Anlegerschutz bei der Publikums-KG durch Einrichtung eines Beirats [1 ed.] 9783428484379, 9783428084371

Die Arbeit untersucht, wie die Anlegerkommanditisten in einer Publikums-KG durch die Gewährung von Kontrollrechten gesch

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Anlegerschutz bei der Publikums-KG durch Einrichtung eines Beirats [1 ed.]
 9783428484379, 9783428084371

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 90

Anlegerschutz bei der Publikums-KG durch Einrichtung eines Beirats Von Friedrich Grote

Duncker & Humblot · Berlin

FRIEDRICH GROTE Anlegerschutz bei der Publikums-KG durch Einrichtung eines Beirats

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 90

Anlegerschutz bei der Publikums-KG durch Einrichtung eines Beirats

Von Friedrich Grote

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Grote, Friedrich:

Anlegerschutz bei der Publikums-KG durch Einrichtung eines Beirats / von Friedrich Grote. - Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Schriften zum Wirtschaftsrecht ; Bd. 90) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08437-3 NE: GT

D6 Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-08437-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit am Institut für Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Im Sommersemester 1994 wurde sie von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät als Dissertation angenommen. Prof. Dr. Kollhosser hat sie betreut. Hierfür danke ich ihm ebenso sehr herzlich wie für die Möglichkeit, an seinem Lehrstuhl tätig zu sein. Weiterer Dank gilt Prof. Dr. Timm, der das Zweitgutachten erstellt hat. Mein herzlicher Dank gilt ebenfalls der Konrad-Adenauer-Stiftung für ihre großzügige Förderung während meines Studiums und meiner Doktorandenzeit. Persönlich danken möchte ich meiner Familie, die mich während der Erstellung dieser Arbeit vielfältig unterstützte. Iserlohn, im Februar 1995 Friedrich

Grote

Inhaltsverzeichnis J. Kapitel

Einführung

17

Α. Begriff der Publikums-KG

17

I.Voraussetzungen

17

II. Erscheinungsformen; Eingrenzung auf den Grundtyp der GmbH&Co KG III. Gründungsmotive; derzeitige Situation 1. Steuerrechtliche Motive

18 19 19

2. Gesellschaftsrechtliche Motive

24

a) Motive haftungsrechtlicher Art

24

b) Motive innergesellschaftlicher Art

24

B. Rechtliche Anerkennung der Publikums-KG

25

I. Scheitern der Ansätze eines Typenzwangs bzw. der Typenlehren II. Reaktion des Gesetzgebers sowie der Rechtsprechung und Lehre

25 26

1. Gesetzgeber

26

2. Prospekthaftung

27

3. Inhaltskontrolle

27

III. Fehlen einer konkrete strukturelle Mindestanforderungen stellenden Judikatur; Fragestellung dieser Untersuchung

28 2. Kapitel

Kontrollrechte der Kommanditisten in einer dem gesetzgeberischen Leitbild entsprechenden KG A. Informationsrechte I. Systematik der Informationsrechte; im HGB normierte Rechte

29 29 29

II. Umfang des zwingenden Teils des § 166 HGB aus personengesellschaftsrechtlichen Erwägungen 1. Umfang kraft gesetzlicher Anordnung a) Wortlaut und Systematik b) Entstehungsgeschichte

30 30 30 30

2. Konkretisierung des Begriffs der Unabdingbarkeit

31

3. Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung

32

a) Übersicht

32

b) Der andere Ansatz von Schmidt

33

4. Unverzichtbarer Teil des § 166 HGB

35

8

Inhaltsverzeichnis a) Bedeutung der §§ 716 II BGB, 118 II HGB

35

b) Erstreckung dieses Prinzips auf § 166 III HGB

35

c) Unverzichtbare Elemente des § 166 I HGB neben § 166 III HGB

36

5. Unentziehbarer Teil des § 166 HGB

37

6. Zwischenergebnis

37

III. Umfang des zwingenden Teils von § 166 HGB unter Berücksichtigung des Kapitalgesellschaftsrechts

37

1. § 51 a GmbHG als neue gesetzgeberische Wertung mit rechtsformübergreifendem Charakter

37

a) Inhalt des § 51 a GmbHG

37

b) Diskrepanzen zu § 166 HGB und deren Bewertung in der Literatur

38

2. Auswirkungen auf den Umfang des Einsichtsrechts durch analoge Anwendung des §51 a GmbHG

39

3. Auswirkungen auf den Umfang des Kernbereichs

40

4. Steuerrechtliche Anforderungen für die Mitunternehmerschaft

41

5. Zwischenergebnis IV. Auskunftsrechte des Kommanditisten

42 42

1. Erfordernis eines Auskunftsrechts

42

2. Auskunftsrechte als allgemeines Prinzip des Schuldrechts

42

3. Gesetzlich normierte Auskunftsrecht im Recht der KG

43

a) Auskunftrecht aus §§ 716 II BGB, 118 II HGB

43

b) Auskunftsrecht im Rahmen des § 166 III HGB

43

c) Auskunftsrecht aus $$ 713, 666 BGB, 161 II, 105 II HGB aa)

Verhältnis zu § 166 HGB

44 44

bb) §§ 713, 666 BGB als Kollektivrecht

45

cc)

45

Der Ansatz Hubers

dd) Zwingender Teil des Kollektivrechts

46

4. Fehlende Konguenz von ermitteltem Auskunftsbedürfnis und gesetzlich geregelten Auskunftsansprüchen 5. Auskunftsrecht kraft richterlicher Rechtsfortbildung

47 47

a) Keine Ausschlußwirkung durch § 166 HGB

47

b) Dogmatische Herleitung

49

aa) Analogie zu § 51 a I GmbHG bb) Analogie zu § 131 I 1 AktG cc) Annex zu den Mitgliedschaftsrechten c) Kein Ausschluß wegen widerstreitender Interessen 6. Zwischenergebnis B. Mitwirkungsrechte I. Inhalt der gesetzlichen Regelung

49 49 50 51 52 53 53

1. Zustimmungspflicht zu außergewöhnlichen Geschäften

53

2. Begriff des außergewöhnlichen Geschäfts

55

II. Abdingbarkeit des Zustimmungsrechts

56

1. Gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten

56

2. Steuerrechtliche Erfordernisse

56

Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel

Interessengerechtigkeit eines Beirats zur Wahrnehmung der Anlegerrechte in der Publikums-KG und Begründung seiner rechtlichen Notwendigkeit im Wege richterlicher Rechtsfortbildung

57

A. Andere Interessenlage in der Publikums-KG

57

I. Gesetzgeberisches Leitbild der KG

57

II. Gesteigerter Kon trollbedarf in der Publikums-KG III. Gefahren weitergehender Kontrollrechte IV. Effektivität weitergehender Rechte V. Konfliktlösungsmöglichkeiten 1. Erweiterung der Individualrechtsposition 2. Einrichtung eines Gremiums zwischen Geschäftsführung und Gesellschaftern

57 58 59 59 59 60

a) Vorteile einer solchen Lösung

60

b) Vertragspraxis; Modelle

61

aa)

Empirische Beobachtungen

bb) Vertragliche Ausgestaltungen solcher Gremien ( 1 ) Unterscheidung nach rechtlicher Verankerung

cc)

62 63

(3) Unterscheidung nach Organqualität bzw. Zusammensetzung

64

(4) Unterscheidung nach Aufgaben

66

Bezeichnung Vertragsfreiheit

bb) Abspaltungsverbot cc)

62

(2) Unterscheidung nach Zugehörigkeit

c) Zulässigkeit einer solchen Lösung aa)

61

Kernbereichslehre/unverzichtbare Rechte

66 67 67 67 68

dd) Verbandssouveränität

69

ee)

71

Selbstorganschaft

d) Bedenken gegen eine Beiratslösung aa)

Minderheitenschutz

72 72

bb) Individualschutz

72

cc)

73

Kosten des Gremiums/Belastung der Verwaltung

dd) Gefahr der Aberkennung der Mitunternehmerschaft B. Praktische Durchsetzbarkeit der Beiratslösung I. Beirat nur im Rahmen richterlicher Rechtsfortbildung durchsetzbar II. Grundsätzliche Legitimität richterlicher Rechtsfortbildung

74 76 76 77

III. Gesetzesimmanente Rechtsfortbildung

80

IV. Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung

80

1. Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen

80

2. Rechtsfortbildung im Bereich der Publikums-KG

81

a) Inhaltskontrolle als Ergebnis gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung

81

10

Inhaltsverzeichnis b) Kein Ausschluß aufgrund entgegenstehender Willensäußerung des Gesetzgebers aa)

Ausschluß durch fehlende spezialgesetzliche Regelung

bb) Ausschluß durch gesetzliche Regelungen solcher Gremien

81 81 82

(1) Gesetzliche Regelungen von Kontrollorganen

83

(2) Konsequenzen aus der Systematik der gesetzlichen Regelungen

83

3. Meinungsstand zur Rechtsfortbildung im Hinblick auf die rechtliche Notwendigkeit eines Beirats a) Rechtsprechung aa)

Rechtsprechung des BGH

bb) Rechtsprechung anderer Obergerichte b) Stellungnahmen in der Literatur 4. Rechtfertigung einer solchen Rechtsfortbildung

85 85 85 86 86 91

a) Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf ein unabweisbares Bedürfnis des Rechtsverkehrs

91

aa)

91

Anlegerschutzgesichtspunkte als Verkehrsbedürfnis

bb) Vermeidung von Wettbewerbsgefahren cc)

Verkehrsbedürfnis wegen der großen Gesellschafterzahl

b) Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf ein rechtsethisches Prinzip aa)

91 92 93

Voraussetzungen eines rechtsethischen Prinzips

93

bb) Aus Verfassung abgeleitetes rechtsethisches Prinzip

94

( 1 ) Sozialstaatsprinzip cc)

95

aus einfach-gesetzlichen Normen abgeleitetes Prinzip

96

( 1 ) Anlegerschutzprinzip als gesetzlich anerkanntes rechtsethisches Prinzip (2) Erstreckung des Anlegerschutzprinzips auf die Publikums-KG (a) Anlegerbegriff der herrschenden Meinung (b) Die Kritik Hilles (3) Inhalt des Anlegerschutzprinzips

aa)

94

(2) Demokratischem Verständnis inhärentes Prinzip

96 97 97 98 103

(a) Erfordernis zur Formulierung von Unterprinzipien

103

(b) Differenzierungen in der Literatur

103

Der Ansatz Hopts

103

bb) Der Ansatz Schwarks

104

cc)

107

Der Ansatz Wiedemanns

5. Eigener Ansatz

111

a) Ausgangspunkt

111

b) Regelungen mit grundsätzlich zwingendem Aufsichtsrat

111

aa)

AG und KGaA

III

bb) DieeG

113

cc)

114

Der große VVaG

dd) Zusammenfassung c) Regelung von Gesellschaften ohne zwingenden Aufsichtsrat aa)

114 114

Die GmbH

115

(1)1. Sonderfall: Die Kapitalanlagengesellschaft

118

Inhaltsverzeichnis (2)2. Sonderfall: Das gemeinnützige Wohnungsunternehmen bb) Die Personengesellschaft cc)

121 121

Die Wohnungseigentümergemeinschaft

122

dd) Der kleine VVaG

123

ee)

124

Exkurs: Der Treuhänder im Hypothekenbankrecht

d) Konsequenz: Existenz eines allgemeinen Rechtsprinzips als Unterfall des Anlegerschutzprinzips

125

aa)

125

Inhalt des Prinzips

bb) Überwachungsorgan u.U. nur bei besonderer Ausgestaltung notwendig cc)

Keine Fixierung auf einheitlichen Aufsichtsrat

e) Erstreckung des Prinzips auf die Publikums-KG aa)

Parallelstrukturen

126 126 126 126

bb) Entgegenstehende Prinzipien ( 1 ) Ausgangspunkt

129 129

(2) § 52 I GmbHG als Ausdruck eines Stufenverhältnisses

130

(3) Der Grundsatz der Privatautonomie

131

(4) Der Grundsatz der Rechtssicherheit 6. Zwischenergebnis

134 137

4. Kapitel

Mittelbare Maßnahmen zur Förderung der gesellschaftsvertraglichen Einrichtung eines Überwachungsorgans A. Die Einrichtung im Wege der Änderung des Gesellschaftsvertrages I.Einführung; Problemstellung II. Abkehr vom Grundsatz der allseitigen Zustimmung

139 139 139 141

1. Aufgabe des Grundsatzes der allseitigen Mitwirkung

141

2. Einführung des Mehrheitsprinzips

141

a) Mehrheitsklausel vorhanden aa)

Allgemeine Zulässigkeit einer Mehrheitsklausel

bb) Grenzen durch den Bestimmtheitsgrundsatz (1) Inhalt des Bestimmtheitsgrundsatzes (2) Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes für die Publikums-KG b) Keine Mehrheitsklausel vorhanden aa)

Ausgangspunkt BGHZ 71, 53 (58 f.)

141 141 142 142 144 145 145

bb) Stellungnahmen in der Literatur

146

cc)

147

Eigene Stellungnahme

III. Mehrheitsbildung in der Publikums-KG

149

1. Kein Stimmrechtsausschluß der Kommanditanleger

149

2. Stimmrecht der Komplementär-GmbH

150

a) Vetorecht

150

b) Mehrstimmrechte

152

Inhaltsverzeichnis c) Das Stimmrecht der nicht anwesenden Gesellschafter 3. Einführung des Überwachungsorgans einer Mehrheitsentscheidung zugänglich a) Meinungsstand aa)

Die Ansicht Stimpels

154 156 156 156

bb) Die Ansicht Heids

156

cc)

157

Die Ansicht Dietrichs

b) Eigener Ansatz 4. Kündigungsrecht der überstimmten Gesellschafter 5. Zwischenergebnis IV. Überwachungsorgan trotz Verfehlens der erforderlichen Mehrheit 1. Zustimmungspflicht zu Gesellschaftsvertragsänderungen a) Darstellung der herrschenden Meinung bei der typischen Personengesellschaft

157 159 160 161 161 161

b) Kritik an dieser Lehre

162

c) Eigene Stellungnahme

164

2. Anwendbarkeit der Lehre der Zustimmungspflicht auf die Publikums-KG

165

a) Treuepflicht in der Publikums-KG

165

b) Modifikation durch eine Zustimmungsfiktion

166

aa)

Ansätze zur Modifikation bei typischen Personengesellschaften

bb) Modifikation bei der Publikums-KG

166 168

3. Anwendbarkeit der Ergebnisse für die Einrichtung eines Beirats

169

4. Zustimmungspflicht bei verschiedenen Vorschlägen

171

5. Zwischenergebnis

171

V. Einberufung der Gesellschafterversammlung 1. Grundsätzliche Erwägungen 2. Recht zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung a) Recht der Kommanditisten, die Einberufung zu verlangen aa)

Individualrecht oder Quorum

bb) Rechtslage bei zusätzlichem Quorum

172 172 172 173 173 175

b) Kosten der Gesellschafterversammlung

176

c) Recht zur Ergänzung der Tagesordnung

176

3. Einladung zur Gesellschafterversammlung und Beschlußfähigkeit a) Allgemeine Grundsätze

176 176

b) Regelung zur Tagesordnung

177

c) Regelung zu Fristen

178

d) Regelung zur Versendung der Einladung

178

e) Regelung zum Ort der Gesellschafterversammlung

179

f) Regelung zu Beschlußfähigkeitsvoraussetzungen

180

4. Zwischenergebnis Die Regelung des Beirats durch die Gründer I. Prospekthaftungsansprüche 1. Aufklärungspflicht über einen fehlenden Beirat

180 181 181 181

a) Grundsätze zum Umfang der Aufklärungspflicht

181

b) Konkretisierung durch die Rechtsprechung

181

Inhaltsverzeichnis c) Konkretisierung durch gesetzlich normierte Fälle der Prospekthaftung

182

d) Konkretisierung durch den RegE zum VermAnlG

184

e) Konkretisierung durch Prospektprüfungskataloge von Interessenverbänden und aus der Literatur

184

f) Eigener Ansatz

186

2. Weitere Tatbestandsvoraussetzungen bei der Prospekthaftung

187

3. Schadensumfang

187

4. Mitverschulden

187

5. Zwischenergebnis

188

II. Ansprüche der Anleger aus CIC wegen pflichtwidriger Vertragsgestaltung

189

1. Problemstellung; Stellungnahmen in der Literatur

189

2. Eigene Stellungnahme

190

a) Regelungslücke

190

b) Pflichtverletzung

190

c) Verschulden

192

d) Schaden

192

aa)

Umfang beim Anspruch wegen Verwendung unwirksamer AGB

bb) Umfang beim Anspruch wegen mangelnder Regelung eines Beirats 3. Zwischenergebnis

192 193 194

5. Kapitel

Strukturelle Mindeststandards

196

A. Erfordernis struktureller Mindeststandards

196

B. Zusammensetzung des Beirats

197

I. Zahl der Beiratsmitglieder

197

II. Persönliche Voraussetzungen

197

1. Grundsätzlich freie Vereinbarkeit

197

2. Zulässigkeit juristischer Personen

197

3. Voraussetzungen gem. § 100 II 1 AktG

198

4. Inkompatibilität III. Bestellung der Beiratsmitglieder 1. Möglichkeiten der Bestellung 2. Beteiligung der Komplementär-GmbH bzw. der Gesellschaftsgründer

199 202 202 202

a) Vorschlagsrecht

202

b) Stimmrecht der Komplementär-GmbH

203

aa)

Grundsätzliche Zulässigkeit

bb) Mehrstimm- und Vetorechte; Sperrminoritäten c) Entsendungsrecht aa)

Zweckmäßigkeit eines Entsendungsrechts

203 205 206 206

bb) Entsendungsrecht der GmbH bzw. einzelner Gründer

206

cc)

207

Kombination von Stimm- und Entsendungsrechten

14

Inhaltsverzeichnis 3. Gerichtliche Bestellung

207

4. Möglichkeiten der Rechtsprechung

207

C. Amtsdauer

209

I. Erfordernis von Periodizität

209

II. Ablauf der Amtsdauer

209

D. Ausnahmen beim Gründungsbeirat

210

E. Abberufung der Beiratsmitglieder

211

I.Möglichkeit der Abberufung als unabdingbarer Mindeststandard II. Abberufung gewählter Mitglieder

211 211

1. Abberufung durch Mehrheitsbeschluß

211

a) Beirat mit unbestimmter Amtsdauer

211

b) Beirat mit fester Amtsdauer

212

2. Abberufung aus wichtigem Grund

213

III. Abberufung entsandter Mitglieder

214

F. Zwischenergebnis

215 6. Kapitel

Materielle Mindeststandards A. Mindestbefugnisse im Hinblick auf die Informationsrechte I. Übertragbarkeit der Rechtslage bei der typischen KG auf die Publikums-KG 1. Einsichtsrecht

216 216 216 216

2. Auskunftsrecht

217

II. Befugnisse des Beirats

218

1. Vergleichbare Interessenlage wie beim überwachenden Aufsichtsrat 2. Überwachung der Geschäftsführung anhand des Jahresabschlusses a) Unabhängige Abschlußprüfung

218 219 219

b) Eigenständige Abschlußprüfung

220

c) Sonderprüfung

221

3. Überwachung der laufenden Geschäftsführung a) Berichte der Geschäftsführung als Grundlage

222 222

b) Eigene Nachforschungspflichten

223

c) Überwachungsschwerpunkte

224

4. Befugnisse zur Durchsetzung der Überwachungstätigkeit a) Maßnahmen gegenüber den Geschäftsführern b) Rechte und Pflichten gegenüber den Gesellschaftern III. Möglichkeiten der Rechtsprechung

224 224 226 227

1. Kein Beirat vorhanden

227

2. Beirat vorhanden

228

IV. Zwischenergebnis B. Mindestbefugnisse im Hinblick auf das Zustimmungsrecht I.Verbot kompensationsloser Abdingbarkeit

229 232 232

Inhaltsverzeichnis 1. Übertragbarkeit der Rechtslage bei der typischen KG auf die Publikums-KG

232

2. Engere Grenzen der Abdingbarkeit bei der Publikums-KG

233

II. Befugnisse des Beirats

234

1. Zustimmungsrecht als Mindeststandard

234

2. Analogie zu § 111 IV 3 AktG

235

3. Analogie zu § 111 IV 2 AktG

236

4. Befreiung der Komplementär-GmbH von § 181 BGB III. Möglichkeiten der Rechtsprechung

236 238

1. Kein Beirat vorhanden

238

2. Beirat vorhanden

238

IV. Zwischenergebnis

239 7. Kapitel Zusammenfassung

241

Literaturverzeichnis

245

Gesetzesmaterialien; Kommissionsberichte; Verbandsveröffentlichungen

257

Abkürzungsverzeichnis Die in dieser Arbeit verwandten Abkürzungen wurden entnommen aus: Kirchner, Hildebert: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Α., Berlin/ New York 1993; Duden: Rechtschreibung der deutschen Sprache, 20. Α., Mannheim 1991. Davon abweichend bzw. ergänzend dazu wurden folgende Abkürzungen verwandt:

A.

Auflage

BayNot

Bayerisches Notariat

BF

Beck'sches Formularbuch

BTDrS

Bundestagsdrucksache

bzgl.

bezüglich

CIC

Culpa in Contrahendo

ders.

derselbe

eG

eingetragene Genossenschaft

Einl.

Einleitung

FG

Freiwillige Gerichtsbarkeit

FördergebietsG

Fördergebietsgesetz

gem.

gemäß

GK

Großkommentar zum Handelsgesetzbuch

HdK

Handbuch des Kapitalanlagerechts

H.d.V.

Hervorhebung des Verfassers

HK

Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch

krit.

kritisch

MH

Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts

mind.

mindestens

MK

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch

m.N.

mit Nachweisen

Rdn.

Randnummer

Tab.

Tabelle

VermAnlG

Gesetz über den Vertrieb von Anteilen an Vermögensanlagen

VPVO

Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte

zit.

zitiert

zust.

zustimmend

1. Kapitel

Einführung Α. Begriff der Publikums-KG I. Voraussetzungen

Kommanditgesellschaften mit großen Mitgliederzahlen und körperschaftlichen Strukturen gibt es in Deutschland schon seit der frühen Neuzeit. Erinnert sei an diverse frühkapitalistische Massenkommanditgesellschaften. Sie verloren jedoch ihre Bedeutung, als 1861 mit dem ADHGB das Recht der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft neu gefaßt wurde. 1 Während die Aktiengesellschaft auf eine große Zahl von Aktionären zugeschnitten war, lag der Regelung der KG das Leitbild einer Gesellschaft zugrunde, die nur aus wenigen Gesellschaftern besteht, die zueinander in einem engen, persönlichen Vertrauensverhältnis stehen. Das HGB übernahm in den §§ 161 - 177 die entsprechenden Normen aus dem ADHGB nahezu unverändert. Das gesetzliche Leitbild prägte lange Zeit die Rechtswirklichkeit. Bis in die 60er Jahre bestanden Kommanditgesellschaften üblicherweise nur aus einer recht begrenzten Zahl von Gesellschaftern. Erst in den 60er Jahren tauchten wieder Kommanditgesellschaften mit großen Kommanditistenzahlen auf. Seit etwa 20 Jahren ist die Rechtsprechung mit dem Phänomen der sog. Publikums-KG beschäftigt. 2 Aus verschiedenen Gründen entwickelten sich zahlreiche Spielarten von Publikumspersonengesellschaften mit z.T. enormen Mitgliederzahlen, die zunächst eine definitorische Eingrenzung erforderlich machten, um eine rechtliche Reaktion auf diese Abweichungen vom gesetzlichen Leitbild zu ermöglichen. Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist dabei nicht die tatsächliche Gesellschafterzahl. 3 Eine

' Schmidt Gesellschaftsrecht § 53 I 2 a. 2

Die erste Entscheidung des BGH zur Publikums-KG erging am 14.12.1972 = NJW 1973, 1604

ff. 3 So aber: OLG Köln ZIP 1987, 1120 ( 1124); ebenso: Grunewald Ausschluß S. 138, da nur dort das Problem der Verselbständigung von Organen gegeben sei.

2 Grote

1. Kapitel: Einführung

18

solche Abgrenzung würde Umgehungsmöglichkeiten provozieren, wäre nicht frei von Willkür 4 und würde daher die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob die Gesellschaft kraft des ihr zugrundeliegenden Vertrages auf eine Vielzahl von Anlegern ausgerichtet und entsprechend körperschaftlich strukturiert ist.5 Im einzelnen ergibt sich diese Ausrichtung daraus, daß zur Aufnahme neuer Gesellschafter die Geschäftsführung oder ein Treuhänder im Namen aller Gesellschafter oder der Gesellschaft selbst6 ermächtigt ist. Deshalb haben die Anlagegesellschafter keinen Einfluß auf die Zusammensetzung der Gesellschaft, so daß es an einem besonderen Vertrauensverhältnis der Gesellschafter untereinander fehlt. Ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den Gründern bzw. zur Geschäftsführung fehlt daher ebenfalls. Die Anleger werden auf dem freien Kapitalmarkt mittels Werbeprospekten geworben. Sie haben bei ihrem Beitritt den von wenigen Gründern vorformulierten Gesellschaftsvertrag zu akzeptieren, ohne darauf gestaltenden Einfluß nehmen zu können.7

II. Erscheinungsformen; Eingrenzung auf den Grundtyp der GmbH&Co KG

Die rechtliche Ausgestaltung einer derartigen Personengesellschaft variiert erheblich, wobei u.a. Steuer-, haftungs- und innergesellschaftsrechtliche Fragen eine Rolle spielen.8 Grundtyp dieser Gesellschaften ist die GmbH&Co KG. 9 Auf diesen Grundtyp ist diese Arbeit beschränkt. Außen vor bleiben auch die in der Praxis bedeutsamen Konstruktionen, in denen die Anleger nur mittelbar über einen echten Treuhänder an der Gesellschaft beteiligt sind.

4

Dies konzidiert auch: Grunewald Untergrenze vor.

Ausschluß S. 139; sie schlägt 50 Kommanditisten als

5 Vgl.: BGHZ 102, 172 (177 f.) einerseits und BGH NJW 1988, 676 andererseits; zust. dazu: Färber S. 74 f.; Koch NJW 1989, 2662 (2673). 6

BGH NJW 1978, 1000.

7

B G H Z 64, 238 (241); 84, 11 (13 f.); 104, 50 (53); BayObLG NJW-RR 1993, 359; Binz § 15 Rdn. 2; v.Dalwigk S. 18; Färber S. 6; Kellermann FS-Stimpel S. 295 (296); Schultz/Timm S. 187 f.; Schulze zur Wiesche S. 151 f.; v.Westphalen DB 1983, 2745. 8

Überblick bei: Schmidt Gesellschaftsrecht § 57 I 2 b.

" Färber S. 5 f.; G.Hueck $ 18 VIII 2 a, S. 151; Klein GmbH-Rdsch 1982, 281; Lengerke S. 6 f.; Uhlenbruck S. 8; Wiedemann Gesellschaftsrecht § 9 I 2, S. 480.

Α. Begriff der Publikums-KG

19

I I I . Gründungsmotive; derzeitige Situation /. Steuerrechtliche

Motive

Publikums-KGs wurden ursprünglich allein deswegen gegründet, um ihren Gesellschaftern Steuerersparnismöglichkeiten zu vermitteln. Dem liegt die Überlegung zugrunde, daß Personengesellschaftern anders als Kapitalgesellschaftern die Gewinne und Verlust der Gesellschaft unmittelbar anteilig zugerechnet werden. Der Gesellschafter kann die ihm zugewiesenen Verluste mit seinen sonstigen Einkünften verrechnen. Somit konnte es gerade für Bezieher hoher Einkünfte interessant sein, Geld in Personengesellschaften zu investieren, die die Zuweisung von Buchverlusten nahezu sicher gewährten. Dies war regelmäßig dort der Fall, wo der Gesetzgeber die "Erwirtschaftung" von Buchverlusten durch Sonderabschreibungen, erhöhte Absetzungen für Abnutzung oder die Bildung zunächst steuerfreier Rücklagen forderte. Dadurch sollten Investitionen angeregt werden, die der Gesetzgeber für volkswirtschaftlich wünschenswert hielt, die aber mangels entsprechender Renditeerwartung aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen nicht getätigt würden. 10 Die weitreichendsten steuerlichen Möglichkeiten bieten sich dann, wenn es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.v. § 15 EStG handelt. Bei entsprechend hohem Fremdkapital ließen sich zunächst Verlustzuweisungen erreichen, die ein Vielfaches von 100 % der eigenen Investitionen betrugen (sog. leverage effect oder Hebelwirkung des Fremdkapitals). 11 Mit sinkender Eigenkapitalquote steigt die Gefahr eines Zusammenbruchs. Die Gesellschaften sind dann besonders konkursanfällig, wenn die Projekte auf lange Sicht auch unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorteile nicht profitabel sind. Angesichts verbreiteten Mißbrauchs der steuerlichen Möglichkeiten und spektakulärer Firmenzusammenbrüche schränkte der Gesetzgeber die Verlustzuweisungsmöglichkeiten schrittweise ein. Die gravierendsten Einschränkungen ergaben sich aus § 15 a EStG, der 1980 eingefügt wurde. 12 Seitdem ist ein Rückgang der eigentlichen Abschreibungsgesellschaften zu beobachten.13 10

Übersicht bei: HeidS. 13 f.

" Beispiel bei: Hüffer 12 ,3

2*

JuS 1979, 457 (458).

Übersicht über die Entwicklung bei: Heid S. 13-16.

£i7iz§

15 R d n . 3 .

1. Kapitel: Einführung

20

Der Steuerrechtsgesetzgeber entzog der Abschreibungsbranche aber nicht vollständig den Boden. Er ließ Ausnahmen vom Grundsatz des § 15 a EStG zu. Die wichtigste Ausnahme war § 14 BerlinFG. Die dort eingeräumten Möglichkeiten laufen nun einigungsbedingt aus. Erhöhte Absetzungen für Abnutzung sind nur noch für Investitionen möglich, die der Steuerpflichtige vor dem 30.6.1991 begonnen hat. Demgegenüber schuf der Gesetzgeber neue steuerliche Anreize, z.B. Sonderabschreibungen auf Wirtschaftsgüter gem. § 4 FördergebietsG. Andere Gesellschaften erzielten Buchverluste durch Wahrnehmung der Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter gem. § 6 II EStG. Dabei widmeten sie sich der Tierhaltung oder dem Leasingggeschäft. Hier gelang es aber, durch steuerrechtliche Maßnahmen diesen Gesellschaften den Boden zu entziehen und sie vom Kapitalmarkt verschwinden zu lassen.14 Publikums-KGs werden immer öfter mit dem langfristigen Unternehmensziel dauerhafter Renditeerzielung gegründet. 15 Geschäftsgegenstand solcher Gesellschaften sind besonders kapitalintensive und risikoreiche Geschäfte wie Explorationen oder Film-, Fernseh- und Musikproduktionen. Auch hier spielt das Steuerrecht eine gewichtige Rolle. Das gilt besonders für das Verbot der Aktivierung selbstgeschaffener immaterieller Werte gem. § 5 II EStG. Die bei der Herstellung von Filmen o.ä. entstehenden Kosten bzw. die Explorationskosten als Aufwand zur Schaffung der Rechte an einem Rohstoffvorkommen wirken sich somit nicht schrittweise im Wege der Abschreibung aus, sondern können sofort zu 100 % als Betriebskosten abgesetzt werden. Für ein Zurückdrängen der eigentlichen Abschreibungsgesellschaften sorgte auch der BFH. Der Große Senat stellte sich zwar gegen Bestrebungen in der Literatur, die Publikums-KG zum Körperschaftssteuersubjekt zu erklären. 16 Er baute aber Hürden auf, die verhindern sollten, daß die Anleger die Zuweisungen als gewerbliche Einkünfte geltend machen können. Auf der einen Seite wird angezweifelt, ob die Publikums-KG überhaupt eine Tätigkeit als Gewerbebetrieb unternimmt. Durch die Aufgabe der Gepräge-Rechtsprechung durch den Großen Senat17 sollte erreicht werden, daß die Tätigkeit jeder GmbH&Co 14 15 ,f i 17

Einzelheiten bei: Haas S. 5. Haas S. 6; Hüffer JuS 1979, 457 (458); Rabl S. 5; Reinhardt S. 8 f. B F H E ( G S ) 141,405 ff. BFHE (GS) a.a.O.

Α. Begriff der Publikums-KG

21

KG darauf überpüft wird, ob sie tatsächlich gewerblicher Art ist. Diese Entscheidung hatte aber keine praktischen Konsequenzen, da der Gesetzgeber die frühere Gepräge-Rechtsprechung rückwirkend durch § 15 III Nr. 2 EStG gesetzlich verankerte. Danach vermittelt die Tatsache, daß eine GmbH einziger Komplementär ist, der KG bereits gewerblichen Charakter. § 15 III 1 EStG verlangt für die Anerkennung einer GmbH&Co KG als Gewerbebetrieb, daß sie ihre Tätigkeit mit Einkünfteerzielungsabsicht unternimmt. Die Gesellschaft muß also die Absicht, Gewinn zu erzielen, haben.18 Der BFH versteht den Begriff des Gewinns als Totalgewinn, d.h. als Gesamtergebnis von Gründung des Unternehmens bis zu seine Veräußerung/Aufgabe/ Liquidation. 19 Er verneint die Gewinnerzielungsabsicht, wenn die Tätigkeit nach der Gestaltung des Gesellschafts Vertrages allein auf Verschaffung von Steuervorteilen für die Gesellschafter durch Verlustzuweisungen angelegt ist. 20 Eine den Totalgewinn ausschließende Prognose kann bei einem neugegründeten Unternehmen kaum abgegeben werden. Vielmehr spricht der erste Anschein fur die Gewinnerzielungsabsicht. Daher führte diese Rechtsprechung noch nicht zu einem Rückgang der Abschreibungsgesellschaften. 21 In einem neueren Urteil sieht der BFH den ersten Anschein aber als entkräftet an, wenn die Initiatoren ausschließlich mit dem Versprechen werben, durch Verlustzuweisungen Steuern sparen zu können. Dann könne eine Gewinnerzielungsabsicht erst angenommen werden, wenn sich die Möglichkeit der Gewinnerzielung so konkretisiert hat, daß nach kaufmännischem Urteil mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Totalgewinn erwirtschaftet werden kann. Diese Vermutungsumkehrung könne widerlegt werden, wenn dargelegt wird, daß die große Wahrscheinlichkeit eines Totalgewinns nach kaufmännischem Urteil schon bei Gesellschaftsgründung bestand.22 Diese Rechtsprechung wird der Gründung von reinen Abschreibungsgesellschaften, denen es nur um die "Erwirtschaftung" von Verlusten geht, entgegenstehen. Dagegen bleibt die Gründung von Gesellschaften sinnvoll, die langfristig Gewinne anstreben, aber die steuer-

18 Die Begriffe der Einkünfteerzielungsabsicht (§ 15 III 1 EStG) und der Absicht, Gewinn zu erzielen (§ 15 II 1 EStG), werden vom Gesetzgeber synonym verwandt; s.: Färber S. 115. I9 2

B G H E (GS) 141,405 (434).

°BFHE(GS) 141,405 (436).

21

Ebenso: Rabl S. 4.

22

BFH KaRS 1991,529(530).

. Kapitel: Einführung

22

lichen Möglichkeiten als Investitionsanreiz und Kompensation für erhebliche Anlaufverluste und ein gesteigertes Risiko ausnutzen. Auf der anderen Seite spricht sich der BFH dagegen aus, daß die Anleger die ihnen zugewiesenen Gewinne/Verluste als gewerbliche Einkünfte i.S.v. § 15 I 1 Nr. 2 EStG geltend machen können, nur weil sie formal Kommanditisten sind. Entgegen dem Wortlaut dieser Norm sind danach Kommanditisten nicht automatisch Mitunternehmer. Der BFH faßt den Mitunternehmerbegriff als Typusbegriff auf. Als solcher ist er nur durch eine unbestimmte Zahl austauschbarer Merkmale bestimmt. Entscheidend ist das Gesamtbild aller Umstände, die die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Person bestimmen. Allerdings müssen wenigstens einige typische Wesensmerkmale vorhanden sein. Mitunternehmer kann nur sein, wer zivilrechtlich Gesellschafter ist oder - in Ausnahmefällen - eine diesem vergleichbare Stellung innehat. Der Mitunternehmer muß ein Mitunternehmerrisiko tragen und Mitunternehmerinitiative entfalten können.23 Diese Merkmale können mehr oder weniger vorhanden sein. Defizite bei dem einen Merkmal können durch eine stärkere Ausprägung des anderen Merkmals kompensiert werden. Auch bei einer noch so starken Ausprägung des einen Merkmals kann aber auf das andere Merkmal nicht völlig verzichtet werden. 24 Da § 15 I Nr. 2 EStG den Kommanditisten noch ausdrücklich zum Kreis der möglichen Mitunternehmer zählt, dürfen die Anforderungen an das Vorhandensein dieser Merkmale nicht zu hoch gesteckt werden. Andererseits gehört der typische stille Gesellschafter gem. § 20 I Nr. 4 EStG nicht mehr zum Kreis der gewerblichen Mitunternehmer. Deswegen sind Kommanditisten nur dann Mitunternehmer, wenn sie nach dem Gesellschaftsvertrag und seiner tatsächlichen Durchführung eine Stellung haben, die nicht wesentlich hinter dem Regelstatut eines typischen Kommanditisten zurückbleibt. Im einzelnen bedeutet Mitunternehmerrisiko eine gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Mißerfolg des Unternehmens.25 Die Voraussetzungen liegen beim Anlegerkommanditisten, dem es auf eine Teilhabe gerade am Verlust ankommt, regelmäßig vor. 26 Angesichts

23

St. Rspr; vgl.: BFHE (GS) 141,405 (438-440) m.w.N.

24

B F H E (GS) 141, 405 (440): 152, 325 (327); Färber S. 108; Klein GmbH-RdSch 1982, 281 (283); a.A.: Lenz S. 61. 25

Vgl. zu den maßgeblichen Kriterien und Einschränkungsmöglichkeiten: BFHE 133, 392 (394); (GS) 141, 405 (441); 152, 325 (330 f.); Färber S. 109 f; Sauer S. 93. 26

Heid S. 21.

Α. Begriff der Publikums-KG

23

der gesteigerten Konkursanfälligkeit der Publikums-KG ist das Mitunternehmerrisiko sogar größer als bei einer typischen KG. Problematischer ist angesichts der regelmäßig rechtlich wie tatsächlich schwachen Stellung der Anleger das Vorliegen einer hinreichenden Mitunternehmerinitiative. Diese besteht vor allem in der Teilnahme an maßgeblichen Entscheidungen, wie sie Gesellschaftern oder - in Ausnahmefällen - diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführer, Prokuristen oder andere leitende Angestellten27 obliegen. Ausreichend hierfür sind die Kontrollrechte aus § 716 BGB oder die Gesellschafterrechte nach dem Regelstatut eines Kommanditisten, d.h. ein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung, das Kontrollrecht gem. § 166 HGB und das Widerspruchsrecht gem. § 164 HGB. Ausreichend ist die Möglichkeit der Wahrnehmung dieser Rechte. Auf eine tatsächliche Ausübung solcher Rechte kommt es nicht an.28 Die rechtliche Möglichkeit der Ausübung dieser Rechte reicht jedoch nicht aus, wenn eine tatsächliche und effektive Ausübung von vornherein ausgeschlossen ist. Das ist zum einen der Fall, wenn der Kommanditist jederzeit voraussetzungslos und ohne vollständigen finanziellen Ausgleich gegen seinen Willen ausgeschlossen werden kann.29 Denn sonst müßte er bei jeder der Geschäftsführung nicht genehmen Rechtsausübung mit seinem Rauswurf rechnen. Zum anderen muß die Möglichkeit bestehen, daß der Gesellschafter mit seinem Stimmrecht eine Entscheidung beeinflussen kann. Daran fehlt es, wenn der Gesellschaftsvertrag ein Mehrheitserfordernis vorsieht, das nur von einem einzigen Mitgesellschafter erfüllt werden kann.30 Bei einer Publikums-KG fehlt es i.d.R. an einem derart dominierenden Gesellschafter. Die Auswirkungen dieser Grundsätze zur Mitunternehmerinitiative werden im einzelnen in den folgenden Kapiteln angesprochen. Grundüberlegung muß sein, daß die erörterten und erarbeiteten gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen die Mitunternehmerstellung nicht gefährden. Gesellschaftsrechtliche Lösungen sind bei einer Anlageform, die wesentlich aus steuerrechtlichen Gründen gewählt wird, nur dann interessengerecht und überzeugend, wenn sie Gesellschafts- und Steuerrecht in Einklang bringen können.

27

Vgl.: BFHE (GS) 141, 405 (438); HK-Glanegger Einl. II v. § 105 Rdn. 8.

2K

B F H E 116,497 (501); 133, 392 (394); (GS) 141,405 (441); 155,514(516).

29

B F H E 112,51 (57); 133,392 (394); 135, 179 (181); 152, 325 (329+333).

30

B F H E 155,514(516).

24

1. Kapitel: Einführung 2. Gesellschaftsrechtliche

Motive

a) Motive haftungsrechtlicher Art

Bedingt durch die Anforderungen des Steuerrechts muß die Rechtsform einer Personengesellschaft gewählt werden. Die Anleger haben jedoch gerade angesichts des überdurchschnittlichen Risikos des Zusammenbruchs des Unternehmens ein Interesse daran, eine unbeschränkte persönliche Haftung zu vermeiden. Zu diesem Zweck bietet sich die GmbH&Co KG an. Teilweise wird zudem versucht, die Höhe der eigenen Haftsumme dadurch zu mindern, daß ein Teil der geleisteten Gelder als (partiarisches) Darlehen oder stille Beteiligung ausgestaltet wird. Der Effekt solcher Vertragsgestaltungen ist aber in der Praxis sehr beschränkt, da der BGH derartige Investitionen im Krisenfall wie Einlagen der Kommanditisten behandelt.31

b) Motive innergesellschaftlicher Art

Die auf hohen Kapitalbedarf und großen Anlegerkreis zugeschnittene AG, aber auch die u.a. ähnlichen Zwecken dienenden KGaA und eG bringen für potentielle Anleger den Nachteil mit sich, daß diese Körperschaftsformen nicht über die Flexibilität von Personengesellschaften verfügen, weil sie weitgehend durch zwingendes Recht geregelt sind. Zumindest nach Ansicht der Initiatoren ist gerade bei besonders risikobelasteten Vorhaben eine Gesellschaftsform erforderlich, die auf veränderte Umstände beweglich reagieren kann. Zudem werden die zwingend erforderliche Gründungsprüfung und der zwingende, u.U. der Mitbestimmung unterliegende Aufsichtsrat als kostentreibender Verwaltungsaufwand mit der Gefahr gesteigerter Schwerfälligkeit empfunden. 32

31

Übersicht bei: Schmidt Gesellschaftsrecht § 57 III 2.

32

Wiedemann Gesellschaftsrecht § 9 III 2 a S. 501.

Β. Rechtliche Anerkennung der Publikums-KG

25

B. Rechtliche Anerkennung der Publikums-KG I. Scheitern der Ansätze eines Typenzwangs bzw. der Typenlehren

Die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit der Publikums-KG wurde nur vereinzelt in Frage gestellt, ohne daß sich die erhobenen Bedenken in der Praxis durchsetzen konnten. So erwog Großfeld, § 22 BGB entfalte eine Sperrwirkung gegen nichtrechtsfähige wirtschaftliche Vereine, so daß bei der Publikums-KG wegen der fehlenden unbeschränkten Haftung der Mitglieder bei kapitalistisch orientierter Vertragsgestaltung "die Grenzen des...Zulässigen...überschritten" seien. Deshalb sei die Publikums-KG wie ein wirtschaftlicher Verein zu behandeln.1 Heute besteht Einigkeit darüber, daß dem Gesellschaftsrecht kein solcher Grundsatz des Typenzwangs zu entnehmen ist.2 Gleichwohl wurde in der Rechtswissenschaft versucht, Grenzen der Gestaltungsfreiheit für Personengesellschaften aus dem Typus oder dem Wesen der jeweiligen Gesellschaftsform abzuleiten. Deren dispositives Recht sollte dabei eine Leitbildfunktion haben.3 Den Vertretern dieser Lehren ist aber nicht gelungen, ihren Leitbegriffen wie "Wesen", "Typus", "Institution" oder "wirtschaftlichem Ordnungsprinzip" derart scharfe Konturen zu geben, daß ihnen exakte und damit praktisch umsetzbare Grenzen entnommen werden konnten.4 Vielmehr ist gerade die Offenheit für mannigfaltige Ausgestaltungen, die eigene Typizitäten aufweisen können, ein Kennzeichen des Personengesellschaftsrechts.

' Großfeld S. 56 f.; Sympathie bekundend: Kubier § 20 III 5, S. 301, Fn. 33; ausfuhrlich dazu mit ablehnendem Ergebnis: Roitzsch S. 70 f. 2

Wawrzinek

S. 88 m.w.N.

3

Einen Überblick über die Typenlehren bieten: Flume Personengesellschaft § 13 I S. 189-191; Schmidt Gesellschaftsrecht § 5 III 2 jeweils m.w.N. 4 Flume Personengesellschaft § 13 I S. 191; Knobbe-Keuk S. 8; Schmidt Gesellschaftsrecht § 5 III 3; Wawrzinek S. 91 jeweils m.w.N.

1. Kapitel: Einführung

26

II. Reaktion des Gesetzgebers sowie der Rechtsprechung und Lehre I. Gesetzgeber

Unabhängig von den steuerrechtlichen Entwicklungen wurde rechtspolitisch diskutiert, ob und wie ein Schutz der Anleger in derartigen Publikumsgesellschaften gesetzlich zu regeln sei. Höhepunkt dieser Diskussion war der 51. DJT im Jahr 1976, der eine eigene Abteilung "Anlegerschutz" einrichtete und nach umfangreichen Erörterungen Forderungen flir den Inhalt eines Gesetzentwurfs erhob. Dabei standen zwei Ansatzpunkte zur Diskussion: zusätzliche gesellschaftsrechtliche oder Vertriebs- bzw. kapitalmarktrechtliche Maßnahmen. Die Bundesregierung legte einen Entwurf für ein Gesetz über den Vertrieb von Anteilen an Vermögensanlagen (VermAnlG) vor, der sich im wesentlichen für den vertriebsrechtlichen Weg entschied.5 Dieser Entwurf, dem der Bundesrat noch prinzipiell zugestimmt hatte/1 wurde in erster Lesung ohne Aussprache an die Ausschüsse verwiesen7 und im Bundestag nur noch einmal erwähnt, als der Abgeordnete Kleinert den Entwurf kritisierte und ein Regelungsbedürfnis verneinte.8 Letztlich fiel der Entwurf 1980 dem Diskontinuitätsgrundsatz zum Opfer und wurde nicht erneut eingebracht. Des weiteren schuf der Gesetzgeber im Rahmen des 2. WiKG mit § 264 a StGB den Tatbestand des Kapitalanlagebetrugs. Als Vorsatzdelikt ist diese Vorschrift zivilrechtlich im Vergleich zur Prospekthaftung und zur CiC nur von geringer Bedeutung.9 Eigenständige Bedeutung erlangt sie seit ihrer höchstrichterlichen Anerkennung als Schutzgesetz i.S.v. § 823 II BGB 10 dann, wenn der Prospekthaftungsanspruch verjährt ist und ein CiC-Anspruch nicht begründet werden kann.

5 h

BTDrS VIII/1405. BTDrS VIII/1405, S. 20.

7

StenBer über die 72. Sitzung des VIII. Dt. BTags, S. 5737.

8

Sten Ber über die 132. Sitzung des VIII. Dt. BTags, Plenarprotokoll, S. 10441.

9

Ebenso: Koch NJW 1989, 2662 (2673).

10

BGH NJW 1992,241 (242 f.).

Β. Rechtliche Anerkennung der Publikums-KG

27

2. Prospekthaftung

Das Scheitern des RegE wurde im wesentlichen damit begründet, daß es der Rechtsprechung unter weitgehender Zustimmung der h.L. gelungen war, wichtige Fragen im Zusammenhang mit der Publikums-KG einzelfallgerecht zu lösen." In vertriebsrechtlicher Hinsicht wurde die sog. Prospekthaftung entwickelt. Danach haften die Gesellschaftsgründer u.a.m. den Anlegern, wenn sie durch ihr Auftreten besonderes Vertrauen in die Richtigkeit und Vollständigkeit der für den Beitritt der Anleger relevanten Prospektangaben begründet haben.

3. Inhaltskontrolle

In gesellschaftsrechtlicher Hinsicht werden die Vertragsklauseln bei der Publikums-KG einer über §§ 134, 138 BGB hinausgehenden Inhaltskontrolle unterworfen. Dabei werden die Besonderheiten der Anlageform berücksichtigt. Durch Nichtigkeitserklärung entstehende Lücken im Gesellschaftsvertrag werden im Wege ergänzender Vertragsauslegung gefüllt. Bei der Schließung derartiger Lücken orientiert sich die Rechtsprechung an den entsprechenden Regelungen im Kapitalgesellschaftrecht. Sie prüft, ob diese kapitalgesellschaftsrechtlichen Regelungen auf die Publikums-KG analog angewendet werden können oder ihnen zumindest ein allgemeiner Rechtsgedanke zugrunde liegt, der sich auf die Publikums-KG erstreckt. Bei dieser Prüfung muß die Rechtsprechung stets beachten, daß personengesellschafitsrechtliche Grundprinzipien einem derartigen Lückensschluß nicht entgegenstehen.12

' ' Krieger FS-Stimpel S. 307 (311 ). 12 Umfassende Rechtsprechungs- und Literaturübersicht zu Fragen der Inhaltskontrolle bei: Coester-Waltjen AcP 190 (1990), 1 (8 f.).

28

1. Kapitel: Einführung

I I I . Fehlen einer konkrete strukturelle Mindestanforderungen stellenden Judikatur; Fragestellung dieser Untersuchung

Durch die Anwendung und Ausgestaltung der Rechtsinstitute der Prospekthaftung und der Inhaltskontrolle entwickelte sich ein "Sonderrecht der Publikums-KG". Diese Entwicklung ist jedoch noch nicht so weit vorangeschritten, daß von einem geschlossenen System i.S. einer Entwicklung von Mindestanforderungen an die Vertragsgestaltung gesprochen werden könnte. Die Entwicklung eines solchen geschlossenen Systems soll durch diese Arbeit durch die Untersuchung des Beirats als einem zusätzlichen Gesellschaftsorgan vorangetrieben werden. Mittelpunkt dieser Untersuchung ist die Frage, ob bei der Publikums-KG ein Beirat als rechtlich notwendiges Gesellschaftsorgan im Gesellschaftsvertrag verankert sein muß. Daran schließen sich die Fragen an, wie eine solche gesellschaftsvertragliche Verankerung erreicht werden kann und wie ein solcher Beirat auszugestalten ist. Der BGH hat zwar umfassend die Haftung der Mitglieder eines Beirats einer Publikums-KG und teilweise den Umfang der ihnen obliegenden Rechte und Pflichten für den Fall geklärt, daß ein solcher Beirat besteht. Zu strukturellen Mindestanforderungen hat er sich dagegen kaum geäußert. Es existiert erst recht kein Judikat, das sich mit der rechtlichen Notwendigkeit eines solchen Gremiums und den Eingriffsmöglichkeiten bei fehlender Beachtung struktureller Mindeststandards beschäftigt. Die Scheu vor einer Entscheidung, die sich für die rechtliche Notwendigkeit eines Beirats ausspricht, gründet sich wohl nicht zuletzt darin, daß sie an die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung stoßen würde. Die Beantwortung der Frage, ob ein ein Beirat ein rechtlich notwendiges Organ einer Publikums-KG ist, setzt zunächst eine Analyse der Rechts- und Interessenlage bei einer Publikums-KG im Vergleich zum gesetzlichen Leitbild der KG voraus. Ausgangspunkt einer solchen Analyse muß die Bestimmung deijenigen Mindestkontrollrechte sein, die den Kommanditisten in einer typischen KG zustehen müssen. Dabei konzentriert sich die Untersuchung auf diejenigen Kontrollmechanismen, die der Gesetzgeber (arg.e. §§ 164, 166 HGB) den Kommanditisten spezifisch zubilligt: Kontrolle durch Information über die Tätigkeit der Geschäftsführer und Kontrolle durch Mitwirkung an bestimmten Geschäftsfuhrungsmaßnahmen.

2. Kapitel

Kontrollrechte der Kommanditisten in einer dem gesetzgeberischen Leitbild entsprechenen KG A. Informationsrechte I. Systematik der Informationsrechte; im HGB normierte Rechte

Die Informationsrechte sind als gesellschafterliche "Grundrechte" von besonderer Bedeutung. Schließlich kann ein Gesellschafter keine Rechtsposition effektiv wahrnehmen, wenn er nicht über hinreichende Information verfugt. Informationsrechte können nach ihrem Gegenstand und/oder ihrem Rechtsinhaber unterschieden werden. In erster Hinsicht geht es einerseits um die Gewährung von Einsicht in Geschäftsunterlagen und andererseits um die positive Auskunftserteilung. In zweiter Hinsicht geht es darum, ob die Informationen jedem einzelnen Gesellschafter oder nur allen Gesellschaftern in ihrer Gesamtheit zustehen.1 Das HGB schließt in § 166 II den Kommanditisten von den weitgehenden Kontrollrechten des § 118 I HGB aus, die einem persönlich haftenden Gesellschafter zustehen, der nicht an der Geschäftsführung beteiligt ist. Es beschränkt den Kommanditisten auf ein persönliches Einsichtsrecht in den für seinen Gewinnanspruch relevanten Jahresabschluß.2 Liegt ein wichtiger Grund vor, kann das Gericht gem. § 166 III HGB ein außergewöhnliches Kontrollrecht einräumen. Dieses Recht kann anderen Zwecken als der Abschlußprüfung dienen.3 § 145 I FGG weist der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Zuständigkeit hierfür zu. Anspruchsgegner ist nach ganz h.M. jeweils die Gesellschaft und nicht die Geschäftsführung. 4 Nicht abschließend geklärt ist jedoch, inwieweit

' Grundlegend: Schmidt Informationsrechte S. 15 f. 2

Die Kontrolle ist strikt auf diesen Zweck beschränkt, vgl.: OLG Hamm DB 1970, 724 (725); BGH NJW 1984, 2470 [zu § 338 I HGB]; Binz § 7 Rdn. 72; Ochsenfèld S. 143; Rabl S. 91. 3

Brönner/Rux/Wagner

4

So zuletzt: BayObLG NJW-RR 1991, 1444 m.w.N. zum Streitstand.

Rdn. 292 m.w.N.

30

2. Kapitel: Kontrollrechte der Kommanditisten

die Kontrollrechte des § 166 HGB abweichend vom Grundsatz des § 163 HGB zwingend sind und inwieweit dem/den Kommanditisten ein darüber hinausgehendes Auskunftsrecht zusteht.

II. Umfang des zwingenden Teils des § 166 HGB aus personengesellschaftsrechtlichen Erwägungen 1. Umfang kraft

gesetzlicher Anordnung

a) Wortlaut und Systematik

Dem Wortlaut des § 166 HGB ist nicht zu entnehmen, daß die dort normierten Rechte zwingend gelten sollen. § 163 HGB erklärt vielmehr die §§ 164-169 HGB für dispositiv. Zudem fehlt § 166 HGB ein §§ 716 II BGB, 118 II HGB vergleichbarer Absatz, der zumindest für bestimmte Fälle Unabdingbarkeit anordnet. Vielmehr schließt § 166 II HGB seinem Wortlaut nach den gesamten § 118 HGB und damit auch dessen 2. Absatz aus. Andererseits ähnelt der Normaufbau des § 166 HGB demjenigen der §§ 716 BGB, 118 HGB. Daher könnte der fehlende Hinweis auf die Unabdingbarkeit in § 166 III HGB als sprachliche Ungereimtheit verstanden werden.

b) Entstehungsgeschichte

Die Entstehungsgeschichte des § 166 HGB spricht gegen die Annahme einer derartigen sprachlichen Ungenauigkeit. § 166 HGB geht auf Art. 160 ADHGB zurück. Im ersten Entwurf für das ADHGB enthielt diese Norm noch keinen dritten Absatz. Bei den Beratungen der Gesetzgebungskommission wurde der Vorschlag eines Kommissionsmitglieds, einen Verzicht auf Rechnungslegung für den Fall vorgekommener Unregelmäßigkeiten für unwirksam zu erklären, nicht von der Mehrheit in ihren Willen aufgenommen. 5 Der dritte Absatz wurde erst in den Schlußberatungen aufgrund eines Antrages Hamburgs, das alternativ die Streichung des 2. Absatzes oder die Anfügung des 3. Absatzes beantragt hatte,6 mit 10:4 Stimmen angenommen, da "die jetzige Fassung zu

5

Lutz Protokolle S. 195 f.

6

Erinnerungen, in: Lutz Bd. IX, Anh. S. 31, Nr. 178.

Α. Informationsrechte

31

absolut" sei.7 Der dritte Absatz war somit gerade nicht als Einschränkung der Abdingbarkeit, sondern als Ergänzung der Rechte aus dem ersten Absatz gedacht.

2. Konkretisierung

des Begriffs

der Unabdingbarkeit

Wenn der Gesetzgeber ein Gesellschafterrecht zum Schutz des einzelnen Gesellschafters oder einer Gesellschafterminderheit für unabdingbar erklärt, ist damit i.d.R. Unverzichtbarkeit gemeint. Das Recht soll dann selbst durch eine einstimmig beschlossene Änderung des Gesellschaftsvertrages nicht abgeschafft werden können. Unverzichtbar sind Rechte nur dann, wenn ohne sie eine funktionsfähige Mitgliedschaft als nicht denkbar erscheint. Es sind also diejenigen Elementarrechte unverzichtbar, ohne die der Gesellschafter keinerlei Einfluß- und Kontrollmöglichkeiten innerhalb der Gesellschaft mehr hätte.8 Dieser enge Begriff der Unverzichtbarkeit bedeutet nicht, daß alle anderen Gesellschafterrechte schrankenlos beseitigt werden können. Zutreffenderweise werden im Interesse des Gesellschafterschutzes bestimmte verzichtbare Rechte als unentziehbar bzw. mehrheitsfest oder als stimmrechtsfest bezeichnet.9 Die ersteren Rechte können einem Betroffenen nur mit dessen Zustimmung entzogen werden, bei den letzteren Rechten kann der betroffene Gesellschafter bei einer Beschlußfassung über den Entzug eines solchen Rechts mitstimmen, auch wenn sein Stimmrecht ansonsten ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber hat nur in geringem Umfang Eingriffen in Gesellschafterrechte Schranken gesetzt. Sachlich unbegrenzte Eingriffe in die wirtschaftliche und damit auch die persönliche Freiheit des einzelnen können aber nicht von der Rechtsordnung hingenommen werden. 10 Daher sind Eingriffe in einen Kernbereich der Gesellschafterrechte nur unter besonderen Bedingungen möglich. Ursprünglich betonte die Rechtsprechung nur die Stimmrechtsfestigkeit

7

Lutz Protokolle S. 4540.

"Schlegelberger-A/arteflj § 119 Rdn. 25 mit einer Übersicht unverzichtbarer Rechte in einer Personenhandelsgesellschaft. 9 Picot BB 1993, 13 (17); Schlegelberger-Mzrterts § 109 Rdn. 17; § 119 Rdn. 24; Schmidt Gesellschaftsrecht § 16 III 3. I()

B G H Z 20, 363 (369).

2. Kapitel: Kontrollrechte der Kommanditisten

32

von Kernbereichsrechten. 11 Im Laufe der Zeit setzte sich die Erkenntnis durch, daß in den Kernbereich eingreifende Beschlüsse grundsätzlich sogar der Zustimmung der Betroffenen bedürfen. Diese Erkenntnis hat sich der BGH zueigen gemacht, und er wird dabei von der heute h.M. unterstützt. 12 Der durch Anwendung der Kernbereichslehre selbst gewährte Schutz ist nach heute einhelliger Auffassung unverzichtbar. 13 Nicht eindeutig geklärt ist aber, welche Rechte zu einem so verstandenen Kernbereich gehören. Diese Diskussion wird erheblich durch eine unterschiedliche Verwendung des Kernbereichsbegriffs erschwert. 14 Hier wird am Kernbereichsbegriff der aktuellen Rechtsprechung festgehalten. Es ist somit im Folgenden zu untersuchen, inwieweit die Informationsrechte der Kommanditisten unverzichtbar oder als Kernbereichsrechte unentziehbar sind.

3. Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung a) Übersicht

Eine Übersicht über die facettenreichen Meinungen, inwieweit die von § 166 HGB gewährten Einsichtsrechte abbedungen werden können, ist angesichts des unterschiedlich verwandten Kernbereichsbegriffs und der nicht durchgängig vorgenommenen Unterscheidung von unverzichtbaren, unentziehbaren und stimmrechtsfesten Rechten kaum möglich. Der Übersichtlichkeit halber wird hier Unverzichtbarkeit und Unentziehbarkeit unter dem Sammelbegriff der Unabdingbarkeit zusammengefaßt. Stimmrechtsfestigkeit spielt hier keine Rolle.

" B G H Z 20, 363 (370). I2 B G H NJW 1985, 972 (973); 1985, 974; OLG München DStR 1992, 1102; OLG Köln BB 1994, 455 (457); Albracht S. 102; Barbasch S. 84 f.; GK-Ulmer § 109 Rdn. 36; HK-Stuhl/einer § 119 Rdn. 12; Mecke BB 1988, 2258 (2263); Picot a.a.O.; Röttger S. 158 f.; SchlegelbergerMartens a.a.O.; Schmidt Gesellschaftsrecht § 16 III 3 b bb; a.A.: Pohle WuB II G. §§ 109, 119 HGB 1.85. 13 Nachweise bei: Heid S. 54, Fn. 289 b; etwas anderes gilt nur in einer personengleichen GmbH&Co KG im Hinblick auf das Stimmrecht der Komplementär-GmbH, vgl. hierzu: BGH DB 1993, 1664. 14

Überblick bei: Röttger S. 96-106.

Α. Informationsrechte

33

Zwischen den Extremen vollkommener Abdingbarkeit 15 und vollkommener Unabdingbarkeit 16 der Einsichtsrechte werden zahlreiche Abstufungen vertreten. Einige halten den § 166 Ι,ΙΙΙ HGB nur in den Grenzen der §§ 716 II BGB, 118 II HGB für zwingend.17 Andere sind der Ansicht, nur § 166 III HGB sei unabdingbar. 18 Wieder andere meinen, der zwingende Abs. 3 müsse durch ein unabdingbares Recht auf Mitteilung des festgestellten Jahresabschlusses19 sowie bei erfolgter Abschlußprüfung des Prüfberichts 20 ergänzt werden. Eine weitere Meinungsgruppe schlägt vor, den Kommanditisten müsse neben dem zwingenden Recht aus Abs. 3 auch das Einsichtsrecht aus Abs. 1 - in den Grenzen der §§ 716 II BGB, 118 II HGB - zustehen.21 Weiterhin wird vertreten, auch das Einsichtsrecht des § 166 I HGB stehe jedem Kommanditisten unabdinbar zu, wobei bestimmte Modifikationen, z.B. die Ausübung durch ein Gesellschaftsorgan, für möglich gehalten werden. 22

b) Der andere Ansatz von Schmidt

Schmidt interpretiert § 166 HGB anders. Danach regelt § 166 I HGB ein Informationsrecht, das auch die Rechte aus § 166 III HGB umfaßt. Daher sei § 166 III

15

Schulze zur Wiesche S. 75.

16

Vossel EWiR § 166 HGB, 1/88, S. 1221 (1222); angedeutet in: BGH NJW 1989, 225 f.; W M 1992, 875 (876); Tillmann Rdn. 391. 17

Düringer/Hachenburg-F/ec/ii/ie/m § 166 Anm. 6+10; Heid S. 52+59, Fn. 322; Roitzsch S.

160. 18 BGHZ 64, 238 (243); BayObLG MDR 1979, 317; OLG Hamm DB 1970, 724 (725); Barbasch S. 50 f.+86; BF-Hengeler Vili C.2., Anm. 38; Dannecker S. 188; Dietrich S. 73; HKStuhlfeiner § 166 Rdn. 4; Immenga ZGR 1974, 385 (404 f.+417); Lengerke S. 12; Rabl S. 98; Reinhardt S. 62+105; Reusch S. 154 [zu § 233 HGB]; Saenger S. 81; Sch\ege\berger-Martens § 166 Rdn. 40+46; Schneider BB 1975, 1353 (1355); ders. ZGR 1978, 1 (26); Wenninger S. 94; H.P.Westermann Vertragsfreiheit S. 255-257; v.Westphalen DB 1983, 2745 (2746); Wiedemann Gesellschaftsrecht § 7 II 2 a bb, S. 376; Wilhelm S. 55; Wohlleben S. 176; in dieselbe Richtung gehend [mind. § 166 III HGB]: Färber S. 36; Krenzel S. 96+Fn. 170; Kubier § 8 II 1 a. Xi ) Gans WuB II G. § 166 HGB 1.89, S. 219 (221); GK-Schilling § 166 Rdn. 28; Ochsenfeld S. 141. 20

ç 166 Rdn. 15; Heymann-//or«

Heymann-Z/orn § 166 Rdn. 31.

21

Baumbach/Duden/Hopt § 166 Anm. 1 C; Klaus S. 38; Nitschke § 15 I, S. 273+276, Fn. 10; Röttger S. 189 f.; Schwark 'Anlegerschutz S. 352; Sudhoff § 3 II 2+3; Wagner S. 80 f.+204; Wawrzinek S. 190-2; H. Westermann Handbuch Rdn. 892; Wischenbart S. 71+78 f. 22 Grunewald ZGR 1989, 545 (550); Reuter FS-SteindorffS. 229 (242 f.); Schiessl NJW 1989, 1597 f.; Veltins/Hikel DB 1989, 465 (466); Weipert DStR 1992, 1097.

3 Grote

2. Kapitel: Kontrollrechte der Kommanditisten

34

HGB materiell-rechtlich obsolet23 und als Verfahrensvorschrift zur erleichterten Durchsetzung der dort aufgeführten Rechte zu verstehen.24 Schmidt begründet seine Auffassung damit, daß sonst die Abs. 1 und 3 des § 166 HGB als alternativ zueinander stehend verstanden werden müßten. Das hätte zur Folge, daß bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 3 eine Durchsetzung des Einsichtsrechts durch Klage im streitigen Verfahren (§ 166 I HGB) ausgeschlossen, zumindest aber mangels allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses - das FG-Verfahren als einfacherer Weg - unzulässig wäre.25 Bei Unsicherheit über das Vorliegen dieser Voraussetzungen bestünde somit die Gefahr der falschen Verfahrenswahl. Das hätte zur Folge, daß ein Kommanditist "zur Sicherheit" beide Verfahren parallel beschreiten müßte.26 Dieser Ansatz hat sich in der Praxis nicht durchsetzen können. Gegen ihn spricht, daß die Rechte aus § 166 III HGB im Gegensatz zu denen aus Abs. 1 nicht nur im Zusammenhang mit einem Jahresabschluß geltend gemacht werden können. Außerdem wurde der 3. Absatz vom historischen Gesetzgeber nicht als bloße Verfahrensvorschrift, sondern als materiell-rechtliche Ergänzung zu den Rechten aus § 166 I HGB konzipiert. Des weiteren läßt sich die These von der strengen Alternativität beider Absätze nicht begründen. Der Entstehungsgeschichte des § 166 III HGB als Ergänzung zu Abs. 1 kann nur entnommen werden, daß über Abs. 3 die grundsätzliche Beschränkung des § 166 I HGB nicht ausgehebelt werden darf 27 und daß das Verfahren des § 166 III HGB abschließend für die dort geregelten Fälle sein soll.2" Somit können § 166 I und III HGB dem Kommanditisten grundsätzlich auch wahlweise nebeneinander zustehen.29 Damit steht der Weg offen, der Wahl eines "falschen" Verfahrens zu entgehen. Die Praxis erleichtert die Wahl des "richtigen" Verfahrens dadurch, daß sie die Verweigerung

23

Schmidt Informationsrechte S. 74.

24 25

Schmidt Informationsrechte S. 68; dem zuneigend: MH-Weipert § 11 Rdn. 54. So: H.Westermann Handbuch Rdn. 885, S. 526.

26

Schmidt Informationsrechte S. 73.

27

Heymann/Kötter

28

Schlegelberger-A/ûrte«5 § 166 Rdn. 22.

29

§ 166 Anm. 3, S. 651.

BGH NJW 1984, 2470 (2471) [zu § 233HGB]; OLG Celle BB 1983, 1450 (1451); OLG Hamm DB 1970, 724; Baumbach/Duden/Hopt § 166 Anm. 2 D; HK-Stuhlfelner Ç 166 Rdn. 1; Schlegelberger-Martens § 166 Rdn. 32; Weipert DStR 1992, 1097 (1102); Wischenbart S. 78; nach BayObLG NJW-RR 1991, 1444 (1445) kann der wichtige Grund nicht deswegen abgelehnt werden, daß die Streitfrage auch im Zivilprozeß ausgetragen werden könnte.

Α. Informationsrechte

35

des ordentlichen Einsichtsrechts als wichtigen Grund i.S.d. § 166 III HGB ansieht.30

4. Unverzichtbarer

Teil des § 166 HGB

a) Bedeutung der §§ 716 II BGB, 118 II HGB

Rückschlüsse auf den Umfang des unverzichtbaren Teils ergeben sich zunächst aus den §§ 716 II BGB, 118 II HGB. Sie sind Ausdruck eines allgemeinen Prinzips im Personengesellschaftsrecht, nach dem ein Informationsrecht eines Gesellschafters bei Grund zur Annahme unredlicher Geschäftsführung unverzichtbar ist.31 Einer Erstreckung dieses Prinzips auf die KG steht § 166 II HGB nicht entgegen. § 166 I I HGB schließt die Kommanditisten nämlich nur von den in § 118 HGB festgelegten Rechten aus. § 118 II HGB regelt jedoch nur die Einschränkbarkeit dieser Rechte. Daher ist § 166 II HGB seinem Sinn und Zweck nach so zu verstehen, daß nur § 118 I HGB keine Anwendung finden soll.32

b) Erstreckung dieses Prinzips auf § 166 III HGB

Das in §§ 716 I I BGB, 118 II HGB zum Ausdruck kommende allgemeine Prinzip wird von der ganz h.M. dahingehend ausgedehnt, daß dem Kommanditisten bei wichtigem Grund stets das Informationsrecht § 166 III HGB zwingend zusteht.33 Diese Interpretation ist nicht selbstverständlich. Schließlich setzt der Gesetzgeber einen "wichtigen Grund" und einen "Grund zur Annahme unredlicher Geschäftsführung" nicht gleich.34 Außerdem führt diese Auslegung dazu, daß dem nur beschränkt haftenden Kommanditisten häufiger ein zwingendes 30 Binz/Freudenberg/Sorg BB 1991, 785 (786); GK-Schilling § 166 Rdn. 11; Heymann-Z/or« § 166 Rdn. 13; Wohlleben S. 176 jeweils m.w.N.; offenlassend: BayObLG NJW-RR 1991, 1444 (1445) [jedenfalls dann, wenn zwei aufeinander folgende Abschlüsse nicht geprüft werden konnten]; enger: Schlegelberger-A/arte/is § 166 Rdn. 32 [zusätzlich eine besondere Eilbedürftigkeit für das FG-Verfahren erforderlich]. 31

Heymann/Kötter

32

GK-Schilling

§ 166 Anm. 1, S. 649; Röttger S. 189; Wawrzinek

§ 166 Rdn. 1; Schlegelberger-Martens

S. 190.

§ 166 Rdn. 40.

33 Immenga ZGR 1974, 385 (405); Nitschke § 15 I, S. 276, Fn. 10; Schmidt Informationsrechte S. 74; Wenninger S. 94; H. Westermann Handbuch Rdn. 892; HP. Westermann Vertragsfreiheit S. 256 f.; Wilhelm S. 55. 34

*

Vgl. § 51 a V RegE zum GmbHG, BTDrS VIII/1347.

2. Kapitel: Kontrollrechte der Kommanditisten

36

Informationsrecht zustehen kann als einem von der Geschäftsführung zwar ausgeschlossenen, aber unbeschränkt haftenden OHG-Gesellschafter. Das könnte dem abgestuften System der Gesellschafterrechte im Personengesellschaftsrecht zuwiderlaufen. Andererseits stehen dem OHG-Gesellschafter im Falle des § 118 I I HGB wesentlich weiterreichende Rechte zu. Außerdem hat er die Möglichkeit, für eine Abberufung aller geschäftsführenden Gesellschafter gem. § 117 HGB mit der Folge zu sorgen, daß er selbst Gesamtgeschäftsführer wird. 35 Sowohl § 117 HGB als auch § 166 III HGB knüpfen an das Vorhandensein eines wichtigen Grundes an. Die geringere Intensität der Kommanditistenrechte entspricht gerade seinem geringeren Haftungsrisiko. Aus diesen Gründen bedeutet es keine Systemwidrigkeit, § 166 III HGB als zwingend anzusehen. Ohne dieses Minimum an Rechten würde die Position des immerhin beschränkt haftenden Kommanditisten vielmehr unverhältnismäßig geschwächt.

c) Unverzichtbare Elemente des § 166 I HGB neben § 166 III HGB

Aufgrund der von § 166 II HGB ausgesprochenen Sperrwirkung kann dieses Prinzip aber nicht auf das Recht aus § 166 I HGB erstreckt werden. Denkbar ist hier Unverzichtbarkeit nur in den von §§ 716 II BGB; 118 II HGB festgelegten Grenzen. Wenn der Grund zur Annahme unredlicher Geschäftsführung stets wichtiger Grund i.S.v. § 166 III HGB ist, ergeben sich jedoch Zweifel, ob es zusätzlich erforderlich ist, das durch § 166 I HGB gewährte Recht noch in den Grenzen der §§ 716 I I BGB; 118 I I HGB für unverzichtbar zu erklären. Teilweise wird vertreten, § 166 III HGB lege die unverzichtbaren Befugnisse abschließend fest. 36 Dafür wird angeführt, § 166 III HGB ermögliche als flexiblere Lösung ein hinreichend effektives Informationsrecht, wohingegen u.a. im Hinblick auf die Gefahr schikanöser Handhabung gute Gründe für die Abschaffung des schematischen Rechts aus § 1661 HGB bestünden.37 Andererseits können § 166 I und III HGB grundsätzlich nebeneinander bestehen. Aus Gründen der Prozeßökonomie ist es denkbar, daß der Kommanditist ein berechtigtes Interesse daran hat, gerade das Recht aus § 166 I HGB geltend zu

35

B G H Z 33, 105 (108); Baumbach/Duden/Hopt

36

§ 125 Anm. 3 B.

Saenger S. 81; Schlegelberger-A/arte«.y § 166 Rdn. 40; Wohlleben S. 176.

37

H.P. Westermann Vertragsfreiheit S. 257.

Α. Informationsrechte

37

machen. Das ist der Fall, wenn er seine Klage mit einem anderen, nur im ordentlichen Rechtsweg durchsetzbaren Begehren verbinden will. Folglich kann die Anwendung des in §§ 716 I I BGB, 118 II HGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens auf § 1661 HGB eigenständige Bedeutung gewinnen.

5. Unentziehbarer Teil des § 1661 HGB

Dem Personengesellschaftsrecht sind keine Hinweise zu entnehmen, daß das Recht aus § 166 I HGB außerhalb der Grenzen der §§ 716 II BGB; 118 I I HGB wenigstens unentziehbar sein soll.

6. Zwischenergebnis

Somit sind sowohl die Informationsrechte aus § 166 III HGB als auch - in den Grenzen der §§ 716 II BGB, 118 I I HGB - das Einsichtsrecht aus § 166 I HGB unverzichtbar. Bei Grund zur Annahme unredlicher Geschäftsführung kann der Kommanditist seine Rechte wahlweise über Abs. 1 im streitigen Verfahren oder über Abs. 3 im FG-Verfahren durchsetzen. Bei grundloser Verweigerung des ordentlichen Einsichtsrechts steht ihm stets der Weg über § 166 III HGB offen.

I I I . Umfang des zwingenden Teils von § 166 HGB unter Berücksichtigung des Kapitalgesellschaftsrechts 1. § 51 a GmbHG als neue gesetzgeberische Wertung mit rechtsformübergreifendem Charakter a) Inhalt des §51 a GmbHG

Die Einführung des § 51 a GmbHG durch Gesetz vom 4.7.1980 bedeutet eine Stärkung der Bedeutung von Gesellschafterinformationsrechten. Ihr könnte eine rechtsformübergreifende Aussage innewohnen, die Auswirkungen auf den Umfang derjenigen Informationsrechte hat, die den Kommanditisten zwingend zustehen müssen. § 51 a I GmbHG gewährt jedem Gesellschafter ein umfassendes Einsichts- und Auskunftsrecht gegenüber den Geschäftsführern. Diese Rechte können nur unter den Voraussetzungen des § 51 a II GmbHG verweigert werden. Sie sind gem. § 51 a III GmbHG unverzichtbar.

38

2. Kapitel: Kontrollrechte der Kommanditisten

b) Diskrepanzen zu § 166 HGB und deren Bewertung in der Literatur

Hinsichtlich der Einsichtsrechte sind zweierlei Auswirkungen zugunsten der Kommanditisten denkbar: Zum einen eine Erweiterung in dem Sinne, daß ihnen das Einsichtsrecht unabhängig von einer Jahresabschlußprüfung oder einem wichtigen Grund zustehen soll; zum anderen in dem Sinne, daß den Kommanditisten alle in § 166 HGB eingeräumten Rechte zwingend zustehen sollen. Rechtsformübergreifende Auswirkungen kann die Einfuhrung des § 51 a GmbHG nur haben, wenn dadurch das abgestufte System der Einsichtsrechte von Gesellschaftern ohne sachlichen Grund gestört wird und das System nur durch ein neues Verständnis des § 166 HGB wieder "zurechtgerückt" werden kann. Eine derartige Veränderung im System der Einsichtsrechte wird im Vergleich zwischen den Rechten der Kommanditisten und der GmbH-Gesellschafter in der GmbH&Co KG besonders deutlich. Dort hat der Gesellschafter der Komplementär-GmbH jederzeit das unabdingbare Recht, nicht nur in die Bücher der GmbH, sondern auch in die Bücher der KG einzusehen.38 Damit hat er ein umfassenderes Einsichtsrecht in die KG-Unterlagen als ein Kommanditist, der unmittelbar KG-Gesellschafter ist. Da § 51 a GmbHG nicht zugunsten der Kommanditisten gilt, haben diese gegenüber der GmbH nur diejenigen Einsichtsrechte, die ihnen § 166 HGB gewährt. 39 Die daraus resultierende Diskrepanz wird im Hinblick auf die faktisch vergleichbare Haftung von Kommanditisten und GmbH-Gesellschaftern weitgehend als wertungswidersprüchlich kritisiert. 40 Diese Diskrepanz widerspricht auch der Entwicklungsgeschichte der Informationsrechte der GmbH-Gesellschafter. Das GmbHG von 1892 sah solche Rechte nicht vor; erst später entwickelte sie der BGH schrittweise unter starker Orientierung an das Personengesellschaftsrecht. 41

3X B G H NJW 1989, 225 (226); Binz/Freudenberg/Sorg BB 1991, 785 (788); GK-Schilling § 166 Rdn. 14; Schmidt Informationsrechte S. 67; Ulmer Richterrechtliche S. 22; a.A. nur: Binz § 7 Rdn. 83 f.; v. Bitter ZIP 1981, 825 (831).

GK-Schilling a.a.O.; Tillmann Rdn. 394; Wawrzinek

S. 184.

40

Gans WuB II G. § 166 HGB 1.89, S.219 (221); Goerdeler FS-Kellermann S. 77 (79); HKStuhlfelner $ 166 Rdn. 5; Rabl S. 91 ; Schmidt Gesellschaftsrecht § 53 III 3 a; Timm GmbH-Rdsch 1980, 286 (295); Wohlleben S. 85; zurückhaltender: MH-Weipert § 11 Rdn. 9, der auf das umfassende Weisungsrecht der GmbH-Gesellschafterversammlung in Geschäftsführungsangelegenheiten hinweist.

Α. Informationsrechte

39

2. Auswirkungen auf den Umfang des Einsichtsrechts durch analoge Anwendung des § 51 al GmbHG

Zur Überwindung der soeben dargelegten Diskrepanz erwägt Roth eine analoge Anwendung des § 51 a I GmbHG zugunsten der Kommanditisten. Hierfür spreche eine allgemeinen Tendenz, GmbH-Regeln analog auf die GmbH&Co KG anzuwenden. Seines Erachtens soll § 51 a GmbHG analog nicht nur bei der Publikums-KG, sondern "wohl auch" bei jeder GmbH&Co KG gelten.42 Dann würde aber in einer GmbH&Co KG ein anderes Einsichtsrecht der Kommanditisten gelten als in einer KG mit einer natürlichen Person als Komplementär. Das wäre durch die Rechtsnatur des Komplementärs nicht zu rechtfertigen. Die Rechtsnatur des Komplementärs erfordert lediglich Differenzierungen im Hinblick auf die Gewährleistung eines angemessenen Gläubigerschutzes. Darauf beschränken sich entgegen Roth auch die Änderungen im KG-Recht durch das Gesetz vom 4.7.1980.43 Weitere Differenzierungen würden eine Aushöhlung des KG-Recht bei der GmbH&Co KG bedeuten.44 Daher können die Erwägungen Roths eine Analogie nicht stützen. Außerdem steht einer für einen Analogieschluß erforderlichen planwidrigen Regelungslücke § 166 I I HGB entgegen. Gleichwohl will Schiessl zur Wahrung bzw. Wiederherstellung der Rechtseinheit § 51 a I GmbHG analog im Wege gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung anwenden.45 Es ist jedoch schon zweifelhaft, ob mit dieser Begründung eine solche Rechtsfortbildung begründet werden kann. Die Frage kann offen bleiben, da § 51 a I GmbHG keine derartige Störung der Rechtseinheit bedeutet. Denn eine analoge Anwendung des § 51 a GmbHG nur zugunsten der Kommanditisten würde der Entwicklungsgeschichte der Informationsrechte der GmbH-Gesellschafter widersprechen. Die Rechtsprechung, an die der GmbH-Gesetzgeber 1980 anknüpfte, entwickelte das GmbHEinsichtsrecht nicht allein in Anlehnung an § 166 HGB, sondern sie zog OHGund KG-Recht parallel heran.46 Der Gesetzgeber orientierte sich in der Kon-

41 ··

Übersicht über die Entstehungsgeschichte bei: Schiessl NJW 1989, 1597 f. Roth § 51 a Anm. 5.

42

43

Rinze NJW 1992, 2790 (2792).

44

Schlegelberger-Mzrte«.s § 166 Rdn. 50; Schmidt Rdsch 1984,272(280). 45

Schiessl GmbH-Rdsch 1985, 109 (110 f.).

Informationsrechte S. 77; ders. GmbH-

2. Kapitel: Kontrollrechte der Kommanditisten

40

sequenz dieser Entwicklung bei der Fassung des § 51 a GmbHG stark an § 118 1 HGB. Schließlich gewähren sowohl § 118 I HGB als auch § 51 a I GmbHG ein jederzeitiges Einsichtsrecht. Auch die Ausführungen in der Begründung zum ersten RegE belegen diese Orientierung. Denn danach sollte es für den Umfang des Einsichtsrechts nicht auf die Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben ankommen.47 Eine Analogie zugunsten aller Personenhandelsgesellschafter, d.h. ohne Beschränkung zugunsten der Kommanditisten, würde ihrerseits mit der gesellschaftsformabhängigen Differenzierung ein anderes Element der Gesellschaftsrechtsordnung verletzen. Insbesondere würde das Informationsgefälle von Komplementär und Kommanditist eingeebnet.48 Eine analoge Anwendung des § 51 a I GmbHG scheidet somit aus.

3. Auswirkungen auf den Umfang des Kernbereichs

Die o.a. Diskrepanz von GmbH- und KG-Recht kann aber dadurch abgemildert werden, daß das Einsichtsrecht aus § 166 I HGB den Kommanditisten zwingend zusteht. Ansatzpunkt dazu ist § 51 a III GmbHG. Dann muß diese Norm rechtsformübergreifende, das KG-Recht umfassende Bedeutung haben. Das setzt voraus, daß § 51 a GmbHG dasselbe Regelungsziel wie § 166 HGB verfolgt. Dem wird z.T. widersprochen, da § 51 a GmbHG der sachgemäßen Ausübung der Gesellschafterrechte, § 166 HGB jedoch nur der Ermittlung des eigenen Gewinn-/ Verlustanteils diene. Daher genüge als unverzichtbares Kommanditistenrecht ein Anspruch auf Mitteilung des festgestellten Jahresabschlusses.49 Eine Aufspaltung des § 166 I HGB in einen disponiblen und einen zwingenden Teil würde jedoch dem "und" als gleichordnender Konjunktion widersprechen. Außerdem steht jener Ansicht entgegen, daß § 166 HGB sich nicht in einer Mitteilung der Berechnungsgrundlage erschöpft, sondern eine Richtigkeitskontrolle ermöglichen soll, die auch die der Bilanz zugrundeliegenden Geschäftführungsmaßnahmen umfaßt. 50

46

BGHZ 14,53 (57).

47

BTDrS VIII/1347, S. 44.

4X

Ähnlich: Rabl S. 95; Reusch S. 156.

4(1

Gans W u B I I G . § 166 HGB 1.89, S. 219(221).

Α. Informationsrechte

41

Da beide Normen somit dasselbe Regelungsziel verfolgen und die Einführung des § 51 a GmbHG zu einer nicht wertungsgerechten Verschiebung im System der Gesellschaftereinsichtsrechte führt, ist die in § 51 a III GmbHG zum Ausdruck kommende Wertung auf die Rechtsstellung der Kommanditisten übertragbar. Aus diesem Grunde ist das in § 166 I HGB gewährte Einsichtsrecht dem Kernbereich in einer typischen KG zuzuordnen. Daher kann dieses Recht ohne Zustimmung der Betroffenen nicht abbedungen werden. Eines solchen Einsichtsrechtes bedarf es nur dann nicht, wenn die Kommanditisten schon an der Feststellung des Jahresabschlusses beteiligt waren und im Rahmen dessen äquivalente Einsichtsmöglichkeiten hatten.51

4. Steuerrechtliche

Anforderungen für die Mitunternehmerschaft

Auch steuerrechtliche Erwägungen sprechen dafür, das Einsichtsrecht aus § 166 I HGB nicht abzubedingen. Sonst wird Mitunternehmerstellung der Kommanditisten gefährdet. Der BFH zählt die Kontrollrechte des § 166 HGB zum Regelstatut eines Kommanditisten, von dem nicht wesentlich abgewichen werden darf. Die Kontrollrechte sind für den BFH sogar so wichtig, daß ein erweitertes Kontrollrecht nach § 716 I BGB für die Annahme von Mitunternehmerinitiative ausreicht.52 Auf der anderen Seite reicht ein Kontrollrecht gem. § 166 I HGB allein nicht zur Begründung von Mitunternehmerinitiative aus. Es müssen vielmehr weitere Rechte hinzutreten.53

50 O L G Hamm DB 1970, 724 (725); MH-Weipert Zweckmäßigkeitskontrolle].

§ 11 Rdn. 21 [Redlichkeits- aber nicht

51 Vgl. den differenzierenden Ansatz bei: Goerdeler FS-Kellermann S. 77 (82 ff.). Nicht ausreichend ist jedoch eine Feststellung nur auf der Grundlage einer uneingeschränkten Bestätigung durch einen Wirtschaftsprüfer, s. OLG Hamm DB 1970, 724 (725). 52

BFHE 148, 42 (46).

53

BFHE 144,514(517).

42

2. Kapitel: Kontrollrechte der Kommanditisten

5. Zwischenergebnis

§ 51 a GmbHG erfordert ein neues Verständnis des § 166 I HGB insoweit, als daß § 51 a III GmbHG eine rechtsformübergreifende Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen ist. Kraft derer ist § 166 I HGB vollständig dem Kernbereich der Kommanditistenrechte zuzuordnen. Eine Ausweitung des Einsichtsrechts durch analoge Anwendung des § 51 a I GmbHG ist nicht möglich.

IV. Auskunftsrechte des Kommanditisten 1. Erfordernis

eines Auskunftsrechts

Die Einsichtsrechte gem. § 166 HGB tragen dem Informationsbedürfnis der Kommanditisten nicht hinreichend Rechnung. Ohne fundierte Informationen können sie ihre Mitwirkungs- und Gestaltungsrechte nicht effektiv wahrnehmen. Der vereinzelt gebliebenen Ansicht, der Informationsbedarf sei durch eine geordnete Rechnungslegung gedeckt,54 steht der statische Charakter und die beschränkte Aussagekraft des Jahresabschlusses über künftige Entwicklungen55 ebenso entgegen wie die strikte Zweckgebundenheit des Einsichtsrechts. Ohne zusätzliche Auskunftsrechte bestünde ein Widerspruch zwischen Mitgliederstatus und Informationssystem.56 Dem trägt das Kapitalgesellschaftsrecht durch ein umfassendes Auskunftsrecht Rechnung, das von den Gesellschaftern stets (§ 51 a I GmbHG) oder nur während der Gesellschafterversammlung (§ 131 I AktG) ausgeübt werden kann.

2. Auskunftsrechte

als allgemeines Prinzip des Schuldrechts

Ansätze, die ein allgemeines Auskunftsrecht der Parteien eines Schuldverhältnisses gegeneinander begründen, haben sich in der Praxis nicht durchsetzen können. Die Rechtsprechung entwickelte nur unter engen Voraussetzungen einen Auskunftsanspruch aus § 242 BGB. Ein solcher Anspruch setzt voraus, daß sich der Berechtigte in einer entschuldbaren Ungewißheit über Bestehen und Umfang 54

Wischenbart S. 73.

55

Vgl. die eingehende Kritik bei: v.Falkenhausen FS-Barz S. 9 ( 12).

56

Wiedemann Gesellschaftsrecht § 7 II 2 a bb, S. 377.

Α. Informationsrechte

43

eines Rechts befindet, zu deren Überwindung er auf den Verpflichteten angewiesen ist, der seinerseits die Aufklärung unschwer erteilen kann.57 Ein Rückgriff hierauf ist nicht erforderlich, wenn ausreichende KG-spezifische Auskunftsansprüche existieren.

3. Gesetzlich normierte Auskunftsrechte

im Recht der KG

a) Auskunftsrecht aus §§ 716 II BGB, 118 II HGB

Ein Individualauskunftsrecht der Kommanditisten läßt sich nicht aus §§ 716 II BGB, 118 II HGB herleiten.58 Sonst würden den Kommanditisten u.U. Befugnisse zustehen, die weit über das ordentliche Kontrollrecht des § 166 I HGB hinausreichen. Das würde den limitierenden Charakter des § 166 I I HGB teilweise unterlaufen. Außerdem wohnt diesen Normen ein allgemeiner Rechtsgedanke nur insoweit inne, als daß den Gesellschafern ein Teil ihrer ordentlichen Informationsrechte zwingend zusteht. Eine Erweiterung der Informationsrechte läßt sich dagegen aus diesen Normen nicht herleiten.

b) Auskunftsrecht im Rahmen des § 166 III HGB

Da § 166 III HGB in gewissem Umfang ein Auskunftsrecht gewährt ("sonstige Aufklärungen"), ist es denkbar, dem Auskunftsbedürfnis durch eine extensive Auslegung des § 166 III HGB zu entsprechen und so die Diskrepanz zum Kapitalgesellschaftsrecht zu überwinden. 59 Dazu wäre eine entsprechend weite Interpretation des "wichtigen Grundes" erforderlich. Der BGH hat die äußeren Grenzen dieses Begriffs bislang offengehalten. Er betont aber den Ausnahmecharakter der dort geregelten Rechte. Ein "wichtiger Grund" ist nach Ansicht des BGH jedenfalls dann gegeben, wenn die Belange des Gesellschafters durch die vorhandenen Einsichtsrechte nicht hinreichend gewahrt sind und darüber hinaus die Gefahr einer Schädigung besteht.60 Erforderlich ist somit ein konkreter Ge57

St.Rspr seit RGZ 108, 1 (7).

58

Ebenso: Teichmann S. 214; a.A. wohl: Nitschke § 15 I, S. 276.

59

So: Timm GmbH-Rdsch 1980, 286 (295): Wohlleben S. 87. U) BGH NJW 1984, 2740 [zu § 338 III HGB]; zust.: Binz § 7 Rdn. 77; GK-Schilling § 166 Rdn. 11; Heymann-Horn § 166 Rdn. 13; Schlegelberger-jV/arteAw § 166 Rdn. 26 f.; Veltins S. 24.

44

2. Kapitel: Kontrollrechte der Kommanditisten

fährdungstatbestand. Ein solcher Tatbestand läßt sich jedoch zumindest im Hinblick darauf nicht begründen, der Kommanditist benötige die Auskunft zur ordnungsgemäßen Ausübung seines Stimmrechts.61 Eine weitreichendere Interpretation entspricht weder der Entstehungsgeschichte (§ 166 I HGB sollte ergänzt werden) noch dem Ausnahmecharakter des § 166 I I I HGB. Daher kann die Frage eines hinreichenden Auskunftsrechts nicht allein durch Anwendung des § 166 III HGB gelöst werden.

c) Auskunftsrecht aus §§ 713, 666 BGB, 161 II, 105 II HGB aa) Verhältnis zu § 166 HGB

Das Personengesellschaftsrecht kennt für die GbR ein Auskunftsrecht nach §§ 713, 666, 2. Fall BGB. Danach sind die Geschäftsführer einer GbR verpflichtet, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu geben, soweit sich aus dem Gesellschaftsverhältnis nichts anderes ergibt. Die GbR-Regeln sind bei fehlender Spezialnorm gem. §§ 161 II, 105 II HGB für die KG anwendbar. Teilweise wird § 166 HGB als lex specialis verstanden.62 Dafür wird angeführt, daß § 118 I HGB ein Auskunftsrecht des OHG-Gesellschafters regelt ("sich von den Angelegenheiten der Gesellschaft unterrichten") und dadurch für die OHG die GbR-Regeln verdrängt. Da § 118 I HGB seinerseits für die Kommanditisten durch § 166 I I HGB ausgeschlossen wird, soll § 166 I HGB die ordentlichen Informationsrechte abschließend regeln. Hierfür soll auch sprechen, daß § 166 III HGB ein Auskunftsrecht gerade nur bei wichtigem Grund zugesteht. Andererseits werden die Informationsrechte in der GbR auch in § 716 BGB geregelt, der seinem Wortlaut nach § 118 I HGB nahezu entspricht. Es ist nicht davon auszugehen, daß der Gesetzgeber in zwei so nahe beieinander stehenden Normen wie §§ 713 und 716 BGB dasselbe regeln wollte. Im Hinblick auf § 118 I HGB kann

BGHZ 14, 53 (57) behandelt insoweit ein anderes Problem: der BGH wollte hier für das aus § 242 BGB entwickelte Recht des GmbH-Gesellschafters den Zweckbezug des Informationsanspruchs sicherstellen. 62 Düringer/Hachenburg-F/ecAfAe/m § 166 Anm. 5; Ernst BB 1957, 1047; Hey mann/Kotier § 166 Anm. 2, S. 650; Schmid S. 47; Siegmund/van Veenroy Rdn. 308; Wawrzinek S. 185; Wischenbart S. 73+75; wohl auch: Deuchler WuB II G. § 145 AktG 1.86; einschränkend: A.Hueck § 12,5, S. 190 [§§ 713, 666 BGB dann geltend, wenn die Bücher keinen genügenden Aufschluß geben].

Α. Informationsrechte

45

nichts anderes gelten. Daher folgt aus § 166 II HGB auch kein zwingender Ausschluß der §§713, 666 BGB. 63

bb) §§ 713, 666 BGB als Kollektivrecht

Der Unterschied zu den Rechten aus §§ 716 BGB, 118, 166 HGB liegt darin, daß § 713 BGB nicht die Rechte jedes einzelnen Gesellschafters, sondern die Pflichten des geschäftsführenden Gesellschafters regelt. Diese Pflichten sollen sich wie die Pflichten eines Beauftragten zu seinem Auftraggeber bestimmen. Als "Auftraggeber" kommen hier nur die Gesamthand oder die Gesamtheit der übrigen Gesellschafter in Betracht. Demzufolge ist § 713 BGB ein Kollektivrecht. 64 Daher ist mit der h.M. eine lex specialis-Beziehung von §§ 713, 666 BGB zu §§ 118, 166 HGB abzulehnen.6'

cc) Der Ansatz Hubers

Der Ansatz Hubers, aus dem Kollektivrecht gem. §§ 713, 666 BGB mit Hilfe der actio pro socio ein Individualrecht zu entwickeln,66 ist aus dogmatischen Gründen abzulehnen. Ausgangspunkt für ihn ist die z.T. vertretene Prämisse, Trägerin des Kollektivanspruchs sei die Gesamthand.67 Das hätte zur Folge, daß die KG als Anspruchsgläubigerin, repräsentiert durch ihre Geschäftsführer, den Geschäftsführern selbst als Anspruchsschuldner gegenübersteht. Dies berge nach Huber die Gefahr eines unvollständigen Informationsflusses in sich. Deshalb sei ein Anspruch erforderlich, durch den gewährleistet ist, daß die Auskünfte jeden Gesellschafter erreichen und den jeder Gesellschafter allein durchsetzen kann. Zu

63

Huber ZGR 1982, 539 (543); Saenger S. 38 f.; Schiessl GmbH-Rdsch 1985, 109.

M

RGZ 148, 278 (279); BGH W M 1992, 875 (876); Binz § 7 Rdn. 79; Schiessl a.a.O.; Schmidt Informationsrechte S. 66; Weipert DStR 1992, 1097 f.; Wiedemann/Hermanns JZ 1993, 48 (50). 65 Barbasch S. 124; Baumbach/Duden/Hopt die in Fn. 66 Genannten.

§ 166 Anm. 1 A; Tillmann Rdn. 389, S. 164; sowie

66 Huber ZGR 1982, 539 (546-550); zust.: Baumbach/Duden/Hopt § 114 Anm. 3 C; Binz § 7 Rdn. 80; Binz/Freudenberg/Sorg BB 1991, 785 (787 f.); Heid S. 59, Fn. 321; Heymann-Emmerich §118 Rdn. 5; Tillmann Rdn. 389, S. 164; offen: BGH W M 1983, 910 (911). 67 So: RGZ 91, 34 (36); BGH W M 1992, 875 (876); Heymann -Horn § 166 Rdn. 20; Rabl S. 93; Röttger S. 184, Fn. 121; Schiessl GmbH-Rdsch 1985, 109; Schlegelberger-A/artens § 166 Rdn. 17; Schmidt In formation srechte S. 18.

2. Kapitel: Kontrollrechte der Kommanditisten

46

diesem Zweck rekurriert er das Rechtsinstitut der actio pro socio. Danach könne jeder Gesellschafter von den Geschäftsführern Auskunftserteilung an alle Mitgesellschafter verlangen. In diesem Sinne gewähre §§ 713, 666 BGB einen Individualanspruch. Die Gefahr der "Selbstkontrolle" der Geschäftsführer besteht konstruktiv jedoch nicht, wenn Anspruchsträger statt der Gesamthand die Gesamtheit der übrigen Gesellschafter ist/'8 Dafür spricht, daß der Pflichtige hier - anders als z.B. beim Herausgabeanspruch aus §§ 713, 667 BGB - nicht am Anspruchsinhalt partizipiert, sondern für ihn der Anspruch in sich zusammenfällt. 69 Die Bedenken, ein Informationsrecht sei ineffektiv, wenn es nicht in der Hand jedes Gesellschafters steht, sprechen konsequent fortgedacht gegen Kollektivrechte an sich. Diese gehören aber zur gesetzgeberischen Konzeption. Zwar können sinnvollerweise nur die einzelnen Kommanditisten Nutznießer eines solchen Kollektivanspruchs sein. Darin liegt jedoch kein zwingender Grund zur Umdeutung des Kollektivrechts in ein Individualrecht. Der Adressat einer Information muß nicht mit dem informationsberechtigten Subjekt identisch sein.70 Der einzelne Gesellschafter setzt im Wege der actio pro socio eben kein nur ihm zustehendes Recht durch, sondern er erreicht Leistung an das Kollektiv als Anspruchsberechtigtem.

dd) Zwingender Teil des Kollektivrechts

Der kollektive Auskunftsanspruch aus §§ 713, 666 BGB, 161 II, 105 II HGB ist nur in beschränktem Umfang zwingend. Das ergibt sich aus § 713 BGB. Danach gelten die Pflichten der Geschäftsführer nur, "soweit sich nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis ein anderes ergibt". Der Gesetzgeber setzt in § 713 BGB das Auskunftsrecht in Kontext zu anderen Rechten und Pflichten der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaftergesamtheit. Darin bringt er eine funktionelle Gebundenheit des Auskunftsrechts zu den anderen Rechten und Pflichten zum Aus-

So: RGZ 148, 278 (279); GK-Schilling $ 166 Rdn. 3; Jauernig-Mr«^ § 713 Anm. 5 b; MHWeipert § 11 Rdn. 7; MK-Ulmer § 713 Rdn. 7; Reuter FS-Steindorff S. 229 (241 f.); Saenger S. 17; Staudinger-A^/er § 713 Rdn. 8; Teichmann S. 214; vermittelnd: Palandt-77io/nö5 § 713 Rdn. 5 [Anspruch der Gesamthand, geltend zu machen durch die Gesamtheit]. 69

SXdMÛmgQX- Keßler § 713 Rdn. 11; im Ergebnis soweit auch: Huber ZGR 1982, 539 (549).

70

Schmidt Informationsrechte S. 28 f.

Α. Informationsrechte

47

druck, da jene ohne die erforderlichen Auskünfte nicht ordnungsgemäß ausgeübt werden können. Da der Raum für privatautonome Regelungen im Personengesellschaftsrecht seine Grenze im Verbot der Selbstentmündigung aus § 138 BGB findet, ist das Kollektivauskunftsrecht dann unverzichtbar, wenn sonst eine ordnungsgemäße Ausübung der anderen Kollektivrechte unmöglich würde.

4. Fehlende Kongruenz von ermitteltem Auskunftsbedürfnis und gesetzlich geregelten Auskunftsansprüchen

Die bislang dargelegten Auskunftsmöglichkeiten können den Auskunftsbedarf der Kommanditisten nicht befriedigen. Denn sie gewährleisten nicht die notwendige Informationsgrundlage zur Wahrnehmung von Individualmitwirkungsrechten wie dem Widerspruchsrecht nach § 164, 1, 2. Hs. HGB. Hier ist vielmehr ein insoweit unverzichtbares Individualauskunftsrecht erforderlich.

5. Auskunftsrecht

kraft richterlicher

Rechtsfortbildung

a) Keine Ausschlußwirkung durch § 166 HGB

Ein solches Auskunftsrecht kann nur im Wege richterlicher Rechtsfortbildung gewonnen werden. In der Literatur wird vertreten, wegen § 166 HGB fehle es an einer hierfür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Vielmehr sei die Entwicklung von über § 166 HGB hinausgehenden Informationsrechten ausgeschlossen.71 Dafür wird zum einen der Ausschluß des weiten ordentlichen Auskunftsrechts gem. § 118 I HGB durch § 166 II HGB und zum anderen das durch § 166 III HGB gewährte Auskunftsrecht angeführt, das nur bei wichtigem Grund zur Geltung kommen soll. Hieraus ergebe sich, daß der Gesetzgeber den Kommanditisten gerade kein über § 166 III HGB hinausgehendes Individualauskunftsrecht einräumen wollte. Dieser Interpretation steht entgegen, daß § 166 II HGB nur das im ersten Absatz geregelte Einsichtsrecht negativ umgrenzen sollte. Daher kann sich aus § 166

71 Düringer/Hachenburg-F/ec/tf/ze/m § 166 Anm. 5; Heymann/Kötter § 166 Anm. 2, S. 650; Schmid S. 47; Siegmund/van Veenroy Rdn. 308; Tillmann Rdn. 389, S. 165; Wischenbart 73+75.

S.

2. Kapitel: Kontrollrechte der Kommanditisten

48

II HGB eine Ausschlußwirkung nur im Hinblick auf das Einsichtsrecht ergeben.72 Aus dem Telos des § 166 III HGB, die Rechte des § 166 I HGB für besondere Situationen zu ergänzen und eine rasche Durchsetzung zu gewährleisten, kann auch nicht zwingend geschlossen werden, daß die Auskunftsrechte hier ausschließlich geregelt worden sind.73 Andererseits hielten die Verfasser der Vorläufernorm des ADHGB zu § 166 HGB eine geordnete Rechnungslegung, verbunden mit einer als selbstverständlich vorausgesetzten Berichtspflicht der geschäftsführenden Gesellschafter, für ausreichend.74 Für den gleichlautenden Art. bei der Stillen Gesellschaft wurde ein Unterrichtungsrecht über den Stand des Geschäftsbetriebes als "zu weit gegangen" abgelehnt.75 Eine Absage an ein umfassendes Auskunftsrecht bedeutet aber nicht unbedingt eine Absage an jedes Auskunftsrecht. Schon die Väter des ADHGB sahen, daß über die geregelten Rechte hinaus als selbstverständlich vorausgesetzte Rechte bestehen können. So bestand für den historischen Gesetzgeber gar kein Erfordernis, ein detailliertes Auskunftsrecht zu regeln. 76 Der ADHGB-Gesetzgeber ging vom Einstimmigkeitsprinzip und dem Grundsatz der allgemeinen Mitwirkung bei geringer Gesellschafterzahl aus. Daraus erklärt sich auch, daß das Personengesellschaftsrecht keine Gesellschafterversammlung als Gesellschaftsorgan regelt. In einer solchen Gesellschaft mußte nach Vorstellung des historischen Gesetzgebers eine besonders enge Verbundenheit der Gesellschafter untereinander herrschen, bei der nicht von einem besonderen Informationsgefälle unter den Gesellschaftern ausgegangen werden kann. Aus diesen Gründen ist § 166 HGB nicht so zu verstehen, daß weitergehende Individualauskunftsrechte grundsätzlich ausgeschlossen sein sollen. Nur die Entwicklung eines umfassenden Individualrechts ist ausgeschlossen.

72

So wohl: GK-Schilling

73

GK-Schilling

§ 166 Rdn. 1; Goerdeler FS-Kellermann S. 77 (80).

§ 166 Rdn. 2 a.E.; Rabl S. 95; Schlegelberger-Martens § 166 Rdn. 19.

74

Lutz Protokolle S. 196.

75

Lutz Protokolle S. 296 f.

16

RablS. 16 f.

Α. Informationsrechte

49

b) Dogmatische Herleitung aa) Analogie zu § 51 al GmbHG

§ 51 a I GmbHG kann ebensowenig wie im Hinblick auf das Einsichtsrecht77 analog angewendet werden, um ein Auskunftsrecht des Kommanditisten zu begründen. Dem steht entgegen, daß ein derart umfassendes Auskunftsrecht über das Auskunftsbedürfnis des Kommanditisten hinausgehen, den Einschränkungen, die sich aus der Entstehungsgeschichte des § 166 HGB ergeben, widersprechen und eine erhebliche Störung der Gesellschaftsrechtsordnung bedeuten würde.

bb) Analogie zu § 131 11 AktG

Dem Bedürfnis nach einem funktionsgebundenen Auskunftsrecht entspricht eher § 131 I 1 AktG. Danach steht dem Aktionär ein Auskunftsrecht in der Hauptversammlung zu, wenn dies zur sachgemäßen Beurteilung eines Tagesordnungsgegenstandes erforderlich ist. Diese Norm kann jedoch mangels einer vergleichbaren Rechts- und Interessenlage von geregeltem und zu regelndem Bereich nicht analog auf die KG angewendet werden. Der steuerlich als Mitunternehmer angesehene Kommanditist steht seiner Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern wesentlich näher als ein Aktionär. Das KG-Recht sieht keine Gesellschafterversammlung mit ihren formellen und materiellen Minderheitenschutzvorschriften vor.™ In der AG sind zahlreiche Aufgaben, die die Gesellschafter einer KG selbst wahrzunehmen haben, dem Aufsichtsrat übertragen. 79

77

Vgl. A. III. 2. sowie: Wiedemann/ Hermanns JZ 1993, 48 (49).

78

Schon deshalb gegen eine solche Analogie: Rabl S. 97, Fn. 46.

79

Hierauf weist zu Recht Wohlleben S. 168 hin.

4 Grote

50

2. Kapitel: Kontrollrechte der Kommanditisten

cc) Annex zu den Mitgliedschaftsrechten

Die heute h.M. begründet ein angemessenes Auskunftsrecht als Annex zu den Mitgliedschaftsrechten der Kommanditisten.80 Die h.M. betont die dienende Hilfsfunktion der Auskunftsrechte zu den mitgliedschaftlichen Rechten, zu denen sie nur akzessorisch bestehen.81 Demnach wohnen die Auskunftsrechte den mitgliedschaftlichen Rechte inne und finden somit dort ihre normative Verankerung. Mit diesem Ansatz läßt sich das allgemein anerkannte Auskunftsrecht innerhalb des § 166 I HGB 82 dogmatisch sauber begründen.83 Durch die Bindung an die mitgliedschaftlichen Rechte wird einerseits dem Auskunftsbedürfnis Rechnung getragen, andererseits verläßt dieses Auskunftsrecht, das gerade kein allgemeines, sondern ein zweckgebundenes und -begrenztes ist, nicht die von § 166 I I HGB gezogenen Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung. Es ist von § 166 HGB unabhängig und daher nicht durch jene Norm ausgeschlossen.84 Aus dem Bezug zum Mitgliedschaftsrecht folgt auch, daß das Auskunftsrecht nur insoweit abbedungen werden kann, als dies beim Mitgliedschaftsrecht möglich ist.85

Βarbasch S. 125; Binz § 7 Rdn. 78; Binz/Freudenberg/Sorg BB 1991, 785 (787); Brönner/Rux/Wagner Rdn. 293; GK-Schilling § 166 Rdn. 2; Grunewald ZGR 1989, 545 (552); Heymann -Horn § 166 Rdn. 19; M H -Weipert § 11 Rdn. 9; Nitschke § 12 II, S. 203; Rabl S. 90; Reusch S. 152; Rötiger S. 187; Saenger S. 97; Schlegelberger-Mzrte>w § 118 Rdn. 18; § 166 Rdn. 18; Schmidt Informationsrechte S. 21+23; Schneider BB 1975, 1354 (1355); Teichmann S. 214 f.; Veltins S. 24; Vogel S. 119; Voormann S. 60; Wawrzinek S. 185; wohl auch: Goerdeler FSKellermann S. 77 (80); dem zuneigend jetzt auch: BGH W M 1992, 875 (876). Zum selben Ergebnis über die Treuepflicht gelangt: Wohlleben S.89-94. Enger jedoch: Hepting FS-Pleyer S. 301 (308) [Auskunftsrecht soll nur der Effizienzsicherung der gesetzlichen Informationsrechte dienen und akzessorisch dazu sein] Dieser Ansatz ist zirkelschlüssig, da sich der Bedarf für das Auskunftsrecht oft erst dann ergibt, wenn die gesetzlich eingeräumten Rechte nicht ausreichen. Unter Zuhilfenahme steuerrechtlicher Erwägungen für ein umfassendes Auskunftsrecht qua Mitgliedschaft: Wiedemann § 7 II 2 a bb, S. 377. Die Entwicklung eines solchen Rechts im Wege der Rechtsfortbildung ist nach dem zu Α. V. 5. a) Erörterten gerade ausgeschlossen. 81 Ausführlich zu dieser Akzessorietät: M H -Weipert § 11 Rdn. 31; der Gesetzgeber ist sich dieses Hilfscharakters bewußt, vgl. Begründung zum RegE zu § 131 AktG (1965), abgedruckt bei: Kropff S. 184. 82 Nämlich zur Klärung von Fragen, bei der Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen ergaben und zur Jahresabschlußprüfiing erforderlich sind; vgl.: Veltins S. 24; Vogel S. 115 je m.w.N. 83

Ebenso: Schlegelberger-Marte/w § 166 Rdn 18.

84

Binz/Freudenberg/Sorg BB 1991, 785 (787); Goerdeler FS-Kellermann S. 77 (80); Hadding FS-Schulte S. 65 (74); Reusch S. 158; Röttger S. 187; Schmidt Informationsrechte S. 69; Voormann S. 60. 85 Binz § 7 Rdn. 129; GK-Schilling § 166 Rdn. 15; Grunewald ZGR 1989, 545 (553); Röttger S.190; Sehl egei berger-AfarteAi5 § 166 Rdn. 44.

Α. Informationsrechte

51

c) Kein Ausschluß wegen widerstreitender Interessen

Richterliche Rechtsfortbildung ist nur dann zulässig, wenn dem nicht gleichoder höherrangige Interessen entgegenstehen. Solche Interessen können sich daraus ergeben, daß ein solches Recht die Gefahr der Lähmung der Gesellschaft in sich birgt. Bei Gesellschaftern, die keinem umfassenden Wettbewerbsverbot unterliegen, ist die Gefahr des Informationsmißbrauchs erheblich. Außerdem entfällt die Verläßlichkeit von Gesellschafterbeschlüssen, wenn sie wegen unzureichend erteilter Auskünfte angefochten werden könnten.86 Diese Bedenken sind auch beim Auskunftsrecht der Kommanditisten zu berücksichtigen. Sie stehen der Entwicklung eines angemessenen Auskunftsrechts nicht entgegen, wenn ihnen im Rahmen dieses Auskunftsrechts Rechnung getragen werden kann. Das Kapitalgesellschaftsrecht gewährleistet dies bei der GmbH durch § 51 a II GmbHG und bei der AG durch § 131 III 1 AktG. Diese Normen können hier zwar nicht analog angewandt werden, weil sie sich jeweils auf ein andersartiges Auskunftsrecht beziehen. Sie sind jedoch Ausprägungen eines allgemeinen Rechtsgedankens, nach dem Gesellschafter kraft ihrer gesellschafterlichen Treuepflicht bei der Ausübung ihrer gesellschafterlichen Befugnisse in der Weise beschränkt sind, daß sie auf die Belange der Gesellschaft und ihrer Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen haben. Daher ist eine Orientierung an die Auskunftsverweigerungsmöglichkeiten des Kapitalgesellschaftsrechts geboten.87 Daher bedarf es stets einer Abwägung der Interessen des auskunftsbegehrenden Kommanditisten mit denen der KG und seiner Mitgesellschafter. 88 Abwägungskriterien sind die Stellung des Gesellschafters, die Gesellschafterzahl, die Organisationsstruktur der KG, der Arbeitsaufwand für die Geschäftsführer als ausführendes Organ, der Umfang eines eventuellen Wettbewerbsverbotes, Geheimhaltungsinteressen und Pflichtenkollisionen der Geschäftsführer mit strafoder datenschutzrechtlichen Verbotsnormen. Dieser Lösungsweg hat gegenüber einer Analogie zu einer kapitalgesellschaftsrechtlichen Norm den Vorteil größerer Flexibilität. Der Vielfalt von KG-Vertragsgestaltungen kann nur ein Auskunfts-

86

So schon: RGZ 82, 182 (188) [gegen ein Individualauskunftsrecht für Aktionäre].

87

I n diesem Sinne: MH-Weipert § 11 Rdn. 41 [auch zur Darlegungs- und Beweislastverteilung]; Schlegelberger-Martens § 166 Rdn. 20; Wiedemann Gesellschaftsrecht § 7 II 2 a bb, S. 377. 88 Barbasch S. 126; GK-Schilling § 166 Rdn. 6; Heymann-Z/orn § 166 Rdn. 19; SchlegelbergerMartens § 118 Rdn. 19; Teichmann S. 215; Vogel S. 115; ebenso: BGH W M 1983, 910 (911) für ein vertraglich vereinbartes Auskunftsrecht.

4*

52

2. Kapitel: Kontrollrechte der Kommanditisten

recht gerecht werden, das seinem Umfang und seinen Grenzen nach einzelfallbezogen zu bestimmen ist.

6. Zwischenergebnis

Den Kommanditisten stehen dreierlei Auskunftsrechte zu. Die Gesamtheit der nicht geschäftsführungsbefugten Gesellschafter hat gegen die Geschäftsführung einen kollektiven Anspruch aus §§ 713, 666 BGB, 161 II, 105 II HGB, der durch eine Funktionsgebundenheit an die Rechte und Pflichten der Gesamtheit der Gesellschafter in seinem Umfang begrenzt ist. Er kann von jedem Kommanditisten unter den Voraussetzungen der actio pro socio durchgesetzt werden. Jedem Kommanditisten steht ein individuelles Auskunftsrecht als Teil seiner Mitgliedschaft insoweit zu, als dies zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Individualrechte und -pflichten erforderlich ist. Dieses Recht kann unter Hinweis auf die gesellschafterliche Treuepflicht verweigert werden, wenn die Interessen der KG und/oder der Mitgesellschafter nach einem Abwägungsprozeß diejenigen des Auskunftsbegehrenden überwiegen. Dieses Recht ist akzessorisch zu den Individualrechten und -pflichten. Daneben steht den Kommanditisten bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ein zwingendes Auskunftsrecht aus § 166 III HGB zu.

Β. Mitwirkungsrechte

53

Β. Mitwirkungsrechte I. Inhalt der gesetzlichen Regelung /. Zustimmungspflicht

zu außergewöhnlichen Geschäften

Kommanditisten sind gem. § 164, 1, 1. Hs. HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Geschäftsführungsmaßnahmen, die zum gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der KG gehören, dürfen sie gem. § 164, 1, 2. Hs. HGB nicht einmal widersprechen. Der Wortlaut dieses Halbsatzes ist jedoch nicht eindeutig. Er kann einerseits so verstanden werden, daß die Kommanditisten außergewöhnlichen Geschäften widersprechen können. Dann wäre § 164 HGB eine Sonderregelung zu § 116 II HGB. Andererseits kann der Halbsatz so verstanden werden, daß dort keine Aussage zu den Kommanditistenrechten getroffen werden sollte, sondern daß es bei der Regelung des § 116 II HGB bleiben sollte. Das würde bedeuten, daß solche Geschäfte nur mit vorheriger Zustimmung aller Gesellschafter durchgeführt werden können. Der aus dem unklaren Wortlaut resultierende Meinungsstreit kann seit einer grundlegenden Entscheidung des RG1 zugunsten des Zustimmungsrechts als erledigt gelten.2 Entscheidend dafür sprechen die Schutzinteressen der Kommanditisten. Das Mitwirkungsrecht soll sicherstellen, daß Maßnahmen, die wegen ihrer Außergewöhnlichkeit die Einlage nachhaltig gefährden können, nicht gegen den Willen der Kommanditisten durchgeführt werden. Bei einem bloßen Widerspruchsrecht besteht die Gefahr, daß die Komplementäre die Kommanditisten vor vollendete Tatsachen stellen. Erforderlich ist daher, daß sie die Kommanditisten vorab hinreichend informieren und deren positive Zustimmung einholen. Eine vorherige Zustimmung ist grundsätzlich nur bei Notgeschäftsführungs-maßnahmen i.S.v. § 744 I I BGB nicht erforderlich. 3 Die Kommanditisten können ihr Zustimmungsrecht nicht nach freiem Ermessen ausüben. Sie dürfen nur im Rahmen ihrer gesellschafterlichen Treuepflicht handeln. Daher müssen sie die Interessen der KG angemessen und mit Vorrang

1

RGZ 158, 302 (305-308) m.N. zum Streitstand.

2

GK-Schilling § 164 Rdn. 2; Heymann-//o™ § 164 Rdn. 4; G.Hueck § 18 V 1; Kubier § 8 II 1 a; MH-Wirth § 3 Rdn. 55; Schlegelberger-Afarte/w § 164 Rdn. 16; Schmidt Gesellschaftsrecht § 53 III 2. 3

Heymann-Horn § 164 Rdn. 5; MH-Wirth

§ 3 Rdn. 56; Schlegelberger-Martens § 164 Rdn. 21.

2. Kapitel: Kontrollrechte der Kommanditisten

54

vor ihren Einzelinteressen berücksichtigen. Dabei kann sich das Zustimmungsrecht zu einer Zustimmungspflicht verdichten.4 Die fehlende Zustimmung entfaltet nur im Innenverhältnis Sperrwirkung zu Lasten der Komplementäre. Eine Unwirksamkeit von Willenserklärungen, die ein Komplementär ohne erforderliche Zustimmung abgibt, kommt deshalb nur unter den Voraussetzungen des Mißbrauchs der Vertretungsmacht in Betracht.5 Will der Komplementär ohne die erforderliche Zustimmung eine außergewöhnliche Maßnahme durchführen, verletzt er die Kompetenzordnung der KG. Gravierende Verstöße gegen diese Kompetenzordnung können es rechtfertigen, dem Komplementär aus wichtigem Grund die Geschäftsführungsbefugnis zu entziehen oder ihn sogar auszuschließen.6 Darüber hinaus kann nach einer im Vordringen befindlichen Ansicht jeder Kommanditist unter den Voraussetzungen der actio pro socio die Einhaltung der Kompetenzordnung verlangen und Unterlassungsklage gegen den Komplementär erheben.7 Der BGH hat demgegenüber Unterlassungsansprüche gegen einen Komplementär grundsätzlich verneint und die Kommanditisten auf etwaige Schadensersatzansprüche verwiesen.8 Diese Rechtsprechung steht hier jedoch einem Unterlassungsanspruch nicht entgegen. Damals erstrebten die Kommanditisten Unterlassung einer gewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahme mit der Begründung, der Komplementär würde damit seine Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung verletzen. Tragendes Argument des BGH war, daß ein solcher Anspruch die gesellschaftliche Kompetenzordnung verletzt hätte. Schließlich steht die Kompetenz zur Durchführung solcher Maßnahmen allein dem Komplementär zu. Hier würde der Komplementär gerade die Kompetenzordnung verletzen. Somit ist die Unterlassungsklage zulässig.

4

B G H W M 1973, 1291 (1294).

*MH-Wirth 6

§ 3 Rdn. 57; Wilhelm S. 81.

BayObLG NJW-RR 1993, 1123 (1125).

7 Lutter AcP 180 (1980), 84 (139 f.); MH-Wirth § 3 Rdn. 58; Raiser ZHR 153 (1989), 1 (32); Schlegelberger-A/arte/is § 116 Rdn. 22; Schmidt Gesellschaftsrecht § 53 III 2; Schneider JR 1980, 466 (467). 8 BGHZ 76, 160 (168); zust.: Heymann-Horn § 164 Rdn. 2; Hüffer ZGR 1981, 348 (360); MHWirth § 3 Rdn. 50; Schlegelberger-Mir/ertj § 161 Rdn. 157; Schmidt Gesellschaftsrecht § 21 V 3 b; ablehnend: Grunewald DB 1981, 407 (408 f.); Schneider JR 1980, 466 (467 f.).

Β. Mitwirkungsrechte

55

2. Begriff des außergewöhnlichen Geschäfts

Ein außergewöhnliches Geschäft liegt vor, wenn es nach seinem Inhalt und Zweck oder nach seiner Bedeutung und den damit verbundenen Gefahren über den gewöhnlichen Rahmen des Geschäftsbetriebes der Gesellschafts hinausgeht und damit Ausnahmecharakter besitzt.9 Ist der Komplementär von der Einschränkung des § 181 BGB befreit worden, so ist die Durchführung eines Insichgeschäfts ohne Hinzutreten besonderer Umstände kein außergewöhnliches Geschäft. 10 Um Rechtsunsicherheit entgegenzuwirken, wird in Gesellschaftsverträgen oft ein Katalog von Maßnahmen vereinbart, die der Zustimmung bedürfen. 11 Für vollständige Rechtsklarheit können diese Kataloge nur sorgen, wenn die Handlungen dort abschließend aufgeführt sind. Ob dies der Fall ist, muß durch Auslegung der entsprechenden Klausel ermittelt werden. Aus Gründen des von § 164 HGB bezweckten Kommanditistenschutzes ist im Zweifel jedenfalls nicht von abschließendem Charakter auszugehen.12 Die gängige Praxis solcher Kataloge wird teilweise als der heutigen Wirtschaftspraxis nicht angemessen kritisiert. Statt dessen soll eine Zustimmungspflicht zur Unternehmensplanung treten.13 Angesichts des klaren Wortlauts des § 164 HGB bedarf eine derartige Zustimmungspflicht aber einer entsprechenden Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag.

" r G Z 158, 302 (308); BGHZ 76, 160 (162 f.); LM Nr. 1 zu § 116 HGB; GK-Schilling Rdn. 3; Schlegelberger-AÌfartetts § 164 Rdn. 17. 10

§ 164

BGHZ 76, 160 (163) [für eine Publikums-KG; dort str., s. 6. Kap. Β. II. 4.].

" Beispiel bei: Binz § 10 Rdn. 18. Binz § 10 Rdn. 19; v.Falkenhausen FS-Barz S. 9(15); GK-Schilling § 164 Rdn. 7; HeymannHorn § 164 Rdn. 4; Rabl S. 127 f.; differenzierend: Schlegelberger-A/artew § 164 Rdn. 17. 13 Im einzelnen: Binz § 10 Rdn. 20-23; v.Falkenhausen a.a.O.; Haack BB 1993, 1607 (1608) Fn. 7; Hennerkes/Binz/May DB 1987, 469 (470-472); Hinterhuber/Minrath BB 1991, 1201 (1206); Vogler S. 218.

2. Kapitel: Kontrollrechte der Kommanditisten

56

II. Abdingbarkeit des Zustimmungsrechts 1. Gesellschaftsrechtliche

Möglichkeiten

Nach unbestrittener Auffassung ist § 164 HGB in jeder Hinsicht dispositiv. Die Kommanditisten können einerseits intensiver an der Geschäftsführung beteiligt werden. Andererseits kann das Recht eingeschränkt werden, z.B. dadurch, daß ein Mehrheitsbeschluß in der Gesellschafterversammlung ausreicht. Zulässig ist sogar, das Recht völlig abzubedingen. Bedenken dagegen können sich nur ergeben, wenn die Abbedingung im Zusammenspiel mit anderen Bestimmungen zu einer vollkommenen Entrechtung des Kommanditisten führen würde. 14

2. Steuerrechtliche

Erfordernisse

Der BFH zählt das Mitwirkungsrecht aus § 164 HGB zwar zu den Rechten, die zum Regelstatut eines Kommanditisten gehören. Aber nur wesentliche Abweichungen von diesem Regelstatut gefährden die Anerkennung von Mitunternehmerinitiative. Die Abbedingung des Mitwirkungsrechts allein begründet nach gefestigter Rechtsprechung des BFH keine wesentliche Abweichung.15 Der BFH verweist darauf, daß § 164 HGB ohnehin nur in wenigen Fällen eine aktive Mitwirkung an Geschäftsführungsmaßnahmen ermöglicht. Für die Mitunternehmerinitiative des Kommanditisten seien vielmehr die Kontroll- und Stimmrechte von zentraler Bedeutung. Zu einem anderen Ergebnis kommt der BFH nur dann, wenn die Abbedingung des Mitwirkungsrechts mit anderen Abweichungen vom Regelstatut einhergeht.16

14

MH -Wirth

§ 3 Rdn. 71; Schlegelberger-Martens § 164 Rdn. 23.

15

BFHE 152, 325 (329); 155,514(517).

16

Vgl. BFHE98,405 (408); 112,51 (57); 155, 514 (516 f.).

3. Kapitel

Interessengerechtigkeit eines Beirats zur Wahrnehmung der Anlegerrechte in der Publikums-KG und Begründung seiner rechtlichen Notwendigkeit im Wege richterlicher Rechtsfortbildung A. Andere Interessenlage in der Publikums-KG I. Gesetzgeberisches Leitbild der K G

Wie eingangs dargelegt, ging der historische Gesetzgeber von einer KG mit relativ wenigen Gesellschaftern aus, deren Zusammensetzung nur ein verständlich geändert werden konnte. Die KG war von einem engen persönlichen Vertrauensverhältnis der Gesellschafter untereinander geprägt. Dieses Vertrauensverhältnis und die Einflußmöglichkeiten des einzelnen auf den Inhalt des Gesellschaftsvertrages waren Grundlage dafür, daß die Privatautonomie prägendes Prinzip für die KG wurde. Die Ausgestaltung der Rechte des einzelnen sollte dem frei ausgehandelten Kompromiß überlassen sein. Der Gesetzgeber beschränkte sich darauf, nur wenige Kommanditistenrechte festzulegen, die ihrerseits weitgehend dispositiv sind, vgl. § 163 HGB.

II. Gesteigerter Kontrollbedarf in der Publikums-KG

Für die Publikums-KG wird weitgehend ein höherer Kontrollbedarf der Anlegerkommanditisten als bei einer typischen KG bejaht, da die Publikums-KG erheblich den ordnungspolitischen Vorstellungen des Gesetzgebers abweicht.1 Aufgrund der spezifischen Beitrittssituation besteht weder Einfluß der Anleger auf die Zusammensetzung der KG noch ein persönliches Vertrauensverhältnis der Gesellschafter untereinander. Ein solches fehlt auch im Verhältnis zur Geschäftsführung. Dies wiegt besonders schwer, weil bei Gesellschaften dieser Größe die

1 A.A.: BayObLG W M ausreichend].

1985, 1231 (1232); Wenninger

S. 54 [gesetzliche Rechte i.d.R.

3. Kapitel: Interessengerechtigkeit eines Beirats

58

Verhältnisse wegen der Komplexität wirtschaftlicher und persönlicher Verflechtungen tendenziell schwerer durchschaubar sind. Zudem fehlen hinreichende Einflußmöglichkeiten der Beitretenden auf den Inhalt des Gesellschaftsvertrages. Das hat zur Folge, daß sich die Gesellschaftsinitiatoren, die i.d.R. mit den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH identisch sind, eine beherrschende Machtstellung sichern. In einer solchen Gesellschaft wirkt der Grundsatz der Selbstorganschaft, auf den Nitschke verweist,2 nicht mehr als wirkungsvolles gesellschaftsimmanentes Machtkorrektiv. In einer KG, die dem Leitbild des Gesetzgebers entspricht, gewährleistet die unbeschränkte persönliche Haftung mindestens eines Geschäftsführers eine verantwortungsvolle Machtausübung, ohne daß es weiterer Kontrollinstrumente bedarf. Diese Argumentation verliert bereits dann ihre Schärfe, wenn bei einer GmbH&Co KG die verantwortlichen natürlichen Personen keiner unbeschränkten Haftung unterliegen und allenfalls ihren GmbH-Geschäftsanteil verlieren können. In einer Publikums-KG ist die Gefahr besonders hoch, daß die Gesellschafter der Komplementär-GmbH "rechtzeitig" vor dem Konkurs aus der Gesellschaft alle liquiden Mittel herausziehen, ohne daß die Anleger dies rechtzeitig bemerken und verhindern können. Aus diesen Gründen ist das Vertrauensprinzip, das eine dem gesetzgeberischen Leitbild entsprechende KG prägt, durch das Kontrollprinzip zu ersetzen.3

I I I . Gefahren weitergehender Kontrollrechte

Einer Intensivierung der Kontrolle durch zusätzliche Anlégerrechte stehen nicht unerhebliche Bedenken entgegen, wegen derer - von unredlichen Motiven im Einzelfall abgesehen - die Anlegerrechte oft sogar verkürzt werden. Bei großer Gesellschafterzahl ohne persönliche Verbundenheit ist die Gefahr größer, daß Informationen zu Wettbewerbszwecken o.ä. mißbraucht werden, zumal die wirtschaftliche Existenz der Kommanditisten nicht von ihrer KG-Beteiligung abhängt. Die Rechtsausübung ist zwar durch die Treuepflicht beschränkt. Doch gerade wegen der fehlenden Verbundenheit der Anleger untereinander ist die Gefahr größer, daß Anhaltspunkte nicht erkannt werden, aus denen Mißbrauchsmöglichkeiten vermutet werden können. Werden die Individualrechte von

2

Nitschke § 15 I S. 273.

3

Statt vieler: Wüst ZUR 152 (1988), 215 (232); vgl auch: BGHZ 104, 50 (54); W M 1977, 1221 (1225); 1979, 1425 (1426).

Α. Andere Interessenlage in der Publikums-KG

59

sehr vielen Anlegern wahrgenommen, liegt schon bei den gesetzlichen Rechten die Vermutung nahe, daß durch die Erfüllung von Informationsbegehren die Geschäftsführung und das Zustimmungserfordernis zu außergewöhnlichen Geschäften die ganze Gesellschaft lahmgelegt wird. Dann kann es sich rächen, wenn man darauf spekuliert, daß wegen der Indolenz und fehlenden Sachkunde der Anleger eine solche Lähmung nicht zu befürchten sei.4 Die Individualrechte wären seltsamer Natur, wenn zu hoffen sein muß, daß sie nicht wahrgenommen werden. Denn sonst könnten sich die zu Kontrollierenden faktisch sicher fühlen.

IV. Effektivität weitergehender Rechte

Bedenken gegen erweiterte Individualrechte werden auch aus rechtspraktischer Sicht erhoben, da solche Rechte wenig effektiv sein sollen. Die Gesellschafter sind oft nur am Ergebnis ihres Kapitaleinsatzes interessiert. Sie haben zwar ein vitales Interesse an effektiver Kontrolle. Jedoch fehlt ihnen selbst i.d.R. die hierzu erforderliche Sachkunde, aber auch die Zeit und die Bereitschaft zum Engagement. Die Wahrnehmung der Rechte wird dadurch erschwert, daß die Anleger meist nicht alle aus derselben Region kommen. Zudem ist die Durchsetzung von Kollektivrechten oder von Rechten, die an Quoren gebunden sind, durch die geringe Beteiligung im Massenverband zusätzlich beeinträchtigt, da mangels Vertrauensverhältnisses und oft gar Bekanntseins der Anleger untereinander ein koordiniertes Vorgehen kaum möglich ist.5

V. Konfliktlösungsmöglichkeiten 7. Erweiterung

der Individualrechtsposition

Teilweise wird erwogen, dem erhöhten Kontrollbedürfnis der Anleger durch weitergehende Informationsrechte Rechnung zu tragen. So soll nach einer Auffassung § 51 a I GmbHG analog angewendet werden.6 Ebenso wie bei einer typischen KG sind jedoch bei der Publikums-KG die Voraussetzungen gesetzesüber-

4

So etwa: Wawrzinek

S. 194.

5

Schlegelberger-A/arterts § 166 Rdn. 42 sagt daher, daß die Kontrollrechte für sie "nur von theoretischer Bedeutung" sind. 6

Roth § 51 a Anm. 5; Wüst ZHR 152 (1988), 215 (323).

60

3. Kapitel: Interessengerechtigkeit eines Beirats

steigender Rechtsfortbildung nicht gegeben. Einer dementsprechenden Rechtsfortbildung stehen gleich- oder höherrangige Interessen entgegen, die sich aus den zu III. und IV. erörterten Bedenken ergeben. Diesen Bedenken könnte zwar teilweise durch analoge Anwendung des § 51 a II GmbHG Rechnung getragen werden. Die Umsetzung dieser Vorschrift wäre aber in der Praxis sehr problematisch. In einer unübersichtlichen Massengesellschaft sind Umstände, die auf eine mißbräuchliche Rechtsausübung schließen lassen, i.d.R. schwieriger zu erkennen. Außerdem ist eine Grenzziehung, wann die Wahrnehmung der Rechte ihrer Zahl und Intensität nach die Gesellschaft schädigend lähmt, ohne Willkür nicht möglich. Daher ist eine analoge Anwendung des § 51 a I GmbHG weder zulässig noch überzeugend. Eine analoge Anwendung des § 131 AktG oder ein Auskunftsrecht in Anlehnung daran kann als alleinige Lösung ebenfalls nicht überzeugen. Schließlich wurde die Analogie bei der typischen KG u.a. deshalb abgelehnt, weil es nicht dem dort geringeren Informationsbedürfnis nicht entspricht, daß die Auskunftserteilung auf die Gesellschafterversammlung beschränkt ist. Daher entspricht eine Analogie bei der Publikums-KG erst recht nicht dem Informationsbedürfnis der Kommanditisten. § 131 AktG wird bei der AG nur deshalb für ausreichend erachtet, weil die Geschäftsführung im wesentlichen vom Aufsichtsrat überwacht wird. Soweit bei der Publikums-KG kein vergleichbares Kontrollgremium vorhanden ist, kann eine Analogie zudem schon mangels vergleichbarer Rechts- und Interessenlage nicht gerechtfertigt sein.7

2. Einrichtung eines Gremiums zwischen Geschäftsführung

und Gesellschaftern

a) Vorteile einer solchen Lösung

Die Ausführungen zu § 131 AktG deuten den Weg zu einer anderen Möglichkeit an, der besonderen Interessenlage zu entsprechen. Die Norm zeigt, daß es gesellschaftsrechtlich denkbar ist, Individualrechte einzuschränken, wenn dies durch ein mit weitgehenden Rechten ausgestattetes, von den Individualberechtigten (mit-)getragenes Gremium kompensiert wird. Demzufolge ist zu untersuchen, ob ein derartiges Gremium auch bei der Publikums-KG eine interessengerechte

7 Schmidt Informationsrechte S. 70; Wohlleben S. 87; wohl auch: Goerdeler FS-Kellermann S. 77 (88); a.A.: Rabl S. 97, der dann nur ein erhöhtes Informationsbedürfnis annimmt.

Α. Andere Interessenlage in der Publikums-KG

61

Lösung darstellt. Ein solches Gremium brächte einige Vorteile mit sich. Ihm können Befugnisse eingeräumt werden, die über die allgemeinen Gesellschafterrechte hinausgehen. Durch die Auswahl sachkundiger Vertreter und die Konzentrierung der Rechtsausübung erhöhen sich die Chancen einer effektiven Überwachung der Geschäftsführung. Das heißt natürlich nicht, daß ein Gremium eine effektive Kontrolle garantiert. Jedes Gremium ist schließlich nur so gut wie seine Mitglieder. Außerdem ist die Mißbrauchsgefahr bei wenigen Personen geringer, besonders wenn nur zur Verschwiegenheit von Berufs wegen Verpflichtete dem Gremium angehören. Die Lähmungsgefahr wird drastisch verringert, wenn mit der Etablierung des Gremiums eine Verkürzung der Individualrechte einhergeht. Alles in allem entspricht eine Gremienlösung somit zumindest auf dem ersten Blick der Interessenlage in einer Publikums-KG.

b) Vertragspraxis; Modelle aa) Empirische Beobachtungen

Den dargelegten Vorteilen entspricht die Beliebtheit solcher Gremien in der Vertragspraxis. Dabei sind die Motive für die Einrichtung eines Gremiums vielschichtig.K Betriebswissenschaftliche Untersuchungen mittelständischer Unternehmen zeigen, daß die Kontrolle der Geschäftsführung einen Spitzenplatz der Hauptmotive neben den in engem Zusamenhang damit stehenden Motiven der Beratung der Geschäftsführung und der Nutzung externen Sachverstandes einnimmt.9 Die Bedeutung des Kontrollmotivs steigt mit der Gesellschafterzahl 10 und bei Geschäftsführung durch Fremdmanager 11 an. Ein Fortdenken dieser Trends auf den Bereich der Publikums-KG läßt gerade in Anbetracht ihrer Besonderheiten auf ein enormes Bedürfnis nach einer Gremienlösung schließen. Diesem Schluß entsprechen die wenigen Untersuchungen derartiger Gesellschaftsverträge. Nach Angaben von Haas regelten 31 von 32 Verträge von Publikumspersonengesellschaften, nach Reusch alle 20 von ihm gesichteten Verträge einer Publikums-stG ein solches Gremium.

8

Überblick bei: Gaugier/Heimburger Im einzelnen: Gaugier/Heimburger

U)

Gaugler/Heimburger

M

VoglerS.

162 Tab. 17.

S. 50 Tab. 23. a.a.O.; Vogler S. 153 Tab. 12.

S. 69; Hinterhuber/Minrath BB 1991, 1201 (1203).

62

3. Kapitel: Interessengerechtigkeit eines Beirats

bb) Vertragliche

Ausgestaltungen solcher Gremien

Diese Untersuchungen zeigen, daß die Gremien sowohl strukturell als auch materiell höchst unterschiedlich ausgestaltet werden.

( 1 ) Unterscheidung nach rechtlicher Verankerung

Zunächst können sie nach ihrer rechtlichen Grundlage unterschieden werden. Einerseits können die Gremienmitglieder nur aufgrund einer schuldrechtlichen Vereinbarung mit der KG tätig werden. Andererseits kann ihre Tätigkeit auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage beruhen. Bei der Klassifizierung vorhandener Gremien wird das formale Kriterium der Erwähnung im Gesellschaftsvertrag sowie das materielle Kriterium der Übertragung gesellschaftsrechtlicher Kompetenzen herangezogen.12 Nach neuerer Ansicht soll ein nicht gesellschaftsvertraglich verankertes Gremium, das aber gesellschaftsrechtliche Befugnisse haben soll, entsprechend den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft als "fehlerhaftes Gremium" zu behandeln sein.13 Die rechtlichen Konsequenzen dieser Differenzierung sind erheblich. Nur einem Gremium auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage können gesellschaftsrechtliche Befugnisse übertragen bzw. eingeräumt werden. Demgegenüber wird ein schuldrechtlich verankertes Gremium i.d.R. nur beratend tätig.14 Jedenfalls kann im Hinblick auf die Aufgaben eines nur schuldrechtlich verankerten Gremiums kein Gesellschafterrecht verdrängt oder ausgeschlossen werden. Bei diesen Gremien haben Verstöße gegen den Beiratsvertrag auch keine gesellschaftsrechtlichen Folgen.15 Somit mag ein solches Gremium in Familienunternehmen Relevanz haben; für die hier intendierten Ziele ist eine gesellschaftsrechtliche Grundlage erforderlich.

12 Im einzelnen: Härer S. 26; HK-Stuhlfelner/Glanegger § 114 Rdn. 18-20; Hölters Maulbetsch S. 51 f.; MH-Riegger § 8 Rdn. 4; Vogler S. 142 f. 13

Maulbetsch S. 51; Vogler S. 143.

14

Hinterhuber/Minrath

15

BB 1991, 1201 (1205); Hölters S. 5; Wilhelm S. 71.

Reusch S. 196; Wiedemann FS-Schilling S. 105 (107).

S. 5 f.;

Α. Andere Interessenlage in der Publikums-KG

63

(2) Unterscheidung nach Zugehörigkeit

Das Gremium kann sowohl bei der GmbH als auch bei der KG als auch bei beiden Gesellschaften angesiedelt werden. Letztere Lösung wird in der Praxis nur bei Personenidentität der Gesellschafter gewählt.16 In einer Publikums-KG birgt ein doppeltes Gremium die Gefahr von Reibungsverlusten in sich und verursacht zusätzliche Kosten und Aufwand. Es ist also nicht interessengerecht. Ansonsten ist die Ansiedlung eine Zweckmäßigkeitsfrage. Sowohl einem KGGremium als auch einem GmbH-Gremium können ausreichende Überwachungsbefugnisse zugewiesen werden. Den Anlegern kann in beiden Fällen hinreichend Einfluß auf die Zusammensetzung eingeräumt werden. Die Gremienmitglieder können auch für Pflicht verstoße haftbar gemacht werden.17 Konstruktiv einfacher ist die Abberufung von GmbH-Geschäftsführern durch das Gremium, wenn es bei der GmbH angesiedelt ist.1K Ein GmbH-Gremium bietet sich auch an, wenn die GmbH die Geschäfte mehrerer KGs führt. 19 Andererseits werden sich die GmbH-Gesellschafter nur ungern auf eine unmittelbare Kontrolle der Anleger einlassen. Das gilt besonders dann, wenn die GmbH noch andere Aufgaben als die KG-Geschäftsführung hat. Außerdem kann bei Ansiedlung bei der KG den Anlegern besser das Gefühl vermittelt werden, daß das Gremium in "ihrem" Interesse handelt.20 Daß in der Praxis das Gremium regelmäßig bei der KG angesiedelt wird, hat vor allem steuerliche Gründe. Vergütungen an Beiratsmitglieder sind gem. § 10 Nr. 4 KStG nur zur Hälfte abzugsfähig, während sie bei Personengesellschaften grundsätzlich voll abzugsfähig sind. Sofern die Gremienmitglieder Kommanditisten und damit Mitunternehmer sind, sind ihre Vergütungen Einkünfte aus Gewerbebetrieb für eine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft, § 15 I 1 Nr. 2 EStG. Als solche können sie nicht als Betriebsausgaben der KG abgezogen werden. Die Vergütungen an die Kommanditisten sind jedoch auch dann Sonderbetriebseinnahme der KG nach § 15 I 1 Nr. 2 EStG, wenn das Gremium bei der

16

Hölters S. 62.

17

Binz § 10 Rdn. 7; ΗK-StuhIf'elner/Glanegger Steindorff S. 229 (234).

§ 114 Rdn. 24; Maulbetsch S. 49; Reuter FS-

™ Hop t ZGR 1979, 1 (7). 19

Hölters a.a.O.; Maulbetsch S. 48 Fn. 1 ; Schulze zur Wiesche S. 95.

20

So auch: Maulbetsch S. 48.

64

3. Kapitel: Interessengerechtigkeit eines Beirats

GmbH angesiedelt ist. Auch hier wird der Kommanditist mittelbar für die KG tätig.21 Entgegen vereinzelter Versuche der Finanzverwaltung kann auch dann kein Teil der Vergütung für eine Tätigkeit in einem KG-Gremium dem Gewinnanteil der GmbH zugerechnet werden, wenn sich die Überwachungstätigkeit ebenfalls auf die Geschäftstätigkeit der Komplementär-GmbH bezieht.22 Da die Ansiedlung bei der KG der Regelfall ist, beschränken sich die folgenden Ausführungen hierauf.

(3) Unterscheidung nach Organqualität bzw. Zusammensetzung

Eine Differenzierung ist auch nach der Zuständigkeit zur Bestellung der Gremienmitglieder und - damit zusammenhängend - etwaiger Organqualität möglich. Im Personengesellschaftsrecht gibt es zwei Grundmodelle: Auf der einen Seite wirken alle Gesellschafter an der Bestellung mit. Gesellschaftsvertraglich werden dem Gremium eigenständige Kompetenzen verliehen, die es im Interesse der Gesellschaft wahrzunehmen hat. Ein solches Gremium steht in unmittelbarem Rechtsverhältnis zur Gesellschaft und ist deren Organ. Auf der anderen Seite ist das Gremium ein bloßer Repräsentant einer Gesellschaftergruppe. Dann dient es nur der Zusammenfassung der Rechte der Gruppe, die das Gremium bestellt. Nur zu dieser Gruppe steht ein solches Repräsentationsgremium in unmittelbarem Rechtsverhältnis. Es ist nur an das Gruppeninteresse gebunden. Ihm stehen keine eigenen Rechte zu. Es werden nur die fremden Rechte der Gruppe wahrgenommen. Eine derartige reine Vertreterlösung wird oft bei großen Familien-KGs gewählt, um den mit einer erheblichen Gesellschafterzahl verbundenen Gefahren entgegenzutreten. Die Familienstämme sind dort homogene Gesellschaftergruppen. Bei der Publikums-KG fehlt es an solch homogenen Gruppen. Als Gruppe kommen nur alle Kommanditanleger in Betracht. Aus der Interessenlage ergibt sich aber, daß das Gremium mehr als die Zusammenfassung der Kommanditistenrechte leisten soll. Es soll in eigener Verantwortung die Geschäftsführung überwachen. Der mit der Rückführung der Kommanditistenrechte einhergehende Rationalisierungseffekt ist daneben nur sekundäres Ziel. § 285 I 2 Nr. 1 AktG zeigt jedoch, daß nicht alle Gesellschafter an der Bestellung mitwirken müssen, um dies zu erreichen. Daher entspricht der Interessenlage bereits ein Kommandi-

21 22

M H -Riegger § 8 Rdn. 77.

So die h.L.; vgl. im einzelnen: Haack BB 1993, 1607 (1610); MH-Riegger § 8 Rdn. 76 jeweils m.w.N.

Α. Andere Interessenlage in der Publikums-KG

65

tistenausschuß, der nur von den Anlegern bestellt wird, aber mit eigenen Rechten ausgestattet ist. Zwischen einem solchen Kommanditistenausschuß und der o.a. klassischen Organlösung sind verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten denkbar. Sie alle entsprechen, wenn sie bestimmte Mindeststandards erfüllen, gleichermaßen der Interessenlage.23 Unterschiede ergeben sich nur bezüglich der rechtlichen Grundlage der Rechte und Pflichten des Gremiums und den daraus resultierenden haftungsrechtlichen Konsequenzen. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob das Gremium KG-Organ ist. Der Organbegriff ist bislang nicht eindeutig geklärt. Umstritten ist besonders, ob es Gruppenorgane in dem Sinne gibt, daß das Gremium von einer Gesellschaftergruppe bestellt wird, aber vorrangig den Interessen der Gesellschaft verpflichtet ist.24 Für den BGH ist ein Beirat jedenfalls dann ein Gesellschaftsorgan, wenn er Träger von Funktionen ist, die sich aus dem gemeinsamen Recht aller (H.d.V.) Gesellschafter herleiten.25 In zwei anderen Entscheidungen bejahte der BGH die Organschaft von Gremien einer Publikums-KG als Ergebnis einer Gesamtabwägung der Einzelumstände: In dem einen Fall wurden die Mitglieder von allen Gesellschaftern gewählt. Durch Bezugnahme auf aktienrechtliche Vorschriften wurden dem Gremium Pflichten zugewiesen, die einem Organ eigentümlich sind und alle Gesellschafter betreffen. Auch die Bezeichnung "Aufsichtsrat" wurde als Indiz herangezogen.26 Nach einer neueren Entscheidung steht ein überwachender Beirat grundsätzlich in unmittelbarem Rechtsverhältnis zur KG. Soll der Beirat nur Kontrollorgan (H.d.V.) der Kommanditisten sein, muß dies deutlich zum Ausdruck kommen. Dafür soll es nicht ausreichen, daß dem Beirat nur Kontrollrechte der Kommanditisten zustehen, wenn andererseits gesellschaftsvertraglich vereinbart ist, die KG habe einen Beirat, der von der Gesellschafterversammlung gewählt wird. 27 Diesem pragmatischen Weg einer einzelfallorientierten Gesamtabwägung ist zu folgen. 28

23

Dietrich S. 144; Hüffer

ZGR 1980, 320 (323); Schneider DB 1973, 953 (954 f.).

24

Vgl. hierzu: Baumbach/Duden/Hopt § 114 Anm. 3 G; Dietrich S. 153-155; GK-Ulmer § 109 Rdn. 53; GK-Schilling Anh. § 161 Rdn. 40; HK-Stuhlfelner/Glanegger § 114 Rdn. 19; Maulbetsch S. 54-57; M H -Riegger § 8 Rdn. 8; Reusch S. 196-200; Schmidt Gesellschaftsrecht § 57 II 2 a; Vogler S. 149 f.; Wiedemann FS-Schilling S. 105 (108 f.); Wilhelm S. 72. 25

BGH W M 1968, 98.

26

BGH NJW 1975, 1318 f.; insoweit nicht abgedruckt in: BGHZ 64, 238 (240).

5 Grote

66

3. Kapitel: Interessengerechtigkeit eines Beirats

(4) Unterscheidung nach Aufgaben

Zusätzliche Gremien im Personengesellschaftsrecht werden auch nach den ihnen zugewiesenen Kompetenzen unterteilt. Neben den hier zu untersuchenden überwachenden Gremien existieren beratende und geschäftsführende Gremien sowie Gremien mit Grundlagenkompetenzen und solche als Schiedsrichter/Schlichter/Schiedsgutachter.

cc) Bezeichnung

Den vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten entsprechen unterschiedliche Bezeichnungen. Die gängisten sind "Aufsichtsrat", "Beirat" und "Verwaltungsrat". Soll es sich um ein Gremium handeln, das nur von den Anlegern zu bestellen ist und nur in deren Interesse handeln soll, bietet sich die Bezeichnung "Kommanditistenausschuß" an. Mangels gesetzlicher Vorgaben hat die vertraglich gewählte Bezeichnung keine zwingenden materiell-rechtlichen Konsequenzen. Sie kann aber indizielle Bedeutung haben, z.B. bei der Auslegung der Kompetenzen. Die überwachende Tätigkeit wird am ehesten durch die Bezeichnung "Aufsichtsrat" angedeutet. Diese Bezeichnung kann jedoch den Eindruck hervorrufen, es handele sich wie im Aktienrecht um ein teilweise mitgestaltendes Gremium. Daher wird in der Praxis häufiger die Bezeichnung "Beirat" gewählt, obwohl sie den Eindruck einer mehr beratenden Tätigkeit hervorrufen kann.29 Trotz dieser Bedenken wird hier "Beirat" als gängigste Bezeichnung gewählt.

BGH NJW 1985, 1900; eingehend hierzu: Dietrich S. 157-161, nach dem in Konsequenz dieser Entscheidung im Zweifel stets von einem KG-Organ auszugehen ist. Nach Heymann-Z/or« § 161 Rdn. 69 soll ein im Rahmen der Sanierung einer Publikums-KG gebildeter Kontrollausschuß der Kommanditisten ebenfalls im Zweifel KG-Organ sein. 28 Ebenso: Maulbetsch S. 58; MH-Riegger § 8 Rdn. 9; Reusch S. 199 f.; Vogler S. 151; Wilhelm S. 73 f. jeweils mit Wertungskriterien. 29 Weitergehend hierzu: Barbasch S. 145; Hüffer ZGR 1980, 320 (324-326); Tillmann Rdn. 340. Zur selben Frage bei der GmbH: Baumbach/Hueck-Zò7//ìer § 45 Rdn. 13. Kritisch zur unsauberen Namensgebung: HdK-Wagner § 23 Rdn. 121.

Α. Andere Interessenlage in der Publikums-KG

67

c) Zulässigkeit einer solchen Lösung aa) Vertragsfreiheit

Daß die Bildung eines Beirats in einer Personengesellschaft zulässig ist, folgt bereits daraus, daß der Gesetzgeber die Ausgestaltung der Gesellschaft grundsätzlich der privatautonomen Entscheidung der Gesellschafter überläßt. Die Gestaltungsbefugnis der Gesellschafter findet aber ihre unüberwindbaren Grenzen in den zwingenden Grundsätzen des Personengesellschaftsrechts.

bb) Abspaltungsverbot

Ein solcher Grundsatz ist das Abspaltungsverbot.10 Es hat in § 717,1 BGB seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden. Danach dürfen einzelne Mitgliedschaftsrechte nicht von der Mitgliedschaft abgetrennt und auf einen Dritten oder Mitgesellschafter übertragen werden. Dem Übertragungsverbot gleichgestellt ist die Ermächtigung zur Rechtsausübung im eigenen Namen und die unwiderrufliche verdrängende Bevollmächtigung zur Rechtsausübung.31 Damit soll die Einheitlichkeit der Mitgliedschaft gesichert werden. Die Zuweisung von Rechten an einen Beirat wird hierdurch praktisch nicht eingeengt. Teilweise werden dem Beirat eigene, von Mitgliedschaftsrechten unabhängige Rechte eingräumt. Einer Begründung von Rechten Dritter, die nicht zuvor unmittelbar von denen der Mitglieder abgetrennt worden sind, steht das Abspaltungsverbot im Hinblick auf seinen Sinn und Zweck nicht entgegen.32 Den Schutz vor Dritteinfluß bezwecken nur die Grundsätze der Verbandssouveränität und der Selbstorganschaft. Teilweise werden dem Beirat die Gesellschafterrechte nur zur Ausübung überlassen. Dies verstößt nicht gegen das Abspaltungsverbot, solange die Bevollmächtigung jederzeit widerruflich ist, die Gesellschafter Wei-

30 31

St.Rspr; s. BGHZ 3, 354 (357); 20, 363 (364); NJW 1985, 972 (973).

GK-Ulmer § 191114 a.

§ 109 Rdn. 26; Schlegelberger-Marte«s § 109 Rdn. 13 f.; Schmidt Gesellschaftsrecht

32 BGH JZ 1960, 490 (491); GK -Ulmer