Archiv für schlesische Kirchengeschichte, Band 70-2012 3402102501, 9783402102503

Aus dem Inhalt QUELLEN Winfried Töpler: Das Kirchliche Amtsblatt des Erzbistums Breslau 1944 und 1945 Evelyne A. Adenaue

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Archiv für schlesische Kirchengeschichte, Band 70-2012
 3402102501, 9783402102503

Table of contents :
Title
Inhaltsverzeichnis
WINFRIED TÖPLER: Das Kirchliche Amtsblatt des Erzbistums Breslau 1944 und 1945
EVELYNE A. ADENAUER: Der Krieg ist zu Ende. Aufzeichnungen des Breslauer Pfarrers Karl Schenke vom Sommer bis Dezember 1945
BERNHARD W. SCHOLZ: Die Gravamina der Landstände – Neisse 1608
RALPH M. WROBEL: Das Kloster Wiese-Pauliner bei Oberglogau in den „Regestra Perceptarum et Expensarum …“ von 1711
MAIK SCHMERBAUCH: Deutsche Jugend in der polnischen Diözese Kattowitz 1925–1939
KLAUS UNTERBURGER: Roman mit Gott? Die Verurteilung und Exkommunikation des schlesischen Kirchenhistorikers und Schriftstellers Joseph Wittig (1879–1949) im Licht der neuzugänglichen vatikanischen Quellen
INGE STEINSTRÄßER: Ein Leben zwischen Kulmerland, Lemberg und Grüssau – Sr. Josepha Jettka OSB (1901–1981)
MEINULF BARBERS: Restauration oder Neubesinnung? Das Schicksal der Bündischen Jugendbewegung in Deutschland nach 1945
MANFRED SPATA: Wurde Adam Schall von Bell (1592–1666) in Glatz geboren?
DIETER POHL: Das Urbar der Pfarrwidmut Oberschwedeldorf in der Grafschaft Glatz vom Jahre 1785
SEVERIN GAWLITTA: „Ein Politikón hohen Ranges“ – Der Kardinal Bertram-Nachlass im Erzbischöflichen Archiv Breslau
OTFRID PUSTEJOWSKY: Josef Tippelt – Lehrer und Kolping-Senior – NS-Gegner – geb. 1908 – hingerichtet in Berlin-Plötzensee 1943
RAINER BENDEL: 65 Jahre Eichendorff-Gilde auf dem Hintergrund der Initiativen und Konzepte der Vertriebenenseelsorge
MICHAEL HIRSCHFELD: Die Vertriebenenorganisationen der katholischen Schlesier und das Verhältnis zwischen katholischer Kirche in Deutschland und Polen im Kalten Krieg
GREGOR PLOCH: Prälat Franz Wosnitza (1902–1979) im jüngsten Fokus der Forschung
RAINER BENDEL: Vertriebener Klerus in Sachsen 1945–1955
RAINER BENDEL: Wie die Schlesier Christen wurden, waren und sind. Ein Beitrag zur schlesischen Kulturgeschichte
RAINER BENDEL: 'Damit das Volk eins sei’ – hussitische Revolution zwischen Oboedienz und konziliarem Ringen um die unio in der Christenheit – oder gar unter den Religionen?
Mitteilungen und Verschiedenes
Streszcenie w języku polskim – Zusammenfassung in polnischer Sprache
Verzeichnis der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
Verzeichnis der Abkürzungen
Verzeichnis und Nachweis der Abbildungen
Register der Namen und Orte

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Band 70 • 2012

Im Auftrag des Instituts für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte herausgegeben von Rainer Bendel

ISSN 0066-6491

Band 70 • 2012

ISBN 978-3-402-10250-3

Aschendorff

Archiv für schlesische Kirchengeschichte

Archiv für schlesische Kirchengeschichte Band 70

Im Auftrag des Instituts für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte herausgegeben von RAINER BENDEL

2012

Redaktionelle Mitarbeit: Martin Wambsganß

Gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und der Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages © 2012 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeteten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, die Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche gemäß § 54 Abs. 2 UrhG werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen.

Herstellung: Aschendorff Druckzentrum GmbH & Co. KG, Münster Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier ∞ ISSN 0066-6491 ISBN 978-3-402-10250-3

Inhaltsverzeichnis QUELLEN Winfried Töpler: Das Kirchliche Amtsblatt des Erzbistums Breslau 1944 und 1945 ................................................................................................ 7 Evelyne A. Adenauer: Der Krieg ist zu Ende Aufzeichnungen des Breslauer Pfarrers Karl Schenke vom Sommer bis Dezember 1945............. 61 AUFSÄTZE Bernhard W. Scholz: Die Gravamina der Landstände – Neisse 1608 ........... 95 Ralph M. Wrobel: Das Kloster Wiese-Pauliner bei Oberglogau in den „Regestra Perceptarum et Expensarum …“ von 1711 ................................ 159 Maik Schmerbauch: Deutsche Jugend in der polnischen Diözese Kattowitz 1925 – 1939................................................................................ 183 Klaus Unterburger: Roman mit Gott? Die Verurteilung und Exkommunikation des schlesischen Kirchenhistorikers und Schriftstellers Joseph Wittig (1879 – 1949) im Licht der neu zugänglichen vatikanischen Quellen........................................................... 199 Inge Steinsträßer: Ein Leben zwischen Kulmerland, Lemberg und Grüssau – Sr. Josepha Jettka OSB (1901 – 1981)....................................... 225 Meinulf Barbers: Restauration oder Neubesinnung? Das Schicksal der Bündischen Jugendbewegung in Deutschland nach 1945........................... 257 MISZELLEN Manfred Spata: Wurde Adam Schall von Bell (1592 – 1666) in Glatz geboren?...................................................................................................... 285 Dieter Pohl: Das Urbar der Pfarrwidmut Oberschwedeldorf in der Grafschaft Glatz vom Jahre 1785 ............................................................... 295 Severin Gawlitta: „Ein Politikón hohen Ranges“ – Der Kardinal Bertram-Nachlass im Erzbischöflichen Archiv Breslau ............................. 317 Otfrid Pustejowsky: Josef Tippelt – Lehrer und Kolping-Senior – NS-Gegner – geb. 1908 – hingerichtet in Berlin-Plötzensee 1943 ......... 333

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INHALTSVERZEICHNIS

Rainer Bendel: 65 Jahre Eichendorff-Gilde auf dem Hintergrund der Initiativen und Konzepte der Vertriebenenseelsorge .................................. 341 IN DER DISKUSSION Michael Hirschfeld: Die Vertriebenenorganisationen der katholischen Schlesier und das Verhältnis zwischen katholischer Kirche in Deutschland und Polen im Kalten Krieg..................................................... 361 Gregor Ploch: Prälat Franz Wosnitza (1902 – 1979) im jüngsten Fokus der Forschung ............................................................................................. 368 Rainer Bendel: Vertriebener Klerus in Sachsen 1945 – 1955..................... 375 Rainer Bendel: Wie die Schlesier Christen wurden, waren und sind. Ein Beitrag zur schlesischen Kulturgeschichte ........................................... 382 Rainer Bendel: ‚Damit das Volk eins sei’ – hussitische Revolution zwischen Oboedienz und konziliarem Ringen um die unio in der Christenheit – oder gar unter den Religionen?............................................ 388 MITTEILUNGEN UND VERSCHIEDENES 49. Arbeitstagung des Instituts für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. ..................................................................................401 Vorschau auf die 50. Tagung .......................................................................408 Kardinal-Bertram-Stipendium: Ausschreibung 2013...................................409 Tradition und Partnerschaft – 200 Jahre Universität Breslau / Wrocław.....411 Streszcenie w języku polskim – Zusammenfassung in polnischer Sprache ....................................................................................................... 415 Verzeichnis der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen...................................... 423 Anschrift des Herausgebers ........................................................................ 423 Verzeichnis der Abkürzungen..................................................................... 425 Verzeichnis und Nachweis der Abbildungen.............................................. 427 Register der Namen und Orte ..................................................................... 428

WINFRIED TÖPLER

Das Kirchliche Amtsblatt des Erzbistums Breslau 1944 und 1945 Edition der fünf letzten Hefte

Einleitung Bereits fünf Jahre bevor in den (Erz-) Bistümern Köln, Paderborn und Regensburg 1852 die ersten kirchlichen Amtsblätter herausgegeben wurden, erschien im November 1847 ein solches im Bistum Breslau. Den Grund für die Etablierung eines Amtsblattes nennt der erste Artikel, der hier vollständig wiedergegeben werden soll: „Nach den in Folge unserer Currende vom 12. Dezember v. J. Nr. VI. eingegangenen Erklärungen aus sämmtlichen Archipresbyteraten ist der Wunsch fast allgemein: daß für die Zukunft der Druck der amtlichen Currenden veranlaßt und damit sobald als möglich angefangen werden möge. In Rücksicht auf diesen Wunsch haben wir den Druck der General-Verfügungen beschlossen, und bei den vorliegenden damit den Anfang gemacht. Es werden jedesmal so viele Exemplare in jedes Archipresbyterat versendet werden, als sich darin Parochien, Curatien und Lokalien befinden, nebst einem Exemplar für das Archipresbyterats-Archiv. Die Herren Erzpriester werden hierdurch beauftragt, diese gedruckten Verfügungen, sobald sie ihnen zugehen, sofort an die betreffenden Herren Geistlichen ihrer resp. Sprengel zu versenden, und von Amtswegen darauf zu sehen, daß dieselben gehörig gesammelt und zu seiner Zeit geheftet oder eingebunden werden. Für gleichmäßiges Papier-Format werden wir möglichst Sorge tragen. Es versteht sich von selbst, daß die gedruckten Currenden ebenso wie früher die geschriebenen, auch den Herren Kapellänen zur Kenntnisnahme mitzutheilen, und daß diese verpflichtet sind, dies darauf zu bescheinigen.

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Behufs Deckung der Druckkosten fordern wir die Herren Erzpriester hierdurch auf, vorläufig von jedem Pfarrer, Curatus und Lokal-Kapellan 6 Sgr. einzuziehen und diesen Betrag binnen 4 Wochen postfrei an uns zu einzusenden. Nach Verlauf eines Jahres wird sich ergeben, ob und wie weit dieser Betrag zur Deckung der Druckkosten hinreichend ist.“1 Die anderen Artikel des ersten Heftes zeigen bereits die Spannbreite der kirchlichen Amtsblätter: Es geht vor allem um die Verwaltung der Pfarreien, um das Erlaubniswesen, um die Haushaltsführung und Kollekten. Was in diesem ersten Heft noch fehlte, sind geistliche Worte, Hirtenworte des Bischofs oder Enzykliken des Papstes. Die Überschriften der anderen Artikel im ersten Heft lauten: „II. Mittheilung eines vertraulichen Schreibens Sr. Päpstlichen Heiligkeit Pius IX. an Se. Fürstbischöfl. Gnaden den Herrn Fürst-Bischof Melchior. III. Die Erforderlichkeit des Consenses der geistlichen Behörde zur Ausleihung von Kirchen-Kapitalien betreffend. IV. Die Herbeiführung einer ordnungsmäßigeren Kassen-Verwaltung betreffend. V. Die Einzahlung resp. Einziehung der Alumnats-Beiträge betreffend. VI. Die Abhaltung einer Collecte zum Bau einer katholischen Kirche in der Stadt Görlitz betreffend.“ Der Schluss benennt den Herausgeber und lautet: „Breslau, den 20. November 1847. Fürstbischöfliches General-Vicariat-Amt. D. Latussek. Habermann.“ Daniel Latussek2 war Weihbischof in Breslau, Dompropst, Leiter der Fürstbischöflichen Kanzlei und Generalvikar; Carl Habermann3 Geistlicher Rat im Generalvikariatsamt. Das Amtsblatt erschien zunächst unter dem Titel „Verordnungen des Fürstbischöflichen General-Vicariat-Amtes zu Breslau.“ in zwangsloser Folge, aber fortlaufend nummeriert. Erst 1916 wurde eine Jahresnummerierung

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Verordnungen des Fürstbischöflichen General-Vicariat-Amtes zu Breslau. 1847, [Heft-] Nr. 1, [Artikel-] Nr. 1. Daniel Latussek (geb. 11.1.1787, gew. 21.9.1811, kons. 27.5.1838, gest. 17.8.1857), 1815 Feldprediger, 1825 Pfr. von Wansen, 1831 Domkapitular, 1838 Weihbischof und Titularbischof von Diana, 1839 Generalvikar (mit Unterbrechungen bis 1870), Offizial und Domdechant, 1844 Kapitelsvikar, 1846 Dompropst. Carl Habermann (geb. 10.9.1808, gew. 20.12.1831, gest. 24.12.1864), Benefiziat der Kurfürstlichen Kapelle am Dom 1840-1849, G.R. im Generalvikariatsamt 1842-1849, Curator in geistl. Sachen im Depositorium des Fürstbischöflichen Konsistoriums 1847-1849, Inspektor des Priesteremeritenhauses in Neisse 1851-1861 und schließlich PA i. Deutsch-Kamitz Kr. Neisse 1863.

DAS KIRCHLICHE AMTSBLATT DES ERZBISTUMS BRESLAU 1944 UND 1945

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eingeführt.4 1921 wurde der Titel geändert in: „Verordnungen des Fürstbischöflichen Ordinariats in Breslau.“, 1926 in: „Kirchliches Amtsblatt des Fürstbischöflichen Ordinariats in Breslau.“ und 1930 in: „Kirchliches Amtsblatt des Erzbischöflichen Ordinariats in Breslau.“. Die Hefte erschienen dann etwa alle zwei bis drei Wochen, ihre Zahl schwankte zwischen 16 und 24 im Jahr. Der Umfang nahm bis in die Mitte der 1930er Jahre zu, dann aber kriegsbedingt wieder ab.5 1944 erschien nochmals ein vollständiger Jahrgang mit 24 Heften, wobei das letzte Heft mit dem 29. Dezember datiert wurde. Der Umfang des Jahrgangs war allerdings auf 132 Seiten geschrumpft. Etliche Hefte hatten nur noch einen Bogen mit vier Seiten. Nach dem üblichen Rhythmus hätte das erste Heft des Jahres 1945 in der ersten Januarhälfte erscheinen müssen, kam aber erst am 22. Januar heraus. In seinem Aussehen war es ein Druck wie jedes andere bisherige Heft.6 Die in ihm enthaltenen Verordnungen zu den Konventsarbeiten und den Pfarrprüfungen zeigen, dass man versuchte, trotz aller Zeitumstände des Krieges ein „normales“ Leben zu führen. Nach diesem Heft brach die Reihe jedoch ab und konnte erst im Sommer wieder aufgenommen werden. Nun gab es keine Druckerei mehr, und das Amtsblatt konnte nur als Wachsmatrizenabzug vervielfältigt werden. Die lange Totenliste lässt nur ansatzweise das große Leid der Tage erahnen. Die Herausgabe dieses Heftes zeigt aber auch den Versuch, das Leben wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Mit diesem Heft endete die Publikation des Amtsblattes; ein weiteres „Kirchliches Amtsblatt des Erzbischöflichen Ordinariats in Breslau“ durfte nicht mehr erscheinen. Kardinal Hlond hatte am 12. August 1945 den Kapitelsvikar Piontek zur Resignation gezwungen und der Verwaltung des Erzbistums die Grundlage entzogen. Somit konnte auch kein Amtsblatt mehr erscheinen.7 Unabhängig von der rechtlichen Frage war aber deutlich geworden, dass es 1945 äußerst schwer war, an verbindliche Informationen heranzukommen. Ein Amtsblatt für die gesamte, riesige Diözese zu erstellen, war viel zu 4

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Bei der Zitierung sind verschiedene Nummernsysteme zu beachten. Zunächst gab es 1847 bis 1925 mit Nr. 1 bis 738 mit arabischen Ziffern eine durchlaufende Heftnummerierung. Seit 1916 wurde eine jahrgangsweise Heftzählung geführt, nun mit römischen Ziffern. Die einzelnen Hefte wurden nun als „Stücke“ deklariert. Die andere Zählreihe betrifft die einzelnen „Artikel“, die zunächst in jedem Heft neu begann und in römischen Ziffern bestand. Seit 1915 erfolgte die Artikel-Zählung mit arabischen Ziffern jahresweise. Eine Zählung nach „Jahrgang“ gab es nicht. 1903 wurde eine jahresweise Seitenzählung eingeführt. Die Stärke der einzelnen Hefte ist sehr unterschiedlich. Der stärkste Jahrgang war mit 238 Seiten 1936. Unbekannt ist allerdings die Auflagenhöhe. Ein polnisches Amtsblatt erschien seit „1945/46“ unter dem Titel „Wiadomości kościelne, organ Administracji Apostolskiej Dolnego Śląska“ mit 15 Heften im ersten Jahrgang.

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schwerfällig geworden. Um diese Lücke auszufüllen, hatten sich einige Priester herangewagt, auf einer tieferen Ebene ein „Quasi-Amtsblatt“ herauszubringen. Unter dem 10. August 1945 erschienen erstmals die „Mitteilungen für die römisch katholischen Geistlichen des Erzbischöflichen Commissariates Breslau.“ Wiederum nur als Wachsmatrizenabzug vervielfältig und wohl nur unter der Hand verbreitet, sind sie ein beredtes Zeugnis für den Willen der Bevölkerung und der Priesterschaft von Breslau, wieder ein normales Leben aufzubauen. Diese Zeitschrift der Öffentlichkeit bekannt zu machen, bleibt einer künftigen Edition vorbehalten. Hier sollen die letzten drei Hefte des Amtsblattes des Jahres 1944 und die von 1945 ediert werden, da sie in keiner Bibliothek in Deutschland nachgewiesen sind.8

Zur Edition Die Blätter des Jahres 1944 und Blatt Nr. 1 von 1945 sind zu einem Bogen bzw. zu vier Seiten in DIN A 4-Größe normal gedruckt worden und haben daher eine vielfältige Schriftgestaltung, die hier nur vereinfacht wiedergegeben werden kann. Die verschiedenen Schriftgrößen wurden vereinheitlicht, Fettdruck wie im Original wiedergegeben, Sperrungen durch „a-a“ und Großschreibung durch „b-b“ wiedergegeben. Die Abschlussunterzeichnung des Generalvikars Negwer und der Nachsatz der Druckerei wurden weggelassen9; ebenso die Seitenzahlen der Inhaltsübersicht. In diesen gedruckten Heften sind die Überschriften sowie etliche Unterzeichnungen zentriert gesetzt worden, was hier in der Edition unberücksichtigt bleibt. Ebenso verschiedene Einzüge und die rechtsgesetzten Unterzeichnungen. Heft Nr. 2 von 1945 ist ein Wachsmatrizenabzug auf vier DIN A 4Blättern mit 8 Seiten, wobei die letzte unbeschrieben blieb. Das Schriftbild konnte damals nur mit den Möglichkeiten einer Schreibmaschine gestaltet werden. Die Redakteure arbeiteten also mit Sperrungen, Großbuchstaben und Unterstreichungen. Diese werden hier entsprechend vermerkt durch „a-a“, „bb “ bzw. „c-c“. Überschriften werden hier immer fett wiedergegeben, obwohl sie in den Maschinenexemplaren so nicht geschrieben waren. Die Kreuze für die Verstorbenen wurden nur als normale Plus-Zeichen geschrieben, werden hier aber in lateinischen Kreuzen gezeigt. Die Unterschrift unter Artikel Nr. 13 ist mit einem handschriftlichen Schriftzug versehen und wird daher hier 8

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Laut Zentraler Zeitschriftendatenbank besitzt die Deutsche Nationalbibliothek dieses Amtsblatt nur bis zur Ausgabe vom 13.11.1944, das ist Heft (= „Stück“) 21. Erzbischöfliches Ordinariat. I. A.: Negwer / Schlesische Verlagsanstalt und Druckerei Karl Klossok KG, Breslau 1, Hummerei 39/42.

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kursiv wiedergegeben. Im Artikel Nr. 19 und 20 werden bei den Auflistungen nach den Punkten und Kommata die Spatien eingespart, was für die Edition normalisiert wurde. Die Rechtschreibung wurde in der damaligen Form belassen. Die Angabe der Seiten erfolgt in eckigen Klammern; sie läuft von Heft 1 bei Heft 2 trotz der anderen Form weiter. Die genannten Personen werden mit ihren Lebensdaten und, soweit möglich, mit ihren Ämtern verifiziert. Die genannten Orte werden zur besseren Lokalisierung mit ihrer damaligen Kreiszugehörigkeit versehen. Auf die Benennung der heutigen, polnischen Ortnamen wird verzichtet.

Abkürzungen Act.circ. Dek.Erzpr. E.Erzpr. Eb. Kommiss. G.R. Kpl. Kr. PA Pfr. PV

Actuarius circuli = Stellvertreter des Dekans Dekanats-Erzpriester = Dekan Ehren-Erzpriester Erzbischöflicher Kommissarius Geistlicher Rat Kaplan Kreis Pfarr-Administrator Pfarrer Pfarr-Vikar (Nicht verwechseln mit einem Vikar oder Kaplan! Ein Pfarrvikar hatte die vollen Rechte eines Pfarrers.)

Das Kirchliche Amtsblatt des Erzbischöflichen Ordinariats in Breslau 1944/45 [S. 121] Kirchliches Amtsblatt des Erzbischöflichen Ordinariats in Breslau Stück 22, bBreslaub, den 25. November 1944 b

Inhalt:b Nr. 243. Hirtenwort: Zum Eintritt in die Adventszeit Nr. 244. Staatliche Organistenprüfung Nr. 245. Freihaltung des Muttertages Nr. 246. Richtlinien für das Verhalten der Jugend bei Tieffliegerangriffen Nr. 247. Trauung ukrainischer Brautpaare Nr. 248. Diözesan-Verwaltung Aachen

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Nr. 249. Schutzengelverein Nr. 250. Bestätigungen Nr. 251. Anstellungen und Versetzungen Nr. 252. Todesfälle im Diözesanklerus Nr. 253. Erledigte Pfarrei Nr. 254. Notiz Nr. 255. Berichtigung Nr. 243. Zum Eintritt in die Adventszeit10 Hirtenwort, zu verlesen am ersten Adventsonntage. Geliebte Diözesanen der Erzdiözese! Euch allen ist der erste Adventsonntag ein heiliger und bedeutungsvoller Tag im Jahre. Das alte Kirchenjahr ist beendet: alle seine Ereignisse und Opfer, Freuden und Leiden sind eingetragen im Buche des ewigen Lebens. Ein neues Kirchenjahr beginnt. Der Rückblick auf die vergangenen Monate erfüllt uns mit tiefinnigem Danke gegen Gottes Vorsehung, die über unserer Diözese besonders erbarmungsvoll gewaltet hat. Mit stillem Sinnen gedenken wir aller der Aufgaben, die das vergangene Jahr von uns verlangt hat; gedenken der Familien, aus denen der Vater oder Sohn auf dem Schlachtfelde des fünften Kriegsjahres sein Grab im Feindeslande gefunden hat; gedenken der Verwundeten und Verstümmelten in den Lazaretten; gedenken auch der schweren Opfer, die in Einsatz und Rüstungsarbeiten von den Einheimischen, auch Frauen und Jugendlichen gebracht sind im Gehorsam gegen den Ruf der Obrigkeit, doch auch im Aufblick zu der Fügung der göttlichen Vorsehung. Nicht vergessen dürfen wir die furchtbaren Heimsuchungen, die durch barbarische Vernichtungsmaßnahmen über so zahlreiche Städte, Dörfer und Industriegegenden gekommen sind, und von denen selbst die herrlichsten und monumentalsten Gotteshäuser und Denkmäler Deutschlands nicht verschont sind; die Teilnahme mit der Bevölkerung solcher Gegenden, mit jenen, die alles Hab und Gut, Haus und Heimat verloren haben, ist groß und herzlich, wobei wir Gott demütig danken wollen, daß unsere eigene Diözese bisher nur in wenigen Gebieten von schwereren Verheerungen betroffen wurde. Obwohl ein schlimmer Bombenangriff in der Nacht zuvor über die Bischofsstadt hereinbrach, konnten wir doch das 700jährige Jubiläum unseres unversehrt gebliebenen Domes mit aller Feierlichkeit begehen.

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Marschall Nr. 248, 919-921.

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Vergesse niemand bei solchem dankbarem Rückblicke die Pflichten der opferwilligen Teilnahme gegen jene Familien und Kinder und sonstigen Obdachlosen, die um Unterkunft bei uns anklopfen mußten. Tiefernst, wie ein solcher Rückblick, ist der Ausblick auf die besonderen Pflichten, auf die Pflichten im Dienste des Vaterlandes und im Gottesreiche unserer heiligen Kirche, die mit dem Aufleuchten des ersten Adventsonntages an uns herantreten. Leichter war die Erfüllung dieser Pflichten in Friedenszeiten, schwieriger und folgenschwerer im sechsten Kriegsjahre. Namentlich wenn Anzeichen von verschiedenen Seiten die Stellung der Kirche im gesamten Volksleben als gefährdet erscheinen lassen. Doch auch in so ernster Zeit wird die Stimmung der Kirche beherrscht von dem Rufe des Apostels Paulus, den wir in der Adventzeit in der heiligen Messe hell erklingen hören: „Gaudete, iterum dico gaudete!“ -„Freuet euch, abermals sage ich: Freuet euch!“ Von erhebender heiliger Freude redet der Apostel. Es ist aErwartungsafreude, wie sie die Adventzeit beherrscht. – aErwartungsfreudea, wie sie vom Engel auf Bethlehems Fluren verkündet wurde: „Ich verkündige euch“, so klang seine Stimme aus dem Reiche der ewigen Seligkeit, „eine große Freude; denn heute ist euch in Davids Stadt der Heiland geboren.“ [S. 122] Freude beflügelte die Schritte der Hirten auf dem Felde, da sie eilend zur Krippe liefen. Erwartungsfreude leitete die Weisen von weitester Ferne zum neugeborenen König. Freudiger Jubel erscholl im Tempel von den Lippen des greisen Simeon, als er das Jesuskind auf seinen Armen hielt und pries als „Licht zur Erleuchtung der Völker.“ Durch alle Jahrhunderte lauscht die Christenheit zur Weihnachtszeit auf diese Freudenrufe. aErwartungsfreudea ist es, da wir im Advent diesen Ereignissen entgegenblicken. Lasset uns, geliebte Diözesanen, mit dieser Stimmung auch in unserer dunklen Zeit in den Advent eintreten. Diese Erwartungsfreude ist ein Geschenk des Himmels; in ihr ruht eine Kraft der Gnade, die aus drei Quellen stammt. – Welches sind diese Quellen? Die erste Quelle ist der alebendige Glaubea. Das hören wir aus Elisabeths Gruß an die Gottesmutter: „Selig bist du, weil du geglaubt hast.“ Wie tief und stark und innig war der Glaube der Gottesmutter! Das war die innigste aGlaubensübunga, da Maria und Joseph mit dem Kinde Jesus dreißig Jahre verkehrten. Jeder Blick aus Jesu Augen, jedes Wort von seinen Lippen war Quell freudigsten Glaubens. Das sei Vorbild für die Familien und für die Kinderglaubensstunde. Glaubensfreude soll im Advent vom Hause in Nazareth in unseren Lebenskreis dringen. Von dieser Gesinnung der

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Glaubensfreude soll unsere häusliche Frömmigkeit beseelt sein. Nie können die aElterna inniger amit ihren Kindern betena als in der Advent- und Weihnachtszeit. Übt das zu Hause, auch wenn das Gebet wegen Euerer Außenarbeit nur kurz sein kann. Singet auch zu Hause die kindlich-schlichten, zu Herzen gehenden katholischen Weihnachtslieder, deren Text nicht verändert werden darf. Führet die Kinder selbst zur Seelsorgestunde, die das ergänzen soll, was vielbeschäftigte Mütter nicht selbst leisten können. Schreibet diese Adventsgedanken im Briefe an diejenigen aus Euerer Familie, die im Wehrdienste stehen. Schreibet es in kurzen Briefen an die Kinder, wenn sie fern vom Elternhause in anderer Umgebung untergebracht sind. Geistige Freude geht von solchen Elternbriefen auf die Kinder über. Das ist edelste Glaubensübung. In dieser familiären Frömmigkeit lebt jene a Erwartungsfreudea, die im Advent aus den Worten des Apostels uns entgegenschallt: „Freuet euch, abermals sage ich: Freuet euch!“ Auch außerhalb der Familie sollen alle erfahren, daß die katholische Frömmigkeit nicht kalt und äußerlich ist, sondern liebenswürdig und herzgewinnend. Mit dieser Glaubensfreude soll sich aber auch eine tiefere, gründlichere Glaubensakenntnisa verbinden. Benutzet jede Gelegenheit, tiefer in das Verständnis der ewigen Wahrheiten eindringen zu können, damit Ihr auf Glaubenskämpfe gerüstet seid. Ernste Anzeichen deuten darauf hin, daß die deutschen Katholiken im kommenden Jahre auf offene und versteckte Angriffe gegen unseren heiligen Glauben und unsere Kirche mehr als seither gefaßt sein müssen. Darum rüstet Euch durch gründlichere Kenntnis der Schätze der ewigen Wahrheit, die im Herzen der Kirche geborgen sind. Der azweitea Quell der Adventsfreude ist die gewissenhafte Sorge um aHerzensreinheita und aHeiligkeita des Familienlebens. Dazu mahnt die kommende Weihnachtszeit, in der wir zur Krippe des göttlichen Kindes hinzutreten mit jener Freude, von der der Heiland sagt: Nur die „reinen Herzens sind, werden Gott anschauen“, werden Gottes Heilsplan im Weihnachtsgeheimnis erblicken. Stets von neuem mahne ich von den Kanzeln der ganzen Diözese um Wachsamkeit gegenüber den zunehmenden Gefahren, die der sittlichen Reinheit sowohl der im Krieg von einander getrennten aElterna, wie auch der Jugend drohen. Ich bitte immer wieder die Eltern, oft zu denken an die Gnaden des aEhesakramentesa, oft sinnend hinzublicken auf den Trauungsring an ihrer Hand. Ja, das ist der Quell der seelischen Ruhe, wenn die am Altare gelobte und durch die Priesterstola geweihte Treue unverletzt bleibt, auch wenn die Trennung der Ehegatten monatelang und jahrelang dauert. Kraft zur Treue gebe auch die stete Teilnahme an der hl. Messe, und die häufige hl. Kommunion. Stets von neuem erinnere ich ferner die reifere aJugenda an die entscheidungsvolle Pflicht, im Umgange die von sittlichem Zartgefühl gebo-

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tene Zurückhaltung zu üben, deren Verletzung zu Unheil führen kann; mahne sie, intime Beziehung zu meiden, die nicht zu kirchlicher Eheschließung führt, die nicht an den Stufen des Altares geweiht werden kann; mahne sie besonders zur Meidung intimer Beziehungen zu Geschiedenen. Noch ein kurzes Wort über die adrittea Quelle der Erwartungsfreude des Advents. Das ist der aOpfersinna, den unsere harte Zeit verlangt. Es ist ein freudiges Bewußtsein, wenn du bezeugen kannst: ich lebe nicht für mich allein, sondern für die Gemeinschaft, in die uns Gottes Fügung gestellt hat; mein Wirken gilt der vaterländischen Verbundenheit, der kirchlichen Gemeinschaft im mystischen Leibe Christi und der Familie. Das ist die aSeele des Familienlebensa, die in herzgewinnender Weise sich kundgibt, wenn die Adventszeit uns vorbereitet auf das Hochfest der heiligen Familie zu Nazareth. Eine Familie ist ja auch die aPfarrgemeindea. Daher soll die Adventserwartung und Weihnachtszeit auch dem Familiensinn der Pfarrgemeinde neue Anziehungskraft, neue segensreiche Anregungen geben. Das sind, geliebte Diözesanen, die Erwägungen, die ich im Dunkel der Adventszeit dieses entscheidungsvollen Jahres Euch ans Herz lege im Bewußtsein, daß sie ein freudiges Echo finden werden. Gott segne alle heiligen Entschließungen, mit denen wir, beseelt von Erwartungsfreude, der kommenden heiligen Weihnachtszeit entgegenblicken. Gegeben zu Breslau am Vorabend der Adventszeit. A. Card. Bertram, Erzbischof von Breslau. [S. 123] Nr. 244. Staatliche Organistenprüfung. (Nachrichtlich mitgeteilt.) Die nächste Prüfung für Organisten und Chorleiter findet am 6. März 1945 in Breslau statt. Meldungen zu dieser Prüfung sind bis zum 1. Februar 1945 unter Beifügung der im § 8 der Prüfungsordnung vom 2. August 1937 angegebenen Zeugnisse pp. einzureichen. Breslau, den 26. Oktober 1944. O. P. V. 1 Spec. P. 1a Der Oberpräsident. Abteilung für höheres Schulwesen. (Amtsblatt der Regierung Breslau 1944, Stück 46/47.) Nr. 245. Freihaltung des Muttertages. Der Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten II. 745/44 I. Berlin, W 8, den 7. August 1944

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An den Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenzen, Herrn Kardinal a Bertrama in aBreslaua Betreffend die Freihaltung des Muttertages von besonderen kirchlichen Veranstaltungen kommen meine Erlasse vom 23. April 1942 – I 1 0689/42 II – und vom 28. April 1943 – I 508/43 II *) – auch in den folgenden Kalenderjahren zur entsprechenden Anwendung. Ich bitte, die nachgeordneten Stellen hierauf hinweisen zu wollen. Im Auftrag: gez. aTheegartena. [Anm.:]* Kirchl. Amtsblatt 1943, Nr. 117. Nr. 246. Richtlinien für das Verhalten der Jugend bei Tieffliegerangriffen. Der Reichsminister der Luftfahrt. Az. 41 d 18. 12 (Chef der Luftfahrt/L. In. 13/2 I B) St.-Qu., den 14. September 1944 Seit geraumer Zeit schießen die englisch-amerikanischen Terrorflieger in verbrecherischer Weise aus geringer Höhe mit Maschinengewehren und Bordkanonen. Sie erscheinen plötzlich und halten für einen Bruchteil von Sekunden auf sich bietende Bodenziele. Der Tiefflieger nützt immer das Überraschungsmoment aus, feuert seine Salven, um schnell wieder in große Höhen zu verschwinden. Die Feuerkraft der Maschinengewehre und Bordkanonen ist hoch, sie schießen in wenigen sekundenlangen Feuerstößen und streuen fächerartig das Gelände ab. Ihre Durchschlagskraft ist nicht sehr stark, normale steinerne Hauswände bieten ausreichend Schutz. Wenn keine derartige Deckung in der Nähe ist, also vornehmlich in freiem Gelände, besteht der beste Schutz darin, sich schnell mit dem Gesicht zur Erde hinzuwerfen und regungslos zu verharren. Grundsatz muß sein: „Nicht lange laufen und suchen.“ Sind mehrere Menschen zusammen, so ist es falsch, wenn sie nach einer Richtung laufen, vielmehr muß nach mehreren Richtungen ausgeschwärmt werden. Im einzelnen ist daher folgendes zu befolgen: 1. Überrascht der Tieffliegerangriff oder der Fliegeralarm Jugendliche als Einzelgänger im Freien, haben sie sich sofort in den nächstgelegenen öffentlichen LS-Raum zu begeben oder, wenn dieser weit entfernt ist, in den LSKeller des nächsten Hauses. Ist auch dazu keine Zeit mehr, haben sie in Gräben, an Mauern, Zäunen und Bäumen Deckung zu nehmen. 2. Befinden sich die Kinder (als aEinzelgängera) beim Tieffliegerangriff in einem aVerkehrsmittela (Straßenbahn oder Omnibus), haben sie sofort nach Anordnung des Führers des Verkehrsmittels dieses zu verlassen. Innerhalb der Ortschaft ist wie bei 1 zu verfahren, außerhalb der Ortschaft ist schnells-

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tens Deckung zu nehmen (Ackerfurchen, Erdloch, Straßengraben usw.), Gesicht und Hacken sind eng an den Boden zu pressen. 3. Im aKlassenverbanda auf einem aVerkehrsmittela ordnet die führende Lehrkraft „Volle Deckung“ an (siehe 2). 4. Dasselbe gilt auch auf dem aMarschea im aKlassenverbanda. 5. Beim HJ-Dienst, bei Sport und Spiel, beim Landeinsatz, Ernteeinsatz, Landjahrdienst und überall, wo mehrere Kinder unter Leitung eines für sie Verantwortlichen zusammen sind, befiehlt dieser „Volle Deckung“. (Nachrichtlich mitgeteilt aus Dt. Wiss. Erz. u. Volksb., S. 244/44.) Nr. 247. Trauung ukrainischer Brautpaare. Es wird nochmals in Erinnerung gebracht, daß bei Trauung ukrainischer Brautpaare stets die Delegation vom zuständigen Ortspfarrer einzuholen ist. Alle Ehedispensen sind vom territorial zuständigen röm.-kath. Ordinariat einzuholen. Die Trauungen sind stets in die eigenen Matrikelbücher einzutragen und in die der Pfarrei, in deren Sprengel die Trauung stattfand. Es wäre erwünscht, daß die H. H. lat. Pfarrer die ukrainischen Brautpaare an den für ihren Sprengel zuständigen ukrainischen Geistlichen verweisen. Ist der ukrainische Geistliche durchaus nicht zu erreichen, so können sie von dem ihnen rechtmäßig zustehenden Trauungsrecht Gebrauch machen. Die vollzogenen Trauungen sind den Heimatpfarreien durch den trauenden Priester zu melden. (Aus dem Anweisungsblatt des Ordinariats der Apostolischen Visitatur des byzantinisch-slavischen Ritus in Großdeutschland Nr. 1-4, 1944.) [Anm.:]* Bis auf weiteres werden diese Meldungen in der Regel zu richten sein an den Herrn Apostolischen Visitator der Ukrainer, Prälat aWerhuna11 in Berlin SO 36, Elfenstraße 110. Erzbischöfl. Generalvikariat. [S. 124] Nr. 248. Diözesanverwaltung Aachen. Das Bischöfliche Generalvikariat Aachen teilt uns mit: Das Bischöfliche Generalvikariat des Bistums Aachen befindet sich in M.Gladbach-Land, Franziskusheilstätte, Viersenerstraße 450, Fernruf M.Gladbach 20 206. Die Priester des Bistums Aachen, die gegenwärtig außerhalb dis Bistums Aachen 11

Dr. phil. Peter Werhun (geb. 18.11.1890 in Gródek Jagiellonski bei Lemberg in Galizien, gew. 23.4.1927 für das Bistum Lemberg, † 7.2.1957), seit 1927 Seelsorger der UkrainischUnierten in Berlin, seit 1940 Apostolischer Visitator für die Ukrainisch-Unierten in Deutschland, blieb 1945 in Berlin, wurde daraufhin zur Zwangsarbeit nach Sibirien verschleppt, wo er an deren Folgen verstarb, 2001 selig gesprochen.

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wohnen oder sich aufhalten, werden ersucht, ihre jetzige Anschrift unverzüglich dorthin mitzuteilen. Dr. aMüssenera. Nr. 249. Schutzengelverein. Der Schutzengelverein für die Diaspora schließt sein Geschäftsjahr mit dem 31. Dezember ab. Mitgliederbeiträge, Kollekten und Sondergaben, die noch für das Jahr 1944 verrechnet werden sollen, müssen spätestens bis zum 31. Dezember 1944 auf das Konto: „Breslau 1520, Erzbistumskasse Breslau“ mit dem Vermerk: „Für den Schutzengelverein“ überwiesen werden. Nr. 250. Bestätigungen. Die Wahl des Pfarrers Julius aKraudelta in Friedewalde als actuarius circuli des Archipresbyterats Friedewalde wurde bestätigt,12 desgleichen die Wahl des Pfarrers Joseph aCzabona in Stubendorf als actuarius circuli des Archipresbyterats Groß Strehlitz OS.13 Nr. 251. Anstellungen und Versetzungen. Kaplan Paul aBecka, z. Z. in Berzdorf, als Kaplan in Münsterberg.14 Kaplan Karl aWätjera in Münsterberg als Pfarradministrator in Rotschloß.15 P. aRüberga in Heinzendorf, Archipresbyterat Trachenberg, zur Vertretung in Berzdorf.16 Pfarrvikar Alfons aKuschberta in Groß Schmograu als Kaplan in Küstrin.17 P. Johannes aSeligera, Pfarradministrator in Ossig, als Pfarrvikar in Groß Schmograu.18 12

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Julius Kraudelt (geb. 3.8.1890, gew. 13.6.1915, gest. 3.1.1956), seit 1933 Pfr. i. Friedewalde, Kr. Grottkau, seit 1946 im Erzbistum Paderborn. Joseph Czabon (geb. 19.3.1893, gew. 10.6.1917, gest. 25.3.1958), seit 1931 Pfr. i. Stubendorf Kr. Gr. Strehlitz. Paul Beck (geb. 9.8.1914, gew. 30.7.1938, gest. 30.4.1963), 1941-44 Kpl. i. Waldenburg, musste 1944 mehrfach auf verschiedenen Stellen einspringen, im Frühjahr 1946 aus Münster vertrieben, dann in Niedersachsen tätig. Berzdorf gehörte zum Kr. Strehlen. Karl Wätjer (geb. 9.1.1912, gew. 5.4.1936, gest. 1.4.1996), seit 1941 Kpl. i. Münsterberg, seit 1944 Pfr. i. Rotschloß Kr. Strehlen, 1945 in Hannover, dann in Lindau (Bistum Hildesheim) P. Michael (Alfred) Rüberg SDS (Salvatorianer; geb. 15.10.1911, Ordensprofess 1934, gew. 29.6.1939, seit 1946 im Bistum Meißen tätig, laisiert 1950). In Heinzendorf Kr. Wohlau hatten die Salvatorianer eine Niederlassung; Berzdorf gehörte zum Kreis Strehlen. Alfons Kuschbert (geb. 11.1.1911, gew. 1.8.1937, gest. 29.7.1980), 1942-44 PV i. Gr. Schmograu Kr. Wohlau, 1944-45 Kpl. i. Küstrin NM, 1945-46 Kpl. i. Birkenwerder b. Berlin, 1946-49 Kpl. i. Lübben, 1949-80 Kuratialpfarrer in Straupitz (Niederlausitz).

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Pfarrvikar Joseph aSeveraa in Groschowitz, gleichzeitig als solcher in Tarnau OS.19 P. Paul aOzimeka, Pfarradministrator in Kleuschnitz, als Exponierter Lokalkaplan in Mannsdorf, Pfarrei Niederhermsdorf.20 Erzpriester Karl aKinnea in Gramschütz zugleich als Pfarradministrator in Hochkirch.21 Nr. 252. Todesfälle im Diözesanklerus. 38. Otto aGutschwagera, em. Pfarrer von Altpatschkau. Geboren am 11. November 1877 in Berlin; geweiht am 20. Juni 1903 in Breslau; gestorben am 7. November 1944 in Kupferberg.22 39. Georg aRzehulkaa, Pfarrer in Hochkirch. Geboren am 21. Juli 1877 in Ober Radoschau, Krs. Rybnik; geweiht am 23. Juni 1902 in Breslau; gestorben am 7. November 1944 in Lindenbach, Pfarrei Hochkirch.23 Nr. 253. Erledigte Pfarrei. Die Pfarrei aHochkircha, Archipresbyterat Hochkirch. Freie Erzbischöfliche Kollatur. Nr. 254. Notiz. Die Meßweinvermittelung des vor einem Jahre verstorbenen Herrn Joseph a Porazika, Breslau, wird weitergeführt von seiner Tochter, Frau Dorothea von Feyer in Breslau 23, Kantstraße 11.

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P. Johannes Seliger, 1944 PA i. Ossig Kr. Neumarkt, dann PV i. Gr. Schmograu Kr. Wohlau. Vermutlich identisch mit P. Clemens (Johann) Seliger SDS (Salvatorianer), geb. 8.2.1898, 1. Ordensprofess 1.11.1923, gew. 21.12.1927, gest. 24.6.1973. Joseph Severa (geb. 31.12.1904, gew. 29.6.1933, gest. 27.4.1992) seit 1933 PV (nicht. PA) i. Groschowitz Kr. Oppeln. Blieb bis 1958 in Oberschlesien und ging 1959 in das Bistum Trier. P. Paul Ozimek CMM (Marianhiller Missionare; geb. 24.6.1904, gew. 10.3.1933, gest. 29.11.1959), seit 1941 PV (nicht: PA) i. Kleuschnitz Kr. Falkenberg OS, 1944 „exponierter Lokalkaplan“ in Mannsdorf, Pfarrei Niederhermsdorf Kr. Neisse; nach 1945 bis 1958 Seelsorger in Schurgast Kr. Falkenberg OS. Karl Kinne (geb. 15.5.1885, gew. 23.6.1900, gest. 8.1.1958), seit 1927 Pfr. i. Gramschütz Kr. Glogau, blieb dort bis zu seinem Tode. Otto Gutschwager wurde 1913 Pfr. i. Metschlau Kr. Sprottau, 1927 Pfr. i. Niederhermsdorf Kr. Neisse, 1932 Pfr. i. Alt Patschkau Kr. Neisse und lebte seit 1935 im Ruhestand. Georg Rzehulka war seit 1927 Pfr. i. Hochkirch Kr. Glogau.

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Nr. 255. Berichtigung. Im Kirchlichen Amtsblatt Stück 21 vom 13. Nov. 1944 muß es in Verordnung Nr. 231 unter B Ziffer 3b statt Herz-Jesu-Feiertag heißen: Herz-JesuFreitag. [S. 125] Kirchliches Amtsblatt des Erzbischöflichen Ordinariats in Breslau Stück 23, bBreslaub, den 12. Dezember 1944 b

Inhalt:b Nr. 256. Gefallen für das Vaterland Nr. 257. Jahresplan der Diözesankollekten für 1945 Nr. 258. Kollektenausschreibung für das 1. Vierteljahr 1945 Nr. 259. Betr. Einsendung der Kirchensteuerbeschlüsse für 1945 ff. Nr. 260. Liturgisches Direktorium 1945, 5-8 Nr. 261. Betr. Metallspende der Kirchen Nr. 262. Sicherung der Kirchen gegen Luftkriegsschäden Nr. 263. Hinweis Nr. 264. Deutscher Verein vom Hl. Lande Nr. 265. Ernennungen Nr. 266. Anstellungen und Versetzungen Nr. 267. Kriegsvermißte Priester und Theologen Nr. 268. Todesfälle im Diözesanklerus Nr. 269. Erledigte Pfarreien Nr. 270. Confoederatio Latina Major Nr. 256. Im Kampf für das Vaterland starben den Soldatentod24 Alois Groß Kuratialpfarrer a. D.25 Geboren am 17. Juni 1907 in Laband OS. Geweiht am 28. Januar 1934 in Breslau

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Beide Traueranzeigen wurden gemeinsam in einen schwarzen Rahmen gesetzt. Alois Groß (geb. 17.6.1907, gew. 28.1.1934, gest. 1.11.1944), seit 1938 Kuratialpfarrer i. Auendorf (Kroschnitz) Kr. Gr. Strehlitz. Musste nach einer Haft auf Gerichtsbeschluss sein geistliches Amt aufgeben.

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Gestorben am 1. November 1944 als San.-Gefreiter in einem Lazarett in Agram nach schwerer Verwundung. Hermann Wenzel Theologieaspirant Geboren am 7. September 1920 in Görlitz Gefallen am 25. August 1944 als Obergefreiter (ausgezeichnet mit dem E. K. II. Kl.) in Rumänien. Vivant inter sanctos! Nr. 257. Jahresplan der Diözesankollekten für 1945. Im Laufe des Jahres 1945 sollen gehalten werden: I. In jedem Monat nach Bedarf eine Kollekte für Bauvorhaben, Schuldentilgung und verwandte Bedürfnisse notleidender Kirchengemeinden der Erzdiözese. II. 9 Kollekten für caritative Aufgaben in der Erzdiözese. III. 5 Kollekten für seelsorgliche Bedürfnisse der Erzdiözese. IV. Nach Bedarf Kollekten für die geistlichen Bildungsanstalten und den Priesternachwuchs der Erzdiözese. V. a) 3 Kollekten für seelsorgliche Bedürfnisse überdiözesaner Art. V. b) Nach Bedarf Kollekten für die kirchliche Kriegshilfe. VI. 4 Kollekten für allgemeinkirchl. Bedürfnisse Es bleibt vorbehalten, bei der Einzelausschreibung der Kollekten nähere Bestimmungen zu treffen sowie aus gegebenem Anlaß im Laufe des Jahres einzelne Änderungen und Nachträge vorzunehmen. Außer dieser vom Bischof und Generalvikariat für die ganze Erzdiözese angeordneten Kollekten sind die Kirchenrektoren befugt, für die gottesdienstlichen, caritativen und sonstigen kirchlichen Bedürfnisse der eigenen Gemeinde sowie zur Unterstützung anderer notleidender Kirchengemeinden oder kirchlichen Einrichtungen im Rahmen der Zwecke des vorstehenden Jahresplanes Kirchenkollekten zu halten. Nr. 258. Kollektenausschreibung für das 1. Vierteljahr 1945. Aus dem unter Nr. 257 des vorliegenden Kirchlichen Amtsblattes veröffentlichten Jahresplan der Diözesankollekten werden für das 1. Vierteljahr 1945 sieben Kollekten ausgeschrieben, und zwar: Aus Gruppe II: 3 Caritaskollekten; Aus Gruppe V b: 1 Kollekte für die Bedürfnisse der kirchlichen Kriegshilfe.

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Aus Gruppe VI: 3 Kollekten für allgemein-kirchliche Bedürfnisse. Im einzelnen sind diese Kollekten folgendermaßen zu verteilen: Im aJanuara: Am 7. Januar oder einem anderen Sonntag Kollekte für Zwecke der Heidenmission. Im aFebruara: An einem Sonntag Kollekte für Hl. Vater. Im aMärza: Am 30. März (Karfreitag) Kollekte für die aseelsorglichena Aufgaben im Hl. Lande und am 31. März (Karsamstag) für die hl. aStättena in Palästina. [S. 126] An einem Sonntag im März Kollekte für die Bedürfnisse der kirchlichen Kriegshilfe. Ferner ist einmal in jedem der drei Monate in allen Kirchen des Erzbistums eindringlich auf die Pflichten christlicher Nächstenliebe gegenüber der leiblichen und seelischen Not so vieler Gläubigen hinzuweisen und gleichzeitig eine Kirchenkollekte zu halten, von deren Ertrag 20 Prozent zum Ausgleich für Notfälle in den ärmsten Gemeinden mit den übrigen Kollekten durch die Herren Erzpriester als „Kollekte für caritative Aufgaben der Erzdiözese“ abzuführen sind. Am ersten Fastensonntag ist das übliche Fastenalmosen in Form einer Kollekte einzusammeln, nachdem die Gläubigen über den Ursprung und den Zweck desselben belehrt worden sind. In oberschlesischen Gemeinden kann besonders bemerkt werden, daß der Ertrag auch oberschlesischen Gemeinden, die in Not sind, für Bauarbeiten an den kirchlichen Gebäuden zugute kommt. Außerdem ist in allen Kirchen und Kapellen vom Aschermittwoch bis Ostern ein Opferkasten zur Aufnahme von Fastenalmosen bereitzustellen mit der Aufschrift: „Fastenalmosen für seelsorgliche Aufgaben in der Diaspora und notleidende Gemeinden zum Kirchenbau“. Sämtliche Kollekten sind in allen Kirchen und Kapellen mit öffentlichem Gottesdienst zu halten, auch in Kloster- und Anstaltskirchen. a Ablieferung der Kollektenerträgea. 1. Die Herren Pfarrer liefern nur an den zuständigen Erzpriester ab, nicht direkt an die Erzbistumskasse. 2. Die Herren Erzpriester liefern die gesammelten Kollektenerträge bis spätestens 20. April 1945 an die Erzbistumskasse ab (Postscheckkonto Breslau Nr. 1520). 3. Jeder der Herren Erzpriester bekommt im Laufe des März ein vorgedrucktes Kollektenformblatt in doppelter Ausfertigung. Beide Stücke sind aus-

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zufüllen, eins bleibt bei den Archipresbyteraten, das andere geht an die Erzbistumskasse. 4. Auch das Fastenalmosen sowie die 20 Prozent der Caritaskollekten gehen auf diesem Wege, d. h. durch die Herren Erzpriester, an die Erzbistumskasse, also nicht an die Bonifatiuskasse und nicht an den DiözesanCaritasverband. Nr. 259. Betr. Einsendung der Kirchensteuerbeschlüsse für 1944 ff. I. Unter Hinweis auf unsere Verordnung Nr. 90 im Kirchl. Amtsblatt 1944, Seite 54 ff., erinnern wir diejenigen Kirchenvorstände, die mit Vorlage der Kirchensteuerbeschlüsse für 1944 ff. noch im Rückstande sind, an Einreichung dieser Beschlüsse abis spätestens 31. Dezember 1944a. Wir behalten uns vor, bei Nichtinnehaltung dieser Frist, bei Pfarreien mit staatlichem Pfarrbesoldungszuschuß die Weiterzahlung dieses Zuschusses einzustellen und die ab 1. April 1944 bereits gezahlten Zuschüsse zurückzufordern. II. Bei der Beschlußfassung ist, um es nochmals kurz zusammenzufassen, folgendes zu beachten: 1) Konnte bisher oder kann binnen obiger Frist das Einkommensteuersoll 1943 durch Feststellung bei den Finanzämtern bzw. gewissenhafte Schätzung ermittelt werden, dann möge aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung ein Kirchensteuerbeschluß für adreia Jahre, also für 1. April 1944 bis 31. März 1947 gefaßt werden. 2) Kann bei Innehaltung der gestellten Frist das Einkommensteuersoll 1943 nicht ermittelt werden, dann ist ein Kirchensteuer-„Erstreckungsbeschluß“ nur für das Steuerjahr vom 1. April 1944 bis 31. März 1945 (nicht etwa für zwei oder drei Jahre) zu fassen. 3) Ist aus zwingenden Gründen eine Erhöhung der Zuschläge zu den Maßstabsteuern oder der Kirchgeldsätze gegenüber dem Vorjahr (1. April bis 31. März 1944) oder die Erhebung von Kirchensteuern pp. für 1. April 1944/45 dringend notwendig, obwohl für das Steuerjahr 1. April 1943/44 ein kirchlich und staatlich genehmigter Steuerbeschluß nicht vorliegt, dann ist ebenfalls ein Kirchensteuerbeschluß auf Grund des ermittelten Einkommensteuersolls 1943 tunlichst für drei Jahre zu fassen. 4) Zu verwendende Formulare: a) aAllea Kirchensteuerbeschlüsse (also auch die Erstreckungsbeschlüsse für 1. April 1944 bis 31. März 1945) sind unter Verwendung des Formulars C 1/1944 zu fassen und uns zu 1) und 2) in je einer, zu 3) in zwei (im Reg.Bezirk Liegnitz in drei) beglaubigten Abschriften einzureichen. b) Jedem Beschlusse ist eine statistische Nachweisung nach Formular C 8/1944,

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c) den Beschlüssen zu 1) und 3) außerdem die Bescheinigung des Finanzamtes über das Einkommensteuersoll 1943 nach Formular C 2/1944 bzw. eine Feststellungs- oder Schätzungsbescheinigung des Kirchenvorstandes und d) den Beschlüssen zu 3) noch ein eingehendes Begründungsschreiben in zwei Ausfertigungen beizufügen. Zur Vermeidung zeitraubender Rückfragen sind sämtliche Formulare in allen Punkten richtig und vollständig auszufüllen. 5) Bei den Beschlüssen zu 1) und 2) sind im Haushaltsplan der Kirchensteuerkasse (S. 4 des Form. C 1) unter Titel M die an die „Kirchensteuer-Ausgleichskasse“ abzuführenden Überschüsse zu veranschlagen (vgl. Ziffer 1 und 10 der zu I benannten Verordnung Nr. 90/1944). 6) Beabsichtigt der Kirchenvorstand gegenüber dem Vorjahr 1. April 1943/44 für 1944 ff. die Kirchensteuer- bzw. Kirchgeldsätze zu senken oder überhaupt keine Kirchensteuern zu erheben, so ist uns vor der Beschlußfassung mit eingehender Begründung baldigst zu berichten. Falls die Nichterhebung von Kirchensteuern beabsichtigt ist, möge folgendes beachtet werden: a) Die Weiterzahlung staatlicher Pfarrerbesoldungszuschüsse wird eingestellt und die Rückzahlung der bereits ab 1. April 1944 überwiesenen Beträge an den Pfarr-[S. 127] besoldungsfonds 1944 angeordnet. Denn nur solche Kirchengemeinden können als staatszuschußbedürftig angesehen werden, die trotz Ausschöpfung der eigenen Mittel, einschließl. des Kirchensteueraufkommens, das Pfarrgehalt selbst nicht sicherstellen können. b) Aber auch für die leistungsfähigen, staatszuschußfreien Kirchengemeinden, die bisher Kirchensteuern erhoben haben, wird es sich empfehlen, zur Aufrechterhaltung des rechtlich ununterbrochenen Zusammenhanges der seit Jahren laufenden Kirchensteuererhebung, für 1. April 1944/45 wenigstens einen „Erstreckungsbeschluß“ (siehe Ziffer II 2) zu fassen. Es bleibt dann immer noch der pflichtgemäßen Prüfung und Entscheidung des Kirchenvorstandes überlassen, ob und wie lange etwa die Kirchensteuererhebung wegen örtlicher kriegsbedingter Verhältnisse ausgesetzt werden soll, wobei jedoch zu beachten ist, daß die KirchensteuerAusgleichskasse eigens dafür gebildet wurde, daß die Kirchensteuerüberschüsse entsprechend der im Ministererlaß vom 29. Febr. 1944 (Verordng. Nr. 60/1944) angegebenen Zweckbestimmung in der Erzdiözese Verwendung finden. Erzbischöfliches Generalvikariat.

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Nr. 260. Liturgisches Direktorium. Die heutige Ausgabe des Kirchl. Amtsblattes enthält das Liturgische Direktorium 1945 für die Monate Mai bis August. Nr. 261. Betr. Metallspende der Kirchen. Falls Pfarrgemeinden einzelne kirchliche Metallgegenstände an das zuständige kirchliche Sammellager noch nicht abgeliefert haben sollten, wird erwartet, daß diese Gegenstände aumgehenda der zuständigen kirchlichen Sammelstelle zugeführt werden, wenn die Abgabe dieser Gegenstände ohne Beschaffung von Ersatz und ohne Inanspruchnahme irgendwelcher handwerklicher Arbeit für den Ausbau möglich ist. Solche kirchliche Metallgegenstände aber, die zurückbehalten wurden, weil eine Ersatzbeschaffung bisher nicht möglich war, sind nicht mehr abzuliefern. Nur dann, wenn die Ersatzgegenstände bereits angeliefert worden sind, soll der Ausbau und die Ablieferung der Metallgegenstände noch stattfinden. Sind die Ersatzgegenstände nur bezahlt, aber noch nicht geliefert, so wird ersucht, die Ersatzbestellung rückgängig zu machen. Nr. 262. Sicherung der Kirchen gegen Luftkriegsschäden. Der Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten III 272 44 II. Ang. (1) Berlin, den 18. September 1944 Trotz der schon vielfach eingetretenen schweren Verluste an wertvollster alter Ausstattung in den Kirchen ist zu beklagen, daß manche örtliche kirchliche Stellen teils in Unterschätzung der Gefahr, teils aus Gleichgültigkeit oder unberechtigtem Mißtrauen den Ausbau und die Sicherstellung denkmalswerter Ausstattungsstücke oder Kunstwerke abgelehnt oder sonst verhindert haben, obwohl hierfür eine Möglichkeit noch bestand. Soweit eine solche auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen noch gegeben ist, muß diesen Widerständen entschieden begegnet werden. Auch sonst werden nicht überall und nicht immer rechtzeitig die Maßnahmen getroffen, die aus Gründen des Luftschutzes zur Sicherung wertvollen deutschen Kulturgutes unbedingt geboten erscheinen. Es werden sich in dieser Hinsicht auch heute noch manche wichtigen Maßnahmen durchführen lassen. Insbesondere weise ich z. B. wiederholt darauf hin, daß Einbauten und Einrichtungsgegenstände aus Holz die Entstehung und Ausbreitung von Bränden bei Luftangriffen außerordentlich begünstigen. Namentlich wenn sich Holzmassen in der Nähe von tragenden Bauteilen, die durch Feuereinwirkung in ihrer Standfestigkeit gefährdet werden, befinden (z. B. Gestühl und Podium in der Nähe von Pfeilern aus Werkstein), können schwerste Schäden entste-

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hen. Ebenso bedeuten solche Holzmassen in der unmittelbaren Nachbarschaft von wertvollen Kunstwerken, die nicht geborgen oder an Ort und Stelle ausreichend geschützt werden können, eine höchst bedenkliche Gefahr. Es muß daher – soweit sich nicht wenigstens gewisse Teile des Gestühls überhaupt herausnehmen und an anderer Stelle unterbringen lassen – wenigstens eine entsprechende Umstellung vorgenommen werden, auch im Hinblick darauf, daß genügend Durchgänge geschaffen werden, um im Brandfalle die Löscharbeiten zu erleichtern. Es wird ferner in vielen Fällen auch heute noch möglich sein, durch Schließen von Öffnungen in Gewölben, Turmfenstern und dergl. oder der unteren Öffnungen von Dachreitern der schnellen Verbreitung von Bränden vorzubeugen, wobei vor allem an die gefährliche Kaminwirkung solcher Öffnungen infolge des entstehenden Zuges zu denken ist. Jedenfalls werden sich auch unter den jetzt stark erschwerten Umständen – wenn nur die nötige Achtsamkeit und Energie waltet – immer noch Maßnahmen treffen lassen, die geeignet sind, schweren vermeidbaren Folgen entstehender Brände vorzubeugen. Von besonderer Wichtigkeit ist es schließlich, daß – soweit dies nicht ohnehin üblich ist – die Kirchengebäude offen gehalten werden, oder daß wenigstens ein Schlüssel, etwa in einem Glaskasten, an leicht auffindbarer Stelle greifbar ist. Es muß die Möglichkeit bestehen, im Brandfall schnellstens zum Brandherd vorzudringen, ohne erst den bei einem plötzlichen Angriff vielleicht abwesenden Küster oder Kirchendiener, der den Schlüssel verwahrt, suchen zu müssen. Ich ersuche die übergeordneten kirchlichen Stellen, den vorstehenden Hinweisen ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden und notfalls schnell und wirksam durchzugreifen. Bei Eintritt von Schäden, deren Vermeidung bei genügender Vorsorge im Bereich des Möglichen gelegen hätte, werden die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden. Im Auftrag: aWallentina. [S. 128] Nr. 263. Hinweis. Eine Frau aGroßa, angeblich aus Voigtsdorf i. Rsg.26, hat in letzter Zeit wiederholt bei katholischen Pfarrämtern um leihweise Hergabe von Geldbeträgen gebeten mit der Begründung, daß sie an dem betr. Ort besuchsweise weile und unversehens in Geldverlegenheit gekommen sei. Der Pfarrer von 26

Kr. Hirschberg.

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Voigtsdorf berichtet uns, daß er eine Frau Groß nicht kenne und eine katholische Familie dieses Namens in Voigtsdorf nicht ansässig sei. Nr. 264. Deutscher Verein vom Heiligen Lande. Das Generalsekretariat des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande teilt mit, daß es aus kriegsbedingten Gründen seine Geschäftsstelle nach Alfter bei Bonn, St. Annahaus, verlegt hat. Zum Schatzmeister des Diözesanverbandes Breslau des Vereins ist nach dem Tode des Herrn Studienrat Rodehau27 Herr Archivdirektor Dr. Engelbert28 in Breslau 1, Göppertstraße 12 bestellt worden. Die Vereinsbeiträge sind nach wie vor an die Deutsche Bank in Breslau 1, Albrechtstraße 33/36, Postscheckkonto Breslau Nr. 558, einzuzahlen. Um unnötige Mahnungen zu vermeiden, wird gebeten, die noch rückständigen Beiträge alsbald auf das genannte Postscheckkonto einzuzahlen. Erzbischöfliches Generalvikariat. Nr. 265. Ernennungen. Geistl. Rat Franz aHaasea in Groschowitz, bisher Dekanatserzpriester des Archipresbyterates Oppeln, wurde zum Dekanatserzpriester des neugebildeten Archipresbyterates Groschowitz ernannt.29 Ehrenpriester Karl aTokarza, Pfarrer in Oppeln-Stefanshöh, wurde zum Dekanatserzpriester des neuumschriebenen Archipresbyterats Oppeln ernannt.30 Nr. 266. Anstellungen und Versetzungen. P. Augustinus aHeßa OMI., in Nieder-Hermsdorf, zur Aushilfe in Briesnitz b. Kamenz.31 Lokalkaplan Georg aNaglera in Bögendorf als Kaplan in Liegnitz, St. Johannes, und Kirchenrektor in Klemmerwitz.32 27 28

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War kein Priester. Weitere Identifikation nicht möglich. Dr. theol. Kurt Engelbert (geb. 17.7.1886, gew. 22.6.1911, gest. 12.9.1967), seit 1940 Archivdirektor des Diözesanarchivs Breslau. Nach 1945 Bibliothekar und Vizeoffizial in Hildesheim. Franz Haase (geb. 8.1.1882, gew. 23.6.1906, gest. 28.2.1957), seit 1926 Pfr. i. Groschowitz Kr. Oppeln, blieb dort zu seinem Tode. Karl Tokarz (geb. 28.10.1893, gew. 10.6.1917, gest. 14.12.1975), seit 1939 Pfr. an St. Stephan i. Oppeln-Stephanshöh, blieb in Oppeln. Augustinus Heß OMI (Hünfelder Oblaten, geb. 16.8.1909, gew. 10.4.1938, gest. 19.7.1977), 1939 bis 1946 in Niederlassung Langendorf Kr. Neisse, seit 1942 zur Aushilfe in NiederHermsdorf Kr. Neisse, dann in Briesnitz Kr. Frankenstein, 1946 ausgewiesen und schließlich in Süddeutschland tätig.

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Pfarrvikar Norbert aWenzela in Briesnitz als Exponierter Lokalkaplan in Bögendorf, Pfarrei Schweidnitz.33 Pfarrvikar P. Meinrad aBerga OFM., in Kunzendorf, zugleich als Exponierter Lokalkaplan in Grasenau.34 P. Johannes aLeppicha SJ., in Oppeln als stellvertretender Kaplan in Gleiwitz, St. Bartholomäus.35 P. Vinzenz aGaniaa in Loslau zur Wahrnehmung einer Kaplanstelle in Oppeln, St. Maria.36 Kaplan Felix aSappoka in Kostenthal als Kuratialpfarrer in Tiefenburg.37 Pfarrer Joseph aKleineidama in Deutmannsdorf gleichzeitig als Pfarradministrator in Harpersdorf.38 Nr. 267. Kriegsvermißte Priester und Theologen. P. Franz aKalnika (Kaplan in Heydebreck) ist seit 14. August 1944 vermißt. Er stand zuletzt als San.-Obergefr. an der Front südlich Warschau.

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Georg Nagler (geb. 17.3.1914, gew. 7.8.1938, gest. 7.7.1994), seit 1941 „exponierter Lokalkaplan“ in Bögendorf Kr. Schweidnitz, 1944-47 Kaplan in Liegnitz St. Johannes, 1947-48 Lokalkaplan in Melaune, Pfarrei Jauernick, 1948-50 Kaplan in Görlitz St. Jakobus, später Spiritual und Pfarrer in Berlin. Klemmerwitz ist eine Filialkirche der Pfarrei St. Johannes in Liegnitz. Norbert Wenzel (geb. 3.2.1913, gew. 30.7.1939, gest. 11.4.1995), Kpl. in Grambschütz Kr. Namslau, Briesnitz Kr. Frankenstein und 1944-47 Schweidnitz mit der Lokalkaplanei Bögendorf. Dann in Thüringen und schließlich in Berlin Seelsorger. Meinrad Berg OFM (geb. 11.4.1906, gew. 29.1.1933, gest. 16.7.1998) war 1941 zur Vertretung nach Ralbitz (Oberlausitz) geschickt worden, kam zurück und war nur kurz zur Aushilfe in (Ober-) Kunzendorf bei Kreuzburg OS. Die ihm zusätzlich übertragene Lokalkaplanei in Gransenau bei Kreuzburg OS konnte er nicht mehr annehmen, da die Gemeinde wegen der anrückenden Front im Januar 1945 „ausgesiedelt“ wurde. Über Oppeln und Ralbitz war er bereits im März 1945 in der Flüchtlingsseelsorge in Wittichenau (Oberlausitz) beschäftigt. War dann in Freiberg (Sa.), Görlitz, Halle und Halberstadt tätig. P. Johannes Leppich S.J. (geb. 16.4.1915, Ordenseintritt 29.4.1935, gew. 29.11.1942, gest. 7.12.1992), zunächst in Oppeln tätig, seit Herbst 1944 Kaplan in Gleiwitz, Herbst 1945 bis Frühjahr 1946 Kaplan in Breslau St. Michael, dann Seelsorger in Kohlfurt, Mai bis Oktober 1946 Seelsorger im Lager Friedland. Vinzenz Gania (geb. 7.1.1905, gew. 29.6.1939, gest. 5.10.1983), 1944 Kaplan in Loslau Kr. Rybnik, dann in Oppeln, nach 1945 in den Bistümern Osnabrück und Paderborn. Unklar ist, warum er hier als Ordenspriester bezeichnet wird. Felix Sappok (geb. 20.11.1904, gew. 2.2.1930, gest. 5.1.1978), seit 1937 Kpl. i. Kostenthal Kr. Cosel, 1944 Kuratialpfarrer i. Tiefenburg (Straduna) Kr. Oppeln, blieb dort auch nach 1945. Josef Kleineidam (geb. 3.11.1884, gew. 17.6.1909, gest. 24.4.1958), seit 1920 Pfr. i. Deutmannsdorf Kr. Löwenberg, seit 1946 im Erzbistum Paderborn. Harpersdorf gehört zum Kr. Goldberg.

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Gerhard aGrunerta, Theologieaspirant aus Breslau, wird seit 11. August 1944 vermißt. Er stand zuletzt als Gefreiter an der Front in Lettland. Josef aKoszareka, cand. theol. approb. aus Makau Kr. Ratibor, wird seit 16. Juni 1944 vermißt. Er nahm zuletzt als San.-Uffz. an den Kämpfen bei Witebsk teil. Paul aPioseka, Theologieaspirant aus Fürstenberg a. Oder, wird seit Mai 1944 vermißt. Er nahm zuletzt als Gefreiter an den Kämpfen auf der Krim teil. Nikolaus aGosposa, stud. theol. aus Neisse. Er stand zuletzt als Uffz. an der Front in Rumänien und gilt seit Ende August d. J. als vermißt. Wir bitten, der Genannten im Gebete zu gedenken!39 Nr. 268. Todesfälle im Diözesanklerus. 40. Alois aGroßa, s. o. 41. Josef aBiewalda, Pfarrer in Harpersdorf. Geboren am 10. Dezember 1874 in Klein Zöllnig; geweiht am 11. Juni 1898 in Breslau; gestorben am 26. November 1944 in Harpersdorf.40 42. Paul aBrosiga, Ehrenerzpriester, Pfarrer in Breslau, St. Vinzenz. Geboren am 16. Mai 1889 in Patschkau; geweiht am 18. Juni 1914 in Breslau; gestorben am 26. November 1944 in St. Blasien (Schwarzwald).41 R. i. p.! Nr. 269. Erledigte Pfarreien. Die Pfarrei aHarpersdorfa, Archipresbyterat Lähn. aPatrona: Der Herr Oberpräsident in Breslau. Bewerbungen sind an die Erzbischöfl. Kurialkanzlei zu richten. Die Pfarrei aSt. Vinzenz in Breslaua, Archipresbyterat Breslau-Nord. Die Besetzung steht dem Herrn Oberpräsidenten zu. Bewerbungen sind an die Erzbischöfliche Kurialkanzlei zu richten. Nr. 270. Confoederatio Latina Major. Am 21. September 1944 starb H. H. Erzpriester aFranz Schnalkea in Loslau OS. Aufgenommen wurde H. H. Kaplan aGerhard Jonczyka in Hindenburg OS.42

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Die meisten Vermissten waren umgekommen. Wieder aufgetaucht und Priester geworden ist Gerhard Grunert (geb. 15.10.1924, gew. 29.6.1956, gest. 4.10.1966), so es sich um dieselbe Person handelt. Gehörte dann zum Bistum Regensburg. Josef Biewald war seit 1907 Pfr. i. Harpersdorf Kr. Goldberg. Paul Brosig war seit 1929 Pfr. an St. Vinzenz.

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Am 26. November 1944 starb H. H. Erzpriester aPaul Brosiga in Breslau. Aufgenommen wurde H. Pfarrvikar aKarl Wrazidloa in Konstadt.43 [S. 129] Kirchliches Amtsblatt des Erzbischöflichen Ordinariats in Breslau Stück 24, bBreslaub, den 29. Dezember 1944 b

Inhalt:b Nr. 271. Aus einer Papstansprache Nr. 272. Meldung zum Studium der Theologie Nr. 273. Trauung „Gottgläubiger“ Nr. 274. Pontifikalhandlungen im Jahre 1944 Nr. 275. Kirchliche Statistik Nr. 276. Anstellungen und Versetzungen Nr. 277. Kriegsvermißte Priester und Theologen Nr. 278. Gefallen für das Vaterland Nr. 279. Todesfälle in Diözesanklerus Nr. 271. Aus einer Papstansprache. Zu Beginn des sechsten Kriegsjahres hielt unser Heiliger Vater Papst Pius XII. am 1. September d. Js. nachmittags eine Rundfunkansprache an die Welt. Aus dieser bedeutsamen Kundgebung bringen wir hierunter mehrere Abschnitte zum Abdruck. Erzbischöfliches Generalvikariat. „Die Uhr der Geschichte zeigt heute eine schwere Stunde, die entscheidend ist für die ganze Menschheit … Eine alte Welt liegt in Trümmern, und wir leben in der Sehnsucht, möglichst rasch eine neue erstehen zu sehen, die gesund ist und höher gesittet, deren Ordnung in Übereinstimmung steht mit den Erfordernissen der Menschennatur; dahin geht der heiße Wunsch der gepeinigten Völker. Wo sind die Baumeister, welche die wesentlichen Linien 42

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Franz Schnalke (geb. 4.12.1873, gew. 11.6.1898, gest. 21.9.1944), gehörte zum Bistum Kattowitz, war 1936 Pfr. i. Wodzisław (Loslau, Ostoberschlesien), G.R. u. Dek.Erzpr. – Gerhard Jonczyk (geb. 25.9.1917, gew. 20.12.1941, gest. 8.3.1967), seit 1943 Kpl. i. Hindenburg, 1945 Seelsorger in Straupitz, 1946 in Havixbeck (Münsterland), seit 1947 Kpl. i. Duisburg, 1952 Caritasdirektor in Recklinghausen Zu Paul Brosig s. Anm. 41. – Karl Wrazidlo (geb. 20.12.1908, gew. 29.1.1933), war 1942 Kpl. i. Stillersfeld (Stollarzowitz) Kr. Beuthen-Tarnowitz, seit 1944 PA i. Pitschen Kr. Kreuzburg; hier wird sein Aufenthalt mit Konstadt Kr. Kreuzburg angegeben. Er starb 1945 unbekannten Tages. S. auch unten Anm. 71.

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des Neubaus entwerfen, wo die Denker, die ihm das endgültige Gepräge verleihen werden? … Der klare Blick und das Gefühl brüderlicher Liebe bei allen redlichen, anständigen Menschen wird maßgebend dafür sein, inwieweit es dem christlichen Gedanken vergönnt ist, das Riesenwerk des Wiederaufbaues im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und internationalen Leben aufrechtzuerhalten oder zu unterstützen. Deshalb richten Wir in dieser Stunde mit ihren vielleicht unwiderruflichen Entscheidungen an alle Unsere Söhne und Töchter in der weiten Welt wie auch an diejenigen, die nicht zur Kirche gehörig sich doch mit Uns eins fühlen, die eindringliche Mahnung: Erwäget den außerordentlichen Ernst des Augenblicks und bedenket, wie ohne Rücksicht auf alle Verschiedenheiten die Treue zum Erbgut der christlichen Kultur und seine energische Verteidigung gegen gott- und christusfeindliche Strömungen den Schlüssel bilden, den man nicht einem vorübergehenden Vorteil oder einer unsicheren Berechnung opfern darf … Der Christ, der ernsthaft über die Bedürfnisse und das Elend seiner Zeit nachdenkt, bleibt, wo es sich um den Bereich der Heilmittel handelt, den Grundsätzen treu, welche die gesunde Vernunfterfahrung und die christliche Sozialethik als Grundlage und Ausgangspunkt jeder gerechten Reform erweisen. Bereits Unser unsterblicher Vorgänger Leo XIII. sprach in seinem Rundschreiben „Rerum novarum“ den Grundsatz aus, daß jede rechte Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung das Recht auf Privateigentum als Fundament nehmen und sich einprägen müsse. Wenn es schon wahr ist, daß die Kirche stets das naturgegebene Recht auf Eigentum und Weitervererbung des Eigenbesitzes anerkannt hat, so ist es doch nicht weniger sicher, daß dieses Privateigentum in ganz besonderer Weise die natürliche Frucht der Arbeit, das Ergebnis angestrengter Tätigkeit des Menschen ist. Er erwirbt es sich dank seinem entschlossenen Willen, durch seine Anstrengungen seine Existenz und die seiner Familie zu sichern und zu fördern, sich und den Seinen gänzlich freies Feld nicht bloß auf wirtschaftlichem, sondern auch auf politischem, kulturellem und religiösem Gebiet zu schaffen … Wir sehen tatsächlich, wie die ständig zunehmende Zahl von Arbeitern oft jenen ungebührlichen Zusammenballungen von Wirtschaftsgütern gegenübersteht, denen es – häufig unter der Maske von Aktiengesellschaften – gelingt, sich ihren sozialen Verpflichtungen zu entziehen, wodurch sie den Arbeiter beinahe in die Unmöglichkeit versetzen, sich ein wirkliches Eigentum zu schaffen. Wie sehen das kleine und mittlere Eigentum gedrückt und eingezwängt in einen immer härteren und aussichtsloseren Kampf. Wir sehen auf der einen Seite ungeheure Reichtümer, welche die Privat- und Staatswirt-

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schaft, oft sogar das Staatsleben beherrschen, auf der anderen Seite die zahllose Menge derjenigen, die, jeder unmittelbaren oder mittelbaren Sicherheit bar, keinen Anteil mehr nehmen an den geistigen Werten und Bestrebungen, die zur wahren Freiheit führen. Diese werfen sich der nächstbesten politischen Partei in die Arme als Sklaven eines jeden, der ihnen irgendwie Brot und Ruhe verspricht. Die Erfahrung zeigt, welcher Ironie unter solchen Umständen auch heutzutage die Menschheit fähig ist. Wenn die Kirche den Grundsatz des Privateigentums vertritt, so verfolgt sie damit einen hohen ethischen und sozialen Zweck, beabsichtigt aber nicht lediglich und ohne weiteres, den Status quo aufrechtzuerhalten, als sähe sie darin den Ausdruck göttlichen Willens, noch auch den Reichen und Plutokraten grund-[S. 130]sätzlich gegen den Armen in Schutz zu nehmen. Ganz im Gegenteil! Seit ihren Anfängen hat die Kirche den Schwachen gegen den Mächtigen beschützt und immer die gerechten Ansprüche der Arbeiter gegen jedes Unrecht verteidigt. Das Hauptaugenmerk der Kirche ist vielmehr darauf gerichtet, daß die Einrichtung des Privateigentums den Plänen der göttlichen Weisheit und den Naturanlagen entspricht: als ein Element der Gesellschaftsordnung, als eine notwendige Vorbedingung menschlicher Schaffensfreude, bei der die Arbeit den Vorteil und den Zweck hat, die Schwierigkeiten des Lebens zu mildern und demnach die Freiheit und Würde des nach Gottes Ebenbild geschaffenen Menschen zu sichern … Am Ende des Krieges, der alle Wirkungsbereiche des menschlichen Lebens zerrüttet und in neue Bahnen geworfen hat, wird das Problem der zukünftigen Gestaltung der Sozialordnung einen heißen Kampf zwischen den verschiedenen Strömungen hervorrufen. Mitten unter diesen hat die christliche Gesellschaftsauffassung die schwierige, doch auch ehrenvolle Aufgabe, den Beweis anzutreten und den Anhängern der anderen Lehren theoretisch und praktisch zu zeigen, wie auf diesem, für die friedliche Entwicklung des menschlichen Zusammenlebens so wichtigen Gebiete die Forderungen wahrer Billigkeit und die christlichen Grundsätze sich eng vermählen und so Rettung und Segen für alle werden können, die es fertigbringen, unter Verzicht auf die menschlichen Leidenschaften, ihr Ohr den Lehren der Wahrheit zu leihen. Wie vertrauen, daß Unsere getreuen Söhne und Töchter in der katholischen Welt als Herolde der christlichen, sozialen Ideen auch um den Preis beträchtlicher Verzichte zur Annäherung an jene soziale Gerechtigkeit beitragen werden, nach der alle Jünger Christi hungern und dürsten müssen …“ Im letzten Teil der Rede fordert Papst Pius XII. zur Erleichterung des Überganges vom Krieg zum Frieden wahre Solidarität und erinnert an seinen Vorschlag von 1939, eine neue, gerechte Einrichtung als Garanten der Neuord-

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nung zu bilden. Dann kommt er auf die Gefangenen und Internierten zu sprechen. „Dieser Krieg hat zu der tragischsten Völkerwanderung geführt, welche die Geschichte kennt. Deswegen wird es ein Werk tiefer Menschlichkeit, klarblickender Gerechtigkeit und weiser Ordnungskunst sein, wenn man diese Unglücklichen, außer in den Grenzen des unbedingt Notwendigen, nicht auf die schon allzu späte Befreiung warten läßt. Eine derartige Lösung schlösse naturgemäß nicht die Wahrung einiger unvermeidlicher Vorsichtsmaßregeln aus. Auf jeden Fall würde ein wenn auch noch so armseliger Sonnenstrahl immerhin eine Entspannung der Gemüter bedeuten. Alle friedliebenden Nationen, Sieger und Besiegte, müssen an den Wohltaten der Zivilisation beteiligt sein …“44 Nr. 272. Meldung zum Studium der Theologie. Alle Seelsorger der Erzdiözese, insbesondere die Herren Pfarrer werden hierdurch ersucht, die ihnen bekannten Abiturienten, die Theologie zu studieren beabsichtigen, aufzufordern, ihre Meldung an den Direktor des Erzbischöflichen Theologenkonvikts, Breslau 1, Domplatz 4, alsbald einzureichen. Es ist erwünscht, daß sich auch diejenigen melden, die mit dem Theologiestudium noch nicht beginnen können, weil sie vorerst in RAD, oder Heeresdienst eintreten. Erzbischöfliches Ordinariat. Nr. 273. Trauung „Gottgläubiger“. Bei Eingaben um Dispens vom impedimentum mixtae religionis für Brautleute, von denen sich ein Teil als a„gottgläubig“a bezeichnet, sind nachstehende Richtlinien zu beachten: a) War der „gottgläubige“ Teil früher Mitglied der katholischen Kirche und ist er aus ihr ausgetreten, ohne sich einer anderen Religionsgesellschaft oder einer atheistischen Sekte anzuschließen, so gilt er als abgefallener Katholik; es besteht nicht das Hindernis der Konfessionsverschiedenheit, jedoch ist die bischöfliche Genehmigung zur kirchlichen Trauung gem. can. 1065 einzuholen, die erteilt wird, wenn die notwendigen Sicherheiten nach can. 1061 § 1 und 2 in der vorgeschriebenen Form geleistet sind; b) War der Gottgläubige vorher Katholik und ist er einer pantheistischen oder atheistischen Sekte beigetreten, so besteht nach der Entscheidung der Aus-

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Radioansprache vom 1.9.1944, abgedruckt in: Acta Apostolicae Sedis 1949, 249-258.

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legungskommission vom 30. Juli 1934 das Ehehindernis der Konfessionsverschiedenheit: c) war der Gottgläubige vorher Mitglied eines evangelischen Bekenntnisses (getauft), so besteht ebenfalls das letztgenannte Ehehindernis: d) ist der Gottgläubige ungetauft, so liegt das trennende Ehehindernis der Religionsverschiedenheit (cultus disparitas, can. 1070) vor. Nr. 274. Mitteilung über Pontifikalhandlungen im Jahre 1944. 1. aErzbischof Kardinal Bertrama hat A. afolgende Ordinationena vollzogen: am 13. Februar in Breslau den Presbyterat an 3 Diakone (davon 1 aus Berlin, 1 Franziskaner); am 19. März in Breslau die Tonsur an 1 Alumnus aus Berlin, den Subdiakonat an 1 Kleriker aus Berlin, den Diakonat an 1 Jesuiten; am 21. März in Breslau in seiner Hauskapelle den Ostiariat, Lektorat und Exorzistat an 1 Kleriker aus Berlin; am 25. März in Breslau den Akolythat an 1 Kleriker aus Berlin, den Diakonat an 1 Kleriker aus Berlin, den Presbyterat an 4 Diakone (davon 2 aus Olmütz, 1 Jesuit); am 12. Juni in Breslau in seiner Hauskapelle die Tonsur in 1 Alumnus; am 13. Juni in Breslau in seiner Hauskapelle den Ostiariat, Lektorat und Exorzist an 1 Kleriker; am 14. Juni in Breslau in seiner Hauskapelle den Akolythat an 1 Kleriker; am 9. Juli in Breslau den Subdiakonat an 2 Kleriker aus Olmütz; am 15. Juli in Jauernigk in seiner Hauskapelle die Tonsur an 2 Alumnen (davon 1 aus Olmütz); am 16. Juli in Weidenau den Ostiariat, Lektorat und Exorzistat an 2 Kleriker (davon 1 aus Olmütz), den [S. 131] Akolythat an 10 Kleriker (davon 9 aus Olmütz), den Diakonat an 2 Kleriker aus Olmütz; am 24. Juli in Breslau in seiner Hauskapelle die Tonsur an 2 Alumnen; am 25. Juli in Breslau in seiner Hauskapelle den Ostiariat, Lektorat und Exorzistat an 2 Kleriker; am 26. Juli in Breslau in seiner Hauskapelle den Akolythat an 2 Kleriker; am 6. August in Breslau den Subdiakonat an 1 Franziskaner; am 13. August in Breslau den Diakonat an 1 Franziskaner; am 10. September in Breslau den Presbyterat an 1 Franziskaner; am 15. Oktober in Breslau den Presbyterat an 1 Jesuiten; am 7. Dezember in Breslau in seiner Hauskapelle die Tonsur an 2 Alumnen (davon 1 aus Berlin);

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am 8. Dezember in Breslau den Ostiariat, Lektorat und Exorzistat an 2 Kleriker (davon 1 aus Berlin), den Subdiakonat an 1 Kleriker, den Presbyterat an 2 Diakone aus Olmütz; am 10. Dezember in Breslau den Akolythat an 2 Kleriker (davon 1 aus Berlin), den Diakonat an 1 Kleriker. B. das hl. aSakrament der Firmunga gespendet: 1. im Dekanat Breslau-Nord am 5. März nachmittags bei St. Nikolaus, zugleich für St. Agnes, Christus König, St. Georg, St. Hedwig, St. Konrad, St. Rochus, St. Theresia, St. Vinzenz (276); am 6. März nachmittags bei Hl. Kreuz, zugleich für St. Adalbert, Hl. Familie, St. Maria, Maria Trost, St. Matthias, St. Petrus-Canisius (290); am 7. März nachmittags bei St. Bonifatius, zugleich für St. Antonius, Hedwigskloster, St. Jakobus, St. Michael (240); am 1. Juli in seiner Hauskapelle an 1 Firmling; am 31. Juli in seiner Hauskapelle an 2 Firmlinge; 2. im Dekanat Breslau-Süd: am 9. März nachmittags bei St. Heinrich, zugleich für St. Augustinus, Hl. Geist, Corpus Christ, Herzogshufen, Tinz (287); am 10. März nachmittags bei St. Elisabeth, zugleich für St. Clemens, St. Carolus, Lohbrück, Maria-Höfchen, Opperau, Kapsdorf (255); am 13. März nachmittags bei St. Mauritius, zugleich für St. Josef, St. Dorothea, St. Ignatius, Ohlewiesen, Brockau, Treschen (440); 3. im Dekanat Oberglogau: am 10. April nachmittags in Oberglogau (394); am 11. April vormittags in Dt. Rasselwitz, zugleich für Steubendorf (403); nachmittags in Schönau, zugleich für Gläsen, Kasimir (421); am 12. April vormittags in Dt. Müllmen, zugleich für Kranzdorf (302); nachmittags in Wiese-Pauliner, zugleich für Kerpen (323); am 13. April vormittags in Oberglogau (333), nachmittags in Oberglogau (273); 4. im Dekanat Oppeln: am 29. Mai vormittags bei Hl. Kreuz (294); nachmittags bei St. Peter-Paul (320); am 30. Mai vormittags bei St. Michael (357); nachmittags bei St. Maria (210); am 31. Mai nachmittags bei Herz-Jesu (169); am 1. Juni nachmittags bei St. Peter-Paul für Schüler Höherer Schulen (378); am 2. Juni nachmittags für Schülerinnen Höherer Schulen bei St. Peter-Paul (259);

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am 19. Juni nachmittags in Groschowitz (309); am 20. Juni vormittags in Groschowitz (245); nachmittags in Groschowitz (244); am 21. Juni vormittags in Raschau (161); nachmittags in Raschau (304); am 22. Juni vormittags in Auendorf (165); nachmittags in Tarnau (307) 5. im Dekanat Trebnitz: am 18. Juni vormittags in Trebnitz, zugleich für Nachbargemeinden (388); nachmittags in Obernigk (96) und in Auras (115). 6. im Dekanat Freiwaldau: am 16. Juli nachmittags in Freiwaldau (283); am 17. Juli vormittags in Freiwaldau für Böhmischdorf und NiederThomasdorf (288); nachmittags und Freiwaldau für Ober Thomasdorf und Sandhübel (238) und in Buchelsdorf (133); am 18 Juli vormittags in Nieder Lindewiese (306); am 19. Juli vormittags in Niklasdorf (461); nachmittags in Niklasdorf für Saubsdorf, Breitenfurt Gröditz (162). II. aWeihbischof Ferchea45 hat A. das hl. aSakrament der Firmunga gespendet 1. im Dekanat Breslau-Nord: am 29. Mai bei Hl. Kreuz für Firmlinge aus Breslau und Umgegend (318) am 28. Dezember bei St. Matthias für Schulentlassene aus Breslau (166). 2. im Dekanat Oppeln: am 26. Februar im Adalbert-Hospital (3); am 29. Mai bei Hl. Kreuz (250); am 30. Mai bei Hl. Kreuz (239) und bei St. Peter Paul (318); am 31. Mai bei St. Maria (191); am 1. Juni in Bolko (628); am 2. Juni im Adalbert-Hospital in Oppeln (8) und in Ehrenfeld (646); am 3. Juni in Liebtal (491); am 4. Juni im Adalbert-Hospital in Oppeln (9) und in Stephanshöh (602); am 11. Juni in Königshuld (311) und in Groß Kochen (306); am 12. Juni in Hitlersee (342), in Thielsdorf (157) und in Ellguth-Turawa (369); am 13. Juni in Reichenwald, zugleich für Kranst (482). 3. im Dekanat Kreuzburg: am 18. August in Thule (207); am 19. August in Oberwalden (289); 45

Joseph Ferche (geb. 9.4.1888, gew. 22.6.1911, kons. 29.9.1940, gest. 23.9.1965), seit 1940 Weihbischof von Breslau, seit 1947 Weihbischof von Köln.

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am 20. August in Kunzendorf (270) und Bienendorf (207); am 22. August in Pitschen, zugleich für Kostau (223); am 23. August in Winterfeld (225); am 24. August in Konstadt (150); [S. 132] am 25. August in Kuhnau (397); am 26. August in Kiefernrode (190); am 27. August in Kreuzburg (574). 4. Dekanat Klein Strehlitz: am 9. und 10. Oktober in Krappitz (870); am 10. Oktober in Burgwasser (100); am 11. Oktober in Kammersfeld (220) und in Klein Strehlitz (210); am 12. Oktober in Zellin (182) und Roßtal (246); am 13. Oktober in Goldenau (86) und in Schreibersdorf (76); am 14. Oktober in Körnitz (115) u. in Roßweide (92); am 15. Dezember in Friedersdorf (156). B. im Laufe des Jahres 1 Kelch mit Patene und 25 Altarsteine konsekriert. III. aGeneralvikar Prälat Dr. Negwera hat im Laufe des Jahres 6 Kelche und Patenen konsekriert. IV. aDompropst Prälat Dr. Blaeschkea hat im Laufe des Jahres 59 Kelche, 64 Patenen und 11 Altarsteine konsekriert. V. aDomdechant Prälat Dr. Pionteka hat im Laufe des Jahres einen Kelch konsekriert.46 Nr. 275. Kirchliche Statistik. Die Zählbogen der kirchlichen Statistik über das Jahr 1944 werden in nächster Zeit versandt. Jeder Dekanatserzpriester erhält für jeden ihm unterstellten Seelsorgebezirk mit eigenem Geistlichen zwei A-Bogen und außerdem für die Zusammenstellung des Dekanats zwei B-Bogen. Die A-Bogen sind von den Pfarrern, Kuraten usw. sorgfältig auszufüllen. Das eine ausgefüllte Exemplar ist bis zum 1. Februar 1945 an den Dekanatserzpriester zurückzusenden, das andere verbleibt im Pfarrarchiv. Der Dekanatserzpriester soll die 46

Dr. theol. Josef Negwer (geb. 9.8.1882, gew. 23.6.1906, gest. 14.2.1964), 1923-38 u. 195264 Bistumsoffizial, seit 1925 Kanoniker, 1938-45 Generalvikar; Dr. theol. Alfons Blaeschke, (geb. 2.11.1870, gew. 23.6.1896, gest. 26.11.1950), seit 1915 Kanoniker, 1916-1938 Generalvikar, seit Dompropst; Dr. theol. Ferdinand Piontek (geb. 5.11.1878, gew. 20.6.1903, kons. 24.6.1959, gest. 2.11.1963), seit 1921 Kanoniker, seit 1939 Domdechant, seit 1945 Kapitelsvikar, 1959 Titularbischof. Als infulierte Dignitäten des Metropolitankapitels hatten sie alle drei das Recht zu Pontifikalhandlungen.

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Zahlen der einzelnen A-Bogen erst dann in den B-Bogen eintragen, wenn er sich von ihrer Richtigkeit und Vollständigkeit überzeugt hat. Ist das geschehen, dann trägt er die Zahlenangaben der A-Bogen in alphabetischer Reihenfolge der Pfarreien bzw. Kuratien, Lokalien in die entsprechenden Spalten des B-Bogens ein, schickt bis zum 1. März 1945 ein Exemplar des B-Bogens mit allen zugehörigen A-Bogen an das Ordinariat ein. Der zweite ausgefüllte B-Bogen verbleibt bei den Dekanatsakten. a Kirchliche Aktea, die aAusländera betreffen (aKriegsgefangene, ausländische Zivilarbeitera usw.) adürfen in keinem Falle mitgezählta werden. Unvollständig oder unrichtig ausgefüllte B-Bogen müssen wir zurücksenden, damit Richtigstellung bzw. Ergänzung veranlaßt wird. Erzbischöfliches Ordinariat. Nr. 276. Anstellungen und Versetzungen. P. Bronislaus Bruno aPanusa in Ratibor mit der Wahrnehmung der Kaplanstelle in Tost beauftragt.47 Kuratie-Administrator Roman aKulessaa in Tiefenburg als Kaplan in Kostenthal.48 Pfarrvikar Bruno aSchoskea in Kupferberg als Pfarrer in Heinzendorf (Trachenberg).49 Nr. 277. Kriegsvermißte Priester und Theologen. Kriegspfarrer Norbert aWeidlicha aus Breslau (Kaplan in Ottmachau), zuletzt an der Front im Elsaß, vermißt seit 28. November 1944. Karl aLangera aus Neisse-Neumühl, Diakon im Erzb. Priesterseminar Albertinum, zuletzt als San.-Uffz. in Rumänien, vermißt seit 25. August 1944. Herbert aGiemsaa, stud. Theol. aus Gleiwitz OS., zuletzt an der Front im Osten als Obergefreiter. Gerhard aJanitschkea, stud. Theol. aus Dittersdorf, Kr. Neustadt OS., zuletzt an der Ostfront als San.-Feldwebel. 47

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Bruno Bronislaus Panus (geb. 1.11.1915, gew. 23.6.1940, gest. 20.3.2007), seit 1940 Kpl. an St. Nikolaus i. Ratibor, dann in Tost; blieb bis 1966 in Oberschlesien. Roman Kulessa (geb. 28.7.1906, gew. 27.1.1935, gest. 4.11.1981), Kpl. in Olbersdorf Kr. Neustadt OS von 1936 bis nach 1942, dann Kpl. in Tiefenburg (Straduna) Kr. Oppeln und Kostenthal Kr. Cosel. Blieb in Oberschlesien. Bruno Schoske (geb. 22.3.1908, gew. 29.1.1933, gest. 1.7.1988), seit 1941 Kpl. an St. Jakobus in Breslau, dann PV i. Kupferberg Krs. Hirschberg. Hat die Stelle in Heinzendorf Kr. Wohlau wohl nicht mehr antreten können, denn er ist im Sommer 1946 aus Kupferberg ausgewiesen worden. War dann zunächst bei Bremen und schließlich im Erzbistum Freiburg.

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Max aHudallaa aus Oderwinkel, Kr. Oppeln, cand. Theol. approb., zuletzt als Obergefreiter in Bessarabien, vermißt seit Monat August 1944. Leo aTilgnera aus Breslau, Theologieaspirant, zuletzt Obergefreiter an der Ostfront, vermißt seit Mitte Juni 1944. Bernhard aMeinholda aus Görlitz, stud. theol., Unteroffizier, vermißt seit Juni 1944. Wir bitten, der Genannten im Gebete zu gedenken!50 Nr. 278. Gefallen für das Vaterland. Walter aNawratha, Theologieaspirant aus Gleiwitz OS. (geb. am 26. September 1922 in Kattowitz), starb am 19. November 1944 bei Serajewo als Feldwebel den Fliegertod. – Vivat inter sanctos! Nr. 279. Todesfälle im Diözesanklerus. 43. Johann aPscheidla, Hausgeistlicher der Elisabethinerinnen in Jablunkau. Geboren am 21. November 1907 in Teschen OS., geweiht am 15. Juli 1934 in Weidenau (Ostsud.), gestorben am 10. Dezember in Jablunkau.51 44. Paul aSappelta, Geistl. Rat. Em. Erzpriester und Pfarrer von Grünberg. Geboren am 26. Dezember 1859 in Petersdorf, Kr. Habelschwerdt, geweiht am 17. Juni 1887 in Breslau, gestorben am 13. Dezember 1944 in Grünberg.52 R.i.P. [S. 1] Kirchliches Amtsblatt des Erzbischöflichen Ordinariats in Breslau Stück 1, bBreslaub, den 22. Januar 1945 b

Inhaltb Nr. 1. Fastenhirtenbrief 1945 Nr. 2. Besonderes Indult betr. Osterkommunion Nr. 3. Konventsarbeiten für 1945 50

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Norbert Weidlich (geb. 22.7.1909, gew. 27.1.1935, gest. 23.11.1989), seit 1937 Kpl. in Ottmachau Kr. Grottkau, seit 1940 Divisionspfarrer, 1944-46 frz. Kriegsgefangenschaft, dann im Bistum Fulda. – Karl Langer (geb. 21.4.1915), war im Oktober 1939 in das Alumnat eingetreten und zum Diakon geweiht geworden; sonst ist über ihn nichts bekannt. – Zu den anderen ist ebenfalls nichts bekannt. Johann Pscheidl war seit 1941 Hausgeistlicher bei den Elisabethinerinnen in Jablunkau. Paul Sappelt war Pfr. i. Grünberg 1892 bis 1927, G.R. u. E.Erzpr.

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Nr. 4. Pfarrprüfungen Nr. 5. Jurisdiktionsprüfung Nr. 6. Betr. Visitationen im Jahre 1945 Nr. 7. Vermißte bzw. in Kriegsgefangenschaft geratene Theologen Nr. 8. Ernennung Nr. 9. Anstellungen und Versetzungen Nr. 10. Todesfall im Diözesanklerus Nr. 11. Warnung Nr. 1. Das Gebetsapostolat und seine Verbreitung53 Fastenhirtenbrief, zu verlesen am 28. Januar 1945. „Die Menge der Gläubigen, Ein Herz und Eine Seele“ Apg. 4,32. Es war eine freudige Überraschung, als unser Heil. Vater Papst Pius XII. zum Abschluß und Ausklang seines 25jährigen Bischofsjubiläums eines der inhaltsreichsten Dokumente an die katholische Christenheit richtete: „Die Enzyklika vom Mystischen Leibe Christi und seine Verbindung mit Christus.“ Tief und ergreifend, in allseitigem Lichte des göttlichen Heilsplanes und in der Fülle der Segnungen des dreieinigen Gottes tritt da Gottes Reich vor unsere Augen als das größte aller Geheimnisse im Heilsplane Gottes, als höchstes und heiligstes aller Wunderwerke des Erlösers; die katholische Kirche als die ewig beglückende Gottesstadt, zu deren Majestät das Auge des Apostels Johannes in seiner Apokalypse in anbetenden Visionen emporblickte. Schon in zwei Hirtenbriefen des letzten Jahres habe ich die Diözesanen in die Bedeutung dieser Enzyklika einzuführen versucht: das eine Hirtenschreiben galt der Patronin unserer Diözese: St. Hedwig im Lichte der Enzyklika vom Mystischen Leibe Christi“.54 Der dann folgende Hirtenbrief galt der Bedeutung der christlichen Familie als edelstes Glied an Christi geistigem Leibe.55 Auch der diesjährige Hirtenbrief will versuchen zu schöpfen aus den Tiefen des päpstlichen Rundschreibens: er will reden vom apostolischen Gebetsleben der katholischen Christenheit als Lebenstätigung des Mystischen Leibes Christi, will dieses Innenleben der Kirche erkennen lassen als ein wahres a Apostolat des Gebetesa,

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54 55

Bereits veröffentlicht in: Adolf Kardinal Bertram, Hirtenbriefe und Hirtenworte. Bearb. v. Werner MARSCHALL (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 30), Köln, Weimar, Wien 2000. Nr. 250, 924-928. Marschall Nr. 240, 881-884. Marschall Nr. 243, 891-902.

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als ein Apostolat, das der innigsten Verbindung mit dem Herzen Jesu geweiht ist. O wer doch nur etwas kennte vom Gebetsleben des göttlichen Heilandes selbst! Wer doch Einblick tun könnte in Jesu persönliches, gottmenschliches Seelenleben, wie es beginnt von der Krippe zu Bethlehem und im geheimnisvollen Werdegange sich entwickelt und offenbart, um auszuklingen in den letzten Gebetsrufen auf der Höhe von Golgatha! Wer doch die Tiefe und den Reichtum der Gebete überschauen konnte, die neben aller körperlichen Arbeit Jesu im Hause zu Nazareth sein Tagewerk, begleitet von Engelscharen, bildeten! Wer doch das Innenleben Jesu hätte belauschen können in den nächtlichen Stunden, da Jesus in Einsamkeit der Bergeshöhe bei seinem himmlischen Vater betend weilte! Wer doch unermüdlich bestrebt wäre, in den Evangelien und den Briefen der Apostel Johannes und Paulus Einblicke zu tun in den von tiefster Gnadenfülle beglückten geistigen Adlerflug dieser beiden Apostel! Und wer dann nie ermüdet, dem Gebetsleben unserer heiligen Kirche und den Wirkungen ihrer Gebetsschätze nachzuspüren, ihnen durch alle Jahrhunderte leise ahnend zu folgen, der würde die volle Bedeutung, die aim Worte Gebetsapastolata liegt, zu würdigen wissen. I. Was sagt der aNamea „Apostolat des Gebetes?“ „Apostolat“ heißt Sendung. Der Heiland selbst nennt seine Aufgabe ein Apostolat, eine Sendung vom himmlischen Vater, die mit der Menschwerdung des Sohnes Gottes beginnt, in Jesu verborgenem Leben sich offenbart, und die Lebensaufgabe des mystischen Leibes Christi erfüllt und dann sich fortsetzt in den zwölf von ihm auserwählten Sendboten, den Aposteln und ihren Nachfolgern als den bevorzugten Gliedern im Bau der Kirche als Gottesreich. Neben dieser aamtlichen Sendunga und in engster Verbindung mit ihr wirkt im Leben des mystischen Leibes Christi die der Gnadenwahl der göttlichen Vorsehung entspringende ainnere Berufunga. [S. 2] Christi Sendung wirkt, wie der Apostel Paulus bezeugt, vom Anfang seines Lebens an und vor jeder erkennbaren Erscheinung, vor jedem Worte und jeder Wundertat als innigste geistige Verbindung mit dem Willen des Vaters. So wie sie sich, ohne den Augen erkennbar zu sein, kundgibt in Jesu erstem Gebete zum himmlischen Vater; darum spricht er zum himmlischen Vater wie St. Paulus es berichtet, bei seinem Eintritt in die Welt: „Opfer und Gaben hast du nicht gewollt, einen Leib aber hast du mir bereitet. Siehe, ich komme, deinen Willen zu tun, o Gott“ (Hebr. 10, 5. 7). Das ist Jesu Apostolatsgebet, richtungsgebend für die von ihm als seine Sendboten berufenen Jünger. In die Bedeutung dieses Berufes führt Jesu selbst die Apostel ein. Denn das ganze Leben Jesu ist durchweht und geleitet

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von diesem seinem apostolischen Gebete. Sein Vorbild ist die Schule des Apostolats im Leben der amtlich bestellten Führer der Kirche und im stillen Wirken aller treu katholischen Christen. Darin erkennen wir die Bedeutung jener dem katholischen Volke so lieb gewordenen Übung, die wir „Gebetsapostolat“ nennen. Inhalt und Zweck dieses Gebetsapostolats ist es, daß wir als Glieder des mystischen Leibes über unsere persönliche Tugendübung hinaus teilnehmen am a Mittleramte Jesua in täglicher Aufopferung aller unserer Gebetsgedanken, unsere Arbeit und Leiden vereinigend mit jenem Gebete, das Christus als Mittler zwischen Gott und der Menschheit unablässig verrichtet. Der Heiland selbst ruft laut nach aHelferna in seinem Mittleramte und mahnt uns zu dieser Übung, die nicht eine Äußerlichkeit sein soll, sondern innigste Verbindung im Denken und Wollen mit dem Herzen Jesu. Das ist der Sinn und die Würde des Gebetsapostolats, dessen Wert und Bedeutung Papst Pius XII. in seiner Enzyklika mit Nachdruck hervorhebt. Im Rufe des Papstes klingt fort der Ruf Jesu. Wie bedeutungsvoll in Jesu Augen das Gebet um aGewinnung von Helferna im Heilswerke ist, erkennen wir aus der Eindringlichkeit seiner Mahnung an die Apostel, vom himmlischen Vater die Weckung apostolischer Berufe zu erflehen. Als Jesus, so berichtet der Apostel Matthäus (9, 36 f.) die Volksscharen sah, erbarmte es ihn derselben; denn sie waren geplagt und lagen darnieder wie Schafe, die keinen Hirten haben. Da sprach Jesus zu seinen Jüngern: „Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber sind wenige. Bittet daher den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende.“ Das ist der Ruf des Heilands beim Anblick der weltumfassenden Größe seiner Sendung. Gemeinsames Gebet aller Getreuen soll es sein, daß helfende Kräfte für das Heilswerk Christi gesandt werden. Solchem Gebete gilt Jesu Verheißung: „Der Vater wird euch alles geben, um was ihr in meinem Namen bittet“ (Joh. 16, 23). Dieses Gebet soll gemeinsam sein. „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, dort bin ich mitten unter ihnen. Wenn zwei von euch eines Sinnes sein werden über eine Sache, um die sie bitten wollen, so wird sie ihnen von meinem Vater, der im Himmel ist, zuteil werden“ (Matth. 18, 19 f.). Das sind richtungweisende Mahnungen, die in eindringlichster Wärme und Herzlichkeit Zeugnis ablegen von der Bedeutung, die das Gebetsapostolat als gemeinsames Anliegen der Christenheit hat. Die Bischöfe aller Diözesen Deutschlands haben daher wiederholt die deutschen Katholiken zur Verbreitung des Gebetsapostolats aufgefordert, so namentlich 1937 im Anschluß an das markige Wort des Papstes Pius XI. an die Katholiken Deutschlands: „Das ist jetzt die aForderung eurer Stundea: das Gebet und das Gebetsapostolat“. Es

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ist Jesu Ruf um Helfer in seinem Mittleramte. Wir folgen seinem Rufe freudig, wie er ausgeht von der Verbindung unserer Gebete mit denen des Erlösers. Wie eindringlich sind doch Jesu Mahnungen zu dieser unserer Gebetsvereinigung mit ihm selbst. Wir hören seinen dringenden Aufruf zu opferwilliger helfender Arbeit. „Wirket, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand mehr arbeiten kann.“ So seine Mahnung (Joh. 9, 4). Unablässig sucht er Arbeiter für die Ernte im Acker seines Vaters. Er verlangt, daß wir uns bemühen, ihm Helfer zuzuführen im Werben und Suchen nach Anhängern. Alles das soll belebt sein vom Geiste der Innerlichkeit, vom Gebetsapostolate. II. Die „aForderung der Stundea.“ Mit diesem eindringlichen Worte hatte Papst Pius XI. die Verbreitung des Gebetsapostolats bezeichnet. Sein Nachfolger Papst Pius XII. hat in seiner Enzyklika „Vom Mystischen Leibe Christi“ diese Forderung erneuert und noch besonders begründet durch Hinweis auf die Leiden und Opfer des jahrelang durch alle Völker der Erde tobenden Weltkrieges. An alle, die in solcher Zeit der allgemeinen Not Schweres zu erdulden haben, richtet der Papst die Worte des Trostes: „Wir ermuntern sie alle mit der Liebe eines Vaters, was immer der Grund ihrer Leiden und Drangsale sein mag, sie mögen voll Vertrauen emporblicken zum Himmel und ihre Not Dem darbringen, der ihnen einst reichsten Lohn dafür spenden wird. Ihr Dulden ist nicht unnütz, sondern bringt ihnen selbst und der Kirche großen Segen, wenn sie es in solcher Absicht auf sich nehmen. Zur größeren Wirksamkeit dieser Absicht trägt viel bei a täglicha erneuerte aSelbsthingabe an Gotta, wie sie die Mitglieder jener frommen Vereinigung üben, die unter dem Namen aGebetsapostolata bekannt ist. Wir legen Wert darauf, diesen gottgefälligen Bund in diesem Zusammenhange herzlich zu empfehlen.“56 Diesen Empfehlungen des obersten Hirten zu entsprechen ist besonders die harte Zeit des sechsten Kriegsjahres geeignet. Ist es doch stets Übung der Kirche, besonders in der beginnenden Fastenzeit uns tieferen Einblick in das Gebetsleben Jesu zu geben. Dem dienen die Evangelien der Fastenzeit. In der Fastenzeit führt und das Evangelium sowohl in die Einsamkeit der Wüste, in der der göttliche Meister vor Beginn seines Mittleramtes vierzig Tage büßend und sühnend mit seinem himmlischen Vater verkehrt; führt uns aber auch auf die Höhe des Taborberges, wo die himmlische Seligkeit den Heiland und seine Lieblingsjünger mit der Verklärung umstrahlt. So verbindet sich die Strenge der büßenden Entsagung mit der Seligkeit verklärender Gottver56

Enzyklika „Mystici corporis“ vom 29.7.1943, Acta Apostolicae Sedis 35, 1943, 193-248. Zitat S. 246 (105. Abschnitt).

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[S. 3]bundenheit: beides die Forderungen des Gebetsapostolates. Zugleich klingt beim letzten Abendmahle Jesu die Innerlichkeit der Apostolatsgesinnung in Jesu hohenpriesterlichem Gebete an, das den tiefsten Inhalt des Gebetsapostolates uns offenbart: der Ruf zum Himmel, daß alle Jünger so untereinander verbunden seien, wie Christus selbst mit dem himmlischen Vater. Das sind in der Fastenzeit die drei glorreichen Offenbarungen des gottmenschlichen Gebetslebens Jesu, ausklingend im hohenpriesterlichen Gebete, das an Tiefe apostolischer Gesinnung alle anderen Reden Jesu überstrahlt, um dann auf Golgatha im Rufe für seine Mörder die tiefste Erbarmung der Erlöserliebe Jesu zu offenbaren, die für uns zu sichern das höchste Ziel des Gebetsapostolats ist. Der zweite Grund für Förderung des Gebetsapostolats-Bundes in unserer Zeit ist, wie die Enzyklika vom Mystischen Leibe Christi lehrt, der stets von neuem erschallende Ruf unseres Heiligen Vaters, in den Greueln der Kriegsjahre einen lauten Aufruf zu Gebet und Buße zu erblicken. Die Menschheit sieht, so lauten die Worte des Heil. Vaters, auf der einen Seite die Vergänglichkeit alles Irdischen, da Reiche und Staaten stürzen, da ungeheuere Werte und Reichtümer auf den Weltmeeren versenkt werden, Städte und fruchtbare Gefilde zu grausigen Ruinen zerschlagen werden; und zugleich sieht die Menschheit über alle irdischen Reiche hinaus Gottes Walten in der Erhabenheit, Einheit und Unvergänglichkeit seiner Kirche, die ja mehr ist als ein „Reich von dieser Welt“. So erscheint in hellerem Lichte die katholische Kirche in ihrer gottgegebenen Einheit als Gemeinschaft der Liebe in inniger Verbundenheit mit dem gemeinsamen Vater; so erwächst die tiefste Verehrung für die innige Verbindung mit dem Herzen Jesu. Ist doch das Gebetsapostolat der innigste Anschluß an Jesu heiligstes Herz, das wir in der Litanei anbeten als Mittelpunkt aller Herzen. Das zu fördern ist die Frucht des Gebetsapostolates. Der dritte Grund liegt in der Notwendigkeit, die Arbeite des aLaienapostolatsa mit vermehrtem freudigem Eifer aufzunehmen. Die Kirche wird nicht müde, die Gläubigen aller Stände und Berufe aufzufordern, einzutreten in die Helferscharen des Heilandes. Die Familie und die Jugendführung, die Caritas und die Schulung der Erwachsenen, die Sorge um Verirrte und die heimatlos gewordenen Brüder und Schwestern: überall ruft der Geist Jesu Christi nach Helfern, um irdischen und seelisches Leid zu lindern, um zu retten, was verloren und gefährdet ist. Das weite Gebiet dieser helfenden Liebe kann nur in a Einema Herzen schöpferische dauernde Wärme finden: im Herzen Jesu, mit dessen Absichten das Gebetsapostolat täglich alle unsere Arbeiten und Opfer verbindet. Darum richtet, wie Pius XI., auch Papst Pius XII, in seiner Enzyklika vom Mystischen Leibe Christi an uns den Aufruf, eifriger als seither

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das Gebetsapostolat zu verbreiten. Das soll zu der Verwirklichung jenes herrlichen Zeugnisses führen, das die Bibel der ersten Christengemeinde ausstellt: „Die Menge der Gläubigen war Ein Herz und Eine Seele.“ Daß das sich erfülle, ist der glühende Wunsch des Heiligsten Herzen Jesu. Es ist die Forderung der Stunde an die Christenheit. Mit diesem Rufe vereint sich die gewaltige, alles übertönende Mahnung der furchtbaren Folgen des auf dem ganzen Erdkreise entbrannten Vernichtungskrieges, und vereint sich die Stimme der Verantwortung, die jeder von uns im Weltgerichte zu tragen hat. Beten wir also in der beginnenden Fastenzeit, daß niemand unter uns diese Stimme der göttlichen Heimsuchung überhöre. Der Ruf der katholischen Christenheit in der kommenden Fastenzeit sei: „Alles nach Deiner Meinung, heiligstes Herz Jesu.“ – „Alles für Dich, heiligstes Herz Jesu.“ – „Herz Jesu, ich vertraue auf Dich.“ Es segne Euch der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Gegeben am Feste des Diözesanpatrons St. Vinzentius, am 22. Januar 1945. A. Card. aBertrama, Erzbischof. Nr. 2. Besonderes Indult betr. Osterkommunion. Das in den Verordnungen des Ordinariats vom 16. April 1924, Nr. 751, bekanntgegebene Indult für die Osterkommunion am Karfreitag und Karsamstag bei Vorliegen besonderer Verhältnisse ist auf weitere fünf Jahre verlängert worden. (Es handelt sich um einen Indult für solche Gläubige, die zu anderer Zeit schwerlich würden kommen können, so namentlich um Katholiken in besonders schwieriger Diasporagegend). Die Verlängerung erfolgte durch Reskript der S. Congreg. de Sacramentis vom 29. März 1944. Erzbischöfliches Ordinariat. Nr. 3. Konventsarbeiten für 1945: Für die Archipresbyteratskonvente (Frühjahrs- und Herbstkonvent) im Jahre 1945 werden folgende Themata zur Behandlung vorgeschrieben: 1 Die seelsorgliche Betreuung der aus dem Kriegseinsatz heimkehrenden Gemeindemitglieder. 2. a) Wie kann die Pfarrseelsorge zur Weckung und Pflege von Priesterberufen mithelfen? b) Wie kann die Pfarrseelsorge zur Weckung von weiblichen Ordensberufen mithelfen?

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3.

Welche Möglichkeiten hat der Pfarrer für die Elternschulung zur Mithilfe in der religiösen Unterweisung der Kinder und Jugendlichen? Im übrigen verweisen wir die Herren Dekanatserzpriester auf Kirchl. Amtsbl. 1944 Stück 2 Nr. 13. Erzbischöfliches Generalvikariat

Nr. 4. Pfarrprüfungen. In diesem Jahre wird nur eine Pfarrprüfung stattfinden, und zwar von Dienstag, den 2. bis Donnerstag, den 4. Oktober. Für die Zulassung gelten die Bestimmungen der Prüfungsordnung vom 15. August 1941 (Kirchl. Amtsblatt 1941, Stück 13, Nr. 233). Die Kandidaten wollen ihre Meldung bis zum 3. September einreichen. Dem Gesuch ist beizufügen: 1. Das Cura-Instrument. 2. Der Nachweis über die Mitarbeit in der Pfarrverwaltung. 3. Eine schriftlich ausgearbeitete, in der letzten Zeit gehaltene Predigt. (Diejenigen Bewerber, welche schon bei der Meldung zum Herbst-Pfarrexamen 1944 eine schriftliche Predigt eingereicht haben, brauchen jetzt keine neue einzureichen.) [S. 4] 4. Das Verzeichnis der im letzten Halbjahre gehaltenen Predigten. Das pfarrliche Zeugnis wird vom Generalvikariat direkt eingeholt werden. a Prüfungsgegenstände sinda: a) Aus der aDogmatika: Einleitung: Dogma, die katholischen Wahrheiten, Offenbarung (Schrift und Tradition), das kirchlicher Lehramt, Glaube und Wissen. Die Lehre von Gott dem Einen und Dreieinigen. Die Lehre von Gott dem Schöpfer. Die Christologie. Die Mariologie. b) Aus der aMoraltheologiea: Die Lehre vom Gesetz und vom Gewissen. Die Pflichten gegen Gott. Beichtjurisdiktion, ihre Beschränkung durch Reservate, ihr Mißbrauch. c) Aus dem aKirchenrechta (Codex juris canonici): De personis c. 87-107. De clericis in genere c. 108-214. Der Papst und die päpstliche Kurie c. 218-264. Das Weihesakrament c. 918-1011. Das Ehesakrament c. 1012-1143.

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Der Eheprozeß c. 1960-1992. De cultu divino c. 1255-1321. De bonis temporalibus c. 1495-1551. d) Aus der aPastoraltheologiea: Die Standespflichten u. die Seelsorgepflichten des Pfarrers. Die Pflichten des Beichtvaters. Die Kinder- und Jugendseelsorge. Die außerordentlichen Seelsorgemittel, Laienapostolat, Seelsorgehilfe. Die Liturgie des hl. Meßopfers. e) Aus der aPfarrverwaltunga: Das Gesetz über die Verwaltung des Vermögens der katholischen Kirchengemeinden vom 24. Juli 1924 und die Geschäftsanweisung hierzu. Für die Kandidaten des Sudetenlandes: Die Pfarrkirchenratsordnung (Kirchl. Amtsbl. 1939, St. 23 A). Die Kandidaten des Olsagebietes sind vorläufig von diesen unter e) genannten Prüfungsgegenständen befreit. Das Thema für die schriftliche Katechese wird den Kandidaten bald nach ihrer Meldung mitgeteilt werden. Die Katechese ist bis spätestens 20. September einzureichen. Am Dienstag, den 2. Oktober, vormittags, wollen die Kandidaten sich beim Herrn Generalvikar persönlich melden. Am selben Tage nachmittags 3 Uhr werden schriftliche Arbeiten in Pastoraltheologie und Kirchenrecht im Marianum, Domplatz 4, angefertigt. Am nächsten Tage von vormittags 8 Uhr an findet die schriftliche Prüfung in Dogmatik und Moraltheologie statt. Am Nachmittag des zweiten Tages werden in den Räumen des St. Hedwigsklosters, Laurentiusstraße 2, die Probekatechesen und Probepredigten gehalten. Am dritten Tage beginnt die mündliche Prüfung um 8 Uhr im Marianum. Erzbischöfliches Generalvikariat. Nr. 5. Jurisdiktionsprüfung. Für Diözesangeistliche der Weihejahrgänge 1944, 1943 und 1942 und für jene, welche bereits die 3. Jahresprüfung abgelegt haben und deren Jurisdiktion bis Ende des Jahres abläuft, wird eine Jurisdiktionsprüfung Donnerstag, den 8. November, im Marianum, Domplatz 4, gehalten werden. Beginn der Prüfung um 9 Uhr. Die Meldungen sind bis zum 20. Oktober unter Beifügung des Jurisdiktionsdekretes einzureichen. Sollte die Jurisdiktion schon vor dem Prüfungstage

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ablaufen, so wird sie hiermit bis zu dem Tage verlängert an dem das neue Jurisdiktionsdekret, das auf Grund der Prüfung ausgestellt wird, eintrifft. Gegenstand der Prüfung (nur mündlich): a Dogmatika: Die Lehre von Gott dem Einen und Dreieinigen. Die Gnadenlehre. Die Lehre von der Kirche. a Moraltheologiea: Die Pflichten gegen das eigene Ich, gegen die Gemeinschaft, gegen den Nächsten. Spender und Empfänger des Bußsakramentes. Die Beichtjurisdiktion. a Kirchenrechta: Das Eherecht. An dieser Prüfung mögen auch jene Ordenspriester teilnehmen, die innerhalb der Erzdiözese in der Seelsorge tätig sind und nach dem Codex juris canonici und ihren Regeln noch ein Jurisdiktionsexamen abzulegen haben, aber keine Gelegenheit haben, diese vor ihren Ordensoberen abzulegen. Erzbischöfliches Generalvikariat. Nr. 6. Betr. Visitationen im Jahre 1945. Die im Kirchl. Amtsblatt von 1944 unter Nr. 181 angeordnete kriegsbedingte Einschränkung im kirchlichen Amtsbereich gilt hinsichtlich der Pfarrvisitationen einschließlich der Visitation der Kinderseelsorgestunde auch für das Jahr 1945. Nr. 7. Vermißte bzw. in Kriegsgefangenschaft geratene Theologen. Alfred aStelzera, cand. theol. approb. aus Langwasser, Kr. Löwenberg, stand zuletzt als Uffz. an der Westfront und ist seit Dezember 1944 vermißt.57 Heinz-Dieter aSchleupnera, Theologieaspirant aus Breslau, geriet als Leutnant in Kriegsgefangenschaft.58 Wir bitten, der Genannten in Gebete zu gedenken!

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Alfred Stelzer (geb. 19.9.1918, gew. 20.7.1947 in Bamberg, gest. 11.7.1968). Er war in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten. In den im Bistumsarchiv Görlitz vorhandenen Unterlagen nicht nachzuweisen.

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Nr. 8. Ernennung. Domkapitular Franz aNiedzballaa wurde zum defensor vinculi in Curia ernannt.59 Nr. 9. Anstellungen und Versetzungen. Kuratus Georg aSeifferta in Breslau, Mariahilf, als Pfarrer in Heinrichswalde.60 Pfarrer Bruno aNeunerta in Oberquell als Pfarrer in Hochkirch.61 Kaplan Boguslaus aRuseka in Wendrin als Kaplan in Karwin-Freistadt.62 Nr. 10. Todesfall im Diözesanklerus. 1. Paul aBartscha, Ehrenerzpriester, em. Pfarrer von Briesnitz, Archipresbyterat Sagan. Geboren am 1. September 1871 in Maifritzdorf; geweiht am 11. Juni 1898 in Breslau; gestorben am 7. Januar 1945 in Briesnitz. R. i. p.! Nr. 11. Warnung. Unser Hinweis im Kirchl. Amtsblatt 1944, Nr. 116, betr. Walter aKoscielnya (P. Pius, Dr., Vizeprovinzial!!) wird hierdurch in Erinnerung gebracht. Die Gläubigen sind zu warnen, an unbekannte Stellen Meßintentionen zu versenden oder solche an nicht bekannte Priester zu übergeben.

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Franz Niedzballa, geb. 28.11.1897 in Ratibor, gew. 2.3.1924 in Breslau, seit 1940 Domkapitular, gest. 19.10.1952 in Breslau. Georg Seiffert (geb. 19.2.1905, gew. 27.1.1929, gest. 6.2.1982), seit 1939 Studienassistent in Breslau, wohnhaft im Schwesternhaus „Maria Hilf“ in Breslau, 1945 Pfr. in Heinrichswalde Kr. Frankenstein, seit April 1946 im Bistum Osnabrück, später Paderborn. Bruno Neunert (geb. 2.1.1898, gew. 19.6.1921, gest. 10.2.1968), seit 1929 Pfr. in Oberquell (Quaritz) Kr. Glogau, seit 1946 im Bistum Regensburg. Die Pfarrstelle in Hochkirch Kr. Glogau war ihm Ende 1944 übertragen worden, doch konnte er sie nicht mehr antreten. Boguslaus Rusek (geb. 24.5.1912, gew. 25.6.1939), seit 1939 und noch 1942 Kpl. i. Bludowitz Kr. Teschen, im tschechischen Teil des Erzbistums Breslau. Über ihn sind keine weitere Information vorhanden.

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[S. 5] b Kirchliches Amtsblatt des Erzbischöflichen Ordinariats in Breslaub63 Stück 2, Breslau, den 25. Juli 1945. Nr. 12 Nachruf für den † Herrn Erzbischof. Nr. 13 Zum Gruß. Nr. 14 Geistliche Vollmachten. Nr. 15 Seelsorgliche Anweisungen. Nr. 16 Berichte der Dekanatserzpriester. Nr. 17 Meldung der Theologiestudenten. Nr. 18 Vermögensverwaltung. Nr. 19 Todesfälle im Diözesanklerus. Nr. 20 Anstellungen und Versetzungen. Nr. 12 bAdolf Kardinal Bertramb, Erzbischof von aBreslaua † Am 6. Juli 1945 ging unser hochwürdigster Herr Kardinal und Erzbischof Adolf Bertram im Alter von 86 Jahren und 4 Monaten in die Ewigkeit ein. Fern von seiner Breslauer Residenz und dem Breslauer Dom, von deren Zerstörung er noch mit tiefstem Schmerz vernommen hat, wurde er auf dem Dorffriedhof zu Jauernig in das Grab einer seiner Vorgänger, des Fürstbischofs aHohenlohea, gebettet. Trotz der großen Schwierigkeiten des Verkehrs hatten sich fast hundert Geistliche und wohl ebensoviele Ordensfrauen nebst zahlreichen Laien von nah und fern zum Begräbnis eingefunden, um dem toten Bischof noch einmal die herzliche Liebe und Verehrung zum Ausdruck zu bringen, die er sich durch sein hingebendes, opfervolles Wirken durch fast 31 Jahre in der Erzdiözese reichlich erworben hat. Die Geschichte wird einst herausstellen, was er der Kirche Deutschlands insbesondere in den Jahren des Hitleregimes bedeutet hat, wo alle Mächte der Hölle gegen Christentum und Kirche losgelassen schienen. Er hat mit ruhiger, fester Hand das Schiff der Kirche durch die Klippen gesteuert.64 In seiner Erzdiözese, deren Hirtenstab 63

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Alfred Schulz hat die Artikel 12, 13, 18 und 19 für seine „Berichte aus Schlesien“ übernommen. „Präcentor“ Alfred Schulz (geb 14.2.1909, gew. 10.7.1932, gest. 18.1.1998) lebte seit 1945 in Regensburg. Er hat verschiedene Berichte zusammengetragen und diese als Wachsmatrizenabzüge oder Schreibmaschinendurchschläge vervielfältigt. Überliefert u.a. im BAG, Nachlass Alfred Schulz. Im „Petrusblatt. Katholisches Kirchenblatt für das Bistum Berlin“ erschien am 9.12.1945 (1. Jg., Nr. 2, S. 1 u. 2) ein wesentlich längerer Nachruf. Verfasst hat ihn Walter Adolph, der später den Kardinal scharf kritisierte. Hier sprach Walter Adolph noch ehrfurchtsvoll über den Kardinal und übernahm die beiden hier vorangehenden Sätze („Die Geschichte ... gesteuert.“).

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er zu Beginn des ersten Weltkrieges ergriff, hat er unermüdlich schaffend, sehr viele neue Seelsorgestellen und Kirchen errichtet, Volk und Bischof durch häufige Firmungsreisen innig verbun-[S. 6]den, das religiöse Leben durch Ausbau der Standesseelsorge zu hoher Blüte gebracht. Zwar wurden die Bistümer Berlin und Kattowitz von der Diözese Breslau abgetrennt, Breslau selbst aber zum Erzbistum erhoben. Höhepunkte seines Wirkens und auch seiner freudigen Genugtuung waren die gewaltigen Männerwallfahrten auf den Annaberg und nach Wartha, die Renovierung des Domes, dessen 700jähriges Jubiläum er am 7. Oktober v. J. noch mitfeiern konnte, der Bau des neuen Priesterseminars und das Hedwigsjubiläum im Jahre 1942. In seinem größten Schmerz sah er durch die tückischen Angriffe der Glaubensfeinde viel blühendes kirchliches Leben, besonders die blühende Kinderund Jugendseelsorge niederbrechen, mußte er erleben, wie der unheilvolle Krieg das Land verwüstete und die Besten dahinraffte, nicht zuletzt eine große Anzahl von Geistlichen und Theologen, mußte er schließlich auch den völligen Zusammenbruch des Volkes noch schauen, ohne helfen, ohne auch nur ein Trostwort sagen zu können. Denn seit Beginn des Jahres 1945 wuchsen seine körperlichen Leiden langsam zu einem wahren Martyrium an. Dunkel liegt die Zukunft unserer Erzdiözese vor uns: überall Zerstörung, Umwälzung, Unsicherheit. Aber hell leuchtet das Bild unseres toten Bischofs über den Trümmern, und seine Glaubensbegeisterung, seine Innerlichkeit und sein Verantwortungsbewusstsein sind uns Priestern ein herrliches Vermächtnis, das und heilige Pflichten auferlegt. Jeder Diözesanpriester hat für die Seelenruhe des verstorbenen Erzbischofs tunlichst bald drei hl. Messen zu lesen. In allen Pfarrgemeinden sollen feierliches Glockengeläut, Trauergottesdienst und Trauerfeiern in angemessener Weise gehalten werden. Nr. 13 Liebe Confratres!65 Durch hartes Kriegsgeschehen war Monate lang die Verbindung zwischen der Bistums-Metropole und den Kirchengemeinden unterbrochen. Allmählich bahnen sich nun friedlichere Verhältnisse an und sammeln sich die zerstreuten Gemeinden wieder um ihre Hirten. Schmerzliche Lücken hat der Tod in die Reihen der Diözesanen und auch der Priester gerissen, arge Zerstörungen und Schäden sind zu beklagen an vielen Gotteshäusern und anderen kirchlichen Gebäuden. In Breslau selbst sind die während der Belagerung am Ort verbliebenen etwa 40 Priester gottlob am Leben erhalten, nur der Pfarrer von 65

Bereits veröffentlicht in: Akten deutscher Bischöfe über die Lage der Kirche 1933 – 1945, Band VI 1943 – 1945. Bearb. v. Ludwig VOLK. Mainz 1985. Nr. 1013a, 608-609.

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Hl. Kreuz, Geistl. Rat Dittrich,66 fiel einem Bombenangriff zum Opfer. (Erzpriester Dr. Reisse67 von St. Heinrich kam noch nach dem Waffenstillstand ums Leben.) Aber alle Breslauer Kirchen, bis auf St. Bonifatius, wurden mehr oder minder schwer [S. 7] beschädigt, einige völlig zerstört. Auch der erwürdige Dom zum Hl. Johannes ist durch mehrfache Bomben- und Granattreffer und schliess1ich durch Brand zur Ruine geworden. Lediglich die Kurfürstliche- und die St. Elisabethkapelle im Dom sind leidlich heil, und nach mühsamen Aufräumungsarbeiten wird seit dem 10. Juni d. J. in der Kurfürstlichen Kapelle wieder Gottesdienst gehalten. – So wollen wir denn allenthalben, wenn auch unter schwierigen Verhältnissen, unsere Arbeit für das Reich Gottes fortsetzen oder wieder aufnehmen. Mögen wir uns bewußt bleiben, daß das Kriegsgeschehen uns nicht nur Drangsale und Verluste gebracht hat, sondern auch mannigfache Gelegenheit bot zur Bewährung in jeglicher Tugend und zur Vertiefung unserer Erfahrungen und Erkenntnisse. Darum sollen Schmerz und Trauer ihre Grenzen halten und geläuterten Wesens wollen wir vorwärts schauen. Lasst uns würdig und unverzagt in die Zukunft schreiten, im festen Glauben an das Wort der Hl. Schrift: „Denen, die Gott lieben, gereicht alles zum Besten.“68 In solchem Geiste wolle der Pfarrklerus auch die Diözesanen trösten, stärken und ermutigen. Das Metropolitankapitel hat nach dem Hinscheiden des Hochwürdigsten Herrn Kardinal-Erzbischofs mich am 16. Juli d. J. zum Kapitularvikar erwählt. Ich habe das Amt angenommen und den vorgeschriebenen Eid (professio fidei) am 24. Juli 1945 abgelegt. Somit ist gemäss can. 432 die Leitung der Erzdiözese auf mich übergegangen, bis ein neuer Bischof von dem Bistum Besitz ergreifen wird. Das Amt des Generalvikars ist gem. can. 371 erloschen. Alle amtlichen Schreiben sind an meine Adresse in Breslau, Domplatz 11/12, zu richten. Ich bitte Klerus und Volk in der Diözese Breslau, meiner im Gebete zu gedenken, damit mein Wollen und Vollbringen unter dem Segen Gottes stehe. Der Kapitularvikar: Dr. Piontek Prälat. Nr. 14 cGeistliche Vollmachten.c Die für die Kriegszeit gewährten besonderen Vollmachten gelten noch bis Ende dieses Jahres, und zwar auch die im Januar d. J. erteilten aussergewöhn-

66 67 68

Siehe unten Anm. 71. Siehe unten Anm. 71. Ps 119,165.

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lichen Ehedispensvollmachten wie auch die Erlaubnis zur Aufnahme von Konvertiten und zur Spendung von Haustaufen. Von den erteilten Ehedispensen ist dem Kapitularvikar tunlichst bald Mitteilung zu machen: Name der Brautleute, Religion, Hindernis, Datum der Dispenserteilung, Datum der kirchl. Trauung. [S. 8] Die „für die Kriegszeit erteilte Jurisdiktion gilt ebenfalls bis Ende 1945. Die den Dekanatserzpriestern am 6.6.45 gegebene Vollmacht zur Jurisdiktionserteilung und zur Ernennung von vicarii substituti und cooperatores wird jedoch hiermit zurückgezogen. Nr. 15 cSeelsorgliche Anweisungen.c 1. Die Geistlichen, welche ihre Pfarreien bzw. Dienststellen wegen des Kriegsgeschehens verlassen mußten, haben unverzüglich in ihre Pfarreien zurückzukehren, um ihre seelsorgliche Tätigkeit wieder aufzunehmen. 2. Wenn ihre cPfarrwohnungc zerstört bzw. unbrauchbar geworden ist, suchen sie am Orte eine Notwohnung zu erlangen; ist auch das nicht möglich, dann versuchen sie es in einem Filial- oder Nachbarorte. 3. Wenn die cKirchec wenig oder gar nicht gelitten hat, so werden sie mit Hilfe der Parochianen alsbald daran gehen, sie wieder in brauchbaren Zustand zu versetzen. Ist die Kirche zerstört, so daß Gottesdienst darin nicht gehalten werden kann, und ist auch in der Nähe keine andere Kirche, die zunächst für den Pfarrgottesdienst in Anspruch genommen werden kann, so bemühen sie sich, einen geeigneten Privatraum zu gewinnen. Kirchen, die durch Blutvergießen usw. exekriert wurden, sind zunächst zu rekonzilieren. Ist kein Altarstein mehr vorhanden, so ist ein solcher zunächst aus einer Nachbarkirche (Nebenaltar) zu entleihen. Ist auch das nicht bald möglich, so darf im äußersten Notfalle, um den Gläubigen das hl. Meßopfer nicht vorzuenthalten, ohne Altarstein zelebriert werden. 4. Wo die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind, ist fortan bei Gottesdiensten, Predigten, kirchlichem Unterricht usw. die cdeutsche und polnische Sprachec zu gebrauchen (wie bereits in unserer Rundverfügung v. 15. Mai d. J. angeordnet69). Falls der Gebrauch der deutschen Sprache durch obrigkeitliche Anordnung verboten ist, wäre uns Mitteilung zu machen. 5. Die sichergestellten cKirchenbücherc und gottesdienstlichen Gegenstände sind, soweit sie noch vorhanden, zurückzuholen. Kirchliche Akte, die inzwischen vorgekommen und noch nicht in den Matrikenbüchern vermerkt sind, müssen alsbald nachgetragen werden. Sind Kirchenbücher vernich69

Diese Rundverfügung hat sich nicht erhalten bzw. ist nicht verifizierbar.

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6.

7. 8. 9.

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tet, so sind alsbald neue anzulegen. Wegen Ersatz der vernichteten ergeht später eigene Weisung, ebenso wegen Eintragung der im Krieg Gefallenen. Sind Hostien und Meßwein nicht vorhanden, so ist zunächst nachbarliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, bis der Postverband wieder einsetzt. In dringenden Notfällen kann hierseits mit einigen wenigen Flaschen Meßwein aus-[S. 9]geholfen werden, wenn sie abgeholt werden. Da auch mit Mehlknappheit gerechnet werden muß, sind die Hostien zu brechen. Die Kinderseelsorgestunden sind alsbald wieder aufzunehmen und planmässig durchzuführen. Ganz besonderer Eifer ist der Rückführung der religiös häufig irregeleiteten cJugendc zum christlichen und kirchlichen Leben zu widmen; Jugendstunden sind überall pflichtmäßig einzurichten. Der Wiederaufnahme der cRevertitenc ist besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt zu widmen. In der Regel hat ihr ein mehrstündiger cUnterrichtc in den Glaubenswahrheiten voranzugehen. Die Aufnahme hat in foro externo unter Zuziehung von Zeugen und Ablegung des Glaubensbekenntnisses in der Kirche zu geschehen; aber erst dann, wenn der Seelsorger von der Reue des Pönitenten und der Reinheit seiner Beweggründe überzeugt ist. Von der erfolgten Aufnahme ist hierher Mitteilung zu machen.

Nr. 16 cBerichte der Dekanatserzpriester.c Sobald wie möglich wollen die Herren Erzpriester hierher berichten: 1.) welche evakuierte oder gewaltsam entfernte Geistliche noch nicht zurückgekehrt sind, 2.) welche Geistliche im Dekanat seit Januar d. J. verstorben sind (Name, Sterbetag, Todesursache), 3.) wie die Betreuung der betr. Gemeinden einstweilen geregelt wurde und wo die Entsendung einer Aushilfskraft notwendig scheint, 4.) welche Geistliche durch Rückkehr der planmässigen Seelsorger überzählig geworden sind, 5.) wo wegen Zuzugs von Polen die Entsendung eines polnischen Geistlichen erforderlich ist, 6.) wo sich Geistliche aus anderen Diözesen bereits aufhalten und welche Vollmachten ihnen erteilt sind (Angabe von Name, Alter, Heimatdiözese, kirchlichem Ausweis usw.), 7.) wie der Zustand der Gemeinden und kirchl. Gebäude ist.

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Nr. 17 cMeldung der Theologie-Studenten.c Alle Theologiestudenten bzw. Aspiranten haben durch das zuständige Pfarramt sofort sich bei uns zu melden unter Beifügung eines „Lebenslaufes“ nebst Tauf-, Reife- und Pfarrzeugnis (letzteres verschlossen). [S. 10] Nr. 18 cVermögensverwaltung.c Kirchliche Liegenschaften, die vordem beschlagnahmt bezw. dem kirchl. Gebrauch widerrechtlich entzogen waren, sind alsbald wieder in kirchl. Gebrauch zurückzunehmen. Bei kirchl. Grundstücken, die widerrechtlich enteignet wurden, ist das kirchliche Eigentumsrecht umgehend zu reklamieren. Wenn kirchliche Grundstücke neuerdings beschlagnahmt oder enteignet werden, ist sofort schriftlich Einspruch zu erheben und uns Meldung zu erstatten. Die Einziehung von Kirchensteuern und Kirchenbeiträgen ist bis auf weiteres auszusetzen. Nr. 19 cTodesfälle im Diözesanklerus.c c a) Weltpriester:c70 2. Arnold, Christoph: Dek.Erzpr., Günthersdorf/ 3. Brier, Josef, Dr.theol. Act.circ. Lichtenberg/ 4. Brommer, Karl, Pfarrvikar, Gr. Schimmendorf/ 5. Bujara, Karl, Kuratus Oderhain/ 6. Demczak, Hubert, E.Erzpr., Ottmuth/ 7. Dittrich, Johannes, Dek.Erzpr., Eb.Komiss., Breslau, Hl. Kreuz/ 8. Dropalla, Wilhelm, Pfarrvikar, Birkenau/ 9. Ende, Hugo, E.Erzpr., Leuppusch/ († 5.6.) 10. Förster, Josef, Pfarrer, Tillowitz/ 11. Frenzel, Johannes, Kaplan, Mechtal/ 12. Gade, Karl, Dek.Erzpr., G.R., Matzkirch/ 13. Gerlich, Max, G.R., Act.circ., Bischofstal/ 14. Görlich, Leo, Pfarrer, Tempelfeld/ 15. Greiner, Georg, Pfarrer, Schurgast/ 16. Grelich, Robert, E.Erzpr., Breslau/ 17. Guzy, Johannes, Dek.Erzpr. Freystadt NS./ 18. Haiduk, Franz, G.R. Act.circ., Lohnau O/S./ 19. Hempel, Wilhelm, Dek.Erzpr., Steinau a. O./ 20. Hertel, Georg, Std. Rat, Oppeln/ 21. Hübner, Max, Pfarrer, Kresseheim († 5.7.)/ 22. Janotta, Norbert, Pfarrer, Brünne/ 23. Jaschke, Paul, Pfarrer, Bockau/ 24. Kalis, Erich, Pfarrer, Bertelsdorf/ 25. Kotzur, Alfons, Pfarrer G.R., Wittgendorf/ 26. Kubis, Josef, Eb. Komiss. Ehrendomherr, Prälat, Oppeln/ 27. Kutz, Emil, Pfarrer, Act.circ., Marklinden/ 28. Laake, Otto, Dr.theol, G.R., Neuwalde/ 29. 70

Die Veröffentlichung der Verstorbenen erfolgt hier mit dem „Amtsblatt“ in einer Publikation, bei der man sich in der Regel auf die Richtigkeit der Angaben absolut verlassen kann. Aufgrund der Zeitumstände und dem Mangel an sicheren Informationen haben sich jedoch verschiedene Fehler eingeschlichen. Die hier Genannten sind meist eines gewaltsamen Todes gestorben.

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Lange, Karl, Eb. Komiss., Dek.Erzpr., Gr. Strehlitz/ 30. Ludwig, Karl, Pfarrer, Strehlitz b. Namslau/ 31. Moepert, Adolf, Dr.phil., G.R., Kanth/ 32. Moschek, Johannes, G.R. E.Erzpr., Kreuzburg/ 33. Paschke, Paul, G.R. Erzpr.em. Breslau, St. Michael/ 34. Poganiuch, Hugo, E.Erzpr. Peiskretscham/ 35. Pohl, Heinrich, Kaplan, Jauer/ 36. Pohl, Alois, Pfarrer, Losswitz/ 37. Reiße, Roman, Dr.theol., E.Erzpr., Breslau, St. Heinrich/ 38. Rogier, Karl, Pfarrer, Thiemendorf/ 39. Rösler, Max, E.Erzpr., Zobten a. Bober/ 40. Rosie, Phillip, Pfarrer, Steinau O/S./ 41. Rudzki, Franz, Pfarrer em. Groschowitz/ 42. Sabisch, Rudolf, Pfarrer, Krehlau/ 43. Schewior, Erich, Kaplan, Gogolin/ 44. Schmidt, Bernhard, E.Erzpr.em. Neisse/ 45. Scholl, Martin, Pfarrer, Auras/ 46. Scholtyssek, Erich, Pfarrer, Rentschen/ 47. Scholz, Georg, Pfarrer, Michelau/ 48. Schroda, Joseph, Pfarrer, Keilerswalde/ 49. Schumann, Paul, E.Erzpr., Act.circ., Breslau-Neukirch/ 50. Schwedowitz, Walter, Dek.Erzpr., G.R., Riegersdorf O/S./ 51. Schwirtz, Josef, Kuratus, Märzdorf/ 52. Spittler, Josef, Pfarrer, Schweinitz/ 53. Siebner, Franz, E.Erzpr., Liebenau/ [S. 11] 54. Siersetzki, Alfons, Pfarrer, Jarischau/ 55. Smolorz, Franz, Kaplan, Tunskirch O/S./ 56. Vanicek, Rudolf, em. Pfr. von Oderberg-Stadt/ 57. Walloschek, Franz, Pfarrer, Glockenau-Gottesdorf/ 58. Wirsig, Josef, G.R., Pfr.em., Neisse/ 59. Winkler, Anton, Dek.Erzpr., G.R., Birkenau/ 60. Wrazidlo, Karl, Pfr.Admin., Pitschen/ 61. Zug, Alois, Pfarrer, Rogau/.71 71

(Nr. 1 siehe Amtsbl. Stück 1, lfd. Nr. 10.) 2. Christoph Arnold (geb. 15.3.1892, gew. 13.6.1915, gest. 24.2.1945), seit 1927 Pfr. von Günthersdorf Kr. Bunzlau, Dek.Erzpr.; 3. Dr. theol. Josef Brier (geb. 24.10.1888, gew. 21.6.1913, starb 1945 unbekannten Tages), seit 1934 Pfr. v. Lichtenberg Kr. Grottkau; 4. Karl Brommer (geb. 7.3.1911, gew. 5.4.1936, starb im Februar 1945), seit 1941 PV i. Gr. Schimmendorf (Gr. Schimnitz) Kr. Oppeln; 5. Karl Bujara (geb. 1.1.1904, gew. 27.1.1929, starb 1945 unbekannten Tages), seit 1941 Kuratus in Oderhain (Januschkowitz) Kr. Cosel; 6. Hubert Demczak (geb. 4.7.1891, gew. 13.6.1915, gest. 30.1.1945), seit 1929 Pfr. v. Ottmuth Kr. Gr. Strehlitz, E.Erzpr.; 7. Johannes Dittrich (geb. 2.12.1879, gew. 20.6.1903, gest. 20.4.1945), seit 1923 Pfr. an Hl. Kreuz in Breslau, Dek.Erzpr.; 8. Wilhelm Dropalla (geb. 10.1.1907, gew. 29.1.1933, starb 1945 unbekannten Tages), seit 1941 PV i. Birkenau (Brzezinka) Kr. Tost-Gleiwitz; 9. Hugo Ende (geb. 1.10.1865, gew. 27.6.1889, gest. 3.6.1945), seit 1912 Pfr. i. Leuppusch Kr. Grottkau, E.Erzpr.; 10. Josef Förster (geb. 11.5.1895, gew. 22.6.1919, starb 1945 unbekannten Tages), seit 1932 Pfr. i. Tillowitz Kr. Falkenberg OS.; 11. Johannes Frenzel (geb. 29.8.1907, gew. 30.7.1939, starb 1945 unbekannten Tages), seit 1941 Kpl. i. Mechtal (Miechowitz); 12. Karl Gade (geb. 14.4.1878, gew. 20.6.1903, starb 1945 unbekannten Tages), seit 1908 Pfr. i. Matzkirch Kr. Cosel, Dek.Erzpr.; 13. Max Gerlich (geb. 13.11.1870, gew. 25.6.1895, gest. 20.1.1945), seit 1925 Pfr. i. Bischofstal (Ujest) Kr. Gr. Strehlitz; 14. Leo Görlich (geb. 15.2.1903, gew. 30.1.1927, gest. 11.2.1945), seit 1936 Pfr. i. Tempelfeld Kr. Ohlau; 15. Georg Greiner (geb. 13.8.1905, gew. 13.7.1930, starb 1945 unbekannten Tages), seit 1942 Pfr. i. Schurgast Kr. Falkenberg OS; 16. Robert Grelich (geb. 22.10.1884, gew. 17.6.1909, gest. 9.2.1945), E.Erzpr.; 17. Johannes Guzy (geb. 24.5.1873, gew. 11.6.1898, gest. 21.2.1945), seit 1905 Pfr. i. Freystadt NS, Dek.Erzpr.; 18. Franz Haiduk (geb. 16.1.1873, gew. 21.6.1899, starb 1945 unbekannten Tages), seit 1915 Pfr. i. Lohnau Kr. Cosel; 19. Wilhelm

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Hempel (geb. 12.9.1891, gew. 18.6.1914, gest. 25.4.1945), seit 1933 Pfr. i. Steinau a. O. Kr. Wohlau, Dek.Erzpr.; 20. Georg Hertel (geb. 23.10.1901, gew. 30.1.1927, gest. 24.1.1945), seit 1936 Sudienrat i. Oppeln; 21. Max Hübner (geb. 9.11.1878, gew. 21.6.1904, gest. 5.7.1945), seit 1922 Pfr. i. Kresseheim (Niefnig) Kr. Ohlau; 22. Norbert Janotta (geb. 6.6.1904, gew. 2.2.1930, starb 1945 unbekannten Tages), seit 1938 Pfr. i. Brünne (Brinnitz) Kr. Oppeln; 23. Paul Jaschke (geb. 24.2.1865, gew. 11.6.1894, starb 1945 unbekannten Tages), seit 1901 Pfr. i. Bockau Kr. Neumarkt, E.Erzpr.; 24. Erich Kalis (geb. 8.7.1909, gew. 28.1.1934, gest. 25.2.1945), seit 1943 Pfr. i. Bertelsdorf Kr. Lauban; 25. Alfons Kotzur (geb. 13.7.1882, gew. 23.6.1905, gest. 18.5.1945), seit 1915 Pfr. i. Wittgendorf Kr. Landeshut; 26. Josef Kubis (geb. 19.3.1874, gew. 21.6.1899, gest. 6.5.1945), seit 1917 Pfr. an Hl. Kreuz in Oppeln, Dek.Erzpr., Erzb. Komissar, Ehrendomherr, päpstl. Hausprälat; 27. Emil Kutz (geb. 31.12.1893, gew. 20.6.1920, gest. 31.1./1.2.1945), seit 1933 Pfr. i. Marklinden (Gr. Pluschnitz) Kr. Gr. Strehlitz; 28. Dr. theol. Otto Laake (geb. 5.9.1869, gew. 11.6.1894, gest. 24.3.1945), Pfr. i. R. i. Neuwalde Kr. Oppeln; 29. Karl Lange (geb. 21.2.1870, gew. 25.6.1895, gest. 25.1.1945), seit 1926 Pfr. i. Gr. Strehlitz, Dek.Erzpr., Erzb. Komissar; 30. Karl Ludwig (geb. 23.10.1902, gew. 2.2.1930, gest. 24.1.1945), seit 1941 Pfr. i. Strehlitz Kr. Namslau; 31. Dr. phil. Adolf Moepert (geb. 10.2.1882, gew. 22.6.1908, gest. 17.2.1945), seit 1928 Pfr. i. Kanth, E.Erzpr.; 32. Johannes Moschek (geb. 20.10.1864, gew. 23.6.1891, gest. 13.5.1945), Pfr. i. R. i. Kreuzburg OS, em. Erzpriester; 33. Dr. phil. Paul Paschke (geb. 9.8.1864, gew. 11.6.1894, starb im Januar 1945), Pfr. i. R. i. Breslau, em. Erzpriester; 34. Hugo Poganiuch (geb. 24.8.1881, gew. 22.6.1907, starb 1945 unbekannten Tages), seit 1928 Pfr. i. Peiskretscham Kr. Tost-Gleiwitz, E.Erzpr.; 35. Heinrich Pohl (geb. 17.11.1910, gew. 1.8.1937, starb 1945 unbekannten Tages), seit 1941 Kpl. i. Jauer; 36. Alois Pohl (geb. 24.10.1877, gew. 20.6.1903, starb im Januar 1945), seit 1909 Pfr. i. Loßwitz Kr. Wohlau; 37. Dr. theol. Roman Reiße (geb. 23.6.1893, gew. 26.6.1916, gest. 8.7.1945), seit 1941 Pfr. an St. Heinrich in Breslau, E.Erzpr.; 38. Karl Rogier (geb. 12.1.1904, gew. 2.2.1930, gest. 17.7.1980), seit 1939 Pfr. i. Thiemendorf Kr. Wohlau, seit November 1946 Seelsorger im Bistum Meißen (Diese Todesmeldung hat sich als falsch erwiesen.); 39. Max Rösler (geb. 11.12.1872, gew. 21.6.1899, gest. 15.2.1945), seit 1905 Pfr. i. Zobten a. Bober Kr. Löwenberg, E.Erzpr.; 40. Phillip Rosie (geb. 26.1.1893, gew. 25.6.1916, gest. 19.3.1945), seit 1943 Pfr. i. Steinau OS Kr. Neustadt OS; 41. Franz Rudzki (geb. 10.12.1866, gew. 21.6.1893, starb 1945 unbekannten Tages), Pfr. i. R. i. Groschowitz Kr. Oppeln; 42. Rudolf Sabisch (geb. 1.9.1909, gew. 5.4.1936, gest. 8.2.1945), seit 1943 Pfr. i. Krehlau Kr. Wohlau; 43. Erich Schewior (geb. 14.9.1907, gew. 29.1.1933, gest. 29.1.1945), seit 1939 Kpl. i. Gogolin Kr. Gr. Strehlitz; 44. Bernhard Schmidt (geb. 27.9.1857, gew. 28.6.1883, starb 1945 unbekannten Tages), Pfr. i. R. i. Neisse, em. E.Erzpr.; 45. Martin Scholl (geb. 29.12.1898, gew. 17.3.1923, gest. 27.1.1945), seit 1933 Pfr. i. Auras Kr. Wohlau; 46. Erich Scholtyssek (geb. 28.2.1906, gew. 2.2.1930, gest. 31.1.1945), seit 1940 Pfr. i. Rentschen Kr. ZüllichauSchwiebus; 47. Georg Scholz (geb. 23.1.1900, gew. 15.2.1925, gest. 25.1.1945), seit 1927 Pfr. i. Michelau Kr. Brieg; 48. Joseph Schroda (geb. 24.2.1874, gew. 22.6.1901, starb 1945 unbekannten Tages), seit 1923 Pfr. i. Keilerswalde OS (Keltsch) Kr. Gr. Strehlitz; 49. Paul Schumann (geb. 25.7.1872, gew. 23.6.1902, gest. 18.2.1945), seit 1918 Pfr. i. BreslauNeukirch, E.Erzpr.; 50. Walter Schwedowitz (geb. 17.3.1885, gew. 18.7.1907, gest. 26.5.1945), seit 1921 Pfr. i. Riegersdorf O/S Kr. Neustadt OS, Dek.Erzpr.; 51. Josef Schwirtz (geb. 11.3.1908, gew. 29.6.1934, gest. 6.2.1945), seit 1940 Kuratus i. Märzdorf Kr. Grottkau; 52. Josef Spittler (geb. 24.10.1908, gew. 5.4.1936, gest. 22.2.1945), seit 1942 Pfr. i. Schweinitz Kr. Neumarkt; 53. Franz Siebner (geb. 2.9.1882, gew. 22.6.1907, gest. 31.1.1945), seit 1917 Pfr. i. Liebenau Kr. Züllichau-Schwiebus, E.Erzpr.; 54. Alfons Siersetzki (geb. 28.8.1903, gew. 2.2.1930, starb 1945 unbekannten Tages); seit 1940 Pfr. i. Jari-

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c

b) Ordensleute:c O.F.M.: Kiera, P. Josef/ Simon, P. Georg/ Sonsalla, P. Benno/ Zimolong, P. Bertrand/ S.J.: P. Lerch, Beuthen O/S./ P. Reiter, Breslau, St. Dorothea/ C.Ss.R.: P. Klodwig, zuletzt in Birkenau O/S.72 Nr. 20 cAnstellungen und Versetzungen.c P. Albert S. J., Breslau, Gabitzstrasse73 zugleich als vicarius substitutus in Breslau, St. Carolus. Seminarrektor Msgr. Dr. Paul Ramatschi, Breslau-Carlowitz als vicarius substitutus in Breslau-Carlowitz, St. Albertus Magnus. Kaplan Georg Hoffmann, Breslau-Masselwitz als vicarius substitutus in Groß Tinz74. Kaplan Rudolf Lange, Breslau St. Heinrich als Pfarradministrator daselbst. Pfarrer Rieger, Brieg, zugleich als vicarius substitutus in Gr. Leubusch75. Pfarradministrator Rudolf Lange, Breslau, St. Heinrich, zugleich als vicarius substitutus in Breslau, Hl. Geist. Pfarrer Joseph Schönauer, Breslau, St. Matthias, zugleich als vicarius substitutus in Breslau, St. Vinzenz. -

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schau Kr. Gr. Strehlitz; 55. Franz Smolorz (geb. 27.1.1914, gew. 30.7.1939, gest. 15.5.1945), seit 1940 Kpl. i. Tunskirch O/S (Tworkau) Kr. Ratibor, dann bei der Wehrmacht; 56. Über Pfr. Vanicek sind keine weiteren Informationen vorhanden. Oderberg gehörte zum Kr. Teschen, dem tschechischen Teil des Erzbistums Breslau. 57. Franz Walloschek (geb. 30.9.1885, gew. 22.6.1912, starb 1945 unbekannten Tages); seit 1933 Pfr. i. Glockenau-Gottesdorf (Boguschütz) Kr. Oppeln; 58. Josef Wirsig (geb. 21.11.1867, gew. 15.6.1892, gest. 25.1.1945), Pfr. i. R. i. Neisse; 59. Anton Winkler (geb. 13.12.1875, gew. 22.6.1901, gest. 26.1.1945), seit 1907 Pfr. i. Birkenau OS (Brzezinka) Kr. Tost-Gleiwitz, Dek.Erzpr.; 60. Karl Wrazidlo (geb. 20.12.1908, gew. 29.1.1933, gest. 21.1.1945), seit 1944 PA i. Pitschen Kr. Kreuzburg; 61. Alois Zug (geb. 30.11.1905, gew. 29.1.1933, starb 1945 unbekannten Tages), seit 1941 PV i. Rogau Kr. Oppeln. Franziskaner (OFM): P. Josef Kiera (geb. 6.4.1881, gew. 22.6.1907, gest. 30.4.1945); P. Georg Simon, Provinzial (geb. 1.9.1873, gew. 23.6.1900, gest. 23.3.1945); P. Benno Sonsalla (geb. 26.8.1888, gew. 18.6.1914, gest. 24.3.1945); P. Bertrand Zimolong (geb. 26.11.1888, gew. 18.6.1914, gest. 18.6.1945); – Jesuiten (S.J.): P. Kurt Lerch (geb. 10.6.1905, Ordenseintritt 12.9.1923, gew. 27.8.1935, gest. 28.1.1945); P. Maximilian Reiter (geb. 15.6.1903, Ordenseintritt 2.10.1927, gew. 27.8.1935, starb am 24.4.1945 in BerlinSchöneberg), war seit 1943 Kpl. i. Breslau bei St. Dorothea, nach seiner Ausweisung Kaplan bei St. Elisabeth in Berlin-Schöneberg; – Redemptoristen (C.Ss.R.): P. Bernhard Klodwig (geb. 7.9.1897, prof. 6.2.1934, gew. 15.4.1928, gest. 9.2.1945; Birkenau O/S bzw. Brzezinka gehörte zum Kr. Tost-Gleiwitz und Archipresbyterat Laband). Niederlassung der Jesuiten in Breslau an der St. Ignatius-Kirche, Kuratie im Pfarrverband mit St. Carolus. Groß Tinz bzw. Großtinz, Kr. Breslau, Archipresbyterat Bohrau. Groß Leubusch bzw. seit 1930 Leubusch, Kr. u. Archipresbyterat Brieg.

DAS KIRCHLICHE AMTSBLATT DES ERZBISTUMS BRESLAU 1944 UND 1945

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Kaplan Werner Hahnel, Breslau als vicarius substitutus in Breslau, St. Clemens Hofbauer. Kaplan Paul Bernaisch z. Zt. in Beuthen O/S. als 2. Kaplan in Beuthen O/S., St. Hyazinth. Kaplan Herbert Hoffmann, z. Zt. Schweidnitz, als Pfarrvikar in Strehlitz, Kr. Schweidnitz. Kuratus Franz Hundeck, Reichenstein als Pfarrvikar in Grosswierau76. Kaplan Georg Eckelt, z. Zt. Schömberg als Pfarrvikar in Weizenrodau77. Erzpriester Paul Trautmann, Dt. Leipe, zugleich Pfarradministrator in Michelau78. Kaplan Friedrich Schmidt, Strehlen als Pfarradministrator in Kresseheim79. Kaplan Johann Schmidt, Daniec b. Oppeln80 als Kaplan in Brieg. Pfarrer Julius Göllner, Schönau (Katzbach), zugleich als vicarius substitutus in Falkenhain81. -82 76

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Reichenstein, Kr. Frankenstein, Archipresbyterat Patschkau; Großwierau, Kr. u. Archipresbyterat Schweidnitz. Schömberg, Kr. u. Archipresbyterat Landeshut; Weizenrodau, Kr. u. Archipresbyterat Schweidnitz. Deutsch Leippe, Kr. u. Archipresbyterat Grottkau; Michelau, Kr. u. Archipresbyterat Brieg. Kresseheim, bis 1937 Niefnig, Kr. Ohlau, Archipresbyterat Brieg. Danietz bzw. 1936-45 Bergdorf bzw. polnisch Daniec ist sein Geburtsort, wohin Joh. Schmidt nach seinem Dienst bei der Wehrmacht zurückgekehrt war. Schönau (Katzbach) und Falkenhain a. Katzbach, Kr. Goldberg, Archipresbyterat Hirschberg. P. Anton Albert S.J. (geb. 11.2.1903, Ordenseintritt 25.4.1922, gew. 27.8.1933, gest. 18.9.1961), musste Breslau im November 1945 verlassen, im Sommer 1946 in Erfurt, zuletzt in Magdeburg; Paul Bernaisch (geb. 19.10.1906, gew. 27.1.1935, gest. 25.2.1969), seit 1942 bei der Wehrmacht, 1945 Kpl. i. Beuthen, 1947 Pfr. i. Beuthen, 1947 Pfr. i. Grodowice b. Oppeln oder Grodziec, gest. i. Schwandorf b. Regensburg; Georg Eckelt (geb. 21.8.1910, gew. 5.4.1936, gest. 15.2.1956), seit 1946 Seelsorger i. Sachsen-Anhalt; Augustinus (nicht: Julius) Göllner, (geb. 18.7.1908, gew. 29.1.1933, gest. 12.5.1995), 1940-1946 Pfr. i. Schönau (Katzbach), seit 1946 Seelsorger im Erzbistum Paderborn; Werner Hahnel, (geb. 5.5.1913, gew. 1.8.1937, gest. 13.11.1973), Kpl. i. Breslau, seit 1947 Seelsorger im Bistum Hildesheim; Georg Hoffmann (geb. 15.4.1913, gew. 30.7.1939, gest. 9.6.1993), seit 1939 Kaplan in Breslau-Masselwitz, im Sommer 1946 Seelsorger in Finsterwalde (Niederlausitz), seit Herbst 1946 Seelsorger im Erzbistum Paderborn, später im Bistum Essen; Herbert Hoffmann (geb. 10.1.1911, gew. 30.7.1939, gest. 19.4.1986), 1939 Seelsorger im Bistum Hradec Kralove (Königgrätz), 1945 Kpl. i. Schweidnitz, Sommer 1946 in Sachsen-Anhalt, seit Herbst 1946 im Erzbistum Freiburg; Franz Hundeck (geb. 13.2.1907, gew. 27.1.1935, gest. 3.7.1963), seit Sommer 1946 im Erzbistum Paderborn; Rudolf Lange (geb. 22.8.1911, gew. 1.8.1937, gest. 29.8.1989), Kpl. u. a. in Breslau, 1945/46 PA von St. Heinrich in Breslau, seit Sommer 1946 im Bistum Aachen, dann in Freiburg und Köln, seit 1965 Univ.Professor; Paul Ramatschi (geb. 22.5.1898, gew. 23.4.1922, gest. 4.10.1975), 1927 Subregens und 1935 Regens im Priesterseminar in Breslau, 1946 Regens im Priesterseminar in Königstein i. T., 1948 Regens im Priesterseminar Neuzelle, 1954 Domkapitular und 1964 Dompropst im Metropolitankapitel zum hl. Johannes, 1973 Kapitular und Propst im Kapitel

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WINFRIED TÖPLER

[S. 12 ist leer]

zum hl. Jakobus in Görlitz; Alfred Rieger (geb. 20.4.1904, gew. 29.1.1928, gest. 31.1.1999), seit 1941 Pfr. i. Brieg, Dez. 1945 Vertreibung, Winter 1945/46 Wanderseelsorger in Mecklenburg, Frühjahr 1946 bis 1950 Seelsorger im Rheinland, dann im Bistum Hildesheim; Friedrich Schmidt (geb. 12.6.1911, gew. 30.7.1939, gest. 18.5.1986), Kpl. in Strehlen, dann PA i. Kresseheim, seit 1947 im Erzbistum Paderborn; Johann Schmidt (geb. 8.8.1908, gew. 30.7.1939, gest. 13.05.1971), blieb in Schlesien; Joseph Schönauer (geb. 5.11.1894, gew. 19.6.1921, gest. 28.4.1984), geb. in Köln, 1926-1934 Präses der Diözesanjugend Breslau, 1934-1947 Pfr. an St. Matthias in Breslau, 1947 Kuratus in Wasungen, Südthüringen, 1950 Dekan und Bischöfl. Kommissarius in Meiningen, 1959 Generalvikar für Südthüringen, 1971 Ruhestand im Bistum Passau, gest. in Altötting; Paul Trautmann (geb. 14.12.1890, gew. 25.6.1916, gest. 21.oder 22.3.1975), seit 1932 Pfr. i. Deutsch Leippe Kr. Grottkau und Erzpriester, 1946-1960 Seelsorger in Sulingen b. Hannover.

EVELYNE A. ADENAUER

Der Krieg ist zu Ende Aufzeichnungen des Breslauer Pfarrers Karl Schenke vom Sommer bis Dezember 1945

Schwierige Zeiten scheinen Menschen dazu aufzufordern, sie festzuhalten. Trotz Zeitmangel und Bedrängnissen setzen sie sich hin und schreiben auf. Für die schlesische Metropole Breslau/Wrocław ist das Tagebuch Pfarrer Paul Peikerts gut bekannt, dessen Tagebuchaufzeichnungen bis zum Kriegsende schon in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts veröffentlicht wurden. Seine weiteren Aufzeichnungen werden weiterhin zurückgehalten. Für meine Dissertation über den kirchlichen Wechsel in den Jahren 1945/461 fand ich jedoch andere Tagebücher und tagebuchähnliche Aufzeichnungen, aus Breslau und aus ganz Schlesien, die über die Kriegszeit hinausgehen, die eine Zeit radikalen Umbruchs dokumentieren und zugänglich sind. Karl Schenke, geboren am 16. Februar 1909 in Neuruppin, gestorben am 11. Februar 1984 in Görlitz, 1935 zum Priester geweiht, war Kaplan in Waldenburg und an St. Maria auf dem Sande in Breslau. 1940 wurde er Domvikar an der deutschen Kurie in Breslau. Vom 25. April 1945 bis Juli 1946 war er Administrator der Pfarrei zum Hl. Kreuz, die sich nahe der Breslauer Kathedrale befindet. Die Kreuzkirche gilt als schönste gotische Kirche der Stadt, oder gar Schlesiens.2 Während der Belagerung Breslaus wurden die Fassade und das Gewölbe in Mitleidenschaft gezogen, aber schon Schenke und später polnische Architekten haben sich um die Beseitigung der Schäden gekümmert.

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Die abgeschlossene Dissertation steht vor ihrer Veröffentlichung. So in: Encyklopedia Wrocławia, Wrocław 2006, 427.

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Die Kirche hat zwei Stockwerke; daher spricht Schenke öfter von der Unterkirche (Bartholomäuskirche). Denn der Besuch der katholischen Gottesdienste der Pfarrei Hl. Kreuz, die in der Kapelle Mater Dolorosa stattfanden, nahm dermaßen zu, dass die Unterkirche benötigt wurde.3 Diese Zeit hat Schenke im Tagebuch festgehalten oder, besser gesagt, in kurzen tagebuchähnlichen Aufzeichnungen in Kalendern. Für jeden arbeitsreichen Tag blieb ihm nur wenig Schreibplatz. Er notierte in kurzen Sätzen seine Erlebnisse, Tage, an denen mehrere Begräbnisse Normalität waren, Tage, an denen Sorge herrschte, all das in kleiner, ruhiger und ausgeglichener Sütterlinschrift. Nur bei der Erinnerung an die „vergangenen Jahre“, das Kirchweihfest des Doms, an die Einweihung des restaurierten Doms und die letzte Kirchweihprozession vor seiner Zerstörung verliert die Handschrift an Sicherheit und Beständigkeit, gerät ins Schwanken. Schenke begegnete den Fährnissen der Zeit mit stoischer Gelassenheit, aber nicht mit Gleichgültigkeit. Worte der Klage oder Anklage fehlen, sein Glaube blieb fest. Seinen Pflichten ging er zuverlässig nach, und das mit absoluter Hingabe an seinen Auftrag der Seelsorge. Er war nicht nur Pfarradministrator, sondern auch Lektor bei den Alumnen und begann mutig die Dachreparatur der Kreuzkirche ohne einen Pfennig oder Groschen. Leider gibt es keinen Kalender aus dem Jahr 1946, jedenfalls befindet er sich nicht im Bistumsarchiv in Görlitz.4 Vielleicht hat er darin geschrieben5, dass er im Mai 1946 vom polnischen Apostolischen Administrator Karol Milik, der als einer von vier in den sog. „Wiedergewonnenen Gebieten“ am 1. September 1945 das Amt des Apostolischen Administrators für Niederschlesien angetreten hatte, zum „Kaplan der niederschlesischen Apostolischen Administratur“6 ernannt und damit als Deutscher für die polnische Kirchenverwaltung in Dienst genommen wurde, während die Seelsorge für die polnischen Gläubigen der polnische Administrator und Kaplan Maksymilian Zipfel übernahm.7

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Tagebucheintragung vom 7. Oktober 1945, in: Bistumsarchiv Görlitz (BAG), NL Schenke. In BAG befinden sich die Tagebücher aus den Jahren 1942, 1943, 1945, 1947 bis 1960. Es ist anzunehmen, dass er auch 1946 ein Tagebuch geführt hat, daran gewöhnt seit 1932 bis zu seinem Tod. Bescheinigung der Apostolischen Administratur vom 1. Juli 1946, in: BAG, NL Schenke, Nr. 43. Abschrift der Ernennung von Zipfel mit Information an Schenke des Apostolischen Administrators vom 2. Juli 1946, in: BAG, NL Schenke, Nr. 43. Horst G. W. GLEIß (Hg.), Breslauer Exodus 1946, Beiträge zur Dokumentarchronik einer Stadt und ihrer Menschen, Rosenheim 2003, 354f., 442f. Wacław SZETELNICKI: Odbudowa kościołów w Archidiecezji Wrocławskiej w latach 1945 – 1972, Rola duchowieństwa i wiernych, Roma 1975, 348f. Im Gegensatz zu: Zitiert nach: GLEIß, Breslauer Exodus, 640.

AUFZEICHNUNGEN DES BRESLAUER PFARRERS KARL SCHENKE 1945

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Für Schenke war das das Ende der deutschen Kreuzpfarrei. Die deutschen Gläubigen zogen sich in die Kurfürstenkapelle zurück.8 Schenke musste Breslau/Wrocław am 18. Juli 1946 verlassen. „Erzpriester Fritsch kommt und berichtet, daß Herr Administrator Milik am Sonnabend beim polnischen Pfarrer von Zimpel zum Kaffee gewesen sei und diesem erzählt habe, daß ich wegen Predigten ausgewiesen würde. Es kann sich wohl nur um die ‚Pfingstpredigt’ handeln, die ich gar nicht gehalten habe.“9 Schenke wurde 1947 als Ordinariatsassessor nach Berlin berufen und war in der Jugendseelsorge in der sowjetischen Besatzungszone tätig, eine Aufgabe, für die er geradezu prädestiniert war, da er schon als Student mit Jugendlichen gearbeitet hatte.10 Seit 1951 leitete er die Erwachsenenseelsorge beim Erzbischöflichen Amt Görlitz. Von 1959 bis 1965 war er Regens des Erfurter Priesterseminars, danach weitere zehn Jahre Pfarrer der Gemeinde St. Jakobus in Görlitz, in der er in der Gruft des Domkapitels beigesetzt worden ist. Von 1973 bis zu seinem Tod war er Domkapitular in Görlitz. 19. August 1945 – Sonntag 13.n.Pf. [ingsten] M. Himmelfahrt 6 Uhr Zinke,11 ½ 8 Uhr Hochamt mit sehr ordentlicher Predigt Thienel. Wir singen eine 3stimmige a-Capella-Messe von Michael Galter. Sie klappt und gefällt gut. Vor dem Kindergottesdienst ist Kräuterweihe. Dann 3 Taufen und Italienertrauung. 14 Uhr beginnt unsere Wallfahrt nach Oswitz.12 Hunderte haben sich eingefunden. Singend und betend ziehen wir durch die Straßen. Die Haltung der Leute auf den Straßen ist gut. In Oswitz ist nur noch St. Michael.13 Weihbischof predigt. Große Beteiligung, nur wenig Zeit. 18 Uhr geht es zurück: Kreuz, Banner, Kinder, Jugend, Ministranten usw. Im Hofe das Tedeum. Schön war es. 8

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Johannes MAGIERA, Das letzte Jahr in Breslau, Erinnerungen von Pfr. …., in: Schlesien in Kirche und Welt 2 (2008), 10. Zitiert nach: GLEIß, S. 644. Die Abschrift des Ausweisungsbefehls vom 15. Juli 1946 findet sich in: BAG, NL Schenke, Nr. 43. Kurze Biografie: Stefanie KREBS, Karl Schenke (1909 – 1984), in: Johannes GRÖGER / Joachim KÖHLER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern, Bd. 6, Sigmaringen 1992, 307-312. Johannes Zinke (1903 – 1968), Caritasdirektor, seit 1946 Leiter der Hauptvertretung Caritas und Geschäftsträger des Commissariats der Fuldaer Bischofskonferenz in Berlin. Heute: Osobowice. Siedlung in Breslau. St. Michael liegt eigentlich nicht in Oswitz, nur benachbart.

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20. August 1945 – Montag Brief von den Eltern aus Dessau 22. August 1945 – Mittwoch Heute gibt es 6 Beerdigungen und 5 Ansprachen. 11.30 Uhr können wir erst losziehen nach Treschen;14 Hans Lüdke und Joachim [unleserlich]udek kommen mit. Achim sorgt für die Unterhaltung. In Treschen kann ich einen notwendigen Mittagsschlaf halten. 16 Uhr eine schöne Betsingmesse mit den Schwestern und einigen Mädels. Dann mit den [Äh]lesern und -leserinnen nach Breslau zurück. Gute Unterhaltung gibt es. Die [unleserlich] war sehr ertragreich. 25. August 1945 – Samstag Zinke, M[unleserlich] und [unleserlich] nach Berlin. Einkehr mit der ersten Hälfte der Schwestern als Vorbereitung auf die Gelübdeerneuerung. 3 Vorträge über Gehorsam, Keuschheit und Armut. 16 Uhr Beichtstuhl und 2 hl. Ölungen im Hause. 18 Uhr Segensandacht mit Kommunion. 19 Uhr Bittandacht und Komplet. Zum Schluß Translatio St. Hedwigis zweimal die Hedwigsandacht. 26. August 1945 – Sonntag 14. n. Pf. 6 Uhr Hochamt mit Predigt. Ev. von der Vaterliebe Gottes. ½ 8 Uhr Hochamt mit Predigt. Die Voraussetzungen für: „Sorget nicht ängstlich.“ 9 Uhr Kindergottesdienst mit Erklärung des Ev. 10.30 Uhr erste Kirchenvorstandssitzung mit 8 Herren. Es geht um die Erhaltung unserer Gebäude. 13 Uhr zu Familie Galatsch. Es ist gemütlich wie immer. Wir spielen auch ein „Mensch, ärgere dich nicht“. Schnell noch einen Besuch im Internat bei G. Völkel, dann die Schaffenden Frauen in d. Kapelle. Zeitgemäße Fragen. 17 Uhr Andacht. Klaus Müller u. Guido sind da. Nach der Abendmesse Predigt und Segensandacht. Sehr guter Besuch. 27. August 1945 – Montag 6 Uhr Gemeinschaftsmesse mit Konvent. Auch wieder Vortrag zum Einkehrtag. Es geht besser als am Sonnabend. 11 Uhr weiter „Das Gelübde der Keuschheit.“ Schnell in die Pfarr-Kanzlei. Mittags kommt Moschner15, auch 14 15

Heute: Trestno. Gerhard Moschner (1907 – 1966), Domvikar in Breslau, Diözesanpräses des katholischen Jungmännerverbandes, Diözesanjugendseelsorger, später Geschäftsführer der Katholischen Arbeitsstelle Nord für Heimatvertriebene in Köln. Siehe: Joseph GOTTSCHALK: Gerhard

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Theissing16 ist da. 16 Uhr, nach dem 3. Vortrag treffen wir uns. 17 Uhr die Jungen. Wir singen und ich spreche. „Mutig und freudig den Heiligen gleich.“ Frl. Pathe aus Waldenburg17 ist gekommen. 18 Uhr Segensandacht mit Konvent. Kreis mit den Jungmädchen über „Jungfräulichkeit in der Welt?“ Die Mädel sind gut geschult. Es entwickelt sich immer auch rege Aussprache. 28. August 1945 – Dienstag Hochamt und Gelübdeerneuerung. Zahlreicher Konvent, schöne Feier. Nach 9 Uhr kommen Moschner u. Theissing. Das Manuskript zum Auszug einer D.G.B. ist fertig und recht ordentlich. Zum Amt und Besprechung mit Niedzballa.18 Mittagessen mit Wuttke19, Winkler20 und Stud. Rat Drewniok. 2 hl. Ölungen im Hause. Ich sitze über den Kassenbüchern. Gegen 18 Uhr Versehgang zu Frl. Elisabeth Schreiber auf dem Prälatenweg. Hunger u. Entkräftung. Die Mädels müssen sich allein kümmern, da auch Steffi nicht da ist. 19.30 Uhr Abendandacht und Komplet mit Konvent. Ansprache über das Augustinuswort „Ama et fac, quod vis.“ 30. August 1945 – Donnerstag Am 15.9. soll das Priesterseminar im Hedwigskloster21 eröffnet werden. Ich spreche mit Piontek22 wegen meiner Administration, die ich unter diesen

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Moschner (1907 – 1966), in: Joseph GOTTSCHALK (Hg.), Schlesische Priesterbilder, Bd. 5, Aalen 1967, 230-235. Siehe auch: Matthias LEMPART, Der Breslauer Domvikar und Jugendseelsorger Gerhard Moschner als Organisator der vertriebenen katholischen Schlesier (Arbeiten zur schlesischen Kirchengeschichte, Bd. 12), Ostfildern 2001. Johannes Theissing (1912 – 1947), damals Kaplan bei St. Heinrich, Domvikar, Mitglied des Erzbischöflichen Jugendseelsorgeamtes. Siehe: Johannes KAPS, Vom Sterben schlesischer Priester 1945/46, Ein Ausschnitt aus der schlesischen Passion, München 1950, 94ff. Heute: Wałbrzych. Franz Niedzballa (1897 – 1952), Domherr, blieb in Wrocław, damit letztes Mitglied des deutschen Domkapitels. Siehe: A[lfred] SABISCH, Franz Niedzballa (1897 – 1952), in: Schlesische Priesterbilder, Bd. 5, 211-215. Alois Wuttke (1899 – 1985), Ordinariatsrat, ab 1945 Leiter der Vertretung Berlin des Erzbischöflichen Amtes Görlitz. Siehe: Peter C. BIRKNER, Alois Wuttke (1899 – 1985), in: Michael HIRSCHFELD / Johannes GRÖGER, / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern, Bd. 7, Münster 2006, 386-390. Wahrscheinlich ist der Kanzlist Alfons Winkler gemeint. Tatsächlich wurden die deutschen Anwärter auf das Priesteramt im Ursulinenkloster unterrichtet. Ferdinand Piontek (1878 – 1963), nach dem Tod Kardinal Bertrams zum Kapitelsvikar gewählt, verzichtete auf sein Amt zugunsten polnischer Kirchenmänner, der vom polnischen Kardinal Hlond eingesetzten Apostolischen Administratoren. Seit 1946 residierte er in Görlitz. Siehe: Joseph GOTTSCHALK, Bischof Ferdinand Piontek (1878 – 1963), in: Schlesische

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Umständen nicht behalten kann. Ich schlage Theissing vor. Piontek will noch mit Negwer23 und Ramatschi24 sprechen. Am Nachmittag kommt Ramatschi. Er ist der gleichen Meinung und wird morgen in der Sitzung entsprechend reden. Kinderfest im Kindergarten. Eine frohe Stunde für mich. Dann zu einem seltenen Kaffee bei Sr. Maria. 18 Uhr Kreis der Jungmädchen. „Das Wirken des Hl. Geistes in der Entwicklung der Kirche in Deutschland 1918 – Es geht gut. 31. August 1945 – Freitag 10 Uhr Konvent. Für die Arbeitskommandos gibt es Gott sei Dank endlich etwas Lebensmittel. Für morgen wird der Administrator für Breslau erwartet! 15 Uhr ist Beerdigung von Herrn Planetorz auf Laurentius.25 Schönauer26 hält sie. Dann zu den Grauen Schwestern zum Kaffee und mit Kramer27 zur DGB-Sitzung. Leider muß ich eher weg zum Frauen- und Mütterkreis. Gebetserziehung. Gute Beteiligung. Meine Frage ist in der Sitzung leider aufgeschoben worden. Jetzt werde ich wieder keinen Tag zur Vorbereitung frei bekommen. Hedwigskloster wird nun besetzt werden. Ramatschi möchte hier bei Mater Dolorosa28 versuchen. 2. September 1945 – Sonntag 15. n. Pf. Thienel29 hält 6 Uhr Messe und Predigt. Mit dem Hochamt um ½ 8 Uhr beginne ich den Einkehrtag unserer Jungmädchen. Predigt: „Gott läßt seiner

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Priesterbilder, Bd. 5, 23-27; Konrad HARTELT: Ferdinand Piontek (1878-1963). Leben und Wirken eines schlesischen Priesters und Bischofs. Köln, Weimar, Wien 2008. Joseph Negwer (1882 – 1964), Generalvikar, ab 1952 Bistumsoffizial in Görlitz. Siehe: Kurt ENGELBERT, Generalvikar Joseph Negwer (1882 – 1964), in: Schlesische Priesterbilder, Bd. 5, 43-46. Paul Ramatschi (1898 – 1975), Rektor des Priesterseminars in Breslau bis 1946, danach Regens des Priesterseminars in Königstein und Neuzelle, gestorben in Görlitz. Siehe: Erich KLEINEIDAM, Paul Ramatschi (1898 – 1975), in: Schlesische Kirche in Lebensbildern, Bd. 6, 181-186. Der Laurentiusfriedhof gehörte zur Pfarrei Hl. Kreuz. Josef Schönauer (1894 – 1984), damals Pfarrer von St. Matthias später in der DDR, im Ruhestand in die BRD übergesiedelt. Siehe: Georg OTT-STELZNER, Franz Joseph Schönauer (1894 – 1984), in: Schlesische Kirche in Lebensbildern, Bd. 6, 149-152. Gemeint ist hier wahrscheinlich der auch später im Text erwähnte Dachdeckermeister und nicht der Domkapitular Joseph Kramer. Kapelle Mater Dolorosa der Kreuzkirche. Hubert Thienel (1904 – 1987), damals Domvikar an der Breslauer Metropolitankirche, ab 1972 Apostolischer Visitator für Priester und Gläubige aus der Erzdiözese Breslau bis 1983.

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nicht spotten. Was der Mensch sät, das wird er ernten“. Unsere Saat. Am Vormittag zwei Vorträge. „Unsere Gottesvorstellung“ „Vom Gottesbild Christi“. Die Beteiligung ist gut. Mittags mit Thienel zusammen. 14 Uhr Aussprachekreis: Gottes Vatersorge und Not der Zeit (Vergewaltigung). 15 Uhr Vortrag „Gefahr der Veräußerlichung! 16 Uhr: „Als Mann und als Weib erschuf er sie“. 17 Uhr Schlusssegen. Meine Stimme ist weg. Die Abendpredigt muß leider ausfallen. Prof. Seppelt hält den Segen. 3. September 1945 – Montag Ich kann vorläufig nicht sprechen. Auch gut. Die 8 Uhr Messe für die Kinder hält Thienel. Heute beginnt unsere Pfarrschule wieder. Am Vormittag lege ich mich ins Bett. Über Mittag im Pfarrbüro. Am Nachmittag mache ich mich über die Kassenbücher. Joachim Pasek kommt und später Jochen Volkurer mit einem Kameraden aus dem Lager Hundsfeld.30 Jochen hält den Jungenkreis, was mir heute sehr lieb ist. In den nächsten Tagen werden viele entlassen werden. Wenn nur Arbeit und Beköstigung nicht notwendig wäre. 4. September 1945 – Dienstag Die Stimme kommt wieder. Die Jugendgemeinschaftsmesse hält Thienel. Im Lauf des Vormittags kommt Stud. Rat Majewski aus der Gefangenschaft zurück. Viel erlebt! Dann kommt Ramatschi. Seppelt31 ist Kurator von Mater Dolorosa geworden und will die Alumnen hier unterbringen. 5 sind bis jetzt. 3 hl. Ölungen an Nachmittag. 15.30 Uhr zur Domstr 6.32 Kaffee und Abendbrot. Vater Galatsch ist aus der Gefangenschaft entlassen. Am Sonntag wollen wir uns treffen. Zinke ist zurück, wohl mit gutem Ergebnis. Wir haben 7 Geistliche im Hause. Es wird für morgen früh reichen. 16. September 1945 – Sonntag 17. n. Pf. ½ 8 Uhr Hochamt mit Predigt. 9 Uhr Kindergottesdienst mit Predigt. Arbeiten in der Kreuzkirche. Bis Mittag steht alles. Wir feiern das Fest der Kreuzerhöhung in der Krypta der Kreuzkirche. Das Levitenamt hält Prälat Lange.33

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Siehe: Edeltraut WLOCZYK, Hubert Thienel (1904 – 1987), in: Schlesische Kirche in Lebensbildern, Bd. 6, 259-265. Heute: Psie Pole, Stadtteil von Breslau. Franz Xaver Seppelt (1883 – 1956), Theologieprofessor an der Friedrich-WilhelmsUniversität in Breslau. Heute: ulica Katedralna. Ernst Lange (1876 – 1973), Domkapitular, später in Oldenburg. Siehe: Franz SCHOLZ, Ernst Lange (1876 – 1973), in: Schlesische Kirche in Lebensbildern, Bd. 6, 25-32.

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[2 Diakone assistieren durchgestrichen]; ich halte die Predigt. 23. September 1945 – Sonntag 18. ½ 8 Hochamt mit Predigt. „Harren auf die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus“. Es ist sehr voll. 9 Uhr Kindermesse mit Ansprache über das Opfermahl. 10.30 Uhr Männerkreis. Wir sprechen nur über Zeitfragen. 14.30 Uhr Segensandacht mit dem Konvent ([unleserlich]gesang) 15 Uhr Doppeltrauung (Mischehe) 15.30 Uhr Schaffende Frauen. Aussprache über religiöse Fragen und Zeitgeschehnisse. 18 Uhr sehr gut besuchte Abendmesse, dann Ansprache „Franziskus, Jünger der Armut“ und hl. Segen. Es wird leider schon zeitig dunkel. Auf die langen Abende freue ich mich allerdings. Da wird etwas Zeit sein zum Studieren und Lesen. 24. September 1945 – Montag 6 Uhr Betsingmesse. In der Unterkirche fangen wir heute an weiterzuarbeiten. Im Pfarrbüro gibt es einiges zu tun. Am Nachmittag Krankenbesuch bei Frau Pfropfreis. Es regnet kräftig. 15.30 Uhr Besprechung mit den Helferinnen in der Mädchenarbeit. 16 Uhr Unterbrechung. Einige Jungen und Mädel von höheren Schulen sind gekommen, die Fortbildungsunterricht bekommen sollen. 17 Uhr sind 21 Jungen da. Wir müssen teilen. Die 16 Jährigen passen nicht zu den 14 Jährigen. 18 Uhr gute Gemeinschaftsmesse mit der Jugend. „Maria vom Loskauf der Gefangenen“. 25. September 1945 – Dienstag 6 Uhr Messe mit Konvent. Heute für mich erste Vorlesungen bei den 4 Alumnen, die bisher eingetroffen sind. Es geht wieder los. Wenn ich nur etwas mehr Zeit hätte! In der Unterkirche wird tüchtig gearbeitet. Am Nachmittag Seelsorgstunden, dann die Mädel. Kuß34 und Kleineidam35 sind gekommen. Pfarrer Mommert36 ist auch eingetroffen. Kleineidam wird nicht in Weidenau bleiben können. Hoffentlich kommt er nach Breslau. Am Abend sind zusammen: Kleineidam, Kuß, Nitsche37 und ich. Lange und wertvolle Unterhaltung.

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Otto Kuß (1905 – 1991), damals Domvikar. Wahrscheinlich Erich Kleineidam (1905 – 2005), Professor der Philosophie am Priesterseminar in Weidenau, heute: Vidnava, in Tschechien. Robert Mommert (1910 – 1965), Kaplan in Schweidnitz, heute: Świdnica. Franz Nitsche, Caritasdirektor für Oberschlesien, ging nach dem Weggang von Zinke nach Breslau, später in der Diözese Fulda. Siehe: Erich KLEINEIDAM, Franz Nitsche (1905 – 1986), in: Schlesische Kirche in Lebensbildern, Bd. 6, 266-270.

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26. September 1945 – Mittwoch 7 hl. Messen haben wir heute morgen. 4 Versehgänge. Sehr schlecht geht es Frau Pfropfreis, Witwe und Mutter von 8 Kindern! 10 Uhr nur 2 Beerdigungen. Das erste Mal regnet es dabei. Anschließend zu Frau Jahn, die mir gute Nachricht gibt wegen [unleserlich]las. Weiter zum Pfarrbüro. Am frühen Nachmittag kommt Herr Kukofka. Wir besprechen die Veranstaltung am nächsten Sonntag. Frau Oberin [unleserlich]trudis geht morgen nach Berlin. Wir können manches zusammen durchsprechen. Kleineidam fährt wieder. Thienel kommt zurück. Hedwigsandacht ist gut besucht. Abends ist Kuß da. Wieder recht wertvolle Unterhaltung mit Kuß und Thienel. 27. September 1945 – Donnerstag 7 Uhr Messe. Vorlesungen bei den Alumnen. Zum Kinderhort. Dort heute Kinderfest. Gemeinsames Mittagessen, Kaffee und nette Spiele. 17.30 Uhr Jungmädchenkreis. Ich lese aus unserer Chronik. Den Abend habe ich für mich. Kuß ist nicht mehr gekommen. Ich lese etwas im Nachsommer von Stifter, ein kostbares Buch. 28. September 1945 – Freitag 7 Uhr Requiem für 12 Verstorbene der Woche. 9 Uhr Brautunterricht: Frau Lux, Schwester von Schwst. Romualda macht günstige Verkäufe für unsere Notleidenden. 10 Uhr Konvent. In der Kreuzkirche sind wir zu Glas gekommen. Es geht vorwärts. 14.30 Uhr Versehgang. 15.30 Uhr Beichthören bei den Grauen, 16 Uhr Ministrantenstunde, 17.30 Uhr Frauenkonv. Den Abend habe ich wieder für mich. 29. September 1945 – Samstag 10 Uhr sind heute 7 Beerdigungen. Es regnet. Krankenbesuch bei den Lehrerinnen Lux; eine ist 79, die andere 77 Jahre. Sie tragen sehr schwer an allem. Übrigens waren alle Toten des heutigen Beerdigungstages über 70 Jahre. Am Nachmittag Beichtstuhl. 18 Uhr gut besuchtes Hochamt zum Michaelsfest. 30. September 1945 – Sonntag 19. n. Pf. Ein reicher Sonntag. ½ 8 Uhr Hochamt mit Predigt über die Schutzengel. 2 Drittel der Gemeinde sind an der Kommunionbank. 9 Kindergottesdienst mit Predigt über das Evangelium. 10 Uhr Trauung Gotzmann. 13 Uhr mit Regina zu Familie Galatsch. 2 Stunden dort. Es ist sehr eng geworden. 15.30 Uhr Segensandacht mit Konvent. 16 Uhr Kreis mit Kukofka. 17.30 Uhr

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Abendmesse. Predigt über Erntedank in diesem Jahr, Te Deum und hl. Segen. Abends ist Geld zu zählen. 1. Oktober 1945 – Montag 6 Uhr Messe mit Konvent. Religionsunterricht in unserer Pfarrschule. Seit 1938 gehe ich zum erstenmal wieder in die Schule. Die 4 Stunden machen sich gut. Ich habe auch meine Freude daran. Anschließend ins Büro und in die Kirche. Nach dem Essen ist Grzondziel38 da. 15.30 Uhr Besprechung mit den Oberschülern und Gymnasiasten. Wir beginnen gleich mit Latein. 16 Uhr Jungenkreis. 1. Gebot: Die Glaubensquellen. Gemeinschaftsmesse ist gut besucht; die Jungen beten vor. Ansprache über die Talente. 19 Uhr Rosenkranzandacht für den Konvent. Abends geht wiedermal das Licht aus. 2. Oktober 1945 – Dienstag 6 Uhr Betsingmesse mit Konvent. 8 Uhr Betsingmesse mit den Kindern zum Schutzengelfest mit Ansprache über das Evangelium. Gut besucht. Die Alumnen sind nach Kartoffeln; also habe ich einen „freien“ Vormittag. Kirche, Büro und Amt. 14.30 Uhr Beichtunterricht für 4 Nachzügler. 16 Uhr zwei Versehgänge im Hause. 17 Uhr Rosenkranzandacht. Licht gibt es wieder nicht. 3. Oktober 1945 – Mittwoch 6 Uhr Messe. 5 Krankenkommunionen. Die Pfarrschwester aus Polen kommt wieder mit einem Lebensmittelkoffer für unsere Armen. Das wird wieder viel Freude geben. Eine Beerdigung ist heute nur. 15 Uhr mit Dr. Rindt und Dachdeckermeister Kramer auf dem Boden der Kreuzkirche. In der nächsten Woche soll angefangen werden mit dem Dach. Doch woher das Geld nehmen? 15.30 Uhr Latein mit den Fortgeschrittenen. Wir versuchen auch schon lateinische Unterhaltung. 17 Uhr Rosenkranzandacht. 4. Oktober 1945 – Donnerstag 6 Uhr Betsingmesse, 7 Uhr Hochamt zum Feste des hl. Franziskus. 10 Uhr bei den Alumnen. 6 sind inzwischen geworden. Erste Stunde Pädagogik. Dann zum Büro und in die Unterkirche. Ich möchte doch den Auftrag für das Kirchdach wie38

Heinrich Grzondziel (1897 – 1968), damals Spiritual am Priesterseminar in Breslau, nahm die polnische Staatsbürgerschaft an, wurde 1958 Weihbischof in Oppeln. Siehe: Jan KOPIEC, Heinrich Grzondziel (1897 – 1968), in: Schlesische Kirche in Lebensbildern, Bd. 7, 78-81. Jan KOPIEC, Biskup Henryk Grzondziel (1897 – 1968) w służbie kościoła na Śląsku, (Opolska Biblioteka Teologiczna, Bd. 58), Opole 2002.

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der zurückziehen. 14.30 Uhr Beichtunterricht der 3. Klasse. 16 Uhr 3 hl. Ölungen im Hause. 16.30 Uhr kommt einer der Jungmädchenkreise. 17 Uhr Rosenkranzandacht und Beichthören. Abends kommt noch Frau Sucke, die sich für morgen mit 25 M G[unleserlich] bereithalten soll. 5. Oktober 1945 – Freitag Früh nur Beichtstuhl. Erzpriester Metzger39 rät sehr zu, mit dem Dach der Kreuzkirche zu beginnen. Konvent ist gut besucht. Die Evakuierung40 Breslaus hat heute begonnen. Zunächst in der Hauptsache P.G.S.41 Pater Patrizius hält eine feine Rekollektio: „Meine Gedanken sind nicht nur Gedanken und meine Wege nicht nur Wege.“ Das Elend am heutigen Tage ist besonders groß. 16 Uhr Ministrantenstunde, 17 Uhr Herz-Jesu-Hochamt und Andacht. Ich werde noch ins Internat gerufen, um mit Frau Stigsch zu sprechen, die sich das Leben nehmen will. Sie ist nicht davon abzubringen und bleibt bei ihrem Entschluß, ihren Eltern und ihrer kleinen Tochter, die ins Wasser gegangen sind, nachzugehen. 6. Oktober 1945 – Samstag 6 und 7 Uhr Messe. 3 Versehgänge hier und im Internat. Auf den Friedhof brauche ich heute nicht; Dr. Dürig42 beerdigt draußen. Büro, Wohnung und Unterkirche. Es geht gut vorwärts. Frau Stigsch kommt nochmal. Sie lebt noch, bleibt aber bei ihrem Vorhaben. 14.30 Uhr eine Konversion. Dann Beichtstuhl. 17 Uhr Rosenkranzandacht. Seit heute Abend gibt es wieder Licht. Da kann man wieder etwas arbeiten. In einigen freien Minuten lese ich Stifter „Nachsommer“ ein wundersames Buch! 7. Oktober 1945 – Sonntag 20. n. Pf. ½ 8 Uhr Hochamt. Predigt von der Notwendigkeit des Rosenkranzgebetes. 9 Uhr Kindergottesdienst mit Predigt vom rechten Rosenkranzbeten. 11 Uhr Kirchenvorstandssitzung wegen der notwendigen Dacharbeiten für die Kreuzkirche. Wir fangen an. Am Nachmittag 14.30 Uhr erster gemeinsamer Jugendkreis, der sehr gut besucht ist. Schlesischer Nachmittag mit Lesungen,

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Konrad Metzger (1883 – 1947), damals Erzpriester in Breslau-Ohlewiesen. Siehe: KAPS, Vom Sterben schlesischer Priester 1945/46, 60f. Und: Hermann HOFFMANN, Konrad Metzger (1883 – 1947), in: Schlesische Priesterbilder, Bd. 5, 157-160. Mit dem Begriff „Evakuierung“ bezeichnete man zu der Zeit die „Vertreibung“ oder „Aussiedlung“. Wahrscheinlich: Parteigenossen Schlesiens. Walter Dürig, (1913 – 1992), damals Repetitor am Theologischen Konvikt.

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Gedichten und Liedern. Wilhelm Erben43 erscheint leider nicht. 17 Uhr Verlesung der Papstansprache vom 2. Juni und hl. Segen. Der Besuch hat so zugenommen, dass wir die Unterkirche notwendig brauchen. 18.30 Uhr Marienandacht für den Konvent. 8. Oktober 1945 – Montag 6 und 7 Uhr Messe . Die beiden Fräulein Teuber waren in [unleserlich; wahrscheinlich Hühnern, allerdings Hünern geschrieben] bei Pfarrer Schuster44 und bringen Grüße mit. 8.30 R U in der Pfarrschule. In der 3. Klasse kommen die 6 Alumnen hospitieren. Die Kinder machen gut mit. In der 5. Kl. Überblick über die Geschichte des jüdischen Waltens, in der 6. Auswertung der Geschichte von der Sintflut. 15 Uhr eine Trauung. Vorher ist Herr Kukofka hier und bringt mir eine Reihe seiner Gedichte. 16 Uhr schöner Jungenkreis. Ich erzähle vom hl. Franziskus. 17 Uhr hält Dr. Dürig die Gemeinschaftsmesse, die wieder gut besucht ist. Thienel ist zurückgekommen. Der heutige Tag verlief ruhig. 9. Oktober 1945 – Dienstag 6 Uhr Messe mit Konvent. 6 hl Messen sind heute bei uns. Früh komme ich etwas zu Liedern zur Laute. 10 Uhr bei den Alumnen. Mittags zu Sobanskis. Mittagessen in kleinem Kreise. Friedensmässig. Ebenso der Kaffee und Kuchen. Ein paar Stunden der Entspannung. 17 Uhr Rosenkranzandacht. Gegen Abend geht wieder das Licht aus. 10. Oktober 1945 – Mittwoch 6 Uhr Messe mit Konvent. Krankenkommunion bei Ruth Winkler und 3 hl. Ölungen hier im Hause. 4 Beerdigungen. Mittag bin ich erst wieder zurück. Thienel hat heute Geburtstag. 15 Uhr Latein mit einigen Großen, 17 Uhr Rosenkranzandacht 11. Oktober 1945 – Donnerstag 7 Uhr Hochamt zum Feste der Mutterschaft Mariens. 8 Uhr Betsingmesse mit den Kindern. Ansprache über das Evangelium. 10 Uhr 2 Stunden bei den Alumnen, die jetzt zu 7 angewachsen sind. Dann ins Büro und in die Unterkirche. 14.30 Uhr Beichtunterricht. Anschließend Kaffee im Internat. Schwester Placidia hat Namenstag. 16 Uhr Kreis mit der Gruppe Helga 43

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Wilhelm Erben (1906 – 1973), Kuratus am St. Hedwigstift, später in der DDR. Siehe: Josef GÜLDEN, Wilhelm Erben (1906 – 1973), in: Schlesische Kirche in Lebensbildern, Bd. 6, 274-278. Wahrscheinlich ist Gerhard Schuster (1909 – 2005), damals Pfarrer in Hühnern, gemeint.

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Freund. Feindesliebe. 17 Uhr Rosenkranzandacht. Versehgang bei Oberin Gottharda. Abend für mich. Wichtige Nachricht von London. 12. Oktober 1945 – Freitag 7 Uhr Requiem für 11 Verstorbene der Woche. 9 Uhr Versehgang auf dem Prälatenweg.45 10 Uhr Konvent. Es geht um die Stolgebühren und die Ausweisungen, die schon wieder einsetzen. Ein Brautpaar kommt. Noch schnell ins Büro und in die Unterkirche. Werden wir fertig bis Montag? 14.30 wieder 2 Versehgänge im Hause. 15 Uhr Ministrantenstunde, 16 Uhr Frauen und Mütter und 17 Uhr Rosenkranzandacht. Pater Dionysius aus Karlowitz46 ist aus Schlesien ausgewiesen. 13. Oktober 1945 – Samstag 7 Uhr Requiem für Frau Josefa Cudek mit [unleserlich], Kondukt und Salve. Zum erstenmal in unserer Kapelle. 10 Uhr 4 Beerdigungen. Dann zum Hort, zum Büro und in die Unterkirche. Wir können am Montag das Levitenamt dort halten. Nachmittag gehe ich mal zur Probe des Hedwigsspiels. Es wird gut klappen. Beichthören; zum erstenmal hintereinander[unleserlich] ohne Pause. 17 Uhr Rosenkranzandacht. Dann kommt noch Herr Galatsch. 14. Oktober 1945 – Sonntag 21. n. Pf. ½ 8 Uhr Hochamt mit Predigt zur Vorbereitung der Caritaskollekte. 9 Uhr Kindergottesdienst mit Ansprache. Eine Taufe um 10 Uhr hält P. Dionysius. 10.30 Uhr Vortrag vor dem Konvent. Ich beginne mit Schriftlesung aus dem Epheserbrief. 11 Uhr Kreis mit den Jungmännern. Ich erzähle von vergangenem Jugendleben. Erste Kollekte für die Kreuzkirche mit gutem Erfolg. 13.45 Uhr Andacht mit Konvent. 14 Uhr Trauung, 15 Uhr schaffende Frauen: Beantwortung von Fragen und Segen. Abendmesse hält P.D. Ich bin im Hedwigskloster zur Hedwigsfeier. Abends berichten Schw. Cälestine und Schw. Hiltrud. Sehr interessant. 15. Oktober 1945 – Montag Ich habe erst um 9 Uhr die Betsingmesse für die Kinder mit Ansprache: Hl. Hedwig und das Messopfer als Kraftquelle. Die Dacharbeiten in der Kreuzkirche beginnen heute. In der Unterkirche wird tüchtig gearbeitet. 14.30 Uhr Führerinnenbesprechung. 15.30 Uhr Hedwigsandacht mit den Kindern mit Ansprache. Dann geht es in die Unterkirche. 17 Uhr ist Leviten45 46

Heute: ulica Kardynała Hlonda. Heute: Karłowice, Stadtteil von Wrocław.

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amt. Thienel hält es mit 2 Alumnen. Wir singen Michael Gall[…] 3 stimmige Messe a capella. Gleich danach müssen wir wieder alles wegräumen. Langer Abend für mich. 16. Oktober 1945 – Dienstag In die Unterkirche, wo schon Bänke aufgestellt wurden und zu den Alumnen. Die Dacharbeiten klappen noch nicht. 14.30 Uhr Beichtunterricht für 4 Nachzügler. 16 Uhr Kreis mit den Mädels. 17 Uhr Rosenkranzandacht. Ich lese den 2. Band Stifters Nachsommer zu Ende. Kostbar ist es. Er paßt in unsere Zeit! 17. Oktober 1945 – Mittwoch 6 Beerdigungen sind heute. In der Kirche arbeiten heute auch unsere großen Schulkinder. Es geht gut voran. Mittag komme ich erst vom Friedhof. 14 Uhr sind wir mit den beiden Gräfinnen York v. Wartenberg47 zusammen. Sehr wertvolle Stunde. 15 Uhr Latein mit den Fortgeschrittenen. Abends kommt nach der Rosenkranzandacht Pfarrer Ganse.48 18. Oktober 1945 – Donnerstag 8 Requiem mit Kondukt für + Oberin M. Gottharda. Anschließend Zug zum Friedhof. Die Oberklasse geht mit, 2 Jungen ziehen den Wagen mit dem Sarg. Wie ich zum Ritterplatz49 gehen will, treffe ich Jedin.50 Ich begleite ihn zum Domplatz und [unleserlich]krankenhaus. Dann zur Kreuzkirche und ins Büro. 13.30 Uhr Beichtunterricht. Es geht recht gut heute. Von dort mit Gerhard [unleserlich] zu Familie Galatsch. Rita ist heute 14 Jahre. 16 Uhr Kreis mit den Jungmädchen: Es geht um Okkultismus, Stigmatisation usw. 17 Uhr Rosenkranzandacht und dann weiter Kreis. 19. Oktober 1945 – Freitag 2 Krankenversehgänge in der Pfarrei, 4 im Hause. 10 Uhr Konvent. Wieder recht anregend und spannend. Mittags in Büro und Unterkirche. Die Fenster sind soweit. 10 Uhr Ministrantenstunde mit Liedern und Vorlesen. 17 47

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Irene Gräfin York von Wartenburg (1913 – 1950) und wahrscheinlich Marion Gräfin York von Wartenburg (1904 – 2007). Beide waren im Kreisauer Kreis. Wahrscheinlich: Franz-Georg Ganse (1909 – 1970), Pfarrer in Militsch bis 1946, heute: Milicz, gestorben in Olpe. Siehe: Alfred SABISCH / Werner MARSCHALL, Franz-Georg Ganse (1909 – 1970), in: Schlesische Kirche in Lebensbildern, Bd. 6, 313-316. Heute: plac Biskupa Nankiera. Johannes Jedin (1882 – 1953), Ordinariatsrat, Offizial in Breslau. Siehe: Joseph GOTTSCHALK, Johannes Jedin (1882 – 1953), in: Schlesische Priesterbilder, Bd. 5, 153-156.

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Uhr Rosenkranzandacht. Die Wallfahrt nach Trebnitz51 wird nicht zustande kommen, da der Sonderzug verboten wird! 20. Oktober 1945 – Samstag Versehgänge im Internat. Mit der [unleserlich] zu Schönauer und zum Kulturamt. Wir werden für unseren Arbeitstrupp Ausweise bekommen. Die Melle sitzt im Matthiasgymnasium.52 Wann wird es wieder Gymnasium werden? Auf das Kirchdach und in die Unterkirche. Nachmittag Generalprobe des Hedwigspiels. Es wird ganz ordentlich werden. 17 Uhr Rosenkranzandacht und Beichtstuhl. Das Licht fehlt heute wieder. 21. Oktober 1945 – Sonntag 22.n.Pf. Caritassonntag 7 Uhr Beichtstuhl. ½ 9 Uhr Hochamt mit Predigt. St. Hedwig Vorbild christl. Liebe. 10 Uhr Kindermesse mit Predigt. 11 Uhr Kreis mit den Jungmännern. 4.30 Segensandacht mit Konvent. 15 Uhr Kreis der Jungmädchen. Wir sprechen über das Bußsakrament und das Beichten. Es geht gut. 17 Uhr Hedwigsspiel in der Unterkirche. Wie romantisch sieht alles aus; nur etwas kühl. Es wird gut gespielt. Abends zähle ich die Kollekte. 22. Oktober 1945 – Montag 7 Uhr hl Messe. 3 Stunden in der Schule. 2 mit den Alumnen. Heute geht es nicht sehr gut. Am Nachmittag gibt es eine Taufe mit sonderbaren Hintergründen. 16 Uhr sind ein paar Jungen da. 17 Uhr Wiederholung des Hedwigsspiel. Die beiden Gräfinnen York sind auch gekommen. Das Spiel packt. 23. Oktober 1945 – Dienstag 9 Uhr Brautunterricht. Wieder eine Mischehe. Beide machen keinen schlechten Eindruck. Zu den Alumnen. Meßopferunterricht. Dann ins Büro und in die Unterkirche. 13.30 Uhr Religionsunterricht bei der 4. Klasse. Die Kinder machen fein mit. Wir sprechen über das Meßopfer. Dann Beichtunterricht. 16 Uhr Kreis der Mädel. Sakramente nehmen wir durch. 17 Uhr Rosenkranzandacht. Den Abend sitze ich über der Kasse. 24. Oktober 1945 – Mittwoch 9 schnell ein Versehgang Neue Sandstr 11.53 Dann zum Friedhof. Große Beerdigung Hildegund Bantka. Die Laurentiusstraße54 ist sehr [unleserlich] 51 52 53

Heute: Trzebnica. Das Matthiasgymnasium ist heute das Ossolineum, eine Bibliothek. Heute: ulica Piaskowa.

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reich geworden. Dann noch 2 Beerdigungen. Zum Büro und zur Kirche. 15 Uhr Latein mit den Fortgeschrittenen. Kurz vorher Besuch eines Pfarrers, der Neuigkeiten erfahren musste. 17 Uhr erste Jugendgemeinschaftsmesse in der Unterkirche: Predigt: Lob – Dank – Bitt – und Sühneopfer am Tage des hl. Erzengels Raphael. Die Rosenkranzandacht hält Pater Dionysius. 25. Oktober 1945 – Donnerstag 8 Uhr Messe. Trauung Slanina – Schlegel um 9 Uhr. Dann hl. Ölung. 11.15 Uhr bei den Alumnen Pädagogik. Von dort zum Büro und in die Unterkirche. 14.30 Uhr Unterricht bei der 3. Klasse. Es geht einigermaßen bei dem [unleserlich]ksilber. 16 Uhr Kreis mit dem [unleserlich]-Freund-Kreis. Wir sprechen über die Gnade. Es geht gut. Die Stunden und Tage fliegen. 26. Oktober 1945 – Freitag 7 Uhr Messe. Dann 3 Krankenkommunionen in der Gemeinde. Langsam lernt man [unleserliche Worte] Leute kennen. 10 Uhr Konvent. Es ist jetzt immer recht wichtig und anregend. In Büro und Kirche gibt es manches zu klären. Lohn ist wieder notwendig für die Dacharbeiter: 3500 Zł. 15 Uhr Ministrantenstunde; die Jungen kommen erst wieder meist um 16 Uhr. 16 Uhr Mütterkreis, 17 Uhr Rosenkranzandacht. Die Kinder des Hortes bringen 8 Brote für die Soldaten! Wolfgang Kaiser übernimmt die Akolythen und Ministranten. 27. Oktober 1945 – Samstag 6 und 7 Uhr Messe. Zinke und P. Dionysius sind Richtung Cottbus aufgebrochen. Unterkirche wird weiter für den Gottesdienst hergerichtet. Versehgang und eine Beerdigung. Besprechung mit dem Arbeitskommando. Manches ist zu schlichten. Am Nachmittag nochmal in die Kirche. Dann Beichthören und Rosenkranzandacht. Heute Abend gibt es noch viel zu tun. Listen für die Lebensmittel und Gottesdienstordnung. 28. Oktober 1945 – Sonntag 23. n. Pf. Chr. König 7 Uhr hat Dr. Grzondziel 8 Uhr erstes Hochamt für die Gemeinde in der Unterkirche. Predigt: Christ König nach der wunderbaren Brotvermehrung, Christ König bei der Dornenkrönung, Christ König in der Apokalypse. Der Besuch ist noch nicht sehr stark. ½ 10 Uhr Kindermesse mit Predigt; dann eine Taufe. 13 Uhr gesungene Vesper mit dem Konvent. 13.30 Uhr Kreis mit den Jungmännern. 15 Uhr Christ Königsfeier bei Dr. Matthias. Starker Be54

Heute: ulica Piwna.

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such. Das gemeinsame Beten ist nicht wuchtig genug. Besuch bei der Ursulagruppe, die ihren Namenstag nachfeiert. Die Abendmesse hält Direktor Birkner. Dann bin ich wieder beim Geldzählen. Leider wird es nicht mehr dadurch. 29. Oktober 1945 – Montag Dr. Dürig kommt aushelfen. Versehgang ins Internat. Dann zur Schule. Besprechung mit Herrn Bantke und Kaufmann, die bei uns arbeiten werden. 3 Stunden Religionsunterricht, die gut klappen. Gerhard Egner soll heute schon in das Theologenkonvikt bei den Ursulinen einziehen. Verlust für die Kirche und die Jugendarbeit. Er kommt nochmal. 16 Uhr Jugendkreis und 17 Uhr Jugendmesse in der Unterkirche. Ansprache über Apostelarbeit in der Gemeinde. 4 hl. Ölungen bei Mater Dolorosa. Milig [sic!]55 verlangt, daß die Deutschen weiße Armbinden tragen. Wir tragen sie mit Stolz. 30. Oktober 1945 – Dienstag 7 und 8 Uhr hl Messe. Zur Kirche. Zwei Arbeiter habe ich nun eingesetzt für Unterkirche und Friedhof. Wie lange das Geld noch reichen wird, weiß ich noch nicht! Zwei Stunden bei den Alumnen. Die Theologen gehen auf ein paar Tage wieder nach Hause, weil die Auswärtigen noch fehlen. Vor der Kirche begraben wir erneut die Gebeine aus dem Schutt der Unterkirche. 13.30 Uhr Religionsstunde für Klasse 4, dann Beichtunterricht. Besuch bei Ruth Winkler, der es wieder schlechter geht. 16 Uhr Kreis der Mädel, 17 Uhr Rosenkranzandacht. 31. Oktober 1945 – Mittwoch 7 Uhr Gemeinschaftsmesse. Die Beerdigungen hält heute Dr. Dürig. In der Unterkirche wird mit der Mauer angefangen. Auf dem Dach geht die Arbeit gut voran. Mittag kommt Studienrat Drevaniok sein Leid klagen. Wie helfen? 15 Uhr Latein. 17 Uhr letzte Rosenkranzandacht. 19.30 erste Zusammenkunft mit den Angestellten des Hauses. Wir unterhalten uns. 55

Karol Milik (1892 – 1976), von 1945 bis 1952 polnischer Apostolischer Administrator in Breslau. Siehe: Kazimierz BOBOWSKI, Działalność ks. infułata dra Karola Milika jako administratora apostolskiego we Wrocławiu w latach 1945 – 1951, in: Chrześcijanin a Współczesność 6 (1985), 20-29. Kazimierz BOBOWSKI, Pierwszy rządca diecezji wrocławskiej, in: Ignacy DEC / Krystyn MATWIJOWSKI (Hg.), Kościoł katolicki na Dolnym Śląsku w powojennym 50-leciu, (Prace Historyczne, Bd. 18), Wrocław 1996, 68-73. Kazimierz BOBOWSKI, Sylwetka pierwszego rządcy diecezji wrocławskiej księdza infułata Karola Milika, in: Dolny Śląsk 4 (1997), 137-144.

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1. November 1945 – Donnerstag Allerheiligen! Choralamt um 7 Uhr mit Konvent. Hochamt ½ 9 Uhr in der Unterkirche. Predigt: Liturgie der Heiligen „Weisheit und Dank“ nach überstandener Not. 10 Uhr Kindergottesdienst. Der 10 Uhr Gottesdienst ist schon einigermaßen gut besucht. 14 Uhr Einsegnung der Gräber auf dem Laurentiusfriedhof bei schönstem Sonnenschein und großer Beteiligung. Predigt: Unsere Verstorbenen mahnen uns an den Tod und die Vergänglichkeit. Anschließend Einweihung des Kreuzes auf dem Grab von Geistl. Rat Dittrich.56 16 Uhr Hedwigspiel im Guten Hirten. Sehr fein! Abends melden sich beim Kollektezählen Geldsorgen. 2. November 1945 – Freitag Allerseelen. 7 Uhr Requiem mit Konvent. 8 Uhr hält Prälat Piontek, 9 Uhr Betsingmesse mit den Kindern. Dann Gräbereinsegnung in unserem Garten, an der Kreuzstr. 157 und an der Kreuzkirche. Gute Beteiligung. 4 Beerdigungen auf Laurentiusfriedhof. Krankenbesuch bei Frau Pfropfreis. Große Sorgen sind dort. Mittags Besprechungen mit Dr. Rind. 15 Uhr Ministrantenstunde. 16.30 Requiem für unsere Gefallenen mit Assistenz. Predigt über die Kreuze über unseren Soldatengräbern. Gute Beteiligung. Es wird schon langsam werden, daß die Leute wieder zurückfinden in die Pfarrkirche. 3. November 1945 – Samstag Nach der 7 Uhr Messe 2 Versehgänge. Beide machen Freude. Der Vormittag ist wegen gestern beerdigungsfrei. Im Büro und in der Kirche. Geldauszahlung. Der Vormittag ist schnell herum. Nach dem Essen kommen Herr und Frau Dr. Hilgermann. Die Familie hat sich gefunden und will nach dem Westen. Ch[unleserlich]rektor und Herr Kukofka lösen ab, und schon ist es wieder Zeit zum Beichthören. 17 Uhr Allerseelenandacht. Die ersten Geschenke zum morgigen Tag laufen ein! Das Wasser kann einem im Munde zusammenlaufen. 4. November 1945 – Sonntag 24.n.Pf. (4.n.Ersch.) 7 Uhr Betsingmesse mit Predigt über das Evangelium „Was seid ihr so furchtsam, ihr Kleingläubigen.“ Hochamt ½ 9 Uhr in der Unterkirche ist 56

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Johannes Dittrich (1879 – 1945), Erzpriester, Pfarrer von Hl. Kreuz. Er starb am 20. April durch einen Bombenvolltreffer. Siehe: KAPS, Vom Sterben schlesischer Priester 1945/46, 31. Heute: ulica Świętokrzyska.

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schlecht besucht. Kindermesse wieder gut. Im Anschluss daran Einsegnung der Gräber im botanischen Garten58 und auf Lazarettfriedhof an der Markgrafstraße.59 4 [unleserliche Worte] werden gesungen, sehr ordentlich. Im Hort Glückwunsch der Kinder zu meinem Namenstage. 14 Uhr Jugendkreis. Sehr ordentlich alles. Ernst und heiter zum Namenstag. 2 Taufen; Kaffee bei meinen Borromäerinnen im Internat. Dann zum Hedwigspiel, das zum 13. mal gespielt wird. Reifer Tag! Wenn ich nur Verbindung mit den Eltern und Angehörigen hätte. 5. November 1945 – Montag 6 Uhr Messe. Wieder mitteleuropäische Zeit. Versehgang nach Prälatenweg 6. 3 Stunden in der Schule. Schwestern, die in der Diaspora Mitteldeutschlands eingesetzt werden sollen, hospitieren mit Frau Oberin Hildegundis. Mittags kommt einer nach dem anderen. Auch Frl. Eva Pfropfreis. Wir können alles erledigen. 15 Uhr Jungenkreis, 16 Uhr Jugendgemeinschaftsmesse in der Unterkirche. Dann Besuch im Keller Domstr. 11 bei Hilgermanns, Frl. Dr. Duboney usw. Ich bin den ersten Abend aus seit der Festungszeit. 20 Uhr gehe ich erst nach Hause. Alte Erinnerungen werden aufgefrischt. 6. November 1945 – Dienstag 6 und 7 Uhr Messe. 2 Stunden bei den Alumnen. 5 sind nun da. Büro und Unterkirche. Eine Kalkgrube ist gegraben. Wir sind ein richtiges Bauunternehmen geworden. 12.30 Uhr Religionsstunde in der 4. Klasse. Es geht sehr gut. Anschließend Beichtunterricht. Von der Schule zum Heim, Mädchenkreis. 18 Uhr gibt es 2 Versehgänge im Hause und 19 Uhr Besprechung der Religionsstunden mit den „Lernschwestern“. Vieles gibt es zu fragen und zu besprechen. Hort und Schule sind leider etwas in Gegensatz geraten. Auch da gibt es Schwierigkeiten. 7. November 1945 – Mittwoch 6 Uhr Messe mit Konvent. Mommert ist gekommen. Elisabeth liegt auf dem ev. Friedhof in Lauban60 und wird neben Ler61 umgebettet werden. Mit Guido Wimsellek zum Amt und Friedhof. 5 Beerdigungen. Dann zu Frau Pfropfreis. Es geht wieder etwas besser. 14.30 Uhr habe ich Gäste: Helfer 58 59 60 61

Der Botanische Garten existiert noch heute. Er liegt an der ulica Sienkiewicza. Heute: ulica Miła. Heute: Lubań. Wahrscheinlich ein Name.

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und Helferinnen in der Jugendarbeit sind zum Nachmittagskaffee eingeladen. Leider ist nur wenig Zeit. 16 Uhr schlecht besuchte Allerseelenandacht. Auf dem Friedhof habe ich Vater Pantke und Paul getroffen. Paul wird morgen kommen. Kreis mit den Hausangestellten. 8. November 1945 – Donnerstag 6 und 7 Uhr Betsingmesse mit den Kindern. Heute nicht so guter Besuch. Paul Pantke und Steffi kommen. Schnell muß einiges erledigt werden. Karl und Josef werden die erste Dezemberwoche herkommen, um einiges aufzufrischen. Vorlesungen bei den Alumnen. Frisches Arbeiten in der Unterkirche. Dr. Rind holt Wochenlöhne. Weiter wird es nicht mehr gehen. Mittagessen mit Dr. Winkler und Dr. Wieczorek. 14.30 mit Gerhard Exner einige Bücher holen. 15 Uhr Kreis mit den Mädchen. Wir sprechen im Anschluß an Fatima über Weissagungen und die Voraussetzung ihrer Erfüllung. Theissing wandert aus. Konferenz mit Schule und Hort. Abend mit Kukofka usw. bei G[unleserlich]. 9. November 1945 – Freitag Druck im Kalender „Gedenktag für die Gefallenen der Bewegung – 1923 Marsch zur Feldherrnhalle“ durchgestrichen mit der Anmerkung: es war einmal! 6 Uhr Betsingmesse. 4 Versehgänge. Auch Ruth Winkler gebe ich die hl. Ölung. Zurück und Konvent mit Rekollektio über das rechte Vertrauen. Es beginnt ein Kampf um die Friedhöfe und das kirchl. Beerdigungsrecht. Schnell in die Unterkirche und ins Büro. Hl. Ölung im Hause. Brautunterricht, Abschiedsbesuch von Herrn Kukofka und Herrn Himmel. Reiche Gabe für die Kreuzkirche durch Guido Wimhellek. 15 Uhr Ministrantenstunde. Versehgang auf die Hirschstraße. Dann komme ich endlich etwas zur Besinnung. Auf dem Heimweg treffe ich Edith [unleserlich] und kann ein paar Worte mit ihr wechseln. Abend für mich. 10. November 1945 – Samstag 7 Uhr Requiem für 15 Verstorbene der letzten Tage. 3 Beerdigungen. In der Kirche gibt es auch mal beim Arbeitstrupp der Unterkirche einige Spannungen. Nach dem Friedhof bei Frau Pfropfreis. Dr. Rind wird einige Gelder für unser Dach bekommen. 13.30 Uhr Beichtunterricht. Trotz sehr schlechten Wetters sind die Kinder alle da. In der Sakristei muß ich einen Geistesgestörten vom Harmonium wegbesorgen. 15 Uhr Beichthören, 16 Uhr Allerseelenandacht. Nach dem Abendbrot noch eine hl. Ölung. Zwei Schwestern verab-

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schieden sich zur Seelsorgarbeit in Langensalza.62 Familie Halatsch mußte gestern Abend die Wohnung räumen. 10 Personen ohne Betten auf der Strasse! 11. November 1945 – Sonntag 24.n.Pf. (4.n.Ersch.) 6 Uhr Choralhochamt mit Konvent. Predigten über die Wahrheiten des heutigen Evangeliums. Thienel ist zurück und zelebriert das ½ 8 Uhr Hochamt in der Unterkirche. 9 Uhr Kindergottesdienst: Erklärung des Evangeliums. 10 Uhr Trauung bei Mater Dolorosa. ½ 11 Vortrag beim Konvent Eph 1, 15 – 23 dann Kreis mit den Jungmännern. Nach dem Mittagessen mit Thienel eine Namenstagszigarre zum „O [unleserlich]tag“. 14 Uhr kommen Wolfgang Kaiser und Franz Galatsch, der heute 17 Jahre geworden ist, zum Kaffee. Nach der Nachmittagsmesse Ansprache über die heutige Lesung und Segensandacht. Am Abend bin ich wieder über Eintragungen in die Kassenbücher. 12. November 1945 – Montag 6 Uhr Messe mit Konvent. ½ 9 Uhr Beichtunterricht. Dann 2 Stunden Domstr. 6. Der R.U. macht viel Freude, die Kinder sind sehr bei der Sache. In der Unterkirche wird tüchtig gearbeitet. Frau Sobanski ist mit der Kanzlei wieder nach oben in die Wohnung gezogen, was mir sehr recht ist. Besuch bei Frau Schimetzko. Sie muß unbedingt bei uns untergebracht werden. 15 Uhr sind 11 Jungen und Franz Galatsch da, der den Kreis übernehmen wird. Feine Kerle, die mehr Freude machen als Verdruß. 17 Uhr Konferenz mit den [unleserlich]schwestern. Wir müssen den Unterricht umbauen. Nur Religionsunterricht mit allem, was dazu gehört. Hl. Ölung bei Schw. Leonarda. 13. November 1945 – Dienstag 6 Uhr Messe. 7 Uhr Jugendgemeinschaftsmesse für die Kranken hält Thienel. 2 Stunden bei den Alumnen. Unser Arbeitstrupp ist nach Kalk gefahren und hat einen Zusammenstoß mit einem Russen gehabt. Es ist noch alles gut abgelaufen. Mittags bekomme ich wieder einige tausend Złotych. Wir können weiter bauen. Beichtunterricht, ein Brautpaar und Kreis mit den Mädels. Heute gibt es wiedermal kein Licht. Frau Oberin Sigrid berichtet mir von Ohlewiesen. Wie lange wird dieser furchtbare polnische Durcheinander noch dauern? 62

Langensalza ist ein Kurort in Thüringen.

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14. November 1945 – Mittwoch 6 Uhr Gemeinschaftsmesse mit Konvent. Krankenkommunion bei Schwestern Freund auf der Memellandstraße.63 5 Beerdigungen. Dann Besuch bei Fam. Miechollek auf der Friesenstraße.64 Weiter zum Hort und ins Büro. Am Nachmittag kommt Gerhard Exner. 16 Uhr Allerseelenandacht. Besuch bei den alten Männern. 2 Versehgänge im Hause. Abends Kreis mit den Hausangestellten 1. Gebot sprechen wir durch. 15. November 1945 – Donnerstag 6 Gemeinschaftsmesse mit Konvent. 8 Uhr Betsingmesse mit den Kindern. 2 Stunden bei den Alumnen. Dann Domstr. 6 und Kirche. 15 Uhr Kreis mit einigen Mädels. Wir sprechen von unseren Aufgaben, und es kommt zu einer kleinen Aussprache. Schon ist der Tag zu Ende und wieder muß Kerzenlicht herhalten. 16. November 1945 – Freitag 6 Uhr Gemeinschaftsmesse mit Konvent. 5 Krankenkommunionen in der Gemeinde. Frau Kulitze wird bald sterben. 10 Uhr Konvent. Wir sind noch ganz unter uns. Schnell zum Büro und in die Kirche. Bücher von Miglunda sind im Knabenkonvikt noch gefunden worden. Ich stelle sie bei mir im Zimmer ein. 15.30 Uhr Besprechung über allg. Seelsorgsfragen. Es wird ein gutes Zusammenarbeiten geben. Langer Abend bei Kerzenschein. 17. November 1945 – Samstag 6 Uhr Gemeinschaftsmesse mit Konvent. 9 Uhr Religionsstunde beim 4. Jahrgang, dann eine einzige Beerdigung. Die Beerdigungen haben sehr nachgelassen. Beichtunterricht folgt. Heute Nachmittag muß ich oft an die vergangenen Jahre denken. Kirchweihfest des Domes. Figuralmusik und feierliche Messen. 1934 Einweihung des restaurierten Domes und 1944 letzte Kirchweihvesper im Dom vor seiner Zerstörung. Beichthören und Allerseelenandacht. Dann kommt wieder der lange und ruhige Abend bei Kerzenschein. Licht haben wir immer noch nicht wieder. 18. November 1945 – Sonntag Kirchweihfest des Domes. Trotz allem Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto. ½ 8 und 9 Uhr in der Unterkirche. „Wir müssen unserer Kirchen und Dome wert sein, wenn wir sie behalten wollen.“ Kalt ist es schon geworden. 10.30 Kreis mit 6 Jungmännern. 13 Uhr Haareschneiden 13.30 Uhr feierli63 64

Heute: ulica Piastowska. Heute: ulica Walecznych.

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ches Vespern mit dem Konvent. 14 Uhr schaffende Frauen. Allgemeines. Schnell zum Kaffee der Elisabethgruppe. 16 Uhr Ansprache über Lesung des Festes und hl. Segen. Gerhard Exner und Wolfgang Kaiser kommen zu einem kurzen Besuch. Erfreuliche Einnahmen und Spenden gab es heute. 19. November 1945 – Montag 6 Uhr Messe und 7 Uhr Hochamt. 3 Stunden Religionsunterricht. Heute klappt es nicht recht. Es liegt an mir. 13 Uhr „Tafel“ bei Frau Sobanski mit Dr. Dürig und 4 Elisabethen zum Donnerstag. Wie im Frieden. Frl. Dr. Lahr ist auch geladen. Gute Unterhaltung. Ich denke an Elisabeth. Vor einem Jahr haben wir den Tag zusammen begangen. 20. November 1945 – Dienstag 6 Uhr Gemeinschaftsmesse mit Konvent. 7 Uhr sind Pfarrer Schuster65 und Kaplan Hanel66 da. Hanel hält die Jugendgemeinschaftsmesse. 3 Krankenkommunionen im Internat. Frühstück mit Geschwister Schuster und Hanel. Wir gehen zur Kreuzkirche. 2 Stunden bei den Alumnen. 15 Uhr Kreis bei Lisel Ender, die noch recht schwach ist. Moschner ist gekommen. Wir sind zum Abendbrot zusammen. 21. November 1945 – Mittwoch 6 Uhr Hochamt zum Fest Mariä Opferung. Kindermesse hält Hanel. Krankenkommunion bei Schwestern Freund und 4 Beerdigungen. Mittags mit Moschner zusammen. 14.30 Einsegnung der neuen „Kandidatur“ auf dem Boden. 15 Uhr Treffen mit Hanel, Konietzny u, 3 Helferinnen bei Frau Sobanski. Gemütliche und frohe Stunden, die unterbrochen wurden durch die Allerseelenandacht. Wir bleiben bis 18 Uhr zusammen. Im Abendkreis um 19.30 Uhr sprechen wir über das Gebet. 22. November 1945 – Donnerstag 6 Uhr Betsingmesse zu Ehren der hl. Cäcilia. 10 Uhr bei den Alumnen, dann eine Stunde Beichtunterricht im Kinderhort. 14 Uhr kommt Dorothea Winkler zu einer guten Aussprache. 15 Uhr Kreis mit den Jungmädchen. Hanel kommt auch. Ich erzähle vom Pfarrer von Ars.67 Josef Brylla ist gekommen. Zinke zurück von der Reise. Langes Erzählen. 65 66

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Gerhard Schuster, Kuratus an St. Maria in Breslau. Wahrscheinlich: Werner Hahnel, Kaplan an St. Kreuz. Ein Georg Hanel war Kuratus-Pfarrer in Wüstewaltersdorf, heute: Walim. Der hl. Pfarrer von Ars (1786 – 1859) ist seit 1929 Patron aller Pfarrer.

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23. November 1945 – Freitag 7 Uhr Requiem für 9 Verstorbene der Woche. Dann 5 Krankenkommunionen. 10 Uhr interessanter Konvent. Wieder setzen Zwangsevakuierungen großen Stils ein. Zum Büro und zur Kirche. Eiliger Versehgang ins Internat. Die Ministranten kümmern sich mit Wolfgang allein im Turnheim. Gerhard Exner kommt, dann Frl. Dr. Kubischok, ein ganz seltener Besuch. Seit Jahren haben wir uns nicht mehr gesehen. Kurzer Besuch bei Felizitas, die noch krank ist und heute Namenstag hat. Thienel ist zurück. Alle öffentlichen Bauarbeiten sollen von den Polen eingestellt worden sein. 24. November 1945 – Samstag 8 Uhr Beerdigungsmesse für Herrn Johannes Lüdke. Krankenkommunion bei Frau [unleserlich]. 3 Beerdigungen auf Laurentiusfriedhof. Rückweg mit Stud. Rat Majewski. Die Mauer schreitet fort, auch die Dacharbeiten gehen voran. Das Heim haben die Jungen schon gut ausgestattet. Ein idealer Raum. Wenn wir als Jungen so etwas gehabt hätten! Nachmittag Beichthören und Andacht ohne Ministranten. Schon ist der letzte Sonntag des Kirchenjahrs gekommen. Ein ausländischer Sender soll durchgegeben haben, daß Schlesien ab 1.12. britische Verwaltung bekäme. 25. November 1945 – Sonntag ½ 8 Uhr und 9 Uhr in der Unterkirche. Predigt über die Prophezeiung Christi vom letzten Sonntag des Kirchenjahres. 10 Uhr Taufe. Leute kommen immer wieder fragen, was sie machen sollen, und man kann doch nicht helfen. 14 Uhr im „Festspielhaus“ (jetzt Kirche von St. Michael) das Spiel von der Hl. Elisabeth. Mäßig. Dann erste Zusammenkunft der Jungen und Jungmänner im neuen Heim über der Obersakristei. Fein ist der Raum geworden. Gerhard Exner gestaltet eine kleine Feierstunde. 16 Uhr Ansprache über den Introitus „Ich denke Gedanken des Friedens…“ und hl. Segen. Nach dem Abendbrot mit Zinke und Thienel zusammen bei wertvoller Unterhaltung. 26. November 1945 – Montag 7 Uhr Messe. ½ 10 Uhr beginnen bei den Ursulinen unsere halboffenen Priesterexezitien, die Dr. Grzondziel hält. Der Herr Administrator macht auch mit. 1. Vortrag: Vom Sinn der Exerzitien: Einkehr der Stille. 2. Vortrag: Gesandter Gottes : von Gott gesandt und für Gott. Ebenso erste Aufgabe des Priesters. Mittags zum Büro, Kirche und Essen. 13 Uhr 3. Vortrag: Der Priester und die geschöpflichen Dinge. Sehr gut. Mit Erben an der Oder zurück. 15 Uhr Jungenkreis. Paul und Josef Pantke kommen unerwartet. Große

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Freude. Ich bin dann mit den Jungen zusammen. Sie werden ein paar Tage bleiben. 27. November 1945 – Dienstag 7 Uhr Jugendgemeinschaftsmesse. „Er hat uns der Gewalt der Finsternis entrissen…“ Mit Paul und Josef mache ich einen kleinen Rundgang durch das ehemalige Mutterhaus. Die Exerzitien gehen weiter. Besonders schön sind die Auslegungen von Maria und der 12 Jährige im Tempel und und der Zinsgroschen (Überwindung der Verführung: Gebet Gott, was Gottes ist!) Rückweg über die Promenade. Am Nachmittag mit den Jungen zusammen. Gegen Abend sitze ich über den Kassenbüchern. Jedin habe ich mittags getroffen. 28. November 1945 – Mittwoch 7 Uhr hl. Messe. Nitsche nimmt mir Beerdigungen von heute ab, sodaß als Arbeiter. ich die Exerzitienvorträge auch heute mitmachen kann. und unser Zölibat. und unser Meßopfer. Reiche Gedanken. Auf dem Heimwege kommen mir Herr Bittner und Ruth entgegen, die morgen nach Deutsch Lissa68 räumen sollen. Wir hoffen, es rückgängig machen zu können. Kurzer Besuch von Gerhard Exner und anderen. Spiel und Latein mit den Jungen, die sich recht wohl fühlen. Abends kommt wieder die Hausbelegschaft. Wir sprechen über das 2. Gebot. 29. November 1945 – Donnerstag 7 Uhr Requiem für 7 Verstorbene der Woche. Frau Rösel ist gestorben; Einsegnung der Leiche in der Wohnung. Die Evakuierungen gehen weiter. Inhaber von roten Arbeitskarten nach Dt. – Lissa, von wo sie tgl. zum Arbeitseinsatz kommen sollen! Die Alumnen sind noch beim Räumen in Karlowitz im Priesterseminar. Die Stunden fallen aus. Ich komme wiedermal zum Lesen. 15 Uhr Kreis mit der Nothburga-Gruppe. Dann Zusammensein mit Paul und Josef. Abends noch eine hl. Ölung im Hause. 30. November 1945 – Freitag 6 Uhr Betsingmesse, da Zinke wieder gefahren ist, und 7 Uhr Hochamt. 4 Krankenkommunionen. Interessanter Konvent. Priester sollen mit den Evakuierungszügen mitfahren; aber wer? Pfarrjugendhelfer und Helferinnenbesprechung. Es gibt wertvolle Kritik und gute Anregungen. Die ersten Zentner Kartoffeln für das Arbeitskommando kommen. Abends mit den Jungen zusammen. 68

Heute: Wrocław-Leśnica, Stadtteil von Wrocław.

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1. Dezember 1945 – Samstag 6 Uhr Messe mit Konvent. Heute habe ich einen Einkehrtag zu halten für einige Schwestern zur Gelübdeerneuerung. Ich nehme wieder 3 Vorträge: Gehorsam, Armut und Keuschheit. Am Nachmittag gibt es Leicheneinsegnung in einer polnischen Wohnung, Trauung, Beichthören, hl. Ölung, Vortrag bei den Schwestern und schon ist es wieder Abend ohne Licht. Zwei Spiele mit den Jungen und dann wieder an die Arbeit. 2. Dezember 1945 – Sonntag ½ 8 Uhr in der Unterkirche. Predigt „Erhebet euer Häupter, es naht eure Erlösung.“ Kindermesse Predigt: „Ihr müßt das Adventlicht tragen.“ Zwei Taufen folgen. Dann Vortrag bei den Schwestern Eph 2, 1 – 10. 14 Uhr im Kinderhort Adventstunde mit den Eltern. Teilnahme recht gut. 16 Uhr Ansprache über die Lesung „Es ist Zeit“. Dann zu Sobanski. Abends mit den Jungen zusammen. 3. Dezember 1945 – Montag 7 Uhr erstes Rorateamt. Trauung Slama – Schubert. Beichtunterricht, Stunde mit den Mädels des letzten Jahrgangs und Bibl. Geschichte mit der 5. Klasse. 15 Uhr Kreis mit den 14 jährigen Jungen. Andacht und Segen mit dem Konvent. Hoffnungsvolle Gerüchte tauchen auf. Letzter Abend mit den Jungen. 4. Dezember 1945 – Dienstag 6 Uhr Betsingmesse mit Konvent. Abschied von den Jungen, die wieder nach Hause gehen. Zwei Stunden bei den Alumnen. Dann zu Wilhelm Erben, der aber in diesem Jahr nicht zum Nikolaus zu bewegen ist. 14 Uhr Christunterricht. 15 Uhr Mädelkreis 5. Dezember 1945 – Mittwoch 6 Uhr Rorateamt. Franz Galatsch fängt heute bei uns zu arbeiten an. 8 Beerdigungen. 1 Polenbeerdigung mit Theater. Dann Unterricht bei der 4. Klasse. Große Klagen über einige Jungen laufen ein. Die Kerle haben zu wenig Beschäftigung. 14 Uhr Nikolaus im Kindergarten. Ein Theologe macht den Bischof. Dann dasselbe in der Elisabethgruppe. Nikolaus und Rupprecht sind schüchterner als die Mädel zusammen. 6. Dezember 1945 – Donnerstag 6 Uhr Betsingmesse mit Konvent und 8 Uhr mit den Kindern. Ich spreche von den 5 Talenten. Pädagogik bei den Alumnen. Mit Dr. [nicht eindeutig

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lesbarer Name, wahrscheinlich Rind] zur Stadtverwaltung Dr. Tauber [sic!]69 wegen der Ausweise für das Arbeitskommando. Leider nicht erreichbar. 14 Uhr Nikolaus im Kinderhort. 15 Uhr üben wir die Choralmesse XVIII für nächste Gemeinschaftsmesse. 7. Dezember 1945 – Freitag 6 Uhr Herz–Jesu–Hochamt. 6 Krankenkommunionen. Konvent. Friedhofsordnung. Besprechung wegen Nikolaus. Heute erster Wintertag. 14 Uhr 3 Beerdigungen. 15 Uhr Beichthören. Probe mit Chor[unleserlich] für morgen. Gute Aussprache über alles mögliche. Ich bin so verschnupft, daß ich nicht viel Gescheites zusammenbringe. Neuestes Gerücht: Brüning sei auf dem Wege nach Berlin. 8. Dezember 1945 – Samstag 7 Uhr Hochamt mit Konvent. 8 Uhr hält Dr. Grzondziel. Wir singen eine dreistimmige a Capella – Messe. 9.30 Uhr Kindermesse. Predigt: Muttergottes braucht die Kinder. Besprechung wegen des Nikolausnachmittages. Mittags mit Schw. Bona und Frl. Schneider „Befreiung“ von Frl. Lorenz. 13.30 Uhr Marienfeier in der Kapelle. Anschließend guter Nikolausnachmittag mit viel Gelächter. 16 Uhr kurze Ansprache aus der 3. Nokturn und hl. Segen. Am Abend ist noch Herr K[unleserlich] etwas da. 9. Dezember 1945 – Sonntag Choralhochamt mit kurzer Predigt. „Bist du es, der da kommen soll …“ Dr. Grzondziel hält das 8 Uhr–Hochamt. 9.30 Uhr Kindermesse. Hans Sobranski kommt zu einer Aussprache; dann Frl. Lorenz. 14 Uhr bei St. Matthias die Marienfeier der Breslauer Katholiken. Sehr gute Predigt von Dr. Grzondziel: Mariens Schmerzen und Mit[unleserlich]fern mit . 10 Uhr bin ich bei Dr. Gergesell. Auch Nitsche kommt hin. Fantastischer Kaffee! Etwas schummeriger Heimweg im Dunkeln von der Querstraße zur Martinistraße.70 Es geht gut. Alle Wertsachen habe ich von vorneherein zu Hause gelassen. Besuch eines oberschlesischen Pfarrers, der zurückkehrt. Gute Unterhaltung. 10. Dezember 1945 – Montag 6 Uhr Betsingmesse. 8.30 Uhr Beichtunterricht, dann Stunde mit den Jungen und anschließend mit der 5. Klasse. Es ist so kalt, dass in der Kirche nicht gearbeitet werden kann. 14 Uhr Kommunionsunterricht, 15 Uhr Jungenkreis 16 Uhr zu unserer Männerstation. 69 70

Walery Taube, Beamte des Wojewodschaftsamtes. Heute: ulica św. Marcina.

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11. Dezember 1945 – Dienstag 6 Uhr Gemeinschaftsmesse. Erika Kapizynski kommt mit ihren Sorgen. Franz Galatsch bringt ein riesiges Marienbild (Ölgemälde) einer Frau angeschleppt. 2 Stunden bei den Alumnen. 14 Uhr Christunterricht 15 Uhr Nikolaus in der Mechtildgruppe. Ich mache selbst den heiligen Mann. Gegen Abend kommen Wolfgang und Gerhard aus der Heizung, wo sie einen Brand löschen mußten, den wahrscheinlich Polen verursacht haben. Besuche in einem der Frauensäle. Kuratus Goebel71 hat geschrieben. Franz Schacht sitzt in Fulda und studiert dort wohlbehalten Theologie weiter mit 11 Breslauer Theologen. 12. Dezember 1945 – Mittwoch 6 Uhr Rorateamt. 5 Beerdigungen. Die Not wächst ins Ungeheure. Und man kann so schlecht helfen! Besuch bei Familie Körner. Alles macht einen recht guten Eindruck. Dann Religionsstunde im Hort mit der 4. Kl. 14 Uhr bin ich wieder dort zum Kommunionsunterricht. Die Kinder machen gut mit. Anschließend eine halbe Stunde mit den Hortkindern zusammen zum Singen und Erzählen. Mit Dr. Rind zu Kanonikus Lagosch [sic!],72 der nicht da ist. Heute Abend beginne ich mit dem Lesen der Briefe von Elisabeth und Leo. Kreis der Hausangestellten. Herr K[unleserlich] ist mit dabei. 13. Dezember 1945 – Donnerstag 8 Uhr Betsingmesse mit den Kindern zum Feste der hl. Luzia. Zwei Stunden bei den Alumnen. Das Wetter ist völlig umgeschlagen; es taut mächtig. 14.30 Uhr Kreis mit den Mädchen. Ich spreche von der Luzia – Legende, die uns heute viel sagen kann. Mit Dr. Rind zu Kanonikus Lagosch [sic!]. Wir gehen aber wieder wegen der dortigen Großbetriebes. Noch 2 Versehgänge.

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Es gab in der Breslauer Diözese drei Pfarrer mit dem Namen Goebel. Bei Kuratus Goebel könnte es sich um Georg Goebel (1900 – 1965) aus Rosenthal (heute: Różanka) handeln. Siehe: Peter GROßPIETSCH, Georg Goebel (1900 – 1965), in: Schlesische Kirche in Lebensbildern, Bd. 6, 207-210. In Waltdorf gab es einen Pfarrer Joseph Goebel. In Breslau war Alfred Goebel (1910 – 1995) Kuratus bei den Armen Schulschwestern auf der Martinistraße. Kazimierz Lagosz (1888 – 1961), polnischer Priester, der mit der sog. Pioniergruppe aus Krakau am 9. Mai 1945 in Breslau eintraf und hier auf unterschiedliche Weise für polnische Gläubige tätig war. Siehe: Franciszek STOPNIAK, Ks. Kazimierz Lagosz (1888 – 1961), in: Chrześcijanin a Współczesność 6 (1985), 30-48.

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14. Dezember 1945 – Freitag 7 Uhr Rorate. 4 Krankenbesuche. Georg Lehmann besucht mich. Rekollektio und Konvent. Mittags ins Büro. 15 Uhr kommt Frl. Dr. Kubuschok, die ins Reich gehen will. Dann Frau Galatsch mit Rita, Maria und Franz. Ich kann weiter in Leos und Elisabeths Briefwechsel lesen. Abends mit Konietzny und Pfarrer Skrobek73 zusammen. Gute Unterhaltung. 15. Dezember 1945 – Samstag 7 Uhr Rorateamt. Im Internat 2 hl. Ölung; 9 Krankenkommunionen und ein seltenes Frühstück. 2 Beerdigungen nur. Anschließend zum Hort und ins Büro. Am Nachmittag Beichthören. Die Menschen sind in fiebernder Stimmung und rechnen täglich mit grundlegenden Änderungen. Die vielen Gerüchte scheinen eine reale Grundlage zu haben. Aussprache mit Schw. Fidelia. 16. Dezember 1945 – Sonntag 7 Uhr Beichtstuhl. Pfarrer Skrobek hält das Choralamt. 8 Uhr Hochamt mit Predigt: Mitten unter uns steht einer, den ihr nicht kennt... “ Zum Kindergottesdienst „Freut euch, der Herr ist nah“. Die Kinder machen gut mit. Taufe des ersten „Russenkindes“ Berend – Michael Odilge. Besprechung mit 3 Führerinnen. 14 Uhr bei der Ursulagruppe ein paar Worte an die Mütter, 14.30 Uhr Adventsstunde 15.30 Ansprache über die Lesung und hl. Segen. Dann noch ein paar Besuche. Abends mit Konietzny bei Pfarrer Skrobek. 17. Dezember 1945 – Montag 6 Uhr Betsingmesse. 8.30 Beichtunterricht und die anderen Stunden. Es geht heute nicht besonders gut. 14 Uhr geht es weiter. Kommunionunterricht. Die Kinder sind heute sehr unruhig. 15 Uhr Jungenkreis, wozu 11 Jungen da sind. Hl. Ölung im Hause. Verschiedene Aussprachen. Thienel ist wieder auf ein paar Tage zurück. Abends komme ich wieder zum Lesen der Briefe. 18. Dezember 1945 – Dienstag 7 Uhr Rorateamt der Jugend. 9 Uhr mit Dr. Rind zu Kanonikus Lagosch [sic!] wegen der Ausweise für das Arbeitskommando. Er ist sonderbarerweise sofort dazu bereit. 2 Stunden bei den Alumnen, dann sind für diese Ferien. Wieder eine Einladung zu Dr. Gergesell für Sonntag. 14 Uhr Christunterricht. 15 Uhr Kreis der 14 – 15 jährigen Mädels. Dann in einem der Frauensäle. Abends wieder eine Stunde mit Konietzny bei Pfr. Skrobek. 73

Erhard Skrobek war in Ratibor, heute: Racibórz, bei St. Johann Baptist.

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19. Dezember 1945 – Mittwoch 8 Uhr Betsingmesse der Kinder zum Quatembertage. 2 Beerdigungen, vorher ein Versehgang. Nach den Beerdigungen legen wir die Beerdigungsgebühren fest. Spät komme ich nach Hause. Im Büro sind viel Sachen gebracht worden für Soldaten und Kinder. Die Mädchen sind eifrig am Arbeiten. 14 Uhr Kommunionunterricht. Dann im Hort Spiele mit den Kindern. Aussprache mit Helga Freund, dann kommt Frl. Grzonka aus Beuthen.74 Abends ist noch Pfarrer Skrobek da. 20. Dezember 1945 – Donnerstag 7 Requiem für 9 Verstorbene der Woche. Besprechung mit den Helferinnen in der Kinderarbeit. Guido Wimsellek kommt zu kurzem Besuch. 2 Stunden im Hort. Dann nehmen wir den hl. auseinander!75 Die „Vollreliquie“ ist für uns eine ziemliche Geschmacklosigkeit. 14.30 Kreis der weibl. Jugend. Wir haben wieder elektrisches Licht! Abends mit Conietzny und Poklekowski bei Pfr. Skrobek einen guten Abend. 21. Dezember 1945 – Freitag Betsingmesse. 5 Krankenbesuche mit hl. Ölung. Pfarrer Skrobek fährt nun doch mal weiter. Konvent. Mittagessen heute im Hort. Dann mit den Kindern zusammen und Kommunionsunterricht. Nachher Chorprobe für Weihnachten. Im Hause 7 hl. Ölungen. 22. Dezember 1945 – Samstag 6 Uhr Betsingmesse zum Quatembersamstag. Im Internat 10 Krankenkommunionen mit 4 hl. Ölungen. 6 Beerdigungen. Wir holen unsere schöne Krippe aus dem Knabenkonvikt, die im Dom aufgestellt werden soll und tauschen gegen 2 Christbäume und die Krippe von Prof. Schäfer. 14 Uhr 4 Taufen von [unleserlich] Schulkindern. 14.30 Beichthören. Heute hintereinander 2 ½ Stunden. Abends verstauche ich mir schwer einen Finger und komme schwer ins Zittern. 23. Dezember 1945 – Sonntag 7 Uhr Choralamt mit Predigt über die 3 Adventsprediger. 9.30 Uhr Kindermesse. Dann Chorprobe. Franz Galatsch singt auch mit. Anschließend Brautunterricht. Nach dem Mittagessen Probe der Messe. 14.30 geht die Jugend ins Internat eine Adventsfeier für die Flüchtlinge, die Alten und die 74 75

Heute: Bytom. Zwischen „hl.“ und „auseinander“ ist im Text eine Lücke.

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Kranken gehalten. [sic!] 15.50 Uhr Ansprache: Maria und Josef in der Schwere ihres Advents. Abends ist Konietzny da. 24. Dezember 1945 – Montag Arbeitsreicher und schöner Tag. 6 Uhr Choralamt. 8.30 sind die Erstbeichtkinder da zu gemeinsamer Gewissenserforschung und hl. Beicht. 11.00 Uhr Probe für die erste hl. Kommunion. Die Kapelle wird geschmückt, die Knabenkonviktskrippe aufgestellt. Beichthören, Trauung. 14.30 Uhr Vigilmesse mit den Kindern und kleine Krippenfeier. Schön. Dann singt mir der Hort. Weiter in den Beichtstuhl. 17 Uhr Komplet. Dann Einbescherung bei mir, bei den Hausmädchen und Kandidatinnen. Reich beschenkt bin ich trotz allem, nur fehlt jede Nachricht von zu Hause. In der Kapelle ist noch manches zu ändern. Von 21 – 22 Uhr im Bett. Dann die schöne Matutin mit dem Konvent in der Kapelle. 25. Dezember 1945 – Dienstag Mitternachtsmesse mit dem Konvent und dem ganzen Hause. Predigt: Freuen soll sich der Himmel. Dann die Laudes. Kurzer Schlaf und ¾ 7 Uhr Hirtenmesse. ½ 8 Uhr Christnacht für die Gemeinde (Dr Grzondziel). Wir singen eine Messe von Blasel und das Transeamus. 9 Uhr Betsingmesse der Kinder und Erstkommunion von 12 Jungen und 8 Mädels. Sehr schön. Dann gibt es noch eine Taufe. Nachmittag eine Krippenandacht der Kinder. Kurzer Besuch im Hause bei unseren Alten. Hl. Ölung bei Schw. Winifrieda. Über Mittag eine Zigarre mit Conietzny. Ein Tag voll Weihnachtsfreude und Arbeit. Besuch bei Dr. Gergesell und im Dunklen zurück. Versehgang zu Herrn Siegmund. 26. Dezember 1945 – Mittwoch 7 Uhr Hochamt mit Kurzpredigt. Zum 8 Uhr Hochamt, das Dr. Grzondziel übernommen hat, singen wir eine 3 stimmige Haller – Messe und das Transeamus. Die Messe klappt schlecht. Kindermesse und das Gebet des sterbenden Stephanus. Anschließend eine unerfreuliche Trauung eines Italieners mit einem ev. Mädchen. 14 Uhr Weihnachtsstunde der gesamten Jugend. Ich lese den Sternenorden von Bethlehem. Die Jugend von Michael kommt zu einem Krippengang. 15.30 Uhr Ansprache und Segen. Abends mit den Hausmädchen und Konietzny zusammen zu einem Weihnachtssingen.

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27. Dezember 1945 – Donnerstag 6 Uhr Betsingmesse und 8 Uhr Hochamt. Den Vormittag habe ich etwas für mich. Geldzählen. Am Nachmittag mit Konietzny bei Familie Galatsch. 16 Uhr gehe ich zum Hedwigskreis, der mit alten Frauen eine kleine Weihnachtsfeier abhält im Heim. Dann noch mal auf die Hummerei.76 Unangenehmer Rückweg im Dunkeln. Abends lese ich weiter in den Briefen. 28. Dezember 1945 – Freitag 6 Uhr Betsingmesse und 8 Uhr Betsingmesse der Kinder. Der Vormittag verfliegt mit Besuchern. Ich lerne zwei Frauen und Mütter aus der Gemeinde kennen. Frau Kamalla möchte katholisch werden und wird morgen den Unterricht beginnen. Es wird Freude machen. 13.30 Uhr Segnung der Kleinkinder in der Kapelle. Alles ist voll von Kindern. Dann Einbescherung im Kindergarten. Von dort zum Hort, wo eine schöne Weihnachtsfeier gehalten wird. Die Kinder bekommen erstaunliche Geschenke. Bei Familie Kays ist Chorprobe. 29. Dezember 1945 – Samstag 6 und 7 Uhr Messe. 5 Krankenkommunionen. Um 10 Uhr kommt Frau Kamalla zum Konvertitenunterricht. Es wird schnell gehen. 13 Uhr Probe des Krippenspiels, das gut klappen wird. In der Kapelle wird gespielt. Dann Beichthören. Dorothea kommt zu einer Aussprache. Es kommt die Nachricht, daß Kuratus Sikora77 in Gärbensdorf78 ermordet worden sei am 4. Adventssonntag auf dem Wege von der Filiale Waltersdorf79 nach Hause. 30. Dezember 1945 – Sonntag 7 Uhr Hochamt, 8 Uhr Hochamt Predigt: Er ist gesetzt zum Falle u. zur Auferstehung….“ 9.30 Kindermesse: Zu wem kommt das göttliche Kind? Die Kinder singen dann und sprechen zur Weihnacht in den Stationen der alten Leute. 13.30 Uhr Aussprache mit einigen Helferinnen über eine geplante Neugruppierung der Jugend. Die Aussprache ist nicht in allen Teilen erfreulich. 14.30 Weihnachtsstunde der Gruppe Mechtild mit Eltern und Geschwistern. Vor allem das Singen ist recht ordentlich. 15.30 Ansprache: Nicht mehr Knechte sondern Söhne und Erben. Dann Gebet und Segen. 17 76 77

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Heute: ulica Kazimierza Wielkiego. Kuratus Josef Sikora starb am 23. Dezember 1945 auf dem Heimweg von Langwaltersdorf nach Görbersdorf. Siehe: KAPS, Vom Sterben schlesischer Priester 1945/46, 82ff. Heute: Sokołowsko. Heute entweder: Mniszków oder Nielestno.

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Uhr Weihnachtsandacht mit dem Konvent. Vorher hat unser Chor der Oberin Siberstra zum Namenstag gesungen. Abends ist Konietzny bei mir. 31. Dezember 1945 – Montag 6 Uhr Betsingmesse, 7 Uhr stille hl. Messe. ¾ 9 Uhr Konvertitenunterricht. Dann Beerdigungen. 13 Uhr Beichthören. 14 Uhr Jahresschluß für die Kinder. Wir halten einen kurzen Rückblick und wollen im neuen Jahr auch andere zum Heiland führen wie die Hirtenjungen an der Krippe. 15 Uhr Jahresschluß der Gemeinde. Die Kapelle ist so voll, daß die Türen offen bleiben müssen. Rückblick: Ehre sei dem Vater u. dem Sohne. Dann freies Gebet und Te Deum. Unser Chor singt „Lobt Gott ihr Christen“ und „Stille Nacht“. Frau Provinzialoberin ist schwer erkrankt und fährt nach Moritztal.80 Stiller Abschluß des Jahres 1945.

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Moritztal liegt in der Lausitz.

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Die Gravamina der Landstände – Neisse 1608

Die „Gravaministen” hieß man am Hofe Kaiser Rudolfs die schlesischen Fürsten und Stände, die sich auf einem Fürstentag in Breslau, am 6. Juni 1608, erneut auf eine Liste von Beschwerden einigten, fünfzehn dieses Mal; ihre Gesandten legten sie in Prag dem Kaiser vor. Dessen endgültige Antwort war der schlesische Majestätsbrief ein Jahr später.1 Merkwürdigerweise stellten die Landstände des bischöflichen Fürstentums Neisse nur drei Wochen vor dem Fürstentag, am 16. Mai 1608, in der bischöflichen Residenzstadt Neisse ihre eigenen Gravamina zusammen, ebenfalls fünfzehn, diese gerichtet an das Breslauer Domkapitel; ihr Ziel war die Amtsführung des eben verstorbenen Bischofs Johannes von Sitsch. Diese als Ganzes unveröffentlichten Gravamina sind bisher nur einmal behandelt worden und zwar in Beziehung zu einem Gerichtsverfahren gegen den bischöflichen Hofrichter Heinrich von Buchta.2 Wir können als primäres Motiv der Landsassen ihre Unzufriedenheit mit der Regierung des Bischofs, einschließlich der Korruption eines bischöflichen Beamten, akzeptieren. Hier wird jedoch die These vertreten, dass andere Beweggründe am Werk waren 1

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Das sarkastische Epitheton erwähnt Christian TREWLICH (M. Kaspar TITSCHARD), Loci communes schlesischer Gravamina, Drauß zuersehen, ob die vereinigten Evang: Fürsten und Stände in Schlesien neben der Stad Breßlau unrecht getan/ und ursache gehabt/die angebotene hülffe Koenigl: Mayt: und der Cron Schweden/vnnd der beyden Churfl: Durchl: zu Sachsen vnnd Brandenburg zu acceptieren/vnd sich vnter gewisse maß mit den Evangl: allyrten Reichs-Ständen zu Conjugieren, Breslau 1634, keine Paginierung, S. 16 nach meiner Zählung. Die Stationen von den Gravamina zum Majestätsbrief bei Gottfried Ferdinand BUCKISCH, Schlesische Religions-Akten 1517 – 1675, Regesten der Religions-Akten bearbeitet von Joseph GOTTSCHALK, Johannes GRÜNEWALD und Georg STELLER 2 (= Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 17/II), Köln-Weimar-Wien 1998, 133-148. Klemens LORENZ, Zur Landesverwaltung unter Johann VI. Sitsch, in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens (= ZVGS) 72 (1938), 235-246, hier 237-239; Lorenz gibt Teile des Textes wörtlich, andere zusammenfassend wieder.

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und die Neisser Gravamina vorrangig einen Platz im religiösen Konflikt jener Jahre hatten. Johannes von Sitsch, Bischof von Breslau3 Der Breslauer Bischof Johannes VI. von Sitsch starb nach kaum achtjähriger Amtszeit am 25. April 1608, an der Schwindsucht leidend, 55 Jahre alt, in seiner Residenzstadt Neisse und wurde dort wie sechs seiner Vorgänger in der Pfarrkirche St. Jakobus begraben, wo man ihm eines der großartigsten Denkmäler der Renaissance in Schlesien setzte.4 Er war einer von nur zwei im Bistumsland um Neisse geborenen Breslauer Bischöfen. Sein Geburtsort Stübendorf liegt keine 20 km westlich der Stadt. Sein Geschlecht war seit Jahrhunderten im Neisser Fürstentum ansässig, dessen Mitglieder standen wiederholt in bischöflichen Diensten. In der Amtszeit des Bischofs lagen mehrere Landgüter des Neisser und Ottmachauer Landes in Händen seiner

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Ein Verzeichnis der Quellen zu Johannes von Sitsch erscheint am Ende dieses Aufsatzes. Behandlungen: Eine Biographie besteht nicht, auch kein Artikel in ADB oder NDB. Frühere Autoren über Johannes von Sitsch zusammengestellt bei Marek SIKORSKI, War der Breslauer Bischof Johannes Sitsch (1600 – 1608) ein Kunstmäzen? in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 46 (1988), 77-89, hier 78, Anm. 2. Hinzufügen kann man Józef MANDZIUK, Historia kosciola katolickiego na Slasku 2: Czasy reformancji protestanckiej reformy katolickiej i contrreformacji 1520 – 1742, Warszawa 1995, 73f., 77, 84, 96; berichtigend zum Studium in Italien s. Claudia ZONTA, Schlesische Studenten an italienischen Universitäten, Stuttgart 2004, 409f. Das Wesentliche über Sitsch schon bei Gottlieb FUCHS, Versuch einer Reformationsgeschichte des Fürstenthums und der bischöflichen Residenzstadt Neisse mit den dazu gehörigen Beweisen, Breslau 1775, 46-48, und August KASTNER, Actenmässige Beiträge zur Geschichte des Bisthums Breslau von 1599 bis 1649 (= Archiv für die Geschichte des Bisthums Breslau 3), Neisse 1863, xviii-xxii. Zu Sitsch als Domkapitular s. Gerhard ZIMMERMANN, Das Breslauer Domkapitel im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation 1500 – 1600 (= Historisch-Diplomatische Forschungen 2), Weimar 1938, 519521, und Romuald WAGNER, Beiträge zur Geschichte des Bischofs Johann von Sitsch, in: ASKG 4 (1939), 209-221; zur Finanzwirtschaft s. Bronisław TURON, Z dziejów kancelarii biskupów wrocławskich w Nysa w latach 1601 – 1700, in: Sobótka 19 (1964), 88-96, besonders 91f., 94f.; als Bauherr und Mäzen s. den in dieser Anmerkung zitierten Aufsatz von SIKORSKI; zur Rolle im Religionskonflikt s. Joachim KÖHLER, Das Ringen um die tridentinische Erneuerung im Bistum Breslau. Vom Abschluß des Konzils bis zur Schlacht am Weißen Berg 1564 – 1620 (= Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 12), 3, 70, 80, 88, 106f., 121-123, 127-129, 169, 177, 189, 206f., 227, 229, 247f., 266f., 270, 281. Geboren 18.8. 1552, Domherr 1569, Dompropst 1585, Wahl zum Bischof 18.7. 1600, Besitznahme des Bistums in Breslau 21.2. 1601, Übernahme der weltlichen Herrschaft und Huldigung der Neisser und Ottmachauer Landschaft in Neisse 20.3. 1601, Weihe in Breslau 23.9. 1601.

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Verwandten.5 Im Gegensatz zu den Bischöfen der vorausgehenden anderthalb Jahrhunderte, von denen einige von weit her einen Weg nach Breslau fanden, war er also ein Ansässiger nicht nur des Bistums, wie es einige der schlesischen Fürsten kürzlich wieder gefordert hatten, sondern auch des Fürstentums Neisse, des vom Bischof als weltlichem Herrscher regierten kleinen Teiles des Bistums Breslau.6 Johannes von Sitsch besuchte das Neisser Pfarrgymnasium, erhielt schon als 17jähriger ein Domkanonikat, studierte Philosophie in Krakau und die Rechte in Wien, immatrikulierte sich, anscheinend auf der Rückreise von Rom, an der Universität Padua, diente von 1585 an als Dompropst, d.h. Vor5

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WAGNER, Beiträge Sitsch, 9f.; Bernhard W. SCHOLZ, Das geistliche Fürstentum Neisse (= Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 42), KölnWeimar-Wien 2011, 212f., 331. Daß der Bischof ein Einheimischer sein sollte, war der Inhalt einer „Protestation” an Kaiser Rudolf vom 2. Juni 1600, 6 Wochen vor der Wahl des Johannes Sitsch zum Bischof, unterzeichnet von vier der „unkatholischen Prinzipalisten”, einschließlich der Herzöge von Münsterberg/Oels und Liegnitz/Brieg. Nach Buckisch regte sie dazu der Gedanke an, daß die Fremden eifriger in der Religion, während die Einheimischen mit den Praktiken der Evangelischen aufgewachsen und an diese gewohnt waren. Das Schreiben erinnerte auch, daß der Kaiser dem Bischof gewöhnlich das Oberamt und damit „das höchste Regiment dieses Landes” übertrug; Gottfried Ferdinand BUCKISCH, Schlesische Religions-Akten 1517 – 1675 1 (ungedruckt, s. Quellenverzeichnis Sitsch am Ende dieses Aufsatzes), Kap. 14 m. 2, 11541161, bes. 1153, 1156; GOTTSCHALK, Schlesische Religions-Akten 1517 – 1675 2, 121 (hier nur ein kurzer Hinweis). S. a. „Ob bey dero Bischofflicher Wahl und Ertheilung der Geistlichen beneficien einig und allein die Einländischen zu bedenken”; Jakob SCHICKFUSS, New vermehrte schlesische Chronica unnd Landes Beschreibung, Jena 1625, Buch 3, Kap. 6, 4351. Diese Forderung war damals schon mehr als ein Jahrhundert alt. Der Kolowratische Vertrag vom 3.2.1504 forderte in seinem ersten Paragraphen, daß der Bischof von Breslau aus Böhmen, Mähren, Schlesien, Ober- und Nieder-Lausitz oder anderen Ländern der Krone Böhmen stamme; G.A.H. STENZEL, Urkunden zur Geschichte des Bisthums Breslau im Mittelalter, Breslau 1845, Nr. 310, 369f. Die religiöse Spaltung verlieh offensichtlich diesem Desiderium Nachdruck, das Problem wurde erst akut bei der Wahl des Andreas von Jerin (die vier Vorgänger waren Schlesier); Anton NAEGELE, Andreas von Jerin, Fürstbischof von Breslau: Zeit- und Lebensbild eines Schwaben aus dem 16. Jahrhundert, in: Der Katholik 91 (1911), 4. Folge, Band 7, 23-45, 110-129, 280-294, 358-385, hier 39, 112f. Bei der Wahl des Paul Albert, ein Schwabe wie Jerin, am 5. Mai 1599 wünschte der Kaiser die Anwesenheit der Herzöge von Münsterberg/Oels und Liegnitz/Brieg, sie brachten aber Entschuldigungen vor, certis quibusdam argumentis et rationibus, weshalb sie nicht kommen könnten, Kapitelakten 4.5. 1599; KASTNER, Actenmässige Beiträge 1599 – 1649 (= Archiv 3), 329. Monate nach der Wahl des Paul Albert, aber noch vor der geplanten Weihe, auf der Versammlung der Fürsten und Stände am 20. Februar 1600, wollten diese über die anwesenden kaiserlichen Kommissare den Kaiser erinnern, daß der Kolowratische Vertrag „und des Vaterlandes Privilegien” die Wahl zum Bischof eines Ausländers nicht erlaube und dies bei der nächsten Wahl beachtet werden solle. Paul Albert nahm gegen diese Position noch bei gleicher Gelegenheit Stellung; KASTNER wie vorher, xvii-xviii, nach einer längeren Bemerkung, die Kastner zitiert, aus Jahrbücher der Stadt Breslau von Nikolaus Pol 5, hg. von J.G. KUNISCH, Breslau 1824, S. 1f.

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sitzender des Domkapitels,7 akzeptierte aber das bischöfliche Amt 1600 mit anscheinend ehrlichem Widerstreben, dem er in einem Brief an den Neisser Rat Ausdruck gab.8 Bei den Bischofswahlen 1596 und 1599 hatte man ihn übergangen, zugunsten seiner Mitkanoniker Bonaventura Hahn bzw. Paul Albert von Radolfzell, obwohl er schon fast drei Jahrzehnte dem Kapitel angehörte und mehr als ein Jahrzehnt als dessen Präsident diente. Er war weniger der Kandidat der schlesischen Fürsten und Stände, die jetzt bei der Wahl kaum noch eine Rolle spielten, sondern verdankte diese „dem festen Willen des Domkapitels, sich seine Wahlfreiheit zu bewahren”.9 Rudolf II. hatte einen anderen Kandidaten im Sinn, den Bischof von Wiener Neustadt, Melchior Klesl, führend in der katholischen Restaurationsbewegung. Ein baldiger Besuch des durch Akklamation einmütig Erwählten in Prag, unterstützt von einer Gesandtschaft des Kapitels, überzeugte freilich den Kaiser, Sitsch als Bischof zu akzeptieren. Er wurde dann auch bald zum schlesischen Oberlandeshauptmann ernannt. Als solcher bekämpfte er die „Umblauffer und Landtsbeschediger” und organisierte eine Streitmacht zum Schutz gegen entlassene Soldaten.10 Wenige spezifisch landesherrliche Initiativen in seinen 7

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„Sitsche de Stiberdorff”, August MÜLLER, Schüler des Neisser Pfarrgymnasiums aus dem 16. Jahrhundert, in: ASKG 11 (1953), 90-126, hier 101, 116 Anm. 203, im Zeitraum 155973. Zur Besetzung der Stelle 1585 äußerte sich der Nuntius in Graz Germanico Malaspina, Robert REICHENBERGER, Nuntiaturberichte aus Deutschland 2: Die Nuntiatur am Kaiserhofe 1 [1585-1590] (= Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte 10), Paderborn 1905, 135. Sitsch war anwesend beim Tode des Bischofs Andreas von Jerin am 5. November 1596 in Neisse, s. unten Anm. 65. KASTNER, Actenmässige Beiträge 1599 – 1649 (= Archiv 3), xix-xx, von Breslau aus, 7.8. 1600, Antwort auf die Gratulation des Neisser Rats; nach WAGNER, Beiträge Sitsch, 221, befand sich ein Glückwunschbrief des Neisser Magistrats im Archiv der Abtei Grüssau (Formelbuch des Jakob Bauke, 1638, F. 8b, 9b). Obwohl vom Kaiser als genehm erklärt, verzichtete Sitsch 1596 auf die Kandidatur. Hubert JEDIN, Die Krone Böhmen und die Breslauer Bischofswahlen 1468 – 1732, in: ASKG 4 (1939), 165-208, hier zitiert nach dem Nachdruck in DERS., Kirche des Glaubens, Kirche der Geschichte. Ausgewählte Aufsätze und Vorträge 1, Freiburg-Basel-Wien 1966, 413-452, hier 429-432, Zitat 431. Aber „… nicht nur die ‘libertas electionis’ des Breslauer Domkapitels [stand] auf dem Spiel, sondern die Achtung der schlesischen Landesprivilegien überhaupt”; Joachim BAHLCKE, Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit (= Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 3), München 1994, 259. Die Ernennung zum Oberhauptmann durch Kaiser Rudolf am 22.11. 1600, Fürstentagsbuch 1600-1602, Archiwum Archidiecezjalne we Wrocławiu (= AAW) VI a 11, f. 2v-3v. Ein „Patent wegen der Lands- und Gartknechte” des bischöflichen Oberhauptmanns vom 25. März 1605 und dann wieder, mit Berufung auf das frühere, eines vom 13. Januar 1606 befaßten sich mit Maßnahmen gegen die „Umblauffer und Landtsbeschediger”, Fürstentagsbücher 1603-1606, AAW VI a 12, zwischen f. 537 und 538 und f. 665 und 666, in beiden Fällen der Handschrift ein gedrucktes Exemplar eingeheftet. 1607 bot Bischof Sitsch als Oberamthauptmann 2000 Reiter und 1600 Volk zu Fuß auf zum Schutz gegen entlassene Soldaten; Felix RACHFAHL, Die Organisation der Gesamtsstaatsverwaltung Schlesiens vor dem Drei-

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acht Regierungsjahren sind überliefert. Die Rechnungsbücher der bischöflichen Kanzlei in Neisse weisen auf eine emsige Finanzverwaltung, auf sparsame Wirtschaft die 8400 Taler in bar, die er bei seinem Tode hinterließ.11 Er war ein Freund der Künste, auf jeden Fall ein eifriger Bauherr, in Ottmachau wird ihm der Umbau des Rathausturms und der Bau einer Kapelle zugeschrieben – die Familie der Sitsch hatte ihre Grabkapelle in der Ottmachauer Nikolauskirche – und eines der markanten Bauwerke in Neisse – die Kämmerei – entstand in seiner Regierungszeit (1602 – 1604).12 Die Heinrichskapelle in der Jakobuskirche ließ er schon zu Lebzeiten als seine Grabkapelle einrichten, er stiftete das Grabmal aus Sandstein, das ihn in liegender Gestalt zeigt.13 Was seine kurze Regierungszeit vor allem kennzeichnete und von der seiner Vorgänger unterschied, war sein strenges Vorgehen gegen die Protestanten.14 Schon die Bischöfe Gerstmann und Jerin unmittelbar vor ihm hatten mit der katholischen Reform begonnen, aber von Gerstmann konnte man noch behaupten, er sei den Lutheranern mehr zugetan als den Katholischen und Jerins Reformen waren vor allem nach innen gerichtet, zielten auf neue (Pädagogium S. Andreae, Jesuitenkolleg und -seminar) oder verbesserte (Neisser Priesterseminar) Institutionen.15 Bischof Sitsch aber war die restau-

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ßigjährigen Kriege (= Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen 13, Heft 1), Leipzig 1894, 179 Anm. 6. GOTTSCHALK, Buckisch Schlesische Religions-Akten 1517 – 1675 2, 121 Anm. 164; TURON, Z dziejów kancelarii biskupów wrocławskich (wie Anm. 3), 91f., 94f.; August KASTNER, Geschichte der Stadt Neisse mit besonderer Berücksichtigung des kirchlichen Lebens in der Stadt und dem Fürstenthum 2, 1608 – 1655, Neisse 1853, 7 (die Bargeldsumme, nach einem Briefe des Johann Jakob von Lamberg, Bischof von Gurk, 23.1. 1609, ATOeStA/HHStA HausA Familienkorrespondenz A 8-11, Folio 91v). Josef JUNGNITZ (Hg.), Visitationsberichte der Diözese Breslau. Archidiakonat Breslau 1, Breslau 1902, S. 123, 239, 563 (Kapelle in Ottmachau); 642 (er ist der fundator der Heinrichskapelle, jetzt nach ihm benannt, in der Neisser Jakobuskirche). Die Kämmerei gebaut „über einem von Ellerpfählen in dem sumpfigen Grunde geschlagenen Roste”; Ferdinand MINSBERG, Geschichtliche Darstellung der merkwürdigen Ereignisse in der Fürstenthums Stadt Neisse, mit einem Urkundenanhang, Neisse 1834, 112. SIKORSKI, Sitsch ein Kunstmäzen (wie Anm. 3), 81-83. Gottlieb FUCHS, HENSEL, WORBS, ZIEGLER, MINSBERG, WUTTKE (s. Anm. 3, 25, 17) bemerken alle seine scharfe Einstellung gegen die Protestanten, ebenso Johannes HEYNE, Dokumentierte Geschichte des Bistums und Hochstifts Breslau 1-3, Breslau 1860 – 1868, 3, 804f.; WAGNER, Beiträge Sitsch (wie Anm. 3), 15. Eine positive Beurteilung bei Franz Xaver SEPPELT, Geschichte des Bistums Breslau (= Real-Handbuch des Bistums Breslau 1), Breslau 1929, 65f. Hubert Jedin fand ihn „wohlmeinend, aber für die stürmische Zeit doch wohl zu wenig aktiv[e]”, JEDIN, Die Krone Böhmen, 431. RACHFAHL, Die Organisation der Gesamtstaatsverwaltung, 158, Anm. 1, nach einer Handschrift des Breslauer Staatsarchivs. Zu Jerins Reformen, Johannes SOFFNER, Geschichte der Reformation in Schlesien, Breslau 1887, 394-397, Josef JUNGNITZ, Die Breslauer Germaniker, Breslau 1906, 11f., 14, NÄGELE, Andreas von Jerin (wie Anm. 6), 116-129, KÖHLER, Tridentinische Erneuerung, 121-123.

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ratio catholicae religionis das wesentliche Anliegen im Amt.16 Gerade in den Jahren seiner Regierung widmeten sich die Nachbar-Bischöfe in Böhmen und Mähren mit Energie dem Projekt der Rekatholisierung: der Erzbischof von Prag Zbyněk Berka z Dubé (1592 – 1606), besonders durch die Synode von Prag 1605, der Bischof Franz Dietrichstein (1600 – 1636) in Olmütz.17 Sitsch schärfte das Verbot von Kirchenbau ohne bischöfliche Erlaubnis ein, was offensichtlich gerade die evangelischen Grundherren betraf, und veranlasste ein „kaiserliches Strafmandat” gegen die Breslauer wegen der Überweisung kalvinistischer Bücher an Breslauer und Schweidnitzer Bibliotheken.18 Wenn er auch nicht der Initiator war, so bemühte er sich doch um die Gründung eines Jesuitenkollegs in Glogau.19 1602 ordnete er die Visitation der Pfarreien des Bistums an und in diesem Zusammenhang die Abfassung einer Visitationsordnung durch den Breslauer Archidiakon Balthasar Neander; die Ergebnisse der Visitationsberichte standen auf der Tagesordnung einer Diözesansynode am 3. Oktober 1606. Zweck der Visitationen und der Synode war die Rückkehr der vom katholischen Glauben Abgefallenen, wie er den Papst

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An Papst Paul V., 6.11. 1605, A.O. MEYER, Zur Geschichte der Gegenreformation in Schlesien, in: ZVGS 38 (1904), 351-361, hier 357, 359. Sitsch war „eigentlich der erste unter den Breslauer Bischöfen seit der Reformation, der … mit einer gewissen Energie die Prinzipien der kirchlichen Reaktion geltend zu machen versucht hatte”; Colmar GRÜNHAGEN, Schlesien unter Rudolf II. und der Majestätsbrief 1574 – 1609, in ZVGS 20 (1886), 54-96, hier 81. „Unter dem Bischofe Johann VI von Sitsch … nahmen die Verfolgungen überhand”, Heinrich WUTTKE, König Friedrich des Grossen Besitzergreifung von Schlesien und die Entwicklung der öffentlichen Verhältnisse bis 1740, 1-2, Leipzig 1842, 1, 245. In der Regierungszeit des Johannes Sitsch „begann die Gegenreformation im Sinne von Zurückeroberung verlorener Territoriern mit Hilfe des brachium saeculare”, KÖHLER, Tridentinische Erneuerung, 3. Rekatholisierung Böhmens: Anton GINDELY, Geschichte der Gegenreformation in Böhmen, Leipzig 1894, Georg JAECKEL, Die staatsrechtlichen Grundlagen des Kampfes der ev. Schlesier um ihre Religionsfreiheit 1, in: Jahrbuch für schlesische Kirche und Kirchengeschichte N.F. 37 (1958), 102-136, hier 117. Winfried EBERHARD, Entwicklungsphasen und Probleme der Gegenreformation und katholischen Erneuerung in Böhmen, in: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 84, 1-4 (1989), 235-57, hier 242, und Zdeněk KALISTA, Die katholische Reform von Hilarius bis zum Weissen Berg, in: Bohemia Sacra. Das Christentum in Böhmen 973-1973, Düsseldorf 1974, 110-44, hier 142-144. Rekatholisiering anderswo in Schlesien: Jörg DEVENTER, Gegenreformation in Schlesien. Die habsburgische Rekatholisierungspolitik in Glogau und Schweidnitz 1526 – 1707, in: Neue Forschungen zur schlesischen Geschichte 8, Köln-Weimar-Wien 2003, 246319. Unter Sitsch als Dompropst nahm das Kapitel „lebhaften Anteil an der Besserung der religiösen Lage der katholischen Kirche in Schlesien“, WAGNER, Beiträge Sitsch, 213. Auszüge aus den Kapitelakten 1602 und 1603, August KASTNER, Beiträge zur Geschichte des Bisthums Breslau von 1500-1655 (= Archiv für die Geschichte des Bisthums Breslau 1), Breslau 1902, 139-142. KÖHLER, Tridentinische Erneuerung, 246-248, die Quellen dort in Anm. 108-113.

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wissen ließ.20 Er behauptete im gleichen Schreiben, „von öffentlichen Ämtern und Ehrenposten habe ich die Sektierer entfernt und an ihre Stelle Katholiken gesetzt.”21 Das konnte sich aber nur auf die ihm als Landesherrn unterstehenden Gebiete beziehen. Den Bischofsuntertanen untersagte er den Besuch evangelischer Gottesdienste außerhalb der Grenzen dieser Territorien.22 Schon als Bistumsadministrator schloss er Neisser, die nicht in der Pfarrkirche an Beichte und Kommunion teilnahmen, von Taufe, Trauung und katholischem Begräbnis aus und befahl im Grottkauer Land die Vertreibung eines evangelischen Predigers.23 In der Anwendung der Mittel hatte er weniger Skrupel als seine beiden Vorgänger. Er bediente sich des weltlichen Arms gegen die Evangelischen, 20

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Visitationsordnung des Balthasar Neander AAW 2 b 25 1(= Erstes Stück), f. 1r-8r; MEYER, Gegenreformation in Schlesien, 357, 359 (an Klemens VIII., 6.11. 1605). Die Synode befaßte sich vor allem mit den temporalia der Pfarreien und wies die Pfarrgeistlichen an, Inventare und Einkommenverzeichnisse anzulegen, JUNGNITZ, Visitationsberichte 1, 4. Visitationsberichte von 1606 und Statuten der Synode sind nicht erhalten, KASTNER, Beiträge 1500 – 1655 (= Archiv 1), Abschnitt 3 „Diözesansynoden 1500-1655”, 238-251, hier 245-247. Jakub SAWICKI, Synody diecezji wrocławskiej i ich statuty (= Concilia Poloniae. Zródła i studia krytyczne 10), Wrocław 1963, 278-282. KÖHLER, Tridentinische Erneuerung, 206f., 227. Die 35 Statuten der Prager Synode 1605 wurden noch im gleichen Jahr am Feste des hl. Wenzel (28.9.) in einem Buch von 268 Seiten mit einem ganz ausführlichen Index veröffentlicht: Synodus archidioecesana Pragensis, Prag 1605; dort S. 13 wie sich katholische Barone und Adlige gegenüber häretischen Untertanen und Bediensteten verhalten sollten. „a publicis muniis et honoribus sectarios removi et catholicis credidi”, MEYER, Gegenreformation in Schlesien, 357. „den bischöflichen Untertanen wurde durch ein strenges Edikt der Besuch lutherischen Gottesdienstes jenseits der Grenzen untersagt”, SEPPELT, Geschichte des Bistums Breslau, 65, die Quelle für diese Beobachtung mir unbekannt. FUCHS, Versuch einer Reformationsgeschichte (wie Anm. 4), 47; der Text der beiden Mandate als Bistumsadministrator, 47, Anm. 1, und 323; WAGNER, Beiträge Sitsch, 215f. Sitsch behauptete auch, die Zahl der Katholiken in den Städten der Diözese sei jetzt größer als unter irgendeinem seiner Vorgänger seit Ausbreitung des Luthertums, MEYER, Gegenreformation in Schlesien, 357. Die Zahl der Kommunikanten unter einer Gestalt, d.h. Katholiken, war aber in Neisse im Jahre 1600 auf 184 (1596 noch 2002) heruntergegangen, Johannes Felix PEDEWITZ, Historia ecclesiastica ecclesiae parochialis S. Jacobi Nissae, hg. von Bernhard RUFFERT (= 31. und 32. Bericht der wissenschaftlichen Gesellschaft Philomathie zu Neisse 1905), 75f. Nach Gottlieb Fuchs gab es 1626 363 evangelische Bürger, mehr als 1610, eine Zählung war am 29.4. vom Bistumsadministrator Breiner angeordnet worden, FUCHS, Versuch einer Reformationsgeschichte, 114f. Die Statusberichte des Bischofs von 1603 und 1607 zeigen dem Papst die bischöflichen Reformtätigkeiten an, Auszüge bei KÖHLER, Tridentinische Erneuerung, 122-123, und die Regesten 364f. und 367f., ausführliche Wiedergabe des Inhalts bei Joseph SCHMIDLIN, Die kirchlichen Zustände in Deutschland vor dem Dreißigjährigen Kriege nach den bischöflichen Diözesanberichten an den Heiligen Stuhl (= Erläuterungen und Ergänzungen zu Janssens Geschichte des deutschen Volkes, hg. von Ludwig PASTOR 7), Freiburg 1908-1910, 536-544, die vollen Dokumente im Vatikanischen Archiv nicht gesehen.

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wie im angeführten Falle der Breslauer. Seine Intervention gegen die Evangelischen in Glogau fand in Zusammenarbeit mit der kaiserlichen Regierung statt. Als er dort im März 1603 an der Spitze einer Kommission erschien, brachte er angeblich hundert Soldaten mit.24 Im September 1607 mahnte Sitsch als Oberlandeshauptmann die Bürger des von den Kaiserlichen belagerten Troppau, in der Olmützer Diözese gelegen, zur Kapitulation; das Regiment des Obersten Friedrich von Geißberg besetzte die Stadt und die Stadtpfarrkirche wurde wieder den Katholiken übergeben.25 Er nahm also offensichtlich die Anwendung militärischer Gewalt im Interesse der katholischen Restauration in Kauf. Sitsch sprach mit unverhohlener Animosität über Luther, der das virus haereticum gesät hatte, ein Gift, das die Schlesier jetzt ernteten, und urteilte hart über den Opportunismus der schlesischen Fürsten und Stände: sie hätten sich leicht zum neuen Glauben überreden lassen, wie alle Autoren übereinstimmten, in der Hoffnung, dann ungehindert Kirchengüter in private umwandeln zu können.26 Der Bischof erlaubte sich einen lei24

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Johann Adam HENSEL, Protestantische Kirchengeschichte der Gemeinen in Schlesien, Leipzig-Liegnitz 1768, 229-240; Johann Gottlob WORBS, Die Rechte der evangelischen Gemeinden in Schlesien an den ihnen im 17. Jahrhunderte gewaltthätig genommenen Kirchen und Kirchengüter geschichtlich dargestellt, Sorau 1825, 14 (was man von Sitsch dachte), 14-18 (Glogau); J(ulius) BERG, Die Geschichte der schwersten Prüfungszeit der evangelischen Kirche Schlesiens und der Oberlausitz, d.i. der Zeit von Einführung der Reformation bis zur Besitznahme Schlesiens durch König Friedrich d. Gr., Jauer 1857, 47-61 über Maßnamen gegen die Evangelischen; Heinrich ZIEGLER, Die Gegenreformation in Schlesien (= Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 24), Halle 1888, 20, 26. Carl WEIGELT, Der Kirchenstreit in Groß-Glogau 1564-1609, in: ZVGS 22 (1888), 25-73, die Ereignisse in der Zeit des Johannes Sitsch, 60-70, seine Quelle Tschirschnitz: Annales Glogovienses Bd. 2, nicht gesehen; DEVENTER, Gegenreformation in Schlesien (wie Anm. 17), 126-129. GOTTSCHALK, Buckisch Schlesische Religions-Akten 1517-1675 2, 124f. Das war „Das erste Beispiel einer gewaltsamen kirchlichen Reaktion, sogar unter dem Beistande militärischer Macht”, GRÜNHAGEN, Schlesien unter Rudolf II. (wie Anm. 16), 73-76, Zitat 73. Das bischöfliche Fürstentum hatte zur Bezahlung dieses Regiments beigetragen, s. LORENZ, Landesverwaltung Sitsch, 240, Anm. 16. Gottlieb FUCHS, Materialien zur evangelischen Religionsgeschichte des Herzogthums Troppau, Breslau 1771, 19-24. Ausführlich über die Troppauer Episode Gottlieb BIERMANN, Geschichte der Herzogtümer Troppau und Jägerndorf, Teschen 1876, 282-311; 299 (die Mahnungen des Bischofs von Breslau, die Quelle 295, Anm. 3). Der Bischof handelte hier in seiner Rolle als Oberlandeshauptmann, Troppau gehörte politisch zu Schlesien, kirchlich zu Olmütz. Bestrebungen zur Rekatholisierung schritten fort in mehreren Malteser-(Johanniter) Kommenden, in Lossen, Kreis Trebnitz, 1601, im Stift Liebenthal, Fürstentum Jauer, Weichbild Löwenberg, Lehnsherr die Kommende Löwenberg 1606, 1607, Evangelische wurden eingekerkert, durch die Einspänner bedrängt, GOTTSCHALK, Buckisch Schlesische Religions-Akten 1517-1675 2, 121-124, 128130. 1601 vertrieb Abraham von Dohna die lutherischen Geistlichen auf seiner Herrschaft Polnisch-Wartenberg, Goschütz und Bralin, ZIEGLER (wie Anm. 19), 26. Statusbericht 1.9.1603, Auszüge bei KÖHLER, Tridentinische Erneuerung, 128, 364 Regest 210; zusammengefaßt bei SCHMIDLIN, Die kirchlichen Zustände, 539-540.

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denschaftlichen Ausbruch, an den man sich noch 30 Jahre später im Domkapitel erinnerte, gegen den Kanoniker Sebastian Hartmann, als in der Filiale Hünern des bischöflichen Dorfes Kapsdorf, das Hartmann betreute, ein evangelischer Adliger die erste evangelische Kirche jener Gegend errichtete.27 Für den Verzicht auf Nachsicht und Langmut seiner Vorgänger in der Behandlung der Evangelischen sprachen ihm Papst und Kaiser ihre Anerkennung aus.28 Die Amtsführung des Bischofs Sitsch erfuhr Kritik von mehreren Seiten, zum Teil erst nach seinem Tode. Dass ihn der Nuntiaturgeschäftsträger in Prag Sebastiano Lamberto Fornari und dann auch der Nuntius Antonio Caetani der Lässigkeit gegenüber den Evangelischen bezichtigten, war nicht gerechtfertigt; es brachte dem Bischof unverdiente Mahnbriefe der Päpste Klemens VIII. und Paul V. ein.29 Arnold Oskar Meyer vermutete, dass dem Bischof als Oberlandeshauptmann dienende Räte evangelischer Konfession den Argwohn der Prager Nuntiatur und durch diese der Päpste erregten.30 Solcher Kritik hatte schon zwei Jahrzehnte zuvor Bischof Andreas von Jerin in einem Brief an den apostolischen Nuntius versucht den Boden zu entziehen: „Was meine Räte betrifft, … ist mir nichts lieber, als daß sie alle der katholischen Religion im höchsten Grade ergeben sind. Aber mein Amt ist zweifacher Art, nämlich das eines Bischofs und das eines Hauptmanns seiner hochheiligsten kaiserlichen Majestät. Diese beiden Rollen sind verschieden und doch miteinander verbunden…. Die Verwaltung der kaiserlichen Hauptmannschaft erfordert Männer, die mit den Gesetzen und Gewohnheiten Schlesiens vertraut sind, Leute von ausgezeichneter Gelehrsamkeit, bekannt wegen ihres langen Dienstes und ihrer Erfahrung, die dem Oberlandeshauptmann beim Anhören und Ausführen von Regierungsgeschäften der ganzen Provinz seiner kaiserliche Majestät, sowohl öffentlichen als privaten, je27

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JUNGNITZ, Visitationsberichte 1, 140, Kapsdorf (Kryniczno) und Hünern (Psary) bei Trebnitz, DERS., Germaniker, 80-82; Akten des Generalkapitels 26.1. 1611 (das Kapitel ermahnt den Bischof, die Kirche abzureißen, KASTNER, Beiträge 1500 – 1655 (= Archiv 1), 143f. Paul V. 16.12.1605, MEYER, Gegenreformation in Schlesien, 360f. Rudolf II. an Johannes Sitsch, 14.9.1603, der Brief bei HENSEL, Protestantische Kirchengeschichte, 239, Antwort auf einen bischöflichen Brief vom 17.8. Hensel glaubte, Sitsch wollte die Protestanten beim Kaiser in Ungnade bringen und verursachte so „in der Religion mehr Beschwerden”, ebd. MEYER, Gegenreformation in Schlesien (wie Anm. 16), 351-361, der Brief des Fornari 352f., der Päpste 354-356; JEDIN, Die Krone Böhmen (wie Anm. 9), 432, Anm. 76; Kritik des Kardinals Caetani wegen der evangelischen Räte: Milena LINHARTOVÁ (Hg.), Epistulae et acta Antonii Caetani 1607 – 1611 1-3, Prag 1932-40 (= Epistulae et acta nuntiorum apostolicorum apud imperatorem 1592-1628 4), 1, 326. MEYER, Gegenreformation in Schlesien, S. 355.

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derzeit beistehen und mit Vertrauen einflößendem Rat gewissenhaft und treu helfen mögen. Bei den Räten des Oberlandeshauptmanns kann ich keinen Unterschied machen, wenn sie sich zur Augsburgischen Konfession bekennen; ohne diese komme ich als Bischof sehr gut aus, als Oberlandeshauptmann aber durchaus nicht. Ich bin nicht der erste, der sich solcher Leute bedient, sie haben allen meinen Vorgängern seit Jahren gedient, so daß nur ihnen die Angelegenheiten der Provinz bekannt und verständlich sind. Und obwohl es jenen, die im sicheren Hafen schiffen, leicht fällt, Reden über den Sturm zu halten, sind die Dinge für die Schiffbrüchigen außerordentlich schwierig, und das ist mein und meiner Vorgänger Schicksal. Ich habe nicht gefehlt in der kurzen Zeit, in der die (Breslauer) Kirche in meiner Hand liegt, überall nach katholischen Räten und Hauptleuten zu suchen, um Katholiken in den höchsten Stellungen meines Amtes zu haben, und meine größte Sorge war und ist, auf welche Weise ich solche Räte finden kann, Männer, welche die Geschäfte seiner kaiserlichen Majestät und der Provinz verstehen und der schwierigen und gefährlichen Aufgabe gewachsen sind.“31 Einen Schatten auf das Regime des Johannes Sitsch wirft dann ein Gerichtsverfahren der bischöflichen Dörfer um Neisse vor dem fürstlichen Kammergericht. Es begann noch im ersten Amtsjahr seines Nachfolgers, Erzherzog Karl von Österreich und richtete sich gegen den Hofrichter Heinrich von Buchta, den zwar schon Albert Paul eingesetzt hatte, der aber während der ganzen Regierungszeit des Bischofs seine Stellung behauptete und sie zu persönlicher Bereicherung auf Kosten der bischöflichen Landleute ausnützte.32 Als Buchta die Bauern zwang, Auen und Anger zu kaufen, profitierte nicht nur er selbst, sondern auch der Bischof. Schließlich beklagten sich 31

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MEYER, Gegenreformation in Schlesien, 348-350, im Brief des Andreas von Jerin an den Nuntius Philipp von Sega vom 10.6. 1586; Übersetzung des Verfassers. Auch der Nuntius am Kaiserhof Giovanni Franceso Bonomi beanstandete die Verwendung evangelischer Beamter am Hofe des Bischofs, KÖHLER, Tridentinische Erneuerung, 330, Regest 49. (November 1583). Das Ausmaß der Verantwortlichkeiten des Oberamtshauptmanns als Statthalter und höchster Beamter des Königs war beträchtlich, er mußte ihnen gerecht werden mit den ihm als Landesherr zur Verfügung stehenden Organen und Beamten, RACHFAHL, Die Organisation der Gesamtstaatsverwaltung Schlesiens, 155-186, hier 182; s. auch den Abschnitt Bischöfe als Oberlandeshauptleute in KÖHLER, Tridentinische Erneuerung, 53-57. Kaspar von Logau beschreibt einmal die Tätigkeiten des Oberamthauptmanns, August KASTNER, Von dem Tridentiner Concilium bezüglich Schlesien, in DERS., Beiträge 1500 – 1655 (= Archiv 1), 228-237, hier 230f. Lorenz konnte seine erste Amtshandlung als Hofrichter am 19.11. 1599 in einer Handschrift des Breslauer Staatsarchivs identifizieren, LORENZ, Landesverwaltung Sitsch, 241 Anm. 18. Zur Beziehung der Buchta-Affaire zu den Neisser Gravamina, s. unten den Abschnitt „Die Gravamina von 1608 und die Delikte des Hofrichters Heinrich Buchta (1599 – 1609)”.

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drei Wochen nach dem Tode des Johannes Sitsch die Landstände des Fürstentums über die Regierung des Verstorbenen. Die Fragen, die hier beantwortet werden sollen, sind: Was hatten die Landstände an Bischof Sitsch auszusetzen, und was veranlasste sie, ihre Beschwerden, als der Bischof schon im Grabe lag – Gravamina gegen einen Toten waren doch ungewöhnlich! –, in einer Klageschrift förmlich und öffentlich vorzulegen?

Die Gravamina der Landschaft vom 16. Mai 1608 Als „einer vom Adel aus dem Lande Schlesien”, schien Johannes von Sitsch ein Kandidat nach dem Herzen der schlesischen Fürsten und Stände.33 Mit den Verhältnissen in Stadt und Land des bischöflichen Territoriums war er offensichtlich von Jugend auf vertraut. Seine Gönnerschaft und Stiftertätigkeit in Ottmachau und Neisse bezeugen eine warme Beziehung zu den beiden wichtigsten Bischofsstädten. Der Besuch des Neisser Pfarrgymnasiums an der Jakobuskirche in den 1560er Jahren brachte einen mehrjährigen Aufenthalt in der Stadt mit sich. Während der späten 1590er Jahre diente er als einer von zwei Administratoren und wohnte dabei auf längere Zeit in der bischöflichen Residenzstadt. Seine Verwandten saßen auf Gütern in der Neisser Gegend. In den Bauernunruhen während seiner Regierungsjahre in Dörfern des Adels und des Bischofs ergriff er die Partei der Gutsbesitzer. Aufrührerische Bauern wurden eingekerkert, im Streit mit den Gutsherrn wiesen sie den Bischof als Schiedsrichter zurück, einen Anführer ließ Sitsch hinrichten.34 Deshalb verwundert es umso mehr, dass innerhalb von drei Wochen nach seinem Tode die Neisser Landstände eine „Kritik von ungewöhnlicher Schärfe” an der landesherrlichen Herrschaft des Bischofs übten.35 Sitsch wurde am 7. Mai in der Neisser Jakobuskirche bestattet. Domherren aus dem Breslauer Kapitel, dürfen wir annehmen, waren dabei die prominenten Vertreter der Geistlichkeit, wie auch der Propst des Kreuzherrenstift in der Neisser AltStadt, der auf Anweisung der Administratoren den Klerus im Neisser Kom-

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S. oben Anm. 6. ANONYM, Der Bauernaufstand in Groß-Kunzendorf (1605 – 1615), in: Heimatblätter des Neissegaus 9, Nr. 6 (Juni 1933), 37-39, nach einer heute verlorenen Handschrift des Breslauer Staatsarchivs; Klemens LORENZ, Schlesische Bauernunruhen. Mit besonderer Berücksichtigung des Neisser Landes 1-4, in: Heimatblätter des Neissegaus 12, Nr. 1-2 (JanuarFebruar 1936), 5-6; Nr. 3 (März 1936), 17-19; Nr.5 (Mai 1936), 36-38; Nr. 6-7, (Juni-Juli 1936), 49-51, hier Nr. 1-2, 5f.; SCHOLZ, Das geistliche Fürstentum Neisse, 142. LORENZ, Landesverwaltung Sitsch, 237.

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missariat zur Teilnahme an der Bestattung drängte.36 Auch die Mitglieder der Regierung konnten kaum fehlen. Am 16. Mai versammelten sich dann die Stände in Neisse – sie traten immer nur auf Einladung der bischöflichen Regierung zusammen –, um den Administratoren des bischöflichen Fürstentums, zwei Mitgliedern des Domkapitels, die Erbhuldigung, das homagium, zu leisten, durch Handschlag übrigens, was diesen Akt vielleicht von der Erbhuldigung gegenüber dem Fürsten unterscheidet, die man mit erhobener Rechten leistete.37 Das war eine zweite Haupt- und Staatsaktion innerhalb von zehn Tagen, an der zweifellos auch wieder Mitglieder der bischöflichen Regierung teilhatten. Bei dieser Gelegenheit setzten die Landstände – sie bestanden aus den großen Landbesitzern und den Vertretern der bischöflichen Städte – in fünfzehn Punkten eine Liste ihrer Beschwerden auf, im Titel als gravamina bezeichnet. Sie beriefen sich auf die Vakanz auf dem bischöflichen Thron und richteten sie an das Breslauer Domkapitel.38 Die Vakanz dauerte eigentlich nur vom 25. April bis 7. Juli, an letzterem Datum wurde Erzherzog Karl von Österreich zum Breslauer Bischof gewählt. Da er erst am 15. Dezember im Breslauer Dom installiert wurde, erledigten die beiden bischöflichen Administratoren und das Kapitel auch in den ersten fünf Monaten des Bischofs

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Sein Brief an den Klerus in KASTNER, Actenmässige Beiträge 1599 – 1649 (= Archiv 3), xxxxi; Kastner entnahm den Brief einem Liber commissariatus Nissensis „im Neisser Kreisgericht” (S. 20 Anm. 1). Die Ernennung des Lagus und die Existenz des Amtes in Neisse gehen also nicht erst auf Bischof Karl zurück (so JUNGNITZ, Visitationsberichte 1, S. 4); zum Propst des Kreuzherrenstiftes zu dieser Zeit s. unten Anm. 71. Das Begräbnis eines Breslauer Bischofs ein paar Jahrzehnte früher beschreibt Kurt ENGELBERT, Beiträge zur Geschichte des Breslauer Bischofs Kaspar von Logau (1562 – 1574). Sein Tod und Begräbnis, in: ASKG 11 (1953), 65-89, hier 67-76. Der „Handschlag der Erbhuldigung” im Titel der Gravamina in der Fassung des Breslauer Diözesanarchivs, AAW III a 34 b, 227v-231r, hier 227v, s. unten Anhang, S. 33 Anm. 1. Die Neisser Landstände huldigten dem Bistumsadministrator Johann Friedrich von Breiner, statt dem abwesenden (achtjährigen) Bischof Karl Ferdinand im Februar 1626, JUNGNITZ, Germaniker, 124; KASTNER, Actenmässige Beiträge 1599 – 1649 (= Archiv 3), 104. Eide waren ein Streitpunkt, da die Katholiken der Formel „ich schwöre zu Gott” manchmal die den Protestanten nicht akzeptable Wendung „und allen Heiligen” hinzufügten, HENSEL, Protestantische Kirchengeschichte, 239. Marian J. PTAK, Zwischen Westen und Osten. Der schlesische Ständeparlamentarismus von seinen Anfängen bis in das 19. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 58, Heft 3 (2009), 300-311. Kazimierz ORZECHOWSKi, Dzieje i ustrój księstwa biskupiego na Šląsku [Geschichte und System der bischöflichen Herrschaft in Schlesien], in: Szkice Nyskie. Studia i materialy 3 (1986), 7-43. Marian PTAK, Zgromadzenia i urzędy stanowe księstwa nyskiego oraz innych posiadłości biskupstwa wrocławskiego [Ständeversammlung und Verwaltung des Neisser Fürstentum und die verschiedenen Stände des Bistums Breslau], in: Acta Universitatis Wratislaviensis, No 982 (Wrocław 1988), Prawo 111, 9-44.

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Karl im wesentlichen die Regierungsgeschäfte.39 Dass man dem Herrscher bei Gelegenheit der Sukzession einige Zugeständnisse abzuringen suchte, war nicht ungewöhnlich, im geistlichen Bereich hatten die Wahlkapitulationen des Kapitels seit dem 15. Jahrhundert ein naheliegendes Beispiel gegeben.40 Ein Appell der Landstände an das Kapitel kam selten vor, eher begegnet das Umgekehrte - der Versuch des Kapitels, die Landstände zu engagieren - wiederholt in einer Auseinandersetzung mit dem Bischof.41 Die zwei existierenden Versionen sind offensichtlich Abschriften, aus dem frühen 17. Jahrhundert, die eine heute im Breslauer Staatsarchiv,42 die andere im Diözesanarchiv auf der Dominsel,43 was verrät, dass man diesem Protest gegen den geistlichen Landesfürsten einige Bedeutung zumaß. Angesichts der Kritik eines schlesischen Fürsten jener Zeit muss man sich erinnern, dass in den vorhergehenden 120 Jahren, beginnend unter Matthias Corvinus und dann unter den Habsburgern als böhmischen Königen, die Befugnisse der schlesischen Fürsten, einschließlich des Fürstbischofs als Landesherrn, beträchtlich reduziert worden waren; selbst wo sie noch richtige Regierungsgewalt ausübten, so im Rechts- und Finanzwesen, handelten sie lediglich als ausführende Organe.44 Das Interessante an den hier betrachteten Gravamina liegt in erster Linie darin, dass die Landstände, die Teilhaber an der Regierung des Fürstentums, zu Wort kommen, deren Stimme wir sonst nie hören, von deren Rolle 39

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Ankunft Karls in Breslau am 14., Amtseid und Installierung im Dom am 15. Dezember, Jahrbücher der Stadt Breslau von Nikolaus Pol 5 (wie Anm. 6), 64f., 74. So bestätigten noch am 13.November 1608 die AdministratorenTinzmann und Strachwitz den Neisser Rat für 1609, KASTNER, Geschichte der Stadt Neisse 2, 327. Franz Xaver SEPPELT, Die Anfänge der Wahlkapitulationen der Breslauer Bischöfe, in: ZVGS 49 (1915), 199-222. Gerade um die Zeit der Gravamina gab es lange Verhandlungen der Stände in den österreichischen Ländern vor der Huldigung; Arno STROHMEYER, Konfessionskonflikt und Herrschaftsordnung. Widerstandsrecht bei den österreichischen Ständen (1550-1650), Mainz 2006, 82-90, 142; 149-177 (Verhandlungen mit Matthias 1608-1609). Die Landstände appellieren an das Kapitel, 4.8. 1514, 26.2. 1516; das Kapitel appelliert an die Landstände, 1.4. 1517, 2.6, 7.8., 20.8., 23.8., 25.8., 31.12. 1518, Acta capituli Wratislaviensis 1500 – 1562. Die Sitzungsprotokolle des Breslauer Domkapitels in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, bearbeitet von Alfred SABISCH 1-2, jeder Band in 2 Teilen (= Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschands 10, 14), KölnWien 1772-1976, 1, Teil 2, 683f., 858f; 2, Teil 1, 130, 132-134, 162-165. Arnold Oskar MEYER, Studien zur Vorgeschichte der Reformation. Aus schlesischen Quellen (= Historische Bibliothek 14), München 1903, 92-102. Der Neissischen [Neissischen inseriert über der Zeile] Landschaft grauamina, Archiwum Państwowe we Wrocławiu (= APW) Księstwo Nyskie 184, 1-7. AAW III a 34 b, 227v-231r Gravamina und Landesbeschwerungen der Löblichen Landschaft im Neissischen Fürstenthumb und Grottkauischen Weichbilde. Otto HINTZE, Die Behördenorganisation und die allgemeine Staatsverwaltung Preußens im 18. Jahrhundert (= Acta Borussica 6, Teil 1), Berlin 1901, 501-503 (reduzierte Position der Fürsten), 540-547 („Organisation der Länder”).

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in den Regierungsgeschäften des Neisser Fürstentums sich überhaupt kaum Zeugnisse erhalten haben. Die Gattung der gravamina ging bis ins tiefe Mittelalter zurück, war eine ganz legitime Form der Zwiesprache oder Auseinandersetzung von Herrscher und Beherrschten, auch eine Form der Herrschaftskritik, auf die man bis ins 18. Jahrhundert immer wieder zurückkam. Im Gesamt-Schlesien waren die Gravamina eine von drei Formen, welche die dem Kaiser zu präsentierenden Fürstentagsbeschlüsse annehmen konnten. Beispiele aus dem 16. Jahrhundert sind überliefert; ein Gravamen des Fürstentages 1584 richtete sich gegen die Einführung des Gregorianischen Kalenders ohne vorhergehende Konsultation der Fürsten und Stände.45 Da vor der Wahl des Johannes Sitsch nicht genug Zeit war, die Forderung nach einem einheimischen Bischof den „LandesGravamina” einzufügen, schickten die führenden Protestanten am 2. Juni 1600 ein „Protest-Schreiben” mit dieser Forderung an den Kaiser.46 Innerhalb der Fürstentümer protestierten in dieser Form die Landstände von Oppeln und Ratibor 1559 und die des Erbfürstentums Schweidnitz-Jauer gegen die kaiserliche Regierung, die letzteren 1648 und dann in einem besonders umfangreichen Dokument 1686.47 Da die Neisser und die schlesischen Gravamina von 1608 zeitlich so nahe beieinander lagen, darf man wohl annehmen, dass angesichts der religiösen Spannungen unter Bischof Sitsch die Idee, den katholischen Herrscher mit einer Liste von Gravamina zu konfrontieren, unter den evangelischen Ständen lebendig war, vielleicht auch, dass einige der Neisser Landstände längst von einem solchen Vorhaben auf dem Fürstentag wussten, wenn sie auch selbst keinen Platz im Fürstentag hatten, wo nur der Bischof oder sein Delegierter das Fürstentum vertrat.48 Bei Gravamina 45

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Zu schlesischen Gravamina vor 1600: RACHFAHL, Die Organisation der Gesamtstaatsverwaltung, 149; 145 Anm. 3 (1527), 147 Anm. 1 (1538), 152 Anm. 2 (1584); KÖHLER, Tridentinische Erneuerung, 326, Regest 32, 2 und DERS., Der Besuch Kaiser Rudolfs II. in Breslau 1577, nach den Briefen des Nuntius Giovanni Delfino, in: ASKG 28 (1970), 29-49, hier 48 (1577, 17 Gravamina). BUCKISCH, Schlesische Religionsakten 1 , 1253f., 1255, 1256. BAHLCKE, Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit, 143 Anm. 371 (Oppeln und Ratibor); Gustav CROON, Die landständische Verfassung von Schweidnitz-Jauer (= Codex Diplomaticus Silesiae 27), Breslau 1912, 104, 285-287 (nur die kaiserlichen Entscheidungen auf die Beschwerden von 1648); der Text der Gravamina von 1686 in 39 Artikeln, 308-317. Zu den schlesischen gravamina vom 6.6.1608 s. GRÜNHAGEN, Schlesien unter Rudolf II. (wie Anm. 16), 54-96; Paul KONRAD, Der schlesische Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. vom Jahre 1609 in seiner Bedeutung für das städtische Konsistorium und die evangelischen Kirchengemeinden Breslaus, Breslau 1909, 12-19 (hier geht es um die spezifischen Gravamina der schlesischen Fürsten und Stände in den Jahren 1608 – 09); ANONYM, Schlesische Gravamina in Puncto Religionis, summarischer Weiss extrahiert und zusammengefasset. Sampt dem Majestät Brieff über das exercitium religionis sub utraque deß Landes Schlesien, ohne Ort 1619 (beschränkt auf Verletzungen der im schlesischen Majestätsbrief verbürgten Rech-

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dachte man in Schlesien um diese Zeit zweifellos zuerst an die Benachteilungen oder Bedrückungen, gegen welche die Evangelischen Abhilfe suchten. Alle früheren schlesischen Gravamina entstanden im Kontext des Religionskonfliktes. Anderswo war zu Beginn des 17. Jahrhunderts, mit dem Absinken der Macht der Stände, die Praxis der Gravamina schon in rigide Formen erstarrt, das Wechselspiel von ständischen Gravamina und fürstlicher Erwiderung zu leerer Routine geworden.49 Der überlieferte Text von 1783 Worten bedurfte kaum einer literarischen Vorlage, eines Modells, dem der Verfasser folgen wollte. Die Gravamina sind deutsch geschrieben, mit einer lateinischen Floskel hier und da, also von der Hand eines gelehrten Schreibers aufgesetzt. Sie nennen Ausstellungsdatum und -ort, aber nicht einen einzigen Personennamen. Es fehlt ein Prolog, eine Einführung, die eine so dreiste Geste gegen den Landesherrn hätte begründen können, erst in den letzten Zeilen werden die Landsassen als die Beschwerdeführenden, die Breslauer Domherren als Adressaten genannt.50 Wiederholungen, Sprünge in der Gedankenfolge, Lücken in der Satzkonstruktion, das systemlose Aneinanderreihen von allen erdenklichen – wesentlichen und banalen – Vorwürfen, die man einer Regierung machen konnte, geben dem Text etwas Unfertiges. Eigenartig ist der Ton: emotional, mitleidheischend, weinerlich (das Land ganz hilflos und verlassen, die Not des Vaterlandes geht zu Herzen, Weinen und Weheklagen der Armen, das Schreien und Heulen möchte einen Stein erbarmen, Schweiß und Blut armer Leute schreien zum Himmel), und man will kaum glauben, dass das die Stimme der Männer sein soll, die damals im Neisser Landtag saßen, die sich, manchmal noch zu Lebzeiten, in Lebensgröße auf ihren Grabdenkmälern in den eisernen Anzügen einer längst vergangenen Epoche portraitieren ließen, unter denen der eine oder andere in den Heeren des 30jährigen Krieges selbst eine Kompanie aufstellte oder die Kavallerie des Fürstentums gegen feindliche Eindringlinge in die Schlacht führte.51 Dass die Gravamina einem Notschrei geplagter „Witwen, Waisen und armer Leute” Stimme geben sollten, ist eine Fiktion des Verfassers (oder der Verfasser), eine Art captatio benevolentiae,

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te). Spätere schlesische Gravamina: Landes-Gravamina der Fürsten und Stände an den böhmischen König 26.2.1620, GOTTSCHALK, Buckisch Schlesische Religionsakten 1517 – 1675 2, 237. Volkmar WITTMÜTZ, Die Gravamina der bayerischen Stände im 16. und 17. Jahrhundert als Quelle für die wirtschaftliche Situation und Entwicklung Bayerns (= Miscellanea Bavarica Monacensia 26), München 1970, 4-6. Der Titel der Gravamina in der Handschrift des APW sagt „Neisser Landschaft”, gemeint ist die Landschaft des ganzen Fürstentums, die Antwort des Bischofs Erzherzog Karl bezieht sich auf das Neisser Land und den Ottmachauer Kreis, der Titel in der Handschrift des AAW auf das Neisser und Grottkauer Land, s. unten S. 33, 38, 33 Anm. 1. SCHOLZ, Das geistliche Fürstentum Neisse, 270f., 258f.

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welche der Inhalt widerlegt, denn es geht da so gut wie ausschließlich um Dinge, die den großen Landbesitzern nicht passten und die sie in ihrem Interesse berichtigt sehen wollten. Inhalt und Form erwecken nicht den Eindruck, dass es sich hier um ein lange ausgedachtes und sorgfältig entworfenes Werk handelt, eher um ein Projekt, das einem der Stände erst bei der Zusammenkunft in der Residenzstadt einfiel und dann in aller Eile formuliert und zu Papier gebracht wurde. Im Lichte dessen, was wir sonst von der Persönlichkeit und der Regierung des Johannes Sitsch wissen – und das ist zugegebenermaßen nicht sehr viel – enthalten die Gravamina ein ungemein düsteres Bild seiner Amtsausübung, ein unerwartet negatives Urteil über das Regiment des Bischofs.

Inhalt der Neisser Gravamina und der Antwort des Bischofs Erzherzog Karl Die Beschwerden der Stände, obwohl in 15 Punkten zusammengefasst, enthalten bei genauerem Hinsehen zweimal so viele spezifische Beschwerdepunkte und ein halbes Dutzend Klagen allgemeiner Natur. Die letzteren werden in der folgenden Übersicht an erster Stelle genannt: 1. Das bischöfliche Fürstentum befindet sich in einem kläglichen Zustand: Das Land ist hilflos und verlassen; Unordnung und Verwirrung überall, ein unordentliches Regiment herrscht; die Regierung ist willkürlich, hat nur Interesse an den Einkünften; die Klagen der Untertanen werden ignoriert; die Leute leiden unerträgliche Not; große Unordnung auch in den Städten, „niemand kümmert sich um nichts”. 2. Die Regierung ist schwerfällig, ignoriert die Untertanen, ihre Vertreter sind oft inkompetent und korrupt: Es ist schwierig eine Audienz zu bekommen; alles muss durch die Kanzlei gehen; dort wird alles verzögert; wenige consilia werden gehalten; alles wird in der Kammer abgehandelt; Entscheidungen werden lange verzögert; einige haben sich außerordentlich bereichert; die Leute müssen sich die Erledigung ihrer Geschäfte erkaufen; jeder nimmt was ihn gelüstet, Klagen helfen nichts, da die Beamten nur ihren Vorgesetzten schöntun wollen; Tagfahrten (die Erledigung von Geschäften innerhalb eines Tages) lassen sich nur selten arrangieren, zu großem Nachteil; es gibt viele mit dem Titel Rat, aber sie sind unwissend im Recht, man muss daher Räte aus Breslau heranziehen, die die Geschäfte nicht zu Ende bringen; Fürstentage werden nicht in gehöriger Weise angekündigt; der Fürst macht sich zu einer Erklärung der Fürstentagsbeschlüsse nicht verfügbar, wo die Leute früher ihre Beschwerden vorbringen konnten; einige Ämter sind schlecht

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besetzt, die Inhaber verfolgen ihren eigenen Nutzen, nicht den der Kirche oder der Allgemeinheit. 3. Die Landsassen werden ignoriert: Wenige Beratungen mit den Landständen werden gehalten; nichtadelige und untaugliche Männer zu Kommissionen ernannt; Leute niedrigen Standes zu Beerdigungen delegiert; ganz unqualifizierte Leute haben teil an Landtransaktionen des Adels, wofür es kein früheres Beispiel gibt; Kommissionen existieren nur pro forma; bestehen aus einem Mann, dessen guten Willen man sich mit Geld erkaufen muss. 4. Neue Kosten werden den Landsassen auferlegt: Die Kanzleitaxe ist ungebührlich erhöht worden, ist jetzt höher als am Kaiserhofe; eine Abrechnung über die nicht ausgegebenen Defensionsgelder ist notwendig (hat aber anscheinend nicht stattgefunden); die traditionelle Hinterlegung von Geldern in einem depositum ist nicht mehr möglich; Gelder sind von dort gestohlen worden; man muss Zinsen selbst für Gelder zahlen, die man im Hause hat; die Grottkauer Hauptmannschaft ist nicht besetzt, daher Fahrten nach Neisse und kostspielige Aufenthalte in der Stadt; Unordnung und Eigensucht herrschen in den Städten, von den Landleuten werden daher hohe Preise gefordert; den Grottkauer Landsassen ist ein Zoll, den es niemals gegeben hatte, auferlegt worden; die von der Stadt Neisse geforderte Kaution, wenn sie eines Vergehens Angeklagte in Haft halten, verursacht jenen Landsassen, die nicht die Obergerichtsbarkeit haben, große Kosten; weniger Leute werden deshalb auf dem Lande inhaftiert, Verbrechen nehmen überhand. 5. Noch andere Schäden werden dem Lande zugefügt: Für unmündige und verwaiste Kinder werden auf Jahre hin keine Vormundschaften eingerichtet; Gesuche bei den mit diesem Problem Beauftragten helfen nichts; Kinder verlieren ihren Besitz; Auen, Wege, Stege, Kirchen werden verbaut, ein großes Risiko bei künftigen Gefahren; die Wälder im Gebirge und anderswo werden verwüstet; die Auen werden vermietet, ausgesogen und dann liegengelassen, was dem Land in Zukunft sehr gefährlich sein könnte. 6. Schluss: In einem abschließenden Paragraphen empfehlen die Landstände sich dem Kapitel als treue und gehorsame Untertanen. Sie wollen niemanden, am wenigsten den Fürsten, in seiner Würde beleidigen. Ihr Protest ist ihre Antwort auf die Not des Vaterlandes und die Klagen der Untertanen. Vom Kapitel erhoffen sie Rat, Hilfe und Schutz während der Vakanz und Beistand, so dass der neue Fürstbischof ein offenes und ordentliches Regiment einrichtet, das die Landsassen respektiert.52 52

APW Księstwo Nyskie 184, 1-7, AAW III a 34 b, 227v-231r. Eine Gegenüberstellung der Gravamina und der Antwort des Bischofs Karl zeigt bei einigen Punkten, daß die beiden Texte einander nicht ganz entsprechen. Es ist möglich, daß die Gravamina dem Bischof in einer erweiterten Form vorlagen; auch die Neisser Gravamina des Jahres 1625 kamen vor

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Die Klage der Landstände fand einen Widerhall in einer detaillierten Antwort, die im Namen des neuen Bischofs, des Erzherzogs Karl von Österreich, am 23. März 1609, zehn Monate nach der Abfassung der Gravamina, im Ottmachauer Schloss ausgestellt wurde.53 Der Bischof hatte das Bistum erst am 15. Dezember des vorhergehenden Jahres übernommen und am 17. jenes Monats das Neisser Fürstentum zum ersten Mal betreten. In der Antwort des Bischofs – ein Text von 2996 Worten, um die Hälfte länger als die Gravamina, verfasst in einem langatmigen, umständlichen Stil – spricht dieser nicht in der ersten Person, aber „Ihre fürstliche Durchlaucht” oder „die landesfürstliche Obrigkeit” und deren Meinungen und Entscheidungen werden in jedem Paragraphen beschworen, in der Regel mehrmals; die „Willkür” der Obrigkeit wird als gegeben und natürlich verstanden. In einem Paragraphen von 288 Worten wird der Superlativ „gnädigst” achtmal dem Fürsten, die Adjektive „gehorsam” oder „gebührend” fünfmal den Landsassen angehängt. Der Behauptung, dass der Bischof sich für seine an die Stände gerichtete Antwort Unterweisung bei seinen Räten und sogar Gutachten vom Domkapitel eingeholt hatte, belegen zwei beigefügte Erklärungen des Domkapitels, nur eine ist erhalten. Die Antwort des Bischofs will das Unternehmen der Landstände bagatellisieren: einige Punkte beträfen doch Privatpersonen und nicht die Allgemeinheit, anderswo gäbe es auch Beschwerden gegen die Regierung; beklagenswerte Zustände würden oft von den Klagenden selbst verursacht.54 In einigen Fällen gibt der Fürst die Berechtigung einer Beschwerde zu und stellt die von den Ständen gewünschte Veränderung oder Abhilfe in Aussicht (er richtet eine Audienzstunde ein nach österreichischem Vorbild – von 9 bis 10 Uhr morgens an vier Tagen der Woche, der Zustand der Gebirgswälder soll gleich im kommenden Frühjahr von einer Kommission überprüft werden, mehr Tagfahrten sollen ermöglicht, die kritisierte Taxe in der traditionellen Höhe beibehalten, Gelder, welche man hinterlegen will, angenommen und in gebührlicher Weise bewahrt werden). In anderen erklärt er sich als nicht kompetent und verweist die Landstände an das Kapitel (so in bezug auf die erhobenen und nicht ganz aufgebrauchten Gelder für die Landesverteidigung) oder an das Oberamt (das Oberamt betreffende Sachen gehen die Landstände nichts an und können nicht Anlass einer Beschwerde sein). Für gewisse von den Ständen missbilligte Handlungsweisen seines Vorgängers führt er Ent-

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das Kapitel in einer ursprünglichen und, eine Woche später, einer erweiterten Form. In der einzigen Handschrift, die beide hier veröffentlichten Texte enthält, folgen sie aufeinander, wurden also als zusammengehörend verstanden. Die Antwort ist nur in der Handschrift des Breslauer Staatsarchivs (Archiwum Państwowe we Wrocławiu) überliefert: APW Księstwo Nyskie 184, 8-15. Unten 38f.

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schuldigungen ins Feld (sein Vorgänger war zu beschäftigt, um eine Audienz gewähren). Oder er hält die Landsassen selbst verantwortlich für Vorgänge, die ihre Kritik veranlassten (der Audienzsuchende kam zu ungelegener Stunde, der Streit der Parteien verzögerte eine obrigkeitliche Entscheidung). Wiederholt besteht er auf seinem Recht, vor Gott und seinem Gewissen Entscheidungen zu treffen ohne Rücksicht auf die Positionen der Landsassen (die Ernennung von Kommissaren oder Beamten ist des Fürsten eigene Angelegenheit; hat er einmal entschieden, dass sich ein Mann für eine Aufgabe eignet und ihrer würdig ist, sollte man diesen auch als geeignet und würdig akzeptieren, da man mit ihm weniger seine Person als die des Landesfürsten achtet; auch andere Fürsten beanspruchen in dieser Hinsicht volle Entscheidungsfreiheit). Andere Beschwerden übergeht die Antwort des Bischofs ohne Kommentar; vielleicht weil sie ihm unverständlich oder widersprüchlich schienen, oder – obwohl der Fürst es nicht ausdrücklich sagt – weil den Beschwerdeführenden das Verständnis für den modus operandi der Landesregierung abging (die Regierung arbeitet zu langsam, erledigt manche Sachen überhaupt nicht, alles muss durch die Kanzlei geschleust werden, Entscheidungen werden allein von den oberen Beamten gemacht, die Vakanz in der Grottkauer Hauptmannschaft macht Reisen nach Neisse notwendig). Er erinnert die Landsassen, dass sie manchmal ein Problem am besten selbst beheben können (die hohen Preise in der Stadt vermeiden, indem ländliche Erzeugnisse billiger angeboten werden, schleunige Einsetzung von Vormündern, wenn die Landsassen selbst nicht immer wieder Vormundschaften ablehnen). Hinsichtlich der Beschwerde über Beamte, die sich auf Kosten biederer Leute bereichert haben, will der Fürst von speziellen Fällen hören. Obwohl Bischof Karl nicht auf jeden Punkt eingeht, den die Landstände vorbringen, andererseits sogar Missstände behandelt, die in den Gravamina gar nicht erwähnt werden, war ihm der Bericht von Fehltritten oder Versagen der landesherrlichen Regierung vermutlich höchst unangenehm, er betrachtete sie wohl für seine junge Regierung als eine unwillkommene Ablenkung, die er so schnell wie möglich aus dem Wege räumen wollte.55

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Was die Beschwerde über die sich herumtreibenden abgedankten Soldaten und Landsknechte betrifft, da wäre Ihrer fürstlichen Durchlaucht nichts lieber, so heißt es in der Antwort des Bischofs, als daß Ihren Untertanen dieses Übel erspart bliebe (unten S. 43). Eine solche Beschwerde findet man aber nicht in den Gravamina. Zu Sitsches Maßnahmen gegen vagabundierende Soldaten, s. oben Anm. 10.

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Die Landstände des geistlichen Fürstentums Neisse um 1600 Die Landstände des geistlichen Fürstentums Neisse, die sich hier über ihren Landesherrn beschwerten, setzten sich zusammen aus den meist adligen Besitzern von Landgütern und den Repräsentanten der elf bischöflichen Städte; geistliche Herren mit bedeutendem Landbesitz gab es nur zwei, den Propst der Kreuzherren in Neisse und den Abt des außerhalb des bischöflichen Territoriums gelegenen Klosters Kamenz, die Domherren saßen nicht im Neisser Landtag. Landstände des geistlichen Fürstentums traten in den 1430er Jahren zum ersten Mal in Erscheinung, ein Landtag ist frühestens im Jahre 1470 erwähnt, im Verlaufe des nächsten Jahrhunderts beruft sich ein Bischof von Zeit zu Zeit in respektvollen Wendungen auf ihren Konsens.56 Die Städte, dürfen wir vermuten, schickten in der Regel nicht mehr als einen Repräsentanten des aus vier bis neun Personen bestehenden Stadtrates zu den Zusammenkünften der Landstände im Neisser Schloss. Es ist nicht möglich, auch nur einen einzigen städtischen Vertreter in einem Landtag aus dieser Zeit zu nennen. Eine nahezu alle Teile des geistlichen Fürstentums einbegreifende Zusammenstellung der großen Landbesitzer wurde unter Bischof Gerstmann 1579 angefertigt; Verzeichnisse, welche die Grottkauer Hauptmannschaft und das Wansener Gebiet unvollständig behandeln, stammen aus den Jahren 1615 und 1619, eine Liste, die nur das Grottkauer Gebiet betrifft aus dem Jahre 1645.57 Wir haben also eine gewisse Vorstellung, zu welchen Familien die Landstände zu Beginn des 17. Jahrhunderts gehörten und auf welchen Gütern oder Dörfern sie ihren Sitz hatten. Die Zahl der großen Landbesitzer belief sich zu keinem Zeitpunkt auf mehr als ca. einhundert, die regelmäßigen Zusammenkünfte der Landstände im Neisser Schloss versammelten zweifellos immer eine viel kleinere Zahl. Eine Reihe der Landsassen saß auf mehreren Gütern, manche etablierten sich als Dorfherren, d.h. sie hatten bäuerliche Untertanen; in den Bischofsdörfern waren sie eher nur Gutsbesitzer, ihr Landgut gewöhnlich aus einer Scholtisei hervorgegangen. Die Güter des Landadels im Neisser und Grottkauer Lande umfassten in der Regel nur vier bis zehn Hufen, d.h. 65 bis 170 ha, mit wenigen abhängigen Bauern. Die Besitzer der rittermäßigen Scholtiseien herrschten überhaupt nur über Gärtner und Häusler als Untertanen. Der große Anteil der bischöflichen Dörfer im Fürstentum schränkte die Expansion von Gutswirtschaften in Laienhand ein, 56

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Zusammenfassend über die Landstände, SCHOLZ, Das geistliche Fürstentum Neisse, 102111, 163-169. Die Verzeichnisse behandelt bei SCHOLZ, Das geistliche Fürstentum Neisse, 186-204, 301304 (1579), 204-208, 305-307 (1615), 208-212, 307-310 (1619), 198 Anm. 23, 272, 310-311 (1645).

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ebenso die Exzesse der Gutsherrschaft. In der Zeit der Bauernunruhen um 1600 machten sich einige Landbesitzer einen schlechten Namen wegen der Bedrückung oder gar körperlichen Misshandlung ihrer Untertanen. Zu den Familien im Besitz mehrerer Landgüter zählten insbesondere die Sitsch, Jerin, Logau, Maltitz (welche auf Grund eines Gütertausches an die Stelle der Promnitz traten), die Popschütz, Nechern und Troilo. Unter den Landsassen gab es die Sprosse alter schlesischer Adelsfamilien, aber auch neue Namen, unternehmende Leute, die sich ein Landgut aufgebaut hatten, Neffen des Bischofs, katholische Einwanderer. Neisser Bürger gelangten ebenfalls in den Besitz von Landgütern; manchmal stieg dann einer von ihnen zum Adel auf. Die Residenzstadt Neisse besaß auch für die adligen Landsassen eine besondere Anziehungskraft, mehrere erwarben Stadthäuser, z.T. auf der Bischofsstraße, die von der Jakobuskirche zur bischöflichen Residenz führte. Der eine oder andere spielte eine Rolle bei der Ausdehnung der Neisser Befestigungen in den Jahren der Türkengefahr. Neisser Kirchen und Kapellen verdankten ihnen fromme Stiftungen, in der Jakobuskirche erhielten einige imposante Grabdenkmäler; in der Neisser Fürstentumsregierung bekleideten sie hohe Ämter, die ihre häufige Anwesenheit in der Stadt erforderten. Die Gravamina allerdings reflektieren eine gewisse Feindseligkeit gegenüber den Städten und besonders Neisse; in diesem Dokument hören wir die Stimme des Landes, der adligen Landsassen auf ihren rustikalen Herrensitzen in den Dörfern des Bistumslandes. Weniger vielleicht für die Adligen selbst, aber gewiss aus der Perspektive des bischöflichen Oberherrn lief eine scharfe Trennungslinie durch die ansonsten als Herren von Untertanen und Bewirtschafter von Gütern und durch verwandtschaftliche Beziehungen eng verbundene Klasse der großen Besitzer: die zwischen katholischen und evangelischen. Bischof Andreas von Jerin behauptete noch 1586 dem Nuntius Philipp von Sega gegenüber, unter den hunderten ihm untergebener Adliger seien nur vier Katholiken und diese hätten sich erst kürzlich nach Verkauf ihrer Güter anderswo in seinem Fürstentum eingekauft.58 Diese Zahl entsprach nur jener der eingewanderten Familien, nicht der katholischen Besitzer, weist aber auf jeden Fall auf eine beträchtliche Zahl von Nicht-Katholiken hin. Im Verzeichnis des Neisser Landeshauptmanns von 1619 der Besitzer im Neisser und Ottmachauer Lande (das Grottkauer Gebiet nicht eingeschlossen) erscheinen 78 Besitzer auf 58

Sitsch schrieb 1605 Papst Paul V., die schlesischen principes, ordines et status hätten sich schon vor vielen Jahren von den Häretikern verführen lassen, alle „unico barone excepto”; Andreas von Jerin 1586: „et inter centenos episcopi subditos nobiles supra quatuor non reperiantur, qui catholicae religioni adhaerent, et hi quidem nuper admodum venditis alibi bonis in episcopi ditiones devenerunt”, MEYER, Gegenreformation in Schlesien, 359, 346.

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100 Gütern; wer von diesen katholisch, wer evangelisch ist lässt sich aus den Quellen nur in einigen Fällen bestimmen; wo wir die Konfession kennen, bei weniger als der Hälfte, erweist sich die überwiegende Mehrheit als katholisch.59 Am Anfang des 17. Jahrhunderts hatte sich jedoch das lutherische Bekenntnis auch im Territorium des Bischofs weit ausgebreitet. Die Dörfer im Norden waren ganz evangelisch geworden, die in der Mitte weitgehend, nur im Süden schien sich die katholische Kirche besser behaupten zu können. Die Stadt Neisse zählte bald nur noch eine Handvoll Katholiken.60 Die gemeinsame Religion hielt die Landsassen nicht davon ab, mit einem Gefolge von Verwandten und Nachbarn einander die Köpfe blutig zu schlagen, wie im Sommer 1599 die Gelhorn auf Ossig und die Dreske auf Guhlau, so dass das Kapitel Anlass zum Eingreifen fand.61 In den Gravamina bestehen die Landsassen auf ihren Privilegien – wollen konsultiert, informiert und respektiert werden, erwarten leichten Zugang zum Fürsten, Abrechnung über die von ihnen für die Landesverteidigung erhobenen Gelder, eine Rolle als Mitglieder von Kommissionen und bei Landgeschäften, widersetzen sich neuen Auflagen, beklagen die Verzögerung der Gerichtsprozesse, die unnötigen Bürden bei der Erledigung ihrer Geschäfte mit der Regierung. Ansonsten präsentieren sie sich als treue, gehorsame, schutz- und hilfebedürftige Untertanen des Fürsten (und an seiner Seite oder gelegentlich seiner Stelle des Kapitels), gleich den Bauern und Armen des Landes, nicht etwa als herrschende Klasse oder Teilhaber an der Herrschaft des Landesfürsten.

Die bischöfliche Regierung in Neisse Die Gravamina sind nicht auf ein spezielles Ziel oder eine besondere Person ausgerichtet, sondern greifen das landesherrliche Regiment überhaupt an: die 59

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Katholisch die Maltitz, Troilo, Jerin, Adelsbach, Doppelhamer, Strachwitz, Popschütz, Kochtitzky, Heinrich von Oberg, Logau, Hundorf, Saywet, Rhedern, Tschernin, Neander, mehrere Sitsch, (an die 21 Besitzer); evangelisch die Zierwoski, Skopp, Wenzke, Hund, Holzgraf (8 Besitzer), Verzeichnis der Besitzer 1619 bei SCHOLZ, Das geistliche Fürstentum Neisse, 307-310, 208-212. Über die evangelischen Besitzer im Grottkauer Gebiet, s. unten den Abschnitt Ziel und Urheber der landständischen Gravamina 1608. Die Quellen nennen verschiedene Zahlen, 418 für 1621, bei einer Einwohnerzahl in der Innenstadt von mehr als 5000, KASTNER, Geschichte der Stadt Neisse 2 (wie Anm. 11), 286. Eine Episode in der Zeit des Bischofs Paul Albert (gewählt 5.5.1599, gestorben 6.5.1600, einen Tag vor der Weihe). Das Kapitel wies den Grottkauer Hauptmann Gabriel Hundt an, diese gefährliche Auseinandersetzung zwischen Johann Gelhorn und Kaspar Dresske mit allen Mitteln zu schlichten, wenn notwendig mit Gewalt, Kapitelakten 19.7.1599, KASTNER, Actenmäßige Beiträge 1599 – 1649 (= Archiv 3), 349f.

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bischöfliche Regierung, ihre Beamten, ihre Methoden, Fehler und Unterlassungen. Als sich Bischof Andreas von Jerin 1586 gegen Kritik der Verwendung protestantischer Räte verteidigte, beschrieb er, wie er das Fürstentum regierte: „Bei kirchlichen Geschäften (im Gegensatz zu denen als Landeshauptmann) werden von mir außer den katholischen Laien, die als Räte dienen, zwei immer in Neisse residierende Kanoniker der Breslauer Kathedralkirche und der Propst des Neisser Kollegiatstifts St. Nikolaus herangezogen, auf deren Rat in der Ausführung dieser Angelegenheiten ich mich stütze. Im Augenblick verhandle ich auch mit dem Doktor Albert [der 1599 zum Bischof gewählte Breslauer Kanoniker Paul Albert], daß er bei mir (hier in Neisse) bleibe. Sind die Dinge aber von besonderer Wichtigkeit, dann suche ich das Urteil des Breslauer Domkapitels.“62 Die Gravamina nennen keinen Namen; viele Mitglieder der bischöflichen Regierung unter Johannes von Sitsch sind uns dennoch bekannt. Diese bestand zunächst aus mehreren Laien, die oft mehr als eines der traditionellen Ämter in der Hand hatten. Ihre Amtszeit fiel gewöhnlich nicht mit der des Bischofs zusammen; Sitsch übernahm die Beamten seines Vorgängers. Die höchsten Positionen lagen in der Regel in der Hand von Landbesitzern. Mehrere hatten den Titel Bischöflicher Rat, Dienst am Bischofshofe wurde manchmal zu einer Familientradition, so in der Familie Sitsch. An der Spitze der Verwaltung unter Johannes von Sitsch stand der Landeshauptmann und bischöfliche Rat Hans Christoph von Maltitz und Dippoldiswaldau, Herr auf Hertwigswalde und Rothwasser, nach Zahl der Güter und Untertanen der größte Landbesitzer.63 Er hielt das Amt von 1585 bis 1611 - eine außergewöhnlich lange Zeit im Neisser Fürstentum. Die Position des Hofrichters, verantwortlich für das ländliche Gerichtswesen, den Einzug der Abgaben von den bischöflichen Untertanen und die Bewirtschaftung der bischöflichen Gutsbetriebe, bekleidete von 1599 bis 1609 Heinrich Buchta von Buchtitz, der in seiner Amtszeit zum großen Landbesitzer im Neisser Fürstentum aufstieg; ein Vorgänger unter Bischof Gerstmann war der Gutsbesitzer Gabriel Sitsch auf Friedewalde.64 Wenzel Cromer von Krippendorf, anscheinend 62

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MEYER, Gegenreformation in Schlesien, 349, im Brief des Andreas von Jerin an den Nuntius Philipp von Sega vom 10.6.1586. Alfons NEUMANN, Die Familie von Maltitz und ihr Grundbesitz im ehemaligen Fürstentum Neisse, in: Jahresbericht des Neisser Kunst- und Altertumsvereins 36 (1932), 44-47, hier 45. Gabriel Sitsch war Hofrichter nach dem Vistationsbericht von 1580, Paul Meisel: Im Lichte des Visitationsberichtes vom Jahre 1580, in: Heimatblätter des Neissegaus 14, Nr. 7 (Juli 1938), 30. Buchta amtiert als Hofrichter 19.11.1599, LORENZ, Landesverwaltung Sitsch, 241 Anm. 18.

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nicht Gutsbesitzer, war Kanzler und bischöflicher Rat, heißt aber auch Amtsverwalter, und Hauptmann zu Freiwaldau.65 Nikolaus Schirowski von Schirow – nachweisbar in Urkunden aus den Jahren 1592 und 160166 – und vielleicht auch noch der jüngere Heinrich Freund dienten als bischöfliche Räte, Freund ist 1597 als solcher belegt, Dr. jur. Joachim Willenberger 1601, der letztere als Vizekanzler 1602,67 Heinrich Kissling, Kaspar Kittner, Abraham Kirchner sind überliefert als Kanzleiverwandte, Jakob Heinz und Jodokus Martinus als bischöfliche Sekretäre.68 Ein Hermann Adelsbach, Gutsbesitzer in Niklasdorf bei Ziegenhals, verwaltete 1581 die wichtige Ottmachauer Hauptmannschaft, ein Georg Sitsch begegnet als Nachfolger, vielleicht der 1615 belegte Gutsbesitzer von Matzwitz und Starrwitz.69 Philipp Jakob von Jerin, Gutsbesitzer auf Friedewalde, hielt über die Regierungszeit des Sitsch hinaus die Position des Hauptmanns zu Freiwaldau. Zur bischöflichen Regierung in Neisse gehörten immer mindestens zwei Kanoniker, die dort residierten, als Bistumsadministratoren dem Bischof zur Seite standen und bei einer Vakanz ganz die Regierungsgeschäfte übernahmen. Ein häufiger Wechsel der Persönlichkeiten, welche diese Doppelstellung innehatten, lässt sich beobachten. Der lange Titel der Gravamina in der Handschrift des Breslauer Diözesanarchiv nennt als Empfänger der Klageschrift die Bistumsadministratoren, die im Mai 1608 in dieser Rolle nachgewiesenen Breslauer Kanoniker Julius Cäsar Wacker von Wackenfels und Johannes Dohn. Der letztere, aus Meersburg am Bodensee stammend, erhielt 1589 ein Breslauer Kanonikat, begegnet 1611 als Rat des Bischofs Karl und starb 1617. Julius Caesar Wacker von Wackenfels war der Sohn des bischöflichen Kanzlers Johann Matthäus Wacker, der letztere geadelt 1594 als Wacker von Wackenfels; der Kanzler trat 65

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Erich GRABER, Die Inventare der nichtstaatlichen Archive Schlesiens. Neisse 1 Stadt Neisse (= Codex Diplomaticus Silesiae 36, Erstes Heft), Breslau 1938, Nr. 528, 20.6.1601, bischöflicher Rat schon 1592, Nr. 514. Anwesend beim Tode des Andreas von Jerin am 5.11.1596 als camerarius, KASTNER, Beiträge 1500 – 1655 (= Archiv 1), 137 Anm. 1; NÄGELE, Andreas von Jerin (wie Anm. 6), 383. GOTTSCHALK, Buckisch Schlesische Religions-Akten 1517 – 1675 2, S. 34; August KASTNER, Geschichte des Pfarrgymnasiums bei der Pfarrkirche zum heiligen Jacob in Neisse, in: DERS., Geschichte der Stadt Neisse mit besonderer Berücksichtigung des kirchlichen Lebens in der Stadt und dem Fürstenthum Neisse 1 (= Archiv für die Geschichte des Bisthums Breslau 4), Neisse 1866, 1-144, hier 127-129; zu Willenberger, JUNGNITZ, Germaniker, 146-148, GOTTSCHALK (wie vorher), 142 Anm. 34. GRABER, Inventare Neisse (wie Anm. 65), Nr. 528, 530, 532, 535; Max UNTERLAUF, Neisser Urkunden im Diözesan-Archiv zu Breslau (= 33. Bericht der wissenschaftlichen Gesellschaft Philomathie zu Neisse 1904 – 1906), Nr. 283, 23.11.1607, Heinrich Kissling. WAGNER, Beiträge Sitsch (wie Anm. 3), 210, Enkelin des Georg war Anna Hedwig von Sitsch, die 1626 den Herzog Johann Christian von Brieg heiratete.

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erst 1592 in die katholische Kirche ein. Der Sohn erwarb 1595 ein Domkanonikat, hatte aber bis 1606 Schwierigkeiten es zu übernehmen, er starb im Jahre 1608. Weiter wird der Domherr Sebastian Hartmann, „der Hl. Schrift und beider Rechte Doktor”,70 speziell als bischöflicher Rat in Neisse in der Zeit des Bischofs Sitsch genannt. Er war einmal Propst am Neisser Kollegiatstift gewesen; von dem so betitelten Vorsitzenden der Kanoniker oder Domherren in dieser Neisser Institution holte sich der Bischof ebenfalls Rat, wie Andreas von Jerin bezeugt. Als Propst des Kreuzstifts beim Tode des Sitsch kennen wir schon den Martin Lagus, der auch die Position des Kommissars in Neisse innehatte.71 Wie Bischof Andreas von Jerin ebenfalls bemerkte, konsultierte der Bischof bei wichtigen Angelegenheiten das ganze Kapitel. In enger Beziehung zur Landesregierung stand die Neisser Stadtregierung, die man sich nicht als das Geschöpf einer frei politische Entscheidungen treffenden Bürgerschaft vorstellen darf. Obwohl alljährlich eine „RatsChur” stattfand, bestimmte der Bischof im Grunde die Stadträte und den Bürgermeister. Als leitende städtische Amtsträger finden wir dann wenigstens um diese Zeit nicht etwa Kaufleute oder gar Handwerker, sondern akademisch gebildete Männer, die sich im Dienst kirchlicher Institutionen als geeignet erwiesen hatten. Der hochgelehrte Kaspar Gebauer war von 1588 bis 1595 Rektor der Pfarrschule, bis ihn Bischof Andreas von Jerin 1594 zum Senator = Stadtrat machte, von 1598 bis 1618 war er dann Bürgermeister. Thomas Jänichen, Doktor beider Rechte und der Philosophie, ist von 1595 70 71

ZIMMERMANN, Domkapitel, 231, 557f. UNTERLAUF, Neisser Urkunden (wie Anm. 68), Nr. 282, 16.1.1606 (Hartmann bischöflicher Rat und Propst). Wie oben bemerkt, forderte Martin Lagus den Klerus seines Sprengels zur Teilnahme an der Bestattung des Bischofs Johannes von Sitsch am 7. Mai 1608 auf, das Schreiben bei KASTNER, Actenmässige Beiträge 1599 – 1649 (= Archiv 3), xx-xxi; zu Lagus s. auch DERS., Geschichte der Stadt Neisse 2, 361-363, und Franz FUCHS, F.C.A. Fuchses series dominorum praepositorum Nisensium ordinis sanctissimi sepulchri cum duplici rubea cruces, hg. von Gustav Adolf Harald STENZEL, in: Scriptores rerum Silesiacarum 2, Breslau 1839, 382-461, hier S. 410f. Bischof Karl ernannte 1614 Kommissare für die Gebiete Breslau, Glogau, Oppeln und Neisse mit Verantwortung für die Visitation der Pfarreien, JUNGNITZ, Visitationsberichte 1, S. 4, Neisse hatte aber schon früher einen Kommissar (s. oben Anm. 36). Die Erzdiözese Breslau war später in ihrem preußischen Teil in 10 Verwaltungsbezirke oder Kommissariate aufgeteilt und die Aufgabe des Kommissars war, die Erzpriester zu beaufsichtigen, Josef NEGWER, Die Verwaltungseinrichtungen der Breslauer Erzdiözese in Geschichte und Gegenwart (= Zur schlesischen Kirchengeschichte 15), Breslau 1935, 33. Der Neisser Kommissar im 16. Jahrhundert schien den Klerus direkt zu beaufsichtigen; die Investitur eines Dorfpfarrers 1579 war ein Problem für den Neisser Kommissar, JUNGNITZ, Visitationsberichte 1, S. 80. Die Beziehung zwischen dem Neisser Erzpriester, der schon 1385 belegt ist, und dem Kommissar bleibt ungewiß, die Visitationsordnungen 1579, 1602 beziehen sich auf die Aufsichtspflicht der Erzpriester, JUNGNITZ (wie vorher), 24f., 33.

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bis 1627 als Syndikus und Stadtschreiber belegt, 1595 auf ein paar Monate ebenfalls als Rektor des Pfarrgymnasiums. Auch der Nachfolger Gebauers, Rudolf Konrad Wassermann (1618-1622), diente einmal als Rektor des Pfarrgymnasiums, dann auch als Lehrer der Edelknaben des Bischofs Karl und dessen Hofmeister. Als Stadtvogt aus der Zeit des Bischofs Sitsch kennen wir den Adam Seybeth, der auch im Stadtrat saß; als Landvogt einen Zacharias Michael.72 Selbst die Namen der sieben Stadtverordneten aus jenen Jahren sind bekannt.73 Bei feierlichen Gelegenheiten wie der Resignation des Pfarrschulrektors am 28. April 1595 kamen Landes- und Stadtregierung zusammen, der Bischof war anwesend „cum consiliariis, dominis praelatis et canonicis, item amplissimus senatus cum civibus primariis”.74 Unter den Räten oder Kommissaren, deren Vorbildung, Kompetenz und Benehmen im Amt die Landstände, ohne Namen zu nennen, in den Gravamina bemäkeln, kennen wir aus anderer Quelle nur den Hofrichter Heinrich von Buchta als einen bischöflichen Beamten, der sich tatsächlich unter Sitsch der Korruption schuldig gemacht hatte. Der von Klemens Lorenz geäußerte Verdacht, dass auch andere bischöfliche Räte ihr Amt in ähnlicher Weise missbrauchten, lässt sich aus den Quellen nicht belegen.75

Das Breslauer Domkapitel und die Gravamina Unterstützung in ihren Anliegen erhofften sich die Landstände vom Breslauer Domkapitel. Das Kapitel bestand aus sieben Prälaten und ungefähr 20 Kanonikern.76 Die Breslauer Domherren erscheinen im Fürstentum Brieg als Mit72

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MINSBERG, Geschichtliche Darstellung der merkwürdigen Ereignisse in der Fürstenthums Stadt Neisse, Urkundenanhang (separate Seitenzählung), 104f., 29.3.1607; KASTNER, Geschichte des Pfarrgymnasiums (= Archiv 4), 119-125 (Gebauer), 127 (Jänichen), DERS., Geschichte der Stadt Neisse 2, 325f.; 329f. (Wassermann). Kaspar Gebauer, Bürgermeister, Joachim Neumann (Neander), Balthasar Heinrich, Adam Seybeth, Hans Wielde, Georg Tausentschön, Matthes Wolffram, Martin Weiß, gewählt wie gewöhnlich an Martini, bestätigt durch einen Brief des Bischofs Sitsch vom 1.2.1608, KASTNER, Geschichte der Stadt Neisse 2, 326f., dem die Korrespondenz und eine Liste der Ratswahlen von 1565 – 1614 im seit 1945 verschollenen Neisser Archiv zur Verfügung standen. KASTNER, Geschichte des Pfarrgymnasiums (= Archiv 4), 123 Anm. 2. „Die Gravamina der Landschaft lassen aber durchblicken, daß sich unter den Neisser Kammerräten Elemente befanden, die dem Hofrichter an Bestechlichkeit und eigennütziger Amtsführung wenig nachgaben,” LORENZ, Landesverwaltung Sitsch (wie Anm. 2), 246. Am 16. Mai 1608 residierten im Kapitel 7 Prälaten und 21 Kanoniker. Fünf Prälaten und 19 Kanoniker unterzeichneten das Wahlinstrument bei der Wahl des Erzherzogs Karl von Österreich am 7. Juli 1608, KÖHLER, Tridentinische Erneuerung, 368, waren also 7 Wochen

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glieder der Ständeversammlung, wie ihresgleichen in anderen geistlichen Fürstentümern des Reiches, aber wie gesagt nicht im Neisser Fürstentum.77 Der schon erwähnte Wacker von Wackenfels zählt als einer von sieben Adligen im Kapitel des Jahres 1608, die anderen sind der Dekan Nikolaus von Troilo, Bartholomäus von Jerin, Inhaber der Prälatur des Kanzlers von 1609

nach der Aufstellung der Gravamina im Lande. Die Prälaten und Administratoren werden hier mit ihrem Titel angeführt: Adlige: Nikolaus von Troilo, Dekan (ZIMMERMANN, Domkapitel, 547f., 7.7. 1608) Ignatz von Kolowrath, Kustos (ZIMMERMANN, Domkapitel, 267 Anm. 14) Bartholomäus von Jerin (ZIMMERMANN, Domkapitel, 314-316, JUNGNITZ, Germaniker, 6365, 7.7.1608) Christoph von Gelhorn (KASTNER, Archiv 1, S. 82, JUNGNITZ, Germaniker, 96f., 7.7.1608) Christoph von Strachwitz (JUNGNITZ, Germaniker, 95-100, 7.7.1608) Peter Koslowski von Koslau (ZIMMERMANN, Domkapitel, 339f., 7.7.1608) Julius Caesar Wacker von Wackenfels, Bistumsadministrator (ZIMMERMANN, Domkapitel, 557f., 7.7.1608)

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Bürgerliche: Johannes Pistorius, Propst (ZIMMERMANN, Domkapitel, 552) Franz Ursinus, Kantor (ZIMMERMANN, Domkapitel, 552, 7.7.1608) Konrad Waibel, Kanzler (ZIMMERMANN, Domkapitel, 558, 7.7.1608) Balthasar Neander, Archidiakon (ZIMMERMANN, Domkapitel, 401f., 7.7.1608) Nikolaus Tinzmann, Scholastikus (ZIMMERMANN, Domkapitel, 542-545, 7.7.1608) Sebastian Hartmann (ZIMMERMANN, Domkapitel, 284-286, JUNGNITZ, Germaniker, 75-84, 7.7.1608) Kaspar Hiltprant (ZIMMERMANN, Domkapitel, 302f., 7.7.1608) Gregor Bernitz (ZIMMERMANN, Domkapitel, 195, 7.7.1608) Kaspar Dohn (ZIMMERMANN, Domkapitel, 230f., 7.7.1608) Bernhard Eder (ZIMMERMANN, Domkapitel, 236-238, JUNGNITZ, Germaniker, 73-80, 7.7.1608) Gerhard Ecker (KASTNER, Archiv 1, 282, JUNGNITZ, Germaniker, 90., 7.7.1608) Andreas Kliman (ZIMMERMANN, Domkapitel, 332-334, 7.7.1608) Martin Kohlsdorf (ZIMMERMANN, Domkapitel, 570 Anm. 11, 7.7.1608) Balthasar Scultetus (KASTNER, Archiv 1, 287) Sigmund Seifrid (ZIMMERMANN, Domkapitel, 200 Anm. 8, JUNGNITZ, Germaniker, 91) Kaspar Quork[ius] (KASTNER, Archiv 1, 286, JUNGNITZ, Germaniker, 74, 7.7.1608) Friedrich Berghius (KASTNER, Archiv 1, 281, 7.7.1608) Adam Ursinus (KASTNER, Archiv 1, 287, 7.7.1608) Maternus Gnisen, geadelt als von Robach (JUNGNITZ, Germaniker, 85-86, 7.7.1608) Johannes Jakobus Wacker (KASTNER, Archiv 1, 288) Johannes Dohn, Bistumsadministrator (ZIMMERMANN, Domkapitel, 231, 7.7.1608) CROON, Die landständische Verfassung von Schweidnitz-Jauer, 351. Besonders instruktiv über das Kapitel, Alfred SABISCH, Breslauer Domherren des 16. Jahrhunderts im Umkreis ihres Dienstes und ihrer Häuslichkeit, in: Reformata Reformanda. Festgabe für Hubert Jedin 2, hg. von Erwin ISERLOH und Konrad REPGEN, Münster 1965, 144-176.

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an, auch bischöflicher Rat,78 der Kustos Ignatz von Kolowrath, Christoph von Gelhorn, Christoph von Strachwitz, diese beiden schon 1609 bzw. 1610 als Bistumsadministratoren,79 später von großem Einfluss, und Peter Koslowski von Koslau, ein oberschlesischer Adelsspross. Adelige Domkapitulare aus dem Fürstentum Neisse rekrutierten sich jetzt nur aus zwei zugezogenen Familien (Troilo und Jerin). Einundzwanzig der residierenden Domherren 1608 entstammten bürgerlichen Familien, eine Dreiviertelmehrheit. Einige Mitglieder des Kapitels hatten enge Verbindungen mit Neisse und sollten die Landstände oder wenigstens die allgemeinen Verhältnisse im Bistumsland gekannt haben. Bartholomäus von Jerin war auch Inhaber eines Kanonikats am Neisser Kollegstift, seine beiden Brüder Gutsbesitzer nicht weit von Neisse. Die Familie des Nikolaus von Troilo besaß als ihren Stammbesitz das Gut in Lassoth, ebenfalls nur ein paar Kilometer von Neisse entfernt, und seine Brüder Franz und Franz Friedrich hatten andere Güter im Neisser Lande in ihrer Hand. Der Archidiakon Balthasar Neander stammte aus einer Bürgerfamilie in Ottmachau, lehrte einmal am Neisser Priesterseminar und übte eine Zeit lang das Predigeramt in der Neisser Jakobuskirche aus; als Archidiakon trug er die Verantwortung für die Visitationen der Pfarreien im Breslauer Archidiakonat.80 Der in Grottkau geborene Kaspar Hiltprant begegnet als Bistumsadministrator in den 1590er Jahren. Verwandte waren wohl der 1611 verstorbene Bürgermeister von Grottkau, Valentin Hildeprand, Valentins Sohn George, Doktor beider Rechte, erst Rektor des Neisser Pfarrgymnasiums von 1604 bis 1609 und dann Grottkauer Bürgermeister, und die Tochter Barbara die zweite Ehefrau des Wenzel Kromer von Krippendorf, des bischöflichen Kanzlers in der Regierung des Johannes von Sitsch.81 Der gelehrte Ostpreuße Sebastian Hartmann leitete 1588 bis 1591 als Rektor das Klerikal-Seminar in Neisse und übernahm 1589 bis 1592 die Propststelle im Neisser Kollegiatsstift; eines seiner Bücher benutzte man als Schulbuch im Pfarrgymnasium.82 Der Scholastikus Nikolaus Tinzmann, ein Bürgersohn, in Neisse geboren, hielt ebenfalls ein Kanonikat am Neisser Kollegiatsstift; 1598 und auch wieder in späteren Jahren kennen wir ihn als einen der Bis78

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ZIMMERMANN, Domkapitel, 315. 1609 waren die Bistumsadminstratoren Tinzmann und Strachwitz, 1610 Tinzmann und Gellhorn, KASTNER, Geschichte der Stadt Neisse 2, 327. KASTNER, Geschichte der Stadt Neisse 2, 327. ZIMMERMANN: Domkapitel, 401; KASTNER, Geschichte des bischöflichen ClerikalSeminariums, in DERS., Geschichte der Stadt Neisse 1 (= Archiv 4), 171f. KASTNER, Geschichte des Neisser Pfarrgymnasiums (= Archiv 4), 131; SCHOLZ, Das geistliche Fürstentum Neisse, 270 Abb. 32. KASTNER, Geschichte des bischöflichen Clerical-Seminariums, in DERS., Geschichte der Stadt Neisse 1 (= Archiv 4), 145-197, hier 161-164, DERS., Geschichte des Neisser Pfarrgymnasiums (= Archiv 4), 117-119.

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tumsadministratoren.83 Kaspar Quorkius lehrte am Neisser Pfarrgymnasium (1590-1591), Peter Koslowski studierte am Neisser Klerikal-Seminar.84 Viele Mitglieder des Kapitels kannten Neisse also aus eigener Erfahrung, sicherlich auch das bischöfliche Schloß und bis zu einem gewissen Grade das Ein und Aus des bischöflichen Haushaltes; sie beobachteten wohl selbst die periodischen Zusammentreffen der Landsassen. Das Kapitel des Jahres 1608 bestand aus gebildeten und weltkundigen Männern, sie hatten mindestens ein dreijähriges Studium abgeleistet, nicht weniger als die Hälfte am römischen Germanikum. Sie besaßen einen höheren akademischen Grad.85 Eine ganze Reihe der Domherren des Jahres 1608 nahm einmal wichtige Stellungen in der kirchlichen oder landesherrlichen Verwaltung ein.86 Einige wenige erreichten hohe Würden aus der Hand von Kaiser oder Papst.87 Als Gesandte des Kapitels oder des Bischofs reisten sie nach Prag und Rom und verhandelten mit Kaiser und Papst. Schon als Kanoniker und dann als Propst zeichnete sich Johannes Sitsch auf Gesandtschaften an den Kaiserhof aus. Bartholomäus von Jerin und Franz Ursinus vertraten Bischof Karl auf einem kritischen Fürstentage.88 Mitte Mai 1608, als die Landstände den Domherren ihre Beschwerden vorlegten, hatte man noch allen Grund damit zu rechnen, dass der nächste Bischof aus dem Kapitel kommen würde; die Landstände konnten nicht wissen, dass gerade in diesen Tagen die Kandidatur des Erzherzogs Karl von

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ZIMMERMANN, Domkapitel, 542-545, ausführlich, dazu PEDEWITZ, Historia s. Jacobi (wie Anm. 23), 73f. ZIMMERMANN, Domkapitel, 339f. Hartmann, Neander, Ursinus, Johannes Dohn, Waibel, Bernitz, alle Germaniker und Doktoren der Theologie; Jerin und Klimann, beide Germaniker, Magister in den freien Künsten, Doktoren beider Rechte; Kaspar Dohn und Eder, beide Germaniker, Doktoren der Philosophie; Tinzmann, Doktor der Medizin; Hiltprant, Magister in den freien Künsten; Koslowski, Germaniker. Weihbischof: Ursinus; Bistumsadministrator: Gelhorn, Strachwitz, Tinzmann, Hiltprant, Johannes Dohn, Wacker von Wackenfels, Eder; Generalvikar und Offizial: Hartmann, Klimann, Waibel; Kanzler: Hartmann; bischöflicher Rat: Jerin, Hartmann, Johannes Dohn, Kaspar Dohn, Eder; bischöflicher Hofrichter in Breslau: Eder. Päpstlicher Protonotar: Jerin, Klimann; päpstlicher Pfalzgraf: Jerin; cubicularius von drei Päpsten, apostolischer Hausprälat, kaiserlicher Rat, kaiserlicher Pfalzgraf: Troilo, apostolischer Protonotar: Julius Caesar Wacker von Wackenfels. WAGNER, Beiträge Sitsch, 211; JUNGNITZ, Germaniker, 65; GOTTSCHALK, Buckisch Schlesische Religionsakten 1517 – 1675 2, 142f. So schickte Bischof Andreas im Frühjahr 1589 den Kanonikus und „schlesischen Adligen” Peter Koslowsky und seinen Neffen Bartolomäus Jerin zum Papst, „ut meo nomine … Dioecesis huius statum diligenter explicarent”, Brief aus Neisse, 3.5.1589, an Kardinal Montalto, Anton NÄGELE, Documenta Jeriniana. Archivalische Beiträge zur Biographie des Breslauer Bischofs Andreas von Jerin (1585 – 1596), in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 1 (1936), 98-156, hier 139.

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Österreich bereits in Graz, Rom und Prag in die Wege geleitet wurde.89 Ein Jahrhundert lang - seit 1506 in jeder der letzten neun Bischofswahlen - führte eine Karriere im Domkapitel zur Wahl als Bischof. Die Männer, die 1608 die Beschwerden der Neisser Landstände entgegennahmen, bildeten sicherlich eine Respekt einflößende Versammlung. Gegenüber dem Kapitel nehmen die Landstände in den Gravamina einen ehrerbietigen, ja unterwürfigen Ton an. Man kann so viel Servilität wohl nicht ganz als Rhetorik oder Opportunismus abtun. Das kleine Kontingent von Akademikern und Verwaltungsbeamten, die Mehrzahl Bürgersöhne, besaß Ansehen und Autorität, vielleicht besonders in einer Zeit kurzer Amtsperioden oder langer Abwesenheiten der Bischöfe; die Adligen erkannten ihm eine herrschaftliche Position zu. Das Kapitel war dann der besondere Hort des katholischen Bekenntnisses, das Zentrum des Widerstandes gegen die Evangelischen, zu Kompromissen gewöhnlich weniger geneigt als der Bischof.90 Die Kritik am verstorbenen Sitsch, dem sie als geistlichem Haupt doch ganz besonders nahe gestanden hatten und der als ehemaliger Kanoniker und Propst ganz einer der ihren gewesen war, sollte sie besonders empfindlich getroffen haben. Überraschenderweise nahmen sie mit keinem Wort eine resolute Verteidigung des Verstorbenen auf sich, gaben sich aber auch nicht die Mühe, auf die Klagen der Landsassen einzugehen oder sie zurückzuweisen.91 Die Kanoniker, von denen einige sich als Administratoren oder Räte des Bischofs mit den Landständen herumärgern mussten, besaßen - nach ihrer Antwort zu urteilen - wenig Toleranz für die Klagen der Untertanen oder wenigstens keine Geduld mit den querulierenden Gutsbesitzern. Im Gegensatz zu der diplomatischen und konzilianten, wenn auch im wesentli89

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Genau in den Tagen der Neisser Gravamina arbeitete man bereits an der Kandidatur des Erzherzogs Karl von Österreich, zuerst dessen älterer Bruder Erzherzog Ferdinand von Graz aus, belegt in einem Brief des Nuntius in Graz vom 17. Mai, dann die römische Kurie, der Prager Nuntius Caetano, Kaiser Rudolf II., der König von Polen und die Königin, die Schwester Ferdinands. Entsprechende Instruktionen an das Domkapitel schickte Papst Paul V. am 28. Mai, Kaiser Rudolf II. am 2. Juni, die Wahl fand am 7. Juli statt, Karl erhielt 12 von 24 Stimmen; 3 ungültige, die übrigen neun Stimmen verteilten sich auf drei Domherren, KÖHLER, Tridentinische Erneuerung, 267f., 368, Regest 230, 231. GRÜNHAGEN, Schlesien unter Rudolf II., 71. 1574 benützte das Kapitel die Sedisvakanz, um im Neisser Fürstentum die Bestattung von Protestanten auf katholischen Friedhöfen zu verbieten, Kapitelakten 31.8.1574, KASTNER, Beiträge 1500 – 1655 (= Archiv 1), 115. Das Generalkapitel vom 26. Januar 1611 hatte eine Reihe von Gravamina und ermahnte den Bischof, in diesen Fällen gegen die Evangelischen vorzugehen, KASTNER (wie vorher), 143f. Die Domherren erzwangen 1626 Änderungen in der im Jahre vorher veröffentlichten Chronik Schlesiens des kaiserlichen Fiskals und Konvertiten Jakob Schickfus, KASTNER, Actenmäßige Beiträge 1599 – 1649 (= Archiv 3), 122. Lorenz vermutete, daß sie diese Verteidigung dem nächsten Bischof überlassen wollten, LORENZ, Landesverwaltung Sitsch, 239.

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chen wenig nachgiebigen Erwiderung des Bischofs liest sich die der fürstlichen Antwort auf die Gravamina angehängte Stellungsnahme des Kapitels als von oben herab und schulmeisterlich; so schrieben die Domherren in ein paar knappen Zeilen: „Insoweit die Beschwerden sich gegen die Verwaltung während der Vakanz und damit gegen das Kapitel richteten, so erscheint es dem Kapitel merkwürdig, dass ihm die Landstände vorschreiben wollen, wie es das Bistum regieren und verwalten sollte. Es stünde ihnen viel besser an, sich um die Leute auf ihren Gutswirtschaften zu kümmern und wie sie diese regierten, damit nicht so viele Beschwerden und Gesuche gegen sie vor die Behörden kämen. Niemand könne sich an auch nur eine Klage gegen einen Administrator erinnern …. Wollten die Landstände einen der Administratoren, der ihnen geschuldete Hilfe versagt hatte, verklagen, so möchten sie das ruhig tun. Man wundere sich aber und es sei kaum zu glauben, dass die ganze Landschaft mit einer Beschwerde vorstellig wird und eine höchst private Sache zu einer öffentlichen macht, weil da einem nicht nach seinem Kopfe eine Audienz gewährt worden war.“92

Die Gravamina von 1608 und die Delikte des Hofrichters Heinrich Buchta (1599-1609) Ein Jahr nach der Abfassung der Gravamina veranlasste der neue Bischof eine Untersuchung der Delikte des bischöflichen Hofrichters, die noch im Herbst 1609 zu einem Gerichtsprozess in Neisse führten. In seinem Aufsatz von 1938 betrachtete Klemens Lorenz das Vorgehen der bischöflichen Regierung gegen Buchta als die wesentliche Antwort auf die Gravamina der Landsassen.93 Über die Missetaten des Heinrich von Buchta wissen wir aus einer 108 Seiten langen Handschrift des Breslauer Staatsarchivs.94 Diese enthält eine Vorladung (7. September 1609) der Buchta-Erben zu einer Verhandlung 92

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APW Księstwo Nyskie 184, 15, unten 44, das Zitat hier und die beiden folgenden etwas der heutigen Sprache angepaßt. Lorenz behandelt zusammen und als von einander abhängig, mit ausführlichen Zitaten aus den Texten, die Gravamina und den Buchta-Prozeß, LORENZ, Landesverwaltung Sitsch, S. 241-246 (der Buchta-Prozeß); eine kurze Zusammenfassung der Buchta-Affaire bei SCHOLZ, Das geistliche Fürstentum Neisse, 143f., besonders 144 Anm. 62 In Vorbereitung vom Verfasser: Ein Prozeß gegen den bischöflichen Hofrichter – Neisse 1609, mit Edition der Gerichtsdokumente. APW Księstwo Nyskie 283, 1-2, 3-16, 17-108, ehemals Rep. 31 IV 7 e; die im Folgenden genannten Seitenzahlen beziehen sich auf diese Handschrift.

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(9. Oktober 1609) aus der Feder des Kammerpräsidenten und Richters, die Anklage des bischöflichen Anwalts und die Aussagen der Geschädigten in den 41 bischöflichen Dörfern. Das von Buchta begangene Unrecht wird vom Kläger zusammengefasst als „üble Administration und ungütliche Gebarung mit den untergebenen Untertanen”.95 Nach den Aussagen der bischöflichen Untertanen bestanden die Vergehen des Hofrichters aus dem erzwungenen Verkauf von Auen und Anger, ungerechtfertigten Zahlungen an Stelle der obligatorischen Fuhren, Abzügen von den Entschädigungssummen nach Einquartierungen, Geschenken bei Verkauf und Aufteilung von Äckern und ganzen Bauernstellen, Erhöhung der Kosten bei den Dreidingen, gesetzwidrigen Auflagen für sich selbst bei Strafen, der Einführung von Gespinsten und aufgenötigten „Verehrungen” bei der Hochzeit seiner Tochter.96 Die dreizehn Punkte der Anklage fügen hier und da noch ein Detail hinzu, heben insbesondere hervor, dass die illegalen Akte des Hofrichters besonders dem Bischof zum Schaden gereichten: der Hofrichter eignet sich Gelder an, die dem Bischof zustehen, und nimmt überhaupt immer wieder Geld ein ohne Abrechnung zu machen.97 Der Ankläger berechnete den von Buchta angerichteten Gesamtschaden auf 4040 Taler und 39 Groschen und fordert vierfachen Ersatz. Das Gericht akzeptierte dieses Strafmaß. Ein Gesuch der Erben um Intervention, wies das Kapitel zurück, „da es den Willen des allerhöchsten Herrn ausführen wolle”.98 Die Gravamina nennen den Namen des Heinrich von Buchta nicht. Sie beklagen, dass die Inhaber einiger Ämter nicht der Kirche und der Allge95

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APW Księstwo Nyskie 283, 6. Die illegalen Akte des Buchta – hunderte von Erpressungen und widerrechtlichen Aneignungen – setzten sich über Jahre hin fort, unter den Augen des Bischofs und ohne daß der Landesherr oder der Landeshauptmann eingriff, schlimmer noch ist, daß beim erzwungenen Verkauf von Auen und Anger, dem übelsten der Buchtaschen Übergriffe, der Bischof selbst profitierte und tausende von Talern in die bischöflichen Kassen flossen. Eine eingehendere Untersuchung der Aussagen und Berichte aus den Neisser Dörfern im Frühjahr 1609 könnte das Bild der landesherrlichen Verwaltung unter Johannes Sitsch noch weiter verdunkeln. Die Aussagen in den Dörfern sind in acht Abschnitte aufgeteilt, nach den Arten der Vergehen, jeder mit einer Überschrift, der Verfasser läuft dann in jedem Abschnitt die 41 Dörfer durch, APW Księstwo Nyskie 283, S. 18-43, 43-57, 58-65, 65-76, 77-82, 82-102, 103-105, 106. APW Księstwo Nyskie 283, S. 8-16. Kapitelakten Dezember 1599-Dezember 1610, AAW III b 11, f. 387v und 389r; LORENZ, Landesverwaltung Sitsch, S. 246 Anm. 32 bezieht sich auf die Kapitelakten, gibt aber nicht die Stellen. Die erstere Stelle in den Kapitelakten verweist auf das Konzeptbuch. AAW III Liber conceptuum capituli Wratislaviensis 1.7. 1606-24.12. 1609, f. 400r hat eine Kommunikation des Kapitels an die Administratoren in Neisse vom 20. November 1609: es habe eine Supplikation von Eva Buchta, Joachim Buchta und Melchior von Reibnitz erhalten, wolle aber eine Entscheidung aufschieben bis zur Rückkehr des Bischofs.

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meinheit dienten, sondern nur ihren eigenen Vorteil suchten, die Leute sich die Erledigung ihrer Geschäfte erkaufen mussten, und „mancher der blutarm gewesen, in kurzer Zeit so viel zusammengetragen und hinterlassen hat, als viele Fürsten nicht hinterlassen haben, von dem, was bei manchem noch zu finden wäre, ganz zu schweigen”.99 Von den dreißig speziellen Beschwerdepunkten in den Gravamina weisen aber höchstens diese drei auf den korrupten Hofrichter hin, und im Text der Gravamina nehmen sie nur minimalen Raum ein. Auch die Reaktion des Bischofs Karl auf die Klage über korrupte bischöfliche Beamte ist nur beiläufig: „Was aber die Beschwerde gegen einige Räte betrifft, und dass sie ganz ungebührlich mehr ihren eigenen Vorteil im Auge hatten, da liegt es bei der Ehrbaren Landschaft, ob sie solche namhaft machen können.”100 Dass die zitierten Punkte in den Gravamina sich auf den Hofrichter Buchta bezogen, der zur Zeit der Gravamina noch im Amt war, liegt nicht von vornherein auf der Hand.101 Die Gravamina enthalten differenzierte Klagen über viele Unzulänglichkeiten der bischöfliche Regierung, die Vergehen des Buchta waren alle der gleichen Art: er bereicherte sich auf Kosten der bischöflichen Bauern und seines Brotherrn, des Bischofs. Die Landstände mögen sehr wohl von den erpresserischen Aktivitäten des Buchta gewusst und sich ihrer bei der Aufstellung der Gravamina erinnert haben. Von den speziellen Vergehen, die dem Buchta beim Prozess zur Last gelegt werden, findet aber keines Erwähnung in den Gravamina. Eine Parallele besteht bestenfalls bei der in den Gravamina beklagten Abholzung der Wälder; die Verwüstung eines Waldes bei Hohen-Giersdorf und Zülzendorf wirft die Anklageschrift dem Buchta vor.102 Der Buchta-Prozess befasst sich mit Schäden, die Buchta den Landleuten und dem Bischof zufügte, die Gravamina handeln über wirkliches oder vermeintliches Unrecht, das der Bischof den meist adligen Gutsbesitzern angetan hatte. Buchta war ja selbst Gutsherr und dazu Adliger, gehörte zur Klasse der in der Landschaft zusammengeschlossenen großen Landbesitzer. Diese 99 100 101

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Gravamen 8 und 2, unten 34, 29. Punkt 3 des bischöflichen Antwortschreibens, unten 38. Er war auch bei der Ankunft des Bischofs Erzherzog Karl im Dezember 1608 noch im Amt: Buchta verweigerte Bezahlung für die Gespinste hergestellt in der Zeit von Michaelis bis zur Ankunft des Bischofs Karl, d.h. 29.9. bis 17.12.1608, APW Księstwo Nyskie 283, 13 (und Punkt 13). Die 13 Punkte der Anklageschrift, gedruckt im Auszug bei LORENZ, Landesverwaltung Sitsch, 242-245, der Text in APW Księstwo Nyskie 283, 8-14, Punkt 5, 10f. über den Wald bei Zülzendorf. Nach den Gravamina (Punkt 15, unten 36) wurden die Auen vermietet, dann ausgesogen und liegengelassen, nach den Aussagen der Dörfer (APW Księstwo Nyskie 283, 18-43) dagegen wurden die Bauern gezwungen, die Auen und Anger zu kaufen, eine viel härtere Maßnahme gegen die Untertanen des Neisser Landes, welche die Gravamina ignorieren.

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waren gerade in jenen Jahren notorisch ob ihrer Unterdrückung der ländlichen Bevölkerung, wenn sie sich auch in den Gravamina als Patrone der Bauern und Armen auf dem Lande gebärdeten.103 Auf keinen Fall kann man der Beobachtung Hubert Jedins, „daß … die Gravamina der Neisser Stände viel weniger den Bischof persönlich als den durch Albert eingesetzten Hofrichter Buchta, eine Kreatur der Schwabenpartei, belasten”, zustimmen.104 Im Gegenteil, es war genau der Bischof, auf den die Gravamina zielten, während die Hiebe, welche die Landschaft an anonyme bischöfliche Beamten rechts und links austeilte, an das traditionelle Nörgeln über die hohen Beamten und die schließlich ganz und gar nicht überraschende Animosität gegenüber solchen bürgerlicher Herkunft erinnern. Es ist möglich, dass die Existenz der Gravamina der bischöflichen Regierung den Anstoß zur gerichtlichen Verfolgung des Buchta gab. Lorenz nahm an, dass die Landstände, aufgefordert, in der Antwort Bischof Karls auf die Gravamina, korrupte Räte namhaft zu machen, den Hofrichter Buchta als einen solchen identifizierten, worauf die bischöfliche Behörde eine Untersuchung in den bischöflichen Dörfern und schließlich ein Gerichtsverfahren anstrengte.105 Die Landsassen mögen sogar den Landesherrn an ihre niemals beantworteten Beschwerden erinnert haben, als sie am 20. März 1609 zur Leistung des Homagiums in Neisse zusammentrafen, denn der Bischof gab seine lange verzögerte Antwort vier Tage später. Von der Chronologie her ergeben sich allerdings Schwierigkeiten. Der Bischof appellierte an die Landstände in der zitierten Weise am 23. März 1609. Schon zwei Wochen später, am 6. April, war man mitten in der Untersuchung der Buchtaschen Delikte auf den Dörfern und hatte die bischöfliche Regierung den Hofrichter wahrscheinlich bereits seines Amtes enthoben. Eine derart rasche Reaktion der Regierung in Neisse ist nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich im österreichischen Schlesien jener Tage. Auf jeden Fall waren es nicht die strafwürdigen Tätigkeiten eines bischöflichen Beamten gegen die Untertanen des Bischofs, die die Landstände zu ihrem Protest bewegten. Dafür spricht besonders, dass nach dem Tode des Bischofs Erzherzog Karl 1624 und der Wahl 103 104 105

S. oben Anm. 34. JEDIN, Die Krone Böhmen, 432 Anm. 76. „Die Stände zögerten nicht, dieser Aufforderung [des Bischofs Karl] nachzukommen”, LORENZ, Landesverwaltung Sitsch, 241. Die 91 Seiten des Untersuchungsresultats deuten in keiner Weise auf eine Mitwirkung der Stände bei der Untersuchung. Buchta war am 5. Juni 1609 nicht mehr im Amt (APW Księstwo Nyskie 283, 18), wahrscheinlich schon nicht mehr, als die Dörfer im vorhergehenden April ihre Aussagen machten. Am 3. Juni hielt Andreas von Jerin das Hofrichteramt, nach einem Brief dieses Datums aus Neisse des Bischofs von Gurk, Johann Jakob von Lamberg, an Erzherzog Ferdinand (AT-OeStA/HHStA HausA Familienkorrespondenz A 8-11, Folio 98v).

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seines Nachfolgers 1625 die Landstände des Fürstentums aufs neue eine Liste von Gravamina zusammenschmiedeten - diesmal zehn an der Zahl - und mit diesen an das Domkapitel herantraten (der Text hat sich nicht erhalten). Es geschah zwar nicht während der Vakanz, aber doch ehe der neue Bischof, Karl Ferdinand Prinz von Polen, das Bistum in Besitz nahm und die Landstände des Fürstentums den Homagialeid leisteten. 106

Ziel und Urheber der landständischen Gravamina von 1608 Abgesehen davon, dass er seinen habgierigen und kein Maß kennenden Hofrichter nach dessen Belieben schalten ließ, wies die Regierungsführung des Bischofs Johannes Sitsch andere Fehltritte und Mängel auf, die den Landsassen Anlass zu Klagen geben konnten. Dabei hatte vielleicht jeder protestierende Landsasse noch seine eigenen Gründe. Die Breslauer Kanoniker mögen auch etwas Richtiges getroffen haben mit der Vermutung, dass die Landsassen sich brüskiert fühlten, weil einem von ihnen einmal die Audienz verweigert worden war – zweimal weisen die Gravamina auf diese Verletzung ihrer Würde hin. Die Gravamina enthalten aber auch grundsätzliche Einwände gegen eine selbstherrliche Regierung, die sich anscheinend in den Köpfen der Landstände im Laufe der Jahre ihrer allmählichen Entmachtung festgesetzt hatten. Sie waren ein Protest der Stände gegen den Absolutismus des Lan106

Bisher hat man die Existenz späterer Gravamina übersehen. Bischof Karl starb am 27. oder 28. Dezember 1624, Karl Ferdinand wurde am 3. Mai 1625 gewählt. Die Landstände des Fürstentums legten am 28. November 1625 dem Kapitel zehn Gravamina vor, sie wurden im Kapitel am 12. Dezember und in erweiterter Form am 19. Dezember gelesen, eine Antwort aber aufgeschoben, bis der neue Bischof vom Bistum Besitz ergriffen hatte. Das geschah am 7. Januar 1626, den Bischof vertrat der Bistumsadministrator Johann Friedrich von Breiner; am 12. Februar 1626 empfing Breiner für den Bischof Karl den Homagialeid der Stände. Unter dem Bistumsadministrator Breiner werden die Gravamina 1626 (14.2.) noch einmal erwähnt, aber eine Antwort kam anscheinend niemals zustande. Die von Kastner gedruckten Kapitelakten haben über den Inhalt dieser Gravamina nichts zu sagen, KASTNER, Actenmässige Beiträge 1599 – 1649 (= Archiv 3), 96, 102f., 104, 106. Handschriftliche Kapitelakten für die Jahre 1625, 1626 gibt es im Breslauer Erzdiözesanarchiv nicht, wir sind auf Kastners Version angewiesen. Das AAW hat die Kapitelakten aus den folgenden Jahren: 1510 – 1588, 1599 – 1621, 1650 – 1658, AAW III b 1a, 1b, 2, 3, 4, 4a, 5, 5a, 5b, 6, 7, 7a, 8 bis 13; Konzeptbücher für die folgenden Jahre: 1593 – 97, 1606 – 1609, 1610 – 12, 1613 – 17, 1641 – 46, AAW III b 39, 40, 41, 42, 43; es existieren also weder Kapitelakten noch ein Konzeptbuch für 1625 – 1626, die Zeit der neuen Neisser Gravamina. Eine Durchsicht des maschinenschriftlichen und des gedruckten Katalogs der Bestände des AAW erbrachte keinen Hinweis auf den Text dieser zehn Gravamina. Eine Antwort auf diese Gravamina des Bischofs Karl Ferdinand, nach dem Beispiel seines Vorgängers, ist dem Verfasser nicht bekannt.

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desherrn. Sie beklagen ja nicht nur die Inkompetenz und Korruption bischöflicher Beamter oder recht triviale Maßnahmen am bischöflichen Hof, die den Unwillen der Landsassen erregten, sondern die Willkür des bischöflichen Regiments, die Vernachlässigung der Landbewohner, den Mangel an Respekt für die Landstände, deren Ausschluss von den Beratungen. Dabei tadeln sie auch Aspekte der bischöflichen Regierung, die schon seit Jahrhunderten bestanden und als normale, indispensable Elemente der Landesherrschaft oder irgendeiner Regierung zu betrachten sind, wie der regelrechte Geschäftsgang über die Kanzlei oder die entscheidende Rolle des landesherrlichen Kabinetts. Auch die immer rarer werdende Verwicklung der Landstände in die Regierungsgeschäfte entsprach schon lange dem Stil der Regierenden. Im Kern sind die Gravamina eine bittere Attacke gegen die geistliche Landesherrschaft. Bischof Karl und seine Berater, obwohl geneigt, die „ehrbare Landschaft” mit großem Respekt zu behandeln, spürten, dass es den Unterzeichnern gegenüber dem verstorbenen Landesherrn „an der untertänigen Reverenz, Affektion und Liebe” fehlte. Damit soll nicht gesagt werden, dass sich in den Gravamina etwa ständische Opposition gegen das Königtum ausdrückte.107 Die Gravamina berühren nur ganz am Rande, in der Bemerkung über die Defensionsgelder, und hier nicht einmal kritisch, die Stellung des Bischofs als Statthalter des Königs. Letzten Endes war der Horizont der Landstände beschränkt, ihre politischen Ambitionen Kirchturmpolitik, ihre Passion der bescheidene Besitz, der unbestrittene Vorrang vor den anderen Untertanen, die unbehinderte Wahl und Ausübung ihrer Religion. In der Antwort des Domkapitels, heißt es einmal, dass die ganze Landschaft sich beschwerte, man möchte aber bezweifeln, dass die Landstände einmütig die Amtsführung des verstorbenen Bischofs tadelten, vielleicht sogar, dass die Mehrheit der Landsassen die Gravamina unterzeichnete. Mehrere hatten dem Bischof in der Verwaltung gedient und trugen daher eigentlich Mitverantwortung für die beklagten Verhältnisse in den Jahren des verstorbenen Bischofs. Auch kann man kaum annehmen, dass die Gutsbesitzer aus der Familie Sitsch zu den Kritikern des hohen Herrn gehörten; die Stel107

Im Frühjahr 1608 erhoben sich die Stände im benachbarten Mähren, dem Beispiel der österreichischen und ungarischen folgend, gegen den Kaiser und ihr Heer zog im Mai bis vor Prag. In diesem Zusammenhange wurden die Neisser Gravamina als ein Zeichen der Ständeopposition gegen den Kaiser gesehen, BAHLCKE, Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit, 314. Ob die Neisser Gravamina 1608 gegen den Breslauer Bischof Inspiration aus dem schon seit Jahrzehnten vorher weit verbreiteten ständisch-protestantischen Widerstand in den Habsburgerländern gegen die Autorität des Königs zogen, läßt sich aus unserem Text nicht ablesen; zu letzterem Thema STROHMEYER, Konfessionskonflikt und Herrschaftsordnung, 62-129.

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lung des Bischofs war die höchste, die je ein Sitsch erreicht hatte. Die Sitsch sind 1579 belegt auf den Gütern oder Dörfern Stübendorf (Melchior), Blumenthal (Georg), Friedewalde (Gabriel), Volkmannsdorf und Rothwasser (Hans), 1615 auf Bielitz (Adam), Betlerdorf und Stübendorf (Christoph), Starrwitz und Matzwitz (Georg).108 Auch die Logau und Jerin, Verwandte früherer Bischöfe, kann man sich nicht unter den Kritikern denken. Sie und die anderen katholischen unter den Landständen, vor allem auch die aus den erst kürzlich unter dem Einfluss der katholischen Reform eingewanderten Familien, wie die Troilo und Maltitz, mussten in der Kritik des bischöflichen Landesherrn einen Angriff auf ihre Konfession sehen und damit auf die Stellung der katholischen Kirche im geistlichen Fürstentum im Ringen mit dem Protestantismus. Eine Beteiligung der Stadtvertreter scheint ebenso fraglich, da Neisser Gewohnheiten, deren Beobachtung man nur dem Rat der Stadt zuschreiben kann, zu den Beschwerdepunkten zählten; überdies waren der Bürgermeister Gebauer und die Neisser Ratmannen dem Bischof „besonders liebe Herrn und gutte freunde” gewesen.109 Man kann wohl kaum annehmen, dass die Landschaft geschlossen hinter den Gravamina stand. Es musste unter den Landständen Leute geben, die besonders triftige Gründe hatten, mit dem geistlichen Herrscher zu hadern. Hier kann man nur an die Landstände evangelischer Konfession denken. Sie hatten besonderen Anlass, sich in diesen Wochen der Sedisvakanz zusammenzutun und mit dem Regiment des letzten Landesherrn abzurechnen, nämlich ihre Erfahrung harter Maßnahmen der bischöflichen Regierung gegen die Evangelischen und die Furcht vor weiteren Versuchen, das evangelische Bekenntnis im bischöflichen Fürstentum zurückzudrängen. Sitsch war der erste Bischof, der für die katholischen Sache mit Entschiedenheit eingetreten war und Schritte gegen die Protestanten des Fürstentums unternommen und damit einen Teil der Landstände beunruhigt hatte.110 Wichtiger als die Kritik der verflossenen Herrschaft des Johannes Sitsch war zweifellos die Intention der Landstände bei der Zusammenstellung der Gravamina, sich im nächsten Bischof eines Landesherrn zu versichern, der ihnen genehmer war als der verstorbene und größere Rücksicht auf ihre Interessen nehmen würde. Am Ende der Gravamina ersuchten sie das Kapitel dann auch ausdrücklich, sich für ein lobenswertes Regiment des nächsten Bischofs einzusetzen, das die

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Eine Zusammenstellung bei SCHOLZ, Das geistliche Fürstentum Neisse, 331. Sitsch an den Neisser Rat, 7.8.1600, KASTNER, Actenmässige Beiträge 1599 – 1649 (= Archiv 3), xix. GRÜNHAGEN, Schlesien unter Rudolf II. (wie Anm. 16), 87.

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Unordnung abschafft, Gerechtigkeit für Arm und Reich garantiert und unter dem „die Landsassen in besserer Acht gehalten” werden. 111 Evangelische Landstände gab es in allen Gegenden des bischöflichen Territoriums – selbst der eine oder andere Sitsch war evangelisch –, sie konzentrierten sich jedoch im Norden des Bistumslandes, in der Grottkauer Hauptmannschaft.112 Der einzige Personen- oder Ortsname in den Gravamina der Landstände von 1608 ist Grottkau: Sie beziehen sich zweimal auf das Grottkauer Land, eine spätere Erwerbung der Bischöfe, aus dem Jahre 1344, und vor allem wegen seiner ganz anderen Besiedlungsgeschichte in mancher Beziehung von den Ottmachauer und Neisser Kerngebieten des Bistumslandes verschieden. Die Adelsherrschaft, insbesondere die adlige Dorfherrschaft war dort tief verwurzelt, der Bischof besaß die Grundherrschaft nur in wenigen Dörfern. Die Gravamina kritisieren die Vakanz in der Grottkauer Hauptmannschaft und die Auflage einer neuen Steuer. Auch die mehrmalige Bemerkung, dass Landsassen zu mehrtägigen und daher besonders kostspieligen Reisen nach Neisse genötigt wurden, weist auf die weiter von der Stadt gelegenen Dörfer im Fürstentum hin, die im Norden des Grottkauer Landes, über 30 km, eine ganze Tagesreise, von Neisse entfernt, gelegen waren. Die Grottkauer Landsassen standen im Jahre 1608 schon seit Jahrzehnten in einer gespannten Beziehung zum Bischof, da sich mehrere zu den Evangelischen bekannten, auf ihren Dörfern Prädikanten anheuerten und für den neuen Glauben proselytierten. 1569 (20. Juli) berichtete der Domherr Christoph Schleupner dem Kapitel, „quomodo in districtu Grotkoviensi vagentur haeretici, qui seditions hinc inde in plebe excitare cogitent et se jaectitent pro sacerdotibus”.113 Den Grottkauer Hauptmann Gabriel Hundt kritisierte der Breslauer Archidiakon Lindanus bei der Visitation 1579, weil er die Seelsorge in seiner Herrschaft Endersdorf dem Grottkauer Pfarrer weggenommen und dem evangelischen Pfarrer von Hönigsdorf übertragen hatte.114 Eine Denkschrift aus den Jahren 1597 bis 1599, wahrscheinlich aus der Feder eines Breslauer Kanonikers, erwähnt Adlige um Grottkau, die katholische Pfarrer aus ihren Dörfern vertrieben und evangelische Geistliche eingesetzt hatten.115 Vielleicht wollte die Neisser Regierung wegen solcher provozie111 112 113

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Unten S. 33. In der Handschrift des AAW fehlt das Adjektiv besser. Adam von Sitsch auf Bielitz und Bielau, WAGNER, Beiträge Sitsch, 210. KASTNER, Beiträge 1500 – 1655 (= Archiv 1), 106. Vielleicht war es die Nachbarschaft zum Fürstentum Brieg, aus dem das Herzogtum Grottkau hervorgegangen war, wo mancher Grottkauer Landsasse Besitz hatte und wo sich Luthers Lehre schon unter Herzog Friedrich II. von Brieg und Liegnitz (gest. 1547) fest etablierte hatte, was die frühe Verbreitung des Luthertums im Grottkauer Lande erklärt. JUNGNITZ, Visitationsberichte 1, 75 (20.8.1579). Das Schriftstück bei KÖHLER, Tridentinische Erneuerung, 394f.

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render Aktivitäten die Grottkauer Hauptmannschaft nicht besetzen. Vorher lag sie gewöhnlich in der Hand eines Adligen aus den Familien Dreske oder Hundt. Der genannte Gabriel Hundt ist noch 1599 als Grottkauer Hauptmann belegt.116 Wir können die Zahl der großen Landbesitzer im Grottkauer Umland im Jahre 1608 auf ungefähr 20 schätzen. Sie waren im Besitz von 30 Guts- und Dorfherrschaften - so auf Grund der sicheren Zahlen, die wir für die Jahre 1579 und 1645 haben. Nicht weniger als die Hälfte von diesen waren sicherlich evangelisch. In den Jahren vor und nach 1608 werden Besitzer aus mindestens sieben Familien als evangelisch bezeichnet: Bischofsheim, Dreske, Gelhorn, Hundt, Rotkirch, Wachtel und Wiese. Schon als Bistumsadministrator war Sitsch gegen die Evangelischen im Grottkauer Lande eingeschritten. 1597 (2. Juni) wies er den Grottkauer Magistrat an, durch eine geeignete Person dem Prädikanten des älteren Kaspar von Bischofsheim in DeutschLeippe zu befehlen, Dorf und Bistum innerhalb von vier Tagen zu verlassen.117 Zwei Jahre später (31. August 1599), befasste sich das Kapitel wieder – jetzt hinsichtlich des Hauptmanns Gabriel Hundt – mit dem störrischen Bischofsheim, der immer noch seinen evangelischen Prediger unterhielt, und zitierte ihn und den Hauptmann vor die Versammlung der Domherren (die beiden schickten Nachricht am Vorabend des ihnen gesetzten Termins, sie seien im Augenblick verhindert).118 Mit Sitsch diente 1597 als Bistumsadministrator Kaspar Hiltprand, ein gebürtiger Grottkauer und seit 1588 Breslauer Domherr; die beiden verdienten sich bei dieser Gelegenheit kaum das Wohlwollen der Landbesitzer in der Grottkauer Hauptmannschaft.119 Die von Sitsch angeordneten Visitationen der Pfarreien 1602 gaben Gelegenheit, im Interesse der Rückeroberung von Pfarreien, die der Kirche entglitten waren, Druck auf die Patronatsherren auszuüben. Der weitgehend evangelische Charakter der Grottkauer Dörfer blieb der bischöflichen Regierung noch jahrelang ein Dorn im Auge. Von Wien aus wies Bischof Karl 1624 (23. Juni) den Grottkauer Rat an, keinem Nichtkatholiken das Bürgerrecht zu verleihen.120 116

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Kapitelakten 19.7., 31.8., 9.9.1599, KASTNER, Actenmässige Beiträge 1599 – 1649 (= Archiv 3), 349; 359, 371. Zum Adel um Grottkau, SCHOLZ, Das geistliche Fürstentum Neisse, 196-200 (Besitzer 1579), 198 Anm. 23, 272, 310 (Besitzer 1645). Hierzu KÖHLER, Tridentinische Erneuerung, 86f. und besonders die weiteren Quellen S. 87 Anm. 83. FUCHS, Versuch einer Reformationsgeschichte (wie Anm. 3), 46; 323 der Brief an den Grottkauer Magistrat 2.6.1597. Kapitelakten 18.3-19.10.1599 in KASTNER, Actenmässige Beiträge 1599 – 1649 (= Archiv 3), 316-384, hier 359, 371. ZIMMERMANN, Domkapitel, 303 Anm. 5. FUCHS, Versuch einer Reformationsgeschichte, 354f. 1626 (8.1.) las man im Kapitel einen Brief des Grottkauer Hauptmanns, der den Prädikanten in Striegendorf, südwestlich von

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Zwanzig Jahre nach dem Tode des Bischofs Sitsch gingen die Bistumsadministratoren Johann Friedrich Freiherr von Breiner und Christoph von Strachwitz121 gegen die evangelischen Adligen im Grottkauer Gebiet vor, zitierten sie nach Neisse und setzten sie sogar in Haft und vertrieben damals deren Prädikanten. Die Namen, die hier begegnen sind Wachtel, Biebritz, Hundt, Wiese und je zwei Besitzer aus den Familien Gelhorn und Rothkirch.122 Als Propst und als Bischof mag Sitsch andere Zusammenstöße mit den evangelischen Landsassen des Fürstentums gehabt haben. Den Diplomaten des Vatikans am Kaiserhof mochten Sitschs Bemühungen um die katholische Erneuerung nicht genügen, die schlesischen Evangelischen betrachteten seine Regierung als den Anfang ihrer Leidenszeit. Ohne jeden Zweifel bestand ein Teil des Landadels im Bistumslande bei seinem Tode aus Gutsbesitzern, die mit seinem Regiment unzufrieden waren, auf Grund von Überlegungen, die mit den in den Gravamina vorgetragenen Punkten wenig zu tun hatten. Obwohl auch nicht eine einzige Wendung in den Gravamina konfessionelle Vorbehalte oder Bedenken andeutet, kann man sich gut ausmalen, dass eine verbitterte Minderheit im Landtag eine Attacke auf den verstorbenen Landesherrn anstrengte und dann unter den übrigen Evangelischen und anderen einige Mitläufer fand. Unvereinbare Positionen wurden von beiden Seiten eingenommen. Die Evangelischen bestanden auf Religionsfreiheit auch in geistlichen Gebieten, womit insbesondere Toleranz gegenüber den Evangelischen im bischöflichen Fürstentum gemeint war, brachten diesen Grundsatz in den Gravamina der Fürsten und Stände vom 6. Juni 1608 zum Ausdruck und erreichten, dass er im Majestätsbrief von 1609 akzeptiert wurde.123 Dem auf die restauratio

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Grottkau, hatte entfernen sollen, 1627 (26.1.) war dieser Befehl immer noch nicht ausgeführt, KASTNER, Actenmäßige Beiträge 1599 – 1649, 104, 137. Johann Friedrich von Breiner, geb. 1585, Breslauer Kanoniker 1618, Kustos im Kapitel 1629, Bistumsadministrator 1625 oder 26, residierte dann in Neisse, Besitzergreifung des Bistums im Namen Karl Ferdinands am 7.1.1626, im Februar 1626 empfing er für den Bischof Karl Ferdinand den Homagialeid der Neisser Stände, trat zurück 1635 und starb 1638. Christoph von Strachwitz, geb. 1579, Germaniker, Domherr 1608 (schon bei der Wahl des Bischofs Karl 7.7.1608), Kantor 1616, Bistumsadministrator schon 1609, auch 1618 – 1621, 1625 und in den folgenden Jahren, gestorben 1638, JUNGNITZ, Germaniker, 123-125, 95100, KÖHLER, Tridentinische Erneuerung, 368. Die sich auf diese Episode beziehenden Schriftstücke gedruckt in Acta Publica. Verhandlungen und Correspondenzen der schlesischen Fürsten und Stände 1-8, Breslau 1865 – 1906, 7 (1628), hg. von Julius KREBS, 169-183; eine Beschreibung der einzelnen Briefe bei SCHOLZ, Das geistliche Fürstentum Neisse, 238 Anm. 44. Das erste der schlesischen Gravamina vom 6.6.1608 bat, daß niemand „ungeachtet unter welcher Obrigkeit” gezwungen werden sollte, eine andere Religion anzunehmen. Die Rettung protestantischer Gemeinden im bischöflichen Fürstentum war den evangelischen Fürsten und Ständen wichtig genug, daß sie sich im Majestätsbrief speziell die Religionsfreiheit

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catholica festgelegten Bischof Sitsch musste selbstverständlich die Bewahrung oder Wiedergewinnung der religiösen Einheit seines eigenen Fürstentums ein oberstes Ziel sein. Wenn das auch anscheinend nicht durch eine bestimmte Äußerung seinerseits belegt werden kann, so dürfen wir seine Einstellung doch aus den Mandaten erschließen, die er schon als Bistumsadministrator für Neisse und das Grottkauer Gebiet erließ.124 Bei der bischöflichen Regierung in Neisse war das gewiss eine Überzeugung schon zu Zeiten des Bischofs Sitsch. Die Rückkehr zur katholischen Kirche, so schrieb einer in der Umgebung seines Nachfolgers Karl ein paar Jahre später, erforderte in den Ländern unter katholischen Herrschern die unbedingte Anwendung des Prinzips cuius regio, eius religio. Im Neisser Fürstentum, aber auch in der Grafschaft Glatz, die der Kaiser 1621 dem Bischof überließ, versuchte man es dann in die Wirklichkeit umzusetzen.125 Katholische Restauration im bischöflichen Fürstentum bedeutete für Stadt und Land, dass man die protestantischen Pfarrer vertrieb, den Evangelischen die Kirchen wegnahm und damit Unterricht und Gottesdienst in ihrem Glauben erschwerte oder ganz unmöglich machte. In den Städten des Fürstentums – Neisse, Grottkau – brachte die katholische Reform auch die Verweigerung des Bürgerrechts mit sich, die Entfernung der Evangelischen aus öffentlichen Ämtern, schließlich die Aufforderung, ihre Güter zu verkaufen und das Land zu verlassen. Einen adligen Landsassen evangelischer Konfession stellte die bischöfliche Regierung, soviel wir wissen, niemals vor die Alternative Konversion oder Güterverkauf und Auswanderung, obwohl man es später einmal im Falle von zwei bürgerlichen Gutsbesitzern tat.126 Dennoch lernten die evangelischen Land-

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in geistlichen Gebieten versichern ließen, GOTTSCHALK, Buckisch Schlesische ReligionsAkten 1517 – 1675 2, 134, 145-147. FUCHS, Versuch einer Reformationsgeschichte (wie Anm. 3), 47 Anm. 1 und 323 gibt die Texte dieser Erlasse. GRÜNHAGEN, Schlesien unter Rudolf II. (wie Anm. 16), 87, 91, 93, 95. Hubert JEDIN, Eine Denkschrift über die Gegenreformation in Schlesien aus dem Jahre 1625, in: ASKG 3 (1938), 152-171, hier aus dem Nachdruck in DERS., Kirche des Glaubens, Kirche der Geschichte 1 (wie Anm. 9), 395-412, hier 408f., 397. Die im Majestätsbrief versprochene freie Religionsübung auch in geistlichen Territorien – GOTTSCHALK, Buckisch Schlesische Religions-Akten 1517-1675 2, 147 – wurde ignoriert. Viele der schlimmsten Ausschreitungen gegen die Evangelischen in Glatz kamen erst nach dem Tode des Bischofs Karl, Hugo von WIESE, Der Kampf um Glatz. Aus der Geschichte der Gegenreformation (= Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 14, 1), Halle 1896, 57-80. In Böhmen wurde der Adel 1627 vor diese Alternative gestellt, GINDELY, Geschichte der Gegenreformation in Böhmen (wie Anm. 17), 262f. 1629 (11.12.) wurde ein solches Mandat die Neisser Bürger betreffend von den Bistumsadministratoren Breiner und Strachwitz im Namen des Bischofs Karl Ferdinand erlassen, der Text bei FUCHS, Reformationsgeschichte des Fürstenthums Neisse, 321f., dort auch 319-321 das Dekret vom 13.3.1629, das die bürgerlichen Gutsbesitzer Scholz und Ritter betrifft. Für den Landadel wurde die finanzielle Ausnützung ihrer Patronatsrechte schwieriger, Kurt ENGELBERT, Maßnahmen des Bischofs

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sassen den Bischof Johannes von Sitsch als einen engagierten Streiter für die katholische Restauration kennen und hatten Ursache, neue Eingriffe unter dem nächsten Breslauer Bischof zu befürchten, besonders zu einer Zeit, als der Majestätsbrief oder der Dresdener Akkord ihnen noch nicht Religionsfreiheit zu garantieren schien.127 1608 war dann auch das Jahr, in dem sich die schlesischen Fürsten und Stände zum ersten Mal ganz offen bemühten, die Macht des Bischofs von Breslau zu beschneiden, indem man die Oberlandeshauptmannschaft, das Oberamt, die ihm gewöhnlich übertragene Rolle des Statthalters im habsburgischen Schlesien, auf weltliche Fürsten beschränken wollte. Dabei mag man sich der Beteiligung des Bischofs an der gewaltsamen Rekatholisierung Troppaus im Sommer und Herbst des vorhergehenden Jahres – das erste Exempel einer von Militärmacht unterstützten katholischen Restauration – oder seines Auftretens gegen die Evangelischen in Glogau ein paar Jahre früher erinnert haben. Der Kaiser hatte noch am 28. April, drei Tage nach dem Tode des Bischofs, dem Herzog Karl von Münsterberg und Oels und Grafen zu Glatz die Oberlandeshauptmannschaft übertragen. Die Gravamina der Fürsten und Stände vom 6. Juni (Artikel 8) verlangten dann, dass das Amt immer nur „mit einer tauglichen fürstlichen Person weltlichen Standes” besetzt werde, nicht mit dem Breslauer Bischof. In der Korrespondenz zwischen dem schlesischen Fürstentag und dem Kaiser im Verlaufe der nächsten vierzehn Monate kam das Thema vom Bischof als Oberlandeshauptmann immer wieder zur Sprache, bis schließlich Rudolf im „zweiten” Majestätsbrief vom 20. August 1609 nachgab und den schlesischen Fürsten und Ständen auf immer den Ausschluss des Breslauer Bischofs vom Amt des Oberlandeshauptmanns konzedierte.128 Der in der Theorie bisher noch bestehen-

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Kaspar von Logau (1562 – 74) zur Hebung des Katholizismus im Bistum Breslau (= Sonderdruck aus ASKG 3), Breslau 1938, 10-11 (Einzug von Pfarreinkünften). Majestätsbrief und Dresdener Akkord, GOTTSCHALK, Buckisch Schlesische Religions-Akten 1517 – 1675 2, 145-148, 293f. Liste der 15 schlesischen gravamina 6.6.1608: der Oberlandeshauptmann soll ein weltlicher Fürst sein; kaiserliche Antwort 18.7.: der Bischof ist auch ein Fürst; Erläuterungen der Fürsten und Stände 6.9.: das Oberamt ist kein geistliches Amt; kaiserliche Antwort 16.12.: der Bischof hat seit undenklichen Zeiten das Oberamt geführt; Gesandtschaft des Fürstentages 6.6.1609: nicht solche sollen das Oberamt haben, die durch das Bistum zum Fürsten gemacht worden, einer mit Leibeserben wird immer dem Vaterlande besser vorstehen; sog. Zweiter Majestätsbrief 20.8.1609: Karl von Münsterberg behält das Amt auf Lebenszeit, nach ihm nur ein weltlicher schlesischer Fürst als Oberlandeshauptmann, nach Karl muß Bischof immer Schlesier sein, GOTTSCHALK, Buckisch Schlesische Religions-Akten 1517 – 1675 2, 134f., 135, 140, 141, 143, 148. Bischof Karl setzte sich am 29.5.1609 in der Instruktion seiner Gesandten zum Breslauer Fürstentag mit dem Thema auseinander, GOTTSCHALK, Buckisch Schlesische Religions-Akten 1517 – 1675 2, 142f.; KASTNER, Geschichte der Stadt Neisse 2, 14f.; s.a. SCHICKFUSS (wie Anm. 3), New vermehrte schlesische Chronica

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den geistlichen Aufsicht des Bischofs über ganz Schlesien machte der (eigentliche) schlesische Majestätsbrief, datiert vom 20. August 1609, ein Ende; völlige Parität bestand nun zwischen den Religionen.129 Auf jeden Fall ließen sich die Landstände des bischöflichen Fürstentums, die sich in der Vergangenheit gegenüber dem Bischof als ganz gefügig gezeigt hatten, zu einer aggressiven Kritik des geistlichen Landesherren gerade in dem Augenblick hinreißen, als man einerseits im Fürstentum weitere Maßnahmen zur Rekatholisierung unter der Führung des Bischofs erwarten konnte, andererseits in ganz Schlesien der Autorität des Breslauer Bischofs Schranken setzten wollte. Indem die Gravamina einem geistlichen Landesherrn Willen und Fähigkeit zu einer gerechten Herrschaft absprachen, trugen sie dazu bei, die Autorität seines Amtes zu untergraben. Über Zweck und Urheberschaft der Neisser Gravamina von 1608 lässt sich damit festhalten, dass diese nicht nur eine Kritik der Schwächen der bischöflichen Regierung unter Johannes von Sitsch darstellen, sondern darüber hinaus einen generellen Angriff auf die wesentlichen Züge des absoluten bischöflichen Regimes, eines Regiments, das in ganz ähnlicher Form auch in den übrigen Kleinstaaten Schlesiens zu Beginn des 16. Jahrhunderts bestand und mit dem sich die Landstände des Fürstentums bisher ohne zu klagen abgefunden hatten. Dass man gerade in diesem Augenblick die gewohnten Wege der bischöflichen Regierung nicht mehr erträglich fand, war auf den Konflikt der Konfessionen zurückzuführen. Für die evangelischen Landstände waren die Gravamina ein Instrument im Ringen um das Weiterbestehen ihres Bekenntnisses im Bereich des bischöflichen Fürstentums. Dass sie bei der nächsten Vakanz siebzehn Jahre später neue Gravamina aufbrachten zeigt nur, dass die alten Befürchtungen weiterbestanden.

Quellen zu Johannes von Sitsch, Bischof von Breslau Vita: Vitae Episcoporum Ecclesiae, qui olim Smogrouiensis deinde Rythinensis mutato Low et nomine Wratislauiensis tandem appelatum = Biographien der Breslauer Bischöfe, besteht aus 30 Blättern, bis einschließlich 17

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unnd Landesbeschreibung, Buch III, 89-95, ferner Konrad: Der schlesische Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II., 20, und den Abschnitt Der Kampf des Erzherzogs Karl um den Majestätsbrief, in KÖHLER, Tridentinische Erneuerung, 269-273; BAHLCKE, Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit, 525-527. Mit der Übertragung der Oberlandeshauptmannschaft rissen „die schlesischen Fürsten und Stände einen mächtigen Pfeiler ein, auf dem bisher die Reste der katholischen Kirche in Schlesien geruht hatten”, JEDIN, Die Krone Böhmen, 433. GRÜNHAGEN, Schlesien unter Rudolf II. (wie Anm. 16), 94f.

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einseitig gezählt, 43 nummerierte Texte bis Sitsch, dieser Nr. 43, beginnt mit Godefridus, das letzte Blatt bezieht sich auf Karl und Karl Ferdinand, hat aber keinen Text, AAW II a 4 1 (kein Bezug auf dieses Stück bei Zimmermann). Liber receptionum capituli Vratislaviensis 1573-1596, AAW III a 9, enthält literae triennalis studii … Joannis Sitsch von Nikolaus Bodzencius rector academiae Cracorum, f. 50r-51r; päpstliche Ernennung als Propst, f. 143r-144r; Investiturbrief von Bischof Andreas von Jerin, f. 144r-v; Bezug auf Sitsch auch Liber receptionum capituli Wratsislaviensis 1538-1593, AAW IV b 2, fol. 159b. – Testament 14.4. 1608 in AAW II e 5 ist ein Irrtum des gedruckten Katalogs, das Stück enthält das Testament nicht. – Wahl und Weihe: AAW II b 25 13, fol. 15r-30r, 22 Schriftstücke im Zusammenhang mit Wahl und Weihe zum Bischof, Köhler: Tridentinische Erneuerung, S. 357-363, Reg. 177-191, 193-196, 204-206. Korrespondenz, die sich auf seine Regierungstätigkeiten bezieht: Regesten bei Joachim KÖHLER, Das Ringen um die tridentinische Erneuerung im Bistum Breslau. Vom Abschluß des Konzils bis zur Schlacht am Weißen Berg 1564-1620 (= Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 12), S. 357-368, Regest 177-229, meist unveröffentliche Dokumente aus dem Archivio Segreto Vaticano oder dem Erzdiözesanarchiv Breslau; 2 relationes oder Statusberichte, KÖHLER (wie vorher), Nr. 210, 228. Der Inhalt der ungedruckten relationes status, Statusberichte des Bischofs an den Papst, von 1603 und 1607 wird wiedergegeben bei Joseph SCHMIDLIN, Die kirchlichen Zustände in Deutschland vor dem Dreißigjährigen Kriege nach den bischöflichen Diözesanberichten an den Heiligen Stuhl (= Erläuterungen und Ergänzungen zu Janssens Geschichte des deutschen Volkes, hg. von Ludwig Pastor 7), Freiburg 1908-1910, S. 536-544 (182-190 nach der separaten Paginierung von Teil 3). Sitsch an das Kapitel über Schulden des Bonaventura Hahn AAW II 6 b, 2 a (WAGNER, Beiträge Sitsch, S. 220 Anm. 12). Gedruckt existieren: 5 Briefe, 1603-05, die sich auf päpstliche Kritik beziehen, KÖHLER, (wie vorher), S. 364-366, Reg. 212, 213, 217, 218, 220, die Texte bei A.O. MEYER, Zur Geschichte der Gegenreformation in Schlesien, in: ZVGS 38 (1904), S. 352-361. Gedruckte Nuntiaturberichte der Nuntiatur am Kaiserhofe aus der Regierungszeit des Johannes Sitsch (G. St. Ferreri 1604-06) Die Prager Nuntiatur des Giovanni Stefano Ferreri und die Wiener Nuntiatur des Giacomo Serra (1603-1606), bearb. von A. O. MEYER, (= Nuntiaturberichte aus Deutschland. Nebst ergänzenden Aktenstücken, IV, 3), Berlin 1913, Nachdruck Turin 1973. (G. St. Ferreri 1604) Epistolae et acta nuntiorum apostolicorum apud imperatorem 1592-1628, curis Instituti Historici Bohemoslovenici, 5 Bände, Prag 1932-1946 (= EAN), III, 1: 1, hg. von Z. KRISTEN, Prag 1944. (A. Caetano 1607, 1608) EAN IV, 1, 2, 3 Teil 1, hg. von Milena LIN-

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HARTOVA , Prag 1932, 1937, 1940, hier 1, S. 326. (Besetzung der Dompropstei 1585) Robert REICHENBERGER, Nuntiaturberichte aus Deutschland 2: Die Nuntiatur am Kaiserhofe 1 [1585-1590] (= Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte 10), Paderborn 1905, S. 135. – Religiöse Ereignisse in seiner Regierungszeit: Gottfried Ferdinand BUCKISCH, Schlesische Religions-Akten 1517-1675, das Werk bleibt ungedruckt, die Regierungszeit des Sitsch bis 1607 in der digitalisierten Handschrift aus dem Jahre 1805 der Silesian Digital Library, Teil 1, 1517-1608, S. 1155-1242. Gottfried Ferdinand BUCKISCH, Schlesische Religions-Akten 1517-1675, Regesten der Religions-Akten bearbeitet von Joseph GOTTSCHALK, Johannes GRÜNEWALD, Georg STELLER 2 (= Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 17/II), Köln-Weimar-Wien 1998, S. 120-130. Wenig zu Sitsch bei dem evangelischen Zeitgenossen (1574 – 1637) Jakob SCHICKFUSS, New vermehrte schlesische Chronica unnd Landes Beschreibung, Jena 1625, Buch 1, Kap. 41, S. 243 (jedes der vier Bücher hat separate Seitenzählung); Kap. 42, S. 249, 264; Buch 3, Kap. 2, S. 31, Kap. 6, S. 43-51, Kap. 7, S. 51-65. – Erlasse als Bischof: Visitation der Pfarreien AAW II b 25 1, f. 1r-8r (eigentlich aus der Feder des Archidiakons Balthasar Neander) und 4, f. 9v-10r; Synode 1606 AAW II b 25 9, f. 12v und 10, f. 13r (B. Neander); Vierzigstunden-Gebet AAW II b 25 2, f. 8r-v (B. Neander) und 6, f. 10v-11r (B. Neander); Fastenordnungen AAW b 25 5, f. 10r (B. Neander); Ablässe AAW II b 25 3, f. 8v-9v (B. Neander) und 7, f. 11rv (B. Neander); Ordo currendarum AAW II b 25 8, f. 12r. – Aktivitäten als Bischof auf Grund der Kapitelakten 1600-1608: Ungedruckt: AAW III b 11, f. 2r-354v (d.h. über 700 Seiten), s. vor allem f. 30, 35, 51, 61, 67f., 80.; gedruckt: August KASTNER, Actenmässige Beiträge zur Geschichte des Bisthums Breslau von 1599 bis 1649 (= Archiv für die Geschichte des Bisthums Breslau 3), Neisse 1863, Kapitelakten 18.3.-19.10. 1599, S. 316-384; DERS., Beiträge zur Geschichte des Bisthums Breslau von 1500 bis 1655 (= Archiv für die Geschichte des Bisthums Breslau 1), Neisse 1858, Abschnitt 1 „Extrakt aus den Kapitelakten besonders Religionssachen betreffend 1518-1637”, S. 1-227, hier S. 124-142, offensichtlich stark gekürzt. Protokolle fehlen 1589 – Anfang und Ende 1599. Ein Liber conceptuum capituli Wratislaviensis aus der Zeit des Bischofs ist AAW III b 40 für die Jahre 1606 (1.7.) bis 1609 (24.12.). – Tätigkeiten als Oberlandeshauptmann: Fürstentagsbücher aus der Zeit des Sitsch: AAW VI a 1 bis VI a 17, besonders VI a 11 (1600-1602), VI a 12 (1603-1606), VI a 13 (1606-1608); die Jahre 1578-1594 sind enthalten in VI a 5- VI a 10, keine Fürstentagsbücher im AAW für 1595-1599. Führer zu den Quellen im Erzdiözesanarchiv Breslau: Wincenty URBAN, Katalog Archiwum Archidiecezjalnego we Wrocławiu. Rekopisy, in:Archiwa, Biblio-

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teki i Muzea Kościelne 10 (1965), 1, S . 5–32, 11 (1965), 2, S . 5–108, 12 (1966), 1, S . 5–74, 13 (1966), 2, S . 5–90, 14 (1967), 1, S . 5–132, 15 (1967), 2,S. 91–248, 16 (1968), 1, S . 19–424. Der gedruckte Katalog des Diözesanarchivs umfasst 798 Seiten und die genannten Bände der Zeitschrift enthalten die folgenden Seiten des Katalogs: 10 = S . 1–28, 11 = S . 29–132, 12 = S . 133–202, 13 = S . 203–288, 14= S . 289–416, 15 = S . 417–574, 16 = S . 575–798, hier Archiwa, Biblioteki i Muzea Koscielne 11 (1965), S. 59-60. – Gemälde und Grabdenkmal: Josef JUNGNITZ, Die Grabstätten der Breslauer Bischöfe, Breslau 1895, S. 26 und Tafel 14; Józef PATER, Poczet biskupów wrocsławskich, Breslau 2000, S. 80f.

Anhang: Text der Gravamina und der bischöflichen Antwort Neben den Besonderheiten von Grammatik, Diktion und Wortwahl zeigen die beiden Texte Eigenheiten der Orthographie und Interpunktion, die man, wenn nicht dem Frühneuhochdeutschen am Anfang des 17. Jahrhunderts überhaupt, den Autoren bzw. Kopisten oder den Gewohnheiten ihrer Region zuschreiben muß und in deren Anwendung die Schreiber selbst nicht unbedingt konsequent sind. Um die Eigentümlichkeiten der Texte zu bewahren, aber auch ihre Zugänglichkeit nicht unnötig zu erschweren, werden die im Folgenden angezeigten Normalisierungen vorgenommen:130 ß, wo es dem modernen s entspricht,vor allem am Wortende, ersetzt durch s. j als Vokal ersetzt durch i oder ie. v als Vokal u ersetzt durch u. u als Konsonant v ersetzt durch v. w statt u wird bewahrt. Statt der häufigen Doppelkonsonanten ohne spezielle Funktion, wie nach kurzem Vokal, einfacher Konsonant. 130

Die Editionsregeln bei der Ausgabe einiger frühneuhochdeutscher Texte wurden eingesehen: Johannes SCHULTZE, Richtlinien für die äußere Textgestaltung bei Herausgabe von Quellen zur neueren deutsche Geschichte, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 98 (1962), S. 111, besonders 8f. Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, hg. von Adolf LAUFS, KölnWien 1976, S. 51-53 („Editionsgrundsätze”). Der Reichstag in Regensburg und die Verhandlungen über einen Friedstand mit den Protestanten in Schweinfurt und Nurnberg 1532 1-3, hg. von Rosemarie AULINGER (= Deutsche Reichstagakten, jüngere Reihe 10) 1, Göttingen 1992, 67-69 („Editionsregeln“). Briefwechsel zwischen Ferdinand I., Maximilian II. und Adam von Dietrichstein 1563-1565, bearbeitet von Arno STROMEYER (= Die Korrespondenz der Kaiser mit ihren Gesandten in Spanien, hg. von Friedrich EDELMAYER 1), München 1997, 17-19 („Transkriptionsregeln“).

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Wo vor- statt ver- im Text (die beiden in der Schrift oft kaum unterscheidbar), durchgehend ver-. Trennung oder Zusammenschreiben von Wörtern nach heutiger Praxis (zu plus Verb wird getrennt – zu reisen statt zureisen). Groß- und Kleinschreibung, die in beiden Texten keinen erkennbaren Regeln folgt, wie im gegenwärtigen Deutsch. Interpunktion nach heutigen Regeln – Im ersten Text kommt die Interpunktion der heutigen Praxis nahe, im zweiten hat die Handschrift am Satzende gewöhnlich einen Punkt, ansonsten werden Satzteile oder Sätze durch einen kurzen Schrägstrich voneinander abgesetzt, in dem wir wohl die Virgel, die einmal Lesepausen anzeigte, vermuten dürfen.131 Abkürzungen erscheinen fast ausschließlich im ersten Text (Herr, hochlöblich, ehrwürdig, Fürstentag, Ihre fürstlichen Gnaden) und werden aufgelöst. Varianten im ersten Text, wenn nicht anders angedeutet, beziehen sich auf die Handschrift des Breslauer Diözesanarchivs, Archiwum Archidiecezjalne we Wrocławiu III a 34 b, S. 227v-231r. 1. Gravamina der Landstände des Fürstentums Neisse, 16. Mai 1608 (Archiwum Państwowe we Wrocławiu, Księstwo Nyskie 184, S. 1-7) Der Neissischen Landschaft Gravamina132 Erstlich, bei der Regierung des verstorbenen Herrn ist das Landt ganz hilflos vnd verlassen gewesen, das bei dergleichen unordentlichen Regiment und Zustandt ihr wenig Audientz haben können, sondern nur alles in die Kanzlei hat mussen gegeben werden, so offt lange Zeit verleget oder gar nicht referiret worden. Darauf ein solches Schreien und Wehklagen von Wittiben, Weisen, armen Leuten und andern kommen, das es ein Stein erbarmen mögen und ihr viel in Armut und unertregliche Not dadurch gerahten.

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Frédéric HARTWEG/Klaus-Peter WEGERA, Frühneuhochdeutsch, 2. Aufl., Tübingen 2005, 131. Neissischen über der Zeile nachgetragen. In der Handschrift AAW III 34, f. 227v ist die Überschrift Grauamina und Landesbeschwerungen der Löblichen Landtschaft im Neißnischen Fürstenthumb und Grottgauischen Weichbilde welche sie vber Johannessen Nachst verstorbenen Bischofen zu Breslau für den Herren Administratoren klagende geführet, da sie itzt gedachten Administratoren den handtschlag der Erbhuldigung thun sollen. Geschehen zur Neiβ, den 16. May A:o1608.

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Zum 2. seindt133 wenig consilia gehalten, und nichts mehr in consilio referirt, sondern priuatim und in der Cammer. Was aber dieses nicht allein des Bischthumbes Unterthanen, sondern andern geschadet, kan man aus dem erachten, das mancher, der blutarm134 gewesen, in deromaβen kurzer Zeit so viel eingetragen und verlaβen135, das viel Fürsten nicht verlaβen haben, geschweigen was noch bei manchen wehre136 zu finden137. Ist alles armer und guter Leute Blut und Schweiβ, davor Beförderung, Gunst und Expedition erkauft müβen werden. Zum 3. hat man auf viel Ansuchen und Bitten auch in groβen Sachen, die Leib, Ehre und Gut angetroffen, selten Tagfarten erlangen können, daraus viel Ubels endtstanden und ihr viel merklichen Schaden138 leiden müβen. Was aber deβen Ursach139 gewesen, hat man nicht verstehen mögen, ob man die labores geschewet und den Beudtel sowol die Leibsnotturft mehr in acht nehmen müβen, oder das auch kein richtiger Canzler bestellet und zwar viel titulati consiliarii gewesen, aber die etwas in jure fundiret und verstanden, derer hat nur gemangelt. Derowegen haben die Rehte von Breslaw allzeit müβen gefordert werden, die alsbaldt darvongezogen, und viel Sachen bis auf dato unerörtert und ersitzen blieben, und also ihr wenig die Billigkeit erlangen mögen. [S. 2] Zum 4. die gebürliche Canzlei Taxa ist gar verloren, hergegen ein solche aufkommen, das auch im keiserlichen Hofe derogleichen nit ist, und hat ein jeder gefordert, was ihn gelüstet, das dadurch mancher armer Mann abgeschreckt und seine Sachen liegen laβen, und ob man solches bei manchem geklaget, so hat doch ein jeder das liebe placebo gesungen und liebes Kind sein wollen, und ihm die Sachen also gefallen lassen. Zum 5. so ist bei des verstorbenen Herrn Zeiten nur ein einziger Fürstentag ordentlicherweise publicirt, die andern alle nur durch patenta der Landschafft insinuirt worden, und ist gewesen, sic volo, sic jubeo,140 ihr Unterthanen gebet nur Geldt, das auch ein Uberschuβ gewesen, aber die Leute (wie von diesen bei der Publicirung der Fürstentage geschehen) zu hören, das hat man offte geschewet. Da zufor der Landtfürst selbst nach Publicirung des Beschlusses der Landtschafft vorbringen laβen, da in gemein das Landt

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hat man Guth statt Blutt Vorlaßen, verlassen, der Sinn ist offensichtlich hinterlassen wehre om. befinden und Nachtheil gelitten ursachen Juvenal: 6. Satire, 223: Hoc uolo, sic iubeo, sit pro ratione uoluntas.

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oder141 ein einige Person was vor142 Beschwer vorzubringen hatte, Ihr Fürstliche Gnaden wollen es in Gnaden anhören, und diesem als ein trewer Fürst und Vater des Vaterlandts ehestes abhelfen. Jetzundt ist alles abkommen und dadurch ein böser Wahn erfolget. Zum 6. so hat der verstorbene Herr Bischof etlich 100 Thaler, so die Landtschafft zu ihrer Defension zusammengelegt und nicht alles bedurft, zu sich genommen, sich erboten Raitung davor thun laβen und den Uberschuβ widerzugeben, derowegen wil man dasselbte nicht verloren haben.143 Zum 7. so ist bei dieser wolbestalten Regierung dieser Gebrauch und auch sonsten juris, wo etwan ein Geldtstreit vorgefallen, das man daselbe ins depositum einlegen sol. Jezundt hat man keines annehmen wollen, und was darinnen gewesen, daraus gestohlen. Wann man solches geklaget, ist ein Gelechter [S. 3] worden, dadurch also ein armer Man mutwilligerweise umb das Seine gebracht wird. Auch dieser Veracht erfolgt, das dieser, so zu Haus Geldt gehabt, darvon auch Interesse hernach geben müssen. Zum 8. seindt die Ambter, nicht alle, die andern aber, ubel bestellet und mehr der eigene dann der Kirchen und gemeiner Nuz gesucht144. Newe Auffseze und selzame Erfindungen worden erdacht, daraus nur Jammer und Not, auch Wehklagen der armen145 Unthertanen wird gehört. Die Awen, Wege und Stege, auch die Kirchen, werden verbawet, ob solchs dem Bischthumb allzeit zu gutem geschieht, wird solches künftig die Zeit eroffnen. So ist das Amt im Grottgischen lange Zeit nicht bestellet, ob man dasselbe zwar mündt- und schriftlichen zusagen laβen, ist doch nichts erfolget, daraus grosse Unordnung kommen, und die vom Adel als andere dadurch wollen gezwungen werden, in ihren angelegenen Sachen nach der Neiβ zu reisen und alda zu klagen und ihr Geldt unnüzlich zu verzehren und nichts auszurichten, ihre Boten, sie und der Bescheit, zu viel Wochen aufgehalten, und kaum in einem halben Jahre erfolget, da einer bei seinem Hauptman leichter hat146 davon können kommen. Zum 9. ist in den Stedten grosse Unordnung, ein jeder thut was ihm gefelt, dardurch der Landtman zum höchsten wird gedruckt und beschweret und als umb toppelt Geld zahlen müssen. Da ist kein Einsehen gewesen, niemandt hat sich umb nichts bekümmert, und das liebe Brodt nicht wol147 verdienet. 141 142 143

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oder om. durch statt also Die beabsichtigte, aber nicht ausgedrückte Beschwerde ist wohl, daß die versprochene Abrechnung nicht stattgefunden hat. gestift nicht arm, stattdessen von der hette viel

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Zum 10. ist auff die Grotgische Landschafft ein newer Zol oder Auflage zur Neiβ erdacht, der zuuor bei Menschengedenken nicht gewesen, und sind also ihrer Possession de facto wieder Recht und Billigkeit entsezet148. [S. 4] Zum 11. so ist das ein grosser und mechtiger Beschwer, wann ein Ubelthäter von einem, der nicht die Obergerichte149 hat, wird eingezogen.150 Der muβ denselben wie billich in die Neiβ gewohnen und wird von ihnen vom Raht zur Neiβ ein Caution erzwungen, solchen Ubelthater zu alimentirn, so lang er sizt, und wird offt ein ganzes Jahr gegen derselben mit der Execution nit procedirt und dieser hat kein jus151 uber ihn und muβ dennoch solche grosse Unkosten leiden und grosse Gefahr ausstehen, zu grosser Unbilligkeit, dann der Oberkeit gebürt das Ubel zu strafen. Derowegen dann in iziger Zeit wenig werden eingezogen, dadurch aller Mutwil und die grossen Bubenstück im Bischthumb gemein werden, welches zu verantworten gar schwer sein möchte, und solches der Geistligkeit vornemblichen ein grosser Spot und Verkleinerung ist. Zum 12. ist das auch sehr beschwerlichen152 gewesen, wann man nach fleissigem Anhalten kein Audientz noch kein Tagfart erlangen können, das man auch Commissarien nit153 verordnen wollen, die etwas verrichten mögen. Ist etwas geschehen, so seindts doch Grobe und Unverstendige, ja gar nicht vom Adel gewesen, die wenig zu verrichten vermocht. Ja man hat dorfen154 zu erlauchten und Herrenstandes Personen zu155 Exequien schlechte geringe Leute schicken, welches dann nicht allein dem Landtsfürsten selbst ein merklicher Spott, sondern die vom Lande solches offt mit Verwunderung von den Benachbarten156 hören müssen. Ob auch etwan gute Leute zu Commissarien wider verhoffen geordnet und dieselbte trewlich die Sachen verrichtet und referirt hat, hat man doch die Relation nicht angesehen, viel weniger darauf etwas angeordnet, und ist die Commission nur pro forma gewesen,

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gesezet Die Obergerichtsbarkeit, vor allem das Recht „über Hals und Hand” hatten die Dorfherrn in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nur in 43 der 240 Dörfer des Fürstentums, s. „Die Obergerichtsbarkeit und die großen Landbesitzer”, Scholz, Das geistliche Fürstentum Neisse, S. 80-84. einziehen hier einkerkern Joch beschwerlich nicht dürffen zu hier wohl eine nicht beabsichtigte Wiederholung Nachbarn

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[S. 5] dann die Expedition hat nur auf einer Person gestanden, die hat man mit schönen roten Mennlein157 erkaufen158 müssen. Zum 13. ist bei diesem so nachlässigem, unordentlichem Regiment die Sache so weit kommen, das einer (der doch159 gar nicht qualificiret) sich unterstehen dörfen, von den vom Adel Landtgelübnissen160 und -verzichten anzunehmen, ja Kauf zu verreichen161, welches zuvor im Bischthumb nicht erhöret. Zum 14. seindt viel unmündige und verwaiste Kinder etliche Jahr nicht vormündet worden, ob man gleich offters derowegen angehalten. So auch etwas geschehen, hat man doch weder Raht nocht162 Taht als bei den obristen Vormünden suchen noch begehren163 dürfen, das ihr viel umb das Ihrige genzlich kommen oder sonsten grossen Schaden leiden müβen. Zum 15. wil man dis trewer untertheniger Meinung erinnert164 haben, wie ubel die Gebirge165 sowohl das Gehölze auf dem Lande verwüstet und verholzet worden und nichts mehr aufwachsen laßen, aus Ursachen166, das wegen eines geringen Sehzinses167, insonderheit im Gebirge, die Haun168 werden vermitet, und wenn sie ausgesogen, bleiben sie liegen und kan darnach kein Holz nimmermehr aufkommen. Was aber dis dem Bistumb und dem ganzen Lande künftig vor Schaden bringen möchte, wil man ein jeden169 Vernünftigen urtheilen laβen, dann da Gott vor sei, wann das Landt einmahlen mehr dann zu viel Gefahr vor Augen170 verwüstet und Schaden leiden solte, köndte dasselbe nimmermehr wider erbawet werden. In summa, es ist bishero in der kurzen Zeit ein solche unverantwortliche Unordnung ins Bisthumb eingerissen, das es auch nicht erger hat sein mögen, und wehre mehr171 höchlichen zu beklagen und zu beweinen denn davon viel 157

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Rote Männlein bezieht sich vielleicht auf die Goldmünzen, wie sie beginnend im 16. Jahrhundert im Fürstentum Neisse geschlagen wurden, F. FRIEDENSBURG, Schlesiens neuere Münzgeschichte (= Codex diplomaticus Silesiae 19), Breslau 1899, S. 175-177. abkauffen doch om. Landtgeleibnisses verrichten Der Text hat das falsche t. begeben verneint Gebürger stehen Lorenz las das als Säe- (von säen) Zins, der gezahlt wurde bei Bestellung der Auen, die dem Guts- oder Dorfherrn gehörten, LORENZ, Landesverwaltung Sitsch, S. 239. Gemeint hier Auen eines jeden arger om. mehr

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zu sagen, wie dann der Sachen noch ein ganzer Haufen mit Billigkeit und Warheit könten angezogen werden, wann man sich vernünftig nicht modeririren172 müste. Zu diesen aber, wie oben gemeldt, wird [S. 6] ein ehrbar Landtschaft genodtringet173, und haben erwenter Beschwer grosse, hochwichtige bei Gott und der ehrbaren Welt unverantwortliche Ursachen, doch protestando, das sie hiedurch Niemandtsen174, viel weniger ihren Landtsfürsten in der Gruben, offendiren wollen, sondern, wie offt ermeldt, die Not des ganzen Vaterlandts gehet manchen zu Herzen, es erbarmet ihr viel das Schreyen und Heulen, Weinen und Weheklagen vieler Armen, derselben Schweiβ und Blut schreiet Ach in175 Himmel. Derowegen ein erbare Landtschafft dis alles aufs Papier bringen und einem hoch-und ehrwürdigen176 Capitel ubergeben müβen, mit unterthäniger gehorßamer und vleissiger Bitt, ein hoch- und ehrwürdiges Capittel geruhe doch, dis alles, wie oben stehet, beherzigen und erwegen, und wo nicht iezundt177 vacante sede allem abgeholffen, doch bei künftigen Herrn178, der ihn wird angewiesen, durch ihr Autoritet dahin behülf- und beförderlich sein, damit ein gutes, löblichers Regiment bestellet, die Unordnung abgethan, die Landtsaβen in besser179 Acht gehalten und menniglich180 Arm und Reich gehöret und die liebe justitia ohne Verzug erlangen mögen, dadurch die Liebe der Unterthanen bei ihrem Herrn desto mehrer zunehmen und wachsen und bestendig bis ans Ende verbleibe181. Es wil auch ein erbare Landtschafft weiteres gehorsamblich gebeten haben, ein ehrwürdiges Capittel wolle dieser Zeit vacante sede auch deromassen Regiment anstellen, das nicht allein in gemein nunmehr Privatsachen, sondern auch, da die gefehrliche Zeit etwas anders (welches Gott behüten wolle) erfordern solte, wir bei dehnen182, so unsre Herrn sein werden, Rath, Hülf und Schutz haben und suchen könten, damit Herr und Unterthanen in gutem Vernehmen183 Leib, Gut und Blut zusetzen mögen184. Wie dann ein erbare 172 173 174 175 176

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moderiren genottenget niemanden auf zum Die Auflösung der Abkürzungen hier hoch- und ehrwürdig. In beiden Texten ist das Kapitel immer ehrwürdig, die Landschaft ehrbar. Das Kapitel benennt sich selbst hoch- und ehrwürdig, APW Księstwo Nyskie 283, 15. itzundt bey künftigem Herrn om. besser menniglich, jedermann, Christa BAUFELD, Kleines frühneuhochdeutsches Wörterbuch, Tübingen 1996, S. 169. so bleiben wie bei denen bey einander möchten

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Landschafft verhofft, die gute gemeinte treuherzige Erinnerung werde ein ehrwürdiges Capittel in keinem Bösen [S. 7] vermerken und die ganze Landschafft als getrewe und gehorsame Unterthanen ihnen recommendiret sein lassen. Geben Neiβ den 16. Mai Anno 1608. 2. Antwort des Bischofs Erzherzog Karl auf die Gravamina der Landschaft, 23. März 1609 (Archiwum Państwowe we Wrocławiu, Księstwo Nyskie 184, S. 8-15) Antwort auf der Landschaft Gravamina185 Der hochwürdigiste, durchlauchtigiste Fürst und Herr, Herr Carl Erzherzog zu Osterreich, Herzog zu Burgund, Steier, Cärnten, Crain und Wirtemberg, Bischof zu Breslau, Grafe zu Habspurg, Tyrol und Görz. Ihre Fürstliche Durchlaucht haben nach der lange genedigst angehört und vernommen, was eine ehrbare Landtschafft des Neißischen Landes und Ottmachawischen Craißes für Beschwerpunct schriftlich ubergeben, haben auch darauf nit186 unterlaßen, nit allein neben ihren Rähten dieselbte von Punct zu Punct in reife und gebürende Erweg- und Berahtschlagung zu ziehen, sondern auch ein ehrwürdiges Capitul ihres hohen Stifts zu Breslaw mit ihrem rahtlichen Gutachten hierüber zu vernehmen. Ob nun wol ein ehrbare Landtschafft in dem nit etwa zu verdenken sey, das sie ihr Anliegen und Notturft gehorßamist hatten eröffnen und entdecken mögen, so halten doch Ihr Fürstliche Durchlaucht sich herentgegen gnedigist versehen (welcheß sie gleichwolen nit mit geringer Empfindligkeit vernehmen müßen), weilen die fürgebrachten Beschwerpunct mehreren theils Ihr Fürstlichen Durchlaucht geehrten und geliebten Herren Vorfahren milten Gedenken concernieren und berüren thun, es solten etliche aiverige187, empfindtliche, vorweißliche, zur Sachen gar nit dienende und unnötige Wort beseitsgesezt und außgelaßen, und vielmehr ein solcher gebürender Glimpf und Discretion gebraucht sein worden, daraus dannach die unterthenige Reverentz, Affection und Liebe, so eine ehrbare Landtschaft zu ihrem Landtsfürsten, dessen Cörper nunmehr in der Gruben lieget und ruhet, getragen 185 186

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Nicht die gleiche Hand wie der Text. nit statt nicht ist wohl auch schlesisch, das erstere immer in der bischöflichen Antwort, das letztere immer in den Gravamina außer in Gravamen 12, wo das nit aber in der Handschrift des AAW durch nicht ersetzt wird. Vielleicht eifrig.

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hatte, herfürblicken, leuchten und vermerkt können werden. Zumalen weilen ain oder die andere Beschwer vielleicht in genere und in gemein nicht eine ganze Communen zugleich betreffen, sondern etliche Privatpersonen berüren und angehen188 thut, dieselbten bei Lebenszeiten des jüngst verstorbenen Herren Bischofs wol hetten können fürbracht, und sonder Zweifels Mittel [S. 9] gewesen weren, wie dannoch derogleichen Beschwerden in Zeiten hette können remediert und abgeholfen werden. Es auch wol nichts Newes, das bei einer und der andern Regierung Beschwer fürfallen, an wellechen doch offters nit so sehr die Regierung als eben die Partheyen selbst Ursach sein, welches zwar an izo an seinen Ort gesezt würdet, dabei aber Ihre fürstliche Durchlaucht sich gnedigist erkleren, das sie als ein trewer Landtsfürst und Vater ihr alles möglichen Vleißes wollen angelegen sein laßen, inmaßen so ihre Gedanken auch dahin gerichtet und gesezt haben, damit nach Verleihung Gottes des Allmechtigen Hülf und Gnadt ihren getrewen Unterthanen derogestalt, wie es gegen Gott und menniglich zu verantworten sei, wol fürgestanden möge werden. Soviel nun den ersten Punkt betrifft, wiewolen Ihr Fürstliche Durchlaucht genedigist dafür halten, das zu dieser Beschwer eine ehrbare Landtschaft nit so gar sondere Ursach haben solte, sintemalen sie gleichwolen gehorsamist berichtet worden, das nachgestalten sich, soviel es die Zeit und Gelegenheit sowohl auch die vielfaltigen und uberheuften occupationes leiden und geben wollen, und dann, da sich nun die Parteyen selbst zu rechter und nit etwa zu ungelegener und ungewönlicher Zeit angeben hetten, ihr geliebter Vorfahr die Audientz nit gern verwiedert solte haben. Jedoch wie dem allen, so sein Ihr Fürstliche Durchlaucht genedigist erbotig, des hochlöblichen Hauses von Österreich disfals bekandten Brauch und deßen hochgeehrten Vorfahren löblichem Exempel nach, männiglich wie es aines oder des andern Condition, Standt und Gelegenheit mit sich bringen würdet, in seinem Ob- und Anliegen zu hören, und sie darauf der Gebür nach genedigist zu bescheiden, auch der Expedition halber genedigiste und gebürende Verordnung zu thun. Damit aber auch eine ehrbare Landtschaft umb so viel mehr in der That Ihr Fürstliche Durchlaucht väterliche und genedigiste Affection, so sie zu ihren lieben und getrewen Vnterthanen tragen, vorfüren und dessen vergewißet sein mögen, also sind Ihr Fürstliche Durchlaucht genedigist entschloßen, nach Verleihung des Allmechtigen Hülf und Gnadt, wochentlich zu gewißen Tagen, als namlich Montag, Dienstag, Freitag und Samstag (dafern nit etwa auf einen oder den andern Tag ein Fest- und Feiertag einfallen thete) von neun Uhr vormittag bis auf zehen, genedigiste Audientz zu erteilen, da sich dann die von der Landtschaft und andere bei Ihr Fürstlichen Durchlaucht gehorsamist 188

Nur a und –hen lesbar

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mögen angeben laßen und darauf ferneren Bescheidts erwärtig sein, des genedigisten Vorsehens, es werde sich ein ietweder zu rechter [S. 10] und nit etwa ungelegener, auch ungewönlicher Zeit einzustellen und seine Notturft mit gebürender Bescheidenheit zu befürdern wißen. Den andern Punct betreffendt, dem hiemit der dritte coniungirt würdet, und was diesen beiden Puncten mehr anhenglig189 ist, da wißen Ihr Fürstliche Durchlaucht baldt nit, wie etwa dieselbten, insonderheit der andere Punkt, zu verstehen sey, dieweilen fast contraria erscheinen, in dem man sich uber die Privatconsilia beklagen und dannach die Räthe, sovil dieselbten Privatconsilia ihnen in die Küchel gedienet hatten, beschuldigen thut. Es können Ihnen aber hiebey Ihre Fürstliche Durchlaucht noch zur Zeit dieses nit einbilden laßen, sovil es etwa diesen Verstandt haben solte, das nemlich eine ehrbare Landtschaft Ihr fürstliche Durchlaucht gleich Ziel und Maß zu geben gemeint wär, wie es mit Erstellung der Rahtschläge, mit Aufnehm- und Besoldung der Rähte, Beförderung der Justitzsachen und was sonsten hierzu gehörig, gehalten solle werden. Inmaßen dann Ihr Fürstliche Durchlaucht sich deßen hiemit deutlich angeben, das sie als der regierende Landtsfürst ihr in dem allerwenigisten hierinnen nichts vorschreiben, noch ainich Ziel und Maß sezen laßen wollen noch sollen. Und halten gnedigist darvor, wann die Parteyen der Gebür und Billigkeit nach beschieden worden, es beschee190 nun auf waserlei Weise, Mittel und Weg es wolle, das sie billich content sein und sich damit vergnügen laßen sollen. Es sein aber Ihr fürstliche Durchlaucht gnädigist erbötig, es in einem und dem andern also anzustellen und sich deromaßen zu erzaigen, wie es in ihrem Gewißen gegen Gott und menniglich wol zu verantworten sein werde. Es erkleren sich auch hiebeineben Ihr fürstliche Durchlaucht, das deroselbten nichts liebers noch angelegeners wär, darumb sie sich dann alles Fleißes bekümmerten, damit nur solche qualificierte und taugliche Personen, wie sie Ihr Fürstliche Durchlaucht deroselbten Hoheit und Würden nach bedürfendt sein, gefunden, so zu Räthen köndten auf- und angenommen und gebraucht werden. Wie sich auch Ihr fürstliche Durchlaucht noch weiter gnedigist erkleren thun, soviel die Tagleistungen betrifft, das dieselbten, wann es die Notturft erfordert, niemandeßen sollen verwiedert und abgeschlagen sein, damit verhoffentlich mit Billigkeit disfals keine Beschwer in künftig nit dürfte gefüret werden. Dabei dann insonderheit Ihr fürstliche 189

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Der Sinn ist hier gemeinsam, ähnlich, vergleichbar das Wort ist kaum zu entziffern, kann aber kaum anders gelesen werden. Das Verb ist beschehen im Sinne von geschehen, in Punkt 3 hier zweimal in der Form bescheën, ebenso in Punkt 7 (wie gleichwol bescheën sein sol), in Punkt 13 dagegen ist es beschehen (wie eß gleichwolen beschehen sein sol), unten S. 41, 43; Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, hg. von Robert R. ANDERSON, Ulrich GOEBEl, Oskar REICHMANN 3, BerlinNew York 2001, Sp. 1626-1630.

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Durchlaucht die Landtschafft und Partheien genedigist erinnern, das sie zu der angesetzten Zeit und Stunde in puncto erscheinen und zur Stelle sein, damit die Zeit nicht vergebens hinstreiche, die Sachen desto füglicher abgeholfen und eines neben dem andern verrichtet und fortgestelt möge werden. Und dann vors ander191, da in192 die Tagfarten aus erheblichen und dringenden Ursachen von den Parteyen selbst müsten abgekündigt werden, das solches nit etwa zur Unzeit und gleich auf Ferstecken193, wie gleichwolen hiebevoren erfolget, darzu nit [S. 11] die landtsfürstliche Obrigkeit, sondern die Parteyen Ursach geben, sowohl auch nit unnötiger Weise beschee. Was aber die Beschwer wieder etliche Räthe, sovil dieselbten zur Ungebür mehr auf ihren Privatnuz gesehen, anreicht, da ist es zu einer ehrbaren Landtschafft Gefallen gestanden, und nach194, ob sie dieselbten könten specificirn und namhafft machen. Den vierden Punct wegen der Canzleytaxa betreffendt, weilen Ihr Fürstliche Durchlaucht genedigist vernehmen, das eine gebreuchige und bis dahero observirte Taxa vorhanden sein solle, also wollen sie die genedigeste Verordnung thun, das deroselbten nachgelebt und darobgehalten solle werden. Es würdet aber hiebey ingleichen der Landtschafft anheimb gestellet, ob sie andeuten köndten, in was sie mit ubermäßiger Taxa wären beschwert worden. Jedoch würdet beineben195 darfür gehalten, dafern es derogleichen Taxa wär, so von den Oberampts Expeditionen gefordert worden, das solches eine ehrbare Landschafft in dem wenigisten nit angehe, dannenhero auch sie sich derowegen zu beschweren ainiche Ursach nit haben kondten. Anreichendt den fünfften Punkt, wegen Publication der allgemeinen Fürstentagesbeschlüße, da könten ihr Fürstliche Durchlaucht wie in anderm also auch in diesem Fall ihr in dem wenigisten ainiche Ordnung mitgeben laßen, sintemal es ihr frey- und bevorstünde, wie und waser Gestalt dieselbten solten publicirt werden, auch in sonderlicher Anmerkung deßen, das alsdann in dem Juni196, was allrait197 einmal einhellig beschloßen, weiter nichts kan geendert, sondern nur demselbten gebürende Folge muß geleistet werden. Es wollen sich aber Ihr Fürstliche Durchlaucht aus väterlicher trewer und 191

192 193

194 195

196 197

Fürs andere, im Sinne von umgekehrt, ein unflektiertes ander bestand im Frühneuhochdeutschen, J. und W. GRIMM, Das deutsche Wörterbuch, „ander”. Vielleicht ihnen. auf verstecken oder auf anstecken, im ersteren Falle wäre der Sinn heimlich, im letzteren hinterhältig; anstecken bedeutete damals auch betrügen, Frühneuhochdeutsches Wörterbuch 1 (1989), Sp. 1483. Hier anscheinend eine Lücke im Text. hiebeineben erscheint auf der vorhergehenden Seite der Handschrift, oben S. 40 unter Punkt 3, beineben bedeutet hier dabei. Fürstentage fanden vor allem im Juni statt. alreite, schon, Frühneuhochdeutsches Wörterbuch 1 (1988), Sp. 842.

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gebürender Fürsorg nachgestalten Sachen dißfals deromaßen zu bezaigen wißen, wie wie es ihren getrewen und gehorsamen Unterthanen und dem Vaterlandt vor notwendig, ersprießlich und zum besten befunden und erachten werden. Bei dem sechsten Punct würdet dieses erinnert, weilen derselbte ein ehrwürdiges Capitul des hohen Stifts zu Breslaw als die Miterben weilandt des jüngst verstorbenen Herrn Bischofs concerniert und betrifft, das Ihr Fürstliche Durchlaucht nit underlaßen haben, gedachtes Capitul hierüber zu vernehmen. Was nun disfals hierauf für ein Bericht erfolget, dieses ist aus beigelegter Abschrift sub. N. 1198 zu befinden. Und da nun eine ehrbare Landtschafft disfals bei Ihr Fürstlichen Durchlaucht was weiter gehorsamist suchen würdet, sol ihnen die Gebür und Billigkeit ertheilt werden. Es werden aber hiebei Ihr Fürstliche Durchlaucht gehorsamist berichtet, das weilandt ihr geliebter Herr Vorfahr sollich Geldt in seinen aigenen Nuz in dem allerwenigsten gar nit gewärt habe, sondern das es zu dem Liefergeldt [S. 12] des Geispergischen Regiments199 kommen sey, dadurch gleichwolen vieler großer Unrecht und Ungelegenheit dem Bisthumb, ja dem ganzen Landt verhütet sey worden. Zum Siebenden, die deposita betreffendt, da sollen dieselbten, wann es die Not und Notturft erfordert und sich dessen die Parteien nun auch selbst nit verwiedern werden (wie gleichwol bescheen sein sol), gebürlich angenommen und vorwahrlich aufbehalten werden. Der achte Punct, die Ersez- und Besoldung der Ämbter anreichendt, kombt Ihr Fürstlichen Durchlaucht nit weniger, wie etliche andere vorgehende, gleich befrembdt vor, sovil abermals deroselbten hierinnen Ordnung wolte vorgeschrieben werden. Es wollen aber Ihr Fürstliche Durchlaucht ohne ainiche fernere Maßgebung, wie es die Notturft erfordern würdet, sich disfals zu bezaigen und der Sachen recht zu thun wißen. Bei dem neunden Punct, wegen der Handtwerks- und Pawersleute, da wär Ihr Fürstlichen Durchlaucht gewißlich nichts liebers, als das disfals eine durchgehende Gleichheit könte gehalten, damit keines vor dem andern, und die vom Land, noch die von Städten nit dörften beschwert werden. Und wer zu wünschen, daß dermaleines auf einer allgemeinen der Herrn Fürsten und Stende Zusammenkunft man sich einer gewißen und dienlichen Ordnung, deren man sich durch das ganze Landt in gemein gebrauchte, entschlißen 198 199

Am linken Rande N.1. Ein Addendum Nr. 1 fehlt in der Handschrift. Das Regiment des Obersten Friedrich von Geißberg besetzte Troppau im Herbst 1607, s. oben S. 6; Lorenz, Landesverwaltung Sitsch, S. 240 Anm. 16; Nikolaus Pol, Jahrbücher der Stadt Breslau 5, Breslau 1824, S. 38-44, Colmar GRÜNHAGEN, Geschichte Schlesiens 2, Breslau 1886, S. 126.

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köndte. Es wollen aber Ihr Fürstliche Durchlaucht Ihres Theils soviel möglich nit unterlaßen, auf Mittel zu gedenken, wie etwa diese Beschwer möchte remediert werden. Jedoch würde es vielleicht so gar unzutreglich nit sein, wann die vom Land hierzu nur gute Preparation und Anfang machten und dasjenige, so sie von ihren Wirtschafften zu failem Kauf in die Städte führen und bringen laßen, nit so hoch steigerten, damit die in Städten mit ihren Arbeiten und Wahren auch umb so viel beßer gefolgen könten. Wegen des zehenden Puncts, Malefitzen und mißthätige Personen betreffendt, da laßen es Ihr fürstliche Durchlaucht bei dem, wie es vor vieler langer Zeit hero bei ihren lieben Herrn Vorfahren herbracht, observirt und gehalten worden, allerdings genedigist gewenden und verbleiben. Es wollen aber Ihr Fürstliche Durchlaucht nichtsdestoweniger diese genedigiste Verordnung thun, das zur Ungebür in derogleichen malefitzen Sachen ainiche Aufzüge200 gar nit gebraucht, sondern dasjenige, was sich entweder wegen der Execution oder sonsten in andere Weg erheischt, fortgestelt und das Ubel und Böse gebürlich gestrafft solle werden. Dabei aber gleichwolen die Landtschafft deßen erinnert und ermahnet würdet, das sie selbst in derogleichen Sachen nit seumig sein, dieselbten nit einsezen und zu ainichen unnötigen Aufzügen nit Ursach geben, sich auch entlich mit dem, was nach Ordnung der Recht und Billigkeit erkant und für gut angesehen worden, begnügen laßen. [S. 13] Was zum eilften die Anordnung der Commissionen belanget, da stehet es bei der landtsfürstlichen Obrigkeit Willen und Gefallen (es werden nur die commissiones ex officio oder ad instantiam partium angeordnet), was für Personen, die die landtsfürstliche Obrigkeit für tauglich erkennen und halten thut, hierzu mögen gebraucht werden. Und weilen dieses Ihr Fürstlichen Durchlaucht Regal concernirt und betrifft, also können sie disfals nichts enthengen201, viel weniger, daß sie ihr hierinnen in was die Handt wolten binden laßen. Es wollen aber Ihr Fürstliche Durchlaucht genedigist darob sein, damit soviel möglich qualificirte und taugliche Personen zu Commissarien mögen fürgenommen werden und das derowegen kein Mangel erscheinen möge. Den Partheien würdet zwar zugelaßen, wann commissiones ad instantiam partis ausbraht werden, eine und die andere Person anzudeuten und fürzuschlagen, jedoch das der landtsfürstlichen Obrigkeit Regal und freien guten Willen hierdurch nichts benommen werden. Was bei diesem Punct von wegen der Oberamts Execution annectirt würdet, da hette es zwar 200

201

Aufzug hat neben Auftritt, Aufmarsch die Bedeutung Verzögerung, Aufschub, Frühneuhochdeutsches Wörterbuch 2 (1992), Sp. 818f. Die Lesung enthengen ist sicher; hängen, hangen konnte die Bedeutung erlauben, etwas geschehen lassen haben, vielleicht hier dann konzedieren, Frühneuhochdeutsches Wörterbuch 7 (2007), S. 1116.

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dieser Erwöhnung gar nit bedörft, sintemal dieses Oberambts Sachen sein, welche die Landtschaft in dem wenigisten nit angehen, derowegen sie auch zu solcher Beschwer einichen Fug noch Ursach nicht haben. Mit dem zwölfften Punct hat es eben diese Meinung, das es bei Ihr Fürstlichen Durchlaucht Willkühr stehet, was sie für Personen zu einem oder anderm derogleichen acta deputiren und verordnen wollen. Und da nun von Ihr Fürstlichen Durchlaucht dieselbte Person vor tauglich, auch würdig darzu erkant, und in specie zu derogleichen acta deputirt würdet, sol dieselbte für tauglich und würdig billich erkandt und gehalten werden, sintemalen in solchem Fall nit so sehr des Deputirten als der landtsfürstlichen Obrigkeit Person, deßen Stelle der Deputirte representirn und halten thut, respectirt und inachtgenommen würdet. Dannenhero Ihr Fürstliche Durchlaucht sich derogleichen Beschwer genedigist nit versehen hetten, inmaßen dann andere Fürsten im Land ihnen solches ebenermaßen frei- und bevorbehalten. Bei dem dreyzehenden Punct, die Bestellung der Vormündtschafft betreffendt, da wißen Ihr Fürstliche Durchlaucht von sich selbst sich zu bescheiden, das Wittiben und Waisen zu förderist in gebürender Acht sollen gehalten werden. Wollen derowegen an ihrer Person in dem allerwenigisten dißfals nichts erwinden laßen und von landtsfürstlicher Obrigkeit wegen mit Recht und Hülf genedigist gern beispringen. Es wollen aber die von der Landtschafft zu ainicher Unordnung, Veracht und Weitleufigkeit nur nicht selbst Anlaß und Ursach geben, in dem man sich (wie es gleichwolen beschehen sein sol), ungeacht der erfolgten vielfaltigen schriftlichen und mündtlichen, beiders der Landtsfürstlichen Obrigkeit, dann auch der untersäzten Ämbter, Befehlich und Anordnung, der Vormündtschaften verwaigert und dieselbten gar nit annehmen wollen, das es also nit so sehr der landtsfürstlichen Obrigkeit als vielmehr der ungebürlichen Verwaigerung, auch wol dem Ungehorsam, zuzumeßen sei, sowohl das nach tödtlichem Abgang eines oder des andern Landtsaßen solches der landtsfürstlichen Obrigkeit nit alsobaldt insinuirt worden. Ist derowegen dieses der richtigiste Weg, das in derogleichen Fällen solliches alsobaldt zu der landtsfürstlichen Obrigkeit Wißenschafft bracht, umb die Inventur, welches das Fundament und Grundt einer ordentlichen Vormündtschafft ist, und die Beuormündung angehalten und also ordentlich verfaren werde. Wegen des vierzehenden Puncts, die Verwüstung der Gebirge betreffendt, da sein Ihr Fürstliche Durchlaucht gleich im Werk auf izo bevorstehenden Früeling gewiße Personen neben einis [S. 14] ehrwürdigen Capituls Gesandten zu Besichtigung der Gebürg und Wildt abzuordnen, und es verhoffentlich also in künftig anzustellen, wie es der Kirchen, dem Bisthumb und dem Vaterlandt zu Nuz, Ersprießligkeit und Bestem gebrauchen möge. Was sonsten

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wegen der Inventarien und Zeugfürungen gehorsamist erinnert würdet, da wollen Ihr Fürstliche Durchlaucht die Notturft und was sich hiebey erhaischt auf ietwedere zutragende Fürfallenheit genedigist anzuordnen wißen, wie dann ohne dieses hiebevoren zu den Inventurn und Zeugfürung, da es Adelssproßen betroffen, allemalen Adelssproßen neben andern deputirt sein worden. Ingleichen die Landtgerichte wegen Taxierung der Güter betreffendt, da wollen Ihr Fürstliche Durchlaucht genedigist nit underlaßen, weilen sie vernommen, das die meisten von den Landtschöppen verstorben sein sollen, andere an ihre Stellen neben dem Neißischen Hofrichter zu verordnen, das derowegen kein Mangel erscheinen sol. Jedoch bloß und allein zu dem Endt, soviel, wie izo vormeldet worden, die Taxierung der Güter betreffen thut. Die Beschwer wegen der abgedankten und umblaufenden Soldaten und Landtsknecht anreichent, da wär Ihr Fürstlichen Durchlaucht gewißlich nichts liebers, als das deromaßen Beschwärnüßen ihre liebe und getrewe Unterthanen entübrigt sein möchten202. Nachdem aber Ihr Fürstliche Durchlaucht gehorsamist berichtet werden, was Maßen von dem keiserlichen Oberambt derowegen, insonderheit patenta, sollen publicirt sein worden, welche Ziel und Mas geben, wie in solchem Fall procedirt und verfahren solle werden, also sehen Ihr Fürstliche Durchlaucht kein ander Mittel nit, als das solchen Oberambts Patenten nachgangen werde. Es sein aber Ihr Fürstliche Durchlaucht des genedigisten Erbittens, was sie von landtsfurstlicher Obrigkeit wegen hiebey thun können, die Ierigen dißfals nit hülflos zu laßen. Was ferner wegen der jüngst fürgewesenen Administration fürbracht worden, weilen dieser Punct ein ehrwürdiges Capitul zu Breslaw concernieren und berüren thut, da haben Ihr Fürstliche Durchlaucht nit underlaßen, daselbte hierüber gnedigist zu vernehmen, welches auch seine Erklerung hierauf gethan, wie beiliegendt sub No. 2 zu befinden ist. Welches Ihr Fürstliche Durchlaucht einer erbaren Landtschafft Neißischen Landes und Ottmüchawischen Craises hiemitt zu genedigister und nachrichtlicher Antwort erfolgen laßen wollen, denen sie mit Gnaden und allem Guten iederzeit wol zugethan verbleiben. Geben aufm Schloß Ottmachaw den drei- und zwanzigisten Martii im sechzehenhunderten und neunden Jahre. [S. 15]

202

Eine solche Beschwerde begegnet nicht in den Gravamina; s. oben S. 7.

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No. 2 Soviel die angezogene Beschwer wegen der Administratur in sedis uacantia, und consequenter wider uns, das capitulum anreicht, kombt uns gleichsfals nicht wenig bedenglich vor, das sie einem hoch-und ehrwürdigen Capitul Zil, Ordnung und Maß vorschreiben wollen, wie sie das Bisthumb regieren und administriren sollen, da ihnen viel beßer anstünde in ihren Wirtschafften sich umb ihre Leute zu kümmern und weise dieselbigen regierten, damit nicht so vielfaltige Beschwer und supplicationes wieder sie bei der Obrigkeit vorkommen hetten dörfen. Wißen uns auch nicht zu erinnern, das jemals wider einen oder den andern der Herren Administratoren einige Beschwer bei uns vorkommen, welches dann in allwege von ihnen, so bishero denegirten Justicien zu beklagen Ursache zu haben vermeinet, geschehen sollen, ehe sie Ewer Fürstliche Durchlaucht derohalben so importune behelliget hetten. Stehet aber ihnen noch bevor, das, wo sie einen oder den andern unter den Herren Administratoren, so ihnen billiche Hülf versaget haben solte, anklagen und vernehmen wolten, sie solches gebürlich thun möchten. Ist aber gleich zu verwundern, das posito incredibili einem oder dem andern nicht allerdings nach seinem Kopfe wehre Audientz gegeben oder sententioniret worden, hierumb die ganze Landtschafft solches queruliren und ex unius privati causa publicam zu machen sich untermaßen dörften.

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Abb. 1: Erste Seite der Gravamina der Landstände, 16. Mai 1608

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Abb. 2: Erste Seite der Antwort des Bischofs Erzherzog Karl auf die Gravamina der Landstände, 23. März 1609

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Das Kloster Wiese-Pauliner bei Oberglogau in den „Regestra Perceptarum et Expensarum …“ von 17111

Einleitung Nur wenige Jahre nachdem Herzog Ladislaus II. von Oppeln das Paulinerkloster in Tschenstochau gegründet hatte, ließ er auch in seinem Oppelner Herzogtum ein Kloster dieses Ordens errichten. Die Gründungsurkunde des Klosters zur Heiligen Dreifaltigkeit stammt aus dem Jahre 1388, was aber wohl nur den Baubeginn darstellt. Im Gegensatz zu Tschenstochau war die Anlage, die in den Folgejahren auf den Wiesen bei Oberglogau entstand, bescheiden. Zum Bau der Gebäude wies der Herzog der neuen Klostergemeinschaft Holz aus dem Schelitzer Forst zu. Als Ausstattung erhielt das Kloster lediglich einige Äcker und Wiesen, Wälder und Weingärten. Hinzu kamen der herzogliche Teil des benachbarten Dorfes Mochau und ein weiter entfernt gelegenes, großes Bauerndorf namens Olbersdorf mit 36 Hufen, einem Vorwerk sowie den Zinsen und Diensten der dortigen Bauern.2 In den folgenden Jahren erwarb das Kloster noch eine Mühle auf Dirschelwitzer Grund hinzu.3 Aber bereits im Jahre 1428 wurde die junge Anlage von den Hussiten zerstört.4 Man muss davon ausgehen, dass der Paulinerorden im Anschluss daran an die hundert Jahre nicht mehr vor Ort wirkte, denn erst 1

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3 4

Der Autor dankt Dr. Stanisław ŚWIDZIŃSKI (Coesfeld) und Herrn Artur HAMRYSZCZAK (Lublin) für die freundliche Unterstützung bei der Beschaffung der Quellen aus dem Archiv der Katholischen Universität in Lublin. Jan FIJAŁEK (Hg.), Zbiór dokumentów zakonu 00. Paulinów w Polce, Zeszyt 1: 1328 – 1464, Kraków 1938 [ZDP 1], Nr. 28. Ebd., Nr. 76. Nikolaus HENEL, Silesiographia renovata, Bd. 1, Breslau 1704, S. 171. Dazu auch Gabriel ADRYÁNI / Josef GOTTSCHALK / Stanislaus ŚWIDZIŃSKI, Herzog Ladislaus von Oppeln († 1401) und die Gründung der Paulinerklöster Tschenstochau in Polen und Wiese bei Oberglogau / Oberschlesien, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 36 (1978), 33-77, hier S. 63.

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seit dem Jahr 1524 sind wieder schriftliche Quellen nachweisbar.5 Nach einiger Zeit des Wiederaufbaus, der aus Tschenstochau geleitet wurde, kamen wieder sechs Mönche in das Kloster „in pratis“ (auf den Wiesen). 1578 wurde die Klosterkirche erneut geweiht.6 Das in der Folgezeit dann WiesePauliner genannte Kloster entwickelte sich seitdem hervorragend. 1589 konnte ein weiteres Stiftsdorf vom Kaiser erworben werden: Wilkau, ein reines Bauerndorf ohne Vorwerk und Kleinstellenbesitzer.7 Als der polnische König Johann Kasimir im Jahre 1655 vor den Schweden aus Polen nach Oberglogau floh, brachte er sogar das berühmte Tschenstochauer Gnadenbild, die schwarze Madonna, ins Kloster Wiese, wo sie einige Monate ausgestellt wurde.8 Im 17. Jahrhundert wurden Kirche und Kloster barock erneuert.9 So war das einzige Tochterkloster Tschenstochaus in Schlesien bis zur Säkularisation in Preußen im Jahre 1810 eine florierende Anlage. Im Aktenkonvolut des Klosters Wiese-Pauliner, welches im Archiv des Paulinerordens in Tschenstochau aufbewahrt wird, hat sich ein einmaliges Dokument aus dem Jahre 1711 erhalten, welches das Wirtschafts- und Alltagsleben im Kloster widerspiegelt. Es handelt sich um ein Urbarium mit dem Titel: „Regestra Perceptarum, et Expensarum, Crescentiarum, Triturationum, Conseminationum, Educillationum; nec non Inventaria Bibliothecae, Suppellectilis Ecclea(si)cae, Aeconomiae, Subditorum, Debitorum Actiuorum, ac passiuorum, pro Capitulo Intermedio Provinciali, in A(nn)o. D(omi)ni. 1711. Die 1ma 9bris inchoando, et Celebrando, in Conventu Clari Montis Częstochowie humiliter porrecta ex Conventu Glogoviensi in Pratis ad SS. Trinitatem”. Das Dokument umfasst 23 Seiten, auf denen teilweise in lateinischer, zumeist aber in polnischer Sprache, die Einkünfte und Ausgaben des Klosters für die Jahre 1710 und 1711 detailliert dargestellt werden. So werden zum einen die Ernteerträge unter der Überschrift „Crescentya“ ausführlich aufgeführt, dann folgt der „Proventus a Subditis, et numerus, nec non obligationes 5

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Janusz ZBUDNIEWEK (Hg.), Zbiór dokumentów zakonu 00. Paulinów w Polce, Zeszyt 2: 1464 – 1550, Warszawa 2004 [ZDP 2], Nr. 299. Dominicus VON CYBULSKI, Descriptio fidelis Monasterii Sanctae Trinitatis ad Superiorem Glogoviam siti (und Ergänzungen) (1783-95/1928), Wiese-Pauliner 1783 bzw. 1795, (Abschrift in: J. STRECKE, Sammlung Ober-Glogauer Chronikschriften und zwar Abschrift der erreichbaren handschriftlichen und gedruckten Vorläufer der Ober-Glogauer Chronik v. Schnurpfeil, Bd. IV, gesammelt, abgeschrieben und dem Magistrat von Ober-Glogau verehrt, Oberglogau 1928/32, S. 88B, fol. 1-3.) Archiv des Pauliner Eremitenklosters zu Wiese bei Oberglogau (Archivum Panstwowe we Wrocławiu / Staatsarchiv Breslau, Rep. 127, neue Sign. Nr. 24658, APWr Rep. 127), Nr. 15. Ernst v. WOIKOWSKY-BIEDAU, König Johann Kasimir von Polen und Reichsgraf Franz Eusebius von Oppersdorff, in: Oberschlesische Heimat VII (1911), Heft 3, 122-128. Janusz ZBUDNIEWEK, Paulini wczoraj i dziś, in: Studia Claromontana, Vol. 25 (2007), 239241, hier 240.

DAS KLOSTER WIESE-PAULINER IN DEN „REGESTRA PERCEPTARUM“ VON 1711 161

Abb. 1: Titelseite der Regestra von 1711 eorum“, d.h. die Einkünfte von den Untertanen, ihre Anzahl sowie ihre Pflichten. Dabei wird zwischen den Dörfern Olbersdorf, Wilkau und Mochau unterschieden. Der weitere Teil des Dokumentes hat hingegen den Charakter eines Inventars. So wird zunächst unter „Suppellex Ecclesiastica“ das Inventar der Klosterkirche beschrieben, worauf das Inventar der „Bibliotheca Conventus“ folgt. Das Dokument schließt mit einem Inventarverzeichnis des Klostergebäudes und seiner Vorwerke.9 Anhand dieses Urbariums sowie 9

Regestra Perceptarum, et Expensarum … in A(nn)o. D(omi)ni. 1711 (Archivum Ojców Paulinów na Jasnej Górze / Archiv der Pauliner Mönche auf dem Hellen Berg: Akta konventu oo. Paulinów w Głogowie z l. 1703 – 1807, Sign. Nr. 1607 [AJG 1607], fol. 39-62, mikroverfilmt in: Archiwa Bibliotheki Muzea Koszielni [Katolicki Uniwersytet Lubelski] Mikrofilm ABMK-1787).

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einiger weiterer Texte aus den Klosterakten dieser Zeit soll hier das Wirtschafts- und Alltagsleben im Kloster Wiese-Pauliner zu Beginn des 18. Jahrhunderts beschrieben werden. Dabei entsteht ein lebendiges Bild der monastischen Wirtschaftstätigkeit sowie der Verflechtung des Klosters mit seinen Dörfern und den dort lebenden Untertanen.

Klosteranlage Konvent und Mönche Der Paulinerorden ist ein Eremitenorden, der zwischen den Bettelorden und den monastischen Orden einzuordnen ist. Gemäß Vorbild ihres Ordenspatrons, des hl. Paulus von Theben, sahen die Pauliner ein Leben in Gebet, Meditation und Askese als die vollkommenste Lebensweise. Die Anforderungen an die Askese, insbesondere an das Schweigen, Fasten und die Geißelung, blieben aber moderat.11 In der Regel lebten 12 bis 24 Mönche in einer Niederlassung des Paulinerordens.12 So wurden in Tschenstochau bei der Gründung 16 Mönche aus Ungarn zur Besetzung geholt, diese Zahl nahm in späteren Jahren aber deutlich zu.13 Im Kloster Wiese haben hingegen nur sechs Mönche Unterhalt gefunden.14 Für die Jahre 1709 bis 1711 lassen sich folgende Brüder nachweisen: Fr. Eduardus, Fr. Lucas, Fr. Alexius Solski, Fr. Casimirus Szwartz, Fr. Faustinus Skrzyszowski und Fr. Thaddus Solarski. Die Titel der Brüder geben zugleich auch die Struktur des Konventes wieder. Gemäß der Augustinus-Regel, nach der die Pauliner lebten, gab es im Kloster keinen Abt, sondern einen Prior (auch als Konventualprior bezeichnet) als Vorsteher der Klosteranlage. Dieser besaß die klerikalen und aufsichtsrechtlichen Funktionen eines Abtes, führte aber aus Demut nicht dessen hohen Titel. Im Herbst 1711 wurde in Wiese-Pauliner Fr. Thaddus Solarski vom Konvent zum Prior gewählt. Ihm stand der Subprior als Vertreter zur Seite. Dieser wurde vom Prior eingesetzt. Alexius Solski übte dieses Amt 1709 aus, 1711 war es Fr. Eduardus. Hinzu wurden sogenannte Diskreten (lat. discreti) 11

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Elmar KUHN, Eremiten und Mönche: Entstehung und Frühgeschichte des Ordens, in: Der Paulinerorden in Deutschland, Tettnang 2005, 24-37, hier 31-32. Beatrix FÜLÖPP-ROMHANYI, Die Pauliner im mittelalterlichen Ungarn, in: K. ELM (Hg.), Beiträge zur Geschichte des Paulinerordens, Berlin 2000, 143-156, hier 152-154. Hermann WEIDHAAS, Wladislaus von Oppeln. Ein Beitrag zum Thema Czenstochau, in: Forschungen und Fortschritte [Nachrichtenblatt der deutschen Wissenschaft und Technik], Bd. 40 (1966), 244-249, hier 247. CYBULSKI (a.a.O.). Die in manchen späteren Schriften auftauchende Zahl von zwölf Mönchen geht aus den Quellen nicht hervor, ist daher wohl übertrieben.

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gewählt, welche den Prior in wichtigen Klosterangelegenheiten mit Rat zu unterstützen hatten und wohl eine Art langfristig bestellte Verwalter darstellten. Dazu wurden meist besonders verständige und erfahrene Mönche bestimmt. Diese Funktion übte 1709 im Kloster Wiese der spätere Prior Fr. Thaddus Solarski („Discretus Glog.“) aus. Die Güter des Klosters wurden 1711 von Fr. Lucas verwaltet, der das Amt eines „Praediators“ ausübte.15 Wie die Namen der Mönche bereits deutlich machen, handelte es sich zumeist um Polen. Deshalb sind nicht nur die Regestra von 1711, sondern auch die meisten anderen Dokumente des Klosters dieser Zeit in polnischer Sprache verfasst, wobei das Lateinische als Kirchensprache auch immer mit Verwendung fand. Lediglich Bruder Casimirus Szwartz (dt. Kasimir Schwarz) könnte deutscher Herkunft gewesen sein. Insbesondere in der Stadt Oberglogau und den südwestlich gelegenen Nachbardörfern des Klosters Wiese wurde deutsch gesprochen, im Nordosten dominierte hingegen der oberschlesisch-polnische Dialekt. Um bei den Ablassfeiern im Kloster auch die deutschsprachigen Gläubigen betreuen und ihnen die Beichte abnehmen zu können, hatte der Konvent bereits 1687 zum ersten Mal beim Provinzial um einen deutschsprachigen Priester gebeten. Die Bitte wurde erfüllt, jedoch fehlte 1728 wieder ein solcher Mönch, so dass die Bitte an den Provinzial erneuert werden musste.16 Man kann daher davon ausgehen, dass es sich bei Bruder Kasimir Schwarz um einen deutschsprachigen Pauliner aus Schlesien handelte. Damit war das Kloster 1711 multilingual. Neben Polnisch wurde auch Deutsch und Latein gesprochen. Klosterkirche Das Zentrum des Klosters Wiese-Pauliner stellt bis heute die barocke Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit dar. Hier feierten die Paulinermönche das officium divinum, das Stundengebet, allerdings ohne aufwendige Feierlichkeit.17 Dir Kirche wurde bereits im 17. Jahrhundert errichtet und um 1910 neoba15

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AJG 1607, fol 41, 62, 299, und AJG 1609 (Acta et visitationes conventus Glogiviensis es annis 1702 – 1803, Sign. Nr. 1609, Mikrofilm ABMK-1788), fol 101. Zur Struktur des Klostervorstandes allgemein vgl. Deutsche Encyclopädie oder Allgemeines RealWörterbuch aller Künste und Wissenschaften, 21. Band, Frankfurt 1801, 453-456, bezüglich der Verfassung des Paulinerordens vgl. Stanisław ŚWIDZIŃSKI, Constitutio Ordinis Sancti Pauli Primi Eremitae Iuxta Tectum Ante Annum 1643 Conscriptum: Historia – Textus – Sententia, Archivum Ordinis Sancti Pauli Primi Eremitae, Fontes 1, Bonn 1970. St[anisław] CH[ODYŃSKI], Paulini w Polsce, in: M. NOWODWORSKI (Hg.), Encyclopedia Kościelna, Warschau 1892, Bd. XVIII, 427-519, hier 471. KUHN, Eremiten und Mönche (a.a.O.), 32.

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rock erweitert.18 Bereits 1677 soll ein erster Erweiterungsbau stattgefunden haben, 1717 wurde die Sakristei errichtet.19 Von der alten Kirche haben sich bis heute zwei westliche Joche mit den seitlich angrenzenden Kapellen, der Turm mit Zwiebelhaube und Laterne sowie das Langhaus mit Stichkappentonne erhalten.20 Damit entsprach die ursprüngliche Klosterkirche dem Standard des Ordens, welcher durch einschiffige bescheidene Kirchenbauten gekennzeichnet war.21 Im Jahre 1711 wurde – vermutlich in nächster Nähe zur Kirche – ein neuer Friedhof für die Paulinerbrüder angelegt.22 Zu Beginn des 18. Jahrhunderts besaß die Kirche fünf Altäre, den Hauptaltar, einen Altar der Brüder des Paulinerordens, einen St. Anna und einen St. Floriansaltar sowie seit einiger Zeit einen Altar zur Skapuliermuttergottes.23 In den Regestra von 1711 werden hier zahlreiche wertvolle Liturgiegegenstände genannt, insbesondere eine aus massivem Silber bestehende, aber vergoldete, Monstranz, silberne Weihgeschenke („vota argentea“), Kristallherzen („serce kryształowe“), Kruzifixe etc. Hinzu kamen zahlreiche liturgische Gebrauchsgegenstände: Antependia, Tücher, Ornate der Brüder, Messgewänder in verschiedenen Farben sowie weitere im Gottesdienst notwendige Bekleidungsteile.24 Hervorzuheben sind in der Kirche jedoch die beiden Marienbilder. Das eine befand sich im Hauptaltar und stellt eine Kopie der Muttergottes von Tschenstochau dar. Dieses Bild soll sich hier bereits vor der Zerstörung des Klosters Wiese-Pauliner 1428 durch die Hussiten befunden haben.25 In einem Kircheninventar des Jahres 1709 wird dieses Bild wie folgt beschrieben: „Super imagine Beatisß. V. M. ad maius Altare corona argentea inaurata, lapidibus Boheminis exornata. Similiter super caput Jesu L. S. corona argentea cum lapidibus militer Bohemicis.”26 Sowohl Maria als auch Jesuskind des Bildes waren damals also mit einer Silberkrone geschmückt, welche mit 18 19 20

21 22 23

24 25 26

ZBUDNIEWEK, Paulini wczoraj i dziś (a.a.O.), 240. CHODYNSKI, Paulini w Polsce (a.a.O.), 471. Ernst BADSTÜBNER ET AL., DEHIO-Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen. Schlesien, München 2005, 628, geht fälschlicherweise davon aus, die Kirche sei erst im 18. Jahrhundert erbaut worden. KUHN, Eremiten und Mönche (a.a.O), 34. AJG 1607, fol. 62. Die genaue Auflistung enthält das Inventarium Ecclesiae et Sacristiae Conv. Trinitatis Glogoviensis Superioris in Pratis, A.D. 1714, in: Akta konventu oo. Paulinów w Głogowie z l. 1703 – 1807 (AJG Sign. Nr. 1607, Mikrofilm ABMK-1787), fol. 23-25. AJG 1607, fol. 47-51. HENEL, Silesiographia Nova (a.a.O.), 171. Suppellex Ecclesiae S.S. Trinitatis Conventus Głogoviensis, conscripta in praesentia R.R.us Alexy Solski Supprioris huius Conventus, A.D. 1709 in: Akta konventu oo. Paulinów w Głogowie z l. 1703 – 1807 (AJG Sign. Nr. 1607, Kopie ABMK Sign. 1787), fol. 293-299, hier 293.

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Abb. 2: Klosterkirche und Klostergebäude zu Wiese-Pauliner Edelsteinen aus Böhmen verziert waren. Diese Kronen sind noch heute auf dem Bild vorhanden. Allerdings befindet sich dieses seit dem 19. Jahrhundert in der benachbarten Pfarrkirche von Deutsch-Müllmen.27 Besonders wird hingegen 1711 das – damals wohl gerade neu erworbene – Bild der Skapuliermuttergottes („Obra[z] Nayswięszcy Matki Szkaplęskiej“) hervorgehoben, welches in einem eigenen Altar ausgestellt war. Mit ihm waren eine Skapulierbruderschaft und ein besonderer Ablass verbunden.28 Die Kirche des Klosters Wiese-Pauliner stellt sich damit im beginnenden 18. Jahrhundert durch seine Gnadenbilder, Votivgaben, deutsche und polnische Beichtmöglichkeiten sowie Ablässe als zumindest regional bedeutender Wallfahrtsort dar. Klostergebäude Das Klostergebäude entstand ebenfalls wie die Klosterkirche im 17. Jahrhundert. Es wurde 1668 errichtet.29 Der zweigeschossige Bau hat einen rechteckigen Grundriss und steht im rechten Winkel zur Klosterkirche, mit der er durch den Kirchturm verbunden ist. Die Nordfassade ist durch Giebel mit Karnies, einer sog. Glockenleiste, geschmückt. Das ganze Gebäude wird von 27

28 29

Leon KARA, Das Kloster Wiese-Pauliner und die Gründung der Parochie Mochow-Pauliner, Manuskript, o.O., 1980, 38-41. AJG 1607, fol. 48. ZBUDNIEWEK, Paulini wczoraj i dziś (a.a.O.), 240.

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einem Satteldach bedeckt.30 Es besaß zudem einen Keller, der auch zur Lagerung der Lebensmittel gebraucht wurde, einem Erdgeschoss mit Wirtschaftsräumen, einem Obergeschoss mit den Zellen der Mönche sowie einem Dachboden. Im Jahre 1711 befanden sich im Erdgeschoss des Klostergebäudes nachweislich Küche, Speisekammer und Refektorium („Refektarß“).31 Letzteres liegt bis heute in der südöstlichen Ecke des Klostergebäudes. Der Raum besitzt eine mit Stuck und Fresken, Kartuschen und Gemälden, dekorierte Gewölbedecke. Die Gemälde sollen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammen, werden aber wohl erst nach 1711 entstanden sein.32 Man muss deshalb damals von einem schlichteren Raum mit Tischen und Stühlen oder Bänken ausgehen. Alle Brüder inklusive des Priors nahmen hier zusammen die Mahlzeiten ein.33 Für die Konventualen gab es hier 1711 fünf Zinnkrüge und einen zinnernen Salzstreuer. Hinzu kamen sechs silberne Löffel („Łyzek srebnych“), zahlreiche Tischtücher und –decken, sowie ein Weihwasserbecken aus Blech. Zinngeschirr war damals weit verbreitet, Silber hingegen eher selten.34 Für die Mönche gekocht wurde in der Küche. Auch heute noch liegt sie im Erdgeschoss des Klosters, nicht weit entfernt vom Refektorium. Im Jahre 1711 bestand ihr Inventar aus zwei Messingmörsern, einer eisernen Bratpfanne („Brytwanna“) mit Deckel, anderen Eisenpfannen, einem Eisenrost, zwei Sieben, verschiedenen Kupfertöpfen, eisernen Gabeln etc. In der Speisekammer ergänzten dies zwanzig zinnerne Teller sowie weiteres Zinngeschirr in größerer Anzahl und eine Waage. Hier lagerten acht Scheffel Mehl für den Bedarf der Konventualen sowie sechs Scheffel Mehl für das Gesinde, anderthalb Scheffel Gerste für Grütze („kasza“), etwas mehr Erbsen und ein wenig Salz. Das Weizenmehl wurde im Jahre 1710 um zwei und dreiviertel Scheffel aus der Ernte des Jahres „na moky“, d.h. nach altem Gebrauch, ergänzt. Auch vom jährlichen Roggenausdrusch wurde Mehl in die Küche des Klosters abgegeben. Im Keller hatte der Konvent zudem zwei Sauerkrautfässer („Kapusty becßek“) gelagert. Brot kam aus der klösterlichen Bäckerei. Im Speicher des Vorwerks waren zudem u.a. sechs Laibe Käse, dreiviertel Scheffel Erbsen sowie elf Schnapstöpfe (sic!) gela30 31 32 33

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BADSTÜBNER, Dehio (a.a.O.), 628-629. AJG 1607, fol. 58-59. BADSTÜBNER, Dehio (a.a.O.), 629. Stanisław ŚWIDZIŃSKI / Lorenz WEINRICH (Hg.), Kernsätze zur Verfassung des Ordens und Texte zur weiteren Entwicklung, in: Archivum Ordinis Sancti Pauli Primi Eremitae II, Fontes Bd. 7, Coesfeld 2008, 32-33. Geschirr aus Zinn und Stagnum, einer Mischung aus Zinn und Silber, waren beispielsweise auch in den frühneuzeitlichen Johanniterkonventen Oberschlesiens üblich. Vgl. Ralph WROBEL, Die Johanniter in Oberschlesien: Gründung, Entwicklung und Niedergang der Kommenden Makau, Alt-Zülz und Cosel, Würzburg 2010, 49.

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gert, welche für die Brüder und die Handwerker des Klosters gedacht waren.35 So wird es den Mönchen in Wiese-Pauliner kaum an etwas gemangelt haben. Gegenüber dem wissenschaftlichen Studium verhielt sich der Orden ursprünglich lange ablehnend. Erst die Ordensstatuten von 1643 forderten von den Brüdern ein theologisches Studium.36 Deshalb besaßen die Klöster des Ordens erst in späteren Jahrhunderten eine Bibliothek. Die Lage der Bibliothek im Kloster Wiese-Pauliner ist leider nicht mehr rekonstruierbar. Sie kann lediglich im ersten Obergeschoss in der Nähe der Zellen der Brüder vermutet werden, denn die Zellen des Dormitoriums waren nicht nur zum Schlafen, sondern auch zum Lesen und Schreiben gedacht.37 Der Bestand der Bibliothek macht in den Regestra von 1711 insgesamt sechs Seiten aus, auf denen über 200 Bücher genannt werden. Das Verzeichnis gliedert sich in allgemeine Werke wie Bibeln (zwölf Bände), Bücher der Kirchenväter („Sancti Patres“, fünf Bände), Bibelauslegungen („Expositiones“, sechs Bände), Sammelwerke („Concionatores“, 63 Bände), geistliche Literatur („Spirituales“, 53 Bände), Werke der Theologie („Theologici“, 37 Bände), Geschichtliches („Historici“, 13 Bände) und Rechtswissenschaftliches („Juridici, drei Bände). Unter den Bibeln sind v.a. eine „Bibla Sacra in majori folio“, sowie eine „Biblia Sacra in minori folio“ erwähnenswert. Hinzu kommen Werke wie „Figurae Bibliorum Sacrum“ und ähnliches. Die Bücher der Kirchenväter stammen insbesondere vom hl. Bernhard und hl. Ambrosius. Unter den Sammelwerken finden sich viele „Sermones“, d.h. Gespräche oder Predigten betitelte Werke. Neben zahlreichen lateinischen Büchern tauchen hier auch einige in polnischer Sprache auf (z.B. „Zakßewskiego Sermones y droga Częstochowa“, „Gospodaß Xdza Libemusza“, „Conciones Polonica X. krosnowskiego“ etc.). Deutschsprachige Bücher finden sich hingegen nicht. Unter den „Spirituales“ und „Theologici“ sind Bücher wie „Meditationes de Passione Christi“, „Praxis Cathechistica Nierudzki“, oder die „Meditationes S. Augustini , S. Bernardi“ beispielhaft zu nennen. Aber genauso findet sich hier auch Heinrich Kramers berüchtigter Hexenhammer („Malleus Malleficiorum“). Unter den Geschichtswerken sind eine „Lombardia Historia“, die „Acta Conventus Miechovensis“ oder eine „Concilia Provinciae Poloniae“ zu erwähnen.38 Damit verfügte die Klosterbibliothek über einen kleinen aber angemessenen Bestand.

35 36 37 38

AJG 1607, fol. 58-61. Ein Topf entspricht etwa 2,76 Liter (Breslauer Maß). KUHN, Eremiten und Mönche (a.a.O.), 33. ŚWIDZIŃSKI / WEINRICH, Kernsätze zur Verfassung des Ordens (a.a.O.), 42-43. AJG 1607, fol. 52-57.

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Klostervorwerk und Wirtschaftsgebäude Der Paulinerorden grenzte sich als Eremitenorden wirtschaftlich dezidiert von den Bettelorden ab, denn die Regeln des Ordens verboten das Betteln strikt. Stattdessen sollten die Brüder von ihrer Ausstattung mit ländlichen Gütern leben.39 Das lässt sich auch im Fall des Klosters Wiese-Pauliner beobachten. Das Kloster verwaltete seine selbst bewirtschafteten Ländereien über zwei Vorwerke. Deshalb nennen die Regestra von 1711 die Ernten des Klostervorwerks („Crescentya Folwarku klasztornego“) sowie des Vorwerks in Olbersdorf („Crescentia Folwarku Olbrachckie“).40 Das Klostervorwerk lag direkt nordöstlich des Klostergebäudes und bestand aus mehreren Ställen, einem Wagenschuppen, einem Speicher, und zumindest einer großen Scheune („stodoła“). Während der Jahre 1710/11 wurde an das Kloster zudem ein „Czeladnik“ (eine Gesellenstube, Wohnhaus für das Gesinde?41) mit einem eigenen Herd / Ofen angebaut. Auch eine Bäckerei, ein Häuschen und ein Gänsestall wurden beim Kloster neu errichtet.42 Entsprechend dem örtlichen Baustil bestanden diese Gebäude zumeist aus Holzbalken, eventuell mit Lehm beklebt und geweißt, und waren mit Stroh oder Schindeln gedeckt.43 Der klösterliche Wagenschuppen („Wozownia“) enthielt drei Kaleschen, einen neuen und zwei ältere Pferdewagen, zur Ausfahrt. Für den Winter besaß das Kloster sogar einen Schlitten. Zur Einfuhr der Ernte waren ein altes und ein neues Fuhrwerk vorhanden. Hinzu kamen ein Pflug, neue Bremsen und drei Eggen. Im Pferdestall („Staynia“) wurden insgesamt zwölf Pferde gehalten, zwei Zugpferde für die Kaleschen, vier Stuten sowie sechs Fohlen. Entsprechendes Zaumzeug, Striegel etc. waren auch vorhanden. Gefüttert wurden die Pferde mit Hafer, der extra dafür auf dem Klosteracker angebaut wurde. Man erkennt bereits an dieser Stelle, dass die Bestellung des klösterlichen Bodens nicht durch die Klosterknechte besorgt wurde, sondern dass das Kloster hier seine Untertanen im Rahmen der Robotdienste bemühte. Umfangreich ist hingegen der Bestand des Viehstalles („Obora“). Hier wurden zwanzig Milchkühe, zwei Jungrinder, neun Kälber und ein Zuchtbulle gehalten. Hinzu kamen zwei Ziegen. Ebenso besaß das Kloster achtzig Schweine. An Geflügel sind zwanzig Gänse, achtunddreißig Hühner, sechsundzwanzig 39 40 41

42 43

KUHN, Eremiten und Mönche (a.a.O.), 31. AJG 1607, fol. 41-42. KUHN, Eremiten und Mönche (a.a.O.), 31, nennt Laienbrüder, die als Handwerker und Dienstboten für das Kloster wirkten. Eventuell bezieht sich der Begriff des Czeladnik darauf! AJG 1607, fol. 62. Vgl. z.B. dazu WROBEL, Die Johanniter in Oberschlesien (a.a.O.), 60.

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Hähne und Hähnchen sowie acht Truthähne und dreißig Kapaune zu nennen. Sogar zwei Pfautauben („Pawiow“) werden erwähnt.44 Auch die Versorgung des Konventes sowie des Gesindes mit Fleisch und Geflügel war somit gesichert.45 Aus der Milch der Kühe ließen sich Quark, Butter und Käse herstellen.46

Abb. 3: Kloster Wiese-Pauliner und die Pauliner Äcker um 1811 Die weiteren Wirtschaftsgebäude lagen vermutlich südwestlich des Klostergebäudes, wie eine Karte des Jahres 1811 (vgl. Abb. 3) zeigt. Insbesondere werden hier die Bäckerei, die Brauerei und die Schnapsbrennerei des Klosters gelegen haben, vielleicht auch der Speicher. In der Bäckerei wurde aus dem klösterlichen Mehlvorrat das tägliche Brot der Mönche wie auch des Gesindes gebacken. Dafür waren ein Ofen, mehrere Teigbottiche und Tröge vorhanden. Die Regestra von 1711 erwähnen zudem ein Walzwerk („Wałkownia“), sicherlich zum Mohnwalzen. Es wurde also offensichtlich auch damals 44 45

46

AJG 1607, fol. 59-60. Dass das Vieh für den Fleischverbrauch des Konvents bestimmt war, geht definitiv aus späteren Quellen des 18. Jahrhunderts hervor. Vgl. dazu Joseph STRECKE, Wie sich die ersten staatlichen Besserungsmaßnahmen gegenüber der Leibeigenschaft bereits vor 140 Jahren in Mochau fühlbar machten, in: Oberglogauer Heimatkalender 1927, 7-9, hier 9. Die Milchwirtschaft im Kloster Wiese-Pauliner scheint von besonderer Bedeutung gewesen zu sein, denn bereits im Jahre 1640 beantrage der Konvent im Generalkapitel der polnischen Provinz des Ordens, dass die dortigen Konventualen entgegen der allgemeinen Ordensregel an Freitagen und in der Fastenzeit Milcherzeugnisse essen dürfen. Eine Ausnahme wurde dem Konvent damals allerdings nicht zugesprochen. Vgl. ŚWIDZIŃSKI / WEINRICH, Kernsätze zur Verfassung des Ordens (a.a.O.), 93-95.

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schon im Kloster Wiese Mohnkuchen gebacken! In der Brauerei des Klosters waren verschiedene Behälter für Hopfen (z.B. „Kociełek dla chmielu“) sowie mehrere große und kleine Bottiche vorhanden. Vom notwendigen Gerstenmalz („słód“) lagerten damals zwölf Scheffel im klösterlichen Speicher. Ebenso besaß das Kloster hier sieben Scheffel Hopfen. Neben etwas Getreide waren zudem sechs Scheffel Schrot zum Schnapsbrennen („Szrotu“) vorhanden. Die Brennerei („Palarnia“) war mit einem Brennkessel „cum omnibus requisitis“ und vier neuen Kannen ausgestattet.47

Grundherrschaft und Landwirtschaft Grundherrschaftlicher Besitz Die Ausstattung des Klosters Wiese-Pauliner wird bereits in der Stiftungsurkunde von 1388 beschrieben. Sie hat sich zudem bis ins 18. Jahrhundert kaum geändert. Neben dem Platz zur Errichtung des Klosters hatte der Konvent von Herzog Ladislaus II. das herzogliche Vorwerk in Mochau sowie 14 Gärtnern mit allen Nutzungen, Einkünften, Erträgen und Zinsen erhalten. Die Regestra von 1711 erwähnen unter der Überschrift „Proventus a Subditis et numerus, nec non obligationes eorum” in Mochau allerdings nur noch zehn dieser Gärtner („Zagrodnikow“)48. Das 1388 genannte Vorwerk in Mochau ist sicherlich mit dem Klostervorwerk des Jahres 1711 identisch. Ebenso erhielt das Kloster das Recht der freien Fischerei in dem an sein Grundstück angrenzenden Teil der Hotzenplotz. Ergänzt wurden diese Besitzungen durch den Wald Wiedrowitz, der zwischen zwei Armen der Hotzenplotz wie auf einer Insel lag. Dort werden im Jahre 1711 zwei Gärtner genannt. Ein Wald ist hingegen nicht mehr vorhanden. Des Weiteren bestand der Grundbesitz des Klosters aus zwei nördlich von Mochau beieinander gelegenen Wäldern, in denen vor 1711 das Dörflein Leschnig mit acht Gärtnern entstanden war. Das Kloster Wiese-Pauliner hatte demnach seine Wälder gerodet und neue Gärtnerstellen ausgesetzt. Alle Gärtner dieser Dörfer zusammen hatten dem Kloster 16 Rheinische Gulden (lat. florenos, poln. Rynskich.) und 24 Silber47 48

AJG 1607, fol. 60-61. Drei Robotgärtnerstellen verkaufte der Konvent nachweislich 1558 an den Besitzer des Hauptteils von Mochau, den Herrn Mochowsky. (APWr Rep. 127, Nr. 9) Gärtner sind Kleinstellenbesitzer, welche v.a. auf den herrschaftlichen Gütern arbeiten. Insbesondere in den Nachbardörfern Mochaus, Dirschelwitz und Glöglichen, waren sie traditionell angesiedelt. Vgl. dazu Ralph WROBEL, Die Entstehung des Gärtnerstandes in der Herrschaft Oberglogau, in: Oberschlesisches Jahrbuch 1993, Berlin 1993, 67-81, hier 69-70.

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groschen zu zinsen49. Die Freigärtner in Mochau, deren Anzahl nicht genannt wird, hatten jeder einen Rheinischen Thaler und zwölf Silbergroschen zu zahlen. Zu diesen beiden größeren Einheiten kam als Grundbesitz noch ein Weinberg bei Oberglogau hinzu, zusammen mit einigen Äckern.50 Des Weiteren hatte der Paulinerorden 1388 das herzogliche Dorf Olbersdorf mit 37 robotpflichtigen Hufen, einem Vorwerk und allen Gärten erhalten. Entsprechend werden im Jahre 1711 unter der Rubrik „Olbrachcice“ vor Ort zwanzig robotpflichtige Bauern sowie zwei Freie („wolnych“) genannt, die insgesamt neununddreißig und ein Viertel kleine Hufen („Ląnow malą“) bewirtschafteten. Hinzu kamen zwölf Gärtner, die Zinsen an das Kloster entrichteten. Aus Olbersdorf erhielt das Kloster so 88 Rheinische Gulden und vier Silbergroschen Zins.51 Das Vorwerk in Olbersdorf scheint deutlich kleiner als das Klostervorwerk gewesen zu sein. Es lag am nordöstlichen Ende des Dorfes gegenüber der heutigen Kirche.52 Da in den Regestra von 1711 Kupfergegenstände und Leuchter / Kerzenständer für die Knechte („w czeladniku“) genannt werden, muss es hier ein Wohnhaus für dieselben gegeben haben. Um dieses Haus mit einer örtlichen Kapelle zu verbinden, war 1710/11 ein neuer Flur oder Durchgang erbaut worden. Für die Bediensteten des Vorwerks gab es im Keller des Hauses zwölf Quart Butter, fünf Laib Käse und zwei Sauerkrautfässer. Im Speicher des Vorwerks lagerten acht Scheffel Roggen zu Mehlherstellung, elf Scheffel Weizen, Hanf- und Leinsamen sowie etwas Hirse. Im Pferdestall wurden fünf Pferde und drei Fohlen gehalten. Hier gab es auch ein Fuhrwerk, einen Pflug und zwei Eggen sowie verschiedenes Zaumzeug und andere landwirtschaftliche Geräte. Ein kleiner Teil des klösterlichen Ackers konnte demnach von den Klosterknechten selber bestellt werden. Im Viehstall waren hingegen nur sechs Milchkühe und drei Kälber vorhanden, vermutlich um den Eigenbedarf des Gesindes vor Ort an Milchprodukten zu decken. Die vorhandenen zwei Schweine wurden ins Kloster abgeliefert. Der Geflügelbestand von dreißig Gänsen, zwanzig Hühnern, elf Hähnchen und fünf Kapaunen mag auch für den Eigenbedarf gedacht gewesen sein. Der Fokus der Eigenwirtschaft in Olbersdorf lag hingegen auf der Schafzucht. Hier gab es nämlich einen eigenen Schafstall („Owc49

50 51 52

Der Rheinische Gulden (floren) wurde im 17. Jahrhundert in Schlesien mit bis zu 57 Groschen gerechnet, in den Regestra von 1711 liegen jedoch, wie sich errechnen lässt, 48 Silbergroschen dem Rheinischen Gulden zugrunde. Der Thaler wurde hingegen zu 36 Silbergroschen gerechnet. Vgl. dazu Roman HECK / Josef LESZCZYNSKI / Josef PETRAN, Urbarze Dobr Zamkowich Gornego Slaska Z Lat 1571 – 1640, Urbarze Slaskie, Bd. 3, Breslau 1963, 288. ZDP 1, Nr. 28, und AJG 1607, fol. 46. ZDP 1, Nr. 28, und AJG 1607, fol. 45. Mündliche Mitteilung von Herrn Gunther CLAUSEN (†), ehem. Olbersdorf.

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zarnia“), in dem 164 Schafe gehalten wurden.53 Die Schafhaltung war damals nicht grundsätzlich jedem Bauern freigestellt, sondern traditionell ein örtlich gewährtes Vorrecht des Schulzen oder der Grundherrschaft. Nur diese durften eine Schafherde über die Weiden und die Stoppeläcker treiben und sogar einen eigenen Hirten dafür einstellen. Dieses Geschäft wurde insbesondere von den Grundherren im 16. und 17. Jahrhundert forciert. Vorwerke mit 850 Schafen waren so in Oberschlesien keine Seltenheit.54 Eine wesentliche Erweiterung erfuhr der Grundbesitz des Klosters WiesePauliner nur einmal, am Ende des 16. Jahrhunderts. Gemäß der Urkunde vom 29. September 1589 verkaufte Kaiser Rudolph II., König von Böhmen, sein Dorf Wilkau – zwischen Wiese und Olbersdorf – samt allem Zubehör für 4.200 Thaler an das Kloster Wiese-Pauliner. Auch die Obergerichte wurden dem Kloster in diesem Dorf eingeräumt, jedoch unschädlich der sonstigen königlichen Regalien, Diensten und Pflichten.55 Dem entsprechend besaß das Kloster Wiese im Jahre 1711 hier siebzehn Robotbauern und drei Freie, welche insgesamt 28 kleine Hufen bewirtschafteten. Gärtner oder Gärten gab es im Dorf hingegen keine, auch kein Vorwerk. Die Bauern zinsten dem Kloster insgesamt 123 Rheinische Gulden.56 Alle Bauern und Gärtner des Klosters besaßen ihre Stellen zu erblichem Besitzrecht, was damals im Oberglogauer Land nicht unbedingt üblich war. Ihre Dienste waren zudem gemessen.57 Gemäß den Regestra von 1711 hatten die Robotbauern in den Klosterdörfern Olbersdorf und Wilkau auf dem Feld („z pola“) zu arbeiten und Fuhren auf Verlangen des Klosters („za prozbą“) zu leisten. Dabei erbrachten die Olbersdorfer Bauern diese Dienste auf dem Vorwerk vor Ort, während die Bauern aus Wilkau zu ebensolchen Roboten auf den Feldern des Klostervorwerkes („pole na Folwarku klasztornym, eodem modo co y Olbrachcanie“) verpflichtet waren.58 Wie aus späteren Quellen bekannt ist, mussten z.B. die Bauern aus Wilkau jeder 24 ½ Tage im Jahr vierspännig auf dem Klosteracker dienen. Hinzu kam die Verpflichtung zur Mithilfe beim Klosterbau. Die Dreschgärtner des Klosters in Olbersdorf, Mochau, Leschnig und Wiedrowitz waren hingegen zu ungemessenen Hand53 54

55 56 57

58

AJG 1607, fol. 61-62. Zur Schafgerechtigkeit vgl. Joseph J. MENZEL, Die schlesischen Lokationsurkunden des 13. Jahrhunderts, Würzburg 1977, 268. Im benachbarten Vorwerk Repsch hielten die Grafen von Oppersdorff im Jahre 1635 z.B. 850 Schafe. Vgl. dazu HECK / LESZCZYNSKI / PETRAN, Urbarze Dobr Zamkowich Gornego Slaska (a.a.O.), 131. APWr Rep. 127, Nr. 15. AJG 1607, fol. 46. Kurt FLÜGGE, Historisch-geographische Studien zur Agrarverfassung in den schlesischen Kreisen Kosel, Neustadt, Falkenberg und Neisse im Jahre 1743, mit Rückblicken bis 1532, in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens, Breslau 1933, 146-176, hier 159. AJG 1607, fol. 45-46.

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diensten verpflichtet.59 Sie arbeiteten für die Kost, ohne spezielle Entlohnung.60 Lediglich das Dreschmaß werden sie gemäß den alten Robotordnungen erhalten haben.61 Alle diese Dienste benötigte der Klosterkonvent, um seine Äcker und Wiesen bewirtschaften zu können. Nur deshalb konnte er auf größere Mengen von Pferden und landwirtschaftlichem Gerät verzichten. Auch Mühlen stellten traditionell eine wichtige Einnahmequelle des Paulinerordens dar.62 Zum Grundbesitz der Paulinermönche im Kloster Wiese gehörten daher auch zwei Mühlen, welche dem Kloster zinsten. Eine Mühle hatte der Orden zugleich mit der Grundausstattung im Jahre 1388 von Herzog Ladislaus II. erhalten. Sie lag gemäß der Schenkungsurkunde oberhalb am Fluss am Rande von Mochau. In den späteren Aufzeichnungen wurde sie Pauliner- oder Mönchsmühle genannt.63 Nach den Regestra von 1711 zinste sie dem Kloster neun Rheinische Gulden und 36 Silbergroschen jährlich. Hinzu kamen 36 Scheffel Roggen- sowie zwei Scheffel Weizenmehl.64 Zudem war es dem Kloster Wiese-Pauliner zu Beginn des 15. Jahrhunderts gelungen, eine weitere Mühle in seiner Nähe zu erwerben, die Lessny- oder Waldmühle, welche später auch Trzoska-Mühle genannt wurde und auf Dirschelwitzer Grund, gleich hinter der Kolonie Wiedrowitz, lag. Sie gehörte ursprünglich den Schulzen von Dirschelwitz, welche sie um 1418 dem Konvent des Klosters Wiese für 86 Mark Prager Groschen polnischer Zahl verkauft hatten.65 Diese Mühle zinste dem Kloster im 18. Jahrhundert 27 Scheffel Roggen- und einen Scheffel Weizenmehl. An barem Geld führte der Müller 14 Rheinische Gulden und 24 Silbergroschen ab. Zusätzlich erhielt der Paulinerorden einen Zins von vier Rheinischen Gulden und 46 Silbergroschen von der „Oborny“-Mühle. Diese lag „na cudcyen gruncie“, auf fremden Grund, nämlich direkt bei Leschnig an der Hotzenplotz und gehörte den Grafen von Oppersdorff auf Oberglogau. Die Zinsen einer weiteren gräflichoppersdorffschen Mühle, nämlich der Weinmühle bei Oberglogau („Młyn Winiarski“), soll dem Kloster hingegen verloren gegangen sein.66 59 60 61

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FLÜGGE, Historisch-geographische Studien (a.a.O.), 159. AJG 1607, fol. 46. Die Oppelner Robotordnungen sind abgedruckt bei Carl SUAREZ, Sammlung alter und neuer Schlesischer Provinzial-Gesetze: zum täglichen Gebrauche für Richter und Advocaten, Breslau 1771, Bd. 1 (insbesondere: Privilegia und besondere Gesetze der Fürstenthümer Oppeln und Rattibor, 363-389). Vgl. dazu auch WROBEL, Die Entstehung des Gärtnerstandes (a.a.O.), 73-74. KUHN, Eremiten und Mönche (a.a.O.), 31. STRECKE, Wie sich die ersten staatlichen Besserungsmaßnahmen (a.a.O.), 8. AJG 1607, fol 46. APWr Rep. 127, Nr. 18. AJG 1607, fol. 46. Zu den Wassermühlen der Herrschaft Oberglogau vgl. auch Ralph WROBEL, Wassermühlen als Indikatoren grundherrschaftlicher Wirtschaftstätigkeit in Oberschle-

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Getreideanbau auf den eigenen Äckern Die materielle Ausstattung mittelalterlicher Paulinerklöster bestand neben diversen Zinsen und Zehnten zumeist aus Mühlen, Fischteichen, Wein- und Obstgärten. Ackerland wurde den Einsiedlern hingegen selten geschenkt.67 So übergab Herzog Ladislaus II. von Oppeln dem Paulinerkloster in Tschenstochau v.a. Kirchenzehnten und Zolleinnahmen zum Unterhalt. Neben zwei Dörfern und einer Eisenhütte besaß das Kloster jedoch nur ein Vorwerk.68 Das Kloster Wiese-Pauliner stellte in dieser Hinsicht von Beginn an einen Sonderfall dar, denn der eigene Acker war – wenn auch bescheiden – zentraler Bestandteil der Klosterwirtschaft. Gemäß der Schenkungsurkunde von 1388 besaß das Kloster beim Vorwerk in Mochau fünfeinhalb Hufen (ca. 92 ha) und in Olbersdorf beim Vorwerk sieben Hufen (ca. 118 ha).69 Auf diesen Äckern bauten die Bauern und Knechte des Ordens im beginnenden 18. Jahrhundert sieben verschiedene Getreidearten an: Weizen („pszenice“), Roggen („zyta“), Gerste („jeczmienia“), Hafer („owsa“), Buchweizen (ungar.: „tatarki“), Hirse („prosa“) und Erbsen („grochu“). Die Regestra von 1711 beschreiben die geernteten Mengen, den Ausdrusch und seine Verwendung für die Wirtschaftsjahre 1710 und 1711 genau. Schwierig ist hierbei die Bestimmung der verwendeten Maßeinheiten. So werden die Ernten in „Kop.“ und „Sn.“ gemessen, was als kopu (poln. Schock, hier wohl im Sinne von Haufen / Getreidehocke) und snopek (poln. Garbe) gelesen werden muss.70 Der Ausdrusch des Getreides wird hingegen in „Cwiert.“ (poln. ćwierć = Viertel, hier im Sinne von Scheffel) und „Wier.“ (= Viertel) gerechnet.71 Die Tabellen 1 und 2 geben Ernteertrag, Ausdrusch und die Aussaat der beiden Vorwerke für die betreffenden Jahre an.

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sien – Eine Untersuchung am Beispiel der Herrschaft Oberglogau, in: Oberschlesisches Jahrbuch 1996, Berlin 1997, 53-76. FÜLÖPP-ROMHANYI, Die Pauliner im mittelalterlichen Ungarn (a.a.O.), 146. ZDP 1, Nr. 12 und 13. ZDP 1, Nr. 28. Zur Größe der Hufen vgl. HECK / LESZCZYNSKI / PETRAN, Urbarze Dobr Zamkowich Gornego Slaska (a.a.O.), 288. Der Umfang der klösterlichen Eigenwirtschaft entsprach damit in etwa der der kleinen Johanniterkommende Alt-Zülz, zu der übrigens Olbersdorf kirchlich gehörte. Vgl. WROBEL, Der Johanniterorden in Oberschlesien (a.a.O.), 61-62. Ein Schock bezeichnet ursprünglich eine unbestimmte große Menge. Im benachbarten Friedersdorf wurde laut dem Urbarium von 1805 ein Schock Getreide zu 24 Gebinden (Garben) gerechnet. Freundlicher Hinweis von Herrn Johannes Preisner, Menden. Diese Einteilung ergibt sich auch aus anderen Dokumenten des Klosters Wiese-Pauliner, welche in lateinischer Sprache von Scheffeln und Vierteln sprechen. Allgemein wurden 12 Scheffel auf einen Malter gerechnet. Ob hier ein oppelner Malter von ca. 152 Liter gemeint ist, ist allerdings unklar.

DAS KLOSTER WIESE-PAULINER IN DEN „REGESTRA PERCEPTARUM“ VON 1711 175

Tab. 1: Ernte, Ausdrusch und Aussaat im klösterlichen Vorwerk 1710 – 1712 Getreideart Weizen Roggen Gerste Hafer Buchweizen Hirse Erbsen Getreideart Weizen Roggen Gerste Hafer Buchweizen Hirse Erbsen Getreideart Weizen Roggen Gerste Hafer Buchweizen Hirse Erbsen

Ernte 1710 Hocken Garben 39 99 13 71 50 6 4 1 5 -

Ausdrusch 1710 Scheffel Viertel 51 3 141 2 128 3 154 1 8 2 1 1 6 2

Aussaat 1711 Scheffel Viertel 14 1 42 48 2 23 ? ? 2 -

Ernte 1711 Hocken Garben 31 15 93 74 19 5 11 7 -

Ausdrusch 1711 Scheffel Viertel 25 67 23 13 8 1 -

Aussaat 1712 Scheffel Viertel 11 3 49 2 23 ? ? ? ? ? ?

Tab. 2: Ernte, Ausdrusch und Aussaat im Vorwerk Olbersdorf 1710 – 1712 Getreideart Weizen Roggen Gerste Hafer Buchweizen Hirse Erbsen

Ernte 1710 Hocken Garben 17 2 55 7 50 21 16 1 21 ? ? 5 -

Ausdrusch 1710 Scheffel Viertel 32 3 94 2 91 1 43 2 ? ? 3 3 -

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Getreideart Weizen Roggen Gerste Hafer Buchweizen Hirse Erbsen Getreideart Weizen Roggen Gerste Hafer Buchweizen Hirse Erbsen

Aussaat 1711 Scheffel Viertel 9 2 30 42 9 ? ? ? ? 1 3

Ernte 1711 Hocken Garben 9 23 37 36 6 ? ? 3 5 -

Ausdrusch 1711 Scheffel Viertel 89 1 ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ?

Aussaat 1712 Scheffel Viertel 40 ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ?

Wie aus den Tabellen deutlich wird, wurden auf beiden Vorwerken alle Getreidearten angebaut, wobei Roggen und Gerste weit überwogen. Konkret wurden z.B. 1711 auf dem Klostervorwerk 10,9% Weizen, 32,5% Roggen, 37,2% Gerste und 17,8% Hafer ausgesät. Buchweizen, Hirse und Erbsen wurden hingegen nur in geringem Umfang angebaut. Die Zahlen für das Vorwerk Olbersdorf sind ähnlich.72 Die unterschiedliche Bedeutung der einzelnen Getreidearten für die Wirtschaft des Klosters wird auch durch deren Verwendung klar. So geben die Regestra von 1711 in „Młodżba y Roschod“ genannten Kapiteln den konkreten Ausdrusch, die Wiederaussaat sowie die weitere Verwendung des Getreides an. Vom Ausdrusch des Weizens im Klostervorwerk kam ein geringer Teil in die Klosterküche, wo er vermutlich zu Klößen verarbeitet wurde, der meiste Teil wurde aber verkauft. Vom Roggenausdrusch wurde der größte Teil (ca. 70%) zum Brotbacken verwendet. Dieses bekamen die Bauern und Gärtner, wenn sie auf dem herrschaftlichen Land arbeiteten. Die Gerste wurde v.a. zur Herstellung von Malz zum Bierbrauen sowie für Grütze zum Essen verarbeitet. Der Hafer wurde vollständig an die Pferde verfüttert, sofern er nicht für die Wiederaussaat gebraucht wurde. Die Erbsen, der Buchweizen und die Hirse wurden im Kloster gegessen, und zwar als Gemüse, Grütze bzw. „to się latwo strawito“, als leichte Kost. 72

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Verteilung der ausgesäten Getreidesorten im Kreis Neustadt ähnlich, wenn auch im Durchschnitt weniger Gerste und mehr Weizen angebaut wurden. Vgl. dazu FLÜGGE, Historisch-geographische Studien (a.a.O.), 149.

DAS KLOSTER WIESE-PAULINER IN DEN „REGESTRA PERCEPTARUM“ VON 1711 177

Ebenso verhielt es sich mit dem Ausdrusch des Getreides im Vorwerk Olbersdorf, nur dass hier knapp die Hälfte des Roggenausdrusches verkauft wurden („na pięniadc“).73 Wie anhand der Tabellen zudem deutlich wird, war das Klostervorwerk mit einer Aussaat von insgesamt 129 Scheffel Getreide im Jahre 1711 deutlich größer als das in Olbersdorf, wo zur gleichen Zeit nur 91 Scheffel ausgesät wurden. Da letzteres sieben kleine Hufen umfasste, wird das ursprünglich fünfeinhalb Hufen umfassende Mochauer Vorwerk wohl bis 1711 deutlich vergrößert worden sein. Die Ernten waren aber offensichtlich auch recht unterschiedlich. So war die Getreideernte 1711 zumindest auf dem Klostervorwerk relativ schwach, was die Regestra auch ausdrücklich erwähnen („słaba zniey“). Das zeigt sich ebenso in den absoluten Zahlen wie auch in der Verwendung des Ausdrusches. So wurden auf dem Klostervorwerk im Jahre 1711 lediglich 50% des Weizens, 47,5% des Roggens, 18,0% der Gerste und 8,5% des Hafers des Vorjahres ausgedroschen. Deshalb wurde der Gerstenausdrusch vollständig zur Wiederaussaat bestimmt, vom Roggen fast zu drei Viertel. Für das Olbersdorfer Vorwerk liegen leider kaum Vergleichszahlen vor. Es lässt sich lediglich eine vergleichsweise hervorragende Weizenernte im Jahre 1711 (etwas das Dreifache von 1710) konstatieren. Insgesamt lässt sich sagen, dass 1711 auf dem Klostervorwerk lediglich das 1,8fache des ausgesäten Weizens, das 1,6fache des entsprechenden Roggens und ca. die Hälfte der ausgesäten Gerste bzw. des Hafers geerntet wurden. Wenn man von einer halbwegs konstanten Aussaat ausgeht, erbrachte die Ernte 1710 jedoch auch nur das 2,6 bis 3,6fache der Aussaat. Lediglich der Hafer hätte das 6,7fache der Aussaat ergeben. Das entspricht auch den in den benachbarten Vorwerken nachweisbaren Ernteerträgen der frühen Neuzeit, die im Vergleich zu heute sehr gering und dazu noch starken Schwankungen unterworfen waren.74 Bierbrauerei, Schnapsbrennerei und die Kretschame Wie auch in anderen Klöstern der Zeit üblich, wurden die landwirtschaftlichen Produkte der Pauliner Vorwerke zu Bier („Piwo“) und Schnaps („Gorßałka“) weiterverarbeitet und dann in den drei Kretschamen („Karczmy“) des

73 74

AJG 1607, fol 41-43. Die Vorwerke der Zisterzienserpropstei Kasimir erwirtschafteten z.B. in dieser Zeit etwa das Fünffache der Aussaat. Vgl. dazu Augustin WELTZEL, Die Cisterzienserpropstei Kasimir, in: Schlesisches Pastoralblatt 1889, Nr. 16-22, 153.

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Klosters ausgeschenkt oder anderweitig verkauft.75 Im Jahre 1711 besaß das Kloster Wiese-Pauliner einen Kretscham nahe beim Kloster, einen in Wilkau sowie einen in Olbersdorf „z łaski Oppersztoffow cum 4 obligationibus pro agonizantibus“, was als von Gnaden der Herren von Oppersdorff auf Oberglogau mit vier Verpflichtungen für die Glaubenskämpfe (Türkensteuer!) interpretiert werden kann. Die Grafen von Oppersdorff besaßen in Olbersdorf die Obergerichte, weshalb sie dem dortigen Kretscham Lasten auferlegen konnten. Alle drei Kretschame leisteten dem Kloster zusammen Zinsen von 24 Rheinischen Gulden.76 Sie waren zudem verpflichtet, nur herrschaftlichen Schnaps und herrschaftliches Bier auszuschenken.77 Die Regestra von 1711 stellen die Bier- und Schnapsproduktion in verschiedenen Perioden der Jahre 1710 und 1711 ausführlich dar.78 So produzierte die Klosterbrennerei in der Zeit vom 1. Januar 1710 bis zum 23. Oktober 1711 insgesamt 395 Töpfe (poln. „gar“) Schnaps, von denen 340 in den drei Kretschamen des Klosters ausgeschenkt wurden. Der Großteil dieser Produktion mit 280 Töpfen entstand allein in den ersten drei Quartalen 1711. Was nicht in die Kretschame ging, wurde an die Brüder (!) und die Handwerker ausgeschenkt, im Jahr 1710 immerhin 15 ½ Töpfe.79 Entsprechend der Aufzeichnungen von 1711 betrug die Bierproduktion im Jahr 1710 insgesamt 204 Fässer, in den ersten drei Quartalen des Jahres 1711 sogar 280 Fässer. Dafür standen 1710 etwa 80 Scheffel Gerste aus dem Klostervorwerk und etwa 50 Scheffel aus Olbersdorf zum Malzen zur Verfügung. Hopfen war im Speicher des Klosters ausreichend vorhanden, im Keller standen zudem weitere zwölf Fässer zum Bierbrauen bereit. Von den 204 Bierfässern, welche im Kalenderjahr 1710 produziert wurden, wurden 102 in die Kretschame zum Ausschank geschickt, 18 ¼ Fässer wurden direkt an die Untertanen in den Klosterdörfern verkauft. Zwei Fässer schenkte das Kloster an die Bauern von Olbersdorf und Wilkau zur Beköstigung während der Roboten aus, zwei und ein viertel Fässer erhielten die Zimmerleute des Klos75

76 77

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79

Zum Vergleich kann z.B. die Bier- und Schnapsproduktion des Zisterzienserklosters Rauden herangezogen werden. Vgl. dazu August POTTHAST, Geschichte der ehemaligen Cistercienserabtei Rauden in Oberschlesien, Leobschütz 1858, 190-192. AJG 1607, fol 47. Vgl. dazu Winfried KÜCHLER, Das Bannmeilenrecht, Würzburg 1964, 60-62, bezüglich der Verhältnisse im Oberglogauer Land auch Theophil KONIETZNY, Oberglogauer Bier im Jahre 1603 – Ein Beitrag zur Familienforschung, in: Oberglogauer Heimatkalender 1936, 32-33. Die Regestra von 1711 unterteilen die produzierten Schnaps- und Biermengen entsprechend der Perioden 1. Januar bis 15. Oktober 1710, 16. Oktober bis 31. Dezember 1710 und 1. Januar bis 23. Oktober 1711. AJG 1607, fol. 45. Ein Topf oder vier Quart (Breslauer Maß) entspricht ca. 2,76 Liter. Die Gesamtproduktion von 395 Töpfen machte also ca. 1.090 Liter aus, wovon etwa 43 Liter für die Mönche und das Gesinde im Kloster bestimmt waren.

DAS KLOSTER WIESE-PAULINER IN DEN „REGESTRA PERCEPTARUM“ VON 1711 179

ters, als sie die bereits erwähnten Ausbauten erledigten. 1711 werden hier auch die Schmiede des Klosters mit viereinhalb Fässern bedacht, die Robotgärtner wurden mit einem Fass versorgt. Nach altem Brauch gab das Kloster Wiese auch drei (1710) bzw. neun (1711) Fässer Bier in die Kretschame zum Johannistag („Kacßmarßom Swiętoianskiego“). Die Bedeutung der Bierbrauerei für die Klosterwirtschaft kann daher kaum überschätzt werden. So stellte die Klosterbrauerei in der Zeit vom 1. Januar 1710 bis zum 23. Oktober 1711 insgesamt 484 Fässer Bier her, von denen insgesamt 206 in die Kretschame gingen.80 Geldwirtschaft Gemäß den Regestra von 1711 lassen sich für das Kloster Wiese-Pauliner zahlreiche Getreide- und Geldzinse, Robotdienste der Untertanen, Verkaufsmengen für Getreide, Bier und Schnaps nachweisen. Dabei ist eine monetäre Quantifizierung häufig nicht möglich. Lediglich die fixierten Geldeinnahmen werden exakt genannt. So erhielten die Pauliner Mönche pro Jahr an Grundzinsen von den Untertanen aus Olbersdorf, Wilkau und Mochau insgesamt 228 Rheinische Gulden und 40 Silbergroschen, aus den Mühlen 29 Rheinische Gulden und 10 Silbergroschen sowie aus den drei Kretschamen 24 Rheinische Gulden. Dabei wird der Gulden zu 48 Silbergroschen gerechnet. Hinzu kamen noch ein Zins aus dem benachbarten Dorf Dirschelwitz von vier Silbermark, was im Jahr 1711 sechs Rheinische Gulden und 24 Silbergroschen ausmachte. Für jede siebte Messe zahlte der Herr von Schelitz, Graf Proskowsky, 24 Rheinische Gulden jährlich. Und die freien Bauern in Wilkau leisteten einen zusätzlichen Zins von drei Rheinische Gulden und 36 Silbergroschen.81 Das macht feste Geldeinkünfte von fast genau 316 Rheinischen Gulden im Jahr aus. Als Gesamteinkünfte des Klosters Wiese-Pauliner geben die Schreiber der Regestra hingegen 4.367 Rheinische Gulden und 34 Silbergroschen für die Zeit von Mai 1710 bis Oktober 1711, also ein Jahr und fünf Monate, an. Das entspricht einem Jahreseinkommen von ca. 3.080 Rheinischen Gulden, was im Vergleich mit großen Klöstern der Umgebung recht bescheiden war.82 Die fixen Geldeinnahmen des Klosters Wiese-Pauliner machten davon gerade 80 81 82

AJG 1607, fol 44-45 und 58. AJG 1607, fol. 47. So hatte das oberschlesische Zisterzienserkloster Rauden z.B. Jahresumsätze von 15.000 bis 20.000 Gulden, also das Fünf- bis Sechsfache, wovon allerdings auch 24 Brüder versorgt werden mussten. Vgl. dazu POTTAST, Geschichte der ehemaligen Cistercienserabtei Rauden (a.a.O.), 234-235.

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einmal um die zehn Prozent aus. Das bedeutet anders herum, dass an die 90% der Einkünfte des Klosters aus dem Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte (Getreide) sowie der daraus selbst hergestellten Güter (Bier und Schnaps) stammten. Diese Einkommen waren jedoch wiederum massiv von der Höhe der Ernte auf den Klosteräckern abhängig. Man erkennt daran die hohe Bedeutung der Landwirtschaft für die Versorgung des Klosters, der sechs Brüder, ihres Gesindes und auch der robotpflichtigen Untertanen.83 Den Gesamteinkünften von 4.367 Rheinische Gulden und 34 Silbergroschen in der Zeit von Mai 1710 bis Oktober 1711 standen insgesamt Ausgaben von 4.148 Rheinischen Gulden und 27 Silbergroschen gegenüber. Es verblieb also ein Überschuss von etwa 218 Rheinischen Gulden. Trotz der schlechten Ernte im Jahre 1711 hatte die Klostergemeinschaft dennoch gut gewirtschaftet. Leider geben die Regestra von 1711 kaum Hinweise auf die Ausgaben des Klosters. Unter der Überschrift Debita werden lediglich die Abgaben an die kaiserliche Kasse („Do Cesarskiey kassy“) von insgesamt 734 Rheinischen Gulden genannt. Davon werden 200 Gulden als „Restat exoliendum“ bezeichnet, was wohl die Beisteuer für die Türkenkriege sein soll.84 Ansonsten werden in den Regestra keine Ausgaben explizit genannt, lediglich implizit lassen sie sich erschließen. So werden Ausbauten der Klosteranlage erwähnt, wofür die Handwerker (Zimmerleute und Schmiede) nicht nur Kost, sondern auch Lohn erhielten. Fuhren und Mauerarbeiten leisteten hingegen die robotpflichtigen Untertanen. Die Ausstattung von Kirche, Kloster und Vorwerken, bestehend aus Messgewändern, Kleidung für die Brüder, Möbeln, Besteck, Wagen und Pflügen, Töpfen und Pfannen etc. waren zu ergänzen. So werden 1711 z.B. mehrere neue Tischtücher, ein neues Pferdegespann und ein neuer Schlitten genannt. Da der Hopfen zur Bierproduktion nicht selbst hergestellt wurde, wird er angekauft worden sein. Es ergeben sich somit zahlreiche notwendige Verwendungen für die erwirtschafteten Mittel.

Ergebnisse Das Kloster Wiese-Pauliner stellt zu Beginn des 18. Jahrhunderts einen umfassenden und gut funktionierenden agrarisch orientierten Wirtschaftsbetrieb 83

84

Dadurch unterschied sich der Paulinerorden wie andere monastische Orden auch insbesondere von den Ritterorden, welche Responsionen für die Ordenszentralen abzuliefern hatten und deshalb schon in der frühen Neuzeit großen Wert auf die Geldwirtschaft legten. Vgl. dazu z.B. WROBEL, Der Johanniterorden in Oberschlesien (a.a.O.), 72-77. Vgl. zur Verpflichtung der Klöster dem Kaiser gegenüber z.B. POTTHAST, Geschichte der ehemaligen Cistercienserabtei Rauden (a.a.O.), 247-250.

DAS KLOSTER WIESE-PAULINER IN DEN „REGESTRA PERCEPTARUM“ VON 1711 181

dar. Ziel der gesamten Tätigkeit war die Aufrechterhaltung der Funktion als Klosterbetrieb mit sechs Mönchen, einem Klostergebäude mit Bibliothek und einer Klosterkirche. Kirche und Kloster waren erst einige Jahrzehnte alt und wurden kontinuierlich weiter ausgebaut. Dafür wurden neben dem leider zahlenmäßig nicht spezifizierbares Gesinde85 die Untertanen aus insgesamt drei Klosterdörfern benötigt: fünf Freibauern, 37 Robotbauern und 32 Gärtner. Das macht insgesamt 74 dem Kloster untertänige Familien mit vielleicht 350 bis 400 Mitgliedern. Um einen Mönch im Kloster zu versorgen, waren somit mehr als 50 andere Menschen nötig, welche die Äcker des Klosters bestellten, Zinsen leisteten oder das Kloster selbst versorgten. Haupteinnahmequelle des Klosters war die Landwirtschaft. Diese wurde von zwei Vorwerken aus, einem nahe beim Kloster und dem anderen in Olbersdorf, betrieben. In den Ställen der Vorwerke finden sich unterschiedlichste Tiere wie Kühe, Schweine und Geflügel, welche zum Verzehr bzw. zur Milchversorgung gedacht waren. Schafe wurden im großen Stil in Olbersdorf gehalten. Die Wolle wird für Bekleidung und vielleicht auch zum Verkauf genutzt worden sein. Auf den Klosteräckern wurde zudem ein breites Spektrum an Getreidesorten angebaut, insbesondere Roggen und Gerste. Die variierenden Ernten wurden z.T. direkt für die Versorgung der Klosterinsassen sowie der robotpflichtigen Untertanen verwendet, zu einem großen Teil aber zu Bier und Schnaps weiterverarbeitet. Beide Produkte wurden über die drei Kretschame des Klosters, aber auch direkt an die Untertanen wie auch an andere verkauft. Da das Kloster Wiese-Pauliner trotz einer schlechten Ernte im Jahre 1711 noch einen ansehnlichen Finanzüberschuss erwirtschaften konnte, muss die Wirtschaftsführung vorbildlich gewesen sein. Dafür spricht auch die dezidierte Aufstellung der Ernten, Einnahmen, Verpflichtungen und Inventarien durch den Konvent. Das Kloster Wiese-Pauliner ist dennoch nicht als großes oder reiches Kloster zu bezeichnen, ganz im Gegenteil, die Ausstattung war bescheiden, wenn man sie mit anderen Klöstern – insbesondere dem Mutterkloster in Tschenstochau – vergleicht. Doch hat diese Ausstattung vollkommen genügt, den sechs Mönchen vor Ort genug Unterhalt für ihr eremitisches und monastisches Leben zu liefern.

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Für das Jahr 1785 sind 18 Bedienstete im Kloster genannt. Vgl. STRECKE, Wie sich die ersten staatlichen Besserungsmaßnahmen… (a.a.O.), 9.

MAIK SCHMERBAUCH

Deutsche Jugend in der polnischen Diözese Kattowitz 1925 – 1939

Einleitung Über die katholischen deutschen Jugendvereinigungen in der polnischen Diözese Kattowitz in den Jahren 1925 – 1939 gibt es auf deutscher Seite keine kirchenhistorischen Forschungen. Dabei ist diese Epoche der katholischen Jugendbewegung in der ostdeutschen Kirchen- und Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts zugleich ein Ausdruck von oberschlesisch-deutscher und katholisch-kirchlicher Kultur in den ehemals zu Deutschland gehörenden östlichen Gebieten, die für eine gesamte Generation von großer Bedeutung war. Die polnische Diözese Kattowitz1, die 1925 vom Hl. Stuhl auf dem Gebiet des 1922 vom Deutschen Reich an Polen abgetretenen östlichen Oberschlesien neu errichtet wurde, umfasste über eine Million Katholiken2, von denen aufgrund zunehmender Abwanderung großer deutscher Bevölkerungsteile nach der Abtretung 1922 in das Deutsche Reich und einer starken Zuwanderung von Polen in das Gebiet in den Dreißigern nur noch etwa 15% der Bevölkerung deutschen Volkstums waren. Nach der Abtretung 1922 waren die deutschen Einwohner zu einer ethnischen Minderheit im 1918 neu erstandenen polnischen Staat geworden. In der Zwischenkriegszeit gab es immer wieder große Probleme im Zusammenleben zwischen den deutschen Ein1

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Zur polnischen Diözese Kattowitz vgl. besonders Maik SCHMERBAUCH, Die deutschen Katholiken in der polnischen Diözese Kattowitz 1922-1939, in: Berichte und Forschungen, Jahrbuch des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, Oldenburg 2009, 75-98; DERS., Prälat Franz Wosnitza (1902 – 1979) – ehemaliger Generalvikar von Kattowitz (= Arbeiten zur Schlesischen Kirchengeschichte, 21), Münster 2010; Gregor PLOCH, 80 Jahre Diözese Kattowitz, in: Schlesien in Kirche und Welt, Heimatbrief der Katholiken aus dem Erzbistum Breslau, Ausgabe 6 (2005), 12-14. Der Sonntagsbote-Wochenschrift für die deutschen Katholiken in der Diözese Katowice, Nr. 8/1936, 84. (weiter zit. DSB)

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MAIK SCHMERBAUCH

wohnern und der polnischen Bevölkerung. Denn nach 1922 wurde eine ansteigende Polonisierungspolitik seitens der in Ostoberschlesien neu errichteten polnischen Wojewodschaft Schlesien in Gang gesetzt. Hinzu kam Anfang der Dreißiger die große Arbeitslosigkeit im Kattowitzer Industrierevier, die die deutschen Arbeiter und deren Familien hart traf, und angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Not ließen die radikalen Ideologien des Nationalsozialismus und des Kommunismus ihren Zulauf an deutschen Mitgliedern ebenfalls stark anwachsen, was die katholische Jugendarbeit vor ständige Herausforderungen in der Zwischenkriegszeit stellte.3 Dieser Aufsatz möchte einen Einblick in die katholische Jugendarbeit für die deutschen Katholiken geben und zentrale Probleme aufzeigen, denen sich die Kirche im Grenzland Oberschlesien gegenüber sah. Neben den wenigen persönlichen Erinnerungen4 sollen neu erschlossene Dokumente aus staatlichen und kirchlichen Archiven, das deutsche Kattowitzer Diözesanblatt „Der Sonntagsbote“ sowie deutsche Veröffentlichungen der Kattowitzer Kurie als Quellen dienen.

Katholische Jugendbewegung im schlesischen Raum bis zum Ende des Ersten Weltkrieges Der Anfang der katholischen Jugendbewegung in Deutschland und seinen Diözesen findet sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts, wo sich in deutschen Pfarreien erste Jugendvereinigungen z.B. als Lehrlingsvereine, Jugendvereine, Jünglingsvereine gebildet hatten.5 Im Jahr 1896 schloss sich die Vielzahl an unterschiedlichen männlichen katholischen Jugendvereinigungen zum Katholischen Jungmännerverband Deutschland (KJMV) zusammen, der die gesamte männliche Jugend in der Katholischen Kirche unter seinem Dach

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Vgl. z.B. Guido HITZE, Die Minderheiten in Oberschlesien 1922 – 1939, in: Michael HIRSCHFELD / Christine KUCINSKI (Hg.), Via Silesia 2000/2001, Beiträge der Gemeinschaft für deutsch-polnische Verständigung; Jugendinitiative im Heimatwerk Schlesischer Katholiken zur deutsch-polnischen Verständigung, Münster 2001, 115-141; Albert S. KOTOWSKI, Polens Politik gegenüber seiner deutschen Minderheit 1919 – 1939, Wiesbaden 1998. Karl HEDA, Die Diözese Kattowitz und die deutschen Katholiken in den Jahren 1925 bis 1939, Ein Bericht, in: Archiv für Schlesische Kirchengeschichte 42 (1984), 51-58; Franz WOSNITZA, Jenseits der Grenze, in: Herbert HUPKA (Hg.), Leben in Schlesien. Erinnerungen aus fünf Jahrzehnten von Wolfgang Jaenicke u.a. München 1966, 199-216; Gottfried POLOCZEK, Katholische Jugend in Kattowitz 1931 – 1939, mss. Bericht (3 S.), in: Archiv des Jugendhauses; Düsseldorf, A 3048. Erwin GATZ, Die Katholische Kirche in Deutschland im 20. Jahrhundert, Freiburg 2009, 3437.

DEUTSCHE JUGEND IN DER POLNISCHEN DIÖZESE KATTOWITZ 1925-1939

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versammeln wollte.6 Auch für die weibliche katholische Jugend gab es katholische Vereinigungen, die etwas später auf Diözesanebene zusammengeschlossen wurden.7 Nicht allein der christliche Glaube, sondern auch Natur und Kunst, Spiel und Sport, Lied und Musik, Gesellschaft und Tanz sollten das Leben dieser katholischen Jugendbewegung in allen Pfarreien bereichern. Geprägt wurde diese gelebte Jugendbewegung durch den Priester Carl Mosterts (1874 – 1926), der für die katholische Jugendbewegung mit dem Jugendhaus in Düsseldorf eine eigene Zentrale errichtet hatte, von der Jahrzehnte lang das Leben der katholischen Jugendgruppen in allen deutschen Diözesen geprägt wurde. Er gründete auch das Begegnungszentrum „Haus Altenberg“ in der Diözese Köln, das für das katholische Schulungs- und Bildungswesen in der Zwischenkriegszeit besonders bedeutungsvoll wurde. Bis 1926 hatte der deutsche KJMV in allen deutschen Diözesen fast 4000 Vereine mit 400 000 Mitgliedern unter seinem Dach vereinigt. Nach Mosterts Tod 1926 übernahm Ludwig Wolker (1887 – 1955) die oberste Leitung des KJMV, den er durch die schweren Jahre der kirchenfeindlichen Zeit des Dritten Reiches führen musste.8 Neben den kirchlichen Jugendgruppen gab es um die Jahrhundertwende noch eine ganze Reihe weit verbreiteter Jugendvereinigungen überall in Deutschland, die zwar christlich waren, ihr Fundament aber nicht zwingend auf der kirchlichen Ebene gründeten, sondern andere Zielsetzungen als die Religion bevorzugten. Dazu zählten besonders der „Quickborn“, der „Heimgarten“ oder der „Bund Neudeutschland“, die auch in Schlesien unter den Jugendlichen stark verbreitet waren.9 Auch in der preußischen Provinz Schlesien, die kirchlich das Gebiet der Diözese Breslau umfasste, waren die katholischen Jugendgruppen in den Pfarreien aktiv. Die Diözese Breslau hatte ein großes Diözesangebiet mit über 1000 Pfarreien mit fast vier Millionen Katholiken.10 Schlesien, das die Gebiete Niederschlesien und Oberschlesien einschloss, hatte ein besonderes Merkmal in seiner ethnischen Zusammensetzung. Denn die Bevölkerung im Grenzland Oberschlesiens war aufgrund jahrhundertelanger Prozesse zu einer deutsch-polnischen Mischbevölkerung 6

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Ludwig WOLKER, Die katholische Jugend Deutschlands, Aus Anlass der Ausstellung "Das junge Deutschland" hg. von der Geschäftsstelle der katholischen Jugend Deutschlands, Düsseldorf 1927, 8-10. GATZ (vgl. Anm. 5), 36. WOLKER (wie Anm. 6), ebenda. Vgl. Rainer BENDEL, Zwischen Finsternis und Aufbruch, Der oberschlesische Katholizismus und das Bistum Breslau im 19. und 20. Jahrhundert, in: Hans-Ludwig ABMEIER u.a. (Hg.), Oberschlesisches Jahrbuch, Band 16/17, Ratingen 2000/2001, 49-71. Taschenkalender und kirchlich-statistisches Jahrbuch für den Katholischen Klerus 1922, 148-150.

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herangewachsen, deren Einwohner fast zu 50% zweisprachig waren. Die Mehrheit hatte sich aber dem deutschen Volkstum zugehörig gefühlt, und erst nach den Polnischen Aufständen nach 1918 brachen die ethnischen Konflikte zwischen beiden Volksgruppen in diesem Gebiet offen aus, was auch die katholische Jugendarbeit in der Zwischenkriegszeit beeinflusste.11 Die Katholische Kirche in den Breslauer Pfarreien Oberschlesiens hatte unabhängig von den deutschen oder polnischen Bevölkerungsanteilen beide Gläubigengruppen in ihrer Sprache seelsorglich betreut, und die Priester waren stets bemüht, sich aus nationalen Konflikten herauszuhalten und auf das einende Band des katholischen Glaubens zu verweisen. Dabei waren dem Klerus besonders die Jugend und ihre Vereinigungen, die es auf polnischer und deutscher Seite in gleichem Maße gab, sehr wichtig.12 Die deutschen Gruppen des KJMV in den Pfarreien Ostoberschlesiens und des späteren Kattowitzer Diözesangebietes, das bis 1922 der Diözese Breslau zugehörig war, gehörten bis zum Ende des Ersten Weltkrieges dem KJMV-Bezirksverband Oberschlesien an, der wiederum dem Breslauer Diözesanverband angegliedert war. Diözesanpräses der Breslauer KJMV-Verbände war viele Jahre der Breslauer Priester Anton Foicik, der sich als geborener Oberschlesier für die katholischen Jugendvereinigungen im oberschlesischen Industrierevier in ganz besonderer Weise einsetzte.13 In Oberschlesien gab es neben den örtlichen KJMV Gruppen noch viele weitere katholisch gebundene deutsche Jugendvereinigungen, wie z.B. den Jugendbund oder den Gesellen- und Meisterverein.14 Die katholischen Jugendgruppen im Bezirksverband Oberschlesien standen trotz der weiten Entfernung in enger Fühlung mit dem Jugendhaus in Düsseldorf, und auch Carl Mosterts stattete den Jugendgruppen Oberschlesiens gelegentlich einen Besuch ab. Doch mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges erlahmte an vielen Orten das katholische Jugendleben. Viele Jugendvereine verloren fast die Hälfte ihrer Mitglieder durch den Tod auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges. Nach dem Krieg versuchten viele Jugendvereine in Oberschlesien, das Vereinsleben trotz gesunkener Mitgliederzahl wieder zum Leben zu erwecken. Mit großem Idealismus gelang es den deutschen Jugendgruppen an vielen Orten, das katholische Vereinsleben zu reaktivieren.15 Doch kam es in 11

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Peter CHMIEL, Die Katholische Kirche Oberschlesiens im Spannungsfeld nationaler Konflikte, in: Joachim KÖHLER / Rainer BENDEL (Hg.), Geschichte des christlichen Lebens im schlesischen Raum, Münster 2002, 623-648, hier 623-625. (Vgl. Anm. 11). DSB, 23/1935, 263. Hilary GWOZDZ, Die seelsorgliche Betreuung der deutschen Katholiken in der Diözese Kattowitz, hg. von der Bischöflichen Kurie Kattowitz, Kattowitz 1934, 23. (Vgl. Anm. 14).

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Oberschlesien nach dem Ersten Weltkrieg zu den Polnischen Aufständen und dem von polnischer und deutscher Seite verbittert geführten Abstimmungskampf um die nationale Zugehörigkeit Oberschlesiens.16 Viele Monate lang konnten während der hektischen Abstimmungszeit 1920/21 die deutschen katholischen Vereinigungen im östlichen Oberschlesien aufgrund der dort vorherrschenden polnischen Einflussnahme keine regulären Veranstaltungen mehr abhalten. Deutsche Vereinsmitglieder wurden von radikalen nationalpolnischen Gruppen verfolgt oder verhaftet und umfangreiches Vereinseigentum wurde beschlagnahmt. Da die Katholische Kirche ohne staatliche Unterstützung nichts gegen diese Übergriffe erreichen konnte, schien es, als sei in Ostoberschlesien das Ende der katholischen Jugendvereine endgültig besiegelt.17 Nach der Volksabstimmung im März 1921 in Oberschlesien, bei der sich die Mehrheit für den Verbleib des Gebietes bei Deutschland ausgesprochen hatte, entschied der Völkerbund in Genf im Herbst 1921, dass das östliche Oberschlesien an Polen abgetreten werden musste, was im Sommer 1922 vollzogen wurde.18 Der Hl. Stuhl erhob dieses Gebiet zu einer eigenen Apostolischen Administratur, bevor er 1925 aus dieser dann die polnische Diözese Kattowitz errichtete, in der die deutschen Katholiken nun als Minderheit wohnten.19

Der schwierige Neuanfang im polnischen Staat 1922-1930 Die katholische Jugendbewegung der deutschen Katholiken in Ostoberschlesien wollte trotz der schwierigen politischen Umstände für die deutsche Bevölkerung im neuen polnischen Staat einen Neuanfang wagen. Bereits im Herbst 1921 versammelten sich die Mitglieder der im zukünftigen polnischen Oberschlesien verbliebenen deutschen katholischen Jugendgruppen und beschlossen, die Katholischen Jungmännervereine im Kattowitzer Industriegebiet wieder aufzubauen. Im Februar 1922 wurde in Königshütte der KJMV als Verband der katholischen Gesellen-, Jungmänner- und Jugendvereine neu gegründet. Der Verband wurde zunächst nicht von Priestern, sondern von Laien geleitet, wobei man sich seitens des Verbandes aber einen geistlichen Hirten mit einem eigenen Sekretariat in der Diözesanverwaltung wünschte. Kurz nach der Verbandsgründung 1922 kam es zu einem ersten großen Verbandstag der deutschen katholischen Vereine in Ostoberschlesien. Mit „ju16 17 18 19

HITZE (wie Anm. 3), 113f. (Vgl. Anm. 14). Werner MARKERT, Osteuropa Handbuch Polen, Köln 1959, 27-28. SCHMERBAUCH (wie Anm. 1), 78-81.

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gendlichem Schwung“ ging man in allen Pfarrgemeinden, in denen es katholische Jugendvereine der deutschen Katholiken gab, mit großer Begeisterung an die Arbeit.20 Doch wurde das katholische Verbandsleben in den Jahren nach der Abtretung an Polen immer wieder auf eine große Probe gestellt. Viele deutsche Katholiken verließen nach 1922 das Kattowitzer Diözesangebiet in Richtung Deutsches Reich, während gleichzeitig viele Polen aus anderen polnischen Gebieten und aus dem deutschen Teil Oberschlesiens in das Gebiet einwanderten. Das sorgte natürlich für einen anhaltenden Mitgliederschwund nicht nur in den katholischen Jugendvereinigungen, sondern in allen Vereinigungen der deutschen Katholiken, was für viele Vereine eine Katastrophe war, da sie aufgrund fehlender Mitglieder das Vereinsleben einstellen mussten. Hinzu kam 1926 die Machtübernahme des Michal Grazynski in der Wojewodschaft Schlesien, der aus seinen stark deutschfeindlichen Absichten keinen Hehl machte.21 Diese Bestrebungen der polnischen Behörden, die Abwanderung der deutschen Volksgruppe zu verstärken, dann die seit Ende der Zwanziger um sich greifende Weltwirtschaftskrise und der zunehmende Einfluss der nationalsozialistischen Ideologie auf die deutschen Verbände stellten für die deutsche Jugend und die Katholische Kirche eine besonders große Gefahr dar.22 Denn die deutschen Katholiken in der Diözese Kattowitz spürten die kulturellen, kirchlichen und politischen Veränderungen in ihrem oberschlesischen Grenzgebiet intensiver als die Deutschen in anderen Teilen Polens.23 Die starke Arbeitslosigkeit im Kattowitzer Industrierevier traf die deutsche Jugend besonders hart, und wie in Deutschland nahm die politische Radikalisierung immer mehr Einfluss auf die Jugend. Seit 1930 wurden deshalb viele Veranstaltungen der deutschen katholischen Jugendvereine in den Kattowitzer Pfarreien schwächer besucht.24 Doch die Katholische Kirche war bestrebt, diesen besorgniserregenden Zustand abzumildern. Denn wenn die deutsche Jugend sich immer weiter von der Kirche entfernen und ihr Heil in anderen Vereinigungen suchen würde, dann würden diese negativen Auswirkungen alle deutschen Katholiken in der Diözese Kattowitz zu spüren bekommen. Hatten die ersten beiden Bischöfe der Diözese Kattowitz, Kardinal Augustyn Hlond (1925 – 1926) und Bischof Arkadiusz Lisiecki (1926 – 1930) nur 20 21

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(Vgl. Anm. 14). Zur Politik Michal Grazynskis gegenüber der deutschen Minderheit in der Wojewodschaft Schlesien vgl. Albert S. KOTOWSKI, Polens Politik gegenüber seiner deutschen Minderheit 1919 – 1939, Wiesbaden 1998, 148-152. Albert S. KOTOWSKI, Die deutsche Minderheit in Polen 1919 – 1939, in: Nordost-Archiv, Zeitschrift für Regionalgeschichte, Band IX (2000), 483-504, hier 501f. HEDA (wie Anm. 4), 56. POLOCZEK, Katholische Jugend in Kattowitz 1931-1939, 1.

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geringes Interesse an den deutschen Jugendverbänden gezeigt, wollte 1930 der gerade zum Kattowitzer Oberhirten ernannte Bischof Stanislaus Adamski das Jugendleben in den katholischen Verbänden neu beleben.25

Neuer Schwung in der katholischen Jugendarbeit 1930-1937 Im Februar 1931 erfüllte Bischof Adamski den deutschen katholischen Jugendvereinigungen endlich einen lang gehegten Wunsch und richtete im Kattowitzer Ordinariat ein eigenes selbstständiges Sekretariat für die deutsche katholische Jugend mit einem hauptamtlichen Generalsekretär ein, der der verantwortliche kirchliche Leiter der deutschen Jugendarbeit in der Diözese Kattowitz wurde und gleichzeitig auch ein deutscher Priester war.26 Dieses „Verbandssekretariat der katholischen Jungmänner- und Jugendvereine der Diözese Kattowitz“ sollte die ganze Reihe der verschiedenen Jugendvereine der Diözese unter dem Dach des neuen Diözesanjugendsekretariats vereinigen.27 Bischof Adamski reagierte damit auf die Abwanderung der deutschen Katholiken, die sich immer mehr in schwindenden Mitgliederzahlen im KJMV niederschlug, und auf den Zulauf der Jugendlichen zu radikalen Gruppen der deutschen Minderheit, was der Kirche nur zum Schaden gereichen konnte. Bis zur Gründung des Diözesanjugendsekretariats waren die deutschen Jugendvereine in der Regel nur durch die Pfarrer in den Gemeinden betreut worden.28 Das Diözesansekretariat sollte in den nächsten Jahren das vereinsmäßige Jugendleben der deutschen Katholiken zu einer lebendigen Jugendbewegung in der ganzen Diözese Kattowitz umgestalten, die bei vielen deutschen Jugendgruppen in Polen berühmt wurde.29 Nach der Gründung des Diözesansekretariats wurde gleichfalls der Kontakt der katholischen Jugendvereinigungen zum Jugendhaus Düsseldorf intensiviert.30 Zum ersten Diözesanpräses für die deutsche katholische Jugend ernannte Bischof Adamski den jungen deutschen Kaplan Richard Cichy, der schon in seiner Kattowitzer Pfarrgemeinde ein reges Jugendleben unter den deutschen Jugendlichen gefördert hatte. Cichy starb aber plötzlich und unerwartet im Frühjahr 1933. Daraufhin ernannte Bischof Adamski den deutschen Katto25 26 27 28 29

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SCHMERBAUCH (wie Anm. 1), 81-83. (Vgl Anm. 14). GWOZDZ (wie Anm. 14), 23. POLOCZEK (wie Anm. 24), 1. Franz WOSNITZA, Das Bistum Kattowitz 1922-45, mss. Dok. (13 S.), in: Bundesarchiv Bayreuth, OST-DOK 8/779, hier 2. POLOCZEK (wie Anm. 24), 1.

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witzer Jugendkaplan Franz Wosnitza31 zu Cichys Nachfolger, der bis zum Kriegsausbruch 1939 nicht nur das Amt des Generalsekretärs für die deutsche katholische Jugend bekleidete, sondern schließlich zum Hauptseelsorger für alle deutschen Katholiken der Diözese Kattowitz werden sollte. Er war der „richtige Mann“ für Adamski, um die deutsche Jugendarbeit der Katholischen Kirche neu zu formen.32 Im September 1932 wurde vom Diözesanjugendsekretariat in der Kattowitzer Gemeinde Myslowitz ein eindrucksvoller großer Verbandstag unter der Parole „Christusjugend, du bist verantwortlich“ veranstaltet, an dem 1300 deutsche Jungmänner aus allen Pfarreien der Diözese Kattowitz teilnahmen.33 Auch die Verbindungen der Kattowitzer Jugendgruppen aus allen Teilen der Diözese wurden durch das Sekretariat verbessert und man unternahm viele gemeinsame Veranstaltungen unter den verschiedenen deutschen Jugendgruppen, unter denen der KJMV der entscheidende war.34 In verschiedenen kirchlichen Broschüren des Kattowitzer Klerus wurde immer wieder auf die Wichtigkeit der katholischen Jugendvereinigungen aufmerksam gemacht.35 Für die deutschen Seelsorger der Diözese Kattowitz war klar, „dass in Jugendorganisationen, wo Religion Privatsache ist, kein Platz für einen katholischen Jungen oder ein katholisches Mädchen ist.“ 36 Den Jungmännern war seitens der Kurie die eindeutige Forderung gegeben: „Wir brauchen klare Fronten. Man kann nicht zwei Mitgliedskarten in der Tasche tragen, die einer katholischen Organisation und die einer anderen Weltanschauung!“ 37 Damit war den deutschen Jugendlichen eine klare Weisung gegen die Gefahren der Zeit vorgegeben, die weltanschauliche Richtungen wie Bolschewismus oder Nationalsozialismus verkörperten. Viele Kattowitzer Jungmänner hatten die Reichstagung des KJMV 1931 in Trier besucht, an der fast 15000 Jungmänner aus allen deutschen Diözesen teilnahmen. Dort hatte man sich über die deutschen Teilnehmer aus der Diözese Kattowitz sehr gefreut und ihnen Mut in ihrer schwierigen Situation in Polen und materielle und ideelle Unterstützung zugesprochen.38 Die katholische Jugendzeitung „Die Wacht“, die vom Jugendhauses Düsseldorf für die 31 32

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SCHMERBAUCH (wie Anm 1), 84-87. Frank KEITSCH, Die deutsche Volksgruppe in Ostoberschlesien in den Jahren 1922 – 1939, Dülmen 1982, 257, Anm. 10). (Vgl. Anm. 14). POLOCZEK (wie Anm. 24), 1. „Wir katholischen Jungen und Jungmänner wollen katholisch sein bis ins Mark, darum sei unser ganzes Lebenswerk katholische Tat!“, in: Der Christ und die Gegenwart, Eine religiöse Woche für die deutschen Katholiken der Diözese Katowice vom 15. März bis 5. April 1936, hg. von der Bischöflichen Kurie Katowice, Katowice 1936, 13. Ebenda., 17. Ebenda., 26. POLOCZEK (wie Anm. 24), 1.

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Jugendgruppen herausgegeben und 1938 schließlich von den Nazis verboten wurde39, berichtete ihren Lesern von der katholischen Jugend in der Diözese Kattowitz und forderte diese auf, auch im polnischen Land ihrem Glauben treu zu bleiben.40 Die Leiter der Kattowitzer Jugendgruppen besuchten regelmäßig die Schulungen und Kurse des Hauses „Altenberg“ in Deutschland, das den Jugendverbänden jedes Jahr ein umfangreiches Programm zur Weiterbildung anbot.41 Aus dem Reich kamen verschiedenste Schulungsleiter und Redner vom Jugendhaus Düsseldorf in die Diözese Kattowitz und besuchten die Pfarrgruppen der Jungmänner. Auf diesen Veranstaltungen wurde den Kattowitzer Jugendlichen42 nach 1933 auch immer wieder von den zunehmenden Verfolgungen der katholischen Jugendverbände und der Katholischen Kirche in Deutschland durch die Nazis berichtet.43 Durch die beeindruckende Tätigkeit des Jugendsekretariats baten mit der Zeit auch andere katholische Vereinigungen der deutschen Katholiken in der Diözese Kattowitz um Vorträge und Arbeitsmaterial für ihre Vereine und es kam zu vielen gemeinsamen Veranstaltungen zwischen Jung und Alt, zu denen auch oftmals polnische katholische Vereinigungen eingeladen wurden. Das Diözesanjugendsekretariat sorgte für die Organisation von regelmäßigen Theaterabenden der deutschen Jugendlichen, bei denen das große Stadttheater in Kattowitz gut besetzt war. So wurde die katholische deutsche Jugend Mitte der Dreißiger aus ihrer scheinbaren Isolierung in Ostoberschlesien heraus gelöst, und es kam zu einer Verlebendigung und Vertiefung der katholischen Jugendarbeit in der ganzen Diözese Kattowitz.44 Die nationalpolnischen Jugendgruppen im Diözesangebiet standen besonders dem antideutschen polnischen Westmarkenverein und dem Verein der schlesischen Aufständischen nahe, die wie Grazynski den Polonisierungskurs gegen die deutsche Minderheit unterstützten. Diese Jugendgruppen suchten gelegentlich die direkte Auseinandersetzung mit deutschen Gruppen und machten dabei vor kirchlichen Veranstaltungen keinen Halt. So wurde im Frühjahr 1933 der deutsche KJMV Orzegow im Kreis Schwientochlowitz 39 40 41

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Die Wacht-Zeitschrift Katholischer Jungmänner, Jugendhaus Düsseldorf, JG 1946, 7. Die Wacht- Zeitschrift Katholischer Jungmänner, Jugendhaus Düsseldorf, JG 27, 1931, 93. Vgl. auch das Programm der Altenberger Kurse im Jahr 1936, in: Bundesarchiv Berlin R 58/ 5481, Bl. 213-216. POLOCZEK (wie Anm. 24), 1-2. Paul MAI, Kardinal Bertram als Vorsitzender der Fuldaer- und Deutschen Bischofskonferenz 1920 – 1945, in: Bernard STASIEWSKI (Hg.), Adolf Kardinal Bertram, Sein Leben und Wirken auf dem Hintergrund der Geschichte seiner Zeit, Teil 1, Köln 1992, 57-76, hier 65. Franz WOSNITZA, Mein goldenes Priesterjubiläum voll heimatlicher Erinnerungen, in: Rundbrief an die Kattowitzer Diözesanangehörigen, Köln 1976, 4f.

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Opfer eines Überfalls polnischer Jugendgruppen. Beim Passions- und Osterspiel am 4. April 1933 überfielen sie mit Gummiknüppeln, Schlagringen und Rasiermessern die deutschen Jugendlichen und die Besucher, wobei viele verwundet wurden.45 Gegen diesen radikalen Überfall legte der Deutsche Volksbund in Oberschlesien Beschwerde bei der Gemischten Kommission im Völkerbund wegen Verstoß gegen die Minderheitenrechte ein, und auch die Bischöfliche Kurie Kattowitz und Bischof Adamski verurteilten den Überfall.46 Die deutschen Jugendlichen im Kattowitzer Diözesangebiet, die dagegen dem Nationalsozialismus nahe standen, sammelten sich in der „Jungdeutschen Partei“. Sie hatten in der Regel nicht das Interesse an scharfen Auseinandersetzungen mit den katholischen deutschen Vereinigungen der Jugendlichen, sondern waren darauf bedacht, diesen so viele Mitglieder wie möglich abzuwerben. Auch folgte man den Einladungen zur Teilnahme an Feierlichkeiten der katholischen deutschen Jugendvereinigungen in der Regel nicht.47 Allerdings wurden die Äußerungen der deutschen Geistlichen und insbesondere des Jugendseelsorgers Franz Wosnitza gegen den Nationalsozialismus argwöhnisch verfolgt.48 Um gegen die gravierende Arbeitslosigkeit49 unter den deutschen Jugendlichen vorzugehen, entschied man sich seitens des Diözesanjugendsekretariates zu einem eindrucksvollen Projekt – in eigener Arbeit einen Sportplatz für die Jugendlichen zu errichten. Die Anregung zum Bau des Sportplatzes ging vom Generalsekretär Wosnitza kurz nach dessen Übernahme des Diözesansekretariats im Mai 1933 und vom KJMV und seinen arbeitslosen Mitgliedern aus.50 Das Ziel war es, einen längerfristigen freiwilligen Arbeitsdienst für die arbeitslosen Jugendlichen einzurichten, um diesen in der schwierigen Zeit neue Hoffnung und eine sinnvolle Tätigkeit zu geben.51 Bischof Adamski gab 45

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K.S. Baron von GALERA: Deutsche unter Fremdherrschaft. Die Geschichte der geraubten und unerlösten deutschen Gebiete. Bd. 1. Polen u. d. Baltischen Nachfolgestaaten im Kampf gegen das deutsche Volkstum, 196. Franz Strzyz an die Haupttreuhandstelle OST am 30. Januar 1942, (6 S.), hier S. 5, in: Bundesarchiv Berlin, R 5101/22 361, Bl. 122-127. Alfred Przewolkas Bericht zu den Vorgängen beim 30-jährigen Stiftungsfest des KJMV Bismarckhütte vom 23. September 1935, mss. Dok, (8 S.), hier S. 3, Anhang zu: GK Kattowitz an AA am 23. September, in: PAA R-62240, Akten betreffend Katholische Angelegenheiten Oberschlesien, Band 1, Katholische geistliche Sachen. Pia NORDBLOM, Für Glaube und Volkstum, Die katholische Wochenzeitung „Der Deutsche in Polen” (1934 – 1939) in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, Paderborn u.a. 2000, 633. KEITSCH (wie Anm. 32), 213f. (Vgl. Anm. 14). POLOCZEK (wie Anm. 24), 2.

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zu dieser Idee sehr gern sein Einverständnis und freute sich darüber, dass auch die polnische Jugend mit dem Bau eines eigenen Jugendstadions in Rivalität zur deutschen Jugend ein ähnliches Projekt in Angriff nahm.52 Zur Mitarbeit am Bau des Sportplatzes wurde die arbeitslose deutsche Jugend in den Gottesdiensten sowie im deutschen Diözesanblatt „Der Sonntagsbote“ aufgerufen. Aus vielen Pfarreien der Diözese meldeten sich daraufhin arbeitslose deutsche Jugendliche, um an diesem Projekt mitzuarbeiten. Am 2. Juli 1933 wurde der Sportplatzbau offiziell mit dem „ersten Spatenstich“ begonnen und den Jugendlichen damit fast zwei Jahre lang eine sinnvolle und begeisternde Beschäftigung eröffnet. Bei nahezu jedem Wetter arbeiteten sie kostenlos und unermüdlich an dem Projekt. Für die Finanzierung des Sportplatzes wurde die Bevölkerung regelmäßig im Diözesanblatt zu Spenden aufgerufen. Die Folge war eine rege Hilfsbereitschaft nicht nur von vielen deutschen, sondern auch von polnischen Bürgern, die dadurch die Realisierung des Vorhabens erst ermöglichten.53 Selbst die städtische Kattowitzer Müllabfuhr brachte gegen ein paar Zigaretten Müll als Dünger für das Sportfeld, und die städtische Gartenbauverwaltung half mit bei der Gestaltung des Sportplatzes. Durch Sammlungen kam genug Geld zusammen, um ein großes Holzkreuz am Sportplatzeingang an der Ratiborer Straße errichten zu können. Die Jugend verdiente sich das Geld selbst, das sie zum Bau brauchte. Auch durch zusätzliche Theateraufführungen wurde mancher nützliche Zloty für den Sportplatzbau herangeschafft, hinzu kamen die gelegentlichen Buchverkaufswochen der weiblichen Jugend an den Kirchentüren der Pfarreien, die für weitere Einnahmen sorgten. Im Zusammenhang mit dem Sportplatzbau wurde dem Sekretär Wosnitza aber auch klar, wie sehr er mit der religiösen deutschen Jugendarbeit auf eigenen Füßen zu stehen hatte. Bittschriften um Spenden für den Sportplatzbau an nationaldeutsche Organisationen im Diözesangebiet wurden mit der Begründung abgelehnt, es handele sich dabei um eine katholische Angelegenheit. Der polnische Wojewode Grazynski hatte dafür nur ein müdes Lächeln übrig. Die Zwiespältigkeit katholischer deutscher Jugendarbeit im polnischen Oberschlesien wurde immer wieder offensichtlich: den einen zu viel, den anderen zu wenig deutsch, den einen zu religiös, den anderen dann doch wieder zu national54. Auch wenn die kirchliche Jugendarbeit keine Unterstützung seitens der nationaldeutschen Verbände und der polnischen Staatsbe-

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(Vgl Anm. 14). DSB 22 / 1935, 256. WOSNITZA (wie Anm. 4), 208f.

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hörden bekam55, so wurde zumindest in den verschiedenen Kollekten in den Kattowitzer Gottesdiensten für das Projekt der deutschen Jugend gespendet.56 Bereits im Oktober 1933 konnten die Jugendlichen den Umkleideraum fertig stellen, der mit einem kleinen Fest und einer Andacht feierlich eingeweiht wurde. Dann begannen die schwierigsten Arbeiten: der Platz musste gerodet, eingeackert und geebnet werden, was die ganze Arbeitskraft der deutschen Jugendlichen fast zwei Jahre in Anspruch nahm. Nur in den eiskalten Wintermonaten ruhte der Sportplatzbau und die arbeitslosen Jugendlichen lagen dann wieder „Vater und Mutter auf der Tasche“. Im Juni 1935 konnte das Werk erfolgreich fertiggestellt werden. Nur für Unterkunft und Essen und ohne jeden Zloty hatten insgesamt 150 arbeitslose deutsche Jugendliche an dem Projekt mitgearbeitet und es zu insgesamt 42 000 Arbeitsstunden geschafft. Das gesamte Sportplatzgelände umfasste 25 000 m², und etwa 18 000 m² Erdfläche waren mühevoll eingeebnet worden. Die fertiggestellte Spielfläche betrug 8000 m², dazu gab es einen Spring- und Wurfplatz und ein kleines Bad mit Liegeplätzen. Der Sportplatz wurde zu Pfingsten 1935 mit einem großen Gottesdienst eingeweiht, der von Franz Wosnitza gefeiert wurde und dem ein zweitägiges großes Volksfest auf dem Sportplatzgelände folgte. Neben vielen Vertretern der Kattowitzer Kurie und des öffentlichen Lebens von Kattowitz kamen über tausend Jugendliche aus dem gesamten Diözesangebiet, aus dem Deutschen Reich, aus Österreich und aus Danzig und viele tausende Zuschauer zu diesem großen Ereignis zusammen. Auf dem neuen Sportplatz lieferten sie sich sportliche Wettkämpfe im Fußball, Handball und anderen Sportarten. Die Einweihung des Sportplatzes war in der für die deutsche Minderheit mühsamen Zeit viele Monate ein freudiges Thema unter den deutschen Katholiken in den Gemeinden der Diözese Kattowitz57. Die deutschnationalen Jugendverbände im Umfeld der JDP allerdings blieben dem Ereignis fern, weil „der ganzen Veranstaltung durch ihre Christusbanner eine konfessionelle Note“ gegeben wurde und nationaldeutsche Fahnen fehlten58. Der Sportplatz wurde während der Jahre bis Kriegsausbruch von der Kattowitzer Diözesanjugend genutzt und war für sie ein Ort der Zerstreuung angesichts der Armut, Not und Kriegsangst, die die Menschen in der Diözese Kattowitz und in vielen Ländern Europas in der Zwischenkriegszeit berührten. Dem deutschen Klerus war es durch den Bau des Sportplatzes gelungen, die Jugendlichen für das Projekt zu begeistern und ihnen einige Zeit lang 55

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Peter E. NASARSKI, Deutsche Jugendbewegung und Jugendarbeit in Polen 1919 – 1939, Würzburg 1957, 42f. GWOZDZ (wie Anm. 14), 28. DSB, 24 / 1935, 274-277. (Vgl. Anm. 47).

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Hoffnung zu geben. Viele der deutschen Katholiken, die als Jugendliche am Bau des Sportplatzes mitgearbeitet hatten, gedachten auf ihren Treffen in Gesprächen noch Jahrzehnte später dieser Zeit in der katholischen Jugendarbeit, wenn auch fernab von ihrer einstigen Heimat Kattowitz. Vielen Menschen, die an diesem Werk mitgewirkt hatten, blieb dieses Ereignis ihrer Jugend ein Leben lang unvergesslich im Gedächtnis.59 In speziellen Kursen und während religiöser Einkehrtage wurden durch das Diözesanjugendsekretariat auch wichtige soziale Fragen mit den Jugendlichen erörtert und Hilfsmaßnahmen besprochen, um sie vor der braunen oder der roten Radikalisierung zu bewahren60. Ganz wichtig waren den Jugendgruppen desweiteren die kirchlichen Feste in ihrer Heimatpfarrei. Sie nahmen mit ihren Bannern an allen festlichen Veranstaltungen teil, insbesondere an den Gottesdiensten und den örtlichen Prozessionen. Da es in Oberschlesien viele zweisprachige Gemeinden gab, wurden die großen Gemeindefeste oft gemeinsam mit den deutschen und polnischen Jugendgruppen gefeiert.61 Für die deutschen Jugendlichen waren die großen Diözesanwallfahrten in der Diözese Kattowitz wie für alle deutschen Katholiken ganz besonders wichtig. Für die deutsche Jugend gab es die eigene „Krippenwallfahrt“ in das Franziskanerkloster der Kattowitzer Pfarrei Panewnik, zu dem die Jugendgruppen jedes Jahr Anfang Januar in Scharen pilgerten.62 Ebenso pilgerten die Jugendlichen zur gemeinsamen Männer- und Jungmännerwallfahrt auf den St. Annaberg über die Grenze nach Deutsch-Oberschlesien. Im Juni 1937 waren dort nach kirchenamtlichen Schätzungen etwa 120 000 Männer und Jungmänner aus allen deutschen Diözesen vertreten, wobei der Anteil der Jungmänner besonders stark war. Trotz zunehmender Kirchenverfolgung im Deutschen Reich seit Mitte der Dreißiger Jahre ging man gegen diese kirchlichen Massenveranstaltungen seitens der Nazis noch nicht vor.63 Im regelmäßig erscheinenden Kattowitzer Diözesanblatt für die deutschen Katholiken, dem „Sonntagsboten“, hatte das Diözesanjugendsekretariat eine eigene Sparte für die deutsche Jugend eingerichtet, um diese so noch besser seelsorglich zu betreuen.64 Mitte der Dreißiger waren die katholischen Jugendvereinigungen der deutschen Katholiken unter allen Vereinigungen der deutschen Volksgruppe in Ostoberschlesien auf dem Höhepunkt ihres geisti59 60 61 62

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WOSNITZA (wie Anm. 4), 208. HEDA (wie Anm. 4), 54. POLOCZEK (wie Anm. 24), 2. Vgl. Dreikönigsfeier, Zur Krippenfahrt der deutschen katholischen Jugend in Panewnik am 9. Januar 1938, hg. vom Diözesanjugendsekretariat, Katowice 1938. SD Führer Süd-Ost an das RSHA Berlin am 28. Juni 1937, in: Bundesarchiv Berlin, R 58/ 6030, lf. Nr. 57-61. GWOZDZ (wie Anm. 14), 28.

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gen und kulturellen Wirkens und verfügten über zahlreiche Ortsgruppen in den Gemeinden, mit denen sie das kirchliche und kulturelle Leben der deutschen Katholiken prägten.65 Ende der Dreißiger allerdings veränderten sich die Bedingungen für die erfolgreiche kirchliche Jugendarbeit in Ostoberschlesien.

Das Ende der katholischen Jugendbewegung 1938-1939 So wurde das intakte kirchliche Jugendleben der deutschen Katholiken in der Diözese Kattowitz immer mehr von den politischen Ereignissen nach 1937 gefährdet. Die deutsche Revisionspolitik gegenüber Polen führte zu einer Verschärfung der inneren Lage in Polen und zur Steigerung der deutschfeindlichen Gesinnung unter der polnischen Bevölkerung, und das bekamen neben vielen anderen deutschen Vereinigungen auch die katholischen Jugendvereinigungen in der Diözese Kattowitz zu spüren.66 Und die Großmachtpolitik Hitlers, die 1938 zum Anschluss Österreichs und der Sudetengebiete an das Deutsche Reich führte, ließ seine Popularität unter der deutschen Minderheit in Polnisch-Oberschlesien stark anwachsen, besonders unter den deutschen Jugendlichen. So gelang es den deutschnationalen und hitlertreuen Jugendverbänden im Gebiet der Diözese Kattowitz seit 1938 immer mehr, den kirchlichen Jugendverbänden viele Mitglieder abzuwerben, auch wenn diese und die Kirche auf den zunehmenden Mitgliederschwund mit verstärkten Schulungen reagierten.67 Für die Diözese Kattowitz war die Annexion des Olsalandes südlich der Diözese im Oktober 1938 durch Polen von der Tschechoslowakei im Anschluss an die Münchner Konferenz von besonderer Tragweite. Die Polen begannen dort einen strikten Polonisierungskurs gegen die dortige tschechische und deutsche Bevölkerung und vertrieben diese zu Tausenden aus dem Gebiet, darunter auch viele Priester.68 Das neue polnische Gebiet wurde kirchlich der Diözese Kattowitz unterstellt.69 Und dort begannen polnische Gruppen, die deutschen und tschechischen Gottesdienste zu stören. Im Frühjahr 1939 wurde diese Praxis der polnischen Gruppen in 65

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Vgl. Piotr GREINER / Ryszard KACZMAREK, Vereinsaktivitäten der Deutschen in PolnischOberschlesien 1922 – 1939, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropaforschung, 45 (1996), Heft 2, 221-235. Vgl. Albert S. KOTOWSKI, Die Haltung der polnischen Regierung zur deutschen Minderheit 1938 – 1939, in: Germano-Polonica, Mitteilungen zur Geschichte der Deutschen in Polen und der deutsch-polnischen Beziehungen, Nr. 2 (2002/2003), 25-39. POLOCZEK (wie Anm. 24), 2. WOSNITZA (wie Anm. 4), 211. DSB, 47/1938, 549-550.

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alle deutschen Gottesdienste in der Diözese Kattowitz hineingetragen, was zu Auseinandersetzungen zwischen deutschen und polnischen Katholiken führte, gegen die sich auch die Kirche trotz aller Bemühungen immer weniger verteidigen konnte. Insbesondere ging man gegen die deutschen Vereinigungen vor und störte deren Veranstaltungen.70 Als im April 1939 Hitler dann auch noch den Nichtangriffspakt mit Polen aufkündigte, stieg die Aggression gegen die deutsche Minderheit weiter an. Viele deutsche Jugendliche verließen das Kattowitzer Diözesangebiet zum eigenen Schutz in Richtung Deutsches Reich.71 Im Juli und August 1939 ging Polen angesichts der sich steigernden Kriegsgefahr dazu über, die meisten deutschen Vereinigungen zu verbieten und machte auch vor den katholischen Jugendgruppen der deutschen Katholiken in der Diözese Kattowitz keinen Halt mehr.72 So mussten kurz vor Kriegsausbruch viele katholische Vereinigungen der deutschen Katholiken den aktiven Betrieb endgültig einstellen.73 Anfang September 1939 marschierten die deutschen Truppen in das Gebiet der Diözese Kattowitz ein, und damit wurde das Ende der deutschen katholischen Jugendvereinigungen und aller anderen nicht-nationalsozialistischen Vereinigungen besiegelt74, denn die Nazis begannen ihren Kirchenkampf gegen alle katholischen Vereine, wie sie es in den Jahren zuvor in Deutschland praktiziert hatten.75 Viele Mitglieder der deutschen katholischen Jugendvereinigungen der Diözese Kattowitz wurden zum Kriegsdienst eingezogen und überlebten den Zweiten Weltkrieg nicht.76 Nach dem Krieg wurde durch Vertreibungen und Aussiedlungen der Deutschen aus Oberschlesien ein Wiederaufblühen des kirchlichen Vereinsleben der deutschen Jugendlichen unmöglich gemacht. Damit ging die jahrzehntelange Epoche deutscher Jugendarbeit in der Katholischen Kirche im Raum Oberschlesien zu Ende.

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WOSNITZA (wie Anm. 4), 211. KEITSCH (wie Anm. 32), 240f. NASARSKI (wie Anm. 55), 86. POLOCZEK (wie Anm. 24), 3. HEDA (wie Anm 4), 56. Vgl. dazu Maik SCHMERBAUCH, Die Diözese Kattowitz unter dem deutschen Generalvikar Franz Strzyz 1940 – 1942, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropaforschung, 57 (2008), Heft 2, 255-271. POLOCZEK (wie Anm. 24), 3.

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MAIK SCHMERBAUCH

Fazit Es ist in den Ausführungen deutlich geworden, dass das Leben in den Vereinigungen der deutschen katholischen Jugend in der Diözese Kattowitz in der Zwischenkriegszeit verschiedene Phasen durchlief. Nach dem Ersten Weltkrieg war es den deutschen Jugendlichen mit großem Einsatz gelungen, trotz der schwierigen politischen Umstände in Oberschlesien in den Jahren nach 1918 das Vereinsleben zu reaktivieren und unter neuer staatlicher polnischer Oberhoheit in der Katholischen Kirche wieder zu beginnen. Ein neuer Schwung in der kirchlichen Jugendbewegung kam durch die Schaffung eines eigenen Jugendsekretariates für die katholischen Vereinigungen der deutschen Jugendlichen durch die Kattowitzer Kurie 1931. Die organisierten Schulungen, Exerzitien, Feste, Bildungstage, Sport und Wallfahrten ließen die deutschen Jugendlichen in der gesamten Kattowitzer Diözese trotz Arbeitslosigkeit und politischer Radikalisierung unter dem Dach der Katholischen Kirche in Ostoberschlesien näher zusammenrücken und förderten das kirchliche und das kulturelle Leben der deutschen Katholiken in der Diözese Kattowitz in der Zwischenkriegszeit. Letztlich musste die Jugendarbeit im Angesicht des drohenden Krieges ihre Tätigkeit im Spätsommer 1939 und unter den Nationalsozialisten einstellen. Doch bleibt die katholische deutsche Jugend in der historischen Erinnerung und der Schlesienforschung als ein bedeutendes Zeugnis deutscher, katholischer und oberschlesischer Jugendund Kulturgeschichte in Oberschlesien bestehen.

KLAUS UNTERBURGER

Roman mit Gott? Die Verurteilung und Exkommunikation des schlesischen Kirchenhistorikers und Schriftstellers Joseph Wittig (1879 – 1949) im Licht der neu zugänglichen vatikanischen Quellen

Religio depopulata – das unheimliche Wort aus der Papstweissagung des Malachias, das Joseph Wittig selbst zusammen mit seinem Freund Eugen Rosenstock-Huessy (1888 – 1973) über seinen Konflikt mit der kirchlichen Hierarchie gesetzt hat, scheint heute, bald 90 Jahre später, Wirklichkeit geworden zu sein.1 Eine dogmatisch korrekte Hierarchie, die die Lebenswirklichkeit der Menschen immer weniger erreicht. Die Gegner Wittigs sahen hingegen eher die Gefahr einer Religio de-ecclesiasticata, einer Volksreligio1

Eugen ROSENSTOCK, Religio depopulata. Zu Josef Wittigs Ächtung, Berlin 1926. Vgl.: „Eine seltsame Weissagung über die Päpste am Ende des 16. Jahrhunderts – auf den Namen des irischen Abtes Malachias aus dem 12. Jahrhundert – wurde lange in der römischen Kirche hoch in Ehren gehalten. Jetzt, wo nur noch wenige (sechs!) Päpste kraft jener Prophetie bevorstehen sollen, wird man schweigsam über sie, aber im katholischen Volk leben ihre kurzen Stichworte fort ...“. Ebd. 7; „Die Dogmatiker selbst glauben alle nur noch implicite. Wenn nun einer kommt, der sicherer, schlichter, völliger glaubt als sie alle, so stört der die humorlose Feierlichkeit der Amtsstube. Das Herz wird nicht verloren gehen, so groß seine Leiden sein werden. Aber die Kirche des Papstes wird zur bloßen Religio, zur Religio depopulata, zur Kirche ohne Volk.“ Ebd. 43f. – Wittig selbst war bei der Abfassung der Schrift zumindest mit involviert, vgl.: „Ich war am Tag Ihrer Abreise bei Ihnen, hatte am Tage zuvor die Korrekturen von Religio depopulata gelesen und war nun ganz erfüllt von dem Zusammenklang unserer Sprache und von Dank für Ihr Werk und wollte Ihnen sagen, daß wir es nach Ihrer Seelenkunde uns eigentlich nicht mehr gegenseitig in die Welt des ‚er’ und ‚es’ und ihrer Mehrzahl ‚Sie’ stellen dürften, nachdem ich wirklich erst aus der Anrede des ‚ich’ in seiner Besonderheit erkannt habe.“ Wittig an Eugen Rosenstock, 28. Februar 1926, in: DERS., Kraft in der Schwachheit. Briefe an Freunde. Hg. von Gerhard PACHNICKE, Moers 1993, 90f., hier 90.

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sität ohne Kirche, und auch diese Entwicklung scheint ein Stück weit eingetreten zu sein. „Die Daten des Lebenslaufs sind unstrittig. Um so unterschiedlicher fällt die Bewertung aus, die von Zeitgenossen und Nachfahren, Widersachern und Verehrern, Historikern und Theologen, evangelischen und katholischen Christen vorgenommen wird“, so Siegfried Kleymann in seiner einfühlsamen Darstellung der theologischen Anliegen Wittigs.2 Doch ist diese Sicht nicht ganz richtig. Von der Frage, wofür Wittig als Theologe und Erzähler stand, ist doch die Frage, weshalb er eigentlich verurteilt wurde, zu unterscheiden. Hierüber existiert zwar die Aktendokumentation, die Wittig und Rosenstock publiziert haben3 und hierüber hat auch Karl Hausberger einen abgewogenen Aufsatz verfasst.4 Die Frage konnte aber, so lange das römische Archivmaterial über den Fall nicht zugänglich war, nicht letztgültig in ihren Hintergründen geklärt werden. So war auch bislang eine letzte Deutung der Auseinandersetzung zwischen Wittig und der Amtskirche zwischen 1922 und 1926 nicht möglich. Wittig selbst hat ja am Höhepunkt des Konflikts und auch später immer wieder bitter beklagt, dass ihm die Gründe der Verurteilung seiner Schriften nicht mitgeteilt wurden, obwohl er seine Irrtümer zu korrigieren hätte.5 Das Theologisch-Kanonistische Gutachten der Freunde Wittigs, das in der Aktenpublikation abgedruckt ist, schreibt selbst hierzu: „Nicht abgeschlossen ist die prinzipielle Erörterung über den Fall. Sie kann eigentlich erst nach Einsicht in die Dokumente beginnen; nicht um Wittigs willen, der vielen wenn nicht den meisten nach der letzten Phase seiner Entwicklung

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Siegfried KLEYMANN, „... und lerne, von dir selbst im Glauben zu reden.“ Die autobiographische Theologie Joseph Wittigs (1879 – 1949) (= Studien zur systematischen und spirituellen Theologie 27), Würzburg 2000, 40. Eugen ROSENSTOCK / Joseph WITTIG, Das Alter der Kirche. Neu hg. von Fritz HERRENBRÜCK und Michael GORMANN-THELEN. I-III, Münster 1998. Karl HAUSBERGER, Der „Fall“ Joseph Wittig (1879 – 1949), in: Hubert WOLF (Hg.), Antimodernismus und Modernismus in der katholischen Kirche. Beiträge zum theologiegeschichtlichen Vorfeld des II. Vatikanums (= Programm und Wirkungsgeschichte des II. Vatikanums 2), Paderborn 1998, 299-322. Vgl.: „Ich verlange also zum mindesten das, was jedem Verbrecher zugestanden wird: Genaue Angabe der Gründe und Ermöglichung der Verbesserung.“ Wittig an Kardinal Bertram, 4. Oktober 1925, in: ROSENSTOCK/WITTIG, Alter (wie Anm. 3) III, 83-86, hier 84; vgl. auch: „Wenige Wochen später schrieb ich meine Antwort auf das Dekret des römischen Amtes. Ich forderte vom Amte, daß es mir die Irrtümer nenne, um derentwillen es meine Bücher verdammt habe. Solche Irrtümer sei ich allzeit bereit zu widerrufen und aus meinen Büchern auszuscheiden. Das Amt gab keine Antwort.“ Joseph Wittig, Höregott. Ein Buch vom Geiste und vom Glauben, Gotha 1929, 301.

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gleichgültig geworden ist, aber um der Kirche willen, die wir lieben und der wir Katholiken alle eine Wiederholung solche Fälle ersparen möchten.“6 Natürlich waren die Grundelemente und Kontexte der Vorwürfe bekannt, die man gegen seine Schriften erhob. Verschiedene Deutemöglichkeiten und Raster des „Fall Wittig“ schließen sich zudem nicht aus, sondern mögen alle in gewisser Weise virulent gewesen sein. Dennoch konnte man bislang nicht eindeutig sagen, welche Interpretation der Verurteilung primär zugrunde lag. War es eher die Persönlichkeit Wittigs, die den Konflikt heraufbeschwor und befeuerte7, oder seine volkstümlich-narrative Art bzw. seine „religionspädagogische Methode“, komplexe theologische Zusammenhänge darzustellen, die missverstanden und verketzert wurden8, oder verdanken sich seine Schriften einer bewussten fachtheologischen und kirchenhistorischen Sichtweise, die Wittig für wahr erachtete?9 Zudem lässt sich fragen, welche Frontstellung 6

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Theologisch-Kanonistisches Gutachten, in: ROSENSTOCK/WITTIG, Alter (wie Anm. 3) III 138-252, hier 138. So das Urteil bei Erich KLEINEIDAM, Die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Breslau 1811 – 1945, Köln 1961, 100: „Seine Indizierung und sein Fortgang aus dem Lehramt nach dem Sommersemester 1925 wurde allgemein bedauert; aber zu einer Krise kam es weder in der Fakultät, noch in der Studentenschaft, weil die Wurzel dieses Konfliktes nicht in der Wissenschaft, sondern in der persönlichen Art Wittigs lag.“ – Letztlich steht diese Auffassung auch hinter der Studie von Engelbert KREBS, Joseph Wittigs Weg aus der kirchlichen Gemeinschaft. Ein Rückblick, in: Der Katholische Gedanke 1 (1928), 237-288. Krebs, der immer wieder, auch um Brücken zu bauen, in den „Fall“ einbezogen und deshalb ein minutiöser Kenner der Schriften Wittigs war, führt dessen Bruch auf eine Entwicklung bei Wittig zurück, im Verlauf derer dieser seit 1918 eine Wende durchlaufen habe und mit einem stolzen, unkirchlichen und spöttischen Sendungsbewusstsein immer mehr erfüllt worden sei. Wohl eine Andeutung für die Ursache dieses Bruchs in den Augen Krebs’ ist der Satz: „Wittigs Hauswesen geriet in Hände, die keine schwesterlichen waren.“ Ebd. 248. Krebs, der selbst die Lebensbedeutung der Dogmen aufzeigen wollte, geht von der damals vielrezipierten Unterscheidung von Gemeinschaft und Gesellschaft aus: Wittigs dogmatischekklesiologischer Grundfehler sei es, wie die Liberalen die Gemeinschaft aus den Einzelnen, und nicht die Einzelnen durch vorgegebene gemeinschaftsbildende Mächte (die Hierarchie) bestimmt sein zu lassen. – Zu den insinuierenden Vorwürfen Krebs’ dann Wittig offen in: WITTIG, Höregott (wie Anm. 5) 248-311. Vgl.: „Das Bedenklich an Wittigs Büchern, das heißt einzelner Teile, liegt also unseres Erachtens nicht in dogmatischen Irrtümern, sondern in seiner religionspädagogischen Methode.“ Theologisch-Kanonistisches Gutachten (wie Anm. 6), hier 197. – Vgl. auch: „Der ‚Fall Wittig’ dürfte ein Unicum in der Verketzerungspraxis römischer Behörden darstellen. Joseph Wittig wurde nicht wegen theologischer Werke, sondern wegen Erzählungen verurteilt.“ Otto WEIß, Der Modernismus in Deutschland. Ein Beitrag zur Theologiegeschichte, Regensburg 1995, 523. Diese Sicht entspricht durchaus der Selbstdeutung Wittigs, der noch in seinem (bei der Edition zensierten bzw. entschärften) „Roman mit Gott“ sein Lebensschicksal gerade als einen Bruch mit dem amtskirchlich-römischen Gott interpretiert hat. Vgl. hierzu: Christian LÖHR, „... von treuesten Hütern umgeben“. Anmerkungen zur Editionsgeschichte des Roman mit Gott, in: Josef HAINZ (Hg.), Abschied vom Gott der Theologen. Zum Gedenken an

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in Rom die Entscheidung primär inspiriert und motiviert hat, die antilutherische, die bei Wittig eine protestantische Rechtfertigungslehre witterte; oder die antimodernistische, der Wittig nicht nur durch seine Publikationen im „Hochland“ und seine Berufung auf menschliche Erfahrungen suspekt sein musste; oder die kirchenhistorische, die die äußere gegenwärtige Form und Gestalt der Kirche relativierte gegenüber der Kirche der ersten Jahrhunderte. Schließlich ist nach den Denunzianten, Verteidigern und entscheidenden Akteuren in diesem Verfahren zu fragen. Dies aufgreifend soll, gestützt auf die seit 1998 bzw. 2003 zugänglichen römischen Akten zur Verurteilung Joseph Wittigs, im Folgenden versucht werden, drei Fragen zu beantworten: 1.) Was waren die wahren theologischen Gründe, die zur Indizierung von Wittigs Büchern führten? 2.) Wer waren die entscheidenden Akteure im Prozess gegen Wittig? Welche Konstellation war letztlich für die Tragödie verantwortlich? 3.) Wie ordnet sich der Konflikt Wittigs in die größere Politik Roms gegenüber der deutschen Theologie theologiegeschichtlich ein, in welchen Kontexten also wurde Wittig verhandelt und welche Implikationen hatte das Verfahren?

Der Beginn der Lawine: Der Streit um Wittigs Osterartikel im Hochland Wittig, der an der Breslauer theologischen Fakultät seit 1909 als Privatdozent, seit 1911 als Extraordinarius und seit 1915 als Ordinarius Kirchengeschichte lehrte, zielte darauf, in einer „autobiographischen Theologie“ die Wahrheiten des Glaubens narrativ im Spiegel des konkreten Lebens darzustellen.10 Seit seinem Hochland-Osterartikel „Die Erlösten“ (1922) wurde er nach und nach in immer schwerere innerkirchliche Auseinandersetzungen verwickelt.11 Wittigs Anliegen im Osterartikel war es, das katholische Christentum von dessen Betonung der Sündenangst, des skrupulösen Umgangs mit dem Bußsakrament und der Überbetonung dogmatischer Korrektheit, die die

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Joseph Wittig (1879 – 1949) – fünfzig Jahre nach seinem Tod. Dokumentationen, Eppenhain 2000; vgl. auch: Walther MÜHLEMANN, Joseph Wittig und sein Weg zur ‚Una sancta’, Gotha 1929. – Den Theologen und Historiker Wittig auch in Bezug auf seine schriftstellerische Arbeit ernst zu nehmen ist deshalb auch das Anliegen bei: Joachim KÖHLER, Historiker des Lebens. Die Aktualität des Theologen und Kirchenhistorikers Joseph Wittig (1879 – 1949), in: ASKG 56 (1998), 9-26; ders., Den Theologen nicht verschweigen. Ein Porträt von Professor Joseph Wittig zu dessen 30. Todestag, in: Joseph WITTIG, Historiker-TheologeDichter. Hg. von Joachim KÖHLER, München 1980, 43-53. Vgl. KLEYMANN, Lerne (wie Anm 2). Joseph WITTIG, Die Erlösten. in: Hochland 19/2 (1922), 1-26.

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Erlösung zu wenig erfahrbar mache, zu befreien.12 Er sprach sich deshalb für ein österliches, freudiges Christentum, das auf die entscheidende Rolle der göttlichen Gnade vertraue, aus13. Wer glaubt und guten Willens sei, habe das ewige Leben bereits.14 Die Erlösung besteht darin, dass man den auf Gott gerichteten guten Willen hat. Dilige, et quod vis fac.15 Hier und schon vorher in seiner Erzählung „Das Mysterium der menschlichen Handlungen und Geschehnisse“16 hatte er seine Position mit der thomistischen, antijesuitischen Schulrichtung im frühneuzeitlichen Gnadenstreit identifiziert, die er für das Leben der Christenmenschen fruchtbar machen und übersetzen wollte.17 Doch müssten die Laien von den Priestern hierzu auch mündig gemacht werden.18 Wittigs Artikel hatte offenbar einen Nerv der damaligen Kirche getroffen und begeisterte Zustimmung, aber auch Kritik und Verketzerung hervorgerufen. Zugleich entwickelte sich eine erste Konfliktphase mit den kirchlichen Autoritäten. Dabei muss man zunächst zwischen Rom und Breslau unterscheiden: Im Heiligen Offizium gingen im Sommer 1922 Denunziationen gegen den Osterartikel ein, so von einem Kaplan in Neiße und einem Regensburger katholischen Schriftsteller. Nuntius Eugenio Pacelli (1876 – 1958, ab 1939 Papst Pius XII.) hatte bereits am 16. Mai an den Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri (1852 – 1934) über die laufenden Konkordatsverhandlungen berichtet und dabei auch auf drei Aufsätze Wittigs aufmerksam gemachten, neben „Die Erlösten“ auf die Abhandlungen „Aedificabo ecclesiam“ und „Die Kirche als Auswirkung und Selbstverwirklichung der christlichen Seele“; er vermutete einen protestantischen Kirchenbegriff.19 Das Verfahren im Heili12 13

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Vgl. ebd., v.a. auch seine Karikatur seines dogmatischen Lehrers Joseph Pohle, ebd. 5f., 9f. Vgl.: „Als ich einige Wochen später nach Breslau zurückkam, ging ich in die Bibliothek, dorthin zu den Schränken, in denen die Werke der Kirchenväter stehen. Ich wollte meinen Glauben an die Erlösung befestigen. Da sah ich wieder, wie stark der Glaube des Urchristentums an die Erlösung gewesen ist. Immer wieder schimmert er sternhell, leuchtet er sonnenhell aus den uralten Zeiten.“ Ebd. 22. Vgl.: „Sobald aber jemand unerschütterlich glaubt, daß bei gutem Willen nie eine wirkliche Sünde werden kann, dann ist er erlöst von seinen Sünden, denn mit der Gnade Gottes wird er immer guten Willen haben.“ Ebd. 14. AUGUSTINUS, In epistulam Ioannis ad Parthos, tractatus VII, 8. Joseph WITTIG, Das Mysterium der menschlichen Handlungen und Geschehnisse, in: DERS., Herrgottswissen von Wegrain und Straße. Geschichten von Webern, Zimmerleuten und Dorfjungen, Freiburg i. Br. 1922, 180-223. WITTIG, Erlösten (wie Anm. 11) 13f. Vgl. ebd. 26. Vgl.: „Parimenti nella Facoltà teologica di Breslavia il sacerdote Giuseppe Wittig, Professore di storia ecclesiastica, ha pubblicato prima nell'Hochland (XVIII Jahrgang, 1920/21, 9. Heft, pag. 257-282) un articolo intitolato ‚Aedificato ecclesiam. Eine Studie über die Anfän-

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gen Offizium stand aber zunächst in einem anderen Kontext, nämlich der Auseinandersetzung mit dem „Hochland“. Die 1903 von Carl Muth (1867 – 1944) gegründete Kulturzeitschrift, die bei Gebildeten großen Erfolg hatte und einen Brückenschlag zwischen Katholizismus und moderner Literatur und Kultur suchte, war bereits in der Modernismuskrise unter Häresieverdacht geraten. Eine Verurteilung im Jahre 1911 wurde auf Anraten des Apostolischen Nuntius Andreas Frühwirth (1845 – 1933) und der Erzbischöfe von Breslau und München nicht publiziert.20 Das Hochland stand seither weiter unter verstärkter Beobachtung, ob es sich auf das eigentlich theologische Gebiet vorwage und ob es einen „Modernismus litterarius“ vertrete.21 In diesen Schwerpunkt der Aufmerksamkeit fiel Wittigs Hochlandartikel, so dass man im Heiligen Offizium aktiv wurde. Dabei ist im Hinterkopf zu behalten, dass man sich in der römischen Theologie einig war über die Ablehnung des eigentlich theologischen Modernismus. Wie eng oder weit man aber die Grenzen zog, war eine auch an der Kurie strittige Frage. Die konservativen Integralisten witterten auch in der Politik, bei den Gewerkschaften und in der Literatur Modernismus, während die Gemäßigten hier eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber der direkten lehramtlich-kirchlichen Weisung einräumen wollten.22 In unserem Kontext ist wichtig, dass das Verfahren gegen

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ge der katholischen Kirche’, e poi nella rivista Die Tat (Monatsschrift für die Zukunft deutscher Kultur. Jahrgang XIV. April 1922. Heft 1. – Diederichs, Jena. – pag. 13-33) un secondo scritto dal titolo ‚Die Kirche als Auswirkung und Selbstverwirklichung der christlichen Seele’, nei quali il concetto della Chiesa proposto dall'Autore a mala pena si distingue da quello dei Protestanti, ed infine ancor recentemente nella stessa succitata rivista Hochland (XIX Jahrgang, 7. Heft, April 1922, pag. 1-26) un assai censurabile articolo ‚Die Erlösten’ circa il peccato e la redenzione (***).“ Pacelli an Gasparri, 16. Mai 1922, AES, Germania, pos. 507, 1921-1925, fasc. 16, fol. 53r-60v, hier fol. 57v. Vgl. Jan Dirk BUSEMANN, „Haec pugna verum ipsam religionem tangit.“ Römische Indexkongregation und deutscher Literaturstreit, in: Hubert WOLF / Judith SCHEPERS (Hg.), „In wilder zügelloser Jagd nach Neuem.“ 100 Jahre Modernismus und Antimodernismus in der katholischen Kirche (= Römische Inquisition und Indexkongregation 12), Paderborn 2008, 289-310; Karl HAUSBERGER, „Dolorosissimamente agitata nel mio cuore cattolico“. Vatikanische Quellen zum „Fall“ Handel-Mazzetti (1910) und zur Indizierung der Kulturzeitschrift „Hochland“ (1911), in: Rudolf ZINNHOBLER u.a. (Hg.), Kirche in bewegter Zeit. Beiträge zur Geschichte der Kirche in der Zeit der Reformation und des 20. Jahrhunderts. FS Maximilian Liebmann, Graz 1994, 189-220. Manfred WEITLAUFF, „Modernismus litterarius“. Der „katholische Literaturstreit“, die Zeitschrift „Hochland“ und die Enzyklika „Pascendi dominici gregis“ Pius’ X. vom 8. September 1907, in: DERS., Kirche zwischen Aufbruch und Verweigerung. Ausgewählte Beiträge zur Kirchen- und Theologiegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Hg. von Franz Xaver BISCHOF und Markus RIES, Stuttgart 2001, 388-460; Ernst HANISCH, Der katholische Literaturstreit, in: Erika WEINZIERL (Hg.), Der Modernismus. Beiträge zu seiner Erforschung, Graz-Wien-Köln 1974, 125-160. Vgl. Jan Dirk BUSEMANN, Katholische Laienemanzipation und römische Reaktion. Zensurprozesse der Indexkongregation im Kontext von Literatur-, Gewerkschafts- und Zentrums-

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Wittig im Kontext des römischen Antimodernismus gegen das Hochland begann; die alte Akte von 1911 wurde erneut hervorgeholt. So beauftragte man den Rektor des Campo Santo Teutonico, an dem einst auch Wittig studiert hatte, Emmerich David (1882 – 1953), ein Gutachten zu Wittigs Hochland-Aufsatz zu erstellen; David bezog aber auch bereits Wittigs Selbstrechtfertigung und -erklärung im Hochland, „Meine Geschichte der Erlösten“23, mit in sein Gutachten ein.24 Das Gutachten fasst Wittigs Artikel zunächst zusammen. Danach werden aus beiden Abhandlungen die Erklärungen Wittigs angeführt, dass er treu zur Kirche und ihrer Lehre stehe und nur diese Lehre darlegen möchte; auch die halbe Selbstretraktation im zweiten Artikel, dass es ihm Leid tue, dass die Form seines Artikels bei manchen Mitbrüdern Anstoß erregt habe. So stellt David zunächst klar, dass der Autor ein treuer Sohn der Kirche sein wollte und sein will. Ob der Artikel allerdings eine Zensur verdiene, sei nicht leicht zu beantworten, da die eingestreuten theologischen Aussagen eher vage und ohne logischen Zusammenhang seien. Er stellt dann die Aussagen Wittigs zu drei Themenkomplexen zusammen, zum guten Willen und dessen Rolle bei der Sündenvergebung, zum Glauben und schließlich zum concursus divinus, also zur Rolle der göttlichen Mitwirkung bei jeder geschöpflichen Tat. Was die bona voluntas angehe, so lehre Wittig, dass der Christ im Allgemeinen keine Todsünde begehe, da er doch vom Willen beseelt sei, Gott anzuhängen. Diese Aussagen können, so David, bei unkundigen Lesern Missverständnisse auslösen und seien wohl als „gewagt“ zu qualifizieren. Was Wittig über den Glauben und dessen Verhältnis zur Beichtnotwendigkeit sage, lasse sich vielleicht von der contritio, der vollkommenen Liebesreue behaupten. Er insinuiere aber, dass Luther hier der Wahrheit der alten Kirche näher sei als die katholischen Prediger der Gegenwart und will die rechtfertigenden Eigenschaften der Liebesreue bereits auf die Furchtreue (attritio) ausdehnen. In diesen Teilen sei der Artikel scandalosus, die Häresie begünstigend und der Häresie nahe. Was die Lehre vom concursus divinus betrifft, so lehre Wittig hier zumindest unvorsichtig. Hinzu komme, dass der Autor die Prediger und Dogmatikprofessoren der Gegen-

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streit (1907 – 14), Dissertation Münster 2011, noch ungedruckt; Klaus UNTERBURGER, Für Familie, Staat und Religion. Der Antimodernismus Umberto Benignis (1862 – 1934) zwischen Papst Pius X. und Benito Mussolini, in: Hubert WOLF / Judith SCHEPERS (Hg.), „In wilder zügelloser Jagd nach Neuem.“ 100 Jahre Modernismus und Antimodernismus in der katholischen Kirche (= Römische Inquisition und Indexkongregation 12), Paderborn 2008, 377-406. Joseph WITTIG, Meine Geschichte von den Erlösten. Eine Selbstverteidigung und Selbstkritik, in: Hochland 19/2 (1922), 585-597. Vgl. Emmerich DAVID, Gutachten zu Wittig, „Die Erlösten“, ACDF, S.O. C.L. 217i/1922, fol. 9r-14v.

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wart unflätig angreife. Das Gesamturteil Davids kommt zum Schluss, dass Wittig den Glauben nicht verletzen wollte25, dass aber dennoch ein Gegenmittel anzuwenden sei, da vom Artikel Gefahren ausgehen. David schlägt vor, 1.) Muth als Herausgeber und Wittig als Verfasser ernsthaft zu ermahnen, 2.) aber Muth zu verpflichten, im Hochland einen Artikel über die genuine katholische Lehre über Erlösung und Rechtfertigung gemäß dem Trienter Konzil zu veröffentlichen; Wittig sollte sich zum Trienter Rechtfertigungsdekret bekennen.26 Dies alles sollte still und ohne Öffentlichkeit geschehen. Das Gutachten Davids bedeutete – so kann man zusammenfassen – faktisch einen halben Freispruch für Wittig. Die vorgeschlagenen und von der Behörde übernommenen Maßnahmen waren relativ leicht zu erfüllen; die Angelegenheit konnte damit scheinbar als erledigt gelten. Für den Kontext scheint es bemerkenswert, dass der Fall Wittig zum ersten Mal vor dem Hintergrund des Antimodernismus, der kritisch das „Hochland“ beobachtete, verhandelt wurde. Davon gesondert sind die Verhandlungen 1922/23 mit dem Breslauer Kardinal zu betrachten; Adolf Bertram (1859-1945) reagierte auf zahlreiche Denunziation gegen Wittig und mahnte ihn zunächst zu größerer Vorsicht.27 Als Wittig ihm scharf widersprach und die Behauptung zurückwies, er habe zu sehr verallgemeinert oder die Beichtpraxis gar karikiert28, entzog er ihm zwar die Leitung der Studentenseelsorge in der Marianischen Kongregation.29 Dennoch stand der Kardinal Wittig aber weiterhin wohlwollend gegenüber.30 25

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Vgl.: „Ex dictis sequi videtur auctorem sincere voluisse et velle filium fidelem esse ecclesiae et revera secundo articulo scandalum primi iam ex parte reparasse. ... Antequam concludo fas mihi est repetere auctorem et editorem articulo supra examinato principia catholica offendere noluisse immo saluti animarum et bono ecclesiae inservire voluisse, quod mihi constare videtur ex factis et declarationibus iam (n. 2) relatis.” Ebd., fol. 10r und fol. 13v. Vgl.: „Sed utcumque hoc se habet, articulus lectorum moribus et fidei tam periculosus erit, ut aliquo antidotum desideratum sit. Si mihi liceat, etiam de remedio applicando meam opinionem proponere, dicam et editorem et auctorem ab auctoritate ecclesiastica non solum monendos esse, ut in posterum de rebus theologicis cautius tractent, sed etiam obligandos esse illum, ut infra aliquot menses in suo periodico genuinam de redemptione et remissione peccatorum catholicam doctrinam a bono theologo explicandam curet, hunc, ut occasionem nactus publicae profiteatur cum a ceteris fidei dogmatibus tum a Concilii Tridentini de iustificatione et remissione peccatorum definitionibus se nunquam recedere voluisse. Quae obligationes ut utrique secreto intimetur, a specialibus catholicorum in Germania conditionibus et a bona dispositione ab utroque secundo articulo manifestata suaderi videtur.” Ebd. Vgl. Kardinal Bertram an Wittig, 18. April 1922, in: ROSENSTOCK/WITTIG, Alter III (wie Anm. 3), 4f. Vgl. Wittig an Kardinal Bertram, 20. April 1922, in: Ebd. 5f. Vgl. Kardinal Bertram an Wittig, 24. April 1922, in: Ebd. 6. Vgl.: „Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie im Sommer 1922, als Wittigs erstes religiöses Buch, ‚Herrgottswissen von Wegrain und Straße’ erschienen war, mein damaliger Gastgeber Negwer eines Mittags aus dem Ordinariat zurückkam und berichtete: ‚Der Kardi-

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Bertram hegte keine Bedenken gegen die Rechtgläubigkeit Wittigs, ärgerte sich aber über dessen Art, Beichte, Predigt und Dogmatik zu beschreiben und wollte vor allem vorsorglich eine Erklärung Wittigs, dass er weder die kirchliche Bußdisziplin, noch die Autorität des kirchlichen Lehramts angreifen wolle. Auch in Breslau schien die Affäre also einen glimpflichen Verlauf zu nehmen.

Der Angriff aus der Schweiz: Protestantismus und Modernismus? Das Verhängnis begann seinen Lauf zu nehmen, als zwei weitere alte Gegner des Hochlands auf dem Plan traten. Der Churer Bischof Georg Schmid von Grüneck (1851 – 1932) hatte schon gegen den angeblichen „Modernismus litterarius“ des Hochlands einen erbitterten Kampf geführt31; er schrieb am 13. Januar 1923 an Kardinal Bertram, dieser müsse Wittig die venia legendi entziehen.32 Er stützte sich dabei auf den Artikel seines antimodernistischen

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nal ist von Wittig begeistert.’ Ja, er beauftragte ihn sogar damit, uns Theologen im Konvikt religiöse Vorträge zu halten. Ich erwähne es, weil später die ganz unzutreffende Meinung verbreitet wurde, der traurige Ausgang des Falles Wittig sei durch Bertrams Unverständnis verschuldet worden.“ Hubert JEDIN, Lebensbericht. Mit einem Dokumentenanhang hg. von Konrad REPGEN (= VKZG.A 35), Mainz 31984, 32; vgl. auch WEIß, Modernismus (wie Anm. 8), 515, Anm. 54; dazu Johann Nikel an Wittig, 14. Juni 1922, in: ROSENSTOCK / WITTIG, Alter (wie Anm. 3) III, 16f., hier 16; und: Wittig an Johann Nikel, 16. Juni 1922, ebd. 17, dass „der Herr Kardinal meinem Buche ‚Herrgottswissen’ volle und freudige Anerkennung gezollt hat“. Vgl. WEITLAUFF, Modernismus litterarius (wie Anm. 21), 441-443; BUSEMANN, Haec pugna (wie Anm. 20), 296. Vgl.: „Eure Bischöfliche Gnaden sandten mir einen Separatabdruck des Artikels von Dr. A. Gisler ‚Luther redivivus?’ aus der Schweizer Rundschau 1922 Heft 5 und 6, und regten durch die gütigen Zeilen vom 13.d.M. an, dem Theologieprofessor Dr. Wittig in Breslau die venia legendi zu entziehen. Ich bin für beides aufrichtig dankbar. Es ist notwendig, den schädlichen Wirkungen des unreifen Artikels „Die Erlösten“ von Wittig im ‚Hochland’ entgegenzutreten. Auch gibt Ihre Karte mir Anlass, meine seitherige Stellungnahme darzulegen. I. Unmittelbar nach Erscheinen des Artikels und zwar vor jedwedem Erscheinen einer Kritik desselben habe ich durch Schreiben vom 18. April 1922 dem Professor Wittig meine ernste Missbilligung dieses Artikels ausgesprochen und besonders darauf hingewiesen, dass seine Zeichnung des sittlichen Kampfes und des Beichtens eine Karrikatur ist, und dass verschiedene Stellen des Artikels zweifellos schädliche Folgen haben, zumal in Folge seiner Unklarheit und seiner grossen Kunst, Stimmungsbilder zu zeichnen, aus seinem Artikel Folgerungen gezogen werden, die über das, was er intendiert hat, weit hinausgehen. Ich habe Grund anzunehmen, dass Wittig sich mit der kirchlichen Lehre in Widerspruch zu stellen keineswegs beabsichtigte. II. Da aber seine Antwort auf mein Schreiben mich nicht befriedigte, und da ich das Bewusstsein hatte, sofort etwas fester eingreifen zu müssen, habe ich durch Erlass vom 24. April 1922 ihm die Leitung der Marianischen AkademikerKongregation in Breslau entzogen. III. Von diesem meinen disciplinaren Vorgehen habe ich

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Haudegens, des Churer Regens und Dogmatikdozenten Anton Gisler (1869 – 1923)33, der in der Schweizerischen Rundschau unter der Überschrift Luther redivivus? scharf gegen Wittig polemisierte und ihm einen Widerspruch zum Rechtfertigungsdekret des Konzils von Trient vorwarf. Bertram gab der Einmischung seines Amtskollegen eine glatte Abfuhr, indem er diesem erklärte, eine solche Maßnahme würde nur die gegenwärtigen Konkordatsverhandlungen stören.34 Dass dies in gewisser Weise ein Vorwand war, sieht man aus

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einer Reihe von Pfarrern in und ausserhalb Breslaus schriftlich Kenntnis gegeben, ingleichen mehreren Bischöfen Deutschlands schriftlich Mitteilung gemacht, damit die Wachsamkeit aller geweckt werde, um zu erfahren, ob die Folgen des Artikels Unheil anstiften würden und darum seitens des verantwortlichen Oberhirten noch ernstere Massnahmen nötig sein würden. IV. Auf mein Ersuchen hat gleichzeitig der Dekan der Theologischen Fakultät dem Professor Wittig ernstliche Vorhaltungen wegen seines Artikels gemacht, um ihn zum Einlenken zu bestimmen. Auch hat unser Dogmatikprofessor Geyer im Colleg ausführlich die Irrtümer des Artikels widerlegt. V. Auch habe ich die Frage erwogen: soll ich ihm die missio canonica zur venia legendi entziehen oder nicht? Ich scheue nicht davor zurück. Aber gerade in diesem Momente obwalten sehr ernste Bedenken, die ich nur vertraulich Ihnen andeuten kann. Im gegenwärtigen Zeitpunkte, wo die Conkordatsverhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhle und der Preussischen Staatsregierung und dem Deutschen Reiche schweben und auch die prinzipielle Stellung des Bischofs zu den Theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten berühren, ist es im Interesse eines ruhigen Fortgangs der Verhandlungen nicht erwünscht, einen Sturm aller Universitäten heraufzubeschwören. Dieser Sturm würde aber mit grosser Schärfe einsetzen, wenn gerade jetzt der Konflikt die Amtstätigkeit des vom Staate angestellten Universitätsprofessors angreift. Ist es in diesem Momente nicht im Interesse der Kirche besser, einen ruhigeren Weg zur Klärung zu versuchen? Aus allem diesem werden Eure Bischöfliche Gnaden die Situation verstehen, die ich pflichtmässig ins Auge fassen musste. Ich bitte, mir zu gestatten, dass ich Abschrift dieser Zeilen auch dem Hochwürdigsten Apostolischen Nuntius in München gebe, der am besten es zu beurteilen vermag, ob das, was ich bis jetzt getan, einstweilen genügend und einen ruhigeren Ausgang der diffizilen Angelegenheit zu fördern geeignet ist. Auf dem Felde wissenschaftlicher Arbeit haben Artikel in der Kölnischen Volkszeitung, in den Stimmen der Zeit (München) und andere mit Wittig’s Entgleisungen sich beschäftigt. Von ganzem Herzen die liebevollen Wünsche zum begonnenen Jahre erwidernd bin ich in tiefer Verehrung unter herzlichem Gruss Eurer Bischöflichen Gnaden ganz ergebener (gez.) A. Card. Bertram.“ Kardinal Bertram an Bischof Schmid von Grüneck, 18. Januar 1923, AES, Germania, 1922-1936, pos. 521, fasc. 29, 9r-10v. Vgl. Anton GISLER, Luther redivivus? in: Schweizer Rundschau 22 (1922), 161-180; vgl. hierzu auch Albert GASSER, Die Kontroverse zwischen Anton Gisler und Joseph Wittig im Jahr 1922, in: Urs ALTERMATT (Hg.), Schweizer Katholizismus zwischen den Weltkriegen 1920 – 1940, Freiburg/Schweiz 1994, 45-55. Vgl.: „Con Foglio, però, in data del 18 Gennaio scorso l’Emo. Cardinale Bertram, Vescovo di Breslavia, m’inviò copia di una lettera da lui diretta quello stesso giorno al Mons. Schmid de Grüneck, Vescovo di Coria ... Da essa risulta che questo Prelato, nel trasmettere al sullodato Eminentissimo un articolo del Dr. A. Gisler ‚Luther redivivus?’, apparso sul periodo svizzero ‚Schweizer Rundschau’, avergli suggerito di togliere al professore Wittig la venia legendi. Il Signor Cardinale Bertram, dopo aver enumerato i provvedimenti già presi a riguardo del detto sacerdote, accennava alle difficoltà che da di lui remozione dall’insegnamento avrebbe creato alle attuali trattative concordatarie.“ Pacelli an Kardinalstaatssekretär Gaspar-

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folgendem Umstand: Noch drei Wochen vorher hatte sich Bertram dem Apostolischen Nuntius gegenüber geäußert, den theologischen Fakultäten müsse die römische Seite in den Neuverhandlungen für ein Konkordat keine besondere Wichtigkeit einräumen.35 Er war mit dem Status quo also ganz zufrieden. Dennoch sandte Bertram zur Absicherung seine Antwort an den Nuntius, der sich über diese aber wenig erfreut zeigte; Pacelli verlangte von Bertram, dass er Wittig zu einer „unzweideutigen Erklärung“ bewege, dass er seine Schriften bedauere und sich dem Lehramt der Kirche unterwerfe. Ansonsten solle er versetzt werden.36 Eine Verurteilung Wittigs durch das Heilige Offizium hielt Pacelli für inopportun, da sie Agitationen gegen den Heiligen Stuhl hervorriefe und so die Konkordatsverhandlungen störe, bei denen er ja gerade größere Eingriffsrechte Roms gegenüber den theologischen Fakultäten durchsetzen wollte.37 Über den Dompropst Johannes Nikel (1863 – 1924) erreichte der Fürstbischof die Unterschrift Wittigs unter die ihm vorgelegte Formel.38 Dennoch trug gerade das Wort „unzweideutig“ stark zur Verbitterung Wittigs gegen seinen Ortsbischof39 und gegen seine Fakultätsgenossen bei, nicht wissend, dass diese Formulierung von Pacelli so vorgegeben war. Wittig erklärte trotzdem, in seinem Hochlandartikel habe er mit den von Gisler inkriminierten Sätzen nichts anderes sagen wollen, „als was die katholische Dogmatik in ihrer Lehre vom concursus divinus und von der rechtfer-

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ri, 5. März 1923, AES, Germania, 1922-1936, pos. 521, fasc. 29, 7r-8v, hier fol. 7v. Deshalb, so schrieb Bertram, wolle er die Sache dem Münchener Nuntius zur Entscheidung vorlegen. Vgl.: „In tal guisa la responsabilità per il mantenimento nella cattedra universitaria del sac. Wittig veniva fatta ricadere in ultima analisi sulla mia umile persone, sebbene, d’altra parte, l’Emo. Bertram non sembri attribuire alla questione delle Facoltà teologiche una importanza essenziale nei precedenti negoziati col Governo prussiano, come l’E.V. avrà potuto ritenere dal mio ossequioso Rapporto N. 26628 dal 24 Febbraio p.p.“ Ebd., fol. 7v-8r. Vgl.: „Mi permetto quindi di proporre all'Eminenza Vostra d'invitare il sacerdote Wittig ad esprimere in una non equivoca dichiarazione il suo rincrescimento per gli anzidetti scritti e la sua piena sottomissione alla dottrina della S. Chiesa cattolica, come fece già ad esempio il Revmo Prof. Ehrhard“. Ebd., fol. 8r. Vgl. ebd., fol. 7v-8r. Zum ganzen: Klaus UNTERBURGER, Vom Lehramt der Theologen zum Lehramt der Päpste? Papst Pius XI., die Apostolische Konstitution Deus scientiarum Dominus und die Reform der Universitätstheologie, Freiburg i. Br. 2010, v.a. 336f. Wittig an Kardinal Bertram, 21. Februar 1923, in: ROSENSTOCK/WITTIG, Alter (wie Anm. 3) III, 21f. Vgl.: „... war ich bei Nikel vorgeladen. Mächtige Alarmsignale! Fakultät und Kirche wollen flöten gehen, wenn ich nicht ‚unzweideutig’ (Unverschämtheit oder eigene Selbsterkenntnis, daß sie bei mir Zweideutigkeiten annehmen!) meine ‚Erlösten’ bedaure. Ich habe geantwortet, daß es mir auf ein bissel Bedauern nicht ankäme, aber man müsse mir dann einen geeigneteren Stoff bieten, denn ich könne nicht bedauern, was mich erfreut und seit einiger Zeit sogar vergnügt ...“. Aus einem Brief Wittigs, [o.D.], in: Ebd. 21.

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tigenden Kraft der Fides formata sagt.“40 Bertram aber versuchte Wittig gegenüber dem Nuntius mit folgendem Brief zu verteidigen: „1. Ist Wittig bereit, sich dem Lehramte der katholischen Kirche, speziell einer Entscheidung des Heiligen Stuhles zu unterwerfen? Darüber besteht hier kein Zweifel. 2. Steht seine Lehrauffassung sachlich, inhaltlich im Widerspruch mit der Lehre der katholischen Kirche? oder ist seine Ausdrucksweise und Darstellungsweise so geartet, dass man als seine eigentliche Auffassung einen Widerspruch mit der katholischen Kirche wohl herauslesen kann, dass er das aber keineswegs beabsichtigt hat, sondern nur eine unglückliche Darstellungsweise zu dieser Auslegung Anlass gibt? Ein sachlicher Widerspruch zwischen Wittigs Lehre und der katholischen Glaubenslehre müsste stricte nachgewiesen werden. Dann müsste formeller Widerruf verlangt werden. Auf den Artikel ‚Luther redivivus?’ zu antworten, ist Wittigs Recht. Je eher diese Antwort erfolgt, desto besser.“ Zugleich gestand er zu, dass Wittigs Stil Missverständlichkeit und mangelnde Klarheit manchmal mit sich bringe, deshalb habe er von Wittig jene Erklärung erbeten, die Bertram nun den Nuntius übersandte. Immerhin schien so allen beteiligten Genüge getan, auch wenn Wittig durch dieses Vorgehen seinen Feind primär in seinem Breslauer Ordinarius, und nicht, wie es der Wahrheit entsprochen hätte, im Apostolischen Nuntius sehen musste. Schließlich sah sich Pacelli durch Wittigs Erklärung noch nicht befriedigt, wollte aber weitere Instruktionen vom Apostolischen Stuhl abwarten.41 Bislang gab es im Fall Wittigs also drei Parteien: a) Bertram, der einiges als unklug und zweideutig empfand, aber nicht am guten Willen zweifelte und den Fall durch politisches Geschick klein halten wollte. b) Pacelli, der Zweifel an der Rechtgläubigkeit Wittigs und seiner Geeignetheit für das theologische Lehramt hatte, aber eine Verurteilung wegen der Konkordatsverhandlungen für politisch inopportun hielt. c) Die antimodernistischen „Ketzerricher“ Schmid von Grüneck und Gisler, die eine Verurteilung Wittigs wollten.

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Wittig an Kardinal Bertram, 21. Februar 1923, in: Ebd. 21f., hier 21. Vgl.: „... la quale, se chiariva alcuni punti e manifestava le buone intenzioni soggettivi dell’Autore, contiene nondimeno ancora oscurità ed equivoci e mostrava in lui la mancanza di una solida e sicura dottrina teologica. Non avendo tuttavia avuto dalla S. Sede ulteriori istruzioni, stimai non conveniente di intervenire nell’argomento.“ Pacelli an Kardinalstaatssekretär Gasparri, 5. März 1923, AES, Germania, 1922-1936, pos. 521, fasc. 29, 7r-8v, hier fol. 7rv.

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Ekklesiologie: Die römische Abmahnung gegen Wittigs Beiträge zu „Kirche und Wirklichkeit“ Inzwischen waren von Wittig zwei Aufsätze in Ernst Michels (1889 – 1964) Sammelband „Kirche und Wirklichkeit“ erschienen.42 Michel sammelte darin Beiträge über die katholische Kirche, die zwischen 1921 und 1923 in der Zeitschrift „Die Tat“ erschienen waren. Ihm ging es um „eine Beendigung der heidnischen Idealisierung der Kirche und der Verabsolutierung ihrer Formenwelt“.43 Wittigs Beiträge alarmierten nun Pacelli und überzeugten ihn noch mehr von der von den Gegnern Wittigs propagierten Sichtweise, Wittig sei Kryptoprotestant44 und Neomodernist. Im ganzen Duktus des Sammelbandes musste Pacelli seine eigenen Grundüberzeugungen in Frage gestellt sehen: Den Zentralismus und den kategorischen Gehorsam, die Verabsolutierung der „katholischen Form“ und deren rechtliche Ausgestaltung. Am 12. September 1923 informierte Pacelli den Kardinalstaatssekretär in ganz ungewöhnlicher Ausführlichkeit über den Inhalt der Lehre Wittigs, wie diese sich ihm darstellte.45 In sechs Punkten fasste Pacelli nun Wittigs Theorien zusammen. Bestärkt fühlte der Nuntius sich von der Kritik46, die der schlesische Jesuit Erich Przywara (1889 – 1972) an Wittig in den Stimmen der Zeit inzwischen geliefert hatte.47 (a) Wittig betone das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen, ein besonderes Amtspriestertum hätten weder Jesus noch die Apostel für sich in Anspruch genommen. Vielmehr sei dieses indirekt entstanden, als man den alttestamentlichen Kult als Vorbild für den christlichen Gottesdienst aufgegriffen und Christus dann auch als Priester repräsentiert habe. Pacelli warf ihm hier den Gebrauch zumindest falsch oder äquivok verstehbarer Begriffe vor.48 42

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Vgl. Joseph WITTIG, Das allgemeine Priestertum, in: Ernst MICHEL (Hg.), Kirche und Wirklichkeit. Ein katholisches Zeitbuch, Jena 1923, 21-43; ders., Die Kirche als Auswirkung und Selbstverwirklichung der christlichen Seele, in: Ebd., 189-210. Ernst MICHEL, [Vorwort], in: Ebd. V. Vgl. GISLER, Luther (wie Anm. 33). Vgl. Pacelli an Kardinalstaatssekretär Gasparri, 12. September 1923, AES Germania, pos. 521, 1922-1936, fasc. 29, fol. 18r-22v. Vgl. ebd., fol. 21v. Vgl. Erich PRZYWARA, Gott in uns oder Gott über uns? Immanenz und Transzendenz im heutigen Geistesleben, in: StZ 105 (1923), 343-362, hier 359-362. – Zu Przywaras WittigKritik vgl. KLEYMANN, Lerne (wie Anm. 2), 48f. Vgl.: „Nel primo di essi ... il Wittig tratta del ‚sacerdozio generale’ (Das allgemeine Priestertum). Dopo aver rivelato che il nome ‚sacerdote’ non fu da Cristo usato nè per Sè nè per i suoi discepoli ... vale a dire attraverso il concetto che il culto divino dell’Antico Testamento era ombra del Nuovo, si cominciò a ritener utile di rappresentar Cristo anche come Sacerdote, il Wittig viene a parlare ampiamente del suaccennato sacerdozio generale (allgemeines

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(b) Wittig vertrete eine protestantische Kirchentheorie, indem er die Kirche als sekundär aus dem Leben der Seele ableite. Die äußere Vergesellschaftung sei erst die konkomitierende Folge aus der inneren Heilung, Begnadigung und Wiedergeburt. Die Gesundheit und Volllebigkeit der Seele sei deshalb das oberste Maß allen kirchlichen Vollzugs.49 (c) Er leugne das kirchliche Lehramt im eigentlichen Sinn; dieses werde aus der Offenbarung des Geistes in den Seelen der Gläubigen und so der Gesamtkirche abgeleitet.50 (d) Der Papst besitze ebenfalls nur den göttlichen Geist wie die anderen Gläubigen, wenn er auch unter dem besonderen Schutz und der Garantie Gottes stehe, so dass die übrigen Christen an ihm ablesen könnten, ob in ihnen der Geist Gottes verdunkelt sei.51 (e) Die äußere Organisation der Kirche sei sekundär und erst später nach dem Vorbild der Synagoge und des römischen Reichs aufgebaut worden.52 (f) Die Kirchenstiftung sei deshalb nicht äußerlich wie bei der Gründung eines Vereins zu verstehen, sondern als Weitergabe des göttlichen Lebens in den Seelen, aus dem sich die äußere Gestalt dann später entwickelt habe.53 Alle gesunden (sani) Geister in der Kirche – so Pacelli – würden sich solchen Lehren sicher widersetzen; doch sprach er sich wegen der Konkordatsverhandlungen erneut gegen eine römische Verurteilung deutscher Universitätsprofessoren aus. Wieder wollte er Kardinal Bertram vorschieben. Dieser zeige sich als zu schwach gegenüber dem Kirchenhistoriker. Gasparri solle

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Priestertum) ... attenurando nel maggior grado possibile la differenza fra esso ed il ‚sacerdozio d’ufficio’ (Amtspriestertum). Malgrado le buone intenzioni dell’Autore, tutte l’esposizioni sembrami tale da poter produrre in mente sopratutto di laici non versati nelle dottrine teologiche concetti falsi od equivoci.“ Pacelli an Kardinalstaatssekretär Gasparri, 12. September 1923, AES Germania, pos. 521, 1922-1936, fasc. 29, fol. 18r-22v, hier fol. 18v-19r. Vgl.: „Il secondo articolo ... presenta un concetto della Chiesa, il quale sembra a mala pena distinguersi dalle teorie dei Protestanti.“ Ebd., fol. 19r. Vgl.: „Non vi è nella Chiesa un magistero propriamente detto, ma lo spirito di Cristo vive nell’anima dei fedeli e per essi si rivela, finchè la communità dei fedeli stessi dichiara per la bocca del Pontefice come articolo di fede la cognizione nuovamente acquistata, emanante dalla stessa vita dell’anima cristiana.“ Ebd., fol. 19v. Vgl.: „Quindi il Papa non è propriamente Maestro autentico, ma piuttosto esemplare e norma oggetiva della verità. Nella sua anima vive la Chiesa non altrimenti che nelle anime dei fedeli. Egli ha soltanto la prerogativa che la Chiesa vive nella sua anima sotto la protezione e la garanzia di Dio, e l’ufficio di mostrare a tutte questa Chiesa, affinchè le altre anime possano contrebbere, se forse in esse la Chiesa sia guasta a causa di qualche umana torbidezza.“ Ebd., fol. 20r. Vgl.: „L’organizzazione esterna della Chiesa è secondaria ed accessoria; non è fondata da Cristo, ma rappresenta piuttosto una imitazione della Sinagoga e dell’Imperio Romano.“ Ebd., fol. 20rv. Vgl. ebd., fol. 20v.

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also Bertram dazu verpflichten, Wittig im Namen des Hl. Stuhls streng zu vermahnen. Im Übrigen fehlten dem Werk Michels, das bei einem protestantischen Verleger, Eugen Diederichs (1867 – 1930) (wo Michel als Lektor arbeitete), erschienen war, das kirchliche Imprimatur. Gasparri folgte augenblicklich dem Wink seines Nuntius und ließ eine grave ammonizione an Wittig (bzw. Bertram) ergehen mit der Begründung, dieser habe bei einem protestantischen editore als Priester ohne kirchliche Druckerlaubnis publiziert.54 Erneut nahm Wittig die pflichtgemäße Überstellung des Breves vor allem Bertram übel55, der nur das Breve mit dessen ungenauer Formulierung, der Band „Kirche und Wirklichkeit“ sei Wittigs Publikation, wiedergegeben hatte.56 Etwas sarkastisch merkte Wittig Bertram gegenüber an, „schon ein Blick auf das Titelblatt hätte“ den wahren Sachverhalt dem „hohen Amte“ verraten können.57 Er glaube auch die bisherige Praxis des stillschweigenden Imprimatur beibehalten zu können, da ansonsten Priester in ihrer missionarischen Wirksamkeit durch religiöse Artikel nahezu völlig gelähmt würden und Bertram bislang Wittig für seine Beiträge im „Breslauer Sonntagsblatt“ und in der „Schlesischen Volkszeitung“ auch kein Imprimatur auferlegt habe.58 Interessanterweise nahm Bertram Wittig dieses selbstbewusste Auftreten nicht übel, sondern griff dessen Argumentation bezüglich der Nichteinholung der Druckerlaubnis auch gegenüber dem Kardinalstaatssekretär auf.59 Eine Verurteilung speziell des fraglichen Werks würde der katholischen Sache in Deutschland erheblichen Schaden zufügen.60 Anstatt im Breslauer Kardinal aber einen Verbündeten gegen den Druck aus Rom zu sehen, rieb sich Wittig an diesem und ließ diplomatische Klugheit vermissen. Einige Wochen später 54

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Vgl. Kardinalstaatssekretär Gasparri an Kardinal Bertram, 17. Oktober 1923, in: Rosenstock/Wittig, Alter (wie Anm. 3) III, 19. Vgl. Wittig an Kardinal Bertram, 23. Oktober 1923, in: Ebd. 19f. Vgl. Kardinalstaatssekretär Gasparri an Kardinal Bertram, 17. Oktober 1923, in: Ebd. 19. – Den Fehler hatte Pacelli ebenfalls entdeckt und nach Erhalt der Abmahnung auch sofort nach Rom gemeldet. Vgl. Pacelli an Kardinalstaatssekretär Gasparri, 29. Oktober 1923, AES, Germania, pos. 521, 1922-1936, fasc. 29, fol. 27rv.. Wittig an Kardinal Bertram, 23. Oktober 1923, in: ROSENSTOCK/WITTIG, Alter (wie Anm. 3) III, 19f., hier 19. Vgl. Wittig an Kardinal Bertram, 23. Oktober 1923, in: ROSENSTOCK/WITTIG, Alter (wie Anm. 3) III, 19f., hier 20. Vgl.: „Nihilominus breviter innuere sequentia liceat. Saepe auctores catholici in Germania edunt articulos vel commentaria de quaestionibus catholicis in periodicis publicationum collectionibus et ephemeridibus acatholicorum eum in finem, ut catholicae veritatis radii hac via se diffundant in acatholicorum mentes [Am Rand mit Bleistift: Così, con simili scritti]. Quod minus vituperandum est, praesertim quum acatholici libros et ephemerides catholicas non legant.“ Kardinal Bertram an Kardinalstaatssekretär Gasparri, 10. Oktober 1923, ACDF, S.O. C.L. 217i/1922. Vgl. ebd.

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forderte er Bertram auf, die auf einem Irrtum beruhende Ermahnung zurückzunehmen und den Fehler auch den römischen Stellen mitzuteilen.61 Dass die Ermahnung ein Vorwand des Staatssekretariats war, um die Artikel Wittigs nicht selbst inhaltlich zensurieren zu müssen, entging ihm natürlich. – Durch die Entwicklung im Jahr 1923 wuchs somit nicht nur die Entfremdung Wittigs gegenüber Kardinal Bertram, sondern bekam die Angelegenheit eine verstärkt ekklesiologische Komponente. Die Ebene des Kirchenrechts, der Vollmachten des Papstes und der Ekklesiologie waren aber jener Bereich, dem das Interesse Pacellis galt, für den die Angelegenheit spürbar an Gewicht gewonnen hatte. Dennoch konnte von einer Verurteilung Wittigs bis dahin noch immer keine Rede sein.

Wittig auf dem Index der verbotenen Bücher Das schließlich entscheidende Verfahren gegen Wittig ging wiederum vom Bischof von Chur aus, der, nachdem sein Vorpreschen in Breslau abgewiegelt worden war, Wittig beim Papst direkt anzeigte und ein Exzerpt mit 23 Thesen aus dessen Schriften einreichte, für die er eine feierliche Zensurierung forderte. Es handle sich nicht nur terminologisch um Lutheranismus und Modernismus.62 Das Verfahren vor dem Hl. Offizium kam erneut in Gang, gemäß Schmids Anzeige diesmal nicht nur über die beiden Hochland-Artikel, sondern auch über die beiden Aufsätze in „Kirche und Wirklichkeit“ und über Wittigs Werk „Herrgottswissen“.63 Die Vorwürfe 1-21 betrafen wieder die Themen Glaube, Sünde, Freiheit und Rechtfertigung bei Wittig, hinzu kam als Thesen 22 und 23 noch die Ansicht, die juridischen Formen der Kirche seien gegenüber der seelischen Gnadenwirklichkeit sachlich und historisch sekundär. Als Gutachter wurden der Benediktiner Hildebrand Höpfl (1872 – 1934)64 und der Jesuit Leopold Fonck (1865 – 1930), streng konservativer Rektor des römischen Bibelinstituts, ausgewählt.65 Höpfl erklärte, Wittig wolle den Glauben der Kirche lehren. Dennoch seien seine Thesen zensurwürdig, auch wenn er sie nicht für formal häretisch erklärte. Er bezeichnete sie als erro61

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Vgl. Wittig an Kardinal Bertram, 11. Januar 1924, in: ROSENSTOCK/WITTIG, Alter (wie Anm. 3) III, 20f. Vgl. Bischof Schmid von Grüneck an Papst Pius XI., 12. November 1924, ACDF, S.O., C.L. 829/1924, vol. 2 Vgl. WITTIG, Herrgottswissen (wie Anm. 16). Vgl. das Gutachten Hildebrand Höpfls zu den Schriften Wittigs, Januar 1925, ACDF, S.O., C.L. 829/1924, vol. 2. Vgl. das Votum Foncks zu Wittig, 3. Juni 1925, ACDF, S.O., C.L. 829/1924, vol. 2.

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neas, Ecclesiae iniuridas, praxi eius contrarias, temerarias, audaces, ne dicam haeresi faventes. Er kam zum Schluss: „Wie einst Luther, so nun Dr. Wittig“.66 Zur Frage der politischen Opportunität einer Verurteilung äußerte sich der Benediktiner hingegen nicht. Fonck, der zweite Gutachter, ging darüber in dem Sinne hinaus, als er sogar erklärte, dass Wittig auch objektiv häretische Sätze lehre.67 Inhaltlich bemängelte auch er die Themenkreise Glaube, Freiheit, Sünde, Rechtfertigung und sichtbare Kirche; dazu vertrete aber Wittig auch falsche Lehren zum Leben Jesu und den Wundern Christi. Die Ermahnung durch Kardinal Bertram habe nichts genützt und Wittigs Schriften richteten riesigen Schaden an. Da der Nuntius wegen der Konkordatsverhandlungen keine öffentliche römische Verurteilung wolle, müsse der Breslauer Kardinal ihm verbieten, dass er jemals wieder etwas publiziere.68 Zur selben Zeit ging auch noch ein Schreiben des ebenfalls streng antimodernistischen Präfekten der Studienkongregation, Gaetano Bisleti (1856 – 1937), ein, der sieben verurteilungswürdige Thesen Wittigs dem Hl. Offizium anzeigte.69 Dahinter stand der Jesuitengeneral und damit die Jesuiten in Deutschland. Einen Monat später schrieb General Wladimir Ledóchowski (1866 – 1942) nämlich selbst an den Sekretär der obersten Glaubensbehörde, dass er Bisleti die sieben Sätze zur Anzeige übergeben habe, die er nun nochmals vorlege: Egal, ob sich die einzelnen Sätze Wittigs irgendwie orthodox erklären lassen, sie richten in Deutschland ungeheuren Schaden an. Er wolle sich deshalb in dieser Angelegenheit noch einmal direkt an Kardinal Rafael Merry del Val (1865 – 1930) wenden.70 Es handelte sich dabei um folgende Sätze: 1.) Der Glaube ist die einzige zur Rechtfertigung notwendige Disposition. 2.) Das Fehlen des Glaubens sei die einzige schwere Sünde. 3.) Der von der Liebe nicht durchdrungene Glaube sei etwas Leeres und Totes; im Sünder bleibe kein echter Glaube zurück. 66

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Vgl. Gutachten Höpfl zu den Schriften Wittigs, Januar 1925, ACDF, S.O., C.L. 829/1924, vol. 2. Vgl.: „Plurima ex dictis exempla ostendunt ... immo ... atque etiam obiective haeretica.“ Votum Fonck zu Wittig, 3. Juni 1925, ACDF, S.O., C.L. 829/1924, vol. 2. Vgl. ebd. – Über den Schriftleiter der „Stimmen der Zeit“ war Fonck bereits über die Meinung des Nuntius informiert. – Wenig später meldete Pacelli, in Deutschland werde von dem Benediktiner Odo Staudinger – er war durch Kardinal Bertram darauf aufmerksam gemacht worden – die Meinung verbreitet, der Papst selbst würde an Wittigs Schriften keinen Anstoß nehmen. Pacelli an Kardinalstaatssekretär Gasparri, 6. Juli 1925, AES, Germania,, pos. 521, 1922-1936, fasc. 29, fol. 33rv. Vgl. Studienkongregation, Animadversiones in librum Sac. Wittig, ACDF, S.O,. C.L. 829/1924, vol. 2. Vgl. Jesuitengeneral Ledóchwoski an Kardinal Merry del Val, 21. Juli 1925, ACDF, S.O,. C.L. 829/1924, vol. 2.

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4.) Die Kirche lehre, dass jede Sünde einen gewissen Glaubensmangel impliziere. 5.) Nach Wittig seien die ewigen Höllenstrafen nur für die Nichtgetauften bestimmt. 6.) Die Freiheit des menschlichen Willens bestehe nur darin, die rechte Intention zu wählen, nicht eine Handlung zu tun oder nicht zu tun. 7.) Beim Leser könne der Eindruck entstehen, als müsse man nicht unterscheiden zwischen der objektiven und universalen Erlösungstat Christi und der Applikation derselben an den Einzelnen, also der Rechtfertigung des Menschen. Die Gutachten und die Meinung des Nuntius wurden auf der Konsultorenversammlung am 13. Juni 1925 verhandelt. Es kam zu keinem einmütigen Ergebnis. Fünf Konsultoren erklärten sich dafür, die Entscheidung zu vertagen und ein zusätzliches Gutachten einzuholen. Ein Konsultor erklärte, vor einer etwaigen Verurteilung der Bücher solle man dem Autor die Gelegenheit zum Widerruf geben; falls er diesen leiste, solle man die Verurteilung nicht veröffentlichen. Eine knappe Mehrheit von sieben Konsultoren sprach sich freilich für die bedingungslose Indizierung der Werke Wittigs aus. In der feria-IVa-Sitzung der Kardinäle vom 22. Juli schloss man sich dieser Meinung der Mehrheit an; alle verhandelten Schriften Wittigs wurden vom Sanctum Officium auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt; zugleich solle deren Verfasser vom akademischen Lehramt entfernt werden71, wozu man dem Apostolischen Nuntius schreiben solle. Am nächsten Tag wurde die Entscheidung der Kardinäle vom Papst approbiert.72 Zu dieser Verurteilung Wittigs ist zusammenfassend zu sagen: Inhaltlich war es der Hochlandartikel und die Lehren von Gnade, Glaube, Sünde und Freiheit, die im Vordergrund standen, somit der Vorwurf des Lutheranismus. Freilich hatte auch dies, neben den explizit die Kirche betreffenden Thesen, eine ekklesiologische Dimension, da Gläubige, von Wittig angestiftet, in den Augen der römischen Glaubenshüter der Beichtpraxis und Seelenführung, somit überhaupt der sichtbaren Kirche mit einer neuen Selbständigkeit ge71

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Vgl.: „Breslavia. Circa gli scritti e la dottrina del Sac. prof. Wittig, prof. di S. Teologia all’Università di Breslau. Si mettano all’indice, opere e scritti: si proibisca all’Autore altre opere circa spectantia; si faccia e mettere la professione di fede. Vegga se, e appena sarà possibile, di ottenere la remozione del Wittig dall’insegnamento.” ACDF, Decreta SO 1924/1925, 1925, Bl. 91r, Feria IV 22 Juli 1925. Vgl.: „Feria IV, die 22 iulii 1925. Eminentissimi ac Reverendissimi Domini decreverunt: In voto maioris Partis Consultorum cum addito: Che si scriva al Nunzio perchè vegga se e appena sarà possibile, di ottenere la rimozione del Wittig dall’insegnamento. Feria V, die 23 di SSus resolutionum Eminentissimorum PP. approbavit.” Ebd. Vgl. auch: Protokollnotiz über die Praeparatoria vom 13. Juli 1925 und den Beschluss der Kardinäle vom 22. Juli 1925, ACDF, S.O., C.L. 829/1924 vol. 2.

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genüber standen. Der Modernismusvorwurf spielt gegenüber dem Protestantismusvorwurf eine viel geringere Rolle, allerdings waren die Denunzianten straffe Antimodernisten, die den alten Kampf auch gegen das „Hochland“ weiterführten, und war das Heilige Offizium unter Kardinalsekretär Merry del Val der Sammelort des alten Antimodernismus an der Kurie.

Das Ringen um Wittigs Unterwerfung und die Exkommunikation Keinerlei Bedeutung hatte man in diesem Verfahren dem Votum des Ortsbischofs, wiewohl doch Kardinal der römischen Kurie, beigemessen. Dieser hatte inzwischen auf eigene Faust ein Gutachten des Freiburger Dogmatikers Engelbert Krebs (1881 – 1950) eingeholt, das irenisch Wittigs positive Anliegen würdigt, aber in den Themen Freiheit, Rechtfertigung und Kirche Irrtümer bzw. unklare Thesen auflistete, die Wittig klarstellen konnte.73 Man wird Otto Weiß Recht geben müssen, dass der Breslauer Ordinarius auf diesem Weg versuchte, dem Kirchenhistoriker „einen Rettungsanker“ zuzuwerfen.74 Wittigs abverlangte Erklärung, die dieser in ekklesiologischen Fragen zudem noch abschwächte75, kam freilich ohnedies zu spät. Die Entscheidung des Heiligen Offizium beinhaltete auch, dass Wittig, ein beamteter staatlicher Universitätsprofessor, aus dem Lehramt entfernt werden müsse. Zudem sollte er erneut die professio fidei Tridentina und den Antimodernisteneid schwören. Hier begann der letzte Akt des Ringens zwischen Pacelli und Bertram, diesmal um die Unterwerfung und die Absetzung Wittigs. Am 30. Juli teilte Merry del Val dem Nuntius nicht nur die Indizierung mit, sondern fragte auch an, wie man solch untragbare Personen von der theologischen Fakultät entfernen könne.76 Pacelli leitete diese Frage an den Breslauer Fürstbischof weiter, der dem Nuntius die Rechtslage schilderte, die Angelegenheit als sehr delikat bezeichnete, aber den Plan, Wittig in eine 73

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Vgl. Kardinal Bertram an Wittig, 14. Januar 1925, (mit dem Gutachten von Engelbert Krebs vom 3. Dezember 1924 als Anlage), in: ROSENSTOCK/WITTIG, Alter (wie Anm. 3) III, 5073. WEIß, Modernismus (wie Anm. 8), 521. Vgl. Wittig an Kardinal Bertram, 25. Januar 1925, in: ROSENSTOCK/WITTIG, Alter (wie Anm. 3) III, 74-83. Vgl.: „Nello stesso tempo però questa Sacra Congregazione, tenuto conto delle dottrine erronee ed ereticali divulgate dal Wittig, non è tranquilla se ad una tale persona resta affidato l’insegnamento in una facoltà teologica frequentata anche dai ecclesiastici; e quindi, quando fosse possibile, desiderebbe che il Revdo. Wittig venisse rimosso dalla cattedra di Storia Ecclesiastica, Patrologia ed Archeologia Cristiana, ch’egli occupa tuttora nell’Università di Breslavia.“ Kardinal Merry del Val an Pacelli, 30. Juli 1925, ASV, ANB 68, fasc. 4, fol. 39r..

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Pfarrei zu versetzen, auch nicht für völlig aussichtslos hielt.77 Pacelli schrieb daraufhin nach Rom, dass man mit viel Umsicht vorgehen müsse.78 Gleichzeitig denunzierte er den Münchener Benediktinerpater Hugo Lang (1892 – 1967, ab 1951 Abt von St. Bonifaz in München)79, der zeitgleich mit der Indizierung Wittigs in der Benediktinischen Monatsschrift noch eine geniale Popularisierung des thomistischen Systems bei diesem zu erkennen glaubte.80 Das Hl. Offizium erlegte dessen Münchener Abt auf, Lang einen öffentlichen Widerruf abzuverlangen.81 Am 3. Oktober 1925 besuchte Kardinal Bertram den Apostolischen Nuntius in Berlin, wo über den Fall Wittig beraten wurde und der Fürstbischof Pacelli eine Denkschrift übergab.82 Bertram rechtfertigte darin sein bisheriges Vorgehen und kündigte an, er werde von Wittig bis zu Semesterbeginn die Unterwerfung unter die vom Hl. Offizium vorgelegten Thesen verlangen und ihm zu sechs Monaten Urlaub raten.83 Das Ziel Bertrams war es nun, Wittig wenigstens noch auf der Professur belassen zu können und die Exkommunikation zu ersparen: Die Aufgabe des Lehramts werde er Wittig zwar raten, doch müsse man behutsam agieren, um keinen Sturm gegen die katholischen Fakultäten zu provozieren, zumal Wittig viele Anhänger habe und die Konkordatsverhandlungen nicht gestört werden sollten.84 Doch Pacelli gab sich 77

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Vgl. Pacelli an Kardinal Merry del Val, 29. August 1925, ASV, ANB 68, fasc. 4, fol. 44r45v, hier fol. 44rv. Vgl. ebd., fol. 44v. Vgl. ebd., fol. 45r. Vgl. Hugo LANG, Joseph Wittig, in: Benediktinische Monatsschrift 7 (1925), 259-276; Lang antwortete auf den Jesuitenprovinzial Ludwig Kösters (1872 – 1929), einen der engsten Vertrauten und Informanten des Nuntius, der Wittig lutherische Irrlehre vorgeworfen hatte. Vgl. Ludwig KÖSTERS, Erlösungsfreude, in: StZ 109 (1925), 113-122. Vgl.: „Per il padre Lang, si scriva all’Abate di San Bonifacio per ingiungere la publica ritrattazione del noto articolo, ecc. Di più si scriva al Card. Faulhaber, Arcivescovo di Monaco ed al Nunzio di Baviera per informarli di tutto e perchè si assicurino.” Feria V.a, 29. Juli 1926, ACDF, S.O. C.L. 829/1924i, Vol. 3, Nr. 51. Vgl. Kardinal Bertram an Pacelli, 3. Oktober 1928, ASV, ANB 68, fasc. 4, fol. 47r-48r; Pacelli an Kardinal Merry del Val, 10. Oktober 1925, ASV, ANB 68, fasc. 4, fol. 57r-63r, hier fol. 57r. Vgl. Pacelli an Kardinal Merry del Val, 10. Oktober 1925, ASV, ANB 68, fasc. 4, fol. 57r63r, hier fol. 57v-58r; die Ausfertigung: ACDF, S.O,. C.L. 829/1924, vol. 2. Vgl.: „La situazione della Germania richiede una certa circospezione nel trattare questo caso. Infatti: 1) Il Professor Wittig ha, a causa del suo stile popolare ed assai pieno dal punto di vista letteraria, numerosissimi aderenti nei circoli colti, anche fra i buoni cattolici; 2) Molti protestanti tendono già da decenni ad eliminare le Facoltà teologiche cattoliche del corpo delle Università, perchè la condizione dei professori di teologia è, secondo loro, inconciliabile colla ‚libera scienza’, colla ‚libera indagine’; un severo procedimento contro il Wittig rinforzerebbe questa tendenza; d’altra parte, la separazione delle Facoltà teologiche dalle Università costituirebbe un colpo gravissimo, fatale ed irreparabile per la Chiesa cattolica in Germania; 3) Le trattative per un Concordato fra la S. Sede e la Germania cominceranno nel

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damit nicht zufrieden: Es sei ja unklar, ob Wittig sich unterwerfen werde und so wollte er vom Kardinal am 5. Oktober wissen, was er zu tun gedenke, falls das nicht geschehe.85 Zu dieser Zeit war in Breslau Wittigs Antwort eingegangen, in der er vom Hl. Offizium wenigstens die Gründe für seine Verurteilung erfahren wollte, nicht zuletzt, da er aufgrund der irrtümlichen Werkangabe in der vorhergehenden Vermahnung aus dem Jahre 1923 Zweifel hegen müsse an der Gewissenhaftigkeit dieser Behörde. Den Antimodernisteneid habe er bereits vor Jahren geleistet und auch nicht gebrochen, so dass er keinen Grund zu einem neuen Schwur sehe.86 Pacelli hielt diese Haltung für äußert beklagenswert (deplorevolissima)87, behaupte er doch weiterhin, seine Bücher hätten zur Auferbauung der Gläubigen gedient.88 Wittig sei ein unglückseliger und rebellischer Priester (infelice e ribelle sacerdote)89, der am Ende seines Schreibens auch noch Kardinal Bertram attackiere.90 Tatsächlich war Wittig die eigentliche Rolle des Kardinals in seiner causa entgangen. Bertram glaubte auf diesen Brief hin, dass sich der Entzug der missio canonica wohl nicht mehr vermeiden lasse, andererseits drohten die Konkordatsverhandlungen Schaden zu nehmen. Hierüber solle der Nuntius den Hl. Stuhl wenigstens in Kenntnis setzen. Zugleich reichte der Kardinal bei Pacel-

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prossimo inverno; il protestantismo lotta già da alcuni mesi contro qualsiasi Concordati; se il caso Wittig prendesse una cattiva piega, sarebbe uno dei più grandi ostacoli per tali trattative.“ Ebd., fol. 58rv. Vgl.: „Fin qui l’esposta dell’Eminentissimo Bertram, nel quale, tuttavia, mancava, a mio subordinato parere, un punto essenziale. Rimanendo, infatti, incerto se il Wittig si sarebbe sottomessa entro il termine prefissogli dal Sig. Cardinale Vescovo di Breslavia, e neppure se egli accetterebbe il suggerimento di prendere un congedo di sei mesi, era importante di sapere quali provvedimenti l’Eminentissimo intendera di prendere in caso negativo, massimo per ciò che concorre la frequenza degli studenti di S. Teologia alle lezioni del più volte menzionato Professore.“ Ebd., fol. 58v-59r. – Das Schreiben Pacellis im Entwurf: Pacelli an Kardinal Bertram, 5. Oktober 1925, ASV, ANB 68, fasc. 4, fol. 49rv. Wittig an Kardinal Bertram, 4. Oktober 1925, ROSENSTOCK/WITTIG, Alter (wie Anm. 3) III, 83-86. Pacelli an Kardinal Merry del Val, 10. Oktober 1925, ASV, ANB 68, fasc. 4, fol. 57r-63r Entwurf, hier fol. 59v. Vgl. ebd., fol. 59v-60r. Ebd., fol. 60v. Wittig hatte geschrieben: „Ich klage Ew. Eminenz offen an, daß Sie, von einigen Hetzern ängstlich gemacht, durch die ganze Reihe Ihrer Maßnahmen, die sich nach Skrupulantenart immer mehr verschärften, das jetzige Unglück mitverschuldet haben. Von meinem Bischof verlassen, war ich jedem Gekläff ausgesetzt, und um dem Gebell ein Ende zu machen, unterbindet man mir die Verkündigung des Evangeliums von der Barmherzigkeit Gottes.“ Wittig an Kardinal Bertram, 4. Oktober 1925, in: ROSENSTOCK/WITTIG, Alter (wie Anm. 3) III, 86-89, hier 89.

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li eine Minute für eine Eingabe an das Ministerium ein.91 Charakteristisch sind zwei Änderungen, die der Nuntius an dieser verlangte. Einerseits wurde der Text verschärft: vom preußischen Staat sollte dessen Pflicht eingefordert werden und nicht nur eine Bitte ausgesprochen werden. Andererseits wurde verschleiert, insofern der Grund „Ungehorsam gegen den Hl. Stuhl“ in „gegen die kirchliche Autorität“ umgewandelt wurde.92 Auf Rom sollte das schlechte Licht nicht fallen. Vielleicht auf den Rat Frühwirths und des Campo Santo-Rektors David hin93 versuchte Bertram, den vorläufig beurlaubten Wittig noch einmal im Lehramt zu retten. Er sandte an das Hl. Offizium nun das Votum von Krebs und Wittigs Erklärung dazu ein mit der Anfrage, ob Wittig sich nicht dadurch bereits unterworfen und auch inhaltlich zum Antimodernisteneid bekannt habe.94 Merry del Val zeigte sich über den Breslauer Kardinal verärgert, der am Ende seines Schreibens von neuem den heilsamen Einfluss Wittigs besinge.95 Gerüchteweise hatte Wittig auch selbst davon gehört, dass man in Rom über Bertram verstimmt sei, was ihn freilich nicht zu einer Revision seines Urteils gegenüber dem Kardinal veranlasste; er verdächtigte ihn vielmehr, seine Bitte um Mitteilung der Gründe nach Rom nicht weitergeleitet zu haben; das Sanctum Officium besaß bei Wittig somit einen größeren Vertrauensvorschuss als Bertram.96 Die Wirklichkeit war aber eine andere: Die obersten kurialen Glaubenshüter bestanden kategorisch auf der Ablegung des Eides, auch wenn das nicht öffentlich geschehen müsse und auf der eingeforderten Unterwerfung. Wittig die Gründe seiner Verurteilung mitzuteilen, hielt 91

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Vgl. Kardinal Bertram an Pacelli, 7. Oktober 1925, ASV, ANB 68, fasc. 4, fol. 50r-51r; Pacelli an Kardinal Merry del Val, 10. Oktober 1925, ASV, ANB 68, fasc. 4, fol. 57r-63r , hier fol. 61rv. Vgl. ebd., fol. 62r-63r. Vgl. HAUSBERGER, Fall (wie Anm. 4), 314; Engelbert Krebs an Wittig, 31. Januar 1926, in: ROSENSTOCK/WITTIG, Alter (wie Anm. 3) III, 95-98; ders. an dens., 6. Februar 1926, in: Ebd., 99-101. Vgl. Kardinal Bertram an Kardinal Merry del Val, 6. Februar 1926, ACDF, S.O. 829/1924, vol. 2; ders. an dens., 23. Februar 1926, ebd. Vgl.: „In fine l’Emo. Card. decanta ‚l’influsso salutare che i libri del Wittig hanno esercitato su innumerevoli anime’, e partecipa come terminando per il Wittig colla prossima Pasqua il semestre di sospensione dall’insegnamento egli (contrariamente a quanto gli ha prescritto il S. Offizio) ascenderà di nuovo la cattedra ...“ Kardinal Merry del Val an Pacelli, 18. Februar 1926, ASV, ANB 68, fasc. 4, fol. 75r-76v, hier fol. 76r. Vgl.: „Kard. Bertram war in der letzten Woche in Rom. Was wird er mitgebracht haben? Es hieß in letzter Zeit, in Rom sei man sehr verstimmt gegen ihn, weil er mit mir solange Geduld gehabt habe! – er werde sich deshalb verantworten müssen. In Wahrheit ist es doch so, daß Rom weder auf meinen Brief (btr. der ungerechten ‚Ammonizione grave’) noch auf meine Stellungnahme zur Indizierung und Eidesforderung irgend ein Wort erwidert hat. Sollte der Kardinal beide Schreiben zurückgehalten haben?“ Wittig an Carl Muth, 21. Mai 1926, in: DERS., Briefe (wie Anm. 1), 98f., hier 98.

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Kardinalsekretär Merry del Val hingegen für unnütz und nicht herkömmlich!97 Auch Pacelli riet davon ab: Denn Wittig sei arrogant gegenüber seinem Ordinarius und sarkastisch gegenüber Rom und werde sich auch dann nicht unterwerfen, wenn man ihm die Gründe nenne.98 Die Kardinäle des Hl. Offizium verlangten die Unterwerfung Wittigs, da dieser wegen formeller Häresie indiziert worden sei, wenn er nicht der Exkommunikation verfallen wolle.99 Einen letzten Versuch unternahm Bertram, indem er erreichen wollte, dass man nach Wittigs freiwilligem Rückzug vom akademischen Lehramt auf den Antimodernisteneid verzichten könne.100 Doch auch dies wurde vom Papst und der römischen Glaubensbehörde abgelehnt.101 Pacelli glaubte inzwischen auch die eigentliche Ursache für dessen Verhalten zu kennen. Informanten hatten ihm berichtet, Wittig habe mit seiner priesterlichen Keuschheit zu kämpfen. Sein Bischof wisse darum, habe dies aber geduldet.102 Am 12. Juni 1926 wurde Joseph Wittig exkommuniziert.103 Pacelli beschränkte sich in Übereinstimmung mit dem Sanctum Officium nur noch darauf, alle öffentlichen Stellungnahmen im deutschen Katholizismus zu Wittigs Gunsten zu unterdrücken, bzw. durch die deutschen Bischöfe unterdrücken zu lassen.104

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Vgl. Kardinal Merry del Val an Pacelli, 18. Februar 1926, ASV, ANB 68, fasc. 4, fol. 75r76v, hier fol. 76v. Vgl.: „Anche le notizie a me giunte da varie parti sembrano confermare non esserci speranza pur troppo che egli si sottometta alla condanna dei suoi libri pronunziata da cotesta Suprema. Nè ciò può fare meraviglia, se si pensi che il Wittig è assai vanitoso, primo di sè, arrogante verso lo stesso suo Ordinario (come ha avuto a dirmi ripetutamente il medesimo Eminentissimo Bertram), solito ad usare espressioni irreverenti ed ironiche nel riguardo delle S. Congregazioni Romane.“ Pacelli an Kardinal Merry del Val, 24. Februar 1926, ASV, ANB 68, fasc. 4, fol. 77r-78v, hier fol. 77r. Vgl. die Protokollnotiz über die Kardinalsplenaria vom 17. März 1926 und die päpstliche Approbation einen Tag später. ACDF, S.O., C.L. 829/1924, vol. 2. – Dies musste auch in der Germania richtiggestellt werden, wiederum durch den Ortsbischof. Vgl. Kardinal Bertram an Kardinal Merry del Val, 20. April 1926, ACDF, S.O., C.L. 829/1924, vol. 2. Vgl. die Protokollnotiz über die Kardinalsplenaria vom 28. April 1926 und die päpstliche Approbation einen Tag später. ACDF, S.O., C.L. 829/1924, vol. 2. Vgl. Pacelli an Kardinal Merry del Val, 24. Februar 1926, ASV, ANB 68, fasc. 4, fol. 77r78v, hier, fol. 77rv. Vgl. die bei ROSENSTOCK/WITTIG, Alter (wie Anm. 3) III, 141, abgedruckte Erklärung des Breslauer Bischofs, die dieser im Amtsblatt veröffentlichen ließ. Vgl. Pacelli an Kardinal Merry del Val, 29. April 1925, ASV, ANB 68, fasc. 4, fol. 44r-45v, hier fol. 45r.

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Fazit An dieser Stelle muss auf die eingangs aufgeworfenen Fragen zurückgekommen werden: a.) Inhaltlich waren es von Beginn an die Vorwürfe Anton Gislers und des Churer Bischofs, die Wittig zum Verhängnis wurden. Dabei stand sein Fall zunächst unter dem Vorzeichen des kurialen Antimodernismus; für den Nuntius wurden dann aber die ekklesiologischen Positionen entscheidend; die letztendliche Indizierung stand dann primär unter dem Vorzeichen des Antiprotestantismus, sozusagen der Überschrift Gislers „Luther redivivus“. Natürlich implizierten sich in konservativ-kurialen Augen diese Positionen letztlich wechselseitig; dennoch lassen sich spezifische Akzentverschiebungen konstatieren. Letztlich wurde Wittig eine vermutete Nähe zum Protestantismus zum Verhängnis, die seine antimodernistischen Gegner bei ihm ausmachten. b.) Schuld an Wittigs Verurteilung waren die antimodernistischen Denunzianten aus der Schweiz und unter den deutschen Jesuiten, dazu die antimodernistische Rechte an der römischen Kurie, nicht Kardinal Bertram, der ihn schützen wollte. Ein Gegengewicht hätte das Staatssekretariat und Nuntius Pacelli mit den politischen Opportunitätsrücksichten bilden können; dass dem nicht so war, lag zum einen wohl an den ekklesiologischen Implikationen von Wittigs Thesen, die den Nuntius alarmierten; hinzu kam die Popularität von dessen Schriften, die bei aller politischen Rücksichtnahme ein öffentliches Eingreifen nahe legte. Doch gelang es Pacelli und der römische Kurie immer wieder, Kardinal Bertram vorzuschieben, damit auf sie kein schlechtes Licht falle. Immer wieder gab Wittig deshalb später dem Breslauer Kardinal die Schuld und verkannte die wahren Fronten. Im „Roman mit Gott“ war Bertram für Wittig der blutleere, skrupulante Dogmatiker, der das Gesetz über die Menschen stellte: Der Breslauer Vertreter des heidnischen Gottes, des ens a se, „streifte alle Formen des Lebens ab“, so Wittig. „Seine Gestalt verkrümmte, sein Antlitz versteinerte; er hätte sich zu den steinernen Figuren des Domportal und an den alten Epitaphien des Domes stellen können, und man hätte gemeint, er sei sein eigenes Denkmal. Es war mir längst glaubhaft berichtet worden, er habe eine solch starke Abneigung gegen mich, daß in seiner Gegenwart mein Name nicht mehr genannt werden dürfe.“105 Über Pacelli dachte Wittig hingegen später wie folgt: „Er war zur Zeit meiner Indizierung und Exkommunikation Nuntius in Berlin, und es war uns sehr glaubhaft zu wissen gekommen, daß er meine Disziplinierung nicht gebilligt hat.“106 Nun war 105 106

Joseph WITTIG, Roman mit Gott. Tagebuchblätter der Anfechtung, Stuttgart 1950, 69. Ebd. 80.

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Bertram ein Mann der Verwaltung und der Taktik, anders als Wittig; er wollte aber deren Spielräume zugunsten Wittigs nutzen, was Rom und Pacelli zunichte machten. Bei der Einforderung „unzweideutigen Bedauerns“, bei der „grave ammonizione“ mit der inexakten Verfasserangabe und beim Gesuch, Wittig zu entlassen, wurde er von Rom vorgeschickt; seine Verteidigungsversuche Wittigs verstimmten die Nuntiatur und das Heilige Offizium aber tief. c.) In welche theologiegeschichtlichen Weichenstellungen war der Fall Joseph Wittig von römischer Seite her eingebettet? Drei Implikationen gilt es am Ende zu konstatieren: 1) Als 1927 der 60. Geburtstag des verdienstvollen Hochlandherausgeber Carl Muth gefeiert wurde, gab es viele Ehrungen und Würdigungen, sogar eine Notiz im Osservatore Romano. Dies stieß den Gegnern Muths, auch dem Münchener Kardinal Michael Faulhaber (1869 – 1952), negativ auf; im Heiligen Offizium erinnerte man sich an die Verurteilung von 1911 und an diejenige Wittigs 1925 und 1926; deshalb musste der Osservatore widerrufen, indem er bekannt gab, dass das Hochland kirchlich 1911 verurteilt worden sei. Der Papst wünschte, dass die jesuitischen Stimmen der Zeit das Hochland widerlegten; beinahe hätte Muth einen jesuitischen Redakteur zwangsweise vorgesetzt bekommen.107 2) Das „Hochland“ mit dem Fall Wittig war neben Friedrich Heilers (1892 – 1967) Zeitschrift Una sancta auch ein wichtiger Anlass, dass das antimodernistische Heilige Offizium beim Papst eine antiökumenische Verhärtung bewirkte und durchsetzte. Während der Papst die ökumenischen Mechelner Gespräche um Kardinal Désiré-Joseph Mercier (1851 – 1926) anfangs noch guthieß, wurde Pius XI. immer ablehnender, schließlich kam es zur Enzyklika Mortalium animos von 1928, die den Absolutheitsanspruch der katholischen Kirche antiökumenisch betonte.108 3) Ende der 1920er Jahre wurden in Rom verschiedene Konzepte, die deutsche Theologie zu reformieren, diskutiert; Pacelli lehnte einen Plan des Bischofs und Anima-Rektors Alois Hudal (1885 – 1963), für alle deutschen Theologieprofessoren nach ihrem Studium in Deutschland ein Zusatzstudium 107

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Dies nach den römischen Akten, die ausgewertet sind bei BUSEMANN, Katholische Laienemanzipation (wie Anm. 22), 119-123. Vgl. Manuela BARBOLA, Genesi della Mortalium Animos, in: Pius XI: Keywords. International Conference Milan 2009. Hg. von Alberto GUASCO und Raffaela PERIN (= Christianity and History 7), Münster 2010, 313-322; Johan ICKX, L’enciclica “Mortalium animos” (1928): Sfide storiografiche in base al nuovo materiale archivistico della Santa Sede, in: La sollecitudine ecclesiale di Pio XI. Alle luce delle nuove fonti archivistiche. Atti del Convegno Internazionale di Studio Città del Vaticano, 26-28 febbraio 2009. Hg. Von Cosimo SEMERARO (= Pontificio comitato di scienze storiche. Atti e documenti 31), Vatikanstadt 2010.

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oder eine Habilitation in Rom zu fordern mit der Begründung ab: Seien die jungen Theologen in Deutschland erst einmal verdorben, helfe auch ein Romaufenthalt nichts mehr. Gerade dort würden sie dann zu den größten Spöttern: eines der Beispiele, die er vor seinen Augen hatte, war für ihn eben Joseph Wittig.109

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Vgl.: „E l’esperienza per quanto io sappia conferma che i sacerdoti della Germania, i quali nel passato si sono recati a Roma per completare gli studi già fatti in patria, non sono, generalmente parlando, tornati con una soda formazione nella filosofia e teologia scolastica e con particolare attaccamento alla S. Sede. Avendo già compiuto gli studi ordinari in preparazione al sacerdozio e, massime se si tratti di coloro che aspirano all’insegnamento, altresì quelli speciali per il conseguimento della laurea ‚tedesca’, non provano nì il bisogno nì l’interesse per una più profonda formazione speculativa e scolastica, ma si danno piuttosto a nuovi studi speciali, soprattuto storici, nei tesori degli Archivi di Roma, e, se pure si occupano alquanto del sistema scolastico, di cui non hanno mai anche un’idea chiara e completa, ciò li conduce piuttosto a disprezzare maggiormente gli studi ‚romani’ e ad esagere la stima di quelli fatti in Germania. ...“ Pacelli an Kardinalstaatssekretär Gasparri, 29. Februar 1928, ASV, ANB 67, fasc. 18, fol. 9r-13v, hier fol. 10rv. – Vgl. zum Ganzen: UNTERBURGER, Lehramt (wie Anm. 37), 362-368.

INGE STEINSTRÄßER

Ein Leben zwischen Kulmerland, Lemberg und Grüssau – Sr. Josepha Jettka OSB (1901 – 1981)1

„Mit großem Leid und schwerem Herzen teile ich Ihnen die traurige Nachricht mit, dass am 29.1.1981 unsere liebe und gute Sr. Jòzefa in ihrem 80-ten Lebensjahre und nach 55-jähriger Profess uns verlassen hat, sie folgte mit Lächeln auf den Lippen dem Rufe Gottes“,2 lautete im Februar 1981 eine kurze Mitteilung der Äbtissin von Grüssau/Krzeszów an die Benediktinerinnenabtei Frauenwörth im Chiemsee. Wer sich des Lebensweges der Benediktinerin Josepha Jettka OSB3 annimmt, wird sich zwangsläufig mit den politischen Umständen und Wirrnissen ihrer Zeit beschäftigen müssen. Jettka, Konventualin der Allerheiligenabtei Lemberg (poln. Llów), war nach der Aussiedlung des Konvents aus Galizien 1946 nach Grüssau/Niederschlesien gekommen. Ihre großen Verdienste zum Gelingen des schwierigen Übergangs von der deutschen Benediktinerabtei Grüssau zum polnischen Frauenkloster Krzeszów sind nicht zuletzt ihrer Herkunft aus dem Kulmerland geschuldet. In Jettkas Biografie spiegeln sich die Chancen und Konflikte des Grenzlandes, aber auch die Gegensätze zwischen Deutschen und Polen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder. Anhand Jettkas persönlichen Schicksals können geschichtliche Inhalte veran-

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Erstmals veröffentlicht in: Preußenland 3 (2012): Jahrbuch der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung und der Copernicus-Vereinigung für Geschichte und Landeskunde Westpreußens sowie Mitteilungen aus dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Privatsammlung Domitilla Veith (PrDV), Brief Äbtissin Alojza Dobek OSB, Krzeszów, 7. Februar 1981 an Äbtissin Domitilla Veith OSB, Abtei Frauenwörth im Chiemsee/Oberbayern. Domitilla Veith, gebürtig aus Striegau/Niederschlesien, war als junge Frau als Oblatin der Abtei Grüssau eng verbunden und stand mit Sr. Josepha Jettka über viele Jahre in gutem Kontakt. OSB = Ordo Sancti Benedicti.

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schaulicht und über das Moment des Personalen hinaus in den historischen Kontext gestellt werden. 4

Herkunft aus dem Kulmerland – jahrhundertealte Grenzregion Ein Blick auf die wechselvolle Geschichte des Kulmerlandes macht deutlich, wie die historische Region östlich der Weichsel, begrenzt von den Flüssen Drewenz im Süden und Ossa im Norden, im Laufe der Jahrhunderte immer wieder zum Spielball deutscher und polnischer Besitzansprüche wurde. Nach der Ersten Teilung Polens 1772 war das Kulmerland in die Provinz Westpreußen des Königreiches Preußen eingegliedert worden. 1807, nach der Niederlage Preußens gegen Frankreich, kam die Region an das Herzogtum Warschau. Nach den Befreiungskriegen fiel das Land 1815 wieder an Preußen zurück und gehörte bis 1920 zum Regierungsbezirk Marienwerder in der Provinz Westpreußen. Als Polen nach dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 zur staatlichen Souveränität zurückkehrte, wurde das Kulmerland durch den Friedensvertrag von Versailles wiederum dem neuen polnischen Staat zugeschlagen. Nach dem Überfall auf Polen im September 1939 gliederten die Nationalsozialisten die Region dem Deutschen Reich an, die polnische Bevölkerung wurde unterdrückt und teilweise in das Generalgouvernement abgeschoben. Nach der Kapitulation Deutschlands 1945 fiel das Kulmerland auf Grund der alliierten Beschlüsse wieder an Polen. Die deutsche Bevölkerung erlitt das Schicksal der Vertreibung. Die wechsel- und leidvolle Geschichte des Landes war allerdings nicht nur von den Gegensätzen der großen Politik bestimmt, sondern von vielen Menschen geprägt, die beide Nationalitäten in sich vereinigten, deutsch wie polnisch perfekt beherrschten und mit den Mentalitäten beider Volksgruppen vertraut waren. Es gab durchaus tragfähige familiäre Bindungen, Freundschaften und anderweitige gut nachbarschaftliche Kontakte zwischen Deutschen und Polen. Unter den bekannten Persönlichkeiten des Kulmerlandes ragt aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als wichtiger deutscher Repräsentant u.a. der SPD-Politiker Kurt Schumacher 5 hervor. Als Protagonisten 4

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S. Olaf HÄHNER, Historische Biographik. Die Entwicklung einer geschichtswissenschaftlichen Darstellungsform von der Antike bis ins 20. Jahrhundert. III. Die Grundformen historischer Biographik. Syntagmatisches und paradigmatisches Verhältnis (= Europäische Hochschulschriften, Reihe III. Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 829), Frankfurt a. M. 1999, 259. Kurt Schumacher, geb. 13. Oktober 1895 in Kulm, Westpreußen, gest. 20. August 1952 in Bonn. Parteivorsitzender der SPD von 1946 bis 1952 und SPD-Fraktionsvorsitzender sowie

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für die polnische Seite wären exemplarisch die Brüder Franciszek, Leon und Maksymilian Raszeja zu nennen.6 Alle vier Genannten waren gleichen Alters wie Jadwiga (Hedwig) Jettka, geboren am 2. Mai 1901 in Zembrze, Kreis Strasburg im Kulmerland (polnisch Ziemia chełmińska).7 Jettkas Lebensweg wird sich vermutlich an keiner Stelle mit dem ihrer prominenteren Altersgenossen gekreuzt haben, ist aber in ähnlicher Weise geprägt von den ethnischen und politischen Gegebenheiten der ehemaligen preußischen Provinz Westpreußen.

Kindheit und Jugendzeit in Zembrze und Graudenz, 1901-1919 Die am 7. Mai 1901 in Zembrze in deutscher Sprache ausgestellte Geburtsurkunde weist als Vornamen des Kindes den Namen „Hedwig“ aus.8 Sie gibt auch Auskunft über den Beruf des Vaters, eines gebürtigen Deutschen. Franz Jettka unterrichtete als ausgebildeter Lehrer und Schulleiter an der Volksschule in Zembrze und stand damit im preußischen Staatsdienst. Die Mutter, Marianna Jettka, geb. Grabowski, war polnischer Herkunft.9 Beide Eltern

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Oppositionsführer im ersten Deutschen Bundestag von 1949 bis 1952. Schumacher war maßgeblich am Wiederaufbau der SPD in Westdeutschland beteiligt. Er gehörte zu den Gründervätern der Bundesrepublik Deutschland, s. http://www.hdg.de/lemo/html/biografien/ SchumacherKurt/index.html [aufgesucht am 27.6.2012]; Peter MERSEBURGER, Der schwierige Deutsche Kurt Schumacher. Eine Biographie, Stuttgart 1995. Franciszek Raszeja, geb. 2. April 1896 in Kulm an der Weichsel (poln. Chełmno nad Wisłą), mit Kurt Schumacher während der gemeinsamen Gymnasialzeit gut befreundet. Mediziner und Hochschullehrer, Arzt in Posen, Habilitation 1931, 1939 Arzt in Warschau, organisierte im Warschauer Ghetto einen Blutspendedienst für die jüdische Bevölkerung, am 21. Juli 1942 in der Wohnung eines Patienten von der Gestapo erschossen. Leon Raszeja, geb. 26. Juni 1901 in Kulm, Jurist, 1936 – 1939 Stadtpräsident von Toruń (Thorn), starb während des deutschen Überfalls auf Polen am 9. September 1939 bei einem Bombenangriff auf Lublin. Maksymilian Raszeja, geb.10. März 1889 in Kulm, katholischer Theologe, Professor am Pelpliner Priesterseminar, Domkapitular, nach dem deutschen Überfall auf Polen am 12. September 1939 verhaftet und am 20. Oktober 1939 in Dirschau/Weichsel (poln.Tczew), erschossen, s. http://www.chelmno.info/raszeja.php [aufgesucht am 27.6.2012]. Nach Inkrafttreten des Versailler Vertrages am 10. Januar 1920 gehörte der Kreis Strasburg in Westpreußen als Powiat Brodnicki (Kreis Brodnica) dem neuen polnischen Staat an. Nach der deutschen Besetzung infolge des Polenfeldzuges wurde zum 26. November 1939 der Kreis Brodnica als Landkreis Strasburg i. Westpr. Teil des neu gebildeten Reichsgaus Westpreußen – später Danzig-Westpreußen – im Regierungsbezirk Marienwerder. Seit dem 25. Juni 1942 trug der Landkreis den Namen Strasburg (Westpr.). Von den im Jahre 1900 gezählten 57.000 Einwohnern waren etwa 19.000 Deutsche und 37.000 Polen, s. http://www.territorial.de/dawp/strasbg/landkrs.htm [aufgesucht am 27.6.2012]. Archiv der Allerheiligenabtei Lemberg/Grüssau (Lwów-Krzeszów), ArL/K, Personalakte Jòzefa Jadwiga Jettka OSB. Weitere Angaben zu den Eltern ließen sich nicht ermitteln.

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gehörten der römisch-katholischen Konfession an. Hedwig wurde am 7. Mai 1901 in der Pfarrkirche von Radosk (poln. Radoszki)10, ebenfalls Landkreis Strasburg, getauft. Während die deutsche Bevölkerung mehrheitlich dem Protestantismus angehörte, bekannten sich die Polen fast durchweg zum katholischen Glauben. Sie besaßen ein ausgeprägtes polnisches Nationalbewusstsein. Die katholische Religion stand für Identifikation mit dem Polentum, in Abgrenzung zu den orthodoxen Russen und den protestantischen Preußen. Hedwig wurde mit 7 Jahren eingeschult und besuchte zunächst die Volksschule in Neu Swierczyn (Nowe Świerczyny), einem Ortsteil von Zembrze. 1911 wechselte sie zu einer privaten Schule in Jablonowo, einer Kleinstadt im Landkreis Strasburg (poln. Jabłonowo Pomorskie).11 Von 1914 bis 1919 besuchte Hedwig die Viktoriaschule, ein deutsches Lyzeum mit Oberlyzeum in Graudenz (poln. Grudziądz). Als Wohnort der Familie ist Piecewo bei Jablonowo angegeben. Ob Hedwig in ihrer fünfjährigen Schulzeit das Los einer Fahrschülerin auf sich nehmen musste oder während der Unterrichtszeit in Graudenz als „Pensionsschülerin“ verblieb, ist nicht zu ermitteln. Es zeugt vom Weitblick der Eltern Jettka, ihren Kindern den Besuch einer weiterführenden Schule ermöglicht zu haben. Für die Denkweise der damaligen Zeit war dies nicht selbstverständlich. Mädchen wurden eher auf ihre künftige Rolle als Hausfrau und Mutter vorbereitet. Auch die drei anderen Töchter, Felicja, Aurelia und Ksaweria,12 scheinen eine qualifiziertere Schulausbildung genossen zu haben, was ihre stilistisch gut abgefassten Korrespondenzen unter Beweis stellen. Der ältere Bruder Alfons konnte später sein Medizinstudium abschließen und arbeitete als prak-

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1942-1945 erhielt der Ort während des Anschlusses an das Deutsche Reich den Namen Radebusch. ArL/K, Personalakte Jettka, handschriftlicher Lebenslauf, Przemyśl, 22. Februar 1937. Bei der Ersten Teilung Polens 1772 wurde Jablonowo Teil Preußens. 1807 bis 1815 war der Ort Teil des Herzogtums Warschau und fiel danach zurück an Preußen. Das heutige Jabłonowo Pomorskie entstand 1903 aus dem Zusammenschluss der beiden Gemeinden Jablonowo und Sadlinki (Sadlinken), die neue Gemeinde wurde nach dem kurz zuvor verstorbenen Oberpräsidenten Gustav von Goßler (1838 – 1902) in Goßlershausen umbenannt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Jabłonowo Pomorskie 1920 Teil des wiederentstandenen Polens. Das erste Schulgebäude der Stadt stammt aus dem Jahr 1900, s. www.verwaltungsgeschichte.de/dan_strasburg.html [aufgesucht am 27.6.2012]; www.johanneshuenig.de/Files/Gosslershausen.pdf [aufgesucht am 27.6.2012]. Felicja Jettka, geb.1897, war lange Jahre bei der polnischen Post beschäftigt. Als Pensionärin half sie im Pfarrbüro in Dirschau/Tczew aus. Aurelia Jettka, geb. 26. September 1906, lebte nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihrer Schwester Ksaweria in einer gemeinsamen Wohnung in Stettin/ Szczecin. Zu Ksaweria Jettka sind keine weiteren Daten zu ermitteln.

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tischer Arzt in Thorn.13 Belegt ist, dass sich die Geschwister Jettka hervorragend in der deutschen und polnischen Sprache auszudrücken wussten.14 Hedwigs Zeugnisse weisen gute Ergebnisse aus, mit einer auffälligen Begabung der Schülerin für Naturwissenschaften und Mathematik. Im April 1919 verließ sie das Lyzeum mit dem Abschlusszeugnis, verbunden mit den besten Wünschen des Lehrkörpers für ihre persönliche und berufliche Zukunft. Die Zeugnisnoten weisen allerdings, gemessen an den Vorjahren, auf einen starken Leistungsabfall hin. Obwohl Westpreußen im Gegensatz zu Ostpreußen im Ersten Weltkrieg nicht Kriegsschauplatz gewesen ist, mögen sich im Frühjahr 1919 die politischen Veränderungen und die ungewisse Zukunft der ethnisch gemischten Region auch auf die Befindlichkeit der nunmehr achtzehnjährigen Hedwig Jettka ausgewirkt haben.

Familie Jettka im polnisch gewordenen Thorn/Tórun, 1920 Als das Kulmerland nach dem Ersten Weltkrieg an Polen fiel, bekannte sich die Familie zum Polentum. Vater Jettka war 1919 zum Schulleiter in Thorn/Torún berufen worden. Aus Franz Jettka wurde Franciszek, aus Hedwig Jadwiga und aus Felicitas Felicja. Jadwiga wechselte vom deutschen Lyzeum in Graudenz zum polnischen humanistischen Gymnasium in Thorn (Gimnazjum Państwowe w Toruniu), einer Schule mit langer Tradition.15

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Über die Lebensdaten Alfons Jettkas und eines zweiten jüngeren Bruders, gest. 1982, sind keine weiteren Angaben zu ermitteln. Der preußische Staat hatte durch die Einrichtung von Simultanschulen versucht, die künftigen Untertanen in seinem Sinne zu erziehen und dauerhaft an sich zu binden. Deutsche und polnische Schüler, Protestanten und Katholiken sollten einander näher gebracht werden. Alle polnischen und kaschubischen Kinder mussten die deutsche Sprache erlernen. Diese Maßnahme eröffnete vielen Polen den Weg in höhere Schulen und Universitäten. Viele studierten auf Grund ihrer Sprachkenntnisse an deutschen Universitäten, s. Erich HOFFMANN, Theodor von Schön und die Gestaltung der Schule in Westpreußen, Marburg 1965. Die Anfänge des Gymnasiums reichen bis ins 16. Jhdt. zurück. Seit dem Mittelalter oblag die akademische Schulbildung in Thorn dem Franziskanerkloster. Dort soll Nikolaus Kopernikus seinen ersten Lateinunterricht erhalten haben. Nach der Reformation 1568 wurde ein evangelisch-akademisches Gymnasium gegründet. 1855 kam es zum stattlichen Neubau in der Strobandstraße, nunmehr Kopernikus-Gymnasium. Die Schule wurde seit 1920 als polnische Lehranstalt fortgeführt und besaß bis 1939 als einziges staatliches Gymnasium in den damaligen Wojewodschaften Posen und Pommerellen eine achtklassige deutsche Abteilung, s. Thea WOHLGEMUTH, Das deutsche Gymnasium in Thorn zwischen den beiden Weltkriegen, in: Kirchendienst Ost, Berlin 1963, 2f.

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Hätte Familie Jettka bei den polnischen Behörden um die deutsche Staatsbürgerschaft nachgesucht, wäre Hedwig/Jadwiga vermutlich in die deutsche Filiale des Gymnasiums aufgenommen worden. Der Bevölkerung, soweit sie vor 1908 in den bis dahin preußischen Provinzen Westpreußen und Posen ansässig war, blieb es anheim gestellt, sich innerhalb von zwei Jahren durch Option für die deutsche Staatsangehörigkeit zu entscheiden, anderenfalls wurde ihr automatisch die polnische Staatsbürgerschaft zugesprochen. 16 Für Franciszek Jettka stand die deutsche Staatsangehörigkeit jedoch nicht zur Diskussion, da er in diesem Falle die Schulleitung aufgeben und aus dem Staatsdienst hätte ausscheiden müssen. Auf Grund der ethnisch gemischten Familiensituation und der Existenzsicherung war die Entscheidung für die polnische Staatsangehörigkeit folgerichtig und nachvollziehbar. Über die politische Motivation Jettkas ist weiter nichts bekannt. Jedoch sprechen alle Anzeichen dafür, dass sein Bekenntnis zur polnischen Seite nicht nur beruflichen Zwecken entsprang, sondern auch seiner Grundüberzeugung entsprach. Jadwigas Lebenslauf ist zu entnehmen, dass sie das polnische Gymnasium auch nutzen wollte, um ihre schriftlichen Polnischkenntnisse zu verbessern.17 Während der Jahre im Graudenzer Lyzeum hatte sich die Schülerin ausschließlich im deutschen Sprachumfeld bewegt. Offenbar wurde auch in der Familie bisher überwiegend deutsch gesprochen. Alle schriftlichen Zeugnisse der nachmaligen Ordensfrau Josepha Jettka lassen auf eine erste Sozialisation in der deutschen Sprache schließen. Jadwigas letztes Zeugnis vom 20. Juni 1921 weist ein gutes Ergebnis auf. Keine Note fiel schlechter als befriedigend (dostateczny) aus. Etliche Fächer wurden mit sehr gut (bardzo dobry) bewertet. Latein, als unabdingbare Grundlage im Lehrplan eines humanistischen Gymnasiums, hatte sie privat erlernt. Im Abgangszeugnis ist ausdrücklich vermerkt, dass es sich bei Jadwiga Jettka um eine außergewöhnliche Schülerin handele.18 Die Versetzung in die 8. Klasse und damit die Aussicht, in einem Jahr das Abitur ablegen zu können, nahm sie jedoch nicht wahr. Jadwiga verließ die Schule, um sich einer praktischen Tätigkeit zuzuwenden. In ihrem Lebenslauf aus dem Jahre 1937 geht sie kurz auf die Gründe ein. Sie führt finanzielle Schwierigkeiten des Elternhauses an, die es ihr nicht mehr möglich machten, die Gymnasiallaufbahn fortzusetzen.19 16 17 18

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Ebenda, 3. ArL/K, Personalakte Jettka., handschriftlicher Lebenslauf. ArL/K, Personalakte Jettka, Abgangszeugnis des Humanistischen Gymnasiums Thorn vom 29. Juni 1921. Ebenda, handschriftlicher Lebenslauf.

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Die dienstlichen Bezüge Franciszek Jettkas schienen im polnischen Staatsdienst geringer dotiert gewesen zu sein als zuvor unter preußischen Bedingungen. Neben den Lebenshaltungskosten waren vom Gehalt des Vaters auch die Ausbildungskosten für sechs Kinder zu bestreiten. Von Juli 1921 bis August 1922 absolvierte Jadwiga eine buchhalterische Ausbildung bei der Bank Pomorski in Thorn.20 Eine anschließende berufliche Betätigung im Bankwesen ist wahrscheinlich, jedoch durch keine der zur Verfügung stehenden Quellenangaben zu belegen. Die Wohnung der Familie Jettka befand sich in der Neustadt in der Jakobstr. 15, unmittelbar neben der Jakobuskirche.21 Beide Eltern fühlten sich dem katholischen Glauben tief verbunden und ließen ihren Kindern eine fundierte religiöse Erziehung zuteil werden. Weitere Einflüsse auf die religiöse Haltung Jadwigas mögen im schulischen Bereich gelegen haben. Die Noten im Fach Religion sind in allen Zeugnissen mindestens gut bis sehr gut, ein Zeichen für das rege Interesse der Schülerin.

Eintritt in die Allerheiligenabtei Lemberg, 1924 Am 4. Juli 1924 trat Jadwiga Jettka als Postulantin22 in die Allerheiligenabtei23 der Benediktinerinnen in Lemberg (Lwów) in Galizien ein.24 Zwischen 20 21

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Ebenda, Zeugnis der Bank Pomorski für Jadwiga Jettka, Tórun (Thorn), 31. Juni 1922. Die St. Jakobuskirche, eine von drei gotischen Kirchen in der Stadt, die bis in unsere Zeit erhalten blieben, wurde 1309 als Pfarrkirche der Neustadt errichtet und 1997 zusammen mit der Altstadt in die Liste des Welterbes der UNESCO aufgenommen. Vom hohen Mittelalter an, bis auf einige Jahrzehnte der Unterbrechung durch die Reformation, gehörten Kirche und Konventsgebäude zum Besitz einer Benediktinerinnenkommunität. 1833 wurde das Kloster unter preußischer Herrschaft aufgelöst, s. Anna ZIEMLEWSKA / Andrzej SKOWROŃSKI, Thorn – unter den Flügeln des Engels, Toruń 2010, 52 ff. Postulantin = Anwärterin, Kandidatin. Die Zeit des Postulates ist eine Phase des Prüfens und Suchens. Hier erhält die Kandidatin eine Einführung in die klösterlichen Gewohnheiten und in monastische Spiritualität, s. Christian SCHÜTZ / Philippa RATH (Hg.), Der Benediktinerorden, Gott suchen in Gebet und Arbeit, Mainz 1994, 213. Allerheiligenabtei der Benediktinerinnen in Lemberg, 1596 als Stiftung des polnischen Adeligen Adam Szaporowski nach lateinischem Ritus gegründet, orientierte sich am Vorbild der Benediktinerinnenabtei Staniątki in der Erzdiözese Krakau. Staniątki, 1216 gegründet, wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach zerstört, jedoch nie aufgehoben, selbst nicht während der Zugehörigkeit zum Generalgouvernement 1939 – 1945, s. Władysław SZOŁDRSKI, C.SS.R.: Z dziejów opactwa benedyktynek łacińskich we Lwowie 1595 – 1945 i w Krzeszowie 1945 – 1970 (Zur Geschichte der lateinischen Benediktinerinnenabtei in Lemberg 1595 – 1945 und Grüssau 1945 – 1970) – (Diplomarbeit Päpstlich- Theol. Fakultät Breslau), maschinengeschriebenes Manuskript, Wrocław 1971. Lemberg (poln. Lwów, ukrainisch Lviv = Löwe) wurde 1256 erstmals erwähnt. Im 14. Jhdt. fiel die Stadt an Polen und gehörte Jahrhunderte lang zur polnisch-litauischen Adelsrepu-

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Thorn und Lemberg liegt eine räumliche Distanz von etwa 650 km. Es erhebt sich die Frage, warum Jadwiga Jettka sich ausgerechnet zum Eintritt in ein solch weit entferntes Kloster entschlossen hatte. Aus ihren schriftlichen Aufzeichnungen und Briefen ergeben sich dafür keine Anhaltspunkte. Es ist davon auszugehen, dass sie sich ganz bewusst für Lemberg entschieden hatte, um Abstand von zu Hause zu gewinnen. Dies dürfte weniger in einem Generationenkonflikt zwischen Eltern und Tochter begründet gewesen sein als vielmehr aus dem Bewusstsein heraus, sich aus der Ferne besser lösen zu können, um sich ganz auf ihren Weg als Ordensfrau zu konzentrieren.25 Aus allen späteren Verlautbarungen Jettkas geht hervor, dass sie ihren Ordensberuf sehr ernst nahm und ihren Klostereintritt als gottgewollten Akt ansah. Bei der Aufnahme ins Noviziat im Juni 1925 erhielt sie den Ordensnamen Josepha (Jòzefa). 1926 legte sie ihre zeitliche, auf drei Jahre begrenzte Profess ab, der 1929 die ewige Profess folgte, mit welcher sie sich endgültig an die Allerheiligenabtei band.26 In der Äbtissin Maria Izydora Kaliska27 fand Sr. Josepha eine überaus gebildete, sprachbegabte und belesene Vorgesetzte. Sie abonnierte für die junge Novizin deutsche monastische Zeitschriften, damit diese ihre deutschen Sprachkenntnisse nicht verlor. Kaliska baute die bereits seit 150 Jahren in der Trägerschaft des Klosters befindliche Volksschule in ein sich gut entwickelndes Gymnasium aus, an welchem sie selbst das Fach Deutsch unterrichtete. Das jüdische Leben in Lemberg profitierte von der 1867 erfolgten rechtlichen Gleichstellung der jüdischen Bürger, die damit Zugang zu allen Bildungseinrichtungen gewannen. Die habsburgische Regierung erhoffte sich von einer gebildeten jüdischen Bevölkerung eine Stärkung der deutschen

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blik. Nach der ersten polnischen Teilung kam Lemberg 1772 an Österreich und nach dem Ersten Weltkrieg wieder an Polen. Unter der Herrschaft der Habsburger war die Stadt Verwaltungszentrum der Region Galizien. Seit 1945 gehörte sie zur UdSSR und ist seit 1991 ukrainisch. Das historische Zentrum von Lemberg wurde 1998 in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen. Auskunft Äbtissin em. Domitilla Veith OSB an die Verfasserin am 13. August 2008. Profess, öffentliches Ablegen und feierliches Versprechen nach der Regel Benedikts in dieser Gemeinschaft zu leben, s. SCHÜTZ/RATH, Der Benediktinerorden, 213. Elźbieta Cohn (1870 – 1935), in Lemberg geboren als Tochter jüdischer Eltern. Ihr Vater Izydor Cohn war im Bankwesen tätig. Elźbieta ließ sich 1890 taufen und trat 1894 als Sr. Maria Izydora in die Allerheiligenabtei ein. Nach der Wahl zur Äbtissin, 1922, änderte sie ihren Namen in Kaliski. ArL/K, Kronika Sióstr Benedyktynek, 1922 r.

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Sprache und Kultur gegenüber dem voranschreitenden Trend zur Polonisierung Galiziens.28 Lemberg war in den frühen Zwanzigerjahren noch stark von der hundertfünfzigjährigen habsburgischen Herrschaft geprägt. In die zweite polnische Republik eingegliedert, bekannten sich im Jahre 1931 von 310.000 Einwohnern etwa die Hälfte zur polnischen Nationalität, ein Drittel waren Juden, 15 % Ukrainer, dazu Deutsche und katholische Armenier.29 In den Zwischenkriegsjahren galt die Stadt sowohl als eine Hochburg polnischer Kultur als auch als ein Brennpunkt ukrainischen Nationalgefühls. Im Hintergrund blieb jedoch auch die habsburgische Identität präsent. Die meisten Konventualinnen der Allerheiligenabtei waren Polinnen. Nur einige wenige Deutsche fanden den Weg in die Kommunität. Josepha Jettka lebte also im Umfeld ethnisch gemischter Nationalitäten, mit einem ähnlich gelagerten Konfliktpotenzial wie in Westpreußen. Eines der wichtigsten Ereignisse der Zwischenkriegszeit war für die Lemberger Benediktinerinnen die seit langem erwartete neuen Konstitution für die polnische „Kongregation der Benediktinerinnen der Unbefleckten Empfängnis der Allerseligsten Jungfrau“ durch Papst Pius XI. am 21. Juni 1932.30 Zum Visitator wurde Abt Ernst Vykoukal31 von Emaus/Prag ernannt.32 Zur Kongregation gehörten neben Lemberg die Abteien Staniątki bei Krakau, Przemysl (Przemyśl), Wilna (Wilno), Lomza (Łomża) und Nieswiez. Zum Zeitpunkt des Eintritts Jettkas hatte sich die wirtschaftliche Situation in Lemberg kontinuierlich verschlechtert. Nachdem in der zweiten Hälfte des

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S. Hermann SIMON / Irene STRATENWERTH / Ronald HINRICHS, Lemberg wird Metropole, in: DIES. (Hg.), Lemberg – eine Reise nach Europa, Berlin 2007, 27; vgl. Martin POLLACK, Drohobycz – das galizische Pennsylvanien, in: Galizien. Eine Reise durch die verschwundene Welt Ostgaliziens und der Bukowina, Frankfurt a.M. u.a. 2001, 42ff. Angaben nach SIMON/STRATENWERTH/HINRICHS, Lemberg, 42. Kongregation = Zusammenschluss mehrerer selbstständiger Klöster zu einem Verband. Eine Verbindung der Klöster wird durch die gemeinsamen Konstitutionen, durch das Generalkapitel und die Kongregationsleitung hergestellt, wobei jedes Kloster sein eigenes Profil einbringen kann, s. www.orden-online.de/wissen/k/kongregation; ArL/K, Kronika Sióstr Benedyktynek [aufgesucht am 27.6.2012], 1932 r. Ernst (Arnošt) Vykoukal OSB (1879 – 1942), von 1925 bis 1942 Abt des Klosters Emaus in Prag, 1942 umgekommen im KZ Dachau. Emaus, Benediktinerabtei in der Prager Neustadt, gegründet 1347 von Kaiser Karl IV. für den slawischen Ritus,1880 mit Mönchen aus Beuron neu besiedelt. 1941 von den Nationalsozialisten aufgelöst, nach Kriegsende Wiederaufbau, 1950 von den Kommunisten wiederum aufgehoben, 1995 Wiederaufnahme des klösterlichen Lebens mit Unterstützung der Abtei Břevnov, Prag, s. Stefan PETZOLT, Art. Emaus, in: Lexikon für Theologie und Kirche (LThK), 3. Aufl., Bd. 3, Sonderausgabe, Freiburg 2006, Sp. 621.

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19. Jahrhunderts die Stadt durch Erdölfunde im nahen Borysław33 zu wirtschaftlichem Aufschwung gelangt war, stieg als Folge der Weltwirtschaftskrise in den späten Zwanzigerjahren die Zahl der Arbeitslosen. Die Industrie stagnierte, in der Fabrikation war Kurzarbeit an der Tagesordnung. Die allgemeine schlechte Lage ging auch an der Allerheiligenabtei nicht spurlos vorüber. Die staatliche Schulbehörde hatte den Neubau eines Gymnasiums verlangt und drohte dem Orden bei Nichterfüllung mit dem Entzug der Trägerschaft. Den Benediktinerinnen fehlte jedoch das Geld, so dass sie nur unter Aufbietung aller Kräfte der Aufforderung der Behörde nachkommen konnten. Der Schulneubau wurde am 5. März 1935 eingeweiht.34 Wenige Wochen später verstarb Äbtissin Kaliska. Zur Nachfolgerin wurde im August 1935 die bisherige Priorin Frau Janina Szymańska35 gewählt. Der Konvent zählte zu dieser Zeit 17 Chorschwestern, 22 Konversen, eine Novizin und eine Postulantin36. Sr. Josepha Jettka hatte von 1926 bis 1934 in der Kanzlei des Klosters gearbeitet, wo sie ihre in Thorn erworbenen buchhalterischen Kenntnisse effektiv einsetzen konnte. In der schwierigen wirtschaftlichen Phase zeigten sich ihre organisatorischen Fähigkeiten und ihre Begabung, mit Zahlen umzugehen. Offenbar besaß sie aber neben ihrer Kompetenz in Verwaltungsaufgaben auch noch fundierte theologische und monastische Kenntnisse sowie ein Gespür für die Belange des Ordensnachwuchses. Anderenfalls wäre sie 1934 nicht zur Novizenmeisterin ernannt worden. Sie übte dieses Amt bis zum Kriegsausbruch 1939 aus. Offenbar hatte sie sich während der Jahre ihrer Zugehörigkeit zum Lemberger Konvent schon länger mit dem Gedanken getragen, doch noch den Gymnasialabschluss zu erlangen, der ihr in Thorn versagt geblieben war. Eine Gelegenheit zur Erfüllung ihres Wunsches ergab sich, als die junge Postulantin Bronisława Orłowska37, 1936 ihre Schulausbildung am Gymnasi-

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Stadt im Karpatenvorland, südlich der Bezirkshauptstadt Lemberg, eines der damals weltweit bedeutendsten Zentren der Erdölförderung. ArL/K, Kronika Sióstr Benedyktynek, 1935 r. Szymańska, Janina (Stanisława) OSB, geb. 11. Juni 1889 in Lemberg, 1915 Profess, 1935 zur Äbtissin geweiht durch Erzbischof Twardowski, gest. 21. Oktober 1978 in Grüssau, ebenda. Twardowski, Bolesław (1864 – 1944), geb. in Lemberg, ab 1918 Weihbischof in Lemberg, 1923 – 1944 Erzbischof von Lemberg, s. http://www.apostolische-nachfolge.de /ernennung_ 1923.htm [aufgesucht am 27.6.2012]. ArL/K, Kronika Sióstr Benedyktynek, 1935 r. Bronisława Orłowska, (1919 – 2004), als Sr. Ewangelista Benediktinerin der Allerheiligenabtei Lemberg, Profess 1938. Sie kam 1946 mit dem Konvent nach Grüssau und versah hier über viele Jahre das Amt der Sakristanin, s. Inge STEINSTRÄßER, Wanderer zwischen den

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um der Benediktinerinnen in Przemyśl fortsetzen sollte. Mit Genehmigung der Äbtissin Janina übersiedelten beide Frauen in den Benediktinerinnenkonvent Przemyśl und besuchten von hier aus das Klostergymnasium. Josepha Jettka, bereits im 35. Lebensjahr, nahm zunächst den Status einer Gasthörerin ein. In ihrer Personalakte befindet sich der handschriftliche Entwurf eines Antrages des Konvents der Benediktinerinnen in Lemberg an das Ministerium für Religion und Kultur in Warschau, mit der Bitte, Jadwiga Jettka am Gymnasium der Benediktinerinnen in Przemyśl zum Besuch der 8. Klasse zuzulassen.38 Die schulischen Voraussetzungen unterschieden sich jedoch gravierend von denen in Thorn unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg. In Jettkas Lebenslauf vom Februar 1937, der dem Antrag an das Ministerium ergänzend hinzugefügt werden sollte, weist sie nochmals ausdrücklich darauf hin, dass sie den größten Teil ihrer vorhergehenden Schulzeit in der deutschen Unterrichtssprache absolviert hatte.39 Letztlich war sie den Anforderungen der neuen polnischen Lehrpläne nicht gewachsen und musste auf eine Fortsetzung ihrer schulischen Ausbildung verzichten. Der Direktor des Gymnasiums in Przemyśl attestierte ihr lediglich den erfolgreichen Besuch eines Kurses in Philosophie und Ethik.40 Am 20. April 1937 kehrte sie in die klösterliche Gemeinschaft nach Lemberg zurück.

Kriegsausbruch 1939, Rückkehr ins Elternhaus nach Thorn Nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens war Lemberg von 1939 bis 1941 in die Ukrainische Sowjetrepublik eingegliedert worden. Nach Hitlers Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 wurde Lemberg Hauptstadt des Distrikts Galizien, als Teil des deutschen Generalgouvernements. Die Bevölkerung litt unter beiden Besatzungen schwer. Verhaftungen, Gewaltakte und Deportationen waren an der Tagesordnung. Der Konvent erlebte drangvoll den mehrfachen Wechsel von der deutschen zur sowjetischen Besetzung. 41

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politischen Mächten – P. Nikolaus von Lutterotti OSB (1892 – 1955) und die Abtei Grüssau in Niederschlesien, Köln u.a. 2009, 41. ArL/K, Personalakte Jettka, handschriftlicher Entwurf eines Antrages des Konvents der Benediktinerinnen in Lemberg an das Ministerium für Religion und Kultur in Warschau, 1937, ohne Tag und Monat. Der Antrag wurde offiziell nie gestellt. Ebenda, handschriftlicher Lebenslauf. Ebenda, s. Anm. 37. Zu den Kriegsgeschehnissen, vgl. SZOŁDRSKI: Z dziejów, 45-53.

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Äbtissin Janina griff in der Not zu einer außergewöhnlichen Maßnahme. Sie schickte auf Anraten des Erzbischofs von Lemberg Eugeniusz Baziak42 einen großen Teil der jüngeren Konventualinnen in ihre Heimatorte zurück, um sie vor den täglich drohenden Gefahren zu schützen. Ein kleinerer Teil der Schwestern verblieb mit der Äbtissin in Lemberg. Etliche Schwestern wichen in die Abteien Staniątki und Przemyśl aus. 43 In den Konventsgebäuden wurde ein Altersheim untergebracht. Einige Konventualinnen übernahmen dabei die Betreuung der alten Menschen, andere wurden dienstverpflichtet und mussten unter harten Bedingungen die Wäsche des Militärs besorgen. Dies sicherte nicht nur einen notdürftigen Lebensunterhalt, sondern ermöglichte auch die Erlaubnis zum weiteren Aufenthalt in der Abtei. Josepha Jettka kehrte Anfang November 1939 in ihre Heimatstadt Thorn zurück. Im Auftrag der Äbtissin Janina führte sie während der gesamten Kriegszeit eine Korrespondenz mit Abtprimas Fidelis von Stotzingen OSB in Rom,44 um ihn über die Lage des Lemberger Konvents sowie über die allgemeine Situation in Polen zu unterrichten. Vom deutsch besetzten Thorn war der Briefverkehr mit Rom unkomplizierter als von Galizien, zumindest so lange Italien politischer Bündnispartner des Deutschen Reiches blieb.45 Gleichwohl unterlagen die Informationen einer gewissen Geheimhaltung. Bei Entdeckung durch die allgegenwärtige Gestapo hätte Jettka mit unliebsamen Folgen rechnen müssen. Im ersten Brief vom Januar 1940 berichtete sie, dass sich bei ihrer Abreise noch etwa die Hälfte der Klosterfrauen in der Abtei befunden hätten, jedoch täglich mit ihrem Exodus rechnen mussten : „Auch ich wollte zu den Letzten gehören, aber die russische Grenze war nur auf einige Tage geöffnet, und ich musste aus Gehorsam die Gelegenheit ausnutzen, um sicher nach Pommerellen zu meinen Eltern zu gelangen.“46 42

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Eugeniusz Baziak (1890 – 1962), geb. in Tarnopol, Priesterweihe 1912, 1933 Weihbischof von Lemberg, 1944 Koadjutor Erzbischof Twardowskis, 1945 Erzbischof von Lemberg. Nach der Vertreibung aus Lemberg 1946 Amtssitz in Lubaszów, von dort Verwaltung des bei Polen verbliebenen kleinen Restteils der Erzdiözese Lemberg, 1951 Apostolischer Administrator von Krakau, unter Beibehaltung der Funktion eines Erzbischofs von Lemberg. Baziak erteilte u.a. Karol Wojtyła, dem späteren Papst Johannes Paul II. die Priesterweihe, s. www.lwow.com.pl/naszdziennik/baziak.html [aufgesucht am 27.6.2012]. S. ArL/K. Kronika Sióstr Benedyktynek, 1940 r. Fidelis Freiherr von Stotzingen, OSB (1871 – 1947), 1901 – 1913 Abt von Maria Laach, 1913 – 1947 Abtprimas der Benediktinischen Konföderation. Im Herbst 1943 schied Italien aus dem Verbund der Achsenmächte aus, schloss sich den Alliierten an und erklärte Deutschland den Krieg. Archiv Abtprimas (AAbtpr), Collegio San Anselmo, Roma, Akte Tyniec-Maredsous, Brief Josepha Jettka (J.J.) an Abtprimas Fidelis von Stotzingen OSB, Thorn, 15. Januar 1940.

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Obwohl sie sich über die Begegnung mit Eltern und Geschwistern freute, fiel ihr der Abschied aus der klösterlichen Gemeinschaft nicht leicht. „Es ist schwer, nach so vielen Jahren sich wieder in die Welt hineinzuleben, aber der Wille Gottes muss erfüllt werden.“47 Ein halbes Jahr später nach der Ankunft in Thorn traf die Familie ein erster schwerer Schicksalsschlag. Mutter Jettka verstarb plötzlich und wurde von allen sehr betrauert.

Unter deutscher Besatzung 1940-1945 Die Familie bekam alsbald die Folgen der deutschen Besatzungspolitik zu spüren. Das besondere Augenmerk der Nationalsozialisten galt zunächst der „Ausrottung“ der polnischen Bildungsschicht. Josepha, die seit ihrer Rückkehr nach Thorn amtlich wieder ihren deutschen Vornamen Hedwig tragen musste,48 hatte zunächst als Assistentin in der ärztlichen Ambulanz ihres Bruders Alfons ausgeholfen. Als dieser im Mai 1940 ohne Angabe von Gründen verhaftet und ins Konzentrationslager Hamburg-Neuengamme49 deportiert wurde, wo er am 31. Januar 1941 verstarb, fand Jettka im Oktober 1940 eine Arbeit als Buchhalterin in Thorn.50 Bis zu seiner Verhaftung war Alfons der einzige Ernährer der Familie gewesen. Nun musste Josepha den Unterhalt der Familie bestreiten, welche noch aus dem Vater, den drei Schwestern und einem weiteren jüngeren Bruder bestand. Dieser wurde schließlich auch verhaftet, konnte jedoch dem Schicksal des älteren Bruders entgehen.51 Auch Felicja Jettka war für eine gewisse Zeit in einem Konzentrationslager inhaftiert.52 47 48 49

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Ebenda. ArL/K, Personalakte Jettka, Ausweiskarte der Stadt Thorn vom 31. Dezember 1939. Das Konzentrationslager Neuengamme wurde 1938 zunächst als Außenlager des KZ Sachsenhausen errichtet und seit 1940 als selbständiges Konzentrationslager geführt. Die Häftlinge mussten Zwangsarbeit für die auf dem Gelände befindliche Ziegelei, in der Rüstungsindustrie und beim Bau militärischer Anlagen leisten. Von den bis 1945 dort gefangen gehaltenen ca. 100.000 Menschen aus Deutschland (9 %) und den besetzten Ländern (91 %) verloren mindestens 50.000 in der Folge der unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen und durch direkte Morde ihr Leben, s. www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de [aufgesucht am 27.6.2012]. ArAbtpr., Brief J.J. an Abtprimas, Thorn, Advent 1940. ArAbtpr., Brief J.J. an Abtprimas, Tettenweis, 21. Juli 1943. Während der Periode des Kriegsrechts in der Volksrepublik Polen 1981 – 1983 (poln. Stan Wojenny) äußerte Felicja sich zu ihrem KZ-Aufenthalt anlässlich der Briefzensur: „Cenzoriwano, fühle mich beschränkt in meiner Persönlichkeit. Erinnere mich an die Zeit im KZ. Man ist machtlos und muss c i c h o sein.“ (poln. cicho byc = still sein), Privatsammlung Abt em. Dr. Adalbert Kurzeja OSB, Maria Laach (PKur), Mappe Korrespondenzen, Adalbert Kurzeja-Josepha Jettka, 1956 – 1979, darin: Korrespondenzen P. Adalbert Kurzeja mit Fe-

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Die Arbeit im Büro sagte Josepha Jettka im Prinzip zu. Eine Rückkehr nach Lemberg, die sie sich sehnlichst wünschte, war jedoch unmöglich. „Meine Beschäftigung ist sehr angenehm, und die Zeit verläuft einem sehr schnell, aber dennoch sehne ich mich immer mehr nach meinem früheren Leben. Niemand und nichts kann uns das, noch was man vermisst, ersetzen, und wenn es uns auch so gut geht. Am liebsten möchte ich in mein liebes Kl(oster) nach L(emberg)53 zurück, aber daran kann ich vorläufig nicht denken. Ich will nicht klagen, den hl. Willen Gottes will ich immer und überall erfüllen(…).54 Neben der Büroarbeit erteilte Jettka im Verborgenen Religionsunterricht für polnische Kinder. Angesichts der deutschen Besatzungspolitik und des Versuchs, neben der allgemeinen Bildung auch die religiöse Unterweisung der polnischen Kinder einzuschränken, ist dieses Engagement nicht hoch genug anzuerkennen. Dem Zeugnis ihrer Schwester Felicja ist darüber zu entnehmen, dass Josephas praktische Ausrichtung sich auch in der politisch heiklen Situation in Thorn bewies: „Als sie während der Kriegszeit zu Hause, in Thorn war – sie erteilte Religionsunterricht und jeden Groschen sparte sie, kaufte einen Reisekorb und später praktische Gegenstände für die Wirtschaft mit dem Gedanken, dass das Kloster später mal alles gebrauchen würde, jede Sache die sie bekam, packte sie in den Korb, den sie später auch mitnahm.“55 Durch Vermittlung eines zur Wehrmacht eingezogenen Ordensgeistlichen56 aus der Abtei Gerleve57 und über P. Stephan Kainz OSB58 aus der Abtei Scheyern/Obb,59 konnte Sr. Josepha insgesamt vier mehrwöchige Ferien- und Erholungsaufenthalte in der Benediktinerinnenabtei St. Gertrud,

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licja und Aurelia Jettka, 1958 – 1982, Brief Felicja Jettka an Kurzeja, Grüssau/Krzeszów, 27. Juli 1982. Ergänzungen von der Verfasserin eingefügt. ArAbtpr., Brief J.J. an Abtprimas, Thorn, 15. März 1940. PKur, Mappe Korrespondenzen, Brief Felicja Jettka an Kurzeja, Tczew/Dirschau, 30. März 1981. Hierbei könnte es sich um P. Bernhard Dicks OSB gehandelt haben, der sich als Soldat für geraume Zeit in Allenstein aufhielt und möglicherweise in Thorn mit der Familie Jettka in Berührung gekommen war; Auskunft von P. Bartholomäus Denz OSB, Archivar der Abtei Gerleve, am 28. März 2012. Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck/Westfalen, gegr. 1899 von der Erzabtei Beuron, seit 1904 selbstständige Abtei. P. Stephan Kainz OSB (1874 – 1954), Benediktiner der Abtei Scheyern, Profess 1898, Priesterweihe 1902, Subprior, Eleemosynarius (Almosner), Lehrer am Stiftsgymnasium, s. Catalogus Monachorum der Bayerischen Benediktinerkongregation von 1954 und 1955, Abtei Scheyern. Benediktinerabtei Maria Himmelfahrt und zum Heiligen Kreuz Scheyern, Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm, Erzdiözese München und Freising, gegr. um 1077, Hauskloster der Wittelsbacher, 1803 aufgehoben, Wiederbegründung als Propstei 1838, seit 1842 Abtei.

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Tettenweis/Ndb.60 verbringen, und zwar in den Monaten August 1941 und 1942 sowie im Juli 1943 und 194461. Sie fand dort gastliche Aufnahme und setzte auch von hier aus ihre Korrespondenz mit Abtprimas Fidelis fort. Die Klosterchronik von Tettenweis macht unter dem 16. August 1941 auf die schwierige persönliche Situation des Gastes aufmerksam: “Sr. Josefa ist seit zwei Jahren exclausuriert, mußte als Deutsche in den Kriegsjahren das Kloster verlassen und auf Anraten des Bischofs und ihrer Fr. Äbtissin flüchten auf unbestimmte Zeiten. Fr. Josefa hat im weltlichen Kleid die große Sehnsucht nach dem Kloster im Herzen tragend (…) machte im Chor begeistert mit, erzählte in den Rekreationen viel Liebes und Schönes aus ihrer Abtei und auch viel Schreckliches aus der Kriegszeit. Lemberg war ja schwer mitgenommen worden.“62 Beim vorletzten Aufenthalt, im Juli 1943, äußerte sie dem Abtprimas gegenüber ihren letztlich unerfüllbaren Wunsch, für die Dauer des Krieges ganz in Tettenweis bleiben zu dürfen. Die Nachrichten aus Lemberg flossen nur spärlich und waren gekennzeichnet von der Last des Kriegsalltages sowie der Sorge um den in alle Winde zerstreuten Konvent. Gegen Ende des Krieges brach auch der Briefverkehr mit Rom ab. Eine letzte Information über das weitere Schicksal Jettkas ist einer Notiz der Tettenweiser Chronik vom 28. Juli 1944 zu entnehmen: „An diesem Tage nahm Fr. Josefa Abschied, um in ein ungewisses Dunkel hineinzufahren. Waren doch die Russen so nahe gerückt.“63 Die Einnahme der Stadt Thorn durch die Rote Armee im Januar 1945, Kriegsende und Zusammenbruch des Deutschen Reiches sowie die Wiedereingliederung der Region in den polnischen Staat im März 1945, jetzt Woiwodschaft Großpommern (Województwo Wielkopomorskie), erlebte Josepha Jettka bei ihrer Familie in Thorn. Nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerungsgruppe kam das jahrhundertelange deutsch-polnische Zusammenleben in der Stadt unwiderruflich zum Erliegen.64

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Benediktinerinnenabtei St. Gertrud Tettenweis/Niederbayern, eine Neugründung der Abtei Frauenwörth/Chiemsee, 1899. Das Kloster wurde unter das Patronat der Heiligen Gertrud von Helfta gestellt. S. Archiv der Benediktinerinnenabtei St. Gertrud Tettenweis (ArT), Auszüge aus den Jahreschroniken vom 16. August 1941, August 1942, 10. Juli 1943, 14. Juli 1944, mit freundlicher Genehmigung der Archivarin Sr. Teresa Böcker OSB am 2. März 2012. ArT, Jahreschronik 1941. ArT, Jahreschronik 1944. Unter den vertriebenen bzw. spät ausgesiedelten Deutschen befanden sich auch Verwandte des Vaters Jettka, s. PrDV, Mappe Korrespondenzen Domitilla Veith-Josepha, Felicja und Aurelia Jettka, Brief Aurelia Jettka an Isabella Knips, Postulantin in Frauenwörth, Szczecin, 27. Juni 1981.

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Von Lemberg über Lubin/Posen nach Grüssau/Niederschlesien 1945-1946 Wann in diesen Tagen eine Kontaktaufnahme mit der Äbtissin in Lemberg erfolgt war, ist nicht zu ermitteln. Im August 1945 kehrte Jettka in das Allerheiligenkloster nach Lemberg zurück. Die Sowjetisierung der Stadt war in vollem Gange. Stalin hatte bei den Verbündeten seine Interessen durchgesetzt und beanspruchte weiterhin die im Geheimen Zusatzprotokoll des DeutschSowjetischen Nichtangriffspaktes festgelegten Gebietszuwächse im östlichen Europa.65 Im Laufe des Jahres 1945 kristallisierte es sich heraus, dass ein weiterer Verbleib in der Stadt für den Konvent unmöglich wurde, da ein polnisches Benediktinerinnenkloster in der kommunistischen Sowjetunion keine Überlebenschance besessen hätte. Im Januar 1946 ließen sich die Schwestern der Allerheiligenabtei daher auf Rat Erzbischof Baziaks zur Ausreise registrieren. Konventualinnen, die sich nicht vormerken lassen wollten, mussten mit ihrem Abtransport in ein sowjetisches Lager rechnen.66 Für die Überführung in die Oder-Neiße-Gebiete erfanden die polnischen Kommunisten den Begriff „Repatriierung“, d.h. Heimkehr ins Vaterland. Aus nationalpolnischer Sicht durften die neu gewonnenen Regionen im Westen ausdrücklich nicht als Kompensation für die verlorenen im Osten betrachtet werden, sondern sie wurden als „wiedergewonnene,“ urpolnische Gebiete dargestellt. Schon in der Zwischenkriegszeit hatte diese Vorstellung Eingang in die Zielvorstellungen vieler polnischer politischer Gruppierungen gefunden.67 65

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Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt, Vertragsabschluss am 24. August 1939 in Moskau. „Geheimes Zusatzprotokoll“: Aufteilung Polens (vierte Teilung) längs der Flüsse Narew, Weichsel und San; Finnland, Lettland und Estland werden der sowjetischen, Litauen der deutschen Einflusszone zugerechnet; Bessarabien wird dem Interessensgebiet der Sowjets zugeschrieben, s. www.ns-archiv.de/krieg/sowjetunion/vertrag/nichtangriffspakt.php [aufgesucht am 27.6.2012]. ArL/K, Kronika Sióstr Benedyktynek, 1946 r. (ab Jahrgang 1946 niedergelegt in Grüssau), 53, s. Adam ZAGAJEWSKI, Der Osten im Westen, in: SIMON/STRATENWERTH/HINRICHS, Lemberg, 84-91. Der Ministerpräsident im Exil, Władysław Sikorski, forderte unter Berufung auf historisches polnisches Recht, dass die polnischen Streitkräfte mit neuen Waffen Danzig, Ostpreußen und die deutschen Teile Oberschlesiens unter Austreibung der Deutschen auf wirksamste Weise erobern sollten, dabei sollte die Oder neue Westgrenze Polens werden. Sikorski erarbeitete gemeinsam mit Edward Beneš den Plan einer Konföderation mit Großbritannien als Schutzmacht. Er beanspruchte dabei im Osten die polnischen Vorkriegsgrenzen, vgl. Eugeniusz DURACZYNSKI, Rząd Polski na uchodźtwie 1939-1945 (Die polnische Regierung in der Emigration 1939-1944), Warszawa 1993, S. 291; Mieczysław TOMALA, Deutschland – von Polen gesehen, zu den deutsch-polnischen Beziehungen 1945-1990, Marburg 2000, S. 36-51.

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Die Lemberger Benediktinerinnen interessierten sich zunächst für das ehemalige Benediktinerinnenkloster Jarosław im Karpatenvorland.68 Als sich dieser Plan nicht verwirklichen ließ, fassten sie das Priorat Lubin im Posener Land ins Auge, das seit Kriegsende leer stand.69 Ein Neubeginn in Lubin schien dem Lemberger Konvent aussichtsreich. Zunächst wurden im März 1946 zwei Konventualinnen zur Erkundung ausgesandt. Die Benediktinerinnen strebten eine rasche Wiederbelebung des monastischen Lebens an und hofften, vor Ort ein ähnliches Betätigungsfeld wie in Lemberg aufbauen zu können70. Nach und nach trafen in kleinen Gruppen weitere Schwestern in Lubin ein und begannen mit der Aufbauarbeit. Chorfrau Josepha Jettka befand sich bereits seit Dezember 1945 vor Ort und widmete sich tatkräftig der Gründung einer Kindestagesstätte und einer Haushaltungsschule.71 Obwohl Jettka in Lubin hervorragende Vorarbeit geleistet hatte, erwiesen sich die dortigen Lebensbedingungen auf Dauer als ungeeignet für den großen Konvent.72 Die Räumlichkeiten waren zu klein und zu eng und die wirtschaftliche Perspektive ungewiss. In Absprache mit dem Visitator für die polnischen Benediktinerinnen, dem Belgier P. Karl van Oost OSB, 73 Prior der Abtei Tyniec74 und Kardinal August Hlond 75 wurde nun im Frühjahr 1946 die Abtei Grüssau in Niederschlesien76 ins Auge gefasst.77 68

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Jarosław, polnisches Benediktinerkloster im Karpatenvorland (poln. Województwo Podkarpackie), aufgehoben durch Kaiser Joseph II. Das Benediktinerpriorat „Mariä Geburt“ Lubin bei Posen wurde 1926 von der Abtei Emaus gegründet. Bis auf einen Mönch waren alle Konventualen dem nationalsozialistischen Terror zum Opfer gefallen bzw. durch Kriegshandlungen ums Leben gekommen, s. STEINSTRÄßER, Wanderer zwischen den politischen Mächten, 276. ArL/K, Kronika Sióstr Benedyktynek, 1946 r., 272. Ebenda. Vgl. SZOŁDRSKI, Z dziejów, 55. P. Karl van Oost, OSB (1890 – 1986), Benediktiner der Abtei St. André-lez-Bruges, Belgien, Prior von Tyniec, Apostolischer Visitator für die polnischen Benediktinerinnen 1946 – 1953. Benediktinerabtei Tyniec b. Krakau, gegr. um 1044 von Piastenherzog Kasimir I, dem Erneuerer, Sohn des Königs Mieszko II. und der Königin Richeza. Tyniec wurde erstmals besiedelt mit Benediktinermönchen aus Brauweiler b. Köln, 1816 aufgehoben. 1939 Neugründung als Priorat der Benediktinerabtei St. André-lez-Bruges (Brügge), Belgien, 1940 – 1945 von den Nationalsozialisten aufgehoben, nach 1945 Wiederaufbau, 1968 Erhebung in den Rang einer Abtei, s. http://www.tyniec.benedyktyni.pl/de/geschichte [aufgesucht am 27.6.2012]. August Hlond (1881 – 1948), SDB, Dr. theol., geb. in Brzentskowitz/OS, 1905 Priesterweihe in Krakau, Auslandsaufenthalte in Wien und Rom, 1922 Apostolischer Administrator für das polnisch gewordene Ostoberschlesien in Kattowitz, 1925 Bischof von Kattowitz, 1926 Erzbischof von Posen und Gnesen und Berufung zum Primas von Polen, 1927 Kardinal, 1939 Flucht über Rumänien nach Rom, 1940 – 1944 Aufenthalt in Frankreich, Verhaftung

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Die Nonnen erfuhren allerdings erst am Zielort Lubin von ihrem neuen Aufenthaltsort und waren völlig überrascht.78

Zusammenarbeit mit dem kleinen deutschen Restkonvent der Benediktiner in Grüssau 1946-1954 Der bisherige deutsche Benediktinerkonvent in Grüssau stand kurz vor der Ausweisung und stimmte einer Aufnahme der Mitschwestern ausdrücklich zu. 79 Nach dem Exodus der deutschen Mönche am 12. Mai 1946 durften in Grüssau nur vier Konventualen anderer Nationalität zurückbleiben, vor allem der Prior P. Nikolaus von Lutterotti OSB, ein gebürtiger Südtiroler mit italienischem Pass.80 Am 31. Mai 1946, sechzehn Tage nach der Vertreibung der deutschen Benediktiner, zog der Lemberger Konvent in die verlassenen Grüssauer Klostergebäude ein. Damit blieb die monastische Kontinuität innerhalb derselben Ordensgemeinschaft gewahrt. Die Klosterchronik berichtet vom überaus gastfreundlichen und wohlwollenden Empfang durch Lutterotti, der den Nonnen jegliche Hilfe zuteil werden ließ, sie vor allem mit Mobiliar und Hausrat ausstattete und dem großen

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durch die Gestapo, Internierung in Wiedenbrück, 1945 Befreiung durch die Amerikaner, April – Juli 1945 Aufenthalt in Rom, Rückkehr nach Posen, Reorganisation der Seelsorge in Polen und für die besetzten deutschen Gebiete. 1948 Tod in Warschau, s. Franz SCHOLZ, Zwischen Staatsräson und Evangelium, Kardinal Hlond und die Tragödie der ostdeutschen Diözesen, Frankfurt a.M, 1989, 221ff. Kloster Grüssau, 1242 bzw. 1292 gegründet, war bis zur Säkularisation 1810 eine Zisterzienserniederlassung. 1919 von deutschen Benediktinern aus der Abtei Emaus/Prag (Beuroner Kongregation) wiederbesiedelt, unter Abt Albert Schmitt OSB (1894 – 1970) im Jahre 1924 zur selbstständigen Abtei erhoben, s. Ambrosius ROSE, Kloster Grüssau, Stuttgart u.a. 1974; STEINSTRÄßER, Wanderer zwischen den politischen Mächten, 108ff. ArL/K, Kronika Sióstr Benedyktynek 1946 r., 383. Ebenda. „Dies ist uns ein gewisser Trost. Wissen wir damit das Haus doch in guten Händen,“ schrieb Abt Schmitt im Juli 1946 an Abtprimas von Stotzingen. Klosterarchiv Wimpfen (AW), Akten Abt Albert, Briefe nach 1946, Brief Schmitt an Stotzingen, Eibingen, 24. Juli 1946. P. Nikolaus (Marco) von Lutterotti OSB, geb. 22. Juli 1892 in Kaltern/Südtirol, 1910 – 1912 Theologiestudium an der Universität Innsbruck, 1912 Eintritt in die Abtei Emaus, 1914 Profess, 1915 – 1917 geistlicher Sanitätshelfer in der k.u.k. Armee, mehrere Aufenthalte auf dem Kriegsschauplatz Galizien, 1920 Wechsel nach Grüssau, Priesterweihe 1920, Archivar, Klosterhistoriker, Brüderinstruktor, Beauftragter für die Weltoblaten, 1943 Prior, 1946 Spiritual der Lemberger Benediktinerinnen, Deutschenseelsorger in den Kreisen Landeshut und Waldenburg von 1946 – 1954, Ausreise im November 1954, gest. 28. August.1955 in Stuttgart, s. STEINSTRÄßER, Wanderer zwischen den politischen Mächten.

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Konvent ausreichenden Klausurraum zuwies.81 Aufschlussreich ist Lutterottis Anmerkung wenige Wochen nach der Ankunft der Nonnen: „Im Kloster sind nun 42 Benediktinerinnen aus Lemberg mit ihrer Äbtissin. Recht liebe Leute, gegen mich rücksichtsvoll und freundlich, sehr demütig und gefällig (...). Sie haben in Lemberg alles verloren, hatten 4 große Dominien, wurden zuerst 1939 von den Russen, dann 1940-45 von der SS und jetzt wieder von den Russen völlig ausgepowert. Sie sind froh, hier eine Unterkunft gefunden zu haben und fühlen sich nur als Treuhänderinnen. Sie möchten lieber heute als morgen nach Lemberg zurück und hoffen auch darauf, wenn auch nicht sofort.“82 Lutterotti übernahm sofort in Absprache mit van Oost die Funktion eines Spirituals für die Benediktinerinnen. Er setzte sich in den folgenden Jahren tatkräftig für die Frauen ein, gewann bald das Vertrauen der Äbtissin Janina und arbeitete besonders kooperativ mit Josepha Jettka zusammen. Felicja Jettka würdigte deren großen Verdienste um den Neubeginn in Grüssau. „Sie war das Herz und Seele dieses großen Hauses. Herr Prior von Lutterotti wußte sie zu schätzen.“83 Das Miteinander des kleinen deutschen Restkonvents und der Klosterfrauen gestaltete sich positiver als man anfangs zu hoffen gewagt hatte. Die Klosterchronik nennt eine Zahl von etwa zwölf Konventualinnen, welche die deutsche Sprache beherrschten. Lutterotti arbeitete seine Vorträge für die Konferenzen in deutscher Fassung aus. Er übergab das Manuskript Sr. Josepha, welche die Texte für ihre Mitschwestern ins Polnische übersetzte. Josepha Jettka wurde in Grüssau zum wichtigsten Bindeglied zwischen Polen und Deutschen. Sie setzte sich trotz der anfangs feindseligen Haltung vieler polnischer Gläubigen für die deutsche Restbevölkerung in der Region ein. Sie half den deutschen Mitbrüdern bei der Überwindung mancher sprachlicher Probleme, übersetzte unzählige Texte vom Polnischen ins Deutsche und umgekehrt und bemühte sich, den schwierigen Übergang für alle Beteiligten erträglicher und lebenswerter zu gestalten.

Klosterämter in schwierigen Zeiten – als Cellerarin und Priorin Für die Frauen war der Wechsel von ihrer bisher städtisch geprägten Lebenswelt in die Stille des Ziedertales ein großer Kontrast. Hier in Grüssau 81 82

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Vgl. ArL/K, Kronika Sióstr Benedyktynek 1946 r., 386. Privatsammlung Miriam Poklekowski, Dresden (PMPok), Brief Nikolaus von Lutterotti an Paul Poklekowski, Grüssau, Krasobór, 21. Juni 1946. PKur, Mappe Kurzeja-Jettka, Brief Felicja Jettka an Kurzeja, Grüssau, 9. Februar 1981.

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eröffnete sich ihnen allerdings ein neues, reiches Betätigungsfeld. Sie kannten bisher keine Gemeindearbeit und assistierten nun dem Ortspfarrer, P. Mateusz Skibnieweski84, bei der Betreuung der Kinder, u.a. bei der Vorbereitung auf die Erstkommunion, übernahmen die Leitung des Kirchenchors und unterstützten die örtliche Caritasarbeit. Mehrere Konventualinnen, darunter auch Josepha Jettka, wurden im Sanitätsdienst ausgebildet und wirkten als Gemeindeschwestern im Ort.85 Jettka arbeitete von 1946 bis 1949 als Helferin in der Sanitätsstelle Klein Hennersdorf und konnte hier an ihre Thorner Erfahrungen aus der Arztpraxis ihres Bruders anknüpfen.86 Darüber hinaus erteilte sie an der neu gegründeten polnischen Schule in Grüssau den Kindern Religionsunterricht.87 Auch Jettkas Schwestern Felicja und Aurelia waren in den Konvent der Benediktinerinnen und in die Kooperation mit Lutterotti eingebunden. Sie setzten sich zeitlebens für Grüssau ein und erledigten u.a. deutsche Korrespondenzen, Buchführungs- und Wirtschaftsaufgaben sowie die Erstellung von Jahresbilanzen, auch nach dem Tode ihrer Schwester. Josepha Jettka übernahm von 1946 bis 1952 als Verwalterin die Verantwortung für den „Benediktushof“ in Klein Hennersdorf/Jawiszów, die klostereigene Ökonomie, welche von den deutschen Benediktinern übernommen worden war.88 Hier konnte sie ihre organisatorischen und ökonomischen Fähigkeiten nochmals voll entfalten. Die Übergabe des Benediktushofes an die Nonnen war eine notwendige Maßnahme, da der Hof die wesentliche Versorgungsquelle der Klosterbewohner aller Nationalitäten bildete. Auf dem Hof waren unter der Leitung von Sr. Josepha auch einige deutsche Jugendliche als Landarbeitergehilfen beschäftigt, denen es wegen der politischen Umstände sonst nicht möglich gewesen wäre, Arbeit zu finden oder gar eine Berufsausbildung anzustreben. Übereinstimmend bestätigten sie 84

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P. Mateusz Skibniewski OSB (1912 – 2001), Benediktiner der Abtei Tyniec, später im Priorat Lubin, zeitweise Prior von Tyniec und Lubin, von 1946 – 1952 verantwortlich für die Seelsorge der katholischen Polen in Grüssau, Pfarrer von Grüssau, arbeitete eng mit den Benediktinerinnen und mit Lutterotti zusammen, s. STEINSTRÄßER, Wanderer zwischen den politischen Mächten, 222ff. Vgl. SZOŁDRSKI, Z dziejów, 55f. ArL/K, Personalakte Jettka, Zertifikat über Sanitätsausbildung, Polnisches Rotes Kreuz, Landeshut, 13. März 1947. Ebenda, Urkunde Missio canonica, ausgestellt vom Apostolischen Administrator für Niederschlesien, Ks. Dr. Karol Milik, Breslau, 12.September 1946. Klein Hennersdorf (poln. Jawiszów), ca. 2 km von Grüssau entfernt, Standort der klostereigenen Ökonomie „Benediktushof“. Der Hof wurde 1952 durch die kommunistische Regierung Polens in die Kolchose einbezogen, s. STEINSTRÄßER, Wanderer zwischen den politischen Mächten, 291 ff.

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das gute Einvernehmen mit den Klosterfrauen „Die Nonnen waren zu uns gütig. Wir waren ja erst 13 bis 14 Jahre alt (...). Für mich als Berufsanfänger aus behütetem Elternhaus, waren manche Erfahrungen wie ein Schock. Aber am Ende meines Berufslebens kann ich feststellen, dass es eine der fairsten Arbeitsstellen meines Lebens war.“89 Nach der zwangsweisen Überführung des Benediktushofes in die Kolchose übernahm Sr. Josepha 1952 das Amt der Cellerarin90 im Kloster.91 Als Ersatz für den großen Klosterhof hatten die Benediktinerinnen einige wenige, von der Bodenbeschaffenheit her erheblich schlechtere Flächen zugewiesen bekommen. Diese Reduzierung schwächte die wirtschaftliche Kraft des Konvents enorm. Man hatte dem Kloster eine weit über die Ernteerträge hinausgehende hohe Abgabenlast auferlegt, so dass fast nichts zum Leben blieb.92 Sr. Josepha hatte sich wiederholt an die Behörden gewandt, um die Versorgung der Gemeinschaft abzusichern. Dabei beantragte sie u.a. geeigneten Dünger zur Bestellung der Äcker sowie Kohle zum Heizen. Die Engpässe konnten trotz erheblichen Kraftaufwandes nicht vollständig überwunden werden.93 Die Aufgabe als Cellerarin erforderte nicht nur betriebswirtschaftliche Kenntnisse, sondern auch Einblick in die politischen Vorgaben sowie Durchhaltevermögen gegen alle Widerstände bei ungerechtfertigten Forderungen der kommunistischen Behörden. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen verschlechterten sich von Jahr zu Jahr. So wurde den Benediktinerinnen Mitte September 1951 mitgeteilt, sie dürften den Kindergarten in Grüssau nicht mehr betreuen, da das sozialistische Polen eine pädagogische Einrichtung in privater Trägerschaft nicht mehr gestatte. Eine Abordnung der Schwestern begab sich daher nach Breslau, um die Angelegenheit zu klären, allerdings erfolglos.94 89

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Aussage Bernhard Artelt, geb. 1935 in Gottesberg/Niederschlesien (poln. Boguszów), lebt heute in Germersheim/Rheinland-Pfalz, s. Stefanie ARTELT, Die Geschichte des Klosters Grüssau und sein Schicksal in der Nachkriegszeit, Befragung eines Zeitzeugen: Bernhard Artelt. (Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen, Universität Koblenz-Landau, Abtlg. Landau), 1996. Der Cellerar ist nach der Benediktusregel der/die vom Abt/der Äbtissin eingesetzte Wirtschaftsverwalter/in des Klosters, s. Johanna LANCZKOWSKI, Kleines Lexikon des Mönchstums und der Orden, Stuttgart 1993, 75. Zur Kollektivierungspolitik in der polnischen Landwirtschaft, vgl. Andreas R HOFMANN, Nachkriegszeit in Schlesien. Gesellschafts- und Bevölkerungspolitik in den polnischen Siedlungsgebieten 1945 – 1948 (= Beiträge zur Geschichte Osteuropas 30), Köln u.a. 2000, 181186. Vgl. SZOŁDRSKI: Z dziejów, 59. ArL/K, Kronika Sióstr Benedyktynek, 1952 r. Ebenda, 1951 r.

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Nach dem politischen Tauwetter von 1956 und der Übernahme der Regierung durch Władysław Gomułka95 flammte nochmals neue Hoffnung auf Rückgabe des Klosterhofes auf. Die Rückgabe hätte zwar jetzt mit behördlicher Genehmigung erfolgen können, jedoch verzichteten die Benediktinerinnen darauf, da die Hofgebäude mittlerweile derart verwahrlost waren, dass sich die Renovierungskosten auf eine Viertelmillion Złoty belaufen hätten. Der Konvent bewirtschaftete Ende der Fünfzigerjahre nur noch etwa zwanzig Hektar Ackerland. Sr. Josepha Jettka klagte im Frühjahr 1957 über schwierige Wirtschaftsbedingungen.96 Im Jahre 1957 war Jettka bei der Erneuerung der Klosterämter zur Priorin97 ernannt worden. Diese verantwortungsvolle Aufgabe übte sie über ein Jahrzehnt unter Beibehaltung der Cellerarin-Funktion aus. Mit fortschreitendem Alter gab sie das Priorinnenamt 1969 auf und war bis zu ihrem Tode 1981, auch unter der neuen Äbtissin Alojza Dobek OSB98, nur noch als Cellerarin tätig. Der Gesundheitszustand vieler Schwestern hatte durch die Entbehrungen der Kriegsjahre sehr gelitten. Die meisten Konventualinnen waren geschwächt, etliche ernsthaft erkrankt. Hilfe zu bekommen war schwierig, ebenso fehlte das Geld, um die Hilfe zu entlohnen. Die arbeitsfähigen Schwestern nutzten daher jede Gelegenheit, um einen Beitrag für den Unterhalt der Gemeinschaft zu verdienen.99 Haupterwerbsquelle war dabei die Hostienbäckerei. Auch Jettka musste sich mit gesundheitlichen Problemen auseinandersetzen. Sie laborierte zeitlebens an einem Venenleiden und litt unter Herzschwäche. Trotzdem schonte sie sich nicht, sondern setzte ihre Kräfte weit über Gebühr zum Wohle des Klosters ein.

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Władysław Gomułka (1905 – 1982), Vertreter eines nationalkommunistischen Kurses, Parteichef der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR = Polska Zjednoczona Partia Robotnicza), unterzeichnete 1970 den deutsch-polnischen Grundlagenvertrag. PKur, Mappe Korrespondenzen Kurzeja-Jettka, Brief J.J. an P. Adalbert Kurzeja, Krzeszów, 8. April 1957. In monastischen Orden der/die Vertreter(in) des Abtes/der Äbtissin, www.ordenonline.de/wissen/p/prior [aufgesucht am 27.6.2012]. Alojza Dobek OSB, geb. 1937, Äbtissin in Grüssau von 1973 – 2007, s. Catalogus Congregatio Immaculatae Conceptionis B.M.V. in Polonia, 2005, 390. Vgl. SZOŁDRSKI, Z dziejów, 56.

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Unter benediktinischem Dach – hilfreiche Westkontakte Ohne Unterstützung aus dem Westen wäre das Überleben freilich erheblich schwieriger geworden. P. Ambrosius Rose100 rief Anfang der Sechzigerjahre die so genannte „Grüssau-Hilfe“ ins Leben, ein Fond, der durch Spenden der vertriebenen deutschen Ortsgemeinde ständig anwuchs. Über Jahrzehnte wurden große Geldsummen nach Grüssau transferiert.101 Auf diesem Wege konnten auch notwendige Reparaturen an den Kirchen und am Konventsgebäude in Grüssau durchgeführt werden. Grüssau kam darüber hinaus auch in den Genuss von Zuwendungen des Deutschen Caritasverbandes und des Europäischen Hilfsfond der Bischofskonferenzen in Wien.102 An den Westkontakten war Sr. Josepha Jettka auf Grund ihrer Zweisprachigkeit entscheidend beteiligt. Sie führte über Jahre eine rege Korrespondenz mit P. Ambrosius Rose OSB, mit Abt Adalbert Kurzeja OSB103, Abtei Maria Laach, mit den Mitbrüdern in der Neugründung Wimpfen sowie mit Äbtissin Domitilla Veith OSB, Frauenwörth. Durch Vermittlung von Kurzeja gelang es ihr, angesichts fehlenden Ackergerätes und mangelnder Arbeitskräfte über den Deutschen Caritasverband Freiburg einen Traktor für die Klosterökonomie zu organisieren. Dies bedeutete für den Konvent eine erhebliche Arbeitserleichterung. Darüber hinaus besorgte sie für mehrere Jahre eine beträchtliche Menge der im Kloster dringend benötigten Kohlevorräte. „Ja, überall ist es schrecklich kalt. In den Cellen der älteren Schwestern und Kranken ist höchstens 12 ° – fast alle Öfen sind durchgebrannt – wollte einige in Ordnung bringen lassen, da braucht man aber Schamottziegeln, welche für private Leute nicht

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Ambrosius (Georg) Rose OSB, Dr. theol. (1911 – 2002), Benediktiner der Abtei Grüssau, 1945 – 1946 Pfarrverweser der Pfarrei Grüssau, nach der Vertreibung langjähriger Prior in der Neugründung Bad Wimpfen am Neckar, 1970 – 2001 Spiritual in der Benediktinerinnenabtei St. Erentraud, Kellenried/Oberschwaben. Vgl. Ambrosius ROSE: Grüssau – Begegnungsstätte der Versöhnung, Grüssau-Hilfe 1976, in: Schlesischer Gebirgsbote, Sonderdruck, Wolfenbüttel, Februar 1976, 2. Vgl. AW, Nachlass Rose, Mappe Korrespondenzen Rose-Kurzeja, Brief Rose an Kurzeja, Kellenried, 22.Oktober 1979. Adalbert (Franz) Kurzeja OSB, Dr. theol., geb.1920 in Ratiborhammer/Kuźnia Raciborska, Oberschlesien, Konventuale der Abtei Maria Laach, Abt von 1977 – 1990. Kurzeja erhielt 1956 als erster deutscher Benediktiner nach Kriegsende aus familiären Gründen die Genehmigung zur Einreise nach Polen und nahm sofort Kontakt zu den Benediktinerinnen in Grüssau auf. Seine Korrespondenz mit dem Breslauer Administrator und späteren Bischof Bolesław Kominek hatte vorbereitende Funktion für den so bedeutsamen Briefwechsel zwischen dem polnischen und deutschen Episkopat 1965.

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aufzubringen sind.(…) Jüngere Schwestern heizen gar nicht, sparen, damit Vorrat für die Kranken bleibt.“ 104 Die Wege für solche Transaktionen unterlagen vielfach wegen der politischen Situation in Polen einer gewissen Geheimhaltung. Sr. Josepha wusste sich aber auch hier zu helfen und nutzte zur Tarnung verschiedene Deckadressen.105 Benediktinische und christliche Prinzipien nahmen für sie stets oberste Priorität ein. Dadurch traten nationale Gedanken in den Hintergrund. Immer wieder klingen diese Grundsätze in ihren Korrespondenzen an, vor allem auch, wenn es um die vertriebenen Mitbrüder in Wimpfen ging: „Zusehen wie allmählich [in Grüssau] abgebaut wird, das wäre für uns das Schmerzlichste, das ginge über unsere Kräfte (…) Es sind ja Heiligtümer unserer Patres O.S.B. – es ist unsere heilige Pflicht, diese zu schützen und gewissenhaft zu betreuen.“106 Neben der Regelung praktischer Angelegenheiten war sie auch auf die geistliche Vertiefung und Fortbildung der Kommunität bedacht. Die Nonnen fühlten sich nach dem Weggang von P. Lutterotti im November 1954 monastisch gesehen vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten. Vor allem durch Kurzejas Vermittlung erhielten sie geistliche Literatur aus den Abteien Maria Laach und Herstelle an der Weser.107 Als zwischen 1950 und 1959 der größte Teil der in Niederschlesien zurückgehaltenen deutschen Restbevölkerung im Zuge der Familienzusammenführung in den Westen ausreisen durfte, verließen auch viele, dem Kloster verbundene Menschen den Kreis Landeshut und das Waldenburger Bergland.108 104

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PKur, Mappe Korrespondenzen Kurzeja-Jettka, Brief J.J. an Kurzeja, Grüssau, 15. November 1956. AW, NL Rose, Brief Rose-Kurzeja, Bad Wimpfen, 13. Mai 1960. PKur, Mappe Korrespondenzen Kurzeja-Jettka, Brief J.J. an Kurzeja, Krzeszów, 9. Januar 1958. Ebenda: Mappe Korrespondenzen Kurzeja-Rose, 1957 – 1983, Brief Kurzeja an Abt Albert Schmitt, Maria Laach, 10. August 1956; PKur, Mappe Korrespondenzen Kurzeja-Jettka, Brief Kurzeja an Dr. Hans Lukaschek, Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, Maria Laach, 25. Oktober 1956; Brief J.J. an Kurzeja, Krzeszów, 15. November 1956; Brief J.J. an Kurzeja, Krzeszów, 9. Januar 1958. Benediktinerinnenabtei zum Heiligen Kreuz Beverungen-Herstelle, Kreis Höxter/Weser, gegr. 1899, Aufnahme in die Beuroner Kongregation 1922. Landeshut, poln. Kamienna Góra, Kreisstadt in einer Mulde zwischen dem Riesengebirge und Waldenburger Bergland, Stadtgründung Mitte des 13. Jahrhunderts, bedeutende Textilindustrie, insbesondere Leinenherstellung. Waldenburg, poln. Wałbrzych, Kreisstadt im gleichnamigen Bergland, zwischen Eulengebirge und Riesengebirge, gegründet etwa 1290, Bergbau seit dem Mittelalter, bedeutender Leinenhandel, Steinkohlenbergbau, chemische Industrie, bekannte Porzellanindustrie, 1939 110.000 Einwohner, größter Industriebezirk in

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Jettka trug dafür Sorge, dass verschiedene Ausstattungsstücke aus dem Besitz des deutschen Benediktinerkonvents im Aussiedlergepäck nach Bad Wimpfen verbracht werden konnten. So gelangte u.a. der große Pontifikalteppich, den Grüssauer Oblaten 1939 anlässlich des silbernen Professjubiläums von Abt Albert Schmitt gearbeitet hatten, nach Wimpfen.109 Auch der literarische Nachlass von P. Nikolaus von Lutterotti, den dieser vor seiner Ausreise bei einem befreundeten Gutsbesitzer in der Nähe von Grüssau deponiert hatte, konnte mit Jettkas Hilfe nach Kaltern und Wimpfen gerettet werden.110 Während des Kriegszustandes in Polen war die umfangreiche Hilfe aus dem Westen in Form von Kleidung, Lebensmitteln und Geldspenden dem Konvent besonders willkommen. Ohne diese Unterstützung hätten die Schwestern kaum zurechtkommen können.

In der Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche In den frühen Fünfzigerjahren hatte sich der Gegensatz zwischen Staat und Kirche in Polen dramatisch verschärft. Auch an den Benediktinerinnen in Grüssau gingen die Auseinandersetzungen nicht spurlos vorüber. Auf dem Höhepunkt der politisch gelenkten Maßnahmen des polnischen Staates gegen die katholische Kirche, vor allem während des heftigen Konfliktes zwischen P. Nikolaus von Lutterotti und dem polnischen Kapitularvikar Kazimierz Lagosz111 in Breslau, ergriff Jettka engagiert Partei für Recht und Gerechtigkeit.112 Sie nahm entschieden gegen das kommunistische Regime Stellung und unterstützte Lutterotti in seinem Kampf um die 1953 von der Geheimen Sicherheitspolizei UB113 widerrechtlich entfernten wertvollen Kulturgüter der Abtei.114 Als er auf Anordnung der bischöflichen Behörde in Breslau ein

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Niederschlesien. Die industrielle Entwicklung setzte sich unter polnischer Herrschaft nach dem Zweiten Weltkrieg fort, seit den Neunzigerjahren Einstellung der Montanindustrie, seit 1975 Sitz einer Woiwodschaft, s. Klaus ULLMANN, Schlesien-Lexikon, Geografie, Geschichte, Kultur, Augsburg 1999, 177 und 313. PKur. Mappe Korrespondenzen Kurzeja – Rose, Brief Rose an Kurzeja, Bad Wimpfen, 3. Mai 1957. Ebenda, Brief Kurzeja an Rose, Maria Laach, 22. November 1957. Kazimierz Lagosz, (1888 – 1961), Priester der Erzdiözese Lemberg, Priesterweihe 1911, seit Mai 1945 in Breslau, Stadtdekan, 1951 – 1956 Kapitularvikar für den Ordinariatsbezirk Breslau. S. ArL/K, Kronyka Sióstr Benedyktynek 1953 r., 77f.; SZOŁDRSKI: Z dziejów, 59f. Urząd Bezpieczeństwa (Amt für öffentliche Sicherheit). Lutterotti wurde vorgeworfen, Spionage für den Vatikan zu betreiben, die Matrikelbücher der Pfarrei Grüssau nicht sorgfältig zu führen, die Kunstschätze des Klosters nicht genügend geschützt zu haben, diese ins Ausland transferieren zu wollen sowie „verlassenes und aufge-

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Examen in der polnischen Sprache ablegen musste – im Verweigerungsfalle hätte ihm der Entzug der Jurisdiktion gedroht,115 war es Jettka, die Lutterotti über die Dauer mehrerer Monate Polnischunterricht erteilte. Letztlich konnte er dadurch die Prüfung mit Erfolg ablegen.116 Seine unter politischem Zwang erfolgte Ausreise nach Südtirol ließ sich jedoch nicht verhindern.

Schlussbemerkung Wie ein roter Faden durchzieht die deutsch-polnische Geschichte des 20. Jahrhunderts in ihrer gesamten Tragik das Leben der aus dem Kulmerland stammenden Ordensfrau Josepha Jettka. Als Konventualin, Cellerarin und Priorin der Allerheiligenabtei Lemberg/Grüssau war sie an tages- und ordenspolitischen Entscheidungen von überregionaler Tragweite nicht beteiligt und auch keine Repräsentantin des öffentlichen Lebens. Sie bewährte sich vielmehr in einer Fülle von Aufgaben und Herausforderungen, die ihr die monastische Lebensform als Ordensfrau zuwies. Die Auseinandersetzung mit ihrer Biografie stellt ein wichtiges Element zur Erfassung der historischen Wirklichkeit der zeitgeschichtlichen Epochen dar, in denen sich ihr Leben vollzog. Diese umfassten mehrere für Polen, Deutschland und Europa wesentliche Ereignisse, beginnend mit der Endphase der preußischen Provinz Westpreußen vor dem Ersten Weltkrieg. Es folgten die Wiederherstellung des polnischen Staates 1918/19 und die Zwischenkriegszeit im galizischen Lemberg. Der Zweite Weltkrieg unter sowjetischer und deutscher Besatzung, sowie der Neubeginn nach 1945 in der Abtei Grüssau/Niederschlesien stellten Jettka vor nahezu unlösbare Aufgaben, die sie jedoch mit der ihr eigenen Kreativität und Energie zu bewältigen wusste. Auch in ihren letzten Lebensjahren, trotz ihrer bereits geschwächten Gesundheit, ließ Jettka in ihrem Engagement für ihr Kloster nicht nach. Mehrere Reisen führten sie in die Bundesrepublik Deutschland und nach Österreich.

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gebenes“ deutsches Eigentum nicht deklariert zu haben. Nach polnischem Recht galt dies seit dem 8. Mai 1945 als Besitz des Staates. Im Oktober 1953 wurde die Abtei 17 Tage lang von der Geheimen Sicherheitspolizei durchsucht, Bibliothek, Archiv, Paramente, Kultgeräte und Kunstsammlungen, teilweise noch aus der Zisterzienserzeit, wurden von der UB, im Verbund mit Lagosz, nach Breslau abtransportiert, s. STEINSTRÄßER, Wanderer zwischen den politischen Mächten, 410ff. Jurisdiktion „usque ad revocationem" = Erteilung der Beichtvollmacht durch den Ortsbischof bis auf ausdrücklichen Widerruf. Über die Vorgänge im Herbst 1953 in Grüssau, s. STEINSTRÄßER, Wanderer zwischen den politischen Mächten, 407ff. ArL/K, Kronyka Sióstr Benedyktynek 1953 r., 77.

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Auch die Abtei Tettenweis war nochmals ein Ziel.117 Überall nutzte sie ihre gutes mitmenschliches und monastisches Kontaktnetz, um die Lebensverhältnisse ihrer Klostergemeinschaft zu verbessern, sowohl in materieller als auch in spiritueller Hinsicht. Dabei blieb sie für sich selbst bescheiden und ihren Ordensgrundlagen verpflichtet.118 Betrachtet man die Kontinuitätsbrüche in ihrem Leben, so stellte sie sich allen Veränderungen und behielt stets ihre persönlichen Prinzipien bei. Ihr ausgeprägtes lebenspraktisches Talent sowie die Kenntnis der polnischen und deutschen Sprache, bewährten sich in allen Lebensabschnitten und befähigte sie, Brücken über die aufgeworfenen Gräben der beiden verfeindeten Nationalitäten zu bauen. Jettka setzte sichtbare Zeichen zur Verständigung und Versöhnung und schaffte damit nicht zuletzt die Voraussetzung für den unumgänglichen Wandel von der deutschen zur polnischen Realität in Grüssau. Neben ihrem persönlichen Einsatz ist festzuhalten, dass während zweier Diktaturen die Verbindungen der beteiligten Benediktinerklöster in Ost und West untereinander erfolgreich funktionierten. Vor allem die gute Zusammenarbeit unter benediktinischem Dach in der Nachkriegszeit in Grüssau dürfte als untypisch für diese problembeladene Zeitepoche gelten. Zeitzeugen bezeichnen Sr. Josepha Jettka als eine liebenwürdige und vorbildliche Klosterfrau, die sich klug und umsichtig aller ihr anvertrauten Angelegenheiten annahm. Auf sie könnte biblisch ausgedrückt der Spruch zutreffen: „Eine starke Frau – wer wird sie finden?“119

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Die Klosterchronik von 1978 vermerkt über den Besuch: "Ganz überraschend kam auch Frau Josefa Jettka, OSB, früher in Lemberg /Galizien, jetzt Grüssau / Schlesien, jetzt Polen. Sie war auf Bettelreise nach Deutschland gekommen und wurde auch von uns reich bedacht, mit Sachen wie Stoffe etc., Medikamenten und auch 1 000,00 DM in bar. Sie hielt sich nicht lange auf und ist schon wieder fort." ArT, Chronik 1978, 1. Juni 1978. Äbtissin em. Domitilla Veith berichtet, dass Sr. Josepha selbst während der Bahnfahrt entlang des Mittelrheins im Herbst 1977 lieber das Brevier gebetet habe statt die landschaftlich reizvolle Rheinstrecke zu betrachten. Darauf angesprochen antwortete sie mit dem Zitat „Psalterium meum gaudium meum“. („Mein Psalmenbuch ist meine Freude“), s. Kurt FLASCH / Burkhard MOJSISCH: Aurelius Augustinus: Bekenntnisse (Confessiones), Lateinisch-Deutsch, Buch 10, Leipzig 2009. Information an die Verfasserin vom 26.März 2012. Eugen HENNE / Osmund GRÄFF (Hg.), Das goldene ABC der tüchtigen Hausfrau, Buch der Sprüche, 31, 10-31, in: Das Alte Testament – Heilsweg und Heilskraft in der Offenbarung des Alten Bundes, Paderborn 1938, 714f. Charakterisierung und biblische Einschätzung von Sr. Nikola (Elisabeth) Richter OSB, Cella St. Benedikt, Ostrach-Einhart, geb. 1937 in Waldenburg/Wałbrzych (Niederschlesien). Sie arbeitete als Jugendliche 1951/52 unter Josepha Jettkas Leitung auf dem Benediktushof. Auskunft an die Verfasserin am 27.März 2012.

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Abbildungen

Abb. 1: Sr. Józefa Jettka, OSB

Abb. 2: Fassade Abteikirche Grüssau

Abb. 3: Allerheiligenabtei Lemberg historisch

SR. JOSEPHA JETTKA OSB (1901 – 1981)

Abb. 4: Abtprimas Fidelis v. Stotzingen

Abb. 5: Konvent Krzeszów

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Quellen- und Literaturverzeichnis Quellen: Archiv Abtprimas (AAbtpr), Collegio San Anselmo, Roma, Akte TyniecMaredsous, Briefe Josepha Jettka an Abtprimas Fidelis von Stotzingen OSB, 1940-1944. Archiv der Allerheiligenabtei Lemberg/Grüssau, Lwów-Krzeszów ( ArL/K), Personalakte Jòzefa Jadwiga Jettka OSB. ArL/K, Kronika Sióstr Benedyktynek, 1922 r., 1932 r., 1935 r., 1940 r., 1946 r., 1951 r.,1952 r., 1953 r. Archiv der Benediktinerabtei Gerleve/Westfalen. Archiv der Benediktinerinnenabtei St. Gertrud Tettenweis (ArT), Auszüge aus den Jahreschroniken vom 16. August 1941, August 1942, 10. Juli 1943, 14. Juli 1944, 1. Juni 1978. Catalogus Congregatio Immaculatae Conceptionis B.M.V. in Polonia, 2005. Catalogus Monachorum der Bayerischen Benediktinerkongregation von 1954 und 1955, Abtei Scheyern. Klosterarchiv Wimpfen (AW): Akten Abt Albert Schmitt, Briefe nach 1946, Brief Schmitt an Stotzingen, Eibingen, 24. Juli 1946; Nachlass P. Ambrosius Rose, Mappe Korrespondenzen Rose- P. Adalbert Kurzeja OSB, Brief Rose an Kurzeja, Kellenried, 22.Oktober 1979. Privatsammlung Abt em. Dr. Adalbert Kurzeja OSB, Maria Laach (PKur), Mappe Korrespondenzen Kurzeja-Josepha Jettka, 1956 – 1979, darin: Korrespondenzen Kurzeja mit Felicja und Aurelia Jettka, 1958 – 1982, Brief Kurzeja an Dr. Hans Lukaschek, Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, Maria Laach, 25. Oktober 1956. Mappe Korrespondenzen Kurzeja – Rose. Privatsammlung Miriam Poklekowski, Dresden, (PMPok), Brief P. Nikolaus von Lutterotti an Paul Poklekowski, Grüssau/Krasobór, 21. Juni 1946. Privatsammlung Domitilla Veith OSB, Frauenwörth, (PrDV), Mappe Korrespondenzen mit Josepha Jettka, Felicja und Aurelia Jettka; Brief Aurelia Jettka an Isabella Knips, Postulantin in Frauenwörth, Szczecin, 27. Juni 1981; Mappe Korrespondenzen mit der Abtei Grüssau/Krzeszów, Brief Äbtissin Alojza Dobek OSB an Äbtissin Domitilla Veith OSB, Krzeszów, 7. Februar 1981.

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Literatur Stefanie Artelt: Die Geschichte des Klosters Grüssau und sein Schicksal in der Nachkriegszeit, (Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen, Universität Koblenz-Landau, Abtlg. Landau),1996, hier: Befragung eines Zeitzeugen: Bernhard Artelt. Eugeniusz Duraczyński: Rząd Polski na uchodźtwie 1939-1945 (Die polnische Regierung in der Emigration 1939-1944), Warszawa 1993. Kurt Flasch/ Burkhard Mojsisch (Hg.): Aurelius Augustinus, Bekenntnisse (Confessiones), Lateinisch-Deutsch, Buch 10, Leipzig 2009. Olaf Hähner: Historische Biographik. Die Entwicklung einer geschichtswissenschaftlichen Darstellungsform von der Antike bis ins 20. Jahrhundert. III. Die Grundformen historischer Biographik. Syntagmatisches und paradigmatisches Verhältnis (Europäische Hochschulschriften, Reihe III. Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 829), Frankfurt a. M. 1999 Eugen Henne,/Osmund Gräff (Hg.): Das goldene ABC der tüchtigen Hausfrau, Buch der Sprüche, 31, 10-31, in: Das Alte Testament – Heilsweg und Heilskraft in der Offenbarung des Alten Bundes, Paderborn 1938, S. 714 f. Andreas R Hofmann: Nachkriegszeit in Schlesien. Gesellschafts- und Bevölkerungspolitik in den polnischen Siedlungsgebieten 1945-1948 (Beiträge zur Geschichte Osteuropas 30), Köln u.a. 2000. Erich Hoffmann: Theodor von Schön und die Gestaltung der Schule in Westpreußen, Marburg 1965. Johanna Lanczkowski: Kleines Lexikon des Mönchstums und der Orden, Stuttgart 1993. Peter Merseburger: Der schwierige Deutsche Kurt Schumacher. Eine Biographie, Stuttgart 1995. Stefan Petzolt: Emaus, in: Lexikon für Theologie und Kirche (LThK), 3. Aufl., Bd. 3, Sonderausgabe, Freiburg 2006, Sp. 621. Martin Pollack: Galizien. Eine Reise durch die verschwundene Welt Ostgaliziens und der Bukowina, Frankfurt a.M. u.a. 2001. Ambrosius Rose: Kloster Grüssau, Stuttgart u.a. 1974. Derselbe: Grüssau – Begegnungsstätte der Versöhnung, Grüssau-Hilfe 1976, in: Schlesischer Gebirgsbote, Sonderdruck, Wolfenbüttel, Februar 1976. Franz Scholz: Zwischen Staatsräson und Evangelium, Kardinal Hlond und die Tragödie der ostdeutschen Diözesen, Frankfurt a. M, 1989. Christian Schütz/Philippa Rath (Hg.): Der Benediktinerorden, Gott suchen in Gebet und Arbeit, Mainz 1994.

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Hermann Simon/Irene Stratenwerth/Ronald Hinrichs (Hg.): Lemberg – eine Reise nach Europa, Berlin 2007. Władysław Szołdrski, C.SS.R.: Z dziejów opactwa benedyktynek łacińskich we Lwowie 1595-1945 i w Krzeszowie 1945-1970 (Zur Geschichte der lateinischen Benediktinerinnenabtei in Lemberg 1595-1945 und Grüssau 1945-1970) – (Diplomarbeit Päpstlich- Theol. Fakultät Breslau), maschinengeschriebenes Manuskript, Wrocław 1971. Inge Steinsträßer: Wanderer zwischen den politischen Mächten – P. Nikolaus von Lutterotti OSB (1892-1955) und die Abtei Grüssau in Niederschlesien, Köln u.a. 2009. Mieczysław Tomala, Deutschland – von Polen gesehen, zu den deutschpolnischen Beziehungen 1945-1990, Marburg 2000. Klaus Ullmann: Schlesien-Lexikon, Geografie, Geschichte, Kultur, Augsburg 1999. Thea Wohlgemuth: Das deutsche Gymnasium in Thorn zwischen den beiden Weltkriegen, in: Kirchendienst Ost, Berlin 1963 Adam Zagajewski: Der Osten im Westen, in: Simon/Stratenwerth/Hinrichs: Lemberg, S. 84-91. Anna Ziemlewska/Andrzej Skowroński: Thorn – unter den Flügeln des Engels, Toruń 2010. Angaben aus dem Internet http://www.apostolische-nachfolge.de/ernennung_1923.htm http://www.chelmno.info/raszeja.php. http://www.hdg.de/lemo/html/biografien/SchumacherKurt/index.html. http://www.johanneshuenig.de/Files/Gosslershausen.pdf. http://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de. http://www.lwow.com.pl/naszdziennik/baziak.html. http://www.ns-archiv.de/krieg/sowjetunion/vertrag/nichtangriffspakt.php. http://www.orden-online.de/wissen/k/kongregation. http://www.orden-online.de/wissen/p/prior. http://www.territorial.de/dawp/strasbg/landkrs.htm. http://www.verwaltungsgeschichte.de/dan_strasburg.html. http://www.tyniec.benedyktyni.pl/de/geschichte. Mithilfe bei den polnischen Übersetzungen: Brigitte Wystrach, Bonn

MEINULF BARBERS

Restauration oder Neubesinnung? Das Schicksal der Bündischen Jugendbewegung in Deutschland nach 1945 Am Beispiel des Quickborn 1945 bis 20111

Quickborn 1945 bis 1959 „Neue Aufgaben – neue Wege“ Sofort nach der Befreiung Deutschlands durch die Alliierten begannen die Bemühungen zur Neubildung des Quickborn in allen vier Besatzungszonen. Eine Grundlage war der – noch in der Gefangenschaft geschriebene – Aufruf des Bundesleiters Heinrich Bachmann († 1946) „Neue Aufgaben – neue Wege“. Ende März 1946 trafen sich die Quickborner aus der Britischen Besatzungszone in Hohenlimburg. Der Quickborn entstand – zunächst für die Britische Zone – neu, der Führer des Jungborn (Parallelorganisation zum Quickborn für die Werktätigen), Hein Wullenweber, erklärte, dass der Jungborn nicht mehr als eigener Verband bestehen solle, sondern im Quickborn mitarbeite. In die Leitung des (neuen) Quickborn in der Britischen Zone wurden die Quickborner Friedrich Schlüter, Wilhelm Mogge und Thea Trimborn,

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Überarbeitete Form eines Vortrages, den ich am 11. August 2011 in Altenberg im Rahmen des Kulturprogramms „Quickborn und Heimgarten“ bei der internationalen Musiktagung „Umbruch. Jugendbewegung und zeitgenössische Musik Anfang des 20. Jahrhunderts in Schlesien“ des Arbeitskreises Schlesische Musik e.V. hielt. Illustriert wurde mein Referat durch eine von mir zusammengetragene umfangreiche Fotoausstellung „Quickborn von 1909 bis 2009“. Der Beitrag bildet die Fortsetzung eines Vortrags, der auf eben derselben Tagung gehalten wurde: Joachim KÖHLER, Romantische Schwärmerei oder reformerischer Impuls? Jugendbewegung und Aufbruch im deutschen Katholizismus nach dem Ersten Weltkrieg, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 69 (2011), 97-121.

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eine schlesische Quickbornerin, und Maria Mette und Karl Caspers vom Jungborn gewählt. An Pfingsten 1946 kamen über hundert Quickborner aus den drei Westzonen in Freising bei München zusammen. Man stellte fest, dass der Quickborn lebte und wuchs, sich aber über die Form eines reinen Jugendbundes längst hinaus entwickelt hatte und sich als Lebensbewegung katholischer deutscher Männer und Frauen verstand. In Freising wurde das „Grundgesetz des Quickborn“ beschlossen, das ein Jahr später auf Burg Ludwigstein überarbeitet, gestrafft und sprachlich verbessert wurde. Wilhelm Mogge wurde zum Bundesleiter des Quickborn gewählt. Es folgten kleine und große Treffen in allen Besatzungszonen und Gauen. Sie dienten der Festigung des Bundes, der immer weitere Kreise zog. Da die Quickbornburg Rothenfels noch von Flüchtlingen belegt war, fand vom 4. bis 10. August 1947 auf Burg Ludwigstein die erste gemeinsame Bundestagung des Quickborn und des in ihm aufgegangenen Jungborn nach dem Kriege mit ein paar hundert Teilnehmern statt. Wichtige Vortrags- und Gesprächsthemen dieser Tage waren Frieden und die Neuordnung Deutschlands und Europas, soziale Not und die Hilfe der Quickbornerinnen und Quickborner (besonders auch für die Heimatvertriebenen), Einheit der Christen, menschliche Ganzheit, Stellenwert der Abstinenz; daneben die einvernehmliche Überlegung, dass der Bund Quickborn als eine Lebensbewegung weiterlebt, in der die Mädchen und Jungen eigenständig und eigenverantwortet ihr Leben als junge Gemeinschaften und als Einzelne gestalten und die Älteren zur Hilfe bereitstehen, wenn sie gefragt werden. Auf dem Vertretertag am 9. August 1947 wurde das „Grundgesetz des Quickborn“ ausführlich beraten und beschlossen. Dort heißt es einleitend: „Quickborn ist eine Lebensbewegung katholischer deutscher Menschen, die in entschiedener, wahrhaftiger und nüchterner Haltung in Volk und Kirche stehen“. Der Zusammenschluss von Jungborn und Quickborn wurde bestätigt und eine gemeinsame Bundesleitung gewählt: Fritz Schlüter als Bundesleiter, Willi Mogge als „Bundeskanzler“, P. Bernward Dietsche OP als Geistlicher Beirat des Bundes. Mit der Tagung auf Burg Ludwigstein wurde das „Sonnenkreuz“ als Bundeszeichen gewählt: das Kreuz über der aufgehenden Sonne auf Bannern, Wimpeln und Anstecknadeln, gemeinsames Zeichen für den aus Quickborn und Jungborn zusammengewachsenen Bund. Im Heft „Quickborn-Tage auf Burg Ludwigstein“ schrieb 1948 Erwin Rosner, der aus dem Jungborn kam, in einer „Chronik der Tagung 1947“ über Gespräche zu sozialen Fragen u.a.: „Ein Herzensanliegen ist uns die Quickbornhilfe.....“ . Er berichtete auch über das Thing der Ostvertriebenen auf dem Ludwigstein:

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„Wir Vertriebenen aus dem Osten wollen uns in unserer neuen Heimat einordnen, und gerade die Quickborner haben es meist getan. Aber die geschlagenen Wunden heilen nicht so schnell. Es gibt noch viele unter uns, die weder eine rechte Lebensexistenz, noch Kleidung, noch Einrichtung haben und die zudem – meist als Stadtmenschen – auf entlegenen Dörfern und vergessenen Orten sitzen. Viele von ihnen warten zudem noch auf das Haupt der Familie oder beklagen einen Lieben als gefallen oder vermisst. Der Bundestag [des Quickborn] hat ihnen viel bedeutet und das erkannten sie an. Sie wohnen ja meist unter Menschen mit zugeknöpften Taschen und verhärteten Herzen. Unter den Quickbornern lebten sie als gleichwertig wieder auf und fanden Heimat. Beschränken wir dieses tiefe Bewusstsein der Gemeinschaft nicht nur auf Tagungen!“2 Hier sei angemerkt, dass die heimatvertriebenen Quickborner vielfach durch ihre einheimischen Bundesgeschwister Hilfen in den Jahren des Neubeginnes bekamen und dass andererseits vor allem die Quickborner aus Schlesien und aus dem Sudetenland auch untereinander weiterhin intensive Verbindungen hielten. Für die Sudetendeutschen war besondere Anlaufstelle die Benediktinerabtei Braunau, jetzt in Rohr/Niederbayern, deren Äbte Dominik Prokop und ab 1969 Virgil Kinzel aus dem Quickborn kamen. Die schlesischen Quickborner hielten besonders Kontakt über Hermann Hoffmann in Leipzig und Thea Trimborn in Köln. Schlesische Quickborner haben nach 1945 in der Bundesrepublik in vielfältigen Bereichen gewirkt – von der Musik über das Verlags- und Zeitungswesen. So war der Neisser Quickborner Johannes Binkowski3 von 1970 bis 1980 Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger. Der in der deutschen Kirche der Nachkriegszeit bekannte Jesuitenpater Johannes Leppich4, ein Quickborner, stammte aus Ratibor. Weitere schlesische Quickborner waren die Brüder Johannes und Heinrich Theissing. Johannes starb bereits 1947 als Jugendkaplan in Altenberg5. Heinrich wurde Bischof von 2

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Quickborn-Tage auf Burg Ludwigstein (4.-10. August 1947), im Auftrag der Bundesleitung des Quickborn hg. von Wilhelm MOGGE, Altenberg 1948. Johannes BINKOWSKI, Jugend als Wegbereiter. Der Quickborn von 1909 bis 1945, Stuttgart und Aalen 1981; Johannes BINKOWSKI, Wege und Ziel. Lebenserinnerungen eines Verlegers und Publizisten, Stuttgart-Düsseldorf 1981. Bernhard JUNGNITZ, Johannes Leppich (1915 – 1992), in: Michael HIRSCHFELD / Johannes GRÖGER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern, Bd. 7, Münster 2006, 190-200. Heinrich THEISSING, Johannes Theissing (1912 – 1947), in: Joseph GOTTSCHALK, Schlesische Priesterbilder, Bd. 5, Aalen 1967, 239-243; Joachim KÖHLER, „Peter Michajlowitsch Sidorenko lachte wie ein Pferd“. Aufzeichnungen des Breslauer Domvikars Johannes Theis-

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Schwerin6. Der Breslauer Domvikar Hubert Thienel7 war später Apostolischer Visitator für die schlesischen Katholiken in der Bundesrepublik. Beim Bundesthing 1947 hielt der Geistliche Beirat des Quickborn, der Dominikanerpater Bernward Dietsche, eine Ansprache über die „Merkmale des Quickborns: Leben, Stil, Geist“, in der er auch das „Bündische“ deutlich machte: „... Leben aber bedarf der Form und der Fassung. Damit ist die Frage nach dem Stil unserer Lebensbewegung gestellt. Wir sind bündische Jugend. Es hat einen seltsam tiefen Sinn: Der Neubeginn des Gesamtbundes nimmt seinen Ursprung in einer Urzelle der Wandervogelbewegung. Auf dieser einzigschönen Burg Ludwigstein dürfen wir neu eintauchen in unsere Ursprünge. Wir haben in unserem Bundesgesetz Werte verankert, welche die Brücke bilden hinüber zur bündischen Jugend unseres ganzen Vaterlandes. Quickborn hat einen ganz eigenen Daseinsstil. Wir sind christlich bis ins Mark, unser innerstes Mark ist Christus der Herr selber. Und doch sind wir kein Klischeeverein, kein Allerweltsbrei, kein verwaschener ausgefranster Stoff. Romano Guardini hat uns gleich zu Anfang abgesetzt in gediegenen, heute noch lesenswerten Werkbriefen gegen jede Art der religiösen Umrißlosigkeit und Verschwommenheit, kurz der christlichen Stillosigkeit. Wir haben uns bemüht, im Bundesgesetz das Gesicht unserer Bewegung klar auszuprägen und abzugrenzen. Wir fordern viel und Schweres, weil nur so das Antlitz des Bundes gewahrt wird. Die Kraft einer Ganzheit liegt in der Ungebrochenheit der Eigenart. So prägen wir unseren Lebensstil innerhalb der Kirche. Wir sind bündische Jugend. Das heißt, wir leben in höchster Einfachheit und Zucht ein geformtes Gemeinschaftsleben als Bund. Dieses verschränkt uns mit der bündischen Jugend anderer Richtungen, ohne daß wir uns mit ihnen spiegelgleich decken. Wiederum ist es Romano Guardini, der uns durch richtungweisende Grenzziehungen hohen philosophischen Formats abgegrenzt hat gegen die sittliche Autonomie der bündischen Jugend.“ (In Auseinandersetzung mit Max Bondy von den „Freideutschen“ Anfang der zwanziger Jahre in den „Schildgenossen“) „So sind wir eigenständig innerhalb der bündischen Jugend durch unser katholisches

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sing in lebensbedrohlicher Zeit vom 1. Januar bis 9. Mai 1945, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 65 (2007), 7-35. Joachim MICHALKE, Heinrich Theissing (1917 – 1988), in: Michael HIRSCHFELD / Johannes GRÖGER / Werner MARSCHALL (Hg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern, Bd. 6, Sigmaringen 1992, 342-347. Edeltraut WLOCZYK, Hubert Thienel (1904 – 1987), in: Schlesische Kirche in Lebensbildern, Bd. 6, 259-265.

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Geprägtsein. Quickborn bildet das Bindeglied und Gelenk im geistigen Raum Deutschland. In uns überschneiden sich zwei große Kreise deutscher Menschen. Und so ist denn Quickborn katholisch aus Geburt, bündisch aus freier Wahl.... Quickborn hat ein kostbares Erbe zu verwalten und weiterzuführen. Wir sind nicht bloß eine tanzende, fahrende, zeltlagernde Jugend, nicht Abenteurer der Landstraße, der Ströme und Wälder. Haudegen sind uns willkommen, aber nur unter Bedingungen. Es war edelstes Anliegen des Bundes von jeher, in der vordersten Front geistiger Entscheidungen zu stehen“8. Von den Tagen auf Burg Ludwigstein gingen viele Impulse aus; vor allem fanden die Jungen und Mädchen zu lebendig-sprühendem Leben in Gruppen und Gauen mit selbstgewählten Führerinnen und Führern. Erstes Quickbornschrifttum erschien und stärkte den Zusammenhalt zwischen den Werkwochen. Gründung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend 1947 Intensiv arbeitete der Quickborn auch mit, als es um die Gründung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend 1947 ging. Hier ist vor allem Johannes Theissing zu nennen, der – wie sein Bruder Heinrich, der spätere Bischof von Schwerin – aus der von Willi Quittek geleiteten Quickborn-Gruppe in Neiße kam und als 35-jähriger Domvikar des Erzbistums Breslau in Altenberg wichtige Vorbereitungen für die Gründung des BDKJ traf, auch das Altenberger Singebuch zusammenstellte, aber dann schon 1947 starb und in Altenberg begraben wurde. Prälat Wolker hielt seinem „Bruder Johannes“ eine ergreifende Totenrede9. Im Vorfeld der Gründung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend engagierte sich Romano Guardini richtungweisend: In einem Brief vom August 1945 aus Mooshausen an der Iller, wo Guardini damals bei seinem Freund Pfarrer Josef Weiger lebte, wandte er sich an Jugendbischof Dr. Albert Stohr gegen die Absicht, nur eine katholische Einheitsjugend – nach Diözesen und Pfarren gegliedert – einzurichten und die gewachsenen Jugendbünde aufzuheben oder ihre Neugründung zu verbieten. Guardini trug 8

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Bernward DIETSCHE OP, Von den Merkmalen des Quickborns – Ansprache des Bundeskaplans auf dem Bundesthing 1947, in: Quickborn-Flugschriften, Nr. 4/5, September 1947. Siehe oben Anm. 5 – Die Ansprache von Ludwig Wolker ist ediert in: Heinrich THEISSING, Johannes Theissing (1912 – 1947), in: Schlesische Priesterbilder, Bd. 5, 239-243. – Das einleitende Schriftzitat ist ungenau wiedergegeben, es muss lauten: 2 Samuel 1, 27-27; besonders Vers 26.

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wichtige Argumente für das Wiederbestehen und Weiterbestehen der Bünde vor und schrieb an Bischof Stohr u.a.: „So bitte ich dich sehr herzlich, verehrter Freund, doch darauf hinwirken zu wollen, daß den Bünden ihr Lebensraum gelassen wird...“10. In den ersten Jahren des BDKJ regte der Quickborn eine besonders intensive Zusammenarbeit der bündischen Gruppen im BDKJ an. Mit einem Aufruf vom 1. Mai 1949 wandten sich für Neudeutschland Otto B. Roegele und Robert Frohn, für den Quickborn Friedrich Schlüter und Wilhelm Mogge und für den Jugendbund des Katholischen Deutschen Frauenbundes Anneliese Debray und Agnes Wahle an die Bünde. Sie teilten mit, dass die drei Bünde (1950 kam dann noch der Heliand dazu) in einer Arbeitsgemeinschaft als „Bendorfer Kreis“ enger zusammenarbeiten wollten und den Quickborner Wilhelm Mogge beauftragt hatten, das gemeinsame Mitteilungsblatt „Der Hinweis“ herauszugeben. Bei Diskussionen und Abstimmungen im BDKJ über die beabsichtigte Wiederbewaffnung Deutschlands widersprachen nur der Quickborn, die Schar und der Jugendbund des Katholischen Deutschen Frauenbundes mit christlich-pazifistischen Argumenten lebhaft der übergroßen Mehrheit der Diözesanverbände und Gliedgemeinschaften, die die Wiederbewaffnung befürworteten. Der Quickborn, zahlenmäßig ein kleiner Mitgliedsverband, unterschied sich von anderen Mitgliedsverbänden des BDKJ in vielen Bereichen. Ich nenne vier Beispiele: [1] Der Quickborn hatte keine Geistlichen Leiter oder Präsides, sondern Geistliche Beiräte, deren Aufgaben Heinrich Kahlefeld einmal umriss: Der Geistliche Beirat im Quickborn ist Hausvater im Gottesdienst, Verkünder des Wortes Gottes, Helfer und Mahner in Fragen des Gewissens, ansonsten Bruder im Bund. Konsequent waren die Geistlichen Beiräte bei den Gau- und Bundesthings nicht stimmberechtigt; sie sollten durch ihre Argumente beratend überzeugen. [2] Schon seit 1913 war der junge Quickborn ein Bund von Mädchen und Jungen, Männern und Frauen. Was damals in der katholischen Kirche als revolutionär erschien. [3] Die Arbeit im Quickborn wird bis heute auch auf Bundesebene ehrenamtlich getan. Das gleiche gilt auch für Vorstand, Burgrat und Burgpfarrer von Burg Rothenfels.

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Brief von Romano Guardini vom 14. August 1945 an Bischof Dr. Stohr. – Ein sechsseitiger Kohlepapier-Durchschlag des Briefes befindet sich in der Bayerischen Staatbibliothek München unter der Nr. Ana 243, Schachtel 23, eine Mappe „Albert Stohr“.

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[4] Der Quickborn ist nicht nach Pfarr- oder Diözesanstrukturen gegliedert, sondern hat seine eigenen Organisationsformen. So umfasste der Gau Niederrhein Teile von fünf Diözesen. Friedensarbeit Mit Pater Manfred Hörhammer beteiligten sich viele Quickbornerinnen und Quickborner an der Friedensarbeit und bei den von Pax Christi gestalteten Internationalen Friedenswallfahrten nach Chartres, auch im Gedenken an den Quickborner Abbé Franz Stock, der als Pfarrer der deutschen Gemeinde in Paris während der deutschen Besetzung Frankreichs vielen Gefangenen geheime Kontakte zu ihren Familien ermöglichte, Verurteilte zur Hinrichtung priesterlich begleitete und nach dem Krieg das Priesterseminar hinter Stacheldraht in Chartres leitete. In Stocks Heimatbistum Paderborn ist der Seligsprechungsprozess für ihn eröffnet. Ökumene Schon auf seinen ersten Nachkriegstagungen folgt der Quickborn weiter den Anstößen von Max Joseph Metzger und Hermann Hoffmann zur Ökumene – ab 1955 gab es dann gemeinsam mit dem Una-Sancta-Kreis München Ökumene-Tagungen auf Burg Rothenfels, u.a. mit Heinrich Fries, Probst Hans Christian Asmussen, Paula Linhart und Sigisbert Kraft. Auf Burg Rothenfels wird eucharistische Gastfreundschaft praktiziert. Bundestreffen des Quickborn auf Burg Rothenfels 1948 Vom 1. bis 7. August 1948 konnte das erste Bundestreffen des Quickborn nach dem Krieg wieder auf Burg Rothenfels durchgeführt werden – mit viel Improvisation. Ich erinnere mich noch an die Fahrt der Quickborner vom Niederrhein zu dieser Tagung, ca. 40 Leute auf einem HolzvergaserLastwagen in zwei Tagen. Die Französische Zone musste umfahren werden und an Bergen war der LKW zu schieben. Ein 8 mm-Film von 1948, den mein Vater damals drehte, dokumentiert diese Tage auf Rothenfels und die Fahrt der Niederrheiner dorthin. Viel junges Leben und viel junge und alte Begeisterung der Quickbornerinnen und Quickborner strahlten das Empfinden aus, dass der Bund Quickborn Zukunft hat und gestaltet.

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Von nun an waren wieder die jährlichen großen Sommerwerkwochen des Quickborn auf der Burg möglich. Bei der Werkwoche 1949 auf der Burg unter Leitung von Heinrich Kahlefeld sprachen u.a. Ida F. Görres, Heinrich Fleckenstein und Ernst Tewes – und am 6. und 7. August wurden 40 Jahre Quickborn gefeiert. Beliebt – vor allem im süddeutschen Raum – waren die Tagungen mit „Bundesvater“ P. Gregor Lang OSB auf der „Wies“, der berühmten Wallfahrtskirche bei Steingaden, mit vielen hundert Teilnehmern. Wilhelm Mogge schrieb 1949: „Quickborn hat immer dort gestanden, wo geistige Schlachten geschlagen wurden, wo um Entscheidungen gerungen wurde. Formen der Jugendarbeit und der Liturgie, um nur diese beiden Gebiete zu nennen, die heute von weit größeren Kreisen ganz selbstverständlich und allgemein anerkannt sind und geübt werden, wurden oft gegen erhebliche Widerstände im Quickborn erarbeitet und erprobt. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß heute vieles von dieser Arbeit umsonst getan zu sein scheint, daß auch bei uns weithin wieder von vorn begonnen werden muß. Quickborn war immer – unbewußt – ein großartiges Experimentierfeld, und wenn wir auch noch nicht sagen können, wohin heute die Reise geht, so wird doch schon deutlich, daß im Quickborn wieder etwas heranwächst, was ohne Vorbild ist im gesamten katholischen Organisationswesen. Er ist nicht nur der Intention nach Lebensbewegung, sondern umfasst tatsächlich katholische deutsche Menschen aller Altersstufen, beider Geschlechter und aller Stände. Jungen und Mädchen arbeiten zwar in getrennten Gruppen, neben den Gemeinschaften der Jungen bestehen die der Älteren in den verschiedensten Formen, Ansätze zu gildemäßiger Arbeit sind auch vorhanden – doch Quickborn im umfassenden Sinne ist nur im Zusammenklang von Mädchen und Junge, Frau und Mann, Werktätigem und Akademiker, Laie und Priester. Daß hier noch viel unvollkommen ist, daß Spannungen und Reibungen bestehen und immer wieder entstehen werden, ist selbstverständlich, – aber da der Quickborn in den vergangenen vierzig Jahren nicht an den Quickbornern zugrunde gegangen ist, wird er auch künftig noch einige Schwierigkeiten überstehen“11. Der Rückschau und dem Blick nach vorne dienten dann besonders die „runden“ und „halbrunden“ Geburtstage des Quickborn. 1950 strukturierte sich die Quickborn-Jüngerengemeinschaft um. Die Mittelschicht, die 20- bis 30-Jährigen, schlossen sich zur Mittlerengemeinschaft zusammen, in der es einen eigenen Quickborn-Hochschulring gab mit 11

Wilhelm MOGGE, „40 Jahre Quickborn“ 1949, in: Bund Neudeutschland. Monatliche Mitteilungen, 2. Jg., Köln, Juli/August 1949, Nr. 7/8, 5.

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Hochschulringgruppen an vielen Universitäten. Die Quickborn-Hochschulgruppe Freiburg gab den Anstoß zum Kauf des Senklerhofes in der Gemeinde St. Märgen im Schwarzwald 1955. Die Mittlerengemeinschaft gab sich dann eine eigene Bundesordnung, die mit Hinweisen auf Rothenfels schließt: „Burg Rothenfels ist für uns ein Ort, wo dieser Geist für das Leben der Kirche besonders fruchtbar geworden ist. Hier wird das Christendasein als volles Menschendasein aus der eucharistischen Gemeinschaft heraus lebendig. Dies ist der Kern unserer Gemeinschaft und daher sehen wir in Rothenfels unsere geistige Heimat“12. Geistliche Beiräte der Mittelschicht auf Bundesebene waren u.a. der Oratorianer Ernst Tewes, später Weihbischof in München, und Bernhard Casper, Theologieprofessor in Freiburg. Auch die Jungengemeinschaft und die Mädchengemeinschaft des Quickborn gaben sich Bundesordnungen, die dann alle paar Jahre überarbeitet wurden. Diese Bundesordnungen wie das „Grundgesetz des Quickborn“ von Freising und dann in der Fassung vom Ludwigstein waren wichtige Wegweiser, dürfen aber in ihrer Bedeutung nicht überschätzt werden. Der Kapuziner Manfred Hörhammer sagte bei seiner Festansprache 1954 „45 Jahre Quickborn“, der Bund habe nie aus Programmen gelebt, sondern immer aus dem Rucksack. In allen Überlegungen zu Bundesordnungen werden auch die Anregungen zur Abstinenz aufgegriffen und in zeitgemäßer Form weitergetragen zu einem Maßhalten, einem Paulinischen „Haben als hätten wir nicht, besitzen als besäßen wir nicht.“ Werkwochen der Mittelschicht auf der Burg erörterten die politische Verantwortung junger Leute u.a. mit Walter Dirks. Das Bundesschrifttum („Quickborn“ für die Älteren, „werkblatt des quickborn“ für die Mittelschicht, „Auf dem Wege“ für die Mädchengemeinschaft, „Das große Wagnis“ für die Jungengemeinschaft sowie „Drachensaat“ und dann ab 1955 der „Führerbrief der Mädchen- und Jungengemeinschaft im Quickborn“ für die Verantwortlichen in den Gruppenleitungen) gab wichtige Anstöße und bot Gesprächsforen, ergänzt durch Gaublätter. Neben den jährlichen Werkwochen auf der Burg und den gemeinsamen Bundesfesten aller Schichten zwischen den Wochen gab es mehrtägige Treffen für die Verantwortlichen – bei den Mädchen mehrmals in Südtirol mit ihren Geistlichen Beiräten – zunächst Klemens Tilmann, dann Walter Vinnenberg. Große Auslandsfahrten Ende der fünfziger / Anfang der sechziger Jahre festigten die Gemeinschaften – so Fahrten der Mädchen unter Leitung ihres Geistlichen Beirates Walter Vinnenberg in die Niederlande und in die Normandie und Fahrten der Jungen12

aaO.

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gemeinschaft unter Leitung von Meinulf Barbers 1957 nach Finnland, 1960 und 1963 (Leitung: Roland Haas) nach Island. Bausteinaktionen für die katholische Jugend in diesen Ländern schlossen sich an. Wichtige Inhalte im Quickborn – auch neben Einfachheit, Natürlichkeit, Wahrhaftigkeit – wurden zum Teil der Tradition des Bundes entnommen, aber immer wieder in kritischer Auseinandersetzung mit der jeweiligen Zeit und ihren Strömungen überprüft und weitergeführt. Ich nenne einige Themen, die schwerpunktmäßig immer wiederkehrten: Frieden, Soziale und politische Fragen, Kirche und Liturgie, Einheit der Christen, Anders leben – Abstinenz – Ganzheitlichkeit – Musisch-Kreatives, Erziehung und Selbstbildung, Bewahrung der Schöpfung, Burg Rothenfels, BDKJ, Ost-West-Verbindungen Unterschiedliche Bewertungen des Neubeginns: durch die „Alten“ : „Neubeginn ohne Glanz“ – und durch die „Jungen“ : Nie gekannte Erfahrungen neuer Geschwisterlichkeit Der Wiederbeginn Quickborns nach 1945 wurde von den neu dazugekommenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr viel positiver erlebt als von den verbliebenen Vorkriegsquickbornern, die besonders hohe Ansprüche stellten, da sie den Bund immer an seinen „großen“, in der Rückschau oft verklärten Zeiten maßen. Der verstorbene Historiker Professor Dr. Meinrad Schaab, damals ehrenamtlicher Leiter des Burgarchivs auf Rothenfels und Sprecher des Burgrates, formulierte in seinem Referat „Burg und Bund 1946 bis 1974“ bei der Rothenfelser Pfingsttagung 1979 das gemeinsame Empfinden der jungen Leute, die nach dem Krieg zum Quickborn fanden: „Willi Mogge hat 1969 die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg für den Quickborn als Neubeginn ohne Glanz charakterisiert.... Für uns Jüngere sah das damals gewiß nicht so aus. Noch nie hatten wir eine Gemeinschaft erlebt, die ganz im Glauben und in der Kirche verwurzelt und doch innerlich frei und in ihren Lebensformen gelöst und fröhlich war. Nirgendwo sonst hatten wir eine solche Brüderlichkeit über alle Generationen und über alle deutschen Landschaften und Stämme hinweg erfahren. Nirgendwo stand man so über den Beschwerlichkeiten, die in den damaligen Notjahren den Alltag oft unerträglich machten, wie hier. Auf den ersten Bundestagen hausten die Jüngeren auf Strohlagern oder in vollgestopften Armeezelten, verpflegte die Burg, von der noch nicht viel mehr als die großen Säle fast ohne vernünftiges Mobiliar wieder nutzbar waren, bis zu 1.000 Menschen aus Waschkesseln, und doch war eine solche Woche keine Massenveranstaltung, wie sie uns noch als

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Alptraum aus der ‚tausendjährigen’ Vergangenheit geläufig war, sondern ein einziges Fest im besten Sinne des Wortes“ 13. Rückblick auf die Vergangenheit des Bundes: Quickborner im Widerstand gegen den Nationalsozialismus In der Ordnung der Mittlerengemeinschaft wurden auch Aussagen zu politischem Wissen, Urteil und Verantwortungsbereitschaft gemacht und in diesem Zusammenhang die Männer und Frauen des deutschen Widerstandes gegen Hitler als Vorbilder herausgehoben. Neben den bekannteren Menschen des Widerstandes gegen das Naziregime wie den Männern und Frauen des 20. Juli 1944 oder dem Kreis um „Die weiße Rose“ befinden sich fünf Quickborner, die in dem von Helmut Moll im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz herausgegebenen zweibändigen Werk „Zeugen für Christus – Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts“ als Märtyrer erwähnt werden: Theo Hespers, Redakteur, geboren 12. Dezember 1903 in Mönchengladbach, Stadtführer des Quickborn dort, organisierte ab 1933 von seinem niederländischen Exil aus bündischen Widerstand gegen die Nationalsozialisten und gab ab 1937 die Widerstandszeitschriften „Kameradschaft, Schriften junger Deutscher“ und „Sonderinformationen deutscher Jugend“ heraus, die illegal in Deutschland und seinen Nachbarländern verteilt wurden. In der „Kameradschaft“ veröffentlichte er auch seine Vorstellungen von einem friedlichen demokratischen Deutschland nach dem Krieg in einem befriedeten Europa „So wollen wir Deutschland“. Nach der Okkupation der Niederlande durch Deutschland musste er untertauchen, wurde später gefasst und vom Volksgerichtshof wegen „Hoch- und Landesverrat“ zum Tode verurteilt und am 9. September 1943 in Berlin-Plötzensee erhängt14. Gerhard Hirschfelder, Kaplan, Priester des Erzbistums Prag, geboren am 17. Februar 1907 in Glatz, am 31. Januar 1932 im Dom zu Breslau für den preußischen Anteil der Erzdiözese Prag von Kardinal Bertram zum Priester geweiht. 1932 bis 1939 Kaplan in Grenzeck, dann bis 1941 in Habelschwerdt, dort zugleich auch Diözesanjugendseelsorger für die Grafschaft 13

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Meinrad SCHAAB, Burg und Bund 1946 bis 1974, in: 60 Jahre Burg Rothenfels, Rothenfelser Schriften, Bd. 6, hg. vom Vorstand der Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels e.V., Rothenfels 1979, 105f. Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, hg. im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz von Helmut MOLL, Bd. 1-2, Paderborn u.a. 42006, Bd.2, 1273-1277.

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Glatz. Wegen seiner offenen Worte gegen die Nazidiktatur (z.B. in einer Sonntagspredigt: „Wer der Jugend den Glauben an Christus aus dem Herzen reißt, ist ein Verbrecher!“) wurde der begnadete Jugendseelsorger am 1. August 1941 verhaftet und nach vier Monaten Gefängnisaufenthalt in Glatz in das Konzentrationslager Dachau gebracht, wo er am 1. August 1942 starb. Am 19. September 2010 wurde er im Dom zu Münster selig gesprochen15. Rudolf Mandrella, Amtsgerichtrat und seit 1942 Marine-Intendanturrat, geboren am 6. März 1902 in Auschwitz, Oberschlesien. Amtsgerichtsrat, dann in der Marineverwaltung tätig. Im Kreis um den Stettiner Standortpfarrer Kaplan Herbert Simoleit schätzte er den offenen Austausch über die Situation in Nazideutschland, wurde von einem Spitzel als „Wortführer“ in diesem Soldatenkreis verraten, im Mai 1943 vom Reichskriegsgericht in Dessau zum Tode verurteilt und starb am 3. September 1943 unter der Guillotine von Brandenburg-Görden. „Seine Tagebuchnotizen wurden zu einem kostbaren Vermächtnis für die Menschen, die er liebte. Mit dem Abschiedsbrief an seine Frau gehören sie darüber hinaus zum Ergreifendsten und Schönsten, das die Zeit des Nationalsozialismus an menschlicher Reife, menschlicher Würde und menschlicher Heiligkeit hervorgebracht hat“16. Dr. Max Joseph Metzger, Priester der Erzdiözese Freiburg, geboren am 3. Februar 1887 in Schopfheim / Baden und am 5. Juli 1911 zum Priester geweiht. Nach seiner Zeit als Divisionspfarrer im 1. Weltkrieg wurde er zum Vorkämpfer für Frieden und Versöhnung. Er entwickelte 1917 ein „internationales religiöses Friedensprogramm“, das er Papst Benedikt XV. zukommen ließ. 1917 gründete er auch den „Weltfriedensbund vom Weißen Kreuz“ und beteiligte sich 1919 führend an der Gründung des Friedensbundes Deutscher Katholiken. Er engagierte sich in der Suchtkrankenfürsorge. 1919 gründete Metzger in Graz die „Missionsgesellschaft vom Weißen Kreuz“, die ab 1927 „Christkönigsgesellschaft“ („Societas Christi Regis“) hieß und in Meitingen ihre Zentrale hatte. Metzger beteiligte sich an vielen internationalen Friedenskonferenzen. Seine umfangreichen Sprachkenntnisse – auch Esperanto – halfen ihm bei der Verständigung. Seit 1938 war er Promotor der ökumenischen Una-Sancta-Gemeinschaften. Sein an den schwedischen lutherischen Erzbischof Eidem gerichtetes Memorandum über die Neuordnung Deutschlands nach dem Hitlerregime und die Einbindung Deutschlands in eine Weltfriedensordnung wurde verraten und Max Joseph Metzger nach einem Volksgerichtshofprozess unter Roland Freisler an 14. Oktober 1943 zum Tode verurteilt. Am 17. April 1944 wurde er im Zuchthaus BrandenburgGörden durch das Fallbeil hingerichtet. Auf seinem Grabstein stehen einige 15 16

Zeugen für Christus, Bd.2, 701-703. Zeugen für Christus, Bd.1, 132-136.

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seiner letzten Worte: “Ich habe mein Leben Gott angeboten für den Frieden der Welt und die Einheit der Kirche“. 2006 eröffnete das Erzbistum Freiburg den Seligsprechungsprozess für Max Joseph Metzger17. Dr. Alfons Maria Wachsmann, Priester des Erzbistums Berlin, geboren am 25. Januar 1896 in Berlin, aufgewachsen im niederschlesischen Polkwitz, Besuch des Gymnasiums in Breslau, Leobschütz und Patschkau. Auf dem Ersten deutschen Quickborntag im August 1919 auf Rothenfels verkaufte er „Bausteine“ für die Burg. Er wurde am 19. Juni 1921 durch Kardinal Bertram im Dom zu Breslau zum Priester geweiht, war Kaplan in Görlitz und dann im Berliner Norden, ab 1929 in Greifswald, dort auch Studentenpfarrer. Mit Romano Guardini und anderen Quickbornern war er lange Jahre eng verbunden. Er holte namhafte katholische Referenten nach Greifswald und förderte so das geistige Niveau in der Universitätsstadt. Wegen seines Widerstandes gegen die Nationalsozialisten wurde er im Juni 1943 verhaftet. Am 4. Dezember 1943 verurteilte der Volksgerichtshof ihn zum Tode. Roland Freisler begründete die Verurteilung u.a. „Alfons Wachsmann hat als Priester seine Kapläne und auch Andere vier Kriegsjahre lang mindestens fünfzigmal am Hören des Londoner Hetzsenders teilnehmen lassen und Studenten, meist Soldaten, gegenüber unsere Wehrmachtsberichte angezweifelt, immer wieder erklärt, wir könnten den Krieg nicht gewinnen und wir wären schuld an ihm. Als Propagandist unserer Kriegsfeinde ist er also unserem kämpfenden Volk in den Rücken gefallen.“ Am 21. Februar 1944 starb Alfons Maria Wachsmann in Brandenburg-Görden unter dem Fallbeil18.

Burg Rothenfels 1945 bis 1959 Streit um die Eigentumsrechte von Burg Rothenfels Nach schwierigen Verhandlungen wurde Burg Rothenfels erst 1951 vom Freistaat Bayern an ihren Eigentümer zurückgegeben. Bemühungen, Burg Rothenfels zurückzuerhalten, begannen bald nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Es gab damals Überlegungen im Bereich katholischer Jugendarbeit auf Bundesebene bei Generalpräses Ludwig Wolker und anderen und bei Bischöfen, Burg Rothenfels selbst in Besitz zu nehmen. Romano Guardini wandte sich deshalb im August 1945 in seinem schon erwähnten Brief aus Mooshausen an der Iller an den „Jugendbischof“ und 17 18

Zeugen für Christus, Bd.1, 212-215. Zeugen für Christus, Bd.1, 114-117.

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Bischof seiner Heimatdiözese Mainz, Dr. Albert Stohr. Er argumentierte, dass die Jugend des Quickborn die Burg durch den „Verein der Quickbornfreunde e.V.“ 1919 gekauft und mit großen Opfern ausgebaut habe. Die führenden Persönlichkeiten der Burg und alle Mitarbeiter hätten so viel Arbeit hineingesteckt, dass Außenstehende dies nicht nachvollziehen könnten. Guardini schrieb: „So ist die Burg rechtlich, menschlich und geistig das Eigentum jener, die sie getragen haben. Daß die Staatspolizei sie unter der Lüge staatsfeindlichen Verhaltens enteignete, war ein Raub, der keines der bestehenden Rechte aufgehoben hat. Juristischer Eigentümer der Burg ist der Verein der Freunde von Burg Rothenfels, welchen Titel der alte e.V. annehmen mußte, als es keinen Quickborn mehr geben durfte.“ „So bitte ich Dich, Du mögest irgendwelchen Beanspruchungen der Burg in diesem Sinne entgegentreten – sei es auch nur, um zu vermeiden, daß die Eigentümer der Burg in die Lage kommen, ihre Rechte gegen kirchliche Personen vertreten zu müssen“19. Neubeginn der Burgarbeit 1948 Ab 1948 begann die Burgarbeit wieder unter Leitung von Heinrich Kahlefeld. Am 16. April 1948 wurde die „Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels e.V.“ „wieder eröffnet“ , die am 31. Oktober 1948 „Fabrikant Josef Heinrich Sommer, Düsseldorf“, zu ihrem Vorsitzenden wählte und den Bundesleiter des Quickborn, Bibliotheksdirektor Friedrich (Fritz) Schlüter, zum Stellvertretenden Vorsitzenden. Schlüter redigierte lange Jahre den „Burgbrief“, die Mitgliederzeitschrift der Vereinigung. Schwerpunkte der Burgarbeit blieben liturgische Fragen, Umgang mit der Heiligen Schrift und eine Akademiearbeit, die Vorbild für entstehende Katholische Akademien wurde. Durch von Rothenfels geprägten Menschen strahlte die Burg in weite Bereiche aus. So gründete der Quickborner Jupp Schneider 1946 Burg Feuerstein im Erzbistum Bamberg als Jugendbildungsstätte und nahm auch mit der dort 1961 geweihten Kirche die Entwicklungen des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Liturgiereform vorweg. Prälat Jupp Schneider war von 1937 bis zu seinem Tod 1975 Diözesanjugendseelsorger des Erzbistums Bamberg. Die für Tagzeitenliturgie auf der Burg und andere gottesdienstliche Feiern unter Federführung von Heinrich Kahlefeld erstellten Texte und Melodien wirkten prägend ins Land hinaus. Werkwochen „für junge Menschen aller Kreise“ mit Heinrich Kahlefeld, Bruno Leuschner u.a. sprachen viele interessierte junge Erwachsene an. 19

Brief von Romano Guardini vom 14. August 1945 an Bischof Dr. Stohr.

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Wichtige politische Fragen wurden gründlich und zukunftweisend diskutiert – so im „Staatspolitischen Arbeitskreis Burg Rothenfels“, für den JosefHeinrich Sommer, Curt Becker u.a. verantwortlich waren. Überlegungen auf der Burg mit Prof. Müller-Armack deuteten die Richtung zu einer Sozialen Marktwirtschaft hin. Verstärkt wurden auch ökumenische Überlegungen, seit 1955 in Zusammenarbeit mit Heinrich Kahlefeld, Probst Asmussen, Heinrich Fries, Paula Linhart und dem Una-Sancta-Kreis München und dem Schweinfurter Kreis. Eine Frucht dieser Arbeit ist auch die seit Jahrzehnten auf Rothenfels praktizierte eucharistische Gastfreundschaft. Wichtig für Kontinuität und Neuaufbrüche auf Burg Rothenfels und im Quickborn war, dass neben den zahlreich hinzukommenden engagierten jungen Leuten auch nach 1945 Frauen und Männer aus der früheren Burgarbeit und dem „alten“ Quickborn weiter mitarbeiteten. Stellvertretend nenne ich: P. Bernward Dietsche OP (1903 – 1973) lebte in Augsburg, dann Walberberg bei Köln; neben seiner wissenschaftlichen Arbeit z.B. an der deutschen Thomasausgabe engagierte er sich im Quickborn – nach dem Krieg als Bundeskaplan, lange auch als Gaukaplan am Mittelrhein – und als Referent vieler Tagungen – von Teilhard de Chardin bis zu Thesen zur Elitebildung. Walter Dirks (1901 – 1991), Gauführer des Quickborn in Westfalen, von 1924 bis zur Auflösung des Blattes durch die Nationalsozialisten Redakteur der von Friedrich Dessauer herausgegebenen Rhein-Mainischen Volkszeitung. Sekretär Romano Guardinis in dessen Berliner Jahren, betreute von 1928 bis 1931 die Zeitschrift des Friedensbundes Deutscher Katholiken. Seit 1934 Musikkritiker der Frankfurter Zeitung, setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg für den zivilen Aufbau Frankfurts ein und initiierte die Gründung der CDU in Frankfurt, zog sich nach negativen Erfahrungen dort zurück, edierte ab 1946 mit Eugen Kogon und Clemens Münster die Frankfurter Hefte heraus, arbeitete 1953 bis 1956 am Frankfurter Institut für Sozialforschung und gab dort mit Theodor W. Adorno die Frankfurter Beiträge zur Soziologie heraus. 1956 bis 1967 Leiter des Kulturressorts des WDR in Köln. – wirkte bei vielen Tagungen auf Rothenfels mit. Josefa Fischer-Erling (1900 – 1994), Juristin, jahrelang im Quickborn auch in Leitungsfunktionen tätig. Ab 1960 leitete sie die katholische Beratungsstelle für Ehe- und Familienfragen in Köln. Im Berichtsheft über die Tagung „60 Jahre Burg Rothenfels“ 1979 steht ihr Referat „Gibt es ein Erbe der Jugendbewegung?“20 20

In: 60 Jahre Burg Rothenfels. Im Spannungsfeld von Jugendbewegung, Kirche und Gesellschaft. Referate der Vorpfingst- und Pfingsttagung auf Burg Rothenfels 31. Mai bis 6. Juni 1979 (Rothenfelser Schriften, Bd. 6), Rothenfels 1979, 33-50.

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Heinz Fleckenstein (1907 – 1995), Professor für Moral- und Pastoraltheologie in Würzburg, war ab 1959 Burgleiter auf Rothenfels. Ida Friederike Görres (1901 – 1971), geboren auf Schloss Ronsperg/ Böhmen, war seit 1933 ständig in der katholischen Jugend- und Erwachsenenbildung verantwortlich tätig, vor allem im Quickborn und im österreichischen Bund Neuland. Von 1931 bis 1953 arbeitete sie als Diözesansekretärin für die weibliche Jugend in Dresden, dann als freie Schriftstellerin. Neben ihrem umfangreichen literarischen Schaffen – Prosa und Lyrik – erregte vor allem ihr in den „Frankfurter Heften“ im November 1946 erschienener „Brief über die Kirche“ Aufsehen, Zustimmung und Widerspruch. Ida Friederike Görres war vor ihrem Tod Mitglied der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, die von 1971 bis 1975 Würzburger Synode stattfand21. Bernhard Hanssler (1907 – 2005), Priesterweihe 1932, ab 1936 Studentenpfarrer in Tübingen, nach dem Krieg Pfarrer in Schwäbisch Hall, dann in Stuttgart; Mitbegründer des Cusanuswerkes, seit 1956 dessen erster Geschäftsführer; von 1957 bis 1970 Geistlicher Direktor des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, später dessen Bischöflicher Assistent; 1961 Päpstlicher Ehrenprälat, 1970 bis 1974 in Rom als Rektor des deutschen Priesterkollegs Collegio Teutonico di Santa Maria in Campo Santo; 1974-1981 Lehrund Vortragstätigkeit in Bochum; 1981 kehrte er in seine Heimatdiözese Rottenburg-Stuttgart zurück und wirkte dort noch einige Jahre als Akademieseelsorger. Hanssler wurde unter dem Namen „Sommerfeld“ von Heinrich Böll in den „Ansichten eines Clowns“ beschrieben. Helene Helming (1888 – 1977) engagierte sich intensiv für die Montessori-Pädagogik in Deutschland, wurde 1926 Direktorin des Aachener FröbelSeminars und gliederte dem Seminar mehrere Kinderhäuser an; 1935 von den Nazis zwangspensioniert, nach dem Krieg Pädagogik-Professorin. P. Manfred Hörhammer OFMCap (1905 – 1985). Auf dem Weg aus der Kriegsgefangenschaft 1945 wurde ihm der Aufruf von 40 französischen Bischöfen zugesteckt: „Wir wollen beten für die Brüder in Deutschland“. Pater Manfred engagierte sich besonders in der Friedensarbeit – so als langjähriger Geistlicher Beirat von Pax Christi – und für die Ökumene. Er feierte 1929 seine Primiz auf Burg Rothenfels und beging dort auch sein Goldenes Priesterjubiläum Pfingsten 1979.

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Anna FINDL-LUDESCHER, Stützen kann nur, was widersteht. Ida Friedericke Görres – Ihr Leben und ihre Kirchenschriften (Salzburger Theologische Studien, Bd. 9), Innsbruck/Wien 1999; über ihr Engagement im Quickborn, 82-83. Der Brief über die Kirche erschien in: Frankfurter Hefte 1, 1947, 715-733.

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Heinrich Kahlefeld (1903 – 1980), Mitglied des Oratoriums des hl. Philipp Neri in Leipzig, dann in München, Nachfolger Guardinis als Burgleiter auf Rothenfels – bis 1959; vorbildhaft in seiner Schriftauslegung, seinem Umgang mit der Liturgie und seiner Akademiearbeit auf der Burg, – zahlreiche Veröffentlichungen. P. Gregor Lang OSB (1884 – 1962), Rektor am Gymnasium St. Stephan in Augsburg, Leiter der Philosophischen Hochschule dort und der Augsburger Akademie. 1919 kam auch die Augsburger Quickborngruppe zur Burg und wirkte beim Aufbau mit, so dass im gleichen Jahr auch Bernhard Strehler nach Augsburg kam und Freund von Pater Gregor wurde. Durch sein Mitwirken auf Rothenfels und auf der Wies wurde „Bundesvater“ Pater Gregor vielen Quickbornerinnen und Quickbornern Wegweiser und Freund. Die Una Sancta war ihm ein Herzensanliegen. Bruno Leuschner (* 1999), Geistlicher Oberstudienrat in Schlüchtern, in vielen theologischen Fragen engagiert, besonders auch in der Ökumene, lange Jahre Leiter der Werkwochen für junge Menschen aller Kreise auf der Burg und Geistlicher Beirat der Mittlerengemeinschaft im Quickborn. Felix Messerschmid (1904 – 1981), Geschichts- und Musiklehrer, nach dem Zweiten Weltkrieg erster Direktor der Akademie für Erziehung und Unterricht in Calw, 1955 bis 1958 Leiter des Kepler-Gymnasiums Ulm, 1958 bis zu seiner Pensionierung erster Direktor der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Von 1953 bis 1965 Mitglied des Präsidiums des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen, von 1955 bis 1967 Vorsitzender des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands, seit 1957 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates des Institutes für Jugendfragen in Bonn. Neben vielem anderen Engagement auf Rothenfels studierte er dort immer wieder die Gesänge für den Gottesdienst ein. Ernst Tewes (1908 – 1986), engagierte sich schon als 14-Jähriger im Quickborn, 1934 Priesterweihe, ab 1939 Oratorianer, 1954 erster Pfarrkurat, seit 1957 Pfarrer der neu errichteten Oratorianer-Pfarrei St. Laurentius in München, 1963 Leiter des Seelsorgereferates der Erzdiözese MünchenFreising, 1968 Weihbischof für den Seelsorgebezirk München bis zu seiner Emeritierung 1984. Klemens Tilmann (1904 – 1984), arbeitete im Jugendhaus Düsseldorf mit, wurde ab 1938 mit der Ausarbeitung eines neuen, dem „Grünen“ Katechismus beauftragt, der 1955 erschien. Er schloss sich nach dem Krieg dem Münchener Oratorium an, viele wegweisende Veröffentlichungen. Tilmann war in den fünfziger Jahren Geistlicher Beirat der Quickborn-Mädchengemeinschaft und auch durch seine Zauberkünste bekannt und beliebt.

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1959 schied Heinrich Kahlefeld aus der Burgarbeit aus. Die Aufgabe des Burgleiters übernahm zunächst Heinz Fleckenstein, dann ein Dreiergremium: Heinz Fleckenstein, Bruno Leuschner, Bernhard Casper. Die Mitgliederversammlung des Trägervereins der Burg wählte am 26. Mai 1958 zum Vorsitzenden Ernst Josef Ludwig, Präsident des Justizprüfungsamtes Saarbrücken, und bestätigte als Stellvertreter den Bundesleiter des Quickborn Fritz Schlüter. Burg- und Bundesfest 1959 Mit einem großen Fest feierten 1959 die Freundinnen und Freunde der Burg und die Quickbornerinnen und Quickborner 50 Jahre Quickborn, 40 Jahre seit dem Kauf von Burg Rothenfels: Feierlicher Einzug zum festlichen Gottesdienst mit Bischof Dr. Otto Spülbeck, Meißen, Heinz Fleckenstein, Sigisbert Kraft, dem späteren Bischof der Altkatholiken, und weiteren Geistlichen und mit vielen Quickbornbannern. Das Fest bot Anlass zur Rückschau in die Burg- und Bundesgeschichte und zu einer Ausschau in die Zukunft.

Umbruch und Neubeginn Nachdem im Nachkriegs-Quickborn rund 20 Jahre die Mitarbeit auf Burg Rothenfels und die Anregungen aus der früheren Quickbornbewegung trotz aller kritischen Auseinandersetzung als wichtig und wegweisend angesehen wurden, kam der Umschwung Mitte der 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts um so plötzlicher. In einer von der Zahl her kleinen Gemeinschaft kann sich seismographisch das vorweg ereignen, was größere, schwerfälligere Verbände erst Jahre später erleben, ohne dass sie diese Hinweise sehen. Auseinandersetzungen, die sich an anderer Stelle in der „68er-Bewegung“ entluden, wurden im Quickborn sichtbar: Ein radikaler Bruch vieler mit der Tradition und eine Umwertung vieler Werte. Anfang der sechziger Jahre gab es erste Auseinandersetzungen innerhalb der Quickborn-Jungengemeinschaft, die von Reinhart Krämer (Rottenburg) und seiner „Blaue Rotte“ genannten Gruppe initiiert und von seinem Gegenheft gegen „Das große Wagnis“, das er „Das kleine Wagnis“ nannte, schriftlich begleitet wurden. Ein auch nach außen hin deutliches Protestzeichen war dann die Veranstaltung des Quickborn-Jüngerenbundes mit Carl Amery „Wie weit zur nächsten Kapitulation“ beim BDKJ-Bundesfest 1965 im DGB-Saal Düsseldorf und die vorangehende Pressekonferenz unter Leitung von Martin

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Stankowski, der damals „Das große Wagnis“ redigierte, die Bundeszeitschrift der Mädchen und Jungen im Quickborn. Stankowskis Einleitung zu einer Dokumentation über diese Veranstaltung, ihre Vorgeschichte und ihre Auswirkungen beginnt: „Die Veranstaltung des Quickborn Jüngerenbundes zur Zeit des Bundesfestes des Bundes der deutschen katholischen Jugend mit Carl Amery erregte einiges Aufsehen. Die Bundesführung des BDKJ protestierte scharf gegen diesen Entschluß der Quickborner und versuchte sowohl durch Presse und Reden die Illoyalität der Verantwortlichen mit dem BDKJ zu beweisen als auch durch entsprechende Maßnahmen die Veranstaltung zu verhindern“22. Bewusst gaben 1966 Teile der Jüngeren und der „Mittelschicht“ den Namen „Quickborn“ auf und die vielen Vorstellungen und die Zeichen, die damit verbunden waren. Viele aus der Jungen- und Mädchengemeinschaft schlossen sich mit der Schar – einer damals kleinen bündischen Gemeinschaft im BDKJ – zum „Bund Christlicher Jugendgruppen“ (bcj/BCJ) zusammen. Der BCJ arbeitete – von seinem Selbstverständnis her als Nachfolger des Quickborn – im BDKJ mit und versuchte dort Stachel des Widerstandes zu sein – z.B. durch Gespräche mit der Freien Deutschen Jugend (FDJ) in der DDR – gegen Beschlüsse des BDKJ und des Deutschen Bundesjugendringes. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre ließ der BCJ seine Mitgliedschaft im BDKJ zunächst ruhen, nachdem er zahlenmäßig sehr geschrumpft war; im Jahre 2000 teilte der Bundesvorstand des BDKJ mit, dass die Mitgliedschaft des BCJ dort erloschen ist. Einige BCJ-Veteranen treffen sich seit einigen Jahren jeweils Pfingsten in Rothenfels. Die Bundeszeitschrift der Mittlerengemeinschaft „werkblatt des quickborn“ erschien seit 1965 als „rothenfelser werkblatt“. Durch Beschluss vom 6. August 1966 löste sich die Mittelschicht dann selbst auf. Einige schlossen sich neu zusammen als „Rothenfelser Kreis“. Das Werkblatt erschien zunächst weiter – ab Oktober 1967 unter der Bezeichnung „rothenfelser hefte“, später als „kritischer katolizismus“. Die „rothenfelser hefte“ wurden vom „Rothenfelser Kreis“ und dem „Rothenfelser Hochschulring“ verantwortet. Heft 3/67 – Redaktion Heribert Kohl. Er war der letzte Bundessprecher des Quickborn-Hochschulringes. Er brachte unter dem Thema „protestation und revolution“ u.a. einen Beitrag von Karl Derksen OP „Reformation und Protestation in der Kirche“ und einen weiteren von Heinrich Lutz „Historische Reflektionen zum Stichwort Revolution“. Zu dem Heft stellte Martin Stankowski eine 16-seitige Beilage „Camillo Torres“ zusammen. 22

Nachrichten aus der Schar und dem Quickborn, 1965.

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Einige aus dem Kreis um diese Zeitschrift begleiteten protestierend den Essener Katholikentag 1968: „Hengsbach, wir kommen. Wir sind die linken Frommen.“ Der Rothenfelser Kreis und der Hochschulring lösten sich Anfang der 70er-Jahre stillschweigend auf. Die zuletzt nur noch wenigen Mitglieder mit ihrer Zielsetzung eines christlichen Sozialismus fanden ihre Heimat in anderen Protestbewegungen. Das beim Auseinandergehen des Quickborn vereinbarte Dach aller früheren Quickborn-Gemeinschaften, der „Rothenfelser Ring“, kam nie zustande. Die Jüngeren verstanden die Älteren nicht und lehnten sie teilweise sehr aggressiv und verletzend ab und der Quickborn-Älterenbund sah keine Möglichkeit sinnvoller Zusammenarbeit.

Der Quickborn-Arbeitskreis Die Entstehung des Quickborn-Arbeitskreises Einige Freunde aus der früheren Mädchen- und Jungengemeinschaft und der Mittelschicht des Quickborn überlegten in diesem Auseinanderbrechen des Quickborn, ob und wie sie unter dem Zeichen des Sonnenkreuzes miteinander weiterarbeiten könnten, auch in dankbarer Erinnerung an die ihr Leben entscheidend bestimmenden guten Erfahrungen im Quickborn und auf Burg Rothenfels. Am 9. Februar 1967 schickten zwei frühere Bundesführer der Quickborn-Jungengemeinschaft, Meinulf Barbers (Bundesführer von Dezember 1957 bis August 1962) und Walter Schlicht (Bundesführer von August 1962 bis August 1964) einen Rundbrief an ca. 20 Leute aus der früheren Quickborn-Jüngerengemeinschaft mit dem Vorschlag, die Arbeit „in einer gewandelten Form“ weiterzuführen und Einzelheiten bei einem Wochenende auf Rothenfels zu überlegen. Und am ersten Juni-Wochenende 1967 bildete sich dann auf Burg Rothenfels nach einem Namensvorschlag des damaligen Burgreferenten Winfried Mogge der „Quickborn-Arbeitskreis“. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Zusammenkunft verständigten sich u.a. auf folgende Forderungen: [1] Mitverantwortung für die Arbeit von Burg Rothenfels [2] Fortsetzung der Arbeit des Quickborn in zeitgemäßen Formen [3] Offenheit für alle Angehörigen der jüngeren Generation, die sich dem Werk der Burg verbunden fühlen. Die älteren Quickborner begrüßten die Weiterarbeit jüngerer Quickborner. So schrieb der damalige Sprecher des Quickborn-Älterenbundes Alois

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Koch Ende Juli 1967 an Meinulf Barbers u.a.: „... In steigendem Maße freute ich mich über Deine Informationen, die zeigten, wie dieser QuickbornArbeitskreis heranreifte. Sie waren Nahrung für die Hoffnung, daß sich fähige, verantwortungsfreudige und schon in beruflicher Bewährung stehende Menschen – etwa der reiferen mittleren Schicht – zusammenfinden werden und in Aufgeschlossenheit für die gewandelte Situation, aber nicht nur dem Experiment und dem Avantgardismus verschworen, das Erbe antreten ...“ Am ersten Augustwochenende trafen sich Vertreter der Kreise, für die bisher ein gemeinsamer Rechtsträger bestand, mit dem Quickborn-Arbeitskreis und lösten zum 31. Dezember 1967 den „Quickborn-Jüngerengemeinschaft, Bundeskasse e.V.“ auf. Vom 8. bis 18. September 1967 fand das vom Quickborn-Arbeitskreis und einer französischen Jugendorganisation veranstaltete Seminar „Europäische Kulturen begegnen sich (aufgezeigt am Beispiel Deutschlands und Frankreichs)“ auf Burg Rothenfels statt. Unter Leitung von Eberhard Hirner (Quickborner aus Schwäbisch Gmünd, der lange Jahre die Volkshochschule Bergisch Gladbach leitete) traf man sich dann alle zwei Jahre in Deutschland oder Frankreich – und seit einigen Jahren in Südtirol als Familienkreis – so auch Ende Juli und in den ersten beiden Augustwochen 2011. Bei der Leipziger Herbstmesse 1967 trafen sich Freunde aus Mitteldeutschland mit Hermann Hoffmann und Leuten aus dem QuickbornArbeitskreis. Diese halbjährlichen Treffen in Leipzig – seit 1991 im Frühjahr auf Rothenfels, im Herbst bei Leipzig – finden auch heute noch statt – so Ende September, Anfang Oktober 2011 in Zwochau bei Leipzig,, vom 16. bis 18. März 2012 auf Burg Rothenfels und vom 8. bis 10. Oktober 2012 wieder in Zwochau bei Leipzig. Am 23./24. September 1967 kamen rund 30 Leute aus dem QuickbornArbeitskreis nach Rothenfels. Sie verständigten sich auf eine Ordnung, in der es u.a. hieß: “Der Quickborn-Arbeitskreis ist eine Gemeinschaft junger Katholiken aus allen Ständen und Schichten. Wir wollen das Wesentliche vom Erbe der katholischen Jugendbewegung in zeitgemäßer Form weitertragen...“. An diesem Wochenende wurde auch für 1968 geplant und Meinulf Barbers zum Bundessprecher gewählt. Nach einem Gespräch mit dem Bundesvorstand des BDKJ, Vertretern des BCJ und Meinulf Barbers für den Quickborn-Arbeitskreis im Jugendhaus Düsseldorf am 28.9.1967 wurde entschieden, dass auch der QuickbornArbeitskreis Mitgliedsverband im BDKJ wird.

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Aus dem Leben des Quickborn-Arbeitskreises Mit den Epiphanietreffen auf Rothenfels 1968 (mit dem Neutestamentler Dr. Adolf Smitmans und 18 Teilnehmern) und 1969 (zum Holländischen Katechismus mit Kaplan Josef Karst und Diakon Lothar Brucker) begann eine lange Reihe von Tagungen zur Jahreswende mit ständig wachsender Teilnehmerzahl – ab Ende der 70er Jahre bis heute ist die Burg dann zu den Silvestertagungen des Quickborn-Arbeitskreises vom 28. Dezember bis 4. Januar mit jeweils 250 bis 300 Leuten voll belegt. Neben verschiedenen Tagungen des Quickborn-Arbeitskreises auf Rothenfels das Jahr über (z.B. 1968 zum Kirchenbau, zur Gesamtschule, mit P. Bernward Dietsche OP über Teilhard de Chardin, dann mit Peter Clever und Horst Leineweber zur Mitbestimmung und mit Bernhard Husemann und Franz Pfaff über Kybernetik) begannen wir Mitte der 70er Jahre mit der jährlichen „Werkwoche für junge Leute“ in der Osterwoche auf Burg Rothenfels, lange Jahre mit dem Misereor-Rahmenthema „Anders leben, damit andere überleben“ oder anderen junge Menschen ansprechenden Fragen (z.B. Islam mit P. Dr. Hans Vöcking, Weißer Vater, oder eine Osterwoche mit dem österreichischen Jugendseelsorger und Schriftsteller Peter Paul Kasper). Die Werkwoche fand zunehmenden Anklang, lange Jahre kamen ca. 150 Teilnehmer. Seit Mitte der 90er Jahre wird die Jugendwerkwoche nach Ostern – mit geringerer Teilnehmerzahl, der Größe des Selbstverpflegehauses angepasst – auf dem Senklerhof in der Gemeinde St. Märgen im Schwarzwald durchgeführt. In den 70er Jahren konnten dann auch Sprecherin und Sprecher der Mädchen und Jungen gewählt werden. Als erste Regula Thiede und Norbert Polenz, ihre Nachfolger: Wolfgang Klose – der z.Zt. Vorsitzender des Diözesanrates Berlin ist – und Sabine Löbbert Gleichzeitig konnte die „Burgzeitung“ des Quickborn-Arbeitskreises begonnen werden, die auch heute noch erscheint und ab 2008 gemeinsam mit dem Quickborn-Älterenbund herausgegeben wird. Als zentrales Anliegen sah der Kreis die Sorge für Burg Rothenfels. Leute aus dem Quickborn-Arbeitskreis engagieren sich seit langen Jahren in Vorstand und Burgrat auf Rothenfels; auch einige Burgwarte kamen aus dem Quickborn-Arbeitskreis. Der Quickborn-Arbeitskreis arbeitete auch im BDKJ und seinen Bundesgremien mit .Und Freunde aus dem Quickborn-Arbeitskreis, vor allem eine große Gruppe aus Hohberg in Baden, sorgten und sorgen auch heute noch für den Senklerhof in der Gemeinde St. Märgen im Schwarzwald.

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In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre begannen junge Erwachsene aus dem Quickborn-Arbeitskreis mit der Tagung für junge Erwachsene und junge Familien von Mittwoch vor Christi Himmelfahrt bis zum Sonntag auf Rothenfels, ebenfalls eine Erfolgsgeschichte. Und bei den Katholikentagen und Ökumenischen Kirchentagen lud der Quickborn-Arbeitskreis auch jeweils zu Begegnungen ein (so damals in Aachen im „Ponttor“ 23) zu einem Gottesdienst mit Pfarrer Josef Karst und einem Referat von Barbara Gerl-Falkovitz und im Mai 2010 zu einem Treffen beim Ökumenischen Kirchentag in München. Beim Katholikentag 2012 in Mannheim gibt es gemeinsame Veranstaltungen von Quickborn-Arbeitskreis, Katholische Studierende Jugend (KSJ) und Gemeinschaft Katholischer Männer und Frauen (KMF). 1992 wurde auch ein Rechtsträger gegründet, der Quickborn-Arbeitskreis e.V. Vorsitzender von 1992 bis 2000 war Meinulf Barbers, seit 2000 ist Sabine Löbbert-Sudmann Vorsitzende. In einem Beitrag über den Quickborn-Arbeitskreis im Handbuch kirchlicher Jugendarbeit sind die Themenschwerpunkte des Quickborn-Arbeitskreises umschrieben mit Leben aus dem Glauben, Ökumene, Frieden, Umweltfragen, Erziehung und Selbstbildung und Anregungen aus der Quickbornbewegung. Als typisch für die Tagungen des Quickborn-Arbeitskreises führten wir dort auf – und das gilt auch heute noch – den ganzheitlichen „Ansatz: Arbeit und Fest, Liturgie und Gespräch, Musisch-Kreatives und gedankliche Auseinandersetzung, Aktion und Kontemplation bilden eine Einheit bei diesen Werkwochen. Intensive thematische Arbeit in Referaten und Gesprächskreisen und musisch-kreative Gruppenarbeit gehören zusammen. Formen des gemeinsamen Betens, Meditierens und Schweigens werden neu erprobt – wie die Laudes am Morgen und die Meditation am Abend. Die Mitte bildet die tägliche Eucharistiefeier, die in Text und musikalischer Gestaltung von Arbeitskreisen vorbereitet und von der ganzen Gemeinde so mitgetragen wird, daß Glaube und Leben zusammenwachsen können“24. Zur Osterwoche 1984 des Quickborn-Arbeitskreises „75 Jahre Quickborn, 70 Jahre Spielmann, 65 Jahre Burg Rothenfels“ waren auch die älteren Quickborner eingeladen, die in großer Zahl kamen und in den Arbeitskreisen mit den Jüngeren Erbe und heutigen Auftrag Quickborns überlegten. Es referierten u.a. Johannes Binkowski, Barbara Gerl-Falkovitz, Paulus Lenz-Medoc und Erich Reisch.

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Eines der Tore an der äußeren Stadtmauer in Aachen, das heute von Aachener Jugendgruppen genutzt wird. Meinulf BARBERS, in: Günter BIEMER / Werner TZSCHEETZSCH (Hg.), Handbuch kirchlicher Jugendarbeit, Bd. 4: Jugend der Kirche, Freiburg 1988, 179.

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Das „Selbstverständnis“ des Quickborn-Arbeitskreises, das nach langen Beratungen am 3. Januar 2004 beschlossen wurde, beginnt: „Wir kommen aus der Tradition der katholischen Jugendbewegung. Quickborn bedeutet 'Lebendiger Quell'. Zeichen des Quickborn ist das Sonnenkreuz, das Kreuz über der aufgehenden Sonne. Wir sind eine Gemeinschaft aller Generationen, die als Christinnen und Christen einen selbstständigen Weg zur Gestaltung des eigenen Lebens und der Gesellschaft suchen“ und endet „Burg Rothenfels ist unsere geistige Heimat und ein Ort, an dem Geist und Seele berührt werden“25.

Quickborn-Älterenbund und Quickborn-Arbeitskreis heute Der Älterenbund Quickborn arbeitete auch nach den Veränderungen in der zweiten Hälfte der Sechziger Jahre auf Bundesebene und in vielen Gauen weiter und hält alljährlich im August seine Bundeswerkwoche auf Burg Rothenfels ab (im August 2011 unter Leitung von Thomas Kutsch /Köln, 2012 unter Leitung von Roswitha Busch-Hofer / Benediktbeuern vom 19. bis 26. August. Und es gibt, vor allem in Bayern, Schwaben und am Mittelrhein, auch noch regelmäßige Gautreffen. Im Quickborn-Arbeitskreis arbeiten gegenwärtig ca. 1.500 Menschen aus allen Generationen mit. Die seit 45 Jahren auf Burg Rothenfels durchgeführte Silvesterwerkwoche vom 28. Dezember bis 4. Januar führt jeweils fast 300 Menschen aus allen Generationen für eine sehr lebendige Woche zusammen. Thema in der Silvesterwoche 2011/2012: Wirtschaft und Ethik – mit Michael Kopatz vom Wuppertal Institut; Silvesterwoche 2012/2013: Medizin und Ethik – mit Dr. Elisabeth von Lochner; Silvesterwoche 2013/2014: Kirche – Quo vadis? Daneben finden jährlich folgende Bundestagungen statt: In der Osterwoche die Werkwoche für junge Leute auf dem Senklerhof im Schwarzwald; von Mittwoch vor Christi Himmelfahrt bis zum Sonntag auf Burg Rothenfels ein Treffen für junge Familien (Selbstbezeichnung:„Grufti-Tagung“) mit ca. 100 Teilnehmern; am Lätare-Wochenende in der Mitte der Fastenzeit auf Burg Rothenfels das Frühlingstreffen des Ost-West-Arbeitskreises mit ca. 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern und am ersten Oktoberwochenende ein Treffen bei Leipzig sowie jährlich ein weiteres Bundestreffen. Daneben Vor-

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Internetseite Quickborn-Arbeitskreis.

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bereitungstreffen für die Tagungen. Außerdem gibt es verschiedene Regionaltreffen. Die alle zwei Jahren gewählten Bundesteams der Jüngeren und Älteren – insgesamt zehn Personen – arbeiten sehr gut zusammen. Die Jüngeren wirken auch auf Bundesebene als Mitgliedsverband im Bund der Deutschen Katholischen Jugend mit – wie seit der Gründung des BDKJ 1947. Im November 2011 tagten die BDKJ-Bundeskonferenzen der Mitgliedsverbände und der Diözesanverbände, vom Quickborn-Arbeitskreis betreut, auf Burg Rothenfels am Main. Seit drei Jahren erscheint gemeinsam für Quickborn-Arbeitskreis und Quickborn-Älterenbund halbjährlich die Bundeszeitschrift „Burgzeitung“, Redaktion z.Zt. Ansgar und Irene Barbers, Korschenbroich.

Burg Rothenfels 1959 bis 2011 In der zweiten Hälfte der 60er Jahre war auch auf Burg Rothenfels vieles im Umbruch. Dazu kamen erhebliche wirtschaftliche Probleme. Da Freunde aus dem älteren und jüngeren Quickborn bereit waren, auf Rothenfels Verantwortung zu übernehmen, kam es 1971 zu einem Neuanfang: Vieles begann neu und zukunftsweisend auf Rothenfels – auch die bauliche Erneuerung der Burg. Weil bis Anfang der siebziger Jahre in der kalten Jahreszeit nur das „Amtshaus“ auf Rothenfels mit ca. 40 Betten beheizt werden konnte, war bis dahin die Rothenfelser Bildungsarbeit auf Frühjahr- und Sommermonate beschränkt. Mit dem Einbau einer Zentralheizung in allen Häusern der Burg konnten ab 1975 das ganze Jahr über Tagungen stattfinden; das Bildungsprogramm der Burg wurde dann auch erheblich erweitert. Seit 1963 schon hatte Burg Rothenfels einen hauptamtlichen Bildungsreferenten. Besonders unter den Bildungsreferenten Hanna-Barbara Gerl (1975 bis 1984), später Professorin für Religionsphilosophie und Religionswissenschaft in Dresden, Ludger Bradenbrink (1986 bis 1996), Joachim Hake (1997 bis 2006), dann Direktor der Katholischen Akademie Berlin, und jetzt Achim Budde (seit 2007) konnte das Bildungsprogramm der Burg auf über 50 Tagungen ausgebaut werden (mit nur einem Hauptamtlichen und viel ehrenamtlicher Mithilfe). Neben dem Burgrat sind hier besonders auch die Burgpfarrer zu nennen. In den achtziger Jahren bis 1991 Rolf Zerfaß / Würzburg, seit 1995 Gotthard Fuchs / Wiesbaden. Halbjährlich bringt der vom Bildungsreferenten redigierte „rothenfelser Burgbrief konturen“ wichtige Beiträge für die Mitglieder der Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels e.V. und andere Interessierte.

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Neben den eigenen Tagungen der Burg finden dort viele Gastveranstaltungen statt; Rothenfels ist auch eine große, dem Bayerischen Jugendherbergswerk angeschlossene Jugendherberge. Für die eigene Bildungsarbeit hat Rothenfels sich dem Bayerischen Volkshochschulverband angeschlossen.

Schlussbemerkungen Was aus über hundert Jahren Quickborn, davon über 40 Jahre QuickbornArbeitskreis, bleibt und wohl in eine gute Zukunft weist, sind das Erspüren Vieler, wie Leben aus dem Glauben und mit und für andere gelingen kann; wertvolle Begegnungen und die ansteckende Erfahrung, dass Burg Rothenfels ein guter, anregender Ort ist, so dass es lohnt und notwendig ist, sich für das Werk der Burg einzusetzen. Gut zusammengefasst ist dies alles in dem vom Quickborn-Arbeitskreis zum 100-jährigen Jubiläum des Quickborn 2009 herausgegebenen Buch „Auf den Spuren des lebendigen Quells – Mosaiksteine aus 100 Jahren Quickborn“ und der dazu erschienenen DVD, einiges auch im Rothenfelser Burgbrief „konturen“, 2/2009. Und auch auf Burg Rothenfels geht es gut weiter mit einem engagierten Bildungsreferenten, der sich besonders auch in Fragen der Liturgie und der Ökumene engagiert, Bildungsreferent Achim Budde hat sich in Liturgiewissenschaft und Alter Kirchengeschichte habilitiert. Schwerpunkte der Rothenfelser Tagungsarbeit sind christliche Lebensfragen, Ökumene und Interreligiöser Dialog, Musik und Tanz und die eigenen Quickborntagungen. Der sehr aktive ehrenamtlichen Vorstand stellte jetzt nach dem Um- und Ausbau der Burg von 1971 bis 2007 im Jahre 2009 die neue Holzhackschnitzelheizung fertig und setzte damit ökologisch ein zukunftweisendes Zeichen. Auch die Burgküche wurde 2011 modernisiert. Die Burg lebt weiterhin von der ehrenamtlichen Mitarbeit vieler. Das Jahresprogramm mit über 50 eigenen Tagungen wird vom ehrenamtlichen Burgrat mit dem Bildungsreferenten jeweils vorbereitet und verantwortet. Auf dem Ökumenischen Kirchentag 2010 gestaltete Burg Rothenfels gemeinsam mit den Liturgischen Instituten und der Evangelischen Kirche gut angenommene Tagzeitenliturgien in der Dreifaltigkeitskirche München; die Burg engagiert sich auch beim Katholikentag 2012 in Mannheim. Für den Jugendherbergsbereich bietet die Burg für Klassen und Gruppen eigene Module an, gerade auch zu Umweltfragen. Und viele Musikgruppen, Chöre und Orchester nutzen die besonders guten Voraussetzungen auf Burg Rothenfels.

QUICKBORN 1945 BIS 2011

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Anhang: Anmerkungen zum Heimgarten in Neisse Das Christusbanner von Anton Wendling Für die 5. Reichstagung des Katholischen Jungmännerverbandes 1928 im Heimgarten in Neisse schuf Anton Wendling das Christusbanner, das dann über Haus Altenberg wie über dem Jugendhaus Düsseldorf wehte. Anton Wendling (1891 – 1965) war ab 1927 als Lehrer für Mosaike und Glasmalerei Mitarbeiter von Rudolf Schwarz an der Kunstgewerbeschule Aachen; ab 1936 lehrte er als ordentlicher Professor für Freihandzeichnen und Aquarellieren an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Er wurde im Prospekt der Ausstellung „Anton Wendling – Facettenreiche Formstrenge“ vom 19. September 2009 bis 21. Februar 2010 im Deutschen Glasmalerei – Museum Linnich „zu den herausragenden Künstlern der Glasmalerei des 20. Jahrhunderts“ gezählt. Es heißt da über diesen Schüler von Johan Thorn Prikker: „Es gibt nur wenige Glasmaler, deren Werke über mehrere Generationen hinweg auf so faszinierende Weise aktuell und zeitlos wirken.“ Wendling schuf auch die Glasfenster in der Rothenfelser Burgkapelle und illustrierte Klemens Neumanns Liederbuch „Der Spielmann“ ab der vierten Auflage (1922). Besonders bekannt sind seine Glasfenster – u.a. in Marienthal bei Wesel und in den Domen von Luxemburg und Aachen. Von ihm ist auch der Holzschnitt des dornengekrönten Christuskopfes auf dem Aachener Friedenskreuz (1947). Heimgarten und Jugendbewegung Pfarrer Helmut Richter schrieb am 12. Februar 1970 an Hermann Fuhrich, den Autor der wichtigsten Veröffentlichung über den Heimgarten Neisse, dass Prälat Ludwig Wolker bei dieser Reichstagung des Katholischen Jungmännerverbandes 1928 im Heimgarten, „nicht nur einmal, sondern öfter betonte, daß der Geist, der jetzt im ganzen Bunde der männlichen katholischen Jugend sich durchgesetzt und nun völlig eindeutig manifestiert habe, aus zwei Quellen gespeist worden sei: aus der Tradition der katholischen Jungmännervereine, aber nicht minder aus dem Geist der Jugendbewegung, vor allem des Quickborn. Deshalb habe man den Neisser Heimgarten als Tagungsstätte gewählt, weil dieser wie keine andere Stätte geeignet sei, der katholischen Jugendbewegung und damit dem Quickborn zu danken. Denn

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alles im Heimgarten atme diesen Geist. Wenn Wolker das sagte, klang es immer wieder wie ein Hymnus“26.

26

Hermann FUHRICH, Der Heimgarten. Studien und Quellen zur katholischen Volksbildungsarbeit, hg. im Auftrag des Arbeitskreises für Schlesisches Lied und Schlesische Musik von Gerhard PANKALLA und Gotthard SPEER (Veröffentlichungen, Bd. 4), Dülmen, o.J., 12.

MANFRED SPATA

Wurde Adam Schall von Bell (1592 – 1666) in Glatz geboren?

Einleitung Immer wieder begegnen wir in Grafschafter Schriften der Behauptung, der berühmte Jesuit und China-Missionar Adam Schall von Bell1 sei in Glatz geboren worden, so zuletzt im Jahrbuch der Grafschaft Glatz 2011 in der Rubrik „Erinnerung und Gedenken“. Dieser Hinweis, der auf Alfred Staude zurückgeht, ist offensichtlich falsch, wie Nachforschungen in rheinländischen und jesuitischen Quellen belegen. Aus welchen Gründen diese Glatzer Vereinnahmung des Adam Schall auch in der Vergangenheit vorgenommen sein mag, sie ist historisch falsch und sollte künftig in Glatzer Jahreserinnerungen nicht mehr wiederholt werden.

1

Vgl. Alfons VÄTH, Johann Adam Schall von Bell S. J. – Missionar in China, kaiserlicher Astronom und Ratgeber am Hofe von Peking 1592 – 1666 – Ein Lebens- und Zeitbild, Köln 1933, Nachdruck Nettetal 1991; Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), Band 30, 556557; Werner NEITE (Hg.), Johann Adam Schall von Bell – ein Kölner Astronom am chinesischen Hof, Köln 1992 (= Ausstellungskatalog der Diözesan- und Dombibliothek); Eckart ROLOFF, Göttliche Geistesblitze – Pfarrer und Priester als Erfinder und Entdecker, Weinheim 2010, darin: Adam SCHALL VON BELL, Ein Kölner Missionar unterwegs in riskanter Mission für Kalender und Kanonen, Sonne und Mond, 93-114.

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MANFRED SPATA

Adam Schall in Glatzer Quellen Der jüngste Hinweis auf Adam Schalls Geburtsort Glatz steht in „Erinnerung und Gedenken 2011“ im „Jahrbuch der Grafschaft Glatz“, die kurze Notiz lautet2: „1591 – vor 420 Jahren verstorben: Johann Adam Schall, in Peking; geb. in Glatz. Jesuit, philosophische und theologische Studien, besondere Neigung zur Mathematik, Physik und Astronomie. Dem Ruf einer apostolischen Sendung nach China folgend, wurde er Mandarin 1. Klasse und Kaiserlicher Astronom; in Peking 45 Jahre tätig. Er schrieb rund 100 astronomische und physikalische Werke; sie befinden sich in der vatikanischen Bibliothek zu Rom.“ Diese Notiz des Alfred Staude wurde alle zehn Jahre auch in den früheren Jahrbüchern 2001 und 1991 veröffentlicht. Sie ist bis auf den falschen Geburtsort Glatz und das falsche Geburtsjahr 1591 inhaltlich zutreffend. Nach heutigem Forschungsstand gilt nicht mehr 1591, sondern 1592 als Schalls Geburtsjahr.3 Ganz offensichtlich stützte sich Staude auf den ausführlicheren Listeneintrag denkwürdiger Männer der Grafschaft Glatz in der Vierteljahrsschrift 1887/88; dort lesen wir4: „P. Schall (Johann Adam) v. Bell, S. J., in Glatz geboren 1591, besuchte zuerst die dortige Jesuitenschule und setzte seine Studien in Rom fort, wo er 1611 in die Gesellschaft Jesu eintrat. Neben den philosophischen und theologischen Wissenschaften machte er sich ganz besonders diejenigen der Mathematik, Physik und Astronomie eigen. Hierin tüchtig geworden, übernahm er den Ruf einer apostolischen Sendung nach China, wo er Mandarin 1. Klasse und kaiserlicher Astronom wurde. Er starb am Feste der Himmelfahrt Mariens 1666 im Alter von 75 Jahren, von denen er 45 in der Missionsthätigkeit in China zugebracht hatte. Kein anderer Missionär in diesem Lande hat größere Erfolge aufzuweisen gehabt als er. Er schrieb 100 astronomische und physikalische Werke, auch mehrere Bücher über Aszese und Moral. Alle diese Schriften (14 Quartbände) befinden sich in der vatika2

3 4

Alfred STAUDE† / Hubert HÜBNER† / Brigitte LAMBIEL (Bearb.), Erinnerung und Gedenken 2011, in: Jahrbuch der Grafschaft Glatz „Grofschoaftersch Häämtebärnla“, 63, Lüdenscheid 2011, 42. Vgl. VÄTH, 4 und ROLOFF, 96. Franz VOLKMER / Wilhelm HOHAUS, Denkwürdige Männer aus und in der Grafschaft Glatz (Gelehrte, Schriftsteller, Dichter, Würdenträger), in: DIES. (Hg.), Vierteljahrsschrift für Geschichte und Heimatkunde der Grafschaft Glatz, VII, 1887/88, 53-54.

WURDE ADAM SCHALL VON BELL (1592-1666) IN GLATZ GEBOREN?

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nischen Bibliothek zu Rom. Neben dem Eingange zum Prüfungssaale des Glatzer Gymnasialgebäudes (des ehemaligen Jesuitenkollegs) ist sein Bild zu sehen. Da die Jesuiten nur Porträts solcher Patres in den einzelnen Kollegien aufzuhängen pflegten, die aus denselben hervorgegangen waren, oben genanntes Bild auch in einer Unterschrift ausdrücklich Glatz als Geburtsort des berühmten P. Schall (wenn auch mit falscher Jahreszahl) angibt, so können wir ihn für die Grafschaft vindizieren, während er sonst häufig als geborner Kölner bezeichnet wird.“ Auch diese Notiz ist inhaltlich korrekt, bis auf den Geburts- und Schulort von Schall. Die beiden Autoren Hohaus und Volkmer beziehen sich in einer Fußnote auf die „Geschichte der chinesischen Mission“ von Ignaz Mannsegg5 1834, wonach Schall 1665 in Wien gestorben sei, was historisch ebenso falsch ist. Manseggs „Geschichte“ ist eine Übersetzung einer lateinischen „Historia narratio de initio et progressu missionis societatis Jesu …“, anonym in Wien 1665 verfasst, worin auf Seite 460 behauptet wird: „Er ist wahrscheinlich in Wien im Jahre 1666 gestorben.“ Dazu schreibt Mannsegg in seiner „Vorrede“, „dass Pater Adam damals, im Jahre 1665 wieder in Wien war, worüber wir im Buche selbst gar keinen Aufschluß finden.“6 Zudem hätten die beiden Autoren Hohaus und Volkmer der „Vorrede“ des Mannsegg mit Bezug auf ein seinerzeit aktuelles Buch von Wilhelm Smets 1834 zu Adam Schall korrekt entnehmen können7: „Johann Adam Schall de Bell, geboren zu Köln 1591, starb in China 1666 nach 44jährigem Aufenthalte daselbst …“. Sahen die beiden Autoren das lebensgroße Schall-Bildnis noch „neben dem Prüfungssaal“, bemerkte Franz Albert8 es 1937 „in der Aula“ des Glatzer Jesuitengymnasiums. Unerwähnt lassen Hohaus und Volkmer eine Notiz über Adam Schall, die Aloys Bach in seiner Kirchegeschichte 1841 veröffentlichte; darin heißt es9: 5

6 7 8

9

Ignaz SCHUMAN VON MANNSEGG, Geschichte der chinesischen Mission unter Leitung des Pater Johann Adam Schall, Priesters aus der Gesellschaft Jesu, aus dem Lateinischen übersetzt und mit Anmerkungen, Wien 1834, Nachdruck Bad Mergentheim 2008, hier. Vorbericht. MANNSEGG, 25. MANNSEGG, 18. Franz ALBERT, Zwei Glatzer aus Glatz, die es niemals gewesen sind. In: Robert KARGER (Hg.), Guda Obend – Grofschoftersch Feierobend, 1937 (= Heimatliches Jahrbuch für die Grafschaft Glatz), 90-91. Aloys BACH, Urkundliche Kirchen-Geschichte der Grafschaft Glaz. 2. Teil, Breslau 1841, 313.

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„P. Adam Schall (in Glaz geb. 1610) Unter den Wissenschaften waren es die mathematischen, auf welche er sich vorzüglich mit eben so großem Fleiß, als Glück verlegte. Hierin nun tüchtig geworden, übernahm er den Ruf einer apostolischen Sendung nach China, und wurde kaiserl. Astronom in Peking. Seinem Schutze verdankten die Glaubensboten in China die freie Verkündigung der christlichen Lehre. Er starb daselbst im J. 1660.“ In Bachs Notiz ist weder Schalls Geburtsort Glatz noch sein Geburts- und Todesjahr korrekt. Er bezieht sich in einer Fußnote auf die „Kögl. Samml. über die Gelehrten der Grafsch. Glaz“, die in Dieter Pohls Bestandsverzeichnis der Sammlung Kögler im Breslauer Erzbischöflichen Diözesanarchiv unter der Lfd. Nr. 151, 152 und 165 erwähnt ist.10 Die Einsicht der Köglerschen Sammlung im Diözesanarchiv erbrachte im Sommer 2011 im Bestand E8 folgende handschriftliche Notiz11: „Andere ausgezeichnete oder merkwürdige Männer aus d.[em] Ord.[en] d.[er] Gl.[atzer] Jesu.[iten] P.[ater] Adam Schall (aus Glatz geb.) Astronom in Pecking †daselbst 1660. (In den Nachrichten des H.[errn] Grafen v[on] Magnis)“. Ob es sich bei den „Nachrichten“ um den Bestand „Magnis“ aus dem Familien- und Herrschaftsarchiv handelt, der heute im Staatsarchiv Breslau/Archiwum Państwowe we Wrocławiu lagert, bleibt ungeklärt. Somit ist Köglers Notiz lediglich als die unkritische Wiedergabe aus einer ihm bekannten Quelle zu verstehen. Dies verwundert, weil Kögler das Verzeichnis berühmter Jesuiten aus Böhmen, Mähren und Schlesien von Martin Pelzel12 seinerzeit eingesehen und ausgewertet hat. Denn Köglers gesonderte Auflistung „Gelehrte und Schriftsteller aus dem Orden d. G. Jesu in der Provinz Böhmen n. B. Martin Pelzel“13 enthält keinen Hinweis auf Schall, weil dieser auch bei Pelzel keine Erwähnung findet. Kögler und Bach hätten zudem im

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12

13

Dieter POHL, Die Sammlung Kögler im Erzbischöflichen Diözesanarchiv Breslau – Bestandsverzeichnis. Köln 2000, 20. Sammlung Kögler, E8, S. 225 im Erzbischöflichen Diözesanarchiv Breslau/Archiwum Archidiecezjalne Wrocław. Martin PELZEL, Böhmische, Mährische und Schlesische Gelehrte und Schriftsteller aus dem Orden der Jesuiten von Anfang der Gesellschaft bis auf gegenwaertige Zeit. Prag 1786. Sammlung Kögler, E8, S. 219-224 im Erzbischöflichen Diözesanarchiv Breslau/Archiwum Archidiecezjalne Wrocław.

WURDE ADAM SCHALL VON BELL (1592-1666) IN GLATZ GEBOREN?

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seinerzeit weit verbreiteten Universal-Lexikon von Zedler14 nachlesen können, dass „Schall, oder wie ihn andere genennet Sciall, (Joh. Adam) ein Jesuit war 1591 zu Cöln geboren …“. Bach übernahm also unkritisch Köglers Notiz von Magnis, ohne weitere eigene Quellenprüfung. Von Bach über Volkmer/Hohaus gelangte Schalls falscher Geburtsort Glatz in die von Alfred Staude erarbeiteten „Jahreserinnerungen“ des „Häämtebärnla“. Dabei hatte schon Franz Albert im „Guda Obend“ 1937 zu Recht auf „Zwei Glatzer aus Glatz, die es niemals gewesen sind“ hingewiesen, nämlich Adam Schall und Hieronymus Keck.15 Zutreffenderweise fehlt ein Hinweis auf Schall auch bei Rudolf Grulich 2005.16

Adam Schall in rheinischen und jesuitischen Quellen Johann Adam Schall von Bell17 entstammte einer vornehmen begüterten rheinischen Familie, die über Jahrhunderte mit dem kurkölnischen Hofe eng verbunden war. Der Name Schall bedeutet „treu“ wie etwa bei Seneschall (Dominicus fidelis), Bell ist abgeleitet vom Gut Horbell in Köln-Junkersdorf. Die Familie besaß einen Edelhof in der Kölner Innenstadt18, zwei Burgen in Morenhoven und Lüftelberg (Stammsitz) im Vorgebirge bei Meckenheim südwestlich von Bonn und weiteren Grundbesitz im Rheinland. Der Vater Heinrich Degenhard Schall hatte aus dritter Ehe drei Söhne: Johann Reinhard, Johann Adam und Heinrich Degenhard der Jüngere. Wenn auch über Schalls Geburt und Taufe heute keinerlei Familienurkunden mehr vorhanden sind, so gilt als sicher, dass er am 1. Mai 1592 entweder in Köln oder in Lüftelberg geboren wurde. Er selbst bezeichnete sich immer nur als Johann Adam Schall, „Coloniensis, dioecesis eiusdem“ (ein Kölner, aus der gleichen Diözese).19 Er verstand sich als Kölner im allgemeinen Sinne, womit das Umfeld der Stadt Köln und das Erzbistum Köln zu

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17 18 19

Johann Heinrich ZEDLER, Großes, vollständiges Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste, Band 34, Leipzig/Halle 1742, Spalte 831-832. ALBERT, 90. Rudolf GRULICH: Glatzer Jesuitenmissionare des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Franz Jung (Hg.): Auf dem Weg durch die Jahrhunderte. Beiträge zur Kirchengeschichte der Grafschaft Glatz, Münster 2005, 89-95. Siehe VÄTH, 9 und 17. In der Nähe der Apostelkirche, heute: Neumarkt 47, siehe VÄTH, 6. Siehe VÄTH, 5.

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MANFRED SPATA

verstehen sind. Sein Schüler Ferdinand Verbiest20 schrieb über Schall, dass „Adam gheboren niet verre van Ceulen“ (nicht weit von Köln entfernt geboren)21 worden sei, was für den Stammsitz Lüftelberg sprechen würde. Die zweiteilige Wasserburg Lüftelberg blieb zunächst im Besitz seiner beiden Brüder; nach ihrem Tod erlosch die Familie Schall von Bell in Lüftelberg männlicherseits. Die Burg ist heute noch privat genutzt und gut erhalten. In Köln besuchte Adam Schall 1603-1608 wie auch seine zwei Brüder das jesuitische Dreikronengymnasium „Tricoronatum“22; unter seinen Mitschülern war Friedrich Spee23 und Goswin Nickel.24 Im Jahre 1608 verließ Schall auf immer Köln und wechselte nach Rom. Dort trat er 1611 in den Jesuitenorden ein und studierte am Collegium Germanicum25 und Collegio Romano26 Theologie sowie insbesondere Astronomie und Mathematik. Auf eigenen Wunsch schickte der Orden ihn 1618 wegen seiner guten wissenschaftlichen Kenntnisse als Missionar nach China, wo er bald eine führende Stelle am chinesischen Hof einnahm. Schall vertrat die Methode der „Evangelisierung durch Wissenschaft“. Er bearbeitete jahrelang den chinesischen Volkskalender und schrieb über einhundert Fachbücher der Astronomie und Mathematik. Als erster Europäer wurde Schall Direktor des Astronomischen Amtes und 1658 zum Mandarin der 1. Klasse ernannt. Von daher ist Schall mit einem Kranich auf der Brust seines Gewandes dargestellt (Abb. 1).27 Nach seinem Tod 1666 in Peking erhielt Schall ein Ehrenbegräbnis auf dem Jesuitenfriedhof der Missionsstation Zhalan. Sein Grab wurde 1900 während des Boxersturms geschändet, der Grabstein blieb aber bis heute erhalten. Die lateinische Grabinschrift nennt seine Herkunft28: „P. Joannes Adamus Schal Coloniensis Soc. Jesu Professus …“ (Pater Johann Adam Schall aus Köln, Mitglied der Gesellschaft Jesu …). 20

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Ferdinand Verbiest (1623 – 1688), Flame, 1641 Jesuit, 1660 Missionar in China, siehe ADB, Band 39, 612-613. Siehe VÄTH, 6. Ehemals in der Straße An der Rechtschule, nahe dem Wallrafplatz in der Kölner Innenstadt, heute Dreikönigsgymnasium, seit 1977 in der Escher Straße. Friedrich Spee von Langenfeld (1591 – 1635), 1610 Jesuit, Lehrer und Dichter, schrieb 1631 gegen die Praxis der Hexenprozesse „Cautio criminalis“, siehe ADB, Band 35, 92-94. Goswin Nickel (1582 – 1664), 1604 Jesuit, 1652 Ordensgeneral in Rom, siehe www.heiligenlexikon.de, Abfrage vom 18.11.2011. Collegium Germanicum, 1552 von Papst Julius III. gegründetes Priesterseminar in Rom. Collegio Romano, erste 1551 von Ignatius von Loyola gegründete Jesuitenschule in Rom, spätere Päpstliche Universität Gregoriana. Siehe Abb. bei VÄTH, Titelvorblatt und ROLOFF, 101. Zitiert nach ROLOFF, 107.

WURDE ADAM SCHALL VON BELL (1592-1666) IN GLATZ GEBOREN?

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Abb. 1: Adam Schall von Bell S. J., nach Wenzel Hollar um 1660

Gedenken an Adam Schall von Bell im Rheinland Das Gedächtnis an Adam Schall von Bell wird in seinen vermuteten Geburtsorten Köln und Lüftelberg bis heute gewahrt. Bereits vor 1945 war am Wallraf-Richartz-Museum in Köln, gegenüber dem ursprünglichen Standort der Lateinschule Tricoronatum, ein lebensgroßes Standbild errichtet worden; es wurde im Zweiten Weltkrieg durch Bomben zerstört.29 Im Jahre 1992

29

VÄTH, 353 mit Abb.; ROLOFF, 112.

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MANFRED SPATA

errichtete die Deutsche China-Gesellschaft30 an der Südseite der Minoritenkirche in der Minoritenstraße, etwa 100 m südlich des alten Denkmalstandortes, eine neue Steinfigur, die nur ein abstraktes Bild von Schall vermittelt (Abb. 2).

Abb. 2: Schall-Figur in Köln

Abb. 3: Schall-von-Bell-Weg in Lüftelberg

Im kleinen Ort Lüftelberg, heute ein Stadtteil von Meckenheim bei Bonn, gibt es einen „Schall-von-Bell-Weg“ (Abb. 3, der aber abseits von der Burg Lüftelberg, dem ehemaligen Stammsitz seiner Familie, liegt. Eine aktuelle Würdigung erfuhr Adam Schall 2011; im Rahmen der Open-Air-Aufführung der Lüfthildis-Mysterienspiele31 gab es Theaterszenen zu „Lichtgestalten“, darunter die 7. Szene „Johann Adam Schall von Bell“. Darin kehrt dieser gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Brüdern Johann Reinhard und Heinrich Degenhard nach dem Tod des Vaters aus Köln nach Lüftelberg zurück und sie berichten von ihren Erfahrungen mit der Pest in Köln. Demgegenüber ist in der Grafschaft Glatz kein Gedenken an Schall nachweisbar. Das Schall-Bildnis im ehemaligen Glatzer Jesuitenkolleg ist 30

31

Deutsche China-Gesellschaft e.V. (German China Association), siehe http://dcgev.wordpress.com; nicht zu verwechseln mit der Adam-Schall-Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Zusammenarbeit e. V., siehe http://www.adamschall.de, Abfrage vom 18.11.2011. Theaterverein „Lüfthildis Mysterienspiele e.V.“ in Lüftelberg, siehe http://www.mysterienspiele.de, Abfrage vom 18.11.2011 und Programmheft „Lichtgestalten“, Meckenheim 2011. Bereits 1992 gab es eine Theateraufführung zum 400jährigen Gedenken an Adam Schall.

WURDE ADAM SCHALL VON BELL (1592-1666) IN GLATZ GEBOREN?

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heute nicht mehr nachweisbar. Nachforschungen im Sommer 2011 sowohl im heutigen polnischen Gymnasium wie auch in der immer noch von Jesuiten betreuten Pfarrei Glatz blieben erfolglos. Auch im Jesuitenarchiv der Deutschen Provinz in München liegt das Schall-Bildnis nicht vor.32 Eine weitere Recherche im Archiv der Polnischen Provinz der Jesuiten in Krakau blieb ebenfalls ergebnislos.33 Kurioser Weise vereinnahmen heute die polnischen Jesuiten Adam Schall als einen der Ihren; so findet man auf ihrer polnischsprachigen Web-Site den Hinweis auf seinen angeblichen Geburtsort Neisse / Nysa34: „Jan Adam Schall von Bell (1591-1666), urodzony w Nysie na Śląsku, prezes Cesarskiej Akademii Matematycznej w Pekinie w 1645 r.“

Zusammenfassung Adam Schall von Bell wurde 1592 als Spross einer alten rheinländischen Adelsfamilie im Umkreis von Köln geboren, vermutlich auf dem Familienstammsitz in der Burg Lüftelberg bei Meckenheim. Er besuchte das Kölner Dreikronengymnasium der Jesuiten, studierte ab 1608 in Rom Theologie, Astronomie und Mathematik, trat 1611 in den Jesuitenorden ein und begann 1618 seine Missionsreise nach China. Dort gelangte er als Astronom am Kaiserhof zu höchstem Ansehen und starb 1666 in Peking. Adam Schall hat also nie in seinem Leben Schlesien, die Grafschaft Glatz oder gar die Stadt Glatz (und auch nicht Neisse) gesehen.

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E-Mail-Auskunft des Archivs der Deutschen Provinz der Jesuiten in München vom 18. November 2011. Meine E-Mail-Anfrage an das Archiv der Polnischen Provinz der Jesuiten in Krakau (Archiwum Polski Poldniowej Towarzystwa Jezusowego) vom 27. Dezember 2011 blieb leider unbeantwortet. Web-Site http://www.jezuici.pl/wb/pages/historia.php?searchresult=1&sstring=Schall#wb_15, Abfrage vom 26.12.2011.

DIETER POHL

Das Urbar der Pfarrwidmut Oberschwedeldorf in der Grafschaft Glatz vom Jahre 1785

Einführung Nach Unruhen unter der Landbevölkerung in Schlesien, ausgelöst durch unerträglich gewachsene Frondienste für die Grundherrschaften und teilweise durch militärische Aktionen niedergeschlagen, kam es 1782 auch in der Grafschaft Glatz zu Aufständen und staatlichen Zwangsmaßnahmen. Die Flut der Gerichtsprozesse von Gemeinden gegen ihre Grundherrschaften stieg weiter an. König Friedrich II. griff ein mit dem Erlass einer Instruktion für die schlesischen Justizbehörden vom 9. November 1783. Darin wurde unter anderem festgelegt, daß die bisherigen ungemessenen (d. h. durch den Gutsherrn willkürlich definierbaren) Frondienste in gemessene umzuwandeln und gegebenenfalls zu ermäßigen seien; eine königliche Kabinettsorder von 1784 wies die schlesischen Minister Graf Hoym (Provinzialminister) und Freiherr von Danckelmann (Justiz) an, in allen Dörfern der Provinz Urbare aufzeichnen zu lassen, in denen die Leistungspflichten der Untertanen genau festzulegen waren; hierzu wurden Urbarienkommissionen gebildet.1 Oberschwedeldorf im Kreise Glatz bestand aus mehreren Grundherrschaften,2 denen die Untertanen zins- und robotpflichtig waren. Eine dieser Grundherrschaften war das mit Dominialrecht ausgestattete Pfarrgut (Pfarrwidmut), nach Aloys Bach3 mit 12 Ruten oder einer Hufe zu den größten Pfarrgütern in der Grafschaft Glatz gehörend. Für dieses Pfarrdominium wurde 1785 ein Urbar errichtet, das 1786 durch Unterschrift der beiden Minister in Kraft gesetzt wur-

1 2 3

Johannes ZIEKURSCH, Hundert Jahre Schlesischer Agrargeschichte, 2. Aufl., Breslau 1927 Horst-Friedrich RATHSMANN, Oberschwedeldorf seit 1269, Mettingen 1984 Aloys BACH, Urkundliche Geschichte der Kirche St. Georgii und Pfarrei Oberschwedel-dorf in der Grafschaft Glatz. 1849 (Handschrift im Pfarrarchiv Oberschwedeldorf)

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de. Das Urbar existiert in Urschrift im Pfarrarchiv der früheren Kirchengemeinde Oberschwedeldorf (jetzt Szalejów Górny). Das Dokument besteht aus folgenden Teilen: - Liste der Untertanen - Beschreibung und Entlohnung der zu leistenden Dienste - Aufzählung der Gebühren - Festlegung besonderer Rechte des Grundherrn - Beschreibung der Nutznießungen für die Untertanen - Bestätigung des Urbars durch die Justizkommission - Prästationstabelle - Bestätigung der Prästationstabelle - Schreiben der Breslauer Haupturbarienkommission - Bestätigung durch die Minister Hoym und Danckelmann. Erläuterung zum Münzwesen in der Grafschaft Glatz um 1780:4, 5 1 Reichsthaler = 90 Kreuzer = 30 Silbergroschen = 24 gute Groschen; 1 guter Groschen = 12 gute Pfennige; 1 Silbergroschen = 12 leichte oder Silberpfennige; 1 Silberpfennig = 4/5 guter Pfennig; 1 Kreuzer = 4 Pfennige = 8 Heller

Urbarium für das Dominium und die Unterthanen des Pfarrteilichen Antheils zu Oberschwedeldorf in der Grafschaft Glatz Dieses Urbarium ist von dem jetzigen Pfarrer Ignaz Wanke qua Domino6 des Pfarr-Wiedmuths Antheil und dem Gerichtsamt mit Zuziehung des Inquis.7 publ. Foerster als Justitiarii errichtet worden.

4 5

6 7

RATHSMANN, Oberschwedeldorf (wie Anm. 2), S. 424 Fritz VERDENHALVEN, Alte Meß-und Währungssysteme aus dem deutschen Sprachgebiet, Neustadt/Aisch 1993, S. 102 f Dominus = Grundherr Inquisitor publicus = staatlicher Richter

DAS URBAR DER PFARRWIDMUT OBERSCHWEDELDORF VOM JAHRE 1785

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Es sind auch bey Errichtung des Urbarii sowohl das Dominium der Pfarrer Ignaz Wanke, als auch sämtl. Unterthanen zugegen gewesen.

Dieses Pfarr-Wiedmuths-Antheil besteht aus 15 Possessionen, und aus 2 Classen von Unterthanen. 1tens Gärtner 1. Joseph Franke. 2. Bernhard Niems. 3. Joseph Seppelt, der noch minorenn und an dessen statt sein Vormund der hiesige Schulmeister Ignaz Bach erscheint. 4. Florian Tepper von Altheide. 5. Joseph Weniger aus Reichenau. 2tens Häusler 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

8

Anton Rathsman. Michael Schnabel. Joseph Langer. Joseph Schnabel. (fehlt im Original; müßte Joseph Kriesten sein) Die Wittwe Ludwiginn an deren statt aber ihr Curator8 der Joseph Schnabel erschienen. Christoph Schnabel. Ignaz Otte. Franz Franke aus Reichenau. Die Wittwe Ignaz Larisch an deren statt als Curator der hiesige Schulmeister Ignaz Bach erschienen.

Curator = Vormund. Nach älterem deutschem Recht standen Frauen stets unter der Vormundschaft eines Mannes (Geschlechtsvormundschaft). Bei Ehefrauen war das immer der Ehemann. Witwen und unverheiratete mündige Frauen bestellten selbst ihren Vormund

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DIETER POHL

Erstes Capitel. Von den Geld und Natural Zinsen der Unterthanen. Die Geld und Natural Zinsen der Unterthanen sind in der am Schlusse dieses Urbarii beigefügten Tabelle befindlich.

Zweytes Capitel. Von den Diensten der Unterthanen und deren Belohnung In Ansehung der Dienste so verrichten alle Unterthanen so wohl Gärtner als Häusler gleiche Dienste, welche in Handdiensten bestehn. Einige Individua als Der Gärtner Florian Tepper aus Altheide. Der Joseph Weniger aus Reichenau. Der Gärtner Franz Franke aus Reichenau. Die Wittwe Ignaz Larisch aus Oberschwedeldorf haben weniger Dienste zu praestieren,9 deren Dienste unten specifice aufgeführt sind. Die vorhin ungemeßnen Dienste der Gärtner und Häusler sind nach Einigung des Dominii und der Unterthanen auf folgende bestimmte und gemessene Tage in und außer der Erndte festgesetzt worden; als: A. Die zu leistenden Dienste außer der Erndte sind: Die Gärtner leisten – ausgenommen den Gärtner zu Altheide Florian Tepper – 12 Tage des Jahres Mannsarbeit, das ist: Alle diejenige Arbeit, welche nach Oeconomischen principiis zur eigentlichen Mannsarbeit gerechnet wird als: Zu Exn. Dünger bereiten, Dünger laden, Wassergraben machen, Wasserfurchen ausscharren, Schlamgruben ausräumen, Flachs räuffen, Laub abhakken, bei Kost und 4 Kr. tägl. Lohn, und 10 Tage Weibsarbeit zu Exn.10 Flachs und Hirse jäten, Heu und Grumt rechen, Kartoffeln legen und klauben, Flachs breiten, umdrehn, und zusammenbinden, Flachs riffeln, doch nicht Flachs ausbrechen, bei Kost und 2 Kr. tägl. Lohn.

9 10

Praestieren = leisten Zu Exn.= beispielsweise

DAS URBAR DER PFARRWIDMUT OBERSCHWEDELDORF VOM JAHRE 1785

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Die Häusler – ausgenommen der Franz Franke aus Reichenau – leisten blos 10 Tage Mannsarbeit bei Kost und 4 Kr. tägl. Lohn, und 10 Tage Weibsarbeit bei Kost und 2 Kr. tägl. Lohn. B. Die zu leistende (sic!) Dienste in der Erndte. In der Erndte kommen die Unterthanen alle Tage, bei Sommer- und Wintergetraideerndte, ohne Bezug auf die schon erwähnten 12 et resp. 10 Tage so lange die Erndte dauert, bei Kost und Bezahlung von 4 Kr. tägl. Lohn. Indessen will das Dominium so billig seyn, daß, wenn tägl. ein Unterthan in der Erndte kommt, und die Herrschaft ersucht, ihn von der Arbeit frey zu lassen, um sein eigen Getreide einerndten zu können, ihm solches die Herrschaft zuzugestehn, nicht entgegen seyn wird. I. Da das Dominium den Getreyde und Grashauern auf jeden Tag ½ Kr. zugesetzt, und daher diese Arbeit seinen Unterthanen wie Fremden bezahlt, so sind Unterthanen, welche Gras und Getreide hauen, im Getreideschnitte, nebst dem, daß sie alle Tage in der Erndte einfach wie alle Unterthanen zur Arbeit kommen, noch insbesondere schuldig drey Tage gedoppelt zu erscheinen, so das in diesen benandten 3 Tägen jedesmal 2 Personen aus einer Possession zur Arbeit kommen, wardurch ihre Nebenunterthanen welche jederzeit die kleine Bezahlung erhalten, durch Vermehrung der Arbeiter erleichtert, und auf keine Art verkürzet werden. II. Im Fall, das der Unterthan seine Tagarbeit sowohl in der Erndte als bei denen gemessenen Tagen aus Nachlässigkeit nicht verrichtet, so soll er schuldig seyn, von jedem Tag bei Abrechnung vor Mannesarbeit 2 Kr. vor Weibsarbeit aber 3 Kr. zu entrichten, weil das Dominium sich fremde Leute halten muß, die 2 Sgr. pro Tag bekommen. C. Dreschen Dreschen die Unterthanen dem Dominio das demselben zugehörige Getreide, welches aber nicht in den 12 oder 10 Tägen sondern zu einer andern Zeit geschieht, und also nicht zu der Arbeit, welche sie in den 10 oder 12 Tagen zu verrichten haben, gerechnet werden kann. Gewöhnlich aber nimmt das Ausdreschen des Getreides seinen Anfang um Mariae Geburth und dauert bis Monats Januarius.

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Ferner 1.Von jeder Possession kömmt nur immer eine Person. 2. Vom Getreidehauen bekommen sie 2 Ggr. oder 2 Sgr. Cour. tägl. 3. Vom Grashauen tägl. 6½ Kr. 4. Vom Getreideschneiden 4 Kr. 5. Von aller Mannsarbeit tägl. 4 Kr. 6. Vom Getreiderechen und aller Weibsarbeit 2 Kr. 7. Vom Holzschlagen von der Klafter 9 Kr. in Oberschwedeldorf und in Reichenau 10½ Kr. wo das Holz 13/4 hoch 13/4 breit das Scheite aber 6/4 lang sein muß nach bresl. Maaß.11 Ein jeder Unterthan ausgenommen Ignatz Otte, Wittwe Larischin beyde aus Oberschwedeldorf, Franz Franke aus Reichenau, Florian Tepper aus Altheyde, ist schuldig eine Klafter Holz hier in Oberschwedeldorf und eine in Reichenau unter jetz angezeigten Maaße und Lohn zu schlagen, Joseph Weniger aber aus Reichenau schlagt 3 Klaftern pro 9 Kr. bloß allein im Reichenauer Walde. 8. Bothen laufen zu Fuß ohne Radtwer.12 Jeder Unterthan – ausgenommen Florian Tepper, Ignaz Otte, Franz Franke aus Reichenau, Wittwe Larischin – ist verbunden das Jahr 6 Meilen die Meile a 3 Kr. Bothen zu gehen, trägt auf das meiste 24 Pfund bresl.. Trägt er über 10 Pfund, so bekömmt er vor die Meile 1½ Sgr., vor 10 Pfund oder unter 10 Pfund 1 Sgr., ist aber auch schuldig unter diesem Lohn soviel zurück zu tragen. Das Bothengehen mit der Radtwer ist nicht gebräuchlich. An dem Orth wohin er gesendet wird, muß er höchstens 2 Stunden auf Abfertigung warten, ist er aber genöthiget sich länger daselbst aufzuhalten, so wird er nebst dem Bothenlohn insbesondere und zwar der Tag a 4 Kr. und mit Vergütung der Hofekost bezahlt, der Tag aber zu der Zahl der gemessenen Tagen a 10 oder resp. 12 Mannesarbeit Tage gerechnet. 9. Die Unterthanen kommen in der Aerndte früh um 6 Uhr in die Arbeit, und gehen bei Sonnenuntergang aus der Arbeit. Ruhestunden. Essen und Ruhe zusammen gerechnet haben sie 2 Stunden nehml. beym Frühstück und bey der Vesper ½ Stunde beym Mittagessen aber eine Stunde. Außer der Aerndte in den 12 und 10 Tagen kommen und gehen sie so ab wie in der Aerndte.

11 12

Breslauer Maß: 1705 in ganz Schlesien eingeführtes Maß- und Gewichtssystem Radtwer: einrädrige Schubkarre

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Die Bestimmung der Arbeit wieviel einer an einem Tage zu verrichten hat, ist bei mancher Arbeit möglich, bei mancher aber zu bestimmen unmöglich. Bey der Mannesarbeit ist bestimmt worden. Eine Person soll Getreidehauen 2 Scheffeln bresl. tägl., Dünger breiten ist pro Tag für eine Person 6/4 großes Maaß oder 9 Viertel bresl. festgesetzt, Wassergraben von neuen zu machen soll eine Person pro Tag einen Graben oben 5/4 unten ¾ [Ellen] breit, in der Tiefe ½ Elle, und der Länge nach 7 Klaftern verfertigen. Flachsraufen samt dem Aufbreiten soll eine Person tägl. 2 Metzen bresl. Maaß. Grashauen, Getreideschneiden, Düngerladen, Wasserfurchen ausscharrn, Schlamgruben ausräumen, Laub oder Gesträuche abhacken läßt sich nicht bestimmen. Bey der Weiberarbeit ist das Flachsrüffeln für eine Person auf 13 Gebund jedes Gebund zu einem halben Kloben pro Tag angenommen worden. Flachsbreiten und umdrehen, Flachs und Hirse jäten, Heu und Grumt rechen ist nicht zu bestimmen. Die Unterthanen dreschen um den 16. Scheffel, sie bringen Flegel, Besen und Rechen mit, bekommen dafür ihren l6ten Scheffel, auch sollen den Unterthanen die alte Seile bleiben, welche sie nicht zu dem gedroschenen Stroh zum Binden brauchen, insoweit sie dadurch keinen Mißbrauch oder Betrug machen, das Dreschen ist also für sämtl. Unterthanen keine Roboth,13 sondern vielmehr ein Beneficium14 da auch ein jeder Fremder der kein Unterthan unter diesen Bedingungen willig und gerne drischt. Auf einmal aber dreschen 4 Personen und diese werden alle Wochen von 2 andern abgelöst. 10. In Ansehung der Kost erhalten sie folgendes: alles in bresl. Maaß: a. Zum Frühstück erhalten sie eine warme Suppe, wozu für 10 Personen ¾ Mäßel Mehl mit dem Einbrocke Brod a 2¼ Pfund genommen, und welches in der Pfarrthey vorbereitet wird. Im Waizenschnit den ersten Tag bekommen sie nebst der Suppe einen Mehlpappe, wozu vor 10 Personen ¾ und einhalb viertel Mäßel waitzen Mehl gegeben wird. b. Zum Mittagbrod bekommen sie eine warme Suppe, dazu Mehl und Einbrockebrod wie zum Frühstück genommen wird. Auch erhalten sie ein Gerichte, an Graupe auf 10 Personen ¾ Mäßel oder statt der Graupe 1½ Mä13 14

Roboth = Arbeitspflicht, die der Untertänige gegenüber dem Grundherrn hat Benefizium = Begünstigung

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ßel Erbsen, oder statt vorhergehender 2 Sorten manchesmal Klösel, wo auf 10 Personen Gersten Mehl, 3¾ Mäßel verbraucht wird. Im Waitzen Schnitt bekommen sie den ersten Tag nebst dem Gerichte ein ½ Pfund Fleisch. c. Zur Vesper kalte Suppe, wird auf jede Person ein Quart Milch oder Buttermilch oder Molken gegeben, nebst dem Einbrockebrod wie beym Frühstück. (Diese Suppe aber wird beim Flachsjaiten, Grumt, und Heu Erndte nicht gegeben den Rechern‚ allein die Manden erhalten selbe) d. Zum Abendbrod bekommen sie eine warme Suppe nebst einem Gerichte eben so wie beym Mittagessen, und jeder 2 Quarge ein Brod a 2¼ Pfund. Dieses Brod erhalten sie beym Gras, Grumt, Getreidehauen desgleichen auch in der Erndte, niemals aber bei den Arbeiten der 12 und 10 Täge. Im Wayzenschnitt nebst der Suppe den ersten Tag 2 gebackene Klösel von Waitzen, wo auf 10 Person 3¾ Mäßel Mehl genommen wird. Das Abend-essen wird den Unterthanen jedesmal im Pfarrhause gegeben. Vor Georgi Tag15 aber und nach Michaeli16 ist kein Vesperbrod, sondern die Unterthanen essen mit dem Pfarrtheiligen Gesinde früh, Mittags und Abends, welches eben in dem nehml. Maße und Sorten die Kost hat, wie oben bei den Unterthanen angezeigt worden. Nachstehende Unterthanen verrichten in der Erndte einige Tage ohne Bezahlung als: Joseph Franke, Bernhard Niems, einer wie der ander 2 Täge d.i. einen Schneide einen Rechetag umsonst bei Kost. Florian Tepper, Joseph Weniger, einen Tag umsonst bei Kost. Michael Schnabel, Joseph Kristen, Franz Langer 3 Tage ohne Bezahlung bei Kost d.i. einen Schneide einen Heu und einen Getreiderechetag. Dieses sind die zu leistende Dienste sämtl. Unterthanen. Von diesen zu leistenden Diensten sind ausgenommen folgende welche weniger Dienste verrichten: als

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Tag des hl. Georg, 23. April Tag des hl. Erzengels Michael, 29. September

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1. Der Gärtner Florian Tepper aus Altheide dieser schneidet nur einen einzigen Tag in der Erndte ohne Bezahlung bei Kost hat hingegen gar keine Arbeit weder in der Aerndte noch in den 12 und 10 Tägen zu praestieren. 2. Der Gärtner Joseph Weniger aus Reichenau, dieser kommt in der Erndte alle Tage zur Reichenauer Wiedmuth pro 4 Kr. tägl., wenn sie aber verpachtet, thut er nach Reichenau keine Dienste, sondern kommt nach Oberschwedeldorf 4 Tage hindurch, worunter ein Tag ohne Bezahlung jedoch bei Kost die übrigen drey bei Kost und 4 Kr. Lohn seind. Außer der Aerndte leistet er in Reichenau 12 Tage Mannsarbeit a 4 Kr. 10 Tage Weibsarbeit a 2 Kr., wenn aber die Reichnauer Wiedmuth verpachtet, thut er keine Dienste. 3. Der Häusler Franz Franke aus Reichnau thut in der Erndte nur 2 Täge entweder in Oberschwedeldorf oder in Reichenau gegen 4 Kr. Bezahlung und Kost. Außer der Erndte leistet er nichts. 4. Die Zinshäusl. Wittwe Ignaz Larisch leistet niemals weder zur Erndte noch außer der Erndte einige Dienste. Die Inlieger und Auszügler verrichten weder einige Dienste, noch geben dieselbe einigen Zins. 11. (sic!) Die Instrumenten zur Arbeit bringen die Unterthanen sich selbst mit. D. Spinnen Sämmtliche Unterthanen spinnen ein Stück flächsenes Garn pro 7 Kr. Lohn, ausgenommen: Florian Tepper. Der Flachs wird ihnen gehechelt 1¾ Pfund bresl. Gewichte gegeben, welchen sie gegen Weynachten erhalten, und das gesponnene Stück Garn am Ende des Monats Januarii abliefern.

Drittes Capittel Bei dieser pfarrtheylichen Wiedmuth kommt nichts von irgend einiger Gemeinarbeit vor.

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Viertes Capittel. Von dem Dienen des Hofgesindes dessen Lohn und Kost Die Dienstjahre der Kinder der Unterthanen werden bei Weibs und Mannspersonen auf ein Jahr bestimmt, gegen das Lohn eines fremden Dienstbothens nach seinen Fähigkeiten nur der Miethgroschen fällt im ersten Dienstjahre hinweg, doch hat das Dominium bei den Kindern der Unterthanen im Fall selbige sich zu Freunden vermiethen wollen, jedesmal das Vorrecht sie zu behalten, wo ihnen aber Miethgeld und Lohn wie einem Fremden bezahlt werden muß. Sie bekommen eben die Kost wie die zu Kost arbeitenden Unterthanen, Suppe, und Gerichte in den nehml. Maaßen wie in dem zweyten Capittel angezeiget worden, auch erhalten sie tägl. nebst dem Einbrockebrod 2¼ Pfund Brod, welches die Unterthanen zu jener Zeit eben erhalten, wo sie mit dem pfarrtheilichen Gesinde, oder vor sich allein essen, nur ist dabey anzuführen, daß wenn nur ein einziger Unterthan zur Roboth arbeitet, wie in den 10 und 12 Tagen geschieht, seine Portion nicht so genau bestimmt werden kann, weil die Theilbarkeit in der Ausübung nicht möglich ist, und daher mit dem pfarrtheiligen Gesinde gegessen wird.

Fünftes Capittel. Von besonderen Schuldigkeiten und Praestandis der Unterthanen. Ist weiter hierbei nichts anzuführen als: a. Die Abzugsgelder17 werden von denen wegziehenden Unterthanen mit 8 pro Cent berichtiget. b. Die Loßlassungsgelder18 aber nach dem Königl. Edict vom 10. December 1748. c. Die Sporteln19 bei Käufen, Hypothequen werden nach dem Sportel Reglement berichtiget.

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18

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Diesen Teil seines Vermögens hatte ein Untertam einer Grundherrschaft, der ins Ausland wegzog, an seinen Grundherrn zu zahlen Dieses Geld hatte ein Untertan zu zahlen, der mit Genehmigung seines Grundherrn in das Gebiet eines anderen Grundherrn verzog; vgl. Johannes ZIEKURSCH, Hundert Jahre Schlesischer Agrargeschichte, 2. Aufl. Breslau 1927, S. 100 Sporteln: Gebühren für Amtshandlungen

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Sechstes Capittel. Von besonderen Rechten des Dominii in Ansehung der Unterthanen und ihren Stellen Es steht auf dem Dominial Grund und Boden ein Birnbaum, welchen man den Haberbirnbaum nennt, da nun aber wegen der Angränzung des Michaels Schnabelsschen Fundi die mehristen Birnen auf dessenn Fundum fallen, so werden die darauf gefallenen Birnen getheilt, so daß dem Dominio ein Theil, der andere aber dem Besitzer dieses Fundi zukömmt. Die Bäume die auf des Friedrichs Ludwigs und Christoph Schnabels gemietheten Ackerstücken an den genannten Hartenrande gleich unter dem Dominial-Feldwege stehen, fällt das Obst ganz dem Dominio zu. Imgleichen behällt sich das Dominium auf der Harte bei dem Brechhause auf den vermietheten Ackerstükken des Joseph Schnabels, Ignaz Otte und Christoph Schnabels das Hintreiben mit seinem Viehe vor.

Siebentes Capittel. Von denen Emolumentis welche die Unterthanen von der Grundherrschaft zu genießen haben. Überläßt das Dominium denen Unterthanen auf derselben Ansuchen die Begrasung der Feldwege, welche zwischen den Ackern durchgehen gegen einen sehr billigen Preiß, welcher aber nicht zu bestimmen, da das Gras nicht immer gleiche wächst, und die Flecke selbst bei Veränderung der Brachfelder geändert sind, so wie denselben auch auch in dem Wiedmuthwalde auf diese Art gewiße Flecke zugelassen werden. Auch ist den Unterthanen erlaubt in den Dominial- Gersten und Waitzen-Aussaatfeldern, das darinn gewachsene Gras für ihr Vieh gratis auszupflücken. Das Vieh der Unterthanen, deren Fundus an der Pfarrwiedmuth anliegt wird mit dem herrschaftl. Vieh – wenn die Unterthanen das Dominium zuvor ersuchen – ausgetrieben für die Kuh wird vor das Vortreiben 24 Sgr. für eine Ziege 6 Sgr. bezahlt. Da weiter nichts mehr hierbey anzuführen, so ist dieses Urbarium in Gegenwart des Dominii und der Unterthanen nochmals vorgelesen von denselben genehmigt und unterschrieben worden, von denen aber die des Schreibens unerfahren mit 3 Kreuzen unterzeichnet worden.

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So geschehen Oberschwedeldorf den 24. August 1785. (Pfarrsiegel) gez. Ignatz Wanke Pfarr et Dominus Gärtner (gez.) Joseph Frank

(Siegel des Justitiars) gez. Foerster qua Justitiarius (gez.) Bernardus Nimbs

(gez.) Joseph Seppelt Vormund Ignatz Bach +++ Joseph Weniger

+++ Florian Tepper Häusler (gez.) Anton Rathmann (gez.) Michael Schnabel +++ Joseph Kristen +++ Frantz Langer (gez.) Joseph Schnabel +++ Wittwe Ludwigin, statt ihrer (gez.) Joseph Schnabel Cur. +++ Christoph Schnabel +++ Ignatz Otte

Actum auf dem Pfarrhofe zu Ober Schwedeldorf den l0ten Martii 1786 Daß vorstehendes Urbarium nicht nur von dem zeitigen Pfarrer Ignatz Wanke, sondern auch von sämtlichen zur hiesigen Pfarrthey gehörigen Unterthanen, nach vorgängiger langsamen und deutlichen Vorlesung und darauf erfolgter Genehmigung, desgleichen auch von dem hiesigen Justitiario Inquisitore publico und Senatore Förster unterschrieben, von dem Parocho und dem p. Förster besiegelt, und von denen des Schreibens unerfahrenen Unterthanen mit Kreutzen unterzeichnet worden; solches aber wird unter des zur Vollziehung dieses Urbarii von der Königl. Hochlöbl. Bresl. Haupt-UrbarienCommission requirierten Commissarii Unterschrift, und mit Beydrückung des Justitz Commissions Insiegel anhero attestiert.

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Actum ut Supra20 (gez.) Reibnitz Justitz Rath der Grafschaft Glatz qua Commissarius requisitus (Siegel: KÖNIGL. PREUSS. JUSTITZ-COMMISSION GLATZ) (Siegel der Pfarrei) (gez.) Ignatz Wanke Pfarr

(Siegel des Justitiars) (gez.) Foerster qua Justitiarius

(gez.) Joseph Frank xxx Wittwe Nimessin (gez.) Ignaz Bach, Curatus der Wittib Nimessin, des Seppelts, und der Larischin +++ Florian Tepper (gez.) Anton Rathmann +++ Joseph Weniger (gez.) Michael Schnabel +++ Franz Langer +++ Joseph Schnabel +++ Anton Langer pro uxore +++ Christoph Schnabel +++ Ignatz Otte +++ Joseph Kristen (gez.) Frantz Franke

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Verhandelt wie oben

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Abb. 1: Actum auf dem Pfarrhofe zu Ober Schwedeldorf den l0ten Martii 1786

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Praestations – Tabelle

der Unterthanen des Pfarrtheiligen Wiedmuths=Antheils zu Oberschwedeldorf in der Grafschaft Glaz A. Namen des Besitzers B. Gränzen des Fundi C. Der vorige Besitzer D. Wenn er den Fundum gekauft oder geerbt E. Spinnen F. Bothenlaufen zu Fuß G. Holzschlagen H. Noch andere Praestanda Gärtner. 1. A. Joseph Franke aus Oberschwedeldorf B. Liegt zwischen der Wiedmuth Anton Sandmanns und des Ignaz Rohrbachs Scholzen Haus und Garten dicht an der Landstraßen C. Anton Ullrich D. Anno 1783 E. 1 Stück flächsenes Garn pro 7 Kr. Lohn. Wozu 1¾ Pfund bresl. Flachs gegeben wird und im Monat Januarii abgeliefert wird. F. 6 Meilen a 3 Kr. pro Meile G. 2 Klaftern für 1 Klafter in Oberschwedeldorf 9 Kr. und in Reichenau die andern 10 ½ Kr. F. Thut 2 Tage ohne Bezahlung, nehml. einen Schneide, und einen Rechtag doch bei Kost, zinset zum Grundzins 4 paar junge Hünner und 7 Kr. der Kirche Termino 4. December. (gez.) Joseph Frank 2. A. Bernhard Niems B. Liegt zwischen dem Ausflößwasser, und dem Schulgarten. 21

Tabelle der von den Untertanen zu erbringenden Leistungen

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C. Bernhard Niems. D. Geerbt von seinem Vater. E, F, G wie 1. H. Thut 2 Tage, wie der vorige, nur giebt keine junge Hünner und zinset 2 Kr. der Kirche Term. 4. December. (gez.) Bernhard Nimbs 3. A. Joseph Seppelt. B. Liegt unterhalb des Joseph Frankens Garten, von dem nehml. Hause geradeüber, an der Landstraßen. C. Florian Seppelt D. Anno 1769 E, F, G wie 1. H. Thut in allem wie Joseph Franke, samt den jungen Hünnern Term. Jacobi. (gez.) Joseph Seppelt (gez.) Vormund Ignatz Bach 4. A. Florian Tepper aus Altheide B. Liegt zwischen Friedrichs Adlers, und Anton Künsten Grund. C. George Tepper D. Anno 1762 E. Spinnet nichts. F. Nichts. G. Schlägt kein Holz. H. Zinset der Kirche 4 Kr. 4 Hlr. 2 Pfund Wachs, und wenn er Wagenschmiere brennt, giebt er der Kirche noch 15 Kr. Term. 4. December. +++ Florian Tepper. 5. A. Joseph Weniger aus Reichenau B. Liegt zwischen Sebastian Welzel, und George Wolf Grund und Boden. C. Wenzel Krasel D. Anno 1783 E, F wie 1. G. 3 Klaftern jede Klafter a 9 Kr. H. Thut einen Tag umsonst, und giebt 9 Sgr. Zinse, und der Kirche 4 Kr. 4½ Hlr. Term. 4. December. (gez.) Joseph Weniger

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Häusler 1. A. Anton Rathsmann B. Liegt auf dem Wege nach Wallisfurth, an dem Rande zwischen dem Pfarrhaus und Franz Otte. C. Tobias Seppelt D. Anno 1753 E, F, G wie Gärtner 1. H. Giebt der Kirche 4 Kr. 4 Hlr. Zinse. Term. 4. December. (gez.) Anton Ratsmann 2. A. Michael Schnabel B. Liegt zwischen Franz Langer und Joseph Kriesten an der Landstraße. C. Benedict Heinisch D. Anno 1783. E, F, G wie Gärtner 1. H. Thut 3 Tage ohne Bezahlung bey Kost, d.i. 1 Schneidetag, 1 Heu und einen Getreiderechen Tag. Zinset 1 Rtl. dem Dominio (gez.) Michael Schnabel. 3. A. Joseph Kristen B. Liegt zwischen Michael Schnabel, und der Larischen Häusl. C. Lorenz Viezens D. Anno 1763 E, F, G wie Gärtner 1. H. thut 3 Tage wie Michael Schnabel, und zinset auch 1 Rtl. Joseph Kristen +++ 4. A. Franz Langer. B. Liegt zwischen Michael Schnabel, und dem Bauer Ignaz Rathsmann. C. Joseph Langer. D. Anno 1780. E, F, G wie Gärtner 1. H. wie Häusler 2 und 3. +++ Franz Langer

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2, 3, 4 geben ihre Zinsen Term. 4. Dec. 5. A. Joseph Schnabel. B. Liegt zwischen Bauer George Langer und Joseph Frankens Acker. C. Michael Niems. D. Anno 1768. E, F, G wie die Vorigen. H. Zinset 30 Kr. Grundzins. Term. 4. Dec. +++ Joseph Schnabel. 6. A. Wittwe Ludwigin B. Liegt am Feldwege des Pfarrers. C. Joseph Olbrich. D. Anno 1777. E, F, G wie die Vorigen. H. wie 5. Term 4. Dec. +++ Joseph Schnabel Cur[atus] 7. A. Christoph Schnabel. B. Liegt oben am Feld-Pfarrweg C. Heinrich Glosner. D. Anno 1761. E, F, G wie die Vorigen. H. wie 5. Term. 4. Decembr. +++ Christoph Schnabel. 8. A. Ignaz Otte. B. Liegt am Wege nach Wallisfurth und Fließwege. C. Friedrich Klinke. D. Anno 1763. E. wie die Vorigen. F. Geht nicht Bothen. G. Schlägt kein Holz. H. Giebt der Kirche 2 Kr. 2 Hlr. Zinse. Termino 4. Dec. +++ Ignatz Otte

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9. A. Franz Franke aus Reichenau B. Liegt neben der Kirche und Wiedmuth. C. Sein Vater. D. Anno 1773. E. wie die Vorigen. F. Geht nicht Bothen. G. Schlägt kein Holz. H. Giebt und leistet nichts weiter. +++ Franz Franke. Zinshäusler A. Wittwe Ignaz Larisch B. Liegt am Rande zwischen Joseph Seppelt und Joseph Kriesten Bodem. C. Ihr verstorbener Mann Ignaz Larisch. D. Anno 1779. E. Spinnt nicht. F. keine. G. Schlägt keines. H. Giebt bloß Grundzins 30 Kr. Term. 4. Dec. (Pfarrsiegel) (gez.) Ignatz Wanke Pfarr et Dominus

(Siegel des Justitiars) (gez.) Foerster qua Justitiarius

Daß vorstehende Praestations-Tabelle, nach vorgängiger Vorlesung und Genehmigung, von dem zeitigen Parocho Wancke, von dem Inquisitore publico Förster, und von sämtl. Unterthanen dato respective Eigenhändig und mit Kreutzen unterschrieben, auch von den beyden Erstern untersiegelt worden, solches wird pflichtmäßig anhero attestiert. So geschehen auf dem Ober Schwedeldorfer Pfarr Hofe den l0ten Martii 1786. (Siegel:) KÖNIGL.PREUSS. JUSTITZCOMMISSION GLATZ

(gez.) Reibnitz Justitzrath der Grafschaft Glatz qua Commissarius requisitus

(Siegel der Pfarrei)

(gez.) Ignatz Wanke

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DIETER POHL

Pfarrer (gez.) Foerster Justitiarius (gez.) Joseph Frank +++ Wittwe Nimessin (gez.) Ignaz Bach, curatus des Seppelts, der Wittwen Niemessin, und Larischen. +++ Florian Tepper +++ Joseph Weniger (gez.) Anton Rathman +++ Joseph Weniger (gez.) Michael Schnabel +++ Franz Langer +++ Joseph Schnabel +++ Anton Langer pro uxore22 +++ Christoph Schnabel +++ Ignatz Otte +++ Joseph Kristen (gez.) Frantz Franke Nachdem nunmehro das Urbarium von dem zur Pfarr=Wiedemuth zu Ober Schwedeldorff gehörigen Antheils, mit der Allerhöchsten Confirmation versehen worden; so wird solches benandter Gemeinde zu Ober Schwedel-dorff mit der Auflage übersendet, solches wohl zu verwahren, und sich auf das genaueste darauf zu achten. Die Gemeinde kann sich versichert halten, daß Niemanden über die in diesem Urbario festgesetzen Dienste und Schul-digkeiten ein mehreres auferlegt werden solle, es hat aber auch dagegen ein jeder von ihnen alle seine Schuldigkeiten nach dem Inhalt des Urbarii fleißig und ohne Widerrede, wie es rechtschaffenen, Christlichen und gehorsamen Unerthanen zukommt, zu verrichten, und dadurch der Allerhöchsten Landes-väterlichen Absicht Seiner Königlichen Majestaet schuldigst zu genügen. Breslau, den 24ten August 1786. Königl. Preußische Breslauische Haupt-Urbarien-Commission (gez.) Reifel

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(gez.) v. Waczensky

Pro uxore = für seine Ehefrau (der Ehemann als Vormund)

DAS URBAR DER PFARRWIDMUT OBERSCHWEDELDORF VOM JAHRE 1785 ,

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Abb. 2: Letzte Seite der Praestations – Tabelle der Unterthanen des Pfarrtheiligen Wiedmuths=Antheils zu Oberschwedeldorf in der Grafschaft Glaz

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DIETER POHL

An die Gemeinde des zur Pfarrtheywiedemuth gehörigen Antheils zu Ober Schwedeldorff in der Grafschaft Glatz. Einliegendes über die Dienst Verfassung des zur Pfarrkirche zu Ober Schwedeldorff in der Grafschaft Glatz gehörigen Guths und die gegenseitige Verhältnisse der Grundherrschaft und Unterthanen daselbst, zwischen dem zeitigen Pfarrer Ignatz Wanke und den dortigen Unterthanen, mit Zuziehung des Gerichts Amts unterm 24ten August 1785 errichtetes unterm l0ten Martii a.c. [anni citati] coram commissione agnosciertes und von der angeordneten Haupt Urbarien Commission zu Breslau revidiertes und vollständig befundenes Urbarium, wird hierdurch, Nahmens Seiner Königlichen Majestaet von Preußen Unseres Allergnädigsten Herrn in allen seinen Punkten und Clausuln confirmiert und bestättigt dergestalt und also, daß solches, von nun an, bis zu ewigen Zeiten, die eintzige Richteschnur und Bestimmung des gantzen gegenseitigen Verhältnisses zwischen dem jedesmaligen Pfarrer und Unterthanen auf besagten Guthe Ober Schwedeldorff seyn und bleiben soll. Es wollen dabey Seine Königliche Majestaet und befehlen hierdurch ausdrücklich und Ernstgemessenst, daß, nach dem Inhalt dieses Urbarii, zu allen Zeiten, die Rechte und Pflichten beyder Theile bestimmt bleiben, darauf festgehalten, und zu keiner Zeit darüber Streit oder Process veranlasset noch verstattet werden soll. Zu welchem Ende Allerhöchst Dieselben festsetzen, daß, wofern künftig über das Dominium gegründete Klage darüber entstehen sollte, daß dasselbe, wieder den Inhalt dieses Urbarii ein mehreres von den Unterthanen zu fordern und mit Gewalt zu erzwingen sich anmaße, gegen dasselbe fiscalisch verfahren, und nach Befinden auf eine ansehnliche Geldstraffe erkannt werden soll; daß aber auch dagegen, falls die Unterthanen dem Inhalte dieses Urbarii zuwieder, irgendeinen darinn aufgeführten Dienst oder sonstige Schuldigkeit verweigern werden, solche dazu nicht nur mit würcksamen Zwangs-Mitteln gebracht, sondern auch am Leibe gestraft, und zum Verkauf ihrer Besitzungen angehalten werden sollen. Urkundlich hierunter gedrückten Königlichen Innsiegels. Gegeben Breslau den l7ten July 1786. (Siegel:) KÖNIGL.PREUSS.SCHLESISCH.GENERAL[LANDSCHAFTS?] SIEGEL 1743 Auf Seiner Königlichen Majestaet allergnädigsten Special Befehl (gez.) v. Hoym (gez.) v. Danckelmann

SEVERIN GAWLITTA

„Ein Politikón hohen Ranges“ – Der Kardinal Bertram-Nachlass im Erzbischöflichen Archiv Breslau

Der Aufsehen erregende Briefwechsel zwischen den polnischen und deutschen Bischöfen zum Ausgang des II. Vatikanischen Konzils vom Spätherbst 1965 gehört inzwischen zum festen Bestandteil des historischen Kanons der deutsch-polnischen Beziehungen. Er gilt als einer der wichtigsten Impulse im Prozess der Aussöhnung und Normalisierung und wird als entscheidender Anstoß für den Dialog zwischen Deutschen und Polen gesehen. Neben der Ostpolitik Willy Brandts, die für den politischen Aspekt der Verständigung steht, symbolisiert der Briefwechsel der Episkopate die Zusammenarbeit gesellschaftlicher, vor allem kirchlicher Kreise, ohne die die schnellen Fortschritte im deutsch-polnischen Verhältnis nach 1989 nicht möglich wären.1 Dabei ist die Botschaft der polnischen Bischöfe mit ihrer berühmten Wendung “wir gewähren Vergebung und bitten um Vergebung” zum Synonym für die Überwindung von nationalen Feindschaften und tradierten Antagonismen geworden. Die unbestritten berechtigte Interpretation des Briefwechsels als Neuanfang in den deutsch-polnischen Beziehungen, auf den die Beschreibungen wie ‚Impuls‘, Anstoß‘ oder Beginn eines ‚Prozesses‘ verweisen, lässt außer Acht, dass der Austausch der Versöhnungsbotschaften von den beteiligten Bischöfen zunächst als Abschluss einer bereits zuvor stattgefundenen Entwicklung erfahren wurde. Während des Konzils knüpften die Bischöfe beider Episkopate rasch und unkompliziert Kontakte und lernten sich meist jenseits offizieller Termine kennen. Sie nutzten dabei den kosmopolitischen Rahmen

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Krzysztof RUCHNIEWICZ, Versöhnung – Normalisierung – Gute Nachbarschaft. In: Deutsche und Polen. Geschichte – Kultur – Politik, München 2003, 95-107, hier 104.

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SEVERIN GAWLITTA

des Konzils, um frei und ungezwungen miteinander sprechen zu können.2 Begünstigt wurden die Begegnungen vor allem durch die Arbeit der Bischöfe in den Kommissionen, wo man sowohl bezüglich der Fachfragen als auch unverbindlich während der Unterbrechungen ins Gespräch kam.3 Der Geste der Versöhnung gingen also vielfältige Begegnungen und Gespräche zwischen den Bischöfen beider Länder während der Konzilsberatungen voraus, ohne die der Briefwechsel nicht möglich gewesen wäre.4 Der Initiator der Versöhnungsbotschaft, der Breslauer Erzbischof Bolesław Kominek, verlieh dieser Deutung mehrfach Ausdruck. Einige Wochen vor der Übergabe des Briefes gab er zu verstehen, dass die Zusammenkunft der deutschen und polnischen Bischöfe in Rom eine einmalige Gelegenheit zu einem solchen Schritt biete und erklärte: „Wer weiß, ob sich später dazu noch eine Möglichkeit ergibt. Das Konzil ist der richtige Ort. Aus seinem Geist müssen wir handeln. Von ihm haben wir eine besondere Verpflichtung und Legitimation“.5 Gleiches gilt für die deutschen Bischöfe, die in der konziliaren Erfahrung den spiritus rector der gemeinsamen Versöhnungsbestrebungen sahen und die Botschaft des polnischen Episkopats „als eine kostbare Frucht“ gemeinsamer „Konzilsarbeit“ betrachteten.6 In diesem Sinne äußerte sich mehrfach der Bischof von Essen, Franz Hengsbach, indem er den „brüderlichen Kontakt mit den polnischen Bischöfen“ und den Austausch der Botschaften

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Zu den weltkirchlichen Erfahrungen und Begegnungen der deutschen Bischöfe während der ersten Sitzungsperiode des Konzils siehe: Wolfgang SEIBEL SJ, Zwischenbilanz zum Konzil. Berichte und Dokumente der deutschen Bischöfe, Recklinghausen 1962, 11-15. Auf diese Weise freundete sich Bischof Hengsbach mit dem Erzbischof (Tit.) von Breslau, Bolesław Kominek, an, der in den Sitzungen der ‚Kommission für das Laienapostolat‘ sein „rechter Nebenmann“ war. Franz GRAVE, Von der Vertriebenenseelsorge zur Aussiedlerseelsorge. In: Zeugnis des Glaubens. Dienst an der Welt. Festschrift für Franz Kardinal Hengsbach zur Vollendung des 80. Lebensjahres, hg. v. Baldur HERMANS, Mülheim/Ruhr 1990, 547-578, hier 550. – Ähnlich lernten sich Hengsbach und der damalige Erzbischof von Krakau, Karol Wojtyła, kennen. Bistumsarchiv Essen (weiter BAE), NL 1, 1454, Interview von Krystyna Grzybowska mit Bischof Hengsbach, o.S. – Zu den deutsch-polnischen Begegnungen weiter Bischöfe siehe: Karl-Joseph HUMMEL, Der Heilige Stuhl, deutsche und polnische Katholiken 1945 – 1978. In: Archiv für Sozialgeschichte, 45 (2005), 165-214, hier 179. – Interview mit Hansjacob Stehle. In: Basil KERSKI / Thomas KYCIA / Robert ŻUREK, „Wir vergeben und bitten um Vergebung“. Der Briefwechsel der polnischen und deutschen Bischöfe von 1965 und seine Wirkung, Osnabrück 2006, 125-137, hier 128. HUMMEL, Der Heilige Stuhl, S. 196. BAE, NL 1, 1289. Zitiert nach Franz Kard. Hengsbach: ‚Der Briefwechsel zwischen dem Polnischen und dem Deutschen Episkopat am Ende des II. Vatikanums. Wie kam es dazu?‘ [Fax an Bischof Josef Homeyer, vom 02.01.1989], o. S. „Antwort der Deutschen Bischöfe auf die Botschaft des Polnischen Episkopates“, vom 5. Dez. 1965.

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als eine „besondere Frucht des Konzils“ bezeichnete.7 Hierzu erläuterte er: „Dieses Gespräch zwischen den polnischen und den deutschen Bischöfen, das in den beiden Briefen vorerst seine Krönung fand, hat menschliche und konziliare Wurzeln“.8 Während der Konzilswochen fanden „viele“ deutschpolnische „Zusammenkünfte“ der Bischöfe statt; „wir haben dabei in vollem Freimut und in brüderlicher Unvoreingenommenheit über alles gesprochen, was uns gemeinsam bewegt, vor allem aber über die gemeinsamen Sorgen“.9 Der Briefwechsel zwischen den polnischen und deutschen Bischöfen war demnach im hohen Grade ein Ergebnis ihrer Begegnungen am Rande des Konzils. Das gegenseitige Vertrauen erwuchs aber ebenso aus der Zusammenarbeit und aus gemeinsamem Handeln beider Episkopate. Dazu zählte die von beiden Seiten erarbeitete Eingabe an die Ritenkongregation um die Seligsprechung des im KZ Auschwitz ermordeten polnischen Paters Maximilian Kolbe, wobei nicht so sehr das kanonische Verfahren im Vordergrund stand, sondern die Begegnung der deutschen und polnischen Bischöfe auf der Grundlage einer gemeinsamen Versöhnungserklärung, die dem Seligsprechungsprozess vorangestellt werden sollte.10 Sie sollte eine tragfähige Basis „für die zu erwartenden Gespräche mit polnischen Bischöfen auf der zweiten Konzilsperiode“ bilden.11 Ein weiteres bilaterales Anliegen, das weitgehend diskret behandelt wurde, betraf Fragen finanzieller Unterstützung der katholischen Kirche in Polen durch die Fuldaer Bischofskonferenz.12 Zu den vertraulich und ebenfalls verborgen durchgeführten Vorgängen gehörte auch die Mikroverfilmung des bischöflichen Nachlasses von Kardinal Adolph Bertram aus dem Erzbischöflichen Archiv in Breslau sowie die anschließende Überführung der Filmrollen in die Bundesrepublik. An diesem nicht risikofreien Vorhaben manifestierte sich abermals, dass die römischen Gespräche der deutschen und polnischen Bischöfe nicht nur auf theologisch-kirchliche Fragen beschränkt waren, sondern gleichfalls tagesaktuell motivierte Anliegen

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BAE, Bischöfliche Pressestelle Essen, Bd. 3 (1965): Mitteilung für die Presse vom 10. Dez. 1965; Bd. 4 (1966): Mitteilung für die Presse vom 28. Februar 1966. Die Briefe der Bischöfe. Gespräch mit Ruhrbischof Hengsbach über die Kontakte zwischen dem polnischen und dem deutschen Episkopat, in: Die Zeit, Nr. 51, vom 17. Dez. 1965. Ebenda. Döpfner, Konzilstagebücher, Dok. 313, Schreiben von Bischof Stangl an Kard. Döpfner vom 24. Aug. 1963, 498f. Ebenda. Neben den im ordentlichen Haushalt seit 1962 verbuchten Zahlungen an Polen bildete die „Sonderhilfe Polen: Altarmissalia und Lektionaria“ (bewilligt am 2. Sept. 1965) in Höhe von insgesamt 1,7 Mio. DM die bis dato großzügigste Unterstützung der katholischen Kirche in Polen durch den deutschen Episkopat. Bistumsarchiv Essen (weiter: BAE), Protokolle der DBK, Bd. 13 /1961 – 1965/, 248.

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aufgriffen, die für beide Seiten von Bedeutung waren und die zeitnah greifbare Lösungen hervorzubringen vermochten.

Den primären Beweggrund, den Breslauer Kardinal-Bertram-Nachlass innerhalb der Fuldaer Bischofskonferenz zu thematisieren und damit auf die Agenda ihres Vorsitzenden, Joseph Kardinal Frings zu setzten, brachte der Euthanasie-Prozess gegen Hans Hefelmann.13 Hefelmann, der sich vor dem Landgericht Limburg wegen tausendfachen Mordes an Geisteskranken in der NS-Zeit verantworten musste, ließ während der Verhandlungen immer wieder sein gutes Verhältnis zu den Kirchen durchblicken und erklärte, „die deutschen Bischöfe seien seinerzeit zu gewissen Konzessionen in dieser Frage bereit gewesen, etwa zu einem Stillhalteabkommen, falls andere Wünsche berücksichtigt würden“.14 Da sich solche und ähnliche Behauptungen mehrten, sahen sich die Spitzen der katholischen Kirche zunehmend mit der Frage nach ihrem Verhältnis zum NS-Regime konfrontiert und gerieten durch immer breiter vertretene grundsätzliche Kritik am Verhalten des deutschen Episkopates im Jahre 1933 verstärkt unter Rechtfertigungszwang. Wie dringlich sich diese Frage gestaltete, zeigte 1961 Ernst-Wolfgang Böckenfördes Artikel in ‚Hochland‘, der prominenten Vertretern der katholischen Kirche in den ersten Monaten nach Hitlers Machtergreifung NS-Hörigkeit und z.T. Fraternisierung mit dem NS-Regime zuschrieb.15 Als besonders problematisch erwies sich dabei der Umstand, dass die Bischöfe auf Thesen dieser Art weder durch wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse eingehen noch durch quellengestützte Argumentation reagieren konnten, da kein entsprechendes Schriftgut aus den kirchlichen Archiven bis dato erschlossen vorlag. Die Böckenförde-Kontroverse wirkte indirekt wie ein Katalysator für Überlegungen, innerhalb der katholischen Kirche die zeitgeschichtliche Forschung zu institutionalisieren, um die politische und soziale Geschichte des deutschen Katholizismus und insbesondere das Verhalten der Katholiken und ihrer kirchlichen Organisationen in der NS-Zeit systematisch zu untersuchen. Unter der Ägide der Katholischen Akademie in Bayern wurde am 17. Sep13

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Die Anklage warf Hefelmann Mittäterschaft bei der Ermordung von 3.000 Kindern und 70.000 Erwachsenen im Rahmen der sog. ‚Aktion T-4‘ vor. Das Verfahren wurde im September 1964 vorläufig und im Oktober 1972 aufgrund von Verhandlungsunfähigkeit endgültig eingestellt. Die Zeit, Nr. 9, vom 28.02.1964 und Nr. 18, vom 01.05.1964. Wiedergegeben in: Historisches Archiv des Erzbistums Köln (weiter HAEK), CR III 2.19,54, Schreiben von Kardinal Frings an Erzbischof Kominek vom 01.05.1964, o. S. E.-W. BÖCKENFÖRDE, Der deutsche Katholizismus im Jahre 1933. Eine kritische Betrachtung. In: Hochland 53 (1960/61), 215-239.

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tember 1962 die ‚Kommission für Zeitgeschichte‘ (KfZG) gegründet, die sich bereits ein Jahr später infolge von Rolf Hochhuths Theaterstück der „Stellvertreter“, in einer heftigen und „zunächst ganz ungewohnten“ Kritik an der Kirche wiederfand.16 Obwohl diese Entwicklung zeitnahe und auf den aktuellen Diskurs ausgerichtete „thematische Einzelaktionen“ als geboten erscheinen ließ, setzte die Kommission bewusst auf eine langfristig angelegte Grundlagenforschung, vornehmlich auf die Edition von Quellen und, soweit möglich, auf ergänzende Monographien.17 Doch sowohl die anvisierten Dokumenteneditionen als auch eine quellenfundierte Erforschung der katholischen Kirche unter der NS-Herrschaft setzten den Zugang zu zentralen Archivbeständen voraus, vor allem zum erzbischöflichen Nachlass des von 1919 bis 1945 amtierenden Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, Kardinal Bertram. Die Schwierigkeit bei dem für die zeithistorischen Fragen außerordentlich wichtig erachteten Bestand lag darin, dass dieser außerhalb des Landes in Wrocław (Breslau) aufbewahrt wurde. Der Zugang zu den dortigen Bertram-Akten war aufgrund restriktiver Einreisebestimmungen polnischer Behörden für Wissenschaftler aus dem Westen, insbesondere aus der Bundesrepublik kaum oder nur äußerst selten möglich.

Anfang Mai 1964 richtete Kardinal Frings eine Anfrage an den Erzbischof von Breslau, Bolesław Kominek, „ob eine Möglichkeit“ bestünde, „die Akten der Fuldaer Konferenz, die zur Zeit Kardinal Bertrams geführt wurden“, nach Köln zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) überführt werden könnten und „welcher Weg hier einzuschlagen wäre, um dieses Ziel zu erreichen“.18 Frings bat damit um nichts weniger, als um die Herausgabe des bischöflichen Nachlasses von Kardinal Bertram. Offenbar stimmten ihn die Begegnungen und die daraus entstandenen guten Kontakt zwischen den deutschen und polnischen Kirchenhierarchen zuversichtlich, diese Angelegenheit mittels persönlicher Absprachen auf bischöflicher Ebene realisieren zu können. Gegenüber Kominek deutete er an: „Ich weiß, daß ich Ew. Exzellenz damit keine leichte Aufgabe zumute; aber die Zusammenkünfte der deutschen und polnischen Bischöfe in Rom geben mir die Hoffnung, daß ein 16

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Konrad REPGEN, 25 Jahre Kommission für Zeitgeschichte – ein Rückblick. In: Der deutsche Katholizismus in der zeitgeschichtlichen Forschung, hg. v. Ulrich VON HEHL und Konrad REPGEN, Mainz 1988, 9 u. 11. Ebenda, 11. HAEK, CR III 2.19,54, Schreiben von Kardinal Frings an Erzbischof Kominek vom 01.05.1964, o. S.

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legaler Weg zu einem solchen Transport möglich sein wird“.19 Durch Frings’ Schreiben an Kominek erfuhr eine zuvor eher vernachlässigte Angelegenheit neue Impulse und mehr Zielstrebigkeit. Wenige Wochen nach der Gründung der Kommission für Zeitgeschichte machte ihr bekanntes Mitglied, Prof. Hubert Jedin, im Frühjahr 1963 Kardinal Frings auf den Breslauer BertramNachlass aufmerksam.20 Doch obwohl dabei der besondere Wert dieses Schriftguts für die kirchliche Zeitgeschichte unterstrichen wurde, blieb Jedins Vorstoß zunächst ohne Folgen. Die KfZG unternahm daraufhin selbst mehrere Versuche, die Breslauer Akten mikroverfilmen zu lassen, allerdings ohne Erfolg.21 Die zunehmende öffentlich formulierte Kritik am Verhalten des deutschen Episkopates im Dritten Reich verlieh aus Sicht der Kommission und ihres Vorsitzenden Prof. Konrad Repgen der Frage nach dem Breslauer Bertram-Archiv neue Dringlichkeit. Die KfZG trug daraufhin ihre Bitte gegenüber Kardinal Frings erneut vor und verwies dabei mit Nachdruck auf ihre Aktualität: „Wenn dabei besonders der historisch-wissenschaftliche Wert des Bertram-Archivs betont wurde, so liegt darin bei der heutigen Situation zugleich ein quasi-öffentlich-kirchliches Interesse“.22 Auch Prof. Jedin sah sich angesichts dieser Entwicklung abermals veranlasst, initiativ zu werden. Der Bonner Kirchenhistoriker fühlte sich „verpflichtet“, die Bitte von Prof. Repgen „nachdrücklich zu unterstützen“, wobei er die Meinung vertrat, dass eine Übergabe des Nachlasses sowie der Akten der Fuldaer Bischofskonferenz „selbstverständlich nicht verlangt werden“ könnten. Dagegen hielt er die Erlangung einer „Erlaubnis zur Verfilmung“ der erwähnten Bestände für „möglich“.23 Die Anfrage von Kardinal Frings beim Erzbischof Kominek vom Mai 1964 war demnach eine Entsprechung auf den wiederholten Vorstoß der KfZG, die vor allem mit dem Verweis auf das hohe „öffentlichkirchliche Interesse“ sich vom Kölner Metropoliten mehr konkrete Unterstützung erhoffte. Die Antwort aus Breslau bestätigte zunächst Jedins Einschätzung. Erzbischof Kominek gab zu bedenken, dass aufgrund der Zerstörung des Diözesanarchivs während des Krieges das angefragte Aktenmaterial aus der Zeit Kardinal Bertrams „nur teilweise erhalten“ sei. Gleichzeitig schloss Kominek

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Ebenda. HAEK, CR III 2.19,54, Schreiben des Vorsitzenden der KFZG, Prof. Konrad Repgen, an Kard. Frings vom 15.04.1964, o. S. Ebenda. Ebenda. HAEK, CR III 2.19,54, Schreiben von Prof. Jedin an Frings‘ Geheimsekretär Hubert Luthe vom 01.05.1964, o. S.

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eine Übergabe der vorhandenen Akten „aus verständlichen Gründen“ aus.24 Es bestünde aber die Möglichkeit, so Kominek, Mikrofilme durch die Universitätsbibliothek Breslau auf Kosten des Interessenten anfertigen zu lassen.25 Die Angaben aus Breslau gaben indirekt das weitere Vorgehen auf deutscher Seite vor: Informationen über den Verbleib und über die Vollständigkeit des Bertram-Nachlasses einholen, um anschließend die Anfertigung von Mikrofilme vorzunehmen. Im Juli 1964 wandte sich Kardinal Frings an den Bischof von Hildesheim und Beauftragten der Fuldaer Bischofskonferenz für Vertriebenen- und Flüchtlingsseelsorge, Heinrich Maria Janssen, um Auskunft über ehemalige Breslauer Kurienpriester zu erhalten.26 Parallel dazu fragte Frings in den Universitätsbibliotheken Warschau und Breslau an, ob diese Angaben zum Verbleib des Nachlasses von Kardinal Bertram machen können. Während letztere erfolglos verliefen27, erwiesen sich die Informationen und Anregungen des wenige Jahre zuvor aus Breslau in die Bundesrepublik übergesiedelten Geistlichen Rats, Dr. Alfred Sabisch, als besonders wertvoll. Alfred Sabisch gehörte zu jenen deutschen Priestern, die nach Kriegsende in Schlesien geblieben waren und ihren pastoralen Dienst unter der Leitung polnischer Bischöfe weiterführten. Von März 1951 bis zur seiner Ausreise aus Polen war Sabisch als Archivar im Erzbischöflichen Archiv in Breslau tätig. Offenbar wegen seiner gesundheitlichen Probleme wurde Sabisch vom Dienst in der Pfarrgemeinde entpflichtet und im Kurienarchiv eingesetzt, wo er weiter seinen Quellenstudien und -forschungen zur allgemeinen Geschichte und zur Kirchengeschichte Schlesiens nachgehen konnte.28 Im Herbst 1959 reiste Sabisch aus Polen aus und wurde ein Jahr später im neugegründeten Bistum Essen als Subsidiar aufgenommen.29 Mit seinen archivspezifischen Breslauer Erfahrungen sowie aufgrund seiner kirchenhistorischen Fachkenntnisse war Sabisch nicht nur ein idealer Kenner der Breslauer Archivbestände, sondern erwies sich zudem als ‚Glücksfall‘, da er nach wie vor über ausgezeichnete persönliche Kontakte nach Breslau verfügte und das Vertrauen von

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HAEK, CR III 2.19,54, Schreiben von Erzbischof Kominek an Kardinal Frings vom 15.05.1964, o. S. Ebenda. HAEK, CR III 2.19,54, Schreiben von Kard. Frings an Bischof Janssen vom 09.07.1964. HAEK, CR III 2.19,54, Schreiben von Kard. Frings an den Direktor der Universitätsbibliothek Warschau, Jan Baculewski, vom 15.07.1964 mit Antwort vom 12.08.1964. Schreiben von Kard. Frings an den Leiter der Universitätsbibliothek Breslau, Antoni Knot, vom 05.09.1964 mit Antwort vom 03.10.1964. BAE, 2 PA IV W, Bd. 5, Alfred Sabisch. Ebenda.

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Erzbischof Kominek genoss.30 Auf Anraten von Prof. Jedin bat der Geheimsekretär von Kard. Frings, Hubert Luthe, Sabisch um Angaben zum Umfang und zum Verbleib des Bertram-Archivs. Zudem erkundigte sich Luthe nach Personen, „die angesprochen werden müßten, um das gewünschte Ziel zu erreichen“ und mahnte abschließend, diese Anfrage „vertraulich zu behandeln“.31 In einem ausführlichen Antwortschreiben gab Sabisch eine realistische Einschätzung der angestrebten ‚Mikroverfilmung‘ des Bertram-Nachlasses und hob warnend die politische Sensibilität dieses Vorhabens hervor. Er riet „dringend“ von dem Versuch ab, „direkt bei der Leitung des Archivs (beim Weihbischof Wincenty Urban) eine Mikroverfilmung der Bestände zu erbitten“ und führte aus: „Man hat hierzulande kaum eine Vorstellung davon, unter welcher Observation aller Verkehr der kirchlichen Dienststellen mit dem Ausland und speziell mit der Bundesrepublik bei der polnischen Überwachungsbehörde steht und welche üblen Folgen, nicht hierzulande, wohl aber dort ein ungeschicktes Verfahren nach sich ziehen kann“.32 Sabisch sah daher den Weg, die Akten über die Universitätsbibliothek Breslau verfilmen zu lassen, „als nicht zu bestreiten“, da aufgrund des Umfanges des Materials und der anfallenden Filmrollen man sich dem Verdacht der Spionage aussetzen würde.33 Hier spielte Sabisch offenbar auf eigene Erfahrungen mit den staatlichen Behörden im kommunistischen Polen an; vor allem auf die Jahre des Stalinismus, als er von „ständig lauernder Angst durchtränkt“ lebte, unter andauernder Beobachtung, Bespitzelung und Postüberwachung stand sowie Vorladungen, Haussuchungen und „Verdächtigung der Spionage zu Gunsten der westdeutschen ‚Revanchisten‘“ über sich ergehen lassen musste.34 30

Alfred Sabisch traf sich mehrfach mit Erzbischof Kominek während der Konzils in Rom: So Ende November/Anfang Dezember 1962 und in der letzten Oktoberwoche 1965. Bei ihrer letzten Begegnung konsultierte Kominek Sabisch zu Fragen der deutsch-polnischen Versöhnung im Rahmen der Vorbereitung der Botschaft der polnischen Bischöfe an den deutschen Episkopat vom Spätherbst 1965. BAE, 2 PA IV W, Bd. 5, Schreiben von Alfred Sabisch an den bischöflichen Generalvikar in Essen vom 14.11.1962, o. S. und Ebenda, Schreiben von Alfred Sabisch an den Essener Generalvikar Krautscheidt vom 09.09.1964, o. S. – Joachim KÖHLER (Hg.), „Aus eigenem Entschluss und in eigener Verantwortung … ohne einen Auftrag von irgendeiner Seite“. Römische Gespräche zwischen Alfred Sabisch und Erzbischof Bolesław Kominek vor dem Briefwechsel der polnischen und deutschen Bischöfe 1965, in: AFSK 63 (2005), 153-185. 31 HAEK, CR III 2.19,54, Schreiben von Hubert Luthe an Alfred Sabisch vom 05.10.1964 und Aktenvermerk vom 03.10.1964. 32 HAEK, CR III 2.19, 54, Schreiben von Alfred Sabisch an Hubert Luthe vom 15.10.1964, o. S. 33 Ebenda. 34 BAE, 2 PA IV W, Bd. 5, Alfred Sabisch, Schreiben von Prof. Franz Scholz an Bischof Franz Hengsbach vom 17.05.1962, o. S. – Bereits Ende der 1940er Jahre wurde Sabisch im

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Auch den Weg über eine persönliche Intervention bei Erzbischof Kominek hielt Sabisch ebenfalls für nicht gangbar, insbesondere deshalb, „weil man ihm keinesfalls zumuten [könne], seine an sich schon gefährdete Situation noch mit dem Versuch zu belasten, eine Manipulation im dortigen Diöz[esan]archiv zu Gunsten hoher kirchlicher Kreise in der Bundesrepublik zu decken“.35 Auch hier deutete Sabisch an, unter welcher repressiven Beobachtung durch die Staatssicherheit Erzbischof Kominek und die gesamte katholische Kirche in Polen standen und wie gefährlich es für sie sein konnte, mit hohen westdeutschen Würdenträgern in Verbindung gebracht zu werden.36 Die letzte und aussichtsreichste Möglichkeit „etwas zu erreichen“ bestand nach Sabischs Meinung darin, Primas Wyszyński „vertraulich“ für die Angelegenheit zu gewinnen. Konkret schlug Sabisch vor, „die Hochwürdigste Kölner Eminenz solle persönlich den Hochwürdigsten Primas der polnischen Kirche um seine Mithilfe angehen“ und ihm folgenden Vorschlag unterbreiten: „Der Kardinal-Primas möge das jetzige Diöz.Archiv bzw. seinen Direktor Exz. Urban beauftragen, für die Warschauer Kurie die in Breslau vorhandenen Akten der Fuldaer Bischofskonferenz mikroverfilmen zu lassen“. Die Filmrollen könnten dann von Warschau aus in einzelnen Versendungen an eine Adresse in Rom und von dort nach Köln erfolgen. Damit wäre eine direkte Verbindung zwischen Köln und Breslau vermieden.37 Einzig dieses Vorgehen hielte Sabisch für erfolgversprechend, „zumal, wenn von deutscher Seite behutsam eingeflochten werden könnte, wie viel die polnische Kirche, der Kard. Primas, eine Reihe von Bischöfen, Priestern und Seminaren der

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Amt für Staatssicherheit der Woiwodschaft Breslau aktenkundig, nachdem er sich „kritisch über den Genossen Stalin“ geäußert haben soll. Janina HERA-ASŁANOWICZ, Dzwony dla Stalina [Glockengeläut für Stalin], in: Powściągliwość i Praca 4 (2005), 13. HAEK, CR III 2.19, 54, Schreiben von Alfred Sabisch an Hubert Luthe vom 15.10.1964, o. S. Über das konfliktreiche Verhältnis zwischen dem Staatsapparat und der katholischen Kirche im kommunistischen Polen liegt inzwischen eine Fülle von Arbeiten vor. Verwiesen sei daher auswahlweise vor allem auf die Gesamtdarstellungen von: Jan SIEDLARZ, Kirche und Staat im kommunistischen Polen 1945 – 1989, Paderborn u.a. 1996. – Antoni DUDEK / Ryszard GRYZ, Komuniści i Kościół w Polsce (1945 – 1989) [Kommunisten und Kirche in Polen], Krakau 2003. – Über die repressiven Maßnahmen gegenüber Erzbischof Kominek zuletzt: Stanisław BOGACZEWICZ, Działania resortu bezpieczeństwa wobec ks. kard. Bolesława Kominka w latach 1945 – 1974. Zarys zagadnienia [Aktivitäten des Sicherheitsministeriums gegen Kardinal Bolesław Kominek in den Jahren 1945 – 1974. Abriss der Fragestellung], in: Wokół orędzia. Kardynał Bolesław Kominek prekusor pojednania polskoniemieckiego, Rad. Wojciech KUCHARSKI und Grzegorz STRAUCHOLD, Wrocław 2009, 5281. HAEK, CR III 2.19, 54, Schreiben von Alfred Sabisch an Hubert Luthe vom 15.10.1964, o. S.

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bundesdeutschen Hilfsbereitschaft bereits verdanken“.38 Zugleich unterstrich er, wie wichtig die Zusicherung sei, „dass die Öffentlichkeit über diese Vorgänge nichts erfahren dürfe“ und warnte: „[D]as jetzige Erzb.Diöz.Archiv in Breslau – Wrocław ist mit der angeschlossenen Kapitelbibliothek infolge seiner reichen Bestände aus der deutschen Zeit für die poln. staatlichen Behörden ein Politikón hohen Ranges; damit die schon einige Male drohende Verstaatlichung und Enteignung vermieden werde, ist peinliche Sorgfalt geboten, um jeglichen Verdacht eines staatsgefährdenden Kontaktes nach polnischer Auffassung mit hohen westdeutschen und deshalb als revisionistisch angesehenen kirchlichen Stellen auszuschließen“.39 Auffällig an Sabischs Einschätzung ist das Fehlen jeglicher Angaben zum betreffenden Archivbestand sowie der mehrfache Hinweis auf die Brisanz der Verfilmung. Ersteres erklärt sich wahrscheinlich daraus, dass Sabisch die Vollständigkeit und die Aufbewahrung des Bertram-Nachlasses in Breslau aufgrund dort gemachten Erfahrungen und Kenntnisse als gegeben betrachtete. Was die Warnungen vor möglichen negativen Konsequenzen für die Breslauer Kurie im Falle eines ungeschickten Vorgehens der deutschen Seite betrifft, so musste er um die Sicherheit seiner Mitbrüder und ehemaliger Kollegen fürchten, mit denen er weiterhin in „dankbarer Freundschaft“ verbunden war.40 Sabischs Vorschlag, Primas Wyszyński einzubinden und unter dessen Mitwirkung den gewünschten Erfolg zu erzielen, griff man in Köln bereitwillig auf, so dass es Ende Oktober 1964 in Rom zu einem Gespräch über dieses Ansinnen zwischen den Eminenzen Frings und Wyszyński kam. Wenige Tage vor dem Treffen erhöhte sich erneut der Erwartungsdruck auf den Kölner Erzbischof. Professor Repgen berichtete Frings, dass die Illustrierte ‚Stern‘ in den Besitz von Mikrofilmen aus dem Nachlass von Kardinal Bertram in Breslau gelangt sei und eine Artikelserie über dessen Haltung in den Jahren 1933 bis 1945 plane.41 Noch am Vorabend des Treffens versuchte Repgen Frings nahezulegen, die Angelegenheit mit Primas Wyszyński so zu bereden, 38 39 40

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Ebenda. Ebenda. BAE, 2 PA IV W, Bd. 5, Schreiben von Alfred Sabisch an den bischöflichen Generalvikar in Essen vom 14.11.1962 und Schreiben von Alfred Sabisch an Generalvikar Krautscheidt vom 09.09.1964, o. S. HAEK, CR III 2.19, 54, Schreiben von Prof. Repgen an Kard. Frings vom 21.10.1964, o. S. – Repgen erfuhr von der geplanten Veröffentlichung im ‚Stern‘ wahrscheinlich durch Prof. Heinrich Lutz von der Universität Saarbrücken, an den der ‚Stern‘ herantrat, um sich „einen katholischen Herausgeber zu sichern“. Prof. Lutz lehnte das Angebot aus „Gewissensgründen“ ab. HAEK, CR III 2.19, 54, Schreiben von Prälat Hanssler [Mitglied im Kuratorium der KFZG] an Kard. Frings vom 19.05.1965, o. S.

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dass letzterer eine summarische Antwort „ja oder nein“ geben möge. Falls Wyszyński seine Zustimmung signalisiere, dann soll auch die Verfilmung sämtlicher Akten der Fuldaer Bischofskonferenz aus den Jahren 1919 bis 1945 erbeten werden. Repgen begründete dies damit, dass es sich hierbei um die Akten von Frings‘ Amtsvorgänger handele und hob noch einmal hervor, dass angesichts der zu erwartenden Publikation im ‚Stern‘ ein öffentliches Interesse der katholischen Kirche in Deutschland vorläge.42 Um dem polnischen Primas ein Entgegenkommen zu erleichtern, sollten sich nach Repgens Auffassung die deutschen Bischöfe bereit erklären, ein Mikrofilm-Gerät für die Sicherheitsverfilmung des gesamten angefragten Archiv-Materials zur Verfügung zu stellen und die Kosten für zwei Kopien der Fuldaer Akten zu übernehmen.43 Das Gespräch zwischen Frings und Wyszyński bezüglich der Aktenverfilmung endete vorerst ohne konkrete Zusagen und Ergebnisse. Der Kardinalprimas versprach jedoch diese Angelegenheit nach seiner Rückkehr aus Rom zu prüfen und bat um die in dieser Frage bisher erstellte Korrespondenz.44 Die persönliche Anfrage bei Wyszyński blieb jedoch nicht ohne unmittelbare Folgen. Sie bewirkte, dass die Handlungsmaxime nun auf die polnische Seite überging und somit die Frage der Verfilmung zeitweise zu einer ‚innerpolnischen‘ Angelegenheit machte. Insgesamt erwies sich dieses Vorgehen letztlich als zielführend, denn die weitere Entwicklung verlief weitgehend im Sinne von Kardinal Frings und der KfZG. Es ist zwar unklar, wann und auf wessen Weisung die Breslauer Kurie mit der Verfilmung des Bertram-Nachlasses begonnen hatte, doch das angefragte Aktenmaterial lag bereits im Frühjahr 1965 verfilmt vor.45 Wie der Görlitzer Weihbischof, Gerhard Schaffran, nach einem privaten Besuch in Breslau berichten konnte, wurden die Mikrofilme des nach seiner Einschätzung „wahrscheinlich vollständig“ erhaltenen Bertram-Nachlasses von einem Vikar hergestellt.46 Die ersten 36 Filmrollen, inklusive Kopien trafen im Mai 1965 via Rom in München ein, wo sie sofort von den Mitarbeitern der KfZG gesichtet wurden.47 42

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HAEK, CR III 2.19, 54, Aktenvermerk von Hubert Luthe über ein Telefongespräch zwischen Prof. Repgen und Kard. Frings von 26.10.1965 (vermerkt am 27.10.1964), o. S. Ebenda. HAEK, CR III 2.19, 54, Aktenvermerk von Hubert Luthe vom 31.10.1964, o. S. HAEK, CR III 2.19, 54, Aktenvermerk von Hubert Luthe über ein Gespräch mit Prof. Repgen vom 12.04.1965 (Vermerkt am 17.04.1965), o. S. Bischof Schaffran berichtet von seinem Besuch in Breslau vom 03./04. Mai, bei dem er nach eigenen Angaben den „gesamten schriftlichen Nachlass von Kard. Bertram“ als „erster“ einsehen konnte, sowie über die auf „Mikrofilmen wohlerhaltenen Akten“. HAEK, CR III 2.19, 54, Schreiben von Bischof Schaffran an Kard. Frings vom 11.05.1965, o. S. HAEK, CR III 2.19, 54, Schreiben von Prälat Hanssler an Kard. Frings vom 19.05.1965, o. S.

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Unmittelbar vor dem Abschluss der Aktion, d.h. in der Phase der Überführung der Filmrollen sahen sich die involvierten Personen vor ein weiteres schwieriges Problem gestellt. Offenbar gewannen die polnischen Sicherheitsbehörden Informationen über die Verfilmungsaktion im Breslauer erzbischöflichen Archiv. Der Leiter desselben, Dr. Alfred Świerk, wurde „wiederholt vorgeladen“. Obwohl es Świerk gelang, die Angelegenheit zu bagatellisieren, konnte nicht übersehen werden, dass „sich polnische staatliche Stellen für das Diözesanarchiv interessierten“.48 Dies wurde auch indirekt von der KfZG bestätigt, die die Probleme bei der Auslieferung des verfilmten Materials nach Westdeutschland nicht bei den kirchlichen, sondern bei den staatlichen Verantwortlichen erkannte.49 Die KfZG schlug daher vor, die Übergabe der Mikrofilme durch Mithilfe von westdeutschen Geschäftsleuten zu beschleunigen, vor allem über die in Polen wirtschaftlich engagierte Firma Krupp. Da „der polnische Staat seinerseits großes Interesse an der Zusammenarbeit mit der Fa. Krupp in Essen zeigt, zu der wiederum Exz. Hengsbach guten Kontakt hat, ließe sich vielleicht via Essen das verwirklichen, was trotz allen guten Willens via Warschau nicht möglich ist“.50 Professor Repgen bezog sich auf die immer intensiver werdenden Kontakte der Fa. Krupp mit den Regierungsstellen in Warschau, und insbesondere auf die Person Berthold Beitz. Beitz, der in Polen aufgrund seines Einsatzes für die Rettung von Juden und Polen während der deutschen Besatzung ein hohes Ansehen genoss, sondierte seit Ende der 1950er Jahre, teilweise gegen den Willen der Bundesregierung, Möglichkeiten nach einem Engagement im östlichen Europa, was ihn in der Folgezeit zu einem Wegbereiter der Ostpolitik machte.51 Zudem pflegten Beitz und der Bischof von Essen Franz Hengsbach nicht nur wegen der räumlichen Nähe ihrer Dienstsitze eine persönliche Freundschaft. Dem Vorschlag Repgens folgend, wurde Bischof Hengsbach um Vermittlung durch den Krupp-Generalbevollmächtigten Berthold Beitz gebeten: „Es gelang Exzellenz Hengsbach, Herrn Prof. Dr. H u n d h a u s e n [Hervorhebung im Original – S.G.] unmittelbar vor dessen Abreise nach Warschau für die Angelegenheit zu interessieren. Professor 48

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HAEK, CR III 2.19, 54, Schreiben von Bischof Schaffran an Kard. Frings vom 11.05.1965, o. S. HAEK, CR III 2.19, 54, Schreiben von Prof. Repgen an Kard. Frings vom 25.03.1965, o. S. Ebenda. Joachim KÄPPNER, Berthold Beitz. Eine Biographie, 4. Aufl., Berlin 2010, 221ff. u. 235ff. – Zu den Polenkontakten von Beitz siehe Krzysztof RUCHNIEWICZ, Die Missionen von Berthold Beitz in Polen Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre. In: Zögernde Annäherung. Studien zur Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen im 20. Jahrhundert (= Mitteleuropa-Studien, Bd. 7), hg. v. Krzysztof RUCHNIEWICZ, Dresden 2005, 121-132. – Exemplarisch für die zeitgenössische Berichterstattung über Beitz‘ Polen-Missionen: FAZ, Nr. 61, vom 13.03.1963, 9.

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Hundhausen hat in Polen die Aktion vorbereitet. Einzelheiten konnte Exzellenz Hengsbach mit Erzbischof Kominek besprechen. Vor wenigen Tagen [Mitte Mai 1965 – S.G.] überbrachten polnische Unterhändler das Material an Herrn Dr. Schauff in Rom, der die vielen Rollen sofort nach München brachte“.52 Mit der Unterstützung der Fa. Krupp wurde das beharrlich verfolgte Anliegen der Kommission für Zeitgeschichte und auch des Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz Kardinal Frings, trotz mancher Schwierigkeit erfolgreich zum Abschluss gebracht. Allerdings war dies lediglich ein vorläufiges Ende, denn fast gleichzeitig leitete man eine weitere Verfilmungsaktion der Breslauer Bestände ein.

In der bereits oben zitierten Aufzeichnung über seinen Besuch in Breslau machte Weihbischof Schaffran den Kardinal Frings auf Dokumente aufmerksam, „die die Korrespondenz mit dem Heiligen Stuhl, mit der Nuntiatur und besonders mit dem Staatssekretariat Seiner Heiligkeit betreffen“.53 Es handelte sich dabei hauptsächlich um Akten, die im Zuge der Verhandlungen um das Reichskonkordat (1933) entstanden waren und die von Schaffran als „wichtig“ erachtet wurden.54 Wie bereits ein halbes Jahr zuvor, sollte auch diesmal eine bevorstehende kirchenkritische Veröffentlichung über die Einstellung der katholischen Kirche gegenüber dem NS-Regime in den ersten Jahren der Diktatur zur raschen Realisierung des Vorhabens ‚verhelfen‘. Dazu führte Weihbischof Schaffran aus: „Nun hat – wie mir Dr. Świerk erzählte – ein gewisser Dr. Seidowski mit Empfehlung des Staatssekretärs für Kirchenfragen der DDR viele Wochen in Breslau gearbeitet und dabei auch Einsicht genommen in das Diözesanarchiv. Das Diözesanarchiv mußte verschiedene Akten der Breslauer Staatsbibliothek zur Einsichtnahme und zur Fotokopie ausliefern […]. Dr. Seidowski arbeitet an einem Werk über die Haltung des deutschen Episkopates in der Reichskonkordatsfrage. Nach 52

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HAEK, CR III 2.19, 54, Schreiben von Prälat Hanssler an Kard. Frings vom 19.05.1965. Prof. Carl Hundhausen war von 1958 Direktor der ‚Friedrich Krupp Stabsabteilung‘ und damit verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit des Krupp-Konzerns. Bis 1963 war Hundhausen zudem Berater und Vertrauter des Generalbevollmächtigten Berthold Beitz. Auch nach seiner Pensionierung stand er dem Unternehmen für diverse Aufgaben zur Verfügung und begleitete Beitz als Protokollchef auf seinen Dienstreisen nach Polen. HAEK, CR III 2.19, 54, Schreiben von Bischof Schaffran an Kard. Frings vom 11.05.1965, o. S. Ebenda.

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SEVERIN GAWLITTA

seiner Aussage wird diese Schrift eine ‚Atombombe gegen die Kirche‘.“55 Schaffran fürchtete jedoch weniger den inhaltlichen Gehalt von Seidowskys Publikation als vielmehr die etwaigen negativen Konsequenzen für das Breslauer Diözesanarchiv. „[Es] steht zu befürchten“ – schieb er –, „daß vor allen Dingen nach Erscheinen dieser Schrift des Herrn Dr. Seidowski [sic] der polnische Staat die Akten als Beutegut konfiszieren wird. Ein rasches Handeln tut deshalb Not“.56 In diesem Sinne vereinbarte er noch während seines Aufenthaltes in Breslau die Verfilmung der vorgefundenen Akten zum Reichskonkordat und bat Kardinal Frings, den mit dieser Aufgabe befassten Alfred Świerk und Weihbischof Wincenty Urban, „etwas zukommen zu lassen“.57 Um die Frage der Finanzierung endgültig zu regeln begab sich Świerk Ende Juni nach Köln, um den dortigen Generalvikar, Joseph Teusch, in dieser Angelegenheit persönlich zu sprechen. Die Kosten für die Anfertigung von ca. 200.000 Dias beliefen sich nach Świerks Auskunft auf etwa 17.000 DM.58 Zwei Wochen später informierte Kardinal Döpfner Weihbischof Schaffran, dass er die in Breslau getroffene Absprache unterstütze und dass diesbezüglich „Exzellenz Kominek in Rom bereits 6.400 DM – als Scheck übergeben“ worden seien, „die als ein Beitrag für ein Filmgerät bestimmt waren“.59 Das Engagement von Kardinal Döpfner war nicht zufällig. Der Erzbischof von München und Freising bereitete die Übernahme der Amtsgeschäfte von Kardinal Frings vor, der zum Ende des Jahres als Vorsitzender der Fuldaer Bischofkonferenz ausscheiden, während Kardinal Döpfner mit der Führung der neuerrichteten Deutschen Bischofskonferenz betraut werden sollte. Im Sog dieser Übergangsphase ging auch der Sachverhalt ‚AktenVerfilmung‘ von Köln nach München über, jedoch nicht auf das dortige erzbischöfliche Palais, sondern auf die KfZG, wo diese Angelegenheit bis zum Abschluss konzentriert blieb. Damit schloss sich ein Kreis, der durch die Anfrage der KfZG beim Kardinal Frings im Frühjahr 1963 seinen Anfang 55

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Ebenda. – Bischof Schaffran meinte Hans-Joachim Seidowsky. Seidowsky hatte an der Humboldt-Universität und anschließend an der Karl-Marx-Universität in Leipzig studiert und wurde 1965 in Berlin mit der Doktorarbeit promoviert: „Das Reichskonkordat vom 20.7.33 als Beitrag der politisch-klerikalen Kräfte der katholischen Kirche in Deutschland und des Vatikans zur Stabilisierung der faschistischen Diktatur in Deutschland.“ HAEK, CR III 2.19, 54, Schreiben von Bischof Schaffran an Kard. Frings vom 11.05.1965, o. S. Ebenda. HAEK, CR III 2.19, 54, Schreiben von Generalvikar Teusch an Kard. Döpfner vom 01.07.1965., o. S. HAEK, CR III 2.19, 54, Schreiben von Kard. Döpfner an Bischof Schaffran vom 17.07.1965 (Kopie), o. S.

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nahm. Die Verfilmung der Breslauer Archivalien aus der Amtszeit von Kardinal Bertram dauerte bis 1969. Die Filmrollen gelangten in zwei vollen Sätzen nach Deutschland: Eine jeweils komplette Ausfertigung erhielten die KfZG sowie der in Görlitz residierende Breslauer Kapitelvikar, Weihbischof Schaffran.60 Vom wissenschaftlichen Wert der verfilmten Archivmaterialen zeugen bis heute die zahlreichen Arbeiten und Veröffentlichungen, insbesondere die Publikationen der Kommission für Zeitgeschichte selbst, die die schwierige und komplizierte Lage der Katholischen Kirche unter dem NS-Regime eingehend thematisieren. Die Anfertigung und Überführung des Filmmaterials steht im gewissen Grade auch für die Befindlichkeit der westdeutschen Gesellschaft Mitte der 1960er Jahre, die sich in der Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit äußerste und dabei zunehmend kritische Fragen an die Kirchen richtete. Trotz mancher Anschuldigungen und sensationslüsterner Erwartungen in Teilen der Öffentlichkeit enthielten die Breslauer Bestände keine spektakulären Enthüllungen und waren schon gar nicht eine ‚Atombombe gegen die Kirche‘, wenngleich viele Fragen nach wie vor umstritten bleiben und weiterhin kontrovers diskutiert werden.61 Die gemeinsam und diskret durchgeführte Aktion lässt sich aber auch als ein Beitrag zur Förderung gegenseitigen Vertrauens zwischen den deutschen und polnischen Kirchenhierarchen interpretieren, der in die bischöfliche Versöhnungsgeste von 1965 einmünden sollte.

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Diesen Hinweis verdanke ich dem Leiter des Diözesanarchivs Görlitz Herrn Dr. Winfried Töpler. Hierzu zuletzt erschienen: Andreas HENKELMANN / Nicole PRIESCHING (Hg.), Widerstand? Forschungsperspektiven auf das Verhältnis von Katholizismus und Nationalsozialismus, Saarbrücken 2010. – Karl-Joseph HUMMEL / Michael KIßENER, Die Katholiken und das Dritte Reich. Kontroversen und Debatten, 2. durchgesehene Aufl., Paderborn u.a. 2010.

OTFRID PUSTEJOWSKY

Josef Tippelt – Lehrer und Kolping-Senior – NS-Gegner – geb. 1908 – hingerichtet in BerlinPlötzensee 1943*)

Sehr geehrte Leserinnen und Leser! Haben Sie, meine Damen und Herren, den Namen Josef Tippelt schon einmal gehört? Und dann erfahren, dass der 35jährige im Jahr 1943 in BerlinPlötzensee gehenkt wurde? Doch sehen wir uns das kurze Leben dieses böhmischen Lehrers und Kolping-Seniors, überzeugten Demokraten und böhmischen Patrioten einmal näher an! In einem handschriftlichen Schreiben der Eltern Maria und Rudolf Tippelt von Ende Oktober 1942 lesen wir: „Allergnädigster Herr und Führer und Reichskanzler! Vom Unglück tief gebeugt knien die allerunterthänigst Unterzeichneten zu Füßen unseres erhabenen Führers und bitten inständigst um Begnadigung ihres Sohnes Josef Tippelt der beim Volksgerichtshof zu Berlin, wegen des Verbrechens Spionage am 22./10 zum Tode verurteilt wurde, zu erflehen“.1 *

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Vortrag beim Symposium „Patrone Europas“ mit dem Thema „Glaubenszeugen in totalitärer Zeit“ des Sozialwerks der Ackermann-Gemeinde in Kloster Rohr am Samstag, dem 22.10.2011. Der Vortrags-Duktus wurde auch für den Druck beibehalten; da die Zeitvorgabe für den Vortrag sehr eng gesetzt wurde, bedeutete dies eine in manchem geradezu substantielle Verkürzung – selbst zahlreicher Fakten. Eine ausführliche biographische Darstellung der Person Josef Tippelts bleibt daher ein dringendes Desiderat. - BArch-Berlin = Bundesarchiv BerlinLichterfelde. Kopie: BArch-Berlin: Zu IVg 10a369642g; Eingangsstempel: Kanzlei des Führers der NSDAP - Tippelt Josef-Nr.129623 - 28.10.44 – Seite 1 der Kopie. – Es handelt sich um ein ganzes Konvolut aus dem Bestand des Bundesarchivs Berlin, das in langjähriger Recherche-

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Aus dem Reichssicherheitshauptamt erhielt der Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof am 2. Dezember 1942 folgenden Bescheid: „Ein Gnadenerweis für Tippelt wird nicht befürwortet. Die Verwerflichkeit und Strafwürdigkeit der Tat ist in den Urteilsgründen überzeugend dargelegt“.2 Und am 3. Februar 1943 schrieb der Vorstand des Strafgefängnisses Berlin-Plötzensee in einem als „Äußerung“ bezeichneten, teilweise vorgedruckten Formblatt an den Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof unter anderem: „Es sind hier keine Gründe für die Zubilligung eines Gnadenerweises geltend zu machen.“.3 Drei Wochen später gab der Reichsminister der Justiz mit dem Hinweis „Sofort!“ an den Oberreichsanwalt die Weisung, „mit größter Beschleunigung das Weitere zu veranlassen“.4 So wurde Josef Tippelt am 6. März 1943 in Berlin-Plötzensee gehenkt.5 Die Kürze der hier zur Verfügung stehenden Vortragszeit erlaubt mir aber im folgenden lediglich eine Skizzierung der Biographie dieses bei seiner Verhaftung 1938 erst 30jährigen Mannes vorzutragen, um ihn – frei nach Franz Werfels Motto in den „Vierzig Tagen des Musa Dagh“ – dem ‚Totenreich des Vergessens zu entreißen’.6

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Arbeit von Herrn Norbert Lange, Bauunternehmer in 31319 Sehnde, bis zum Jahre 20042005 ausfindig gemacht wurde, über Msgr. Johann Tasler, München, am Montag, dem 10. Oktober 2011, in meine Hände gelangte und nun erstmals öffentlich gemacht wird. Alle nachfolgenden Zitate sind – soweit nicht anders gekennzeichnet – diesen Unterlagen entnommen. AZ im BArch-Berlin-ZC 14573 Band I, S. 105-245; Band II, S. 1-32. Es handelt sich um die ‚Ermittlungsergebnisse der Gestapo’ und des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof, die Anklageschrift, das Urteil mit Begründung, ferner zahlreiche Schreiben von Josef Tippelt, seinen Eltern usw. in handschriftlicher Form (sogen. Sütterlin-Schrift). Zeitraum: 1941-1943. – Anm.: Die Akten sind nicht chronologisch geordnet; wahrscheinlich waren sie bis 1990/91 auf DDR-Gebiet gelagert. Eine wissenschaftliche Auswertung der von Herrn Norbert Lange bereits 2004 in die Wege geleiteten Recherchen und der am 12.Februar 2005 gemeinsam mit dem Präses der Kolpingfamilie Sehnde, Pfarrer Peter Gerloff, im Bundesarchiv Berlin eingesehenen und dann als Kopien ausgehändigten Unterlagen ist bis dato nicht erfolgt. BArch-Berlin: Bd.II, Nr. 19. Schreiben vom 2. Dezember 1942 A.Z.IV E 6, 72 g. BArch-Berlin: Zu IVg 100a 3696 l 42. Schreiben vom 24. Februar 1943. Die Angabe in der 1. Auflage des Martyrologiums, 717-719 über die Hinrichtung am 4. März 1943 ist unrichtig, denn am 6. März 1943 hatte sich Tippelt in einem Schreiben an den Reichs-Justizminister mit der Bitte gewandt, seinem Schwager (Staatsanwalt in Prag) keine beruflichen Schwierigkeiten zu bereiten. – Bd.ÎI, Nr. 32. Der Werfel-Text wurde hier leicht paraphrasiert. Um Mißinterpretationen zu vermeiden, folgt hier der ursprüngliche Wortlaut des Schriftstellers in der „Nachbemerkung des Autors“(= Franz Werfel): „Dieses Werk wurde im März des Jahres 1929 bei einem Aufenthalt in Damaskus entworfen. Das Jammerbild verstümmelter und verhungerter Flüchtlingskinder, die in einer Teppichfabrik arbeiteten, gab den entscheidenden Anstoß, das unfaßbare Schicksal des armenischen Volkes dem Totenreich alles Geschehenen zu entreißen. Die

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* Obwohl der am 30. August 1908 auf der böhmischen Seite des Riesengebirges in Marschendorf geborene Josef Tippelt die Ausbildung zum Lehrer absolvierte, als solcher an verschiedenen Orten tätig war, bereits mit 21 Jahren das ‚Bannerlied’ der katholischen böhmischen Gesellenvereine, der späteren Kolping-Familie, schrieb und an der Gründung des sudetendeutschen Kolping-Zentralverbandes am 4. September 1926 als treibende Kraft aktiv beteiligt war, ist sein Name heute praktisch vergessen. Weder seine ehemaligen sudetendeutschen Landsleute noch die gesamtdeutsche Kolping-Familie, weder die deutsche Widerstands-Forschung noch gesellschaftliches Erinnerungsbewusstsein haben sich in den vergangenen Jahrzehnten mit ihm beschäftigt – kleine Beiträge von Rudolf Grulich7, Heinrich Festing und Helmut Moll8 einmal ausgenommen. Außer der biographischen Skizze von Rudolf Grulich 19999, die nur aus einigen persönlichen Familienmitteilungen der Tippelt-Familie und weiteren, eher spärlichen Materialien stammen, und dem eben genannten, etwas weiter führenden Beitrag im deutschen Martyrologium von Festing und Moll gibt es bis heute keine Biografie oder einen ausführlichen biografischen Hinweis auf diesen überzeugungsstarken Mann, der bereits 1932 vor dem aufkommenden Nationalsozialismus warnte und sich vor den tschechoslowakischen Wahlen von 1935 vehement gegen die politischen Ziele der Sudetendeutschen Partei wandte, die laut amtlichem Schreiben vom Januar 1942 an den Oberreichsanwalt Dr. Barnickel beim Volksgerichtshof „von amtlichen Stellen des Reiches mit Geldern zu Unterstützungszwecken versehen worden ist“; sie „bedurften im Interesse des Reiches der Geheimhaltung“.10 Als Überzeugungstäter für Glaube und Freiheit ist er den jungen Widerständlern der ‚Weißen Rose’11 und der ‚Freiheitsbewegung Österreich’

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Niederschrift des Buches erfolgte in der Zeit vom Juli 1932 bis März 1933“. Hier zitiert nach der Taschenbuchausgabe vom Mai 1981, Fischer-Tb-2062, 871. (Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh. Roman). Rudolf GRULICH, Sudetendeutsche Katholiken als Opfer des Nationalsozialismus. Brannenburg 1999 (= Für Kirche und Volksgruppe. Kleine Reihe des Sudetendeutschen Priesterwerkes – Band 6). Heinrich FESTING / Helmut MOLL, Josef Tippelt. In: Helmut MOLL (Hg.), Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts. Im Auftrag der deutschen Bischofskonferenz hg. von Helmut Moll. 2 Bände. Paderborn 6. Auflage 2011; hier zit. nach der 2. Aufl. 1999, A. Die Zeit des Nationalsozialismus (1933 – 1945), II. Die Visitaturen, 6. Visitatur Sudetenland, 717-719. R.G. hat auf zwei Anfragen von N. Lange nicht geantwortet. – Fernmündl.Mitteilung von H.L. An O.P. Am Do., 13.10.2011, abends 19.45h. BArch-Berlin- Quellenangabe wie oben, hier Bd. I, Nr.140, 2. Ein gesonderter Hinweis auf die umfangreiche Literatur erübrigt sich hier.

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von Scholz und Heintschel-Heinegg12 gleichzusetzen – wie auch ihrem Tod!13 1929, im Jahr der großen Wirtschaftsdepression, nahm er an der Ersten Zentralversammlung des Kolpingwerkes in Köln teil und vertrat dort als Zentral-Senior die Kolping-Familien aus der Tschechoslowakei14. Nicht nur in seinem Heimatort Marschendorf, sondern auch bei Kolping und im politischen Umfeld war seine kompromisslose antinationalsozialistische Haltung bekannt. Diese äußerte sich auch direkt nach dem März 1938, als er auf den ‚Deutschen Gruß’ Kardinal Innitzers mit einem wütenden Brief reagierte und mit Entsetzen die Auflösung und Häuser-Beschlagnahme der österreichischen Kolpingsöhne erleben mußte. Übrigens wurde dieser Brief von der Gestapo abgefangen. So wurde Josef Tippelt, der politisch denkende und handelnde Christ, Lehrer und Kolping-Senior, bereits im Oktober 1938 von der Gestapo verhaftet, nachdem er aus seinem Bekanntenkreis wegen seiner Haltung denunziert worden war. Nach kurzer Entlassung wurde Tippelt mit Haftbefehl des Amtsgerichts Hirschberg vom 9. Dezember 1938 erneut verhaftet und mußte die kommenden Jahre bis zu seiner Hinrichtung am 6. März 1943 ununterbrochen in verschiedenen Gefängnissen zubringen. In den zahlreichen Anklagepunkten für den Volksgerichtshofprozess heißt es auch, er habe „illegale Tätigkeit“ ausgeübt: Dies könnte sich auf die von ihm nach 1933 organisierten Treffen sudetendeutscher und schlesischer Kolpingsöhne v.a. im Riesengebirge beziehen, als Kolping in NS-Deutschland bereits unterdrückt wurde15. Aus dem Gefängnis in Görlitz schrieb er jedenfalls am 22. Februar 1942 an den Oberreichsanwalt: „Von einer Ausspähung militärischer Geheimnisse kann überhaupt nicht die Rede sein. Wenn ich nicht schuldig bin, dann kann

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Siehe Otfrid PUSTEJOVSKY, Christlicher Widerstand gegen die NS-Herrschaft in den Böhmischen Ländern. Eine Bestandsaufnahme zu den Verhältnissen im Sudetenland und dem Protektorat Böhmen und Mähren, Münster 2009, insbes. der 3. Teil: Biographien, 10.1.1., P. Roman (Karl) Scholz, 109-118, 10.2.1., Hanns Georg von Heintschel-Heinegg, 129-138. Wolfgang NEUGEBAUER, Der österreichische Widerstand 1938 – 1945, Wien 2008, insbesondere 133ff. Daten aus: Aus der CHRONIK des Kolpingwerkes. 10 S., DINA4. – http://www.kolpinghannover-ricklingen.de/Geschichte.htm – mehrfach abgerufen 2011 und 2012. ŠEBEK, Mezi křížem a národem. Politické prostredí sudetonemeckého katolicismu v meziválecném Ceskoslovensku. Brno, Centrum, pro studium demokracie a kultury 2006, zitiert hier 299 und Anm. 1210. Inzwischen ist eine deutsche Übersetzung der Monographie erschienen: Sudetendeutscher Katholizismus auf dem Kreuzweg. Politische Aktivitäten der sudetendeutschen Katholiken in der Ersten Tschechoslowakischen Republik in den 30er Jahren. Münster 2010. (= Kirche und Gesellschaft im Karpaten-Donauraum-Band 2.9). Über Tippelt vgl. 244-245 mit Anm. 942.

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ich mich daher auch nicht als schuldig bekennen“.16 Vier Jahre wurde er in verschiedenen Gefängnissen und Zuchthäusern in Haft gehalten – u.a. in Hirschberg, Pilsen, Görlitz und Berlin-Plötzensee –, bis ihn der Volksgerichtshof im Oktober 1942 schließlich doch zum Tod verurteilte. In der 24 Seiten umfassenden Anklageschrift vom 13. Juni 1942 hieß es eingangs unter dem Vermerk „Geheim!“: „...klage ich an, durch ein und dieselbe Handlung von Sommer 1933 bis September 1938 im Inlande..., sowie im damaligen Auslande... fortgesetzt es unternommen zu haben, Staatsgeheimnisse zu verraten...“ 17 Im übrigen wurde gleich am 1. Prozesstag, dem 20. Oktober 1942, auf Antrag des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof „die Öffentlichkeit wegen der Gefährdung der Reichssicherheit“ ausgeschlossen und allen „Prozessbeteiligten ein Schweigegebot“ auferlegt.18 Kurze Zeit später – am 6. November 1942 – berichtete der Vorstand der Haftanstalt beim Kriminalgericht Berlin-Moabit an den Oberreichsanwalt: „Reueempfinden ließ er völlig vermissen. Wiederholt brachte er zum Ausdruck, völlig unschuldig zu sein... Von dem Urteil war er kaum berührt. Er behauptete zu seiner Entschuldigung, zur Verteidigung kaum Gelegenheit gehabt zu haben, und soweit er dazu kam, sei ihm kein Glauben geschenkt worden. Ein Gnadengesuch will er nicht einreichen...“19 Am 6. März 1943 wurde Tippelt in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Kurz zuvor hatte er noch Verwandtenbesuch empfangen dürfen, und auch hier – wie bei Heintschel-Heinegg, Scholz und anderen – zeigte sich eine innere Gelassenheit, welche aus tiefster Glaubensüberzeugung kam, die er schon als 21jähriger Junglehrer verkörpert hatte und im Kolping-‚Bannerlied’ in der empfindungsreichen Sprache jener Zeit zum Ausdruck brachte: “Auf, Gesellen, frisch zum Streite! Unser Banner ist entrollt, Brust an Brust steht Seit’ an Seite, wenn ihr wieder frei sein wollt. Wollt ihr siegen, müßt ihr kämpfen, kämpfen, steht mit Gott vereint. 16

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BArch-Berlin – Quellenangabe wie oben, hier Bd. I, Nr.142, S. 1: Schreiben von J.T. Aus dem Gefängnis in Görlitz vom 22.02.1942. Vgl.vorhergehende Anm., hier Nr. 149. Kopie des Protokolls des 1.Verhandlungstages; in BArch-Berlin; Quellenangabe wie oben Band I, Nr. 216, S. 2. Wie vorhergeh.Anm., hier Band II, Nr.12, 1.

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Heil euch Söhnen Adolf Kolpings, Heil der neuen, bessren Zeit. Gold das Banner in der Mitten, das die Liebe zeigt zu dir! Vater Kolping, hör mein Bitten, Vater Kolping, sei mit mir! Laß auch mich im hehren Streben für Familie, Volk und Recht, Baustein sein am Völkerfrieden, Wegbereiter und nicht Knecht. Kolpingsbanner, Bundeszeichen, mahnst mich stets an das Gebot: Nicht zu wanken, nicht zu weichen, treu zu sein bis in den Tod.“20. Dem entsprach er – sein letzter brieflicher Wunsch an seinem Todestag: seinen Verwandten keine „beruflichen Schwierigkeiten machen zu wollen“.21 Josef Tippelt war ein bäuerlich geprägter, aber politisch denkender Mensch, der im Spannungsfeld seiner Zeit, also zwischen Nationalismus und bodenständigem Heimatbewusstsein, einfachem Glauben und notwendiger Neuorientierung, zwischen Demokratie und aufziehendem Totalitarismus sein Leben zu gestalten versuchte: „Stolz bin ich, als gebürtiger Grenzlanddeutscher, bezüglich meiner Abstammung feststellen zu können: Alle meine Ahnen, väterlicher- wie mütterlicherseits, sind deutsche Riesengebirgsbauern gewesen“.22 Diese Selbstpositionierung hinderte jedoch den beim Entstehen der ČSR 1918 Zehnjährigen, später auch des Tschechisch kundigen Junglehrer und Religions-Aushilfslehrer nicht daran, als Mitglied der Deutschen Christlich-Sozialen Volkspartei, diesen Staat als Bürger voll zu akzeptieren. 20

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Hier zitiert aus und nach GRULICH, Sudetendeutsche Katholiken, 62.; vollständig bei FESTING/MOLL, Die Zeit des Nationalsozialismus (1933 – 1945). II. Die Visitaturen, 718. – Es muß hier aber auch darauf verwiesen werden, daß dieser Text keineswegs ‚völkisch’ interpretiert werden darf, sondern die neue soziale Komponente der katholischen Entwicklung zeigt. O.P. Schreiben an den Reichsjustizminister vom 6. März 1943. – BArch-Berlin, Quellenang. wie oben, hier: Band II, Nr. 32. BArch-Berlin – wie oben, hier. Bl.170, 1 – zu Bl. 169, Nr. 169-182. (Anschreiben an die „Geschäftsstelle des 3. Senats beim Volksgerichtshof“ vom 20.Juli 1942 – „Erklärungen zur Anklageschrift...“). In der Folge streng biographische Chronologie, insges. XXIV Seiten – vom 20. Juli 1942 („Görlitz, Haftanstalt“).

JOSEF TIPPELT – LEHRER UND KOLPING-SENIOR – NS-GEGNER

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* Es ist an der Zeit, das Dunkel des Vergessens um Josef Tippelt und die deutsche Kolpingfamilie in der Tschechoslowakei zu beseitigen! Entscheidende und energische Schritte haben die Kolpingleute aus Sehnde bei Hildesheim unter der Leitung des ehemaligen mittelständischen Bauunternehmers Norbert Lange seit 2004 unternommen und in regem brieflichem Austausch insbesondere mit der tschechischen Diözese Hradec Králové/Königgrätz schon vieles getan. Bereits am 23. November 2004 dankte der seinerzeitige Bischof Dominik Duka, heute Prager Erzbischof, brieflich Herrn Lange für dessen Initiativen und schrieb unter anderem: „Ihr Kolpingbruder Josef Tippelt aus Marschendorf ist für mich bis heute noch ein Unbekannter. Es ist korrekt, wie Sie es sagen, daß wir auch unsere verstorbenen Brüder und Schwestern, bs. jene, die wie Josef Tippelt, als Märtyrer hingerichtet worden sind, nicht vergessen wollen und dürfen“.23

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Kopie des Originalbriefs mit bischöflichem Briefkopf vom 23.11.2004; Kopie durch Übermittlung von Herrn Norbert Lange im Privatarchiv O.P. – Herr Lange hat im übrigen brieflich und fernmündlich die Verwendung des gesamten, von ihm besorgten Materials ausdrücklich gestattet und weitere Initiativen angekündigt. – In solchem Sinne hat auch der junge Troppauer/Opava Archivar Petr Tesar bereits 2008 in einem gründlich archivalisch belegten biographischen Abriß an den ebenfalls weitgehend vergessenen Pater Karl Schrammel erinnert: Petr TESAR, P. Karl Schrammel – takrka neznámá obet`nacistického rezimu z Novojicinska (P. Karl Schrammel – ein beinahe vergessenes Opfer des nationalsozialistischen Regimes aus dem Neutitscheiner Gebiet), in: Vlastivedný sborník Novojicinska / Heimatkundlicher Almanach für das Neutitscheiner Gebiet, 58 (2008), 188-196.

RAINER BENDEL

65 Jahre Eichendorff-Gilde auf dem Hintergrund der Initiativen und Konzepte der Vertriebenenseelsorge

Die Eichendorff-Gilde wurde 1947 gegründet zur Sammlung engagierter katholischer Christen, die die herrschende Not und die zunehmende Verzweiflung der Flüchtlinge und Vertriebenen aus der Kraft des Glaubens bewältigen wollten. Nicht primär mit caritativer, materieller Hilfe, sondern indem sie eine Art Heimat schuf, ein Gruppenbewusstsein aufbaute. Eine Familie wollte sie sein, die sich zuhörte, stützte, miteinander Initiativen ergriff und Ziele verfolgte: Im Raum der Kirche Brücken zu bauen zu den einheimischen Katholiken und das reiche kulturelle und religiöse Erbe Schlesiens als ein Stück der eigenen Identität weiterhin zu leben, zu pflegen und weiterzugeben. Namensgeber dieser Gilde, die bewusst kein Verein im traditionellen Sinn, sondern eine Bruderschaft, eine verschworene Gemeinschaft, eine Hilfsgruppe, eine Hilfsgenossenschaft in den Notlagen sein wollte, war der schlesische Dichter – für die heimatvertriebenen Hoffnungsträger und Vorbild zugleich. Er verkörperte schlesische Kultur, war über die Grenzen der eigenen Region hinaus bekannt und konnte so das eigene Selbstbewusstsein stärken und nach außen hin manifestieren. Auch er hatte seine Heimat Lubowitz, das Schloss seiner Vorfahren verloren. Er beklagte diesen Verlust ein Leben lang, hat ihn aber im christlichen Glauben angenommen und überwunden. Wo lagen die Schwerpunkte der Aktivitäten der Eichendorff-Gilde? An den Umschreibungen der Zielsetzungen wird deren Idealität sehr deutlich. Sie richten sich auf der materiellen Ebene auf eine umfassende brüderliche Hilfestellung und Hilfsbereitschaft in der Not, beruhend auf der religiösen Grundlage. Auf der geistigen Ebene soll das religiös-kulturelle Erbe der Heimat bewahrt werden und im Westen das Wissen um die Leistung und die Aufgabe der Schlesier und Schlesiens geweckt und vertieft werden, damit ein Brü-

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ckenschlag zwischen Vertriebenen und Einheimischen möglich wird. Tiefer noch zielt das Anliegen, das Vertriebenenschicksal solle aus der Kraft des Glaubens gemeistert werden, die Treue zur Heimat und das Verantwortungsbewusstsein für die Heimat solle religiös begründet werden. „So will sie ein gesundes Selbstbewußtsein der Schlesier trotz aller äußeren Verluste wecken, das Wissen um die Schicksalsgemeinschaft der Schlesier bestärken, ihre wirtschaftliche und soziale Eingliederung und Sicherstellung fördern, zugleich aber auch die Voraussetzung für eine echte Verständigung mit den Einheimischen schaffen und so die Fragen der Erhaltung und Wiedergewinnung des deutschen Ostens als eines Landes jahrhundertealter abendländisch christlicher Tradition als gemeinsame Aufgabe dem ganzen deutschen Volke vor Augen stellen.“1 Es wurden eigene Gottesdienste, Schlesier-Gottesdienste abgehalten. Andachten, vor allem die gewohnten Mai-Andachten, Wallfahrten mit vertrauten Liedern und Gebeten wurden gefeiert. Die Gilde veranstaltete religiöse Einkehrtage, sie feierte und gestaltete die heiligen Feste und Feste im Kirchenjahr, wie man es von daheim gewohnt war, pflegte insofern das religiöse Erbe der Herkunft. Das half, die eigene Identität zu erhalten. Man wollte den Mitgliedern – und weil die Mitglieder Multiplikatoren sein wollten – aber weit darüber hinaus auch zu geistiger Nahrung in gedruckter Form verhelfen. Daher stellte man schlesische Klassiker zusammen: Die Reihe erhielt den Namen „Perlen schlesischer Dichtung“ und bot. Gedichte von Eichendorff, den cherubinischen Wandersmann von Angelus Silesius und andere Werke. Seit 1950 gab es das Periodikum „Schlesierwarte. Blätter für Heimat und Kulturarbeit“ mit Berichten aus Religion, Musik, Kunst, Literatur und Volkskunde. Diaserien von Schlesiern wurden zusammengestellt, um die Erinnerung an Land und Leute zu bewahren, aber auch, um die Herkunft, die Heimat den Menschen in den Ankunftsgebieten bekannter zu machen. Dichter der verlorenen Heimat wurden gelesen, Leseabende veranstaltet. Literarische Arbeitsgemeinschaften entstanden, Vorträge zu literarischen Themen wurden gehalten, Dichterlesungen veranstaltet, Hedwigspiele, Krippenspiele, Faschingsfeiern, Singeabende. Mit diesen Veranstaltungen wurde beispielsweise von der Münchner Eichendorff-Gilde die kulturelle Betreuung der Münchner Flüchtlingslager mitgestaltet. Die Eichendorff-Gilde orientierte sich stark an der Ackermann-Gemeinde. So verwundert es auch nicht, dass die erste Eichendorff-Gilde in Mün1

ARBEITSGEMEINSCHAFT DER EICHENDORFFGILDEN (Hg.), Schlesien als Erbe und Aufgabe. Was ist und will die Eichendorff-Gilde? Grundsätze und Werkmaterial. München o.J. [1952], 4.

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chen gegründet wurde – am 8. Juli 1947. Initiatoren waren Rudolph Jokiel, der Konsistorialrat Dr. Johannes Kaps, der damals in München das Kirchenbuchamt leitete und der Kaufmann Helmut Scholz. Sie hatten von den Münchner Pfarrämtern Adressen schlesischer Flüchtlinge gesammelt und im Juni 1947 die ersten Einladungen zu einer Sammlung und Gründung einer schlesischen Katholikengemeinschaft verschickt. Am 5. Juli 1947 wurde das Requiem für den zwei Jahre zuvor verstorbenen Breslauer Kardinal Bertram gefeiert. Das war der Anlass, um den Zusammenschluss katholischer Schlesier zur Eichendorff-Gilde öffentlich bekannt zu geben. Am 8. Juli 1947, also drei Tage später, fand die erste Zusammenkunft statt. Das Thema dieses ersten Treffens war ‚der religiöse Sinn des schlesischen Schicksals’ – so ein Referat von Johannes Kaps – und der erste Flüchtlingsbischof, Maximilian Kaller, der am Tag zuvor, am 7. Juli 1947 gestorben war. Künftig trafen sich die Gildenmitglieder vierzehntägig, um sich über ihre eigenen Erlebnisse in Schlesien, über die Flüchtlingsbetreuung, die Situation in den Ankunftsgebieten und über das kulturelle Erbe Schlesiens auszutauschen. In den „Mitteilungen“ der Eichendorff-Gilde, die ebenfalls 1947 erstmals erschienen, wird von einem lebhaften Widerhall in allen Teilen des Vaterlandes auf die Bildung der Gemeinschaft gesprochen. In der Mathildenstraße 3 in München fand man eine Arbeitsstelle, ein eigenes Büro. Hier wurden auch zweimal pro Woche, nämlich dienstags und freitags, Sprechstunden abgehalten. Der Saal der katholischen Jugend in München konnte jeden zweiten Dienstag im Monat zu einem Vortrags- und Gesangsabend genutzt werden. Noch 1947 konnten zwei weitere Gilden in Bayern gegründet werden, nämlich in Augsburg und in Regensburg. Gründungspläne existierten für Freising, Kempten, Nürnberg, Parsberg, Vilshofen, Würzburg, also schwerpunktmäßig für den bayerischen Raum. 1948 kamen weitere vierzehn und 1949 neun Gilden hinzu. Neben den bayerischen entstanden zwei im württembergischen Bereich, nämlich in Stuttgart und Ulm. Auch weiter nördlich konnte man Fuß fassen: in Bochum, Frankfurt, Fulda, Münster und Singen. Eine zweite Gründungswelle ist für die Jahre 1951/52 zu verzeichnen, 1952 etwa mit 18 Neugründungen, vor allem im Westen und in der Mitte Deutschlands. Zeitlich parallel begann aber auch bereits der Niedergang. Zwischen 1952 und 1954 lösten sich 28 Gilden wieder auf. Insgesamt war die Eichendorff-Gilde vor allem in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen vertreten. Diese Verteilung korrespondierte mit den Diözesen, in denen es keine einheitliche diözesan strukturierte Auffangorganisation für die Vertriebenen gab, wie etwa das Kardinal-Bertram-Werk oder die Hedwigs-Kreise.

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Anfang der sechziger Jahre gab es 27 Eichendorff-Gilden, die insgesamt wohl zwischen 1.000 und 2.000 Mitglieder hatten. Die Zahlen sind sehr schwierig zu eruieren. Auf die Statistik hat man keinen großen Wert gelegt. Zudem wurden nur die zahlenden Mitglieder erfasst. Die Eichendorff-Gilde legte jedoch immer Wert darauf, dass die ganze Familie dazu gehörte, war also eine Art Familienkreis, sodass diese eingetragenen zahlenden Mitglieder mit einem Faktor von drei multipliziert werden müssten. Wir wissen aber, dass es eine ganze Reihe von relativ kleinen Gilden gab. So kam etwa die Ulmer Gilde nie über zwanzig Mitglieder hinaus. Vermutlich waren es eher gegen zehn. Die Eichendorff-Gilde in Limburg an der Lahn hatte gerade sieben Mitglieder, die Würzburger Gilde 16.. Die größeren Gemeinschaften reichten in München, Regensburg und Stuttgart kaum an die 100 Mitglieder heran. Regensburg allerdings wuchs von anfangs 40 Mitgliedern auf über 200 an. Über Verbreitung, Mitglieder, Struktur, den schwankenden Erfolg, auch über die Zielsetzung der Eichendorff-Gilde informiert die Arbeit von Rainer Bernd.2

Erste Ideen für eine eigene religiöse Betreuung der Entwurzelten Sehr frühe Impulse für die Vertriebenenseelsorge kamen von einem Schlesier, dem Stadtpfarrer von St. Dorothea in Breslau, Alfons Maria Härtel. Härtel war, als Breslau 1945 zur Festung erklärt worden war, am 18. Februar 1945 nach Altötting gekommen; der alte bayerische Wallfahrtsort wurde sein Ausweichquartier, weil er ihn von Wallfahrten vorangegangener Jahre kannte. Der Rundfunkseelsorger, der mit den Kulturkreisen der gemischt konfessionellen schlesischen Bistumsstadt Breslau vertraut war, kam hier an einen Ort konzentrierter bayerischer Religiosität und Volksfrömmigkeit – Altötting, der Wallfahrts- und Gnadenort sollte bald für die Vertriebenen eine besondere Bedeutung erhalten, waren doch Wallfahrten ein wichtiges Medium für die Religiosität der vertriebenen Katholiken, um Kraft zu schöpfen für die Vertreibungssituation, auch um sich wiederzufinden, sich auszutauschen, Interessen zu bündeln und zu artikulieren – ein Stück weit eine zeitlich be-

2

Rainer BERND, Die Anfänge der Eichendorff-Gilde – einer bewußt katholischen Vertriebenenorganisation der ersten Stunde. Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des ersten Staatsexamens für das Lehramt an Gymnasien an der theologischen Fakultät in Trier, eingereicht 1997.

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grenzte Nische im Geschick der Heimatlosigkeit3. Den Zusammenhang von Wallfahrt- und Heimatverlust hat bereits 1968 Georg Schroubek in einer umfangreichen Studie untersucht und dabei auch aufgezeigt, wie sich die Sakrallandschaft Bayerns durch eine Vielzahl neuer Wallfahrten durch die Heimatvertriebenen verändert hat4. Dieser außerordentliche Gnadenort Altötting zog die Heimatvertriebenen quasi als Sammelpunkt und Ersatzstätte für ihre gewohnten Wallfahrtsorte an; dort suchten sie Zuflucht in ihren Nöten, Problemen und Anliegen. Die Bedeutung der Altöttinger Vertriebenenwallfahrten lässt nicht zuletzt bereits die Wallfahrt 1947 aufscheinen, bei der die Vertriebenen in großer Zahl gelobten, auf Rache und Geltung zu verzichten. Dieses Gebet stellte eine zentrale Vorstufe der Charta der Heimatvertriebenen von 1950 dar, ja im Kern enthielt es bereits deren mäßigende, ausgleichende, zur Versöhnung mahnende und zukunftsweisende Botschaft.. Mit den Wallfahrten zeigt sich also ein erstes ganz wichtiges Medium einer Sonderseelsorge für Heimatvertriebene und so nimmt es nicht Wunder, dass gerade in einem Zentrum des Wallfahrtens nicht nur verschieden geartete religiöse Mentalitäten aufeinander trafen wie die der Einheimischen und der unterschiedlichen Vertriebenengruppen und die damit verbundenen Schwierigkeiten reflektierten, sondern dass sich auch in einem solchen Zentrum die Frage nach der Berechtigung für eine Sonderseelsorge an den Vertriebenen entzündete. Jedenfalls spürte Härtel diese Spannungen, diese Problemzuspitzung und die beginnende Wahrnehmung ganz neuer Aufgabenbereiche während seiner Evakuierung in Altötting. So schickte er am 13. November 1945 einen Bericht, ein Plädoyer, ein Memorandum an den Passauer Bischof Simon Konrad Landersdorfer5. Er sah sich zu diesem Bericht veranlasst, weil ihm Stimmen zu Gehör kamen, die die Position vertraten, eine Sonderseelsorge für Flüchtlinge sei nicht notwendig. Von den einheimischen geistlichen Mitbrüdern bekam er ebenfalls das Votum, eine Sonderseelsorge wäre einer gedeihlichen Pfarrseelsorge hinderlich.

3

4

5

Vgl. dazu auch den Beitrag von Paul MAI, Schlesierwallfahrten in Süd- und Westdeutschland. Ein Beitrag der Vertriebenen zur Aussöhnung der Völker, in ASKG 51/52 (1994), 7788. Georg R. SCHROUBEK, Wallfahrt- und Heimatverlust. Ein Beitrag zur religiösen Volkskunde der Gegenwart (Schriftenreihe der Kommission für ostdeutsche Volkskunde in der deutschen Gesellschaft für Volkskunde 5), Marburg-Lahn 1968. Vgl. zu Simon Konrad Landersdorfer OSB (1880 – 1971) Stephan HAERING in: BBKL IV (1992), 1064-1067; August LEIDL, Bischof Simon Konrad Landersdorfer OSB 1880 – 1971, in: Ostbairische Grenzmarken 13 (1971), 294-298; Erwin GATZ (Hg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945 – 2001. Ein biographisches Lexikon. Berlin 2002, 447-449.

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Härtel wollte mit seinem Plädoyer diese unterschiedliche Lageeinschätzung dem Bischof vortragen, ohne dass er zu dezidiert votierte. Freilich ist bereits das Faktum und die Art seiner Stellungnahme ein deutlicher Fingerzeig: „Obwohl z.B. in der Jugendseelsorge besonders an der erwachsenen Jugend der Umquartierten und auch sonst noch manches zu tun wäre, glaube ich doch, mir in dieser Hinsicht um eines gedeihlichen Arbeitens willen Zurückhaltung auferlegen zu müssen. Euer Exzellenz werden die Güte besitzen, für die Art der Ausübung der Umquartiertenseelsorge noch Weisungen zu erteilen. Vielleicht kann dabei im Amtsblatt auch die Frage der Notwendigkeit erörtert werden“.6 Als Härtel diesen Bericht an den Passauer Bischof schickte, hatte Bayern noch keine Erfahrungen mit der hohen Zahl an Vertriebenen gesammelt, die 1946 vor allem aus dem Sudetenland nach Bayern eingeschleust wurden. Es waren bislang die Flüchtlinge, die Evakuierten aus den Großstädten und aus dem Westen des Reiches, die vor den Fliegerangriffen und den herannahenden Truppen vor allem in den bayerischen Dörfern Schutz gesucht hatten. Die Masse der Vertriebenen, die dann auch mit geringerer Rückkehrhoffnung 1946 aus dem Sudetenland und aus Schlesien kamen, hob die Probleme, die hier angesprochen werden, in eine neue Dimension. Umso wichtiger erscheint dieser frühe Versuch, der Notlage, die man nicht auf eine punktuelle Sondersituation hin deuten zu können glaubte, mit neuen Formen, Methoden und Konzepten Herr zu werden. Härtel meinte mit seiner Wahrnehmung und seinen Vorschlägen gerade im Bistum Passau, das für seine weitsichtigen Seelsorgspläne bekannt war7, auf offene Ohren zu stoßen. Die ordentliche Seelsorge, die im gewohnten Stil weiter arbeitete, um die Einheimischen zu versorgen, kam oftmals an die einquartierten Katholiken gar nicht heran. Härtel führte diese Dissonanz, diese Kluft auf die seelische Lage zwischen Einheimischen und Hinzugekommenen zurück, die unüberbrückbar war: „Hier die an materiellen Gütern Ungeschädigten und Leidlosen – da die oft völlig Mittellosen und Verzweifelten; hier die wenn auch durch den Verlust der Angehörigen im Feld Trauernden, aber durch die Eigenart des Gnadenortes im Religiösen Gestärkten – dort die oft durch 6

7

DA Passau OA Varia 1,18f. Bericht Härtels über die Notwendigkeit einer besonderen Seelsorge an Umquartierten im Gnadenort Altötting im Hinblick auf die Notwendigkeit dieser Seelsorge im allgemeinen, 14 Seiten Maschinenschrift plus Anschreiben an den Bischof, Zitat aus dem Anschreiben vom 13.11.1945. Vgl. dazu u.a. Theodor MAAS-EWERD, Simon Konrad Landersdorfer – Wegbereiter und Steuermann der Liturgischen Erneuerung im deutschen Sprachgebiet, in: Bibel und Liturgie 45 (1972), 42-52; GATZ, Bischöfe, 447-449.

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mehrfachen Verlust an Angehörigen außerdem Geschlagenen und dazu durch die Großstadt entnervt und religiös arm Gewordenen; hier die landschaftlich Harten, dialektisch schwer Verständlichen, traditionell oft Festgefahrenen – da die weicheren, anpassungsfähigeren, redsameren Naturen“.8 Die Entwurzelten, in die Unsicherheit und Ungewissheit Geworfenen, die um das eigene Ich kämpfen, sie werden als Fremdlinge nicht akzeptiert, sondern abgelehnt. Härtel konstatierte eine ganze Fülle von Gegensätzen, die eine kluge Seelsorgepraxis berücksichtigen muss, d.h. sie muss nach einem eigenen Seelsorger rufen, der hier einen gewissen Ausgleich schaffen kann. Mit Vorwürfen und Abwertungen versuchten Einheimische teilweise die Einquartierten abzuwehren. Bereits in dieser Frühphase vernimmt man aus dem Munde der einheimischen Geistlichen den Vorwurf, dass mit den Umquartierten das Niveau der Gemeinden herabgedrückt werde. Mit diesem Vorwurf musste sich auch Härtel auseinandersetzen. Freilich sah er bereits die ganze Spannung die in dieser Konfrontation steckte. Hier die Fragen, die Kritik der Einquartierten, ja die Anfrage, die das bloße Dasein der Einquartierten bereits bedeutete, und dort die oft vermeintlich hochstehende religiöse Praxis der Einheimischen, die sich erschöpfte im Aufrechterhalten des Gangs der alten Tradition und der seit Jahrzehnten eingerissenen Fehler. Härtel meinte, dass die Umquartierten durchaus ein Prüfstein für das Niveau der Einheimischen sein könnten, da sie eine Caritas erforderten, die nicht nur etwas vom Besitz abgibt und an der Pfarrhaustür abgibt, sondern zum Teilen im eigenen Haus zwingt. Da zeigte es sich, zu welchem Niveau in Jahrzehnten die priesterliche Tätigkeit eine Gemeinde gebracht hatte und ob große Gnaden große Verpflichtungen auslösten9. Seelsorge muss zwar alle ansprechen, Einheimische und Umquartierte, muss aber diejenigen, die in einer besonderen Notlage sind, auch noch einmal gesondert von den anderen ansprechen und behandeln dürfen. „Schon der Begriff "Heimat" hat für die Umquartierten einen völlig anderen Klang und Sinn wie für die "Einheimischen"; und um die Heimat geht es bei diesen immerfort“.10. Die Berücksichtigung und Erfassung dieses seelischen Ausnahme- und Sonderzustandes der Heimatsuchenden sei die vornehmste Aufgabe der Umquartiertenseelsorge. Sie könne nicht ersetzt werden, auch nicht durch die Caritas, denn die Caritas sei nicht dazu in der Lage, auch von ihrer Zielsetzung her nicht dazu bestimmt, die alte Heimat wiederzugeben und zu dieser Heimat und Geborgenheit, zu diesem Behaust- und Vertrautsein gehör8 9 10

Über die Notwendigkeit einer besonderen Seelsorge, 2. Über die Notwendigkeit einer besonderen Seelsorge, 12. Über die Notwendigkeit einer besonderen Seelsorge, 2.

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te für Härtel hier die Herzensgüte, das mütterliche Verständnis, also eine Heimat konstituiert durch Werte, durch Atmosphäre, durch Mentalität, durch Verstehen, alles Aspekte, die nicht primär an den Ort gebunden sind. Der Umquartierte habe aufgrund seiner Lage auf die caritative Mildtätigkeit, auf die Gaben mehr oder weniger ein Anrecht, aber ein verständnisvolles Wort, eine Hoffnungsperspektive, die ihm die Seelsorge eröffnen könne, könne unter Umständen weit mehr wert sein als ein Mantel oder eine Suppe. Um dem seelischen Sonderzustand der Umquartierten entgegenzukommen, ihm gerecht werden zu können, durften die religiösen heimatlichen Werte nicht verloren gehen, nicht vergessen werden, sondern mussten gepflegt werden. Man musste die Differenzen auch in der religiösen Praxis klar wahrnehmen und in dieser Unterschiedlichkeit auch pflegen dürfen. Zu diesen Unterschieden rechnete Härtel etwa, dass die schlesischen Katholiken viel stärker den Volksgesang pflegten. Sie mussten das Gedenken an verstorbene Bischöfe ihrer Heimatdiözese, an Bistumspatrone pflegen dürfen. Es war wichtig, dass die Seelsorge an den Umquartierten auch zerrissene familiäre Bande berücksichtigte, womöglich Familien wieder zusammenführte, Hinweise auf Aufenthaltsorte usw. gab. Der Umquartiertenseelsorger musste Eucharistie feiern und Andachten halten. Er wurde am besten akzeptiert auch als Mittler bei Missverständnissen, er musst Unterschiede in der Frömmigkeitspraxis erklären und über das wahre Wesen der Frömmigkeit aufklären – gerade an einem Gnadenort wie Altötting, wo viele Fremde eine falsche Anschauung und überspannte Erwartungen von Bewohnern eines Gnadenortes hatten. Insofern formulierte Härtel hier das Anforderungsprofil eines Vertriebenenseelsorgers, eines Seelsorgers an den Umquartierten, wie er es in den letzten Monaten in Altötting ausgeübt hatte. Angesichts der besonderen Sensibilität der Heimatvertriebenen, bedingt durch den Verlust der gewohnten Umgebung, der Sicherheiten, der Ungewissheit für die Zukunft, wurde jedes Wort des ordentlichen Seelsorgers besonders interpretiert und gewogen. Umso verheerender waren manche vielleicht unbedacht hingeworfenen Etikettierungen und Floskeln der Seelsorger. Dabei wollte Härtel als außerordentlicher Seelsorger dem Pfarrer alle Katholiken, für die er die letzte Verantwortung trug, auch zur Seelsorge zuführen. „Man konnte dann beobachten wie die Leute jedes Wort aus dem Mund des Pfarrers, in dessen Pfarrei sie zu Gaste sein mussten, abwogen und wie sie Schlüsse daraus zogen, ob ein Verständnis für ihre Heimatlosigkeit vorliegt oder nicht. Im allgemeinen hatten sie den Eindruck des stillen Hinweises, sie möchten dem Gnadenort seinen Charakter nicht nehmen und ihren Aufenthalt als wirklich nur vorü-

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bergehend auffassen. Das tat manchen schon weh, ist aber vom Standpunkt des Pfarrers aus verständlich. Mit einem herzlichen Willkommen hatten sie nicht zu rechnen. Ein Pfarrer sieht auch die Dinge vom Standpunkt seiner Gemeinde aus, für die bei einem solchen Gnadenort die Fremden störender auf die Eigenart und Geschlossenheit des Ortes einwirken konnten als andernwärts“.11 Wie also sollten die Vertriebenen ihre Eigenart wahren, ihre Traditionen weiter pflegen, ihre Identität auch halten und neu finden, sich neu orientieren können, wenn sie am besten so tun sollten als ob sie nicht existent wären, wenn sie in der Erwartung des ordentlichen Seelsorgers sich möglichst nicht lange aufhalten oder, wenn sich dies nicht umgehen ließe, assimilieren sollten? Härtel hielt, das lässt sich als Fazit festhalten, die Sonderseelsorge in Altötting nicht nur für eine gerechtfertigte, sondern für eine notwendige Maßnahme. Es war eine Sonderseelsorge, die sich im Rahmen und immer in Hinordnung auf die Pfarrseelsorge ergänzend bewegte. „Vielleicht könnte man die Ansicht vertreten, die Umquartierten hätten von vornherein in der Pfarrei aufgehen können, sie hätten es ja auch irgendwie machen müssen, wenn man keinen besonderen Seelsorger für sie bestellt hätte. Ein so bedeutender Gnadenort ist aber mit anderen Maßstäben zu messen, wie hier nachgewiesen wurde„.12 Härtel ließ keinen Zweifel daran, dass diese Sondersituation nicht nur des Gnadenortes, sondern der Vielzahl der Umquartierten in Bayern zu Kriegsende und in den Nachkriegswochen eine besondere Seelsorge erfordert. Vor allem müsse die ordentliche Seelsorge davon Abstand nehmen, ihre Erwartung dahingehend zu formulieren, dass die Leute bald wieder fortziehen. In erster Linie an Orten, an denen Umquartiertenlager mit ständiger Fluktuation eingerichtet sind, müsse die außerordentliche Seelsorge darauf achten, dass die Fremden die hohe Schwelle zur ordentlichen Seelsorge, die nicht zuletzt durch die oft abweisende Haltung der Einheimischen gelegt wird, überwinden können. Sie brauchten gesonderte und auch zusätzliche Angebote, die die ordentliche Seelsorge allein nicht leisten kann. Damit war freilich die Eingliederung in die Pfarrfamilie noch nicht gelungen. Härtel wollte damit darauf hinweisen, dass diese Eingliederung ein langwieriger Prozess war, der Weitblick und Geduld verlangte und sich nicht in einem reinen Verwaltungsakt der Aufnahme mit der Wohnortnahme erschöpfen konnte. Insofern verwunderte der Ruf, der von vielen Seiten an ihn herandrang, nicht, dass in

11 12

Über die Notwendigkeit einer besonderen Seelsorge, 12. Über die Notwendigkeit einer besonderen Seelsorge, 13.

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vielen Teilen des Landes eine intensivere und sensiblere, eine rücksichtsvollere Betreuung an den Umquartierten geleistet werden sollte. Aus den Störungen in einem Konzentrationspunkt bayerischer katholischer Religiosität erwuchs hier dank der Sensibilität eines Großstadtpfarrers das Anforderungs- und Aufgabenprofil, auch eine bestimmte Grundlage an Konzepten und Methoden einer spezifischen Vertriebenenseelsorge, deren Kontinuierung, deren Einrichtung auf Grund dieser halbjährlichen Erfahrungen in Altötting dem Ordinariat nahe gelegt wurde. Man kann hier, noch bevor die kirchliche Hilfsstelle in München sich etablieren konnte, noch ehe vertriebene Geistliche in größerer Zahl ausgesiedelt wurden und sich um ihre ehemaligen Heimatgemeinden kümmerten, einen Keim der Vertriebenenseelsorge sehen mit der Intention, diese auf Bistumsebene zu verankern. Aus dem Memorandum Härtels für den Passauer Bischof lassen sich zentrale Intentionen und Aufgaben er Vertriebenenseelsorge, nicht zuletzt der Laienorganisationen in der Vertriebenenseelsorge wie die Eichendorff-Gilde ein war, herauslesen

Grundsätzliche Initiativen: Die Arbeit der Kirchlichen Hilfsstellen Die Eichendorff-Gilden kooperierten eng mit der katholischen Arbeitsstelle Süd unter Paulus Sladek und der Arbeitsstelle Nord unter Oskar Golombek. Die Arbeitsstellen hielten die Verbindung zum Episkopat und zu den anderen katholischen landsmannschaftlichen Organisationen.13 Ein Initiator, in dem sich wie in einem Fokus das Ungenügen bisheriger pastoraler Bemühungen um die Vertriebenen in formaler wie auch in inhaltlicher Hinsicht sammelt, war der Augustinerpater Paulus Sladek. Er beschränkte sich in seinen Initiativen und Forderungen nicht auf den bisherigen eng verstandenen Bereich von Seelsorge, sondern nahm die Not des Menschen im seelischen wie im materiellen Bereich wahr und suchte für beide Bereiche nach neuen Konzepten. Der Aufbau der Flüchtlingsseelsorge durch die kirchliche Hilfsstelle Süd verdankt Paulus Sladek14 wesentliche Initiativen und wurde von ihm auch tatkräftig mit durchgeführt. Die Arbeitsfelder waren sehr breit gefächert. Der Schwerpunkt lag auf der Erziehungs- und Bildungsarbeit und dem sozialen 13 14

ARBEITSGEMEINSCHAFT DER EICHENDORFFGILDEN, Schlesien als Erbe und Aufgabe, 5. Paulus SLADEK, Not ist Anruf Gottes. Aus Veröffentlichungen, Rundschreiben, Predigten und Briefen. Dokumente zur Geschichte der Vertriebenenseelsorge. Hg. von Rudolf OHLBAUM, München/Königstein/Taunus 1991.

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Engagement. Daneben war den Mitarbeitern der kirchlichen Hilfsstelle in München von der Bischofskonferenz vor allem die ‚Volksgruppenarbeit‘ für die Sudeten- und Südostdeutschen zugewiesen worden. Dass eigene Flüchtlingsseelsorger bestellt, dass Flüchtlingsgottesdienste gehalten, die Flüchtlingswallfahrten veranstaltet wurden, Tagungen der Flüchtlingsseelsorger stattfinden konnten, auf denen Erfahrungen ausgetauscht und Handreichungen für die Vertriebenenseelsorge erarbeitet werden konnten, wo aber auch Wünsche an die Kirchenleitung und die einheimischen Seelsorger formuliert wurden, war in der Anfangsphase im wesentlichen Paulus Sladek zu verdanken. Sladek regte die Vertriebenenpriester an, über Pfarrbriefe Kontakt zu halten zu den Gläubigen der ehemaligen Pfarrgemeinde. Dazu war die vertriebene Geistlichkeit zu erfassen und Anschriftenlisten mussten hergestellt und verbreitet werden. Sladek entwarf 1946 Leitsätze der kirchlichen Flüchtlingsarbeit für die Diözese und war maßgeblich beteiligt an der Redaktion der Arbeitshilfen „Flüchtlingspriester, Mitteilungen und Skizzen“, die die kirchliche Hilfsstelle München vom Frühjahr 1946 an herausbrachte. Diese Arbeitshilfen, auch mit dem Titel „Der Heimatlose in der Pfarrseelsorge. Blätter für den einheimischen Klerus“ gingen im Dezember 1946 in der neuen Monatsschrift „Christ unterwegs” auf. „Christ unterwegs” darf als die erste Vertriebenenzeitschrift angesehen werden.15 Der „Christ unterwegs” diente der Kommunikation zwischen vertriebenen und einheimischen Katholiken; obwohl Sladek noch sehr konfessionell dachte, wurde doch der allgemeinere Titel gewählt. Sladek unterstrich sein Anliegen, zu einem gegenseitigen Verstehen beizutragen. Dazu gehörte für ihn notwendigerweise das ehrliche Benennen von Fehlern und Schwächen. Aus einem derart ehrlichen Umgang könne die Bereitschaft, sich gegenseitig zu helfen, erwachsen. Als sich die Ausweisung der Deutschen aus der Tschechoslowakei im Jahr 1946 intensivierte und regelmäßig größere Vertriebenentransporte in Bayern eintrafen, mit denen Sladek in erster Linie konfrontiert wurde, wandte er sich sofort direkt an die Ausgewiesenen. Sein Anknüpfungspunkt war die unmittelbare Erfahrung, die aktuelle Situation, die Transporte, die Schicksalsgenossen, die die Heimat verloren hatten, der unerträgliche äußere und innere Druck der letzten Jahre, die unsichere, aber deutliche Erwartung und vielfach die folgende Enttäuschung. In dieser Hoffnungslosigkeit helfe nur das Vertrauen auf Gott und die Einsicht, dass es an diesem Punkt notwendig 15

Zu den Publikationsorganen und Medien der Vertriebenenseelsorge Hans-Jürgen GAIDA, Die offiziellen Organe der ostdeutschen Landsmannschaften. Ein Beitrag zur Publistik der Heimatvertriebenen in Deutschland (Beiträge zur Politischen Wissenschaft 15), Berlin 1973.

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sei, mit dem Christentum endlich ernst zu machen. Diese Situation der Hoffnungslosigkeit sei ein Krisispunkt, der nicht in die Verzweiflung, sondern in das Hören des Rufes Gottes einmünden müsse. Sladek interpretierte diese Situation der Hoffnungslosigkeit wiederum als Teilnahme am Werk der Erlösung. Er mahnte aber, dass die religiöse Haltung nicht auf dieser theologischen Ebene stehen bleiben dürfe, sondern sich auch in einem tätigen Apostolat der Glaubensverbreitung auswirken müsse. Entsprechend der außergewöhnlichen Situation müssten außergewöhnliche Mittel eingesetzt werden. Sladek forderte das besondere apostolische Engagement der Laien, wozu sie kraft Taufe und Firmung befähigt und gerade in der Diaspora verpflichtet seien.16 Er suchte von den Laien, „von unten“ her zu denken, indem er sie ermunterte, in diesem Glaubenseinsatz Sauerteig und Mittelpunkt zu sein, um den andere sich sammeln konnten, zu Gebet, geistlicher Lesung, gegenseitigem Trost, zur Schriftlesung. Sladek verwies auf Anregungen und Hilfestellungen der Hilfsstelle Süd, die aber nur exemplarisch sein könnten. Künftig sei es Aufgabe der Laien, selber ein geeignetes Buch oder geeignete Schrifttexte zu suchen. Über das Engagement für eine spirituelle Stärkung hinaus forderte er den praktischen Einsatz vor Ort: die Idee und zentrale Intentionen der Ackermann-Gemeinde.17 Von dieser Gruppe der Katholischen Aktion – wie sie Sladek verstanden wissen wollte – gingen vielfältige caritative, sozialpolitische Impulse aus: man kann hier an die Tätigkeit von Martha Krause-Lang18 im Bereich der Flüchtlingsverwaltung im bayerischen Innenministerium ebenso erinnern wie an das Engagement von Hans Schütz in der Union der Vertriebenen (UdV) oder in der Sozialpolitik.19

Wie konnte die besondere Seelsorge organisiert werden? Es kristallisierten sich unterschiedliche Modelle heraus: vom KardinalBertram-Werk in Hildesheim über die Hedwigswerke, vor allem in den 16 17

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Vgl. OHLBAUM, Not ist Anruf Gottes, 110. Zur Ackermann-Gemeinde vgl. Rainer BENDEL, Aufbruch aus dem Glauben? Katholische Heimatvertriebene in den gesellschaftlichen Transformationen der Nachkriegsjahre 1945 – 1965, Köln 2003, 95-109. Rainer BENDEL, Grenzen überschreiten. Martha Krause-Lang in ihrem caritativen und seelsorgerlichen Einsatz für Frauen, in: Lydia BENDEL-MAIDL (Hg.), Katholikinnen im 20. Jahrhundert. Bilder, Rollen, Aufgaben, Berlin 2007, 187-199. Rainer BENDEL, Hans Schütz und die Sozialpolitik der Vertriebenen. In: Sudetenland 44 (2002), 296-303.

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nordwestdeutschen Diözesen bis zu den Eichendorff-Gilden im Süden und Südwesten und der Ackermann-Gemeinde, dem Hilfsbund für die Karpatendeutschen und dem Gerhardswerk für die Südostdeutschen20. Das Modell der Hedwigswerke Die Hedwigs-Werke waren, analog dem Kardinal-Bertram-Werk in der Diözese Hildesheim, diözesan orientiert. Sie wollten Vertriebene aller Herkunftsgruppen in der entsprechenden Diözese zusammen führen. Ein zweites Modell Landsmannschaftlich ausgerichtet und damit überdiözesan ausgerichtet waren die Eichendorff-Gilden, der Hilfsbund für die Karpatendeutschen, das St.Gerhardswerk für die Südostdeutschen und die Ackermann-Gemeinde. Die Eichendorff-Gilde „ist ein Zusammenschluß schlesischer Katholiken ohne Unterschied des Standes oder Herkommens. Sie hat nicht die Form eines straff geführten Vereins mit Statuten, Satzungen, Vereinsfahne und Abzeichen, die von den anderen absondern und abschließen sollen, sondern ist eine mehr durch die Idee und Aufgabe verbundene Arbeitsgemeinschaft, die sich immer nur als Teil des Ganzen und zum Dienst am Ganzen verpflichtet fühlt. Die einzelnen Gilden genießen daher eine weitgehende Selbständigkeit und arbeiten nach den örtlichen Gegebenheiten, verpflichten sich jedoch zu einem gewissen Beitrag pro Kopf ihrer Mitglieder an die Zentralstelle, die von der ‚Arbeitsgemeinschaft der Eichendorff-Gilden‘ getragen wird.“21

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Vgl. dazu ausführlicher Rainer BENDEL, Die Fremde wird zur Heimat. Integration der Vertriebenen in der Diözese Rottenburg, Berlin 2008, v.a. 311-412. ARBEITSGEMEINSCHAFT DER EICHENDORFFGILDEN, Schlesien als Erbe und Aufgabe, 3-5.

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Beispieldokumente für Zielsetzung und Aufgaben der Eichendorff-Gilde Stuttgart Heimat in der Pfarrfamilie – Jahrestagung der Eichendorff-Gilde zum St.Hedwigs-Fest22 Die Eichendorff-Gilde in der Diözese Rottenburg und die Aktion Junges Schlesien feierten am Sonntag wiederum gemeinsam mit der Möhringer St. Hedwigs-Gemeinde in dem der heiligen Hedwig geweihten Gotteshaus im Stadtbezirk Möhringen das Fest der Schutz-Patronin Schlesiens. Aus diesem Anlaß zelebrierte Domkapitular Dr. Hufnagel, Rottenburg, ein levitiertes Hochamt, in dem Prälat Dr. Braun, Würzburg, (früher Breslau), der Beauftragte der Fuldaer Bischofskonferenzen für die Belange der Heimatvertriebenen, die Predigt hielt. Ausgehend vom Festevangelium, in dem Christus das Himmelreich mit dem Schatz im Acker vergleicht, wies Prälat Dr. Braun seine große Zuhörerschaft darauf hin, daß das aus diesem Reich der absoluten Wahrheit, des bewußten Zusammenhangs mit Gott erwachsene Gut des Glaubens kein Allgemeingut der Menschheit ist, daß Gott die Wahrheit als Aufgabe schenkt. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit des Ringens um de Wahrheit, der Ruf an den gläubigen Christen, das Licht seines Glaubens in die Welt, unter die abseits stehenden Mitmenschen zu tragen, dieses Licht imponierend und anziehend leuchten zu lassen. Und diesen Auftrag dürfe der katholische Christ nicht mit lautem propagandistischem Übereifer und in stolzem Pochen 'auf den Besitz der Wahrheit, sondern in stiller, treuer christlicher Pflichterfüllung ausführen – gerade auch im Blick auf das große Vorbild der heiligen Hedwig. Prälat Dr. Braun erinnerte an das demütige Tatchristentum der großen Frau und Landesmutter, mit dem sie vor 700 Jahren das Heidentum im deutschen Osten zurückgedrängt habe. Eine Huldigung an die heilige Hedwig als Mutter und Vorbild eines Landes, das so viel zur Entwicklung der christlichen Kultur im deutschen und im weiteren europäischen Raum beigetragen hat, leitete nach dem Hochamt auch den Vortrag ein, den Universitätsprofessor Dr. Franz Xaver Arnold, Tübingen, anläßlich des Jahrestreffens der Eichendorff-Gilde innerhalb der Diözese Rottenburg in der Hedwigskirche hielt. Professor Dr. Arnold erinnerte an die Leidensjahre der Vertreibung von Millionen Deutscher aus ihrer Heimat und an die hoch einzuschätzende Erfahrung der Eingliederung der Vertriebenen; 22

Diözesanarchiv Rottenburg G 1.6 Nr. 92 Eichendorff-Gilde.

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nach all dem gehe es heute immer noch darum, den Verlust der Heimat in christlichem Geiste zu überwinden. Aus dieser Sicht hatte Professor Arnold seinen Vortrag unter das Thema „Fremde in der Heimat und Heimat in der Fremde – Gedanken über die christliche Pfarrgemeinde“ gestellt. Mit dem Hinweis auf den im Griechischen Urtext bestimmten Urbegriff der Parochia, der Pfarrei, zeichnete er die christliche Gemeinde als die Gemeinschaft der in ihrer (irdischen) Heimat in der Fremde lebenden Christen, die ihre wahre Heimat erst bei Gott finden. Andererseits bedeute die Pfarrgemeinde als fester Seelsorgebezirk allen in ihrem Sprengel Lebenden, auch den im irdischen Sinne Heimatlosen, Heimat in Hinordnung auf Christus. Professor Arnold kennzeichnete schließlich das Leben in der christlichen Gemeinde: er stellte seinen Zuhörern den Pfarrer als den Repräsentanten Christi in dieser Familie vor Augen, der mit seiner Gemeinde – wie Christus mit der Kirche – in geistlicher Ehe verbunden sei und aus der Kraft des Geistes als Vater seiner Pfarrkinder wirke. Die Gemeinde aber stelle das mütterliche zusammenschließende Element dar, wirke als Kultgemeinschaft und habe sich letztlich in der Liebe, in der Sorge für ihre Kinder zu bewähren. Aus dieser Betrachtung rief Professor Arnold die Zuhörer zur Erfüllung des Gesetzes Christi auf: in christlicher Liebe auch alles Trennende zu opfern, ein Volk von Brüdern, eine Gemeinde zu werden. In Gruß und Dankesworten erinnerte Stadtpfarrer Monsignore Härtel daran, daß sich Professor Arnold – ganz im Sinne des verstorbenen Heiligen Vaters – schon in den ersten Jahren nach dem Kriege in Wort und Schrift mit den aus der Vertreibung von Millionen deutscher Landsleute erwachsenden seelsorgerlichen Problemen befaßt habe. – Zum Hochamt führten Chor und Orchester der Pfarrgemeinde St. Hedwig unter Leitung von Bernhard Bukowski die Missa „Salve Regina“ von Stehle auf. Hedwigsausstellung im Stuttgarter Rathaus 1967 Zum Hedwigs-Jubiläumsjahr (700 Jahre nach ihrer Heiligsprechung) sollten Herkunft, Leben und Werk der heiligen Herzogin von Schlesien in der Form einer Wanderausstellung den Menschen nahegebracht werden.

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RAINER BENDEL

Abb. 1: Hedwigsausstellung 1967, Stuttgart / Rathaus; Eröffnung am 15. Juli 1967, Redner: Geistl. Rat Norbert Hettwer (Augsburg).

Abb. 2: Hedwigsausstellung 1967, Stuttgart / Rathaus, 15. Juli 1967; erste Reihe von links: Frau Leber, Dr. Leber, Prälat Hufnagel

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Abb. 3: Frau Rosner, Erwin Rosner, Stgt.Möhringen, St. Hedwig, ca. 1965

Erwin Rosner 70 Jahre23 Jedes Leben ist in einen zeitgeschichtlichen Rahmen hineingestellt, in einen Rahmen, den der Einzelne nicht festgelegt hat; er ist ihm vorgegeben. Jedes einzelne Leben ist im Rahmen dieses vorgegebenen Rahmens zu lesen. Der Rahmen, in den Erwin Rosner hineingestellt wurde, war vorgegeben in den drei Namen Clemens Neumann, Bernhard Strehler und Hermann Hoffmann – die „Heiligen drei Könige des Quickborn“. In deren Gefolgschaft war Erwin Rosner zu finden. Mit diesem Rahmen hat er sich identifiziert. Die Elemente der Jugendbewegung, die Erwin Rosner in sein reifes Leben transformiert hat, und die seine Persönlichkeit ausmachen, heißen Abstinenz – Nüchternheit (Kreuzbündnis bzw. abstinente Jugendgruppe der Werktätigen, die in den Quickborn überführt wurde), Volksbildung (Heimgarten in Neisse) und das musische Element im weitesten Sinn (Quickborn – fons vivus). Die Anregung zu einer solchen Lebensgestaltung ging von dem „Dreigestirn“ aus.24 Erwin Rosner, am 19. Mai in Breslau geboren, ist aufgewachsen in Neisse – die Atmosphäre des „Schlesischen Roms“ gehört streng genommen zum Rahmen. Nach Abschluss der Volksschule begann er seine Lehrzeit in einem 23 24

Schlesischer Katholik 22 (1973), Nr. 718. Vgl. dazu Rainer BENDEL, Religiöse Impulse des (ober)schlesischen Katholizismus im 20. Jahrhundert für die katholische Kirche in Deutschland, in: Oberschlesisches Jahrbuch 16/17 (2000/2001), 49-71.

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Rechtsanwalts- und Notariatsbüro in Neisse. Die Nachkriegszeit machte den Angestellten 1923 arbeitslos. Diese Zeit überbrückte er u.a. durch sozialcaritative Tätigkeit bei der Missionsgesellschaft vom Weißen Kreuz in Graz (1923-1924), dessen Leiter Dr. Max-Josef Metzger war. Von 1924 – 1926 war er Mitarbeiter des Heimgartens unter Clemens Neumann. Von 1926 – 1939 war Erwin Rosner bei der Orts- und Landeskrankenkasse in Neisse beschäftigt. In dieser Zeit bereitete er sich als Autodidakt auf die Verwaltungsprüfungen vor. Wenige Jahre nachdem er den Beamtenstatus 1929 erreicht hatte, wurde 1933 die Beförderungssperre über ihn verhängt. 1939 wurde er nach Lauban, 1941 nach Berlin versetzt. Während des Krieges 1942 bis 1945 war er Sanitätssoldat in Litauen, Polen, Russland und Italien. Nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft bestellte ihn der Caritasverband Nordwürttemberg zum Heimleiter des Flüchtlings-Pflegeheims in Schloss Bartenstein Kreis Crailsheim (1945-1951), bis er 1951 beim Versicherungsamt der Stadt Stuttgart eine neue Tätigkeit fand. Als stellvertretender Amtsleiter schied er 1968 aus dem Dienst, aber nicht in den „Ruhestand“. Den reichen Schatz seiner Berufserfahrung bietet er heute noch ratsuchenden Menschen an. In regelmäßigen Sprechstunden im Sozialbüro der Katholischen Verbände Stuttgart erläutert er Sozialgesetze, berechnet Versicherungssätze. Als Lehrer für Sozial-, Verwaltungs- und Rechtsfächer unterrichtet er die Kandidaten an der Schule für Altenpflege in Plattenhardt bei Stuttgart. Auch die nebenamtlichen -Tätigkeiten laufen im Ruhestand weiter. Erwin Rosner ist Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Suchtgefahren, Diözesanstelle Rottenburg, und – last not least – Leiter der Eichendorff-Gilde Stuttgart, die er 1953 zusammen mit Alfons Maria Härtel, Viktor Kubczak und Paul Köhler gegründet hat. Nimmt man noch die umfangreiche Vortragstätigkeit und Mitarbeit an Seminaren zu Fragen der Sozialversicherung, Suchtkrankenhilfe, Jugendschutz, Ehe und Familie, so fragt man unwillkürlich: Bleibt da noch Zeit für die eigene Familie? Für Erwin Rosner war und ist das keine Frage. In seine Familie hat er das eingebracht, was ihn in jungen Jahren geprägt hat. Die Familie, die Gemeinschaft mit seiner Frau Maria, geb. Schwarzer und seinen 6 Kindern – ein Sohn verunglückte 1939 – war ihm immer ruhender Pol und Mitte seines Handelns. Vier Töchter sind verheiratet und 13 Enkel sorgten an seinem Geburtstag für Lebhaftigkeit und Freude im Kreise der Familie. Die zwei Söhne konnten an diesem Fest nicht dabei sein. Der ältere, Clemens, ist Oratorianer und Pfarrer in Leipzig. Er bekam keine Ausreiseerlaubnis. Der jüngere, Gotthart, ist als Missionar (Weißer Vater) in Uganda/Afrika. Den Rahmen ausfüllen, Farbnuancen und Farbtupfer aufsetzen, das kann der Jubilar nur selber tun. Wir wünschen es ihm, daß er die Muße findet, um

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das aufzuzeichnen, was in seinem Leben Fügung und Führung war. Es wäre ein Stück gelebte Kirche von der Basis her. J.(oachim) K.(öhler) Nachruf auf Viktor Kubczak25 Im Alter von 67 Jahren starb in Stuttgart der schlesische Literaturkritiker und Verleger Viktor Kubczak. Sein Lebensweg führte ihn nach den Studienjahren über eine Volontärzeit bei der „Schlesischen Volkszeitung” zunächst zu freiberuflichem publizistischen Schaffen als Literatur- und Theaterkritiker. 1925 wurde er Geschäftsführer der von der Schlesischen Volkszeitung gegründeten Ostdeutschen Verlagsanstalt und der dazugehörigen Buchhandlung. 1937 übernahm er als alleiniger Inhaber das Unternehmen, das sich in Schlesien großes Ansehen erworben hatte. Nach der Austreibung setzte er in Stuttgart seine Verleger-Tätigkeit mit der Gründung des Brentano-Verlages fort. Als scharfsichtiger Literaturkenner ließ sich Kubczak auch in seiner verlegerischen Arbeit mehr von dem literarischen Wert eines Manuskriptes leiten als von den geschäftlichen Erfolgsaussichten. Er entdeckte die steiermärkische Dichterin Paula Grogger, deren „Grimmingtor” er zu einem großen Erfolg führte. Zu den schöngeistigen Autoren, die mit Werken in seinem Verlag vertreten waren, gehören Hermann Stehr, Alfons Teuber, August Scholtis, Arnold Ulitz, Hans Niekrawietz, Felix Raabe, Cosmus Flam, dessen geschichtliche Erzählung „Ein Land entsteigt der Dämmerung” er nach dem Kriege neu auflegte, und der sudetendeutsche Dichter Bruno Hanns Wittek mit dem Kudlich-Roman „Sturm überm Acker”. Das besondere Interesse Kubczaks galt ferner der Geschichte Schlesiens und Ostdeutschlands. Als eines der letzten großen Verlagswerke erschien ,Die Geschichte Schlesiens', eine Neubearbeitung des ersten Bandes der von der Historischen Kommission für Schlesien 1938 herausgegebenen Geschichte Schlesiens, bis zum Jahre 1526 reicht. Wie vielen vertriebenen Verlegern blieb auch Viktor Kubczak in der fremden Umgebung ein befriedigender geschäftlicher Erfolg versagt. Das schmälert jedoch nicht seine reichen Verdienste um die schöngeistige und wissenschaftliche Literatur Schlesiens. „Keinen Dichter noch ließ seine Heimat los.” Dieses Wort Eichendorffs läßt sich auch auf den Verleger Viktor Kubczak anwenden. „Aber das Herz hängt daran” lautete der Titel eines Buches in dem er ost- und sudetendeutsche Dichter zu Wort kommen ließ. Sein

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Schlesischer Katholik 16 (1967), Nr. 11, 7.

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RAINER BENDEL

Herz hing wirklich daran. Möge er in der ewigen Heimat für seine Treue und Liebe einen besseren Lohn finden, als ihm hier zuteil wurde. J.(ohannes) S.(eipolt)

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Die Vertriebenenorganisationen der katholischen Schlesier und das Verhältnis zwischen katholischer Kirche in Deutschland und Polen im Kalten Krieg1

Clemens Riedel ist ein Name, der unter den Kennern des katholischen Vertriebenenmilieus einen besonderen Klang besitzt. Über Jahrzehnte hinweg prägte der aus Breslau stammende Bäckermeister, der von 1957 bis 1972 dem Deutschen Bundestag angehörte und von 1965 bis 1973 zugleich dem damals noch nicht von den Bürgern gewählten Europäischen Parlament, die kirchliche Vertriebenenarbeit mit. Wer aber meint, in dem vorliegenden Band die Biographie Riedels zu finden, sieht sich in diesem Punkt getäuscht. Die vorliegende Monographie, die erweiterte Fassung einer 2007 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien bei Rupert Klieber eingereichten Dissertation, die im Folgejahr angenommen wurde, bietet nämlich weit mehr als einen Blick in das Leben von Clemens Riedel. Das ist einerseits bedauernswert, weil der Titel eben evoziert, es ginge in erster Linie um die Person dieses katholischen Vertriebenenexponenten und erst in zweiter Linie um die Vertriebenenorganisationen. Das ist andererseits aber auch erfreulich, weil sich bei genauerem Hinsehen ein viel breiter gefächerter Zugriff ergibt, der vielleicht mit der für diesen Rezensionsbeitrag gewählten Überschrift „Die Vertriebenenorganisationen der katholischen Schlesier und das Verhältnis zwischen katholischer Kirche in Deutschland und in Polen im Kalten Krieg“ treffender auf den Punkt gebracht wäre. Für eine Rezeption des – wie im Folgenden noch zu zeigen ist – wirklich erhellenden Buches über das doch begrenzte schlesische katholische Vertriebenenmilieu ist die 1

Eine Rezension zur Dissertation von Gregor Ploch: Clemens Riedel (1914 – 2003) und die katholischen deutschen Vertriebenenorganisationen. Motor oder Hemmschuh des deutschpolnischen Verständigungsprozesses? (Beiträge zu Theologie, Kirche und Gesellschaft im 20. Jahrhundert, Bd. 21), Berlin 2011, 329 Seiten.

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Fokussierung auf Riedel im Haupttitel überaus schade. Schließlich betont Gregor Ploch selbst mehrfach, dass das von Riedel maßgeblich geprägte Heimatwerk Schlesischer Katholiken eher ein Nischendasein geführt habe und selbst unter katholischen Schlesiern in der Bundesrepublik nicht sonderlich bekannt sei. Auch weist der Verfasser zu Beginn den Weg in die richtige Richtung, wenn er kritisch fragt, „ob Clemens Riedel als ein repräsentativer und meinungsführender Vertreter aller katholischen heimatvertriebenen Schlesier gilt“ (S. 19). Ja, er gesteht an anderer Stelle in seinem Buch ein: „Mit dem Namen Clemens Riedel konnten die meisten Vertriebenen kaum etwas anfangen“ (S. 239). Zwar war dieser über Jahrzehnte Vizepräsident (1959-1985), jedoch nur gut sechs Jahre (1985-1992) überhaupt Präsident des Heimatwerkes Schlesischer Katholiken. Diese Tatsache schmälert nicht die unbestreitbaren Verdienste Riedels als Sachwalter der Vertriebenenbelange, der sich stets auf den Rechtsstandpunkt stellte und das Unrecht der Vertreibung deutlich als solches benannte. Zweifelsohne war er eine „markante Figur des schlesischen katholischen Vertriebenenkatholizismus [sic!]“ (S. 18) gewesen, aber möglicherweise ist es doch etwas zu übertrieben, ihn als die „Verkörperung schlesischer Vertriebenenpolitik“ (S. 224) zu apostrophieren. Letztlich bleibt also die Frage nach der Repräsentativität Riedels als Schlüsselfigur des dargestellten und analysierten deutsch-polnischen Entwicklungsprozesses zwischen 1945 und 1989 offen. Natürlich ist ihre Beantwortung auch nicht einfach, ja müsste differenziert erfolgen. Aber hilfreich wäre eine Verortung Riedels in der Gremienarbeit der schlesischen Katholiken gewesen, die allerdings in den Ansätzen stecken bleibt. Zwar wird auf die Rivalität zu Herbert Czaja rekurriert, die aber eher im rein vertriebenenpolitischen Raum angesiedelt gewesen ist, wo beide 1970 um das Amt des Präsidenten des BdV konkurrierten (vgl. S. 108). Das Verhältnis Riedels zu den mit akademischen Meriten versehenen Präsidenten des Heimatwerkes, den Professoren Gerhard Möbus und Georg Smolka, jedoch wird überhaupt nicht angesprochen. So fehlt eine Liste der Präsidenten des doch im Text vielfach erwähnten Heimatwerkes Schlesischer Katholiken im Anhang. Ferner tauchen weder Möbus noch Smolka im abschließenden Personenregister auf. Lediglich letzterer findet sich auf einem der sieben aussagekräftigen Fotos bei einer Begegnung mit Papst Johannes Paul II. auf dem Petersplatz in Rom – gemeinsam mit Clemens Riedel, der im Moment der Aufnahme den aktiveren Part einzunehmen scheint. Gern hätte man aber doch gewusst, wie sich das Verhältnis des Bäckermeisters Riedel zu dem cum grano salis akademischen Vorstand des Heimatwerkes gestaltete. Zu verfolgen, inwieweit dennoch die heimatpolitische Arbeit katholischer Laien unter den schlesischen Vertriebenen im Wesentlichen von Clemens

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Riedel koordiniert wurde, dieser aber nicht über den gesellschaftlichen Rang verfügte, um in der ersten Reihe zu stehen, wäre sicherlich ein interessanter Aspekt gewesen. Immerhin durchzieht der Name Riedel – wie nicht zuletzt ein Blick in das erfreulicherweise beigegebene Personenregister zeigt – den Band, wobei es letztlich doch bei dem eingangs genannten Blick in das Leben bleibt, der sich dem interessierten Leser auch erst ab Seite 220 in Form eines Biogramms eröffnet, nachdem Ploch seinen Hauptexponenten schon mehrfach als Akteur des bundesdeutschen Vertriebenenkatholizismus präsentiert hat. Am 23. August 1914 als Sohn eines Bäckermeisters in Breslau geboren, war Clemens Riedel der spätere Beruf gleichsam in die Wiege gelegt worden. 1945 gezwungen seine eigene Bäckerei in Breslau-Bischofswalde einem ostpolnischen Vertriebenen zu überlassen, gelangte er über Stationen in Dresden und Erfurt, wo Riedel sich bereits in der CDU betätigte, zu Jahresbeginn 1949 nach Frankfurt/Main und baute dort aus kleinsten Anfängen eine Bäckerei auf. Aus seiner 1937 geschlossenen ersten Ehe gingen vier Kinder, aus der nach dem Tod seiner Frau 1961 besiegelten zweiten Ehe ein weiteres Kind hervor. 1973 zog Riedel nach Flintsbach am Inn/Oberbayern und lebte seit 2000 in Bergheim an der Bergstraße, wo er nach seinem Tod am 17. Juni 2003 auch beigesetzt wurde. Dass Riedel seine Motivation aus seinem Elternhaus und seiner Prägung durch den Windthorstbund, die Jugendorganisation der katholischen Zentrumspartei, sowie durch den Katholischen Gesellenverein im Breslau der späten Weimarer Republik erhalten hat, wird klar zum Ausdruck gebracht. Dennoch könnte eine intensivere Beschäftigung mit der Bedeutung seiner Sozialisation in Kindheit und Jugend ein Schlüssel für die Bewertung seines Nachkriegswirkens sein. Zu diesem Zugriff hätte auch gepasst, dass Ploch anfangs ankündigt, „keine klassische politische Biographie“ (S. 19) vorzulegen, sondern das Umfeld von Riedels Einsatz auszuleuchten. Ein solches Umfeld aber würde durch persönliche Prägungen nur an Gestalt gewinnen. Im Großen und Ganzen erweist sich jedoch die Entscheidung, Riedels Engagement für die Belange der Heimatvertriebenen dem größeren Kontext der deutsch-polnischen kirchlichen Beziehungen unterzuordnen, als richtig. Denn ein großes Plus in methodischer wie inhaltlicher Hinsicht bietet die Einbeziehung der polnischen Warte in die Ausführungen, die dadurch nicht auf die Positionen des bundesdeutschen Vertriebenenkatholizismus beschränkt bleiben. Nach einer Einführung, die auf Forschungsstand, Fragestellung, Eingrenzung, Methoden und Begrifflichkeiten rekurriert, folgt im Teil I die Betrachtung des historischen Hintergrunds zum einen der Vertriebenen, zum anderen des polnischen Episkopats im Kommunismus. Der Teil II wid-

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met sich dann den deutsch-polnischen Beziehungen, und zwar zunächst den kirchenpolitischen Aktivitäten in den drei Phasen bis 1965, bis 1972 und bis 1989, um dann den polnischen Revanchismus-Vorwurf gegenüber dem deutschen Nationalismusvorwurf zu erläutern. Weitere Unterkapitel sind den Aussiedlern bzw. den Protagonisten der deutsch-polnischen Verständigung gewidmet. Ein umfangreicher Anhang enthält schließlich Dokumente, die sich allerdings auf die Jahre von 1966 bis 1991 beschränken. Eine Auflistung der Vertriebenenbischöfe, der Vorsitzenden des Katholischen Flüchtlingsrats und der Auszeichnungen von Clemens Riedel rundet das Buch ab. Ob der Verfasser darin expressis verbis erklären muss, seine Dissertation wolle „nicht parteilich sein und nur aus einer Perspektive sprechen“ (S. 29), wäre kontrovers zu diskutieren. Immerhin wäre zu einem solchen apodiktischen Bekenntnis anzumerken, dass Geschichtsschreibung zwar um Objektivität bemüht sein sollte, jedoch nie ganz objektiv sein kann. Im konkreten Fall deutet der Name von Clemens Riedel im Titel ja bereits auf die besondere Akzentuierung der Rolle des Vertriebenenkatholizismus hin, womit allerdings auch nicht zwingend eine subjektive Herangehensweise verbunden sein muss. Überdies wird die „biographische Skizze“ zu Riedel von ähnlich umfangreichen Biogrammen von vier Hauptvertretern des polnischen Episkopats in der deutsch-polnischen Frage, Primas Wyszynski, Primas Glemp, Boleslaw Kominek und Stanislaw Adamski, gefolgt, so dass für eine Arithmetik Sorge getragen ist. Überhaupt ist die Darstellung „sine ira et studio“ ein klares Positivum des Bandes. So viel Einfühlungsvermögen der Verfasser für das Ringen Riedels und der schlesischen Katholiken in der Bundesrepublik um einen Weg zwischen Verständigung mit Polen und Beharrung auf den eigenen Standpunkten aufbringt, so viel Sensibilität zeigt er auch gegenüber der schwierigen Gemengelage, in der sich der polnische Episkopat befand. Einerseits war es ihm darum zu tun, die in den 1950er Jahren ja zeitweise eingeschränkte Handlungsfreiheit der Kirche im Kommunismus auszuweiten. Andererseits stand er immer in der Gefahr, in das kollektive Feindbild des Revanchismus und Revisionismus eingeordnet zu werden, wenn er hinsichtlich der Grenzproblematik nur einen Finger breit von der offiziellen kommunistischen Linie abwich. Die kirchlichen Jubiläumsfeierlichkeiten zum 20-jährigen bzw. 25jährigen Bestehen der polnischen Seelsorge in den sog. Nord- und Westprovinzen 1965 und 1970 hätten daher – wie Ploch ausführlich darlegt – unter massivem Druck der staatlichen Nomenklatura gestanden und müssten als „erzwungene Loyalitätsbekundung an den Staat“ (S. 155) verstanden werden. Demnach wären die von Kardinal Wyszynski im Rahmen des Jubiläums 1965 geprägten und bis heute hohe Wellen unter den deutschen Vertriebenen

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schlagenden Worte von den Steinen im Breslauer Dom, die Polnisch sprechen würden (vgl. S. 16), – einmal überspitzt formuliert – nur ein erpresstes Bekenntnis zur staatlichen Kulturpolitik. Selbst wenn Ploch diese These nachvollziehbar vertritt, bleibt doch zu diskutieren, ob die polnischen Bischöfe nun wirklich einer Erpressung zum Opfer gefallen sind und inwieweit die von vielen deutschen Vertriebenen vertretene Ansicht von einem nationalistisch auftretenden polnischen Episkopat wirklich nicht zutrifft. Immerhin war die katholische Kirche Polens Nutznießerin der Westverschiebung, die ihr zahlreiches bisher protestantisches Kirchengut beschert hat. Nicht zuletzt konzediert Ploch einen unterschiedlichen Grad an Identifikation mit polnischem Nationalismus bei den einzelnen Bischöfen. Der Breslauer Administrator und spätere erste polnische Erzbischof Kominek erwies sich demnach als durchaus deutschfreundlicher als Kardinal Wyszynski. Ganz offensichtlich ist die Haltung der polnischen Kirche zu Deutschland somit differenzierter zu sehen, als hier dargestellt. Aber Ploch verfolgt eine klare Argumentationslinie, was auch wieder mutig ist und sich wohltuend von manchen, auch wissenschaftlichen Publikationen abhebt, deren Verfasser eine eigene Positionierung nur verschwommen erkennen lassen. Wenn er dort, wo es ihm geboten erscheint, klar Stellung bezieht, beginnt dies schon in der Einleitung, in der er die Vertreibung gegen von der „political correctness“ verpflichteten Historikern unter Verweis auf den Holocaust erhobene Einwände als „ein Geschehen von vorher nie dagewesenem Ausmaß“ (S. 11) bezeichnet. Und diese durchaus erfrischende Wertungsfreudigkeit setzt sich mit der Kritik an dem Wiener Kardinal Franz König fort, der im Auftrag des Vatikans dessen Annäherungspolitik an die kommunistischen Regime Ostmittel- und Osteuropas vorantrieb und dem Ploch eine unglaubwürdige Reaktion auf Kritik an seinen Äußerungen unterstellt (vgl. S. 118). Ebenfalls nimmt er dezidiert Stellung zu der These von Robert Zurek, der Versöhnungsprozess zwischen Deutschen und Polen habe erst in Folge des Warschauer Vertrags und der Errichtung polnischer Diözesen in den ehemaligen deutschen Ostgebieten konsequent eingesetzt (vgl. S. 172), indem er sie als „ein völliges Fehlurteil“ (S. 172f.) bezeichnet. Dass in Polen mit zweierlei Maß gemessen wurde, was zum einen die Aufrechterhaltung der alten Diözesangliederung im Osten bezüglich Wilna und Lemberg, zum anderen das Bemühen um Neugliederung im Westen anging, greift Ploch ebenso auf (vgl. S. 129). Schließlich attestiert er Primas Wyszynski und Erzbischof Kominek, sie seien „gerade in linkskatholischen Kreisen zu Ikonen der deutsch-polnischen Versöhnung hochstilisiert“ (S. 259) worden und wirft damit Teilen der deutschen Katholiken vor, bereitwillig auf das Trittbrett der ja letztlich gemäß der polnischen Staatsräson handelnden Bi-

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schöfe aufgesprungen zu sein, um ein „Versöhnungsikonenbild“ (S. 259) zu gewinnen. Gegenüber dieser Idealisierung, die durch den Vergebungsbrief des polnischen Episkopats von 1965 noch Auftrieb erhalten hätte, seien die deutschen Bischöfe blass geblieben. Auch wäre es den Vertretern der katholischen Vertriebenen demgegenüber nicht gelungen, eine breite gesellschaftliche Unterstützung zu erhalten. Aus der Warte des primär anhand ungedruckten Quellenmaterials aus Archiven arbeitenden Historikers muss aber eingeschränkt werden, dass die Ausführungen über die Haltung des polnischen Episkopats sich nicht auf eigene Archivrecherchen des Verfassers stützen, sondern aus der Literatur erarbeitet sind. Etwas sehr stark stützt sich Ploch dabei auf die zweifellos auf akribischen Quellenstudien basierenden Veröffentlichungen von Peter Raina, die er immer wieder referiert. Und dies obgleich er zu Recht in seiner Einführung konzediert, dass Rainas „Arbeiten keinesfalls objektiv sind und stellenweise stark polemisch und nationalpolnisch wirken“ (S. 15). Diesen Vorwurf wird man der vorliegenden Studie zwar keineswegs machen können. Und dennoch wäre einerseits etwas mehr von der eingangs versprochenen kritischen Distanz wünschenswert gewesen. Andererseits erschließen die umfangreicheren Passagen über die kirchenpolitische Haltung von Primas Wyszynski bzw. den polnischen Episkopat (vgl. S. 40-82) durchaus ein Feld, das dem des Polnischen nicht mächtigen deutschsprachigen Leser neue Erkenntnishorizonte eröffnet und mit Gewinn rezipiert wird. Insofern betreibt Ploch mit seinen Exkursen zur polnischen Kirchenpolitik zwischen 1945 und 1989 Wissenstransfer im besten Sinne, der dazu noch konzise und gut lesbar gestaltet ist, so dass viele Passagen im guten Sinne Handbuch-Charakter aufweisen. Zu diesem Eindruck tragen auch die zahlreichen, auf rein biographische Daten zu erwähnten Personen bezogenen Fußnoten bei, die einen besonderen Service darstellen, wobei an einigen Stellen kritisch angefragt werden muss, ob allgemein bekannte Persönlichkeiten – wie etwa Helmut Kohl (vgl. S. 150, Anm. 216) oder Helmut Schmidt (vgl. S. 138, Anm. 190) – eigens mit Geburtsjahr und wichtigsten Wirkungsstationen vorgestellt werden müssen, zumal sich diese Daten via Lexikon bzw. Internet leicht eruieren lassen. Da die Ausleuchtung des historischen Hintergrundes in der Bundesrepublik allerdings vergleichsweise knapp ausfällt (vgl. S. 31-39), führt dies gelegentlich zu Pauschalisierungen, wenn etwa behauptet wird, die Vertriebenengeistlichen hätten eine Rückkehr in die Heimat „nie angezweifelt“ (S. 32). Als Faktum wird in den Raum gestellt, die katholischen Vertriebenen hätten in der Öffentlichkeit nicht die Lobby eines BdV besessen (vgl. S. 37), ohne dies argumentativ zu untermauern. In ähnlicher Wendung durchzieht diese These übrigens den gesamten Band, wenn beispielsweise mit Blick auf die

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kirchlichen Vergemeinschaftungsformen der Vertriebenen davon die Rede ist, dass die „breite Masse an katholischen Vertriebenen … kaum oder gar nichts über die Tätigkeit dieser Gremien [wusste] und … gar nicht von diesen erfasst“ (S. 111) wurde. Gleichwohl hat Gregor Ploch, der als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Oberschlesischen Landesmuseum in Ratingen-Hösel wirkte und jetzt im Dienst der Erzdiözese Wien steht, mit tatkräftigem Bemühen um ein methodisch stringentes Vorgehen, das die jeweiligen Ergebnisse in Zwischenfazits zu bündeln versucht, einen wichtigen Baustein zur kirchlichen Beziehungsgeschichte zwischen Deutschen und Polen zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Umbruch in Ostmitteleuropa 1989 vorgelegt, der in seiner Intention dazu geeignet ist, die künftige Forschung zu diesem Themenkomplex anzuregen.

GREGOR PLOCH

Prälat Franz Wosnitza (1902 – 1979) im jüngsten Fokus der Forschung

Im Oktober 2012 jährt sich zum 110. der Geburtstag eines bedeutenden oberschlesischen Geistlichen, der sowohl in seiner Heimat als auch in Westdeutschland gewirkt hat: Prälat Franz Wosnitza. Trotz seiner wichtigen Rolle vor allem als Generalvikar des Bistums Kattowitz zur Zeit des Zweiten Weltkrieges ist seine Persönlichkeit kaum zum Gegenstand der kirchenhistorischen Forschung geworden. Umso erfreulicher ist der Umstand, dass mit einer jüngsten biographischen Abhandlung diese Lücke geschlossen wurde.1 Wosnitza wurde am 3. Oktober 1902 im Klosterdorf Czarnowanz bei Oppeln geboren. Mit drei Jahren siedelte Wosnitza mit seinen Eltern in die Industriestadt Königshütte über. So waren ihm die Probleme des oberschlesischen Grenzlandes seit Kindesbeinen an bekannt. Im Zuge des verlorenen Ersten Weltkrieges und dem sog. „Friedensvertrag von Versailles“ musste das Deutsche Reich einen geraumen Teil Oberschlesiens an Polen abtreten. Die deutsch-polnische Missstimmung wurde von beiden Seiten politisch und ideologisch instrumentalisiert, so dass die Volksabstimmung und die drei sog. „Schlesischen Aufstände“ die Bevölkerung emotional gravierend prägten. Diese Tendenzen machten selbst vor dem oberschlesischen Klerus nicht halt.2 Nach der Teilung Oberschlesiens 1922 erwirkten der polnische Klerus und die polnische Regierung die Abtrennung des östlichen Teiles des deutschen Bistums Breslau und die Gründung einer Apostolischen Administratur,

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MAIK SCHMERBAUCH, Prälat Franz Wosnitza (1902 – 1979). Ehemaliger Generalvikar von Kattowitz (Arbeiten zur schlesischen Kirchengeschichte 21), Münster 2010. Vgl. dazu GUIDO HITZE, Carl Ulitzka (1873 – 1953) oder Oberschlesien zwischen den Weltkriegen (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 40), Düsseldorf 2002.

PRÄLAT FRANZ WOSNITZA IM JÜNGSTEN FOKUS DER FORSCHUNG

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die „Silesia superior“, also „Oberschlesien“ hieß.3 Diese Handlung des Heiligen Stuhles dürfte der Umstand erleichtert haben, dass der erst seit einigen Monaten wirkende Papst Pius XI. zuvor Apostolischer Visitator (1918) und Apostolischer Nuntius in Polen gewesen war (1918-21). Auf seiner Reise nach Polen lernte er in Wien den Salesianer August Hlond kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. 1920 wurde Nuntius Achille Ratti – der spätere Papst Pius XI. – zum Päpstlichen Kommissar für die Abstimmungsgebiete Oberschlesien, Ostpreußen und Westpreußen bestellt und wurde vor die unlösbare Aufgabe gestellt, zwischen den verfeindeten Parteien zu verhandeln. Ratti galt als polonophil, bezeichnete er sich nach seiner Bischofsweihe in Warschau selbst als „polnischer Bischof“, dennoch versuchte er, Neutralität zu bewahren. Das wurde auf beiden Seiten mit großem Missfallen aufgenommen, so dass Rattis Abberufung 1921 erzwungen wurde. Als nun der neugewählte Papst im Dezember 1922 die Apostolische Administratur gründete, fiel ihm die Personalentscheidung nicht schwer. Der 41jährige Oberschlesier August Hlond wurde zum Apostolischen Administrator berufen. Dies war lediglich eine provisorische Lösung, denn die polnische Regierung, die neue Regionalverwaltung der polnischen autonomen Woiwodschaft Schlesien und ein geraumer Teil des Klerus in „Ostoberschlesien“ sprachen sich für die endgültige kirchliche Abtrennung von Breslau, nämlich für die Gründung eines selbständigen oberschlesischen Bistums, aus. Drei Jahre später erfüllte der Papst diese Erwartungen, als er am 28. Oktober 1925 mit der Bulle „Vixdum Poloniae Unitas“ das Bistum Kattowitz schuf. Interessanterweise wurde noch bis zum Spätsommer vom Bistum „Silesia superior“ gesprochen. Die Forschung hat noch keinen Erweis dafür erbracht, unter welchen Umständen diese kurzfristige Umbenennung in einen weniger spannungsbeladenen Titel „Bistum Kattowitz“ geschehen ist. In diesem Umfeld reifte im jungen Franz Wosnitza die geistliche Berufung heran. Nachdem er 1922 das Abitur erlangt und das Theologiestudium in Breslau aufgenommen hatte, wurde er nach 1925 vor die Wahl gestellt, in welchem Bistum er als Priester wirken wollte. Trotz seiner deutschen Abstammung zog er es vor, in seiner oberschlesischen Heimat zu bleiben. Aus diesem Grunde beendete er sein Studium im Krakauer Priesterseminar. Zu3

Zur Entstehungsgeschichte des Bistums Kattowitz vgl. Jerzy MYSZOR, Historia diecezji katowickiej [Die Geschichte der Diözese Kattowitz], Katowice 1999 oder MAIK SCHMERBAUCH, Die deutschen Katholiken in der polnischen Diözese Kattowitz 1922 bis 1939, in: Berichte und Forschungen (Jahrbuch des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 16), Oldenburg 2008, 75-98.

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sammen mit der Gründung des Bistums Kattowitz ist zugleich die Diözese Krakau zum Erzbistum erhoben worden. Kardinal Bertram ist es nicht gelungen, die Erhebung Breslaus in den Rang eines Erzbistums zu erwirken (dies geschah erst 1930), was mit der Eingliederung von Kattowitz in die niederschlesische Kirchenprovinz verknüpft gewesen wäre. So wurde die oberschlesische Diözese der neuen Krakauer Kirchenprovinz als Suffraganbistum unterstellt. Dort wurde der oberschlesische Nachwuchsklerus größtenteils ausgebildet. 1926 empfing Wosnitza von Bischof Hlond die Priesterweihe. Zunächst verrichtete er in der Kattowitzer Innenstadtpfarrei St. Peter und Paul, die bis zum geplanten Bau der Christkönigskathedrale (der Baubeginn erfolgte erst 1932) zur Interimskathedrale erklärt worden war, seinen Dienst als Jugendseelsorger. Aufgrund seiner erfolgreichen Tätigkeit übertrug ihm Bischof Stanisław Adamski (1930-67 Bischof von Kattowitz) 1933 die Funktion des Diözesanpräses der Deutschen Katholischen Jugend (bis 1939) und des Schriftleiters des Kirchenblattes „Der Sonntagsbote“ (bis 1941). Diese von Bischof Hlond 1925 gegründete deutschsprachige Kirchenzeitung war das Pendant zum seit 1922 erscheinenden polnischsprachigen Blattes „Gość Niedzielny“. „Der Sonntagsbote“ war die einzige deutschsprachige Kirchenzeitung in Polen. Wosnitza bemühte sich um unpolitische und unparteiliche Haltung, dennoch konnte er es nicht vermeiden, dass darin auch brisante politische Themen behandelt wurden.4 Der Kriegsausbruch im September 1939 brachte Umwälzungen im kirchlichen Leben. Die von den nationalsozialistischen Behörden angeordneten Zwangsmaßnahmen lähmten die polnische Seelsorge, ab Mai 1940 wurde diese verboten. Zudem wurden an Kardinal Bertram die Pläne herangetragen, die Diözese Kattowitz in das Erzbistum Breslau einzugliedern. Die Leitung der oberschlesischen und als „deutschfeindlich“ eingestuften Bistumsleitung sollte an den Erzbischof von Breslau übertragen werden. Inwieweit Kardinal Bertram von diesen Plänen von Anfang an unterrichtet wurde, ist ungewiss.5 Im Schriftwechsel mit dem Heiligen Stuhl lehnte er Anfang 1941 die Übernahme des oberschlesischen Bischofssitzes jedoch ab.6 Bischof Adamski war 4

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Mehr dazu in: MAIK SCHMERBAUCH, „Der Sonntagsbote“ – das Diözesanblatt für die deutschen Katholiken in der Diözese Kattowitz in den Jahren 1925 – 1941, in: Inter finitimos. Jahrbuch zur deutsch-polnischen Beziehungsgeschichte (7) 2009, 222-229. Jerzy Myszor hält das für wahrscheinlich. Vgl. JERZY MYSZOR, Die Beziehungen zwischen Kardinal Bertram und dem Kattowitzer Bischof Adamski während des Zweiten Weltkrieges 1939-1941, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 54 (1996), 177-186, hier: 178. STEFAN SAMERSKI, Die Bemühungen Kardinal Bertrams um die Reorganisation der Seelsorge im annektierten Polen (1939 – 1945), in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 54 (1996), 153-176, hier: 158.

PRÄLAT FRANZ WOSNITZA IM JÜNGSTEN FOKUS DER FORSCHUNG

371

den Machthabern verhasst, weil er sich gezwungen sah, im Juni 1939 die deutschen Gottesdienste einzustellen. Der Grund für diese Entscheidung lag nicht in seiner angeblich deutschfeindlichen Gesinnung, wie ihm noch lange nach Kriegsende vorgeworfen wurde, sondern in der Tatsache, dass zahlreiche deutsche Gottesdienste von polnischen Gruppen massiv gestört wurden, was die nationalen Spannungen enorm schürfte.7 Ab November 1939 wurden Adamski und Juliusz Bieniek (zwischen 1937 und 1978 Weihbischof in Kattowitz) unter Hausarrest gestellt. Die deutschen Behörden weigerten sich beharrlich, mit den Bischöfen zu kommunizieren. Dem versuchte Adamski entgegenzuwirken, indem er Anfang Januar 1940 den deutschen Pfarrer von Godullahütte, Franz Strzyz, zum Generalvikar ernannte, was eine deutliche (kurzfristige) Entspannung und Erleichterung in der Kommunikation mit den Behörden zur Folge hatte.8 Im Februar 1941 wurden Adamski und Bieniek aus Kattowitz ausgewiesen. Die beiden Bischöfe suchten in Krakau bei Erzbischof Adam Stefan Sapieha Unterschlupf, Adamski begab sich später nach Warschau, wo er bis Kriegsende blieb. Im Juni 1942 starb der herzkranke Generalvikar Strzyz, der sich vorher resigniert gezeigt hatte, weil er mit seiner Tätigkeit aufgrund des massiven Widerstandes seitens der nationalsozialistischen Behörden keinen Erfolg verbuchen konnte. Seine unmittelbare Todesursache soll die Nachricht gewesen sein, dass die Behörden das Kuriengebäude besetzen und das Kurienhaus niederreißen wollten. Zu seinem Nachfolger wurde sein engster Mitarbeiter Franz Wosnitza bestimmt, der bereits Anfang Mai die Amtsgeschäfte übernommen hatte.9 Zunächst war man im Kattowitzer Ordinariat skeptisch, ob Wosnitza die Aufgaben bewältigen würde, denn er galt als zu jung und zu unerfahren. Ein aussichtsreicher Kandidat war auch der aus Oberschlesien stammende Breslauer Weihbischof Joseph Ferche.10 Die notwendige externe Bestätigung der Wahl zum Generalvikar wurde Nuntius Orsenigo durch die deutschen Behörden verweigert, weil dessen Zuständigkeitsbereich lediglich auf das sog. Altreich eingeschränkt wurde. Unter größter Mühe konnte schließlich Ende Juli 1942 die Bestätigung seitens des Heiligen Stuhles eingeholt werden, womit die Pläne der Besatzungsbehörden über die Auflösung des Bistums Kattowitz endgültig gescheitert waren. Franz Wosnitza sah seine vordringliche Hauptaufgabe darin, den bereits dezimierten Diözesanklerus zu halten und sich einen Überblick über die ge7 8

9 10

SCHMERBAUCH, Prälat Franz Wosnitza, 38-41. MAIK SCHMERBAUCH, Die Diözese Kattowitz unter dem deutschen Generalvikar Franz Strzyz 1940 – 1942, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 2/57 (2008), 255-271. JERZY MYSZOR, Historia, 301-305. Insb. 304; SCHMERBAUCH, Prälat Franz Wosnitza, 58f. SCHMERBAUCH, Prälat Franz Wosnitza, 59.

372

IN DER DISKUSSION

naue Anzahl der noch wirkenden Geistlichen zu verschaffen. Wosnitza schuf neue Seelsorgestellen, um den Einzug der Priester in die Wehrmacht zu verhindern. Der neue Generalvikar organisierte vierteljährlich Priesterkonferenzen, die 1940 von Bischof Adamski eingeführt worden waren. Dies war die einzige Gelegenheit, einen guten Kontakt unter den Priestern zu halten, weil es keinen anderen Informationsfluss gab.11 Im Herbst 1944 war das Kriegsende bereits absehbar. Als die Rote Armee vor Warschau stand, unterwies Wosnitza die deutschen Geistlichen, die Pfarreien den polnischen Kaplänen zu überlassen und sich in Sicherheit zu bringen. Nach dem Einzug der Sowjetarmee in Kattowitz kehrte Weihbischof Bieniek nach Kattowitz zurück und übernahm von Wosnitza das Amt des Generalvikars. Wosnitza blieb im Ordinariat und wurde zum Leiter des Baureferats bestellt. Maik Schmerbauch bescheinigt Franz Wosnitza und Franz Strzyz besonnene Haltung im Kampf „gegen die kirchenfeindliche Politik der Nationalsozialisten, ihr mutiges, Entgegentreten bei den Verhaftungen, Ausweisungen und Beschlagnahmungen, die Klugheit der Verzögerungstaktik“ und ihren unbedingten „Einsatz für die Seelsorge der Gläubigen – gepaart mit überlegtem Handeln und der zusätzlichen Unterstützung der deutschen Bischöfe“12, wodurch der Schaden für die Diözese Kattowitz und für das kirchliche Leben trotz großer Verluste habe gesichert werden können. In seiner neuen Funktion war Wosnitza mit der schwierigen Aufgabe betraut, den Wiederaufbau zahlreicher Kirchen trotz kaum vorhandener finanzieller und infrastruktureller Mittel voranzubringen. Dabei wies er sich mit großem logistischem und organisatorischem Geschick aus. Dank seiner Initiative konnten rund 40 Gotteshäuser in Südostoberschlesien, in den Kreisen Rybnik und Loslau, in nur kurzer Zeit wieder aufgebaut werden.13 Die Maßnahmen der neuen kommunistischen Behörden über die Ausweisung der deutschen Bevölkerung aus Oberschlesien trafen auch Franz Wosnitza. Da er auf der Deutschen Volksliste in die Gruppe 2 eingestuft worden war, musste Bischof Adamski für ihn im Juli 1945 einen Antrag auf Rehabilitation stellen, um ihn vor den Vorwürfen der politischen Kollaboration zu befreien. Das nutzte jedoch wenig und so wurde er nach mehreren Verhören im Februar 1946 verhaftet und nach Oppeln gebracht. Der seit September 1945 für das sog. Oppelner Schlesien zuständige neue Apostolische Administrator Bolesław Kominek konnte ihn zunächst in Czarnowanz als Priester einsetzen. Bischöfe Adamski und Bieniek intervenierten mehrfach bei den 11 12 13

SCHMERBAUCH, Prälat Franz Wosnitza, 59-68. SCHMERBAUCH, Prälat Franz Wosnitza, 73. Angaben nach: SCHMERBAUCH, Prälat Franz Wosnitza, 74.

PRÄLAT FRANZ WOSNITZA IM JÜNGSTEN FOKUS DER FORSCHUNG

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polnischen Behörden, zuletzt auch bei Staatspräsident Bolesław Bierut, doch waren ihre Versuche vergeblich. Ende Juli 1946 wurde Wosnitza mit einer Gruppe deutscher Priester ausgewiesen. Ein LKW brachte die Geistlichen zum Umschlagbahnhof in Leobschütz, von wo aus ein „Aussiedlerzug“ nach Westdeutschland fuhr. Nach zwölf Tagen erschöpfender Reise erreichte die Gruppe das Zwischenlager Werdohl im Sauerland.14 Kaum in Westdeutschland angekommen, warteten auf Franz Wosnitza neue Aufgaben. Zahlreiche heimatvertriebene Diözesanen sehnten sich in der Fremde nicht nur zuerst nach materiellen Grundbedürfnissen, sondern auch nach gelebter kirchlicher oberschlesischer Tradition. So übernahm Wosnitza vom Sommer 1946 bis zu seinem Tode 1979 die Betreuung der in Westdeutschland lebenden Katholiken aus dem Bistum Kattowitz. Dabei zeichnete er sich mit großem Organisationstalent und mit Kontaktfreude aus. Zahlreiche Heimatvertriebene erlangten durch ihn materielle Hilfe; mit Paketsendungen unterstützte er auch zahlreiche Pfarreien in seiner Heimat. Eine Reise nach Oberschlesien blieb ihm jedoch bis 1974 verwehrt. Zwischen 1946 und 1979 gab er den zweimal jährlich erscheinenden „Rundbrief an die Kattowitzer Diözesanangehörigen“ heraus, der nach seinem Tode bis 1984 fortgeführt wurde. Als nach 1950 der Zustrom von Aussiedlern aus Polen immer größer wurde, setzte er sich für die Integration dieser Gruppe ein.15 Wosnitza übernahm weitere zahlreiche Aufgaben im kirchlichen Bereich. Zwischen 1946 und 1948 wirkte er als Krankenseelsorger in Bochum, zwischen 1948 und 1949 war er beim Caritasverband tätig. In den Jahren 19491972 war er zudem Vorsitzender des Katholischen Siedlungsdienstes e.V. Maik Schmerbauch verweist in seiner Untersuchung darauf, dass Wosnitza einen erheblichen Anteil an der Entstehung des polnischen Bischofsbriefes vom Oktober 1965 gehabt hatte. Wosnitza kannte Bolesław Kominek noch aus der gemeinsamen Zeit im Kattowitzer Ordinariat. 1960 nahm er mit dem Breslauer Weihbischof Kontakt auf. Die beiden Geistlichen sprachen über diese Initiative und Wosnitza gab Kominek wertvolle Ratschläge.16 Damit zeigte Wosnitza, dass ihm „die deutsch-polnische Verständigung zu einer wichtigen Herzensangelegenheit geworden“17 war. Franz Wosnitza starb 77-jährig und wurde am 12. November 1979 in Köln beigesetzt. Aus Anteilnahme hielt der Kattowitzer Bischof Herbert Bednorz am selben Tag in der Kattowitzer Kathedrale eine Traueransprache. 14 15 16 17

SCHMERBAUCH, Prälat Franz Wosnitza, 74-78. SCHMERBAUCH, Prälat Franz Wosnitza, 79-87. SCHMERBAUCH, Prälat Franz Wosnitza, 87-91. SCHMERBAUCH, Prälat Franz Wosnitza, 115.

374

IN DER DISKUSSION

Somit zeigte sich, dass die oberschlesische Bistumsleitung immer noch über den wertvollen Einsatz Wosnitzas während des Krieges Dankbarkeit zeigte. Franz Wosnitza war eine bedeutende Persönlichkeit für die Kirche Schlesiens. In den Kriegswirren bestand sein größter Verdienst in der „Verhinderung der Teilung der Diözese in einen deutschen und einen polnischen Teil, der er sich mutig zusammen mit Kardinal Bertram im Rahmen der Verzögerungstaktik widersetzte.“18 Nach seiner Vertreibung setzte er seine ganze Kraft dafür ein, seinen notleidenden Diözesanen Linderung zu verschaffen und sich für sie einzusetzen. Da er im Hintergrund agierte, wurde er von der breiten Öffentlichkeit weniger stark als andere bekannte Geistliche wahrgenommen. Dennoch sind seine Verdienste unverkennbar. Man darf Maik Schmerbauch uneingeschränkt Recht geben, der Franz Wosnitza eine „beeindruckende Persönlichkeit der gemeinsamen deutsch-polnischen Kirchengeschichte in Oberschlesien und der westdeutschen Nachkriegsgeschichte im 20. Jahrhundert“19 nennt.

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Ebd. SCHMERBAUCH, Prälat Franz Wosnitza, 116.

RAINER BENDEL

Vertriebener Klerus in Sachsen 1945 – 19551

Winterstein untersucht in ihrer bei Ulrich von Hehl eingereichten Doktorarbeit das Schicksal des vertriebenen Klerus im Bistum Meißen und im Gebiet des erzbischöflichen Amtes Görlitz. Der vertriebene Klerus im Bistum Dresden-Meißen und im Restteil des Erzbistums Breslau setzte sich zum größten Teil aus vertriebenen schlesischen Priestern zusammen. Im Bereich des erzbischöflichen Amtes Görlitz waren 63 vertriebene Schlesier tätig. Daneben gab es einen Priester aus der Grafschaft Glatz und einen aus dem Bistum Leitmeritz. Im Bistum Meißen waren es 68 Priester aus dem Erzbistum Breslau. Daneben 21 aus dem Bistum Leitmeritz, zehn aus der Grafschaft Glatz, neun aus dem Bistum Ermland und sieben aus anderen Bistümern. Die Situation des vertriebenen Klerus in diesen beiden Untersuchungsgebieten stellt in mehrfacher Hinsicht eine Sondersituation dar, denn die Priester aus dem Erzbistum Breslau, die im Gebiet des erzbischöflichen Amtes Görlitz blieben, blieben quasi in ihrem Heimatbistum, waren konfrontiert mit der Diasporasituation des Restteils des Erzbistums, in dem neue Strukturen – sprich neue Pfarreien und eine neue Verwaltung – aufgebaut werden mussten. Sie bleiben aber von der religiösen Praxis – die Gläubigen waren auch zumeist vertriebene Schlesier – und auch von der Leitung, von der Organisation her im vertrauten Raum. Beiden – den Görlitzern wie den Meißnern – waren die Diasporasituation und die sich verschärfende Abkühlung der Atmosphäre, der Druck, der von staatlicher Seite in der sowjetischen Besatzungszone bzw. nach 1949 dann in der DDR kam, eine große Aufgabe. Zentrales Problem war in beiden Bereichen der Mangel an Seelsorgern für die neu zu errichtenden Diasporagemeinden, die große räumliche Ausdehnung der Pfarreien, die zu versorgen waren. Die1

Ulrike WINTERSTEIN, Vertriebener Klerus in Sachsen 1945 – 1955, „Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte“, Reihe B Forschungen, Band 118, Verlag: Ferdinand Schöningh, 288 Seiten, ISBN 978-3-506-76978-7.

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IN DER DISKUSSION

se ungünstigen Bedingungen schreckten viele Seelsorger ab. So behandelt Winterstein die Problematik der Rekrutierung ausreichender Priester für die Aufgaben in den beiden Gebieten ausführlich. Nicht nur der vom Papst als Sonderbeauftragte für das Vertriebenenproblem benannte Bischof von Ermland, Maximilian Kaller, appellierte mehrfach an die vertriebenen Priester im Süden und Westen, doch in die Diaspora zu gehen – vor allem in die Diasporagebiete des sowjetisch besetzten Gebietes. Auch der Nachfolger Kallers im Amt des Vertriebenenbischofs, der Limburger Bischof Ferdinand Dirichs, setzte sich intensiv bei den Geistlichen für einen Umzug in die sowjetische Besatzungszone ein. Meist jedoch vergeblich. Auch Kapitelsvikar Piontek in Görlitz erhielt auf seine zahlreichen Mahnschreiben an die schlesischen Geistlichen, die sich im Süden und Westen befanden, in das Görlitzer Gebiet zurückzukommen, oft den Hinweis, auch im Westen uns Norden gebe es Diasporagebiete, in die viele katholische Vertriebene eingeströmt seien und die nun der Seelsorge bedürften. Aufgaben gab es also auch in den westlichen Diözesen. Kaum ein westlicher Bischof wollte denn auch die Priester, die in sein Bistum gekommen waren, wieder gehen lassen. Vor allen Dingen nicht solche, die für einen Einsatz in der Diaspora auch körperlich befähigt waren. Ein Charakteristikum der Situation war der Mangel an Seelsorgern. Ein anderes war die Vorgabe der Verwaltungsbehörden und des Staatsapparates, dass es für die Umsiedler in der SBZ bzw. dann in der DDR keine Sonderbetreuung gab. Sie durften sich nicht zusammenschließen und sollten nach Möglichkeit auch nicht die Kultur ihrer Herkunftsregion weiter pflegen. Unter diesen Vorzeichen kam der Betreuung der katholischen Vertriebenen durch vertriebene katholische Geistliche eine besondere Note zu. Winterstein untersuchte diese Situation unter der spezifischen Fragestellung nach der Integration einer Elite, nämlich der kirchlichen Elite, des vertriebenen katholischen Klerus. Wintersteins Frage lautet, ob es den vertriebenen Priestern gelang, an der katholischen Kirche der brandenburgischen und sächsischen Diaspora nur ihre Aufgabe, das ihnen vom Schicksal zugeteilte Los zu sehen oder ob sie eine neue Heimat finden konnten. Ein erstes kurzes Kapitel skizziert die Reaktion der katholischen Kirche auf den Vertriebenenzustrom allgemein. Im zweiten Kapitel rekonstruiert Winterstein die religionspolitischen Rahmenbedingungen, die die Verwaltung und der Staat geschaffen haben. Das dritte Kapitel untersucht den Umgang der Kirchenverwaltungen mit den Vertriebenen. Dann kommt Winterstein im vierten und fünften Kapitel ihrer Arbeit zum eigentlichen Thema, dem Vertriebenenklerus, indem sie die kirchenrechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz des vertriebenen Klerus analysiert und darstellt und die Bemühungen der Seelsorger für die sächsische und brandenburgische Diaspora zu gewin-

VERTRIEBENER KLERUS IN SACHSEN 1945 – 1955

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nen, rekonstruiert. In der detaillierteren Untersuchung werden die wirtschaftlich-sozialen Kriterien, die berufliche und finanzielle Stellung des vertriebenen Klerus untersucht wie auch die kulturellen Elemente des Integrationsprozesses. „Weil aber Integration als ein Vorgang betrachtet wird, der unterschiedliche Qualitäten von Ab- und Ausschließungen beinhaltet, müssen auch die unter den vertriebenen Priestern auftretenden Erscheinungen von Desintegration in den Blick genommen werden.“2 Beispiele prägen das abschließende Kapitel. Karriereverläufe einzelner Priester werden rekonstruiert, ungebrochene ebenso wie mit Schwierigkeiten behaftete. Der Versuch, sich mit dem System zu arrangieren taucht dabei ebenso auf, hier muss man u. a. auch auf Hermann Hoffmann hinweisen, der offensichtlich teilweise in taktischer Überlegung Informationen an den Staatssicherheitsdienst lieferte, damit er ungehindert nach Polen und auch in den Westen Ausreisegenehmigungen bekam. Es finden sich daneben aber auch Integrationsverweigerungen. Priester, die von der Seelsorgepraxis aus der religiösen Welt ihrer Herkunftsgebiete nicht herauskamen und sich der neuen Situation nicht stellen wollten, sondern die Situation ihrer früheren Gemeinden übertragen wollten. Die Vertriebenen sollten möglichst rasch eingegliedert werden, ihre Versorgung mit Wohnraum und anderen materiellen Gütern möglichst bald der eingesessenen Bevölkerung angeglichen sein. Ideelle und kulturelle Bedürfnisse wurden weitestgehend ausgeklammert. „Eine Organisation der Vertriebenen war auch politisch nicht gewollt, wie der seit 1948 zunehmend repressive Charakter der „Umsiedlerpolitik“ zeigte, der auch die Unterdrückung eines besonderen Gruppenbewusstseins von Vertriebenen ausgerichtet war. Die Integration des vertriebenen Bevölkerungsteils sollte unter Verleugnung von Herkunft und Heimat, sozialen und kulturellen Wurzeln erfolgen.“3 Resümiert Winterstein die Vorgaben und die Atmosphäre, die von staatlicher Seite her geschaffen wurden. Freilich ließ sich ein solches Programm nicht umsetzen. Mentalität, Brauchtum, religiöse Praxis lässt sich nicht per Verordnung und Knopfdruck verändern oder abschaffen. Die Kirchen wurden zu Residuen, die in der Folge in den Fokus der Ministerien und Polizeibehörden gerieten. Vor allem eigene Umsiedlergottesdienste, Heimatbriefe, Rundbriefe vertriebener Priester waren verdächtig. „Sie wurden als Bestandteile eines Netzwerkes verbotener Vertriebenenorganisationen betrachtet und ihr Besitz und ihre Verbreitung polizeilich verfolgt.“4

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Winterstein, 38 Winterstein, 245 Winterstein, 245

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IN DER DISKUSSION

Wurde zunächst der Beitrag der Kirchen auf caritativem Gebiet bei der Bewältigung des Eingliederungsproblems der Vertriebenen gerne in Anspruch genommen, so versuchten die staatlichen Stellen, mit zunehmendem Aufbau staatlicher Versorgungspolitik die kirchlichen Initiativen in den Hintergrund zu drängen. Seit 1948 wurde die Religionspolitik der SED zunehmend konfrontativ. Der Außendruck auf den Klerus nahm zu. Die Folge war dessen wachsende Geschlossenheit. Die Seelsorge war Pfarrseelsorge, ohne eigenständige organisatorische Sonderformen für die Vertriebenen – wobei die Vertriebenen in vielen Gemeinden gerade auf dem Land, wo sie in der Mehrzahl oder gar in der deutlichen Überzahl waren, im Gemeindeleben ihre religiöse Praxis einbringen, bewahren und weiterentwickeln konnten. Es gab keine eigenen Diözesanflüchtlingsseelsorger als institutionalisierte Interessenvertretung. Weder in Meißen, noch in Görlitz. Das war wohl aber auch nicht notwendig bei der hohen Zahl vertriebener Priester in den beiden Bistümern bzw. Bistumsteilen. Der innerkirchliche Integrationsprozess, so das Ergebnis Wintersteins, erfolgte durch die Erweiterung des Netzes der Pfarreistrukturen. Die ungünstige Arbeitssituation in der Diaspora, die zu geringe Zahl der Seelsorger für die wachsende Zahl der Gemeinden, die berufliche Schlechterstellung dadurch, dass die Priester ihre Inkardination in die Herkunftsbistümer nicht aufgaben und in Kauf nahmen, im Aufnahmebistum eine beruflich schlechter dotierte Stelle anzunehmen, erschwerte die Integration. In Meißen wie in Görlitz erfolgte erst in den 1950er Jahren eine Angleichung der beruflichen Positionen der vertriebenen Pfarrstelleninhaber, selbst wenn sie aus kirchenrechtlichen Gründen immer noch in ihr bisheriges Bistum inkardiniert blieben und Inhaber der bisherigen Pfarreien waren. Schwierig gestaltete sich die finanzielle Situation nicht nur der einzelnen Geistlichen, sondern der Bistümer. Sowohl Meißen wie Görlitz waren als Diasporabistümer mit einer geringen Katholikenzahl eher finanzschwach. Das Diözesangebiet Görlitz-Cottbus fand sich nach Winterstein nach der Abtrennung des Hauptteils des Erzbistums Breslau in einer desolaten finanziellen Situation wieder. Die Diasporaverhältnisse erlaubten erst im Lauf der 1950er Jahre eine finanzielle Gleichstellung mit dem einheimischen Klerus. „Eine soziale Deklassierung bedeutete die berufliche und finanzielle Schlechterstellung des vertriebenen Klerus nicht notwendigerweise. Denn dieser besaß in beiden Diaspora-Jurisdiktionsgebieten von Anfang an eine große Selbständigkeit in der Seelsorge und konnte zudem unabhängig von seiner gegenwärtigen Stellung die bereits erworbenen Titel beibehalten.“5 5

Winterstein, 251

VERTRIEBENER KLERUS IN SACHSEN 1945 – 1955

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Wie sind die spezifischen Maßnahmen für die vertriebenen Katholiken, wie etwa Rundbriefe oder auf der Ebene der Elite, also des Klerus, die Priestergemeinschaften zu bewerten? Kann man sie, wie Winterstein es tut, auch wenn sie es problematisiert, unter den Formen der Desintegration subsumieren? Ein Rundbrief kann in der Tat desintegrativ wirken, wenn er zur Gettoisierung der Vertriebenen führt. Aber können diese Informationsmedien, diese Erinnerungsmöglichkeiten, diese Dokumentationsformen nicht in den meisten Fällen eine durch die Erfahrungen der Vertreibung und der Fremde im Ankommen, in Frage gestellte Identität stabilisieren und so erst die Voraussetzung für einen Integrationsprozess schaffen? Mussten landsmannschaftliche Priesterwerke oder Königstein mit seinen vielfältigen Bemühungen um die seelsorgerliche Betreuung der Vertriebenen und die Seelsorge an den vertriebenen Priestern desintegrativ wirken? In der Konzeption einer Integrationsvorstellung, wie sie die Staatsorgane der DDR vertraten, ohne Zweifel. Aber kann man bei einer solchen möglichst geräusch- und reibungslosen Einfügung überhaupt je von Integration sprechen oder ist das nicht eine radikale Form von Zwangsassimilierung? Es gab Vertriebene, die sich abschotteten und es gab vertriebene Priester, die zwanghaft nur am Mitgebrachten festhielten. Freilich wollte nicht nur die Regierung der DDR, sondern auch viele einheimische Priester und auch viele kirchliche Amtsträger eine möglichst geräuschlose Einfügung der Vertriebenen in die vorhandenen Strukturen, sprich in die aufnehmenden Pfarreien. Solche Kleriker sahen dann die Rundbriefe der vertriebenen Priester an ihre ehemaligen Gemeinden als einen Eingriff in die eigentlich ihnen zustehende Verantwortung, als eine Einmischung in das Leben ihrer Pfarrgemeinden. Aber hängt nicht diese Wahrnehmung auch damit zusammen, dass man Angst hatte vor Fremdem, Unbekanntem, vor allem Angst hatte vor vielfältigen Formen? Muss ein Priester, der sich in landsmannschaftlich ausgerichteten Priesterwerken mit Kollegen aus seinem Heimatbistum zusammenschließt, wenn ähnliches Schicksal erfahren haben wie er, sich per se weniger den anstehenden Aufgaben in der neuen Gemeinde, in der neuen Umgebung widmen? Oder hilft ihm nicht vielmehr das eine für das andere? Eine weitere Frage muss man bei dieser Studie stellen: Lassen sich in einem Integrationsvorgang wirklich nach zehn Jahren bereits Ergebnisse feststellen? Ist nicht ein Integrationsprozess per se so strukturiert, dass er eine längere Zeitperiode beansprucht? Vielfältige Untersuchungen haben nachgewiesen, dass die Vertriebenen auch in der Bundesrepublik eine höhere Mobilität aufwiesen als die Einheimischen. Dass auch die zweite Generation der Vertriebenen eine höhere Flexibilität und Mobilität an den Tag legte. Das muss aber nicht gleich einer mangelnder Integration zur Last gelegt werden.

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IN DER DISKUSSION

Kann man also dort, wo vertriebene Priester ihre Pfarreien im Bistum Meißen oder im Restteil des Erzbistums Breslau im Görlitzer Diözesangebiet zwischen 1945 und 1955 verließen und in den Westen gingen, als ein Indiz für eine unzureichende Integration bezeichnen? Die Unzufriedenheit mit der Situation in der SBZ/DDR und die Sogwirkung der anderen Entwicklung in den westlichen Besatzungszonen, die größere Freiheit und andere Möglichkeiten boten, ist nicht nur auf die Priester zu beobachten, sondern auch die gesamte Bevölkerung und mit unzureichender Integration keineswegs ausreichend erklärt. „Diese Abwanderung des Vertriebenenklerus in den unmittelbaren Nachkriegsjahren kann streng genommen noch nicht als Desintegration bezeichnet werden. Sie ist vielmehr ein Ausdruck fehlenden Willens zur Integration, der aus schrecklichen Erlebnissen mit der Roten Armee während des Krieges und einem daraus gespeisten Unwillen, im sowjetischen Machtbereich ansässig zu werden, in der Verantwortung für in die westlichen Zonen vertriebene Familienmitglieder oder aber aus dem Bestreben, in Gegenden mit mehrheitlich katholischer Bevölkerung zu gelangen, resultieren konnte.“6 So Winterstein in ihrem Fazit. Warum operiert sie dann so extensiv mit dem Begriff der Desintegration? Ist diese Fragestellung vielleicht doch nicht so aufschlussreich, wie es anfangs ausgesehen hatte? Lässt sie nicht die nötige Differenzierung zu? Immer wieder treten in der Untersuchungsperspektive naturgemäß neben den Eliten die Gläubigen, die Bevölkerung auf. Es scheint schwierig, sich allein in der Fragestellung auf die Eliten konzentrieren zu wollen. Offen bleibt auch in dieser regional und zeitlich doch eng begrenzten Studie die Frage, wie sich die religiösen Traditionen in den Gemeinden, die die Vertriebenen aufgenommen haben oder die von den Vertriebenen gebildet wurden, langfristig verändert haben durch den Katholizismus, den die Vertriebenen aus ihren Herkunftsregionen mitgebracht haben. Winterstein übernimmt von Josef Pilvousek die Formel, dass sich die Kirche von der Flüchtlingskirche zur Katholischen Kirche in der DDR gewandelt habe. Damit ist aber eher die Veränderung in der Gesamtsituation, in den Bedingungen, die von außen geschaffen werden, charakterisiert, als die Veränderung im Inneren beschrieben. Es wird deutlich, dass an führenden Stellen, nicht zuletzt in der Ausbildung des katholischen Klerikernachwuchses, Vertriebene tätig waren. Winterstein spricht von den eigenen Prägungen, Anschauungen und Auffassungen, die diese an solchen Stellen an die nachfolgende Generation weitergegeben haben. Sie spricht davon, dass die Breslauer Tradition so auf den DDR-Katholizismus wirken konnte. Aber wie sah sie aus, diese Breslauer Tradition und was davon konnte weiterwirken? Wie wurde es modifiziert? 6

Winterstein, 253

VERTRIEBENER KLERUS IN SACHSEN 1945 – 1955

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Gerade in den Kirchenmauern konnten die Vertriebenen kulturelle Traditionen einbringen und weiterführen. Gerade dort wäre es interessant gewesen, diese aufzuspüren und nachzuzeichnen, dann hätte man eine breitere Basis, um die Frage nach Integration oder Einpassung beantworten zu können.

RAINER BENDEL

Wie die Schlesier Christen wurden, waren und sind. Ein Beitrag zur schlesischen Kulturgeschichte1

Christ sein ist eigentlich immer Christ werden. Die Realisierung der christlichen Botschaft steht und fällt mit ihrer Weitergabe, mit dem Leben dieser Tradition, mit der Einübung in das Christsein, die der Begleitung bedarf, der Unterweisung, der Katechese. Insofern ist die neue Synopse der schlesischen Kirchengeschichte, die Nastainczyk mit diesem Buch vorlegt, nicht nur neben Marschall und Köhler ein weiterer handlicher Überblick über eine in tausend Jahren gewachsene Stofffülle für breitere Kreise, sondern eine neue Perspektive aus der Feder des Religionspädagogen auf die tausendjährige Geschichte des Bistums und Erzbistums Breslau, das im 20. Jahrhundert in weitere Bistümer unterteilt wurde. Nastainczyk wagt den Schritt zu einem neuen inhaltlichen Schwerpunkt. Entsprechend wichtig sind ihm die Anfänge des Christentums in Schlesien – wie die Schlesier christlich wurden. In sieben Schritten zeigt er das Annehmen und die Weitergabe der christlichen Botschaft im Raum an der Oder auf. Von der Einbringung und Einwurzelung des Christentums im Oderland, also der Zeitraum etwa von 950 bis 1170 über die landesweite Verortung und Ausgestaltung des kirchlichen Lebens im Kontext westlicher Besiedlung und Modernisierung Schlesiens von 1171 bis 1335. Der dritte Schritt zeichnet die zwei wechselvollen Jahrhunderte der böhmischen Lehnsherrschaft, der Renaissancekultur und der Bildung breiter Schichten durch kirchliche Schulen von 1335 bis 1526 nach. Der vierte widmet sich dem christlichen Leben und Lernen im habsburgisch geeinten und konfessionell geteilten Schlesien, also dem Zeitraum von 1526 bis 1740. Das fünfte Kapitel ist dem christlich1

Wolfgang NASTAINCZYK, Wie die Schlesier Christen wurden, waren und sind. Ein Beitrag zur schlesischen Kulturgeschichte, Verlag: Schnell und Steiner, Regensburg 2011, ISBN 978-3-7954-2468-8, 276 Seiten festgebunden, Personen- und Ortsregister. Im Anhang ab 245 ein ausführliches Literaturverzeichnis.

WIE DIE SCHLESIER CHRISTEN WURDEN, WAREN UND SIND

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religiösen Leben und Lernen in preußisch- und österreichisch Schlesien vorbehalten – umfassend den Zeitraum von 1740 bis 1870. Das vorletzte Kapitel stellt das christliche Leben und Lernen im geteilten und geeinten Schlesien zwischen 1870 und 1945 vor und ein siebter Schritt befasst sich schließlich mit den Weiterungen seit 1945, der Umgestaltung und Entfaltung des Christseins auf schlesisch und zwar zum einen dem polnischen Schlesien und zum anderen den Schlesiern in der sowjetischen Besatzungszone DDR, also im erzbischöflichen Amt in Görlitz und dann den katholischen Schlesiern in den Westzonen und der Bundesrepublik Deutschland – nicht zuletzt den schlesischen Traditionen in tschechischen Gebieten und Bistümern. Geschichte der Katechese ist ein Stück Sozialgeschichte, ein zentrales Thema der Seelsorgegeschichte, der Geschichte des christlichen Lebens – einer Kirchengeschichte also, die nicht nur die Personen und Ereignisse auf der Leitungsebene vorstellt, sondern den Alltag vor Ort in den Familien, in den Gemeinden, in den Schulen in den Blick nimmt. Die sozialgeschichtlichen und soziologischen Frageperspektiven, die vor allem von der Religionsgeschichte an die Kirchengeschichtsschreibung herangetragen werden, sind eine herausfordernde und befruchtende Anfrage an die Kirchengeschichte. Dadurch ergeben sich konsequent durchdacht Geschichten, die das neben-, mit-, oft auch gegeneinander unterschiedlicher konfessioneller- und Religionsgemeinschaften in den Blick nehmen, die Ungleichzeitigkeiten innerhalb dieser Gemeinschaften nicht ausblenden. Jedenfalls ist eine solche Geschichte religiöser Gemeinschaften dann keine heilsgeschichtlich geprägte, konfessionelle Selbstbeschreibung und Selbstbehauptung mehr, sondern eine Geschichte, die die gesellschaftlichen und geistesgeschichtlichen Verflechtungen, die Konnexe und Kontexte religiöser Deutungssysteme auf der geistigen Ebene, aber auch in ökonomischen Umbrüchen und gesellschaftlichen Veränderungen beleuchten. Es zeigt sich, dass religionsgeschichtliche Themen auch von Profanhistorikern breit aufgegriffen werden. Sie interessieren in ihren politischen, ökonomischen, mentalen und nicht zuletzt kulturellen Implikationen und Konsequenzen. Dieses Interesse und auch diese Korrektur sind aus der Sicht des Kirchenhistorikers nur zu begrüßen. Freilich lassen sich in solchen religionsgeschichtlichen Perspektiven oft Defizite und Desiderate nicht übersehen: die Religion kommt in ihren Auswirkungen, in ihren Außenwirkungen in den Blick. Dabei werden nicht selten interne Differenzierungen in den Religionsgemeinschaften übergangen. Die Entwicklungen, Ungleichzeitigkeiten, Gegenläufigkeiten, die Pluralität an Traditionen, Formen und religiösen Praktiken in den Kirchen.

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Wo Kirche als Volk Gottes verstanden wird, kommen nicht nur die Leitungsstrukturen in der Geschichtsschreibung in den Blick, sondern die Gemeinschaft der Gläubigen, wie sie in der Welt steht und wirkt, ohne den Anspruch monumentalistische oder apologetische Geschichtsschreibung zu treiben. Es geht um die Frage nach der Realisierung bzw. Nicht-Realisierung christlicher Vorstellungen und Ideale. Geschichte, die die einzelnen Gruppen und einzelnen Menschen nicht ausblenden will, muss bereit sein, traditionelle Vorstellungen von Kirche und Gesellschaft in Frage zu stellen. Je mehr sich geschichtliches Interesse den Vorgängen an der Basis und dem Alltag der Menschen zuwendet, umso mehr verändern sich unsere Kenntnisse der Geschichte und unser Geschichtsbild. Ein wichtiger Zugang zur Fülle dieser Aspekte könnte die Untersuchung der Geschichte der Seelsorge sein, insofern Seelsorge im Sinn des Zweiten Vatikanischen Konzils in enger Verknüpfung mit dem Selbstverständnis der Kirche gesehen wird, einer Kirche, die in einem engen Kontext, in enger Wechselwirkung mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Sektoren steht. Eine solche Geschichte der Seelsorge wird immer auch auf die Weitergabe des Glaubens in Gruppen und auf der Einzelebene Wert legen, auf die Lebens- und Alltagswelt der Menschen auf ihre Mentalität, auf die Widerständigkeit auch, die Tradition zu übernehmen und weiter zu tragen, auf verschiedene Phänomene der Volksreligiosität. Es wird also zu einer Konfrontierung eines Konzepts von Katechese, von Tradition und Tradenten mit der konkreten Volksreligiosität und Volkskultur, mit Brauchtum, Denken und Empfinden des Volkes kommen. Letztlich geht es also um eine Vielfalt von Kommunikationsprozessen; wenn Kommunikation als mehr verstanden wird, denn ein Austausch von Informationen, auch mehr als eine Form gegenseitiger Verständigung über gemeinschaftliches Handeln. Wo es auch um die kommunikativen Formen geht, um die unterschiedlichen Stile, um die verschiedenen sozialen Milieus, die mittels der Kommunikationsformen kontextualisiert werden. Wenn Katechese als ein solcher Kommunikationsprozess verstanden wird, dann ist auch das im Ergebnis Offene eingeschrieben. Auch das Prekäre und Widerständige wird gewürdigt im Gegensatz zu den Theorien der Einheit der Institution oder der Gesellschaft, also im Gegensatz zu den Theorien der sozialen Integration. Wie spannend diese Frageperspektiven sein können, leuchtet an verschiedenen Stellen der Zusammenschau von Nastainczyk auf. Freilich ist seine Geschichte auch eine Geschichte der kirchlichen Institutionen und Personen in Schlesien, eine Zusammenstellung wichtiger Fakten und Hintergründe, ein, wie er im Vorwort betont, erinnernder Rückblick eines Vertreters der

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Erlebnisgeneration, der „noch ein deutsches Schlesien erfahren und in Erinnerung hat“. (7) Dieser Standpunkt, bestimmt von der Dankbarkeit für das eigene Christsein, das geprägt ist vom christlichen Erbe Schlesiens, ist bei der Lektüre und Würdigung mit zu berücksichtigen. Denn die Geschichte des Christseins der Schlesier oszilliert zwischen Erinnerung und Zusammenschau, der Zusammenschauen der Historiographie und dem Fokus auf die Katechese und vor allem auf deren Träger. Nastainczyk gliedert die einzelnen Kapitel in die Erzählung des Hintergrundes und Kontextes, in Markierungen, also Vertiefungen auf die Themenperspektive hin, die eigentliche Katechesegeschichte und exemplarische, große Gestalten christlich-religiöser Erziehung auf. Der eher in klassischer Tendenz verfasste Hintergrund dominiert vom Umfang her gesehen. Auszüge aus zentralen Quellen sind exemplarisch bei den einzelnen sieben Kapiteln eingeblendet, wobei der Bezug zum thematischen Schwerpunkt Katechesegeschichte nicht immer klar nachvollziehbar ist. So bleibt z. B. die Frage offen, warum im Kapitel fünf zum christlichreligiösen Leben und Lernen in preußisch und österreichisch Schlesien von 1740 bis 1870 ein Auszug aus einem Vortrag von Christian Garve über die Lage Schlesiens in verschiedenen Zeitpunkten als Quelle eingeblendet wird und nicht ein Text von Johann Ignaz von Felbiger oder Benedikt Strauch etwa. Auch bleibt die Frage offen, warum nicht diese Neuakzentuierungen durch Felbiger und Strauch, die ja weit über Schlesien hinaus im habsburgischen Bereich und auch im Zarenreich Russlands ihre Wirkung entfalten konnten, breiter markiert werden, gleichzeitig aber all die Stifte und Klöster und Frauengemeinschaften, die 1810 säkularisiert wurden, aufgelistet werden. Obwohl viele von ihnen mit der Katechese nichts zu tun hatten. Auch die Diskussionen, die über die rechte Art zu katechisieren im Dioecesanblatt für den Clerus der fürstbischoeflich Breslauer Dioeces von 1803 bis 1820 geführt wurden, thematisch an einer Scharnierstelle der Katechese zentral einschlägig wären, sind nicht erwähnt, weil dann in der konkreten Durchführung eben doch die traditionelle Faktographie an vielen Stellen die Oberhand gewinnt und die Bischofsgeschichte einen breiten Raum einnehmen darf. Exemplarisch werden für das Spätmittelalter Lehrerpersönlichkeiten vorgestellt. Man wünschte sich mehr solcher Skizzen. „Ähnliche Einzelschicksale ließen sich unschwer erst recht von Schülern jener Zeit nachzeichnen. Ein zuverlässiges Gesamturteil über Niveau und Folgewirkungen ihrer Schulbildung ergäbe sich daraus jedoch nicht. Ohne Zögern darf über die drei erwähnten Schultypen im Schlesien des späten Mittelalters jedoch gemutmaßt werden: Sie versetzten Lehrende und Lernende in eine christentümliche Lebenswelt und Kultur. Sie konfrontierten vielfältig mit katholischem Glaubens- und Lebenswissen ihrer Zeit. Sie übten in kirchliche und volksfromme

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Lebensäußerungen ein. Lehrkräfte und Schülerschaft trugen objektiv christliche Lebensäußerungen aber auch in Familien und Öffentlichkeit, besonders durch liturgische Dienste, Kirchengesang, Prozessionen und Schulspiele. Insofern bilden diese Typen katholischer Schulen einen prägenden Bestandteil der damals christentümlichen Kultur Schlesiens.“ (70) Solche Beispiele wünschte man sich, um auch Nuancen und Differenzierungen in den kirchlichen und volksfrommen Lebensäußerungen zumindest in Anfängen nachzeichnen zu können. „Insofern bedeutete Leben im Schlesien des späten Mittelalters eine ständige und vielgestaltige, kirchenoffiziell wie frei gestaltete Herausforderung dazu, christliches Glaubens- und Lebenswissen aufzugreifen, zu verarbeiten und in Leben zu übersetzen. Es ist leicht möglich, dass diese letzte ungebrochen katholische Periode schlesischer Geschichte die Mentalität des schlesischen Stammes bleibend beeinflusst und dazu beigetragen hat, daß diesem eine solide, rege, gemütstiefe, bisweilen aber auch übereifrige und fragwürdige Religiosität zugeschrieben wird“. (71) Während Nastainczyk in diesem Absatz seiner Markierungen zur Katechese des späten Mittelalters noch die Einheitlichkeit, die ungebrochen katholische Periode unterstreicht, fast möchte man meinen, wehmütig unterstreicht, hebt er im folgenden Abschnitt die Differenzierungen hervor. Mit diesem Hintergrund müsste man an die Analyse einzelner Beispiele herantreten. „Das christentümliche Klima war im Herbst des Mittelalters in Schlesien jedoch keineswegs zwingend oder gleichsinnig produktiv, vielmehr heterogen, spannungsreich und auch dissonant, ja widersprüchlich. Bereits eine Vielzahl von kompatiblen, innerkatholischen Visionen, Optionen und Subkulturen nötigte fortlaufend zu Entscheidungen. Noch stärker forderten jedoch anziehende heterodoxe Strömungen und Kirchentümer heraus. Vorab die Hussiten, aber auch andere Reformer, Neuerer und Schwärmer machten schlesischen Christen des Mittelalters bewußt, dass Christsein auch subjektiv verantwortet, gewählt und gestaltet werden muss. Zugleich bahnten sich in Gärungsprozessen dieser Zeit vielleicht bereits unkomplizierte und tolerante Wechselbeziehungen unter verschieden orientierten Menschen an, die in Schlesien seit dem Mittelalter immer auch glückten.“ (71 f.) Warum spricht Nastainczyk für das hohe Mittelalter vom ‚Heiligen Römischen Reich deutscher Nation’ (S. 13)? Sind hier noch die alten nationalen Antagonismen slawisch, westeuropäisch, polnisch, deutsch valent? Gleichzeitig muss man die Offenheit im Schlusskapitel würdigen. Nastainczyk hat tausend Jahre Christianisierung und kirchliches Leben in Schlesien auf 250 Seiten skizziert. Er hat dabei die Bedingungen, das Umfeld, den politischen, kulturellen Hintergrund immer wieder mit einbezogen, neue Akzente gesetzt, will Mentalität ergründen: Warum sind die Schlesier

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außergewöhnlich fromm, Gott ergeben, kirchentreu? Er lässt so eine tausendjährige, bewegte Geschichte christlicher Kultur lebendig werden, die an vielen Stellen Weiterführung, Vertiefung, Exemplifizierung provoziert. Möge das Werk in diesem Sinn vielen eine vielfache Anregung sein.

RAINER BENDEL

‚Damit das Volk eins sei’1 – hussitische Revolution zwischen Oboedienz und konziliarem Ringen um die unio in der Christenheit – oder gar unter den Religionen?2

Der Altmeister der deutschen Husforschung präsentiert mit dem vorliegenden Band die Ergebnisse einer Jahrestagung des Instituts für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte zum Thema „Hussitische Revolution: Religiöse, politische und regionale Aspekte von 2008“. Sie war quasi eine Fortführung der Tagung von 2001 zum Thema „Kirchliche Reformimpulse des 14./15. Jahrhunderts in Ostmitteleuropa“ und wollte das europäische Gedenken zum 600. Jahrestag der Verbrennung des Jan Hus auf dem Konzil in Konstanz von 1415 mit vorbereiten. Die Spannbreite der Beiträge reicht von grundsätzlichen Perspektiven auf den Hussitismus, über dessen regionale Aspekte bis hin zur aktuellen Relevanz des Themas zum Hussitismus in der Sicht des 19. und 20. Jahrhunderts und zur Instrumentalisierung des Geschichtsbildes. Thomas Wünsch behandelt den Hussitismus als Deutungsparadigma der tschechischen Geschichte (265-277). Die regionalen Aspekte des Hussitismus unterstreicht Franz Machilek mit einem Beitrag über ‚Schlesien: Hus und die Hussiten’ (109-141) – ein langjähriges Arbeitsthema des Hussitismusspezialisten Machilek. Heike Faltenbacher behandelt Eger als antihussitisches Zentrum und als Verhandlungsort während des Basler Konzils (143-161). Franz Fuchs thematisiert einen deutschen Hussiten, nämlich Ulrich Grünsleder aus Vohenstrauß (223-233), und Michaela Bleicher untersucht den Kriegsalltag im bayerisch-böhmischen Grenzgebiet, wie er sich in den Quellen des Her1 2

Aus Jan HUS, De ecclesia. Franz MACHILEK (Hg.), Die hussitische Revolution. Religiöse, politische und regionale Aspekte, Köln, Weimar, Wien 2012-07, 292 Seiten, 39, 90 €.

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zogtums Niederbayern-Straubing widerspiegelt (235-250). Zusätzlich zu seinem schlesischen Schwerpunkt legt Machilek eine zweite regionale Sonde über die Hussiten in der Oberpfalz (181-222). Grundsätzliche Perspektiven richtet Peter Hilsch mit der Frage an Jan Hus, ob er als Reformator Kirche und Reich bedroht habe (25-37). Winfried Eberhard problematisiert in der langen Tradition seiner Themenschwerpunkte den Begriff ‚Toleranz im Kontext der hussitisch-katholischen Koexistenz im 15. Jahrhundert’ (93-105). Jaroslav Boubin stellt Peter Chelcickys Ausführungen zur Gesellschaft vor (77-91). Blanka Zilynska untersucht die hussitischen Synoden als Vorläufer der reformatorischen Synodalität (57-75) und Dusan Coufal wertet neue Quellen zu Johannes Rokyčanas Verteidigung des Laienkelchs auf dem Basler Konzil im Januar 1433 aus (39-56). Zu Hus und Hussitismus ist in den letzten Jahren auf tschechischer wie auf deutscher Seite eine Vielfalt an Literatur – allesamt um Differenzierung und Ausgleich bemüht – erschienen. Machilek hat in seinem Vorwort die einschlägigen Publikationen vorgestellt. Dass der vorliegende Band trotzdem noch neue Aspekte vorstellen konnte, verdient auf diesem Hintergrund eine besondere Würdigung. Einige dieser neuen Aspekte sollen hier herausgegriffen werden: Der Magister Johannes Rokyčana hat 1433 in der Plenarversammlung des Basler Konzils den Prager Artikel zum Laienkelch verteidigt. Mit einer strategisch sehr geschickt aufgebauten Rede, in der er die vielfältigen Dimensionen der Communio ausleuchtete – von kommunikationstheoretischen Erwägungen bis zu theologischen Argumenten – produzierte er einen theologisch gewichtigen Text – in einer Debatte des Basler Konzils, die gern in der Forschung hinter der zentralen Frage des Konzils nach Papalismus und Konziliarismus zurücktrat. Dabei darf nicht übersehen werden, dass das Basler Konzil neben der Frage nach den Strukturen kirchlicher Leitung und kirchlicher Konsensfindung auch so zentrale Aufgaben wie die Verhandlung mit den Böhmen und auch die Bemühung, mit den Ostkirchen überhaupt in seinem Programm hatte. Umso wichtiger ist es, diesen zentralen Text des Johannes Rokyčana einer ausführlichen Textkritik zu unterziehen. Dusan Coufal begnügt sich nicht mit den bisherigen unkritischen Textausgaben von Rokyčanas Rede, die zumeist aus dem 18. Jahrhundert stammen, sondern geht auf die Ebene der handschriftlichen Überlieferung. Da kann er deutlich die Quellen des Traktates von Johannes Rokyčana herausarbeiten, nämlich die Regulae veteris et novi testamenti des Matthias von Janov, den Traktat Corde credendum des Jakobellus von Mies und einen Traktat des Johannes von Pribram. Der Entstehungskontext des Beitrags von Rokyčana auf dem Basler Konzil wird rekonstruiert, die breite böhmische Diskussion, die er vertritt,

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vorgestellt. Rokyčana habe bewusst die Argumente der Vorgängergeneration der böhmischen Reformtheologen berücksichtigt. „Die drei Textebenen der Verteidigungsrede (Quellen, vorläufige Fassung, offizielle Fassung) erlauben nicht nur einen bemerkenswerten Einblick in die Arbeitsweise Rokyčanas, sondern bieten auch ein ungewöhnlich komplexes Bild der Entwicklung der utraquistischen Apologetik und ihrer Gattungen.“ (55) Eine zweite zentrale Perspektive wirft Blanka Jelinska in ihrer Untersuchung der hussitischen Synoden auf. Die Synodaltätigkeit in Prag am Beginn des 15. Jahrhunderts ist rege. Die Reformdiskussion im böhmischen Raum in diesen Jahrzehnten findet Eingang in die Verhandlungen der Synoden. Gleichzeitig verlagern sich die Disputationen aus dem universitären Raum zunehmend in die breitere Öffentlichkeit hinein. Beide Entwicklungen, die reiche synodale Tätigkeit, wie die neue Reichweite und der neue Adressatenkreis der Disputationen, sind Entwicklungen, die bisher häufig als typisch für die Reformation angesehen wurden, die aber offensichtlich bereits hundert Jahre früher wahrzunehmen sind und somit sind die Parallelen, die Zusammenhänge der Reformation mit der spätmittelalterlichen Reform deutlich zu sehen. „Wenn wir zusammenfassen, was ein Vergleich zwischen der Reformations- und der böhmischen Synodalität im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts erbracht hat, kommen wir zu der erneuten Feststellung, dass es hier eine ganze Reihe übereinstimmender Merkmale gibt, aber auch Besonderheiten: Die utraquistischen Synoden in Böhmen haben sich nie völlig auf eine der Formen beschränkt, denen die Synodalität der Reformationskirchen unterliegt; mit beiden Systemen, dem lutherischen und dem reformierten, weisen sie Gemeinsamkeiten auf, die jedoch nie alles abdecken.“(73) Die Synoden wurden in Böhmen zu einem Forum, auf dem kirchenadministrative, politische und dogmatische Probleme gelöst wurden. Sie wandelten sich von reinen Priesterversammlungen zu Konferenzen, an denen auch Laien teilnahmen. Also eine Entwicklung hin zur Ständeversammlung. Wie die Landtage und Interessensversammlungen verlassen auch die Priesterversammlungen die ihnen durch königlichen Willen bzw. durch kanonische Vorschriften gesteckten engen Grenzen für ihre Verhandlungen, und ebnen den Weg für das Tagungswesen der Neuzeit. Die Utraquistensynoden setzen sich mit zahlreichen Hindernissen auseinander, die auch die europäische Reformation wird lösen müssen. In vielerlei Hinsicht wählen sie eine ähnliche Vorgehensweise, wenngleich oft auch nur in Ansätzen in feste, genau abgesteckte Formen. Die böhmischen Synoden des 15. Jahrhunderts können wir deshalb als Vorläufer, nicht aber als Vorlage für die Synodalität der europäischen Reformation bezeichnen: augenfällig ist hier eine gemeinsame Entwicklungstendenz, aber keine direkte Übereinstimmung.

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Nach dem Hinweis auf die Auswirkungen der quellenkritischen Arbeit und die Relevanz der Entwicklung der Kommunikationsforen im böhmischen Raum sei mit den radikalen gesellschaftskritischen Ausführungen des Peter Chelčický, wie sie Jaroslav Boubin vorstellt, eine dritte Perspektive angesprochen: Boubin unterstreicht die gedankliche Eigenständigkeit Chelčickýs, die ihn zu einem der rätselhaftesten Vertreter des hussitischen Denkens mache, zu einer unter den Zeitgenossen stark isolierten Figur. Radikale Kritik übte er an der gesellschaftlichen Struktur seiner Zeit, hauptsächlich an der Geistlichkeit, in der er die Hauptschuldigen für das Verderben der Gesellschaft ausmachen wollte, weil sie nicht ihrer ersten Aufgabe nachging, das Gesetz Gottes zu verkündigen. Chelčický lehnte die hierarchische Struktur der institutionalisierten Kirche ab, die auf tragische Weise von den Gebräuchen der Urkirche abgekommen sei. Die Gläubigen sollten die Kompetenz der Priester ständig beurteilen. Kriterium müsse dabei die Erfüllung des Gesetzes Gottes sein. Wenn die Laien sähen, dass der Priester diesen Anforderungen nicht gerecht werde, sollten sie ihm nicht gehorchen und von ihm auch nicht die Sakramente empfangen. Chelčický beschränkte sich aber nicht auf die Kritik an der Hierarchie und am Klerikerstand, sondern bezog auch den Adel mit ein. Auch er hat keine Begründung in der Bibel. Einen Vorrang aufgrund der körperlichen Geburt kann er nicht anerkennen. Ein ähnliches Argument verwendet er im Hinblick auf die städtische Bürgerschaft. Die lässt sich ebenfalls nicht aus der Bibel rechtfertigen. Städte sind für Chelčický ein fremdartiges Element in der Gesellschaft. Die Gesellschaft in ihrer vorliegenden Struktur präsentiere nach Chelčický nicht den mystischen Körper Christi oder seiner Kirche, sondern viel eher den Körper des Antichrist. Die christliche Gesellschaft funktioniere nach den Prinzipien von Gottesgesetz nach dem Gesetz der Liebe. „Eine wirklich christliche Gesellschaft ist laut Chelčický undenkbar ohne eine spirituelle und soziale Einheit, ohne die Gleichheit untereinander und ohne die Unterordnung des Menschen allein unter Gott und dessen Gesetz. Diese Gesellschaft setze freilich einen anderen Menschen voraus, der nicht bereits durch eine bestimmte Funktion in der Gesellschaftsordnung determiniert sei.“(91) Mit diesen Perspektiven zeigt sich, wie die Veränderungen in der spätmittelalterlichen Gesellschaft Eingang finden in die theologischen Überlegungen und in die Diskussionsforen, wie sich das Kirchenbild zu wandeln beginnt und welche Tragweite unterschiedliche Menschenbilder bekommen, wie auf das Gewissen, auf die Spiritualität des homo religiosus abgehoben wird. Insofern ist eine deutliche Zäsur im breiten Korridor des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit nicht erst mit der Reformation, sondern in den Reformforderungen, Reformbemühungen und Bewegungen des 15. Jahrhun-

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derts zu sehen, die sich anhand des Menschenbildes und des Kirchenbildes herauskristallisieren lassen. Diese Themen stoßen in den unterschiedlichsten Positionen auf den Konzilien des 15. Jahrhunderts aufeinander und wollen zu einer Lösung gebracht werden. 1415 wollte man sie noch mit dem Scheiterhaufen lösen, was nicht gelang, wie die weitere kriegerische Entwicklung in der Auseinandersetzung mit den Hussiten gezeigt hat. Eine neue Verhältnisbestimmung von monarchischer und korporativer Gewalt (im konziliaristischen Denken) – Formen der Meinungsbildung, die für die spätere demokratische Entwicklung von Bedeutung sein sollten – wurde auf dem Höhepunkt der konziliaren Theologie im Raum der Kirche erprobt. Die böhmischen Reformbewegungen sind kein regionales Exotikum, sie hatten bereits zeitgenössisch europaweit Sympathisanten gefunden – von Polen bis Siebenbürgen und von der Schweiz bis in die Niederlande. Aber nicht nur aus geographischen Gründen erscheinen sie aufschlussreich, sondern gerade in den neueren theoretischen und methodischen Überlegungen zur Erforschung und Bewertung mittel- und spätmittelalterlicher Themen, etwa wo es darum geht, Kommunikation und Konflikt als zentrale Aspekte der Mediävistik zu realisieren.3 Appliziert auf die Vorgänge im Böhmen des 14. und beginnenden 15. Jahrhunderts könnte das bedeuten, den ekklesiologischen Aspekt deutlicher zu beleuchten – fokussiert etwa auf Kirchenreform und Dialog auf dem Reformkonzil in Basel: Wie bewertete man den Dissens? Wie ging man mit Dissidenten um – zumal sich der Dissens primär an ekklesiologischen Fragen entzündete, die nicht zuletzt aus sozialen Gründen unterschiedlich bewertet wurden. Primär unter der Frageperspektive des konziliaren Selbstbewusstseins begegnen die Hussiten in den neueren Forschungen zum Basler Konzil: Johannes Helmrath plazierte sie in seinem Forschungsüberblick über das Konzil unter der Rubrik „Theologische Sonderthemen“. Nach Helmrath ließe sich manches Detail an den vier Prager Artikeln, der gemeinsamen Identifikationsbasis der heterogenen böhmischen Reformgruppen, auf die sich inhaltlich die Diskussion konzentrierte, noch schärfer herausarbeiten.4 Helmrath selbst hat in einem späteren Aufsatz als einen Aspekt dieser Aufgabe die Kommunikation in Basel thematisiert: der Schwerpunkt liegt dort auf der Geschäfts-

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Vgl. dazu die Beiträge mit dem Schwerpunkt Kommunikation zum Heft 1/2001 „Das Mittelalter“, hg. von Hedwig RÖCKELEIN. Johannes HELMRATH, Das Basler Konzil 1431-1449. Forschungsstand und Probleme, Köln, Wien 1987, 363.

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ordnung des Basler Konzils und –skizzenhafter – auf den Rahmenbedingungen, die der politische Kontext bot. Es begegnet also eine wachsende Faktenfülle, wir wissen um umfangreiches noch nicht ausgewertetes und ediertes Material, die Forschung, bisher in erster Linie die Bohemistik, hat eine breite Palette von Detailerkenntnissen auf den unterschiedlichen Ebenen erbracht, die deren Verquickung indizieren und nach Integration verlangen. Die Rede von ‚Konfessionsbildung in Böhmen‘, von der ‚Ersten Reformation‘, von der ‚Protorevolution‘ sind solche Versuche, letztlich Rückprojektionen von Erklärungsmodellen, entwickelt für das folgende Jahrhundert.5 5

In den erbitterten konfessionellen Auseinandersetzungen in Böhmen gelang (letztlich aus militärischen Gründen) der Durchbruch zu religiöser Toleranz. Es wurde nicht ein obrigkeitliches Konfessionsregiment errichtet, es konnte sich die individuelle Unabhängigkeit des konfessionellen Bekenntnisses durchsetzen. So wurde etwa 1485 im Kuttenberger Religionsfrieden auf der Basis der Kompaktaten erstmals in der europäischen Geschichte der Grundsatz der Konfessionsfreiheit auch für Untertanen angewendet. Noch 1609, also kurz bevor in Böhmen der gegenreformatorische Stoß einsetzte, wurde im böhmischen Majestätsbrief allen Untertanen die Gewissensfreiheit zugesichert und den Ständen das Recht auf Errichtung von Kirchen und Schulen auf dem Land zugebilligt. – Kann man von einer „ersten Reformation“ oder von einer „Protorevolution“ sprechen? (Vgl. dazu Josef MACEK, Die böhmische und die deutsche radikale Reformation bis zum Jahre 1525, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 85 (1974) 5-29 und Frantisek SMAHEL (Hg.), Häresie und vorzeitige Reformation im Spätmittelalter, München 1998 (= Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 39)). – Es kommt zu einer Konfessionsbildung mit Unterschieden zur postreformatorischen Konfessionalisierung – ihr fehlt die regionale Geschlossenheit, sie zeichnet sich durch partielle Toleranz aus (konfessioneller Pluralismus!) – Was ist konfliktleitend – das Religiöse oder das Soziale? Anfragen bzgl. der Dauer der Konfessionalisierung müssen formuliert werden: War der Faktor Konfession allein in dem Jahrhundert zwischen 1550 und 1650 prägend in Europa – war Böhmen im 15. Jahrhundert ein vorlaufendes Experimentierfeld? Auch hier wurden dogmatisch ab- und ausgrenzende Bekenntnisse formuliert. Waren die Fronten auch schon so verhärtet, hatte die Kommunikation noch mehr Chancen? Standen sich auch hier bereits „Weltanschauungssysteme mit Totalitätsanspruch“ (Schilling) gegenüber? Wenn ja (und ich würde es bejahen), warum waren sie dann weniger effektiv? Weil die etatistische Stütze fehlte? – Das Erklärungsparadigma ‚Konfessionalisierung‘ ist in enger Wechselwirkung mit der Modernisierung und Sozialdisziplinierung zu sehen, ist also wie die letzten beiden erfolgsorientiert und teleologisch gedacht. Es besteht daher die große Gefahr, die Frühe Neuzeit als Vorhof der Zielgestalt Moderne zu degradieren. Sozialer Wandel ist nicht immer intendiert und verläuft nicht immer zielgerichtet. Letztlich läuft es auf die Frage hinaus, wie weit Gesellschaft machbar ist, wie weit sie resistent und renitent bleibt. – Blieb nicht auch in der Konfessionalisierung ein traditionales Selbstverständnis der Geistlichkeit (bei aller Professionalisierung) oder im Bereich der Volksfrömmigkeit? Sollte man nicht verschiedene Entwicklungspfade und auch divergierende Entwicklungsziele annehmen? – gleichzeitig, nicht nur im Nacheinander, es bleiben auch traditionale Elemente in ihrer Wirkkraft präsent. – Dabei ist die Entkoppelung von Einheitsstaatsbildung und Konfessionalisierung: Adelskonfessionalisierung in Ostmitteleuropa mit zu berücksichtigen: Die Bildung von konfessionellen Gruppen mit abgrenzendem und rivalisierendem Charakter erfolgt erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts; lange Zeit bestand eine Tendenz zum

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Weitgehend ausgeblendet blieb in der bisherigen Untersuchung des Konzils, eines „Spiegel[s] einer zunehmenden Verdichtung des politischen Konzerts“ (Helmrath), das Phänomen, dass das Konzil auch ein Spiegel der zunehmenden Heterogenität des Menschenbildes und des Weltempfindens war. Wie kann Kommunikation bei differierenden Optionen und grundsätzlich verschiedenen Zielsetzungen für den Dialog gelingen? – Bei aller Konsenswilligkeit des Konzils hieß es doch: licet disputare cum hereticis ad confusionem eorum. Die Prozesse der Kommunikation werden in den Spannungskonfigurationen, in den geschichtlichen Differenzierungsprozessen zu einer aufschlussreichen Frage- und Analyseperspektive. Denn Kommunikation ist mehr als ein Austausch von Informationen, auch mehr als Formen gegenseitiger Verständigung über gemeinschaftliches Handeln.6 Sie ist eine Perspektive, die

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Synkretismus. – Die Frage nach der sozialen Formierungskraft der Konfessionen ist zu stellen: Läßt sich eine schichtenspezifische soziale Straffung in Böhmen durch differierende Interpretation des Glaubens beobachten? Ist die konfessionelle Disziplinierung beim gemeinen Mann angekommen? – Die Differenzierung ist vielschichtiger, als die Rede von der herrschaftszentrierenden Funktion der Konfessionalisierung nahelegt. „Der Wandel solcher Gesellschaften und damit auch ihr Charakteristikum ist mit Kategorien des Revolutionären, des Moderner-Werdens o.ä. allein nicht zu fassen. Es ist die Einsicht in die Notwendigkeit der Wiederherstellung der als richtig beschriebenen Vergangenheit, die zu Veränderungen beitrug.“ (Luise SCHORN-SCHÜTTE, Konfessionalisierung als wissenschaftliches Paradigma? In: Joachim BAHLCKE / Arno STROHMEYER (Hg.), Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur, Stuttgart 1999 (= Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa, Bd. 7), 63-77; hier 77) – Zu Reform als Modernisierungskrise und als Reaktion auf soziale Modernisierungsverwerfungen vgl. Heinz SCHILLING, Das konfessionelle Europa. Die Konfessionalisierung der europäischen Länder seit Mitte des 16. Jahrhunderts und ihre Folgen für Kirche, Staat, Gesellschaft und Kultur, in: BAHLCKE/STROHMEYER, Konfessionalisierung, 13-62, und kritisierend und weiterführend SCHORN-SCHÜTTE; zur Ständebildung Winfried EBERHARD, Konfessionsbildung und Stände in Böhmen 1478-1530, München, Wien 1981 (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum Bd. 38) – Fazit: Spätere Kategorisierungen wie Reformation und Konfessionalisierung lassen sich durchaus auf die böhmischen Reformbewegungen anwenden; man muß allerdings die scheinbare Eindeutigkeit abmildern, gleichzeitig wird die Einmaligkeit der Reformation Luthers (zumindest in theologischer Hinsicht) relativiert. Das verleiht inhaltlich dem Scheitern der Kommunikation im 15. Jahrhundert eine noch größere Relevanz, ja Tragik, den retrospektiven Theorien der Reformation und Konfessionalisierung wird die Reichweite beschnitten. Die Frage nach ‚feineren‘ Erklärungsmodellen bleibt also offen. Im Sinne neuerer Tendenzen in der Religionssoziologie (die die Sozialität des Religiösen untersucht), die das Soziale als Kommunikation versteht. Ich möchte nicht in die Debatte der Soziologen um den Paradigmawechsel von den Handlungstheorien zu den Kommunikationstheorien eingreifen, meine aber als Ausgangsüberlegung festhalten zu können, daß Religion, so sie intersubjektiv und kommunikabel ist, sich maßgeblich als Kommunikation vollzieht. – Kommunikation vollzieht sich überall dort, wo etwas zu verstehen gegeben wird, bzw. wo

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den Akt des Aufeinandertreffens und Auseinandersetzens, der Konsensfindung oder Dissensfeststellung untersucht. Dazu gehören nicht nur die kommunikativen Formen, die unterschiedlichen Stile, sondern auch die verschiedenen sozialen Milieus, das Selbstbewusstsein der Gemeinschaft, die mittels der Kommunikationsformen kontextualisiert werden.7 Das Selbstverständnis (und das Unbewusste) der Kommunikationspartner, Zugänge zur Kommunikationssituation, deren Gestaltung, das Zeichensystem, ergebnisoffene Diskussion oder vorschreibende Instruktion mit Zwangsmaßnahmen, Differenzen oder Affinitäten in den inhaltlichen Positionen, Gesellschaft und Weltwahrnehmung gehen in die Komplexität einer Kommunikationssituation ein. Über die Semantik8 kann diese Komplexität erschlossen werden. Der ‚Kommunikation‘ ist das Prekäre, im Ergebnis Offene eingeschrieben – im Gegensatz zu den Theorien der Einheit der Gesellschaft, der sozialen Integration. Mit diesen Überlegungen kann die eigene Frage nochmals geschärft werden: Wie weit lassen sich aus zentralen Texten der Basler Gespräche die Positionen, die die Kommunikationspartner einbringen, nachzeichnen? Welche Konfliktführung, welche Argumentationsstruktur, welche Gestalt der Kommunikation begegnen in diesen Auseinandersetzungen? Johannes Helmrath spricht im Hinblick auf die Basler und die Böhmen von den feindlichen Brüdern: Beide Parteien waren mit der Ekklesiologie bestens vertraut, setzten nur differierende Akzente. Sind wirklich die Gemeinsamkeiten mehr zu betonen als die Differenzen? Worauf lassen die differierenden Akzente schließen? Täuscht die Kommunikation in den Disputationen, in den Flugschriften, der Briefliteratur nicht über einen tief liegenden Dissens hinweg, der gesellschaftlich, mentalitär begründet ist? Beruht die Kommunikationsstörung auf einer Asynchronizität? Inwieweit waren die Kommunikationspartner fähig und bereit, sich einer folgenreichen äußeren Einflussnahme (was Kommunikation immer heißt) auszusetzen? Liegt das Misslingen der Kommunikation in unterschiedlichen Optionen begründet? Welche Problemlagen kommen hinzu, wenn wir das zeitgleiche

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jemand zumindest meint, es werde oder sei ihm etwas zu verstehen gegeben; daraus folgt das Plädoyer für eine qualitative Sozialforschung! Vgl. dazu Peter L. BERGER / Thomas LUCKMANN, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt am Main 1980. – Niklas LUHMANN, Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt am Main 1984 – Pierre BOURDIEU, Das religiöse Feld. Texte zur Ökonomie des Heilsgeschehens, Konstanz 2000 – Bernhard PETERS, Die Integration moderner Gesellschaften, Frankfurt am Main 1993, v.a. 57-221. Vgl. Niklas LUHMANN, Gesellschaftsstruktur und Semantik. 2 Bde. Frankfurt 1980-81 und Edmund ARENS (Hg.), Kommunikatives Handeln und christlicher Glaube. Ein theologischer Diskurs mit Jürgen Habermas, Paderborn u.a. 1997.

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Ringen um die unio mit den Ostkirchen mit in die Überlegungen einbeziehen? Theologisch lassen sich die böhmischen Positionen in gemeinsamen Grundlinien kurz so umreißen: a) Bei Rokyčana Annahme der Heilsgemeinschaft nicht nach eigener Vorstellung, sondern nach Christi Willen – der Kirchenbegriff lässt sich letztlich nicht institutionell fassen; Nachfolge Christi, ein Leben im Geist des Evangeliums, sind die Kernforderungen, daher wird Gehorsam nicht gegenüber der Kirche, sondern gegenüber dem Gebot Gottes eingeschärft. b) Rokyčana betont das Gewissen, die immediate Gemeinschaft des einzelnen Menschen mit Gott; der ethisch-moralische Impuls wird unterstrichen – das sind wichtige Schritte auf dem Weg zur Wende zum Subjekt. c) Die Gemeinde ist eine theologisch relevante Größe, sie wird nicht nur als Versorgungskategorie gesehen – bis hin zur Praxis des Gemeineigentums bei taboritischen Gruppen. Diese Grundoptionen lassen sich nicht einfachhin aus wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen unmittelbar ableiten, müssen jedoch in einem engen Zusammenhang mit diesen gesehen werden: soziale Verdichtung, nachgeholte Urbanisierung, Herrschaftspräsenz durch Residenzverlagerung, die Masse der Kleriker – all diese Entwicklungen in Böhmen dürfen nicht ausgeblendet werden. Die differenten Erfahrungsräume gesellschaftlicher, sozialer Art gehen in unterschiedliche Akzentuierungen der Semantik ein – unser deutlichstes Beispiel: für welche Gemeinschaft unio oder communio gewählt wird. Ein Gegenbeispiel: Johannes von Ragusa, der direkte Diskussionspartner Rokyčanas in Basel, verwendet für gratia gratum faciens und gratia gratis data ein feudales Bild: die liebende Zuneigung eines Königs zu seinen Untergebenen – der Herr liebt seinen Knecht und erweist ihm seine Gunst. Dagegen lehnen die Böhmen die Amtsgnade als individuellen Rechtfertigungsgrund ab.9 Die Wahl dieser Begrifflichkeiten drückt Zielvorstellungen aber auch Machtverhältnisse aus. Bilder und Argumentationsgrundlagen weisen auf Erfahrungshintergrund, Selbstverständnis und Zeitempfindlichkeit der Kommunikationspartner hin. In welcher Weise, mit welcher Begrifflichkeit und mit welchen Bildern von Kirche geredet wird, eröffnet bzw. beschränkt Möglichkeiten und Formen ihrer Wahrnehmung und Gestaltung: Das gemeinsame Gehen und Suchen der Wahrheit, die Unsicherheit wird thematisiert und als bedrängend empfunden. Welche anderen Erfahrungen machten die Böhmen,

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Vgl. Werner KRÄMER, Konsens und Rezeption. Verfassungsprinzipien der Kirche im Basler Konziliarismus, Münster 1980, 100f.

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dass sie dem einzelnen mehr zutrauten, dass sie andere Formen der Gemeinschaft propagierten? In den vielfältigen Krisenphänomenen10, die das kontextuelle Klima des Basler Konzils bilden, haben Normierungen und Institutionalität ihre Grenzen erreicht; deren Reichweite und Geltungsanspruch wird reflektiert. Ekklesiologische Werke entstehen in Fülle – sie sind in Oppositionen geschrieben. Inhaltlich wird, auch wenn die Diskussionen in Basel das Gegenteil suggerieren mögen, der Schwerpunkt von den Verfassungsfragen weg und hin auf Konstituierungs- und Zugehörigkeitsfragen gelenkt. Diese Ekklesiologien sind nicht nur binnentheologisch ein Erkenntnisfokus, sondern Sammelpunkte der Bilder von Mensch, Gemeinschaft und Welt – mit all den Implikationen, die es transparent zu machen gilt. Das heißt: Die Vielfalt der Ekklesiologien kann als kondensierte Diskurse und damit als aufschlussreiche Quellen für die Frage nach der Synchronizität der Positionen untereinander und der Kirche in der Gesellschaft/Welt des 15. Jahrhunderts gesehen werden. In der gesamteuropäischen Sicht müsste letztlich auch noch die Kommunikation mit den Ostkirchen für eine wie auch immer gedachte Zielgestalt der unio auf dem Konzil in Ferrara-Florenz mit bedacht werden – exemplifiziert etwa in der Position des Nikolaus Cusanus. Der Theologe, der zwei große Konzilien erlebt hat, nämlich das von Konstanz und das von Basel-Ferrara-Florenz – letzteres hat er entscheidend mitgestaltet – hat die Nachwehen der langen Kirchenspaltung innerhalb des Abendlandes mitbekommen; diesem Theologen lag die Einheit der Kirche und ihre Reform an Haupt und Gliedern – ohne diese gab es keine Einheit der Kirche – besonders am Herzen. Nikolaus von Kues gehörte zu einer Delegation, die 1437 nach Konstantinopel fuhr, um die 700 griechischen Abgesandten, darunter den Kaiser und den ökumenischen Patriarchen, zum Unionskonzil zu geleiten, das in Ferrara begann und in Florenz weitergeführt wurde. Nach nicht immer leichten Verhandlungen wurde 1439 die Union feierlich beschlossen, aber es gelang nicht, sie allgemein durchzusetzen. 10

Die Ausdifferenzierung Seibts (vgl. Ferdinand SEIBT, Hussitica. Zur Struktur einer Revolution, Köln 1965 (= Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 8); 2. Auflage Köln, Wien 1990) zeigt die Relevanz sozialer Problematik: die Stadtentwicklung Prags im 14. Jahrhundert als verspätete Entwicklung, nachdem die Luxemburger das Zentrum des Reiches dorthin verlegt hatten – nach der „Revolution“ des 12. und 13. Jahrhunderts, die sozialen Spannungen (auf 25-30 Prager kam ein Geistlicher), die Entwicklung der Staatlichkeit, Formen der Repräsentation (Stände, dem gewählten König wird die Anerkennung verweigert, kirchliche Amtsträger werden nicht automatisch akzeptiert), Macht- und Hierarchiekritik, Kritik an der Verrechtlichung und Zentralisierung als Reaktion auf „Modernisierungstendenzen“ durch die Präsenz der kaiserlichen Zentralgewalt (1348 Gründung der Universität, 1356 ‚Goldene Bulle‘).

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IN DER DISKUSSION

Auf der großen Reise nach Konstantinopel war Nikolaus von Kues nicht nur mit den Christen der Ostkirche, sondern auch mit den Muslimen zusammengetroffen. Am Gespräch mit diesen hatte ihm besonders gelegen. Einheit oder doch mindestens Übereinkunft, friedliches, sachliches Miteinander war ja immer neben der Reform der Kirche der starke Antrieb seines Lebens und Denkens. Als die Türken dann einige Jahre später endgültig zur Liquidierung von Konstantinopel ansetzten und es schließlich 1453 mit harter Gewalt einnahmen, begriffen weite Kreise des Abendlandes überhaupt erst, welche Bedrohung aus dem Osten auf sie zukam. Politisch setzte keine Gegenwirkung ein. Nikolaus von Kues aber, tief beeindruckt von diesem einschneidenden Ereignis, dessen universale Bedeutung als Abschluss einer ganzen Geschichtsepoche er sofort erkannte, sah hier den Anlass zu einem Aufruf an die gesamte Christenheit, zusammenzurücken und alle Meinungsverschiedenheiten zu überwinden, das achtungsvolle, brüderliche Gespräch mit den Angehörigen anderer Völker und nichtchristlicher Glaubensüberzeugungen zu suchen – nicht zuletzt mit den islamischen Türken. Was ihm am Herzen lag, sprach er in der genuin ökumenischen Vision seines Buches über den Frieden im Glauben aus. Was für eine Vision war das nun? Ein Mann, so schreibt Nikolaus von Kues, und meint dabei sich selbst, der früher einmal in Konstantinopel gewesen war, wurde von den Nachrichten über die grausamen Verfolgungen der Christen durch den türkischen Sultan tief ergriffen. Was ihm dabei besonders zu schaffen machte, war die Erkenntnis, dass diese Verfolgung aus eigentlich ehrenwerten Gründen geschah, nämlich aufgrund beiderseitig ehrlicher, aber eben verschiedener Auffassungen über Wesen und Ausübung der Religion. Das brachte ihn auf den Gedanken, es müsse doch möglich sein, durch eine Konferenz verständiger Männer, die über alle Verschiedenheiten der Religionsausübung auf der ganzen Erde unterrichtet wären, eine gewisse Übereinstimmung herbeizuführen und dadurch einen beständigen Religionsfrieden zu sichern. Dann schildert Nikolaus, wie sich im Hohen Rat der Himmlischen vor Gottes Thron durch den Mund der Vertreter der Völker und Religionen die Klagen aus dem ganzen Erdkreis häufen. Im Namen aller Gesandten spricht ihr Oberster zu Gott: „Herr, König des Weltalls, aus einem einzigen Menschen hat sich eine Menge von Völkern vervielfältigt. Du weißt aber, oh Herr, dass eine große Menge nicht ohne viele Verschiedenheiten sein kann und nur wenige unter allen haben so viel Muße, dass sie in selbständigem, freiem Urteil zur Erkenntnis ihrer selbst gelangen. Durch viele irdische Sorgen und Geschäfte sind sie entfremdet und vermögen so Dich, der Du ein verborgener Gott bist, nicht zu suchen. Daher hast Du Deinem Volke mehrfach Könige und Seher, Propheten genannt, gegeben, von denen viele im

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Dienst Deines Auftrags und in Deinem Namen Kult und Gesetze angeordnet und das unwissende Volk belehrt haben. Den verschiedenen Nationen aber hast Du verschiedene Propheten und Lehrer gesandt, die einen zu dieser die anderen zu jener Zeit. Im irdischen Wesen des Menschen liegt es nun, dass eine lange geübte Gewohnheit, die zur Natur geworden ist, verteidigt wird. So entstehen, wenn jedes religiöse Gemeinwesen seine Glaubensüberzeugung der der anderen voranstellt, nicht geringe Meinungsverschiedenheiten. So eile denn Du zu Hilfe, der Du es allein vermagst, denn um Deinetwillen, den sie allein verehren in all dem, was alle anzubeten scheinen, besteht dieser Wettstreit… Sei gnädig und zeige Dein Antlitz und Heil wird allen Völkern widerfahren, denn niemand entzieht sich Dir, außer, wer dich nicht kennt. Wenn Du Dich herablassen wirst, so zu walten, dann werden das Schwert, der neidische Hass und jedes Leiden ruhen und alle werden einsehen, dass unter aller Verschiedenheit der religiösen Bräuche nur eine Religion besteht.“11 Hier drängen sich vergleichend in einer anderen Dimension die Fragen nach der Bewertung der Differenz – (haben die Byzantiner ihre Eigengewohnheiten aus reiner Bosheit gegen die römische Kirche eingeführt – lateinische Florilegien gegen die Griechen) bzw. der Vertreter der Differenz (ein dürrer Zweig, der abgehauen werden muss oder die konkurrierende Vielfalt, die die Gottesverehrung intensiviert), nach den Unionsvorstellungen, nach dem Wandel im Theologieverständnis des 15. Jahrhunderts in Ost und West – auch als Geschichte der Wahrheitssuche als Synthese von höchst personaler und ekklesialer Überzeugung – neu auf.

11

Nikolaus VON KUES: Über den Frieden im Glauben, hg. Von Ludwig MOHLER, Leipzig 1943. Vgl dazu etwa auch Gerd HEINZ-MOHR, Friede im Glauben. Die Vision des Nikolaus von Kues, in: Rudolf HAUBST (Hg.), Nikolaus von Kues als Promotor er Ökumene. Akten des Symposiums in Bernkastel-Kues vom 22. bis 24. September 1970, Mainz 1971 (= Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 9), 166-184. Dort auch: Werner KRÄMER, Der Beitrag des Nikolaus von Kues zum Unionskonzil mit der Ostkirche (34-52) und Hermann HALLAUER: Das Glaubensgespräch mit den Hussiten (53-75).

Mitteilungen und Verschiedenes

Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e. V. Regensburg 4 9 . Ar b e it s ta g u n g Die 49. Arbeitstagung des Instituts für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. fand vom 6. bis 9. August 2012, gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages, im Priesterseminar Breslau / Wrocław (Polen) mit 31 Teilnehmern statt. Rahmenthema: Zwischen kirchlicher Disziplin und gesellschaftlichen Ansprüchen. Der Seelsorgeklerus in den Auseinandersetzungen mit den Zeitströmungen des 19. Jahrhunderts – am Beispiel preußischer Diözesen Moderation: Prof. Dr. Rainer Bendel (Tübingen) Prof. Dr. Kazimierz Dola (Neisse/Nysa) Montag, den 6. August 2012 Bis 18.00 Uhr Anreise 18.00 Uhr Abendessen 19.00 Uhr Begrüßung durch den 1. Vorsitzenden des Instituts Msgr. Dr. Paul Mai (Regensburg) 19.15 Uhr Prof. Dr. Rainer Bendel (Tübingen): Einführung in die Tagung Dienstag, den 7. August 2012 8.30 Uhr Prof. Dr. Rainer Bendel (Tübingen): Klerus und Reform am Anfang und am Ende eines langen Jahrhunderts 9.30 Uhr Prof. Dr. Kazimierz Dola (Neisse/Nysa): Priesterbildung bei Simon Sobiech 11.00 Uhr Prof. Dr. Hans-Georg Aschoff (Hannover):

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13.30 Uhr

14.30 Uhr 16.00 Uhr 17.00 Uhr

MITTEILUNGEN UND VERSCHIEDENES

Priester in der Diaspora des 19. Jahrhunderts Prof. Dr. Joachim Köhler (Tübingen): Der Klerus in der Konfrontation mit der Unfehlbarkeitsdefinition auf dem Vatikanum I. Die Beispiele Carl Frhr. v. Richthofen und Carl Jentsch PD Dr. Michael Hirschfeld (Vechta): Der soziale Pfarrer – Schlesien und Westfalen im Vergleich Tobias Körfer (Köln): Priester im Kulturkampf in oberschlesischen Gemeinden im Vergleich Prof. Dr. hab. Andrzej Kopiczko (Allenstein /Olsztyn): Gottesdienste und Predigten der ermländischen Geistlichen im 19. Jahrhundert

Mittwoch, den 8. August 2012 8.30 Uhr Prof. Dr. Lydia Bendel-Maidl (München): Professorenkritik am schlesischen Klerus – J.H. Reinkens Geistlichen-Schelte in seiner Geschichte der Universität Breslau 9.30 Uhr Prof. Dr. hab. Wojciech Zawadzki (Elbing/Elbląg): Schicksale der Franziskaner-Patres in Westpreußen in der Zeit der Aufhebung ihrer Klöster 11.00 Uhr Andreas Gayda (Haltern am See): Priesterbilder im oberschlesischen Industriegebiet zur Zeit des Kulturkampfes 13.30 Uhr Stadtbesichtigung Breslau Führung Prof. Dr. Dr. h.c. Jan Harasimowicz (Breslau/Wrocław) 20.00 Uhr Prof. Dr. Jan Górecki (Ruda Śląska): Witz und Humor bei den Priestern im 19. Jahrhundert Donnerstag, den 9. August 2012 9.00 Uhr Msgr. Dr. Paul Mai (Regensburg): Schlesische Kulturkampfpriester im Bistum Regensburg 1876 bis 1884 10.30 Uhr Generaldiskussion ab 13.00 Uhr Abreise

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B er ic h t üb er d ie 4 9 . Ar b eit s ta g u n g Zu seiner 49. Arbeitstagung lud das Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. (Sitz Regensburg) vom 6.–9. August nach Breslau ein. „Zwischen kirchlicher Disziplin und gesellschaftlichen Ansprüchen. Der Seelsorgeklerus in den Auseinandersetzungen mit den Zeitströmungen des 19. Jahrhunderts – am Beispiel preußischer Diözesen“ – so lautete das Thema. Es ließ in seiner Formulierung schon so manches von Spannungen erahnen, die das Jahrhundert zwischen Aufklärung, Säkularisation, deutscher Revolution 1848, Kulturkampf und Vorabend des Ersten Weltkriegs bestimmten. 1. Institutsvorsitzender Msgr. Dr. Paul Mai (Regensburg) konnte rund 30 reguläre – mit Tagesgästen rund 40 – Tagungsteilnehmer begrüßen. Als eine gute Entscheidung erwies sich die Wahl des Priesterseminars Breslau als Tagungshaus, vermittelte es doch als neugotischer Backsteinbau vom Ende des 19. Jahrhunderts viel von der Atmosphäre dieser Zeit. Außerdem war dieses Haus das Zentrum der Priesterausbildung des Bistums Breslau, das unter den damals preußischen Diözesen zu den größten zählte. Bei dieser deutsch-polnischen Tagung übernahm neben Prof. Dr. Rainer Bendel (Tübingen) Prof. Dr. Kazimierz Dola (Neisse/Nysa), Kirchenhistoriker und früherer Regens des Priesterseminars in Neisse, als Moderator die Tagungsleitung, ein Zeichen gelungener internationaler wissenschaftlicher Kooperation. Von den elf Referenten stammten fünf aus Polen, sechs aus der Bundesrepublik Deutschland. Moderator Bendel hob in seiner Einführung hervor, dass der Entwurf eines neuen Priesterbildes im 19. Jahrhundert zwischen Rückzug aus dem öffentlich-sozialen Raum und Engagement in diesem Raum schwankte. In einem Grundsatzvortrag „Klerus und Reform in einem langen 19. Jahrhundert“ unterstrich Bendel, dass Reflexion um abwägendes Mitgehen mit den Veränderungen der Zeit die Seelsorge nach der Aufklärung zunächst bestimmte, römisch-ultramontanes Denken dann aber eine gewisse Abschottung ab der Jahrhunderthälfte nach sich zog. Markant ablesbar sei die Veränderung des Priesterbildes am Beispiel zweier Zeitschriften: In dem 1803 gegründeten „Diözesanblatt für den Klerus der Fürstlich Breslauer Diözes“, herausgegeben vom Breslauer Kanonikus Johannes Schoepe, hätten ein Pfarrer und ein Kaplan in einem Briefwechsel über die Aufgaben des Geistlichen unter den Herausforderungen der neuen Zeit für behutsame Reform in aufgeklärtem Geiste votiert. Nach der päpstlich vorgegebenen Abschottung der Kirche gegenüber liberalem Gedankengut – Stichwort Syllabus errorum von 1864 – habe die Gründung der Zeitschrift „Hochland“ 1903/04 den Versuch des

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Ausbrechens aus dem „katholischen Milieu“ und der „Inferiorität“ der Katholiken auch mit einem neuen Seelsorgerbild bedeutet. Mit der „Priesterbildung bei Simon Sobiech (1749–1832)“ beleuchtete Moderator Dola den konkreten Weg der Priesterausbildung in Schlesien Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Sobiech, seit 1780 Spiritual und seit 1790 bis zu seinem Tod 1832 Rektor des Breslauer Alumnats, verwandte viel Energie darauf, in immer neuen Reformanläufen das seit 1731 in Breslau in einem eigenen Haus bestehende Alumnat nach seinen und der Bischöfe von Breslau Vorstellungen zu reformieren. Das Alumnat als Zeit der praktisch-pastoralen Vorbereitung der Geistlichen nach dem Studium vor der Priesterweihe sollte nur mehr hausinterne Vorlesungen, keine Vorlesungen mehr an der Universität, anbieten. Die nach der Regel des römischen Germanicum streng ausgerichtete Tagesordnung sah beispielsweise kein Frühstück und nur zwei Mahlzeiten am Tage vor. Eine starke spirituelle Betreuung der Theologiestudenten mit 34 Exerzitientagen im Jahr sollte die zukünftigen Priester für ihren Beruf asketisch einstimmen. Wegen staatlicher Einsprüche aufgrund finanzieller Förderung des Alumnats seitens des preußischen Staats kam die Reform erst zehn Jahre nach Sobiechs Tod zustande, der in seiner Amtszeit rund 950 Alumnen zum Priestertum begleitet hatte. Eine Reihe vergleichender Vorträge zog Parallelen zwischen Schlesien und westdeutschen Gebieten. Prof. Dr. Hans-Georg Aschoff (Hannover) schilderte „Priester in der Diaspora des 19. Jahrhunderts“. Als Diaspora bezeichnete Aschoff nach traditionellem Verständnis die Situation katholischer Minderheiten in überwiegend protestantischen Gebieten, wenn die Katholiken weniger als ein Drittel der Bevölkerung ausmachten. Verursacht durch starkes Bevölkerungswachstum, Industrialisierung und dadurch bedingte Binnenwanderung hätten Katholikenzahlen im vorher protestantischen Umfeld stark zugenommen. Ein Musterbeispiel dafür sei die Hauptstadt Berlin gewesen. Dieser Herausforderung an Kirche und Seelsorge sei zunächst mit Provisorien, wie „Missionsstationen“, dann mit Gründung regulärer Pfarreien begegnet worden. Als Fallbeispiele für einfallsreiche, erfolgreiche Diasporapfarrer nannte Aschoff Wilhelm Nürnberg in Neurönnebeck (Bistum Hildesheim), Carl Ulitzka in Bernau bei Berlin, Ferdinand Piontek in Köslin und Wilhelm Maxen in Hannover–St. Marien. Privatdozent Dr. Michael Hirschfeld (Vechta) arbeitete den Typus des sozialen Pfarrers in Schlesien und Westfalen heraus. Als exemplarische Arbeitsfelder wählte er die Mäßigkeitsbewegung, die Gründung von Frauenkongregationen für Krankenpflege und den politischen Einsatz für soziale Gerechtigkeit aus. Im Vergleich führte er für die Mäßigkeitsbewegung (Antibranntwein- bzw. Antialkoholbewegung) den Osnabrücker Kaplan Johann Mathias

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Seling (1792–1860) und den Deutsch Piekarer Pfarrer Johann Alois Fietzek (1790–1862), als Exponenten der kirchlichen Sozialpolitik Bischof Wilhelm Emmanuel Frhr. v. Ketteler (1811–1877) in Mainz und Bischof Melchior v. Diepenbrock (1798–1853) in Breslau, sowie Clemens August Frhr. v. Droste zu Vischering (1770–1845) in Münster und den Breslauer Geistlichen Robert Spiske (1821–1888) als Gründer von karitativ wirkenden Frauenkongregationen (Clemensschwestern bzw. Hedwigschwestern) vor. Im Überblick lasse sich – so Hirschfeld – eine Ost-West-Bewegung des sozialen Gedankenguts von Westfalen nach Schlesien feststellen. Eine weitere Präzisierung in der angerissenen Richtung bot Andreas Gayda (Haltern am See) mit seinem Vortrag „Priesterbilder im oberschlesischen Industriegebiet zur Zeit des Kulturkampfes“. Bezogen auf die urbanen Zentren Oberschlesiens, charakterisierte er Religion und die Rolle der Priester als Gegenpol zur vielgestaltigen Entfremdungssituation in der sich entwickelnden Industriegesellschaft. Drei Priesterpersönlichkeiten sah er dafür als exemplarisch an: Josef Schaffranek, Pfarrer der Mariengemeinde in Beuthen von 1839 bis 1874, einen bereits in der Revolutions- und Nachrevolutionsphase 1848–1851 in der preußischen Nationalversammlung und der Zweiten Kammer des preußischen Landtags aktiven Abgeordneten, der durch Forderung nach unterrichtssprachlicher Gleichberechtigung des Deutschen und Polnischen als oberschlesisches Identitätselement Aufsehen erregt hatte. Mit hohem Ansehen seit seinem persönlichen Einsatz bei den Typhus- und Choleraepidemien ausgestattet, suchte er die soziale Lage der Arbeiter durch Bildungsmaßnahmen, Sakramentenspendung ohne Stolgebühren, Gründung von Armen- und Krankenpflegeorden und Förderung eines Krankenhausbaus zu verbessern. Die durch Bevölkerungswachstum ungenügende Kirchenraumsituation wollte er nach der Renovierung der baufälligen Beuthener Marienkirche zusätzlich mit dem Neubau der St. Trinitatiskirche entschärfen, doch erlebe er deren Fertigstellung wegen des Widerstands der staatlichen Genehmigungsbehörden nicht mehr. Sein Nachfolger in Beuthen, Norbert Bończyk, schöngeistiger deutsch-polnischer Literat, ein großer Förderer des kulturellen Lebens seiner Pfarrei, Mitglied der Zentrumspartei, konnte 1886 die Einweihung der Trinitatiskirche als Frucht ernten, bevor er 1893 starb. Als dritter Geistlicher wurde von Gayda Viktor Schmidt, ab 1868 Kurat, von 1875 bis 1917 Pfarrer der Kattowitzer Marienpfarrei, vorgestellt. Er war ebenfalls Zentrumsmitglied, der im Gegensatz zu den beiden vorher genannten Geistlichen mit ausgesprochen deutschnationaler Gesinnung in Vernetzung mit dem Bürgertum der Stadt die Probleme der Zeit und seiner Pfarrei zu lösen versuchte.

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Ebenfalls den Fokus auf die Kulturkampfzeit richtete Tobias Körfer (Köln): „Priester im Kulturkampf in oberschlesischen Gemeinden im Vergleich“. Speziell die Akzeptanz der sogenannten „Staatsgeistlichen“ wurde hier aufgrund von Presseberichten untersucht. Als „Staatsgeistliche“ oder „Staatspfarrer“ wurden katholische Priester bezeichnet, die sich nach dem „Gesetz über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen“ vom 11. Mai 1873 durch eine ausdrückliche Erklärung mit der staatlichen Gesetzgebung zur preußischen Kirchenpolitik einverstanden erklärten und dann auch staatlicherseits in Pfarreien eingewiesen wurden. Relativ klein an der Zahl – 1878 sollen es elf Staatspfarrer gewesen sein – wurden sie aber durch den Breslauer Fürstbischof Heinrich Förster wie auch das Kirchenvolk in den Pfarreien massiv abgelehnt. Die verbissenen Pressefehden, etwa um die Staatspfarrer Mücke in Groß Strehlitz, Grünastel in Cosel O/S oder Sterba in Leschnitz, wie sie sich im „Schlesischen Kirchenblatt“, der „Schlesischen Zeitung“, der „Schlesischen Volkszeitung“, der „Breslauer Zeitung“ oder sogar der „Germania“ widerspiegeln, belegen, dass die Sache der „Staatspfarrer“ seitens der katholischen Kirche – so Körfer – als willkommener Anlass zur Ausbildung eines „Gemeinschaftsgeistes“ mobilisiert wurde. Das Wirken schlesischer Kulturkampfpriester außerhalb des Bistums Breslau, im Bistum Regensburg von 1876 bis 1884, beleuchtete Msgr. Dr. Paul Mai (Regensburg). Da als Folge der Kulturkampfgesetze das Breslauer Alumnat im März 1876 geschlossen wurde und die 21 Priesteramtskandidaten im April 1876 in Prag durch Kardinal Schwarzenberg geweiht wurden, verwehrte die preußische Regierung eine Anstellung dieser Priester im Bistum Breslau. Über den am Regensburger Priesterseminar als Repetitor tätigen Breslauer Diözesanpriester Dr. Ernst Comer als Anlaufstelle gelangten zunächst sieben Breslauer Neupriester, ein Drittel des Weihekurses 1876, in das Bistum Regensburg. Auch von den nächstfolgenden Weihejahrgängen wandten sich weitere Neupriester nach Regensburg, so dass schließlich 18 schlesische Priester in der Seelsorge des Bistums Regensburg tätig waren, eine willkommene Verstärkung angesichts des damaligen Priestermangels im Bistum Regensburg. Nach Abflauen des Kulturkampfs konnten die theologisch gut gebildeten und in Bayern fast durchweg akzeptierten schlesischen Priester ab 1882 in das Bistum Breslau zurückkehren, der Rückkehrvorgang war 1884 abgeschlossen. Die Konflikte um das Unfehlbarkeitsdogma des Ersten Vatikanischen Konzils im schlesischen Klerus thematisierte Prof. Dr. Joachim Köhler (Tübingen) anhand der Beispiele Carl Frhr. v. Richthofen (1832–1876) und Carl Jentsch (1833–1916). Das am 18. Juli 1870 verkündete Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes, gegen das auch der Breslauer Bischof Heinrich Förs-

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ter starke Bedenken hegte und deswegen dem Papst seinen Rücktritt anbot – der allerdings nicht angenommen wurde –, veranlasste nur wenige schlesische Geistliche zum öffentlichen Widerspruch. Zwei spektakuläre Fälle, die aufgrund autobiographischer Aufzeichnungen gut nachvollziehbar sind, rollte Köhler auf: Den des Hohenfriedeberger Pfarrers Carl Frhr. v. Richthofen und des Liegnitzer Gymnasialreligionslehrers Carl Jentsch. Während Jentsch nach öffentlicher Ablehnung des Syllabus und Unfehlbarkeitsdogmas bereits 1870 suspendiert und 1875 exkommuniziert wurde, erlebte v. Richthofen trotz erkennbar ablehnender Haltung gegenüber dem Unfehlbarkeitsdogma im Herbst 1872 noch eine Erhebung zum residierenden Domkapitular in Breslau. Die ausdrückliche Ablehnung der Infallibilität im Frühjahr 1873 zog dann aber im Mai 1873 seine Exkommunikation nach sich. Die beiden ursprünglich evangelisch getauften, in früher Jugend zum Katholizismus konvertierten Geistlichen wandten sich nach der Exkommunikation den Altkatholiken zu, Richthofen wechselte dann nochmals zum evangelischen Glauben. Köhler wertete die Fälle v. Richthofen und Jentsch mit der jeweiligen Exkommunikation als Beispiele kirchlicher Disziplinierung ohne Verständnis für Gewissensentscheidungen. Die historische Kritik des Breslauer Professors Joseph Hubert Reinkens am schlesischen Klerus führte Prof. Dr. Lydia Bendel-Maidl (München) vor Augen. Abgehandelt wurde von ihr der Konflikt um die Aussagen Reinkens in der Festschrift „Die Universität zu Breslau vor der Vereinigung der Frankfurter Viadrina mit der Leopoldina“ 1861. Als Schmähung wurden die Behauptungen Reinkens empfunden, dass die Bevölkerung Schlesiens im Mittelalter eine Mischung polnischen und deutschen Blutes gewesen sei, dass die Breslauer Domschule in den ersten fünf Jahrhunderten nicht so wirkmächtig gewesen sei, dass eine Universität hätte gegründet werden können, und dass die Jesuiten in der Leopoldina methodisch nicht auf der Höhe der Zeit gelehrt hätten. Obwohl keineswegs der zeitgenössische Klerus kritisiert wurde, fühlten sich Bischof und Domkapitel sowie das „Schlesische Kirchenblatt“ unter Schriftleiter Dr. Franz Lorinser zu heftigen Gegenerklärungen bewogen, in der Reinkens (geboren in Aachen-Burtscheid) letztlich als „Westlicht“ und „Zuzügler“ die Legitimation zur Kritik abgesprochen wurde. In der Folge wurde Reinkens als Bestreiter der Unfehlbarkeit des Papstes 1870 suspendiert. Er wurde zum Mitbegründer der altkatholischen Kirche in Deutschland und deren erster Bischof (1871–1890). Themen zum Ermland und zu Westpreußen steuerten polnische Referenten bei: Prof. Dr. Andrzej Kopiczko (Allenstein/Olsztyn) befasste sich mit „Gottesdiensten und Predigten in der Diözese Ermland im 19. Jahrhundert“. Er wies aufgrund der im „Pastoralblatt für die Diözese Ermland“ enthaltenen

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Verordnungen des Bischöflich-Ermländischen Ordinariats die sich wandelnde Gottesdienst-, Predigt- und Schulunterrichtspraxis während des 19. Jahrhunderts nach. Ihre Ausbildung erhielten die ermländischen Geistlichen in der 1817 gegründeten Philosophisch-theologischen Hochschule in Braunsberg (Braniewo), dem sogenannten „Lyzeum Hosianum, ergänzt durch die pastorale Ausbildung im „Praktischen Institut“ des Priesterseminars Braunsberg. Prof. Dr. Wojciech Zawadzki (Elbing/Elblag) dokumentierte „Schicksale der Franziskaner-Patres in Westpreußen in der Zeit der Aufhebung ihrer Klöster“. Er nannte als Grundlage der in Preußen – gegenüber dem Hl. Römischen Reich Deutscher Nation verzögerten – Säkularisation den Säkularisationserlass vom 30. Oktober 1810, in dessen Gefolge die Klöster 1815 zur Selbstaufhebung aufgefordert wurden. Von den um 1800 in Westpreußen insgesamt 28 Mönchs- und sieben Nonnenklöstern waren 16 Franziskanerklöster, von denen nach 1840 nur zwei überlebten, die Klöster in Neustadt und Lonk bei Neumark. Die Rigorosität der von der preußischen Staatsverwaltung durchgedrückten Klosteraufhebungen, die laut Zawadski ohne bemerkbaren Widerspruch der Bischöfe von Kulm und Ermland vonstatten ging, wurde in zahlreichen Beispielen vorgeführt. Der Vortrag über typisch schlesischen „Witz und Humor bei den Priestern im 19. Jahrhundert“ von Prof. Dr. Jan Górecki (Ruda Śląska) wurde wegen Erkrankung des Referenten verlesen. Eine qualifizierte Stadtführung von Prof. Dr. Jan Harasimowicz durch die gotischen Kirchen Breslaus und die Universität schloss die wissenschaftlich ertragreiche deutsch-polnische Tagung ab. Die Vorträge werden voraussichtlich in einem Band der „Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands“ erscheinen. Dr. Werner Chrobak Vo r s c ha u a u f d i e 5 0 . Ar b eit s ta g u n g Die 50. Arbeitstagung des Instituts für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. findet voraussichtlich vom 5. – 8. August 2013 zum Thema „Kunst- und Kulturtransfer in der Kontaktregion Bayern – Böhmen – Schlesien zur Zeit des Barock“ (vorläufiges Rahmenthema) in Tepl / Teplá (Tschechien) statt.

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Kar d i n al – B er tr a m – St ip e nd i u m Themenvergabe 2012 In der Kuratoriums-Sitzung vom 10. März 2012 wurde das Thema Krieg und Nachkriegszeit in den Tagebüchern von Joseph Knossalla (1878–1951), Pfarrer von Radzionkau an Dr. Ireneusz Celary, wiss. Mitarbeiter an der schlesischen Theologischen Universität in Kattowitz, das Thema Die Tagebücher des Pfarrers Johannes Melz (1933, 1938–1947). Das Schicksal eines oberschlesischen Priesters im aktiven Widerstand gegen die braune Diktatur und im Leiden unter der roten Diktatur an Gregor Walczak, Student der Germanistik und Geschichte an der Westfälischen Friedrich-WilhelmsUniversität in Münster i.W., und das Sonderthema Die Rolle der Flüchtlinge und Vertriebenen für die Katholische Kirche der DDR und nach der politischen Wende 1989/90 an Thomas Arnold, Student der Kath. Theologie an der Phil.-Theol. Hochschule Vallendar, vergeben. Kar d i n al – B er tr a m – St ip e nd i u m Ausschreibung 2013 Die Kardinal-Bertram-Stiftung fördert in Verbindung mit dem Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. die Erforschung der schlesischen Kirchengeschichte. Es gewährt jährlich zwei Kardinal-BertramStipendien in Höhe von je 2.000,- €, um Forschungsreisen in Archive innerhalb und außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen. Zur Bearbeitung werden 2013 folgende Themen ausgeschrieben: 1) Das katholische Sonntagsblatt der Erzdiözese Breslau (1933–1938) und das Bistumsblatt der Erzdiözese Breslau (1938–1941) als Spiegel der Zeitgeschichte. Beratung: Msgr. Dr. Paul Mai, Bischöfl. Zentralbibliothek, St. Petersweg 1113, 93047 Regensburg, Tel. 0941 / 597 2522, E-Mail: [email protected]; Dr. Werner Chrobak, Bischöfl. Zentralbibliothek, St. Petersweg 11-13, 93047 Regensburg, Tel. 0941 / 597 2523, E-Mail: [email protected] 2) Ernst Laslowski (1889–1961), Schriftleiter und Herausgeber der Zeitschrift „Der Oberschlesier“ 1920–1929 und Leiter von Archiv und Bibliothek des Deutschen Caritasverbandes in Freiburg/Breisgau 1946/1951–1960. Beratung: Prof. Dr. Joachim Köhler, Käsenbachstr. 27, 72076 Tübingen, Tel. 07071 / 610162, E-Mail: [email protected]; Prof. Dr. Rainer Ben-

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del, Bangertweg 7, 72070 Tübingen, Tel. 07071 / 640890, E-Mail: [email protected] 3) Der Meister von Gießmannsdorf. Gotische Flügelaltäre in Niederschlesien. Beratung: Dr. Marco Bogade, Johann-Justus-Weg 147a, 26127 Oldenburg, Tel. 0441 / 96195-26, E-Mail: [email protected]. Um ein Kardinal-Bertram-Stipendium können sich Studierende und Absolventen von Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere Theologen und Historiker, bewerben. Bevorzugt werden jüngere katholische Antragsteller. Bewerbungen mit genauer Angabe der Personalien und des Studienganges sind bis spätestens 28. Februar 2013 zu richten an: Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V., St. Petersweg 11-13, 93047 Regensburg. Die Entscheidung über die Zuerkennung trifft das Kuratorium des KardinalBertram-Stipendiums in einer Sitzung anfangs März 2013. Es wählt für jeden Stipendiaten einen Tutor aus. Die Bearbeitung beginnt im Jahr 2013, zunächst mit der Durchsicht der in Bibliotheken vorhandenen Quellen und Literatur, dann durch Reisen in auswärtige Archive. Jeder Stipendiat wird von einem Tutor betreut; dieser zeigt ihm die Problemstellung seines Themas auf, erteilt ihm Ratschläge für die Materialsammlung in den in Frage kommenden Bibliotheken und Archiven, die planvolle und methodische Stoffauswahl sowie die wissenschaftliche Darstellungsform. Das Manuskript ist bis zum 15. Oktober 2015 dem Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. in zweifacher Ausfertigung einzureichen. Sein Umfang soll in der Regel 150 Schreibmaschinenseiten nicht überschreiten. Die Bewertung geschieht durch den Tutor und einen zweiten Gutachter. Druckreife Manuskripte sind zur evtl. Veröffentlichung in den „Arbeiten zur schlesischen Kirchengeschichte“, im „Archiv für schlesische Kirchengeschichte“ oder in der Reihe „Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands“ vorgesehen. Die Stipendiatsarbeit kann auch nach ihrem Abschluss Grundlage einer theologischen bzw. philosophischen Dissertation bilden. KURATORIUM DES KARDINAL-BERTRAM-STIPENDIUMS Visitator Dr. Joachim Giela, Münster Prof. Dr. Dr. Dr. Hubertus R. Drobner, Paderborn

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Archiv- und Bibliotheksdirektor Msgr. Dr. Paul Mai, Regensburg, Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. Prof. Dr. Dr. Rainer Bendel, Tübingen

Tradition und Partnerschaft – 200 Jahre Universität Breslau / Wrocław Als die im Jahre 1919 wiedergegründete Universität zu Köln am 24. November 1961 im Rahmen ihrer seit 1951 bestehenden “Patenschaft mit der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau” das 150-jährigen Bestehen der Breslauer Universität im kleinen Rahmen zu gedenken versuchte, war kein Vertreter der polnischen Uniwersytet Wrocławski (1952 – 1989 Bolesłwa-Bierut-Universytet Wrocław) anwesend. Die politisch und wissenschaftlich geänderte Lage in Mitteleuropa war offenkundig, als die Universität zu Köln und die Sammlung Breslau der Stadt Köln im Jubiläumsjahr 200-Jahre Universität Breslau zu einem wissenschaftlichen Symposium und Festakt zum 2.-3. Dezember 2011 eingeladen hatten. So konnten der dynamische Beauftragte der Universität Köln für die seit 2003 bestehende Patenschaft mit der Uniwersytet Wrocławski, Prof. Dr. Gerd Meyer (Department für Chemie) und der Leiter der Sammlung Breslau der Stadt Köln, Hubert A. Wolff, nun nicht nur die offizielle Delegation der Uniwersytet Wrocławski unter Leitung des Rektors Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Marek Bojarski und von Prof. Dr. Dr. h. c. Jan Harasimowicz begrüßen, sondern u. a. auch die Generalkonsulin der Republik Polen in Köln, Jolanta Róźa Kozłowska. Nach der Erinnerungsfeier der Landsmannschaft Schlesien an die Universitätsgründung in Bonn-Bad Godesberg (1.11.2010) sowie der polnischinternationalen Konferenz (5.-8.10.2011: Die Universität Breslau in der europäischen Kultur des 19. und 20. Jahrhunderts) und dem internationalen Staatsakt (15./16.11.2010: Zwischen Macht und Wissen. Die Universität im Staatswandel, in Anwesenheit der Staatspräsidenten Komorowski und Wulff) dürfte das Symposion in Stadt und Universität Köln, wo nach 1945 über 35.000 Breslauer lebten, nicht vergessen werden. Denn wie in Vertretung des terminlich verhinderten Rektors der Universität zu Köln, Prof. Dr. Axel Freimuth, sowohl der Altrektor Prof. Dr. Dr. h. c. Tassilo Küpper in seinen Grußworten anklingen ließ als auch der Geschäftsführer der Sammlung Breslau, Tobias Körfer M.A., in seinem brillanten Festvortrag quellenmäßig fundiert, offen und freimütig angesprochen hat, war die “Geschichte der Traditionspflege der staatlichen Universität Breslau durch die Universität Köln“, genauer durch deren Senatskommission und den Tra-

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ditionsausschuss, “eine nicht mit großen Wohlwollen betriebene und ebenso wenig aus Überzeugung heraus übernommene Aufgabe”. Von dem bekannten Geologen und Paläoklimatologen Prof. Dr. Martin Schwarzbach (+2003) wurde die Patenschaft angesichts des geringen Interesses an dem „ungeliebten Patenkind“ nur wenig erfolgreich und „frustriert“ betrieben. Als im Jahre 1986 schlesische Institute, Kommissionen und Vereinigungen zum 175jährigen Jubiläum der Breslauer Universität einen größeren Festakt veranstalteten, war die Kölner Senatskommission nur noch nominell vertreten und beim 600. Gründungsjubiläum der Kölner Universität im Jahre 1988 fand die Patenschaft zur Breslauer Universität nur noch beiläufig Beachtung in den Festreden. Im Geiste der seit 2003 bestehenden Partnerschaft eröffnete Prof. Harasimowicz das Symposion am 2. Dezember, in dem er die Gründung und Entwicklung der staatlichen Universität zu Breslau im Jahre 1811 in ihrer Vorgeschichte und ihrem historischen und hochschulpolitischen Kontext geistreich und gelehrt darstellte. Dies vertiefte Prof. Dr. Manfred Alexander (Köln) mit Beispielen der wissenschaftlichen Kooperation und Begegnung von Deutschen, Juden und Polen in der Phase der politischen Konfrontation. Dazu wurde von Hans Völkel die Studie über Mineralogen und Geologen in Breslau von 1811 bis 1945 (ISBN 3-925094-80-6) vorgestellt. Der Staatswissenschaftler Prof. Dr. Krzysztof Wojtowicz, stellte genauer und anschaulich die “Verfassung und das politische System der Republik Polen” vor. Mit einem Power-Point-Überblick präsentierte am Nachmittag zunächst Prof. Dr. Adam Jezierski die sehr dynamische Entwicklung der “Naturwissenschaften an der polnischen Universität Breslau/Wrocław. “Mathematische Modelle der Hirnsynchronisation” erläuterte Prof. Dr. Dr. h. c. Tassilo Küpper als spezielles Beispiel naturwissenschaftlicher Forschung an der Kölner Universität. Und der Berichterstatter konnte abschließend mit Prof. Dr. Dr. Franz Gescher (* 1945 in Bad Kudowa) und seiner “rheinischen Kirchenrechtsgeschichte” sowohl den letzten deutschen katholischen Kirchenrechtler der Universität Breslau vorstellen, als auch einen “Brückenbauer zwischen

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der Universität Köln“, wo er bis 1930 lehrte, „und der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität”. Professor Geschers „rheinische KirchenrechtsBibliothek“ ist als „Gescherianum” in der Bibliotheka Kapitulna (Breslauer Dombibliothek) erhalten geblieben und mit rund 5.500 Titelaufnahmen per Kartei erschlossen ein wiederentdecktes besonderes Bindeglied. Die über 50 Teilnehmer und Gäste wurden nicht nur vom Kölner Bürgermeister im Hanse-Saal des Historischen Rathauses der Stadt Köln herzlich begrüßt, sondern bekamen die in der Sammlung Breslau präsentierte Ausstellung über die Geschichte der Universität Breslau vor dem Beginn des Festaktes am 3. Dezember im Neuen Senatssaal der Kölner Universität per Bilderschau gezeigt. Bei dem Festakt war die Landesregierung NordrheinWestfalens, die 2011/12 ein spezielles Polen-Nordrhein-Westfalen-Jahr veranstaltete, durch den Staatssekretär der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien, Mark Jan Eumann vertreten, der als Abgeordneter des rechtrheinischen Köln (wo sprichwörtlich für “waschechte”, linksrheinische Kölner „schon Polen beginnt“), einen guten Zugang zur neuen Partnerschaft der Universitäten Köln und Wrocław im europäischen Kontext aufzeigte. Rektor Professor Bojarski unterstrich für die Uniwersytet Worcławski nicht nur die Bedeutung der neuen Patenschaft und des gemeinsamen Gedenkens der Universitätsgründung im europäischen Kontext, sondern bedankte sich beim Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner mit der Verleihung der silbernen Jubiläums-Medaille der Breslauer Universität sowie der Überreichung der bronzenen Fassungen an die Tagungsveranstalter und die deutschen Referenten der gemeinsamen Tagungen. So war das Kölner Symposion mit seinem bezeichnenden Titel “Tradition und Partnerschaft” nicht nur ein gelungener Ausklang des großen 200-jährigen Breslauer Universitätsjubiläums, sondern auch ein besonderer Höhepunkt der in vielen Projekten alltäglich-europäisch gewordenen neuen Köln-Wrocławer-Universitäts-Partnerschaft. Prof. Dr. Dr. Reimund Haas

Streszcenie w języku polskim – Zusammenfassung in polnischer Sprache Winfried Töpler: Urzędowy dziennik kościelny Archidiecezji Wrocławskiej w latach 1944 i 1945 Od roku 1847 w diecezji wrocławskiej ukazywał się Urzędowy Biuletyn Kościelny, z którego ostatnich wydań, trzech w roku 1944 i dwóch w styczniu i lipcu 1945 r., wyraźnie przebija obraz starań by, mimo wszelkich trudności, zachować pozory „normalnego” życia, a po zakończeniu wojny powrócić do uporządkowanej codzienności. W tym artykule zostały przedstawione ostatnie biuletyny, ponieważ nie były one do tej pory dostępne w żadnej bibliotece w Niemczech. Evelyne A. Adenauer: Wojna się skończyła – Zapiski wrocławskiego proboszcza Karla Schenka od lata do grudnia 1945 roku Wikariusz Generalny Karl Schenke był od kwietnia 1945 do 1946 administratorem wrocławskiej parafii Świętego Krzyża. Miał on od zawsze zwyczaj zapisywania codziennych wydarzeń, również w roku 1945. W drugiej połowie owego roku dokumentował mimo początków polskiego świeckiego i kościelnego zarządu kontynuacje niemieckiego życia religijnego w swojej parafii, tak jak i w innych częściach miasta i na całym Śląsku. Niekończąca się działalność duszpasterska Karla Schenke znaczyła bardzo często niesienie pociechy i kilka pogrzebów dziennie. Na czytelnikach jego dzienników robi wrażenie z jakim spokojem i opanowaniem pokonywał on wszelkie trudności. Bernhard W. Scholz: Gravamina stanów w biskupim Księstwie Nyskim w roku 1608 Trzy tygodnie po śmierci wrocławskiego biskupa Johannesa von Sitsch w kwietniu 1608 przedłożyli przedstawiciele stanów księstwa biskupiego kapitule katedralnej gravamina – wykaz piętnastu skarg, w którym wyrazili ostrą krytykę urzędowania zmarłego biskupa. Niezwykłe było przy tym, że gravamina była skierowana przeciwko martwemu człowiekowi. Dziesięć miesięcy później, nowy biskup, arcyksiążę Austrii Karl von Habsburg, przekazał sta-

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nom odpowiedz, co prawda nie bardzo uległą jednak ugodową. Teksty te publikowane są tu po raz pierwszy. W 1609 roku ponownie dyskutowano na temat administracji biskupa Sitscha, a mianowicie, kiedy rząd biskupi wytoczył proces z powodu wyzysku poddanych przeciwko sędziemu nadwornemu sądu biskupa Johannesa Sitscha, Heinrichowi Buchta z Buchtitz. Także z tego procesu pozostały dotychczas niepublikowane dokumenty. Gravamina była do tej pory tylko raz omawiana, ponad siedemdziesiąt lat temu przez Clementa Lawrence w piśmie wydawanym przez Verein für Geschichte Schlesiens ( 72, 1938, 235-246). Lawrence widział związek między wykazem skarg i procesem Buchty; interpretował proces sadowy przeciwko nadwornemu sędziemu jako reakcje nowego biskupa na skargę stanów, a tym samym implikował gravamine jako skargę skierowaną przede wszystkim przeciw występkom Buchty. Tym samym postawiona została teza, że stany były niezadowolone z rządu Jana Sitsch oraz z wiele decyzji lub zaniedbań biskupiego rządu. W gravaminie nie zajmowano się jednak występkami nadwornego sędziego, które skierowane były przeciw chłopom poddanym biskupowi, ponieważ ani w gravaminie ani odpowiedzi biskupa Buchta nie został wspomniany. W tygodniach przed powołaniem nowego biskupa było bardzo ważne dla wielkich właścicieli ziemskich Księstwa, aby się upewnić, ze następca na biskupim tronie nie będzie tak mocno zawadzał w realizacji życzeń szlachty jak to czynił zmarły Sitsch. Ważnym interesem stanów w 1608 było zapobieganie dalszym posunięciom rządu biskupa przeciwko ewangelikom w księstwie biskupim. Gravamina odzwierciedlała szczególnie potrzeby szlachty w Grotkowskiej części księstwa, która się w większości przyłączyła do protestantów. Należy więc zrozumieć gravamina przeciw byłemu władcy przede wszystkim jako środek do podbudowania, kiedyś zdobytej, ale nadal dość niepewnej pozycji ewangelików w Księstwie. Cel ten pokrywał się w całości z aspiracjami książąt i stanów ewangelickich na całym Śląsku. Ralph M. Wrobel: Klasztor Paulinów łąkach koło Głogówka w „Regestra Perceptarum et Expensarum …“ z roku 1711 Książę Władysław II Opolczyk, który założył klasztor paulinów w Częstochowie, kilka lat później, w roku 1388, nakazał również założenie klasztoru tego samego zakonu w swoim księstwie. W przeciwieństwie do Częstochowy klasztor zbudowany na łąkach koło Głogówka był skromny. W zbiorze akt klasztornych przetrwał w Regestrze Perceptarum et Expensarum wyjątkowy dokument z 1711 r., który odzwierciedla ekonomiczne i codzienne życie w klasztorze. Klasztor Paulinów łąkowych był dobrze funkcjonującym majątkiem ziemskim. Z jego dochodów utrzymywano sześciu mnichów, budynek

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klasztorny z biblioteką i kościołem przyklasztornym. Głównym źródłem dochodów klasztoru było rolnictwo. Podstawą jego były dwa folwarki, jeden w pobliżu klasztoru i drugi w Olbrachcicach. Na polach klasztornych uprawiano przeróżne zboża, zwłaszcza żyto i jęczmień, które częściowo szły na zaopatrzenie mieszkańców klasztoru a także chłopów pańszczyźnianych,częściowo zaś na przerób m. in. na piwo i wódkę. Ponieważ klasztor łąkowych -Paulinów, pomimo słabych zbiorów w 1711r., wyprodukował znaczną nadwyżkę żywności, należy przyjąć, że gospodarowano w nim wzorowo. Maik Schmerbauch: Młodzież niemiecka w polskiej Diecezji Katowickiej w latach 1925 – 1939 Artykuł ten daje wgląd w pracę niemieckich katolików z młodzieżą katolicką w polskiej diecezji katowickiej w latach 1935/39. Z niemieckiej strony nie istnieją badania historyczne na ten temat. Katolicki Ruch Młodzieżowy w historii i kulturze wschodnioniemieckiego kościoła XX wieku miał ogromne znaczenie dla całego pokolenia: był dowodem górnośląsko-niemieckiej i katolicko-kościelnej kultury na terenach wschodnich należących kiedyś do Niemiec. Artykuł pokazuje także kluczowe problemy, jakie miał Kościół na terenach przygranicznych na Górnym Śląsku. Poza nielicznymi osobistymi wspomnieniami źródłem informacji są nowo udostępnione dokumenty z archiwów państwowych i kościelnych, z niemieckiego katowickiego biuletynu diecezjalnego „Sonntagsbote” oraz z niemieckich publikacji Kurii Katowickiej. Klaus Unterburger: Powieść z Bogiem? Potępienie i ekskomunika śląskiego historyka kościoła i pisarza Józefa Wittiga (1879 – 1949) w świetle nowo dostępnych źródeł watykańskich Ten artykuł analizuje wyrok skazujący Josepha Wittiga na podstawie nowo dostępnych źródeł watykańskich. Z nich wynika jasno, że tradycyjna antymodernistyczna postawa wobec biskupa z Chur panująca w zakonie jezuitów i urzędzie "sacrum officium”, zaowocowała indeksowaniem i ekskomuniką. Kluczowym zarzutem jaki mu postawiono był neoluteranizm. Ogólnej atmosferze ,po pewnych wahaniach, uległ także nuncjusz Pacelli, który forsował wyrok skazujący z powodu eklezjologicznych konsekwencji i ze względu na popularność Wittiga. Wrocławski biskup, kardynał Bertram, któremu jeden z historyków kościoła przypisywał winę za skazanie Wittiga, próbował go chronić, co władze rzymskie miały mu za złe. Artykuł pokazuje również, że

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"sprawę Wittiga" należy postrzegać w kontekście dalszego rozwoju teologiczno – politycznego w Rzymie, gdzie samego Wittiga jako teologa traktowano poważnie, a nie tylko jako popularnego pisarza i poetę. Inge Steinsträßer: Zycie między Ziemią Chełmińską, Krzeszowem – Siostra Józefa Jettka OSB (1901 – 1981)

Lwowem

i

Siostra Józefa (Hedwig / Jadwiga) Jettka OSB urodziła się 7. maja w 1901 w Zembrze/Brodnica na Ziemia Chełmińskiej w dawnej pruskiej prowincji Prusy Zachodnie. Pochodziła z mieszanej etnicznie rodziny, jej ojciec był Niemcem, matka Polką. Jej socjalizacja była naznaczona dwoma narodowościami, co było dosyć typowe dla ziemi chełmińskiej. Obydwa języki i mentalności były dla niej i jej rodzeństwa codziennością. Początkowo chodziła do niemieckiego liceum w Grudziądzu a po zmianach politycznych 1918/19 przeniosła się do polskiego gimnazjum humanistycznego w Toruniu. Wielką przemianą w jej życiu było w roku 1924 powołanie do życia zakonnego i wstąpienie do zakonu benedyktynek w galicyjskim Lwowie. W okresie międzywojennym pracowała głównie w administracji klasztoru i jako mistrzyni zakonnego nowicjatu. Podczas II wojny światowej Lwów znalazł się w obszarze działań wojennych ZSRR i Rzeszy Niemieckiej. Z powodu ogólnej sytuacji zagrożenia s. Józefa Jettka powróciła do swoich rodziców do Torunia, gdzie przez całą wojnę prowadziła życie cywilne i pracowała jako księgowa. Godna uwagi jest jej korespondencja z opatem-prymasem Fidelis Stotzingen OSB, którego regularnie informowała o sytuacji we Lwowie i niemieckich działaniach okupacyjnych w Toruniu. Wykazał się tym samym wielką odwagą i śmiałością, gdyż odkrycie tej korespondencji miałoby nieprzyjemne konsekwencje dla ich obojga. Ponieważ po zakończeniu wojny polskie benedyktynki nie mogły egzystować we Lwowie, który stal się radziecki, zgodnie z postanowieniami alianckimi konwent został w 1946 roku osiedlony w Krzeszowie na Dolnym Śląsku i stal się następcą wygnanych niemieckich Benedyktynów. Józefa Jettka okazał się ważnym ogniwem pomiędzy nielicznymi pozostałymi Niemcami i nowymi polskimi mieszkańcami. Współpracowała tam na bazie wielkiego zaufania z ostatnim niemieckim opatem, rodowitym Tyrolczykiem z włoskim paszportem, ojcem Nicolausem von Lutterotti OSB (1892-55). Także w trudnej sytuacji dla zgromadzenia w czasach komunizmu, potrafiła bronic swoich pozycji i wykazywała się w zarządzaniu klasztoru wspaniałym talentem organizacyjnym. Jej historia życia odzwierciedla wielkie konflikty

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polityczne w pierwszej połowie XX wieku w Europie, a w szczególności trudne współistnienie Polaków i Niemców. Meinulf Barbers: Restauracja czy nowa świadomość? Los przedwojennych ugrupowań ruchu młodzieży w Niemczech po 1945 roku na przykładzie związku Quickborn w latach 1945-2011 Quickborn został założony w roku 1909 – między innymi w Nysie i we Wrocławiu – jako katolicki uczniowski ruch abstynencki. Począwszy od roku 1913 mogły być przyjmowane do niego również dziewczęta. W roku 1919 Klemens Neumann (Nysa) zakupił dla Quickbornu w Bawarii, nad Menem, zamek Rothenfels. Tam też rozwinęło się bogate życie wspólnoty. Romano Guardini, który od 1927 był szefem związku i zarządcą na zamku bardzo silnie oddziaływał na pedagogikę, ruch liturgiczny i biblijny. W 1939 naziści rozwiązali Quickborn i skonfiskowali zamek Rothenfels. Quickborn działał nadal w ukryciu, pięciu jego członków zostało skazanych przez nazistowski wymiar sprawiedliwości na śmierć. Zaraz po wyzwoleniu Niemiec przez aliantów Quickborn reaktywował się we wszystkich czterech strefach okupacyjnych. Po zjazdach generalnych w 1946 na Zachodzie i Południu Niemiec odbyła się w sierpniu 1947 na zamku Ludwigstein (zamek Rothenfels był wtedy jeszcze zajęty przez uchodźców) pierwsza wspólna ogólnokrajowa Konferencja Quickborn i połączonego z nim Jungborn (równoległa organizacja ludzi pracy). Kluczowymi tematami był pokój i przemiany w Niemczech i Europie oraz problemy socjalne. Tam też ustanowiono 09.08.1947 r. statut organizacji, który zaczyna się od słów: "Quickborn jest żywym ruchem niemieckich katolików, którzy chcą swoja postawą życiową zdecydowanie, szczerze i trzeźwo reprezentować kościół i naród.” Od roku 1948 roczne zjazdy krajowe ponownie odbywały się na zamku Rothenfels. W grupach i regionalnie opracowywano zgodnie z tradycją Quickbornu nowe pionierskie inicjatywy zwłaszcza w pracy na rzecz pokoju i ekumenizmu, wspierane przez nowo utworzone wydawnictwo Quickbornu. W postanowieniach "klasy średniej" (20- do 30-latków) z roku 1951 wymagana jest od członków „polityczna wiedza, własny osądu i odpowiedzialność ", a mężczyźni i kobiety z niemieckiego ruchu oporu zostali przedstawieni jako wzorce w postawie i myśleniu. Od 1967 roku Quickborn składa się z Quickborn-Grupy Roboczej (która jest również członkiem w Federacji Niemieckiej Młodzieży Katolickiej) i Stowarzyszenia Starszyzny. Wydają one razem ogólnokrajowe czasopismo "Burgzeitung" i organizują corocznie siedem federalnych spotkań – min. w okresie po wielkanocnym tygodniowe

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spotkanie robocze dla młodzieży, konferencja dla młodych dorosłych i dla młodych rodzin, od 1997 tydzień sylwestrowy, kiedy to na zamku Rothenfels od 28.12. do 4.1. spotyka się za każdym razem prawie 300 uczestników ze wszystkich pokoleń. Zamek Rothenfels jest również placówka edukacji młodzieży i dorosłych prowadzoną przez jednego pełnoetatowego referenta kulturalnego i bardzo wielu wolontariuszy. Rocznie odbywa się tam około 50 różnorodnych konferencji i spotkań. Z okazji 100-lecia Quickbornu jego Grupa Robocza wydała w roku 2009 książkę i DVD "Śladami tryskającego źródło życia – mozaika z 100 lat Quickbornu i 40 lat Quickborn-Grupy Roboczej" Szczegółowe informacje: www.quickborn-ak.de i www.burg-rothenfels.de. Manfred Spata: Czy Adam Schall von Bell (1592 – 1666) urodził się Kłodzku? Adam Schall von Bell urodził się w 1592 jako potomek starej arystokratycznej nadreńskiej rodziny w okolicach Kolonii, przypuszczalnie na rodowym zamku Lüftelberg koło Meckenheim. Uczęszczał do gimnazjum jezuickiego „Trzy korony” w Kolonii, studiował od 1608 w Rzymie teologię, astronomię i matematykę, wstąpił do zakonu jezuitów w 1611 roku i rozpoczął w 1618 podróż misyjną do Chin. Tam doszedł jako astronom na dworze cesarskim do najwyższych zaszczytów, zmarł w 1666 w Pekinie. Adam Schall nigdy nie widział w swoim życiu Śląska, hrabstwa kłodzkiego, ani miasta Kłodzka czy Nysy. Dieter Pohl: Urbarz dominium parafialnego Oberschwedeldorf (Szalejów Górny) w Hrabstwie Kłodzkim z roku 1785 Po niepokojach wśród ludności wiejskiej na Śląsku, wywołanych przez ponad proporcjonalny wzrost pańszczyzny i częściowo przez działania wojskowe, doszło w roku 1782 w hrabstwie Kłodzkim do zamieszek oraz do tłumiących reakcji zarządzonych przez władze pruskie. Ponieważ fala pozwów sądowych gmin przeciw właścicielom ziemskim nadal wzrastała, król Fryderyk II interweniował wydaniem instrukcji dla śląskich organów sądowych dnia 9 listopada 1783. Według niej ustalono, ze dotychczasowe niepomierne (to znaczy przez właścicieli ziemskich samowolnie zdefiniowane) pańszczyzny powinny zostać zmienione względnie zmniejszone. Rozporządzeniem gabinetu królewskiego z 1784 nakazano śląskiemu ministrowi hrabiemu Hoym (minister prowincjalny) i baronowi von Danckelmann (wymiar sprawiedliwości) spisanie dla wszystkich wiosek prowincji urbarzy, w których

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dokładnie zapisane zostały wszelkie zobowiązania poddanych oraz powołanie komisji urbarzowych. Oberschwedeldorf w powiecie kłodzkim składał się z kilku własności, którym to poddani zobowiązani byli do płacenia podatku oraz do prac pańszczyźnianych. Jedną z tych własności ziemskich było posiadające prawo dominalne gospodarstwo parafialne (Pfarrwidmut), które według Aloysa Bach dzięki powierzchni 12 prętów lub jednego lana należało do największych dóbr parafialnych w hrabstwie Kłodzkim. Dla tego dominium kościelnego sporządzono urbarz w roku 1785, który w 1786 nabrał mocy poprzez podpis obydwu ministrów. Urbarz ten istnieje w oryginale w archiwum parafialnym byłej parafii Oberschwedeldorf (Szalejów Górny). Severin Gawlitta: „Politikon na wysokim szczeblu” – spuścizna kardynała Bertrama w Archiwum Archidiecezjalnym we Wrocławiu Orędzie biskupów polskich do biskupów niemieckich z 1965 r. jest często postrzegane jako impuls do rozwoju nowej linii w stosunkach polskoniemieckich. Wymiana listów pojednania była jednak nie tylko zalążkiem, lecz także i zwieńczeniem kontaktów i rozmów hierarchów episkopatu Polski i Niemiec, które nawiązano i kontynuowano podczas II. Soboru Watykańskiego. Spotkania te pogłębiały wzajemnie rosnące zaufanie, do którego przyczyniały się także wspólne działania. Jednym z nich była potajemnie przeprowadzona akcja mikrofilmowania spuścizny kardynała Adolpha Bertrama z zasobów archiwalnych archidiecezji wrocławskiej. Pod coraz większym naciskiem niemieckiej opinii publicznej, domagającej się krytycznego podejścia kościołów do ich najnowszej przeszłości, przede wszystkim do ich postawy w czasach nazistowskich, jak i pod wpływem przedstawicieli komisji do historii współczesnej [Kommission für Zeitgeschichte], zostały podjęte rozmowy między kierownictwem episkopatów Polski i Niemiec w celu uzyskania przez stronę niemiecką tego cennego przekazu historycznego. Mimo nieustannej obawy, że przedsięwzięcie to może narazić kościół katolicki w Polsce na zaostrzenie restrykcji ze strony wrogo nastawionego doń aparatu partyjno-rządowego, akcja zakończyła się ostatecznie po myśli polskich i niemieckich biskupów. Powstałe w archiwum archidiecezjalnym we Wrocławiu mikrofilmy dotyczące dokumentów obrazujących działania kardynała Bertrama okazały się jednym z filarów prac badawczych komisji do historii współczesnej. Otfrid Pustejowsky: Józef Tippelt – nauczyciel i senior Kolpingu – antyfaszysta – ur. 1908 – stracony w Berlinie-Plötzensee w 1943 roku

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Artykuł przedstawia biografię Józefa Tippelt, czeskiego nauczyciela , seniora Kolpingu, zdeklarowanego demokraty i czeskiego patrioty, który, jako 35latek, został powieszony w 1943 r. w Berlinie-Plötzensee. W wieku 21 lat Tippelt napisał, piosenkę-hymn Stowarzyszenia Katolickich Czeskich Czeladników – późniejszej Rodziny Kolpingu – i był bardzo zaangażowany w powstanie Centralnego Związku Kolpingu Niemców Sudeckich założonego 4 września 1926 roku. Już w 1932 roku ostrzegał on przed powstającym Narodowym Socjalizmem a przed czechosłowackimi wyborami w 1935 roku zdecydowanie potępiał cele polityki Partii Niemców Sudeckich. Od 1938r. aż do śmierci był więziony ze względu na zarzuty, które dzisiaj powinny budzić wiele zastrzeżeń. Ponieważ jego nazwisko jest już prawie zapomniane – ten artykuł chce temu przeciwdziałać.

Verzeichnis der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Dr. des. Evelyne A. Adenauer, Elisabethstr. 74, 50226 Frechen Dr. Meinulf Barbers, Lievensteg 11, 41352 Korschenbroich Dr. Severin Gawlitta, Königstr. 8, 42853 Remscheid Dr. Michael Hirschfeld, Driverstr. 36, 49377 Vechta Dr. Gregor Ploch, Wackenbrucher Str. 19, 46485 Wesel Dr. Dieter Pohl, Arbeitsgemeinschaft Grafschaft Glatz, Vor St. Martin 12, 50667 Köln Dr. Otfrid Pustejovsky, Spitzingstr. 4, 83666 Waakirchen Dr. Maik Schmerbauch, Diözesanarchiv Hildesheim, Pfaffenstieg 2, 31134 Hildesheim Prof. Dr. Bernhard W. Scholz, 126 Riverwoods Drive New Hope PA 18938 USA Manfred Spata, Zingsheimstraße 2, D-53225 Bonn Dr. Inge Steinsträßer, Arnoldstr. 10, 53225 Bonn Dr. phil. Winfried Töpler, Bistumsarchiv Görlitz, Carl-von-Ossietzky-Str. 41/43, 02826 Görlitz Prof. Dr. Klaus Unterburger, Lehrstuhl für Mittlere und Neue Kirchengeschichte, Fakultät für Katholische Theologie, Universität Regensburg, 93040 Regensburg Prof. Dr. Ralph M. Wrobel, Fakultät Wirtschaftswissenschaften, Westsächsische Hochschule Zwickau, Postfach 20 10 37, 08012 Zwickau

Anschrift des Herausgebers Prof. Dr. Rainer Bendel, Bangertweg 7, 72070 Tübingen E-Mail: [email protected] Tauschexemplare werden erbeten an: Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte, St. Petersweg 11-13, D-93047 Regensburg E-Mail: [email protected]

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Im Internet finden Sie das Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. unter www.institut-fuer-ostdeutsche-kirchen-und-kulturgeschichte.de

Verzeichnis der Abkürzungen

A. Zeitschriften, Reihen, Sammelbände u. ä. AAW ADB AES ANM ASKG ASV BA BArch BBKL BHStA CDS DBE DDHVG DQ FQ GStA PK HA Heimatbrief Heyne

HHStA HStA

Archiwum Archidiecezjalne Wrocław Allgemeine Deutsche Biographie Archivio della Sacra Congregazione degli Affari Ecclesiastici Straordinari Archivio della Nunziatura di Monaco Archiv für schlesische Kirchengeschichte Archivio Segreto Vaticano Bistumsarchiv Bundesarchiv Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Bayerisches Hauptstaatsarchiv Codex Diplomaticus Silesiae Deutsche Biographische Enzyklopädie Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin Hauptabteilung Heimatbrief der Katholiken aus dem Erzbistum Breslau Johann Heyne, Dokumentirte Geschichte des Bisthums und Hochstiftes Breslau. Aus Urkunden; Aktenstücken, älteren Chronisten und neueren Geschichtsschreibern, Bd. 1-3, Breslau 1860–1868 Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien Hauptstaatsarchiv

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JSFUB

Jahrbuch der schlesischen Friedrich-WilhelmsUniversität zu Breslau Jahrbuch für schlesische Kirchengeschichte Lexikon für Theologie und Kirche, hg. von J. Höfer und K. Rahner, Bd. 1-10, Freiburg 1957-1965. Registerband, Freiburg 1967 Monumenta Poloniae Historica Neue Deutsche Biographie Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Berlin Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte Scriptores rerum Silesiacarum Schlesische Regesten im CDS Studia Teologiczno-Historyczne Śląska Opolskiego Schlesisches Urkundenbuch Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte Wrocławskie Studia Teologiczne (Colloquium Salutis) Zeitschrift für Ostforschung Zeitschrift des Vereins für Geschichte (und Alterthum) Schlesiens

JSKG LThK MPH NDB PA AA QD Scriptores SR STHSO SUB VKZG WST Zf0 ZVGS B. Archive AAW AUW AV BV DA EDA HHStA PfA StA StadtA UA

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Verzeichnis und Nachweis der Abbildungen

Bendel, Eichendorff-Gilde Abb. 1 bis 3: Eichendorff-Gilde Pohl Abb. 1 und 2: Privatbesitz Dieter Pohl Scholz Abb. 1: Archiwum Państwowe we Wrocławiu, Księstwo Nyskie 184, S. 1 Abb. 2: Archiwum Państwowe we Wrocławiu, Księstwo Nyskie 184, S. 8 Spata Abb. 1: Titelvorblatt in: Alfons Väth, Johann Adam Schall von Bell S. J. – Missionar in China, kaiserlicher Astronom und Ratgeber am Hofe von Peking 1592 – 1666 – Ein Lebens- und Zeitbild, Köln 1933, Nachdruck Nettetal 1991; Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), Band 30 Abb. 2 und 3: Privatbesitz Manfred Spata Steinsträßer Abb. 1, 3 und 5: Fotosammlung Benediktinerinnenabtei Grüssau/Krzeszów Abb. 2: Privatbesitz Inge Steinsträßer Abb. 4: Fotosammlung Benediktinerabtei Maria Laach Wrobel Abb. 1: Akta konventu oo. Paulinów w Głogówku z l. 1703 – 1807, AJG 1607, fol. 39 Abb. 2: Stich aus dem 19. Jahrhundert, Privatbesitz Ralph M. Wrobel Abb. 3: Ausschnitt aus: „Plan von der Umgebung der Stadt Ober-Glogau 1811“, Staatsarchiv Oppeln, Karten-Sign. IX-20

Register der Namen und Orte

A Aachen 17, 59, 272, 279, 283 Aachen-Burtscheid 407 Adamski, Stanislaus 189, 190, 192, 364, 370–372 Adelsbach 116 Adelsbach, Hermann 118 Adenauer, Evelyne A. 415, 423 Adler, Friedrich 310 Adolph, Walter 50 Adorno, Theodor W. 271 Agram 21 Albert Paul siehe Radolfzell, Paul Albert Albert, Anton 58, 59 Albert, Franz 287, 289 Alexander, Manfred 412 Alfter bei Bonn 27 Allenstein / Olsztyn 238, 402, 407 Altenberg 259, 261, 283 Altheide 297–298, 300, 303 Altötting 60, 344–345, 348–350 Altpatschkau 19 Alt-Zülz 166, 174 Ambrosius von Mailand 167 Amery, Carl 274–275 Annaberg 51, 195 Arnold, Christoph 55–56 Arnold, Franz Xaver 354–355

Arnold, Thomas 409 Artelt, Bernhard 245 Aschoff, Hans-Georg 401, 404 Asmussen, Hans Christian 263, 271 Auendorf 20, 36 Augsburg 271, 273, 343, 356 Augustinus von Hippo 167 Auras 36, 56–57 Auschwitz 268, 319 B Bach, Aloys 287–289, 295, 421 Bach, Ignaz 297, 306–307, 310, 314 Bachmann, Heinrich 257 Baculewski, Jan 323 Bad Kudowa 412 Bad Wimpfen 247–249, 254 Bamberg 48, 270 Bantka, Hildegund 75 Bantke 77 Barbers, Ansgar 281 Barbers, Irene 281 Barbers, Meinulf 266, 276–277, 279, 419, 423 Barnickel

335 Bartenstein 358 Bartsch, Paul 49 Basel 388–389, 392–393, 395, 397

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Bauke, Jakob 98 Baziak, Eugeniusz 236, 240 Beck, Paul 18 Becker, Curt 271 Bednorz, Herbert 373 Beitz, Berthold 328–329 Bendel, Rainer 401, 403, 409– 411, 423, 427 Bendel-Maidl, Lydia 402, 407 Benedikt XV. 268 Benediktbeuern 280 Beneš, Edward 240 Benigni, Umberto 205 Berend 89 Berg, Meinrad 28 Bergdorf / Daniec 59 Bergheim an der Bergstraße 363 Berghius, Friedrich 121 Bergisch Gladbach 277 Berka z Dubé, Zbyněk 100 Berlin 17, 19, 28, 34–35, 51, 63– 64, 69, 87, 218, 222, 269, 271, 278, 281, 330, 358, 404 Berlin-Moabit 337 Berlin-Plötzensee 267, 333–334, 337 Berlin-Schöneberg 58 Bernaisch, Paul 59 Bernau bei Berlin 404 Bernd, Rainer 344 Bernhard von Clairvaux 167 Bernitz, Gregor 121, 123 Bertelsdorf 55, 57 Bertram, Adolf 15–16, 34, 45, 50, 206–210, 212–215, 217– 223, 267, 269, 317, 319–324, 326–327, 331, 343, 353, 370, 374, 417, 421 Berzdorf 18 Betlerdorf 131

429

Beuron 233 Beuthen / Bytom 58–59, 90, 405 Biebritz 134 Bielau 132 Bielitz 131–132 Bienendorf 37 Bieniek, Juliusz 371–372 Bierut, Bolesław 373 Biewald, Josef 29 Binkowski, Johannes 259, 279 Birkenau / Brzezinka 55–56, 58 Birkenwerder bei Berlin 18 Birkner 77 Bischofsheim 133 Bischofsheim, Kaspar von 133 Bischofstal 55–56 Bisleti, Gaetano 215 Bittner 85 Blaeschke, Alfons 37 Blasel 91 Bleicher, Michaela 388 Bludowitz 49 Blumenthal 131 Bochum 272, 343, 373 Bockau 55, 57 Bodzencius, Nikolaus 138 Böckenförde, Ernst-Wolfgang 320 Böcker, Teresa 239 Bögendorf 27–28 Böhmischdorf 36 Böll, Heinrich 272 Bogade, Marco 410 Boguschütz 58 Boguszów siehe Gottesberg Bohrau 58 Bojarski, Marek 411, 413 Bolko 36 Bona 87 Bończyk, Norbert 405

430

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Bondy, Max 260 Bonn 226, 256, 273, 289, 292, 423 Bonn-Bad Godesberg 411 Bonomi, Giovanni Franceso 104 Borysław 234 Boubin, Jaroslav 389, 391 Bradenbrink, Ludger 281 Bralin 102 Brandenburg-Görden 268–269 Brandt, Willy 317 Braniewo siehe Braunsberg Braun, Karl 354 Braunau Benediktinerabtei 259

Braunsberg / Braniewo 408 Brauweiler bei Köln 241 Breiner, Johann Friedrich von 101, 106, 129, 134–135 Breitenfurt 36 Bremen 38 Breslau / Wrocław 10, 15, 19–20, 27, 29–30, 34–36, 38–39, 48– 49, 51, 55, 57–59, 61, 63–64, 68, 71, 74, 88, 95–97, 100, 123, 136, 147, 151, 203–204, 207, 214, 217, 219, 245, 249– 250, 269, 314, 321, 323, 325– 327, 329, 344, 354, 357, 361, 363, 369, 402, 404–406, 408, 411–412 Diözesanarchiv 118, 141, 288, 317, 319, 323, 326, 328–330 Diözese 7–9, 18, 36, 51–52, 61, 66, 97, 138, 185–186, 261, 368– 370, 375, 378, 380, 382, 403, 406 Dom 50, 52, 106, 267, 269, 365 Dombibliothek 412 Domkapitel 95, 105–106, 109, 117, 120, 133, 407 Domschule 407

Hl. Geist 58 Hl. Kreuz 36, 55–56, 61 Mariahilf 49 Matthiasgymnasium 75 Priesterseminar 59, 66, 70, 401, 403 St. Bonifatius 52 St. Carolus 58 St. Clemens 59 St. Dorothea 58, 344 St. Heinrich 56–59 St. Ignatius 58 St. Jakobus 38 St. Maria 83 St. Maria auf dem Sande 61 St. Matthias 58, 60 St. Michael 28, 56 St. Vinzenz 29, 58 Staatsarchiv 107, 125, 288 Universität 402, 407, 411–412 Universitätsbibliothek 323–324

Breslau-Bischofswalde 363 Breslau-Carlowitz 58 Breslau-Masselwitz 58–59 Breslau-Neukirch 56–57 Breslau-Ohlewiesen 71 Břevnov 233 Brieg 58–60, 120 Brier, Josef 55–56 Briesnitz 27–28, 49 Brinnitz 57 Brockau 35 Brodnica 227 Brommer, Karl 55–56 Brosig, Paul 29–30 Brucker, Lothar 278 Brügge 241 Brünne 55, 57 Brylla, Josef 83 Brzentskowitz (Oberschlesien) 241 Brzezinka siehe Birkenau Buchelsdorf 36

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Buchta, Eva 126 Buchta, Heinrich von 95, 104, 117, 120, 125–128, 416 Buchta, Joachim 126 Budde, Achim 281–282 Bujara, Karl 55–56 Bukowski, Bernhard 355 Burgwasser 37 Busch-Hofer, Roswitha 280 Bytom siehe Beuthen C Caetano, Antonio 103, 124 Cälestine 73 Calw 273 Carl Erzherzog zu Osterreich siehe Karl von Österreich Casper, Bernhard 265, 274 Caspers, Karl 258 Celary, Ireneusz 409 Chardin, Teilhard de 271, 278 Chartres 263 Chelčický, Peter 389, 391 Chełmno nad Wisłą siehe Kulm Chrobak, Werner 408–409 Chur 207–208, 214, 222, 417 Cichy, Richard 189–190 Clausen, Gunther 171 Clever, Peter 278 Cohn, Elźbieta 232, siehe auch Kaliska, Maria Izydora Cohn, Izydor 232 Comer, Ernst 406 Conietzny 90–91 Corvinus, Matthias 107 Cosel 166, 406 Cottbus 76 Coufal, Dusan 389 Crailsheim 358 Cromer, Wenzel 117

431

Cudek, Josefa 73 Cusanus, Nikolaus 397 Czabon, Joseph 18 Czaja, Herbert 362 Czarnowanz 368, 372 D Dachau 233, 268 Damaskus 334 Danckelmann, Freiherr von 295–296, 316, 420 Daniec siehe auch Bergdorf Daniec / Danietz 59 Danzig 194, 240 David, Emmerich 205–206, 220 Debray, Anneliese 262 Delfino, Giovanni 108 Demczak, Hubert 55–56 Denz, Bartholomäus 238 Derksen, Karl 275 Dessau 64, 268 Dessauer, Friedrich 271 Deutmannsdorf 28 Deutsch Kamitz 8 Deutsch Leippe 59–60, 133 Deutsch Lissa / Wrocław-Leśnica 85 Deutsch Müllmen 35, 165 Deutsch Piekar 405 Deutsch Rasselwitz 35 Dicks, Bernhard 238 Diederichs, Eugen 213 Diepenbrock, Melchior von 8, 405 Dietrichstein, Adam von 140 Dietrichstein, Franz 100 Dietsche, Bernward 258, 260, 271, 278 Dionysius 73, 76

432

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Dippoldiswaldau 117 Dirichs, Ferdinand 376 Dirks, Walter 265, 271 Dirschau / Tczew 227–228, 238 Dirschelwitz 159, 170, 173, 179 Dittersdorf 38 Dittrich, Johannes 52, 55–56, 78 Dobek, Alojza 225, 246, 254 Döpfner, Julius 319, 330 Dohn, Johannes 118, 121, 123 Dohn, Kaspar 121, 123 Dohna, Abraham von 102 Dola, Kazimierz 401, 403–404 Doppelhamer 116 Dresden 243, 272, 281, 363 Dresden-Meißen

Ehrenfeld 36 Eibingen 242, 254 Eichendorff, Joseph von 341– 342, 359 Eidem, Erling 268 Elbing / Elbląg 402, 408 Elbląg siehe Elbing Ellguth-Turawa 36 Ende, Hugo 55–56 Endersdorf 132 Engelbert, Kurt 27 Erben, Wilhelm 72, 84, 86 Erfurt 59, 63, 363 Essen 59, 276, 318, 323, 328 Eumann, Mark Jan 413 Exner, Gerhard 80, 82–85

Bistum 375

Dreske 116, 133 Dresske, Kaspar 116 Drevaniok siehe Drewniok Drewniok 65, 77 Drobner, Hubertus R. 410 Dropalla, Wilhelm 55–56 Droste zu Vischering, Clemens August Freiherr von 405 Duboney 79 Dürig, Walter 71, 72, 77, 83 Düsseldorf 185, 186, 189–191, 270, 273–274, 277, 283 Duisburg 30 Duka, Dominik 339 E Eberhard, Winfried 389 Eckelt, Georg 59 Ecker, Gerhard 121 Eder, Bernhard 121, 123 Eduardus 162 Eger 388 Egner, Gerhard 77

F Falkenhain 59 Faltenbacher, Heike 388 Fátima (Portugal) 80 Faulhaber, Michael 223 Felbiger, Johann Ignaz von 385 Ferche, Joseph 36, 371 Ferdinand I. 140 Ferdinand von Österreich 124, 128 Ferrara 397 Ferreri, Giovanni Stefano 138 Festing, Heinrich 335 Feuerstein Burg 270

Feyer, Dorothea von 19 Fidelia 89 Fietzek, Johann Alois 405 Finsterwalde (Niederlausitz) 59 Fischer-Erling, Josefa 271 Flam, Cosmus 359 Fleckenstein, Heinrich 264

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Fleckenstein, Heinz 272, 274 Fließwege 312 Flintsbach am Inn (Oberbayern) 363 Florenz 397 Foerster 296, 306– 307, 313–314 Förster, Heinrich 406 Förster, Josef 55, 56 Foicik, Anton 186 Fonck, Leopold 214–215 Fornari, Sebastiano Lamberto 103 Frank, Joseph 306–307, 309, 314 Franke, Franz 297–300, 303, 307, 313–314 Franke, Joseph 297, 302, 309– 310, 312 Frankenstein 28 Frankfurt 271, 343, 363, 407 Frauenwörth 225, 239, 247, 254 Frechen 423 Freiberg (Sachsen) 28 Freiburg 38, 59, 265, 268–269, 409 Freimuth, Axel 411 Freising 258, 265, 343 Freisler, Roland 268–269 Freiwaldau 36, 118 Frenzel, Johannes 55–56 Freund 82, 83 Freund, Heinrich 118 Freund, Helga 73, 76, 90 Freystadt (Niederschlesien) 55– 56 Friedersdorf 37, 174 Friedewalde 18, 117–118, 131 Friedland Lager 28

Friedrich II. 132

433

Friedrich II. 295 Fries, Heinrich 263, 271 Frings, Joseph 320–324, 326– 327, 329–330 Fritsch 63 Frohn, Robert 262 Frühwirth, Andreas 204, 220 Fuchs, Franz 388 Fuchs, Gotthard 281 Fuchs, Gottlieb 101 Fürstenberg an der Oder 29 Fuhrich, Hermann 283 Fulda 39, 68, 88, 343 G Gade, Karl 55, 56 Gärbensdorf / Sokołowsko 92 Galatsch 64, 67, 69, 73–74, 89, 92 Galatsch, Franz 81, 86, 88–90 Galatsch, Maria 89 Galatsch, Rita 74, 89 Gall, Michael 74 Galter, Michael 63 Gania, Vinzenz 28 Ganse, Franz-Georg 74 Gasparri, Pietro 203–204, 209– 213, 215, 224 Gawlitta, Severin 421, 423 Gayda, Andreas 402, 405 Gebauer, Kaspar 119–120 Geißberg, Friedrich von 102, 151 Gelhorn 116, 133–134 Gelhorn, Christoph von 121–123 Gelhorn, Johann 116 Gergesell 87, 89, 91 Gerl, Hanna-Barbara 281 Gerleve 238, 254 Gerl-Falkovitz, Barbara 279

434

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Gerlich, Max 55–56 Gerloff, Peter 334 Germersheim 245 Gerstmann, Martin von 99, 114, 117 Gescher, Franz 412 Geyer 208 Giela, Joachim 410 Giemsa, Herbert 38 Gießmannsdorf 410 Gisler, Anton 207–210, 222 Gläsen 35 Glatz 135–136, 267–268, 285– 289, 292–293, 295, 375 Glaz siehe Glatz Gleiwitz 28, 38–39 Glemp, Józef 364 Glockenau-Gottesdorf 56, 58 Glöglichen 170 Glogau 100, 102, 119, 136 Glosner, Heinrich 312 Gnisen (von Robach), Maternus 121 Godefridus 138 Godullahütte 371 Goebel 88 Goebel, Alfred 88 Goebel, Georg 88 Goebel, Joseph 88 Göllner, Augustinus 59 Göllner, Julius 59 Görbersdorf 92 Görlich, Leo 55–56 Görlitz 21, 28, 39, 48, 60–63, 65–66, 269, 327, 331, 336– 337, 375–376, 378, 383, 423 Görlitz-Cottbus Diözese 378

Görres, Ida Friederike 264, 272 Gogolin 56–57

Goldberg 28–29 Goldenau 37 Golombek, Oskar 350 Gomułka, Władysław 246 Górecki, Jan 402, 408 Goschütz 102 Gospos, Nikolaus 29 Goßler, Gustav von 228 Goßlershausen 228 Gottesberg (Niederschlesien) / Boguszów 245 Gottharda 73–74 Gotzmann 69 Grabowski, Marianna (geb.) siehe Jettka, Marianna Grambschütz siehe Gramschütz Gramschütz 19, 28 Gransenau bei Kreuzburg 28 Grasenau 28 Graudenz / Grudziądz 227–230 Graz 98, 124, 268, 358 Grazynski, Michal 188, 191, 193 Greifswald 269 Greiner, Georg 55–56 Grelich, Robert 55–56 Grenzeck 267 Gródek Jagiellonski bei Lemberg 17 Grodowice bei Oppeln / Grodowice 59 Grodziec siehe Grodowice Gröditz 36 Grogger, Paula 359 Groschowitz 19, 27, 36, 56–57 Groß 26–27 Groß, Alois 20, 29 Groß-Kochen 36 Groß-Kunzendorf 105 Groß-Leubusch 58 Groß-Pluschnitz 57

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Groß-Schimmendorf 55 Groß-Schmograu 18 Groß-Strehlitz 18, 20, 56–58, 406 Groß-Tinz 58 Groß-Wierau 59 Grottkau 39, 101, 113–115, 122, 132–135 Grudziądz siehe Graudenz Grünastel 406 Grünberg 39 Grünsleder, Ulrich 388 Grüssau / Krasobór 225, 227, 231, 234, 238, 240–245, 247– 252, 254, 427 Grulich, Rudolf 289, 335 Grunert, Gerhard 29 Grzondziel, Heinrich 70, 76, 84, 87, 91 Grzonka 90 Guardini, Romano 260–262, 269–271, 273, 419 Günthersdorf 55–56 Guhlau 116 Gurk 99, 128 Gutschwager, Otto 19 Guzy, Johannes 55–56 H Haas, Reimund 413 Haas, Roland 266 Haase, Franz 27 Habelschwerdt 267 Habermann, Carl 8 Härtel, Alfons Maria 344–350, 355, 358 Hahn, Bonaventura 98, 138 Hahnel, Werner 59, 83 Haiduk, Franz 55–56 Hake, Joachim 281 Halatsch 81

435

Halberstadt 28 Halle 28 Haller, Nikolaus 91 Haltern am See 402, 405 Hamburg-Neuengamme 237 Hanel 83 Hanel, Georg 83 Hannover 18, 401, 404 Hanssler 326, 329 Hanssler, Bernhard 272 Harasimowicz, Jan 402, 408, 411–412 Harpersdorf 28–29 Hartmann, Sebastian 103, 119, 121–123 Hausberger, Karl 200 Havixbeck (Münsterland) 30 Hefelmann, Hans 320 Hehl, Ulrich von 375 Heiler, Friedrich 223 Heinisch, Benedict 311 Heinrich, Balthasar 120 Heinrichswalde 49 Heintschel-Heinegg, Hanns Georg von 336–337 Heinz, Jakob 118 Heinzendorf 18, 38 Helming, Helene 272 Helmrath, Johannes 392, 394– 395 Hempel, Wilhelm 55, 57 Hengsbach, Franz 276, 318–319, 324, 328–329 Herstelle an der Weser 248 Hertel, Georg 55, 57 Hertwigswalde 117 Hespers, Theo 267 Heß, Augustinus 27 Hettwer, Norbert 356 Heydebreck 28

436

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Hildeprand, Barbara (geb.) siehe Krommer von Krippendorf Hildeprand, George 122 Hildeprand, Valentin 122 Hildesheim 18, 27, 59–60, 323, 352–353, 404, 423 Hilgermann 78–79 Hilsch, Peter 389 Hiltprant, Kaspar 121–123, 133 Hiltrud 73 Himmel 80 Hindenburg 29–30 Hirner, Eberhard 277 Hirschberg 336–337 Hirschfeld, Michael 402, 404– 405, 423 Hirschfelder, Gerhard 267 Hitler, Adolf 196–197, 235, 267, 320 Hitlersee 36 Hlond, August 9, 188, 241, 255, 369–370 Hochhuth, Rolf 321 Hochkirch 19, 49 Hönigsdorf 132 Höpfl, Hildebrand 214 Hörhammer, Manfred 263, 265, 272 Hofbauer, Clemens 59 Hoffmann, Georg 58–59 Hoffmann, Herbert 59 Hoffmann, Hermann 259, 263, 277, 357, 377 Hohaus, Wilhelm 287, 289 Hohberg in Baden 278 Hohen-Giersdorf 127 Hohenlimburg 257 Hohenlohe-WaldenburgBartenstein, Joseph Christian Franz zu 50

Hollar, Wenzel 291 Holzgraf 116 Homeyer, Josef 318 Hotzenplotz 170 Hoym, Graf 295–296, 316, 420 Hradec Králové siehe Königgrätz Hudal, Alois 223 Hudalla, Max 39 Hübner, Max 55, 57 Hühnern siehe Hünern Hünern / Psary 72, 103 Hufnagel, Alfons 354, 356 Hund 116 Hundeck, Franz 59 Hundhausen, Carl 328–329 Hundorf 116 Hundsfeld / Psie Pole 67 Hundt 133–134 Hundt, Gabriel 116, 132–133 Hus, Jan 388–389 Husemann, Bernhard 278 I Innitzer, Theodor 336 Innsbruck 242 J Jablonowo 228 Jabłonowo Pomorskie siehe Jablonowo Jablunkau 39 Jänichen, Thomas 119 Jahn 69 Janitschke, Gerhard 38 Janotta, Norbert 55, 57 Janov, Matthias von 389 Janssen, Heinrich Maria 323 Januschkowitz 56 Jarischau 56–57

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Jarosław 241 Jaschke, Paul 55, 57 Jauer 56–57 Jauernick siehe Jauernig Jauernig 28, 34, 50 Jauernigk siehe Jauernig Jawiszów siehe KleinHennersdorf Jedin, Hubert 322, 324 Jedin, Johannes 74, 85 Jelinska, Blanka 390 Jentsch, Carl 402, 406–407 Jerin 115–116, 122, 131 Jerin, Andreas von 97– 99, 103– 104, 115, 117–119, 123, 128, 138 Jerin, Bartholomäus von 121, 123 Jerin, Philipp Jakob von 118 Jettka 228–231 Jettka, Alfons 228–229, 237 Jettka, Aurelia 228, 238–239, 244, 254 Jettka, Felicja 228–229, 237– 239, 243–244, 254 Jettka, Franz 227, 229–231 Jettka, Jadwiga (Hedwig) siehe Jettka, Josepha Jettka, Josepha 225, 227–241, 243–252, 254, 418 Jettka, Ksaweria 228 Jettka, Marianna, geb. Grabowski 227, 237 Jezierski, Adam 412 Johann Christian 118 Johann Kasimir 160

437

Johannes Paul II. 236, 362 Jokiel, Rudolph 343 Jonczyk, Gerhard 29 Joseph II. 241 Julius III. 290 K Kahlefeld, Heinrich 262, 264, 270–271, 273–274 Kainz, Stephan 238 Kaiser, Wolfgang 76, 81, 83 Kalis, Erich 55, 57 Kaliska, Maria Izydora 232, 234 Kaller, Maximilian 343, 376 Kalnik, Franz 28 Kaltern (Südtirol) 242, 249 Kamalla 92 Kamenz 114 Kamienna Góra siehe Landeshut Kammersfeld 37 Kanth 56–57 Kapizynski, Erika 88 Kaps, Johannes 343 Kapsdorf / Kryniczno 35, 103 Karl Ferdinand 106, 129, 134–135, 138 Karl IV. 233 Karl von Österreich 104, 106–107, 109, 111–113, 118, 120, 123–124, 127–129, 133–136, 138, 147, 157, 415 Karłowice siehe Karlowitz Karlowitz / Karłowice 73, 85 Karst, Josef 278–279 Karwin-Freistadt 49 Kasimir 35 Kasimir I. 241

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REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Kasper, Peter Paul 278 Kattowitz 30, 39, 51, 183–184, 187–198, 241, 368–373, 405, 409 Kaufmann 77 Kays 92 Keck, Hieronymus 289 Keilerswalde 56–57 Kellenried 247, 254 Kempten 343 Kerpen 35 Ketteler, Wilhelm Emmanuel Freiherr von 405 Kiefernrode 37 Kiera, Josef 58 Kinne, Karl 19 Kinzel, Virgil 259 Kirchner, Abraham 118 Kissling, Heinrich 118 Kittner, Kaspar 118 Kleineidam, Erich 68–69 Kleineidam, Joseph 28 Klein-Hennersdorf / Jawiszów 244 Klein-Strehlitz 37 Klein-Zöllnig 29 Klemens VIII. 103 Klemmerwitz 27 Klesl, Melchior 98 Kleuschnitz 19 Kleymann, Siegfried 200 Klieber, Rupert 361 Kliman, Andreas 121, 123 Klinke, Friedrich 312 Klodwig, Bernhard 58 Klose, Wolfgang 278 Klossok, Karl 10 Knips, Isabella 239, 254 Knossalla, Joseph 409 Knot, Antoni 323

Koch, Alois 277 Kochtitzky 116 Kögler 288–289 Köhler, Joachim 359, 382, 402, 406–407, 409 Köhler, Paul 358 Köln 36, 59–60, 64, 259, 271, 280, 287, 289–293, 321, 325– 326, 330, 336, 373, 402, 406, 411–413, 423 Diözese 7, 185, 289 Minoritenkirche 292 Universität 411–413 Wallraf-Richartz-Museum 291

Köln-Junkersdorf 289 König, Franz 365 Königgrätz / Hradec Králové 59, 339 Königshuld 36 Königshütte 187, 368 Königstein i. T. 59, 66 Körfer, Tobias 402, 406, 411 Körner 88 Körnitz 37 Köslin 404 Kösters, Ludwig 218 Kogon, Eugen 271 Kohl, Helmut 366 Kohl, Heribert 275 Kohlfurt 28 Kohlsdorf, Martin 121 Kolbe, Maximilian 319 Kolowrath, Ignatz von 121–122 Kolping, Adolf 338 Kominek, Bolesław 247, 318, 321–325, 329–330, 364–365, 372–373 Komorowski, Bolesław 411 Konietzny 83, 89, 91–93 Konstadt 30, 37 Konstantinopel 398

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Konstanz 397 Kopatz, Michael 280 Kopernikus, Nikolaus 229 Kopiczko, Andrzej 402, 407 Korschenbroich 281, 423 Koscielny, Walter 49 Koslowski von Koslau, Peter 121–123 Kostau 37 Kostenthal 28, 38 Koszarek, Josef 29 Kotzur, Alfons 55, 57 Kozłowska, Jolanta Róźa 411 Krämer, Reinhart 274 Kraft, Sigisbert 263, 274 Krakau 88, 97, 231, 233, 236, 241, 293, 318, 369–371 Kramer 70 Kramer, Heinrich 167 Kramer, Joseph 66 Kranst 36 Kranzdorf 35 Krappitz 37 Krasel, Wenzel 310 Krasobór siehe Grüssau Kraudelt, Julius 18 Krause-Lang, Martha 352 Krautscheidt

324, 326 Krebs, Engelbert 217, 220 Krehlau 56–57 Kresseheim 55, 57, 59–60 Kreuzburg 36–37, 56 Kreuzburg (Oberschlesien) 57 Kriesten, Joseph 297, 311, 313 Krippendorf 117 Kristen, Joseph 302, 306–307, 311, 314 Kromer von Krippendorf, Barbara 122

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Kromer von Krippendorf, Wenzel 122 Kroschnitz 20 Krupp 328–329 Kryniczno siehe Kapsdorf Krzeszów 253–254 Kubczak, Viktor 358–359 Kubis, Josef 55, 57 Kubischok siehe Kubuschok Kubuschok 84, 89 Künsten, Anton 310 Küpper, Tassilo 411–412 Kues, Nikolaus von 397–398 Küstrin 18 Kuhnau 37 Kukofka 69, 72, 78, 80 Kulessa, Roman 38 Kulitze 82 Kulm / Chełmno 226–227 Kunzendorf 28, 37 Kupferberg 19, 38 Kurzeja, Adalbert 237–238, 243, 246–249, 254 Kuschbert, Alfons 18 Kuß, Otto 68–69 Kutsch, Thomas 280 Kutz, Emil 55, 57 L Laake, Otto 55, 57 Laband 20, 58 Ladislaus II. 159, 170, 173–174 Lagosch siehe Lagosz, Kazimierz Lagosz, Kazimierz 88–89, 249 Lagus, Martin 119 Lähn 29 Lahr 83

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REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Lamberg, Johann Jakob von 99, 128 Landersdorfer, Simon Konrad 345 Landeshut / Kamienna Góra 248 Lang, Gregor 264, 273 Lang, Hugo 218 Lange, Ernst 67 Lange, Karl 56–57 Lange, Norbert 334, 339 Lange, Rudolf 58–59 Langendorf 27 Langensalza (Thüringen) 81 Langer, Anton 307, 314 Langer, Franz 302, 306–307, 311, 314 Langer, George 312 Langer, Joseph 297, 311 Langer, Karl 38 Langwaltersdorf 92 Langwasser 48 Larisch 297–298, 300, 303, 307, 311, 313–314 Larisch, Ignaz 297–298, 303, 313 Laslowski, Ernst 409 Lassoth 122 Latussek, Daniel 8 Lauban / Lubań 79, 358 Leber 356 Leber 356 Ledóchowski, Wladimir 215 Lehmann, Georg 89 Leineweber, Horst 278 Leipzig 259, 273, 277, 280, 330, 358 Leitmeritz 375 Lemberg / Lviv / Lwów 17, 225, 227, 231–236, 238–243, 250– 252, 254, 365 Lenz-Medoc, Paulus 279

Leobschütz 269, 373 Leonarda 81 Leppich, Johannes 28, 259 Lerch, Kurt 58 Leschnig 170, 172–173 Leschnitz 406 Leubusch 58 Leuppusch 55–56 Leuschner, Bruno 270, 273–274 Lichtenberg 55–56 Liebenau 56–57 Liebenthal 102 Liebtal 36 Liegnitz 27–28, 407 Limburg an der Lahn 320, 344, 376 Lindanus 132 Lindau 18 Lindenbach 19 Linhart, Paula 263, 271 Linnich 283 Lisiecki, Arkadiusz 188 Lochner, Elisabeth von 280 Löbbert, Sabine 278 Löbbert-Sudmann, Sabine 279 Löwenberg 28, 48 Logau 115–116, 131 Logau, Kaspar von 104 Lohbrück 35 Lohnau 55–56 Lomza 233 London 73, 269 Lonk bei Neumark 408 Lorenz 87 Lorenz, Klemens 120, 125 Lorinser, Franz 407 Loslau 28–30, 372 Lossen 102 Losswitz 56–57 Loyola, Ignatius von 290

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Lubań siehe Lauban Lubaszów 236 Lubin 240–242, 244 Lublin 227 Lubowitz 341 Lucas 162–163 Ludwig 297, 306, 312 Ludwig, Ernst Josef 274 Ludwig, Friedrich 305 Ludwig, Karl 56–57 Ludwigstein Burg 258, 260–261, 265, 419

Lübben 18 Lüdke, Hans 64 Lüdke, Johannes 84 Lüftelberg 289–293 Lukaschek, Hans 248, 254 Luthe, Hubert 322, 324–325, 327 Luther, Martin 102, 205, 208, 210, 215, 222 Lutterotti, Nikolaus von 242– 244, 248–250, 254, 256, 418 Lutz, Heinrich 275, 326 Lux 69 Luxemburg 283 Lviv siehe Lemberg Lwów siehe Lemberg M Machilek, Franz 388–389 Märzdorf 56–57 Magdeburg 59 Magnis 288– 289 Mai, Paul 401–403, 406, 409, 411 Maifritzdorf 49 Mainz 270, 405 Majewski 67, 84 Makau 29, 166

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Malachias 199 Malaspina, Germanico 98 Maltitz 115–116, 131 Maltitz, Hans Christoph von 117 Mandrella, Rudolf 268 Mannheim 279, 282 Mannsdorf 19 Mannsegg, Ignaz 287 Maria Laach 236, 247–248, 427 Maria-Höfchen 35 Marienthal bei Wesel 283 Marklinden 55, 57 Marschall, Werner 382 Marschendorf 335–336, 339 Martinus, Jodokus 118 Matthias 76 Matzkirch 55–56 Matzwitz 118, 131 Maxen, Wilhelm 404 Maximilian II. 140 Mechtal / Miechowitz 55–56 Meckenheim bei Bonn 289, 292– 293, 420 Meersburg 118 Meinhold, Bernhard 39 Meiningen 60 Meisner, Joachim 413 Meißen 18, 57, 274, 375, 378, 380 Melaune 28 Melz, Johannes 409 Menden 174 Mercier, Désiré-Joseph 223 Merry del Val, Rafael 215, 217– 221 Messerschmid, Felix 273 Metschlau 19 Mette, Maria 258 Metzger, Konrad 71

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REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Metzger, Max Joseph 263, 268– 269, 358 Meyer, Arnold Oskar 103 Meyer, Gerd 411 Michael, Zacharias 120 Michel, Ernst 211, 213 Michelau 56–57, 59 Miechollek 82 Miechowitz siehe Mechtal Mies, Jakobellus von 389 Mieszko II. 241 Miglunda 82 Milicz siehe Militsch Milig siehe Milik Milik, Karol 62, 63, 77, 244 Militsch / Milicz 74 Mniszków siehe Waltersdorf Mochau 159, 161, 169–174, 177, 179 Möbus, Gerhard 362 Möhringen 354 Mönchengladbach 17, 267 Moepert, Adolf 56, 57 Mogge, Wilhelm 257–258, 262, 264, 266 Mogge, Winfried 276 Moll, Helmut 267, 335 Mommert, Robert 68 Mooshausen an der Iller 261, 269 Morenhoven 289 Moritztal 93 Moschek, Johannes 56–57 Moschner, Gerhard 64–65, 83 Moskau 240 Mosterts, Carl 185–186 Mücke 406 Müller, Klaus 64 Müller-Armack 271

München 204, 218, 223, 258, 263, 265, 271, 273, 279, 293, 327, 329–330, 342–344, 350– 351, 402, 407 Dreifaltigkeitskirche 282 St. Bonifaz 218 St. Laurentius 273

München-Freising Erzdiözese 273, 330

Münster 18, 268, 343, 405, 409– 410, 423 Münster, Clemens 271 Münsterberg 18, 136 Münsterberg, Karl von 136 Mussolini, Benito 205 Muth, Carl 204, 206, 220, 223 Myslowitz 190 Myszor, Jerzy 370 N Nagler, Georg 27 Namslau 28 Nastainczyk, Wolfgang 382, 384–386 Nawrath, Walter 39 Neander 116 Neander, Balthasar 100–101, 120–123, 139 Nechern 115 Negwer, Josef 10, 37, 66 Neisse / Nysa 29, 56–58, 95–99, 101, 104–106, 108, 111, 113– 119, 122–123, 125, 128, 132, 134–135, 143–144, 147, 203, 259, 261, 283, 293, 357–358, 401, 403 Priesterseminar 99, 122–123 St. Jakobus 96, 105

Neisse-Neumühl 38 Neu Swierczyn / Nowe Świerczyny 228

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Neuengamme 237 Neumann, Clemens 357–358 Neumann, Joachim 120 Neumann, Klemens 283, 419 Neunert, Bruno 49 Neurönnebeck 404 Neuruppin 61 Neustadt (Oberschlesien) 38 Neustadt (Westpreußen) 408 Neuwalde 55, 57 Neuzelle 59, 66 Nickel, Goswin 290 Niederhermsdorf 19 Nieder-Hermsdorf 19, 27 Nieder-Lindewiese 36 Nieder-Thomasdorf 36 Niedzballa, Franz 49, 65 Niefnig 57, 59 Niekrawietz, Hans 359 Nielestno siehe Waltersdorf Niems 307, 314 Niems, Bernhard 297, 302, 306, 309–310 Niems, Michael 312 Nieswiez 233 Niklasdorf 36 Niklasdorf bei Ziegenhals 118 Nimbs siehe Niems Nimes siehe Niems Nitsche, Franz 68, 85, 87 Nowe Świerczyny siehe Neu Swierczyn Nürnberg 343 Nürnberg, Wilhelm 404 Nysa siehe Neisse O Oberg 116 Oberg, Heinrich von 116

443

Oberglogau 35, 159–160, 163, 171–173 Obernigk 36 Oberquell 49 Ober-Radoschau 19 Oberschwedeldorf / Szalejów Górny 295–296, 298, 300, 303, 306, 308–309, 313–316, 420–421 Ober-Thomasdorf 36 Oberwalden 36 Oderberg 56, 58 Oderhain 55–56 Oderwinkel 39 Odilge, Michael 89 Oels 136 Ohlewiesen 35, 81 Olbersdorf 38, 159, 161, 168, 171–172, 174, 176–179, 181 Olbrich, Joseph 312 Oldenburg 67, 410 Olmütz 34–35, 100, 102 Olpe 74 Olsztyn siehe Allenstein Oost, Karl van 241 Opava siehe Troppau Oppeln 19, 27–28, 35–36, 39, 55, 57, 70, 108, 119, 372, 427 Oppeln-Stephanshöh 27, 36 Opperau 35 Oppersdorff auf Oberglogau 173, 178 Orłowska, Bronisława 234 Orsenigo, Cesare 371 Orzegow 191 Osnabrück 28, 49, 404 Osobowice 63 Ossig 18, 116 Ostrach-Einhart 251 Oswitz 63

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REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Otte, Franz 311 Otte, Ignaz 297, 300, 305–307, 312, 314 Ottmachau 38–39, 96, 99, 105, 112, 115, 118, 122, 132 Ottmuth 55–56 Ozimek, Paul 19 P Pacelli, Eugenio 203–204, 208– 215, 217–224, 417 Paderborn 7, 18, 28, 49, 59–60, 263, 410 Padua 97 Panewnik 195 Pantke 80 Pantke, Josef 80, 84–85 Pantke, Karl 80 Pantke, Paul 80, 84–85 Pantke, Steffi 80 Panus, Bronislaus Bruno 38 Paris 263 Parsberg 343 Paschke, Paul 56–57 Pasek, Joachim 67 Passau 60, 345–346, 350 Pathe 65 Patrizius 71 Patschkau 29, 269 Paul V. 103, 115, 124 Paulus von Theben 162 Peikert, Paul 61 Peiskretscham 56–57 Peking 286, 288, 290, 293, 427 Pelplin 227 Pelzel, Martin 288 Petersdorf (Kreis Habelschwerdt) 39 Pfaff, Franz 278

Pfarrer von Ars siehe Vianney, Johannes Maria Pfropfreis 68–69, 78–80 Pfropfreis, Eva 79 Piecewo bei Jablonowo 228 Pilsen 337 Pilvousek, Josef 380 Piontek, Ferdinand 9, 37, 52, 65– 66, 78, 376, 404 Piosek, Paul 29 Pistorius, Johannes 121 Pitschen 30, 37, 56, 58 Pius IX. 8 Pius X. 205 Pius XI. 42–44, 214, 223, 233, 369 Pius XII. 30, 40, 43–44, 203 Placidia 72 Planetorz 66 Plattenhardt bei Stuttgart 358 Ploch, Gregor 362–367, 423 Poganiuch, Hugo 56–57 Pohl, Alois 56–57 Pohl, Dieter 288, 420, 423, 427 Pohl, Heinrich 56–57 Pohle, Joseph 203 Poklekowski 90 Poklekowski, Miriam 243, 254 Poklekowski, Paul 243, 254 Polenz, Norbert 278 Polkwitz 269 Polnisch-Wartenberg 102 Pomorski 231 Popschütz 115–116 Porazik. Joseph 19 Prag 95, 98, 100, 103, 123–124, 130, 233, 267, 334, 339, 390, 406 Kloster Emaus 233, 241–242

Preisner, Johannes 174

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Pribram, Johannes von 389 Prikker, Johan Thorn 283 Prokop, Dominik 259 Promnitz 115 Proskowsky 179 Przemyśl 228, 233, 235–236 Przywara, Erich 211 Psary siehe Hünern Pscheid, Johann 39 Psie Pole siehe Hundsfeld Pustejovsky, Otfrid 421, 423 Q Quaritz 49 Quittek, Willi 261 Quorkius, Kaspar 121, 123 R Raabe, Felix 359 Racibórz siehe Ratibor Radebusch 228 Radolfzell, Paul Albert von 97– 98, 104, 116–117, 128 Radosk / Radoszki 228 Radoszki siehe Radosk Radzionkau 409 Ragusa, Johannes von 396 Raina, Peter 366 Ralbitz (Oberlausitz) 28 Ramatschi, Paul 58, 59, 66, 67 Raschau 36 Raszeja, Franciszek 227 Raszeja, Leon 227 Raszeja, Maksymilian 227 Rath(s)mann, Anton 297, 306– 307, 311, 314 Rath(s)mann, Ignaz 311 Ratibor / Racibórz 29, 38, 49, 89, 108, 259

445

Ratingen-Hösel 367 Ratsmann siehe Rath(s)mann Ratti, Achille 369 Rauden (Oberschlesien) 178 Recklinghausen 30 Regensburg 7, 29, 49–50, 59, 343–344, 401–403, 406, 409– 411, 423 Reibnitz 307, 313 Reibnitz, Melchior von 126 Reichenau 297–300, 303, 309– 310, 313 Reichenstein 59 Reichenwald 36 Reichnau 303 Reifel 314 Reinken, Joseph Hubert 402, 407 Reisch, Erich 279 Reiße, Roman 52, 56–57 Reiter, Maximilian 58 Remscheid 423 Rentschen 56–57 Repgen, Konrad 322, 326–328 Repsch 172 Rhedern 116 Richeza 241 Richter, Helmut 283 Richter, Nikola (Elisabeth) 251 Richthofen, Carl Freiherr von 402, 406–407 Riedel, Clemens 361–364 Rieger, Alfred 58, 60 Riegersdorf (Oberschlesien) 56– 57 Rind 70, 78, 80, 87–89 Rindt siehe Rind Ritter 135 Rodehau 27 Roegele, Otto B. 262

446

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Rösel 85 Rösler, Max 56–57 Rogau 56, 58 Rogier, Karl 56–57 Rohr (Niederbayern) 259 Rohrbach, Ignaz 309 Rokyčana, Johannes 389–390, 396 Rom 97, 123–124, 202–203, 213, 218, 220–221, 223–224, 236, 239, 241–242, 272, 286–287, 290, 318, 321, 324–327, 329– 330, 362 Collegio San Anselmo 236 Collegio Teutonico 272 Collegium Germanicum 290, 404 Collegium Romanum 290

Romualda 69 Ronsperg (Böhmen) Schloss 272

Rose, Ambrosius 247–249, 254 Rosenstock-Huessy, Eugen 199– 200 Rosenthal / Różanka 88 Rosie, Phillip 56–57 Rosner, Clemens 358 Rosner, Erwin 258, 357–358 Rosner, Gotthart 358 Rosner, Maria, geb. Schwarzer 357–358 Roßtal 37 Roßweide 37 Rothenfels am Main Burg 258, 262–263, 265–266, 269–283, 419–420

Rothkirch 133–134 Rothwasser 117, 131 Rotkirch siehe Rothkirch Rotschloß 18 Rottenburg 272, 274, 354, 358 Różanka siehe Rosenthal

Ruda Śląska 402, 408 Rudolf II. 95, 97–98, 100, 102– 103, 108, 124, 131, 135–137, 172 Rudzki, Franz 56–57 Rüberg, Michael (Alfred) 18 Rusek, Boguslaus 49 Rybnik 19, 28, 372 Rzehulka, Georg 19 S Saarbrücken 274, 326 Sabisch, Alfred 323–326 Sabisch, Rudolf 56–57 Sachsenhausen 237 Sadlinki (Sadlinken) 228 Sagan 49 Sandhübel 36 Sandmann, Anton 309 Sankt siehe St.

Sapieha, Adam Stefan 371 Sappelt, Paul 39 Sappok, Felix 28 Saubsdorf 36 Saywet 116 Schaab, Meinrad 266 Schacht, Franz 88 Schaffran, Gerhard 327–331 Schaffranek, Josef 405 Schall von Bell 290 Schall von Bell, Adam 285–293, 420, 427 Schall, Heinrich Degenhard 289, 292 Schall, Johann Adam 289 Schall, Johann Reinhard 289, 292 Schauff 329 Schelitz 159, 179 Schenke, Karl 61–63, 415

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Schewior, Erich 56–57 Scheyern 238 Scheyern (Oberbayern) 238 Schickfus, Jakob 124 Schimetzko 81 Schirowski von Schirow, Nikolaus 118 Schlegel-Slanina 76 Schleupner, Christoph 132 Schleupner, Heinz-Dieter 48 Schlicht, Walter 276 Schlüchtern 273 Schlüter, Friedrich (Fritz) 257– 258, 262, 270, 274 Schmerbauch, Maik 372–374, 417, 423 Schmid von Grüneck, Georg 207–208, 210, 214 Schmidt, Bernhard 56–57 Schmidt, Friedrich 59–60 Schmidt, Helmut 366 Schmidt, Johann 59–60 Schmidt, Viktor 405 Schmitt, Albert 242, 248–249, 254 Schnabel, Christoph 297, 305– 307, 312, 314 Schnabel, Joseph 297, 305–307, 312, 314 Schnabel, Michael 297, 302, 306–307, 311, 314 Schnalke, Franz 29 Schneider 87 Schneider, Jupp 270 Schömberg 59 Schönau 35, 59 Schönauer, Joseph 58, 60, 66, 75 Schoepe, Johannes 403 Scholl, Martin 56–57 Scholtis, August 359

447

Scholtyssek, Erich 56–57 Scholz 135 Scholz, Bernhard W. 415, 423 Scholz, Franz 324 Scholz, Georg 56–57 Scholz, Helmut 343 Scholz, Roman (Karl) 336–337 Schopfheim (Baden) 268 Schoske, Bruno 38 Schrammel, Karl 339 Schreiber, Elisabeth 65 Schreibersdorf 37 Schroda, Joseph 56–57 Schroubek, Georg 345 Schubert-Slama 86 Schütz, Hans 352 Schumacher, Kurt 226 Schumann, Paul 56–57 Schurgast 19, 55–56 Schuster 83 Schuster, Gerhard 72, 83 Schwäbisch Gmünd 277 Schwäbisch Hall 272 Schwandorf 59 Schwarz, Kasimir siehe Szwartz, Casimirus Schwarz, Rudolf 283 Schwarzbach, Martin 412 Schwarzenberg, Friedrich Fürst zu 406 Schwedowitz, Walter 56–57 Schweidnitz / Świdnica 28, 59, 68, 100 Schweidnitz-Jauer 108, 121 Schweinfurt 271 Schweinitz 56–57 Schwerin 260–261 Schwientochlowitz 191 Schwirtz, Josef 56–57

448

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Sciall, Joh. Adam siehe Schall von Bell, Adam Scultetus, Balthasar 121 Sega, Philipp von 104, 115, 117 Sehnde bei Hildesheim 334, 339 Seidowsky, Hans-Joachim 329– 330 Seiffert, Georg 49 Seifrid, Sigmund 121 Seipolt, Johannes 360 Seliger, Clemens (Johann) 18 Seliger, Johannes 18 Seling, Johann Mathias 405 Seppelt, Florian 310 Seppelt, Franz Xaver 67 Seppelt, Joseph 297, 306–307, 310, 313–314 Seppelt, Tobias 311 Serajewo 39 Serra, Giacomo 138 Severa, Joseph 19 Seybeth, Adam 120 Siberstra 93 Siebner, Franz 56–57 Siegmund 91 Siersetzki, Alfons 56–57 Sigrid 81 Sikora, Josef 92 Sikorski, Władysław 240 Silesius, Angelus 342 Simoleit, Herbert 268 Simon, Georg 58 Singen 343 Sitsch 99, 115–117, 130–132 Sitsch, Adam 131 Sitsch, Adam von 132 Sitsch, Anna Hedwig von 118 Sitsch, Christoph 131 Sitsch, Gabriel 117, 131

Sitsch, Georg 118, 131 Sitsch, Hans 131 Sitsch, Johannes von 95–100, 102–105, 108, 110, 117–120, 122–124, 129, 131, 133–139, 415–416 Sitsch, Melchior 131 Skibnieweski, Mateusz 244 Skopp 116 Skrobek, Erhard 89–90 Skrzyszowski, Faustinus 162 Sladek, Paulus 350–352 Slama-Schubert 86 Slanina-Schlegel 76 Smets, Wilhelm 287 Smitmans, Adolf 278 Smolka, Georg 362 Smolorz, Franz 56, 58 Sobanski 72, 86 Sobanski 81, 83 Sobiech, Simon 401, 404 Sobranski, Hans 87 Sokołowsko siehe Gärbensdorf Solarski, Thaddus 162–163 Solski, Alexius 162 Sommer, Josef Heinrich 270–271 Sonsalla, Benno 58 Spata, Manfred 420, 423, 427 Spee von Langenfeld, Friedrich 290 Spiske, Robert 405 Spittler, Josef 56–57 Sprottau 19 Spülbeck, Otto 274 St. André-lez-Bruges (Belgien) 241 St. Blasien (Schwarzwald) 29 St. Märgen (Schwarzwald) 265, 278, 280 Stalin, Josef 240, 325

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Stangl 319 Staniątki 231, 233, 236 Stankowski, Martin 275 Starrwitz 118, 131 Staude, Alfred 285–286, 289 Staudinger, Odo 215 Stehle, Hansjacob 318 Stehle, Johann Gustav Eduard 355 Stehr, Hermann 359 Steinau (Oberschlesien) 56–57 Steinau an der Oder 55, 57 Steingaden 264 Steinsträßer, Inge 418, 423, 427 Stelzer, Alfred 48 Sterba 406 Stettin / Szczecin 228, 239, 254, 268 Steubendorf 35 Stifter, Adalbert 69, 71, 74 Stigsch 71 Stillersfeld 30 Stock, Franz 263 Stohr, Albert 261–262, 270 Stollarzowitz 30 Stotzingen, Fidelis von 236, 239, 242, 253–254, 418 Strachwitz 116 Strachwitz, Christoph von 107, 121–123, 134–135 Straduna 28, 38 Strasburg 227–228 Straubing 389 Strauch, Benedikt 385 Straupitz (Niederlausitz) 18, 30 Strehlen 59–60 Strehler, Bernhard 273, 357 Strehlitz 56–57, 59 Striegau (Niederschlesien) 225 Striegendorf 133

449

Strzyz, Franz 371–372 Stubendorf 18 Stübendorf 96, 131 Stuttgart 242, 272, 343–344, 356, 358–359 Stuttgart-Möhringen 357 Sucke 71 Sulingen bei Hannover 60 Świdnica siehe Schweidnitz Świerk, Alfred 328–330 Szalejów Górny siehe Oberschwedeldorf Szczecin siehe Stettin Szwartz, Casimirus 162–163 Szymańska, Janina (Stanisława) 234–236, 243 T Tarnau 19, 36 Tarnopol 236 Tasler, Johann 334 Taube, Walery 87 Tauber 87 Tausentschön, Georg 120 Tczew siehe Dirschau Tempelfeld 55–56 Tepl / Teplá 408 Tepper, Florian 297–298, 300, 302–303, 306–307, 310, 314 Tepper, George 310 Tesar, Petr 339 Teschen 39, 49 Tettenweis (Niederbayern) 239, 251, 254 Teuber 72 Teuber, Alfons 359 Teusch, Joseph 330 Tewes, Ernst 264–265, 273 Theissing, Heinrich 259, 261

450

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Theissing, Johannes 65–66, 80, 259, 261 Thiede, Regula 278 Thielsdorf 36 Thiemendorf 56–57 Thienel, Hubert 63, 66–67, 69, 72, 74, 81, 84, 89, 260 Thorn / Toruń 227, 229, 231– 232, 234–239 Thule 36 Tiefenburg 28, 38 Tilgner, Leo 39 Tillowitz 55–56 Tilmann, Klemens 265, 273 Tinzmann, Nikolaus 107, 121– 123 Tippelt 335 Tippelt, Josef 333–339, 421–422 Tippelt, Maria 333 Tippelt, Rudolf 333 Töpler, Winfried 331, 415, 423 Tokarz, Karl 27 Toruń siehe Thorn Tost 38 Trachenberg 18, 38 Trautmann, Paul 59–60 Trebnitz / Trzebnica 36, 75, 103 Treschen 35, 64 Trestno 64 Trier 19, 190 Trimborn, Thea 257, 259 Troilo 115–116, 122, 131 Troilo, Franz 122 Troilo, Franz Friedrich 122 Troilo, Nikolaus von 121–123 Troppau / Opava 102, 151, 339 Trzebnica siehe Trebnitz Tschenstochau 159–160, 162, 164, 174, 181

Tschernin 116 Tübingen 272, 354, 401–403, 406, 409–411, 423 Tunskirch 56, 58 Tutzing 273 Twardowski, Bolesław 234, 236 Tworkau 58 Tyniec 241, 244 U Ujest 56 Ulitz, Arnold 359 Ulitzka, Carl 404 Ullrich, Anton 309 Ulm 273, 343–344 Unterburger, Klaus 417, 423 Urban, Wincenty 139, 324–325, 330 Ursinus, Adam 121 Ursinus, Franz 121, 123 V Väth, Alfons 427 Vallendar 409 Vanicek, Rudolf 56, 58 Vechta 402, 404, 423 Veith, Domitilla 225, 232, 239, 247, 251, 254 Verbiest, Ferdinand 290 Vianney, Johannes Maria 83 Vidnava siehe Weidenau Viezens, Lorenz 311 Vilshofen 343 Vinnenberg, Walter 265 Vöcking, Hans 278 Völkel, G. 64 Völkel, Hans 412 Vohenstrauß 388 Voigtsdorf 26–27 Volkmannsdorf 131

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Volkmer, Franz 287, 289 Volkurer, Jochen 67 Vykoukal, Ernst (Arnošt) 233 W Waakirchen 423 Wachsmann, Alfons Maria 269 Wachtel 133–134 Wacker von Wackenfels, Julius Caesar 118, 121, 123 Wacker, Johann Matthäus 118 Wacker, Johannes Jakobus 121 Waczensky, von 314 Wätjer, Karl 18 Wahle, Agnes 262 Waibel, Konrad 121, 123 Walberberg bei Köln 271 Wałbrzych siehe Waldenburg Walczak, Gregor 409 Waldenburg / Wałbrzych 61, 65, 248, 251 Walim siehe Wüstewaltersdorf Wallentin 26 Wallisfurth 311–312 Walloschek, Franz 56, 58 Waltdorf 88 Waltersdorf / Mniszków / Nielestno 92 Wambsganß, Martin 4 Wanke, Ignaz 296–297, 306– 307, 313, 316 Wansen 8, 114 Warschau 28, 227, 235, 242, 325, 328, 369, 371–372 Universitätsbibliothek 323

Wartha 51 Wassermann, Rudolf Konrad 120 Wasungen 60 Weidenau / Vidnava 34, 39, 68

451

Weidlich, Norbert 38 Weiger, Josef 261 Weiß, Martin 120 Weiß, Otto 217 Weizenrodau 59 Welzel, Sebastian 310 Wendling, Anton 283 Wendrin 49 Weniger, Joseph 297–298, 300, 302–303, 306–307, 310, 314 Wenzel, Hermann 21 Wenzel, Norbert 28 Wenzke 116 Werdohl im Sauerland 373 Werfel, Franz 334 Werhun, Peter 17 Wesel 423 Wieczorek 80 Wiedenbrück 242 Wiedrowitz 170, 172–173 Wielde, Hans 120 Wien 97–98, 133, 241, 287, 361, 367, 369 Wiesbaden 281 Wiese 133–134 Wiese-Pauliner 35, 159–160, 162–165, 167–170, 172–174, 178–179, 181 Wilkau 160–161, 172, 178–179 Willenberger, Joachim 118 Wilna / Wilno 233, 365 Wilno siehe Wilna Wimhellek, Guido 80 Wimpfen siehe Bad Wimpfen Wimsellek, Guido 79, 90 Winifrieda 91 Winkler 80 Winkler, Alfons 65 Winkler, Anton 56, 58 Winkler, Dorothea 83

452

REGISTER DER NAMEN UND ORTE

Winkler, Ruth 72, 77, 80, 85 Winterfeld 37 Winterstein, Ulrike 375–380 Wirsig, Josef 56, 58 Witebsk 29 Wittek, Bruno Hanns 359 Wittgendorf 55, 57 Wittichenau (Oberlausitz) 28 Wittig, Joseph 199–224, 417–418 Wodzisław 30 Wohlau 18 Wojtowicz, Krzysztof 412 Wojtyła, Karol siehe Johannes Paul II. Wolf, George 310 Wolff, Hubert A. 411 Wolffram, Matthes 120 Wolker, Ludwig 185, 261, 269, 283 Wosnitza, Franz 190, 192–194, 368–374 Wrazidlo, Karl 30, 56, 58 Wrobel, Ralph M. 416, 423, 427 Wrocław siehe Breslau Wrocław-Leśnica siehe Deutsch Lissa Wünsch, Thomas 388 Würzburg 272, 281, 343–344, 354 Wüstewaltersdorf / Walim 83 Wulff, Christian 411 Wullenweber, Hein 257 Wuppertal 280 Wuttke, Alois 65 Wystrach, Brigitte 256

Wyszyński, Stefan 364–366

325–327,

Y York von Wartenberg, Irene 74– 75 York von Wartenberg, Marion 74–75 Z Zawadzki, Wojciech 402, 408 Zedler, Johann Heinrich 289 Zellin 37 Zembrze / Ziemia chełmińska 227–228 Zerfaß, Rolf 281 Zhalan (China) 290 Ziegenhals 118 Ziemia chełmińska siehe Zembrze Zierwoski 116 Zilynska, Blanka 389 Zimolong, Bertrand 58 Zimpel 63 Zinke, Johannes 63–64, 67–68, 76, 83–85 Zipfel, Maksymilian 62 Zobten am Bober 56–57 Zülzendorf 127 Zug, Alois 56, 58 Zurek, Robert 365 Zwickau 423 Zwochau bei Leipzig 277