Argula von Grumbach: Eine Biographie
 9783525550724, 9783647550725, 9783647995007, 3525550723

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© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Peter Matheson

Argula von Grumbach Eine Biographie

Vandenhoeck & Ruprecht © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

Überarbeitete und erweiterte Übersetzung von „Argula von Grumbach (1492 – 1554/7). A Woman before Her Time.“ Cascade Books, 2013. Mit freundlicher Genehmigung von Wipf & Stock, Eugene, OR, USA.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-55072-4 ISBN 978-3-647-55072-5 (E-Book PDF) ISBN 978-3-647-99500-7 (EPUB)

Ó 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck und Bindung: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Vorwort

Wie kommt ein Neuseeländer dazu, über eine bayerische Reformatorin zu schreiben? Zufall oder Fügung des Schicksals? Vor einigen Jahren suchte ich in meiner neuseeländischen Bibliothek nach einer Schrift von Luthers radikalem Kollegen Andreas Karlstadt, als ich auf ein aufregendes Gedicht mit diesen Zeilen stieß: „Will ich es gar nit underlassen / Zureden im hauß und auff der strassen.“ Obwohl ich mich schon lange mit Reformationsgeschichte beschäftigt hatte, war mir die Autorin mit dem ungewöhnlichen Namen Argula von Grumbach damals unbekannt. Es stellte sich heraus, dass sie in den frühen 1520er Jahren eine führende Gestalt war, als die Wellen reformatorischer Agitation Bayern erfassten. Ihre Energie, Sprachgewalt und Zivilcourage faszinierten mich, denn mit ihren Schriften überwand sie Hürden, die Frauen jahrhundertelang abgehalten hatten, über Religion, Politik und Erziehung zu reden. Die stürmischen Jahre der frühen Reformation hatten ihr ein „window of opportunity“ geboten. In dieser Phase konnte sie ihre Stimme erheben, und ihre Überzeugungen veröffentlichen. Ihr Beispiel, das dauerhafte Folgen haben sollte, zeigt, wie viel eine einzelne Person erreichen kann. Die Bedeutung ihres Beitrags zu Kirche und Gesellschaft wird in der letzten Zeit immer deutlicher erkannt. Forschung ist hauptsächlich Fleißarbeit, aber am allerletzten Tag eines Studienaufenthalts in München, der alten, eleganten Hauptstadt Bayerns, hatte ich erstaunliches Glück. Im Katalog der Staatsbibliothek fand ich einen Hinweis auf eine Sammlung von Dokumenten. Als ich den Codex in Händen hielt, fand ich zu meinem Erstaunen die der Forschung bisher unbekannten © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Vorwort

handschriftlichen Kopien der ersten zwei Schriften Argula von Grumbachs. Und noch ein Glücksfall darf erwähnt werden: Viele wertvolle Bücher und Dokumente sind während des Zweiten Weltkrieges verloren gegangen; auch das Exemplar von Luthers bet buchlin (1522), das er eigenhändig „der edlen frawen Hargula von Stauffen tzu Grumpach“ gewidmet hatte, sollte ein „Kriegsverlust“ sein; „auf Hoffnung da nichts zu hoffen war“, wanderte ich in Berlin von Bibliothek zu Bibliothek, bis ich schließlich in einem veralteten Kartenkatalog einen Hinweis fand. Ohne große Erwartungen füllte ich den Bestellschein der Kunstabteilung der Berliner Staatsbibliothek aus. Am nächsten Tag wartete auf mich ein kleines Büchlein im Oktav-Format. Bald hielt ich das Büchlein in den Händen – wie vor fünfhundert Jahren Argula von Grumbach! Argula von Grumbach kam aus dem bayerischen Hochadel. Diese Ehefrau, Mutter von vier Kindern und eine demütige Christin, fand sich getrungen, sich gegen die Universität, die Kirche, den bayerischen Herzog und sogar gegen ihren eigenen Mann zu stellen. Ihr Schreiben und Handeln inspirierten viele; viele fanden sie aber unsinnig, lächerlich und unverschämt. Verglichen mit den meisten Frauen ihrer Zeit ist ihr Leben erstaunlich gut dokumentiert, nur stellt die Asymmetrie der Überlieferung ein großes Problem dar. Ihre „innere Welt“ ist für die frühen Jahre gut nachvollziehbar ; wie sie später über Religion und Frömmigkeit dachte, ist weniger bekannt. Wir erfahren dafür mehr über ihr tägliches Leben. Ihre Welt war viel härter als die unsere, ohne Anästhesie und Antibiotika. Diese bayerische Aristokratin kann uns verwirren, befremden, vielleicht auch beängstigen. Aber ihre Integrität, ihr Mut, ihre Vorstellungskraft und Zähigkeit sprechen uns immer noch an, während ihr Widerstand gegen kulturelle und gesellschaftliche Zwänge uns bisweilen den Atem nimmt. Sie war ein Kind ihrer Zeit, geprägt von den ritterlichen Werten ihrer Familie, von der religiösen Polemik und den gesellschaftlichen Konflikten der frühen Reformation. Sie lebte im 16. Jahrhundert, sah aber die hebräischen Propheten und die neutestamentlichen Apostel als Zeitgenossen an. Bei ihnen fühlte sie sich zu Hause und verband ihre „gefährlichen Erinnerungen“ mit einem © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Vorwort

visionären Vertrauen auf eine bessere Zukunft für Kirche und Gesellschaft. Ihr Plädoyer für Toleranz und Dialog nimmt viel von dem vorweg, was für uns heute selbstverständlich ist. Fünfhundert Jahre liegen zwischen ihr und uns, doch spricht sie oft unsere Sprache.1 Eine Biographie dreht sich um eine Person, wird aber nie von einer einzigen Person verfasst. Ein Heer von Bibliothekar(inn)en und Archivar(inn)en hat dieses Buch ermöglicht, von der Otago Universität in Neuseeland zu der British Library in London und natürlich Bibliotheken kreuz und quer in Deutschland und in der Schweiz, vor allem die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, die Staatsarchive in Würzburg und Amberg, die Bayerische Staatsbibliothek und das Bayerische Hauptstaatsarchiv München, mit besonderem Dank an Dr. Hörner, sowie die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin. Prof. Denis Janz und Prof. Elsie McKee haben freundlicherweise eine Fassung des englischen Textes durchgelesen. Prof. Franz Fuchs, Würzburg, und Dr. Uwe Tresp, Berlin, waren äußerst hilfreich. Den Lokalhistorikern in Dietfurt und Zeilitzheim, Franz Kerschensteiner und Hilmar Spiegel, und auch Prof. Jürgen Hoffmann, dessen Ortskenntnisse unübertroffen sind, bin ich zu großem Dank verpflichtet. Elisabeth Spitzenberger, die Heimatpflegerin von Beratzhausen, hat nicht nur die deutsche Fassung des Buches gründlich durchgearbeitet und erheblich verbessert, sondern zahllose neue Einsichten beigetragen und mich auf neue Quellen hingewiesen. In weiten Strecken ist sie die Mitverfasserin dieses Buches. Meiner Partnerin Heinke Sommer-Matheson sage ich herzlichsten Dank für Unterstützung und Nachsicht durch so viele Jahre.

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Die persönlichen Papiere der Familie Grumbach im Bayerischen Hauptstaatsarchiv sind nicht durchgehend nummeriert; wo die Nummer fehlt wird das Datum angegeben. Der Kürze halber wird Argula von Grumbach meistens einfach Argula genannt. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 1: Kindheit, Jugend, Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Münchener Hof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Argulas Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politische Spannungen und Hieronymus’ Hinrichtung

13 22 27 31

Kapitel 2: Haus und Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

Kapitel 3: Licht und Finsternis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antiklerikalismus und Apokalyptik . . . . . . . . . . . . . . . Das Auftreten Luthers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Argula und Luther . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Argulas Leben in Dietfurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43 43 49 51 58

Kapitel 4: Zum Widerspruch gezwungen . . . . . . . . . . . . . Die Seehofer-Affäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die erste Flugschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 63 74 79

Kapitel 5: Krisenjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Brief an Herzog Wilhelm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Brief an Ingolstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Argula und der Reichstag in Nürnberg . . . . . . . . . . . . . Ein aufgebrachter Verwandter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84 85 91 94 99 104

Kapitel 6: Im Kielwasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Argulas frühe Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

An die von Regenßburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zielscheibe des Spottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

118 124

Kapitel 7: Verwüstung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Bauernkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfolgung und Widerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

133 133 153

Kapitel 8: Zwischen Hoffnung und Verzweiflung . . . . . . . Argula, Martin Luther und der Augsburger Reichstag .

160 160

Kapitel 9: Ein mühsamer Kampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Georg, der älteste Sohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Jörg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Apollonia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die zweite Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzielle Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gottfried . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

172 172 181 183 184 190 193

Kapitel 10: Die letzten Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhardins Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gottfried in Wolgast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schicksalsschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtsprozesse und Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veränderungen in der religiösen Landschaft . . . . . . . .

201 204 206 208 212 218

Kapitel 11: Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ihre Rolle in Gesellschaft und Politik . . . . . . . . . . . . . . Argula und die Heilige Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Argulas Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tochter, Ehefrau, Mutter, Witwe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Argulas Beitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

222 230 233 236 240 241

Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitgenössische Drucke und edierte Quellen . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

245 245 246 247

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungen AHKBAW Abhandlungen der historischen Classe der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften AHVUFA Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg AKG Archiv für Kirchengeschichte Böhmen-MährenSchlesien AMRhKG Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte ARG Archiv für Reformationsgeschichte AugUB Universitätsbibliothek Augsburg BABKG Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte BayHStA Bayerisches Haupstaatsarchiv München BBKG Beiträge zur Bayerischen Kirchengeschichte BDLG Blätter für Deutsche Landesgeschichte BHSPF Bulletin de l’Histoire du Protestantisme FranÅaise BZGBR Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg CH Church History EKB Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns EMWJ Early Modern Women. An Interdisciplinary Journal GTA Göttinger Theologische Arbeiten Köhler Köhler, Flugschriften des frühen 16. Jahrhunderts JTS Journal of Theological Studies LuthQ Lutheran Quarterly Bayerische Staatsbibliothek München Mü SB Mü UB Universitätsbibliothek München NFur Neue Furche Österreichische Nationalbibliothek ONB QEBG Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte QFRG Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte RKG Reichskammergericht SCJ Sixteenth Century Journal SJT Scottish Journal of Theology StAAm Staatsarchiv Amberg © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Abkürzungen

Staatsarchiv Würzburg; Standbücher Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte Verein der Gesellschaft für Fränkische Geschichte Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg WA, WAB D. Martin Luthers Werke. Weimarer Edition. 1883 ff. Briefwechsel. 1933 ff. ZBLG Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte ZHF Zeitschrift für Historische Forschung StAW Stb. SVRG VGFG VHVO

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Kapitel 1: Kindheit, Jugend, Ehe

Die Furtmeyr-Bibel ist eine Offenbarung. Sie versetzt den Betrachter in eine andere Welt. In leuchtenden Farben – blau, grün, purpur, orange und gold – begegnen uns Personen und Geschichten der hebräischen Bibel, drastisch und naiv wie der spätmittelalterliche Mensch sie sah: Adam und Eva, Noah mit der Arche, den Zug durch das Rote Meer, Moses, wie er mit scheinbar entflammtem Haar vom Berg Sinai herab schreitet, die Heldin Judit, die seelenruhig den Kopf von Holofernes abschlägt, Daniel unversehrt im Feuerofen und Simson, der kampfbereit den Eselskinnbacken schwingt! Die Auftraggeber dieser prächtigen, 1472 vollendeten Bibelhandschrift waren Hans von Stauff und Margarethe Schenk von Geyern, Argula von Grumbachs Großeltern. Phantasievolle Vögel und Pflanzen mit Beeren und Blüten umranken die Textspalten in gotischer Schrift, betörende Miniaturen illustrieren das Hohelied. Dass die Auftraggeber sich auf einer eigenen Seite dem Betrachter präsentieren, ist ungewöhnlich: Hans in goldener Rüstung mit langem, goldenen Haar und Margarethe in blauem, pelzverbrämten Mantel, auf einer Steinbank sitzend. Die biblischen Geschichten ereignen sich eindeutig in einer bayerischen Landschaft: Felder, Hügel, Flüsse, mittelalterliche Burgen und Städte, die teilweise von einem übernatürlich wirkenden goldenen Hintergrund beleuchtet werden. Irdisches und Göttliches, Natürliches und Übernatürliches, himmlische Engel und gewöhnliche Menschen sind eng miteinander verbunden. Die Furtmeyr-Bibel führt uns in die Welt spätmittelalterlicher Frömmigkeit; hinein in die Welt, in der Argula von Grumbach, © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kapitel 1

ihre Eltern und Großeltern lebten.1 Dass ihr Großvater, Hans von Stauff, als junger Mann im Frühjahr 1449 von Venedig aus ins Heilige Land aufbrach, die Schauplätze der biblischen Geschichten also mit eigenen Augen gesehen hatte, überrascht nicht. Eine mit vielen Abenteuern verbundene Pilgerreise nach Jerusalem und der Ritterschlag am Heiligen Grab gehörten zum Bildungsprogramm standesbewusster Adeliger. Erst im tiefsten Winter kehrte die kleine Reisegesellschaft, zu der auch der Augsburger Patrizier Jörg Mülich gehörte, wieder zurück. Auch von dieser Welt von aristokratischem Standesbewusstsein, Traditionen, Privilegien, den Vorstellungen von Ehre und Ritterlichkeit war Argulas Leben und Denken geprägt. Sie unterschrieb ihre Briefe ihr Leben lang mit „geborne freyherrin von stauffen“. Die Turniere spiegelten dieses Selbstverständnis der Aristokratie wider, sie zeigten den hohen Anspruch und das Standesbewußtsein ihrer ausschließlich adeligen Teilnehmer. Die extravaganten Kampfspiele mit festen Regeln dienten vor allem der adeligen Selbstdarstellung, der Präsentation ritterlicher Tugenden und der Abgrenzung gegenüber wohlhabenden Bürgern und Patriziern, die sich die Teilnahme an diesen teuren und exklusiven Veranstaltungen durchaus hätten leisten können. Diese spektakulären Großereignisse zogen Tausende von Zuschauern an. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts hatten sie ihren Höhepunkt erreicht. Argulas Vater Bernhardin I. nahm an mehreren großen Turnieren teil und war auch selbst an der Ausrichtung von Turnieren in Regensburg und Mainz beteiligt. Ein Turnierbuch zeigt auch ihren Bruder Bernhardin II. der 1512 und 1515 gegen den jungen Herzog Wilhelm IV. antrat. Als Wilhelm besiegt vom Pferd gestürzt war, ließ sich auch der Sieger Bernhardin fallen, um dem Herzog die Ehre zu erweisen.2 Aus einer alten, weit verzweigten bayerischen Adelsfamilie stammte auch Argulas Mutter, Katharina von Thering oder Törring, einer Tochter Georg von Thering-Jettenbachs und der 1

Aug UB Cod. 1.3. 28 III, IV; vgl. Janota, Furtmeyr-Bibel vgl. die von Argulas Großonkel, Ulrich von Stauff auf Sünching, in Auftrag gegebene Furtmeyr Bibel: Mü SB, Cgm 8010a. 2 MüSB Furtmeyr-Bibel 2800, 30 – 31, 44 – 45. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

Kindheit, Jugend, Ehe

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Barbara von Taufkirchen. Bernhardin von Stauff, zu der Zeit Viztum in Straubing, und Katharina heirateten im Juni 1486. Adam von Törring, ein Verwandter aus der Linie Törring-Stein, war von 1509 bis 1522 Statthalter des nach dem Landshuter Erbfolgekrieg neu entstandenen Fürstentums Pfalz-Neuburg, das bis zur Herrschaft Ehrenfels reichte. In der Familie Törring gab es auch schwarze Schafe: Nachdem Johann von Thering-Seefeld seinen Knecht ermordet hatte, musste er als Sühne eine Pilgerfahrt nach Rom unternehmen. Das Recht war nicht für alle gleich; für arm und reich galten unterschiedliche Maßstäbe und die Privilegierten waren schnell gewaltbereit. Zwischen Johann und seiner Frau Barbara, einer Tochter des Hieronymus von Stauff, Argulas Cousine, gab es häufig Streit und so ließ sie sich nach achtjähriger Ehe im Januar 1523 von ihm scheiden.3 Mit der Familie seiner Frau, besonders mit deren Bruder Veit, scheint Bernhardin I. gut ausgekommen zu sein. Trotzdem folgten nach dem Tod des Christoph von Törring-Pertenstein die üblichen langjährigen Erbstreitigkeiten; 1498 scheint man sogar den Fürstbischof von Salzburg um Vermittlung gebeten zu haben.4 Katharina muss wohl sehr robust gewesen sein; sie brachte ein kräftiges Kind nach dem anderen auf die Welt: Bernhardin II., Argula, Sekundilla, Zormarina, Gramaflanz, Feirafis und Marcellus. Die Eltern wählten für ihre Kinder Namen aus dem „Parzival“, einem Epos über König Artus und seine Tafelrunde: Argula, Gramaflanz, Sekundilla und Feirafis. Argula wurde ironischerweise nach der wunderschönen, aber arroganten Verführerin „Argeluse“ genannt. Der Name Parzifal kommt auch in der Genealogie der Stauffer vor. Die große Burg Ehrenfels, Mittelpunkt der gleichnamigen Herrschaft, war seit 1335 Sitz der Familie von Stauff. Auf einem Hügel nordwestlich von Beratzhausen gelegen, beherrschte die Feste mit hohen Mauern und fünf Türmen weithin die Landschaft. Das ist auch heute noch gut vorstellbar, wenn man nach dem Aufstieg durch die Wälder die immer noch beeindruckende 3 4

Engelbrecht, Drei Rosen, 138 – 145. Personenselekt 110 Grombach, 1498; nicht nummeriert. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kapitel 1

Ruine auf dem Schlossberg erreicht hat. In Beratzhausen, dem Marktort der Herrschaft, besaß die Familie ein „vestes Haus“, ein Steinhaus. Die Heirat von Hans III von Stauff und Margaretha Schenk von Geyern ca. 1453 verband die Stauffer mit einer anderen einflussreichen Familie. Hans III. von Stauff und seine Nachfolger waren seit 1465 Reichsfreiherrn, das heißt, ihre kleine Herrschaft Ehrenfels mit ungefähr 1700 Untertanen war von den Landesherren, den Wittelsbacher Herzögen, unabhängig, sie unterstanden direkt dem Kaiser und hatten das Recht auf Sitz und Stimme bei den Reichstagen. Die Reichsfreiheit wurde aber immer wieder in Frage gestellt, vor allem durch Herzog Albrecht IV. (1465 – 1508) und den Herzögen von Pfalz-Neuburg.5 Auch 1523 verteidigte Argulas Bruder Bernhardin II. energisch seine Selbstständigkeit gegenüber den Pfalzgrafen in Neuburg.6 Zu dieser reichsfreien Herrschaft Ehrenfels kamen Hofmarken und Landsassengüter : Sünching, Köfering, Triftlfing, Brennberg, zeitweise auch Burg und Herrschaft Falkenstein, Schloss Neuhaus und Schloss Schönberg. Die verschiedenen Linien der Stauffer waren zeitweise die größten Hofmarksherren in Niederbayern und als solche abhängig von den Landesherren. In Regensburg besaßen sie ein „Freihaus“, den Staufferhof. Diesem Freihaus, das nicht den reichsstädtischen Gesetzen unterstand und Steuerfreiheit besaß, wird bei der Einführung der Reformation in Regensburg noch besondere Bedeutung zukommen. In den häufigen Fehden und Auseinandersetzungen zwischen den adeligen Familien waren die Stauffer oft als Teidinger oder Vermittler tätig. Könige und Bischöfe nahmen ihre Dienste in Anspruch. Fast jedes wichtige Amt in Bayern ist irgendwann von ihnen wahrgenommen worden: Sie fungierten als Räte, Diplomaten, Pfleger und Richter. Als Viztum, das heißt, als Vertreter der Herzöge in Landshut und Niederbayern, bekleideten Dietrich III., Hans III. und Bernhardin I. ein wichtiges Amt in der herzoglichen Landesverwaltung mit richterlichen und militärischen Kompetenzen und Verantwortung für die Steuereinnahmen. 5 6

Dollinger, Elfhundert Jahre, 74. Noch in 1528; BayHStA RKG 11484; vgl. Dollinger, Die Stauffer, 6. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

Kindheit, Jugend, Ehe

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Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts war ihr Wohlstand so beträchtlich, dass sie Geld an Bischöfe, Herzöge und Könige verliehen und als Bürgen für die Anleihen anderer hafteten. Ihr angesehenes Siegel ist auf zahlreichen Urkunden und Verträgen zu finden. Sie waren auch Kirchen und Klöstern verbunden: Ihr ursprünglicher Sitz, die Burg Stauff bei Eysölden, heute Thalmässing, gehörte zum Bistum Eichstätt; im 13. Jahrhundert waren Stauffer dort Domherren. Für einige Pfarreien besaßen sie das Patronatsrecht. Im 15. Jahrhundert ist Albrecht von Stauff Vogt des Reichsstifts Obermünster in Regensburg, das neben dem Staufferhof liegt; die Stauffer auf Sünching waren Vögte des Klosters Frauenzell. Stiftungen und Jahrestage für das Seelenheil gab es bei den Minoriten in Regensburg, den Birgittinen im Kloster Gnadenberg und im Kloster Seligenporten. Hans III. erwarb einen Ablass für die Schlosskapelle St. Wenzeslaus in Köfering7 und ist Mitbegründer einer Bruderschaft in Laaber. Auf Bildung legten die Stauffer großen Wert; Argulas Brüder Bernhardin II. und Marcellus studierten an der 1472 gegründeten Universität in Ingolstadt. Die Handschriften, die im Besitz des Hans von Stauff waren, bezeugen sein waches Interesse für Geschichte und Religion, für Prophezeiungen, Pilgerberichte und Ablassschriften.8 Aus der Zeit um 1500 ist auch eine Handschrift des Beratzhausener (später Regensburger) Bürgers, des cramers Ulrich Mostl erhalten. Seine Sammlung gibt einen Einblick, was die Bürger und Handwerker interessierte: Kochrezepte, medizinische Rezepte, Geschichten, Segenssprüche, Reime und Träume.9 Bernhardin I. ist eine „Practica auf das Jahr 1498“ gewidmet; vom Verfasser der

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StAAm; Schlossarchiv Köfering; Urkunden Nr. 61. MüSB, Cgm, 267; www.manuscripta-mediaevalia.de/bilder/hs-bilder/ k/HSK0043_a180.jpg. Diese Handschriften wurden nach der Plünderung der Burg Ehrenfels nach München gebracht. Das Grabmal für Hans von Stauff in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Beratzhausen stammt aus der Roritzer Werkstatt. 9 MüSB Cgm 5919. 8

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Kapitel 1

astrologischen Prognosen, dem Mathematiker Erhard Sittich, wird er mit „gnädiger Herr“ und „guter Christ“ angesprochen.10 Wie schnell man Rang und Ansehen verlieren konnte, zeigte sich aber zu Beginn des Jahres 1492, dem Geburtsjahr Argulas, als die Truppen Herzog Albrechts IV. die Burg Ehrenfels plünderten und verwüsteten. Die Brüder Bernhardin und Hieronymus waren Mitglieder des Löwlerbunds, zu dem sich 1488 46 Adlige zusammengeschlossen hatten, darunter auch Albrechts Brüder Christoph und Wolfgang. Der Bund war eine Reaktion auf den Versuch Albrechts IV., in die aristokratischen Rechte einzugreifen, ausgelöst durch eine geplante Kriegssteuererhebung. Von den Expansionsbestrebungen Albrechts war auch Kaiser Friedrich III. betroffen: 1485/86 hatte sich die Reichsstadt Regensburg dem Herzog unterstellt und sich dem bayerischen Teilherzogtum eingliedern lassen; eine Verletzung des Reichsrechts, die 1491 die Verhängung der Reichsacht zur Folge hatte. Mit der Ausführung der Acht wurde der Löwlerbund beauftragt. Nach den ersten Aktionen der Löwler reagierte der Herzog und ließ fast alle Burgen und Schlösser der Bundesmitglieder zerstören. In Sünching und Köfering waren die Schäden groß; auch die Burg Ehrenfels wurde gestürmt und der Markt Beratzhausen verwüstet. Wie immer litten die einfachen Leute am meisten: „die armen frawen bei plünderung der dörfer irer kleider entblöst, an ihrem Leib gepeinigt, in meinung, geld abzunoten.“11 Die Furtmeyr-Bibel kam mit wertvollem Hausrat und Kleinodien als Kriegsbeute nach München, Bernhardin und Hieronymus wurden gefangen genommen. 1493 wurde der Konflikt beigelegt; der Herzog musste die alten Rechte des Adels bestätigen. Seine Übermacht zeigte aber deutlich, dass Macht und Einfluss des Adels merklich schwanden. Einen finanziellen Ausgleich für die enormen Schäden, die die Stauffer mit 40.000 Gulden bezifferten, gab es nie und auch keine Rückgabe des Beuteguts. Auch wenn die Burg Ehrenfels bald wieder hergestellt und bewohnbar war : Der Löwlerkrieg war ein Wendepunkt. Von den finanziellen Verlusten hat sich die Familie nie mehr erholt. 10 11

ONB, Ink. 11.6.70/ Dollinger, Elfhundert Jahre, 51. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Wie Argula viel später in einem Brief an ihren Verwandten, Adam von Thering bemerkte: „Ir wist, das mein vater vnder den herren von Bayern verdorben vnd seyne kinder zu bettlern worden seyn.“12 Bernhardin I., der nach der Gründung des Löwlerbundes vom Amt des Viztums in Straubing zurückgetreten war, wurde Hauptmann in Ingolstadt, im Dienst Herzog Georg des Reichen von Bayern-Landshut. Als dieser 1504 ohne männliche Nachkommen starb und seine Tochter Elisabeth und sein Schwiegersohn Ruprecht von der Pfalz seinem Testament entsprechend ihr Erbe antreten wollten, kam es zum Krieg zwischen den kurpfälzischen Wittelsbachern und Albrecht IV. Der Herzog beanspruchte das Teilherzogtum Bayern-Landshut für sich und wurde von seinem Schwager Kaiser Maximilian I. unterstützt. Auch Bernhardin und Hieronymus stellten sich auf die Seite Albrechts und erhielten als Teil-Entschädigung für die hohen Kriegskosten und ihre Verdienste das Schloss Schönberg. Bernhardin wurde Viztum in Landshut und 1508 Pfleger im Landgericht Kelheim. Hieronymus, Hofmeister der jungen Herzogssöhne Wilhelm und Ludwig, die beim Tod Albrechts noch minderjährig waren, erhielt nach dem Regierungsantritt Wilhelms IV. Burg, Markt und Herrschaft Falkenstein. Seine herausragende und einflussreiche Position brachte ihm nicht nur Freunde ein. In diese unruhige, wechselhafte Zeit wurde Argula von Stauff hineingeboren, neun Jahre nach Martin Luther. In ihrem Geburtsjahr wurde Amerika „entdeckt“; die Nachrichten über diese neue Welt werden erst allmählich nach Deutschland vorgedrungen sein.13 Sie wuchs nicht weit entfernt von Regensburg auf, in der schönen bayerischen Juralandschaft, die vom Flusstal der Schwarzen Laber durchzogen wird. Im Labertal lag der kleine Markt Beratzhausen, mit dem Marktplatz, der Pfarrkirche St. Peter und Paulus, dem „festen Haus“ der Stauffer und einem großen Kasten, in dem das Getreide lagerte. Mit ihrer Mutter hielt sie sich zeitweise im Wasserschloss Köfering auf, das in der Donauebene südöstlich von Regensburg liegt. Von dort aus waren 12 13

Matheson, Schriften, 124. Leitch, Ethnography in Early Modern Germany. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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die Herzogsstädte Straubing und Landshut, die Dienstorte ihres Vaters Bernhardin I., gut erreichbar.14 Ihr ganzes Leben – ausgenommen die Zeit am Münchner Hof – war Argula immer mit dem Land verbunden, mit Pferden, Hunden, Schafen, Gänsen und Hühnern. Später ritt sie gern auf dem Damensattel durchs Land. Der Lebensunterhalt, das Einkommen der Familie, kam zu einem guten Teil aus dem Ertrag des Landes, aus Getreide- und Weinbau und vom Vieh. Die Jagd, ein Adelsprivileg, war vor allem für die Männer ein großes Vergnügen. Über ihre Kindheit wissen wir wenig, auch ihr Geburtstag ist unbekannt. Ihr Name und die Namen ihrer Geschwister lassen vermuten, dass sie und ihre Geschwister die sagenhaften Geschichten von den Heldentaten des König Artus und den Rittern seiner Tafelrunde hörten, vielleicht auch die Geschichten von Till Eulenspiegel aus den Volksbüchern. Als junges Mädchen las sie die Abenteuer des „Fortunatus“, dessen Börse nie leer wurde.15 Zahllose Volkslieder und Reime waren im Umlauf. Argula konnte sehr gut lesen, schreiben und rechnen; Latein hat sie nicht gelernt. Als zweites Kind einer großen Familie fehlte es ihr wohl nie an Spielgefährten, wahrscheinlich verbrachte sie gern viel Zeit mit den Pferden. Auf die Burg kamen Frauen zum Spinnen, Erntehelfer, Boten und Lieferanten, die Fleisch, Fische, Kerzen, Pergament und Schreibzeug brachten. Wie fast alle Adligen werden auch die Stauffer zusammen mit ihren Untertanen die Jahresfeste gefeiert haben: An Lichtmess Anfang Februar zog man in feierlichen Prozessionen um die Felder und betete für eine gute Ernte, dann kam die Fastnacht mit Masken und Tanz, der Beginn der Fastenzeit am Aschermittwoch, Ostern, die Sonnwende am Johannistag. An Martini im November feierte man das Ende des Wirtschaftsjahres mit Wein und Gänsebraten. Dann waren da die Aufenthalte im Staufferhof in Regensburg, einem mächtigen spätgotischen Anwesen gegenüber dem Da14

BayHStA GL Ehrenfels 1 Nr. 11. Fortunatus wird in ihrem Brief an Herzog Wilhelm erwähnt; Matheson, Argula, 111 – 112; eine Ausgabe erschien 1509 in Augsburg; Konneke, Bilderatlas, 114. 15

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menstift Obermünster. Die Reichsstadt an der Donau war beeindruckend: Die großen Handels- und Patrizierhäuser mit ihren Türmen, römische Mauerreste, der noch unvollendete gotische Dom, dessen stadtbeherrschende Dimension aber schon erkennbar war – aus der Perspektive eines Kindes betrachtet, ein riesiges Bauwerk. Ein Gebetbuch, das bei ihrer Haushaltskorrespondenz liegt, zeigt die warme Frömmigkeit ihrer Kinderjahre. In den Gebeten, die auch ähnlich in einem Nürnberger Gebetbuch enthalten sind,16 spiegeln sich die tagtäglichen Sorgen wider, die Bedeutung guter Werke, die Verehrung des Altarsakraments, die Beichte und vor allem das Gebet für das Seelenheil der verstorbenen Familienmitglieder. Als Kind wird Argula sich von ihrem Schutzengel gut behütet gefühlt haben und sie wird, wie alle, zu Unserer Lieben Frau und zu den Heiligen gebetet haben: Freü dich maria, wan dü des scherp(est) das dü die freudt bewisen pyst (weil Du die schärfste Freude empfunden hast) ewigklichen on ende; ave maria hymellysch königin helf uns das wir dich und deinen lieben sün Jhesüm Christ ewigkliichen loben, und schauen mügen on ende AMEN. Ewiger wirdiger und seliger geyst mein getreuer engel der mir von dem almechtigen got zü ainem hutter gegeben ist, ich rüff dich an und pitt mit aller die müttigkaytt (Demut) in dem namen deines und meines herren das dü meines leibes und meiner seele nottürfft bedenckest… berynn von mir (mach mich rein von) allen weltlichen lust und freude und er wirb mir ain raine und keusche begir auch zü aller zeyt ain ware und gerechte dye muttigkayt… Heyliger herr sandt erasmus ich pit dich das dü behuttest an aller statt (in jeder Stätte) vor allen layd vor falschen radtden vor allen den dy mir gehässig sein und gefärig meiner eren (gefährden meine Ehre) und hye meines leibs narung gib mir da mit ich küm zü dir an den engel schar zü gottes namen Amen.17 16

BayHStA, Cart.110 (Grombach); Matheson, Angels, 517 – 30; Hamburger, The Netherlands in Nuremberg; vgl. Pötzl, Volksfrömmigkeit, 871 – 881; Hamm, Theologie und Frömmigkeit, 159 – 211. 17 Matheson, Angels, 522, 523, 529. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Als sie zehn Jahre alt war, schenkte ihr der Vater eine deutsche Bibel – vielleicht dachte er dabei an die Furtmeyr-Bibel seines Vaters – wahrscheinlich die schöne zweibändige Koberger-Bibel, die 1483 in der Nürnberger Druckerei des Anton Koberger hergestellt wurde. Die großen Folianten enthalten über hundert kolorierte Holzschnitte. Sie zeigen, wie Eva sanft aus Adams Seite gezogen wird, Judit den Holofernes enthauptet, den Sieg des Erzengels Michael über den Drachen, und schließlich eine (äußerst elegante) babylonische Hure aus der Offenbarung des Johannes. Vorworte des Kirchenvaters Hieronymus aus dem vierten Jahrhundert wurden den Büchern des Alten Testaments vorangestellt. Unter Hieronymus’ Hörern waren auch adelige Frauen – ein wichtiger Aspekt für Argula, die sich später darauf beziehen sollte. Jedenfalls war diese Bibel ein ungewöhnliches Geschenk für eine Zehnjährige. Vielleicht hatte Bernhardin bemerkt, wie gut Argula mit Worten umgehen konnte. Meistens befassten sich die adeligen Damen mehr mit Lesen und Schreiben als die Männer.18 In Argulas späterem Leben wird die volkssprachige Bibel eine sehr große Rolle spielen.

Der Münchener Hof Nach dem Landshuter Erbfolgekrieg waren die Brüder Hieronymus und Bernhardin wieder im Dienst Herzog Albrechts IV. So lag es nahe, Argula an den Münchner Hof zu schicken.19 Es war üblich, dass der Hochadel auf diese Weise seinen Nachwuchs mit den Standesgenossen und dem Hofleben bekannt machte. Sie wurde Hofjungfrau im „Frauenzimmer“ der Herzogin Kunigunde, Herzog Albrechts Gemahlin und Schwester des 18 Margareta Peutinger, eine Augsburger Patrizierin, war z. B. auch Besitzerin und Leserin einer vorlutherischen Bibel; Kolde, Seehofer, 60, n. 3; über die Bildung von adligen Frauen s. Halbach, Argula, 53 – 70. 19 Wohl um ihr zehntes Jahr und lange vor dem Tod Albrechts IV. in 1508, als die Herzogin Kunigunde sich vom Hof zurückzog. Es könnte sein, dass der Vater ihr die Bibel als ein Abschiedsgeschenk gab. 1502 war ihr Vater noch nicht im Dienst von Herzog Albrecht, sondern bei Herzog Georg dem Reichen in Landshut oder Ingolstadt.

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Kaisers Maximilian. Kunigundes Hofhaltung lag in der Neuveste, einer Wasserburg außerhalb der Stadtmauer ; getrennt vom „Alten Hof“, der südöstlich der Neuveste innerhalb der Stadtmauer lag; dort war der Hof des Herzogs. In München lernte Argula das Hofleben mit seinen Licht- und Schattenseiten kennen: wie man sich anzog, einen Knicks machte, tanzte, sich geziemend benahm, wie man ein Gespräch führte, wann es ratsam war, den Mund zu halten, wie Dummköpfe aus der Fassung zu bringen waren und wie man die Langweiligen taktvoll und höflich behandelte. Sternstunden im Hofleben waren wohl interessante neue Freundschaften, Musik und glanzvolle Feste. Andrerseits gab es Klatsch und Tratsch, Eifersüchteleien um Gunst und Aufstieg. Private und persönliche Angelegenheiten waren plötzlich in aller Munde, wichtige Entscheidungen mit weitreichender Bedeutung aber wurden streng geheim gehalten. Man lernte, sich hinter einer Maske zu verbergen, und nicht jedem gelang es, Schein und Wirklichkeit auseinanderzuhalten.20 Für einige Jahre war München ihr Zuhause, ihre „Universität“. Im Frauenzimmer wurde sie mit den Töchtern des Herzogpaars erzogen, vielleicht mit der fast gleichaltrigen Sabine, die später eine unglückliche Ehe mit Ulrich von Württemberg einging; sicher hatte sie auch Kontakt zu den jungen Herzögen Wilhelm, Ludwig und Ernst. Eine spannende Zeit: Reform war in aller Munde, Lebensstil und Ansichten wandelten sich schnell, in allen Bereichen bahnten sich Veränderungen an, in der Kunst, Architektur, Politik, Diplomatie und Jurisprudenz. Die Ideen und Werte der Renaissance fassten in der Residenzstadt schnell Fuß und Bayern öffnete sich kulturellen Einflüssen, die von außen kamen; Kunst und Musik orientierten sich vor allem an Italien. Die Werke des Hofmalers Hans Burgkmair wird Argula gesehen haben, z. B. die Darstellung der „drei gvet Judin“: Esther, Judit und Jael. In ihren Schriften wird sie sich auf diese biblischen Heldinnen beziehen, als von Gott in ganz ungewöhnlicher Weise inspirierte und zum Handeln getriebene Frauen. Der Prinzenerzieher Aventinus setzte in der bayerischen Geschichtsschreibung ganz neue Akzente, seine antiklerikale Pole20

Störmer, Hof und Hofordnung, 361 – 81. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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mik war ungewöhnlich scharf und sein Mitgefühl mit dem vom Klerus ausgepressten „armen volk“, war nicht zu übersehen.21 Gedruckte Ausgaben der griechischen und römischen Klassiker waren jetzt erhältlich und aus den Druckereien kam eine nicht versiegende Flut an Flugblättern, einige oberflächlich und schnell veraltet, aber vieles gab doch zu denken. Die Überzeugung des Desiderius Erasmus, dass Erziehung der Königsweg zur Menschlichkeit sei und sogar zum Heil führen könne, begeisterte die deutschen Humanisten. Kartographen zeichneten bisher unbekannte Länder in ihre Karten ein. In jeder Hinsicht und in allen Bereichen wurden alte Grenzen durchbrochen. Auch das Stadtbild Münchens veränderte sich: Überall wurde gebaut. 1494 wurde die Frauenkirche, eine mächtige dreischiffige Hallenkirche mit hohen Doppeltürmen, geweiht; sie wurde zum neuen Wahrzeichen der Herzogsstadt. Wegen der wachsenden Zahl von Kirchen und Klöstern nannte man München das „deutsche Rom.“ München war ein denkbar großer Kontrast zum kleinen Beratzhausen, in dem Argula groß geworden war, mit einem riesigen Marktplatz, der Stadtbefestigung, dem düsteren Falkenturm, in dem Übeltäter eingekerkert wurden, vielen lauten und geschäftigen Herbergen und Wirtshäusern. Welchen Beruf die Menschen ausübten, die auf den Straßen und Plätzen unterwegs waren, oder welchem Stand sie angehörten, war an der Kleidung zu erkennen. Kleiderordnungen legten Material, Wert und Farben von Kleidung und Schmuck fest: Die Patrizier trugen wertvolle Pelze, groben Wollstoff die Mönche und Bettelmönche, enge Hosen und geschlitzte Wämser die Bürgersöhne, die sich an der neuesten Mode orientierten. Mit Kleidung konnte man Aufmerksamkeit erregen, sie konnte aber auch bedeuten: „geh mir aus dem Weg“ oder „aus mir wird nie was“. Das Leben spielte sich hauptsächlich auf den Straßen und Plätzen ab, besonders im Sommer und Herbst wurde die Stadt zum großen Theater. Gaukler errichteten eine Bühne, auf der sie 21

Aventin, Werke VI, 183 – 187. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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die Zuschauer unterhielten und Pfaffen und geldgierige Bettelmönche anprangerten.22 Prostituierte und andere unerwünschte Außenseiter wurden aus der Stadt getrommelt. Ein Strohkranz auf dem Kopf machte sie lächerlich. Mit jedem Trommelschlag versetzte ihnen der Henker einen Peitschenhieb auf den nackten Rücken – zur großen Freude der Schaulustigen, die an Spott nicht sparten. Das Hofleben, bestimmt von Politik und Intrigen, Repräsentation und Etikette, wird Argula anfangs fremd gewesen sein. Sie verstand wohl wenig von den Spannungen zwischen den Wittelsbachern und Kaiser Maximilian. Gleichzeitig gab es am Münchner Hof eine andere Seite: Herzogin Kunigunde war für ihre tiefe persönliche Frömmigkeit bekannt. Johann von Staupitz, einflussreicher Prediger des Augustinerordens und Luthers Mentor, widmete ihr sein Buch „de amore Dei“, von der Liebe Gottes: Behalt die wurtzeln in dem herzen, die rechte gotliche lieb, so mag nichtz den (denn) guts auß dir geen, nichtz den seliglichs von dir gescheen. Derhalben werden die menschen von nyemandts anders, den in der schule der liebe gottes gelernig, in yr allein werden wircker des gotlichen worts, alle andere gottes kunst machen nichtz den horer.23

Nach dem Tod Herzog Albrechts IV. 1508 verließ Kunigunde überraschend und zur allgemeinen Bestürzung die Neuveste mit ungefähr 30 Bediensteten und ihren noch kleinen Kindern und zog sich aus dem öffentlichen Leben in das Pütrich-Regelhaus, ein reformiertes Franziskanerinnenkloster in der Nachbarschaft der Neuveste, zurück. Wie ihre Mitschwestern wollte sie ein einfaches Leben im Gebet führen. Sie verehrte die Reliquien, die ihr kaiserlicher Bruder dem Kloster gestiftet hatte, war aber kritisch, was Aberglauben und Mirakel betraf. Sie entlarvte die Augsburgerin Anna Lamenit, die sich während des Augsburger Reichstags 1510 als „hungerkünstlerin“ präsentierte. Seit vierzehn Jahren habe sie nichts gegessen und getrunken, sie ernähre sich nur von der eu22 23

Jesse, München, 16. Knaake, Staupitz, 114. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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charistischen Hostie, behauptete sie. Kunigunde lud die „Heilige“ ein, und ließ sie durch ein Loch in der Zimmerwand heimlich beobachten: Anna Lamenit verzehrte Kuchen, Äpfel, Birnen und einen Granatapfel. Kunigunde zwang die Betrügerin, vor Zeugen zu essen und ließ ihren Stuhlgang untersuchen.24 Sie meinte, dass so ein Betrug jede wahre Frömmigkeit in Verruf bringe. Daraufhin musste Anna Lamenit Augsburg verlassen. In die Politik mischte sich die Herzogswitwe nicht ein, solange ihre Söhne unmündig waren. Das sollte sich aber später ändern. Sie hatte häufiger Kontakt mit ihrem älteren Bruder Maximilian, obwohl ihre Beziehung keineswegs konfliktfrei war.25 Das Leichenbegängnis Albrechts IV. fand erst Monate nach seinem Tod im Januar 1509 statt. Im selben Jahr starben Argulas Eltern innerhalb weniger Tage, wohl an der Pest. Bis die Nachricht an den Münchner Hof gelangte, war die Beerdigung in Beratzhausen, die so schnell wie möglich erfolgen musste, längst vorbei. In der Frühen Neuzeit war der Tod immer gegenwärtig und die Zahl der Sterbefälle stieg enorm wegen der Seuchen, vor allem der Pest, die man einfach „das Sterben“ nannte. Auch wenn der Tod zum Alltag gehörte, war er für die Hinterbliebenen schmerzlich. Die siebzehnjährige Argula wird die Nachricht vom plötzlichen Tod ihrer Eltern schwer getroffen haben. An diese Zeit erinnert sie einige Jahre später in ihrem Brief an Herzog Wilhelm: „in meinem ellendt durch Eure Fürstliche Gnade getrost mit disen worten: Ich soll nit also weynen, vnd wolt nit allein mein Landtsfürst, sonnder auch mein vater sein“26. Ihr Onkel Hieronymus von Stauff, Hofmeister am Münchner Hof, war jetzt Herr der Herrschaft Ehrenfels und übernahm die Vormundschaft über Argula und ihre jüngeren unmündigen Geschwister. Aus dieser Lebensphase wissen wir wenig, nur aus späteren Dokumenten können wir den Rückschluss ziehen, dass sie die kulturellen Ressourcen, die ihr am Münchner Hof zur Verfügung standen, gut genutzt hat. Man denke an ihre unge-

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Breu, Chronik, 20 – 22. Graf, Kunigunde, 233. 26 Matheson, Schriften, 92.

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wöhnliche Begabung im Schreiben und Denken und wie sie mit schwierigen Situationen fertig wurde.

Argulas Ehe 18 Jahre alt, ein Jahr nach dem Tod ihrer Eltern, heiratete Argula gegen Ende des Jahres 1510 Friedrich von Grumbach zu Lenting und Burggrumbach; nicht erst 1516, wie in der Literatur bisher angenommen wird. Ein Briefwechsel Argulas mit Friedrich von Grumbach ist nicht vorhanden, aber es ist möglich, dass die Ehe, wie üblich, auf gegenseitiger Neigung beruhte. In der Heiratsabrede vom 19. November 1510 ist aber nur die Rede davon, dass Hieronymus, mein lieber herr und vetter, als mein und meiner geschwistriget vormunder: Nach Rathe und gefallen sein, meiner brudern und unser nechsten gesiptten freunde, zu dem sacrament der heiligen ee, zu dem obgeschrieben meinem lieben haußwirt, verheyrat.27

Argula, die dem Hochadel angehörte, heiratete unter ihrem Stand: Friedrich von Grumbach, um zehn Jahre älter als sie, gehörte als Ritter dem niederen Adel an.28 Wie Merz bemerkt: „Die Stauffer zu Ernfels waren nach dem Löwlerkrieg politisch, wirtschaftlich und sozial zu schwach, um ein kontinuierliches Hochadelskonnubium durchhalten zu können.“29 27

In der Heiratsabrede musste Argula für sich und ihre Nachkommen auf alle Erbansprüche verzichten, auch auf künftige Erbansprüche und mögliche „Restitutionen“. Sie musste auch „zu got und den heiligen“ schwören, diese Verzichtserklärung freiwillig, mit vollem Verstand, und nicht in „dem gwalt meines herrn und vettern hern Jheronimus von Stauff“ gemacht zu haben. Es fehlen eine notarielle Beglaubigung, die sonst üblichen Hinweise auf den Ort des Vertragsabschlusses und Zeugen. Nur Hieronymus und Friedrich unterschrieben und siegelten das Dokument; StAAm Schlosssarchiv Köfering. Ich bin Herrn Dr. Strobel sehr dankbar, der die Einsicht in das Dokument noch während der Verzeichnung ermöglichte. 28 StAW LB 29 (2), fol.28, zit. Beyer, Familienstruktur, 83. 29 Merz, Hochadel in der frühen Neuzeit, 35. Die Familie Grumbach kann © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Der Heiratsvertrag zwischen „Argulus“ von Stauff und Friedrich von Grumbach am 19. November 1510 bestimmt eine Mitgift von 1100 Gulden (Rheinisch), eine Widerlegung (Witwen-Versorgung) von 1100 Gulden und eine Morgengabe von 300 Gulden; die Hofmark in Lenting diente als Sicherheit. Die eher bescheidene Mitgift reflektiert wohl die finanziellen Schwierigkeiten der Stauffer. Ihre finanziellen Verluste waren nicht nur durch den Löwlerkrieg bedingt; erhebliche Kosten, die den Stauffern durch den Landshuter Erbfolgekrieg entstanden waren, wurden vom Münchner Hof nur zum Teil beglichen.30 Argula war die erste der Familie, die heiratete. Ihre Geschwister Bernhardin, Gramaflanz und Sekundilla heirateten Mitglieder der böhmischen hochadeligen Familie Schlick. „Fritz“ von Grumbach entstammte einer alten fränkischen Familie aus dem Hochstift Würzburg; der Familiensitz in Burggrumbach geht auf das 12. Jahrhundert zurück. Die Gebäude, die sich mehrere Grumbach-Familien teilten, waren fünfgeschossig, von einem gewaltigen Graben umgeben; dazu gehörte eine riesige Zehntscheune. Das Familienwappen war ungewöhnlich: ein Mohr, der einen Rosenzweig in der Hand hält. Das alte Siedlungsland war fruchtbar. Verglichen mit den Stauffern war die Familie von Grumbach weniger gebildet, obwohl einige Mitglieder dieser alten fränkischen Familie ehemalige Ministeriale des Hochstifts Würzburg, in Kirche und Gesellschaft wichtige Positionen besetzten. Johann III. wurde nach einem Studium in Heidelberg 1455 Bischof von Würzburg. Er war in viele Fehden verwickelt und zog mit bayerischer Unterstützung gegen Markgraf Albrecht von Ansbach zu Felde.31 Viele Verwandte von Argulas Mann waren Kanoniker in Würzburg am Dom und an den Stiften; sie übten dort eine traditionelle Pietät aus. Die Sorge um das Seelenheil war der Familie wohl zu den „Spitzenvertretern des Niederadels“ gerechnet werden, die nach Merz vor allem weiblichen Mitgliedern des Hochadels Heiratsalternativen boten. 30 Vgl. z. B. die Forderungen Hieronymus 1507 an Herzog Albrecht BayHStA Kurbayern Außeres Archiv 2011 fol.81 – 82; 1509 fol.84. 31 Germania Sacra, 3 Bischofsreihe. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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wichtig. So bestätigte 1479 die Äbtissin von Himmelspforten, einem Kloster bei Würzburg, dem Konrad von Grumbach, dass das „Seelgedächtnis“ für seine Eltern und Vorfahren dort abgehalten werden solle.32 Tilman Riemenschneider wurde mit dem Grabmal des Eberhard von Grumbach beauftragt. Eberhard war der erste, der 1487 in der kurz zuvor fertig gestellten FamilienGrablege in der Ritterkapelle Rimpar bestattet wurde.33 Friedrichs Onkel Johann von Grumbach erlangte auf ganz andere Weise Berühmtheit. Während turbulenter Unruhen an der jungen Universität in Ingolstadt tobten 1486 drei betrunkene Studenten durch die Stadt, drangen in Häuser ein und rissen den Bewohnern, egal ob Männern oder Frauen, die Kleider vom Leib. Ein herrlicher Spaß, so dachten sie wohl. Die Stadträte sahen es anders: Sie ließen die Studenten einkerkern. Ihnen drohte zuerst die Hinrichtung; doch dann wurden ihnen die Augen ausgestochen.34 Im folgenden Jahr forderte Professor Gisbert von Stoltenburg Herzog Albrecht auf, eine Gruppe von adeligen Studenten, unter ihnen Johann von Grumbach, auf das allerschärfste zu bestrafen. Mit langen Dolchen waren sie in seinen Hörsaal eingedrungen und hatten Chaos gestiftet. Der Professor wollte alle Vorlesungen einstellen bis zur Bestrafung der Schuldigen. Seitdem war der Name Grumbach aus dem kollektiven Gedächtnis der Universität wohl nicht mehr zu löschen.35 Die Grumbachs nahmen regen Anteil an den Selbstbehauptungskämpfen der Reichsritterschaft. Zusammen mit Silvester von Schaumberg und anderen verteidigte Konrad von Grumbach energisch die ritterlichen Rechte, als Ludwig von Boyneburg 1517 in Hessen enteignet wurde.36 Wilhelm von Grumbach, der in der Nähe von Burggrumbach auf Schloss Rimpar saß, war ein führendes Mitglied der fränkischen Reichsritterschaft; später sollte er wegen seiner Machenschaften, den „Grumbach’schen Hän32

www.mom-ca.uni-koeln.de/mom/DE-StAW/HimmelspfortenOCist/ fond?block=16. 33 Bruhns, Riemenschneider, 33. 34 Mederer, Annales, 33. 35 Seifer, Universität Ingolstadt 1, 36 – 38. 36 Kipp, Silvester von Schaumberg, 122. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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deln“, im ganzen Reich berühmt-berüchtigt werden. Seine Beziehungen erstreckten sich bis weit nach Schwaben hinein. Er hatte am Hof des Markgrafen von Brandenburg-Ansbach eine sehr gute Bildung erhalten und bekleidete als Hofmarschall in Würzburg eine Position, die der des Hieronymus von Stauff am Münchner Hof entsprach. Allerdings führten Auseinandersetzungen mit dem neuen Fürstbischof von Würzburg, Melchior Zobel von Giebelstadt, 1545 zu seiner Entlassung.37 Grumbach, Gronbach oder Grunbach bedeutet „grüner Bach“; heute noch ist der Bach, der durch das Dorf fließt, grünlich. Friedrich besaß Lehen des Hochstifts Würzburg bei Zeilitzheim und Unterpleichfeld und teilte sich mit der Familie die Nutzungsrechte am Gramschatzer Wald. Eine klare Abgrenzung Frankens ist schwierig, wegen der vielen kleinen Territorien, Reichsstädte und geistlichen Grundherrn. Franken hat man als „ein krauses Nebeneinander zwerghafter Territorien“38 beschrieben. In Argulas Lebenszeit umfasste der Fränkische Kreis u. a. die Diözesen Bamberg, Würzburg und Eichstätt, den Sitz des Deutschen Ordens in Bad Mergentheim; zu den wichtigen weltlichen Herren gehörten die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach-Kulmbach, die Grafen von Henneberg, die Grafen und Herren von Castell, Wertheim, Rieneck, Hohenlohe, die Freien Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Windsheim, Schweinfurt und Weißenburg.39 Seit Ende des 15. Jahrhunderts besaß die Familie Grumbach die Hofmark Lenting bei Ingolstadt, der Universitätsstadt an der Donau. Lenting lag im Herzogtum Bayern im Kastenamt Vohburg und gehörte zum Bistum Eichstätt. Vermutlich wohnte Argula jetzt in Lenting, und zeitweise im Norden in Burggrumbach. Weil die Ehe in ihren Augen Gottes Wille für sie war, wird sie vorgehabt haben, ihren Mann zu ehren, ihm gehorsam zu sein und seine Kinder zu gebären, als eine in jeder Hinsicht gute christliche Ehefrau. Der älteste bekannte Sohn Georg könnte wohl um 1513 ge37

Press, Wilhelm von Grumbach, 396 – 431. Barge, Geyer, 3. 39 Merz, Fürst und Herrschaft. 38

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boren worden sein. 1515 setzte Herzog Ludwig dann Friedrich von Grumbach als Pfleger von Dietfurt und Altmannstein ein. Dieses Amt verschaffte ihm ein zusätzliches Einkommen zu den Erträgen, die er aus seinem Besitz erwirtschaften konnte. Er verfügte über Zehntscheunen, in denen er Weizen und Gerste während des Winters lagern konnte, um sie dann zu teuren Preisen im Frühling zu verkaufen. Die kleine Familie fand ihr neues Zuhause in Dietfurt.

Politische Spannungen und Hieronymus’ Hinrichtung Als Wilhelm IV. 1511 mit achtzehn Jahren volljährig wurde, begann ein Ringen mit den Ständen, der „Landschaft“. Die hohen Schulden seines Vaters, Folgen des Landshuter Erbfolgekriegs, und die hohen Aufwendungen für die bevorstehenden Hochzeiten seiner Schwestern Sabine und Sibylle, erforderten Steuererhebungen, denen die Landschaft zustimmen musste. Diese Abhängigkeit stärkte die Stände, denen es gelang, Macht und Einfluss auszuweiten. Nachdem Wilhelms Bruder Ludwig 1514 volljährig wurde, drang er, unterstützt von seiner Mutter Kunigunde, auf Mitregierung. Diese Forderung widersprach dem Primogeniturgesetz, das Albrecht IV. unter dem Eindruck des verheerenden Kriegs um das Erbe Herzog Georgs von Bayern-Landshut erlassen hatte. Die Spannungen waren so groß, dass ein Krieg zwischen den Brüdern unvermeidbar schien. Hieronymus, Hofmeister beider Herzöge, war in einer wenig beneidenswerten Lage.40 Er stellte sich auf die Seite Wilhelms IV. Als die Brüder sich schließlich geeinigt hatten und der Landtag in Ingolstadt mit den Herzögen über eine neue Landesordnung verhandelte, wurde Hieronymus wegen Hochverrats angeklagt, gefoltert und auf dem Salzmarkt in Ingolstadt hingerichtet. Mit dem Prozess und der Verurteilung ging für die Stauffer eine Ära zu Ende; die rechtlichen Privilegien, auf die Hieronymus als Reichsfreiherr Anspruch gehabt hätte, wurden von den Herzögen und dem Landtag missachtet, ebenso 40

Riezler, Hochverratsprozess, 448 – 472. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kapitel 1

das Ingolstädter Stadtrecht.41 Der Einspruch des Kaisers kam zu spät.42 Hieronymus von Stauff hatte – aus der Sicht des Hofes – den gerechten Lohn für die lange Jahre zurückliegende Rebellion bekommen; diese Meinung gibt auch ein zeitgenössisches Volkslied wieder : Ain lied von dem Staufer Der teufel rüet (riet) ihms zware gab im ain sölichs ein; er wolt vor etlichen jaren selbst fürst im Pairland (Bayern) sein; den lewen (Löwlerbund) thet er füeren, ward Herzog Albrecht gwar, er sprach: „wir wellen ims weren, ee (ehe) es ansteet ain jar!“43

Man kann sich vorstellen, wie die spektakuläre Demütigung ihres Vormunds und Familienoberhaupts auf Argula wirkte. Seine Demütigung war auch ihre. Den sechzehn „Clagartikeln“, die ihr Bruder Bernhardin im Juni 1518 an den Münchner Hof sandte, ist zu entnehmen, wie verheerend sich die Hinrichtung des Hieronymus auf die Finanzen und auf Status und Rang der Familie auswirkte. Auch aus dem Löwlerkrieg waren noch Rechnungen offen, dazu kamen weitere Geldforderungen und Beschwerden wegen der Beschlagnahmung eines Hauses in München. Seine Forderungen wurden so verächtlich abgewiesen, dass es ein Wunder war, dass Bernhardin den Herzögen nicht die Fehde erklärte.44

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Der Stadt stand die Blutgerichtsbarkeit zu: ibid., 453. Als Bevollmächtigter des Kaisers schickte Kardinal Matthäus von Wellenburg am 7. April, dem Tag vor der Hinrichtung, einen Brief an die Herzöge. Hieronymus von Stauff wurde wenigstens eine würdige Beerdigung gewährt: „Ist auch alspalde mit der Procession ab dem Markht geholt vnd ob Erden besungen“. Hofmann, Geschichte der Stadt Ingolstadt, 1009. 43 v. 2; Liliencron, Volkslieder, 207. 44 BayHStA Kurbayern Äußeres Archiv 2002, fol. 61, fol. 71 – 74. 42

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Kapitel 2: Haus und Familie

Für die vierundzwanzigjährige junge Frau wird sich das Leben in Dietfurt, reizvoll im Altmühltal gelegen, angenehm verbessert haben. Die Häuser des Städtchens erstreckten sich fast kreisförmig um den Marktplatz bis hin zu den bescheidenen Mauern, die eher Begrenzungen als ernstzunehmende Fortifikationen waren. Zu den Fachwerkhäusern gehörten Ställe und Tennen. Ein steinerner Torbogen führte vom kopfsteingepflasterten Hof auf die Strasse. Einfache geschnitzte Heiligenfiguren in hellen Farben, rötlich und golden bemalt, hockten an den Ecken, unter den ausragenden mit Stroh gedeckten Dächern. Alles war sehr ordentlich. Um das stattliche Rathaus standen flache Giebelhäuser mit schweren Kalkplattendächern, im Erdgeschoss aus Bruchsteinen gemauert, das obere Geschoss aus Fachwerk, gefüllt mit Holzgeflecht und Lehm. Auf der Rückseite lagen die Höfe mit Ställen und Tennen. Etwas abseits die St. Ägidien-Kirche. Ein Kupferstich aus dem Jahr 1590 zeigt dicht neben der St. Ägidien-Kirche ein großes Haus, das vielleicht die Residenz des Pflegers war.1 Im Winter konnte es bitterkalt sein. Als Argula sich in Dietfurt einrichtete, wird das Schicksal ihres Onkel Hieronymus’ sie sehr beschäftigt und geschmerzt haben. Ihre Haushalts- und Geschäftsbriefe deuten auf eine systematische und fleißige Tätigkeit als Korrespondentin hin. Auf den Rückseiten aller Briefe hat sie eigenhändig Absender, Datum und, 1 Ich bin dem Heimatpfleger Franz Kerschensteiner für diese Auskunft dankbar.

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Kapitel 2

wenn es um Rechnungen ging, die endgültige Bezahlung vermerkt. Ihr Mann, wenn man den Beschwerden seiner Korrespondenten Glauben schenkt, schob das Briefeschreiben immer vor sich her, vor allem, wenn es sich um Rechnungen oder die Bezahlung von Schulden handelte; seine Gattin musste in die Bresche springen.2 Offensichtlich brachte sie Ordnung in die Finanzen und Papiere. Argulus (!) wird ausdrücklich in einem Verkaufsvertrag mit der Äbtissin von Himmelspforten, einer Sophia von Grumbach, erwähnt.3 Als Pfleger von Altmannstein und Dietfurt bezog ihr Mann, von allen „Fritz von Grumbach“ genannt, ein regelmäßiges Einkommen, ihm stand auch ein Teil der herzoglichen Abgaben und Frondienste zu. 1522 verlieh er einem Wolfgang Fyrthayler „die haus pfleg zu lenting“. Keine schriftliche Dokumentation; wie üblich genügte ein Handschlag unter Zeugen.4 Das kulturelle Niveau in Dietfurt war provinziell. Argula fand dort keine Gleichgesinnten. Es gab nichts, was mit den politischen und kulturellen Interessen ihrer Eltern, mit den begabten Dichtern und Historikern in München, oder mit dem anregenden Kreis um die Herzogin Kunigunde vergleichbar war. Sie bemängelte später die schlechte Ausbildung der Priester. „Unsere gaystlichen kunthe(n) etlich den Psalter lessen, wer gleych gut“,5 beschwerte sie sich. Aber Dietfurt lag günstig an der Handelsstraße Regensburg-Nürnberg. Im Westen war Nürnberg, im Süden Lenting, im Osten Regensburg, im Norden Würzburg. Aus ihrer Korrespondenz erfährt man, dass sie sich regelmäßig auf den langen Weg nach Burggrumbach, Zeilitzheim und wahrscheinlich auch nach Würzburg machte, um die vielen Grumbachs in der Stadt zu besuchen. Lenting war auch nicht weit; von dort aus war es ein kurzer Ritt nach Ingolstadt. Nürnberg sollte in 2

Der Würzburger Domherr Jörg von Grumbach bat Argula am 28. Oktober 1523: „das ir der anwalt sey das ich bezalt weret“. Ihre eigenhändige Notiz bestätigt, dass die Schuld rechtzeitig bezahlt wurde; BayHStA, Grombach, 4. 3 StAW Kloster Himmelspforten, Urkunden. Februar 1519. 4 BayHStA, Grombach, 3. 5 Matheson, Schriften, 72. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

Haus und Familie

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den kommenden Jahren immer wichtiger für sie werden. Auch Regensburg war gut erreichbar, wollte sie ihre Verwandten im Staufferhof besuchen. Ihr Bruder Bernhardin heiratete 1519 Margarethe von Schlick, aus der prominenten böhmischen Familie, die zu den frühesten Förderern der lutherischen Reformation gehörte. Vielleicht reiste sie zu diesem wichtigen Familienereignis nach Falkenau?6 Schon seit den frühen 1520er Jahren stand sie in Verbindung mit dem Würzburger Stadtschreiber Martin Cronthal, mit dem Stadtprediger Paul Speratus und mit dem Reformator Andreas Osiander in Nürnberg. Reisen war für sie nie ein Problem; sie verstand es, geschickt und schnell ein Netzwerk von Freunden und Beratern aufzubauen. Martin Cronthal half ihr, die recht vernachlässigten Weinberge der Familie in Franken in Ordnung zu bringen. Mit ihm und seiner Familie war sie eng befreundet. Als 1521 ihr Bruder Feirafis und ihre Schwester Zormarina jung starben, boten ihr die Cronthals Trost und Unterstützung. Sie verstanden einander und sprachen sozusagen dieselbe Sprache. Argulas kleine Tochter Apollonia war oft bei den Cronthals zu Besuch.7 Wir wissen wenig über ihre Gäste; mit ihren Briefen aber hielt sie die Verbindung mit ihrer Familie und auch mit alten Bekannten in München aufrecht. Die Flut an Flugschriften und Büchern, die der neue Buchdruck ermöglichte, erreichte auch die kleine Stadt Dietfurt. Lesen und Briefeschreiben waren für Argula sehr wichtig.8 Offensichtlich besaß sie ungewöhnlich viel Energie. Ein tätiges Leben war ihr eigen. Die junge Mutter hatte allerhand zu tun. Eine Schwangerschaft folgte der anderen. Genaue Geburtsdaten der Kinder sind nicht bekannt. 1523 hatte sie aber schon vier „kindlein“.9 Wenn Georg um 1513 in Lenting geboren wurde, folgte ihm Hans-Jörg wohl in Dietfurt. Dann wurde Apollonia geboren, an 6

Der Ehevertrag vom Mai 1519 wird in einer Klage der Margarethe von Schlick vor dem Reichskammergericht 1532 erwähnt: BayHStA RKG 11488. 7 BayHStA Grombach Nr. 1; 7. 8 Matheson, Form and Persuasion, 275 – 296. 9 Matheson, Schriften, 124. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kapitel 2

einem wahrscheinlich eiskalten Tag im Februar. Wenigstens ein ungenanntes Kind starb in frühen Jahren. Argula stillte die Kleinen selbst, es gab keine Amme in ihrem Haushalt.10 Ihre Briefe (und Rechnungen) und die sorgfältigen Pläne für die künftige Erziehung weisen darauf hin, dass die Kinder ihr Stolz und ihre Freude waren. Eine hoffnungsvolle Zukunft ließ die Tragödie ihres Onkels in Ingolstadt zwar nicht vergessen, aber jetzt hatte sie eine neue Aufgabe: ihrem Mann zur Seite zu stehen und die Kinder zu erziehen. Die Grumbachs nahmen sie auch herzlich auf, als sie die Kinderschar sahen. Die Briefe Martin Cronthals zeigen, wie gewissenhaft sie die Güter verwaltete. Es ist auffallend, dass er an sie und nicht an ihren Mann Friedrich schrieb. Weinbau war eine höchst komplizierte Angelegenheit, einer Menge von Regeln und Gesetzen unterlegen. Die Mauern mussten dauernd repariert werden, die Weinstöcke gedüngt, die Reben regelmässig beschnitten, und das Unkraut gejätet werden; Fäule bedrohte die Trauben; Maulwürfe mussten beseitigt werden. Weinberghüter hielten in kleinen Hütten Ausschau und verscheuchten Vögel von den reifenden Trauben; die Lese und das Keltern war eine Kunst für sich; vor allem war es Glückssache, ob man den Wein zur richtigen Zeit zum Markt bringen konnte. Martin Cronthal beaufsichtigte den Hofmann Klaus, der unter anderem dafür verantwortlich war, die üblichen Abgaben einzutreiben: Getreide, Eier, Geflügel. Keine leichte Aufgabe, vor allem, wenn das Wetter und andere Umstände ungünstig waren. In seinem Brief vom 24. Februar 1521 bestellte Cronthal Argula, der Taufpatin (gevatterin) seines Kindes, herzliche Grüße von seiner Frau und dem ganzen Haushalt. Es täte ihm leid, dass sie und ihr Sohn krank seien: Ewr deßgleichen eures jungen suns swecheyes auch was euch sunst wider wertigs vnnd bekummernis zu stend ist meiner hausfrawen unnd mir von herzen wehe unnd leyd der allmechtig gott verfugs mit gnade zum allerbesten (…) gott verleyhe euer und vnser allen halben mitt gnad langwonung (Geduld). 10

BayHStA, Grombach, Nr. 64. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Er dankt Gott, dass die Pest (der sterb) nicht zu schlimm ist, aber wenn sie wieder wütet, sollten sie zu ihm ziehen. Die nötigen Arbeiten im Weinberg hat er veranlasst, doch ist noch viel zu tun. Er zählt die Ausgaben auf; u. a. hat er einen Karren bezahlt. An den schwerkranken Würzburger Domherrn Jörg von Grumbach hat er zehn Gulden geschickt, der ungeduldig auf die zwanzig Gulden, die man ihm noch schuldig sei, warte: „zu besorgen er mocht mit der zeyt auffgen vnd ich hab mit nymant ander von gutt halben wollen handeln.“ Der Verkauf von einigen Gütern kann nur abgeschlossen werden, wenn Friedrich von Grumbach persönlich erscheine: „Sagen die grumbachs sey willens des kauffen doch das ewr junckher sich hieher fuge uber land“.11 Vom Beginn ihrer Ehe bis an ihr Lebensende kümmerte sich Argula um die Güter und Weinberge, regelmäßig nach Burggrumbach oder nach Lenting reitend, um die Aussaat im Frühling, die Ernte im Herbst und den Verkauf von Getreide und Wein zu beaufsichtigen: „dan von acker paü und vichzucht ist mein taglich prodt mit grosser müe und erbet“, wie sie 1542 an Herzog Wilhelm schrieb.12 Der mit den Grumbachs verwandte Eichstätter Domherr Friedrich von Leonrod, ein freundlicher, herzlicher Herr, erwies sich auch als verlässlicher Freund. Dietfurt lag an der westlichen Grenze von Franken, nicht weit von Eichstätt entfernt. Friedrich von Leonrod besaß die Pfarrpfründe in Zeilitzheim, war aber nie als Pfarrer dort tätig. Die Seelsorge hatte er einem Stellvertreter, dem Vikar Jacob Pfeffer, übertragen, mit dem er und Friedrich von Grumbach, der Dorfherr von Zeilitzheim war, Schwierigkeiten hatten. Argula sollte die Probleme lösen; sie erwarb sich Leonrods Dankbarkeit, als sie es auf sich nahm, am Martinstag nach Zeilitzheim zu reiten, die Lage selbst zu überprüfen und die nötigen Maßnahmen einzuleiten. Ab und zu schickte sie dem Domherrn kleine Geschenke: Wein oder Käse. Auch der Bruder des Domherrn, Al-

11 12

Ibid., Nr. 1. EMWJ 2009, 4, 50. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kapitel 2

brecht, Pfleger in Hirschberg, war der jungen Dietfurter Familie freundlich gesinnt.13 Die Pflichten Friedrich von Grumbachs als Pfleger in Dietfurt waren kaum eine große Bürde. Er musste die gelegentlichen Befehle des Herzogs ausführen und die Abgaben und Steuern einziehen lassen. Auch wenn die Bauern die Fronarbeit an den Straßen oder Brücken hassten, vor allem im Frühling oder in der Erntezeit, musste der Pfleger dafür sorgen, dass die Wünsche des Herzogs Priorität hatten. Meistens war das eine eintönige Amtsroutine. Fritz war auch verantwortlich für das Ortsgericht, dem die niedere Gerichtsbarkeit zustand. Er musste die Verdächtigen verhören, falls erforderlich auch eine „peinliche befragung“ durchführen, das heißt: foltern. Große Aufregung entstand 1522, als der Gefangene Lorentz Weringer aus dem Kerker entkam und die Verfolger, unter ihnen Fritz, zu Fuß und zu Pferd aus der Stadt strömten und nach ihm fahndeten. Ihm gelang aber die Flucht und bald stellte sich heraus, dass auch der Scherge, dessen Frau im Kerker saß, verschwunden war. Argulas Mann musste die peinliche Geschichte den Herzögen Ludwig und Wilhelm berichten.14 Solche Dramen waren höchst selten. Es ist merkwürdig, dass Friedrich von Grumbach, als verantwortlicher Pfleger, in einem Bericht über einen Raubüberfall nicht erwähnt wird: Im Juli 1522 überfielen vier Reiter aus der berüchtigten Bande des Raubritters Thomas von Absberg bei Dietfurt einen Arzt aus Wien, beraubten ihn und hackten ihm brutal die Hand ab; Hilfe holte man aber in Pappenheim.15 Argula oblag die Aufsicht über den Haushalt und die Sorge um die kleinen Kinder. Das war nicht ungewöhnlich, aber Friedrich überließ seiner Frau die Verantwortung für die Erziehung auch später, als sie größer und älter waren. Sie bemühte sich, ihnen die beste Bildung zu ermöglichen, die die Familie sich leisten konnte. Der Stauffer-Tradition folgend, sollten sie studieren und die weite Welt kennenlernen. 13

Ibid., Nr. 6; 5. August 1525; 25. Januar 1527; 14. Februar 1528 (ohne Nummerierung). 14 Ibid., 17. September, 1522 (ohne Nummerierung). 15 Baader, Verhandlungen, 34 – 35. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Lateinkenntnisse waren Voraussetzung für ein Universitätsstudium und ohne Studium waren die Chancen jetzt gering, Ämter am Hof oder in der Landesverwaltung zu erreichen. In der sich schnell verändernden Welt wurde das herkömmliche ungeschriebene Gesetz zunehmend von schriftlicher Dokumentation und vom Römischen Gesetz verdrängt. Finanzen, Verwaltung und Recht wurden in den bayerischen Territorien zunehmend auf eine professionelle Basis gestellt.16 Trotz der Spannungen zwischen ihrer Familie und den Wittelsbachern, trotz des erbärmlichen Schicksals ihres Onkels Hieronymus, verstand Argula sehr wohl, dass ihre Kinder das Leben und die neuen Denkweisen des Hofes kennen lernen mussten. Ihr ältester Sohn Georg wurde schon in sehr jungem Alter, vielleicht mit sechs oder sieben Jahren, nach München geschickt; auch ihre Eltern hatten sie vor vielen Jahren dorthin gebracht. Die Mutter war ehrgeizig, was die Söhne und auch Apollonia betraf. Sie hatte nie vergessen, wie wichtig ihr die eigene Erziehung gewesen war, die ihr den Zugang zur Welt der Bücher und zum Grundwissen der Arithmetik vermittelt hatte. Auch Apollonia sollte ähnliche Chancen haben. Der Haushalt war bescheiden: eine Köchin, ein Mädchen für alles, jemand, der auf die Pferde und die Hunde aufpasste – nicht viel mehr. In den Küchen wurde in dieser Zeit am offenen Herdfeuer gekocht, Kessel und Kochtöpfe hingen von Haken und Ketten oder standen auf dem Dreifuß, auf dem langen Spieß wurde das Fleisch gebraten; Mörser, Raspeln und Fleischwölfe, Mahlwerke, Kellen und Siebe waren griffbereit. An einer Wand stand eine niedrige Bank für die hungrigen Zuschauer, die jede Küche anzieht. In großen Tonbehältern wurden Bohnen, Erbsen, und Mehl aufbewahrt. Die Grumbachs werden ihr eigenes Roggenbrot gebacken haben, Bier gebraut, dicke Scheiben von Seife gemacht, Kerzen aus Wachs oder Talg gezogen haben. Das Lentinger Gut lieferte Käse, Eier, Geflügel und Fisch, Hafer und Weizen, Bohnen und Erbsen und natürlich die üblichen Gewürze: Fenchel, Dill, Senf, Kümmel, Petersilie. Auch exotische Gewürze waren zu haben: Muskat, 16

Vgl. Müller, Universität und Adel. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Ingwer, Anis, Zimt. Der sehr teuere Safran taucht in einer Rechnung auf.17 Die übliche Kost war üppig und schwer, aber es gab auch Kraut und Rüben, Zwiebel, Knoblauch und Mohrrüben. Fisch, das traditionelle Freitagsessen, war teuer. In den Rechnungen erscheinen auch ab und zu Spezialitäten wie Muskatellertrauben, Feigen und Nüsse. Im Herbst waren Äpfel, Birnen und Esskastanien höchst willkommen. Conrad Celtis, der berühmte Humanist, erlaubte sich bissige Bemerkungen über die fränkischen Weine, die aber durchaus genießbar waren; normalerweise trank man dünnes Bier.18 Salzscheiben, Pfeffer und auch Zucker, der jetzt häufiger verwendet wurde, musste man beim Händler kaufen. Man schlachtete eigene Schweine und Vieh und ließ das Fleisch dann für den langen Winter räuchern oder trocknen. Wie in anderen großen Häusern hingen die Schinken von der Decke; gesalzenes oder gepökeltes Fleisch und auch Wildpret lagerten in Fässern. Oft ging den Grumbachs das Geld aus, das Essen aber nie – im Gegensatz zu vielen armen Menschen, vor allem in den kargen Monaten am Anfang des Jahres. Als Hausfrau trug Argula Verantwortung für den gesamten Haushalt: Sie musste alles bestellen, die Mahlzeiten planen, mit den Händlern feilschen, auf die Kinder aufpassen, Gäste willkommen heißen. Sie sorgte für Kleidung, Decken und Kissen. Teure Seide wie Atlas wurde für die festliche Kleidung benötigt; mit dem Augsburger Barchent (aus Leinen und Baumwolle) wurden die Kissen gestopft. Dann gab es die rauheren Stoffe, wie Arras, für Röcke, Schauben, Umhänge und Mäntel. Zuletzt kam die Schneiderin, um alles zu nähen. Argula wird auch für die Reparaturen und Veränderungen in der Küche und den Stuben zuständig gewesen sein.Wichtig waren im Winter die hohen Kachelöfen mit umlaufenden Sitz17

Die Rechnungen aus der Zeit in Dietfurt sind nicht erhalten, aber wir haben detaillierte Rechnungen aus den späteren Jahren: von Eberhard Hemerlein 1534; und Israel Sayler, 1541; BayHStA Grombach; ohne Nummerierung. 18 Freilinger, Ingolstadt, 146. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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bänken. Große, geschnitzte Holztruhen hielten Kleider, Bettzeug und Tischtücher trocken und sauber.19 Bücher und Flugschriften waren ihr unentbehrlich, aber abgesehen von der Bibel, die ihr der Vater geschenkt hatte, sind wir auf Vermutungen angewiesen, welche Bücher sie sonst noch besaß: vielleicht ein illuminiertes Stundenbuch, Abschriften von Staupitz’ Predigten, Volksbücher, ein Hausbuch mit den üblichen Kochrezepten und Arzneimitteln, Register und Steuerbücher für Lenting. Angesichts der guten Ordnung ihrer Papiere nimmt man an, dass die Briefe und Dokumente in einem kleinen Kasten aufbewahrt wurden. Wir wissen, dass sie das beste Landshuter Papier für ihren Schreibtisch bestellte. Zum Schreiben benötigte sie Federkiele und ein scharfes Messer, um sie zurechtzuschneiden, ihr Siegel mit dem Stauffer-Wappen, den roten Siegellack, der ihr als „Freiin von Stauff“ zustand, und ein Tintenfass; alles außer Reichweite der Kinder! Für die Kinder mussten Betten beschafft werden. Die Säuglinge schliefen in Wiegen, die oft aus geschnitztem Holz mit einem „Himmel“ bestanden. Die Kleinen ruhten auf Strohsäcken, aber bald bekamen Georg und Hans-Jörg einfache Rollbetten. In der Winterkälte brauchte man Federbetten – kein Problem, wenn so viele Enten und Gänse in der Nähe waren! Vor dem Schlafengehen lernten die Kinder wohl ihre ersten Gebete. Wahrscheinlich hatten die Eltern Fritz und Argula ihr eigenes „Himmelbett“ mit Vorhängen, die vor Zugluft schützten, und schön gemusterte Decken über dem Federbett. Meistens genügten die in einem Hausbuch überlieferten Heilkräuterrezepte, um mit Schnittwunden, blauen Flecken und den unvermeidlichen kleinen Kinderkrankheiten fertig zu werden. Ärzte aus dem fernen Ingolstadt oder Regensburg zu holen, war nie realistisch. Man hielt die kleinen Patienten warm und bequem und befahl sie Gott. Man verabreichte den Kindern regelmäßig Mittel gegen Würmer und Verstopfung. Sobald eine Seuche drohte, häufig im Sommer, schickte man die Kinder zu Freunden. Angesichts des frühen Todes ihrer Eltern durch „das Sterben“, war Argula in dieser Beziehung besonders wachsam. 19

Vgl. Zander-Seidel, Textiler Hausrat, passim. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kapitel 2

Kinder wissen immer, wie man am besten das Leben genießen kann. Georg, Hans-Jörg und Apollonia werden sich die Zeit mit dem Knöchelspiel, mit Murmeln und Reifen vertrieben haben. Sie ließen wohl auch Drachen steigen und vergnügten sich mit den Hühnern, Gänsen und Hunden (und passten auf, dass sie nicht gebissen wurden). Vermutlich freundeten sie sich mit den Pferden an; der Pferdestall, mit seiner warmen, dampfenden Atmosphäre, war vielleicht ihr zweites Zuhause. Man kann sich Argulas Leben in Dietfurt vorstellen, die tägliche, jährliche Routine. Ein geschäftiges, ehrbares und auch fesselndes Familienleben wurde allmählich für sie selbstverständlich. Ein Jahr folgte dem anderen. Als sie ihr dreißigstes Jahr erreicht hatte, werden die Erinnerungen an die Demütigungen und Todesfälle in ihrer Familie verblasst gewesen sein. Sie konnte sich auf die Zukunft freuen, vor allem auf die Zukunft der Kinder, und auf Gottes guten Willen vertrauen.

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Kapitel 3: Licht und Finsternis

Antiklerikalismus und Apokalyptik 1517: Nicht an der Politik, an der Religion schieden sich jetzt die Geister. Aufregung und Angst machten sich bemerkbar, die Spannungen verschärften sich. Seit Jahren hörte man aus dem fernen Rheinland ein dumpfes Poltern. Die Dominikaner in Köln, arg besorgt um den orthodoxen Glauben, wurden durch eine satirische Schrift, Epistolae obscurorum virorum, Dunkelmännerbriefe, ins Lächerliche gezogen. Der Anlass war die Hetze eines Dominikaners, des (unglücklich zu nennenden) Johannes Pfefferkorn, gegen den berühmten Gelehrten Johannes Reuchlin (1455 – 1522). In ganz Deutschland waren Humanisten und reformfreudige Menschen, darunter viele Kleriker, entsetzt. Der Zusammenstoß des Humanisten mit den Scholastikern war aber für die Satiriker ein gefundenes Fressen.1 Reuchlin war ein anerkannter Hebraist, führend in seinem Fach. Mit dem Fall Reuchlin verknüpft ist die Auseinandersetzung um die Erneuerung der klassischen Sprachen (Hebräisch, Griechisch und Latein) und um ein neues, toleranteres, und lebensnaheres Wissenschaftsverständnis.2 Vom 13. Jahrhundert an waren die Bettelmönche, wie die Franziskaner oder Dominikaner, eine volksnahe Erneuerungsbewegung in der Kirche; man schätzte ihre lebensbezogenen Predigten und ihr asketisches Leben. Zunehmend wurden sie in 1

lin.

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Stokes, Epistolae obscurorum virorum; Rummel, Case against ReuchRummel, The Humanist-Scholastic Debate. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kapitel 3

der letzten Zeit aber als Heuchler oder als bildungsfeindlich angesehen. Gestern verehrt, heute verhöhnt! Volkslieder und Spottgedichte über die Bettelmönche zirkulierten, wie in ganz Deutschland, auch in Bayern und Franken.3 1517 wurde der Furor über Reuchlin durch die Kontroverse um einen anderen Dominikaner in den Schatten gestellt: Johannes Tetzel, der einen sensationellen neuen Ablass vermarktete. Ursprünglich sollten Ablässe dazu dienen, harte kirchliche Bußstrafen zu mildern, doch das Ablasswesen hatte sich nach Meinung vieler Humanisten und national denkender Deutschen zu einem System finanzieller Ausbeutung von Leichtgläubigen entwickelt. Mit seinen 95 Thesen entfachte der Augustiner-Eremit Martin Luther bekanntlich eine theologische Debatte über das Heilsverständnis, das solchen Ablässen zugrunde lag. Die Auswüchse des Ablasshandels und Luthers Protest verursachten besondere Aufregung, weil sich die Empörung über die Ausbeutung der Laien mit tiefem Abscheu gegen ein, wie man glaubte, falsches Gottesbild verband. Das löste eine Entwicklung aus, die nicht mehr aufzuhalten war. Ein endgültiges Urteil über die spätmittelalterliche Frömmigkeit steht noch aus. Der Spiritualität der Familien Stauff und Grumbach fehlte es keineswegs an Vitalität und Ernsthaftigkeit, denkt man nur an die innigen Gebete für die Lebenden und die Toten oder an die Anziehungskraft, die Festtage und Wallfahrten besaßen.4 Die spätmittelalterliche Frömmigkeit konnte aber „verblüht“ und äußerlich wirken. Die Freigiebigkeit der Laien hatte der Kirche soviel Reichtum gestiftet, dass die Freiheit des Evangeliums allzu selten glaubwürdig dargestellt wurde. Die Institutionen der Kirche waren reformbedürftig. Eine tiefe Kluft hatte sich auch aufgetan zwischen der spekulativen Theologie der Universitäten und der emotionalen Pietät der einfachen Menschen. Ein Merkmal spätmittelalterlicher Frömmigkeit war die Faszination, die von Berichten über übernatürliche Wunder, Blutregen, kämpfende Heere am Himmel oder herunterfallende Sterne ausging. Einblattdrucke, die von Hand zu Hand wander3 4

Nyhus, Franciscans in South Germany, 1 – 47; Dipple, Antifraternalism. Matheson, A late medieval Prayer-book, 517 – 530. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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ten und an die Wände der Wirtshäuser geheftet wurden, zeigten Missgeburten oder andere groteske Erscheinungen. Durch Herzogin Kunigunde wird Argula auf die abergläubischen Inhalte der Volksfrömmigkeit aufmerksam geworden sein. Auch Aventinus, der Tutor des jungen Prinzen Ludwig, stand solchen Wundern und Zeichen sehr skeptisch gegenüber ; Argula wird seine Ansichten gekannt haben. Leichtgläubigkeit und Antiklerikalismus schlossen sich aber keineswegs aus.5 In den Kreisen, in denen Argula verkehrte, und zu denen auch Wilhelm von Grumbach, der freimütigste Verwandte ihres Ehemanns, gehörte, war laute und ungeduldige Kritik an der Trägheit und Ignoranz des Klerus zu vernehmen. Man kritisierte nicht nur die Bettelmönche, sondern auch die Prälaten und die Klöster ; das Papsttum wurde besonders heftig angefeindet. Man meinte, die einfältigen Deutschen würden wie Dreck behandelt und dass die Italiener das Land aussaugen würden. Auf den Reichstagen brachten die Stände „Gravamina“ vor: detaillierte Beschwerden über kirchliche Missstände; sie forderten sofortige Abhilfe. Die Gravamina des deutschen Volks gegen den römischen Stuhl wurden 1521 auf dem Reichstag zu Worms von den Fürsten ausgearbeitet. Der Kaiser lehnte sie aber ab. Sie zeigten viele Gemeinsamkeiten mit früheren Beschwerden, einschließlich Luthers Schrift An den Adel deutscher Nation, die 1520 erschienen war. 7. Wie zu Rom die pfrönden (Benefizien) ungeschigkten personen oft verlihen werden. Item es werden die pfronden Teutscher nation zu Rom etwan buchsenmaistern, falknern, pfistern (Bäcker), eseltribern, stallknechten und andern untuglichen, ungelärten und ungeschigkten personen verlihen und zu zeiten denen, die nit Teutsch gezungs seien; daraus erwechst, das sie ir pfronden nit selbs versehen und andern notdurftigen, armen priestern, die sich mit wenig benugen lassen und vil von inen absenz geben, zu versehen bevelhen; dardurch die armen laien jedes orts, zusambt mangel gaistlicher versehung, auch in zeitlichen hendeln von irem pfarrer alles trosts beraubt. (…)

5

Übersicht in Dykema, Anticlericalism; und Goertz, Antiklerikalismus. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kapitel 3 14. Von reservationen, pectoralen, mentalen, regressen, incorporation, union und concordaten. An solichen regeln zu Rom ist sein Heiligkait nit gesettigt, sonder von tag zu tag mer beschwerung und neu fund erdenkt, damit die Teutsch nation ausgeschöpft. (…) 22. Von indulgentien und ablass. Es wurdet auch fur hochbeschwerlich geacht, dass papstliche Heiligkait taglich sovil indulgenz und ablass in Teutsch nation schicken, dadurch die armen ainfaltigen verfurt und durch behendigkait (Schwindel) umb ir barschaft (Geld) betöret. (…) 101. Wie den armen aus vast (sehr) geringen ursachen die sacrament vorgehalten werden. Item so je zu zeiten jemand dem pfarrer oder der kirchen schuldig und etwan aus armut nit bezalen mag, derhalben umb zimblich zil (Zeit) bittet, dem werden die sacrament verhalten und damit gepeinigt, wievol er nach gestalt der sachen vor seinem weltlichen richter furgenomen und billich da erortert sollt werden.6

Bürger in der Stadt wie Bauern auf dem Land ärgerten sich, dass die häufig abwesenden Kleriker Predigt und Seelsorge vernachlässigten. Kleriker empörten sich über die Benefizienjäger aus Italien, die die Einnahmen deutscher Diözesen für sich beanspruchten. Die Domherren in Würzburg waren entrüstet, dass ihnen die einträglichsten Pfründen entwendet wurden. Auch in München kursierten bittere Anschuldigungen gegen Macht, Reichtum und Prunk des hohen Klerus und gegen den Abfluss von Geld und Ämtern von Bayern nach Rom. Die scharfe Kritik, die Aventinus in seiner bayerischen Chronik äußerte, ist nur ein Beispiel von vielen; er stieß bei Leonhard von Eck auf offene Ohren.7 Die bayerischen Herzöge betrachteten die Klöster und den hohen Klerus längst als leicht anzuzapfende Geldquellen, wenn ihre Schatzkammer leer war. Auch im bayerischen Adel sammelten sich Ressentiments gegen die Römische Kurie und das kanonische Recht, das den Priestern Immunität gegen rechtliche Klagen gewährte und sie vor der Bürde gesellschaftlicher Pflichten schützte, die andere 6 7

RTA JR 2, 671 – 704, besonders 673, 676, 678, 704. Aventinus, Werke, IV – V. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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dann tragen mussten. Bischöfe wie Rupert von Regensburg (1492 – 1507), ein unfähiger und unschlüssiger Prälat, der Gold, Silber und Perlen auf Reliquienschreine und Kruzifixe verschwendete und enorme Summen für prachtvolle Gewänder ausgab, gerieten in das Feuer der Kritik.8 Angesichts solcher Mißstände litt die Glaubwürdigkeit der Kirche. In Nürnberg waren die Anhänger von Johann von Staupitz, dem in München so beliebten Generalvikar der AugustinerEremiten, weiter gegangen. In der sodalitas Staupitziana schlossen sich führende Patrizier zusammen, wie Kaspar Nützel, Mitglieder der Familien Fürer und Tucher, Christoph Scheurl, der mit Luther korrespondierte und dessen 95 Thesen in der Stadt verbreitete, der Stadtschreiber Lazarus Spengler und Albrecht Dürer. Solche Vereinigungen waren in ganz Europa verbreitet. Mit Hohn und negativer Kritik gaben sie sich nicht zufrieden. Sie überlegten, wie man die Kirche mit biblischem und humanistischem Gedankengut erneuern könnte. Staupitz hatte in den Jahren 1516 und 1517 in Nürnberg gepredigt. Die zentralen Themen waren für ihn: das Leben und der Tod des irdischen Jesus, der sein rosenfarbiges Blut für uns vergossen hatte; Heil als reine Gnade, als Gottes Gabe an uns; die Wunden Christi als Quellen aller Barmherzigkeit. Äußerlicher Pomp und Prunk habe mit echtem Glauben nichts zu tun. Solche Predigten leuchteten vielen Menschen ein und bewegten ihre Herzen. Die Verbindung von Wittenberg und Nürnberg wurde noch enger, als Staupitz im Frühjahr 1517 den Prior der Wittenberger Augustiner-Eremiten Wenzel Linck nach Nürnberg schickte. Im Oktober 1518 traf Luther die Staupitzianer in Nürnberg. Seit mehr als zehn Jahren hatte Erasmus von Rotterdam ähnliche Ideen verbreitet und in ganz Europa Resonanz gefunden. Frömmigkeit sollte einfach sein, christozentrisch, auf die Nächstenliebe und das Alltagsleben der Laien ausgerichtet. In vielen Städten hörte man von den Kanzeln den Ruf nach Reformation, Rückkehr zu den Quellen, zu den Lehren und zur Mitmenschlichkeit der ersten Christen. Paul Speratus, seit Juli 8

Janner, Regensburg, 3, 624. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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1520 Stadtprediger in Würzburg, gehörte mit zur Vorhut, unterstützt vom Domkapitel und selbst vom Bischof Lorenz von Bibra.9 Krasser Aberglaube löste zur gleichen Zeit in Regensburg Gewalt und Erpressung aus. Dort donnerte der Stadtprediger Balthasar Hubmaier gegen die Juden, die den guten Namen der Jungfrau Maria in den Dreck gezogen hätten. Die Häuser der Juden wurden mutwillig zerstört, im Februar 1519 mussten sie die Synagoge räumen und wurden aus der Stadt vertrieben. Die Synagoge wurde abgerissen. Dort, wo sie seit Generationen gestanden war, errichtete man eine kleine Holzkapelle, der „Schönen Maria“ geweiht. Eine aufgeregte Menge jagte Schweine über den jüdischen Friedhof. Die Kunde von Wunderheilungen am neuen Heiligtum verbreitete sich schnell. „Man hatt vil gesagt von zaichen, die da geschechen.“ Tausende von Pilgern rasten in einem endlosen Strom dahin. Sie ließen in ihrer fieberhaften Begeisterung alles auf dem Boden liegen: Werkzeuge, Kochtöpfe, Hacken auf den Feldern. Sie liefen Tag und Nacht, um die großen Wunder mit eigenen Augen zu sehen.10 Wie es in einem zeitgenössischen Lied heißt: Maria künigine, du hymelischer thron, verleich mir weis und sinne, ich du (tue) dich rufen an, daß ich fröhlich mug singen zu trost der christenheit, dass wir die Juden zwingen, die uns wöllen vertringen; hilf uns, du schöne meid (Magd)!11

Trotz einer tiefen Verehrung für Maria, zählte Albrecht Dürer zu denen, die über solche Exzesse entsetzt waren. Angesichts der Missstände forderte der Würzburger Prediger Paul Speratus eine 9

Pressel, Speratus, 4 f. Rem, Cronica, 131. 11 Liliencron, Volkslieder 3, Nr. 339, 333. 10

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radikale Veränderung; jeder Gläubige sollte schon jetzt einen Anfang machen, auch wenn heftiger Widerstand zu erwarten sei, der einen ums Leben bringen könnte.12 Die Zeit des Wartens sei vorbei! Der Antiklerikalismus zielte nicht mehr auf spezifische Missstände; man stellte den Anspruch der Kirche, ihre Autorität in jedem Lebensbereich auszuüben, in Frage.

Das Auftreten Luthers Und jetzt strahlte ein neues Verständnis des Glaubens aus einer ganz unerwarteten Richtung: aus Richtung einer Universität! Nach 1517, dem Jahr in dem Luther seine 95 Thesen aufstellte, verbreiteten sich die neuen Ansichten auf den Handelswegen, über monastische und universitäre Verbindungen und durch humanistische Korrespondenz. Der Austausch von Ideen, Gerüchten und Nachrichten geschah mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Laien sprachen offen miteinander über die Entwicklungen. Flugschriften wurden über Nacht gedruckt, in Wittenberg, Straßburg, Augsburg oder Basel, und schnell folgten Nachdrucke in anderen Städten. Das Wort „Flugschrift“ stellt das Wesen des neuen Kommunikationsmittels dramatisch dar : das Wort flog durch das Land. In Landshut und München druckte man Luthers frühe Schriften, u. a. der Münchner Drucker Hans Schobser, der später auch die zweite Flugschrift von Argula drucken wird. Die Drucke von Matthes Maler in Erfurt zeigen anschaulich, wie die Verlage den Hunger nach reformatorischen Ideen stillten; seit 1519 druckte Maler zahllose Schriften von Luther, Spalatin, Kettenbach, Bucer, Eberlin von Günzburg und Zwingli; auch Argulas erste Flugschrift. Er gab polemische Schriften gegen Johann Eck und das Papsttum heraus, dazu einen Bericht über den Wormser Reichstag 1521 und einen mit dramatischen Holzschnitten illustrierten Bericht über die Brüsseler Märtyrer Heinrich Voss und Johann Esch 1523.13 Die Flugschriften waren schnell ausverkauft, vor allem die 12 13

Wie man trotzen soll aufs Kreuz wider alle welt. Wittenberg, 1524. von Hase, Erfurter Drucke, 51 – 88. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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polemischen, wie der Nürnberger Rat mit tiefer Sorge beobachtete, weil er den bürgerlichen Frieden dadurch gefährdet sah.14 Holzschnitte und Einblattdrucke illustrierten Ereignisse und akzentuierten Gegensätze, komplexe Zusammenhänge vereinfachend und oft karikierend: Jesus, bescheiden auf einem Esel reitend, wird eine prunkvolle päpstliche Prozession gegenübergestellt; Karsthans, Sinnbild des „einfachen Mannes“, überwindet einen gelehrten Professor im Streitgespräch. So erreichte man „Herr Omnes“.15 Flugblätter wurden auf den Straßen oder auf dem Marktplatz kolportiert, und ab und zu wanderten die weiblichen Verkäufer in Haft. Satirische Reime oder Lieder tauchten auf den Kanzeln unpopulärer Prediger auf oder wurden an die Kirchentür angeschlagen. Lieder und derbe Sprüche nahmen das Papsttum aufs Korn: „Je neher Rom ie böser Christ / han ich min lebtag gehört.“16 In improvisierten Umzügen mokierte man sich über die Kleriker und die traditionelle Pietät. Dr. Johann Eck berichtete, dass Frauen ihre Hintern mit den Ablassbriefen abwischten.17 Das gesprochene Wort war für die Verbreitung von Nachrichten und Ansichten und das Infragestellen ehrwürdiger Traditionen ebenso wichtig wie Buch oder Flugschrift. Flugschriften wurden den aufgeregten Zuhörern oft laut vorgelesen, im Wirtshaus oder auf dem Marktplatz, oder etwas diskreter zu Hause. So sammelte sich schnell eine Hörerschaft. Einige Flugschriften empfahlen ausdrücklich, den Inhalt an andere weiterzuleiten, der heutigen Computernutzung nicht unähnlich.18 Für 14

„allerlei puchlein (…) durch frembde, unbekannte personen in unser statt geschlaift und in ainer vergehe verkauft werden“, RTA, Vol. 4, 480, zitiert bei Vogler, Nürnberg, 55. 15 Keith Moxey, Peasants, warriors and wives; Scribner, For the sake of simple folk; Matheson, Imaginative World. 16 Liliencron, Volkslieder, 3, 389. 17 Colo suffigunt illa confessionalia; zitiert von Kolde, Seehofer, 101, Anm. 2. 18 Ein Beispiel: Diss biechlein zaygt an die weyssagung von zukunfftiger betrubnuss (Hans Schönsperger, Augsburg 1522) wird von John Flood erwähnt; Subversion, 186; vgl. Matheson, Emergence of Public Opinion, 27 – 57. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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die meisten Menschen, ob auf dem Land oder in den Städten, war die Kanzel ein unübertroffenes Medium, wenn man sich für neue Ideen und Ereignisse interessierte. Lazarus Spengler in Nürnberg und Thomas Müntzer in der kleinen sächsischen Stadt Allstedt beschreiben wie Männer, Frauen und Kinder in die Städte strömten, um das Evangelium zu hören.19 Ideen wurden aktuell und konkret, wenn sie mit bestimmten Ereignissen verbunden waren. Dies war auch der Fall in Bayern, ob unter den Adeligen, in den Klöstern, oder in Städten wie München, Landshut, Straubing, Wasserburg und Altötting.20 Weinhändler, Kaufleute, Studenten, Boten, Prediger, Freunde und Verwandte verbreiteten die Nachrichten aus Augsburg, wo 1518 der päpstliche Legat Kardinal Cajetan mit dem jungen Augustinermönch Martin Luther zusammenstieß. Dann folgte 1519 Luthers dramatische Disputation mit dem Ingolstädter Professor Johann Eck in Leipzig. 1520 wurde Luther schließlich als einem Häretiker in der päpstlichen Bulle der Bann angedroht. Diejenigen, die die Bulle verbreiten wollten, wie Eck und Professor Hauer, auch aus Ingolstadt, stießen oft auf Empörung. „Eck, ohne Ecken“, hieß eine Flugschrift, die ihn verhöhnte.21 Noch 1521 warnte Herzog Wilhelm die bayerischen Bischöfe davor, gegen Luther zu polemisieren, um den Volkszorn nicht zu steigern.

Argula und Luther Wir wissen nicht, wann Argula zum ersten Mal dem Namen des Wittenberger Professors Martin Luther begegnet ist. Die Stauffer hatten zum ernestinischen Hof Friedrichs des Weisen Beziehungen. Argulas Bruder Gramaflanz war einige Zeit am Hof, wie ein Brief an Hieronymus von Stauff zu Pfingsten 1515 bezeugt, und es scheint nicht unwahrscheinlich, dass weiterhin Nachrichten aus Sachsen an die Familie flossen.22 Die Hinrichtung 19

Spengler, Schriften, I, 348; Müntzer, Collected Works, 66 – 70. Weitlauff, Die bayerischen Herzöge, 78. 21 Eccius Dedolatus, gedruckt von Matthes Maler in Erfurt, 1520. 22 Vgl. den Bericht an Hieronymus von Stauff an Pfingsten 1515 über die

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ihres Onkels im Jahr 1516 wird Argulas Vertrauen in die Grundfesten der Gesellschaft erschüttert haben und sie war jetzt vielleicht bereit, alles in Frage zu stellen. Sie stand auch in engem Kontakt mit dem Würzburger Stadtschreiber Martin Cronthal, der wiederum bestimmt mit dem Prediger Speratus zu tun hatte. Schon am 21. November 1521 musste Speratus Würzburg verlassen; angesichts der engen Beziehungen zwischen ihm und Argula ist es wahrscheinlich, dass ihr Interesse für reformatorische Ideen vor dieser Zeit entstanden war.23 Im Februar 1521 fragte ein besorgter Cronthal nach ihrer und der Kinder Gesundheit, „auch was euch sunst wider wertigs vnnd bekummernis zu stend.“ Argula hatte 1521 die traurigen Nachrichten gehört, dass die Schwester Zormarina und der Bruder Feirafis gestorben waren. Vielleicht meinte Cronthal diesen Verlust. Er erwähnte auch in diesem Brief das Kloster Himmelspforten bei Würzburg, dessen Äbtissin eine Sophia von Grumbach war. Es scheint gut möglich, dass die Nonnen sich für lutherische Ideen interessierten.24 1523 erwähnt Cronthal Luther in einem Brief an Argula, und spricht sie als seine „geliebste swester in Christo“ an, eine typische Ausdruckweise der frühen Reformation. Der Brief bietet auch Einblick in eine Gruppe von Laien: Cronthal, Argula, Philipp von Sommerschuh und eine Frau Geyer; sie tauschten Bücher und einen Brief von Luther.25 Würzburg wird für Argula eine wichtige Informationsquelle über Luther gewesen sein.

Rückkehr des Gramaflanz vom kurfürstlichen Hof; BayHStA Kurbayern Äußeres Archiv 2002, fol.264. 23 Kolde, P. Speratus und J. Poliander, 59. 24 Cronthal berichtet von einem Zimmermann, der nach der Niederlage der Bauern gefangen wurde. Er hatte eine ehemalige Nonne aus dem Kloster Himmelspforten geheiratet, eine Tochter des Hans von Bibra; Cronthal, Würzburg im Bauernkriege, 90. 25 BayHStA Grombach, 7. Es ist unklar, wer die „Geyerin“ war. Vielleich ist sie die Frau von Ambrosius Geyer, dem Amtmann von Volkach und Klingenberg, oder die Frau seines Bruders Sebastian. Florian Geyer, durch den Bauernkrieg berühmt, soll eine Barbara von Grumbach geheiratet © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Vielleicht war sie auch durch ihren Bruder Bernhardin auf „Dr. Martin“ aufmerksam geworden. Er scheint in Bayern an der Spitze der Begeisterung für die neuen Ideen gewesen zu sein. Im Salbuch von Beratzhausen, in dem Besitz und Einnahmen des Pfarrers aufgeführt sind, findet sich ein undatierter Eintrag aus Luthers Sieben Bußpsalmen (1517): „Aus tiefer not schrei ich zu dyr“.26 Nach 1520 wurden die Beratzhausener Pfarrer dem Bischof von Regensburg nicht mehr präsentiert, ein Hinweis, dass der Übergang zum lutherischen Glauben relativ früh erfolgte.27 Doch als Bernhardin am 16. März 1521 sein Testament schrieb, waren die Bestimmungen für sein Begräbnis völlig traditionell, mit zahlreichen Totenmessen und Ämtern, u. a. bei der „Schönen Marie zu regenspurg“. Es ist möglich, dass seine Erfahrungen kurz nachher auf dem Wormser Reichstag oder die Gespräche mit seiner Schwester Argula während der Rückreise nach Beratzhausen eine eindeutige Wende zur Reformation herbeiführten.28 Dass Argula von Luthers Schriften maßgeblich beeinflusst war, geht eindeutig aus ihren 1523 verfassten Flugschriften hervor, obwohl es nicht immer klar ist, um welche Schriften es sich handelt. An den christlichen Adel deutscher Nation (1520) gehört zweifellos dazu; einer Analyse der kirchlichen und gesellschaftlichen Missstände war eine aufsehenerregende neue Vision der Kirche vorangestellt: Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen, die um die Verkündigung des Wortes Gottes versammelt waren, nicht eine von Klerikern bestimmte Institution. Es scheint, dass Luther genau das artikulierte, wonach sich Argula von Grumbach mit so vielen anderen sehnte.29 Wie Albrecht Dürer in Nürnberg haben. Er war „der Sache des Evangeliums leidenschaftlich ergeben“. Man weiß aber so gut wie nichts über seine Familie; Barge, Geyer, 14, 24. 26 BayHStA Neuburger Abgabe 1914, Nr. 512/III; Dollinger, Beratzhausen, 82; der Eintrag kann viel später eingefügt worden sein. 27 Ehrl, Beratzhausen, 25 – 32; Ehrl bemerkt, dass die Dokumentation bis 1524 dürftig bleibt. Es ist nicht belegt, dass man schon 1521 in Beratzhausen lutherisch predigte, wie Dollinger meint, Elfhundert Jahre, 82. 28 Staatsarchiv Ludwigsburg, B 113 Bü 533, 178 – 181. Ich bin E. Spitzenberger für diesen Hinweis dankbar. 29 Sie zitiert, um ein Beispiel zu geben, Luthers Worte von dem „schul© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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bestellte sie jede Schrift Luthers, die zu haben war : Seine Predigten, die kleinen erbaulichen Schriften, seine Schriftauslegungen. Georg Spalatin, Geheimsekretär am Hof des Kurfürsten Friedrich von Sachsen, hielt sie über Neuerscheinungen auf dem Laufenden. Als Vermittler scheint ein junger Student aus München, Arsacius Seehofer, der in Wittenberg studierte, eine Rolle gespielt zu haben.30 Sie hatte auch Zugang zu den Schriften von Melanchthon und Karlstadt, Luthers Kollegen im weit entfernten Wittenberg. Der Erfindung des Buchdruckes war es zu verdanken, dass eine aufmerksame Frau wie sie über den neuesten Stand der Ereignisse informiert sein konnte, obwohl sie in einer abgelegenen kleinen Stadt wohnte. Sie konnte die Schriften in ihrer eigenen Sprache in ihrem eigenen Zimmer lesen und den Inhalt mit Familie und Freunden diskutieren. Auf paradoxe Weise hatte die Isolation vom reichen kulturellen Leben in München ihr vielleicht eine radikalere Denkrichtung ermöglicht, als das sonst der Fall gewesen wäre. Die Reichstage, Versammlungen der deutschen Stände, verliehen oft neuen Ideen und Bewegungen Resonanz. Als Luther sich in Worms weigerte, trotz der Anwesenheit des Kaisers Karl V. und des päpstlichen Legats Aleander, von seinem Standpunkt Abstand zu nehmen, spitzten Menschen in ganz Deutschland die Ohren. Es war als ob Deutschland zusammenrückte, von einer gemeinsamen Faszination gebannt. Aleander apostrophierte die Deutschen in verständlicher Verzweiflung als tolle Hunde und lamentierte, dass abgesehen von Karl V., kaum jemand die päpstliche Sache unterstützte – eine klare Übertreibung. Argulas Bruder Bernhardin besuchte den Reichstag mit einem kaiserlichen Geleitbrief: Die Herzöge von Bayern und Pfalz Neuburg sollten ihm freies Geleit gewähren. Raubritter wie Thomas von Absberg, aktiv in der Gegend von Dietfurt und Beratzhausen, hätten ihn vielleicht auch in Gefahr bringen kön-

gezenck“ der Theologen: Wider die Verkehrer und Fälscher kaiserlichs Mandats, WA 12, 64, in ihrer ersten Schrift; Matheson, Schriften, 72. 30 Vogler, Nürnberg, 69. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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nen.31 Es ist gut möglich, dass Argula von ihrem Bruder aus erster Hand auf seiner Rückreise einen Bericht über den Reichstag bekam. Nach dem Wormser Edikt unterlag Luther der Reichsacht und der päpstlichen Exkommunikation, und musste heimlich auf die Wartburg fliehen. Seine Anhängerschaft wuchs aber weiter. Im Juni 1522 schrieb Luther an Paul Speratus und erwähnte einen Brief von Argula. Wahrscheinlich hat Speratus Argulas Brief mit seinem eigenen an Luther geschickt, wie Kolde vermutete.32 Luther widmete Argula eigenhändig sein 1522 gedrucktes Gebetbüchlein; ein weiterer Hinweis auf verhältnismäßig frühe Kontakte zwischen den beiden.33 Leider ist von dieser Korrespondenz nichts erhalten; kaum überraschend angesichts der zeitgenössischen Beschreibungen von Luthers Arbeitszimmer: Haufen von Papieren und Schriften lagen auf dem Boden herum. Luthers Beispiel und seine Ansichten waren ohne Zweifel für ihre religiöse Entwicklung enorm wichtig, aber sie fühlte sich von einer breiteren Bewegung biblischer und reformatorischer Interessen getragen. In ihren Schriften finden sich Hinweise auf die Ideen und die Sprache Paul Speratus. Der Nürnberger Prediger Andreas Osiander war ihr Mentor. Es ist auch möglich, dass Balthasar Hubmaier, der ehemalige Stadtprediger in Regensburg, der den Hass gegen die Juden geschürt hatte und im Winter 1522/23 wieder nach Regensburg gerufen wurde, Einfluss auf Bernhardin und Argula hatte. Hubmaier kam völlig verändert zurück, erklärte der Gemeinde und dem Stadtrat, dass er sein Verhalten in der Vergangenheit bitterlich bereue und jetzt der evangelischen Bewegung anhinge. Er predigte mit großer Überzeugungskraft aus dem Lukasevangelium. Die Entwicklung von Argulas Glaubensverständnis ist des31 BayHStA; Kurbayern, Äußeres Archiv 2002 fol. 198; Baader, Verhandlungen, 28 – 37. 1532 wurde an seine ungewisse Rückkehr in das im Jahr 1519 für ihn unsichere Bayern erinnert: RKG 11488. Bernhardin wird erwähnt im Register der Grafen und Herren am Reichstag: „alle von Stauffen zu Ernfels“; RTA, NS 2, 434. 32 Kolde, Seehofer, 62; „Accepit literas tuas (…) simul et literas Herae Juliae a Stauffen“; WAB 2:559. 33 Vgl. S. 6 oben.

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wegen im Kontext einer relativ weiten Bewegung zu sehen. An ihrem alten Familiensitz Beratzhausen, in Würzburg, in Nürnberg und in Augsburg sammelten sich allerlei Gruppen von ähnlich denkenden Menschen: Kaufleute und Stadträte, Lehrer und Juristen, Mitglieder des Adels. Sie waren dieses Mal nicht politisch motiviert, wie die „Löwler“ drei Jahrzehnte früher, auch wenn dem Ruf nach Reform zwangsläufig politische Konsequenzen folgten. Solche Gruppen bezogen ihre Inspiration eher aus vielen verschiedenen Quellen: der Christusmystik von Johann Staupitz oder den erasmischen Initiativen für laikale Erziehung, auch aus den subversiven Predigten von Speratus und anderen. Die ungeheure Wende in Argulas Spiritualität, ihrem Verständnis von Gott, Christus, dem Heiligen Geist und der Bibel wurde nicht nur durch das gedruckte Wort herbeigeführt, hinzu kamen Anregungen durch persönliche Kontakte und Freundschaften, durch Predigten und, zu guter Letzt, durch die Sprache der Ereignisse, die um sie herum tobten. Zu Luthers genialen Eigenschaften gehörte die Fähigkeit, tiefschürfende Ideen in frappierenden Bildern und in einer ganz bodenständigen Sprache zu artikulieren, die es dem gemeinen Volk ermöglichte, „witzig zu werden“, wie man sagte. Es entstanden Wechselwirkungen: Laien hatten Zugang zur deutschsprachigen Bibel, gleichzeitig erfuhr das Gewissen der Gläubigen eine Aufwertung, dazu kamen die transgressiven Erkenntnisse der neuen Prediger und Theologen. Ein Strom von Nachrichten und Gerüchten stachelte die Laien an, die neuesten Flugschriften zu lesen, um weitere Auskünfte zu erhalten; diese Flugschriften vermittelten ihrerseits ein neues Glaubensverständnis und vor allem die Vision einer biblisch gegründeten Frömmigkeit. Schriftsteller wie Karlstadt ermutigten die Laien, eigene Entscheidungen zu treffen und ihre Stimmen zu erheben. In Ingolstadt predigte der Weber Wolfgang Prunner 1522 im Kirchhof von St. Sebastian. Er wurde zwar verhaftet und ausgewiesen, aber der Vorfall zeigte, wie die Zeiten sich geändert hatten. Es war auch ein Zeichen der sich verändernden Situation, dass der Franziskanerguardian Caspar

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empfahl, das Abendmahl solle den Laien in beiderlei Gestalt gereicht werden.34 Es ist heute schwer vorstellbar, wie entwurzelnd und beunruhigend der Bruch mit den religiösen Traditionen für Laien und auch für Kleriker war.35 Im Falle Argulas hieß es, die tiefe Frömmigkeit ihrer geliebten Familie, ja, ihrer eigenen Eltern, abzulehnen: die Pilgerschaften, die Ablässe, die Gebete an die Heiligen und die Totenmessen.36 Rituelle Gewohnheiten und Glaubenswahrheiten, die seit früher Kindheit eingeprägt waren, mussten aufgegeben werden. Die frohgemute Sicherheit ihres neuen Glaubensverständnisses, die in ihren Schriften zum Ausdruck kommt, deutet an, dass der Weg dahin ein zutiefst persönlicher war. Sie verbindet persönliche Demut mit kräftiger Zuversicht in einer Weise, die darauf schließen lässt, dass sie ihren neuen Weg selber entdeckte. Es war keine bloße Verinnerlichung der Überzeugungen Luthers, Melanchthons oder Karlstadts. Sie hatte die Bibel als Gottes Wort an und für sich selbst entdeckt und ihre persönliche Erfahrung als Frau, Adelige und Laiin prägte ihre Auslegung der Propheten, Evangelien und Aposteln. Bei so vielen Veränderungen war die deutsche Bibel, die der Vater ihr vor fast zwanzig Jahren gegeben hatte, ein fester Anker, der ihre eigene Wiederentdeckung des Glaubens mit den Traditionen der Familie verband, mit der bis auf ihren Großvater Hans von Stauff zurückgehenden Wertschätzung der Bibel. Dieses Wechselspiel zwischen einem Familienerbe der freimütigen Rede und ihrem evangelischen Glauben, zwischen ritterlichen Traditionen und biblischen Modellen von Nachfolge, zwischen aristokratischem Selbstbewußtsein und einer demüti34

Kolde, Seehofer, 52. Wie schmerzlich auch auf der persönlichen Ebene; als zum Beispiel enge Freunde, wie Johann Eck und Urbanus Rhegius, die in Ingolstadt zusammen gewohnt hatten, sich auf entgegengesetzten Seiten der konfessionellen Kluft fanden. 36 Es ist allerdings auffällig, dass in Regensburg und Beratzhausen nur wenige Stiftungen der Stauffer bekannt sind. Die einzige belegte Pilgerreise war die des Hans von Stauff nach Jerusalem. 35

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gen Liebe zu Christus sollte in ihrem ganzen Leben eine Konstante bleiben. Die aufregenden Ereignisse der frühen Reformation hatten sie dazu getrieben, zur Bibel, dem Geschenk des Vaters, zurückzukehren, die sie aber jetzt aus einer ganz anderen Perspektive sah. Sie durchkämmte systematisch die Schriften der Propheten, vor allem Jesaja, Jeremias und Joel, und machte sich Gedanken über ihr Verhältnis zu den Evangelien und zu Paulus. Sie studierte die Bibel gründlich, mit frischen, präzisen und sehr persönlichen Fragen. Das Wort „Licht“, das in ihren Schriften so oft vorkommt, scheint ihre Überzeugung zu reflektieren, dass sie eine umfassende Erleuchtung des Lebens und des Heils gefunden hatte. Hier war sie keineswegs alleine. Johann von Staupitz setzte das Licht und die Liebe Gottes in einen engen Bezug. Die Holzschnitte aus dieser Zeit sind oft in der Mitte geteilt: auf einer Seite nichts als Dunkelheit und Trauer, auf der anderen Seite strahlt der Sonnenaufgang. Auf der dunklen Hälfte wimmelt es von Päpsten, Bischöfen und Mönchen, während auf der lichten Seite sich das einfache Volk um den Prediger schart. In der vorindustriellen Zeit erlebte man natürlich den Anbruch des Morgenlichts und die Ankunft der Nacht intensiver als heute. Der Nürnberger Volksdichter Hans Sachs nahm die Thematik von Licht und Finsternis in einer unvergesslichen Weise auf. Er feierte Luther, der in der dunklen Nacht so betörend sang, als „Die wittembergisch Nachtigall, die man ietz höret überal.“ Doch die korrupten Kleriker tanzen weiterhin „nach irer alten geigen.“37

Argulas Leben in Dietfurt Dietfurt wurde erst 1540 eine selbständige Pfarrei. Als Argula dort wohnte, gehörte die Kirche St. Ägidius zur Pfarrei Kottingwörth; das kirchliche Leben war wohl etwas rückständig. Später meinte Argula, dass die Dietfurter: „seynd nit ser mit Luthern ange37

Sachs, Gedichte, 8 – 24; bes. 20. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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fochten, fragen wenig darnach.“38 Eine evangelische Gemeinde, wie in Beratzhausen, wo Bernhardin einen Prediger eingestellt hatte, gab es dort nicht. Es scheint aber, dass Argula Menschen um sich sammelte. Man behauptete sogar, dass sie gepredigt hätte.39 Als Laiin hatte sie sicher keinen Zugang zur Kanzel von St. Ägidius. Es ist wahrscheinlich, dass sie mit Bekannten und Freunden sprach, und mit ihnen ihre Hoffnungen und Zweifel teilte. Im Frühling 1522 verkündete der Priester das erste Religionsmandat aus München von der Kanzel. Das Lesen lutherischer Bücher und die Verbreitung der neuen Ideen waren jetzt verboten. Argula fragte ironisch, warum der kleine Ort Dietfurt der erste war, in dem dieses Mandat öffentlich bekannt gemacht wurde.40 Vielleicht waren ihre Ansichten dem Hof schon bekannt? Ihr Ehemann Fritz musste als herzoglicher Pfleger solche Mandate durchsetzen. Es wäre ihm schier unmöglich gewesen, die Begeisterung seiner Frau zu teilen, selbst wenn er das gewollt hätte. Sein Amt, sein Ruf, seine Ehre, seine Pflicht gegenüber dem Herzog, auch der Respekt unter seinesgleichen: Alles stand auf dem Spiel. Es waren bestimmt aufregende Zeiten. Sylvester von Schaumberg, Pfleger von Münnerstadt im Dienst des Würzburger Fürstbischofs, bot Luther einen Schutztrupp von hundert Adligen, sollte das nötig sein. Andere Befürworter der Reformation waren noch militanter. Franz von Sickingen griff die bischöflichen Territorien von Trier an, und 1522 sammelten sich in Landau 600 Ritter. Die meisten Adeligen in Franken hielten aber Abstand. Wenn man zu den Waffen gegriffen hätte, wäre das ein willkommener Anlass für den Schwäbischen Bund gewesen, im Namen des Kaisers einzugreifen. Argula teilte sowieso die Meinung Luthers, dass man das Reich Gottes mit dem Schwert nie fördern könne. Wie sie 1524 sagte: „Das Wort Gottes muss unsere 38

Matheson, Schriften, 72. Am 11. November 1523 schreibt der Kanzler Leonard von Eck an Herzog Wilhelm, dass Argula von Grumbach „Predigt auch vor Deren Gemain Volkh zu Dietfurt“; Lipowsky, Beilage 2, b. 40 „Söllen sich bilich die zu Dietfurt erfreuen, das sie für die treffenlichsten in dyser grossen sach, das den glauben und ewigs heil antrifft, gesehen werden.“ Matheson, Schriften, 72. 39

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Kapitel 3

Waffe sein. Wir dürfen nicht mit Waffen schlagen (…).“41 Sie kannte nur zu gut die Folgen militärischer Aktionen aus der jüngsten Familiengeschichte. Außerdem bezogen viele fränkische Adelige, wie die Grumbachs auch, einen großen Teil ihres Einkommens aus den Lehen der Hochstifte, von den Klöstern und Pfründen der Kirche. Familienangehörige führten ein angenehmes Leben als Domherrn und die Klöster boten traditionsgemäß den unverheirateten Söhnen und Töchtern ein geeignetes Zuhause. Wenn man gegen die Hochstifte Eichstätt, Würzburg oder Bamberg einen Kreuzzug führte, würde man die Gans, die die goldenen Eier legte, schlachten. Argula dachte aber theologisch, nicht pragmatisch. Sie verabscheute die höhnischen Predigten Georg Hauers gegen die Wittenberger Theologen. Die großen Türme des Ingolstädter Münsters, wo er predigte, ragen immer noch über die Stadt. Argula wird wohl Gottesdienste dort besucht haben, wenn sie sich in Lenting aufhielt. Seit 1520 hatten Hauer und andere Mitglieder der theologischen Fakultät eine führende Rolle übernommen, wenn es darum ging, lutherische Ideen zu bekämpfen.42 Die Kanzel war in dieser Zeit eine Informationsquelle und vermittelte moralische und religiöse Werte. Sie war aber wieder, wie in den Tagen der großen Kirchenlehrer Augustinus und Ambrosius, ein umstrittenes Territorium geworden. Paul Speratus wurde als Prediger entlassen, trotz oder vielleicht wegen seiner Popularität. Als Unruhestifter angeklagt musste er Ende 1521 Würzburg verlassen. Dagegen fand der dynamische Prediger an der großen St.-Lorenz-Kirche in Nürnberg Andreas Osiander (ca. 1496 – 1552) die Unterstützung einflussreicher Kreise und konnte nicht versetzt werden. Seine Predigten überzeugten Albrecht von Brandenburg und Isabella, die Schwester Kaiser Karls V., empfing sogar von ihm das Abendmahl in beiderlei Gestalt in den Kartagen vor Ostern 1524. In vieler Hinsicht war Osiander eine seltsame Erscheinung: Er schritt mit schwingen41 42

Ibid., 130. Kolde, Seehofer, 52. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

Licht und Finsternis

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dem Schwert durch die Straßen und benahm sich, wie einige meinten, etwas hochtrabend. Er war aber ein geachteter Gelehrter, in Hebräisch, Griechisch und Latein bewandert. Er genoss in der ganzen Stadt Respekt und war mit dem Stadtschreiber Lazarus Spengler befreundet.43 Er sollte eine wichtige Rolle in Argulas Leben spielen. Der Tod der Eltern hatte Argulas Kindheit abrupt beendet. Die Hinrichtung ihres Onkels 1516 war eine ungeheure Erschütterung. Und jetzt näherte sich die größte Wende ihres Lebens. Als die religiösen Unterschiede sich verschärften, musste auch sie Stellung nehmen. Offen zu reden wurde aber zunehmend gefährlich. Wir wissen nicht, wie sie sich in den frühen 1520er Jahren verhielt. Wann hörte sie auf, zur Beichte zu gehen? Welche Gebete hat sie ihren Kindern beigebracht? Solche Einzelentscheidungen waren auf jeden Fall unbedeutend im Vergleich mit den riesigen Dramen, die sich auf allen Seiten abspielten. Jeden Monat kamen ominöse Nachrichten über den Vormarsch der Türken in Ungarn und Österreich. In ganz Deutschland kursierten grelle Holzschnitte, die ihre angebliche Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit zeigten. Im Sommer 1523 musste ihr Mann Fritz von Grumbach eine außerordentliche Versammlung der bayerischen Stände, Adel, Klerus und Städte, in Ingolstadt besuchen. Man besprach, wie Bayern vor dieser schrecklichen Gefahr zu verteidigen sei.44 Die Meinungen gingen aber auseinander, wie man diese Bedrohung theologisch deuten sollte. Argula verstand das Wüten der Türken als Ausdruck von Gottes Zorn über die verkehrte Ordnung in Kirche und Staat und über die Pflichtvergessenheit der Kleriker. In allen Bereichen, militärisch, sozial, politisch und religiös, machten sich Unruhe, Zorn und Ungeduld, aber auch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft und eine wachsende Bereitschaft für grundlegende Reformen bemerkbar. Aber was sollte das für die Frau des Pflegers im kleinen Dietfurt konkret bedeuten? Was sollte ihre Aufgabe sein? Die nächsten Monate brachten Veränderungen, die sie niemals hätte auch nur ahnen können. Die 43 44

Müller, Osiander, 59 – 73. BayHStA, Grombach, 5. Juli 1523 (ohne Nummer). © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kapitel 3

junge Mutter sollte in einer Art und Weise in die Öffentlichkeit katapultiert werden, die ihrem bisherigen Leben total fremd war. Sie würde einen Weg gehen, den vor ihr keine Frau in Europa beschritten hatte. Und diese Umwälzung ihrer Verhältnisse geschah mit atemberaubender Geschwindigkeit.

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Kapitel 4: Zum Widerspruch gezwungen

Die Seehofer-Affäre Im Sommer 1522 kehrte der junge Student Arsacius Seehofer aus Wittenberg zurück, dem neuen Bethlehem, wie er meinte, wo Christus zum zweiten Mal geboren worden sei! Nachdem er sich bei Dr. Osiander in Nürnberg Rat geholt hatte, wurde er im März 1523 „lesender Magister“ an der Universität Ingolstadt. Er musste zwar schwören, dass er „sich der lutherischen Lehre nicht gebrauchen“ wollte, doch seine begeisterten Vorlesungen über das Matthäusevangelium und die Paulusbriefe zeigten unverkennbar den Einfluss seiner Wittenberger Professoren Philipp Melanchthon und Andreas Karlstadt. Auch seine Bemerkungen über die Messe waren nicht gerade maßvoll. Entsprechend dem ersten Religionsmandat der bayerischen Herzöge, das im Januar 1522 verkündet worden war, wurde der Verkauf von Büchern und Flugschriften in der Stadt streng kontrolliert und die Verbreitung und Diskussion erasmischer Ideen und lutherischer Lehren verboten. In den Wirtshäusern saßen Spitzel, die die Gespräche überwachen sollten. Schon im Oktober 1520 war den versammelten Mitgliedern der Universität die päpstliche Bulle „Exsurge domine“ feierlich vorgelesen worden. Gabriel von Eyb, Fürstbischof von Eichstätt und Kanzler der Universität Ingolstadt, war der erste deutsche Bischof, der diese Bulle veröffentlichen ließ. Johann Eck, Theologieprofessor und Prokanzler der Universität, war am Zustandekommen der Bulle maßgeblich beteiligt. Kein Wunder, dass Seehofer denunziert und inhaftiert wurde. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung stieß man auf „eine große © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kapitel 4

Anzall lutterischer Bücher“ und weitere verdächtige Schriften. Der Senat der Universität nahm sich der Sache an und Seehofer wurde tagelang verhört. Sein reicher Vater Kaspar Seehofer, der wichtige Ämter in München ausübte, war wie die ganze Familie sehr besorgt. Freunde aus München baten um Freilassung und Gnade.1 Herzog Wilhelm wollte nicht überstürzt reagieren, aber der Kanzler Leonhard von Eck befürwortete strenge Maßnahmen. Falls nichts unternommen werde, könnte „ein sinagog der lutherischen posheytn (Bösheiten) alda unter den jungn leutn“ entstehen.2 Ein sofortiges Einschalten der Universität und des Hofes käme auch einer Intervention des Eichstätter Bischofs zuvor und würde den Münchener Hof als zuständige und maßgebliche Instanz in der Angelegenheit bestätigen. Eine unvergessliche Lektion sollte dem jungen Dozenten in Gegenwart der ganzen Universität erteilt werden, ein warnendes Beispiel für andere Querdenker in Bayern. Leonhard von Ecks Motivation war vor allem politisch: Religiöse Spaltungen würden Bayern destabilisieren und die Unabhängigkeitsbestrebungen des Adels stärken. Er selbst war für theologische Fragen offen, Diskussionen sollten aber den akademischen Kreisen vorbehalten bleiben. Aus Argulas Sicht zeigte der Druck, den die Universität und der Münchener Hof auf den erst achtzehnjährigen Seehofer ausübten, die Bedeutung des Falles. Ihre Ratgeber Osiander und Speratus, aber auch Luther selbst, deuteten die Zeichen der Zeit apokalyptisch: Ein tödlicher Kampf tobte zwischen Gott und dem Teufel, dem Guten und dem Bösen. Dieser kosmische Konflikt spiegelte sich in den irdischen Auseinandersetzungen in Kirche und Gesellschaft. Je stärker das Licht Gottes erschien, umso mehr traten die dämoni1 Unter anderen Jakob Focker und seine Freunde und Gereon Sailer, später Stadtarzt in Augsburg. Er sollte eine wichtige Rolle in Argulas Leben spielen; Kolde, Seehofer, 56. Anm. 2. Koldes Artikel bleiben grundlegend; erweitert und korrigiert in Halbach, Argula, 37 – 48; Matheson, Schriften, 36 – 38. 2 Eck an Herzog Wilhelm, 24. August 1523; MüSB 1 Staatsverw. 2778, fol.37; Lipowsky, Beilagen 2, 14 – 16; vgl. auch Druffel, Bairische Politik, 646 f.; Strauss, Religious Policies, 358 – 63; einige Fehler bei Strauss.

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schen Kräfte hervor. Seit 1519 sah Luther das Papsttum als Handlanger des Antichristen und fast alle Anhänger der frühen Reformation teilten diese Anschauung.3 Dieser apokalyptische Kampf war für Argula mit der Affäre Seehofer in allernächste Nähe gerückt, er fand vor ihrer Haustür statt. Sie ist längst Anhängerin der reformatorischen Bewegung gewesen. Sich mit Freunden und Verwandten über diesen Fall zu entrüsten wäre verständlich und auch normal gewesen. Als Frau, als unbefugte Laiin, einen öffentlichen Protest gegen die herzogliche Universität zu lancieren, das war etwas ganz anderes! Warum und wie sie in diesen Fall hinein gezogen wurde, erschließt sich aus ihren Schriften. Die Entscheidung, einen solchen Schritt zu wagen, kam ganz deutlich aus ihrem neu entdeckten biblischen Glauben. Speratus hatte die Verantwortung aller Jünger Christi betont. Der Teufel und seine Apostel ruhten nie, „nymmer feyret“. Wenn Gott uns gegen sie auf die Bühne rufe, bräuchten wir keine Angst zu haben. Sein klares und festes Wort mache das dem Fleisch so bittere Kreuz, „dem geist süss und angenehm.“ Man dürfe darauf vertrauen, dass Gott uns behüte. Jüngerschaft heiße Bereitschaft, das Kreuz zu tragen, „alleyn auff Christum und yn Christo trotzen“. Dem Bekennen auszuweichen erzürne Gott.4 Neben dieser religiösen Motivation wirkte in ihr die mit ihrer adligen Herkunft verbundene Neigung zur Unabhängigkeit und zum impulsiven Engagement. Sicher hatte die Familientradition Anteil an ihrer Entscheidung. Sie war bereit, ihr Verständnis der Bibel gegen die Gelehrsamkeit der Ingolstädter Theologen in die Waagschale zu werfen und die ehrwürdige Autorität der Kirche und die Macht des Münchener Hofes herauszufordern. Die Universität in Ingolstadt, an der Donau günstig gelegen, war ihr gut bekannt. Ihr jüngster Bruder Marcellus immatrikulierte sich im November 1522 und lebte privat in der Stadt mit seinem adligen Freund Johann Sandizell. Marcellus wird Argula

3 „dem babst, irem antichrist;“ Spenglers Bericht aus Worms, in Hamm, Spengler Schriften, 205. 4 Speratus, Wie man trotzen soll, Aiir ; Aiii; Bir.

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Kapitel 4

über die Vorgänge in Ingolstadt und über die Seehofer-Affäre auf dem Laufenden gehalten haben.5 Die bayerischen Herzöge waren auf ihre vor fünfzig Jahren gegründete Universität mit Recht stolz; sie wussten, wie wichtig es war, gut ausgebildete Juristen, Ärzte, Beamte, Lehrer und Kleriker im Land zu haben. Berufungen von renommierten Persönlichkeiten wie Conrad Celtis 1492 trugen dazu bei, dass der Ruf der Universität immer besser wurde. Ingolstadt war am Anfang des 16. Jahrhunderts ein Sammelpunkt humanistisch gebildeter Poeten und Historiker, ein Ort „progressiven“ Denkens. Die üblichen Spannungen zwischen den Bürgern und den Universitätsangehörigen und zwischen den verschiedenen Fakultäten blieben natürlich nicht aus. Jährlich immatrikulierten sich ca. 200 Studenten. Die Zahl konnte schnell sinken, wenn sich wie 1521 die Pest in der Stadt verbreitete. Für die Herzöge war die Stadt auch in militärisch- strategischer Hinsicht wichtig. Die Universität war eine kirchlich geprägte Institution; der berühmteste Theologieprofessor Dr. Johann Eck bezog seine Einkünfte aus einer Eichstätter Kanonikatspfründe, und der zuständige Bischof von Eichstätt war Kanzler. In Wirklichkeit aber hielt die Regierung in München die Zügel.6 Nach der Leipziger Disputation mit Luther 1519 war Eck als führender theologischer Gegner Luthers in Deutschland anerkannt. Als Seelsorger war er vorbildlich, und bei den Studenten genoss er einen guten Ruf. Während des Verfahrens gegen Seehofer aber war Johann Eck in Rom, wo er für die bayerischen Herzöge große Zugeständnisse bei Papst Hadrian VI. erreichte. Sie durften ohne die Zustimmung der Bischöfe, die wenig Begeisterung für Reform hegten, gegen die reformatorische Bewegung vorgehen. Rechtlich gesehen waren für den Fall Seehofer der Rektor und ein Gremium, das sich aus Vertretern aller vier Fakultäten zusammensetzte, zuständig. Die juristische Fakultät wurde u. a. von Georg Hauer (1484 – 1536), Professor für Kirchenrecht, vertreten. Seit 1518 war er Pfarrer am Liebfrauenmünster. Er arbeitete harmonisch mit Leonhard von Eck in München zusammen. Erst 5 6

Pölnitz, Matrikel, 46. Schwaiger, Theologische Fakultät, 13 – 126. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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39 Jahre alt, ein Jahr jünger als Martin Luther, war er auf dem Gipfel seiner Karriere. Seine deutsch-lateinische Grammatik, die viele Auflagen erreichte, war bekannt. Seine echte Frömmigkeit kreiste um eine tiefe Ehrfurcht vor der Jungfrau Maria als Königin des Himmels, als Quelle göttlicher Barmherzigkeit und menschlicher Hoffnung. Auf dem großen Siegel der Universität war auch Maria mit dem Jesuskind zu sehen. Hauer hegte gegen die Lehren Luthers, dessen Schriften er sehr gut kannte, eine abgrundtiefe Abneigung. Er verstand, wie wichtig es war, Luther aus der Schrift zu widerlegen, seine schulmeisterliche Vorgehensweise war aber wenig erfolgreich. Seiner Ansicht nach hatte Luther „durch sein der schrifft verteutschen und fürlegen, all layen unnd alte weyber in solche frag und torhait pracht, das ains nit glaubt wie das ander, und gantz zu narren darob warden.“7 Die Zensur und die Verbrennung lutherischer Bücher seien unbedingt nötig, um die einfachen Menschen vor ihrem Gift zu schützen. Kolde spricht von seinem „fanatischen Eifer.“8 Für Argula personifizierte Hauer wohl alles, was in Kirche und Universität verkehrt war. Seine Ansichten spiegeln aber auch den Standpunkt des gesamten Senats der Universität, der 1522 entschieden hatte, alle Studenten mit verdächtigen lutherischen Meinungen vor den Rektor zu laden. Diesem Beschluss folgten zahlreiche Verfahren. Im März 1523 wurde Jakob Dachser verhaftet und dem Kanzler, also dem Bischof von Eichstätt, übergeben. Am 14. August wurden Maßnahmen gegen den Magister Artium Michael Dietenauer eingeleitet. In seiner Predigt am Tag nach Seehofers Verhaftung, dem 15. August, dem Fest Mariä Himmelfahrt, spricht Hauer von seinem Abscheu über die weiblichen Anhängerinnen Luthers, die die Ehre der Jungfrau Maria „genidert,“ verhöhnt und gering geschätzt hätten und Maria, die Einzigartige, gewöhnlichen Frauen gleichstellten. In einer späteren Predigt zum Fest Mariä Empfängnis am 8. Dezember verglich er Maria, ihre Reinheit und intakte Jung7 8

Hauer, Ander zwei predig, Ciiir. Kolde, Seehofer, 55. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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fräulichkeit, ihr schmerzloses Gebären, mit einer unbenannten Frau, die er mit „du“ anspricht. Sie sei nicht von Engeln umgeben wie Maria, sondern von Hebammen, und stöhne, weine und schreie vor Schmerzen bei den Geburtswehen. Er spart nicht an Beschimpfungen, nennt sie „eine verzweifelte schälkin“, „eine elende vnnd armsälig tochter Eva“, eine „hoffartige teüfflin“, eine „vermessene narrin“.9 Er dachte wohl an Argula oder an Frauen wie sie. Argula erwähnte später, wie Hauers Schmähpredigten sie erbosten: Jch hab lang gehört, wie euer Decretalischer prediger zu unser frawen hat geschryen: ketzer, ketzer, wiewol es schlecht latein ist, künds selbs wol; bin doch auff kainer hohenschul gewest. Aber zu probiern bedarffs mer. Jch hab ymmer jm synn gehabt, jm zuschreiben, mir die ketzerischen artickel anzuzaigen, die der getrew erbeiter des Euangeliums, Martinus Lutther, gelert hab.10

Seehofers Feuerprobe fand am Montag, dem 7. September 1523 statt. Der Achtzehnjährige wurde in die Aula Maxima des Alten Kollegs hereingeführt, wo alle Mitglieder der Universität versammelt waren, vor allem die führenden Würdenträger.11 Das Verfahren wurde wohl mit dem Einverständnis des Münchener Hofes ausgearbeitet. Die gewählte, in Bayern oft angewandte Strategie war eine Selbstbeschuldigung, eine symbolische Demütigung, die andere abschrecken sollte. Heutzutage würde man von einem Schauprozess sprechen. Weil Seehofer aus einer bedeutenden Münchner Patrizierfamilie kam, wäre es kontraproduktiv gewesen, ihn zum Feuertod zu verurteilen und ihn zum Märtyrer hochzustilisieren. Durch den öffentlichen Widerruf konnte auch die Einschaltung des Bischofs vermieden werden. Erschöpft und verängstigt gab der junge Seehofer zu, dass er die ultimative Strafe, die man Ketzern auferlegte, reichlich verdient hätte. Er sprach seine Dankbarkeit aus, dass die Herzöge ihn gnädigerweise mit lebenslangem Kerker bestraft hatten. Mit 9

Hauer, Drey christlich predig, Aii; Giir ; Giiv. Matheson, Schriften, 67. 11 Zu seinem Alter, vgl. Halbach, Argula, 37, Anm.17. 10

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dem Neuen Testament in der Hand bestätigte er, dass die Ansichten Melanchthons, die er verbreitet hatte, „ein recht ertzketzerey und buberey sey“ und dass er es in Zukunft halten würde, wie „die heylig Römisch christlich kirch, die heiligen Concilia geordnet und gesatzt haben und durch ein erbarn Christlichen brauch angenommen ist worden“.12 „Warümb er wain (weine)?“ verhöhnte ihn ein Professor, als Seehofer gezwungen wurde, seine Irrtümer einzugestehen.13 Nach seiner Verhaftung waren seine Bücher und Papiere durchsucht worden, und aus ihrem Inhalt hatten die Universitätstheologen die „Siebzehn Artikel“, eine Liste der Irrtümer, aufgestellt. Es war ein schnell verfasstes Dokument, das zentrale und sekundäre Fragen zusammenbündelte, aber die Wittenberger Provenienz von Seehofers Ansichten war klar genug: Rechtfertigung allein durch den Glauben, die Ablehnung guter Werke, Anerkennung nur für Prediger, die das reine Wort Gottes predigten. Dazu kamen Artikel, die Ehescheidung in gewissen Fällen guthießen und Eide ablehnten, da nicht „zymlich sey umb zeytlicher gutter wilen zuschweren (schwören)“.14 Nach seinem Widerruf wurde er lebenslang in das Kloster Ettal verbannt. Dass er relativ schnell entkam, überrascht, wenn man bedenkt, wieviel Aufsehen sein Fall erregt hatte. Später machte er sich als lutherischer Prediger in Württemberg einen Namen.15 Schon am nächsten Tag lag ein Bericht eines Nürnberger Bürgers, der alles gesehen hatte, in Argulas Händen, ein Hinweis darauf, wie intensiv sie die Ereignisse verfolgte. In ihrem Schreiben an die Universität schilderte sie, wie die Nachrichten auf sie gewirkt hatten: „Ja, so ichs betracht, so erzittert mein hertz und alle meine gelider.“16 Zuerst hoffte sie, dass maßgebliche Persönlichkeiten, die dazu auch berechtigt waren, gegen die Vorgänge protestieren würden. Vielleicht dachte sie an Seehofers 12

Matheson, Schriften, 163 – 4. Ibid., 71; 156 – 164. 14 Ibid., 162 – 163. 15 Vgl. seine einflußreiche Predigtsammlung von 1539: Enarrationes evangeliorum dominicalium…; ADB 33, 573 – 574. 16 Matheson, Schriften, 65. 13

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Familie in München oder an Vertreter des Adels, vielleicht sogar an ihren Bruder Bernhardin. „Nun ich aber in dyser artz kain man sehe, der reden wil noch darff, dringt mich der spruch: Wer mich bekent“.17 Sie fühlte sich von ihrem Glauben gedrungen, ein eigenes Bekenntnis abzulegen. Es fällt aber auf, dass sie anderen keine Zeit ließ, etwas zu sagen. Innerhalb vierzehn Tagen hatte sie den Entschluss gefasst, ihren eigenen Protest zu Papier zu bringen, dann hatte sie ihn auch schon an die Universität weggeschickt. Dass Reaktionen von anderen Seiten ausgeblieben seien, wird ein Vorwand sein, um ihr Hervortreten zu rechtfertigen. In seiner Schrift Vom Missbrauch der Messe (1519) sagte Luther : „wenn aber keyn man prediget ßo werß von nötten, das die weyber predigeten.“18 Argula dachte vielleicht an diese Stelle; die Worte, mit denen sie ihr Eingreifen verteidigt, sind auf jeden Fall sehr ähnlich. Sie spricht erstaunlich offen über die Zweifel und Anfechtungen, die sie quälten, als sie über diese beispiellose Initiative nachdachte. Mit welchem Recht durfte sie die Autorität der Kirche und der Universität in Frage stellen? Konnten jahrhundertlange Weisheiten falsch sein? Sie beschreibt ihr ängstliches Zaudern: „Jedoch mein gaist ernidertrückt, vnd mit schwermuetigkait vnderlassen; ursach, das Paulus sagt, 1 Tim. 2: Die weiber söllen schweigen und nit reden in der Kirchen.“19 Verschiedene Bibelstellen vergleichend gelang es ihr aber, die Fäden der Schrift zusammenzuflechten, die Botschaft der Bibel als Ganzes zu sehen und diese Botschaft auf ihr eigenes Leben, auf die Kirche, auf ihre Mitmenschen in Bayern zu beziehen. Die immer wieder angeführte Belegstelle aus dem Paulusbrief über die Rolle der Frauen wurde einem ganzheitlichen Verständnis der 17

Ibid., 67. WA 8, 498. Predigen und Schreiben waren eng assoziiert im Denken der Zeit. 1523 erschien bei Heinrich Steiner in Ausburg das anonyme Frawen Biechlin, eine Darstellung frommer Frauen aus der Bibel wie Sarah, Judit, Esther als gute Vorbilder ; betont aber wird auch, dass Frauen in der Öffentlichkeit zu schweigen und Gehorsam zu zeigen hätten. 19 Matheson, Schriften, 67. 18

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Schrift untergeordnet: „Ach wie fein lernet und gibt aber der gayst gottes den verstand und spacirt von ainem jn das ander.“20 Dieser lyrische Ton taucht immer wieder in ihrem Protestbrief auf: Gerade dieses neue Verständnis der Schrift motivierte sie, die öffentliche Bühne zu betreten. Es könnte anachronistisch sein, ihr Auftreten aus einer feministischen Perspektive zu betrachten. Denn sie insistierte nicht auf ihren Rechten, sie sprach eher von der Eingebung des Geistes, von der Pflicht oder Verantwortung, die sie als getaufte Christin erfüllen sollte. Sie fühlte sich dazu „gedrungen“, ihre Stimme zu erheben.21 Bestimmend für sie war das Gebot Jesu, dass seine Anhänger couragiert reden sollen, so dass er sie am Tag des Jüngsten Gerichts nicht verleugnen werde. Matthäus 10, mit seiner Forderung, vor den Menschen Zeugnis abzulegen, zitiert sie zwanzigmal in ihren Schriften. Den eigenen Glauben „auf den Dächern“ zu bekennen, gehörte für sie unverzichtbar zur christlichen Nachfolge und war wichtiger als die Pflichten ihrem Mann und ihren Kinder gegenüber : Ist zeyt, dass sich die stayn auch rüren, Dieweyl jr gottes wort vertruckt, Schendt got, die seel zum Teüffel zuckt, Will ich es gar nit underlassen Zureden im hauß und auff der strassen (…) So vil mir Got gnad drin gibt, Wil ichs taylen meym nächsten mit. Paulus mirs nit verpotten hatt, So gottes wort im schwanck nit gat.22

20

Ibid., 72. Ibid., 64. Das Wort, „dringen“ kommt in den Schriften der frühen Reformation oft vor; z. B. bei Lazarus Spengler, der über Luther am Wormser Reichstag berichtet: „dhweil er sein schreiben mit der heiligen schrifft bekrefftigt, so drung ine die schrifft und sein gewissen, das er die nit widderuffen kondt noch gedecht“, Hamm, Spengler Schriften, 198. 22 Matheson, Schriften, 141. 21

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So hat sie ihre Überzeugung am eindringlichsten im folgenden Jahr ausgedrückt! Sie brauchte aber guten Rat und der erste Schritt war eine Reise nach Nürnberg zu Andreas Osiander. Wir wissen nicht, was ihr Mann Fritz von Grumbach gedacht hat, als sie von Dietfurt wegritt, oder welche aufgeregten Diskussionen vor ihrer Abfahrt stattfanden. Er war sicher gegen ihr Vorhaben. Osiander, der auch in Ingolstadt studiert hatte, und die Bedeutung der Seehofer-Affäre erkannt haben wird, ermunterte sie, sich von Gottes Geist führen zu lassen. Der Bericht, dass ihm ihr Verständnis der Schrift imponierte,23 muss bedeuten, dass sie ihm eine Fassung des Briefes an die Universität zeigte. Wegen der persönlichen Sprachfärbung und der engen Verflechtung ihrer Argumente mit den Bibelzitaten ist es unwahrscheinlich, dass Osiander den Text substantiell beeinflusste. Schon am 20. September war sie wieder in Dietfurt bei ihrem Mann und den Kindern. Von dort schickte sie ihren Protest an die Universität und noch am selben Tag ging eine Kopie des Briefes mit einem nicht viel kürzeren Begleitbrief an Herzog Wilhelm. Erstaunlich, dass sie in so kurzer Zeit – trotz der Reise nach Nürnberg und ihren anderen Pflichten – zwei inhaltsschwere Schriften verfassen konnte. In ihrem bisherigen Leben hatte sie nur persönliche Briefe geschrieben. Es wird vielleicht ein Hinweis auf die gespannten Beziehungen zu Hause sein, dass die Briefe nicht das Siegel ihres Mannes, sondern das von Sebald Horsdorfer trugen.24 Jetzt waren die Würfel gefallen. Ihr Protest und die Argumente und Behauptungen der Briefe widersprachen dem Mandat der Herzöge, das religiöse Abweichung verbot. In beiden Briefen verhehlte sie nicht ihre Parteinahme für Luther und ihre Verachtung des Papstes. Der Kern des ersten Briefes war eine Aufforderung an die Ingolstädter Theologen. Sie sollten die Fragen, die der Fall Seehofer aufgeworfen hatte, mit ihr, einer Frau, dis23

Vgl. Anm. 28 unten. Unbekannt; war er der Berichterstatter über Seehofers Verhör? Der Tod eines Jeronimus Horsdorffer am Heymarkt wird in den Nürnberger Totenläutbüchern 1530 vermerkt. Argula hätte ja auch ihr eigenes Siegel benutzen können. 24

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kutieren. Diese Diskussion sollte in deutscher Sprache, auf der Basis der Heiligen Schrift und öffentlich geführt werden, nicht hinter verschlossenen Türen! In ganz Deutschland fanden zu dieser Zeit Disputationen in den Städten statt, man debattierte über die religiösen Kontroversen und suchte nach einer friedlichen Lösung. Frauen waren aber nie unter den Disputanten! Der Straßburger Reformator Martin Bucer hielt die Behauptung, dass nur akademisch ausgebildete Doktoren und Professoren über Glauben und Gottesdienst diskutieren könnten, für absurd: „Wer christlich ist, hat sein geist und kann jnn den sachen richten.“25 Ähnlich äußerte sich in Augsburg Urbanus Rhegius, Andreas Karlstadt in Wittenberg und Sebastian Lotzer in Memmingen. Johann Eberlin von Günzburg staunte, dass in letzter Zeit Frauen, Bauern und Bergleute sich nicht mehr einschüchtern ließen.26 Adam von Schaumberg drückt 1522 in seinem Laienspiegel die Überzeugung aus, dass die Wahrheit siegen werde, wenn man unter den Laien den Glauben verbreitete.27 Argula scheint ähnlich gedacht zu haben. Kurz nachdem sie ihren Brief an die Ingolstädter Universität abgeschickt hatte, tauchten handschriftliche Kopien ihrer Schrift auf, einige mit einem feurigem Vorwort versehen, das dem Leser die Lektüre empfahl. Hans von der Planitz, der Vertreter Kursachsens beim Reichsrat in Nürnberg, schrieb an seinen Fürsten Friedrich den Weisen, Luthers Beschützer : Hore wunder von einer geschigkten schrift, von einem weib ausgangen; vorsehe mich, derselben ein copia zu wegen zu brengen (zu bekommen) (…) Die frau ist hie bei dem prediger zu Santt Lorencz (Dr. Osiander) gewest und ratt gesucht. Der saget, das sie in der bibel sehr gelart und erfaren sei, darob er vorwunderung trage.

Am 27. Oktober konnte er ein handschriftliches, mit einem Vorwort versehenes Exemplar nach Weimar schicken; er vermutet, dass der Brief von den bayerischen Herzögen keineswegs 25

MBDS 1, 344. Enders, Günzburg 3, 126 – 129. 27 Schaumberg, Laienspiegel; Köhler, 2855. 26

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freundlich aufgenommen werde. Der Kurfürst bestätigte am 4. November den Empfang der Abschrift.28

Die erste Flugschrift In den aufregenden Jahren der frühen Reformation war der Druck einer solch kontroversen Schrift fast unvermeidbar. Zuerst druckte sie Friedrich Peypus in Nürnberg, bei dem auch Schriften von Osiander erschienen waren. Es ist gut möglich, dass Osiander ihm die Drucklegung empfohlen hatte. Ob das mit Argulas Zustimmung geschah, wissen wir nicht. Später hat sie das verneint.29 Jetzt war der Rubikon überschritten. Aus ihrem handschriftlichen Brief war eine gedruckte Flugschrift geworden, die öffentlich feil geboten, ganz schnell zur Sensation wurde. Eine Ausgabe folgte auf die andere, fünfzehn innerhalb eines Jahres.30 Argulas bedächtiger Damensattelritt ist zum Galopp geworden. Dass eine Frau, noch dazu eine Adelige, es gewagt hat, das Ansehen der berühmten Ingolstädter Theologen anzugreifen, fesselte die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen. Die Drucker, immer auf einen guten Absatz erpicht, beeilten sich, die Schrift zu bekommen. Es war abzusehen, dass die Druckereien in Augsburg sie aufgreifen würden, weil die wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen zwischen Nürnberg und Augsburg so eng waren, aber innerhalb weniger Wochen erschienen Drucke auch in entfernteren Städten wie Stuttgart, Straßburg, Braunschweig, Breslau und sogar in Basel. Es ist möglich, dass Freunde und Schüler von Seehofer, die in der Schweiz waren, über Argulas Intervention berichteten. Ihr Brief an Rektor und Rat der Universität beginnt – typisch 28

Wülcker, von der Planitz, 557, 573, 581. Zur Druckgeschichte vgl. Matheson, Schriften, 36 – 57; Halbach, Argula, 103, schlägt Osiander als Kontaktperson zu Peypus vor. 30 Zu den verschiedenen Ausgaben und einem Vergleich mit der einzigen vorhandenen Handschrift vgl. Kommer, First two Pamphlets, 81 – 95; auch Halbach, Argula, 102 – 110; Matheson, Schriften, 48 – 58. 29

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für sie – mit einem Gebet. Sie begrüßt das Licht, das durch Jesus in die Welt gekommen ist, und hofft, dass es auch – ein scharfer Hieb am Ende – „alle erstockte vnd erplinte hertzen“ erleuchten wird.31 Sie sei verpflichtet zu reden; es wäre die Sünde gegen den Heiligen Geist, würde sie schwiegen. Dass sie die gesellschaftlichen Konventionen, denen sie als Frau unterworfen ist, bricht, rechtfertigt sie mit Zitaten aus dem Matthäusevangelium Kap.10 und aus dem Lukasevangelium Kap. 9, die das öffentliche Bekenntnis des Glaubens eindeutig erwarten: „Sölche wort, von Got selbs geredt, seind mir allzeit vor meinen augen. Dann es werden weder frawen noch man darinnen ausgeschlossen.“32 Ihr Geschlecht sei irrelevant. Christus selber, unser einziger Lehrer, „hat sich nit geschembt, sunder gepredigt Marie Magdalene, dem freulin bey dem brunnen.“33 Was sie schreibe sei: „nit weibs tedig (Geschwätz) (…) sunder dz wort gottes.“34 Die päpstliche Bulle und der kaiserliche Bann mögen die Schriften Luthers und Melanchthons verdammt haben, aber sie sei einem Höheren Gehorsam schuldig und könne sich solchen Gesetzen nicht beugen.35 Sie müsse die kirchlichen und die kaiserlichen Gesetze verletzen. Genauso hatten Luther und Befürworter der Reformation in ihrem Umfeld (wie Lazarus Spengler) argumentiert. Alle wiesen den Vorwurf zurück, Unruhe zu stiften. Die Schuld liege bei denen, die den legitimen Wunsch des gemeinen Volks, das Evangelium zu hören, unterdrückten.36 Der Brief war von Anfang an kompromisslos. Sie „strafte“ die Theologen der Universität, als ob sie ihre ungezogenen Kinder oder ungehorsame Diener wären: „Ach Got, wie werdt ir besteen mit euer Hohenschul, das ir so toret (töricht) vnd geweltiglichen

31

Text des Briefes: ibid., 63 – 75. Ibid., 64. 33 Ibid., 74. 34 Ibid., 75. 35 Ibid., 65: Christ als maister; verglichen mit den Ingolstädter Theologen, die sich als hohe mayster betrachteten. 36 Hamm, Spengler Schriften, 1, 348. 32

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handelt wider das wort Gottes“.37 Sie nahm kein Blatt vor den Mund. Aristokratisches Selbstvertrauen und evangelischer Eifer gingen Hand in Hand. Ein roter Faden, der die Schriften der frühen Reformation durchzog, war die Überzeugung, dass das Wort Gottes endlich freien Lauf haben musste. Sie wurde in diesem Brief kraftvoll zum Ausdruck gebracht. Dass auf den jungen Seehofer Zwang ausgeübt wurde, seine Überzeugungen zu leugnen, war unmenschlich, aber vor allem gotteslästerlich: „ir hohen mayster, ich finde an keynem ort der Bibel, das Christus noch sein Apostel oder Propheten gekerckert, gebrent noch gemordt haben, oder das land verboten etc.“38 Meinte die Universität wirklich, sie könne Gott trotzen und seine Propheten und Apostel aus dem Himmel stoßen? Die grimmigen Prophezeiungen von Jesaja, Jeremia, Hesekiel und Hosea zeigten eindeutig, welches Schicksal auf diejenigen lauerte, die sich dem Wort Gottes widersetzten. Sie befasste sich mit den Einzelheiten der Siebzehn Artikel nicht, vielleicht weil sie noch nicht aus dem Lateinischen übersetzt worden waren. Theologische Fragen wurden in ihrem Brief nicht systematisch behandelt. Er bot eher eine höchst persönliche Aussage: Es ging um den Kampf zwischen dem wiederentdeckten Evangelium und seinen gewalttätigen Gegnern. Kräftig hob der Brief die Parallelen zwischen den prophetischen und apostolischen Zeiten und der Gegenwart hervor. Beispiele aus ihrem eigenen Leben weckten die Aufmerksamkeit der Leser. Die Verankerung ihrer Argumente in der Bibel war für die Zeitgenossen auch höchst beeindruckend. Der scharfe antiklerikale Ton fällt auf. Seehofers Verfolger seien vom Geiz besessen. Sie wollten nur die eigenen Taschen füllen, einen für sie gewinnträchtigen status quo aufrechterhalten: „Das Euangelium tregt nit sovil pfenning in seinen rathschlegen.“ Sie seien den Juristen ähnlich, unter denen ihr „Herr vatter seliger“ gelitten hatte.39 Dann wendet sie sich – ohne 37

Matheson, Schriften, 65. Ibid. 39 Ibid., 66. 38

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Professor Hauer ausdrücklich zu nennen – dem Kirchenrechtslehrer zu, der in der Kirche Unserer Frauen „ketzer, ketzer“ schrie, statt sich theologisch mit Luther auseinanderzusetzen.40 Dass der Beweis fehle, die Ansichten Luthers und Melanchthons seien häretisch, blieb im ganzen Brief ein zentrales Thema. Um ihre Intervention zu rechtfertigen zählte Argula ein Beispiel nach dem anderen aus der Bibel auf. Immer wieder wählte Gott die Schwachen, um die Starken zu verwirren, und offenbarte kleinen Kindern, was den Weisen verborgen blieb: „Dann Jheronimus hat sich nit geschembt vnd an den weibern geschriben gar vil“.41 Die Heilige Schrift stehe auf ihrer Seite. In einem einzigen Absatz führt sie zehn Zitate aus beiden Testamenten an und nimmt sie „für mich“, um die Korrektheit ihrer Ansichten zu demonstrieren.42 Mit großem Geschick webte sie Bibelzitate ins Geflecht ihrer eigenen Worte. Immer wieder stellte sie die Heilige Schrift und menschliches Gesetz, christliche Kirche und Römische Kirche gegenüber : „Ir werdt uns mit euern Bebstlichen gesatzen lang nit darzu dringen“.43 Das kaiserliche Mandat vom 6. März, „darinn so klar anzaigt ist, das man die Euangelia predigen söll, wie sie Got gebotten hat“, hätte nicht das Ziel, die reformatorische Bewegung einzugrenzen.44 Sie macht sich Sorgen um die bayerischen Herzöge. Die Universität, in die sie soviel Geld investiert hatten, sei wegen lä40

Ibid., 67. Ibid., 74. Sie nennt Blesilla, Paula und Eustochium, die sie wohl aus dem Vorwort des Hieronymus zum Hohenlied aus der Koberger Bibel kennt; ihr Onkel hieß auch Hieronymus! 42 Ibid., 67. 43 Ibid., 73, 68. 44 Ibid., 71. Spengler verwendet fast identische Worte in seiner Vermahnung an den Rat zum Schutz der Prediger : das Mandat ist „gantz clar und wol gestellt; dann das vermag, das man das heilig evangelion clar, lauter und on alle menschliche zusetzte predigen solle.“ Hamm, Spengler Schriften, 349. Vgl. den Reichstagabschied vom 9. Februar 1523, der ein allgemeines Konzil in Deutschland forderte. Bis dahin sollte man das Evangelium im Einvernehmen mit von der Kirche approbierten Schriften predigen; RTA, IV, 447 – 50. 41

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cherlicher Maßnahmen gegen einen jungen Studenten zur Zielscheibe des Spotts geworden. Gewalt im Bereich des Glaubens sei absurd und abstoßend: „Wann man dem gelauben gebitten (gebieten) köndt, warumb hat man dann nit allen unglaubigen lengst mandat geschickt zugelauben?“45 Jeder könne eine Disputation mit Anwendung von Gewalt gewinnen: „Jn sölcher disputatz siehe ich nit anderst, dann dz der züchtiger (Henker) der gelertst ist.“46 Die klerikalen Ratgeber hätten die Herzöge in die Irre geführt, aber durch Gesetze könne man das Wort Gottes nie zum Schweigen bringen. Gott setze der politischen Macht klare Grenzen. Argula versuchte das Verhör Seehofers aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen. Die Ingolstädter Theologen hatten ihn genötigt, alle Schriften Martin Luthers, auch das von ihm verdeutschte Neue Testament, abzuleugnen. Damit verwarfen die Theologen effektiv das heilige Evangelium als Häresie. Welch eine erstaunliche Torheit! „Jch rueff mit dem Propheten Jeremia am 22: ,Erd, erd, erd, hör das wort des Herren’(…)“ Von der Schöpfung der Welt bis zum lebensspendenden Leben und Werk Jesu war Gottes überschwengliche Güte sichtbar: „Das wort Gottes in seiner verhaissung ist ja on (ohne) alles nain.“47 Die Besessenheit der Ingolstädter Theologen mit Luther sei verkehrt. Im Grunde genommen gehe es um das Evangelium. Luthers Arbeit sei darauf ausgerichtet, alle an die Bibel heranzuführen. Theoretisch könnte Luther, genau wie Seehofer, seine Ansichten widerrufen und das Evangelium leugnen, aber: „Ich baw nit auff sein, mein oder keines menschen verstand, sunder auff den waren felsen Christum selbst.“48 Es ist möglich, dass Argula 45

Ibid., 69. Ibid., 70: fast ein wortwörtliches Zitat aus Luthers An den christlichen Adel deutscher Nation: „Wenn es kunst were mit fewr ketzer ubirwinden, ßo weren die hencker die geleritisten doctores“; WA 6, 455. Andere Flugschriftautoren wie Heinrich von Kettenbach und Hans Staygmayer verwendeten dieselbe Analogie. 47 Matheson, Schriften, 73. 48 Ibid., 74. Spengler und andere Befürworter der Reformation in Nürnberg wie Christoph Scheurl argumentieren in genau derselben Weise: wichtig ist nicht die Nachfolge Luthers, der wie jedermann fehlbar ist, 46

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Luthers Weihnachtshomilie gelesen hatte, die (nach 700 Seiten!) zu dem Schluss kam: „O das got wollt, meyn vnd aller lerer außlegung untergiengen, vnnd eyn iglicher Christenn selbs die blosse schrifft vnd lautter gottis wortt fur sich nehme!“49 Der Höhepunkt ihrer Ermahnung an die Universität war der gewagte Vorschlag, dass die Theologen den Fall Seehofer mit ihr diskutieren sollten, in Gegenwart der bayerischen Herzöge und der „gantzen gemayn“: „Ich scheuch mich nit, für euch zukommen, euch zu hören, auch mit euch zu reden. Dann ich kan auch mit teutsch fragen, antwurt hören, und lesen auß der gnad Gottes.“50 Sie könne kein Latein, sie könnten aber deutsch reden. Die Heilige Schrift sollte der Maßstab sein, nicht die Philosophie oder die Jurisprudenz. Sie fürchte sich auch nicht davor: „So ir anderst schrifftlich vnd nit gewaltigklich mit gefengknus oder dem feur vnderweisen wölt.“51

Wirkung Über Nacht wurde sie berühmt. Ihre lebhafte, respektlose Sprache stieß beim gemeinem Mann (und der gemeinen Frau) auf offene Ohren: das Wort Gottes sei: „ain schatzkamer des hails. Aber nit ain grub der pfenning“, wie die kirchlichen Gesetze, die Dekretalen; ihr Hohn auf die „hohen Meister“ der Universität kam gut an.52 Ihr innerer Kampf mit Gott und Gewissen war jetzt gedruckt und allen zugänglich. Die gedruckten Versionen ihrer Schrift stellte sie als „eyn Christliche fraw des adels in Beiern (die) durch jren jn Gotlicher schrift wolgegründten sendtbrieffe, die hohenschul zu Ingoldstat, vmb das sie einen Euangelischen Jüngling zu wyderspresondern das Hören des Wortes Gottes; Hamm, Spengler Schriften I, 85, 363. Der Bauer im Dialog, Von der Wallfahrt im Grimmetal sagt: „Nein nit Luterisch, sondern christlich“; Lenk, Dialog, 181; zit. Vogler, Nürnberg, 170. 49 WA 10, 1, i, 728. 50 Matheson, Schriften, 74. 51 Ibid., 74 – 5. 52 Ibid., 73,75. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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chung des wort Gottes bedrangt haben, straffet.“53 Ein begeistertes Vorwort empfahl die Lektüre; ihre Ermahnung sei „weder glauplich (fast unglaublich) vnd vormals von weiplichem geschlecht dergleichen gar wenig und bey vnsern zeyten nie gehort (…)“.54 Biblische Gestalten wie Judit, Hester und Susanna hätten aber den Weg bereitet. Ihr Mut sei ein Zeichen, dass in diesen letzten Tagen das Wort Christi die ganze Welt umstoßen werde, und dass die Prophezeiungen des Propheten Joels, Gott werde seinen Geist auf alles Fleisch ausgießen, sich jetzt erfüllten.55 In der Forschung wird Osiander als Verfasser des wohl in Nürnberg entstandenen Vorworts angesehen, verständlich, wenn man an seinen Einfluss auf Argula denkt. Die Rhetorik des Vorworts aber ist Osiander ganz fremd. Die aufgeregte Sprache und eine überschäumende Bewunderung für die Verfasserin weisen eher auf Laientheologen hin, wie Sebastian Lotzer, Hans Greiffenberger oder Hans Sachs. Der Volksdichter Sachs besaß schon 1522 viele Schriften Luthers. Die Terminologie, Lieblingsthemen und die Bibelstellen, die diese Laientheologen verwenden, sind denjenigen des Vorworts auffallend ähnlich. Es ist dieselbe Rede von den „letzten Zeiten“, von der Unverlässlichkeit der kirchlichen Traditionen, von der Arroganz und Gier der Priester. Wie Argula betonen sie die Pflicht, den Glauben öffentlich zu bekennen, nennen den Geist unseren „Schulmeister“ im Glauben, verhöhnen die Blindheit der Akademiker und weisen auf die Begrenztheit der weltlichen Macht hin. Diese Laientheologen kommen als mögliche Verfasser des Vorworts in Frage, wie auch der Prediger Paul Speratus und Diepold Peringer.56 Die Vorrede erinnert daran, dass Argula von Grumbach ihrem Schriftverständnis und ihrer Sprache nach einer breitgefächerten 53 Ibid., 63; der Text folgt dem Peypus Druck; andere Drucke zeigen kleine Variationen. 54 Ibid. 55 Ibid., 63 – 64; das Vorwort wurde schon dem handschriftlichen Exemplar angefügt, das Hans von der Planitz, der Vertreter Friedrichs des Weisen in Nürnberg, dem Kurfürsten am 17. Oktober 1523 zuschickte. 56 Ibid., 50 – 52, eine Zusammenfassung der Argumente; Arnold, Handwerker, 52 und passim.

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Bewegung angehörte. Sie ritt auf einer hohen Welle von Protest und Erwartung, mit Handwerkern wie Hans Sachs und Sebastian Lotzer, die Flugschriften lasen, aber auch selbst verfassten. 1523 wies der Augsburger Stadrat auf die große Zahl hin: „von Laien – Frauen und Mannen, Jungen und Alten – viel in der heiligen Schrift und sonst auch gelesen… wie vor(her) nie beschehen ist.“57 Viele der von Argula zitierten Bibelstellen sind nach Bernd Hamm typisch für jene Laien, die die Gabe des Heiligen Geistes für sich beanspruchten: Jesaja 54,13; Jeremia 31,33ff; Joel 2,28 – 31; Johannes 6,45.58 Mit der ungewöhnlich hohen Zahl von Nachdrucken dieses Briefes gehört Argula zur Spitzengruppe der meist gelesenen Flugschriftenautoren. Der Brief erschien, als die Verbreitung von Flugschriften einen Höhepunkt erreicht hatte, doch nur die Schriften von Luther und Karlstadt erreichten solch hohe Auflagen.59 Selbst das weit verbreitete Gedicht von Hans Sachs Die Wittenbergisch Nachtigall erlebte nur sieben oder acht Nachdrucke. Die dramatische Qualität der Seehofer-Affäre wird die Leser angezogen haben: die Jungen gegen die Alten, die Außenseiter gegen die Elite. Ausschlaggebend für den Erfolg der Publikation war aber wohl, dass Argula von Grumbach zeigte, wie überzeugend eine Frau die Heilige Schrift auslegen konnte, auch ihre Ablehnung von Gewalt und Zensur in religiösen Fragen, und die herzliche, sehr menschliche Sprache. Die zusätzlichen Dokumente, die den meisten Nachdrucken angehängt wurden, zeigen das Interesse, das ihre Herausforderung der Theologen erregte. Ihrem Brief wurden die gegen Seehofer vorgebrachten „Siebzehn Artikel“, ein Bericht über Seehofers Widerruf und ein Aufruf an den „christlichen Leser“, der von der 57 Roth, Augsburgs Reformationsgeschichte, 125; zitiert von Arnold, Handwerker, 52. 58 Matheson, Argula, 143; Hamm meint, dass der Verfasser des Vorworts die Zitate zusammengestellt hat; er verwendet aber nur das Zitat aus Joel; alle anderen sind von Argula, in diesem ersten Brief, wie auch in ihren späteren Flugschriften; Matheson, Schriften, 67, 136 f., 138. 59 Zorzin, Karlstadt, 11 – 25; vgl. die Analyse der Statistiken in Halbach, Argula, 187 – 190.

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„tyeffer blyndheyt in den Theologen zu Jungelstat“ sprach, angefügt.60 Solche Sammlungen von Dokumenten waren gang und gäbe bei den zeitgenössischen Flugschriften, wenn es um wichtige Ereignisse ging. Auch die dramatischen Holzschnitte, die vier Nachdrucken vorangestellt wurden, unterstreichen das Interesse. Malers zwei Erfurter Drucke zeigen eine zierliche Frau, die einer Phalanx von zehn Akademikern im Talar alleine gegenüber steht. Sie hält eine aufgeschlagene Bibel. Der stramme Führer der Gelehrten zeigt mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf sie, während von den Fingern der linken Hand ein symbolischer Fehdehandschuh baumelt. Man spürt die knisternde Spannung. Auf dem Boden des schlichten Raums liegen zwischen den gegnerischen Parteien weggeworfene Bücher. Ein offenes Fenster erinnert an die Außenwelt. Eine einzelne Frau steht einer Gruppe von gelehrten Klerikern gegenüber, eine Bibel kontrastiert die schweren Bücher des kanonischen Rechtes und der scholastischen Theologie. Die Überschrift, die berichtet, dass sie die Theologen der Hohen Schule in Ingolstadt „strafft“ zurechtweist, komplementiert das Bild. Die Gegenüberstellung von Argula und ihren Gegnern erinnert an Jörg Nadlers Holzschnitt, wo Luther am Wormser Reichstag in „splendid isolation“ den Mächtigen, dem Kaiser und dem Vertreter des Papstes, entgegen tritt. Haben einige Zeitgenossen den Holzschnitt so verstanden: Argula als weiblicher Luther? Wolfgang Stöckels Leipziger Druck bietet einen dynamischeren, wenn auch in künstlerischer Hinsicht primitiveren Holzschnitt. Hier zeigt die allein stehende Frau auf eine Gruppe von fünf Professoren und geht auf sie zu; drei führen ein aufgeregtes Gespräch miteinander. Wieder hält sie eine offene Bibel in der Hand, während schwere Wälzer auf dem Boden liegen. Die Überschrift betont ihre adelige Geburt: „Ein Erbare Christliche Fraw mit namen Argula von Grumbach geboren von Stauff“.61 Zuletzt kommt der grob gezeichnete Braunschweiger Holz60 61

Matheson, Schriften, 164. Ibid., 60. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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schnitt: Er zeigt eine sehr energische Argula, die, verglichen mit der mächtigen Bibel in ihren Händen, diminutiv wirkt. Vier Professoren der Theologie und Jurisprudenz schauen etwas verdutzt in die Ferne, einer hält ein Beutelbuch, ein Buch in einem ledernen Behälter. Alle Holzschnitte veranschaulichen, wie verwirrt die akademische Welt ist, wenn sie von einer Frau mit der Autorität der Heiligen Schrift konfrontiert wird.62 Argula von Grumbach hat, wie man auf diesen Titelblättern sieht, einen wunden Punkt getroffen. Wie es in der Vorrede heißt: Wir sollten „von siglicher überwindung der aller hochfertigsten grösten feind Christi (…) zu Got betten vnd sprechen mögen: O herr es wirt ein grosse gedechtnus deines namens, so ine (sie) die handt des weibs überwindet“.63

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Die Titeleinfassung des Breslauer Drucks von Kaspar Libisch zeigt ganz oben in der Mitte eine Frau mit einer Haube, ohne Zweifel die „Christliche fraw des adels in Beiern“. Zu den Holzschnitten ibid., 59 – 62. 63 Ibid., 64. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

Kapitel 5: Krisenjahr

Nach Argulas erstem Schritt, dem Brief an die Universität, entwickelte die Kontroverse ihre eigene Dynamik. Ein Ereignis folgte dem anderen mit verwirrender Intensität und Geschwindigkeit. Eine rein akademische Angelegenheit wurde zur Staatsangelegenheit, die Seehofer-Affäre zu einer von Stauffen-Affäre. Argula begriff sofort, dass sie ihr Handeln Herzog Wilhelm erklären musste, um wütende Reaktionen abzuwehren – wenn das überhaupt möglich war. Sie wusste natürlich, dass die Ingolstädter Universität finanziell und auch in ihrer Zielsetzung vom Münchener Hof abhängig war. Deshalb ging am selben Tag, an dem sie den Brief an die Universität abschickte, auch eine detaillierte Rechtfertigung ihrer Intervention mit einer Kopie ihres Protestbriefes nach München. Ursprünglich hatte sie gehofft, eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Universität vermeiden zu können, wenn man ihrer Behauptung in den späteren Briefen an den Ingolstädter Rat und auch an ihren Verwandten Adam von Thering Glauben schenkt: „Ich hett gemaint, ich wölt mein schreyben haymlich haben behalten, syh (sehe) ich wol, das es got offenbar will haben.“1 Ihre gewagte Initiative hatte aber sowohl bei Bewunderern als auch bei Gegnern das lebhafteste Interesse erweckt. Als wilde Gerüchte über ihre Worte und Aktionen in Stadt und Land kursierten, schien es ihr dringend nötig, Kopien ihres Protestes an den Rat der Stadt Ingolstadts zu schicken und an einen Ver1

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wandten, den sehr ärgerlichen Adam von Thering. Sie hoffte, dass sie ihre Absichten besser verstehen würden, wenn ihnen der volle Text des ursprünglichen Briefes mit Erläuterungen zur Verfügung stand. Vielleicht würde das auch die Entrüstung besänftigen. Im folgenden Jahr 1524 als der Nürnberger Reichstag und der Regensburger Konvent vor schwerwiegenden Entscheidungen standen, schrieb sie an zwei prominente Fürsten und richtete einen kurzen, flammenden Appell an den Regensburger Stadtrat. Schließlich entwarf sie als Antwort auf ein verleumderisches Spottgedicht eine längere „Antwort in gedichtßweiß“. Alle diese Schriften wurden gedruckt. Innerhalb eines Jahres, kaum dass sie sich dieser Leistung bewusst werden konnte, hatte diese Mutter von vier Kindern acht Flugschriften in die Welt geschickt. Kaum zu glauben! Es scheint, dass sie an weitere Publikationen dachte. Die letzten Worte ihres Gedichts lauten: „Wills got, nach dem ain anders.“2 Es ist nicht auszuschließen, dass sie andere Schriften tatsächlich verfasste, aber wenn das der Fall ist, sind sie verschwunden. Man fragt sich, ob ihr Mann Fritz diese Entwicklungen überhaupt wahrnahm, denn er hätte sie vermutlich daran hindern können, Flugschriften an die Drucker abzugeben.3

Der Brief an Herzog Wilhelm Verständlicherweise enthielt der Brief an Herzog Wilhelm weniger biblische Zitate und war weniger theologisch orientiert als der Brief an die Universität. Der Ton war weniger polemisch und pragmatischer.4 Auch dieser Brief zirkulierte ursprünglich als Handschrift. Die Schrift war inhaltsreich, fast so lang wie der Brief an die Universität und wiederholte einige Themen, wie die dreimalige Verleugnung des Petrus. Eher programmatisch befasste sie sich nicht nur mit dem theologischen und kirchlichen Bereich, 2

Ibid., 150. Wie Halbach, Argula, 53, bemerkt, hatte er das Recht, jede Vereinbarung, die Argula mit den Druckern hatte, rückgängig zu machen. 4 Halbach, Argula, 134; Text: Matheson, Schriften, 76 – 93. 3

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sondern auch mit Erziehungsfragen, mit dem Rechtssystem, mit dem Lebenstil des Adels und mit verschiedenen ethischen Problemem: „die grossen artickel (…) damit dz volck Christi beschwert“.5 Die Titelblätter der Drucke mit Worten, die wahrscheinlich von den Druckern stammten, erinnerten sogar an Luthers 1520 erschienene Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation. Obwohl an Herzog Wilhelm gerichtet, wird der Brief als eine Mahnung an „alle Christenliche stendt und obrikayten“ angekündigt.6 Drucker in Bamberg, Augsburg, Stuttgart, Eilenburg und München (!) griffen ihn sofort auf. Heutzutage erweckt er in gewissen Kreisen größeres Interesse als der Brief an die Universität.7 Herzog Wilhelm und Argula waren beide am Münchener Hof groß geworden: Argula war Hofjungfrau bei Wilhelms Mutter, der Herzogin Kunigunde. Sie waren fast gleichaltrig, und als Argulas Eltern plötzlich innerhalb weniger Tage starben, tröstete sie der junge Herzog, der jetzt ihr oberster Vormund war : „Ich soll nit also weynen, und wolt nit allein mein Landtsfürst, sonnder auch mein vater sein.“ Sie kannten einander. Sie behauptet, sich an seiner „glückseligkeytt“ zu freuen und zu leiden „in E.(euer) F.(ürstlich) G.(naden) unglück.“8 Sowohl in diesem Brief als auch in dem Brief an die Universität würdigte sie seine Generosität: Die Familie sei ihm zutiefst dankbar ; der Herzog und seine Eltern hätten für ihre eigene Erziehung gesorgt, ihren Mann Fritz von Grumbach als Pfleger in Dietfurt und Altmannstein eingesetzt und ihr junger Sohn Georg genoß gegenwärtig die Gastfreundschaft des Münchener Hofes.9 Argula sprach ihm ihr Vertrauen aus, ihn nicht nur als ihren Fürsten anredend, sondern als ihren „bruder in Christo,“ getauft wie sie; eigentlich

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Matheson, Schriften, 93. Ibid., 77 – 80. 7 Ibid., 80 – 81; nur von dieser Schrift liegt eine französische Übersetzung vor : Robins, Paroles. 8 Ibid., 92. 9 Sie wohnten in Dietfurt, aber er wird oft als Pfleger von Altmannstein angeprochen; StAW L36 Cxiii fol.183 f. 6

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eine subversive Anrede einer Untertanin für ihren Fürsten.10 Wenn man den eigensinnigen Charakter des Herzogs und vor allem seine rücksichtslose Behandlung ihres Onkels Hieronymus von Stauff bedenkt, erscheint dieses angebliche Vertrauen etwas merkwürdig, wenn nicht sogar unaufrichtig. Denn die anfängliche Ambivalenz am Hof gegenüber reformatorischen oder lutherischen Ideen war längst verschwunden. Der Widerstand der kirchlichen Hierarchie sollte eine effektive katholische Reform zwei Jahrzehnte lang vereiteln, doch waren Wilhelm und seine Ratgeber jetzt fest davon überzeugt, dass die lutherische Bewegung die soziale Stabilität und politische Einheit Bayerns bedrohte und deshalb unterdrückt werden musste. Die Universität in Ingolstadt spielte eine Schlüsselrolle in dieser Strategie. Die erfolgreiche Fürsprache Johann Ecks, der von Februar 1523 bis Januar 1524 in Rom war, hatte erreicht, dass der Papst dem Münchener Hof die Kontrolle über wichtige Kirchenund Klosterämter übertrug; wesentliche Anteile der klerikalen Einkünfte flossen jetzt dem Hof zu. Die Herzöge waren nicht mit dem Dilemma von Heinrich VIII. in England konfrontiert. Sie fanden die Unterstützung des Papsttums, als sie die Kontrolle der kirchlichen Institutionen und des Adels, sollte er versuchen, seine traditionellen Freiheiten unter einer lutherischen Fahne auszubauen, verschärfen wollten. Die gemeinsamen Interessen der Kurie und des Münchener Hofes sollten nach den Plänen vom Kanzler Leonhard von Eck eine dauerhafte Zusammenarbeit erlauben. Die Ingolstädter Universität galt als geistiger Arm dieser Strategie. Das bayerische Religionsmandat vom März 1522, im Oktober 1524 bestätigt, verbot die lutherischen Lehren als jeglicher menschlichen und göttlichen Ordnung entgegengesetzt. Ihre Verbreitung sollte verhindert werden. Verstöße gegen das Mandat mussten den Herzögen berichtet werden. Realistisch gesehen gab es nie eine Möglichkeit, dass Argulas Plädoyer für Seehofer und für die reformatorische Bewegung günstig aufgenommen wurde. Ihre Perspektive war aber eine prophetische. Das Wort „regiren“ kommt bei ihr oft vor: „allein das wort gottes soll vnnd muß 10

Matheson, Schriften, 92. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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alle ding regiern.“ Sie zog es vor, anzunehmen, dass der Herzog falsch informiert worden war, dass er die Maßnahmen gegen Seehofer nicht gutgeheißen hatte, denn sie wusste „sonst E.F.G. wol so christlich sein, got nit in seinen gewalt zugreyffen…“ Das Evangelium wolle er bestimmt nicht unterdrücken.11 Sie war auch überzeugt, dass der junge Student nur „aus bevelch“ seiner fürstlichen Gnaden mit dem Leben davon gekommen war.12 Sie bat ihn deswegen, den Berichten der Ingolstädter Theologen keinen Glauben zu schenken, sondern alles durch den Geist Gottes prüfen zu lassen. Trotz solcher diplomatischer Äußerungen nahm sie kein Blatt vor den Mund. Ihre Sprache war freimütig und direkt. Sie wollte „nit fürchten noch schweygen durch die gnad gottes, ob es mir tausent helß gult (Hälse kostet).“13 Sie entwarf ein radikales Programm für das künftige Wohlergehen Bayerns und mahnte den Herzog, als einen von Gott eingesetzten Fürsten, die Kirche, die Schule und die Gerichte gründlich zu reformieren. Die Traditionen der Vorfahren aufrechtzuerhalten sei keine Lösung. Wenn Alter das Kriterium für rechten Glauben wäre, dann müsste der jüdische Glaube der beste sein.14 Ihr geliebtes Bayern verdiene es, dem Wort Gottes entsprechend neu gestaltet zu werden. Pfründejäger wie Bernhard Artzt aus Eichstätt und abwesende Kleriker wie Johann Freyberger lebten vom Schweiß der Armen und vernachlässigten ihre pastoralen Pflichten. Der übermäßige Reichtum der Kleriker, die sie summarisch als Diebe, Heuchler und Pharisäer abkanzelte, könne für den Kampf gegen die Türken angezapft werden.15 11

Ibid., 86. Ibid., 87. Vgl. den Wortlaut von Seehofers Widerruf: er hatte Gnade erlangt: „auß sonderer befelch unnd genediger handlung der durchleuchtigen hochgebornen Fürsten und herren, herren Wilhelm und herrn Ludwigk“; ibid., 163. 13 Ibid., 88. 14 Ibid., 87 – 88. Der Topos kommt immer wieder in frühreformatorischen Schriften vor. Das Mandat vom März 1522 forderte aber die Aufrechterhaltung des Glaubens der Vorfahren. 15 Die bayerischen Herzöge hatten klerikales Einkommen für diesen Zweck wiederholt entwendet; ibid., 91. 12

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In sexueller Hinsicht seien die Priester ausgesprochene Heuchler. Ihre sogenannte Keuschheit diene der Kurie nur als Vorwand, durch Dispense, die den Priestern Konkubinen gestatteten, Geld einzuziehen. Man müsse realistisch denken: „Es ist gleych, so ich gelobet keüscheit, als ich gelob mit eynem finger am hymel zu ruern (rühren) oder zu fliegen; das steet nit in des menschen gewalt.“16 Die Intoleranz, die die Seehofer-Affäre zutage brachte, beruhe auf einem grundlegenden Mißverständnis des Glaubens. „Sie haben jn (ihnen) da ein xviij järig kindt furgenommen.“17 Die plötzliche Einkerkerung, das Fehlen einer freien Diskussion über die Korrektheit oder Falschheit seiner Ansichten und die Androhung des Feuertodes (trowung des fewrs) seien eine Schande. Es ging um das Prinzip der Gewissensfreiheit; „Es sol nyemand verboten sein; wer es an wirt nemen, findt gnad, wer nit findt von got auch sein straf…“18 Diejenigen, die im Bereich des Glaubens Gewalt ausüben, seien Tyrannen. Das lebendige Wort Gottes wirkte in Argulas Augen rastlos und unbequem inmitten der Welt. Der Herzog sollte der Versuchung widerstehen, es zu kontrollieren, zu lenken oder mit gläubigen Menschen, die von ihrem Gewissen getrieben wurden, die Geduld zu verlieren.19 Jeder, abgesehen von den Klerikern, habe das anerkannt. Bis dahin waren ihre Argumente, aus der Sicht des Münchner Hofes, höchst anmaßend. Jetzt ging sie aber viel weiter und ignorierte mit ihrer offenen Verteidigung Luthers das gegen die Häresie gerichtete Religionsmandat. Angriffe gegen Luther seien Angriffe gegen Jesus und die Apostel, meinte sie. „Sy heyssen es Lutterische wort sein, aber nit Lutherische, sonder gottes wort.“20 Wenn die Herzöge „ob demselben wort“ halten, „so würdt glück und heyl land und lewten,“ aber widersetzte man sich der Verkündigung des Wortes, waren schreckliche Konsequenzen für den 16

Ibid., 90. Ibid., 87. 18 Ibid., 91. 19 Ibid., 86. 20 Ibid. 17

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sozialen und politischen Bereich zu erwarten; sie wies u. a. auf die Bedrohung durch die Türken hin: „Nun sagt got also, er wolt uns geben in die hend unserer feynd…“21 Sie malte die horrenden Folgen der von Gott geschickten Plagen aus, wenn man sich seinem Willen widersetzte, z. B. den Kannibalismus, über den Jeremia lamentierte: „Die barmhertzigen weyber kochten jre kinder unnd gab es jn (ihnen) zu speyß…“22 Der apokalyptische Horizont ihrer Gedanken ist unverkennbar, durch den schärfsten Antiklerikalismus akzentuiert. Das Papsttum sei vom Teufel geführt, die Klöster seien „Raubheüser.“ Der Herzog solle das Land von den Kirchenrechtlern und ihren kirchlichen Gesetzen und sich von seinen klerikalen Beratern befreien. Das Volk Christi, „mit einem theüren werdt (Wert) seins rosenfarben bluts erlöst“, werde sonst ewiglich verdorben. „Wolt got, es liessen sich die Fürsten und herrn, die geystlichen genant, nit lenger am affenseyl füren.“23 Die Entrüstung des Volks nimmt überhand. So gehe es nicht weiter. Sie beendete ihre Schrift mit der Hoffnung, dass der gnädige Fürst: „bedencks baß (besser), dann ich schreib, dann es betrift nit ein zeitlichs, sonder ein ewigs.“24 Eine handschriftliche Kopie wurde am Münchener Hof für Wilhelms Bruder Ludwig hergestellt, und es ist klar, dass ihr Brief nicht einfach ignoriert wurde.25 Der äußerst radikale Ton und die empfohlenen Reformen standen aber der Entschlossenheit des Hofes, die zentralisierte Kontrolle zu stärken und die lutherische Bewegung im Keim zu unterdrücken, diametral entgegen. Es ist unwahrscheinlich, dass ihre Argumente ernstgenommen wurden. Wie viele eifrige Befürworter einer Sache, konnte sich Argula kaum vorstellen, wie feindlich man auf ihre leidenschaftlichen Bitten reagieren würde. Vielleicht war es wichtig für sie, dass sie wenigstens den Versuch gemacht hatte, dem Hof ihre Absichten darzulegen. Nachdem der Brief in gedruckter Form erschienen 21

Ibid., 88. Ibid., 89. 23 Ibid., 89 – 91. 24 Ibid., 93. 25 Ibid., 81, Anm. 4; vgl. S. 93 unten. 22

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war, bestand die wichtigste Zielgruppe hauptsächlich aus Anhängern der evangelischen Reform.

Die Reaktion Mit jedem Tag, jedem Monat, entdeckte Argula, dass sie ihr Glaubensverständnis radikal revidiert hatte. Das war aber bei anderen keineswegs der Fall. Völlig verschiedene Auffassungen von Gott, Christus, den Heiligen, der Kirche und der Welt stoßen jetzt auf einander, mit ungeahnten Auswirkungen auf Kultur, Gesellschaft, und auch auf die Politik. Sie fand sich im Epizentrum des sich schnell entwickelnden Sturmes. Ihre vehementen Worte und ihre unerhörte Herausforderung der Universität, der Kirche und des Hofes verkörperten für viele eine echte „Wende“. Die Lage war jetzt neu und unkalkulierbar. Die Identität der bayerischen Kultur und Gesellschaft stand auf dem Spiel. Täglich begegneten ihr Beleidigungen, Drohungen und wilde Beschuldigungen. Viele waren entrüstet oder fühlten sich von ihren Initiativen bedroht: „ich hör, wie etlich so seere über mich ertzirnet, das sy nit wyssen, wie sy es nur schickten, das ich vom leben zum tod käm…“26 Ihre Taten wurden, wie sie an den Ingolstädter Stadtrat schrieb, „vil anderst außgelegt, dann ichs geschriben oder gemaint hab…“27 Sie wurde durch Gerüchte gerichtet. Andererseits erhielt sie Unterstützung von den Stauffern und von führenden Reformatoren, auch von Luther. Sebastian Lotzer meinte im Vorwort seiner Auslegung über das Evangelium (1524), dem Memminger Prediger Christopher Schappeler gewidmet, dass Schappelers tapferes Predigen des Evangeliums dem Zeugnis dezidiert christlicher Frauen ähnlich sei: „Wie dann yetz die Edel und wolgeborn fraw Argula, geporen von Stauffen, sich beweißt, unnd den schulgelerttenn schreibt. Sich erbeut mit in (ihnen) zu disputieren, wie die haylig junckfraw Katherina that, so die fünfftzig gelerten uberwand. Das hieß, mayn ich, ain recht adelich tugentsam und cristlich gemüt. Hie wirckt der gaist 26 27

Ibid., 99. Ibid., 98. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Gottes wundeparlich; got bestäte (bestätige) sy und uns allen yn vestem glawben. Amen.“28 Balthasar Hubmaier, der Ende 1523 nach Regensburg zurückkehrte und bis März 1524 in der Stadt predigte, war ein begeisterter Befürworter der evangelischen Bewegung geworden. Er scheint Argulas Brief an die Universität gelesen zu haben oder hatte zumindest darüber etwas gehört, vielleicht durch die Vermittlung ihres Bruders Bernhardin, der den Staufferhof in Regensburg besaß. Er feierte Argula als prophetische Gestalt, wie Deborah, Hulda, Hannah und die vier Töchter Philipps in der Bibel: Frauen die sich „männlich“ verhalten hatten, während ihre männlichen Gegenspieler sich als Schwächlinge erwiesen hatten. Er teilte ihre Verachtung für diejenigen, die andere als Häretiker verdammen, ohne Beweise aus der Schrift anzuführen und die kirchliche Tradition als ihre oberste Autorität ansahen.29 Für Argulas Kinder, vor allem Georg und Hans-Jörg, müssen die Wogen der Polemik und die Spannung zwischen ihren Eltern schwer zu ertragen gewesen sein. Kinder verstehen immer viel mehr als man denkt! Als die Krise ausbrach war der ca. zehnjährige Georg am herzoglichen Hof in München, und er wird von den Wellen der Wut und des Hohnes voll getroffen worden sein. Er musste München sofort verlassen. Seine Eltern Fritz und Argula mussten ihrerseits Dietfurt schnellstens verlassen, denn der Kanzler Leonhard von Eck sorgte dafür, dass Argulas Mann seine Stelle als Pfleger verlor. Eck sah Argula als eine veritable „Teufelin“ an.30 In einem Brief an Herzog Wilhelm vom 2. Oktober 1523 befürwortete er eine entschiedene Reaktion auf ihre Intervention. Es sei untragbar, dass die Frau des herzoglichen Pflegers das vom Herzog gebilligte Verfahren gegen Seehofer angegriffen hatte; sie hätte ihr Einverständnis mit lutherischen Lehren „ausgeschrien“ und dem gemeinen Volk in Dietfurt gepredigt: „alles wieder E.F.G. Mandat, und den Christlichen gemainen 28

Außlegung uber dz Euangelium, Aii; er verweist auf Katharina von Alexandrien im vierten Jahrhundert. 29 Hubmaier, Axiomata, XXIII, 90; Gemeiner, Chronik, 520. 30 Metzger, Eck, 93, Anm.6. Schönewald sagt, ihr Verhalten machte sie zu einem „politisch unberechenbarer Faktor“, Argula von Grumbach, 99. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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prauch, das Wayber in Christlichen sachen (nicht) leren sollen“.31 Man dürfe das nicht ungestraft lassen. Der Herzog stimmte zu und schlug seinem Bruder Ludwig vor, dass er angesichts der „ungeschickten“ Briefe an die Universität und an ihn selber (die sie beide gelesen hatten), Argula und ihren Mann nach Landshut vorladen solle, um ihnen die Leviten zu lesen. Friedrich von Grumbach wurde in aller Schärfe informiert, dass „Er als der man solche ungeschickte schreiben seinen Weib gar nicht gestatt solt haben“.32 Er wurde auf der Stelle entlassen, denn er sei als Ehemann und als herzoglicher Diener gescheitert. Das Ganze war ein vernichtender, entehrender Schlag für ihn: Seine sehnliche Hoffnung, am sozialen und politischen Leben Bayerns teilzunehmen, lag im Staub. Die Sternstunde seiner Frau war für ihn das absolute Gegenteil: Erniedrigung und das Ende seiner Karriere. Auch für die Kinder war Dietfurt ihr Zuhause gewesen. Man kann sich die Verwirrung und Verzweiflung vorstellen, auch die verbitterten Auseinandersetzungen zwischen Mann und Frau auf dem Weg nach Landshut und zurück. Von dem Abschied von Dietfurt – wo sie sieben Jahre lang gewohnt hatten – berichten die Quellen nichts, abgesehen von einem kurzen Hinweis in ihrem späteren Brief an Adam von Thering und von einer Bemerkung Luthers.33 Argula ritt kurz darauf nach Burggrumbach. Sie spürte vielleicht ein instinktives Bedürfnis, möglichst weit weg von der Gerüchteküche und den hässlichen Reden in Ingolstadt zu gelangen. Im Norden waren enge Freunde wie die Cronthals in der Nähe. Ob ihr Mann mit ihr reiste, weiß man nicht.

31

Lipowsky, Argula, App. II; zum Datum s. Kohnle, Reichstag und Reformation, 146, Anm. 256. 32 Ibid., App.VII; Kohnle, Reichstag und Reformation, 146 – 147 weist auf Ludwigs weniger strenge Haltung gegenüber dem Luthertum. 33 Matheson, Schriften, 121; vgl. S.107, 131,145 unten. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Der Brief an Ingolstadt In der Zwischenzeit schwiegen diejenigen, die Zugang zu den Mächtigen hatten, beharrlich: die Juristen und die Räte, die Höflinge und die Gelehrten. Viele sympathisierten mit Seehofer, aber sie riskierten nichts, und sagten öffentlich nichts. So verhielten sich beispielsweise die Ingolstädter Stadträte. Wahrscheinlich kannte Argula einige von ihnen persönlich. Sie schickte am 28. Oktober an den Rat der Stadt Ingolstadt eine Kopie ihres Briefes an die Universität, mit einem Begleitschreiben. Der Brief war relativ kurz gehalten, nur halb so lang wie der Brief an Herzog Wilhelm, aber er wirft ein Licht auf ihre Seelenverfasssung in diesen kritischen Monaten. Sie versucht, die Beschuldigungen abzuwehren, die während des Monats Oktober gegen sie in Umlauf waren; auch hoffte sie die Unterstützung der Räte für die evangelische Bewegung zu gewinnen, und die arg beleidigten Theologen von den anderen Bürgern zu isolieren. Der Brief wurde aus Burggrumbach abgeschickt.34 Der Inhalt macht klar, dass sie in den Tagen und Wochen unmittelbar nach ihrem Protest das Schlimmste befürchtete. Sie rechnete täglich mit ihrer Verhaftung, mit Verhören und dem Tod; sie versuchte so gut wie möglich darauf gefasst zu sein. Sie schrieb diesen Brief nicht: „mich von meiner person wegen zu verantwurtten, allain von der wegen, die sich ab (ob) meinem schreiben möchten ergeren.“35 Sie versuchte auch, den Räten alternative Kriterien zur Beurteilung der Seehofer-Affäre zu bieten. Wo findet man eigentlich die echte Kirche? Wer predigt das wahre Evangelium? Wie soll sich eine christliche Stadt in dieser zugespitzten Lage verhalten? Sie redet die Stadträte, wie Herzog Wilhelm, als ihre Brüder an: „besondern lieben brüdern in Christo. Es hat sich in verschyner zeyt (in der letzten Zeit) begeben, das ich auff die handlung, so mit Arsacius Seejofer gethon, ainer hohenschul daselbst geschryben, und auß Christenlicher pflicht dohin gedrungen“. Sie 34 35

Text: ibid., 98 – 100. Ibid., 98. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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bat die Räte, den Inhalt ihres Briefes an die Universität ohne Vorurteile zu lesen: „Setz kainen zweyffel darein, der gayst gottes wer (wird) wol schulmayster sein, und das recht urtayl fellen.“36 Die Universität trage die Schuld, dass die Affäre an die breite Öffentlichkeit gelangt sei. Sie hatte angenommen, dass die Theologen sie als eine interne Angelegenheit behandeln würden. Offensichtlich waren einige über ihre Intervention entrüstet, ihr sei aber keine Wahl geblieben, denn „wer ain Christ will seyn, muß ye, so vil er kan, den, die Gottes wort wöllen verdammen, widersprechen“.37 Der Prophet Joel sage deutlich, dass alles Fleisch, Töchter wie Söhne, prophezeien werde, vom Geist Gottes geführt.38 Deswegen habe sie, eine Frau, das Recht und die Pflicht, ihre Stimme zu erheben. Was man im Herzen glaube, müsse auch öffentlich bekannt werden. Sie dehnt Luthers Lehre von der Priesterschaft aller Gläubigen hier auf Frauen aus, obwohl Luthers Name nicht explizit genannt wird.39 Ein Hauch Anti-Intellektualismus ist vielleicht spürbar. Ob ein Doktor der Theologie mehr Autorität in Gewissenssachen verdiene als sie? Habe er „ain höhere gelibtus (Gelübde)“ bei der Taufe geschworen als sie?40 Die Überzeugung, dass die Pflicht: „zu widersagen dem Teüffel, auch allem seinem gespenst (Illusionen)“ sich aus der Taufe ableite, blieb ein Merkmal ihrer Laientheologie.41 Leonhard von Eck hatte argumentiert, dass aus der Universität eine Synagoge der Subversion entstehen würde, wenn man Seehofer nicht strafte. Argula konterte mit dem Argument, dass die Theologen wie die jüdischen Synagogen gehandelt hätten, die die ersten Christen verbannten; die Theologen „setzen die Römischen Kirchen fur die hayligen Christenlichen Kirchen.“ Ihre repressiven Aktionen führen dazu, dass die Universität „ain schul 36

Ibid.; der kurze Brief führt 27 biblische Zitate an. Ibid. 38 Ibid., 118 – 119. 39 Sie wird wohl Luthers Theologie der Taufe u. a. in seiner Schrift, An den Adel deutscher Nation gelesen haben: WA 6, 407. 40 Matheson, Schriften, 98 – 99. 41 Ibid., 119. 37

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für die weyber,“ werde, eine Zielscheibe weiblichen Spottes.42 Weil die Sophisten, wie die scholastischen Theologen oft im evangelischen Lager genannt wurden, von Gott gänzlich verblendet und erniedrigt wurden, sollten die Stadträte sie ignorieren, denn sie folgten ihren eigenen Phantasien, nicht dem Wort Gottes. Sie dachte wohl vor allem an Professor Hauer.43 Die Stadträte seien getaufte Christen wie sie. Deswegen haben auch sie die Verantwortung, ihre Stimmen zu erheben, und sich der Unterdrückung des Wortes Gottes friedlich zu widersetzen. Denn sie seien auch: „die glider Christi, wölcher allain unser aller haupt ist, als Paulus zu den Epheser am 4: ,Christus ist das haupt, darauß der gantz leib zusamen gefügt.‘“44 Sie sei aber besorgt, dass es ihnen an Mut fehle, wie die anderen „haimliche jungern des herren“ in der Universität, die sich wie Nicodemus im Schweigen hüllten.45 In diesem Zeitraum erschienen Flugschriften mit recht einprägsamen Holzschnitten, die von den drei Märtyrern des Augustinerordens in Brüssel berichteten; Argula feierte ihr Sterben als einen Sieg für das Evangelium.46 Sie selbst erschreckten Todesdrohungen nicht: „ich wolt geren wissen, was gewinns sy hetten, wann sy mich gleich ermörten (ermordeten)…Nun in dem namen gottes, so dann das die stat (Stadt) ware, daran man die Christen martert, als Jherusalem auch war, so geschech mir auch, wie got wöll. So ich schon gestorben bin, ist das wort gottes nicht verdilgt. Dann es bleibt ewig, ich acht auch darfür, so ich die gnad hette, den todt umb seines namens willens zu leyden, wurden gar vil hertzen dardurch erweckt, ja wann ich allain scrib, wurden hundert weyber wider sy schreiben.“47 Wenn man sich 42

Ibid., 99. Ibid. 100. 44 Ibid., 98. 45 Ibid., 100. 46 Anonymus. Der Actus vn[d} handlung der//Degradation vnd verbrennung der Christ/lichen dreyen ritter vnd marterer Aug//gustiner ordens. Geschehen zu//Brüssell/ am ersten tag des//Augstmons. MD. xxiii; Köhler (1979): 1956/5000. 47 Matheson, Schriften, 99. 43

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erinnert, dass ihr Onkel, Hieronymus von Stauff in derselben Stadt vor sieben Jahren gefoltert und hingerichtet wurde, waren das sehr couragierte Worte. Hochinteressant ist ihr Bewusstsein, einer Bewegung von Frauen anzugehören. Diese Thematik kommt in ähnlicher Weise in Eberlin von Günzburgs 1523 erschienener Schrift vor, Zuschreiben an alle Stände deutscher Nation, die er einer adeligen Frau, Susanna Truchsess von Rheinfelden widmete. Nachdem er ihre adeligen Freundinnen nennt, die er auch zu den Anhängerinnen des Evangeliums zählt, bemerkt er, dass die adelige Frau, Argula von Grumbach, geborene von Stauff, einen neuen Beweis liefere, dass Gott die Schwachen und Ungelehrten auswähle, um die Weisen dieser Welt in Verlegenheit zu bringen. Er freute sich auch, „das vil weybßbild sich so fast bemühen mit lesen heyliger schrifft, und so gar erleucht und erhitzt werden ynn gottes wort, das sie dörffen eher sich begeben yn grosse gfar (Gefahr), ehe sie solten Gottes wort leugnen oder schweygen.“48 Die Beteiligung von Frauen an der Reformation erstaunte viele Zeitgenossen, und war ein gelegentlicher Topos in den Schriften der frühen Reformation. Argulas Verständnis des städtischen Lebens in Ingolstadt, das in diesem Brief zum Vorschein kommt, verbindet Elemente aus dem mittelalterlichen Konzept der sakralen Gemeinde mit der neutestamentlichen Metapher des Leibes Christi.49 Es war eine theokratische oder christokratische Sicht der Gesellschaft, Osianders Vision für Nürnberg nicht unähnlich. Doch die Situation Ingolstadts, vor allem die des Stadtrats, war alles andere als einfach. Die Räte wussten, dass die Stadt den Stauffern in vieler Hinsicht zu Dank verpflichtet war. Wie der Stadtchronist Zainer berichtet, habe Bernhardin von Stauff im Jahr 1503, in den chaotischen Zuständen nach dem Tod von Herzog Georg, die Stadt „vor Schand, Ybel und Uneer“ bewahrt; sie bleibe ihm dafür ewig dankbar. Bernhardin stiftete mit einem anderen Adeligen

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Enders, Günzburg 3,127 – 9. Vgl. Schilling, Die konfessionelle Stadt, 60 – 83. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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zum Andenken an diese Zeit ein Fenster über dem Nordwesteingang des Münsters.50 Ingolstadt war keine selbstständige Reichsstadt, sondern gehörte zum Herzogtum Bayern, von dem es weitgehend wirtschaftlich abhängig war. Der Stadtrat musste auch mit zwei anderen Obrigkeiten in der Stadt rechnen, mit dem herzoglichen Statthalter und der Universität.51 Es war eigentlich undenkbar, dass der Stadtrat Argulas Initiativen und Vorschläge hätte beherzigen können. Solche pragmatischen Überlegungen waren aber Argula ganz fremd; viel eher warnte sie die Räte, als ihre lieben Freunde und Brüder in Christo, vor den garstigen Konsequenzen für die Stadt, wenn sie sich dem Willen Gottes widersetzten.52 Ihre apokalyptische Weltsicht schaffte alle realpolitischen Überlegungen beiseite. Wie die alttestamentlichen Propheten, dachte sie theologisch, nicht realpolitisch. Die Macht und die Zahlen schienen vielleicht auf der Seite der Verfolger zu stehen. In den Augen Gottes aber seien Zahlen irrelevant. Sie zitierte Psalm 3 und Jesaja 30: „Ich würd tausent nit fürchten“; „Tausent weren erschrecken vor ainem.“53 Es dauerte neun Monate, bis der Stadtrat eine Antwort auf ihren Brief formulierte, oder besser gesagt, nicht formulierte. Am 6. Juli 1524 wurde die Schrift der Frau von Stauff vorgelesen, und man entschied, dass der Bürgermeister keine Antwort geben würde, weil es: „in ains rats macht nit sey“, das heißt, außerhalb seiner Kompetenz liege.54 Die Drucker fanden diesen Brief uninteressant; vielleicht schien er ihnen von begrenzter Relevanz außerhalb Ingolstadts. Ulharts Augsburger Ausgabe war die einzige, abgesehen von

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Zainer, de Bello bavarico, 249 – 50, zitiert bei Hofmann, Ingolstadt, 780 – 85; vgl. auch 917. 51 Freilinger, Ingolstadt, 143 – 162. 52 Matheson, Schriften, 100. 53 Ibid., Schriften, 99; vgl. den Hinweis auf die hundert Frauen, die bereit sind, den Kampf aufzunehmen. 54 Stadtarchiv Ingolstadt; Ratsbücher der Stadt Ingolstadt, 6.7. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Köpfels Nachdruck in der 1524 erschienen Straßburger Sammlung ihrer Schriften.

Argula und der Reichstag in Nürnberg Trotz der Drohungen einiger und des ominösen Schweigens anderer zeigt dieser Brief, dass Argula keineswegs eingeschüchtert war. Im Gegenteil, die Ereignisse erfüllten sie mit neuem Mut. Als die deutschen Stände sich gegen Ende November 1523 zum Reichstag in Nürnberg versammelten, machte sie sich dorthin auf den Weg, einer Einladung folgend, wie es scheint; sie sollte sich mit einigen Fürsten treffen. Vielleicht hatte ihre Herausforderung der Universität die Neugierde des einflussreichen Fürsten Johann von Simmern geweckt. Für die „teuflin“ von Dietfurt war dies eine außergewöhnliche Wende. Wir wissen nicht, wo sie in Nürnberg wohnte, oder ob sie Osiander besuchte. Sie wurde auf jeden Fall zu einem Bankett am 30. November eingeladen. Sie nutzte die Gelegenheit, um mit Johann von Simmern und Kurfürst Friedrich von Sachsen zu sprechen und wäre bereit gewesen, auch mit anderen zu reden. Sie waren vermutlich mit anderen Dingen beschäftigt. Die Festlichkeiten der Fürsten führten oft dazu, wie Beobachter kommentierten, dass Zungen und Gedärme reichlich versorgt wurden, die Gehirne aber weniger. Sie tranken viel und schliefen wenig. Argula hat ihre eigene Bestürzung später ausgedrückt: „Was kan man radtschlagen? So sy tag und nacht die köpff kumm (kaum) tragen vor föll (Völle). Ich habs selbs zu Nürenberg gesehen, ain sollichs kindisch wesen der Fürsten, das mir die weyl ich leb, vor meynen augen ist.“55 Argulas Erscheinen, mehr als einen Monat vor Beginn des Reichstags, fiel in eine kritische Zeit; das Bankett an sich war unbedeutend, der Kontext dagegen hoch interessant. Auf zwei früheren Reichstagen in Nürnberg (Frühling 1522, November 1522 – Februar 1524) hatten die deutschen Stände sich Zeit gelassen, als man sie aufforderte, dem Wormser Edikt von 1521, das 55

Matheson, Schriften, 123. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Luther und seine Ansichten verwarf, Geltung zu verschaffen. Im Gegenteil, der Vorschlag ein freies christliches Konzil in Deutschland abzuhalten, fand beträchtliche Unterstützung. Bis dahin sollte das wahre Evangelium gepredigt werden, im Einvernehmen mit den Lehren der christlichen Kirche, eine zweifellos absichtlich vage Formulierung. Auf dem dritten Reichstag (14. Januar – 15. April 1524) einigten sich die Stände schließlich, zur Bestürzung des päpstlichen Legaten, Campeggio, dass eine Synode in Speyer im November versuchen sollte, die religiösen Konflikte in Deutschland zu lösen, falls kein allgemeines Konzil der Kirche möglich war. Überraschenderweise unterstützten die bayerischen Herzöge, alarmiert durch die Verbreitung des Luthertums, diesen Vorschlag, aber der Kaiser, Karl V, legte sein Veto ein. In der Zwischenzeit sollte das Edikt von Worms beachtet werden, „sovil inen muglich.“ Diese zweideutige Formel ermutigte die der lutherischen Bewegung nahe stehenden Fürsten und die Reichsstädte. Vorher hatten sie ausweichende Erklärungen abgegeben; jetzt bekannten sie sich viel offener als Unterstützer der evangelischen Bewegung.56 Es gibt keinen Bericht über Argulas Gespräche während des Banketts. Wir sind angewiesen auf die zwei Briefe, die sie nach dem Treffen schrieb: an Johann II. von Pfalz-Simmern (1492 – 1557) und an Friedrich den Weisen (1486 – 1525), Luthers Kurfürst; beide waren mit Argula ungefähr gleichaltrig. Die Briefe waren am Tag nach dem Bankett, am 1. Dezember, in großer Eile geschrieben worden. Die Eile erklärt vielleicht die Kürze und die ungeschliffene Form der Briefe.57 Johann von Pfalz-Simmern vertrat den Kaiser im Reichsregiment in Nürnberg in der Abwesenheit des Kurfürsten. Juristisch gebildet und humanistisch interessiert, genoss dieser Förderer der Künste auf allen Seiten Respekt, obwohl sein eigenes Hoheitsgebiet Simmern winzig war. Er blieb katholisch,

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Hamm, Spengler, 236; Jedin, Council of Trent, 208 – 217. Text: Matheson, Schriften, 106 – 107, 112 – 114. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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aber seine zweite Frau war lutherisch, und sein Sohn Friedrich nahm den calvinistischen Glauben an.58 Nach einem kurzen Gruß an Johann von Simmern, kam Argula in ihrem Brief sofort zur Sache: „Hochgeborner Fürst, genediger herr, als ich nechten zu nacht (gestern abend) von Ewern Fürstlichen gnaden, auch andern meynen herren zu würdschafft (einem Bankett) geladen vnnd berüfft, wölches ich mich mit diemütigkait gegen allen bedanck etc., nun hab ich under etlichen reden von Ewer Fürstlichen gnad gemerckt, das anfahen, (Anfangen) der geschrifft unnd göttlichen worts zu leßen, auch erkandt, das Ewer Fürstlichen gnad das liecht scheinen sicht, in wöllichen ich nitt wenig erfrewdt bin.“59 „Das Licht“, eine beliebte Metapher, kam nicht weniger als neunmal vor in dem zweiseitigen Brief. Nach diesem abrupten Anfang war das wichtigste Anliegen des Briefes, den Fürsten zu einem offenen Bekenntnis zum Wort Gottes am Reichstag zu bringen. Er solle sich nicht auf menschliche Vernunft oder Macht verlassen, denn nur Gottes Wort könne das Licht entzünden. Sich dem Licht zu widersetzen führe nur in den Ruin. Sie zitiert sieben Bibelstellen, aus den Psalmen, Jesaja, und den Evangelien von Matthäus und Johannes. Alle begrüssten das Kommen des Lichtes oder verlangten ein offenes Bekenntnis, „dann Gott ist mitt uns.“60 Der Brief schließt mit strahlender Zuversicht: uns ist das Heil aufgegangen, jetzt wird den Armen und Bedürftigen das Reich Gottes aufgesperrt. Als Schlusswort befiehlt sie jeden der „güttigen fraindtligkait Christi“, einem ungewöhnlichen, besonders schönen Ausdruck.61 Es ist zweifelhaft, ob der Pfalzgraf sich von dieser Ermahnung besonders „gesegnet“ fühlte, wie sie es ausdrückte. Doch der etwas naive und hastig geschriebene Brief zog das Interesse von Druckern in Augsburg, Erfurt und Bamberg an. Es war eine 58

Spohn, Ulrich von Hutten, 141 – 46; Wunderlich, Johann II. von Simmern, 1 – 37; Halbach, Argula, 143 – 144. 59 Matheson, Schriften, 106. 60 Ibid., 107. 61 Ibid., 106 – 107. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Sensation, dass eine Frau es wagte, einen einflussreichen Fürsten in dieser recht persönlichen, wenn nicht kompromittierenden Weise anzureden. Am selben Tag ging ein zweiter Brief an Friedrich den Weisen. Mit lebhaften Bildern oder Metaphern ermutigte sie ihn, den „Haydnischen Fürsten“ zu trotzen. Deren Unterdrückung des Wort Gottes bedeute: „auf ain news Christum Creützigen und veruolgen.“ Aber auch wenn sie toben und „gryßgrammen“ (sich mürrisch zeigen) es würde ihnen nichts gelingen. Alle ihre Pläne und Entwürfe seien vergeblich, denn sie hätten nicht mit Gott gerechnet: „wie der hundert vnd neün und dreyssig Psalm sagt: Sy haben jre zungen gescherpfft wie die schlangen, jre straich (Unternehmungen) seind aber wie die pfeyl der kindlen (Kinder)“.62 Sie hoffe, dass der Reichstag eine echte Wende herbei führe, die Greueltaten der Verfolgung beende, und die Predigt des Evangeliums an die Armen ermögliche. Gott würde den Lauf des Reichstags bestimmen und den Teilnehmern seine Gnade, Weisheit und Kraft verleihen. Denn, wie Daniel prophezeite, der Fels, nämlich Christus, zerschmettere und zerstöre alle, die das Evangelium verfolgen. Darumb rede jn (ihnen) Ewer Churfurstliche Gnad mit gottes wortt in syner krafft trutzlich vnder die augen; dann Ewer Churfurstliche gnad sehen den hafen brinnen, (Kessel brennen), wie Jheremie am j., vnd das angsicht gots von mitternacht, sy mügen den nit verleschen (verlöschen).63

Das apokalyptische Bild der brennenden Kessel symbolisiert für sie die unwiderstehliche Kraft Gottes, und kam auch in ihrem Brief an die Ingolstädter Theologen vor. Hier wird es mit dem Bild von Christus, dem Grundstein, dem kostbaren Eckstein, dem lebendigen Felsen kombiniert. In Argulas Diskurs werden diese 62

Ibid., 112 – 113. Ibid., 113: der brennende oder siedende Kessel, oft in der zeitgenössischen Kunst dargestellt, ist Zeichen des kommenden Unheils, das noch bedrohlicher wirkt, weil „Norden“ mit „Mitternacht“ bezeichnet wird, wie oft in Karten aus dieser Zeit. 63

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Bilder zu einer Meditation über Macht und Machtlosigkeit, über legitime Autorität und Tyrannei, über heilbringendes Reden und Sprachlosigkeit zusammengefügt. Gott will diese ehemals gottähnlichen Fürsten demütigen, die ihre Macht missbraucht haben, indem er sie „den fröwlen (Frauen) under die füeß wirfft.“64 Sie hätte auch mit Johann von Simmern und mit Mitgliedern des Reichsregiments gesprochen, und wäre bereit gewesen, mit anderen zu reden: „wer volgk gewest zuhören“, vielleicht ein Hinweis auf Nichtadlige. Anscheinend hatte sie gehofft, dass die Diskussion, die ihr in Ingolstadt verweigert wurde, in Nürnberg hätte stattfinden können. Einige Bibelzitate und Ausdrücke wie „fraidig“ (zuversichtlich) aus dem Brief an Johann von Simmern kommen wieder vor. Der Ton ist aber direkter, verständlich in einem Brief, der an Luthers Schutzherrn gerichtet ist. Wie Halbach bemerkt, ist er der einzige Brief, den sie an einen ihr wohlgesonnenen Leser adressierte; es ist aber möglich, wie Kolde schreibt, dass er den vorsichtigen Kurfürsten in Verlegenheit brachte.65 Die dramatischen Bilder von Feuer und Zerstörung, von Gottes transzendenter Regierung der Welt, und von der Auferstehung Christi geben uns einen Einblick in Argulas eigenen Glauben. Der Brief wurde, wie fast alle ihre Schriften, von Philip Ulhart in Augsburg gedruckt, auch von Wolfgang Stürmer in Erfurt. Die Mahnung an die Fürsten, fest und entschlossen zu bleiben, sollte 1530 in der kritischen Zeit des Reichstags von Augsburg von ihr noch einmal betont werden. Der Brief zeigt auch, wie sehr sich die politische Lage seit dem Anfang des Jahres für sie grundlegend verändert hatte, als sie an die bayerischen Herzöge als christliche Brüder appellierte; jetzt erscheinen sie als heidnische Verfolger.

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Ibid.; das Vorwort zu ihrer ersten Schrift schließt mit ähnlichen Worten: ibid., 64. 65 Halbach, Argula, 149; Kolde, Seehofer, 103; vor allem in gedruckter Form und mit Hinweisen auf andere „heidnische Fürsten“! © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Ein aufgebrachter Verwandter Die zunehmend wütenden Angriffe seitens ihrer Gegner bestätigen indirekt, dass ihre Schriften wirksam waren. Einige wollten sie zum Schweigen zwingen, sie buchstäblich aus der Welt schaffen, sie in einen Turm einschließen und den Schlüssel wegwerfen. Von der Planitz hatte gehört, dass die bayerischen Herzöge Friedrich von Grumbach vorschlugen, er solle ihr die Finger abschneiden, um weitere Schriftstellerei zu verhindern: „und ob er sie gleich ganz erwurget, ßo solde er daran nicht gefrevelt haben.“66 Das Einsperren renitenter Ehefrauen in einen Turm war dem bayerischen Adel keineswegs unbekannt.67 Es war eine mit starken Tabus beladene Gesellschaft, vom Begriff der Ehre besessen; viele waren nicht zu bremsen, wenn es galt, den guten Namen der Familie zu verteidigen. Ihr Verwandter Adam von Thering (1460 – 1529) gehörte zur Vorhut, wenn es um solche Überlegungen ging. Seine Ansichten und Aussagen über Argulas Beteiligung in der Seehofer-Affäre sind nicht überliefert, aber aus ihrem Brief wird klar, dass der alte unverheiratete Kämpfer meinte, sie hätte die Ehre der ganzen Familie verletzt. Er stand offensichtlich mit ihrem Mann Friedrich von Grumbach in Kontakt.68 Adam von Thering wurde auf dem Familiensitz Schloss Stein geboren. Er gehörte einer anderen Linie an als Argulas Mutter, Katharina, die aus der Linie der Thering-Jettenbach-Seefeld kam. Im Landshuter Erbfolgekrieg unterstützte er die von Herzog Georg eingesetzten Erben gegen Herzog Albrecht und den Kaiser Maximilian. Er bemächtigte sich der Stadt Burghausen, wo der Schatz der Herzöge von Bayern-Landshut aufbewahrt wurde. Nach dem Krieg verbündete er sich mit Pfalzgraf Friedrich und wurde 1508 sein Statthalter in Pfalz-Neuburg, das unmittelbar an das Terri-

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Wülcker, von der Planitz, 582; Wülcker bemerkt: „diese Angaben sind sehr übertrieben.“ 67 Spieß, Familie und Verwandschaft, 473. 68 Argula bittet ihn, ihrem Mann keinen Glauben zu schenken: „gib jme aber kaynen glauben“; Matheson, Schriften, 121. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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torium von Ehrenfels angrenzte.69 Lutherische Ideen verbreiteten sich schnell in Städten wie Lauingen. Adam von Thering wird fast siebzig Jahre alt gewesen sein, als Argula an ihn schrieb. Zu diesem Zeitpunkt war er nicht mehr Statthalter, sondern Hofrichter und Ratgeber.70 Argulas Brief an ihn ist äusserst höflich und zurückhaltend. Er ist ihr einziger Brief an einen Verwandten und wurde wahrscheinlich Ende 1523 gedruckt.71 Sie ließ sich von seinen Anschuldigungen und Drohungen nicht aus der Ruhe bringen. Sie nahm an, dass seine Absichten die allerbesten waren, legte alles zu seinen Gunsten aus, und setzte voraus, dass er böswilligem Geschwätz über sie keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Sie wisse, dass sein einziges Anliegen, das Wohlergehen der Familie wäre: „und villeycht also eingebildt, das es von mir, als ainem thorlichem weyb, wie ich mich selbs bekenn und main“ entstanden ist.72 Sie bat ihn, ihren beigefügten Brief an die Universität nach dem Geist Gottes, nicht nach der Weisheit der Welt zu lesen. Die Wahrheit, wie sie hier und auch anderswo betont, würde uns nur gegeben, wenn der Geist Gottes uns an sie heranführe. Sie argumentierte, wie in ihren vorigen Schriften, dass ihr Taufgelübde ihr keine Wahl ließe, sondern dass sie wie alle Christen ihre Stimme gegen das Böse erheben müsse. Kein Papst, Kaiser oder Fürst könne mehr geloben als sie, die in der Taufe geschworen hatte, dem Bösen zu widersagen. Nicht, dass sie auf ihr Tun stolz sein könne: „Ain sollichs hochs gelübt, das ich nitt kan oder mag erfüllen, biß ich von newen geborn wurdt durch den todt.“73 Was sie getan hatte, habe ihn vielleicht erstaunt, und 69 Es gab ständig Spannungen zwischen den zwei Territorien; Martin Bucer war für eine kurze Zeit Hofkaplan bei Friedrich II. in Neumarkt, aber wie sein Brief vom August 1521 an Capito zeigt, war er froh aus der „barbarischen“ Gegend wegzukommen; Seitz, Martin Bucer, 28 – 32. 70 Seitz, Reformation und Gegenreformation, 42 – 45; Fürst, Biographisches Lexikon, 43 – 44; Cramer-Fürtig, Pfalz-Neuburg, 44 – 45. 71 Halbach, Argula, 150; Text: Matheson, Schriften, 119 – 124. 72 Ibid., 119. 73 Ibid., 119 – 120.

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die Beleidigungen und der Hohn, die sie erntete, mögen ihn geärgert haben, aber wenn man Gottes Willen folge, sei das unvermeidbar. Menschliche Begriffe der Ehre werden vom Ruf zur Nachfolge Jesu umgestoßen: „Jch rechen mirs für ain grosse eer (Ehre), das ich geschendt wurdt von gotes lobs willen“.74 Jeder von uns müsse am letzten Tag Rechenschaft ablegen. Nachfolge heiße Bereitschaft zum Leiden. Prediger, die sich als schlechte Hirten, falsche Propheten und unwissende Lehrer entpuppt haben, hinderten daran, Gott kennen zu lernen. Sie fleht Adam von Thering an, sich als einflussreicher Ratgeber in Pfalz-Neuburg um gute Pastoren und Prediger zu bemühen. Viele Prediger würden gegenwärtig mehr Schaden als Gutes zustande bringen. Sie betont wieder die Verantwortung des Einzelnen. Die Verklärung Christi zeige den Weg. Wir können alle Kinder Gottes werden. „Man haysst mich Lutherisch, ich bin es aber nicht, ich bin in namen Christus getaufft, den bekenn ich, und nit Luther.“75 Luther selbst habe es nie gewollt, dass wir unser Vertrauen auf seine Bücher setzen: die seien nur „laydt bechlen“, Nebenflüsse, Bächlein, die zum Wort Gottes führen.76 Es sei unmöglich, diese Missachtung göttlicher und menschlicher Gesetze weiterhin zu ignorieren. Unsere sogenannten Führer folgten einfach dem Trend des konventionellen Denkens: „Jch habs von vilen gehört, die sagen, so mein vatter und muoter in der hell weren, wolt ich ungern im hymel sein: mir nit, wann gleych alle meyne freünd dar in weren, darvor got sey, fürcht ich doch, sy kündten mir die weyl (Zeit) nit kürtzen.“ Solche Menschen verstünden so wenig von der Bibel, „das sy des gots wort also wol bericht (informiert) seind, als ain ku des bretspils (eine Kuh des Schachspieles).“77 Das niedrige Bildungsniveau und das ethische Verhalten des Adels seien eine Schande. Die amoralen Werte eines Ovid oder eines Terenz bestimmten den Ton. Frauen litten am 74

Ibid., 120. Ibid., 121. 76 Ibid., 123; „laydt bechlen“, ein Wortspiel mit „büchlen“; es könnte auch ein Druckfehler für „büchlein“ sein; vgl. Halbach, 156 Anm. 382, und Matheson, Luther and Argula, 1 – 15. 77 Ibid., 122. 75

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meisten unter dieser Vernachlässigung der Ethik, denn es sei leider der Fall: „das hör frawen (Huren) und jr gesellen mer trew an ainander beweysen dann offt in der Ee geschicht.“78 Die verbale und körperliche Gewalt gegen Frauen sei entsetzlich: „do hebt sich dann greynen, zancken, rauffen, schlagen, tag und nacht kain fryd; geet (geht) gutt und mut als (alles) hinweg; hilfft nichts, halt sich eyne wie sy wöll; dar ab offt aine auch zuscheyttern würdt.“79 Diese schneidende Kritik an der Gesellschaft, und die Enttäuschung der hochadeligen Frau über die Mächtigen, die toben, fluchen und „würgen“ ist eine Besonderheit dieser Schrift. Sie denkt wohl wieder an die bayerischen Herzöge. Ihre Hoffnungen für den kommenden Reichstag in Nürnberg sind fast verschwunden, wie das Wortspiel zeigt: möge der Reichstag seinen Namen verdienen, sodass „wir reych an seel und leyb weren.“80 Schließlich schlug sie ihrem alternden Verwandten vor, es sei jetzt an der Zeit, sein ewiges Heil ernster zu nehmen, und Gottes Wort zu studieren: „kündt jr nit meer lesen doch vor ewerem endt die vier Ewangelisten auß?“ Man kann sich die Reaktion des alten Kriegers auf diesen recht persönlichen Hinweis vorstellen, vor allem als der Brief im Druck erschien, und alle Welt ihn lesen konnte. Er starb 1529.81 Wenn sie der Drucklegung des Briefes in der jetzigen Form zugestimmt hat, dann war ihr ein Fehler unterlaufen. Sie muss vergessen haben, dass sie ihren Mann erwähnt, und seinen Namen schon wieder in die Öffentlichkeit gezogen hatte. Denn sie schrieb an Adam von Thering: „Ich hab gehört, wie jr solt gesagt haben, so mein haußwirdt (Ehemann) nit dartzu wöll thun, müss ain freündschafft (Verwandter) dartzu thun und mich vermawern; gib jme aber kaynen glauben. Er thut layder fer (viel) zu vil dartzu, das er Christum in mir vervolgt.“82 Das war höchst indiskret, vor allem wenn man bedenkt, dass sie in dieser Schrift ihre Behauptung wiederholt, die ganze Seehofer-Affäre hätte eine 78

Ibid. Ibid., 123. 80 Ibid. 81 Ibid. 82 Ibid., 121. 79

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private Sache zwischen ihr und der Universität bleiben sollen.83 Diese Indiskretion weist auf die unklaren Grenzen zwischen privater und öffentlicher Korrespondenz in dieser Zeit hin, und vielleicht auch auf ihren Stress am Ende eines recht dramatischen Jahres. Auf jeden Fall zählt dieser inhaltsreiche und lange Brief an Adam von Thering, auch wenn es um eine Auseinandersetzung innerhalb der Familie geht, zu ihren wichtigsten Schriften. Die Verbindung scharfer gesellschaftlicher Kritik und theologischer Überlegungen mit einer sehr diplomatischen Behandlung ihres betagten Verwandten zeigt Argula von Grumbach auf der Höhe ihrer schriftstellerischen Fähigkeiten. Der Brief grenzt sich erfreulicherweise ab von vielen frommen oder auch polemischen Schriften der Zeit. Er ist auch für ihr weiteres Leben und Denken aufschlussreich. Die ursprünglichen Sorgen um Seehofer liegen jetzt weit hinter ihr. Sie sondiert ganz neue Fragen über das konventionelle Verständnis von Ehre, Schande und Familienstolz, und unterbreitet alternative Vorschläge zu Erziehung, Bildung und adeligem Lebensstil. Wichtig sind ihre Überlegungen zur Teilnahme von Frauen in Kirche und Gesellschaft und ihre Kritik des gewalttätigen und sexuellen Verhaltens vieler Männer. Heute würde man von einem neuen Verständnis von Männlichkeit reden. Der Brief wurde in Burggrumbach geschrieben. Philipp Ulharts Ausgabe war die einzige, abgesehen von Köpfels gesammelter Ausgabe 1524.

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Halbach, 89, nennt die Aussage über ihren Mann „eine Ungeheuerlichkeit“ und vermutet auch, dass ihre Leugnung, für den Druck verantwortlich zu sein, „eine Schutzbehauptung“, eine taktische Überlegung sei; ibid., 186. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

Kapitel 6: Im Kielwasser

In Bayern, in Böhmen, in ganz Deutschland vergingen Sommer und Herbst 1524 unter dem Zeichen radikaler Veränderungen und wachsender sozialer und kultureller Unruhe. Adelige Familien, wie die Stauffer und die Grafen von Schlick-Passaun, bezeichneten sich jetzt ganz offen als lutherisch. In vielen Reichsstädten gewann die reformatorische Sache die Oberhand. Lehrer und Prediger, Stadträte und Zunftgenossen, auch Frauen und Jugendliche, schlossen sich der Bewegung an. In Nürnberg ging der Stadtrat zwar bedächtig vor, doch die Zusammenarbeit von Predigern wie Osiander, dem Stadtschreiber Lazarus Spengler, einflussreichen Humanisten und Ratsmitgliedern garantierte den Erfolg der reformatorischen Sache. Als das Religionsgespräch im März 1525 stattfand, war der Kampf effektiv gewonnen. Die schwindende Autorität der alten Kirche hatte zu einem Verlust an Vertrauen und Glaubwürdigkeit geführt und zahllose Fragen aufgeworfen. Die Palette von reformatorischen Interessen war farbenfroh und vielfältig, wie die Menschen und die Kräfte, die sie befürworteten. Argulas Brief an Herzog Wilhelm war nur eine in einer ganzen Flut von Flugschriften. Man machte sich Gedanken nicht nur über Theologie, christliche Nachfolge und Frömmigkeit, sondern auch über soziale Gerechtigkeit, über die Zehnten und die Leibeigenschaft, über Ehe und Erziehung. Biblische, gesellschaftliche, kulturelle und zutiefst persönliche Anliegen waren untrennbar miteinander verbunden. Antiklerikale Kritik und apokalyptische Erwartungen, die jede Hierarchie

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und Ordnung in Frage stellten, waren oft eng miteinander verknüpft. Georg Spalatin, Argulas Kontaktperson mit Wittenberg, fand die Predigt des sogenannten „Bauern von Wöhrd“, Diepold Peringer, am 7. Januar 1524 in Nürnberg höchst beeindruckend. In Wirklichkeit war Peringer kein Bauer, sondern Kleriker. Die Begeisterung, die die Predigt dieses „Bauern“ auslöste, hatte aber Ähnlichkeit mit der Faszination, die Argulas Protest an die Universität hervorrief.1 Frauen und Bauern gewannen in der bildenden Kunst wie in der Literatur ein neues Profil, und nicht wenige sahen diese neuen Stimmen als Zeichen einer beispiellosen Ausgießung des Heiligen Geistes. Innerhalb des reformatorischen Lagers zeichnete sich immer mehr ab, wie verschieden die Standpunkte waren: „Erasmianer“ zogen eine stufenweise Umsetzung der Reformen vor, die „Lutheraner“ distanzierten sich dagegen schärfer von den alten Strukturen in der Kirche, während Radikale und Spiritualisten fast alles in Frage stellten. Kirchenlieder und Liturgie in der Landessprache zogen die Menschen an. Luthers Übersetzung des Neuen Testaments wurde immer wieder nachgedruckt; herumreisende Händler boten in Stadt und Land Flugschriften und Flugblätter an; Mönche und Nonnen verließen die Klöster. Auf der anderen Seite regte sich an Fürstenhöfen und in kirchlichen Kreisen allmählich entschlossener Widerstand. Man ahnte, dass häretische Gedanken die politische Kontrolle und soziale Ordnung gefährdeten, und plante effektive Maßnahmen, um solchen Entwicklungen entgegenzuwirken. Universitäten und Domkapitel spalteten sich zunehmend. Nachrichten über Verhaftungen und grausame Märtyrerschicksale verbreiteten Trauer und Ärger. Es gärte auf allen Seiten. Am Ende des Jahres hatte sich der größte soziale Aufstand, den es in Europa vor der französischen Revolution gab, schon weit ausgebreitet, ausgehend von der Schweiz und Südwestdeutschland; schnell fand er Anhänger in bäuerlichen und städtischen Kreisen und bei den Bergleuten. Utopische Erwartungen stießen mit der Angst vor religiösem Ruin und sozialer Anarchie zu1

Vogler, Nürnberg, 135 – 139. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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sammen. Deutschland befand sich am Vorabend eines Aufruhrs, den wir heute den Bauernkrieg nennen. Vor diesem bewegten Hintergrund waren Argula und ihr Mann ins Kielwasser ihres Protestes gegen die Universität, gegen die Hierarchie der Kirche und gegen die Religionsmandate des Kaisers und der bayerischen Herzöge geraten. Die Familie wohnte jetzt wieder im Schloss Friedrich von Grumbachs in Lenting.2 Wie zahllose andere Reformatoren und „opinion makers“ hatte Argula versucht, ihre Aktionen verständlich zu machen: sie suchte das Gespräch mit Gegnern und Zweiflern, sie schrieb Briefe, sie schickte Kopien ihrer Schriften an ihre Kritiker.3 Sie hatte, so verstand sie es, Anteil an der Ausgießung des Heiligen Geistes, und blieb entschlossen, alles zu tun, um die reformatorischen Kräfte zu stärken, der Zensur entgegen zu wirken, gefährdeten Freunden zu helfen und ihre Kinder auf die Welt, die neu im Entstehen war, vorzubereiten. In Ingolstadt ergriff man Maßnahmen gegen alle, die unorthodoxer Meinungen verdächtig waren. Im September 1524 befasste sich der Senat mit drei Mitgliedern der Universität, unter ihnen Karl Münch aus Würzburg und ein gewisser „Martin“. Sie wurden verhaftet, und ihre Zimmer durchsucht; man fand wenig Belastendes. Nach der Hinterlegung einer beträchtlichen Kaution von 30 Gulden wurden sie wieder frei gelassen. „Marcellus de Stauf“, Argulas Bruder, war einer der Bürgen.4 Nichts war aber so schwarz-weiß, wie man zu denken geneigt ist. Viele Laien und Kleriker, darunter auch führende Köpfe, änderten und entwickelten ihre Meinung von Tag zu Tag. Die Menschen pilgerten zu Predigern, die ihre Neugier entfachten oder ihre 2

Das Gebiet um Lenting ist während der Unruhen des Landshuter Erfolgekrieges verwüstet worden. Wahrscheinlich wohnte die Familie im Wasserschloss in Lenting, das Anfang des 16. Jahrhunderts gebaut wurde. Es ist unwahrscheinlich, dass sie auf der Burg wohnte, wie Pfeilschifter, Neuentdeckung, 21 – 22 beschreibt; Saalfeld, Schlossherrin von Lenting, 42 – 53; Halbach, Argula, 85 – 86. Die Burg scheint nach Auskunft von Dr. Riedel, Stadtmuseum Ingolstadt, im 16. Jahrhundert nicht mehr bewohnt gewesen zu sein. 3 Halbach, 185 – 194, nennt es eine „literarische Offensive“. 4 Hofmann, Ingolstadt, 704. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Leidenschaft weckten; sie beteiligten sich an Diskussionen im Wirtshaus oder auf dem Marktplatz; sie hörten auch den öffentlichen Debatten zu. Sie hatten aber auch durchaus ihre eigenen Fragen und Zweifel. Die neuesten Flugschriften oder Bücher, oft in Dialogform geschrieben, gingen von Hand zu Hand. Man muss sich ständig vor Augen halten, dass in ländlichen Gebieten nur 5 % der Bevölkerung des Lesens und Schreibens kundig waren. Um Anschauungen zu ändern musste man seine Mitmenschen buchstäblich ansprechen. Oft kam die persönliche Wende im Glauben erst nach energischen oder aufgeregten Diskussionen und Predigten, nach einer Serie von Ereignissen und symbolischen Aktionen. Selten traf man solche Entscheidungen im Alleingang. Sie wurden meistens von Brüdern oder Schwestern im Kloster, von Familienmitgliedern oder humanistischen Freunden, mitgetragen. Wie Männer und Frauen die neuen Ideen rezipierten und verstanden, hing stark von ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation ab. Beziehungen zu Nachbarn und Arbeitskollegen brachen selten ab, wenn man seine religiöse Einstellung änderte, doch verhärteten sich im Laufe des Jahres 1524 zunehmend die Fronten. Polemik ersetzte offene Diskussion. Für Argula gab es keine Gemeinsamkeit mehr mit scholastischen Theologen in Ingolstadt wie Leonhard Marstaller oder Georg Hauer, wie auch umgekehrt. Dass Laien ohne professionelle Ausbildung die Schrift auszulegen wagten oder als Kritiker oder gar gleichwertige Partnerinnen in Diskussionen auftraten, war für die Torhüter der Orthodoxie untragbar. Die Geschlechterfrage sollte man auch nicht unterschätzen. Holzschnitte und Einblattdrucke, Predigten und Flugschriften zeugten von der Entrüstung vieler, dass Frauen (und Bauern!) anmaßend geworden seien, und auf eine „verkehrte Welt“ zusteuerten. Holzschnitte machten sich lustig über Frauen, die angeblich bestrebt waren, nach Attributen männlicher Macht zu greifen: das Schwert, die Geldbörse, die Hosen. Es ging dabei auch um eine klare Trennung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Bereich. Frauen gehörten nicht in den „agonistischen“ Raum des politischen und kulturellen Konfliktes. Professor Hauer war mit seiner Ansicht keineswegs alleine, dass © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Frauen gehorsam, demütig und rein bleiben müssten, seinem Idealbild von der Jungfrau Maria entsprechend. Frauen seien schließlich die Töchter Evas, die Adam auf den falschen Weg geführt hatte.5 Es ist relativ leicht, die Anschauungen derjenigen darzustellen, die wie Argula schon ein klares Bekenntnis abgelegt hatten; schwieriger ist es, denjenigen gerecht zu werden die, wie Argulas Mann, nichts Schriftliches hinterlassen haben. Er fand sich einer außerordentlich entschlossenen Ehefrau gegenüber, die dem Hochadel angehörte, während er, wie es scheint, ein typischer Vertreter des Niederadels war. Er und seinesgleichen beschäftigten sich, verständlicherweise, vor allem mit der Ernte, dem Wetter und den Preisen, mit Fehden und Gerichtsfällen, mit der Jagd und mit Familienangelegenheiten. Die Grumbachs waren aber keine eingefahrenen Traditionalisten. Ein gleichnamiger Vetter Friedrichs saß in Harlingen, Friesland, und die Hofmark Lenting im Herzogtum Bayern lag in einiger Entfernung zu den fränkischen Besitzungen. Friedrichs Amt als herzoglicher Pfleger in Dietfurt und Altmannstein weist darauf hin, dass er offensichtlich aus seinen fränkischen Ursprüngen in die weitere Welt kommen und sich in Bayern eine neue Zukunft aufbauen wollte. Seine Heirat mit einem Mitglied der Stauffer-Familie ist noch ein Hinweis darauf. Das Wenige, was wir über seine Fähigkeiten als Administrator und Korrespondent wissen, ist aber nicht gerade schmeichelhaft. Schon bevor er seine Stelle verlor, war er in finanzieller Not. Die unbotmäßigen Aktionen seiner Frau werden ihn schockiert und alarmiert haben, zu Recht, wie sich bald herausstellen sollte. Die Frau, die er heiratete, die seinen Haushalt führen und ihm Kinder gebären sollte, hatte ihn zu einer Spottfigur gemacht. Als schmutzige Gerüchte herumflogen und höhnisches Gerede sich verbreitete, wurde er zunehmend als Idiot aus der Provinz abgestempelt, der seine aufmüpfige Frau nicht unter Kontrolle halten konnte.6 5

Moxey, Peasants, Warriors and Wives, 104 – 120. Kohnle, Reichstag und Reformation, 146, stellt die interessante Frage, ob die wohl einmalige Verkündung des kaiserlichen Mandats vom 6. März 1523 von der Kanzel in Dietfurt ein Versuch Friedrichs war, die Begeiste6

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So hatte es der Münchener Hof gesehen und seine Nachbarn werden es nicht anders gesehen haben. Es war vielleicht noch schlimmer für ihn als ein betrogener Ehemann zu sein. Denn man betrachtete eine argumentative Frau als hoffnungslos verdorben, auch in sexueller Hinsicht.7 Sie hatte nicht nur die Einwendungen ihres Mannes in politischen und religiösen Angelegenheiten ignoriert, sondern sich auch den Fürsten, denen er zu dienen verpflichtet war, in aller Öffentlichkeit widersetzt. Es überrascht nicht, dass der Kanzler Leonhard von Eck Argula in einem Brief an Herzog Wilhelm als „teuflin“ bezeichnete.8 Wie niederschmetternd für ihren Mann, solche Sprüche von den Mächtigsten im Lande zu hören. Er teilte ihre religiösen Überzeugungen nicht; verlor aber ihretwegen alles.

Argulas frühe Wirkung Zu Beginn des Jahres 1525 war es klar, dass die Intervention Argulas hohe Wellen geschlagen hatte. Luthers herzliche Teilnahme und Bewunderung sind aus seiner Korrespondenz ersichtlich. Sein Brief vom 18. Januar 1524 an Spalatin, der wegen des Reichstags in Nürnberg weilte, erwähnte einen Brief von ihr, und bat Spalatin, wenn die Gelegenheit sich ergab, sie als eine „discipula Christi“ zu grüßen und zu trösten. Vierzehn Tage später erhielt Spalatin einen zweiten Brief von Luther, der vom Sieg Christi durch diese Frau Argula sprach.9 Sein Brief an Johann Brießmann in Königsberg in der zweiten Februarhälfte 1524 ist ein beredtes Zeugnis seiner Sorge um sie: „Der bayerische Herrung seiner Frau für die evangelische Bewegung zu dämpfen; vgl. Matheson, Schriften, 72. 7 „Women’s public speech was often linked with sexual dishonor in many people’s minds; a ‘loose’ tongue implied other sorts of loose behavior, and a woman who wanted her thoughts known by others was suspected of wanting to make her body available as well.“ Wiesner, Women and Gender, 160. 8 4. Oktober 1523; SM 2 K schw. 5171, fol. 228, zitiert von Metzger, Eck, 93. 9 WAB 2: 559; Christi discipulae; WAB 3:235, 241. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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zog tobt hemmungslos, das Evangelium mit allen Mitteln verfolgend, jagend, und tötend. Die hochadelige Frau Argula von Stauff führt den Kampf in dem Land geistvoll, erfüllt vom Wort und der Lehre Christi. Sie verdient es, wie wir alle darum beten, dass Christus in ihr siegen möge.“10 In seiner polemischen Schrift von 1525: Wider das blind und toll Verdamniß der siebenzehn Artikel von der elenden schändlichen Universität zu Ingolstadt ausgangen vermutete Luther, dass alle Schweine aus Bayern verschwunden seien, weil sie im Schweinestall, d. h. in der theologischen Fakultät in Ingolstadt, versammelt wären.11 Argulas Rolle in der Kontroverse erwähnte er aber nicht. Luther sah sie offensichtlich als eine tapfere Bekennerin des Glaubens, nahm sie als Theologin aber nicht ernst. Andere, nicht nur Luther, sind ihrem Beispiel gefolgt; viele Flugschriften und satirische Stücke wurden gegen die Ingolstädter Theologen lanciert. Martin Reckenhofer wiederholte viele Argumente Argulas; er mokierte sich über das Paradox, dass Seehofer die Bibel in der Hand halten musste, während er seinen biblischen Glauben verleugnete; er kontrastierte das kanonische Recht mit der Heiligen Schrift und bestätigte, dass Laien und Frauen ihre Stimmen zurecht erheben.12 Eine unter dem Pseudonym C. Emilius Landspergius veröffentlichte Satire verhöhnte ebenfalls die Universität, wenn auch in etwas unbeholfener Weise:

10

„Dux Bavariae saevit ultra modum occidendo, profligando, persequendo totis viribus euangelium. Nobilisssima femina Argula a Staufen tam magnum agonem magno spiritu et plena verbo et scientia Christi in ea terra agit. Digna, pro qua omnes rogemus, ut Christus in ea triumphet.“ WAB 3:247. 11 WA 15, 95 – 140. Angesichts des Briefwechsels zwischen Argula und Luther wird sie wohl für ihn eine wichtige Quelle zum Fall Seehofer gewesen sein. 12 Reckenhofer, Die Artickel. Aivr ; Bir ; vgl. auch die Persiflage über die Ingolstädter Professoren, die über den verlorenen Ruf der Universität lamentieren; Ain schoner warhaftiger lobspruch von den furnemsten Personen der hochberuempten Universitet zu Ingolstadt; BL 11515 a.37; Halbach, Argula, 260 – 264, zählt die wichtigen Schriften auf. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kapitel 6 Professor Apell: Ihr seht, dass die Lutheraner alles aus der Bibel beweisen, und unter uns gesagt, wir können ihnen nicht widersprechen, denn es gibt vieles bei Skotus und den heiligen Doktoren, was nicht aus der Bibel erwiesen werden kann. Das dürfen wir aber die Bauern nicht wissen lassen, die schon von der Argula von Stauff, die die Bibel auswendig kann, gesagt haben, dass sie gelehrter ist als wir, was aber nicht wahr ist, denn sie ist nicht auf der Universität gewesen.13

Im April 1524 lud die Universität schließlich zu einer Disputation über den Fall Seehofer ein, nicht weil sie an der Richtigkeit ihrer Maßnahmen zweifelte, sondern weil Prediger pestilenzialische Irrlehren verbreitet hatten, die das arme Volk irreführten.14 Ob den Teilnehmern freies Geleit zugesichert war, bleibt unklar ; aber kein lutherischer Theologe erschien. Theobald Billicanus bot eine schriftliche Refutation Professor Marstallers Thesen.15 Argulas Behauptung gegenüber Adam von Thering, dass Hunderte von Frauen ihre Ansichten teilten und sie ersetzen würden, sollte sie verhaftet oder getötet werden, war eine rhetorische Übertreibung, die aber ihr Bewusstsein wiedergab, dass viele Frauen ihre Überzeugungen teilten. Sie wird vielleicht an Frauen wie Susanna Truchsess von Rheinfelden gedacht haben, deren christliches Benehmen ihren Nachbarn gegenüber als beispielhaft galt und die Argulas Brief an die Universität interessiert gelesen hatte,16 oder an Sidonia, die Tochter ihres Onkels Hieronymus von Stauff, die das Damenstift Obermünster in Regensburg mit der Hilfe von Georg von Parsberg verließ und ihn 1525 heiratete. Wir wissen nicht, ob Argula mit anderen Schriftstellerinnen wie Ursula Weydin in Eisenberg oder Katharina Schütz Zell in Straßburg Kontakt hatte.17 13

Zitiert in Kolde, Seehofer, 158. Marstaller, Sybentzehen Artickel, A iiv. 15 Kolde, Seehofer, 123 – 124. 16 Johann Eberlin von Günzburg schickte ihr ein Exemplar der ersten Flugschrift Argulas, als er ihr 1524 seine Schrift, An alle Stände deutscher Nation, zueignete. Wie Argula spricht Günzburg von den Hunderten von Männern und Frauen, die jetzt vom Wort Gottes Zeugnis ablegen: Enders, von Günzburg, 3, 128 – 129. 17 Vgl. Kommer, Flugschriften von Frauen. 14

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Wir haben gesehen, dass einige Prediger und Reformatoren Argula von Grumbach als eine prophetische Gestalt verstanden, die den Auftakt zu einer neuen Ära signalisierte. Anhänger der evangelischen Bewegung nannten sie die bayerische Judit, ein Hinweis auf die biblische Judit, die den Tyrannen Holofernes enthauptete.18 Judit wird häufig in der Literatur und Kunst dieser Zeit dargestellt. Solche indirekten Reaktionen kamen von denen, die sich die Mühe gemacht hatten, ihre Schriften zu lesen. Nie bekam sie eine direkte Antwort von den Adressaten ihrer Briefe, den Theologen in Ingolstadt, Herzog Wilhelm, den Stadtvätern in Ingolstadt oder Regensburg; nicht einmal die Bestätigung, dass die Briefe angekommen waren. Professor Hauer und die anderen Theologen diskutierten aber lange über ihr Schreiben und äußerten sich herablassend; man solle diese blöde Gans, „eam vetulam“, zähmen.19 Vier Mal traf sich der Senat, um die Sache zu besprechen, und nach sechs Monaten war noch immer keine Entscheidung getroffen. Stattdessen wurde alles an den Herzog und an Dr. Leonhard Eck weitergeleitet; Kopien der Schrift Argulas wurden an den Bischof von Eichstätt geschickt.20 Ohne Zweifel ist diese Reaktion verständlich. Einmal veröffentlicht, war der Brief keine Einladung zum Dialog mehr. Sein Hauptzweck war jetzt, die Entschlossenheit des reformatorischen Lagers zu stärken. Dem Münchener Hof war klar, dass Argulas Briefe die Autorität von Kirche und Universität herausforderten; die Akademiker und die Kleriker der alten Kirche betrachteten sie als Ergüsse einer schwierigen und möglicherweise gefährlichen Frau. Argulas religiöse Anliegen wurden von denjenigen, 18

Matheson, Schriften, 26 – 34. Der schriftlose Abguss einer Medaille von Hans Schwarz aus dem 16. Jahrhundert zeigt nach Kastenholz, Hans Schwarz, 200 – 202, das „Bildnis einer unbekannten Frau“. Die Umschrift auf weiteren Abgüssen, die das Bildnis Argula zuordnet und sie als eine tapfere Verteidigerin des Glaubens trotz „verlogen Zungen“ feiert, scheint aus dem 19. Jahrhundert zu stammen; vgl. Halbach, Argula, 231 – 238; Hermann Mau¦; Brief an den Verfasser ; 20.4. 2012. 19 „eam vetulam compescat“, wie sie am 26. September an Herzog Wilhelm schrieben; Druffel, Bairische Politik 651. 20 Ibid., 650, Anm. 2. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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gegen die sie ihre Polemik richtete, nie ernstgenommen, auch nicht die Gewissensfragen, mit denen sie gekämpft hatte. Es bleibt unklar, warum Argula, trotz ihrer wiederholten Verstöße gegen die Religionsmandate, nicht den Tod einer Märtyrerin erlitt. Juristisch gesehen, war sie „unsichtbar“. Die Verantwortung für ihre Aktionen lag bei ihrem Mann, der auch die meisten Konsequenzen zu tragen hatte.21 Wiedertäuferische Frauen waren aber kurze Zeit später keineswegs sicher vor Verfolgung und erlitten die grausamsten Strafen. Vielleicht haben bei Argula pragmatische Überlegungen dominiert. Ihr Tod wäre wohl kontraproduktiv gewesen, noch mehr als Seehofers. Weder Ludwig, noch sein Bruder Wilhelm waren religiöse Eiferer, und in ihrer Religionspolitik entschieden sie „nit zuuil oder zu wenig“ zu machen.22

An die von Regenßburg Auf jeden Fall ließ sich Argula von den Beleidigungen und Drohungen nicht beeindrucken. Im Sommer 1524 schickte sie einen weiteren Protestbrief ab, der zum ersten Mal nichts mit der Seehofer-Affäre zu tun hatte. Er war an den Rat der Reichsstadt Regensburg gerichtet. Zwischen den Stauffern und der Stadt bestanden enge Verbindungen, nicht zuletzt durch den Staufferhof, ihr Freihaus. Unter den Handwerkern in der Stadt und im Stadtrat gab es reformationsfreundliche Stimmen. Edith Feistner bemerkt, dass in Regensburg „ein durchaus beachtliches laikales Bildungsniveau vorzufinden war – und zwar auch bei Mitgliedern 21 Halbach, Argula, 51, vermutet, dass man ihr Vergehen „in erster Linie als einen Verstoß gegen gesellschaftliche Konvention verstand“. 22 Lipowsky, Argula, App. VIII; Merz, Argula, 876, meint, dass sie von ihrem Bruder Bernhardin Unterstützung erhalten habe. Er war aber zu dieser Zeit am Hof überhaupt nicht gern gesehen. Bernhardin hatte seit 1517 wiederholt finanzielle und andere Forderungen, die teilweise aus der Zeit Herzog Albrechts IV. stammten, an die Herzöge gerichtet, die in jeder Hinsicht abgewiesen wurden; BayHStA Kurbayern, Äußeres Archiv, 2002 fol. 70, 61,198.

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des Stadtbürgertums, also außerhalb der Humanistenkreise“.23 1522 sammelte ein Färber, ein gewisser Blabhans, Freunde um sich, um Luthers Schriften zu lesen und die Bibel zu studieren. Nach seinen kritischen Äußerungen über den Domprediger, Augustinus Marius, musste er die Stadt eine Zeitlang verlassen.24 Viele Bürger gingen nicht mehr zur Beichte, weil sie nicht mehr an die priesterliche Absolution glaubten. Die Fronleichnamsprozession, bei der die sakramentale Hostie mit großer Verehrung durch die Straßen getragen wurde, fiel 1525 aus, weil der Stadtrat, unter dem Einfluss seines Konsulenten Johann Hiltner, eine reformfreudige Richtung einschlug. Als Bernhardin von Stauffs Prediger in Beratzhausen, Dr. Johann, 1524 gefangen wurde und in Ketten vor die bischöflichen Behörden in der Stadt geschleppt wurde, legte Margarethe von Stauff, Bernhardins Frau und Argulas Schwägerin, höchst energisch Einspruch ein. Sie erklärte den Stadträten, dass der Prediger keines Verbrechens schuldig sei, sondern einfach das wahre Evangelium gepredigt hatte. Sobald Bernhardin von der Verhaftung gehört hatte, eilte er in die Stadt, recht erbost nicht nur wegen der Verhaftung, sondern weil die Rechte seiner reichsfreien Herrschaft verletzt worden waren. Mit ihm reisten Franz und Johann von Stauff und Martin von Wildenfels. Er verlangte, dass der Stadtrat die Entlassung Dr. Johanns bewirke. Der Rat war einverstanden und bat den Bischof, den Prediger freizulassen, aber ohne Erfolg.25 Trotz der reformatorischen Neigungen einiger Mitglieder fand sich der Regensburger Rat in einer politisch schwierigen Lage. 1524 rief der Erzherzog Ferdinand von Österreich, der Bruder des Kaisers, die süddeutschen Bischöfe und die Herzöge von Bayern zu einem Treffen mit dem päpstlichen Legaten Campeggio in Regensburg zusammen, um den Widerstand gegen die lutherische Häresie in Süddeutschland zu koordinieren. Der Konvent fand vom 26. Juni bis zum 7. Juli statt; der Einfluss der 23

Feistner, Regensburg als Literaturstadt, 133. Sein Name bezieht sich auf sein Handwerk: er war Blaufärber ; Gemeiner, Chronik, 477 – 478. 25 Ibid., 506 – 508. 24

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bayerischen Herzöge überwog, die Anliegen der konservativen Bischöfe wurden weitgehend ignoriert.26 Das war die katholische Reaktion auf die Unfähigkeit der Nürnberger Reichstage, entschlossen gegen die Verbreitung des Luthertums vorzugehen. Man konnte auf der regionalen Ebene etwas erreichen. Man befahl dem Stadtrat, angesichts des kommenden Konvents, alle reformatorischen Aktivitäten in der Stadt zu verbieten. Vor Beginn des Konvents unterband der Rat den Druck und den Verkauf evangelischer Bücher und Flugschriften. Paul Kohl, der verschiedene reformatorische Flugschriften gedruckt hatte, musste jetzt Schriften, die die alte Kirche unterstützten, herausbringen. Als fürstliche und städtische Behörden die subversive Wirkung von Büchern und Flugschriften bemerkten, wurden private Häuser und Buchläden durchkämmt. Es kam vermehrt zu öffentlichen Buchverbrennungen und zu einer scharfen Überwachung der Predigten. Schon im August 1523 hatte Luther den Bürgermeister von Nürnberg gebeten, einen evangelischen Prediger einzustellen, und dem Papst zu widerstehen, und Argulas Berater Osiander rief zum Widerstand gegen das Druckverbot lutherischer Bücher auf.27 Argula war solcher Zensur grundsätzlich abhold, nicht nur als Unterdrückung menschlicher Freiheit, sondern als Versuch, die göttliche Wahrheit abzuwürgen.28 Es wird ihr nicht entgangen sein, dass eine scharfe Aufsicht über die Druckergesellen in Ingolstadt eine der ersten Maßnahmen Professor Hauers war. Der Brief, den sie an den Rat schrieb, gehört zu einer Reihe von evangelischen Flugschriften, anschaulich illustriert und vehement geschrieben; sie werteten den bevorstehenden Konvent als ein ominöses Zeichen: Papsttum, Kaiser und die katholischen Fürsten hätten vor, eine repressive Kampagne gegen die evangelische Bewegung zu lancieren.29 Die feurige Sprache des sehr kurzen Briefes vom 29. Juni 1524, 26

Vgl. Pfeilschifter, Acta Reformationis Catholicae, I, 294 – 393. Vogler, Nürnberg, 48; Trapp, Das evangelische Regensburg, 845 – 847. 28 Matheson, Women, Censorship and the Reformation. 29 Vgl., zum Beispiel: Anon., Klag vnd antwort; Anon., Eyn wegsprech gen Regenspurg. 27

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weist wohl auf Argulas aufgeregte Stimmung während dieses Sommers hin.30 Er wurde in Lenting in großer Eile geschrieben. Sie mahnte die Stadträte, ihre „lieben herrn und brüder in Christo“, dem Satan zu widerstehen, der die treibende Kraft hinter dem Druckverbot sei.31 Sie sollten ihre Augen aufmachen, weil der kosmische Kampf, der im Gange war, alles umwerfen werde: „Jr solt wachen, wann warumb ewer widersacher der Teüfel gehet umb als ein prummender lew (brümmender Löwe), suchend wen er verschlick.“32 Die Gedanken ähneln denen von Paul Speratus, auch die Sprache ist teilweise identisch. Speratus hatte heftige Konflikte mit den Klerikern und den Theologen in Wien erlebt, war aus einer dreimonatigen Haft in Mähren entkommen, und war nur knapp dem Feuertod entgangen. Sein wohlbekanntes Kirchenlied: „Es ist das Heil uns kommen her“, das die ausschließliche Gratuität des Heils betont, wurde im Kerker geschrieben. In seinem Abschiedsbrief an die Gemeinde in Iglau betont er, dass der Teufel nie auf Urlaub geht, „der teufel nymmer feyret“; in ihrem Brief benutzt Argula dieselben Worte: Satan ruhe nie, „nicht feyert.“33 Der apokalyptische Horizont ihres Denkens ist sichtbar, noch deutlicher als je zuvor. Die Zeit laufe uns davon. Sie zitiert aus der kleinen Apokalypse, Matthäus 24: „Die zukunfft des herren wirt als eyn plitz, der auffgehet vnd gesehen wirt von eynem ort der welt biß zu dem andern.“34 Wehe, wenn die Flucht im Winter geschehe. Sie warnte vor grausamen, unmittelbar bevorstehenden Strafen, wenn das „grewel“ die heilige Stätte besetzen dürfte, d. h. sollte der Wille des Papstes und seiner Höflinge in Regensburg die Überhand gewinnen: „Nemet dises capitels eben war, es ist hefftig.“ Wenn die Stadträte sich diesem politischen Druck beugten, wäre Regensburg die erste Reichsstadt, die sich dem 30

Text in Matheson, Schriften, 128 – 130. Ibid., 128. 32 Ibid. 33 Ibid.; Speratus, Wie man trotzen soll, Aiir ; vgl. auch Anonym, Absag des Lucifers, dessen dramatischer Holzschnitt zeigt, wie Lucifer Luther zu einem Zweikampf auffordert. 34 Matheson, Schriften, 128. 31

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Willen Gottes widersetzte. „Darumb, lieben brüder, kan ich nicht lassen euch zu schreyben, alls eyn mitglid Christi.“35 Ein beträchtlicher Teil dieses kurzen Briefes widmet sich der Frage, warum sie es auf sich genommen habe, an Rat und Bürgermeister zu schreiben. Sie weiß, dass man sie lächerlich finden wird: „nimbts nit in argem von mir armen schwachen weibßbild auf,“ aber Gott wirkt immer durch die „verachten“ in dieser Welt. Sie schäme sich nicht des Evangeliums; es sei ihre christliche Pflicht, die Irrenden zu ermahnen, so wie Paulus einst die Epheser. Gott habe die Stadträte als Hüter und Hirten der Seelen des gemeinen Volkes in Regensburg eingesetzt, die mit dem wertvollen und „rosenfarben bluts des herrn Jhesu“ erkauft worden seien. Sie brauchen dringend Schutz vor den Wölfen, die sie belauerten.36 Kaiserlichen Mandaten und päpstlichen Verdammungen könne und solle man mit der Macht, die den Kindern Gottes gegeben ist, widerstehen. Sie dürfen nie Gottes Versprechen vergessen, dass er die Seinen verteidigen wolle, „als die henn jre hünlen (Hennlein) unter die vettig (Fettiche)“.37 Für Argula waren Macht und Wahrheit untrennbar miteinander verbunden. Der wahre Gott ist auch der Mächtige. Diejenigen, die die Wahrheit unterdrückten und die Menschen mit Drohungen beängstigten, beherrschten nur scheinbar die Lage. Regensburg sei mit der von Jesus beweinten Stadt Jerusalem vergleichbar : eine sakrale Gemeinschaft, durch greuliche Idolatrie gefährdet. Die komplexen sozialen und politischen Verhältnisse, die der Rat berücksichtigen musste, wurden von ihr als sekundär abgetan oder ignoriert. In Worten, die uns an ihren aristokratischen Hintergrund erinnern, schloss sie den Brief: „Darumb last uns ritterlich wider die feynd gottes kempffen; er wirt sie erschlahen mit dem atem synes munds.“38 Das Evange35

Matheson, Schriften, 128. Ibid., 129. 37 Ibid. 38 Ibid., 130. Wie Luther lehnte auch ihr Mentor Osiander Zwang in Gewissensfragen ab; das Wort Gottes sei mächtig genug: Osiander, Schriften 1, 266. 36

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lium könne nie durch Gewalt gefördert werden. Der radikale Nürnberger Drucker Hans Hergot war der einzige, der den Brief herausbrachte.39 Auch dieses Schreiben blieb unbeantwortet; man fragt sich aber, ob sie wirklich eine Antwort erwartete: Ihr Brief war schließlich mehr „missile than missive“. Ein erfreulicher Zufall verlieh ihrer Intervention mehr Gewicht. Der ehemalige Stadtprediger Balthasar Hubmaier wandte sich zur selben Zeit wie Argula an die Stadtväter. Auch er kritisierte ihre Kapitulation vor dem politischen und kirchlichen Druck. Er bedauerte sehr, dass er das Wort Gottes nicht gepredigt hatte, als er in Regensburg war, und verhöhnte die kirchlichen Juristen: „sie wissen wohl, daß eine einige Frau, und solt es schon die fromm christlich Frau Argula von Stauff seyn, mehr weiß des göttlichen Worts, den solch rothen Häubler (Häubchen) je sehen und greiffen.“40 Man fragt sich, warum er Argula ausdrücklich erwähnte; vielleicht hatte er im weit entfernten Waldshut Zugang zur Basler Ausgabe ihrer Schrift an die Ingolstädter Theologen; oder er wurde von ehemaligen Anhängern in Regensburg auf die Seehofer-Affäre aufmerksam gemacht. Es erinnert uns auf jeden Fall, wie schnell solche Nachrichten sich in dieser Zeit sich verbreiteten. Der Brief an die Regensburger gibt uns am Vorabend des Bauernkrieges einen Einblick in Argulas Gemütsverfassung, wohl auch in die vieler anderer Laien. Von Anfang an hatte sie mit Verfolgung und Tod gerechnet: Hab mich dareyn gesetzt alles zu verlieren, ja leyb unnd leben…Hett ich die gnade (als Märtyrerin zu sterben), wie ain Edel klainet (Kleinod) wurde mein seel got dem herren seyn…So haben die Pfaffen zu Würtzburg meines Junckherren gut auch verzert; meine vier kindlein würt got wol versorgen und die speysen mit den vögeln im luft, auch die beklayden mit den plümlein des veldts.41

Sie schwankt zwischen Verzweiflung und froher Zuversicht. 39

Die Ausgabe wurde als verschollen betrachtet bis Theobald sie 1936 wiederentdeckte: Theobald, Sendschreiben, 53 – 56. 40 Gemeiner, Chronik, 520. 41 Matheson, Schriften, 124. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Zielscheibe des Spottes Womit sie aber nicht gerechnet hatte, war der nackte Hass, der ihr jetzt begegnete, der Klatsch und Tratsch, die hässlichen Verdächtigungen, die in Umlauf waren. Sie schreibt darüber in ihren Briefen an den Ingolstädter Rat, an ihren Verwandten, Adam von Thering, auch in der Mahnung an die Regensburger : man gehe mit ihr um, als sei sie der Abschaum der Welt. Wenn man an die ehrenvolle Tradition der Stauffer denkt, wie schwer muss es gewesen sein, die Zielscheibe solcher Anklagen zu sein, des schwerfälligen Humors und groben Spottes, der ihre Glaubwürdigkeit zerstören sollte. Satirische Lieder, Gedichte, Reime und Knittelverse, oft mit Holzschnitten illustriert, vermehrten sich seit der Erfindung des Druckes. Sebastian Brants herrlich illustriertes Narrenschiff oder die derben Gedichte von Hans Sachs erreichten eine breite Öffentlichkeit, aber viele Satiren waren nur von begrenztem Interesse. Die Angriffe auf den guten Namen Argulas fanden ihren Höhepunkt in einem verleumderischen Gedicht, verfasst unter dem Pseudonym „Johann von Landshut“.42 Der Landshuter Drucker des Gedichts, Johann Weißenburger, sollte 1526 Professor Hauers Schriften über die Jungfrau Maria herausgeben. Es war ein klug geschriebenes, gut zusammengestelltes Stück, wahrscheinlich aus akademischen Kreisen in Ingolstadt stammend: die einzige literarische Erwiderung auf ihre Schriften.43 Der Titel Ein Spruch von der Staufferin ist vielleicht eine Anspielung auf den satirischen Reim gegen ihren Onkel Hieronymus, Ain Lied von dem Staufer, auch von einem anonymen Verfassser. Es soll von einem „freien Student“ in Ingolstadt, dem Sohn eines Landshuter Bürgers, geschrieben worden sein. Es ist relativ kurz, nur 130 Zeilen. Der Autor machte keine Anstalten, die Argumente Argulas oder ihres „Abgottes“ Luther zu kontern, abgesehen davon, dass 42

173.

43

154.

Es ist nicht gelungen, ihn zu identifizieren; vgl. Halbach, Argula, 172 – Wie Halbach, Argula, 170, bemerkt. Text: Matheson, Schriften, 150 –

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er die jahrhundertelangen Traditionen der Kirche bejaht und betont, dass die Pastoralbriefe des Paulus Frauen verbieten, Unterricht zu erteilen. Das einzige Ziel war, ihre Auslegung der Bibel als fehlerhaft darzustellen und sie, wie üblich in der Satire, lächerlich zu machen. Die Sprache ist vulgär und zeitweise grob. Die Frauenfeindlichkeit ist nicht zu verkennen: Die Arroganz und Schamlosigkeit Argulas unterhöhlten die natürliche und göttliche Ordnung. Frauen, die Töchter Evas, sollten bei ihren häuslichen Pflichten bleiben und ihren Ehemännern gehorchen: „Ein weyb soll nit mit gottes wortten / Stoltzieren und die Menner leren.“ Sie wird als eingebildete alte Tante belächelt; sie halte sich wohl für ein Sibyllinisches Orakel: Fraw Argel, arg ist ewer nam Vil ärger, das jr one scham Und alle weyblich zucht vergessen, So frevel seyt und so vermessen, Daß jr ewer Fürsten und Herren, Erst wölt aynen newen glawben lernen Und euch daneben understeet, Ayn gantze Universitet Zustraffen und zu schumpffieren (verleumden).44 … Ich merck erst, was dir wol behagt An Luthers leer und seinen worten, Daß er euch weybern öfft (öffnet) die Pforten Der unzucht und der büberey Die Ee zubrechen frisch und frey. Und umb ain pösswort oder rauffen So baldt von aym (einem) zum andern lauffen.45 … Hatt dich der Münch (= Luther) auch gar besessen Und kanst seiner leer nit vergessen. Daher khumpt auch dein groß mitleyden Und gefelt dir vielleicht an der schneyden (Scheide)

44 45

Ibid., 150. Ibid., 152. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kapitel 6 Arsacius im kraußen har, Ain Jüngling von Achtzehen jar.46

Ihr Umgang mit der Heiligen Schrift sei naiv, die absurde Menge von Bibelstellen in ihren Schriften sei von „hundert stell zusamen geflickt“; die Kirche hätte dagegen jahrhundertelang von zahllosen Heiligen gelernt, wie die Bibel auszulegen sei.47 „Ey, libe Mum (Tante), was wiltu wenen (wähnen).“48 Sie solle ihre Spindel nehmen oder eine Haube stricken, in der Kirche still schweigen. Sonst sei sie, wie ihre häretischen Freunde, bald tot.49 Es ist erstaunlich, dass Argula, die zugab, kaum Gedichte gelesen und keine geschrieben zu haben, die Entscheidung traf, ihre Erwiderung in Gedichtform zu gestalten. Das Gedicht wirft ein neues Licht auf ihren Charakter. Sie zeigte sich flexibel, hatte „chutzpah“ genug, ihre Anliegen in einer ihr ungewohnten Weise vorzulegen. Nicht selten strahlen ihre Freude und ihr Vertrauen hervor. Sie dachte vielleicht, dass der Rohheit der Polemik am treffendsten in Versen, nicht in Prosa, zu begegnen sei. Ihr Mentor Speratus hatte Lieder geschrieben; Luther natürlich auch. Vielleicht ermutigten sie ihre Beispiele. Die Gedichtform zwang sie jedenfalls zu einer knapperen Ausdrucksweise, ihre Ansichten erscheinen energischer und vielleicht auch klarer als in ihren anderen Schriften. Sie ließ sich nie auf das Niveau ihres Verleumders herab. Die Heilige Schift blieb für sie fundamental; am Anfang stand ein Zitat aus Römer 10, und an den Rändern fanden sich nicht weniger als 68 Hinweise auf Bibelstellen. Sie wies die Anschuldigungen nicht der Reihe nach zurück, sondern setzte sich mit ihnen im Duktus ihrer eigenen Argumente auseinander. Es ist bemerkenswert, dass diese Tochter des Hochadels sich als ein ganz normales „weib“ vorstellt, alle Standesgrenzen sprengend. Offensichtlich fand sie Vergnügen daran, Johann von Landshuts

46

Ibid., 153. Ibid., 151. 48 Ibid., 153. 49 Ibid., 153 – 154. 47

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Arroganz offenzulegen; er halte sich wohl für einen großen Dichter : „er sey mit loröl (Lorbeer) wol gekrönt“.50 Ihre Bereitschaft, in aller Öffentlichkeit zu reden, verglich sie mit dem anonymen Versteckspiel ihres „kühnen“ Gegners, der sich hinter einem Pseudonym verbarg: „Will ich es gar nit underlassen / Zureden im hauß und auff der strassen.“51 Wenn Gottes Wort sonst „im schwanck nit gat,“ keinen freien Lauf hat, gelten nicht mehr die Aussagen des Apostels gegen Frauen, die in der Kirche mitreden wollen. Dass ihr die akademische Bildung fehle, schadet nicht, weil: „Sein vater (der Vater Christi) geb vnns selbs die leer / Schickt vns sein gayst in unsern mundt.“52 Ihre Erleuchtung durch den Heiligen Geist wird fünfzehn Mal erwähnt. Paulus sagt, der Geist Gottes sei in unseren Herzen: „vns auch den tempel gottes nennt / Sagt, gottes gayst in euch ist, wann / Wo außgeschlossen die fraw vom man?“53 Sie war sicher, dass Gott seinen Geist nicht „so in ain engen stall“ begrenze. Der Prophet Joel und die Evangelisten erinnern uns, dass Bauern und Frauen von den Gaben des Geistes nicht ausgeschlossen seien. Die Kirche wurde auf Petrus gegründet, der ein einfacher Fischer war. Die Auslegung der Bibel sei allen Gläubigen offen, wie sie entdeckte, als sie um mehr Verständnis betete, und lernte, wie David sagt: „O Herr, du hast mich gelert.“54 Die Beispiele von Judit und Deborah und Jael ermutigen sie. Deren Geschichten seien auch ihre eigene. Argulas umfassende Überlegungen über die Einsicht, den Mut und die Führungsqualitäten dieser Frauen waren einmalig in den zeitgenössischen Schriften der Zeit: Darum so zürnet nit so hart, Ob Got noch yetzt würde weiber schaffen, Die ewer hoffart müsten straffen. 50

Ibid., 143. Ibid., 135. 52 Ibid., 136. 53 Ibid., 138; vgl. das Vorwort des Paul Speratus zu Luthers, de instituendis ministris ecclesiae (1523): „Alle sind in einem geyst getauffet; Es ist eyn freyer geyst, lesset sich niendert ynn eynen wynckel treyben“; WA 12, 167. 54 Matheson, Schriften, 139. 51

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Wie ironisch, dass ausgerechnet die Ingolstädter Theologen sich in der Lage befänden, dass „euch nur müsten weiber plagen.55 Sie brauche auch keine ungebetenen Ratschläge, wie eine Frau ihren Mann achten solle; jegliche Respektlosigkeit sei ihr fern: Hoff got wer (wird) mich auch leren wol, Wie ich mich gegen jm (ihrem Mann) halten solt Wo er aber mich wölte dringen, Von gottes wort tryben und zwingen, Daß ich daruon nichts halten sölt.56

Es sei verächtlich und unsinnig, wenn „Johann von Landshut“ behauptet, dass Luther und Melanchthon der Sünde Tür und Tor geöffnet hätten; sie haben den Menschen den Weg zu Gott gezeigt. Dass die Wittenberger Theologen ständig hervorgehoben werden, sei sowieso fehl am Platz. Sie selbst sei weder Luther noch Melanchthon persönlich begegnet. Der Grund ihres Glaubens liege ganz wo anders. Wollen wir selig werden, müssen wir auf Gott alleine bauen. Johann von Landshut sei nur ein Narr, der die Ehre guter Frauen schändet: „Laufft frech in ewren schellen her.“57 Dass er Zwang in Glaubensfragen befürwortet, sei abscheulich. Dekretalien, Drohungen und gesetzliche Regelungen können das Wort Gottes genau so wenig verhindern wie Verfolgung. Die scholastische Theologie sei nichts als Geschwätz.58 Die Arroganz der Priester sei verantwortlich für viele Probleme in der Gesellschaft: „Und trybt auch vil gleyßnerey (Heuchelei) / Mit gottes wort nur krämerey.“59 Ein starkes Gottvertrauen beherrscht das ganze Gedicht. Die Tore der Hölle würden nie die Oberhand gewinnen. Alle Pläne der Gegner werden ins Nichts fallen. Gottes Wort werde sie zerschlagen. „Got gibt uns auch die wachsung (das Gewächs) schon / 55

Ibid., 143. Ibid., 148. Man fragt sich, welche Erfahrungen hinter einer solchen Erklärung stehen. 57 Ibid., 149. 58 Ibid., 139. 59 Ibid., 140. 56

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Und werdt es warlich nit erwern / Ob jr darob zerrist das hyrn“.60 Die Beleidigungen und Greueltaten der Gegner seien nur weitere Hinweise auf Gottes Segen: „An diesem tag erfrewet euch / Ewer nam ist groß im hymmelreych.“61 Ihre letzte Schrift zeigt wie ihre erste, aber in neuer Weise, dass sie sich nicht scheute mit den Akademikern „vor Augen“ zu reden. Das Gedicht kann sprachlich flott und unterhaltsam sein, die Metaphern scharf und frisch; es ist aber zu lang und didaktisch, mit viel zu vielen biblischen Zitaten überladen. Ihre Antwort war mit 556 Zeilen viermal so lang wie das Gedicht ihres Gegners. Höltzel brachte es in Nürnberg heraus; Nachdrucke gab es aber nicht. Der Bauernkrieg war inzwischen ausgebrochen; die Menschen hatten jetzt ganz andere Sorgen. Am Ende des Gedichts deutet Argula an, sie denke daran, ein weiteres Gedicht zu schreiben. Dazu kam es aber nicht. Drei Jahrzehnte später nahm Rabus das ganze Gedicht in seiner Sammlung über die Bekenner und Märtyrer auf; Lipowsky fügte es an der Wende zum 19. Jahrhundert als Beilage seiner Abhandlung über Argula an. Beide haben wahrscheinlich gemerkt, dass das Gedicht Argulas Denken und Fühlen genau wiedergibt und die Unruhe dieser bewegten Zeit vortrefflich spiegelt. Wie unerwartet, am Vorabend des Bauernkrieges eine Aristokratin zu finden, die Parallelen zwischen Bauern und Frauen zieht, den zwei marginalisierten Gruppen in Kirche und Gesellschaft! Mit diesem Gedicht und dem Brief an die Regensburger brach ihre literarische Aktivität plötzlich ab. Anfangs war sie erstaunt, dass ihre Schriften Drucker gefunden hatten. Jetzt war sie überrascht, dass ihre literarische Arbeit so jäh endete. Nach dem sensationellen Erfolg ihrer ersten Schrift waren aber die späteren bei weitem nicht so populär, obwohl 1524 eine kleine Sammlung ihrer Schriften in Straßburg erschien, eine ungewöhnliche Auszeichnung. Diese Sammlung, Christliche Ermanungenn, begann mit den Briefen an Friedrich den Weisen und Johann von Simmern; es folgten die Mahnungen an die Ingolstädter Stadträte 60 61

Ibid., 144. Ibid., 150. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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und der Brief an Adam von Thering. Die Sammlung endete mit dem ersten Brief an die Universität und einer kurzen Dokumentation der Seehofer-Affäre. Das Gedicht, die Briefe an Herzog Wilhelm und den Regensburger Rat kamen in dieser Sammlung nicht vor.62 Wie soll man das Ende ihrer literarischen Aktivität erklären?63 Argulas Beitrag zur reformatorischen Literatur wurde von einem spezifischem Ereignis, dem Fall Seehofer, ausgelöst, der nach einer gewissen Zeit nicht mehr aktuell war. Als der Bauernkrieg ausbrach, ging die Flut von Flugschriften allgemein zurück. Ihre Mittel waren auch erschöpft, in finanzieller und persönlicher Hinsicht. Hinter ihr stand keine Gruppe, keine Fakultät, keine Ordensgemeinschaft, keine sodalitas. Und als die konfessionellen Fronten sich verhärteten, war ihr vielleicht bewusster, dass manche Menschen nicht mehr ansprechbar waren. Die Ära der Religionsdisputationen in den Städten war vorbei. Dialog war nicht mehr gefragt. Sie besaß keine theologische Ausbildung, die sie befähigt hätte, exegetische oder pädagogische Schriften zu verfassen. Sie durfte anderen, wie Paul Speratus und Andreas Althamer, dem zukünftigen Lehrer ihrer Kinder, solche professionellen Aufgaben überlassen. Sie hatte ihre schriftstellerische Arbeit nicht aus eigenem Antrieb gemacht, sondern wurde, wie sie glaubte, durch den Heiligen Geist dazu „gedrungen“. Es scheint, dass sie sich nicht mehr berufen fand, in dieser Art und Weise zu schreiben. In der Zukunft würde ihr Beitrag ein anderer sein. Der Umzug von Dietfurt nach Lenting wird nicht leicht gewesen sein, weder in praktischer, noch in emotionaler Hinsicht. Fast keine Briefe aus der Dietfurter Zeit sind erhalten, vielleicht ein Hinweis auf das Chaos der Abreise. Sehr viel wird verloren gegangen sein. Eine Ausnahme sind glücklicherweise die Briefe von Martin Cronthal. Als Würzburger Stadtschreiber musste Cronthal in der Öffentlichkeit recht vorsichtig sein, aber in seinen Briefen an Argula, „die geliebte Schwester in Christo“, war er völlig offen. Er übermittelte ihr eine Kopie eines Briefes, den er 62 63

Matheson, Schriften, 47. Halbach, Argula, 93 – 94. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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von Luther erhalten hatte; wie wir schon gesehen haben, sammelte sich um ihn eine Gruppe, zu der Philipp von Sommerschuh und anscheinend auch einige Nonnen aus dem Kloster Himmelspforten gehörten, die Flugschriften austauschte. Argula tendierte anscheinend dazu, einige Bücher, die ihr Cronthal geliehen hatte, zu lange zu behalten, und musste gebeten werden, sie zurück zu geben.64 Vieles aus dieser Übergangszeit bleibt ungeklärt. Sowohl Argula als auch Luther erwähnen, dass ihr Mann auf sie wütend war. Ob er gewalttätig wurde, wissen wir nicht. Sie musste auf jeden Fall täglich mit Gewalttätigkeit rechnen. Ihr Gedicht weist darauf hin, dass sie wie Judit versuchte, hinter den täglichen Gefahren die göttliche Vorsehung, die die Geschichte eigentlich regierte, zu erkennen: Judith that sich in todt ergeben Fürs volck, wagt gar gering jr leben … Ja wer hett es dar vor geglawbt, Daß Olifernuss(Holofernes) würd zuspot, Den sy hiessen ayn starcken got.65

Wir haben keinen Zugang zu ihrem Gebetsleben in dieser Zeit, abgesehen von gelegentlichen Bemerkungen in ihren veröffentlichten und unveröffentlichten Schriften. In den Briefen der Kinder sind ab und zu Hinweise zu finden, wie wir später sehen werden. Mit anhaltender Entschlossenheit unterstützte sie weiter die Reformation. So darf man annehmen, dass sie versuchte, ihre Sorgen in Fürbitte und die Hindernisse in Dankbarkeit umzuwandeln. Sie wird über die religiösen Veränderungen im täglichen Leben und in den Gottesdiensten, die schon in Sachsen, Nürnberg, Strassburg und anderswo im Gang waren, gut informiert gewesen sein. Der apokalyptische Ton ihres Briefes an die Regensburger weist auf ihr Vertrauen hin, dass das Licht, die 64 65

BayHStA Grombach, Nr. 7. Matheson, Schriften, 142. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Wahrheit – wie sie die evangelische Sache beschrieb – auf die Dauer auch in Bayern siegen würde. Wie das geschehen sollte, wusste sich nicht, aber für sie gab es kein Zurück. Ritterlichkeit, Ehrlichkeit und die Kraft des Evangeliums würden am Ende die Oberhand gewinnen.

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Martin Luther betonte in seinem 1524 entstandenen Kirchenlied, Kom, heiliger Geist, wie auch Argula in ihrem Brief an die Regensburger, dass der Glaubenskampf ritterlich geführt werden sollte: „Das wyr die ritterlich ringen“.1 1525 klang das eher wie ein schlechter Witz. Über Nacht hatte sich die Welt geändert, wie so oft vorher im Leben Argulas. Die Fundamente wackelten. Ein Staudamm war gebrochen und die schrecklichsten Voraussagen der Astrologen schienen in Erfüllung zu gehen; die Konjunktion aller Planeten im Zeichen des Fisches sollte entsetzliche Überflutungen verursachen.

Der Bauernkrieg Die Überflutungen zeigten sich in Wirklichkeit als reißende Ströme aufgestauter Wut, als Erhebung der einfachen Leute, in vorher nie gesehenem Ausmaß. Eine schlechte Ernte nach der anderen hatte zum Hamstern und zu Wucherpreisen geführt, die folgende Hungersnot traf die Bauern am härtesten. In der Vergangenheit hatten die Herren ihre Untertanen gekannt, waren die Zeiten ungünstig, ermäßigten oder stundeten sie die fälligen Steuern und Abgaben, aber solche ungeschriebenen Gesetze und Bräuche wurden jetzt zunehmend durch die neuen Bestimmungen des Römischen Rechts ersetzt. Die Klöster gehörten zu den schlimmsten Übeltätern. Sie verfügten oft über großen Grund1

WA 35, 49. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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besitz und waren von den Nöten des gemeinen Volks weit entfernt. Als die Grundherren auf ihre Rechte pochten, wuchs die Verzweiflung der Untertanen. Regionale Bauernaufstände waren häufig in den ersten Dekaden des 16. Jahrhunderts. Der sogenannte „Bundschuh“ der Bauern wurde häufig zum Symbol der Unzufriedenheit. Diese neue Erhebung war aber etwas ganz anderes, sowohl in ihren Zielen als auch in ihrer geographischen Ausdehnung. Die durch Flugschrift und Einblattdruck verbesserte Kommunikation ermöglichte, dass sich Berichte über Ereignisse mit erstaunlicher Geschwindigkeit über weite Entfernungen verbreiten konnten. Man konnte jetzt große Menschenmengen schnell zusammentrommeln. Reformgesinnte Prediger erweckten Erwartungen, dass eine gerechtere, gottgefälligere Welt im Entstehen war, die jedem Freiheit und menschliche Würde versprach. Ein neuer Tag ginge auf! Die Worte Jesajas, dass die Reichen das Angesicht der Armen zerschlagen, waren in aller Munde. Schluss mit der Ausbeutung! Das göttliche Gesetz verlangte Gerechtigkeit. Holzschnitte erschienen, die sich nicht mehr über die Bauern lustig machten, sondern sie als Mitmenschen darstellten, die ihre eigene gottgegebene Würde innehatten und ein anständiges Leben verdienten. Vielleicht war ihr einfaches Leben, so eng mit der Erde verbunden, sogar beispielhaft. Die Leibeigenschaft, die sie von den Launen ihrer Herren abhängig machte und sie auf dem Land festband, als ob sie Tiere wären, war ein Affront. Die Bauern bedrückten auch die schweren Kirchensteuern, die Zehnten und die kirchlichen Abgaben oder Gebühren. Aus eigentlich nichtigen Anlässen wurde der Sommer 1524 zum Sommer der Unzufriedenheit. Was wir heute den großen Bauernkrieg nennen, brach in der Schweiz und in Südwestdeutschland aus und raste durch die deutschen Länder wie ein Lauffeuer. Nicht nur die Bauern waren beteiligt. Die Grenzen zwischen Stadt und Land waren durchlässig. Viele Städter arbeiteten auf den Feldern und Weinbergen außerhalb der Stadtmauern; Handwerker, entlassene Söldner und Bergleute teilten viele Beschwerden des Landvolkes. Ein anschwellendes, schlecht organisiertes Heer der Unzufriedenen schwärmte durch das Land. Weniger ein Krieg, als eine massive Volkserhebung. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Die Aufrührigen wollten eigentlich über ihre alten Freiheiten, wie sie meinten, friedlich verhandeln. Die Artikel oder Beschwerdelisten und ihre Ansprüche waren eminent vernünftig: das Recht, ihr Vieh wieder auf dem Gemeindeland weiden zu lassen, das Recht auf Waldnutzung und Fischfang. In den Artikeln war auch in bewegender Weise von der Freiheit des Evangeliums die Rede und von Pfarrern, die das Evangelium „lauter und klar“ predigten. Sie legten diese Artikel den städtischen und fürstlichen Behörden vor, die nicht selten zu Verhandlungen bereit waren, wenn auch nur um Zeit zu gewinnen. Die verschiedenen Haufen, oder Heere, stellten rudimentäre Strukturen der Selbstverwaltung und Justiz auf. Auch Prediger schlossen sich an; man hörte ihnen zu. In den Augen der Obrigkeit waren sie aber nichts als Pöbel, der jegliche Ordnung gefährdete. Die Aufständischen plünderten Klöster und terrorisierten oft Mönche und Nonnen. Burgen und Schlösser wurden belagert, Fischteiche geleert, Weinkeller geplündert. Einige Adelige kapitulierten und konnten ihre Haut retten, indem sie sich mit den bäuerlichen Bünden „verbrüderten“. Andere wurden gezwungen, Spießruten zu laufen und starben einen entsetzlichen Tod. Priester konnten vor Gericht gestellt werden, „in den Ringe“, wo alle wichtigen Entscheidungen getroffen wurden. Das feurige, strafende Schwert der Gerechtigkeit und der Rache fegte durch ein Drittel der deutschen Länder bis nach Tirol. Das Herzogtum Bayern, Niedersachsen und der Norden wurden aber kaum in Mitleidenschaft gezogen. In Franken waren die Kämpfe in der Umgebung von Würzburg besonders heftig. Burggrumbach wurde im frühen Mai 1525 geplündert. Ende des Monats trafen sich dort die konfessionell getrennten Herzöge Heinrich und Johann von Sachsen, um Strategien auszuarbeiten und die Aufhebung zu bekämpfen.2 Bald zeigte sich, dass die bäuerlichen Haufen der professionellen militärischen Führung, Disziplin und Ausrüstung der katholischen und protestantischen Fürsten nicht gewachsen waren. Viele Mitglieder und auch Freunde der Familie Grumbach, wie die Familie Fuchs von Bimbach, waren an der Unterdrückung der Erhebung beteiligt; Argulas Mann Friedrich von Grumbach wird 2

Fries, Geschichte des Bauernkrieges, Bd. 2, 11. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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in den Quellen nicht erwähnt. Vermutlich war er nicht mehr fähig dazu. Er war zu tief in Ungnade gefallen und hatte sich vielleicht völlig von den Ereignissen abgeschlossen. Es kann auch sein, dass er in Lenting blieb. Die Quellen verraten nicht, wie Argula auf die Unruhen reagierte. Andere Mitglieder der Grumbach-Familie übernahmen aber eine führende Rolle. Der Würzburger Domherr Weyprecht von Grumbach, ein enger Berater des Fürstbischofs Konrad von Thüngen, war aktiv in der „diplomatischen“ Kampagne gegen die Bauern und warb um die Unterstützung der kleinen Städte in der Umgebung. Hans von Grumbach, der Dettelbacher Pfleger des Fürstbischofs, war ein Mitglied des Kriegsrates. Eberhard von Grumbach, auch ein Domherr, und Sigmund von Grumbach waren unter den Führern des bischöflichen Heeres.3 Argulas Brüder Marcellus und Gramaflanz von Stauff zogen in die Kämpfe gegen die Bauern in die Nähe Salzburgs, wie Mose „der Jude am Hof“, d. h. in Stadtamhof in Regensburg lebend, Argula berichtete.4 Marcellus starb im Krieg. Argulas Bruder Bernhardin war an der Verteidigung der Pfalz-Neuburger Territorien, vor allem des Klosters in Pielenhofen, beteiligt.5 Der Würzburger Stadtschreiber Martin Cronthal ein guter Freund Argulas, versuchte mit allen Kräften zwischen den Aufständischen und dem bischöflichen Lager zu vermitteln, wurde aber neun Wochen lang in der schlimmsten Kerkerhaft festgehalten. Sein Verbrechen war, dass er dem Domherrn Michael von Seinsheim berichtete, die Rebellen seien nicht bereit, Bischof Konrad von Thüngen in Zukunft als ihren Herren anzuerkennen. Die Überbringer unwillkommener Nachrichten werden selten 3

Ibid., Bd. 1, 160, 182 – 187. „als mir eur gn schreibt von vergen eur gn bruder fug ich eur gn wissen das her gromen franz (Gramaflanz) und her merzel (Marcellus) am sambstag nach pertlomey von hinen aus wol gereist gen Salzburg ins her (Heer) geriten sein got gebe jn gluk.“ BayHStA Grombach, Nr. 13; vgl. Anm. 16 unten. 5 Ehrl, Beratzhausen, 34 – 35; die Stadt Abensberg flehte München um Hilfe an: „umb uns so geverlich groß emperung vnd auffrur“. Bernhardin sollte seine Bauern gegen die Stadt geschickt haben. Wahrscheinlich wird das ein Gerücht sein, denn es widerspricht dem Bericht, er habe das Kloster Pielenhofen verteidigt; Jehle, 184. 4

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gut behandelt! Als die siegreichen bischöflichen Kräfte ihre unmenschliche Rache an den Rebellen nahmen, wurde er bezichtigt, Partei für die Aufständischen ergriffen zu haben; er wurde gefoltert, kam kaum mit dem Leben davon. Er verlor seine Stelle als Stadtschreiber, die er seit 1504 innegehabt hatte. Seine Hoffnung, die Sache der Evangelischen in Würzburg diskret fördern zu können, war natürlich dahin. Cronthal beschrieb mit drastischer Offenheit die unmenschliche Behandlung der Aufständischen nach der Niederlage: „es war dieser zeit alles recht, was man gegen den armen furnahm, und die menschen wie die hüner geschetzt“. Unter vielen anderen erwähnt er auch die Verhaftung und Folterung Tilman Riemenschneiders. Ob schuldig oder unschuldig, die Gefangenen wurden: „vom henker schlechtlich (schlicht) aus ihren gefengnissen und allein uf den nechsten platz gefuhrt (und) zu ihne gesagt: ,da knie niter, dir geschicht nicht unrecht‘ – und die köpf herab“. „Dass sie alle sachen so tyrannisch unmenschlich furnahmen, articel, die unchristlich und wieder alle schrift waren, machten, die jeder annehmen, in seinem gewissen fur recht und christlich halten und bekennen solt; welcher das nit thet, der must bei verlierung leibs, lebens, ewiger kercker, beraubung seiner guter, verjagung mit weib und kinden…“ rechnen. Er berichtet, dass viele vor Hunger starben, von den Läusen im Kerker gefressen wurden, ertränkt oder lebendig verbrannt wurden. „Der allmechtig got woll die gottlosen tyrannen ausreuten, verderben, schenden und plagen offentlich. Amen. dagegen seine frommen in dieser Sodoma wie den Lott erretten, ihn(en) ihre ungedult verzhihen. Amen.“6 Sein Mitleid und seine Empörung bieten uns einen gewissen Einblick in die Ansichten des Freundeskreises um Argula. Offensichtlich betrachtete er die katholischen Regenten als „gottlose tyrannen“, obwohl er die Ungeduld der Bauern scharf kritisierte. Er hatte alles versucht, um den Schaden an Menschen und Gütern einzudämmen und die extremen Gruppen unter den Bauern zurückzuhalten. Er gab 500 Gulden seines eigenen Geldes aus, um die

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Cronthal, Würzburg im Bauernkriege, 89 – 91, 114. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Bauern zufriedenzustellen.7 Andere Reformatoren wie Urbanus Rhegius in Augsburg teilten Cronthals Sorgen wegen der gnadenlosen Unterdrückung der Aufhebung. Ursprünglich stand auch Martin Luther den Beschwerden der Bauern nicht ablehnend gegenüber, aber er hatte für eine militante Rebellion überhaupt nichts übrig, vor allem wenn sie unter der Fahne des Evangeliums marschierte. Für ihn war die hierarchische Ordnung der Gesellschaft die gottgegebene. Man darf vermuten, dass Argula den Zorn Martin Cronthals auf das Verhalten von Prälaten wie dem Fürstbischof von Würzburg teilte. In ihren Schriften zieht sie in geistlicher Hinsicht eine gewisse Parallele zwischen Bauern und Frauen; als zu Unrecht Marginalisierte. In ihrer aristokratischen Weltanschauung war aber kein Platz für Aufstand oder Gewalttätigkeiten. Sie war wohl mit Luther einer Meinung, dass die Bauern die geistliche Freiheit des Reichs Gottes mit politischen und materiellen Freiheiten durcheinander gebracht hatten. Oder wie Paul Speratus sagte: „Es lest sich hie mit bundschuhen nichts ausrichten; wir sind vorhyn yn der tauff gnugsam zu eynander verpunden.“8 Nach dem Bauernkrieg wurde die reformatorische Sache von ihren Opponenten mit subversiver Empörung gleichgesetzt. Zahllose Lieder und Reime verhöhnten die Bauern als „evangelisch knaben“, die ihre Strafe verdient hätten. Andere schoben die Schuld den gierigen Kleriker zu.9 Herzog Anton von Lothringen war keineswegs der Einzige, der die Unterdrückung der Rebellion als einen Kreuzzug gegen die Lutheraner verstand. Leonhard von Eck artikulierte, was viele dachten: „das diser handl … hat entlich seinen ursprung auß den Luterischen leren, dann den merernteyl so ziehen die paurn ire begern auf das gotzwort, ewangelj und pruederliche lieb.“ In seinem Brief an Herzog Wilhelm vom 9. März 1525 fügte er hinzu: „Dan der paurn prüderliche lieb ist mir ganz wider. Ich hab mit meinen natürlichen und leyblichen geschwisterigten nit gern getaylt – ich geschwayg der frembdn

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Ibid., 160 – 165. Speratus, Wie man trotzen soll, Ciir. 9 Liliencron, Volkslieder, Band 3, 464; 498; 510. 8

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und paurn.“10 Argula wird von ihm scheinbar erwähnt als: „die schreyer von Dietfurt“, die man sofort „an leyb und gut straffen“ sollte.11 Viele fränkische Adelige waren vom Bauernkrieg so alarmiert, dass sie wenigstens zeitweise zur alten Kirche zurückkehrten und ihre Beschwerden unterdrückten. Wenn sie weiterhin die Klöster kritisierten, dann nicht aus religiösen Gründen, sondern weil sie nicht exklusiv genug geblieben waren; sie sollten ihren aristokratischen Söhnen und Töchtern vorbehalten bleiben. In ähnlicher Weise blieben die Domherrn – zum Beispiel Johann und Balthasar von Grumbach – über Rom verärgert, aber nur, weil ihnen die italienischen Prälaten die besten Benefizien wegnahmen. Viel gravierender wirkten sich die Unruhen auf die bayerischen Herzöge Wilhelm und Ludwig aus, die von jetzt an die reformatorische Bewegung mit unversöhnlicher Härte unterdrückten. Das Chaos und die Gewalttätigkeit des Bauernkriegs traumatisierten die Menschen und die Wiederherstellung der Ordnung wurde als Vorwand für die Repression von Gedanken- und Redefreiheit genutzt. Die Befürwortung von Reformen wurde jetzt mit Aufwiegelung zum Aufruhr gleichgesetzt. 1525 mussten in Würzburg nicht weniger als neun Prediger ihre evangelischen Überzeugungen öffentlich ablegen. Der Stadtprediger Poliander, der Nachfolger von Speratus, musste die Stadt verlassen. Als die Aufständischen besiegt worden waren, zeigte sich das rachsüchtige Verhalten des Fürstbischofs Konrad von Thüngen als typisch für die nächste Zeit. Die Unschuldigen litten am meisten: Männer wurden an Straßenbäumen aufgehängt, ihre Frauen vergewaltigt und in den Gräben liegen gelassen, die 10

Bauernkriegsakten IV, 3, 236; zitiert von Vogt, von Eck, 383; 408. Bauernkriegsakten VI, 145; zitiert von Vogt, 452: der Nachfolger Friedrich von Grumbachs als Pfleger in Dietfurt bat verzweifelt um Hilfe, als die Stadt von den Bauern bedroht wurde; Seger, Bauernkrieg, 224. E. Spitzenberger schlägt vor, dass mit den „schreyern von Dietfurt, Rietenburg und andern orten“ die Leute gemeint seien, die die Bauern und Handwerker aufriefen, sich dem Mässinger Haufen anzuschließen; persönliche Mitteilung: 6. 12. 2012. 11

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dürftigen Güter geplündert, Häuser in Brand gesetzt. Friedrich von Leonrod, der friedliebende Eichstätter Domherr, bedauerte diese allgemeine Härte, als er Argula zur Geburt ihres kleinen Sohnes gratulierte.12 Adam und Hans von Grumbach leiteten Kommissionen, die die armseligen Güter der Bauern im Burggrumbacher Gebiet durchwühlten, um den Adel und die Kleriker für ihre Verluste zu kompensieren. Martin Cronthal beschwerte sich, dass Verluste oft nur vorgetäuscht wurden, weil viele Adelige die Gelegenheit ausnützten, um ihre alten „Rattennester“ mit schönen neuen Schlössern auf Kosten der Bauern zu ersetzen. Die Untertanen von Argula und Friedrich von Grumbach in Zeilitzheim, Unterpleichfeld und Burggrumbach gehörten mit zu den Leidtragenden. Von den 220.845 Gulden, die den Bauern in den Würzburger Territorien abverlangt wurden, behielt der Bischof mehr als die Hälfte für sich; obwohl sein eigener Lebensstil außerordentlich asketisch gewesen sein soll; er nahm nur eine Mahlzeit am Tag zu sich.13 Diejenigen, die den Bauernkrieg überlebten, wurden roher, die ganze Gesellschaft inhumaner, unbeugsamer. Der Bauernkrieg zeigte sich als eine Wende. Zwanzig, dreißig Jahre später rechneten die Menschen aus, wie alt sie waren, indem sie sich an ihr Alter während des Krieges erinnerten. Trotzdem gerieten die Hoffnungen des gemeinen Volks nie ganz in Vergessenheit. Auf die Dauer verstanden es die Regierenden, gewisse Lehren aus dem Aufstand zu ziehen. Sie wussten, dass sie von der Produktivität der Bauern abhängig waren; neue juristische Möglichkeiten entwickelten sich allmählich für diejenigen, die sich ungerecht behandelt fühlten.14 Das Leben in der Zeit nach dem Bauernkrieg muss für Argula ganz besonders schwer gewesen sein. Die arge Behandlung ihres 12

„Deine hern von bayrn setzen dem stift hie zu eistet hart zu sehr.“ BayHStA Grombach, 5. August 1525 (ohne Nummer). Es ist unklar, ob der Brief ein Hinweis auf die Geburt von Gottried ist; vgl. unten, S. 207, Anm.15. 13 Cronthal, Bauernkrieg, 114. 14 Wolgast, Der gemeine Mann, 30 – 31. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Freundes Martin Cronthal wird sie sehr betrübt haben. Der frühe Tod ihres jüngsten Bruders Marcellus bei den Kämpfen um Salzburg war traurig. Wir wissen wenig über ihn; er hatte während der Seehofer-Affäre in Ingolstadt studiert und die Kontakte zu seiner Schwester waren wohl eng. Auch die anderen tragischen Ereignisse während des Bauernkrieges werden Argula gezeichnet haben, denn sie fielen mit der Demütigung ihres Ehemanns zusammen. Ein Zeichen der veränderten kulturellen und politischen Verhältnisse war der endgültige Abschied von ihrer literarischen Tätigkeit. In ihren Briefen an Herzog Wilhelm und an Regensburg hatte sie vor Plagen wie denen im biblischen Ägypten gewarnt, aber die Schrecken des Krieges hatten ihre schlimmsten Befürchtungen bei weitem übertroffen. Ein dringendes Problem war die Geldnot. Die Einkünfte ihres Mannes als Pfleger in Dietfurt fehlten, vor allem auch die finanziellen Vorteile, die mit dem Amt zusammenhingen. Sie musste schnellstens einen Weg aus diesen Schwierigkeiten finden. Viel tiefer lag die Enttäuschung, dass ihre Hoffnungen auf eine radikale Reform der Kirche, des Schulwesens und des ethischen Lebens in Bayern keine Erfüllung fanden. Ihre Korrespondenz zeigt wiederholt, dass sie dauernd bis über den Kopf in Schulden steckten. Als die Kinder größer wurden, stiegen naturgemäss die Rechnungen, während zur selben Zeit das Einkommen der Familie dezimiert wurde. Sie musste ganz alleine mit einem Berg von Schulden fertigwerden, weil ihr entmutigter Mann dazu nicht fähig war. Als sie den Johannesturm in Burggrumbach mit seinen umliegenden Feldern an Jörg Zimmer, ihren Hofmann, vermieteten, erhielten sie jedes Jahr etwas Korn, Weizen und Erbsen.15 Argula musste ihre Kleinodien, ihre ganz persönlichen Sachen, opfern. Ihre schwere goldene Halskette wurde wiederholt an die jüdischen Geldverleiher Moses und David verpfändet. Die Zinsen waren hoch. Moses und seine Familie waren ihr gut bekannt, und die Beziehung war freundlich:

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BayHStA Grombach, Nr. 18. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kapitel 7 Mein gruss zuvor lyeber mosse ich sag dir grossen danck deines gewilligen erpietens das Du mir das pfandt ain jar lang wolst an (un) verkaufft behalten doch versieh ich mich dich pald und redlich zu bezalen und pit dich noch mals meinem junckhern und mir auff die selben kete noch 30 gulden zu leihen, wie dir dan mein junckher sein hantschrifft ein bekentung schickt (…) Gruss mir dein hausfrauen und als dein haußgesind gottes genad sey mit euch datum lenting dinstag nach Jacoby ao 1524. (26 Juli). mein juncker hat das datum verfelt laß dich nit gen argula von grumbach.16

Die „mulstainer ketten“ war viel mehr als ein wertvolles Erbstück.17 Sie demonstrierte ihren gesellschaftlichen Status und erinnerte an glücklichere Tage. Sie verpfänden zu müssen bewies eine neue Vulnerabilität. Sie musste auch begüterte Freunde wie die Familie Sandizell wiederholt um Geld bitten. Johann Sandizell hatte mit ihrem Bruder Marcellus in Ingolstadt studiert, und als sie ihn bat, seinen Vater zu fragen, ob eine Anleihe möglich sei, antwortete er recht freundlich und schickte sofort zehn Gulden.18 Die waren aber schnell ausgegeben und die ganze Bettlerei machte Argula natürlich verlegen. Dass adelige Familien so 16

„dem beschaiden mosse juden zu aurbach ytzt am hoff zu regenspurg gehort der briff zu; mosse jud zu regenspurg als meynem haus wirdt gelt hat auff mein kete gelihen ao. 1524 die kete wigt 100 ff. mer 30 hat mosse jud auff die mulstainer kette gelihen, freitag nach jacoby hat mir mein junckher wider gelost samstag nach martiny 25 ao.“ (11. November); ibid., Nr. 9; voller Text bei Matheson, Life in Letters, 32 – 34. Moses von Auerbach lieh 1509 ihrem Onkel Hieronymus von Stauff 200 Gulden; Riezler, Hochverratsprozess, 474. Fritz und Argula von Grumbach unterzeichneten einen versiegelten Schuldbrief über 54 Gulden am 20. August 1530 mit der Kette als Pfand. Sie wurde 1531 eingelöst von David, „Jude am Hof“; ibid., Nr. 22. Mit „am Hof“ ist Stadtamhof, der Markt am nördlichen Brückenkopf der Steinernen Brücke in Regensburg gemeint. 17 Die Bezeichnung „mulstainer ketten“ ist ungewöhnlich. Ich bin Dr. Zander-Seidel, Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg, für den Vorschlag dankbar, dass vielleicht sächsische Silbermünzen, „Schreckenberger“ oder „Engelgroschen“, auch als „mulstainer“ bekannt, an der Kette hingen. 18 BayHStA Grombach, Nr. 14. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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chronisch verschuldet waren, war keineswegs ungewöhnlich, aber im Jahrhundert davor waren die Stauffer diejenigen, die Geld verliehen, nicht umgekehrt. Lenting sollte jahrelang ihr Zuhause bleiben, abgesehen von den regelmäßigen Reisen nach Burggrumbach im Frühling und im Herbst, und von gelegentlichen Reisen nach Nürnberg und Regensburg um Freunde und Verwandte zu besuchen. Die bescheidene Umgebung, verglichen mit Dietfurt, Beratzhausen oder Köfering, spiegelte die Dürftigkeit ihrer Finanzen. Niemand kannte Lenting, ein Dorf mit ein paar Häusern und Höfen, einer Mühle und einem Steinbruch. Auf den Feldern wuchsen Weizen, Gerste und Hafer ; aus der Milch der Kühe konnten jedes Jahr 30 Käse erzeugt werden.19 Wenn die Zeichnung von Philipp Apian, wohl aus den 1560er Jahren, korrekt ist, war das Schloss eindrucksvoll, drei Stockwerke hoch, mit vielen Zimmern und landwirtschaftlichen Gebäuden.20 Die alte Römerstraße verlief etwas nördlich. Ingolstadt war innerhalb einer Stunde zu erreichen. Als sich allmählich die Aufregung über die Seehofer-Affäre gelegt hatte, war es für sie und die Familie völlig unproblematisch in der Stadt aufzutauchen, um etwas zu kaufen, zu verkaufen oder zu erledigen. Das Leben ging weiter, hier wie anderswo. Ingolstadt war mit 5000 Einwohnern nicht nur als Universitätsstadt bedeutend, sondern wegen seiner günstigen Lage an der Donau, mit guten Verbindungen zu den Märkten in Nürnberg, Eichstätt, Donauwörth, Ulm, Regensburg, Passau und Landshut, auch eine wichtige Handelsstadt. Die üblichen Handwerke waren vertreten: berühmt waren die Metallarbeiter und Orgelbauer. Die Herzöge, wie schon erwähnt, widmeten den Fortifikationen viel Geld.21 Wir wissen wegen der Dürftigkeit der Quellen fast nichts über Argulas Mann Friedrich von Grumbach während dieser Zeit. Es fehlen Briefe, aus denen wir schließen könnten, ob er sein Gleichgewicht wieder gefunden hatte. Er und Argula teilten zwar 19

BayHStA Grombach: lentinger gutter ; ohne Datum und nicht nummeriert. 20 Kulturkosmos der Renaissance, 76. 21 Freilinger, Ingolstadt, 143 – 162. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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gemeinsame Interessen für die Güter in Lenting und in Burggrumbach und für ihre Kinder. Die unruhigen Zeiten stellten aber Menschen, die es schwer fanden, ihr Leben neuzugestalten, vor große Probleme. Vorher hatte „Fritz“ die normalen Interessen seinesgleichen verfolgt. Jetzt scheint er eine schattenhafte Existenz geführt zu haben, fast unbeteiligt an den finanziellen Problemen des Haushalts, wenn man den Briefen glauben kann. Sein früheres Leben hat ihn auf solche schweren Prüfungen kaum vorbereitet. Seine Aufgabe als Pfleger war dahin; sein Ruf hatte gelitten, seine Selbstachtung war vielleicht tödlich getroffen. Jedenfalls geht aus der Korrespondenz hervor, dass alle wichtigen Entscheidungen, ob es um Geld, die Erziehung der Kinder oder um die Verwaltung der Höfe und der Weinberge ging, Argula überlassen wurden. Man gab es auf, Briefe an Friedrich zu schreiben, weil er nie antwortete. Selbst Verwandte wie Jörg von Grumbach beschwerten sich darüber, weil Boten teuer und die Verspätungen frustrierend waren. Deswegen baten sie Argula ihrem Mann gegenüber als ihr „anwalt“ zu fungieren. Eigentlich musste sie alles selber erledigen.22 Trotz der finanziellen und persönlichen Schwierigkeiten war sie entschlossen, ihre Hoffnungen für die Kinder nicht aufzugeben, und auch nicht – unter veränderten Umständen – ihre Hoffnung auf Erneuerung der Kirche. Ihr Briefwechsel war jetzt wichtiger als je zuvor, eine Möglichkeit, die Verbindungen mit Freunden und Reformatoren aufrecht zu erhalten. In Franken gab es schließlich mehr Raum für reformatorische Initiativen als in Bayern, u. a. weil der Adel eine relativ große Autonomie genoss. Obwohl ihre Briefe an ihn verloren sind, ist es klar, dass sie an „Dr. Martin“ in Wittenberg schrieb, auch an andere Reformatoren wie Andreas Osiander in Nürnberg, sie über ihre Lage informierend und Rat suchend. Im November 1528 zum Beispiel, schrieb Luther an Spalatin, der mit ihr in der Vergangenheit korrespondiert hatte: „Ich schicke dir die Briefe unserer Argula,

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BayHStA, Grombach, Nr. 4. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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lese sie wie die meinen; und du wirst merken, was diese fromme Frau trägt und leidet.“23 Ein Hauptanliegen in den nächsten Jahren war die Erziehung der Kinder. Sie nahm die Versprechung des Propheten Jesaja, „Sy werden alle gelert vom Herren,“ sehr ernst.24 Es war dringend erforderlich, dass die Kinder eine stimulierendere Umgebung als Lenting oder Burggrumbach erlebten. Ingolstadt war zunächst als Schulort ausgeschlossen, angesichts ihrer Kritik an der Universität. Es scheint, dass ihr Mann an der Auswahl der Lehrer nicht beteiligt war, weil alle aus dem lutherischen Lager kamen. Dr. Osiander in Nürnberg half ihr einen guten Lehrer nach dem anderen für die Kinder zu finden. Seit 1524 wohnte deswegen der älteste Sohn Georg in Nürnberg, einem Zentrum evangelischer Aktivität. Lutherische Prediger waren in der Reichsstadt tätig und Laien aus allen Schichten der Bevölkerung begeisterten sich für die reformatorische Bewegung. Hans Sachs, der berühmteste Volksdichter unter den Anhängern Luthers, lebte in Nürnberg, auch Drucker wie Friedrich Peypus. Der Stadtschreiber, Lazarus Spengler, auch ein fähiger Schriftsteller, würde das Schicksal Martin Cronthals in Würzburg nicht teilen. Der Rat folgte einem bedächtigen Kurs, weil Nürnberg der Sitz des Reichsregiments und Kammergerichts war. Zwischen 1522 und 1524 wurden drei Reichstage in der Stadt abgehalten. Alles, was die öffentliche Ordnung hätte gefährden können, wurde unterdrückt. Allerdings wurde die Messe abgetan und den Laien das Abendmahl in beiderlei Gestalt gereicht. Nach dem Religionsgespräch von 1525 nahm die neue „wohlfeile“ Kirche immer klarere Züge an. Prozessionen, Totenmessen, Feiertage verschwanden, das Kloster der Augustiner-Eremiten wurde aufgelöst, und seine Einkünfte dem „gemeinen Kasten“ für die Armen gewidmet. Georgs erster Lehrer war Hans Denck. Dieser außerordentlich begabte junge Mensch hatte in Ingolstadt studiert und be23 „Argulae nostrae literas ad te mito, ut legas pro meis literis. Et videas, quid ferat ac patiatur piissima mulier.“ WAB 4, 605. 24 Jesaja 54:13; Matheson, Schriften, 67; 138.

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herrschte Latein, Griechisch und Hebräisch. Nachdem er sich in einigen süddeutschen Städten aufgehalten hatte, wurde er in Regensburg in die reformatorische Bewegung hineingezogen. Dann wandte er sich nach Basel, lernte dort die humanistischen und reformatorischen Kreise kennen und arbeitete für den Drucker Andreas Cratander. Oecolampadius, der führende Reformator in Basel, empfahl ihn als Schulmeister für die Nürnberger Sebaldusschule. Mit zwei Hilfslehrern war er vom Herbst 1523 an für die ungefähr hundert Schüler verantwortlich. Bald nahm er Kontakt mit anderen radikalen Denkern auf. Zusammen mit den Brüdern Barthel und Sebald Beham und mit Georg Pencz, sehr begabten und recht unorthodoxen Malern, wurde er bezichtigt, spiritualistische und unbiblische Ansichten zu hegen. Vor den Stadtrat gerufen, stieß er mit Osiander zusammen; später wurde er eine führende Gestalt unter den Anabaptisten.25 Der junge Georg war ihm sehr zugetan und recht traurig, als Denck die Lehrerstelle verlor und aus der Stadt ausgewiesen wurde. Er teilte seinen Eltern diese Ereignisse mit: „des ich vnnd ander vill ein groß mit leyden tragen.“26 Johann Ketzmann, 1487 in der schönen Stadt Schwabach, etwas südlich von Nürnberg, geboren, ersetzte Denck als Georgs Lehrer. Bekannt für seine lateinischen Gedichte und mit anderen Humanisten eng verbunden, war er eine durchaus imponierende Persönlichkeit. Er war der erste lutherische Rektor der Schule bei St. Lorenz in Nürnberg. Melanchthon beschrieb ihn als friedlich, aufrecht, und ohne Stolz, jemand der „sucht nicht fremde Sachen.“27 Georg hatte wohl Heimweh, denn in seinen Briefen an die Eltern bittet er seine Mutter inständig, ihn zu besuchen. Das ist kaum überraschend. Sein junges Leben hätte kaum unruhiger sein können. Wegen der Schriften der Mutter vom Münchener Hof verjagt, kehrte er in ein Zuhause zurück, das von den heftigsten Streitigkeiten zwischen seinen Eltern geprägt wurde. Dann verlor 25

Strauss, Nuremberg, 180 – 181; Vogler, Nuremberg, 263 – 310. BayHStA Grombach, Nr. 11; Kolde, Seehofer, 182; Matheson, Life in Letters, 34. 27 NDB 11, 559. 26

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er seinen geachteten Lehrer in Nürnberg. Er schien aber, wenigstens am Anfang, mit diesen Umwälzungen in seinem Leben und dem Familienleben erstaunlich gut fertig zu werden. Er war vielleicht elf Jahre alt. Ketzmann berichtete, dass er auf alle einen guten Eindruck machte, sogar auf die Mitglieder des Rates. Seine Briefe nach Hause werden zweifellos die Meinungen seines Lehrers gespiegelt haben, sie lassen aber auch auf seinen Charakter schließen. Bemerkenswert, wie er z. B. am 5. Juni 1525, kurz nach der Entlassung seines Lehrers und während der Bauernkrieg noch tobte, einen langen Brief an seine Eltern beendete: darumb bit ich euch libe frau mutter unnd her vatter, wollet e. g. (euere Gnaden) nicht (das Schulgeld) rewen lasssen, was ir auff leget, hoff zu got es soll nit ubell angelegt sein, mitt der zeitt hundertfeltige frucht bringen. Newe Zeittung (Nachrichten) wolt ich euch gerne schreiben, ßo sindt der so vill, das mir papirs vnd dyntten zu run (auslaufen), wen ich nur den wenichsten teyll sollt schreiben. Bit euch aber beyde freuntlich, wollet in disen unruigen sachen ein gut gemut mit aller gedult gegen got vnnd den nechsten tragen… es ist hie noch styll vnnd gut. Got geb lang…Ich hab itzundt (jetzt) seer geeilt, vnnd vor nit triben (keine erste Fassung geschrieben) darumb nembt vergudt (nicht ärgerlich sein) am nechsten wil ichs bessern. Gorg von Grumbach ewer williger sun.

Die von Osiander empfohlenen Lehrer waren alle begabt und bemühten sich ehrlich um die Kinder : Denck und Ketzmann in Nürnberg, in Ansbach Andreas Althamer, ein echter Reformer und Gelehrter, der den zweiten Sohn, Hans-Jörg, unterrichtete. Weniger bedeutend war Wolff Leydmayer in Ingolstadt, der Organist, der Apollonia und Gottfried lehrte, bis Wolfgang Jacob in Nürnberg beide übernahm. Solche Lehrer boten ihren Schülern viel mehr als Unterricht im Lesen und Schreiben, Rechnen und Grammatik, Rhetorik und Latein. Sie öffneten ihnen ihr Heim, teilten Mahlzeiten und das ganze Familienleben mit ihnen. Sie führten sie in den Katechismus und in die Bibel ein, und brachten ihnen gutes Benehmen und christliche Werte bei. Vielleicht © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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sollten sie auch für Argulas Kinder den gescheiterten Vater ersetzen, aber das ist ihnen, wie wir sehen werden, nicht gelungen. Die Frauen der Schulmeister kochten für die Kinder, bemutterten sie, kauften ihre Kleider und Schuhe, holten den Arzt, wenn der Magen nicht in Ordnung war oder wenn sie, wie der junge Gottfried, Kopfschmerzen hatten. Es war durchaus üblich, dass die Kinder aus adeligen Familien anderswo erzogen wurden und im Fall der Familie Grumbach auch ratsam, weil das Familienleben so gestört war. Trotzdem war es nicht leicht für die Kinder. Ihre Briefe berichten von Einsamkeit und gelegentlichen Schikanen ihrer Mitschüler, von den Schwierigkeiten mit ungewohntem Essen. Sie machten sich auch Sorgen, vor allem als sie noch klein waren, dass sie ihre Mutter enttäuschen könnten. Sie wussten frühzeitig, dass das Leben für sie schwierig war. Georg drückte seinen Dank aus, dass die Eltern Geld geschickt hatten: „so bin ich erlich kleidt hab auch bucher ain notturff“. Er versprach mit großem Ernst, fleißig zu arbeiten und bat die Mutter, ihn zu besuchen, sodass sie seine Fortschritte selbst beobachten konnte.28 Als sie die Kinder besuchte, brachte sie natürlich kleine Gaben mit, die ihnen Freude machten; Branntwein und Käse werden erwähnt. Argula hatte ihren eigenen Bekanntenkreis in Nürnberg und es ist anzunehmen, dass sie die Besuche auch nutzte, um sich bei Osiander Rat zu holen, eine Predigt zu hören und den lutherischen Gottesdienst zu besuchen. In der finanziell schwierigen Lage musste sie Geld für die Kleider der Kinder auftreiben: Sie wuchsen so schnell. Die dünnen Schuhsohlen waren bald durchgelaufen. Rechnungen über Rechnungen! Oft erscheinen in den Rechnungen die verschiedenen Stoffe aus denen die Schneiderin Mäntel und Hemden nähte. Apollonia hatte ihre bescheidenen Bedürfnisse: Ulmer Golsch oder Leinen für ihre Kleider und Blusen, eine Rechnung über ein „yber muder“, das später geändert wurde, dann fünfzehn Schilling für warme Strümpfe im Winter und all die Kleinigkeiten: eine Börse, ein Gürtel, einige Haarbänder.29 Dann 28 29

BayHStA Grombach, Nr. 12. Ibid., 5. Mai 1533 (ohne Nummer). © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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kamen die Kosten für Unterkunft und Unterricht, Essen und Trinken, für Seife, Musikunterricht, für Bäder, Papier und Bücher : den Psalter, Osianders Predigten, die Adagia von Erasmus.30 Es musste aber sein. Lenting bot ihnen nichts. Sie brauchten das Zusammenleben mit anderen ähnlich begabten Gleichaltrigen. Sowohl Ketzmann wie Althamer fühlten sich berufen, ihre Schüler auf ein nützliches christliches Leben vorzubereiten. Vielleicht vermisste aber Georg die Wärme Hans Dencks, denn Ketzmann übte eine strenge Zucht aus. Es war eine in dieser Zeit verbreitete Auffassung der Pädagogen, dass man die angeborenen Neigungen der Schüler zu Sünde und Faulheit brechen musste, um ihnen dann Selbstdisziplin und Achtung für andere beibringen zu können; durch die Erziehung würde eine solche Lebensweise in Fleisch und Blut übergehen; die Schüler sollten lernen, regelmäßig zu beten, und mit anderen rücksichtsvoll umzugehen. Religiöse Bildung war vergleichbar mit dem Lateinlernen; man musste mit den Fundamenten anfangen; es gab keine schnellen Erfolge und am Anfang fand man wenig Freude an der Sache! Nach einiger Zeit erwies es sich aber, dass diese pädagogischen Strategien bei Georg und seinem Bruder Hans-Jörg fehl am Platz waren. Teilweise lag es daran, dass die Bemühungen Ketzmanns und der Mutter von anderen unterwandert wurden. Der Lehrer brachte seine Frustration, oder eher seine Wut, in einem Brief an die Mutter zum Ausdruck. Bedenkt man, dass Melanchthon das friedliche Temperament Ketzmanns gelobt hatte, ist der Zornausbruch des Schulmeisters noch verblüffender. Ironischerweise stellte Argulas lutherischer Bruder Bernhardin das Hauptproblem dar! Die Krise wurde in den wilden Tagen vor der Fastenzeit 1529 ausgelöst. Ketzmann schrieb: Die gnad des herren vnnd sein fride sey alzeit mit euch, Erbere, tugentsame, libe fraw. Ewr son Georg ist nach ewrem abschid mer bey ewrem bruder in dem wirtshauß gewesen vnnd noch, dan bey mir vnnd in der schul. So ich yn darumb straff, spricht er, es sey ewr will, may30

Ibid., Nr. 42. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kapitel 7 nung, vnnd bevelh. Bit ich euch wöllet mir yn kurtz das selbig zuverstyn geben, dan ich solchs nit lenger gedulden mag, ways auch nit gegen got zuverantworten… vnnd furwar wen ich nit ewr iram (Zorn) schonet, er sollet mir nymer mer yn mein bevelh vnnd zucht kommen… Hette gemeint, ee dan er (Bernhardin) den knaben von seiner lernung und fürnemen hynderet, hette ym ee (eher) selbst ein eygnen zucht mayster, des er dan noch woll (wohl) vnnd eins ernstlich bedarff, bestelet. Er ist so eygensynnig worden, das ichs euch nit genugsam sagen kan…Ist zu besorgen…es were etwas anders hernach volgen. hiemit got alzeit bevolhen, Im Aschenmittwoch im 29. Joan. Ketzman Ewer Williger.31.

Nachdem er seinen Vater besucht hatte, verschlimmerte sich Georgs Benehmen weiter. Ketzmann machte einen letzten Versuch, Friedrich von Grumbach zu überzeugen, dass Georgs Verhalten unmöglich und untragbar sei: Dem Edlen vnnd vesten Friderichen von Gronbach, seinem gonstigen Herrn. Nach dem mir ewr vest Eweren Sun Georgen nun, biß yn das wert were, mit allem in den guten künsten, sprachenn, vnnd schrifften, sonder auch in allen guten sitten vnnd tugeten (Tugenden) zu vnterweysen zugestelt vnnd bevolhen, habe ich das selbige bißher an allen rom (ohne Selbstsucht), wie es sich an ym ersynen (angebracht sein) sol, auff das fleyssigst außgericht, vnnd hynfur noch gern thun wollet, wen ers nun erkennet. Die Zeit aber darynne er bey euch gewesen, hat ym am solchen vor entpfangenen, von mir anfangen vnd gruntfesten ein großen stoß thun (getan). Es were vil drumb zu geben das er nie heym mer kumen, dan er hat sich vormals solchs mutwillens vnnd eigensynes nie untterstanden. Itzt aber meynt er, er wölle weder vmb ruthen, der er noch wol bedarff, noch vmb andere gute freuntliche vermanung (Acht) geben. Aber ich were mich nit daran keren. Woll er anderst mein discipul sein (wenn er bei mir studieren will), so muß er sich furwar demutigen wie andere, vnnd vmb das böß, der er volsteckt, straffen lassen. Dan wer sich in der iugent, dieweyl es ym wol ansteet, nit demutigen wil vnnd lernen, der muß ym alter (dem Bösen) dynen mit scham, 31

BayHStA Grombach Nr. 19. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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und sein selbs unwissenheit eröffnen. Er ist vor der zeit (früher) yderman von seiner geschickligheit wegen angenem gewesen, noch den obersten des Radts vnnd allen gelerten. Itzt hat er sich gar verkert. Wen ir aber helffet vnnd got zu vor, so habe ich noch ein gute hoffnung. Dan munter (harte) straff richt bey den sinnen nit vill auß. hiemit got allzeit bevolhen. Datum zu Nurembergk am heyligen Ostertag, anno do. 29. (28. März 1529) Joan Ketzmann.32

Man fragt sich, wie der Vater auf einen solchen Brief reagierte. Er dürfte ihn vermutlich als eine ungehörige Intervention eines Lehrers, der seine Kompetenzen überschritt und sich nicht standesgemäß ausdrückte, gesehen haben. Wir wissen leider nicht, ob bzw. welche Gespräche nach dem Empfang der Briefe zwischen den Eltern stattfanden. Der typische Lebensstil des Adels ging in eine andere Richtung: Reiten, Jagen, übermäßiges Essen und Trinken, auch Frauengeschichten, all das, was Argula unter Selbstgefälligkeit und Verschwendung verstand. Das neue evangelische Ethos und seine neuen Ordnungen steckten immer noch in den Anfängen, zielten aber in eine ganz andere Richtung: auf Selbstkontrolle und Nächstenliebe. Argula hatte wahrscheinlich gehofft, dass Osiander in Nürnberg, wo Kirche, Schule und Stadtrat zusammenarbeiteten, ab und zu ein Auge auf Georg werfen würde, der Osianders Gottesdienste in St. Lorenz besuchte. Ketzmann sollte die väterliche Rute brauchen, wenn es nötig war. Dem Sechzehnjährigen wird ein solches Leben wohl streng und unerfreulich erschienen sein. Warum sollte er, ein junger Adeliger, schroffe Befehle und sogar Schläge von einem Schulmeister ertragen? Er fand sich, wie später sein Bruder Hans-Jörg, zwischen den Kulturen seines Vaters und seiner Mutter hin- und hergerissen. Bei seiner Mutter machte sich ein resoluter, fast puritanischer Zug bemerkbar. Sie hatte mit den religiösen, teilweise auch den gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit entschieden gebrochen und wollte fortan für die Ehre Gottes leben, wie sie das eben verstand. Sie teilte die apokalyptischen Anschauungen ihrer 32

Ibid., Ostertag 1529, ohne Nummer. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Mentoren, dass man dauernd bereit sein musste, dem Bösen zu widerstehen. Aber die Männer in ihrem Leben – ob Ehemann oder Bruder – unterstützten sie nicht, obwohl man ihnen nicht unterstellen muss, dass sie es absichtlich taten. Wahrscheinlich wollten Fritz und Bernhardin den jungen Georg in das Leben ihres Standes einführen. Die Briefe Ketzmanns weisen darauf hin, dass Georg oft nicht zu bremsen war. Er war ein Grumbach, der Sohn seines Vaters. Dagegen konnte Argula gar nichts machen. Die Alternativen waren aber klar. Natürlich faszinierten den jungen Adeligen die Wirtshäuser, vor allem wenn ihn die Disziplin der Schule anödete. Kümin charakterisiert die Wirtshäuser in der frühen Neuzeit als eine Art Theater der Männlichkeit: Man zeigte, wie viel Alkohol man erträgt, man verteidigte seine Ehre.33 Brot lag auf den Tischen, zu trinken gab es mehr als genug; ein Hauch der großen Welt, der Abenteuer, die auf einen warteten, war zu spüren. Man fand Zeitvertreib bei Karten-, Brett-, und Würfelspiel. Reisende, Söldner oder Hausierer wollten ihre Zuhörer mit ihren Geschichten hinreißen; in der Ecke sorgten vielleicht ein Lautenspieler, ein Trommler, eine Spiel- oder Gesanggruppe für Unterhaltung. Georg wird die rituellen Aggressionen, das Flirten und Scherzen bemerkt haben und wie sich durch den Alkoholkonsum überhebliche Reden und Beleidigungen steigerten. Eine faszinierende Gesellschaft: aufregend für einen jungen Mann, eine Art Initiation in das Erwachsenenleben, in die Welt der Männer. Mütter wie Argula hatten es nicht leicht, weil positive Leitbilder für die Söhne weitgehend fehlten. Der Bruder Bernhardin veranschaulichte das Problem. Er hatte die reformatorische Bewegung energisch und couragiert gefördert.34 Er war großmütig. Gelehrte wie Paracelsus waren bei ihm willkommen. Als erster Adeliger in Bayern stellte er einen evangelischen Pfarrer ein und trotz wiederholter Einschüchterungsversuche führte er die reformatorische Form des Abendmahls in Beratzhausen und im 33

Kümin, „Public Houses,“ 55. Er stellte früh die jährlichen Zahlungen für eine Bruderschaft in Hemau ein. 1526 bemerkt der bischöfliche Visitationsbericht, dass 18 Gulden unbezahlt blieben; Schwaiger, Beiträge, 21, 209. 34

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Staufferhaus in Regensburg ein. Wenn wir Ketzmann aber Glauben schenken, hatte er seinen Neffen Georg aus der Schule geholt, ihm das Wirtshaus schmackhaft gemacht, und dabei Ketzmanns bewusste Erziehungsstrategien in den Wind geschlagen. Widmann, der katholische Chronist Regensburgs, denunzierte Bernhardin, wie auch andere Lutheraner, als unzüchtig, als „Bernhard Unkraut“, Beweise blieb er aber schuldig.35 Der Beratzhausener Prediger Kolman Grasser berichtete 1531 Argula in einem konfusen und aufgeregten Brief, voller zusammengewürfelter biblischer Zitate, von „offenlicher unstimmigkait“ am Hof: „es ist vmb das lieb gotis wort zuothun.“ Eine Frau Ottilie hatte das Haus verlassen.36 Die Schwierigkeiten Argulas liegen auf der Hand. Burggrumbach, Beratzhausen und Lenting waren ganz andere Welten als die Schule in Nürnberg. Bis jetzt war es ihr mit der Hilfe Osianders und der Lehrer gelungen, dass Georg und Hans-Jörg ihre Studien fortsetzten. Sie hoffte, dass sie sich zu guten Christen und nützlichen Mitgliedern der Gesellschaft entwickeln würden. Sie selbst hatte nicht Latein gelernt und ohne die aktive Unterstützung ihres Mannes waren ihre Möglichkeiten begrenzt. Das häusliche Leben, wie man sieht, war alles andere als einfach.

Verfolgung und Widerstand Die Verfolgungswellen im Herzogtum Bayern werden Argula Sorgen bereitet haben. Man erinnere sich an ihre äußerst heftige 35

Deutsche Städtechroniken XV, 55, 124, 182. BayHStA Grombach, Nr. 28; diese frawen Otilg ist wohl Ottilia von Schwarzburg, verheiratet mit Karl Schenk von Limpurg-Obersontheim, 1498 geboren, Sohn einer anderen Margarethe von Schlick (der Tante von Bernhardins Ehefrau), die 1497 Schenk Gottfried II. zu Limpurg geheiratet hatte. Kolman oder Koloman Grasser wurde in Steyregg, Oberösterreich geboren, immatrikulierte sich 1524 in Wittenberg. Ab 1531 war er Prediger im Beratzhausen, zog 1539 nach Uffenheim und war 25 Jahre lang Pastor in Creglingen. 1569 starb er dort; Dros, BBKG 14. Briefe zwischen Bernhardin und Argula sind nicht erhalten. Seine Schulden werden in ihrer Haushaltskorrespondenz einige Male erwähnt. 36

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Reaktion auf die Zensur 1524 in Regensburg und an ihre leidenschaftliche Unterstützung der evangelischen Bewegung. Nach dem Bauernkrieg wurde die Unterdrückung immer härter, vor allem die Maßnahmen gegen die sogenannten Wiedertäufer, deren Separatismus die Obrigkeit als Bereitschaft zu sozialer und politischer Rebellion verstand. Wie Strauss sagt: „persecution, not only of extremists, but of all persons of doubtful loyalty, became incisive, thorough, and merciless.“37 Jegliche Kritik an der gesellschaftlichen Ordnung alarmierte die Behörden. Lutherische Schriften wurden öffentlich verbrannt. Gemälde, Einblattdrucke und Holzschnitte, sogar Spielkarten mit biblischen Versen, wurden verboten. Die Drucker mussten alle Manuskripte den herzoglichen Aufsehern vorlegen. Der am Münchener Hof engagierte Trompeter, Erhard Gugler, wurde verhaftet und in den ominösen Falkenturm gebracht. Die Fürsprache seiner Familie bewahrte ihn vor dem Tod. Anderen erging es schlechter. Johannes Hörl wurde enthauptet, Leonhard Kaiser in Schärding 1527 lebendig verbrannt. Auch Frauen aus den führenden Münchener Patrizierfamilien Rosenbusch und Barth wurden verhaftet. Sie gaben zu, lutherische Bücher gelesen zu haben und wurden, wie Seehofer, dazu gewungen, ihren Irrtum öffentlich zu bekennen.38 Argula schrieb im Mai 1526 nach Hörls Tod an eine „piissima mulier“: „Gott sey lob wir haben mer ein neuen Mertrer, itz Freitag acht Tagen vergangen in unserm land zu Wasserburg enthaubt on alle anclagen und weyel (Verzögerung). Kurtz gesagt: Er ist ein Ketzer, drum sol er sterben. Also beschach auch Christ u.s.w.“39 Der Ingolstädter Professor Franz Burckhardt meinte: „es tauge alles nichts mit den Lutherischen, außer man thue ihnen alle, wie man dem Bäckerknecht gethan habe: dem habe man den Kopf abgehauen“.40 In dieser vortridentinischen Zeit wurde Häresie in weitgehend 37

Strauss, Religious Policies, 366; Haushofer, Das Bauernkriegsjahr 1525, 274. 38 Metzger, von Eck, 97. 39 Spalatin, Chronikon, zitiert bei Mencke, Scriptores II, 657; vgl. Kolde, Seehofer, 168 – 169. 40 Jesse, Geschichte, 25; von Druffel, Die baierische Politik, 597 – 599. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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traditionalistischen Kategorien verstanden. Was man jahrhundertelang geglaubt hatte, war richtig; was nicht, war eben häretisch. Orthodoxie sei, was die herzoglichen Kommissionen bestimmten, und der Scharfrichter hatte die Aufgabe ihren Entscheidungen Geltung zu verschaffen. Herzogliche Räte wie Leonhard von Eck sahen jeglichen Widerstand gegen die Religionsmandate der Herzöge als staatszersetzend, als Subversion aller Ordnung. Von Eck war ein hoch kultivierter Mensch, durchaus progressiv in seinen Ansichten. Er bewunderte Humanisten wie den Historiker Johannes Aventinus, Maler oder Musiker wie Ludwig Senfl und Barthel Beham; er schützte sie trotz ihrer reformatorischen Neigungen. Solche elitären Gruppen genossen eine gewisse Narrenfreiheit. Die Massen mussten aber Linie halten. Jegliche „Zweiung im Glauben“ bedeutete soziale Unruhe und durfte nicht gestattet werden. Die Bespitzelung wurde gefördert. Meldete man einen Wiedertäufer, bekam man dafür 32 Gulden, 20 Gulden gab es für einen Lutheraner. Wiedertäuferinnen wurden in einen Sack gebunden, in die Isar geworfen, und vom Scharfrichter mit einem langen Stock so lange unter Wasser gehalten, bis ihre verzweifelten Kämpfe aufhörten.41 Diese Art der Hinrichtung sollte die Erwachsenentaufe lächerlich machen. Die Herzöge hatten 1526 vom Papst die Erlaubnis bekommen, das sogenannte „Ketzerprivileg“, Häresieverfahren durchzuführen, sodass sie nicht mehr auf die eher indolenten Bischöfe angewiesen waren. Bis jetzt war wenig von einem katholischen Reformprogramm zu spüren, weil die Bischöfe nur sporadisch daran interessiert waren. Hier und da regte sich Widerstand. Bernhard Dichtl, Pfleger in Starnberg und Tutzing, protestierte, dass religiöse Verfolgungen die menschliche Würde verletzten: „Es wachsen die Köpf nit herwieder als die Krautsköpf.“ Er wurde auch in den Falkenturm gebracht und sollte auf Wangen und Stirn gebrandmarkt werden, was zu einem schrecklichen Tod geführt hätte. Nachdem er sei-

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Strauss, Religious Policies, 367 – 369. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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nen Irrtum bekannt und das riesige Bußgeld von 1000 Gulden bezahlt hatte, wurde er entlassen.42 Nicht immer war diese repressive Strategie erfolgreich. Die Begeisterung für die Wallfahrt zur Schönen Maria in Regensburg ging drastisch zurück, die Zahl der Studenten in Ingolstadt Universität schrumpfte bis ca. 1548 dramatisch, trotz des Verbots, in Wittenberg zu studieren.43 Die Evangelischen trafen sich weiterhin in Privathäusern, um die Bibel zu lesen und zu beten, in Reichsstädten wie Regensburg, aber auch auf dem Land. Hörte man, dass ein lutherischer Prediger in der Gegend war, kamen eifrige Hörer auch von weit her. Eine neue Art von Pilgerschaft! Die evangelischen Lehren, die Lieder in der Volksprache, die neuen Gottesdienste fanden weiterhin Anhänger. Ein Büchlein von einfacher, unpolemischer Frömmigkeit Vergiss mein nit, 1525 gedruckt und Bernhardin von Stauff gewidmet, weist auf die wachsende Popularität evangelischer Ansichten in Beratzhausen hin. Der Verfasser, Hans Veler oder Velr, spricht wie Argula in ihren Schriften von den „brüdern und schwestern“ in der Kirche Christi. Sein Verständnis der Sakramente und der Rechtfertigung ist unverkennbar lutherisch.44 Interessant, dass der Drucker Paul Kohl war, dem im Vorjahr vor dem Konvent in Regensburg streng verboten worden war, evangelische Bücher zu drucken. Die Ausweisung Dencks zeigt, dass eine strengere Überwachung des Glaubens auch im evangelischen Lager stattfand. Argula hatte sich selbst in ihren Schriften nicht als „lutherisch“ sondern als eine Christin identifiziert. Sie hatte überraschend viele Kontakte zu Radikalen oder Schwärmern, die man ohne Differenzierung als Wiedertäufer bezeichnete und die sie wiederum bewunderten. Sebastian Lotzer sollte im Bauernkrieg eine wichtige Rolle spielen. Andreas Karlstadt, der die Pflichten und 42

Jesse, Geschichte, 25. Die Zahlen gingen in den Jahren nach dem Bauernkrieg an allen Universitäten zurück. 44 Nach dem zierlichen denckn plieml heysset man dises artig büchl Vergiß mein nit (http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00028705/ image_1). 43

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Rechte der Laien in bewegender Weise betonte und Arsacius Seehofer beeinflusste, wurde später von Luther heftig kritisiert. Hans Denck gewann das Vertrauen ihres Sohnes Georg. Die religiösen Ideen Thomas Müntzers faszinierten den Ehemann von Katharina Fürer, eine wichtige Kontaktperson Argulas in Nürnberg. Ein weiterer „Schwärmer“, Groß von Trockow, unterstützte den jüngsten Sohn, Gottfried, als er sich (viel später) am herzoglichen Hof in Wolgast aufhielt.45 Man denkt an die Straßburger Reformatorin und Schriftstellerin, Katharina Schütz Zell, die einige dieser Radikalen verteidigte; auch sie sollten das Recht haben, ihre Meinung frei zu äußern. Obwohl Argula nie so weit ging, gelang es ihr, die Tür offen zu halten für Diskussion und Freundschaft mit einem weiten Kreis von Verwandten und Freunden, einschließlich denjenigen, die katholisch blieben. In den frühen Jahren der Reformation waren die konfessionellen Grenzen durchlässig. Zu diesen Freunden gehörte auch der Eichstätter Domherr Friedrich von Leonrod. Herzliche Briefe gingen hin und her zwischen ihm und Argula. Er hatte aber wahrscheinlich nicht verstanden, wie radikal ihr Bruch mit der alten Kirche war, denn er schlug zur Verbesserung ihrer finanziellen Sitaution im August 1525 vor, die Familie solle sich um eine Dispensation von der päpstlichen Kurie bemühen, um einem Sohn die Pfründe in Zeilitzheim zu sichern!46 Argula hatte auch Kontakt mit Giso von Heßberg, einem Würzburger Domherrn. 1527 erfüllte er Argulas Bitte, Nachforschungen über Jacob Pfeffer, den Vikar in Zeilitzheim, anzustellen, über dessen Benehmen sich sowohl ihr Mann als auch Friedrich von Leonrod Sorgen machten. Argula versuchte zu vermitteln, weil ihr Pfeffers reformatorische Ansichten gefielen. Schließlich zog Pfeffer von der Zeilitzheimer Gemeinde weg nach Gerolzhofen.47 Aus solchen Briefen kann man schließen, dass Argula auf lokaler Ebene schon einiges erreichte, auch wenn sich ihre Hoffnungen auf grundlegende Reformen in Kirche und Gesellschaft und auf eine 45

Andreas Osiander Gesamtausgabe Bd. 4, 281 ff., 435 – 437; BayHStA Grombach, Nr. 79. 46 BayHStA Grombach, 5. August, 1525; nicht nummeriert. 47 Ibid., Nr. 15; Matheson, Life in Letters, 36 – 38. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Verbesserung der Sitten, die sie in ihren Flugschriften zum Ausdruck gebrachte hatte, nicht erfüllten. Ihre eigenen Schwierigkeiten als Ehefrau hatten sie wohl hellhörig gemacht, so dass sie sich für andere Frauen, vor allem für Witwen, die unmenschlich behandelt wurden, einsetzte. Ihre Freundin, Dorothea von Klingenberg, wurde nach dem Tod ihres Ehemanns von ihren Verwandten, Hans Heinrich und Albrecht von Klingenberg, brutal aus ihrem Familiensitz vertrieben. Sie lebte fortan in kümmerlicher Armut. Argula half Dorothea, die Dokumentation für eine gerichtliche Handlung vorzubereiten, die 1529 in einer Supplikation an Erzherzog Ferdinand kulminierte.48 Dorothea hoffte auf Ferdinands Mitleid, und bat um Maßnahmen, die Witwen nach dem Tod ihrer Ehemänner rechtlich absichern würden. Dorotheas Supplikation erreichte nichts; sie wohnte oft bei Argula und passte gelegentlich auf die Lentinger Höfe auf, wenn Argula nach Burggrumbach reisen musste. Argula kämpfte auch nach Dorotheas Tod weiter ; sie weigerte sich, Dorotheas Testament der Familie zu übergeben, bevor die Ungerechtigkeiten geregelt wurden.49 Es fällt auf, dass Argula sich in praktischen und finanziellen Angelegenheiten oft auf Frauen verließ, wie auf Ursula Rumblin, Frau eines Juristen in Speyer, Ursula Lemlin in Burggrumbach, Katharina Fürer, Margaretha Reffin und Kunigunde Hergot, die Witwe des Druckers Hans Hergot in Nürnberg. Sie warfen ein Auge auf ihre Kinder, kauften und verkauften Güter für sie, wiesen sie auf neue Bücher hin.50 Solche Netzwerke stärkten ihr in kritischen Zeiten den Rücken. Die herzliche Sprache der Briefe weist auf ihr gegenseitiges Vertrauen und auf die Werte, die ihnen gemeinsam waren, hin. 48

BayHStA Grombach; 1529; ohne Nummer. Matheson, Life in Letters, 40 – 41; vgl. auch Karl Martens, Geschichte von Hohentwiel, Stuttgart, 1857, 42 – 44. Auch Argulas Bruder Bernhardin unterstützte Dorothea von Klingenberg. 50 Johann Eberlin von Günzburg erwähnt einen Thomas Rumelin; Enders 3, 127. Katharinas Mann Christoph Fürer, 1479 – 1537, war aktiv im Bergbau, Mitglied des Stadtrats und des Kreises um Staupitz. Er hatte Kontakt mit Thomas Müntzer ; Bubenheimer, Müntzer, 271 – 272. 49

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Die 1520er Jahre waren für Argula entscheidend; sie begannen mit der Explosion von reformatorischen Energien und ihrer eigenen freudigen Beteiligung. Dann folgte die Konfrontation mit den Ingolstädter Theologen, die sich von nun an als die Anführer des bayerischen Widerstands gegen die evangelische Bewegung profilierten. Für eine kurze Zeit stand Argula im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. 1524 – 1525 stellte der Bauernkrieg alle Institutionen in Staat und Gesellschaft in Frage. Die rücksichtslose Repression der Aufständischen zog dann die evangelische Bewegung in Mitleidenschaft. Ihre Aufmerksamkeit wandte sich jetzt von Bayern ab und Franken zu. Am Ende der Dekade half sie, wie viele andere mit, in geduldiger, unspektakulärer Arbeit, eine neue reformierte Kirche und Gesellschaft aufzubauen. Ein unerwartetes Ende einer Dekade, die mit solchen apokalyptischen Hoffungen angefangen hatte. Argula hatte ihr Zuhause in Dietfurt verloren, ihr Mann, Fritz, sein Amt und seinen guten Ruf. Ihre finanzielle Lage war und blieb prekär. Ihre Ehe hat die Auseinandersetzungen kaum überlebt, aber vielleicht zeigt die Geburt Gottfrieds, wahrscheinlich nach 1528, dass ihr Verhältnis zu einander nicht nur negativ war. Als Friedrich krank wurde und im Sommer 1530 starb, war der Tod vielleicht für ihn eine Erleichterung.51 Er wurde in Lenting begraben, weit weg vom Familiensitz in Burggrumbach. Die Trauerfeier wird für seine Witwe beschwerlich gewesen sein, denn sie musste wohl seine Wünsche respektieren, gemäß den traditionellen Riten, die ihr nichts mehr bedeuteten, begraben zu werden.

51

Das Epitaph in der Lentinger Kirche nennt 1529 als Todesjahr. Dieses Datum wird oft zitiert; aber sowohl Friedrich von Leonrod als auch Andreas Althamer, die engen Kontakt mit Argula von Grumbach hatten, ließen ihn im Mai und Juni 1530 grüßen. Ein Schuldbrief über 54 Gulden an David, Jude am Hof, unterschrieben von Argula und Fritz von Grumbach, wurde am Stephanitag, (20. August) 1530 ausgestellt; BayHStA Grombach, Nr. 22; vgl. Kolde, Seehofer, 171, Anm.2. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

Kapitel 8: Zwischen Hoffnung und Verzweiflung

Das große Rad der Geschichte steht nie still. Es rollt weiter in immer neue Richtungen und man muss sich damit zurechtfinden. Auch Argula musste sich den völlig veränderten Umständen ihres Lebens und ihrer Umwelt anpassen. Ihre finanziellen und persönlichen Schwierigkeiten und der traumatische Ausgang des Bauernkriegs hätten sie leicht dazu verleiten können, „das Neue“, von dem der Prophet Jesaja sprach, aus dem Blick zu verlieren. Keine Spur davon. Wie so viele behielt sie ihren Glauben an Gottes Vorsehung, sein „regiren“, wie sie das gern ausdrückte. Psalm 121.3 war ihr wichtig: der Hinweis, dass Gott „nie schläft“, dass wir abwarten, wachbleiben sollen, und hoffen, „da nichts zu hoffen ist“1 Wenn sie sich auf Propheten wie Jesaja bezog, konzentrierte sie sich auf Stellen, die die Sinnlosigkeit der Pläne der Gottlosen betonten, mehr noch auf die biblische Zusicherung, dass in Zion ein festes Fundament gelegt worden war. Es gäbe keinen Grund zur Panik. Tausend werden vor einem fliehen. Der Gott der Gerechtigkeit werde diejenigen segnen, die auf den kommenden Tag warteten.2

1

Röm.4:18. Ihre Lieblingszitate aus Jesaja kreisen um diese Themen: Matheson, Schriften, 91, 112, 113, 147. 2

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Argula, Martin Luther und der Augsburger Reichstag „Das Neue“ sollte sich dann in ganz unerwarteter Weise ereignen, als ein Wendepunkt in der religiösen, aber auch in der politischen Geschichte Deutschlands. Denn die Dekade der 1530er Jahre fing mit dem epochemachenden Augsburger Reichstag an. Die Versammlung der deutschen Stände in Augsburg folgte dem Speyerer Reichstag 1529 dicht auf den Fersen, wo die Bezeichnung „Protestant“ zuerst geprägt wurde. Die geopolitische Karte Deutschlands sah jetzt anders aus. Das offene Bekenntnis zu den lutherischen Lehren in Augsburg war eine stillschweigende Anerkennung, dass die vom Wormser Reichstag ausgesprochene Ächtung der lutherischen Theologie nicht mehr haltbar war. Für Argula, die auf das Recht pochte, den Glauben öffentlich zu bekennen, war der Reichstag wohl ein erhabener Augenblick. Sie reiste selber nach Augsburg und nutzte diese einmalige Gelegenheit, ihre Stimme wieder zu erheben, natürlich nicht bei den öffentlichen Sitzungen, sondern bei zwei bedeutenden Treffen. Zum ersten Mal spielte Argula von Grumbach jetzt eine Rolle auf der Reformationsbühne außerhalb Bayerns. Sie baute auf ihre frühere literarische Aktivität, ging aber hier noch weiter. Wenn man ihre eigene schwierige Situation bedenkt, ist ihr Erscheinen auf der Reichsebene in Augsburg erstaunlich. Dass sie überhaupt nach Augsburg reiste, zeigt auch, dass ihr die Bedeutung der Versammlung völlig bewusst war und erinnert uns, dass sie an ein recht funktionsfähiges Netzwerk von Information und Unterstützung angeschlossen war. Andreas Althamer, der Ansbacher Lehrer ihres Sohnes Hans-Jörg, wusste genau über die Entwicklung der konfessionellen Kämpfe Bescheid. Er hielt Argula auch auf dem Laufenden, was die Vorbereitungen für den Reichstag betraf. Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach hatte Althamer schon beauftragt, die Ansbacher Superintendenten zu befragen, was für die Reform der Kirche wesentlich war und wie die Bischöfe zu ersetzen waren.3 Althamer schrieb zahlreiche theolo3 Schneider, Gutachten evangelischer Theologen, 29. Man merkt seine führende Rolle als Theologe in Brandenburg-Ansbach-Kulmbach am

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gische Traktate, Bibelkommentare und Lehrbücher, die mehrfach nachgedruckt wurden und er beschäftigte sich, wie viele Humanisten, mit deutscher Geschichte. Seine humanistischen Freunde, die exotische Namen wie Jacobus Napisherus, Caspar Huberinus und Johannes Pinicianus trugen, schrieben ihm begeisterte Briefe auf Latein und Deutsch, und holten sich bei ihm Rat, wie das pädagogische und moralische Niveau verbessert und das Kirchenwesen reformiert werden könnte. Simon Schneeweiß informierte ihn über die Verbreitung des Evangeliums in Mähren, und teilte ihm seine Besorgnis über die wachsende Zahl der Anabaptisten mit.4 Argula hatte Glück, dass sie ihn als Hans-Jörgs Lehrer heranziehen durfte. Seine präzise Handschrift liest man auch gern, verglichen mit den schwer lesbaren oder verschnörkelten Handschriften anderer! Der Nachwelt ist Althamer vor allem durch seinen Katechismus bekannt, den er 1528 während der Vorbereitungen der Kirchenvisitation in Brandenburg-Ansbach verfasste. Wenn die lutherische Kirche im gemeinen Volk Fuß fassen sollte, waren solche Visitationen ein wesentlicher Schritt.5 Die Aufregung der 1520er Jahre war vorbei, jetzt legte man den Grundstein für die religiöse Bildung und Erziehung einer neuen Generation. Die Strukturierung und Finanzierung der Kirche, die Bereitstellung von Katechismus und Kirchenliedern, verkörperten die neuen theologischen Prinzipien und bestimmten die tägliche Routine des Pfarrvolks. Mit dieser Institutionalisierung der Reform nahm (auch bei Althamer) die konfessionelle Polemik zu. Sein Brief an Argula, kurz vor Beginn des Augsburger Reichstags, gibt einen Einblick in den Mann und in seine Zeit: Edle und tugendhaffte frau, ich thu euch zewissen, das wir alle in unserm hause frisch vnd gesund seyen am leib, Got gebe auch gesundheit der selen. So wissend auch das unser fürst (Markgraf Georg) yetz am nechst verschinen sontag hin weck auff Augspurg ist Einfluss seines Katechismus auf Prediger und Laien. Man bat ihn oft um Gutachten, z. B. über die Anabaptisten; ibid., 35, 47 f., 59 f, 62, 79, 107. 4 Staatsarchiv Bamberg; Hsc. Sammlung A 245 Verz VI Nr. 31. 5 Weismann, Katechismus Althamers, 215 – 250. Acht deutsche Ausgaben, sechs niederländische und eine englische bezeugen seine Popularität. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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geriten, der Cantzler mit sein gnaden. Vnd hat mein gnediger herr den Brentzen prediger zu Hall (Schwäbisch Hall), den prediger von hinnen herrn Johann Rurer, den pfarher von Kitzingen, vnd den pfarher von Chreulszheim (Crailsheim) mit sich genommen. Gott gebe Kay. Mt. vnd allen fursten seinen heiligen geist Amen, vnd vns armen ein bestendigen festen glauben, das wir in zeit der anfechtung mügen bestehen vnd selig werden. Ich spur noch ein behertzafftiges gemüt bey unserem Landsfursten, Gott wölle in gnediglich erhalten. Die bischoff mit y¨hrem anhang bochen wol ser und verhoffen Gottes reichs vndergang, aber der Herr lebt, er kann y¨ r radtschlag wol zertrennen, wie er vor mermals gethan hat…Wir sollen die sach got bevolhen der wil es wol hinauß füren. Ansbach 26 Mai 1530.6

Dieser Gedanke des „bestendigen festen glauben“ beschreibt haargenau Argulas Zielsetzung in Augsburg. Vor der SeehoferAffäre hatte sie bei Osiander Rat geholt; vor Augsburg traf sie jetzt mit Luther zusammen. Während der 1520er Jahre hatte sie ständig mit ihm korrespondiert. Trotz seiner unzähligen Pflichten hatte er Zeit gefunden, den Kontakt aufrecht zu erhalten. Es scheint, dass sie Luther und Melanchthon über das Spottgedicht des „Johann von Landshut“ und seinen gegen sie gerichteten Andeutungen und Anspielungen informiert hatte. Mit der ihr eigenen Direktheit, hatte sie 1524 Luther, zu der Zeit noch unverheiratet, die Ehe empfohlen. Er sei nicht aus Stein oder Holz gemacht, wie er ihr durch Spalatin antworten ließ, aber angesichts seines möglichen Märtyrertums schien eine Ehe zu diesem Zeitpunkt nicht geeignet!7 1528 schrieb er wieder an „unsere“ Argula.8 Man hat den Eindruck, dass die Beziehung herzlich und direkt war, obwohl es ihm nie in den Kopf kommen wollte, dass sie Argula hieß. Einmal nannte er sie „Regula“ und in der eigenhändigen Widmung seines „betbuchlin“ sprache er sie an mit „Der edlen frawen Hargula vonn Staufen zu Grumbach“.9 Am 2. Juni 1530 traf sie ihn zum ersten Mal persönlich, auf der 6

BayHStA Grombach Nr. 20; Kolde, Seehofer, 184 – 185. WAB 3, 394; LW 49. 93. 8 Kolde, Seehofer, 114, 169. 9 EMWJ 4, 30 – 31. 7

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Veste Coburg, gar nicht weit weg von Burggrumbach. Weil Luther immer noch unter der Reichsacht und dem Kirchenbann stand, durfte er in Augsburg nicht persönlich erscheinen. Angesichts seiner zentralen Rolle in der Reformation ein ironischer Zustand. Nürnberg, als Sitz des Reichsregiments, wollte ihn auch nicht beherbergen, um sich den Zorn des Kaisers nicht zuzuziehen. Von Coburg aus, unter dem Schutz des sächsischen Kurfürsten, konnte er ein Auge auf die Ereignisse in Ausburg werfen. Obwohl er sich über die Besucherschwemme beschwerte, hieß er Argula von Grumbach herzlich willkommen. Sie schrieb keinen Bericht über den Besuch und prahlte nie damit in ihrer Korrespondenz, aber es ist wahrscheinlich, dass sich das Gespräch um ihren Sohn Georg drehte, der in Wittenberg studierte, und der kommende Reichstag das Hauptthema war. Das Gespräch nahm auch eine persönliche Wende. Luther hatte 1525 Katharina von Bora geheiratet und sein Brief an seine liebe Käthe war einer von vier Briefen, in denen er über sein Treffen mit Argula berichtete. Sie habe ihm einen Vorschlag gemacht, wie das kleine Lenchen am besten abzustillen sei, den er an Käthe weiterreichte: Ich halte, wo du es wilt absetzen von wehnen, das gut sey, meylinger weise (vorsichtig), also dass du yhr zu erst eines tages ein mal abbrechest darnach des tages zwey mal, bis also seüberlich ablest. Also hat mir Georgen von Grumpachs mutter, fraw Argula, geraten, die ist hir bey uns gewest vnd hatt mit mir gessen …10

Nach dem Besuch zog sie weiter nach Augsburg. Die große Reichsstadt war Handels- und Finanzzentrum aber auch einer der wichtigsten Mittelpunkte reformatorischer Aktivität. Die Augsburger Drucker hatten Argulas Schriften aufgegriffen, sie war in der Stadt keineswegs unbekannt. Sie bekam sogar eine schriftliche Warnung vom Kaiser gegen das Schreiben oder Drucken von „schmachbuechlein“ während des Reichstags.11 10

WAB 5, 347. Die handgeschriebene Kopie war an sie persönlich gerichtet; BayHStA Grombach, Nr. 29. 11

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Wusste man vielleicht, dass sie vorhatte in Augsburg aufzutauchen? Es scheint, dass man ihre Schriften der frühen 1520er Jahre nicht vergessen hatte, und dass sie immer noch als ein Störenfried betrachtet wurde. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sie vorhatte, Flugschriften zu verfassen. Sie wurde aber zweimal in bedeutender Weise in Augsburg aktiv. Seit Jahren war das reformatorische Lager durch heftige Kontroversen über das Verständnis des Abendmahls gespalten, doch jetzt war es besonders wichtig, gegenüber dem Papst und dem Kaiser eine geschlossene Front zu bilden. Die schärfsten Unterschiede waren zwischen dem Züricher Reformator Ulrich Zwingli und den Wittenbergern entstanden, aber alle Schweizer, die Straßburger und andere Süddeutsche hatten Schwierigkeiten mit Luthers „realistischem“ Verständnis der Gegenwart Christi im Abendmahl. Die Wittenberger lehnten entschieden das Verständnis des Abendmahls als Opfer ab und betrachteten die Transsubstantiationslehre als rein philosophische Spekulation. Sie wollten die biblischen Beschreibungen des Abendmahls in ihrem direkten und einfachen Sinn verstehen: Nach der Konsekration seien der Leib und das Blut Christ wirklich und körperlich gegenwärtig. Zwingli und die süddeutschen Städte hatten ein mehr symbolisches oder spiritualistisches Verständnis von der Gegenwart Christi. Der Landgraf Philipp von Hessen, eine Schlüsselfigur in der Verteidigung und Förderung des Protestantismus, hatte 1529 die beiden Gruppen zu einem Gespräch in Marburg eingeladen, in der Hoffnung, dass man die Unterschiede beilegen könnte. Leider wurden sie durch das Gespräch noch verschärft. Den verschiedenen Deutungen lagen unterschiedliche philosophische Voraussetzungen und ein anderes Verständnis der Gottheit Christi zugrunde. Es war alles andere als einfach. Die Kontroverse hatte persönliche Verbitterung und scharfe Polemik hervorgerufen, die nicht nur Fürsten wie Philipp von Hessen, sondern viele Laien mit Sorge beobachteten. Es ist aufschlussreich, dass die Laiin Argula sich dazu berufen fühlte, alles zu tun, um die gegensätzlichen Gruppen wieder zum Gespräch zu bewegen. In Augsburg traf sie mit dem Stadtarzt Gereon Sailer und mit dem Prediger Urbanus Rhegius zusam© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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men. Es ist unwahrscheinlich, dass sie die Reise unternommen hätte, ohne vorher Kontakt mit ihnen aufgenommen zu haben. Briefe sind aber nicht erhalten. Rhegius, der einflussreichste Prediger in der Stadt, hatte in Ingolstadt studiert und war bekannt für seine Ansicht, dass Frauen bei der Verbreitung des Evangeliums eine Schlüsselrolle spielten.12 Gereon Sailer, der ebenfalls in Ingolstadt studiert hatte, genoss einen guten Ruf in Augsburg; er pflegte Beziehungen zu Straßburg, Zürich und Wittenberg, und war als „Makler“ zwischen den verschiedenen Parteien bestens geeignet.13 Die drei Laien – die adelige Frau, der Arzt und der Prediger – konnten leicht eine gemeinsame Basis finden. Es gelang ihnen auch, Philipp Melanchthon zu einem Treffen mit dem Straßburger Reformator Martin Bucer zu überreden. Das Ziel war, zu sondieren, ob die beiden Gruppen, die Wittenberger Theologen einerseits, und die Theologen aus der Schweiz und aus Südwestdeutschland andererseits, doch noch zu einer Verständigung kommen könnten. Melanchthon sträubte sich anfangs dagegen, den Mittelsmann zu spielen, selten eine beneidenswerte Rolle. Am Ende waren die Überredungskünste dieses seltsamen Trios erfolgreich und Melanchthon und Bucer, beide irenischen Temperaments, kamen zu einem kurzen Gespräch zusammen.14 Es war nicht mehr als ein erster, tastender Schritt, erwies sich aber als hilfreich auf dem Weg zum gegenseitigen Verständnis. Mit der Zeit wurde klar, dass die Süddeutschen an die echte Gegenwart Christi im Abendmahl glaubten, nicht an eine rein symbolische, wie oft angenommen wurde. Die Wittenberger Konkordie von 1536 kann als Frucht vieler langjähriger vorbereitender Diskussionen wie der in Augsburg gesehen werden. Argulas Beteiligung signalisiert, wie wichtig es für Laien war, ob 12

1537 gab er eine Schrift Dialogus oder Gespreche Urbani Rhegij mit seiner Ehelichen Hausfrauen heraus. Seine Frau Anna betrachtete er als Vorbild für das Christentum der Laien; Zschoch, Reformatorische Existenz, 100; 364 – 365. 13 Häberlein, „Gereon Sailer,“ 14 – 39. 14 Bucer, Briefwechsel IV, 228 – 241, esp. 230, 237. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Männer oder Frauen, eine Lösung zu finden für solche komplexen aber wesentliche Fragen, die soviel Energie verschlungen und die Einheit der Protestanten geschwächt hatten. Es ergab sich noch eine zweite Gelegenheit für sie, vielleicht durch Spalatin ermöglicht, die protestantischen Fürsten mit energischen Worten zu ermutigen, wie 1524 in Nürnberg. Sie erinnerte sie daran, dass alles in den Händen Gottes lag, wie Psalm 121,3 betonte. Justus Jonas berichtete an Luther, dass sie die Fürsten ermahnt hatte, sie dürften sich nicht auf ihr politisches Geschick und pragmatische Überlegungen verlassen. Sollte der Reichstag gut ausgehen, mussten sie lieber die Schrift genau lesen und ihr Vertrauen auf Gott setzen, der Israels wahrer Beschützer sei. Es war ein bekanntes Thema bei ihr. Die Worte sind fast identisch in ihrem Brief an Spalatin vom 14. Juli: „Fürchtet Euch nicht, die Sach ist Gottes. Der sie in uns, ohne uns anfangen hat, der weiß, und wird uns wohl beschützen. Er schläft nicht, der da behütet Israel. Die Sache ist sein, er wird den Streit wohl stillen und hinausführen.“15 Man muss sich vergegenwärtigen, wie groß der Druck auf die Fürsten war, wie sehr sich 1530 Ängstlichkeit und Bedenken im protestantischen Lager breitgemacht hatten. Nicht ohne Grund. Melanchthon war sich der Bedrohung eines groß angelegten Krieges sehr bewusst und litt unter der Verantwortung, die er in Luthers Abwesenheit zu tragen hatte. Der Reichstag hätte ganz anders ausgehen können. Der Kaiser, ein berühmter Verfechter des Katholizismus, kehrte nach langer Abwesenheit nach Deutschland zurück, was dem reformatorischen Lager große Sorgen bereitete. Die innerprotestantischen Konflikte über das Abendmahl waren alles andere als hilfreich. Man vermutete auch, dass der Schwäbische Bund sich rüstete, um eine militärische Lösung herbei zu führen. Als Karl V. in Augsburg am 15. Juni ankam, verbot er sofort die evangelische Predigt in der Stadt und erwartete (vergeblich) die Teilnahme der protestantischen Fürsten an der Fronleichnams15 WAB 5, 536; Salig, Historie der Augspurgischen Confession, Bd. 1, 264; Spengler zitierte denselben Vers in seiner Luther-Apologie vom Wormser Reichstag; Hamm, Spengler ; Schriften, 220.

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prozession durch die Stadt. Der Kurfürst Johann von Sachsen musste mit Einschüchterungen aller Art fertig werden und soll sehr darunter gelitten haben. Man schob der protestantischen Minderheit die Schuld am Bauernkrieg und am Entstehen des Täufertums zu.16 Argula war wie Urbanus Rhegius überzeugt, dass die Protestanten, Fürsten und Reichsstädte einander beistehen mussten und Philipp von Hessen unterstützen sollten, der so viele Bedrohungen und Belastungen abwehren musste. Traditionsgemäss betrachteten die protestantischen Städte den Kaiser als einen Alliierten gegen die territorialen Ansprüche der Fürsten. Die Reichsstädte mussten immer auf der Hut sein. Trotz solcher Widrigkeiten und Spannungen wurde das lutherische Glaubensbekenntnis, von Philipp Melanchthon verfasst, am 25. Juni in Gegenwart des Kaisers und der Stände verlesen. Das dauerte nicht weniger als zwei Stunden. Der Kaiser hatte sich der öffentlichen Verlesung zwar widersetzt, aber die protestantischen Fürsten setzten sich durch. In klaren und unpolemischen Worten stellte die Confessio Augustana das Selbstverständnis und die Lehren der entstehenden lutherischen Kirche dar : „ein heilige christliche Kirche… welche ist die Versammlung aller Glaubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakrament lauts des Evangelii gereicht werden.“17 Das erfolgreiche Ergebnis des Reichstags bedeutete wohl, dass Argula mit neuer Zuversicht nach Lenting zurückkehrte. Es wird sie auch getröstet haben, dass sie – erstaunlich für eine Frau – ihren eigenen Beitrag leisten konnte, auch wenn man natürlich seine Bedeutung nicht überschätzen sollte. Ihr guter katholischer Freund, der Eichstätter Domherr Friedrich von Leonrod, betrachtete Augsburg und die zu erwartenden Folgen mit anderen Augen. Wie viele vernünftige Menschen sah er auf beiden Seiten Gutes und Schlechtes. Reform sei

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Brecht, Ordnung und Abgrenzung, 375 f; zum Reichstag, ibid., 356 – Die Bekenntnisschriften der evangelisch=lutherischen Kirche, 61. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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zwar nötig, aber sein Brief an Argula vom 27. Juni 1530 war voller Bedenken: Als Ir mir auch schreibt es sein vill gelerter leut zu Augpurgk uff dem Reichstag dem ist also, aber wolt got das sy jr kunst recht geprauchten vnd in (ihnen) gott die genade mitthailt das sy es widerumb als gutt machten als bos vnd widerwertig sy es gemacht haben, und doch dabey¨ bose mysbrauch so in geystlichen vnd weltlichen stenden sei abgethan vnd reformirt wurd, das ich meines thails wol leiden mocht.

Der Brief fing mit praktischen Dingen an: Wolgeborne edle vnd gnedige fraw, auch fruentliche liebe geschweghe, ich habe eur schreiben sampt der zehen gulden des gleiches die schrifft von eurem schultheißen (Hauptmann in Zeilitzheim)) Andre Muller, darin er die armut vnd nott der underthan anzeigt, alles vernommen vnd empfangen; und wie woll ich schon Herrn Geyser von Hesperck der gantzen pension des vergangen jars neulich 20 gulden, der dan kein gedult vnnd an Verzuge alwegen bezalt wille sei, entricht habe; darzu so wist ir woll, das der pfar einkommen am maysten an zehent traids und weins ist, vnd alles einpracht und gesamlet ist, und on nott den armen der pfar einkomens halber kue ader kelber aufzutreyben, wie der schulthais schreibt; doch nichts dester weniger so wille ich gern gedult haben bis uff den herbst doch euch dinstlich vnd fleissig bitten, jr wolt in mit fleis darob sein, dass ich uff solcher zeit, laut gemelten schulthaysen schreyben, gewisslich bezalt werde dan ich ye bysher diser pfar nit geneyssen, solt ich der dan entgelten were mir schwer …

Die Schlussworte waren entwaffnend: Ir zeicht mich auch ich habe euch lang nichts geschriben ist woll war (wahr) ich habe euch aber newlich nichts neues wissen zuschreyben auch nit alwegen botschafft (Boten) kommen haben, zu dem so bin ich auch sauberlich faull vnd drege, wie dan das meines hantwergks prauch ist; darumb so wolt mich entschuldigt haben …18 18

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Kapitel 8

Man merkt den Unterschied zwischen dem liebenswürdigen Friedrich von Leonrod und dem vielbeschäftigten Althamer. Leider verschlechterten sich Argulas Beziehungen mit dem Chorherrn in den kommenden Jahren. Obwohl die Briefe freundlich genug blieben, fällt gelegentlich ein etwas gebieterischer Ton auf. Er selber stand unter Druck; er bemerkte, dass die Menschen zunehmend „hefftig und hitzig“ seien.19 Die Zeit der endlosen Diskussionen schien vorbei zu sein: kritische Analysen und hoffnungsvolle Visionen waren immer weniger gefragt. Man wollte eher den reformatorischen Ideen Gestalt geben, das Gemeindeleben neuordnen, den Gottesdiensten feste Formen geben. Argula hatte auch ihren Anteil daran, wie zahllose andere Laien; ihr Beitrag ist uns bekannt, weil ihre Briefe, wenn auch lückenhaft, erhalten sind. Wenn sie die bayerischen Herzöge nicht überzeugen konnte, ihre Territorien nach ihren evangelischen Vorstellungen zu reformieren, versuchte sie jetzt ihren Einfluss auf lokaler Ebene geltend zu machen. Wie Speratus im Januar 1524 argumentiert hatte, wenn in der „Babylonischen Gefangenschaft“ in der man lebte, ein ordinierter Prediger nicht zur Verfügung stand, müsse: „jeder von uns in seiner häuslichen Umgebung bereit sein, allein oder mit seinen Nachbarn in Demut und der Furcht Gottes zu predigen, nicht zweifelnd, dass der Geist Gottes uns in alle Wahrheit führen wird.“20 Innerhalb ihres eigenen Einflussbereichs, in Burggrumbach und Zeilitzheim im Norden, unterstützte Argula evangelische Prediger und Gruppen von Laien, Männern und Frauen. Der evangelische Prediger Jakob Pfeffer ging 1527 von Zeilitzheim nach Volkach, die dortige Gemeinde wurde die Mutterkirche mehrerer Gemeinden. Pfeffer kam dann 1538 nach Gerolzhofen, wo eine starke evangelische Gemeinde entstand.21 Was sich im Reichstag von Augsburg auf Reichsebene anbahnte, wurde in Dörfern und Städten in Franken allmählich Wirklichkeit. Ihr 19

Ibid., Nr. 37. Im Vorwort zu seiner deutschen Übersetzung von Luthers Gutachten für den Rat der Stadt Prag, wie man Pastoren einsetzen sollte: De Instituendis ministris Ecclesiae; WA 12, 166. 21 Kuhr, Ritterschaftliches Pfarrerbuch, 242; ADB 33, 573 – 574. 20

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Zwischen Hoffnung und Verzweiflung

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Proteg¦ Arsacius Seehofer, wenn man ihn so nennen darf, wurde nach seiner Flucht aus dem Kloster Ettal ein erfolgreicher Pfarrer in Württemberg.

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Kapitel 9: Ein mühsamer Kampf

Der Reichstag von Augsburg war ein eindeutiges Zeichen, dass die lutherische Reformation in Deutschland Fuß gefasst hatte. Ihre Verbreitung setzte sich auch fort, vor allem im Norden Deutschlands. Der Bauernkrieg hieß nicht, wie man einmal meinte, dass nach 1525 die Popularität der Reformation vorbei war. Prediger konnten das gemeine Volk weiterhin begeistern. Vor allem in den Katechismen, Kirchenliedern und Kirchenordnungen schlug die neue Kirche feste Wurzeln. Die religiösen Fronten verhärteten sich aber. In Bayern zeichnete sich die unversöhnliche Feindschaft des Hofes den Lutheranern gegenüber immer klarer ab.

Georg, der älteste Sohn Argulas Auftritt in Augsburg war ihr letzter auf der politischen Bühne. Sie war Witwe, Geldsorgen verschlangen viel Zeit und Energie und die Erziehung der Kinder war jetzt ihre höchste Priorität. Dem Rat Ketzmanns und Osianders folgend, ließ sie ihren ältesten Sohn Georg in Wittenberg studieren. Er musste Bayern verlassen und nach Sachsen ziehen – für den jungen Mann ein großes Abenteuer. Am Weihnachtsabend 1529 immatrikulierte er sich in der Lutherstadt, wo er bei Philipp Melanchthon wohnte. Luther kümmerte sich auch um ihn, er ließ ihn 1530 von

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Ein mühsamer Kampf

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Coburg aus grüßen.1 Die Bedingungen schienen sehr günstig für ihn zu sein. Doch das Studium gelang ihm nicht. Vielleicht war sein Latein nicht gut genug, um den Vorlesungen folgen zu können. Er war wohl sechzehn Jahre alt und scheint die Studien vernachlässigt zu haben, wie schon vorher bei Ketzmann. Von der frühen Begabung, die er in Nürnberg gezeigt hatte, war nichts zu merken. Im Januar 1533 spricht er in einem Brief an seinen alten Lehrer Ketzmann von ungelösten Problemen in Wittenberg, die er noch in Angriff nehmen musste und von denen, die „mir wenig gutz günnen; dan es ist ein altz her kumen (Herkommen), das man sich einß anderen unglucks freudt.“2 Er hatte hohe Schulden gemacht.3 Wir wissen nicht, was bei ihm falsch gelaufen ist; fehlte es ihm an Freunden, die Freude am Studium fanden, oder – wie bei vielen jungen Adeligen an den Universitäten – an Motivation? Kein Wunder, dass der siebzehnjährige Junge außer sich vor Freude war, als Kaiser Karl V. in Coburg für den kommenden Krieg mit Frankreich Truppen anwerben ließ. Georg von Grumbach sah die Chance, sich dem kaiserlichen Heer anzuschließen und schrieb sich ein. In einem eifrigen Brief wandte er sich an seinen Cousin, Hans Karl von Grumbach, mit dem er seine Pläne diskutiert hatte. Man erfährt, dass er Hans Karl sein Siegel gegeben hatte, was ein Vertrauensverhältnis voraussetzt. Er schrieb aus Königsbrück, in der Nähe von Bautzen, und hatte vermutlich Wittenberg schon verlassen: Mein freuntlich gruss zu vor lieber Hans. Wie ich mir fur genumen hab itzunt (jetzt) auff den zug mit zu zihen, so wiß das ich anders geklay¨d muss sein. Darumb nim Kaspar Plas zu dir vnd nim mir auß zu eim klay¨d tuchlin, daß oben zu gesess schwartz vnd gelb, und unten zu strumpfen sammet (Samt) und verkauff ein fuder oder andert halb wein auffs erst vnd schick mir das gelt bey Caspar Plas. Bit Adam (von Grumbach), das er dir gelt ley¨ , darffst nit sagen wozu, das du mir ein gelben atlas kauffst zu ein wams vnd ein schwartzen 1

Luther bittet Melanchthon: Saluta Georgium a Grumpach, WAB 5, 376. BayHStA Grombach, 12. Januar 1533; ohne Nummer. 3 Seine Mutter ließ die beträchtliche Summe von 13 Talern und 8 Gulden im Februar 1534 an Melanchthon schicken; Kolde, Seehofer, 183. 2

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Kapitel 9 barchent zu einem oberzuch (Obergewand) (…) Dann ich muss mir ein rustung kauffen, wil ich anderst edelmans besoldung hawen, bin auch schon geschrieben, kan nun nit wider zuruck, habs auch nit ym sin. So du den wein so baldt nit verkauffen kanst, ker fleyß ain, das duß entlehnst. So daß aber du auch nit zu wegen kans bringen, so lass nur den Plasen zu mir khumen mit dem klaydt, wil wol nach dem gelt schicken … schick mir mein sigil … Las mich in den fal nit ich wil etwas lernen … oder wil darob zu boden gen (gehen).4

Trotz seiner Begeisterung und Entschlossenheit, scheiterten die abenteuerlichen Pläne. Ob seine Mutter ein Machtwort sprach, wissen wir nicht; auf jeden Fall bewahrte sie seinen Brief an Hans Karl unter ihren Briefen auf. Seine Begeisterung erschien ihr vielleicht als Rückfall in die traditionellen Wertvorstellungen der Aristokratie. Es war ja seltsam, dass er sich so eifrig für den Kaiser einsetzte, der im Vorjahr in Augsburg die Protestanten so sehr unter Druck gesetzt hatte. Vielleicht kommt hier die politische Arglosigkeit des jungen Mannes zum Vorschein. Statt in den Krieg zu ziehen, machte er sich in Lenting nützlich. Manchmal blieb er auch in Ingolstadt, verhandelte mit Handwerkern, verkaufte dort die landwirtschaftlichen Produkte des Hofes. Es konnte sehr frustrierend für den jungen Adeligen sein. Seiner Mutter berichtet er von einem Markttag in Ingolstadt: Er kam vormittags an, als die Marktfahne schon im Wind flatterte, aber ihr Getreide war nicht gefragt, weil die auswärtigen Käufer nicht gekommen waren und die örtlichen Müller nur allerniedrigste Preise boten. Er und sein Diener Diepolt haben ihre Enttäuschung im Wirtshaus ertränkt. Er war immer noch sehr jung!5 Die Fastenzeit in Ingolstadt umging er still und heimlich, wie ein anderer Brief an die Mutter zeigt: weyter liebe fraw mutter, bit ich euch wollet mir die stiefel vnd sporen schicken das ichs wider geb, auch die hemete (hemd), den es 4

BayHStA. Grombach, ohne Datum und Nummer ; auf der Rückseite schreibt seine Mutter : von meinem sun georgen von grumbach ao 1531 als der kayser widern kunig von franckreich zu koburg angenommen. 5 Ibid., Nr. 41. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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ist das gar schwartz, wollet mir auch das bett zu lassen richten, auch ein stuck kes (Käse) schicken, dan mir dunckt imerzu der ingolsteter fasten suppen wollen mir zu schmal sein. Wil auch bitten, hertz liebe fraw muter, wollet mir ein wenig ein prant wein (Branntwein) in ein glesel schencken, dan man darff kain feyl haben (verkaufen) in der stat. Weyter darpff (bedarf) ich die institutiones, welche man vmb 50 krenzer angeferlich gibt…datum aus ingolstat am mitwoch nach letare Anno 1532.6

Niemand scheint es ihm übelgenommen zu haben, dass er in Wittenberg studiert hatte. Er hatte auch vor, nach Wittenberg zurückzukehren, entschied sich dann aber, in Ingolstadt Jura zu studieren, wie der Hinweis auf die Institutiones Justinians zeigt. Nur neun Jahre vorher hatte seine Mutter die Theologen dieser Universität angegriffen! Nach Ostern 1532 reiste er nach Burggrumbach. Nach dem Tod seines Vaters hatte ihn seine Mutter gebeten, sich um die Güter im Norden zu kümmern und wenn möglich die Lehen des Vaters in Zeilitzheim, Unterpleichfeld und Burggrumbach zu übernehmen. Die Rechtslage war kompliziert, weil auch Wilhelm von Grumbach, Hans und Adam von Grumbach und die Familie Fuchs an den Lehen beteiligt waren. Mit der neuen Aufgabe war er aber auch nicht zufriedener als in Wittenberg. Er langweilte sich in Burggrumbach zu Tode. Der Umgang mit den Grumbacher Verwandten, vor allem mit Wilhelm von Grumbach, war schwierig, auch mit der Familie Fuchs; sie nahmen den jungen Herrn nicht ernst.7 Einmal beschwerte er sich bei der Mutter über die bäuerliche Art der Grumbachs. Als sie den Brief las, wird sich Argula vielleicht gefragt haben, wie Georg den eigenen Vater gesehen hatte! Einmal überraschte Wilhelm von Grumbachs Hilfsbereitschaft Mutter und Sohn, als er sich beim Kanzler und beim Hofmeister des Fürstbischofs für Georg einsetzte.8 Die Umgangsformen des Landadels ließen viel zu wünschen übrig. Aus einem kultivierteren Umfeld kommend, erlebte Georg, 6

Ibid., Nr. 43. Ibid., Nr. 38. 8 Ibid., Nr. 32. 7

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Kapitel 9

wie die Einheimischen die gemeinsame Schüssel zu sich zogen, die besten Fleischstücke mit ihren Messern aufspießten und sie dann in ein Salzgefäß tunkten. Selten wusch man sich die schmierigen Hände im Messingbecken, die Knochen ließ man einfach unter den Tisch fallen. Vom Niesen, Kratzen, Husten, Rülpsen und Furzen nicht zu reden. Vor allem litt er an Heimweh. In seinen Briefen erwähnt er oft die bayerischen Freunde, die er vermisste. Er fühlte sich bei den Franken nicht zu Hause und wollte möglichst bald nach Lenting und Ingolstadt zurückkehren. Die Familie war ihm wichtig. Seine Briefe bezeugen, dass er ein liebevoller Sohn war, sensibler als Hans-Jörg, der sich nach Burggrumbach begab, als in Ansbach die Pest ausbrach und er die Schule zeitweise unterbrechen musste. Georg zeigte sich aber etwas überfordert und unsicher. Ihm fehlte das Zusammenleben mit seinesgleichen, eine Erfahrung, die Argula am Münchener Hof gemacht hatte. Familien aber, die des Luthertums verdächtig waren, waren nicht mehr in München willkommen. Georg schrieb lange Briefe aus dem Norden an seine Mutter. Die Ankunft des Familiendieners Diepolt habe ihn erfreut, schrieb er nach der Kirmes (Kirchweih) in Burggrumbach: Ich hab euch auff dies mal nichts neues wissen zu schreyben, dan das ich Wilhelm von Grumbach, meinen vettern, zwey¨ mal da haim hab gesucht aber nie gefunden, darumb kan ich euch weder der pucher halben noch der lehen halben auff diess mal kein unterricht anzaygen. Ich wil mich auff das erst so ich kan wider haim finden, dan die wey¨l ist mir ser lang, weiss got. Dan ich hab gar nimant der zu mir kam als Adam von Grumbachs sün, der Hans is do haym. Er ist aber ein bauer nach der Grumbacher art. Hat mich auch Adam darumb auff die Kirmess geladen, dan sein jeden sambt sein wey¨be vnd zwey iungk frauen sein, freylich fuchsin (Mitglieder der Fuchs Familie) sein auch hie gewest, sol ich in (ihn) dienen sambt seinem sohn. Bin ich warlich nit wol auff das geprenck abgericht; hab mich doch des getrost, das frenckin (Franken) sin(d), was wol kein neuheyt sie sin. Ist euch an zweyffel wol bewust.

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Er hätte gern mehr darüber geschrieben, aber müsse bei Adam von Grumbach bleiben: den er ists auch wunderlich wie altter leut vnd Grumbacher art ist. Er mochts nichts anderst anstehen, so ists ein gemein sprichwort: ,mit den wolfen sol man heulen’. Wie ich euch oben angezaygt hab, wil ich die sach eueren bevelch nach auffs furderlichst ausrichten sambt grossen fley¨ss. Ir wist aber on zwey¨ ffel wol, wie es zu get, wen einer etwas zu handeln hat, das einem die leut nit von stundt an abfertigen. So furcht ich mich for nichts, das mich auffhalten wer, dan die zu entpfangene lehen. Andere sach wurt euch der hans jorg von grumbach, euer sohn, anzeygen; ich woll euch baldt wider schreyben. Last mir Meyster Wolffgang, den Zirner, freuntlich grussen, die Bayern zeygt in (ihnen) an, das sie mir alle meine guten freundt vnd gunner freuntlich grussen, het in gern schrieben; habts nit thun khunnen. Damit seyt wider got bevolhen schreibt mir baldt wider.9

Erst neunzehn Jahre alt, musste Georg mit Problemen fertig werden, die Argula lebenslang beschäftigten. Er hatte keinen Erfolg. Die komplexen Diskussionen mit der Fuchs-Familie und mit den anderen Grumbachs hätten auch einem älteren Kopf Schwierigkeiten bereitet. Am Ende musste Argula die Sache selbst in die Hand nehmen und kam mit der Familie Fuchs zu einer guten Vereinbarung über Zeilitzheim. Die Pest brach in Burggrumbach, wie so oft im Sommer, aus. Hans-Jörgs Abreise aus Ansbach hatte nichts genutzt. Die Weinpreise waren sehr niedrig und Georg konnte nur eine Wagenladung zu einem vernünftigen Preis verkaufen; mit dem Ertrag bezahlte er einige Rechnungen.10 Er wollte möglichst bald nach Hause, musste aber warten, bis der Wein verkauft wurde, denn seine Mutter brauchte das Geld. Georg wurde allmählich reifer. Er hatte schon einige Erfahrungen gesammelt. Seiner Mutter schrieb er entspannt, fast lustig. Er konnte sich gut ausdrücken, webte Sprichwörter in seine Briefe hinein; ein genuiner Dialog zwischen Mutter und Sohn 9

Ibid., Nr. 35. Ibid., Nr. 38; 5. Juni 1532.

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Kapitel 9

kam zustande. Er gab ihr Nachrichten weiter, weil er wusste, dass sie sich für die Ausbreitung der Reformation interessierte. Informationen waren manchmal von Gerüchten nur schwer zu unterscheiden. Der verworrene Bericht, den der Brief an seine Mutter vom 15. März 1532 enthält, basiert vielleicht auf der Nachricht über die Niederlage von Zürichs Protestanten bei der Kappeler Schlacht im Oktober 1531: „Darumb so wist das Mayster Wolffgang Echterding newe zeytung gewisslich ware, so sie anderst nit der logen (Lügen) sindt, geschrieben worden sindt, welche ich wie bilich ist, euch nit hab wollen verhalten.“ Ein Domherr in Eichstätt berichtete: wie zu zurch bey vier hunderrt man des newen glaubens, wie geschrieben stet, gefunden sindt worden, todt, nit verwundt oder gestochen, sunder uber ein hohen fels abgefallen. Stet auch weyter also geschrieben. Stet das auch 16 person sein gesehen worden, ziehen gegen einem grossen hauffen des newen gleubenss, und den hauffen yn die flucht geschlagen. Da pey stet auch geschrieben, das etlich von zurch, die bey¨ dem selbigen grossen hauffen sollen sein gewest, also anzeygen, das for (vor) den selbigen 16 person, die wider den grossen hauffen gewest, sind ein fraw in weysen klayder geklayt gegangen sey, welche vorleyssent hab gehabt ein grossen hundt, welcher auch den angriff an dem hauffen gethan hab, vnd selbige frawe sey gehalten worden fur unser fraw (die Jungfrau Maria). Dar fur aber und von solchem gesicht sey¨ der grosse haufen also ser der schrecken, das er die flucht geben hab vnd also ser geschlagen und zerstrewt von den 16 person sey worden. Solche newe Zeytung ob sie war sindt und was das sin ein glaub sey, den sie den neuen glauben nemen mocht ir euch selber daruber bestimmen.11

Als Erbe seines Vaters war Georg jetzt der Junker, der junge Herr. Er besaß ein Siegel und sein eigenes Pferd. Er war sehr umgänglich und hatte viele Freunde, wie die Briefe zeigen. Es stand ihm frei, herumzureiten; als Adeliger bekam er auch leicht Kredit, was ihm zu Kopf stieg. Er verschuldete sich in den Herbergen. Der verblüffte Wirt der „Goldenen Gans“ in Nürnberg, Hans Egerstorffer, beschwerte sich bei Argula, dass ihr Sohn seinen Abschied genommen hatte, ohne die beträchtliche Summe von 12 11

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Gulden zu begleichen, auch sein Pferd hatte er im Stall zurück gelassen, ohne Anweisungen, ob man es verkaufen sollte.12 Gelegentlich, wenn ihm das Geld ausging, bot er sein Siegel als Sicherheit.13 Im Herbst 1532 entschied er sich, nach Wittenberg zurückzukehren, um seine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen und seine Studien fortzusetzen, wenigstens für ein paar Semester. Er wusste, dass es sonst aussichtslos war, ein Amt zu bekommen. Auf dem Weg nach Wittenberg wurde er in Leipzig in ein Gefecht verwickelt. Wir wissen nicht worum es ging; Fehden und Gewalttätigkeiten kamen unter jungen Adeligen oft vor und die Gewalttätigkeiten der Ritter in Franken am Anfang des 16. Jahrhunderts waren berüchtigt.14 Vielleicht war die Familie besonders jähzornig. Später wurden auch seine beiden jüngeren Brüder, Hans-Jörg und Gottfried, in ähnliche Streitigkeiten verwickelt. Er war schwer verletzt und musste monatelang bei dem Leipziger Kaufmann Nicholas Geißler bleiben, der den guten Samariter spielte. Geißler stammte aus Würzburg und kannte die Familie Grumbach sehr gut. Ohne seine Hilfe hätte Argulas ältester Sohn den Unfall kaum überlebt. Geißler holte einen Arzt, der die Wunden behandelte und wohl heilende Öle und auch Opium anwandte, um die Schmerzen zu lindern. Der Vorfall war ein schlechtes Omen für seine Zukunft. Man kann sich die Sorgen der Mutter vorstellen als sie Geißlers Brief vom 19. Februar 1533 öffnete: Meinenn willichenn vnbekantenn dienst zuvor erbare und edle frowe. Es hat sich begeben, dass Ewer son Jorg von Grumpach zue mir kummen ist auff vorgangenn Dionisi vnd vor wündt, daß im fast ein hant ab ware; mich gebeten vmb herberch hab ich im nicht können vors agen, vnd im ein artzt geschickt, der neben alle vleiss mit jm gethon, ich gelt gelihen, dass er mir schultig ist bey xx reinisch gulden.Solt er mir 17 fl. wider gelegt hab der Kunigunt Hertzotens buchdruckerei zuo nüremberg auff vorgangen New jare ist aber nicht geschehen (…) 12

Ibid., Nr. 55. Ibid., Nr. 26. 14 Barge, Geyer, 8. 13

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Kapitel 9 Da ich wie ein Franck kenne, das geschlecht als Adam von Grumpach, Wilhellm, Karel, Jorg von Grumpach, der alt Her Hans, Her Wibrecht, den got genadt, iungen Her Eber, Her Oswalt etc. Dan hab dem stift zu Wurtzpurg ein langezeit gedint vnd mich in ehelichen standt gegen Leiptzk gewendt vnd manchen edell und vnedelen Studenten vor gestrackt.15

In seiner finanziellen Not bat Georg seinen alten Lehrer Johann Ketzmann um eine Anleihe, um Geißler zu bezahlen. Er nahm an, dass Ketzmann von seinem „Unglück“ in Wittenberg wusste. Er erzählte von seinem Unfall in Leipzig, der ihn an der Rückkehr nach Wittenberg und der Erledigung seiner Angelegenheiten gehindert hatte. Er sei aber entschlossen so schnell wie möglich seine Studien fortzusetzen. Er unterzeichnete mit: „Georgius a grumbach discipulus tuus“, entschuldigte sich, dass das der einzige lateinische Satz im Brief war und fragte nach dem Wohlergehen der Familie.16 Auch wenn sich die Beziehungen zwischen Lehrer und Schüler seit der heftigen Auseinandersetzung an Ostern 1529 verbessert hatten, zeigt diese Bitte um Geld, wie verzweifelt er war. Ketzmann war hilfsbereit, aber Argula musste schließlich für die Kosten aufkommen. Geißler bekam sein Geld endlich im Herbst 1534.17 Inzwischen war Argula mit ihrem zweiten Ehemann in Prag gewesen.18 Argula musste diese bittere Pille schlucken. Das akademische Leben war für Georg vorbei. Es fehlte ihm nicht an gutem Willen, aber er konnte sich nicht von den schlechten Angewohnheiten des Adels trennen: „herumstolzieren“, andere herausfordern, Schulden machen, über seine Verhältnisse leben. Er war noch jung und es war bestimmt nicht leicht für ihn, aus dem Schatten seiner gebieterischen Mutter und eines gescheiterten Vaters zu treten. 15

BayHStA Grombach, Nr. 45. Ibid., 12. Januar 1533, nicht nummeriert. 17 Ibid., Nr. 49. 18 Georg hatte sich auch noch 20 Gulden von einem anderen Leipziger Bürger Conrad Dewerlein, geliehen. Argula erstattete ihm das Geld zurück; ibid., Nr. 26. 16

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Es lag nicht nur an ihm. Johann Ketzmann war ohne Zweifel begabt und engagiert, hatte aber die Begeisterung seines Schülers nach den ersten Jahren nicht wecken können. Wie hätte eigentlich eine geeignete Erziehung für einen jungen Adeligen aussehen müssen? Wie effektiv waren die Bildungsmethoden und die pädagogischen Perspektiven dieser Zeit?19

Hans-Jörg Sein Bruder Hans-Jörg war Schüler bei Andreas Althamer in Ansbach. Wahrscheinlich verwendete Althamer seinen neuen Katechismus, um Hans-Jörg im christlichen Glauben zu unterrichten. Auf seiner Rechnung für das Jahr 1529 nennt er einen lateinischen Katechismus, ein Liederbuch, die Lateingrammatik von Donatus und auch von Melanchthon, de Civilitate von Erasmus, dazu die Kosten für Kleider, Schuhe und Heizung. In den nächsten zwei Jahren kamen Aesops Fabeln dazu und de Paedologia von Mosellanus. Die Lebenskosten waren bescheiden, in der Rechnung klar und präzis aufgeführt.20 Althamer hatte die bei Akademikern seltene Begabung, in einfacher, farbiger Sprache zu schreiben. Er erklärte, dass das griechische Wort „katechesis“ Widerhall bedeute, „wie die tall (Täler) oder walt ein widerhal auff vnser geschray geben.“21 Das Kind lerne durch Frage und Antwort, die Worte des Lehrers zu wiederholen. Sein Lehrbuch von 1528 war das erste, das den Titel „Katechismus“ trug. Er war fest überzeugt, dass Eltern und Lehrer eine große Verantwortung für ihre Kinder hatten und zitierte gern den klassischen Dichter, Horaz: Ein Hase folge immer den frühen Neigungen; eine gesunde Gesellschaft solle mit dem Unterricht, der Ausbildung und Erziehung der Jugend möglichst früh anfangen, während sie noch formbar sei. Sonst wird der Teufel ihr 19

Vgl. Strauss, Luther’s House of Learning. BayHStA Grombach, Nr. 20, 21, 31; teilweise abgedruckt bei Kolde, Seehofer, 185 – 187. 21 Kolde, Althamer, 86. 20

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„Abt“ sein, ihr ganzes Leben bestimmen: „der laydig Teuffel gar abt ist worden.“22 Seine eigene Frömmigkeit war echt und tief. Christus war „allein der biderman auff erden“ und nur durch Christus könnten wir Glauben finden, selbst „bieder“ werden, und dem Nächsten nützlich.23 Seine Arbeit für Markgraf Georg von BrandenburgAnsbach war ein wichtiger Beitrag zum Aufbau der neuen lutherischen Kirche. Argula hatte gehofft, dass Hans-Jörg am Hofleben des Markgrafen teilnehmen könnte, aber das ließ sich nicht verwirklichen. Althamer erklärte in seinem Brief vom 26. Mai 1530, dass der Hof mit anderen Sachen beschäftigt war, wohl mit dem kommenden Augsburger Reichstag. Vielleicht zeigte es auch, dass Argulas Einfluss begrenzt war. Hans-Jörg wohnte bei Althamer und erhielt dieselbe klassische Ausbildung wie Georg. Man hat aber den Eindruck, dass er immer ein widerspenstiger Schüler war. Seine Welt und die humanistische Welt von Althamer trafen sich nicht. Althamer war, wie Ketzmann, ein strenger Lehrer, überzeugt, dass körperliche Strafe nötig war, um den Schülern Disziplin und Schamgefühle einzutrichtern. Um die Seele zu retten musste man den Körper schlagen! Kurz nachdem Argula Hans-Jörg in Ansbach besucht hatte, bekam sie diesen Bericht: So behor ich in (ihn) al abent selber vnd hab in mer der lernung halben gestrichen (geschlagen) dan anders dings halben. Er hette nicht ein böses ingenium (keine schlechte Intelligenz) wan er selbs trayben wolt vnd fleis ankeren. Ich gib seiner iugent die schuld, wirt villeicht noch anders werden. So wirt yr solichs nit dorft fürchten, man halte in zu hart. Dann wir wissen auch wie man die iugent halten soll. Es lernets vns auch Salomon in seinen spruchworten.24

Kein Wunder, dass Hans-Jörg begeistert war, als er im Frühling 1531 die Chance bekam, seinen Verwandten Friedrich von 22

Ibid., 83 – 84. Ibid., 94. 24 BayHStA, Grombach, Nr. 20; Spr. 13:24: „Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn: wer ihn aber liebhat, der züchtigt ihn bald.“ 23

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Grumbach in Friesland zu besuchen. Überschwenglich gelobte er Friedrichs Bruder Oswald von Grumbach, dass er sich treu, züchtig und gehorsam verhalten würde.25 Argula hatte gerade die Aussaat der Felder im Norden beaufsichtigt. Vermutlich wollte sie Hans-Jörgs Begeisterung nicht im Wege stehen. Der angekündigte Besuch bot ihm Gelegenheit, die Welt außerhalb Frankens zu sehen und seine Verwandten dort kennenzulernen. Nach seiner Rückkehr ging er wieder zur Schule, aber Althamer machte sich Sorgen wegen seiner fehlenden Disziplin. Vermutlich war Hans-Jörg der Meinung, dass die Schulbank nicht mehr seine Sache sei. Er war kein Kind mehr.

Apollonia Argula war entschlossen, dass ihre Tochter, genau wie sie, eine gute Erziehung erhalten sollte und so besuchte auch Apollonia eine Schule in Nürnberg. Die Geschichte von Martha und Maria aus dem Lukasevangelium hatte Argula sehr beschäftigt. Warum sollte ihre Tochter in die Rolle von Martha, als Hausfrau, Mutter und Ehefrau eingezwängt werden? Marias Freude am Lernen sei doch der allerbeste Weg, wie Jesus sagte.26 Nur der kleine Gottfried war jetzt noch zu Hause, und das Lentinger Schloss wird etwas leerer gewirkt haben, als Apollonia nach Nürnberg fuhr. 1532 ist Apollonia fast gestorben. Einundfünfzig Wochen lang war sie krank. Es war eine kostspielige Sache. Die Tochter musste während der langen Genesung in Nürnberg versorgt werden und zu diesen Kosten kamen noch 20 Gulden für den Arzt. Sie war nicht an der Pest erkrankt, obwohl die Symptome ähnlich waren: Ihr kleiner Körper war mit Beulen und Pickeln bedeckt. Am Tag nach Ostern 1532 schrieb ihr die Mutter : Gnad vnd frid sey mit dir mein lyeber dochter ich füg dir zu wissen, das ich vnd deine geschwister gar gesund synd, got well zu seinem lob 25

Ibid., 22. März 1531; nicht nummeriert. Die Geschichte von Martha und Maria (Lukas 10.42) kommt zweimal in ihren Flugschriften vor; Matheson, Schriften, 70, 148. 26

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Kapitel 9 der gleichen. Bin ich erfreud das sich dein sach also zu gesundt wie ich zu got hoff, schickt. Dan mir hat der hans karl gesagt, es school (verschollen) sy dein schaden und er vermayn es soll dir nun der schwame vnd pützen heraus sein gefallen syhe, und halt dich recht nach dem radt deines artzt vnd sy (sei) got vnd ym danckpar, sey gotfüorchtig, redlich, geduldig vnd frum.

Sie schickte ihr einiges Geld und sie sollte dem Lehrer danken, dass er mit der Bezahlung der Schulden geduldig ist: „Meiner lyben dochter appolonia von grumbach gehördt der brieff zu.“ Die moralischen Mahnungen und die fehlende Wärme in einem Brief an ein junges Mädchen, das sich gerade von einer langen, gefährlichen Krankheit erholte, lassen uns heute staunen; wir wissen aber nicht, welche andere Briefe und Besuche diesem Brief, der, wie es am Ende heißt „in eyl“ geschrieben wurde, vorangegangen waren. Oft wartete ein ungeduldiger Bote und ein Brief musste schnell abgefertigt werden. Als sie sich erholt hatte, zog Apollonia nach Ingolstadt, nicht so weit weg von Lenting, wo schon Gottfried bei Wolfgang Leydmayer in der Schule war. Ein kurzer Schuldbrief, einen Hans Furenschilt betreffend, bezeugt, dass sie ein eigenes Siegel besaß, gelegentlich für die Mutter finanzielle Transaktionen tätigte und mit klarer Handschrift schrieb.27 Leider wissen wir kaum mehr von ihr.

Die zweite Ehe Die dritte Dekade des Jahrhunderts wurde von Argulas Bemühungen um die Kinder beherrscht: Georgs Studienzeit in Wittenberg; Hans-Jörg in Ansbach, die ersten Schuljahre von Apollonia und Gottfried. Doch Argula musste sich auch über ihre eigene Zukunft Gedanken machen. Ihr Leben nach dem Tod ihres Mannes war schwer. Eine Wiederverheiratung kurz nach dem Tod des Gemahls war durchaus normal in dieser Zeit; Gott wolle nicht, dass man alleine lebte. Argula blieb drei Jahre lang alleine. 27 BayHStA Grombach, 5. Mai 1533; nicht nummeriert. Es betrug 9 Gulden und ein Taler Groschen. Ihr Lehrer Wolfgang Leydmayer bezeugte die Transaktion.

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Finanziell stand sie unter Druck, sie benötigte moralische Unterstützung und offensichtlich brauchten die jungen Männer einen Vater. Es war nie leicht, als Witwe in einer Männerwelt zu leben. 1533 heiratete sie zum zweiten Mal. Graf Burian von Schlick zu Passaun gehörte einer berühmten und wohlhabenden Familie aus Böhmen an, deren Mitglieder in Ingolstadt und Leipzig studiert hatten. Kaspar von Schlick (1396 – 1449) ist sogar Reichskanzler gewesen. Seit dem 15. Jahrhundert pflegte die Familie von Schlick enge Kontakte mit Sachsen, vor allem Handelsbeziehungen mit Leipzig. Die Stauffer hatten besonders enge Beziehungen mit der Falkenauer Linie dieser böhmischen Familie; Argulas Bruder Bernhardin von Stauff war mit Margarethe von Schlick verheiratet; die Ehe war leider keine glückliche. Margarethes Bruder Victorin heiratete Sekundilla, Argulas Schwester, Margarethes Schwester Anna von Schlick lebte mit ihrem Ehemann Gramaflanz, Argulas Bruder im geräumigen Schloss in Köfering. Apollonia war dort gern zu Besuch. Deswegen schien es ganz natürlich, dass auch Argula eine Schlickin wurde! Sie durfte ihre Briefe von jetzt an mit dem stolzen Namen „Gräfin Schlickin von Passaun“ unterschreiben. Jetzt hatte sie einen Mann, der ihre reformatorischen Interessen teilte, denn die Familie Schlick war bekannt dafür, den neuen evangelischen Glauben zu fördern.28 Eine Zeit lang hielt sich Argula in Prag auf, in der Heimat dieser prominenten böhmischen Familie, aber vor dem Ende des Jahres war sie wieder zurück in Lenting.29 Inzwischen hatten sich ganz erstaunliche Dinge ereignet. Die Rechtmäßigkeit der Ehe wurde von Mitgliedern der Familie Schlick in Zweifel gezogen 28

Ihr Bruder Gramaflanz und seine Frau Anna, Gräfin von Passaun schenkten ihr am 6. 1. 1534 zur Hochzeit einen Jahreszins von 19 Gulden als Pfand für die Hauptsumme von 380 Gulden; BayHStA Personenselekt Cat. 421/II Von Ehrenfels; 1534. A.Köf. 29 Geißler schreibt ihr am 9. September 1533 nach Prag, aber schon im Dezember schreibt sie an Friedrich von Leonrod aus Ingolstadt mit der Unterschrift: argula schlickin vnd greffin; BayHStA Grombach; Nr. 46, 48. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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und im Oktober 1533 wurde dem utraquistischen Konsistorium in Prag eine Beschwerde vorgelegt. Das Konsistorium konstatierte die Rechtmäßigkeit, aber anscheinend appellierte man an die römische Kurie.30 Vieles bleibt hier unaufgeklärt, aber offensichtlich gab es Spannungen zwischen Burian von Schlick und seinen Brüdern, die zu seiner spektakulären Verhaftung oder zu einem Hausarrest führten.31 Vielleicht waren die wiederholten Streitigkeiten zwischen Margarethe von Schlick und Argulas Bruder Bernhardin ein Grund, warum die Brüder von Burian von Schlick, aus der Schlackenwerther Linie, intervenierten. Die Beziehungen zwischen Margarethe und Bernhardin waren denkbar schlecht. Margarethe verließ ihren Ehemann mehr als einmal. Weil Bernhardin den ehelichen Verkehr, wie sie behauptete, verweigerte, verklagte sie ihn im Dezember 1532 vor dem Reichskammergericht. Sie forderte auch die Rückzahlung von 2.500 Gulden, die sie ihm angeblich geliehen hatte.32 Die Verhandlungen am Reichskammergericht schleppten sich bis 1539 hin. Bernhardin wurde beschuldigt, geschlechtliche Beziehungen mit einer anderen Frau zu haben. Sein Anwalt erwiderte, dass diese Frau seine Pflegerin war. Bernhardin sei von einer schweren Krankheit geplagt, wie sein Anwalt erklärte: von 30

Nach dem lateinischen Bericht über die Entscheidung des Konsistoriums am 2. Oktober 1533 appellierten die Vertreter Burian Schlicks, domini Buryani Slik delecti, an den Papst gegen die Entscheidung des Konsistoriums, aber die beiden Briefe Argulas an Herzog Wilhelm weisen in eine andere Richtung. Sie protestierte „auff bitt und begern meines lieben herren unnd gemahels Graven Burian Schlicken“ gegen die Forderungen, die „die Schlücken“ gemacht hatten und gegen die Verhaftung von Burian Schlick; Verhandlungen und Briefe des katholischen und utraquistischen Konsistoriums; I, 82 (Nr. 112); BayHStA Kurbayern Äußeres Archiv 2002, fol. 271 – 273. Die beiden Supplikationen an Herzog Wilhelm sind nicht datiert. Die zweite setzt den Tod von Burian von Schlick voraus und muss aus dem Jahr 1534 stammen. 31 1523 trafen Burian von Schlick und seine Brüder eine Vereinbarung: er sollte 1000 Gulden jährlich bekommen; Joachimsthaler Chronik des David Hüter, Urkundenteil, fol. 14. 32 BayHStA RKG 11488. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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einem „vilfaltigem, grossem, schweren vnndt (…) ubel schmeckendenn Krannckhaiten wie Ichs Anwaldt zum thaill uff dem reichstag zu Augspurgk anno 30 selbst gesehenn.“ Vielleicht handelte es sich um Syphilis.33 Bernhardins Anwalt beschrieb die Pflegerin als „ein uralts schwartz, haßlichs, ungeschaffens weib“ mit dem niemand schlafen möchte, selbst wenn einem die Verzeihung aller Sünden und eine Menge Geld versprochen würde.34 Ein Brief, den Gramaflanz 1534 an Bernhardin schreibt, wirft ein grelles Licht auf die Spannungen zwischen Margarethe und Bernhardin, aber auch auf die zwischen den beiden Familien. Gramaflanz berichtet, dass Margarethe den Ehrenfels und ihren Mann verlassen hatte und mit viel Hab und Gut in Köfering aufgetaucht war. Sie wollte bei Gramaflanz und seiner Frau Anna Zuflucht finden. Gramaflanz berichtet fast wortwörtlich über die stürmischen Begegnungen und Konflikte, die entstanden: Margarethe brach in Tränen aus und seine eigene Frau schrie erschütternd. Margarethe war entrüstet, dass Gramaflanz mit ihr so unfreundlich umging und drohte, ihn beim herzoglichen Pfleger anzuklagen, „wie ich jr gutt hab uff freyer furstlicher strass genommen.“ Margarethe ritt dann auf und davon, Gramaflanz hinter ihr her. Es wäre komisch, wenn es nicht so tragisch wäre. Gramaflanz bat Bernhardin, seine Frau wieder aufzunehmen. Er halte es mit ihr nicht aus.35 Schließlich wurde im März 1539 ein Vertrag zwischen Margarethe und Bernhardin zusammengeflickt, obwohl Argula vermerkt, dass Margarethe ihn nie ernst nahm.36 Es mag wie in einer Operette klingen; aber diese Aristokraten hatten hoch entwickelte Egos und zeigten keinerlei Bereitschaft, 33 Ibid. Man fragt sich, ob Paracelsus wegen Bernhardins Krankheit 1530 nach Beratzhausen kam, denn er hatte den Ruf, die Syphilis erfolgreich zu behandeln. 34 „die einer umb genzlicher verzayhung will seiner sund, auch vil gelts und guts, dardurch zuerlanngen“, ibid. Die Akten des Reichskammergerichts enthalten zahlreiche Berichte, Beschuldigungen und Erwiderungen über die Ehestreitigkeiten vom 24. Januar 1530 bis 1539. 35 Ibid.; RKG 11492. 36 Ibid., Nr. 13.

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Kompromisse zu schließen. Lieber verschwendeten sie Zeit und Geld in endlosen Gerichtsprozessen. Es war keineswegs ungewöhnlich, dass solche Prozesse Jahrzehnte dauerten; dass den Gerichten exekutive Sanktionen fehlten, war auch nicht hilfreich. Argula kritzelte ihre Kommentare auf die Rückseiten vieler Schriftstücke, die diesen Fall betrafen; offensichtlich war auch sie emotional beteiligt und mitgenommen. Angesichts dieser unglücklichen Ehe und der ungeklärten finanziellen Verhältnisse könnte es verständlich sein, dass die Familie Schlick von der Heirat Argulas und Burians wenig begeistert war. Im Juli 1534 schrieben Albrecht, Wolff und Hieronymus von Schlick an die bayerischen Behörden, um ihre Sorge um Margarethe zu bekunden.37 Warum Burians Brüder Hieronymus II. und Lorenz sich so extrem verhielten, und ihren eigenen Bruder verhafteten, bleibt aber unklar. Die frisch verheiratete Argula schrieb verzweifelt an Herzog Wilhelm von Bayern, er solle den Kaiser bitten, seinen Einfluss geltend zu machen, um ihren Mann zu befreien: Ich bin auff bitt vnd begern meines lieben herren vnnd gemahels Graven Burian Schlicken, so von seinen brüdern gefengklich vnd in verwarung enthalten, solicher verlöbnis halb für das geistlich gericht gen Prag kummen, daselbst das Recht erstanden, erhalten, vnd gewunnen, das mir Graff Burian als mein herr vnd eelicher gemahel durch urtail vnnd Recht zuerkant, vnd zugesprochen.

Ein zweiter Brief an den Herzog gibt die Mitteilung ihres Bruders Bernhardin weiter „wie bemelter mein her vnd gemahel aus dieser welt ervordert, deren selen got der almechtig genedig, der auch waiß die ursach seines todts“. Ihr Bruder sei bereit alles zu tun, um ihre Ehre und Rechte zu verteidigen und sie ersucht den Herzog, als seine arme, betrübte Landsässin, den Kaiser zu bitten, Bernhardin freies Geleit zu geben, sodass er nach Prag reiten kann, „damit ich bey erhalten Rechten und gerechtigkait geschitzt und handgehabt werde“38. 37 38

Ibid., RKG 11488. BayHStA Kurbayern Äußeres Archiv 2002 fol. 271, 273. Die Suppli© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Es dürfte schwer sein, die Bedeutung dieses tragischen Ereignisses zu überschätzen. Argula hatte bei ihren Freunden, wie die Briefe an Herzog Wilhelm berichten, Rat gesucht und auch bekommen, wie sie sich aus dieser verzweifelten Situation retten konnte. Ihre zweite Ehe war nur von kürzester Dauer. Die Misshandlung ihres Mannes muss sie zutiefst erschüttert haben. Gewalttätigkeit hatte das Leben ihres Onkels Hieronymus beendet; jetzt verlor sie ihren Mann. Die fast unerträgliche persönliche Demütigung hatte sie auch gezwungen, erniedrigende Supplikationen an den Herzog und durch ihn an den Kaiser abzuschicken. Die Stauffer waren Freiherren, dem Kaiser untertan, aber hier beschrieb sie sich als eine landseßin, eine Untergebene, und appellierte nicht direkt an den Kaiser, sondern über den Herzog.39 Sie schrieb am Dienstag, dem 14. Februar 1535, an ihren reichen „Schwager“ Neidhart von Thüngen, dessen Frau Rosina eine Tochter des Wilhelm von Grumbach war, über den Schaden zu „er, leib und gut“, den sie und ihre Kinder durch die vielen ungehörigen Ereignisse in der letzten Zeit erlitten hätten. Sie bat ihn um ein Treffen am kommenden Freitag in Arnstein, wo er Amtmann war. Freunde und Verwandte haben ihr vorgeschlagen, dass sie ihn „freuntlich bit yr wellendt mir vnd meynen kindern die ich durch gotliche gab mit meynem lieben gemahel fridrichen von grumbach seligen gehabt vnd zum thail noch hab“ seinen getreuen Rat mitteilen. Die Katastrophe in Prag hatte vielleicht nicht nur finanzielle Konsequenzen und persönliche Demütigung mit sich gebracht, sondern vielleicht auch ihren rechtlichen Status als Landsässin der Herzöge gefährdet.40 Ob das Treffen stattfand, ist unbekannt. kation hat wohl nichts erreicht. Bernhardin war bei der Familie Schlick kein willkommener Besucher. 39 Auch ihre Brüder bitten Herzog Wilhelm bei Übernahme ihrer Hofmarken, sie als seine Landsassen anzuerkennen; BayHStA Kurbayern, Äußeres Archiv 2002, f. 33. 40 Wie E. Spitzenberger, die diesen Brief entdeckte, vermutet; StAW, Adelsarchiv der Freiherrn von Thüngen, Korrespondenz Akten Nr. 71. Neidhart von Thüngen berief 1551 den ersten lutherischen Prediger in Thüngen; von Thüngen, Das reichsritterliche Geschlecht, 274. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Finanzielle Probleme So befand sich Argula wieder in akuten finanziellen Schwierigkeiten; die Gläubiger klopften an ihre Tür. Für den Gerichtsfall in Prag musste sie eine Bürgschaft von 3.600 Gulden aufbringen, eine immense Summe. Man weiß nicht wie oder ob sie das Geld aufgetrieben hatte. Im Oktober 1535 erinnerte sie ein Brief des Geldverleihers Salomon, dass ihre Schuld 90 Gulden ohne Zinsen betrug: „als Eure Gnade schreibt ir wol sie zu nechsten weinachten bezalen des wil ich on lenger verzug Eurer Gnade versehen, wie es aber nit geschech so wert ich geursacht mit den pfanden zuvor faren.“41 Das Schicksal ihrer goldenen Kette war wieder in der Schwebe! Dann kamen wie erwartet die Schulrechnungen für die drei jüngeren Kinder. Doch nach ihrer Rückkehr aus Prag erwartete sie eine böse Überraschung. Ihre Getreidevorräte in Franken waren von den Behörden des Würzburger Fürstbischofs beschlagnahmt worden, um angeblich längst überfällige Bezahlungen zu sichern. Jobst Krafft und Hans Elbich konnten ihr eine Anleihe über 60 Gulden, die sie aus dem erwarteten Verkaufserlös des Getreides zurückzahlen wollte, nicht mehr geben. Mit dieser Summe hätte sie Georgs Schulden in Leipzig begleichen wollen.42 Wieder eine unglückliche Kettenreaktion! Zu ihrer Überraschung erhielt sie im Dezember 1533 einen Brief des Ingolstädter Theologen Dr. Johann Eck, der um die Bezahlung einer kleinen Rechnung bat. Wenn er sich an ihre Konfrontation mit der Universität vor zehn Jahren erinnerte, und es konnte kaum anders sein, war dem Brief nichts davon anzumerken. Er war sachlich geschrieben und betraf seine Verwandte, die arme Witwe des Verwalters im Alten Kolleg. Es scheint, dass Georg Schulden bei ihm gemacht hatte, als er in Ingolstadt wohnte.43 Eck war ein beleibter und leutseliger Mensch geworden, mit einem guten Ruf bei den Katholiken; er galt als 41

BayHStA Grombach, Nr. 53. Ibid., Nr. 47. 43 Ibid., Nr. 44; vogl schaffner ; Matheson, Life in Letters, EMWJ 4, 44 – 42

45.

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freundlich und ohne Allüren; gegenüber den Evangelischen und den Juden verhielt er sich natürlich anders!44 Nach dem Augsburger Reichstag 1530 aber lernten Lutheraner und Katholiken in ihrem täglichen Leben miteinander friedlich umzugehen. Argula bekam regelmäßig Briefe über finanzielle und juristische Angelegenheiten von Mitgliedern des altkirchlichen Klerus, von Barbara von Aham, der Äbtissin des Regensburger Reichsstifts Niedermünster zum Beispiel, und sogar vom Würzburger Fürstbischof.45 Geschäft bleibt Geschäft! Koexistenz musste sein. Als Argula versuchte, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen, die Interessen der Kinder zu wahren, die Weinberge und Höfe, trotz der Aufsässigkeit einiger Untertanen, zu pflegen, wird sie sich wohl oft von den Aufgaben überwältigt gefühlt haben. Vielleicht half ihr die Geschäftigkeit, die Trauer über das grausame Schicksal ihres zweiten Ehemannes zu verdrängen. Sie verfolgte weiterhin mit Interesse die Vorgänge in Staat und Kirche. Alte Freunde wie Philipp Polle, dem sie in der Vergangenheit geholfen hatte, schickten ihr willkommene Briefe, die Anteilnahme aussprachen, und berichteten über Entwicklungen am kaiserlichen Hof und andere politische Ereignisse. Polle fragte auch eifrig nach ihren neuen Schriften, nicht wissend, dass solche Tätigkeit für sie längst vorbei war. Seine blumige Sprache, höfische Ausdrucksweise und seine kunstvolle, geschwungene Handschrift werden sie an ihre Tage in München erinnert haben.46 Unter ihren Papieren findet man erschütterndes Material über einen Gerichtsfall im Jahr 1535.47 Da werden arme, vom Leben gebrochene Frauen dargestellt, wie eine Frau Hiltner, die ihre Kinder in einem Umfeld von fast täglicher Gewalttätigkeit erzieht. Ungefähr zwanzig Zeugen, unter ihnen viele Frauen, wer44

Sax, Eichstätt, 429: in einem Brief an Pietro Paolo Vergerio vom 2. Juli 1535 erwähnt Eck Gottfried, als Sohn der „domine de Stauff“; Friedensburg, Beiträge 222 f. Nr. 121; zitiert von Pfnür, Eck, Nr. 309. 45 BayHStA Grombach, Nr. 33; 27. August 1532, nicht nummeriert. 46 Ibid., Nr. 57. 47 Es ist nicht klar, warum dieses Material bei ihren Papieren ist. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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den zur Aussage aufgerufen. Frau Hiltner war schon kränklich, vielleicht epileptisch, noch bevor sie der Angeklagte, Jörg Peringer, angriff. Stephen Günther, vierzig Jahre alt, ein Beamter aus Ingolstadt, wurde an seinen Eid erinnert: Auf den siebten artigkhl darauf er zeug zu verhoren furgestalt sagt der zeug, wie sy¨ (sei) die rumor zwischen Hiltnerin und Jorgen Zimerman zugetragen; des an dem tags zu morgens sy, hiltnerin, zu ime zeug khommen, und im an die handlung angezaigt; und gesagt mein herr burgermeister bevelch sey¨, das er mit ime in sein haus geen, und die handlung was peringer geubt besichtigen soll, des er gethan; und wie sy¨ hinein in die stuben khamen hab ihm hiltnerin etlich zerprochen scheiben in den fenstern gezaigt; nachmals ine hinauf in die khamer (Kammer) gefurt, da sey¨ die khamer thur mitten voneinander gestossen gewest; nochmals hab ihm Hilterin ain truhlein zaigt, das sey¨ auch aufgeprochen gewest (…)48

Im Vergleich mit solchen Frauen hatte Argula unglaubliche Privilegien. Sie konnte lesen und schreiben, die Finanzen verwalten und hatte Zugang zu Büchern. Ihre Wohnung war sicher. Sie besaß ein eigenes Siegel und Pferde; sie konnte über ihr Leben bestimmen und eigene Entscheidungen treffen. Als Staufferin war sie von einer ehrwürdigen Tradition geprägt und verfügte über ein starkes Selbstbewusstsein. Jetzt war sie über vierzig Jahre alt. Obwohl sie eine relativ robuste Gesundheit hatte, machte sich ihr zunehmendes Alter bemerkbar. Sie trat in eine Lebensphase, in der nichts ohne Schwierigkeiten lief. Ihre Beziehungen zu dem freundlichen Domherrn Friedrich von Leonrod verschlechterten sich, teilweise wegen Geldfragen. Im Dezember 1533 schrieb sie ihm aus Ingolstadt einen kurzen, scharfen Brief, von den Prager Ereignissen unmittelbar überschattet; weil seine Mitteilung an sie „mer dan ein sententz in sich beschleist mit vilen worthen“ könne sie nicht sofort antworten; aber sie würde ihm und anderen keinen Grund geben, 48

Ibid., Nr. 50. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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schlecht von ihr zu reden.49 Drei Jahre später reagierte Friedrich von Leonrod gereizt, als sie um seine Unterstützung warb. Sie wollte Oswald Ruland, den sie wohl als einen Förderer der evangelischen Bewegung ansah, als neuen Vikar in Zeilitzheim. Er antwortete: „das ist mein gelegenheit gar nit vnnd will mich auch nit zymen oder gepuren … Aber bey meinem evangelium und alten glauben weiss ich es gegen gott nit zuverantworten“. Er musste es seinen Vertretern überlassen, nachdem er die Pfarrei niedergelegt hatte. Er hatte sowieso keine Sympathie für das neue Evangelium und für Sekten. Argula hatte gehofft, nach Leonrods Resignation einen Teil des Einkommens aus der Zeilitzheimer Pfarrpfründe für ihren jüngsten Sohn Gottfried zu erhalten. Auch hier war seine Antwort scharf und abweisend.50 Argulas Freund, der Würzburger Domherr Johann von Stein, war hilfreicher, als sie um Unterstützung für Gottfried warb, obwohl er bemerkte, Wilhelm von Grumbach interessiere sich auch für die Pfründe.51 Der alternde Friedrich von Leonrod war jetzt leicht zu verärgern. Seine Welt hatte sich aber auch verändert. Menschen, die wie er die religiösen Auseinandersetzungen mit einem gewissen Abstand betrachteten, befanden sich in einer schwierigen Lage. Er war ein guter Freund gewesen und seine Bitterkeit über die Lutheraner wird Argula betrübt haben. Man fragt sich auch, ob ihre alte Begabung, Menschen für ihre Sache gewinnen zu können, ein wenig verloren gegangen war.

Gottfried Wenn sich solche Schwierigkeiten vor Argula auftürmten, wird die Beschäftigung mit dem jungen Gottfried ihr eine gewisse Entspannung verschafft haben. Er bemühte sich, gefällig zu sein, seine Begeisterung und seine Sorgen waren offen zu sehen. Man wusste sofort, was er dachte und wollte. Anfänglich sah es aus, als 49

„kain pillige nachrede“; ibid., Nr. 46. Ibid., Nr. 54. 51 Ibid., 16. November, 1537; nicht nummeriert. 50

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ob er ein Schwächling sei, ein Muttersöhnchen, aber bald stellte sich heraus, dass er zäh und entschlossen war. Zuerst ging er bei Wolfgang Leydmayr zur Schule, aber dann zog er nach Nürnberg. Ketzmanns Wohnung war zu klein, so wohnte er beim Kantor von St. Lorenz, Wolfgang Jakob, der Ketzmann schon dreizehn Jahre lang gedient hatte. Die Schulkosten betrugen jetzt 26 Gulden, Kleider und Wein nicht eingerechnet. Ketzmann versicherte Argula, dass er sich um Gottfried bemühen werde, als ob er bei ihm wohnen würde und dass Jakob eine fromme Frau habe. Über Gottfried schreibt er : „Er gefelt mir nit übel, allein er kann noch gar nichts, wirdt vill erbeit vnd vleys bedurffen.“52 Gottfried war ein eifriger Briefeschreiber, der mehr Briefe als alle anderen Familienmitglieder zusammen schrieb. Die Briefe waren herzlich und lebendig. Man sieht Gottfried vor sich wenn man sie liest. Syntax war nicht seine Stärke, noch weniger eine lesbare Handschrift. Wörter und Klekse flossen in einem endlosen Strom aus seiner Feder. Er schrieb wie er sprach und die Briefe waren mit frommen Phrasen gespickt. Wenn ein Diener krank war, schrieb er voller Anteilnahme: „Got sey¨ sein artz vnd helf im auch. Amen.“ Ging ein silberner Becher verloren, war seine Sorge groß.53 Er beschwerte sich, ein Verwandter habe bei ihm: „geschlemmt unnd hat gesagt er hab mir ainen gulden geben unnd hat mir kainen heller geben.“54 Als er hörte, dass seine Mutter den Eindruck hatte, er vernachlässige seine Studien, schrieb er sofort nach Hause, behauptete kategorisch, das sei nicht wahr, bat aber im nächsten Satz die Mutter inständig um Erlaubnis, nach Hause zurückkehren zu dürfen. Sie solle den Lehrer auffordern, einen Bericht über sein Benehmen zu verfassen, und in Zukunft keine leckeren Sachen schicken, weil die anderen Schüler sie verzehrten.55 Abwechslung boten seine Briefe, Grund zur Heiterkeit. Die Mutter fand es vermutlich bewegend, ihre eigenen Gedanken 52

Ibid., 59. Ibid., Nr. 66, 62. 54 Ibid., Nr. 62. 55 Ibid., Nr. 58. 53

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über ethische und religiöse Fragen, in seine kindliche Sprache gekleidet, in den Briefen wieder zu finden. Der folgende Brief illustriert seine recht sparsame Interpunktion und seinen exzentrischen Satzbau: Mein freuntlichen grüss zuvor mein hertz lybe fraw mütter, wen ir frisch und gesundt wert wer mir ain grose freut zu heren desselbigen hort ir auch gern von mir sagen vnd mein gentz liebe fraw müetter ich wais nicht wie es doch zu get (geht) das mir kain anwort nit wirt vnd hab euch so oft geschriben ob euch die brief nit werdenn oder wie es doch mir zuget vnnd mein gentz liebe fraw müetter wen ich so vil nit ewern biten het das ir mir ain leibsröckell woltet schicken pei disem fürman wen er wider her färt das wolt ich verdienen vnnd der rauch rock ist mir vil zu klain vnd last mich wissen wie ich im dan solt ob ich in hinab solt schicken vnnd ich fleissig darumb piten welt mir schicken bucher ich wils mit studium wider pringen daran durft ir kain zweifel haben vnnd mein gentz libe fraw mutter ich hof ich wel euch alles was ir mir gethan habt ich wols als wider herein pringen damit seit gott bevolgen datum am freitag nach peter vnd pauli in anno 1538.56

Tatsächlich berichtete Wolfgang Jakob im Dezember des Jahres, dass Gottfried „zu seinem alter genugsam“ zu tun schien; das einzige Problem seien seine gelegentlichen Kopfschmerzen. Dem Rat des Arztes folgend, verringerte er seinen Käsekonsum! Er vermeide es, Gottfried unter Druck zu setzen, weil er ein bisschen labil schien. Er schloss den Brief: „das ich itzt keyn klag uber inen hab, wo er sich aber ungeburlich wolt halten, wurde ich die ruthen an jm nicht sparen damit wir dem herren eyn fromes kyndt mocht zihen.“57 Im Juli 1538 verglich sich Gottfried mit seinem bösen Bruder, Hans-Jörg: „wen mir anders gott genadt gibt vnd ich wil fugen das ich zu ein rechten menschen werden, wen schon meiner bruder nit wil zu wol geraden (geraten) wil doch ich erbeßer werden.“58 Kindlich wie Gottfrieds Bemerkungen waren, weisen 56

Ibid., Nr. 61. Ibid., 13. Dezember 1538; nicht nummeriert. 58 Ibid., Nr. 63. 57

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sie auf eine neue Kette von tragischen Ereignissen hin, die für Argulas Leben in den nächsten Jahren bezeichnend waren. Die Probleme fingen mit Hans-Jörg an, dessen Auseinandersetzung mit dem Sohn Claus Mangers in Burggrumbach ernste Konsequenzen hatte. Einzelheiten wissen wir nicht. Er wäre wohl vor Gericht gekommen, wenn der Fall an die Öffentlichkeit gelangt wäre; der gute Name der Familie war gefährdet. Das nackte Entsetzen der Mutter, auch dass sie seinen Ungehorsam betont, erlaubt den Schluss, dass Hans-Jörg völlig außer Kontrolle geraten war. Ihr Brief deutet auch an, dass es nicht das erste Mal gewesen war, dass er sich solche Dummheiten geleistet hatte. In ergreifender Weise dokumentiert der Brief den Kummer der Mutter : Genad und frid mit dir lyeber sun. Ich hab aus deinem schreywen (Schreiben) vnd vormals von den leutten die handlung so zu burckgrumbach geschehen mit grossem erschrecken vornumen (vernommen), vnd mich sehr darum bekumert, vnd noch klags got, dz ich so ungehorsame kinder getragen vnd an meiner prüst erneret, und mit großer sorg, kostung, vnd angst auff erzogen. Gott well, dz du bekert vnd dich hinfuran pesserst. Amen. Die weil du mir aber ytzt schreibtst dir zuverzeihen, vnd dich erpeuttest, wellest dich hinfuran gehorsam halten, will ich dich noch diesmal, so du dich anderst meines bevelchs vnd zucht heltest, annemen, vnd besehen damit die sach vertragen werde. Darum so mach dich von stunden her hay¨ m, doch wolst nicht kumen, dan du nemest vor do wen zu nurmberg das sacrament vnd ge (gehe) vor zu doctor osyander ; klag ym dein anligen vnd sach warhafftig, der waiß dir in deyner conscientz wol ein radt zu gewen. Darum so verschweig ym nichtz, er waiß vor auch umb die sach, vnd hut dich bey leib, daz du kainen menschen nichtz sagest; vertrau niembt (niemand) vnd behaltz auffs gehaymest. Do du dan daz sacrament empfangen hast, so hayß dir d. (Dr) osiander ein zetl gewen, sunst gelaubt ich dir nit. Rechen auch alle sach, waß du vorzeret hast zu nurmberg, vnd waß man vormals bey ym auff geschlagen, mit dem wird (Wirt) ab, vnd daz der würd (Wirt) alles unterschidlich auff schreyb. Das bring mit dir her. Sag dem gottfrid, daz er fleißig studir vnd bey der lernung beleib, vnd nicht in der stat (?) oder in würtzheussern hin vnd her lauff, dz er auch fleissig die predig merck vnd warhafft züchtig, getreu vnd frum beleib. Damit sey got in sein genad bevolhen. Datum zu lentting © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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mitboch nach dem ostertag; ao 1538. Argula schlickin greffin witib geporne freyn von stauffen.59

Der junge Missetäter kehrte schließlich nach Lenting zurück. Sein Verbrechen war schlimm genug, aber die Lügen, mit denen er sich aus der Sache herausziehen wollte, und die Gottfried ihm in seinem Brief vorwirft,60 werden die Mutter auch zutiefst enttäuscht haben. Sie glaubte ihm jetzt kein Wort mehr. Ihre Sprache ist die des Gebets: höchst emotional, fast verzweifelnd, ein Klagelied zu Gott. Der Hinweis auf Osianders Bußdisziplin ist aufschlussreich, denn er zeigt, dass die Mutter in dieser Krise nicht alleingelassen wurde. Durch das Sakrament des Abendmahls und die vorausgehende Beichte wird Hans-Jörg seine Schuld dem Nürnberger Prediger gestanden, und wie die Mutter hoffte, Gelegenheit gehabt haben, seine Tat zu bereuen. Er hatte sie nicht nur enttäuscht. Sein Verhalten vereitelte ihre Bestrebungen, ihm eine gute Erziehung, eine ethische Grundlage zu geben. Eine unbesonnene Tat wie diese konnte natürlich auch ihre Glaubwürdigkeit zerstören. Sie war trotzdem bereit ihm zu verzeihen. Ihre Hauptsorge wird nicht die persönliche Kränkung gewesen sein, die sie erlitten hatte, sondern sein Verlust an Ehrenhaftigkeit und der mögliche Schaden für die reformatorische Bewegung. Kurz nach seiner Rückkehr schickte sie ihn nach Beratzhausen, wahrscheinlich nicht nur seinetwegen sondern auch ihretwegen. Vielleicht dachte sie, dass ihr Bruder Bernhardin seinen Neffen Hans-Jörg zur Vernunft bringen könnte. Er brauchte ein männliches Vorbild. Den kleinen Gottfried haben diese Vorfälle sehr gestört. Er traf den Bruder, als dieser bei Osiander in Nürnberg war. Der Brief, den er an Hans-Jörg eilig abschickte, steckt voller naiver Ermahnungen. Der Bruder solle die Worte seiner Mutter und seines 59

Ibid., Nr. 64; Argula schreibt auf der Rückseite des Briefes: „claus manger sun (Sohn) belangent ao 1538“; Matheson, Life in Letters, EMWJ 4, 46 – 48. 60 Nachdem er seinen Bruder zur Aufrichtigkeit mahnte, fügte er hinzu: „vnd wollest auch lügen“. Aus dem Kontext ergibt sich, dass er ein „nit“ ausgelassen hat; BayHStA Grombach, Nr. 56. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Onkels ernstnehmen: „ich pit dich du wellest recht dan (tun) vnd wellet frum vnd züchtig sein gegen iden man.“ Er solle sich zusammenreißen und sich von jetzt an besser benehmen. Man kann sich vorstellen, wie dieser sonderbare Brief bei seinem Bruder ankam! Ein Unglück kommt selten alleine, wie man sagt. Das war schon in Argulas früherem Leben so: der Tod beider Eltern innerhalb einer Woche, 1521 der Tod von Bruder und Schwester ; die Entlassung ihres Mannes als Pfleger und bald danach der Ausbruch des Bauernkrieges. Aber diesmal überschwemmten, überfluteten sie die Sorgen. Ihre Tochter Apollonia starb 1539, erst ca. siebzehn Jahre alt, und wurde an der Seite ihres Vaters in Lenting begraben. Wir wissen nichts über die näheren Umstände ihres Todes. In der Lentinger Kirche befindet sich bis heute ein Grabdenkmal: „Anno domini 1529 am sontag nach Michaelis starb der Edl und vest Friderich von und zu alten Burckgrumbach und Lentting, darnach Jm 1539 starb die Edl und tugenthafft Junckfrau Apolania, ain geborne von Grumbach und Lentting, so alhie begraben ligen, deren seelen Gott gnedig sein wölle Amen.“61 Und dann starb im selben Jahr ihr ältester Sohn Georg. Er war wahrscheinlich 26 Jahre alt. Er wurde nicht neben Schwester und Vater in Lenting begraben, wohl weil er anderswo starb; unsere letzten Nachrichten von ihm stammen aus Leipzig. Es ist nicht klar, warum er in Leipzig war, auch nicht, ob sein Tod mit der Verwundung 1532 in derselben Stadt etwas zu tun hatte. Er verließ die Stadt fast mittellos und musste den Leipziger Bürger Anton Ruchhamer um Essen bitten. 61 Das Epitaph in der St. Nikolaus Kirche in Lenting befindet sich nicht mehr am ursprünglichen Standort. Die Kirche wurde 1629 neu gebaut. Das Todesdatum Friedrichs muss 1530 heißen. Der Stein ist in einem überraschend guten Zustand. Auch der Vorbesitzer der Hofmark Lenting wird gedacht: Egenbrun, Daner, Dering. Das Epitaph muss nach Apollonias Tod 1539 datiert werden. Das falsche Datum wirft die Frage auf, ob Argula die Auftraggeberin sein kann, denn das dramatische Jahr 1530 wird ihr in Erinnerung geblieben sein. Der Tod Georgs, der auch 1539 starb, wird nicht erwähnt.

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Ein mühsamer Kampf

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Welch tragisches Ende eines Lebens, das so hoffnungsvoll anfing: als bewundertes Kind in Nürnberg, dann als junger Student in Wittenberg. Wie stolz muss seine Mutter auf ihn gewesen sein! Zwischen Argula und ihrem Sohn hatte sich eine neue und reifere Beziehung entwickelt, wie seine Briefe bezeugen. Wir wissen nicht, wie er auf die Dummheit seines Bruders und den Tod der Schwester reagierte. Dass er oft Schulden machte, wie aus seiner Korrespondenz hervorgeht, deutet auf eine gewisse Ruhelosigkeit. Er war eigentlich nie zufrieden; weder in der Schule bei Ketzmann in Nürnberg, noch an der Universität in Wittenberg, auch nicht als er sich in Burggrumbach aufhielt. Vielleicht starb er, wie so viele, an der Pest. Wir wissen wenig über die Ursachen seines Todes, noch weniger ist bekannt, wie Argula mit diesem neuen Schicksalsschlag fertig wurde. Die erhaltenen Briefe aus dieser Zeit behandeln vor allem finanzielle und juristische Fragen und werfen nur gelegentlich ein Licht auf diese tragischen Ereignisse. Ende der 1530er Jahre muss Argula aber ständig in Trauer gewesen sein. Lange nach Georgs Tod kamen unbeholfene Briefe wie die von Antoninus Ruchhamer, der keine Ahnung hatte, an wen er schrieb, und streuten Salz auf ihre Wunden: Der Erbarnn vnd thugentsamen frawen Argula grumbach einer Bürgerin zu Ingelstat u. meyner gunstigenn gonnerynn zu handenn. Meinen willigen underthenigenn vnnd unbekanthenn dienst mit hohem vleiss zuvor Erbare vnd tugentsamme fraw Argula. Wie ich vor etlicher wochen eurer erbarkeit geschrieben und gebeten habe Eure erbarkait wolde also woll thun vnnd zalen was mir e. g. sun Jorg Grumbach ym got vorschiedenn schuldig ist blieben wie dan auch eine aigene handschrift beweist. (…) got weiss das ich E e son solch gelt mit meynem grosenn schadenn habe vorgestreckt als er vom Leipzig solde zihenn so mangelts ym am zerung so lag er myr stez ann ich wolde ym leihen welchs ich ym trewer handt wie seine handsschrifft ausweist gelihen habe aber ich verhoffte nicht solches dye weyl es got also geschickt hat so ist eine demuttig bit noch an euer erbarkeit sie wol das beste thun wie ich dan genzlich nicht andrs vorhoffe.

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Kapitel 9

Auf der Rückseite von Ruchhamers Brief stehen in Argulas Hand nur die kryptischen Worte: „schuld georg.“62 Ein Unglück nach dem anderen ergoss sich über sie, als sich ihr fünfzigster Geburtstag näherte. Als junge Mutter hatte sie ihre Kinder in die Welt gebracht. Jetzt erlebte sie ihre Fehltritte und ihren Tod. Man kann ihren Kummer und ihre Gebete an den Herrn der Lebenden und an den Tröster der Sterbenden nur ahnen. Sie hatte zwei Ehemänner verloren und jetzt zwei erwachsene Kinder. Ein Drittes hatte sich schwer blamiert. Was hatte das alles zu bedeuten? Kein Wunder, dass sie untröstlich war.

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Kapitel 10: Die letzten Jahre

Im Jahr 1541 trafen sich der Kaiser und die deutschen Stände auf dem Reichstag von Regensburg. Man wollte die Religionsfrage in Deutschland diskutieren, eine friedliche Lösung finden, und Maßnahmen ergreifen gegen die Gefahr, die von den türkischen Heeren, die bereits vor Budapest lagen, ausging. Die Hoffnung, dass man zu einem Einverständnis käme, wie die deutsche Kirche reformiert und wiedervereinigt werden könnte, war noch nicht verschwunden. Der römische Kardinal Gasparo Contarini, der Vertreter des Papsttums in Regensburg, war für seine theologische Offenheit und Reformbegeisterung bekannt. Er war der ungekrönte Führer der sogenannten spirituali in Italien, einer Bewegung biblischer Humanisten und Reformer, Kleriker und Laien, die entschlossen waren, die Kirche von Missständen zu befreien, und den Glauben zu erneuern. Kaiser Karl V., von der jahrzehntelangen Verzögerung eines allgemeinen Kirchenkonzils ermüdet und durch das politische Lavieren des Papsttums erbittert, hatte zu einem Religionsgespräch aufgerufen, um über die theologischen Meinungsverschiedenheiten zu diskutieren und dem Reichstag praktische Empfehlungen zu geben. Das erasmische Modell eines gelehrten Kolloquiums schien dem kaiserlichen Kanzler Granvelle ein angebrachter modus procedendi zu sein, um die festgefahrene Konfrontation zwischen den Konfessionen aufzulockern. Diese friedliche Diskussion sollte den Weg zu einer befriedigenden politischen Regelung ebnen. Melanchthon kam aus Wittenberg, um die Lutheraner im Religionsgespräch zu vertreten; zu ihm gesellten sich Johannes Pistorius und Martin Bucer. Johann Eck vertrat das katholische © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Lager, zusammen mit den liberalen Katholiken Johann Gropper und Julius Pflug.1 Argulas Briefe lassen überhaupt kein Interesse für den Reichstag in Regensburg erkennen, geschweige denn die Absicht, sich persönlich am Reichstag beteiligen zu wollen, wie 1524 in Nürnberg oder 1530 in Augsburg. So weit man sehen kann, erwog sie nie die Möglichkeit, nach Regensburg zu reisen. Das Eintreten für die reformatorische Sache auf Reichsebene musste sie jetzt anderen überlassen. In den 1520er und 1530er Jahren hatte sie sich gedrungen gefühlt, ihre Stimme zu erheben. Jetzt, wie es scheint, fühlte sie nichts dergleichen. Es gab jetzt ja andere, die bereit waren zu reden. Zwischen den Konfessionen einen Mittelweg zu finden, war sowieso nie ihre Sache. Über ihr Netzwerk von Kontakten, vor allem durch ihren Bruder Bernhardin, wird sie vielleicht erfahren haben, was bei dem Religionsgespräch und dem Reichstag auf dem Spiel stand. Ein Strom von Flugschriften und Einblattdrucken begleitete die Vorbereitungen zum Reichstag. Sie kannte Regensburg gut, auch das prächtige Rathaus, wo die Stände sich versammelten. So konnte sie sich alles gut vorstellen: die festliche Prozession durch die Straßen zum Dom, die farbenfroh gekleideten weltlichen und geistlichen Würdenträger, die aufgeregten Diskussionen in den Gaststätten, auf den Plätzen, in den Privathäusern. Im Staufferhaus, mitten in der Stadt, wurden dank ihres Bruders Bernhardin während des Reichstags protestantische Gottesdienste gehalten, auch wenn das den Ärger der Katholiken und den großen Unmut des Kaisers provozierte,2 wie dieser Vers besagt: Als dieser Reichstag hat ein End, Gott anderwärts sein Wort hersendt, Dann es ließ in dem Staufferhaus Ein edler Herr von peratzhaus Lehren das Evangelium Durch herrn Leopold Moserum, 1

Matheson, Contarini at Regensburg; Gleason, Contarini; zu den spirituali vgl. Russell, Gonzaga, 43 – 46. 2 Eine Gedenktafel im Staufferhof erinnerte daran: vgl. 450 Jahre Evangelische Kirche in Regensburg, 296. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Und halten die communion Wie es gesetzet Gottes Sohn. Weil aber sich bschwer der Bischof Wurds abgeschafft im Staufferhof.3

Nach zwei Dekaden religiöser Polemik war es erstaunlich, dass Katholiken und Protestanten in diesem Religionsgespräch zu einer Einigung über die Rechtfertigung, die zentrale Lehre des Luthertums, kamen. Die Hoffnungen auf eine vollständige Versöhnung verflogen aber, als man über die Autorität des Papstes und der Konzilien diskutierte. Man konnte sich auch nicht über die Sakramente einigen. Luther war schon von Anfang an pessimistisch über den Ausgang des Religionsgespräches gewesen und Rom hatte nur unwillig dem Kolloquium seine Bewilligung gegeben. Der irenische Legat Contarini wurde wegen seiner Bemühungen von der Kurie effektiv zurechtgewiesen. Er starb im folgenden Jahr 1542, das oft als Wendepunkt zu einer entschiedenen Gegenreformation in Italien und Europa angesehen wird. Der Regensburger Reichstag, der letzte ernstzunehmende Versuch, den Graben zwischen den Konfessionen zu überbrücken, stellte auch für Deutschland eine gewisse Wende dar. Von jetzt an widmeten sich beide Seiten dem Ausbau ihrer Institutionen, ihrer pädagogischen und pastoralen Netzwerke, der Durchsetzung und Standardisierung ihrer Programme. Wir nähern uns schon der Ära der Religionskriege. Argula wird wohl Luthers Ansicht geteilt haben, dass das Religionsgespräch mehr aus politischen als aus theologischen Interessen betrieben wurde. Sie teilte seine apokalyptische Sicht der Dinge, die 1545 in seiner polemischen Schrift Wider das Papsttum zu Rom vom Teufel gestiftet artikuliert wird.4 Es wird sie traurig gestimmt haben, dass auf der katholischen Seite in Regensburg die bayerischen Herzöge diejenigen waren, die sich am entschiedensten weigerten, irgendwelche theologische Konzessionen an die Lutheraner zu machen, oder Meinungsverschie3 Walderdorff, Regensburg, 529. Der Staufferhof wurde nach einem Brand 1885 abgebrochen. Es entstand das Hotel „Zum grünen Kranz“. 4 WA 54, 206 – 299.

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denheiten zu tolerieren. Die Universität Ingolstadt und der Münchener Hof waren zu Bollwerken des katholischen Widerstands geworden. Andererseits stellte sich Ottheinrich, Herzog von Pfalz-Neuburg, wo ihr konservativer Verwandter Adam von Thering einst amtiert hatte, auf die Seite der Lutheraner.5 Die Welt hatte sich grundlegend verändert und Deutschland war entzweit. Auf dieser politischen Bühne agierte Argula nicht mehr. Ihr Leben verlief in engeren und bescheideneren Bahnen. Der Tod ihres jüngeren Bruders Gramaflanz war ein weiterer Verlust, mit dem sie fertig werden musste. Ihre Kinder waren ab und zu in seinem schönen Schloss in Köfering zu Besuch gewesen. Seine Witwe Anna, auch eine von Schlick, war eine entschlossene, schwierige Persönlichkeit und als die „alte Staufferin“ bekannt. Sie verteidigte die evangelische Bewegung trotz des Druckes aus München, stiftete ein Legat für arme studierende Knaben und predigte selber in Köfering. Am Ende ihres Lebens zog sie nach Regensburg, um in der freieren Luft der Reichsstadt eine Kapitulation vor dem bayerischen Herzog zu vermeiden.6

Bernhardins Tod Dann kam 1542 der Tod des älteren Bruders, des Familienoberhaupts Bernhardin. Argula wird bei der Trauerfeier oder dem Gedenkgottesdienst gewesen sein. Von den Geschwistern war außer ihr nur noch Sekundilla am Leben. Bernhardins Tod hatte die üblichen Erbstreitigkeiten zur Folge, vor allem weil er keine Kinder hinterlassen hatte.7 In den 1540er Jahren sollte Argula wiederholt in Gerichtsfälle verwickelt werden. Trotz Meinungsverschiedenheiten in den früheren Jahren hatten Bernhardin und Argula viel Gemeinsames. Zwei Jahrzehnte lang hatte er der evangelischen Bewegung in Beratzhausen 5

Seitz, Pfalz-Neuburg, 45. BayHStA Personenselekt Cart. 421/II; von Ehrenfels; A.Civ ; vgl. Halbach, Argula, 99 – 101; 298 – 302. 7 BayHStA RKG 11490. 6

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und in Regensburg Schutz gewährt. Oft kamen Menschen aus Pfalz-Neuburg zu den Gottesdiensten nach Beratzhausen, um die lutherischen Prediger zu hören. Als ihre Ehe mit Burian von Schlick angefeindet wurde, bot er seine Hilfe an. Als Hans-Jörg durchdrehte, schickte Argula ihn zu Bernhardin. Der großmütige Brief, den Bernhardin nur sechs Tage vor seinem Tod an den Regensburger Rat schickte, ist vielleicht charakteristisch für ihn: Mein freundtlich dienst zuvor, erber, fursichtig vnd weiß, sonder guett freundt, Eure schreiben mir meines pfarrers halber (…) hab ich vernommen. Dieweil dan alle menschen vor allen dingen disen gottes dienst vnd was sonsten zu seiner glorej vnd ehre raicht zurfurdern schuldig sind, demnach so will ich auß solcher Cristlicher schuldiger pflicht euren begeren stat geben, vnd bemelten pfarrer, doch nit lenger dan auf obgemelte furgenommene Zeit, bey euch alle sambstag anzukomen, vergongt haben (…) Ehrenfels, Freitag nach Leonhardj, 10. November 42.8

Dieser Plan konnte nicht in die Tat umgesetzt werden. Die Gemeindemitglieder in Beratzhausen protestierten energisch: Sie könnten die Predigt Leopold Mosers, das heilige Sakrament der Taufe mit „anderen Cristlichen wercken vnd handraichen“ nicht erübrigen; Bernhardins Erbe, Johann Ruprecht von Stauff, nahm das gutgemeinte Angebot kurz nach Bernhardins Tod zurück.9 Argulas Korrespondenz und die zunehmende Beschäftigung mit Gerichtsfällen vermitteln den Eindruck, dass ihre Energien nachlassen. Sie war über fünfzig, in dieser Zeit ein fortgeschrittenes Alter. Sie stieg jede Nacht in ein einsames Bett. Es gab für sie selten stimulierende oder aufmunternde Gesellschaft am Tisch. Oft scheint sie leicht reizbar, ungeduldig. Sie schmiedete immer noch Pläne, aber bei so vielen praktischen Problemen war es schwierig, weiter zu blicken. Wie immer kämpfte sie mit endlosen finanziellen Schwierigkeiten. Höflich aber bestimmt wurde sie von Händlern wie Erhard Himmel, der selber unter finanziellem Druck stand, an ihre Schulden erinnert. Er sei bereit, Bezahlung 8

Stadtarchiv Regensburg Eccl. I, 2 61, 1286 – 1287. Ibid., 1292 – 1293; eine Biographie Bernhardins ist ein großes Desideratum. 9

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in Naturalien zu akzeptieren, ein normaler Vorgang. Oft musste sie schnell eine Lösung finden, Getreide oder Wein verkaufen, um diese oder jene Rechnung zu bezahlen.10 Sie versuchte weiterhin Freunden und Verwandten, die in Schwierigkeiten geraten waren, zu helfen. Sie lieh Gottfrieds Vormund Christopher Hann ein Pferd, als er mit juristischen und finanziellen Problemen kämpfte. Im Sommer 1543 entschuldigte sich Hann, dass er das Pferd so lange behalten hatte und legte seinem Brief einige Predigten von Osiander bei.11 Es war für sie eine Erleichterung, dass die Zusammenarbeit mit der Familie Fuchs, ihren Nachbarn im Norden, so gut funktionierte. Eine Anna Fuchs hatte ihren frühen Mentor Paul Speratus geheiratet. Solch gute Beziehungen machten in einer ländlichen Gemeinde, wo Spannungen nachhaltig sein können, viel aus. Ihr Sohn HansJörg vertrat sie erfolgreich bei den Verhandlungen über die Höfe in Zeilitzheim. Die gemeinsame Dorfherrschaft mit der Familie Fuchs in Zeilitzheim lief reibungslos. Der Schultheiß in Zeilitzheim wandte sich wegen des Mordes an Casser Crafft an Argula, um von ihr Anweisungen zu bekommen, wie man vorgehen sollte. Hans und Sibilla Fuchs wollten nichts unternehmen ohne ihr Einverständnis.12

Gottfried in Wolgast Ein anderer positiver Faktor war die zunehmende Reife von Gottfried. Im Vergleich zu den älteren Brüdern machte er ihr keinen Kummer. Sie hatte den Eindruck, dass er die fundamentalen Werte des christlichen Glaubens verinnerlicht hatte. Als seine Schulzeit in Nürnberg vorbei war, zog er nach Wolgast, an den Hof des Herzogs Philipp von Pommern. Er diente dort der

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BayHStA Grombach, Nr. 52. Ibid., Nr. 78. 12 Ibid., Nr. 85. 11

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Schwester des Herzogs.13 Nach ihren Erfahrungen mit den älteren Söhnen hatte Argula keine Versuche unternommen, ihm Latein beizubringen! Ein Problem in Wolgast war wie immer das Geld. Bezahlt wurde mit Thalern oder Goldgulden. Das Leben am Hof verschlang Geld und es war für Gottfried demütigend, auf die Hilfe von freundlichen und nachsichtigen Menschen am Hof wie Nicholas von Klempzen, dem angesehenen Historiker Pommerns, angewiesen zu sein.14 Auch Georg Groß von Trockow, ein Söldnerführer im Dienst der Stadt Nürnberg, unterstützte ihn. In Gottfrieds Briefen aus Wolgast an seine Mutter oder an Hans-Jörg, der jetzt der Junker war und die Grumbach-Güter verwaltete, steckt oft ein Hauch von Verzweiflung. Innerhalb von wenigen Tagen konnte er eine Lawine von Briefen wegschicken, voller Bitten um Kleider oder Geld und mit vielen „Amen“ gespickt! mein hertz liebe frawmuetter ich laß euch wissen, dass ich etwann ein halb jar bey¨ meinen Gnedigen herrn bin gewest. Da ist ein grosser jung in dem frauen zimmer gewest, der ist zu gross gewest, den nam mein Gnädiger Herr zu sich vnnd tatt mich zu meinem gnedigem freilein, darum ich einen G. h. hab vnnd ein G. freilein.15 Vnnd mein gentz liebe fraumuetter ich wil euch habenn gebedenn (ich bitte Euch) ir welt mir auch was geltt schicken, dann mein liebe fraumuetter ich muss einen (!) in die kuchen. einen in dem keller, einen dem stalmeister, so muss hemmden, schuch, hossen, flickenlonn, waschenlonn ains, da dass kostet. Mein hertz liebe frawmuetter, waß 13

Das Leben an einem lutherischen Hof wird anschaulich beschrieben bei Bräuer, Sibylle von Kleve, 1 – 23. 14 Nikolaus von Klempzen ca. 1504 – 1552; Besitzer von Gütern in Pinnow, Bonitz, Klitzkendorf; Landrentmeister Georgs I. von Pommern; nach 1547 Pfleger von Stolp. 15 Wie alt war Gottfried eigentlich? In ihrem Brief an Adam von Thering spricht Argula 1523 von ihren vier kleinen Kindern; Matheson, Schriften, 124. Wenn Gottfried unter ihnen war, wäre er 1542 ca. 19 Jahre alt gewesen, viel zu alt um ein „Edelknabe“ am Hof zu sein, die meistens 8 – 13 Jahre alt waren. Sein erster erhaltener Brief vom 3. Oktober 1537 ist recht kindlich: BayHStA Grombach, Nr. 58. Im April 1540 war er noch nicht 14 Jahre alt; StAW, Stb., 209. Es sieht aus, als ob er um 1528/1529 geboren wurde. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kapitel 10 irß thonn kunnett wollet mir doch ein gulden oder 5 schicken dann ich bedarffs auch als der leibß nott vnnd welenß nicht so underlaßen, vnd wellenn mitt mein G. h. reden (Räten) hinein schicken. Ich weiss euch nicht neuß zu schreiben, denn ir mecht selber mer wissen then ich. Schreibt mir wider ; vergest meiner auch nicht. 12. August 154216

Das Schweigen seines Bruders machte ihm zu schaffen. Er habe den Eindruck, dass Hans-Jörg meiner nicht achtest, sunder mich in dem wintt schlechst als hastu gar keinen bruder (…) Mein liber bruder, wenn du werest in fremdenn landenn vnd gar kein geltt weder heller noch pfennig vnnd kain klaidt noch hemden noch schuch wurestu auch nicht traurich wesenn (…)?17

Schicksalsschlag Ende 1542 erreichten Argula die bittersten Nachrichten ihres ganzen Lebens. Sie hörte, dass ihr zweiter Sohn Hans-Jörg getötet, wie sie fest glaubte: ermordet worden war, in Unterpleichfeld, nicht weit von Burggrumbach.18 Hans-Jörg war immer 16

BayHStA Grombach, Nr. 71. Ibid., Nr. 79. Der Brief ist in Gottfrieds Hand Ende September 1545 datiert; wohl verschrieben für 1542; vgl. Nr. 70, 71 in denen es auch um Geld geht. Gottfried verließ schon vor dem 15. April 1543 Wolgast, nachdem er vom Tode seines Bruders gehört hatte, wie Nr. 76 bezeugt. 18 Das genaue Datum des Todes und auch des Rechtstags sind unbekannt. Am 26. 3. 1543 wurde Christoph Kretzer freies Geleit zum Landgericht gewährt, wo er „dartzuthun verhoff, vnd vorhabe, das er die entleibung vergangen Jars, an weiland Hans Jorgen von Grumbach geubt, nit aus fursatz oder anderer meinung, sonder allein zu rettung seines selbs leibs und lebens.“ StAW Stb. 787, fol, 7–.8. Am 1. Mai 1543 appellierte Argula an den Würzburger Landrichter Conrad von Mosbach gegen die Anerkennung von Kretzers „Purgation“; MüSB Oefeliana 335, VIII; fol. 116. Der Bericht, dass Hans-Jörg in den Armen der Mutter in Volkach gestorben sein soll, ist legendär und beruht auf Karl Gutzows Roman, Hohenschwangau. L. Heffner, Kretzer, 363 – 365, meint, dass Hans-Jörg „in bayerischen Kriegsdiensten stand.“ 17

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impulsiv gewesen, aber nach dem Debakel von 1538 schien er ein neues Leben angefangen zu haben. Er hatte weitgehend die Verwaltung der Güter übernommen. Die Auseinandersetzung, die zu seinem Tod führte, wurde von einem widerlichen Menschen, Jobst Trautman genannt „Hickerich“, angestiftet. Argula begegnete ihm vier Jahre später in einer unschönen Auseinandersetzung über Ländereien in Unterpleichfeld. Als sie ihm seine Bitte verweigerte, ein Lehen zu bekommen, wiegelte er die Nachbarn gegen Balthasar Krauss auf, den sie unterstützt hatte.19 Wie ironisch, ja tragisch, dass ihr Sohn Hans-Jörg auf dieses Niveau heruntergekommen war. Argula erschien auf dem angesetzten Rechtstag; Kretzer, der angebliche Täter, aber nicht. Der Anwalt leistete an Stelle von Kretzer und Hickerich „Purgation“, einen Eid, dass sie unschuldig waren und Hans-Jörg in Notwehr getötet hätten. Die Würzburger Behörden gaben sich anscheinend damit zufrieden. Kretzer und Hickerich wurden von Wilhelm von Grumbach geschützt. Sie behaupteten, dass Hans-Jörg und Kretzer nach Kartenspiel und Weintrinken im Hof auf und ab gegangen sind (vielleicht miteinander zankend?). Dann habe Hickerich versucht, Hans-Jörg zurückzuhalten, als er „gegen das Tor getreten“ sei. Als Hans-Jörg sein Schwert zog, sei Kretzer gezwungen gewesen, ihn zu töten, um sich selbst zu schützen.20 Dieser Bericht schildert das Ganze als einen Streit Betrunkener mit tödlichem Ausgang; die Glaubwürdigkeit Kretzers und Hickerichs ist aber zweifelhaft. Schon Kretzers Abwesenheit am Rechtstag war verdächtig, weil ein Beschuldigter normalerweise seine „Purgation“ persönlich leisten musste. Für Argula war es klar, dass ihr „lieber Sohn“ unschuldig war und dass er von Verbrechern ermordet worden war.21 Um der Gerechtigkeit und der Wahrheit willen mussten sie verhaftet werden. Die wachsenden Kosten dieses Rechtsstreits und eine schwere Krankheit, die sie zwang, in Lenting zu bleiben,22 hinderte Argula 19

BayHStA Grombach, Nr. 80, 83. MüSB Oefeliana 335, VIII, fol. 112 – 128. 21 Ibid., fol. 116v : „fursetzlich ermörtt hab“. 22 „Dermassen leybsschwechen seye beladen, das sy gantz erniderligt yetz nun drey gantze wochen“; ibid., fol. 122. 20

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daran, den Fall weiter zu verfolgen. Als sie zwei Jahre später hörte, dass Kretzer in Würzburg gesehen worden war, versuchte sie, die Würzburger Behörden zu bewegen, ihn vor Gericht zu bringen. Es scheint klar, dass es um denselben Christoph Kretzer geht, der im Dienst von Wilhelm von Grumbach stand und der den Würzburger Bischof Melchior Zobel von Giebelstadt 1558 ermordete.23 Am 4. Februar 1545 entschieden die fürstbischöflichen Räte Folgendes: Fraw Argula Schlickin geporn vonn Stauff, die mann auch nennet vonn Grumbach, witib, hat (…) dem Oberschultheißen ein brief geschickt, vnnd angezaigt wie der Kretzer, so Iren Sune Hanns Jorg von Grumbach zu Vndternplaichfeldt entleibt (getötet), itzt hie zu Wurtzpurg sey. Mit pith (Bitte) ine zu fengklicher verhafft anzunemen, vnnd Ir rechts gegenn ine zugestattenn.

Der Überbringer dieses Briefes, Endres Ulrich von Grumbach, wurde befragt, ob er den Kretzer gesehen hätte, aber er hatte nur den Hickerich gesehen; ihm wurde aufgetragen, er „soll frawen Argula, so itzt hie sein soll, anzaigen: mann hab nit wißen, das der Kretzer, uber den sie das recht begert, hie oder wo er sei. So sie aber den wiß ain ort, da mann ine durff angreiffen, soll sie es anzeigen“.24 Argula gab den Kampf nicht auf. Noch 1549 schickte sie eine Supplikation an Herzog Wilhelm von Bayern als eine „hochbetruebtest armen witfrawen.“ Sie dankte ihm für seine Unterstützung und bat ihn, dafür zu sorgen, dass ihr „unfreindlicher“ Verwandter Wilhelm von Grumbach Kretzer nicht weiterhin schützen könne, und dass Kretzer gerichtet werde.25 Das Leid

23 Wendehorst, Das Bistum Würzburg, 3, 128 – 130: Gropp, Wirtzburgische Chronick, 238 – 240. Kretzer war mit einer Tochter des Würzburger Bischofs Konrad von Bibra verheiratet. Nach dessen Tod verweigerte ihr sein Nachfolger Melchior Zobel ihr Heiratsgut, vielleicht ein Motiv für seine Ermordung. 24 StAW Stb. 964, fol. 159. 25 MüSB Oefeliana 335, VIII, fol 113. E. Spitzenberger, die diese Fassung der Supplikation abschrieb, bemerkt, dass sie in der Hand des Ingolstädter

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Die letzten Jahre

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Argulas als eine „hertzbetruebte mueter“ ist nicht zu verkennen.26 Gottfried kehrte nach dem Tode von Hans-Jörg aus Pommern zurück. Nicholas von Klempzen, der ihm während seiner Zeit in Wolgast geholfen hatte, vereinbarte mit dem Herzog, dass Gottfried Geld für die Rückreise zur Verfügung gestellt wurde und tat vier Thaler des eigenen Geldes dazu, falls das Pferd unterwegs zusammenbrach. Er versicherte der Mutter, Gottfried hätte länger am Hof bleiben können, aber angesichts des Todes von Bernhardin, Gramaflanz und seines eigenen Bruders verstand man, dass er in Lenting gebraucht wurde, um dort Verantwortung zu übernehmen.27 Die Wolgaster Episode illustriert die guten Beziehungen zwischen den verschiedenen lutherischen Territorien und zeigt auch, dass der Respekt für Argulas Beitrag zur evangelischen Bewegung immer noch anhielt. Leider bereitete jetzt Gottfried der Mutter Schwierigkeiten. Im April 1545 kehrte sie nach Lenting zurück, nach „schier vier gantzer Monat mit grossem laydt und schwere Kosten“, in denen sie sich bemüht hatte, Hans-Jörgs Mörder vor Gericht zu bringen. Sie war gerade erst in Lenting angekommen, als Gottfried aus dem Bett gezerrt und wie ein Verbrecher nach Ingolstadt zu einem Verhör geführt wurde, wie sie sich bei Herzog Wilhelm erbittert beschwerte. Er solle mit einer zwar ungeladenen Büchse auf einige Studenten gezielt haben.28 Ihr langer Bericht beschreibt die ganze Affäre als eine Kette von Missverständnissen. Gottfried wurde schließlich freigelassen. Er verwaltete die Länder in Lenting. Argula bat den Fürstbischof um Einwilligung, die fränkischen Lehen zu übernehmen, obwohl es unklar bleibt, ob das Professors Wolfgang Hunger ist, der wohl zu den in dieser Supplikation erwähnten Freunden gehörte. 26 Ich bin Prof. Dr. Franz Fuchs für den Hinweis auf diese bisher unbekannten Dokumente in MüSB Oefeliana 335, VIII sehr dankbar. 27 Schon im Juni 1541 wurde er als ein junger Adeliger betrachtet: „euer iunckher gotfried“, wie Wolfgang Stainauer an Argula schrieb; BayHStA Grombach 10. Juni 1541; ohne Nummer. Klempzen bekam von Argula sein Geld pünktlich zurück als der pommerische Adelige Weyer, der in Ingolstadt studiert hatte, nach Wolgast zurückkehrte; ibid., Nr. 76, 77. 28 MüSB Oefeliana 335, VIII, fol. 160 – 161. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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tatsächlich geschah.29 Auf jeden Fall war Zeilitzheim, und vielleicht auch Burggrumbach, für die letzten Jahre ihres Lebens ihr Zuhause.

Gerichtsprozesse und Krankheit Der letzten Etappe eines Lebens gerecht zu werden ist schwierig. Es fehlen die dramatischen Episoden der ersten Zeit und die Leistungen der reiferen Jahre. Vielleicht teilte Argula die Ansicht von Hans Sachs, dass „mich das alter hart vexiert / mich drückt, beschwert und karzeriert.“30 In Argulas Fall wird das Problem durch die Asymmetrie der Quellen noch verschärft. Wir haben nichts aus der späteren Zeit, was mit der persönlichen Offenheit der ersten Flugschriften, mit dem frechen Gedicht von 1524 oder mit ihren dramatischen Interventionen in Nürnberg und sogar auf der Reichsebene in Augsburg vergleichbar ist.31 Argumente ex silentio sind aber immer gefährlich. Ohne anderslautende Informationen ist anzunehmen, dass die Werte und Überzeugungen, die sie ursprünglich ins Rampenlicht gedrängt hatten, immer noch für sie galten. Andererseits musste sie sich damit zufrieden geben, dass Energie und Ressourcen mit zunehmendem Alter schwanden. Der Vergleich zwischen dem politischen Einfluss und Reichtum ihrer Familie vor der Hinrichtung des Hieronymus 1516 und der sehr begrenzten Rolle, die sie jetzt spielte, muss ihr äußerst peinlich gewesen sein. Der erbärmliche Tod ihres Sohnes Hans-Jörg nach einer dörflichen Rauferei wird das Maß noch vollgemacht haben. Dazu kam die immer schwerere Bürde der Trauer : so viele Todesfälle, das tragische Ende ihrer zweiten Ehe, der Verlust ihrer 29

MüSB Oefeliana 335, VIII, fol. 155. Sachs, Gedichte, 295. 31 Ein zweites Problem ist der Verlust der Stauffer-Dokumente nach der Plünderung der Familiensitze 1492, der Hinrichtung des Hieronymus und der Verlust des Familienarchivs 1598, nach dem Aussterben der männlichen Linie. 30

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einzigen Tochter, der beiden älteren Söhne, ihrer Geschwister. Vielleicht konnte sie mit Luther sagen, dass ihre Lieben so gestorben sind: „jnn Christus tod gewickelt vnd jnn seine aufferstehung gefasset“, und dass sie ruhig bis zur Auferstehung am letzten Tag schliefen.32 Wie dem auch sei, sie musste mit schrecklichen Verlusten und Enttäuschungen leben. Moderne Wortbildungen und Begriffe wie Konfessionalismus und Staatenbildung beschreiben nur dürftig die Verwirrung, die sie empfand, als sich die kulturelle und politische Landschaft Bayerns von Jahr zu Jahr änderte. Die Veränderungen betrafen soziale, institutionelle und juristische Strukturen. Der lange Arm des Münchener Hofes erstreckte sich jetzt bis in ihr häusliches Leben. Nicht, dass ihr alle Veränderungen negativ vorgekommen sein werden. Auf der Reichsebene hatte der Reichstag von Augsburg eine endgültige Klärung gebracht. Lutherische Schulen und Universitäten, Prediger und Gemeinden, Kirchenlieder und Kirchenordnungen waren fest verwurzelt. Aber es war eine völlig veränderte Welt, die ihre Eltern nicht mehr hätten erkennen können. Auf dem Land blieb aber sehr viel beim Alten, der endlose Kreis der Jahreszeiten, die Aussaat im Frühling, die schwere Hitze des Sommers, die Getreideernte und die Weinlese im Herbst. Sie musste mit ungünstigem Wetter rechnen, mit unfähigen Verwaltern und widerwilligen Arbeitern; Krankheiten von den Kühen fern halten. Keiner der Söhne hatte sich für die Verbesserung der Landnutzung interessiert. Dazu kamen gelegentlich Desaster, wie das Feuer in Gottfrieds Scheunen.33 Eine Zeitlang war Gottfried „verstrickht“, er stand unter Hausarrest im örtlichen Wirtshaus; angeblich hatte er seine Schafe wiederholt auf den Feldern anderer Bewohner Lentings umherstreifen lassen. 32

Zwo Predigt uber der Leiche des Kürfürsten Herzog Johans zu Sachsen, 18. August 1532. Luthers fester Glauben, dass auch ein gewaltsamer Tod der Barmherzigkeit Gottes nicht im Wege steht, könnte sie getröstet haben: WA 36, 243, 261. 33 Magdalena von Grumbach spricht von Gottfrieds großen Verlusten: „Euer sunß grossen schade durch die prunst beschen“, BayHStA Grombach, Nr. 82. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Eine gründliche Untersuchung des herzoglichen Pflegers in Ingolstadt Sigmund von Auerberger erwies schließlich seine Unschuld.34 Die Erntezeit wird von romantischen Künstlern und bukolischen Dichtern gefeiert, aber die Wirklichkeit war hart. Ende Mai 1548 schrieb Ursula Lemlin an Argula, dass ihr Weizen, Hafer und Korn sehr niedrige Preise fanden, ja ganz wertlos waren; auch für das Heu fand sie keine Käufer. Es sei eine ganz schlechte Zeit zum Verkaufen.35 Das Beste, womit Argula rechnen konnte, war die fünffache Vermehrung der Saat, weit entfernt vom hundertfachen Ertrag der biblischen Parabel. Bei der Ernte hing alles von der Wahl des richtigen Zeitpunkts ab. So viele Vorbereitungen waren zu treffen: Die Karren mussten in Ordnung sein, Pferde und zusätzliche Arbeiter waren zu organisieren. Es war wichtig, dass Untertanen zur Stelle waren, wenn man sie brauchte und sie nicht auf ihren eigenen Feldern arbeiteten. Der Verwalter war verantwortlich dafür, dass jeder seine Funktion kannte, ob als Schnitter, Binder oder Fuhrmann, doch oft genug musste sich Argula selbst um die Koordinierung kümmern. Sie versorgte die Arbeiter auch mit Essen und Trinken, obwohl traditionsgemäß nichts auf den Feldern gegessen werden durfte. Erntearbeit war schwere Arbeit, aber danach gab es auch Feste und Feiern, Entspannung und Befriedigung: die Felder ordentlich und übersichtlich, die Scheunen voll. Nach so viel Schweiß und Arbeit war es schön, einen sichtbaren Lohn für die harte Arbeit zu bekommen! Mit Essen und Trinken, dem sogenannten „Niederfall“, feierte man den „Fall“, den Schnitt der Getreidehalme. Für eine tief religiöse Person wie Argula kam dazu Dankbarkeit für die Fruchtbarkeit des Landes, das Bewusstsein der Güte Gottes. Die Weinberge waren eine besonders heikle Angelegenheit. Es gab alarmierende Preisschwankungen. Der Ehemann ihrer Verwandten Magdalena von Grumbach, die den Wein für sie verkaufte, 34 Ibid., Sigmund Auerberger an Herzog Albrecht; 12. Dezember 1551; ohne Nummer. 35 Ibid., Nr. 84.

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empfahl ihr 1548 dringend, mehr Geld in die Weinberge zu stecken, wenn sie einen besseren Wein haben wollte. Martin Cronthal hatte ihr vor mehr als zwanzig Jahren denselben Rat gegeben! Gottfried hatte eine Verwandte des Pflegers von Ingolstadt, Georg von Haslang, geheiratet, und sich in Lenting niedergelassen; seine Frau wird in dem Brief von Magdalena von Grumbach erwähnt.36 Er übernahm die Verwaltung der Güter von seiner Mutter, die ihn vertreten konnte, wenn Krankheit das nicht verhinderte. 1552 schrieb Valentin von Münster im Auftrag des Fürstbischofs von Würzburg an Gottfried. Eine neue Steuer musste von den Untertanen erhoben werden, sie wäre am 8. Juli fällig gewesen. Gottfried war in Lenting, in seiner Abwesenheit beantwortete Argula den Brief am 23. Juli aus Burggrumbach. Sie sei „etliche zeitt in schwerer krannkheit des leibs gelegenn“, bestätigte aber, dass sie jetzt in der Lage sei, die Anweisungen auszuführen. Ihre Unterschrift, der einzige Teil des Briefes in ihrer Hand, ist recht zitterig.37 In ihren letzten Jahren war Argula in eine Reihe sich lang hinziehender und unerfreulicher Gerichtsfälle verwickelt. Das war zwar nicht ungewöhnlich bei bayerischen Adeligen, die sehr viel Geld und Zeit in solche Prozesse steckten. Es ist trotzdem seltsam, wenn man bedenkt, wie heftig sie die Juristen in der Vergangenheit kritisiert hatte. Argula meinte, dass sie ihren Vater schon finanziell ruiniert hatten.38 Es gab anhaltende Probleme mit dem Würzburger Domkapitel. Ihr Mann Friedrich von Grumbach war kaum unter der Erde, ihre eigenen Ansprüche auf das Erbe noch nicht befriedigt, als die Kleriker 20 Malter Korn jährlich von drei Höfen in Unterpleichfeld und Burggrumbach forderten, auf der Grundlage eines Vertrags von 1423! Diese Forderung wurde 1537 aufgegeben, als Argula bestritt, dass ihr verstorbener Mann die Höfe jemals besessen hatte. 1544 wurden aber die Forderungen gerichtlich bestätigt. Gottfried und sie mussten beträchtliche Nachzahlungen leisten.39 36

Ibid., Nr. 82; StAW Stb. 1151, 85 – 89. Ibid., 897 fol. 309r , 23. Juli 1552; Text in EMWJ 2009, 4, 53 – 54. 38 Vgl. S. 76 oben. 39 BayHStA RKG 623. 37

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Ein zweiter Fall ging sie viel persönlicher an. Der Tagelöhner Sebastian Stockl verkaufte sein Haus auf ihrem Land, aber der Käufer bezahlte nicht. Stockl bat Argula als Grundherrin um Hilfe. Schließlich kehrte Stockl wieder in das Haus zurück, aber ohne Argula Bescheid zu geben. Sie fand sein Benehmen und Gerede unverschämt, ließ ihn verhaften und in den „Stock“ (Gefängnis) bringen. Er ließ sich keineswegs einschüchtern und appellierte an das herzogliche Gericht in Ingolstadt. Er beschwerte sich, „gegen gemelter frauen von stauff, dass sy mir unpillich mein verkauft guet vorhelt vnd mich nit darzu will komen laßen“40. Am Ende fand das Gericht einen Mittelweg, aber der ganze Prozess kostete außerordentlich viel Zeit und Geld. Der Fall zeigte nicht nur den wachsenden Einfluss der bayerischen Herzöge auf alle Aspekte des ländlichen Lebens, sondern auch, dass es nach dem Bauernkrieg ein Rechtssystem gab, das in der Lage war, Ungerechtigkeiten nachzugehen. Argulas Reizbarkeit zeigt sich hier nicht im besten Licht. Dann wandte sich 1542 Hans Scheffer von Manshoff an die Herzöge, wegen der ungerechten Entlassung seines Schwiegersohns Gilg, der den Hof in Hepberg bei Lenting verwaltete. Argula entgegnete, die Faulheit und Nachlässigkeit Gilgens, seine unentschuldigte mehrwöchige Abwesenheit, seien schuld, dass das Vieh und die Scheunen durch Feuer und andere Verluste große Schäden erlitten hätten. Schon wieder war der herzogliche Pfleger in Ingolstadt Johann von der Laytter im Spiel.41 Zehn Jahre dauerte ein anderer Prozess. Katharina Mollerin klagte, sie und ihr jetzt verstorbener Mann hätten den Schwestern, Sekundilla und Argula, einen großen „holzberg“ (Wald) abgekauft, ihn aber nie bekommen.42 Es ist nicht leicht, den Verdacht zu vermeiden, dass Argulas Freimütigkeit und Mut mit zunehmendem Alter zur Sturheit degeneriert sein könnten. Wie ihre gute Freundin Magdalena von Grumbach geriet auch Argula wegen der Vormundschaft ihrer Söhne unter Druck. In 40

EMWJ 4, (2009), 50 – 51; BayHStA Grombach; ohne Nummer und Datum (ca. November 1541). 41 Ibid., Nr. 72. 42 Ibid., Nr. 90, 96. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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der Vergangenheit, protestierte sie, konnten Witwen solche Angelegenheiten selbst regeln. Jetzt greife die Obrigkeit ein. Sie nahm diese Einmischung sehr übel und fand allerlei Ausflüchte, angesetzte Termine zu verzögern oder zu verweigern. Die herzoglichen Beamten haben sie zu kurzfristig zu einer Anhörung geladen, oder, wie sie meinte, zu den unpassendsten Zeiten, als sie mit der Ernte von Heu oder Hafer beschäftigt war. Auch ihre persönlichen Papiere, Inventare und Ehedokumente wurden durchstöbert. 1541 wurde sie mit den Vormündern ihrer Kinder, Sigmund Auerberger und Hilpold Kyndtzuelder zur Verkündung eines fürstlichen Mandats über die Vormundschaft geladen. Sie hätte aber keine Zeit gehabt, das Mandat in Ruhe anzusehen, den Rat ihrer Freunde und Berater einzuholen, und bat um Bedenkzeit.43 Argula unterstützte Magdalena von Grumbach, die mit ähnlichen Schwierigkeiten kämpfte. Die Interessen von Frauen zu verteidigen, vor allem die der Witwen wie Dorothea von Klingenberg oder Anna Lindlin, war ihr ein ständiges Anliegen. Viel wichtiger, und auf die Dauer erfolgreich, war der hartnäckige Kampf, den sie zusammen mit ihrer Schwester Sekundilla um das Erbe Bernhardins führte. Den Schwestern begegnete die gewohnte männliche Arroganz, als ihr Bruder Bernhardin 1542 starb. Ihr Vetter Hans Ruprecht von Stauff zog in die Herrschaft Ehrenfels und in Beratzhausen ein, als ob ihm alles alleine gehörte. Erst nach vielen juristischen Interventionen wurden die Ansprüche der Schwestern bestätigt. Zu ihrem Erstaunen erhielt Argula sogar Unterstützung von ihrem alten Kritiker Leonhard von Eck. Leider änderte sich aber nichts und so mussten sie 1550 den Fall vor das Reichskammergericht bringen.44 Ihre Beziehungen zu Hans Ruprecht blieben denkbar schlecht; als er einen ihrer Diener gefangen nahm, waren sie gezwungen, ihn noch einmal anzuklagen.45 Wie soll man Argulas Verwicklung in so viele juristische Auseinandersetzungen verstehen und beurteilen? Man ist viel43

Ibid., Nr. 74; vgl. auch den Brief vom 6. Mai 1541 von der Laytter an Herzog Wilhelm (ohne Nummer). 44 Ibid., Nr. 91; BayHStA, RKG 11492. 45 Ibid., 11489. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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leicht geneigt, sie als unwesentlich abzutun. Aber die Zeit und Energie, die ihnen gewidmet wurden, sprechen eine andere Sprache. Teilweise ging es um Geld. Der jahrelange Streit mit Margarethe, Bernhardins Witwe, ging um die Frage, ob die 3500 Gulden, die sie mit in die Ehe gebracht hatte, eine Anleihe oder eine Mitgift waren. Die Unfähigkeit des Rechtssystems, gerichtliche Entscheidungen auch umzusetzen, machte alles noch viel schlimmer.46 Vielleicht war es auch die Hoffnung auf Gerechtigkeit, die Argula motivierte, wie ihre Versuche zeigen, die Mörder von Hans-Jörg vor Gericht zu bringen. Es kann kaum überraschen, dass ihr hartes Leben, die tragischen Todesfälle und die andauernden finanziellen Probleme ihre Wirkung hatten. Ob sie deprimiert war? Wir wissen zu wenig, können nur fragen. Als Argula sich dem Ende ihres Lebens näherte, war sie immer noch in finanzieller Not, und musste Geld borgen. Ihr juristischer Berater, Dr. Wolfgang Hunger, ein Professor an der Universität in Ingolstadt mit humanistischen Interessen, lieh ihr 1548 die beträchtliche Summe von 380 Gulden.47 Es ist ironisch, dass sie Hilfe bei einem Mitglied der Universität fand, die Arsacius Seehofer zur Verleugnung seines Glaubens gezwungen, sie selbst verachtet und an der Entlassung ihres Mannes mitgewirkt hatte. Sie hatte aber immer erkannt, dass die reformatorische Bewegung dort auch ihre Unterstützer hatte.

Veränderungen in der religiösen Landschaft Nach 1545 ereigneten sich dramatische Veränderungen: der Tod Martin Luthers, der Ausbruch des Schmalkaldischen Krieges und die Anfänge des Konzils von Trient. Luthers Tod 1546 markierte ganz bestimmt das Ende einer Ära, auch für Argula, obwohl sie von Anfang an betont hatte, dass ihr Glauben nicht auf seinen 46

Vgl. die reiche Dokumentation in BayHStA, RKG 11492. BayHStA Cart 421/II. Er interessierte sich für Musik. Die Manuskriptsammlung, Mü SB; Oefeliana 335 Band VIII, bezeugt seine enge Zusammenarbeit mit Argula seit 1543. Er starb 1555. Ich bin Prof. Dr. Franz Fuchs für diesen Hinweis sehr dankbar. 47

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Initiativen und Schriften beruhe, sondern auf Christus und dem Wort Gottes. Die Eröffnung des allgemeinen Konzils der römisch-katholischen Kirche in Trient (1545 – 1563) bedeutete vor allem das Ende des Renaissance-Papsttums. Zu seinen erhabenen Zielen gehörten die gründliche Reform und Wiedervereinigung der Kirche, und die Mobilisierung des Christentums gegen die Türken. Der Anfang war ungünstig; es beteiligte sich nur eine Handvoll Bischöfe, aber auf die Dauer war sein Einfluss auf Theologie und Praxis der Kirche massiv und schöpferisch. Zusammen mit der Erneuerung des Episkopats und der pädagogischen und missionarischen Dynamik der Jesuiten und anderer Orden, wirkte sich das Konzil auf Bayern substantiell und direkt aus, und führte unter anderem zum Wiederaufleben der Ingolstädter Universität. Es gibt keine Hinweise, dass Argula sich für diese Entwicklungen interessierte. Der Ausbruch des Schmalkaldischen Krieges (1546 – 1547), in dem auch Protestanten gegen Protestanten kämpften, ließ sie sicher nicht ungerührt, obwohl der Kaiser ihren Gütern und Besitztümern Schutz von Plünderungen zusicherte. Es gefiel ihr bestimmt nicht, dass der kaiserliche Schutzbrief sie nicht als eine Freiin von Stauff oder eine Gräfin von Schlick-Passaun, sondern als Witwe „seines lieben und treuen Freundes, Friedrich von Grumbach“ beschrieb.48 Die Familie von Schlick, die sich mit dem Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen verbündet hatte, fand sich auf der Seite der Verlierer und erlitt große Verluste. Wir wissen nicht, wie Argula auf das Augsburger Interim von 1548 reagierte, das den Protestantismus nach dem Krieg scharf begrenzte. Ihr Mentor Andreas Osiander musste Nürnberg verlassen. Argula war jetzt über sechzig Jahre alt. In ihrem bisher letzten bekannten Brief, aus dem Jahr 1552, spricht sie von einer schweren Krankheit. Wir wissen nicht einmal mit Sicherheit, wann sie gestorben ist. In einem Brief von Katharina Mollerin an Herzog Albrecht V. im Frühling 1557 wird Argula explizit als

48

BayHStA Grombach, 28. August 1546 (ohne Nummer). © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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„selig“, oder verstorben, beschrieben.49 Es ist auszuschließen, dass sie die alte und renitente „Staufferin“ in Köfering war, die in der Korrespondenz Herzog Albrechts mit seinen Räten im August 1563 erwähnt wurde.50 Da ging es um ihre Schwägerin, Anna von Stauff, die Witwe von Gramaflanz. Die lokale Tradition in Zeilitzheim berichtet, dass sie 1554 in Zeilitzheim starb und dort begraben wurde. Wigulaeus Hund, ein vertrauenswürdiger Chronist, bestätigt 1586 diese Angaben.51 Argula wird zwar in einem Brief ihres Sohnes Gottfried vom 22. März 1557 erwähnt, in dem es um den Gerichtsprozess mit Katharina Mollerin geht: der „kaufbrieff“ vom 5. Januar 1548 sei in einem Zeitraum von neun Jahren weder ihm noch seiner Mutter vorgelegt worden: „Umb welch(en) wed(er) meine frau muett(er) noch ich biss auff das 56 jar vnd also biss in das neundt jar nie mer angelangt word(en).“52 Man könnte das so verstehen, dass seine Mutter noch 1556 lebte. Dass Gottfried die Mutter hier

49

BayHStA,Grombach: „von der wolgebornen frauen frau Argula selig zegedenckhen“. Der Brief ist undatiert, bezieht sich aber auf die zwei Briefe von Gottfried von Grumbach an Herzog Albrecht von 22. und 28. März 1557; BayHStA Grombach (ohne Nummer). 50 BayHStA: Kurbayern, Geheimes Landesarchiv 1288, fol. 171 – 173; Halbach, 99 – 101, sieht es noch als möglich an. 51 „obiit Anno & C. 1554, sepulta in Zeyletzhaim in Franconia“, Hund, Stammenbuch, 308. Hund erwarb 1571 Schloss und Hofmark Lenting. Brückner erwähnt, dass ältere Einwohner sich an einen Grabstein mit einer Darstellung Argulas im Kirchhof erinnern, die der Medaille, die ihren Namen trägt, ähnlich gewesen sein soll. Die Dorfchronik, 1931 geschrieben, ist aber fehlerhaft: sie berichtet, dass Argula nach dem Tod Friedrich von Grumbachs in Zeilitzheim wohnte; tatsächlich stammt ihre Korrespondenz aus den 1530er und 1540er Jahren größtenteils aus Lenting. Wahrscheinlich ist die Medaille auch nicht aus dem 16 Jahrhundert; vgl. S. 117 Anm.18 oben. Brückner Zeilitzheim, 9. „Umb welch(en) wed(er) meine frau muett(er) noch ich biss auff das 56 jar vnd also biss in das neundt jar nie mer angelangt word(en)“; 22. März 1557; Gottfried von Grumbach/Herzog Albrecht; BayHStA Grombach, (ohne Nummer). 52 Gottfried von Grumbach/Herzog Albrecht; BayHStA Grombach, (ohne Nummer). © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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nicht als „selig“ bezeichnete, könnte aber auch Nachlässigkeit sein. Vermutlich starb sie doch 1554, zweiundsechzig Jahre alt.

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Kapitel 11: Schlusswort

Wie bedeutsam waren Leben und Arbeit der Argula von Grumbach? Was erreichte sie für ihre eigene Zeit und auf Dauer? Welchen Beitrag leistete sie kulturell, gesellschaftlich und religiös für Bayern und für die weitere Welt? Welchen Beitrag bietet sie für eine Antwort auf die Frage: Gab es eine Reformation auch für Frauen?1 Den Rahmen für ihre Erfolge und Misserfolge stellten die großen politischen, kulturellen, religiösen und auch technologischen – man denke in ihrem Fall an den Buchdruck – Umwälzungen ihrer Zeit. Sie war Teil einer Bewegung, ritt auf den Wellen der Reformation. Sie betonte, dass sie nicht alleine war, als sie etwas unternahm, dass sie für und mit einer großen Anzahl von Frauen und Laien ihre Stimme erhob und sich einsetzte. Die Predigten, Schriften und Aktionen anderer Reformatoren, vor allem Martin Luthers, waren ihre Inspiration. Stadtschreiber, Drucker, Lehrer, Prediger und ein Netzwerk von Freunden und Familie sicherten ihr die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und ließen aus Hoffnungen eine neue Wirklichkeit entstehen. Eine andere Quelle ihrer Energie war das Familienerbe, die Traditionen von Freimütigkeit, Selbständigkeit und nackter Tapferkeit. Ein wechselnder Kreis von bewährten Freunden und Freundinnen stand ihr bei: Menschen wie Martin Cronthal, Dorothea von Klingenberg, Magdalena von Grumbach, Wolfgang Hunger, ihr Bruder Bernhardin und ihre Schwester Sekundilla, Margareta Reffin in Nürnberg, Ursula Lemlin in Burggrumbach. Andreas 1

Wunder, Frauen in der Reformation, 305. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Osiander unterstützte sie, als sie in der größten Not war ; er war ihr „treuer Seelsorger“.2 Sie kümmerte sich ihrerseits um Familie und Freunde in Zeiten von Trauer und Not.3 Sie sah sich, und hat das auch zur Sprache gebracht, als Mitglied einer Bruderschaft und Schwesternschaft, die die menschliche Dimension des Leibs Christi für sie war, Fleisch seines Fleisches, Teil seiner Kirche. Sie sprach auch nie von Erfolg in unseren modernen Kategorien. Wenn sie etwas erreicht hatte, dann nur durch die Gnade Gottes. Ihre Misserfolge, das Scheitern so vieler persönlicher und kultureller Hoffnungen, waren in ähnlicher Weise von Faktoren bedingt, die außerhalb ihrer Kontrolle waren. Die wichtigen Institutionen, mit denen sie zu tun hatte, reagierten ablehnend: die Ingolstädter Universität, der Hof in München, die Hierarchie der Kirche, das Rechtssystem. Mit der elementaren Institution der Ehe hatte sie auch ihre Schwierigkeiten. Der Bauernkrieg und der Schmalkaldische Krieg zeigten sich als „Stolpersteine“ auf dem Weg zu gesellschaftlicher und religiöser Erneuerung. Sie musste mit einer persönlichen Tragödie nach der anderen leben. Die Hinrichtung ihres Onkels, das Gefecht Georgs in Leipzig, vielleicht auch sein früher Tod, und ganz bestimmt die Ermordung Hans-Jörgs in Unterpleichfeld erinnern uns, dass Gewalttätigkeit und Zügellosigkeit dicht unter der Oberfläche der Gesellschaft brodelten. Ihr ganzes Leben war begleitet von Machtkämpfen, Fehden, Kriegen und religiösem Streit. Trotz alledem gelang es ihr, ihr Leben in einem erstaunlichen Maß selbst zu gestalten, ihren eigenen Weg zu gehen. Als Frau schlug sie einen Kurs ein, den Zeitgenossen als beispiellos und unerhört betrachteten, sie erarbeitete ihre eigene Auslegung der Bibel, sie verfasste Schriften, die Aufsehen erregten. Sie ermahnte Fürsten auf entscheidenden Reichstagen, baute Netzwerke auf, die ihr Information und Unterstützung gewährten, und trotz 2

„ewer trewer selsorger“, wie ihn ihr ältester Sohn Georg in einem Brief an die Mutter 1532 beschrieb; BayHStA Grombach, Nr. 30. 3 Wie der Brief ihres Neffen Nikolaus Schlick 1547 bezeugt: Argula habe ihm und seiner Frau „etwas vertrostung gethan“. Seine Frau sei jetzt schwanger ; Argula solle jetzt das versprochene Fuder Wein zur Geburt des Kindes schicken lassen. Ibid., Nr. 81. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kapitel 11

ungünstiger Umstände hörte sie nie auf, alternative Lebensweisen für ihre Familie und für die Gemeinden, wo sie wohnte, zu fördern. Der kurze Zeitraum, 1523 – 1524, in dem ihre Schriften ein weiteres Publikum erreichten, erklärt zum Teil ihre Vernachlässigung durch professionelle Historiker bis vor einigen Jahren.4 Die Bedeutung ihres Lebens ist aber deutlich unterschätzt worden. Zeitgenossen haben ihren Beitrag gebührend gewürdigt und in der Mitte des 16. Jahrhunderts zählte sie Ludwig Rabus zu den Bekennern und Märtyrern Gottes, als eine die „besonders aber zu Trost und anreitzung dem Weiblichen Geschlecht“ geschrieben hätte.5 Im 18. Jahrhundert begrüßten sie die deutschen Pietisten als eine Gleichgesinnte, die kleinen Gemeinden in Bayern, wo sie ihr Leben verbrachte, vergaßen sie nie.6 Im 19. Jahrhundert hat eine Anzahl von romantischen Biographien ihren Namen lebendig erhalten, unter anderen eine Biographie von Eduard Engelhardt, die sie als bayerische Tabea feierte, die verehrte Nachfolgerin Jesu, die Petrus auferstehen ließ.7 Die frühe deutsche Feministin Louise Otto-Peters betrachtete sie als eine würdige Vorgängerin im Kampf der Frauen für Freiheit.8 4

Zur Rezeption ihrer Schriften vgl. Halbach, Argula, 9 – 14; Matheson, Argula, 47 – 55; Matheson, Schriften, 26 – 34. 5 Rabus, Historien, 375. 6 In Lenting, Beratzhausen und Dietfurt wurden Straßen nach ihr benannt; eine Statue wurde in Beratzhausen aufgestellt, in Dietfurt ist eine Gedenktafel am Pfarrheim angebracht. Herr Kerschensteiner, der Heimatpfleger in Dietfurt, hat mich 2012 informiert, dass lange nach ihrem Tod evangelische Gruppen in Dietfurt existierten. Ihr Gedächtnis wird in Zeilitzheim gepflegt, unter anderem im Schloss und mit einer Gedenktafel im Kirchhof. 7 Apg. 9. Wenn Philipp Sommer eine Medaille von Hans Schwarz, die das Porträt einer unbekannten Frau zeigt, Argula zuordnete, könnte es sein, dass er durch Engelhardts Biographie, die 1860 in Nürnberg erschien, auf Argula aufmerksam wurde. Sommer arbeitete in den 1860er Jahren im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg; Kastenholz, Hans Schwarz, 201 – 203. 8 Diethe, Towards Emancipation, 140 – 152; Wunder, Frauen in der Reformation, 303 – 304. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Theodor Kolde legte die Fundamente für die wissenschaftliche Anerkennung ihrer Arbeit am Anfang des 20. Jahrhunderts und am Ende desselben öffnete Silke Halbach ein ganz neues Kapitel ihrer Historiographie.9 Jetzt steht uns eine wachsende Literatur über laikale Schriftsteller und Theologen zur Verfügung, auch über Geschlechterfragen in der Reformation.10 Unsere Perspektiven auf ihr Leben und ihre Schriften haben sich geändert. Die Spiritualität von Frauen, die Laien sind, unterscheide sich von der männlichen, beobachtet Anne Conrad, die uns auch erinnert, dass sich die Erfahrungen von katholischen und protestantischen Reformatorinnen in seltsamer Weise ähnelten.11 Argula von Grumbachs Leben und Werk bieten eine faszinierende Fallstudie für die Debatte über die Bedeutung der Reformation für Frauen. Sie war die erste Frau in der Reformation, die sich in „die Öffentlichkeit wagte“ und ihr Status als eine hochadelige Frau fügte dieser Intervention eine scharfe Würze zu.12 Ihr Selbstverständnis und ihre Aktionen verraten Elemente von Kontinuität wie auch von Diskontinuität. Sie exemplifiziert das neue Verhältnis zwischen den Geschlechtern in der Ehe, was Heide Wunder die „Dynamisierung“ der Beziehungen nennt.13 In der kleinen Gruppe von Schriftstellerinnen in Deutschland war ihr nur Katharina Schütz Zell aus Straßburg ebenbürtig, wenn man ihr Schriftverständnis, ihren theologischen Scharfsinn und die Breite ihrer kulturellen Interessen bedenkt.14 Trotzdem war 9

Kolde, Seehofer, 49 – 77; 97 – 124; 149 – 88; Halbach, Argula, passim. Vgl. Wiesner, Women and Gender, passim. 11 Conrad, Aufbruch der Laien, 7 – 22. 12 Halbach, Argula, 7. Halbach bezeichnet Argulas Flugschriften als eine „literarische Offensive“, eine „Publikationsoffensive“, und bemerkt, dass die Briefform den Vorteil hatte, der Leser habe den Eindruck: „gewissermaßen ein in Geheimnisse Eingeweihter“ zu sein. Das ganz ungewöhnliche Interesse für ihre Schriften beruhe weniger auf ihren theologischen Argumenten, als auf dem „Aspekt ihrer adligen Herkunft“; ibid.,185 – 191. 13 Wunder, Frauen in der Reformation, 316. 14 Katharina Schütz Zells Opus und wohl auch ihr Einfluss waren viel größer ; ihre Anliegen waren aber ähnlich. Angesichts Köpfels Straßburger Ausgabe ihrer gesammelten Schriften ist es durchaus möglich, dass Schütz Zell Argulas Schriften kannte. Vgl die vortreffliche Ausgabe und Biogra10

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Argulas Einfluss auf die kirchlichen und politischen Ereignisse, abgesehen von den frühen 1520er Jahren, eher indirekt. Obwohl sie eine Kämpferin war, die das Zeitgeschehen eher prophetisch und theologisch als pragmatisch analysierte, fehlte nie eine zähe, realistische Dimension. Wiederholt erlebte sie den katastrophalen Untergang ihrer Hoffnungen: als junges Mädchen in München, zweimal als Witwe und dreimal als trauernde Mutter ; jedes Mal raffte sie sich irgendwie wieder auf. Die Plünderung des Familiensitzes Ehrenfels wird sie im wahrsten Sinn gequält haben. Immer wieder hatte sie Grund zur Verzweiflung und Angst: der plötzliche Tod beider Eltern, die Hinrichtung ihres Onkels, die grausame Behandlung des jungen Seehofers, das Chaos des Bauernkrieges und die nachfolgenden Racheaktionen. Ihr guter Name wurde wiederholt in den Dreck gezogen, ihre Ehre mit billigem Geschwätz und respektlosen Versen verhöhnt. Man machte sie lächerlich, verleumdete und bespitzelte sie. Sie musste um so viele geliebte Menschen trauern, um ihre Ehemänner, ihre Brüder und Schwestern, ihre Kinder Georg, Apollonia und Hans-Jörg, und eine unbekannte Anzahl von Kindern, die wir nicht mit Namen kennen. Sie lernte in der allerhärtesten Schule des Lebens, dass man nie voraussehen könne, was einem bevorsteht. Sie musste zusehen, wie gute Menschen mürbe gemacht wurden an Leib und Geist; wie Bücher verboten, Prediger von ihren Kanzeln gejagt, der „glimmende Docht“ des Protestes ausgelöscht wurden. Dann fand sie am Ende ihres Lebens „Katholiken“ gegen „Lutheraner“ aufgereiht, Ingolstadt gegen Wittenberg, Bayern gegen Sachsen. Die Tochter Bernhardin von Stauffs muss befürchtet haben, dass alle Ritterlichkeit aus der Welt verschwunden sei. Ein zentrales Symbol in ihren frühen Schriften war aber Jeremias „brinnender Hafen“, oder Kessel, das Leuchtfeuer inmitten der Finsternis, das Licht, das niemals auszulöschen war, sowohl Warnung wie auch Hoffnungsstrahl. Leuchtfeuer hatte sie als phie von Elsie McKee, Schütz Zell; vgl. auch Douglass, Marie DentiÀre, 225 – 242; Irene Backus, Marie DentiÀre, 177 – 195; Kommer, Reformatorische Flugschriften von Frauen, 320 – 333. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Kind gekannt, auf den Berghöhen flammend; als Erwachsene die metaphorischen Leuchtfeuer : Luthers Bibelübersetzung, tapfere Märtyrer, das erstaunliche Augsburger Bekenntnis, und – vielleicht noch wichtiger – die einfachen Menschen, deren Leben sich völlig veränderte. Sie war nie Fatalistin geworden. Immer wieder machte sie sich auf Eventualitäten gefasst, nutzte die ihr zur Verfügung stehenden Mittel, überlegte, was zu tun war und wann und wo. Ob es um die Instandsetzung der Fenster im Lentinger Schloss ging, um das Ausgraben eines neuen Brunnens in Hepberg, oder um die Unterstützung ihres Untertans, Balthasar Paissweyll, der Öle aus Wacholder, Muskat, Vitriol, Nelken und Zimt für medizinische Zwecke herstellen wollte, sparte sie keine Mühe.15 Als sie entdeckte, dass es ihr nicht möglich war, die „großen“ Probleme zu lösen, vor allem nach dem Bauernkrieg, konzentrierte sie sich auf die täglichen Pflichten: die jährlichen Vorbereitungen für die Erntezeit, den Rebschnitt, die Aussaat. Sie versuchte ihre Erzeugnisse auf dem Markt möglichst gut zu verkaufen, beantwortete Briefe, hielt Korrespondenz und Rechnungen in guter Ordnung; organisierte sorgfältig die Haushalte in Lenting und Dietfurt, Burggrumbach und Zeilitzheim, bestellte Tuch und Schuhe, Gewürze für die Küche, beaufsichtigte die Zubereitung des Essens. Die zwar lückenhafte Evidenz lässt vermuten, dass es – aus welchem Grund immer – keine deutliche Verbesserung der Produktivität der Höfe gab, und dass Argula gegen Ende ihres Lebens es zunehmend schwieriger fand, sie zu verwalten. Sie investierte viel Zeit und Energie in die Erziehung und Bildung der Kinder, fand für sie ausgezeichnete Lehrer, ließ die nötigen Bücher kaufen für alle vier : Georg und Hans-Jörg, Apollonia und Gottfried, schickte sie nach München, Wittenberg, Ansbach, Pommern, Friesland, um ihnen Bildung im weitesten Sinn des Wortes, als Erfahrung anderer Welten, zu vermitteln. Alles war geplant. Alles war gut überlegt. Sie zeigte ihre Liebe für die Kinder durch solche Planung. Der Erfolg blieb aber weitgehend aus. Gelegentlich enttäuschte sie ihr Benehmen und drohte 15

BayHStA Grombach, Nr. 60, 68. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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alle Bemühungen zunichte zu machen. Zuzeiten haben die Kinder das Gefühl gehabt, dass sie ihren Briefen und Bitten keine hohe Priorität beimaß. Ein Fazit scheint zu sein, dass die Erziehung der Kinder fruchtete, als sie klein waren, aber von begrenztem Wert war, als sie älter wurden und sich in die Welt der Erwachsenen integrieren sollten. Das war, natürlich, ein weit verbreitetes Problem der Schulen in dieser Zeit. Hätte Argula, angesichts ihrer finanziellen Probleme und der fehlenden Unterstützung ihrer männlichen Verwandten, aber mehr tun können? Sie war eine ernste Mutter. Ihr fehlte vielleicht die leichte Hand und man merkt kaum Spuren von Humor. Der Humanismus ließ sie weitgehend kalt. Die Quellen sind aber zu dürftig, um sich ein sicheres Urteil bilden zu können. Sie war oft allein, doch merkt man kein Selbstmitleid, den traurigen Brief an Hans-Jörg im April 1538 vielleicht ausgenommen.16 Sie hatte gelernt, alleine zu stehen, und Alleinsein muss nicht Einsamkeit heißen. Vielleicht sah sie es als Gottes Willen für sie. Es war gewissermaßen der Preis, den sie für ihre Offenheit bezahlen musste, für ihre Ablehnung der traditionellen Grenzen, für ihre prophetische Art, den Mächtigen die Wahrheit zu sagen. Es gab bei ihr, wenn auch nicht immer, eine gewisse aristokratische Zurückhaltung. Sie bewegte sich schließlich unter der Elite ihrer Zeit. Auch in Nürnberg hatte sie Kontakte zur Oberschicht, zum Patriziat, dem Katharina Fürer angehörte. Sie behauptete, dass sie nie um ihr eigenes Leben fürchtete, obwohl ihr bewusst war, dass ihr ein Märtyrertod drohen konnte. Sie vertraute darauf, dass Gott auch dann ihr Schutz und Schild sein würde. Sie brauchte nur ihrem Taufgelübde treu zu bleiben. Sie lebte ihre apokalyptischen Träume in einer sehr praktischen Weise aus. Sie baute um sich eine Art Schutzmauer. Sie ignorierte nicht die Wut und den Hass, die gegen sie gerichtet waren, glaubte aber, dass sie sich wie Rauch auflösen, wie Wachs schmelzen werden. Mit der Zeit wurde diese Schutzmauer fast habituell. Ihr Vertrauen hatte wenig mit subjektiven Gefühlen zu tun, es gründete sich auf ihrem Verständnis von Geschichte, die in Gottes Händen war. Sie ließ sich nicht gern von Emotionen 16

Vgl. S. 196-197 oben. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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leiten, wo es aber um andere ging, zum Beispiel um den jungen Seehofer oder um den Tod ihres Sohnes Hans-Jörg, ließ ihr das Herz keine Ruhe. Sie konnte ihren Willen stählen, melancholische Gedanken vertreiben. Sie nahm jeden Tag wie er war, traf mit Entschlossenheit die schwierigen Entscheidungen, die Ehemann und Kinder und Familienehre betrafen. Das Leben konnte ein wirres Knäuel sein, doch am Ende würde sich alles entwirren. Der Münchener Hof war ihre Universität. Dort lernte sie, sich ein eigenes Urteil zu bilden, und ihm zu vertrauen. Sie entdeckte, wie man an die Mächtigen herankam, dass sie nie so entfernt und imponierend waren, wie es zuerst aussah. Fehlender Mut war nie ein Problem für Argula von Stauff! Wenn es nötig war, an die Tür eines Fürsten, eines Professors oder eines Bischofs zu klopfen, zögerte sie keinen Moment. Entweder machte man ihr auf, oder sie musste einen anderen Weg finden. Sie versuchte, ihre ererbten Privilegien für das Gemeinwohl einzusetzen, und ihren Kindern das beizubringen, was ihre Eltern ihr vor so langer Zeit beigebracht hatten. Noblesse oblige! Wie ein Lieblingszitat aus dem Korintherbrief es ausdrückte, war man nicht auf Erden, „um sich selbst zu leben“.17 Als sie heiratete, wusste sie schon, dass ohne harte Arbeit und ewige Wachsamkeit nichts zu erreichen war. Das bestimmte ihr Leben, und befähigte sie, ihre Welt zu verändern. Wie das mittelalterliche Sprichwort lautet: Man sollte leben, als ob einem die Zeit nie ausgehen würde, aber handeln, als ob morgen alles zu Ende ginge: Man sol nach guote werben, als nieman müge ersterben, und sol ez dann zu rehte geben, als nieman sül ein wochen leben.18

Ihr Vater hatte die Herausforderung der Turniere geliebt und sie scheute sich auch nicht vor Herausforderungen. Sie erlebte die vollkommene Veränderung der Kirche. Eine Zeit lang fand sie 17 2 Kor. 5,15, vom jungen Georg 1525 zitiert: „dan ich weyß woll das nemant im selbs allein geporen ist“; BayHStA Grombach, Nr. 11. 18 Sprichwort zitiert in Kühnel, Alltag im Spätmittelalter, 157.

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sich selbst in unvermuteter Prominenz und verstand sich als Zeugin einer Wahrheit und einer Gerechtigkeit, die menschliche Weisheit und Fähigkeiten völlig in den Schatten stellten: „auß mir selbs vermag ich nicht, dann sünden“, wie sie sagte.19 Für sie bestimmte das Taufgelübde, diese Neugeburt in die Kirche Christi, ihr ganzes Leben, und verlieh ihm paradoxalen Charakter. Sie suchte die Öffentlichkeit nicht, scheute sie aber auch nicht. Sie lernte es auch nie, ihre Zunge zu zügeln. Solche Freimütigkeit kann auch als Naivität betrachtet werden, für sie aber war sie die Torheit des Evangeliums. Stolz auf ihre deutsche Sprache, die keine Ausbildung in der Universität verlangte, schwamm sie in den großen Ozean der Heiligen Schrift hinein, der sie fortan durch eine Krise nach der anderen über Wasser hielt. Sie dachte in apokalyptischen Kategorien, wie so viele in ihrer Zeit; die Botschaft der Schrift sei klar : Wahrheit stand gegen Lüge, Recht gegen Unrecht, Licht gegen Finsternis, schwarz gegen weiß; es gab keinen Zweifel über die klare Botschaft der Schrift.

Ihre Rolle in Gesellschaft und Politik Ihr ganzes Leben verlief auf einer recht stürmischen Bühne. Lutherische Ideen verbreiteten sich früh in Bayern, genau wie in den anderen deutschen Territorien, aber die Entscheidung des bayerischen Hofes, sich der neuen Bewegung zu widersetzen, verhinderte die Entwicklung evangelischer Gemeinden. Trotz der bleibenden Unsicherheit in den religiösen Fragen, fasste die „Reformation“ als solche nie Fuß. Viele Adelige waren von den traditionellen Strukturen der Kirche und von der Gunst der Fürsten abhängig und konnten es sich nicht leisten, sich dem Hof in München zu widersetzen. In ganz Deutschland etablierte sich die Reformation nur in den Reichsstädten und Territorien, deren Herren sie unterstützten. Argula musste mit Bedauern feststellen, dass der religiöse Traditionalismus mit dem Modernisierungselan einer neuen Gene19

Matheson, Schriften, 88. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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ration von Juristen und Beamten zusammenwirkte, die von München und Landshut aus ihre Vision für die Reform von Kirche und Staat realisieren wollten. Einige widersetzten sich jeglicher Veränderung, andere befürworteten die neue Zentralisierung. Argula fand sich auf einem verlorenen Posten zwischen diesen zwei Tendenzen. Der große deutsche Historiker Leopold von Ranke meinte im 19. Jahrhundert, die Entscheidung der bayerischen Herzöge, ihre Macht durch eine Zusammenarbeit mit der Gegenreformation zu konsolidieren, hätte die deutsche Einheit zerstört.20 Heute kann man dieses vereinfachende Urteil wie auch die ihm zugrunde liegenden Vorstellungen über den Protestantismus und die deutsche Identität nicht akzeptieren. Thomas Brady bemerkt, dass der Erfolg der Gegenreformation für Ranke unbegreiflich war.21 Argula schwamm in Bayern gegen den Strom – als „Staufferin“ und als Frau. Das Problem bestand nicht nur darin, dass sie das reformatorische Lager unterstützte. Ihre Loyalität zu den Stauffer-Traditionen bedeutete, dass sie mit den Zielen des Münchener Hofes zusammenstoßen musste. Jeden Tag sah sie die Erosion der „Freiheiten“, die ihre Familie gewonnen und verteidigt hatte. Sie wollte das Gesicht der Kirche verändern, blieb aber den Werten der alten feudalen Welt weitgehend verbunden. Die Juristen, fürchtete sie, seien die neuen Herren. Geld und die Gunst des Hofes regierten alles. Diese sich verändernde politische Landschaft, vor allem nach der Hinrichtung ihres Onkels, wird sie befremdet und verwirrt haben. Sie hatte weder Verständnis noch Sympathie für die Politik der Modernisierung und Zentralisierung, die der Kanzler, Leonhard von Eck, vorantrieb. In ihrem späteren Leben, als ihre zweite Ehe in Gefahr war, hatte sie trotzdem keine andere Wahl, als den Hof um Hilfe zu bitten für sich, eine arme Landsässin. Dass ihre Familie Reichtum und Macht verlor, symbolisierte den Abschied von den alten ritterlichen Werten und Strukturen, die sie wertschätzte. Andererseits sollte man den Erfolg des Hofes nicht über20 21

Ranke, Deutsche Geschichte III, 145 – 181. Brady, German Histories, 447. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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schätzen. Ein beträchtlicher Teil des bayerischen Adels bestand auf seiner Selbstständigkeit und verlangte religiöse Konzessionen. Die alternde Argula erlebte, dass viele bayerische Adelige evangelisch wurden: Joachim von Ortenburg und Pankraz von Freyberg, unter anderen. Sylvester von Schaumberg gründete die lutherische Ritterschule für die Söhne des Adels. Die Reichsstadt Regensburg, an die sie 1524 ihren feurigen Sendbrief geschickt hatte, nahm den evangelischen Glauben an. Ironischerweise teilte man den protestantischen Gläubigen die Kirche der Schönen Maria in Regensburg zu, die nach der Zerstörung der Synagoge erbaut wurde und Ziel bizarrer Pilgerschaften gewesen war. Erasmus Zollner, ein ehemaliger Benediktinermönch, wurde der erste Prediger.22 Als sich die Landstände 1553 in Ingolstadt trafen, forderten die Adligen, das Abendmahl solle in beiderlei Gestalt ausgeteilt werden, und bis 1563 agitierte eine starke Minderheit für die Einführung des Augsburger Bekenntnisses. Die Visitationen im Bistum Regensburg von 1559 bezeugen, dass viele Priester verdächtige Bücher wie Luthers Katechismus besaßen oder das Abendmahl in beiderlei Gestalt reichten.23 Ab 1571 war die tridentinische Orthodoxie fest etabliert. In Bayern setzte man wie im restlichen Europa voraus, dass politische Stabilität konfessionelle Einheit verlangte.24 In Franken sah es anders aus. Die größere Selbstständigkeit des Adels begünstigte die Festigung des Luthertums, mit wichtigen Zentren in der Reichsstadt Nürnberg, im Markgrafentum Brandenburg-Ansbach, aber auch in Dörfern wie Zeilitzheim. Hier, wie wir gesehen haben, spielte Argula eine Rolle in der Förderung lutherischer Ideen und Strukturen. Innerhalb ihres eigenen Einflussbereiches, und mit der Unterstützung von Familie, Freunden und anderen Laien konnte sie Initiativen ergreifen. Man denkt an Zeilitzheim und Gerolzhofen, wo Jakob 22

Trapp, Das evangelische Regensburg, 848. Mai, Beiträge, 27. Vgl. auch den Bericht über Sünching, die Stauffer hielten sich von der Messe fern, bis zur Einheit der Kirche:“bis es ain mal zur ainigkait kam“, während Frau von Stauff in beiderlei Gestalt kommuniziert; ibid., 61. 24 Halbach, Argula, 33. 23

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Pfeffer Pfarrer war, an Castell, Rieneck, Henneberg, Wertheim und Erbach. Ihr Auftreten in der Seehofer-Affäre und ihre Flugschriften werden in subtiler und schwer kalkulierbarer Weise die Wahrnehmung der Menschen verändert haben. Nicolaus Simonis nannte sie 1525 „eine starcke fraw“: ihre Schriften und ihr Beispiel sollten „zwo gelärte frawen zu Cöllen“ ermutigen, gegen die Theologen in Köln in ähnlicher Weise aufzutreten.25 Ihre Mahnungen bei den Nürnberger und Augsburger Reichstagen und vor dem Regensburger Konvent wurden auch nicht vergessen. Die Betonung der konfessionellen Stabilisierung des Luthertums in der heutigen Historiographie hat ihr gutes Recht, aber ohne die Energie, Phantasie und den Mut der ersten Jahre wäre der Stein nie ins Rollen gekommen. Argula hat sich ihren Einsatz etwas kosten lassen, aber niemals bedauert, es mit denen aufgenommen zu haben, die, wie sie glaubte, den Geist in einen engen Raum einschließen wollten und den Scharfrichter zur moralischen und theologischen Instanz erklärten. Man ahnt, dass sie am Ende ihres Lebens etwas von dem stürmischen Vertrauen verloren hatte, das Wort Gottes werde wie ein Waldbrand durch das Land rasen. Wie hätte es sonst sein können? Selten konnte sie einen evangelischen Gottesdienst besuchen. Was die ersehnten Reformen in Kirche und Gesellschaft betraf, erging es ihr wie Moses vor dem Einzug in das gelobte Land.

Argula und die Heilige Schrift Zeitgenössische Holzschnitte zeigen die Konfrontation Argula von Grumbachs mit den Ingolstädter Theologen. Die übergroße Bibel in ihren Händen fällt auf, ikonographisch eine wichtige Einsicht. In Wirklichkeit aber trug sie „ihre“ Bibel im Kopf, in ihrem Gedächtnis, in ihrem Herzen. Von den frühen 1520er Jahren an hat sie die Bibel, zuerst eine vorreformatorische, intensiv studiert. Ihr überschwängliches Lob für Luthers Septem25

Simonis, Ein brautstück, 31. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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bertestament von 1522 und ihre gelegentliche Präferenz für Luthers Terminologie, zeigen, dass sie Luthers Übersetzung las und schätzte: „Wiewol ich keinen nie gelesen hab, der jm gerecht zuverteutschen geleicht (gleicht).“26 Sie verschlang die Bibel, nicht wortwörtlich, sondern dem Sinn nach, verinnerlichte ihre Botschaft.27 Ihre Bibellektüre war selektiv ; sie bevorzugte die Propheten, vor allem Jesaja, Jeremias, Hosea und Joel; auch die Evangelien, besonders Matthäus und Johannes. Die Psalmen, das Herzstück der Frömmigkeit, waren auch wichtig. Von den paulinischen Episteln, zitiert sie am häufigsten aus den Briefen an die Korinther. Die Bücher Mose, die historischen Bücher und die apokalyptischen Bücher, Daniel und die Offenbarung des Johannes, werden kaum berührt. Aus der „kleinen Apokalypse“, Matthäus 24, zitiert sie aber häufig. In ihren veröffentlichten Schriften gibt es 128 Zitate aus der hebräischen Bibel, 191 aus dem Neuen Testament, doch sollte man diese Statistiken mit Vorsicht gebrauchen.28 Nicht weniger als 22 Zitate stammen aus einem einzigen Kapitel der Bibel, Matthäus 10, mit der Thematik der Nachfolge Jesu; neun Zitate stammen aus Jesaja 30: Gottes Zorn auf die Abtrünnigen und seine Hilfe für die Treuen. In einer wichtigen Gruppe von Zitaten aus dem zweiten Brief des Paulus an die Korinther (2 Korinther 2 – 4) geht es um die echte Nachfolge Jesu, den neuen Bund Gottes, die Freiheit im Geist. Oft verknüpft sie prophetische, evangelische und paulinische Texte; ein Geflecht biblischer Zitate sollte ein aktuelles Problem beleuchten. Sie liebte es, diese Bezüge zwischen den Texten herzustellen, von einer in ihrem Gedächtnis aufbewahrten Bibelstelle zu einer anderen springend, wie auf Steinen einen Fluss durchquerend. 26

Matheson, Schriften, 74. Sie verwendet hier in Bezug auf 1 Petr. 2,6 und 1 Kor. 3,11 sowohl Luthers Übersetzung „Eckstein“ und das vorreformatorische „haupt des winckels“. 27 Vgl. Halbach, Argula, 195 – 203, zu ihrem Umgang mit der Schrift. 28 Weil sie hauptsächlich aus dem Gedächtnis zitierte, sind einige Texte verkürzt, einige mit anderen kombiniert. Hinweise auf andere Stellen könnten übersehen werden. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Argulas Annahme, dass alle persönlichen, sozialen und politischen Probleme mit der Hilfe der Bibel zu lösen sind, ist für den heutigen Leser schwer nachvollziehbar. Sie war aber keine „Fundamentalistin“, sondern versuchte hinter den Buchstaben das Wort Gottes, den Heiligen Geist zu hören. Sie verstand die Schrift als eine Einheit, klar, zwingend und umfassend. Dieses Wort Gottes, mit seiner Kraft „ Felsen zu spalten“, würde ewig Bestand haben, und war vollkommen vertrauenswürdig, anders als menschliche Weisheit, die vorläufig und unzuverlässig sei. Mit seinem Wort sammele Gott seine Gläubigen aus dem Osten und dem Westen, und ermächtige sie: Entgegen allen Erwartungen wird eine Person „wol tausent jagen“.29 Diese Geistbegabung, die sie als das „Licht“ oder die „Wahrheit“ der Bibel beschreibt, überspringe mit unwiderstehlicher Unmittelbarkeit die Jahrhunderte. Immer wieder identifizierte sie ihre Aussagen mit denen der biblischen Autoren: „Jch sprich mit Paulo am 1 Korinther 2“.30 Sie hatte die Schlüsseltexte buchstäblich vor Augen; hörte mit ihren eigenen Ohren die biblischen Mahnungen oder Ermutigungen an sie oder an eine städtische Gemeinschaft wie Ingolstadt oder an Bayern als Ganzes. Weder die Weisheit der Welt, noch die Autorität des Papstes oder der Tradition, sondern allein die Schrift, das lebendige Wort Gottes für ihre Zeit mit Christus im Zentrum, biete einen sicheren Grund für Glauben und Leben.31 Eindrucksvolle biblische Bilder bemächtigten sich ihrer Phantasie: das Blut der Unschuldigen, das nach Gottes Rache schreit, Judit und Holofernes, der flammende Kessel Jeremias, der Blinde, der alle anderen Blinden ins Verderben führt. „Ihre“ Bibel war alles andere als bequem. Sie warnte Fürsten (und Ehemänner), dass ihre Macht begrenzt sei; sie ermahnte „falsche Hirten“, diejenigen, die Verantwortung für Kirche und Gesellschaft trugen; sie hatte scharfe Worte für die Weisen dieser Welt. „Ihr“ Gott erhob die Demütigen und die Ausgestoßenen.

29

Matheson, Schriften, 147. Ibid., 75. 31 Ibid., 73 – 74. 30

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„Ihr“ Christus war ritterlich. „Ihr“ Heiliger Geist stellte alle menschlichen Traditionen in Frage. Für viele Zeitgenossen schien es, dass sie als Frau, eine Laiin, die zentrale Botschaft der Bibel besser verstanden hatte als die gelehrten Theologen in Ingolstadt. Weil das Ansehen der Bibel in ihrer Zeit so hoch war, sprach sie „mit Vollmacht“. Luthers Schriften waren für sie nur Einführungen in die Bibel; in ähnlicher Weise kreisten ihre Worte um biblische Zitate. In Wirklichkeit hatte sie natürlich ihre eigene Perspektive, ihren eigenen „Blick“; wir würden heute sagen: ihr eigenes Vorverständnis. Sie las die Schrift existenziell, ihre Auslegung reflektierte ihre eigenen Erfahrungen als Laiin, als Frau, als Angehörige des Hochadels. Der Text ihrer Welt stellte Fragen an den Text der Bibel, und umgekehrt: der biblische Text bestimmte ihr Verständnis der großen Fragen der Gesellschaft und der Politik. Sie exemplifizierte, wie Laien die Botschaft Luthers in den Lebensteppich knüpften. Es ist schon interessant, dass sie ihre persönlichen Briefe nie mit frommen Zitaten aus der Schrift schmückte, auch wenn ihre Briefpartner ab und zu Phrasen wie: „ich wünsche euch hail im herrn“, oder „unssern hayland“ an den Anfang des Briefes stellten.32 Die biblische Sprache war für sie ein flammendes Schwert, keine banale Floskel. Die leuchtenden Versprechungen und trotzigen Anklagen Jesajas und Jeremias, der unüberhörbare Aufruf Jesu zur Nachfolge im Matthäusevangelium, verliehen ihrem Leben Richtung und Sinn.33

Argulas Theologie34 Argula von Grumbach hatte selbstverständlich keine theologische Ausbildung; für Frauen gab es keine. Sie konnte wenig oder 32

BayHStA Grombach, Nr. 28, 60. Leider haben wir wenige Hinweise, wie sie die Schrift in ihrem späteren Leben verstand. 34 Halbach, Argula, 210 – 221; Matheson, A Reformation for Women, 39 – 55. 33

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gar kein Latein, kein Hebräisch oder Griechisch. Sie wusste wenig oder nichts über Philosophie oder über die griechischen und lateinischen Klassiker. Die Kategorien und die Terminologie der Theologen, ob Scholastiker, Humanisten oder Lutheraner, waren ihr unbekannt. An theologischer Spekulation oder philosophischer Theologie war sie nicht interessiert, genauso wenig am kanonischen Recht. Wie viele andere Laien dieser Zeit, bildete sie sich ihre Meinung durch eifriges Lesen der Schrift, durch Hören von Predigten, durch Flugschriften, die aus Wittenberg und anderswo strömten, und vor allem in Diskussionen über die kritischen Fragen mit anderen Laien und mit Predigern. Wir wissen, dass sie die Vorworte des Kirchenvaters Hieronymus zu den biblischen Büchern las und dass sie, wie der Stadtschreiber Martin Cronthal, die „Geyerin“ und vielleicht auch Schwestern aus dem Kloster Himmelspforten zu einer Gruppe aus Würzburg und Umgebung gehörte, die Briefe, Flugschriften und religiöse Ideen miteinander teilte und wahrscheinlich gemeinsam betete und sang. Briefe an ihre Brüder Bernhardin und Gramaflanz und an die anderen Geschwister sind nicht bekannt, aber vermutlich haben die Kontakte mit ihnen auch zu ihrem neuen Verständnis des Glaubens beigetragen. Wir wissen nicht, wie sie auf die dramatischen Ereignisse der Ablasskontroverse, auf Luthers Begegnungen mit Cajetan in Augsburg 1518, mit Johann Eck in Leipzig 1519 und mit dem Kaiser auf dem Wormser Reichstag reagierte. Es ist aber kaum auszuschließen, dass sie und ihr Mann Fritz, wie viele Haushalte im ganzen Reich, über diese Ereignisse diskutierten. Wir wissen, wie sie auf die Nachrichten über die Brüsseler Märtyrer reagierte und auf die Seehofer-Affäre. Spätestens 1523 war sie sich über ihren theologischen Standpunkt so sicher, dass sie die gelehrten Ingolstädter Theologen zu einer öffentlichen Diskussion auffordern konnte. Ihre Schriften zeigen, dass sie Teil jener evangelischen Bewegung war, die recht antiklerikal war und glaubte, man lebe in den „letzten Tagen“, in denen Gottes Geist in ganz neuer Weise gegenwärtig sei. Sie sprach explizit von ihrer Achtung vor Luther und Melanchthon, dass sie deren Schriften bestellt und gelesen © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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hatte. In ihrer Sprache sind auch gedankliche und sprachliche Anklänge an Paul Speratus und Andreas Karlstadt zu finden und wir wissen, dass sie den Nürnberger Pfarrer Andreas Osiander als ihren Mentor betrachtete. Genau zu bestimmen, welche Schriften Luthers und der anderen Reformatoren sie direkt beeinflussten, ist schwierig.35 Ihr eigenes, festes Kriterium für den Glauben war der „waren felsen Christum selbst“ und sie verneinte eine ultimative Abhängigkeit von Luther.36 Das könnte man als gute Taktik in einem stark antilutherischen Umfeld sehen, doch es scheint ungehörig an ihrer Überzeugung, dass letztlich Christus allein ihr Lehrer war, zu zweifeln. Sie war ein selbstständiger Geist. Sie bewunderte Luthers Mut und Einsicht und seine unübertroffenen Fähigkeiten als Übersetzer der Schrift, doch sie rezipierte seine Argumente in Freiheit. Ihre Sprache, ihre Bibelexegese, die besonderen Akzente in ihrer Theologie, bezog sie auch aus ihren Erfahrungen als Frau und als scharfe Beobachterin der zeitgenössischen Szene. Ihr Verständnis der Sünde zum Beispiel, ermutigte sie, eine junge Frau, nicht nur öffentliche Mahnungen an die Theologen und an den Klerus zu richten, sondern auch an ihre Fürsten in Bayern, an die Räte in Ingolstadt und Regensburg und während eines Reichstages an die protestantischen Fürsten in Nürnberg und in Augsburg. Man nennt das heutzutage „politische Theologie“, „public theology“. Die Kritik richtete sich nicht auf individuelle moralische Fehler sondern auf strukturelle Sünde, wie sie in systeminhärenter Korruption oder bei Vernachlässigung oder Verfolgung des Wortes Gottes zu Tage tritt. Sie fand sich wie die Propheten gezwungen, Ungerechtigkeit anzuklagen. 35 Vgl. die detaillierte Analyse von Halbach, Argula, 221 – 225, die vielleicht zu sicher wirkt. Abgesehen von Luthers An den christlichen Adel deutscher Nation von 1520, der Adventspostille von 1521 und seiner 1523 Schrift Von weltlicher Obrigkeit, aus denen Argula sehr klar erkennbar geschöpft hat, ist es vielleicht ratsam, spezifische Einflüsse auf ihre Sprache und Argumente nur vorsichtig nachzuzeichnen. Man vergesse nicht, dass viele ähnliche Themen und Argumente in zahllosen Flugschriften und Predigten dieser Zeit herumschwirrten. 36 Matheson, Schriften, 74.

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Professor Hauers polemische Predigten gegen die neue Generation evangelischer Frauen hatten ihr Bewusstsein gestärkt, dass sie als Frau schrieb. Eine geschlechtsspezifische Dimension ist in ihren Schriften enthalten. Johann von Landshut, auf traditionelle frauenfeindliche Stereotypen bauend, unterstellte ihr, dass sie Luthers Betonung der Gnade Gottes anziehend fand, weil sie den Frauen eine faule Ausrede für ihre Sünden lieferte; in ihrer Antwort kehrte sie das konventionelle Verständnis von Evas Ursünde um. Es wäre eine unverzeihliche Sünde gegen den Heiligen Geist gewesen, den auf Seehofer ausgeübten Zwang nicht zu verurteilen. Sünde hieß in diesem Fall Schweigen. Dass Frauen gewisse konventionelle Grenzen überschritten hatten, war keine Sünde; Sünde war der Machtmissbrauch durch „heidnische“ Fürsten und hochtrabende Kleriker, der Zwang zum Glauben durch Androhung von Kerker und Scheiterhaufen. Was Gottes Gnade betraf war sie überzeugt, dass das Heil immer ein völlig freies Geschenk Gottes sei. Wir sollen aus der Gnade leben. Hier hatte Luther die erlösende Botschaft der Schrift für sie lebendig gemacht. Ihre Erwiderung auf die repressiven Strategien Adam von Therings war im wahren Sinn des Wortes gnädig und zeigte eine erstaunliche Liebenswürdigkeit. Fromme, gute Werke ließen sie kalt, wenn sie als Verdienste angerechnet werden sollten; die Forderung, dass Priester keusch leben müssten, sei heuchlerisch. Man sucht in ihren Schriften vergebens nach Aussagen zu Luthers zentraler These von der Rechtfertigung durch den Glauben. Gerechtigkeit hieß für sie vor allem: ein rechtschaffenes Leben in der Gemeinschaft, gute pastorale Fürsorge, eine ethische Erziehung für die Jugend, die freie Verkündigung des Wortes Gottes. Wenn man diese Dinge vernachlässige, ernte man den Zorn Gottes, der das Land mit Plagen strafen würde. Die apokalyptischen Erwartungen beflügelten ihre Hoffnungen, doch auf die Übeltäter warte der Untergang.

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Tochter, Ehefrau, Mutter, Witwe Argulas Selbstverständnis als Frau lässt sich nicht so leicht festlegen. Wir können aber auf klare Aussagen über ihre Rolle in religiösen, moralischen und familiären Fragen hinweisen, auch auf ihre tatsächlichen Entscheidungen und Aktionen. Leider wissen wir nichts über den Einfluss ihrer Mutter. Die unerschrockene Art der Herzogin Kunigunde, die sich in der LaminitAffäre wie auch in ihren späteren politischen Interventionen zeigte, wird sie wohl beeinflusst haben. Schon vor dem Tod ihres Mannes hatte Argula nicht nur den Haushalt in Lenting und Dietfurt verwaltet, sie hatte auch die finanziellen Geschäfte mit Friedrich von Leonrod und der Familie Fuchs abgewickelt und die unerfreulichen Verhandlungen mit den Geldverleihern geführt. Obwohl die Lehen nie ihr, sondern ihrem Mann oder ihren Söhnen übertragen wurden, beaufsichtigte sie die Arbeit in den Weinbergen und auf den Höfen. Sie hielt den Geldbeutel in der Hand und bestimmte das Ethos der Familie. Jedenfalls versuchte sie, das zu tun! Die Korrespondenz mit ihren Kindern bietet uns Einblick in ihre aktive Rolle als Mutter. Sie nährte die Säuglinge an der eigenen Brust, gab sich viel Mühe mit der Erziehung aller Kinder, wählte die Lehrer aus, hielt engen Kontakt sowohl mit den Kindern als auch mit ihren Lehrern. Bisweilen stand sie auf verlorenem Posten, als ihre Söhne älter wurden. Auch nachdem Georg in Wittenberg gescheitert war, geht aus seinen Briefen hervor, die er von Burggrumbach aus schreibt, dass sich ein gutes Verhältnis zwischen der Mutter und ihrem ältesten Sohn entwickelt hatte. Dann gibt es die ergreifenden Briefe an Apollonia, als sie sich von einer fast tödlichen Krankheit erholte, und die scharfe Ermahnung an Hans-Jörg, später ihre jahrelangen Bemühungen, eine gerechte Strafe für seine Mörder zu erlangen. Ihre Hoffnungen für ihre Kinder zerschlugen sich weitgehend, Gottfried ausgenommen. Nachdem Apollonia, Georg und Hans-Jörg innerhalb weniger Jahre starben, muss es für sie undenkbar schwer gewesen sein weiterzumachen. Ihr erster Mann Fritz war ungefähr zehn Jahre älter als sie. Es gibt leider keinen Briefwechsel zwischen Argula und Fritz, auch © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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keine Briefe ihres zweiten Ehemanns Graf Burian von Schlick. Es gibt nur Hinweise auf den bitteren Streit zwischen ihr und Fritz, nachdem er seine Stelle als Pfleger verloren hatte. Ob er sie emotionell oder physisch angriff – was es bedeutet, dass er „Christum in mir verfolgt“, wie sie an Adam von Thering schrieb, ist nicht klar.37 In ihrem Gedicht spricht sie von ihrem Willen, ihrem Mann jederzeit zu dienen, der aber seine Grenzen habe: „wo er aber mich wölte dringen / Von gottes wort treyben und zwingen / Daß ich darvon nichts halten sölt“. Sie hofft auf Gottes Rat: „wer mich auch leren wol, / Wie ich mich gegen jm halten soll.“38 Luther spricht von ihrem Leiden in dieser Hinsicht. Die nächsten sechs Jahre, bis zu Friedrichs Tod 1530, werden auf jeden Fall sehr schwierig gewesen sein, obwohl Gottfried wohl in dieser Zeit geboren wurde. Die Briefe von Ketzmann zeigen auch, dass Fritz und Argula ganz unterschiedliche Vorstellungen über Georgs Erziehung hegten. Was hatten sie eigentlich noch gemeinsam? Umso wichtiger war ihr Netzwerk von Freunden, vor allem von Freundinnen. Die Unterstützung von Witwen wie Dorothea von Klingenberg scheint ihr besonders wichtig gewesen zu sein. Ihre kritischen Worte über die Gewalttätigkeit der Männer gegen Frauen sind frappierend, fast einmalig in dieser Zeit. Sie setzte der männlichen Autorität in Ehe, Kirche und Gesellschaft Grenzen und sprach mit scharfer Verachtung über männliche Untreue. Schonungslos kritisiert wurden auch die kulturellen Defizite der Adeligen wie die Maßlosigkeit während der Reichstage.

Argulas Beitrag Ihre erstaunlichsten Leistungen erbrachte sie als junge Mutter, etwas über dreißig Jahre alt. Heute spricht man von der „Glasdecke“, die die Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen im öffentlichen Leben begrenzt. Argula von Grumbach durchbrach eine 37 38

Matheson, Schriften, 121. Ibid., 148. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Decke nach der anderen. Der Zugang zu den kirchlichen Institutionen, zur Universität, zur städtischen oder fürstlichen Politik war Frauen, mit wenigen Ausnahmen, versperrt. Diese Konventionen beruhten zum großen Teil auf unbewussten Vorurteilen über die physiologische und psychologische Unfähigkeit der Frauen, sich rational zu verhalten. Unterstützt wurden diese Vorurteile durch philosophische und religiöse Überzeugungen, deren Intensität heute schwer nachzuempfinden ist. Die wütende Reaktion auf ihre Intervention in der Seehofer-Affäre, die Todesdrohungen, die Bestrafung ihres Mannes und die obszönen Beleidigungen bezeugen das Ausmaß der Entrüstung. Sie trotzte solchen Tabus mit einem strahlenden guten Gewissen. Sie nahm in Kauf, dass sie wegen ihres Einsatzes sterben könnte und bereitete sich darauf vor. Als die Kontroverse immer größere Wellen schlug und der ursprünglich handschriftliche Protest an die Universität innerhalb eines Jahres in sechzehn gedruckten Ausgaben erschien, als sich ihre auf einen Einzelfall in Ingolstadt bezogene Polemik zur Forderung nach einer gründlichen Reform der Kirche und der Gesellschaft ausweitete, fand sie sich, wie die Holzschnitte zeigen, als ikonische Figur bejubelt. Eine Zeit lang wurde sie zur apokalyptischen Galionsfigur des neuen Glaubensschiffs. Dem ersten Brief folgten sieben andere Flugschriften. Wenn man bedenkt, dass Flugschriften oft vorgelesen wurden, wird klar, dass ihre Worte und Argumente zahllose Frauen und Männer erreichten, die wahrscheinlich auch durch ihre beispielhaften Aktionen ermutigt wurden.39 Denn es war nicht nur eine literarische Offensive. Sie setzte ihr Leben aufs Spiel, forderte jede signifikante Autorität ihrer Zeit heraus: die Universität, die Hierarchie der Kirche, die bayerischen Fürsten: „über das wort gottes haben sie nichtz zugebieten, weder Babst, Kayser 39

Halbach, Argula, 187, schätzt, dass 29.000 Exemplare ihrer Schriften die deutschsprachige Leserschaft und Hörerschaft erreichten. Natürlich erregten ihre Schriften auch viel Ärger. Ihre zweite Schrift an Herzog Wilhelm schließt mit den Worten: „Argula von Grumbach/ain geborne von Stauff“. Ein Unbekannter kommentierte am 13. Dezember 1523 den Druck: „ein geborn Lutherischer huerensack vnd Höllrigel“. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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noch Fürsten“40 In Nürnberg und Augsburg rief sie die protestantischen Fürsten zum Widerstand auf. Sie ließ erkennen, dass die Macht des Ehemanns nicht unbegrenzt war. Solche Präzedenzfälle konnten nie ganz in Vergessenheit geraten. Welchen Einfluss übte eine standesbewusste Erziehung auf ihr religiöses Denken aus? Die romantische Ritterlichkeit des Walthers von der Vogelweide, die in der „Minne“ die idealisierte Geliebte keusch verehrt, bewegte sie nicht. Anders als ihre Eltern nannte sie keines ihrer Kinder nach den heroischen Gestalten des Parzivals. Der Name Gottfried stammt aus der Familie ihrer Mutter. Aber Vogelweides scharfe Kritik des Papsttums und Argulas Versuch, ihren Gegnern „ritterlich“ zu begegnen, weisen Gemeinsamkeiten auf. Der Ernst des ritterlichen Ethos ist leicht zu unterschätzen. Vogelweides Beschreibung der mystischen Pilgerschaft zum heiligen Gral, seine ethischen Werte und seine Überzeugung, dass die Demut die Arroganz am Ende überwinde, finden Entsprechungen in Argulas Leben. Selbst wenn sie Luther als „getrew“ beschreibt, erinnert das an die Sprache Parzivals.41 Die Werte der ritterlichen Tradition waren ihr sehr wichtig. Vermutlich war sie sich des Gegensatzes zwischen ihren reformfreudigen Ansichten über Kirche, Religion und Erziehung, und einer Nostalgie für die alten ritterlichen Traditionen nicht bewusst. Es war ein tragisches Leben, von Größe angehaucht. Wie originell war sie als Exegetin, als Theologin, als Vorbild für eine neue Frömmigkeit und einen neuen Lebensstil? Über die Größe ihrer Leistung lässt sich streiten und einige Fragen bleiben offen. Wie abhängig war sie von Luther? Warum endete ihre literarische Kreativität nach 1524? War sie eine frühe Feministin oder versteht man sie besser als prophetische Gestalt, die durch ihr Verständnis der Taufe als heiligen Eid zur Aktion gedrungen wurde? Müssen diese zwei Alternativen einander ausschließen? Wie ist die reiche Dokumentation ihrer religiösen Motivationen in den1520er Jahren mit den kargen Aussagen darüber in ihrem späteren Leben in Einklang zu bringen? Weitere Forschungen und neue Perspektiven werden diese 40 41

Matheson, Schriften, 65. Der getrew erbeiter des Evangeliums, Martinus Lutther ; ibid., 67. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Fragen erhellen. Bisher unbekannte archivalische Quellen sind in den letzten Jahren und auch Monaten aufgetaucht. Das wird weiterhin geschehen. Unsere jetzigen Fragestellungen und Voraussetzungen sind auch nicht immer besonders hilfreich. Was hätte sie zum Beispiel über unsere heutige Hochschätzung von Glück, Leistung und Originalität gesagt? Das Leben Argula von Grumbachs wirft mehr Fragen auf, als es Antworten liefert, wie Jeremias brennender Topf oder Kessel, der ihre Phantasie so gefesselt hatte. Wir wissen nicht einmal wie diese Staufferin aussah, ob sie groß oder klein war, ob sie blauäugig war oder goldbraune Haare trug. Vollkommen klar andererseits war die Kraft ihrer persönlichen Ausstrahlung, ihr „Charisma“. Sogar der Name ist irreführend. Argula von Stauff passt viel besser zu ihr als Argula von Grumbach! Der Ursprung ihrer Zuversicht: „Das wort Gottes jn seiner verhaissung ist ja on alles nain“ lenkt uns weg von ihrer eigenen Person hin zu Gott.42 Doch wer könnte abstreiten, dass ihre Worte und Aktionen, die so gegen den Strich liefen, von einer bemerkenswerten Energie zeugen, von erstaunlichem Mut, von Phantasie und zäher Beharrlichkeit? Ich schließe mit den enigmatischen Worten, die Argula in das Gebetbuch, das Martin Luther ihr geschenkt hatte, schrieb: „Ich bitt gedenckht mein gegen gott / welchs ich gedenckh ny¨ mer zuvergeßen / euch hiemit mich befellen (befehlen)“43

42 43

Ibid., 73. Berl SBPK: Luth 2900 KD. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Quellen und Literatur

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Register

Aham, Barbara von 191 Albrecht IV., Herzog von Bayern 16 – 19, 22, 25 f., 28 f., 31 f., 60, 104, 118, 158 Albrecht V., Herzog von Bayern 219 f. Althamer, Andreas 130, 147, 149, 159, 161 – 163, 170, 181 – 183 Ansbach 28, 30, 147, 161 – 163, 176 f., 181 f., 184, 227, 232 Auerberger, Sigmund von 214, 217 Augsburg 14, 20, 22, 25 f., 40, 49 – 51, 56, 64, 73 f., 81, 86, 98, 101, 103, 138, 161 – 170, 172, 174, 182, 191, 202, 212 f., 219, 227, 232 f., 237 f., 243 Aventinus 23, 45 f., 155 Basel 49, 74, 146 Beratzhausen 7, 15 – 19, 24, 26, 53 f., 56 f., 59, 119, 136, 143, 152 f., 156, 187, 197, 204 f., 217, 224 Bucer, Martin 49, 73, 105, 166, 201 Burggrumbach 27 – 30, 34, 93 f., 108, 135, 140 f., 143, 145, 153, 158 f., 164, 170, 175 – 177, 196, 199, 208, 212, 215, 222, 227, 240 Burgkmair, Hans 23 Coburg 164, 173 Contarini, Gasparo 201 – 203

Cronthal, Martin 35 f., 52, 93, 130 f., 136 – 138, 140 f., 145, 215, 222, 237 Denck, Johann 145 – 147, 149, 156 Dietfurt 7, 31, 33 – 35, 37 f., 40, 42, 54, 58 f., 61, 72, 86, 92 f., 99, 113, 130, 139, 141, 143, 159, 224, 227, 240 Dürer, Albrecht 47 f., 53 Eck, Johann 49 – 51, 57, 63, 66, 87, 190 f., 201, 237 Eck, Leonhard von 46, 59, 64, 66, 87, 92, 95, 114, 138 f., 155, 217, 231 Ehrenfels 15 – 18, 20, 26, 105, 185, 187, 204 f., 217, 226 Eichstätt 17, 30, 37, 60, 63 f., 66 f., 88, 117, 140, 143, 157, 168, 178, 191 Erasmus, Desiderius 24, 47, 149, 181 Friedrich, Kurfürst von Sachsen 51, 54, 73 f., 80, 99 – 103, 129 Fuchs-Familie 135, 175 – 177, 206 Fürer, Katharina 156 f., 228 Fyrthayler, Wolff 34 Geißler, Nicholas 179 f., 185 Georg, Herzog von Bayern 19, 22, 31, 97, 104

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Register

Georg, Markgraf von Brandenburg/ Ansbach 161 f., 182 Gerolzhofen 157, 170, 232 Geyern, Margareta Schenk von 13, 16 Grasser, Kolman 153 Grumbach, Adam von 140, 173 – 177, 180 Grumbach, Apollonia von 35 f., 42, 147 f., 183 – 185, 198, 226 f., 240 Grumbach, Friedrich von 27 – 31, 36 – 38, 92 f., 104, 111, 113, 135, 139 f., 143 f., 150 f., 159, 198, 215, 219 f., 240 f. Grumbach, Friedrich von (Friesland) 113, 182 f. Grumbach, Georg von 30, 35, 39, 41 f., 86, 92, 145 – 153, 164, 172 – 180, 184, 190, 198 – 200, 223, 226 f., 229, 240 f. Grumbach, Gottfried von 147 f., 157, 159, 179, 183 f., 191, 193 – 197, 206 – 208, 211, 213, 215, 220, 227, 240 f., 243 Grumbach, Hans-Jörg von 35, 41 f., 92, 147 – 149, 151, 161 f., 176 f., 179, 181 – 184, 195 – 198, 205 – 209, 211 f., 218, 223, 226 – 229, 240 Grumbach, Hans-Karl von 173 f., 184 Grumbach, Hans von 136, 140 Grumbach, Johann von 29 Grumbach, Jörg von 34, 37, 144, 180 Grumbach, Magdalena von 213 – 217, 222 Grumbach, Oswald von 183 Grumbach, Sophia von 34, 52 Grumbach, Wilhelm von 29 f., 45, 175 f., 189, 193, 209 f.

Günzburg, Johann Eberlin von 49, 73, 97, 116, 158 Halbach, Silke 22, 64, 68, 74, 81, 85, 101, 103, 105 f., 108, 111, 115, 117 f., 124, 130, 204, 220, 224 f., 232, 234, 236, 238, 242 Hann, Christopher 206 Hauer, Georg 51, 60, 66 – 68, 77, 96, 112, 117, 120, 124, 239 Hergot, Hans 123, 158 Heßberg, Giso von 157 Himmel, Erhard 205 Himmelspforten 29, 34, 52, 131, 237 Hubmaier, Balthasar 48, 55, 92, 123 Ingolstadt 17, 19, 22, 29 – 32, 34, 36, 40 f., 51, 56 f., 61, 63, 65 f., 72, 82, 84, 87, 93 f., 97 f., 103, 111 f., 115, 117, 120, 124, 141 – 143, 145, 147, 156, 166, 174 – 176, 184 f., 190, 192, 204, 211, 214 – 216, 218, 226, 232, 235 f., 238, 242 Jakob, Wolfgang 194 f. Johann, Kurfürst von Sachsen 168 Johann, Pfalzgraf von Simmern 99 – 101, 103, 129 Johann von der Laytter 216 Johann von Stein 193 Jonas, Justus 167 Karl V. 54, 60, 100, 167, 173, 201 Karlstadt, Andreas 5, 54, 56 f., 63, 73, 81, 156, 238 Klempzen, Nicholas 207, 211 Klingenberg, Dorothea von 158, 217, 222, 241 Köfering, 16, 143

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525550724 — ISBN E-Book: 9783647550725

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Register Kolde, Theodor 22, 50, 52, 55, 57, 60, 64, 67, 103, 116, 146, 154, 159, 163, 173, 181, 225 Krafft, Jobst 190 Kretzer, Christopher 208 – 210 Kunigunde, Herzogin von Bayern 22 f., 25 f., 31, 34, 45, 86, 240 Landshut, Johann von 124, 126, 128, 163, 239 Landshut 15 f., 19 f., 22, 28, 31, 41, 49, 51, 93, 104, 124, 143, 231 Lemlin, Ursula 158, 214, 222 Lenting 27 f., 30, 34 f., 37, 39, 41, 60, 111, 113, 121, 130, 136, 143 – 145, 149, 153, 158 f., 168, 174, 176, 183 – 185, 197 f., 209, 211, 213, 215 f., 220, 224, 227, 240 Leonrod, Friedrich von 37, 140, 157, 168, 170, 185, 192 f., 240 Leydmayer, Wolff 147, 184 Lindlin, Anna 217 Lipowsky, Felix 59, 64, 93, 118, 129 Lotzer, Sebastian 73, 80 f., 91, 156 Ludwig, Herzog von Bayern 19, 23, 31, 38, 45, 90, 93, 118, 139 Luther, Katharina 164 Luther, Martin 5 f., 19, 25, 44 f., 47, 49, 51 – 59, 64 – 67, 70 – 73, 75, 77 – 82, 86, 89, 91, 93, 95, 100, 103, 106, 110, 114 f., 119 – 122, 124 – 128, 131, 133, 138, 144 f., 163 – 165, 167, 170, 172 f., 203, 213, 218, 222, 227, 232 – 234, 236 – 239, 241, 243 f. Maler, Matthes 49, 51, 82 Marstaller, Leonhard 112, 116 Maximilian I. 19, 23, 25 f., 104

Melanchthon, Philip 54, 57, 63, 69, 75, 77, 128, 146, 149, 163, 166 – 168, 172 f., 181, 201, 237 Möller, Katharina 216, 219 f. Moses 136, 141 f. München 5, 7, 11, 17 f., 22 – 25, 32, 34 f., 39, 46 f., 49, 51, 54, 59, 64 – 66, 68, 70, 84, 86 f., 90, 92, 114, 117, 136, 146, 154, 176, 191, 204, 213, 223, 226 f., 229 – 231 Nürnberg 21 f., 30, 34 f., 47, 50 f., 53 – 56, 58, 60, 63, 69, 72 – 74, 78 – 80, 85, 97, 99 f., 103, 107, 109 f., 114, 120, 123, 129, 131, 142 – 148, 151, 153, 157 f., 164, 167, 173, 178, 183, 194, 197, 199, 202, 206 f., 212, 219, 222, 224, 228, 232 f., 238, 243 Osiander, Andreas 35, 55, 60 f., 63 f., 72 – 74, 80, 97, 99, 109, 120, 122, 144 – 149, 151, 153, 157, 163, 172, 197, 206, 219, 223, 238 Paissweyll, Balthasar 227 Paracelsus 152, 187 Parzival 15, 243 Peypus, Frederick 74, 80, 145 Pfalz-Neuburg 15 f., 104 – 106, 136, 204 f. Pfeffer, Jakob 37, 157, 170, 233 Philip, Landgraf von Hessen 165, 168 Planitz, Hans von 73 f., 80, 104 Polle, Philip 191 Prag 170, 180, 185 f., 188 – 190, 192 Rabus, Ludwig 129, 224 Reckenhofer, Martin 115 Reffin, Margaret 158, 222

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Register

Regensburg 11 f., 14, 16 – 20, 34 f., 41, 47 f., 53, 55, 57, 85, 92, 116 – 124, 129 – 131, 133, 136, 141 – 143, 146, 153 f., 156, 191, 201 – 205, 232 f., 238 Reuchlin, Johann 43 f. Rhegius, Urbanus 57, 73, 138, 165 f., 168 Ruchhamer, Antoninus 198 – 200 Sachs, Hans 58, 80 f., 124, 145, 212 Sailer, Gereon 64, 165 f. Salomon 190 Sandizell, Johann 65, 142 Schaumberg, Adam von 73 Schaumberg, Silvester von 29, 59, 232 Scheffer, Hans 216 Schlick, Albrecht, Graf von Passaun 188 Schlick, Anna , Gräfin von Passaun 185, 187, 204 Schlick, Burian, Graf von Passaun 185 f., 188, 205, 241 Schlick, Hieronymus, Graf von Passaun 188 Schlick, Kaspar, Graf von Passaun 185 Schlick, Margarethe, Gräfin von Passaun 35, 185 – 188, 218 Schlick, Wolff, Graf von Passaun 188 Schütz-Zell, Katharina 116, 157, 225 Seehofer, Arsacius 50, 54 f., 63 – 69, 72, 74, 76, 78 f., 81, 84, 87 – 89, 92, 94 f., 103 f., 108, 115 f., 118, 123, 130, 141, 143, 154, 163, 171, 218, 229, 233, 237, 239, 242 Spalatin, Georg 49, 54, 110, 114, 144, 154, 163, 167

Spengler, Lazarus 47, 51, 61, 65, 71, 75, 77 – 79, 100, 109, 145, 167 Speratus, Paul 35, 47 f., 52, 55 f., 60, 64 f., 80, 121, 126 f., 130, 138 f., 170, 206, 238 Stauff, Anna von 220 Stauff, Bernhardin I von 14 – 20, 22, 97, 226 Stauff, Bernhardin II von 14 – 17, 28, 32, 35, 53 – 55, 59, 70, 92, 118 f., 136, 149 f., 152 f., 156, 158, 185 – 189, 197, 202, 204 f., 211, 217 f., 222, 237 Stauff, Feirafis von 15, 35, 52 Stauff, Gramaflanz von 15, 28, 51 f., 136, 185, 187, 204, 211 Stauff, Hans III von 16 Stauff, Hieronymus von 15, 18 f., 22, 26 – 33, 39, 51, 87, 97, 116, 124, 142, 189, 212 Stauff, Johann Ruprecht von 205, 2 Stauff, Marcellus von 15, 17, 65, 111, 136, 141 f. Stauff, Sekundilla von 15, 28, 185, 204, 216 f., 222 Stauff, Zormarina von 15, 35, 52 Staupitz, Johann 25, 41, 47, 56, 58, 158 Stöckel, Wolfgang 82 Stockl, Sebastian 216 Straßburg 131 Thering, Adam von 19, 84 f., 93, 104 – 108, 116, 124, 130, 204, 207, 239, 241 Thering, Veit von 15 Thering, Katharina von 14 f. Thüngen, Konrad von 136, 139 Thüngen, Neidhart von 189 Trautman, Jobst (Hickerich) 209

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Register Ulhart, Philipp 98, 103, 108 Unterpleichfeld 30, 140, 175, 209, 215, 223 Wilhelm, Herzog von Bayern 14, 19 f., 23, 26, 31, 37 f., 51, 59, 64, 72, 84 – 88, 90, 92, 94, 109, 114, 117 f., 130, 138 f., 141, 186, 188 f., 210 f., 217, 242 Wittenberg 47, 49, 51, 54, 60, 63, 69, 73, 110, 128, 144, 153, 156, 164 – 166, 172 f., 175, 179 f., 184, 199, 201, 226 f., 237, 240

Wolgast 157, 206 – 208, 211 Worms 45, 49, 53 – 55, 65, 71, 82, 99 f., 161, 167, 237 Würzburg 7, 12, 28 – 30, 34 f., 37, 46, 48, 52, 56, 59 f., 111, 130, 135 – 140, 145, 157, 179, 190 f., 193, 208 – 210, 215, 237 Zeilitzheim 7, 30, 34, 37, 140, 157, 169 f., 175, 177, 193, 206, 212, 220, 224, 227, 232 Zwingli, Ulrich 49, 165

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