Althochdeutsch Thing – Neuhochdeutsch Ding: Die Geschichte eines Wortes [Reprint 2021 ed.] 9783112498804, 9783112498798

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Althochdeutsch Thing – Neuhochdeutsch Ding: Die Geschichte eines Wortes [Reprint 2021 ed.]
 9783112498804, 9783112498798

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BERICHTE ÜBER DIE VERHANDLUNGEN DER SÄCHSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU LEIPZIG Philologisch-historische Klasse Band 104 • Heft 2

ELISABETH

KARG-GASTERSTÄDT

ALTHOCHDEUTSCH THING NEUHOCHDEUTSCH DING DIE GESCHICHTE

EINES

WORTES

AKADEMIE-VERLAG-BERLIN 1958

BERICHTE ÜBER DIE VERHANDLUNGEN DER SÄCHSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU LEIPZIG PHILOLOGISCH-HISTOBISCHE KLASSE

Band 97 Heft

1

Prof. Dr.

THEODOR FRINGS,

Antike und Christentum an der Wiege

der deutschen Sprache.

Heft 2

Prof. Dr.

36 Seiten - 8° - 1949 - DM 3 , - (vergriffen)

Zum mongolischen Tanjur

FRIEDRICH WELLER,

36 Seiten - 8° - 1949 - DM 4,76

Heft

(vergriffen)

3

Prof. Dr.

W A L T E R B A E T K E , Die Götterlehre der Snorra-Edda Nachdruck — 68 Seiten — 8° - 1952 — DM 6,30 (vergriffen)

Heft 4

Prof. Dr.

CARL BROCKELMANN,

Abessinische Studien 60 Seiten - 8° - 1950 - DM 6 , -

(vergriffen)

Heft

5

Prof. Dr.

W I L H E L M S C H U B A R T , Griechische literarische Papyri 108 Seiten - 8° - 1950 - DM 13,25 (vergriffen)

Heft

6

Prof. Dr. Properz

F R A N Z D O R N S E I F F , Verschmähtes zu Vergil, Horaz und Nachdruck - 108 Seiten - 8° - 1951 - DM 11,50 (vergriffen)

Heft

7

Prof. Dr. W E R N E R K R A U S S , Altspanische Drucke im Besitz der außerspanischen Bibliotheken 112 Seiten - 8° - 1 9 5 1 - DM 10,50 (vergriffen)

Heft 8 Prof. Dr.

MARTIN LINTZEL,

Liebe und Tod bei Heinrich von Kleist 76 Seiten - 8° - 1950 - DM 3,50

(vergriffen)

Band 98 Heft

1

Prof. Dr. F R I E D R I C H Z U C K E R , Freundschaftsbewährung in der neuen attischen Komödie. Ein Kapitel hellenistischer Ethik und Humanität 38 Seiten - 8° - 1950 - DM 3,60

(vergriffen)

Heft 2

Prof. Dr. F R I E D R I C H B E H N , Vorgeschichtliche Felsbilder in Karelien und West-Sibirien 16 Seiten - 4 Tafeln - 8° - 1950 - DM 3,50 (vergriffen)

Heft 3

Dr.

Heft 4

Prof. Dr.

Heft

J A K O B J A T Z W A U K , Sorbische Bibliographie, 2. Auflage X X und 500 Seiten - 8° - 1952 - DM 16, (vergriffen) O T T O E I S S F E L D T , El im ugaritischen Pantheon 84 Seiten - 1 Tafel als Frontispicium - 8° - 1951 - DM 9, -

(vergriffen)

5

Prof. Dr. P A U L T H I E M E , Studien zur indogermanischen Wortkunde und Religionsgeschichte Nachdruck - 78 Seiten - 8° - 1952 - DM 9,50

Heft 6

Prof. Dr. W A L T E R B A E T K E , Christliches Lehngut in der Sagareligion. Das Svoldr-Problem Nachdruck

- 135 Seiten - 8° - 1952 - DM 5,50

(vergriffen)

BERICHTE ÜBER DIE VERHANDLUNGEN DER SÄCHSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU LEIPZIG Philologisch-historische

Klasse

Band 104 • Heft 2

ELISABETH

KARG-GASTERSTÄDT

ALTHOCHDEUTSCH THING NEUHOCHDEUTSCH DING DIE GESCHICHTE

EINES

WORTES

AKADEMIE-VERLAGBERLIN 1958

Vorgetragen in der Sitzung vom 6. Mai 1957 Manuskript eingeliefert am 10. März 1958 Druckfertig erklärt am 20. August 1958

E r s c h i e n e n i m A k a d e m i e - V e r l a g G m b H , Berlin W 8, M o h r e n s t r a ß e 39 L i z e n z - N r . 202 • 1 0 0 / 5 0 7 / 5 8 Gesamtherstellung: VEB Druckhaus „ M a x i m Gorki", Altenburg Bestell- u n d V e r l a g s n u m m e r : 2 0 2 6 / 1 0 4 / 2 P r e i s : D M 1,40 P r i n t e d in G e r m a n y

A l t h o c h d e u t s c h thing

— neuhochdeutsch

Ding.

Die Geschichte eines Wortes.

Im Trübner'sehen Wörterbuch, dem jüngsten Wörterbuch der neuhochdeutschen Sprache, liest man im Artikel Ding1) die Bemerkung, daß man den Weg, auf dem es sich aus ahd. thing entwickelt hat, nicht mehr aufzeigen könne, da der heutige Gebrauch schon im Ahd. allgemein verbreitet gewesen sei. Was sagt das Althochdeutsche Wörterbuch dazu? Es ist eine bekannte Tatsache, daß unser nhd. Ding, das wir nicht nur für das Kantische Ding an sich gebrauchen, sondern auch in Wendungen wie: Sie war ein lustiges Ding (Ding = 'Menschenkind, junges Mädchen'), Gläser sind zerbrechliche Dinge (Ding = 'Gegenstand'), Ihn zur Ordnung zu bringen, ist ein schwieriges Ding (Ding = 'Aufgabe, Angelegenheit') oder gar Aller guten Dinge sind drei, wo es sich je nach der Situation um reale Gegenstände, um Gegebenheiten oder Aufgaben, oder wie eben jetzt um drei passende Beispiele für eine Behauptung handeln kann, — daß also dieses schillernde und schwer zu greifende W o r t Ding zurückgeht auf ein germanisches ßing, mit Ausnahme des Gotischen in allen germanischen Dialekten die Bezeichnung der großen allgemeinen V o l k s v e r s a m m l u n g , die Claudius v. Schwerin in seiner' Germanischen Rechtsgeschichte' „das Rückgrat des germanischen Staates" genannt hat 2 ). E s beschloß „souverän über K r i e g und Frieden wie über Staatsverträge, wählte aus seiner Mitte den Führer oder König, nahm den jungen Mann wie den Freigelassenen durch Wehrhaftmachung in die Volksgemeinschaft auf, sprach Recht und verhängte die Friedlosigkeit". Nur ihm stand es zu, die Todesstrafe auszusprechen und zu vollziehen, ihm allein auch den Schuldigen zu begnadigen 3 ). Jährlich zu genau festgelegter Zeit fanden sich alle wehrfähigen Männer der Landsgemeinde am Tingplatz zusammen, mit heiligen Schnüren an heiligen Hasel1*

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pfählen wurde der Ring gehegt, und Friede galt unverbrüchlich f ü r die Dauer des Zusammentritts 4 ). Was war in diesem wichtigen und vielschichtigen Vorgang das namengebende Moment gewesen? Germ, ping setzt ein idg. *tenqvoraus, die gleiche Grundform, aus der mit anders gelagertem Akzent sich im Gotischen, dem ping fehlt, ein peihs ergeben hat 5 ). Für dieses got. peihs gibt das Glossar die Bedeutung 'Zeit' an. Als Übersetzung von griech. xaopoi; meint es jedoch nicht 'Zeit' schlechthin, sondern eine für einen bestimmten Zweck oder Vorgang festgelegte Zeit, Rom. 13,11 die Zeit vom Schlafe aufzustehen, 1. Thess. 5,1 die Zeit und Stunde des Jüngsten Gerichtes 6 ). Ein solcher zeitlich festliegender Vorgang w a r das Ting. Sein Termin war der entscheidende Einschnitt im Ablauf des Jahres, der Zeitpunkt, nach dem sich alles andere regelte. Es ist verständlich, daß er zum Namen der Volksversammlung selbst werden konnte. Unser ältestes Glossar, der Abrogans, von Arbeo von Freising um 750 aus dem Lateinischen übersetzt, hat uns die Vorstufe unseres ahd. thing noch spurenhaft erhalten in dem zur adverbialen Zeitbestimmung gewordenen Instrumental thiu thinku. Er übersetzt, verbunden mit untaz lat. tenus

usque ' b i s a n ' , v e r b u n d e n m i t unzi nu l a t . hactenus

usque

nunc 'bis dahin''), und bestätigt damit die etymologische Verbindung mit got. peihs 'Zeitpunkt'. Mit dem Wachsen der Volksverbände gab es später neben dem allgemeinen Volksting auch kleinere Versammlungen der Hundertschaften, die vor allem der Rechtspflege dienten. Sie waren weder an eine bestimmte Zeit, noch an einen bestimmten Ort gebunden, sondern wurden durch besonderes Aufgebot zusammengerufen (g e b o t e n e s Ting neben e c h t e m Ting). Schließlich konnte man auch zur sofortigen Aburteilung eines auf handhafter Tat ertappten Verbrechers Nachbarn und Dorfgenossen zu einem N o t g e r i c h t durch das sogenannte Gerüfte herbeiholen 8 ). Als in der Mitte des 8. Jahrhunderts die schriftliche Aufzeichnung des Althochdeutschen einsetzt, hatte sich mit der politischen Entwicklung von Tacitus und Völkerwanderung bis zum Ausbau des Frankenreiches unter Pipin und Karl dem Großen in der Handhabung des Tinges Wesentliches geändert. Vieles, was ursprünglich Obliegenheit des ganzen Volkes gewesen war, war an den König oder seinen Stellvertreter übergegangen. Die noch immer regelmäßig ab-

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g e h a l t e n e n Tinge d i e n t e n v o r allem der R e c h t s p r e c h u n g . E i n e allgemeine P f l i c h t z u r T e i l n a h m e b e s t a n d aber n u r noch f ü r d a s e c h t e Ting, i m g e b o t e n e n w a r die V o l k s g e m e i n s c h a f t d u r c h die m e i s t a u f Lebenszeit g e w ä h l t e n Schöffen v e r t r e t e n 9 ) . Die ä l t e s t e n Belege unsres a h d . thing spiegeln diese Vorgänge n o c h d e u t l i c h wieder. W e n n es i m A b r o g a n s l a t . conventus populi, in d e n n u r wenig j ü n g e r e n S a m a n u n g a conventus l concilium10) ü b e r s e t z t , oder w e n n i m R e i c h e n a u e r Glossar R b aus d e m A n f a n g des 9. J a h r h u n d e r t s d a s Volk I s r a e l zur Gesetzgebung v o n Moses a m B e r g Sinai z u m ding hisamanot uuard11), so ist das ein echtes, g e r m a n i s c h e s Volksting, w ä h r e n d d a s K o l l e g i u m der P r i e s t e r u n d P h a r i s ä e r , die ü b e r J e s u s das U r t e i l sprechen, eine f r ä n k i s c h e G e r i c h t s v e r s a m m l u n g , ein a u f b e s t i m m t e , a u s g e w ä h l t e P e r s o n e n b e s c h r ä n k t e s Ting, voraussetzt 1 2 ). U n d w e n n die E h e b r e c h e r i n , auf h a n d h a f t e r T a t e r t a p p t , C h r i s t u s i m T e m p e l zur V e r u r t e i l u n g v o r g e f ü h r t w i r d u n d O t f r i d sie in thaz thing bringen l ä ß t , thara in mittan then ring, in mitte thie liuti13), so ist i h m die Szene z u m N o t g e r i c h t , z u m Ting d e r zufällig a n w e s e n d e n Volksmenge geworden. W i r k ö n n e n also a m A n f a n g des A l t h o c h d e u t s c h e n n o c h Belege m i t d e m vollen S i n n g e h a l t des a l t e n ping in seiner r e c h t l i c h e n u n d organisatorischen F o r m aufzeigen. A b e r die s t r e n g e Geschlossenheit der Vorstellung v o n d e m , was ein ping w a r u n d sein sollte, h a t sich bereits gelockert. M e t a p h o r i s c h ist es übert r a g e n auf die curia der Engel 1 4 ) u n d auf d a s d e n G e r m a n e n u n b e k a n n t e Z u s a m m e n k o m m e n in der Synagoge zu L e h r e u n d U n t e r weisung — der jüdische archisynagogus ist f ü r T a t i a n d e r heristo thes thinges15) — u n d O t f r i d v e r s e t z t n i c h t n u r die V e r u r t e i l u n g d e r E h e b r e c h e r i n , s o n d e r n a u c h die A u f e r w e c k u n g des L a z a r u s i n ein thing16). Die f o r t s c h r e i t e n d e A u f l ö s u n g d e s T i n g b e g r i f f e s vollzieht sich in zwei E t a p p e n . I n einer e r s t e n f ü l l t d a s W o r t n i c h t m e h r d e n g a n z e n R a u m des Begriffes ' T i n g ' aus, s o n d e r n b e s c h r ä n k t sich a u f einzelne in i h m beschlossene Teil Vorstellungen, ein Vorgang, d e r a m A n f a n g u n s r e r Ü b e r l i e f e r u n g schon voll e n t w i c k e l t i s t . E i n s t m a l s h a t t e es ja g a n z a l l g e m e i n ' Z e i t p u n k t ' b e d e u t e t , vgl. thiu thinku S. 4, so liegt es n a h e , d a ß es i n V e r b i n d u n g m i t d e m s p ä t e r e n G e b r a u c h f ü r Volksversammlung zum Zeitpunkt d i e s e r Veranstaltung, zum Gerich t s t e r m i n w e r d e n k o n n t e . W i r greifen d a s z. B., w e n n die X a n t e n e r Bibelglossen des 9. J a h r h u n d e r t s i m Gleichnis v o m

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Schalksknecht das lat. da indutias mit kib mir es thing 'gewähre mir Frist, Aufschub' übersetzen 1 7 ). Neben der Zeit, dem Termin, ist thing n u n auch der P1 a t z , an dem ein Ting abgehalten wird. Paulus und Silas werden in den Monseer Bibelglossen, die in ihren Vorlagen ins 9. J a h r h u n d e r t zurückreichen, in forum ad principes — in dinc — geführt 1 8 ), u n d das bereits erwähnte Glossar R b übersetzt conciliabulum ' Gerichtsort' m i t thing19). Der Versammlungsplatz bleibt nicht auf die Gerichtsverhandlung beschränkt, sondern wird auch f ü r die jüdische Synagoge gebraucht — Jesus ist bei Tatian lerenti in thinge 'docens in synagoga' 2 0 ) —, ja in R b haben auch die Schiffe ihr thing, ihren Anlegeplatz, ihre Reede, in statione navium = in dinge scheffo21). örtlichkeiten, die bestimmten Zwecken dienen, werden gern m i t den an ihnen abgehaltenen V e r a n s t a l t u n g e n gleichgesetzt. Ich erinnere an unser W o r t Kirche, das in dem Satz : Die Kirche steht mitten im Dorf das Gebäude, im Satz : Die Kirche fängt heute erst um 10 Uhr an den Gottesdienst meint. So schließt sich an thing ' Gerichtsplatz' thing ' G e r i c h t s v e r h a n d l u n g ' , faran zi thinge k a n n heißen 'sich zum Gerichtsplatz begeben', wenn aber das Georgslied einsetzt : Georio fuor ze ma(ha)lo ... ze heuigemo dinge, daz thinc uuas marista22), d a n n wird durch die Adjektive hebig 'wichtig, schwerwiegend' u n d mâri der Bezug auf den Vorgang, nicht auf den Ort festgelegt, thing 'Gerichtsverhandlung' erscheint gern in Verbindung m i t strît u n d sprâhha, besonders einprägsam bei Notker, in dessen Übersetzung der Consolatio philosophiae des Boethius thing zum Abbild einer römischen Gerichtsverhandlung geworden ist : die rhetorica . . . gibet uns tia gesprachi . dero man in dinge bedarf, und er f ä h r t f o r t : spracha unde ding • nemugen âne stritniehtuuerdent. Uuar ist.. . solih stritod uuorto .soin dinge . unde in spracho ?23). I n der fast durchweg religiösen Sphäre des Althochdeutschen wird thing d a n n zum Weltgericht, zum Jüngsten Gericht, bei Otfrid einfach thing21), bei Notker thaz iungista thing25). I n anderen Verbindungen engt es sich zum bloßen Streitgespräch, zum Wortwechsel ein, so wenn es, mit uuort gekoppelt, nach der Szene mit der Ehebrecherin bei Otfrid heißt : untar worton managen joh thingon filu hebigen . . . sprah . . . druhtin26). Erfolgt die Auseinandersetzung mit Waffen s t a t t mit Worten, so k a n n auch sie zum thing werden, u n d zwar schon im Hildebrandslied, wo Hildebrand nach dem vergeblichen Versuch, den K a m p f m i t

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dem Sohn zu verhüten, in die klagenden Worte ausbricht: wettu irmingot . . ., dat du .. . mit sus sippan man dinc nigileitos27), wofür Ehrismann die Übersetzung 'einen Zweikampf ausfechten' vorschlägt 28 ). Gerichtsverhandlung und Streitgespräch führen zu einem E r g e b nis. Das kann einmal ein U r t e i l sein, dann aber auch ein V e r t r a g , eine feierliche Abmachung, eine Verabredung. Das erstere liegt z. B. vor in Otfrids Erwägung: wenn Adam im Paradies die Schuld nicht auf Eva geschoben h ä t t e : iz irgiangi thanne zi beziremo thinge, got ginadoti sin (das Urteil wäre besser ausgefallen, Gott hätte Gnade walten lassen) 29 ), das letztere in all den Fällen, in denen thing lat. placitum übersetzt 30 ). So ist z. B. in einer St. Galler Hs. des 9. Jahrhunderts die Abmachung zwischen Jacob und Laban, daß nach sieben Jahren Dienst ihm Rahel zur Frau gegeben werden solle, ein thing31), und in den Straßburger Eiden des Jahres 843 schwören Karl und Ludwig, daß sie nie mit Lothar, dem dritten Bruder, ein Bündnis schließen werden. Ludwig der Deutsche schwört auf Französisch: ab Ludher nul plaid (= placid) numquam prindrai, und Karl wiederholt auf Deutsch: mit Ludheren in nohheiniu thing negegango32). — Vertrag, Abmachung setzt gleiche Beteiligung beider Partner voraus, thing kann aber auch gebraucht werden für den Ratschluß, die Verheißung Gottes, an denen der Mensch nicht beteiligt ist. So fängt der 79. Psalm in Notkers Übersetzung mit den W o r t e n a n : diser psalmus ... urchunde dero uuarheite . . . des dinges (der Verheißung) . daz Christus chomen sol33). Entscheidend für die Weiterentwicklung von thing ist nun, daß es auch verwendet werden kann für die S a c h e , die zur Verhandlung oder Beratung steht. I m 4. Kapitel des 2. Buches der Könige fragt der Prophet Elisa die Sunamitin, ob sie ein rechtliches Anliegen habe, das er beim König für sie vertreten könne, und der Glossator übersetzt lat. negotium mit dinch31). Ähnlich läßt Otfrid Pilatus zu Jesus sagen: joh bin ih ouh giweltig ubar ellu thinu thing (ich habe Macht über deinen ganzen Rechtshandel) 35 ). Aus einer Angelegenheit einer ganzen Volksgemeinschaft ist eine rein persönliche Sache, thinu thing, geworden. Noch bleiben wir in der Sphäre des Gerichtes, auch dann noch, wenn die fragliche Angelegenheit nicht in einer öffentlichen Verhandlung, sondern in einer privaten Auseinandersetzung, einer Wechselrede geklärt wird, thing wird dann zum F a l l , den

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man entscheidet, beurteilt, bespricht, wie etwa die von der Menge besprochene Heilung des Blindgeborenen durch Jesus 3 6 ). Und da das Ziel eines solchen Meinungsaustausches vielfach ist, den Anlaß, die Ursache zu ergründen, die zu einer Handlung geführt haben, so nimmt thing schließlich auch die Bedeutung ' U r s a c h e , G r u n d ' u. ä. an. Eine Aratorglosse des 11. Jahrhunderts übersetzt in dem Vers: in laudibus ornat verus honor, cum causa pia est31) causa mit dinc, und was Boetius in der Weise spätantiker Dichtkunst mit funduntur vertice intempestivi cani meint — Gothein übersetzt: 'Von dem Scheitel zu früh ergrauend wallen die Locken' —, wird in der nüchternen Sachlichkeit Notkers zu fone dien dingen (aus diesen Anlässen, d. h. dem ihm angetanen Unrecht) grauuen ih ze unzite3B). Als Gegenstand einer gerichtlichen Verhandlung oder einer Besprechung rückt thing in die Sphäre des lateinischen causa, negotium, und res, die hier zum erstenmal als Lemma auftreten. Unter ihrem Einfluß, der die natürliche Tendenz einer solchen sprachlichen Entwicklung verstärkt, löst sich thing völlig aus dem Zusammenhang mit 'Volksversammlung' und wird in einer zweiten, jüngeren Etappe seiner Geschichte, an keine reale Gegebenheit mehr gebunden, zu einem Allerweltsmittel der Sach- und Vorgangsbezeichnung. Wir greifen hier eindeutig die Stelle, an der ein Wort seinem bisherigen Sinnbezirk entfremdet und einer neuen Funktion zugeführt wird. Es teilt dieses Schicksal mit sahha, nhd. 'Sache', der ahd. Spezialbezeichnung für den vor Gericht zu verhandelnden Streitfall, und mit franz. chose aus lat. causa. Äußerlich deutet sich der Wechsel darin an, daß die Fülle der prägnanten lateinischen Lemmata, die in der Sphäre des Gerichtes dem ahd. thing entsprechen — im ganzen 18 3 9 ) —, verschwindet bis auf die drei der letzten Stufe, causa, negotium und res, die fortan das Feld nahezu allein beherrschen. Aber für den Bedeutungsgehalt von thing sind sie belanglos. Der bestimmt sich aus den von jetzt an zahlreich auftretenden Adjektiven, die attributiv oder prädikativ mit thing verbunden sind, und aus den Verben, deren Subjekt oder Objekt es ist. Haben wir z. B. Adjektive wie irdisc, himilisc, stirbig, hugulih u. ä. und ist thing Subjekt zu zeslifan 'vergehen' oder Objekt zu pflegan, sih flizan, ruohhen u. ä., so handelt es sich um etwas, was jemand mit Absicht und Plan betreibt, worum er sich müht, und wir übersetzen etwa mit ' A n g e l e g e n h e i t , Unternehmung, Aufgabe' 4 0 );

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die Angelegenheit wird jedoch zur L a g e , zum Geschick, zum Verhängnis, d. h. zu etwas, was einem zustößt, widerfährt, einen als Schicksal trifft, wenn wir A d j e k t i v e finden wie firinlih 'grauenvoll', jämarlih, hart, leid, Verben wie st an, iruuahsan, deren S u b j e k t thing ist, oder lidan, bigaganenva.it thing als Objekt 4 1 ). Ist thing Variation zu uuerk und tat und bestimmt durch gibosi, unzimig, egislih und Objekt zu tuon, gijrummen usw., so übersetzen wir mit H a n d l u n g , Geschehen, T a t , d. h. wir denken an etwas, was jemand als Einzelhandlung vollbringt, ausführt 4 2 ). Losgelöst von der Einzelperson und dem Einzelschicksal wird thing allgemein zu G e s c h e h n i s , Vorgang, d. h. zu etwas, was sich ereignet, geschieht, sei es als Einzelfall, sei es als allgemeines, sich immer wiederholendes Geschehen. Für das erstere sind charakteristisch A d j e k t i v e wie uuundarlih, giuuis, hebig, Verben wie uuerdan, irqueniani3), für das zweite kumftig, uuehsallih, an Verben giskehan, ordinön, rihtenil). Besonders häufig ist hier die Verbindung alliu thing als Ausdruck für das gesamte Weltgeschehen, wie es v o n Gott oder der göttlichen Vorsehung gelenkt und geordnet wird 4 5 ). Wir begnügen uns in diesen Fällen heute meist mit dem bloßen 'alles', statt zu sagen 'alle Dinge, alle Vorgänge, alles Geschehen', thing hat also, sobald es den Rahmen der Gerichts- oder Volksversammlung gesprengt hat, oft nur noch die Funktion, ein A d j e k t i v zu substantivieren. Wenn Otfrid Christus zu Petrus sagen l ä ß t : thu lougnis min . . . in notlichemo thingeM), so würden wir heute sagen 'in Bedrängnis, unter dem Zwang der N o t ' , und starh . unde mahtig in uuideruuartigen dingen bei Notker 4 7 ) wird für uns zu 'Widerwärtigkeiten'. mihhil thing48) ist 'etwas Großes', diu iar . an dien uuir leidiu ding sahenM) sind die Jahre, 'in denen wir Leid erfuhren', 'vidimus mala'; gibösiu thing50) 'probra' sind 'Schandtaten, Schmähungen'. W o im Lateinischen der Plural des Neutrums genügt und wir im Neuhochdeutschen das A d j e k t i v u m substantivieren oder ein A b s t r a k t u m verwenden, bevorzugt das Althochdeutsche den Gebrauch von thing. Was spricht sich in diesem Unterschied aus? Doch wohl das, daß das Latein wie das Neuhochdeutsche in seinem Denken abstrakter ist, während die abgezogenen Vorstellungen des Althochdeutschen in der Verbindung mit thing gleichsam noch die Eierschalen der Gegenständlichkeit, der Realität an sich tragen 5 1 ). Ein Otfridsches ni ward . . . uns giwissara thing52) (als das Heil durch die Taufe 2 Ivarg-Gasterstädt

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Christi) ist erdfester als unser 'etwas Gewisseres' oder unsere 'größere Gewißheit'. Otfrid ist übrigens der erste, bei dem wir diese Verwendung häufiger beobachten, der T a t i a n u n d die alten Glossen kennen sie nicht. Die Glossen t r e t e n ü b e r h a u p t mehr u n d mehr zurück. F ü r thing als Angelegenheit, Aufgabe liefern sie n o c h 7 Belege 53 ), f ü r die übrigen Möglichkeiten: Lage, Geschick — T a t , H a n d l u n g — Vorfall, Ereignis — höchstens noch einen oder zwei 54 ), u n d a m E n d e schweigen sie ganz. Umso reichlicher ist Notker vertreten, u n d da wir von i h m die breiteste Überlieferung haben, k o m m t es, d a ß rein zahlenmäßig das F o r m w o r t thing schon i m Althochdeutschen das m i t vollem Sinngehalt ausgestattete Gerichtswort übertrifft. E s f r a g t sich, ob in der gesprochenen Sprache des Alltags das Verhältnis ebenso gewesen ist. Die Ausbreitungsmöglichkeiten f ü r thing sind noch nicht erschöpft. Aus der Welt der äußeren Vorgänge u n d H a n d l u n g e n greift es über in die der geistigen Tätigkeit, der seelischen Vorgänge. Hier verbindet sich thing m i t Verben des Sagens u n d Verkündens 5 5 ), des Wünschens, Bittens u n d Forderns 5 6 ), des Denkens u n d Meinens 5 7 ) u n d k a n n auf alle I n h a l t e geistig-seelischer Betätigung bezogen werden. Von den lateinischen L e m m a t e n der alten Gerichtssprache ist nur noch res übrig geblieben, meist liegen nur noch N o m i n a t i v e oder Akkusative Plur. N e u t r . v o r : gotlihhiu ding 'divina', das ' Gött liehe' 5 8 ), oder gar n u r P r o n o m i a : quod suum est — daz iro ding ' d a s Ihrige' 5 9 ), oder wir übersetzen mit pronominalem A d v e r b : an demo dinge habest tu fernomen bei N o t k e r wird f ü r uns zu ' d a r a n h a s t d u vernommen' 60). Eine besondere Entwicklung e r f ä h r t thing als Gegenstand des Erkennens. E s wird zu einem festen Terminus der Logik f ü r das, was als real u n d als gedanklich möglich gedacht u n d e r k a n n t werden k a n n , d. h. f ü r den Gegenstand des sinnlichen Erkennens wie den Begriff, den der Geist sich von ihm bildet. Sein Gegensatz ist namo (res a n t e nomina) oder uuän61), bestimmende A d j e k t i v e sind uuesenti, [h]uuiolih, sus gitän u. ä., als Objekt t r i t t es vor allem zu bizeihhanen, nemnen, sezzen usw. 6 2 ). Dieser Gebrauch findet sich erst bei N o t k e r u n d seiner Schule. Die neuhochdeutsche Wiedergabe schwankt zwischen 'Ding, Wesen, Begriff' oder einfachem 'etwas, ein' (thaz, ein thing) oder 'nichts, kein' (nihein thing)63): ter mennisco ist ein ding libhafte, redohafte, totig'homo est animalrationale mortale'

Althochdeutsch thing — neuhochdeutsch Ding

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. . . 'ein lebendiges, vernunftbegabtes, sterbliches Wesen' ), oder: uernim ein ding uuesen • tie dri terminos 'ein und dasselbe' 65 ). Verschiedentlich entspricht ein Notker'sches ding auch einem lateinischen substantia, dem ' Seienden': ter lebendo homo . ist ein sinnig ting 'substantia sensibilis' 66 ), und wenn es gilt, die Gedanken Piatos im Althochdeutschen zu fassen, muß thing sich zum Begriff der ' Idee' fügen: Plato (... uuända) • daz animq hominum alliu ding (die Urbilder) uuizin . er sie ad corpora chomen 67). So wird auch in dem Bruchstück einer Logik, das uns als Sankt Galler Schularbeit erhalten ist, der Terminus 'Definition' erklärt: diffinitio . . . heizit selbiu diu dingsezzi unde selbis dinges kougida68) 'Begriffsetzung, Kenntlichmachung'. Noch einen Schritt weiter und wir sind beim Ding als dem, was ist, existiert, thing kann dann jeder naturgegebene Gegenstand sein: die Natur gibet temo dinge . daz iz pestat . unde ist69), aber auch jede geistige Größe, die in ihren Wirkungen faßbar ist, wie z. B. das bonum10). Als reine Wirklichkeit steht dieses thing gerade im Gegensatz zum nur Gedachten, Gehofften, so daß in Notkers Psalmen dem lateinischen Wortpaar: in re : in spe das althochdeutsche Wortspiel in dinge : in gedinge entspricht: so habet er daz er uuolta an selbemo dinge . nals in gedingi. Daz chit in re . nals in spe11). Wirklichkeit ist nun aber auch, was jemandem eigen ist, ihm anhaftet, d. h. seine Art, sein Wesen, seine Natur. So sagt der Physiologus vom Löwen: ter leo hebit triu dinc (Besonderheiten) ann imo, ti dir unserin trotinin bezeichenint72), oder Notker: souueliu ding manne geskehent sar an dero geburte . taz heizent qualitates73). Die Vergegenständlichung von thing schreitet endlich fort zu 'Geschöpf, Kreatur, dem Geschaffenen in der belebten und unbelebten Natur 7 4 ). Es wird besonders gern für Gott als den Schöpfer aller Dinge gebraucht, wie heute noch: got der der schephare ist himeles unte der erde . . . unte aller dero dingo, die dar inne beuangen sint '•'), und schließlich kann thing im 11. Jahrhundert auch ein einzelner greifbarer Gegenstand, ein Gerät, ein Besitzstück sein: Krone und Szepter, lat. insignia, sind in einer Vergilglosse des 11. Jahrhunderts heuuge thinc76), und das Haus des Mächtigen ist alles tinges kerechenot 'mit Hausrat wohl versehen' 77 ). Ein weiter Bogen spannt sich von der germanischen, sachlich scharf umrissenen Gerichtsverhandlung bis zum Ding als Gegenstand des 2»

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Erkennens u n d bis zu den kleinen, u n b e d e u t e n d e n Dingen des Alltags. Wir k o n n t e n beobachten, wie das W o r t Schritt f ü r Schritt als Sach- u n d Yorgangsbezeichnung ungeahnte Möglichkeiten der Anwendung gewann, u n d müssen n u n fragen, wie sich der Gewinn a n äußerem R a u m verhält zur inneren, sprachschöpferischen K r a f t des Wortes. Althochdeutsch thing ist K e r n einer großen, mit 41 Stichwörtern g u t bezeugten Wortfamilie, dazu k o m m e n noch 12 K o m p o s i t a m i t thing- als erstem, bestimmendem Glied 7 8 ). Bis auf vier gehören sie sämtlich in den Bezirk der Gerichtsvorstellung. E s s t i m m t zu f r ü h e r Gesagtem, d a ß wir das erste Beispiel einer Weiterbildung außerhalb dieses R a h m e n s Otfrid verdanken, das W o r t uuoroltthing, m i t d e m er das s ü n d h a f t e Treiben der Welt, die irdischen Vorgänge, den T a t e n der Gotteshelden von Abel bis zum Hl. Gallus gegenüberstellt 7 9 ). E r s t bei Notker begegnen uns d a n n zwei weitere K o m p o s i t a : in seine Erkenntnislehre gehört lugithing80), die falsche, unwahre Vorstellung, das Trugbild; uuehsalthing f a ß t alles zusammen, was dem Wechsel unterworfen ist 8 1 ), wir k ö n n t e n neuhochdeutsch auch sagen ' d a s Wandelbare'. Notker ist auch der einzige, der zu thing als Sachbezeichnung eine Ableitung bildet, ein indefinites pronominales Adjektiv thingolih 'jedes, jegliches' 8 2 ). E s gehört zu den im Althochdeutschen nicht seltenen Verbindungen von lih' Gestalt, Wesen, A r t ' m i t einem Genitiv Pluralis, durch die eine Vielheit gleichartiger Einzelwesen oder -dinge zu einem Ganzen z u s a m m e n g e f a ß t wird. J e nachdem, ob der N a c h d r u c k auf dem Einzelnen oder d e m Ganzen liegt, übersetzt es lat. singulum83) oder omne, omniaM), oder es wird unter Schwächung der Gesamtvorstellung zum reinen I n d e f i n i t u m aliquidS5) = irgend etwas. Diese vier Wörter, Otfrids uuoroltthing, lugi- u n d uuehsalthing Notkers u n d dessen Ableitung thingolih sind alles, was sich im Althochdeutschen aus der Sachbezeichnung thing entwickelt h a t . I h r e sprachliche F o r m k r a f t steht im umgekehrten Verhältnis zu ihrer vielseitigen Verwendung, beides ergibt sich notwendig aus der geringen Eigenbedeutung des Wortes. U m so reicher ist mit 50 Bildungen das Feld des alten Tinges bestellt. Wir können u n t e r ihnen scheiden zwischen solchen, die variierend u n d ergänzend sich auf das beziehen, was schon durch thing allein ausgedrückt werden kann, u n d solchen, die den Sinn-

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bezirk weiter aufgliedern und Einzelheiten, die von thing allein nicht erfaßt werden, mit eigenen Namen belegen. Zur ersten Gruppe rechne ich z. B. das mit thing synonyme jüngere githingi86) 'Zusammenkunft, Versammlung', lat. 'contio', 'congregatio', im 12. Jahrhundert bei Herrad von Landsberg Ersatz für das alte thing des Abrogans, ferner tagathing{i) 'Gerichtsverhandlung' 8 7 ) mit besonderer Betonung der auf einen bestimmten Tag festgesetzten Zusammenkunft und das für die Entstehung der Landesherrschaft wichtige fronothing, mit dem die gleiche Herrad von Landsberg, gekoppelt mit kunicriche, 'res publica' übersetzt 8 8 ) und das nach Walter Schlesingers Abhandlung dementsprechend als 'das herrschaftliche, das königliche Ting, das Gebiet der königlichen Gerichtsgewalt' gedeutet werden muß 8 9 ). Für den Gerichtstag, den Termin, der als einfaches thing im Gebrauch für 'Frist, Aufschub' nachzuweisen war, bildet sich später thingzit90) und vor allem tagathing, -thingi, 'praescriptum diem' bei Notker 91 ), schon im 9. Jahrhundert auch Übersetzung von indutiae92).

Besonders vielfältig sind die Bezeichnungen des Versammlungsp l a t z e s . Neben einmaligem einthingida im Abrogans für den Ankerplatz der Schiffe 93 ) — ich erinnere an thing in R b — stehen die Komposita thingstat, thinghüs, thingstuol. Die beiden ersten übersetzen in den Tegernseer Vergilglossen forum und rostra9i), fügen sich also trotz hüs noch der Vorstellung der unter freiem Himmel abgehaltenen Versammlung, im übrigen aber überwiegen, vor allem bei dem reich belegten thinghüs, Gebäudebezeichnungen: domus concilii,

regalis

domus,

conciliabulum,

praetorea,

curia,

auditorium,

consistorium, ja sogar theatrum. Daß es auch f ü r die Synagoge gebraucht wird, entspricht der Verwendung von thing95). Wichtig, vor allem auch für die weitere Entwicklung, sind dann die Versuche, das E r g e b n i s der Zusammenkunft schärfer zu fassen, als es das allgemeine thing vermag. Das Urteil, das iudicium, bleibt außerhalb der Sippe. Hier gelten fast unbeschränkt die Wörter tuom,

suona,

urteili96).

thing b l e i b t m i t githingöti

'placitum'97), das

im 10. Jahrhundert dieselbe Abmachung meint, die für R b im 9. Jahrhundert einfaches thing ist, mit thingod ' p a c t u m ' " ) auf den Vertrag, die feierliche Zusage beschränkt, näher bestimmt im friduthing"), dem Friedensvertrag, dem friedlichen Vergleich. Sein

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Gegensatz ist das trugithing quod ab hoste venit100). I m 11. J a h r h u n d e r t , als thing sich bereits aus seinem ursprünglichen Zusammenh a n g gelöst h a t , spricht es abfällig das Urteil ü b e r Götzenbild u n d heidnischen Tempel 1 0 1 ). Bei der zweiten Gruppe, die die Aufgabe h a t , thing weiter aufzugliedern, denke ich etwa a n die leitend, anklagend oder verteidigend an der D u r c h f ü h r u n g des Tinges beteiligten P e r s o n e n , den thingdri, ursprünglich wohl allgemein der Sprecher in der Volksversammlung, später der 'advocatus' vor Gericht oder wie das entsprechende lat. contionator der Prediger in der christlichen oder jüdischen Gemeinde 102 ), daneben den tagathingäri, den ' p l a c i t a t o r ' , u n t e r dem nach Ducange der P r o z e ß f ü h r e r , der Richter wie der Verteidiger, verstanden werden kann 1 0 3 ). I h n e n gesellt sich der githingo zu, der Fürsprech, Beistand, der ' p a t r o n u s ' , der als heiliger S c h u t z p a t r o n sich auch der Sache der verfolgten Christen annimmt 1 0 4 ). Vielfältig sind die F u n k t i o n e n , die der thingman in sich vereinigt. Das u n b e s t i m m t e man erlaubt, wie es schon bei hüs der Fall war, i h m alles das aufzuladen, wofür die althochdeutsche Gerichtsordnung keine E n t s p r e c h u n g h a t t e . E r ist der 'decurio', der 'curialis', der 'ecclesiastes', der 'archisynagogus', aber auch der alte 'contionator', der Sprecher in der Versammlung 1 0 5 ). D a ß seine Tätigkeit schon f r ü h zur K r i t i k herausgefordert h a t , v e r r ä t eine St. Galler Glosse des 9. J a h r h u n d e r t s , die lat. rabula 'Schwätzer' (nach Heinichen 'Zungendrescher') mit thingman übersetzt u n d h i n z u f ü g t : qui Semper vult ad unam quamque rem disputare sicut Ratolt facit106), gewiß ein Klosterbruder, der durch seine u n g e h e m m t e F r e u d e a n langen Auseinandersetzungen ein Schrecken f ü r seine Umgebung war. Auch einzelne A b s c h n i t t e der Gerichtsverhandlung h a b e n besondere Bezeichnungen erhalten: ich erwähne untarthingunga, die ' B e f r a g u n g des Angeklagten', lat. ' s u p p l a n t a t i o ' , die verfängliche Zwischenfrage, die Jesus vor Gericht zu Fall bringen soll 107 ). Vor allem wären hier die Verben zu nennen, die je nach dem Präfix, mit dem sie v e r b u n d e n sind, die verschiedensten A k t e des Gerichtsverfahrens erfassen. G r u n d w o r t ist thingon, ein Verb der zweiten schwachen Klasse, abgeleitet von thing u n d dessen Gebrauch folgend. E s heißt 'Gericht halten, Urteil s p r e c h e n ' : reges sazen in tribunali. dar sie dingoton. aide dar si iura plebi scaffotonlos), aber nicht

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nur der Richter, auch der Ankläger, der Verteidiger thingdt, f ü h r t einen Rechtsstreit vor Gericht 109 ) und private Verhandlungen u n d Besprechungen über ein F ü r und Wider, wie z. B. die Gespräche der Emmausjünger mit dem. Auferstandenen, werden zum thingdn110). J e m a n d e n vor Gericht fordern heißt anathingön oder githingön111), das letztere auch allgemein 'gerichtlich entscheiden' u n d speziell 'jemanden zum Richter in seiner Sache anrufen', 'appellare' 1 1 2 ; firthingon 'gegen ein gefälltes Urteil Berufung einlegen', 'proclamare', 'provocare' 1 1 3 ); gitagathingon 'etwas verschieben, vertagen' 1 1 4 ). Eine ganz alte Bildung, einmal im 9. J a h r h u n d e r t belegt, greifen wir mit inthingön 'in Gerichts bezirke einteilen, einem bestimmten Ting zuweisen', lat. 'decuriare' 115 ). Neben diesen -ora-Verben, die wie alle -öw-Bildungen ein 'mit etwas beschäftigt Sein, an etwas Teilhaben' bedeuten, steht nun auch eine Gruppe von -jan-Verben, zufrühst bei Otfrid u n d im Petruslied belegt, den ältesten Glossen und Übersetzungen fehlend. Der Funktion von -jan entsprechend, besagen sie: machen, daß ein thing geschieht, ein thing bewirken. Das könnte einmal die gerichtliche Entscheidung sein, wie es in githingen, firthingen, furdirfirthingen 'jemanden als Richter in einer Streitsache anrufen, Berufung einlegen' = 'appellare', vorliegt 116 ), oder der Vertrag, die rechtlich gesicherte Zusage, wie in githingen 'etwas ausbedingen' 1 1 7 ). Wir h ä t t e n es also mit Parallelbildungen zu githingön, firthingon zu tun. Es fällt aber auf, daß das schon ein J a h r h u n d e r t früher als die Präfixbildungen lOmal bei Otfrid überlieferte Simplex thingen118) diesen unmittelbaren Bezug zum Gerichtsverfahren nicht h a t u n d daß er f ü r githingen ebenfalls erst aus dem 10. J a h r h u n d e r t belegt ist, während es im 9. J a h r h u n d e r t bei Otfrid und im Petruslied wie das Simplex im Sinne von 'streben' und 'hoffen' gebraucht ist 119 ). Die -jan-Yerben haben also ihren Ausgangspunkt nicht im allgemeinen thing, sondern in einer einzelnen Phase seines Ablaufs, der Entscheidung, dem positiven Ergebnis, auf das jede Gerichtsverhandlung zielt und das alle Beteiligten anstreben. Der im 10. J a h r h u n d e r t noch vereinzelte, erst vom 11. an häufigere Einbruch in das Gebiet von (gi)thingdn ist demnach jüngere Anlehnung, begünstigt durch die Abschwächung der Endvokale, thingen 'eine Entscheidung herbeiführen' wird zu 'streben nach etwas, etwas mit Eifer zu erlangen suchen', und da ich auf das, was ich mit Einsatz

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meiner ganzen Persönlichkeit erreichen will, auch all meine Erw a r t u n g , meine Hoffnung setze, darf es uns nicht wundern, wenn thingen u n d seine Präfixverbindungen gi-, fir- u n d ubarthingen als Übersetzung von sperare allmählich das m e h r u n d m e h r in den Verd a c h t des Falschen, Trügerischen geratende alte uuän, uuänen verdrängt 1 2 0 ). Die Ablösung vollzieht sich zuerst im Verbum, u n d sie vollzieht sich f ü r das S u b s t a n t i v u m g e t r e n n t in den einzelnen althochdeutschen Gebieten: das Bairische bildet f ü r lat. spes ein schwaches Maskulinum githingo121), das Alemannische ein starkes F e m i n i n u m githingi122) — die H y m n e n halten noch an uuän fest —, u n d das Fränkische weicht v o m 11. J a h r h u n d e r t a n — Otfrid k e n n t nur uuän — nach dem N e u t r u m githingi aus, der alten /-Bildung z u m S u b s t a n t i v u m thing, der ursprünglich die B e d e u t u n g 'Volksversammlung' zukam 1 2 3 ). Alle drei fallen lautlich in mittelhochdeutsch gedinge zusammen, n u r i m dreifachen Genus v e r r ä t sich noch die H e r k u n f t . E s gehört zu den Leitwörtern des Minnesangs, über die Heinrich Goetz in seiner Dissertation ausführlich gehandelt hat 1 2 4 ). Gegen E n d e des Mittelhochdeutschen m u ß es dem von Norden über das Mitteldeutsche u n d L u t h e r vordringenden hoffen weichen, (hingen 'streben' ist im Althochdeutschen f a s t ganz auf Otfrid beschränkt, m u ß aber weitere Geltung besessen haben, d e n n diese B e d e u t u n g findet sich noch im Mittel- u n d Neuniederländischen 1 2 5 ). Mit thingen 'streben' u n d 'hoffen' ist die Frage angeschnitten nach den weiteren Geschicken der Wortfamilie thing. J e mehr die Einrichtung schwand, an die das W o r t thing ursprünglich gebunden war, je mehr Gesetzgebung u n d Rechtsprechung nicht m e h r Angelegenheit einer Volksgemeinschaft waren, sondern im L a u f e der geschichtlichen Entwicklung in die H ä n d e einzelner dazu berufener u n d besonders ausgebildeter Personen übergingen, je mehr m i t d e m Sieg des römischen Rechtes u n d seiner Gerichtsordnung im 16. J a h r h u n d e r t das volkstümliche deutsche Gewohnheitsrecht seine Geltung verlor, desto mehr schwand auch f ü r thing der Bezug zu Gericht u n d Gerichtsverhandlung. Es ist bezeichnend, daß in den nordischen L ä n d e r n , in denen die Entwicklung anders als bei uns u n d in E n g land verlaufen ist, die E n t w e r t u n g des Wortes in viel geringerem Maße eingetreten ist. So heißt in Island, das die alte Tradition a m reinsten b e w a h r t h a t , das seit 1920 bestehende P a r l a m e n t noch

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heute wie zur Sagazeit AUhing(i), und die Verwendung von ping für lat. res ist auf reale Gegenstände, Hausrat, Kleinodien u. ä., vgl. oben S. 11, beschränkt 126 ). Auch Dänemark hat nach der Verfassungsreform von 1950 sein F o l k e t i n g , die vom Volke gewählte Abgeordnetenkammer, behalten, und dem norwegischen S t o r t i n g mit seinen beiden Kammern, dem Odelsting 'Oberhaus' und dem L a g t i n g 'Unterhaus', steht noch heute die gesetzgebende Gewalt zu. Daneben wird freilich in beiden Ländern wie im Schwedischen fing unbeschwerter als im Isländischen auch im Sinne des deutschen Ding gebraucht, wenn man auch vielfach dän.-norw. sag, schwed. sah bevorzugt oder die farblose Bezeichnung überhaupt vermeidet und lieber ein den vollen Sinn tragendes Wort wählt 127 ). Versucht man mit Hilfe der Wörterbücher sich ein Bild zu machen von dem allmählichen Verklingen der Ting-Vorstellung, so ist m a n zunächst überrascht von dem Befund im Mittelhochdeutschen. Das große Mittelhochdeutsche Wörterbuch braucht zwar für seinen ersten Abschnitt des Grundwortes dinc: 'Ding als Sachbezeichnung' nicht weniger als 178 Zeilen, während für 'Gericht' 4, f ü r 'Vertrag, Rechtshandlung' 7 Zeilen genügen 128 ), andererseits kennt es aber auch im Gerichtsbezirk 15 Komposita mit -dinc als zweitem Glied 129 ), von denen nur tagedinc schon althochdeutsch bezeugt ist, und dieses selbst ist wieder zweites Glied in 6 Zusammensetzungen 130 ). Dabei ist das Mittelhochdeutsche Wörterbuch, das sein Wortmaterial der frühmittelhochdeutschen geistlichen Dichtung und den Werken der klassischen Zeit entnimmt, für das Fortleben eines Wortes im Gerichtsbezirk nicht günstig. Der Zuwachs an mittelhochdeutschen Bildungen springt noch viel mehr in die Augen, wenn man das Deutsche Rechtswörterbuch befragt. Es verzeichnet am Ende des Artikels Ding 135 Wörter, mit denen sich -ding als zweites Glied verbindet 131 ). 24 von ihnen bestätigt das Lexer'sche Handwörterbuch als mittelhochdeutsch. Sondert man von den restlichen 111 alle die aus, f ü r die nur niederdeutsche, friesische, altenglische oder hochdeutsche Belege nach 1500 vorliegen, so kommen bis zum Wort Herbstding — weiter reichen die Lieferungen des Deutschen Rechtswörterbuches leider noch nicht — zu den 38 bereits sicher als mittelhochdeutsch bezeugten Wörtern noch 10 hinzu 132 ). Für die 58 nach Herbst- f ü r mich nicht mehr greifbaren Verbindungen dürfte das Verhältnis nicht anders sein, so daß wir in mittel-

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hochdeutscher Zeit mit mehr als 60 althochdeutsch noch nicht nachweisbaren Kompositis rechnen können. Dasselbe Bild geben die iJWw^-Komposita, deren erstes Glied thing- ist. Das Althochdeutsche überliefert uns deren 13, im Lexer'schen Handwörterbuch des Mittelhochdeutschen, das die nachklassische Zeit einbezieht, sind es 45133), die sich im Deutschen Rechtswörterbuch noch einmal um 30 erhöhen 134 ), zusammen also das Sechsfache des althochdeutschen Bestandes ausmachen. I n ihnen spiegelt sich die ganze Mannigfaltigkeit mittelalterlichen Gerichtsverfahrens in allen seinen Einzelheiten ab: von der Charakterisierung der verschiedenen Gerichtsarten, wie etwa dem Burgding (dem Stadtgericht oder der Bürgerversammlung) neben dem Dorfding (dem bäuerlichen Gericht) bis zu den zu seiner Durchführung notwendigen Sportein und Abgaben, dem dinc-gelt, -schaz, -phenninc, -silber oder dem dinchabere, den man den Pferden der Gerichtspersonen zu liefern schuldig war. Gegenüber dieser Fülle der Komposita, die aus der realen Situation erwachsen sind, ist die Zahl der Ableitungen gering. Als wirkliche Neubildungen wären nur dincnus 'Bedingung' 13B ) und dincsal 'Brandschatzung' 1 3 6 ) zu buchen. -6n- und -jorn-Verben sind lautlich zusammengefallen, aber nur die Nachkommen der alten -öw-Formen haben sich über das Althochdeutsche hinaus mit neuen Präfixen, zu frühest be- und er-, verbunden 137 ), dinc ist und bleibt ein vom Nomen beherrschter Sinnbezirk. Was spricht sich in dem Anschwellen des Wortvorrates, in dem doch eigentlich keine schöpferische K r a f t steckt, aus? Einmal die Aufgliederung und Spezialisierung eines ursprünglich einheitlichen, für eine ganze Volksgemeinschaft gültigen und durch wenige, aber feste Regeln geordneten Ablaufs in immer differenziertere, auf die besonderen Forderungen kleiner und kleinster Kreise eines sich entwickelnden Kulturlebens abgestimmte Vorgänge. Damit wuchs die Notwendigkeit, neue Ausdrücke zu schaffen. Und ein zweites spricht mit: bis zum 12. Jahrhundert war die Sprache der Rechtsaufzeichnung lateinisch. Erst im 13. Jahrhundert setzt mit dem Sachsenspiegel die Überlieferung in der heimischen Sprache ein. Vom 14. Jahrhundert an ist Deutsch alleinherrschend, und die zahlreichen Stadtrechtsbücher wie die Weistümer der ländlichen Gemeinden, die in Süddeutschland den Dorfgenossen in echten Tingen noch einmal jährlich vorgelesen wurden, überliefern uns nun,

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was sicherlich schon zu einem großen Teil, zumindest im 10. bis 12. Jahrhundert, der Hochblüte des Tingrechtes, gegolten haben mag. Als dann im 15./16. Jahrhundert das römische Recht siegt, werden mit dem deutschen Gewohnheitsrecht auch dessen Ausdrücke zurückgedrängt, aber selbst im 19. J a h r h u n d e r t kommt es noch zu gelegentlichen Neubildungen, wie z. B. dingfest machen, das nach Kluge-Götze 138 ) 1852 zum erstenmal belegt ist. An die Stelle von ding tritt Gericht, eine junge Bildung zu recht nach dem Muster ius: iudicium, im Althochdeutschen erst bei Notker und in Glossen des 12. und 13. Jahrhunderts zu finden139). Es wäre eine lohnende Aufgabe, dem Kampf der beiden Wörter einmal im einzelnen nachzugehen, ebenso der Ablösung des älteren mallurn durch thing. Aber wie jenes sich in vermählen einen Geltungsbereich bewahrt hat, so ist auch das Gerichtswort thing nicht völlig ausgestorben. Es lebt fort in den Verben dingen und verteidigen samt ihren Weiterbildungen. Unter diesen ist vor allem bedingen fruchtbar geworden, im rheinischen Glossar J d aus dem 13. Jahrhundert zum erstenmal belegt 140 ), als utbedingen im Sachsenspiegel bezeugt 141 ). Ausgedinge 'Altenteil' ist noch heute rechtlicher Terminus 142 ), verteidigen, in dem das althochdeutsche tagathing — mit Ausfall des innervokalischen -g- über mhd. teidinc — weiterlebt, nachdem es der Entwicklung von thing von der 'Gerichtsverhandlung' bis zum 'Geschwätz' gefolgt war 143 ), ist als Verbum und mit dem Verteidiger bis in die Gegenwart im Gerichtsbezirk geblieben, hat aber im 19. Jahrhundert in der militärischen Welt seine eigentliche Verbreitung gefunden 1 4 4 ). Das Grundwort Ding aber ist uns heute so sehr reine Sach- und Vorgangsbezeichnung, daß man, als nach 1933 die germanische Volksversammlung neu belebt werden sollte, für sie einen andern Namen schaffen und sie in Anlehnung an die alte Schreibung zum Ting stempeln mußte 145 ).

Anmerkungen Die A n m e r k u n g e n sollen in erster Linie das Material bereitstellen, das der Arbeit zugrunde gelegen h a t . F ü r A b k ü r z u n g e n u n d A n o r d n u n g e n der Belege war das Althochdeutsche W ö r t e r b u c h maßgebend. Wörtliche Z i t a t e folgen in der Schreibweise der Ausgabe, einzelne Vokabeln sind normalisiert. Die Zeilenzahlen beziehen sich immer auf thing. T r ü b n e r s Deutsches W ö r t e r b u c h , hrg. v o n Alfred Götze. Berlin 1939ff., Bd. 2, Sp. 6 0 b . 2 ) Claudius v. Schwerin, Germanische Rechtsgeschichte. Berlin 1943, S. 29. 3 ) Ebenda. 4 ) Vgl. R i c h a r d Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 6. Aufl. v o n E b e r h a r d v . K ü n ß b e r g . Leipzig 1919, § 5. 5 ) Vgl. W . - P . l , 7 2 4 f . ; Kluge-Götze, 17. Aufl. b e a r b . v o n W. Mitzka. Berlin 1957, S. 133. 6 ) R ö m e r 13,11: pata witandans pata ßeihs, patci mel ist uns ju us slepa urreisan eiSote? töv xoupov; 1. Thess. 5,1: bi Po peihsa jah mela, broPrjus, ni paurbum ei izivis meljaima 7i£pi 8s t ö v ^povcov y.al t ö v xcapoW . . . 7 ) t e n u s usque thiu thinku undaz (K), unzi nu (Ra) Gl 1,257,7, h a c t e n u s u s q u e nunc diu dingu und nu 50,34 ( P a K R a ) , disu dingu unci nu 166,40 (ebda.). s ) v. Schwerin a, a, O. S. 29, Schröder a. a, 0 . § 8. 9 ) v. Schwerin a, a. O. S. 87f. 95f., Schröder a. a. 0 . § 25. 10 ) Gl 1, 64,24: kasamanunca dinc folch 'eontio c o n v e n t u s populi' (PaKRa),66,14: leasamanida manaki dinc edo sona 'coetus m u l t i t u d o c o n v e n t u vel concilio' (ebda.); 67,14: dinc ' c o n v e n t u s 1 c o n c i l i u m ' (R). n ) Gl 1,374,24: ding kisamanot uuard ' e o n t i o congregata est' (zu D e u t . 18,16). 12

) Gl 4,299,60 = W a 58,1 zu Luc. 22,66: seniores plebis, et prineipes sacerd o t u m , et scribae . . . d u x e r u n t illum in c o n c i l i u m (thing) s u u m (Essener Evangeliar, 10. J h . ) . 13 ) O 3,17,9. 14 ) Gl 2,311,28: [in illa s u p e r n a angelorum] c u r i a [adscribi festinate, Greg., Horn. I , 15 p. 1489]. 15 ) T a t . 103,3. 16 ) O 3,24,54: thie liuti . . . thie quamun zi themo thinge.

Anmerkungen

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) Gl 1,715,32. 5,15,28; vgl. auch in J e (9. Jh.) die Parallele thinc frist [propter emendationem malorum, huius dies vitae ad] i n d u t i a s [relaxantur, Reg.S.Ben., Prol.] Gl 2,49,15. 18 ) Gl 1,747,14 zu Acta 16,19. 19 ) Gl 1,354,21: in dingun 'in c o n c i l i a b u l i s ' nach Glossen zum Leviticus, ohne textliche Entsprechung; vgl. auch im Abschnitt De aedifieiis publicis der S H A u n d B dinc m a l l u m Gl 3,124,41. 209,50. 20

) Tat. 103,1, vgl. auch 33,2 u n d im Abrogans thinc 'synagoga' Gl 1,248,13