind into seven parts, seven millennia along the lines of major events in the Bible and those of human history. It also deals with the key figure of Syriac history, Alexander the Great. In his chronology, Pseudo-Methodius estimated the history of mankind at 6000 years, the pivotal points being the establishment of Syrian rule beginning with the year 3000, the birth of Christ in 5500 and the doomsday in year 6000. The chronology was divided into smaller periods: the period from 1000 to 2000 witnessed the reign of the descendants of Adam and Eve to Noah, the Flood came in 2000, and then another era followed from the death of Noah in 2790 to the building of the Tower of Babel. Then succeeded the period of the four empires originated from Nimrod’s kingdom: the reign of Shem being the first, followed by the rule of Japheth’s sons, and the dominion of Ham’s sons. The fourth was the rule of Yonton’s (a. k. a. Jonitus) sons in the East, Yonton being a son of Noah unknown from the Bible. The year 4000 found a Persian king on the throne of Babylon, in year 5000 a war broke out when Yonton’s sons, expanding their territory to the Euphrates, came into conflict with Hagar’s sons, the Ishmaelites.

written around 775, thus it is absolutely certain that the text of the legend is older than the second half of the 8th century.” Kmoskó, Szír írók (cf. n. 20), 30 f. 34 Kmoskó, Szír írók (cf. n. 20), 33.

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In the seventh millennium, approaching to the coming of the Messiah’s kingdom, the last Roman (Byzantine) emperor would defeat the Ishmaelites (the Muslim Arabs). But then the Gates of Alexander will open and the peoples of the north will invade, and a leader of the angelic armies in the plain of Joppa will destroy it. The Roman emperor will reign in Jerusalem for ten and a half years. Then he will ascend the Golgotha, place his shield or crown on the cross (i. e. the tree of the fall), “give up his soul to his Creator” and the cross will ascend to heaven. Pseudo-Methodius uses Biblical references for his writing, like the often cited verse concerning the Antichrist: “the one who now holds it back … is taken out of the way” (2 Thess 2:7). Another cited Biblical passage is the First Epistle of Saint Paul to the Corinthians (1 Cor 15:24), where Christ hands over his kingdom to the Father, the preview of which is the Roman Emperor handing over his kingdom to the Messiah. Thus, there is a dual scene of actions, one is Golgotha in Jerusalem, where the axis mundi, Christ’s cross and the throne of the world emperor takes place. The Antichrist will be executed here, on the Mount of Olives, too. The other is Paradise, where the great rivers come from, the Armenian mountains, the territory beyond the edge of the known world, the dreadful hill country where the ultramontane peoples live.

The last battle and John Hunyadi (a. k. a. János Hunyadi) Mihály Kmoskó, analysing the text, was of the opinion that the prophecy relating the invasion of the Huns and the Turks at the end of time is an insertion, the author being influenced by both Pseudo-Ephrem and Pseudo-Methodius. The 940 years mentioned in the text can scarcely be counted from the beginning of the Seleucid era, because, in this case, it would correspond to 628 – 629 AD, a year that does not make sense in the given context. The final sentence of the work states that at the end of the world the ruler of the Roman Empire would arrive to subjugate the kings of the earth and deliver the power to God. The text here is clearly affected by Pseudo-Methodius, since it is the basic idea of his Apocalypse. The work of Pseudo-Methodius could not have been written before 650 AD, as the interpolator inserted this prediction, together with the 940 years, into the text of the legend after 650 AD. Therefore, he could not have associated the Hun invasions with the year when emperor Heraclius made peace with his son, Kavadh II, after his bright victory over the Persian king Khosrau II (a. k. a. Xusro II), because eight years later the fall of Syria occurred in 636, that of Egypt in 640, followed by an expansion of Islam. According to Kmoskó’s calculations, the 940 years mentioned in the third prophecy should be added to the 825 years in the second prediction, resulting in the year 1455. Constantinople fell in 1453, to the great alarm of Christendom, while John Hunyadi (in Hungarian Hunyadi János) drove the Turks from Belgrade in 1456. The news of the victory also reached the East and awakened the hope among the eastern Christians that King Janko, as the Turks called John Hunyadi, would deal a death blow to Islam. The Byzantine Greek refugees and European

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humanists influenced by the Hunyadis thereafter saw in them the ability to restore the Hesiodic golden age.35 (During the siege of Byzantium, the defenders thought they saw the distant campfires of John Hunyadi’s troops coming to save the city, and in a poem written at the same time he is portrayed as the saviour of the Greeks.) After John Hunyadi’s death, his son will take his place.36 For a while in the second half of the 15th century the humanist intellectuals, who usually lived on various commissions from wealthy rulers, clearly lined up behind the Hungarian king. Even a hundred years later, these may have been familiar to the humanist Melanchton, who integrated the magical number of 1455 into his own apocalyptic Christian world view. It is not by chance that, in his works, he stressed the importance of the Hungarian nation in the history of salvation besides frequently referring to the cult of the Hunyadis and the German nation (Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation).37 The cult of the Hunyadis became a key element in Transylvanian heritage and identity. As early as the 30s of the 16th century, the bishop of Alba Iulia (Gyulafehérvár, Karlsburg/ Weißenburg) built a cult around John Hunyadi’s tomb,38 to which, a generation later, even Protestants in Transdanubia had an attachment.39 As early as the 17th century, the Matthias tradition became a key element of the national identity of both the common people and the Hungarian nobility.40

35 Klaniczai, Tibor: A keresztes had eszméje és a Mátyás mítosz [The Idea of the Crusader Army and the Matthias Myth]. In: Hagyományok ébresztése. Ed. by idem. Budapest 1976, 166 – 190. 36 Runciman, Steven: The Fall of Constantinople 1453. Cambridge 1990. 37 Kmoskó, Szír írók (cf. n. 20), 32 f. 38 Ritoókné Szalai, Ágnes: Hunyadi János gyulafehérvári síremlékének domborművei [Reliefs of John Hunyadi’s Tomb in Gyulafehérvár]. In: Történelem – kép. Szemelvények múlt és művészet kapcsolatáról Magyarországon. Ed. by Anna Jávor. Budapest 2000. 39 “Alas, poor us, the Christians, with the endangered Transylvania. Lord shall make the ground lighter over the body of voivode John Hunyadi and shall grant him eternal peace. With the Transylvanians he had defeated the Turks not once, but at the sacrifice of much blood and force. His corpse shall remind any Christian to the words of Joseph, and so that must follow the route of Israeli people.” Here I must remark that Joseph’s coffin was taken by the Jews fleeing from the Egyptian captivity. I do not know what cult had been formed around Hunyadi’s coffin, and the whole case seems much complicated if we consider that in the 17th century the Mongols, ravaging Gyulafehérvár, mutilated the coffin. The events are those of heroes triumphant over the Turks and not of simple mercenaries.” Őze, Sándor: “The Stronghold of Christianity” or “A Country Between Hammer and Anvil”. A Change of National Identity in the 16th Century Among the Soldiers of the Turkish Frontier in Southwestern Hungary. In: Virrasztó darvak. Tanulmányok a Dél-Alföld történetéből. Ed. by idem. Hódmezővásárhely 2008, 149 – 161; 500 magyar levél. Csányi Ákos levelei Nádasdy Tamáshoz 1549 – 1562 [500 Hungarian Letters. Letters of Ákos Csányi to Tamás Nádasdy 1549 – 1562]. Ed. by Sándor Őze. Budapest 1995. 40 Kriza, Ildikó: Rex iustus – rex clarus. Mátyás király a néphagyományban [King Matthias in Folk Tradition]. In: Hunyadi Mátyás. Emlékkönyv Mátyás király halálának 500. évfordulójára. Ed. by Gyula Rázsó and László V. Molnár. Budapest 1990, 363 – 410.

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The first Latin edition of Pseudo-Methodius was published in Cologne in the 15th century, in a place of interest where the great battle of Armageddon was also predicted in ­Lichtenberger’s Prognosticatio, published in the same century. The Battle of Cologne, a humanist speculation of the astrologer Lichtenberger, is known both in European and Turkish tradition.41 Lichtenberger saw the Turks as the incarnation of evil. The Turks, having occupied Constantinople in 1453 and fought with Hunyadi, reached the walls of Athens in 1456. The idea that the Turks were God’s punishment for Europe was also mentioned in the 25th chapter of Lichtenberger’s book. The idea that the final battle between Christian and Muslim troops would take place near Cologne, first formulated by Johannes Lichtenberger in 1448,42 did not make a real impact until the 16th century, when the Turks posed a direct threat to the empire. Thus, Cologne was also thought to be the “golden apple”, although the Turks never attacked the city. Although the apocalyptic prediction was only familiar to a narrow circle of intellectuals (it had a particularly strong effect on reformers like Luther, Paracelsus and Melanchthon), it still strongly affected the general climate of opinion through them. According to this construct, the battle of Armageddon, mentioned in the New Testament, was placed near Cologne, and it was believed that the end of the world would come when the battle against the people of Gog and Magog (in this case the Turks) was won. Cologne, as an ecclesiastical centre and with its archbishop being a prince-elector of the German empire, made an ideal place for the purpose.43 The Colonia of Roman times was one of the centres on the limes and thus a meeting point of the western and the barbarous worlds. The legend of Saint Ursula, killed by the Huns together with her eleven thousand female companions, was linked to the city. The relics of the Three Magi were also kept here. Also known as the Kings from the East, they symbolized the eastern powers paying homage to the Child Jesus, i. e. to Christianity.

41 Warburg, Aby M.: Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten. In: Aby M. Warburg. Ausgewählte Schriften und Würdigungen. Ed. by eadem and Dieter Wuttke. BadenBaden 1979; Peuckert, Will-Erich: Die Grosse Wende. Das apokalyptische Saeculum und Luther. Geistesgeschichte und Volkskunde. Hamburg 1948. 42 Teply, Karl: Kizil Elma. Die große türkische Geschichtssage im Licht der Geschichte und Volkskunde. In: Südost-Forschungen 36 (1977), 78 – 108, here 86 – 89. 43 The legend is exhaustively analysed by Teply, Kizil Elma (cf. n. 42), and in Hungarian in Fodor, Pál: Az Apokaliptikus hagyomány és az “aranyalma” legendája. A török a 15 – 16. századi magyar közvéleményben [The Apocalyptic Tradition and the Legend of the Red Apple. The Turk in 15th–16th Century Hungarian Public Opinion]. In: Történelmi szemle 39 (1997), 21 – 50. For the Turks as an apocalyptic power: Göllner, Carl: Tvrcica. Die Türkenfrage in der öffentlichen Meinung Europas im 16. Jahrhundert. Vol. 3. Bucureşti-Baden-Baden 1978; Delumeau, Jean: Angst im Abendland. Die Geschichte kollektiver Ängste im Europa des 14.–18. Jahrhunderts. Vol. 2. Hamburg 1985, 313; Thumser, Matthias: Türkenfrage und öffentliche Meinung. Zeitgenössische Zeugnisse nach dem Fall von Konstantinopel 1453. In: Europa und die Osmanische Expansion im ausgehenden Mittelalter. Ed. by Franz-Reiner Erkens. Berlin 1997, 59 – 78, here 62.

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The legend of the Golden Apple The legend of the golden apple builds on the above intellectual historical tradition. At the siege of Byzantium, the golden apple (the orb), signifying the world, was said to fall out of the hand of Justinian’s equestrian statue.44 The Turkish invaders also believed that the end of time would come when the city representing the golden or red apple fell into their hands through the final victory. Originating in the eastern steppe traditions, the belief was familiar to both the Christian and Ottoman sides, and was thus the common child of East and West.45 It is not clear what the golden apple (in Turkish Kizil Elma) exactly meant, since there is no reference to it in the surviving sources. Evliya Çelebi interpreted it as the main city of Christendom, without giving further information as to which city he meant precisely.46 The apple itself is a very ancient motif, which already occurs in the Bible – also known to the Muslims, naturally – as the symbol of knowledge and divine power. Mortals can hardly acquire this kind of power and knowledge, and even the attempt to do so is considered a sin against God (e. g. the story of Adam and Eve).47 For this reason, it becomes a widespread symbol of power both in the Muslim and Christian cultures. (In the West, the German Roman emperor Frederick Barbarossa first used the term, besides the crown and sceptre, to symbolize power.)48 The symbol was also present in Byzantium: the statue of Justinian depicted the emperor holding a golden apple (an orb), surmounted by a cross in one hand, and pointing towards the East with the other hand, calling a halt to the invading barbarian hordes (later identified with the Arabs, then the Ottoman Turks). However, in Byzantium the orb (golden apple) never became an emblem of royal power as it was in the West; only folk beliefs attributed magical, healing power to it. Nevertheless, when the apple fell out of the statue’s hand at the beginning of the 15th century (certainly before 1427), it was considered an ominous sign. According to one hypothesis, it was then that the motif of the golden apple was first introduced to the Turks.49 Nevertheless, it appears that the Kizil Elma was not a well-defined spot or object, but rather one that was regularly reinterpreted depending on developments in politics (i. e. conquests). Thus, Constantinople, Buda and Vienna became the “golden apple” after their

44 Ibid. 45 Süleyman II prepared for the end of the world on two occasions. First in 1532, when launching the siege of Vienna, a decisive combat to be fought with the German Roman Emperor Charles V for the supremacy of the world. Then in 1566, under the walls of Szigetvár, starting the last holy campaign immediately before his death. 46 Teply, Kizil Elma (cf. n. 42), 83. 47 Fodor, Az Apokaliptikus hagyomány (cf. n. 43), 132. 48 Teply, Kizil Elma (cf. n. 42), 78 – 80. 49 Teply, Kizil Elma (cf. n. 42), 82.

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seizure.50 Naturally, the contemporary Christians did not know the exact meaning of Kizil Elma either, and thus, both in the East and the West, various legends and interpretations were published. The most widespread legend of the golden apple among the Turks (recorded by the aforementioned traveller, Evliya Çelebi)51 was linked to Constantinople. As tradition has it, back in the time of the Arab-Byzantine wars, in the 7th century, there was a man by the name of Abu Ayyub (a. k. a. Eyüp or Eyub), who was martyred under the walls of Constantinople. There are several different accounts of the circumstances surrounding his death. The most popular legend related that, in their distressed situation, the Byzantines sought peace and admitted a group of unarmed Arabs – headed by Abu Ayyub – to allow them to admire the cathedral of Hagia Sophia. Having admired the immense church, the group of Arabs were on their way out of the city when Greek soldiers killed them in an ambush. At the site of Abu Ayyub’s death, a column of light burst into the sky, where a giant cypress tree grew up afterwards. On seeing this, the Byzantines were startled and began to venerate Ayyub as a saint, even erecting a chapel in his honour. (The site was in fact a place of Christian pilgrimage, therefore in this story the Christian and Muslim traditions had merged.) Tradition has it that, under the influence of a vision, a sheik called Aksemsettin found the martyr’s resting place during the siege of Constantinople in 1453. Beside the corpse a bronze orb was found, described as the golden apple. For the first time in Turkish sources, a certain city was mentioned by the name of “Klona” in 1645 and referred to as the golden apple, which, on the basis of geographical and other features, can be identified as Cologne. The Unitarian Caspar Helth (in Hungarian Heltai Gáspár),52 referring to the golden apple, wrote in the Chronicle of the Hungarians’ Past Deeds in the 16th century that the final battle

50 Fodor, Az Apokaliptikus hagyomány (cf. n. 39), 135. ‒ Teply comes to the same conclusion in Teply, Kizil Elma (cf. n. 42), 89 – 94. Thus, the Ottomans always saw the spheres on top of different churches of their great enemies as the golden apple. First it was Buda, a Turkish name of which was ‘Red Apple’, then Rome, Vienna and Cologne. Besides two surviving narratives, both referring to its 1529 siege, that connect Vienna to the legend of the golden apple, there are similar references both in the Muslim and the Christian traditions concerning e. g. Rome, Granada. Owing to its flexibility, the legend was suitable for ideologising all kinds of conquering ambitions. 51 Teply, Kizil Elma (cf. n. 42), 99 – 102. 52 Gáspár Heltai (born Kaspar Helth, Nagydisznód (Heltau)?, 1490/1510, died in Kolozsvár [Cluj-Napoca, Klausenburg], 1574), Transylvanian Protestant writer, translator and printer. Born into a Transylvanian Saxon family and speaking German as his mother tongue, he later Hungarized his name and became a father of Hungarian literary language. In 1543 he enrolled in the University of Wittenberg. From 1544 he was pastor at Kolozsvár and in 1550, together with György Hoffgreff, he established the first print shop there. From Lutheran faith he converted to the Helvetic one, consequently he was excluded by the 1560 synod in Medgyes (Mediasch, Mediaș). In 1569, however, he sided with Ferenc Dávid in the religious debate in Nagyvárad (Großwardein, Oradea). Except for a few books which he translated together with his companions, he translated most of the Bible into Hungarian, and, by translating the work of Bonfini, he produced the first coherent history in Hungarian language.

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would be near the Red Church in Cologne.53 In his chronicle, published in Klausenburg in 1575 but written much earlier, there are traces of his apocalyptic way of thinking. In the work, inspired by Bonfini, he inserted a section clearly contrasting with the humanist mentality: a version of the medieval legend of the golden apple, which in that age was related to Cologne and applied to the Turkish threat. The legend was also known to other Hungarian writers, including János Baranyai Decsi, who aimed to summarize the Hungarian historical tradition, and Péter Melius Juhász, born in Horhi and also living in the 16th century. Thus, in Europe the apocalyptic model against Islam was elaborated on the basis of the two Syriac apocalyptic texts mentioned above. The space and time perspective of the evolving European identity was built on this model up until the 18th century. Usually, the birthplace of such speculations was in those areas where the Arab conquest had created a permanent buffer zone between the two cultures: Asia Minor, Sicilia and regions of Southern Italy and the Iberian Peninsula. Of the western Christian authors who contributed to the discussion, Petrus Venerabilis, the Arabic-Latin translator school of Toledo, Robert of Ketton’s Quran Exegesis, Saint Thomas Aquinas and Raymond Lully (a. k. a. Ramon Lull) should be mentioned here. Until the 15th century, the Dominican monk Ricoldo of Monte Croce, the father of mission theory, and the Calabrian Cistercian abbot Joachim of Flora, the founder of apocalyptic prophecy, were among those who lead the way in the history of ideas. Then, in the 16th century, the works of Pseudo-Methodius became fashionable once again. The Latin edition was published in Cologne, the city where Lichtenberger expected the last great battle of Armageddon to take place.

The apocalyptic model of the reformation The Lutheran Reformation, i. e. Melanchthon, refers to Pseudo-Methodius concerning the origin of the Ottoman Turks when he maintains that the people of the Antichrist, whom he calls the “red Jews” and “bloodhounds”, originate from the Biblical people of Edom, thus setting them in a salvation-historical context. When he equates the Ottoman Turks with the Antichrist, of whom God speaks through the Prophet Daniel, the strong apocalyptic background of the work becomes apparent.54 Based on historical events, Luther i­dentifies 53 Gáspár, Heltai: Krónika a magyaroknak dolgairól [Chronicle of the Affairs of the Hungarians]. Ed. by Margit Kulcsár. Budapest 1995, 783 f.; Fodor, Az Apokaliptikus hagyomány (cf. n. 43), 210 f. 54 Isidore of Seville, based on Pseudo-Ephrem, wrote of the fall of the Roman Empire and of the “storm of peoples” so as to signal the approach of the end times. The concept of the Apocalypse, the possible realization of Daniel’s prophecies, appeared in the 4th century Christian thinking, e. g. Ephrem the Syrian connected it to the Syriac incursion into the Roman Empire. During the reign of Constans II (641 – 668), the Arabic-Islamic expansion and the Sassanid-Byzantine wars (with Khosrau II) were thought of in a similar way. The so called Alexander legend, dating back to 630, regarded Heraclius’ arrival to Nineveh (627) as the beginning of the end times. The people of Gog and Magog, the Huns were thought to drink the blood of young women and eat the flesh of children. Because of the blatant

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this new Antichrist, the little horn that destroys ten horns of the beast in Daniel, as the Turks. This was due to the fact that “the other Roman Empire” of the period, i. e. the Byzantine Empire, was destroyed by the Ottoman Empire in 1453 and the Turkish threat in Europe increased.55 In 1529 the Ottoman troops marched against Vienna, and Luther awaited the Apocalypse. Based on Luther’s thinking, at the end of the 16th century German Protestants were already fully convinced that the end of the world was imminent, reaching the conclusion that the fourth monarchy in Daniel was none other than the German-Roman Empire. In his extensive volume, the Reformation writer Wolfgang Amling also used Daniel’s prophecy:56 as a sign of the imminent ending of time, pointing towards the division of the Roman Empire into two parts, or rather two forces coming from different directions, i. e. the attacks from either side. The Papacy from the west and the Turks from the east were equated with the evil forces, either of which, in the writer’s view, may have amounted to the Antichrist. The above-mentioned Protestants authors, however, forgot about the division that characterized the Roman Empire from the 4th century onwards, or rather, they completely ignored it in their works. The problem was even apparent in the editing of the Melanchthon chronicle. ­Melanchthon and Peucer solved the problem by classifying the Turkish Emperor, as well as the Roman Pope, within the realm of the Antichrist, and while the Roman Church became the spiritual Antichrist, the bodily one was represented by the armed, invading Turks. Melanchthon and Peucer recorded the history of the Western Roman Empire up until their own times. They described how the other half of the empire, ‘stump’ as Melanchthon called it, came under Turkish rule after disregarding divine law and sinking into godless tyranny. Phocas, a soldier of Emperor Maurice, precipitated his master from the throne by means of rebellion, then exterminated his family and occupied the throne. Finally, he augmented his illegitimate, tyrannical power by requesting confirmation by the Pope. There­ fore, the story occupied a central place in Lutheran history writing.

ungodliness, the Antichrist comes in the guise of Gog and Magog, Enoch and Elijah descend from the sky. Möhring, Hannes: Die Sergios-Bahira Apokalypse. In: Der Weltkaiser der Endzeit. Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung. Ed. by idem. Stuttgart 2000 (MittelalterForschungen 3), 128 – 136; Tubach, Jürgen: Die syrische Danielrezeption. In: Europa, Tausendjähriges Reich und Neue Welt. Zwei Jahrtausende Geschichte und Utopie in der Rezeption des Danielbuches. Ed. by Mariano Delgado, Klaus Koch and Edgar Marsch. Stuttgart 2003 (Studien zur Religionsund Kulturgeschichte 1), 105 – 139. Concerning Pseudo-Methodius see Kmoskó, Szír írók (cf. n. 21), 38 – 47, 94 – 97, and about the Pseudo-Callisthenes legend ibid., 72 – 82. 55 Seifert, Arno: Der Rückzug der biblischen Prophetie von der neueren Geschichte: Studien zur Geschichte der Reichstheologie des frühneuzeitlichen deutschen Protestantismus. Köln 1990, 9; Blöchle, Herbert: Luthers Stellung zum Islam und zu den Türken. In: Luthers Stellung zum Heiden­ tum im Spannungsfeld von Tradition, Humanismus und Reformation. Ed. by idem. Frankfurt/Main 1995, 151 – 192; Hofmann, Hans Ulrich: Luther und die Johannes-Apokalypse. Tübingen 1982. 56 Dan 2:40 – 43.

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The Latin work expanded into four volumes 57. Pages 271 – 2780 described the reign of the Emperors Phocas and Maurice as well as that of their successor Heraclius, the latter being at the time when Muhammad and his faith appeared. All of this allowed a concentrated mode of editing and justified the designation of a focal point in the world chronicle. The section begins by relating that Maurice waged war on the Avars, who replaced the Lombards in the Carpathian Basin in 561. The author gives the title Bellum Ungarorum to the chapter, for which he offers the explanation that the Avars appeared in Europe before the birth of the Turkish nation in Inner Asia. Referring to Jordanes, he argues that, mixed with the Huns, the Avars continued the Hunnic rule and genealogy, and lived in the Carpathian Basin identified as Hungarians up until the reign of King Matthias. Then the murder of the emperor is described, with the author noting that Phocas acknow­ ledged the pontificate of Pope Gregory. Maurice’s reign was an initially successful period in the history of Byzantium. He waged a successful war against Persia for recapturing the Justinianic conquests and attempted to stop the Slavic migration into the Balkans, i. e. fought for the control of the Balkan Peninsula. In 592 a large offensive began in the Balkans with the aim of stabilizing the northern frontier. Crossing the Danube to attack the Avars, the Byzantine troops invaded Slavic territories.58 The offensive, however, was soon exhausted. Having received orders to re-cross the Danube, the army revolted, elected a half-barbarian junior officer, Phocas, as its commander, and marched on Constantinople, where a rebellion broke out. In consequence, Maurice was dethroned and Phocas was crowned emperor. The fate of the Balkans was settled when it finally fell under Slavic rule. After executing Maurice and his six sons before his eyes, the mass extermination of aristocracy began, intensified by repeated conspiracies. A civil war raged throughout the empire. Meanwhile, the Slavs conquered the Balkans and the Persians eradicated the Byzantine defence zone, even threatening Constantinople. Byzantium teetered on the brink of collapse when the exarch of Carthage revolted and his son, Heraclius, after bringing an end to Phocas’ reign and executing him, received the imperial crown from the hands of the patriarch. Heraclius renewed the empire. Taking charge of the troops, in a long but successful campaign, he re-conquered detached provinces from the Persians, inter alia the Holy Land and the Persian capital, and regained the Holy Cross. Meanwhile, however, the Avars laid siege on the capital in 626, which was only saved by the people and Patriarch Sergius, who came to the seat of the patriarch in the year of Phocas’ death. In the following year (627), the emperor won a decisive victory over the Persians at the battle near Nineveh. 57 Chronicon Carionis Expositum et auctum multis et veteribus et recentibus historiis, In descriptionibus regnorum et gentium antiquarum, & narrationibus rerum Ecclesiasticarum, & Politicarum, Graecarum, Romanorum, Germanicarum & aliarum, ab exordio Mundiusque ad Carolium Quintum Imperatorem. A Philippo Melanthone et Casparo Peucero. Witebergae Excudebat Iohannes Crato, anno M. D. L. X. X. I. I. 58 Ostrogorsky, Georg: Geschichte des Byzantinischen Staates. München 1963, 69 f.

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The victory was not a lasting one, however, even if Byzantine diplomacy established a defence zone by forming an alliance with the Slavs against the Avars, as well as with the Khazar and Turkish tribes in the Caucasus. Indeed, already in 634 the Arabs, united under the banner of Islam, invaded the empire and powerfully defeated the army of the emperor at the battle of the Yarmuk River in 636. Thus, the eastern provinces, reconquered by Heraclius some years earlier, were detached once more; moreover, Egypt and Persia also came under their rule.59

Muhammad and Sergius The next part of the chronicle begins with Heraclius’ reign and the appearance of ­Muhammad. Muhammad’s life and environment, as well as the dogma, moral rules and spread of his religion, and finally the Arab conquests, are discussed in detail. The chronicle tells that Muhammad created his religion under the influence of erroneous teachers from both the Jewish and the Christian side, the latter represented by a heretic monk named Sergius, who was expelled from the empire. Matthias Flacius here refers to the History of the Lombards (Historia Langobardorum) by the Catholic Paul the Deacon (a. k. a. Paulus Diaconus), in which, however, Phocas’ succession to the throne and the fact that he replaced Maurice are described as fortunate events, as he defended the empire in successful wars and obeyed the Roman Pope.60 Similarly to Melanchthon, the 7th volume of the Magdeburg Centuries reports on Muhammad and his religion and essentially gives the same account, although in a drier fashion, richer in information and less constructed.61 59 Ibid., 92 f. 60 “Then the emperor Maurice, after he had ruled the empire twenty-one years, was killed, together with his sons Theodosius and Tiberius and Constantine, by Focas (Phocas), who was the master of horse of Priscus the patrician. But he had been very useful to the state for he had often obtained victory when contending against the enemy. The Huns too, who are also called Avars, were subjugated by his prowess. […] Focas (Phocas) then, as has already been set forth, usurped the sovereignty of the Romans after the death of Maurice and his sons, and reigned during the course of eight years. Because the church of Constantinople was calling itself in writing the first of all churches, he ordained, at the request of Pope Boniface, that the See of the Roman and Apostolic Church should be the head of all.” Paul the Deacon (Paulus Diaconus): History of the Langobards (Historia Langobardorum). Ed. by Edward Peters. Pennsylvania 1907. Chap. 26 and 36. 61 Ecclesiastica Historia, integram, ecclesiae Christi ideam, quantum ad locum, Propagationem, persecutionem, tranquillitatem, doctrinam, haereses, ceremonias, gubernationem, schismata, Syndos, personas, miracula, martyria, religiones extra Ecclesiam & statum imperi, politicum attinet, secundum singulas centurias, perspicuo ordine complectens: singulari diligentia & fide ex uetustifsimis & optims Historicis, patribus, & alijs scriptoribus congesta: Per aliquot studiosos & pios uiros in urbe Magdeburgica. Basileae, per 10 an. Nem oporinum 1562, 641 – 665.

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Flacius, however, indicates that despite the fact that several peoples had been referred to as the apocalyptic people of Gog before the appearance of the Muslims, i. e. the Goths, the Huns, the Avars and the Arabs, they are in fact identifiable as the Turks.62 Petrus calls the monk who taught Muhammad Sergius and, probably referring to his denominational isolation, gives him the first name of Syrius. This makes him easier to identify, as the volume mentions three persons called Sergius. In the introduction, Flacius writes about a monk who was of Armenian origin and was excommunicated, and also refers to the book of the famous expert, Bibliander.63 Obviously, the authors, living among the Muslims, are not familiar with the real owner of the name. The Hungarian Benczédi Székely speaks of a monk expelled from Rome, whilst Melanchthon mentions one who fled from Byzantium. The name owned by the famous “teacher” is that of Saint Sergius, the 4th century martyr, who, however, was neither a Monophysite nor a follower of Nestorius. Most likely it is an invented mosaic name, and the Syrius, as well as the Armenian, probably means the origin where the Nestorian and Monophysite heresies were the most powerful and from where they could build missionary bases in the Arabian Peninsula at the beginning of the 6th century. His flight from Rome or Byzantium symbolized his conflict and break-up with the Catholic Church, marking the route of those monks and religious communities which, after the Councils of Ephesus and Chalcedon, separated from the Church and pursued a different course such as the Chaldean Syrian Church, the Copts or the Jacobites. The situation of the Armenians differed only to the extent that, after suffering a disastrous defeat at the hands of the Persians, the Armenian Church was not represented at the Council of Chalcedon. Although the Byzantine emperor’s conciliatory proposal, the Henotikon, was accepted, when it proved unsuccessful, they ceased connection with both ecclesiastical centres. There was another patriarch by the name of Sergius who advocated reconciliation with the Monophysite clergy of the provinces newly reconquered by Heraclius. Although he saved Constantinople during the Avar siege in 626, the Ecumenical Council of Constantinople excommunicated him in 680 – 681, together with Pope Honorius, Patriarch Cyrus of Alexandria and Patriarch Pyrrhus of Constantinople. In Protestant history writing, his figure was combined with that of a monk who was most likely real, by the name of Bahira at Bosra.64 Besides Paul the Deacon, the Byzantine authors were other, similarly important sources. In the 8th–14th century, Christian apologist literature is significant, not merely disputing Islam, but doing so with a rather hostile attitude towards it. The Christian churches of the former Byzantine territories conquered by the Arabs, and later the Turks, had to fight against the conversion of these areas to Islam. The authors worked towards three main objectives: first of all, they wanted to prove that Muhammad was not and could never

62 Ibid., 641. 63 Ibid., 26 – 57, 647. 64 Ibid., 120.

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have been a prophet. They also wanted to demonstrate that Islam is not adequate as a substitute for Christianity. And finally, they wanted to defend Christian dogmas against statements from the Quran and Muslim theology. Islam was considered a new kind of heresy.65 Of the early Byzantine writings, which used and to some extent imitated the works of Saint John Damascene, the refutation of Agarenus (the Quran) written by Bartholomew of Edessa should be mentioned. Here, emphasis is placed on the role of a Nestorian monk, Bahira, who was the advisor of Muhammad.66 Bahira became known under the name of Sergius in 16th century Europe.67 The monk appears in the Muslim counterpart of the story of the twelve-year-old Jesus ­visiting the Temple, which has survived in various sources. According to a biography, the twelve-year-old Muhammad, upon coming of age, accompanied his guardian, uncle and head of the Hashim clan, Abu Talib, on his journey to Syria. In Bosra, the famous Christian ascetic monk or hermit, Bahira (the name is derived from the Syriac word bhira, meaning honourable), came out of his cell and invited them to a feast, since a bright cloud that drew attention to Abu Talib and his companions followed their caravan. Bahira, however, did not find the person he was looking for among the members of the company. When he asked if there was anyone else with them, the youngest son Muhammad, who had been left guarding the luggage, was summoned. Bahira questioned the boy about his life, and between his scapulae he found the sign of his prophethood. He also experienced other signs. He predicted a great future to him and told Abu Talib and his companions to return home and hide his nephew from the Jews, because if they discovered his identity, they would attempt to take his life. One of the Syriac versions allegedly claims to know that the monk had fled from Beth Armaye many years earlier, making it impossible for him to have met Muhammad at the turn of the 6th–7th century. The first part of the Semitic toponym may also refer to a monastery. The second part resembles the designation used for the Armenians, but provides no further information. This version also relates that the monk had to flee because his party was defeated in the debate concerning the use of the single or double-barred cross (the 9th century text here may refer to the competition between the Latin and Eastern Churches). The Protestant lexicon, however, mentions an Armenian monk who was excommunicated around 580.68

65 Argyriou, A.: Perception de l’Islam et traductions du Coran dans le monde byzantin grec. In: Byzantion 75 (2005), 27 – 30. 66 Ibid., 30 – 32; Möhring, Die Sergios-Bahira Apokalypse (cf. n. 54). 67 Nöldeke, Theodor: Geschichte des Qorans. Leipzig 1909. Dritter reprografischer Nachdruck der 2. Auflage. Hildesheim-New York 1981, 17; Lings, Martin: Muhammad: His Life based on the Earliest Sources. London 1983, 29 f.; The Encyclopaedia of Islam. Vol. 1. Ed. by Hamilton Alexander Rosskeen Gibb et. al. Leiden 1986, 922 f.; The Life of Muhammad. Ed. by Uri Rubin. Brookfield-SingaporeSydney 1998, 282 f. 68 The Life of Muhammad (cf. n. 67), 282 f.

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Later in the Christian tradition, the figure of the monk reappeared in the last third of the 9th century as the teacher of Muhammad. Bahira is also called John or, referring to him being a heretic and of Syrian origin, Sergius or Nestorius (as well as Baeira or Pakhyras in other sources). He is said to be Arian, Nestorian, or Monophysite, referring to the alleged origin of the Muslim faith, being a corruption of these denominations, which differed from the Byzantine orthodoxy and were widespread throughout Persia, Syria and Armenia.69 A new variation of the tradition appeared with the Apocalypse of Bahira, in the Arabic and Syriac versions of which Christian elements were mixed with Pseudo-Methodian combinations based on the Daniel Apocalypse, and these Christian arguments were combined with doctrines of the Quran and the Mahdi.70 This was the period of the Byzantine Empire when, due to the Persian conquest, the maritime silk road, which lead towards India and China via The Persian Gulf, was blocked. Thus, Byzantium turned towards the Caucasus and, behind the Persians, sought an alliance with the Khazars and Turkish tribes emerging in the foreground of the Caucasus. Living in the hell of the Persian-Byzantine frontier and continuing Methodius’ prophecies, the author therefore believed that the doomsday-like Persian and Arabic attacks of his time would be followed by a Turkish invasion flooding through the Caucasus (or, more precisely, through the Caucasian Gates of Alexander). (All these expectations, however, would only be fulfilled in the shape of the Bulgar-Turkic tribes founding a new state in the Balkan territories of the empire.) The name Hagarenes, i. e. the descendants of the Biblical Hagar, and thus also of Ishmael, is also used to refer to Muslims. After Hagar’s expulsion into the desert, Ishmael grew into a mighty and strong warrior. In the eyes of the Arab Jews, he became the father of the Arabs and, according to apocryphal legends, Abraham entrusted his family to God in Mecca. Here, together with Ishmael, he later built up the first church of the Lord near the Kaaba stone, where they asked God to send a prophet to the Arabs. Then the prophet Muhammad brought down the third holy book, the Quran, in which it was written that his people would be led to the faith of their ancestors, the typically Arabic religion, and thus gain salvation and histo­rical importance. Later this idea was also popular among Christians; the author of the 16th century world chronicle, István Benczédi Székely,71 also calls the Arab followers of Muhammad Hagarenes, who misleadingly name themselves Saracens, or descendants of Sarah.

69 Ibid. 70 Möhring, Die Sergios-Bahira Apokalypse (cf. n. 54). 71 Benczédi Székely, István: Chronica ez világ yeles dolgairól Krakkó, hasonmás kiadás [Chronicle on the Notable Events of this World, Krakow 1559]. Ed. by Rabán Gerézdi. Budapest 1960 (facsimile edition), 2961. István Benczédi Székely (between 1500 – 1510? – after 1563), Protestant preacher and writer, studied in the University of Krakow in 1529, where he adopted Protestant views. Returning to Hungary, he served as schoolmaster and later as pastor in various places, e. g. in Gönc, where

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In the times before Muhammad, the Arabian Peninsula was a place of refuge for heretical sects who contested the Holy Trinity or the unity of the human and divine natures of Jesus Christ. Indeed, the strict Islamic Tawhid also incorporates these views. The early Byzantine anti-Quranic literature also had a polemic edge directed against non-Chalcedonian Christianity, which was denounced as heretic, being easily turned against Islam. That is, it was patterned on the thinking of the unholy Abrahamic line that fled into the wilderness, regarded as the descendant of the heretics’ beliefs. Then in early modern Europe, on both the Catholic and the Protestant sides, Islam was considered to have descended directly from these eastern sects, more precisely from Nestorianism. Christian apologists later named the invading people of the Apocalypse (i. e. the Turks) ‘Red Jews’ after the people of Esau and their land Edom, meaning ‘red’. Compared to the ‘pure’ people of the Old Testament, they were rejected. Isaac, who had been deceived, gave his paternal blessing to Jacob instead of Esau, and, following a similar pattern, Ishmael was rejected by his father, Abraham, for the sake of Isaac. At doomsday peoples will convert, according to their deviation from the true faith of Christianity, in the following order: Firstly, the descendants of Ishmael, i. e. the Arabs, will attack, and then the Red Jews will invade through the Caucasus, together with the hypocrites. After defeating them, the Jews will convert, as predicted in the Apocalypse of John. In actual fact, Chaldean Syrian missions of Nestorians reached as far as Ceylon and Madagascar in the 6th century, and Mongolia and China in the 7th century. There had been an episcopal see in Samarkand, which was destroyed by the conquests of Timur Lenk (a. k. a Tamerlane) in the 14th–15th century. Emperor Constantius II sent an Arian mission, in the person of the Arian bishop ­Theophilos (the Indian) to the Arabian Peninsula, where from the 5th century on Nestorian and Monophysite missionaries also spread Christian beliefs.

Sergius in Hungary Concerning the name ‘Sergius’ and its Turkish origin, István Benczédi Székely, a disciple of Melanchthon, wrote in his world chronicle in the 1540s: In the twelfth year of Emperor Heraclius from among the Agarenes [Arabs] arose Mohammed, who was the son of a merchant. In those days Heraclius was waging war against the Persians and hired the Arabs. After the war, the dismissed Agarenes robbed, looted in the empire, and when the Byzantines his fellow pastor was Gáspár Károli, the translator of the first complete Hungarian Bible. In his world chronicle, being the first of the kind written in Hungarian and published in Krakow in 1559, strong anti-Catholic and anti-Turk views are expressed according to Melanchton’s doctrine of the double Antichrist.

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marched on them, due to the danger they elected a prince. Owing to his intelligence, Mohammed was chosen. He then, because of his pretension, first called himself a teacher, then a man of God. […] When Mohammed saw the condition of his subject peoples, he did not consider it good that they were under different faiths and laws. For there were Jews, Christians and pagans under him, whom he wanted to unite not only in secular, but also in spiritual matters. For this reason Jewish doctors were summoned to him, who taught him the Jewish faith. However, a monk named Sergius met him, who was expelled from Rome due to his false knowledge, and taught him the Nestorian-style Christian faith. As he himself was brought up in paganism.

For this reason, from the three different faiths he made one so as to keep his subjects in one will, that he diligently wrote [and] called the Al-Quran, [and] indeed, under threat of decapitation he ordered that no one should ever quarrel.72 Péter Melius Juhász, another disciple of Melanchthon, also evoked the figure of the monk Sergius as adviser of Muhammad: The first beast [is] the picture of the Antichrist, the Pope, the knowledge, tale, invention, council, decree, host, altar, confession, fast and other dungy and fraudulent invention of the Monk Sergius. To these earthly beasts, the two empires, God as a punishment for not believing the truth [and] believing the lies gave power to Satan, the faithless princes, to raise the Antichrist, the Pope and Sergius, the invention of Mahumet [sic]. If you dare not say the Mahumet [sic], say Sergius. Under the name of Sergius, understand the Turkish faith.73

Proceedings against the Protestant clerical leaders in Turkish-occupied Hungary, e. g. István Szegedi Kis 74, once leader of Hungarian students learning in Wittenberg, and Mihály 72 Benczédi Székely, Chronica (cf. n. 67), 131.b–133.a. Quoted in Őze, Sándor: “Bűneiért bünteti Isten a magyar népet”. Egy bibliai párhuzam vizsgálata a XVI. századi nyomtatott egyházi irodalom alapján [“For Their Sins God Punishes the Hungarian People”. The Examination of a Biblical Analogy on the Basis of 16th Century Printed Ecclesiastical Literature]. Budapest 1990, 98 f. 73 Melius Juhász, Péter: A Szent Jánosnak tött jelenésnek igaz és írás szerint való magyarázása … [Commentary on the Revelation of Saint John, Truly and According to the Scripture …]. Várad 1567, 181.b. Péter Melius Juhász (1536 – 1572), bishop of the Reformed Church in Debrecen. Born in Horhi, Somogy County, into a noble family, he was raised in the Palatine court of Tamás Nádasdy. In 1556 he enrolled at the University of Wittenberg, where he became the senior of the Hungarian bursa. Having returned to Hungary, he became pastor in Debrecen. He wrote a creed in 1563 for the soldiers of one of the largest garrisons, Eger, in the Helvetian manner that served as the foundation of the doctrines of the Hungarian Helvetian (Reformed) Church accepted at the synod of Debrecen in 1567. Melius became the first bishop of the Tiszántúl diocese. He debated hotly with the Antitrinitarians, i. e. Tamás Arany and especially Ferenc Dávid. In this activity Melius was greatly assisted by the print shop that he managed in Debrecen. 74 István Szegedi Kis (1505 – 1572), Reformed theologian, bishop and poet, studied in Krakow and from 1543 on at Wittenberg. In 1552 he was ordained a pastor. He preached mainly in Turkish-occupied areas, e. g. Csanád, Gyula, Cegléd, Temesvár, Mezőtúr, where he worked as a church organizer. Szegedi

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Sztárai 75, graduated in Padua, indicate that the Turks were well-informed, and therefore preachers living under Muslim rule did not dare preach against them. Melius, however, considered it necessary, lest the congregation should become Muslim. Melius also regarded the Turks as Antichrist, at least as much as the Pope. Few people knew the Turkish culture better than he, and he saw no possibility of peaceful coexistence. This intransigence was the work of intellectual defence, based on personal courage and strict laws and, among other factors, this is why Islamization of the Christian Hungarians living in Turkish-occupied Hungary was minimal. Writers in the first half of the century had not yet realized the danger, not even the directly threatened. The sermons of Melius from the sixties, however, reveal a different attitude.76 Identifying the “invention of Seregius” with the faith of the Turks was a good weapon for Melius against the Antitrinitarians who, like Ferenc Dávid, the Antitrinitarian court preacher of the prince of Transylvania, declared Nestorius to be their predecessor. Thus, the conception of heresy was quite confused in the era. Some also listed here the Gypsies and Saracens and, regarding them as God-deniers and devil’s servants, mentioned them in line with the Antichrist. The oeuvres do not differ greatly in terms of how the authors considered their opponents, if any distinction was drawn between them. Melius called the Turks Sergius and regarded them as one Antichrist. He declared Antitrinitarism to be a step towards Muhammadanism, as was the case with Sergius. Building on the existing antipathy towards the Turks, Melius warned against the doctri­ nes of Antitrinitarism: Neither the emperor nor the Roman Empire was meant by the first beast, but the Antichrist, who first arose among the Jews at the time of the apostles. Then the Nicolaites, [and] the Baalamites were raised, and the Satan raised first from the Jews the Antichrist. This gave birth to three sons, three Antichrists, gave birth to heresies: firstly the Arabian, the Chaldean, the Turkish faith. Secondly, the faith of the Greeks, the Serbs and the Russians. Thirdly, it gave birth to the Roman faith. These are, like [in] Philo, false bastards of the Jews and the Satan, like [in] Rev 1:2, these are the beasts that come with two horns, exemplifying the two Kis became superintendent in Southern Transdanubia. Between 1561 and 1563, he suffered Turkish captivity. In his last years, he lived and worked in Ráckeve. He sought to systematize the Helvetian teachings in his theological works published in Geneva and Basel. 75 Mihály Sztárai (?–1575?) studied in Padua, adopted Protestant views and in 1544 he began his service as a reformer. Similarly to Szegedi Kis, he worked in the Turkish-occupied regions of Southern Hungary and Slavonia. Outside Turkish Hungary, he turned up in Gyula under the captaincy of László Kelecsényi and then in the Perényi Court, Sárospatak. “He spent the rest of his life working as the pastor of the soldiers in Pápa. Besides his church organizing activity, Sztárai was also an outstanding writer, who authored the first drama in Hungarian. 76 Dobrovits, Mihály/Őze, Sándor: Wandel des Türkenbildes bei den ungarischen Protestanten im 16. Jahrhundert. In: Suevia Pannonica. Archiv der Deutschen aus Ungarn (Heidelberg) 18/28 (2000).

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bodily emperors. The Roman and Turkish emperors. These like Nabucodonosor, [and] Darius forced the community to worship his image, [and] to lean towards the Chaldeans’ false faith. Thus Focas, ­Thedosius and the other faithless Roman emperors forced [them] to obey the Roman pope, to follow his faith, science [and] celebrate his mass. Now the horned priests, monks are protecting in arms the house of the Antichrist, the mass, [the] host, [the] Roman faith, through the princes. 77 The Antichrists have three crowns. For there are […] three main false religions: The first is the faith of the lions: that is the faith of the Chaldeans, [the] Arabs, [the] Turks, [the] Canaanites, of those circumcised, the present-day Jews included. The Antichrist has crown, kingdom and empire over them. Like Daniel means the Babylonians by the lion. The second faith is the faith of the Parthians, the Persians, [the] Greeks, [the] Muscovites, [the] Serbs, [the] Russians. The third is the faith of the bear that is the faith [and] knowledge of the Roman pope: [… on this grew] several horns [heresies], like the Anabaptists, the faith of the “long haired ones” [the Picards] and the other sects in Bohemia [and] in Moravia, and other heretics. This Antichrist is the ruler after the devil, the vicar of the devil, that raised the three faiths.78 The Antichrist Sergius [rules] over the Turk, [the] Pope over the Roman Empire: Sergius and the Glagolites reign over Asia, Africa, India. [The] Pope [reigns] over Europe, [and] some parts of Asia [and] Africa.79

Interestingly, Melius prefers listing Orthodox Churches (Russian, Greek, Serbian, Musco­vite or Glagolitic), and Seregius (Sergius) symbolizing them, in line with the Turks, as Antichrist. Especially the Serbs are mentioned many times, he preaches against the Serb way of fasting, idolatry, and worship of pictures, probably because the population of the Hungarian plain was not on good terms with the migrating Serbs (e. g. inhabitants of ­Hódmezővásárhely [Vašarhelj, Ioneşti] threatened to skin them). A substantial part of soldiers serving in border fortresses was also of Serb origin. The preachers regarded the heresy as sin against God and listed as such not only the Antitrinitarian Anabaptism but also each other, and as God-deniers, the Turks, Jews, Orthodox Serbs and Russians as well. Armenians, however, are not mentioned in this context in the literature of Hungary, not even when, in the 17th century, their numbers greatly increased. The reason is that during the reconquering wars, e. g. at the siege of Buda, Armenians spied for the Christian troops against the Ottoman armies.

77 Melius, A Szent Jánosnak (cf. n. 69), 179.a–180.a. 78 Ibid., 171.b–172.a. 79 Ibid., 218.

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The Armenian usury turned freedom hero The population of medieval Hungary is estimated at some 3 – 3.5 million. During the 150 years of fragmentation, while the inhabitants of more fortunate European countries doubled, Hungary’s population stagnated. According to estimations, it remained at around 4 million. At the end of the 18th century, censuses registered 9.5 million people. This increase resulted from the great migration wave that lasted almost the whole century, both from inside and from outside the country, to fill the deserted areas of war-torn regions. Consequently, by the 18th century only half of the country’s population was of Hungarian ethnicity. Ethnic tensions between the major ethnic blocks of the country did not occur until the end of the century. Although the nobility feared a Vienna-centred Germanization, leading immigrants seem to have sought to assimilate into the local rather than the central elite. The aristocracy had a strong lobbying ability in the 18th–19th century. In the 17th century, Armenian immigrant groups were engaged in industrial and commercial activities, mostly in Transylvania. By the 18th century, they sought to monopolize the southern Hungarian animal trade (especially cattle) and related processing industries (e. g. skin),80 thereby giving rise to aversion amongst several ethnic groups such as the Saxons, Greeks, or Jews. The system of free steppes (in Hungarian puszta), of which the South Hungarian cities (Szabadka, Gyula, Szentes, Vásárhely, Szeged, etc.) possessed the most in the country, absorbed a large population. The armed society of Turkish times also survived longest there. The centres of the pusztas were the inns (in Hungarian csárda), which had formerly been small intelligence stations in Turkish times, and in time had turned into trading centres where travellers could stay, eat and feed their animals. Inherited from the Turkish conquest, the inns resembled the caravanserai and were defensible, often surrounded by brick walls or palisades. They also provided venues for the livestock fairs of the Armenian merchants. During the 18th century, towns even banned their farming population from trading outside their territory with Turkish, Greek, Armenian etc. merchants coming from the Balkans, as this form of trade was uncontrollable.81 Although it was announced in the 18th century, the demilitarization of this area was impossible, which often led to rebellions against the Habsburgs. In such cases, the rebels used to contact anti-Habsburg outlaws living in the Turkish Empire through a Balkan livestock trading group (members of which were said to be Orthodox Greeks, referring to their 80 Pál, Judit: Armenians in Transylvania. Their Contribution to the Urbanization and the Economic Development of the Province. Cluj-Napoca 2005. 81 Őze, Sándor: Städteemigration im Winkel zwischen Theiß, Mieresch und Kerisch nach der Vertreibung der Türken. In: Kirchen als Integrationsfaktor für die Migranten im Südosten der Habsburgermonarchie im 18. Jahrhundert. Hg. v. Rainer Bendel und Norbert Spannenberger. Berlin-Münster 2010 (Kirche und Gesellschaft im Karpaten-Donauraum 1), 133 – 145.

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denomination, or Armenians). The Habsburg government, therefore, regarded them with suspicion and tried to hinder their movements in the southern zone.82 Like everywhere else, in the Kingdom of Hungary the frameworks of life were defined according to denomination, the leaving of which meant assimilation. The religious D ­ iaspora consisted of the “Greeks”, i. e. the Serbs and Bulgarians, along with the Jews from the turn of the 19th century onwards. They were present as merchants, soldiers or assistants. Because of its small number of members and its union with the Catholic Church, the Armenian Diaspora did not appear as a specific denomination. The Armenians assimilated “upwards” and were later replaced by Orthodox Christians, or rather by the Jews. By the 19th century, Armenian merchants became part of the Hungarian nobility and administration, entered military service, acquired estates or engaged in intellectual or civil careers in the capital. The Catholic Church also facilitated their linguistic assimilation in the 18th century.83 Hungary, as a host country, assimilated several immigrant groups of different denominations and cultures throughout its history, each of which also enriched and gave colour to the Hungarian culture. Life in the front zone and the Turkish era itself gave rise to the development of two different, or several different, types of country. Even today, an eastern and a western Hungarian culture can be distinguished, which differ in their orthography, linguistic norms and mentality. Most of the immigrant populations had their states in the Balkans, or elsewhere outside of the borders, or at least continuous ethnic blocks left behind. There were external centres of the Serbs and Romanians, whose Orthodox religion resulted in a different religious cultural identity. In contrast, the Armenians had achieved everything that was possible in Hungary; while they ceased to operate their group solidarity through inner circles of power, they did not need to, either. The rapid integration of the Armenians was furthered by their similar hygienic standards, and an even more advanced dietary culture, identical sexual behaviour, similar reactions to aggression, ethical system and work ethics. The German-Hungarian inhabitants felt that the lifestyle of the Armenians was closer to their own than that of the Serb extended families or the traditional Romanian shepherd population. The Armenians preserved their community’s specific way of business management along with their ethnic legislative institutions, such as the Mercantile Forum of Gheorgheni (Gyergyószentmiklós, Niklasmarkt).84 Their local

82 Őze, Sándor: Konfession und Identität zur Frühneuzeit in Ungarn. In: Virrasztó darvak. Tanulmányok a Dél-Alföld történetéből. Hódmezővásárhely 2008, 133 – 149. 83 Kovács, Bálint: Az erdélyi örmények interregionális kulturális kapcsolatai a 17 – 18. században.[Die interregionale Beziehungen der Armenier in Siebenbürgen in 17 – 18. Jahrhundert.] In: Örmény ­diaszpóra a Kárpát-medencében.II. Hg. v. Sándor Őze– Bálint Kovács. Piliscsba 2008. 30 – 46.; KOVÁCS, Bálint: Über Rom nach Siebenbürgen. Der armenische Missionar Minas Barun und die Siebenbürger armenische Kirche in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde. 29. (2006) Heft 1., 44 – 50. Hier 44 – 45. 84 Garda, Dezső: Gyergyói örmenyek könyve [The Book of the Armenians in Gyergyó]. Budapest 2007.

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governments sought to keep order not only in economic-ethical affairs, but also in matters of moral and public order. They regarded the female role in a pragmatic way (e. g. women could be breadwinners 85), which much resembled Calvinist civil traditions and also brought with it opportunities for assimilation. Their religious union backed this process, and their wealth opened the way for them to carry out elite professions and hold political positions. While the Orthodox Romanians and Serbs were in opposition, the Armenians sided with the Hungarians in major freedom struggles. They participated in the 1848 – 1849 revolution and war of independence; 1956 also has its Armenian-Hungarian heroes.86 There were three waves of Armenian migration in Hungary in the modern era. Armenian immigrants of the above-mentioned first phase, in the 17th century, had fully assimilated linguistically and culturally (although not mentally) into their Hungarian environment by the 19th century. By the turn of the 21st century, the same can be said of the Armenians who came to Hungary after the First World War with the second migration wave; these were mainly engaged in carpet weaving, painting and repairing.87 Those who still spoke the language came to the country through Armenian-Hungarian mixed marriages or immigrated after the dissolution of the Soviet Union with the third migration wave. Endre Ady, the Hungarian poet who was partly of Transylvanian Armenian ancestry, also evoked the figures in the Alexander legend mentioned above when announcing the advent of modernization at the beginning of the 20th century. In his programmatic poem, he wrote as follows: I am the son of Gog and Magog, I bang on doors and walls in vain, Yet still I ask you if one is free To cry under the Carpathian chain.88 I came through Verecke’s famous path, Old Magyar songs in my ears still ring, Now, may I break in at Dévény With new songs of new times oncoming?89

85 Ibid. 86 Having been defeated by the joint Russian and Habsburg imperial troops, thirteen leading generals of the Hungarian army were executed on 6th October 1849. Among them, Vilmos Lázár and Ernő Kiss were descendants of Armenian merchants. The brothers leading the most important centre of resistance, the Corvin Alley, in the 1956 revolution were also proud of their Armenian origin. 87 Kovács, Bálint:Reproduktion der Diaspora. Armenische Ansiedlungen im östlichen Europa nach dem Genozid am Beispiel Gherla/ Armenierstadt in Siebenbürgen. Armenisch-deutsche Korrespondenz 2015 (3). 39 – 42. 88 Translator’s note: René Bonnerjea’s expression. 89 Dévény meant the western gateway of historical Hungary, while the Verecke pass was the eastern gate through which Hungarian conquerors arrived at the Carpathian basin in 896.

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In the poem, Ady, referring to his Hungarian and Transylvanian origin, identifies himself as a member of the legendary Trans-Caucasian northern peoples. By the 7th–8th century, however, it was the eastern and southern rather than the northern peoples who attacked Europe (e. g. the Huns, Avars, Arabs, Hungarians and Mongols). Initially, they were identified as the peoples of the doomsday, until the Muslim Ottoman Turks became considered as such after the fall of Byzantium in 1453. Between the 1st and 7th century, peoples mentioned by Flavius Josephus and Pseudo-Methodius invaded the provinces of the Roman Empire through the Caucasus, where Armenia formed and defended the border. The Alexander legend itself depicts a mythical history of this frontier. For the following thousand years, the frontier was shifted to the Eastern Carpathians and to the great rivers bordering the Kingdom of Hungary from the south. For some five hundred years, even after the expulsion of the Turks and up until Endre Ady’s time, the border remained there, guarded from the east by the Székely (a. k. a. Szekler) people, who claimed to have descended from the Huns and were listed among the peoples of Gog and Magog by authors in the 4th and 5th centuries. The precise source of tension in the Ady poem is that the poet, who was once banging on the Caucasian Gates and walls of Alexander, is now inside the Carpathians in a defensive position, waiting for the external attack. Itinerant trader and artisan Diasporas of Armenians, following their dispersion, found a similar situation in a Hungary, which was split into three parts in the 17th century, where they found it easy to become integrated. They were also familiar with the border situation they found in Gyergyószék (Csík) in the Eastern Carpathians. After their union with the Catholic Church in the 18th century, they merged into the society of the Székely border guards. The Caucasus and the Carpathians thus played a key role in the formation of the Armenian-Hungarian identity. Armenians seem to have become Hungarian from top to toe. Often the only part of their dual identity that remained was their cuisine or some church songs.90 For the main part, having Armenian ancestry in present-day Hungary is regarded as mysterious and something which should be borne with pride.

90 Bernád, Rita – Kovács, Bálint: The Armenian Catholic Collective Archive in Armenopolis. Repertory. Budapest-Gyulafehervar-Leipzig 2011. 10.

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Im Auftrag des Kaisers Armenier im Dienste des Hofkriegsrates am Ende des 17. Jahrhunderts Einführung Die Belagerung von Wien im Jahre 1683 erweckte nicht nur bei den kontinentalen Großmächten, sondern auch in der öffentlichen Meinung Europas große Aufmerksamkeit. Nach dem Sieg der Truppen des polnischen Königs Johann III . Sobieski und des kaiserlichen Heeresführers Karl von Lothringen bei Kahlenberg am 12. September 1683 wurden die Ereignisse der Belagerung in Flugschriften und Zeitungen erörtert: Europa feierte den Sieg der christlichen Armeen. Somit schenkte man aber auch den Nachrichten über die zukünftigen Pläne der Alliierten große Aufmerksamkeit. Dennoch versuchten der Kaiser und seine Minister alles – wie 1664, nach dem Sieg bei Mogersdorf (Nagyfalva) –, um einen Frieden mit dem Osmanischen Reich zu schließen. Den kaiserlichen Hof ­beunruhigte nämlich die Reunionspolitik des französischen Königs Ludwig XIV . (1645 – 1715); der Zwiespalt zwischen Kaiser und König drohte jeden Augenblick zu einem Waffenkonflikt zu werden.1 Der polnische König sowie Francesco Buonvisi, päpstlicher Nuntius in Wien, förderten die Verfolgung der osmanischen Truppen, was Kaiser Leopold I. (1658 – 1705) dann auch erlauben musste.2 Die Alliierten belagerten Esztergom (Gran) und schlugen das

1 Obwohl die Gründungsurkunde der Heiligen Liga – vor allem dank der Bemühungen der päpstlichen Diplomatie – auch vom französischen König unterzeichnet wurde, griff Ludwig XIV. schon 1688 die Reichsgebiete des Kaisers an, wodurch der Wiener Hof in einen Krieg mit zwei Fronten verwickelt wurde. 2 „Cependant le Nonce Bonvisi fait ce qu’il peut pour obliger l’Empereur à la guerre contre le Turc.“ Denis de la Haye-Vantelet an den König. München, den 19. April 1679. A. E. C. P. [Archives du Ministère des Affaires Étrangères, Paris] Bavière [Bayern] vol. 29, fol. 44; Eickhoff, Ekkehard: Venedig, Wien und die Osmanen. München 1970, 408. – Die päpstlichen Nuntien von Wien, Warschau und Paris arbeiteten gemeinsam daran, dass die Waffenstillstände in Europa ausgenutzt würden, um das militärische Potential der christlichen Mächte gegen das Osmanische Reich zu wenden. Parvev, Ivan: Habsburgs and Ottomans between Vienna and Belgrad (1683 – 1739). New York 1995, 26; Pastor, Ludwig Freiherr von: Geschichte der Päpste im Zeitalter des fürstlichen Absolutismus, von der Wahl Innozenz’ X. bis zum Tode Innozenz’ XII. (1644 – 1700). Bd. 14. Freiburg im Breisgau 1930, 696 – 699.

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Heer des Großwesirs und Serdars 3, Kara Mustafa 4, in der Schlacht bei Párkány (Šturovo, heute Slowa­kei) ein zweites Mal. Kara Mustafa floh zuerst nach Buda (Ofen), dann nach Belgrad (Beograd, Serbien),5 wo man ihn – nach osmanischem Brauch – wegen der verlorenen Schlachten am 25. Dezember auf Befehl des Sultans erwürgte.6 Die belagerte Stadt Esztergom kapitulierte am 27. Oktober.7 Nach den Siegen bei Wien und auf dem Schlachtfeld von Párkány rief Kaiser Leopold I. seine Räte zusammen und fragte sie nach den Möglichkeiten in einem Krieg gegen die Osmanen. Er wollte wissen, ob man einen Sieg erreichen könne, dessen Folge die Rückeroberung der ungarischen Gebiete wäre. Der kaiserliche Hof befand sich derzeit in Linz, denn die Belagerung Wiens zwang den Kaiser, aus seiner Residenzstadt zu fliehen. Am 22. Oktober 1683 hielt Leopold I. eine erweiterte Sitzung der Geheimen Konferenz ab, an der – neben den ordnungsgemäß anwesenden Mitgliedern – auch der ehemalige Internuntius von Konstantinopel, Alberto Caprara 8, sowie der frühere ständige Botschafter, Georg Christoph von Kuniz 9, teilnahmen. Deren Einladung hatte einen Grund: Caprara 3 Serdar oder Serasker = der Führer des osmanischen Heeres. 4 Kara Mustafa von Merzifon (1634/35 – 1683), Großwesir des Osmanischen Reiches (3. November 1676 – 25.  Dezember 1683). 5 Zinkeisen, Johann Wilhelm: Geschichte des Osmanischen Reiches in Europa. Bd. V. Gotha 1857, 110; Parvev, Habsburgs and Ottomans (wie Anm. 2), 41; Eickhoff, Venedig, Wien und die Osmanen (wie Anm. 2), 409; Uzunçarşili, İsmail Hakki: Osmanlı tarihi. III/2: XVI. yüzyıl ortalarından XVII. yüzyıl sonuna kadar. Ankara 1954, 422; Danişmend, İsmail Hami: İzahlı Osmanlı Tarihi Kronolojisi. Cilt III (=Bd. 3). Ankara 1972, 452. 6 Zinkeisen, Geschichte (wie Anm. 5), 112; Hammer, Joseph von: Geschichte des Osmanischen Reiches. Dritter Band: Vom Regierungsantritte Murad des Vierten bis zum Frieden von Carlowicz, 1623 – 1699. Pest 1835, 755; Österreichische Nationalbibliothek, Handschriften-, Autografen- und Nachlasssammlung (im folgenden ÖNB-HAN), Cod. 6034, fol. 30 (Ein geheimer Korrespondent an den Kaiser, Konstantinopel, den 12. Februar 1684); Iorga, Nikolae: Geschichte des osmanischen Reiches. Vierter Band (bis 1774). Gotha 1911, 197 f.; Eickhoff, Venedig, Wien und die Osmanen (wie Anm. 2), 412. 7 Der Verteidiger der Festung, Ibrahim Pascha, übergab die Burg nach kurzer Verhandlung. R. ­Várkonyi, Ágnes: A török háború Bécstől Budáig [Der osmanische Krieg von Wien bis Ofen]. In: ­Magyarország története tíz kötetben. Hg. v. Zsigmond Pál Pach. Bd. III/2. Budapest 1987, 1578; Zinkeisen, Geschichte (wie Anm. 5), 120; ÖNB-HAN 6035. Konstantinopel, den 24. Oktober 1684, fol. 342; Parvev, Habsburgs and Ottomans (wie Anm. 2), 42; Eickhoff, Venedig, Wien und die Osmanen (wie Anm. 2), 410. 8 Am Anfang seiner Karriere, zwischen 1654 und 1660, war Alberto Caprara der Sekretär des Kardinals Rinaldo d’Este in Rom. Dieser schickte ihn 1672 auf eine europäische Reise, bei der Caprara Frankreich, das Heilige Römische Reich sowie die Länder der spanischen Krone besuchte. Er trat 1675 in Brüssel in die Dienste des Kaisers. Ab 1677 verhandelte er – als Bevollmächtigter von Leopold I. – mit Wilhelm III. von Oranien-Nassau und spielte eine bedeutende Rolle bei der Unterzeichnung des Friedens von Nimwegen (Nijmegen). 1682 wurde er vom Kaiser in das Osmanische Reich entsandt. 9 Georg Christoph von Kuniz (14. Januar 1652 – 21. Juli 1690, Wien) war der jüngere Sohn von Johann Christoph von Kuniz und Sara Neupeckin. Am 2. Mai 1664 erhielten die Kuniz-Brüder von L ­ eopold I. in Linz den Freiherrenstand. Georg Christoph von Kuniz war ab 1673 Faktor der Wiener Orientalischen

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und Kuniz, die mit dem osmanischen Heer aus Konstantinopel als Geisel mitgeschleppt wurden (den ersten ließen die Osmanen am 10. August frei, Kuniz aber blieb während der ganzen Belagerung im türkischen Lager, erst nach der Flucht des osmanischen Heeres vom Schlachtfeld bei Wien bekam er seine Freiheit wieder), hatten wertvolle Informationen über das Osmanische Reich und dessen Taktik und Strategie, welche für den kaiserliche Hof in seinen gegen den Sultan gerichteten Plänen von Nutzen sein konnten. Auf der Geheimen Konferenz vom 22. Oktober sprach man von einer gegen die Osmanen gerichteten Allianz und suchte nach für eine Diversion geeigneten Territorien. Die Orts- und Fachkenntnisse von Caprara und Kuniz waren während der albanischen Diversionspläne sowie im Projekt, eine europäische Allianz zu gründen, von großem Wert. Die während dieser Konferenz geschmiedeten Pläne des kaiserlichen Hofes realisierten sich: Am 15. März 1684 wurde die Gründungsurkunde der Heiligen Liga vom Kaiser, dem polnischen König und der Republik Venedig – unter Protektorat des Papstes Innozenz XI . – unterzeichnet. Diese gegen die Osmanen ins Leben gerufene Allianz verfolgte die Truppen des „hostis naturalis“ (Erbfeind) bis zum Frieden von Karlowitz (Sremski Karlovci, Serbien) am 26. Januar 1699.

Armenier in Konstantinopel und in Wien Nach dem Frieden von Karlowitz wurde vom kaiserlichen Hof eine prunkvolle Gesandtschaft in das Osmanische Reich entsandt. Unter deren Mitgliedern befand sich auch der Dolmetscher Erasmus Noel. Er gehörte zu den Armeniern in Wien, welche eine immer wichtigere Rolle in den östlichen Beziehungen des Habsburgerreiches spielten. Die Wiener Armenier kamen vor allem aus dem Osmanischen Reich, sowohl aus Konstantinopel als auch aus anderen Großstädten. Die armenische Bevölkerung war in großer Zahl gleich nach der Eroberung von Konstantinopel durch den osmanischen Sultan Mehmet II. (1451 – 1481) aus Tokat, Sivas und Bursa 10 in die neue Residenzstadt des Herrschers umgesiedelt. In der Stadt lebten auch schon zu byzantinischen Zeiten Armenier; im Stadtteil Sulumonastır bestand ihr Patriarchat.11 Die wichtigsten armenischen Siedlungen in Konstantinopel befanden sich in Samatya, Galata und Kumkapı, in der Nähe der europäischen Gesandtschaften; Bedarf und Möglichkeit trafen dort aufeinander: Die Bewohner der armenischen Kolonie wurden von den Botschaftern und Residenten der christlichen Mächte als Kundschafter benutzt. Erst bekamen Handelskompanie und reiste mehrere Male in das Osmanische Reich. Ab 1680 ernannte man ihn zum ständigen Gesandten des Kaisers in Konstantinopel. Mit dem Internuntius Alberto Caprara versuchte er alles, um den Frieden zwischen den beiden Großmächten zu bewahren, was beiden nicht gelang. Den Kriegszug von 1683 erlebte Kuniz im osmanischen Lager. 10 Tokat, Sivaş und Bursa sind Städte in der heutigen Türkei. 11 Sperco, Willy: Roxelane, épouse de Soliman le Magnifique. Paris 1972, 20.

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sie nur kleinere Aufgaben – sie sammelten Nachrichten in der Stadt –, im 17. Jahrhundert aber bezahlte man sie schon als ordentliche Kundschafter und professionelle Spione. In der frühen Neuzeit stieg die Kopfzahl der armenischen Population in Konstantinopel so rasch, das Sultan Murat IV. (1623 – 1640) im Jahre 1635 ein Dekret ausgab, dass alle Armenier, die noch nicht seit 30 Jahren in seiner Residenzstadt lebten, in ihre Heimatorte zurückkehren sollten. Die Kolonie spielte diese Anordnung natürlich aus. Armenier lebten von Persien bis Konstantinopel überall: Sie hatten kommerzielle Interessen im ganzen Gebiet, waren aber auch Bankiers, Geldwechsler oder Bürgen. Diese Rollen sicherten ihnen viele Vorteile im Osmanischen Reich: Sie traten genau in der Zeitperiode in den Vordergrund, als im kommerziellen Bereich die Venezianer an Macht und Einfluss verloren. In der osmanischen Administration hingegen spielten die Armenier nie eine so große Rolle wie die Juden.12 Die Karrieremöglichkeiten der Armenier im Osmanischen Reich stiegen nach 1667, denn nach dem großen Erdbeben am 6. April in Ragusa übernahmen sie die Positionen der ragusäischen Handelsleute.13 Auch deren Depots, das wichtigste unter ihnen in Belgrad, wurden von armenischen Kaufleuten weiterbetrieben. Die armenische Anwesenheit in Wien sowie die Dienste dieser Kolonie für den Hofkriegsrat wurden teilweise schon vom österreichischen Historiker Karl Teply erforscht und publiziert. In seinen Werken schrieb er über das erste Wiener Kaffeehaus und fand heraus, welch wichtige Rolle die Armenier im ökonomischen Leben der Stadt spielten. Aber er hatte auch Beweise dafür, dass diese Nation in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Kundschafterin des Habsburgerreiches diente.14 Der Ferman (Dekret) von Sultan Mehmet IV. (1648 – 1687) aus dem Jahre 1666 erlaubte den Untertanen des Kaisers, auf dem ganzen Gebiet des Osmanischen Reiches frei ihre kommerziellen Tätigkeiten auszuüben.15 Dies hatte zur Folge, dass die erste Wiener O ­ rientalische 12 Mantran, Robert: Istanbul dans la seconde moitié du XVIIe siècle. Paris 1962, 50 – 53. 13 Das große Erdbeben zerstörte Ragusa und seine Umgebung, etwa 5.000 Tote waren zu beklagen. Danach verlor die kleine balkanische Handelsrepublik immer mehr ihren kommerziellen Einfluss. Zlatar, Zdenko: Between the Double Eagle and the Crescent. The Republic of Dubrovnik and the Origins of the Eastern Question. New York 1992, 104 f. 14 Teply, Karl: Johannes Diodato, der Begründer des Wiener Kaffeehauses. In: Handes Amsorya 88 (1974), 87 – 106, 233 – 248, 534 – 544; 89 (1975), 107 – 124, 227 – 252, 357 – 370, 469 – 502; 91 (1977), 253 – 278; ders.: Johann Christoph Hazzi (1646 – 1718). In: Handes Amsorya 90 (1976), 673 – 699; ders.: Kalust Nurveli Schahin. Ein armenischer Geheimagent aus dem großen Türkenkrieg 1683 – 1699. In: Handes Amsorya 87 (1973), 331 – 372; ders.: Gabriel aus Şebinkarahisar. Ein Abenteurer im Dienst großer ­Politik. Der Kundschafter und Saboteur Gabriel aus Şebinkarahisar und die Wiedereroberung Ofens 1686. In: Handes Amsorya 87 (1973), 215 – 244; ders.: Die Anfänge des Wiener Kaffeehauses. Fakten kontra Legenden von Wiens erster armenischer Kolonie. In: Jahresbericht des Bundesgymnasiums Wien 9 (Wasagymnasium) über das Jahr 1973/74. Hg. v. Direktor Dr. Hans Zwölfer. Wien 1974, 3 – 18. 15 Teply, Karl: Die Einführung des Kaffees in Wien. Georg Franz Koltschitzky, Johannes Diodato, Isaak de Luca. Hg. v. Felix Czeike. Wien-München 1980 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 6), 12.

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Handelskompanie gegründet wurde, welche bedeutende Auswirkungen auf den südosteuropäischen Handel hatte.16 Zwar durften gemäß der Gesetze des Habsburgischen Reiches die „ausländischen“ Kaufmänner nur bis Schwechat kommen, immer mehr siedelten sich zu dieser Zeit jedoch in Wien an. Ihre Kolonien waren so gelegen, dass sie die einkommenden und ausgehenden Waren unter Kontrolle halten konnten. Sie – unter anderen auch Georg Franz Koltschitzky (siehe unten) – lebten zum Beispiel im „Gasthaus zum Goldenen Hirsch“.17 Die „fremden“ Händler, die sich in dieser Zeit in der Stadt und ihrer Umgebung niederließen, wurden einheitlich „Raizen“ genannt. Unter diesem Sammelbegriff verstand man Armenier, Serben, Griechen, Bulgaren und Walachen; es kam aber auch vor, dass man noch Ungarn und Polen dazu zählte. Die „Raizen“ von Wien bildeten eine polychrome, von der Wiener Administration einheitlich betrachtete und sehr partikuläre Gruppe, aus welcher viele Kuriere, Dolmetscher und Gesandtschaftsbeamte stammten, die die Beziehungen zwischen der Kaiserstadt und Konstantinopel zu beeinflussen fähig waren. Karl Teply untersuchte die Wiener Zollbücher von 1663 bis 1668 und stellte fest, dass 50 – 75 Prozent der „Raizen“ in Wahrheit Armenier waren.18 Diese Zahl ist nicht außergewöhnlich, wenn man bedenkt, dass der Fernhandel im Osmanischen Reich von Griechen und Armeniern betrieben wurde.19 Die Bedeutung der Armenier wuchs nach 1669, als Kaiser Leopold I. – auf Wunsch und Drängen seiner spanischen, streng katholischen Frau Margarete-Theresia und mit der Hilfe des Bischofs der Wiener Neustadt, später Kardinal Leopold Kollonich – die Juden aus Wien vertreiben ließ. Die jüdischen Häuser am Unteren Werd (später zu Ehren des Kaisers Leopold­stadt genannt) wurden von Armeniern übernommen, die auch im Handels­leben des Habsburgerreiches eine immer größere Rolle spielten.20 Natürlich hatte es die ­armenische 16 Weiterführend: Kerekes, Dóra: A Keleti Kereskedelmi Társaság szerepe a konstantinápolyi (titkos) levelezésben [Die Rolle der Orientalischen Handelskompanie in der geheimen Korrespondenz mit Konstantinopel]. In: Redite ad cor. Tanulmányok Sahin-Tóth Péter emlékére. Budapest 2008, 291 – 301. 17 Das Gasthaus stand am Haarmarkt (heute am Ende der Rotenturmstraße). Damals befand sich hier das Zoll- und Waagehaus, zu welchem die ungarischen, südosteuropäischen, aber auch die aus Asien kommenden Kaufleute ihre Waren bringen mussten. Teply, Einführung des Kaffees (wie Anm. 15), 12. 18 Teply, Einführung des Kaffees (wie Anm. 15), 13. 19 Mantran, Istanbul (wie Anm. 12), 50. 20 Die Juden wurden ab 1669 in mehreren Phasen aus Wien vertrieben. Das Patent vom 26. Juli 1669 verdrängte zunächst nur die ärmeren jüdischen Einwohner aus der Stadt, im Februar 1670 wurden aber auch die reicheren aufgerufen, die Kaiserstadt zu verlassen. Die Stadt nahm die jährliche Steuerleistung der jüdischen Kolonie (10.000 Gulden) auf sich, womit sie die Entscheidung von Leopold I. affirmierte. Die Wiener Gemeinde konnte aber dieses Geld nicht der Hofkammer zahlen, auch fand man für das von den Juden verlassene Viertel Unterer Werd keine neuen Bewohner. Der Kaiser selbst hatte – neben den Steuergeldern –großen Mangel an Darlehen, die die jüdischen Großhändler und Bankiers zuvor dem Hof bieten konnten. Das hatte seine Folgen: Der größte jüdische Bankier, Samuel Oppenheimer (1635 – 1703), bekam schon 1689 den Titel „der Römischen Kaiserlichen Majestät Über Kriegs Facktor und Hof-Jude“ und konnte somit wieder frei in Wien leben. Weiterführend: Die

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Kolonie in Wien nicht leicht: Die Wiener Händler protestierten gegen die Konkurrenz und der Hofkriegsrat betrachtete sie ganz einfach als Spione. Der Wiener Hofkriegsrat tat auch in dieser Epoche alles, um die am Anfang des 17. Jahrhunderts ausgearbeitete Methode weiterzuführen: Er wollte über alle Anreisenden aus dem Osmanischen Reich die Kontrolle haben. Seit den 1630er Jahren mussten die aus dem Osten kommenden Reisenden sich beim kaiserlichen Oberdolmetscher der orientalischen Sprachen, Michel d’Asquier, melden, welcher ihnen – für die Zeit ihres Wiener Aufenthaltes – einen Kurier als „Begleitung“ mitgab. Als in Folge des Fermans von 1666 die Anzahl der aus dem Osmanischen Reich Kommenden rasch stieg, konnte diese Praxis nicht mehr weitergeführt werden, der Hofkriegsrat hatte zu wenig Personal.21 Die Armenier konnten sich somit permanent in der Stadt aufhalten, und versuchten neben ihren kommerziellen Aktivitäten auch durch andere Tätigkeiten ihre Existenz zu sichern und für sich und ihre Familien Aufstiegsmöglichkeiten zu finden.

Armenische Kuriere während der Rückeroberungskriege in Ungarn (1683 – 1699) Georg Franz Koltschitzky Im damaligen Wien war die beste Karrieremöglichkeit eine Stellung bei Hofe, die für Armenier in den meisten Fällen beim Hofkriegsrat offen stand. Bei dieser Behörde wiederum konnte man Personen, die das Osmanische Reich, die Sitten und Bräuche gut kannten, Kontakte dorthin hatten, die Sprache beherrschten und risikofreudig waren, gut gebrauchen. Deshalb waren viele Dolmetscher und Kuriere, aber auch ein Teil der „geheimen Korrespondenten“ Armenier. Besonders erwähnenswert sind hier das Leben und die Karriere von Georg Franz ­Koltschitzky, der erst als Dolmetscher, dann als Kurier und zuletzt als Kundschafter dem Hofkriegsrat diente und nach dem Krieg ein Kaffeehaus in Wien eröffnete. Die Herkunft Koltschitzkys kann nicht eindeutig abgegeben werden. Er will uns glauben lassen, er sei ein Pole, „aus dem Königlichen Polnischen Freistadl Sambor gebürtig“, es ist aber wahrscheinlicher, dass er aus Sombor (heute in Serbien) in der Batschka kam. Von

frühneuzeitliche Residenz (16. bis 18. Jahrhundert). Hg. v. Karl Vocelka und Anita Traninger (Wien. Geschichte einer Stadt 2). Wien-Köln-Weimar 2003, 294 f.; Sachslehner, Johannes: Wien. Stadtgeschichte kompakt. Wien 1998, 100; Öhlinger, Walter: Wien zwischen zwei Türkenkriegen. Wien 1998 (Geschichte Wiens 3), 125 – 128. 21 Sturminger, Walter: Die Kundschafter zur Zeit der zweiten Türkenbelagerung Wiens im Jahre 1683. In: Festschrift zur Feier des zweihundertjährigen Bestandes des Haus-, Hof- und Staatsarchivs. Bd. 2. Hg v. Leo Santifaller. Wien 1951 (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs. Ergänzungsband 3), 354 f.; Teply, Einführung des Kaffees (wie Anm. 15), 13.

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einer polnischen Herkunft sprach er, damit er nach 1678, als man auch die „Raizen“ aus Wien vertrieb, in der Kaiserstadt bleiben konnte.22 Von einer Wiener armenischen Kolonie können wir schon vor dem habsburgisch-osmanischen Krieg der Jahre 1663/64 sprechen. Sie hatte ihre Anfänge in der Epoche, als auch Koltschitzky in die Kaiserstadt kam. Damals waren die Beziehungen der Wiener Armenier zu den Kolonien in Belgrad und Lemberg (L’viv/Lwów/ L’vov) in Polen sehr aktiv. Vom Augenblick seiner Ankunft in Wien diente Koltschitzky als türkischer Dolmetscher, Kaufmann und Kurier. 1662 bekam er vom Hofkriegsrat seine erste Aufgabe übertragen, als er den Internuntius Doktor Johann Philipp Beris begleitete, den der Kaiser nach Temeschwar (Timişoara/Temesvár) ins türkische Lager zu Ali Pascha schickte, um den absehbaren Waffenkonflikt zu vermeiden. In den Jahren 1663/64 blieb er neben den Internuntien Beris und Johann Goes,23 die mit dem Pascha über den Frieden diskutierten. Im Frühling fuhr Koltschitzky mit ihnen nach Belgrad, wo er den als Geisel vom Großwesir aus Konstantinopel mitgebrachten und im Lager „lebenden“ ständigen Botschafter Simon Reniger von Reningen kennenlernte. In Folge des schändlichen Friedens von Vasvár (Eisenburg) – nach dem glorreichen Sieg bei Mogersdorf (1664) – kamen die Internuntien sowie der ständige Resident (und mit ihnen Koltschitzky) frei. Um den Frieden zu bekräftigen, schickte man 1665 den Internuntius Walter von Leslie 24 nach Konstantinopel. Als Erwiderung kam auch ein 22 Die älteren Monographien – Klopp und Renner – hielten ihn für einen Polen. Klopp, Onno: Das Jahr 1683 und der folgende große Türkenkrieg bis zum Frieden von Carlowitz 1699. Graz 1882, 233; Renner, Victor von: Wien im Jahre 1683. Geschichte der zweiten Belagerung der Stadt durch die Türken im Rahmen der Zeitereignisse. Wien-Waldheim 1883, 312. Diese Ansicht hielt sich wahrscheinlich deshalb so hartnäckig, da nach der Befreiung von Wien sehr viele Flugschriften in Europa gedruckt wurden, in welchen auch Koltschitzky eine Rolle spielte (siehe unten), der immer wieder seine polnische Herkunft betonte. 23 Johann Freiherr von Goes wurde 1662 als Internuntius nach Temeschwar zu Ali Pascha geschickt. Als 1663 die Truppen des Großwesirs nach Ungarn aufbrachen, musste der Pascha auch mit dem Heer ziehen (Großes vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste. Bd. 11. Hg. v. Johann-Heinrich Zedler. Halle-Leipzig 1735, 81). Die Internuntien sowie der ständige Botschafter blieben als Geisel im osmanischen Lager, denn vom Reich des Sultans wurde in diesem Zeitalter die diplomatische Immunität nicht anerkannt. Die Gesandten der europäischen Staaten wurden somit für die Politik ihrer Herrscher oder der sie absendenden Staaten verantwortlich gemacht. 24 Walter von Leslie wurde 1606 in Schottland geboren und diente später Kaiser Ferdinand II. (1619 – 1637). Im 30-jährigen Krieg kämpfte er auf kaiserlicher Seite und hatte auch schon während dieser Zeit diplomatische Aufgaben erhalten. Nach 1640 wurde er vom Kaiser mehrmals als Gesandter oder Mediator zu Friedensverhandlungen geschickt. Nach dem Frieden von Westfalen beschleunigte sich seine Karriere. Zuerst wurde er zum Vizepräsidenten des Hofkriegsrates ernannt, später Oberhauptmann der steirischen, kroatischen und windischen Grenzfestungen. Leslie war ein genialer Koordinator: Er konnte dieses Grenzgebiet so stark befestigen, dass die Türken bei ihren Angriffen große Verluste erlitten. Er starb nach seiner Rückkehr aus dem Osmanischen Reich an einer Krankheit mit hohem Fieber, an der die ins Land des Sultans reisenden Europäer oft starben. Er wurde am 2. März 1667 in der Schottenkirche zur Ruhe gesetzt, der spätere Hofkriegsratspräsident und kaiserliche Heerführer Raimondo Montecuccoli war sein Schwager.

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t­ ürkischer ­Botschafter, Kara Mehmet Pascha. Die beiden Gesandten wurden an der Grenze ausgetauscht. Koltschitzky hatte mehrere Aufgaben neben der türkischen Gesandtschaft. Er arbeitete mit dem kaiserlichen Oberdolmetscher der orientalischen Sprachen, François Mesgnien de Meninski. Für seine Dienste bekam Koltschitzky 45 Kreuzer pro Tag – was eher wenig war –, konnte aber sehr viele gute Geschäfte mit den etwa 300 Mitgliedern der osmanischen Gesandtschaft schließen. Als Kara Mehmet Pascha 1666 ins Osmanische Reich zurückkehrte, bot der Hofkriegsrat Koltschitzky keine Hofstelle mehr an. Die unter der Führung von Konsul Lelio de Luca in dieser Zeit aufgestellte Wiener Orientalische Handelskompanie aber konnte einen so erfahrenen, die osmanische Sprache sprechenden Mann sehr gut gebrauchen. ­Koltschitzky diente seit dieser Zeit als Dolmetscher der Kompanie. 1667 und 1668 begleitete er den Konsul nach Ofen, Belgrad und Konstantinopel. Als Lelio de Luca 1673 auf den Rang des Konsuls verzichtete, übernahm seine Stelle der spätere ständige Gesandte, Georg ­Christoph von Kuniz. Koltschitzky diente auch ihm. Es scheint, dass der Dolmetscher in dieser Periode vor allem in Ofen Aufgaben bekam. Die ehemalige Hauptstadt des mittelalterlichen Königreichs Ungarn war nicht ideal zur Errichtung eines Handelsdepots. Die osmanischen Behörden betrachteten die Angestellten der Kompanie als Spione, sie wurden von ihnen mehrere Male als Waffenschmuggler bezeichnet.25 Als man bei einer Affäre auch Waffen im Depot „fand“, wurde das ganze Gebiet gesperrt, und der kaiserliche Oberdolmetscher Meninski musste nach Ofen reisen, um Koltschitzky und seine Gefährten zu befreien.26 Als Kuniz 1680 vom Konsul zu einem ständigen kaiserlichen Gesandten in Konstantinopel ernannt wurde, blieb Koltschitzky bei ihm und wurde am 19. April mit den neusten Nachrichten vom Residenten in die Kaiserstadt geschickt. Koltschitzky kam im Mai in Wien an.27 Die Kuriere mussten von ihren Reisen immer einen schriftlichen Bericht erstatten. Zwar kennen wir das von Koltschitzky geschriebene Dokument nicht, aber in den Registerbüchern des Hofkriegsrats können wir unter dem Datum des 18. Mai 1680 einige Zeilen darüber lesen. Er schreibt, dass er auf seiner Reise von Konstantinopel nach Wien sah, wie das türkische Heer sich für den nächsten Feldzug vorbereitete, was ihm der Hofkriegsrat auch glaubte.28 Koltschitzky bereiste – ohne eine Hofstelle zu bekommen und für den halben Preis eines Kuriers für die Reise Wien–Konstantinopel–Wien – zwischen 1680 25 Im Osmanischen Reich gab es – wie in Europa – strategische Rohstoffe, die nicht ohne Erlaubnis des Serails aus dem Imperium ausgeführt werden durften. Diese bezeichnete man mit dem Begriff memnun eşya, was dem europäischem merces prohibitæ entspricht. 26 Hassinger, Herbert: Die erste Wiener orientalische Handelskompagnie 1667 – 1683. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 35 (1942), 40. 27 Österreichisches Staatsarchiv, Finanz- und Hofkammerarchiv, Hofkammerarchiv, Hoffinanz Ungarn (im folgenden ÖStA FHKA HKA HFU), Kt. 287. Fasz. Juni 1682, fol. 468r (21. Juni 1682); Teply, Einführung des Kaffees (wie Anm. 15), 18. 28 ÖStA Kriegsarchiv Hofkriegsratsprotokolle (im folgenden KA HKR), Protokolle, Band 360. Reg. 18. Mai 1680, fol. 280r.

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und 1682 fünfmal die beschriebene Route. Auch ist es ihm zu verdanken, dass die Briefe und Berichte von Kuniz unter diesen immer schwieriger werdenden Umständen in Wien ankamen. Seinen letzten Ritt begann er im Frühling 1681, zusammen mit dem ordentlichen Kurier Constantin Ciriako. Sie kamen am 25. August wieder in Wien an. Koltschitzky wohnte einen Monat später (am 29. September) schon in der Leopoldstadt 48 (heute: Große Pfarrgasse 22); zu dieser Zeit war er noch kein Wiener Bürger.29 Zu Beginn der Belagerung Wiens von 1683 war Koltschitzky in der Stadt. Bevor wir über seine Tätigkeit in dieser Epoche und seiner im Jahre 1683 ausgegebenen Flugschrift sprechen, ist festzuhalten, dass Koltschitzky nicht der einzige und auch nicht der nennenswerteste Kurier war, der die Route aus der belagerten Stadt ins Heereslager von Karl von Lothringen wagte. Außer ihm kennen wir noch Georg Michalowitz und Stefan Serhadly namentlich, aber auch andere, die nicht exakt identifiziert werden konnten. Koltschitzky aber hatte erkannt, dass in diesem Moment ganz Europa nur auf Wien achtete und man diesem Publikum eine Flugschrift über den hingebungsvollen Ritt des Kuriers sehr wohl verkaufen konnte.30 Der armenische Abenteurer fand sein Glück in Wien: Man dachte über eine längere Zeit, er sei der einzige Kurier, der den Ritt aus der belagerten Festung gewagt hatte, und als man dann herausfand, dass es auch andere Kundschafter gab, hielt man ihn immer noch für den größten.31 Während der Belagerungszeit vom 14. Juli bis zum 12. September 1683 kennen wir aus den Quellen insgesamt 20 Kurierkundschafterritte.32 Koltschitzky verließ erst am 12. August Wien, die oben namentlich genannten Kuriere waren alle vor ihm im christlichen Lager. Aber auch der Diener von Resident Kuniz, Jakob Haider, sowie ein türkisch sprechender Reiter von Caraffa und der zum Heisterschen Regiment gehörende Michael Gregorowitz (und andere, deren Namen wir nicht kennen) ritten vor Koltschitzky.33 Dennoch ist Koltschitzkys Ritt von großer Bedeutung, weil er erst am 12. August Wien verließ. An diesem Tag kamen die osmanischen Mineure (lağımcı) sehr nah an die Festungsmauern, sie konnten zwischen der Burgbastei und der Löwelbastei zwei Minen zünden. Danach ließ Großwesir Kara Mustafa die Stadt stürmen und die letzte Periode der Belagerung begann (sie dauerte genau einen Monat).34 29 Teply, Einführung des Kaffees (wie Anm. 15), 20. 30 Er formte bewusst sein Image: In seinen Supplikationen – die eigentlich nichts mit Propaganda oder Werbung zu tun hatten – schrieb er z. B. am 1. Dezember 1684 als Begründung für die Bitte um Geld von der Hofkammer: „wegen meiner in gwest belägerter statt Wienn gethanen auß- und eingangshalber, davon ich alhier nit melden will weilen es ohne deme jed[er]man genuegsamb bekhandt ist.“ ÖStA FHKA HKA HFU r. Nr. 303. Kt. 1685. V–VI, fol. 285r (1. Dezember 1684); das gleiche auch in: ÖStA FHKA HKA HFU r. Nr. 304. Kt. 1685. VII–X, fol. 13r (2. Oktober 1685). 31 Vgl. Klopp, Das Jahr 1683 (wie Anm. 22); Renner, Wien im Jahre 1683 (wie Anm. 22). 32 Teply, Einführung des Kaffees (wie Anm. 15), 29. 33 Sturminger, Die Kundschafter (wie Anm. 21), 349 f. 34 Kara Mustafa vor Wien. Das türkische Tagebuch der Belagerung 1683, verfasst vom Zeremonienmeister der Hohen Pforte. Übersetzt, eingeleitet und erklärt von Richard F. Kreutel. Graz-WienKöln 1955 (Osmanische Geschichtsschreiber 1), 76.

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Koltschitzky hatte bei seinem Ritt nicht Ruhm oder Tapferkeit vor Augen. Er übernahm diese Aufgabe tatsächlich aufgrund sehr konkreter Versprechungen. Ambrosius Franck, der Führer der nach ihm benannten Freitruppe, in der Koltschitzky als Kostgeber diente, Georg Altschaffer, der Unterkämmerer der Stadt, sowie Bürgermeister Johann Andreas von ­Liebenberg versprachen ihm – dies gab der Kurier und Kundschafter selber kund –, dass er nach einem erfolgreichen Ritt viel Geld und (nach der Belagerung) ein mit Geschäftsraum ausgestattetes Haus in der Leopoldstadt bekäme. Letzteres bedeutete, dass Koltschitzky Wiener Bürgerrechte bekam, denn nur ein Wiener Bürger durfte in der Stadt ein Haus besitzen. Koltschitzky kam am 15. August 1683 im christlichen Lager an, wo Karl von Lothringen selbst den Kurier empfing. Er bat ihn, wieder nach Wien zu reiten, was Koltschitzky auch tat. Er musste dem Verteidiger der Stadt, Ernst Rüdiger von Stahremberg, berichten, dass die christliche Armee bald der sich in großer Not befindenden Stadt zu Hilfe kommen würde. Am 17. August war Koltschitzky wieder in Wien und übergab den Brief Karls von Lothringen an Stahremberg. Er wagte keine weitere Reise ins christliche Lager, aber das Haus in der Leopoldstadt sowie 200 Dukaten wurden ihm nach der Belagerung zugeteilt.35 In seinem weiteren Leben konnte er seinen Ritt in viel Geld und Ruhm umwandeln. Noch 1683 ließ er eine kurze Arbeit mit dem Titel „Das heldenmüthige wiewohl gefährliche Unterfangen […]“36 erscheinen. In dieser beschrieb er seine Geschichte für die öffentliche Meinung in Europa. Erstmals bei Johann Martin Lerch in Wien gedruckt, wurde es noch im gleichen Jahr in Nürnberg und auch in Straßburg publiziert.37 Zu diesem Zeitpunkt wandte er sich an den Hofkriegsrat, um eine Kurierstelle zu erhalten, die er am 10. Januar 1684 auch bekam. Am 11. September 1685 ehelichte er Maria Ursula (eine getaufte Türkin) und bekam das ihm versprochene (vorher in jüdischem Besitz gewesene) Haus in der Leopold­stadt. Koltschitzky zog nicht ein; er verkaufte es am 2. März 1686. Der Kurier lebte zwischen 1683 und 1694 von den Einkünften seines Kaffeehauses und von seiner kommerziellen Tätigkeit. Am 19. Februar 1694 verstarb er.

Rudolph und Petrakki Dane Zwei weitere armenische Kuriere, Rudolph und Petrakki Dane, waren wahrscheinlich Brüder. Rudolph trat am 7. Dezember 1660, Petrakki im Jahre 1675 in kaiserlichen Dienst.38 Nach dem

35 Sturminger, Die Kundschafter (wie Anm. 21), 351 f. 36 „Das heldenmüthige, wiewohl gefährliche unterfangen, herrn Georg Frantzen Kolschitzky, welcher gestalt derselbe in ängstlicher türckischer belägerung der käyserlichen haupt- und residentz-stadt Wienn in Oesterreich durch das feindliche lager gedrungen und die erste kundschafft […] gebracht habe […]. Erstmaln gedruckt zu Wien. Nürnberg, Balthasar Joachim Endter, 1683.“ 37 Straßburg war Westeuropas Zentrum für die aus dem Osten kommenden Nachrichten. 38 Rudolph: ÖStA FHKA HKA HF Protokollband 863. Reg. 1661, fol. 12v.; Petrakki: ÖStA KA HKR Protokollband 399 – 400. Exp. April 1697, fol. 229r.

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Testament von Kalust Nurveli (siehe unten) stammte die Familie Dane aus Konstantinopel 39 und war wahrscheinlich armenischer Herkunft. Der Vater von Rudolph und Petrakki diente dem kaiserlichen Residenten zu Konstantinopel, Johann Rudolf Schmid.40 Rudolph Dane erkrankte 1679 in Belgrad und konnte seine Kurierreise zum Bosporus nicht beenden. Er starb Anfang 1681. Sein jüngerer Bruder Petrakki diente während der Rückeroberungskriege in Ungarn und bat den Hofkriegsrat 1697 – nach 22 Jahren Kurierdienst – um eine Dolmetscherstelle, die er auch bekam.41 Bis 1700 arbeitete auch er als Händler. Rudolph Dane hinterließ zwei Söhne, Zwillinge. Deren Studium wurde vom Hofkriegsrat finanziert. Dieses tat man nicht aufgrund der Kurierdienste des Vaters, sondern weil dieser dem Kaiser die Handreliquie der Heiligen Anna zu Konstantinopel nach Wien brachte.42 Als die Söhne des kaiserlichen Dolmetschers Adam Schönberger, Franz Rudolph und Leopold, dieselbe Pension wie die Dane-Söhne beanspruchen wollten, antwortete der Hofkriegsrat auf ihre Supplikation, dass den Zwillingen Dane der Reliquie wegen ihr Studium finanziert wurde.

Erasmus Noel Schon Teply schrieb über die armenische Herkunft des Erasmus Noel (1645?–1710).43 Wie bei vielen anderen ist auch bei Noel nicht genau bekannt, wie er nach Wien kam. Es scheint, dass er nach 1666, infolge des bereits erwähnten Fermans in die Kaiserstadt zog. Der Hofkriegsrat schickte ihn zum ersten Mal im Jahre 1677 nach Konstantinopel. Von diesem Zeitpunkt an diente Noel dem kaiserlichen Hof. 1679 und 1680 war er sogar geheimer Korrespondent in Belgrad, später aber gab man die Stelle seinem Vorgänger zurück.44 Noel wurde danach als Kurier mit halber Besoldung angestellt und diente dem Hofkriegsrat.45 Als Rudolph Dane (vergleiche oben) 1681 starb, bekam Noel dessen Kurierstelle.46 Danach unterstützte 39 Teply, Kalust Nurveli Schahin (wie Anm. 14), 372. 40 Teply, Johannes Diodato (wie Anm. 14), 102. 41 ÖStA KA Protollband 402 – 403. Exp. Oktober 1698, fol. 681v (hier schreibt man schon: „türkischer dollmätsch“). 42 ÖStA FHKA HKA HFU r. Nr. 347. 1692. III–IV, fol. 85r (5. März 1692). Die Heilige Anna war – der Tradition zufolge – die Mutter der Jungfrau Maria. Ihre angebliche Handreliquie wurde 710 vom Heiligen Land nach Konstantinopel transportiert. Im Jahre 1333 wurde sie in die Hagia Sophia gebracht (http://www.newadvent.org/cathen/01538a.htm, 2. April 2010). Diese Handreliquie wurde von Dane mitgenommen und dem Kaiser übergeben. Sie gelangte in die kaiserliche Schatzkammer. 43 Teply, Kalust Nurveli Schahin (wie Anm. 14), 369. 44 ÖStA Haus-, Hof- und Staatsarchiv (im folgenden HHStA), Staatenabteilungen Türkei I. Kt. 152. Konv. 4, fol. 25r (5. Februar 1681); ÖStA KA HKR Protokollband 359. Exp. April 1680, fol. 248v; Band 360. Reg. 16. April 1680, fol. 144r. 45 ÖStA HHStA Staatenabteilungen Türkei I. Kt. 150. Konv. 4, fol. 33r, 35r.; ÖStA KA HKR Protokollband 359. Exp. Oktober 1680, fol. 591v; Band 360. Reg. 17. August 1680, fol. 347v, 2. Oktober, fol. 407v. 46 ÖStA KA HKR Protokollband 361. Exp. Mai 1681, fol. 267v, Juli, fol. 408r; Band 362. Reg. 9. Juli 1681, fol. 372r.

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er den Internuntius Caprara und den ständigen Gesandten Kuniz. E ­ rasmus Noel starb am 14. April 1710 in Wien, im „Haus zum Roten Engel“ (heute Wollzeile Nr. 21). Den Kurierposten, der mit seinem Tod vakant wurde, bekam ein anderer Armenier, Isaak de Luca.47

Die Rolle der armenischen Kundschafter bis 1688 Johannes Diodato Als Kundschafter spielten die Armenier eine ebenso große Rolle wie als Kuriere. Eine der wichtigsten Personen dieses Netzwerkes war Johannes Diodato, der am Nachrichtendienst zwischen Wien und Ofen, aber auch ferneren Orten teilnahm. Als Ovanes Astouazatur war er 1640 in Konstantinopel geboren worden. Sein Vater Elias, Händler und Juwelier, hatte ein sehr breites Verbindungsnetz im Osmanischen Reich und gute Beziehungen zu mehreren Angestellten des Serails. Gemeinsam mit seinem Bruder Jakob arbeitete er auch für die ständigen kaiserlichen Gesandten in der osmanischen Hauptstadt – Johann Rudolf Schmid, Alexander Greiffenklau von Vollrats und Simon Reniger von Reningen.48 Diodato kam 1654 mit seinem Vater nach Wien. Es war ein günstiger Zeitpunkt für sie: Der gerade zum römischen König gewählte Ferdinand IV. starb an den Pocken, also musste die ganze Krönungsprozedur – mit Leopold I. – erneut durchlaufen werden. Für Elias und Johannes Diodato war das eine gute Handelsmöglichkeit. Sie reisten in den nächsten Jahren mit dem Hof, 1655 erst nach Pressburg (Bratislava), 1656 nach Prag, danach ins Heilige Römische Reich. 1658 finden wir sie in Frankfurt wieder. In dieser Zeit konnten die beiden Diodatos auch am kaiserlichen Hof ihre Verbindungen ausbauen. Zwischen 1658 und 1663 waren Vater und Sohn auf einer Europareise. Sie besuchten Holland, Flandern, England, das Königreich Frankreich, die Länder der spanischen Krone und Italien und kehrten erst am 30. März 1663 nach Wien zurück. Zu diesem Zeitpunkt aber stand der Wiener Hof mit den Osmanen im Krieg, so mussten Elias und Johannes Diodato in der Kaiserstadt bleiben. Nach dem Frieden von Eisenburg (Vasvár) nutzten die beiden die neuen Handelsmöglichkeiten,49 außerdem spielten sie in den Geldspekulationen während und nach der Kriegszeit eine wichtige Rolle.50 Der Hofkammer und der Münzanstalt mangelte es stets an Rohstoffen. Das Silber führten die sogenannten „Münzjuden“ ein, für sie aber war das Osmanische 47 Teply, Kalust Nurveli Schahin (wie Anm. 14), 369. 48 ÖStA HHStA Staatenabteilungen Türkei I. Kt. 153. Konv. 1, fol. 94v (1686); ÖStA FHKA HKA HFU r. Nr. 222. Konv. 1666. VII, fol. 60r (12. Juli 1666). 49 „Ermeny Elias und consortes von Constantinopl“ kamen in Wien an. ÖStA FHKA HKA HFU r. Nr. 228. Konv. 1666. V, fol. 56r (25. Mai 1666). 50 Teply, Johannes Diodato (wie Anm. 14), 93 – 106.

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Reich ein verbotenes Territorium.51 Das gab Diodato die Möglichkeit, ins Geschäft einzusteigen. Seine Bedeutung wuchs nach 1670, nach der Vertreibung der Juden aus Wien. Diodato hatte gute Beziehungen zum Hofkammerrat Johann Gabriel von Selb und zum Hofkammerpräsidenten Graf Ludwig Georg von Sinzendorf. Mithilfe seiner im Osmanischen Reich gebliebenen Familie konnte er den Silberhunger der Hofkammer und der Münzanstalt lindern.52 Seine einzige Konkurrenz bildeten die kaiserlichen Kuriere – unter denen, wie wir oben schon schilderten, auch sehr viele Armenier waren –, denn diese nutzten ihre offiziellen Reisen auch als Geschäftsreisen, um ihren nicht allzu hohen Sold etwas aufzubessern. Somit hatte Diodato mit den kaiserlichen Kurieren mehrere Konflikte, mit Rudolph Dane kam es 1673 sogar zu Tätlichkeiten. Diodato wurde aber in dieser Zeit von der Hofkammer vor all seinen Feinden geschützt, denn das Verlangen nach Silber war so groß, dass man auf die Dienste des Armeniers nicht verzichten konnte. So war es auch 1678, als – wie wir oben schon schilderten – nach den jüdischen Kaufmännern auch die „Raizen“ die Stadt verlassen sollten. Diodato hatte aber schon 1670 ein Warendepot im „Gasthaus zur Goldenen Gans“ (in der Nähe der heutigen Rotenturmstraße). 1677 heiratete er und bekam das Bürgerrecht.53 Der Armenier stand mit den höchsten politischen Kreisen in Verbindung. Als Kaufmann arbeitete er am liebsten allein, hatte aber lockere, kaleidoskopische Beziehungen zu anderen armenischen Kaufleuten und knüpfte Verträge mit der Wiener Orientalischen Handelskompanie. Damit er ins Osmanischen Reich leichter ein- und ausreisen konnte, bat er 1681 um die vakante Kurierstelle des Rudolph Dane, die aber der schon erwähnte Armenier Erasmus Noel bekam. Diodato führte seine kommerziellen Aktivitäten auch während der Rückeroberungskriege weiter, er baute neue Beziehungen auf: In Ungarn, in der Walachei, in der Moldau, aber auch im polnischen Königreich. Diodato hatte sehr viel Bargeld, wonach am Wiener Hof in jeder Epoche großer Bedarf herrschte. Er gab fast jedem der wichtigen und weniger bedeutsamen Staatsmänner und Hofangestellten Kredit; somit standen viele in seiner Schuld. Seine Strategie zum Ausbau neuer Kontakte war so erfolgreich, dass er 1682 vom Hofkriegsrat den Auftrag bekam, mit dem Internuntius Alberto Caprara in das Osmanische Reich zu reisen, um seine Kontakte im Land des Sultans aufzufrischen und für Wien arbeitende Informanten auszusuchen und zu installieren. Auf die Verbindungsleute von Diodato warteten zwischen 1684 und 1686 große Aufgaben: Sie mussten vor allem aus Ofen Informationen gewinnen. Dazu stellte Diodato zwei andere Armenier, Kalust Nurveli und Gabriel aus Schebinkarahisar, in seine Dienste.

51 „Gleich wie aber die Rätzen hinkünfftig auff Wien nicht zuzulassen, alß seye auch denen Wiener Juden ihre commercien in Türckhey noch viel mehr aber ihre hinabreyse bey lebensstraff zu verbieten.“ ÖStA FHKA HKA RA 187/B, fol. 827v 26. Januar 1664. 52 Teply, Johannes Diodato (wie Anm. 14), 102. 53 Ebd., 243.

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Kalust Nurveli und sein Bruder Wardan Bonaventura Im Juli 1678 erreichte eine Anfrage den Hofkriegsrat. Die Behörde sollte „dem Bassa zu Ofen christlichen Leib Medici, Calixti Schiachine“, einen Passbrief schicken, damit er nach Wien kommen könne, um Arzneien zu kaufen.54 Der Hofkriegsrat war zu diesem Zeitpunkt über eine solche Bitte nicht erfreut, denn wegen der Tätigkeit von Emerich Thököly drohte wieder ein Waffenkonflikt mit den Türken. Außerdem war im Osmanischen Reich und auch auf ungarischem Gebiet die Pest ausgebrochen; man hatte Angst, dass sie auch Wien erreichen würde. Überdies kannte der Hofkriegsrat „Calixt Schiachin“ nicht. Deshalb schickte man einen Befehl an den Vizekapitän der Festung Raab (Győr), János Esterházy (1625 – 1690), er solle Informationen über den Supplikanten sammeln. Kalust Nurveli aber wartete nicht auf die Erlaubnis.55 Der Hausarzt des Beglerbegs von Ofen, Hodja Arnavut Uzun İbrahim Pascha,56 kam mit dem Gefolge des Maximilian Sattler nach Wien und wurde mit diesem gemeinsam unter Quarantäne gestellt.57 Im August 1678 konnte er sich schon frei in Wien bewegen, er wurde in der Leopoldstadt beherbergt. Kalust Nurveli, der 1636 im Stadtviertel Neu-Dschulfa,58 in Isfahan (im heutigen Iran) geboren wurde, ist unter vielen Namen bekannt:59 Bonaventura Scháhin,60 Bonaventura Velli, dottore Persiano usw. Er war eigentlich verheiratet und hatte auch Kinder, aber – so scheint es – brachte er sie nie nach Wien. Sein jüngerer Bruder, der Händler Wardan Bonaventura Schahin, lebte in Ofen und spielte 1686 bei der Rückeroberung der Festung durch das christliche Heer eine wichtige Rolle: Er schickte vor und während der Belagerung Kundschafterbriefe nach Wien. Kalust Nurveli verbrachte mehrere Jahrzehnte in Wien, wo er als Arzt, Hofchemiker, Händler und Spion tätig war. 54 ÖStA KA Protokollband 356. Reg. Juni 1678, fol. 334v. 55 ÖStA KA Protokollband 356. Reg. Juni 1678, fol. 334v. 56 ÖStA KA Protokollband 356. Reg. Juli 1678, fol. 558v. – Hodscha Arnavut Uzun İbrahim Pascha war zwischen 1670 und 1673 sowie 1678 und am 14. September 1683 Beglerbeg von Ofen. Gévay, Anton: A budai pasák [Budaer Paschas]. Wien 1841, 48 – 50. 57 Maximilian Sattler wurde vom Wiener Hof zur Ablösung des Johann Christoph von Kindsberg, ständiger kaiserlicher Gesandter zu Konstantinopel zwischen 1672 und 1678, ins Osmanische Reich geschickt. Er erkrankte aber auf der Hinreise und starb in Belgrad. Sein Gefolge kam mit dem Leichnam auf dem einzig möglichen Weg durch Ofen zurück. 58 Im Mittelalter existierte eine Stadt namens Dschulfa am Fluss Araxes (auch Arax und Aras genannt). Die Bewohner wurden vom Schah der persischen Dynastie der Safawiden, Abbas I. (1587 – 1629), nach Isfahan übersiedelt. Der Schah wollte den türkischen Janitscharen ähnliche Truppen aufstellen, deshalb führte er das Gulamsystem ein. Die Armenier aus Dschulfa benannten ihre neue Heimat nach der alten: Neu-Dschulfa. Savory, Roger M.: Abbas I. In: Encyclopaedia Iranica. Bd. 1. Hg. v. Ehsan Yarshater. London-New York 1985, 74. 59 Wiener Stadt- und Landesarchiv (im folgenden WStLA), Alte Ziviljustiz, Testament 10.330; WStLA, Todesbeschauprotokoll, Band 19, fol. 59v. 60 Sah’in (persisch) = Königsfalke.

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Seit seiner Anreise hatte er engen Kontakt zu Johannes Diodato. Bisher können wir nicht beweisen, ob sich die beiden schon vor diesem Zeitpunkt kannten oder ob wir nur von einer Begegnung zweier ähnlicher Seelen sprechen können.61 Die Tatsache, dass im Juli 1679 Kalust Nurveli als Taufpate der ersten Tochter von Diodato erscheint,62 lässt uns vermuten, dass sich die beiden schon vor ihrer Begegnung in Wien kannten. Kalust Nurveli stand mit dem kaiserlichen Hof auf zwei Ebenen in Verbindung: über Diodato und als Arzt der kaiserlichen Familie. Seine erste Aufgabe als Mediziner bekam er 1679, als er während der Pest in Wien den Kranken half. Mit Diodato arbeitete er mehrmals als Händler zusammen.63 Als 1682 Diodato mit Caprara ins Osmanische Reich geschickt wurde, reiste auch Nurveli bis Ofen mit. Er verbrachte in der „westlichsten Festung des Islams“ eine längere Zeit, wo er mit dem Pascha, seinem früheren Herrn und dessen Vertrauensmännern in Kontakt stand. Von ihnen bekam er wichtige Informationen für den Kaiserhof, die er auch nach Wien schicken konnte; vor allem über die Verhandlungen von Thököly. Er schickte den zwischen dem Kuruzenanführer und dem Serail geschlossenen Vertrag nach Wien und schrieb in seinem Bericht vom 9. November 1682, „was er daselbst [in Ofen] vom Vizir [dem Beglerbeg] erforschet, und waß der Türckhen Vorhaben in Hungarn seye“64. Wie bereits erwähnt, konnte die christliche Partei während der Belagerung von Wien in 1683 immer wieder Kundschafter ein- und ausschleusen. Über ihre Rolle können wir in Monografien und Fachartikeln genügend nachlesen.65 Dennoch ist bis heute nicht genau anzugeben, wer und wie viele Kundschafter während der Belagerung dienten. Sicher ist, dass sie alle durch das feindliche Lager queren mussten und mit der Hilfe des dort als Geisel lebenden kaiserlichen Residenten Kuniz durchkamen.

61 Teply, Kalust Nurveli Schahin (wie Anm. 14), 337. 62 Teply, Johannes Diodato (wie Anm. 14), 243. 63 Diodato und Kalust Nurveli traten 1681 gemeinsam als Kaufleute auf, sie waren sogar mit dem jüdischen Kaufmann Lebl Höschl – der nach der Vertreibung der Juden aus Wien nach Ofen übersiedelte – in dieser Angelegenheit gemeinsam verwickelt. Der jüdische Kaufmann wurde im August 1681 zwischen Tata und Raab (Győr) getötet. Seine Waren, und natürlich auch die von Kalust Nurveli und Diodato, wurden von den Husaren von Raab geraubt. Die beiden Geschäftsmänner forderten gemeinsam ihre Entschädigung vom Hofkriegsrat und der Hofkammer. Über diese Angelegenheit und Lebl Höschl siehe Teply, Karl: Ein Konfident aus dem Wiener Ghetto. In: Wiener Geschichtsblätter 27 (1972), 400 f.; Buchberger, Reinhardt: Lebl Höschl von Wien und Ofen: Kaufmann, Hofjude und Spion des Kaisers. In: Hofjuden und Landjuden. Jüdisches Leben in der Frühen Neuzeit. Hg. v. Sabine Hödl, Peter Rauscher und Barbara Staudinger. Berlin 2004, 217 – 250. 64 ÖStA KA HKR Protokollband 366. Exp. November 1683, fol. 4v. 65 Klopp, Das Jahr 1683 (wie Anm. 22), 243; Newald, Johann: Beiträge zur Geschichte der Belagerung von Wien durch die Türken im Jahre 1683. 2 Bde. Wien 1883 – 1884, hier Bd. 2, 70, 73, 120; Renner, Wien im Jahre 1683 (wie Anm. 22), 312 – 316, 319, 324, 328; Redlich, Oswald: Weltmacht des Barock. Österreich in der Zeit Kaiser Leopolds I. Wien 1961, 249; Sturminger, Die Kundschafter (wie Anm. 21).

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Die Belagerung Wiens wurde am 3. September 1683 kritisch, denn den osmanischen Mineuren gelang es, eine Mine zu sprengen, wodurch ein Teil der schützenden Mauern einstürzte. Durch diese Bresche versuchten die Janitscharentruppen, die Stadt zu stürmen. Die Bevölkerung geriet in Panik. Ernst Rüdiger von Starhemberg, der Verteidiger der Stadt, musste dem zwei Tage zuvor auf den gefährlichen Weg geschickten Georg Michalowitz einen anderen Kundschafter nachschicken, um dem Befehlshaber der alliierten Truppen über die große Gefahr zu informieren. Dieser Kurier kam aber nie im Lager des Karl von Lothringen an, denn „Eodem ist auch eines armenischen Doktors namens Schahim bedienter mit einem Paket Briefe aus der Festung den 5-ten bekomben und vor den Grossvezier gebracht worden, so in examine ausgesagt, dass gestalt der Commendant nicht mehr denn 5.000 Soldaten in der Stadt und höchsten hilf vonnöthen habe“66. Schon Walter Sturminger bewies, dass der Kundschafter nicht der Diener des Kalust Nurveli sein konnte. Kuniz, der eigentlich sehr gut über alle Aktivitäten im christlichen und auch im osmanischen Heer Bescheid wusste, dachte wahrscheinlich deshalb, dass der gefangen genommene Mann ein Bediensteter des „persischen Doktors“ war, weil er genaue Informationen über die Kundschafteraktivitäten von Kalust Nurveli hatte. Trotz des großen Nutzens der armenischen Nachrichten hatten die kaiserliche Heerführung und der Hofkriegsrat nie wirklich Vertrauen in Diodato und Kalust Nurveli, sie konnten auch nach der Belagerung nicht wissen, auf welcher Seite die beiden Armenier standen, denn die Osmanen baten Schahin, ihre Interessen während der Verhandlungen zu vertreten. Kalust Nurveli war mehr als suspekt, man ließ ihn unter Hausarrest stellen und der neue Hofkriegsrat Kuniz, der ehemalige Resident zu Konstantinopel, bekam die Aufgabe, den Armenier auszufragen.67 Obwohl wir den Bericht des Rates nicht kennen, musste er doch entlastend ausgefallen sein, denn Nurveli wurde aus der Haft entlassen. Er fuhr im Juni 1684 nach Linz, wo er von Kaiser Leopold I. empfangen wurde (sic!). Von hier aus sandte man ihn nach Ofen, ins kaiserliche Lager, und er bekam die Aufgabe, mithilfe seines in der Festung lebenden Bruders Wardan Nachrichten für die Alliierten zu bringen.68 Der „persische Doktor“ bat sogleich den Hofkriegsrat, seine 3.000 Gulden Spesen – die er im Dienste der kaiserlichen Majestät opferte – zu erstatten, und „umb eine ordentliche Pension und Unterhalt wegen seinen bei dem Erbfeindt erhaltenen und threuherzig referirten Kundschafften“69. Vom Hofkriegsrat Hieronymus Pozzo wurde die Bitte Nurvelis unterstützt,70 und der Kaiser

66 Diese Zeilen aus Kuniz’ Diarium werden oft zitiert, z. B. Sturminger, Die Kundschafter (wie Anm. 21), 353; Teply, Kalust Nurveli Schahin (wie Anm. 14), 349. 67 Kuniz bekam diese Aufgabe von Hofkriegsrat Hieronymus Pozzo. ÖStA KA HKA Protokollband 368. Exp. April 1684, fol. 178r. 68 ÖStA FHKA HKA HFU r. Nr. 300. Fasz. 1684. XII, fol. 240 – 242 (20. Dezember 1684). 69 ÖStA KA HKR Protokollband 368. Exp. Juni 1684, fol. 315v. 70 „[D]aß Ihre Kay[serliche] May[estät] diesen perisanischen doctor zur fortsetzung der kundschafften mit denen er biß dato so wol an die handt gegangen mit einem beständigen jährlichen pension allergnädigist versehen haben.“ ÖStA FHKA HKA HFU r. Nr. 300. Fasz. 1684. XII, fol.  240 – 242 (20. Dezember 1684).

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versprach ihm 1.000 Gulden, um welche Summe er auch noch in seinem Testament für seine Nachfahren supplizierte.71 Nurveli und Diodato haben ihre Verbindungen im Osmanischen Reich, vor allem mit der Festung Ofen, während der ganzen Periode aufrechterhalten. Nurveli sprach nicht nur mit seinem Bruder, sondern auch mit anderen Armeniern, schickte ihnen Briefe und nutzte sie im Dienste des kaiserlichen Hofes. Die von ihm und Wardan nach Wien gesandten Berichte wurden von dem unter Hausarrest lebenden Diodato dechiffriert.72 Wardan Bonaventura Schahin schrieb in seiner Relation vom 15. April 1684, dass es im Osmanischen Reich große Probleme gibt, und – so an den Hofkriegsrat – „Wenn Ihr schnell an diese Gegenden kommen könnt, so hoffe ich, dass die Stadt Euer sein wird.“73 Diodato bemerkte am Ende der dechiffrierten Nachricht, dass er am 28. April aus Raab von einem „raizischen“ Kaufmann namens Pal Diagh auch Informationen bekam.74 Als Karl von Lothringen 1684 zum ersten Mal die Eroberung von Ofen unternahm, gab er den Befehl, dass „wann es daselbst zu extrema kommen sollte, des Persianer Doctore Bruder zu Ofen wegen der Correspondenz zu schonen [ist]“.75 All das lässt den Schluss zu, dass die von Kalust Nurveli, Wardan Bonaventura und Johannes Diodato gesammelten Nachrichten für den Hofkriegsrat und die Heeresführung von großer Bedeutung waren, obwohl sie als Armenier nie als völlig vertrauenswürdig galten. Auch höheren Ortes wurde ihre Wichtigkeit anerkannt: Als Kalust Nurveli im Dezember 1684 erneut um die Erstattung seiner Spesen und Auszahlung der ihm versprochenen Geldsummen bat, sind auf seiner Supplikation die folgenden, vom Kaiser eigenhändig unterzeichneten Zeilen zu lesen: „Weillen er gleich wohl zimblich guete correspondenzen an die handt geben hat, wirdt man ihm wohl mit etwas an die handt gehen können. Leopold.“76 Als Diodato begann, mit einem neuen armenischen Abenteurer, Gabriel aus Schebinkara­ hisar, Geschäfte zu treiben, kam es zum Zerwürfnis zwischen ihm und Kalust Nurveli. Dass der Doktor und der Händler zu zwei verfeindeten Parteien am Hof gehörten, verschlimmerte die Situation zusätzlich. Kalust Nurveli wechselte auf die Seite des kaiserlichen Oberdolmetschers der orientalischen Sprachen, Meninski, was die bisherigen Verhältnisse veränderte.77 Der Erfolg von Ofen im Jahre 1686 konnte diese Auseinandersetzung jedoch beseitigen; auf der Hochzeit des Gabriel aus Schebinkarahisar waren Johannes Diodato und Kalust Nurveli als Trauzeugen anwesend.

71 72 73 74 75 76 77

Teply, Kalust Nurveli Schahin (wie Anm. 14), 370.

ÖStA HHStA Staatenabteilungen Türkei I. Kt. 152. Konv. 5, fol. 11 – 14. ÖStA HHStA Staatenabteilungen Türkei I. Kt. 152. Konv. 5, fol. 12r. ÖStA HHStA Staatenabteilungen Türkei I. Kt. 152. Konv. 5, fol. 14r. ÖStA KA HKR Protokollband 369. Reg. 28. Juli 1684, fol. 455v. ÖStA FHKA HKA HFU r. Nr. 300. Fasz. 1684. XI–XII, fol. 242v (20. Dezember 1684). Zu diesen Ereignissen Kerekes, Dóra: Frakcióharcok Bécsben a XVII. század végén [Fraktionskämpfe in Wien am Ende des XVII. Jahrhunderts]. In: Lymbus. Magyarságtudományi Forrásközlemények 7

(2008), 163 – 193.

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Wie unterschiedlich die Armenier sein konnten, zeigt ein Fall aus dem Jahre 1685. Dieser illustriert auch sehr anschaulich, warum man in Wien den armenischen Kundschaftern nicht ganz traute. In diesem Jahr ließ man Melek İbrahim Pascha Großwesir – der nicht viel früher den Rebellen und Kuruzenführer Thököly in Haft nahm – hängen (damit wurde er wirklich ein ‚melek‘, also Engel). Sein Nachfolger wurde Sarı Süleyman Pascha, der Wardan Bonaventura nach Wien schickte, um mit dem Hofkriegsrat über einen Frieden zu verhandeln. Der Bruder des Kalust Nurveli befand sich von Januar bis März 1685 in Wien und sprach offiziell mit dem Hofkriegsrat und dessen Präsidenten, Graf Hermann von Baden. An den Besprechungen nahm auch Diodato teil. Als Folge des Vertrages der Heiligen Liga – welcher einen Partikularfrieden der Alliierten ausschloss – konnten die Verhandlungen des Wardan Bonaventura nicht erfolgreich sein. Letztendlich versuchte er, mit 60.000 Dukaten den Hofkriegsratspräsidenten Hermann von Baden auf seine Seite zu ziehen; ohne Erfolg. Er kehrte nach Ofen zurück, um für den Hofkriegsrat Nachrichten zu sammeln. Die kaiserliche Behörde hatte das so ernst gemeint, dass man dem Kapitän der Festung Gran, Johann Philipp von Bischofshausen,78 befahl, dem Armenier einen seiner treuen Männer vorzustellen, damit Wardan mit dessen Hilfe seine Nachrichten von Ofen nach Wien senden könne.79 Diese Relation funktionierte so gut,80 dass man im Juni 1685, als Bischofshausen nach Plintenburg (Visegrád) versetzt wurde, diesem befahl, weiterhin den Briefwechsel der armenischen Brüder zu betreiben.81 Als die kaiserlichen und alliierten Truppen 1685 Neuhäusel (Nové Zámky/Érsekújvár) einnahmen, begann der Hofkriegsrat die Belagerung von Ofen aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Man wusste sehr wohl, dass diese Frage nicht friedlich zu lösen war. Daher suchten sie einen Mann, der als „Spion und Saboteur“ in die Festung eingeschleust werden konnte und bei keinem Befehl Gewissensprobleme bekäme.

78 Der aus Hessen stammende Johann Philipp von Bischofshausen war Geheimer Rat von SachsenCoburg sowie Hofmarschall. Zu dieser Zeit (1686) nahm er als kaiserlicher Soldat an der Belagerung Ofens teil. Großes vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste. Bd. 3. Hg. v. Johann-Heinrich Zedler. Halle–Leipzig 1733, 1958. 79 ÖStA KA HKR Protokollband 371. Reg. 4. April 1685, fol. 171r. Am Seitenrand: Bischoffshausen, Persian D[okto]rs brueder, Wardan Bonaventura – „Solle dem Wardan Bonaventura nach Ofen convoy mitgeben, oder sonsten assistieren, wann er schreiben auß Ofen ihme zueschickhet, selbe also bald[en] anhero übersend[en], zu d[em] ende ihm eine vertraute persohn daselbst vorzustell[en], d[a]ß er ihn khenne, unnd selbige auf sein verlang[en] nach Ofen schickh[en], unnd seine brief von dannen abholen khönne.“ 80 ÖStA KA HKR Protokollband 370. Exp. Mai 1685, fol. 274v. Am Seitenrand: „Bischoffshausen – yberschickt den von Bonaventura Werdau auß Ofen durch einen bauren empfangenen brief /geht ab/“. 81 ÖStA KA HKR Protokollband 370. Exp. 26. Juni 1685, fol. 323r–v. Am Seitenrand: Bischofshausen, Ofen correspondenz, Bonaventura – „Weillen er nach Visegrád beordret word[en], also solle er die correspondenz mit dem Bonaventura zu Ofen dahin ziehen, unnd [con]tin[u]ieren, unnd vor allem d[a]ß bey geschlossene an ihne Bonaventura bestellen.“

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Gabriel aus Schebinkarahisar Für diese Aufgabe fanden sie einen anderen Armenier, den im Oktober 1685 in Wien anreisenden Gabriel aus Schebinkarahisar (Şebinkarahisar, heute Türkei). Er ist auch unter seiner Berufsbezeichnung Gabriel Sarto bekannt; im Italienischen bedeutet sarto ,Schneider‘. In der unga­ rischen Geschichte bezeichnet man ihn als den „Schneidermeister Gabriel“ (Gábor szabómester).82 Der aus Schebinkarahisar kommende Gabriel wurde mit dem oben geschilderten Auftrag Teil des Spionagenetzes, auf dessen strategischen Punkten in Wien und Ofen Diodato und Wardan Bonaventura saßen, und dessen Fäden bis nach Konstantinopel reichten. Schebinkara­ hisari wurde zuerst im Haus von Kalust Nurveli in der Leopoldstadt untergebracht, wo der Kommandant der Stadtwache den Neuankömmling ausfragte: Wer er sei, von wo und warum er nach Wien komme. Seine Antworten, also die „wahre Geschichte“ des Gabriel von Schebinkarahisari, zeigen Folgendes: Er behauptete, ein Schneider und armenischer Kaufmann zu sein, dessen reicher Bruder in Edirne (heutige Türkei) lebte. Mit seinen eigenen und den Waren seines Bruders fuhr er oft ins Königreich Polen, das könnte man auch dort prüfen. Wie es bei den Armeniern üblich ist, gab er dem Pascha von Sivas Kredit, welcher aber seine Schuld von 6.000 Talern nicht zahlen konnte. Deshalb reiste er seit anderthalb Jahren mit dem hochrangigen türkischen Offizier, um – wenn es dazu kommt – sein Geld wiederzubekommen. Als der Pascha auf des Sultans Befehl nach Gran ziehen musste, kam Schebinkarahisari mit ihm. Der Türke wurde während der Belagerung am 16. August 1685 von einem Gewehr verwundet, und Gabriel bat den Sterbenden, seine Schulden zu bezahlen. Der Pascha sagte aber, dass er erst „zu einem Türken werden soll“ (d. h. zum Islam übertreten solle), denn ihn verpflichte sein Wort gegenüber einem „Ungläubigen“ nicht. Man wollte ihn mit Macht zur Islamisierung zwingen, vor der er nur mit großer Mühe zu einem Christen in Ofen fliehen konnte, der ihm eine Zeit lang Obhut gab. Von ihm wusste er, dass der Pascha einen seiner Diener zur Annahme des Islams gezwungen hatte; ein anderer sei geflohen, dessen Zelt und Waren wurden daraufhin von den Dienern des türkischen Offiziers mitgenommen. Gabriel von Schebinkarahisari kaufte vom Rest seines Geldes ein Pferd und floh in der Nacht aus der Stadt bis zum christlichen Lager südlich Gran. Der ihn festnehmende Kapitän brachte den Schneider vor Karl von Lothringen, welcher ihn ausfragte und mit einem Passbrief nach Komorn (heute: ungarisch Komárom und slowakisch Komárno) schickte. Hier verbrachte er zwei Monate und wartete auf den kaiserlichen Oberbefehlshaber. Als Karl von Lothringen dort ankam, sprach er wieder mit Gabriel und riet ihm, nach Wien zu gehen, weil er dort andere Armenier finden würde, die ihm Obhut geben könnten.83 82 Takáts, Sándor: Buda két árulója. Képek a török világból [Die zwei Verräter von Ofen. Bilder aus der türkischen Welt]. Válogatta és az előszót írta Réz Pál. http://mek.niif.hu/03500/03597/03597.htm (12. 11. 2014). 83 Die Geschichte beschrieb Diodato dem Kaiser, ÖStA HHStA Staatenabteilungen Türkei I. Kt. 153. Konv. 1, fol. 81 – 87.

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Wenn wir die Quellen konsultieren, können wir sagen, dass Schebinkarahisari auf der Route Mosul (heute im Irak)–Bagdad–Tokat–Istanbul–Ofen–Wien reiste und viel besser ausgebildet wurde als ein einfacher Schneider oder Kaufmann. Er besuchte auch wirklich das Königreich Polen, wo er Geschäfte tätigte. Als der Hofkriegsrat einen – wie oben schon erörtert – „Spion und Saboteur“ in Ofen einschleusen wollte, fand die Behörde in Schebinkarahisari einen angemessenen Kandidaten. Diodato half ihm, in die Festung Ofen zurückzukehren. Er sandte ihn zum armenischen Kaufmann Karakas, mit dem er mehrmals Handelsgeschäfte abwickelte. Da sich Gabriel ohne zu zögern auf die Reise machte, kann die Geschichte von seiner Flucht aus Ofen nicht wahr sein, denn eine Rückkehr wäre für ihn auch nach dem Tod des Paschas von Sivas sehr gefährlich gewesen: mehrere Gefolgsleute des Offiziers hätten ihn erkennen können. Als die Entscheidung zur Entsendung des Schneiders getroffen wurde, empfahl der Hofkriegsrat für ihn die Route Wien–Großkirchen (Nagykanizsa)–Ofen und kreierte eine Geschichte – mit einem heutigem Fachwort der Spionage: Legende – für ihn.84 Schebinkara­ hisari widerfuhr leider schon am Anfang seiner Rückreise eine neue Atrozität: Eine Gruppe von Soldaten plünderte ihn in der Nähe der Wiener Neustadt aus, und er musste in die Kaiser­ stadt zurückkehren. Die Zeit wurde knapp, so sandte man ihn von Wien aus direkt nach Ofen – von einer Reise nach Großkirchen war keine Rede mehr. Dem Kapitän von Gran, Strasser, befahl man, einen vertrauenswürdigen Mann mit Schebinkarahisari zu ­schicken, damit dieser heil in Ofen ankäme. Der Armenier traf ungefähr in der zweiten Hälfte des April des Jahres 1686 in Ofen ein, wo er beim Handelspartner von Diodato, Karakas, eine Unterkunft fand. Letzterer meldete sich beim Kethüda (Stellvertreter) des Paschas von Ofen: Ein armenischer Bekannter kam zu ihm. Der Pascha erlaubte, dass Schebinkarahisari in der Festung bleiben könne, von der Legende seiner Ausraubung war er gerührt und schenkte dem Schneider ein Gewand. Dennoch musste Karakas – gemäß dem Usus der Zeit – für ihn bürgen.85 Als Diodato den ersten Brief von Schebinkarahisari erhielt, brachte er diesen selbst nach Wiener Neustadt, wo sich der kaiserliche Hof zu dieser Zeit aufhielt, und ließ ihn L ­ eopold I. durch seinen ersten Kämmerer, Hofkammerrat Hieronymus Scalvinoni, übergeben. Er berichtete, dass der Spion in der Festung sitze. Diodato und Gabriel aus Schebinkarahisar wurden von vielen, z. B. vom kaiserlichen Oberdolmetscher der orientalischen Sprachen, für Doppelagenten gehalten. Dies war jedoch nichts Besonderes, ein solcher Verdacht wurde über jüdische und armenische Kaufleute häufig geäußert. Sie hatten andere Sitten und Bräuche, eine andere Kultur und andere 84 „[D]en Armenier nahmens Schneider [!] so sich nacher Canisa zu begeben willen ist, zu sicheren vollbringung seiner rais einen brief als ob selbiger von einer parthey unterhalb Neuheusel gefangen und von mitleidenden Armeniern wieder erlöst worden wäre“, ÖStA KA HKR Protokollband 373. Reg. 23. Februar 1686, fol. 77r. 85 Das war bei der immer größer werdenden Wiener Kolonie nicht anders. Teply, Karl: Die erste armenische Kolonie in Wien. In: Wiener Geschichtsblätter 28 (1973), 105 – 116.

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Kleidung. Sie lebten zwischen zwei Welten – der der Christen und der der Osmanen – und wurden deshalb oft beschuldigt, der jeweils anderen Seite als Spion zu dienen. Den Handelspartner von Kalust Nurveli und Diodato, den schon erwähnten Lebl Höschl, hielt selbst sein größter Protektor, der damalige Hofkriegsratspräsident Raimondo Montecuccoli (1668 – 1681) für einen Doppelagenten (spia doppia).86 Gabriel aus Schebinkarahisar schrieb die meisten Berichte zwischen April 1686 und dem Beginn der Belagerung. Diese wurden durch Strasser oder von der ordentlichen Post nach Wien befördert. Einige brachte der Armenier Georgius Melchior von Ofen nach Raab, ihn jedoch plünderten die Raaber Husaren aus.87 Die nach Wien kommenden Briefe wurden von Diodato ins Italienische übersetzt; die Translationen sodann dem Hofkriegsrat Karl von Lothringen und dem Kaiser zugeschickt. Schebinkarahisari schrieb auf Armenisch; seine Briefe beinhalteten Daten über seine kommerziellen Aktivitäten. Zwischen den Zeilen aber – und das war nichts Neues in dieser Zeit – schrieb er mit Milch die wirklichen Nachrichten. (Man musste also in der Tat „zwischen den Zeilen lesen“ können.) Diodato hielt die Briefe übers Feuer, wodurch die „Geheimschrift“ lesbar wurde. Diese Technik verwendeten bereits venezianische und ragusäische Spione im 15. und 16. Jahrhundert.88 Man hatte Gabriel aus Schebinkarahisar aber nicht nur zum Briefe schreiben nach Ofen geschickt. Außer dem Kundschafterdienst sollte er nach Möglichkeit eine Sabotageaktion begehen. Er behauptete, nach der Belagerung nichts Geringeres unternommen zu haben: Er hätte eine große Rolle bei der Sprengung des Pulverturms in der belagerten Festung am 22. Juli 1686 gespielt, was den christlichen Sieg ermöglicht hatte. Die Beurteilung dieser Aussage bereitet uns große Schwierigkeiten. Als nach der Einnahme der Festung durch die christliche Armee die Gefangenenverhöre begannen, kamen auch Informationen über die Sprengung des Pulverturms ans Tageslicht. Mehmed Beg, der Kulkethüda (Stellvertreter des Janitscharenagas) zu Ofen behauptete, dass eine Kanonenkugel der anstürmenden Truppen nur aus Versehen den Pulverturm traf.89 Der Laimdjibaschi 90 Sefer hingegen, der von Heinrich Christoph Schwegler, dem Dolmetscher der orientalischen Sprachen, verhört wurde, sagte aus, dass der Turm von zwei Männern bewacht 86 „Wegen der correspondenz, wovon der Meninski meldet, sagt der hinterlassene hoffkriegsrath man habe schon nach Rabb geschriben, die correspondenz brieff besser zu befürderen, und geschehe solches widerumben. Sonsten aber die anherokunfft des Lebel Judens wirdet für bedenckhlich gehalten, zumahlen noch der seel. Fürst Montecuccoli denselben allzeit für suspect, und für eine spia doppia geachtet habe“, ÖStA HHStA Staatenabteilungen Türkei I. Kt. 150. Konv. 4, fol. 84v (Der Hofkriegsrat an Kuniz, den 25. Februar 1681). – Zu Lebl Höschl vgl. Anm. 50. 87 ÖStA FHKA HKA HFU r. Nr. 325. 1688. IX–X, fol. 42r (4. September 1688). 88 Preto, Paolo: La guerra segreta: Spionaggio, sabotaggi, attentati. In: Venezia e la difesa de Levante da Lepanto a Candia, 1570 – 1670. Venezia 1986, 81. 89 ÖStA FHKA HKA HFU r. Nr. 311. Fasz. 1686. X, fol. 443v. 90 Laimdjibaschi (Lağımıcıbaşı) = Führer der Mineure. Pakalın, Mehmet Zeki: Osmanlı Tarih D ­ eyimleri ve Terimleri Sözlüğü. Bd. 2. İstanbul 1971, 347.

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wurde: Von Djebedjibaschi 91 Murad Aga und von Tschorbadji 92 Ahmed. Murad Aga hatte einen armenischen Diener Namens Jusuf, der für die Sprengung verantwortlich war.93 Es ist sehr wahrscheinlich, dass der armenische Diener des Agas die Aktion nicht allein ausführte, sondern auf Schebinkarahisaris Bestreben hin, der ihm dafür Geld versprach. Das könnte man auch aus den Hofkriegsratsprotokollen schließen, denn unter dem Datum des 8. Februar 1687 steht Folgendes: „Wird dem Gabriel Schebbin Cara Hisar wegen zu Ofen in brandt gesteckten arsionals zur recompens eine pension pr. 400 f. iährlich a­ ssignirt.“94 Wir denken, dass die beiden Armenier Schebinkarahisari und Jusuf, der Diener des Murad Aga, zur Sprengung des Pulverturms beitrugen. Hatten sie alles alleine zustande gebracht? Hat das christliche Heer etwas dazu beigetragen? Diese Fragen können wir noch nicht präzise beantworten. Nach diesem Abenteuer heiratete Gabriel aus Schebinkarahisar. Er nahm am 10. Februar 1687 die von Hieronymus Scalvinoni und Johannes Diodato getaufte Türkin 95 Maria Regina Josepha, Witwe des Timarendefterdars 96 zu Neuhäusel, zur Frau.97 Aus seiner Ehe gingen mehrere Kinder hervor.98 Schebinkarahisari blieb aber nach wie vor ein Abenteurer, der in diesen konfusen Zeiten sein Glück versuchte. Als er erfuhr, dass der Hofkriegsrat die ihm zugesprochene Summe nicht auszahlen konnte und wollte, setzte er seinen früheren Protektor Johannes Diodato unter Druck. Das gelang ihm so gut, dass Diodato – unter dem Verdacht, ein Spion zu sein – acht Monate lang in Haft saß. Er musste alle seine Kontakte einsetzen, um seinen Kopf auf dem Hals behalten zu können. Als man ihn am 11. April 1690 freisprach, klagte er Gabriel aus Schebinkarahisar an, den man am 4. Januar 1691 auch festnahm. Diodato selbst sammelte die Daten zur Anklageschrift, und Schebinkarahisari musste im April 91 Djebedjibaschi (Cebecibaşı) = Führer der Djebedji. Die Djebedjis waren Fußsoldaten, die Pfeile, Bögen, Gewehre, Schwerter, Munition, Schießpulver, Helme, Rüstungen und andere Bewaffnung der Janitscharen transportierten. Außerhalb der Heereszüge hielten sie die Bewaffnung ihres Odjaks instand. Uzunçarşılı, İsmail Hakki: Cebeci. In: İslam Ansikklpedisi, Bd. III. İstanbul 1944, 36. 92 Tschorbadji (Corbacı) = Suppenkellner. Stelle in den Odjaks der Janitscharen. Fodor, Pál: A janicsárok törvényei (1606) [Die Gesetze der Janitscharen, 1606]. Budapest 1989, 114. 93 ÖStA FHKA HKA HFU r. Nr. 313. Fasz. 1687. IV, fol. 341v (7. April 1687). 94 ÖStA KA HKR Protokollband 374. Exp. Februar 1687, fol. 106r; ÖStA KA HKR Protokollband 375. Reg. 8. Februar 1687, fol. 80r. 95 In den Quellen über die Türkentaufen in Wien können wir viele Dolmetscher, Kuriere, Gesandtschaftsangestellte und Spione wiederfinden. Sie wurden oft als Taufpaten gebraucht. Teply, Karl: Türkentaufen in Wien während des Großen Türkenkrieges 1683 – 1699. In: Jahrbuch der Vereins für Geschichte der Stadt Wien 29 (1973), 71, 74. 96 Im Osmanischen Reich wurden die Finanzbeamten im Zentrum sowie in den Provinzen mit dem Titel Defterdar benannt. Ab dem Ende des 15. Jahrhunderts waren die Bareinnahmen und -ausgaben vom Maldefterdar (mal defterdarı), die Lehensgüter (timar) vom Timardefterdar (timar defterdarı) verwaltet worden. 97 Teply, Gabriel aus Şebinkarahisar (wie Anm. 14.), 232. 98 ÖStA FHKA HKA HFU r. Nr. 325. 1688. IX–X, fol. 39v (4. September 1688).

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1692 eingestehen, dass er das Belastungsmaterial gegen Diodato – zwei türkischsprachige, an den Pascha zu Ofen geschriebene Briefe – selbst gefälscht hatte. Am 10. Juli 1692 hatte man Schebinkarahisari zum Verlust seiner rechten Hand verurteilt, wegen seiner Dienste in Ofen aber wurde er dann doch nur für ein Jahr zur Strafarbeit nach Raab geschickt sowie für ewige Zeit aus den Erblanden verbannt.99 Aus der Gefangenschaft kam er am 25. Mai 1693 frei,100 befand sich aber in einer ungemütlichen Situation: Er durfte nicht auf habsburgischem Boden leben, seine getaufte Frau aber konnte nicht ins Osmanische Reich zurück. Es scheint allerdings, dass Schebinkarahisari ab 1709 doch wieder in Wien war, denn wir finden ihn erneut in den Hofkriegsratsprotokollen.

Der Untergang des armenischen Kundschafterdienstes – die Belagerung von Belgrad Als die kaiserliche Heeresführung 1687/88 die Belagerung von Belgrad plante, wollte Diodato wieder nach dem alten, schon bei Ofen erfolgreichen Schema handeln. Ein zweites Mal hatte er aber damit keinen Erfolg. Die armenische Spionagegruppe in Wien versuchte, den Sohn des Kalust Nurveli für ihre Zwecke zu nutzen. Man weiß nicht, ob der junge Nurveli dort lebte oder ob man ihn mit dem Auftrag, Nachrichten zu schicken, dorthin entsandte. Kalust Nurveli bat im Juli 1688 den Hofkriegsrat darum, seinen Sohn, den die Husaren festgenommen hatten und mit sich nach Szegedin (Szeged) führten, zu befreien. Gleichzeitig bat er seinen Bruder Wardan, bei der Suche zu helfen. Trotz des Eilbriefes vom Hofkriegsrat an die Generäle Ottavio Nigrelli und Dietrich Heinrich, Freiherr von Nehemb, musste man dem Vater die Antwort geben, dass sein Sohn schon tot sei. Wardan ­Bonaventura ­Schahin wurde ausgeraubt und in der Nähe des Kriegsschauplatzes erschlagen. Kalust Nurveli wurde danach nie wieder als Kundschafter erwähnt. Er blieb in Wien, führte sein Leben als Handelsmann weiter und bewahrte seine Verbindungen zu den „Raizen“, ­Griechen und Armeniern im südöstlichen Handelsgebiet. Die Familie Nuveli bekam im Zentrum der Wiener Armenierkolonie in der Leopoldstadt im Kloster der Barmherzigen Brüder in einer Seitenkapelle einen kleinen Altar mit dem Bild des Heiligen Georgius. Kalust Nurveli lebte in seinen letzten Jahren beim Wiener Bürger Johann Peter Jordin, in dessen Haus in der heutigen Großen Sperlgasse Nr. 14. Man operierte ihn hier am 19. September 1698. Dass die Operation vom Hausarzt des Kaisers, Benedikt N ­ orbert von Zeidler, ausgeführt wurde, zeigt Nurvelis Bedeutung. Dennoch blieb die Operation ohne Erfolg. Der „persische Doktor“ starb am 25. September 1698, sein Leichnam wurde auf dem Friedhof in der Leopoldstadt beigesetzt. Das Hofmarschallamt – denn als Hofchemiker stand Kalust Nurveli unter Aufsicht dieser Behörde – eröffnete am 14. Oktober sein Testament.

99 ÖStA KA Protokollband 389. Reg. 6. August 1692, fol. 431r. 100 ÖStA KA Protokollband 392. Reg. 25. Mai 1693, fol. 208v.

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Johannes Diodato hatte ein langes und abenteuerliches Leben als Kaufmann geführt. Er starb 1725 in dem von ihm erbauten Haus „Zum Grünen Elefanten“ (heute: Hollandstraße 9) und hinterließ seinen drei Kindern ein Vermögen.101

Kleines Endspiel Die Bedeutung der armenischen Kundschafter wurde nach der Eroberung der Festung Ofen (1686) durch die christlichen Truppen immer geringer. Sie konnten aus dem „Zwischengebiet“ – dem Gebiet zwischen dem Osmanischen und dem Habsburgischen Reich, auch „Niemandsland“ genannt – keine brauchbaren Nachrichten mehr schicken. Ihre Verdienste aber brachten mehrere Vorteile: Die armenische Kolonie in Wien blieb lebendig und wuchs zusehends. Nach dem Frieden von Karlowitz (1699), dem Abschluss der Osmanenkriege, spielten sie eine wichtige Rolle im Fernhandel, einige von ihnen bekamen den Titel eines Hoflieferanten. Aber auch die in der Ostdiplomatie im Dienst des Kaisers tätigen Armenier dürfen nicht vergessen werden. Sie arbeiteten als Dolmetscher, Kundschafter, Kuriere und „geheime Korres­pondenten“ als Angestellte des Hofkriegsrats.

101 Teply, Die Anfänge des Wiener Kaffeehauses (wie Anm. 14), 7.

Ernst Christoph Suttner

Die Armenier Polens und Ungarns des 17. Jahrhunderts in gleichzeitiger Communio mit Rom und mit Etschmiadzin

Um zu verstehen, wie es im 17. Jahrhundert zu gleichzeitiger Communio mit Rom und mit Etschmiadzin kommen konnte, muss man bedenken, dass damals die Grenze zwischen unierten und nicht-unierten östlichen Christen sowohl in Rom als auch im Osten anders aufgefasst wurde als im darauffolgenden 18. Jahrhundert. Die Union der Armenier Polens mit der lateinischen Kirche ist dafür ein sprechendes Beispiel.

1) Unionen pro foro interno Um die konfessionellen Verhältnisse bei den Armeniern Polens im 17. Jahrhundert verstehen zu lernen, ist an ein Phänomen zu denken, das für heutige Vorstellungen schwer begreiflich erscheint: an die eine Zeitlang recht weit verbreiteten Unionen pro foro interno. Sie waren der eine von zwei Wegen, auf denen man im 16. und 17. Jahrhundert versuchte, für die Union, die 1439 in Florenz beschlossen, aber recht bald nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken sozusagen beiseitegeschoben worden war, nachträglich noch eine Rezeption einzuleiten. Den einen Weg beschritt man in Polen und Oberungarn, als dort die Kirchen byzantinischer Tradition unter schweren Druck der Reformation geraten waren. Zahlreiche Kirchenführer der dortigen Kirchen byzantinischer Tradition stimmten den Florentiner Vätern zu, welche die Lateiner für ebenso rechtgläubig hielten wie ihre eigene Kirche; sie erhofften sich von den Katholiken, die durch das Reformkonzil von Trient neu erstarkt waren, Hilfe bei der Abwehr des Protestantismus. Um eine solche umso leichter und wirkungsvoller zu erlangen, wollten sie die in Florenz beschlossene Union sozusagen „in Raten“ verwirklichen. Ihren Glaubensbrüdern unter türkischer Herrschaft war damals freilich das Mittun bei einem solchen Bestreben unmöglich, denn beim Konzil von Ferrara/Florenz hatten diese nicht zuletzt deswegen mit den Lateinern paktiert, weil sie sich militärische Hilfe gegen die Türken erhofften. Der im Jahrhundert nach der Eroberung Konstantinopels allmählich erreichte modus vivendi der Griechen mit der türkischen Obrigkeit wäre wieder zerbrochen, wenn die Griechen erneut Glaubensgespräche mit den Lateinern aufgenommen hätten. Doch die Kirchenführer östlicher

Die Armenier Polens und Ungarns des 17. Jahrhunderts

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Tradition im Fürstentum Moldau 1 und in Polen 2, die größere Freiheit zum Handeln besaßen als ihre Glaubensbrüder unter der Herrschaft der Türken, wollten sofortige Hilfe erlangen durch einen unverzüglichen Unionsabschluss, und sie waren fest davon überzeugt, dass die Kirchen unter den Osmanen die Einheit mit den Lateinern ebenso wünschten wie sie und nachfolgen würden, sobald die Umstände dies erlauben, und jene in Siebenbürgen 3 dachten ähnlich. Die Kirchen der Moldau, Polens und Ungarns wollten jene Einheit mit den Lateinern schrittweise einleiten, welche das Konzil von Ferrara/Florenz für alle Kirchen byzantinischer Tradition in einem gemeinsamen, aber ergebnislosen Akt hatte herbeiführen wollen. Der zweite Weg wurde im Osmanischen Reich eingeschlagen. Jesuiten, Redemptoristen, Dominikaner, Franziskaner, Kapuziner und Angehörige verschiedener Frauenorden, die als Missionare ins Osmanische Reich gegangen waren, stießen dort auf gutes Echo bei hochgestellten griechischen Würdenträgern. Diese nahmen freundschaftliche Beziehungen mit den Päpsten auf. Ihr zunächst auf ihre Person und einen kleinen Anhängerkreis beschränktes Verhalten fand bei anderen Bischöfen, Äbten und Priestern mehr und mehr Nachahmung, und dies führte zur zweiten Weise, wie man eine nachträgliche Rezeption der Florentiner Union einzuleiten versuchte: Theologen, Hierarchen und Notabeln, denen die Florentiner Einschätzung der geistlichen Nähe zwischen Lateinern und Griechen richtig erschien, und die das Ende des Schismas ersehnten, begannen im 17. Jahrhundert individuell, sozusagen als „Erstlinge“, zu vollziehen, was – wie sie wünschten und hofften – ihre Kirche baldigst als ganze durchführen werde. Allerdings taten sie es nur geheim, weil das türkische Joch den öffentlichen Vollzug unmöglich machte. Pro foro interno (das heißt: in einem nur ihr Gewissen betreffenden Akt, der der Öffentlichkeit verborgen blieb) gingen sie eine Union mit dem Römischen Stuhl ein, blieben aber pro foro externo (das heißt: in aller Öffentlichkeit) führende Persönlichkeiten ihrer bisherigen, mit Rom nicht unierten Kirche. Solche Unionen waren zahlreich genug, um nicht als Ausnahmen abgetan werden zu können. Sie konnten nur deshalb Wirklichkeit werden, weil es in Rom offenbar auch im 17. Jahrhundert noch für ekklesiologisch vertretbar gehalten wurde, dass Kleriker und Gläubige aus 1 Schreiben, die in der Angelegenheit aus der Moldau nach Rom gingen und deutliche Affinität aufweisen zum Florentiner Unionsdekret, zitiert Alzati, C.: Terra Romena tra oriente e occidente. Milano 1982, 207. 2 Vgl. Dokumente der Brester Union übersetzt von Klaus und Michaela Zelzer mit Erläuterungen von Ernst Christoph Suttner: Dokumente der Brester Union. In: Ostkirchliche Studien 56 (2007), 275 – 321; dies.: Dokumente der Siebenbürger Kirchenunion. In: Ostkirchliche Studien 57 (2008), 222 – 267, mit Hinweisen auf die klaren Bezüge zum Florentinum im Kommentar. 3 Vgl. die römischen Anweisungen von 1669, die den Unionsverhandlungen in den 90er Jahren des 17. Jahrhunderts zugrunde lagen, bei Nilles, N.: Symbolae ad illustrandam historiam ecclesiae orien­ talis in terris coronae S. Stephani. Innsbruck 1885, 111 – 114 und 121; sowie Suttner, Ernst Christoph: Das Unionsverständnis bei Förderern und Gegnern der Union der Siebenbürgener Rumänen mit der Kirche von Rom. In: Annales Universitatis Apulensis (ser. Historica) 9/II (2005), 7 – 20, samt Ergänzungen in: Annales Universitatis Apulensis (ser. Historica) 10/II (2006), 37 – 48.

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Ost und West einander die Communio gewährten, wenn die Unionswilligen den Primat des römischen Bischofs nur wie das Konzil von Florenz als Glaubenstatsache anerkannten, sich aber nicht unmittelbar der pastoralen Obsorge des Papstes unterstellen konnten, wie es zum Beispiel nach der Union von Brest den Ruthenen abverlangt worden war.4 Und hochgestellte Repräsentanten der griechischen Kirchen ihrerseits hielten das Erstreben der Communio zwischen den getrennten Kirchen auf dem Weg über „Erstlinge“ für angemessen; offenbar befürchteten sie (im Unterschied zu ihren heutigen Nachfolgern) nicht, dass es eine Spaltung ihrer Kirche bedeute, wenn bestimmte Kleriker und Gläubige das ihnen Mögliche schon vollziehen, bevor es zu einer Gesamtunion ihrer Kirche mit den Lateinern kommen kann.5 Auch von manchen Hierarchen Kaukasiens ist bekannt, dass sie die Oberhoheit des Papstes anerkannten und fortfuhren, ihre mit Rom nicht unierten Kirchen zu leiten. G. Petrowicz berichtet vom Etschmiadziner Katholikos Melchisedech (1593 – 1624), dass er – in arger Bedrängnis wegen der persisch-türkischen Kriege – viermal den Päpsten die Obödienz erklärt habe, nämlich 1610 und 1617 gegenüber Paul V., 1622 gegenüber Gregor XV. und 1623 gegenüber Urban VIII.6 Unter Berufung auf A. Balgy erwähnt Petrowicz außerdem 7, dass auch die Katholikoi Michael Sebastatsi (1564 – 1570) und Moses Datevatsi (1629 – 1632)8 auf der Suche nach Hilfe aus dem Westen ausdrücklich ihren Gehorsam gegenüber der römischen Kirche erklärten. Beiden Versuchen einer nachträglichen Rezeption der Florentiner Union blieb, aufs Ganze gesehen, der erwünschte Erfolg ebenso versagt wie dem Konzilsbeschluss selbst.9 4 Vgl. Suttner, Ernst Christoph: Der Wandel in der Ausübung des römischen Primats im Gefolge der Brester Union. In: Internationales Forschungsgespräch der Stiftung Pro Oriente zur Brester Union. Zweites Treffen: 2.–8. Juli 2004. Hg. v. J. Marte. Würzburg 2005, 111 – 118. 5 Ausführlicher wird von Unionen pro foro inerno gehandelt im Kapitel „Rom und die östlichen ­Kirchen im Osmanischen Reich“ bei Suttner, Ernst Christoph: Die Christenheit aus Ost und West auf der Suche nach dem sichtbaren Ausdruck für ihre Einheit. Würzburg 1999, 145 – 163. 6 Petrowicz, Gregorio: L’unione degli Armeni di Polonia con la Santa Sede (1626 – 1686). Rom 1950 (Orientalia Christiana Analecta 135), 8. 7 Ebd., 157, unter Berufung auf Balgy, Alexander: Historia doctrinae catholicae inter Armenos. Wien 1878. 8 Über Moses Datevatsi schreibt Spuler, Bertold: Die morgenländischen Kirchen. Köln 1964, 5.141: „Nach den schweren Verlusten der Regierungszeit des Schah Abbas verhalf ein reformierter Mönchsorden [exakter wäre es, von einem Klosterverband zu sprechen; Anm. d. Verf.], der zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Datev gegründet worden war und sich zu einer strengen geistigen und körperlichen Askese bekannte, der Kirche in Großarmenien zu neuem Leben. Die Anregungen, die von ihm ausgingen, führten bald zur Ausbreitung der Reformideen dieses Klosters, von dem auch Moses von Datev seinen Ausgang nahm, der sich durch eine umfangreiche Predigt-Tätigkeit gegen manche Widerstände allmählich durchsetzte und 1629 als Moses III. zum Katholikos erhoben wurde …“ 9 Bei einem gründlichen Studium der Vorgänge, die sich im Zusammenhang mit diesen Versuchen ereigneten, zeigt sich, dass das Konzil von Ferrara/Florenz von den Lateinern viele Lobsprüche bekam, nachdem es bereits in den 80er Jahren des 16. Jahrhunderts in das amtliche Verzeichnis der von ihnen anerkannten ökumenischen Konzilien eingetragen worden war, dass die lateinische Seite aber trotzdem die theologischen und ekklesiologischen Aussagen des Konzils nur in Ausnahmefällen respektierte,

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Doch für unsere Überlegungen zum Verständnis von der Grenze zwischen unierten und nicht-unierten östlichen Christen im 17. Jahrhundert ist es wichtig, sich diese Vorgänge zu vergegenwärtigen.

2) Die Verhältnisse bei den Armeniern Polens im 17. Jahrhundert Als der polnische König Kasimir III. (1333 – 1370) Galizien für Polen erwarb, hatte dort bereits eine organisierte Armenierschaft bestanden. Möglicherweise hatte damals auch schon ein armenischer Bischof in Galizien amtiert, doch diesbezüglich sind keine Dokumente vorhanden.10 Der erste dokumentarisch belegte armenische Bischof mit Sitz in Lemberg begegnet uns 136411 und wurde 1367 von König Kasimir bestätigt. Er und mehrere seiner Nachfolger gehörten in die Jurisdiktion des Katholikos von Sis (Kilikien), doch um die Mitte des 15. Jahrhunderts kam es zur Abkehr der Armenier Polens von Sis und zu ihrer Zuwendung zum Katholikos von Etschmiadzin.12 Zur Union der Armenier Galiziens mit der lateinischen Kirche kam es unter Bischof Nicola Torosowicz 13, der sein Amt 1626 als junger Mann 14 antrat und es mehr als 50 Jahre verwaltete. Er war der Kandidat des Katholikos Melchisedech, welcher von 1593 bis 1624 der Etschmiadziner Kirche vorgestanden hatte. Als in den osmanisch-persischen Kriegen des endenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts Etschmiadzin nacheinander von beiden Seiten eingenommen und dem Katholikosat schwere Finanzlasten auferlegt worden waren, sah sich Katholikos Melchisedech 1624 gezwungen, das Amt seinem Neffen Sahag zu übergeben und auf Reisen zu gehen, um Almosen zu sammeln und die Kirche von Etschmiadzin aus der drückenden Schuldenlast zu befreien.15 Auf seiner Reise kam er auch zu den Armeniern Polens, deren Bischof 1624 verhältnismäßig jung gestorben war. während es auf griechischer Seite, wo man dieser Kirchenversammlung nie die Ehre erwies, sie zu den ökumenischen Konzilien zu zählen, unter den führenden Hierarchen und Theologen für seine Aussagen mindestens zwei Jahrhunderte lang mehr Akzeptanz als Ablehnung gab. 10 Vgl. Petrowicz, Gregorio: La Chiesa Armena in Polonia (1350 – 1624). Rom 1971; ders. In: Sacrae Congregationis de Propaganda Fide memoria rerum. Hg. v. Josef Metzler. Bd. 2. Rom 1973, 408 – 411. Zur Verbundenheit der Lemberger Armenier mit den älteren Zentren armenischen Lebens vgl. den Beitrag Prinzing, Günter: Zur Bedeutung und Geschichte des Lemberger Evangeliars. In: Das Lemberger Evangeliar. Eine wiederentdeckte armenische Bilderhandschrift des 12. Jahrhunderts. Hg. v. Günter Prinzig, Andrea B. Schmidt und Anton von Euw. Wiesbaden 1997, 11 – 26 (mit Literaturangaben). 11 Er war überhaupt der erste Bischof in dieser Stadt. Die dortige polnische Diözese wurde 1412 begründet; die Übertragung des ruthenischen Bischofs von Halič nach Lemberg erfolgte 1540. 12 Petrowicz, La Chiesa Armena (wie Anm. 10), 65 f. 13 Vgl. Petrowicz, L’unione (wie Anm. 6). 14 Dreierlei Angaben liegen vor, dass er bei Amtsantritt 21, 23 oder 35 Jahre gewesen sei; vgl. ebd., 14. 15 Bettelreisen orientalischer Hierarchen, die ihre finanziell ausgebeuteten Kirchen vor dem Konkurs retten wollten, waren im 17. Jahrhundert gang und gäbe; vgl. die einschlägige russische Literatur aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Zahlreiche Hinweise aus ost- und südosteuropäischen

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Dort konnte er durchsetzen, dass Nicola Torosowicz, der einer reichen Kaufmannsfamilie entstammte, die Nachfolge antrat. Der Reichtum der Familie kam Melchisedech, der auf Bettelreise war, gelegen, und gelegen kam ihm ebenfalls, dass Nicola für Kontakte zu den Lateinern zu gewinnen war und über ihn folglich sowohl aus Rom als auch vom polnischen König Beistand erwartet werden durfte. Beim Studium der Vorgänge, die zur Union der Armenier Galiziens mit den Lateinern führten, sah Petrowicz sich zu einer Zweiteilung seiner Darlegungen veranlasst. Was bis zum Jahr 1663 geschah, überschreibt Petrowicz „Die Union des Bischofs“; erst die Ereignisse ab 1664 nennt er „Die Union des Volkes“. 1653, also zehn Jahre vor dem Zeitpunkt, ab dem Petrowicz von einer „Union des Volkes“ zu sprechen wagt, hatte Torosowicz schon in einem Brief an den Warschauer Nuntius seine Situation als die eines bereits seit einem Vierteljahrhundert unierten Bischofs umschrieben, der noch immer ein keineswegs uniertes Bistum zu leiten hatte. Er schrieb: „Nachdem ich dem Summus Pontifex als dem Haupt und obersten Leiter der Christenheit die gebührende Obödienz erklärt hatte, habe ich mich 24 Jahre lang mit allen Kräften abgemüht, damit ich die verirrten Schafe, die von Gott meiner Hirtensorge anvertraut wurden, der Leitung durch die Heilige Römische Kirche zuführen könne …“16 Aufgefordert durch die Congregatio de Propaganda Fide, unternahm Torosowicz 1668 seine dritte Reise nach Rom, die bis 1675 dauern sollte. Die Kongregation rief ihn, weil sie die Union befestigen wollte 17; sie verlangte, wie Petrowicz aus ihrem Archiv erhob, dass der Bischof und das Bistum der Armenier Galiziens endlich ihre auch Jahrzehnte nach dem Unionsabschluss des Bischofs und dann auch des Bistums noch bestehende Verbindung zu Etschmiadzin beenden und wirklich jene liturgischen Reformen durchführen, von denen man in Rom überzeugt war, dass sie um der Rechtgläubigkeit der Unierten willen notwendig seien.18 Torosowicz war also die ganze Zeit über nicht nur ein unierter Bischof eines noch nicht unierten Bistums gewesen; er hatte auch jurisdiktionelle Bande zum Katholikos von Etschmiadzin aufrechterhalten und feierte Gottesdienste, die man in Rom für „häretisch befleckt“ hielt.

Quellen finden sich auch bei Suttner, Ernst Christoph: Vasile Lupu und die griechische Kirche zu Anfang der vierziger Jahre des 17. Jahrhunderts. In: Kirche im Osten 32 (1989), 32 – 72. 16 Zitat nach Petrowicz, L’unione (wie Anm. 6), 139. 17 An den theologischen Lehranstalten der Lateiner begann sich um diese Zeit eine Ekklesiologie durchzusetzen, die die Rechtmäßigkeit allen geistlichen Tuns von Hierarchen und Priestern davon abhängig sehen wollte, dass sie in direkter jurisdiktioneller Relation standen zum Papst. Eine Folge davon war, dass Unionen pro foro interno nicht mehr gebilligt wurden und dass unter den katholischen Missio­naren jene Dispute ausbrachen, die 1721 zum Verbot jeglicher communicatio in sacris „zwischen Katholiken einerseits und Häretikern und Schismatikern andererseits“ führten; vgl. die Abschnitte „Das Verbot der communicatio in sacris durch die Sacra Congregatio de Propaganda Fide“ und „Nach der Rückbesinnung auf die traditionelle Ekklesiologie“ bei Suttner, Die Christenheit aus Ost und West (wie Anm. 5). Unter „Befestigen der Union“ verstand man gegen Ende des 17. Jahrhunderts an der römischen Kongregation für die Glaubensverbreitung unter anderem auch das Bemühen um eine klare Grenzziehung zwischen den unierten und den nicht-unierten Gläubigen im christlichen Osten. 18 Petrowicz, L’unione (wie Anm. 6), 281 – 295.

Die Armenier Polens und Ungarns des 17. Jahrhunderts

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Sein Nachfolger wurde Vartan Hunanian. Dieser stammte nicht aus Galizien, sondern war 1665 als Diakon und Begleiter eines Legaten des Katholikos Jakob IV. von Etschmiadzin zum ersten Mal dorthin gekommen und hatte damals um Aufnahme ins dortige Armenische Kolleg ersucht. Als eifriger und frommer Student erwarb er das volle Vertrauen der Theatinerpatres, die am Kolleg lehrten, und wurde von ihnen 1670 an das Collegium Urbanianum in Rom gesandt. Die römische Kongregation für die Glaubensverbreitung wählte ihn 1674, während des Romaufenthalts von Bischof Torosowicz, zu dessen Koadjutor mit Nachfolgerecht. Doch Bischof Torosowicz befürchtete Widerstände gegen ihn in seiner Diözese, weil die herkömmlichen Wahlrechte der Armenier seines Bistums übergangen wurden. Nur mit großer Mühe konnte ihn die Kongregation bewegen, dass er dem Kandidaten in Rom doch die Bischofsweihe erteilte. Als Bischof Torosowicz und sein Koadjutor im Oktober 1675 nach Lemberg kamen, ergab sich in der Tat, dass es für Vartan Hunanian schwer war, sich zu behaupten. Schon im Juni 1676 verließ er Lemberg unter dem Vorwand, die türkisch besetzten Gebiete der Diözese besuchen zu wollen.19 Doch er reiste weiter und kam 1678/79 nach Etschmiadzin. Katholikos Jakob IV. erteilte nun ihm, dem in Rom erwählten und geweihten Bischof, die Erlaubnis zum seelsorgerlichen Wirken bei den armenischen „Schismatikern“ in der alten Heimat. Katholikos Eleazar, der Jakob IV. 1682 nachfolgte, ließ Vartan Hunanian hingegen in Haft nehmen, weil er die liturgischen Neuerungen ablehnte, zu denen dieser sich auf römisches Drängen hin hatte bewegen lassen. Nach Interventionen sowohl des Papstes als auch des polnischen Königs beim persischen Herrscher wurde er wieder in Freiheit gesetzt, konnte nach Lemberg zurückkehren und die Nachfolge des am 24. OktOber 1681 verstorbenen Bischofs Torosowicz antreten.20 Seitdem Bischof Hunanian, der auf Drängen der römischen Kongregation für die Glaubensverbreitung in Rom geweiht worden war, aber dann eine Zeitlang unter Katholikos Jakob IV. in der alten Heimat der Armenier (unter „Schismatikern“!) in der Seelsorge gewirkt hatte, das Bischofsamt der Lemberger Armenier ausübte, gab es an deren Union keine Zweifel mehr.

3) Die Verhältnisse bei den Armeniern Ungarns im 17. Jahrhundert Seit mehreren Jahrhunderten waren im Fürstentum Moldau Armenier ansässig gewesen. In der unruhigen zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verließ ein Teil von ihnen das Gastland, die einen in Richtung Polen, die Mehrzahl über die Karpaten weg nach Siebenbürgen. Dies geschah nicht auf einmal; Nachrichten deuten hin auf öfteres Einwandern armenischer Familien nach Siebenbürgen. Für 1672 belegen Dokumente, dass

19 1672 war Podolien an die Türken gefallen und wurde erst 1699 wieder an Polen restituiert. 20 Zu seiner Amtsführung vgl. Petrowicz, Gregorio: La Chiesa Armena in Polonia e nei paesi ­limitrofi (1686 – 1954). Rom 1988, 1 – 108.

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Fürst Michael I. Apafi eine größere Zahl von ihnen aufnahm. Sie waren noch Neuzuwanderer ohne bodenständiges Gemeindeleben, als die Truppen des Habsburgerreiches nach Siebenbürgen kamen. In den ersten Jahrzehnten der Anwesenheit von Armeniern in Siebenbürgen, in denen sie zerstreut lebten, war es für sie recht schwer gewesen, ihr kirchliches Leben nach armenischem Ritus zu führen und ihre Kinder zu Armeniern zu erziehen. Daher gestattete ihnen 1700 Kaiser Leopold I., eigene Städte zu gründen. Zuerst entstand Armenopolis, das heutige Gherla, bald darauf auch Elisabethstadt, das heutige Dumbrăveni.21 Das kirchliche Leben der Armenier war im Gastland Moldau auf den armenischen Katholikos von Etschmiadzin bezogen gewesen. Die Moldauer Armenier hatten also im Schisma zur katholischen Kirche gestanden. Doch dies war damals wenig aufgefallen, da die katholische Kirche in der Moldau kaum Bedeutung hatte. In Siebenbürgen wurden die Einwanderer aber ohne weiteres zu Katholiken des armenischen Ritus. Denn wegen der damals noch nicht beendeten „Doppelgleisigkeit“ der Armenier Galiziens konnte sich der oberste Kleriker der eingewanderten Armenier Siebenbürgens leicht an den Lemberger armenischen Bischof wenden, um Hilfe bei der seelsorgerlichen Betreuung der Zuwanderer zu bekommen. Dort stellte damals den aus der Moldau nach Siebenbürgen übergesiedelten Armeniern niemand die Frage, ob sie uniert seien oder nicht. Sie erhielten seelsorgerliche Hilfe durch Geistliche, die sich für alle Armenier, ob uniert oder „schismatisch“, zuständig fühlten. So wuchsen die Armenier Siebenbürgens mit den Armeniern Galiziens allmählich in die unierte Kirche hinein. Als das Hineinwachsen der Armenier Polens in die Union vollzogen war, ernannte Papst Alexander VIII. 1690, d. h. zu einem Zeitpunkt nach dem Amtsantritt des Bischofs Hunanian, einen der um diese Zeit bereits eindeutig unierten Lemberger Erzdiözese zuzurechnenden Bischof zum Apostolischen Vikar für die Armenier Siebenbürgens.22 Der neue Apostolische Vikar war also mit den Lemberger Armeniern bereits „eindeutig uniert“. Er hatte seinen Sitz in Armenopolis und seit seiner Ernennung wurden auch die Armenier Siebenbürgens als „eindeutig uniert“ betrachtet. Die lateinischen Katholiken Siebenbürgens waren wegen des Drucks der Kalviner seit 1566 ohne Bischof gewesen, und auch unter den Habsburgern konnte für sie erst 1716 wieder ein eigener Bischof in Siebenbürgen residieren. So übte der armenische Apostolische Vikar in der Anfangszeit der Habsburgerherrschaft über Siebenbürgen auch für die dortigen Lateiner die bischöflichen Funktionen aus. Nach seinem Tod zog die wiedererrichtete lateinische Diözese von Alba Julia (Weißenburg) aber die Jurisdiktion über die armenischen 21 Zu den Einwanderungen weiterer armenischer Familien im Lauf des 18. Jh.s vgl. Lukacsi, ­Christophor: Historia Armenorum Transilvaniae. Wien 1859; Schünemann, Konrad: Die Armenier in der Bevölkerungspolitik Maria Theresias. In: Jahrbuch des Graf Klebelsberg Kuno Instituts für ungarische Geschichtsforschung in Wien, Budapest 3 (1933), 212 – 42; Kolandjian, S. E.: Les arméniens en Transylvanie (Xe–XVIIIe s.). In: Revue des études arméniennes 4 (1967), 353 – 76. 22 Lukacsi (wie Anm. 21), 70.

Die Armenier Polens und Ungarns des 17. Jahrhunderts

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Katholiken an sich.23 Dies geschah in jener Zeit, in der gewisse Kreise bestrebt waren, die lateinischen Katholiken Siebenbürgens, die ungarischer Muttersprache waren, mit den unierten Rumänen und Armeniern zu einer gemeinsamen Nation, die in Siebenbürgen die größte gewesen wäre, zu verschmelzen. Bezüglich der Rumänen scheiterte dieser Plan auf eine von oben her veranlasste Assimilation gänzlich.24 Auch die Armenier erreichten, dass ihnen Kaiser Karl VI. 1737 die Fundation für ein eigenes Bistum in Siebenbürgen gab.25 Der kleinen armenischen Minderheit gegenüber war aber der Widerstand der lateinischen Diözese zu groß; das armenische Bistum konnte trotz einschlägiger Bemühungen des Lemberger Erzbischofs 26 nicht errichtet werden. Mit Hilfe des (inzwischen eindeutig unierten) Lemberger Erzbischofs konnte für die Armenier Siebenbürgens aber wenigstens die Pfarrseelsorge gewährleistet werden, und mit den Pfarreien waren Kristallisationszentren gegeben, die den Fortbestand des Armeniertums sicherten. Als später die Mechitaristen in Wien ansässig waren, konnten auch sie ihr Wirken auf die Armenier Siebenbürgens ausdehnen und für die kleine wohlhabende Armenierschaft Siebenbürgens durch seelsorgliche Hilfe, durch ihr Ansehen und durch Schulen zur Stütze werden.27 Hatte es also im Ungarn des 17. Jahrhunderts auch keine längere Periode gegeben, in der die Armenier in gleichzeitiger Communio standen mit Rom und mit Etschmiadzin, so war die Auffassung des 17. Jahrhunderts von der recht offenen Grenze zwischen unierten und nicht-unierten östlichen Christen doch die Ursache für die heutige Zugehörigkeit der Armenierschaft Siebenbürgens zur katholischen Kirche.

23 Ebd., 74: „Interea dum Armeni mortem Praesulis sui lugent, et consilia de successore eligendo agitant: Latini ritus Cathedra Episcopalis Alba-Juliensis in Transilvania, postquam per saeculi et quod excedit spatium, triste Pastorum suorum luxisset exilium, pietate et clementia invicti Gloriosissimi Imperatoris Caroli VI. restabilita, exuto luctu, anno 1716 primum novae fundationis accepit sponsum Episcipum Georgium Martonfi. Qui Transilvaniam ingressus, ad sui pertinere muneris partes credidit, Armenorum, Pastore orbatorum, donec proprium accepissent, pastoralem curam gerere. Vicem se in hoc reddere arbitratus, piae memoriae Oxendio Armenorum Episcopo, qui in Latinorum Praesulum absentia, utilia Latini ritus fidelibus praestitisset servitia. Igitur res Armenorum a morte Praesulis paulum dilapsas ordinare, causas eorum ad se pertrahere, investigationes instituere, relationes de illis ad sedem Apostolicam facere, quin et sacros Ordines conferre.“ 24 Vgl. Bärlea, Octavian: Ostkirchliche Tradition und westlicher Katholizismus. München 1966; Suttner, Ernst Christoph: Beiträge zur Kirchengeschichte der Rumänen. Wien 1978, 223 f. 25 Vgl. Lukacsi (wie Anm. 21), 93. 26 Ebd., Kapitel XVI. 27 Vgl. Kolandjian (wie Anm. 21), 373., und den Abschnitt „Die Mechitharisten“ bei Suttner, Ernst Christoph: Kirche und Nationen. Würzburg 1997, 274 – 281. Im zuletzt genannten Abschnitt wird auch darauf verwiesen, dass Mechithar von Sebaste 1717 in Venedig den Mechitharistenorden mit dem Segen des Papstes für alle Armenier gründete, mögen sie „Unierte“ gewesen sein oder „NichtUnierte“, und dass bei ihnen bis in die 40er Jahre des 18. Jahrhunderts die nämliche „Doppelgleisigkeit“ herrschte wie bei den Armeniern Polens und Ungarns des 17. Jahrhunderts.

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4) Die Gründung des Mechitaristenordens Die Grenze zwischen unierten und nicht-unierten Armeniern erwies sich auch noch als recht offen bei der Gründung des Mechitaristenordens. 1717 gründete Mechitar von Sebaste (1676 – 1749) auf der Laguneninsel San Lazzaro bei Venedig mit dem Segen des Papstes ein Kloster für Mönche armenischer Abstammung. Er verstand das Kloster als für alle Armenier gegründet, gleich ob sie sich als uniert mit dem römischen Stuhl verstanden oder nicht. Das Kloster wurde zum Stammhaus des Mechitaristenordens,28 und diesem konnten damals neben armenischen Mönchen, die ausdrücklich mit Rom uniert waren, auch solche zugehören, die es nicht waren. Erst nachdem in den 30er und 40er Jahren des 18. Jahrhunderts aus einer Doppelwahl getrennte Oberhäupter für die unierten und für die nicht-unierten Armenier hervorgegangen waren 29, war auch für die Mechitaristen die Zeit der offenen Grenze zu Ende. Seither sind sie ein Orden der mit Rom unierten armenischen Kirche.

28 Vgl. die Artikel über Mechitar und seinen Orden von Amadouni, G., Gianascian, M. und ­Inglisian, V. in: Dizionario degli istituti di perfezione. Bd. 5. Rom 1978, 1108 – 1123, sowie Suttner, Ernst Christoph: Die Mechitaristen. In: ders.: Kirche und Nationen (wie Anm. 27), 274 – 277. 29 Zur Doppelwahl vgl. Suttner, Die Christenheit aus Ost und West (wie Anm. 5), 206 – 209.

Tamara Ganjalyan

Armenische Kolonien im Russland des 18. und 19. Jahrhunderts Ein Beitrag zur Diasporaforschung

Sind die Thesen der Diasporaforschung 1 zu als middleman minorities, „mobilen Diasporas“, „Händlerdiasporas“ oder „imperiale Minderheiten“2 mit Blick auf die armenische Diaspora im vorrevolutionären Russland verifizierbar? Die genannten ethnischen und/oder religiösen Minderheiten, so das Postulat der einschlägigen Untersuchungen aus Soziologie und Geschichtswissenschaft, weisen besondere Eigenarten und Funktionen auf, die sie von der Mehrheitsbevölkerung ihrer Aufnahmegesellschaft einerseits wie auch von der eigenen Ursprungsgesellschaft im Herkunftsland andererseits unterscheiden. Unter den Bedingungen einer traditionellen bzw. „vormodernen“, feudalen und multiethnischen Gesellschaft, wie sie das Russländische Reich bis ins späte 19. Jahrhundert hinein darstellte, zeichnen sich solche Diasporas durch eine Reihe von Besonderheiten aus, und dies vor allem dadurch, dass sie 1. einen starken Gruppenzusammenhalt mit kollektiver Identität aufweisen, was oft mit einem religiös fundierten Glauben einhergeht, ein „auserwähltes Volk“ zu sein, und was zu absonderndem Verhalten nach außen führt (z. B. durch Endogamie), 1 Dieser Beitrag beruht auf Erkinger, Tamara: Die armenische Diaspora im vorrevolutionären Russland. Wien 2010 http://othes.univie.ac.at/10042/1/2010 – 05 – 31_9947452.pdf (03. 02. 2011). 2 Grundlegende Werke zu dieser Thematik sind u. a.: Roscher, Wilhelm: Die Stellung der Juden im Mittelalter betrachtet vom Standpunkte der allgemeinen Handelspolitik. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 31 (1875), 503 – 526. – Weber, Max: Wirtschaftsgeschichte. Leipzig 1923; ders.: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Tübingen 1920; Sombart, Werner: Die Juden und das Wirtschaftsleben. Leipzig 1911; Coser, Lewis A.: The Alien as a Servant of Power: Court Jews and Christian Renegades. In: American Sociological Review 37 (1972), 574 – 581; Cohen, Abner: Cultural Strategies in the Organization of Trading Diasporas. In: The Development of Indigenous Trade and Markets in West Africa. Studies Presented and Discussed at the 10th International African Seminar at Fourah Bay College, Freetown, December 1969. Hg. v. Claude Meillassoux. London 1971, 266 – 280; Bonacich, Edna: A Theory of Middleman Minorities. In: American Sociological Review 38 (1973), 583 – 594; Cohen, Robin: Global Diasporas. London 1997, 2. rev. Aufl. 2008; ­Armstrong, John A.: Mobilized and Proletarian Diasporas. In: American Political Science Review 70 (1976), 393 – 408; Zenner, Walter P.: Minorities in the Middle. New York 1991; Waldinger, Roger/ Aldrich, Howard/Ward, Robert: Ethnic Entrepreneurs. Newbury Park-London-New Delhi 1990; Curtin, Philip D.: Cross-Cultural Trade in World History. Cambridge 1984.

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2. auf eine lange Geschichte der Kulturkontakte zurückblicken können, was ihnen die sprachlichen und interkulturellen Kenntnisse und Fähigkeiten verleiht, die ­insbesondere auf dem Gebiet des Fernhandels, aber auch der Diplomatie u. ä. von bedeutendem Vorteil sind, 3. einen zumindest ideellen Bezug zu ihrem realen oder imaginären Heimatland ­aufrechterhalten mit der Absicht, in der Zukunft in dieses zurückzukehren bzw. dieses zu errichten – welche die Art des Lebens und Wirtschaftens im Aufnahmeland beeinflusst,3 4. in der Aufnahmegesellschaft auffallend stark im wirtschaftlichen Bereich (Handel, Finanzen) tätig und auf diesem Gebiet erfolgreich sind, gleichzeitig aber keine politisch machtvollen Positionen besetzen, 5. ein sozioökonomisches Mittelstück und bis zu einem gewissen Grad auch Bindeglied zwischen (adeliger) Elite und (bäuerlicher) Masse der Aufnahmegesellschaft, aber etwa auch zwischen Produzenten und Konsumenten, sowie zwischen Stadt und Land bilden, 6. vorwiegend wirtschaftliche Nischen besetzen, in welchen sie Funktionen erfüllen, welche von der einheimischen Mehrheitsbevölkerung (noch) nicht erfüllt werden (können) 7. und auf diese Weise eine wichtige Rolle in der Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft des Aufnahmelandes spielen 4. Da an dieser Stelle keine umfassende Diskussion genannter Fragestellung erfolgen kann, soll im Folgenden lediglich beispielhaft ein knapper Überblick über die Rolle der armenischen Diaspora im Rahmen der russländischen Kolonisierungspolitik des 18. und 19. Jahrhunderts geboten werden. Dabei werden vor allem jene armenischen Siedlungen ins Blickfeld geraten, die – anders als etwa die nichtsdestoweniger für die armenische Diaspora vor allem in kultureller und politischer Hinsicht sehr bedeutenden Gemeinden in Moskau und St. Petersburg – Kolonien im rechtlichen Sinne darstellten. Dies betrifft die an der südlichen Peripherie des Reiches gelegenen armenischen Gemeinden in den Gebieten der Unteren Wolgaregion, des Nordkaukasus sowie der nördlichen Schwarzmeerregion, des so genannten Neurusslands.

Die Entstehung der armenischen Kolonien Ab dem 17. Jahrhundert erfolgte durch die Tätigkeit der armenischen Kaufleute aus dem persischen Neu-Julfa, die 1667 das Monopol Zar Aleksejs zum Transithandel der persischen Rohseide nach Europa erhalten hatten, eine Intensivierung russisch-armenischer 3 Hier ist in der Literatur von der Bevorzugung so genannter „liquider Berufe“ die Rede, welche das wirtschaftende Subjekt nicht auf Dauer an das Aufnahmeland binden – etwa durch Landerwerb und -bebauung oder große Kapitalinvestitionen. Bonacich (wie Anm. 2), 585. 4 Siehe zu diesem Punkt insbesondere die Thesen von John A. Armstrong (wie Anm. 2).

Armenische Kolonien im Russland des 18. und 19. Jahrhunderts

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Beziehungen. Im Zuge des Orienthandels entwickelte sich die Stadt Astrachan’ (in der es bereits seit dem Mittelalter eine armenische Ansiedlung gegeben hatte, die sich nach der moskauischen Eroberung im 16. und insbesondere im Verlauf des 18. Jahrhunderts durch Zuzug von Armeniern aus dem Südkaukasus und dem Inneren Persiens vergrößerte) zum bedeutendsten Zentrum nicht nur der Handelstätigkeit, sondern auch des kulturellen und politischen Lebens der Armenier in Russland. Seit Peter I. kam es zur Entwicklung einer, mit staatlichen Geldern und Privilegien geförderten, russländischen Seidenindustrie. Neben Moskau war Astrachan’ ein Hauptstandort der einheimischen Textilindustrie, in der Armenier sowohl als Unternehmer wie auch unter den Handwerkern und Arbeitern nicht unwesentlich vertreten waren. In rechtlicher Hinsicht genossen die Armenier Astrachan’s nicht nur eine weitgehende Privilegierung auf wirtschaftlichem Gebiet, sondern auch Glaubensfreiheit und das Recht auf innere Selbstverwaltung ihrer Kolonie.5 1746/47 bekamen sie die Erlaubnis zur Gründung eines eigenen Gerichts, dessen Jurisdiktion auch andere armenische Gemeinden unterstanden, bevor diese ihr eigenes so genanntes Armenisches Magistrat erhielten. Das armenische Gericht funktionierte auf der Grundlage eines Mitte des 18. Jahrhunderts zusammengestellten Rechtsbuches, in welches sowohl Elemente des mittelalterlichen Kodex des Mechitar Gosch als auch armenisches Gewohnheitsrecht sowie Gesetze des russländischen Rechts einflossen, und das Strafsachen ebenso wie Familien- und Handelsrecht regelte. Die Armenier waren durch ihre rechtliche Sonderstellung von der Einschreibung in die städtische Ständeordnung ausgenommen und darüber hinaus von der Kopfsteuer und den städtischen und sonstigen Gebühren sowie von der Pflicht der Soldateneinquartierung in ihren Häusern befreit.6 Den Hintergrund dieser Privilegierungen bildete das Bestreben der Regierung, den Orienthandel Russlands zu befördern und zusätzliche armenische Migranten, die nicht unbedeutende Kapitalinvestitionen in diesem Handel tätigten, nach Astrachan’ zu ziehen. Im während des 18. Jahrhunderts große geostrategische Bedeutung erlangenden Nordkaukasus entstand ebenfalls eine Reihe armenischer Siedlungen. Armenische Kaufleute handelten hier über die strategisch wichtigen Handelsrouten dieser Region, wobei sie sich insbesondere als Vermittler zwischen den kaukasischen Bergvölkern (den so genannten „Gorcy“) und der russischen Bevölkerung einerseits sowie im russisch-südkaukasischen Handel andererseits hervortaten. Die Armenier waren im Nordkaukasus jedoch nicht nur im Handel und als Soldaten aktiv, sondern erwiesen sich außerdem im Bereich der Landwirtschaft als innovativ. So waren sie hier Pioniere im Weinbau, Seiden-, Baumwoll- und Reisanbau, und sollen auch die Kognakherstellung nach Russland gebracht haben. Der 5 Polnoe sobranie zakonov Rossijskoj Imperii. Pervoe sobranie (1649 – 1825) [Vollständige Sammlung der Gesetze des Russländischen Reichs. Erste Sammlung (1649 – 1825)] (im folgenden PSZ I). Bd. 12 (1744 – 1748). St. Peterburg 1830, Dok. 8919. 6 Dass dies bei den anderen Einwohnern Astrachan’s wie auch bei einigen Gouverneuren nicht immer auf Zustimmung traf, ist durch eine Reihe von Eingaben an die lokalen und zentralen Behörden belegt. Beispielhaft in: PSZ I. Bd. 9 (1733 – 1736), Nr. 7129.

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Hauptstrom armenischer Einwanderer aus dem Osmanischen und Persischen Reich in den Nordkaukasus erfolgte in das Gebiet der Festungsstädte Kizljar und Mozdok. Ende des Jahrhunderts wurde außerdem die Stadt Svjatoj Krest gegründet, die von armenischen Flüchtlingen aus den persisch beherrschten Gebieten der kaspischen Region besiedelt wurde. Ebenso wie vor ihnen Astrachan’ erhielten die armenischen Gemeinden dieser Städte weitgehende Rechte und Privilegien. Als im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts die nördliche Schwarzmeerküste als Neurussland ins Russländische Reich eingegliedert wurde, verfolgte die Regierung eine intensive Besiedelungspolitik dieses noch kaum erschlossenen Gebiets. Die Ansiedlung von Armeniern in Neurussland beruhte hier aber, anders als im Wolgagebiet und im Nordkaukasus, auf einem Akt der Regierung. Dies betraf Armenier, die ab 1778 zusammen mit Griechen und Georgiern von der Krim evakuiert und auf russisches Gebiet übersiedelt wurden.7 Mit diesem Vorgehen verfolgte die russländische Regierung zwei Ziele: Zum einen sollte durch den Abzug von wirtschaftlich aktiven Bevölkerungsgruppen das Krimkhanat geschwächt werden, zum anderen war den evakuierten Christen eine Rolle in der Besiedelung und wirtschaftlichen Erschließung Neurusslands zugedacht. Durch diese Übersiedlungsaktion entstand 1779 die hauptsächlich von Armeniern bewohnte Stadt Neu-Nachičevan bei Rostov-am-Don. Einige Jahre später wiederholte sich dieses Vorgehen, als zum Zwecke der Erschließung von dem Osmanischen Reich abgenommenem Gebiet 1792 die Stadt Grigoriopol’ am Dnjestr gegründet und mit aus dem Fürstentum Moldau eingewanderten Armeniern besiedelt wurde. Wie die armenischen Städte im Nordkaukasus erhielten auch Neu-Nachičevan und Grigoriopol’ Rechte und Privilegien einer armenischen Kolonie. Trotz ihrer großen räumlichen Entfernung voneinander zeichnet sich die Geschichte der Gründung und Entwicklung der armenischen Kolonien Neu-Nachičevan und Grigoriopol’ durch gemeinsame Merkmale aus. Anders als die älteren armenischen Gemeinden in Astrachanʼ, Kizljar und Mozdok, die im Laufe mehrerer Jahrzehnte in einer Vielzahl von Appellen an die russländischen Machthaber die Verleihung bzw. den Erhalt ihrer Privilegien forderten, verhandelten die Repräsentanten der armenischen Übersiedler Neurusslands von Beginn an mit den militärischen und zivilen Behörden des Zarenreichs über den Ort und die Bedingungen ihrer Siedlungen.8 Für die viele Jahrhunderte alten armenischen Gemeinden auf der Krim bedeutete die Umsiedlung eines Großteils ihrer Einwohner im Jahr 1778 eine tiefe Zäsur. Obwohl nicht wenige der auf neurussisches Gebiet Überführten aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen

7 Da ein guter Teil der christlichen Bevölkerung der Krim aber nicht bereit war, ihre Heimatorte zu verlassen, nahm die mit der Umsiedlungsaktion betraute russländische militärische Führung Kontakt zu den griechischen und armenischen geistlichen Gemeindeführern auf und verhandelte mit ihnen über die Bedingungen dieser „Evakuierung“, wobei auch Geldgeschenke an die Geistlichen flossen. Fisher, Alan W.: The Russian Annexation of the Crimea. 1772 – 1783. Cambridge 1970, 103. 8 Chačaturjan, Vartan: Stanovlenie armjanskich kolonij v Rossii [Die Entstehung der armenischen Kolonien in Russland]. In: Diaspory 1 – 2 (2000), 78 – 97, hier 89.

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und unzureichenden Vorbereitungen ihrer Ansiedlung dort schon bald versuchten, in ihre alte Heimat zurückzukehren, setzte die armenische (Re-)Immigration auf die Krim erst nach deren Annexion durch die Russen im Jahr 1783 ein. Im Rahmen der intensiven Peuplie­ rungspolitik unter der Führung Grigorij Potemkins erhielten diese Rückkehrer ebenso wie armenische Flüchtlinge aus dem Osmanischen Reich einige Privilegien, sodass die aus Ekaterinoslav rückwandernden katholischen Armenier, die sich in ihrer alten Heimatstadt Karasubazar niederließen, ein katholisches Gericht mit den Funktionen eines armenischen Magistrats erhielten. 1799 wurde auch die armenische Gemeinde von Staryj Krim in den Rang einer Kolonie erhoben. Wirtschaftlich betätigten sich die Krimer Armenier sowohl in den teils staatlich geförderten Landwirtschaftszweigen des Obst-, Wein- und Seidenbaus als auch in diversen Handwerken sowie im Schwarzmeerhandel.

Die armenische Diaspora und die russländische Kolonisierungspolitik Die vielfältige Privilegierung armenischer Gemeinden in Russland und ihre Erhebung in den rechtlichen Stand einer Kolonie muss vor dem Hintergrund der russländischen Kolonisierungspolitik des 18. und frühen 19. Jahrhunderts gesehen werden. Diese stand vor allem unter Peter I. und später erneut unter Katharina II. unter der Ägide der Modernisierung des Russländischen Reichs auf militärischem, administrativem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet. Gemäß den Prämissen einer – zu jener Zeit auch im westlichen Europa verbreiteten – kameralistischen Peuplierungspolitik, als deren primä­ rer Motor die territoriale Erweiterung des Reiches fungierte, sollte die Ansiedlung von russländischen Staatsbauern und Leibeigenen wie von ausländischen so genannten „Kolonisten“ in den unterbevölkerten und wirtschaftlich wenig entwickelten Grenzregionen (wie der Wolga- und Uralregion, dem Schwarzmeergebiet und dem Nordkaukasus) dem Anstieg der örtlichen Bevölkerung ebenso dienen wie der Förderung von Handel, Industrie und Landwirtschaft. Der aus der Kolonisierung des eigenen peripheren Binnenraums erwachsene Mehrwert sollte somit nicht nur für die Ziele der russländischen Bevölkerungspolitik, sondern gleichfalls für die Entwicklung der Ökonomie und nicht zuletzt für die militärische und politische Herrschaftssicherung in den neuen Gebieten nutzbar gemacht werden. Hinzu kamen in ihrer Beziehung zu den so genannten „östlichen“ Ausländern wie den Armeniern seitens der staatlichen Ausländer- und Kolonisierungspolitik gewisse religiöse Motive, die jedoch ebenso wie die handelsökonomischen und peuplierungspolitischen Maßnahmen in enger Verbindung mit der zarischen Ostpolitik standen.9 Nichtsdestoweniger bezogen sich die in die Armenier und anderen orientalischen Immigranten 9 Bartlett, Roger P.: Human Capital. The Settlement of Foreigners in Russia 1762 – 1804. Cambridge 1979, 17. Das religiöse Motiv der Ausbreitung des Christentums und der Befreiung der Christen vom „Joch“ der Herrschaft Ungläubiger war einer der vielfältigen Faktoren der territorialen Expansion des Russländischen Reichs im 18. Jahrhundert. Raeff, Marc: The Style of Russia’s Imperial Policy

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gesetzten Hoffnungen der Regierung vordergründig zunächst auf den Orienthandel und die Seidenproduktion; so wurden etwa Unternehmer, die neue Industriezweige ins Reich brachten, besonders begünstigt. Die Besiedelung der zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert eroberten südlichen Peripherien des Reichs vollzog sich vor dem Hintergrund der Konkurrenz mit den beiden angrenzenden Imperien der Osmanen und Perser. Im Rahmen der fortschreitenden Expansion der russländischen frontier im Schwarzmeerraum und im Kaukasus war eines der vorrangigen Ziele der russländischen Regierung die Etablierung militärischer und wirtschaftlicher Stärke in dieser Grenzregion dreier Imperien. Der Stärkung des Einflusses und der Durchsetzung des Herrschaftsanspruches des im 18. Jahrhundert zur Großmacht aufgestiegenen Russland diente auch und gerade die so genannte Kolonisierung der zu erschließenden Gebiete mit in- und ausländischen Siedlern. Dabei waren militärische und ökonomische Zielsetzungen der Kolonisierungspolitik im Süden des Reiches eng miteinander verknüpft, was sich unter anderem daran ablesen lässt, dass etwa der Bau von Festungen und Häfen Hand in Hand ging mit der Ansiedlung von ziviler Bevölkerung und der Gründung von Städten 10, wie es auch im Falle der stark von Armeniern bewohnten nordkaukasischen Städte geschah. Ein wesentlicher Faktor der russländischen Ausländer- und Kolonisierungspolitik war mindestens seit Peter I. der notorische Fachkräftemangel auf diversen Gebieten der Staatsund Wirtschaftsführung des Reichs. Im Rahmen einer ethnosozialen Arbeitsteilung ­zwischen der russischen, großteils bäuerlichen Mehrheitsbevölkerung auf der einen und Diasporagruppen wie den Armeniern auf der anderen Seite übernahmen solche Minderheiten komplementäre Funktionen in einer Reihe von Tätigkeitsbereichen – dies waren neben dem Fernhandel auch die Gebiete der Diplomatie, der Verwaltung, des Militärs und der (Proto-)Industrie.11 Auf die Angehörigen der armenischen Diaspora in ihrer Eigenschaft als Kolonisten, die zur wirtschaftlichen Erschließung und zur Intensivierung ökonomischer und sozialer Verflechtungen des peripheren territorialen Raumes zugunsten seiner Integration in den imperialen Herrschaftsbereich sowie seiner Sicherung gegenüber den konkurrierenden Mächten Türkei und Persien beitrugen, musste es sich auf längere Sicht negativ (im Sinne eines Verlustes ihrer besonderen Stellung und Privilegierung) auswirken, dass sich im Laufe des 19. Jahrhunderts die russländische Herrschaft im Nord- und Südkaukasus etablierte, die einst wenig erschlossenen Grenzgebiete des Imperiums in den allgemeinen administrativen, wirtschaftlichen und sozialen Reichsverband weitgehend integriert worden waren und sich schließlich die ethnisch russische händlerische und industrielle Bevölkerungsschicht verbreiterte. Beide Entwicklungen schwächten den Einfluss der armenischen Gemeinden auf and Prince G. A. Potemkin. In: Statesmen and Statecraft of the Modern West: Essays in Honor of Dwight E. Lee and H. Donaldson Jordan. Hg. v. Gerald N. Grob. Barre 1967, 1 – 51, hier 1. 10 Raeff (wie Anm. 9), 5. 11 Kappeler, Andreas: Historische Voraussetzungen des Nationalitätenproblems im russischen Vielvölkerreich. In: Geschichte und Gesellschaft 8/2 (1982), 159 – 183, hier 167.

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Politik und Wirtschaft des südlichen Russland.12 Als Folge dieses Prozesses verloren die armenischen Kolonien allmählich an Bedeutung und ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Sonderstatus der Armenier im Russländischen Reich offiziell abgeschafft. In Übereinstimmung mit der allgemeinen Entwicklung der russländischen Kolonisierungspolitik dieser Zeit erging in den 1830er und 40er Jahren eine Reihe von Verordnungen, die die Privilegien der russländischen Armenier auf händlerischem und industriellem Gebiet beschränkten;13 so wurden in den 1840er Jahren die armenischen Gerichte in Astrachan’ und anderen Städten aufgelöst und die Armenier im Russländischen Reich in die allgemeine ständische und städtische Sozialordnung eingegliedert. Im späten 19. Jahrhundert schließlich führten das Aufkommen eines armenischen wie eines russischen Nationalismus und die Radikalisierung armenischer politischer Parteien zu einer Entfremdung der zarischen Regierung gegenüber den Armeniern, die erst nach der Revolution von 1905 und dem Tod des Innenministers Petr Stolypin 1911 zu ihrer traditionellen Kooperationspolitik zurückkehrte. Mit der weiter voranschreitenden allgemeinen sozioökonomischen Modernisierung des Russländischen Reichs gingen die Eigenarten der armenischen Siedlungen allmählich verloren. Doch dieser Prozess vollzog sich über mehrere Jahrzehnte hinweg und selbst Ende des 19. Jahrhunderts, als die staatliche Politik endgültig einen offen antiarmenischen Kurs eingeschlagen hatte, wies die armenische Bevölkerung nördlich des Südkaukasus noch deutliche sozioökonomische Eigenschaften einer Diaspora auf.

Sozioökonomische Charakteristika der armenischen Diaspora Welcher Art diese charakteristischen Merkmale der russländischen armenischen Diaspora des ausgehenden 19. Jahrhunderts waren, habe ich anhand der Ergebnisse der Ersten Allgemeinen Volkszählung des Russländischen Reiches aus dem Jahr 1897 untersucht.14 Dabei stand die Frage im Zentrum, ob die in der theoretischen Diasporaliteratur postulierten Annahmen über Eigenschaften und Funktionen von Diasporas im Allgemeinen und den so genannten middleman minorities im Besonderen sich im empirischen Material der Volkszählung widerspiegeln. Natürlich können anhand von statistischem Datenmaterial, wie sie die Volkzählungsergebnisse von 1897 darstellen, viele der betreffenden Thesen nicht auf ihre Richtigkeit und Anwendbarkeit auf die armenische Diaspora des Russländischen Reichs

12 Vgl. Chačaturjan (wie Anm. 8), 96. 13 Pogosjan, L. A.: Armjanskaja kolonija Armavira [Die armenische Kolonie von Armavir]. Erevan 1981, 98. 14 Erkinger (wie Anm. 1), 199 – 311. Nach: Pervaja vseobščaja perepis’ naselenija Rossijskoj Imperii, 1897 g. Izdanie Central’nago Statističeskago Komiteta Ministerstva Vnutrennych Del pod redakciej N. A. Trojnickaga [Erste Allgemeine Volkszählung des Russländischen Reiches, 1897. Publikation des Zentralen Statistischen Komitees des Ministeriums für Innere Angelegenheiten unter der Redaktion von N. A. Trojnickij]. Bd. 1 – 89. St. Peterburg 1899 – 1905.

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überprüft werden.15 Doch in dem durch die Art der Quelle eng umgrenzten Erkenntnisfeld, welches im Licht der gegebenen Fragestellung untersucht werden kann (das betrifft also Bereiche der Alphabetisierung und Bildung, der Urbanisierung, der Berufszweige, der Standeszugehörigkeit, der Muttersprache und der Religion), zeigte sich zusammenfassend, dass die armenische Diaspora im vorrevolutionären Russland das Bild einer urbanisierten, gebildeten, hauptsächlich (aber nicht ausschließlich!) in mobilen, vermittelnden, „liquiden“ Erwerbszweigen – allen voran dem Handel – tätigen Minderheitengruppe bot. Dabei gilt es freilich, die regionalen Unterschiede zu beachten, welche sich naturgemäß zwischen den einzelnen, geografisch teils weit voneinander entfernten und in verschiedenen historischen Epochen entstandenen armenischen Populationen zeigten. Im Folgenden sollen nur einige grundlegende Merkmale der Armenier in den hier behandelten Regionen des Wolgagebiets, des Nordkaukasus, Neurusslands und der Krim wiedergegeben werden. In den am Wolgahandelsweg gelegenen Regionen trat die armenische Diaspora vor allem als Händlergruppe in Erscheinung. Am stärksten überwog die Handelstätigkeit in den zahlenmäßig kleinen armenischen Gemeinden in den Städten der stark agrarisch und ländlich geprägten Gouvernements Saratov und Voronež. Es handelte sich hier also in erster Linie (!) um recht kleine Gemeinschaften armenischer Händler, die sich strategisch günstig entlang der Transportrouten der Region (über die Flüsse Wolga, Don und Voronež) niedergelassen hatten oder sich ggf. auf bestimmte Zeit zu wirtschaftlichen ­Zwecken dort aufhielten. In Astrachan’ fanden sich unter den armenischen Einwohnern nicht nur eine breite Händlerschicht, sondern auch große Gruppen von Angehörigen der Intelligenz, des Adels und der Bürokratie. Die armenische Diaspora war hier also ebenso im Handel wie unter den Rentiers, im kirchlichen Bereich, in den freien Berufen, der Verwaltung und unter den Unterstützungsempfängern (dies umfasst sowohl Schüler und Studenten, die Stipendien erhielten, als auch Hilfsbedürftige, Waisen usw.) präsent. Die Armenier gehörten hier­­insbesondere den Ständen der Meščane 16, Kaufleute, Ehrenbürger, des persönlichen und erblichen Adels und der Geistlichkeit an. In Astrachan’ war somit zusammenfassend gesprochen ein bedeutender Teil der sozialen, kulturellen und politischen Elite der armenischen Diaspora des Russländischen Reiches vertreten. Im Nordkaukasus war die armenische Diaspora, so wie in den meisten Regionen des Russländischen Reichs, stärker urbanisiert und in der Regel auch alphabetisiert als die Russen und andere Nichtrussen. Überall waren die Armenier hier vor allem im Handel tätig, aber auch im Textilgewerbe, dem Gastgewerbe und dem Transportwesen. Die Mehrheit der 15 Eine umfassende Quellenkritik der Ersten Allgemeinen Volkszählung des Russländischen Reiches findet sich bei: Bauer, Henning/Kappeler, Andreas/Roth, Brigitte: Die Nationalitäten des Russischen Reiches in der Volkszählung von 1897. A: Quellenkritische Dokumentation und Datenhandbuch. Stuttgart 1991. 16 Ein städtischer Stand, der im Deutschen oft mit „Kleinbürger“ wiedergegeben wird.

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Armenier gehörte dem Stand der Meščane an, eine mit den anderen Bevölkerungsgruppen verglichen sehr starke Präsenz hatten sie aber auch unter den Kaufleuten, den Ehrenbürgern, dem Adel und den Geistlichen. Auffallend ist der hohe Anteil von Armeniern im Militär und in der Verwaltung in Dagestan und im Oblast’ Kuban’. Es lassen sich also in den meisten Gebieten des Nordkaukasus recht typische diasporische Merkmale der armenischen Minder­heit feststellen, die hier in einer ganz überwiegend agrarischen Gesellschaft bestimmte sozioökonomische Nischen besetzt und vor allem im Handel, aber auch im Textilwesen, dem Gastgewerbe und Transportwesen und regional zudem in Verwaltung und Militär Funktionen übernommen hatte, die vom Großteil der ländlichen und kaum mobilisierten Bevölkerung nicht vollbracht wurden oder werden konnten. Ähnlich heterogen wie im Nordkaukasus verhielt sich die Situation in Neurussland inklusive der Halbinsel Krim. In einigen Gebieten gab es sonst ungewöhnlich viele Armenier im Bauernstand und in der Landwirtschaft. Zwar war die armenische Diaspora überall mehr oder weniger stark im Handel vertreten, dominierend war dieses Tätigkeitsfeld aber nur in einigen Regionen wie der Krim, während andernorts das Agrarwesen, Dienstleistungen und sogar das Dienstbotenwesen an erster Stelle standen. Zwar wiesen in Neurussland die Armenier eine geringere Urbanisierung und Alphabetisierung bzw. Bildung auf als in einigen anderen Regionen des Reichs, in beidem lagen sie aber immer noch (meist deutlich) vor den Russen und den übrigen Nichtrussen. Auffällig ist in ganz Neurussland ein hoher Anteil von ausländischen Staatsangehörigen unter den Armeniern. Das gilt auch für die Stadt Odessa, wo sogar ein Drittel der Armenier, die hier nicht in erster Linie im Handel, sondern in den Dienstleistungen tätig waren, Ausländer waren. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass in die am Schwarzen Meer gelegenen Gebiete Neurusslands und des Nordkaukasus sowie auf die Krim, die von Kleinasien aus über den Wasserweg relativ einfach zu erreichen sind, in den letzten Jahren und Jahrzehnten vor Durchführung der Ersten Allgemeinen Volkszählung eine größere Zahl von armenischen Immigranten bzw. Flüchtlingen vor allem aus dem Osmanischen Reich zog, wo es 1895 zu Pogromen an der armenischen Bevölkerung gekommen war. Zusammenfassend lässt sich in einigen wenigen Regionen des Russländischen Reichs (so u. a. in manchen nordkaukasischen Gebieten) eine starke Präsenz der armenischen Diaspora im imperialen russländischen Administrations- und Verteidigungsapparat beobachten. Hier scheint die örtliche armenische Minderheit in den militärischen und/oder zivilen Organen des Staates Funktionen zugunsten der regionalen bürokratischen bzw. militärischen Führung übernommen zu haben. Gleichzeitig waren Vertreter der armenischen Diaspora praktisch überall überproportional im Handel vertreten. Weitere verbreitete Tätigkeitsfelder bildeten die Lebensmittel- und Textilbranche, das Gastgewerbe, die Körperpflege und das Transportwesen. Des Weiteren wiesen die Angehörigen der armenischen Diaspora in fast allen Regionen des Zarenreichs eine höhere Urbanisierung, Alphabetisierung und Bildung auf als die Russen und andere Nichtrussen. Die armenische Diaspora gehörte überwiegend den städtischen Ständen an, wobei sie an einer Reihe von Orten (u. a. in Astrachan’) eine starke Präsenz in der weltlichen und geistlichen Intelligenz hatten.

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Wir sehen also, dass trotz mancher regionaler Unterschiede die armenische Diaspora (in Bezug auf Urbanisierung, Bildung, der überproportionalen Tätigkeit im Handel und der relativ zu den anderen Bevölkerungsgruppen quantitativ geringen Tätigkeit in der Landwirtschaft) im Russländischen Reich Merkmale aufwies, die als kennzeichnend für die idealtypische middleman minority gelten.

Resümee Die Armenier waren zu keinem Zeitpunkt die einzige diasporische Minderheit im vorrevolutionären Russland, auch nicht seine „wichtigste“ aus Sicht der Planung der imperia­len Regierung.17 Nichtsdestoweniger schienen die Armenier über einige „nützliche“ Eigenschaften zu verfügen, welche zum „Vorteil” des Staates fruchtbar gemacht werden ­konnten – um in der utilitaristischen Sprache der zeitgenössischen russländischen Bürokratie zu sprechen. Es waren ihre speziellen Kenntnisse, Fähigkeiten und Ressourcen, einige davon typisch für Diasporas (wie u. a. Sprachkenntnisse und Handelsnetzwerke entlang verwandtschaftlicher Linien), die es den Armeniern erlaubten, komplementäre Funktionen in ihrem Aufnahmeland zu erfüllen und dadurch an Russlands (Proto)modernisierung vor allem des 18. und 19. Jahrhunderts teilzunehmen. Anzeichen einer gewissen ethnosozialen Arbeitsteilung zwischen der armenischen Diaspora und der russischen, großteils bäuerlichen Bevölkerung des Reichs zeigten sich sogar noch zu Ende des 19. Jahrhunderts. So konnten Mitglieder der armenischen Diaspora in vielen Fällen wirtschaftliche Nischen besetzen, wo sie nicht selten eine führende oder sogar monopolisierte Position erlangten, wie im Orienthandel insbesondere mit persischer Rohseide über Astrachan’, im Handel mit den Völkern des Süd- und Nordkaukasus über Kizljar und Mozdok, in der Seidenproduktion, in der Cognacproduktion usw. Insbesondere in den südlichen Grenzregionen des Russländischen Reichs, wo die imperiale Herrschaft noch nicht gefestigt war, bildete die allochthone Gruppe der armenischen Diaspora, deren Wohlergehen von der Gnade des imperialen Herrn abhängig war, das Bindeglied zwischen der indigenen Bevölkerung und der zentralen Elite des Reichs. In einer vermittelnden Position innerhalb der vertikalen imperialen Beziehungsstruktur trugen armenische Kolonisten, Dolmetscher, Händler, Diplomaten u. a. als cultural brokers zur Ausweitung und Stabilisierung des Machtanspruches des Zentrums bei und beförderten damit die Kolonisierung und Integration neu erworbener Gebiete. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts genossen ausländische Kolonisten, darunter auch Armenier, eine in vielerlei Hinsicht privilegiertere rechtliche und ökonomische Stellung als die Mehrzahl der russischen Untertanen des Reichs. Ausdruck dieser Tatsache wie auch des

17 Hier waren es vor allem deutsche Siedler und Kolonisten, die die Vorstellung der zarischen Bürokraten dominierten.

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Wettbewerbs zwischen den russischen Kaufleuten und ihren armenischen Konkurrenten, die in einigen Handelszweigen erfolgreicher waren und in mancher Hinsicht auch von der Regierung bevorzugt wurden, sind die zahlreichen Petitionen und Beschwerden russischer Kaufleute, aber auch einiger lokaler Beamter und Gouverneure, die gegen die Privilegierung der Armenier protestierten – wenn auch zumeist erfolglos. Während ökonomische Faktoren fraglos eine wichtige Rolle in der Beziehung ­zwischen der armenischen Diaspora und den Repräsentanten der russländischen Regierung spielten, wurde die Art und Entwicklung dieser Beziehung aber auch von der Bedeutung beeinflusst, welche die russländische Führung den Armeniern im Rahmen der imperialen Ostpolitik, insbesondere gegenüber dem Osmanischen Reich, zuschrieb. Am offensichtlichsten war dies in den ehemals osmanischen Grenzregionen des Reichs, die während des 18. Jahrhunderts erobert wurden. Der Umstand, dass der Großteil der sich in Neurussland ansiedelnden oder angesiedelten Armenier aus Territorien unter osmanischer Oberherrschaft stammte und nicht selten ethnische oder kulturell-religiöse Animositäten gegen die Osmanen hegte, verband sich aus Sicht der Petersburger Regierung mit deren Hoffnung, die Armenier als loyale Verteidiger der Grenze gegen ein osmanisches Wiedererstarken einsetzen zu können.18 In diesem Sinne können die Umsiedlung der Krimarmenier nach Neu-Nachičevan wie auch die Übersiedlung der Armenier aus Moldau nach Grigoriopol’ und die Privilegierung der neuen Einwohner als eine Fortsetzung der traditionellen russländischen Politik gesehen werden, Verbündete oder Kollaborateure in feindlichen Ländern für sich zu gewinnen.19 Die armenische Diaspora im Russländischen Reich des späten 17. bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts spielte also für die Petersburger Führung und deren politische Planung nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch politische und strategische Rolle in der russischen Expansion nach Süden und Südosten sowie schließlich in der Modernisierung des Reiches (das heißt im Ausbau von Handel und Protoindustrie, in der Entwicklung bestimmter Zweige der Landwirtschaft, der Urbanisierung usw.) und trug damit zum Projekt der Urbarmachung und der Schaffung einer Infrastruktur in den eroberten Gebieten 20 ebenso bei wie zur Festigung des zentralen russländischen Herrschaftsanspruches in den betreffenden Regionen wie auch gegenüber einer Außenwelt, die in Begriffen von imperialem Wettbewerb und dem Kampf um internationalen Einfluss wahrgenommen wurde. Dabei waren die Angehörigen der armenischen Diaspora (d. h. speziell ihre geistliche, politische und wirtschaftliche Führungsschicht) beileibe kein bloßer Spielball der russländischen Pläne auf geostrategischem, politischem und ökonomischem Gebiet. In ihrer Funktion als Mittragende, wenn nicht in einzelnen Fällen gar Wegbereiter, des

18 Siehe Herlihy, Patricia: Odessa: A History. 1794 – 1914. Cambridge 1991, 16. 19 Bartlett (wie Anm. 9), 131. 20 Siehe auch Chačaturjan (wie Anm. 8).

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zentralen Machtanspruches der Zaren und Zarinnen und der administrativen, sozioökonomischen und auf längere Sicht auch kulturellen Homogenisierung innerhalb eines expandierenden Imperiums 21 profitierten die armenischen Gemeinden und Kolonien des Reiches in vielfältiger Weise von der privilegierenden Politik und dem Wohlwollen der Petersburger Führung ihnen gegenüber. Nicht nur war es den Eliten der armenischen Diaspora dadurch möglich, zu oft großem Reichtum und Ansehen zu gelangen, auch stiegen Angehörige dieser armenischen Elite in Russland im zivilen und militärischen Staatsdienst bis zum Adelsstand, in Einzelfällen gar bis in die regierenden Kreise auf.22 Auch in rechtlicher, kultureller und religiöser Hinsicht war die armenische Diaspora so privilegiert wie nur wenige nichtrussische Ethnien im Zarenreich. So konnte es also im Russländischen Reich dazu kommen, dass nicht die Bevölkerung des imperialen Zentrums am meisten von dessen Expansion profitierte, sondern dass „die eigentlichen Nutznießer des zarischen Imperiums […] periphere Gruppen und nationale Minderheiten [waren], die innerhalb der imperialen Ordnung Positionen einnahmen, in die sie sonst niemals gelangt wären“.23 Was sich also zwischen den russischen und armenischen Eliten entwickelte, war eine immer wieder neu verhandelte Austauschbeziehung, die zwar auf der Wahrnehmung und Bewertung der „Nützlichkeit“ der Armenier für die Erreichung russländischer staatlicher Ziele beruhte, letztendlich jedoch zum Vorteil beider Seiten gestaltet wurde. Erst als das Gleichgewicht zwischen Kosten und Nutzen der Privilegierung von Ausländern vonseiten der russländischen Bürokratie als unvorteilhaft für den Staat angesehen zu werden begann, wurden die Armenier schrittweise ihres speziellen Status enthoben, wurde ihre rechtliche Lage allmählich jener der Mehrheitsbevölkerung angeglichen und die Armenier schließlich zu gewöhnlichen Untertanen des Zaren.

21 Zu erwähnen ist hier u. a. die Mittlerfunktion der armenischen Händler im Nordkaukasus zwischen Russen und „Gorcy“ bzw. zwischen den Kolonialherren und den zu Kolonisierenden. Dasselbe Muster begegnet uns im 19. Jahrhundert in Zentralasien. 22 Beispiele für Armenier in Regierungskreisen sind (im 18. Jahrhundert) Ivan Karapet, Berater Peters I. in Fragen der Ostpolitik, Karapets Bruder Luki Širvanov und Safar Vasil’ev, beide Hofdolmetscher, sowie (im 19. Jahrhundert) der Generalgouverneur von Char’kov und spätere Innenminister Michail Loris-Melikov. Kappeler, Andreas: Russland als Vielvölkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall. München 22008 [11992], 248. – Sartor, Wolfgang: Die Wolga als internationaler Handelsweg für persische Rohseide: Ein Beitrag zur Handelsgeschichte Rußlands im 17. und 18. Jahrhundert. Unveröffentlichte Dissertation an der Freien Universität Berlin 1992, 169, 178. 23 Münkler, Herfried: Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten. Berlin 2008, 42.

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Traditionelle Kleidung und Tracht im 17. – 18. Jahrhundert Ethnografische Daten zu den Armeniern Transsilvaniens

Der Kleidung, der Tracht vor allem, kommt in der materiellen Kultur und Lebensstrukturierung des Menschen eine besondere Bedeutung zu. Nicht allein die Widrigkeiten der Witterung und das Leben in Gemeinschaft bedingen die Kleiderhülle des menschlichen Körpers, sondern – und dies gilt speziell für das Zeitalter des Feudalismus – die durch eine komplizierte, wenn auch theoretisch nicht ausformulierte Trachtenordnung etablierte Konvention gibt Auskunft über des Trägers Geschlecht, Alter, gesellschaftlichen Status und Rang, ja mehr noch: über seine Herkunft und ethnische Zugehörigkeit. Im Laufe der Jahrhunderte zerschleißt die Kleidung, geht schließlich zu Grunde: Oft genug können wir nur auf mittelbarem Wege der Informationen über dieses doch zentrale Element der Kulturgeschichte habhaft werden. Im Falle der Armenier dürfte im Überkommenen sogar ein jahrtausendealtes Brauchtum vermutet werden. Deshalb liegt es nahe, unsere Feststellungen hinsichtlich der Tracht der transsilvanischen Armenier im 17.–18. Jahrhundert durch einige Rückblicke in die Trachtengeschichte zu untermauern, die dem ursprünglichen Siedlungsgebiet und der gesellschaftlichen Zugehörigkeit der von uns untersuchten Armenier Rechnung tragen. Die vestimentären Gewohnheiten der Armenier sind uns zunächst allein mittelbar zugänglich: Da die Materialität der Kleidung von der Zeit zerstört wird, konnten auch im Geschichtsmuseum zu Eriwan nur einige mittelalterliche Kleidungsstücke aufbewahrt werden. Miniaturen, bildliche Darstellungen, Reliefs, Grabsteine, Gravierungen an Kirchen­ wänden und schriftliche Dokumente hingegen geben, wenn auch ohne rigorosen ethnografischen Anspruch, in unzähligen Fällen Hinweise auf Bekleidungsgewohnheiten. Auch müssen wir davon ausgehen, dass es sich bei den zentralen Gestalten der Darstellungen aufgrund des grundsätzlich religiösen Kontextes der mittelalterlichen Kunst um Heiligen- und Herrscherfiguren, Repräsentanten des Klerus und der Aristokratie handelt. In viel geringerem Ausmaß werden wir es mit Vertretern unterer Gesellschaftsschichten zu tun haben. Tatsache ist jedoch, dass im Gegensatz zu Aristokraten und Mitgliedern des königlichen Hofes gerade der armenische „gemeine Mann“ während der Jahrhunderte an der Volkstracht festhielt. Dabei waren sicherlich auch religiöse und moralische Faktoren ausschlaggebend. Das christliche Bekenntnis führte schon im frühesten Mittelalter zu einer Absonderung der Armenier von dem religiösen Kosmos, den Sitten, der Lebensweise und

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den vestimentären Codes der sie umgebenden polytheistischen, zoroastrischen und später muslimischen Völkerschaften. Diese Sonderstellung wurde nun gerade auch äußerlich durch das Festhalten an der überkommenen Volkstracht betont. In der Ausformung der armenischen vestimentären Praxis spielten auch patriarchale Traditionen eine wichtige Rolle: Die Reglementierung der Kleidung oblag der älteren Generation. Weil das armenische Kernland durchgehend von einer armenischen Mehrheit besiedelt wurde, finden wir mit nur geringfügigen Veränderungen dort die armenische Volkstracht bis ins 20. Jahrhundert bewahrt. Schon im Altertum hatten sich einige charakteristische Elemente der armenischen Tracht ausgebildet. Die zwei wichtigen Bestandteile der Männerkleidung, das lange Obergewand, oder der Kaftanmantel, und die typische Hose weisen eine mehrtausendjährige Tradition auf. Laut Strabon ist der an der Taille mit einem Gürtel zusammengehaltene lange Obermantel der Armenier mit der Tracht der Thessalier verwandt.1 In der Sammlung des neapolitanischen Poseidon-Museums befindet sich eine allegorische Statue der Provinz Armenia (2. Jh. v. Chr.), die in hellenistischer Überzeichnung einige typische Elemente der armenischen Nationaltracht überliefert. Die Frauenfigur, die das eroberte Land darstellen soll, trägt ein knielanges, langärmliges Obergewand, an den Knöcheln enge, sich nach oben hin ausweitende Hosen und an Knöchelstiefel erinnerndes geschlossenes Schuhwerk. Ihr Haupt bedeckt das unverzichtbare Element armenischer Frauentracht: der sich nach oben hin verjüngende fesförmige Kopfputz und ein Schleier (glkhasor).2 Auf der Trajanssäule tragen der armenische König Partev Arschakuni Partamaser und sein Sohn ähnliche Gewandung.3 In den Jahrhunderten des Frühmittelalters blieb das Obergewand der Mittel- und Unterschicht – d. h. der Handwerker, Hirten und Bauern – weiterhin knielang, während es im Adel und in den distinguierten Kreisen der Wohlhabenden immer länger wurde oder bereits ursprünglich lang war. Ohne auf die unterschiedlichen Einflüsse eingehen zu wollen, die den Kleidermoden der Elite und Herrscherklasse ihr eigentümliches Gepräge gaben, möchte ich in diesem Zusammenhang kurz darauf hinweisen, dass die Nebenfiguren des Reliefs der Arsakiden-Krypta zu Aghts und diejenigen der Klosterwand von Haritsch den vestimentären Wandel gut dokumentieren.4 Das nationale Grundinventar armenischer Kleidung hatte sich also in diesen frühen Jahrhunderten herausgebildet und sollte in der armenischen Volkstracht bis ins 20. Jahrhundert überdauern. Es muss aber betont werden, dass wir auch im Mittelalter von keiner einheitlichen armenischen Tracht ausgehen können. Infolge der feudalen Verhältnisse und der in den 1 Brutjan,V. H.: Haj azgagrut’jun, hamarot urvagic [Eine kurze Skizze der armenischen Ethnographie]. Erevan 1974, 95. 2 Arak’el, Patrik: Hajkakan taraz [Armenische Trachten]. Erevan 1983, 30 f. 3 Ebd., 33. 4 Ebd., 40 f.

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Familien gepflegten patriarchalen Traditionen hat die Nationaltracht in Agrarregionen und Gebieten mit überwiegender Tierhaltung ihren urtümlichen Charakter bewahrt. In jenen Städten hingegen, in denen sich das armenische Bürgertum konzentrierte, wurde die Kleidung der urbanen Lebensführung angepasst. Dieser Anpassungsprozess beginnt schon in den mittelalterlichen Städten (Ani, Dvin, Tigranakert, Karin).5 Die mit nationalen Elementen versetzte armenische Kleidung war in den unabhängigen armenischen Königreichen – z. B. unter den Bagratiden (9.–11. Jahrhundert) – verbreitet, wohingegen in der unter Fremdherrschaft lebenden Bevölkerung – zuvörderst im Kreise der Vornehmen – die fremde Tracht verpflichtend war. Armenische Herrscher und Vornehme trugen mit Vorliebe die fremden Gewänder, die ihnen als Geschenke übergeben worden waren oder die sie als Kriegsbeute heimbrachten.6 Den Einfluss der fremden Kleidung – wenn man will: der fremden Mode – können wir also nicht leugnen, doch beschränkte sich die Übernahme des Fremden hauptsächlich auf Details: Kopfbedeckung, Schuhwerk, Accessoires.7 Dies wird auch beim Betrachten unzähliger Reliefs ersichtlich, wie etwa bei demjenigen der Stifterfiguren Gurgen und Smbat, den bagratidischen Königssöhnen, im Kloster Haghbat. Im Laufe der Jahrhunderte haben nun die der Unter- und Mittelschicht zuzurechnenden Menschen an der Nationaltracht viel strikter festgehalten als die Aristokratie oder Mitglieder des königlichen Hofes. Für eine Rekonstruktion der authentischen Tracht der nicht dem Adel angehörigen Armenier des 9.–11. Jahrhunderts ist die im Matenadaran aufbewahrte 3.761. Handschrift aussagekräftig, deren Bildmaterial höchstwahrscheinlich Städter und Kaufleute darstellen soll. Typisch sind hier langärmlige, geschlossene, mit einem Gürtel zusammengehaltene Obergewänder unterschiedlicher Länge und Knöchelstiefel bzw. enganliegendes stiefelförmiges Schuhwerk.8 Das Charakteristische entsprechender weiblicher Tracht im Bagratiden-Königreich ist das aus einem Stoff bestehende, am Hals geschlossene und in der Taille zusammengefasste Kleid, das sich dem Körper eng anschmiegt. Dazu kommt oft noch ein hüftlanger offener Mantel.9 Von der mittelalterlichen Tracht des armenischen Bürgers zeugen vor allem die Miniaturen in zeitgenössischen Chroniken. Bei jenen Armeniern, die nach dem Untergang des Bagratiden­reiches aus Ani geflohen waren, handelte es sich – wie bereits erwähnt – um begüterte Kaufleute und wohlhabende Handwerker. Im Evangelium von Mughni (Matenadaran 6.288) etwa finden wir eine Alltagsszene aus Ani überliefert: Die Gewandung der zwei dargestellten Frauen ist vornehm, wobei die Tracht der einen mit reichem byzantinischen Zierrat versehen ist, während die zweite ein aus prächtigem Stoff gefertigtes Kleid trägt, das

5 Brutjan, Haj azgagrut’jun (wie Anm. 1), 120. 6 Brutjan, Haj azgagrut’jun (wie Anm. 1), 97. 7 Arak’el, Hajkakan taraz (wie Anm. 2), 46 f. 8 Ebd., 60 f. 9 Ebd., 36 f.

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von einem mantelähnlichen, oben offenen Obergewand ergänzt wird. Charakteristisch ist auch der weiße schulterlange Schleier beider Frauen.10 Ein Teil der aus Ani geflohenen Armenier gründete im Osten der Krim eine armenische Kolonie. Sie stellten dort mit 65 Prozent die Bevölkerungsmehrheit und hielten an der überkommenen Tracht fest. Davon zeugen die Illustrationen in den vor Ort entstandenen Handschriften.11 Der blühenden armenischen Kolonie auf der Krim sollte aber 1475 der gleichzeitig zu Wasser und zu Land erfolgte Angriff der Turktataren ein jähes Ende bereiten.12 Der Fall der Stadt Theodosia (Feodossija) schließlich und die sich daraus ergebende Lebens- und Vermögensgefährdung zwangen die Armenier zu erneuter Wanderschaft. Sie orientierten sich gen Westen, wo es bereits seit Jahrhunderten von Armeniern bewohnte Siedlungen gab. Diese hatten in den Städten der Ukraine, in Polen und in der Moldau, in Lemberg (L’viv, Lwów, L’vov), Kamieniec Podolski (Kam’janec’-Podil’s’kij, ­Kamenec-Podolski), Jazłowiec (Jazlovec’), Suceava, Iaşi, Focşani, Botoşani u. v. a. m. armenische Kolonien gegründet. Auf der sogenannten „Tatarenstraße“ trieben sie Handel zwischen Krim, Osmanischem und Deutschem Reich und galten als die wohlhabendste Nation.13 Im 16. und 17. Jahrhundert, während ihres Aufenthalts in der Moldau und der Bukowina, bewahrten die Armenier noch großenteils die herkömmliche Tracht. Die Bestandteile der Männertracht sind folgende: die winters aus Schafsleder und ­sommers aus buntem Stoff gefertigte raituji- oder şalvar-Hose, das rote Seidenwams (fermenea), über dem ein knöchellanger, mit Blumenmustern verzierter Umhang (antereu, zobon) getragen wurde. Der moldawische Armenier trug Stiefel, gürtete sich mit dem khamar und bedeckte das Haupt mit einem von einem roten Tuch (ciulma) umwickelten roten Fes. Im Winter trugen die Betuchteren einen dulama genannten Pelzmantel. Die Frauen trugen ein buntes, knöchellanges, ärmelloses Kleid, über das ein aus reichem Stoff gefertigtes, gefälteltes, umhangähnliches Obergewand angelegt wurde. Um den kleinen weißen Fes auf dem Haupt wickelten sie ein weißes Seidentuch.14 Die rumänischen Bezeichnungen der einzelnen Bestandteile der Tracht legen nahe, dass diese – mit Ausnahme des khamar und der şalvar – nicht im armenischen Hausbetrieb hergestellt worden waren. Ökonomische und konfessionelle Unbilden führten im 17. Jahrhundert zur Auswanderung der Armenier aus der Moldau und der Walachei gen Westen. Wie schon so oft strebten sie auch diesmal in die bereits von Armeniern bewohnten Städte. Sie überquerten

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Ebd., 120 f. Ebd., 126 f. Haj žoghovrdi patmutjun [Die Geschichte des Armenischen Volkes]. Bd. 4. Erevan 347. Galstjan, Giulieta: Haykakan gałt’odǰžaxneri araǰac’owmǝ Ukrainayum ew Lehastanum [Die Entstehung der Siedlungen der Armenischen Auswanderer in der Ukraine und in Polen]. In: Edser haj gaghtavajreri patmutjunits. Erevan 1996, 90. 14 Szongott, Kristóf: Szamosújvár története IV. (Ethnographia) [Die Geschichte von Armenierstadt IV. Volkskunde]. Szamosújvár 1903, 54 f.

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die Karpaten, um sich zunächst in den östlichen und später den zentralen Regionen Transsilvaniens niederzulassen: in Csíkszépvíz (Szépvíz, Frumoasa), Gyergyószentmiklós (Gheorgheni, Niklasmarkt), Felfalu, Petele, Görgényszentimre (Gurghiu, Görgen), Ebesfalva (Dumbrăveni, (Elisabethstadt, Erzsébetváros), Bistritz (Bistrița, Beszterce) und schließlich in Szamosújvár (Gherla, Armenierstadt, Hayakaghak). Die Vorfahren der im 17. Jahrhundert nach Transsilvanien eingewanderten Armenier – dies besagt ihre eigene Überlieferung – sollen nach dem Untergang des Bagratidenreiches aus der Hauptstadt Ani, d. h. aus der Araratebene und der Provinz Schirak, geflohen sein.15 Laut der überlieferten Ursprungssage flohen die Stadtbewohner vor dem Feind 1239 durch das nördliche Tor von Ani: „[J]eder Mann nahm je zwei Tragetaschen mit: in der einen bargen sie die Gebets- und Kirchenbücher, zuvörderst die vielgeliebten Scharakane, um auch in der Fremde den Herrn in der Muttersprache lobpreisen zu können; die zweite füllten sie mit Gold, Geschmeide und Edelsteinen […], so verließen sie die schimmernden Marmorpaläste unserer Väter.“16 Sicherlich hat diese Ursprungssage einen wahren Kern. Die Auswanderer entstammten zumeist den wohlhabenden Schichten der Gesellschaft, ihr mobiler Besitz machte dieses Unterfangen erst möglich, und mit ihren Priestern sowie den geistigen und materiellen Gütern verließen sie das Land ihrer Vorfahren. Sie glaubten an die Zeitweiligkeit ihres Wegbleibens; die Verbindung zur verlassenen Heimat riss nicht ab, doch waren sie genötigt, immer weiter zu wandern. Zunächst gingen sie in den Kaukasus, später ließen sie sich auf der Halbinsel Krim nieder.17 Die auf der Krim siedelnden Armenier waren ihrer geografischen Herkunft nach keine homogene Gruppe. Hierher waren – diverse Ursachen werden dafür angeführt – auch die Armenier aus Konstantinopel, vom Balkan und aus Kleinasien geflohen. Die Krim sollte sich oft als eine verbindende Brücke zu anderen Wanderzielen – wie etwa der Ukraine, Russland oder Polen – erweisen.18 Es ist durchaus vorstellbar, dass die hier gemeinsam über Jahrhunderte hinweg siedelnden Armenier neben einem allen verbindlichen Sittenkodex auch gemeinsame vestimentäre Gepflogenheiten etablierten. Gleichzeitig wurde die Gruppe der Armenier, die von der Krim gen Westen wanderte, aufgrund der Migration und der türkischen Verfolgungen durch immer neue Elemente bereichert.

15 Unter den Familiennamen der eingewanderten Armenier findet sich etwa Aneczhi (1792). Vgl.: Szongott, Kristóf: A magyarhoni örmény családok genealogiája [Die Genealogie der Armenier in Ungarn]. Szamosújvár 1898. 16 Szongott, Kristóf: Szamosújvár története III . [Die Geschichte Armenierstadts III ]. Szamosújvár 1901, 3: „minden férfi két tarisznyát vett elő, az egyikbe tették az ima- és egyházi könyveket, különösen a kedvelt sárágánokat, hogy az idegenben is anyanyelvükön dicsérhessék az Urat; a másikat telerakták arannyal, ékszerekkel és drágakövekkel […] így hagyták el apáink fényes márványpalotáikat“. 17 Eghia, Hovhannesian: Armenia népe [Das Volk von Armenia]. Gödöllő 1942, 256. 18 Haj žoghovrdi patmutjun (wie Anm. 12), 349.

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Die im 17. Jahrhundert nach Transsilvanien einwandernden Armenier kamen aus zwei Richtungen: aus der Moldau und aus Polen. Vor dieser Migration durften sie für längere Zeit in den eben erwähnten Landstrichen weilen, was auch ihre Familiennamen beweisen. Die Sippen der Bogdanovics, Szenkovics, Jakubovics, Stefánovics, Sahinovics verliehen ihren Nachnamen erst in Polen die polnische Klangfarbe; diejenigen mit den Namen Patrubány (rum. patru bani ‚vier Groschen‘), Kapdebó (rum. ‚Ochsenkopf‘), Csobotár (rum. ‚Stiefelmacher‘), Dajbukát (rum. ‚Gib Korn‘) erreichten Transsilvanien aus der moldauischen Kolonie. Für das 18. Jahrhundert verzeichnen die Geburtsurkunden die Nachnamen jener Handwerker, die aus der Türkei, d. h. aus den Landstrichen des historischen Armenien eintrafen: Szapondsi (‚Seifensieder‘), Pagudsi (‚Pantoffelfertiger‘), Halvadsi (‚Halvazubereiter‘), Chaftandsi (‚Kaftanschneider‘), Chaszapcshi (‚Metzger‘), Csamcsian (‚Rosinenverkäufer‘), Goskár (‚Schuster‘). Die in den Geburtsurkunden aufgezeichneten Familiennamen Bocsánczi (‚aus Botoşani‘), Iszmirián (‚aus Izmir‘), Fogsánczi (‚aus Focşani‘), Szecsovczi (‚aus Suceava‘), Ászczi (‚aus Iaşi‘), Moldován, Moldavczi, Gámenczi (‚aus Kamenec‘), Halepdsi (‚aus Aleppo‘) und daneben ein Konstantinápolyi und ein Anéczi (‚aus Ani‘) spiegeln das weitgespannte geografische Einzugsgebiet der Eintreffenden wider.19 Diese von unterschiedlichen Herkunftsorten und zu unterschiedlichen Zeiten Aufgebrochenen, im 17. Jahrhundert in den Städten des Fürsten­tums Transsilvanien sesshaft Gewordenen bildeten somit eine vielschichtige Gruppe. Daher ist es naheliegend, dass sie auch in ihren vestimentären Gepflogenheiten diese bunte Mannigfaltigkeit bewahrten. Die Armenier trafen in einem Siebenbürgen ein, das zwischen den 1660 – 1680er-Jahren massive gesellschaftliche Umschichtungen erfahren hatte. Davor, in der Mitte des 17. Jahrhunderts, musste diese Gegend schwere Heimsuchungen über sich ergehen lassen: Siebenbürgen hatte ein Fünftel seiner Gebiete verloren, darunter auch Nagyvárad (Großwardein; Oradea), das Handels- und Kulturzentrum der fruchtbaren Ebene; das siebenbürgische Heer war vernichtet worden, tatarische Horden waren marodierend durch die Städte gezogen, hatten die Dörfer niedergebrannt, die indigene Bevölkerung in die Sklaverei geführt. Diese Heimsuchungen führten aber zur Freisetzung neuer Kräfte in der Gesellschaft, zwangen sie, den Umständen angepasste Überlebensstrategien zu entwickeln. Deshalb können wir Siebenbürgen in den 1680er-Jahren als ein fremden Zuzüglern gegenüber aufgeschlossenes Land bezeichnen, das, vielsprachig und multikonfessionell, ihnen auch die notwendige Sicherheit garantierte. Die zu dieser Zeit einwandernden Kaufleute anderer Nationen – Armenier, Griechen, Juden, Makedonier, Bulgaren – stellten erfreut fest, dass sich neben den Privilegien, die den freien Handel gewährleisteten, auch das Zentrum des Handels – für sie ein günstiger Umstand – von der Moldau nach Transsilvanien verlagert 19 Szongott, A magyarhoni örmény (wie Anm. 15); Ávedik, Lukács: Szabad királyi Erzsébetváros monográfiája [Die Monografie der freiköniglichen Stadt, Elisabethstadt]. Szamosújvár 1898, 255 – 257, Garda, Dezső: Gyergyói örmények könyve [Das Buch der Armenier von Niklasmarkt]. Bd. 1. Budapest 2007, 103 – 218.

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hatte.20 Infolgedessen konnten die eingewanderten armenischen Kaufleute ein beträchtliches Vermögen anhäufen. In jenen Städten, die sie zu Anfang nur als zeitweilige Bleibe ausgewählt hatten, begannen sie schon einige Jahrzehnte nach ihrer Ankunft Steinhäuser und Kirchen zu errichten. Auch damit gaben sie unmissverständlich zu verstehen, dass ihre Immigration eine endgültige sein sollte; überdies versuchten sie immer zielstrebiger, sich sowohl in ihrer Lebensführung als auch in ihrer Kleiderwahl der sie aufnehmenden siebenbürgischen Gesellschaft anzugleichen. Die siebenbürgische Tracht gelangte im 17. Jahrhundert zu ihrer nationalen Bedeutung und etablierte sich bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts im Kreise des Adels und sogar bei den Herrschern des Hauses Habsburg als ungarische Tracht. Die Männerbekleidung wurde durch die modische polnische Variante mit ihrem morgenländischen Einschlag à la turque beeinflusst.21 Der charakteristische Bestandteil derselben ist der zu Anfang noch bis zum Boden, später bis zur Mitte der Schenkel reichende Mantelrock Dolman (dolmány), der sich, schmal in der Taille, nach unten hin weitet. Der Mantel, die Mente, war ein weiter, ursprünglich wadenlanger, im 17. Jahrhundert dann bis zu den Knien reichender Überwurf, der über dem Dolman getragen wurde. Die Hose war eng und schmucklos. Dazu gehörten Sandalen oder Stiefel. Im Gegensatz dazu war die Frauentracht nicht östlichem, sondern westlichem Einfluss ausgesetzt: Die damals in ganz Europa modische spanische Hofkleidung in ihrer deutschen Abwandlung stand bei ihrer Ausformung Pate.22 Als hervorstechendes Merkmal derselben ist festzuhalten, dass sie aus zwei zusammengehörenden Stücken bestand, die aus einem Stoff genäht wurden. Zum einen haben wir es dabei mit dem vielfach gefältelten Rock (szoknya) zu tun, zum anderen mit dem aus gleichem Stoff, aber separat gefertigten Mieder (mellény) oder Korsett, das an der Brust mit Schnüren zusammengehalten wurde. Des Weiteren gehörten zur Frauenbekleidung ein weitärmeliges gefälteltes Hemd und eine ursprünglich enge, später weite Schürze. Der Nationalcharakter wurde diesen Kleidungs­ stücken erst durch die sie verzierenden (aristokratischen) Stickereien (úrihímzés) verliehen.23 Was die Bekleidung der Armenier betrifft, so können wir Kristóf Szongotts verlässlicher Quelle Ethnographia zwei wesentliche Angaben entnehmen. Einerseits sollen die Armenier gleich nach der Einwanderung ihre armenische Bekleidung zugunsten der ungarischen aufgegeben haben,24 andererseits, so Szongott, ist uns keinerlei bildliche Darstellung des

20 Várkonyi, Ágnes R.: Erdély társadalma és az európai hatalmi egyensúly, 1660 – 1711 [Die Gesellschaft Siebenbürgens und das europäische Machtgleichgewicht]. In: Régi erdélyi viseletek. Viseletkódex a XVII. századból. Hg. v. László Király. Budapest 1990, 23 – 55, hier 27. 21 Szendrei, János: A magyar viselet történeti fejlődése [Die historische Entwicklung der ungarischen Tracht]. Budapest 1905, 15, 23. 22 Virág, Zsuzsanna M.: Magyar viselet a honfoglalástól a XIX. sz. végéig [Die ungarische Tracht von der Landnahme bis Ende des XIX. Jahrhunderts]. In: Ékszer- és viselettörténet, Keszthely (1987), 30 f. 23 Ebd. 24 Szongott, Szamosújvár története (wie Anm. 16), 56.

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vestimentären Habitus der Einwanderer überliefert. Die erste Behauptung stimmt mit den Ansichten der armenischen Ethnologen überein. Letztere hingegen wird sich wohl aufgrund vorliegender und zukünftiger Forschungen modifizieren lassen. Die Armenier hatten aus ihrer Heimat prächtige Stoffe, Kleidungsstücke, Stickverfahren und ein eigenes Motivinventar mitgebracht. Die Quellentexte weisen uns jedoch darauf hin, dass diese wertvollen Textilien teilweise zugrunde gegangen sind oder dass übrig gebliebene Stücke, vor allem die Braut- und Bräutigamgewänder, als Geschenke der Kirche übergeben worden waren.25 Aus dem reich verzierten Stoff dieser Bekleidungsstücke verfertigte man dann für den liturgischen Gebrauch bestimmte Paramente. Ein Teil der Kaseln in der Sammlung der Kirchengegenstände des Museums von Szamosújvár ist offensichtlich durch die Einarbeitung armenischer bestickter Textilien entstanden. Das eingehende Studium der hier verwandten Stickverfahren und des Motivschatzes sowie das Aufzeigen ihres armenischen Ursprungs sind der Zukunft vorbehaltene Aufgaben. Die vestimentäre Praxis der transsilvanischen Armenier ist dank einiger mittelbarer Quellen rekonstruierbar. Einen eminenten Platz nehmen unter den schriftlichen Quellen die aus dem 18. Jahrhundert stammenden und von Kristóf Szongott in seiner Ethnographia angeführten Mitgiftlisten ein, des Weiteren die Verordnungen, welche die Zurschaustellung von Reichtum eindämmen sollten, und schließlich die Strafen, die über jene verhängt wurden, die diese Verordnungen missachteten. Als weiterer Anhaltspunkt können die zeitgenössischen Gemälde und Fresken religiösen Inhalts herangezogen werden, auf denen die säkularen Nebengestalten über Bekleidungsgewohnheiten Auskunft geben. Wichtige Informationen werden wohl auch die in siebenbürgischen Trachtenalben des 17.–18. Jahrhunderts gefundenen, jedoch noch der wissenschaftlichen Untersuchung harrenden, bildlichen Darstellungen liefern. Die ältesten uns bekannten Trachtenalben sind in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts, also in der Zeit Mihály Apafis, entstanden. Diese – oder zumindest ein Teil von ihnen – waren schon zur vorletzten Jahrhundertwende bekannt. Die Bekleidungsbeschreibung des armenischen Priesters, wie sie in den bolognesischen Schriften Marsiglis überliefert ist, hat János Szendrei in seine 1905 publizierte Geschichte der Trachten Ungarns aufgenommen.26 Alle Bestandteile der priesterlichen Bekleidung sind schwarz: seine Pantoffeln, seine Strümpfe, der wadenlange, mit einer lila Fütterung versehene Umhang und seine Hose, die nach türkischer Manier an den Waden zusammengeschnürt ist. Jenes Bekleidungsstück, das am allerwenigsten armenisch anmutet, ist die Kopfbedeckung: Mit ihrer Zylinderform, oben abgeplattet, und mit dem schwarzen Schleier, der hinten bis zur Hüfte herabhängt, erinnert sie eher an die griechischen Priester, für die sie charakteristisch ist.

25 Armenia I (1887), 349. 26 Szendrei, A magyar viselet történeti fejlődése (wie Anm. 21), 106.

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Das 73 Aquarelle enthaltende und mit lateinischen Überschriften versehene siebenbürgische Trachtenalbum, das sich in der Sammlung des British Museum befindet, entstand im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts. In den Bildern sind die Figuren, zumeist in Frontalansicht, mit breiten und energischen Pinselstrichen wiedergegeben, die ihre Plasti­ zität hervorheben sollen. Statt der minutiösen Ausarbeitung der Details wird Dekorativität, die Harmonie von Farben und Formen angestrebt. Die den armenischen Mann – wohl einen Kaufmann – wiedergebende Darstellung hält die Tracht der 1690er-Jahre fest. Die Bekleidung des Mannes, der Bart, Schnurrbart und schulterlanges lockiges Haar trägt, weist armenische Elemente auf. Sein aus einem Stoff gefertigter, wadenlanger, langärmliger und dunkler Überrock wird vom Hals bis zur Taille mit vielen winzigen Knöpfen geschlossen. Ein Gürtel, der aus einem mehrfach gewundenen Stoff besteht, fixiert den Rock am Körper. Die Jacke verrät eindeutig den armenischen Schnitt: Vorne ist sie offen, der Halsausschnitt ist rund, die Ärmel, die etwas über die Ellenbogen hinausreichen, werden mit Borten aus andersfarbigem Stoff verbrämt. Da sie sich ab der Taille stark weitet, ist es vorstellbar, dass sie, wie auch der lange Überrock in Armenien, der archalugh oder tschucha, durch die gleiche ab der Taille neuen Stoff einfügende Nähtechnik angefertigt wurde. Im Gegensatz zu dem Überrock aus Armenien hat sie aber zwei Seitentaschen. Helle, aus weichem Leder gefertigte, absatzlose Stiefel gehören auch zu dieser Bekleidung. Diese hat man zweifelsohne nach herkömmlichem armenischen Brauch hergestellt, da ja, wie wir wissen, die armenischen Kürschner Siebenbürgens vorzügliche Handwerker waren. Mangels bildlicher Darstellungen können wir hauptsächlich aufgrund der aus den Benennungen der vorhandenen Bekleidungsstücke erschlossenen Etymologie ihre Herkunft rekonstruieren. Bewahrt haben die transsilvanischen Armenier den armenischen Zuschnitt ihres Schuhwerks „Co’ic“ – koschik, die armenische Hose „ovqy bernwak“ – tschuché prnvakh, die sie mit dem Gürtel „qai“ – chaisch in der Taille festschnürten. Mit den ungarischen Bekleidungsstücken wurden aber auch deren Benennungen übernommen. Statt des armenischen Kaftans begannen die Zugewanderten die Mente – „mintéj“ zu tragen, mehr noch: den knielangen Mantel (ung. kabát) „káput“ bzw. den gegen Ende des 18. Jahrhunderts modisch gewordenen Kittel (ung. köpönyeg) „kepenyág“. Der Schal bzw. die Halsbinde gehörte ebenfalls zur neuen Mode; die siebenbürgischen Schriftsteller selbst erwähnen sie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts als eine Neuerung: Auch sie wurde von den Ungarn übernommen (ung. nyakravaló) „nyálrávál“. Statt des kurzen armenischen Überziehers trugen die Armenier – dies hatten sie ihren sächsischen Nachbarn abgeschaut – das Wams „lájber“; der heimische spitze oder fesförmige Hut wurde gegen den modischeren „kápálus“ (ung. kalap) eingetauscht. Die armenischen Frauen hatten zwar lange Zeit zäh an ihren eigenhändig bestickten Kleidungsstücken festgehalten, doch sollten auch sie ziemlich bald die neue Mode der Siebenbürgerinnen nachahmen. Statt ihres aus einem einzigen Stoff gefertigten Gewandes bevorzugten sie nun den Rock (ung. szoknya) „szukná“. Darunter aber musste der Unterrock (ung. viganó) „vigánná“ getragen werden. Und sicherlich hatten sie ihre armenischen Gatten und Väter – allesamt Kaufleute – mit der Eleganz der Strümpfe „kálcun“ von frz. calecon vertraut gemacht. Die Haube „csephecs“ – slawisch tschepets, die sie bereits bei

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ihrer Ankunft benutzten, mochten sie wohl schon viel früher von ihren Nachbarn auf der Krim oder in der Moldau übernommen haben. Den in kühleren Klimazonen unumgänglichen Pelz (ung. bunda) „bundá“ und die Mente sollten sie aber erst in Ungarn das erste Mal anziehen. Dass die vestimentären Gewohnheiten der wohlhabendsten Bürger am raschesten den siebenbürgischen Gepflogenheiten angepasst wurden, beweist das Fresko der Stifterfiguren an der Salamon-Kirche (1723) in Szamosújvár. Von der allmählichen Magyarisierung der Bekleidung siebenbürgischer Armenier legen auch die Eheverträge beredtes Zeugnis ab. In der Mitgiftliste der Anna Nuridsány, die aus dem Jahre 1725 stammt, finden wir neben der Aufzählung der Schmuckstücke auch eine nach ungarischem Schnitt gefertigte, mit Leder gefütterte Mente und zwei Röcke.27 Katalin Szácha (1751) bekommt zwei teure Mente, vier aus kostbarem Stoff gefertigte Röcke nebst den aus gleichem Stoff genähten ungarischen Miedern und Schürzen. In diesem Mitgiftbrief wird noch dem einen Rock ein armenisches Schulterstück (Oberkleid) beigegeben. Dies aber heißt, dass noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts armenische Kleidungsstücke getragen wurden.28 Im Laufe der Jahre nimmt die Anzahl der Bekleidungsstücke in den Mitgiftlisten zu: Auch dies beweist ein Anwachsen des Vermögens. Statt der 1725 erwähnten einen Mente und der zwei Röcke werden 1783 schon zwei Mente, ein Rauchwerk, acht Röcke und 34 Hemden als Grundstock der Aussteuer verzeichnet. Die sichtliche Zunahme des Reichtums hatte es nun auch ermöglicht, die einzelnen Kleidungsstücke aus kostbaren abendländischen Textilien herzustellen, die der jeweiligen Mode immer genauer Rechnung trugen. In den 1780erJahren tauchen nun auch Musselin und Batist neben den schon gebräuchlichen Stoffen Damast, Seide, Samt, Spitze usw. auf. Und statt einfacher Farben – grün, gelb, karmesinrot usw. – erscheinen die zeitgenössischen Modefarben wie etwa die „Pompadourfarbe“. Im Brautschatz der 1780er-Jahre finden wir neben Mente und Bunda die damals modischen Umhänge, vorrangig aus Seide, und auch einen wahren Luxusgegenstand: schwarze Seiden­ handschuhe (Máni Pap 1780, Zsuzsanna Nevelics 1783). Ende des 18. Jahrhunderts wies die Kleiderwahl der Armenier aus Szamosújvár so manche siebenbürgisch-ungarische Eigenheit auf, während in der Haartracht auch der Einfluss des französischen Rokoko, das Tragen von Perücken, wichtig wurde.29 Die Mitgifttruhe war Teil des Brautschatzes. Fast in jeder Aussteuerliste wird sie gesondert angeführt. Im Museum von Szamosújvár finden wir zwei dieser Truhen. Ihr Eisenbeschlag weist typische armenische Motive auf: die eine geome­ trische Muster, die andere Blumenranken. 27 Szongott, Szamosújvár története (wie Anm. 16), 244. 28 Ebd., 247. 29 Dragoi, Livia: Történelmi értékű festmények a szamosújvári örmény közösség gyűjteményében [Gemälde von historischem Wert in der Sammlung der armenischen Gemeinde in Armenierstadt]. In: Örmény kultúra és művészet Szamosújváron, Ararát (Sonderheft). Bukarest 2002, alle Seiten, hier 95.

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In der Kleidung der Kinder blieb das Überkommene besser bewahrt. Das lange Hemd und die Strümpfe bedeckte ein langer Kaftan, den ein Gürtel in der Taille zusammenhielt.30 In der Mitte des 18. Jahrhunderts allerdings hatte die Zurschaustellung des anwachsenden Vermögens auch ihre Altersklasse erreicht: Nun trugen die Kleinkinder nicht nur Schmuck (Kettchen, Perlen), sondern auch ihre Haare wurden von den modebewussten Müttern mit Reismehl gepudert. In der Geschichte der vestimentären Sitten spielte sich im Siebenbürgen des 17. und 18. Jahrhunderts ein zweifacher Prozess ab, dem tiefere gesellschaftliche Ursachen zugrunde lagen. Zum einen wollten die adligen Vertreter der feudalen Gesellschaft jene Bekleidungspraxis bewahren, die den Träger eines Kleidungsstücks schon äußerlich einer bestimmten Gesellschaftsschicht zuordnete. Gleichzeitig begann aber bei den niederen Ständen ein Kampf, der vestimentäre Gleichheit anstrebte, dergestalt, dass die Bürger die sozialen Klassengrenzen zu überschreiten versuchten, indem sie sich „nach oben“ kleideten, d. h., sich die vestimentäre Praxis der oberen Gesellschaftsschichten zum Vorbild nahmen, und, gerade auch nachdem sich ein tatsächlicher gesellschaftlicher Aufstieg als der schwierigere Weg erwiesen hatte, diese nachahmten.31 Aus der siebenbürgischen Geschichte des 17. Jahrhunderts ließen sich nun viele Beispiele dafür anführen, dass ein Überschreiten der gerade auch vestimentär festgelegten Standesgrenze nicht ungestraft blieb.32 So etwa führte die Tatsache, dass sich das Eheweib von Pál Béldi großspuriger kleidete als die Fürstin Anna Bornemissza, zu einem nicht unbedeutenden Skandal, und der in Siebenbürgen Aufsehen erregende Spießrutenlauf des Miklós Kis Misztótfalusi wurde nicht zuletzt durch die Taftkleider und -mäntel seiner Ehefrau ausgelöst, die bürgerlicher Abstammung war und der aus diesem Grund solche nur den Adligen vorbehaltenen Kleidungsstücke von den Klausenburgern zum Vorwurf gemacht wurden.33 In der siebenbürgischen Gesellschaft waren nun die Armenier eine erst kürzlich eingetroffene Gruppe, die in der feudalen Struktur Siebenbürgens in den minoritären bürgerlichen Stand eingegliedert und aus ethnischer Perspektive den „kleinen Nationen“ zugerechnet wurde. Nicht zu Unrecht befürchteten deshalb die armenischen Stadtväter, dass die zu plötzlichem Reichtum gekommenen armenischen Kaufleute und ihre Ehefrauen durch ihre aufsehenerregenden Gewänder den Adligen Siebenbürgens und den Angehörigen anderer Nationen ein Dorn im Auge sein könnten. Eine zahlenmäßig kleinere Ethnie sollte nicht über ihre Kleidung den materiellen Neid der anderen wecken.34 Deshalb beeilten sich die Verantwortlichen, die Kleiderwahl ihrer Landsleute, in der der erworbene Reichtum

30 Szongott, Szamosújvár története (wie Anm. 16), 55. 31 Jankovics, József: Régi magyar irodalmunk viseletképe [Das Trachtbild in unserer alten ungarischen Literatur]. In: Régi erdélyi viseletkódexek a XVII. századból. Hg. v. László Király. Budapest 1990, 5 – 21, hier 7. 32 Apor, Péter: Metamorphosis Transylvaniae. Budapest 1972, 29. 33 Jankovics, Régi erdélyi viseletkódexek (wie Anm. 31), 8. 34 Szongott, Szamosújvár története (wie Anm. 16), 65 – 74.

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augenfällig zur Schau gestellt wurde, durch Verordnungen zu regeln. Diese Erlasse (Szamosújvár 1741, Erzsébetváros 1738 und 1750) vermögen uns ergänzende Informationen zu liefern, gerade auch über die kleinsten Details in der Vestimentation der transsilvanischen Armenier. Der Stadtrat hatte die mit Goldfäden bestickten Taschentücher und Frauenhemden verboten, des Weiteren das Anbringen von Goldposamenten und das Herstellen golddurchwirkter Tischtücher und Kissenbezüge. Niemand durfte Obergewänder oder Röcke aus Samt anfertigen. Vergoldete Schleier, mit echten Perlen besetzte Hauben, mit Spitzen verbrämte Volants, Seidenstrümpfe, Handschuhe (!), Gürtel, in die Perlen eingearbeitet waren, und das Tragen von Perücken wurden den Frauen untersagt. Aus diesen Verordnungen, die die Prunksucht eindämmen sollten, geht aber hervor, dass die armenischen Bürger und ihre Familienangehörigen diese Bekleidungsstücke sehr wohl trugen. Nur schwer konnten die Armenier, die zu Reichtum gekommen waren und orientalische Prachtentfaltung liebten, die Argumente der Stadtväter nachvollziehen. Und so zeigten sie trotz der harschen Verordnungen gerne ihre Prunkstücke – zumeist beim Kirchbesuch oder anlässlich geselliger Zusammenkünfte. Weder die angedrohte Geldstrafe noch jener Absatz der Verordnung, dem zufolge „das Kleidungsstück (dem Träger) abgenommen und dem Feuer anheimgegeben wird“, vermochten alle Bürger von der puritanischen Schlichtheit und Bescheidenheit zu überzeugen, welche die Stadtväter anstrebten. Angesichts der uns vorliegenden Eheverträge und Mitgiftlisten ist es auch schwer vorstellbar, dass die armenischen jungen Frauen diese reich verzierten und einen wichtigen materiellen Wert darstellenden Kleidungsstücke als totes Kapital in der Mahlschatztruhe haben verkommen lassen. Ein aus den 1750er-Jahren stammendes Dokument aus dem Archiv von Elisabethstadt verzeichnet die Geldbußen, mit denen das Tragen verbotener Kleidung geahndet wurde: „Vártán Lengyel hat 6 Forint Strafe gezahlt, weil er Hosen mit Goldposamenten trug. Die Frau des Lukács Thorosz musste 6 Forint zahlen, weil sie beim Kirchbesuch eine mit Silberspitzen verbrämte Schürze trug. Über die Tochter des Márton Pátrubány, an deren Ärmelumschlag goldene Spitzen bemerkt wurden, verhängte man eine Geldstrafe von 3 Forint. Die Tochter des Vártig, deren Kleidung mit Posamenten geschmückt war, zahlte 4 Forint Strafe. Die Frau und die ältere Schwester des Gergely Meghdesz, welche golddurchwirkte Handschuhe trugen, mussten zusammen eine Geldbuße von 4 Forint und 76 Kreuzern entrichten. Die Ehefrauen von Szárkisz, Márton Szenkovics, Tódor Vártig, Vártán Jolbej und Minász Várteresz, sowie Kendovs Schwiegertochter und Kristóf Szentpéteris Tochter mussten je 2 Forint und 38 Kreuzer Strafe zahlen für das Tragen von Handschuhen. Miklós Dsiráchs Ehefrau zahlte 3 Forint Strafe für das mit Goldfaden durchwirkte Bräutigamhemd. Chácsádur Der-Esztepháns Tochter zahlte für das Tragen eines Samtmieders 480 Heller. Und Lukács Patrubány schließlich, der eine goldbestickte Mütze trug, entrichtete eine Geldbuße von 2 Forint und 38 Kreuzer.“35

35 Ebd., 65: „Lengyel Vártán 6 frt büntetést fizetett, mert aranysujtásos nadrágot viselt. Thorosz Lukács neje, ki ezüst csipkével szegélyezett köténynyel ment a templomba, 6 frt-tal büntettetett. Pátrubány

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Es erscheint uns wichtig zu unterstreichen, dass wir in der Liste derer, die ein Bußgeld entrichten mussten, keinem einzigen weiblichen Namen begegnen, und dies, obgleich die der Verordnung zuwider Handelnden hauptsächlich Vertreterinnen des schönen Geschlechts waren. Die Dokumente kennzeichnen die Frauen immer nur mit der Funktion, die ihnen im Kreise der Familie zukam: die Tochter des …, die Frau des …, die Schwiegertochter des …. Demnach musste die Geldbuße gemäß armenischer patriarchaler Tradition immer das Familienoberhaupt, das Haupt des gerdastan, der Schwiegervater oder der Gatte entrichten, der monokratisch für alle Mitglieder der Familie sowohl die moralische als auch die materielle Verantwortung trug. Die Befolgung der Verordnung verursachte nicht zuletzt auch deshalb Schwierigkeiten, weil nach 1690 sowohl der Fürst Mihály Apafi, als auch Kaiser Leopold – wenn auch aus jeweils unterschiedlichen Gründen – unzählige Adelsbriefe ausgestellt hatten. Zeitgenössischen Berichten zufolge soll gegen Ende des 18. Jahrhunderts mehr als die Hälfte der siebenbürgischen Gesellschaft den Status des Kleinadels innegehabt haben.36 Wollten sie in der Gesellschaft aufsteigen, so stand den zu einem beträchtlichen Vermögen gekommenen Armeniern Siebenbürgens nur ein Weg offen: Sie mussten in die nächsthöhere Klasse, in den Adel, aufgenommen werden. Zwischen 1740 und 1760 kauften oder bekamen 13 armenische Familien den Adelstitel, zwischen 1760 und 1763 schon 38: so – um nur einige zu erwähnen – die Familien Dániel, Lázár, Zakariás, Pátrubány und Karátsony.37 Die nobilitierten Armenier konnten also zu Recht davon ausgehen, dass aufgrund ihres neuen gesellschaftlichen Status die früher allein dem Adel vorbehaltenen prächtigen Gewänder nun auch ihnen zustünden, und dass somit für sie die Reglementierung der Prachtentfaltung keine Gültigkeit besitze. Die nach Siebenbürgen eingewanderten Armenier waren – was ihren Beruf anbetraf – Handwerker oder Kaufleute. Aus der Perspektive der vestimentären Geschichte bildeten sie eine gesellschaftliche Gruppe, deren Bekleidungspraxis – trotz der Bewahrung der altarmenischen, aus einem Stück gefertigten, kaftanartigen Grundbestandteile – während der Migration und aufgrund der Kontakte zu unzähligen anderen Völkerschaften schon vor ihrem Eintreffen in Transsilvanien durch so manches neue Kleidungsstück ergänzt Márton leányára, kinek kézelőjén arany csipkét láttak, 3 frt bírságot szabtak. Vártig leánya, ki paszománttal fűzte be magát, 4 frt büntetést fizetett. Meghdesz Gergely felesége és nővére, kik aranyfonallal hímzett kesztyűt viseltek, együtt 4 frt 76 kr. büntetést fizettek. Szárkisznak, Szenkovics Mártonnak, Vártig Tódornak, Jolbej Vártánnak, Várteresz Minásznak neje, Kendovnak menye, Szentpéteri Kristófnak leánya kesztyű-viselésért egyenként 2 frt 38 krral büntettettek. Dsirách Miklós neje aranyfonállal h ­ ímzett vőlegényi ingért 3 frt büntetést fizetett. Der-Esztephán Chácsádur leánya bársony mellényért 480 pénzt fizetett.Végre Pátrubány Lukács, ki aranyfonállal hímzett sapkát viselt, 2 frt 38 krral büntettetett.“ 36 Várkonyi, Erdély társadalma (wie Anm. 20), 31. 37 Vörös, Antal: A magyarországi örmény társadalom a feudalizmus korában (1672 – 1848) [Die armenische Gesellschaft in Ungarn in der Zeit des Feudalismus]. In: Haj-hungarakan patmakan jev m ­ sakut’ajin patmut’junic. Hg. v. Antal Vörös. Erevan 1983, 146.

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Piroska Krajcsir

worden war. Aufgrund der Trachtenalben und anderer mittelbarer Beweise können wir jedoch behaupten, dass die armenische Vestimentation im 17. und 18. Jahrhundert noch besondere, orientalische Charakteristiken aufwies. Die armenischen Bekleidungssitten wurden in der Tracht der Männer am längsten bewahrt: zunächst das kaftanartige Obergewand und dann der Gürtel, dieser mehrtausendjährige, altehrwürdige und fundamentale Bestandteil armenischer Kleidung. Am konservativsten erwies sich jedoch die Tracht der Kinder. Und dies ist wohl kaum ein Zufall, wenn man bedenkt, dass sich die Kinder in heimischer Umgebung aufhielten, d. h., dass sie aufgrund ihrer in der Kleidung offenbarten „Andersartigkeit“ mit ihrer Umgebung nicht in Konflikt geraten konnten. Den größten Wandel erfuhr – und dies in kürzester Zeit – die Kleidung der Frauen. Das revolutionärste Ereignis in diesem Zusammenhang war die Aufgabe des seit Jahrtausenden überlieferten, aus einem Stück gefertigten armenischen Frauengewandes. Die Frauen und Töchter der betuchten armenischen Kaufleute wollten mit orientalischem Gepränge der abend­ländischen Mode Genüge tun. Bei der Änderung der vestimentären Praxis war nicht zuletzt auch der Umstand ausschlaggebend, dass den armenischen Kaufleuten auf ihren Handelsreisen (bis nach Wien, Nürnberg oder Danzig) der Erwerb der damals modischsten Stoffe und Kleidungsstücke möglich wurde. Auch war in der Schicht der Kaufleute die eigenständige Herstellung von Kleidern im Heimbetrieb ohnehin nicht so weit verbreitet wie unter der armenischen Landbevölkerung. Aufgrund der auf uns gekommenen Schrift- und Bilddokumente können wir behaupten, dass die vestimentäre Assimilation der armenischen Kaufleute gegen Ende des 18. Jahrhunderts so gut wie abgeschlossen war. An der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert stach ihre Kleidung noch deutlich von derjenigen der anderen in Siebenbürgen lebenden Völker­ schaften ab. Davon zeugen die Illustrationen in den Trachtenalben, deren vollständige Erforschung noch bevorsteht. Im Laufe des 18. Jahrhunderts nahmen sie – nunmehr als Städtebewohner und Bürger – in dem Maß, in dem ihr Vermögen zunahm, Abstand vom Tragen ihrer nationalen, unmodischen, eigenartigen alten Kleidungsstücke und bevorzugten die für die Elite der Mehrheitsgesellschaft charakteristischen teuren und modischen Kleider. Die Einschätzung der armenischen Bekleidungsgewohnheiten in Siebenbürgen darf als abgeschlossen gelten, wenn wir nach der Erforschung des uns in den Archiven zur Verfügung stehenden armenischen und anderssprachigen Quellenmaterials, der zeit­ genössischen Illustrationen der Bekleidungspraxis und der auf uns gekommenen Stücke der materiellen Kultur diese selbst detailgetreu rekonstruiert haben werden, und, in Kenntnis um die vestimentäre Geschichte des Stammlandes, die armenischen Bezüge glaubwürdig bewiesen werden können.

Dezső Garda

The Mercantile Forum, the Administrative and Legal Institution of the Armenians from Gheorgheni

After they became settled in the 17th century, the Armenians from Transylvania enjoyed a special kind of administrative autonomy. On the basis of the settlement authorisation issued by Prince Mihály Apafi in 1672, Armenians were permitted to establish separate regionaladministrative units in Transylvania. The final settlement, making way for the establishment of the Armenian settlements and quarters, was supported by the Charter issued by Mihály Apafi on 20 October 1680: “Our honest supporters, the Armenian merchants – the patent letter states – shall be permitted to establish trades and to trade in any village, town or location, or in any place or location open for trade, in any part of our empire, without being harmed, provided they will supply us with one hundred pieces of cordovan each year.”1 Armenians usually sought their home in settlements of less importance, since the leader­ship of the larger settlements were unwilling to accept them due to the fact that they would have been too much competition for the local craftsmen and merchants. This was the case, for example, regarding the Saxons in Bistriţa (Bistritz, Beszterce), who forced the Armenian community to leave the East-Transylvanian town in October 1712. Although they were able to exercise a certain degree of self-government by establishing companies, true autonomy was only ensured by the establishment of country towns and later due to the privileges granted to the free royal towns. In these circumstances the Armenians from Transylvania did their best to obtain the status of a free royal town for the two settlements inhabited almost exclusively by Armenians, Gherla (Szamosújvár, Hayakałak, Armenopolis, Armenierstadt) and Dumbrăveni (Erzsébetváros, Ebesfalva, Elisabethopolis), finally succeeding in 1786.2 What was the administrative, institutional background of the Armenians from Gheorgheni, where they were a minority compared to the Szekler population? And was the enforcement of the collective rights of the Armenian community limited by the special autonomy of the Szeklers? Before approaching these questions, I would first like to present their collective institutions and the most important events following their settlement in Gheorgheni.

1 Magyar Országos Levéltár [The National Archives of Hungary, Budapest] (in the following MOL), Section F, 80. De originae erestatu Armenorum hic in Gyergyó Szent Miklós distentium. 2 Köpeczi, Béla et. al.: Erdély Története. Budapest, Vol. 2, 1987, 1062.

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The Armenian merchants arrived in Gheorgheni in larger numbers in 1607, after the town was granted the right, on a national level, to hold a periodic market. Their presence in the first half of the 17th century is confirmed by the resolution of the General A ­ ssembly of Csík-, Gyergyó- and Kászon-Szék in 1643, which stipulated that, on Sundays and holidays, “[t]he other marketers, merchants, Armenians, that is all who take goods to the market, shall not dare to sell their goods during the mass.”3 Probably the majority of the heads of the Armenian families, who settled in Gheorgheni in 1637 and later, in 1654, became involved in trading. In the early decades of the 17th century, almost half of the Armenian population of Gheorgheni were merchants. Thus, according to the census taken in 1716, 11 of the 23 wellto-do families were recorded as being involved in trading.4 They traded in livestock, and their sales area stretched from Moldova to Central Europe. In the case of the less wealthy classes, local trading centred mostly on retail sales. It can be proved that the poorer classes were also involved in trading. Thus, for instance, the merchant Kristóf Örmény was still considered poor, since he had only recently arrived from Dumbrăveni.5 So the social stratification of the Armenian merchants appeared as early as the second decade of the 18th century. The Armenians who settled in Gheorgheni established a court, headed by a judge, a scrivener and jurors. Little information about the judges is available, but it is known that most of them were wholesale traders. In 1703, Judge Gergely Ákoncz, who was the founder of the Armenian tanner’s guild, was considered a wholesale trader, based on his wealth. In 1716 Judge Keresztes Szőcs is mentioned as being a wholesale trader. In the period between 1729 and 1733, the Armenian Court was led by the following leaders: the judge Lázár János, the scrivener Tódor Ábrahám and the councillors (jurors) Miklós Lukácsi, Luszig Á ­ brahám, István Ábrahám, János Jakabé Vákár, Emánuel Kristófé Ákoncz, Márton Jánosi, János ­Kristófé Ákoncz, János Keresztes, Izai Mánya, Jakab Thumán and Emánuel Ábrahám. Until December 1763, administrative-wise there existed two communities in Gheorgheni: the Szekler and the Armenian community. The only difference between the jurisdiction of the Armenian judge and his community and the Szekler one was that the former was not allowed to take on murder cases. However, both the Armenian and Szekler communities had separate judges, scriveners and jurors, and their jurisdiction included the protection of all members of their communities. After the establishment of the Szekler border guard regiment, three communities appeared in Gheorgheni: the military community, the provin­ cial community and the Armenian community. All three communities served to protect the interests and rights of their respective groups. 3 Ferenczi, György: Regestrum Ecclesiae S. Nicolai Girgio, factum per Georgium Ferenczi Sacerdotem Coelibem. In: Erdélyi Egyháztörténeti Adatok. Ed. by Károly Veszely. Kolozsvár 1860, 22. 4 MOL, The census of 1716. The wealthiest merchants were: Todór Örmény, Lukács Ormény, András Antal, Jakab Tamás, Izsák Keresztes, Izsák Márton, Márton Simón, Tódor Keresztes, Isák Paviola, Jakab Keresztes, Novák Ebesfalvi Kalmár. The Mayor Keresztes Szőcs was probably a wholesale dealer. 5 MOL. The census of 1716

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Until 1746, the administrative jurisdiction of the Armenian judge also included the Armenian communities in Frumoasa (Szépvíz, Csíkszépvíz) and Dumbrăveni. From that period on, the Armenian communities from Gheorgheni, Frumoasa and Dumbrăveni were under the legal jurisdiction of the chief judge residing in Dumbrăveni, but the Armenian communities living in these three settlements had their own judge, and the organisational life of the merchants and craftsmen was based on the self-organisation of the local communities. This relationship of subordination was only apparent, and a letter addressed to the ­Gubernium in 1793 reveals this fact. The letter, written by the Armenian community from Gheorgheni, states that the people living on the banks of the Békény River between 1746 and 1793 enjoyed the same trading privileges as the inhabitants of Dumbrăveni. Moreover, they feared that if the legal jurisdiction of the chief judge from Dumbrăveni were to be revoked, they would be underprivileged compared to the Szekler authorities. The leaders of the Armenian community from Gheorgheni formulated their fears as follows: “Our community is bitter at heart to find that, following the gracious order of the city judge of Elisabethopolis, issued on 6 September a. c. under no. 1390 and addressed to us, by which, upon the notification of the Csík Szék as of 27 May we would be forced to renounce the old jurisdiction, and although, according to the new article, Elisabethopolis shall not extend its jurisdiction beyond its borders, since from the start our community’s privileges were attached to those of the same town and were granted by the Royal authority, based on the quoted article 61 we carried out all our activities on equal terms until this year. And although we have been separated from our old privilege of that royal town due to the reason mentioned, until now we have remained under the grace of the Highly Regarded High Governor, and in order for our people to continue to enjoy the jurisdiction of the High Governor, especially as our matters, as well as our larger number of trade related litigations, protocols concerning larger or smaller amounts, as well as our correspondence would have to take place in Armenian, according to our customs, due to these reasons we humbly request the following: for the High Governor to oblige us, by his Great power, to reinforce our privileges granted with grace until the 31st of this month of 1796 at the Royal Court/: since he has already opened the way:/ and until our expected privileges are reinforced to allow us the time to correspond with the Judge of Elisabethopolis”.6 The Royal High Governing Council, however, rejected the request of the Armenians from Gheorgheni in its resolution no. 1884 as of 6 December 1790.7 The letter addressed by the Armenians from Gheorgheni to the Gubernium and the response to it indicate that the Armenians from Szeklerland tried to preserve the commercial privileges granted to them based on their relationship with Dumbrăveni in the form of a royal letter patent. Moreover, in 1794 the Armenians from Gheorgheni tried to obtain the status of a royal free town.8

6 [Armenian catholic Collective Archive in Gherla]. 7 Armenian catholic Collective Archive in Gherla. 8 Köpeczi, Erdély Története (cf. n. 2), 1062.

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After 1793 the Armenian communities from Gheorgheni and Frumoasa completely broke away from Dumbrăveni and were included under the jurisdiction of Csík-, Gyergyó- and Kászon Szék. Since in the new situation their autonomy and self-organisation was affected, they formulated numerous petitions between 1790 and 1793 in order to clarify their legal status, which they tried to present to the Transylvanian parliament. Here their aim was to establish organisations designed to protect the Armenian merchants independently from the Szekler institutions. As a result of these petitions, one of the most important organisations of the Armenians from Gheorgheni and Frumoasa was established in 1796: the Merchant’s Court, also known as the Mercantile Forum. The Armenians from Gyergyó [i. e. Gheorgheni] wrote the following regarding the establishment of this institution in a petition addressed to the Transylvanian Parliament in 1842: “Our fathers, who settled long ago in Gheorgheni and Frumoasa, established two organisations, and we can say without boasting that they did this by assiduous trading, in organisations which served the progress and the benefit of our country, but they also had to ensure credibility and be able to give justice in trading matters in order to overcome any difficulties. Therefore in 1794, by turning to His Majesty, they managed to obtain a separate Merchant’s Court, both in Gheorgheni and Frumoasa, which was independent from the jurisdiction of the Szék. Since there were no petitions against this law, and it did not affect the authority of the Szék, on 16 September 1796 His Majesty graciously established the Merchant’s Court and its jurisdiction, and the communities used this gracious concession made by His Majesty in matters of trading. In 1810, following petitions were made to the parliament, the termination of the Merchant’s Court was requested. The Noble Gyergyó Szék, by means of a petition submitted through its delegates to the parliament concerning the restriction of its authority on 26 June 1811, disagreed with the request, and the parliament also agreed to preserve the jurisdiction of the Court of the Szék over trading matters, maintaining the concession made by His Majesty, and the Merchant’s Courts of both communities were left in place”.9 So it seems that the leaders of the command of the armed forces and of the Szekler Széks tried to subordinate and restrict the jurisdiction of the Mercantile Forum. Therefore, the judge and senators of the Armenian Merchant’s Court turned to the Transylvanian parliament to preserve their autonomy and privileges. This was the case in 1811, as mentioned by the Armenians from Gheorgheni. From 1838 on, the future of the Merchant’s Courts from Gheorgheni and Frumoasa was again endangered. In order to save their institution, the leaders of the Mercantile Forum were again forced to turn to the parliament. Before turning to the parliament, the Armenians from Gheorgheni held discussions with the Armenians from Frumoasa. In a letter written on 15 March 1842 by the scrivener Jenő Kapdebó and addressed to the Mercantile Forum from Frumoasa, the people from Gheorgheni requested the Forum to send commissaries to Gheorgheni with the aim of

9 [Minutes of the Mercantile Forum] 1842, no number.

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adopting a common policy for the two communities. This letter, addressed to the Armenian community from Csík, is a symbol of the two communities joining to support their common interests.10 In the meantime, they met up in Cluj-Napoca (Kolozsvár, Klausenburg) with the individuals who were likely to have had a determinant role in confirming the patent letter. The persons signing, who called themselves “obliged brotherly kinsmen”, gave the following advice to the Mercantile Forum: “From those represented by our brotherly delegate who came to Cluj-Napoca, we understood the measures and diligences, and we approved every enterprise of the Mercantile Forum, and by our resolution made this day in the matter of the main driving privilege, our national delegates representing the communities of the Noble Csík Szék will submit them to His Majesty, and we ask the Noble Mercantile Forum not to look up to inform the adequate persons and to ask for their support, since we will send delegates to the next assembly to the Noble Judge of the King’s Bench, by which we will request the support of the assembly, and in the meantime we will formulate the petition to the Honoured Assembly, which will be submitted that day, and for the delegates of both communities to work together by official authorisation.”11 In line with the advice received from Cluj-Napoca (they probably received this proposal from the High Governing Council), the leaders of the Mercantile Forum from Gheorgheni turned first to the Judge of the King’s Bench and to the representatives of Csík-, Gyergyó- and Kászon-Szék in order to reinforce the letter patent to someone’s prejudice, because the Highly Regarded Gracious Royal scripts, its “subject and jurisdiction are clearly stated in order to obtain the Letter Patent (formale privilegium) for the establishment of our Courts, graciously propose”.12 At the same time they requested the help of the Judge of the King’s Bench of Csík-, Gyergyó and Kászon-Szék in the Transylvanian parliament in order to protect the privileges of the Mercantile Forum. After they made their démarches at every level and in every direction, the Armenian Merchant’s Court officially submitted its petition concerning the confirmation of their privilege to the Transylvanian parliament.13 In their petition, the leaders of the Mercantile Forum pointed out to the Transylvanian representatives that by requesting the reinforcement of their letter patent they did not demand any special rights, but wished to preserve the administrative-jurisdictional framework required to carry out their trade. They wrote: “You can see from this that we do not seek any privilege, any power, nor try to exempt any person from the liabilities, but solely to further develop our trade and to serve our country by giving a fair judgment in matters

10 11 12 13

Ibid., 1842, no. 21, March 15, 1842. Ibid., no. 32/1842. Ibid., no. 39/1842, 13 May, 1842. Ibid., 1842.

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of trade, which we strictly bound ourselves to follow and for which we humbly implore you to give a comforting answer”.14 The Transylvanian representatives found the petition of the Mercantile Forum legitimate and thus the Armenian Merchant’s Court managed to continue its activity until the end of the 1840s. After the suppression of the 1848 – 1849 revolution and the war of independence, the absolutistic authorities refused to renew the privileges of the Armenian community, but it is possible that the Armenians did not dare to turn to the Gubernium with a petition. The meetings of the Mercantile Forum were theoretically held twice a week. On Wednes­ days they were supposed to deal with litigations, while on Saturdays administrative issues should have been on their agenda. In reality, however, the schedule of the meetings was different, as shown by the minutes available. The judge, the scrivener and the senators led the Forum. The leaders of the Merchant’s Court received no remuneration, apart from the scrivener. Their only compensation was that at fairs (in any town, not only in Gheorgheni) they were given first selection of a site for their tent on the area reserved for Armenians. The jurisdiction of the judge covered mainly litigations between Armenian merchants, such as debt collecting or the organisation of bankruptcy procedures. He also had to d­ eliver verdicts for litigations between the merchants, and to keep in contact with the High ­Governing Council, the Judge of the King’s Bench, the Assistant Judge of the King’s Bench, the provincial and the military communities; it was also his responsibility to organise and supervise the collection of taxes. Usually the judge was elected on a yearly basis, but in many cases he led the merchant community for several years, for example Dávid Dávidovics. In the majority of cases, the judges were willing to resign. This was the case on 3 February 1806, when the judge at that time recorded his intent to resign as follows: “The current judge, our kin Jakab Cziffra, has laid down his position as judge of the Forum. He has requested a new judge to be elected in his place. And in his place our kin István Lukáts was elected as the new judge, by the decision of the assembly, which was announced before the High Royal Gubernium for approval and confirmation”.15 The new judge elected on 3 February, István Lukács, took up his position on 14 February.16 The salutatory speech formulated by the scrivener József Tóbiás, full of embellishments, first stressed the importance of the judge’s position within its historical context.17 Next the scrivener of the Armenian Merchant’s Court presented the situation following the resignation of Jakab Cziffra, praised the activity of the former judge and then dwelled on the expectations faced by the new judge, as follows: “As the Noble Assembly remembers very well, on the third day of February, in a similar m ­ eeting, amongst other issues we had back then, our kin Jakab Cziffra, who served as a judge the past 1805th year in this Noble Community, and did it praiseworthily, has laid down, according to our 14 Ibid. 15 Ibid., February 3, 1806, no. 33. 16 Ibid., February 14, 1806, no. 38. 17 Ibid., February 14, 1806.

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customs, his office, in order for the Noble Community and the Noble Forum to elect a new person worthy of this position. And on that occasion the Forum decided to elect our kinsman István Lukáts, who has just arrived into our circles, into this office without any rest and remuneration, to whom the entire nation, and in the name of this nation the Noble Forum, through myself, has submitted its appeal with full trust and in a brotherly and friendly manner to accept this office without any rest, remunerated only by the love of the nation, and to fulfil it so that his nation may live in peace according to the moral laws and show proper respect to its leaders, while endeavouring to fulfil the responsibilities of this office, in a way that shows his love towards his nation. I say he must act in such a manner that he lives up to the trust placed in him by the Noble Forum and the Community, protecting the Forum if it is endangered by strangers, but also by his own people, and to preserve the privileges granted by Royal Grace, and thereby showing even more passionately the love towards his nation, making his beloved nation see his love.”18 Then he turned to the judge elected on 3 February, and formulated again the Armenian merchant community’s expectations of its leader: Noble Gentleman! Our Dear Kinsman! Here we have the empty judge’s seat, for which the compensation is restlessness, a seat for whom the lavish remuneration is the love of the nation for a good patriot, from whom the Forum representing the nation expects with such unreserved trust that he considers the foremost of all worldly blessings of the Lord is to serve his nation’s interests, accepting the sacrifice for the love of the nation and showing his worthy person does not only wish to educate the nation settled in this remote spot of the country, but also to deliver it from oppression, preserve its freedom and endeavour to protect it against persecution, in a manner that shows love for his nation, devotion to his country and obedience to his king, and not to follow the example of those for whom a change in fortune killed the love for their nation and proved that the love for their nation died out and became as empty as a voice without words. The members of this Mercantile Forum and Community cannot even expect a refusal of the brotherly and complete trust and this judge’s seat, not to fill this seat with this worthy gentleman, for this nation faithfully believes that his love for his nation is much greater than would allow him to refuse it. Because of this trust, he should not be concerned with his own issues, but only with the problems of the entire nation, so that by his wise adminis­tration he may satisfy the entire nation which, by electing him as its judge, has entrusted the adminis­tration to a gentleman animated by the love for his nation, who considers the good of the nation to be far more important than his own good, and in view of this unfailing trust he engages himself in the wise administration of the entire nation with the promise that he will do anything for the good, peace and development of his nation: and he will do it expediently. Given these promises, this nation hopes that our leader, as a beloved kinsman and true brother, shall not ignore such trustful requests of his nation due to his love for his nation, but will accept burdens even against his institution, because for a good patriot and a true citizen it is more

18 Ibid.

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honourable to do this than to taint his glory with private good. This gentleman is the ardent will of his nation, which this man should accept.19

The Hungarian language skills of the scrivener József Tóbiás would have made the members of the neologistic movement grow envious. The election of the new judge usually took place in January of each year, but occasionally, as in 1806, the resignation of the former judge and the appointment of the new judge were delayed until February. In the minutes recorded on 11 January 1808 we read the following concerning the resignation of judge András Fitzus: “Our kinsman Márton Fitzus, after resigning from the judge’s position, requests a new judge to be elected in his place and to be discharged from carrying out his activity.”20 The resignation of the judge was followed by the election of the new judge, which is recorded in the relevant minutes as follows: “After our kinsmen Gergely Kövér and István Wertán applied for the judge’s position, our kinsman István Wertán was installed in the office having received the majority of votes, this decision is to be submitted to the High Royal Gubernium for confirmation and approval.”21 In the early 19th century, the seat of the judge was sometimes held for two years. The minutes of this period reveal that the judge was frequently replaced by senators, who were noted in the minutes as assistant or substitute judges. This could also mean that the power of the elected or so-called “current” judge was in many cases restricted by the senators. It is also possible that the most distinguished senators replaced the judges because they were extremely busy. One of the important positions within the Mercantile Forum was the scrivener. His competence is shown by a scrivener’s oath from the first half of the 19th century as follows: “I, N. N., hereby vow on the one true eternal God, the entire Holy Trinity, the Father, the Son and the Holy Ghost, on the Blessed Virgin and all the Saints, so help me God in my true Faith, to act in good faith, for the period I was mandated or am to be mandated on this day as the Community Scrivener of the Noble Merchant’s Court of Gheorgheni, for any person, rich or poor, making propositions for judgments true to the law and without any partiality, regardless of any gift, friendship, relation, ill-feeling or envy. – I shall write true, accurate, comprehensive and unequivocal minutes of the orders, resolutions and judgments of the Court and of the community, and I shall not make any changes, nor allow changes to be made, and I shall not write and certify anything that was not resolved or ordered so as to constrain, flatter or encourage any person, and to issue, upon request, true abstracts of the minutes, without any delay, and I shall not demand or accept any special or additional payment from any person, and I shall carry out any official issue or correspondence truly, expediently, in good faith and without any partiality, I shall loyally preserve and use

19 Ibid., February 14, 1806. 20 Ibid., January 11, 1808, p. 234 f., no. 5. 21 Ibid.

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any letter given to me by the Court, and I shall draw up any document according to the resolutions, in good faith and to my best abilities, and I shall not disclose any secrets in the letters I receive during the proceedings or otherwise, neither during my mandate, nor after it, for my whole life, nor shall I use them in my own interest, and I shall not withhold them for myself or for any other person, and I shall obey all my superiors, in a word, I shall strive to fulfil all my duties as scrivener, so help me God and find me salvation.”22 From this oath it is not difficult to identify the competences of the scrivener, which we will try to name as follows: • he was to obey the law regardless of wealth; • when preparing and making propositions for judgments he was not allowed to take into consideration personal friendships, relations, ill-feelings and envy, and he was not allowed to accept gifts from his clients; • his main duty was to draw up the minutes. He was required to record the resolutions, orders and judgments accurately, comprehensively and unequivocally in the minutes; • he bound himself not to draw up minutes that were not accurate; • he was expected to prepare an abstract of the minutes upon request. For this he was not to demand any special payment; • he was required to carry out the official correspondence of the Mercantile Forum; • he bound himself to preserve the letters and documents of the parties to the litigations so that they were not disclosed to the other party and • it was his duty to obey the elected leaders (the judge and the senators). In 1806 the scrivener of the Mercantile Forum was reported to the Royal Gubernium because he was “also acting as prosecutor”. However, the Merchant’s Court protected its officer. The order issued by the Gubernium referred to the incompatibility of the two offices. They wrote: “As the High Royal Gubernium ordered by its gracious ordinance as of 19 September under no. 2756, since the highly regarded Royal Gubernium has established that our current scrivener, Jósef Tóbiás, was acting as a scrivener and as a prosecutor, he shall be informed through us that if he carries out any of these two activities he should resign from the other, since these two offices are not compatible, otherwise he shall be dismissed from both”.23 In their answer the leaders of the Merchant’s Court pointed out that the scrivener requires legal expertise, and for the selection of the scrivener the Armenian Mercantile Forum always used the criterion of competence. In their petition addressed to the Royal Gubernium they reasoned as follows: “Ever since our Forum’s activity was established by the Holy Charter of His Majesty, and since amongst our people there was no one with adequate skills in matters of the law of our noble country or a skilled scrivener, or someone with experience, we have always employed as scriveners people who worked as prosecutors at the courts of

22 Ibid., without date. 23 Ibid., September 14, 1806.

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the Noble Gyergyó and Csík Szék, people like the late Antal Lemhényi Kováts or the exprosecutor Jósef Bánkfalvi Kováts, who is still alive, and who, although they were involved as sworn prosecutors in lawsuits at the above mentioned courts, were working as scriveners at the Mercantile Forum, and this could not have not entailed even the slightest conflict, because the matters of the Mercantile Forum cannot interfere nor clash with the matters of the Noble Court, and since no appeal can be made from the Mercantile Forum to the Noble Court, no such conflict can occur that should prevent the prosecutors of the Noble Court to work as scrivener at the Mercantile Forum, with the obligation to accept under no circumstances any lawsuits at the Mercantile Forum, and our Mercantile Forum was in such a position when it was forced to employ the scrivener of the noble court, Mr. János Mikó, as scrivener, and since the matters of our small forum were different to those of the noble and there was no possibility for any matters to be transferred from one to the other, he was able to carry out his activity without any conflict of interest. And the officers of the Noble Court were aware that our scrivener was always employed from amongst people who worked as prosecutors at the Noble Court, but they never opposed this because they knew there wasn’t even the slightest conflict between these two offices.”24 In another letter they refer to the fact that it would have been a great loss if József Tóbiás were to be removed from the office of scrivener of the Merchant’s Court. In their opinion: It would mean a huge loss and drawback for our Forum if we were deprived of the useful activity of our common scrivener who, by his activity of bringing clarity to the activities of our forum, has helped us to preserve our peacefulness, and who, through his useful activity, ensured us”.25 This is why they requested that the scrivener be left in his position. “There­fore we implore the gracious Royal Gubernium with profound humility – we can learn from the letter of the Merchant’s Court –, since there is not even the slightest conflict due to the reasons presented, to allow our current scrivener to also work as a prosecutor at the Noble Court for his own good, and not to oppose but to grant us your gracious confirmation, and to release our Forum from the fear of losing its current scrivener.26

From the above correspondence we learn that, since the Merchant’s Court was e­ stablished, the Armenian traders have selected their scriveners with the utmost precaution, and that it was common for them to also work as prosecutors. This was the case as far as Antal ­Lemhényi Kovács, József Bánkfalvi Kovács and József Tóbiás from Sânzieni (­Kézdiszentlélek) were concerned. Both the judge of the King’s Bench and the top officers of the Royal Gubernium accepted the request of the Armenian traders, and, with small variations, the prosecutor József Tóbiás occupied the office of scrivener at the Mercantile Forum in a Gheorgheni

24 Ibid., September 14, 1806. 25 Ibid., 1806, no. 168. 26 Ibid., 1806, no. 168.

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until the end of 1814. The Armenian community was forced to discharge its beloved and highly regarded scrivener “because the gentleman Joseff Tóbiás was named military prosecutor”.27 There were cases, of course, when Armenian assistant scriveners drew up the minutes. Such examples are Antal Lázár on 8 June 1808, Jakab Kábdebó on 5 and 6 July 1808 or Márton Fitzus on 21 March 1810. From 1815 onwards, Armenians occupied the office of scrivener. In 1828, with the employment of Jenő Kábdebó, the office of scrivener regained its former reputation. A scrivener who served his community for thirteen years received from the assembly of the Mercantile Forum, in the presence of the assistant judge of the King’s Bench, the f­ ollowing certificate of good conduct when he resigned from his position: “We, the Mercantile Forum and the community of Gheorgheni, announce to all those concerned that the meeting of the Noble Gyergyó Court, conducted by the Honourable Assistant Judge of the King’s Bench, the gentleman József Baló from Băţani (Nagybacon), was held today for the resolution of certain matters, and on this occasion the regular scrivener of the Mercantile Forum, Eugenius Kápdebó, following his imploring letter and due to the reasons enumerated therein, after voluntarily resigning from his current position, ­requested to be released from all his duties, and for an authentic certificate about his conduct to be issued by us. And since no one can be refused the truth, we hereby certify that the imploring Eugenius Kápdebó served us as a regular scrivener for thirteen consecutive years, and during this entire period he fulfilled his duties diligently, truly and accurately with continuous exemplary conduct, as a gentle, god-fearing, moral man, devoted to the truth, that is, he was a person with a sober life, deserving much praise, and he worthi­ ly gained the trust, love and satisfaction of the leaders and of our community as well, in such a measure that if our much praised brother hadn’t resigned from his office, we would have been glad to keep him in this position, but since he wishes to take his fortune elsewhere, we hereby release our brother Eugenius Kápdebó from his duties and, by his wish, upon his discharge we hereby gladly recognise him as a worthy and useful partner. And, in order to certify this, we hereby issue this certificate of success, confirmed by our signatures and the official seal of the Mercantile Forum”.28 In the following period the personality of István Kálmán was equally successful in making the office of scrivener appreciated by the community. As we can see from the above, the personality of the scrivener was in many cases even more important than the personality of the Mercantile Forum’s judge, since his knowledge of the law combined with his writing and communication skills could decisively influence the jurisdiction of the Merchant’s Court. This is why, as we have seen, Armenians did not always occupy this office.

27 Ibid., February 4, 1814. 28 Ibid., February 1, 1841.

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Within the Armenian Mercantile Forum the so-called senators, or councillors, also had a decisive role in implementing decisions. They were not remunerated for their activity, but were granted certain tax facilities, and at fairs they were entitled the first choice of a tent. Usually, at the various fairs, they negotiated with the merchants from Frumoasa regarding the places for their tents, based on their rank. In a resolution adopted on 13 January 1820, we read the following entry related to this: “The Mercantile Forum has decided that two senators from Gheorgheni will be the first to place their tent, and the third one will be a senator from Csíkszépviz: and since this Mercantile Forum has decided that as long as the wife of the late Márton Kritsa, ex-senator, keeps her husband’s name, and after the marriage of any of her sons, the continuity of the trade will not be changed, Izsák Kritsa will keep his current place, opposite to him Márton Fitzus, the third place is kept free for a senator from Csíkszépviz, the fourth place will be reserved for Péter Kritsa, next to Péter Kritsa will be our juror Miklós Zachariás, after the senator from Csíkszépviz, opposite to Miklós Zachariás and after him István Zachariás, and opposite to him ­another member of the council: consequently the order hereby established is that after two senators from Gheorgheni, the third place is reserved for a senator from Csíkszépviz: the traders from Gheorgheni are bound to respect the above order, so that this order can be respected. It is hereby established that the head watchmen are Antal Száva from Csíkszépviz and ­István Zachariás. Furthermore, as was established earlier, if someone has a paid place and can prove it has been paid for, the person replacing him shall redeem it, and if subsequently someone buys a place, he shall lose his money to someone else’s prejudice, and if one trader sets up two tents at a fair, one of them will have no rank.”29 In spite of the fact that the Mercantile Forum established the places, the senators frequently complained that the law was not adhered to. Usually only wholesale traders were permitted to be senators. In most cases, the judge of the King’s Bench and the officers of the Royal Gubernium checked their financial situation and forced the traders who found themselves reduced to poverty to resign from their office. In November 1811, we read the following about these requirements: “Then the Honourable Judge of the King’s Bench read the Royal Charter issued under number 1609 on 27 July 1810 to the Royal Gubernium, in which it was graciously established that by organising the Mercantile Forum impartiality should be removed and those senators who no longer qualify should be removed from their office and replaced by qualified ones, then the honourable gentleman wished to know who shall be the current senators, and whether they are gentlemen who are qualified for their duties, and then he recommended that, since no one can take part in the Forum’s matters if they are not sworn in, additional senators should be sworn in so as to allow the court to be assembled in the absence of the current senators.”30

29 Ibid., January, 1820, no. 6. 30 Ibid., November 20, 1811, p. 423.

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On the occasion of the elections held on 20 November 1811, the following gentlemen were elected or confirmed as “current senators”: “Márton Kápdebó, Zakariás Lázár, Mihály Czifra, István Keresztes, István Wertán, Cajetán Wertán, István Lukáts, Jakab Czifra, Gergely Kövér, Márton Fitzus and Kristóff Lázár.”31 This second group included the traders who “[s]hall remain jurors as sworn in, namely István Kritsa, Antal Czárán, Antal Kábdebó and Jakab Kábdebó.”32 The next group included Antal Lázár and Miklós Zakariás, who were the wholesale traders who “have been elected to be sworn in.”33 This group also included Gergely Szarokán, Gergely Vákár, Péter Kritsa and Jeremiás Botsátzi.34 According to the resolution adopted on 20 November, “it was resolved that the jurors (substitute senators), as long as they cannot be moved into the ranks of the current senators, shall not be exempt from their burdens and they shall not be entitled to the tax allowances of the current senators.”35 In many cases, the councillors were still enjoying the tax benefits even after they resigned from their office. For example, the gentleman mentioned above, Jakab Cziffra, requested on 7 January 1836 to be removed from his senator position as follows: “Reading the imploring letter of our senator Jakab Czifra addressed to the Honourable Judge of the Kings’ Bench, in which he wishes to resign from his position as senator, with the request not to be burdened with any other tax than the royal tax.”36 The resolution of the Mercantile Forum in this matter was consistent with the decision of the Judge of the King’s Bench, and was formulated as follows: “By the permission of the Honourable Judge of the King’s Bench, our imploring brother was allowed to leave the position of senator, however he voluntarily recommends that the outgoing senator pays as personal tax the yearly amount of ten Rf in conventional money.”37 Lukács Kritsa submitted a similar request and asked to be released from his position as senator after he had lost his wife.38 In many cases, the members of the Mercantile Forum aimed to employ non-Armenian councillors who were also the legal advisors of the border guard. They were forced to do so by the legal status of Szeklerland and the border guard. One such person was lieutenant Dénes Bartha, who was willing to accept the position of councillor in 1841 under the following terms: To the request of the gentlemen named by the regular meeting of the Noble Merchant’s Court asking me whether I could assist the Noble Court, as well as its individual members, with advice on the management and resolutions related to their issues and legal matters, I hereby make my statement:

31 Ibid., November 20, 1811, p. 424. 32 Ibid. 33 Ibid. 34 Ibid. 35 Ibid. 36 Ibid., January 7, 1836. 37 Ibid. 38 Ibid.

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I promise, by gladly accepting the trust put in me by the Noble Merchant’s Court, to assist, with all my humble power, intellect and talent, the entire Court, as well as its individual members in any issues of their interest; however, due to my position as Advocate of the Border Guard, I am bound to work on the matters of the Noble Border Guard, therefore, if the Merchant’s Court or any of its members shall have a litigation with any military body or member of the army, I will not only have to refuse to serve the Merchant’s Court, but I will have to fulfil my duties as the advocate of the border guard. Furthermore, since I will only have the right to make recommendations and not to decide at the meetings of the Noble Merchant’s Court, I will not request any title from the Noble Merchant’s Court, and I ask not to be mentioned in any minutes, and I shall not certify by signature any document issued by the Noble Merchant’s Court. If, due to my circumstances or for any reason, I am forced to resign from my duties, I ask the Noble Merchant’s Court to allow me to do so, and the Court shall be free to release me from these duties. Ultimately, I would kindly ask the Noble Merchant’s Court to pay my yearly remune­ration, as confirmed verbally for the gentlemen of the court and to be established by the Noble Merchant’s Court, in advance, in four instalments per year: on the first day of January, April, July and October, and I will respectfully await your resolution following my honest statements.”39

The minutes dated 14 and 21 February 1806 already mention the so-called “community people”.40 The presence of community people amongst the ranks of the Forum’s members in the following four decades, as well as the cessation of the office of judge at the Armenian Court, indicate that, from the 19th century onwards, the competences of the Armenian judge were taken over by the head of the Merchant’s Court. From then on, he was named the Armenian judge, while the senators of the Mercantile Forum were called jurors. What determined this change? First of all the letter patents, which granted much greater power to the leader of the Armenian community than of an average judge played a significant role. The determinant importance of the Mercantile Forum in the life of the Armenian community is confirmed by the fact that, from 1840 onwards, its meetings were also attended by the so-called young men’s guild. The young men’s guild was established in 1729, and its main task was to supervise the ethics of the youth, and to ensure that young people were involved in the activities of the community. On holidays, they provided the guard of honour at the church, its members were responsible for digging the graves for the deceased, and were obliged to attend funerals because, in most cases, the coffin was carried on bars from the house of the deceased to the graveyard. From 1730 onwards, the members of the young men’s guild dug the foundations of the Armenian Church almost manually. . The supervision of the young people was carried out by the so-called “vatas”, who were required to attend the gatherings of the Armenian community. The leaders, i. e. the “big vata”, “small vata” and “marsalik”, also had the right to deal out punishments. Some of the most

39 Ibid., December 19, 1841. 40 Ibid., February 14 – 21, 1806.

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severe punishments were being tied up and detained in the house of the guild. The young man being punished was compelled to silently watch his fellows having fun, but was not allowed to participate. The groom had to pay a fee to the guild during his wedding. The young men’s guild gave special gifts to the church each year.41 The cohesion of the community was reinforced by the fact that the members of the guild were expected to visit their fellows when they were ill. If the sick person was poor, they paid for the doctor’s fees and medicine from the funds of the guild. The assets of the young men’s guild partly came from collections organised on Christmas Day and Easter, when specific groups of young men sang “ariedis” and “alleluia” for the Armenian families. The young men also received donations at New Year gatherings, which were usually used for the purposes of the church. Since these donations were received from Armenian followers and collected according to the Armenian tradition, the young men’s guild considered them to be “national wealth”. This “national wealth” was deposited so as to cumulate interest, and the profits were used to maintain the church, to cover material and personal expenses, to support the studious and to help the poor.42 In this study, we have tried to present a picture of how the administrative, legal and representative organisation of the Armenians from Gheorgheni was established and how it operated, especially in considering the fact that in the first years of the 19 th century the competences of the Mercantile Forum included competences traditionally granted to the Armenian Court, that is, it took over the command of the administrative and legal life of the entire Armenian community. And what were the results? The Armenian traders from Gheorgheni were considered the most well-known livestock traders in Central and Eastern Europe at the end of the 18th century and in the first half of the 19th century. According to the historian László Kővári and Balázs Orbán, “the local Armenians grew rich not so much through industry and local trading, but rather due to exports. One of their main occupations was cattle trading; the Armenians from Gheorgheni bought cattle from Csík or Moldova and transported them using drovers to Vienna or even further away, in such great numbers that the yearly export figures were as high as 300,000 sheep, 40,000 oxen and 10,000 horses.”43 This economic power indicates that the administrative and legal institution of the Armenian traders operated efficiently in the first half of the 19th century.

41 Tarisznyás, Márton: Gyergyó történeti néprajza [Historical Ethnography of Gheorgheni]. Bukarest 1980, 222. 42 Armenian Catholic Collective Archive, Domus Historica. 43 Orbán, Balázs: A Székelyföld leírása történelmi, régészeti, természetrajzi és népismei szempontból. Pest, Vol. 2, 1869, 104.

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Changing Identities The Armenians from Gherla and the Revolution of 1848 in Transylvania Despite the fact that Transylvania had had its share of Armenian residents in the previous centuries, they did not begin to arrive en masse until the 17th century, contributing to the great ethnic and religious variety of the region. First they settled in eastern Transylvania, near the mountain passes connecting the province to Moldavia. Initially, the bishop Minas and the Armenian community leaders chose to reside in Bistriţa (Beszterce, Bistritz). In 1712, forced to leave Bistriţa, the Armenians moved to Gherla (Armenierstadt, Szamosújvár, Hayakaghak, Armenopolis), where they built a new town. The Armenians had enjoyed a certain degree of autonomy ever since their arrival in Transylvania.1 In the beginning, this autonomy was grounded in tradition and in the rights granted by various princes and later by the Habsburg rulers. At the beginning of the 18th century, the bishop who brought the Armenian Church to Transylvania under the authority of Rome, Oxendio Virziresco, sought to gain recognition for the Armenians as the fourth nation of Transylvania, but failed to do so because of the opposition of the Estates.2 Nevertheless, they managed to secure some political privileges and a considerable level of judicial and administrative autonomy. The entire Armenian community was organized into the Armenian Company, with the right to elect its own magistrate, from the end of the 17th century onwards. A document from 1735 indicates that two Armenian companies were in existence at that time: the “outer” one, which included the Armenians from Dumbrăveni (Elisabethstadt, Erzsébetváros, Ebesfalva, Elisabethopolis), Gheorgheni (Gyergyószentmiklós, Niklasmarkt) and Frumoasa (Szépvíz, ­Csíkszépvíz) (basically all those living on Szekler lands in Eastern Transylvania), and the “inner” one consisting of the Arme­nians from Gherla.3 Gherla became a chartered borough at the beginning of the 18th century: in 1726, it received a diploma of privileges from Charles VI . The diploma

1 Pál, Judit: Armeni în Transilvania. Contribuţii la procesul de urbanizare şi dezvoltare economică a provinciei [Armenians in Transylvania. Their Contribution to the Urbanization and the Economic Development of the Province]. Cluj-Napoca 2005, 90 – 94. 2 Trócsányi, Zsolt: Habsburg-politika és Habsburg-kormányzat Erdélyben 1690 – 1740 [Habsburg Policy and Habsburg Government in Transylvania 1690 – 1740]. Budapest 1988, 264. 3 Szongott, Kristóf: Szamosújvár szab. kir. város monográfiája 1700 – 1900 [Monography of the Free Royal City of Szamosújvár]. Vol. 2. Szamosújvár 1901, 247.

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granted the inhabitants considerable autonomy, with the council as their supreme judicial body. In 1785 – 1786, Joseph II granted it – together with Dumbrăveni – the status of a free royal town. At the end of the 18th century, Transylvania became part of the Habsburg Empire. The Diploma Leopoldinum, issued by Emperor Leopold I in 1690, served as the basic law of the province until 1848, assuring the autonomy of Transylvania’s internal government and the system of three political nations 4 and four accepted religions. According to this, the elite of the three privileged groups – the Hungarian nobles as well as the Saxon and Szekler elite – shared the power between them. Thus, Armenians had to adjust to this system, and because their recognition as the fourth feudal nation was unlikely to be realised, they joined the Hungarian feudal nation. At the end of the 18th century, in consideration of their merits, the members of the communitas of Gherla requested from the estates acceptance within their ranks, namely their integration into the Hungarian natio, “with whom we live, whose principles we have strived to follow, whose clothing we wear, and whose laws we observe.”5 In 1791, the Transylvanian Diet included them, more precisely two of their free royal towns, within the ranks of the Hungarian feudal nation, although the official sanctioning of this did not follow until decades later. The Armenians soon adapted to the local conditions in Transylvania, as a number of factors worked in their favour. Their integration was facilitated by their religion, since they had joined the Roman-Catholic Church in Transylvania.6 Still, there were elements that made their integration somewhat difficult. Transylvania was almost exclusively an agrarian country. In this world of peasants, the Armenian merchants and craftsmen seemed like a foreign body. The Armenians – just like the other middleman minorities – came to fill a gap in the local economy, monopolizing the very lucrative cattle trade. In the beginning, the Armenians were foreigners in all senses of the word. They were foreign because of their ethnic background, language, and customs, but also in terms of their occupations, social status and mentality. In Transylvanian society, merchants enjoyed little social prestige; they were resented by traditional societies who regarded them as producing nothing and merely “exploiting” the work of others. If the merchants belonged to a foreign group, as in the case of the Transylvanian Armenians, the conflicts and the tension relating to commercial operations moved from the interpersonal to the interethnic level. The r­ elations between the Armenians and the other ethnic groups were complex

4 At this point, it is not about nations in the modern sense of the word, but feudal nations. 5 Történeti okirattár [Historical Archive]. In: Armenia 1 (1887), 252 – 256. 6 Kovács, Bálint: Az erdélyi örmény katolikus egyház és a Sacra Congregatio de Propaganda Fide a 18. század első évtizedében [The Transylvanian Armenian-Catholic Church and the Sacra Congregatio de Propaganda Fide in the First Decade of the 18th Century]. In: Örmény diaszpóra a Kárpát-medencében. Ed. by Sándor Őze and Bálint Kovács. Vol. 1. Piliscsaba 2006, 47 – 68. Nagy, Kornél: Az erdélyi ­örmények katolizációja (1685 – 1715). [The Catholisation of the Transylvanian Armenians] Budapest, 2012.

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and occasionally tense, and their image was directly governed by the development of these relations, as well as by the elements indicated above.7 In the beginning, the Armenians were treated with considerable mistrust. Generally speaking, however, they lived peacefully alongside the other Transylvanian ethnic groups. If until the beginning of the 19th century the animosity stirred by the economic success of the Armenians had contributed to their negative perception on the part of the Hungarians, this situation gradually changed in the first half of the century in question. In the eyes of the Hungarians, the Armenians lost those negative traits that had once led them to be labelled as a “middleman minority”. This new perception of the Armenians was caused, on the one hand, by the dissolution of the closed Armenian group based upon feudal privileges and by the on-going process of assimilation, and, on the other, by the acceptance of the Armenians as a replacement for the absent Hungarian bourgeoisie. In fact, the first half of the 19th century brought with it a massive assimilation of the German bourgeoisie living in the towns of Hungary. In the case of the Armenians, the same period marked a transition from integration to assimilation.8 In Transylvania, where the Hungarians held the dominant position in political life, but were a minority in numerical terms, many welcomed the assimilation of the Armenians, especially the local intellectuals. A good example to ­demonstrate this is a fragment written towards the middle of the century by the historian, ethnographer and politician Balázs Orbán, who indicated that the Armenians had found wealth in their adopted country, but – he continued – “we are not envious of them, we are even happy to see all this prosperity, because they have never been ungrateful …, they understood what they owed to their country and proved themselves to be its worthy sons. They have adopted our language, our culture, and established with us a bond of common interests.”9 Therefore, the other side’s “readiness to welcome them” also contributed to their successful assimilation beginning with the Age of Reforms (1830 – 1848). Then, in the second half of the 19th century, a process of complete assimilation followed this cultural and structural assimilation; the Hungarian national feeling emerged among Transylvanian Armenians, which meant the complete disappearance of any prejudices against them.10 7 Pál, Judit: Armenier im Donau-Karpaten-Raum, im besonderen in Siebenbürgen. In: Minderheiten, Regionalbewusstsein und Zentralismus in Ostmitteleuropa. Ed. by Heinz-Dietrich Löwe, Günther H. Tontsch and Stefan Troebst. Köln-Weimar-Wien 2000, 121 – 138. 8 Pál, Judit: Das Bild der Armenier in Siebenbürgen. In: Siebenbürgische Semesterblätter XII/1 – 2 (1998), 68 – 76; eadem: Az örmények integrálódása és az örménységkép változásai Erdélyben a 18 – 19. században [The Integration of Armenians and the Changing Image of Armenians in Transylvania in the 18th and 19th Centuries]. In: Örmény diaszpóra a Kárpát-medencében. Ed. by Sándor Őze and Bálint Kovács. Vol. 2. Piliscsaba 2007, 77 – 94. 9 Orbán, Balázs: A Székelyföld leirása történelmi, régészeti, természetrajzi s népismei szempontból [Description of the Szekler Lands from a Historical, Archeological, Geographical and Ethnographical Perspective]. Vol. 2. Pest 1869, 75. 10 Gyurgyík, László: Asszimilációs folyamatok a szlovákiai magyarság körében [Processes of Assimilation among the Minority Hungarians in Slovakia]. Pozsony 2004, 12 – 20.

The Armenians from Gherla in 1848

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The Revolution was a turning point in this process. The laws adopted in 1848 radically changed the old structures in Transylvania. The liberation from serfdom and equality before the law occurred simultaneously with the disappearance of the three-estate system. In the meantime, the feudal nations were steadily replaced by modern nations, and the three larger Transylvanian ethnic groups – the Romanians, Hungarians and Saxons – came face to face with one another. The Hungarians, who still formed the majority in the Diet according to the old system, proclaimed a union with Hungary, because they assumed that this would secure both the strengthening of their nationality and the introduction of the reforms. Conversely, the Romanians and the Saxons perceived this union as an oppression of their nationality. The war of words soon escalated into a bloody civil war in the autumn of 1848. Difficult times also lay ahead of Gherla within the context of these radical changes. Upon receiving the news of the outbreak of the Revolution, the hitherto suppressed passions as well as all the national and social tensions erupted across Transylvania. The old elites struggled to preserve their positions in the midst of strong pressure exerted upon them from below. The conflict also reached Gherla, considered the centre of Transylvanian Armenians. Below, I will discuss one hitherto neglected aspect of the revolutionary events that took place in Gherla: the conflict among the various interest groups concerning the leadership of the town and the elections to Parliament. Apart from its relevance for local history, this conflict is also indicative of the way in which the sides tried to adapt their reasoning to the changing circumstances. The career of the main characters can be considered emblematic (not only in the case of Armenians). Moreover, it admirably reveals the gradual integration of the Armenians into the Hungarian political elite, which really gained momentum in the period of Dualism. At the same time, the events also shed light on the emergence of the Armenian-Hungarian identity, for which 1848 was a turning point. The news of the revolutionary events taking place in Cluj (today: Cluj-Napoca) Kolozsvár, Klausenburg reached Gherla, the “Armenian metropolis”, in March. On March 26, in the midst of the new and unexpected events, there was a public meeting at which it was decided to send a delegation to the Gubernium, the highest executive body in Transylvania, from which they expected fresh directions.11 In the meantime, the town witnessed the eruption of hitherto smouldering antagonisms among the members of the town council as well as between the latter and the outer council; the various personal disputes and ambitions as well as the general revolutionary atmosphere further amplified the tensions. The central figure of the events was the then chief notary and later the mayor of the town Bogdán Jakab, who would later have an outstanding career. The starting point was the 11 Given that the minutes of the meetings of the town council from 1848 – 1849 are presently missing from the local archives, I managed to reconstruct the events based on the notes from the register book. Further, I will refer to this and provide the number of the respective document quoted. Arhivele Naţionale Române Filiala Judeaţeană Cluj [National Archives of the Romanian Agency of the City of Cluj] (in the following ANC), Primăria oraşului Gherla [City Council of Gherla] (in the following PG), I/61 Exhib. Protoc. 1848 & 1849, No. 369/1848, March 27, 1848.

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elections for the Diet, held on March 6, 1848. The Armenian Bogdán Jakabb (1809 – 1887) was born in Oradea (Nagyvárad, Großwardein), studied law in Buda, and served first as a clerk in Krassó County for two years and then as a notary at the Royal Table in Pest in the years 1829 – 1835. In 1836 he came to Gherla, where he was soon appointed chief notary of the town. He also represented the town in the Diet in the periods 1841 – 1843 and 1846 – 1847.12 In January 1848, he was ennobled due to his support of the conservative group in the latter period. In this way, he enjoyed rapid career advancement as a foreigner,13 which stirred the antagonism of some of the local elites. Thus, the talented and career-minded Jakabb now came under fire from a part of the town’s leadership, but it seems that he was not given undivided popular support either. The opposition was organized around the prestigious Simay family. The Simays, as wealthy merchants, received a noble title as early as the mid-18th century and all occupied prominent positions in the leadership of the town. They were one of the most numerous and prestigious “clans” in mid-19th century Gherla. In 1866, there were t­ hirteen adult men in the family. Gergely Simay, who was 25 years old in 1848, had served under Bogdán Jakabb as deputy notary and was the main opponent of the latter during the events under discussion. His father János Simay was the speaker of the outer council, thus counting as the main spokesperson of the local bourgeoisie. As a nobleman and a wealthy and important individual, he also acted as a judge at several county courts. A ­ nother indication of his extended family connections is that in 1847, when family connections were investigated among the members of the council following a denunciation, János Simay was one of the persons of interest. His son Gergely was the son-in-law of the mayor Márton Novák.14 At the end of April, the Merchant Society, which was also led by the Simays, demanded free elections and the establishment of the date of the elections to the Diet and made a public statement: “Bogdán Jakabb should not be elected to the Diet under any circumstances.”15 They accused Jakabb of the following: “he requested military intervention against the town” and he, together with his allies, “held subversive meetings at nights.”16 They based their allegations on the fact that following the public meeting in March, Jakabb, as a member of the delegation to the Gubernium, had demanded military assistance for the maintenance 12 Szongott, Kristóf: Szamosújvár szab. kir. város monográfiája 1700 – 1900 [Monography of the Free Royal City of Szamosújvár 1700 – 1900]. Vol. 3: A magyar-örmény metropolis. Szamosújvárt 1901, 137. 13 Jakabb was twice a “stranger”: he was not born in Gherla, not even in Transylvania, but in Hungary, where he studied and started his career as a civil servant. He compensated this with his abilities and his Armenian origin. 14 ANC PG No. II/184. A Szamosújvári E(sküdt) Közönség 1847/8-ik évi jegyzőkönyve [Protocols of the Latter Council of Szamosújvár of 1847/1848]. June 9, 1847. 15 ANC PG No. 462/1848. April 26, 1848. 16 Magyar Országos Levéltár [National Archive of Hungary] (in the following MOL) 14 1848 Belügyminisztérium [The Ministry of the Interior]. Közigazgatási osztály [The Department of Administration]. Iratok [Documents]. 85. kútfő. The hearing on May 22, 1848. The testimony of the chief judge Izsák Gajzágó.

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of public order in the town due to the tense atmosphere. This provoked mistrust towards him on the part of the townspeople, which was most likely amplified by the actions of the Merchant Society and the Simay family. Most of the town’s prominent figures wished to avoid these changes at any cost, and tried to preserve the old status quo. They wanted to prevent the townspeople from parti­ cipating in the elections to the Diet by claiming that, according to the old practice, at best the neighbourhood representatives were allowed to participate. However, the general democratization process could not be stopped by allusions to the old practices. Ultimately, in order to defuse the growing tension in the town, the council was compelled to accept the right of every tax-paying bourgeois to participate in the elections to the Diet as a candidate or as a voter.17 The night before the elections, Márton Novák, who had been the mayor of the town since 1834, reported himself sick and tried to have the elections postponed by arguing that he was waiting for instructions from the Gubernium.18 In spite of this, the elections took place: the councillors Bogdán Korbuly and Ferenc Sárosi were elected as deputies to the Transylvanian Diet.19 These events are affirmed by later witness testimonies. According to the supporters of the mayor, after the elections had taken place in a most orderly fashion, the deputy speaker István Verzár Jr. caused a distur­bance of the peace. Alluding to the rights of the bourgeoisie, he proposed that the meetings of the council be made open to the public, which would allow the latter “to become acquainted with its representatives” and “to watch over the works of the council.”20 Thus, as Verzár Jr. argued, every councillor would make the right decisions in order to keep their office. There were several accusations of abuse against the councillors, including one on the part of Bogdán Jakabb, who backed Verzár’s proposal in a long speech. Simay Kristóf Jr., the president of the Merchant Society, rejected Jakabb’s speech by arguing that all the demands of the bourgeoisie had been met and that “they did not have any further demands until the state legislature allowed it”; “here it is going to be as it is in the other royal towns, now let us tend to our business,” he added. With this, the meeting ended because the majority wished to remain “within the hitherto constitutional framework.”21 However, the tense atmosphere continued to dominate the town. According to certain rumours, there were several individuals who fomented armed conspiracies in the aftermath of the public meeting. Bogdán Jakabb as well as István Verzár Jr. and Sr., members of the 17 Szongott, Szamosújvár (cf. n. 12), 113. 18 ANC PG No. 517/1848, May 5. 19 I will not touch on the controversy surrounding the deputies. Besides, the House of Representatives did not wish to certify Bogdán Korbuly, claiming that Gherla had the right to send only one representative, namely Sárosy, who had received more votes, but who was unable to travel to Pest due to his illness. Finally, the obstacle was overcome with the help of the Transylvanian deputies. The inhabitants of the Kandia neighbourhood in Gherla also protested, claiming that they were excluded from the voting process that they finally validated in spite of this. Szongott, Szamosújvár (cf. n. 12), 115 – 117. 20 MOL 14 1848, 85. The hearing on May 22, 1848. 21 Ibid.

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latter council (the former also being its deputy speaker), Emánuel Verzár Sr., the pharmacist Sándor Márkovits and a few members of the Szappanyos family came under suspicion. As one witness argued, during a meeting held at the house of the pharmacist Márkovits, the Verzárs decided to burst into the meeting of the council and impose Bogdán Jakabb as mayor.22 Moreover, there were even more serious accusations, according to which István Verzár Jr. had intended to go to the March 13 public meeting armed with a pistol and gave the architect Mihály Thuri a dagger as a signal to the armed bourgeoisie to burst into the meeting. This information was reinforced by others, who even added to it.23 Obviously, Bogdán Jakabb was the thorn in the eye of the opposition as well as the catalyst of the events. At the fair held in May at Reghin (Szászrégen, Sächsisch-Regen), the speaker János Simay described his opponent in the following manner: “Bogdán Jakabb came to Gherla as a poor and penni­less man, and now that he has become wealthy by working with the council, he incites the bourgeois against it.” He concludes: “Such a person who is a traitor to his homeland and town deserves to perish.”24 Finally, the rumours came in useful to the council because they were able to declare the meeting closed by alluding to this. According to witness accounts, on the morning of May 13, István Verzár’s men were standing at the front of the pharmacy ready to go upstairs and burst into the meeting, whilst another group of townspeople stood on the other side of the main square, but there was no major disturbance. Bogdán Jakabb threatened that, if they removed him from office, he would provide the necessary incriminating documents against the councilmen. In retaliation, the council suspended Bogdán Jakabb and István Verzár from office. In the report submitted to the Gubernium, the council brought new accusations against Jakabb, which corresponded with the spirit of the age. According to these, Jakabb, “during the Transylvanian Diet from 1847, became the agent of the bureaucracy in the crushing of the independence and liberty of our homeland in exchange for money and a noble title,” and now wished to restore his lost honour with his revolutionary role. The awarding of the noble title – which had been widespread among wealthy Armenian merchants since the 18th century, many of whose opponents were also noblemen – was now twice as bad: it made them suspicious in the eyes of the bourgeois and made them easy to connect to the reactionary forces within the revolutionary atmosphere prevalent in the spring of 1848. Both of the accused appealed to the Gubernium in the matter,25 which sent a review commission in May. The council voiced its discontent with the work of the commission on several occasions and asked it to refrain from making a decision for the time being, due to the new elections to the Parliament.26 Very likely, the members of the council were afraid 22 Ibid. 23 Ibid. 24 Ibid. 25 ANC PG No. 839/1848. July 12. 26 This time, in the aftermath of the Union, Transylvanian municipalities elected their representatives to the Parliament in Pest.

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that Jakabb also intended to run in the elections. In any case, we do not know exactly what reason lay behind Jakabb’s refusal to run in the elections of June 30. It could have been either due to the allegations against him or because he did not feel confident to defeat the two previous deputies. Therefore, Sárosi and Korbuly were again elected to the Pest Parliament. However, Ferenc Sárosi was taken ill with apoplexy and could not take over his seat, so that early elections had to be held in mid-July. This time, the two candidates were Jakabb and Gergely Simay. Bogdán Jakabb filed a complaint with the governor, claiming that attempts had been made to prevent him from running in the elections, based on false accusations. He accused the mayor Márton Novák and the speaker János Simay of removing him from the office of chief notary for the benefit of Simay’s son, who had taken over his office and now wanted to become a deputy. Gergely Simay was declared the winner in the early elections held on July 17. The result of the elections was very close: the two candidates received an equal number of votes. Huge debates among the members of the committee ensued. Finally, Simay was declared the winner by a one-vote margin, following the annulment of the vote of the Greek-Catholic dean from the Kandia neighbourhood,27 who mispronounced Jakabb’s name as Jakabfi.28 However, the election of Simay stirred much protest. The opposition sent a petition signed by one hundred and forty people to the House of Representatives. They protested, among other things, about the fact that the mayor – Simay’s father-in-law – had added thirty new names to the register of voters and exerted pressure on the electoral committee. The “Hungarian inhabitants of the town” also voiced their complaint against the illegalities.29 In the days following the elections, Gergely Simay Sr. and one of his comrades allegedly “visited those bourgeois and Hungarian inhabitants” who had signed the petition and urged them to withdraw their signatures, threatening that otherwise they would summon them in front of a court of law.30 Thus, the hostility between the Armenian bourgeois and the Hungarian inhabitants also resurfaced in the town. The council did everything to prove that the Hungarians did not know what they were signing, one of them allegedly claiming that he had signed it because he had been told that, with the petition, “the local Hungarians wanted […] to prove that they were not newcomers.”31 At the end of July, the Gubernium reinstated Bogdán Jakabb in his office, albeit criti­ cizing him for his role as a “soapbox orator”. Furthermore, it acquitted István Verzár Jr. of his role in the meeting, but upheld his dismissal from the office of deputy speaker because of the armed threat. At the same time, the Gubernium reprehended the inner council,

27 Kandia was a neighbourhood in Gherla. 28 The Simays also encountered problems with the verification at the Parliament in Pest, but they finally validated the election results. 29 ANC PG No. 844/1848. July 17. 30 Ibid. No. 852/1848. July 18. 31 Ibid. No. 877/1848. July 19.

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which appeared in the affair as accused, witness and judge simultaneously, and allowed for the admonishment of the speaker due to improper conduct.32 The council continued to avoid Bogdán Jakabb’s reinstatement in his office. Thus, taking advantage of the vague legal relationship with the Gubernium, the council immediately appealed against its decision to the Hungarian government,33 claiming that it had removed Jakabb “because of his repeated offences against our council and the Hungarian homeland.”34 Therefore, the argumentation once again adapted to the “spirit of the times”. The dispute continued in spite of the numerous warnings of the Gubernium. Finally, at the end of September, the Gubernium had had enough of it, and dispatched Ferenc Béldi, the Lord Lieutenant of Doboka County, to Gherla in order to reinstate Jakabb in his office.35 From this moment on, Jakabb again took part in the management of the town’s affairs. He received the rank of captain in the newly created National Guard,36 and drafted the statutes of the “civil guard”. In the meantime, however, a conflict arose between the Hungarian government and the Habsburg leadership, and civil war broke out. The situation in Transylvania was further complicated by the fact that the imperial troops could count on the support of the Saxons and Romanians, which meant that the province also became engulfed in a civil war between the nationalities. The Armenians from Gherla rallied to the Hungarian cause, which led to the creation of the local National Guard.37 However, in November 1848, the imperial troops re-conquered most of the territory of Transylvania. On November 10, the Austrian lieutenant colonel Urban called upon the town to surrender, demanding forty thousand forints as indemnity. A delegation, which also included the two rivals Bogdán Jakabb and János Simay, presented the town’s surrender. Eventually, they managed to reduce the amount of the indemnity to eighteen thousand forints. In the winter, the Hungarian troops retook Gherla, much to the enthusiasm of the local population.38 However, the internal conflicts continued to persist. At the end of May1849, the government commissioner in Transylvania, Károly Szentiványi, instructed the town council to organize new elections based on the April Laws adopted by the Pressburg (today: Bratislava, Pozsony) Diet in 1848.39 On June 15, the old functionary corps resigned, but the elections could not be held.40 Jakabb accused the activity of “a certain party” for this failure, thus 32 This refers to the Gubernium’s Decree no. 8157 from July 22, 1848. 33 After the enactment of the Union, the Hungarian government also took over the administration of Transylvania; nevertheless, they did not dissolve the Gubernium. 34 MOL 14 1848, 85. 35 Gubernium’s Decree no. 10274/1848 from September 2. 36 They created two National Guard companies in Gherla. 37 The Armenian bourgeois women adorned the banner of the National Guard with the Hungarian redwhite-green ribbon. Thus, the local Armenians also identified with the Hungarians on a symbolic level. 38 In his monograph, Szongott insists on the enthusiasm of the local Armenians as well as on their joy at hosting the Hungarian soldiers. 39 ANC PG No. 335/1849. May 26. 40 Ibid., No. 361/1849. June 15, no. 362/1849. June 16.

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obviously hinting at his old opponents. Finally, upon pressure from the army, Jakabb was “elected” mayor a few days later. Given that the town remained without a functionary corps, at the beginning of July the government commissioner was compelled to appoint substitute functionaries, some of whom came from among the supporters of Jakabb.41 Thus István Verzár, who had been dismissed together with Jakabb the previous year, was now appointed deputy superintendent of police, his task being to uphold order in the town. Jakabb was a supporter of the revolutionary government: “We are loyal citizens and true patriots.”42 However, he had very limited time to prove this, because, at the end of August, the Hungarian freedom fight was defeated and the region of Gherla was also occupied by the Russian army. However, the new political context did not mean the end of Jakabb’s political career: in February 1850, after a short transitory period, Jakabb again became mayor of Gherla. He would hold this office until 1861.43 In 1861, the new constitutional context 44 generated changes at the level of the town’s leadership: Gergely Simay, Jakabb’s old opponent, became mayor. However, by that time, they had already buried the hatchet. Jakabb’s career advanced further: he was appointed councillor at the Gubernium, where he stayed until 1869, when the institution ceased its activity. As opposed to Simay, who resigned from his office as mayor together with most of the functionaries in 1862,45 Jakabb remained in office; he loyally served every political regime. It is also significant that he, along with a Romanian and Saxon deputy, represented Transylvania in the Imperial Council (Reichsrat), which was boycotted by the Hungarians. After the Compromise, he was appointed director of the Law Academy in Cluj in 1868; later, after the dissolution of the Gubernium, he was appointed departmental councillor at the Ministry of Industry and Commerce; until 1876, the year of his retirement, he also acted as Lord-Lieutenant of Szörény County and after this he was a representative of Gherla in Parliament.46

41 The appointment of substitutes met with certain opposition, but they mostly came from the ranks of Jakabb’s supporters. For example, the teacher Gábrus Zakariás became treasurer. The former mayor Márton Novák rejected his appointment as councillor as well. 42 Szongott, Szamosújvár (cf. n. 12), Vol. 2, 450. 43 Szongott, Szamosújvár (cf. n. 12), Vol. 1, 216. 44 Following the October Diploma (October 12, 1860), Emperor Franz Josef reinstated the old administrative system in Transylvania. This resulted in changes at the helm of most administrative units. Thus, new people were appointed instead of those who had held public offices in the previous regime and thus became compromised. 45 Gergely Simay acted as mayor of Gherla in 1861 – 1862 and after 1867, representing the town in several legislatures of the Parliament. Beginning in 1871, he was appointed chairman of the newly e­ stablished royal tribunal. He was also chief curator of the Armenian Catholic Church countywide. As a contri­ butor to the monthly magazine “Arménia”, he published several writings and Armenian poem translations. He was awarded the title of royal councilor. 46 He died in Cluj on November 22, 1887.

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Fifty years later, the glorifying memory reassessed the events and its main characters. A veil of forgetfulness fell over the abovementioned events, and the emphasis was placed on the support for the Hungarian freedom fight. Kristóf Szongott, in his monograph of Gherla, immortalizes the functionary corps in the following manner: “In this period of the great past, which we shall eternally remember, the town’s affairs were managed by great men. When I mention each of their respected names, I create a lasting and precious memory to this courageous functionary corps that proved its patriotism, readiness for sacrifice, wisdom and brightness.”47 According to Szongott, Jakabb’s “attitude, brightness, wisdom, knowledge, and command of the language … did not only ‘uphold order and peace’, but also banished – together with the townspeople who supported him – some of the dark clouds that threatened our town. His determination averted many dangers that loomed over us.”48 The events of 1848 played a major role in the emergence of the Hungarian-Armenian identity. The integration as well as the assimilation of the Armenians had begun earlier and partly ended as early as 1848. However, the year 1848 was a crucial stage, a genuine turning point in this process. In 1889, at the meeting of the Transylvanian Hungarian Cultural Association [Erdélyi Magyar Kulturális Egyesület or EMKE] in Gherla, the mayor emphasized the significance of the events from 1848 – 1849: “In the glorious years 1848 – 1849, when the existence and independence of the Hungarian nation became uncertain, the Armenians – each and every one – identified themselves with the struggle of the Hungarian nation … It was at this time that the Armenians who live in our homeland became integrated into the Hungarian nation … forever.” Earlier, the Armenians had become integrated in the system of the three specific political nations and four accepted religious denominations from Transylvania as part of the Hungarian feudal nation. In 1848, the Armenian community (also) lost its feudal privileges, which further weakened their distinctiveness. The years 1848 – 1849 offered the experience of replacing their old identity with the belonging to a common nation. That is why the perpetuation of the memory of the revolution and the allusions to the sacrifices made then played such an important role for the Hungarian-Armenian identity. Furthermore, it is due to this fact that posterity preferred to emphasize the heroic episodes from 1848 – 1849 and the readiness to sacrifice rather than the infightings. At the turn of the century, it was the elite from Gherla who developed the ideology of that Hungarian-Armenian identity which proudly emphasized the awareness of their Armenian descent and the preservation of the Armenian culture on one hand and the identification with the Hungarian nation on the other.

47 Szongott, Szamosújvár (cf. n. 12), Vol. 2, 437. 48 Ibid., 446.

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Die Armenier im österreichischen Galizien Ethnische Verwandlungen in der modernisierenden Gesellschaft Die Entwicklung der galizischen Armenier zwischen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und dem beginnenden 20. Jahrhundert, also zwischen der ersten Teilung Polens (1772), in deren Folge aus den durch Österreich annektierten Gebieten Galizien entstand, und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges (1914), liefert wichtige Daten für die Analyse der Beziehungen zwischen den ethnischen Minderheiten und der dominierenden Gesellschaft.1 Gewöhnlich werden diese Beziehungen auf der Ebene des Staates und der dem Staat untergeordneten Gruppen betrachtet. In diesem Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich um das Verhältnis einer Minderheitengruppe, das heißt der Armenier, zur ohne Staat Mehrheit, das heißt den Polen handelt, welche selber eine den Österreichern untergeordnete Gruppe waren. Daher ist die Geschichte der Armenier in der galizischen Gesellschaft eine Interaktion zwischen einer gegen die Regierung um ihre politischen Ziele kämpfenden Gesellschaft und einer Minderheit, die über große Möglichkeiten verfügte, zwischen den politischen Konfliktparteien zu manövrieren.

1. Die Ansiedlungen der Armenier Informationen zur Bevölkerungszahl der Armenier in Galizien aus der zweiten Hälfte des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind ungenau, teilweise widersprüchlich und gelegentlich auch fragmentarisch. Am Ende des 18. Jahrhunderts gab es mehr als 2.500 Armenier.2 Anfang der 1840er-Jahre lebten einer Quelle zufolge etwa 5.800, einer anderen zufolge in Galizien und der Bukowina zusammen über 6.500 Armenier (davon 3.900 in Galizien); in 1 Über die polnischen und die galizischen Armenier und ihre Geschichte: Boloz Antoniewicz, Johann Ritter von: Die Armenier. In: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild. Bd. 19: Galizien. Wien 1898, 440 – 463. – Über die Armenier in der Bukowina: Demeter, Dan: Die Armenier. In: ebd., Bd. 20: Bukowina. Wien 1899, 320 – 329; Polek, Johann: Die Armenier in der Bukowina. Czernowitz 1906. 2 Nach der nach Rom geschickten Relation des Erzbischofs Jakub Stefan Augustynowicz von 1764 (also vor der ersten Teilung Polens) lebten im Königreich Polen etwa 6.000 Armenier in 18 Pfarreien. Nur ein Teil davon befand sich nach 1772 in Galizien. Nach der Relation des Erzbischofs Samuel Cyryl Stefanowicz von 1842 sollte er etwa 8.000 Gläubige in zehn Pfarreien betreuen. Nach der Konskription von 1825 wohnten in der Bukowina 689 katholische Armenier (alle stammten aus Galizien) und 1.135 nicht-katholische Armenier. Zachariasiewicz, Franciszek Xawery: Wiadomość o Ormianach

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einer dritten Quelle setzte 1860 ein anonymer Autor die Zahl der Armenier mit 2.543 an.3 Die Zahl der galizischen Armenier sollte eigentlich größer sein, da die in der Bukowina lebenden katholischen Armenier mehrheitlich aus Galizien stammten. Das Leben der Armenier der Bukowina war eng mit dem der galizischen verbunden, vor allem in Hinblick auf religiöse und wirtschaftliche Aspekte. Auch ihre ethnische Identität unterlag denselben Wandlungen wie die Identität der Armenier in Galizien. Etwa ein Drittel der in der Bukowina lebenden Armenier war katholisch; diese besondere Gruppe wurde Armeno-Polen genannt.4 Aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben wir schon systematischere Informationen, welche auf zwei Quellen beruhen. Die erste Quelle ist eine von der armenisch-katholischen Kirche vorgenommene Zählung; bei der zweiten handelt es sich um ein von der österreichischen Administration erstelltes Verzeichnis. Nach der offiziellen kirchlichen Ausgabe, dem Catalogus universi cleri archidioecesis Leopoliensis ritus armeni, hatte sich die armenische Bevölkerung verkleinert, wenn auch nur in geringem Maße. 1853 lebten demnach in Galizien 3.261 katholische Armenier, 1918 waren es nur noch 2.681;5 Kriterium für eine Zugehörigkeit

w Polszcze [Eine Nachricht über Armenier in Polen]. Lwów 1842, 74, 80 f.; Petrowicz, Gregorio: La chiesa armena in Polonia e nei paesi limotrofi, parte terza (1686 – 1954). Roma 1988, 184, 299. 3 Rys statystyczno-jeograficzny Galicji austriackiej skreślony przez M. W. w 1841 [Eine statistisch-geografische Skizze des österreichischen Galiziens von M. W. im Jahre 1841 geschrieben]. Poznań gibt 1842 die Zahl der Armenier mit 5.793 an. Aus derselben Zeit stammt die Statistik von Zachariasiewicz. In Galizien und in der Bukowina zählt er 6.528 Armenier, davon 2.647 in der Bukowina und 1.598 nichtkatholische Armenier. Zachariasiewicz, Wiadomość (wie Anm. 2), 74.; Torosiewicz, Michał: Głos do ziomków obrządku ormiańsko-katolickiego [Stimme an die Landsleute des armenisch-katholischen Ritus]. Lwów 1861, XVII; Szujski, Józef: Polacy i Rusini w Galicji [Die Polen und Ruthenen in Galizien]. In: ders.: Dzieła. Tom dodatkowy. Kraków 1896, 97. Er nennt für 1869 mehr als 2.100 Armenier; Stpunicki nennt 5.800. ­Stupnicki, Hipolit: Galicja pod względem topograficzno-geograficzno-historycznym [Galizien unter topografisch-geografisch-historischer Berücksichtigung]. Lwów 1869, 18. – Noch andere Daten geben Z. Obertyński (Obertyński, Zdzisław: Kościół ormiański w zaborze austriackim [Die armenische Kirche im österreichischen Teilungsgebiet]. In: Historia kościoła katolickiego w Polsce. Hg. v. Bolesław Kumor und Zdzisław Obertyński. Bd. 2,1. Poznań-Warszawa 1979, 651 f.) und J. Krętosz (Krętosz, Józef: Organizacja parafialna archidiecezji lwowskiej obrządku łacińskiego a sieć parafii greckokatolickich i ormiańskich działających w obrębie jej terytoriów (w XIX wieku do 1918 roku) [Eine Pfarrorganisation der Lemberger Erzdiözese des lateinischen Ritus gegenüber den auf ihren Territorien existierenden griechisch-katholischen und armenischen Pfarreien (im 19. Jh. bis 1918)]. In: Studia Lubaczoviensia. Bd. 2. Lubaczów 1984, 29 – 39) an. 4 Biedrzycki, Emil: Historia Polaków na Bukowinie [Geschichte der Polen in der Bukowina]. Warszawa-­ Kraków 1973; Spuren der deutschen Einwanderung in die Bukowina vor 200 Jahren. Grenzschutz und Adel in österreichischer Zeit. Hg. v. Rudolf Wagner. München 1983; Wagner, Rudolf: Der Parlamentarismus und nationale Ausgleich in der ehemals österreichischen Bukowina. München 1984. 5 Nach dem Catalogus universi cleri archidioecesis Leopoliensis ritus armeni (folgend Catalogus) von 1852 gab es 4.507 katholische und 1.218 nicht-katholische Armenier in Galizien und der Bukowina. 1862 waren es 4.898 und 1.164, im Jahre 1878 4.643 und 886, im Jahre 1887 4.772 und 894, im Jahre 1890 3.993 und 907, im Jahre 1903 3.878 und etwa 800, im Jahre 1910 3.878 und etwa 800 und im Jahre 1918, im letzten Jahr der Existenz des österreichischen Galiziens, 3.868 und etwa 800.

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zur Gruppe war hier jedoch ausschließlich die Konfession. Die Daten wurden aus den Kirchen­ büchern (wenn es sich um Katholiken handelte) und den Schätzungen der Pfarrer (im Fall der Nicht-Katholiken) erhoben. Tabelle 1. Die Zahl der Gläubigen in den armenischen Pfarreien Galiziens:678

1853 1856 1858 1862 1878 1887 1888 1890 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1914 1918

Brzeżany Horo- Łysiec Śniatyń Stanisławów Tyśmie- Kuty Lwów Zusammen (Berežany) denka (Lisec’) (Sniatin) (Stanislaw, nica (Kuti) (L’viv, (GoroStanislawiw, (TismeLemberg, denka) Stanislau, Ivano- nicja) L’vov) Frankivs’k) 7 8 9 10 11 12 13 14 3.261 135  368  208  394  465  235  1.228  228  135 375 208 394 465 235 1.293 228 3.333 175 380 208 376 263 263 1.485 228 3.378 189 380 196 396 305 341 1.805 200 3.812 190 386 94 421 90 154 1.800 180 3.315 236 400 94 420 160 159 1.800 180 3.449 236 400 94 414 160 159 1.800 180 3.443 241 350 102 423 175 120 1.210 180 2.801 240 350 56 420 80 200 1.210 200 2.756 240 350 56 420 80 130 1.210 200 2.686 240 350 56 420 80 130 1.210 200 2.686 240 350 56 420 80 135 1.210 230 2.721 200 350 56 420 80 135 1.210 230 2.681 200 350 56 420 80 135 1.210 230 2.681 200 350 56 420 80 135 1.210 230 2.681 200 350 56 420 80 135 1.210 230 2.681 200 350 56 420 80 135 1.210 230 2.681 200 350 56 420 80 135 1.210 230 2.681

6 Catalogus jeweils 1852, 1856, 1858, 1878, 1886, 1887, 1888, 1902, 1904, 1905, 1906, 1907, 1908, 1909, 1910, 1914, 1918. 7 In Brzeżany wohnten 1783 177 Armenier. Die unter Kaiser Joseph II. abgeschaffte Pfarrei wurde erst 1828 erneuert. In den 1840er-Jahren sollen dort 185 Armenier gelebt haben. Zachariasiewicz, Wiadomość (wie Anm. 2), 74; Barącz, Sadok: Rys dziejów ormiańskich [Skizze der armenischen Geschichte]. Tarnopol 1869, 79; Lechicki, Czesław: Kościół ormiański w Polsce (Zarys historyczny) [Die armenische Kirche in Polen. Eine historische Skizze]. Lwów 1928, 123; Zaleski, Tadeusz: Słownik biograficzny duchownych ormiańskich w Polsce [Biografisches Lexikon der armenischen Geistlichen in Polen]. Kraków 2001, 42. – Hingegen nennt Budzyński die unerwartete Zahl 303, jedoch ohne Zeit- und Quellenangabe. Budzyński, Zdzisław: Kresy południowo-wschodnie w drugiej połowie XVIII wieku [Südostgebiete in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts]. Bd. 3: Studia z dziejów społeczenych [Studien aus der Sozialgeschichte]. Przemyśl-Rzeszów 2008, 148. 8 In Horodenka wohnten 1782 410 Gläubige, eine Konskription von 1784 nennt 403, ein status animarum von 1791 410, eines aus 1808 399 Katholiken (Barącz nennt 381 [Barącz, Rys dziejów ormiańskich

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(wie Anm. 7), 80], Budzyński etwa 450 – 460 [Budzyński, Kresy południowo-wschodnie 3 (wie Anm. 7), 457]). Im ganzen Kreis von Horodenka wohnten 13 Familien, insgesamt 433 Personen. Wir wissen noch, dass der neue Pfarrer von Horodenka, Krzysztof Abrahamowicz, nach 1803 unter seinen Pfarrern nur 50 Familien (Häuser) verteilt hat. In den 1840er-Jahren sollten dort 457 Armenier leben. Zaleski, Słownik biograficzny (wie Anm. 7), 23; Wasyl, Franciszek: Ormiański spis status animarum parafii Horodenka z 1791 roku [Das armenische Verzeichnis des Status animarum der Pfarrei Horodenka aus dem Jahre 1791]. In: Rocznik Przemyski XLII/4: Historia (2006), 203 – 218; ders.: Ormiański spis status animarum parafii Horodenka z 1808 roku [Das armenische Verzeichnis des Status animarum der Pfarrei Horodenka aus dem Jahre 1808]. In: Archiwum Państwowe w ­Rzeszowie. Prace Historyczno-Archiwalne. Bd. 18. Rzeszów 2007; Zachariasiewicz, Wiadomość (wie Anm. 2), 74; Barącz, Rys dziejów ormiańskich (wie Anm. 7), 85; Budzyński, Kresy południowowschodnie 3 (wie Anm. 7), 148, 182 – 189. Die Pfarrei in Łysiec zählte im Jahre 1782 236 Armenier (Barącz, Rys dziejów ormiańskich (wie Anm. 7), 250), 1808: 300, 1822: 267 (Budzyński, Kresy południowo-wschodnie 3 (wie Anm. 7), 268). In den 1840er-Jahren sollten dort 307 Armenier gelebt haben. Zachariasiewicz, Wiadomość (wie Anm. 2), 74; Wasyl, Franciszek: Ormiański spis status animarum parafii Łysiec z 1822 roku [Das armenische Verzeichnis des Status animarum der Pfarrei Łysiec aus dem Jahre 1822]. In: Prace Historyczno-Archiwalne. Bd. 18. Rzeszów 2007; Budzyński, Kresy południowo-wschodnie 3 (wie Anm. 7), 148. In Śniatyń zählte die armenische Pfarrei 1782 484 Personen. In 1840er-Jahren lebten dort 445 Seelen. Zachariasiewicz, Wiadomość (wie Anm. 2), 74; Barącz, Rys dziejów ormiańskich (wie Anm. 7), 165; Budzyński, Kresy południowo-wschodnie 3 (wie Anm. 7), 148 gibt die Zahl 420 an. Das vom Priester Dominik Bołoz Antoniewicz angefertigte Verzeichnis aus dem Jahre 1793 nennt in der Pfarrgemeinde Stanisławów 102 Familien. Aus dem Inventar der Güter von Stanisławów zeigt sich, dass dort in dieser Zeit 102 Häuser existierten, woraus auf etwa 510 Personen geschlossen werden kann. Das nächste von Pfarrer Antoni Borkowski angefertigte Verzeichnis aus dem Jahre 1820 zählt nur 70 Familien. In Stanisławów gab es demnach 1820 70 armenischen Häuser und „die Zahl der Armenier hat nicht 500 Seelen übertreten“. In den 1840er-Jahren lebten dort 415 Seelen. Barącz, Rys dziejów ormiańskich (wie Anm. 7), 171; Szarłowski, Aloyzy: Stanisławów i powiat stanisławowski pod względem historycznym i geograficzno-statystycznym [Stanisławów und Stanisła­ wówer Distrikt unter historischer und geografisch-statistischer Berücksichtigung]. Stanisławów 1887, 162 f.; Chowaniec, Czesław: Ormianie w Stanisławowie w XVII i XVIII wieku [Die Armenier in Stanisławów im 17. und. 18. Jahrhundert]. Stanisławów 1928, 46; Zaleski, Słownik biograficzny (wie Anm. 7), 26, 40. In den 1840er-Jahren lebten in Tyśmienica 343 Seelen. Zachariasiewicz, Wiadomość (wie Anm. 2), 74. – Barącz schrieb zu 1866: „[E]s gibt geringe Hoffnung, dass sich diese Kirche aus den Trümmern erhebe, wenn sich in 23 zur Pfarrei inkorporierten Dörfern kaum 200 Armenier befinden und sehr arm sind.“ Barącz, Rys dziejów ormiańskich (wie Anm. 7), 175. – Budzyński, Kresy południowowschodnie 3 (wie Anm. 7), 148 gibt 375 Personen an. Nach der Lustration aus dem Jahre 1765, das heißt einige Jahren vor der ersten Teilung Polens, befanden sich in Kuty lediglich 70 armenische Wirte (Familienoberhäupter). In den 1790er-Jahren gab es in Kuty demnach nur 396 Armenier. Eine Konsignation der Pfarrgemeinde von Kuty des armenischen Ritus (Konsygnacja parafian kuckich obrządku ormiańskiego) aus dem Jahre 1808 wies 882 Gläubige aus. Samuel Moszoro, Pfarrer von Kuty, zählte aber im Jahre 1822 899 Gläubige in Kuty und weitere 215 im Pfarrkreis, insgesamt 1.114 Personen. Zachariasiewicz, Wiadomość (wie Anm. 2), 74 nennt die Zahl 1.451. Der Pfarrer Krzysztof Abrahamowicz zählte 1851 in Kuty 1.169 Gläubige. Barącz, Rys

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Die14österreichischen statistischen Verzeichnisse nutzten zwei charakteristische Merkmale zur Quantifizierung der ethnischen Gruppen: die praktizierte Sprache und die Konfession. Ersteres war zur Quantifizierung der galizischen Armenier völlig unbrauchbar, da diese Bevölkerungsgruppe schon zur Zeit der Teilung Polens sprachlich fast völlig assimiliert war. Die armenische Sprache war nur noch in Kuty und in einigen benachbarten Dörfern lebendig.15 Jan Hanusz, ein Kenner der galizischen Sprachen, stellte daher 1886 fest: „[I]n Lemberg […] muss man ,mit der Kerze‘ nach Armeniern suchen, die noch ihre armenische Sprache beherrschen.“16 Zur Einschätzung der Zahl der Armenier mussten die Staatsstatistiken auf die Religion bzw. Konfession zurückgreifen. Eine Konskription von 1857 nennt für Galizien 2.407 Armenier (davon 2.309 Katholiken), ein Verzeichnis von 1869 zählte 2.228 (2.102 Katholiken), 1880: 2.394 (1.968 Katholiken), 1890: 2.230 (1.739 Katholiken), 1900: 1.651 (1.532 Katholiken) und 1910: 1.467 (1.392 Katholiken).17 Die Ansiedlung der Armenier können wir bis zu einem gewissen Grad anhand der armenisch-katholischen Pfarreien verfolgen. Außer in Lemberg existierten solche Pfarreien noch in Kuty, Śniatyń, Stanisławów, Brzeżany, Łysiec und Horodenka und in der Bukowina in Suczawa (Suceava) und Czerniowce (Tscherniwzi, Cernăuți, Czernowitz).18 Sie lagen also

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dziejów ormiańskich (wie Anm. 7), 102; Wasyl, Franciszek: Ormiański spis ludności parafii Kuty z 1822 roku [Das armenische Verzeichnis der Bevölkerung der Pfarrei Kuty aus dem Jahre 1822]. In: Archiwum Państwowe w Rzeszowie. Prace Historyczno-Archiwalne. Bd. XVII (2006), 139 – 163.  – Ders.: Przeszłość Kościoła ormiańskiego w zbiorach Centralnego Państwowego Historycznego Archiwum Ukrainy we Lwowie [Die Vergangenheit der armenischen Kirche in den Sammlungen des Zentralen Staatlichen Historischen Archivs der Ukraine in Lemberg]. In: Archiwum Państwowe w Rzeszowie. Prace Historyczno-Archiwalne. Bd. XVI (2005), 234; Zaleski, Słownik biograficzny (wie Anm. 7), 23; Budzyński, Kresy południowo-wschodnie 3 (wie Anm. 7), 148. 1782 wohnten in Lemberg 268 Armenier (37 Familien). Im Jahre 1784 „war eine geringe Zahl der Armenier in Lemberg, lediglich 212 Seelen“. Wasyl zählt 236 Armenier, Budzyński 237. In den 1840erJahren lebten dort 308. In Złoczów (Solotschiw) gab es 1784 24 Armenier. Wasyl, Przeszłość Kościoła ormiańskiego (wie Anm. 13), 234; Zachariasiewicz, Wiadomość (wie Anm. 2), 74; Barącz, Rys dziejów ormiańskich (wie Anm. 7), 141, 179 f.; Budzyński, Zdzisław: Kresy południowo-wschodnie w drugiej połowie XVIII wieku [Südostgebiete in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts]. Bd. 1: Statystyka wyznaniowa i etniczna [Konfessionelle und ethnische Statistik]. Przemyśl-Rzeszów 2005, 373 (236 Armenier nach einer Berechnung von Franciszek Wasyl); Budzyński, Kresy południowowschodnie 3 (wie Anm. 7), 148. Demnach wohnten noch in Obertyn (144), Brody (20), Jazłowiec (30) und Złoczów (50) Armenier. In Chomiakówka (Kreis Kołomyja) und Żabie (unter dem Berg Czarnohora) wohnte noch je eine Familie, die armenisch sprach. Beide stammten aber aus Kuty. Hanusz, Jan: O języku Ormian polskich [Über die Sprache der polnischen Armenier]. In: Rozprawy i Sprawozdania z Posiedzeń Wydziału Filologicznego Akademii Umiejętności XI (1886), 359. Zamorski, Krzysztof: Informator statystyczny do dziejów społeczno-gospodarczych [Ein statistischer Wegweiser zur gesellschaftlich-wirtschaftlichen Geschichte]. Kraków-Warszawa 1989, 69, Tab. 12A. Obertyński, Kościół ormiański (wie Anm. 3), 651 – 657; Krętosz, Organizacja (wie Anm. 3); Kumor, Bolesław: Obsada arcybiskupstwa ormiańsko-katolickiego we Lwowie w latach niewoli narodowej

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ausschließlich in Ostgalizien nahe der Grenze zur Bukowina (Pokutien und ÖsterreichischPodolien). Die größte Konzentration finden wir in der Umgebung von Horodenka, Śniatyn und Kuty.

2. Der Wandel der ethnischen Institutionen Die wichtigste Institution der Armenier war die armenisch-katholische Kirche. Die Union mit dem Papsttum war noch in der polnischen Zeit zwischen 1630 und 1680 vollzogen worden. An der Spitze der Kirche stand der Erzbischof, der in Lemberg residierte und direkt dem apostolischen Stuhl unterstand. Es gab ein vom römisch-katholischen Theatinerorden betriebenes Priesterseminar (Papstkolleg), gemeinsam für Armenier und Ruthenen; zudem existierten ein Kloster der armenischen Benediktinerinnen in Lemberg und einige kirchennahe Institutionen, die mit der Selbstverwaltung der armenischen Gemeinde in Verbindung standen.19 Zum Zeitpunkt der Anbindung Galiziens an Österreich war die materielle Situation der armenisch-katholischen Kirche nicht die beste. Erzbischof Jakub Stefan A ­ ugustynowicz 20 bemühte sich daher bei den österreichischen Behörden um eine finanzielle Unterstützung seiner Kirche und um die Erhöhung seiner Bezüge; dieses Motiv war sicher Hauptursache seiner äußerst loyalen Einstellung. Am Vorabend der Huldigung hatte die österreichische Regierung neue Geldquellen für den Erzbischof aufgetan, was dazu führte, dass er eine „aufrichtige Devotion“ während dieses Festes „bestmöglich gezeigt“ habe.21 Trotz einer grundsätzlich positiven Einstellung der österreichischen Behörden zur armenisch-­katholischen (1772 – 1918) [Die Besetzung des armenisch-katholischen Erzbistums in Lemberg in den Jahren der nationalen Unfreiheit (1772 – 1918)]. In: Analecta Cracoviensia XXVI (1994), 371 – 383; Dawidowicz, Bogdan: Das armenische Erzbistum Lemberg. In: Die katholische Kirche. Wien 1909, 523 – 527; Mark, Rudolf A.: Galizien unter österreichischer Herrschaft. Verwaltung – Kirche – Bevölkerung. Marburg 1994. 19 Lechicki, Kościół ormiański (wie Anm. 7), 50 – 108; Petrowicz, Gregorio: L’Unione degli Armeni di Polonia con la Santa Sede (1626 – 1686). Roma 1950, 1 – 214; Stopka, Krzysztof: Ormianie w Polsce dawnej i dzisiejszej [Die Armenier im ehemaligen und gegenwärtigen Polen]. Kraków 2000, 59 – 70; Chotkowski, Władysław: Historia polityczna dawnych klasztorów panieńskich w Galicji 1773 – 1848 na podstawie akt cesarskiej kancelarii nadwornej [Politische Geschichte der ehemaligen Frauenklöster in Galizien 1773 – 1884 auf Grundlage der Akten der Hofkanzlei]. Kraków 1905, 230 – 261; ­Augustynowicz-Ciecierska, Henryka/Sczaniecki, Paweł: Kronika benedyktynek ormiańskich [Chronik der armenischen Benediktinerinnen]. In: Nasza Przeszłość 62 (1984), 97 – 150; Gwożdzik, Jolanta: Z dziejów biblioteki benedyktynek ormiańskich we Lwowie [Aus der Geschichte der Bibliothek der armenischen Benediktinerinnen in Lemberg]. In: Kraków-Lwów. Książki-czasopisma-biblioteki XIX–XX wieku. Bd. 6,1. Kraków 2003, 199 – 211; Blažeyovskyj, Dmytro: Ukrainian and Armenian Pontifical Seminaries of Lviv (1665 – 1784). Rome 1975. 20 Kajetanowicz, Dionizy: Augustynowicz Jakub Stefan. In: Polski słownik biograficzny 1 (1935), 185. 21 Lechicki, Kościół ormiański (wie Anm. 7), 106.

Die Armenier im österreichischen Galizien

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Kirche war diese im Rahmen der Josephinischen Reformen reorganisiert worden: 1784 wurde das Theatiner-Kollegium aufgehoben; seit 1794 fand die Ausbildung der armenischen Priesterkandidaten im römisch-katholischen Priesterseminar statt. Es wurden Pfarreien geschlossen, in denen die Zahl der Gläubigen sank oder wo Geld für die Renovierung der Kirchen fehlte; daher blieben auch Pfarreien für viele Jahre geschlossen, obwohl sie offiziell existierten.22 In den 1840er-Jahren versuchte die österreichische Regierung eine völlige Liquidierung der Kirche, indem ihrem Leiter, Erzbischof Samuel Cyril Stefanowicz, die Übernahme des Amtes des römisch-katholischen Erzbischofs von Lemberg angeboten wurde.23 Die armenische Kirche besaß Ländereien, die aber in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verkauft wurden.24 1803 wurde am armenischen Dom in Lemberg ein Domkapitel gegründet, was die armenisch-katholische Kirche noch enger an die römisch-katholische band.25 Diese kleine Kirche entsprach zwar den religiösen Bedürfnissen der armenischen Gläubigen, bot Geistlichen jedoch kaum Bildungs- und Karrierechancen, weshalb viele junge Armenier zur römisch-katholischen Kirche übertraten und dort eine bedeutendere Rolle spielen konnten: Mikołaj Hasso-Manugiewicz war Bischof von Augustów (Königreich Polen), Franciszek Ksawery Zachariasiewicz und Jan Antoni Potoczki waren Bischöfe von Przemyśl.26 Andere Armenier traten in römisch-katholische Orden ein, wurden ­Redemptoristen, 22 Es wurden fünf armenische Pfarreien abgeschafft: Lemberg (2), Złoczów, Zamość und Jazłowiec ­( Jazlovec’). Durch die Vernichtung der Kirchen bestanden die Pfarreien in Brzeżany (1807 – 1828) und Stanisławów (1811 – 1826) nur kurz. Chotkowski, Władysław: Historia polityczna Kościoła w Galicji za rządów Marii Teresy [Politische Geschichte der Kirchen in Galizien unter der Herrschaft von Maria Theresia]. Bd. 1. Kraków 1909, 13, 58, 73, 301, 306, 402 f.; ebd., Bd. 2, 112, 391 – 395, 437 f.; Lechicki, Kościół ormiański (wie Anm. 7), 103 – 121; Petrowicz, L’Unione degli Armeni (wie Anm.  19), 216 – 256, 269 – 289, 293 f. 23 Stopka, Krysztof: Stefanowicz Samuel Cyryl. In: Polski słownik biograficzny (2005), 211 – 216. 24 Das Vorwerk Jastrzębica (in der Nähe von Żółkiew) wurde 1810 von der Regierung dem Erzbischof und dem Domkapitel übergeben, aber 1860 versteigert. Die Wiener Mechitaristen bekamen 1815 das Vorwerk Dublany (in der Nähe von Lemberg) für die Ausbildung der armenischen Jugend. 1842 aber wurde das Dorf Dublany verkauft und die Einnahmen für die Ausbildung der ruthenischen Jugend bestimmt. Lechicki, Kościół ormiański (wie Anm. 7), 111, 117, 128; Petrowicz, L’Unione degli Armeni (wie Anm. 19), 266 – 269, 280 – 282. 25 Die österreichische Regierung beschränkte 1787 die Zahl der armenischen Priester auf 14 (ohne Erzbischof ). Im Vergleich dazu gab es 1764 im Königreich Polen 45 katholische Priester. Erzbischof Jan Jakub Symonowicz war 1812 damit einverstanden, dass die begabten Priester römisch-katholisch werden konnten. Erst unter Erzbischof Samuel Cyryl Stefanowicz stieg die Zahl der armenischen Geistlichen auf 24 (1855 sogar 27). Petrowicz, L’Unione degli Armeni (wie Anm. 19), 184, 270 – 272; ­Lechicki, Kościół ormiański (wie Anm. 7), 106, 110, 115, 117, 127 f.; ders.: Duchowieństwo ormiańskie b. Galicji w latach 1874 – 1892 [Die armenische Geistlichkeit des ehemaligen Galiziens in den Jahren 1874 – 1892]. In: Posłaniec św. Grzegorza II/8 – 9 (1928), 7 – 13. 26 Żywczyński, Mieczysław: Manugiewicz Mikołaj Jan. In: Polski słownik biograficzny 19 (1974), 501 f.; Śliwa, Tadeusz: Potoczki (Potocki) Jan Antoni (1759 – 1832). In: Polski słownik biograficzny 28 (1985), 238 f.; Zaleski, Słownik biograficzny (wie Anm. 7), 73 f., 87, 109 f.

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Franziskaner oder Jesuiten. Häufig übernahmen armenisch-katholische Priester zu ihren Verpflichtungen noch seelsorgerische Tätigkeiten für die Katholiken in den Pfarreien und Erziehungsanstalten.27 In der zweiten Hälfte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war andererseits zu beobachten, dass die armenisch-katholische Kirche zunehmend von nichtarmenischen Angehörigen geprägt wurde. Noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es den ersten Geistlichen aus einer gemischten Familie, im folgenden halben Jahrhundert waren es schon sieben.28 Um 1853 hatte sich die Zahl der Priesterkandidaten halbiert.29 Um ihre Strukturen zu erhalten, musste die armenisch-katholische Kirche daher ihre Geistlichen aus anderen ethnischen Gruppen rekrutieren: Polen (18) und Deutsche (2). 30 Ein Übertritt von griechisch-katholischen (ruthenischen) Priestern zum armenischkatholischen Glauben ist für diese Zeit hingegen nicht bekannt. Gelegentlich waren 27 1772 – 1914 u. a.: Jakub Zarug-Bogdanowicz († 1843), römisch-katholischer Pfarrer in Kaczyca in der Bukowina; Władysław Bohosiewicz (1867 – 1942), Redemptorist; Dionizy Kajetanowicz (1878 – 1954), Franziskaner, 1908 wieder armenisch-katholisch; Deodat Maramarosz (1772–?), römisch-katholischer Pfarrer in Ostgalizien, Professor der Lemberger Universität; Jakub Mikołajewicz (1780 – 1849), römischkatholischer Pfarrer in Ostgalizien; Florian Minasiewicz (etwa 1760 – 1820), römisch-katholischer Domherr in Lemberg. Zaleski, Słownik biograficzny (wie Anm. 7), 38 – 40, 75, 77 f.; Pasiecznik, Jan: Młodość i życie zakonne księdza infułata Dionizego Kajetanowicza [Jugend und Ordensleben des Protonotars Dionizy Kajetanowicz]. In: Studia franciszkańskie II (1986), 205 – 237. 28 Antoni Borkowski († 1837), römisch-katholischer Pfarrer in Stanisławów; Kajetan Feliks Brzeziński (1816 – 1889), römisch-katholischer Pfarrer in Łysiec; Antoni Jan Kosiński (1849 – 1908), Mechitarist, Pfarrer in Horodenka; Bartłomiej Kostecki (1840 – 1920), Mechitarist, Administrator der Pfarrei in Tyśmienica; Antoni Lewandowski (1827 – 1888); Grzegorz Lewandowski (1817 – 1870); Florian Mitulski (1810 – 1891), Pfarrer in Czernowitz. Zaleski, Słownik biograficzny (wie Anm. 7), 40 f., 64 f., 69 f., 79. 29 Torosiewicz, Głos do ziomków (wie Anm. 3), XI. 30 Übertritte von römisch-katholisch zu armenisch-katholisch 1772 – 1914: Walerian Bąkowski (1869 – 1941) aus Sadogóra in der Bukowina als Kleriker; Bertrand Handl (1857–?), ehemaliger Dominikaner; Alfons Jankiewicz, Franziskaner-Observant; Adam Jaśkiewicz (1886–?), vermutlich armenischer Herkunft, schon nach der Priesterweihe übergetreten, 1911 in die USA emigriert; ­Franciszek Kaleta (1877 – 1928), nach dem Abschluss des Gymnasiums übergetreten; Andrzej­ Kasprzykiewicz (1866 – 1927), Karmeliter, 1906 übergetreten; Franciszek Komusiewicz (1881 – 1936), vor der Priesterweihe übergetreten; Jakub Kowalski (1848–?), ist nach der Priesterweihe übergetreten, nach zwei Jahren verschwunden; Tadeusz Kuntze (1888 – 1959), vor der Priesterweihe übergetreten; Wiktor Kwapiński (1883 – 1957), aus dem Orden der Missionare 1914 übergetreten; Władysław Plewczyński (1870–?), 1906 übergetreten, aber schnell verschwunden; Wincenty Pruszyński (1869–?), 1905 aufgenommener ehemaliger Jesuit, schnell verschwunden; Jakub Skałuba (1867 – 1927), 1899 aufgenommener ehemaliger Jesuit; Ferdynad Stroeck (1893–nach 1950), als Diakon übergetreten; Karol Szczepański (1849 – 1908), nach der Priesterweihe übergetreten, Józef Szul (1854–nach 1917), Franziskaner-Observant, in armenischer Erzdiözese seit 1899; Ignacy Śledziejowski (1866–?), ehemaliger Jesuit, in armenischer Erzdiözese seit 1898; Edward Tomaszewski (1862 – 1927), 1891 aufgenommener Priester; Wiktor Wojdag (1843 – 1906), 1890 aufgenommener Priester, Flüchtling vor der Verfolgung in Russland. Zaleski, Słownik biograficzny (wie Anm. 7), 35 f., 48 f., 54, 58, 60, 63 – 65, 67 – 69, 87 f., 95, 97, 99 – 101, 103, 108.

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die neuen Priester ein „verworfener Stein“ anderer Kirchen und nicht immer wurden sie zum „Eckstein“ für die armenische Kirche. Sie verschwanden, verzogen oder heira­ teten (6 Fälle).31 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es auch keine Nonne rein armenischer Abstammung mehr.32 Von den entstandenen Gemeindeinstitutionen, die den Armeniern vom polnischen Staat in Hinblick auf ihre Selbstverwaltung gestattet worden waren, bildeten die eigenen Gerichte die wichtigste Instanz. Ihr Statut wurde 1519 vom polnischen Sejm bestätigt.33 Da diese Selbstverwaltung für die Armenier sehr wichtig war, wollten sie diese unter der neuen Herrschaft bewahren. In seiner Antwort auf die Enquete der Habsburger Verwaltung betonte der Magistrat von Stanisławów daher: „Unsere armenische Nation wurde pro gente libera, nicht für Untertanen, genannt, und wird mit eigenem Recht cum libera appellatione gerichtet, und dafür sind wir von Gutsherren [privaten Besitzern der Stadt – K. S.] und Königen berechtigt und [dies ist] liberum per ambulatorium.“34 Hier stießen zwei Ordnungstraditionen aufeinander: die auf Selbstverwaltung der lokalen Gemeinschaften basierende polnische und die auf Zentralismus gestützte habsburgische, wobei sich selbstverständlich die zweite durchsetzte. Die Österreicher beseitigten alle ethnischen Selbstverwaltungen; die Auflösung der armenischen Selbstverwaltung erfolgte in den Jahren 1784 – 1786. Die Armenier verloren dennoch nicht ihre Positionen in den integrierten Schichten des Bürgertums, sondern traten als Ratsherren und Schöffen auf.35 Sie dominierten auch in den neuen

31 Lechicki, Czesław: Ptaszek Antoni Emil (1878 – 1951). In: Polski słownik biograficzny 29 (1986), 288 f. 32 Die letzte Äbtissin rein armenischer Herkunft war Joanna Alojza Janowiczówna aus Kuty. Orłowska, Elekta: Joanna Alojza Janowiczówna, ksieni klasztoru pp. Benedyktynek orm. we Lwowie. ­Wspomnienie pośmiertne [Joanna Aloisia Janowiczowna, Äbtissin des Benediktinerinnenklosters Lemberg. Erinne­ rung nach dem Tode]. In: Posłaniec św. Grzegorza I/7 (1927), 9 – 12. 33 Bischoff, Ferdinand: Das alte Recht der Armenier in Lemberg. Wien 1862; ders.: Urkunden zur Geschichte der Armenier in Lemberg. Wien 1864; Statuta iuris armenici. Hg. v. Oswald Balzer. In: Corpus iuris polonici. Hg. v. dems. Bd. 3. Cracoviae 1906; Privilegia nationum civitatis Leopoliensis (XIV–XVIII saec.). Hg. v. Myron Kapral. L’viv 2000. – Grundlegend zu diesem Thema: Balzer, Oswald: Statut ormiański w zatwierdzeniu Zygmunta I z 1519 roku [Das armenische Statut in der Bestätigung von Zygmunt I. aus dem Jahre 1519]. Lwów 1910. 34 Odpowiedź urzędu miejskiego ormiańskiego na punkta kwerowane przez p. dyrektora gubernii ­węgierskiej die 2 Novembris 1773 [Antwort des armenischen Stadtamtes auf die Punkte durch den Herrn Direktor des ungarischen Guberniums, gestellt am 2. Novembris 1773]. In: Chowaniec, Ormianie w Stanisławowie (wie Anm. 11), 38. 35 Kapral, Myron: Urzędnicy miasta Lwowa w XIII–XVIII wieku [Die Beamten der Stadt Lemberg im 13.–18. Jahrhundert]. Toruń 2008, 190 f., 243, 305. – Im Februar 1784 wählte man die ehemaligen armenischen Richter Jakub und Grzegorz Bernatowicz zu Schöffen. 1785 wurden Florian und Łukasz Augustynowicz (beide zuvor armenische Richter), Józef Stefanowicz und Stefan B ­ ogdanowicz (beide zuvor armenische Älteste) zu Schöffen ernannt. In das sogenannte Quadragintaviratus wurden 1784 Piotr Augustynowicz und 1785 Michał Lazarowicz gewählt. Im Stadtrat saßen seit 1784 beide Bernatowicz und seit 1785 auch Józef Jaśkiewicz. 1786 waren Jakub Bernatowicz und Józef Jaśkiewicz Bürgermeister.

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Gerichtsinstanzen: Das Niedere und Höhere Gericht für Handel und Wechsel in Lemberg wurde in den Jahren 1775 – 1776 eröffnet.36 Die Auflösung der armenischen Selbstverwaltung fand ihren symbolischen Ausdruck in der Zerstörung der alten armenischen Stadtviertel. Häufigste Ursache dafür waren Brände mit vernichtender Wirkung. Der Brand 1778 in Lemberg zerstörte den Großteil der alten gemauerten Wohnhäuser in der Armenischen Straße, den Palast des Erzbischofs, die Wohnungen der Priester, das Archiv, das Benediktinerinnenkloster und das Spital. Trotz des Wiederaufbaus der kirchlichen Gebäude verlor das Viertel der Lemberger Armenier an Prestige und verwandelte sich in eine ruinierte Gegend. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhielt das Viertel allmählich seinen ursprünglichen Glanz zurück.37 Der nächste von der neuen Herrschaft ausgeführte Schlag war die Aufhebung der polnisch-armenischen Schulen, die an den Kirchen bestanden hatten und in welchen nicht nur armenische, sondern auch polnische und ruthenische Kinder unterrichtet worden waren.38 An ihrer Stelle wurde ein einheitliches Volksschulsystem eingeführt, wobei landessprachlicher Unterricht zugelassen wurde; allerdings zählten als Landessprachen nur Polnisch, Ruthenisch und Deutsch. Ab dieser Zeit wurde die armenische Sprache nur noch in einer Volksschule in Kuty gelehrt, die jedoch in den 1860er-Jahren geschlossen wurde. Der Versuch des einheimischen Gutsherren Jan Romaszkan, 1829 eine armenische Schule in Horodenka zu eröffnen, misslang. Ähnlich lag der Fall der Armenischkurse in Kuty, die Anfang des 20. Jahrhunderts zweimal von den Priestern Mikołaj Mojzesowicz und Bogdan Dawidowicz initiiert wurden. Die von armenischen Benediktinernonnen geführte armenische Mädchenschule in Lemberg überdauerte hingegen und erhielt öffentliche Rechte, verlor aber ihre ethnische Eigenheit. Sie nahm Schülerinnen unterschiedlicher religiöser Herkunft auf; unter den Lehrerinnen überwogen mit der Zeit Nicht-Armenierinnen.39 Andererseits wurden die neu ausgebildeten armenisch-katholischen Kleriker mit den Traditionen der armenischen religiösen Kultur

36 Wawel-Louis, Józef: Początkowe sądownictwo austriackie w Galicji 1772 – 1784 [Die anfängliche österreichische Gerichtsbarkeit in Galizien 1772 – 1784]. Lwów 1897, 218 f. 37 Schnür-Pepłowski, Stanisław: Obrazy z przeszłości Galicji i Krakowa (1772 – 1858) [Bilder aus der Vergangenheit Galiziens und Krakaus (1772 – 1858)]. Bd. 1. Lwów 1896, 66. 38 Bogdanowicz, Robert: Kwestia Kościoła ormiańskiego i tegoż posłannictwa jakoteż kwestya armeńska na wschodzie w ich własnym kraju [Die Frage der armenischen Kirche und ihrer Mission wie auch der Armenier im Osten in ihrem eigenen Land]. Brzeżany 1884, 37; Mojzesowicz, Mikołaj: Dawna szkoła ormiańska w Kutach [Die alte armenische Schule in Kuty]. In: Posłaniec św. Grzegorza I/7 (1927), 7 – 9; Kósciów, Zbigniew: Wiadomość o Ormianach kuckich [Nachricht über die Armenier in Kuty]. Warszawa 1994, 9. 39 1785 ist eine neue öffentliche zweiklassige Schule „nach dem normalen Plan“ entstanden. 1787 wurde diese in die fünfklassige „Mädchenschule für gebildete Stände“ umgestaltet. Lechicki, Kościół ormiański (wie Anm. 7), 112; Pigoń, Stanisław: Dębska Tekla (ca. 1824 – 1886). In: Polski słownik biograficzny 5 (1946), 145.

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und Sprache vertraut gemacht. Nur im römisch-katholischen Priesterseminar war das Armenische fakultativ. In dieser Situation wurde das Wiener Mechitaristenkloster für die Armenier Galiziens eine Institution und Träger der Vermittlung des armenischen kulturellen Erbes.40 Im 19. Jahrhundert hatten dort einige Geistliche aus dieser Provinz studiert. An der Universität Lemberg wurde erst 1904 ein Lektorat für die Alt- und Neuarmenische Sprache eröffnet, welches der Priester Bogdan Dawidowicz, ein Absolvent der Mechitaristen in Wien und Venedig, leitete.41 Eine traditionell wichtige Rolle im Leben der armenischen Gemeinden erfüllten die „frommen Banken“, nichtwucherische Kreditinstitutionen, von denen hauptsächlich Armenier, aber auch jüdische Händler, römisch-katholische Geistliche und polnische Aristokraten profitierten. Nach der ersten Teilung Polens bestand die Gefahr ihrer Auflösung durch die neue Herrschaft, um ihr Vermögen einzuziehen. Es gelang jedoch, sie zu erhalten und sogar durch die Verbindung des Kapitals von vier Lemberger Bruderschaften und aller Banken in den jeweiligen Pfarreien der Provinz zu modernisieren. Zu Beginn der 1790er-Jahre entstand auf diese Weise eine neue Bank, die „Mons Pius“, basierend auf armenischem Kapital, deren Direktion und Aufsicht der Erzbischof innehatte. Er vermehrte nicht nur die Einnahmen der armenischen Kirchen, sondern gewährte auch armen Armeniern Unterstützung und finanzierte die Renovierung von Kirchen. Die Bank überstand zwei Krisen: zuerst während der napoleonischen Kriege im Zusammenhang mit dem Staatsbankrott, dann am Anfang des 20. Jahrhunderts im Zusammenhang mit unvorsichtigen Spekulationen des Direktors. Die Bank hatte ihren Sitz an einem historischen Platz an der Skarbkowska-Straße, der sich über Jahrhunderte nicht veränderte.42 Im 19. Jahrhundert mussten die Armenier eine neue, an die Bedürfnisse der sich verändernden Gesellschaft und an die neuen gesellschaftlich-rechtlichen Verhältnisse angepasste Organisationsform finden. Neue Initiativen nahmen verschiedene Formen an, hatten aber mehrheitlich einen auf die Kirche bezogenen Charakter: erzieherische und karitative Stiftungen oder Legate zugunsten der Kirche. Lang ist die Liste der armenischen Philanthropen,43 wenn auch ihre Unterstützung nicht immer für rein armenische, sondern 40 Inglisian, Vahan: Hundertfünfzig Jahre Mechitaristen in Wien (1811 – 1961). Wien 1961; Arat, Mari Kristin: Die Wiener Mechitaristen: armenische Mönche in der Diaspora. Wien-Köln 1990. 41 Lewicki, Karol: Dawidowicz Bogdan. In: Polski słownik biograficzny 4 (1938), 464; Donigiewicz, Stanisław: Dzieje nauczania języka ormiańskiego w Polsce i historia lektoratu tegoż języka w uniwersytecie Jana Kazimierza we Lwowie [Geschichte des Unterrichts der armenischen Sprache in Polen und die Geschichte des Lektorats dieser Sprache an der Jan-Kazimierz-Universität in Lemberg]. In: Posłaniec św. Grzegorza VII/3 – 4 (1933), 35 – 38. 42 Lechicki, Kościół ormiański (wie Anm. 7), 113; Janusz, Bohdan: „Mons Pius“ Ormian lwowskich [„Mons Pius“ der Lemberger Armenier]. In: Biblioteka Lwowska. Bd. 26. Lwów 1928; K ­ rzysztofowicz, Bogdan: „Mons-Pius Ormian lwowskich“ [„Mons-Pius“ der Lemberger Armenier]. In: Posłaniec św. Grzegorza XII/2 (1938), 20 – 23. 43 Iwaszkiewicz, Janusz: Ofiarność ziemian na cele oświatowo-kulturalne 1800 – 1929 [Die Großzügigkeit der Grundbesitzer für Bildungs- und Kulturzwecke 1800 – 1929]. Warszawa 1929, 26 – 30, 32; Barącz,

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auch für allgemeine gesellschaftliche Zwecke bestimmt war. Daneben entstanden Bursen für die Schuljugend: die Erziehungsanstalt von Józef Torosiewicz in Lemberg (1865) und die Burse von Erzbischof Izaak Isakowicz in Czernowitz (1897, nach 1909 umbenannt in Burse von Kajetan Kasprowicz).44 Auch diese Institutionen, obwohl vorrangig für Armenier gedacht, nahmen Kinder anderer religiöser Konfession auf. Anfang des 20. Jahrhunderts entstand eine weitere Organisationsform: Gesellschaften, die konkrete gesellschaftliche Kreise vereinigten. Es handelte sich nach wie vor um kirchliche Initiativen, später auch nach dem Vorbild der Katholischen Aktion. 1902 wurde die „Kongregation der Landeseigentümerinnen unter dem Patronat der Mutter Gottes von Kochawin“ gegründet, welche reiche und fromme Armenierinnen aus Ostgalizien zusammenführte. Das Wirken dieser Gesellschaft war auf nichtarmenische Kreise gerichtet (Arbeitermission, Bildung in den Dörfern, Wirtschaftsschulen, Ferienlager für Mädchen), spielte jedoch auch eine wichtige Rolle bei der ethnischen Konsolidierung im Gutsbesitzermilieu. Gleichzeitig stellte diese Vereinigung einen Ersatz für die ethnische Frauenbewegung dar.45 Die populärste Organisationsform der Armenier in dieser Zeit waren allerdings lokale ethnische Veranstaltungen: Bälle, Feste, Vergnügungen oder Feierlichkeiten. Die Bräuche Galiziens boten dazu zahlreiche Anlässe: Karneval, Schlittenfahrten und Weihnachtstreffen. Auch wenn dabei nicht von den armenischen Traditionen (Küche, Musik) profitiert wurde, förderten derartige Veranstaltungen wesentlich die Integration ethnischer Gruppen durch die Elemente kosmopolitischer Strömungen dieser Epoche.

Rys dziejów ormiańskich (wie Anm. 7), 72; Bogdanowicz, Kwestia Kościoła ormiańskiego (wie Anm. 38), 29. 44 Tygodnik Ilustrowany 76 (1869), 4; Zakład im. J. Torosiewicza [Die J.-Torosiewicz-Erziehungsanstalt]. In: Posłaniec św. Grzegorza I/2 – 3 (1927), 15 – 20; L[echicki], C[zesław]: Współtwórca Zakł. im. Torosiewicza, ks. infułat Kajetan Kajetanowicz (1817 – 1900) [Der Mitbegründer der TorosiewiczErziehungsanstalt, der Protonotar Kajetan Kajetanowicz (1817 – 1900)]. In: Posłaniec św. Grzegorza II/13 – 15 (1928), 90 – 95; X. infułat Kajetan Kasprowicz założyciel bursy orm.-katol. w Czerniowcach ur. 1854, zm. 1909 [Der Protonotar Kajetan Kasprowicz, Gründer der armenisch-katholischen Burse in Czernowitz, geb. 1854, gest. 1909]. In: Posłaniec św. Grzegorza IV/42 – 43 (1930), 189 – 196; Józefowicz, Michał: Pierwsze dziesięciolecie w Zakładzie Wychowawczym im. śp. Józefa Torosiewicza we Lwowie [Das erste Dezennium seligen Angedenkens der Józef-Torosiewicz-Erziehungsanstalt in Lemberg]. In: Gregoriana 1 – 2 (1935), 43 – 47. – Zur Stiftung von Erzbischof Samuel Stefanowicz in Lemberg: Barącz, Rys dziejów ormiańskich (wie Anm. 7), 72; Wiczkowski, Józef: Lwów, jego rozwój i stan kulturalny [Lemberg, seine Entwicklung und sein Kulturstand]. Lwów 1907, 508. – Freiherr Mikołaj Romaszkan stiftete ebenfalls Stipendien für die armenische Jugend. Bogdanowicz, Kwestia Kościoła ormiańskiego (wie Anm. 38), 27 – 29. 45 Sprawozdanie z działalności Kongregacji Ziemianek pod wezwaniem Matki Boskiej Kochawińskiej [Bericht aus der Tätigkeit der Kongregation der Landeseigentümerinnen unter dem Patronat der Mutter Gottes von Kochawin]. In: Gregoriana 5 (1935), 165 – 167.

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3. Die Richtungen der Integrationsprozesse der galizischen Armenier 3.1. Die Geschwindigkeit der Modernisierung der galizischen Gesellschaft Die Wandlungen der armenischen Bevölkerung waren mit den allgemeinen Änderungen verbunden, denen die gesamte galizische Gesellschaft unterlag. Wirtschaftlich entwickelte sich Galizien schwächer als andere Provinzen des Habsburgerreiches, Urbanisierung und Industrialisierung waren weniger ausgeprägt. Es stellt sich daher die Frage, welche Auswirkungen auf die Änderungen der Identität von Minderheiten, wie etwa der Armenier, das längere Fortdauern alter wirtschaftlich-gesellschaftlicher Strukturen und charakteris­ tischer Mentalitäten für die vorindustrielle Gesellschaft hatte. Auf der einen Seite stand das alte Wertesystem mit einer grundsätzlich großen Distanz zwischen Adel und einfachem Volk, welches die Überwindung von Barrieren und Unterteilungen sowie einen Wandel in der gesellschaftlichen Elite erschwerte. Auf der anderen Seite konsolidierte die zügige Modernisierung ethnische Gruppen und verursachte einen Konflikt zwischen ihnen und der führenden Volksgruppe. Das langsamere Tempo der Modernisierung Galiziens verzögerte den ethnischen Konflikt und verlagerte ihn in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Es bewirkte auch eine Verzögerung der Konsolidierung und des Aufstiegs von großen ethnischen Gruppen wie zum Beispiel der Ruthenen. Kleine Gruppen hingegen, wie die Armenier, welche ihre Interessen im Einklang mit dem bestehenden Establishment definierten, nicht die Aufhebung bestehender gesellschaftlicher Hierarchien anstrebten und keine politischen Ambitionen im Widerspruch zu der dominierenden Volksgruppe hatten, konnten sich in dieser Situation leichter integrieren.

3.2. Die Integrationssituationen: Rechtsemanzipation, ökonomische Aktivität, sozialer Aufstieg, politisches Engagement, kulturelles Leben und öffentliche Meinung Die Integration der Armenier vollzog sich auf mehreren Ebenen. Ausgangspunkt war dabei die rechtliche Emanzipation, die in den Zeiten der josephinischen Reformen erfolgte und den Armeniern alle Rechte verlieh, welcher sich das Bürgertum erfreute. Zudem wurden Barrieren für den sozialen Aufstieg beseitigt, was eine loyale Einstellung gegenüber Österreich nach sich zog. Armenier konnten nun als Beamte in Galizien und Wien Karriere machen. Eine wichtigere Integrationssituation in der Habsburgermonarchie stellten die Karrieremöglichkeiten in der Armee dar, welche zu einer stärkeren Identifikation mit dem Staat führten. Dennoch war dieser Effekt in Anbetracht der Entfremdung der Offiziere von ihrer heimischen Gruppe nicht von größerer gesellschaftlicher Bedeutung.

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Im Übrigen finden wir nicht viele Beispiele für Offizierskarrieren von Armeniern aus Galizien.46 Den Armeniern eröffneten sich neue Wege wirtschaftlicher Aktivität, welche den Reichtum gewisser Teile der armenischen Bevölkerung vermehrten; ein weiterer Schritt zur Integration in die Elite. Die ersten wirtschaftlichen Aktivitäten der galizischen Armenier hatten noch traditionellen Charakter – Handel. Jedoch gewannen ihre Unternehmen an Dynamik, indem neue Märkte erschlossen wurden und neue Impulse hinzukamen. Im Bereich des Handels zeigte sich das Geschick der Armenier (Warenhäuser der Kaufleute Florian und Łukasz Augustynowicz in Lemberg oder von Jan Bogdanowicz in Stanisławów). Neue Möglichkeiten ergaben sich, als selbst Staaten zu wichtigen Kunden wurden: z. B. mit Lieferungen von Pferden und Fleisch an die Armeen Österreichs, Bayerns und Russlands. In diesem Zusammenhang taten sich die Familien Nikorowicz und Agopsowicz hervor. Ähnlich war es im Bereich der Produktion, wo neue Möglichkeiten auf traditionelle armenische Handwerke trafen. In den ersten Jahrzehnten der österreichischen Herrschaft erlebte die Gerberei von Kuty, traditionell Saffianleder gerbend, eine Renaissance. Ihr Einkommen erhöhte sich auf 150.000 Gulden jährlich. Es entstanden neue armenische Fabriken nach kapitalistischem Vorbild, wie zum Beispiel die Fabrik des Paweł Nikorowicz in Krzywotuły, welche Baumwollflanell und Bettdecken produzierte, oder die große Ziegelei des Bernard Bogdanowicz in der Nähe von Lemberg.47 Den größten Gewinn jedoch erbrachte der Transithandel, hauptsächlich der Warentransport zwischen Russland, Moldau und den österreichisch-deutschen Märkten. Große Bedeutung für die Erhöhung des finanziellen Potentials der galizischen Armenier hatte die Öffnung der Bukowina, die seit 1786 neue Provinz Österreichs war, für Kolonisation und Exploration. Hier existierten keine Barrieren und Hindernisse wie in besser und früher bewirtschafteten Provinzen. Der Gewinn floss in den Kauf von Ländereien: Armenier erwarben Besitz in der Bukowina und in Ostgalizien, vor allem in Pokutien und Podolien, den fruchtbarsten Gebieten. Sie entwickelten sich jedoch nur formal zu Landbesitzern, da sie nicht sofort vom alteingesessenen Monopolisten – dem polnischen Adel – akzeptiert wurden. Österreich verfolgte eine Politik, die darauf abzielte, das wohlhabende Bürgertum in den Adelsstand Galiziens und besonders der Bukowina zu erheben. Es war relativ leicht, einen Adelstitel zu bekommen – oftmals in Form einer Bescheinigung –, wodurch der Anschein

46 Korwin [Piotrowski], Ludwik: Ormiańskie rody szlacheckie w Polsce [Armenische Adelsstämme in Polen]. Kraków 1934, 74, 76; Krzeczunowicz, Kornel: Historia jednego rodu i dwóch emigracji [Geschichte eines Stammes und zweier Emigrationen]. Londyn 1973; Stawecki, Piotr: Słownik biogra­ficzny generałów Wojska Polskiego, 1918 – 1939 [Biografisches Lexikon der Generäle des polnischen Heeres, 1918 – 1939]. Warszawa 1994, 68. 47 Schnür-Pepłowski, Stanisław: Galicjana 1778 – 1812. Lwów 1896, 34, 125, 133; Rosco-Bogdanowicz, Marian: Wspomnienia [Erinnerungen]. Hg. v. Jan Gintel. Bd. 1. Kraków 1959, 125; Familienarchiv von Monika Agopsowicz: Handelskorrespondenz von Agopsowicz mit bayerischen Behörden; Piniński, Piotr: Ostatni sekret Stuartów [Das letzte Geheimnis der Stuarts]. Warszawa 2001.

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erweckt wurde, einen älteren Titel der Zugehörigkeit zur Elite zu besitzen. Eine Beamten-, Militär- oder Kirchenlaufbahn sowie Orden berechtigten ebenfalls zum Erwerb eines Adelstitels oder zur Erhöhung eines Adelsranges (systematisierter Adel). Der Staat verfolgte eine gezielte Integrationspolitik, zugeschnitten auf die eigenen Interessen. Er erreichte jedoch dadurch ungewollt die Integration der Neureichen in die polnische Elite Galiziens. Das Gefühl eines gemeinsamen wirtschaftlichen Interesses und der starke integrative Aspekt der polnischen Kultur erwiesen sich als stärker als die Dankbarkeit gegenüber Österreich für die geöffneten Türen zu einem gesellschaftlichen Aufstieg. Einige galizische Armenier erreichten den Adelsstand, indem sie sich bei den entsprechenden österreichischen Behörden auf einen echten oder einen vermeintlichen altpolnischen Adelstitel beriefen, den „Bukowiner Uradel“; entsprechende Bescheinigungen konnte man im moldawischen Jassy (Iași, Jászvásár, Yash) kaufen. Die Stärke dieser Nobilitäts- und Heimatrechte wurde in den Jahren 1779 – 1795 und 1807 – 1820 deutlich. Die nächsten Jahrzehnte ermöglichten nur noch wenigen den Erwerb eines Adelstitels I. (einfacher Adelsstand) oder II. Ranges (Ritterstand). Lediglich sechs armenische Familien erwarben die niedrigste Rangstufe des Adelstitelstandes, den Freiherrenstand: Hadziewicz (1780), Kapri (1791), Szymonowicz (1817, 1865, 1870), Romaszkan (1857, 1858, 1865), Moysa-Rossochacki (1910) und Stefanowicz (1917).48 Die wirtschaftlichen Aktivitäten führten zu Migration und Zerstreuung der Armenier außerhalb ihrer traditionellen Siedlungsräume. Parallel dazu wirkte die Entstehung einer Intelligenz als neue Gruppe der galizischen Gesellschaft migrationsfördernd. Dieses Phäno­ men ermöglichte auch ärmeren Personen der armenischen Bevölkerung eine Karriere, da nicht Vermögen sondern Bildung entscheidend war. Schulbildung, mindestens bis zur mittleren Ebene und in vielen Fällen auch Universitätsbildung, ermöglichte vielen Söhnen armenischer Familien Anstellungen in öffentlichen Einrichtungen, als Anwälte, Ärzte, Journalisten usw. Die galizische Schule, unabhängig davon, ob deutsch- oder polnischsprachig, ermöglichte eine bessere Integration. Hier entstanden kameradschaftliche Bande, eine Gemeinschaft von Ansichten und Handlungen; man integrierte sich als Kulturgemeinschaft. Auch die berufliche Karriere verband die Intelligenz armenischer Herkunft mit ihrer gesellschaftlichen Schicht. Verbunden war dieser Prozess auch mit einem häufigen Wechsel des Aufenthaltsortes, was ethnische Beziehungen zerriss. Armenische Namen fanden sich in allen galizischen Städten, sie waren nicht mehr nur auf den östlichen Teil beschränkt.49 Die Teilnahme am politischen Leben bildete eine weitere Integrationsmöglichkeit. Das Engagement von Armeniern auf diesem Gebiet war anfangs bescheiden. Die Konzentration auf wirtschaftliche Ziele führte dazu, dass die armenische Gruppe andere Prioritäten setzte. Dennoch finden wir in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Beispiele 48 Korwin, Ormiańskie rody (wie Anm. 46); Górzyński, Sławomir: Nobilitacje w Galicji w latach 1772 – 1918 [Nobilitierungen in Galizien in den Jahren 1772 – 1918]. In: Społeczeństwo polskie XVIII i XIX wieku. Hg. v. Janina Leskiewiczowa. Bd. 9. Warszawa 1991, 81 – 136. 49 Am besten ist das Beispiel der Familie Eminowicz dokumentiert: Eminowicz, Marek: The Eminowicz Family. Rodzina Eminowiczów, 1628 – 1988. Kraków 1988.

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für das individuelle Engagement armenischer Gutsbesitzer und der Intelligenz im politischen Leben Galiziens. Am häufigsten steckte das Engagement in Initiativen nonkonformistischen Charakters gegen die Staatsgewalt mit dem Ziel eines unabhängigen Polens. Die erste Gelegenheit für ein derartiges Engagement war der Krieg zwischen dem Herzogtum Warschau und Österreich (1809). Auch am antirussischen Aufstand von 1830/1831 im Polnischen Königreich waren mit Antym Nikorowicz, Mikołaj und Karol Bołoz Antoniewicz, die später wichtige Persönlichkeiten der armenischen Gruppe wurden, Armenier aktiv beteiligt.50 Bei der polnischen Verschwörung in Galizien in den 1830er- und 1840er-Jahren finden wir viele Armenier aus weniger bekannten Familien (Dominik Ajwas, Ignacy Łukasiewicz 51, Józef Jakubowicz 52 oder den Priester Grzegorz Moszoro 53). Kasper Cięglewicz, Sohn einer Armenierin, war einer der lautesten polnischen Agitatoren im östlichen Galizien und Initia­ tor der ruthenischsprachigen politischen Propaganda unter den Bauern.54 Es ist daher nicht verwunderlich, dass unter den wegen Teilnahme an der 1848er-Revolution Verurteilten mit Piotr Leopold Minasowicz und Józef Jakubowicz auch Armenier waren.55 Zwar fürchteten einige reiche Armenier unmittelbare Aktionen gegen die Regierung, im Geheimen aber unterstützten sie die Verschwörer, wie z. B. Piotr Romaszkan, der Besitzer des Landguts Horodenka, der die in Galizien internierten Teilnehmer des antirussischen Aufstandes finanziell förderte und die Flucht der Soldaten aus dem Korps von General Józef Dwernicki erleichterte; auch beglich er die Steuer, die ein Lemberger Komitee für „öffentliche Sachen“ der Polen im Königreich Polen erhob.56 Ferner beschäftigte er den verarmten Dymitr Mochnacki als Hauslehrer, da die griechisch-katholische Kirche diesem wegen seiner Teilnahme an den galizischen Verschwörungen der 1830er-Jahre die Priesterweihe verweigert hatte. Der Lemberger Rechtsanwalt Adolf Minasiewicz beschäftigte in seiner Kanzlei einen anderen sehr aktiven Verschwörer: Ferdinand Thürman, den Sohn

50 Hahn, Wiktor: Antoniewicz Bołoz Mikołaj. In: Polski słownik biograficzny 1 (1935), 139 f.; Mikuła, Jan: Antoniewicz Karol. In: ebd., 139. 51 Brzozowski, Stanisław M.: Łukasiewicz Jan Józef Ignacy. In: Polski słownik biograficzny 18 (1973), 520 – 523. 52 Homola, Irena: Jakubowicz Józef. In: Polski słownik biograficzny 10 (1962 – 1964), 376 f. 53 Józefczyk, Andrzej: Wspomnienie ubiegłych lat [Die Erinnerungen der vergangenen Jahre]. Kraków 1881, 51; Białynia-Chołodecki, Józef: Lwów w XIX stuleciu [Lemberg im 19. Jahrhundert]. Lwów 1928, 21 (betrifft den zum Tode verurteilten, 1845 begnadigten Priester Grzegorz Moszoro, der auch Mitglied im Związek Synów Ojczyzny [Bund der Söhne des Vaterlandes] war). 54 Wisłocki, Władysław Tadeusz/Horoszkiewicz, Zofia: Cięglewicz (także Cinglowicz i Ciąglewicz) Kasper, Melchior, Baltazar. In: Polski słownik biograficzny 4 (1938), 71. 55 Protokoły Rady Narodowej Centralnej we Lwowie (14 IV–29 X 1848) [Die Protokolle des Zentralen Volksrates in Lemberg (14 IV–29 X 1848)]. Hg. v. Stefan Kieniewicz und Franciszka Ramotowska. Warszawa 1996, 25. 56 Golejewski, Henryk: Pamiętniki [Memoiren]. Hg. v. Irena Homola, Bolesław Łopuszański und Janina Skowrońska. Bd. 2. Kraków 1971, 77 – 81. Die Landgüter erwarb Romaszkan vom Freiherrn Jan Antoni Drohojowski.

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des österreichischen Starost von Tarnopol.57 Ein amüsantes Beispiel für das ambivalente Verhältnis der zwischen nonkonformistischer, patriotischer, polnischer Verpflichtung und jahrhundertlangen konformistischen Traditionen zerrissenen armenischen Gutsbesitzer in Galizien finden wir in den „Erinnerungen“ des Verschwörers Michał Budzyński. Er erzählt, wie sich Mikołaj Bołoz-Antoniewicz, ein reicher Gutsbesitzer mit literarischen Ambitionen, der geheimen Organisation anschloss. Schon nach zwei Wochen wollte er jedoch von seinem Eid entbunden werden, „mit Rücksicht darauf, dass sein poetisches Genie der polnischen Literatur verloren gehen könnte“. Er empfahl einen anderen Aristokraten, „einen edelmütigen Jüngling. […]. Ein Tausch war sehr günstig, so haben wir gerne angenommen.“58 Die Ereignisse der Revolution von 1848 veranschaulichen die ambivalente Haltung der Armenier Galiziens zur Politik. Ihre Kirche verhielt sich als Institution in dieser Angelegenheit gemäßigt. Wir wissen nicht, ob es zur Wahl eines offiziellen Vertreters durch das armenische Kapitel in die wichtigste politische Repräsentanz Polens, in den Zentralen Volksrat, kam. Der Priester Dawid Dawidowicz arbeitete höchstwahrscheinlich aus eigener Initiative im Rat. Der Domherr Jakub Persjan-Axentowicz, bestimmt als Deputierter, der dem Kaiser für die Verfassung danken sollte, versuchte eine Ausrede zu finden.59 Einige Armenier standen auch loyal zu Österreich: Der Anwalt Jan Czajkowski und Mikołaj Romaszkan 60 waren im von Gouverneur Franz Stadion gegründeten Beirat. August Th ­ eodorowicz, Bürgermeister von Żółkiew (Schowkwa) und Śniatyń, war Berater der Regierung in der Verwaltung von Lemberg, und 1848 als Referent im Lemberger Magistrat; daher nach Meinung der polnischen Patrioten „diffamiert und unerträglich“.61 Dennoch stand die Mehrzahl der Armenier auf der Seite der polnischen Revolutionäre. Unter den etwa 170 Mitgliedern des Zentralen Volksrates waren mehr als zehn Armenier,62 darunter Wincenty Antoniewicz, Marceli Rosco-Bogdanowicz, Dominik und Józef Jakubowicz, Kazimierz, Henryk und Edward Jędrzejowicz, Kornel Krzeczunowicz 63 sowie Antym und

57 Bogdański, Henryk: O tajnych politycznych związkach w Galicji od roku 1832 do roku 1841 [Über die geheimen politischen Bünde in Galizien von 1832 bis 1841]. In: Pamiętniki spiskowców i więźniów galicyjskich 1832 – 1846. Hg. v. Karol Lewicki. Wrocław 1954, 44, 59. 58 Budzyński, Michał: Wspomnienie z mojego życia [Erinnerungen aus meinem Leben]. Poznan 1880, 109. 59 Ukrains’ko-rus’ky Archiv XIII/XIV (1919/1920) 309 – 322; Morgenbesser, Aleksander: Wspomnienia z lwowskiego więzienia [Erinnerungen aus dem Lemberger Gefängnis]. Warszawa 1993, 27. 60 Tyrowicz, Marian: Czajkowski Jan Euzebiusz (1811 – 1897). In: Polski słownik biograficzny 4 (1938), 153 f. 61 Gregorowicz, Benedykt: Pamiętnik [Memoiren]. In: Pamiętniki urzędników galicyjskich. Hg. v. Irena Homola und Bolesław Łopuszański. Kraków 1978, 289 – 319. 62 Eine Identifikation der Namen und Ämter ist nicht immer sicher. Es ist auch nicht gelungen, alle Mitglieder des Zentralen Volksrates sowie die Aktivisten seiner Provinzfilialen zu bestimmen. Protokoły Rady Narodowej Centralnej (wie Anm. 55); Stolarczyk, Marian: Działalność lwowskiej Centralnej Rady Narodowej [Die Tätigkeit des Lemberger Zentralen Volksrates]. Rzeszów 1994. 63 Zdrada, Jerzy: Krzeczunowicz Kornel. In: Polski słownik biograficzny 15 (1970), 511 – 513.

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Ignacy Nikorowicz. In der Nationalgarde kämpfte Jakub Antoniewicz,64 und der polnische Adel erarbeitete am 18. März 1848 die Denkschrift an den Kaiser, welche dem Gouverneur übergeben werden sollte, in der Lemberger Wohnung von Kornel Krzeczunowicz.65 Jan Czajkowski trat unter dem Einfluss seiner überzeugten Landsleute aus dem Beirat aus und wechselte ins polnische Lager. Der Führer der Akademischen Legion, einer bewaffneten Formation von Studenten, wurde Antym Nikorowicz. Kornel Krzeczunowicz und Jakub Torosiewicz wurden vom Zentralen Volksrat zu Schiedsrichtern ernannt; sie sollten in Auseinandersetzungen zwischen Gutsbesitzern und Bauern entscheiden und dadurch die österreichischen Beamten ausschalten. Der Priester Dawid Dawidowicz und Mikołaj Bołoz-Antoniewicz wirkten in der Organisation bei der Betreuung polnischer politischer Emigranten.66 In Stanisławów war der Anwalt Tytus Gregorowicz Mitherausgeber der patriotischen polnischen Tageszeitung „Dziennik Stanisławowski“. In Sanok leitete Józef Jakubowicz den örtlichen polnischen Volksrat und war zugleich Mitorganisator der dortigen Nationalgarde.67 In Tyśmienica war der Dominikaner Sadok Barącz Präsident des Volksrates und auch in Brzeżany, Rzeszów und Żółkiew waren Armenier aktiv. Im folgenden antirussischen Aufstand, dem sogenannten Januaraufstand von 1863, finden wir erneut einige Armenier, unter ihnen Józef Theodorowicz, Florian und Franciszek Bogdanowicz 68 und Władysław Eminowicz.69 Armenier beteiligten sich auch in den konspirativen Strukturen Galiziens, die das Hinterland des Aufstandes im Königreich Polen bildeten (Józef Jakubowicz, Julia und Helena Eminowicz, Ksawera Warteresiewicz, Hortensja Jakubowicz und Henryka Torosiewicz).70

64 Jabłonowski, Ludwik: Pamiętniki [Memoiren]. Hg. v. Karol Lewicki. Kraków 1963, 308. 65 Ebd., 266. 66 Widmann, Karol: Franciszek Smolka, jego życie i zawód publiczny od roku 1810 do 1849 [Franciszek Smolka, sein Leben und öffentlicher Beruf von 1810 bis 1849]. Lwów 1886, 784 f.; Lewicki, Karol: Lwowska legia akademicka 1848 roku [Die Lemberger Akademische Legion 1848]. In: Przegląd Histo­ ryczny 38 (1948), 191; Adamek, Kazimierz: Polskie gwardie narodowe w Galicji w 1848 roku [Die polnischen Nationalgarden in Galizien im Jahre 1848]. In: Studia i Materiały do Historii Wojskowości. Bd. 19/1. Warszawa 1973, 281 f.; Stebelski, Piotr: Lwów w 1848 roku [Lemberg im Jahre 1848]. In: Kwartalnik Historyczny 23 (1909), 360, 542; Protokoły Rady Narodowej Centralnej (wie Anm. 55), 98; Batowski, Aleksander: Diariusz wypadków 1848 roku [Diarium der Ereignisse des Jahres 1848]. Hg. v. Marian Tyrowicz. Wrocław 1974, 341, 350, 381 f.; Nikorowicz, Antym: Odezwa […] do Gwardii wszechnicy lwowskiej przy objęciu dowództwa nad nią [Aufruf … zur Garde der Lemberger Universität bei der Führungsübernahme über sie]. Lwów 1848. 67 Jabłonowski, Pamiętniki (wie Anm. 64), 308. 68 Meloch, Maksymilian: Bogdanowicz Florian. In: Polski słownik biograficzny 2 (1936), 189. 69 Sokulski, Justyn: Eminowicz Władysław. In: Polski słownik biograficzny 6 (1948), 266 f. 70 Bruchnalska, Maria: Ciche bohaterki, udział kobiet w powstaniu styczniowym [Stille Heldinnen. Die Beteiligung von Frauen am Januaraufstand]. Miejsce Piastowe 1933, 347 f.; Romanowiczówna, Zofia: Klaudynki. Kartka z dziejów patriotycznej pracy kobiet w Galicji w drugiej połowie ubiegłego stulecia [Klaudinen. Ein Blatt aus der Geschichte der patriotischen Frauenarbeit in Galizien in der zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts]. Lwów 1913, 7, 20 f., 25.

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Freiheitlicher Irredentismus war dennoch nicht die Situation, in der sich die Mehrheit der Armenier sah; populärer waren positivistische Losungen. Józef Jakubowicz schrieb im Jahre 1853 an Karol Szajnocha, einen bekannten polnischen Historiker: „Ich bin davon überzeugt, dass die Erhaltung des Vermögens des Adels schon Patriotismus ist, gar nicht zu reden von seiner Vermehrung.“71 Der Konformismus der Armenier fand seine natürliche politische Entsprechung erst in der Epoche der sogenannten galizischen Autonomie. In dieser Zeit engagierten sich die Armenier schon voll und ganz in der polnischen Politik, wodurch sie sehr erfolgreich integriert wurden. Im ersten österreichischen Parlament (1848/1849) befand sich noch kein einziger Armenier aus Galizien. Zwanzig Jahre später war diese armenische Elite politisch schon völlig mobilisiert und spielte eine wichtige Rolle in den polnischen Verhandlungen um die Übereinkunft von Wien. Zwar finden wir sie nicht unter jenen, welche intellektuell die Begründung der Vereinbarung vorbereiteten (Stańczycy), sie spielten jedoch eine bedeutende Rolle bei den konkreten entscheidenden Verhandlungen (Kornel Krzeczunowicz und Jan Czajkowski) und sie waren die ersten Nutznießer der Ergebnisse. In der ersten Legislaturperiode des Reichsrates finden wir zwei galizische Armenier im Herren­haus (Virilist Erzbischof Grzegorz Szymonowicz und Mitglied auf Lebenszeit Freiherr Mikołaj Romaszkan), im Abgeordnetenhaus dagegen nur einen (Jakub Krzysztofowicz). Dieser war Abgeordneter der Kurie der Stadtgemeinden (Stanisławów), was als symbolische Anknüpfung an den vorherigen gesellschaftlichen Stand der Minderheit angesehen werden kann. Der aktuelle gesellschaftliche Status fand seine Widerspiegelung im Schlüsselbereich der Verhandlungen und der Stabilisierung der galizischen Autonomie, das heißt während der zweiten und dritten Periode des Rates (Erzbischof Szymonowicz, Mikołaj Romaszkan und Freiherr Ignacy Romaszkan im Herrenhaus, Jan Czajkowski, Franciszek und Emil Torosiewicz, Kajetan Agopsowicz, Kornel Krzeczunowicz, Krzysztof Bogdanowicz im Haus der Abgeordneten aus der Kurie der Großbesitzer).72 Im ersten Landtag Galiziens waren erst fünf Armenier vertreten.73 In den folgenden Perioden begann ihre Zahl anzusteigen. Das

71 Korespondencja Karola Szajnochy [Die Korrespondenz des Karl Szajnocha]. Hg. v. Henryk Barycz. Bd. 2. Wrocław 1959, 9. 72 Pijaj, Stanisław: Między polskim patriotyzmem a habsburskim lojalizmem. Polacy wobec przemian ustrojowych monarchii habsburskiej (1866 – 1871) [Zwischen politischem Patriotismus und habsburgischer Loyalität. Die Polen gegenüber dem Staatsformwandel der Habsburgermonarchie (1866 – 1871)]. Kraków 2003; Brzoza, Czesław/Stepan, Kamil: Reprezentacja polska w parlamencie wiedeńskim w latach 1848 – 1918 [Polnische Vertretung im Wiener Parlament in den Jahren 1848 – 1918]. In: Polacy w parlamencie wiedeńskim 1848 – 1918. Hg. v. Józef Buszko. Warszawa 1996, 353 – 362. – Seit 1907 war Władysław Wiktor Czjkowski aus einer reichen armenischen Familie aus Galizien ein Mitglied des Herrenhauses auf Lebenszeit. Pohorecki, Feliks: Czajkowski (Czaykowski) Władysław Wiktor. In: Polski słownik biograficzny 4 (1938), 160. 73 Erzbischof Grzegorz Szymonowicz als Virilist, Jan Czajkowski, Kajetan Agopsowicz und Kornel Krzeczunowicz als Abgeordnete der Großgrundbesitzer und Jakub Krzysztofowicz aus Stanisławów. Grodziski, Stanisław: Sejm Krajowy Galicyjski 1861 – 1914 [Der galizische Landtag 1861 – 1914]. Bd. 2. Warszawa 1993, 142 – 151.

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war eine Folge der von polnischen Gutbesitzern gestützten Programmtendenz, die Armenier bei den Wahlen der Abgeordneten zum galizischen Landtag zu berücksichtigen. Dieses Prinzip wurde so skrupellos durchgesetzt, dass einige Demokraten über diese ethnischen Kriterien sehr empört waren.74 Wie Robert Bogdanowicz 1884 mit Stolz feststellte, waren zu dieser Zeit bis zu zwölf Abgeordnete „aus unserem kleinen Kreis und unserer Nation“ im Landtag vertreten.75 Von den anderen galizisch-österreichischen Abgeordneten armenischer Herkunft in den folgenden Legislaturperioden sind besonders Aleksander Krzeczunowicz 76, Mikołaj Krzysztofowicz 77 und Eugeniusz Abrahamowicz 78 zu erwähnen. Im Landesausschuss Galiziens saßen in den Jahren 1861 – 1913 sechs Armenier: Kornel Krzeczunowicz (1861 – 1867), Michał Jan Czajkowski 79 (Vizemitglied 1875 – 1877), Dawid Abrahamowicz (Vizemitglied 1876 – 1877), Alfons Czajkowski (Vizemitglied 1878 – 1883), Edward Jędrzejowicz (1889 – 1899) und Stanisław Jędrzejowicz (Vizemitglied 1898 – 1913)80. Als „wahre Gottheit“ des galizischen Adels galt besonders Kornel Krzeczunowicz, ein polnischer Spezialist für Steuerpolitik. Zeitweise wurde sein Verdienst höher als das des Agenor Gołuchowski gewertet, der allgemein als der Begründer der Autonomie galt.81 In die höchsten Bereiche der österreichischen Hierarchie gelangten Dawid Abrahamowicz 82 (1893 – 1897 Vizepräsident des Abgeordnetenhauses des Reichsrates, 1897 Präsident des Hauses, 1906/1907 Vorsitzender des Polenklubs im Reichsrat, 1907 – 1909 Minister für Galizien) und Adam Jędrzejowicz (Minister für Galizien 1898/1899).83 Landbesitzer armenischer Herkunft saßen außerdem in Führungspositionen zentraler Institutionen im Finanz- und Bankwesen und in der Selbstverwaltung Galiziens. Daneben spielten sie in der territorialen Selbstverwaltung vor allem auf Kreisebene eine große Rolle. Es gab praktisch keinen Bereich des öffentlichen Lebens im autonomen Galizien, in dem 74 Dziennik Polski 194, 20. 08. 1873, 1 f. 75 Bogdanowicz, Kwestia Kościoła ormiańskiego (wie Anm. 38), 39. – Im Landtag dieser Legislaturperiode saßen insgesamt zwölf Armenier. Aus der ersten Kurie der Großgrundbesitzer: Erzbischof Izaak Isakowicz (Virilist), Alfons Czaykowski, Emil Torosiewicz, Edward Jędrzejowicz, Dawid Abrahamowicz, Freiherr Jan Kapri; aus der vierten Kurie der Landgemeinden: Stefan Moysa-Rosochacki (rückte 1888 nach dem Rücktritt des anderen Abgeordneten nach), Aleksander Łukasiewicz, Mikołaj Antoniewicz, Bolesław Augustynowicz, Adam Jędrzejowicz, Stanisław Jędrzejowicz. Grodziski, Sejm (wie Anm. 73), 176 – 183. Über verwandtschaftliche Verbindungen gehörten noch weitere Abgeordnete (z. B. Filip Zaleski) zur armenischen Gruppe. 76 Zdrada, Jerzy: Krzeczunowicz Aleksander. In: Polski słownik biograficzny 15 (1970), 510 f. 77 Ders.: Krzysztofowicz Mikołaj. In: Polski słownik biograficzny 15 (1970), 567. 78 Tyrowicz, Marian: Abrahamowicz Eugeniusz. In: Polski słownik biograficzny 1 (1935), 10 f. 79 Ders.: Czajkowski (Czaykowski) Michał Alfons. In: Polski słownik biograficzny 4 (1938), 159. 80 Grodziski, Sejm (wie Anm. 73), 225 – 239. 81 Als Agenor Gołuchowski ein Denkmal errichtet werden sollte, meinten einige, man solle lieber Krzeczunowicz ehren, „weil er mit der Regierung keift, die uns hoch besteuern wollte“. ­Bogdanowicz, Kwestia Kościoła ormiańskiego (wie Anm. 38), 40. 82 Starzyński, Stanisław: Abrahamowicz Dawid. In: Polski słownik biograficzny 1 (1935), 9 f. 83 Buszko, Józef: Jędrzejowicz Adam. In: Polski słownik biograficzny 11 (1964 – 1965), 238 f.

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keine Armenier saßen, und das in einer Zeit, in der erneut eine historische politische Schicht regierte – der polnische Adel. Die Hierarchie des öffentlichen Lebens war von diesem abhängig; die historischen nationalen Eliten hatten die armenischen Aufsteiger akzeptiert. Bei der Diskussion der Stellung der Armenier in der galizischen Politik darf ein weiterer Aspekt nicht vernachlässigt werden, der für die öffentliche Meinung sehr wichtig war: die Teilnahme an den großen nationalen Kampagnen zur Verankerung eines polnischen Nationalbewusstseins in plebejischen Schichten. Hier tat sich besonders der Priester Karol Antoniewicz hervor, der nach den von Bauern verübten Massakern an Adeligen im Jahr 1846 die ungewöhnlich riskante Rolle eines Missionars in den polnischen Dörfern Westgaliziens übernommen hatte. Da er bei den Bauern einen Wandel in der den polnischen nationalen Zielen gegenüber äußerst feindseligen Gesinnung erreichen konnte, wurde er als nationaler Prophet angesehen, zumal er Ähnliches auch bei den polnischen Bauern im preußischen Schlesien und Großpolen erreichte.84 Józef Nikorowicz 85 war der Verfasser der Melodie eines der populärsten Volkslieder dieser Zeiten, dem Chorał (Choral) zu den Worten von Kornel Ujejski, der ebenfalls im Zusammenhang mit dem Massaker von 1846 entstanden war. Integrierend wirkten auch die Aktivitäten gesellschaftlicher Vereine, die die Bewohner Galiziens versammelten, wobei Beruf oder gemeinsame Interessen und nicht ethnische Herkunft entscheidend waren. Gewöhnlich wurde in diesen Vereinen die polnische Sprache gesprochen und Polen dominierten in der Leitung. Es handelte sich vor allem um wirtschaftliche Vereinigungen von Grundbesitzern, wie z. B. die „Galizische Wirtschaftsgesellschaft“ (Galicyjskie Towarzystwo Gospodarskie), philanthropische Vereinigungen wie die „Wohltätige Gesellschaft in Krakau“ (Towarzystwo Dobroczynności w Krakowie), Berufsvereinigungen wie die „Gesellschaft für gegenseitige Hilfe privater Gutsverwalter“ (Towarzystwo Wzajemnej Pomocy Oficjalistów Prywatnych) oder der „Allgemeine Beamtenverein der Österreichisch-Ungarischen Monarchie“ (Stowarzyszenie Urzędników Monarchii Austro-Węgierskiej), künstlerische Vereinigungen wie der „Galizische Musikverein zu Lemberg“ (Galicyjskie Towarzystwo Muzyczne we Lwowie) oder wissenschaftliche Vereinigungen wie die „Gesellschaft zur Förderung der polnischen Wissenschaft zu Lemberg“ (Towarzystwo dla Popierania Nauki Polskiej we Lwowie) und die „Akademie der Gelehrsamkeit in Krakau“ (Akademia Umiejętności w Krakowie).86 84 Speil, Ferdinand: Karl Antoniewicz. Breslau 1875; Badeni, Jan: Ksiądz Karol Antoniewicz. In: Przegląd Powszechny 40 – 51 (1893 – 1896); Inglot, Marek: Karol Antoniewicz. Kraków 2001, 41 – 70; Ziejka, Franciszek: Ksiądz Karol od Krzyża (ks. Karol Bołoz Antoniewicz: kapłan-misjonarz-poeta) [Der Priester Karl vom Kreuz (der Priester Karl Bołoz Antoniewicz: Geistlicher – Missionar – Dichter)]. In: Biuletyn Ormiańskiego Towarzystwa Kulturalnego 58/59 (2009), 6 – 26. 85 Kośćiów, Zbigniew: „… Cała Polska drżała w tym śpiewie“ [„… Das ganze Polen zitterte in diesem Gesang“]. In: Tygodnik Powszechny 32 (1983), 5. 86 Bal, Stanisław: Towarzystwo Wzajemnej Pomocy Oficjalistów Prywatnych [Gesellschaft für gegenseitige Hilfe privater Gutsverwalter]. Lwów 1893; Pamiętnik Zjazdu Kobiet Polskich odbytego w dniach 11 i 12 maja 1913 [Memoiren des polnischen Frauenkongresses, stattgefunden am 11. und 12. Mai

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Die integrierende Funktion der polnischen Sprache und der auf ihr basierenden Kultur ist nicht zu unterschätzen. Die kosmopolitischen Aspekte dieser Kultur, das sogenannte „Franzosentum“, berührten die armenische Intelligenz und den armenischen Landadel, während die deutsche Sprache in diesem Kreis zwar bekannt war, aber kein besonderes Interesse erregte. Die Bibliotheken einiger armenischer Haushalte enthielten Werke der polnischen Literatur, populäre Jahrbücher und Zeitschriften,87 es gab auch Sammlungen nationaler Kunst. Stiftungen aus derartigen Sammlungen versorgten polnische Büchereien und Museen. Der Anteil von Armeniern an der Entwicklung der polnischen Literatur und Kunst im 19. Jahrhundert war beträchtlich, auch wenn es sich in den meisten Fällen um Bereiche der Volkskultur handelte. Zu erwähnen sind hier Grzegorz Ignacy Szadbey (polnische Poesie)88, Tomasz Minasowicz (Kinderliteratur)89, Mikołaj Bołoz-Antoniewicz, genannt „Mikołaj z Pokucia“ [Mikołaj aus Pokutien] (patriotische Poesie und Drama)90, Karol Mikuli (Choralmusik, Klavier und musikalische Erziehung)91, Józef Nikorowicz 92, sein Sohn Ignacy (Zeitschriftenliteratur und -humor, szenisches Theater)93, Kajetan Abgarowicz, genannt „Abgar Sołtan“ (Prosa zum Leben des Adels Podoliens)94, Karol Bołoz-Antoniewicz (religiöse

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1913]. Kraków 1913, 106; Głębocki, Józef Teodor: Kronika ważniejszych wydarzeń i postanowień w Towarzystwie począwszy od roku 1816 aż do końca r. 1867 doprowadzona [Die Chronik der wichtigeren Ereignisse und Entschlüsse in der Gesellschaft]. Kraków 1868. Szocki, Józef: Księgozbiory domowe w Galicji wschodniej (1772 – 1918) [Häusliche Buchsammlungen in Ostgalizien]. Kraków 2001, 187, 190, 193 f., 199 – 202, 230 – 232, 284 f., 290 f., 300. Barącz, Sadok: Żywoty sławnych Ormian w Polszcze [Das Leben berühmter Armenier in Polen]. Lwów 1856, 299 – 303; Zbiór poetów polskich XIX wieku [Sammlung der polnischen Dichter des 19. Jahrhunderts]. Bd. 1. Hg. v. Paweł Hertz. Warszawa 1959, 813 f. Minasowicz, Tomasz: Bajki, powiastki i wierszyki moralne dla dziatek różnego wieku [Fabeln, Erzählungen und Moraldichtungen für Kinder verschiedenen Alters]. Warszawa 1857. Viele Informationen bei seinem Freund Pol, Wincenty: Pamiętniki [Memoiren]. Hg. v. Karol Lewicki. Kraków 1960, 351, 357 – 361; Kohn, Gothilf: Rocznik Samborski. Wydawnictwo na cele dobroczynne samborskie [Samborer Jahrbuch. Veröffentlichung für die Wohltätigkeit von Sambor]. Bd. 9. Sambor 1885; Rocznik Dziesięcioletni [Jahrbuch des Jahrzehnts]. Sambor 1886 – 1887, 262 – 282. Niewiadomski, Stanisław: Karol Mikuli. Wspomnienie pośmiertne [Karl Mikuli. Erinnerung nach dem Tode]. In: Dziennik Polski 151 (1987), 1 f.; Liebhardt, Hans: Carol Miculi und Karl Filtsch. In: Neuer Weg 287. Wochenbeilage Kunst und Literatur (1960)., Lissa, Zofia: Mikuli Karol (1819 – 1897). In: Polski słownik biograficzny 21 (1976), 172 f. Nikorowicz, Józef: Szkice dramatyczno-muzykalne (poświęcone Helenie Modrzejewskiej), nuty Ignacy Wolski, oprawa ozdobna [Dramatisch-musikalische Skizze (Helena Modrzejewska gewidmet), Noten von I. Wolski, geschmückter Einband]. Kraków, 1872., Chłędowski, Kazimierz: Pamiętniki [Memoiren]. Bd. 1: Galicja (1843 – 1880). Hg. v. Antoni Knot. Kraków 1957, 298 – 300. Turowicz, Marian: Nikorowicz Ignacy. In: Polski słownik biograficzny 23 (1978), 124 f.; Zeszyty Prasoz­ nawcze 17 (1976), 127 f.; Krzyżewski, Tadeusz: Weterani lwowskiego czasopiśmiennictwa humorystycznego [Veteranen der humoristischen Presse Lembergs]. In: Rocznik Historii Czasopiśmiennictwa Polskiego XV/2 (1976), 171 – 204, hier 181, 183, 196, 204. Bar, Adam: Abgarowicz Kajetan. In: Polski słownik biograficzny 1 (1935), 4 f.

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­ ichtkunst, Autor des sehr bekannten Liedes „Chwalcie łąki umajone“), Leon Theodorowicz D (Redakteur literarischer und humoristischer Presse, u. a. „Szczutek“)95, Adolf Abrahamowicz (ein ausgezeichneter Humorist, dessen Stücke zum Repertoire der Parktheater aller polnischen Städte in allen drei Teilen des geteilten Polens gehörten)96, Stanisław Barącz (ein blinder Dichter aus Lemberg)97, Theodor Axentowicz (Künstler, Maler, Mitbegründer der Gesellschaft „Sztuka“, welche die Antwort auf die Wiener „Sezession“ war)98, Aleksander Augustynowicz (Porträtmaler)99, Kajetan Stefanowicz (Maler und Dekorateur)100, Tadeusz Barącz (Bildhauer, u. a. Schöpfer des Denkmals König Jan III. Sobieskis in Lemberg)101, Jerzy Krzysztofowicz (Künstler, Fotograf )102, und Jan Bołoz-Antoniewicz (Kunst- und Literaturhistoriker)103. Diese armenischen Künstler, Musiker und Literaten waren in den meisten Fällen mit der polnischen Literaturszene dieser Zeit verbunden, ihren Koryphäen, Herausgebern und Pressetribunen; sie beteiligten sich am Leben der Literatur- und KunstBoheme von Lemberg und Krakau. Ihre Werke und Stücke wurden in allen Regionen des geteilten Polens verbreitet; ebenso im sogenannten vierten Landesteil Polens, also unter den Polen Nordamerikas (das Kościuszko-Denkmal in Chicago von Tadeusz Baracz, patriotische Poesie von Marie Bołoz-Antoniewiczowa in polnischen Zeitungen der USA, Kazimierz ­Głuchowski  104 als Redakteur vieler dieser Zeitungen).105

95 Krzyżewski, Weterani lwowskiego (wie Anm. 93), 203. 96 Bar, Adam: Abrahamowicz Adolf. In: Polski słownik biograficzny 1 (1935), 9; Feldmann, Wilhelm: Piśmiennictwo polskie z ostatnich lat dwudziestu [Polnische Literatur der letzten zwanzig Jahre]. Bd. 1. Lwów 1902, 127; Nowakowski, Andrzej: Ruszkowski Ryszard (1856 – 1898). In: Polski słownik biograficzny 33 (1991 – 1992), 194. – Mit Lucjan Kwieciński hat Abrahamowicz 1894 das Stück „Adwokat bez klientów“ [Rechtsanwalt ohne Klienten] geschrieben, mit Ryszard Ruszkowski die Komödien „Nihiliści“ [Nihilisten] (1884), „Mąż z grzeczności“ [Ehemann der Höflichkeit] (1885, tschechische, deutsche und russische Übersetzung) und weiteres bis 1891, dem Jahr des von Kritikern verursachten Auseinandergehens der Autoren. 97 Zbiór poetów polskich XIX wieku. Bd. 4. Hg. v. Paweł Hertz. Warszawa 1965, 471. 98 Bednarski, Tadeusz Z.: Krakowskim szlakiem Teodora Axentowicza [Auf dem Krakauer Weg, Teodor Axentowicz’]]. Kraków 2004. 99 Donigiewicz, Stanisław: 50-letni jubileusz twórczości artystyczno-malarskiej Aleksandra ­Augustynowicza 1886 – 1936 [Fünfzigjähriges Jubiläum der Kunstmalerei von Aleksander ­Augustynowicz 1886 – 1936]. In: Gregoriana 1 – 2 (1937), 43 – 47. 100 Stopka, Krzysztof: Stefanowicz Kajetan. In: Polski słownik biograficzny 43 (2004 – 2005), 207 – 210. 101 D’Abancourt, Helena: Barącz Tadeusz (1849 – 1905). In: Polski słownik biograficzny 1 (1935), 292 f. 102 Danecka, Tatiana/Sobota, Adam: Fotografia we Lwowie do roku 1939. Muzeum Narodowe we Wrocławiu. Październik–Listopad 1991 [Fotografie in Lemberg bis zum Jahre 1939. Nationalmuseum in Wrocław. Oktober–November 1991]. Wrocław 1991, 25, 69. 103 D’Abancourt, Helena: Antoniewicz Jan Bołoz. In: Polski słownik biograficzny 1 (1935), 137 – 139; Boloz Antoniewicz, Die Armenier (wie Anm. 1), 440 – 463. 104 Haiman, Mieczysław: Głuchowski Kazimierz. In: Polski słownik biograficzny 8 (1959 – 1960), 134. 105 Zbiór poetów polskich XIX wieku. Bd. 3. Hg. v. Paweł Hertz. Warszawa 1962, 995; ebd. Bd. 6. ­Warszawa 1975, 26; Kohn, Gothilf: Rocznik Samborski. Wydawnictwo na cele dobroczynne samborskie

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Das Auftreten der Armenier mit gleichen Rechten zunächst in der städtischen Gesellschaft, danach in Landadel und Intelligenz, führte zur Überwindung mentaler Barrieren, die sie von den Polen trennten. Das war kein leichter Prozess; er erforderte den Abbau von Stereotypen und Vorurteilen. Die Armenier wurden als Gruppe wahrgenommen, obwohl sie als Individuen in gesamtgalizische gesellschaftliche Schichten eintraten. Selbst als sie schon akzeptiert waren, wurden sie lange als „schlechtere Art von Polen“ angesehen.106 Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts behaupteten einige mit Neid, dass „in Lemberg die Armenier fast zur Aristokratie zählen“.107 Das Stereotyp der Armenier im polnischen Galizien bezog sich auf ihre praktische Veranlagung und ihre Konzentration auf materielle Aspekte des Lebens, was als Habsucht, Besitzgier und fehlendes Interesse an höherer Kultur gedeutet wurde. Im 19. Jahrhundert wurden Armenier verächtlich als „kobzan“ bezeichnet, von „kabza“ (Geldbeutel). Am pokutisch-podolischen Rand Ostgaliziens trafen Armenier auf die provinzielle Art der polnischen Kultur; die dortige polnische Sprache und die Bräuche, mit denen sie sich identifizierten, waren für Krakauer oder Lemberger Polen eine Art Folklore voller Absurditäten, wenn auch sehr typisch für gutartige und geradlinige Provinzler.108 Das Äußere der Armenier (Teint, Gesichtszüge, charakteristische Gestalt) unterstrich trotz ihrer formalen Assimilation und faktischen Akkulturation ebenfalls die Andersartigkeit der Armenier. Die Akzeptanz dieser neuen Personen durch die polnischen Eliten begleitete ironischer Protektionismus. Es entstanden ethnisch geprägte Witze über die Armenier; da sie jedoch öffentlich unter den gesellschaftlichen Eliten kursierten, hatten sie eher sublimeren Charakter als der Typ der „ethnic jokes“. Beispiele für dieses Phänomen finden sich in großer Zahl: Die Namen des neuen polnischen Adels armenischer Herkunft leiteten sich von männlichen Rufnamen ab: ­Antoniewicz, Abrahamowicz, Dawidowicz, Isakowicz, Krzysztofowicz, Teodorowicz. Dies führte wiederholt zu einem bissigen Kommentar, den die Ehefrau des Premiers Alfred Potocki, eine geborene Prinzessin Sanguszko, in Umlauf brachte: „weiter im Kalenderbuch,

[Samborer Jahrbuch. Veröffentlichung für die Wohltätigkeit von Sambor]. Bd. 7. Przemyśl 1883 – 1884, 67 – 75; ebd., Bd. 11. Sambor 1887 – 1888, 286 f. 106 Über den Abstammungskomplex in der Familie des Statthalters Galiziens, Leon Piniński: „[D]en Pinińskis war diese armenische Abstammung der Mutter ungelegen, weil die Armenier noch damals als schlechtere Art von Polen angesehen wurden.“ Chłędowski, Kazimierz: Pamiętniki [Memoiren]. Bd. 2: Wiedeń (1881 – 1901). Hg. v. Antoni Knot. Kraków 1957, 54. 107 Nahlik, Stanisław E.: Przesiane przez pamięć [Durch das Gedächtnis gesiebt]. Bd. 1. Kraków 1987, 230. 108 Kremer, Antoni: Słowniczek prowincjonalizmów podolskich [Kleines Wörterbuch der podolischen Regionalismen]. In: Roczniki Towarzystwa Naukowego Krakowskiego. Reihe 3, Bd. 18 (41). Kraków 1870, 204; Parylak, Piotr: Prowincjonalizmy mowy polskiej w Drohobyczu i jego okolicach [Regionalismen der polnischen Sprache in Drohobycz und Umgebung]. In: Zbiór wiadomości do antropologii krajowej 1 (1877), 69; Kurzowa, Zofia: Polszczyzna Lwowa i kresów południowo-wschodnich do 1939 roku [Die polnische Sprache Lembergs und der südöstlichen Gebiete]. ­Warszawa 1985, 186.

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wie im Wappenbuch“. Über die Familie Torosiewicz und Wartorosiewicz wurde folgende Anekdote erzählt: Zur Zeit des Aufenthaltes Kaiser Franz Josefs in Galizien wurden ihm zwei Armenier vorgestellt, zuerst Torosiewicz und danach Wartorosiewicz. Daraufhin bemerkte der Kaiser: ein besonderes Land. Der eine ist Torosiewicz, der andere war ­Torosiewicz, was ist er jetzt? Erzählt wurde auch, dass sich armenische Mütter „durch besondere Güte“ auszeichneten, da sie ihren Söhnen auf dem Weg zur Schule sagten: „Kind, übermüde dich nicht!“ Belustigend, jedoch charakteristisch für fremde einfache Leute war die Ermunterung zum Essen bei Besuchen und auch die Sprache der Neureichen galt als überaus komisch. Viele charakteristische Persönlichkeiten aus dem armenischen Umfeld waren besonders beliebte Objekte für Witze, beispielsweise der Politiker Dawid Abrahamowicz. Kolportiert wurde die Erhebung eines zweideutigen Trinkspruchs durch Wojciech Dzieduszycki, den bekannten Humoristen, unter galizischen Aristokraten: „Auf die Damen, die Herren und dich, Dawid Abrahamowicz“, wobei das Gerücht über uneindeutige Sexualität dieses Politikers angedeutet wurde. Ein anderes Mal, während einer Diskussion im Landtag zu Investitionen in die Erdölindustrie Galiziens, bezeichnete einer der Diskutanten Abrahamowicz als „Anhänger der flachen Bohrungen“, was die Zuhörer nicht nur auf die Förderung von Erdöl bezogen. Die dynamische und politisch leicht erregbare Politik des Erzbischofs Teodorowicz war ein häufiges Objekt bissigen galizischen Humors. Man glaubte, dass er nicht besonders gut Deutsch spreche, und erzählte sich, dass er Exerzitien für fromme Frauen in Wien statt mit „meine Damen“ mit den Worten „Meine Frauen“ begänne.109 Die armenische Solidarität erweckte Widerwillen, ihr wurde politische Intrige und Vetternwirtschaft als Motiv unterstellt. Weil unter Politikern Ostgaliziens jene Armenier dominierten, die Agenor Gołuchowski und später auch die konservative polnische Partei der sogenannten Podolaken unterstützten, wurde ihnen das Stereotyp des „hinterlistigen Armeniers“, des „typisch verbissenen neuen Menschen“ und des „armenischen Schwindlers“ vorgehalten. Die Fraktionsgegner von Filip Zaleski und Leon Piniński bezogen diese Stereotype besonders auf deren armenische Verwandtschaft.110 Das alles waren jedoch nur durch politische Emotionen oder Snobismen hervorgerufene Episoden. Grundsätzlich wandelte sich die öffentliche Meinung zu den Armeniern ins Positive. Hintergrund dieser Einstellung waren Helden und Motive aus der großen oder der populären polnischen Literatur („Herr“ der Armenier in „König Geist“ von Juliusz S­ łowacki, Armenier in den historischen Romanen von Henryk Sienkiewicz, Michał Czajkowski, Józef Ignacy Kraszewski oder Władysław Łoziński). Im Ergebnis wurden die Armenier zunehmend als über 100-prozentige Polen armenischer Konfession wahrgenommen, und das nicht nur von den Polen, sondern auch von

109 Solłowijowa, Maria: Ormianie [Armenier]. Maschinenschrift im Besitz des Autors. 110 Monitor R. XIV /18 (1908). Zaleskis armenisches „breites, hässliches Gesicht“ erwähnt auch ­Chłędowski, Pamiętniki (wie Anm. 92), Bd. 1, 206; ebd., Bd. 2, 54.

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den anderen Minderheiten Galiziens. Im Verdikt der öffentlichen Meinung wurde also eine völlige Integration der Armenier in das Polnische angenommen. Integriert hatten die Armenier auch Anteil am öffentlichen Prestige und erhielten die formalen Bestätigungen für die gesellschaftliche Achtung durch die nationalen Eliten: Adelstraditionen, Titel, Auszeichnungen oder öffentliche Begleitung. Armenische nobilitierte Familien versuchten, indem sie polnischen Adel nachahmten, ihren sozialen Aufstieg durch die mittelalterlichen Wurzeln ihres Adels zu begründen, die älter als Kaiserentscheidungen aus der Habsburgerdynastie waren. Die neue österreichische Nobilität war nicht nur in Galizien in der polnischen Meinung Gegenstand öffentlichen Spotts („galizische Grafen“), daher wurden genealogische Mythen erdacht, die auf die Zeit der antiken Armenier, auf Kreuzzüge, große Schlachten wie bei Tannenberg und Varna und normannische Angriffe zurückführten. Es war dies der Versuch, sich die Gnade der polnischen „Snobs“ zu erwerben; bei dem sachlichen Teil der Öffentlichkeit erwarben die Armenier Anerkennung, indem sie sich auf die Denker der Aufklärung armenischer Herkunft (Grzegorz Piramowicz, Józef Epifanii Minasowicz) und sogar auf die Renaissancedenker (Szymon Szymonowic, Bartłomiej Zimorowic) beriefen, obwohl es sich im zweiten Fall um reine Konstruktionen handelte. Auch zeitgenössische kulturelle Errungenschaften wurden mit besonderen Huldigungen der polnischen Gesellschaft belohnt: Józef Nikorowicz auf dem Gebiet der patriotischen Musik, Ignacy Łukasiewicz für sein Engagement für die galizischen Erdölfelder 111, Karol Bołoz-Antoniewicz als Mitbegründer der religiösen Kultur oder armenische Erzbischöfe (Samuel Cyryl Stefanowicz, Izaak Isakowicz, Józef Teodorowicz) als Prediger und Beichtväter nicht nur von Armeniern. Die Bestattungsfeierlichkeiten wichtiger Personen nach armenischem Ritus (z. B. 1897 das Begräbnis des Musikers Karol Mikuli) waren Manifestationen dieses neuen gesellschaftlichen Prestiges dieser Gruppe. In der Topografie von Lemberg erschienen neben der ehemaligen Armenischen Straße neue (Straßen-)Namen, die verdienten Armeniern gewidmet waren: Torosiewicz-Straße, Łukasiewicz-Straße, Erzbischof-Isakowicz-Straße oder Szymonowicz-Straße. In Stanisławów dagegen entstand eine Antoniewicz-Straße.

111 Tomanek, Ludwik: Ignacy Łukasiewicz twórca przemysłu naftowego w Polsce, wielki inicjator i wielki jałmużnik [Ignacy Łukasiewicz, ein Begründer der Erdölindustrie in Polen, ein großer Initiator und ein großer Wohltäter]. Miejsce Piastowe 1928.

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4. Die Verhaltensstrategie der Ethnien in der modernisierenden Gesellschaft 4.1. Der ethnische Horizont Die erste polnische Teilung zerstörte die Bindungen der galizischen Armenier zu ihren in Polen verbliebenen und somit nach der dritten Teilung zu Russland gehörenden Landsleuten nicht. Die Beziehungen von Familien und kirchlicher Jurisdiktion blieben erhalten. Erst nach dem Krieg von 1809 gründete Zar Alexander I. für seine armenischen Katholiken in Mohylów Podolski (Mogiliv-Podil’s’kij, Mogilew-Podolski) am Dnjestr ein eigenes Bistum, welches einige Jahrzehnte bestand.112 Zamość, die zweite historische Gemeinde der polnischen Armenier befand sich damals im Herzogtum Warschau. Nach dem Wiener Kongress (1815) verschwanden rasch außergalizische Gemeinschaften der polnischen Armenier (Zamość, Warschau im Königreich Polen 113, Kamieniec Podolski [Kam’janec’-Podil’s’kij, Kamenec-Podolski] und Mohylów in Russland), einmal durch Polonisierung, aber auch durch Migration. Die polnischen Armenier aus Russland wanderten nach Galizien und in die Bukowina aus. Die österreichische Politik begünstigte diesen Prozess.114 Es handelte sich um freiwillige ethnische Reinigungsprozesse (ethnic cleansing) von unten, dem Volk ausgehend, angepasst an die neuen politischen Grenzen. Der Horizont der Wahrnehmung der armenischen Gemeinschaft umfasste noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Armenier in Russland, unter diesen auch jene auf der Krim (Mission des Erzbischofs von Lemberg auf der Krim 115), die Armenier in der Türkei, der Moldau und der Walachei. Aber schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verlor die armenische Bevölkerung Galiziens die Kontakte nach Osten. Sie verlor auch ihre Rolle unter den Armeniern in Siebenbürgen, für die das religiös-kulturelle Zentrum nicht länger Lemberg, sondern Wien war (Mechitaristen). Im 19. Jahrhundert endeten auch die Kontakte mit den Armeniern in der Moldau und der Walachei. Die galizischen Armenier standen jedoch im engen Kontakt mit den Gemeinschaften in der Bukowina, welche teilweise das Ergebnis der Migrationen aus Galizien, Russland, Siebenbürgen und den rumänischen Ländern waren. Die Sprache wurde immer seltener als Identitätsfaktor verstanden, sie verschwand selbst bei dem armenischen Klerus, der eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der Traditionen und Identität der Armenier spielte.

112 Petrowicz, Gregorio: La chiesa armena in Polonia. Roma 1971, 256 – 266, 285 – 292, 328 – 332, 362 – 369. 113 Die armenischen Gemeinden Warschaus und ihr Zerfall im 19. Jh. wurden noch nicht wissenschaftlich analysiert. Der erste ernstere Versuch in diese Richtung ist: Tryjarski, Edward: Ormianie w Warsza­ wie. Materiały do dziejów [Armenier in Warschau. Materialien zur Geschichte]. Kraków 2001. 114 Chotkowski, Historia polityczna Kościoła (wie Anm. 22), Bd. 1, 309. 115 Zachariasiewicz, Wiadomość (wie Anm. 2), 57; Petrowicz, L’Unione degli Armeni (wie Anm. 19), 205 – 214.

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Etschmiadsin, Armenien, hörte auf, ein Bezugspunkt für die Gläubigen des armenischen Ritus in Galizien zu sein.116 Diesen Platz nahmen Rom und die katholische Welt ein. Paradoxerweise bot auch Rom gewisse Möglichkeiten, den ethnischen Horizont der armenischen Katholiken in der ­Diaspora zu erweitern. Wie schwierig dies jedoch für einen Armenier aus Galizien war, belegt das Beispiel des Erzbischofs Grzegorz Szymonowicz auf dem ersten Vatikanischen Konzil von 1870. Der Lemberger Würdenträger konnte keine sprachlichen Kontakte zu einem der 27 Würdenträger desselben Ritus aus dem Nahen Osten knüpfen.117

4.2. Kollektives Gedächtnis Vor der ersten Teilung kam es zu einer Belebung des Interesses an der Geschichte der armenischen Minderheit als Ergebnis des Wirkens der aufgeklärten Intellektuellen, das jedoch nicht von den ethnischen Führern unterstützt wurde. Józef Epifanius Minasowicz beispielsweise konnte die armenische Gemeinde von Lemberg nicht überzeugen, seine Geschichte der Armenier in Polen herauszugeben.118 In den kirchlichen Kreisen und bei den Älteren erhielt sich jedoch das kollektive Gedächtnis als Quelle von Informationen über die Geschichte der galizischen Armenier für Historiker von außerhalb der Gruppe (Tadeusz Czacki, ­Hovhannes Zohrab, Minas Bžškeanc’). Zu Beginn des 19. Jahrhunderts unternahm der Priester Mikołaj Moszoro, ein ambitionierter Kandidat für das Amt des Erzbischofs und später Administrator des katholisch-armenischen Bistums in Mohylów Podolski, erste Versuche einer armenischen Historiografie.119 Der damalige Erzbischof Kajetan Augustyn Warteresiewicz sammelte Armenica und bereitete ein Wörterbuch der armenischen Sprache vor. Mit der Zeit ging das Interesse daran jedoch verloren. Das Schicksal der Archivalien blieb unbeachtet, sie verkümmerten, gelangten als Geschenk in private Hände oder in öffentliche Sammlungen. Einige gelangten zu den Czacki, andere wurden dem Ossolineum 120 geschenkt oder erreichten die Mechitaristen in Wien und Venedig.121 116 Zachariasiewicz, Wiadomość (wie Anm. 2), 63, 70 f.; Polek, Die Armenier (wie Anm. 1), 12 – 43; Lepecki, Henryk: Działalność kolonizacyjna Marii Teresy i Józefa II w Galicji, 1772 – 1790 [Die Koloni­sationstätigkeit Maria Theresias und Josephs II. in Galizien, 1772 – 1790]. Lwów 1938, 36. 117 Bogdanowicz, Kwestia Kościoła ormiańskiego (wie Anm. 38), 13. 118 Zachariasiewicz, Wiadomość (wie Anm. 2), 35. 119 Historia krótko zebrana o narodzie i królestwie ormiańskim […] wydana w ormiańskim języku […] i na polski przetłumaczona [Eine kurze gesammelte Geschichte über die Nation und das armenische Königtum … in armenischer Sprache herausgegeben und ins Polnische übersetzt]. Czartoryski Bibliothek, Krakau, 2298 I. 120 Mańkowski, Tadeusz: Archiwum lwowskiej katedry ormiańskiej [Das Lemberger armenische Domarchiv]. In: Archeion 10 (1932), 1 f.; Jaworski, Franciszek: Lwowskie znaki biblioteczne we Lwowie 1907 [Die Lemberger Bibliothekszeichen in Lemberg 1907]. Lwów 1907, 60 f. 121 Zachariasiewicz, Wiadomość (wie Anm. 2), 69.

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Mitte des 19. Jahrhunderts kam es als Rezeption der Romantik in der Gruppe zu einer Belebung des Interesses an ihrer Vergangenheit.122 Es zeigte sich, dass einige reiche armenische Familien armenische Sammlungen besaßen (Bernatowicz und Antoni Teodorowicz in Lemberg, August Teodorowicz in Lubień Wielki [Welykyj Ljubin]).123 Es erschienen manche Erneuerer des kollektiven Gedächtnisses, vor allem Geistliche des lateinischen Ritus, jedoch armenischer Abstammung (der Jesuit Karol Bołoz-Antoniewicz, der lateinische Bischof von Przemyśl Franciszek Ksawery Zachariasiewicz und besonders der Dominikaner Sadok Barącz, Autor noch heute zitierter und gelesener Arbeiten).124 Lediglich Robert Rosco-Bogdanowicz war ein reicher Gutsbesitzer.

4.3. Identitätsfragen: Die Wahl von Strategie und Richtung der Integration Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts finden wir keine Hinweise auf ein größeres Interesse der galizischen Armenier an ihrer eigenen Identität, Reflexionen zu diesem Thema nahmen keine öffentliche Form an.125 In den Hirtenbriefen der armenischen Erzbischöfe aus dieser Zeit fehlen Verweise auf ihre ethnische Tradition. Der Wandel der Identität der armenischen Minderheit vollzog sich fast im Verborgenen, zeigte sich jedoch in den 1860er-Jahren, als die öffentliche Meinung der Armenier von der „Stimme an die 122 Barącz, Sadok: Sobieski i Ormianie [Sobieski und die Armenier]. In: Dziennik Literacki 21 – 22 (1854). 123 Chwalewik, Edward: Zbiory polskie […] w ojczyźnie i na obczyźnie [Die polnischen Sammlungen im Vaterland und in der Fremde]. Bd. 1. Warszawa-Kraków 1926, 348, 428. 124 Antoniewicz de Bołos, Karol: Uczeni Europy pod względem Armenii [Die Gelehrten Europas im Hinblick auf Armenien]. Słowianin 2 (1839), 130; Zachariasiewicz, Wiadomość (wie Anm. 2); Barącz, Sadok: O rękopisach kapituły ormiańskiej lwowskiej [Über die armenischen Handschriften des Lemberger armenischen Domkapitels]. In: Dziennik Literacki 2/34 (1853), 265 – 267; ebd., 2/35, 274 f.; 2/36, 283 f.; 2/37, 290; 2/39, 306 f.; 2/40, 314 f.; ders., Żywoty sławnych (wie Anm. 88); ders.: Pamiątki miasta Żółkwi [Andenken der Stadt Żółkiew]. Lwów 1852; ders.: Pamiętnik dziejów polskich z akt urzędowych lwowskich i rękopisów [Memoiren der polnischen Geschichte aus den Lemberger Amtsakten und Handschriften]. Lwów 1855; ders.: Pamiątki miasta Stanisławowa [Andenken der Stadt Stanisławów]. Lwów 1858; ders.: Pamiątki jazłowieckie [Andenken von Jazłowiec]. Lwów 1862; ders., Rys dziejów ormiańskich (wie Anm. 7); ders.: Pamiątki buczackie [Andenken von Buczacz]. Lwów 1882. – Über ihn: Knot, Antoni: Barącz Sadok Wincenty Ferariusz 1814 – 1892. In: Polski słownik biograficzny 1 (1935), 290 – 292; Theodorowicz, Leon: Ksiądz Sadok Barącz [Der Priester Sadok Barącz]. In: Posłaniec św. Grzegorza I/7 (1927), 5 f.; II/8 – 9 (1928), 13 – 16; Hambarcumian, Rafik: Sadok Baronczy – lehahajec patmutjun usumnasirogh [Forschung über die Geschichte der polnischen Armenier]. Erevan 1998. 125 Stopka, Krzysztof: Ormianie polscy w Galicji przed czasami arcybiskupa Teodorowicza: dyskusja na temat tożsamości [Die polnischen Armenier in Galizien vor den Zeiten Erzbischofs Teodorowiczs: eine Diskussion über Identität]. In: III Dni Kultury Ormiańskiej w Gliwicach: materiały informacyjne. Hg. v. Anna Olszańska, Teresa Olszańska und Maria Krzysztofowicz-Olszańska. Gliwice 2008, 13 – 24.

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Landsleute des armenisch-katholischen Ritus“126 erschüttert wurde. Die Identität des ersten Autors einer programmatischen Forderung für die polnischen Armenier, formuliert in einer die nationale Sache modernistisch begreifenden Sprache, ist bis heute nicht geklärt. Dies bezeugt offensichtlich, dass diese Schrift unter bestimmten Vorzeichen herausgegeben wurde. Sie erwies sich als so kontrovers, dass der Verfasser nicht aus dem schützenden Dunkel der Anonymität heraustreten wollte.127 Bezeichnend war auch, dass die Broschüre in der Zeit der Manifestationen des Patriotismus und der psychologischen Mobilisierung im Königreich Polen vor dem antirussischen Aufstand entstand. In diese Zeit fielen auch die Wandlungen unter den Juden des Habsburgerreiches. Diese strebten nun die Assimilierung mit Deutschen, Tschechen, Ungarn oder Polen an. Auch unter den Armeniern mehrten sich analog die Stimmen, die armenische Kirche zu verlassen und sich ganz den Polen zuzuwenden, verbunden mit lebhaften Diskussionen darüber, was polnische Nation für Ruthenen, Armenier oder galizische Juden bedeute. Die zentrale These, die damals auch unter polnischen Patrioten verbreitet wurde, lautete: eine politische nationalpolnische Idee kann die verschiedenen Ethnien und regionale Eigenarten vereinen.128 In dieser Schrift gibt es daher auch keine Andeutung, dass das Vaterland der galizischen Armenier, das sie bewohnen, der österreichische Staat sei oder sein sollte. Österreich schien nicht zu existieren, dagegen handelt die Schrift immer vom existierenden „Polen“. Der Verfasser war der Meinung, dass es keine Gründe gäbe, die galizischen Armenier als getrennte Nation anzuerkennen und den eigenen Namen zu behalten. Das armenische Element, schreibt er, „ist heute in Polen nur eine Leiche der schon vor Jahrhunderten ausgelöschten armenischen Nationalität, eine Leiche, die schon längst im Grabe der untergegangenen Nationen liegen sollte“.129 Weiter stellte er fest, dass „eine Nation in einer Nation nicht existieren und sich entwickeln könne“, versuche sie es dennoch, fände sie ihren Platz „auf einer untergeordneten Stelle“ oder „erweckt Abneigung und oft sogar Neid“.130

126 Torosiewicz, Głos do ziomków (wie Anm. 3). – Die Einkünfte aus dem Verkauf der Broschüre stiftete der Autor für ein Denkmal des verstorbenen Erzbischofs Stefanowicz [Czas 111 (1861)]. 127 Die Schrift wurde mehreren Personen zugeschrieben; Estreicher nennt Michał Torosiewicz. In: Bibliografia literatury polskiej [Bibliografie der polnischen Literatur]. Hg. v. Gabriel Korbut. Bd. 10., 373. – Ein Gutsbesitzer dieses Namens war um 1850 Eigner der Kleinstadt Sassów. Czesław Lechicki hingegen nennt nach Priester Dawid Dawidowicz als Autor Emil Torosiewicz, auch ein Gutsbesitzer und später Abgeordneter im galizischen Landtag [vgl. seinen Nekrolog in: Kraj 7 (1901), 22]. Auch Polen wurden als Autor genannt [Barącz, Rys dziejów ormiańskich (wie Anm. 7), 200] ebenso ein Mitglied der Familie Błażowski [Lechicki, Kościół ormiański (wie Anm. 7), 131]. 128 Zięba, Andrzej A.: Gente Rutheni natione Poloni. Z problematyki kształtowania się ukraińskiej świadomości narodowej w Galicji [Gente Rutheni natione Poloni. Aus der Problematik der Gestaltung des ukrainischen Nationalbewusstseins in Galizien]. In: Prace Komisji Wschodnioeuropejskiej PAU. Hg. v. Ryszard Łużny und Andrzej A. Zięba. Bd. 2. Kraków 1995, 61 – 77. 129 Torosiewicz, Głos do ziomków (wie Anm. 3), XII. 130 Ebd., XVI–XXVI.

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Diese Schrift rüttelte die Armenier wach und besonders in kirchlichen Kreisen war die Empörung gewaltig. Der Priester Izaak Mikołaj Isakowicz, damals noch armenischer Pfarrer in Tyśmienica, begann, sich mit den Thesen des anonymen Verfassers auseinanderzusetzen.131 Er verteidigte den armenischen Ritus sehr entschlossen, verabschiedete sich aber gleichzeitig auch von der Idee, eine eigene „Nation in der Nation“ zu schaffen, einen „schädlichen Separatismus“ zu bilden. Für Isakowicz war die armenische Identität genauso wichtig wie die polnische und er meinte, dass es zwischen ihnen keinerlei Konflikte gäbe.132 Die von Isakowicz vorgeschlagene Verhaltensstrategie war in Anbetracht der in der armenischen Bevölkerung überwiegenden Stimmungen realistisch und entsprach den Interessen der katholischen Kirche gegenüber dem christlichen Osten und gegenüber der polnischen Nation, besonders in Ostgalizien mit den vielen verschiedenen Riten. Eine radikale Abkehr vom armenischen Ritus würde bei einfachen Teilen der Gruppe, die in Kuty oder in Śniatyń immer noch in der ethnischen Kultur verankert waren, keine Unterstützung finden. Der armenische Ritus war die Brücke zum Polentum. Vor die Wahl gestellt, würde diese Volksgruppe, im täglichen Leben enger mit der ukrainischen Volkskultur vertraut, eher den griechisch-katholischen Ritus als den lateinischen Ritus akzeptieren und in Zukunft Ukrainer werden wollen. Der Autor der Streitschrift versuchte die Polemik weiterzuführen; seine Gegner ignorierten ihn jedoch, obwohl im Wesentlichen alles, was sie später unternahmen, um die ethnische Identität zu stärken, letztlich den Forderungen des Anonymus entsprach.133 Hauptproblem war die andauernde Flucht der Gläubigen vom armenischen zum lateinischen Ritus.134 Diese Flucht war das logische Ergebnis einer Denkweise, die vom entschiedenen Verteidiger des armenischen Ritus, Isakowicz, zum Ausdruck gebracht wurde, als er 1882 armenischer Erzbischof in Lemberg wurde. Er schrieb 1892 an den Kardinal Mieczysław Ledóchowski im Vatikan: „[W]ir […] Armeno-Polen wohnen seit fünf-, sechshundert Jahren auf diesem Land und haben hier unser Vaterland, nach Osten möchte keiner von uns zurückkehren.“135 Damit die armenische Identität einen Sinn bekomme, sei es aber notwendig, in der armenischen Minderheit Verbindungen mit diesem „Osten“ oder dem Vaterland der Vorfahren zu entwickeln. Dies war in dieser Zeit aber keine realistische Möglichkeit mehr, obwohl einzelne Akteure weiterhin davon träumten. 131 Zaleski, Tadeusz: Biskup ormiański Izaak Isakowicz „Złotousty“ [Der armenische Bischof Isaak Isakowicz „Chrysostomus“]. Kraków 2001. 132 Isakowicz, Izaak: Odprawa autorowi ‚Głosu do ziomków obrządku ormiańsko-katolickiego‘ [Abfuhr an den Autor der ‚Stimmen an die Landsleute des armenisch-katholischen Ritus‘]. Wien 1861, 7. 133 Lechicki, Kościół ormiański (wie Anm. 7), 132. 134 1875 schrieb Lodovico Jacobini, päpstlicher Nuntius in Wien: „La parte più colta degli Armeni non aderisce volentieri al suo rito, ed inclina ad essere incorporata al rito latino“. Petrowicz, La chiesa armena in Polonia (wie Anm. 112), 336. 135 Petrowicz, L’Unione degli Armeni (wie Anm. 19), 357: „Nos […] Armenopoloni, a quinque et sex saeculis iam his in regionibus habitantes, hic patriam nostram habemus, [et] in Orientem reverti nullus nostrum vellet.“

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Dieses internationale Phänomen wurde von Robert Rosco-Bogdanowicz, einem reichen Landbesitzer und Eigentümer von Litatyn, zur Zeit der Belebung der „armenischen Frage“ im „Nahen Osten“ beschrieben; er stammte aus einer Familie, welche am Prinzip der Endogamie festgehalten hatte.136 Die armenische Frage verband den armenischen Irredentismus mit der großen Hoffnung, einen armenischen Staat mithilfe Russlands zu schaffen. Ein enges solidarisches ethnisches Gefühl mit diesen Bemühungen verwandelte Bogdanowicz in einen entschiedenen Russophilen und ermutigte ihn, Kontakt zu hochrangigen russischen Politikern aufzunehmen, vor allem zu dem armenischstämmigen General Michail LorisMelikow, Minister für innere Angelegenheiten des Zaren Alexander II.137 Bogdanowicz hatte eine völlig andere Einstellung zur nationalen Vergangenheit, die nicht nur den historischen Kontext der armenischen Diaspora in Polen betraf. Er glaubte an eine historische Mission des armenischen Volkes als Bollwerk der europäischen Zivilisation und rief zur Erweckung der ethnischen Identität und besonders zur sprachlichen Wiedergeburt der galizischen Armenier auf. Er plante die „Transemigration der Armenier in das Vaterland […] zum Schoß seiner Mutter“.138 Zwar fügte er einige Losungen zum Thema der Loyalität gegenüber dem zweiten Vaterland Polen hinzu, generell aber lautete seine Losung: „[W]erden wir jene, welche unsere Vorfahren gewesen sind, werden wir Armenier, lassen wir uns nicht polonisieren!“139 Er hatte eine sehr pessimistische Sicht auf das polnische Los in Ostgalizien und erklärte, dass im neuen armenischen Vaterland auch Platz sein werde für nach dem Triumph der Ruthenen und Juden aus Galizien verbannte ostgalizische Polen.140 Die Frage, welche der drei Positionen, die des anonymen Verfassers der „Stimme“, des Priesters Isakowicz oder des Robert Bogdanowicz, am populärsten unter den polnischen Armeniern in Galizien und in der Bukowina war, lässt sich nicht einfach beantworten. Vielleicht war Bogdanowicz mit seinen Vorstellungen nicht allein. Wir wissen jedenfalls, dass diese Meinungen die anderen Armenier eher schockierten. Isakowiczs mittlere Position, den armenischen Ritus zu verteidigen, zugleich aber polnisch-patriotisch zu sein, war die populärste Einstellung. An diese Ideen hat in mehreren öffentlichen Auftritten Józef Teofil Teodorowicz, der nachfolgende armenische Erzbischof Galiziens, angeknüpft, besonders im Hirtenbrief anlässlich seiner Investitur 1902.141 Das Postulat, den Ritus zu verwerfen, wurde abgelehnt; die Konversion zum lateinischen Ritus richtete neue Verwüstungen an. 136 Unter dem Pseudonym Dionizy Ostrowiecki hat „ein ehrlicher, nationale Denkmäler liebender Bürger“ 1855/1856 mehrere Studien über die Vergangenheit der Armenier nicht nur in Polen, sondern auch in Armenien sowie über die Stadt Ani, die armenischen Katholikoi in Etschmiadsin und armenologische Anstalten in Westeuropa in der Zeitschrift „Przyjaciel Domowy“ veröffentlicht. Barącz, Rys dziejów ormiańskich (wie Anm. 7), 199. 137 Rosco-Bogdanowicz, Wspomnienia (wie Anm. 47), Bd. 1, 10 – 13; Bd. 2, 452. 138 Bogdanowicz, Kwestia Kościoła ormiańskiego (wie Anm. 38), 33. 139 Ebd., 38. 140 Ebd., 77. 141 List pasterski x. arcybiskupa Józefa Teodorowicza do duchowieństwa i wiernych obrządku ormiańskiego wydany 2. lutego 1902 roku w dzień konsekracji biskupiej i intronizacji [Der Hirtenbrief des Erzbischofs

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Gleichzeitig hatte Teodorowicz erfolgreich Verbindungen zur armenisch-katholischen Kirche im Nahen Osten herstellen können. Anfang des 20. Jahrhunderts holte er einige Priester aus der Türkei in seine Diözese und nahm 1911 an einer Synode armenischer Bischöfe in Rom teil. Diese war letztlich eine Konsequenz des auch in Galizien verbreiteten Kampfes (z. B. durch Robert Rosco-Bogdanowicz) um ein unabhängiges Armenien und der Forcierung der internationalen Diskussion der armenischen Frage (vor allem durch Loris-Melikow und Nubar Pascha). Der Genozid an der armenischen Bevölkerung in der Türkei bewirkte schließlich auch unter den Armeniern Galiziens ein Wiedererwachen des Interesses am Land der Vorväter und Solidaritätsbekundungen, besonders bei der Intelligenz und den Gutsbesitzern.142 Diese ermöglichten es, französische und deutsche Bücher über Armenien und die moderne armenische Kultur zu übersetzen und bekannt zu machen (z. B. die Werke von Ł. Ališan, der auch die Geschichte der polnischen Armenier erforschte). Es fehlte aber an messbaren Zeichen der Solidarität mit Armenien; die Diskussionen um die ethnische Identität (1861 und 1884) bestätigte die von unten gewählte Strategie der armenischen Gruppe: die polnische Integration. Diese Richtung der Integration bestimmte die Beziehungen der galizischen Armenier zum österreichischen Staat und zu anderen ethnischen Gruppen, die in der Provinz lebten. Gegenüber Österreich sich überwiegend mit kalter Berechnung loyal verhaltend, demaskierten sie sich zeitweise durch ihr individuelles Engagement für die polnische Sache. Die Position von Bogdanowicz wurde in einem Punkte geteilt: seine Furcht um das Schicksal der armenischen Intelligenz und der Landbesitzer in Ostgalizien, sollte die polnische Politik dort eine Niederlage erleiden. Aber statt seinem Aufruf zur Auswanderung hin in den Schoß des Vaterlandes im Kaukasus und zum Kampf gegen die „fanatischen Bekenner Mohammeds“ zu folgen, strebten die galizischen Armenier lieber danach, den Kampf mit den anderen Gegnern vor Ort, den Ukrainern und den Juden, aufzunehmen. Die Einstellung der Armenier im polnisch-ukrainischen Konflikt hatte jedoch noch weitere Ursachen: die enge Koexistenz armer armenischer Familien aus Pokutien mit Ruthenen, deren gemeinsame Verständigung in der ukrainischen Sprache und die gemeinsame Emigration nach Kanada.143 Armenische Landbesitzer waren nach dem Vorbild ihrer polnischen Nachbarn Patrone der griechisch-katholischen (also ruthenischen) Kirchen.144 Auch unter den galizischen Befürwortern einer polnisch-ruthenischen

Józef Teodorowicz an die Geistlichkeit und die Gläubigen des armenisch-katholischen Ritus, herausgegeben am 2. Februar 1902 am Tag der Bischofskonsekration und Inthronisation]. Lwów 1902. 142 Teodorowicz, August: Z dziejów Ormian [Aus der Geschichte der Armenier]. Warszawa 1913. 143 Zięba, Andrzej A.: Procesy migracji zamorskich z Galicji [Prozesse der Überseemigrationen aus Galizien]. In: Mechanizmy zamorskich migracji łańcuchowych w XIX wieku: Polacy, Niemcy, Żydzi, Rusini. Zarys problemu Hg. v. Dorota Praszałowicz, Krzysztof A. Makowski und Andrzej A. Zięba. Kraków 2004, 144 f. 144 Jan Baptysta Krzeczunowicz von Olejowa ließ eine griechisch-katholische Kirche für seine Untertanen erbauen. Bogdanowicz, Kwestia Kościoła ormiańskiego (wie Anm. 38), 40.

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­ ersöhnung finden wir Politiker armenischer Herkunft (Władysław Wiktor Czajkowski, V Kajetan Abgarowicz). Anhänger einer ukrainisch-armenisch-polnischen Aussöhnung in Galizien, wie Józef Theodorowicz, polnischer Aufständischer, Garibaldi-Anhänger, Landbesitzer, zugleich Patron und Förderer von Wasyl Stefanyk, einem begabten ukrainischen Schriftsteller bäuerlicher Herkunft,145 waren jedoch Ausnahmen. Die reichen armenischen Landbesitzer identifizierten sich mit den antiukrainischen Programmen der polnischen Podolaken.146 Die stärksten negativen Emotionen erregten unter den Armeniern Galiziens die Juden, welche im 19. Jahrhundert ebenfalls Interesse hatten, Landbesitz zu erwerben, und mit dem Zionismus eine eigene nationale Politik verfolgten. Robert Bogdanowicz warnte seine Landsleute: „Wollt ihr die Schmach abwarten, dass eure Kinder Unterworfene der Juden werden? […] und sehen, wie unser schönes jetziges Vaterland zu einem nördlichen Palästina wird?“147 Natürlich konnten seine „Landsleute“ dieser Vision nicht zustimmen. Die armenischen Landbesitzer organisierten einen Boykott gegen jene, die Landgüter an Juden verkauft hatten, selbst gegen Armenier. Dawid ­Abrahamowicz wurde zum Beispiel von der Presse kritisiert, weil er Vorwerke an Juden verpachtet hatte. Die optische Ähnlichkeit beider Ethnien verstärkte noch die antijüdische Frustration der Armenier. Ende des 19. Jahrhunderts verdeutlichte der Status der nationalen Beziehungen allen Schichten der armenischen Gesellschaft, Gutsbesitzern, Intelligenz und Kleinbürgertum, dass ihre Erfolge, in die polnische Elite einzutreten, nicht stabil waren. Die Stellung der polnischen Elite wurde schon damals durch Ansprüche der Ukrainer und Juden geschwächt; der auch bei den polnischen Armeniern immer populärere polnische Nationalismus eines Roman Dmowski war die Folge. Die antijüdischen und antiukrainischen Äußerungen eines Robert Bogdanowicz über Ruthenen und Juden waren in dieser Hinsicht Vorläufer der politischen Evolution der Nationaldemokraten in Galizien. Auch das öffentliche Auftreten des armenischen Erzbischofs Józef Teodorowicz (1901 – 1938) führte zu einer massiven Unterstützung der Nationaldemokratischen Partei. Sein politisches Temperament führte zu einer ungewöhnlichen Dynamik in der politischen Wirkung dieser neuen Partei; seine konfrontative Haltung während der Verhandlungen über die Wahlrechtsreform zum 145 Abgarowicz, Kajetan: Rusini [Ruthenen]. Kraków 1893; Pohrebennyk, Fedir: Storinky žyttja i tvorčosti Wasyla Stefanyka [Blätter aus dem Leben und Schaffen von Vasyl Stefanyk]. Kyiv 1980, 18, 247. 146 Feldmann, Wilhelm: Stronnictwa i programy polityczne w Galicji 1846 – 1906 [Die Parteien und die politischen Programme in Galizien 1846 – 1906]. Bd. 1. Lwów 1907, 230; Krzeczunowicz, Aleksander: Przyszłość Słowian i kwestia ruska w Galicji i na Podolu [Die Zukunft der Slawen und die ruthenische Frage in Galizien und Podolien]. Kraków 1919; Levyc’kyj, Kost’: Istorija političnoii dumky hałyc’kych Ukrainc’iw 1848 – 1914 [Geschichte des politischen Gedankens der galizischen Ukrainer 1848 – 1914]. L’viv 1926, 150, 209, 299 f., 354, 375, 385, 438, 460 f., 508, 591, 611, 642, 656, 686. 147 Bogdanowicz, Kwestia Kościoła ormiańskiego (wie Anm. 38), 77.

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galizischen Landtag, die den Ukrainern mehrere Prärogative geben sollte, führte sogar zum Sturz des Statthalters Michał Bobrzyński. Teodorowicz agierte als ein unversöhn­ licher Pole und war zum Führer der in diesem Moment passiven polnischen katholischen Bischöfe geworden. Die Armenier standen an der Spitze der nationalen polnischen Konzeption gegenüber den Ukrainern. Teodorowicz bekämpfte scharf die Einstellung seiner eigenen armenischen Landsleute, aus dem von Juden und Ukrainern bedrohten Land in das Vaterland der Vorfahren zu emigrieren. Im Verlauf des Ersten Weltkrieges schlug er sogar vor, 20.000 Armenier aus der Türkei nach Ostgalizien zu holen, um deren Leben zu retten und auch um die polnische Bevölkerung in diesem Teil des Landes zu stärken.148 „Naprzód“, die Zeitung der Krakauer Sozialisten, sah daher „den an der Spitze der 5.000 Armenier stehenden armenischen Bischof Teodorowicz“ und den Graf Leon Piniński, einen ehemaligen Statthalter und „Enkel der in Polen bekannten, in seinen heute katholischen Venen jüdisches Blut habenden Wucherer“, als wichtigste Gegner der demokratischen Wahlrechtsreformen an. „Naprzód“ irrte sich: In Pinińskis Venen floss selbstverständlich armenisches Blut.149 Auch die liberalen und konservativen politischen Milieus in Krakau nutzten ethnische Stereotype, um die Podolaken und Nationaldemokraten herabzusetzen. Wilhelm Feldman, ein liberaler Politiker aus Krakau, charakterisierte 1907 den podolischen Adel, die Basis dieser Partei, folgendermaßen: „[A]uf dem Grenzland hat sich der mehr unternehmende, aber wenig kulturelle Adel niedergelassen. Hier hat er sich mit neureichen und nobilitierten armenischen Sippen gemischt, was ihm Schlauheit im Kampf verlieh, aber wieder wenig Kultur der Gefühle […] und so ist ein Typ des ostgalizischen Adels entstanden: wenig von den altpolnischen Herren, nirgends sonst so viele österreichische Aristokraten neuen und neuesten Datums, Feudalherren, deren Väter Pfeffer verkauft, Ochsen nach Olmütz getrieben und mit Pferden auf Jahrmärkten gehandelt hatten oder mit dem Ärmel die Gesichter nach dem höchsten armenischen Genuss, dem fetten Hammelfleisch, abgewischt haben. Mit der bei ,neuen Menschen‘ üblichen Verbissenheit kämpfen alle zusammen um Tradition, Stammsitze und historische Rechte des Adels in Ruthenien, verachten die Rechte der Bauern und die der Demokratie und führen diesen Kampf auch noch unter der Fahne der durch sie bedrohten [polnischen – K. S.] Nationalität. Von Anfang der autonomen Ära an zieht sich dieser schonungslose und pausenlose Kampf.“150 Als die rechten polnischen Politiker den Linken Beziehungen zu Juden vorgeworfen hatten, antworteten diese in ähnlicher Weise, die Rechte habe sich auf die bösen Geister der Armenier eingelassen. Die einen spielten auf Knoblauchgeruch, die anderen auf fettes Hammelfleisch an.

148 Problem ormiański [Das armenische Problem]. In: Głos Narodu 15/III (1916) 149 Naprzód 17/IX (1913), Łazuga, Waldemar: Michał Bobrzyński, myśl historyczna, działalność ­polityczna [Michał Bobrzyński, historischer Gedanke, politische Tätigkeit]. Warszawa 1982, 167. 150 Feldmann, Stronnictwa i programy polityczne (wie Anm. 146), 230; Jabłonowski. Pamiętniki (wie Anm. 64), 86.

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4.4. Der Clan als ethnisches Substitut Trotz der fortschreitenden Polonisierung der armenischen Minderheit bewahrte diese ein Minimum ethnischer Traditionen und auch die Führer hielten am armenischen Ritus fest. Erzbischof Stefanowicz beispielsweise, damals schon über 80 Jahre alt, suchte ohne Einladung ein abgelegenes armenisches Herrenhaus auf, um ein neugeborenes Kind zu taufen.151 Die Mechitaristen wurden nach Galizien gerufen, um das ethnische Bewusstsein der armenischen Kirche zu stärken.152 Erzbischof Teodorowicz, obwohl ein großer Pole, bemühte sich intensiv um die Rearmenisierung der latinisierten Liturgie,153 und auch in den polnischen Schöpfungen der Künstler, Musiker und Schriftsteller der armenischen Herkunft finden sich zahlreiche armenische Motive. Als wirksamste Methode zur Bewahrung der armenischen Identität erwies sich jedoch die im 19. Jahrhundert praktizierte Endogamie, in dieser doch modernen Zeit eine überraschende Erscheinung. Zur Illustration sei auf die Genealogie der armenischen Familie Romaszkan verwiesen: Über die Endogamie in der Familie der Galizischen Armenier finden sich Bruchstücke in dem Brief aus dem Jahre 1966 von Michael Bohosiewicz an Stanislawa Romaszkan, über Verwandtschaft zwischen diesen beiden Familien in der zweiten Hälfte des 18. und im 19. Jh.: „Die Angabe aller Daten ist fast unmöglich, weil der Stammbau meiner Familie entweder väter­ licherseits oder mütterlicherseits, gleichzeitig der Stammbau fast aller Familienlinien von Romaszkan ist. Der Ihre Urgroßvater – Antoni Romaszkan –war mit Antonia Bohosiewicz verheiratet. Der leibliche Bruder Ihres Urgoßvaters – Teodor Romaszkan – war mit Anna Bohosiewicz, leibliche Schwester Antonina (Ihrer Urgroßmutter), verheiratet. Jan Bohosiewicz, Bruder von Antonina (Ihre Urgroßmutter) und Anna von Bohosiewicz Romaszkan, war mit Anna von Romaszkan, der Schwester Grzegorz Romaszkan aus der bukowinisch-bessarabischen Linie, verheiratet. Die Mutter von Antonina und Anna [und Jan Bohosiewicz] war Maria von Romaszkan, die Bogdan Bohosiewicz im Jahre 1836 geheiratet hat. Zwei Stuferfrüher, im 18. Jahrhundert, gibt es noch auch Maria von Romaszkan die Micha Bohosiewicz geheiratet hat, den Großvater des obengenannten Bogdans. Die Cousine von Antonia (Ihre Urgroßmutter) – Anna Bohosiewicz – hat den obengenannten Grzegorz Romaszkan, den Bruder Annas von Romaszkan Bohosiewicz, geheiratet. Die zweite Cousine von Antonia (Ihre Urgroßmutter), und ihr Bruder – Jan Bohosiewicz aus Milów in der Bukowina – hat Wiktoria Romaszkan, die Tochter von Theodor und Anna von Bohosiewicz, geheiratet. In der folgenden Generation ist im Stammbau meiner Familie eine Menge von Romaszkan, viele Frauen von Romaszkan die Bohosiewicz geheiratet hatten und umgekehrt.“154

Nach der Heirat mit einer Polin gab es in der nächsten Generation schließlich immer mehr polnische Schwiegertöchter, wie das Beispiel der Familie Axentowicz, zu welcher der hervorragende Maler Teodor gehörte, zeigt: 151 152 153 154

Petrowicz, L’Unione degli Armeni (wie Anm. 19), 299 f. Ebd., 352. Ebd., 373. In der Privatsammlung des Autors.

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VON DER ENDOGAMIE ZUR EXOGAMIE IN EINER GALIZISCH-ARMENISCHEN FAMILIE AXENTOWICZ Symon Fanciszek Józef (* 1775)

Maria

Katazyna

x Seferowicz

Teodor (*1809)

x

x

Kajetan Teodorowicz

de Hasso Agopsowicz

Anna

Rypsyma

x

Rozalia

x

Kajetanowicz

x

Szymonowicz

Tymonowicz

Deodat (1830–1912) x Agnieszka Plutarsch

Helena (1858 –1879)

Teodor (1859–1938) Kunstmaler

x Isabella Giełgut (1875–1957) Tante des britischen Schauspielers John Gielgud

Filip (1894–1915)

Gladys

Jan

Jadwiga

(1901–1978)

Renata (1904–1952)

Kazimiera (1906–1985)

Jerzy

(1898–1967)

x

x

x

x

Natalia Gałyszew

Kazimierz Kieniewicz

Jean Malcolm

Szczęsny Dwernicki

(1900–1952)

Wanda

(1896–1955)

(1907–1974)

Walentyna (1924– 1v Aleksander Somkowicz 2v Zygmunt Broel-Plater 3v Werner Wetzler

Armenier Nicht-Armenier Halb-Armenier

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EIN ARMENISCH-POLNISCH POLITISCHER CLAN IN GALIZIEN

Leon Suchodolski x Izydora Krzeczunowicz Urenkelin von Grzegorz Krzeczunowicz († 1789), Kaufmann in Stanisławów, Adelige (1784) Enkelin von Jan Babtysta Krzeczunowicz und Rypsyma Rosco-Bogdanowicz Tochter von Walerian Krzeczunowicz (1790–1866), Mitglied des Landtages Galiziens, und Johanna Manugiewicz

Kornel

Alexsandra

Felicia

Antonina

Izabela

x

x

x

x

x

Wanda Dzieduszycka

Filip Zaleski

Edward Podleski

Dawid Abrahamowicz

Kornel Krzeczunowicz

Schwager: Wojciech Dzieduszycki (Führer der Polnischen Konservativen, Abgeordneter im Landtag Galiziens und Reichsrat, Minister für Galizien 1906–1907)

(1836–1911, Statthalter Galiziens 1883– 1888, Minister für Galizien 1888– 1923, Sohn von Wacław Zaleski, Landesgouverneur Galiziens 1848– 1849, und Antonia Bołoz-Antoniewicz)

(Präsident der Galizischen Finanzprokuratur, Abgeordneter im Reichsrat, Onkel von Hofkämmerer Marian RoscoBogdanowicz)

(1839–1926, Präsident des Abgeordnetenhauses im Reichsrat 1897, Minister für Galizien 1907–1909)

(1815–1881, Abgeordneter im Landtag Galiziens, Mitglied des Landesausschusses Galiziens)

Aleksander Krzeczunowicz 1863–1922 Abgeordneter im Landtag Galiziens

Walerian Krzeczunowicz 1870–1945 Abgeordneter im Landtag Galizien

Wacław Zaleski 1868–1913 Minister für Galizien 1911, Finanzminister Österreichs 1911–1913, Graf 1913 Erbe des Vermögens von Freiherrn Romaszkan

Armenier Nicht-Armenier Halb-Armenier

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Die Heirat mit Polen, also eine Abkehr vom Prinzip der Endogamie (besonders nach 1850), führte jedoch nicht zwangsläufig zu einer Abkehr von den armenischen Wurzeln; vielmehr ist eine Absorption der polnischen Familien zu beobachten. Diese Familien wurden durch die vielen Verwandtschaften ein Teil der armenischen Kultur und auch die Kinder aus Mischehen wurden üblicherweise nach armenischem Ritus getauft. An die Stelle der ethnisch homogenen Gruppe traten Clans, in denen das Armenische dominierte, und welche (bewusst) in der Öffentlichkeit wirkten, um ihre Interessen zu vertreten. Am deutlichsten ist dies in der galizischen Politik zu erkennen, wie das Beispiel der polnische Familie Suchodolski zeigt: Die Mutter war Armenierin und auch ihre Kinder verbanden durch Heirat einige der wichtigsten galizischen Politiker mit diesem armenischen Clan: Wojciech D ­ zieduszycki (Führer der polnischen Konservativen im Reichsrat und Minister für Galizien), Filip Zaleski (Statthalter Galiziens und Minister für Galizien), Edward Podlewski (Präsident der Finanzprokuratur in Lemberg und Abgeordneter des Reichsrates), Dawid Abrahamowicz und Kornel Krzeczunowicz. In der folgenden Generation: Wacław Zaleski (Minister für Galizien und Finanzminister Österreichs) sowie Alexander und Walerian Krzeczunowicz (Abgeordnete des Landtages). Der Prozess des Übergangs der Ethnie in Clanstrukturen blieb auch durch das 20. Jahrhundert hindurch wirksam: Als sich 1980 zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg die Nachfahren der galizischen Armenier in Krakau zusammenfanden, begrüßte eine Armenierin unter Tränen die etwa 200 versammelten Menschen als „liebe Familie“.155

Abb. 1  Großmutter und Enkel, armenische Typen aus Kuty.

155 Petrowicz, Tadeusz: Od Czarnohory do Białowieży [Von Czarnohora nach Bialowitz]. Lublin 1986, 27 f.

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Abb. 2  Landgut von Freiherr Romaszkan in Horodenka vor dem Ersten Weltkrieg.

Abb. 3  Polnische und armenische Abiturienten des Franz-Josef-Gymnasiums in Lemberg.

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Abb. 4  Armenier Galiziens am Ende des 19. Jahrhunderts: der Anteil an der Gesamtbevölkerung und im galizischen Landtag.

Abb. 5  Karikatur von Kornel Krzeczunowicz (1815 – 1881) „Pflaster auf Kataster“.

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Politiker armenischer Abstammung in Ungarn im Zeitalter des Dualismus Eine politische Nation in einem multiethnischen Land Obwohl das historische Ungarn ein ausgesprochen multiethnischer Staat war, in dem im 19. Jahrhundert das ungarische Volk nur ungefähr die Hälfte der Bevölkerung des Landes bildete,1 ist gerade bei der Untersuchung der politischen Elite der ethnische Hintergrund der einzelnen Politiker nur schwer feststellbar. Den Grund dafür lieferte die A ­ nschauung, in politischen Fragen nur einer explizit einheitlichen ungarischen Nation Beachtung schenken zu wollen, obwohl dies bekanntermaßen expressis verbis erst mit der Präambel der sogenannten Nationalitätengesetze von 1868 Eingang in den ungarischen Gesetzeskanon fand. Dabei scheint die Begründung von Ferenc Deák (1803 – 1876), dem unbestreitbar angesehensten ungarischen Politiker seiner Ära, der den Vorschlag für die Kodifizierung des Textes unterbreitet hatte, ebenfalls recht vielsagend zu sein. Deák betonte ausdrücklich, dass all dies nicht als eine Art Novum an das gerade im Entstehen begriffene, die nationale Gleichberechtigung betreffende Gesetz angefügt werden müsse, sondern mit dem Ziel, die seit Jahrhunderten bestehenden Fakten und den konkreten Zustand zu fixieren.2 Dies bedeutete, dass die Rechtsgleichheit in der ehemaligen natio Hungarica der mittelalterlichen Zeit der Stände nun, im bürgerlichen Zeitalter der Verfassung, gewährleistet und um die einheitliche Staatsangehörigkeit erweitert wurde, unabhängig von ethnischen, religiösen oder anderen Unterschieden – ganz im Sinne der zeitgenössischen liberalen europäischen und amerikanischen Rechtsauffassung, dass derjenige Ungar sei, der ungarischer Staatsbürger ist. All dies bedeutete aber nicht, dass jeder ungarische Staatsbürger auch im kulturellen und ethnischen Sinne des Wortes gänzlich ein Magyare sein musste, so wie das von der Hauptströmung des ungarischen Nationalismus noch vor 1848/49 gefordert 1 In den Volkszählungen der dualistischen Ära haben 1880 46,58 Prozent der Zivilbevölkerung Ungarns (ohne Kroatien) die ungarische Sprache als Muttersprache benannt, 1900 stieg dieser Anteil auf 51,38 Prozent und 1910 bereits auf 54,43 Prozent an. Vgl.: A magyar Szent Korona országainak 1910. évi népszám­ lálása. Hatodik rész. Végeredmények összefoglalása [Die Volkszählung von 1910 in den Ländern der ungarischen Heiligen Krone. Bd. 6. Zusammenfassung der Endergebnisse]. Budapest 1920, 116 f. 2 Ferenc Deák am 24. November 1868 im Abgeordnetenhaus: „Jetzt rufe ich nicht dazu auf, erst einen Entschluss dahingehend zu fassen, dass alle Bewohner Ungarns eine politische Nation bildeten, sondern berufe mich gleich zu Beginn auf einen wirklichen Tatbestand. (Beifall)“, zitiert nach: A nemzetiségi törvényjavaslat országgyűlési vitája 1868 [Die Parlamentsdebatte zum Gesetzesentwurf der Nationalitäten 1868]. Hg. v. István Schlett. Budapest 2002, 25 – 27.

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und als selbstverständlich angenommen worden war – wiederum nach westeuropäischen intellektuellen und politischen Vorbildern. Dieser nationale Liberalismus, der von Lajos Kossuth (1802 – 1894) oder Baron Miklós Wesselényi (1796 – 1850) vertreten wurde, fand es in der Zeit um 1840 noch selbstverständlich, dass die mit gleichen Rechten ausgestatteten Bürger des freien ungarischen Vaterlandes auch im kulturellen und sprachlichen Sinne zur freien ungarischen Nation gehören wollten. Nach dem übereinstimmenden Inhalt ihrer unterschiedlichen Argumentationsweisen sollten die ursprünglich nicht dazugehörigen Leibeigenen von der alten, ständischen ungarischen Nation, der natio Hungarica, befreit werden, indem die Adeligen die Nichtadeligen als Gleichberechtigte in den schützenden Schoß der Verfassung zu sich emporhöben, womit sie die moderne ungarische Nation erschüfen, in der alle gleichberechtigte und treue Bürger des ungarischen Vaterlandes sein würden. Der sich in erster Linie aus dem Beispiel der Französischen Revolution nährende Mythos, nach dem diese freie Nation so stark und einheitlich sein würde, „dass nicht einmal die Mächte der Unterwelt sie überwältigen werden können“, wie es Kossuth in einer berühmten Rede im Sommer 1848 formulierte,3 basierte auf der Hoffnung, dass die einzelnen Nationalitäten im Gegenzug für die Freiheit, den gesellschaftlichen Aufstieg und die Gleichberechtigung mit der daraus erhofften Vermehrung ihrer materiellen Güter freiwillig und dankbar zu Ungarn und damit zu loyalen Bürgern des gemeinsamen ungarischen Vaterlandes werden würden.4 Die Ereignisse von 1848/49 haben jedoch gezeigt, dass die diesbezüglichen Hoffnungen der ungarischen Liberalen nur in sehr geringem Maße erfüllt worden sind. Zwar stand ein Teil der Minderheiten beharrlich auf der Seite der rechtmäßigen liberalen Regierung – wenn nötig sogar gegen den Willen des Kaisers –, ein recht bedeutender Teil der Intellektuellen der nicht-magyarischen Völker stellte sich jedoch das nationale Aufblühen des eigenen Volkes im Sinne einer selbstständigen Nation vor und wollte nichts mit diesem Konzept zu tun haben. Während die Freiheit und die Befreiung der Leibeigenen auf Wohlwollen stießen, wurde die Idee der Assimilierung zum Ungarntum zurückgewiesen und die politische Garantie für eine eigene, autonome Existenz gefordert. Da dies die ungarische Führung für inakzeptabel hielt, weil mit ihrer eigenen Auffassung – und der der europäischen Vorbilder – nicht vereinbar, war der Kampf unvermeidbar, wobei es ebenfalls selbstverständlich war, dass die kroatischen, serbischen, rumänischen oder slowakischen nationalistischen Anführer am Wiener Hof auf ihre Verbündeten trafen.

3 Rede von Lajos Kossuth am 11. Juli 1848 im Abgeordnetenhaus. Kossuth Lajos 1848/49-ben. II. kötet. Kossuth Lajos az első magyar felelős minisztériumban. 1848. április–szeptember [Lajos Kossuth in den Jahren 1848/49. Bd. 2. Lajos Kossuth im ersten verantwortlichen ungarischen Ministerium. April–September 1848]. Hg. v. István Sinkovics. Budapest 1957 (Kossuth Lajos Összes Munkái XII), 424 – 438, hier 438. 4 Gergely, András: A nemzetté válás programjai [Die Programme zur Nationenbildung]. In: ders.: Egy nemzetet az emberiségnek. Budapest 1987, 99 – 120; Katus, László: Kossuth és a nemzetiségi ­kérdés [Kossuth und die Nationalitätenfrage]. In: Kossuth Lajos, a „magyarok Mózese“. Hg. v. Róbert Hermann. Budapest 2006, 45 – 74.

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Aus den Erfahrungen des niedergeschlagenen Freiheitskampfes die Lehren ziehend, milderten die Anführer der ungarischen nationalen Bewegung ihre Forderungen nach 1849 ab.5 Die unversöhnlich antihabsburgischen Anführer der Emigration mit Kossuth an der Spitze sahen die größte Gefahr für das freie, ungarische Vaterland in einer die Freiheit mit Füßen tretenden fremden Willkürherrschaft, so dass sie umso größere Energien mobilisierten, um die Nationalitäten für sich zu gewinnen. Kossuth, György Klapka (1820 – 1892) und vor allem László Teleki (1811 – 1861) hätten den in Ungarn lebenden nationalen Minderheiten recht weitgehende Zugeständnisse gemacht und wären sogar bereit gewesen, die Existenz ihrer nationalen Gemeinschaft anzuerkennen.6 Die verschiedenen Planspiele der Emigranten konnten mangels tatsächlicher politischer Macht nur in sehr geringem Maße Einfluss nehmen, aber nicht wirklich das Schicksal des von magyarischen und nicht-magyarischen Völkern bewohnten Landes gestalten. Die ungarische liberale politische Elite, die die Lösung schon immer in der Beendigung der Habsburger Willkürherrschaft und in der Verständigung mit dem schon Jahrhunderte währenden Habsburgerreich sah, verspürte folglich nicht die Notwendigkeit, den Nationalitäten solche weitgehenden prinzipiellen und praktischen Machtzugeständnisse zu machen. Baron József Eötvös (1813 – 1871), der sich auf theoretischer Ebene am niveauvollsten mit dieser Fragestellung auseinandersetzte, um dabei die Frage der Nationalitäten aus philosophischer Perspektive zu beleuchten, war der Meinung, dass zwar der Nationalismus unter den herrschenden geistigen Ideen des 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle spiele, die nationalen Unterschiede jedoch mit der Zeit verblassen würden, wobei Freiheit und Wohlstand für die kommenden Generationen ein wichtigeres Gut darstellen würden als die kulturellen und sprachlichen nationalen Eigenheiten. Eötvös hielt fest an der Idee des gemeinsamen Staates, des gemeinsamen Vaterlandes, versuchte aber – ausgehend von seinen liberalen Prinzipien – dessen Macht so einzugrenzen, dass größerer Raum für die staatsbürgerliche Freiheit bliebe. Er hätte den Gebrauch der Muttersprache im kulturellen Bereich bzw. im Bildungswesen erlaubt, aber auch in der Justiz, in der Verwaltung und auf den unteren Ebenen der politischen Macht. Dieses Konzept ging von der Hypothese aus, dass die Erinnerungen aus dem Jahrhunderte andauernden Zusammenleben, der Gedanke an eine gemeinsame Heimat, die wirtschaftlichen Verflechtungen, die Vielfalt gesellschaftlicher Beziehungen und die Wirkung der historischen Schicksalsgemeinschaft in 5 Gergely, András: Kossuth’s Nationality Policy 1847 – 1853. In: „Lajos Kossuth Sent Word …“. Papers Delivered on the Occasion of the Bicentenary of Kossuth’s Birth. Hg. v. László Péter, Martin Rady und Peter Sherwood. London 2002, 95 – 104; ders.: The Hungarian Nationalities Act of 1849. In: Geopolitics in the Danube Region. Hungarian Reconciliation Efforts 1848 – 1998. Hg. v. Ignác ­Romsics und Béla K. Király. Budapest 1998, 41 – 58. 6 Pajkossy, Gábor: Az 1862. évi Duna-konföderációs tervezet dokumentumai [Die Dokumente zum Entwurf des Donau-Staatenbundes des Jahres 1862]. In: Századok 4 (2002), 937 – 958; Spira, György: Kossuth és alkotmányterve [Kossuth und sein Verfassungsentwurf ]. Debrecen 1989; Kovács, Endre: A Kossuth-emigráció és az európai szabadságmozgalmak [Die Kossuth-Emigration und die europäischen Freiheitsbewegungen]. Budapest 1967, insbes. 271 – 476; Lukács, Lajos: Magyar politikai emigráció 1849 – 1867 [Ungarische politische Emigration 1849 – 1867]. Budapest 1984.

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ihrer Gesamtheit die auseinanderstrebenden Kräfte des Nationalismus übersteigen würden.7 Die Realisierung dieser Hoffnung erforderte natürlich von beiden Seiten ein großes Maß an Zurückhaltung. Die ungarische liberale Elite, die mit dem Ausgleich von 1867 die Führung des Landes zurückerobert hatte, hätte ihre nationalistischen Bestrebungen mäßigen müssen und sich mit der ungarischen nationalen kulturellen „Selbsterbauung“ auf kleinerem Terrain zufrieden geben sollen. Währenddessen hätten die Anführer der Nationalitäten – auf diese andauernde Zurückhaltung hoffend – die Forderung nach der politischen Garantie ihrer eigenen nationalen Existenz einstellen bzw. mit den Angriffen auf die Einheit des gemeinsamen Vaterlandes aufhören müssen. Im Jahr 1868, während der Verhandlungen über das Nationalitätengesetz, war die Einigung zwischen Franz Joseph und der ungarischen liberalen Elite noch ganz frisch, und es war nicht absehbar, dass sie ohne grundsätzliche Modifizierungen ein halbes Jahrhundert überdauern würde. Vielmehr schien das Gegenteil wahrscheinlicher zu sein, dass nämlich dem Dualismus dasselbe Schicksal wie den früheren strukturellen Veränderungen des Habsburgerreiches zuteilwerden und er genauso kurzlebig wie der Zentralismus der 1850er-Jahre, das föderalistische Experiment des Oktoberdiploms oder der verfassungsmäßige Zentralismus des Februarpatents sein würde. Man bedenke, dass, den Dualismus betreffend, schon im Jahre 1871 ernst zu nehmende Modifizierungen auftraten und zwar in einer Form, die mehr Rechte für Böhmen gebracht und langfristig die dualistische Struktur in Richtung Trialismus oder Föderalismus verändert hätte. Es ist also absolut verständlich, dass die Anführer der nationalen Minderheiten nicht in der vorhandenen, aus ihrer Sicht kurzlebigen Ordnung verharrten, sondern bereit waren, ihre ganze Kraft in die Errichtung eines anderen, für die eigene Nation vorteilhafteren Systems zu investieren. Die im Nationalitätengesetz erbrachten ungarischen Zugeständnisse wurden von den Eliten der Nationalitäten zurückgewiesen, da sie auf die Umstrukturierung des Reiches hofften, so dass ihre Taktik Ähnlichkeiten mit der Herangehensweise der ungarischen politischen Elite nach 1849 aufwies. Dies wiederum ist verständlich, da ihre Aufgabe darin bestand, die Entwicklung des eigenen Volkes im nationalen Sinne auf lange Sicht zu garantieren. Zu diesem Zeitpunkt vermuteten sie, dass Franz Joseph, so wie er gezwungen worden war, die früheren Systeme zu verändern, auch nicht lange am Konzept des Dualismus festhalten könnte. Daraus resultierend schien in Bezug auf die freie, nationale Existenz der Nationalitäten jene politische Haltung gewinnbringender zu sein, die darauf abzielte, alle sich bietenden Möglichkeiten ausnutzend, die Lebensunfähigkeit des von den Magyaren dominierten dualistischen Konstrukts zu beweisen und den Kaiser zu animieren, den allein mit den Magyaren geschlossenen Pakt aufzulösen und sich auf einen 7 Gángò, Gábor: Eötvös József uralkodó eszméi [József Eötvös’ herrschende Ideen]. Budapest 2006, 251 – 260; Deák, Ágnes: „A magyar nemzet jövője cultura kérdése“. Eötvös József nemzetiségpolitikai koncepciója (1850 – 1868) [„Die Zukunft der ungarischen Nation ist eine Frage der Kultur.“ József Eötvös’ Konzept der Nationalitätenpolitik (1850 – 1868)]. In: Aetas 1/2 (1990), 7 – 27; Schlett, István: Eötvös József. Budapest 1987, insbes. 140 – 292; Galántai, József: Nemzet és kisebbség Eötvös József életművében [Nation und Minderheit im Lebenswerk von József Eötvös]. Budapest o. J.

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für sämtliche Nationen zu schließenden Ausgleich zuzubewegen. Aus diesem Grund wurde 1868 die „ausgestreckte ungarische Hand“ von einer bedeutenden Mehrheit der Anführer der Nationalitäten nicht ergriffen, weswegen auch nach und nach (nicht gleichzeitig und auch nicht unbedingt sofort) die politische Passivität proklamiert wurde, was gleichbedeutend war mit der totalen Verleugnung des Systems und dem Vorhaben, es zu stürzen.8 Nach all diesen Ereignissen dürfte es auch für die enttäuschten Ungarn nicht leicht gewesen sein, am Kompromiss von 1868 festzuhalten, umso mehr, als der Versuch sich zu einigen schon im Moment der Abstimmung fehlgeschlagen war. Das von Eötvös und Deák entworfene Nationalitätengesetz hatte obendrein ernsthafte Schranken für das Konzept der Nationenbildung im Sinne der Magyaren aufgestellt, die nach alldem innerhalb des Landes in die entsprechenden Machtpositionen gekommen waren. Im Gegenzug konnten sie von den Anführern der Nationalitäten keine Dankbarkeit, geschweige denn Loyalität erwarten. Während die regierenden ungarischen Politiker noch einige Jahre den Versuch unternahmen, die Anführer der Nationalitäten mithilfe von adäquaten Gesten im Geiste des Nationalitätengesetzes von 1868 zur besseren Einsicht zu bewegen,9 mussten sie eine Zeit lang mit Recht befürchten, dass sich auch Franz Joseph nicht an den Dualismus halten würde. Die 1870/71 unter Bismarck abgeschlossene Vereinigung Deutschlands schuf eine neue Machtsituation in Mitteleuropa. Eine mögliche Lösung der Anpassung wäre gewesen, sich weg von dem auf Magyaren und Deutschösterreichern gegründeten Dualismus hin zu einem Föderalismus zu wenden, der den Slawen des Habsburgerreiches mehr Raum ließe. Als aber 1871, als Schlüsselelement dieser Frage, das Zufriedenstellen der Tschechen an der Reihe gewesen wäre, fiel das sogenannte Hohenwart-Experiment durch. Dafür war neben Kräften von außen – verständlicherweise – auch der Widerstand der Ungarn verantwortlich,10 so dass sich die dualistische Ordnung wieder verfestigte: Österreich wurde von den deutschösterreichischen Liberalen, Ungarn von den ungarischen liberalen Nationalisten

8 Bereits Anfang 1869 hatten sich die siebenbürgischen Rumänen in die politische Passivität zurückgezogen, da sie als Folge des politischen Kompromisses mit den ungarischen Liberalen das bisher separate Siebenbürgen, welches eine rumänische Mehrheit hatte, an Ungarn verloren hatten. Zur Versammlung in Szerdahely siehe: Iratok a nemzetiségi kérdés történetéhez Magyarországon a dualizmus korában. I. kötet. 1867 – 1892 [Aktenstücke zur Geschichte der Nationalitätenfrage in Ungarn im Zeitalter des Dualismus. Bd. 1. 1867 – 1892]. Hg. v. Gábor G. Kemény. Budapest 1952, 175 – 181. 9 Z. B. die Ausführungen von Oppositionsführer Kálmán Tisza über den mehrsprachigen Staat und die Abweisung der Kodifizierung des magyarischen Übergewichts am 11. Februar 1870 im Abgeordneten­ haus; die Rede von Ferenc Deák zur staatlichen Subvention für das serbische Gymnasium in Neusatz (Újvidék, Novi Sad) am 23. Januar 1872; die Verhandlungen von Ministerpräsident Menyhért Lónyay mit Politikern kroatischer, slowakischer und rumänischer Nationalität im Laufe des Jahres 1872; etc. Vgl. Iratok a nemzetiségi kérdés (wie Anm. 8), 213 f., 292 – 305. 10 Kletečka, Thomas: Der Ausgleichsversuch des Ministeriums Hohenwart-Schäffle mit Böhmen im Jahre 1871 mit besonderer Berücksichtigung des reichsdeutschen Einflusses. Phil. Diss., Wien 1984; Kann, Robert A.: The Multinational Empire: Nationalism and National Reform in the Habsburg Monarchy 1848 – 1918. Vol. 1: Empire and Nationalities. New York 1950, 181 – 191.

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regiert. Aber gerade durch das Experiment von 1871 wurde die Labilität der bestehenden Situation aufgezeigt, was die Elite der Nationalitäten wohl nur in der Richtigkeit ihres antidualistischen Standpunktes bestärken konnte. Die Ungarn wiederum verabschiedeten sich allmählich von der einseitigen Verteidigung des Kompromisses von 1868 und kamen womöglich zu der Schlussfolgerung, dass, wenn der Kaiser am Dualismus festhalte, sie nicht unbedingt auf die Unterstützung der Nationalitäten angewiesen seien, da sie ja ohne die Dynastie ihren bis dato Hauptverbündeten nicht so gefährlich werden könnten. Würde aber der Kaiser oder sein möglicher Nachfolger über eine Veränderung des Dualismus nachdenken, dann müssten die Magyaren eben darauf vorbereitet sein. Es müsse also alles getan werden, um alle Kräfte zu sammeln, damit es wegen des politischen Gewichts der Magyaren und der zwangsläufigen Rolle, die sie bei der Stabilisierung des Reiches spielten, erst gar nicht zu einer benachteiligenden politischen Wende kommen könne. Im Interesse dessen müsse die magyarische Nationenbildung ohne Selbstbeschränkung beschleunigt werden, indem die Zugeständnisse an die anderen Nationalitäten, die nun als den Prozess hindernde Faktoren galten, beiseite gefegt würden. Ab Mitte der 1870er-Jahre strebten die ungarischen Regierungen mit ihrer Nationalitäten­ politik bewusst nicht mehr nach einem Konsens, der um den Preis von Zugeständnissen geschlossen worden war: Einerseits begannen sie, die Eliten der Nationalitäten, die sich im Leugnen der Staatsmacht zu weit hinauswagten – manchmal sogar mit strafrechtlichen Mitteln – zurückzudrängen,11 andererseits sorgten sie für die Wiederbelebung mehrerer wichtiger Elemente des vor 1848 entworfenen Konzepts der magyarischen Nationenbildung. Der Unterricht der ungarischen Staatssprache wurde mit immer größerer Vehemenz vorangetrieben.12 Das Endziel wurde wieder ein mit ungarischer Sprache und Kultur verknüpfter ungarischer Nationalstaat, welcher zwar weder die nicht-magyarischen Sprachen verfolgt noch den Untergang der Kulturen der Nationalitäten wünscht, aber dennoch im öffentlichen 11 Wie z. B. die Auflösung der Matica Slovenská, des wichtigen Organs der slowakischen nationalen Bewegung, und die Schließung der vier slowakischen Gymnasien, weil ihre Anführer panslawistischer Agitationen und staatsfeindlicher Hetze angeklagt worden waren; die Verhaftung des radikalsten serbischen Nationalitätenpolitikers Svetozar Miletić’, der trotz des ungarischen staatlichen Verbots in den Krieg zwischen Serbien und dem Osmanischen Reich eingegriffen hatte. Vgl. Iratok a nemzetiségi kérdés (wie Anm.  8), 425 – 452, 505 – 522, 538 – 572. 12 Zu den Absichten der Sprachgesetze vor 1848 zurückkehrend, wurde 1879 vorgeschrieben, dass in allen ungarischen Grundschulen die Staatssprache (also das Ungarische) als Fach unterrichtet werden soll. Hamar, Mária: A magyar nyelv kötelező tanításáról szóló 1879. évi törvényről [Über das 1879 verabschiedete Gesetz zum obligatorischen Unterricht der ungarischen Sprache]. In: Századok 1 (1976), 84 – 119. – Da der ungarische Staat mit dem Tempo des Erlernens der Staatssprache sehr unzufrieden war, wollte man mit mehreren weiteren Gesetzen diesen Prozess beschleunigen. Als Höhepunkt dieser Politik kann die sogenannte Lex Apponyi von 1907 betrachtet werden. Vgl.: Kéri, Katalin: Az 1879: XVII. törvénycikktől a „Lex Apponyi“-ig. Adalékok a kötelező magyar nyelvoktatás történetéhez [Vom XVII. Gesetzesartikel des Jahres 1879 bis zur „Lex Apponyi“. Beiträge zur Geschichte des obligatorischen ungarischen Sprachunterrichts]. In: Híd a századok felett. Tanulmányok Katus László 70. születésnapjára. Hg. v. Péter Hanák und Mariann Nagy. Pécs 1997, 269 – 280.

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Leben, in der politischen und höheren kulturellen Sphäre eine einheitliche ungarische nationale Gesinnung und einen magyarischen Sprachgebrauch anstrebt, womit die Kulturen der Nationalitäten auf die Rolle einer Art ethnografischen, regionalen Besonderheit reduziert würden. Dieser neue Aufbauplan der Nation schränkte letztendlich die Arbeit der Nationalitäten am Aufbau ihrer eigenen Nation sehr stark ein. In diesem Sinne kann man mit Recht von der „Unterdrückung der Nationalitäten“ sprechen, wie auch im 19. Jahrhundert im Zuge der Entstehung der europäischen Nationalstaaten die Gemeinschaftsrechte der nationalen Minderheiten in anderen Ländern, von Frankreich über Deutschland bis Russland, stark eingeschränkt worden sind.13 In der Wortwahl der mit extremen Übertreibungen operierenden Publizistik der damaligen Zeit tauchten häufig Ausdrücke auf, nach denen die Magyaren die anderen Nationalitäten ausrotten wollten. Diese waren natürlich weder im wortwörtlichen noch im übertragenen Sinne wahr. Ob man die Selbstorganisation der ungarländischen Nationalitäten auch durch die Übertreibung der Gefahr der Magyarisierung hätte unterstützen können, gehörte aber überdies schon in die Frage­ stellung des politischen Propagandainstrumentariums. Bis zur Mitte der 1870er-Jahre war der Gegensatz zwischen dem magyarischen Nationalismus und den Nationalismen der anderen Volksgruppen in Bezug auf ihr politisches Konzept derart groß, dass man ohne die politische Kehrtwende der jeweils anderen Seite nicht mehr auf eine Einigung hoffen konnte. Dies wäre aber nur durch Druck von außen, eine neue Kraft oder eine bedeutende Modifizierung der Bedingungen möglich gewesen. Nach dem gescheiterten Experiment von 1871 aber hielt Franz Joseph bis zum Ende seines Lebens am dualistischen System fest, dessen Bestehen auch nicht von der Tatsache gefährdet war, dass die deutschösterreichischen Liberalen in Österreich zwischenzeitlich aus der Macht gedrängt worden waren und die aus Konservativen und Slawen bestehende Koalition den dort lebenden nicht-deutschen Nationen bestimmte Zugeständnisse gemacht hatte. Die zwischen den Slawen (in erster Linie den Tschechen) und den Deutschen aufflammenden nationalistischen Diskussionen führten des Öfteren zu einer Lähmung Österreichs, während der viel virulentere ungarische Nationalismus seine schwächeren Rivalen, die mit der politischen Passivität nicht gerade die beste Taktik gewählt hatten, in Schach halten konnte. Die Forderungen der Nationalitäten wurden von den sich immer sattelfester fühlenden Ungarn nun schon selbstbewusst und oft auch gänzlich offen beiseite gefegt. Die ungarische nationale Politik träumte davon, im Falle einer ausreichend langen Ruhephase so zu Kräften zu kommen, dass sie nicht nur die

13 Diószegi, István: Üllő és kalapács. Nemzetiségi politika Európában a XIX. században [Amboss und Hammer. Nationalitätenpolitik im Europa des 19. Jahrhunderts]. Budapest 1991, insbes. 17 – 54; ­Heller, Mihail: Az Orosz Birodalom története [Die Geschichte des Russischen Reiches]. Budapest 1996, 560 – 563; Seton-Watson, Hugh: The Russian Empire 1801 – 1917. Oxford 1967, 485 – 505; ­Karsai, László: A nemzetiségi kérdés Franciaországban [Die Nationalitätenfrage in Frankreich]. Budapest 1983, insbes. 69 – 81; Iordachi, Constantin: „The California of the Romanians“: The Integration of ­Northern Dobrogea into Romania 1878 – 1913. In: Nation-Building and Contested Identities: Romanian and Hungarian Case Studies. Hg. v. Balázs Trencsényi u. a. Budapest 2001, 121 – 152.

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unbestreitbare Führung Ungarns für immer in der Hand hielte, um sie ausschließlich in den Dienst der ungarischen Nationenbildung zu stellen, sondern ihren Einfluss über die ganze Monarchie geltend machen könnte. Mit dem Aufbau des ungarischen nationalen Staates wurden in Ungarn sichtbare Erfolge erreicht, was neben der modernen wirtschaftlichen Entwicklung während der Millenniumsfeiern von 1896 Grund zur Freude bot. Um die Jahrhundertwende phantasierten einige Chauvinisten schon, der ungarische oder im schlechteren Fall der ungarisch-österreichische Einfluss auf den Balkan werde sich ausdehnen.14 Demgegenüber wurden die Anführer der Nationalitäten für Jahrzehnte in die Defensive gezwungen. Während der Zeit der Herrschaft von Franz Joseph fanden sie beim Thron keine Unterstützung, da der Kaiser maximal zum Beschneiden der schlimmsten Triebe des ungarischen Nationalismus bereit war, und in erster Linie nur dann, wenn er sich gegen die Institutionen des Reiches richtete. Aus diesem Grund waren die Anführer der Nationalitäten logischerweise bestrebt, über die Grenzen der Monarchie hinaus Verbündete und Unterstützer zu suchen, auch wenn von diesen in der gegebenen internationalen Machtkonstellation nur wenig Hilfe zu erwarten war. Die jüngst erst von der osmanischen Herrschaft befreiten Länder Serbien und Rumänien waren noch zu schwach, um für die Serben und Rumänen in Ungarn als potenzielle Helfer in Frage zu kommen, waren sie doch jahrzehntelang gezwungen, ihre Politik der Monarchie anzupassen. So konnten die Bukarester Unterstützer der siebenbürgischen rumänischen nationalen Bewegung nur beim Erhalt der Kultur- und Bildungsinstitutionen Hilfe leisten, während die innenpolitische Lage in Ungarn kaum ernsthaft von ihnen beeinflusst wurde. Das Russische Reich, das langfristig gesehen an der Vergrößerung seines Einflusses auf die slawischen Völker der Monarchie interessiert war, konnte wiederum nicht offen in die inneren Verhältnisse einer anderen Großmacht eingreifen, so dass die russische Ausrichtung der slowakischen konservativen Anführer von Turócszentmárton (Turz-Sankt Martin, jetzt Martin) im politischen Sinne auch nicht viel Nutzen brachte; gleichzeitig lieferte es dem ungarischen Staat Beweise für deren „vaterlandsverräterischen“ und „panslawischen“ Gefühle. Das dualistische System stabilisierte sich, was für die ungarische Nationenbildung gute Rahmenbedingungen garantierte. Eine ernsthafte Veränderung ergab sich erst am Ende des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts. Die bis dahin friedliche und Sicherheit bietende nationale Situation der Monarchie verwandelte sich in eine Krise, als sich die Verhältnisse 14 Z. B. der Politiker und Astronom Pál Hoitsy und der einflussreiche Journalist Jenő Rákosi. Hoitsy, Pál: Nagymagyarország. A magyar történet jövő századai [Großungarn. Die kommenden Jahrhunderte der ungarischen Geschichte]. Budapest 1902. – Der wichtigste Teil der berühmten Rede vom 06. 06. 1902 von Jenő Rákosi ist zitiert nach: Szarka, László: Duna-táji dilemmák. Nemzeti kisebbségek – kisebbségi politika a 20. századi Kelet-Közép-Európában [Das Donaugebietsdilemma. Nationale Minderheiten – Minderheitenpolitik im östlichen Mitteleuropa des 20. Jahrhunderts]. Budapest 1998, 263 – 267; Romsics, Ignác: A magyar birodalmi gondolat [Der ungarische Reichsgedanke]. In: ders.: Múltról a mának. Tanulmányok és esszék a magyar történelemről. Budapest 2004, 121 – 157, insbes. 140 – 148; Bertényi d. J., Iván: A „magyar birodalmi gondolatról“ – az I. világháború előtt [Über den „ungarischen Reichsgedanken“ – vor dem Ersten Weltkrieg]. In: Kommentár 4 (2007), 40 – 56.

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zwischen den Großmächten in Europa veränderten: Franzosen, Russen und Briten näherten sich einander an und standen der erschreckend erstarkenden deutschen Großmacht gegenüber. Mit diesen Staaten waren die teilweise von diesen unabhängigen, zum anderen Teil doch stark von den Großmachtinteressen abhängigen Balkanstaaten im letzten Akt des mehrhundertjährigen Kampfes mit dem Osmanischen Reich, welcher mit der türkischen Niederlage und der darauf folgenden Neugliederung des Balkans endete, verbunden. Das erschütterte Habsburgerreich stand vor einem Thronwechsel und man wusste, dass der Neffe des greisen Kaisers, Erzherzog Franz Ferdinand, grundsätzlich andere Sichtweisen vertrat. Seine Vorstellungen, die die Zentralmacht des Kaisers und die Rechte der einzelnen Völker gleicherweise stärken wollten, bedeuteten eine ernst zu nehmende Gefahr für den Dualismus.15 Vor diesem Hintergrund wird es verständlich, dass die politische Bedeutung der Nationalitäten in Ungarn (vor allem die wegen der Situation auf dem Balkan wichtiger gewordenen Rumänen) nach 1910 eine derartige Aufwertung erfuhr, und warum der zur geduldigeren Strömung gehörende Graf István Tisza (1861 – 1918) eine größere Kompromissbereitschaft gegenüber bestimmten Forderungen der Nationalitäten zeigte.16 Im überwiegenden Teil der dualistischen Epoche konnte sich aber eine stabile, auf längere Sicht scheinbar erfolgreiche ungarische nationale Politik durchsetzen, welche üblicherweise den Hintergrund für die politische Rolle der Armenier in Ungarn bildete. Die armenische Gemeinschaft in Ungarn hatte dieses Interpretationsmodell des Nationenbegriffs akzeptiert und sich innerhalb des Rahmens der politischen ungarischen Nation eingegliedert. Dieser Prozess der Eingliederung lief zwar nicht reibungslos ab, bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war jedoch die Assimilation der Armenier in Ungarn irreversibel geworden. Die sich am Ende des 17. Jahrhunderts in Siebenbürgen ansiedelnden Armenier wurden von vornherein von der dortigen dreiständischen Nation in die ungarischen Reihen aufgenommen. Für die einige zehntausend Menschen zählende Gemeinschaft der Armenier brachte das Konzept der liberalen ungarischen Nationenbildung mehr Vorteile als Nachteile mit sich. Die Chancen auf eine wirkliche nationale Autonomie standen eher schlecht für diese wenigen Armenier, die in der Diaspora lebten, und wenn schon die sprachliche Assimilation und die gesellschaftliche Integration auf längere Sicht als unabwendbar schienen, so wollten sie sich am ehesten der 15 Kann, Robert A.: Franz Ferdinand, der Ungarfeind? In: ders.: Erzherzog Franz Ferdinand. Studien. Wien 1976, 100 – 126. 16 Szász, Zoltán: A Tisza-féle magyar–román paktumtárgyalások feltételrendszere 1910 – 1914 [Das Bedingungssystem der von Tisza geführten ungarisch-rumänischen Paktverhandlungen 1910 – 1914]. In: Történelmi Szemle 1/2 (1984), 182 – 191; ders.: A román kérdés Tisza István első kormányának politikájában, 1904 [Die Rumänien-Frage in der Politik der ersten Regierung von István Tisza, 1904]. In: Történelmi Szemle 3 (1968), 254 – 293; Szarka, László: Végzet és Gondviselés. Adalékok Tisza ­István első világháború alatti nemzetiségi politikájának történetéhez [Schicksal und Fürsorge. Beiträge zur Geschichte der Nationalitätenpolitik István Tiszas während des Ersten Weltkrieges]. In: Szarka, Duna-táji dilemmák (wie Anm. 14), 74 – 93; Vörös, László: Tisza István nemzetiségi politikája és a szlovákok (1913 – 1915) [István Tiszas Nationalitätenpolitik und die Slowaken]. In: Fórum Társadalomtudományi Szemle 1 (2004), 155 – 164.

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mehrheitlichen Staatsnation anschließen, die sich in der herrschenden Position befand. Viele von ihnen hatten während ihres hundertjährigen Daseins so viel Vermögen angehäuft und gesellschaftliches Prestige erlangt, dass sie in der neuen freien ungarischen Nation durchaus auf eine höhere gesellschaftliche Position hoffen konnten. Die armenischen Familien, die sich durch ihr Vermögen einen Adelstitel verschaffen konnten, besaßen somit schon in der ständischen Gesellschaft die Möglichkeit, zur Elite zu gehören, und zählten mindestens zur mittleren, ein höheres Prestige besitzenden Schicht. Damit waren sie schon Mitglieder der alten, ständischen Nation, und die liberalen Reformen des 19. Jahrhunderts zielten auf eine Ausweitung ab. Für den größeren Teil der armenischen Volksgruppe war die Erschaffung der liberalen, modernen Nation deswegen von Vorteil, weil dadurch die Unterschiede, in ihrem Fall die sich aus der Immigrantenexistenz ergebenden Nachteile, die bis dahin dem gesellschaftlichen Aufstieg eventuell im Wege gestanden hätten, verwischt werden konnten. Die Besonderheiten der Assimilation der Armenier können am ehesten mithilfe der sogenannten „middleman minorities theory“ interpretiert werden. In dieser Hinsicht ist ihre Integrations- und Assimilationsstrategie sowie auch ihre Rolle im wirtschaftlichen Leben des Landes mit der des Judentums in Ungarn (und im Allgemeinen in Mitteleuropa) vergleichbar; gleichzeitig können sie aus mehreren Gründen als um einiges erfolgreicher erachtet werden. Zwar handelte es sich in beiden Fällen um eine immigrierte Volksgruppe mit einer von der örtlichen Bevölkerung erheblich abweichenden Kultur. Da aber die Armenier Christen waren (mehr noch: Katholiken, wenn auch mit eigenen Riten), standen sie diesbezüglich der mehrheitlichen Bevölkerung näher, so dass die Religion weniger als divergierendes Kriterium galt. Nach einiger Zeit konnten über die gesellschaftlichen Grenzen hinweg Ehen und andere Beziehungen geschlossen oder ausgebaut werden. Ihre im Vergleich zum Judentum viel geringere Zahl erleichterte den Prozess der Assimilierung, die bis zur Magyarisierungswelle der Reformzeit in den armenischen Zentren Siebenbürgens, wie etwa in Armenierstadt (Gherla, Szamosújvár, Hayakaghak), schon stark vorangeschritten war. Auf der anderen Seite haben wir auch zahlreiche Beweise, dass die Assimilation der Armenier von der tonangebenden liberalen Schicht der magyarischen Mehrheit enthusias­ tisch begrüßt wurde. Die Repräsentanten der ungarischen Elite des 19. Jahrhunderts ignorierten die im 18. Jahrhundert noch häufig auftretenden, sich aus den wirtschaftlichen Interessenskonflikten nährenden Animositäten und Kritiken 17 und befürworteten die Assimilation der Armenier.18 Nicht unbedingt nur, um dadurch die Zahl der Magyaren zu

17 Pál, Judit: Az örmények integrálódása és az örménységkép változásai Erdélyben a 18 – 19. században. [Die Integration der Armenier und die Veränderungen des Bildes des Armeniertums im Siebenbürgen des 18.–19. Jahrhunderts]. In: Örmény diaszpóra a Kárpát-medencében. Bd. 2. Hg. v. Sándor Őze und Bálint Kovács. Piliscsaba 2007, 77 – 94, insbes. 78 – 84. 18 Z. B. Balázs Orbán, der im kulturellen und politischen Leben eine wichtige Rolle spielte, zur wirtschaftlichen Positionen der Armenier: „[S]ie haben den Handel fast überall in ihre Hände genommen, und dadurch sind sie reich geworden; […] aber seien wir doch nicht neidisch, sondern freuen wir uns über ihre Erfolge, da dieses Nationsfragment gegenüber dem Vaterland nie undankbar war. […] Sie

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erhöhen, da ja die Armenier insgesamt doch recht wenige waren, sondern in erster Linie aufgrund derjenigen sogenannten armenischen „nationalen Eigenheiten“, die früher die Quelle für Spannungen darstellten. Die Erfahrungen im Bereich des Handels sowie die Kompetenzen auf dem Gebiet des Finanzwesens und der Wirtschaft, als eo ipso „armenische Eigenschaften“, bildeten nach dem romantischen Nationenkonzept des 19. Jahrhunderts die idealen Ergänzungen zu den Magyaren, die sich zwar mit anderen Tugenden rühmen konnten, aber nicht mit diesen positiven Eigenschaften gesegnet waren.19 Die neue, moderne und freie ungarische Nation wurde durch die Armenier – und die Juden – mit diesen in der modernen Welt wichtigen Eigenschaften ausgerüstet. Dadurch konnten die Magyaren beweisen, dass „wir keiner anderen Nation an Wert unterlegen sind“ und dass die ungarische Nation in der Lage sei, mit ihren eigenen, spezifischen nationalen Werten und Verdiensten die Kultur der Menschheit im Laufe der weltgeschichtlichen Entwicklung zu bereichern. Obendrein konnten die Armenier zu keiner Zeit separatistischer Tendenzen bezichtigt werden, so dass die „treue“, „patriotische“ Gemeinschaft auch in dieser Hinsicht das Wohlwollen der mehrheitlichen Bevölkerung, der sie aufnehmenden alten, ständisch-ungarischen Nation verdient hatte.20 Diese von beiden Seiten positiv aufgenommene ­Assimilationsstrategie haben unsere Sprache, Kultur übernommen, sie haben ein Interessenbündnis mit uns geschlossen, und dadurch sind sie unsere Verwandten geworden.“ Orbán, Balázs: A Székelyföld leírása történelmi, régészeti, természetrajzi s népismei szempontból [Die Beschreibung des Szeklerlandes nach geschichtlichen, archäologischen, naturkundlichen und ethnologischen Kriterien]. Bd. 2. Pest 1869, 75. – Der Obergespan des Komitats Szolnok-Doboka (wo auch Armenierstadt liegt) und spätere Ministerpräsident Baron Dezső Bánffy beschrieb Kálmán Tisza 1887 so: „Die Vaterlandsliebe und Freigiebigkeit in allen magyarischen Angelegenheiten der Stadt Armenierstadt ist anzuerkennen. Solange dieser Boden den Armeniern gehört, ist es magyarischer Boden, aber wäre der Boden aus den Händen der Armenier weggenommen worden, würde er aufhören, weiter magyarisch zu sein!“ Zitiert nach Szongott, Kristóf: Szamosújvár szab. kir. város monográfiája 1700 – 1900 [Die Monografie der freien königlichen Stadt Armenierstadt 1700 – 1900]. Bd. 2. Szamosújvár 1901, 433. 19 Zu den deutschen Tugenden gab es ähnliche Auffassungen. Der liberale Graf Károly Zay schlug z. B. 1844 seinen Landsleuten vor: „Verehret die braven Deutschen, schließet ein ewiges Bündnis mit ihnen […]; das Herz und die Sprache sollen magyarisch bleiben, aber der Kopf und der Arm sollen mit deutscher Kultur und deutschem Fleiß durchströmt werden.“ Der übrigens aus einer Banater armenischen Gutsbesitzerfamilie stammende István Gorove sprach 1848 darüber, dass die Deutschen die Fackel, die Ungarn aber die Träger der Fackel sein sollen, was bedeutete, dass die Ungarn sich mit den Werten der deutschen Kultur reicher machten. Zitiert nach Gergely, András: A német nap és a kisállami bolygók [Die deutsche Sonne und die Planeten der Kleinstaaten]. In: ders.: 1848-ban hogy is volt? Tanulmányok Magyarország és Közép-Európa 1848 – 1849-es történetéből. Budapest 2001, 166 – 174. 20 Als armenische Meinung über die harmonische Beziehung zwischen der Identifizierung mit der ungarischen Nation und der Bewahrung armenischer Eigentümlichkeit: Esztegár, László: A magyarországi örményekről [Über die ungarländischen Armenier]. In: Armenia 5 (1890), 368 – 370. – Als Parallele dazu die Auffassung eines ungarischen Journalisten, der die Armenier von den anderen ungarländischen Nationalitäten völlig unterschied und schrieb: „Die Armenier bilden in keiner Hinsicht ein separates Element in der ungarischen Gesellschaft; sie sind die besten Patrioten, und obwohl es wahr

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hatte zur Folge, dass die Zahl der aus Armenien stammenden Politiker in der Elite der modernen, bürgerlich-ungarischen politischen Nation im Vergleich zu ihrem Zahlenverhältnis innerhalb der Gesamtbevölkerung des Landes auffällig groß wurde. Schon zur Zeit der ständischen Ära war es einer Gruppe Armenier gelungen, ihr Glück zu machen, so dass sie aufgrund ihres Vermögens, das sie durch ihre wirtschaftlichen und kaufmännischen Erfolge erlangt hatten, zu wichtigen Konstituenten der ständischen Gesellschaft geworden waren; einige Familien verschafften sich sogar geradewegs einen Adelstitel. Diese Vorteile ihrer Ausgangsposition konnten sie auch im neuen, bürgerlichen und liberalen Zeitalter nutzen. Als sich ein Politiker in der ersten repräsentativen Volksversammlung umschaute, konstatierte er halbwegs überrascht, dass er im Endeffekt dieselben Gesichter um sich herum sähe wie einst in der ständischen Volksversammlung: die Abkömmlinge der liberale Reformen bejahenden Adelsfamilien.21 Da die Familien armenischer Abstammung, die sich einen Adelstitel verschafften, auch einen gleichberechtigten Teil dieser alten, ungarischen adeligen Nation bildeten, lassen sich auch Armenier in der politischen Elite des neuen Systems wiederfinden. Im Zuge des volksrepräsentativen Parlamentarismus und der neuen liberalen Ordnung, die auf der bürgerlichen Rechtsgleichheit basierte, wurde ihre Zahl noch erweitert: durch diejenigen, die zwar vor 1848 nicht zum Adel gehört hatten, aber durch Vermögen und Fähigkeiten im neuen System, das für den gesellschaftlichen Aufstieg viel mehr Möglichkeiten bot, die führenden Positionen des Landes erklimmen konnten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welchen Anteil in der politischen Elite der dualistischen Zeit die armenischstämmigen Personen hatten, mit welchen Charakteristika sie beschreibbar und in welcher Weise sie kategorisierbar sind.

Wer ist ein Armenier? Anhand der oben angeführten Erörterungen ist es prinzipiell recht umständlich zu entscheiden, wer innerhalb der politischen Elite als Armenier betrachtet werden kann. Die Intelligenz des dualistischen Zeitalters war sich zwar dessen bewusst, dass die Muttersprache von fast der Hälfte der Bevölkerung des Landes nicht magyarisch war, sie war sich sogar im Klaren über die traditionellen und kulturellen Unterschiede der Armenier, dennoch hielt das Nationenkonzept der ungarischen Elite in politischer Hinsicht krampfhaft an der Idee einer einheitlich ungarisch geprägten Nation fest. Im öffentlichen und besonders auch im politischen Leben

ist, dass das ungarländische Armenentum ein Volk mit eigener historischer Entwicklung ist, sind sie zu gleicher Zeit ‚brave Staatsbürger des Vaterlandes‘.“ Die in Fővárosi Lapok erschienene Schrift von Károly Vadnai ist zitiert nach: Vadnai Károly az örményekről [Károly Vadnai über die Armenier]. In: Armenia 6 (1891), 213 f. 21 Pál Nyáry meinte: „Ungarn hat sich zwar in seinen Ideen gewandelt, aber in Wirklichkeit noch nicht. Man kann unter uns nur die geläufigen Namen finden.“ Pap, Dénes: A magyar nemzetgyűlés Pesten 1848-ban [Die ungarische Nationalversammlung 1848 in Pest]. Pest 1866, 107.

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des Landes galten somit alle als Ungarn, da es sich ja bei ihnen um die mit gleichen Rechten ausgestatteten ungarischen Staatsbürger eines einheitlichen ungarischen Staates handelte. Der Gedanke einer kollektiven politischen Eigenständigkeit der Nationalitäten gehörte genauso zu den „politischen Grobschlächtigkeiten“ wie auch die Frage der Mehrsprachigkeit im poli­ tischen Leben des Staates,22 so dass nach der offiziellen Auffassung die ungarischen königlichen Minister oder die Mitglieder des ungarischen Parlaments allesamt Ungarn waren. Natürlich war dies für die nationalistischen Parteien der Nationalitäten aufgrund ihres grundlegend anderen Nationenbegriffs völlig inakzeptabel. Manchmal kam es zu theore­ tischen Diskussionen, die im scharfen Ton gehalten z. B. der Frage nachgingen, ob die Abgeordneten des Parlaments, die das Programm der Rumänischen Nationalen Partei (Partidul Naţional Român) angenommen hatten, sich Rumänien oder Ungarn als Vaterland zugehörig fühlten.23 All das berührte jedoch die Armenier in keiner Weise, da sie sich – in jeder ihrer Äußerungen – als Ungarn deklarierten, wobei sie das Dogma der einheitlichen ungarischen politischen Nation vollständig akzeptierten.24 Die Anführer der armenischen Volksgruppe in Ungarn sahen die Zukunft ihres Volkes in der Assimilation an die ungarische Nation. Nur wenige zeigten mit der Idee, zumindest die kulturellen armenischen Besonderheiten (Sprache, Traditionen, armenische Riten/Bräuche) zu bewahren, die Grenzen zur totalen Integration auf. Die höchste, halbwegs schon als politisch zu bezeichnende Forderung dieser Gruppe war die Ernennung eines eigenständigen, armenischen katholischen Bischofs,25 was aber seitens der Führung des ungarischen Staates nicht erfüllt wurde, wobei 22 Der Ausdruck stammte aus der Zalaegerszeger Rede im Jahre 1881 von Kultusminister Ágoston Trefort. Zitiert nach: Mann, Miklós: Trefort Ágoston élete és működése [Leben und Wirken des Ágoston Trefort]. Budapest 1982, 134. 23 Z. B. die Abgeordnetenrede des jungen Grafen István Bethlen am 10. 04. 1907, in welcher er auf den Unterschied zwischen dem in Ungarn und in Rumänien genutzten Wortlaut ungarländischer Politiker rumänischer Nationalität aufmerksam machte. Zitiert nach: Bethlen, István: Válogatott politikai írások és beszédek [Ausgewählte politische Schriften und Reden]. Hg. v. Ignác Romsics. Budapest 2000, 9 – 27. 24 Zwei charakteristische Beispiele: Der katholische Stadtpfarrer von Armenierstadt, Kristóf Lukácsy, erklärte sein Engagement für den armenischen Bischofssitz und die Erhaltung der armenischen Identität überhaupt wie folgt: Es wäre sehr wichtig, „die armenische Nationalität zu retten und sie im ungarischen Interesse zu bewahren“, weil „Ungarn und die ungarische Nation nur bis dahin auf Armenierstadt und Elisabethstadt zählen können, solange diese Städte ihren originalen Charakter bewahren, und dieser wird von Elementen, die den Magyaren nicht gut gesinnt sind [Andeutung auf die Rumänen, I. B.], eben nicht bewahrt“. Lukácsy, Kristóf: Adalékok az erdélyi örmények történetéhez [Beiträge zur Geschichte der siebenbürgischen Armenier]. Kolozsvár 1867, 76 f. – Einer der Reichstagsabgeordneten von Armenierstadt und häufiger Autor in der Zeitschrift Armenia, Antal Molnár, hat eben mit diesen Argumenten der ungarischen Staatlichkeit vorgeschlagen, die Mittelschule in Armenierstadt zu einem Hauptgymnasium zu entwickeln. Molnár, Antal: Főgymnasium Szamosújvártt [Hauptgymnasium in Armenierstadt]. In: Armenia 6 (1891), 207 – 209. 25 Über Armenismus im Allgemeinen: Nagy, Pál: Armenizmus. Örmény identitás és kulturális ideológia a XIX. század végén Erdélyben [Armenismus. Armenische Identität und kulturelle Ideologie in Siebenbürgen Ende des 19. Jahrhunderts]. In: Baranya. Történelmi és honismeretei folyóirat 1

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auch viele politische Anführer armenischer Abstammung diesen Vorschlag missbilligten.26 So gesehen waren die Politiker armenischer Herkunft auf der Ebene der Verlautbarungen und der politischen Theorie Ungarn und nicht Armenier. Obwohl natürlich zur Frage, wer von den Politikern Armenier war, keine zeitgenössischen offiziellen statistischen Erhebungen durchgeführt worden sind, so wies doch die Wochenzeitung Armenia aus Armenierstadt in der Regel nach den Wahlen darauf hin, wer von den gewählten Abgeordneten Armenier war.27 Leider konnten diese Informationen für unsere Forschungen nur zum Teil verwendet werden, da sie einerseits fragmentarisch (die Armenia erschien erst nach 1887), andererseits die Daten selbst ungenau waren. In vielen Fällen wurden nämlich Personen als Armenier dargestellt, deren nationale Identität ausschließlich von der Armenia benannt wurde, ohne dass unabhängige Quellen dies bestätigen, so dass diese Angaben nicht wirklich aussagekräftig sind.28 Noch häufiger kam es vor, dass die Wochenzeitung über die armenische Abstammung bestimmter Politiker, denen nach anderen Quellen eine armenische Herkunft nachgewiesen worden ist, nichts berichtete. Es drängt sich die Frage auf, welche Personen eigentlich von der Armenia als Armenier betrachtet wurden und nach welchen Kriterien dies geschah. Leider ist dies nicht festgehalten worden, wobei offensichtlich weder die Kenntnisse der armenischen Sprache noch die Ausübung der Religion nach armenischen Riten ausschlaggebend waren, da diese wichtigsten Elemente der armenisch-kulturellen Tradition bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Ungarn praktisch als Ausnahmen galten, besonders in den armenischen Elitegruppen, die sich auf dem Weg der Magyarisierung befanden.29 Allem Anschein nach muss für eine Verortung als Armenier Blutsverwandtschaft ausschlaggebend gewesen sein, also das Kriterium der Abstammung von einer armenischen Familie. Aufgrund der relativ geringen Größe der einige zehntausend Personen umfassenden armenischen Gemeinschaft in Ungarn, innerhalb deren die zur Elite zu zählenden Familien auch nur eine kleine Zahl ausmachten, sowie aufgrund der typisch armenischen Familiennamen konnte man wohl

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(1994), 221 – 230; Szimonján, Anahit: A magyarországi örmény sajtó XIX–XX. századi története [Die Geschichte der Presse der ungarländischen Armenier des 19.–20. Jahrhunderts]. Budapest 1996; Polyák, Mariann: Az Armenia folyóirat jelentősége Erdélyben [Die Bedeutung der Zeitschrift Armenia in Siebenbürgen]. In: Őze/Kovács, Örmény diaszpóra (wie Anm. 17), 138 – 144. Z. B. Beszélgetés Lukács Györggyel [Ein Gespräch mit György Lukács]. In: Szamosújvári Napló, 21. 10. 1910, 1 f. Z. B. Örmény eredetű képviselők [Abgeordnete armenischer Abstammung]. In: Armenia 11 (1896). Nach den allgemeinen Wahlen von 1892 hat das Wochenblatt zurückschauend auch die Porträts der bisherigen Abgeordneten von Armenierstadt veröffentlicht. Vgl. Szongott, Kristóf: Szamosújvár országgyűlési képviselői (1842 – 1892) [Die Parlamentsabgeordneten von Armenierstadt (1842 – 1892)]. In: Armenia 7 (1892), 1 – 15. Z. B. Armenia 2 (1905). Zur sprachlichen Assimilation in Armenierstadt: Bányai, Elemér: Egy népfaj pusztulása [Der Untergang einer Volksrasse]. In: Örmények. Magyar írók az örmény városokról, az örmény emberről. Hg. v. Péter Sas. Budapest 2008, 474 – 486.

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mithilfe dieser Methode – Irrtümer mit eingeschlossen – mehr oder minder sicher die armenische Abstammung feststellen. Auch wenn wir uns darüber im Klaren sind, dass diese Sichtweise aus dem Blickwinkel der wissenschaftlichen Praxis des 21. Jahrhunderts nicht annehmbar ist, so ist doch die heutige Forschung auf ähnliche Methoden angewiesen. Zwar ist letztlich Armenier zu sein in erster Linie keine Frage der Abstammung, sondern eine Frage des Annehmen-Könnens der armenisch-kulturellen Traditionen und deren Pflege; also eine frei gewählte und nicht auf Ausschließlichkeit beruhende national-kulturelle Identität. Leider existieren keine Aussagen oder Daten, die eine Verbundenheit der Politiker dieser Epoche mit ihren armenischen Wurzeln bezeugen könnten. Im Gegenteil, wie bereits erwähnt, verraten solcherlei Deklarationen hinsichtlich ihrer Identität eher etwas über die Identifikation mit der ungarischen Nation und sind damit geradezu unbrauchbar, um die Minderheitengemeinschaft abgetrennt von der Mehrheit zu analysieren. Daher ist in dieser Untersuchung das Armeniertum der Politiker über eine armenische Abstammung definiert: mithilfe des Familiennamens, der nachweislich über eine armenische Abstammungslinie schon den Zeitgenossen Auskunft gab. Daraus folgt natürlich, dass die Politiker armenischer Herkunft in der mütterlichen Linie auch dann noch aus dieser Erhebung herausgelassen worden sind, wenn dafür ansonsten einschlägige Informationen zur Verfügung standen. Hierzu sei als Beispiel Dezső Szilágyi (1840 – 1901), einer der wichtigsten Politiker der mittleren Phase des Dualismus, genannt, der erst einer der Anführer der Gemäßigten Opposition war, die den Ausgleich akzeptierte, dann Justizminister (1889 – 1895) und schließlich Präsident des Abgeordnetenhauses wurde (1896 – 1901). Der Vater des ausgezeichneten Redners und liberalen Politikers gehörte zur reformierten Mittelschicht des ­Komitats Bihar, die Mutter wiederum war ein Spross der armenischstämmigen Familie Lukács, wodurch er durch sie mütterlicherseits mit mehreren Politikern armenischer Herkunft in einem Verwandtschaftsverhältnis stand. Dennoch wurde, um mit einheitlichen Kriterien zu arbeiten, in dieser Untersuchung der Halbarmenier Szilágyi nicht zu den Armeniern gezählt, da diese Erhebung sonst beliebig geworden wäre. In anderen, unbedeutenderen Fällen wäre die armenische Abstammung in mütterlicher Linie nicht nachweisbar gewesen, ganz davon abgesehen, dass Szilágyi in keiner seiner bekannten Äußerungen darauf verwiesen hatte, sich auch nur teilweise für einen Armenier zu halten. Die (Vor-)Väter der hier untersuchten Politiker waren also armenischer Abstammung; dies gilt jedoch nicht für die jeweilige Mutter. Als Beispiel sei der zum Minister für ­Religions- und Bildungswesen aufgestiegene György Lukács (1865 – 1950) genannt, dessen Stammbaum in seinen veröffentlichten Erinnerungen beispielhaft zeigt, dass spätere Generationen durchgängig Ehefrauen aus nicht armenischstämmigen ungarischen Adelsfamilien ausgesucht hatten.30 Im Fall der hier als Armenier betrachteten Personen können

30 Lukács, György: Életem és kortársaim [Mein Leben und meine Zeitgenossen]. Bd. 1. Budapest 1936, 10. Natürlich ist Lukács nicht mit dem marxistischen Philosophen identisch, der zwanzig Jahre später

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unter deren Vorfahren in unterschiedlichen Relationen Armenier aufgefunden werden; nur in Bezug auf die väterliche Linie kann man mit Gewissheit von einer armenischen Abstammung sprechen. Gleichzeitig waren in recht vielen Fällen kleinere genealogische Forschungen notwendig, um dies eindeutig festzustellen, da besonders über jene Männer, die am Anfang der Epoche und nur für kurze Zeit als Volksvertreter agierten, lediglich sehr wenig persönliche und auf ihre familiären Verhältnisse bezogene Daten zur Verfügung standen. In einzelnen Fällen konnte die armenische Abstammung nur durch die Wohnorte der entfernteren Nachfahren in Armenierstadt oder Elisabethstadt (Erzsébetváros, jetzt Dumbrăveni) nachgewiesen werden, in anderen durch offensichtliche Blutsverwandtschaft oder durch armenische Charakteristika der Trauerfeierlichkeiten, welche in Traueranzeigen offenkundig geworden waren. Mit dieser mühevollen und umständlichen Methode konnte bei insgesamt 68 Abgeordneten des Parlaments eine armenische Abstammung nach den o. g. Kriterien festgestellt werden, was aber nicht heißt, dass – mit dem Auftauchen neuer Quellen – diese Zahl nicht noch um einige Personen erhöht werden könnte.31

in einer jüdischen Familie geboren wurde. 31 Zu den wichtigsten Quellen für die biografischen Daten der Abgeordneten armenischer Abstammung: Tóth, Adalbert: Parteien und Reichstagswahlen in Ungarn 1848 – 1892. München 1973; Új ­Országgyűlési Almanach 1887 – 1892. Rövid életrajzi adatok a főrendiház és képviselőház ­tagjairól [Neuer Parlamentsalmanach … Kurze biografische Daten über die Mitglieder des Abgeordneten­ hauses und des Magnatenhauses]. Hg. v. Albert Sturm. Budapest 1888; Országgyűlési ­Almanach 1892 – 1897. Rövid életrajzi adatok a főrendiház és képviselőház tagjairól [Parlamentsalmanach 1892 – 1897. Kurze biografische Daten über die Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Magnaten­hauses]. Hg. v. dems. Budapest 1892; Országgyűlési Almanach 1897 – 1901. Rövid életrajzi adatok a főrendiház és képviselőház tagjairól [Parlamentsalmanach 1897 – 1901. Kurze biografische Daten über die Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Magnatenhauses]. Hg. v. dems. Budapest 1897; Országgyűlési Almanach 1901 – 1906. Rövid életrajzi adatok a főrendiház és képviselőház tagjairól. [Parlaments-Almanach 1901 – 1906. Kurze biografische Daten über die Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Magnatenhauses]. Hg. v. dems. Budapest 1901; Sturm-féle országgyűlési almanach 1905 – 1910. Rövid életrajzi adatok az országgyűlés tagjairól [Sturmscher Parlamentsalmanach 1905 – 1910. Kurze biografische Daten über die Mitglieder des Parlaments]. Hg. v. Henrik Fabro und József Ujlaki. Budapest 1905; Sturm-féle országgyűlési almanach 1906 – 1911. Rövid életrajzi adatok az országgyűlés tagjairól. [Sturmscher Parlamentsalmanach 1906 – 1911. Kurze biografische Daten über die Mitglieder des Parlaments]. Hg. v. dens. Budapest 1906; Sturm-féle országgyűlési almanach 1910 – 1915. Rövid életrajzi adatok az országgyűlés tagjairól [Sturmscher Parlamentsalmanach 1910 – 1915. Kurze biografische Daten über die Mitglieder des Parlaments]. Hg. v. Ferenc Végváry und Ferenc Zimmer. Budapest 1910; Az 1848 – 1849. évi első népképviseleti országgyűlés történeti almanachja [Historischer Almanach der ersten parla­ mentarischen Volksvertretung der Jahre 1848 – 1849]. Hg. v. Béla Pálmány. Budapest 2002; die Mikrofilmkopien der in der Széchényi Landesbibliothek (OSZK ) aufbewahrten Traueranzeige; die Budapester und örtliche Presse, besonders das Wochenblatt Armenia von Armenierstadt und die Fachliteratur über die Geschichte der ungarländischen Armenier, die an dieser Stelle leider nicht vollständig wiedergegeben werden kann.

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Das parlamentarische System in Ungarn zur Zeit des Dualismus Der ungarische volksrepräsentative Parlamentarismus wurde in Folge der revolutionären Veränderungen im Frühling 1848 in Ungarn eingeführt. Gesetzartikel IV von 1848 schrieb vor, dass das durch das Volk gewählte Parlament jedes Jahr in der Hauptstadt einberufen werden muss, während Artikel V die Modalitäten der Wahl der Abgeordneten regulierte. In diesem Sinne durfte jede wahlberechtigte Person ihr aus der ständischen Ära stammendes Wahlrecht auch behalten, was das Konzept der liberalen Reformer gut illustriert: Sie wollten eine Erweiterung der alten ständisch-adeligen Nation und nicht deren absolute Abschaffung. Durch das neue Gesetz erhielten auch diejenigen Nichtadeligen das Wahlrecht, die das vorgeschriebene Vermögen (Ackerboden, Haus, Werkstatt) besaßen oder einen intellektuellen Beruf ausübten.32 Gemessen an den europäischen Verhältnissen der damaligen Zeit wurde mit 7 – 10 Prozent der Bevölkerung erstaunlich vielen Menschen das liberale Wahlrecht zugesprochen. Dieses setzte den auf Vermögen und Intellekt beruhenden Zensus durch und wurde in der untersuchten Epoche nur einmal modifiziert: 1874 wurden mit Artikel XXXIII einige kleine Veränderungen durchgesetzt,33 doch kam es – entgegen der damaligen Forderungen der 1848erOppositionellen – nicht zur Ausweitung des Kreises der Wahlberechtigten. Da durch dieses Gesetz die offene (d. h. mündliche) Wahl obligatorisch eingeführt worden war, vergrößerte dies sogar die Möglichkeiten zur Einflussnahme seitens der Macht. Demgegenüber richtete sich Artikel XV von 1899 gegen bestimmte Missbräuche, so dass sich mit der Anordnung, denjenigen das Wahlrecht zurückzugeben, die mit der Zahlung der Steuern im Verzug waren, in geringem Maße die Zahl der Wahlberechtigten vergrößerte.34 Da der Anteil der stimmberechtigten Bürger über die Zeit jedoch stabil blieb, war trotz der Änderungen durch Artikel XIV von 191335 Ungarn im europäischen Vergleich ins Hintertreffen geraten. Vor dem Ersten Weltkrieg waren hier etwa 7 Prozent der Gesamtbevölkerung stimmberechtigt.36

32 Magyar törvénytár. 1836 – 1868. évi törvényczikkek [Ungarisches Gesetzblatt. Gesetzesartikel der Jahre 1836 – 1868]. Hg. v. Dezső Márkus. Budapest 1896, 222 – 230; vgl. den am letzten siebenbürgischen ständischen Dieta angenommenen Gesetzartikel II. Ebd., 262 – 264. 33 Magyar törvénytár. 1872 – 1874. évi törvényczikkek [Ungarisches Gesetzblatt. Gesetzesartikel der Jahre 1872 – 1874]. Hg. v. Dezső Márkus. Budapest 1896, 314 – 332. 34 Magyar törvénytár. 1899. évi törvényczikkek [Ungarisches Gesetzblatt. Gesetzesartikel des Jahres 1899]. Hg. v. Dezső Márkus. Budapest 1900, 44 – 93. Personen mit Steuerrückstand wurde durch § 141 das Wahlrecht zurückgegeben. 35 Magyar törvénytár. 1913 évi törvényczikkek [Ungarisches Gesetzblatt. Gesetzesartikel des Jahres 1913]. Hg. v. Gyula Térfi. Budapest 1914, 143 – 267. 36 Zu Wahlsystem und Parlamentarismus der dualistischen Ära: Tóth, Adalbert: Parteien und Reichstagswahlen in Ungarn 1848 – 1892. München 1973, 19 – 145; Boros, Zsuzsa/Szabó, Dániel: Parlamentarizmus Magyarországon (1867 – 1944) [Parlamentarismus in Ungarn (1867 – 1944)]. Budapest 1999, 9 – 154.

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Nach der damaligen politischen Praxis wurden die Abgeordneten ausschließlich durch das individuelle Wahlkreissystem ins Parlament gewählt, d. h. es existierten keinerlei Partei­ listen. Die Kandidaten erhielten die Möglichkeit, vor den Wahlen eine programmatische Rede zu halten, in der sie darstellen konnten, mit welcher Politik der jeweiligen Landespartei sie übereinstimmen würden. Für die Bürger aber, die für die einzelnen Kandidaten votierten, hatten sie individuelle Programme aufgestellt. Da dies jedoch nicht obligatorisch war, machten viele überhaupt keine Angaben und wurden einfach aufgrund ihrer Verdienste ohne weitere Wahlversprechen oder Programme gewählt. Es wurden also theoretisch die tüchtigsten und besten Männer der Bezirke ins Parlament geschickt, um dort über das Schicksal der Nation zu entscheiden. Die gewählten Abgeordneten zogen durch das Votum der örtlichen Wähler in das höchste Gremium des politischen Lebens des Landes, in das Abgeordnetenhaus, ein und nur diesem fühlten sie sich verantwortlich. Wenn also beispielsweise ein Armenier Mitglied des ungarischen Abgeordnetenhauses sein wollte, so musste er „pro forma“ das Vertrauen der Wähler des eigenen Wahlkreises gewinnen, wobei sich ein nach ihrem Gusto richtendes Programm als nützlich erwies. Natürlich konnten die Politiker darauf hoffen, wiedergewählt zu werden, wenn sie in der Lage waren, ihre poli­ tischen Verbindungen und ihren Einfluss für das Wohl ihres Wahlkreises einzusetzen. Die örtlichen Wähler erwarteten von ihrem Abgeordneten, dass er Vorteile für sie erkämpfen könne, sei es das Ansiedeln einer staatlichen Einrichtung, einen für sie günstigen Ausgang eines längere Zeit andauernden Rechtsstreites mit dem Staat oder das Zugeständnis einer Eisenbahnkonzession. Die ausschließliche Durchsetzung der örtlichen Interessen wurde von dem Sittenkodex der damaligen politischen Kultur verhindert: Jeder gewählte Abgeordnete hatte schon seinen Schwur zum Schutz des Gemeinwohls der Nation geleistet, so dass er bei einem möglichen Interessenskonflikt zwischen dem Land und der örtlichen Bevölkerung verpflichtet war, die Interessen des ganzen Landes zu vertreten. Aus all dem lässt sich insgesamt dann doch schlussfolgern, dass jene Politiker mit der Zeit erfolgreicher wurden, die zu den wichtigen Entscheidungsträgern in der Regierung gute Beziehungen pflegten, d. h. nach der natürlichen Logik der Dinge grundsätzlich die Politiker der Regierungspartei. Es konnte also durchaus lohnend sein, sogar aus einem gewissen Lokalpatriotismus heraus, den Mann der Macht zu wählen, weil von ihm zu erwarten war, dass er die für das Aufblühen der jeweiligen Region notwendigen staatlichen Hilfen beschaffen würde. Dennoch bezog sich diese Form der Erwägung nur auf einen Teil der Wahlkreise (typischer­weise auf die Städte, die von der staatlichen Unterstützung am meisten profitierten), während im größeren Teil des Landes die politischen Traditionen und die Stellungnahme der angesehensten örtlichen Familien für die Wahl des Kandidaten der Regierungspartei oder Opposition ausschlaggebend waren. Es wäre umsonst gewesen, sich „klüger“ zu verhalten und den Mann der Regierung zu wählen, wenn beispielsweise die jeweilige Region traditionell aus Anhängern der Opposition bestand. Mit Blick auf die Geschichte der Wahlen der dualistischen Epoche kann man feststellen, dass in den Wahlkreisen der Tiefebene mit magyarischer Nationalität fast immer die Kandidaten der 1848er-Opposition

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gewählt worden waren, die das System des 1867er-Ausgleichs zurückwiesen und denen das politische Erbe des von Lajos Kossuth geführten 1848/49er-Freiheitskampfes wichtiger war als die aktuellen Versprechungen und Verdienste irgendeiner Regierung. Die örtliche Elite konnte also mit ihrer politischen Meinung den Willen der Regierung übertreffen und tat dies auch, so dass in diesem Sinne die politische Doppelherrschaft der ständischen Zeit (die dem Hof unterstellte Landesregierung versus die Komitate, welche die ständische Verfassung schützten) weiterlebte. Während die große Politik von der loyalen politischen Elite des Landes betrieben wurde, die sich den Vorstellungen des Wiener Hofes angepasst hatte, so war vor Ort in einigen Komitaten nicht selten die Opposition in der Mehrheit. So wie in der ständischen Ära die alte ungarische mittlere Adelsschicht in der Lage war, die absolute Dominanz der Macht des Wiener Hofes zu verhindern, so waren auch deren im volksrepräsentativen parlamentarischen System operierenden Nachkommen in der Lage, sogar für Jahrzehnte den Wahlsieg der Opposition vor Ort zu sichern. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass sich die politischen Parteien in der dualistischen Zeit im Land immer mehr verbreiteten, so dass auch in den peripheren Gebieten des Landes die Parteizugehörigkeit der Kandidaten bewusst wahrgenommen wurde. Besonders ab der langlebigen und stabilen Regierungszeit von Kálmán Tisza (1875 – 1890) gab sich die Regierung nicht mehr damit zufrieden, in der Mehrheit der Wahlkreise einfach nur auf den eintretenden Sieg der sie und ihre Politik unterstützenden Kandidaten zu hoffen. Die Regierungspartei und auch die ihnen nacheifernden oppositionellen Parteien bemühten sich immer mehr um die bewusste Mitgestaltung dieses Prozesses. Die schon zur ständischen Zeit frevelhaften Wahlkämpfe und die traditionelle Parteilichkeit der Adeligen wurden langsam durch Wahlkampagnen ergänzt, die man von der Landeszentrale aus lenkte: Die Regierungspartei sicherte ihren Kandidaten materielle und organisatorische Unterstützung zu, was Korruption bei den Wahlen und einen eher listigen als brutalen Eingriff der Behörden im Interesse des Kandidaten der Machthaber bedeutete. Mit diesen Mitteln konnte in dieser Ära – die Wahlen von 1905 ausgenommen – immer die Mehrheit für die Regierungspartei gesichert werden. Typischerweise wurde der größte Sieg (bis zu 70 Prozent der Mandate) gerade 1896 errungen, als die ausgezeichnete und gnadenlose Wahlkampagne vom damaligen Ministerpräsidenten Baron Dezső Bánffy (1843 – 1911) organisiert worden war, der auch auf seine Erfahrungen als Obergespan zurückgreifen konnte. Dass die Regierungspartei im Allgemeinen doch nicht solch übermäßig große Siege feierte, lag wohl auch an den begrenzten Mitteln, die ihr zur Verfügung standen: In manchen Regionen gab es eine so starke Unabhängigkeitstradition, dass die Anhänger des Ausgleichs dort keine Chancen gehabt hätten. Hinzu kommt, dass in diesen Gegenden die örtlichen Machthaber gegen die Regierung standen. Damit kam für diese die Möglichkeit der administrativen Manipu­ lationen hier nicht in Frage, da sie sonst selbst zu Opfern geworden wären. Andererseits versuchte die Opposition mit den Schmiergeldzahlungen, die von der Seite des Kandidaten der Regierungspartei kamen, gleichzuziehen. Zwar gelang ihr dies in finanzieller Hinsicht nicht vollständig, dennoch konnte sie oft mit demagogischen Versprechen und Drohungen die Manipulationen der Regierungspartei erfolgreich ausgleichen.

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All diese Prozesse führten aber zu dem Ergebnis, dass abweichend von einer klassischen liberalen Parlamentarismusauffassung nicht bloß derjenige zum Abgeordneten wurde, den die örtlichen Wähler haben wollten, sondern – im Falle der Erfüllung bestimmter Bedingungen – auch derjenige, den die Landesparteizentrale für die einzelnen Wahlkreise vorgesehen hatte. Es war also durchaus vorstellbar, dass auch unbekannte Politiker ohne Beziehungsnetzwerk in einem bestimmten Wahlkreis ein Mandat erlangten, indem die Budapester Parteiführung (in erster Linie natürlich im Fall der Regierungspartei) finanzielle und behördliche Unterstützung zusicherte. Dadurch, dass der Ministerpräsident in diesen Kandidaten die örtlichen Garanten der Bewahrung des Ausgleiches, des Systems, der Regierung und der Macht sah, stellte er die Anhänger der Landesregierung automatisch auf die Seite des Kandidaten der Regierungspartei. So konnte Kálmán Mikszáth (1847 – 1910), der oft über die Nostalgie der damaligen Zeit berichtende Schriftsteller, klagen: „Für wen die Regierung 30 – 40.000 Forint zahlt, der muss ein wertvoller Mensch sein. Der Ministerpräsident wird ihn sicherlich mögen; dass der Bezirk ihn nicht mag, hat keine Bedeutung.“37 All das bedeutet also, dass im Falle der ins Parlament gewählten armenischen Abgeordneten neben der lokalen Bindung auch eine enge Beziehung zu der Landesparteiführung im Hintergrund des Wahlerfolges stehen konnte; diese Art Kontraselektion der politischen Elite, das Verblassen der lokalen Bindungen und der in den Vordergrund rückende Wille der Parteieliten des Landes ist jedoch auch in anderen europäischen parlamentarischen Systemen beobachtbar. Dennoch wies die damalige Parteistruktur Ungarns einige Merkmale auf, die in anderen europäischen Ländern nicht vorkamen. Während die Parteien der europäischen Staaten des 19. Jahrhunderts sich in erster Linie entlang politischer Ideen und Ideologien organisierten bzw. sich aufmachten, die einzelnen gesellschaftlichen Schichten zu vertreten, bedeutete in Ungarn die sogenannte staatsrechtliche Frage zur Einstellung der einzelnen Gruppierungen zum 1867er-Ausgleich eine grundsätzliche Bruchlinie zwischen den politischen Parteien. Den sogenannten 1867er-Parteien, die das dualistische System für einen brauchbaren Rahmen für die Entwicklung der ungarischen Nation hielten und es deswegen verteidigten, stand die sogenannte 1848er-Bewegung gegenüber. Sie akzeptierte zwar den 1867 rechtmäßig gekrönten Franz Joseph als ungarischen König, wollte jedoch die Autonomie Ungarns ausweiten, die gemeinsame Politik mit Österreich zurückdrängen und im Endeffekt ein gänzlich unabhängiges Ungarn erreichen, welches lediglich durch die Person des Herrschers an Österreich gebunden sein sollte. Natürlich war dieser Standpunkt, der das dualistische System ablehnte, nicht regierungsfähig. Franz Joseph hätte nie ein 1848erProgramm akzeptiert, da dies zur Teilung seines Reiches geführt hätte. Diese vermeintlich „innere Angelegenheit der ungarischen Nation“ war – da es um die Zukunft einer Großmacht

37 Mikszáth, Kálmán: Jókai Mór élete és kora [Mór Jókais Leben und Zeit]. Bd. 2. Budapest 1907, 256 f.

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in Europa ging – eine europäische Machtfrage ersten Ranges. Daher war der Wahlkampf zwischen den regierungsfähigen 1867ern und den populären 1848ern, die die Rechte der Nation auch gegenüber Wien kämpferisch verteidigten, äußerst ungleich: die 1848er durften nicht die Mehrheit erlangen, Gruppierungen mit 1867er-Färbung mussten regieren, und so konnten auch nur diese bei den Wahlen gewinnen. Ferenc Herczeg (1863 – 1954), der gefeierte Schriftsteller der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und selbst Abgeordneter der Regierungspartei, formulierte das so: „Unter König Franz Joseph kann man in vielfältiger Weise reden, aber regieren kann man nur in einer.“38 All das vergrößerte die Wichtigkeit der Wahlen und damit auch die Intensität der Missbräuche. Der Wahlsieg der Opposition musste um jeden Preis verhindert werden, andernfalls drohte der Untergang des Dualismus, der für die ungarische Nation doch Frieden und Stabilität bedeutete. Der Wahlmissbrauch bekam durch diese Argumentationsweise wenigstens noch einen gewissen patriotischen Anklang, der das Gewissen beruhigen konnte, falls es sich wegen des Wahlbetrugs denn melden sollte. Im System existierten überdies auch sogenannte 1867er-Oppositionsparteien, die den Ausgleich insgesamt akzeptierten, sich aber mit der Politik der Regierung nicht einverstanden zeigten. Hierzu gehörten anfangs die konservativen Gruppierungen, die noch vor der 1867er-Zeit mit dem Hof zusammengearbeitet hatten, und später die aus verschiedenen liberalen und konservativen Splittergruppen formierte Vereinigte Opposition, die sich gegen die Politik von Kálmán Tisza (1830 – 1902) stellte. Gleichzeitig begann diese 1867er-Opposi­ tionsbewegung ab Ende der 1880er-Jahre unter der Führung von Graf Albert Apponyi (1846 – 1933) an der Frage des Staatsrechts zu rühren. Nach Meinung der von ihm geführten Nationalen Partei wäre der Ausgleich bis dahin von den Regierungen verfälscht und die vielen für Ungarn vorteilhafteren Inhalte nicht durchgesetzt worden. Apponyi und seine Anhänger hätten sich dieser Inhalte angenommen und würden gleichzeitig – um ihre eigene Popularität zu steigern – die Regierung für ihre unpatriotische Haltung angreifen. Darüber hinaus hielten sie am Dualismus fest, zumindest mit Worten, um sich dadurch die prinzipielle Möglichkeit, zu regieren, offen zu halten. Für Franz Joseph war auch diese Option nicht akzeptabel, und als Apponyi den Wunsch äußerte, in der gemeinsamen Armee ungarisch-national geprägte Reformen einzuführen, wurde ­Apponyis Ernennung zum Ministerpräsidenten endgültig von der Tagesordnung genommen.39

38 Herczeg, Ferenc: Emlékezései. A gótikus ház [Erinnerungen. Das gotische Haus]. Budapest 1939, 266. 39 Sehr bezeichnend sind die Worte von Franz Joseph bei der ungarischen Kronratsitzung am 24. 02. 1892: „Die Lage in Ungarn ist nicht ganz normal, da es nur eine Partei gibt, welche ganz und ehrlich auf der Basis des staatsrechtlichen Ausgleiches steht, und deswegen scheint ein Parteienwechsel in der Regierung ganz ausgeschlossen zu sein.“ Zitiert nach: A Szapáry- és Wekerle-kormány minisztertanácsi jegyzőkönyvei. 1890. Március 16.–1895. Január 13. [Die Ministerratsprotokolle der Szapáry- und Wekerle-Regierung. 16. März 1890 – 13. Januar 1895]. In: Magyar Országos Levéltár. Bd. 1. Hg. v. János Lakos. Budapest 1999, 652.

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Dennoch wirkten die im dualistischen System aktiven 1867er-­Oppositionsparteien später noch nach. Aber weder die den Ausgleich akzeptierende Katholische Volkspartei noch die vom ehemaligen Ministerpräsidenten Dezső Bánffy gegründete Neue Partei besaßen die Kraft, die Macht der Regierung ernsthaft zu gefährden, so dass sie im Laufe ihres Wirkens gezwungen waren, sich auf die Frage des Staatsrechts zu konzentrieren, um wenigstens als Opposition wichtiger zu werden. Zu der 1867er-Opposition können auch die Gruppierungen gezählt werden, die wegen politischer oder persönlicher Konflikte aus der Regierungspartei ausgeschieden waren und nach deren Beilegung zur Macht zurückkehrten. Die in dieser Zeit als „Dissidenten“ bezeichneten Gruppierungen wurden in ihrer Bedeutung einzig von der vom Grafen Gyula Andrássy d. J. (1860 – 1929) angeführten Bewegung übertroffen, der mit der Verfassungspartei ab 1904 eine echte 1867er politische Alternative zu der immer mehr unter den Einfluss des Grafen István Tisza geratenden Regierungspartei aufgebaut hatte. In Ungarn herrschte also immer die gleiche politische Richtung, die den 1867-er Ausgleich gegen die staatsrechtlichen Forderungen der Opposition verteidigen musste. Da der Ausgleich auch aus europäischen machtpolitischen Interessen bedingungslos eingehalten werden musste, durfte die Opposition in den Wahlen nie gewinnen. In Ungarn hatte sich ein hegemoniales Mehrparteiensystem entwickelt.40 Dennoch ereignete sich bei den Wahlen von 1905 das, was nicht hätte passieren dürfen: die regierende Liberale Partei verlor ihre Mehrheit im Parlament, und die von der Unabhängigkeitspartei geführte oppositionelle Koalition gewann die Mehrheit. Obwohl auch mehrere 1867er-Oppositionsparteien daran Anteil hatten (die „Dissidenten“, die Katholische Volkspartei, die Neue Partei etc.), war das Programm der gesamten Koalition für Franz Joseph völlig indiskutabel, so dass er statt des Ministerpräsidentschaftskandidaten der Opposition, Graf Gyula Andrássy d. J., eine vorläufige Beamtenregierung unter der Führung seines getreuen Anhängers General Baron Géza Fejérváry (1833 – 1914) ernannte. Das formal verfassungskonforme, aber antiparlamentarische Vorgehen steigerte die Spannungen bis ins Unendliche. Für die Opposition war die Regierung illegitim, so rief sie dazu auf, keine Steuern zu zahlen. Infolge der immer heftigeren politischen Auseinandersetzungen im Frühjahr 1906 wurde das Parlament vom König aufgelöst. Letztendlich einigten sich die Parteien im Hintergrund: Um an die Macht zu kommen, gaben die Anführer der Opposition das Versprechen ab, keinerlei staatsrechtliche Forderungen zu erheben.41 Die von 1906 bis Anfang 1910 amtierende Koalitionsregierung kann also nur als eine Ausnahme gelten, die die Regel geradezu bestätigte: Umsonst gewann die Koalition die Wahlen von 1906 mit großer Mehrheit und umsonst wurde die Unabhängigkeitspartei zur größten Kraft im Parlament (Tisza ließ die Liberale Partei auflösen), wenn doch in der Praxis alles beim Alten blieb und sich nur die Rhetorik

40 Boros/Szabó, Parlamentarizmus (wie Anm. 36), 136. 41 Stone, Norman: Constitutional Crises in Hungary, 1903 – 1906. In: The Slavonic and East European Review 45 (January 1967), 163 – 182.

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änderte. Dieser Widerspruch führte bald zu einer inneren Krise der zermürbten Koalition, die Franz Joseph ausnutzte, um Anfang 1910 wieder eine außerparlamentarische Regierung 1867er Färbung zu ernennen. Der von der unpopulären Koalition angekündigte nationale Widerstand konnte keinerlei Wirkung mehr erzielen, so dass die Regierungspartei, die als Nachfolger der Liberalen Partei gegründete Nationale Arbeitspartei, bei den Wahlen im Juni 1910 – die üblichen Wahlverfahren anwendend – zur absoluten Mehrheit gelangte. Gleichzeitig ist es interessant, dass sich die sonst feindlich gegenüberstehenden 1867er und 1848er in Bezug auf ihre politischen Ideale kaum voneinander unterschieden. Wie die Regierungspartei vertrat auch die 1848er-Opposition grundsätzlich liberale und nationale Prinzipien und die Werte der mittleren und oberen Klassen der Gesellschaft. In Ungarn existierte jahrzehntelang keine ernstzunehmende konservative Kraft, da sie sich infolge der vor 1867 mehrere Jahrzehnte andauernden politischen Auseinandersetzungen zu sehr an den Standpunkt des Hofes angenähert hatte, wodurch sie in der öffentlichen Meinung als unpatriotisch galt und sehr unpopulär war. Der konservative Gedanke war zwar in einigen Gruppierungen der Regierungspartei durchgehend präsent und es wirkten auch auf 1867er-Grundsätzen fußende konservative Parteigruppen in einzelnen Phasen des Systems, aber unter ihnen konnte nur die 1895 gegründete Katholische Volkspartei als potenzieller Einflussfaktor betrachtet werden. Die in den 1890er-Jahren zu neuem Schwung gelangten Liberalen versuchten mit mehreren Gesetzen, die traditionellen Privilegien der katholischen Kirche zu beschneiden. Die sich demgegenüber formierende Partei, die zwar von Aristokraten angeführt wurde, aber durch den unteren Klerus auch auf die Unterstützung größerer Massen bauen konnte, war dennoch nicht in der Lage, die politische Palette grundsätzlich neu zu mischen und erreichte mit ihrem größten Wahlerfolg nicht einmal 10 Prozent der Mandate. Die Mehrheit der Parteien in Ungarn propagierte liberale Prinzipien, aber zum Teil nur, weil die europäischen Freiheitsideale ab den 1830er-Jahren mit der patriotischen Opposition in Verbindung gebracht wurden. Obwohl nach 1867 von den Regierungen der Deák-Partei zahlreiche grundsätzlich liberale Reformen ins Leben gerufen wurden, begann die nach 1875 ihrem Namen nach liberale Regierungspartei die liberalen Ideale immer konservativer zu interpretieren. Den Hauptgrund dafür lieferte die Erkenntnis, dass weitere liberale Reformen ihre eigene politische Macht gefährden und die grundsätzlich armen und ungebildeten Massen das System destabilisieren könnten. Deswegen lässt sich die dualistische Regierungspolitik in Ungarn insgesamt als konservativ-liberal beschreiben, die in einigen Fragen zwar offen, für moderne Veränderungen nach dem Muster der stabileren, mit besseren Grundvoraussetzungen ausgestatteten westeuropäischen Staaten aber eben nur im Rahmen des Systemerhalts war. Obwohl die 1848er-Opposition zeitweilig auf die Weiterentwicklung des Liberalismus drängte und einige ihrer Anführer auch demokratische Reformen vorgeschlagen hatten, war sie in der zweiten Hälfte der Phase eher darauf bedacht, sich im Vergleich zur Regierungspartei mit einem schrilleren und kompromissloseren Nationalismus von den Machthabenden zu unterscheiden. Eine ehrliche Forderung nach liberalen und demokratischen Reformen konnte man nur von

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den kleinen Parteien hören, die sich am Rande des Systems befanden, deren politisches Gewicht jedoch verschwindend gering war. Die konservative Ausrichtung des Liberalismus in Ungarn war auch Ursache dafür, dass bis zur Jahrhundertwende keine Parteien existierten, die die unteren Schichten der Gesellschaft repräsentiert hätten. Der Kapitalismus in Ungarn begann nicht eher als in den 1880er-Jahren eine ernsthaftere Entwicklung, so dass erst zum 20. Jahrhundert hin die Arbeiterschaft in den Großstädten wuchs und mit ihr die marxistisch orientierte Sozial­ demokratische Partei Ungarns. Die Bauern wiederum waren durch schlechte Organisation, Armut und vielerorts rückständige kulturelle Verhältnisse nicht in der Lage, lebensfähige politische Bewegungen zu organisieren. Hinzu kam, dass nach den Prinzipien des Liberalismus im 19. Jahrhundert nur die vermögenderen und gebildeteren Schichten der Gesellschaft (etwa 20 – 25 Prozent der männlichen Bevölkerung) das Wahlrecht besaßen. Während dieses Zahlenverhältnis bei der Einführung des volksrepräsentativen Wahlsystems 1848 in Europa als bedeutend galt, war die Macht nicht an der Ausweitung der Wählerzahlen interessiert, da sie in den ungeschulten, armen Massen die potenziellen Anhänger der populären 1848er-Unabhängigkeitsideen oder eines anderen, sozial geprägten Programms sah. So trat Ungarn mit einem wahlrechtlichen System ins 20. Jahrhundert ein, welches die 50 Jahre vorher herrschenden Vorstellungen und Verhältnisse konservierte, was natürlich viel eher die Durchsetzung des Willens der örtlichen Eliten ermöglichte und die breiteren Massen bewusst von der Macht fernhielt.

Die Zahl der armenischen Abgeordneten Wie bereits erwähnt, konnten zwischen der Einführung des parlamentarischen Systems 1848 und dem Ersten Weltkrieg 68 armenischstämmige Parlamentsabgeordnete identifiziert werden. Vor allen Dingen lohnt es sich der Frage nachzugehen, ob sie in dieser Phase gleichmäßig verteilt waren oder ob bezüglich der Zahl der Armenier unter den insgesamt 413 Landtagsabgeordneten in Ungarn bestimmte zeitliche Tendenzen nachweisbar sind. Es wird sofort ersichtlich, dass in der zweiten Hälfte der Epoche, also nach der Jahrhundertwende, mehr Armenier im ungarischen Parlament vertreten waren. Diese zwölf bis 15 Abgeordneten, also etwa 3 Prozent der Parlamentarier, bedeuteten eine Überpräsenz der Armenier gemessen an ihrem Anteil der Bevölkerung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten selbst nach optimistischer Schätzung nicht mehr als 10.000 – 15.000 armenischstämmige Einwohner in Ungarn (wohl etwa 0,1 Prozent),42 wobei sich die wenigsten in den alle zehn Jahre stattfindenden Volkszählungen als armenische Muttersprachler bezeichneten; durch die voranschreitende Assimilation hatte deren Zahl abgenommen.

42 Tóth, K. József: Örmény identitás a dualizmuskorban [Armenische Identität in der dualistischen Epoche]. In: Őze/Kovács, Örmény diaszpóra (wie Anm. 17), 132 – 137.

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Diagramm 1  Zahl der armenischstämmigen Abgeordneten des Parlaments in Ungarn in den einzelnen Kalenderjahren (bei Änderungen innerhalb eines Jahres sind die für den größeren Teil des Jahres relevanten Daten aufgeführt). 16 14 12 10 8 6 4 2

1914

1912

1910

1908

1906

1904

1902

1900

1898

1896

1894

1892

1890

1888

1886

1884

1882

1880

1878

1876

1874

1872

1870

1868

1866

1861

1848

0

Umso wichtiger ist es daher, auch jenen Phasen Beachtung zu schenken, in denen es kaum armenische Abgeordnete gab. Der Tiefpunkt 1861 (lediglich fünf armenische Abgeordnete) kann dabei außer Acht gelassen werden, da die Vertreter von Siebenbürgen nicht an den Beratungen in Pest teilnehmen durften: Die Habsburgerherrschaft hatte 1849 die 1848 zwischen Ungarn und Siebenbürgen entstandene Union annulliert, wohl wissend, dass der Großteil der ungarländischen Armenier dort lebte, so dass 1861 gerade die alten Ursiedlungen der Armenier (Armenierstadt, Elisabethstadt, Niklasmarkt [Gyergyószentmiklós, G ­ heorgheni], Frumoasa [Csíkszépvíz, Szépvíz]) nicht im ungarischen Parlament vertreten wurden. Aus ähnlich äußerlich bedingten Gründen lässt sich auch der Rückgang nach 1878 erklären: 1877 wurden die Wahlkreise umorganisiert. Die vor allem Siebenbürgen betreffende neue Ordnung benachteiligte die kleineren Städte, darunter auch Armenierstadt und Elisabethstadt, die bis dahin zwei Abgeordnete gewählt hatten. Seitdem kamen aus den von Armeniern bewohnten Städten nicht mehr jeweils zwei, sondern nur noch insgesamt zwei – wie zu sehen sein wird stets armenische – Abgesandte in das Budapester Parlament. Berücksichtigt man die niedrigen Zahlen, so können kleinere Schwankungen um ein bis zwei Personen in vielen Fällen auch durch Zufälle erklärt werden, wie z. B. Rücktritt, Tod oder die eventuelle Wahlniederlage eines Abgeordneten wie beispielsweise im Fall der unerwarteten Niederlage des Ernő Dániel (1843 – 1923) in Nagybecskerek (Zrenjanin, Großbetschkerek, Becicherecul Mare) 1881. Der später sogar zum Minister aufgestiegene Politiker armenischer Abstammung konnte von 1870 bis zum Ende der Epoche bei jeder Wahl einen Sieg erringen. In diesem einzigen Fall jedoch erwies sich der Zusammenschluss der örtlichen

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459

Opposition als die stärkere Kraft, die sich zwar hinter dem siegreichen Kandidaten der gemäßigten Opposition sammelte, deren wichtigen Bestandteil aber jene Serbische Nationalitäten­ partei bildete, die sogar den Gedanken einer ungarischen politischen Nation verneinte.43 Daher scheint es eher gerechtfertigt, aus größeren Tendenzen Schlussfolgerungen zu ziehen: Besonders festzuhalten ist hier, dass der Proporz der armenischstämmigen Politiker ihren Anteil an der Bevölkerung des Landes kontinuierlich in recht beachtlichem Maße überstieg. Diese konstant hohe Zahl der etwa ein Dutzend armenischen Abgeordneten ist sicher als Zeichen für ihre erfolgreiche Integration in die politische Elite Ungarns zu werten. Dass die Zahl der armenischen Abgeordneten gerade in der letzten Legislaturperiode ihren Höchststand erreichte, lässt sich sicherlich auch mit ihrer erfolgreichen, von der Mehrheit akzeptierten Assimilation in Zusammenhang bringen.

Wo wurden die armenischen Abgeordneten gewählt? Hinsichtlich der Assimilation der Armenier in Ungarn mit der entsprechenden geografischen Verortung ihrer Elite sind jene Daten von zusätzlichem Interesse, die verraten, in welchen Teilen des Landes, genauer gesagt in welchen Wahlkreisen sich die armenischstämmigen Parlamentsvertreter ein Mandat sicherten. Aus den Daten für größere Regionen lassen sich die entsprechenden Schlussfolgerungen ableiten. Zwar wurde die ungarische Statistik der dualistischen Epoche – in erster Linie im Interesse der Klassifizierung der Daten – schon des Öfteren ausgewertet, doch die dort kreierten geografischen Areale sind für die vorliegende Untersuchung modifiziert worden. Natürlich ist Siebenbürgen – als engere Heimat der ungarländischen Armenier – als eigenständige Region zu betrachten, genauso wie das historische Banat, welches die alten Statistiken unter dem Namen „Tisza-Maros-köze“ (Theiß-Maros-Becken) führt; dort waren ebenfalls viele Abgeordnete armenischer Abstammung gewählt worden. Aus den Daten wird ersichtlich, dass eine proportionale Aufteilung des Landes unnötig ist. Sinnvoller war dagegen, zwei weitere Regionen besonders zu betrachten. Einerseits das unter dem ungarischen Begriff „Tiszántúl“ [„jenseits der Theiß“] zusammengefasste Gebiet, welches sich auf die Komitate zwischen Siebenbürgen und dem Fluss Theiß bezieht, wozu natürlich auch die an beiden Ufern befind­ lichen Komitate zählen. Andererseits wurden die anderen Teile des Landes als eine gesonderte Einheit betrachtet, da in Transdanubien (Dunántúl), im Donau-Theiß-Zwischenstromland (Duna-Tisza-köze) und Oberungarn (Felföld), das in den statistischen Erhebungen sogar in zwei Teile gegliedert worden ist, armenische Parlamentsvertreter nur in sehr geringer Anzahl gewählt wurden. Dagegen sind die zwei größeren siebenbürgischen armenischen Zentren, Armenierstadt und Elisabethstadt, als eigene statistische Gruppe zu werten, da aus diesen Städten fast immer armenischstämmige Politiker ins Parlament gewählt wurden.

43 Zumindest wurde dies im Leitartikel der liberalen Zeitung Torontál am 07. 07. 1881 so behauptet.

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Diagramm 2: Zahl der armenischen Abgeordneten aus diesen Regionen in der jeweiligen Legislaturperiode (inkl. „Nachrücker“).

Banat

4 91

0

Siebenbürgen

19

10  – 1

91

6 19

06

 – 1

90

5 05 19

01 19

 – 1

90

1

Tiszántúl („jenseits der Theiß“)

 – 1

90

6 18

96

 – 1

89

2 18

92

 – 1

89

7 18

87

 – 1

88

4 84 18

81 18

 – 1

88

1

Armenierstadt und Elisabethstadt

 – 1

88

8 18

78

 – 1

87

5 18

75

 – 1

87

2 18

72

 – 1

87

9 18

69

 – 1

86

61

 – 1

18

65

18

18

48

16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

sonstiges

Das Diagramm zeigt deutlich, dass in allen Legislaturperioden die meisten armenischen Abgeordneten aus dem Banat und den zwei armenischen Zentren stammten, so dass in fast allen Legislaturperioden die Mehrheit der Gewählten aus diesen beiden Regionen kam. Im Zusammenhang mit der Gesamtzahl der armenischen Abgeordneten wurde schon auf die voranschreitende Assimilation verwiesen – damit lässt sich auch erklären, dass die Zahl der armenischen Abgeordneten aus den anderen Regionen bis zum Ende der Epoche stieg. Nach 1892 (mit Ausnahme der kurzen und atypischen Legislatur­ periode 1905/06) kam die Hälfte der armenischen Abgeordneten aus diesen Regionen; ab 1896 waren die Gesandten der zwei armenischen Zentren in Siebenbürgen und des Banats schon in der Minderheit. Das heißt, dass ein Politiker armenischer Abstammung ohne weiteres auch in Regionen einen Wahlsieg erringen konnte, wo es praktisch keine armenisch­stämmigen Wähler gab. Es ist nicht sonderlich erstaunlich, dass der Anteil der armenischen Abgeordneten aus Siebenbürgen recht beträchtlich ist, da die aus der Moldau einziehenden Armenier in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in die Obhut des damals noch autonomen Fürstentums Siebenbürgen gekommen waren und hier auch ihre ersten Siedlungen unter dem Schutz des Fürsten entstanden. Als Siebenbürgen unter die Herrschaft der Habsburger fiel, änderte sich ihre Lage kaum: der neue Herrscher setzte lediglich die Religionsunion der siebenbürgischen Armenier durch, um die ziemlich schwache Position der katholischen Kirche zu stärken. Im Gegenzug durften sie weiterhin ihre Privilegien im Protektorat genießen. Wie allgemein bekannt, hatte die blühende wirtschaftliche Betätigung der sich hauptsächlich mit Handel und Gewerbe beschäftigenden armenischen Kolonien dazu geführt, dass viele von ihnen zu Reichtum gelangt waren und sich mit der Zeit auch einen Adelstitel

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verschafft hatten. Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts lebte die Mehrheit der Armenier in Siebenbürgen,44 natürlich hauptsächlich in den vier armenischen Ursiedlungen. Darüber hinaus begann schon im Laufe des 17. Jahrhunderts die Umsiedlung aus den armenischen Gemeinschaften, Armenierstadt, Elisabethstadt, Niklasmarkt und Frumoasa, so dass man schon in der dualistischen Zeit in fast allen Gebieten des Landes häufig auf bedeutende Persönlichkeiten armenischer Abstammung treffen konnte. Die Abwanderung betraf in erster Linie die intellektuelle und vermögende Elite der armenischen Gesellschaft, die durch ihre Bildung und ihr Vermögen in der Lage war, sich an einem anderen Ort anzusiedeln und auch dort ihr Glück zu machen. Aus den vier ursprünglichen armenischen Siedlungen zog es sie vor allem in die prosperierenden Zentren und Regionen Ungarns. Die ersten, am nächsten liegenden Zielpunkte waren die siebenbürgischen Städte, allen voran Klausenburg (Cluj-Napoca, Kolozsvár),45 aber auch Städte im Königreich Ungarn, die in der Nähe von Siebenbürgen lagen: Nagyvárad (Oradea, Großwardein) oder Máramarossziget (Sighetu Marmației, Marmaroschsiget, Sihota). Dieser Prozess – parallel zu den demografischen Wandlungen, wie z. B. Urbanisierung, die mit der allgemeinen Modernisierung des Landes in Zusammenhang standen – wurde durch die Ansiedlung in Budapest gekrönt, da dies schon zur Zeit des Dualismus in politischer, wirtschaftlicher wie auch kultureller Hinsicht als Zentrum des Landes galt. Dass immer mehr Abgeordnete armenischer Abstammung aus anderen Regionen ins Parlament kamen, kann mit den parallel zu den allgemeinen Assimilationstendenzen der Armenier ablaufenden Wohnortwechseln in Zusammenhang gebracht werden. Die auch für andere kleinere Gemeinschaften charakteristische Wanderung, als ein in Ungarn auftretendes gesellschaftliches Phänomen beschreibbar, wurde im Falle der Armenier in bedeutendem Maße von der Rolle jener Armenier ergänzt, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Temescher Banat ankamen. Wie allgemein bekannt, konnte das von der Maros, der Theiß und der unteren Donau umschlossene und durch Krieg und Seuchen völlig wüste Gebiet Südungarns erst 1718 von der 150 Jahre andauernden osmanischen Herrschaft befreit werden. Der Wiener Hof stellte die Gebiete unter Militärverwaltung und versuchte in mehreren Wellen die aus den anliegenden Gebieten kommenden Serben, Rumänen und die aus dem Ausland hier angesiedelten Deutschen (die Schwaben) auf den Gütern der Schatzkammer anzusiedeln, um das total verwilderte Gebiet neu zu erschließen. Mit langer, mühevoller Arbeit gelang dies auch und das ehemals versumpfte Banat wurde innerhalb von 100 Jahren

44 Nach den Angaben der Volkszählung von 1881 wohnten 94 Prozent der Männer und 95 Prozent der Frauen mit armenischer Muttersprache in Siebenbürgen. A magyar korona országaiban az 1881. év elején végrehajtott népszámlálás eredményei némely hasznos háziállat kimutatásával együtt [Die Ergebnisse der Volkszählung, die am Anfang des Jahres 1881 in den Ländern der ungarischen Krone durchgeführt worden war, samt Nachweis einiger Nutztiere].Bd. 1. Budapest 1882, 224 – 233. 45 Egyed, Ákos: Örmény származású kereskedők a kolozsvári Kereskedelmi és Iparkamara vezetőségében [Händler armenischer Abstammung in der Leitung der Klausenburger Handels- und Gewerbekammer]. In: Erdélyi Örmény Gyökerek (Mai 2009), 20 – 22.

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zum vielleicht fruchtbarsten landwirtschaftlichen Gebiet Ungarns. Mit Recht vermerkte ein Geschichtsschreiber Anfang der 1870er-Jahre: „Kein Land der Monarchie hat in verhältnismäßig so kurzer Zeit (seit der Wiedereroberung im Jahr 1716) so viele und rasche Fortschritte in der Kultur durcheilt, als das Banat, dieses Ländchen, das an Reichtum und Naturschönheit mit jeder Provinz Österreichs wetteifern könnte.“46 An diesem Prozess nahmen auch reiche Armenier teil. Anfangs durch die Rinderherden, die sie auf den von der Schatzkammer gepachteten Banater Steppen weiden ließen. Später dann, als der Hof aus Geldmangel diese Gebiete verkaufte, gelangten viele davon in die Hand von Armeniern. Dies ging – wegen der ständischen Vorschriften – mit der Erhebung in den Adelsstand einher, wenn sie nicht vorher schon (z. B. aus Dankbarkeit für die Darlehen an die Schatzkammer) in den Adelsstand gehoben worden waren. Nach einer Konskrip­tion von 1770 lebten aber nur 363 Armenier im etwa 300.000 Einwohner zählenden Banat.47 Es handelte sich bei ihnen also tatsächlich um eine kleine Schicht. Parallel zur Entscheidung über den Verkauf der Besitztümer der Schatzkammer wurde 1778 das Temescher Banat im Zuge der von den ungarischen Ständen schon lange geforderten Reorganisation in drei Komitate geteilt, wobei das Militärgrenzgebiet am südlichen Grenzstreifen unmittelbar vom Hofkriegsrat abhängig blieb.48 Die Komitate Torontál, Temes und Krassó können aber auch nicht als klassische Komitate des Adels betrachtet werden, die in vollem Umfang unter die Herrschaft der Stände geraten waren, da ja wegen der Vorgeschichte vor Ort nahezu kein Adel existierte. Bezeichnenderweise wurden die ersten adeligen Anführer der Komitate noch nicht gewählt, sondern von der Königin aus den Reihen jener Personen einfach ernannt, die aus entfernteren Gebieten hergezogen oder gerade in den Adelsstand erhoben worden waren.49 Während in Banater Gebieten zuvor kaum Magyaren lebten, hielt dadurch die Schicht des ungarischen Adels und die damit verbundene traditionelle Mentalität Einzug.50 ­Gleichzeitig

46 Schwicker, Johann Heinrich: Geschichte des Temeser Banats. Pest 21872, 1. 47 Die Angaben von Grisellini wurden zitiert nach: Gulyás, László: A Bánság a török kiűzésétől ­1918-ig [Das Banat von der Vertreibung der Türken bis 1918]. In: Dél-Erdély és Bánság. Hg. v. Gyula ­Horváth. Pécs-Budapest 2009, 28. – Zur Frage der Einwanderung der Armenier ins Banat siehe: Schünemann, Konrad: Die Armenier in der Bevölkerungspolitik Maria Theresias. In: A Gróf ­Klebelsberg Kuno Magyar Történetkutató Intézet Évkönyve 1 (1933), 212 – 242. 48 Szentkláray, Jenő: Száz év Dél-Magyarország újabb történetéből (1779-től napjainkig) tekintettel a III. Károly és Mária Terézia korabeli előzményekre [100 Jahre aus der neueren Geschichte Südungarns (von 1779 bis in unsere Tage) unter Berücksichtigung der zeitgeschichtlichen Prämissen Karls III. und Maria Theresias]. Zum 100. Jahrestag des Wiederanschlusses der südungarischen Komitate. Bd. 1. Temesvár 1879, 328 f. 49 Ebd., 346. 50 Szekernyés, János: Jakabffy Elemér és a Bánság magyarsága [Elemér Jakabffy und das Ungarntum des Banats]. In: Évfordulós tanácskozások 2006. Kisebbségpolitika tegnap és ma. Kárpát-medencei tudományos tanácskozás Jakabffy Elemér születésének 125-ik évfordulója alkalmából (VIII. Jakabffy Napok, 2006. május 13 – 14). Az 1956-os forradalom és Erdély művelődési élete – tanácskozás az 1956-os

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ist es von Bedeutung, dass diejenigen Grundbesitzer fremder Herkunft in den einheitlichen ungarischen Adelsstand gehoben wurden, die sich jetzt nur noch mit dem zeitgleichen Erwerb des Adelstitels Grundbesitz in den Banater Gebieten kaufen konnten. Während es in den Reihen der ersten Anführer der Komitate noch keine Armenier gab,51 wurden einige der 1780 verkauften Besitztümer von diesen erworben. Ursprünglich wollte der Kaiser die Güter der Schatzkammer den Kapitalanlegern des Deutschen Reichs verkaufen, damit sie wirtschaftliche Kultur und Kapital ins Land brächten. Da dort jedoch kaum Interesse bestand, konnten letztendlich – die Proteste der ungarischen Stände außer Acht lassend – hauptsächlich „reiche armenische, griechische, deutsche und serbische Kaufleute aus Wien, Pressburg und Siebenbürgen oder andere Kapitalanleger und in kleinerer Anzahl ungarische Adelige diese Besitztümer über den Auktionsweg erwerben.“52 Mit dem Boden erwarben die Käufer auch die Menschen in den Dörfern, die weiterhin Leibeigene oder Gutsarbeiter blieben.53 Weil diese Versteigerung eigentlich die Interessen des Adels verletzte, band der Hof den Erwerb des Besitzes an den Erwerb des Adelstitels, da in Ungarn zur Zeit der Stände theoretisch nur Adeligen Grundbesitz gehören durfte. Die ersten, zum Teil aus den Reihen der früheren Pächter stammenden, armenischen Landbesitzer des Banats ließen sich zu dieser Zeit infolge der in den 1780er-Jahren beginnenden Bodenaufkäufe in Südungarn nieder. Zu den ersten und vermögendsten Familien gehörte die Familie Karátsonyi, die 1781 das Gut von Beodra (Novo Miloševo) gekauft hatte, die Familie Lázár, die die Landgüter von Écska erworben hatte, und auch die aus Elisabeth­stadt stammende Familie Kiss, die zu dieser Zeit ihre weitläufigen Güter von Torontál erstanden hatte.54 Da die Landgüter wirtschaftlich genutzt werden sollten, waren die neuen Besitzer daran interessiert, ihr Land mit Siedlern zu bevölkern, deren Ankunft entweder vom Hof organisiert worden oder aber das Ergebnis der eigenen Organisationsarbeit war;55 die armenischen Besitzer spielten also eine wichtige Rolle bei der Entwicklung Südungarns. Der Verkauf der Landgüter des Banats war zwar zeitweilig ins Stocken geraten, aber insgesamt kamen noch jahrzehntelang neue, zum Teil armenische Eigentümer ins Banat: die Gyertyánffys, die Gebrüder Kabdebó, die Baracháza gekauft hatten, die Lukács-Geschwister

51 52 53 54 55

forradalom ötvenedik évfordulója alkalmából (Páskándi Napok V. „Mi nékem az igazság?“). Hg. v. Muzsnay Árpád. Szatmárnémeti 2007, 74 f. Szentkláray, Száz év Dél-Magyarország (wie Anm. 48), 347 nennt die ersten Anführer der Komitate. Bodor, Antal: Délmagyarországi telepítések története és hatása a mai közállapotokra [Geschichte der südungarischen Ansiedlungen und deren Wirkung auf die heutigen öffentlichen Zustände]. Budapest 1914, 21. Buchmann, Károly: A délmagyarországi telepítések története. I. Bánát [Geschichte der Ansiedlungen in Südungarn. I. Banat]. Budapest 1936, 71 f. Kovách, Géza: A Bánság demográfiai és gazdasági fejlődése 1716 – 1848 [Die demografische und wirtschaftliche Entwicklung des Banats 1716 – 1848]. Szeged 1998, 276 f.; Bodor, Délmagyarországi (wie Anm. 52), 21. Oberding, József György: A Bánság telepítésének rövid története [Kurze Geschichte der Besiedelung des Banats]. In: Hitel (Kolozsvár) (März 1943), 6; Bodor, Délmagyarországi (wie Anm. 52), 21 – 23.

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oder die ursprünglich aus Armenierstadt stammenden Familien Dániel bzw. Gorove, die schon Anfang des 19. Jahrhunderts zu Besitztümern gekommen waren.56 Die Vermehrung und Entwicklung der Besitztümer war ein jahrzehntelang andauernder Prozess. Aber bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich schon das Erscheinungsbild des Banats und besonders des reichsten Komitats Torontál: Führend waren die ­Eigentümer der modernen, für den Markt produzierenden Landgüter. Diese waren meist fremder Herkunft, hatten aber die Sitten und patriotischen Gefühle des ungarischen Adels übernommen. Zwischen ihnen wurden auch die armenischen Familien Teil des ungarischen Adels, so dass sie an der Regierung der südungarischen Komitate mit demselben Recht teilnahmen wie die anderen Adeligen, was deren ethnische Überrepräsentanz im Parlament erklärt. Die zum Teil noch im Laufe des 18. Jahrhunderts aus den armenischen Zentren von Siebenbürgen ins Banat gezogenen vermögenden armenischen Familien konnten als Teil der Elite des Adels ihren örtlichen Einfluss und ihr Ansehen auch im volksrepräsentativen System etablieren. Kaum verwunderlich also, dass die armenischen Politiker des Banats aus den Reihen dieser Familien stammten und Namen wie Dániel, Karátsonyi, Gorove, Pap, Kiss etc. die Namenverzeichnisse dominieren. Man kann also sagen, dass ihre armenische Abstammung bis zur Epoche des Dualismus schon recht verblasst war, so dass ihre Wahlerfolge und ihr politischer Einfluss davon ganz unabhängig einzig dem zu verdanken war, dass sie Teil der örtlichen Elite geworden waren. Unter Berücksichtigung nicht allein der Zahl der gewählten Abgeordneten, sondern aller Wahlsiege zeigen sich die weiter oben analysierten regionalen Unterschiede noch deutlicher. Die 68 Parlamentsvertreter armenischer Abstammung waren in insgesamt 177 Fällen bei den Wahlen siegreich, davon in 76 Fällen (etwa 43 Prozent) in einem siebenbürgischen Wahlkreis (Armenierstadt und Elisabethstadt eingeschlossen). Im Banat konnte in 60 Fällen ein Politiker armenischer Abstammung den Wahlkampf gewinnen (etwa 34 Prozent), d. h. mehr als 75 Prozent der armenischen Wahlsieger kamen aus diesen zwei Regionen! Bei der detaillierteren Betrachtung der Daten fällt auf, dass – nicht sonderlich überraschend – die näher zu Siebenbürgen liegenden Gebiete jenseits der Theiß mit 23 armenischen Wahlsiegen (13 Prozent) an zweiter Stelle folgen, während in anderen Teilen des Landes insgesamt nur 18 ähnliche Ereignisse eintraten. Auf der westlichen Seite Oberungarns gewannen in sieben Fällen, im mittleren Gebiet zwischen Donau und Theiß (Duna-Tisza-köze) und Transdanubien in je fünf Fällen, im Komitat Máramaros, das nach den damaligen Statistiken zum östlichen Teil Oberungarns gezählt wurde, in einem Fall ein Politiker armenischer Abstammung. Auf die Ebene der Komitate bezogen, zeigen die Daten, dass lediglich in 27 von damals 63 Komitaten mindestens einmal eine Person armenischer Abstammung die Parlamentswahlen gewann, und nur in 13 Komitaten (kaum 20 Prozent) dies öfter als in drei Fällen geschah. Dass 65 Prozent der gesamten Wahlsiege der Armenier in den fünf Komitaten,

56 Kovách, A Bánság demográfiai (wie Anm. 54), 276 – 287.

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die die Listen anführten, stattfanden, zeigt die hohe Konzentration der armenischen Wahlerfolge. Vor dem Hintergrund der o. g. Entwicklung im Komitat Torontál ist es nicht überraschend, dass mit 45 Siegen dieses Komitat den Spitzenplatz einnimmt. Die 28 Siege im Komitat Szolnok-Doboka bzw. die 20 im Komitat Kis-Küküllő waren mit Armenierstadt und Elisabethstadt, die in diesen Komitaten zu finden sind, verbunden. An vierter Stelle steht das ebenfalls im Banat befindliche Komitat Temes mit zwölf, an fünfter Stelle das siebenbürgische Komitat Alsó-Fehér mit zehn armenischen Wahlsiegen. Untersucht man die einzelnen Wahlkreise, scheint es sinnvoll zu sein, die vorliegenden Daten nicht nur anhand der errungenen Wahlsiege aller armenischen Politiker zu vergleichen, da Nachwahlen wegen Todesfällen oder Rücktritten zu überdurchschnittlich hohen Ergebnissen führen konnten. Die armenische Dominanz eines Wahlkreises ist besser überprüfbar, indem ermittelt wird, zu welchem Prozentsatz Politiker armenischer Abstammung bei Wahlen siegen konnten. Die zeitgenössischen Quellen betonten, dass im Falle von Armenierstadt bzw. Elisabeth­ s­tadt alle durchgeführten Wahlen von einem armenischen Kandidaten gewonnen worden sind. Dies stimmt auch zum Teil, da von den insgesamt 27 abgehaltenen Wahlen in Armenier­ stadt jedes Mal der Kandidat armenischer Abstammung gewann, während von den 22 ausgeschriebenen Wahlen in Elisabethstadt lediglich in zwei Fällen eine Person nicht-armenischer Abstammung siegen konnte. Es ist also sichtbar, dass in den armenischen Zentren, wo der maßgebliche Teil (am Anfang der Epoche die Mehrheit) der Bevölkerung und der Wählerschaft Armenier waren, ein Nichtarmenier kaum Chancen auf einen Sieg hatte. Vielsagend sind auch die zwei Ausnahmen von Elisabethstadt, die mit den allgemeinen Wahlen 1878 zusammenhängen. Bis 1878 bestand die Stadt (ähnlich wie Armenierstadt) aus zwei Wahlkreisen, die dann aber nach § 1b Artikel X von 187757 – aufgrund der niedrigeren Bevölkerung der Städte – zusammengeschlossen worden waren. Von den zwei früheren Abgeordneten kandidierte 1878 nur Béla Lukács, der aber – im Gegensatz zu allen anderen Abgeordneten der Stadt – nicht mit dem Programm der Regierungspartei angetreten war, sondern mit dem Programm der Unabhängigen Liberalen, einer Absplitterung der Liberalen Partei. Da es der Regierungspartei wichtig erschien, dass der „Verräter“ Lukács kein Mandat bekommen solle,58 ließen sie keinen geringeren als den Grafen Manó Péchy gegen ihn antreten, der als einstiger königlicher Kommissar Siebenbürgen mit Ungarn wiedervereinigt 57 Magyar törvénytár. 1877 – 1878. évi törvényczikkek [Ungarisches Gesetzblatt. Gesetzesartikel der Jahre 1877 – 1878]. Hg. v. Dezső Márkus. Budapest 1896, 15. Die Wahlkreiseinteilung hatte mit unwichtigen Änderungen bis zum Ersten Weltkrieg in dieser Form Bestand. Zu den Listen der Wahlkreise ebd., 17 – 19. 58 In Zeitungsartikeln wurde er als prinzipienloses Chamäleon beschimpft: „Béla Lukács, dieser ewige Jude der vereinigten Opposition, scheint von seinem Wahlkreis endlich einmal abgesetzt zu werden. Er suchte sein Heil in Gyulafehérvár [Alba Iulia, Bălgrad, Karlsburg/Weißenburg]. Als ihn dort aber niemand wollte, schaute er in Hunyad [Hunedoara, Eisenmarkt] vorbei, wo er aber auch kein Glück hatte. Neuerlich hat er im Komitat Szolnok-Doboka agitiert, aber hier will man schon gar nichts von diesem braven Mann hören, von dem man nicht sicher wissen kann, wie viele Parteien er denn

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hatte. Obwohl Péchy weder Armenier, geschweige denn Siebenbürger war,59 lässt sich hier die charakteristische politische Haltung der Elisabethstädter deutlich ablesen: Sie wählten zu jeder Zeit Kandidaten der Regierungspartei, vielleicht um leichter in den Genuss von Vorteilen seitens der Macht zu gelangen. Natürlich gewann Péchy,60 jedoch hatte für ihn sein initiierter Auftritt in Elisabethstadt nur eine zweitrangige Bedeutung, in erster Linie wollte er weiterhin Abgeordneter von Klausenburg bleiben, so dass er von seinem Elisabeth­ städter Mandat zurücktrat.61 Da Lukács an den ausgeschriebenen Nachwahlen nicht mehr teilnahm, nominierten die Elisabethstädter Mór Jókai, den wichtigen Publizisten der Regierungspartei. Dieser gefeierte Schriftsteller der Epoche war im Budapester Bezirk Josefstadt, seinem eigentlichen Wahlkreis, dem Kandidaten der Opposition unterlegen gewesen. Es war also von großer Wichtigkeit, dass er irgendwo doch noch ein Mandat erlangen und wieder Mitglied des Abgeordnetenhauses werden konnte. Jókai kandidierte daher in der kleinen armenischen Stadt im südlichen Teil Siebenbürgens und konnte infolge fehlender Gegenkandidaten ohne weiteres gewinnen.62 Jókai vertrat Elisabethstadt nur in dieser einzigen Wahlperiode, 1881 kandidierte er schon in Ilgendorf im Szeklerland (Székelyföld, Ținutul Secuiesc, auch Secuime). Deshalb konnte ab 1881 die frühere Tradition fortgesetzt werden: Elisabethstadt wurde von Armeniern der Regierungspartei, ab diesem Zeitpunkt von Márton Dániel, im Parlament vertreten. Neben den zwei armenischen Zentren ist es dennoch recht auffällig, dass a­usgesprochen armenisch geprägte Wahlkreise auch in anderen Regionen des Landes zu finden waren, natürlich v. a. im Banat. In Zichydorf (Zichyfalva) im Komitat Torontál wurden alle Landtagswahlen der Epoche von Personen armenischer Abstammung gewonnen, wie in Armenier­ stadt.63 Zwei weitere Wahlkreise des Komitats Torontál wählten mehrheitlich Politiker

59 60 61

62

63

im Jahr so durchwandert.“ Képviselő-választási mozgalmak [Initiativbewegungen für Abgeordnetenwahlen]. Magyar Polgár, 07. 07. 1878, 2; Apróságok.; Magyar Polgár, 25. 07. 1878, 3. Holec, Roman/Pál, Judit: Aristokrat v službách štátu. Gróf Emanuel Péchy [Aristokrat im Staatsdienst. Graf Emanuel Péchy]. Bratislava 2006, 241 – 360. „Graf Manó Péchy (Liberale) wurde einstimmig zum Abgeordneten Elisabethstadts ausgerufen.“ Magyar Polgár, 06. 08. 1878, 2. „Graf Manó Péchy ist von zwei Wahlkreisen gewählt; […] er nimmt das Mandat von Klausenburg an. Elisabethstadt wird dann wieder wählen.“ Magyar Polgár, 07. 08. 1878, 1. – Nach dem damaligen Wahlsystem war es für einen Politiker möglich, gleichzeitig in mehreren Wahlkreisen zu kandidieren. Wenn er in mehr als einem Wahlkreis gewann, konnte er aber natürlich nur ein Mandat behalten. Zur endgültigen Entscheidung von Péchy: Hírharang. Magyar Polgár, 31. 10. 1878, 2. A Hon, 22. 11. 1878, 1; Hírharang. Magyar Polgár, 22. 11. 1878, 3; Local- und Tages-Chronik. Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 23. 11. 1878, 3. – Es war charakteristisch, dass Jókai nicht die Mühe auf sich nehmen wollte, seine Wähler vor den Wahlen zu besuchen und eine Programmrede zu halten. Mikszáth, Jókai Mór (wie Anm. 37), 169: „[E]r nahm das einstimmige Mandat von der armenischen Metropole Elisabethstadt an, wofür er keinen Finger rühren musste.“ Zugegebenermaßen war er als Schriftsteller, Journalist und Politiker natürlich sehr bekannt. Da es hier seltener Zwischenwahlen gab und die Gegend vor 1878 nur einen Wahlkreis bildete, wurden hier insgesamt nicht 27, sondern nur 17 Wahlen abgehalten.

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armenischer Abstammung: in Bégaszentgyörgy (Žitište, Sankt Georgen an der Bega, Jitiște) konnten sich in 14 von 18 Wahlen und im südlicheren Pantschowa (Pančevo, Pancsova) in sieben von 13 Wahlen Armenier durchsetzen. Es bestand jedoch ein wesentlicher Unterschied zwischen den zwei kleinen armenischen Städten in Siebenbürgen und den erwähnten Banater Wahlkreisen. Während es in Armenierstadt zeitweilig zu heftigen Kämpfen um das Mandat kam,64 wurde dies praktisch als armenische innere Angelegenheit betrachtet. Im Falle von Armenier­ stadt bestand nämlich die absolute Mehrheit der Wähler aus Armeniern, so dass von vornherein nur armenische Kandidaten eine Chance auf den Wahlsieg hatten; hier waren daher die unterlegenen Kandidaten ebenfalls Armenier. Obwohl in Elisabethstadt weniger heftige Wahlkämpfe ausgefochten wurden, dominierten auch hier die Armenier unter der Wählerschaft, was schon an sich die fast ausschließlich armenischen Erfolge erklärt. In den Fällen der Banater Wahlkreise jedoch ist bei den Wahlen zu beobachten, dass sich der Kandidat der einflussreichen örtlichen Grundbesitzer durchsetzte. In Zichydorf konnte Pál Dániel von Szamosújvárnémeti (Mintiu Gherlii, Deutschendorf ) (1822 – 1895)65 von der ersten Parlamentswahl bis zu seinem Tode in jedem Wahlkampf triumphieren; nach seinem Tod wurde das Mandat seinem Sohn angeboten. Dieser vertrat jedoch nur kurze Zeit den Wahlkreis des Komitats Torontál, da er von der Regierung zum Obergespan des Komitats Nógrád ernannt wurde. Sein Nachfolger, Graf Jenő Karátsonyi von Beodra, der von 1896 bis zum Ende der dualistischen Epoche durchgehend Wahlsieger blieb, war ebenfalls ein armenischer Grundbesitzer. Nicht die Gruppe der Armenier, sondern zwei Gutsbesitzer armenischer Abstammung entschieden hier über den Ausgang der Wahlen. Die Dominanz einer Person ist bei den Wahlen in Pantschowa noch auffälliger. Diese kleine Stadt südlich der Grenze von Ungarn, die ursprünglich zum militärischen Grenzschutzgebiet gehört hatte, war in der Mehrheit von Serben bewohnt. Die ersten zwei Parlamentswahlen (1874 und 1875) gewann der serbische Oppositionspolitiker Mihajlo Polit-Desančić (1833 – 1920). Gegen den Serben war es in der Regel notwendig, die ungarischen Kräfte zu vereinen und sich geschlossen hinter einem Kandidaten zu positionieren. Dieser Kandidat war in der zweiten Hälfte der Epoche Ernő Dániel, der ab 1884 (mit Ausnahme des Jahres 1906) durchgehend die Wahlkreismandate errang – nicht als Armenier, sondern als Vertreter des ungarischen Staatsgedankens gegen die nationalistische Partei der Serben, die die Idee der politischen Nation negierte. Die am meisten armenisch geprägten Wahlkreise lagen in Siebenbürgen und im Banat. Daneben konnte in vier Fällen ein Politiker armenischer Abstammung ein Mandat gewinnen, 64 Bertényi, Iván d. J.: Szamosújvári országgyűlési képviselő-választások a dualista korszak elején [Armenierstädter Abgeordnetenwahlen zum Reichstag am Anfang der dualistischen Epoche]. In: Őze/Kovács, Örmény diaszpóra (wie Anm. 17), 95 – 126. 65 Er wurde in der Armenia durch eine Lebensbeschreibung gewürdigt. Esztegár, László: Dániel Pál. In: Armenia 3 (1890), 65 – 68.

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wobei es sich meist um die Erfolgsserie eines Einzelnen handelte, der sich als populäre und einflussreiche Person örtlicher Beliebtheit erfreute. Ferenc Buzáth von M ­ áramarossziget konnte im Wahlkreis Rum im Komitat Vas, der von den von Armeniern bewohnten Regionen sehr weit entfernt lag, nicht dank seiner armenischen Abstammung, sondern durch die Unterstützung der Katholischen Volkspartei ab 1896 viermal hintereinander gewinnen.66 Auch in Szalka (Salka) im Komitat Hont gewann erwartungsgemäß der örtliche Gutsbesitzer István Jakabffy von Somosköz, sogar mit dem oppositionellen Programm der 1867er, was seine Verbundenheit zum Wahlkreis deutlich zeigt. Bei Zoltán Lengyel, der von 1901 bis zum Ende der Epoche in Zilah (Zalău, Zillenmarkt) im Komitat Szilágy gewählt wurde, ist es schwer zu sagen, ob seine armenische Abstammung seine lokale Popularität verstärkte, da er ein häufig auftretender, leidenschaftlich oppositioneller Teilnehmer der Parlamentsdebatten der Jahrhundertwende war, so dass sein radikales 1848er-Auftreten schon an sich erfolgversprechend sein konnte. In ähnlicher Weise wird den Wählern von Szászrégen (Reghin, Sächsisch-Regen) das persönliche Engagement Nándor Urmánczys wichtiger gewesen sein als seine armenische Abstammung, womit sich dann auch der ab der Nachwahl des Jahres 1902 viermal in Serie eintretende Wahlerfolg des Unabhängigkeitspolitikers erklären lässt, der nach Trianon als einer der Anführer der irredentischen Propaganda bekannt wurde.

Die Parteizugehörigkeit der armenischen Abgeordneten Abgeschnitten von ihrer weit entfernten Heimat und nicht nur in Bezug auf die kulturellen Merkmale, sondern auch hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Unternehmungen von der Mehrheitsgesellschaft abgesondert, standen die ungarländischen Armenier ab dem Zeitpunkt ihres Auftretens im 17. Jahrhundert unter dem Schutz der Staatsmacht. Dies wurde im 19. Jahrhundert neben der Loyalität zum Herrscher von der Assimilation an die ungarische Nation ergänzt – zunächst in politischer, später dann auch in ethnischer Hinsicht. All das macht an sich schon verständlich, dass ein Großteil der Politiker armenischer Abstammung ihr Mandat mit den Programmen der Parteien erhielten, die den 1867er-Ausgleich verteidigt hatten, also der Deák-Partei, der Liberalen Partei bzw. der Nationalen Arbeitspartei. Lediglich eine Minderheit gehörte zu einer Schattierung der Unabhängigkeitspartei, die theoretisch das ganze System zurückwies, sich aber natürlich dann doch mit der Zeit langsam einfügte.

66 In diesem Wahlkreis erzielten die katholischen konservativen Kandidaten auch gute Ergebnisse. Tóth, Parteien und Reichstagswahlen (wie Anm. 36), 159.

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Diagramm 3: Verteilung der Abgeordneten armenischer Abstammung in den verschiedenen politischen Strömungen 67 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

61 866 868 870 872 874 876 878 880 882 884 886 888 890 892 894 896 898 900 902 904 906 908 910 912 914 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

18

Mitglieder der 48er Opposition

Mitglieder der 67er Opposition

Mitglieder der Regierungspartei

Da die Politiker armenischer Abstammung größtenteils in den östlichen und südlichen Randgebieten des Landes, d. h. in Siebenbürgen und im Banat gewählt wurden, traten sie gemäß der dort ansässigen Bevölkerung, die meist regierungsfreundlich war und mit der Politik des Ausgleichs sympathisierte, auch als Repräsentanten der Regierungspartei auf. Oppositionelle hatten in einem siebenbürgischen oder Banater Wahlkreis kaum eine Chance auf einen Sieg. Wie schon von der zeitgenössischen politischen Publizistik und der Fachliteratur festgestellt, schnitten in dieser Epoche im mittleren Teil des von Magyaren dominierten Landes die Kandidaten der Unabhängigkeitsbewegung mit einem besseren Ergebnis ab, in den Randgebieten jedoch die Politiker der 1867er, so dass sogar die Verantwortung des politischen Systemerhalts im Endeffekt auf diesen

67 Regierungspartei = Adresspartei (1861), Deák-Partei (1865 – 1875), Liberale Partei (1875 – 1906), Verfassungspartei (1906 – 1910) und Nationale Arbeitspartei (ab 1910); 1867er-Opposition = Linke Mitte, Rechtskonservative, Vereinigte Opposition, Gemäßigte Opposition, Nationale Partei, Katholische Volkspartei, Neue Partei, parteilose, usw.; 1848er-Opposition = Beschlusspartei (1861), Äußerste Linke (1865 – 1874) bzw. die verschiedenen Fraktionen und Gruppen der Unabhängigkeitspartei.

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Regionen ruhte.68 Da die Armenier in erster Linie diese Gebiete bewohnten, begannen die meisten hier, an ihrem Wohnort, ihre Karriere als Parlamentarier und vertraten die für ihr engeres Umfeld adäquate politische Seite. Gleichzeitig gibt es für dieses Phänomen auch einen anderen, tiefer liegenden Grund. Die Armenier, als eine sich zur ungarischen politischen Nation dazugehörend deklarierende Minder­ heit, konnten ihre Treue zur Staatsmacht, ihre politische Loyalität auch durch die Anhängerschaft zur Regierungspartei ausdrücken. In den von mehreren Nationalitäten bewohnten Regionen Siebenbürgens und des Banats galt es als patriotisches, politisches Statement, die Regierungspartei zu unterstützen, da hier als politische Hauptrivalen der 1867er-Richtung nicht die von den Magyaren bevorzugte Unabhängigkeitspartei, sondern die nationalistischen oppositionellen Bewegungen der einzelnen Nationalitäten (Rumänen oder Serben) zählten. Da die Armenier wiederum sich selbst – im politischen Sinne jedenfalls – für Ungarn hielten, wählten sie bei diesen Wahlen einhellig die Regierungspartei, die in diesen Regionen als eine Art staatserhaltende Partei funktionierte. Überdies lässt sich die politische Anpassung der Armenier auch damit erklären, dass die erst später im Land eingetroffene Gemeinschaft, die trotz ihrer geringen Größe beachtliche (v. a. wirtschaftliche) Erfolge erreichen konnte, auf den Schutz der jeweiligen Macht angewiesen war, so dass sie an der Aufrechterhaltung und Unterstützung der bestehenden Ordnung interessiert war, die ihr Wachstum und Stabilität garantierte. All dem scheint es ein wenig zu widersprechen, dass zum Ende der dualistischen Epoche die Zahl der Abgeordneten armenischer Abstammung in den Reihen der Unabhängigkeitspartei angestiegen war, ja am Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Zahl sogar fast 50 Prozent erreichte. Einer der Gründe liegt natürlich im erdrutschartigen Aufbruch der oppositionellen Parteien, der 1905 angefangen hatte und bei den Wahlen 1906 seinen Höhepunkt fand, da ja die Liberale Partei als traditionelle 1867er-Regierungspartei zu diesem Zeitpunkt zusammengebrochen war und gar nicht mehr an den Wahlen von 1906 teilnehmen konnte. Im Diagramm ist in diesen Jahren als 1867er-Regierungspartei die neugegründete Partei der von den Liberalen ausgeschiedenen Abgeordneten, die Verfassungspartei des Grafen Gyula Andrássy d. J., verzeichnet. Während der Jahre der Koalitionsregierung war der traditionelle Orientierungspunkt der Armenier verschwunden, deshalb schlossen sich viele, besonders die Jüngeren, der Unabhängigkeitspartei an, die den Ausgleich in Richtung einer größeren nationalen Autonomie für Ungarn verändern wollte. In der Unabhängigkeitspartei als führenden Regierungspartei sahen viele der armenischen Abgeordneten die neue Partei der Macht. Deren Anschluss an diese Partei ist auch ein Zeichen der voranschreitenden Assimilation der armenischen Volksgruppe. Während die früheren 1867er-Regierungsparteien zwar als patriotische, ungarisch gesinnte Parteien galten, hatten sie dennoch keinen ausgesprochen magyarischen Charakter, so dass in ihren

68 Schon nach den Wahlen 1869 stellte György Szomjas, Abgeordneter der Linken Mitte, fest: „Die Garantie der Regierungsmehrheit ist Siebenbürgen.“ Gerő, András: Elsöprő kisebbség [Die übermächtige Minderheit]. Budapest 1988, 18 – 29, 62 – 68.

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Reihen – obwohl nur in niedriger Anzahl – auch Politiker anderer Nationalitäten Platz fanden; hier konnten die Armenier leicht ein politisches Zuhause finden, da sie dazu nur ihre Zugehörigkeit zur politischen ungarischen Nation deklarieren, die Treue zum ungarischen Staat und die Loyalität zur ungarischen nationalen Linie akzeptieren mussten. Demgegenüber können die Unabhängigen – zum Teil auch wegen des oben schon erwähnten Umschwungs im Wahlvolk – auch als nationalistische Partei der Magyaren beschrieben werden, in deren politischem Programm und Propaganda mit voranschreitender Zeit gerade das Motiv des Nationalistischen immer stärker wurde. Sie opponierten gegen die 1867er-Regierung nicht mehr aus einer demokratischen und konsequent liberalen Haltung heraus, sondern auf patriotischer, nationalistischer Basis. Die Regierungen wurden nicht mehr in erster Linie verurteilt, weil sie nicht liberal und progressiv genug wären, sondern weil sie das Schicksal des Vaterlandes nicht in ihrem Herzen trügen, das Land an die Habsburger ausverkaufen würden und somit Landesverräter wären. Obgleich natürlich die politische Ratio sich über jede Unterstützung freute, aus welcher Richtung auch immer, scheint es doch verständlich, dass für die Armenier fremder Herkunft die Unabhängigkeitspartei nur selten als Option auftauchte, solange neben der Assimilation an die politische ungarische Nation auch die Assimilation an die sprachliche und kulturelle ungarische Nation zu einem armenischen Massenphänomen wurde. Die jüngere Generation der Armenier, die einen Teil der Sprache und der alten Gewohnheiten schon vergessen hatte, konnte nur mehr das Wissen um die armenische Abstammung bewahren, wobei für ihre Identität die Treue zum ungarischen Vaterland, die Zugehörigkeit zum Volk der Magyaren, mindestens genauso wichtig erschien. Damit ist auch zu erklären, dass zur Jahrhundertwende immer häufiger auch Armenier unter den Sympathisanten der Unabhängigkeitsbewegung zu finden waren, da sie von der gerade gestärkten 1848erOpposition in jeglicher Hinsicht als Ungarn betrachtet werden konnten. Bei 166 der o. g. armenischen Wahlsieger ist die Parteizugehörigkeit bekannt.69 Von diesen Personen vertraten 129 (80 Prozent) die gerade aktuelle Regierungspartei, 15 gehörten zu einer der 1867er-Oppositionsparteien, während die 1848er-Strömung nur von 22 Abgeordneten unterstützt wurde. Im Blick auf die einzelnen Regionen wird sichtbar, dass in den armenischen „Stammgebieten“, also in den zwei armenischen Kleinstädten in Siebenbürgen und im Banat, das Übergewicht der Regierungspartei am größten war, während die Vertreter der 1848er-Opposition in den weniger armenisch geprägten Wahlkreisen am häufigsten zu einem Mandat kamen. In Armenierstadt siegten 22 der 24 gewählten Abgeordneten mit dem Programm der Regierungspartei, zwei mit dem der 1867er-Opposition, während im armenischen Zentrum im südlichen Teil von Siebenbürgen die Relation zwischen den Wahlsiegern der Regierungspartei und der 1867er-Opposition 15:3 betrug; in den zwei siebenbürgischen Städten gehörten also 88 Prozent der Abgeordneten zur Regierungspartei. Im Banat tritt das

69 1848 gab es im ungarischen Parlament noch keine beständigen Parteien, die in unsere Untersuchung passen würden, deswegen ist die Gesamtsumme nicht 177.

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Übergewicht der Regierungspartei noch deutlicher hervor: In allen 55 Fällen (100 Prozent!) konnten die armenischen Abgeordneten mit dem Programm der Regierungspartei gewinnen. Demgegenüber kann weder in den Gebieten jenseits der Theiß noch in den anderen Teilen des Landes eine Überlegenheit der Regierungspartei nachgewiesen werden. Sogar in den siebenbürgischen Wahlkreisen außerhalb des armenischen Zentrums war die Relation schon ausgeglichener: Von den 29 armenischen Wahlsiegen entfielen 18 (62 Prozent) auf die Regierungspartei, neun auf die 1848er-Opposition und zwei auf die 1867erOpposition. Als die am ehesten oppositionelle Region hatte sich das Gebiet jenseits der Theiß etabliert. Hier waren unter den gewählten Armeniern die 1848er in der absoluten Mehrheit, was – geht man von der politischen Orientierung der gesamten armenischen Abgeordneten aus – als auffälliges Ergebnis zu werten ist, wobei auf Landesebene gerade diese Region die Hauptbasis der 1848er-Opposition bildete. In den Wahlkreisen jenseits der Theiß wurden in insgesamt 23 Fällen Armenier gewählt, von denen zehn zur Regierungspartei, zwölf zu den 1848ern und einer zur linken Mitte gehörten. Das nach diesem Muster radikalste Komitat war Szilágy: Von den acht erfolgreichen armenischen Kandidaten konnte in sechs Fällen die 1848er-Opposition und nur in einem Fall der Kandidat der Regierungspartei triumphieren. In den anderen Teilen des Landes war der Vorsprung der oppositionellen Armenier schon geringer. In diesen Wahlkreisen konnten armenische Politiker in neun Fällen mit dem Programm der Regierungspartei, in sieben Fällen mit dem Programm der 1867er-Oppositionellen und nur in einem Fall mit dem Programm der 1848er-Opposition gewinnen, was dem konservativeren, den Ausgleich im Allgemeinen begrüßenden politischen Charakter der Regionen Transdanubiens und Oberungarns entsprach. Die vorliegenden Daten belegen also die politischen Zusammenhänge der armenischen Assimilation in Ungarn: Je weiter sich ein Politiker armenischer Abstammung örtlich und zeitlich von den ur-armenischen Städten entfernte, desto wahrscheinlicher wurde er zum Anhänger der 1848er-Parteien, die einen ethnisch-magyarischen Nationalismus vertraten. In den insgesamt 40 Fällen, in denen die armenischen Kandidaten ein Mandat außerhalb von Siebenbürgen und dem Banat holten, gehörten 19 zur Regierungspartei, acht zur 1867erOpposition und 13 zur 1848er-Opposition, wobei sieben dieser Wahlsiege in den letzten zehn Jahren der dualistischen Epoche erfolgten.

Abgeordnetenkarrieren 35 der 68 Abgeordneten armenischer Abstammung konnten gleich mehrfach das Vertrauen ihrer Wähler gewinnen: 15 von ihnen gewannen zweimal, drei von ihnen dreimal, sieben viermal, drei fünfmal, je einer war sechs-, acht-, neun- bzw. zehnmal erfolgreich und zwei von ihnen gewannen sogar in elf Fällen. Letztere können praktisch als permanente Mitglieder des ungarischen Parlaments betrachtet werden, die fast nie in den Reihen der Abgeordneten fehlten. Es lohnt sich also, diese näher zu betrachten.

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Der bereits erwähnte Pál Dániel von Szamosújvárnémeti konnte nach der ersten volksrepräsentativen Wahl, die er im Alter von 26 Jahren gewonnen hatte, im Wahlkreis Zichydorf im Komitat Torontál, so oft auch Parlamentswahlen ausgeschrieben worden waren, diese gewinnen, womit er sein Mandat bis zu seinem Tode innehatte. Von seinem Ansehen zeugt auch der Umstand, dass nicht er allein, sondern mehrere Angehörige seiner Verwandtschaft das Vertrauen der Wähler ebenfalls genossen. Als sein direkter Nachfolger übernahm sein vierter Sohn László Dániel (1855 – 1929) für kurze Zeit das Mandat von Zichydorf, der für die Berufung ins Parlament seine Position als Untergespan des Komitats Torontál aufgab. Nach einer kürzeren Tätigkeit als Obergespan im Komitat Nógrád war er zwischen 1905 und 1910 mit dem Programm der Neuen Partei von Dezső Bánffy Abgeordneter von Armenierstadt. Pál Dániels ältester Enkelsohn gleichen Namens (1876 – 1939) war von 1906 bis zum Ende des dualistischen Systems Abgeordneter für das ebenfalls im Komitat Torontál liegenden Párdány (Meda), natürlich mit dem 1867er- Programm – erst in den Farben der Verfassungspartei, dann in denen der Nationalen Arbeitspartei. Der Sohn und auch der Enkel von Pál Dániel waren also Banater Abgeordnete, während aus dem anderen Zweig der Familie, der sogenannten Baronen-Linie, der andere elffache Wahlsieger Ernő Dániel stammte, der 1870 durch Nachwahlen ins Abgeordnetenhaus einzog. Obwohl er die Legislaturperioden 1881 – 1884 und 1906 – 1910 auslassen musste, gilt seine fast ein halbes Jahrhundert andauernde Parlamentskarriere als Ausnahmephänomen. Er war Handelsminister in der Regierung Dezső Bánffy, der als Politiker durchgehend der Regierungspartei angehörte. Und obwohl er nach einer Anekdote seine Ernennung nur einem Zufall zu verdanken hatte,70 kann er aufgrund seiner langjährigen politischen Karriere auf jeden Fall zu den wichtigen Persönlichkeiten der Liberalen Partei gezählt werden. Auch er vergrößerte die Zahl jener armenischen Familien des Banats, die mehrere Generationen hintereinander Abgeordnete entsandten. Sein Vater János Dániel (1812 – 1888, Deák-Partei) war Abgeordneter von Nagyszentmiklós (Sânnicolau Mare, Großsanktnikolaus) im Komitat Torontál, seine Mutter wiederum die Tochter des steinreichen Torontáler Grundbesitzers und Märtyrers von Arad, General Ernő Kiss. Ernő Dániels zweiter Sohn, Baron Tibor Dániel (1878 – 1951), war in der Legislaturperiode von 1906 – 1910 ebenfalls Parlamentsabgeordneter von Párdány. Neben der eigenen Begabung hatte auch die familiäre Unterstützung eine größere Rolle in der Laufbahn von Béla Lukács (1847 – 1901) gespielt. Nachdem er 1872 Mitglied

70 Bánffy wollte ursprünglich Gyula Ludvigh, den Vorsitzenden und Generaldirektor der Staatseisenbahngesellschaft, zum Handelsminister ernennen lassen. Als er aber Ludvigh zu sich kommen ließ, stellte sich heraus, dass sich Ludvigh nach Nagyszombat (Trnava, Tyrnau) begeben musste, um einen Schneepflug zu erproben. So ließ der Ministerpräsident Dániel und einen anderen Abgeordneten zu sich rufen. Dániel wurde schließlich deshalb Minister, weil ihm seine Frau nicht erlaubte, sein Mittagessen aufzuessen, so dass er früher ins Sándor-Palais gehen konnte als sein satter, aber unglücklicher Rivale. Bánffy Dezső miniszterelnöksége és bukása. [Die Ministerpräsidentschaft des Dezső Bánffy und sein Absturz.]. In: Budapesti Hírlap, 28. 05. 1911, 35.

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des Parlaments geworden war, suchte er zunächst bei mehreren Parteien nacheinander Anschluss, landete jedoch schließlich bei der Regierungspartei, wodurch sich auch seine Karrierechancen verbesserten. Dabei spielte sicher auch sein Schwiegervater, der aus Armenierstadt stammende Salamon Gajzágó von Apanagyfalu (1828 – 1898), eine Rolle. Dieser war zwischen 1866 und 1870 Armenierstädter Parlamentsabgeordneter, dann ab 1870 der erste Präsident des staatlichen Rechnungshofes, trat aber 1892 von diesem hohen Posten zurück, um den Aufstieg seines Schwiegersohnes zum Handelsminister nicht durch familiäre Unvereinbarkeit zu gefährden.71 Neben Erfolgen wurde das Leben von Béla Lukács aber auch von tragischen Ereignissen gezeichnet: : 1848 ermordeten rumänische Aufständische seine Eltern, und auch er starb keines natürlichen Todes, sondern sprang 1901 in die vereiste Donau. László Lukács, der seine politische Laufbahn mit dem 1878er-Wahlsieg im Komitat Alsó-Fehér begonnen hatte, konnte noch höher aufsteigen. Der Finanzexperte schaffte es, neunmal das Vertrauen seiner Wähler zu gewinnen, wobei ihm seine Karriere im Finanzministerium als wichtiger erschien, wo er erst Staatssekretär und dann ab 1895 für die nächsten zehn Jahre Minister wurde. Er hatte zwar die Legislaturperiode 1906 – 1910 ausgelassen, übernahm aber als einer der Anführer des Nationalen Klubs (Nemzeti Társaskör), der sich aus Abgeordneten der ehemaligen Liberalen Partei rekrutierte, 1910 eine wesentliche Rolle bei der Formierung der Nationalen Arbeitspartei, in der er als eine der wichtigen Figuren galt. Danach wurde er erneut Finanzminister und nahm 1912 den Posten des Ministerpräsidenten an; die armenische Abstammung war also kein Hinderungsgrund, höchste poli­ tische Positionen zu erlangen. Dennoch endete seine Ministerpräsidentschaft im Skandal: Er wurde von einem oppositionellen Abgeordneten als Europas größter Panamist apostrophiert, konnte zwar seine persönliche Ehre retten, sah sich dann aber infolge der Missbrauchsfälle während der Wahlkampagne von 1910 gezwungen, von seinem Amt zurückzutreten. Der familiäre Hintergrund war im Falle von Antal Molnár (1847 – 1902) ebenfalls gegeben, als er seine politische Laufbahn begann und achtmal als Gewinner aus den Parlamentswahlen hervorging. Sein Schwiegervater war jener Gergely Simay (1823 – 1890), der mal als Bürgermeister, mal als Richter oder auch als Parlamentsabgeordneter in der örtlichen Politik Armenierstadts eine Schlüsselrolle spielte. Molnár hatte zwar keine erstrangige politische Karriere eingeschlagen, nachdem er sich aber der Liberalen Partei anschloss, konnte er ab 1885 bis zu seinem Tod die Armenierstädter Wahlen ausnahmslos ohne Gegenkandidaten gewinnen und war einer der wichtigsten Akteure des armenischen kulturellen Lebens in Armenierstadt. Zwar galt auch er als Anhänger der Assimilation, jedoch steuerte er in vielen Beiträgen in der Zeitschrift Armenia mancherlei zum Erhalt der Ur-Identität der Armenier in Ungarn bei.

71 Alleruntertänigste Vorlage des k. ung. Ministerpräsidenten Graf Julius Szapáry an Franz Joseph. Budapest, 8. Juli 1892. Österreichisches Staatsarchiv. Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Kabinettsarchiv. Kabinettskanzlei. Geheimakten. Karton 19. Denkschriften und Berichte, etc. 1887 – 1894, F 151 – 158.

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So wie Molnár der wahre Repräsentant von Armenierstadt war, so kann Márton Dániel von Szamosújvárnémeti als der wichtigste Vertreter von Elisabethstadt genannt werden. Der durchgehend zur Regierungspartei gehörende Politiker vertrat zwar 1881 einige Monate lang Segesvár (Schäßburg, Sighișoara), die darauffolgenden sechs Wahlerfolge banden ihn dann aber an seine Geburtsstadt. Obwohl nur sechs Wahlsiege mit dem Namen István Gorove von Gátalja (Gătaia, Gattaja) (1819 – 1881) verknüpft waren, und das auch noch in unterschiedlichen Wahlkreisen, spielte er trotz der Distanz zum Familiensitz im Komitat Temes eine wichtige Rolle in der Politik des Landes. Der junge Gorove machte in den 1840er-Jahren mit einem Buch zur Nationentheorie auf sich aufmerksam, später bewegte er sich im Umkreis von Ferenc Deák und wurde nach dem Ausgleich erst als Wirtschafts-, dann als Verkehrsminister Mitglied der Regierung Andrássy. Untersucht man die Parlamentslaufbahn der Politiker armenischer Abstammung in der Zeitspanne zwischen 1848 und 1914, so trifft man auf zahlreiche Personen, die ihren Sitz in der Legislative anderthalb Jahrzehnte oder noch länger innehatten. Baron Ernő Dániel belegte hier den Spitzenplatz: Von den insgesamt 50 Jahren, die vor dem Ersten Weltkrieg möglich waren, war er 37 Jahre lang Abgeordneter (1870/71, 1884 – 1906 und ab 1910). 31 Jahre saß Pál Dániel im Abgeordnetenhaus, 28 Jahre Béla Lukács und László Lukács, 23,5 Jahre Antal Molnár, 20,5 Jahre Márton Dániel (Elisabethstadt), 18,5 Jahre der Banater Bankier und Gutsbesitzer Baron Géza Pap (1892 – 1906 und 1910 – 1914), der außerdem noch eine wichtige Rolle in der Führung der mit der Bodenreform betrauten Staatsbank spielte, die sich mit der Landreform beschäftigte. Für den Grafen Jenő Karátsonyi von Beodra, als Mitglied einer steinreichen armenischen ­Aristokratenfamilie, bedeutete es keine sonderliche Mühe, sich von 1896 an ununterbrochen wählen zu lassen; aber bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges konnte auch Győző Issekutz mit Stolz auf 17 Jahre Abgeordnetentätigkeit zurückblicken (1892 – 96 und 1901 – 1914). Aus dem ehemals 1867er-Oppositionellen Issekutz wurde nach Márton Dániel Elisabethstadts permanenter Abgeordneter der Regierungspartei. Mehr als zehn Jahre lang waren ­István Jakabffy (1884 – 1896 und 1901 – 1905), der bereits erwähnte Minister István Gorove (1848/49, 1861, 1867 – 1881), der einzige armenische Abgeordnete der Katholischen Volkspartei, Ferenc Buzáth (1896 – 1910), der in den Obstruktionen herausragende Zoltán Lengyel (ab 1901), der ebenfalls zur Unabhängigkeitspartei zählende Endre Vertán (ab 1901), der auch als Staatssekretär des Innenministeriums tätige Imre Jakabffy aus dem Komitat Krassó-Szörény (1898 – 1906 und ab 1910) und der o. g. Siebenbürger Nándor Urmánczy (ab 1902) Abgeordnete. Da die 68 Abgeordneten armenischer Abstammung insgesamt etwa 511 Jahre im Parlament verbracht haben, fallen auf einen Abgeordneten im Durchschnitt 7,5 Jahre. Auch dies verweist darauf, dass die durchschnittlichen armenischen Abgeordneten langjährige, vollberechtigte und ernstzunehmende Mitglieder des Parlaments waren, nicht nur Ankömmlinge der politischen Elite. Nicht umsonst waren mehrere Politiker armenischer Abstammung ohne Unterbrechung jahrzehntelang im Parlament präsent. Pál Dániel, Ernő Dániel oder Graf Jenő Karátsonyi saßen kontinuierlich als Armenier im

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Diagramm 4: Mitglieder armenischer Familien als Abgeordnete im ungarischen Parlament

Parlament. Obendrein vertraten alle drei denselben Wahlkreis: Ernő Dániel repräsentierte Pantschowa, Pál Dániel und interessanterweise auch Graf Karátsonyi erschienen für Zichydorf im Parlament. Wie gerade das Beispiel Dániel zeigt, finden sich bei länger andauernden Abgeordnetenkarrieren oft dieselben Familiennamen. Es lohnt daher, zu untersuchen, aus welchen „politischen Familien“ die Abgeordneten armenischer Abstammung kamen, die am längsten im ungarischen Parlament saßen. Allein die Banater Familie Dániel war auf insgesamt 89,5 Jahre gewählt, ohne die 20,5 Jahre des Elisabethstädter Abgeordneten Márton Dániel mitzurechnen, der nur ein entfernter Verwandter war. Die ebenfalls aus dem Banat stammenden Mitglieder der Familie Karátsonyi waren bis 1914 insgesamt 29 Jahre lang Abgeordnete, zuzüglich weiterer achteinhalb Jahre der Mitglieder des anderen adeligen Zweiges der Familie. Auch die Angehörigen der weitverzweigten Familie Lukács waren insgesamt sehr lange Zeit Abgeordnete, aber unter den Einzelnen kann in vielen Fällen eine Verwandtschaft kaum noch nachgewiesen werden; die insgesamt 64,5 Jahre geben dennoch zu denken, zumal wenn die viereinhalbjährige Abgeordnetenlaufbahn des Rechnungshofspräsidenten ­Salamon Gajzágó noch dazugezählt wird, der Schwiegervater von Béla Lukács war. Bruder und Neffe des Staatssekretärs im Innenministerium Imre Jakabffy, Ferenc Jakabffy und dessen Sohn Imre Jakabffy, der sich nach Trianon als Politiker der siebenbürgischen ungarischen Minderheit verdient gemacht hatte, waren ebenfalls Abgeordnete, in der Legislaturperiode nach 1910 sogar Reichstagsabgeordnete. Zu den zusammen 20 Parlamentsjahren der drei Jakabffys kommen noch die 16 Jahre des István Jakabffy, der mit ihnen entfernt verwandt

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war. Daneben repräsentierten Gergely Simay und sein Schwiegersohn Antal Molnár zusammen 30,5 Jahre lang Armenierstadt.72 Wie viele Jahre waren die Vertreter der wichtigsten armenischen Familien Mitglieder des Parlaments? Diagramm 4 zeigt deutlich, dass der größere Teil der von den 68 armenischen Abgeordneten im Parlament verbrachten Jahre an die oben erwähnten Mitglieder bestimmter Familien gebunden ist, so dass man auch im armenisch geprägten Teil der politischen Elite von der Etablierung einer Art Hierarchie sprechen kann.

Minister, Obergespane und andere hochrangige Staatsbeamte Neben den Abgeordneten im Parlament saßen auch in der Exekutive einige Politiker, die in der Regierung Ungarns eine wichtige Rolle spielten, Armenier; mit László Lukács war sogar der Posten des Ministerpräsidenten im Besitz einer Person armenischer Abstammung. Die fünf armenischen Minister leiteten alle ein mit Wirtschaft und Handel zusammenhängendes Ressort, nicht aber kulturell geprägte Ministerien. Dies kann einerseits auf die persönlichen Interessen und das Expertenwissen der einzelnen Politiker zurückgeführt werden, zeigt aber andererseits, dass die Armenier von der freien ungarischen Nation als Wirtschaftsexperten gebraucht und integriert wurden. Im Sinne des liberalen Nationenkonzeptes waren die Armenier gerade mit ihren Fähigkeiten im Bereich des Handels und ihren wirtschaftlichen Fachkenntnissen in der Lage, die ungarische Nation zu bereichern. Und da sie sich ohne separatistische Forderungen in ihre selbst gewählte Heimat eingliederten, waren sie von der nationalistischen öffentlichen Meinung sogar in solch hohen Positionen gern gesehen. Von besonderem Interesse ist auch die zeitliche Verortung der Dienstzeit dieser fünf Minister. Während Gorove ganz am Anfang der dualistischen Epoche Mitglied der Regierung war, trifft das bei den anderen auf die zweite Hälfte der Epoche zu, was wiederum darauf verweist, dass die Armenier zu dieser Zeit schon gänzlich in der ungarischen politischen Elite integriert waren. Besonders interessant ist dabei die zwischen 1895 und 1899 amtierende Regierung unter Dezső Bánffy, da diese mit Finanzminister Lukács und Handelsminister Dániel durchgehend gleichzeitig zwei Mitglieder armenischer Abstammung hatte. Obwohl der armenische Anteil der Gesamtbevölkerung verschwindend gering war, stellten sie zwei von zehn Mitgliedern der Regierung. Diese quasi hundertfache Überrepräsentation kann natürlich auch mit der Auffassung des Ministerpräsidenten erklärt werden: Dieser trat gegenüber den Nationalitäten, die den ungarischen Staatsgedanken abwiesen, mit der größten

72 Zu den Verwandtschaftsbeziehungen: Gudenus, János József: Örmény eredetű magyar nemes családok genealógiája [Genealogie der armenischstämmigen ungarischen Adelsfamilien]. Budapest 2000; Traueranzeige in OSZK.

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Härte auf und bezeichnete sich selbst offen als Chauvinist. Gleichzeitig hieß er im Namen des liberalen Nationenkonzepts alle zur Integration bereiten Elemente willkommen, seien es Armenier, Juden oder Mitglieder einer anderen ethnischen Gruppierung. Seine an die Juden gerichtete Parole lässt sich auch auf die Armenier beziehen: „Wer an unserer Seite steht, ist einer von uns!“73 Salamon Gajzágó war zwar kein Minister, aber seine Funktion und seine Position im Machtapparat als Leiter des 1870 eingerichteten staatlichen Rechnungshofes entsprach dem gleichen Rang. Mit ihm wurde ein Armenier der erste Leiter dieser Institution, allerdings nicht ganz ohne Hindernisse: der Führer der Regierungspartei, Ferenc Deák, der „Weise der Nation“, der auch ohne tatsächliche Machtposition größtes Ansehen besaß, wollte Vince Weninger in diesem Amt sehen; eine bedeutende Gruppe der Regierungspartei hatte sich jedoch mit der Opposition zusammengetan und konnte so Gajzágós durchsetzen. Dieser war außerdem Präsident des Zentralausschusses, der die Schlüsselrolle bei den damaligen Verhandlungen des Abgeordnetenhauses spielte. Er war Vizepräsident des Abgeordnetenhauses und kümmerte sich als solcher um die Angelegenheiten des symbolträchtigen Honvéd-­Hilfsvereins (Honvédelmi Egylet), da der Posten des Präsidenten vom vielbeschäftigten Ministerpräsidenten Andrássy besetzt worden war. Darüber hinaus wurde er 1869 auf Empfehlung Deáks auch zum weltlichen Präsidenten des katholischen Kongresses gewählt. Diese Posten können als Zeichen des in ihn gesetzten persönlichen Vertrauens der Regierung und Deáks gewertet werden und beweisen eindeutig, dass auch diejenigen, die gegen Gajzágó stimmten, keine Probleme mit seiner armenischen Abstammung hatten; einige nutzten diese Tatsache sogar als Hauptargument für die Befürwortung seiner Eignung.74 In den Komitaten setzten die Obergespane den Willen der Regierung durch, so dass diese auf lokaler Ebene als Vertrauensmänner der Regierung galten. Auch diese Posten wurde von mehreren Politikern armenischer Abstammung ausgefüllt, ein weiteres Zeichen einer gelungenen politischen Integration der Armenier. 1848 wurde der lokale Großgrundbesitzer László Karátsonyi von Beodra schon von der neuen, liberalen Regierung zum Obergespan des Komitats Torontál ernannt. Die vor großen Aufgaben stehende Regierung war in dem zum Teil von Serben bewohnten Komitat auf eine respektable, auf der örtlichen Ebene über gute Beziehungen verfügende Person angewiesen, wobei die Wahl von Karátsonyi auch Symbol seiner Identifikation mit der patriotisch-liberalen Strömung sein könnte. Anfang 1849 trat er jedoch zurück. Die Flucht der ungarischen Regierung nach Debrecen

73 Bánffys Rede anlässlich seiner Wahl zum Vorsitzenden des Casinos des Budapester Bezirks Leopoldstadt, dessen Mitglieder vornehmlich Budapester jüdische Großbürger waren. Zitiert nach: Vermes, Gábor: Tisza István [István Tisza]. Budapest 1994, 73. 74 Jókai ermutigte Gajzágó vor der Präsidentenwahl mit den Worten, dass wenn es um eine Wahl in finanziellen Angelegenheiten zwischen einem Magyaren und einem Armenier gehe, es keine Frage sei, dass der Armenier gewinnen würde, denn „wie ein Zigeuner mit seiner Geige geboren ist, so sind einem Armenier die finanziellen Fähigkeiten in die Wiege gelegt.“ Jókai Mór (1825 – 1904). In: Szamosújvári Közlöny, 08. 05. 1904, 1.

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(Debrezin) Anfang 1849 und die mit der Räumung Südungarns verbundene Aufgabe des Komitates Torontál könnte Ursache seines Rücktritts gewesen sein; ohne wirkliche Macht und ohne Hilfe leisten zu können, brauchte Karátsonyi nicht an der Spitze des von den Serben eroberten Komitats auszuharren. Andererseits wollte er sich möglicherweise nicht offen gegen den Hof positionieren – nach der Niederschlagung des Freiheitskampfes wurde er daher nicht zur Verantwortung gezogen. Im Gegenteil: 1861 wurde er erneut zum Obergespan ernannt. Er galt sowohl für Wien als auch für die örtliche patriotisch-oppositionelle Elite des Komitats als annehmbarer Kompromiss. Auch seine beiden Söhne Guidó und Jenő waren als Parlamentsabgeordnete der Regierungspartei politisch tätig. Als die Komitate Krassó bzw. Szörény vom Status des Militärgrenzgebiets in ein ziviles Gebiet umgewidmet wurden, bekam Bogdán Jakab, der später auch Parlamentsabgeordneter von Armenierstadt war, das hier besonders anspruchsvolle Amt des Obergespans. Während Jakab keine örtlichen Wurzeln besaß, kann man im Falle von Imre Jakabffy, der 1887 als Obergespan an die Spitze des Komitats Krassó-Szörény gestellt worden war, von einem Mitglied einer typischen Familie der örtlichen ungarischen Mittelschicht sprechen. Jakabffy wurde 1898 Staatssekretär des Innenministeriums und später Parlamentsabgeordneter. Einer der exzellentesten Obergespane, der auch mit Reformgedanken mutig hervortrat, war der in Nagyvárad geborene György Lukács d. J., für dessen administrative Tätigkeit im Innenministerium die väterlichen Erfahrungen als Staatssekretär sicher hilfreich gewesen waren. Der erst 32 Jahre alte Lukács wurde nach einer ausgezeichneten Karriere im Innenministerium 1897 zum Obergespan des Komitats Békés ernannt, welches als Nest der Bauernbewegung galt. Seine dort geleistete Arbeit galt als so erfolgreich, dass er 1901 auch in der mit ähnlichen Problemen kämpfenden Bezirkshauptstadt Hódmezővásárhely (Neumarkt an der Theiß, Ionești) Obergespan wurde. Der fünfte Obergespan armenischer Abstammung war der durch seine Familie bereits mehrfach erwähnte László Dániel, der 1896 von der Regierung Dezső Bánffy an die Spitze des Komitats Nógrád berufen worden war. Zwar musste er 1898 aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten, doch hielt er seinem Mentor Bánffy auch noch die Treue, als sich der nicht mehr amtierende Ministerpräsident gegen die Regierungspartei stellte und eine 1867er-Oppositionspartei gründete. László Dániel war mit dem Programm eben dieser „Neue Partei“ genannten Gruppierung zwischen 1905 und 1910 der Parlamentsabgeordnete von Armenierstadt. Zwar scheinen die fünf Obergespanposten im Vergleich zur Überpräsenz der Armenier als Minister und Landtagsabgeordnete nicht sonderlich viele gewesen zu sein, doch sollte zumindest erwähnt werden, dass die Obergespane traditionell aus den Reihen der angesehensten aristokratischen Familien ernannt wurden.75 Von der Grafenfamilie 75 Über die Obergespane im Allgemeinen siehe: Magyarország főispánjainak albuma [Album der Obergespane Ungarns]. Zum Gedenken des 1000-jährigen Bestehens unseres Vaterlandes. Hg. v. Zsigmond Somogyi. Szombathely 1889; Magyarország főispánjainak története [Die Geschichte der Obergespane Ungarns]. Hg. v. Zsigmond von Medgyes Somogyi. Budapest 1902; Fallenbüchl, Zoltán:

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Karátsonyi abgesehen, gab es jedoch bis zu den Baronisierungen in den 1890er-Jahren keine armenische Aristokratie. Obendrein wurde bis zur zweiten Hälfte der dualistischen Zeit die Position des Obergespans von dem Besitzadel der einzelnen Komitate besetzt, so dass sich die Obergespanschaft erst nach und nach aus der repräsentativen Funktion der traditionellen ständischen Zeit zu einer ernstzunehmenden politisch-administrativen Position entwickelte. Diese traditionellen Ansichten könnten u. a. dazu geführt haben, dass von den Regierungen relativ wenige armenische Obergespane ernannt worden waren, da sie ja in den Komitaten, wo sie in einer etwas größeren Zahl vertreten waren, die typisch städtische Mittelschicht der örtlichen Gesellschaft bildeten. Im Banat dagegen traf man auf den armenischen Adel der vermögenden Mittel- und Großgrundbesitzer. Dort konnten auch andere Familien auf die Obergespanschaften aspirieren, und nur so konnten die Karácsonyis Gespan in Torontál werden. Dennoch, der Umstand, dass Jakab, Jakabffy, Lukács oder Dániel trotz nicht-aristokratischer Abstammung zu Obergespanen werden konnten, verweist einerseits auf das Vertrauen, das ihnen aus den höchsten Regierungskreisen entgegengebracht wurde, andererseits auf ihre persönliche Begabung und Eignung.

Zusammenfassung Die Politiker armenischer Abstammung spielten zur Zeit des Dualismus in der Elite Ungarns sowohl in ihrer absoluten als auch in ihrer relativen Zahl eine herausragende Rolle. Dies kann zudem nicht als Einzelphänomen betrachtet werden, denn blättert man in den damaligen Ausgaben der Wochenzeitschrift Armenia, wird sichtbar: Auch in anderen Staaten wurden wichtige politische Posten von Armeniern besetzt. Im Februar 1888 konnte der Leser einer Nachricht entnehmen, dass im vom Sultan abhängigen Ägypten sowohl Ministerpräsident Nubar Pascha als auch der mit ihm verwandte Finanzminister Tigran Pascha

Magyarország főispánjai [Die Obergespane Ungarns 1526 – 1848]. Budapest 1994; Balázs, Magdolna: A középszintű közigazgatási apparátus személyi állományának vizsgálata a dualizmus időszakában [Die Untersuchung des Personals in der mittleren Ebene des Verwaltungsapparats in der dualistischen Ära.] In: Híd a századok felett. Tanulmányok Katus László 70. születésnapjára. Hg. v. Péter Hanák. Pécs 1998, 247 – 254; Cieger, András: A Bereg megyei politikai elit a dualizmus időszakában [Die politische Elite im Komitat Bereg in der dualistischen Ära]. In: A Szabolcs-Szatmár-Bereg Megyei Önkormányzat Levéltárának Kiadványai. Levéltári Évkönyv XII. Hg. v. Ferenc NAgy. ­Nyíregyháza 1997, 213 – 281; ders.: A dualizmus kori helyi politikai elit kutatása regionális szinten [Die Erforschung der lokalen politischen Elite im dualistischen Zeitalter auf regionaler Ebene]. In: Mi végre a tudomány? Fiatal Kutatók Fóruma 1. Hg. v. MArgit Balogh. Budapest 2004, 297 – 313; Pap, József: Magyarország vármegyei tisztikara a reformkor végétől a kiegyezésig [Die Komitatsbeamten Ungarns vom Ende der Reformzeit bis zum Ausgleich]. Szeged 2003; Pál, Judit: The Transylvanian Lord-Lieutenants after the Compromise. In: Ethnic Dimensions of Elite Formation in Modern Transylvania (1850 – 1950). Hg. v. Viktor Karády und Zsuzsanna Török. Cluj-Napoca 2008, 138 – 158.

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Armenier gewesen seien.76 Bei seinem Besuch in Karlsbad wurde über den als „Freund der Engländer“ titulierten Ministerpräsidenten gesagt, sein Vater und seine Ehefrau seien Armenier, seine Mutter hingegen eine Beduinin.77 Die 1891 gegründete neue ägyptische Regierung hatte gleich zwei armenische Mitglieder: Tigran Pascha als Außenminister und Jakub Artin Pascha als Bildungsminister.78 Im Jahr 1890 wurde von der Armenia auch das Foto des Artin (Háruthium) Dadian Pascha veröffentlicht, da der Staatssekretär des Außenministeriums des Osmanischen Reiches ebenfalls Armenier war.79 Aber auch andere wichtige Posten wurden in dieser Zeit im Reich des Sultans von Armeniern eingenommen: Agop Pascha war Finanzminister, Vahan Efendi Staatssekretär des Justizwesens, so die Armenierstädter Wochenschrift von 1901.80 Selbst im Zarenreich lag größere Macht in der Hand armenischer Minister. Die Armenia berichtete darüber, dass der gemäßigte, liberale Reformen bringende armenischstämmige russische Bildungsminister Iwan Dawidowitsch Deljanow mit Berufung auf sein hohes Alter 1891 von seinem Posten zurückgetreten war.81 Der wichtigste Politiker armenischer Abstammung war jedoch (zumindest bis zur Ernennung László Lukács’ zum ungarischen Ministerpräsidenten) Michail Loris-Melikow, dessen Kristóf Szongott, Redakteur der Armenia, in einem längeren Artikel gedachte. Er merkte an, dass „auch an seinem Äußeren der armenische Typus sichtbar war“, und betonte, dass ihm Alexander II. bedingungsloses Vertrauen entgegengebracht hätte und er von den Nihilisten mit dem Spottnamen „kleiner Armenier“ (armjaschka) gerufen worden wäre. Loris-Melikow „gelangte an der Spitze des großen Russischen Reiches nach und nach in den Besitz einer solch großen Macht, über welche bis jetzt kein einziger Geborener der armenischen Rasse verfügte“.82 Diese Politiker gelangten aber nur durch das Vertrauen der Anführer der einzelnen autokratischen Systeme zur Macht, wobei natürlich nicht nach der Meinung der Bewohner der jeweiligen Staaten gefragt worden war. Aber auch in den parlamentarisch ausgerichteten Staaten Osteuropas wurden Armenier Politiker. Im Königreich Rumänien hatten es nach den Wahlen von 1892 beispielsweise fünf Armenier geschafft, in das aus zwei Kammern bestehende Parlament zu gelangen, wie die Armenia bekannt gab.83 Armenier waren aber 76 Estély Kairóban [Abendgesellschaft in Kairo]. In: Armenia 1 (1887), 127. 77 Armenia Jg. I. (1887), 364. 78 Mi újság az örmény világban? Új miniszterek [Welche Neuigkeiten gibt es in der Welt der Armenier? Neue Minister]. In: Armenia 5. (1891), 320. 79 Armenia 4. (1890),365. 80 Kisebb közlemények. A sztambuli örmények [Kleinere Mitteilungen. Armenier von Istanbul]. In: Armenia 5. (1891), 28. 81 Mi újság az örmény világban? Deljanov lemondása [Welche Neuigkeiten gibt es in der Welt der Armenier? Der Rücktritt Deljanows]. In: Armenia 5 (1891), 96. 82 Szongott, Kristóf: Lorisz-Melikov Mihály gróf [Graf Michail Loris-Melikow]. In: Armenia 7 (1893), 161 – 165. 83 Nach den Informationen des Wochenblattes saß während der Regierungszeit der Liberalen nur ein armenischer Abgeordneter im rumänischen Parlament. Aber seit ihrer Niederlage gab es immer drei

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in Rumänien nicht nur Abgeordnete, sondern auch Minister: In der 1901 neu ernannten Regierung unterstand dem Armenier Meszir das Ressort für Landwirtschaft, Industrie und Handel. Ansonsten sind auch mehrere solcher Armenier in Rumänien „unter den Mitgliedern des Parlaments, die neben der Pflege ihrer armenischen Gesinnung dem Lande, das zu ihrer zweiten Heimat wurde, als treue, nützliche und unbedingt zuverlässige Staatsmänner dienten“, wie der anonyme Verfasser der Armenia die Assimilation beschrieb.84 Auch die in Galizien lebenden Armenier waren politisch aktiv. Um 1890 saßen sogar vier von ihnen als Mitglieder im österreichischen Reichsrat.85 Während die Ähnlichkeiten mit den ungarländischen Armeniern auch in ihrer gesellschaftlichen Schichtung nachweisbar waren, zeigte ihr Assimilationsmodell ebenfalls viele verwandte Züge auf. „In Galizien gelangten sie auch zu politischem Ansehen. Der politisch-soziale Aufstieg in Galizien – Virilstimme für den armenisch-katholischen Erzbischof im galizischen Landtag, Nobilitierung (z. B. Vergabe des Freiherrenstandes an die Familie Romaszkán) – war aber nur infolge der engen Verschmelzung mit dem Polentum möglich. Ende des 18. Jahrhunderts waren die galizischen Armenier schon fast völlig polonisiert. Damals war die armenische Muttersprache vielfach schon aufgegeben worden, sogar die Grabinschriften waren polnisch, nachdem die Gerichtsakten schon im 17. Jahrhundert größtenteils in polnischer Sprache abgefasst worden waren. Doch an der armenischen Kirchensprache wurde trotz allem polnischen Patriotismus bis in das 20. Jahrhundert als letztem Rest von Eigenständigkeit festgehalten. Nur eine Minderheit der armenischen Familien behielt ihren ursprünglichen Namen (Passakas, Cheuł, Romaszkán, Szadbey), fast alle nahmen polnisch gebildete Patronymika (Abgarowicz, Jędrzejowicz, Krzysztofowicz, Petrowicz usw.) an. Die Vornamen wurden allerdings oft noch nach armenischen Märtyrern oder nach von den Armeniern besonders verehrten Heiligen (Gregor, Jakob, Kajetan, Rhepsime, Rosalie) ausgewählt.“86 Es lässt sich also sagen, dass die armenische Volksgruppe in Ungarn einen ähnlichen Weg ging wie die Gemeinschaft in Galizien, aber – in Anbetracht ihrer späteren Ansiedlung in Siebenbürgen – eben viel schneller. So wie sich die galizischen und zum Teil Bukowiner oder vier Armenier entweder im Abgeordnetenhaus oder im Senat. Die zu diesem Zeitpunkt gewählten sechs Armenier waren: Gergely Bêjékleán (Wahlbezirk Felcsiv), Gárábéd Csolákián (Wahlbezirk Botosani), Chácshéresz Thátoszeán und Thorosz Thátoszeán (Wahlbezirk Nyámczu), Krikor ­Govláveán (Stacáva) und János Govláveán (Bosuán). Kisebb közlemények. Örmény képviselők Romániában [Armenische Abgeordnete in Rumänien]. In: Armenia 6 (1892), 257. 84 Kisebb közlemények. Az új romániai kormány tagjai között [Kleinere Mitteilungen. Unter den Mitgliedern der neuen rumänischen Regierung]. In: Armenia 15 (1901), 126. 85 Abramovics, Csájkovszki, Romáskán báró és Khêsecshunovics Kornél. Örmények az osztrák képvise­ lőházban. [Abramovics, Csájkovszki, Baron Romáskán und Kornél Khêsecshunovics. Armenier im österreichischen Abgeordnetenhaus]. In: Armenia 3 (1889), 96. 86 Bihl, Wolfdieter: Notizen zu den ethnischen und religiösen Splitter-, Rest- und Sondergruppen in den Habsburgischen Ländern. In: Die Habsburgermonarchie 1848 – 1918. Band 3. Die Völker des Reiches. 2. Teilband. Hg. v. Adam Wandruszka und Peter Urbanitsch. Wien 1980, 954 f.

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Armenier dem Polentum anschlossen, wurden die ungarländischen Armenier zu Magyaren. Es ging nicht nur um die Akzeptanz des staatlichen Rahmens, sondern auch um die Identi­ fikation mit dem mehrheitlichen Volk als einer kulturellen Nation. Die drei Grundtypen der Abgeordneten zeigen beispielhaft die unterschiedlichen Schichten dieses Assimilationsprozesses. Die Armenierstädter und Elisabethstädter Abgeordneten wurden von ihrer eigenen armenischen Gemeinschaft in einer quasiautonomen Angelegenheit zu Repräsentanten der gesamten Gemeinschaft gewählt. In der siebenbürgischen ständischen Versammlung vor 1848 nahmen in ähnlicher Weise Armenier ihren Platz ein; als Teil der ungarischen Nation, welche wiederum zu den drei siebenbürgischen ständischen Nationen zählte, durften sie als lokale Gemeinschaften im politischen Leben mitbestimmen. Die Banater Abgeordneten dienen als Beispiel für die individuelle Assimilation des Adels, da sie aus ihrer ursprünglichen ethnischen Gemeinschaft herausgerissen worden waren und mithilfe ihres Vermögens zu Gütern und in der ständischen Ära an den damit obligatorisch verbunden Adelstitel im Banat gelangten. Sie wurden also von der allgemeinen ständischen ungarischen Nation, der natio Hungarica, assimiliert. Zwar im ganzen Land allgegenwärtig, hatten aber gerade im Banat viele ihrer Mitglieder (vielleicht sogar die Mehrheit) keinen magyarischen Hintergrund, sondern waren Schwaben, Serben, Griechen u. a. So wie die ständische – und im sprachlichen, kulturellen und ethnischen Sinne ursprünglich neutrale – ungarische Nation durch die Wirkung des modernen Nationalismus am Ende des 18. Jahrhunderts eine Modernisierung begann, so wurden diese armenischstämmigen ungarischen Adeligen zu Magyaren, im ethnischen Sinne des Wortes, also auch in ihrer Identität. D. h., einerseits wurde die Enge des ständischen Rahmens durch die Reformer ausgedehnt, denn alle Bewohner des Landes (Staatsbürger) sollten in die moderne ungarische Nation einbezogen werden. Andererseits übernahmen sie die ungarische Sprache und fanden ihren Platz in der Gemeinschaft der Magyaren. Der dritte Typus der Abgeordneten hat insofern Berührungspunkte mit dem zweiten Typ, als unter ihnen Adelige auftauchen – jedoch typischerweise weniger vermögende. Sie lebten nicht in den ur-armenischen Gemeinschaften, sondern weiter davon entfernt in absoluter Isolation. Im Vergleich zu den Armeniern im Banat assimilierten sie sich in einer anderen Weise an die örtliche gesellschaftliche Elite. Als Bürger, als Intellektuelle konnten sie auch zu Mitgliedern der Mittelschicht werden, gleichzeitig – gemäß der allgemeinen Stimmung des 19. Jahrhunderts – fühlten sie sich als Magyaren. Obgleich die wenigsten Abgeordneten aus dieser Gruppe kamen, wurde doch der Höhepunkt des Assimilierungsprozesses der gesamten armenischen Bevölkerung Ungarns genau von diesem Typus und dieser Assimilationsphase repräsentiert: Die moderne, aus gleichberechtigten Staatsbürgern gebildete freie ungarische Nation nahm die Armenier in ihre Reihen auf, die auch ohne Eigentum und ohne Adelsdiplom zu Ungarn geworden waren.

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Abb. 1  Porträt des Grafen Jenő Karácsonyi (Gyula Benzúr, 1907. Nyíregyháza, Jósa András Museum).

Abb. 2  Dr. László Lukács (1850 – 1932), Finanzminister, später Ministerpräsident (April 1912 – Juni 1913)

Abb. 3  Karikatur von László Lukács (Jenő Jeney, s. a., Budapest, Ungarischen Nationalmuseum).

Anahit Simonyan

The Weekly Newspapers of Hungarian-Armenian Communities at the End of the 19th/ Beginning of the 20th Century

The Hungarian-Armenian periodicals at the end of the 19th and beginning of the 20th century are a unique phenomenon in the history of both Armenian and Hungarian print media. In the case of the history of Armenian periodicals, it constitutes a part of Armenian foreign language press, whereas, in the Hungarian print media system, Hungarian-Armenian periodical publications may be regarded as provincial media representing one of the national minorities living in Transylvania before World War II. The Hungarian-Armenian Diaspora press gave expression to the Hungarian-Armenian national self-awareness and spiritual renaissance at the end of the 19th and beginning of the 20th century. The heart of the press was the popular scientific journal “Armenia” (1887 – 1907), which appeared in Hungarian and was edited by Khachik Songotyan, with the main aim of covering all aspects of Armenian studies. The journal served as an ambassador to the Armenian and Hungarian nations, as a link connecting the Hungarian-Armenian Diaspora and other nations living in Hungary. At the beginning of the 20th century, Hungarian-Armenians were publishing a number of weekly newspapers with several distinctive features, which played a significant role in the system of the provincial Hungarian press, primarily focusing on Armenian topics. These weekly newspapers may be divided into two groups: social-educational and political periodicals. They were published by Hungarian-Armenian intellectuals in Szamosújvár (Gherla, Hayakaghak, Armenopolis), Erzsébetváros (Elisabethopolis, Ebesfalva, Dumbrăveni) and Kolozsvár (Cluj-Napoca). This paper presents a general analysis of weekly newspapers published in Szamosújvár only, the place where the best Hungarian-Armenian periodicals came from at the end of the 19th and beginning of the 20th century. As in other towns in Hungary, the appearance of a weekly press in Szamosújvár was not a random and unexpected phenomenon; first, it was a consequence of the rapid growth of social-political and economic life in the country. The increase in the spiritual demands of society and general education created new conditions for the press, expanding the number of readers and increasing the requirements for press publications. This expansion of the range of readers also brought about an increase in the number and circulation of newspapers. In Budapest alone, a total of newspapers were published at the beginning of the century. The provincial press further supplemented this, with large towns publishing two or three major newspapers and small towns also bringing out weeklies.

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What are the features that distinguish the Hungarian-Armenian periodicals and serve as a basis for regarding them as Armenian rather than as periodicals of other national minorities? Firstly, the nature of the materials published. These weeklies were typical city newspapers reflecting and consolidating the social-political and cultural life of the city or region. The reflection of the events of the country or of foreign states did not differ from other press organs. However, simultaneously, they constantly referred to Armenian topics: religion, the activities of Hungarian-Armenian unions, national education and the everyday life of the Diaspora. Secondly, the editors and publishers of newspapers were the best representatives of Hungarian-Armenian intellectuals who were perfectly familiar with the painful issues and problems of the Diaspora. Many of them were pupils of Kristof Lukacsy and Kristof Szongott and were brought up with a deep sense of patriotism. Not all of them were journalists; lawyers, doctors and scientists could also be found among them. They combined their professional activities with those of a journalist, and often this was the reason for the non-regular publication of newspapers. Third, these weeklies were published in Hungarian in contrast, for example, to those of the Romanians, who published their local periodicals in the Romanian language. The loss of the mother tongue in the Hungarian-Armenian Diaspora was reflected many times in the “Armenia” journal as well in other Hungarian-Armenian periodicals. The “Szamosújvár es videke” newspaper stated regretfully that, in the young generation, only two people in one hundred were familiar with their mother tongue, and even then only at a preliminary level.1 At the end of the 19th century and the beginning of the 20th century, the following periodicals were published in the Hungarian-Armenian Diaspora: “Szamosújvár” “Szamosújvár Közlöny”

1896 – 1898 1903 – 1909 1913 – 1914

Editor: Editor:

“Szamosújvár es Videke”

1906 – 1907

Editor:

“Számosvölgy” “Szamosújvár Hirlap” “Szamosújvár Naplo”

1908 – 1909 1910 – 1913 1910 – 1917

“Erzsébetváros es Videke”

1903 – 1905

Editor in Charge: Editor in Charge: Chief Editor: Editor in Charge: Chief Editor:

“Erzsébetvárosi Hirlap”

1906 – 1914

“Erdelyi Hirado”

1887 – 1896

Editor in Charge: Publisher: Editor:

Mr. Tivadar Fogolyan Dr. Elemer Banyai Dr. Laszlo Marton Dr. Lajos Izsaky Dr. Jakabb Gopcsa Dr. Bogdan Papp Dr. Bogdan Papp Dr. Bogdan Papp Dr. Elemer Banyai Mr. Hugo Semlyen Mr. Marton Martonffy Mr. Kalman Gillyen Mr. Janos Markovics Mr. Janos Markovics Mr. Albert Scholtes Mr. Jozsef Korbuly

Table 1  Periodicals in the Hungarian-Armenian Diaspora

1 A Szamosújvári örménység jövője [The Future of Armenians in Szamosújvár]. In: Szamosújvár es Videke 1907, no. 52.

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In addition to these periodicals, a number of newspapers and journals edited by HungarianArmenians can be found.2 However, it would not be correct to classify these as HungarianArmenian press since, as mentioned above, the latter was distinguished not only by the Armenian origin of its editor-publishers but also, primarily, by its contents and the thematic range of the material it published. *** The history of the Szamosújvár periodic press starts in the 1880s with the publication of the “Armenia” journal. Inspired by their initial success, Kristof Szongott and Dr. Janos Sima, one of the rare Hungarian-Armenians who was fluent in Armenian, had the idea of publishing a monthly newspaper called “Hungary” in the Armenian language, whose aims were the opposite of those of “Armenia”, i. e. to convey truthful information on the political, economic and cultural life in Hungary to Armenians all around the world.3 They were directed at Armenians living in foreign states for subscription, but this proposal was probably not met with a sufficient level of feedback. At the beginning of the 1890s, Szamosújvár was preparing the publication of “Szamosújvári Lapok”, a newspaper which was to be the first Hungarian-Armenian political city weekly. It was decided that the editorial structure would be comprised of four people, but this initiative fell victim to the indifference of society, receiving little support.4 Finally, in 1896, the lawyer Tivadar Phogoyan succeeded in publishing the “Szamosújvár” newspaper, which heralded the beginning of the history of Szamosújvár Armenian weeklies.

“Szamosújvár”, 1896 – 1898 On December 24, 1895, a demo issue of the newspaper was published with a description of its planned activity: “We wish to serve only the common interest of society as we are sure that this is necessary for the Hungarian provincial press, especially today … We will serve neither any particular political party nor individuals because our newspaper wishes to reflect the opinions and wishes of society.”5 The leading articles and editorials of the newspaper were of a social orientation; economic issues were also addressed. The newspaper opened a

2 Magyar Polgár (1867 – 1886, 1898 – 1904) [Hungarian Citizen (1867 – 1886, 1898 – 1904)]. Ed. by K. Papp ­Miklos.; Történeti Lapok (1874 – 1876) [Historical Papers (1874 – 1876)]. Ed. by idem; Kolozsvár (1886 – 1898). Ed. by Istvan Petelei.; Élet es irodalom (1883 – 1885) [Life and Literature (1883 – 1885)]. Ed. by Jozsef Korbuly; Erdelyrészi Jogi Közlőny (1907 – 1917) [Transylvanian Judicial Gazette (1907 – 1917)]. Ed. by Jozsef Papp. 3 Szamosújvári Közlöny [Szamosújvár Gazette], 1903, no. 12. 4 Ibid. 5 Szamosújvár, 1895, Dec. 25.

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new route, creating traditions for subsequent weeklies to follow. One of the traditional issues relating to the concerns of Hungarian-Armenians, discussed later in different newspapers, was connected to the establishment of an independent archiepiscopacy in Transylvania. The first discussions on this topic started in the pages of “Szamosújvár”.6 The newspaper terminated its publication in April 1898. The reason was that “the ­editor stopped dealing with the newspaper, since important tasks emerged in other spheres.”7 Summarizing its activity, the newspaper wrote: “We earnestly attempted to reflect the events of Szamosújvár’s social life and create a certain social opinion.”8 The newspaper was right here, since it had succeeded in opening up the route for the development of HungarianArmenian social periodicals.

“Szamosújvári Közlöny” 1903 – 1909; 1913 – 1914 – Social and Educational Weekly In 1903 – 1904, during the first two years, the newspaper was published under the editorship of Dr. Elemer Banyai (Zuboly). Elemer Banyai was well known to Hungarian readers as a talented writer and journalist. He edited the “Allato Vedelme” (“Protection of Animals”) journal in Kolozsvár, and the newspapers “Ujsag”, “Magyar Polgar” and “Kolozsvári Lapok”. He was a correspondent for the newspaper “Magyar Nemzet” from 1910 and “Magyarorszag” from 1914. His articles on topics of Hungarian history, literature and reality were p ­ ublished in “Vasarnapi Ujsag”, “Pesti Naplo”, “Magyar Nemzet” and “Budapesti Hirlap” using the pen name Zuboly.9 However, Armenian topics also had a special place in his political journalism. Zuboly wrote a great deal about the Armenians and the Hungarian-Armenian Diaspora. In Szamosújvár he worked as an inspector in the boys’ orphanage where he had been brought up himself. Zuboly collected jokes from the Armenians living in Transylvania and published them in three volumes entitled “Armenian Jokes” in 1903. His articles about Armenians were also published in Budapest newspapers.10 When he started to edit “Szamosújvári Közlöny” in 1903, Banyai intended to establish a periodical whose spirit was close to “Armenia”. This was indicated by the variety and quantity of Armenian topics in the articles published in the pages of the newspaper.11 6 “Ormeny puspokseg” [Armenian Bishopric]. Szamosújvár, 1897, no. 7. “Valasz az ormeny puspokseg”re [Answer to the Armenian Bishopric]. Szamosújvar, 1897, no. 9. 7 Szamosújvár, 1898, no. 13. 8 Ibid. 9 Revai Nagy Lexikon [Grand Encyclopaedia of Reva]. Vol. 2, Budapest 1911. 10 “Örmények Buda visszafoglalásánal” [The Armenians at the Recapture of Buda]. In: “Pesti Hirlap”, Sept. 3, 1904; “A ketfejű sas jubileuma”/“Pesti Hirlap”, Aug. 26, 1906; “Kiss Erno”/“Budapesti Hirlap”, July 2, 1905; Pesti Naplo, May 27, 1906; “Az Örmeny Múzeum megalakulasa”/“Budapesti Hírlap”, Feb. 25, 1905. 11 “Főuraink és az örmény kérdés” [Our Aristocracy and the Armenian Question]. In: Szamosújvári Közlöny, 1902, no. 2; “Törökök es örmények” [Turks and Armenians]. In: ibid., 1903, no. 5; “Örmény

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The editorial content was changed in 1904. One of the well-known lawyers of the country, Dr. Marton Laszlo (1879 – 1950), became the editor of the newspaper in 1909. He continued practicing as a lawyer in Budapest after World War I, became a jurist-consul of the Banking Centre in 1921, and from 1935 on the Director of the Centre. He also wrote books on ownership and pledge law. Together with the appointment of a new editor, the newspaper informed its readers that its programme and appearance would remain unchanged, being of the opinion that the activity of a newspaper should not depend on individuals, but should serve as a means of communication for society and thus guarantee its progress.12 “Szamosújvári Közlöny” continued with the social orientation of its predecessor “Szamo­ sújvár”. “We welcome our readers from a position of truth and social interest because these will be the main principles of activity of our newspaper, with the aim of serving successful progress.”13 The newspaper highlighted municipal issues, in particular urban planning and development, and elucidated the activities of city entities. Education may be identified as a new topical sphere on its pages. It continually provided insight into the everyday life of the educational institutions and orphanages of Szamosújvár, publishing their annual reports. The newspaper was discontinued in 1909 and was not re-established until 1913. The new editor Lajos Izsaky continued with the main directives of the previous publication, placing particular emphasis on economic and commercial issues. However, the biggest novelty of the newspaper was a section entitled “Armenia”, which often occupied almost half of its volume, if not the entire edition. The section focused on the state of Armenians all over the world and problems connected to the solution of the Armenian issue. The opening of the section, in the first place, was connected to a new wave of political events concerning the increased complication of the political status of the Armenian nation at the eve of World War I. After two years of publication, the newspaper ceased its activity. We can only assume that the closure of the newspaper was connected to the beginning of World War I.

“Szamosújvár es Videke” 1906 – 1907 – a Social, Educational and Economic Weekly Dr. Jakab Gopcsa (1865 – 1907) edited this newspaper. After his sudden death in November 1907, Dr. Bogdan Papp became editor. In the exclusive edition of December 25, 1906, költőkről” [On Armenian Poets]. In: ibid., 1903, no. 14; “Magyar örmények egyházi ritusa” [Ecclesiastical Rites of the Hungarian Armenians]. In: ibid., 1903, no. 19; “Szt. Gergely ünnepén” [On the Holiday of Saint Gergely]. In: ibid., 1906, no. 26; “Örmény püspőkség” [Armenian Bishopric]. In: ibid., 1903, no. 41. 12 Szamosújvári Közlöny, 1904, no. 13. 13 Szamosújvári Közlöny, 1904, no. 1.

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addressing readers, the editor wrote: “The mayhem of our city, the ignorance of the centre concerning the state of affairs in the provinces, and the loosening of social links, have given rise to my present decision. The goal of our activity, aimed at public benefit, is to care for the material state, public understanding and reconciliation of our city.”14 One of the important issues of the newspaper was to link the province with the centre, which was reflected in its title. Among Armenian materials, the article with the heading “The Future of Szamosújvár Armenians” stands out, alerting readers to the need for additional efforts to be made to retain the independence of one of the oldest Armenian Diasporas in Eastern Europe.15 “Szamosújvár es Videke” continued to be published until the end of 1907. This signalled the end of the publication of Hungarian-Armenian social periodicals. The next phase is characterised by the appearance of political press, in particular the release of the newspapers “Szamosvölgy” and “Szamosújvári Naplo”.

“Szamosvölgy”, 1908 – 1909, “Szamosújvári Hirlap”, 1910 – 1913 – Independence and Year of 48 Party Organs of Szolnok-Doboka Province The appearance of political press in Szamosújvár was triggered by the intensified political crisis and the involvement of new forces in the political fight. The new situation also changed the structure of the Hungarian bourgeois press. As stated by the Hungarian historian Ferenc Mucsi, “[t]he number of daily newspapers was increased, leading to a strengthening of their political orientation. It was a direct result of the resolution of critical phenomena of dualism, and an increase in contradictions within society. Newspapers explicitly attempted to present separate political directions, but on the other hand, which may appear contradictory, the role and ratio of the ‘independent press’ was on the increase”.16 The second trend in the Hungarian-Armenian system was also seen in the publishing of the newspaper “Számosvölgy”, which was run by Bogdan Papp. The first ten editions were headed “Independent Political and Social Weekly”. Starting from March 1908, from the 11th edition, the newspaper was published as an organ of the Independence and Year of 48 Party in the Szolnok-Doboka province. This happened when a split arm of the party, headed by Istvan Szappanos, Gyorgy Nagy and Arpad Bozoki, founded its own party and strengthened its positions by rapidly establishing press organs on sites. One of Gyorgy Nagy’s articles published in “Számosvölgy” simply stated: “There is a strong and reliable foothold in all this political chaos – the Independence and Year of 48

14 Szamosújvár és Vidéke, 1906. 15 Szamosújvár és Vidéke, 1907, no. 52. 16 Mucsi, Ferenc: A Magyar sajtó története (1878 – 1919) [History of the Hungarian Press (1878 – 1919)]. In: A magyar sajto tortenete. Ed.by László Márkus. Budapest 1977, 45.

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left party. Our party does not avoid giving a sincere answer, does not stutter, instead it expresses the ideas of independence with confidence under its flag.”17 “Számosvölgy” discussed the problems of the country’s political life in the period of coalition, and its collapse. Evidence of this was seen in Andrasi’s project on pluralistic election law, which raised discontent even among right-wing forces, and the so-called “banking issue”, which finally led to the split of the Independence Party. Articles by György Nagy 18 and Zoltán Lengyel 19 focused on these problems. The criticism of the government on the pages of the newspaper became even stronger when, in 1910, the Labour Party replaced the governing Independence Party. “Szamosvölgy”, which from 1910 onwards was published as an organ of the Independence Party under the name of “Szamosújvári Hirlap”, was closely observing the activity of a new government, the main task of which was to prepare the return of István Tisza. Newspapers not only published political articles, but also devoted much space to municipal problems. Thus, the series of articles by the city counsellor Gustav Papp on development and reconstruction issues revived the interest of the Budapest newspapers “Magyarország” and “Budapesti Napló”.20 “Szamosvölgy” opened a section entitled “Old Gherla”, c­ ontaining articles introducing the city’s history and places of interest.21 The newspaper initiated the organization of donations for the starving people of Armenia: “Everyone who has even small savings should participate in the donation and fulfil their patriotic duty”.22

“Szamosújvári Napló” 1910 – 1917 – Political and Social Weekly Elemér Bányai edited the first 13 editions of the newspaper. In 1910 he moved to Budapest and Márton Mártonffy (1848 – 1917) became the editor of the newspaper. He was involved in pedagogical activity for many years in Košice (Kassa, Kaschau), where he founded a municipal college and became its headmaster, and started the publication of “Haladás” weekly. Mártonffy founded a pedagogical college in Timișoara (Temeswar, Temesvár), and, from 1893 on, he became the Chief of the Crafts and Commercial Schools Department of the Ministry of Education. He was elected as a parliamentarian of Szamosújvár representing the Labour Party during the parliamentarian elections in 1910. He headed “Szamosújvári

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Számosvölgy, 1909, no. 45. Számosvölgy, 1908, no. 13, no. 27, no. 29, no. 39, no. 46; ibid., 1909, no. 1. Számosvölgy, 1908, no. 18, no. 32, no. 41. Számosvölgy, 1908, no. 3, no. 4, no. 6. Szamosújvár a Szamosújvár az erdélyi kaptalan levéltáraiban. 1908, no. 7; A Szamosújvári ormenyek es a szamosújvári uradalom [The Armenians in Szamosújvár and the Government in Szamosújvár]. 1908, no. 6. 22 Felhivas a Kozonseghez! Ehinseg Ormenyorszagban, 1909, no. 4.

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Napló” weekly, which soon became the political megaphone of the Labour Party. Although it was never stated that the Party owned the newspaper, the political principles of its editor and furious articles against the opposition certainly serve as sufficient grounds to assume that the weekly was definitely following the political line of the Party 23. Summarizing the results of the June elections, the newspaper presented interesting data about the Hungarian-Armenian parliamentarian deputies of the country: “At present there are 14 Hungarian-Armenian deputies in Parliament, of which ten are from the Labour Party, two from the Just Party, one from the Kossuth Party and one from Year of 48 Parties”.24 The popularity of the Labour Party among Hungarian-Armenians may be explained by the ­deepening of the crisis within the coalition, the split of the Independence Party, the decline in reputation among the broad strata and the collapse of the coalition regime. The newspaper devoted little space to the social life of the Hungarian-Armenian Diaspora and provided limited information of a commercial nature. Most frequently, the newspaper raised the issue of religion with regard to Armenian problems. Hungarian-Armenians had already been fighting for the rehabilitation of the Armenian episcopacy in Transylvania for two centuries. “Szamosújvári Naplo”, together with other newspapers of the city, was often involved in the discussion of this problem.25 In the October of 1910, a Hungarian-­Armenian delegation consisting of 33 persons presented a petition on this issue to János Zichy, the Minister of Education and Religion of Hungary. The Minister actually gave a negative answer. This fight for the religion of Hungarian-Armenians who became Catholics in the 18th century was in fact a fight for the protection of national self-assuredness.

Newspapers in the Armenian Language After the Armenian Genocide of 1915 and World War I, many Armenian emigrants found shelter in Budapest, and in 1919 they founded “Masis” Benevolent Union and launched the publication of the monthly newspaper “Nor Dar” (New Century), whose editor was Sargis Rshduni. Unfortunately, only two editions of the monthly were published. Probably the complications surrounding involved in the publication of “Nor Dar” were connected not only to printing difficulties, but also to inefficient organization. Soon the Union of Hungarian-Armenians was founded (1920), which in two years published a series of books entitled “Publications of the Hungarian-Armenian Union” in Budapest. These books may be regarded as yearbooks of the Union, which, in fact, could be seen as collections relating to studies of Armeniology. They also included articles by Antal Herman, Félix Ávedik, Eghia Hovhanissyan, László Gopcsa, Gyula Merza and Gergely Simai. 23 Szamosújvári Naplo, 1910, no. 14; ibid., 1912, no. 28, no. 35, no. 40, no. 48; ibid., 1916, no. 11. 24 Örmény képviselök [Armenian Representatives]. In: Szamosújvári Naplo, 1910, no. 31. 25 Szamosújvári Naplo, 1910, no. 18, no. 22, no. 31, no. 35; Szamosvölgy, 1908, no. 8; ibid., 1909, no. 17; ibid., 1914, no. 26 f.

The Weekly Newspapers of Hungarian-Armenian Communities

Abb. 1  Titelblatt der Zeitschrift „Armenia“ (1888).

Abb. 3  „Szamosújvári Napló“, Zeitung aus Szamosújvár (1916).

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Abb. 2  „Nor Dar“, armenisch-sprachige Zeitschrift aus Budapest, 1919.

Elke Hartmann

Geschichtsschreibung als Nationsbildung Die armenischen Kolonien Ostmitteleuropas in der armenischen Geschichtsschreibung und Erinnerung nach 1915

Im Titel dieses Beitrags findet sich bereits eine ganze Reihe von Begriffen, die einer ausführlicheren Erklärung bedürfen, um das Thema präziser zu bestimmen und den Gang der Argumentation aufzuzeigen. Zunächst gilt es, die armenischen Kolonien Ostmitteleuropas in ihren weiteren Kontext der gesamten armenischen Diaspora vor 1915 einzufügen. Wenn dann von armenischer Geschichtsschreibung und kollektiver Erinnerung die Rede ist, muss in einem zweiten Teil geklärt werden, was „armenisch“ und auch was „Geschichtsschreibung“ in diesem Zusammenhang bedeutet. Schließlich ist mit der Jahreszahl 1915 eine Zäsur markiert, deren Vorgeschichte, d. h. die Lage und das Selbstverständnis der Armenier vor der Katastrophe, deren Charakter und Bedeutung als Einschnitt in der armenischen Geschichte sowie deren Folgen, also die Situation der Armenier nach dem Ersten Weltkrieg, kurz ausgeführt werden muss. Vor diesem Hintergrund kann dann die Betrachtung der ostmitteleuropäischen Armenierkolonien in der armenischen Historiographie und Erinnerung nach 1915 entfaltet werden. Dabei soll vor allem ein Text beispielhaft diskutiert werden, der nicht nur als paradigmatisch, sondern auch als besonders einflussreich gelten kann: die „Erinnerungen eines armenischen Revolutionärs“, des Freischärlers und Partei­ kaders Roupen Der Minasian. Es soll argumentiert werden, dass vor 1915, also bevor die Armenier des Osmanischen Reiches einer systematischen Vernichtung zum Opfer fielen und damit armenisches Leben im eigenen Land bis auf einen kleinen Rest des historischen Siedlungsgebiets der Armenier beendet wurde, der Prozess der Herausbildung einer modernen Nation unter den Armeniern keineswegs abgeschlossen war. Paradoxerweise setzte dieser Prozess nach der Katastrophe angesichts der Anforderungen eines Wiederaufbaus und Neuaufbaus unter den Bedingungen des radikalen Abbruchs einer gerade erst begonnenen bzw. erst noch aufkeimenden kulturellen Blüte, des Verlustes des größten Teiles der intellektuellen Elite und schließlich äußerster materieller Not in den Flüchtlingslagern umso intensiver ein. Vor allem aber war die Ausrichtung auf einen exklusiven Nationalismus nun, nach 1915, alternativlos, nachdem der Völkermord im Osmanischen Reich und der Zerfall der Großreiche alle Illusionen auf andere politische Verwirklichungen endgültig zerstört und vollständig diskreditiert hatte.

Geschichtsschreibung als Nationsbildung

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Die armenischen Kolonien Ostmitteleuropas stehen nicht allein, sie sind Teil einer sehr viel größeren, weltweiten armenischen Diaspora, deren Ursprünge bis in die Spätantike zurückreichen.1 Im 11. Jahrhundert löste die seldschukische Eroberung Armeniens große Wanderungsbewegungen aus, welche neben den armenischen Kolonien im Westen 2 vor allem auch die armenische Besiedelung Kilikiens begründeten, wo während der Kreuzfahrerzeit drei Jahrhunderte lang ein armenischer Staat bestand, der 1375 von den Mameluken zerschlagen wurde.3 Die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert wiederum brachte – während des langen osmanisch-safavidischen Krieges – 1604/05 die Deportation Hunderttausender Armenier nach Persien in die Nähe von Isfahan, der neuen Hauptstadt des Schahs Abbas I., 1 Zur Geschichte der Armenier in byzantinischer Zeit siehe insbesondere die Arbeiten von Garsoian, Nina: Armenia between Byzantium and the Sasanians. London 1985; DIES.: The Problem of Armenian Integration into the Byzantine Empire. In: Studies of the Internal Diaspora of the Byzantine Empire. Hg. v. H. Ahrweiler, und A. E. Laiou. Washington D. C. 1998, 53 – 124; DIES.: The Marzapanate (428 – 652). In: The Armenian People from Ancient to Modern Times. Hg. v. Richard H ­ ovannisian. Bd. 1. New York-London 1997, 95 – 115. Zur Deportation und Ansiedlung von Armeniern auf Zypern (577) und in Thrakien durch den byzantinischen Kaiser Maurikios (582 – 602) und dessen Nachfolger vgl. besonders 107 – 110, 114; Bournoutian, George: The History of the Armenian People. Bd. 1. Costa Mesa (CA) 1993, 83 – 86; Cheynet, Jean-Claude/Dédéyan, Gérard: Vocation impériale ou fatalité diasporique: les Arméniens à Byzance (IVe-XIe siècle). In: Histoire des Arméniens. Hg. v. Gérard Dédéyan. Toulouse 2007, 297 – 326, insbes. 299 – 304; Charanis, Peter: Transfer of Population as a Policy in the Byzantine Empire. In: Comparative Studies in Society and History 3 (1961), 140 – 154. 2 Zur Geschichte der Diaspora-Gemeinden in Kleinasien, auf der Krim, in Moldawien, S­ iebenbürgen, Galizien, Transsylvanien, Polen, Rumänien und Litauen und in Westeuropa: Dédéyan, Gérard: L’immigration arménienne en Cappadoce au XIe siècle. In: Byzantion 45 (1975), 41 – 117; ­Maksoudian, Krikor: Armenian Communities in Eastern Europe. In: The Armenian People from Ancient to Modern Times. Hg. v. Richard Hovannisian. Bd. 2. New York-London 1997, 51 – 79; Zekiyan, Levon B.: Les colonies arméniennes, des origines à la fin du XVIIIe siècle. In: Histoire des Arméniens. Hg. v. Gérard Dédéyan. Toulouse 2007, 425 – 442, 444 – 446; Bournoutian, George: The History of the Armenian People. Bd. 2. Costa Mesa (CA) 1994, 71 – 84; Hay Joghovrti Badmoutiun [Geschichte des armenischen Volkes]. Hg. v. Dzadour Baveli Aghaian und anderen (im Auftrag des Instituts für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der Armenischen SSR). Bd. 4. Erevan 1971 – 1981, 348 – 379, 386 – 402. Das ebenso monumentale wie unverzichtbare Standardwerk zur armenischen Diaspora bleibt Alboyadjian, Arshag: Hay kaghtaganoutian badmoutiun: hayerou tsrvoume ashkharhi zanazan masere [Geschichte der armenischen Diaspora: die Zerstreuung der Armenier in die verschiedenen Teile der Welt]. Bd. 1 – 3. Kairo 1941 – 1961. Eine gute Gesamtdarstellung bietet zudem Aprahamian, Ashod Karekini: Hamarod ourvakidz hay kaghtavayreri badmoutian [Kurze Skizze der Geschichte der armenischen Exilorte]. Bd. 1 – 2. Erevan 1964 – 1967; vgl. zudem das jüngst in Armenien erschienene Lexikon zur Diaspora: Hay Spiurk Hanrakidaran [Lexikon der armenischen Diaspora]. Hg. v. Hovhannes Ayvazian u. a. Erevan 2003. 3 Im Gegensatz zu vielen anderen Themen und Epochen der armenischen Geschichte ist das 1080 durch Roupen begründete armenische Fürstentum in Kilikien, das 1198 zum Königreich erhoben wurde, vergleichsweise gut erforscht: Mutafian, Claude: La Cilicie au carrefour des empires. Paris 1988; Mutafian, Claude: Le Rauyaume Arménien de Cilicie, XIIe-XIVe siècle. Paris 1993; Dédéyan, Gérard: Les Arméniens entre Grecs, musulmans et croisés. Étude sur les pouvoirs arméniens dans le Proche-Orient méditerranéen (1068 – 1150). Bd. 1 – 2. Lissabon 2003.

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wo die Armenierstadt Nor Djougha (Neu Djulfa) erbaut wurde. Von hier aus wanderten zahlreiche Armenier nach der Verwüstung Nor Djoughas (Neu-Djulfa) durch den afghanischen Eroberer Mir Mahmud im Jahr 1722 weiter nach Indien, wo wichtige Kolonien, z. B. in Madras und Kalkutta, entstanden.4 Die Armenier zerstreuten sich bis nach Südostasien. Schon früh wanderten Armenier aber auch nach Jerusalem, das zu einem bedeutenden religiösen Zentrum auch für die Armenier wurde und wo bis heute um das große Kloster Sourp Hagop (Jakobskloster) in der Altstadt ein armenisches Viertel existiert.5 Auch die armenischen Gemeinden in Ägypten und Äthiopien sind der Erwähnung wert. So unterschiedlich die Entstehungsgeschichte der einzelnen Kolonien, so verschieden war auch ihre Geschichte und ihre Bedeutung für das armenische Mutterland bzw. für die Armenier als Volk, als Gemeinschaft insgesamt. Dass in dem folgenden, sehr knappen und keineswegs umfassenden, sondern lediglich schlaglichtartigen Abriss diese Perspektive angelegt wird und nicht die Bedeutung der einzelnen Kolonien für ihr jeweiliges Gastland, ist dem gewählten Gegenstand geschuldet: Wenn das Bild armenischer Gemeinden in der Diaspora in der armenischen Geschichtsschreibung und Erinnerung nach 1915 betrachtet werden soll, dann impliziert dies eine Sicht, die das Kernland Armeniens selbst in den Mittelpunkt rückt. Mit der Wahl des 20. Jahrhunderts als zeitlichem Horizont ist auch ein Geschichtsbild impliziert, das sich an der Größe der „Nation“ orientiert. Es ist das Zeitalter der Nationsbildung und des Nationalismus, auch für die Armenier. Ob und ab welchem Zeitpunkt dabei tatsächlich von einer armenischen Nation die Rede sein kann, wird im folgenden Abschnitt noch zu klären sein; wichtig ist zunächst, dass für die armenische Geschichtsschreibung und das kollektive Gedächtnis dieser Zeit die „Nation“ Bezugsrahmen und Ideal gleichermaßen ist, unabhängig von der konkreten Form ihrer Verwirklichung. Unter diesem Blickwinkel ist der signifikanteste Unterschied zwischen den armenischen Kolonien Ostmitteleuropas und jenen etwa im Iran, in Indien oder Palästina der Grad ihrer Anpassung, ihrer Integration, vor allem aber ihrer Assimilation an ihre Gastgesellschaften. Die armenischen Kolonien Ostmitteleuropas waren – für armenische Verhältnisse – groß und zahlenmäßig, kulturell und wirtschaftlich bedeutend. Sie erlebten aber ihre Blüte und dann ihre weitgehende Assimilation an ihre Gastgesellschaften in vormoderner Zeit bzw. an der Schwelle zur Moderne, also vor dem Aufkommen der Idee der Nation. Von besonderer

4 Chaqueri, Cosroe (Hg.): The Armenians of Iran: The Paradoxical Role of a Minority in a Dominant Culture. Harvard 1998. – Bournoutian, George: The Armenian Community of Isfahan in the Seventeenth Century. In: Armenian Review 24 (1971), 27 – 45, und 25 (1972), 33 – 50. – Gregorian, Vartan: Minorities of Isfahan: The Armenian Community of Isfahan 1587 – 1722. In: Iranian Studies 7 (1974), 652 – 680. – Seth, Mesrovb J.: History of the Armenians in India from the Earliest Times to the Present Day. Calcutta 1937. 5 Wright, Nadia: Respected Citizens: The History of Armenians in Singapore and Malaysia. Melbourne 2003. – Sawalaniants, Dikran H. T.: Badmoutiun Yerousaghemi [Geschichte Jerusalems]. Bd. 1 – 2. Jerusalem 1931.

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Bedeutung sowohl für die Entwicklung der ostmitteleuropäischen Kolonien selbst als auch für ihre Betrachtung aus nationalistischer Perspektive ist der Umstand, dass diese Gemeinden im Laufe der Zeit ihr armenisch-apostolisches Bekenntnis zugunsten einer Union mit Rom aufgaben. Je mehr im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die armenisch-­ apostolische Kirche zum Ausgangspunkt der modernen armenischen Nation wurde, je mehr im Zuge dessen die Zughörigkeit zur armenisch-apostolischen Glaubensgemeinschaft häufig synonym für die Zughörigkeit zur Nation und umgekehrt der Austritt aus der Kirchengemeinschaft als Abwendung von der Nation verstanden wurde, desto mehr bedeutete die Union mit Rom, gepaart mit dem Verlust der armenischen Sprache, aus nationalistischer Sicht Entfremdung. In dieser nationalistischen Perspektive geht unter, dass die Kirchenunion mit Rom nicht gleichbedeutend mit einem Übertritt zum Katholizismus war, sondern dass die unierten Kirchen viele Eigenheiten behielten. Ausschlaggebender ist in diesem Zusammenhang der Austritt der unierten Gemeinden aus der Jurisdiktion des apostolischen Kirchen­ oberhauptes, dem angesichts fehlender armenischer Staatlichkeit in vielerlei Hinsicht auch die Rolle weltlicher Führerschaft der armenischen Gemeinschaft zukam.6 Auch die Kolonien Persiens und Indiens hatten ihre Glanzzeiten in der Frühen Neuzeit. Hier allerdings verhinderte die religiöse Differenz die Assimilation. Die Armenier Irans sind bis heute armenischsprachig, die großen Kolonien dort gehören nach wie vor der armenisch-apostolischen Kirche an und sind bis heute kulturelle Zentren der armenischen Welt – ungeachtet der Tatsache, dass sich die kulturelle Entfaltung und selbst das Schulwesen der Armenier in der Diaspora zunehmend im Rückzug oder bereits auf verlorenem Posten wähnt, die Armenischsprachigkeit weltweit zurückzugehen scheint, Schulen, Zeitungen und Verlagshäuser schließen. Im Gegensatz zu den armenischen Gemeinden 6 Am Rande sei bemerkt, dass die Kirchenunion mit Rom nicht auf die ostmitteleuropäischen Armenier beschränkt war. Auch innerhalb des osmanischen Territoriums gab es armenische Gemeinden, die katholisch wurden. In diesem Zusammenhang muss die armenische Kolonie in der zentral­ anatolischen Stadt Ankara an erster Stelle genannt werden, aber auch die katholischen Armenier von Aleppo und anderer Orte müssen erwähnt werden. 1830 wurden die katholischen Armenier im Osmanischen Reich als eigenes millet, d. h. eigene konfessionelle Gemeinschaft, offiziell anerkannt. Damit erlangten sie von der apostolischen Kirche unabhängige Gruppenrechte. Zu bemerken sind auch hier zwei Tendenzen. Zum einen ging auch unter den katholischen Armeniern in Anatolien und Syrien die Hinwendung zum Katholizismus einher mit einer beschleunigten Aufgabe der armenischen Sprache. Zum anderen waren die katholischen Armenier bei der Wahrnehmung von Posten in der osmanischen Verwaltung gerade auch im Vergleich zu den apostolischen Armeniern überproportional vertreten, was als Indikator für den Grad ihrer Integration und Assimilation gesehen werden kann. Die zeitgenössische Presse und Literatur reflektiert auch hier eine skeptische bis kritische Wahrnehmung der armenischen Katholiken seitens der apostolischen Reformeliten, die die Idee einer armenischen Nation propagierten. Zur Entstehung des katholisch-armenischen millets siehe Artinian, Vartan: The Formation of Catholic and Protestant Millets in the Ottoman Empire. In: Armenian Review 28 (1975), 3 – 15. – Zur Integration der katholisch-armenischen Eliten im Osmanischen Reich siehe als Fallstudie: Hartmann, Elke: „Havadarim Azke“ ou Anor Yerespokhannere [Die „treue Nation“ und ihre Abgeordneten]. In: Datev Hayakidagan Darekirk 1 (2008), 144 – 206.

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Ostmitteleuropas haben die Armenier in Persien und Indien im Zeitalter des Nationalismus eine Rolle gespielt, in mancherlei Hinsicht sogar eine Vorreiterrolle bei einigen Etappen der armenischen Nationsbildung oder ihrer Vorläuferentwicklungen. Wenn man, mit Benedict Anderson, die Entwicklung des Pressewesens als einen Indikator betrachtet, ist etwa zu erwähnen, dass die erste armenische Zeitung in Indien gedruckt wurde. Sie trug den Titel Aztarar [Der Anzeiger] und erschien 1794 – 1796 in Madras.7 Neben diesem Unterschied in Bezug auf die Assimilation ist wohl im 19. Jahrhundert ein kultureller Unterschied in Rechnung zu stellen. Die Implikationen der geistigen und kulturellen Entwicklung in Europa, die unter dem Schlagwort des „Orientalismus“ zusammengefasst werden, sind auch am europäisch-armenischen Verhältnis nicht spurlos vorbeigegangen. Ebenso sehr haben Orientalismus und das, was Marc Nichanian so treffend als „Auto-Orientalismus“ bzw. indigenen Orientalismus beschrieben hat, die armenische kulturell-geographische Selbstverortung zwischen Orient und Okzident geleitet. Wo der Orientalismus ein Element der Entfremdung zwischen Europa und den Orient geschoben hat, hat der „indigene Orientalismus“ der Armenier dieses Element entweder aufgegriffen und bewusst affirmiert – eigentlich mit dem Anspruch, es zu überwinden – oder aber ist in einer Gegenreaktion gegen diese Selbst-Orientalisierung angerannt, um sie dadurch nur 7 Einen sehr guten knappen Überblick gibt Zekiyan, Levon B.: Renaissance arménienne et mouvement de libération (XVIIe-XVIIIe siècle). In: Histoire des Arméniens. Hg. v. Gérard Dédéyan. Toulouse 2007, 447 – 474. – Speziell zum Aztarar: Seth, Mesrovb J.: Madras, the Birthplace of Armenian Journalism. A History of the First Armenian Journal, the Azdarar, Published Monthly at Madras by the Rev. Arathoon Shumavon, in 1794. Calcutta 1937; Leo [Arakel Babakhanian]: Haygagan ­dbakroutiun [Armenischer Buchdruck]. Tiflis 1902 (wieder abgedruckt in: Leo: Yergeri ­Joghovadzou [Gesammelte Werke]. Bd. 5. Erevan 1986, 123 – 174). – Zu den Anfängen eines modernen armenischen Schul­wesens (ebenfalls in Indien, aber auch in Moskau, Tiflis u. a.) und zu den Aktivitäten der sogenannten „Madras-Gruppe“, einer Gruppe Intellektueller um Movses Baghramian und ­Shahamir ­Shahamirian, die sich 1770 mit dem Ziel zusammengeschlossen hatte, europäische Ideen für die armenische Gemeinschaft fruchtbar zu machen: Oshagan, Vahe: Modern Armenian Literature and Intellectual History from 1700 to 1915. In: The Armenian People from Ancient to Modern Times. Hg. v. Richard Hovannisian. Bd. 2. New York-London 1997, 139 – 174, insbes. 145 – 148. In deutscher Sprache auch Oshagan, Vahe: Sarthonk, Lusavoruthiun. Emanzipatorische Visionen im 18. und 19. Jahrhundert. In: Armenien. Wiederentdeckung einer alten Kulturlandschaft. Handbuch und Katalog zur Ausstellung im Museum Bochum 1995, 267 – 275, insbes. 268 f. – Zu Shahamirian: ­Tölölyan, Minas: Shahamir Shahamirian’s Vorogait Parats (Snare of Glory). In: Armenian Review 42 (1989), 25 – 35; Khatchatrian, Haik: Shahamir Shahamirian’s Views on Natural Law. In: Armenian Review 42 (1989), 37 – 46. – ­Insgesamt gehört die Ära der kulturellen Renaissance (zartonk bzw. lousavoroutiun) zu den bevorzugten Epochen der armenischen Geschichts- und Literaturgeschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts, vgl. die umfangreichen Abhandlungen von Oshagan, Hagop: Hamabadger Arevmdahay Kraganoutian [Panorama der westarmenischen Literatur]. Bd. 1: Zartonki Serount [Die Generation des zartonk]. Jerusalem 1945; Varantian, Mikayel: Haygagan Sharjman Nakhabadmoutiun [Vorgeschichte der armenischen [National-]Bewegung]. Bd. 1. Genf 1912; Leo: Hayots Badmoutiun [Geschichte der Armenier], Bd. 3,2. Erevan 1947 (wieder abgedruckt in Ders.: Yergeri Joghovadzou [Gesammelte Werke]. Bd. 3,2. Erevan 1973).

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umso mehr zu verstärken.8 Mit dieser Bewegung der neuen Grenzziehungen wurde die Welt der östlichen Kolonien, Persien und Indien, der Welt des Eigenen und Vertrauten zugeschlagen. Europa und damit auch die Welt der armenischen Kolonien Ostmitteleuropas wurden zum Unbekannten, Unvertrauten, Anderen. Nach diesem sehr kursorischen Abriss über die armenische Diaspora vor 1915, in dem es darum ging, die armenischen Kolonien Ostmitteleuropas in den weiteren Kontext der armenischen Diaspora insgesamt einzuordnen und vor allem diese, von Armenien aus gesehen westlichen Kolonien mit denen des Ostens zu kontrastieren, soll nun in groben Zügen die Lage im Mutterland dargestellt werden. Dabei wird es vor allem darum gehen, zum einen festzustellen, wie unterschiedlich die Lebensbedingungen, die politischen Rahmen­ bedingungen und daraus abgeleitet auch die politischen Optionen für die Armenier in den verschiedenen Landesteilen waren; zum anderen soll aufgezeigt werden, dass die Herausbildung einer armenischen Nation im modernen Sinn zwar ihren Anfang genommen hatte, bis zum Einschnitt von 1915 aber nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann – was wiederum Auswirkungen auf die Geschichtsschreibung und das kollektive Geschichtsbild der Armenier nach 1915 hatte. Das historische armenische Siedlungsgebiet lag im 19. Jahrhundert auf den Gebieten dreier Reiche: Iran, Russland und Osmanisches Reich. Der Iran beherbergte nicht nur bedeutende Diaspora-Kolonien wie Neu-Djulfa bei Isfahan, sondern umfasste in seinem Nordwestzipfel jenseits des Urmia-Sees auch einen kleinen Teil des historischen armenischen Siedlungsgebietes, dessen weitaus größter Teil zu dieser Zeit unter osmanischer Herrschaft stand, und dessen östlichster Teil – im Großen und Ganzen jene Region, die auch heute den Staat Armenien ausmacht – 1828 von Persien an Russland gefallen war.9 Von diesen drei Reichen, die Armenien unter sich aufgeteilt hatten, war Iran das schwächste, auch das am wenigsten modernisierte, aber die Armenier im Land profitierten in gewisser Weise von dieser Schwäche des Staates. In den städtischen Zentren waren sie angesehen, im Nordwesten füllten sie, die auch dort in der Bevölkerung nur eine Minderheit stellten, die Lücke staatlicher, obrigkeitlicher Aufgaben: Die Armenier waren bewaffnet, sie stellten – im Widerspruch zur islamischen Tradition! – ein eigenes Segment der Armee, ihre Verbände ersetzten die fehlende Polizei und dienten auf diese Weise den lokalen Provinzgouverneuren 8 Nichanian, Marc: Entre l’Art et le Témoignage. Littératures arméniennes au XXe siècle. Bd. 2: Le deuil de la philologie. Genf 2007, 97 – 149. – Zur historischen Entwicklung und Funktionsweise des Orientalismus: Polaschegg, Andrea: Der andere Orientalismus. Regeln deutsch-morgenländischer Imagination im 19. Jahrhundert. Berlin-New York 2005. 9 Zur Geschichte Ostarmeniens unter persischer Herrschaft allgemein: Bournoutian, George: The Khanate of Erevan Under Qajar Rule 1795 – 1828. Costa Mesa (Ca.) 1992; Bournoutian, George: Armenians in Nineteenth-Century Iran. In: The Armenians of Iran: The Paradoxical Role of a Minority in a Dominant Culture. Hg. v. Cosroe Chaqueri. Harvard 1998, 54 – 76; Bournoutian, George: Eastern Armenia from the Seventeenth Century to the Russian Annexation. In: The Armenian People from Ancient to Modern Times. Hg. v. Richard Hovannisian. Bd. 2. New YorkLondon 1997, 81 – 107.

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als Ordnungskraft.10 Der Nordwesten Irans konnte so den armenischen Revolutionären, die um die Jahrhundertwende vom Russischen Reich aus in osmanisches Territorium einzusickern versuchten, als Brückenkopf, Rückzugsterrain und Waffenlager dienen.11 Das Osmanische Reich vollzog im Laufe des 19. Jahrhundert einen grundlegenden und umfassenden Modernisierungsprozess,12 der auch die armenischen Provinzen nicht unberührt ließ. Ziel dieses forcierten osmanischen Reformprozesses war die Stärkung der Zentralmacht. Modernisierung wurde umso mehr mit einer unbedingten Zentralisierung gleichgesetzt, als zu Beginn des Jahrhunderts die Existenz des Staates weitaus weniger durch externe Eroberungen gefährdet war als durch die Eigenmächtigkeiten der eigenen Provinzgouverneure. Diese Ausgangslage verhinderte die Durchsetzung oder auch nur Erörterung alternativer, etwa föderaler oder gar kantonaler Modelle bzw. Konzeptionen moderner Staatlichkeit, die der regionalen, religiösen, ethnischen und sprachlichen Vielfältigkeit des Reiches möglicherweise gerechter geworden wären, die eine Integration der so vielfältigen Bevölkerungsgruppen im Reich möglicherweise praktikabler gemacht hätten. Nachdem die Provinzen im Osten Kleinasiens, in denen die Armenier gemeinsam mit den Kurden relative Bevölkerungsmehrheiten bildeten, während der 1830er und 1840er Jahre in großangelegten Feldzügen regelrecht neu erobert worden waren,13 erwies sich die osmanische Zentralregierung allerdings in der Folge als zu schwach, die Bedingungen vor Ort – etwa auch die Infrastruktur sowie der hohe Anteil an tribal organisierter, nomadischer oder halbnomadischer Bevölkerung – als zu schwierig, um die kurdisch-armenischen Provinzen tatsächlich und dauerhaft unter eine funktionierende Zentralverwaltung zu stellen. Das System der Herrschaftsausübung, dessen sich die osmanische Regierung im späten 19. Jahrhundert in diesen östlichen Randprovinzen stattdessen bediente, kann mit dem Begriff der Gewaltdelegation an lokale Akteure beschrieben werden,14 eine Herrschaftsform, die insbesondere Sultan Abdülhamid II. (reg. 1876 – 1909) zur Perfektion brachte: 10 Zu den armenischen Gendarmerie- und Militäreinheiten: Cronin, Stephanie: The Army and the Creation of the Pahlavi State in Iran 1910 – 1926. London-New York 1997, 122 – 127; Bournoutian, Eastern Armenia (wie Anm. 9), 33. 11 Roupen [Minas Der Minasian]: Hay Heghapokhagani me Hishadagnere [Erinnerungen eines armenischen Revolutionärs]. Bd.  1 – 7. 3Beirut 1980 – 1987 (seitdem fortlaufend unveränderter Nachdruck), hier Bd. 1, 267 – 269, 315 – 326 und Bd. 2, Kapitel 1. 12 Gute Überblicke über die osmanische Reformperiode der sogenannten tanzimat (wörtlich: Neuordnungen) bieten u. a. die folgenden Gesamtdarstellungen zur modernen osmanischen Geschichte: Zürcher, Erik Jan: Turkey. A Modern History. London-New York 1993; Quataert, Donald: The Ottoman Empire 1700 – 1922. Cambridge 2000; Deutsch auch Kreiser, Klaus/Neumann, Christoph: Kleine Geschichte der Türkei. Stuttgart 2003. 13 Unter anderem wurde der preußische Militärberater (und spätere berühmte Generalstabschef ) ­Helmuth von Moltke Zeuge und Teilnehmer einer solchen Expedition: Moltke, Helmuth von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin 61893, Brief 43. 14 Hartmann, Elke: The Central State in the Borderlands: Ottoman Eastern Anatolia in the Late 19th Century. In: Coexistence and Violence in the German, Habsburg, Russian and Ottoman Borderlands Hg. v. Omer Bartov und Eric Weitz. Bloomington 2013,172 – 190..

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Anstelle der direkten Verwaltung und vor allem anstelle direkter Kontrolle und Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung durch Organe der Zentralregierung, spielte der Sultan eine Vielzahl von lokalen Akteuren und Gruppen gegeneinander aus, die sich in ihrer Rivalität und durch ihre Fehden und Machtkämpfe gegenseitig schwächten und auf diese Weise immer weniger imstande sein sollten, die Autorität des Zentralstaates in Frage zu stellen. Um die Macht der Provinzialverwaltung zu beschneiden, wurde die Militärverwaltung mit entsprechenden Vollmachten und Funktionen ausgestattet. Gegen diese-, nominell in Vertretung des Zentralstaates agierenden Organe, die sich gerade im Laufe der jüngeren Geschichte aber allzu oft als eigenmächtig und illoyal erwiesen hatten, konnten die lokalen Notabeln ausgespielt werden, die durch die im Reformprozess neu eingesetzten Stadt- und Provinzialräte eine neue Wirkungsstätte hinzugewonnen hatten. Die Führer der Stämme stellten ein weiteres Gegengewicht dar, wobei die Stämme häufig auch gegeneinander eingesetzt wurden. Auch die unterschiedlichen ethnischen bzw. konfessionellen Bevölkerungsgruppen wurden gegeneinander ausgespielt. Hierbei spielte die Gründung der Hamidiye-Regimenter nicht nur eine zentrale Rolle; diese irregulären Stammesregimenter, die vornehmlich aus sunnitischen kurdischen Stämmen rekrutiert wurden und unter das Kommando der jeweiligen Stammesführer gestellt wurden, bedeuteten auch in Bezug auf die Herrschaftsform der Gewaltdelegation eine Zäsur. Der osmanische Staat ließ die verschiedenen lokalen Akteure in ihren Konkurrenzkämpfen gegeneinander nicht mehr nur gewähren und versuchte, diese Machtverteilungskämpfe in seinem Sinne zu dirigieren; hier wurde gezielt ein Bevölkerungssegment gegen andere Gruppen bewaffnet. Mehr als in externen Kriegszügen kamen die Hamidiye-Truppen gegen die Bevölkerung ihrer eigenen Region zum Einsatz. Sunnitische Stämme wurden gegen alevitische Stämme eingesetzt. Um die Macht der großen Stämme zu brechen, wurden kleinere Stämme in gemeinsamen Regimentern zusammengeschlossen und gegen ihre einflussreichen Rivalen unterstützt. Bei den reichsweiten Massakern 1895/96 wurden die Hamidiye-Truppen schließlich auch in großem Stil gegen die armenische Bevölkerung verwendet.15 Die Lage in den osmanischen Ostprovinzen war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts insgesamt geprägt durch ein hohes Maß an alltäglicher und selten geahndeter Gewalt, die nicht zuletzt mit den osmanischen Reformbemühungen seit 1839 verbunden war, als die 15 Zum System der Gewaltdelegation in Ostanatolien: Duguid, Stephen: The Politics of Unity. In: Middle Eastern Studies 9 (1973), 139 – 156. – Zu den Hamidiye-Regimentern: Klein, Janet:The Margins of Empire. Kurdish Militias in the Ottoman Tribal Zone. Stanford 2011; Kodaman, Bayram: Hamidiye Hafif Süvari Alayları [Die leichten Hamidiye-Reiterregimenter]. In: İstanbul Üniversitesi Edebiyat Fakültesi Tarih Dergisi 32 (1979), 427 – 480; Aytar, Osman: Hamidiye Alaylarından Köy Koruculuğuna [Von den Hamidiye-Regimentern zum Dorfwächtertum]. Istanbul 1992. – Zu ihrer Verwendung insbesondere gegen die Armenier siehe ebd., 97 – 103, 151 – 164; Kodaman (wie Anm. 15), 463 – 471; Duguid (wie Anm. 15), 144 – 151; Kévorkian, Raymond H./Paboudjian, Paul B.: Les Arméniens dans l’Empire Ottoman à la Veille du Genocide. Paris 1992, 48 – 51; Verheij, Jelle: “Les frères de terre et d’eau“: Sur le rôle des Kurdes dans les massacres arméniens de 1894 – 1896. In: Cahiers de l’autre Islam 5 (1999), 225 – 276.

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osmanische Zentralregierung in ihrem Streben nach Zentralisierung und Modernisierung die bestehenden lokalen Machtstrukturen und sozialen Verhältnisse aus dem Lot brachte, ohne in ihrer eigenen Schwäche imstande zu sein, eine neue stabile Ordnung an die Stelle des zerstörten Gefüges zu setzen. Die Gewalt in der Region nahm im Laufe des 19. Jahrhunderts in dem Maße zu, wie die Krise des osmanischen Staates sich zuspitzte und verschiedene Gewalt begünstigende Faktoren die Situation verschärften: Je mehr der osmanische Staat zur Herrschaftsausübung im Osten auf die oben skizzierte Politik der Gewaltdelegation an verschiedene, einander bekämpfende lokale Akteure setzte, desto mehr verstärkte er damit nicht nur ihre gewaltsamen Fehden, sondern er räumte der alltäglichen Gewalt gegen die zivile Bevölkerung auch bewusst eine Grauzone der Nicht-Ahndung ein. Durch die russische Südexpansion und die Unabhängigkeitskämpfe auf dem Balkan kam in den 1850er und 60er Jahren eine große Zahl von muslimischen Flüchtlingen (­muhacirun) aus dem Kaukasus und vom Balkan ins Land, die von der osmanischen Regierung als zusätzlicher Faktor gezielt gegen indigene Gruppen eingesetzt wurden. Dazu wurde ihnen auch die unkontrollierte und ungeahndete Ausübung von Gewalt ähnlich wie den kurdischen Hamidiye-Regimentern de facto gestattet.16 Eine unheilvolle Rolle spielten in diesem Zusammenhang auch die europäischen Großmächte, die mit Intervention drohten und die lokalen Bevölkerungsgruppen als Hebel zur Durchsetzung ihrer Interessen benutzten, auf eine tatsächliche Intervention zum Schutz der Bevölkerung aber regelmäßig – und das heißt für die osmanische Regierung: in kalkulierbarer Weise – verzichteten. Die Armenier als größte nichtmuslimische – und damit im Gegensatz zu den Muslimen nicht bewaffnete – Gruppe in diesem wenig kontrollierten Grenzgebiet zu Russland wurden in besonderem Maße Opfer der Gewaltakte. Die vernichtende osmanische Niederlage gegen Russland im Krieg 1877/78 und die aus dieser Niederlage resultierenden politischen Konsequenzen bedeuteten im Hinblick auf alle genannten Aspekte einen dramatischen Wendepunkt zum Schlechten. Im Gegensatz zum Osmanischen Reich und Persien verfügten die Organe der russischen Staatsmacht über genügend Reichweite, um im russisch beherrschten östlichen Teil Armeniens eine bürokratisch-oppressive Assimilationspolitik durchzusetzen, im Zuge derer es auch zu Enteignungen von Kirchengütern und Schulschließungen kam.17 Diese Politik beförderte unter den vergleichsweise gut gebildeten und wohlhabenden transkaukasischen Armeniern die Entstehung nationalrevolutionärer Parteien. Die beiden wichtigsten Parteien wurden jedoch im Exil gegründet: 1887 die S. T. Hntchagian Gousagtsoutiun (Sozialdemokratische Partei der Glocke, so benannt nach dem Titel ihres Parteiorgans) in Genf, 1890 schließlich die Hay Heghapokhagan Tashnagtsoutiun (Armenische Revolutionäre Föderation) 16 Zu den muhacirun und der osmanischen Ansiedlungspolitik: Dündar, Fuat: Modern Türkiye’nin Şifresi: İttihat ve Terakki’nin Etnisite Mühendisliği 1913 – 1918 [Der Code der modernen Türkei: Die Ethnizitätsarchitektur des Komitees für Einheit und Fortschritt]. Istanbul 2008; Toumarkine, ­Alexandre: Les migrations des populations musulmanes balkaniques en Anatolie (1876 – 1913). Istanbul 1995. 17 Suny, Ronald Grigor: Eastern Armenians under Tsarist Rule. In: The Armenian People from Ancient to Modern Times. Hg. v. Richard Hovannisian. Bd. 2. New York-London 1997, 109 – 137.

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in Tiflis, die bald zur einflussreichsten Partei unter den Armeniern werden sollte.18 Unter den autoritären Bedingungen der russischen Herrschaft projizierten die ostarmenischen Revolutionäre ihre Ideen vor allem auf die westarmenischen Provinzen, insbesondere auf die als armenisches Kernland verklärten historischen Regionen Vasbouragan und Daron südöstlich und westlich des Van-Sees. Ihre organisatorische Bastion fanden sie vor allem in der Region Kars, die 1878 vom Osmanischen Reich abgetreten und unter russische Militärverwaltung gestellt worden war. Diese Grenzstadt und ihre umliegenden Dörfer dienten als Laboratorium der Partei und als Ausbildungslager und Brückenkopf für die Kämpfer, die ins Osmanische Reich entsandt wurden.19 Die armenischen Revolutionäre, deren Führungspersönlichkeiten überwiegend aus dem russischen Osten Armeniens kamen, und die kleinen bewaffneten Banden, welche die Partei in einigen Regionen organisieren konnte, wurden zu einem Element im jeweiligen lokalen Machtgefüge: In Russland blieben sie solange unbehelligt, wie sie die Interessen der russischen Verwaltung sowie die Staatsgrenzen nicht verletzten. In diesem Fall kooperierte die russische Armee mit den osmanischen Grenzschützern, wodurch es gelang, die meisten der armenischen Freischärlergruppen im Grenzgebiet aufzureiben.20 Im Osmanischen Reich integrierten sich die armenischen fedayis, die Revolutionäre bzw. Freischärler, in das oben beschriebene vielschichtige und unübersichtliche Geflecht lokaler Akteure und Gruppen, die in den Dörfern herrschten, an einigen Orten als zusätzliche Kraft. Punktuell übten sie so Gewalt und Herrschaft – Ordnungsmacht und Gerichtsbarkeit – über eine armenische Bauernschaft aus, die in ihrer überwältigenden Mehrheit allerdings weder nationalistisch noch revolutionär war, sondern über weite Landstriche hinweg vor allem verelendet und verängstigt.21 So groß die Faszination war, die die ­revolutionären 18 Zur Geschichte der armenischen revolutionären Parteien: Nalbandian, Louise: The Armenian Revolutionary Movement. The Development of Armenian Political Parties through the Nineteenth Century. Berkeley-Los Angeles 1963. – Zur Geschichte der Hntchag: Gidour, Armen: Badmoutiun, S[otsyal]. D[emokrat]. Hntchagian Gousagtsoutian 1887 – 1962/63 [Geschichte der Sozial-Demokratischen Hntchagian-Partei 1887 – 1962/63]. Bd. 1 – 2. Beirut 1962/63. – Zur Geschichte der Tashnagtsoutiun: Dasnabedian, Hratch: History of the Armenian Revolutionary Federation Dashnaktsutiun 1890/1924. Milano 1989/1990; Varantian, Mikayel: H[ay] H[eghapokhagan] Tashnagtsoutian Badmoutiun [Geschichte der Armenischen Revolutionären Föderation]. Bd. 1 – 2. Paris 1932, Kairo 1950. 19 Eine detaillierte Schilderung findet sich in: Roupen (wie Anm. 11). Bd. 1, insbesondere 39 – 173. 20 Ebd., 67 – 107, 136 – 173. 21 Über das Problem, die armenischen Bauern nur durch ständige Einschüchterung und Demonstrationen der eigenen Macht und Gewalt an die Partei binden zu können, schreibt der Parteikader und fedayi-Führer Roupen in seinen Memoiren. Roupen (wie Anm. 11), Bd. 2, 186 – 187. – Über das Elend und die Verängstigung der armenischen Bauern beispielsweise in Hadjin (das eigentlich als besonders aufsässig galt) vgl. auch den vertraulichen Bericht des britischen Vizekonsuls Bennet aus Marash, der die Situation und Haltung der armenischen Landbevölkerung im Ton der Verachtung und Abscheu beschreibt: Großbritannien, The National Archive, Foreign Office (im folgenden FO ) 195/1363, Bennet an Goschen (britischer Botschafter in Konstantinopel) Bericht Nr. 11, 11. 5. 1881, State of Affairs in Hadjin. Ähnlich auch: FO 195/1363, Brief von Dr. Barnum (Direktor

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Parteien auf die russisch-armenische Schüler- und Studentenschaft ausübten, so wenig konnten die Parteien bis zuletzt breitere Schichten der Bevölkerung mobilisieren. Sowohl die Kirche als auch die traditionellen Führungseliten blieben den Revolutionären gegenüber skeptisch und ablehnend bis feindselig eingestellt. In keinem Fall gelang es den Revolutionären mit ihren Aktionen, eine Rebellion zu provozieren, die die armenische Bevölkerung einer Region – oder wenigstens nennenswerte Teile davon – erfasst hätte.22 Letztlich waren sowohl die hamidischen Massaker 1895/96 als auch der jungtürkische Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 auch deshalb möglich, weil die Masse der armenischen Bevölkerung überall in Kleinasien weder bewaffnet noch organisiert und daher in keiner Weise zu Selbstverteidigung und Widerstand bereit war. Eine entwickelte nationale Befreiungsbewegung, wie sie z. B. in den Balkanländern im Laufe des 19. Jahrhunderts aus der Verbindung von kulturellen Erneuerungsbewegungen, neuen revolutionären politischen Ideen und bäuerlichen Protestbewegungen erwachsen war, hat es in Armenien und insbesondere im osmanischen Teil Armeniens in derselben Form und Dimension nicht gegeben. Ähnlich wie auf dem Balkan lagen auch unter den Armeniern die Anfänge der Nationalbewegung in einer kulturellen Erneuerungsbewegung, die ihre Zentren außerhalb des armenischen Kernlandes hatte.23 Eine bedeutende Rolle spielte der Orden der Mekhitaristen in Venedig, der später auch eine Zweigstelle in Wien unterhielt. Die Mekhitaristen standen am Beginn einer modernen armenischen Historiographie. Sie versuchten, die klassische armenische Sprache, das krapar, systematisch zu erfassen und auch neu zu beleben. Sie publizierten zwei armenologische Fachzeitschriften in armenischer Sprache, die bis heute fortgeführt werden, bauten Bibliotheken auf und gründeten Schulen. Andere Zentren armenischer kultureller Erneuerung waren die osmanische Hauptstadt Konstantinopel, wo sich im 19. Jahrhundert eine reiche Zeitungslandschaft, literarische Zirkel und Theater entwickelten, und im Osten die georgische Hauptstadt Tiflis. Wiederum ähnlich der Entwicklung, die aus den Balkanländern aber auch Deutschland bekannt ist, bildete die Spracherneuerung und die Entwicklung einer modernen Hoch- und Schriftsprache einen zentralen Baustein der kulturellen Renaissance (armenisch: zartonk – Erwachen). Daneben gab es auch unter den armenischen Intellektuellen jene Sammelleidenschaft für volkstümliche Mythen, Märchen und Lieder, die auch in anderen Regionen zeittypisch war, ebenso wie der Elan, mit der amerikanischen Schule in Harput / Kharpert) an Lt. Col. Wilson (britischer Generalkonsul in Anatolien), 25. 8. 1881. etc. 22 Varantian (wie Anm. 7), Bd. 1, 190. – In gewisser Weise stellen die Ereignisse in Sassoun 1894 und 1904 eine Ausnahme dar. Es bleibt aber eine durchaus noch offene Frage, inwieweit diese beiden Vorfälle als Aufstand gegen die osmanische Oberhoheit zu werten sind und vor allem auch welchen Anteil die revolutionären Parteien an der Genese und am Verlauf der Erhebung hatten. Beide Ereignisse blieben in ihrem Ausmaß punktuell. 23 Zum folgenden Abschnitt: Nichanian, Marc: Entre l’Art et le Témoignage. Littératures arméniennes au XXe siècle. Bd. 1: La révolution nationale. Genf 2006; Oshagan, Modern Armenian Literature (wie Anm. 7); Oshagan, Hamabadger (wie Anm. 7).

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welchem dem „einfachen Volk“ Bildung gebracht werden sollte. Nicht wenige der jungen Schriftsteller unterrichteten an den überall in den Provinzen erbauten armenischen Schulen. Was als Bildungsaufbruch begann, hatte mit der Gründung der revolutionären Parteien am Ende des 19. Jahrhunderts auch eine politische Ausprägung gefunden. Die armenische Gemeinschaft im Osmanischen Reich war als religiös definierte Proto-Nation im sogenannten millet-System institutionell verfasst, neben die geistliche Elite war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine säkulare Führungsschicht getreten, aus der sich die Prota­ gonisten der Kulturerneuerungsbewegung zu einem wesentlichen Teil rekrutierten. Mit der Sprach- und Kulturreform, der Entwicklung des Zeitungswesens und der Entstehung neuer Bildungseinrichtungen hatte auch ein moderner Nationsbildungsprozess unter den Armeniern eingesetzt. Von einem Abschluss dieser armenischen Nationsbildung, gar von ihrem Umschlag in eine politische Bewegung, die weite Teile der Bevölkerung erfasst und im Namen der Nation mobilisiert hätte, kann jedoch keine Rede sein. Große Teile der armenischen Bevölkerung Kleinasiens waren von den Vorstellungen armenischer Nationalisten weit entfernt. Die kilikischen Armenier waren sprachlich weitgehend assimiliert, ihre Umgangssprache war Türkisch, ihre Schriftsprache oft das armenisch verschriftete Türkisch, dessen sich auch die Missionare in der Region bedienten und es auf diese Weise noch weiter verbreiteten – zu Lasten der Etablierung einer modernen armenischen Hochsprache.24 Selbst im armenischen Hochland, dem Kernland des armenischen Siedlungsgebiets, 24 Eine systematische Studie zu diesem Komplex fehlt bislang; eine Vorstellung von der weiten Verbreitung des armenisch verschrifteten Türkisch als Umgangs- und Literatursprache unter den osmanischen Armeniern gibt bereits der Umfang der Bibliographie der armeno-türkischen Literatur: ­Sdepanian, Hasmig A.: Hayadar trkeren kraganoutiune. Aghpiurakidagan hedazodoutiun [Die armenisch verschriftete türkische Literatur. Eine quellenkundliche Untersuchung]. Erevan 2001; Sdepanian, ­Hasmig A.: Hayadar tourkeren krker yev hayadar tourkeren barperagan mamouli madenakidoutiun / Ermeni harfli türke kitaplar ve süreli yayınlar bibliografyası (1727 – 1968) / Bibliographie des livres et de la presse Armeno-Turque. Istanbul 2005. (dreisprachige, armenischtürkisch-französische Ausgabe). – Ein weiterer Indikator für das hohe Maß der sprachlichen Assimilation der osmanischen Armenier ist der Umstand, dass sich die protestantischen Missionare im 19. Jahrhundert anstelle des Armenischen dieser Sprache bedienten, um ihre Botschaft zu verbreiten. Erste Bibelübersetzungen zur Missionsarbeit unter den Armeniern wurden in armenisch verschriftetem Türkisch gedruckt: 1819 das Neue Testament in Petersburg, 1842 dann der gesamte Bibeltext in Smyrna/Izmir: N ­ ersessian, Vrej: The Bible in the Armenian Tradition. London 2001, 36 – 38. Diese Bibelausgaben verbreiteten sich rasch im ganzen Reich. Es folgten Kirchenlieder, Gebetsbücher und vieles mehr, was die missionarische Bibelgesellschaft (Bible Society) in demselben Idiom druckte. Begleitet wurden diese Aktivitäten durch die sprachwissenschaftliche Erfassung des Armeno-Türkischen durch die Sprachwissenschaftler und Missionare Elias Riggs (1810 – 1901) und William Goodell (1792 – 1867). 1856 publizierte Riggs seine „Grammar of the Turkish Language as Written in the Armenian Character“. Erst später unternahmen dieselben Missionare auch eine Bibelübersetzung in die moderne armenische Hochsprache (ashkharhapar), die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts als Schriftsprache herausbildete. Sie verwendeten dabei aber ein ashkharhapar, das bei vielen Armenologen auf heftige Kritik stieß (Arpee, Leon: A Century of Armenian Protestantism. In: Church History 5 (1936), 155; Richter, Julius: A History of Protestant Missions in the Near East.

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wo die Mehrheit der Armenier ihre jeweiligen Dialekte als Verkehrssprache benutzte, gab es einige Enklaven, in denen die armenischen Bauern kurdisiert waren, an einigen Orten auch islamisiert.25 Auf der anderen Seite der Grenze, unter den Armeniern im russischen Reich, hatte gleichzeitig vor allem unter den Eliten und durch den Einfluss der russischen Schulen eine Russifizierung eingesetzt. Politisch war die Option eines unabhängigen armenischen Nationalstaates so unrealistisch, dass nicht einmal die armenischen Nationalrevolutionäre diese Utopie in der Praxis verfolgten. In Armenien gab es Ende des 19. Jahrhunderts keine homogene Bevölkerung. Die Armenier stellten in weiten Regionen nur relative Mehrheiten, in einigen Gebieten bildeten sie Minderheiten; sie teilten sich ihr Land vor allem mit Kurden, aber auch mit Turkmenen, Assyrern und einer Vielzahl anderer Gruppen. Im Gegensatz zu den nationalen Unabhängigkeitsbewegungen auf dem Balkan hatten die Armenier im Laufe des 19. Jahrhunderts die Erfahrung gemacht, dass die europäischen Großmächte sich zunehmend weniger zu einer wirksamen Intervention zugunsten der Armenier entschließen konnten, New York 1970 [11910], 109; Derian, Vahan Epsk.: Asdvadzashntchi tarkmanoutian yev hradaragoutian badmoutiunits [Aus der Geschichte der Übersetzung und Veröffentlichung der Bibel ins ashkharhapar]. In: Etchmiadzin 11 – 12 (1966), 182 – 183, 185). – Aufschluss über den (gerade auch im Vergleich zu anderen nicht-­türkischen Gemeinschaften im Osmanischen Reich) besonders hohen Grad der Türkischsprachigkeit unter den Armeniern gibt ferner der überproportional hohe Anteil armenischer Lehrer an den im 19. Jahrhundert neu eingerichteten osmanischen säkularen Schulen (Somel, Selçuk A.: The Modernization of Public Education in the Ottoman Empire1839 – 1908. Leiden u. a. 2001, 129). Nach dem Ersten Weltkrieg wurde in der armenischen Presse eine heftige Debatte um die Türkischsprachigkeit der kilikischen Armenier geführt, die ein Licht auf den hohen Grad ihrer Assimilation wirft: Khadents, A.: Te intchou Giligetsin hayakhos tche yeghadz? [Warum war der Kilikier nicht armenischsprachig?]. In: Yeprad [Euphrat] (Aleppo) 63/1 (15. 02. 1928); P. S.: Trkakhosoutiune mer metch [Die Türkischsprachigkeit unter uns]. In: Yeprad [Euphrat] (Aleppo), 93/1 (30. 05. 1928) (für den Hinweis auf diese Quellen danke ich Vahé Tachjian). – Zur sprachlichen Assimilation insbesondere der kilikischen Armenier: Tachjian, Vahé: Une reconstruction nationale: réinsertion des filles et des femmes arméniennes après 1918. In: Trames d’Arménie. Katalog Museon Arlatan 2007, 107 – 115, hier 110; Findley, Carter V.: The Acid Test of Ottomanism: The Acceptance of Non-Muslims in the Late Ottoman Bureaucracy. In: Christians and Jews in the Ottoman Empire. Hg. v. Benjamin Braude und Bernard Lewis. Bd. 1. New York-London 1982, 339 – 368, hier 350. 25 Die protestantischen Missionare sahen es als geraten an, die Heilige Schrift auch ins armenisch verschriftete Kurdisch zu übersetzen. Das Neue Testament konnte 1904 vorgelegt werden: Arpee (wie Anm. 24), 161. Zu den kurdisierten Armeniern in den Regionen südlich des Van-Sees: Roupen (wie Anm. 11), Bd. 2, 183 – 184. – Zu den islamisierten Armeniern in der Region Malatya: Alboyadjian, Arshag: Badmoutiun Malatyo Hayots [Geschichte der Armenier in Malatya]. Beirut 1961, 465, 491, 500 – 511. – Ein Teil der kurdisierten Armenier in den Provinzen Mardin, Diyarbakır, Siirt und Bitlis überlebte den Völkermord, wurde aber in den späten 1920er Jahren aus der türkischen Republik vertrieben und in Nordsyrien angesiedelt: Tachjian, Vahé: La France en Cilicie ez en Haute-­Mésopotamie. Aux confins de la Turquie, de la Syrie et de l’Irak (1919 – 1933). Paris 2004, 274 – 288. Im Archiv der norwegischen Missionarin Bodil Biørn finden sich Bilddokumente, die kurdisierte Armenier aus Shadakh [Çatak] in kurdischer Kleidung zeigen: http://www.arkivverket.no/webfelles/armenia/­ fotografier.html (22. 09. 2009).

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weshalb eine Politik des „Appells an Europa“26 sich für die osmanischen Armenier nicht nur als eine zunehmend erfolglose, sondern im Gegenteil als eine immer gefährlicher werdende Option erwies, die drohte, osmanische Massaker an der Bevölkerung zu provozieren, ohne dass „Europa“ eingriff. Während die frühen Revolutionäre unter hntchakischer Führung noch auf dieses Mittel hofften, nahmen die seit der Mitte der 1890er Jahre dominanten Tashnaken insbesondere nach dem Scheitern ihres Anschlags auf die Banque Ottomane im August 1896 dezidiert Abstand davon. Die Alternative war ein Zusammengehen mit dem osmanischen Staat, die Hoffnung auf seine Modernisierung und Reform, das Eintreten für politische Partizipation, Gleichheitsrechte und ein politisches Modell der Dezentralisierung, das den Armeniern innerhalb des osmanischen Rahmens Freiheit ermöglichen würde. Dies war der Freiheitsbegriff der Tashnagtsoutiun, jedenfalls ihrer Funktionäre im Osmanischen Reich. Diese Agenda erklärt auch ihre Zusammenarbeit mit der jungtürkischen Bewegung, an der sie bis zuletzt festhielten. Ihre Aktionen, auch ihre Gewalt, richtete sich gegen das autokratische Regime Abdülhamids II. So zeichneten 1905 insbesondere Armenier für den gescheiterten Attentatsversuch gegen den Sultan verantwortlich. Den politischen Rahmen des osmanischen Staates stellten solche Akte aber nicht infrage, ebenso wenig wie die konse­quente eigene Selbstverortung innerhalb dieses Staates. Dementsprechend blieben die Armenier, das Gros der Bevölkerung, ihrer alten wie neuen Eliten und auch der Revolutionäre dem osmanischen Staat bis zuletzt in unbedingter Loyalität verbunden. Die Freischärlergruppen, die sich in hamidischer Zeit formiert hatten, wurden folgerichtig nach dem Erfolg des jungtürkischen Umsturzes 1908/09 entwaffnet und von der Partei aufgelöst.27 Auf dem Weltkongress der Tashnagtsoutiun, der 1909 in Varna einberufen wurde, sprachen sich die armenischen Revolutionäre im Osmanischen Reich mit dem Argument, die Sezession und ausländische Hilfe seien im Gegensatz zur politischen Lage anderer osmanischer Völker für die Armenier keine realistischen Optionen, für eine Zusammenarbeit mit dem nun machthabenden jungtürkischen „Komitee für Einheit und Fortschritt“ und damit auch für die osmanische Einheit und gegen ausländische Interventionen aus. Ein führender Kader formulierte die Stimmung unter den westarmenischen Revolutionären und ihre politische Haltung im Rückblick mit folgenden Worten: „Die Türken mögen schlecht oder gut sein, sie sind unser Schicksal, ob wir wollen oder nicht, wir müssen mit ihnen und den Kurden leben. Wenn wir nicht mit ihnen leben wollen, müssen entweder wir sie aus unserer Heimat vertreiben, was über unseren Kräften steht, oder sie werden uns vertreiben, was nicht jenseits ihrer Kräfte ist. Ohnehin [ist es so, dass] wenn die Revolution später gekommen wäre, wären [noch] ein Jahrzehnt später in Armenien keine Armenier mehr übrig. Hoffnungen auf eine Befreiung durch fremde Intervention zu haben ist eine Illusion oder wenigstens grundlos. Russland grenzt an uns an, aber es ist [dieser Staat], der 26 Der Begriff ist der Arbeit von Jörg Requate und Martin Schulze Wessel entlehnt: Requate, Jörg/ Schulze Wessel, Martin (Hg.): Europäische Öffentlichkeit. Transnationale Kommunikation seit dem 18. Jahrhundert. Frankfurt a. M. 2002. 27 Roupen (wie Anm. 11), Bd. 5, 54 – 58; vgl. auch ebd. Bd. 7, 20 – 23.

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die armenische Befreiung am meisten verfolgt. […] Die Verpflichtung der sechs Mächte [zum Schutz der Armenier, wie sie auf dem Berliner Kongress 1878 beschlossen wurde, E. H.] ist lediglich eine Quelle politischer Intrigen, um uns mit den Kurden, Tscherkessen und Türken zu verfeinden, um stetig Gelegenheit zu haben, für die eigenen [Großmacht-] Interessen zu intervenieren, selbst wenn dabei unsere Interessen mit Füßen getreten werden und wir vernichtet werden, wie es von 1878 bis 1896 und bis heute geschehen ist.“28 Noch angesichts des Untergangs der osmanischen Armee bei Sarıkamış zu Beginn des Jahres 1915 sah der gescheiterte Kriegsherr Enver Paşa sich veranlasst, sich ausdrücklich für die Treue und Ergebenheit gerade der armenischen Armeeangehörigen offiziell zu bedanken.29 Armenische Identität war am Vorabend des Ersten Weltkriegs, am Vorabend des Völkermordes an den osmanischen Armeniern, also vor allem regional. Sie war stark religiöskonfessionell bestimmt und auf den politischen Rahmen der drei Staaten, in denen Armenien lag, bezogen. Eine verbindende nationale Identität, die die Regionen und vielleicht auch die unterschiedlichen Konfessionen integrierte, war im Entstehen; auf breiter Basis politisch wirkmächtig war sie noch nicht. In der politischen Agenda der verschiedenen ­Parteien und Eliten gab es durchaus Vorstellungen und Zielsetzungen stärkerer politischer Partizipation und auch armenischer Autonomie. Ein armenischer Nationalstaat auf dem vereinigten Territorium Ost- und Westarmeniens findet sich jenseits literarischer Utopien unbestimmter geographischer Verortung nicht einmal als Fernziel konkret ausformuliert.30 Karten mit konkreten Grenzen eines armenischen Nationalstaates kamen überhaupt erst nach dem Ersten Weltkrieg auf.31

28 Ebd., Bd. 7, 14 – 23, Zitat auf S. 16. 29 Osmanischer Lloyd, 26. 2. 1915. Zitat ebenfalls wiedergegeben in: Lepsius, Johannes: Der Todesgang des Armenischen Volkes. Potsdam 1930, 161 – 162; vgl. auch Akçam, Taner: Armenien und der Völkermord. Hamburg 2004, 58; Kévorkian, Raymond H.: Le Génocide des Arméniens. Paris 2006, 278. 30 Vgl. etwa die Parteiprogramme der Hntchag Gousagtsoutiun in: Hntchag Okt./Nov. 1888, wieder abgedruckt in: Gidour (wie Anm. 18), Bd. 1, 32 – 37; und der Tashnagtsoutiun in: Troshag 10 und 11 (1894). Beide Programme schreiben sich zwar die „politische Freiheit“ „Türkisch-Armeniens“ auf die Fahnen, die Hntchag sogar „nationale Unabhängigkeit“ in „Türkisch-Armenien“, verzichten aber auf Konkretisierungen im Hinblick auf geographische Grenzen. Das Programm der Hntchag legt insgesamt seinen Schwerpunkt auf die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft und Herrschaft „nach dem Sieg“, formuliert aber keine politischen Nahziele oder konkrete Forderungen an den osmanischen Staat. Im Programm der Tashnagtsoutiun finden sich eben solche Forderungen konkret ausgeführt, so dass der Terminus der „(politischen) Freiheit“ nicht nur aus dem Text des Programms heraus, sondern auch vor dem Hintergrund tashnakischer Realpolitik weniger als „staatliche Unabhängigkeit“ zu verstehen ist, sondern vielmehr erstens im Sinne der jungtürkischen Parole der Freiheit (hürriyet) als Konstitutionalismus und politische Partizipation, und zweitens als Teilhabe an der Verwaltung in den Provinzen, regionale Selbstverwaltung oder Autonomie. Die Tashnagtsoutiun spricht deshalb bezeichnenderweise auch nicht von nationaler Souveränität, sondern von Freiheit, deren Verwirklichung nicht zwingend an eigene Staatlichkeit geknüpft war. 31 Der einzige konkrete armenische Nationalstaatsentwurf ist jener Staat, der 1920 im Friedensvertrag von Sèvres für die Armenier vorgesehen war.

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Die osmanistische Option, die die westarmenischen Revolutionäre vertraten, entpuppte sich zwar als trügerische Hoffnung; als unrealistisch erscheint sie aber erst im Nachhinein. Für eine Generation, die in imperialen Kontexten sozialisiert war und den Zusammenbruch aller europäischen Imperien 1918 nicht vorausahnen konnte, war die Vorstellung eines Zusammenlebens verschiedener Gruppen unter dem Dach eines Großreiches, eines gemeinsamen Staates keine leere Illusion. Der homogene Nationalstaat war noch längst nicht so selbstverständliche Norm, wie er es nach dem Ersten Weltkrieg werden sollte (und selbst dort werden sollte, wo die Realitäten dieser Staatskonzeption überhaupt nicht entsprechen, wie etwa in weiten Teilen Asiens und Afrikas bis heute). Im Habsburgerreich wurde durchaus mit Formen und Theorien experimentiert, die versuchten, Pluralität, modernes Staatswesen und die Idee der Nation zusammenzuführen und praktikable Lösungen für die Widersprüche zu finden, die die verschiedenen Ansprüche aufwarfen, d. h. jene Pluralität, die bis zur Moderne in diesen Reichen zwar nicht konfliktfrei war, aber selbstverständliche und gelebte Realität, auch unter den Bedingungen der Moderne und moderner Staatlichkeit zu ermöglichen sowie institutionell zu fassen. Die osmanischen Reformer standen vor derselben Herausforderung. Wenn also die nationalistische Geschichtsschreibung nach 1915 das Bild einer armenischen Nation zeichnet, dann ist dies eine Nation, die in der Geschlossenheit und in dem Bewusstsein ihrer selbst, die der Nationenbegriff impliziert, im angestammten Heimatland so nie bestanden hat. Die armenische Nation im dreigeteilten Armenien vor 1915 war eine Proto­ nation, deren Nationsbildungsprozess durch den Völkermord von 1915 jäh unter­brochen wurde. Der Abschluss der modernen Nationsbildung hingegen blieb eine Leistung, die die Armenier erst nach der Katastrophe von 1915 erbrachten. Im ehemals russischen Ostarmenien gründete sich nach dem Ersten Weltkrieg zum ersten Mal seit dem Spätmittelalter ein souveräner armenischer Staat.32 Diese armenische Republik bestand nur für die Jahre 1918 bis 1920, bevor das kleine Land Teil der Sowjetunion wurde. Sie konstituierte sich aber als armenischer Nationalstaat mit nationalen Institutionen und Symbolen, nationalen Hoheitszeichen. Ohne dass die Regierung wirksam dagegen vorging, sorgten irreguläre Verbände für die Vertreibung vieler Muslime aus dem Staatsgebiet und damit für die national armenische Homogenisierung der Bevölkerung. Die von der Partei Tashnagtsoutiun gestellte Regierung ging auch allen existenziellen Sorgen zum Trotz umgehend daran, nationale Bildungseinrichtungen zu etablieren, den Grundstein für eine nationale Erziehung, also Armenisierung der Bevölkerung zu legen, in der Wissenschaft schließlich auch den Grundstock für eine neue Geschichtsschreibung des armenischen Nationalstaates, der armenischen Nation zu legen.

32 Das Standardwerk zu dieser kurzlebigen ersten armenischen Republik ist zweifellos Hovannisian, Richard: The Republic of Armenia. Bd. 1 – 4. Berkeley-Los Angeles-London 1971 – 1996; vgl. auch Hovannisian, Richard: Armenia on the Road to Independence. Berkeley-Los Angeles-London 1967; Vratsian, Simon: Hayasdani Hanrabedoutiun [Die Republik Armenien]. Paris 1928.

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Bereits in den kurzen Jahren der Republik, vor allem aber nach ihrem Fall, reklamierte die Partei, die bis zuletzt erbittert gegen die Sowjetisierung gekämpft hatte und in der Folgezeit vor allem durch ihren Antikommunismus hervortrat, für sich selbst die Sachwalterschaft der armenischen Nation, der nationalen Unabhängigkeit. Die zwei Jahre Regierungsverantwortung für die Erste Republik ermöglichten es der Tashnagtsoutiun, ihre politische Agenda als Kampf für die nationalstaatliche Unabhängigkeit zu erzählen und dieses Bild auch in die Zeit vor 1915 rückzuprojizieren. Das Geschichtsbild der Tashnagtsoutiun konnte insofern vor allem in der Diaspora auch über politische Feindschaften hinweg Wirkmächtigkeit entfalten, als die Symbole und Hoheitszeichen der kurzlebigen Republik zur Projektionsfläche für vage Sehnsüchte nach Sicherheit, Schutz vor Unterdrückung und Verfolgung sowie unbehelligter kultureller Entfaltung dienten. Die historisch unhaltbare Vorstellung vom tashnakischen Freischärler (fedayi), der in den westarmenischen Bergen gegen eine Übermacht der türkischen Truppen für die armenische Freiheit – die nunmehr als staatliche Unabhängigkeit suggeriert wurde – kämpfte, wurde später in populären Darstellungen häufig an die Vartanants-Geschichte des 5. Jahrhunderts geknüpft.33 Diese Geschichte, die den Abwehrkampf der christlichen Armenier gegen die Übermacht der Perser im Jahre 451 erzählt, war zum Inbegriff der armenischen Selbstbehauptung und Identitätswahrung trotz einer militärischen Niederlage geworden. Der Stoff, der nun nicht mehr religiös, sondern national interpretiert wurde, erlebte im 19. und 20. Jahrhundert eine Renaissance. Nach der Erfahrung von 1915 konnte eine solche Stilisierung der fedayis auch deshalb so wirkmächtig werden, weil die Vorstellung des fedayi, der sich gegen das Hinschlachten seines Volkes wenigstens zu wehren versuchte, und sei dies auch noch so aussichts- und erfolglos, für alle Völkermordüberlebenden gleich welcher politischen Präferenz ein ungeheures Identifikationspotenzial hatte. Da die Partei Tashnagtsoutiun in Sowjetarmenien umgehend verboten wurde und mit der Verfolgung der Parteikader auch ihre Schriften unterdrückt wurden, prägte das Geschichtsbild der revolutionären Parteien vor allem die westarmenische Diaspora. Der Nationalbildungsprozess, der sich hier vollzog, ist erstaunlich, waren doch sein Schauplatz die Flüchtlingslager der neu entstehenden Diaspora, insbesondere im Vorderen Orient, in Syrien, im Libanon, in Palästina und Ägypten. Ein gesamtarmenischer Nationalstaat mit definierten Grenzen – nämlich denen, die der Friedensvertrag von Sèvres 1920 für Armenien vorsah – wurde erst hier zum Referenzpunkt, den zu erreichen sich die einflussreicher denn je auftretende Partei Tashnagtsoutiun auf die Fahnen geschrieben hatte, selbst wenn dieses Ziel im Laufe der Jahre in immer weitere Ferne rückte. Erst nach 1915, in den Schulen und Gemeindehäusern der Diaspora, 33 Eine neuerliche Wiederbelebung des Vartanants-Motivs war in den frühen 1990er Jahren zu beobachten, als die Sowjetunion zerfiel, die armenische Republik im Zuge dessen unabhängig wurde und sich sofort in einen blutigen Konflikt um Berg-Karabakh verwickelt sah. Vor allem in der ersten Phase des Krieges um die Gebirgsenklave wurde in der Berichterstattung über die Ereignisse in BergKarabakh und ihre Protagonisten häufig auf die Vartanants-Geschichte angespielt.

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gelangten die Umrisse dieser in Sèvres gezeichneten Landkarte von Armenien in das kollektive Bewusstsein der armenischen Bevölkerung. Die Diaspora homogenisierte die Reste der armenischen Nation, armenisierte sie, versuchte in anhaltenden Auseinandersetzungen, die ihren Niederschlag in der zeitgenössischen Presse fanden, zu definieren, was die armenische Nation ausmachen sollte, welche Elemente eingeschlossen und welche ausgeschlossen, welche gefördert und entwickelt, welche dagegen unterdrückt und elimi­ niert werden sollten. Erst die Diaspora schuf die armenische Nation, deren Vorstellung dann zurück ins verlorene Land projiziert wurde. Diese Nationsbildung begann mit der Entscheidung, die neue Nation in erster Linie aus den überlebenden Waisenkindern zu erschaffen. Zurückgewiesen und ausgeschlossen wurden dagegen die Frauen, die ihr Überleben verschiedenen Formen der Prostitution und vor allem der Verschleppung und Zwangsheirat in muslimische Familien verdankten, insbesondere jene Frauen, die in dieser Zeit Kinder geboren hatten, deren Abstammung den Wortführern der neuen Nation als unrein galt.34 Die Nationsbildung in den Flüchtlingscamps der Diaspora setzte sich mit der endgültigen Durchsetzung der modernen westarmenischen Hochsprache in den Schulen und massiven Kampagnen gegen das türkische Erbe, das die Überlebenden mitbrachten, fort: Kampagnen gegen den Gebrauch der türkischen Sprache, gegen das Tragen des osmanischen Fez, gegen das Spielen vermeintlich türkischer Musikinstrumente wie dem Saz, gegen das Singen türkischer Kunstlieder, auch wenn diese Musiktradition im Osmanischen Reich maßgeblich von Armeniern begründet war und die nun verpönten Lieder daher Kompositionen von Armeniern waren.35 Die Partei Tashnagtsoutiun erlangte im Zuge dieser Nationsbildung in der Diaspora eine dominante Position und damit einen Einfluss und eine Autorität, die sie vor 1915 nie gehabt hatte. Erst in der Diaspora wurde diese Partei zu der Organisation, unter deren Ägide sich das soziale und politische Leben eines beträchtlichen Teils der westarmenischen Bevölkerung abspielte. Im Libanon und in Syrien dominierte die Parteiführung einen wesentlichen Teil der armenischen Schulen und Kultureinrichtungen, in der Zeit des Kalten Krieges beherrschte sie schließlich auch die Kirchenführung des Katholikossats von Antelias. Demgegenüber trat der Einfluss ihrer politischen Konkurrenten deutlich zurück. Die Hntchaken verloren zunehmend an Bedeutung. Das bürgerlich-liberale Lager, das sich um die Partei Ramgavar und vor allem um den großen Wohlfahrtsverband „Hay Parekordzagan Enthanour Mioutiun“ (Allgemeiner Armenischer Wohlfahrtsverband) sammelte, unterhielt zwar auch Schulen und kulturelle Einrichtungen in großer Zahl und band damit die andere Hälfte der armenischen Diaspora an sich. Es war aber nicht in derselben rigiden und autoritären Form politisch organisiert. Die politisch-ideologische Indoktrination, der

34 Tachjian, Vahé: Gender, Nationalism, Exclusion: The Reintegration Process of Female Survivors of the Armenian Genocide. In: Nations and Nationalism 1/15 (2009), 60 – 80, insbes. 74 f. 35 Tachjian, Vahé: L’Arménien de Cilicie: portrait d’un “hérétique“. In: Les Arménien de Cilicie. Hg. v. Levon Nordiguian und anderen. Beirut 2012 (im Erscheinen).

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die jugendlichen Anhänger der revolutionären Parteien unterzogen wurden, hatte in den Klubs der Parekordzagan kein Pendant.36 Auch die Geschichtsschreibung sowie die Herausbildung und Verfestigung eines kollektiven Gedächtnisses und seiner Geschichtsbilder und –deutungen vollzog sich in der westarmenischen Diaspora nach 1915 also unter dem Vorzeichen der Nationsbildung, wurde konstitutiver Teil dieser Nationsbildung. Die nationale Geschichtserzählung der Diaspora nach 1915 ist zudem in wesentlichen Teilen eine Selbsterzählung der Tashnagtsoutiun, deren Ideologen und herausragende Protagonisten früh sowohl historiographische als auch autobiographische Werke produzierten, die Deutungshoheit über die Vergangenheit beanspruchten und für sich selbst die Repräsentation und Führung der armenischen Nation auch in der Vergangenheit reklamierten. Das weitgehende Fehlen einer Gegenerzählung ihrer Opponenten, vor allem aber die parteiübergreifenden Reminiszenzen an den ersten armenischen Staat der Neuzeit und an die fedayis führten dazu, dass die Geschichtsschreibung und das Geschichtsbild, das sich als kollektives Gedächtnis in der Gemeinschaft der Überlebenden in der Diaspora etablierte, von tashnakischen Eliten geprägt war und in vielen Elementen auch von der nicht tashnakisch geprägten Bevölkerung übernommen wurde. Wenn nun von armenischer Geschichtsschreibung die Rede ist, muss man sich nicht nur deren Kontexte, sondern auch ihre Bedingungen und daraus resultierenden Formen vor Augen führen. Die Sowjetrepublik Armenien stellte – ungeachtet der fehlenden Souve­ ränität – jene staatlichen Strukturen bereit, in denen sich eine professionelle Geschichtswissenschaft entwickeln und etablieren konnte: Bibliotheken, Archive, Akademien und Universitäten, an denen auch die nationale Geschichte gelehrt und gelernt wurde. Unter den ideologischen und politischen Vorgaben des Sozialismus und Internationalismus, der Integration in die sowjetische Völkergemeinschaft und der eingeschränkten Reisefreiheit boten die armenischen Kolonien Ostmitteleuropas den sowjetarmenischen Historikern einen lohnenden Untersuchungsgegenstand. Sie befanden sich innerhalb der Grenzen der zugänglichen Welt, ihre Erforschung befriedigte das Interesse an vergangener Größe und an der Vielfalt armenischen Lebens überall auf der Welt, und ihre Geschichte bewies eine Integrationsleistung, die mit den politischen Anforderungen der eigenen Zeit korrespondierte und unter diesem Licht als besondere Errungenschaft erscheinen konnte. Die armenischen Kolonien Ostmitteleuropas genossen nicht nur in der Forschung Aufmerksamkeit, sie hatten auch ihren Platz in populären Gesamtdarstellungen armenischer Geschichte – wie etwa der großen, von der Armenischen Akademie der Wissenschaften publizierten achtbändigen „Geschichte des armenischen Volkes“37 – kurz, in der Breitenvermittlung und im kollektiven Bewusstsein. Nicht zuletzt wurde diese Perspektive auch in den sowjetarmenischen 36 Zum 100. Jubiläum der Parekordzagan ist eine parallel in drei Sprachen (armenisch, englisch, französisch) publizierte Geschichte des Verbandes erschienen, die sich v. a. auf die Archive des Verbandes selbst stützt: Kévorkian, Raymond H./Tachjian, Vahé: L’Union Générale Arménienne de B ­ ienfaisance. Un siècle d’histore. Bd. 1 – 2. Kairo-Paris-New York 2006. 37 Aghaian u. a. (wie Anm. 2).

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Organen aufgegriffen, die eigens zur Verbreitung in den armenischen Diasporakolonien publiziert wurden, der Zeitung „Hayreniki Tsayn“ [Stimme der Heimat] und der Monatsschrift „Sovedagan Hayasdan“ [Sowjetarmenien].38 Die Historiographie und auch das kollektive Gedächtnis und Geschichtsbild der Armenier in Armenien erlebte nach 1965 eine Wende. Nun, mit dem fünfzigsten Jahrestag der Katastrophe von 1915, brach sich das bis dahin lange aus politischen Rücksichten unterdrückte Gedenken an den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich in ungeahnter Weise Bahn, ein großes Denkmal wurde eröffnet, Massenkundgebungen fanden statt. Mit dieser Hinwendung zur jüngsten traumatischen Geschichte erfuhren das histo­ rische Bewusstsein wie die professionelle Geschichtsschreibung auch in Sowjetarmenien eine gewisse Nationalisierung. Nicht zuletzt ließ auch die staatliche Zensur nun größeren Raum für „nationale“ Schriften. Die armenischen Kolonien in Ostmitteleuropa blieben im Fokus der historischen Forschung, nun wurden aber vermehrt Fragestellungen bearbeitet, die nicht mehr auf den Anteil der ostmitteleuropäischen Armenierkolonien an der Geschichte des armenischen Volkes, sondern auf ihren Platz in der Geschichte der armenischen Nation verwiesen, Fragen also, die den Stellenwert der ostmitteleuropäischen armenischen Gemeinden im Kontext einer nationalen bzw. nationalistischen Geschichtserzählung ergründeten.39 Im Unterschied zur Sowjetrepublik Armenien verfügte die Diaspora weder über die Strukturen noch über die materiellen Bedingungen, die eine professionelle Geschichtsschreibung ermöglichen. Dass die armenische Diaspora lange Zeit nur wenige

38 Siehe etwa die verschiedenen Beiträge zu den armenisch-ungarischen Beziehungen: Saroukhanian, N.: Hay-hounkaragan gaberi badmoutiunits [Aus der Geschichte der armenisch-ungarischen Beziehungen]. In: Sovedagan Hayasdan 11 (1983); Simonian, A.: Hay-hounkaragan gaberi badmoutiunits [Aus der Geschichte der armenisch-ungarischen Beziehungen]. In: Hayreniki Tsayn 21 (1983); Boghosian, L.: Hay-hounkaragan taravor paregamoutian badmoutiunits [Aus der Geschichte der jahrhundertelangen armenisch-ungarischen Freundschaft]. In: Sovedagan Hayasdan 3 (1984), 31 – 32. 39 Vgl. z. B. die Studie von Barsamian über den Anteil der polnischen bzw. galizischen Kolonien an der Revolte des Tavit Peg (David Bek) im 18. Jahrhundert: Barsamian, Vartan A.: Lehasdani hayerin masnagtsoutiune Tavit Pegi absdamoutian [Der Beitrag der polnischen Armenier zum Aufstand Tavit Pegs]. Erevan 1962. Der Boden für eine Re-Nationalisierung der Geschichtsschreibung wurde bereits gut zwei Jahrzehnte zuvor bereitet, als die Regierung zur Mobilisierung und Motivation sowjetarmenischer Soldaten im Zweiten Weltkrieg die Publikation historischer Romane förderte, in denen Themen und Motive aus den frühen armenischen Chroniken und Nationalepen verarbeitet wurden. Im Zuge dieser Initiative entstanden nicht nur neue Werke, die breite Rezeption in Sowjetarmenien fanden, wie etwa Terenig Demirdjians zweibändiges Vartanank-Epos (Erevan 1944 – 1946). Vor allem wurden auch jene nationalen historischen Romane wieder aufgelegt, die im späten 19. Jahrhundert maßgeblich zur Entwicklung eines armenischen Nationalbewusstseins beigetragen haben. Zu nennen sind an erster Stelle die Werke Raffis, aber auch der lange regional mündlich überlieferte, erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schriftlich fixierte und in der Folge zum Nationalepos geronnene Text des „David von Sasoun“. Vgl. Krikorian, Mesrob: Die Geschichte der Armenisch-Apostolischen Kirche. In: Die Kirche Armeniens. Eine Volkskirche zwischen Ost und West. Hg. v. Friedrich Heyer. Stuttgart 1978, 29 – 58, hier 47.

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professionelle Historiker hervorgebracht hat, findet seinen Grund darüber hinaus zum einen in der Besonderheit des Verlaufs des Genozids an den osmanischen Armeniern, zum anderen an der Entwicklung der armenischen Diaspora-gemeinden nach 1915. Die systematische Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich begann Anfang 1915 zunächst mit der Aussonderung und Entwaffnung der armenischen Militärangehörigen.40 Das Fanal für die Deportation und Tötung des Gros der Bevölkerung war dann aber die Verhaftung und Ermordung der intellektuellen, geistlichen und politischen Eliten, die in Konstantinopel am 24. April 1915 begann – jenem Datum, das seither zu Recht als symbolisches Anfangsdatum des Völkermords zum Gedenktag geworden ist. Diese Vorgehensweise bedeutete, dass die armenischen Kolonien, die sich aus den versprengten Völkermordüberlebenden bildeten, allen voran ihrer gebildeten Führungseliten beraubt waren. Nur wenige überlebten, die in den neuen Gemeinden die ersten Schulen gründen konnten. Während die erste Generation der Flüchtlinge von der Aufgabe absorbiert war, an ihren Zufluchtsorten eine neue Lebensgrundlage zu finden, und die zweite Generation ihre Lage konsolidierte und vor allem bemüht war, ihre Integration in ihre Gastgesellschaften voranzutreiben, entwickelte meist erst in der dritten Generation eine größere Zahl von Einzelpersonen ein ausreichendes Gefühl materieller und sozialer Sicherheit, um sich einer geisteswissenschaftlichen Laufbahn zuzuwenden. Während die erfolgreiche Assimilation der Armenier in den Kolonien Amerikas und Europas die armenischstämmigen Geisteswissenschaftler dabei häufig von innerarmenischen Diskursen und vor allem von der armenischen Sprache entfremdet hatte, wurden die orientalischen Kolonien ausnahmslos von immer neuer Gewalt, Kriegen, politischen Unruhen und Unterdrückung und in der Folge neuer Flucht heimgesucht. Für das westarmenische (d. h. diaspora-armenische) Geistesleben besonders verheerend war dabei der libanesische Bürgerkrieg 1975 – 1990. Die armenische Geschichtsschreibung in der Diaspora nach 1915 ist also nicht durch formal ausgebildete Fachleute und wissenschaftliche Forschung geprägt, sondern durch die Schriften mehr oder weniger gebildeter Laien, unter ihnen viele Freiberufler, Priester, aber auch politische Führer und Ideologen. Ein Teil dieser im weitesten Sinne historiographischen Literatur besteht in den sogenannten „Erinnerungsbüchern“ (houshamadyan), die in den Jahrzehnten nach der Katastrophe in großer Zahl – und sehr unterschiedlicher Qualität – erschienen. In diesen Büchern trugen Überlebende einer bestimmten Stadt, oft auch eines einzelnen Dorfes, alles zusammen, was sich an Fragmenten des Verlorenen noch rekonstruieren ließ: Ethnographie, Lokalgeschichte, Namen und kurze Portraits einflussreicher Familien und Notablen, Dialekt, Lieder, Legenden und Überlieferungen, Kochrezepte, lokale Bräuche; neben den Erinnerungen oft auch viele Photos. Einen weiteren Teil der Geschichtsschreibung machten autobiographische Schriften aus, die schließlich durch politische Schriften derselben Autoren ergänzt wurden.

40 Kévorkian (wie Anm. 29), 299 – 302.

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Als Geschichtswerk ist zunächst die groß angelegte, dreibändige „Nationalgeschichte“ (azkabadoum) des langjährigen armenischen Patriarchen von Konstantinopel Maghakia (Malachia) Ormanian zu nennen.41 Dieses Werk ist zwar als Geschichte des armenischen Volkes konzipiert, aber als Geschichte der armenischen apostolischen Kirche strukturiert, gegliedert nach den Amtszeiten der Katholikoi und Patriarchen, und bietet im Wesentlichen eine Geschichte des armenischen Patriarchats von Konstantinopel. Schon das Geschehen in den armenischen Provinzen ist nur am Rande erfasst, die Diaspora wird kaum erwähnt, die ostmitteleuropäische Diaspora hat in diesem weit rezipierten Werk keinen Platz. Ein weiteres wichtiges Referenzwerk ist die mehrbändige Geschichte der Armenier von Leo (Arakel Babakhanian), einem Autor, der im Gegensatz zu Ormanian der säkularen Reform-elite zuzurechnen ist.42 Er behandelt die armenische Diaspora vor 1915 sehr wohl in verschiedenen Aspekten, mit den Kolonien Ostmitteleuropas indessen beschäftigt er sich nicht.43 Die moderne Geschichte, vor allem die Zeitgeschichte wurde meist von jenen verfasst, die an ihr selbst als namhafte Protagonisten beteiligt waren. Einflussreich für das Geschichtsbild der westarmenischen Diaspora wurden insbesondere die Schriften jener Autoren, die mit der Armenischen Revolutionären Föderation (Tashnagtsoutiun) verbunden waren. So wurde die Geschichte der Armenischen Republik von 1918 – 20 von Simon Vratsian geschrieben, der selbst zunächst auf verschiedenen Ministerposten, schließlich 1920 als Ministerpräsident der letzten-, sogenannten „Büro-Regierung“, die Geschicke des jungen Staates lenkte. 44 Mikayel Varantian, einer der führenden intellektuellen Köpfe der Tashnagtsoutiun, schrieb nicht nur eine zweibändige Geschichte seiner Partei, sondern auch eine Abhandlung mit dem Titel „Vorgeschichte der armenischen Bewegung“, eine Geschichte der armenischen Nationsbildung.45 Varantians Werke fanden breite Rezeption, ihre Sicht und ihre Thesen wurden häufig – wenn auch selten unter Angabe der Quelle – in späteren Darstellungen übernommen und fanden so Eingang in die schulische Geschichtsvermittlung ebenso wie in die Jugendarbeit der Partei. Grundlegend für das Verständnis dieser Autoren und ihrer Werke ist die Bedeutung, die die Katastrophe (aghed) von 1915 für ihre politischen Überzeugungen, ihre Zukunftsentwürfe und ihr Geschichtsbild hatte. Während vor dem Völkermord, sogar bis zu seinem unmittelbaren Vorabend, gerade der Tashnagtsoutiun unter allen politischen

41 Ormanian, Maghakia: Azkabadoum [Nationalgeschichte]. Bd. 1 – 3 3. Istanbul 1912, 1914, Jerusalem 1927. 42 Leo, Hayots badmoutiun [Geschichte der Armenier]. Bd. 1 – 4. Tiflis 1917, Erevan 1946 – 47 (wieder abgedruckt in: Ders., Yergeri joghovodzou [Gesammelte Werke]. Bd. 1 – 4. Erevan 1966 – 1984). 43 Leo, Yergeri joghovadzou (wie Anm. 42), Bd. 4, 72 – 114.; Ders., Yergeri joghovadzou (wie Anm. 42) Bd. 6. Erevan 1987, 755 – 783. 44 Vratsian (wie Anm. 32). 45 Varantian, Mikayel: Haygagan Sharjman Nakhabadmoutiun. Bd. 1 – 2. Genf 1912 – 1914; Varantian (wie Anm. 18).

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Strategien und Optionen die osmanische – d. h. die eigene Selbstverortung innerhalb des osmanischen Staatswesens, die Stärkung des Osmanischen Reiches, das Drängen und die Hoffnung auf Reform, die Unterstützung der osmanischen Reformer auch in ihrer Zurückweisung europäischer Interventionen – als realistischste und unter allen wählbaren Übeln auch als das erstrebenswerteste erschien, war keine politische Haltung nach dem Schrecken des osmanischen Völkermordes an den Armeniern, die sich durch besondere Loyalität und Integration hervorgetan hatten, radikaler und grundlegender diskreditiert als eben diese. Dieser Bruch zwang zur Revision der eigenen Haltungen und Zielsetzungen. Mit dem Ende des Osmanischen Reiches und mit ihm einer ganzen Weltordnung, die durch Großreiche geprägt war, war die Vorstellung einer Verwirklichung der eigenen Nation im Rahmen eines größeren, pluralen Staates, der Gemeinschaften Gruppenrechte und Autonomien zuerkennt, obsolet geworden. Unter dem Schlagwort der Dezentralisierung (osmanisch: ademi merkeziyet) hatten führende Tashnaken für eine solche Verfassung des Osmanischen Reiches als Lösung für die extreme Heterogenität der Bevölkerung Anatoliens plädiert.46 Krieg und Völkermord, schließlich der Verlust des größten Teils der angestammten Heimat zwangen die tashnakischen Politiker nach 1916/17 dazu, die aufkommende Weltordnung der (homogenen) Nationalstaaten als neuen politischen Rahmen hinzunehmen und nun ihrerseits wenigstens auf einem Restterritorium die Errichtung eines exklusiven armenischen Nationalstaates anzustreben, die sich nun alternativlos als verbliebene Möglichkeit der politischen Verwirklichung der Nation darstellte. Nach der Sowjetisierung Rest-Armeniens blieb von diesem Programm nunmehr das Projekt einer Nationsbildung, für die das yergir, das verlorene, respektive das gelobte Land de facto unerreichbar, dennoch Referenzpunkt und utopischer Traum blieb, ebenso wie die Figur des bewaffneten Kampfes dafür. Jenseits des Territoriums verschob sich der Akzent auf die vermeintliche Bewahrung, tatsächlich eher Herstellung einer armenischen nationalen Identität und Kultur, die, zunehmend enger gefasst, zunehmend homogenisiert und purifiziert, in sich immer weniger Pluralität, immer weniger Verschiedenartigkeit zuließ und vieles verdrängte, das vor 1915 im yergir noch ihre Eigenart ausgemacht hatte.47 Im Zuge dieser Neuausrichtung wurden auch die Geschichtsbetrachtung und ihre Wertungen nationalisiert. Dies trifft zweifellos auch auf einen Text zu, der hier im Folgenden beispielhaft vorgestellt werden soll, weil er nicht nur als einer der zentralen Referenztexte für das Geschichtsbild der westarmenischen Diaspora angesehen werden muss, sondern der zudem aufgrund seiner leicht zugänglichen Sprache und textlichen Struktur so breit rezipiert wurde wie kein anderes der oben erwähnten Werke. Autor dieses Textes ist

46 Roupen (wie Anm. 11). Bd. 7, 14 – 19; Bd. 5, 198 – 199; vgl. auch das Parteiprogramm der HHT in Troshag 10 und 11 (1894). 47 Zum Nationsbildungs- und Armenisierungsprozess in der armenischen Diaspora nach 1915 siehe oben.

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Roupen, mit bürgerlichem Namen Minas Der Minasian.48 Geboren 1882 in Akhalkalak im heutigen Georgien, also im russischen Teil Armeniens, absolvierte er eine sorgfältige Ausbildung an einigen der seinerzeit besten Schulen des Landes: dem Kevorkian-Seminar in ­Etchmiadzin, dem Hauptsitz der armenischen Kirche, sowie in Moskau am LazarianCollege, einer renommierten armenischen Bildungseinrichtung. In Moskau durchlief er auch die russische Kriegsakademie, die er als Artillerie-Offizier verließ. Jung trat er der Partei Tashnagtsoutiun bei. 1903 finden wir ihn in Kars, jenem osmanischen Grenzgebiet, das 1878 unter russische Militärverwaltung gestellt wurde und der Partei als Kaderschmiede und Operationsbasis diente. 1906 ging Roupen ins yergir, ins „Land“, wie die Armenier

48 Eine ausführliche Biographie Roupens, die sich auch auf seinen Nachlass und seine Korrespondenz stützt, existiert bislang nicht, seine wichtigen Lebensdaten sind rekonstruiert aus dem, was er selbst in seinen Memoiren schreibt, sowie aus einer Fülle von Nachrufen, die nach seinem Tod in der armenischen Tagespresse erschien. Da sich seine Memoiren auf die Jahre 1903 – 1920 beschränken und die überwiegende Mehrzahl der Nachrufe und Erinnerungen seiner Mitstreiter auch im Wesentlichen das wiedergeben, was Roupen selbst berichtet, bleiben sowohl seine Kindheit und Jugend, sein familiärer Hintergrund und schließlich die drei Jahrzehnte, die Roupen bis zu seinem Tod im Exil verbrachte, in großen Teilen im Dunkeln: Roupen (wie Anm. 11); Nersisian, Ashod: Roupen. Roupen Der Minasiani gyankn ou kordzouneoutiune [Roupen. Roupen Der Minasians Leben und Wirken]. Erevan 2007; Nersisian, Ashod: Roupen (Minas Der Minasian). In: Troshag 16 (1999); Minassian, Anahide Ter: The Role of the Individual: The Case of Rouben Ter Minassian. In: Ararat 46 (1993), 183 – 201; Roupen: Hay Heghapokhagani me Hishadagnere [Erinnerungen eines armenischen Revolutionärs]. Bd. 1 – 7. Los Angeles 1949 – 1953, hier Bd. 7 (in diesem letzten Band der ersten Auflage sind eine ganze Reihe von Nachrufen und bis dahin unveröffentlichten Memoiren anderer Zeitgenossen über Roupen versammelt, vgl. insbesondere die Beiträge von Hamasdegh, 353 – 357, Etchmiadznetsi, 417 – 422, und Malkhas, 381 – 416, sowie das hier wieder abgedruckte Editorial des Hayrenik, 365 – 368); Tarpinian, Roupen: Yerger [Werke]. Bd. 1: Gyankis krken [Aus dem Buch meines Lebens]. Beirut 1980, 21 – 22, 156, 421, 429; Vratsian, Simon: Gyanki oughinerov [Auf den Pfaden des Lebens]. Bd. 1 – 6. Beirut 32007 (Kairo 11955), hier Bd. 3, 60 – 64 und Bd. 6, 123 – 128, 134 – 137; Sasouni, Garo: Badmoutiun Daroni ashkharhi [Geschichte Darons]. Beirut 1956, 698 – 699, 971 – 972, 982 – 984; Goms: Im ­houshere [Meine Memoiren]. Bd. 2, Beirut 1952, 309 – 347; Sasouni, Garo: Nahadagk djshmarid [Wahrhaftige Märtyrer]. In: Housher yev vgayoutiunner. Hg. v. Garo Sasouni. Beirut 1972; Tütündjian, Khosrov: Housher Hayasdani hanrabedoutenen, krvadz 1943-in [Erinnerungen aus der Armenischen Republik, aufgeschrieben 1943]. Milano 2006, 132 – 149; ­Daronian, Ye: Roupen yev Shant [Roupen und Shant]. In: Aztarar Nov. (1951); Ipegian, Kasbar: Roupeni nviragan adjiunneroun [Der heiligen Asche Roupens]. In: Aztarar (1952); „Roupen Der Minasiani mahe“ [Roupen Der Minasians Tod]. In: Asbarez, 4. 12. 1951; Sasouni, Garo: Roupen. In: Aztag Shapatoryag 1/3 (28. 11. 1971), 3 – 5.; Granian, Piuzant: Zmayleli ashkharh me ge pli [Eine bezaubernde Welt stürzt ein]. In: Asbarez, 28. 11. 1961; Etchmiadznetsi: Aram yev Roupen [Aram und Roupen]. In: Asbarez, 28. 11. 1961; Samuel, Hrant: Roupen (Mahvan dasnamyagin artiv) [Roupen (anlässlich seines Todes)]. In: Asbarez, 28. 11. 1961; Editorial (Shavarch Misakian), Tsayn hayrenyats [Stimme der Heimat]. In: Haratch, 12. 1. 1952; Roupen Der Minasian votch yevs e [Roupen Der Minasian ist nicht mehr]. In: Aztag Oratert, 1. 12. 1951; Biographie de la semaine: Roupen Der-Minassian. In: Azadamard France, 10. 1. 1980; Karian, Herri: Roupen. In: Aztag, 16. 4. 1952; Deroyian, Dikran: Enger Roupen Der Minasian – Roupen Pasha [Genosse Roupen Der Minasian – Roupen Pasha]. In: Haratch, 5. 12. 1951.

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das armenische Kernland, das unter osmanischer Herrschaft stand, schlicht nannten. Roupen kam zunächst nach Van, nach Lernabar (also das Bergland südwestlich der Stadt), schon bald aber nach Daron. Daron ist die Landschaft westlich des Van-Sees um die Provinzstadt Muş mit seiner fruchtbaren Ebene im osmanischen vilayet (Provinz) Bitlis, und das Gebirgsstädtchen Sasoun, das bis ins 19. Jahrhundert hinein seine Autonomie bewahrt hatte und seinen Ruf als freiheitsliebendes Rebellennest bis in die armenische Mythologie zurückerzählen konnte. Hier spielt die Geschichte des großen armenischen Nationalepos „David von Sasoun“. Roupen erwarb sich als Haiducken-Führer in Daron einiges an Reputation. Größere Bedeutung hatten aber seine Aktivitäten nach dem Ersten Weltkrieg. Nachdem er sich 1915 mit seinen Mitstreitern in Sasoun verschanzt hatte, letztlich aber vergeblich versuchte, die Armenier vor der Deportation zu schützen, gelang ihm die Flucht in den Transkaukasus. In der neu gegründeten Republik Armenien gehörte Roupen zwar sofort zu den wichtigen Parteikadern der Tashnagtsoutiun, die im neuen Staat die Regierung übernahm. Er selbst verzichtete aber zunächst auf offizielle politische Ämter und dirigierte im Verborgenen die Vertreibung der Muslime aus der Ararat-Ebene, welcher der armenische Nationalstaat seine ethnische Homogenität schuldet. Erst in den letzten Monaten der Republik übernahm Roupen auch offizielle Ämter, wurde in der „Büro-regierung“ Innen- und Verteidigungsminister. Als Armenien 1920/21 sowjetisch wurde und die Kader der Partei Tashnagtsoutiun verfolgt wurden, floh Roupen zunächst in den Nordiran, später nach Frankreich. Er lebte zeitweilig in Ägypten und Palästina, wo er noch einmal versuchte, politisch aktiv zu werden, und starb schließlich 1951 in Paris. Bereits 1921 in Persien begann Roupen, seine Erinnerungen zu notieren, teils zu diktieren. Bald schon, seit 1922, erschienen erste Fortsetzungen seiner „Memoiren eines armenischen Revolutionärs“ in der Bostoner Monatsschrift Hayrenik Amsakir, die von einem Parteifreund und engen Vertrauten Roupens, Roupen Tarpinian, herausgegeben wurde und die für die großen Gemeinden der amerikanischen Ostküste als inoffizielles Parteiorgan diente. Bis zu seinem Tod arbeitete Roupen an seinen Memoiren, die, auf zehn Bände angelegt, 1949 – 53 in einer ersten Buchedition erschienen, die sieben Bände mit insgesamt mehr als 2.700 Druckseiten umfasste. 1972 – 79 wurde die mittlerweile vergriffene Buchausgabe in Beirut im preiswerten Taschenbuchformat neu herausgegeben, bereits 1980 – 87 wurde eine dritte Auflage nötig, die seither fortlaufend unverändert nachgedruckt wird. Tarpinian versuchte nach dem Ersten Weltkrieg systematisch, Parteikader und überlebende fedayis, also Kämpfer, Freischärler, zur Abfassung ihrer Erinnerungen zu ermuntern.49 Die schriftstellerische Arbeit diente dabei zum einen zur Überbrückung, zur Integration der ehemaligen Kämpfer in ein ziviles Leben im Exil. Zum anderen aber sollten 49 Auf den Seiten des Hayrenik Amsakir druckte Tarpinian im Laufe der ersten Jahrzehnte nach dem Ersten Weltkrieg eine Vielzahl dieser Texte sehr unterschiedlicher Länge und Qualität ab. Die Zeitschrift wurde so zu einem wahren Kompendium von Selbstzeugnissen dieser Generation zwischen nationalen Hoffnungen, Katastrophe und Exil.

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auf diese Weise die Erinnerungen an das Verlorene bewahrt und die Deutung der Ereignisse vorgegeben, das Geschichtsbild künftiger Generationen gestaltet werden. Roupen Der Minasians Text kommt in diesem Zusammenhang eine zentrale Bedeutung zu. Seine „Erinnerungen“ stellen den mit Abstand umfangsreichsten Text der autobiographischen und historiographischen Literatur des armenischen Exils dar. Im Gegensatz zu vielen seiner Mitstreiter verfügte Roupen nicht nur über ein recht hohes Maß an Bildung, sondern auch über die Gabe eines analytischen und schriftstellerischen Talents. Früh publiziert und darüber hinaus für viele Einzelereignisse, Personen und lokale Eigenheiten die einzige erhaltene Quelle, wurden Roupens Erinnerungen schnell wegweisend, beispielgebend und prägend für die Memoirenliteratur armenischer fedayis insgesamt. Durch Roupens Text ist nicht nur in weiten Teilen festgelegt, was erinnert wird und was nicht, sondern auch, wie die Ereignisse und Personen erinnert werden. Viele Schilderungen und auch Wertungen gleichen den korrespondierenden Textpassagen in Roupens Memoiren bis in die sprachlichen Formulierungen hinein. Angelika Schaser hat diese Begründung und Verfestigung selektiver Erinnerungen innerhalb einer Gemeinschaft, oft einer Tätergruppe, politischen Partei oder einem Kreis gestaltender Eliten allgemein, mit dem Begriff des „Erinnerungskartells“ beschrieben.50 Roupens Text ist aber nicht allein Erinnerungstext, memoria, wie die Theorie der Selbstzeugnisforschung das vielgestaltige Bündel der Erinnerungsfunktionen autobiographischen Schreibens vom Gedenken und Bezeugen bis hin zur historiographischen Setzung und Beanspruchung eigener Deutungshoheit über die Vergangenheit bezeichnet, eine Funktion, die Roupen im Vorwort zur Buchausgabe als einzige selbst explizit benennt.51 Die „Erinnerungen eines armenischen Revolutionärs“ sind zugleich auch als confessio, als Bekenntnis und Erklärung, als Rechtfertigung des eigenen Handelns, in diesem Fall zweifellos auch des eigenen Überlebens zu lesen. Hierdurch wird der Text schließlich zur Orientierung, zum Leitfaden für künftige Generationen, Roupens Leben und Handeln zum exemplum, zum beispielhaften und nachahmenswerten Wandel, zur Handlungsanweisung für seine Nachfolger. Roupen selbst benennt diese Funktion und Absicht seiner Memoiren nicht, wohl aber seine Witwe. Sie veröffentlichte unmittelbar nach seinem Tod einen „Offenen Brief“ in der wichtigen Pariser armenischen Tageszeitung Haratch (Vorwärts), in dem sie eben diesen Gebrauch der schriftlichen Hinterlassenschaft Roupens 50 Schaser, Angelika (Hg.): Erinnerungskartelle: Zur Konstruktion von Autobiographien nach 1945. Bochum 2003, besonders: Dies.:Erinnerungskartell. Der Nationalsozialismus im Rückblick der deutschen Liberalen. In: ebd., 49 – 80. 51 Roupen (wie Anm. 11), Bd. 1, 5 (Widmung). – vgl. auch Sosi: Daroni Pashan [Der Pascha von Daron]. In: Haratch, 4. 1. 1952; Piuzant, Ellen: Roupen Der Minasian. In: Haratch, 12. 1. 1952. – Zu Funktionen und Kontexten von Selbstzeugnissen und zu Selbstzeugnissen als soziale und kulturelle Praxis vgl. Jancke, Gabriele: Autobiographie als soziale Praxis. Beziehungskonzepte in Selbstzeugnissen des 15. und 16. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum. Köln-Weimar-Wien 2002, 1 – 74; Kormann, Eva: Ich, Welt und Gott. Autobiographik im 17. Jahrhundert. Köln-Weimar-Wien 2004, 1 – 101, 298 – 310.

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empfiehlt.52 Anstelle der üblichen Formen des Totengedenkens solle vor allem die junge Generation täglich in Roupens Werken lesen, täglich über das Gelesene reflektieren und daraus Führung und Orientierung für ihr eigenes Handeln ableiten. Tatsächlich sind die „Erinnerungen“ in ihrem Aufbau für einen solchen Gebrauch ideal geeignet. Das Werk ist zunächst in Bände gegliedert, die jeweils signifikante Lebensabschnitte bzw. Etappen des beschriebenen Lebensabschnitts, der sich ja im wesentlichen auf Roupens Zeit als aktiver Kämpfer und Kader beschränkt, bezeichnen: In der Kaderschmiede von Kars; Ins yergir (Land) – Van, Lernabar, Daron; Die Welt von Daron vor 1906, also vor Roupens Ankunft dort; Die Welt von Daron 1906 – 1908, also in der Zeit seiner Aktivität und Führungsrolle dort; Von Daron nach Tiflis 1908 – 09; Von Kars nach Konstantinopel 1909; Im Ausland, Sasoun und die Republik Armenien. Dieser Grobeinteilung folgt die Gliederung in Kapitel, die jeweils etwa 30 bis höchstens 40 Seiten umfassen, also das Lesepensum eines Tages ausmachen, wenn man das Werk in größeren Zügen liest. Diese Kapitel wiederum sind unterteilt in kleine, in sich abgeschlossene Textabschnitte und Episoden von jeweils nur wenigen Seiten Umfang, die sich zu einer losunghaften täglichen Lektüre eignen. Die Kapitelüberschriften ermöglichen eine Orientierung über Personen, Episoden und Orte, die Unterüberschriften zu den einzelnen kurzen Abschnitten sind jeweils zu Kapitelbeginn wiedergegeben. Sie erleichtern das Auffinden der kurzen Passagen, die jeweils eine beispielhafte Begebenheit erzählen und eine Person in ihrer Eigenart, Erinnerungswürdigkeit, Vorbildhaftigkeit oder manchmal auch Fehlerhaftigkeit charakterisieren. Jeder dieser kurzen Textabschnitte kann einzeln herausgegriffen und als abgeschlossenes Lehrstück gelesen und ausgelegt werden. In eben dieser Form werden Roupens Erinnerungen bis heute in der Jugendarbeit der Partei Tashnagtsoutiun verwendet. Kleine Broschüren zur gemeinsamen Lektüre und Diskussion im Parteiklub enthalten jeweils eine Textstelle mit ihrer Auslegung und zur Diskussion anregende Fragen. Der Vergleich zur Bibellektüre drängt sich auf, insbesondere zum beispielhaften Leben Jesu, das im Neuen Testament in Parabeln und Lehrgeschichten in einfacher Sprache und volksnaher Weise erzählt wird. Roupen, dem ehemaligen Seminarzögling von Etchmiadzin, wird dieser Textgebrauch und seine Wirkung wohl vertraut gewesen sein. Im siebten Band seiner Memoiren äußert sich Roupen auch zu den weitgehend assimilierten Armeniern Ostmitteleuropas und ihrer Bedeutung für die armenische Geschichte 52 Digin Roupeni namage [Frau Roupens Brief ]. In: Haratch 30. 11. 1951. – vgl. auch Editorial: Anonts kordze mezi togh ella oughetsouyts [Ihre Arbeit soll uns Weisung sein]. In: Aztag 2. 12. 1951; Roupen. In: Gamk Jan./Feb. 1952; Roupen Der Minasian. In: ebd.; Editorial: Roupeni hishadagin [Roupen zum Gedenken]. In: Aztag, 4. 5. 1952; Serengiulian, H.: Pokhan dzaghgebsagi [Anstelle eines Blumenkranzes]. In: Haratch, 8. 12. 1951; Karnig, T.: Tsavagtsagan namag [Beileidsbrief ]. In: Haratch, 12. 12. 1951; Latchinian, Yenovk: Hayots Roupene [Roupen der Armenier]. In: Haratch, 12.12.[1951]; Tembelian, Varoujan: Abagetronatsoum – Kaghaparagan getronatsoum 1951/52 [Dezentralisierung – ideologische Zentralisierung (Konzentration)]. Archiv Ch. A. 242 – 243; Güloyian, Sonig: Araradi partsoutiamp slatsogh Roupenin` hazaramya hayou idealin [Für den auf der Höhe des Ararats schwebenden ­Roupen, das tausendjährige Ideal des Armeniers]. In: Razmig Mai/Juni (1984), 22; etc.

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und Nation.53 Dass dieser Text aus der Perspektive des armenischen Nationalisten, dessen politisches Ziel bis zuletzt die Schaffung einer armenischen Nation in ihrem eigenen Staat blieb, auch und besonders im Hinblick auf die Zerstreuung der Armenier nach 1915 und die Entstehung neuer und großer Kolonien gerade auch in Europa und Amerika geschrieben ist, liegt auf der Hand. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten viele Überlebende des Völkermordes eine neue Heimat in den verschiedenen Ländern des Vorderen Orients gefunden. Sie hatten insbesondere in Städten wie Aleppo und Beirut bedeutende neue Kolonien aufgebaut und dort die erstaunliche Neuschaffung einer modernen armenischen Nation aus den verelendeten, größtenteils ungebildeten und sprachlich noch in ihrer alten Heimat bereits türkisierten kilikischen Überlebenden vollbracht. In noch größerer Zahl allerdings hatten überlebende Armenier in Europa und Amerika Zuflucht gefunden, in Frankreich, den Vereinigten Staaten von Amerika oder Argentinien. Im Gegensatz zu den Gastländern des Vorderen Orients, die selbst aus der Zerfallsmasse des Osmanischen Reiches hervorgegangen waren und für die armenischen Neuankömmlinge deshalb viel Vertrautes boten und keine völlige Fremde bedeuteten, waren die Armenier in den Metropolen Europas und der Neuen Welt in eine gänzlich unbekannte, verwirrende Fremde geworfen und zudem einem sehr starken und alle Sphären ihres Alltagslebens betreffenden Assimilierungsdruck ausgesetzt.54 Der erhofften Nationsbildung in der Diaspora stand in diesen Kolonien der Verlust „nationaler“ Identität innerhalb einer Generation drohend als wahrscheinlicheres Szenario gegenüber, das Roupen selbst in seinem Pariser Exil allzu deutlich vor Augen stand. Als Parteiführer in der französischen Diaspora, der sein Leben lang das Ziel der Schaffung einer armenischen Nation verfolgte und mit seinen Memoiren Handlungsanleitungen und Hilfestellungen für die Fortsetzung seines Kampfes geben will, muss Roupen eine Antwort auf die Herausforderung der französischen, europäischen, westlichen Diaspora finden. Dazu greift er die Geschichte der ostmitteleuropäischen Armenier als Lehrstück auf, an dem er aus seiner Perspektive die für das Ziel der Nationsbildung schädlichen Folgen individueller Anpassung zulasten kollektiver Identitätsbewahrung warnend aufzeigt. Gegen diese – in der Diaspora nach 1915 schon bald beklagte – Gefahr des Verlustes durch Assimilation, des „Weißen Massakers“ (djermag tchart), das den Armeniern im Westen nun nach dem „Schwarzen“ bzw. „Roten Massaker“ (garmir tchart) des Völkermordes drohte, schreibt Roupen mahnend an, wenn er das historische Beispiel der ostmitteleuropäischen Armenier rekapituliert, das er wie alle theoretischen Abhandlungen in seinen Memoiren in

53 Roupen (wie Anm. 11), Bd. 7, 32 – 42. 54 Die Erfahrung der Fremde, die Orientierungslosigkeit und der drohende Verlust der Identität in den westlichen Metropolen wurde besonders in der armenischen Literatur reflektiert, die nach dem Ersten Weltkrieg in Paris entstand. Zu erwähnen sind hier Dichter wie Shahan Shahnour, Nigoghos Sarafian u. a. Zu ihrem Werk sowie zum Thema der Literatur als Ort der Reflexion, auch der theoretischen Auseinandersetzung angesichts fehlender akademischer Strukturen siehe die Arbeiten von Krikor Beledian, insbesondere seine auf Französisch erschienene umfangreiche Studie: Beledian, Krikor: Cinquante ans de littérature arménienne en France. Du même à l’autre. Paris 2001.

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eine Episode persönlichen Erlebens einbettet. Die Aufnahme dieser Textpassage über die ostmitteleuropäischen Diaspora-Armenier in den letzten Band von Roupens Memoiren ist demnach vor allem in der Logik autobiographischen Schreibens als exemplum zu verstehen. Die exemplum-Funktion von Roupens „Erinnerungen“, ihr Charakter als Orientierung und Handlungsanleitung für die nachfolgende Generation, erklärt auch die Deutlichkeit des Verdikts als Verlust für die Nation bzw. eigentlich Verlust für die Nationsbildung, die Roupen über die ostmitteleuropäischen Armenier fällt. Sie erklärt schließlich auch die Drastik der Sprache, wenn Roupen seine Erläuterungen und Reflexionen zu den ungarischen, polnischen und ukrainischen Armeniern mit Sätzen wie „ich hasse sie“ und „ich würde wünschen, dass diese unnützen und schädlichen Kreaturen lieber heute als morgen zugrunde gehen“55 beschließt – harte Worte, die er in Bezug auf seine osmanisch-türkischen und kurdischen Kontrahenten an keiner Stelle in seinen Memoiren gebraucht. Die kleine Abhandlung über die Armenier Ostmitteleuropas ist überschrieben mit „Die Lazarevitchs und ihr Nutzen für Armenien“ und findet sich eingebettet in die Rahmen­erzählung einer Schiffspassage, die Roupen und einen Mitstreiter namens ­Mihran­ Terlemezian 1909 die Donau entlang vom Schwarzen Meer nach Wien führt.56 Auf diesem Weg reisen sie durch Ungarn und legen einen längeren Halt in der Hauptstadt Budapest ein. Roupen beschreibt zunächst die Stadt und die Leute. Obwohl viele Züge der Bewohner ihn an die ihm vertrauten Türken und Kurden erinnern, erscheinen die Ungarn ihm doch letztlich fremd: „Alle wirkten auf mich unvertraut, weit entfernt und fremd.“57 Budapest erscheint ihm mit seinen hohen Häusern, breiten und geraden Straßen, den Geschäften mit ausladenden Schaufenstern und den Denkmälern und Standbildern aller Art als europäische Einheitsstadt ohne Überraschungen, ohne eigenen Stil, wie ihn – Roupen zufolge – die orientalischen Städte haben. So wie Roupen die seelen­lose europäische Stadt mit der charaktervollen orientalischen Stadt kontrastiert, so steht auch seine Beschreibung der Fremdheit der Ungarn im Gegensatz zu der Art und Weise, wie Roupen zu Beginn seiner Memoiren seinen ersten Aufenthalt in Nordpersien schildert: Dort waren die Menschen trotz ihrer erschreckenden Rückständigkeit, trotz des unermesslichen Drecks und der Armut ihrer Dörfer vertraut, Roupen empfand dort eine Familiarität, die er in seinem Text an die historischen Berührungspunkte zwischen Persern und Armeniern in der Antike anbindet.58 Auch in Ungarn imaginiert Roupen zunächst die alte Geschichte mit der Faszination, die Attila und seine Hunnen, ihre Pferde, Streitwagen und Pfeile auf Roupen ausüben.59 Statt auf nomadische Reiter treffen Roupen und sein Freund aber auf die abweisende Fremdheit der europäischen Zivilisation, in der sie sich nur mit Händen und Füßen verständigen 55 56 57 58 59

Roupen (wie Anm. 11), Bd. 7, 42, 41. Ebd., 28 – 42. Ebd., 33 – 34. Ebd., Bd. 1, 264 – 269. Ebd., Bd. 7, 33.

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können und sich schließlich in ein Straßencafé setzen, weil ihnen wenigstens die Musik, die dort erklingt, vertraut vorkommt und die Steine des Marktplatzes Assoziationen an das Baumaterial der nordarmenischen Stadt Giumri wecken. Mihran will unbedingt ungarische Armenier finden.60 „Arménien nicht? [im Orig. auf Französisch-Deutsch, Anm. E. H.] (gibt es keine Armenier?), fragte ich den Kellner. Der freute sich, dass er einen Dolmetscher finden würde, machte ein Zeichen mit dem Kopf und ging einen Mann holen, der sich als Rumäne entpuppte. Das Missverständnis wurde offenbar, als der Übersetzer begann, Rumänisch zu sprechen, wovon wir nichts verstanden. Mihran war nicht entmutigt. Er fragte auf Türkisch „Gibt es hier Armenier?“ Der Rumäne verstand ein wenig Türkisch und zeigte auf ein großartiges Tuchgeschäft gegenüber dem Café mit dem Namen Lazarevitch. Mihran war glücklich, er hatte die Adresse des alten Aniers gefunden, vielleicht aus dem alten Geschlecht der Bagratiden, der verloren war, und wir hatten ihn gefunden.61 Wir betraten den Laden, voller Kunden und Bediensteter, wer von denen war Lazarevitch? Wir schauen uns suchend um, aber keiner sieht aus wie ein Armenier. Wir blicken verwirrt, als jemand sich uns nähert, mit einem urdeutschen Gesicht. Er fragt etwas, wahrscheinlich ob er uns Ware zeigen soll. Mihran antwortet resoluter „Lazarevitch, Lavarevitch“. [Der Mann] führt uns ins Hinterzimmer des Ladens, wo ein Mann jenseits der vierzig in ein Rechnungsbuch vergraben saß. Er sah aus wie ein Russe, wie ein Pole, aber überhaupt nicht wie ein Armenier. Mihran, wir sind angeschmiert, das ist einer von unseren Zwiebeln 62, sage ich auf Armenisch. Der Mann heftet seine blauen Augen auf uns, erhebt sich und bietet uns mit einem unfreiwilligen Grinsen einen Sitz an. Er spricht Ungarisch, wir verstehen nichts, er wechselt ins Deutsche, wir verstehen nichts, er wechselt ins Polnische, ich verstehe ein paar Wörter und antworte auf Russisch. Wir sind Reisende, wir hatten zwei Stunden Zeit, da haben wir den Namen Lazarevitch gelesen und dachten, du bist Armenier, da dachten wir uns, lass uns einen Besuch abstatten. Wir sind Armenier aus Armenien, entschuldigen Sie uns … Er setzte seine Konversation auf Ukrainisch fort. Vielen Dank. Ich bin Pole, aus Lemberg, meine Vorfahren sind ebenfalls Armenier aus Armenien, Asdvadz vgah [wörtl.: Gott sei mein Zeuge (im Orig. auf Armenisch); Anm. E. H.], Armenisch kann ich nicht. Als er die Formel „Gott sei mein Zeuge“ auf Armenisch sagte leuchtete Mihrans Gesicht. Unruhig erhob er sich von seinem Platz auf, wie eine Ziege, die ihr Zicklein wiedergefunden hat, und streckte seine Hände aus. 60 Ebd., 35. – Die folgende, wörtlich wiedergegebene Passage findet sich ebd., 35 – 37 (Übersetzung E. H.). 61 Anspielung auf die ursprüngliche Herkunft der Armenier Ostmitteleuropas, die auf die armenischen Flüchtlinge zurückgeführt wird, welche im 11. Jahrhundert das armenische Plateau in großer Zahl verließen, nachdem die Seldschuken das armenische Königreich der Bagratiden erobert und dessen Hauptstadt Ani zerstört hatten. 62 Schimpfwort der kaukasischen Armenier für die Russen.

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Asdvadz vgah, wir sind Armenier, sagte er mit einer solchen Sehnsucht, dass Lazarevitch ohne [etwas] zu verstehen ergriffen war, seine Hand nahm und auf Ukrainisch sagte: Bleibt bei uns, meine Mutter wird sich sehr freuen. Was sagt er, was sagt er?, fragt mich Mihran. Der wäre imstande, die Einladung anzunehmen, also übersetzte ich falsch. Er sagt, jetzt hat er keine Zeit, kommt morgen, dann können wir uns treffen. Mihrans Elan brach. Er zog seine Hand aus Lazerevitchs Hand zurück, ich jedoch erklärte ihm, dass es nicht möglich sei, in einer Stunde führe das Schiff, obwohl er [Lazarevitch] darauf bestand, dass es besser sei, die Reise nach Wien mit der Bahn fortzusetzen. Mihran schaltete sich wieder ein: Mann, frag ihn, wie viele Armenier wie ihn es noch gibt in Ungarn, Polen, Österreich. Ich übersetzte. Wer weiß, manche sagen 10, manche 30 Tausend, aber das genau zu bestimmen ist unmöglich. Vielleicht kann Theodorovitch es genau sagen. Theodorovitch? Frag, wer das ist. Das ist der Topf für dein Hirn, was geht dich das an, wer er ist? Aber ich wurde genötigt zu fragen und zu erfahren, dass er eines ihrer geistlichen Oberhäupter ist. Wir entschuldigten uns und gingen endlich raus aus dem Laden, mit dem Versprechen, auf dem Rückweg vorbeizukommen. Aber weder kamen wir [noch mal] vorbei, noch sahen wir ihn je wieder.“ Auf dem Rückweg zu ihrem Schiff rekapitulieren beide Freunde die Begegnung, jeder hängt seinen Gedanken über die ungarischen und mit ihnen die ostmitteleuropäischen Armenier insgesamt nach, bis Mihran schließlich, auf dem Schiff angelangt, das Schweigen bricht. „Weißt du, sagt Mihran, wir lieben diese assimilierten Armenier mehr als sie uns. Erstens, sag nicht wir, sondern ich. Aber woher weißt du, dass sie uns nicht mehr lieben als wir sie? Der Idiot hätte uns wenigstens höflichkeitshalber bitten können zu bleiben, er hätte eine Nachricht aus der Heimat [yergir] erfragen können. Ich begann zu kichern wegen meiner erlogenen Übersetzung, und erklärte, dass er uns zu sich nach Hause eingeladen hatte, um seine Mutter zu erfreuen. Das löste Mihrans Zorn gegen mich aus.“63 Den Vorhaltungen Mihrans setzt Roupen entgegen: „Sag doch mal, was du dir von diesem Polen oder was auch immer eigentlich erwartest. [Woraufhin Mihran antwortete:] Ihr wollt Armenien erschaffen, es gibt keine armenische Mehrheit in Armenien. Ihr wollt Reformen, mit Müh und Not könnt ihr keine 50 Prozent Armenier finden, die Armenier sind zerstäubt in Ungarn, Polen, Bulgarien. Wir schicken die Leute fort in Schulen, um [gebildete] Männer und Fachleute auszubilden, hier bringen unsere Fachleute das Haus der Fremden zum Blühen. Warst du taub?, er sagte es gibt 10,

63 Roupen (wie Anm. 11), Bd. 7, 37 f.

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vielleicht 50 Tausend Armenier wie ihn, ich sage dir vielleicht 100 Tausend. Wo sind denn unsere Emigranten des 13. Jahrhunderts, mehr als eine halbe Million. Keiner forscht nach, keiner arbeitet [im Hinblick hierauf ]. Warum nicht, nun haben wir den Lazarevitch gefunden. Streich das „-itch“ und es wird Lazarev draus, streich das „-ev“ und es wird Lazar. Das „l“ ändern wir in „gh“ und wir erhalten Ghazarian 64, und wenn wir dem einen Timarer koloz 65 auf den Kopf setzen, wird ein echter Vanetsi aus ihm. Warum nicht, warum werden die islamisierten Gedjo, Hasan, Tchavoush [und] Toumo Armenier und sogar fedayis und diese hier können nicht Armenier werden, antwortete Mihran bewegt. Ich gab Mihran nach. Warum kaltes Wasser auf seinen Eifer schütten? Aber ich fand, dass ein grundlegender Umstand fehlte, ein freies Vaterland, in dessen Schoß die Lazarevitchs und Toumos zu einer Einheit verschmelzen könnten.“66 Beide versinken wieder in ihre Tagträume und Gedanken. Roupen imaginiert eine „veritable Hölle“: An ihm zieht die Geschichte Armeniens im Mittelalter vorbei, die Eroberungen der Mongolen, Tataren und Seldschuken, die Zerstörung des armenischen Königreiches und der Beginn der großen Auswanderung, nach Kilikien im Süden, in den Kaukasus im Norden, nach Ostmitteleuropa im Westen. Roupen führt sich die Ansiedlung der Armenier an ihren Zielorten vor sein geistiges Auge, ihre Ausstattung mit Privilegien, ihre Bautätigkeit, Handel und Handwerk, die die neuen Kolonien zur Blüte brachten. Wo sind alle diese Armenier, die doch heute in die Millionen gehen müssten, fragt er sich. „Entlang der langen Migrationsroute gibt es eine Vielzahl kleiner armenischer Inseln, und noch mehr armenische Gräber und verfallene Kapellen“, denkt er, aber als er den Gedanken weiterdenkt, entsinnt er sich der erfolgreichen, vor allem auch sprachlichen Assimilation dieser Kolonien.67 „Überall armenische Spuren, auf einem russischsprachig, tatarischsprachig verzerrten Armenisch. Auf der Azovschen Seite Rostov, Nakhitchevan und die Dörfer, halb russischsprachig, halb armenischsprachig. Geh weiter nach Odessa, Akerman, die Gegend von Kishiniev, die alte Walachei, tatarischsprachig, walachischsprachig, rumänischsprachig. Geh weiter nach Polen, polnischsprachig, und Galizien und Transsylvanien ungarischsprachig, deutschsprachig oder slawische Sprachen, wo als Überreste der Muttersprache nur noch die Ausdrücke „Gott, Harisa, Omelette“ übrig geblieben sind. Wenn wir all diese als Armenier

64 Diese Lautverschiebung von „l“ zu „gh“ findet sich durchgehend bei den Lehnwörtern und Namen, die aus dem Griechischen, v. a. aus dem Text der Septuaginta, in das klassische Armenisch (krapar) eingegangen sind. 65 Koloz: kurdische Kopfbedeckung, um die ein turbanartiger Stoff gewickelt wird; Timar: Ortschaft bei Van bzw. westlich des Van-Sees, im Südosten der heutigen Türkei; Vanetsi: jemand, bzw. speziell Armenier, aus Van. 66 Roupen (wie Anm. 11), Bd. 7, 38. 67 Ebd., 39 f.

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zählen, wird die Zahl derer, die sich erinnern, dass sie Armenier waren, sich aber nicht mehr als solche fühlen, sich auf mehr als 100.000 belaufen. Alle bauen das Haus anderer, dienen treu wie Jagdhunde, an vielen Orten stellen sie die Grundlage des Wohlergehens ihrer Staaten dar. Aber wenn sie ein bisschen prahlen, stolz sind auf ihre Bedeutung, wird dem Lukash im ungarischen Parlament oder dem Travo-Yash in Rumänien ein „Schweig, du bist Armenier“ ins Gesicht geschleudert. Dies ist der Lohn dieser Elenden, die im Laufe ihrer Wanderschaft alles gegeben haben, Millionen Fremden eine Infusion ihres Blutes gegeben haben, sie geadelt haben, mit ihrem Geist deren intellektuelles Niveau aus den Sümpfen gehoben haben, mit ihrem Fleiß Lehrer der Jurisprudenz, der Baukunst, des Handwerks und Handels geworden sind, mit ihren Händen neue Städte [und] Dörfer gebaut haben, und schließlich ein Häuflein mit verfremdetem Gesicht und entfremdeter Seele geblieben sind, das eines Tages wie eine ausgequetschte Zitrone als „armenischer Dreck“ hinausgeworfen wird. Nein, das sind armenische Juden, von denen es keinen Nutzen für die Armenier gibt, sondern nur Schaden, dachte ich und hasste die Lazarevitchs. Je früher desto besser sollten sie zugrunde gehen, damit wenigstens der armenische Name für die Fremden nicht gleichlautend wird mit Schimpf, so wie der Name der Juden synonym geworden ist mit Erniedrigung. Was denkst du?, fragte Mihran. […] […] es wird dich hart ankommen, was ich sage. Du denkst an die Lazarevitchs, ich denke über dasselbe nach. Ich würde wünschen, dass diese unnützen und schädlichen Kreaturen lieber heute als morgen zugrunde gehen. Mihran verfinsterte, konnte nicht an sich halten. Hey, bist du verrückt? Vielleicht bist du es, der zugrunde gehen muss. Warum hasst du diese Unglücklichen so, die dein Blut in sich haben? Hör zu, deren Vorfahren sind mindestens mit einer Menge von einer halben Million aus Armenien rausgegangen, und deswegen fehlt uns die zahlenmäßige Stärke dort und wir stellen heute [dort] weder Kraft noch Qualität dar. Also haben die, die weggegangen sind, Armenien geschadet. Sie sind rausgegangen, haben das Vaterland vergessen und sind kosmopolite Vaganten geworden, treue Diener an den Türen der anderen, die Armenier aus Armenien sind tumbe Bauern in ihren Augen. So denken sie, angefangen von den feinen Herren aus Stambul bis hin zu deinen Lazarevitchs. Sie haben ihre Gesichter durch Vermischung geändert, haben ihre Religion vergessen, ihre Sprache verloren, sie sprechen in allen Sprachen, aber die armenische Sprache ist ihnen eine Schande. Sie haben ihre Kleidung gewechselt, ihren Namen gewechselt, damit sie sich leicht unter den Fremden assimilieren. Was ist von dieser Masse übriggeblieben? Lass uns sagen 30.000, lass uns sagen 50.000, lass uns höchstens sagen 100.000. Im Laufe der Jahrhunderte hätten die sich vermehren müssen und mehrere Millionen werden müssen, wo ist diese Masse? Sie sind aufgelöst unter den Fremden, sie haben die Feinde der Armenier gestärkt, sie haben Dilanovs in Russland, Lukatchs in Ungarn, Pashas und Wesire in der Türkei hervorgebracht, keiner von denen ist [zu irgendetwas] nütze, außer dem Schaden für die Armenier.

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Sie haben fette Bankiers gegeben, Händler für Juwelen, Teppiche und alles Mög­liche, sie haben Gold und Silber gescheffelt, Paläste gebaut, aber all dies hat ihrer Völlerei und Pracht gedient. Sie haben den Hass der eingesessenen Bevölkerung provoziert, und wegen dieser Leute, durch diese Leute, ist der Armenier als gerissener Schurke bekannt, als vaterlandsloser, nationsloser Schmarotzer. Ich hasse sie, deine Liebe ist töricht. Sie haben die Wissenschaften und Handwerke der Armenier und des Orients in Europa, der Türkei und Russland verbreitet. Aber die sind weit davon entfernt zu begreifen, dass dieser Armenier ihr Lehrer ist. Wer hat die Seidenraupenzucht, das Goldschmiedehandwerk und die Baukunst entwickelt von Hashtarkhan bis auf die Krim, bis nach Ungarn? Aber all dies hat sich gegen uns gewendet, wir sind die „tumben Bauern“ geblieben, sie die Ausbeuter und Leugner. Wenn sie auf der Heimaterde wären, könnten sie doch noch zu etwas gut sein, aber da sie draußen sind, haben sie für uns keinerlei Nutzen, sie sind für uns verloren. Sie werden uns nur Schande bringen und den Fremden stärken zu unserem Schaden […].“68 Zwischen den beiden Polen der offenen Ablehnung der Assimilation der ostmitteleuropäischen Armenier, die hier zum Ausdruck kommt, und der Anerkennung ihrer beachtlichen Aufbau- und Integrationsleistung, die in der sowjetarmenischen Forschung zu den armenischen Kolonien Ostmitteleuropas aufscheint und die indirekt durch Roupens Darstellung schimmert, wenn er die vielfältigen Sprachkenntnisse und den geschäftlichen Erfolg des Tuchhändlers Lazarevitch beschreibt, bewegt sich auch heute die Betrachtung der alten ostmitteleuropäischen armenischen Gemeinden. Mit der erfolgreichen Armenisierung der Diaspora im Laufe des 20. Jahrhunderts einerseits und mit der Unabhängigkeit der Republik Armenien nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion andererseits hat die erste Position allerdings deutlich an Vehemenz verloren – paradoxerweise in einer Situation, in der der armenische Nationalstaat zwar Realität geworden ist, sich aber in einer dauerhaft prekären Lage befindet, von Stabilität und Sicherheit weit entfernt ist und einen großen Teil seiner Bevölkerung dadurch an die Emigration verloren hat; gleichzeitig in einer Situation, in der die armenischsprachigen Kolonien des Ostens allmählich schwinden, während die Assimilation in den westlichen Gemeinden so weit fortgeschritten ist wie nie zuvor. Das Paradox mag sich in der Beobachtung auflösen, dass allen Kassandra-Rufen 69 zum Trotz die armenischen Gemeinschaften in den assimilatorischen Gesellschaften Europas nach wie vor bestehen, auch wenn sie inzwischen Formen der Identität und des kulturellen Ausdrucks gefunden haben, die jenen der nationalen Erneuerer des frühen 20. Jahrhunderts nicht unbedingt entsprechen. Eine dieser Formen ist die Definition einer armenischen Identität und das Bekenntnis eines armenischen Nationalismus, der sich nicht an die armenische Sprache 68 Ebd., 40 – 42. 69 Als Beispiel für die zahlreichen Pamphlete und Beiträge, die gerade in den ersten Jahrzehnten der neuen Diaspora nach dem Ersten Weltkrieg in Paris und andernorts entstanden, siehe Mehian, G.: Abazkaynatsman vdanke [Die Gefahr der Assimilation des Volkes]. Paris [o. J.].

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und auch nicht an die armenisch-apostolische Konfessionszugehörigkeit gebunden sieht, sondern sich lediglich in der Selbstzuschreibung als Armenier und der Selbstverortung in einer spezifischen Erinnerungsgemeinschaft gründet – ein Verständnis von Nation und Nationalismus, das den Protagonisten armenischer Nationsbildung im frühen 20. Jahrhundert unvorstellbar gewesen war. Dieses Verständnis armenischer nationaler Zugehörigkeit ist nicht mehr exklusiv wie jenes der unmittelbaren Nachkriegszeit. Es ist offen für eine Vielzahl möglicher armenischer Identitäten und kann dadurch auch den alten ost- und ostmitteleuropäischen armenischen Gemeinschaften einen Platz innerhalb der Nation zuweisen.

Abstracts Ödon Schütz: The Main Directions of the Armenian Emigrants in the Middle Ages and the Armenian Colony in Esztergom In academic and popular literature there are different opinions about the forced emigration of the Armenians from their homeland and their first appearance in Hungary. The earliest information about the Armenians can be found in the chronicle of Šimon Pejvan from the 13th century. According to this chronicle soon after the Hungarians had hold their ground in their new homeland during the rule of prince Geza Armenians occurred in the immigrated population of the country, too. However, this assertion does not reflect the reality; probably the chronicler interpolated the national and social situation of his time to an earlier period. From the very start of the Tatar period of invasion there are concrete and indisputable data for a settlement of the Armenians in the old Hungarian capital Esztergom. In 1243 the privileges of the Armenians were strengthened by command of Bela IV; in particular they were granted the right of free trade in the whole territory of Hungary. At the end of the 13th century the Armenians no longer lived on the estates which had been conferred to them. The kings gave them to the monks of the order of St. Augustine since after the famine due to the Tatar invasion the Armenians did not return to their estates and primarily turned their attention to the commercial activity.

Jaroslav R. Daškevyč: The Armenian Quarters in the Cities of Ukraine (14th to 18th Century) In his article, Jaroslav R. Daškevyč examines some of the most important research problems and desiderata in the field of the architectural history of Armenian quarters in 14th to 18th century Ukrainian towns. The underlying question of the author’s remarks is the disputable possibility of the reconstruction of the architectural manifestations of Armenian life in Ukraine. Daškevyč’s aim is to correct some false assumptions in the academic literature regarding the origin, evolution and form of Armenian quarters in Ukrainian towns of the Early Modern Period. Such Armenian quarters existed in more than 20 Ukrainian towns and came into being between the Middle Ages and the second half of the 17th century. Their development was influenced by the size and stability of the Armenian population, the existence of legal-administrative autonomy, of religious and other social communities. ­Although Armenians tended to live together in their quarters, they were not legally r­ estricted to reside there and also lived in other parts of the respective towns. Following the Armenians’

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growing assimilation into the majority population, mainly during the 19th and 20th centuries, the Armenian quarters of Ukrainian towns gradually lost their Armenian ethnic and cultural character. Especially in the time of the Polish counterreformation, Armenians were subjects of discrimination, resulting in architectural activity, which often did not display any typical Armenian features, but was rather integrated into the prevailing UkrainianPolish architecture. Although Ukraine’s Armenian quarters were polyfunctional, they were neither as big nor as differentiated as those of the Crimea, for example. The author goes on to describe the typology and stylistic characteristics of Armenian architecture in the Dnepr region and Podolia as well as in Western Ukraine (Lviv region). Daškevyč criticizes that most researchers did not duly evaluate the cartographical, textual or archaeological sources available and consequently produced erroneous accounts on many aspects of the architectural history of Armenian quarters in Ukrainian towns. In particular the author demands a methodologically more sophisticated approach towards iconographic and textual sources, such as old city maps and Armenian archival material, so that misinterpretations and misinformation can be avoided. Finally, the author presents four 17th century archival sources, which illustrate real estate ownership in Lviv.

Nicolae Iorga: Armenians and Romanians: A Historical Parallel In his article, Nicolae Iorga describes the history of the Armenian people in the Near East from earliest pre-Christian times, with their subsequent forms of statehood, down to the medieval Cilician kingdom and the era of diaspora formation on the Crimea and in Eastern Europe, especially in Romanian lands, until the 19th century. Iorga argues for recurrent historical parallels in the history of the Armenian and Romanian peoples. Both Romanians and Armenians, writes the author, shared a common experience of foreign subjugation and disrupted state autonomy until their reanimation of national culture and tradition. Iorga sees the history of Armenia as the constant struggle for national independence and cultural autonomy, a struggle which has at times been fought by means of altering coalitions and with some concessions, like Cilicia’s cooperation with the Pope and with the Western European crusaders. But still, cultural, linguistic and religious adaptions to their environment where the outcome of the Armenians’ century-old cohabitation with other peoples, as was the case in ancient Armenia proper as well as in Cilicia and in the centres of the Armenian diaspora such as Caffa, Kamenec (Kamyanets-Podilsky, Kamieniec Podolski, Kamenec-Podolski) or Suceava. The borrowing of words and names of Tatar origin therefore can be seen as evidence of the contact Armenians had with Tatars on the Crimea, where Armenians immigrated after the fall of Ani in the 11th century. Concluding his article, Iorga explores the history of Armenian communities in the towns of Moldova, Transylvania, and Bukovina. Many Armenians fulfilled important functions as

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traders, translators and diplomats (they mediated between Moldovans and Poles and were also sent to the court of the Persian shahs) and also developed a rich religious and cultural life. They were granted economic privileges in a number of towns and connected their places of residence with the markets of East and West. After Romania’s independence, successful Armenians played an even greater role in the nation’s life, as they became poets, jurists, professors and politicians.

Gregorio Petrowicz: The Armenians in the Diplomatic Service of the Polish Kingdom Petrowicz’s paper highlights the diplomatic activity of Armenian interpreters, envoys, couriers and agents in Polish service from the 14th to the 18th century concerning the Polish kingdom’s foreign relations with the orient. Armenian interpreters worked for the municipal institutions of Lwów (Lemberg) as well as for the Polish royal chancellery and for some of the mighty Polish noble families. Examples for these interpreters who contributed to the development of direct diplomatic relationships between Poland, Turkey and the Golden Horde are Gregorius Armenus de Laszki, who took part in the first Polish mission to the Sultan in 1415, and Pietro Serebkowicz, who translated letters by the Sultan and other Turkish dignitaries. Armenian envoys and couriers took part in Poland’s diplomatic relations with Turkey, Persia and the Tatars in the 17th and 18th century. So did Pietro Hrehorowicz, an Armenian merchant and diplomatic agent, known at the courts of Vienna, Constantinople and Warsaw. Armenian envoys more than once acted as brokers in the 17th century conflicts between Poland, Turkey, the Cossacks and the Tatars. Finally, Armenian diplomats also played a role in the development of Poland’s relations with Persia. In the time of Stephan Báthory’s reign, the Persian Shah Abbas I tried to win over European powers for an anti-Turkish alliance and contacts between Poland and Persia intensified. Under Sobieski, Poland sent a number of missions to the Persian court in which Armenian envoys participated, for example Costante Sulejman (Conte de Syri) and the priest Simone Bedrosowicz. Via these two men, Sobieski corresponded with the Armenian patriarch Jacob, who, together with the Armenian meliks, had plans for creating an independent Armenian state, a project that found Sobieski’s support. Despite its small size, the Armenian community in Poland played a pivotal part in the kingdom’s diplomatic relationships with the orient – a fact that needs to be appreciated by Polish Oriental Studies.

Shushanik Khachikyan: The Armeno-Russian Trade Agreement of 1667 and the Autonomous Bodies of New Julfa It has been accepted by historians that the Armeno-Russian trade agreement of 1667 was signed by the representatives of the Russian government on one hand and the Armenian Trade Company of New Julfa (Persia) on the other.

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After carefully studying the available primary sources concerning the business and trade activities of the Armenian community of New Julfa and its administrative bodies, the author has concluded that there has never been an Armenian Trade Company in New Julfa in the European sense of it. S. Romodamsky and G. Lusikov, who signed the 1667 agreement, were the authorized representatives of the autonomous board of New Julfa. The ruling board of the autonomous city of New Julfa were presented by the twenty governors of the city’s twenty independent quarters, by the head of the trade unions and by the kalantar (the board leader, who was elected by the community and approved by the Shah). All members of the ruling board came from the very rich merchant families known as khojas. In the article, the rights, obligations and activities of the ruling board of the autonomous city of New Julfa are also discussed.

Zsolt Trócsányi: The Legal Situation of the Armenians in Transylvania during the Diploma Leopoldinum (1690 – 1848) The topic of this paper is the legal situation of the Armenians in Transylvania in the period from 1690 to 1848. Until the mass emigration to Transylvania in 1672 the situation of the Armenian merchants was regulated by the laws of the foreign merchants. The changes which took place in 1672 were mainly of local importance. In 1696 Michael II Apafi, steward of Transylvania, bestowed certain privileges on the Armenians of Ebesfalva: the right of free trade in Transyl­vania, self-governace and religious freedom. At the same time the Armenians were relieved from those duties which were highly problematic for them: to put up soldiers and to transport state goods. At the end of the 17th century and at the beginning of the 18th century Oxendio Virziresco (Verzar), bishop of the Transylvanian Armenians, endeavored for the confirmation and expansion of those privileges; but he had no success. In the period of investigation not only the legal situation of the two major Armenian cities changed; but also smaller Armenian communities (Gheorgheni and Frumoasa) were warranted a few rights. Furthermore general and specific modifications of commercial law, tax law and citizenship law effected the situation of the Armenians in Transylvania

Ashot Melkonyan: Armenian Preachers and Missionaries in Europe (4th to 11th Century) In his article, Ashot Melkonyan explores the yet widely unknown history of Armenian pilgrims, priests and missionaries, which dates back as early as the time of the apostles. Already in the time of the Roman Empire, Armenian Christians propagated the new faith

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in countries near and far and continued to do so after Armenia’s adoption of Christianity as state religion in 301. This event tied Armenians even closer to Europe. The Armenian pilgrims, priests and missionaries of the Early Middle Ages also laid the foundation of the first Armenian colonies of Europe. Some of these missionaries were canonised after their death, their remains being held as relics in European churches and monasteries, such as those of St. Servatius in Maastricht. What helped Armenian missionaries unfolding their activity in Europe was the fact that, until the Council of Chalcedon in 451, there were no dogmatic disputes between the Armenian and Latin churches. But even after 451, the Armenians’ travels to the West did not come to halt – the number of Armenian clerics and pilgrims in Europe even increased, some of who could attain high ecclesiastic positions, such as bishop Simon in the 6th century. After the Christianisation of most European countries, Armenian missionaries were displaced by Armenian pilgrims more and more, who, among other places, visited the grave of St. Jacob in Santiago de Compostela. The most prominent pilgrim at Santiago de Compostela was the last Armenian king of Cilicia, Levon V. In conclusion, it can be stated that Armenian pilgrims and missionaries played an important role in the propagation of Christianity in Europe during the Middle Ages, especially in the early period of European Christianisation. They were founders of places of pilgrimage, of chapels, churches and monasteries in many regions of Europe as well as in Asia. With their activities, Armenians contributed not only to the distribution of elements of Christian civilisation in Europe but also to the cultural and religious transfer between countries as far away from each other as Ireland and China.

Alexandr Osipian: Who was Nekomat Surozhanin? An Armenian Merchant in the Big Politics in Eastern Europe in 1375 – 1383 A certain Nekomat Surozhanin (Некоматъ Сурожанинъ) was mentioned in the Russian chronicles in 1375 – 1383. According to the notes, he fulfilled the role of mediator between the most influential policy-makers of Eastern Europe in that time, Tatar emir Mamai, actual ruler of the western part of Golden Horde, Ivan Vasilievich Veliaminov, constable (tysiatskii) of the Moscow principality, and Mikhail Alexandrovich, the great prince of Tver. All of them were enemies of Dmitry Ivanovich, the great prince of Moscow. Dmitry Ivanovich plotted intrigues against his rivals in the struggle for the office of the great prince of Vladimir. Ivan Vasilievich was captured and executed in Moscow in 1379. Mamai was defeated on the Kulikovo Pole in 1380 and then killed in the Genoese city Caffa in the Crimea. Nekomat Surozhanin was captured in Moscow and sentenced to death there in 1383. But who was this man?

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In 1375 Nekomat accompanied Ivan Vasilievich when the latter ran away from Moscow to Tver and then to the Horde of Mamai. The same year, Nekomat accompanied the Tatar envoy Achikhozha on his way from the Horde to Tver. It is likely Nekomat was a merchant doing his commerce between Crimea and the principalities of Rus’. He knew the routes quite well and served as a guide for very important persons. It was a common practice in the Middle Ages to use merchants as secret envoys. His second name or nickname, Surozhanin, points to his affiliation with the city. According to the contemporary Latin sources, he was a dweller of Surozh or Soldaia, i. e. modern Sudak in Crimea. In the 13th and 14th centuries, Surozh was a famous centre of oriental trade, located on the Silk Road. This port on the Black Sea was in hands of Venice till 1365 and then in hands of Genoa. At that time, the city was inhabited mostly by Greeks and Armenians.

Alexandr Osipian: The “Invitation” of the Armenians into the Galician Rus’ in the Renaissance Historical Imagination: Sources and Their Interpretations in the late 16th – early 17th Century Lviv Among other sources, there is “Description of the city of Lviv” (L’viv, Lemberg, Lwów, L’vov) written by the local apothecary Johann Alembek (Ioannes Alnpekius or Alnpech) and published in the sixth volume of Georg Braun’s atlas “Civitates orbis terrarum” (Cologne, 1572 – 1617). The full original version was written between 1603 and 1605 under the title “Topographia civitatis Leopolitanae”. In order to analyse Alembek’s cognitive frame and narrative strategies, I investigated his personal links and correspondence with the famous European humanists such as Justus Lipsius. I also took into consideration his education, Alembek graduated from the Paduan University in 1591, and ancient writings in Latin dominated the contents of his private library. Alembek stated in his “Topographia” that the Armenian warriors were invited by the Ruthenian prince Daniel (1238 – 1264) and later settled in Lviv by his son Prince Leo/Lev (1264 – 1301), who founded the city at that time. The initial part of Alembek’s work is evidently a compilation. He used Martin Kromer’s “De origine et rebus gestis Polonorum libri XXX” (1555, 1558, 1562, 1568, 1589) and Haitonus Armenus “Flos historiarum terre orientis” (written in 1307 and published many times during the course of the 16th century). Alembek simply included both quotations, of Kromer as well as of Haitonus/Hetoum, in his text, combined them with each other, and concluded that Daniel defeated hostile Ruthenian princes due to the Armenian warriors.

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Stefan Troebst: Armenian Merchants in 17th Century North-Eastern Europe: Bringing Raw Silk from Iran to Amsterdam From the mid-16th century on, the emerging great power Sweden tried to gain control over the trade routes to and from the Russian market. In this context, Stockholm also took the ­oriental transit trade through Muscovy into focus, here first of all the raw silk exports from Iran. Negotiations with the Tsar in this regards remained, however, without results for more than a century. In the last quarter of the 17th century Charles XI intensified Sweden’s mercantile diplomacy in Moscow, Isfahan and not the least in regard to the Armenian trading companies of New Julpha. In 1687, the Armenian merchants were granted trade privileges in the Swedish port of Narva and from 1690 on some four percent of Iran’s raw silk export were shipped to the Baltic Sea. The outbreak of the Great Northern War in 1700 put an end to this promising initiative.

Wolfgang Sartor: Armenian Trade in Raw Silk in the 17th and 18th Century: The Russian Route What was the share of sales of the Armenian trading companies in the transit trade in raw silk through Russia and how well-funded were the Armenian merchants? To answer these questions, the author examines the economical background of the trade in raw silk, the role of the Julfa-Armenians at the Wolga-Kaspi-Route, the contracts of the Armenian trading companies with Muscovy 1667 – 1673, those who were responsible of the transit trade in the 17th and 18th century and their goals. In the period of investigation the Wolga-KaspiRoute became an alternative trade route for Persian raw silk, which was more frequented during special occasions. The trade in raw silk increased the integration of Russia into the system of international trade. This is indicated by the influence on the prices by central markets and business cycles in Western Europe, the rising inclusion into the financial system of Western Europe due to the interdependency between Amsterdam, Moscow and Astrakhan and the – albeit slightly – developing of silk manufacturing in Russia. In this context Armenians, who joined forces in an own international trading system, played a major role. Since the second half of the 18th century the Persian trade in raw silk plunged into a crisis, its profits decreased. Remarkably, this process came along with the decline of the Armenian Choja (very wealthy Armenian families of the upper class). They already came under pressure at the beginning of the 18th century in India. In Russia their business activities reduced significantly too, plenty of them lived as rentiers. It was not until the oil boom in the Caucasus at the end of the 19th century that Armenian large-scale manufacturers reappeared.

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Sándor Őze: Inside and Outside the Gates of Alexander I. Various Meanings of a Topos among the Armenian and Hungarian Inhabitants of Early Modern Hungary Connections between the Armenian and Hungarian people can be traced back thousands of years; in this paper the author will focus on the early modern period, and concentrating specifically those which spiritual connections the Armenian immigrants coming from Moldavia in the second half of the 17th century could find in a Hungary that was split into three differently functioning parts. Two areas on the border of the Ottoman Empire functioned as buffer zones: the ­Danubian-Hungarian and the Caucasian-Armenian region. Due to its connection with Shiite Persia, the latter region was bloodier than the former. To understand the similarities between those areas we cite Hans Dernschwam (1553): “The Armenians, like the Hungarians, lived in two states on the frontier of two great empires. As a result, there existed two Armenian territories that had slightly different cultures but shared the same language and the same roots, as it was also the case in Hungary between 1541 and 1699, which was split into three parts between the Habsburg Empire, Poland and the Ottoman Sultanate.” Armenian itinerant traders and artisans who came to Hungary in the 17th century as a conse­quence of the Armenian Diaspora became integrated easily.. They were also familiar with the border situation they found in Gyergyószék (Csík) in the Eastern Carpathians. After their union with the Catholic Church in the 18th century, they merged into the society of the Székely border guards. The Caucasus and the Carpathians thus played a key role in the formation of the Armenian-Hungarian identity. As mentioned above, many brave and well-trained officers and generals of the Hungarian freedom fights were of Armenian origin. Armenians seem to have become Hungarian from top to toe. Often the only part of their dual identity that remained was their cuisine or some church songs. For the main part, having Armenian ancestry in present-day Hungary is regarded as mysterious and something which should be borne with pride.

Dóra Kerekes: “By order of the Emperor”. Armenians in the Service of the Hofkriegsrat at the End of the 17th Century From the middle of the 17th century on, the Armenian minority played a more and more important role in the Eastern relations of the Habsburg Empire. Their activity became lively particularly after the Peace of Vasvár (1664), when the firman of Mehmed IV (1648 – 1687) in 1666 allowed free trade for the subjects of the Habsburg Emperor on the entire territory

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of the Ottoman Empire. As a consequence, the Orientalische Handelskompanie (Eastern Trade Company) was established, having a great influence on trade in South Eastern Europe. According to the laws in force in the Habsburg Empire, however, foreign merchants were allowed to come only as far as Schwechat, so they settled down around Vienna in increasing numbers, mainly around those places where they could control the in- and outgoing goods. These foreign merchants were called “Racis” (Raizen); the Armenians, the Serbs, the Greeks, the Bulgars, and the Vlachs were numbered under this collective term, but it also occurred that Hungarians and Poles were counted among them. In fact, from this diverse but equal and harshly separated group, several couriers, sometimes interpreters or embassy assistants emerged, who were capable of influencing the actual relation of the Habsburg and Ottoman Empires. The Armenian presence in diplomacy experienced a great heyday during the first phase (1683 – 1686) wars of reoccupation in Hungary (1683 – 1699), but after taking Buda, their importance decreased, as they could not provide the required news about the far regions. At the same time, however, their credits gained before made it possible for the Viennese colony to survive. After the Treaty of Karlowitz (Karlovci) in 1699, which put an end to the Ottoman wars, they still played a role in the long-distance trade, since many of them became court retailers as well, and they held positions in the Eastern diplomatic relations of the Habsburg Empire.

Ernst Ch. Suttner: 17th Century Armenians of Poland and Hungary in Coexistent Full Communion with Rome and Etchmiadzin In order to understand how the coexistent full communion with Rome and Etchmiadzin in the 17th century was possible, it is important to recognize that the demarcation between uniate and non-uniate Eastern Churches was perceived in a different way in Rome as well as in the East from the following 18th century. Unio Pro foro interno (that is: in an act concerning only the own conscience which is hidden from the public) they entered a union with the Holy See while unio pro foro externo (that is: in public) remaining leading figures of their hitherto church which was not uniated with Rome. To gain a better understanding of the confessional situation of the Armenians in Poland in the 17th century, a phenomenon should be noted that seems to be barely comprehensible from today’s perspective: the unions pro foro interno, which were quite common for a while. In the 16th and 17th century they were seen as one out of two possible solutions to initiate an ex post reception for the union originally decided in 1439 in Florence, which was neglected, so to speak, shortly after the conquest of Constantinople by the Turks. The union of the Armenians of Galicia with the Latin Church took place during bishop Nicola Torosowicz, who, as a young man, took office 1626 and administered it more than 50 years. He was the candidate of Catholicos Melchizedek, who presided over the Etchmiadzin Curch from 1593 to 1624.

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The examination of the Church of the Armenians in Transylvania reveals that there was no longer period in which the Armenians were in coexistent full communion with Rome and Etchmiadzin. Thus, the notion of a quite vague demarcation between uniate and ­non-uniate Eastern Christians really was the cause for the contemporary membership of the Armenians in Transylvania in the Catholic Church.

Tamara Ganjalyan: Armenian colonies in 18th- and 19th-century Russia. A contribution to the study of diasporas In pre-modern multi-ethnic empires, diasporas have repeatedly played an important role in their economic, social, cultural, administrative and even political development and “modernis­ation”. For the relationship between the elites of the state and that of the diaspora – and as a result also for the Armenians’ legal, economic and social status in Russia –, a number of factors were influential, among them economic interests, sovereignty, geostrategic and foreign policy considerations of the empire. Although Armenians never were the only diasporic minority in the Russian Empire, they seemed to offer some “useful” characteristics which could be made fruitful for the “benefit” of the state. Thus, it was their knowledge and skills, some of them typical for diasporas (language skills, trade networks based on mutual trust along lines of kin-relations, etc.), which enabled Armenians to fulfil complementary functions in their host country and thereby taking part in Russia’s “(proto) modernization from above”. Thus, Armenians were prominent in the oriental trade through Russia and also took part in the peopling of the Russian southern frontier, thereby contributing to the development of these so perceived “underdeveloped” lands for the benefit of both settlers and the empire. Their diaspora-typical skills were not the only factor helping the Armenians to achieve far-reaching privileges in 17th and 18th century Russia, it was the compatibility of Armenian and imperial Russian interests and the specific historic-political situation that Armenians encountered in Russia. This general picture only changed in the second half of the 19th century, when the functioning of the Russian state ceased to rely on foreign specialists’ services as it had in the preceding centuries. Nevertheless, characteristic socio-economic traits and functions of the Armenian diaspora were still reflected in the data of the All-Russian Census of 1897. Thus, what developed between the elites of the Armenian diaspora on the one hand and the Russian political elites on the other from the late 17th until the middle of the 19th century can be interpreted as a form of reciprocal exchange relationship based on the imperial officials’ perception of the Armenians’ “utility” for Russian aims, but ultimately as designed to both sides’ advantage.

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Piroska Krajcsir: Traditional Costumes and Clothing in the 17th and 18th Centuries: Particulars Concerning the Ethnography of Armenians Living in Transylvania Clothing and costumes comprise an important part of our material culture and lifestyle. Armenian people settling down in Transylvania during the second half of the 17th century were primarily craftsmen and tradesmen. Contemporary miniatures testify that their ­clothing did not change much with the passing centuries: the long, close-fitting overcoat drawn together with a belt was a typical piece of clothing for both men and women. The costume of the host country had a decisive influence on the clothing of Armenians living in the diaspora. The work ‘Ethnographia’ by Kristof Szongott, being an important source of information, states two essential facts concerning the garments of Armenians living in Transylvania. Firstly, that after settling down in the host country, they exchanged their traditional Armenian garb for the Hungarian one and, secondly, that there is no pictorial representation of the costumes worn prior to the immigration. Though the former statement coincides with the opinion of ethnographers in Yerevan, the latter, however, will probably be altered by results of present and future investigations. The garb of Armenians in Transylvania can be reconstructed by aid of several mediate sources. One group of these are written documents, with special regard to dowry lists from the 18th century, regulations against sumptuousness and the kinds of punishment for those who violate them – all contained in Szongott’s ‘Ethnographia’. Garments of worldly figures on religious paintings and the depictions in 17th–18th-century costume booklets (the ones already discovered as well as those still being subject to research) can also offer a point of reference. Part of the festive costumes have been materially preserved in the form of traditional Armenian fabric incorporated into ritual religious garments as well as exhibition pieces in Transylvanian museums or as items in private collections. Armenian tradesmen in the 17th century still kept their traditional costumes. How­ ever, half a century later, they already adopted certain Hungarian pieces of clothing, as the etymology of Armenian surnames implies. By the last third of the 18th century, not only were both men and women wearing powdered wigs, but they also used rice powder to whiten their children’s hair. The aristocracy of the feudalistic society were trying to preserve a system of clothing in which the costume indicates the social standing of the individual, whereas the rich members of the bourgeoisie were trying to overstep the boundaries of social classes by ‘dressing upwards’, that is, setting the way nobility dresses as a standard for themselves. As a conclusion, we can only consider the description of the costume of the Armenian people in Transylvania to be complete if the reconstruction is based, firstly, on studying the Armenian and other archives, the contemporary depictions as well as the surviving material pieces and, secondly, on the authentic knowledge of clothing history in Armenia itself.

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Dezső Garda: The Mercantile Forum, the Administrative and Legal Institution of the Armenians from Gheorgheni After they became settled in the 17th century, the Armenians from Transylvania enjoyed a special kind of administrative autonomy. The Armenian merchants arrived in Gheorgheni in larger numbers in 1607, after the town was granted the right, on a national level, to hold a periodic market. In the early decades of the 17th century, almost half of the Armenian population of Gheorgheni were merchants. The Armenians who settled in Gheorgheni established a court, headed by a judge, a scrivener and jurors. Little information about the judges is available, but it is known that most of them were wholesale traders. Until December 1763, administrative-wise there existed two communities in Gheorgheni: the Szekler and the Armenian community. The only difference between the jurisdiction of the Armenian judge and his community and the Szekler one was that the former was not allowed to take on murder cases. However, both the Armenian and Szekler communities had separate judges, scriveners and jurors, and their jurisdiction included the protection of all members of their communities. The author try to present a picture of how the administrative, legal and representative organisation of the Armenians from Gheorgheni was established and how it operated, especially in considering the fact that in the first years of the 19th century the competences of the Mercantile Forum included competences traditionally granted to the Armenian Court, that is, it took over the command of the administrative and legal life of the entire Armenian community. And what were the results? The Armenian traders from Gheorgheni were considered the most well-known livestock traders in Central and Eastern Europe at the end of the 18th century and in the first half of the 19th century. According to the historian László Kővári and Balázs Orbán, “the local Armenians grew rich not so much through industry and local trading, but rather due to exports. One of their main occupations was cattle trading; the Armenians from Gheorgheni bought cattle from Csík or Moldova and transported them using drovers to Vienna or even further away, in such great numbers that the yearly export figures were as high as 300.000 sheep, 40.000 oxen and 10.000 horses.” This economic power indicates that the administrative and legal institution of the Armenian traders operated efficiently in the first half of the 19th century.

Judit Pál: Changing Identities: The Armenians from Gherla and the Revolution of 1848 in Transylvania Despite the fact that Transylvania had had its share of Armenian residents in the previous centuries, they did not begin to arrive en masse until the 17th century, contributing to the great ethnic and religious variety of the region. First they settled in eastern Transylvania, near the mountain passes connecting the province to Moldavia. The Armenians had enjoyed a certain degree of autonomy ever since their arrival in Transylvania. In the beginning, this autonomy was grounded in tradition and in the rights granted by various princes and later

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by the Austrian emperors. The entire Armenian community was organized by the Armenian Company, with the right to elect its own magistrate, from the end of the 17th century onwards. The Armenians soon adapted to the local conditions in Transylvania, as a number of factors worked in their favour. Their integration was facilitated by their religion, since they had joined the Roman-Catholic Church in Transylvania. At the end of the 18th century, in consideration of their merits, the members of the communitas of Gherla requested from the estates acceptance within their ranks, namely their integration into the Hungarian natio, “with whom we live, whose principles we have strived to follow, whose clothing we wear, and whose laws we observe.” In the second half of the 19th century, a process of complete assimilation followed this cultural and structural assimilation; the Hungarian national feeling emerged among Transyl­ vanian Armenians, which meant the complete disappearance of any prejudices against them. The Revolution was a turning point in this process, which soon escalated into a bloody civil war in the autumn of 1848. The conflict also reached Gherla, which was considered the centre of Transylvanian Armenians. Below, I will discuss one hitherto neglected aspect of the revolutionary events that took place in Gherla: the conflict among the various interest groups concerning the leadership of the town and the elections to Parliament. Apart from its relevance for local history, this conflict is also indicative of the way in which the sides tried to adapt their reasoning to the changing circumstances. The career of the main characters can be considered emblematic (not only in the case of Armenians). Moreover, it admirably reveals the gradual integration of the Armenians into the Hungarian political elite, which really gained momentum in the period of Dualism. At the same time, the events also shed light on the emergence of the Armenian-Hungarian identity, for which 1848 was a turning point. In 1848, the Armenian community (also) lost its feudal privileges, which further weakened their distinctiveness. The years 1848 – 1849 offered the experience of replacing their feudal identity with the belonging to a common nation. That is why the perpetuation of the memory of the revolution and the allusions to the sacrifices made then played such an important role for the Hungarian-Armenian identity. Furthermore, it is due to this fact that posterity preferred to emphasize the heroic episodes from 1848 – 1849 and the readiness to sacrifice rather than the infightings. At the turn of the century, it was the elite from Gherla who developed the ideology of that Hungarian-Armenian identity which proudly emphasized the awareness of their Armenian descent and the preservation of the Armenian culture on one hand and the identification with the Hungarian nation on the other.

Krzysztof Stopka: Armenians in Austrian Galicia. Ethnic Transformation in Modern Society The development of the Galician Armenians between the second half of the 18th century and the beginning of the 20th century, i. e. between the first partition of Poland (1772), which resulted in the formation of Galicia that came out of those regions annexed by Austria,

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and the outbreak of the First World War (1914), provides significant data for analyzing the relations between the ethnic minorities and the dominant society. Usually the analysis of those relations is focused on the state and its subordinated groups. In this case, however, one must take into account that the relation existed between a minority, that is the Armenians, and a non-dominant majority, i. e. the Polands who themselves were subordinate to the Austrians. Thus, the history of the Armenians in the Galician society is an interaction between a society struggling with the government for their political aims and a minority which had numerous opportunities to maneuver between the conflicting political parties. The integration of the Armenians took place on several levels. The starting point was the legal emancipation during the period of the Josephine reforms through which the Armenians received all of those rights already enjoyed by the middle class. Furthermore, the barriers for social advancement were removed, which led to a loyal attitude towards Austria. Henceforth, Armenians were able to climb up the career ladder in Galicia and Vienna. Having a career in the army used to be an important opportunity to become integrated into the Habsburg Monarchy, which resulted in a stronger identification with the state. The economic activities led to migration and dispersion of the Armenians beyond their traditional settlement areas. At the same time, the formation of the intelligentsia as a new social group in the Galician society promoted the migration. This enabled careers even for the poorer members of the Armenian population, because not fortune, but education became crucial. The participation in political life presented another opportunity of integration. In the beginning, however, the Armenians were only modestly engage. Due to the focus on economic purposes, the Armenians set other priorities. There are nevertheless numerous examples for individual commitment of Armenian estate owners and members of the intelligentsia in the political life of Galicia in the first half of the 19th century.

Iván Bertényi Jr: Politicians of Armenian Origin in Hungary in the Dualist Era This essay, summarizing the conclusions of a long research, is the first piece of a planned series of articles whose aim is to present all of the parliamentary elections of the Dualist Era in Gherla (Szamosújvár/Armenierstadt). During the research work, the author read all the journals edited in Gherla in this period, and then supplemented these data with periodicals of the governing and the oppositional parties which were published in the other significant city of the county, Dés, and in the Transylvanian centre, Cluj Napoca, approximately 50 km away from Gherla. Unfortunately, the author did not have access to the Transylvanian archived materials, but he tried to fill this gap by processing the results of the historical works dealing with Armenian and Transylvanian local history. As Gherla was the most important centre of the Armenians in Hungary, more recent episodes of the city’s history could be instructive for the field of Armenology as well. Moreover, the elections of this North-Transylvanian town could contribute significantly to the analysis of the Dualist Era’s political structure.

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After introducing briefly the regulations of suffrage and the inhabitants of the city, the study turns to present the events of the elections in 1869 and 1870. In Gherla, the electoral struggles of the constituency, counting only a few hundreds of voters, were highly determined by the quarrel of the local elite groups and the national parties. However, local rivalry was rather typical of the electoral struggle at the beginning of the era: after the Compromise of 1867, some families, the so called “Patika” (“Pharmacy”) Party, who seized leadership of the city, were endeavouring to get their own candidates into the parliament. Meanwhile, their rivals in the town used every means to prevent this. Therefore, they were seeking support from the national parties since candidates of the “Patika” Party applied to the governing party, whereas the local opposition found nominees among the followers of Balközép (“left-centre”). However, in 1869, national politics played no noteworthy role in the elections/had virtually no impact on as they were rather dominated by the conflicts between the local elite groups. At this time, the local elite was able to have mandates for its own candidates, namely Gergely Simay and Salamon Gajzágó, the latter of whom was later elected as chairman of Állami Számvevőszék (National Audit Commission). In 1870, during the by-election, the local opposition lined up behind the “politically dead” Antal Lászlófy, who had been serving the autocratic government before the Compromise and consequently was forced to retire after 1867. Although Lászlófy was viewed as unacceptable in political circles, such an amount of despair accumulated against the ruling clique of the “Patika” Party that he was finally able to win the election, causing a real sensation.

Anahit Simonyan: The Weekly Newspapers of Hungarian-Armenian Communities at the End of the 19th/ Beginning of the 20th Century The print media of the Hungarian-Armenian diaspora was an expression of HungarianArmenian national self-awareness and the spiritual renaissance at the end of the 19th century and the beginning of the 20th century. the heart of the press was the popular scientific journal “Armenia” (1887 – 1907), written in Hungarian and edited by Kristóf Szongott, the key goal of which was to cover all aspects of Armenian studies. The journal served as an ambassador between the Armenian and Hungarian nations, connecting the HungarianArmenian diaspora with other nations living in Hungary. At the beginning of the 20th century, Hungarian-Armenians were publishing a number of weekly newspapers which played a significant role in the system of provincial press in Hungary with several distinctive features, primarily focussing on Armenian topics. These weekly newspapers may be divided into two groups: social-educational and political periodicals. They were published in Gherla, in Dumbrăveni and in Cluj by Hungarian-Armenian intellectuals. This paper presents a general analysis of weekly newspapers published in the city of Gherla only, representing the best Hungarian-Armenian periodicals at the end of the 19th and beginning of the 20th centuries.

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Elke Hartmann: Historiography as Nation-Building: The Armenian Colonies of Eastern Central Europe in Armenian Historiography and Memory after 1915 This paper is organized into five parts to analyse the place of the Eastern European Armenian colonies in Armenian historiography and collective memory after the catastrophe of 1915. The first part places the Armenian communities in Eastern Central Europe in the wider context of the Armenian diaspora as a whole before 1915. The second discusses what the terms “Armenian” and “historiography” mean in the context of the subject of this paper. As the year 1915 marks a turning-point in modern Armenian history, the third part provides some explanation of its character and significance as a watershed, its history and consequences, that is, the situation and self-comprehension of the Ottoman Armenians before and after the genocide of 1915. In the fourth part, the depiction of the Armenian colonies in Eastern Central Europe in Armenian historiography and memory after 1915 will be examined against this background. A distinction must be made between the Soviet Republic of Armenia and the Armenian diaspora. Another has to be made within the diasporan context, between the writings inspired by the Armenian Revolutionary Federation (ARF), the party which was in power during the First Republic of Armenia in 1918 – 1920, before the republic became part of the Soviet Union, and those of their opponents. The ARF became by far the most dominant political party in the post-1915 Armenian diaspora, and soon ARF writers set in advance a discourse in part even shared by their adversaries. Therefore, one particularly influential text, the “Memoirs of an Armenian Revolutionary” penned by the Armenian fedayi and high-ranking ARF leader Roupen Der Minasian, will be discussed in the fifth part. It is argued that, although the process of nation-building had begun among the Armenians in the Russian eastern part as well as in the Ottoman western part of Armenia during the 19th century as a cultural movement and had further developed at the end of that century with the emergence of revolutionary political parties, it was far from being completed before the radical break of 1915. Identity among the common population was defined in local, regional and confessional terms, and even the agenda of the revolutionaries took the Ottoman State as the given political framework in which Armenians could seek their freedom. It was only after the Ottoman option had been so radically destroyed in 1915 that nationalism developed among the surviving Armenians in the new colonies in the Middle East. Under these new conditions, an author like Roupen Der Minasian, who witnessed the quick assimilation of the Armenians in France when he wrote his memoirs, could portray Armenian colonies in Eastern Europe, largely assimilated before the age of nationalism, as warning examples of the loss of a national identity he worked to establish among his scattered compatriots.

Personenregister Alle Personen in einer Liste zusammengefasst Abas I., König von Armenien  99 Abbas I., Schah von Persien  29, 131, 144, 253, 321, 334, 495, 531 Abbas II., Schah von Persien  249 Abdülhamid II., Sultan des Osmanischen Reiches  500, 502 Abgar V., König von Edessa  94 Abgarowicz 482 Abgarowicz, Kajetan („Abgar Sołtan“)  414, 426 Abraam 81 Ábrahám, Emánuel  368 Ábrahám, István  368 Ábrahám, Luszig  368 Abraham, Patriarch  97 Ábrahám, Tódor  368 Abrahamowicz 416 Abrahamowicz, Sobieski  127 Abrahamowicz, Adolf  415 Abrahamowicz, Dawid  412, 417, 426, 430, 431 Abrahamowicz, Eugeniusz  412 Abū Tālib ibn ʿAbd al-Muttalib  298 Achikhozha  222, 534 Achwerdejowicz 130 Ady, Endre  306, 307 Afanas’ev-Čužbinskij, A. S.  73 Agapius Mabbugensis  19 Agop Pascha  481 Agopsowicz, Kajetan  406, 411, 429 Agulec‘i, Zak‘aria  146, 147, 149, 150 Ajwas, Dominik  408 Ákoncz, Emánuel Kristóf  368 Ákoncz, Gergely  368 Ákoncz, János Kristóf  368 Ákos  36 – 39 Aksemsettin  siehe Akşemseddin Akşemseddin 292 Alek‘san, K‘urdoc‘  147 Alekseev, Aleksandr  269

Aleksej Michailovič, Zar des Moskauer Reichs  142, 258, 268, 342 Alembek, Johann (Alnpekius, Ioannes/Alnpech, Hans)  234, 235, 237, 238, 239, 240, 245, 534 Ałēnc‘, Martiros  143 Alexander (Skander)  110 Alexander der Große, König von Makedonien 93 Alexander der Gute  112 f. Alexander VIII. 338 Alexander I., Kaiser des Russländischen Reichs  8, 276 f., 280 – 288, 298 f., 306 f., 419 Alexander II., Kaiser des Russländischen Reichs  424, 481 Ališan, Łevond  20, 34, 49, 58, 136, 425 al-Mansur, Kalif der Abbasiden  19 Altschaffer, Georg  317 Amalrich von Lusignan  106 f. Amirasat‘enc‘, Grigor  145 Amirasat‘ēnc‘, Grigor  143 Amling, Wolfgang  294 Andrássy d. J., Graf Gyula  455, 470, 475, 478 Andreas II., König von Ungarn Andraš II.  35 f., 103 Andreas III., König von Ungarn Andraš III. 40 Andronicus der Jüngere  107 Anjou-Tarent 107 Anonymus  25, 37, 39, 282, 423 Ansen’ 56 Antoniewicz 416 Antoniewicz, J. Bołoz  393, 415 Antoniewicz, Jakub  410 Antoniewicz, Karol Bołoz/Bołoz-Antoniewicz, Karol  408, 413, 418, 421, 4 Antoniewicz, Mikołaj/ Bołoz-Antoniewicz, Mikołaj („Mikołaj z Pokucia“)  408 f., 410, 414 f. Antoniewicz, Wincenty  409 Apanagyfalu, Salamon Gajzágó von  474

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Personenregister

Apor, Bedeuš  210 Apor, Lazar  210 Aporin, Ištvan  161 Apovenc‘, Grigor  145 Apovenc‘, Hovhannēs  145 Appelboom, Harald, 249 Apponyi, Graf Albert  454 Ařak’el 139 Arbaces, König von Assyrien  93 Aristakes Lastiverci  26, 99 Aristoteles  49, 245 Arłakowicz/Arlakowicz 127 Armenus, Haitonus (Patmich, Hetoum/ Hayto de Curcus)  235, 242, 534 Arpad  15, 26, 35, 463, 490 Arsakes der Große, Artaxerxes  93 Arslan 269 Artin (Háruthium) Dadian Pascha  481 Asalik 99 Askandarov, Hovhannēs  143 Ašot I., König von Armenien (Aschot)  92, 98 Asquier, Michel d’  313 Atabiowicz, Nicola  126 Atanasie Anghel  118 August II. (August der Starke), König von Polen  132 Augustus, römischer Kaiser  93 Augustynowicz, Aleksander  415 Augustynowicz, Florian  401, 406 Augustynowicz, Jakub Stefan, Erzbischof  67, 393, 398 Augustynowicz, Łukasz  401, 406 Awachaw (Avak/Awacscha), s. g. Avag  220, 227 f. Awag-Eganēnc‘ 152 Awagēnc‘ 152 Awetik‘  143, 154 Axentowicz 409 Axentowicz, Theodor  415, 428 f. Baden, Graf Hermann von  325 Bagrat Bagratuni von Taron  27 Bagrat IV., König von Georgien  98 Bagrat V., König von Georgien  110 Bahīrā  294, 297 – 299

Bahram, König von Persien Behrams  94 Bajdołowicz 126 Balduin de Bourg  102 f., 196 Bałramēnc‘  152 – 154 Bánffy, Baron Dezső  444, 452, 455, 473, 477 – 479 Bánffy, György  195 Bányai, Elemér  447, 491 Banyai, Elemer/Zuboly  486, 488 Bar Hebraeus  19 Barącz, Sadok  59, 126, 129, 395 f., 410, 414, 421 Barącz, Stanisław  415 Barącz, Tadeusz  415 Baranyai Decsi, János  293 Bartha, Dénes  379 Bartholomaios von Edessa  298 Baruir 93 Barun/Parun, Minas (Paronyan, Minas)  164, 167, 171, 176, 305 Basileios I., Kaiser des Byzantinischen Reiches  16, 22 Basileios II., Kaiser des Byzantinischen Reiches  16 f., 22, 26, 28 Basilius I. Bessarion, Kaiser von Trapezunt  110 Báthory, Andreas  127 Báthory, Sigismund, Fürst von Siebenbürgen  127 Báthory, Stephan, König von Polen  131, 531 Batu Khan  29, 32 Bedrosowicz, Simone  131 f., 531 Béla III., König von Ungarn  35, 41 Béla IV., König von Ungarn  18, 39 f., 42, 109 Béldi, Ferenc  390 Benczédi Székely, István  297, 299 – 302 Beodra, Graf Jenő Karátsonyi von  467 Beodra, László Karátsonyi von  475, 478 Beris, Johann Philipp  314 Bernatowicz  401, 421 Bethlen Betlen  172 f., 175, 178, 194, 207 Bethlen, Gabor  175, 182 Bethlen, Katharina  159 Bielski, Marcin  243 f. Bilagù Leon III.  105, 107 Bischofshausen, Johann Philipp von  325 Bismarck, Otto von  438

Personenregister

Bobrzyński, Michał  427 Bogdan der Armenier (vermutlich Donovac, Bogdan oder Donovacovici)  113 Bogdan der Blinden  113 Bogdan Vodă  91 Bogdanovič, D.  86 Bogdanowicz, Bernard  406 Bogdanowicz, Florian  410 Bogdanowicz, Franciszek  410 Bogdanowicz, Jan  406 Bogdanowicz, Krzysztof  411 Bogdanowicz, Robert  412 Bołoz-Antoniewicz, Jan  415 Bołoz-Antoniewiczowa, Marie  415 Bonfini, Antonio  292 f. Boniface VIII.  241, 243 Botsátzi, Jeremiás  379 Bozio, Thomas  242 Bozoki, Arpad  490 Brâncoveanu, Constantin  116 Braun, Georg  234, 240, 534 Bruer, B.  269 Brukenthal, Samuel von  187 Brüggemann, Otto  248 Budakovič, Lazar  183 Budzyński, Michał  409 Buiucliu, Grigore  91, 113, 122 Buiucliu, Măgârdici  121 Bunjatov, Kalust  265 Buonvisi, Francesco  308 Burebista, König der Daker (Boirebista)  93 Buzand, P’avstos  216 Bžškeanc‘, Minas  29 – 31, 33, 59, 64 f., 80, 420 Cafegi-Pascha 121 Calcobad 105 Cantemir, Dimitrie  120 Caprara, Alberto  309 f., 319 f. Capri 119 Caracalla, römischer Kaiser  94 Caraffa, Antonio von  316 Catergian, Josef  92 Chaczarys 126 Chelaùn 105

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Chernoj, Dmitrej  225 Cheuł 482 Chmielnicki, Bohdan  130 Chmielnicki, Timusch Hmilnitzki  117 Chosrau I., Großkönig von Persien Xosrov Anuširvan 17 Chosrom III., König von Persien (Cosroe III.) 99 Chrysostomus, Hl. Johannes  99 Cięglewicz, Kasper  408 Ciriako, Constantin  316 Clemens VII. 108 Confortino, Anton  113 Constantin Mavrocordat  122 Constantinus de montanis  101 Corbulo, Gnaeus Domitius  93 Coren, Moses von (Movses Xorenaci)  92, 95 Corniact, Konstantin  113 Costantino Moghila, Fürst der Moldau  127 Cristoforo  127 f., 130 Crusius von Krusenstiern, Philip  248 f. Czacki, Tadeusz  420 Czajkowski, Alfons  412 Czajkowski, Jan  409 – 412 Czajkowski, Michał  412, 417 Czajkowski, Władysław Wiktor  426 Czárán, Antal  379 Czarny, Lesco, Prinz von Krakau  233 f. Cziffra, Jakab  372, 379 Czifra, Mihály  379 Dane, Petrakki  317 Dane, Rudolph  317 Dániel  365, 464, 476 f. Daniel, Prophet  280, 293 f., 299, 303 Dániel, Baron Ernő  458, 467, 473, 475 f. Dániel, Baron Tibor  473 Dániel, János  473 Dániel, László  473, 479 Daniil, König von Tiflis  110 Daniel, Romanovič, Fürst von Galizien und Wolhymien  231 – 235, 245, 237 f., 534 Darius 303 Datevatsi, Moses  334

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Personenregister

Davi Beg (Daùd-beg)  116 David von Sasun Sasoun  513, 518 Davidovič, Golub  87, 372 Dávidovics, Dávid  372 Davydov, Nikolaj  265, 269 Dawidowicz 416 Dawidowicz, Bogdan  398, 402 f., 409 Dawidowicz, Dawid  410, 422 Dawt‘ēnc‘ 152 Deák, Ferenc  434, 438, 478 Defis, J.-M.  57 Deljanow, Iwan Dawidovitsch  481 Demeter, T'’eodoros  31 Dernschwam, Hans  276, 536 Dervackevič, M.  86 Deryofin 172 Diagh, Pal  324 Dilak‘ēnc‘  152 f. Dilanov 526 Diodato, Elias  319 Diodato, Jakob  319 Diodato, Johannes/Astouazatur, Ovanes  311, 319 f., 322 – 331 Diterix  173 f. Djebedjibaschi Murad Aga  329 Dmowski, Roman  426 Dobran, Petru  170, 173 f. Donabiedowicz 126 Dromichaites 93 Dschachat‘unēnc‘, Ałap‘iri  143 f. Dschahirunc‘, Voskan  143 Dschamalenc‘, Hovhandschan  145 Dschamalenc‘, Łukas  143, 145 Dschearkalanēnc‘, Hovhannēs  143 Dschuairi, Vachgum  143 Duca Vodă  157 Dwernicki, Józef  408, 429 Dzieduszycki, Wojciech  417, 430 f. Ekebohm, Jochum  251 Elferiev, Sidor  225 Elisabeth, Kaiserin des Russländischen Reichs 268 Emerencija 84

Eminowicz, Helena  410 Eminowicz, Julia  410 Eminowicz, Władysław  410 Engels, Friedrich  146 Enver Paşa  508 Ezechiel, Prophet  279 – 281 Eötvös, József Baron  436, 438 Ephraim der Syrier  99 Esra (Iezer)  98 Esterházy, János  321 Eusebius von Caesarea  99 Evliya Çelebi  291, 292 Evrejnov 272 Eznik von Kolb (Eznik Kołbaci)  99 Fabritius, Ludvig  140, 249 f. Fanosēnc‘, Fanos  154 Fanosēnc‘, Minas  154 Farasman, König von Georgien  96 Farnavazd, König von Georgien  96 Faruchowicz, Ch.  66, 67 Faustus von Byzanz  99 Fazyl-Bek 265 Fëdor Dmitrievič (von Kiev)  31 Fejérváry, General Baron Géza  455 Feldman, Wilhelm  427 Ferdinand IV., König von Böhmen, Ungarn und Kroatien  319 Ferdinand V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 211 Ferenc Dávid  siehe Franz Davidis Filipp, Filipkovič  85 Firmsēnc‘ 153 Fitzus, András  374 Fitzus, Márton  374, 377 – 379 Fixter 168 Flavius Josephus  239, 280, 307 Foran, John  246, 273 Franck, Ambrosius  317 Franz Davidis  292, 301 f. Franz Ferdinand, Erzherzog von Österreich  442 Franz Joseph I., Kaiser von Österreich  410, 437 f., 440, 453 – 456, 474

Personenregister

Franz I. Barbarossa, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches  291 Friedrich II., König von Sizilien  106 Gagĭga dùr (Hagĭgadur) 114 Gagik I., König von Armenien (Gagic I.)  98 f. Gagik II., König von Armenien (Gagic II.) 16, 27, 100 Gagik-Abas II. Bagratuni, König von Armenien 16 Gagik I. Arceruni  98 Gattája, István Gorove von  475 Genebrardi, Gilberti  242 Georg VII. 110 Gerak‘ēnc‘, Awetik‘  143 Gerak‘ēnc‘, Zak’ar  143 Gerak‘enc‘/Mirman-Gerak‘  145, 152 – 154 Géza II., König von Ungarn, Kroatien, Dolmatien und Rama  36, 38 Géza, Großfürst von Ungarn  38 Ghazan Ikhan, König von Persien  241 – 243 Gheorghe Ştefan  117 Ghevond 282 Gilanēnc‘  152 f. Gilgamesch 281 Gillyen, Kalman  486 Giułēnc‘, Grigor  143 Głuchowski, Kazimierz  415 Goes, Johann  314 Gołuchowski, Agenor  412, 417 Gopcsa, Jakabb  486, 489 Gopcsa, Laszlo  492 Gordian III., römischer Kaiser  94 Gorove  444, 464, 475, 477 Gregor der Erleuchter (Grigor Lusavorič‘)  95 Gregor von Tallar  217 Gregor XIII. 131 Gregor XV. 334 Gregorii  19, 228 Gregorio, Erzbischof  124 Gregorowicz, Tytus  410 Gregorowitz, Michael  316 Grigor Mamikonyan  19 Grigor Pahlavuni  35

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Grigor Tabonac'I  17 Grigor von Taron  22 Grigor'ev, Jakov  269 Grigorij, Filipkovič  85 Grigorij, Ivaškovič  84 Grigorovici, Peter  114 Gruneweg, Martin  54, 57, 79, 87, 90 Gustav II. Adolf, König von Schweden  248 Gyertyánffy 463 Habsburger  12, 179, 186, 189, 199, 209, 304, 310 – 312, 338, 401, 405, 411, 418, 422, 436 – 438, 442, 458, 460, 471, 509 Hadrian, römischer Kaiser  94 Hadziejowicz 126 Hadziewicz 407 Hagi-Anton 120 Hagi-Coh Varzares Mândrul  118 Haider, Jakob  316 Hajkazean 146 Hanusz, Jan  397 Hanway, John  268 Hasselquist, Frederik  268 Hasso-Manugiewicz, Mikołaj  399 Haykazn, David  219 Hebdon, John  270 Héder 38 Hedwig von Anjau, Königin von Polen  34 Heinrich von Zypern  106 – 108, 112 Helena 410 Heltai, Gáspár, siehe Caspar Helth Helth, Caspar  292 f. Herakleios, Kaiser des Byzantinischen Reiches  18, 98 Herczeg, Ferenc  454 Herkules 240 Herman, Antal  492 Herodes Agrippa I., König von Judäa  219 Hethum II., König von Armenien  105 Hetùm 220 Hetum von Pardzepert, König von Armenien 103 Hetum I./Hethum I., König von Armenien  99, 104 f.

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Personenregister

Hl. Agapitos  28 Hl. Anzas  217 Hl. Basilius  99 Hl. Boris  29 Hl. Gleb  29 Hl. Hieronymus Hl. Jakobus  482 Hl. Krisoleos  217 Hl. Kyrill (Cyril)  99 Hl. Liberos  217 Hl. Miniato (Minias/Minas)  217 Hl. Nune (Nino)  216 Hl. Paulus  296 Hl. Sergius  296 f. Hl. Servatius  217 Hl. Nino  97 Hl. Sophia  22, 100 Hl. Ursula  290 Hodja Arnavut Uzun İbrahim Pascha  321 Hoghenberg, A.  54, 88 Hohenheim, Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von  297 Hovhanissyan, Yeghia  492 Hrehorowicz, Pietro  127, 531 Hulagu (Húlegú), Fürst von Persien  105, 243 Hunanyan, Vardan  160 Hunyadi, János  siehe Johann Hunyadi Hunyadi, Johann  160 Iancu de Hunedoara  siehe Johann Hunyadi Iancu der Sachse  113 Ibn Fadlan  23 Ieremiea Movilă  113 Ignatius von Ararat  119 Iliaş 118 Ingigian, P. Lukas  92 Innozenz III. 102 Innozenz IV. 282 Innozenz XI. 310 Ioan Mavrocordat  119 Iolanta Courtenay  35 Ionà von Sivas  119 Isaac, Bischof von Suceava  115 Isaak (Sahak) der Große Sahac  95

Isabella (armenisch: Zabel) von Armenien  103 Isakowicz 416 Isakowicz, Izaak Mikołaj  404, 412 Islam Giraj III., Chan der Krim  130 Israyel 20 Israyēlēnc‘ 152 Issekutz, Győző  475 Iştvanovici, Mihai  116 Ivan Vasilevič  221 – 223, 533 f. Ivanov, Sergej  265 Ivanovich, Dmitry/Dmitrij Ivanovič Donskoj, Großfürst von Vladimir und Moskau  221, 223 – 226, 533 Ivaško, Filipkovič  84 Ivaško, Jurkovič  85 Izsaky, Lajos  486, 489 Jagiełło, Władysław  34, 126 Jakab, Bogdán  385, 479 Jakabb, Bogdán Jakabfi  480 Jakabffy, Imre  475, 479 f. Jakob, Patriarch  132 Jakobffy, Ioan  119 Jakov, Ivaškovič  84 Jakub Artin Pascha  481 Jakubowicz, Dominik  409 Jakubowicz, Hortensja  410 Jakubowicz, Józef  408 – 411 Jan III. Sobieski, König von Polen  308, 332, 415, 531 Janko  siehe Johann Hunyadi János, Lázár  368 Jánosi, Márton  368 Jarring, Gunnar  246 Jędrzejowicz 482 Jędrzejowicz, Adam  412 Jędrzejowicz, Edward  409, 412 Jędrzejowicz, Henryk  409 Jędrzejowicz, Stanisław  412 Jenkinson, Anthony  138 Jesaja 27 Jesus von Nazareth  94, 287, 290, 98, 300 Joachim von Fiore  293

Personenregister

Johann II. Kasimir, König von Polen  127, 129, 131 Johann III. Sobieski, König von Polen und Großfürst von Litauen  123, 131 f., 308, 531 Johannes der Bagratide  109 Johannes der Grausame  113 Johannes von Damaskus  280, 298 Johannes I. Tziskes, Kaiser des Byzantinischen Reiches 16 Jókai, Mór  466 Jordanes 295 Jordin, Johann Peter  330 Josef II., Kaiser  119, 182, 187, 193 – 197 Jovanscher 99 Juhász, Péter Melius  293, 301 Justinian  97, 291, 295 Jusuf 329 Kallisthenes von Olynth  281 K‘ařasmankanc‘, Karapet  143, 145 K’amalēnc‘, Ałazar  143 Kabdebó 463 Kábdebó, Antal  379 Kábdebó, Jakab  379 Kábdebó, Jenő  377 Kantakuzenos, Manuel  107 Kápdebó, Eugenius  377 Kápdebó, Márton  379 Kapitsa, Vasilej  225 Kapri 407 Kara Mehmet Pascha  315 Kara Mustafa Pascha  309, 316 Karapet Cabaragi  99 Karátsonyi  463, 464, 476, 479 f. Karl V. Leopold von Lothringen  308, 316 f., 323 f., 326, 328 Karl VI., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 339 Karl VI., Kaiser von Österreich  339 Karl X. Gustav, König von Schweden  246 Karl XI., König von Schweden  246 Karl III., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches  163, 166, 169, 179, 191 Karling, Sten  251

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Kasimir I., König von Polen  52 Kasimir III. der Große, König von Polen  33, 335 Katharina II., Kaiserin des Russländischen Reiches 345 Katholikos Johannes  99 f. Katholikos Abraham, 30 Katholikos Eleazar  337 Katholikos Jakob IV. 337 Katholikos Lazar Dahkec'i, Łazar  30 Katholikos Melchisedech  334 f. Katholikos Michael Sebastaci  334 Katholikos Moses Datevaci  334 Katholikos Sahag  95 Kavadj II. 288 Kemen, Farkas  202 f. Keresztes, István  379 Keresztes, János  368 Kezai, Simeon  36 f. Kiełczewski 128 Kilburger, Johann Peter  273 Kirak von Gantzak  99 Kirakos Ganjakec’i  36, 30, 31 Kis, Miklós Misztótfalusi  363 Kiss  463 f. Kiss, General Ernő  306 Klapka, György  436, 473, 488 Kollonich, Leopold  312 Koloman, König von Ungarn Kálmán  25, 41, 241 Koltschitzky, Georg Franz  311 – 317 Koltschitzky, Maria Ursula  317 Koniecpolski 129 Konopczyński 128 Konstantin 225 Konstantin der Große, römischer Kaiser  216 Konstantin IX. Monomach, Kaiser des Byzantinischen Reiches  16, 100 Konstantin VII. Porphyrogenitus, Kaiser des Byzantinischen Reiches  16, 98 Konstantin von Pardzepert, König von Armenien 104 Konstantin IV. (Guy de Lusignan), König von Kilikien  106 Korbuly, Bogdán  387, 389

552

Personenregister

Korbuly, Jozsef  486 f. Koriun Goriun  99 Kornis, Mihály  192 Kossuth, Lajos  435 f. Kovács, Antal Lemhényi  376 Kovács, József Bánkfalvi  376 Kováts, Jósef Bánkfalvi  379 Kövér, Gergely  374, 379 Koveria, Kuzma  225 Kraszewski, Józef Ignacy  417 Kritsa, István  379 Kritsa, Izsák  378 Kritsa, Lukács  379 Kritsa, Márton  378 Kritsa, Péter  378 f. Kromer, Martin/Chromerus, Martinus  234 f., 237 f., 240, 244, 534 Krusiński 126 Krzeczunowicz, Aleksander  412, 426, 430 Krzeczunowicz, Izydora  430 Krzeczunowicz, Kornel  409 – 412, 430 f., 433 Krzeczunowicz, Walerian  430 f. Krzeczunowicz 430 Krzysztofowicz 482 Krzysztofowicz, Jakub  411 Krzysztofowicz, Jerzy  415 Krzysztofowicz, Mikołaj  412 Kuniz, Georg Christoph von  309 f., 315 Kutlubej, Noradyn  126 Kutluk, Schah  105 Kyros, König von Persien Kyrus  92 Ladislaus I., König von Ungarn Laslo der Heilige  41 Ladislaus IV., König von Ungarn Laslo IV. 36, 40 f. Laimdjibaschi Sefer  328 Laszki, Gregorius Armenus de  126, 531 Laszlo Gyulafin  127, 172 Laszlo, Marton  436, 486, 489 Lázár  365, 463, 525 Lázár, Antal  377, 379 Lázár, Kristóff  379 Lázár, Zakariás  379

Lazarev, Artemij  268 Lazarus von Pharbe  99 Leaci, Simeon dpir  58, 78 Lebăda, Hariton  120 Lebăda, Hulubeiu  120 Ledóchowski, Mieczysław  423 Lehaci, Simeon (Leaci, Simeon) Lehermit, Kaspar  270 Lengyel, Zoltán  468, 475, 491 Leo (Arakel Babakhanian)  498, 515 Leo I., Fürst von Armenien  103 Leo V./Leon V., Kaiser des Byzantinischen Reiches Levon V.  16 Leo III., König von Kleinarmenien Leon  35 Leon, Oxendie  120 Leopold I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches  156, 161, 308 f., 312, 319, 323 f., 327, 338, 365, 383 Leopold II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 198 Lerch, Johann Martin  317 Leslie, Walter von  314 Lev Danilovič  232 – 235, 245, 534 Levon II., König von Kilikien  35, 100 Levon V., König von Kilikien  100, 533 Lichtenberger, Johannes  290, 293 Liebenberg, Johann Andreas von  317 Lipsius, Justus  239, 534 Livius, Tit  239 Loris-Melikov, Michail  352 Łōšłarēnc‘ 153 Łoziński, Władysław  62, 66, 127, 417 Łrimec', Martiros  30 Lubomirski 127 Luca, Isaak de  311, 319 Luca, Lelio de  315 Ludwig I., Großherzog  206 Ludwig I., König von Ungarn, Kroatien und Polen  34 Ludwig XIV., König von Frankreich und Navarra  116, 308 Lukács  448 f. Lukács d. J., György  479 Lukács, Béla  465, 473 – 476

Personenregister

Lukács, György  447 f. Lukács, László  474 f., 477, 484 Lukács, Theodor  183 Lukácsi (Lukácsy) Kristóf  20, 36, 109, 117, 119, 338, 446, 486 Lukácsi, Miklós  368 Łukasiewicz, Ignacy  408, 418 Lukatch Familie  526 Lukáts, István  372 f., 379 Lusikenc‘, Apov  143, 146 Lusikenc‘, Esaji  145 Lusikenc‘, Grigor/Lusikenc‘, Marut‘/Lusikov, Grigor 145 Luther, Martin  290, 293 f. Makarov, Vasilij  265 Mamai, Emir der Goldenen Horde  222 – 230, 533 f. Mamigonian, Vahan  99 Mancinelli, Jules  113, 115 Mangu/Mungke, Großchan  242 Mangu-Khan, Großer Khan des Mongolischen Reiches 105 Mańkowski, T.  62, 66 – 69 Manuel Komnenos, Kaiser von Byzanz  102 Mánya, Izai  361 Marburg, Leonhard von  46 Marco Polo  91 Margar, Azar  149 f. Margar, Tēr  149 f. Margarethe von Soissons  107 Margarita Teresa von Spanien  312, 338 Maria Regina Josepha  329 Maria Theresia, Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches  116, 171, 174 – 176, 181, 185 f., 188 – 193 Mark Aurel, römischer Kaiser  94 Markiewicz 132 Markovics, Janos  486 Márkovits, Sándor  388 Marton, Laszlo  489 Martonffy, Marton  486, 491 Matt’eos Urhayec'  17, 26 f. Matthias, König  289, 296 Matthias Flacius  296

553

Maurikios, Kaiser des Oströmischen Reiches  17, 495 Mauritius 98 Mechitar Sebastaci  339, 340 Mehmed Beg  328 Mehmed Giraj, Chan der Krim  130 Mehmed IV., Sultan des Osmanischen Reiches  129, 536 Meister Nikolaios  siehe Kis, Miklós Misztótfalusi Melanchthon, Philipp  293 – 301 Melchior, Georgius  328 Melek İbrahim Pascha  325 Melius  293, 301 f. Melk‘um, Młdsi [d.h. Jerusalempilger]  149 Merza, Gyula  492 Mesgnien de Meninski, François (Franciszek Meninski) 315 Mesrop Măstoc  95 Methodius von Olympos  97, 286 f. Methodius von Patara  siehe Methodius von Olympos Michael der Tapfere  114 Michael II., Großfürst von Tver’ Michail  221 f. Michael I. Apafi  156, 158, 166, 172, 338 Michael II. Apafi  158 f., 163, 167, 172, 178 Michael IV., Kaiser von Byzanz  100 Michalowitz, Georg  316, 323 Micu-Klein, Inocenţin  171 Miechów, Matthew de (Maciej Miechowski)  239 Mihály I. Apafi  365, 367 Mikljaev, Petr  268 Mikó, János  376 Mikolaevič 85 Mikszáth, Kálmán  453 Mikuli, Karol  414 Minas, Bischof  117, 160, 382 Minasian, Roupen Der  494, 500, 517, 519 f. Minasiewicz, Adolf  408 Minasowicz 127 Minasowicz, Józef Epifanius/Epifanii  418, 420 Minasowicz, Piotr Leopold  408 Minasowicz, Tomasz  414 Minciună, Nicolae  115

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Personenregister

Mir Mahmud Hotaki, Schah von Persien  496 Miret‘ēnc‘, Astuacatur, der Kalantar von Julfa  142 f., 148 Mirmanēnc‘  152 – 154 Mirzabēgēnc‘, Ałap’iri  143 Misir, Vasile  121 Mithridates der Parther  93 Mkrtič‘, Bischof in Neu Julfa  152 Mochnacki, Dymitr  408 Mohammed IV. (Moulay Muhammad ibn Abd al-Rahman), Sultan von Marocco  129 Mohammed-Ali 105 Mojzesowicz, Mikołaj  402 Molnár, Antal  164, 446, 474 f., 477 Montecuccoli, Raimondo  314, 328 Moszoro, Grzegorz  408 Moszoro, Mikołaj  420 Movses Kałankatvac’i  18, 20 f. Moysa-Rossochacki 407 Muhammad, Prophet  295 – 302 Murad IV., Sultan des Osmanischen Reiches Murat-Chan, Agaker  265 Muratowicz, Sefer  131 Mušełēnc‘ 152 Nabu-kudurri-usur 303 Nadir Schah, Schah des Persischen Reichs  264 Nagy, Gyorgy  490, 491 Nagybacon, József Baló from  377 Nahabed, Patriarch  131 f. Napoleon Bonaparte  200 Narses von Lampron  104 Nazar, Xoa  144, 146 f., 149 Nebukadnezar  siehe Nabu-kudurri-usur Nehemb, Dietrich Heinrich, Freiherr von  330 Nekomat Surozhanin (of Surozh)/ Surozhanin  220 – 230 Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus, Kaiser des Römischen Reiches  93, 96, 276 Nersisjan, Safar  250 Nestorius, Patriarch  297, 299, 302 Nichanian, Marc  498, 499 Nigrelli, Ottavio  330 Nikolaevič 86

Nikolai 22 Nikolaios, Master (Misztótfalusi Kis, Miklós) 363 Nikorowicz  406 f. Nikorowicz, Antym  408, 410 Nikorowicz, Gregor  132 Nikorowicz, Ignacy  410 Nikorowicz, Józef  413 f., 414, 418 Nikorowicz, Paweł  406 Nizkirka, Johan  114 Noel, Erasmus  310, 318 – 320 Novák, Márton  386 f., 389, 391 Nubar Pascha  425, 480 Nurkiewicz, Giacomo  132 Nurveli, Kalust  318, 320 – 328, 330 Oglu, Mina Tschilifdar (oder Silihdar), Bischof 117 Olbia 93 Olearius, Adam  136, 258 Ołlu, Minas Zilifdar  160 Ontonov, Semion  225 Oppiso, Kardinal  237, 244 Orbán, Balázs  381, 384, 443, 540 Orbelian, Stephans  99 Ordin-Naščokin, Afanasij Laurentevič  140, 259 Ori, Israel  116 Ormanian, Maghakia (Malachia)  95 f., 515 Oskan, Vardapet  151 Ossoliński 130 Ostej, Fürst von Litauen  224, 226 P‘anosēnc‘, Minas  143, 153 Paget, William  115 Pallaviccini, Opizio  160 Pangradius (Pangratie)  101 Pap, Baron Géza  475 Papp, Bogdan  486, 489 f. Papp, Gustav  490 Paracelsus, siehe Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim  290 Parthamasiris, König von Armenien Barthamessir (Partamazir) 93

Personenregister

Parthamaspates, König von Parthien Barthamispat 94 Passakas 482 Patruban/Patrubány, Márton  185, 188, 192 f., 364 Paul V.  334 Paulsen, Zachar  270 Paulus Diaconus  296 Péchy, Graf Manó  465 f. Persjan-Axentowicz, Jakub  409 Peter der Hinkende  114 Peter I., Kaiser des Russländischen Reichs  107, 108, 261, 265, 267, 345 f. Peter von Zypern  112 Petik, Kirakos  138 Petik, Sanos  139 Petik, Xoa (Chodscha)  138 f. Petrowicz, Gregorio  334, 482 Petru IV. Rareş  113 Petrus, Ramus  239 Petrus Venerabilis  293, 297 Petrycy 49 Petrycy, Sebastian  245 Peucer, Caspar  294 f. Pharasman (Farasman) III., König von Iberien/ Kaukasien 94 Philip de Lange  106 Philip von Tarent, Kaiser von Byzanz  106 Philitzis 108 Philon 302 Phogoyan, Tivadar/Fogolyan, Tividar  487 Phokas 100 Phokas, Nichifor  100 Pierre de Courtenay  35 Piniński, Leon  416 f., 427 Pintrshoffen, A.-F.  57 Piotrowicz 127 Piotrowicz, Cristoforo  130 Piotrowicz, Zaccaria  130 Piramowicz, Grzegorz  418 Piromalli 151 Plinius d. Ä.  95 Podlewski, Edward  431 Polit-Desančić, Mihajlo  467 Potocki 127

555

Potocki, Alfred  416 Potoczki, Jan Antoni  399 Pozzo, Hieronymus  323 Psararis 108 Pseudo-Ephraim  287 f., 293 Pseudo-Kallisthenes  280 f., 283, 286, 294 Pseudo-Methodius  286, 288, 290, 293 f., 299, 307 Radamist 96 Radu der Große  114 Radziejowski, G.  129 Rákóczi, Franz II.  161 – 163 Ramon Lull  293 Razin, Sten’ka  141 Reningen, Simon Reniger von  314, 319 Richelieu, Armand-Jean du Plessis  116 Ricoldo da Monte di Croce  293 Robert von Anjou, König von Neapel  106 Robert von Ketton  293 Rodionov, Konstantin  268 Romanos I. Lakapenos, Mitkaiser des Byzantinischen Reiches mit Konstantin VII. 16 Romanos III. Argyros, Kaiser von Byzanz  98 Romanos, Kaiser von Byzanz  100 Romaszkan  407, 428, 430 Romaszkán  482, 482 Romaszkan, Jan  402 Romaszkan, Mikołaj  404, 409, 411 Romaszkan, Piotr  408 f. Romaszkowicz  127 f., 130 Romodamski, Step’an/Řomodamski, Stepan  134, 141 Rosco-Bogdanowicz, Marceli  409 Rosco-Bogdanowicz, Robert  421, 424 f., 430 Roska, Márton Rshtuni, Sargis  492 Rudolf II., König von Ungarn und Kroatien  127, 278 Šachrimanjan  256, 259 Safar 254 Safarov, Matvej  265

556

Personenregister

Šahrimanēnc‘, Margar  154 Saint-Martin 93 Salarev, Dementej  225 Salarev, Mikhailo  225 Sámuel Aba, König von Ungarn  21 Samuil, Zar des bulgarischen Reiches  21 f. Sanēnc‘, Hovsēp‘  143 Sanguszko, Maria Klementyna  416 Sarata 273 Sarfraz, Xoa  144 Sarı Süleyman Pascha  325 Sárosi, Ferenc  387, 389 Sattler, Maximilian  321 Savoyen 107 Scalvinoni, Hieronymus  327, 329 Schahichasēnc‘, Pstikała  143 f., 147 Schahin, Wardan Bonaventura  321 Schahinschachi 98 Schahnazar 147 Schahrimanēnc‘, Margar  143 Schapur II., König von Persien  94 f. Schiachin, Calixt  321 Schmid, Johann Rudolf  318 f. Scholtes, Albert  486 Schönberger, Adam  318 Schröder 254 Schwegler, Heinrich Christoph  154 Sdeckevič, Nikolaj (Steckevič, Nikolaj)  86 Sebeos 99 Selb, Johann Gabriel von  105 Semlyen, Hugo  486 Sempad, Bruder von Hethum II. und König von Armenien  99, 105 f., 243 Senek'erim Arcruni, König von Vaspurakan  27 Seneqerim Johannes Arcruns, König von Vaspurakan Senekerim  27, 35 Serebkowicz, Cristoforo  127, 128 Serebkowicz, Pietro  127, 531 Sergeev, Sergej  260, 265 Sergius, Patriarch  295 Sergius Bahīrā, siehe Bahīrā  298 Serhadly, Stefan  316 Sever Muratovici  114

Shabinkarahrisari, Gabriel Hisar, Gabriel Schebbin Cara  329 Shikh, Ivan  225 Shvarno Danilovič  244 Sibinjanin Janko, siehe Johann Hunyadi  288, 290 Sienkiewicz, Henryk  417 Sima, Dr. Janos  487 Simai, Gergely  492 Simay, Gergely  386, 389 Simay, János  386, 388 f. Simay, Kristóf Jr.  385, 389 Sinan 34 Sinzendorf, Graf Ludwig Georg von  320 Širvanov, Luki  262, 275, 352 Słowacki, Juliusz  417 Smbat I., König von Kilikien  99 Smbat II., König von Kilikien  99 Sobieski, Johan III. 308 Sohem 94 Solikowski, Jan Dymitr  48 Solomonov, Sergej  265 Somosköz, István Jakabffy von  468 Songotyan, Khachik  485 Šorin, Bogdan  268 Šorin, Vasilij  268 Stadion, Franz  402 Starhemberg, Ernst Rüdiger von Stahremberg 323 Ştefăniţă, Fürst der Moldau  113 Stefanowicz Familie  407 Stefanowicz, Kajetan  415 Stefanowicz, Samuel Cyryl  399, 418 Stefanyk, Wasyl  426 Steinwille Štaynville  164 Sten’ka Razin’  141, 249 Stepanos 218 Stephan I., König von Ungarn (István I.)  22 Stephan V., König von Ungarn (István V.)  36 Stiegel, Johann  239 Stolypin, Petr  347 Strasser  327 f. Subotai 26

Personenregister

Sulejman, Costante/Conte de Syri/Zgòrski  131, 531 Sultan Mahmud  105 Sultaniec 114 Süveneck, H.  269 Szadbey Familie  482 Szadbey, Grzegorz Ignacy  414 Szajnocha, Karol  411 Szamosújvárnémeti, Márton Dániel von  475 f. Szamosújvárnémeti, Pál Dániel von  467, 473, 475 f. Szappanos, Istvan  490 Szarokán, Gergely  379 Szeged Kis, István  301 f. Szentiványi, Károly  390 Sziget, Ferenc Buzáth von  458, 475 Szilágyi, Dezső  448 Szőcs, Keresztes  368 Szongott, Kristóf  350, 360, 392, 481, 487, 539, 543 Sztárai, Mihály  302 Szymonowic, Szymon  418 Szymonowicz  407, 429 Szymonowicz, Grzegorz  411, 420 T‘ałarinc‘, Valeandis  143 T‘ašvalēnc‘ 152 T‘op‘č‘ēnc‘, Safar/T‘op‘tschenc‘, Safar  143 Tacitus 91 Taksony, Großfürst von Ungarn  25, 38 Tamerlan, siehe Timur Lenk  100 Tanais 93 Târgul Vechiu  121 Taron, Ašot von, Sohn des Fürsten Grigor von Taron  22, 35 Tarpinian, Roupen  518 Tatiščev, Vasilij  264 Teleki, László  436 Teleki, Sámuel  209 Teodorowicz 416 Teodorowicz, Antoni  421 Teodorowicz, August  421 Teodorowicz, Józef Teofil/Theodorowicz, Józef  418, 424 – 429 Teodosius der Große, Kaiser von Byzanz  95

557

Tēr, Ananēnc‘  152 Tēr-Dawt’ean, Hovhannēs  145 Tēr-Hovhaneanc‘, H.  144 f., 152 Terlemezian, Mihran  522 Tertullian 95 Thadeos 111 Thamar, Königin von Georgien  101, 110, 117 Thaumaturgus, Simeon (Sk‘anč‘elagorc)  219 Theodoros Laskaris  35 Theodorovitch 524 Theodorowicz, August  409 Theodorowicz, Leon  415 Theodosius 110 Thököly, Emmerich Graf, Fürst von Siebenbürgen  321 f., 325 Thomas von Aquin  293 Thomas Arzeruni  99 Thumán, Jakab  368 Thuri, Mihály  388 Thürman, Ferdinand  408 Tigran Pascha  480 f. Tigran II. (Dicran), König von Großarmenien  93 Timur Lenk  99, 110, 300 Tiridates der Große, König von Armenien  93 Tisza, István  442, 447, 455, 491 Tisza, Kálmán  438, 444, 452, 454 Tóbiás, József  372, 374 – 377 Toktamisch, Khan der Goldenen Horde  33, 126 Tolnayin, Janos  179 f. Tomaszewicz, K.  54, 64, 89 Toros, König von Kilikien  102, 105 Torosiewicz 412 Torosiewicz, Emil  411 f. Torosiewicz, Franciszek  411 Torosiewicz, Henryka  410 Torosiewicz, Jakub  410 Torosiewicz, Józef  404 Torosowicz, Nicola  335 – 337, 537 Torosowicz-Wieniawski  128 f. Trajan, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 93 Trdat der Große/Trdat III., König von Armenien  93, 216 Tschorbadji Ahmed  329

558

Personenregister

Ujejski, Kornel  413 Ulfila 96 Urban VIII.  117, 334 Urmánczy, Nándor  468, 475 Uscatul 121 Ustabaschi, Hakobdschan  143, 148 Vákár, Gergely  379 Vákár, János Jakab  368 Valarsace (Vargharschag)  93 Vanandetsi, Ghukas  139 Varantian, Mikayel  515 Vardan Vartabiet  99 Vartan, Hunanian  117, 160, 337 Vartanov, Jakov  260, 265 Varticovici, Juraschko  113 Virziresco, Oxendio  117 – 118, 157, 159, 167, 183, 382, 532 Vasil’ev, Safar  265, 352 Vasile Lupu  116 f. Veliaminov, Ivan Vasilievič  221, 533 Veniamin 221 Vertán, Endre  475 Verzár, Emánuel Sr.  388 Verzár, István Jr.  387 f., 391 Verzár, István Sr.  388 Vesiakov, Timofej  225 Vestervelde, A. van  54, 56 Villani, Giovanni/Villaneus, Ioannus  242 Visconti, Morando  162 Vladimir I. Svjatoslavič, Großfürst von Kiev  28 Vladimir Vasilkovič, Fürst von Wolhynien  226 Vollrats, Alexander Greiffenklau von  319 Volynskij, Artemij  265 Vorsi, Sima  114 Vratsian, Simon  515 Wakhtang IV., König von Georgien  116 Wallis 172 Warteresiewicz, Kajetan Augustyn  420

Warteresiewicz, Ksawera  410 Warterysiewicz 126 Wartorosiewicz 417 Wasilowicz, Cristoforo  127 Weninger, Vince  478 Wertán, Cajetán  379 Wertán, István  374, 379 Wesselényi, Baron Miklós  435 Westervelde, A. van  84 Wittelsbach, Konrad von  103 Władisław IV. Wasa, König von Polen  31 Władisław Jagiełło  34 Xačik, Melik‘ała/„Pstikała“  144 Xačik, Xoa, Kalantar von Alt Julfa  144 Xōēnc‘, Mec  152 Yovhannisean, Ašot  134 Ywanis 228 Zachariás, István  378 Zachariás, Miklós  378 Zachariasiewicz, Franciszek Ksawery  393, 399, 421 Zachno 126 Zadykowicz 49 Zak‘ar  143 – 147, 149, 154 Zaleski, Filip  417, 430 f. Zaleski, Wacław  430 f. Zbaraski, Cristoforo  128 Zeidler, Benedikt Norbert von  330 Zichy, Janos  492 Zichy, Karoy  205 Zimiskes, Johannes  16, 100 Zimorowic, Bartłomiej  418 Zimorowicz, J. B.  66 – 68 Zohrab, Hovhannes  420 Żółkiewski  127 f.

Geographisches Register Abrudbánya 166 Adrianoúpolis  siehe Edirne Aghabebian 120 Agulis  139, 146 – 149 Aiud 185 Aknavásár  siehe Târgu Ocna Aksaray  29, 31 Alba Iulia  38, 165, 198 f., 289, 238, 465 Aleppo  105, 116, 198, 138 f., 256, 268, 358, 497, 506, 521 Alexandretta  siehe İskenderun al-Iskandariyya 186 al-Mauṣil 327 al-Quds  siehe Yerushalayim Amasia  siehe Amasya Amasya  100, 105, 109 109 Amida  siehe Diyarbakır Ammóchōstos  siehe Famagusta Amsterdam  55, 89, 135, 138 f., 145, 246 – 251, 254, 256, 258, 269 f., 275, 535 Andújar 107 Ani  59, 98 – 100, 109 f., 355, 356, 357, 358, 424, 523, 530 Antakya  27, 93, 101, 103, 115 Antalya 107 Antiochien  siehe Antakya Arad 473 Archangel’sk  138, 140, 247, 256, 258, 263, 269, 270, 272 Armenierstadt  siehe Gherla Armenopolis  siehe Gherla Arzen  siehe Erzurum Astrachan’  136 f., 145, 256 – 259, 265 – 267, 269, 343 f., 347 – 350 Athen  siehe Athína Athína 290 Augsburg 55 Ayas  106 – 108, 110 Azak  siehe Azov Azov  225, 229

Bacău 122 Bachtschyssaraj  siehe Bachčysaraj Bachčysaraj 130 Bağçasaray  siehe Bachčysaraj Baghdad  236, 327 Bairūt  518, 521 Bákó  siehe Bacău Balaklava 225 Balta 47 Baracháza  siehe Bărăteaz Bărăteaz 468 Baratzhausen  siehe Bărăteaz Barchau  siehe Bacău Basel  239, 302 Bățanii Mari  377 Bayt Laḥm  159, 281, 446 Becicherecul Mare  siehe Zrenjanin Bégaszentgyörgy  siehe Žitište Beirut  siehe Bairūt Belgrad  siehe Beograd Belz 47 Bełz  siehe Belz Beodra  463, 467, 475, 478 Beograd  101, 288, 309, 311, 314 f., 318, 321, 330 Berežany  46, 53, 72, 76, 80 f., 395, 397, 399, 410 Berlin  246, 580 Beszterce  siehe Bistriţa Bethanien 101 Beth Armaye  298 Bethlehem, siehe Bayt Laḥm Beudra  siehe Beodra Bilhorod-Dnistrovskij  82, 112, 225, 231, 525 Bilohirs’k 345 Birk  siehe Petelea Bistriţa  118, 157, 161, 164 – 166, 357, 367, 382 Bistritz  siehe Bistriţa Bolgar  23 – 25 Bosra  siehe Buṣrā Botoşani  112, 116 – 118, 120 – 122, 356, 358 Braşov  43, 118, 128, 158, 166, 188 – 198 Brassó  siehe Braşov

560

Geographisches Register

Bratislava  237, 319, 390, 463 Brody  46, 397 Brügge 104 Brzeżany  siehe Berežany Bučač 47 Buczacz  siehe Bučač Buda  36, 38, 42, 291 f., 303, 309, 326, 386, 537 Budapest  435, 458, 461, 466, 484 f., 488 f., 491 – 493, 522 Bursa 310 Buṣrā  297 f. Byzantion  siehe İstanbul Caben 101 Caesaraea  siehe Kayseri Caffa  siehe Feodosija Cameniţa  siehe Kam’janec’-Podil’s’kyj Capru 98 Cecora  siehe Ţuţora Cetatea-Albă  siehe Bilhorod-Dnistrovs’kyj Chalcedon  218, 297, 300, 533 Chembalo  siehe Balaklava Chennai  496 498 Chicago 415 Chios 115 Chocim  siehe Chotyn Chotyn  116, 112, 128 Cluj Napoca  158, 292, 371, 385, 461, 485, 542 Cotnari 114 Csíkszépvíz  siehe Frumoasa Cernăuţi  siehe Černivci Černivci  397, 404 Cuturi  siehe Kuty Czernowitz  siehe Černivci Damaskus  siehe Dimašq Dandanakan  siehe Dandānqān Dandānqān 26 Danzig  siehe Gdańsk Dašt 152 Debrecen  301, 478 f. Debrezin  siehe Debrecen Derbent 21 Deva 167

Dévény  siehe Devín Devín 306 Dicsőszentmárton  siehe Târnăveni Diemrich  siehe Deva Dimašq  241 – 243 Diósgyőr 34 Diyarbakır  96, 281 Duin  siehe Tovin Dumbrăveni  118, 157 – 159, 163, 166 – 169, 171 – 184, 187, 189, 194 – 196, 201 f., 210, 338, 357, 364, 367 – 370, 382 f., 449, 485 f., 532, 543 Durazzo  siehe Durrës Durrës  52, 101 Dvin 355 Ebesfalva  siehe Dumbrăveni Ecica Română  siehe Ečka Ečka 463 Écska  siehe Ečka Edessa  siehe Şanlıurfa Edirne 326 Etschmiadsin  siehe Ēǰmiacin Eger 301 Eisenburg  siehe Vasvár Ēǰmiacin  100, 131, 420, 424 Elisabethopolis  siehe Dumbrăveni Elisabethstadt  siehe Dumbrăveni Eperjes 34 Ephesos 297 Eppeschdorf  siehe Dumbrăveni Erewan  148, 539 Érsekújvár  siehe Nové Zámky Erzîrom  siehe Erzurum Erzurum 98 Erzsébetváros  siehe Dumbrăveni Esfehān  29, 134 f., 142, 144, 148, 247 – 251, 253, 265, 321, 495, 499, 535 Eski Qırım  siehe Staryj Krym Esztergom  15, 25, 36, 38 – 42, 308 f., 529 Ewdokia  siehe Tokat Famagusta 110 Fehérvár  siehe Székesfehérvár Feldebrő  21 f.

Geographisches Register

Felfalu  157, 357 Feodosija  23, 29, 33, 46, 52, 66, 68, 109 – 112, 225, 227, 231, 356, 530, 533 Ferrara  332 – 334 Firenze  104, 112, 217, 332 – 334 Florenz  siehe Firenze Focşani  116, 356 Făgăraş 158 Fogaras  siehe Făgăraş Foksány  siehe Focşani Frankfurt  55, 252, 269, 319 Frumoasa  118, 157, 183, 357, 369 f., 378, 382, 458, 461, 532 Gaṙni 276 Gask  148, 152 Gazimağusa  siehe Famagusta Gdańsk  57, 366 Genève 502 Genf  siehe Genève Genova  103, 107, 112, 256 Genua  siehe Genova Gevaş 98 Gheorgheni  157, 173, 183 – 184, 188 – 191, 203, 207 – 209, 211, 305, 357 f., 367 – 379, 381 f., 458, 461, 532, 540 Gherla  45, 47, 51, 118, 160 – 164, 167 – 178, 181 – 190, 195 f., 198 – 211, 306, 325, 338, 357, 360, 362, 364, 367, 382, 443 f., 446 f., 449, 450, 458, 460, 461, 464 – 467, 471, 473 – 475, 477, 479, 485 – 491, 493, 496, 542 Giula  siehe Gyula Görgen  siehe Gurghiu Görgényszentimre  siehe Gurghiu Gorigos  siehe Korykos Gran  siehe Esztergom Grigoriopol’ 344, 351 Großbetschkerek  siehe Zrenjanin Großkirchen  siehe Nagykanizsa Großsanktniklaus  siehe Sânnicolaul Mare Großwardein  siehe Oradea Gurghiu  118, 157, 161 – 164, 165 f., 184, 357 Gyergyószék  307, 536 Gyergyószentmiklós  siehe Gheorgheni

561

Győr  321 f., 324, 328, 330 Gyula 304 Gyulafehérvár  siehe Alba Iulia Hamadān 116 Hamburg  258, 265, 269 Harhigi 100 Hayak’ałak‘  siehe Gherla Hermannstadt  siehe Sibiu Heves 21 Hódmezővásárhely  303, 479 Homs siehe Ḥumṣ Horhi  293, 301 Horodenka  47, 53, 395 – 400, 402, 408, 432 Hotin  siehe Chotyn Ḥumṣ  105, 241 Iaşi  111 – 113, 115 f., 118, 121 f., 356, 358, 407 Ibaşfalău  siehe Dumbrăveni Iernut  173 f. Ilgendorf  siehe Ilieni Ilieni 466 Illyefalva  siehe Ilieni Ioneşti  siehe Hódmezővásárhely Ioniţă 103 Isfahan  siehe Esfehān İskenderun 107 İstanbul  76, 96 f., 100, 102, 105, 115, 117, 127 – 129, 131 f., 136, 218, 256, 309 – 312, 314 f., 318 f., 321, 323, 326 f., 332, 357, 503 f., 514 f., 520 Itil  20, 23 Ivano-Frankivs’k  45, 47 – 50, 53, 56, 59, 71 – 73, 76, 80 f., 395 f., 399 – 401, 406, 410 f., 418, 430 İzmir  106, 136, 138, 256, 268 Jazlovec’  45, 47, 50 f., 56, 59, 61, 79 f., 53, 65, 71, 73 – 77, 81, 356, 397, 399 Jazłowiec  siehe Jazlovec’ Jassy  siehe Iaşi Jerusalem  siehe Yerushalayim Jitişte  siehe Žitište Józefgród  siehe Balta Jowła  ̌ 29, 140, 246, 252 – 257, 259 f., 265 f., 274, 535 Julfa siehe Jowła ̌

562

Geographisches Register

Kaffa  siehe Feodosija Kahramanmaraş  27, 503 Kaliningrad  251, 265 Kalkātā  145, 496 Kalkutta  siehe Kalkātā Kamieniec Podolski  siehe Kam’janec’-Podil’s’kyj Kam’janec’-Podil’s’kyj  32 – 34, 45 – 47, 49 – 51, 53 – 55, 57 – 61, 63 – 65,70 f., 73, 75, 77 – 83, 88 – 90, 111, 123, 129, 157, 356, 419, 530 Kaniža  siehe Nagykanizsa Karasubazar  siehe Bilohirs’k Karlowitz  siehe Sremski Karlovci Karlovy Vary  481 Karlsbad  siehe Karlovy Vary Karlsburg  siehe Alba Iulia Kars  100, 503, 517, 520, Kaschau  siehe Košice Kassa  siehe Košice Kayseri  105, 114 Kazan’ 257 Kézdiszentlélek  siehe Sânzieni Khatuna 120 Kiew, siehe Kyjiv Kizljar  344, 350 Klausenburg, siehe Cluj-Napoca Kochavina 404 Kochawin, siehe Kochavina Köln  54, 88 Kolozsvár  siehe Cluj-Napoca Komárom/Komárno 326 Komorn  siehe Komárom/Komárno Königsberg  siehe Kaliningrad Konstantinopel  siehe İstanbul Korykos 107 Košice 491 Köttnersberg  siehe Cotnari Kozan  29, 30, 103 f., 107 f., 335 Krakau  siehe Kraków Kraków  111, 234, 239, 245 Kronstadt  siehe Braşov Kryvotuly 99 Krzywotuły  siehe Kryvotuly Kutaisi 99

Kuty  45, 47, 56, 61, 80, 395 – 398, 402, 406, 423, 431 Kyjiv  28, 29, 25, 47, 51 – 54, 56, 69 – 73, 76, 83 f., 109, 124 Lajazzo  siehe Ayas Leghorn  siehe Livorno Leiden  55, 117 Leipzig  11 f., 269 Lemberg  siehe L’viv Leopolis  siehe L’viv Linz  309, 323 Lisboa 145 Lissabon  siehe Lisboa Litatyn 424 Livorno, 145 London  104, 240, 258 Lübeck  249, 265, 269 Lubień Wielki  siehe Velykyj Ljubin’ Lucca 219 Luc’k  46, 53, 75 Łuck  siehe Luc’k L’viv  31, 33 f., 42 f., 45 f., 48 – 61, 65 – 67, 70 – 72, 74 – 84, 87, 111, 113 f., 117 f., 118, 124 – 128, 160, 227, 231, 233 f., 314, 335, 337, 356, 395, 397 – 400, 402 – 404, 406, 409 f., 413 – 415, 418 – 421, 423, 431 f., 523, 531, 534 Lwów  siehe L’viv Lyon 243 Lysec’  47, 395 f., 400 Łysiec  siehe Lysec’ Maastricht  217, 533 Madras  siehe Chennai Madrid 107 Măgârdum 120 Magdeburg 296 Mailand  siehe Milano Mainz 240 Malmistra  siehe Mopsuestia Mamestia  siehe Mopsuestia Máramarossziget  siehe Sighetu Marmaţiei Maraş  siehe Kahramanmaraş Marosvásárhely  siehe Târgu Mureş

Geographisches Register

Marseille 256 Martin 441 Martvili 99 Mcbin  siehe Nusaybin Međa 473 Medgyes  siehe Mediaş Mediaş  182, 292 Milano 217 Moscow  221 – 230, 247 – 249, 251, 533 – 535 Mogersdorf  308, 314 Moghilău  siehe Mohyliv-Podil’s’kyj Mohyliv-Podil’s’kyj  45, 57, 59, 80, 419 f. Mohylów Podolski  siehe Mohyliv-Podil’s’kyj Mokri 99 Moncastro  siehe Bilhorod-Dnistrovs’kyj, 225, 231 Montpellier 104 Mopsuestia 108 Moskau  siehe Moskva Moskva  28, 122, 134 f., 140 – 143, 145 f., 148, 256 – 260, 262, 265, 267, 269 f., 275, 342, 498, 517 Mosul  siehe al-Mauṣil Mozdok  344, 350 Mühlbach  siehe Sebeş Nachičevan’-na-Donu  344, 351 Nagybacon  siehe Bățanii Mari Nagybecskerek  siehe Zrenjanin Nagyenyed  siehe Aiud Nagyfalva  siehe Mogersdorf Nagykanizsa 327 Nagyszeben  siehe Sibiu Nagyszentmiklós  siehe Sânnicolaul Mare Nagyvárad  siehe Oradea Narva  247 – 251, 258, 260, 269, 535 Neamţ  120, 122 Neronia 93 Netherland  248 f. Neuhäusel  siehe Nové Zámky Neu Julfa  siehe Nor Jowła ̌ Neumarkt an der Theiß  siehe Hódmezővásárhely Neu Nachičevan  siehe Nachičevan’-na-Donu

563

Niklasmarkt  siehe Gheorgheni Nîmes  104, 240 NisibisJowłasiehe ̌ Nusaybin Nor Jowła ̌ Nor Naxiǰewan  siehe Nachičevan’-na-Donu Nové Zámky  325 Novgorod  siehe Velikij Novgorod Novorossijsk  30, 226 Nürnberg  317, 366 Nusaybin  94, 281 Nyen 249 Nystad 251 Obertyn 47 Ocna Moldovei  118 Odessa  33, 349, 525 Odrin  siehe Edirne Ofen  siehe Buda Oles’ko 47 Oradea  292, 358, 386, 461, 479 Ostrihom  siehe Esztergom Owṙha  siehe Şanlıurfa Padova  239 f., 302, 534 Padua  siehe Padova Pančevo  467, 476 Pancsova  siehe Pančevo Pantschowa  siehe Pančevo Pardan  siehe Međa Párdány  siehe Međa Paris  55, 99, 107 f., 240, 258, 518 f., 521, 527 Párkány  siehe Štúrovo Peremyšl’  siehe Przemyśl Pest  386 – 389, 458 Petele  siehe Petelea Petelea  157 f., 357 Pidhajci 47 Pietroasa  siehe Pietroasele Pietroasele 95 Pilerga 108 Pisa  103, 107 Plandište  466 f., 473, 476 Plintenburg  siehe Visegrád Podhajce  siehe Pidhajci

564

Geographisches Register

Poitiers  235, 240 Ponbetta 106 Portus Pallorum  107 Pozsony  siehe Bratislava Prag  siehe Praha Praha  115, 319 Prešporok  siehe Bratislava Pressburg  siehe Bratislava Przemyśl 399 Qamuşan  siehe Sarıkamış Raab  siehe Győr Radnót  siehe Iernut Radnuten  siehe Iernut Raškiv  siehe Raškov Raškov 47 Raşcov  siehe Raškov Raszków  siehe Raškov Reghin  388, 468 Reghinul Săsesc  siehe Reghin Reval  siehe Tallinn Riga  249, 251 Rom  siehe Roma Roma  48, 55, 93 f., 106, 108, 115, 117, 159, 217 – 219, 332 – 334, 336 f., 339 f., 393, 420, 425, 497 Roman  112, 115 f., 120 f. Romesmarkt  siehe Roman Rostov-na-Donu 344 Rum 468 Rum-Calà  100, 102 Rusciuc  siehe Ruse Ruse 120 Rzeszów 410 Sächsisch-Regen  siehe Reghin Samarkand  siehe Samarqand Samarqand 300 Sandomierz  233 f., 243 Sankt Georgen an der Bega, siehe Žitište Sankt Martin  siehe Târnăveni Sankt-Peterburg  138, 251, 262 f., 267, 275, 342, 351 f.

Sankt Petersburg  siehe Sankt-Peterburg San Lazzaro  340 Şanlıurfa  94, 101 Sânnicolaul Mare  473 Sanok 410 Santiago de Compostela  533, 219 Sânzieni 376 Sarai 222 Saratov 348 Saray  siehe Sarai Sarıkamış 508 Sariłamiš  siehe Sarıkamış Satalia  siehe Antalya Schäßburg  siehe Sighişoara Sebastia  siehe Sivas Sebeş 182 Şebinkarahisar 326 Segedin  siehe Szeged Segesvár  siehe Sighişoara Seghedin  siehe Szeged Sereth  siehe Siret Serpukhov 223 Sèvres  508, 510 f. Sibiu  119, 165 – 167, 185 – 191 Sighetu Marmaţiei  461 Sighişoara  166, 475 Sihota  siehe Sighetu Marmaţiei Sinop 136 Siret  112, 115 Siretiu 116 Sis  siehe Kozan Sivas  27, 119, 310, 326 Sjanik  siehe Sanok Smolensk  260, 269 Smyrna  siehe İzmir Śniatyn  siehe Snjatyn Snjatyn  45, 47, 59, 61, 80, 395, 397 f., 409, 423 Solchat  siehe Staryij Krym Soldaia  siehe Sudak Sombor 313 Sremski Karlovci  160, 310, 331, 537 Stanislau  siehe Ivano-Frankivs’k Stanisławów  siehe Ivano-Frankivs’k Staryij Krym  32 – 34, 222, 227, 229, 231

Geographisches Register

Stockholm  248, 251, 268, 535 Strasbourg  184, 317 Straßburg  siehe Strasbourg Straßburg am Mieresch  siehe Aiud Studenycja  45, 47, 50, 80 Studzieniec  siehe Studenycja Štúrovo 309 Subotica 304 Suceava  112 f., 115 – 119, 356, 358, 397, 530 Suczawa  siehe Suceava Sudak  33, 109, 221 – 225, 231, 534 Sugdaia  siehe Sudak Surož  siehe Sudak Svjatoj Krest  344 Szabadka  siehe Subotica Szalka 468 Szamosújvár  siehe Gherla Szászrégen  siehe Reghin Szászsebes  siehe Sebeş Szeged  304, 330 Szegedin  siehe Szeged Székesfehérvár 38 Szeklermarkt  siehe Târgu Mureş Szentes 304 Szépvásár  siehe Târgu Frumos Szépvíz  siehe Frumoasa Szucsáva  siehe Suceava Tana  siehe Azov Täbris  siehe Tabrīz Tabrīz 148 Tallinn 249 Tannenberg 418 Târgu Frumos  122 Târgu Mureş  184, 198 Târgu Ocna  116 Târnăveni 207 Tarnopol  siehe Ternopil’ Tars  101, 104, 108 Tbilisi  73, 99, 110, 116, 144, 503 f., 520 Teheran  siehe Tehrān Tehrān 280 Temeschwar  siehe Timişoara Temesvár  siehe Timişoara

565

Ternopil’ 409 Theben  siehe Devín Theodosiopolis  siehe Erzurum Tiflis  siehe Tbilisi Tigranakert 355 Timişoara  301, 314, 491 Tir 105 Tokat  310, 327 Toledo 293 Tovin 97 Trāblus 256 Trabzon  100, 105, 136 Trapezunt  siehe Trabzon Trier 240 Triest  siehe Trieste Trieste 116 Tripoli  siehe Trāblus Troia  239, 240 Trst  siehe Trieste Turčiansky Svätý Martin  siehe Martin Turócszentmárton  siehe Martin Turz-Sankt Martin  siehe Martin Ţuţora 128 Tver’  221 f., 224, 228 – 230 Tyśmienica  siehe Tysmenycja Tysmenycja  45, 57, 59, 395, 396, 410, 423 Van  29, 98, 100, 110, 518, 520, 525 Varachan 20 Varna  418, 507 Vásárhely 304 Vaslui  112, 116 Vasvár  314, 319, 536 Velikij Novgorod  226, 249 f., 260, 262, 269 Veľký Varadín  siehe Oradea Venedig  siehe Venezia Venezia  30, 75, 103 f., 107, 109, 112, 117, 136, 145, 256, 258, 310 f., 340, 403, 420, 504 Villareal 107 Visegrád 325 Volodimir Volinskyj  47 Voronež 348 Vostan  siehe Gevaş Warschau  siehe Warszawa

566

Geographisches Register

Warszawa  127 f., 140, 308, 336, 408, 419, 504 Weißenburg  siehe Alba Iulia Wien  118, 127, 131, 160 – 163, 171, 180, 186, 200, 308 – 322, 324 – 331, 339, 366, 403, 405, 411, 417, 419 – 421, 454, 463, 479, 504, 522, 524 Wittenberg 301 Włodzimierz Wołyński  siehe Volodymyr Volyns’kyj Yerevan  siehe Erewan Yerushalayim  106, 107, 149, 216, 219, 241, 243, 286, 288, 496

Zalău 468 Zamentan 100 Zamość  45, 47, 54, 88, 399, 419 Zbaraż  siehe Zbaraž Zbaraž  129 f. Zboriv 130 Zborów  siehe Zboriv Zichydorf  siehe Plandište Zichyfalva  siehe Plandište Zilah  siehe Zalău Zillenmarkt  siehe Zalău Žitište 467 Złoczów, siehe Zoločiv Żółkiew, siehe Žovka Zoločiv  46, 397, 399 Zombor  siehe Sombor Žovka  127f., 399, 409f., 421 Zrenjanin 458 Žvanec’  47, 53, 72, 76, 81f Żwaniec  siehe Žvanec’