Aktuelles Arbeitsrecht, Band 1/2018
 9783504386207

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Gaul Aktuelles Arbeitsrecht Band 1/2018

Band 1/2018

Aktuelles Arbeitsrecht Herausgegeben von

Prof. Dr. Björn Gaul Bearbeitet von

Dietrich Boewer

Rechtsanwalt, Vorsitzender Richter am LAG Düsseldorf a.D.

Prof. Dr. Björn Gaul

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln

Zitierempfehlung: Bearbeiter in Gaul, AktuellAR 2018, S. ...

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISSN 0948-2369 ©2018 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druck und Verarbeitung: Stückle, Ettenheim Printed in Germany

Vorwort Der Koalitionsvertrag beschreibt eine Reihe von Änderungen im Arbeitsund Sozialversicherungsrecht, die in der laufenden Legislaturperiode umgesetzt werden sollen. Sie betreffen vor allem das BetrVG (Betriebsratswahl, Mitbestimmung bei Fort- und Weiterbildung), das Arbeitszeitrecht und die Befristung von Arbeitsverhältnissen. Wichtige Bereiche wurden leider nicht angesprochen (z. B. Tarifeinheit) oder nur vage umschrieben (Arbeitnehmerdatenschutz). Vorgelegt wurde aber der Referentenentwurf zur Brückenteilzeit, der eine befristete Teilzeit, Erleichterungen bei der Anhebung der Arbeitszeit und Klarstellungen zur Arbeit auf Abruf enthält. Im Vordergrund der Arbeit in den Unternehmen stehen derzeit die Vorbereitungen zur Umsetzung der Änderungen durch die DSGVO und das neue BDSG. Viele Unternehmen haben diese Arbeiten im Bereich des Datenschutzes noch nicht abgeschlossen. Sie machen umfangreiche Informationen der Beschäftigten sowie eine veränderte Ausgestaltung von Einwilligungen und Betriebsvereinbarungen erforderlich, wenn diese die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtfertigen sollen. Auch ist es wichtig, datenschutzrechtliche Anforderungen auch bei der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements zu beachten. Relevant für die Personalarbeit in ihrer Gesamtheit sind die Feststellung des BVerfG zu weiteren Geschlechtsbezeichnungen und Klarstellungen von EuGH und BAG zur Diskriminierung vor allem wegen Alters, Behinderung oder ethnischer Herkunft im Umgang mit Bewerbern, der befristeten Verlängerung von Arbeitsverhältnissen mit Erreichen der Altersgrenze, dem Umgang mit behinderten Menschen im Rahmen von Vorruhestandsvereinbarungen sowie in Bezug auf Betriebsrentner. Darüber hinaus müssen bei der Vertragsgestaltung neue Vorgaben zu Ausschlussfristen, verlängerten Kündigungsfristen und einer Bezugnahme auf den Tarifvertrag beachtet werden. Ob die Harmonisierung arbeitsvertraglicher Regelungen durch Tarifvertrag erfolgen kann, hängt – wie mehrere Urteile des BAG deutlich machen – vom Gegenstand der Regelung und ihrem kollektiven Charakter ab. Grundsätzlich kann auch eine Ablösung zum Nachteil des Arbeitnehmers erfolgen. Im Bereich der Arbeitszeit gab es Klarstellungen zur Kennzeichnung der Rufbereitschaft und zur Vergütung von Umkleidezeiten. Im Kündigungsrecht waren aktuelle Entscheidungen zur Massenentlassung, zur Kündigung von Wahlbewerbern, zum Kündigungsschutz von Geschäftsführern und zum Rücktritt vom Aufhebungsvertrag oder Vergleich zu behandeln.

V

Vorwort

Im Mittelpunkt der Diskussion in Bezug auf das Kollektivarbeitsrecht standen nicht nur Fragen zur Gleichbehandlung von Betriebsratsmitgliedern in Bezug auf Vergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheits- und Urlaubsfall sowie Anwesenheitszeit bei der Freistellung. Darüber hinaus waren Mitbestimmungsrechte im Bereich der Arbeitszeit, des Gesundheitsschutzes, der Mitarbeiterbefragung oder im Umgang mit mobilen Arbeitsmitteln zu behandeln. In Bezug auf die Frage, ob der Vorgesetztenwechsel in der MatrixOrganisation eine mitbestimmungsrechtliche Einstellung darstellt, gibt es zwar eine ablehnende Entscheidung des BAG; die Gründe liegen aber noch nicht vor. Es wäre gut, wenn sich die instanzgerichtliche Sichtweise hier nicht durchsetzen würde. Hilfreich für die Praxis sind Klarstellungen zu Zeitpunkt und Dauer der Beteiligung des Betriebsrats bei Betriebsänderungen, zur personellen Besetzung des Betriebsrats im Rahmen des Übergangsmandats sowie die Kennzeichnung des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs. Dabei geht es vor allem um die Betriebsführung und die Auftragsnachfolge, die Besonderheiten im Zweier- oder Dreierverhältnis beschreiben. Wichtig ist, dass die Betriebspraxis bei der Vorbereitung von Restrukturierungen die neue Rechtsprechung des BAG zur Zuordnung von Arbeitnehmern bei der Aufspaltung nach § 123 UmwG, die Schranken setzt und ein Wahlrecht der Arbeitnehmer begründet, beachtet. Im Kern dürfte dies aus arbeitsrechtlicher Sicht zu einer Abkehr von dieser Umwandlungsform führen. Soweit das BAG das Risiko eines Widerspruchs bei fehlerhafter Unterrichtung im Zusammenhang mit einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang begrenzen will, indem Verwirkung auch bei bloßer Weiterarbeit nach sieben Jahren angenommen werden soll, ist dies allerdings nicht genügend. Hier wäre im Interesse von Rechtssicherheit und –klarheit eine kürzere Frist (z. B. drei Jahre) sinnvoller gewesen. Abschließend sei auf die BMF-Schreiben zum Betriebsrentenstärkungsgesetz und zur Besteuerung von Dienstwagen mit dem Recht zur Privatnutzung hingewiesen. Darauf wird man sich bei der Umsetzung entsprechender Vereinbarungen einstellen müssen. Ganz herzlich danke ich Dietrich Boewer (Boe) für die erneut außerordentlich kompetente, praxisnahe und engagierte Kommentierung der aktuellen Rechtsentwicklung. Ebenso sei Frau Linda Kriebel Volk (Kr), Frau Anna Maria Miklaszewska, Frau Christin Rögels, Frau Elisa von der Thüsen und Frau Doris Hensch gedankt, die es erneut geschafft haben, diese Zusammenfassung des ersten Halbjahres noch vor Sommerbeginn fertigzustellen. Köln, im Mai 2018 VI

Björn Gaul (Ga)

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort .......................................................................................................... V Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XV

A.

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland ................................ 1

1.

Wesentliche Bestandteile des Koalitionsvertrags für das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht ................................................ 1 a) b) c) d)

Gleichberechtigung von Frauen und Männern.............................. 1 Fort- und Weiterbildung ................................................................ 2 Flexibilisierung der Arbeitszeit ..................................................... 3 Mobile Arbeit, technische Kommunikationsmittel, Datenschutz ................................................................................... 4 e) Statusverfahren für Selbständige .................................................. 5 f) Betriebsratswahlen ........................................................................ 5 g) Arbeitnehmerüberlassung ............................................................. 5 h) Änderung bei der Befristung von Arbeitsverträgen ...................... 5 i) j) k) l) m) n) o)

2.

Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung ................................... 7 Änderung des Tarifeinheitsgesetzes .............................................. 7 Veränderungen im Bereich der Altersrente ................................... 8 Altersversorgung für Selbständige ................................................ 8 Unternehmenssanktionen .............................................................. 9 Unternehmensmitbestimmung ...................................................... 9 Fazit............................................................................................. 10

Gesetzesentwurf zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts und zur Einführung einer Brückenteilzeit .......................................... 10 a) Anspruch auf befristete Teilzeitbeschäftigung............................ 11

VII

Inhaltsverzeichnis

b) Erleichterungen in Bezug auf den Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit....................................................... 13 c) Klarstellungen in Bezug auf die Arbeit auf Abruf ...................... 14 3.

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ...................................................................... 15

B.

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht ............ 19

1.

Überarbeitung der Entsenderichtlinie ................................................ 19

2.

Vorschlag einer Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union ............................... 20

3.

Aktueller Stand zum Richtlinienvorschlag zur Work-LifeBalance ............................................................................................... 23

4.

Vorschlag einer Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern bei Verstößen gegen das Unionsrecht ................................................ 24

C.

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag ............................... 27

1.

Auswirkungen der BVerfG-Entscheidung zu weiteren Geschlechtsbezeichnungen ................................................................ 27

2.

Aktuelle Rechtsprechung zur Diskriminierung von Bewerbern .......................................................................................... 30 a) Diskriminierung von Bewerbern wegen ethnischer Herkunft durch das Erfordernis „deutsch als Muttersprache“ ............................................................................ 30 b) Diskriminierung wegen Missachtung von Verfahrensund/oder Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Bewerber ..................................................................................... 31 c) Geltendmachung von Schadensersatz und Entschädigung ......... 33

3.

Schriftform beim Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses ........................................................................... 34

4.

EuGH: Zulässige Verlängerung von Arbeitsverträgen mit Erreichen der Altersgrenze................................................................. 37

5.

Praktische Umsetzung der Informationspflichten aus Art. 12 ff. DSGVO ............................................................................. 41 a) Ausgangssituation ....................................................................... 41

VIII

Inhaltsverzeichnis

b) Datenerhebung direkt bei dem Betroffenen (Art. 13 DSGVO) ........................................................................ 42 c) Datenerhebung nicht direkt bei dem Betroffenen (Art. 14 DSGVO) ........................................................................ 44 d) Dokumentation und Beweislast .................................................. 44 e) Zeitpunkt der Unterrichtung........................................................ 44 f) Ausnahmen von der Informationspflicht .................................... 45 g) Praktische Ausgestaltung der Information .................................. 46 6.

Betriebliches Eingliederungsmanagement als Voraussetzung einer Versetzung ................................................................................. 50

7.

Arbeitgeberseitige Wahrnehmung der Handlungspflichten im Bereich des Arbeitsschutzes............................................................... 54

8.

Anforderungen an die Transparenz von Ausschlussfristen ................ 56

D.

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub ............................................ 61

1.

Rufbereitschaft als Arbeitszeit ........................................................... 61

2.

Festlegung des Ruhetags bei aufeinanderfolgenden Schichten ......... 64

3.

Pflicht zur Vergütung von Umkleide- und umkleidebedingten Wegezeiten ......................................................................................... 67

4.

Aktuelle Fragen zur praktischen Umsetzung des Entgelttransparenzgesetzes ................................................................ 70 a) Geltendmachung des individuellen Auskunftsanspruchs............ 70 b) Berichtspflicht gemäß §§ 21 f. EntgTranspG ............................. 74

5.

Weihnachtsgratifikation im Ermessen des Arbeitgebers.................... 75

6.

Unbefristeter Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung bei Scheinselbständigkeit ................................................................... 81

E.

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags ............................................. 87

1.

AGB-Kontrolle bei der Vereinbarung verlängerter Kündigungsfristen .............................................................................. 87

2.

Neue Rechtsprechung zur Massenentlassung .................................... 92 a) Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin.......................... 92 IX

Inhaltsverzeichnis

b) Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei einer Massenentlassung........................................................................ 94 3.

Sozialauswahl bei der Besetzung freier Arbeitsplätze ....................... 96

4.

Außerordentliche Kündigung bei Weiterleitung dienstlicher E-Mails auf Privataccount.................................................................. 99

5.

Verwertbarkeit der im betrieblichen Eingliederungsmanagement gewonnenen Informationen im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses ........................................ 103 a) Ausgangssituation ..................................................................... 103 b) Verwertung verhaltensbezogener Erkenntnisse des Arbeitgebers .............................................................................. 104 c) Verwertung gesundheitsbezogener Erkenntnisse des Arbeitgebers .............................................................................. 106 d) Fazit........................................................................................... 108

6.

Besonderer Kündigungsschutz von Wahlbewerbern ....................... 109

7.

Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern beim Aufhebungsvertrag ........................................................................... 115

8.

Rücktritt vom Aufhebungsvertrag oder gerichtlichen Vergleich........................................................................................... 116

9.

Kündigung eines Organisten einer katholischen Kirchengemeinde ............................................................................. 119

10.

Altersgrenze bei Anspruch auf Altersrente durch berufsständisches Versorgungswerk................................................. 122

11.

Anwendbarkeit von § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG auf den GmbH-Geschäftsführer .................................................................... 123

F.

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags ....................................................................... 125

1.

Diskriminierung wegen des Alters bei Spätehen- oder Altersabstandsklauseln..................................................................... 125

2.

Eintrittspflicht des PSV bei Deckungslücken einer Pensionskasse ................................................................................... 130

3.

Grenzen einer Ausgrenzung von Vordienstzeiten eines anderen Arbeitgebers........................................................................ 135

X

Inhaltsverzeichnis

G.

Tarifrecht........................................................................................ 139

1.

AGB-Kontrolle bei der Vereinbarung einer Bezugnahme auf einen Tarifvertrag als Gleichstellungsabrede ................................... 139

2.

Bindungswirkung eines Tarifvertrags bei Gewerkschaftseintritt im Nachwirkungszeitraum............................ 141

3.

Auswirkungen eines Betriebsübergangs auf Bezugnahmeklauseln........................................................................ 143

4.

Änderung der dynamischen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag durch Betriebsvereinbarung ......................................... 146

H.

Betriebsverfassung und Mitbestimmung ................................ 149

1.

Aktuelle Rechtsprechung zur Unternehmensmitbestimmung ........ 149 a) Einbeziehung der im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer in die Schwellenwertberechnung ....................... 149 b) Bildung eines Aufsichtsrats bei der Zwischenholding eines Konzerns .......................................................................... 150

2.

Zulässigkeit und Schranken einer Beeinflussung der Betriebsratswahl durch den Arbeitgeber .......................................... 153

3.

Neues zur Gleichbehandlung freigestellter Betriebsratsmitglieder ...................................................................... 155 a) Gewährung pauschalierter Zulagen .......................................... 156 b) Gewährung einer variablen Zulage und einer Schichtzulage ohne Schichtarbeit ............................................. 159 c) Anwesenheitspflicht im Betrieb................................................ 160

4.

Beratungspflicht bei der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern gemäß § 38 BetrVG................................... 161

5.

Ablösung einzelvertraglicher Zusage (hier: Gesamtzusage Jubiläumsgeld) durch Betriebsvereinbarung.................................... 163

6.

Datenschutzrechtliche Anforderungen an ITBetriebsvereinbarungen.................................................................... 166 a) Ausgangssituation ..................................................................... 166 b) Inhaltliche Schranken aus Art. 88 Abs. 2 DSGVO ................... 167 c) Inhaltliche und formale Anforderungen aus Art. 5 DSGVO........................................................................... 168 XI

Inhaltsverzeichnis

d) Schrankenlose Verarbeitungsverbote ........................................ 169 e) Fazit........................................................................................... 170 7.

Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats.............................................. 170 a) Maßnahmen im Bereich des Gesundheitsschutzes ................... 171 b) Einsichtnahme in unternehmensbezogene Lohnund Gehaltsliste ......................................................................... 173

8.

Mitbestimmung des Betriebsrats in Arbeitszeitfragen ..................... 174 a) Festlegung von Ausgleichszeiträumen und Schwankungsbreiten ................................................................. 175 b) Einbindung von Arbeitnehmern in Schichtsysteme .................. 177

9

Mitbestimmung bei konzernweiter Mitarbeiterbefragung ............... 179

10.

Selbstverpflichtung zum Umgang mit mobilen Arbeitsmitteln außerhalb der Arbeitszeit.................................................................. 183

11.

Mitbestimmungspflichtige Einstellung bei Vorgesetztenwechsel in Matrix-Struktur.......................................... 186

12.

Vergütungsanspruch eines betriebsfremden Beisitzers der Einigungsstelle ........................................................................... 189

I.

Betriebsänderung und Betriebsübergang ............................... 195

1.

Klarstellungen zu Zeitpunkt, Zuständigkeiten und Dauer einer Beteiligung des Betriebsrats bei geplanter Betriebsänderung ......... 195 a) b) c) d) e) f)

Ausgangssituation ..................................................................... 195 Beginn der Unterrichtungspflicht nach § 111 BetrVG.............. 196 Obliegenheit zur Anrufung der Einigungsstelle........................ 197 Umsetzung einer Betriebsänderung .......................................... 198 Zuständigkeit des Betriebsrats .................................................. 199 Fazit........................................................................................... 200

2.

Sozialplan: Kennzeichnung der Betriebszugehörigkeit und des Bezugseinkommens ................................................................... 200

3.

Benachteiligung wegen Behinderung beim Vorruhestand ............... 202

4.

Personelle Besetzung des Übergangsmandats von Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung bei Restrukturierungen ............. 205

5.

Neues zur Kennzeichnung eines Betriebsübergangs ....................... 209

XII

Inhaltsverzeichnis

a) Kein Betriebsübergang bei Betriebsführung ohne Betriebsinhaberwechsel............................................................. 209 b) Betriebsübergang durch Auftragsnachfolge.............................. 211 6.

Gestaltungsspielraum bei der Zuordnung von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit einer Spaltung nach § 123 UmwG ........................................................................... 212 a) Ausgangssituation ..................................................................... 212 b) Sachverhalt der Entscheidung des BAG vom 19.10.2017 ........ 213 c) Übergang von Arbeitsverhältnissen im Wege der Spaltung nach § 123 UmwG ..................................................... 214 d) Vorliegen eines rechtsgeschäftlichen Betriebs- oder Betriebsteilübergangs ................................................................ 215 e) Gestaltungsspielraum bei der Zuordnung von Arbeitnehmern im Rahmen von § 123 UmwG ......................... 216 f) Kein Abweichen durch einen Interessenausgleich nach § 323 Abs. 2 UmwG..................................................................... 216 g) Wahlrechte des Arbeitnehmers bei fehlender Zustimmung ...... 217 h) Fazit........................................................................................... 218

7.

Betriebsübergang: Verwirkung des Widerspruchsrechts durch bloße Weiterbeschäftigung..................................................... 219

J.

Aktuelles aus Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht ............................................................ 223

1.

BMF-Schreiben zur steuerlichen Förderung der betrieblichen Altersversorgung .............................................................................. 223 a) Steuerliche Beurteilung des Zeitpunkts der Erteilung einer Versorgungszusage ........................................................... 223 b) Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 63 S. 1 EStG .................................. 224 c) BAV-Förderbetrag..................................................................... 226

2.

BMF-Schreiben zur lohnsteuerrechtlichen Behandlung der Dienstwagenüberlassung.................................................................. 226

Stichwortverzeichnis .................................................................................. 229

XIII

Abkürzungsverzeichnis AA a. A. abl. a. F. ABl.EU Abs. abw. AcP AEntG

AEUV AFG AFKG AG AGB AGBG AGG AGH AiB AktG AktuellAR allg. Alt. AltEinkG

AltvVerbG

Auswärtiges Amt anderer Auffassung ablehnend alte(r) Fassung Amtsblatt der Europäischen Union Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (ArbeitnehmerEntsendegesetz) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Arbeitsförderungsgesetz Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz) Amtsgericht bzw. Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Anwaltsgerichtshof Arbeitsrecht im Betrieb Aktiengesetz B. Gaul bzw. Bearbeiter, Aktuelles Arbeitsrecht allgemein Alternative Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz) Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge (Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz)

XV

Abkürzungsverzeichnis

AltZertG AMP AMS amtl. ÄndG Anl. Anm. AO AP ArbG ArbGG ArbR AR-Blattei ArBMedVV ArbNErfG ArbPlSchG ArbRB ArbR-HB ArbSchG

ArbStättV ArbZG ARdGgw. ArGV ARST Art.

XVI

Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen (Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz) Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister Arbeitsschutzmanagementsystem amtlich(e) Änderungsgesetz Anlage Anmerkung(en) Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrecht Aktuell Arbeitsrechts-Blattei, Handbuch für die Praxis Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (Arbeitnehmererfindergesetz) Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz) Arbeits-Rechtsberater Arbeitsrecht Handbuch Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung) Arbeitszeitgesetz Arbeitsrecht der Gegenwart Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer (Arbeitsgenehmigungsverordnung) Arbeitsrecht in Stichworten Artikel

Abkürzungsverzeichnis

ASAV

ASiG AsylG AsylVfG AtG ATV AuA AU-Bescheinigung AufenthG AufenthG/EWG Aufl. AÜG AuR ausf. AVmG

AVR AVR-DD AWbG

Verordnung über Ausnahmeregelungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis an neueinreisende ausländische Arbeitnehmer (Anwerbestoppausnahmeverordnung) Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz) Asylgesetz Gesetz über das Asylverfahren (Asylverfahrensgesetz) Altersteilzeitgesetz Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung) Arbeit und Arbeitsrecht Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz) Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Auflage Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) Arbeit und Recht ausführlich Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz) Arbeitsvertragsrichtlinien in den Einrichtungen des Deutschen Caritas Verbandes Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen der Diakonie Deutschland Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz

XVII

Abkürzungsverzeichnis

AWStG

Az. BA BaFin BAG BAT BAT-O BAV BAVAZ BB BBG BBiG Bd. BDA BDSG BEEG Beil. bEM BerASichG BErzGG BeschCG BeschFG BeschSchG BeschV BetrAVG

XVIII

Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz) Aktenzeichen Bundesanstalt für Arbeit Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Bundesangestelltentarifvertrag Bundesangestelltentarifvertrag Ost Betriebliche Altersversorgung Bedarfsabhängige variable Arbeitszeit Betriebs-Berater Beitragsbemessungsgrenze Berufsbildungsgesetz Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundesdatenschutzgesetz Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) Beilage berufliches Eingliederungsmanagement Berufsausbildungssicherungsgesetz Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (Bundeserziehungsgeldgesetz) Gesetz für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt (Beschäftigungschancengesetz) Beschäftigungsförderungsgesetz Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (Beschäftigtenschutzgesetz) Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (Beschäftigungsverordnung) Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz)

Abkürzungsverzeichnis

BetrSichV BetrVG BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BildschArbV BilMoG BImSchG

BKK BMAS BMBF BMEL BMF BMFSFJ BMG BMI BMJV BMU BMVg BMVI BMWi

Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Betriebssicherheitsverordnung) Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Amtliche Sammlung) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten (Bildschirmarbeitsverordnung) Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnlichen Vorgängen (Bundesimmissionsschutzgesetz) Betriebskrankenkasse Bundesministerium für Arbeit und Soziales Bundesministerium für Bildung und Forschung Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Bundesministerium für Finanzen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Bundesministerium für Gesundheit Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Bundesministerium der Verteidigung Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

XIX

Abkürzungsverzeichnis

BMZ BMT-G BNichtrSchG

BPersVG br BRAO BR-Drucks. BRSG BRTV-Bau BSeuchG BSG BSGE BSHG BSSichG

BStBl. BT-Drucks. BTHG BUrlG BuW BV BVerfG BVerfGE

XX

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltung und Betriebe Gesetz zur Einführung eines Rauchverbotes in Einrichtungen des Bundes und in öffentlichen Verkehrsmitteln (Bundesnichtraucherschutzgesetz) Bundespersonalvertretungsgesetz Behindertenrecht Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesratsdrucksache Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz) Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (Bundesseuchengesetz) Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Amtliche Sammlung) Bundessozialhilfegesetz Gesetz zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Breitragssatzsicherungsgesetz) Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz) Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) Betrieb und Wirtschaft Betriebsvereinbarung; bzw. besloten vennootschap, niederländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung)

Abkürzungsverzeichnis

BVerwG BVerwGE bzgl. bzw. ca. CGM CGZP ChemG ChGlFöG

d. h. DA DAG DB DBGrG DCGK ders. DGB DKK DrittelbG DSAG DSAnpUG-EU

DSGVO DStR DStRE DuD

Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Amtliche Sammlung) bezüglich beziehungsweise circa Christliche Gewerkschaft Metall Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) Gesetz zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen das heißt Durchführungsanweisung Deutsche Angestellten-Gewerkschaft Der Betrieb Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (Deutsche Bahn Gründungsgesetz) Deutscher Corporate Governance Kodex der-/dieselbe Deutscher Gewerkschaftsbund Däubler/Kittner/Klebe Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz) Datenschutzauditgesetz Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU) Datenschutz-Grundverordnung Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerrecht – Entscheidungsdienst Datenschutz und Datensicherheit

XXI

Abkürzungsverzeichnis

e. V. EAS EBRG EBR-Richtlinie EFG EFTA EFZG EG EGBGB EGMR EGV ELENAVG EMRK EntgTranspG ErfK ESC EstB EStG etc. EU EuGH EUV EUZBLG EuZW evtl. EVÜ EWG EWiR EzA

XXII

eingetragener Verein Europäisches Arbeits- und Sozialrecht Gesetz über Europäische Betriebsräte (Europäische-Betriebsräte-Gesetz) Europäische Betriebsräte Richtlinie Entscheidungen der Finanzgerichte European Free Trade Agreement Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Gesetz über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises (ELENA-Verfahrensgesetz) Europäische Menschenrechtskonvention Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (Entgelttransparenzgesetz) Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Europäische Sozialcharta Ertrag-Steuerberater Einkommensteuergesetz et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Vertrag über die Europäische Union Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eventuell Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Europäisches Schuldvertragsübereinkommen) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

Abkürzungsverzeichnis

f. ff. FG Fitting FMStG Fn. FördElRV FPflZG FR FS GA-AÜG GefStoffV gem. GenDG GenTSV

GeschGehG GewO GG ggf. GK-BetrVG GK-KR GmbH GmbHR GMBl. GmS-OBG GNBZ GRC

folgend fortfolgende Finanzgericht Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz) Fußnote Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten Gesetz über die Familienpflegezeit (Familienpflegezeitgesetz) Finanz-Rundschau Festschrift Geschäftsanweisung zum AÜG Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung) gemäß Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (Gendiagnostikgesetz) Verordnung über die Sicherheitsstufen und Sicherheitsmaßnahmen bei gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen (GentechnikSicherheitsverordnung) Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen Gewerbeordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Gemeinsames Ministerialblatt Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Gewerkschaft der neuen Brief- und Zustelldienste Charta der Grundrechte der Europäischen Union XXIII

Abkürzungsverzeichnis

GRUR GS GSG GWB

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Großer Senat Gerätesicherheitsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz)

h. M. HAG Halbs. HGB HinGebSchG HK-KSchR HWGNRH HWK HZvNG

herrschende Meinung Heimarbeitsgesetz Halbsatz Handelsgesetzbuch Hinweisgeberschutzgesetz Handkommentar zum Kündigungsschutzrecht Hess/Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke Henssler/Willemsen/Kalb Gesetz zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze (Hüttenknappschaftliches ZusatzversicherungsNeuregelungs-Gesetz)

i. d. F. i. E. i. H. a. i. S. d. i. S. v. i. V. m. InKDG

in der Fassung im Ergebnis im Hinblick auf im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit Informations- und Kommunikationsdienstegesetz Insolvenzordnung Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten (Institutsvergütungsverordnung) Integrationsgesetz Verordnung zum Integrationsgesetz (Integrationsgesetzverordnung) Investmentgesetz Informationstechnik/–technologie Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie

InsO InstitutsVergV IntG IntGVO InvG IT IT-ArGV

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

IT-AV ITRB JArbSchG JuMoG JURA JurisPR-ArbR K&R Kap. KAPOVAZ KassArbR KassKomm KG KO KPK KR krit. KSchG LadSchlG LAG LAGE LasthandhabV

LFZG LG Lit. LPartG

Verordnung über Aufenthaltserlaubnisse für hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie IT-Rechtsberater Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) Gesetz zur Modernisierung der Justiz (Justizmodernisierungsgesetz) Juristische Ausbildung Juris Praxis-Report Arbeitsrecht Kommunikation und Recht Kapitel Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht Kammergericht Konkursordnung Kölner Praxiskommentar Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften kritisch Kündigungsschutzgesetz Gesetz über den Ladenschluss (Ladenschlussgesetz) Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der manuellen Handhabung von Lasten bei der Arbeit (Lastenhandhabungsverordnung) Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) Landgericht Literatur Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz) XXV

Abkürzungsverzeichnis

LPartÜAG Ls. LSG LStDV LStR m. E. m. w. N. MDR ME-Richtlinie MgVG MiLoG MiLoV MindArbBedG MitbestErgG MitbestG MontanMitbestErgG

MontanMitbestG

MTV MüKo MünchArbR XXVI

Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts Leitsatz Landessozialgericht Lohnsteuer-Durchführungsverordnung Lohnsteuer-Richtlinien meines Erachtens mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht Massenentlassungsrichtlinie Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz) Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns (Mindestlohnanpassungsverordnung) Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (Mindestarbeitsbedingungengesetz) Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montan-MitbestimmungsErgänzungsgesetz) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (MontanMitbestimmungsgesetz) Manteltarifvertrag Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht

Abkürzungsverzeichnis

MuSchArbV MuSchG

n. F. n. v. NachwG NJW NJW-RR Nr. Nrn. NZA NZA-RR NZG NZS öAT OLG OT OVG OWiG P&R PatG PersVG PflegeArbbV PflegeVG PflegeZG PfWG

Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (Mutterschutzarbeitsverordnung) Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium (Mutterschutzgesetz) neue(r) Fassung (noch) nicht veröffentlicht Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz) Neue Juristische Wochenzeitschrift NJW Rechtsprechungs-Report Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht NZA Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht Oberlandesgericht Ohne Tarifbindung Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (Ordnungswidrigkeitengesetz) Park & Ride Patentgesetz Personalvertretungsgesetz Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Pflegearbeitsbedingungenverordnung) Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (PflegeVersicherungsgesetz) Gesetz über die Pflegezeit (Pflegezeitgesetz) Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (PflegeWeiterentwicklungsgesetz) XXVII

Abkürzungsverzeichnis

PreisKlG PSABV

PStG PSV PublG

RabattG RAG RAGE RdA RDV RisikoBegrG RIW RL Rs. RsprEinhG RVLeistVerbG RVO Rz. RzK s. o. S. s. SA SAE

XXVIII

Gesetz über das Verbot der Verwendung von Preisklauseln bei der Bestimmung von Geldschulden (Preisklauselgesetz) Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen bei der Arbeit (PSABenutzungsverordnung) Personenstandsgesetz Pensionssicherungsverein Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (Publizitätsgesetz) Gesetz über Preisnachlässe (Rabattgesetz) Reichsarbeitsgericht Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts Recht der Arbeit Recht der Datenverarbeitung Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie(n) Rechtssache Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Rechtsprechungseinheitsgesetz) Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVLeistungsverbesserungsgesetz) Reichsversicherungsordnung Randzahl/Randziffer Rechtsprechung zum Kündigungsrecht siehe oben Seite bzw. Satz siehe Société Anonyme, schweizerische Aktiengesellschaft Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen

Abkürzungsverzeichnis

SchwarzArbG SchwbG SE SEAG SEBG SeemG SG SGB I SGB II SGB III SGB IV SGB V SGB VI SGB VII SGB VIII SGB IX SGB X SGB XI SGB XII SGb SigG sog.

Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz) Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz) Societas Europaea, Europäische Gesellschaft Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-Ausführungsgesetz) Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SEBeteiligungsgesetz) Seemannsgesetz Sozialgericht Sozialgesetzbuch, I. Buch – Allgemeiner Teil Sozialgesetzbuch, II. Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende Sozialgesetzbuch, III. Buch – Arbeitsförderung Sozialgesetzbuch, IV. Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung Sozialgesetzbuch, V. Buch – Gesetzliche Krankenversicherung Sozialgesetzbuch, VI. Buch – Gesetzliche Rentenversicherung Sozialgesetzbuch, VII. Buch – Gesetzliche Unfallversicherung Sozialgesetzbuch, VII. Buch – Kinder- und Jugendhilfe Sozialgesetzbuch, IX. Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen Sozialgesetzbuch, X. Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz Sozialgesetzbuch, XI. Buch – Soziale Pflegeversicherung Sozialgesetzbuch, XII. Buch – Sozialhilfe Die Sozialgerichtsbarkeit Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (Signaturgesetz) sogenannte(r)

XXIX

Abkürzungsverzeichnis

SozplKonkG SozR SPE SPI SprAuG SpTrUG st. Rspr. StGB TAStG TKG TransPuG TVG TV-L TVöD TVöD-VKA TzBfG u. ä. Uabs. UmwG UrhG UStG usw. UVV

XXX

Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren Sozialrecht, Entscheidungssammlung Societas Privata Europaea, Europäische Privatgesellschaft Sozialpolitische Informationen Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschussgesetz) Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) Telekommunikationsgesetz Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) Tarifvertragsgesetz Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz) und ähnlich Unterabsatz Umwandlungsgesetz Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) Umsatzsteuergesetz und so weiter Unfallverhütungsvorschriften

Abkürzungsverzeichnis

v. VAG Var. VBL VermbG VermG VersAusglG VG VGH vgl. VglO VO Vorbem. VorstAG VorstOG VVG VwGO VwVfG WHSS WiB WissZeitVG WM WO WpHG WPK WPrax WpÜG WKS

vom Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Variante Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer (Vermögensbildungsgesetz) Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) Gesetz über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz) Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vergleichsordnung Verordnung(en) Vorbemerkung(en) Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (VorstandsvergütungsOffenlegungsgesetz) Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Wirtschaftliche Beratung Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz) Wertpapier-Mitteilungen Erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung) Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz) Wlotzke/Preis/Kreft Wirtschaftsrecht und Praxis Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wissmann/Kleinsorge/Schubert XXXI

Abkürzungsverzeichnis

z. B. z. T. ZD ZDG ZESAR ZEuP ZfA ZGR ZHR Ziff. ZIP ZPO ZSEG ZTR zust. ZustRG

XXXII

zum Beispiel zum Teil Zeitschrift für Datenschutz Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Zivildienstgesetz) Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (Zeugen- und Sachverständigenentschädigungsgesetz) Zeitschrift für Tarifrecht zustimmend Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz)

A. Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland 1.

Wesentliche Bestandteile des Koalitionsvertrags für das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Am 7.2.2018 haben CDU, CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag mit dem Titel „Ein neuer Aufbruch für Europa, eine neue Dynamik für Deutschland, ein neuer Zusammenhalt für unser Land“ vorgelegt. Er beschreibt auch mit Blick auf das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht eine Vielzahl von Veränderungen, die im Rahmen der laufenden Legislaturperiode zur Umsetzung kommen sollen1. Auch wenn die Umsetzung dieser Pläne natürlich in den meisten Fällen mit gesetzlichen Veränderungen verbunden ist und deshalb einige Zeit in Anspruch nehmen wird, dürfte es wichtig sein, sich schon heute mit den Themen und etwaigen Auswirkungen zu befassen. Nachfolgend sollen deshalb auszugsweise einige Bestandteile zusammengefasst werden.

a)

Gleichberechtigung von Frauen und Männern

Im Zusammenhang mit verschiedenen Maßnahmen zur Forderung einer Gleichberechtigung von Frauen und Männern sollen weitere Schritte eingeleitet werden, um Frauen stärker in Führungspositionen zu bringen. Zu diesem Zweck will die Bundesregierung bei ihrer regelmäßigen Berichterstattung ein besonderes Augenmerk auf Unternehmen ohne Frauen in Führungspositionen legen, die sich eine Zielgröße „0“ geben. Eine solche Zielgröße bei der Frauenquote für den Vorstand, die Geschäftsführung oder den Aufsichtsrat ist zwar zulässig. Wir hatten darauf an anderer Stelle bereits hingewiesen2. Gleichwohl will die Bundesregierung die Wirksamkeit der zugrunde liegenden Vorschriften verbessern, indem sie die Nichteinhaltung der Meldepflicht für Zielvorgaben für Vorstände und Führungsebenen und die Begründungspflicht bei der Angabe einer Zielvorgabe „0“ entsprechend § 335 HGB sanktionieren will3. Strukturelle Ungleichgewichte von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, die wesentlich zur Entgeltlücke beitragen, sollen gezielt abgebaut werden. Dazu sollen finanzielle Ausbildungshürden bei Sozial- und Pflegeberufen abge1 2 3

Eingehend auch Bonanni, ArbRB 2018, 122 ff.; Nielebock, AiB 2018/4, 22 ff.; Pfeffer/Schulze, AiB 2018/4, 25 ff.; Pfrogner, BB 2018, 500 ff. B. Gaul, AktuellAR 2016, 17 ff., 335 ff. Koalitionsvertrag Rz. 944 ff.

1

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

baut und Ausbildungsvergütungen als Mindestausbildungsvergütung angestrebt werden4. Seit dem 6.1.2018 sind Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten ihres Arbeitgebers berechtigt, einen Auskunftsanspruch zur Entgelttransparenz geltend zu machen. Wir haben dies an anderer Stelle behandelt5. Die Bundesregierung beabsichtigt, für Betroffene bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gezielte Beratungs- und Unterstützungsangebote zu schaffen sowie für Unternehmen zertifizierte Prüfverfahren anzubieten6.

b)

Fort- und Weiterbildung

Die Bundesregierung sieht in der Weiterbildung einen wesentlichen Schlüssel, damit sich die Beschäftigten den Herausforderungen der Digitalisierung im Rahmen von Arbeit 4.0 stellen können. Über die Bundesagentur für Arbeit sollen deshalb alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Recht auf Weiterbildungsberatung erhalten. Wird ein Weiterbildungsbedarf jenseits der betrieblichen Weiterbildung festgestellt, sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen in der Verantwortung, diesem zu entsprechen. Auf staatlicher Seite soll dies dadurch gefördert werden, dass Zuschüsse des Arbeitgebers zur Weiterbildung generell dann keinen Lohn oder geldwerten Vorteil darstellen, wenn sie der allgemeinen Beschäftigungsfähigkeit dienen7. Darüber hinaus soll das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte für Weiterbildung gestärkt werden. Unabhängig von den heute bereits in § 97 Abs. 2 BetrVG enthaltenen Möglichkeiten einer Initiierung von Weiterbildungsmaßnahmen durch den Betriebsrat soll der Arbeitgeber verpflichtet werden, auf Verlangen mit dem Betriebsrat über Maßnahmen der Berufsbildung zu beraten. Können sich die Betriebsparteien nicht verständigen, soll jede Seite einen Moderator mit dem Ziel anrufen können, eine Einigung zu erreichen. Allerdings soll – vergleichbar mit Interessenausgleichsverhandlungen – kein Einigungszwang bestehen. Der Moderator kann also keine abschließende Entscheidung treffen, die die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt. Einerseits erscheint dies zwar nachvollziehbar. Andererseits aber stellt sich die Frage, ob durch die Einbindung eines Moderators, dessen

4 5 6 7

2

Koalitionsvertrag Rz. 973 ff., 1234 ff. B. Gaul, AktuellAR 2017, 1 ff.; 2018, 70 ff. Koalitionsvertrag Rz. 978 ff. Koalitionsvertrag Rz. 17, 98 ff.

Wesentliche Bestandteile des Koalitionsvertrags

Qualifikation im Koalitionsvertrag nicht näher beschrieben wird, die Weiterbildungssituation von Arbeitnehmern wirklich effizient verbessert wird8.

c)

Flexibilisierung der Arbeitszeit

Die Bundesregierung will einen Rahmen schaffen, in dem Unternehmen, Beschäftigte und Tarifpartner den vielfältigen Wünschen und Anforderungen in der Arbeitszeitgestaltung gerecht werden können. Dabei sollen Familien in ihrem Anliegen unterstützt werden, mehr Zeit füreinander zu haben und die Partnerschaftlichkeit zu stärken. Die Bundesregierung will deshalb Modelle entwickeln, mit denen mehr Spielraum für Familienzeit geschaffen werden kann. Gleichzeitig sollen die Chancen der Digitalisierung genutzt werden, um den Beschäftigten mehr Zeitsouveränität zu ermöglichen9. Natürlich gäbe es unterschiedliche Wege, diese Ziele zu erreichen. Im Zweifel sind sie an Veränderungen im ArbZG und im TzBfG geknüpft. So könnte – wie jetzt durch die FDP-Fraktion vorgeschlagen10 – die tägliche Höchstarbeitszeit durch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit ersetzt werden. Ebenso könnte den Tarifvertragsparteien ermöglicht werden, über die derzeit bereits in § 7 ArbZG enthaltenen Ausnahmen hinaus weitere Flexibilisierungsmöglichkeiten zu schaffen und/oder den Betriebsparteien solche Maßnahmen zu ermöglichen. Im Wesentlichen dürfte es dabei auch um weitere Möglichkeiten gehen, die Ruhezeit zu verkürzen und/oder eine etwaige Verkürzung durch alternative Ausgleichszeiträume zu kompensieren. Bedauerlicherweise befasst sich der Koalitionsvertrag nicht mit der Möglichkeit, den persönlichen Geltungsbereich des ArbZG in § 18 Abs. 1 ArbZG abzuändern. Derzeit werden nur leitende Angestellte i. S. d. § 5 Abs. 3 BetrVG und Chefärzte von den Vorgaben des ArbZG ausgenommen. Dies erscheint weder zeitgerecht noch arbeitsschutzrechtlich geboten. Unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Vorgaben wäre es möglich, hier einen deutlich weitergehenden Begriff der Führungskraft einzubeziehen, für die die Schranken des ArbZG ganz oder teilweise keine Anwendung finden. Dabei könnte an die Kompetenzen oder das Jahresarbeitsentgelt angeknüpft werden. Derzeit sieht der Koalitionsvertrag nur vor, dass über eine Tariföffnungsklausel im ArbZG Experimentierräume für tarifgebundene Unternehmen geschaffen werden sollen, um eine Öffnung für mehr selbstbestimmte Arbeits8 Koalitionsvertrag Rz. 1809 ff., 2293 ff. 9 Koalitionsvertrag Rz. 1818 ff.; Pfrogner, BB 2018, 500 ff. 10 BT-Drucks. 19/1174.

3

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

zeit der Arbeitnehmer und mehr betriebliche Flexibilität in der zunehmend digitalen Arbeitswelt zu erproben. Auf Grundlage dieser Tarifverträge soll dann mittels Betriebsvereinbarung insbesondere die Höchstarbeitszeit wöchentlich flexibler geregelt werden11. Dazu gehört auch mehr Spielraum für Familienzeit12. Ergänzend werden Klarstellungen und Veränderungen in Bezug auf die Möglichkeit einer befristeten Teilzeit und die Arbeit auf Abruf angekündigt13. Da insoweit bereits der Referentenentwurf vorgelegt wurde, werden wir diesen Punkt gesondert behandeln14.

d)

Mobile Arbeit, technische Kommunikationsmittel, Datenschutz

Die Bundesregierung will mobile Arbeit fördern und erleichtern. Hierzu soll ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der auch einen Auskunftsanspruch der Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber über die Gründe einer etwaigen Ablehnung durch den Arbeitgeber enthalten soll. Unklar ist allerdings, ob die Bundesregierung hier wirklich die mobile Arbeit oder den Telearbeitsplatz i. S. v. § 2 Abs. 7 ArbStättV meint. Ergänzend hierzu sollen die Tarifpartner Vereinbarungen zu mobiler Arbeit treffen können15. Losgelöst davon kündigt die Bundesregierung Regelungen an, durch die Rechtssicherheit für Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Umgang mit privat genutzter Firmentechnik geschaffen werden soll. Unklar ist, ob dies auch die telekommunikationsrechtliche Behandlung der Privatnutzung von Internet, Intranet und E-Mail zum Inhalt hat. Dies wäre zu begrüßen, weil derzeit unklar ist, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen in diesem Zusammenhang die strengen Vorgaben des TKG zur Anwendung kommen. Als Konsequenz der Digitalisierung von Arbeitsprozessen erwartet die Bundesregierung, dass zunehmend Steuerungsinstrumente zur Optimierung entwickelt werden, die einen gläsernen Mitarbeiter zur Folge haben. Aus diesem Grund will die Bundesregierung Klarheit über Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien schaffen und die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten sicherstellen. Ob dies zur Schaffung eines Beschäftigtendatenschutz-

11 12 13 14 15

4

Koalitionsvertrag Rz. 2366 ff. Koalitionsvertrag Rz. 2388. Koalitionsvertrag Rz. 2373 ff. B. Gaul, AktuellAR 2018, 10 ff. Koalitionsvertrag Rz. 1826 ff.

Wesentliche Bestandteile des Koalitionsvertrags

gesetzes führt, bleibt abzuwarten16. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode war vorgesehen, eine entsprechende gesetzliche Regelung zu prüfen.

e)

Statusverfahren für Selbständige

Das Statusfeststellungsverfahren für Selbständige im Bereich der Sozialversicherung soll vereinfacht und zwischen den unterschiedlichen Zweigen der Sozialversicherung widerspruchsfrei ausgestaltet werden17.

f)

Betriebsratswahlen

Die Bundesregierung will die Gründung und Wahl von Betriebsräten erleichtern. Hierzu soll das in § 14 a BetrVG vorgesehene (vereinfachte) Wahlverfahren für Kleinbetriebe immer dann verbindlich sein, wenn im Betrieb zwischen 5 und 100 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden. Für Betriebe mit 101 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern soll die Wahl zwischen dem vereinfachten und allgemeinen Wahlverfahren ermöglicht werden. Die aktuellen Schwellenwerte sollen also verdoppelt werden18. Vorstellungen der Fraktion DIE LINKE, die zu einer Erleichterung der Betriebsratswahlen und einem besseren Schutz der Betriebsräte führen sollten19, dürften in dieser Legislaturperiode damit nicht zur Umsetzung kommen.

g)

Arbeitnehmerüberlassung

Änderungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung sind nicht vorgesehen. Allerdings soll das AÜG 2020 evaluiert werden20.

h)

Änderung bei der Befristung von Arbeitsverträgen

Umfangreiche Änderungen sind im Bereich der Befristung von Arbeitsverträgen vorgesehen21.

16 17 18 19 20 21

Koalitionsvertrag Rz. 837 ff., 6112 ff. Koalitionsvertrag Rz. 1844 ff. Koalitionsvertrag Rz. 2331 ff. BT-Drucks. 19/860. Koalitionsvertrag Rz. 2382. Koalitionsvertrag Rz. 2341 ff.; BT-Drucks. 19/1841; Arnold/Romero, NZA 2018, 329, 330 f.; Pfeffer/Schulze, AiB 2018/4, 25 ff.

5

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Bei Unternehmen mit mehr als 75 Beschäftigten sollen nur noch 2,5 % der Belegschaft sachgrundlos befristet werden. Bei einem Überschreiten dieser Quote gilt jedes weitere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis als unbefristet zustande gekommen. Bezugspunkt soll dabei jeweils der Zeitpunkt der letzten Einstellung ohne Sachgrund sein. Bereits diese Idee der Bundesregierung dürfte in der betrieblichen Praxis ganz erhebliche Probleme bereiten. Zum einen übersieht der Gesetzgeber, dass es keine halben Arbeitnehmer gibt. Das betrifft vor allem die kleinen Unternehmen. So können in einem Unternehmen mit 100 Beschäftigten nur zwei Arbeitnehmer einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag erhalten. Problematisch ist, dass die Feststellung der sachgrundlosen Befristungen nicht betriebs-, sondern unternehmensbezogen erfolgt. Der Arbeitgeber muss also eine Stelle einrichten, in der die diesbezüglichen Informationen auf überbetrieblicher Ebene gesammelt werden. Auch wenn die Arbeitsgerichte wohl eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast anerkennen werden, dürfte es im ersten Schritt genügen, wenn im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung arbeitgeberseitig nur die Arbeitsverhältnisse berücksichtigt werden, in denen aus Sicht des Arbeitgebers eine sachgrundlose Befristung erfolgt ist. Ob insoweit auch Befristungen zu berücksichtigen sind, die vor Inkrafttreten einer entsprechenden Änderung in § 14 Abs. 2 TzBfG abgeschlossen wurden, hängt davon ab, ob eine Übergangsregelung geschaffen wird. Ein besonderes Risiko dürfte für den Arbeitgeber allerdings darin liegen, dass hierbei auch solche Befristungen zu berücksichtigen sind, bei denen – entgegen der Annahme des Arbeitgebers – ein Sachgrund für die Befristung (doch) nicht gegeben war. Unabhängig davon soll die sachgrundlose Befristung nur noch bis zu einer Höchstdauer von 18 Monaten (bislang: 24 Monate) zulässig sein. In dieser Zeit soll nur noch eine einmalige (bislang: dreimalige) Verlängerung möglich sein. Um die Möglichkeiten zum Abschluss von Kettenarbeitsverhältnissen einzuschränken, soll die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ohne Rücksicht auf das Vorliegen eines Sachgrunds nicht (mehr) zulässig sein, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein unbefristetes oder ein oder mehrere befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Gesamtdauer von fünf oder mehr Jahren bestanden haben. Ausnahmen sollen nur dann möglich sein, wenn dies wegen der Eigenart des Arbeitsverhältnisses (z. B. Künstler, Fußballer) geboten ist. Wichtig ist, dass auf die Höchstdauer von fünf Jahren auch eine Beschäftigung als Leiharbeitnehmer zur Anrechnung kommen soll. Wenn das Arbeitsverhältnis allerdings mit demselben Arbeitgeber für drei oder 6

Wesentliche Bestandteile des Koalitionsvertrags

mehr Jahre unterbrochen war, soll die Fünf-Jahres-Frist neu berechnet werden. Es wäre hilfreich, wenn diese Fünf-Jahres-Frist auch in § 14 Abs. 2 TzBfG eingefügt würde. Ein Referentenentwurf zur Umsetzung dieser gesetzgeberischen Überlegungen liegt noch nicht vor. Es kann allerdings angenommen werden, dass ein generelles Verbot der sachgrundlosen Befristung, wie es die Fraktion DIE LINKE vorgeschlagen hatte22, damit nicht zur Umsetzung kommt. Gleiches dürfte für die systematischen Veränderungen gelten, die in einem Gesetzentwurf zur Änderung des TzBfG der AfD-Fraktion enthalten sind23.

i)

Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung

Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung soll um 0,3 Prozentpunkte gesenkt werden24. Obwohl die Bundesregierung damit an sich jedenfalls zum Teil gleiche Ziele verfolgt, wie sie im Gesetzentwurf der FDP-Fraktion zur Senkung des Beitragssatzes in der Arbeitslosenversicherung25 enthalten waren, ist dieser Gesetzesentwurf abgelehnt worden26. Offenkundig will die Bundesregierung den Beifall der Arbeitgeber für diese Kostensenkung selbst erhalten und nimmt dafür in Kauf, dass die gesetzliche Änderung erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft tritt. Einfacher wäre es gewesen, den Vorschlag der FDP-Fraktion (Absenkung des Beitragssatzes um 0,5 Prozentpunkte) abzuändern und in der durch die Bundesregierung geplanten Höhe (Absenkung des Beitragssatzes um 0,3 Prozentpunkte) zu verabschieden.

j)

Änderung des Tarifeinheitsgesetzes

Mit seinem Urteil vom 11.7.201727, über das wir berichtet hatten28, hat das BVerfG Änderungen der gesetzlichen Regelungen zur Tarifeinheit in § 4 a TVG angemahnt, die bis zum 31.12.2018 erfolgen müssen. Der Koalitionsvertrag enthält dazu bedauerlicherweise keine Feststellungen, sodass derzeit

22 23 24 25 26 27

BT-Drucks. 19/831. BT-Drucks. 19/841. Koalitionsvertrag Rz. 2451 f. BT-Drucks. 19/434. BT-Drucks. 19/877. BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 1477/16, NZA 2017, 915 ff. 28 B. Gaul, AktuellAR 2017, 517 ff.

7

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

nicht erkennbar ist, wie die Handlungsvorgaben des BVerfG durch die Bundesregierung umgesetzt werden29.

k)

Veränderungen im Bereich der Altersrente

Die gesetzliche Altersrente soll auf dem heutigen Niveau von 48 % bis zum Jahr 2025 abgesichert und bei Bedarf durch Steuermittel sichergestellt werden, dass der Beitragssatz nicht über 20 % steigen wird. Ergänzend hierzu sollen weitere Regelungen zur Anerkennung von Seiten der Kindererziehung bzw. Pflegezeiten geschaffen werden. Diese sollen zu einer Grundrente führen, die auf der Grundlage einer Bedürftigkeitsprüfung an 35 Jahre Beitragszeiten oder diesen gleichgestellten Zeiten geknüpft ist30. Ergänzend hierzu beabsichtigt die Bundesregierung, im SGB VI festzulegen, dass Mütter und Väter, die vor 1992 geborene Kinder erzogen haben, künftig auch das dritte Jahr Erziehungszeit in der Rente angerechnet bekommen. Insofern soll auch die „Mütterrente II“ eingeführt werden, die von Müttern und Vätern in Anspruch genommen werden kann, die drei oder mehr Kinder erzogen haben31. Eine Ausweitung der abschlagsfreien Rente für besonders langjährig Versicherte ist nicht geplant. Dies ist angesichts der damit verbundenen Kosten für die Rentenversicherung zu begrüßen. Eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen macht allerdings deutlich, dass diese Sonderform der gesetzlichen Altersrente nur vorübergehend zu einem Absenken des durchschnittlichen Zugangsalters geführt hat. Insgesamt steigt das Zugangsalter ebenso wie die Zahl der älteren Beschäftigten32. In Übereinstimmung damit will die Bundesregierung Möglichkeiten und Anreize zum freiwilligen längeren Arbeiten und damit auch das Angebot der „Flexi-Rente“ nachhaltig gestalten33.

l)

Altersversorgung für Selbständige

Um den sozialen Schutz von Selbständigen zu verbessern, soll eine gründerfreundlich ausgestaltete Altersvorsorgepflicht für alle Selbständige eingeführt werden, die nicht bereits anderweitig obligatorisch (z. B. in berufs29 Eingehend zu einer möglichen Neuregelung der Vorgaben zur Tarifeinheit vgl. Löwisch, NZA 2017, 1423 ff. 30 Koalitionsvertrag Rz. 4247 ff. 31 Koalitionsvertrag Rz. 4315 ff. 32 BT-Drucks. 19/876. 33 Koalitionsvertrag Rz. 4301 f.

8

Wesentliche Bestandteile des Koalitionsvertrags

ständischen Versorgungswerken) abgesichert sind. Dabei sollen Selbständige grundsätzlich zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und – als Opt-Out-Lösung – anderen geeigneten insolvenzsicheren Vorsorgearten wählen können. Diese Form der Altersversorgung soll zu einer Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus führen. Ergänzend hierzu sollen die Mindestkrankenversicherungsbeiträge für kleine Selbständige reduziert und die Renten- und Krankenversicherungsbeiträge gründerfreundlicher ausgestaltet werden34.

m)

Unternehmenssanktionen

Die Bundesregierung möchte Maßnahmen ergreifen, um Wirtschaftskriminalität wirksamer zu verfolgen und angemessener zu ahnden. Vor diesem Hintergrund soll das Sanktionsrecht für Unternehmen neu geregelt werden. Dabei soll sichergestellt werden, dass bei Wirtschaftskriminalität grundsätzlich auch die Unternehmen, die vom Fehlverhalten der Mitarbeiterrinnen und Mitarbeiter profitieren, stärker sanktioniert werden. Hier soll es nicht mehr im Ermessen der zuständigen Behörde liegen, das betreffende Unternehmen zu verfolgen. Vielmehr soll durch eine Abkehr vom Opportunitätsprinzip für eine bundesweit einheitliche Rechtsanwendung der insoweit einschlägigen Ordnungswidrigkeiten gesorgt werden. Im Mittelpunkt dürfte dabei § 130 OWiG stehen35. Durch klare Verfahrensregelungen will die Bundesregierung die Rechtssicherheit der betroffenen Unternehmen erhöhen. Gleichzeitig sollen spezifische Regelungen über Verfahrenseinstellungen geschaffen werden, um der Justizpraxis die notwendige Flexibilität in der Verfolgung einzuräumen. Ausgangspunkt ist dabei aber eine Erweiterung des Sanktionsinstrumentariums, das stärker als in der Vergangenheit die Unternehmensgröße berücksichtigen soll. Insofern soll bei Unternehmen mit mehr als 100.000.000 € Umsatz die Höchstgrenze bei 10 % des Umsatzes liegen. Etwaige Sanktionen, die auf dieser Grundlage ergriffen werden, sollen zukünftig auch auf geeignetem Weg der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.

n)

Unternehmensmitbestimmung

Die Bundesregierung will sich dafür einsetzen, dass die nationalen Vorschriften über die Unternehmensmitbestimmung auch bei grenzüberschrei-

34 Koalitionsvertrag Rz. 4304 ff. 35 Koalitionsvertrag Rz. 5913 ff.

9

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

tenden Sitzverlagerungen von Gesellschaften gesichert werden36. Darüber hinaus will sich die Bundesregierung für eine europäische Harmonisierung der Regelungen über die grenzüberschreitende Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften („Sitzverlegungsrichtlinie“) und die Europäische Privatgesellschaft (SPE) unter Wahrung der Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einschließlich der Unternehmensmitbestimmung, der Gläubiger und der Minderheitsgesellschafter einsetzen37. Schon diese Formulierung im Koalitionsvertrag erkennt an, dass entsprechende Maßnahmen nur auf unionsrechtlicher Ebene getroffen werden können. Es ist nicht zu erwarten, dass hierfür innerhalb der Europäischen Union die notwendigen Mehrheiten erreicht werden. Hiervon ausgehend dürfte es im Bereich der Unternehmensmitbestimmung keine Erweiterung der Regelungen zu einer Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat auf Gesellschaften geben, deren Statut dem Recht eines anderen Mitgliedsstaates entspricht.

o)

Fazit

Der Koalitionsvertrag stellt noch keinen Gesetzesentwurf dar. Insofern wird man im Auge behalten müssen, dass die Umsetzung der vorstehend wiedergegebenen Änderungen im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht durchaus nicht 1:1 erfolgen wird. Darüber hinaus sieht der Koalitionsvertrag keine Priorisierung oder einen Zeitplan vor, nach dem die Umsetzung erfolgen soll. Die Erfahrung aus der letzten Legislaturperiode macht allerdings deutlich, dass insbesondere die SPD darauf drängen wird, dass dieser Teil des Koalitionsvertrags zur Umsetzung kommt. Gerade hier dürfte sie (noch) eine Chance sehen, für ihre Wähler visibel zu sein. (Ga)

2.

Gesetzesentwurf zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts und zur Einführung einer Brückenteilzeit

Bereits in der letzten Legislaturperiode hatte sich die Bundesregierung an sich darauf verständigt, ein gesetzliches Recht auf eine befristete Teilzeitbeschäftigung auch außerhalb der Elternzeit einzuführen. Die inhaltliche Ausgestaltung des Gesetzesentwurfs durch das BMAS fand allerdings innerhalb der Bundesregierung keine Mehrheit, sodass das Vorhaben aufgegeben wurde. Nachdem das Ziel einer befristeten Teilzeitbeschäftigung allerdings auch

36 Koalitionsvertrag Rz. 2337 ff. 37 Koalitionsvertrag Rz. 6175 ff.

10

Gesetzesentwurf zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts

im aktuellen Koalitionsvertrag erneut festgeschrieben worden ist38, hat das BMAS am 17.4.2018 bereits einen Referentenentwurf zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts und zur Einführung einer Brückenteilzeit mitvorgelegt. Der Entwurf ist mit weitergehenden Erleichterungen in Bezug auf die Geltendmachung des Anspruchs auf Anhebung der Arbeitszeit gemäß § 9 TzBfG und mit Klarstellungen im Zusammenhang mit der Arbeit auf Abruf gemäß § 12 TzBfG verbunden. Auch wenn weitere Anpassungen des Gesetzesentwurfs im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens nicht ausgeschlossen sind, ist mit einer baldigen Umsetzung zu rechnen. Zur Diskussion steht insoweit der 1.10.2018. Nachfolgend sollen deshalb die wesentlichen Aspekte des Gesetzesentwurfs aufgezeigt werden39.

a)

Anspruch auf befristete Teilzeitbeschäftigung

Anwendungsbereich: Der Anspruch auf befristete Teilzeitbeschäftigung, der durch § 9 a TzBfG eingeführt werden soll, erfasst Unternehmen mit mehr als 45 Arbeitnehmern. Dabei werden die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nicht erfasst (§ 9 a Abs. 7 TzBfG). Ob und inwieweit bei der Schwellenwertberechnung auch Leiharbeitnehmer einzubeziehen sein werden, ist derzeit unklar. Die Sonderregelungen zur Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung, die in § 14 AÜG enthalten sind, finden hier an sich keine Anwendung. Voraussetzung für die Geltendmachung eines entsprechenden Anspruchs auf befristete Teilzeitbeschäftigung ist, dass das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers zu diesem Zeitpunkt bereits länger als sechs Monate bestanden hat. Eine weitergehende Begründung für das Teilzeitbegehren ist nicht erforderlich. Das unterscheidet den Anspruch von vergleichbaren Regelungen im PflegeZG bzw. FPflZG. Anspruchsinhalt: Gemäß § 9 a Abs. 1 TzBfG soll der Arbeitnehmer verlangen können, dass eine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit für einen im Voraus zu bestimmenden Zeitraum verringert wird. Der begehrte Zeitraum darf mindestens ein Jahr und höchstens fünf Jahre betragen. Neben der Absenkung kann der Arbeitnehmer auch eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit geltend machen. Dies folgt aus § 9 a Abs. 2 S. 1, Abs. 3 38 B. Gaul, AktuellAR 2018, 1, 4. 39 Eingehend dazu Bayreuther, NZA 2018, 566 ff.; Boecken/Hackenbroich, DB 2018, 956 ff.; Klein, DB 2018, 1018 ff.; Kleinebrink, DB 2018, 1147 ff.; Thüsing, BB 2018, 1076 ff.

11

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

S. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 bis 5 TzBfG. Wichtig ist allerdings, dass der Anspruch auf Brückenteilzeit in Textform geltend gemacht werden muss. Dieses Formerfordernis hat der Gesetzgeber jetzt auch in § 8 Abs. 2 TzBfG eingefügt. Wichtig ist, dass der Arbeitnehmer während der Dauer der zeitlich begrenzten Verringerung seiner Arbeitszeit keine weitere Verringerung und keine Verlängerung seiner Arbeitszeit nach diesem Gesetz verlangen kann; insoweit findet auch der allgemeine Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 9 TzBfG keine Anwendung (§ 9 a Abs. 4 TzBfG). Dies schließt allerdings nicht aus, dass der Arbeitnehmer auf einer anderweitigen gesetzlichen Grundlage (z. B. § 15 BEEG) oder auf der Grundlage kollektivvertraglicher Regelungen bereits während seiner Brückenteilzeit nach § 9 a TzBfG eine erneute Verringerung der Arbeitszeit oder eine Verlängerung dieser Teilzeitbeschäftigung geltend machen kann. Erörterung und Ablehnung: Gemäß § 7 Abs. 2 TzBfG muss der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer dessen Wunsch nach Veränderung von Dauer oder Lage oder von Dauer und Lage seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erörtern. Dies gilt unabhängig vom Umfang der Arbeitszeit. Aktualisiert wird diese Erörterungspflicht, wenn ein Anspruch auf Brückenteilzeit geltend gemacht wird. Insoweit finden die allgemeinen Handlungspflichten im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung gemäß § 8 Abs. 2, 3 TzBfG Anwendung (§ 9 a Abs. 3 TzBfG). Unter Berücksichtigung der Form- und Fristerfordernisse in § 8 Abs. 5 TzBfG kann der Arbeitgeber das Verlangen des Arbeitnehmers nach Verringerung der Arbeitszeit und einer bestimmten Form ihrer Verteilung ablehnen, soweit betriebliche Gründe entgegenstehen. Hinsichtlich der Kennzeichnung der betrieblichen Gründe findet § 8 Abs. 4 TzBfG entsprechende Anwendung (§ 9 a Abs. 2 TzBfG). Losgelöst von dem Vorliegen eines betrieblichen Grundes kann ein Arbeitgeber, der in der Regel mehr als 45, aber nicht mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftigt, das Verlangen eines Arbeitnehmers auch ablehnen, wenn zum Zeitpunkt des Beginns der Verringerung bei einer Arbeitnehmerzahl von in der Regel • mehr als 45 bis 60 bereits mindestens 4, • mehr als 60 bis 75 bereits mindestens 5, • mehr als 75 bis 90 bereits mindestens 6, • mehr als 90 bis 105 bereits mindestens 7, • mehr als 105 bis 120 bereits mindestens 8, • mehr als 120 bis 135 bereits mindestens 9, • mehr als 135 bis 150 bereits mindestens 10,

12

Gesetzesentwurf zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts

• mehr als 150 bis 165 bereits mindestens 11, • mehr als 165 bis 180 bereits mindestens 12, • mehr als 180 bis 195 bereits mindestens 13, • mehr als 195 bis 200 bereits mindestens 14

andere Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit nach § 9 a Abs. 1 TzBfG verringert haben. In der betrieblichen Praxis dürfte diese Regelung zum Überlastungsschutz kaum Bedeutung entfalten. Denn sie setzt voraus, dass die vorstehend genannte Zahl von Arbeitnehmern bereits einen Anspruch auf Brückenteilzeit geltend gemacht hat. Andere Formen der Teilzeitbeschäftigung, selbst wenn sie – wie nach § 15 BEEG – vorübergehender Natur sind, finden keine Berücksichtigung. Erneuter Antrag auf Teilzeitbeschäftigung: Gemäß § 9 a Abs. 5 TzBfG kann ein Arbeitnehmer, der nach einer zeitlich begrenzten Verringerung der Arbeitszeit nach § 9 a Abs. 1 TzBfG zu seiner ursprünglichen vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zurückgekehrt ist, eine erneute Verringerung der Arbeitszeit nach diesem Gesetz frühestens ein Jahr nach der Rückkehr zur ursprünglichen Arbeitszeit verlangen. Die Sperrwirkung erfasst also auch den unbefristeten Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung gemäß § 8 TzBfG. Für einen erneuten Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit nach berechtigter Ablehnung aufgrund entgegenstehender betrieblicher Gründe nach § 9 a Abs. 2 S. 1 TzBfG gilt § 8 Abs. 6 TzBfG entsprechend. Nach berechtigter Ablehnung aufgrund der Zumutbarkeitsregelung in § 9 a Abs. 2 S. 2 TzBfG kann der Arbeitnehmer frühestens nach Ablauf von einem Jahr erneut eine Verringerung der Arbeitszeit verlangen. Abweichende Regelung durch Tarifvertrag: Gemäß §§ 9 a Abs. 6, 22 TzBfG kann durch Tarifvertrag der Rahmen für den begehrten Zeitraum der Arbeitszeitverringerung abweichend von § 9 a Abs. 1 S. 2 TzBfG auch zu Ungunsten des Arbeitnehmers festgelegt werden. Eine Öffnungsklausel, nach der entsprechende Veränderungen auch auf der Grundlage eines Tarifvertrags durch Dienst- oder Betriebsvereinbarung festgelegt werden können, sieht der Referentenentwurf nicht vor.

b)

Erleichterungen in Bezug auf den Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit

Bereits heute sieht § 9 TzBfG vor, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit geltend machen kann. Das Erfordernis der Textform soll Rechtssicherheit und –klarheit bewirken.

13

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Nach der aktuellen Ausgestaltung des Anspruchs auf eine Verlängerung der Arbeitszeit muss der Arbeitgeber zwar darlegen und ggf. auch beweisen, dass betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entgegenstehen. Im Rahmen der Neuregelung des § 9 TzBfG soll dem Arbeitgeber auch die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes sowie für die unzureichende Eignung der oder des Teilzeitbeschäftigten mit Wunsch nach verlängerter Arbeitszeit übertragen werden. Im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung genügt es aus Sicht des Arbeitnehmers also, wenn dieser das Bestehen eines Teilzeitarbeitsverhältnisses und die Geltendmachung des Verlängerungswunsches in Textform darlegen und ggf. beweisen kann.

c)

Klarstellungen in Bezug auf die Arbeit auf Abruf

Gemäß § 12 TzBfG können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf)40. Bei dieser Sonderform der Teilzeitbeschäftigung besteht ein Dauerarbeitsverhältnis. Dies unterscheidet die Arbeit auf Abruf von Beschäftigungsformen, bei denen auf der Grundlage einer Rahmenvereinbarung jeweils befristete Einzelarbeitsverträge abgeschlossen werden. Der Vorteil der Arbeit auf Abruf liegt darin, dass der Einsatz im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts und nach § 6 S. 1 GewO angeordnet werden kann. Bei einem Rahmenvertrag, der zu befristeten Einzelarbeitsverträgen führen soll, kann der Abschluss eines solchen Einzelarbeitsvertrags und damit auch der konkrete Arbeitseinsatz durch den Arbeitnehmer abgelehnt werden. Eine Vereinbarung zur Arbeit auf Abruf muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Fehlt eine Vereinbarung zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit, soll künftig eine Arbeitszeit von 20 Stunden (bislang zehn Stunden) als vereinbart gelten. Unabhängig davon soll eine Einschränkung hinsichtlich der Ausgestaltung der Arbeit auf Abruf durch § 12 Abs. 2 TzBfG eingefügt werden. Danach darf der Arbeitgeber, wenn für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eine Mindestarbeitszeit vereinbart wurde, nur bis zu 25 % der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Falls für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eine Höchstarbeitszeit vereinbart wurde, darf der Arbeitgeber nur bis zu 40 Eingehend zur gesundheitlichen Auswirkung der Arbeit auf Abruf vgl. BT-Drucks. 18/10356; Nielebock, AiB 2018, 22, 24; Pfrogner, BB 2018, 500, 501 f.

14

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

20 % der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen. Das BAG hatte diese Schranke bereits als Konsequenz der AGB-Kontrolle aus § 307 Abs. 1 BGB abgeleitet41. Da die Arbeit auf Abruf zu einer unregelmäßigen Arbeitszeitverteilung und einer wechselnden Dauer der Arbeitszeit führen kann, sieht die gesetzliche Neuregelung Klarstellungen in Bezug auf die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder an Feiertagen vor. Danach ist die maßgebende regelmäßige Arbeitszeit i. S. d. § 4 Abs. 1 EFZG die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (Referenzzeitraum). Falls das Arbeitsverhältnis bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit noch keine drei Monate bestanden hat, soll bei der Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs die durchschnittliche Arbeitszeit dieses kürzeren Zeitraumes zugrundegelegt werden. Die Zeiten von Kurzarbeit, unverschuldeter Arbeitsversäumnisse, Arbeitsausfälle und Urlaub im Referenzzeitraum bleiben dabei außer Betracht. Diese Neuregelung erscheint sinnvoll. Allerdings sollte sie auf andere Formen der Entgeltfortzahlung (z. B. Urlaub) ausgedehnt werden. Dies gilt umso mehr, als die Tarifvertragsparteien durch §§ 12 Abs. 6, 22 TzBfG alternative Gestaltungen treffen können. (Ga)

3.

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Im Rahmen des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2016/943/EU zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung hat das BMJV am 17.4.2018 den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) vorgelegt. Das Gesetz hat auch für die arbeitsrechtliche Praxis Bedeutung. Zunächst einmal definiert § 1 Abs. 1 GeschGehG das Geschäftsgeheimnis als Information, die weder insgesamt noch in ihren Einzelheiten den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, bekannt oder ohne Weiteres zugänglich und daher von wirtschaftlichem Wert sowie Gegenstand von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist. Es dürfte nicht nur hilfreich sein, diese Begriffsbestimmung bei arbeitsvertraglichen Regelungen zur Verschwiegenheit in Bezug auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu nutzen. 41 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423 ff.

15

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob der Schutz von Geschäftsgeheimnissen zukünftig an die Voraussetzung geknüpft ist, dass arbeitgeberseitige Schutzmaßnahmen ergriffen werden und – falls dies der Fall ist – welcher Natur diese sein müssen. In §§ 2, 3 GeschGehG werden erlaubte Handlungen sowie die Handlungsverbote in Bezug auf Geschäftsgeheimnisse dargestellt. Bedeutung auch für das Arbeitsverhältnis dürften die Rechtfertigungsgründe haben, die in § 4 GeschGehG genannt werden. Dieser lautet wie folgt: Die Erlangung, die Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses ist gerechtfertigt, wenn dies zum Schutz eines berechtigten Interesses erforderlich ist, insbesondere 1. zur rechtmäßigen Ausübung des Rechts der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (…), einschließlich der Achtung der Freiheit und der Pluralität der Medien; 2. zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines anderen Fehlverhaltens, wenn die das Geschäftsgeheimnis erlangende, nutzende oder offenlegende Person in der Absicht handelt, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen; 3. im Rahmen der Offenlegung durch Arbeitnehmer gegenüber der Arbeitnehmervertretung, wenn dies erforderlich ist, damit die Arbeitnehmervertretung ihre Aufgaben erfüllen kann.

Die vorstehenden Regelungen dürften erhebliche Bedeutung für die Ausgestaltung von Hinweisgebersystemen haben. Denn sie erlauben Whistleblowern, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unter den dort genannten Voraussetzungen unternehmensintern oder extern zu offenbaren. Dies entspricht den Regelungen in Art. 5 Richtlinie 2016/943/EG, wie wir bereits bei früherer Gelegenheit berichteten42. Bemerkenswert daran ist, dass nicht nur die Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung das Beschaffen, Nutzen oder Offenlegen eines Geschäftsgeheimnisses rechtfertigen kann. Es soll genügen, dass ein „anderes Fehlverhalten“ in Rede steht. Mit diesem Begriff sollen über das rechtswidrige Verhalten hinaus Aktivitäten erfasst werden, die ein unethisches Verhalten darstellen, aber nicht notwendigerweise gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Der Referentenentwurf nennt als Beispiel Auslandsaktivitäten eines Unternehmens, die in den betreffenden Ländern nicht rechtswidrig sind, aber dennoch von der Öffentlichkeit als Fehlverhal42 B. Gaul, AktuellAR 2017, 359 ff.

16

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

ten gesehen werden könnten (z. B. Kinderarbeit oder gesundheits- bzw. umweltschädliche Produktionsbedingungen). Auch die systematische und unredliche Umgehung von Steuertatbeständen wird in der öffentlichen Diskussion häufig als unethisches Verhalten angesehen. Hier soll offenbar eine Beschaffung, Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen auch dann zulässig sein, wenn steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten mit den rechtlichen Rahmenregelungen eines Landes vereinbar sind. Dies erscheint mehr als fraglich, zumal es genügt, dass der Whistleblower in der Absicht handelt, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Diese Zielsetzung muss nicht einmal das ausschließliche Motiv sein. Vielmehr genügt es, wenn diese Zielsetzung das Handeln dominiert. Dabei soll es ausreichend sein, wenn das Motiv im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens einer Plausibilitätskontrolle unterzogen werden kann43. Eine Vielzahl der in der betrieblichen Praxis geschaffenen Hinweisgebersysteme dürften eine solche Form des Whistleblowing nicht erfassen. Empfehlenswert erscheint gleichwohl, eine Anpassung dieser Systeme erst dann vorzunehmen, wenn das GeschGehG im Gesetzgebungsverfahren seine abschließende Fassung erfahren hat. Darüber hinaus wird man im Auge behalten müssen, dass die Richtlinie zum Schutz von Personen, die über Verstöße gegen das Unionsrecht berichten (Whistleblower-Richtlinie), über deren Entwurf wir an anderer Stelle berichten44, ebenfalls Handlungsvorgaben enthält, die bei der Ausgestaltung von Hinweisgebersystemen zu berücksichtigen sind. In den §§ 5 ff. GeschGehG werden umfangreiche Regelungen zu Ansprüchen des Inhabers eines Geschäftsgeheimnisses für den Fall einer Rechtsverletzung getroffen. Darin geht es vor allem um einen Anspruch auf Unterlassung oder Schadensersatz. Ist der Rechtsverletzer Beschäftigter oder Beauftragter eines Unternehmens, so bestehen diese Ansprüche auch gegen den Inhaber des Unternehmens (§ 11 GeschGehG). Soweit in § 14 GeschGehG eine ausschließliche Zuständigkeit der Zivilkammern der Landgerichte ohne Rücksicht auf den Streitwert für Klagen, durch die Ansprüche nach dem GeschGehG geltend gemacht werden (Geschäftsgeheimnisstreitsachen) vorgesehen ist, schließt dies nicht aus, dass wegen einer Abmahnung oder Kündigung bei der Missachtung rechtlicher Pflichten im Zusammenhang mit dem Umgang mit Geschäftsgeheimnissen Klage beim Arbeitsgericht erhoben wird. (Ga)

43 Referentenentwurf S. 25. 44 B. Gaul, AktuellAR 2018, 24 ff.

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Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

18

B.

1.

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Überarbeitung der Entsenderichtlinie

Am 28.2.2018 haben sich die Vertreter der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates auf den Inhalt der Änderungen der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen geeinigt. Es steht zu erwarten, dass die Richtlinie auf dieser Grundlage in Kürze verabschiedet wird. Mit der Neufassung der Entsenderichtlinie wird sichergestellt, dass entsandte Arbeitnehmer in der Regel in den Genuss der gleichen Vorschriften über Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen kommen, wie die in dem Einsatzstaat lokal beschäftigten Arbeitnehmer. Im Bereich der Entlohnung soll es dabei nicht mehr nur um Mindestlohnsätze gehen. Vielmehr sollen sämtliche Entlohnungsvorschriften, die im Allgemeinen auch bei lokalen Arbeitnehmern zum Tragen kommen, auf entsandte Arbeitnehmer angewandt werden. Dies gilt auch für eine Vergütung von Überstunden. Lediglich die betriebliche Altersversorgung wird aus dem Anwendungsbereich der Entsenderichtlinie ausgenommen. Damit die betroffenen Arbeitsvertragsparteien sich Kenntnis von diesen Arbeitsbedingungen verschaffen können, werden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, auf einer öffentlichen Website Informationen zu den die Entlohnung ausmachenden Bestandteilen und allen sonstigen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zu veröffentlichen, die nach Maßgabe der Entsenderichtlinie wegen ihrer allgemeinen Verbindlichkeit auch beim grenzüberschreitenden Einsatz von Arbeitnehmern Beachtung finden müssen. Wichtig ist, dass diese Arbeitsbedingungen nicht nur für die unmittelbare Erfüllung einer Dienstleistung grenzüberschreitend eingesetzter Arbeitnehmer gelten sollen. Vielmehr sollen die Mitgliedstaaten berechtigt werden, eine Pflicht zur Einhaltung dieser Arbeitsbedingungen auch in solchen Fällen vorzusehen, in denen Subunternehmer im Rahmen der Erfüllung einer grenzüberschreitenden Dienstleistung eingesetzt werden. Voraussetzung ist, dass insoweit keine Diskriminierung der grenzüberschreitend tätigen Unternehmen gegeben ist. Eine entsprechende Verpflichtung zur Einhaltung von Mindestarbeitsbedingungen muss also auch bei einer solchen Unterbeauftragung für die nur im Einsatzland tätigen Unternehmen gegeben sein. 19

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Bei der Anwendung der Entsenderichtlinie soll es nicht darauf ankommen, ob Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfen eines im Ausland bestehenden Unternehmens tätig werden. Auch Leiharbeitnehmer, die grenzüberschreitend überlassen werden, fallen in den Anwendungsbereich der geänderten Handlungsvorgaben. Ganz erhebliche Bedeutung für die betriebliche Praxis hat der Umstand, dass die Verbindlichkeit der im Einsatzstaat geltenden Arbeitsbedingungen ohne Rücksicht auf das geltende Arbeitsstatut zur Anwendung kommen soll, wenn die Entsendungsdauer 24 Monate übersteigt. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn die Arbeitsbedingungen des Herkunftslandes, die nach den allgemeinen Regelungen des Internationalen Privatrechts zur Anwendung kommen, für den Arbeitnehmer günstiger sind. Schon dieser Günstigkeitsvergleich, der im Zweifel sachgruppenbezogen durchzuführen ist und dessen Ergebnis sich verändern kann, dürfte erhebliche Probleme bereiten. Hinzu kommt, dass insoweit eine arbeitsplatzbezogene Betrachtungsweise vorgesehen ist. Ersetzt das Unternehmen einen entsandten Arbeitnehmer durch einen anderen entsandten Arbeitnehmer, der die gleiche Tätigkeit am gleichen Ort ausführt, soll als Entsendungsdauer für die Zwecke der Entsenderichtlinie die Gesamtdauer der Entsendezeiten der betreffenden einzelnen Arbeitnehmer gelten. Dies kann zur Folge haben, dass bereits vom ersten Tag an zwingend die Arbeitsbedingungen des Einsatzlandes für ein Arbeitsverhältnis verbindlich sind. Auch wenn nicht mehr zu erwarten ist, dass im Rahmen der abschließenden Verabschiedung der Richtlinie zur Änderung der Entsenderichtlinie noch inhaltliche Anpassungen erfolgen, sollte die betriebliche Praxis dies im Auge behalten. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die vorstehend beschriebenen Handlungsvorgaben auch bei grenzüberschreitenden Einsatzformen zwischen Konzernunternehmen zum Tragen kommen. (Ga)

2.

Vorschlag einer Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union

Am 21.12.2017 hat die Europäische Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union vorgelegt1. Mit der Richtlinie soll eine Modernisierung der Richtlinie 91/533/EWG über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrich1

20

COM(2017) 797 final.

Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen

tung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (Nachweisrichtlinie) bewirkt werden. Auf folgende Aspekte sei hingewiesen: Grundsätzlich findet die Richtlinie auf alle Arbeitsverhältnisse Anwendung, deren Dauer monatlich acht Stunden übersteigt. Abweichend hiervon sollen die Regelungen zur Transparenz eines Beschäftigungsverhältnisses auch dann zur Anwendung kommen, wenn arbeitsvertraglich kein garantierter Umfang bezahlter Arbeit festgelegt wird. Solche Null-Stunden-Verträge dürften allerdings nach deutschem Recht mit §§ 307 Abs. 1 BGB, 12 TzBfG nicht vereinbar sein2. Auch die Transparenzrichtlinie bewirkt kein gesetzliches Schriftformerfordernis für den Abschluss von Arbeitsverträgen. Vielmehr soll sichergestellt werden, dass Arbeitnehmern spätestens am ersten Tag des Beschäftigungsverhältnisses eine Information über die wesentlichen Bedingungen ihrer Beschäftigung in Form eines Dokuments bereitgestellt wird. Dieses Dokument darf elektronisch bereitgestellt und übermittelt werden, sofern es für die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer leicht zugänglich ist sowie gespeichert und ausgedruckt werden kann. Soweit der Arbeitsvertrag – was zulässig ist – auf Regelungen in Kollektivverträgen verweist, ist durch die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass diese Regelungen allgemein und kostenlos sowie in klarer, transparenter, umfassender und leicht zugänglicher Art und Weise durch Fernkommunikationsmittel und auf elektronischem Weg zur Verfügung gestellt werden. Hierzu gehören auch Online-Portale für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen der Union. Die derzeitige Handhabe, die Tarifverträge vielfach nur den Gewerkschaftsmitgliedern und Mitgliedern der Arbeitgeberverbände verfügbar macht, wird entsprechend angepasst werden müssen. Im Wesentlichen entsprechen viele Bestandteile des dem Arbeitnehmer verfügbar zu machenden Nachweises den bereits heute aus § 2 NachwG resultierenden Anforderungen. Veränderungen wird es nach dem Entwurf unter anderem in Bezug auf die Beschreibung der arbeitsvertraglichen Tätigkeit, die Dauer und die Bedingungen der Probezeit, einen etwaigen Anspruch auf Fortbildung, das bei der Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses vom Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, die Modalitäten und Vergütung von Überstunden sowie den Arbeitszeitplan geben. Es dürfte wichtig sein, nach Verabschiedung der Transparenzrichtlinie die Ar-

2

LAG Düsseldorf v. 29.7.2015 – 7 Sa 313/15, AuR 2016, 367 f.

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Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

beitsvertragsmuster zu überprüfen und ggf. erforderliche Anpassungen vorzunehmen. Die vorstehenden Hinweise auf die wesentlichen Arbeitsbedingungen gelten weiterhin auch dann, wenn Änderungen des Beschäftigungsverhältnisses in Rede stehen. Abweichend von der derzeitigen Vorgabe, die eine Information erst einen Monat nach dem Wirksamwerden der Änderung vorsieht, soll der Nachweis durch den Arbeitgeber allerdings spätestens an dem Tag in Form eines Dokuments bereitgestellt werden, an dem diese Änderungen wirksam werden. Wenn die Nachweispflichten nicht erfüllt werden, besteht bereits heute ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers. Darauf hat das BAG bereits bei früherer Gelegenheit hingewiesen. Relevant wird dies insbesondere dann, wenn mangels des erforderlichen Hinweises auf die Geltung tarifvertraglicher Ausschlussfristen durch den Arbeitnehmer etwaige Ansprüche nicht rechtzeitig geltend gemacht werden3. Die Transparenzrichtlinie will diese Sanktionsmechanismen erweitern. Einerseits können die Mitgliedstaaten dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnen, bei der zuständigen Behörde zeitnah eine Beschwerde einzureichen. Diese kann dann neben Handlungspflichten des Arbeitgebers zur Festsetzung einer Verwaltungsstrafe führen. Alternativ hierzu kann im Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen werden, dass der Arbeitnehmer in den Genuss von für ihn günstigeren Arbeitsbedingungen kommt, wenn unterschiedliche Regelungen denkbar sind. Der Arbeitgeber soll allerdings die Möglichkeit haben, eine entsprechende Vermutung zu widerlegen. Beispielhaft nennt der Entwurf das Fehlen einer Befristung, einer Probezeit oder einer Teilzeitbeschäftigung. Losgelöst von den vorstehend genannten Regelungen zur Transparenz der Arbeitsbedingungen sieht der Richtlinienentwurf darüberhinausgehende Vorgaben zur Höchstdauer einer Probezeit vor. Danach soll durch die Mitgliedstaaten sichergestellt werden, dass eine Probezeit, falls das Beschäftigungsverhältnis eine solche umfasst, einschließlich etwaiger Verlängerungen nicht länger als sechs Monate dauert. Ausnahmen sollen nur dann gerechtfertigt sein, wenn sich dies aus der Art der Beschäftigung oder dem Interesse des Arbeitnehmers ergibt (z. B. Probezeit bei Führungskräften, längere Erkrankung des Arbeitnehmers). Ergänzend hierzu sollen Regelungen zur Mindestplanbarkeit der Arbeit geschaffen werden, die auch die Arbeit auf Abruf erfassen. Veränderungen in 3

22

Vgl. BAG v. 21.2.2012 – 9 AZR 486/10, NZA 2012, 750 ff.

Aktueller Stand zum Richtlinienvorschlag zur Work-Life-Balance

Bezug auf § 12 TzBfG dürften damit aber nicht verbunden sein. Außerdem soll durch die Mitgliedsstaaten gewährleistet werden, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nicht verbieten darf, außerhalb des mit ihm festgelegten Arbeitszeitplans eine Beschäftigung bei anderen Arbeitgebern aufzunehmen. Die Arbeitgeber dürfen jedoch Unvereinbarkeitskriterien festlegen, bei deren Vorliegen solche Beschränkungen aus legitimen Gründen, etwa zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen oder zur Vermeidung von Interessenskonflikten, gerechtfertigt sind. Das dürfte den üblichen Nebentätigkeitsklauseln entsprechen. Wann die Transparenzrichtlinie verabschiedet wird, ist derzeit nicht absehbar. Das Verfahren ihrer Abstimmung auf unionsrechtlicher Ebene hat gerade begonnen. (Ga)

3.

Aktueller Stand zum Richtlinienvorschlag zur WorkLife-Balance

Im EU-Parlament hat am 21.2.2018 eine Anhörung stattgefunden, die sich mit dem Richtlinienvorschlag zur Work-Life-Balance befasst, über den wir bereits berichteten4. Auf dieser Grundlage sieht der Bericht des Europäischen Parlaments vom 6.3.20185 Änderungen in Bezug auf den Entwurf vor, den der Rat der Europäischen Union am 24.11.20176 vorgelegt hatte. Nach den aktuellen Überlegungen soll die Richtlinie für Arbeitnehmer gelten, die nach Maßgabe der nationalen Rechtsvorschriften, Kollektivverträge und/oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedsstaat in einem Arbeitsverhältnis stehen. Dieser Personenkreis soll einen Anspruch auf Vaterschaftsurlaub, Elternurlaub oder Pflegeurlaub geltend machen können. Der Vaterschaftsurlaub soll bis zu zehn Arbeitstage dauern und nur in der Zeit rund um die Geburt des Kindes genommen werden können. In dieser Zeit soll der Vater einen Anspruch auf eine Bezahlung haben, die dem Krankengeld entspricht. Der Elternurlaub soll nach den aktuellen Überlegungen für die Dauer von vier Monaten bestehen und geltend gemacht werden können, bis das Kind das zwölfte Lebensjahr erreicht hat. Anspruchsinhaber sind beide Eltern, wobei ein Monat auf das jeweils andere Elternteil übertragen werden kann. Soweit die Mitgliedsstaaten den Anspruch auf Elternurlaub von einer be4 5 6

B. Gaul, AktuellAR 2017, 51 ff., 355 ff. COM(2017) 112 final. Interinstitutionelles Dossier 2017/0085(COD).

23

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

stimmten Beschäftigungs- oder Betriebszugehörigkeitsdauer abhängig machen wollen, darf diese ein Jahr nicht übersteigen. Während des Elternurlaubs ist eine Vergütung in Höhe von mindestens 75 % des Bruttolohns weiter zu zahlen. Dies dürfte über das Elterngeld hinausgehen, weil dort Schranken durch die Beitragsbemessungsgrenzen gesetzt werden. Der Urlaub für pflegende Angehörige soll nur fünf Arbeitstage pro Jahr und Arbeitnehmer betragen. Diese Regelung geht weit hinter die in Deutschland bereits vorgesehenen Ansprüche auf Arbeitsfreistellung für den Fall einer Pflege von Angehörigen zurück. Auch für diese Zeit sieht der Entwurf in seiner aktuellen Diskussion indes eine Entgeltfortzahlung in Höhe von 75 % des Bruttolohns vor. Abschließende Regelungen beschäftigen sich mit einem Anspruch des Arbeitnehmers auf flexible Arbeitsregelungen für Betreuungs- und Pflegezwecke, den Schutz von Ansprüchen der Arbeitnehmer und dem Kündigungsschutz. Insoweit kann auf die bisherige Darstellung verwiesen werden. Neu ist, dass nach Maßgabe der Richtlinie günstigere Regelungen durch die Sozialpartner getroffen werden können. Wann das Verfahren zur Verabschiedung der Richtlinie zur Work-LifeBalance abgeschlossen sein wird, ist derzeit nicht absehbar. Wir werden darüber berichten. (Ga)

4.

Vorschlag einer Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern bei Verstößen gegen das Unionsrecht

Am 23.4.2018 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über den Schutz von Personen, die über Verstöße gegen das Unionsrecht berichten, vorgelegt7. Mit der Richtlinie sollen Rahmenbedingungen für Whistleblower geschaffen werden, soweit deren Tätigkeit Missstände in Unternehmen oder öffentlichen Institutionen betrifft, die gegen das Unionsrecht verstoßen. Art. 1 des Entwurfs begrenzt den Anwendungsbereich deshalb auch auf Verstöße gegen das EU-Recht und nennt dabei beispielhaft das Vergaberecht, Finanzdienstleistungen, Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Produktsicherheit, Verbraucherschutz, Schutz der Privatsphäre und persönlicher Daten, Sicherheit der Netz- und Informationssysteme, Wettbewerbsregeln und finanzielle Interessen der Europäischen Union, Binnenmarkt sowie Körperschaftssteuervorschriften.

7

24

COM(2018) 218 final.

Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern

In persönlicher Hinsicht werden Arbeitnehmer, Selbständige ebenso wie Praktikanten erfasst. Wichtig sind die in Art. 4 ff. des Richtlinienentwurfs enthaltenen Verpflichtungen zur Einrichtung eines Meldeverfahrens, das grundsätzlich in drei Schritten erfolgen kann. Der erste Schritt ist ein interner Beschwerdegang, der durch Unternehmen geschaffen werden muss, die mehr als 50 Arbeitnehmer haben, einen Jahresumsatz von mindestens 10.000.000 € erzielen oder dem Bereich der Finanzdienstleistungen oder Geldwäsche zugeordnet sind. Das interne Meldeverfahren muss inhaltliche Voraussetzungen erfüllen, die in Art. 5 des Entwurfs definiert werden. Dazu gehören die Wahrung der Vertraulichkeit über die Identität des Hinweisgebers, die Festlegung der für eine Bearbeitung entsprechender Hinweise Verantwortlichen und ein Zeitrahmen, innerhalb dessen der Hinweisgeber ein Feedback zu dem seinerseits eingeleiteten Verfahren erhalten soll. Dieser Zeitrahmen soll drei Monate nicht übersteigen. Darüber hinaus ist der Hinweisgeber über die Voraussetzungen zu unterrichten, unter denen auch eine externe Meldung erfolgen darf (Art. 4 f. des Entwurfs). In einem zweiten Schritt sollen Meldeverfahren etabliert werden, die zu Hinweisen an die zuständigen Behörden führen (Art. 6, 13 des Richtlinienentwurfs). Grundsätzlich sind diese Meldewege subsidiär. Sie sollen deshalb nur beschritten werden, wenn interne Kanäle nicht funktionieren oder nach vernünftigem Ermessen nicht funktionieren können. Hiervon ist auch dann auszugehen, wenn die Nutzung interner Meldewege die Wirksamkeit von Untersuchungsmaßnahmen der jeweils zuständigen Behörden gefährden könnte. Meldungen in der Öffentlichkeit bzw. gegenüber den Medien sind nach Art. 7, 13 des Richtlinienentwurfs nur vorgesehen, wenn nach der Meldung über andere Kanäle keine geeigneten Maßnahmen ergriffen werden oder wenn eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses oder die Gefahr eines irreparablen Schadens besteht. Auch insoweit enthält die Richtlinie indes dezidierte Vorgaben, die bei der Organisation und Besetzung der verantwortlichen Stellen ebenso wie bei der Bearbeitung etwaiger Hinweise beachtet werden müssen. Art. 13 des Richtlinienentwurfs legt die Voraussetzungen fest, unter denen ein Schutz der Hinweisgeber erfolgen soll. Grundsätzlich ist ein entsprechender Schutz daran geknüpft, dass der Hinweisgeber in nachvollziehbarer Weise davon ausgehen darf, dass die berichteten Tatsachen der Wahrheit entsprechen und darin ein Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union zu sehen ist. Soweit entsprechende Meldungen gegenüber den Behörden 25

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

oder der Öffentlichkeit erfolgen, müssen weitergehende Voraussetzungen erfüllt sein, um den Hinweisgeber zu schützen. Unabhängig davon werden Hinweisgeber in Gerichtsverfahren geschützt, indem eine Haftung für offengelegte Informationen ausgeschlossen wird. Dies entspricht der auch in § 4 GeschGehG enthaltenen Rechtfertigung, über die wir an anderer Stelle berichtet hatten8. Da das Verfahren über die Inkraftsetzung einer entsprechenden Richtlinie erst im April dieses Jahres eingeleitet wurde, ist jedenfalls vor Ende des Jahres keine Einigung zu erwarten. Im Gegenteil: In der Regel führt die notwendige Beteiligung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates noch zu Veränderungen, die auch den Inhalt der arbeitgeberseitigen Handlungspflichten in maßgeblicher Weise beeinflussen. Wir werden weiter berichten. (Ga)

8

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B. Gaul, AktuellAR 2018, 15 ff.

C. 1.

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Auswirkungen der BVerfG-Entscheidung zu weiteren Geschlechtsbezeichnungen

Mit Beschluss vom 10.10.20171 hat das BVerfG deutlich gemacht, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht, wie es durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistet wird, die geschlechtliche Identität schütze. Daher schütze es auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen ließen. Unabhängig davon schütze Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG auch Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen ließen, vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts. Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen ließen, würden daher in beiden Grundrechten verletzt, wenn das Personenstandsrecht dazu zwinge, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als weiblich oder männlich zulasse. In dem seine Entscheidung zugrunde liegenden Fall besaß die Klägerin einen atypischen Chromosomensatz (sog. Turner-Syndrom), was zur Folge hatte, dass sie sich dauerhaft weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlte. Nachdem sie bei ihrer Geburt dem weiblichen Geschlecht zugeordnet worden war und als Mädchen in das Geburtenregister eingetragen wurde, beantragte sie jetzt die positive Eintragung der Geschlechtsangabe „inter/divers“, hilfsweise „divers“ in das Geburtenregister. Dieser Eintrag wurde durch das zuständige Standesamt mit der Begründung abgelehnt, dass die maßgeblichen Regelungen in §§ 21 Abs. 1 Nr. 3, 22 Abs. 3 PStG eine solche Eintragung nicht zuließen. Als diese Entscheidung durch den BGH bestätigt wurde, erhob sie Verfassungsbeschwerde. Diese Verfassungsbeschwerde war nach Auffassung des BVerfG begründet. Weil die intergeschlechtliche Identität der Klägerin eindeutig und dauerhaft sei, habe sie Anspruch auf gleichberechtigte Anerkennung ihres Geschlechts als Ausprägung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Dabei genüge es nicht, ihr die Möglichkeit zu eröffnen, den Eintrag des Geschlechts offen zu lassen, wenn sie eine Zuordnung zu den Kategorien männlich oder weiblich 1

BVerfG v. 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16, NJW 2017, 3643 ff.; Körlings, NZA 2018, 282 ff.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

ablehne. Damit werde ihr in einem konstitutiven Bestandteil ihrer Identität unmöglich gemacht, nach außen als die Person aufzutreten, als die sie auch unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse zugeordnet werden könne. Insoweit sei auch eine weitere geschlechtliche Kategorie „inter/divers“ geeignet, dem Zweck der personenstandsrechtlichen Klarheit zu entsprechen, ohne dass damit ein „drittes Geschlecht“ geschaffen werden müsse. Berechtigterweise ist das BVerfG auch von einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ausgegangen. Denn diese Vorschrift schütze nicht nur Männer und Frauen, sondern auch Menschen, die sich diesen beiden Kategorien in ihrer geschlechtlichen Identität nicht zuordnen, vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts. Dies folge auch aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, der ohne Einschränkung allgemein von „Geschlecht“ spreche, was auch ein Geschlecht jenseits von männlich oder weiblich sein könne. Von diesen Grundsätzen des BVerfG ausgehend, ist auch der Arbeitgeber gehalten, die Möglichkeit eines Geschlechts anzuerkennen, das weder dem der Frau noch dem des Mannes zugeordnet werden kann. Die Anerkennung weiterer Geschlechtsformen sollte deshalb bereits in Stellenausschreibungen zum Ausdruck gebracht werden, in dem dort neben „m/w“ auch die Bezeichnung „inter/divers“, „divers“ oder „m/w/i/d“ bzw. „m/w/d“ verwendet wird2. Andernfalls entstünde der Eindruck, dass die Stelle nur für Männer oder Frauen bestimmt sei. Bewerber eines weiteren Geschlechts würden damit in einer Weise ausgeschlossen, die mit Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG bzw. §§ 1, 3, 7 AGG nicht vereinbar wäre. Unabhängig davon steht zu erwarten, dass auch im Bereich des Arbeitsschutzes und der ArbStättV Anpassungen erfolgen. Sie würden dem Umstand folgen, dass neben Männern und Frauen auch den Bedürfnissen von Arbeitnehmern weiterer Geschlechtstypen Rechnung zu tragen ist. Beispielhaft sei hier nur auf Toiletten, Umkleide- oder Waschräume hingewiesen. Denkbar ist, dass entsprechende Vorgaben verstärkt durch UnisexEinrichtungen erfüllt werden. Ob der Gesetzgeber mit Blick auf die Entscheidung des BVerfG auch die Regelungen zum Schutz des Minderheitsgeschlechts, wie sie im Bereich der Betriebsverfassung oder Unternehmensmitbestimmung enthalten sind, anpassen wird, ist offen. Denkbar ist es, die derzeit bestehenden Regelungen nicht ohne Weiteres auch auf die Minderheit der Arbeitnehmer auszudehnen, 2

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Bettinghausen, BB 2018, 372 ff.

BVerfG-Entscheidung zu weiteren Geschlechtsbezeichnungen

die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Insbesondere bei der Besetzung des Betriebsrats dürfte es auch dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechen, Schwellenwerte festzulegen, die überschritten werden müssen, damit ein Vertreter des Minderheitengeschlechts ohne Rücksicht auf die Zahl der Stimmen, die auf seine Person fallen, Mitglied des Betriebsrats werden kann3. Folgt man den Feststellungen des BGH im Urteil vom 13.3.20184 dürfte es allerdings nicht erforderlich sein, Arbeitsverträge, Gesamtzusagen, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge anzupassen, um ausdrücklich auch Arbeitnehmer zu erfassen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hat die Klägerin geltend gemacht, dass die Sparkasse als ihr Vertragspartner verpflichtet sei, Formulare zu verwenden, die – soweit ihre Person betroffen sei – die weibliche Form des Kunden enthielten. Ohne eine solche Korrektur der Formulare werde sie durch die Ansprache in ausschließlich männlicher Form als Frau totgeschwiegen, ihrer weiblichen Existenz beraubt und sozusagen geschlechtsumgewandelt. In den Gründen seiner Entscheidung hat der BGH anerkannt, dass grammatikalisch maskuline Personenbezeichnungen, die sich auf jedes natürliche Geschlecht beziehen, zunehmend als benachteiligend kritisiert und teilweise nicht mehr so selbstverständlich als verallgemeinernd empfunden werden, wie dies noch in der Vergangenheit der Fall gewesen sein möge5. Ungeachtet dessen bestehe aber kein gesetzlicher Anspruch darauf, in Vordrucken und Formularen nicht mit Personenbezeichnungen erfasst zu werden, deren grammatisches Geschlecht vom eigenen natürlichen Geschlecht abweiche. Dies gelte unabhängig davon, dass in dem Bereich der Gesetzgebung und Verwaltung erkennbar das Ziel verfolgt werde, die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen. Entscheidend für den BGH ist der allgemein übliche Sprachgebrauch, der es zulasse, Arbeitnehmer unterschiedlichen Geschlechts durch das generische Maskulinum zu erfassen. Auch wenn eine Person als Ausfluss ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch darauf habe, entsprechend ihrer geschlechtlichen Identität angesprochen zu werden, müsse auch insoweit auf den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch abgestellt werden. Hiervon 3 4 5

Weller, BB 2018, I. BGH v. 13.3.2018 – VI ZR 143/17 n. v. BGH v. 13.3.2018 – VI ZR 143/17 n. v. Rz. 37.

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ausgehend sei die Wahrung der Persönlichkeit nicht spezifisch gefährdet, wenn die Geschlechtszugehörigkeit nicht angegeben oder gezeichnet werde und die konkrete Geschlechtszugehörigkeit einer Person in der Bezeichnung keinen ausdrücklichen Niederschlag finde6. Von diesen Grundsätzen ausgehend sei auch ein Verstoß gegen § 241 Abs. 2 BGB abzulehnen7. Ungeachtet dieser grundsätzlich bestehenden Berechtigung, in individualoder kollektivrechtlichen Regelungen weiterhin den Begriff des Arbeitnehmers zu verwenden und damit unter Bezugnahme auf das „generische Maskulinum“ Arbeitnehmer jeden Geschlechts zu erfassen, dürfte es bereits aus personalpolitischen Gründen naheliegen, insbesondere auf der individualrechtlichen Ebenen weiterhin differenziert von Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer zu sprechen. In Kollektivvereinbarungen könnte die Bezeichnung „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ durch den Hinweis ersetzt werden, dass mit dem Begriff des Arbeitnehmers Arbeitnehmer jeden Geschlechts erfasst werden. Alternativ könnte auch hier das Wort „Arbeitnehmer“ durch den Zusatz „m/w/d“ oder „m/w/i/d“ ersetzt werden. Dies würde die Sensibilität des Arbeitgebers für Arbeitnehmer zum Ausdruck bringen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Folgt man den Feststellungen im Sachverhalt der Entscheidung des BVerfG, entspricht dies einer Anzahl von etwa 160.000 Personen in Deutschland. (Ga)

2.

Aktuelle Rechtsprechung zur Diskriminierung von Bewerbern

a)

Diskriminierung von Bewerbern wegen ethnischer Herkunft durch das Erfordernis „deutsch als Muttersprache“

§§ 1, 7 AGG verbieten unter anderem, wegen der ethnischen Herkunft zu benachteiligen. Eine solche Benachteiligung kann – wie das BAG im Urteil vom 29.6.20178 deutlich gemacht hat – auch darin liegen, dass in einer Stellenausschreibung die Anforderung „deutsch als Muttersprache“ enthalten ist. Die erworbene Muttersprache sei – so das BAG – typischerweise mittelbar mit der Herkunft und damit auch mit dem in § 1 AGG genannten Grund der

6 7 8

30

BVerfG v. 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16, NJW 2017, 3643 ff. Rz. 46, 50; BGH v. 13.3.2018 – VI ZR 143/17 n. v. Rz. 38 ff., 45. BGH v. 13.3.2018 – VI ZR 143/17 n. v. Rz. 50. BAG v. 29.6.2017 – 8 AZR 402/15, NZA 2018, 33 ff. Rz. 52 ff.

Aktuelle Rechtsprechung zur Diskriminierung von Bewerbern

„ethnischen Herkunft“ verknüpft. Der Begriff „Muttersprache“ betreffe den primären Spracherwerb. „Muttersprache“ sei die Sprache, die man als Kind – typischerweise von den Eltern – gelernt habe. Dabei sei nicht entscheidend, ob der Begriff der muttersprachlichen Kenntnisse den Rückschluss auf eine bestimmte Ethnie zulasse. Die Muttersprache betreffe in besonderer Weise den Sprachraum und damit die ethnische Herkunft eines Menschen, was für die Annahme einer Benachteiligung i. S. d. §§ 1, 3 AGG ausreichend ist. Wenn besondere Sprachkenntnisse verlangt werden sollen, ist es deshalb wichtig, diese nicht mit der „Muttersprache“ zu verknüpfen. Es kann ohne einen solchen Bezug auf „exzellente“ Sprachkenntnisse in Wort und Schrift verwiesen werden. Ein solches Erfordernis kann zwar mittelbar die Bewerbung von Personen erschweren, die deutsch erst als Fremdsprache erlernt haben und im Zweifel einer anderen Ethnie angehören. Das Erfordernis „exzellenter“ Sprachkenntnisse stellt aber ein legitimes Ziel dar, das eine entsprechende (mittelbare) Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 2 AGG rechtfertigt.

b)

Diskriminierung wegen Missachtung von Verfahrensund/oder Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Bewerber

Eine Diskriminierung mit der Konsequenz von Schadenersatz- und/oder Entschädigungsansprüchen gemäß § 15 AGG kommt auch in Betracht, wenn der Arbeitgeber gegen Verfahrens- und/oder Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen verstößt. Denn darin liegt ein Indiz i. S. d. § 22 AGG, das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lässt, dass der/die schwerbehinderte Arbeitnehmer/in wegen seiner/ihrer Schwerbehinderung benachteiligt wurde. In diesem Fall obliegt es dem Arbeitgeber, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt wurde. Darauf hat das BAG mit Urteil vom 28.9.20179 unter Bezugnahme auf die durch § 81 Abs. 1 S. 7 bis 9 SGB IX a. F. (heute: § 164 Abs. 1 S. 7 bis 9 SGB IX) geregelten Pflichten gegenüber Bewerbern mit einer Schwerbehinderung bzw. einer Gleichstellung hingewiesen. § 164 Abs. 1 SGB IX enthält eine Vielzahl von Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit der Besetzung einer Stelle in Bezug auf Bewerber und potentielle Bewerber arbeitgeberseitig zu berücksichtigen sind. Zu Beginn steht die Verpflichtung zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehin9

BAG v. 28.9.2017 – 8 AZR 492/16, NZA 2018, 519 ff. Rz. 21 f., 25 ff.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

derten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. Dabei müssen die Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 SGB IX beteiligt und der Betriebsrat angehört werden. Hierfür muss der Arbeitgeber frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufnehmen. Über Vermittlungsvorschläge und vorliegende Bewerbungen schwerbehinderter Menschen muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und den Betriebsrat unmittelbar nach Eingang unterrichten. Gemäß § 164 Abs. 1 S. 7 SGB IX muss der Arbeitgeber die beabsichtigte Personalentscheidung unter Darlegung der Gründe mit der Schwerbehindertenvertretung oder dem Betriebsrat erörtern, wenn er seine Beschäftigungspflicht nicht erfüllt und die Schwerbehindertenvertretung oder der Betriebsrat mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sind. Dabei ist der betroffene schwerbehinderte Mensch anzuhören (§ 164 Abs. 1 S. 8 SGB IX). Alle Beteiligten sind vom Arbeitgeber über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten (§ 164 Abs. 1 S. 9 SGB IX). Mit Urteil vom 28.9.201710 hat das BAG klargestellt, dass die Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung des abgelehnten Bewerbers und die Pflicht zur Unterrichtung über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe nur besteht, wenn sämtliche Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 S. 7 SGB IX erfüllt sind. Es genügt also nicht, dass die Schwerbehindertenvertretung oder der Betriebsrat mit der beabsichtigten Einstellungsentscheidung des Arbeitgebers nicht einverstanden sind. Voraussetzung ist auch, dass der Arbeitgeber gegen seine gesetzliche Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen verstößt, die Quote für eine Beschäftigung dieser Menschen also nicht erfüllt wird. Wird die Quote erfüllt, bewirkt auch ein etwaiger Widerspruch der Schwerbehindertenvertretung oder des Betriebsrats keine zusätzliche Erörterungspflicht. Zur Begründung hat das BAG in überzeugender Weise auf den Wortlaut, die Systematik und den Zweck der Vorschrift verwiesen. Wichtig ist es, in der betrieblichen Praxis diese Anwendungsvoraussetzungen zu berücksichtigen. Auch wenn das Risiko einer Missachtung damit kleiner wird, sollte sichergestellt werden, dass diese Verfahrensund/oder Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Bewerber ohne Einschränkung eingehalten werden. Dies gilt umso mehr, als eine Missachtung von Vorschriften, die auch ohne Kenntnis um die Schwerbehinderung eines Bewerbers zu beachten sind (z. B. § 164 Abs. 1 S. 1, 2 SGB IX), ein

10 BAG v. 29.6.2017 – 8 AZR 402/15, NZA 2018, 33 ff. Rz. 20 ff.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Diskriminierung von Bewerbern

Indiz für eine Benachteiligung wegen Behinderung darstellen, das kaum widerlegt werden kann.

c)

Geltendmachung von Schadensersatz und Entschädigung

Gemäß § 15 Abs. 4 S. 1 AGG muss ein Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung gemäß § 15 Abs. 1, 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Gemäß § 15 Abs. 4 S. 2 AGG beginnt die Frist bei einer Bewerbung oder für den Fall eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Die Ablehnung eines Bewerbers ist – so das BAG – indes keine rechtsgestaltende Willenserklärung, sondern eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung. Da sie durch § 15 Abs. 4 S. 2 AGG an keine bestimmte Form geknüpft wird, muss sie weder schriftlich noch sonst verkörpert erfolgen und kann deshalb auch mündlich erklärt werden. Ergänzend hierzu bestimmt § 61 b Abs. 1 ArbGG, dass eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden muss. Voraussetzung für die Annahme einer „Ablehnung durch den Arbeitgeber“ i. S. d. § 15 Abs. 4 S. 2 AGG ist nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom 29.6.201711 eine auf den Beschäftigten bezogene ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Arbeitgebers, aus der sich für den Beschäftigten aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers eindeutig ergibt, dass seine Bewerbung keine Aussicht (mehr) auf Erfolg hat. Ein bloßes Schweigen des Arbeitgebers oder ein Untätigbleiben genügt nicht, um die Frist des § 15 Abs. 4 AGG in Lauf zu setzen. Ebenso wenig reicht es, wenn – so das BAG – der Bewerber nicht durch den Arbeitgeber, sondern auf andere Art und Weise erfährt, dass seine Bewerbung erfolglos war. Das Untätigbleiben eines Arbeitgebers kann auch dann nicht als eine Ablehnung gewertet werden, wenn es im Zusammenhang mit der Ausschreibung einer befristeten Stelle erfolgt. Selbst wenn der Arbeitgeber in der Ausschreibung einer befristeten Stelle ausdrücklich erkläre, dass jeder Bewerber als abgelehnt gelte, der bis zum Ablauf des vorgesehenen Befristungszeitraums keine gegenteilige Mitteilung erhalte, würde – so das BAG – hierdurch mit Ablauf des Befristungszeitraums die Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG nicht in Lauf gesetzt. Eine solche, in einer Stellenausschrei11 BAG v. 29.6.2017 – 8 AZR 402/15, NZA 2018, 33 ff. Rz. 20 ff.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

bung enthaltene vorweggenommene Ablehnung sei keine Ablehnung i. S. d. § 15 Abs. 4 S. 2 AGG. Denn die Vorschrift verlange nicht nur eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Arbeitgebers, aus der sich ergebe, dass die Bewerbung erfolglos geblieben sei. Die Bestimmung setze zudem eine auf den Beschäftigten (individuell) bezogene Ablehnung voraus12. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Bewerber auch ohne eine solche Ablehnung des Arbeitgebers sichere Kenntnis davon hat, dass die Bewerbung erfolglos gewesen ist. Davon kann nach den Feststellungen des BAG auszugehen sein, wenn der Bewerber selbst in der Bewerbung unmissverständlich erklärt hat, ausschließlich innerhalb eines bestimmten Zeitraums zur Verfügung zu stehen und dieser Zeitraum abgelaufen ist, oder wenn – für jedermann offensichtlich – für die Arbeitsleistung eine bestimmte Leistungszeit so wesentlich ist, dass diese typischerweise zu einem anderen Zeitpunkt bzw. innerhalb eines anderen Zeitraums nicht nachgeholt werden kann und dieser Zeitraum abgelaufen ist. Hiervon kann bei Saisongeschäft oder einmaligen Ereignissen (z. B. Oktoberfest) ausgegangen werden13. (Ga)

3.

Schriftform beim Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses

Gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrags zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Entsprechendes gilt dann, wenn der Arbeitsvertrag unter einer auflösenden Bedingung geschlossen wird (§ 21 TzBfG). In seinem Urteil vom 25.10.201714, auf das wir wegen seiner Feststellungen zur Altersgrenze für den Fall einer Regelaltersrente durch ein berufsständisches Versorgungswerk an anderer Stelle hingewiesen haben15, hat der 7. Senat des BAG deutlich gemacht, dass das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG nicht schon dann gewahrt sei, wenn eine die Befristungsabrede enthaltende Vertragsurkunde von beiden Parteien vor Vertragsbeginn unterzeichnet wurde16. In diesem Fall wäre es ausreichend für die Wirksamkeit der Befristungsabrede, dass eine Ausfertigung des Vertrags existiere, auf der sich beide Unterschriften befänden. 12 13 14 15 16

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BAG v. 29.6.2017 – 8 AZR 402/15, NZA 2018, 33 ff. Rz. 32 f. Vgl. BAG v. 29.6.2017 – 8 AZR 402/15, NZA 2018, 33 ff. Rz. 34. BAG v. 25.10.2017 – 7 AZR 632/15, NZA 2018, 507 ff. Rz. 50 f. B. Gaul, AktuellAR 2018, 122 f. Vgl. BGH v. 14.7.2004 – XII ZR 68/02, NJW 2004, 2962 ff.

Schriftform beim Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses

Das BAG lehnt dieses Verständnis von § 14 Abs. 4 TzBfG auch unter Berücksichtigung von § 126 Abs. 1 BGB ab. Nach § 126 Abs. 1 BGB erfordert die Einhaltung der Schriftform eine eigenhändig vom Aussteller mit Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnete Urkunde. Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet (§ 126 Abs. 2 BGB). Aus Sicht des 7. Senats des BAG wird das gesetzliche Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG nicht bereits dann gewahrt, wenn eine einheitliche Vertragsurkunde von beiden Parteien vor Vertragsbeginn unterzeichnet worden sei. Hat der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber vorformulierte aber noch nicht unterschriebene Vertragsurkunde unterzeichnet an den Arbeitgeber zurückgegeben, genüge zur Wahrung der Schriftform für die Befristung deshalb nicht, dass der Arbeitgeber seinerseits die Vertragsurkunde unterzeichnet. Vielmehr müsse seine schriftliche Annahmeerklärung dem Arbeitnehmer auch zugegangen sein. Ein Vertrag unter Abwesenden, für den die gesetzliche Schriftform vorgeschrieben sei, komme grundsätzlich nur dann rechtswirksam zustande, wenn sowohl der Antrag als auch die Annahme (§§ 145 ff. BGB) in der Form des § 126 BGB erklärt würden und in dieser Form auch dem anderen Vertragspartner zugegangen seien. Anders verhalte es sich nur dann, wenn – was im Einzelfall dargestellt werden muss – nach § 151 S. 1 BGB eine Annahmeerklärung entbehrlich sei17. Das BAG stützt sich bei diesem Verständnis von § 14 Abs. 4 TzBfG nicht nur auf den Gesichtspunkt der „größtmöglichen“ Rechtssicherheit. Durch den wechselseitigen Zugang des schriftlichen Angebots und der schriftlichen Annahme solle dem Arbeitnehmer deutlich vor Augen geführt werden, dass sein Arbeitsverhältnis – anders als beim Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags – als Folge der vereinbarten Befristung automatisch zu einem bestimmten Zeitpunkt enden werde und daher keine dauerhafte Existenzgrundlage bilden könne. Außerdem diene das Schriftformerfordernis einer Erleichterung der Beweisführung und solle unnötigen Streit über das Vorliegen und den Inhalt einer Befristungsabrede vermeiden. Soweit das LAG die gegenteilige Auffassung auf die Rechtsprechung des BGH zum Schriftformerfordernis für langfristige Mietverträge gestützt habe, 17 BAG v. 25.10.2017 – 7 AZR 632/15, NZA 2018, 507 ff. Rz. 54; BAG v. 14.12.2016 – 7 AZR 797/14, NZA 2017, 638 ff. Rz. 45.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

sei dies auf § 14 Abs. 4 TzBfG nicht übertragbar. Denn das Schriftformerfordernis für die Befristung von Arbeitsverträgen bezwecke nicht den Schutz Dritter, sondern ausschließlich den Schutz der Parteien. Die Vertragsparteien sollten nicht vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen gewarnt werden. Vielmehr sollte der Arbeitnehmer bei Vertragsbeginn durch Lesen der Vertragsvereinbarungen erkennen können, dass er keinen Dauerarbeitsplatz erhalten könne. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass die Parteien eines langfristigen Mietvertrags die Beurkundung eines zunächst formlos geschlossenen Vertrags jederzeit nachholen könnten. Der Vertrag gelte dann von Anfang an als in der gesetzlich vorgeschriebenen Form abgeschlossen. Dagegen könne die Beurkundung einer formlos geschlossenen Befristungsabrede nicht ohne Weiteres nachgeholt werden. Vielmehr liege darin allenfalls eine nachträgliche Befristung des zunächst einmal unbefristet entstandenen Arbeitsverhältnisses. Da § 14 Abs. 2 TzBfG auf solche Fälle keine Anwendung fände, setze die mit einer solchen Vereinbarung bezweckte Rechtsfolge voraus, dass ein die Befristung rechtfertigender Sachgrund gegeben sei18. Es ist von erheblicher Bedeutung, dass in der betrieblichen Praxis auf diese Anforderungen an die Wahrung des Schriftformerfordernisses beim Abschluss befristeter oder auflösend bedingter Arbeitsverhältnisse geachtet wird. Keine Probleme bestehen darin, wenn die Unterzeichnung gleichzeitig erfolgt und Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils eine Ausfertigung erhalten. Für den Fall, dass der Arbeitsvertrag zunächst durch den Arbeitnehmer unterzeichnet wird, muss der Arbeitgeber gewährleisten und im Streitfall auch beweisen können, dass seine schriftliche Annahmeerklärung dem Arbeitnehmer zugegangen ist. Dazu muss dem Abreitnehmer zwar kein unterzeichnetes Exemplar des Arbeitsvertrags im Original zum Verbleib ausgehändigt werden. Zumindest aber müsste ihm – so das BAG – der auch durch den Arbeitgeber im Original unterzeichnete Arbeitsvertrag zur Kenntnis gegeben werden19. Ohnehin streitig ist, ob ihm Rahmen von § 14 Abs. 4 TzBfG wirksam auf den Zugang der Annahmeerklärung gemäß § 151 BGB verzichtet werden kann, sollte dieser Zugang auch nachweisbar sein. Alternativ dürfte es ausreichend sein, dem Arbeitnehmer zwei bereits durch den Arbeitgeber unterzeichnete Ausfertigungen mit der Bitte zuzusenden, den Eingang der beiden Ausfertigungen zu unterzeichnen und eine der beiden Ausfertigungen mit einer eigenen Unterschrift zu versehen und vor Arbeitsantritt zurückzuschicken. Dann dürfte der wechselseitige Zugang einer 18 BAG v. 25.10.2017 – 7 AZR 632/15, NZA 2018, 507 ff. Rz. 55 ff. 19 BAG v. 25.10.2017 – 7 AZR 632/15, NZA 2018, 507 ff. Rz. 61.

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EuGH: Zulässige Verlängerung von Arbeitsverträgen mit Erreichen der Altersgrenze

schriftlichen Erklärung zum Abschluss des Arbeitsvertrags auch nachweisbar sein. (Ga)

4.

EuGH: Zulässige Verlängerung von Arbeitsverträgen mit Erreichen der Altersgrenze

Durch das Gesetz über Leistungsverbesserung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-LeistVerbG) vom 23.6.201420 ist dem § 41 SGB VI folgender Satz 3 zugefügt worden: Sieht eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, ggf. auch mehrfach, hinausschieben.

Diese noch nicht im Gesetzentwurf der Bundesregierung21 enthaltene Ergänzung ist durch die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 21.5.201422 vorgenommen worden. Diese Regelung verdankt ihre Entstehung der gesetzlichen Annahme, dass es in der Praxis Wünsche von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gibt, auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze und darauf bezogener Beendigungsvereinbarungen einvernehmlich das Arbeitsverhältnis für einen von vornherein bestimmten Zeitraum rechtssicher fortsetzen zu können. Diesem Anliegen wollte der Gesetzgeber dadurch entsprechen, dass ein bereits vereinbarter Beendigungszeitpunkt – ggf. auch mehrfach – zeitlich hinausgeschoben werden kann23. In der Begründung des 11. Ausschusses heißt es dazu wie folgt24: Der neue Satz 3 regelt allein das Hinausschieben des bereits vereinbarten Beendigungszeitpunktes über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus. Erforderlich ist hierfür eine vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer während des laufenden Arbeitsverhältnisses. Mit dem Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus können Arbeitnehmer und Arbeitgeber beispielsweise reagieren, wenn eine Nachbesetzung der entsprechenden Stelle nicht nahtlos erfolgen kann. Auch können 20 21 22 23 24

BGBl. I 2014, 787 ff. BT-Drucks. 18/909. BT-Drucks. 18/1489 S. 5. BT-Drucks. 18/1489 S. 25. BT-Drucks. 18/1489 S. 25.

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Arbeitnehmer laufende Projekte mit ihrer Sachkunde erfolgreich zum Abschluss bringen oder neu eingestellte, jüngere Kollegen in ihre Tätigkeit einarbeiten.

Abgesehen von den tatbestandlichen Voraussetzungen dieser besonderen rechtlichen Möglichkeit der bloßen (auch wiederholten) Verlängerung von Arbeitsverträgen mit Arbeitnehmern, deren Arbeitsvertrag zeitlich befristet mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze enden sollte und bezüglich der zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten eine Parallele zu § 14 Abs. 2 TzBfG aufweist, jedenfalls nahegelegt, war die Vereinbarkeit der Norm mit Unionsrecht zweifelhaft. Dies galt einmal wegen des Verbots der Benachteiligung wegen des Alters (Art. 1, 2 Richtlinie 2000/78/EG), aber auch wegen der beliebig häufigen Verlängerungsmöglichkeit und der fehlenden Begrenzung auf eine maximale Dauer im Hinblick auf die Befristungsrichtlinie (Richtlinie 1990/70/EG i. V. m. § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung)25. Auf Vorlage des LAG Bremen vom 23.11.201626 (Art. 267 AEUV) hat nunmehr der EuGH in einer Entscheidung vom 28.2.201827 zumindest die unionsrechtlichen Zweifel an der Wirksamkeit des § 41 S. 3 SGB VI beseitigt. Danach stehen weder Art. 2 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf noch § 5 Nr. 1 der am 18.3.1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.6.1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge § 41 S. 3 SGB VI entgegen, wonach den Arbeitsvertragsparteien ohne weitere Voraussetzungen zeitlich unbegrenzt ermöglicht wird, die vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses, ggf. auch mehrfach, hinauszuschieben, nur weil der Arbeitnehmer durch Erreichen der Regelaltersgrenze einen Anspruch auf Altersrente hat. Im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG begründet der EuGH dieses Ergebnis vor allem damit, dass der nationale Gesetzgeber mit dem Erlass der streitigen Bestimmung das Ziel verfolge, eine flexible und rechtssichere Möglichkeit zu schaffen, ein Arbeitsverhältnis im Bedarfsfall und unter bestimmten Bedingungen über den Zeitpunkt des Erreichens der Re25 Vgl. nur ErfK/Rolfs, SGB VI § 41 Rz. 22; Giesen, ZfA 2014, 217, 235; Heinz, BB 2016, 2037, 2040; Waltermann, RdA 2015, 343, 348. 26 LAG Bremen v. 23.11.2016 – 3 Sa 78/16, NZA-RR 2017, 290 ff. Rz. 56 ff. 27 EuGH v. 28.2.2018 – C-46/17, NZA 2018, 355 ff. – John. Vgl. dazu Greiner, RdA 2018, 65 ff.; Moderegger, ArbRB 2018, 109 ff.

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EuGH: Zulässige Verlängerung von Arbeitsverträgen mit Erreichen der Altersgrenze

gelaltersgrenze hinaus – auch mehrfach und ohne weitere Voraussetzungen und zeitlich unbegrenzt – fortzuführen. Denn anders als jüngere Arbeitnehmer kann ein Arbeitnehmer, der die Regelaltersgrenze erreicht, zwischen der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses und dem völligen Ausscheiden aus dem Berufsleben wählen. Daraus schlussfolgert der EuGH, dass unter solchen Umständen die Regelung des § 41 S. 3 SGB VI weder als Benachteiligung von Personen, die das Rentenalter erreicht haben, noch gegenüber Personen, die dieses Alter noch nicht erreicht haben, i. S. v. Art. 2 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden kann. Soweit es um den Anwendungsbereich von § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung geht, lässt der EuGH im Ergebnis unentschieden, ob das von der deutschen Regierung im Verfahren angeführte Argument tragfähig ist, dass sich die Frage einer Befristung bereits deshalb nicht stellen könne, weil das bereits bestehende Arbeitsverhältnis nahtlos weitergeführt werde und das Hinausschieben seiner Beendigung nicht als Abschluss eines neuen, befristeten Arbeitsvertrags angesehen werden könne28. Dies richtet sich nach nationalen Vorschriften und/oder Gepflogenheiten. Da jedoch das anfragende Gericht von einer Befristung ausgegangen sei, sieht sich der EuGH veranlasst, auch unter diesem Aspekt aus Gründen der justiziellen Zusammenarbeit eine Beurteilung der Wirkungen der Vorschriften des Unionsrechts abzugeben. In diesem Zusammenhang betont der EuGH, dass die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge den wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge als Quelle potentiellen Missbrauchs zu Lasten der Arbeitnehmer eindämmen will, weil feste Beschäftigungsverhältnisse einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes darstellten. Bezüglich der zu beurteilenden Regelung des § 41 S. 3 SGB VI weist der EuGH sodann darauf hin, dass das automatische Ende der Arbeitsverträge von Beschäftigten, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, den Arbeitnehmer der Sache nach in den Genuss eines festen Beschäftigungsverhältnisses bringt, weil das Arbeitsverhältnis erst am Ende seines Berufslebens beendet wird. Es erschiene daher auch nicht ausgeschlossen, die in der streitigen Bestimmung vorgesehene Verschiebung als bloße „vertragliche Verschiebung“ des ursprünglich vereinbarten Rentenalters aufzufassen. Aber selbst wenn man dem vorlegenden Gericht folgte, dass in dem Hinausschieben der Regelaltersgrenze ein Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge i. S. v. § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung gesehen werden könne, sei zu berücksichtigen, dass

28 Anders ausdrücklich BAG v. 25.10.2017 – 7 AZR 632/15, NZA 2018, 507 ff.: Regelungen über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen aufgrund von Altersgrenzen unterliegen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

sich ein Arbeitnehmer, der das Regelalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreicht, nicht nur hinsichtlich seiner sozialen Absicherung von anderen Arbeitnehmern, sondern auch dadurch unterscheide, dass er sich regelmäßig am Ende seines Berufslebens befindet und damit im Hinblick auf die Befristung seines Vertrags nicht vor der Alternative steht, in den Genuss eines unbefristeten Vertrags kommen zu müssen. Da die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach der streitigen Bestimmung noch während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses wirksam vereinbart wird, damit nahtlos fortgesetzt werde, die übrigen Vertragsbedingungen in keiner Weise geändert würden und der Arbeitnehmer gleichzeitig seinen Anspruch auf Altersrente behielte, verneint der EuGH einen Konflikt mit § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung auch dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien „ohne weitere Voraussetzungen zeitlich unbegrenzt“ die vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch mehrfach hinausschieben dürfen. Diese Klarstellung des EuGH kommt der betrieblichen Praxis entgegen und verleiht dem § 41 S. 3 SGB VI eine eigenständige Bedeutung neben § 14 TzBfG. Es ist wohl zu erwarten, dass sich das BAG dieser Entscheidung des EuGH anschließen wird. Allerdings sollte nicht aus dem Auge verloren werden, dass die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über die Regelaltersgrenze hinaus neben der Beachtung des Schriftformerfordernisses aus § 14 Abs. 4 TzBfG auch als Einstellung i. S. v. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist und wohl – wie bei § 14 Abs. 2 TzBfG – keine gleichzeitige Veränderung des Vertragsinhalts im Zusammenhang mit der Verlängerung duldet. Veränderungen – wie etwa die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit – müssen der Verlängerungsvereinbarung zeitlich vorgehen oder ihr nachfolgen. Außerdem gilt es zu beachten, dass der 7. Senat des BAG in einer Entscheidung vom 11.2.201529 im Falle einer befristeten Fortführung des Arbeitsvertrags nach Rentenbeginn eine sachliche Rechtfertigung i. S. v. § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG verlangt. Dabei kann die Befristung aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG sachlich gerechtfertigt sein unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann und die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses einer konkreten, im Zeitpunkt der Vereinbarung der Befristung bestehenden Personalplanung des Arbeitgebers dient. Da § 41 S. 3 SGB VI einen spezifischen Fall der nahtlosen Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über die Regelaltersgrenze hinaus behandelt, gelten für die davon nicht erfassten normalen Befristungsabreden 29 BAG v. 11.2.2015– 7 AZR 17/13, NZA 2015, 1066 ff. Rz. 33.

40

Praktische Umsetzung der Informationspflichten aus Art. 12 ff. DSGVO

die Anwendungsvoraussetzungen des § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG, obwohl der Anlass für derartige Befristungen gleichgelagert sein kann. (Boe)

5.

Praktische Umsetzung der Informationspflichten aus Art. 12 ff. DSGVO

a)

Ausgangssituation

Ab dem 25.5.2018 werden die Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz maßgeblich durch die DSGVO und das neue BDSG bestimmt30. Wir hatten über die Veränderungen bereits an anderer Stelle berichtet31. Nach Art. 12 ff. DSGVO ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Beschäftigten umfassend über eine Datenerhebung und –verarbeitung zu informieren. Betroffen hiervon sind Bewerber, Arbeitnehmer und ausgeschiedene Arbeitnehmer (einschließlich Betriebsrentner). Gegenüber den bisherigen Regelungen erweitern Art. 12 ff. DSGVO die arbeitgeberseitigen Informationspflichten erheblich. Verstöße gegen die Informationspflichten können nach Art. 83 Abs. 5 lit. b) DSGVO mit einer Geldbuße bis zu 20.000.000 € oder – sofern dies der höhere Betrag ist – bis zu 4 % des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs betragen. Ziel der umfassenden Informationspflichten ist es, eine transparente Datenverarbeitung zu gewährleisten. Entsprechend korrespondieren mit den Informationspflichten des Arbeitgebers Rechte der Betroffenen, unter anderem auf Auskunft (Art. 15 DSGVO), Berichtigung (Art. 16 DSGVO), Löschung (Art. 17 DSGVO), Einschränkung der Verarbeitung (Art. 18 DSGVO), Datenübertragung (Art. 20 DSGVO), Widerspruch (Art. 21 DSGVO), Benachrichtigung bei Verletzung (Art. 34 DSGVO) und Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde (Art. 77 DSGVO). Art. 12 DSGVO bestimmt die allgemeinen Anforderungen, die der Arbeitgeber bei der Informationserteilung beachten muss. Danach muss der Arbeitgeber „geeignete Maßnahmen“ ergreifen, um die von einer Datenverarbeitung betroffenen Beschäftigten „in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache“ über die in Art. 13 und Art. 14 DSGVO benannten Informationen sowie über die

30 Eingehend dazu Franck, ZD 2017, 509 ff.; Schantz, NJW 2016, 1841 ff.; Wortmann, ArbRB 2018, 83 ff.; Wybitul/Brink/Albrecht, NZA 2018, 285 ff. 31 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2017, 22 ff., 329 ff.

41

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

in Art. 15 bis 21 DSGVO und Art. 77 DSGVO enthaltenen Rechte zu informieren32. Art. 13 DSGVO bestimmt im Einzelnen, welche Informationen zu erteilen sind, sofern personenbezogene Daten direkt bei der betroffenen Person erhoben werden. Art. 14 DSGVO bestimmt zusätzliche Informationspflichten, sofern datenbezogene Informationen nicht unmittelbar bei der betroffenen Person erhoben werden. Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche kann im Einzelfall schwierig sein, wie bereits die Diskussion über die Zuordnung der offenen oder verdeckten Videoüberwachung deutlich macht33.

b)

Datenerhebung direkt bei dem Betroffenen (Art. 13 DSGVO)

Werden Daten direkt bei dem Betroffenen erhoben, muss der Arbeitgeber nach Art. 13 Abs. 1, 2 DSGVO bei Erhebung von personenbezogenen Daten über folgende Umstände unterrichten: • Name und Kontaktdaten des Verantwortlichen (Arbeitgebers) sowie ggf. seines Vertreters; • Kontaktdaten des (externen/internen) Datenschutzbeauftragten, sofern ein solcher existiert; • die personenbezogenen Daten, die von der Verarbeitung betroffen sind; • die Zwecke sowie die jeweilige Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der einzelnen Daten; • das berechtigte Interesse des Arbeitgebers oder eines Dritten an der Datenerhebung; • Empfänger oder Kategorien von Empfängern der personenbezogenen Daten; • bei Absicht der Übermittlung der Daten an ein Drittland oder eine internationale Organisation, die Absicht und den Empfänger der Übermittlung; • Dauer der Speicherung, sofern nicht vorhersehbar, Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;

32 Korinth, ArbRB 2018, 47, 49. 33 Vgl. Gola/Frank, DSGVO Art. 14 Rz. 2; Kühling/Bucher/Bäcker, DSGVO Art. 13 Rz. 15; Paal/Pauly/Paal/Hennemann, DSGVO Art. 13 Rz. 11 ff.

42

Praktische Umsetzung der Informationspflichten aus Art. 12 ff. DSGVO

• Hinweis auf Rechte der Beschäftigten nach Art. 15 bis 21 und Art. 77 DSGVO sowie ggf. auf weitere Informationen (gesetzliche oder vertragliche Verpflichtung zur Bereitstellung der personenbezogenen Daten und das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung).

Welche Zwecke dabei entsprechend Art. 13 Abs. 1 DSGVO im Einzelnen für die Datenverarbeitung im Arbeitsverhältnis in Betracht kommen, ist weder in der DSGVO noch im neuen BDSG geregelt. Ein Teil der Literatur34 geht deshalb davon aus, dass es genügt, von einer Verarbeitung zur Begründung, Durchführung und Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen zu sprechen. Für diese Form der Zweckbestimmung spricht, dass auch Art. 88 DSGVO i. V. m. § 26 Abs. 1 BDSG keine weitergehende Tiefe der Beschreibung enthält. Ergänzend hierzu könnte auf die Datenverarbeitung zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz oder einem Tarifvertrag, einer Betriebsoder Dienstvereinbarung (Kollektivvereinbarung) ergebenden Rechte und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten verwiesen werden. Gegen diese Beschreibung spricht aber, dass diese Form der Beschreibung den eigentlichen Verwendungszweck vielfach nicht erkennen lässt. Das erschwert es dem Betroffenen, darüber zu entscheiden, ob er diese Bearbeitung hinnehmen oder ggf. durch entsprechende Maßnahmen einschränken oder beenden soll. Es erscheint deshalb geboten, die abstrakt-generellen Beschreibungen, die § 26 Abs. 1 BDSG entsprechen, zumindest um Beispiele zu ergänzen, die die Begründung, Durchführung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen erfassen (z. B. Personalentwicklung, Leistungs- und Verhaltenskontrolle, Arbeitsschutz, Fort- und Weiterbildung, Schutz besonderer Personengruppen)35. Sofern der Arbeitgeber beabsichtigt, die personenbezogenen Daten für einen anderen Zweck weiterzuverarbeiten als den, für den die personenbezogenen Daten erhoben wurden (Zweckänderung), muss er den Arbeitnehmer entsprechend Art. 13 Abs. 3 DSGVO vor dieser Weiterverarbeitung über den geänderten Zweck unterrichten und die maßgeblichen Informationen nach Art. 13 Abs. 2 DSGVO bereitstellen. Hintergrund dieser Regelung ist der Zweckbindungsgrundsatz in Art. 5 Abs. 1 lit. b) DSGVO. Der Betroffene soll durch die Informationen überprüfen können, ob die Abweichung vom Zweckbindungsgrundsatz innerhalb der Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 4 DSGVO erfolgt.

34 Sörup, ArbR 2016, 207 ff. 35 Vgl. Wybitul, NZA 2018, 285, 288.

43

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

c)

Datenerhebung nicht direkt bei dem Betroffenen (Art. 14 DSGVO)

Erfolgt die Datenerhebung nicht direkt bei dem Betroffenen, muss der Arbeitgeber nicht nur über die betroffenen Datenkategorien (Art. 14 Abs. 1 lit. d) DSGVO) informieren. Er muss den Arbeitnehmer auch über die Quelle der personenbezogenen Daten und ggf. darüber in Kenntnis setzen, ob die Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen (Art. 14 Abs. 2 lit. f) DSGVO).

d)

Dokumentation und Beweislast

Entsprechend § 5 Abs. 1, 2 i. V. m. § 24 DSGVO ist die Erfüllung der Informationspflicht zu dokumentieren. Durch Art. 24 DSGVO wird die Rechenschaftspflicht (accountability) als allgemeiner (neuer) Datenschutzgrundsatz eingeführt. Danach müssen datenverarbeitende Stellen jederzeit den Nachweis erbringen können, dass sie bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten die technisch-organisatorischen Anforderungen und die Datenschutzgrundsätze der DSGVO einhalten36. Die Rechenschaftspflicht erfasst auch die ordnungsgemäße Erfüllung der Informationspflichten.

e)

Zeitpunkt der Unterrichtung

Hinsichtlich des Zeitpunkts der Unterrichtung ist zu differenzieren: Erfolgt die Erhebung direkt bei dem Betroffenen (Art. 13 DSGVO), muss die Unterrichtung unmittelbar „zum Zeitpunkt der Erhebung“, erfolgen. Es kann somit erforderlich sein, bereits vor Abschluss eines Anstellungsvertrags über die Datenerhebung zu informieren. Das betrifft vor allem Bewerber, die zu dem Zeitpunkt ihrer Bewerbung noch nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen. Erfolgt die Erhebung nicht unmittelbar bei dem Betroffenen (Art. 14 DSGVO), muss die Unterrichtung „unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände der Verarbeitung der personenbezogenen Daten innerhalb einer angemessenen Frist nach Erlangung der personenbezogenen Daten, längstens jedoch innerhalb eines Monats“, erfolgen (Art. 14 Abs. 3 lit. a) DSGVO).

36 Ausführlich hierzu: Hamann, BB 2017, 1090 ff.

44

Praktische Umsetzung der Informationspflichten aus Art. 12 ff. DSGVO

Abweichend von dieser Grundregel gilt: Werden die Daten für die Kommunikation mit der betroffenen Person genutzt, so müssen die Informationen spätestens zum Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme mit der betroffenen Person bereitgestellt werden (Art. 14 Abs. 3 lit. b) DSGVO). Ist die Offenlegung an andere Empfänger geplant, so muss die Information spätestens zum Zeitpunkt der Offenlegung erfolgen (Art. 14 Abs. 3 lit. c) DSGVO).

f)

Ausnahmen von der Informationspflicht

Auch bei den Ausnahmetatbeständen von der Informationspflicht ist nach der Art der Datenerhebung zu differenzieren. In allen Fällen trägt aber der Arbeitgeber die Beweislast für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes37. Im Fall der Direkterhebung ist in der DSGVO nur eine Ausnahme vorgesehen, soweit die betroffene Person bereits über die Informationen verfügt (Art. 13 Abs. 4 DSGVO). Für den Sonderfall der Zweckänderung i. S. d. Art. 13 DSGVO bestimmt § 32 Abs. 1 BDSG weitere Ausnahmetatbestände. Dort ist unter anderem auch eine Abwägung mit den Belangen des Betroffenen vorgesehen. Nach dem eindeutigen Wortlaut und der Gesetzesbegründung38 sind diese Ausnahmetatbestände auf die Fälle des Art. 13 Abs. 3 DSGVO beschränkt. Die Informationspflichten aus Art. 13 Abs. 1, 2 DSGVO werden durch das neue BDSG somit nicht weitergehend beschränkt. Art. 14 Abs. 5 DSGVO bestimmt weitere Ausnahmetatbestände. Insbesondere besteht keine Informationspflicht • sofern die Erteilung der Information sich als unmöglich erweist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde; • wenn die Information der betroffenen Person bereits in anderen Rechtsvorschriften ausdrücklich geregelt ist und diese geeignete Maßnahmen zum Schutz der berechtigten Interessen der betroffenen Person vorsehen; • sofern die Information dem Berufsgeheimnis, einschließlich einer satzungsmäßigen Geheimhaltungspflicht, unterliegen und daher vertraulich behandelt werden müssen.

Problematisch ist die Unterrichtung allerdings dann, wenn die Erhebung personenbezogener Daten unmittelbar beim Betroffenen erfolgt, aber Be-

37 Vgl. Wolff/Brink/Schmidt-Wudy, DSGVO Art. 13 Rz. 95, Art. 14 Rz. 94. 38 BT-Drucks. 18/11325 S. 102.

45

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

standteil verdeckter Ermittlungen ist. Geht man insoweit nur von einer Anwendbarkeit von Art. 13 DSGVO aus, wäre der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Erhebung darüber in Kenntnis zu setzen39. Das dürfte den Erfolg der Ermittlungen in den meisten Fällen gefährden. Berechtigterweise wird deshalb auch davon ausgegangen, dass man Art. 14 Abs. 5 DSGVO auch in diesen Fällen anwenden muss40. Danach kann eine Information des Betroffenen unterbleiben, soweit dies eine Verwirklichung der Ziele der Verarbeitung unmöglich macht oder ernsthaft gefährdet, ausgehend davon, dass es sich um ein legitimes Ziel handelte. Dies entspricht weitgehend § 33 Abs. 1 Nr. 2 a BDSG, der nichtöffentlichen Stellen erlaubt, auf eine Information (vorübergehend) zu verzichten, wenn damit die Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche beeinträchtigt würde oder dies der Verhütung von Schäden durch Straftaten dient und die Interessen des Betroffenen an der Informationserteilung nicht überwiegen. Ergänzend wird die fehlende Unterrichtung damit begründet, dass Art. 13 DSGVO voraussetze, dass der Betroffene Kenntnis von der Datenerhebung habe41. In entsprechender Weise bestimmt § 32 Abs. 1 Nr. 4 BDSG, dass eine Pflicht zur Information der betroffenen Person nach Art. 13 Abs. 3 DSGVO nicht bestehe, wenn die Erteilung der Information über die beabsichtigte Weiterverarbeitung die Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche beeinträchtigen würde und die Interessen des Verantwortlichen an der Nichterteilung der Information die Interessen der betroffenen Person überwiegen. Dem Wortlaut nach ist diese Regelung aber begrenzt auf Fälle, in denen personenbezogene Daten zu einem anderen Zweck als den verarbeitet werden sollen, für den sie erhoben wurden. Das wäre bei verdeckten Ermittlungen nicht der Fall, sodass nur eine analoge Anwendung in Betracht kommt, über deren unionsrechtliche Zulässigkeit schlussendlich der EuGH zu entscheiden hat42.

g)

Praktische Ausgestaltung der Information

Gemäß Art. 12 DSGVO muss der Arbeitgeber „geeignete Maßnahmen“ ergreifen, um seine Informationspflicht zu erfüllen. Welche Maßnahmen dabei konkret geeignet sind, wird in der Verordnung nicht näher bestimmt. Die

39 40 41 42

46

So Plath/Plath, DSGVO, Art. 5 Rz. 5; Byers, NZA 2017, 1086, 1088. So Byers, NZA 2017, 1086, 1090. So Sydow/Ingold, DSGVO Art. 13 Rz. 10; Byers, NZA 2017, 1086, 1088. Vgl. auch Kühling/Buchner/Maschmann, DSGVO Art. 88 Rz. 47; BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, NZA 2017, 1179 ff. Rz. 25; BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 46/10, NZA 2012, 744 ff. Rz. 31.

Praktische Umsetzung der Informationspflichten aus Art. 12 ff. DSGVO

einzige weitere Konkretisierung ist, dass die Informationen „in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache“ zu übermitteln sind. aa)

Form der Übermittlung

Die Informationen können dabei schriftlich, elektronisch oder – nach vorherigem Verlangen und zweifelsfreier Identität des Verlangenden – auch mündlich erteilt werden (Art. 12 Abs. 1 S. 3 DSGVO). Aus Beweiszwecken ist dabei von einer mündlichen Information grundsätzlich abzuraten. Aufgrund der weitgehenden Formfreiheit stehen dem Arbeitgeber für die Erfüllung der Verpflichtungen grundsätzlich auch die elektronischen Kommunikationswege offen. Umstritten ist allerdings, ob dazu neben der E-Mail auch das Intranet gehört. Problematisch daran ist, dass das Einstellen einer Information im Intranet möglicherweise nicht als eine „Übermittlung“ an den Arbeitnehmer verstanden wird, die nach Art. 12 DSGVO aber notwendig ist. Der Arbeitnehmer kann bei einer Veröffentlichung im Intranet zwar in der Regel von dem Inhalt Kenntnis erlangen; die eingestellten Informationen gelangen aber nicht in die eigene Verfügungsgewalt des Arbeitnehmers, wie dies bei einem zivilrechtlichen Zugang gemäß § 130 BGB der Fall ist. Sinn und Zweck der Unterrichtung nach Art. 12 DSGVO lassen es aber vertretbar erscheinen, auch darin eine Übermittlung zu sehen43. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Intranet für den Betroffenen leicht zugänglich ist, der Betroffene mit den ihr zur Verfügung stehenden (technischen) Mitteln die Information also erreichen44 und ohne wesentliche Mitwirkung wahrnehmen kann45. Zu empfehlen ist gleichwohl, dass auf einzelvertraglicher Ebene (Hinweis im Arbeitsvertrag) in einer schriftlichen Unterrichtung oder einer E-Mail (ggf. mit Link), auf die Veröffentlichung im Intranet, die auch für Aktualisierungen genutzt werden kann, verwiesen wird. Das Internet ist keine geeignete Form der Übermittlung der Informationen nach Art. 12 ff. DSGVO46. Auch Rahmenbetriebsvereinbarungen sind ungeeignet, die Informationspflicht nach Art. 12 ff. DSGVO zu erfüllen. Ihnen fehlt das Erfordernis einer Übermittlung. Etwas anderes würde dann gelten, wenn sie den einzelnen Arbeitnehmern unmittelbar zugeschickt würden; die 43 Vgl. Sydow/Greve, DSGVO Art. 12 Rz. 16; Wolff/Brink/Quass, DSGVO Art. 12 Rz. 27; Wittmaack/Esslinger/Schmidt/Wacke, DuD 2016, 271 ff. 44 Paal/Pauly/Paal/Hennemann, DSGVO Art. 12 Rz. 27. 45 Wolff/Brink/Quaas, DSGVO Art. 12 Rz. 16. 46 Ebenso Klösel/Mahnhold, NZA 2017, 1428, 1431; a. A. Sydow/Greve, DSGVO Art. 12 Rz. 18.

47

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

bloße Bekanntgabe durch den Arbeitgeber genügt nicht47. Betriebsvereinbarungen können allerdings den Rahmen festlegen, nach dem die Informationspflichten aus Art. 12 ff. DSGVO erfüllt werden sollen48. bb)

(Rahmen-)Betriebsvereinbarungen

Zur datenschutzkonformen Erhebung, Verarbeitung und Nutzung wird überwiegend weiterhin auf das Mittel der (Rahmen-)Betriebsvereinbarung verwiesen49. Dies erfolgt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Betriebsvereinbarungen weiterhin andere Rechtsvorschriften sind, die nach Erwägungsgrund 155 DSGVO sowie § 26 Abs. 5 BDSG eine Verarbeitung personenbezogener Daten rechtfertigen können. § 26 Abs. 4 BDSG n. F. knüpft insoweit an Art. 6 Abs. 1 lit. c) i. V. m. Art. 88 Abs. 1 DSGVO an und stellt klar, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses „auf der Grundlage von Kollektivvereinbarungen zulässig“ ist50. Betriebsvereinbarungen bleiben somit grundsätzlich weiterhin ein geeignetes Mittel um die Anforderungen der DSGVO und des BDSG zu erfüllen. Das gilt jedenfalls insoweit, als sie eine eigenständige Rechtsgrundlage setzen können. Eine Betriebsvereinbarung, die verschiedene Betriebsvereinbarungen aus der Zeit vor dem 25.5.2018 „heilen“ soll, setzt aber im Zweifel eine Vielzahl ergänzender Angaben voraus, um unter Wahrung des gesetzlichen Schriftformerfordernisses die notwendige Konkretisierung vorzunehmen51. cc)

Anhang zum Arbeitsvertrag

Sofern kein Betriebsrat vorhanden sei, bietet es sich an, bereits bei Vertragsschluss die grundlegenden Informationen im Rahmen eines Anhangs zum Arbeitsvertrag mitzuteilen52. Insofern ist allerdings zu beachten, dass die Informationen (etwa im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens) teilweise bereits vor Abschluss eines Arbeitsvertrags bereitgestellt werden müssen. Unabhängig davon dürfte eine einzelvertragliche Regelung im Zweifel zu unflexibel sein, um künftigen Änderungen Rechnung zu tragen.

47 Ebenso Gola/Schumerus/Gola/Klug/Körffer, BDSG § 33 Rz. 18; a. A. Sörup, ArbR 2016, 207 ff. 48 Vgl. Wybitul, NZA 2017, 1488, 1493. 49 Grimm, ArbRB 2018, 78 ff.; Wurzberger, ZD 2017, 258 ff.; Wybitul, NZA 2017, 1488 ff.; Wybitul/Sörup/Pötters, ZD 2015, 559 ff. 50 Vgl. auch BT-Drucks. 18/11325 S. 97. 51 B. Gaul, AktuellAR 2018, 166 ff. 52 Vgl. etwa Sörup, ArbR 2016, 103 ff.

48

Praktische Umsetzung der Informationspflichten aus Art. 12 ff. DSGVO

dd)

Aufsichtsbehörden

Hilfreiche Hinweise und Formulierungshilfen der Aufsichtsbehörden zur konkreten Umsetzung der Informationspflichten existieren bislang nicht. Auf der Internetseite des Bundesdatenschutzbeauftragten finden sich gegenwärtig lediglich „Kurzpapiere“ zur Umsetzung der Informationspflichten, die keine konkreten Vorgaben für die betriebliche Umsetzung enthalten. ee)

Übersetzungserfordernis

Weder die DSGVO noch das BDSG regeln ausdrücklich, ob die Informationen Arbeitnehmern, die der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind, in einer anderen Sprache zur Verfügung gestellt werden müssen. Nach der Generalklausel des Art. 12 DSGVO müssen die Informationen jedoch in „verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache“ übermittelt werden. Das Kriterium der Verständlichkeit wird auch in Erwägungsgrund 58 DSGVO herausgehoben und dort um den Hinweis ergänzt, dass „ggf. zusätzlich visuelle Elemente verwendet“ werden könnten. Der Umstand, dass der Betroffene der jeweiligen Landessprache, in welcher die Informationen übermittelt werden, hinreichend mächtig sein muss, dürfte den allgemeinen Grundsätzen zur Vertragssprache entsprechend. Folgerichtig geht auch das BAG davon aus, dass der Arbeitnehmer mit der Unterschrift unter einem Arbeitsvertrag in deutscher Sprache auch konkludent erklärt, dass dies die Vertragssprache ist53. Das spricht gegen die Notwendigkeit, Informationen nach Art. 12 ff. DSGVO zu übersetzen. Einigkeit besteht darüber indes nicht. So wird eine Übersetzung der Informationen in die jeweilige Landessprache im Hinblick auf das Kriterium der Verständlichkeit als „naheliegend“ bezeichnet54, ohne dies allerdings weiter zu begründen. Schlussendlich bedarf es insoweit einer Auslegung von Art. 12 DSGVO, die verbindlich nur der EuGH vornehmen kann. Sollte man dieser Bewertung folgen, dürfte es ratsam sein, sich in Anlehnung an das Kriterium der Verständlichkeit nicht an der Nationalität oder Herkunft des Mitarbeiters, sondern am Verständnishorizont des Empfängers auszurichten. Kommuniziert etwa ein ausländischer IT-Mitarbeiter, der nicht aus einem englischsprachigen Mutterland stammt, intern- und extern ausschließlich in Englisch, so ist eine Übersetzung in die Herkunftssprache des 53 BAG 19.3.2014 – 5 AZR 252/12 (B), NZA 2014, 107 ff. Rz. 47. 54 So ausdrücklich Paal/Pauly/Paal/Hennemann, DSGVO Art. 12 Rz. 35; ebenfalls zust. Wybitul/Fladung, BB 2012, 509, 511 Fn. 17.

49

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Mitarbeiters nicht erforderlich. Eine Übersetzung der Informationen ins Englische scheint in diesem Fall die geeignete und auch ausreichende Maßnahme. (Ga)

6.

Betriebliches Eingliederungsmanagement als Voraussetzung einer Versetzung

Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber nach § 167 Abs. 2 SGB IX55 mit der zuständigen Interessenvertretung i. S. d. § 176 SGB IX, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (bEM)56. Das bEM verdankt seine Entstehung dem Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23.4.200457. In der Gesetzesbegründung58 zu diesem Gesetz heißt es unter anderem: Durch die gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten soll ein betriebliches Eingliederungsmanagement geschaffen werden, das durch geeignete Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft sichert. Viele Abgänge in die Arbeitslosigkeit erfolgen immer noch aus Krankheitsgründen. Auch werden die Integrationsämter vor Beantragung einer Zustimmung zur Kündigung noch zu wenig eingeschaltet, damit rechtzeitig präventive Maßnahmen ergriffen werden können. Die Regelung verschafft der Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz dadurch einen stärkeren Stellenwert, dass die Akteure unter Mitwirkung des Betroffenen zur Klärung der zu treffenden Maßnahmen verpflichtet werden. Die Zustimmung und Mitwirkung des Betroffenen ist auch erforderlich, wenn die Interessenvertretung nach § 93 oder die Schwerbehindertenvertretung die Klärung verlangen.

Bislang spielte das bEM als Präventionsmaßnahme unabhängig von einer bereits vorliegenden Behinderung vor allem im Falle einer personenbedingten Kündigung zur Sicherung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit des 55 56 57 58

50

§ 167 SGB IX i. d. F. v. 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234 ff.). Ausführlich dazu: Fritzsche/Fähnle, BB 2013, 3001 ff.; Schiefer, RdA 2016, 196 ff. BGBl. I 2004, 606 ff.; vgl. dazu Cramer, NZA 2004, 698 ff. BT-Drucks. 15/1783 S. 16.

Betriebliches Eingliederungsmanagement als Voraussetzung einer Versetzung

Arbeitnehmers eine Rolle59, die auch in der Regierungsbegründung (Abgänge in die Arbeitslosigkeit) thematisiert wird. Im Falle einer Kündigung ist das BAG davon ausgegangen, dass den Arbeitgeber die Initiativlast zur Durchführung eines gesetzlich gebotenen bEM trifft, wozu gehört, dass er den Arbeitnehmer auf die Ziele des bEM sowie die Art und den Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinweist60. Die unterlassene Durchführung des bEM führt zwar nicht zu einer automatischen Unwirksamkeit der Kündigung, kann jedoch im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Kündigung zu Lasten des Arbeitgebers beweisrechtlich berücksichtigt werden. Hat der Arbeitgeber die gebotene Initiative nicht ergriffen, muss er zur Darlegung der Verhältnismäßigkeit einer auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützten Kündigung nicht nur die objektive Nutzlosigkeit arbeitsplatzbezogener Maßnahmen i. S. v. § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG aufzeigen. Er hat außerdem darzulegen und ggf. nachzuweisen, dass künftige Fehlzeiten ebenso wenig durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger in relevantem Umfang hätten vermieden werden können. Überdies ist die Durchführung eines bEM bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch dann geboten, wenn keine betriebliche Interessenvertretung besteht. Ein bEM ist jedoch nach Ansicht des BAG61 für die Wirksamkeit einer Kündigung in der Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) keine Voraussetzung, sodass es für den Arbeitgeber folgenlos bleibt, wenn es in dieser Zeit von ihm nicht wahrgenommen wird. Nunmehr hatte sich der 10. Senat des BAG in einem Urteil vom 18.10.201762 mit der Frage zu beschäftigen, ob die Durchführung eines bEM i. S. v. § 167 Abs. 2 SGB IX auch im Falle einer Versetzung geboten ist, wenn diese auch auf Gründe gestützt wird, die im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers stehen und die sonstigen Voraussetzungen dieser Vorschrift bezüglich der Fehlzeiten infolge Krankheit erfüllt sind. Der Fall betraf einen Maschinenbediener, der bei der Beklagten zuletzt ständig in der Nachtschicht beschäftigt wurde, jedoch wegen erheblicher Fehlzeiten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen angedauert hatten, vom Arbeitgeber angewiesen worden war, künftig in Wechselschicht zu arbeiten. Der Arbeitgeber begründete diesen Schritt damit, dass der Arbeitnehmer und Kläger aufgrund hoher Krankheitszeiten in der Wechselschicht leichter ersetzbar sei als in der Nachtschicht. Das LAG Baden59 Vgl. etwa BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612 ff.; Fritzsche/Fähnle, BB 2013, 3001, 3002. 60 BAG v. 10.12.2009 – 2 AZR 400/08, NZA 2010, 398 ff. Rz. 29. 61 BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06, NZA 2007, 1049 ff. Rz. 38. 62 BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 47/17, NZA 2018, 162 ff.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Württemberg63 hat der Klage des Klägers auf Beschäftigung als Maschinenbediener in der Nachtschicht allein deshalb entsprochen, weil der beklagte Arbeitgeber davon abgesehen hatte, ein bEM durchzuführen. Damit entspreche die Ausübung des Direktionsrechts – so das LAG – nicht dem in §§ 106 GewO, 315 BGB geforderten billigen Ermessen. Das BAG hat die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil das LAG von einem Fehlverständnis der Rechtswirkungen des § 167 Abs. 2 SGB IX ausgegangen sei. In Übereinstimmung mit dem LAG Baden-Württemberg geht allerdings der 10. Senat des BAG davon aus, dass die Beklagte gehalten war, ein bEM gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX unabhängig davon durchzuführen, dass vorliegend keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien in Rede stand. Das BAG entnimmt bereits dem Wortlaut dieser Norm, dass sie nicht nur für Maßnahmen gilt, die auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzielen, sondern gleichermaßen auch für Versetzungsmaßnahmen oder eine andere Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber anwendbar ist, wenn in diesen Fällen die Anordnung des Arbeitgebers auch auf Gründe gestützt wird, die im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers stehen. In Anbetracht der oben wiedergegebenen Gesetzesbegründung geht diese Sichtweise wohl über die ursprüngliche Intention des Gesetzes hinaus, einer konkreten Gefährdung des Beschäftigungsverhältnisses vorzubeugen. Für einen zu verhindernden Arbeitsplatzverlust spricht auch die Systematik des Gesetzes, wenn man einen Zusammenhang mit der ebenfalls der Prävention dienenden Vorschrift des § 167 Abs. 1 SGB IX herstellt, der ausdrücklich auf eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses abhebt. Jedenfalls ist nach dieser Gesetzesorientierung des BAG davon auszugehen, dass ein bEM (§ 167 Abs. 2 SGB IX) bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch dann durchzuführen ist, wenn der Arbeitgeber nicht nur eine Kündigung, sondern sonstige, dem Weisungsrecht unterliegende Maßnahmen in Erwägung zieht. Dieses Erfordernis eines bEM besteht dabei nicht nur für behinderte Menschen, sondern für alle Arbeitnehmer, wobei stets den Arbeitgeber die Initiativlast trifft. Ebenso wenig wie im Falle der Kündigung64 entnimmt das BAG der Regelung des § 167 Abs. 2 SGB IX, dass die unterlassene Durchführung des bEM unmittelbar zur Unwirksamkeit einer Versetzung oder einer anderen Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber führt. Die Durchfüh63 LAG Baden-Württemberg v. 22.11.2016 – 15 Sa 76/15 n. v. 64 BAG v. 13.5.2015 – 2 AZR 565/14, NZA 2015, 1249 ff. Rz. 28

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Betriebliches Eingliederungsmanagement als Voraussetzung einer Versetzung

rung eines bEM hat damit nicht die Qualität einer formellen oder materiellen Wirksamkeitsvoraussetzung. Diese Aussage steht im Einklang mit § 167 Abs. 2 SGB IX, weil diese Vorschrift weder ein Verbotsgesetz i. S. v. § 134 BGB darstellt noch in sonstiger Weise als Rechtsfolge die Unwirksamkeit einer vom Arbeitgeber durchgeführten Maßnahme erkennen lässt, wenn dieser von der Wahrnehmung eines bEM abgesehen hat. Damit richtet sich die Verbindlichkeit einer arbeitgeberseitigen Weisung ausschließlich nach §§ 106 GewO, 315 BGB, wobei im Sinne einer objektiven Betrachtung allein maßgebend ist, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung die Grenzen billigen Ermessens respektiert, nicht jedoch, welche Erwägungen der Arbeitgeber angestellt hat65. Dabei ist von mitentscheidender Bedeutung, ob der Arbeitgeber in hinreichender Weise die Interessen des Arbeitnehmers im Rahmen der notwendigen Abwägung berücksichtigt hat. Insofern kann nach Ansicht des BAG das unterlassene bEM auch im Rahmen der Ausübung des Weisungsrechts zu Rechtsnachteilen für den Arbeitgeber führen, weil die Entscheidung des Arbeitgebers möglicherweise anders ausgefallen wäre, wenn ihm durch das bEM die Belange des Arbeitnehmers bekannt gewesen wären. Zusätzlich stellt das BAG klar, dass es dem Präventionsgedanken aus § 167 Abs. 2 SGB IX widerspräche, wenn der Arbeitgeber eine aus gesundheitlichen Gründen gebotene Umsetzung, die auch ansonsten billigem Ermessen entspricht, nicht vornehmen dürfte, weil er kein bEM durchgeführt hat. Diese Bewertung trägt dem Gedanken Rechnung, dass das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen der §§ 106 GewO, 315 BGB zu genügen hat. Dafür trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, wobei maßgeblicher Zeitpunkt der Ausübungskontrolle der Zeitpunkt der Ermessensentscheidung des Arbeitgebers ist66. Da das LAG Baden-Württemberg nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen hatte, ob der von dem beklagten Arbeitgeber vorgenommene Schichtwechsel des Klägers billigem Ermessen entspricht oder nicht, ist dies nach der Zurückverweisung nachzuholen. Für die betriebliche Praxis folgt aus der Entscheidung des BAG als rechtliche Konsequenz, dass der Arbeitgeber das Risiko der Unwirksamkeit einer Versetzung oder einer anderen Ausübung des Weisungsrechts trägt, wenn er wesentliche Gesichtspunkte unbeachtet lässt, die ihm im Rahmen eines an sich gebotenen bEM hätten bekannt sein können. (Boe) 65 Grundsätzlich BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16, NZA 2017, 1452 ff. Rz. 45. 66 BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16, NZA 2017, 1452 ff. Rz. 45.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

7.

Arbeitgeberseitige Wahrnehmung der Handlungspflichten im Bereich des Arbeitsschutzes

Der Arbeitsschutz gewinnt zunehmend an Bedeutung in der betrieblichen Praxis. Das zeigt nicht nur die Zunahme gesetzlicher Handlungspflichten, wie sie zuletzt durch die Neufassung des MuSchG in Kraft gesetzt wurden (hilfreich: Arbeitgeberleitfaden des BMFSFJ zum Mutterschutz vom 1.1.2018). Die mutterschutzrechtliche Gefährdungsbeurteilung67, die seit dem 1.1.2018 auf der Grundlage der §§ 9 ff. MuSchG durchgeführt und dokumentiert werden muss, ergänzt insoweit nur vergleichbare Handlungspflichten aus dem ArbSchG, der BetrSichV, der ArbStättV und anderen Regelungswerken. Die zunehmende Bedeutung des Arbeitsschutzes wird auch daran erkennbar, dass immer häufiger über Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG gestritten wird68. Lediglich beispielhaft sei auf die Urteile des BAG vom 28.3.201769 und vom 18.7.201770 hingewiesen, die wir an anderer Stelle behandelt haben71. Wichtig ist, dass der Arbeitsschutz eine Verpflichtung ist, die den Vorstand bzw. die Geschäftsführung des Unternehmens trifft. Dies bedeutet zwar nicht, dass entsprechende Maßnahmen notwendigerweise durch die Organmitglieder getroffen werden müssen. Vorstand und Geschäftsführung tragen insoweit aber die Organisations-, Auswahl-, Überwachungs- und Anpassungsverpflichtung, deren Wahrnehmung im Zweifel auf nachgeordnete Ebenen delegiert werden muss. Wichtig ist dabei, dass es zwar keine einzig richtige Maßnahme gibt. Vielmehr eröffnet der Arbeitsschutz einen Gestaltungsspielraum, der unter Berücksichtigung einer Einschätzungsprärogative des Arbeitgebers in der Regel mehrere denkbare Organisations- und Auswahlentscheidungen zulässt. Dies beginnt bei der Gefährdungsbeurteilung, die auf verschiedenen Wegen durchgeführt werden kann72 und erstreckt sich auf die Maßnahmen, die in organisatorischer, technischer und personeller Hinsicht zur Umsetzung der daraus gewonnen Erkenntnisse ergriffen werden.

67 68 69 70 71 72

54

Karb, öAT 2018, 8, 9 f.; Schiefer/Baumann, DB 2017, 2929 ff. BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 14/14, NZA 2016, 1283 ff. BAG v. 28.3.2017 – 1 ABR 25/15, NZA 2017, 1132 ff. BAG v. 18.7.2017 – 1 ABR 59/15, NZA 2017, 1615 ff. B. Gaul, AktuellAR 2017, 573 ff.; Kriebel Volk, AktuellAR 2018, 170 ff. Eingehend Gruber/Kittelmann/Barth, Leitfaden für die Gefährdungsbeurteilung (2017).

Handlungspflichten im Bereich des Arbeitsschutzes

Die Erfahrung in der Verwirklichung der arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen zeigt, dass hier das Zusammenwirken einer Vielzahl von Personen organisiert, koordiniert, überwacht und angepasst werden muss. Insofern geht es also darum, dass ein Arbeitsschutzmanagementsystem erarbeitet, implementiert und ggf. angepasst wird. Auch für ein solches System gibt es keine Blaupausen, die in jedem Betrieb oder Unternehmen zur Anwendung kommen können. Vielmehr sind die spezifischen Gegebenheiten, die auch zu unterschiedlichen Gefahren bzw. Gefährdungen führen können, zu berücksichtigen. Ungeachtet dessen dürfte es aber hilfreich sein, bei den hierfür erforderlichen Maßnahmen allgemeine Standards zu berücksichtigen, wie sie jetzt durch die ISO 4500173 festgelegt wurden. Mit der ISO 45001 wurden Leitlinien geschaffen, die für das Planen, die Durchführung, die Überwachung und die spätere Anpassung von Maßnahmen im Bereich des Arbeitsschutzes wesentlich sind. Die im Unternehmen für diesen Bereich Verantwortlichen sollten sicherstellen, dass diese Leitlinien im Zusammenhang mit der Festlegung etwaiger Maßnahmen berücksichtigt werden. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass bei etwaigen Schäden der Vorwurf erhoben wird, dass die Unternehmerpflichten im Bereich des Arbeitsschutzes nicht ordnungsgemäß wahrgenommen wurden. Auch dies ist ein Bestandteil der Compliance, für deren Einhaltung Vorstand und Geschäftsführung verantwortlich sind. Ein ganz wesentlicher Bestandteil eines solchen Arbeitsschutzmanagementsystems ist die Delegation der Unternehmerpflichten, die sich im Bereich des Arbeitsschutzes ergeben können. Dabei muss nicht nur berücksichtigt werden, dass die Delegation zu ihrer Wirksamkeit an die Schriftform geknüpft ist. Insofern sollten entsprechende Formulare entwickelt werden, die gerade dann Unklarheiten und/oder Lücken vermeiden, wenn eine Vielzahl von Arbeitnehmern Adressat entsprechender Delegationsentscheidungen ist. Wichtig ist darüber hinaus, dass die Delegation von Unternehmerpflichten nicht unterschiedslos erfolgen kann. Vielmehr muss jede Delegationsentscheidung berücksichtigen, dass im Zweifel nur ein Teil der Unternehmerpflichten auf einen bestimmten Arbeitnehmer übertragen wird. Diese Pflichten müssen klar erkennbar sein und zugleich von den Pflichten abgegrenzt werden, die bei der übertragenden Stelle verbleiben oder auf andere Arbeitnehmer übertragen werden. Im Zusammenhang mit der Delegation muss darüber hinaus deutlich gemacht werden, ob und inwieweit eine weitere De-

73 Die ISO 45001 Arbeitsschutzmanagementsysteme-Anforderungen mit Leitlinien zur Anwendung (ISO/DIS 45001.2: 2017) ersetzt die BS OHSAS 18001: 2007 – Arbeitsund Gesundheitsschutz-Managementsysteme-Anforderungen.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

legation erfolgen kann, wie die Wahrnehmung dieser Pflichten für den Fall des Ausfalls des Arbeitnehmers erfolgen soll, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Einbindung weiterer Arbeitnehmer und/oder des Vorgesetzten erfolgen soll und welche finanziellen und personellen Kompetenzen zur Wahrnehmung dieser Unternehmerpflichten eingeräumt werden. Schließlich soll auch der Adressat einer solchen Delegation in der Lage sein, für seinen Verantwortungsbereich die Organisations-, Auswahl-, Überwachungs- und Anpassungsverpflichtung wahrzunehmen. Gleichzeitig müssen der Arbeitgeber und die diesem nachgeordneten Ebenen in die Lage versetzt werden, die Einhaltung dieser Unternehmerpflichten zu überwachen. Insofern muss die Delegation auch mit einer regelmäßigen Berichtspflicht verknüpft werden. Hilfreich dürfte es sein, diese Formulare auf dem elektronischen Weg vorzubereiten, damit entsprechende Anpassungen mit dem Ziel einer Individualisierung erfolgen können. Dabei dürfte es erforderlich sein, neben dem originär Verantwortlichen aus dem Bereich des Arbeitsschutzes jeweils auch die Fachvorgesetzten sowie den Personalbereich einzubinden. Diese Verknüpfung der verschiedenen Kompetenzebenen im Unternehmen ist Bestandteil der Organisationsverantwortung, die Vorstand und Geschäftsführung treffen. (Ga)

8.

Anforderungen an die Transparenz von Ausschlussfristen

Vielfach erfassen arbeitsvertragliche Ausschlussfristen alle wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung und verlangen, dass diese binnen einer bestimmten Frist geltend zu machen sind. Erfolgt dies nicht, soll dies den Untergang des Anspruchs zur Folge haben. Problematisch ist, dass entsprechende Ausschlussfristen auch solche Ansprüche erfassen, bei denen die arbeitsvertragliche Festlegung einer Ausschlussfrist zur Verkürzung der gesetzlichen Verjährung unwirksam ist. Dies gilt nicht nur für Ansprüche, die durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag begründet wurden (§§ 77 Abs. 4 BetrVG, 4 Abs. 3 TVG). Auch durch §§ 202, 276 Abs. 3, 309 Nr. 7 BGB, 3 S. 1 MiLoG oder § 9 S. 3 AEntG wird bestimmt, dass eine Verkürzung der gesetzlichen Verjährung durch Arbeitsvertrag nicht erfolgen kann. Gegenteilige Regelungen sind unwirksam (§ 134 BGB).

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Anforderungen an die Transparenz von Ausschlussfristen

Bereits in seinen Urteilen vom 24.8.201674 und vom 21.4.201675, auf die wir bei früherer Gelegenheit hingewiesen haben76, hat das BAG deutlich gemacht, dass die Missachtung entsprechender Verbote zur Gesamtunwirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist führen kann. Denn eine Aufrechterhaltung entsprechender Ausschlussklauseln verstößt im Zweifel gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Verbot entsprechender Vereinbarungen nicht selbst nur eine Teilunwirksamkeit vorsieht (z. B. § 3 S. 1 MiLoG: „insoweit“)77. Denn § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verlangt, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders ohne fremde Hilfe Gewissheit über den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten erhält und nicht durch unklare Formulierungen von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und auf diese Weise dem Verwender ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, benachteiligt deshalb – so das BAG – den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist deshalb insgesamt unwirksam78. Diese Grundsätze hat das BAG zwar im Urteil vom 28.9.201779 bestätigt, in seinen Auswirkungen aber eingeschränkt. In dem dort in Rede stehenden Fall hatten die Parteien im Rahmen der Ausschlussfrist zwar festgelegt, dass sie keine Anwendung für Ansprüche wegen Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit oder bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen finden sollte. Vergessen hatten die Parteien aber, auch Ansprüche wegen sonstiger Schäden, die auf einer grobfahrlässigen Pflichtverletzung des Arbeitgebers oder auf einer vorsätzlichen oder grobfahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Arbeitgebers beruhen, auszunehmen. Dies aber wäre nach § 309 Nr. 7 lit. b) BGB notwendig gewesen. Aus Sicht des BAG hatte die Missachtung von § 309 Nr. 7 lit. b) BGB aber keine Unwirksamkeit der Klausel zur Folge. Das BAG begründet die Anerkennung der Wirksamkeit der Ausschlussklausel im Ergebnis damit, dass sie im Zweifel zu einer Begünstigung des Arbeitnehmers führe. Denn sie habe 74 75 76 77

BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 703/15, NZA 2016, 1539 ff. Rz. 16 ff., 23 ff., 26 ff. BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 753/14, NZA 2016, 1271 ff. Rz. 28 ff. B. Gaul, AktuellAR 2016, 438 ff. So LAG Nürnberg v. 9.5.2017 – 7 Sa 560/16, ZIP 2017, 2375 ff. Rz. 61; offen BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 703/15, NZA 2016, 1539 ff. Rz. 27. 78 BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 703/15, NZA 2016, 1539 ff., Rz. 26 ff., 29; BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, NJW 2016, 936 ff. Rz. 17. 79 BAG v. 28.9.2017 – 8 AZR 67/15 n. v. Rz. 66 ff.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

zur Folge, dass nicht nur solche Ansprüche des Arbeitgebers erfasst würden und mit Ablauf der Ausschlussfrist nicht mehr geltend gemacht werden könnten, die durch normale Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers ausgelöst worden seien. Derartige Ansprüche wären im Zweifel bereits auf der Grundlage der Rechtsprechung zur Haftungsminderung bei betrieblicher Tätigkeit ausgeschlossen. Begünstigt wird der Arbeitnehmer durch die Einbeziehung auch solcher Ansprüche, die durch grobfahrlässiges Fehlverhalten des Arbeitnehmers entstanden sind. Bei solchen Ansprüchen kann es trotz der Grundsätze zur Haftungsminderung bei betrieblicher Tätigkeit zu einer nicht unerheblichen Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber kommen. Die Einbeziehung solcher Ansprüche in die Ausschlussfrist bewirke hier aber eine Rechtssicherheit, die – weil Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers selten sind – in der Regel einen Schutz des Arbeitnehmers vor einer Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber begründe. Wegen dieser im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sei es – so das BAG – bei der Anwendung von § 309 BGB nicht von durchgreifender Bedeutung, dass die Ausschlussfrist des Arbeitgebers § 309 Nr. 7 lit. b) BGB nicht Rechnung getragen habe und deshalb einen Verfall vorsehe, wenn der Anspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht würde. Diese Einschränkung seiner aktuellen Rechtsprechung für den Fall eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 lit. b) BGB erscheint zwar vertretbar. Es dürfte unabhängig davon aber wichtig sein, arbeitsvertragliche Ausschlussfristen so zu gestalten, dass sie nur Ansprüche erfassen, bei denen eine entsprechende Vereinbarung auch wirksam auf arbeitsvertraglicher Ebene getroffen werden kann. Dabei können die bislang verwendeten Klauseln, die alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung erfassen, durch eine Klausel ergänzt werden, die alle Ansprüche nennt, in denen die Ausschlussfrist keine Anwendung finden soll. Problematisch daran ist aber, dass es im Zweifel nicht gelingt, tatsächlich eine vollständige Liste der Ansprüche in den Arbeitsvertrag einzubeziehen, bei denen eine solche Ausschlussfrist nicht vereinbart werden kann. Dies gilt umso mehr, als eine solche Liste mit dem Risiko verbunden ist, dass nach Abschluss des Arbeitsvertrags neue Vorschriften geschaffen werden, die in der Ausnahmeklausel nicht erfasst sind. Empfehlenswert ist es daher wohl eher, durch eine im Wortlaut der Klausel selbst erkennbare Einschränkung abstrakt-generell die Ausschlussfrist nur dann und insoweit für anwendbar zu erklären, als nicht gesetzliche oder kollektivvertragliche Regelungen bei bestimmten Ansprüchen der Vereinbarung einer Ausschlussfrist entgegenstehen. Beispielhaft sollten dann jedenfalls die wichtigsten Regelungen genannt werden, in denen ein entsprechendes 58

Anforderungen an die Transparenz von Ausschlussfristen

Verbot solcher Ausschlussfristen enthalten ist. Dies dürfte in ausreichender Weise eine Transparenz herstellen, weil der Arbeitnehmer die Möglichkeit einer Geltendmachung unter Bezugnahme auf gesetzliche oder kollektivvertragliche Regelungen überprüfen kann. Die entsprechende Geltendmachung von Ansprüchen kann dann auch unmittelbar im Klagewege erfolgen, wenn dies, auch unter Einbeziehung der notwendigen Zustellung, unter Wahrung der Fristen geschieht. Zu beachten ist aber, dass mit einer Kündigungsschutzklage keine Ansprüche geltend gemacht werden, die nicht an den Bestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft sind. Folgerichtig hat es das BAG im Urteil vom 17.10.201780 auch abgelehnt, in der Erhebung einer Bestandsschutzklage bereits die schriftliche Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs zu sehen. (Ga)

80 BAG v. 17.10.2017 – 9 AZR 80/17, NZA 2018, 57 ff. Rz. 37.

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D. Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub 1.

Rufbereitschaft als Arbeitszeit

Während der deutsche Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 ArbZG Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen beschreibt, wird in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung Arbeitszeit als jede Zeitspanne angesehen, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Demgegenüber wird die sog. Rufbereitschaft nicht der Arbeitszeit, vielmehr der Ruhezeit zugeordnet, die außerhalb der Arbeitszeit steht. Bei der Rufbereitschaft bestimmt der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BAG1 seinen dem Arbeitgeber bekanntzugebenden Aufenthaltsort selbst, um von dort bei Bedarf zur Arbeitsleistung herangezogen werden zu können. Im Falle des Bereitschaftsdienstes bestimmt dagegen der Arbeitgeber den Aufenthaltsort des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer erbringt während der Rufbereitschaft nicht die nach dem Vertrag geschuldete Arbeitsleistung, sondern eine zusätzliche Leistung, die darin besteht, die Wahl seines Aufenthaltsorts so zu gestalten, dass er auf Abruf seine Arbeit aufnehmen kann2. Regelmäßig richtet sich die Vergütung für die Rufbereitschaft nicht nach der Arbeitszeit, sondern dient dem Ausgleich des Eingriffs in die Freizeitgestaltung des Arbeitnehmers. Allerdings kann der Arbeitgeber unabhängig von einer ausdrücklichen Aufenthaltsregelung, die dem Arbeitnehmer die freie Wahl des Aufenthaltsortes belässt, durch eine kurze Zeitvorgabe für die Arbeitsaufnahme gleichwohl eine faktische Aufenthaltsbeschränkung bewirken. So hat das BAG3 keine Rufbereitschaft, sondern Arbeitsbereitschaft (Bereitschaftsdienst) bei einem Krankenwagenfahrer im Rettungsdienst eines Krankenhauses, der innerhalb von zehn Minuten seinen Dienst in der Rettungswache aufzunehmen hatte, angenommen. In diesem Falle hatte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer formal überlassen, seinen jeweiligen Aufenthaltsort frei bestimmen zu können, sofern er telefonisch erreichbar war. Gleichwohl hat das BAG wegen der Kürze der Verfügbarkeit am Arbeitsplatz binnen zehn Minuten allein in die1 2 3

Vgl. nur BAG v. 22.1.2004 – 6 AZR 543/02 n. v. Rz. 33. BAG v. 31.1.2002 – 6 AZR 214/00, ZTR 2002, 432 ff. Rz. 22. BAG v. 19.12.1991 – 6 AZR 592/89, NZA 1992, 560 f. Rz. 23.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

ser zeitlichen Beschränkung zugleich eine Bestimmung des Aufenthaltsortes gesehen. Das ist überzeugend, weil die Beschränkung der Aufenthaltsorte auf solche im Umkreis von höchstens zehn Minuten Entfernung zum Krankenhaus bereits durch den Zeitfaktor vorgegeben wird. Wenn sich im Gegensatz dazu der Arbeitnehmer bei angeordneter Rufbereitschaft an einem von ihm selbst bestimmten Ort aufhalten kann, ist er gleichwohl in der Wahl seines Aufenthaltsortes nicht völlig ungebunden. Der Arbeitnehmer muss nämlich einen Aufenthaltsort wählen, der es ihm während der Rufbereitschaft erlaubt, in einer angemessenen Zeitspanne bei erhaltenem Abruf seine Arbeitsstelle erreichen zu können. Er darf sich deshalb nicht an einem Ort aufhalten, der wegen seiner Entfernung vom Arbeitsort dem Zweck der Rufbereitschaft zuwiderläuft. In diesem Sinne hat das BAG4 eine Zeitspanne von bis zu 30 Minuten als Zeitvorgabe für das Erreichen des Arbeitsortes für angemessen gehalten. Die Abgrenzung des Bereitschaftsdienstes von der Rufbereitschaft hat auch der EuGH in der Entscheidung vom 21.2.20185 im Hinblick auf Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 2003/88/EG erneut6 thematisiert7. Das vorlegende belgische Gericht wollte unter anderem vom EuGH wissen, ob es die Richtlinie 2003/88/EG verbietet, die Bereitschaftszeit zu Hause als Arbeitszeit zu werten, wenn die Beschränkungen, denen der Arbeitnehmer während dieser Zeit unterliegt – wie etwa die Verpflichtung, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb einer Frist von acht Minuten Folge zu leisten –, die Möglichkeit, anderen Tätigkeiten nachzugehen, erheblich einschränken. Der Fall betraf ein Mitglied einer kommunalen Feuerwehr im freiwilligen Feuerwehrdienst, das von der Kommune die Vergütung von Zeiten beanspruchte, die von der Kommune als Rufbereitschaft, vom Kläger jedoch als vergütungspflichtige Arbeitszeiten angesehen wurden. Nach den belgischen Vorgaben hatte der Kläger seinen Bereitschaftsdienst zu Hause wahrzunehmen und innerhalb einer Frist von acht Minuten dem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz Folge zu leisten. Da der eigentliche Streit der Parteien um die Vergütung für derartige Bereitschaftsdienste ging, hat der EuGH vorab klargestellt, dass die Richtlinie 2003/88/EG keine Rechtsgrundlage für die Zahlung von Arbeitsentgelt ab4 5 6 7

62

BAG v. 31.1.2002 – 6 AZR 214/00, ZTR 2002, 432 ff. Rz. 22. EuGH v. 21.2.2018 – C-518/15, NZA 2018, 293 ff. – Matzak. Vgl. etwa EuGH v. 4.3.2011 – C-258/10 n. v. – Grigore; EuGH v. 9.9.2003 – C-151/02, NZA 2003, 1019 ff. – Jaeger; EuGH v. 3.10.2000 – C-303/98, NZA 2000, 1227 ff. – SIMAP. Vgl. dazu teilweise krit. Bayreuther, NZA 2018, 348 ff.; Sagan, NJW 2018, 1076.

Rufbereitschaft als Arbeitszeit

bildet und dieser Aspekt deshalb außerhalb der Zuständigkeit der Union liegt. Daher bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, nach nationalem Recht vorzugeben, wie Bereitschaftszeiten, die ein Arbeitnehmer zu Hause verbringt, abzugelten sind. Soweit es um die begriffliche Kennzeichnung der Arbeitszeit und der Ruhezeit i. S. v. Art. 2 Richtlinie 2003/88/EG geht, betont der EuGH, dass die Definitionen autonomer Natur sind, sodass Art. 2 Richtlinie 2003/88/EG nicht zu den Bestimmungen der Richtlinie gehört, von denen in den Mitgliedstaaten abgewichen werden darf. Daran ändert weder Art. 17 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG etwas, wonach Abweichungen von den Art. 3 bis 6, 8 und 16 Richtlinie erlaubt sind, noch gestattet Art. 15 Richtlinie 2003/88/EG eine weniger restriktive Definition des Begriffs der Arbeitszeit, wonach den Mitgliedstaaten erlaubt ist, günstigere Regelungen für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu treffen. Hinsichtlich der zentralen Frage der Einstufung der Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer zwar zu Hause verbringt, aber der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten, als Arbeitszeit oder Ruhezeit, verweist der EuGH darauf, dass es für die Einordnung als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG entscheidend darauf ankommt, dass sich der Arbeitnehmer an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen muss, um ggf. sofort die geeigneten Leistungen erbringen zu können. Diese Verpflichtungen, aufgrund deren der betroffene Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort während der Bereitschaftszeiten nicht frei bestimmen könne, seien als Bestandteil der Wahrnehmung seiner Aufgaben anzusehen8. Der EuGH9 hat in diesem Zusammenhang bereits bei früherer Gelegenheit darauf hingewiesen, dass zu den wesentlichen Merkmalen des Begriffs „Arbeitszeit“ i. S. v. Art. 2 Richtlinie 2003/88/EG nicht die Intensität der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit oder dessen Leistung gehört. Etwas anderes gilt, so der EuGH, wenn der Arbeitnehmer einen Bereitschaftsdienst nach dem System der Rufbereitschaft erbringt, die seine ständige Erreichbarkeit, nicht jedoch zugleich seine Anwesenheit am Arbeitsplatz erfordert. Der Arbeitnehmer kann in dieser Situation freier über seine Zeit verfügen und eigenen Interessen nachgehen.

8 9

EuGH v. 4.3.2011 – C-258/10 n. v. – Grigore; EuGH v. 9.9.2003 – C-151/02, NZA 2003, 1019 ff. Rz. 49 – Jaeger. EuGH v. 9.9.2003 – C-151/02, NZA 2003, 1019 ff. Rz. 58 – Jaeger.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Da im Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens für den Kläger die Pflicht bestand, an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend zu sein, sowie eine Einschränkung zur Wahrnehmung anderer Tätigkeiten vorlag, die sich aus geographischer und zeitlicher Sicht aus dem Erfordernis ergab, sich innerhalb von acht Minuten an seinem Arbeitsplatz einfinden zu müssen, hat der EuGH diese Art von Bereitschaftsdienst unionsrechtlich der Arbeitszeit zugeordnet. Für die betriebliche Praxis ergibt sich im Hinblick auf die Abgrenzung des Bereitschaftsdienstes von der Rufbereitschaft die Schlussfolgerung, dass die Einschränkung zur Wahrnehmung anderer Tätigkeiten durch den Arbeitgeber nicht nur dann vorliegt, wenn der Arbeitnehmer an einem bestimmten, vom Arbeitgeber vorgegebenen Ort zum Abruf erreichbar sein muss, sondern auch dann, wenn sich der Arbeitnehmer innerhalb so kurzer Zeit an seinem Arbeitsplatz einzufinden hat, dass sich daraus trotz fehlender Bestimmung des Aufenthaltsorts eine geographische Einschränkung des Aufenthaltsorts ergibt. Bei derartigem Befund ist diese Art der Bereitschaft der Arbeitszeit zuzuordnen. Bislang fehlt eine generelle Aussage der Rechtsprechung, welcher Zeitrahmen hierfür maßgebend ist. Bei einer Verfügbarkeit über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers innerhalb von acht bis zehn Minuten nach Abruf ist dies zweifelsfrei zu bejahen. Diesen Zeitrahmen wird man durchaus bis zu 20 Minuten ausdehnen können. Rufbereitschaft setzt daher nicht nur die freie Bestimmung des Aufenthaltsorts durch den Arbeitnehmer voraus, sondern darüber hinaus, dass er mindestens 30 Minuten Wegezeit in Anspruch nehmen kann, um nach dem Arbeitsabruf seine Arbeitstätigkeit aufzunehmen. Zur Schaffung klarer Verhältnisse könnte es sich anbieten, soweit der einschlägige Tarifvertrag keine Regelung enthält, den Zeitrahmen durch Betriebsvereinbarung oder arbeitsvertragliche Regelung zu konkretisieren. Bestimmend dürfte dabei sein, den Zeitrahmen zwar großzügig, aber so festzulegen, dass der Zweck der Rufbereitschaft noch gewahrt wird. (Boe)

2.

Festlegung des Ruhetags bei aufeinanderfolgenden Schichten

Die Richtlinie 2003/88/EG vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung10 ist darauf angelegt, Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung unter anderem im Hinblick auf tägliche Ruhezeiten, Ruhepausen, wöchentliche Ruhezeiten sowie 10 ABl.EU 2003, L 299, 9 ff.

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Festlegung des Ruhetags bei aufeinanderfolgenden Schichten

auf wöchentliche Höchstarbeitszeit vorzugeben. So sieht etwa Art. 3 Richtlinie 2003/88/EG vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit jedem Arbeitnehmer pro 24-Stunden-Zeitraum eine tägliche Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden gewährt wird. Art. 5 Richtlinie 2003/88/EG behandelt die wöchentliche Ruhezeit: Die Mitgliedstaaten treffen danach die erforderlichen Maßnahmen, damit jedem Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden gemäß Art. 3 Richtlinie 2003/88/EG gewährt wird. Allerdings erlaubt die Richtlinie 2003/88/EG durch Art. 17 den Mitgliedstaaten, für näher bezeichnete Branchen Abweichungen unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Schutzes der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer vornehmen zu dürfen. Darüber hinaus werden mit Art. 18 Richtlinie 2003/88/EG Abweichungen auf der Grundlage von Tarifverträgen gestattet. In einem Vorabentscheidungsersuchen eines portugiesischen Gerichts bezüglich der Auslegung von Art. 5 Richtlinie 2003/88/EG musste der EuGH mit Urteil vom 9.11.201711 klären, ob die kontinuierliche wöchentliche Mindestruhezeit von 24 Stunden, auf die ein Arbeitnehmer Anspruch hat, spätestens an dem Tag gewährt werden muss, der auf einen Zeitraum von sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen folgt. Diese Frage stellte sich bei einem Kläger, der bei einer portugiesischen Gesellschaft, deren Spielcasino durchgehend an allen Wochen- und Sonntagen geöffnet war, während mehrerer Jahre teilweise an sieben aufeinanderfolgenden Tagen als Arbeitnehmer gearbeitet hatte. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der Kläger von der portugiesischen Gesellschaft Schadensersatz in Höhe von 18.602 €, weil die jeweils von ihm am siebten Tage geleisteten Arbeitsstunden als Überstunden hätten vergütet werden müssen. Das Berufungsgericht Porto legte dem EuGH deshalb unter anderem die Frage vor, ob Art. 5 Richtlinie 2003/88/EG vorschreibe, dass der obligatorische wöchentliche Ruhetag, der zwingend in jedem Siebentageszeitraum zu gewähren ist, zumindest am siebten Tag nach sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen gewährt werden muss. Zunächst geht der EuGH davon aus, dass die in Art. 5 Richtlinie 2003/88/EG enthaltene Wendung „pro Siebentageszeitraum“ als ein „autonomer“ Begriff des Unionsrechts aufzufassen und damit – unabhängig von den Wertungen in den Mitgliedstaaten – im gesamten Gebiet der Union

11 EuGH v. 9.11.2017 – C-306/16, NZA 2017, 1521 ff. – Maio Marques da Rosa; vgl. dazu Klöcke, AuR 2018, 143 f.; Lipinski, DB 2017, 3077.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

„einheitlich“ auszulegen ist12. Der Wortlaut der Vorschrift enthält nach Ansicht des EuGH keine nähere Festlegung, zu welchem Zeitpunkt die darin vorgesehene Mindestruhezeit zu gewähren ist, sodass den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Wahl dieses Zeitpunkts ein gewisser Spielraum eingeräumt wird. Da in Art. 5 Richtlinie 2003/88/EG keine Frist vorgegeben wird, innerhalb derer eine Mindestruhezeit gewährt werden muss, ist der Siebentageszeitraum nach Ansicht des EuGH als fester Zeitraum zu definieren, innerhalb dessen eine bestimmte Anzahl aufeinanderfolgender Ruhestunden zu gewähren ist, unabhängig vom Zeitpunkt, zu dem diese Ruhestunden gewährt werden, sodass eine gleichmäßige Verteilung nicht erfolgen muss. Damit gelangt der EuGH mit Blick auf eine systematische Auslegung von Art. 5 Richtlinie 2003/88/EG zu dem Ergebnis, dass die kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden gemäß Art. 3 Richtlinie 2003/88/EG „jederzeit innerhalb jedes Siebentageszeitraums“ gewährt werden kann. Der EuGH sieht in diesem Auslegungsergebnis keinen Widerspruch zum Ziel der Richtlinie 2003/88/EG, das darauf gerichtet ist, die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer wirksam zu schützen. Dabei stützt sich der EuGH auf den 15. Erwägungsgrund der Richtlinie, wonach das mit der Richtlinie verfolgte Ziel, Gesundheit und Sicherheit des Arbeitnehmers angemessen zu schützen, damit einhergeht, gleichzeitig den Mitgliedstaaten eine gewisse Flexibilität bei der Anwendung ihrer Bestimmungen zu gewährleisten, was durch Art. 5 Richtlinie 2003/88/EG auch geschehen ist. Ergänzt wird dieser Gedanke mit dem Hinweis, dass die vom EuGH befürwortete Auslegung von Art. 5 Richtlinie 2003/88/EG auch dem Arbeitnehmer zugutekommen kann, weil die Regelung erlaubt, dem betreffenden Arbeitnehmer am Ende und am Anfang des darauffolgenden Bezugszeitraums mehrere aufeinanderfolgende Ruhetage zu gewähren. Schließlich weist der EuGH darauf hin, dass auch Art. 31 Abs. 2 GRC an diesem Ergebnis nichts ändert, weil daraus für die Auslegung von Art. 5 Richtlinie 2003/88/EG keine weiteren Hinweise entnommen werden können. Für die deutsche Betriebspraxis ist die Entscheidung des EuGH vor allem dort von Bedeutung, wo Ausnahmen von der Sonntagsbeschäftigung bestehen (§ 10 ArbZG), weil durch das Verbot der Sonntagsarbeit (§ 9 ArbZG) i. V. m. § 11 Abs. 4 ArbZG die Sonntagsruhe des § 9 ArbZG grundsätzlich unmittelbar in Verbindung mit einer elfstündigen Ruhezeit nach § 5 ArbZG 12 Ebenso EuGH v. 2.3.2017 – C-4/16 n. v. Rz. 23 – J.D.

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Pflicht zur Vergütung von Umkleide- und umkleidebedingten Wegezeiten

steht. Die Sonntagsruhe ist den Arbeitnehmern unmittelbar in Verbindung mit der Ruhezeit nach § 5 ArbZG zu gewähren, sodass die wöchentliche Ruhezeit und die tägliche Mindestruhezeit addiert werden und insgesamt 35 Stunden ausmachen. (Boe)

3.

Pflicht zur Vergütung von Umkleide- und umkleidebedingten Wegezeiten

Bereits in der Vergangenheit haben wir uns mehrfach mit der Frage befasst, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine arbeitgeberseitige Pflicht zur Vergütung von Umkleide- und umkleidebedingten Wegezeiten gegeben ist. Relevant wird dies nicht nur dort, wo der Arbeitgeber aus Gründen der optischen Vereinheitlichung des Auftretens seiner Arbeitnehmer eine Dienstkleidung einführt. Klärungsbedürftig ist die Vergütungspflicht auch dann, wenn eine bestimmte Bekleidung aus Gründen des Arbeitsschutzes getragen werden muss13. In seinem Urteil vom 6.9.201714 hat das BAG diese Grundsätze noch einmal bestätigt, zugleich aber die Voraussetzungen erleichtert, die für eine Vergütungspflicht beim Tragen von Dienstkleidung erfüllt sein müssen. Der Kläger in dem zugrunde liegenden Fall war als Krankenpfleger bei der Beklagten, einem Kreiskrankenhaus, beschäftigt. Auf der Grundlage einer entsprechenden Dienstvereinbarung war er verpflichtet, während seines Dienstes Dienstbekleidung zu tragen. Diese bestand aus einer weißen Hose und einem weißen Oberteil. Das während des Dienstes zu tragende Namensschild war mittels eines Klips‘ abnehmbar. Eine Beschriftung oder ähnliche Kennzeichnung, die auf das Kreiskrankenhaus als Arbeitgeber hätte hinweisen können, war an der Dienstkleidung nicht befestigt. Umkleideräume, in denen diese Dienstkleidung an- oder ausgezogen werden konnte, wurden durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt. Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, dass er für das An- und Ablegen der Dienstkleidung und für die Wegezeiten vom Umkleideraum zur Arbeitsstelle und zurück durchschnittlich zwölf Minuten pro Arbeitstag benötigt habe. Die Beklagte sollte deshalb verurteilt werden, ihm für diese Zeit eine entsprechende Vergütung zu zahlen. Grundlage hierfür war der Tarifvertrag, der allerdings keine eigenständige Regelung für die Vergütung von Umkleide- oder umkleidebedingten Wegezeiten enthielt. Die Beklagte lehn-

13 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2017, 131 ff. 14 BAG v. 6.9.2017 – 5 AZR 382/16, NZA 2018, 180 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

te dies ab. Es stehe dem Kläger frei, die Dienstkleidung zu Hause an- und abzulegen. Losgelöst von Abschlägen, die sich durch die unzulässige Einbeziehung von Zeiten zur Desinfektion und die fehlende Darlegung notwendiger Umkleidezeiten an einzelnen Arbeitstagen ergaben, hat der 5. Senat des BAG der Revision stattgegeben und den Zahlungsanspruch im Grundsatz bestätigt. Die Sache wurde zur weiteren Ermittlung des tatsächlichen Umkleideaufwands zurückverwiesen. Ausgangspunkt der entsprechenden Feststellungen des BAG ist der Grundsatz, dass die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers nach § 611 Abs. 1 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste anknüpfe. Hierzu gehöre – so das BAG – nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhänge. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste i. S. d. § 611 Abs. 1 BGB sei jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses diene15. Daran hat sich auch durch § 611 a BGB nichts geändert. Hiervon ausgehend handele es sich – so das BAG – auch bei dem An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung um vergütungspflichtige Arbeit. Denn an der Offenlegung der von ihm ausgeübten beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten habe der Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse. Die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers – auch zum Aufsuchen der Umkleideräume – beruhte daher auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit. Daraus folge, dass der Arbeitgeber auch eine Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit schulde. An der erforderlichen Fremdnützigkeit fehlt es nach den Feststellungen des BAG nur dann, wenn die Dienstkleidung bereits zu Hause angelegt und – ohne besonders auffällig zu sein – auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden könne16. An der ausschließlichen Fremdnützigkeit als Voraussetzung für eine Vergütungspflicht fehle es auch dann, wenn es dem Arbeitnehmer

15 BAG v. 6.9.2017 – 5 AZR 382/16, NZA 2018, 180 ff. Rz. 12; BAG v. 26.10.2016 – 5 AZR 168/16, NZA 2017, 323 ff. Rz. 10. 16 BAG v. 6.9.2017 – 5 AZR 382/16, NZA 2018, 180 ff. Rz. 13; BAG v. 10.11.2009 – 1 ABR 54/08, NZA-RR 2010, 301 ff. Rz. 15.

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Pflicht zur Vergütung von Umkleide- und umkleidebedingten Wegezeiten

gestattet sei, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen und er sich entscheide, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Denn dann diene das Umkleiden außerhalb des Betriebs nicht nur einem fremden Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen müsse oder sich aus anderen, selbst bestimmten Gründen gegen das Ab- und Anlegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheide17. Damit war auch in dem hier in Rede stehenden Fall entscheidend, ob die Dienstkleidung, die der Kläger tragen sollte, als „besonders auffällig“ zu qualifizieren war. Das BAG ist von dieser besonderen Auffälligkeit ausgegangen. Zwar könne der Arbeitnehmer bei einer ausschließlich in weiß gehaltenen Farbe nicht ohne Weiteres einem bestimmten Arbeitgeber zugeordnet werden. Um eine besonders auffällige Dienstkleidung handele es sich – so das BAG – jedoch auch, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Ausgestaltung seiner Kleidungsstücke in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Berufszweig oder einer bestimmten Branche in Verbindung gebracht werde. An einer solchen Offenlegung seiner beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten habe er regelmäßig kein eigenes Interesse. Dabei spiele es für die Zuordnung zu einer Branche bzw. zu einem Berufszweig keine Rolle, ob die Dienstkleidung in dezenten oder auffälligen Farben gehalten sei. Hiervon ausgehend war eine besondere Auffälligkeit der ausschließlich in weiß gehaltenen Dienstkleidung im öffentlichen Straßenbild anzunehmen, zumal – so das BAG – sie typischerweise auf eine Zugehörigkeit des Trägers zu einem Heil- oder hierzu gehörenden Hilfsberuf schließen lasse. Das entspreche auch dem von der Beklagten mit der Dienstvereinbarung verfolgten Zweck. Denn durch die besondere Ausgestaltung der Dienstkleidung sollten die Krankenhauspatienten und –besucher die Mitarbeiter des Pflegepersonals als solche erkennen können. Für die betriebliche Praxis folgt daraus, dass es im Zweifel kaum möglich ist, die besondere Auffälligkeit einer Dienstkleidung zu vermeiden. Entscheidend ist damit, dass in Bezug auf die Umkleide- und umkleidebedingten Wegezeiten angemessene Regelungen zur Vergütung getroffen werden. Diese können eine minutengenaue Abrechnung ebenso wie die Zahlung einer Pauschale vorsehen. Zulässig wäre es auch, solche Zeiten in Gänze aus der Vergütungspflicht herauszunehmen. Voraussetzung wäre lediglich, dass 17 BAG v. 6.9.2017 – 5 AZR 382/16, NZA 2018, 180 ff. Rz. 13; BAG v. 17.11.2015 – 1 ABR 76/13, NZA 2016, 247 ff. Rz. 25.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

das dem Arbeitnehmer im Übrigen gezahlte Entgelt unter Einbeziehung der Umkleide- und umkleidebedingten Wegezeiten in seiner Gesamtheit jedenfalls die Höhe des Mindestlohnes erreicht. Wenn die Regelungen nicht bereits durch Tarifvertrag getroffen werden, wird man allerdings die gesetzlichen Schranken durch § 4 Abs. 3 TVG (Arbeitsvertrag/Betriebsvereinbarung) bzw. § 77 Abs. 3 BetrVG (Betriebsvereinbarung) beachten müssen. Trotz dieser Schranken, die im Zweifel anspruchsbegründenden Vereinbarungen mit dem Betriebsrat entgegenstehen, hat sich in der betrieblichen Praxis allerdings die Regelung durch Betriebsvereinbarung bewährt. Wenn ihre Unwirksamkeit geltend gemacht wird, ist auf die im Einzelfall erforderlichen Umkleide- und Wegezeiten abzustellen. Erforderlich ist dabei nur die Zeit, die der Arbeitnehmer für das Umkleiden und den Weg zur und von der Umkleidestelle im Rahmen der objektiven Gegebenheiten unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit benötigt. Das ist grundsätzlich einzelfallbezogen darzulegen. Steht auf dieser Grundlage fest, dass Umkleide- und Wegezeiten auf Veranlassung des Arbeitgebers entstanden sind, kann aber der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, hat das Gericht diese Zeiten nach § 787 Abs. 1 S. 1, 2, Abs. 2 ZPO zu schätzen18. (Ga)

4.

Aktuelle Fragen zur praktischen Umsetzung des Entgelttransparenzgesetzes

In vergangenen Jahren haben wir eingehend über das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) und die damit verbundenen Veränderungen berichtet. Neben den allgemeinen Grundsätzen zur Kennzeichnung einer Vergütung für gleiche und gleichwertige Tätigkeit, die keine Differenzierung wegen des Geschlechts enthält, gehören hierzu vor allem der Auskunftsanspruch, das Prüfverfahren und die Berichtspflicht19. Wegen ihrer besonderen Bedeutung sollen nachfolgend einige Aspekte weiter vertieft werden.

a)

Geltendmachung des individuellen Auskunftsanspruchs

aa)

Allgemeine Anforderungen

Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 EntgTranspG haben Beschäftigte zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots einen Auskunftsanspruch nach Maßgabe der §§ 11 bis 16 EntgTranspG. Im Rahmen dessen können sie 18 BAG v. 6.9.2017 – 5 AZR 382/16, NZA 2018, 180 ff. Rz. 27 f. 19 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2017, 10 ff., 430 ff.

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Aktuelle Fragen zur praktischen Umsetzung des Entgelttransparenzgesetzes

Auskunft zu dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt nach § 5 Abs. 1 EntgTranspG und bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen verlangen (§ 10 Abs. 1 S. 3 EntgTranspG)20. Ein entsprechender Auskunftsanspruch ist allerdings auf Arbeitnehmer in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten desselben Arbeitgebers beschränkt. Dabei umfasst die Auskunftspflicht • nur Entgeltregelungen, die in demselben Betrieb und bei demselben Arbeitgeber angewendet werden, • keine regional unterschiedlichen Entgeltregelungen bei demselben Arbeitgeber und • keinen Vergleich der Beschäftigtengruppen nach § 5 Abs. 2 EntgTranspG untereinander (§ 11 Abs. 2 EntgTranspG).

Die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs muss in Textform erfolgen. Interessant ist, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf seiner Website bereits Formulare veröffentlicht hat, die von Arbeitnehmern zur Geltendmachung entsprechender Auskunftsverlangen genutzt werden können. Dabei wird zwischen Beschäftigten nichttarifgebundener oder nichtanwendender Arbeitgeber und solchen Beschäftigten differenziert, bei denen eine entsprechende Tarifbindung gegeben ist21. Eine Wiederholung des Verlangens innerhalb von zwei Jahren ist nur dann zulässig, wenn der Beschäftigte darlegen kann, dass sich die Voraussetzungen wesentlich verändert haben (§ 10 Abs. 2 EntgTranspG). Ansprechpartner dabei ist nach Maßgabe von § 14 EntgTranspG grundsätzlich der Betriebsrat22. bb)

Fehlende Bezeichnung einer Vergleichstätigkeit

Im Rahmen des Auskunftsverlangens muss der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit (Vergleichstätigkeit23) benennen. Problematisch ist, wenn dies nicht oder nach Auffassung des Arbeitgebers und/oder Betriebsrats nicht ausreichend erfolgt. Folgt man allein der gesetzgeberischen Konzeption, würde die unsubstantiierte Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs nach § 10 Abs. 1 Entg20 Leitfäden des BMFSFJ zum Entgelttransparenzgesetz v. 24.8.2017. Ausf. dazu Günther/Heup/Mayr, NZA 2018, 545 ff. 21 Helm/Becker/Huber/Müller/Müller, AuR 2018, 18 ff.; Kuhn/Schwindling, DB 2018, 509 ff.; Weigert, NZA 2018, 210 ff. 22 Kocher, AuR 2018, 8 ff. 23 Kocher, AuR 2018, 8, 14.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

TranspG seine Zurückweisung rechtfertigen. Darin dürfte allerdings nicht nur personalpolitisch ein Umgang mit entsprechenden Interessen der betroffenen Arbeitnehmer liegen, der vermeidbar erscheint. Hinzukommt, dass die Zumutbarkeit einer entsprechenden Konkretisierung für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung durchaus unterschiedlichen Bewertungen unterliegen kann. Das kann zur Folge haben, dass der Arbeitgeber und/oder der Betriebsrat bei einer entsprechenden Ablehnung wegen einer vermeintlich unzureichenden Bezeichnung der Vergleichstätigkeit in unberechtigter Weise eine Auskunft verweigert haben. Gemäß § 15 Abs. 5 EntgTranspG hat dies zur Folge, dass der Arbeitgeber im Streitfall die Beweislast dafür trägt, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot im Sinne dieses Gesetzes vorliegt. Hätte der Betriebsrat die Auskunft erteilen müssen, gilt dies nur dann, wenn er insoweit die Auskunft aus Gründen verweigert, die der Arbeitgeber zu vertreten hat. Vor diesem Hintergrund erscheint es empfehlenswert, eine etwaige Ablehnung des Auskunftsverlangens wegen fehlender Konkretisierung einer Vergleichstätigkeit stets mit einem entsprechenden Hinweis und der Aufforderung zu verbinden, diese Angaben nachzuliefern. Alternativ hierzu könnten Arbeitgeber und Betriebsrat ihrerseits die erforderliche Kennzeichnung der Vergleichstätigkeit vornehmen und hierzu eine entsprechende Auskunft erteilen. Das könnte das Risiko reduzieren, mit dem Arbeitnehmer darüber zu streiten, ob eine von ihm benannte Vergleichstätigkeit tatsächlich gleich oder gleichwertig ist. Solche Tätigkeiten sind unter Berücksichtigung der Begründungspflicht aus § 15 Abs. 4 S. 2 EntgTranspG aus der Auskunft des Arbeitgebers herauszunehmen. cc)

Kennzeichnung einer gleichwertigen Tätigkeit

Nach § 4 Abs. 2 EntgTranspG üben weibliche und männliche Beschäftigte eine gleichwertige Arbeit im Sinne dieses Gesetzes aus, wenn sie unter Zugrundlegung einer Gesamtheit von Faktoren als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können. Zu den zu berücksichtigenden Faktoren gehören unter anderem die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderungen und die Arbeitsbedingungen. Dabei ist von den tatsächlichen, für die jeweilige Tätigkeit wesentlichen Anforderungen auszugehen, die von den ausübenden Beschäftigten und deren Leistungen unabhängig sind. Es gibt bedauerlicherweise kein bestimmtes Verfahren, aufgrund dessen die Kennzeichnung der Gleichwertigkeit einer Tätigkeit erfolgen kann. Vielmehr stehen unterschiedliche Messmethoden zur Verfügung, die auch von ihrer Qualität her verschieden sind. Einige Verfahren wird man sogar als ungeeignet ansehen können (z. B. Monitor-Entgelttransparenz, Logib-D). An72

Aktuelle Fragen zur praktischen Umsetzung des Entgelttransparenzgesetzes

dere Verfahren sind nur begrenzt geeignet. Hierzu gehört beispielsweise der Leitfaden der ILO zur Gendergerechtigkeit. Darin sind nur wenige konkrete Umsetzungsvorgaben enthalten. Die EVA-Liste zur Evaluierung von Arbeitsbewertungsverfahren hingegen dürfte ein erster Schritt sein, um zu erkennen, ob in Bezug auf Tätigkeiten, deren Gleichwertigkeit zunächst einmal unterstellt wird, Probleme hinsichtlich einer geschlechtsbezogenen Gleichbehandlung in Bezug auf das Entgelt gegeben sein könnten. Ausgangspunkt der EVA-Liste sind Fragen, die Erkenntnisse dazu vermitteln sollen, ob ein Arbeitsbewertungsverfahren geschlechtsneutral und ohne ein Potential zur mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts formuliert ist. Ob entsprechende Regelungen mit Diskriminierungspotential in ihrer Anwendung dann tatsächlich diskriminierend wirken, kann allein auf der Grundlage der EVA-Liste aber nicht festgestellt werden. Hierzu sind weitere Schritte einzuleiten. Grundlage weitergehender Evaluierungsmaßnahmen kann in der betrieblichen Praxis der Regelungscheck im EG-Check sein. Das gleiche gilt für klassische analytische Arbeitsbewertungsverfahren, wie sie beispielsweise durch Katz/Baitsch (ABAKABA) entwickelt wurden. Nachvollziehbare Erkenntnisse auch für Personen, die für den Bereich der Entgeltgleichheit nicht spezialisiert sind, dürfte in diesem Zusammenhang wohl der Paarvergleich aus dem EG-Check liefern. Er berücksichtigt Anforderungen und Belastungen, die mit den unterschiedlichen Tätigkeiten, deren Gleichwertigkeit festgestellt werden soll, verbunden sind. Ausgangspunkt sind dabei • Anforderungen an das Wissen und Können, • Anforderungen an psychosoziale Kompetenzen, • Anforderungen an Verantwortung sowie • physische und psychische Anforderungen.

Soweit Anforderungen an das Wissen und Können auch Fachkenntnisse und Fertigkeiten berücksichtigen, kann in verschiedenen Stufen der Grad einer notwendigen Ausbildung berücksichtigt werden. Die niedrigste Schwelle bildet dabei eine kurze Einarbeitungszeit. Die höchste Schwelle bieten Fachkenntnisse, die durch Hochschul- oder Masterabschluss und Referendariat, praktische Ausbildung oder vergleichbare Berufserfahren erworben wurden. Einzelzeiten zu diesem Prüfverfahren finden sich auf der Website der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die insoweit mit der Hans-Böckler73

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Stiftung kooperiert24. Hilfreich dürfte sein, solche Kriterien nicht nur im Zusammenhang mit entsprechenden Auskunftsverlangen anzuwenden. Vielmehr sollten diese Gesichtspunkte bereits dann Beachtung finden, wenn die Anforderungen an Entgeltbestandteile im Rahmen individual- oder kollektivrechtlicher Regelungen festgelegt werden. Schließlich geht es darum, bereits im Ursprung eine Benachteiligung wegen des Geschlechts auszuschließen. Das Auskunftsverlangen nach §§ 10 f. EntgTranspG ist ebenso wie das Prüfverfahren nach §§ 17 ff. EntgTranspG nur eine Erkenntnisquelle, die nachgeschaltet etwaige bereits vorliegende Diskriminierungen erkennbar macht25.

b)

Berichtspflicht gemäß §§ 21 f. EntgTranspG

Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten müssen einen Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit erstellen, in dem sie Folgendes darstellen: • ihre Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und deren Wirkungen sowie • ihre Maßnahmen zur Herstellung von Entgeltgleichheit für Frauen und Männer.

Arbeitgeber, die keine solche Maßnahmen durchführen, müssen dies in ihrem Bericht begründen. Darüber hinaus enthält der Bericht nach Geschlecht aufgeschlüsselte Angaben zu der durchschnittlichen Gesamtzahl der Beschäftigten sowie zu der durchschnittlichen Zahl der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten. Wichtig ist, dass diese Berichtspflicht nur Unternehmen erfasst, die zur Erstellung eines Lageberichts nach den §§ 264, 289 HGB verpflichtet sind. Damit besteht keine entsprechende Berichtspflicht bei Unternehmen, die als Tochtergesellschaften in einem Konzernabschluss konsolidiert werden, selbst wenn sie ihrerseits den Schwellenwert von 500 Beschäftigten überschreiten. Wenn die Konzernobergesellschaft ihrerseits aber in der Regel nicht mehr als 500 Beschäftigte hat, ist auch dort keine Berichtspflicht nach § 21 EntgTranspG gegeben26. Ob dem Gesetzgeber diese Regelungslücke bewusst war, ist nicht erkennbar. Er hat jedenfalls auf eine Verpflichtung der Konzernobergesellschaft, einen Konzernbericht abzugeben, verzichtet. Eine

24 Eingehend auch Lillemeier, AuR 2018, 119 ff. m. w. N. 25 So auch: Göpfert, NZA 2018, 207 ff. 26 Bily/Ludwig, AuA 2018, 82, 83.

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Weihnachtsgratifikation im Ermessen des Arbeitgebers

entsprechende Erweiterung ist fakultativ für das Prüfverfahren in § 17 Abs. 1 S. 2 EntgTranspG vorgesehen. Bemerkenswert ist, dass der Bericht nach § 21 EntgTranspG erstmals im Jahr 2018 erstellt werden muss. Gegenstand sind dabei Maßnahmen, die durch den Arbeitgeber im Jahr 2016 getätigt wurden. Das EntgTranspG war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft. Eine Wiederholung der Berichte kommt dann erst wieder im Jahr 2021 (Unternehmen ohne Tarifbindung) bzw. 2023 (tarifgebundene und tarifanwendende Unternehmen) auf die Tagesordnung. Ob in diesem Zusammenhang das Privileg des Tarifvertrags und die damit verbundene Verlängerung des Berichtsintervalls allerdings so uneingeschränkt zur Anwendung kommen, erscheint zweifelhaft. Denn es dürfte den Regelfall darstellen, dass auch in Unternehmen mit Tarifbindung nicht alle Arbeitnehmer nach den Vorgaben eines Tarifvertrags in Bezug auf ihr Entgelt behandelt werden, obwohl sie vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrags erfasst werden. Damit aber liegen an sich nicht (mehr) die Voraussetzungen für eine Kennzeichnung als tarifanwendenden Arbeitgeber i. S. d. § 5 Abs. 5 EntgTranspG vor. Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung mit solchen Ausnahmetatbeständen, die Bedeutung auch für andere Privilegierungen im Rahmen des EntgTranspG haben, umgehen wird. (Ga)

5.

Weihnachtsgratifikation im Ermessen des Arbeitgebers

Zahlreiche Arbeitgeber gewähren ihren Mitarbeitern neben einer Grundvergütung zusätzliche Sonderzahlungen wie Urlaubsgelder, Jubiläumsgratifikationen, Weihnachtsgratifikationen, um nur einige dieser Sonderzahlungen zu nennen. Häufig werden entsprechende Zusagen des Arbeitgebers mit Freiwilligkeits- und/oder Ermessensvorbehalten verbunden, wobei der Freiwilligkeitsvorbehalt regelmäßig nur zum Ausdruck bringt, dass der Arbeitgeber nicht bereits durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zur Zahlung verpflichtet ist27. Da der Gesetzgeber in § 315 BGB ein Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen vorsieht, enthält eine arbeitsvertragliche Klausel, nach der der Arbeitgeber jährlich jeweils neu über die Höhe der Gratifikation entscheidet, weder einen unzulässigen Änderungsvorbehalt (§ 308 Nr. 4 BGB) noch verstößt sie gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) noch liegt darin eine unangemessene Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB)28. Einseitige Leistungsbestimmungen i. S. v. 27 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 ff. Rz. 22. 28 Vgl. etwa BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 ff. Rz. 16, 19, 24.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

§ 315 BGB werden nicht von § 308 Nr. 4 BGB erfasst, wenn sie darauf beschränkt sind, dem Verwender die erstmalige Festlegung seiner Leistung zu ermöglichen29. Dies betrifft den Fall, dass der Arbeitgeber jährlich neu über die Höhe der Gratifikation befindet. Ebenso wenig ergibt sich für den Arbeitnehmer eine unangemessene Benachteiligung daraus, dass der Bestimmungsvorbehalt nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Vertragsklausel selbst keine Maßstäbe für die zu treffende Leistungsbestimmung vorgibt, weil es sich um eine Zusatzleistung des Arbeitgebers handelt, zu der er an sich nicht verpflichtet wäre und mit einem entsprechenden Freiwilligkeitsvorbehalt das Entstehen eines Rechtsanspruchs für die Zukunft verhindern könnte30. Entscheidend ist jedoch vor allem, dass die Leistungsbestimmung des Arbeitgebers der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt und im Falle der Unbilligkeit eine Ersatzbestimmung durch das Gericht getroffen wird. Wegen dieser gerichtlichen Kontrolle besteht bei derartiger Vertragsgestaltung auch keine Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen ihrer unklaren Fassung seine Rechte nicht wahrnimmt31. Eine unangemessene Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB) des Arbeitnehmers scheidet schon deshalb aus, weil der Vorbehalt einer einseitigen Leistungsbestimmung keine Abweichung vom Gesetz (§ 307 Abs. 3 BGB) darstellt, das durch § 315 BGB einem berechtigten Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechend einseitige Leistungsbestimmungsrechte ausdrücklich erlaubt32. In der Entscheidung vom 23.8.2017 war der 10. Senat des BAG33 mit der Frage befasst, ob eine als freiwillige Leistung bezeichnete Weihnachtsgratifikation, deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekannt gegeben wird und 29 Jahre lang in Höhe eines vollen Monatsgehalts gezahlt worden war, auch künftig in dieser Höhe vom Arbeitgeber weitergezahlt werden musste. Vereinbarungsgemäß war außerdem eine Vorschusszahlung im Juni von bis zu einem halben Monatsgehalt vorgesehen. In der Vergangenheit erhielten die Mitarbeiter Mitte des Jahres eine Vorschusszahlung in Höhe von 50 % eines Monatsgehalts, während die weiteren 50 % der Weihnachtsgratifikation mit den Novemberbezügen gewährt worden waren. Auch 29 BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 101 ff. Rz. 17; BAG v. 29.8.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 ff. Rz. 32. 30 BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 ff. Rz. 21. 31 Nur BAG v. 18.5.2011 – 10 AZR 206/10, NZA 2011, 1289 ff. Rz. 29. 32 BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 ff. Rz. 29; BAG v. 29.8.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 ff. Rz. 42. 33 BAG v. 23.8.2017 – 10 AZR 376/16, NZA 2017, 1595 ff.; vgl. dazu Voigt/Steeger, DB 2018, 646.

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Weihnachtsgratifikation im Ermessen des Arbeitgebers

im 30. Jahr hat der Arbeitgeber den Vorschuss in Höhe eines halben Monatsentgelts Anfang Juni gezahlt, dann jedoch im September den Mitarbeitern mitgeteilt, dass wegen eines negativen Betriebsergebnisses vor Steuern keine weitere Gratifikation an die Belegschaft gezahlt werde. Diese Kürzung der Höhe der Weihnachtsgratifikation wollte die Klägerin nicht hinnehmen und beanspruchte mit ihrer Zahlungsklage von der Beklagten die zweite Hälfte der Weihnachtsgratifikation. Wie bereits die Vorinstanz hat auch das BAG die Klage für unbegründet gehalten. Dabei ist das BAG in Übereinstimmung mit den Parteien bezüglich der Regelungen im Arbeitsvertrag von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgegangen und hat diese nach ihrem objektiven Inhalt, gestützt auf den Vertragswortlaut, dahingehend interpretiert, dass die Klägerin einen Anspruch auf eine jährliche Weihnachtsgratifikation hat, auf die im Juni ein Vorschuss zu leisten ist, wobei die Höhe der Weihnachtsgratifikation und des Vorschusses von der Beklagten nach billigem Ermessen bestimmt wird (§ 315 BGB). Insofern hat sich das BAG von der Erwägung leiten lassen, dass auf der Grundlage der vertraglichen Regelung vorgesehen war, dass die Höhe der Weihnachtsgratifikation jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekannt gegeben wird und derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt. Mit dieser Formulierung hat der Arbeitgeber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, offen lassen zu wollen, ob die Höhe der Gratifikation künftig ein Monatsgehalt erreicht, überschreitet oder unterschreitet. Demgemäß durfte die Beklagte die Höhe der Weihnachtsgratifikation nach billigem Ermessen einseitig festlegen. In gleicher Weise war die Höhe der Vorschusszahlung auf die Weihnachtsgratifikation zu beurteilen. Das BAG hatte keinerlei Anlass, unter dem Gesichtspunkt der AGBKontrolle die vertragliche Regelung zu beanstanden, zumal § 315 BGB ein derartiges einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ausdrücklich erlaubt und zudem die vorgenommene Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt34. Das BAG ist auch nicht der Argumentation der Klägerin gefolgt, wegen der langjährigen Gewährung der Gratifikation in Höhe eines vollen Monatsgehalts sei von einer entsprechenden vertraglichen Ergänzung auszugehen. Allein die gleichbleibende Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts über einen längeren Zeitraum führt nach Ansicht des BAG nicht zu einer Konkre34 BAG v. 23.8.2017 – 10 AZR 376/16, NZA 2017, 1595 ff. Rz. 20; BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 ff. Rz. 42; Pfrogner, BB 2018, 757 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

tisierung des Vertragsinhalts mit der Maßgabe, dass jede andere Ausübung des Ermessens der Billigkeit widerspräche35. Diese Aussage des BAG knüpft an die bisherige Rechtsprechung an, wonach zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, dass sich Arbeitspflichten, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren36, jedoch eine zunächst gleichbleibende Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts allein regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand für den Arbeitnehmer schafft, der Arbeitgeber wolle künftig von dem ihm eingeräumten Recht keinen anderen Gebrauch mehr machen. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände kann auf eine künftige vertragliche Beschränkung des Leistungsbestimmungsrechts seitens des Arbeitgebers geschlossen werden. Ebenso wenig kam nach Auffassung des BAG eine Vertragsänderung deshalb in Betracht, weil die Beklagte die Zahlungen der Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Monatsgehalts in der Vergangenheit stets vorbehaltlos erbracht hat. Unter Hinweis auf seine Rechtsprechung37, wonach der Arbeitnehmer aus der mehrmaligen vorbehaltlosen Auszahlung einer Gratifikation auf ein verbindliches Angebot des Arbeitgebers i. S. v. § 145 BGB schließen kann, in jedem Kalenderjahr eine entsprechende Sonderzahlung zu leisten, führt das BAG aus, dass damit nur eine Konstellation betroffen ist, bei der keine ausdrückliche Vereinbarung der Parteien vorliegt. Im Streitfall haben die Parteien jedoch eine entsprechende Regelung getroffen, die von der Beklagten mit ihrer jeweiligen, jährlich vorgenommenen Leistungsbestimmung umgesetzt worden ist. Schließlich konnte nach Auffassung des BAG nicht zu Gunsten der Klägerin ins Gewicht fallen, dass die Beklagte einen Vorschuss oder Abschlag auf die Weihnachtsgratifikation gezahlt und sich im Zusammenhang damit nicht ausdrücklich das ihr vertraglich eingeräumte Ermessen vorbehalten hat. Auf der Grundlage der vertraglichen Regelung konnte die Klägerin aus der Abschlagszahlung gerade nicht schlussfolgern, die Beklagte habe bereits im Zusammenhang damit ihr Leistungsbestimmungsrecht bezüglich einer Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Monatsgehalts ausgeübt. Im Hinblick auf die vertragliche Regelung konnte die Klägerin der von der Beklagten geübten Verfahrensweise nur entnehmen, im laufenden Kalenderjahr jedenfalls ein halbes Gehalt als Weihnachtsgratifikation zu erhalten.

35 BAG v. 30.11.2016 – 10 AZR 11/16, NZA 2017, 1394 ff. Rz. 26. 36 BAG v. 17.8.2011 – 10 AZR 202/10, NZA 2012, 265 ff. Rz. 19. 37 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 ff. Rz. 18.

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Weihnachtsgratifikation im Ermessen des Arbeitgebers

Mit der Erklärung der Beklagten, den zweiten Teil der Weihnachtsgratifikation aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr zahlen zu wollen, hat sie ihr Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt, ohne dass die Klägerin nach entsprechender Begründung der Beklagten für die Einschränkung der Höhe der Zahlung die Billigkeit dieser Entscheidung in Zweifel gezogen oder angegriffen hat. Damit war auch gleichzeitig der Anspruch der Klägerin auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Ungeachtet dessen, dass sich das BAG in dieser Entscheidung aus prozessualen Gründen nicht mit der Frage zu befassen hatte, ob der Klageanspruch mit Erfolg auf eine betriebliche Übung gestützt werden konnte, wäre auch dies zu verneinen. Entscheidend für die Entstehung einer betrieblichen Übung ist zwar nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers, sondern vor allem, ob der Erklärungsempfänger aufgrund des Verhaltens des Arbeitgebers nach Treu und Glauben (§§ 133, 157 BGB) auf seinen Bindungswillen schließen durfte. Davon kann jedoch dann keine Rede sein, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar seine Leistungen aufgrund einer anderen Rechtspflicht, hier einer entsprechenden Vereinbarung, erbringt. Der Arbeitnehmer müsste deshalb davon ausgehen dürfen, er solle eine dauerhafte Leistung unabhängig von dieser Rechtspflicht erhalten38. Die Entscheidung des BAG bestätigt die bisherige Sichtweise des 10. Senats, wonach der Arbeitgeber die Höhe von Sonderzahlungen jährlich neu nach billigem Ermessen festlegen darf. Für die betriebliche Praxis ist indes dabei zu bedenken, dass damit keine Entscheidung „nach Gutdünken“ getroffen werden darf, sondern den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, die Billigkeit seiner Ermessensentscheidung begründen und belegen zu müssen, wobei maßgebender Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle der Zeitpunkt der Entscheidung ist. Gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, ob die vom Arbeitgeber vorgenommene Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht. Im Falle der Unverbindlichkeit der einseitigen Leistungsbestimmung tritt an deren Stelle die richterliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB, die auf der Grundlage des Vortrags der Parteien zu treffen ist39. Diese Risiken lassen sich nur vermeiden, wenn der Arbeitgeber sich bei jeder Sonderzahlung durch entsprechende vertragliche Regelung vorbehält, die Zahlung freiwillig und ohne Begründung einer Rechtspflicht für die Zukunft zu erbringen40.

38 BAG v. 23.8.2017 – 10 AZR 136/17, NZA 2018, 44 ff. Rz. 18. 39 BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 ff. Rz. 30. 40 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 ff. Rz. 22.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Im Rahmen der zuvor behandelten Fallgestaltung der Festlegung der Höhe einer Weihnachtsvergütung nach billigem Ermessen hatte der 10. Senat des BAG am gleichen Tag in einem weiteren Rechtsstreit41 der Frage nachzugehen, ob die von der Beklagten vorgenommene einseitige Leistungsbestimmung der Weihnachtsvergütung eine mitbestimmungspflichtige Änderung des bestehenden Entlohnungssystems darstellte und der Kläger wegen der unterlassenen Einschaltung des Betriebsrats die weitere Hälfte der Weihnachtsgratifikation beanspruchen konnte. Dieses Problem stellte sich deshalb, weil im Betrieb der Beklagten erst nach Einführung der vorbeschriebenen Weihnachtsvergütung ein Betriebsrat gebildet worden war. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des BAG42, dass wenn ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber ohne Beteiligung des Betriebsrats Maßnahmen durchführt, die eine Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze bewirken, davon betroffene Arbeitnehmer nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung eine Vergütung auf der Grundlage der zuletzt mitbestimmungsgemäß eingeführten Entlohnungsgrundsätze verlangen können. Die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung über die Vergütungshöhe wird danach von Gesetzes wegen ergänzt durch die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nach den im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätzen zu vergüten. Begründungsansatz bildet dabei die Erwägung des BAG, dass nur auf diese Weise verhindert werden kann, dass sich der Arbeitgeber seiner Bindung an die von ihm einseitig vorgegebene oder mitbestimmte Vergütungsstruktur unter Verstoß gegen das Beteiligungsrecht des Betriebsrats und den in § 87 Abs. 2 BetrVG bestimmten Einigungszwang entzieht. Die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung trägt allerdings keinen Anspruch auf eine Vergütung, wenn diese Entlohnungsgrundsätze bereits mitbestimmungswidrig eingeführt wurden. An diese Rechtsprechung knüpft der 10. Senat des BAG in der Entscheidung vom 23.8.201743 ausdrücklich an und prüft, ob die bei der Beklagten vorhandenen Entlohnungsgrundsätze, die neben einem festen Grundgehalt, Zulagen für besondere Umstände der Arbeitsleistung und die nach Maßgabe des Arbeitsvertrags geregelte Weihnachtsgratifikation, deren Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen bestimmt, zum Inhalt hatten, einseitig

41 BAG v. 23.8.2017 – 10 AZR 136/17, NZA 2018, 44 ff. 42 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931 ff. Rz. 34; BAG v. 5.5.2015 – 1 AZR 435/13, NZA 2015, 1207 ff. Rz. 13; BAG v. 22.6.2010 – 1 AZR 853/08, NZA 2010, 1243 ff. Rz. 43. 43 BAG v. 23.8.2017 – 10 AZR 136/17, NZA 2018, 44 ff. Rz. 28.

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Unbefristeter Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung bei Scheinselbständigkeit

vom Arbeitgeber durch die Kürzung der Weihnachtsvergütung verändert worden waren. Zunächst stellt das BAG fest, dass die vorstehenden Entlohnungsgrundsätze als Vergütungsstruktur bei der Beklagten mitbestimmungsgemäß eingeführt worden sind, weil zum Zeitpunkt ihrer Einführung noch kein Betriebsrat bestand. Eine Zustimmung des erst im Anschluss daran gewählten Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu diesen unverändert fortbestehenden Entlohnungsgrundsätzen war nicht erforderlich, solange keine Änderung des bestehenden Entlohnungssystems eintreten sollte. Überzeugend geht das BAG auf den Streitfall bezogen davon aus, dass die von der Beklagten ohne Beteiligung des Betriebsrats vorgenommene einseitige Festsetzung der Weihnachtsgratifikation nach billigem Ermessen keine Änderung der bestehenden Entlohnungsgrundsätze darstellte, weil die Beklagte mit der Ermessensentscheidung nur die bereits bestehenden Entlohnungsgrundsätze angewandt hat. (Boe)

6.

Unbefristeter Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung bei Scheinselbständigkeit

Vor kurzem hat der 9. Senat des BAG44 dem EuGH gemäß Art. 267 AEUV in einem Vorabentscheidungsverfahren die Frage vorgelegt, ob Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG oder Art 31 Abs. 2 GRC einer nationalen Regelung wie der in § 7 BUrlG entgegensteht, die als Modalität für die Wahrnehmung des Anspruchs auf Erholungsurlaub vorsieht, dass der Arbeitnehmer unter Angabe seiner Wünsche bezüglich der zeitlichen Festlegung des Urlaubs diesen beantragen muss, damit der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums nicht ersatzlos untergeht, und die den Arbeitgeber damit nicht verpflichtet, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen. Des Weiteren will der 9. Senat des BAG wissen, ob dies auch dann gilt, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen besteht. Nunmehr hat der EuGH in einer Entscheidung vom 29.11.201745 auf Vorlage eines Berufungsgerichts in Arbeitssachen (Employment Appeal Tribunal) im Vereinigten Königreich im Hinblick auf Art. 7 Richtlinie 2003/88/EG zu der grundsätzlichen Problematik Stellung genommen, ob eine Übertragung 44 BAG v. 13.12.2016 – 9 AZR 541/15 (A), NZA 2017, 271 f. 45 EuGH v. 29.11.2017 – C-214/16, NZA 2017, 1591 ff. – King; vgl. dazu Arnold, ArbR 2017, 619 ff.; Bayreuther, NZA 2018, 24 ff.; Marquardt, ArbRB 2018, 4; von SteinauSteinrück/Mühlenhoff, NJW-Spezial 2018, 114 f.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

und Ansammlung von gesetzlichen Urlaubsansprüchen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich ist und dabei möglicherweise bereits einen Bezug zu der vorbeschriebenen Vorlage des BAG hergestellt. Der Kläger, Herr King, war auf der Grundlage eines „SelbständigenVertrags“ ausschließlich gegen Provision für The Sash Window Workshop Ltd vom 1.6.1999 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand am 6.10.2012 tätig. Der vom Kläger tatsächlich genommene Jahresurlaub wurde von der Beklagten nicht bezahlt. Bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses verlangte Herr King von seinem Arbeitgeber die Zahlung einer Vergütung sowohl für genommenen, aber nicht bezahlten, als auch für nicht genommenen Jahresurlaub für den gesamten Zeitraum seiner Beschäftigung, d. h. für die Zeit vom 1.6.1999 bis zum 6.10.2012. Sash Window Workshop Ltd verteidigte sich zur Abweisung der Klage vor allem damit, dass der Kläger Selbständiger gewesen sei. Im Verlaufe der vor dem ArbG geführten Auseinandersetzung wurde jedoch vom ArbG festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hatte. Der Kläger berief sich zur Begründung seiner Forderung auf das Urteil des EuGH vom 20.1.200946, wonach Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Im Lichte dieser Feststellung wollte das vorlegende Gericht vom EuGH unter anderem wissen, ob abweichend vom Recht des Vereinigten Königreichs, das eine Übertragung von Jahresurlaub über den Bezugszeitraum nicht erlaubt, gemäß Art. 7 Richtlinie 2003/88/EG der dem Arbeitnehmer danach zustehende Anspruch auf bezahlten Urlaub so lange übertragen wird, bis der Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Ausübung des Anspruchs hat, wenn sich der Arbeitgeber weigert, die Vergütung für genommene Urlaubszeiten zu bezahlen, und ob im Falle der Übertragung des Urlaubs ein – etwa auf 18 Monate – begrenzter oder unbegrenzter Zeitraum für die Ausübung besteht. Zunächst wiederholt der EuGH die bereits in früheren Entscheidungen47 getroffene Aussage, dass der in Art. 7 Richtlinie 2003/88/EG geregelte An46 EuGH v. 20.1.2009 – C-350/06 und C-520/06, NZA 2009, 135 ff. Ls. 3 – SchultzHoff. 47 Nur EuGH v. 30.6.2016 – C-178/15, NZA 2016, 877 ff. Rz. 19 – Sobczyszyn.

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Unbefristeter Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung bei Scheinselbständigkeit

spruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union darstellt, der keine Abweichung zum Nachteil der Arbeitnehmer erlaubt. Damit kann eine Umsetzung dieser Regelung durch die zuständigen nationalen Stellen nur in den Grenzen erfolgen, die in der Richtlinie 2003/88/EG selbst ausdrücklich vorgesehen sind. Demgemäß dürfen die Mitgliedstaaten – so der EuGH – die Voraussetzungen für die Ausübung und Umsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zwar festlegen, aber dabei nicht bereits die Entstehung dieses sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Anspruchs von irgendeiner Voraussetzung abhängig machen. Dabei behandelt die Richtlinie 2003/88/EG nach feststehender Spruchpraxis des EuGH48 den Anspruch auf Jahresurlaub und den auf Zahlung des Urlaubsentgelts als „zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs“. Während des Jahresurlaubs soll nämlich der Arbeitnehmer in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist. Daher muss der Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs das Entgelt erhalten, auf das er gemäß Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG Anspruch hat, was ausschließt, dass der Arbeitnehmer zunächst unbezahlten Urlaub nehmen muss und die Bezahlung nachträglich einklagt. Aus der Natur des Urlaubsanspruchs schlussfolgert der EuGH des Weiteren, dass den Mitgliedstaaten weder erlaubt ist, die Entstehung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub auszuschließen, noch vorzusehen, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub eines an der Ausübung dieses Anspruchs gehinderten Arbeitnehmers nach Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums erlischt. Im Lichte dieser Bewertung geht der EuGH davon aus, dass Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, die in mehreren aufeinanderfolgenden Bezugszeiträumen wegen der Weigerung des Arbeitgebers, diese Urlaubszeiten zu vergüten, nicht ausgeübt worden sind, bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu übertragen und ggf. anzusammeln sind. In diesem Zusammenhang stellt der EuGH klar, dass nur unter der besonderen Prämisse krankheitsbedingter Fehlzeiten, die den Arbeitnehmer an der Ausübung seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub hindern, die Einschränkung eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Urlaub erlischt, im Organisationsinteresse

48 Vgl. EuGH v. 22.5.2014 – C-539/12, NZA 2014, 593 ff. Rz. 17 m. ausf. N.– Lock.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

des Arbeitgebers gerechtfertigt ist49. Ein derartiger Interessenschutz zur Vermeidung von Organisationsschwierigkeiten besteht nach Auffassung des EuGH indes nicht, wenn der Arbeitgeber selbst der Veranlasser der mangelnden Urlaubserteilung ist, weil er den Arbeitnehmer nicht in die Lage versetzt hat, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben. Dabei hält es der EuGH unter Hinweis auf sein Urteil vom 12.6.201450 für unbeachtlich, ob der Kläger im Laufe der Jahre bezahlten Jahresurlaub beantragt hat oder nicht. Damit gelangt der EuGH zu dem Ergebnis, dass auf der Grundlage von Art. 7 Richtlinie 2003/88/EG einem Arbeitnehmer, dem verwehrt worden ist, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, die in mehreren aufeinanderfolgenden Bezugszeiträumen wegen der Weigerung des Arbeitgebers, diese Urlaubszeiten zu vergüten, nicht ausgeübt worden sind, bis zum Zeitpunkt der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu übertragen und ggf. anzusammeln sind, sodass diese Naturalurlaubsansprüche gemäß Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 2003/88/EG der Abgeltung unterliegen. Diese Rechtsprechung des EuGH ist nicht nur von besonderer Bedeutung bei Fallkonstellationen der sog. Scheinselbständigkeit, weil der Arbeitgeber unter Umständen mit mehrjährigen gesetzlichen Urlaubsansprüchen, die nachzugewähren oder bei Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen abzugelten sind, konfrontiert wird. Es stellt sich darüber hinaus die Frage, ob die Befristungsregelung des § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG für den gesetzlichen Urlaubsanspruch noch eine weitere unionskonforme Auslegung erlaubt51, wenn Hinderungsgründe für die Urlaubsabwicklung vorliegen, die vom Willen des Arbeitnehmers unabhängig sind, oder möglicherweise Art. 7 Abs. 1 und Abs. 2 Richtlinie 2003/88/EG i. V. m. Art. 31 Abs. 2 GRC auch in einem Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen als Anspruchsgrundlage herangezogen werden kann. Hat der Arbeitnehmer im Verlauf des Kalenderjahres gegenüber dem Arbeitgeber seinen Urlaubsanspruch erfolglos geltend gemacht, wandelt sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaubsanspruch nach der Rechtsprechung

49 In dem Sinne EuGH v. 22.11.2011 – C-214/10, NZA 2011, 1333 ff. Rz. 44 – KHS; vgl. dazu ausf. Kamanabrou, AP Nr. 6 zu Richtlinie 2003/88/EG. 50 EuGH v. 12.6.2014 – C-118/13, NZA 2014, 651 f. Rz. 27 – Bollacke. 51 Vgl. dazu BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216 ff.: Ist ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert, verfallen seine gesetzlichen Urlaubsansprüche aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres.

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Unbefristeter Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung bei Scheinselbständigkeit

des BAG52 gemäß §§ 275 Abs. 1 und Abs. 4, 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 S. 1, 286 Abs. 1 S. 1, 287 S. 2 und 249 Abs. 1 BGB in einen Schadensersatzanspruch um, der die Gewährung von Ersatzurlaub in natura zum Inhalt hat und an die Stelle des ursprünglichen Urlaubsanspruchs tritt. Der Arbeitnehmer behält damit einen auf bezahlte Freistellung gerichteten Urlaubsanspruch, der im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Schadensersatz in Geld (§ 251 Abs. 1 BGB) abzugelten ist. Der Ersatzurlaubsanspruch ist somit auf den Fortbestand des Anspruchs auf bezahlte Freistellung unter den Bedingungen des BUrlG gerichtet. Dies hat zur Folge, dass der Ersatzurlaubsanspruch – mit Ausnahme des Fristenregimes53 – den Modalitäten des verfallenen Urlaubsanspruchs unterliegt. Im Gegensatz zu dem auf das Kalenderjahr bezogenen Urlaubsanspruch unterliegt der Schadensersatzanspruch auf Ersatzurlaubsgewährung nach Ansicht des BAG54 der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Es gelten auch tarifliche Ausschlussfristen55. Eine schriftliche Mahnung des Arbeitnehmers, ihm Urlaub zu gewähren, wahrt aber die tarifliche Ausschlussfrist auch für den nach Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraumes entstehenden Schadenersatzanspruch, der entweder auf Gewährung von Urlaub (Ersatzurlaubsanspruch) oder auf Zahlung gerichtet ist56. Mit Blick auf die Entscheidung des EuGH vom 29.11.201757 wird das BAG den gesetzlichen Urlaub betreffend an der bisherigen Schadensersatzlösung wohl nicht mehr festhalten können, wenn es zu einer Übertragung des gesetzlichen Urlaubs und seiner damit verbundenen Nachgewährung an einen an der Ausübung gehinderten Arbeitnehmer kommt. Eine Verjährung der übertragenen Urlaubsansprüche scheidet aus. Ausschlussfristen finden keine Anwendung. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses tritt an die Stelle des unerfüllt gebliebenen Naturalurlaubsanspruchs ein Urlaubsabgeltungsanspruch, der nicht nur als allgemeiner Zahlungsanspruch der Verjährung, sondern auch tariflichen oder vertraglichen Ausschlussfristen unterliegt58. (Boe)

52 BAG v. 12.4.2016 – 9 AZR 659/14, NZA-RR 2016, 438 ff. Rz. 14; BAG v. 19.1.2016 – 9 AZR 507/14, NZA-RR 2016, 235 f. Rz. 21. 53 Vgl. BAG v. 16.5.2017 – 9 AZR 572/16, NZA 2017, 1056 ff. Rz. 13; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 523/05 n. v. Rz. 24. 54 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 523/05 n. v. Rz. 37. 55 BAG v. 16.3.1999 – 9 AZR 428/98, DB 1999, 2167 f. Rz. 24. 56 BAG v. 16.3.1999 – 9 AZR 428/98, DB 1999, 2167 f. Rz. 25; BAG v. 24.11.1992 – 9 AZR 549/91, NZA 1993, 472 ff. Rz. 17. 57 EuGH v. 29.11.2017 – C- 214/16, NZA 2017, 1591 ff. – King. 58 Vgl. nur BAG v. 17.10.2017 – 9 AZR 80/17, NZA 2018, 57 ff. Rz. 11 ff.

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E.

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

1.

AGB-Kontrolle bei der Vereinbarung verlängerter Kündigungsfristen

Ob die erhebliche Verlängerung der gesetzlichen Grundkündigungsfrist aus § 622 Abs. 1 BGB, wonach das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers mit einer Frist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden kann, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder sog. Einmalbedingungen auch bei einer gleich langen Kündigungsfrist für beide Arbeitsvertragsparteien möglicherweise für den Arbeitnehmer eine unangemessene Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt, war Gegenstand einer Entscheidung des 6. Senats des BAG vom 26.10.20171. Die klagende Arbeitgeberin beschäftigte den beklagten Arbeitnehmer in ihrer Leipziger Niederlassung seit Dezember 2009 als Speditionskaufmann in einer 45-Stunden-Woche gegen eine monatliche Vergütung von 1.400 € brutto. Im Juni 2012 unterzeichneten die Parteien eine von der Arbeitgeberin vorformulierte Zusatzvereinbarung. Sie sah vor, dass sich die gesetzliche Kündigungsfrist für beide Seiten auf drei Jahre zum Monatsende verlängerte und damit eine Anhebung des monatlichen Bruttogehalts auf 2.400 € verbunden wurde, das ab einem monatlichen Reinerlös von 20.000 € auf 2.800 € ansteigen sollte. Das Entgelt sollte bis zum 30.5.2015 nicht erhöht werden und bei einer späteren Neufestsetzung wieder mindestens zwei Jahre unverändert bleiben. Der beklagte Arbeitnehmer kündigte neben fünf weiteren Arbeitnehmern am 27.12.2014 das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.1.2015 und wechselte ab dem 1.2.2015 zu einer anderen Spedition. Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fortbesteht. Im Gegensatz zum ArbG, das der Feststellungsklage entsprochen hat, haben das LAG und das BAG die Feststellungsklage für unbegründet erachtet. Das BAG ordnet rechtlich die von dem beklagten Arbeitnehmer ausgesprochene Kündigung nicht als außerordentliche, sondern als ordentliche Kündigung ein, weil sich weder aus der Kündigung selbst noch aus sonstigen Um1

BAG v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, NZA 2018, 297 ff.; vgl. dazu Bernardi, AuA 2018, 84 f.; Fuhlrott, NJW 2018, 1139 f.; Lingemann, ArbR 2017, 569; Reufels, ArbRB 2018, 70 f.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

ständen entnehmen ließe, dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis habe aus wichtigem Grunde außerordentlich mit einer Auslauffrist kündigen wollen2. Im Zentrum der rechtlichen Beurteilung stand demgemäß die Frage, ob sich der Beklagte an der verlängerten Kündigungsfrist von drei Jahren auf der Grundlage der Zusatzvereinbarung der Parteien festhalten lassen musste oder berechtigt war, das Arbeitsverhältnis gemäß § 622 Abs. 1 BGB mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen zum 31.1.2015 zu kündigen. Im Hinblick auf die Wirksamkeitskontrolle der Abrede über die verlängerte Kündigungsfrist bemüht das BAG zu Recht die AGB-Kontrolle. Da die Zusatzvereinbarung von der Klägerin vorformuliert worden war3, kam es für die Anwendung der AGB-Kontrolle nicht darauf an, dass es bei der Zusatzvereinbarung nicht um einen Formularvertrag, sondern um eine Einmalbedingung (zur einmaligen Verwendung) i. S. v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB ging, weil der Beklagte unbestrittenermaßen auf den Inhalt der Vereinbarung keinen Einfluss nehmen konnte, was die Klägerin hätte darlegen und beweisen müssen4. Dabei geht das BAG davon aus, dass eine entsprechende Möglichkeit der Einflussnahme auf vorformulierte Bedingungen in einem Vertragswerk voraussetzt, dass der Verwender die vorformulierten Vertragsbedingungen ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verwendungsgegner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumt, was dem Aushandeln in § 305 Abs. 1 S. 3 BGB entspricht5. Soweit es um die Kontrollfähigkeit der in der Zusatzvereinbarung der Parteien enthaltenen Verlängerung der beiderseitigen Kündigungsfristen geht, unterstreicht das BAG, dass es sich bei einer Verlängerung von Kündigungsfristen nicht um eine der AGB-Kontrolle entzogene Abrede über Hauptleistungspflichten handelt, wie dies etwa bei einer Beendigungsvereinbarung als solche in einem Aufhebungsvertrag oder bei einer Abfindung als Gegenleistung für die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses anzunehmen ist, sondern um eine kontrollfähige Nebenabrede, die außerhalb des unmittelbaren Gegenleistungsverhältnisses von Arbeit und Entgelt steht6. Nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB gelten die Abs. 1 und 2 des § 307 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Rege2 3 4 5 6

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Vgl. dazu BAG v. 21.9.2017 – 2 AZR 57/17, NZA 2017, 1524 ff. Rz. 50. BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 829/12, NZA 2014, 905 ff. Rz. 29. Vgl. BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 258/14, NZA 2016, 762 ff. Rz. 23; BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 ff. Rz. 25. BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 829/12, NZA 2014, 905 ff. Rz. 31. BAG v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, NZA 2018, 297 ff. Rz. 30; BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 258/14, NZA 2016, 762 ff. Rz. 38.

AGB-Kontrolle bei der Vereinbarung verlängerter Kündigungsfristen

lungen vereinbart werden. Mit der Vereinbarung einer Kündigungsfrist von drei Jahren sind die Parteien von den gesetzlichen Kündigungsregelungen in § 622 BGB abgewichen. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, enthält den grundlegenden Maßstab für die richterliche Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Durch § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB legt der Gesetzgeber im Sinne einer Konkretisierung dieser Generalklausel fest, dass eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen ist, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Im Streitfall hat das BAG keine Verletzung der Zweifelsregelung des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB gesehen, obwohl die von den Parteien verwendete Kündigungsfristenregelung von § 622 Abs. 1 BGB abweicht. Die Gesamtregelung dieser Vorschrift verdeutlicht nämlich durch § 622 Abs. 5 S. 3, Abs. 6 BGB, dass der Gesetzgeber den Arbeitsvertragsparteien durchaus die Möglichkeit einräumen wollte, für beide Vertragsparteien geltende längere Kündigungsfristen zu vereinbaren. Voraussetzung dafür ist, dass für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer keine längere Frist vereinbart werden darf als für die Kündigung durch den Arbeitgeber. Ergänzend verweist das BAG in diesem Zusammenhang auf § 15 Abs. 4 TzBfG, welcher sogar eine Bindung von bis zu fünf Jahren ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit zuzüglich einer Kündigungsfrist von sechs Monaten erlaubt7. Anschließend wendet sich das BAG der Frage zu, ob bezüglich der verlängerten Kündigungsfrist eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB des beklagten Arbeitnehmers zu erblicken ist. Dies wird vom BAG bejaht. Dabei legt das BAG die in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe für die Bewertung der unangemessenen Benachteiligung an: Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird8. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuer7 8

BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370 ff. Rz. 34. Nur BAG v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, NZA 2018, 297 ff. Rz. 33; BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 258/14, NZA 2016, 762 ff. Rz. 39; BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370 ff. Rz. 36; BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053 ff. Rz. 26.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

kennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiden Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist dabei ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB sind im Falle der Einmalbedingung bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. In Anwendung dieser Grundsätze unterstreicht das BAG zunächst, dass eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers vorliegt, wenn dieser eine Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist in einer vorformulierten Erklärung ohne jegliche Gegenleistung akzeptiert. Eine derartige Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer aber auch dann – wie das BAG ergänzt – unangemessen, wenn die Verlängerung der Kündigungsfrist nicht angemessen kompensiert wird. Anders formuliert prüft das BAG im Rahmen der beiderseits auch grundrechtlich geschützten Rechtspositionen, ob die verlängerte Kündigungsfrist als eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers durch die damit einhergehende Arbeitsplatzgarantie und die Gehaltserhöhung aufgewogen wird. Bei dieser Prüfung müssen die gegeneinander abzuwägenden Vor- und Nachteile in einem inneren Zusammenhang stehen9. Ein derartiger innerer Zusammenhang ließ sich im Streitfall problemlos aus der Ergänzungsabsprache der Parteien entnehmen. Der Beurteilungsprozess des BAG knüpft an die Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB an und sieht darin das Ergebnis einer Abwägung zwischen den grundrechtlichen Positionen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus Art. 12 Abs. 1 GG. Die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB bei zunehmender Betriebszugehörigkeit sollen nach der Intention des Gesetzes den Bestandsschutz allein zu Gunsten des Arbeitnehmers erhöhen10. Wegen dieser vom Gesetzgeber gewollten bevorzugten Behandlung des Arbeitnehmers in § 622 Abs. 1 BGB wird nach Ansicht des BAG ungeachtet der Zulässigkeit einer beiderseitigen Verlängerung der Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 5 S. 3, Abs. 6 BGB der Arbeitnehmer durch jedwede Verlängerung der Kündigungsfrist über § 622 Abs. 1 BGB hinaus benachteiligt. 9 BAG v. 23.8.2012 – 8 AZR 804/11, NZA 2013, 268 ff. Rz. 45. 10 BAG v. 18.9.2014 – 6 AZR 636/13, NZA 2014, 1400 ff. Rz. 21 i. H. a. Art. 2 Abs. 2 lit. b) Nr. i Richtlinie 2000/78/EG.

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AGB-Kontrolle bei der Vereinbarung verlängerter Kündigungsfristen

Eine diesen Nachteil ausgleichende Kompensation erblickt das BAG nicht darin, dass sich der beklagte Arbeitnehmer langfristig auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einrichten konnte. Ebenso wenig hat das BAG einen angemessenen Ausgleich für die den beklagten Arbeitnehmer treffende Einschränkung seiner beruflichen Bewegungsfreiheit durch die Verlängerung der Kündigungsfrist in der Erhöhung des monatlichen Grundentgelts um 1000 € brutto und die zu erzielende Höchstvergütung von 2.800 € brutto gesehen, zumal diese wirtschaftlichen Vorteile durch eine 45-Stunden-Woche und eine Festschreibung der Vergütung auf drei Jahre wieder relativiert wurden. Zur Berücksichtigung dieser den Vertragsschluss begleitenden Umstände sah sich das BAG nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung veranlasst. In Anbetracht dessen erwies sich für den beklagten Arbeitnehmer die vertraglich vereinbarte verlängerte Kündigungsfrist als rechtsunwirksam, sodass sich seine Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB richtete (§ 306 Abs. 2 BGB). In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass sich der klagende Arbeitgeber im Falle einer von ihm ausgesprochenen ordentlichen Kündigung die verlängerte Kündigungsfrist von drei Jahren hätte entgegenhalten lassen müssen11. Die Inhaltskontrolle schafft lediglich einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Klauselverwender, sie dient aber nicht dessen Schutz vor den von ihm selbst eingeführten Bestimmungen. Ungeachtet dessen, dass es in dem vom BAG entschiedenen Fall um eine extrem lange Kündigungsfrist ging, die zu einer sicherlich erheblichen Einschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers geführt hat, wird sich die betriebliche Praxis darauf einstellen müssen, dass vom Grundsatz her eine für den Arbeitnehmer über die Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB vertraglich hinausgehende Verlängerung der Kündigungsfrist, die bei fehlender Abrede gemäß § 622 Abs. 2 BGB lediglich vom Arbeitgeber zu respektieren ist, ohne eine damit zusammenhängende Kompensation einer AGB-Kontrolle nicht standhält und damit den Arbeitnehmer nicht bindet. Der Entscheidung des BAG lässt sich bedauerlicherweise nicht entnehmen, bei welcher Kompensationsleistung des Arbeitgebers die auch den Arbeitnehmer treffende Kündigungsfristverlängerung für ihn noch hinnehmbar ist. Wer insoweit als Arbeitgeber auf der sicheren Seite sein will, muss daran denken, die verlängerten Kündigungsfristen zum Gegenstand ei11 BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 509/15, NZA 2016, 1461 ff. Rz. 20; BAG v. 27.10.2005 – 8 AZR 3/05, NZA 2006, 257 ff. Rz. 16; BGH v. 2.4.1998 – IX ZR 79/97, NJW 1998, 2280 ff. Rz. 23.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

ner Individualabrede zu machen, was freilich voraussetzt, dass der Arbeitgeber die entsprechende Klausel ernsthaft zur Disposition stellt und dem Arbeitnehmer damit eine Mitgestaltung zur Wahrung seiner Interessen einräumt. (Boe)

2.

Neue Rechtsprechung zur Massenentlassung

a)

Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin

Bereits im Herbst hatten wir darüber berichtet, dass als Folge der Änderungen, die in § 17 MuSchG zum 1.1.2018 wirksam geworden sind, nicht nur Kündigungen während der Mutterschutzfristen nur mit einer besonderen Zustimmung der Behörde zulässig sind. § 17 Abs. 1 S. 3 MuSchG verbietet auch, während der Mutterschutzfristen eine Kündigung vorzubereiten, die erst im Anschluss an den Ablauf der Mutterschutzfrist erklärt werden soll. Daran anknüpfend stellt sich die Frage, welche Maßnahmen des Arbeitgebers bereits als entsprechende Vorbereitung erfasst werden. Dabei geht es nicht nur um die notwendige Beteiligung von Arbeitnehmervertretern im Vorfeld einer Kündigung, wie sie in §§ 102 BetrVG, 178 Abs. 2 SGB IX, 17 Abs. 2 KSchG vorgesehen sind. Vielmehr werden hiervon auch Stellenausschreibungen, Bewerbungsgespräche oder eine Abmahnung erfasst, die für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung die negative Zukunftsprognose rechtfertigen soll12. Mit seinem Urteil vom 22.2.201813 hat der EuGH deutlich gemacht, dass das Vorliegen einer Massenentlassung im Sinne der Richtlinie 98/59/EG es rechtfertigt, Vorbereitung und Ausspruch der Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin noch während der Mutterschutzfristen vorzunehmen. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber im Zusammenhang mit einer Massenentlassung nicht nur die erforderliche Konsultation der Arbeitnehmervertreter und eine Massenentlassungsanzeige vorgenommen. Vielmehr war im Anschluss daran auch eine betriebsbedingte Kündigung erklärt worden, innerhalb derer zur weiteren Begründung auf das Vorliegen einer Massenentlassung hingewiesen wurde. Weitere Einzelheiten waren in einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat enthalten, auf die im Kündigungsschreiben verwiesen wurde. 12 BMFSFJ-Leitfaden zum Mutterschutz vom 1.1.2018. Ausf. dazu Evermann, NZA 2018, 550 ff. 13 EuGH v. 22.2.2018 – C-103/16, NZA 2018, 432 ff. – Parras Guisado.

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Neue Rechtsprechung zur Massenentlassung

Nach Auffassung des EuGH ist eine solche Vorgehensweise mit dem Unionsrecht vereinbar. Ausgangspunkt ist dabei die Annahme, dass sich die schwangere Arbeitnehmerin während der schwangerschaftsbedingten Schutzvorschriften auf den Schutz durch die Massenentlassungsrichtlinie (59/98/EG) ebenso wie den Schutz aus der Mutterschutzrichtlinie (92/85/EWG) berufen könne. Dies schließe aber nicht aus, mit den Vorbereitungen der Kündigung im Sinne einer Massenentlassung noch während der Schutzfristen wegen der Schwangerschaft zu beginnen. Eine im nationalen Recht enthaltene Regelung, nach der die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin aufgrund einer Massenentlassung zulässig ist, verstoße daher nicht gegen den Sonderkündigungsschutz, wie er in Art. 10 Richtlinie 92/85/EWG vorgesehen sei. Soweit Art. 10 Richtlinie 92/85/EWG den Arbeitgeber verpflichtet, im Rahmen der Kündigung auch die Gründe dieser Kündigung zu benennen, genügt es im Falle einer Massenentlassung, insoweit auf diese zu verweisen. Voraussetzung ist aber – so der EuGH – dass zugleich die sachlichen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer angegeben werden. Nicht erforderlich ist es, einer schwangeren Arbeitnehmerin im Rahmen der Massenentlassung einen besonderen Schutz mit der Folge vorzusehen, dass zunächst einmal Arbeitnehmer ohne diese Schutzbedürftigkeit entlassen werden. Nach Auffassung des EuGH ist es allerdings zulässig, auf nationaler Ebene – ggf. durch entsprechende Vereinbarungen der Sozialpartner – einen solchen Sonderkündigungsschutz der schwangeren Arbeitnehmerin auch während der Massenentlassung festzuschreiben. Konsequenz der Entscheidung ist, dass schwangere Arbeitnehmerinnen ohne Besonderheiten in die Vorbereitung einer Massenentlassung eingebunden werden können. Wichtig ist allerdings, dass ihre Berücksichtigung bei der Konsultation nach § 17 Abs. 2 KSchG und der Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1, 3 KSchG ohne Rücksicht auf den Umstand erfolgt, dass sich der Ausspruch der Kündigung wegen der notwendigen Einbeziehung der zuständigen Behörde im Zweifel erst nach Ablauf des 30-TagesZeitraums ereignet, innerhalb dessen die „normalen“ Kündigungen erklärt werden. Andernfalls läge – wie das BVerfG mit Urteil vom 8.6.201614 festgestellt hat – darin eine Benachteiligung wegen des Geschlechts. Wir hatten darauf bereits im vergangenen Jahr unter Einbeziehung der diese Vorgabe umsetzenden Entscheidung des BAG hingewiesen15.

14 BVerfG v. 8.6.2016 – 1 BvR 3634/13, NZA 2016, 939 ff. 15 B. Gaul, AktuellAR 2017, 151 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

b)

Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei einer Massenentlassung

Sowohl die Massenentlassungsrichtlinie (98/59/EG) als auch § 17 KSchG enthalten keine Regelungen, die erkennen lassen, dass Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Schwellenwerte sowie dem Konsultations- und Anzeigeverfahren zu beteiligen sind. Ungeachtet dessen erscheint es richtig, dass die Beendigung des Einsatzes eines Leiharbeitnehmers durch den Entleiher nicht als Entlassung qualifiziert werden kann, wenn im Übrigen im Betrieb des Entleihers die Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Arbeitnehmern des Entleihers geplant ist. Denn mit der Beendigung des Einsatzes ist weder eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer noch eine Änderung wesentlicher Arbeitsbedingungen verbunden. Vielmehr hängt die Notwendigkeit entsprechender Veränderungen davon ab, welche Einsatzmöglichkeiten aus Sicht des Verleihers bei anderen Entleihern gegeben sind. Darüber entscheidet allerdings nicht der Entleiher, sodass diesem solche Veränderungen im Rahmen von § 17 KSchG nicht zugerechnet werden können16. Nach den Feststellungen des BAG im Beschluss vom 16.11.201717 erscheint es allerdings nicht ausgeschlossen, Leiharbeitnehmer (nur) bei der Bestimmung der Anzahl der in der Regel in einem Betrieb des Entleihers beschäftigten Arbeitnehmer mitzuzählen. Darin würde indes eine „gespaltene Berücksichtigung“ von Leiharbeitnehmern zu sehen sein, weil sie zugleich bei dem Konsultations- und Anzeigeverfahren nach § 17 Abs. 2, 3 KSchG durch den Entleiher nicht zu berücksichtigen wären. Eine Antwort auf diese Frage lässt sich aus Sicht des BAG der Richtlinie 98/59/EG nicht entnehmen. Insofern erscheint es berechtigt, dass der 2. Senat des BAG den EuGH gemäß Art. 267 AEUV um die Beantwortung der folgenden Fragen ersucht hat: 1. Ist Art. 1 Abs. 1 Uabs. 1 lit. a) Richtlinie 98/59/EG dahin auszulegen, dass zur Bestimmung der Zahl der in der Regel in einem Betrieb tätigen Arbeitnehmer auf die Anzahl der im Zeitpunkt der Entlassung bei gewöhnlichen Geschäftsgang beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen ist? 2. Ist Art. 1 Abs. 1 Uabs. 1 lit. a) Richtlinie 98/59/EG dahin auszulegen, dass bei der Bestimmung der Zahl der in der Regel in einem Betrieb eines entlei-

16 BAG v. 16.11.2017 – 2 AZR 90/17 (A), NZA 2018, 245 ff. Rz. 23. 17 BAG v. 16.11.2017 – 2 AZR 90/17 (A), NZA 2018, 245 ff. Rz. 24 ff.

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Neue Rechtsprechung zur Massenentlassung

henden Unternehmens tätigen Arbeitnehmer dort eingesetzte Leiharbeitnehmer mitzählen können? Sofern die zweite Frage bejaht wird: 3. Welche Voraussetzungen gelten für die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Bestimmung der Anzahl der in der Regel in einem Betrieb eines entleihenden Unternehmens tätigen Arbeitnehmer?

In seinem Beschluss vom 16.11.201718 weist das BAG zu Recht darauf hin, dass eine „gespaltene Berücksichtigung“ von Leiharbeitnehmern bei der Anwendung von Art. 1 Abs. 1 Uabs. 1 lit. a) Richtlinie 98/59/EG bei abstrakter Betrachtung ambivalente Auswirkungen auf die Stammbelegschaft besitzt. Denn die Einbeziehung der Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der Schwellenwerte wirkt sich zum Teil zu ihren Gunsten, zum Teil aber auch zu ihren Lasten aus. So bewirkt die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern bei der Zahl der in der Regel in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, dass die Eingangsschwelle von mehr als 20 Arbeitnehmern früher bzw. öfter überschritten würde. Dies bewirkt, dass zu einem früheren Zeitpunkt die Schutzmaßnahmen der gesetzlichen Regelungen im Zusammenhang mit Massenentlassung zur Anwendung kommen. Umgekehrt aber bewirkt die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern, dass die Schwellenwerte für das Vorliegen einer Massenentlassung zu einem späteren Zeitpunkt erreicht werden. Denn die Mindestanzahl der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer bestimmt sich nach den Vorgaben der Richtlinie prozentual nach der Anzahl der in der Regel im Betrieb Beschäftigten. Werden Leiharbeitnehmer bei dieser Beschäftigtenzahl einbezogen, bedarf es einer größeren Zahl der von Entlassung betroffenen Arbeitnehmer, um den jeweils maßgeblichen Prozentsatz zu erreichen. Es ist derzeit nicht absehbar, wann der EuGH über diesen Vorlagebeschluss entscheiden wird. Für die betriebliche Praxis hat dies zur Folge, dass aus Gründen der äußersten Vorsorge bei der Berechnung von Schwellenwerten das Vorliegen einer Massenentlassung jeweils mit und ohne Einbeziehung der Leiharbeitnehmer geprüft werden sollte. Falls bei einer dieser Berechnungsweisen die Anwendbarkeit von § 17 KSchG möglich erscheint, sollte das Konsultations- und Anzeigeverfahren nach § 17 Abs. 2, 3 KSchG durchgeführt werden. Ergänzend hierzu dürfte es zu empfehlen sein, vorsorglich auch die Beendigung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern als Entlassung durch den Entleiher zu behandeln. Die Leiharbeitnehmer sollten insofern auch in die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG und die Massenent18 BAG v. 16.11.2017 – 2 AZR 90/17 (A), NZA 2018, 245 ff. Rz. 31.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

lassungsanzeige nach § 17 Abs. 1, 3 KSchG eingebunden werden. Auch wenn die Gründe, die das BAG zu ihrer Ausgrenzung im vorstehend behandelten Beschluss nennt, überzeugen, ist es nicht ausgeschlossen, dass der EuGH eine hierzu abweichende Sichtweise vertreten wird. (Ga)

3.

Sozialauswahl bei der Besetzung freier Arbeitsplätze

Gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn der hiervon betroffene Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann. Dies gilt auch dann, wenn die Weiterbeschäftigung auf solchen Arbeitsplätzen nur zu geänderten Arbeitsbedingungen und/oder nach zumutbaren Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen möglich ist und der Arbeitnehmer hierzu bereit ist (§ 1 Abs. 2 S. 3 KSchG). Voraussetzung ist lediglich, dass dieser Arbeitsplatz zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, jedenfalls aber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, frei ist oder durch die Versetzung anderer Arbeitnehmer freigemacht werden kann. Darüber hinaus muss es sich um einen gleich- oder geringwertigen Arbeitsplatz handeln. Eine Beförderung zur Vermeidung von Kündigungen kann nicht verlangt werden. Wie das BAG in seinem Urteil vom 27.7.201719 noch einmal deutlich gemacht hat, steht die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG auch bei Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes der Kündigung nur dann entgegen, wenn der Arbeitnehmer dem Anforderungsprofil der freien Stelle – sei es auch erst nach einer dem Arbeitgeber zumutbaren Umschulung oder Fortbildung – entspricht. Wichtig dabei ist, dass das Anforderungsprofil der Stelle durch den Arbeitgeber im Rahmen seiner unternehmerischen Disposition festgelegt wird und nur auf offenbare Unsachlichkeit überprüft werden kann20. Bedarf es nach dem Stellenprofil bestimmter behördlicher Erlaubnisse oder Genehmigungen, muss im Kündigungszeitpunkt die berechtigte Erwartung bestehen, dass der Arbeitnehmer in zumutbarer Zeit über sie verfügen wird. Es reicht – so das BAG – nicht aus, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nur mit gewisser Wahrscheinlichkeit gesichert ist21. Diese Form der Wahrscheinlich-

19 BAG v. 27.7.2017 – 2 AZR 476/16, NZA 2018, 234 ff. Rz. 31. 20 BAG v. 27.7.2017 – 2 AZR 476/16, NZA 2018, 234 ff. Rz. 32; BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 721/12, NZA-RR 2014, 325 ff. Rz. 18. 21 BAG v. 27.7.2017 – 2 AZR 476/16, NZA 2018, 234 ff. Rz. 31; BAG v. 7.2.1991 – 2 AZR 205/90, NZA 1991, 806 ff. Rz. 25.

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Sozialauswahl bei der Besetzung freier Arbeitsplätze

keit wird man auch in Bezug auf solche Fertigkeiten verlangen müssen, die erst durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen erworben werden. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das BAG in dem Urteil vom 27.7.201722 die Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem Arbeitsplatz ausgeschlossen, der nur Arbeitnehmern mit einer Waffenerlaubnis zugewiesen werden sollte. Denn der Kläger, der bei den Britischen Streitkräften (BFG) ursprünglich einmal als ziviler „bewaffneter“ Wachmann eingestellt worden war, hatte sich nach Einschätzung der Dienststellenleitung als untauglich zum Führen einer Waffe erwiesen. Hintergrund war ein gefahrvolles Verhalten im Umgang mit seiner Waffe bei einem Schichtwechsel bzw. anlässlich der Durchführung von Schießübungen. Ungeachtet dessen bleibt der Arbeitgeber gehalten, eine Weiterbeschäftigung auch auf solchen Arbeitsplätzen zu prüfen, die dem ursprünglichen Anforderungsprofil des Klägers nicht entsprechen. Es genügt, wenn es sich dabei um einen gleich- oder geringwertigen Arbeitsplatz handelt, selbst wenn die Weiterbeschäftigung auf diesem Arbeitsplatz an eine Änderung des Arbeitsvertrags geknüpft wäre. Ggf. muss diese Änderung des Arbeitsvertrags im Wege einer Änderungskündigung angeboten werden. Wenn innerhalb eines Betriebs allerdings für mehrere Arbeitnehmer Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen und diese um eine geringere Zahl freier Arbeitsplätze im gleichen oder einem anderen Betrieb konkurrieren, ist grundsätzlich durch eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG (Weiterbeschäftigung im gleichen Betrieb) oder eine Sozialauswahl analog § 1 Abs. 3 KSchG (Weiterbeschäftigung in einem anderen Betrieb) zu entscheiden, gegenüber welchem Arbeitnehmer den Arbeitgeber die Weiterbeschäftigungsobliegenheit aus § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG trifft. Für die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung im gleichen Betrieb folgt dies aus den normalen Grundsätzen zur Beendigungs- oder Änderungskündigung. Für die Weiterbeschäftigung auf einem anderen (freien) Arbeitsplatz in Unternehmen folgt dies aus der Konsequenz, dass sonst die Frage der Sozialauswahl im Zweifel keine Berücksichtigung mehr fände. Denn die Arbeitnehmer, die nicht auf einem solchen (freien) Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb weiterbeschäftigt werden können, können nach der Besetzung dieser Arbeitsplätze ohne Sozialauswahl entlassen werden. Voraussetzung ist natürlich, dass zuvor unter den vergleichbaren Arbeitnehmern des Betriebs eine normale Sozialauswahl durchgeführt wurde23. 22 BAG v. 27.7.2017 – 2 AZR 476/16, NZA 2018, 234 ff. Rz. 33. 23 Vgl. BAG v. 27.7.2017 – 2 AZR 476/16, NZA 2018, 234 ff. Rz. 38.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

In dem der Entscheidung des BAG vom 27.7.201724 zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber eine solche Sozialauswahl analog § 1 Abs. 3 KSchG nicht durchgeführt. Vielmehr hatte er allen Arbeitnehmern gegenüber eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen, obwohl ein Teil dieser Arbeitnehmer auf anderen (freien) Arbeitsplätzen in anderen Betrieben hätte weiterbeschäftigt werden können. Auf der Grundlage seiner bisherigen Rechtsprechung hat das BAG klargestellt, dass die Durchführung einer fehlerhaften Sozialauswahl ebenso wie das Unterlassen einer Sozialauswahl aber nicht per se die Unwirksamkeit einer Kündigung zur Folge habe. Vielmehr sei die Kündigung des Arbeitnehmers jedenfalls dann nicht sozial ungerechtfertigt, wenn mit ihr – zufällig – eine im Ergebnis vertretbare Auswahlentscheidung getroffen wurde. Entsprechendes gelte, wenn eine Sozialauswahl zwar vorgenommen wurde, dem Auswahlverfahren aber methodische Fehler anhafteten. In beiden Fällen habe der Arbeitgeber im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses die Möglichkeit aufzuzeigen, dass und aus welchen Gründen soziale Gesichtspunkte gegenüber dem klagenden Arbeitnehmer insoweit ausreichend berücksichtigt worden seien, weil ihm selbst dann, wenn der durch den Arbeitnehmer gerügte Auswahlfehler unterblieben wäre, unter Berücksichtigung der in § 1 Abs. 3 KSchG enthaltenen Vorgaben gekündigt worden wäre. Dies gilt bei einer Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG ebenso wie bei einer solchen Auswahlentscheidung im Zusammenhang mit der Auswahl weiterzubeschäftigender Arbeitnehmer analog § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG. Gelinge es dem Arbeitgeber aufzuzeigen, dass der klagende Arbeitnehmer bei gesetzeskonformem Vorgehen unter ausreichender Beachtung sozialer Gesichtspunkte gleichermaßen von einer Beendigungskündigung betroffen wäre, wirke sich ein möglicher Fehler im Auswahlverfahren nicht aus. Dieser Bewertung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Dem Arbeitgeber obliegt es in solchen Fällen, im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens eine fiktive Sozialauswahl – ggf. unter Berücksichtigung eines Punkteschemas – darzulegen. Wichtig ist, dass der Arbeitgeber das Ergebnis einer solchen Sozialauswahl zum Anlass nehmen kann, betriebsbedingte Kündigungen gegenüber den Arbeitnehmern auszusprechen, die sich aufgrund der geringeren sozialen Schutzbedürftigkeit bei der Besetzung der freien Arbeitsplätze nicht durchsetzen konnten. Nicht erforderlich ist, zunächst einmal abzuwarten, ob die Arbeitnehmer, die wegen ihrer stärkeren Schutzbedürftigkeit entsprechende

24 BAG v. 27.7.2017 – 2 AZR 476/16, NZA 2018, 234 ff. Rz. 39 ff.

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Außerordentliche Kündigung bei Weiterleitung dienstlicher E-Mails auf Privataccount

Angebote zur Weiterbeschäftigung erhalten, diese auch annehmen. Die Ablehnung solcher Angebote durch Arbeitnehmer mit einer stärkeren Schutzbedürftigkeit kann bei den von einer Beendigungskündigung betroffenen Arbeitnehmern allenfalls Wiedereinstellungsansprüche auslösen. Diese müssen aber durch den Arbeitnehmer selbst noch während der Kündigungsfrist geltend gemacht werden. Dass der Arbeitgeber fehlerhafterweise auf eine Sozialauswahl verzichtet oder die Auswahlentscheidung ohne angemessene Berücksichtigung der vier Kriterien durchgeführt hat, hat auch keine automatische Unwirksamkeit der Kündigung als Folge einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG zur Folge. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber auf der Grundlage der subjektiven Determination der Gründe seiner Kündigung den Betriebsrat über das von ihm gewählte Verfahren ordnungsgemäß und vollständig informiert hat25. (Ga)

4.

Außerordentliche Kündigung bei Weiterleitung dienstlicher E-Mails auf Privataccount

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG26 zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d. h. typischerweise, als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht27. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis 25 BAG v. 27.7.2017 – 2 AZR 476/16, NZA 2018, 234 ff. Rz. 60. 26 BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, NZA 2014, 1258 ff. Rz. 16; BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243 ff. Rz. 15; BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 ff. Rz. 16. 27 BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, NZA 2014, 1258 ff. Rz. 16; BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243 ff. Rz. 15.

99

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen, wobei regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf zu berücksichtigen sind28. Nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit kommt eine außerordentliche Kündigung auch nur dann in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind29. Ein gegenüber der fristlosen Kündigung in diesem Sinne milderes Mittel ist unter anderem die ordentliche Kündigung30 oder eine Abmahnung (§ 314 Abs. 2 BGB). Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der einschlägigen Tatsachen – d. h. der für als auch gegen die Kündigung sprechenden Umstände – hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht31. Ob auf der Grundlage dieser allgemeinen Grundsätze eine außerordentliche Kündigung wegen Weiterleitung geschäftlicher Informationen auf einen privaten E-Mail-Account zu betriebsfremden Zwecken gerechtfertigt war, hatte das LAG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 16.5.201732 zu entscheiden. Die Beklagte stützte ihre Kündigung auf den Vorwurf, der Kläger, der bei ihr als Experte im Vertriebsbereich beschäftigt wurde, habe am 24.4. und 25.4.2016 zahlreiche geschäftliche E-Mails auf seine private E-MailAnschrift geschickt, darunter Angebots- und Kalkulationsgrundlagen für ein von einem Kollegen betreutes Projekt, technische Daten, Preislisten und 28 BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243 Rz. 17. 29 BAG v. 9.6.2011 – 2 AZR 323/10, NZA 2011, 1342 ff. Rz. 27; BAG v. 16.12.2010 – 2 AZR 485/08, NZA 2011, 571 ff. Rz. 51. 30 BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 ff. Rz. 35; BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243 ff. Rz. 17. 31 BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 732/11, NZA 2013, 665 ff. Rz. 30. 32 LAG Berlin-Brandenburg v. 16.5.2017 – 7 Sa 38/17, NZA-RR 2017, 532 ff.

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Außerordentliche Kündigung bei Weiterleitung dienstlicher E-Mails auf Privataccount

Kundenlisten, um eine beabsichtigte Konkurrenztätigkeit vorzubereiten. Zu diesem Zeitpunkt stand der Kläger in Vertragsverhandlungen mit einer Konkurrentin der Beklagten. Das Weiterleiten der E-Mails stellte die Beklagte bei einer Überprüfung des Accounts des Klägers im Beisein des Klägers und nach Genehmigung des Betriebsrats fest. In seiner daraufhin erfolgten Anhörung ließ sich der Kläger dahingehend ein, dass er bereits seit Jahren EMails an seinen privaten Account gesandt habe, um von zu Hause aus arbeiten zu können. Dies habe nie jemand beanstandet. Bevor die Beklagte fristlos kündigte, hat der Kläger seinerseits ordentlich zum 30.6.2016 gekündigt und am 1.7.2016 eine entsprechende Tätigkeit als Senior Expert Sales bei dem Konkurrenzunternehmen aufgenommen. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.4.2016 mit Zustimmung des Betriebsrats fristlos gekündigt. Der Kläger hat die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung im Klagewege angegriffen und darüber hinaus die Zahlung der Vergütung für die Monate Mai und Juni 2016 von der Beklagten beansprucht. Das ArbG Berlin hat der Kündigungsschutzklage unter Hinweis darauf entsprochen, dass der von der Beklagten vorgetragene Sachverhalt keinen wichtigen Kündigungsgrund abgäbe, weil die Beklagte nicht habe belegen können, dass der Kläger eine Weiterleitung der E-Mails an Dritte beabsichtigt habe. Auf die Berufung der Beklagten hat das LAG Berlin-Brandenburg unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Dabei hat sich das LAG von der Erwägung leiten lassen, dass „an sich“ als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung neben einer Verletzung von Hauptleistungspflichten auch die erhebliche und schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) in Betracht kommt. Diese Bewertung liegt auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des BAG33, weil § 241 Abs. 2 BGB jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks dienende Regelung verpflichtet den Arbeitnehmer, seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb sowie seiner eigenen Interessen nach Treu und Glauben erwartet werden kann. Unter Hinweis darauf, dass der Kläger am 24.4. und 25.4.2016 zahlreiche EMails mit Angebots- und Kalkulationsunterlagen sowie eine Kundenliste mit Kontaktdaten und damit Unterlagen über Geschäftsgeheimnisse unerlaubt 33 Vgl. BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, NZA 2014, 1258 ff. Rz. 19; BAG v. 28.10.2010 – 2 AZR 293/09, NZA 2011, 112 ff. Rz. 19.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

auf seinen privaten E-Mail-Account geleitet hat, ohne dazu berechtigt zu sein, ist das LAG von einem erheblichen Vertragsverstoß im vorbeschriebenen Sinne ausgegangen, der „an sich“ für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausreicht. Dies musste nach Ansicht des LAG umso mehr gelten, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits in Vertragsverhandlungen mit einem Konkurrenzunternehmen stand. Auch im Hinblick auf die konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile war es der Beklagten nach Auffassung des LAG nicht zumutbar, die arbeitsvertraglichen Beziehungen bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Dabei hat das LAG vor allem die erhebliche Verletzung der geschäftlichen Interessen der Beklagten hervorgehoben, aber auch gewichtet, dass der Kläger in Vorbereitung seines neuen Arbeitsverhältnisses den Datentransfer vorgenommen hatte und bei einer Weiterbeschäftigung für die Beklagte zu befürchten stand, dass es zu entsprechenden weiteren Pflichtverletzungen kommen könnte. Nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit kam aus der Sicht des LAG kein milderes Mittel, insbesondere keine Abmahnung (§ 314 Abs. 2 BGB) anstelle der fristlosen Kündigung in Betracht, weil die besonderen Umstände auch im Hinblick auf potentielle Schäden des Arbeitgebers die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigten. In Anbetracht der unerlaubten Weiterleitung geschäftlicher Informationen, die als Geschäftsgeheimnisse zu qualifizieren waren, auf einen dem Zugriff der Beklagten entzogenen privaten Account des Klägers, erscheint die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg nachvollziehbar und überzeugend begründet. Es war außerdem im Rahmen der Berücksichtigung sämtlicher Umstände zum Nachteil des Arbeitnehmers zu gewichten, dass er zur Konkurrenz wechseln wollte und diesen Wechsel bereits durch seine Eigenkündigung vor Zugang der fristlosen Kündigung der Beklagten eingeleitet hatte. Insofern hätten sich eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung als untaugliche Maßnahmen für die Beklagte ergeben. Ob möglicherweise wegen der Datenerhebung ein Beweisverwertungsverbot zu erwägen war, lässt sich dem Sachverhalt der Entscheidung nicht entnehmen und stellte offenbar kein Problem bei der Entscheidungsfindung dar. (Boe)

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Informationen im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses

5.

Verwertbarkeit der im betrieblichen Eingliederungsmanagement gewonnenen Informationen im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses

a)

Ausgangssituation

Wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist, muss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeit klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement = bEM). Weitere Einzelheiten bestimmt § 167 Abs. 2 SGB IX34. Allerdings ist dort nicht geregelt, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber berechtigt ist, die im bEM gewonnenen Informationen im Rahmen eines etwaigen Kündigungsschutzverfahrens zu berücksichtigen. Das BAG hat sich mit dieser Frage im Urteil vom 29.6.201735 befasst und den Arbeitgeber für berechtigt gehalten, Erkenntnisse über das Verhalten des Arbeitnehmers während des bEM im Rahmen eines etwaigen Kündigungsschutzverfahrens zu berücksichtigen, das eine Kündigung betraf, die wegen dieses Verhaltens ausgesprochen worden war. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger in den Jahren 2008 bis 2013 immer wieder über eine längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt. Eine wesentliche Ursache für diese Erkrankungen waren psychische Belastungen, die sich für ihn aus der Zusammenarbeit mit Kollegen und Vorgesetzten ergaben. Diese Belastungen führten im Jahre 2013 zu der arbeitsmedizinischen Empfehlung, einen anderen Einsatzbereich für den Kläger zu finden. Als der Arbeitgeber dem Kläger im Rahmen eines bEM-Gesprächs deshalb vorschlug, über eine berufliche Neuorientierung nachzudenken, habe der Kläger – so der Beklagtenvortrag – sehr emotional reagiert und unter anderem geäußert, dass er nicht garantieren könne, dass er nicht wieder krank werde oder sich umbringe oder Amok laufen werde. Ergänzend hierzu habe er in diesem Zusammenhang auf seine Mitgliedschaft im Schützenverein und darauf verwiesen, dass er „zum Glück“ „noch nicht“ über einen Waffenschein verfüge. Nachdem der Kläger sich von diesen Äußerungen auch im weiteren Verlauf des Gesprächs nicht 34 Vgl. auch Boewer, AktuellAR 2018, 50 ff. 35 BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 47/16, NZA 2017, 1605 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

distanziert hatte, nahm die Beklagte dies zum Anlass, im Anschluss an eine entsprechende Zustimmung des Integrationsamts eine außerordentliche (fristlose) Kündigung des tarifvertraglich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers auszusprechen. Im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens vertrat das LAG Frankfurt die Auffassung, dass die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben seien. Dem beklagten Land sei es jedenfalls zuzumuten gewesen, eine (fiktive) ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass die „Amokdrohung“ in der „geschützten Situation eines bEM“ erfolgt sei. In einem solchen Klärungsprozess solle er sich öffnen und in die Suche nach Möglichkeiten zur Überwindung seiner Arbeitsunfähigkeit einbringen. Weil die Überlegung, andere Einsatzmöglichkeiten zu suchen, zu einer besonderen Belastung geführt hätte, könne eine allenfalls im „Augenblicksversagen“ erfolgte Androhung eines Amoklaufs die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht begründen.

b)

Verwertung verhaltensbezogener Erkenntnisse des Arbeitgebers

Zu Recht ist der 2. Senat des BAG diesen Ausführungen nicht gefolgt. Dies galt nicht nur für die Annahme eines „Augenblicksversagens“. Denn dem Sachverhalt, den das LAG Frankfurt seiner Entscheidung zugrunde gelegt hatte, waren keine Umstände zu entnehmen, die es rechtfertigten, von einer einmaligen, dem Arbeitnehmer wesensfremden Pflichtverletzung auszugehen36. Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen hat das BAG angenommen, dass eine erhebliche Verletzung der Nebenpflicht des Klägers aus § 241 Abs. 2 BGB anzunehmen war. Nach seinen Feststellungen stellt die ernstliche Drohung des Arbeitnehmers mit Gefahren für Leib oder Leben des Arbeitgebers, von Vorgesetzten und/oder Arbeitskollegen, für die kein allgemeiner Rechtfertigungsgrund gegeben ist, an sich einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB dar. Ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit eines solchen Verhaltens liegt darin eine erhebliche Verletzung der sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebenden Nebenpflicht, da auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen ist. Dies gelte unabhängig davon, ob das Verhalten des Arbeitnehmers auf die Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs ziele. Es genüge, wenn die Äußerung des Arbeitnehmers bei einem 36 BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 47/16, NZA 2017, 1605 ff. Rz. 29.

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Informationen im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses

„normal“ empfindenden Menschen den Eindruck der Ernstlichkeit erwecken könne und der Wille des Drohenden darauf gerichtet sei, dass der Adressat die Drohung auch ernst nehme. Ob der Adressat die Ankündigung dann tatsächlich ernst nehme und deshalb eine Störung des Rechtsfriedens eintrete, spielt – so das BAG – keine Rolle37. Jedenfalls in Bezug auf den hier in Rede stehenden Kündigungsgrund lehnt es der 2. Senat des BAG im Urteil vom 29.6.201738 auch ab, den Umstand, dass der Arbeitgeber diese Erkenntnisse im Rahmen des bEM gewonnen hat, als einen Grund für den Ausschluss ihrer Verwertbarkeit anzuerkennen. Insbesondere fänden die Ausführungen zum bEM als einer besonders „geschützten“ Situation im Gesetz keine Stütze. Das in § 167 Abs. 2 SGB IX nur rahmenmäßig geregelte bEM ist – so das BAG39 – ein rechtlich regulierter verlaufs- und ergebnisoffener Suchprozess, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll. Ziel des bEM sei es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlicher Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen sei, und herauszufinden, ob Möglichkeiten bestünden, eine bestehende Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern40. Die Realisierung dieses Suchprozesses gehöre zu den gesetzlichen Pflichten des Arbeitgebers auf dem Gebiet des Arbeitsrechts, die das Arbeitsverhältnis gestalteten41. Nach Auffassung des BAG sind die Interessen des Arbeitnehmers, frei über die Weitergabe personenbezogener Daten zu entscheiden, bereits durch den Umstand gewährleistet, dass seine Teilnahme an die ausdrückliche Zustimmung geknüpft ist (§ 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX). Auf diese Weise wird gewährleistet, dass die Klärung des Gesundheitszustandes aus Sicht des Betroffenen ausschließlich freiwillig erfolgt und er sich dem Suchprozess ohne Angaben von Gründen zu jeder Zeit wieder entziehen kann. Durch den Umstand, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorab auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen hat, wird auf Seiten des Arbeitnehmers auch Klarheit über die Bedeutung des Gesprächs geschaffen. Dass Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers, die – wie dies hier in Rede stand – während des bEM auftreten, 37 38 39 40 41

BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 47/16, NZA 2017, 1605 ff. Rz. 23, 26 f. BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 47/16, NZA 2017, 1605 ff. Rz. 30 ff. Zur Vorgängerregelung in § 84 Abs. 2 SGB IX a. F. Ebenso BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 14/14, NZA 2016, 1283 ff. Rz. 10. Ebenso BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 46/10, NZA 2012, 744 ff. Rz. 38.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

später zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen können, steht deshalb nicht in Widerspruch zu § 167 Abs. 2 SGB IX. Insbesondere ist insoweit auch kein Darlegungs- und Beweisverwertungsverbot gegeben42. Das BAG hat auf der Grundlage dieser Überlegungen die landesarbeitsgerichtliche Entscheidung aufgehoben und die Sache zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen. Sollte das LAG Frankfurt erneut zu dem Ergebnis gelangen, dem Arbeitgeber sei es jedenfalls zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der (fiktiven) Frist für eine ordentliche Kündigung fortzusetzen, wird es zu prüfen haben, ob eine Umdeutung in eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist in Betracht kommt, insbesondere ob die dafür erforderlichen personalvertretungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung war ausgeschlossen, weil der beim beklagten Land beschäftigte Kläger nach Maßgabe des Tarifvertrags nicht mehr ordentlich gekündigt werden konnte.

c)

Verwertung gesundheitsbezogener Erkenntnisse des Arbeitgebers

Auch nach dieser Entscheidung bleibt in der betrieblichen Praxis die Frage offen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen gesundheitsbezogene Daten, die der Arbeitgeber im Rahmen des bEM gewinnt, in einem späteren Kündigungsschutzverfahren berücksichtigt werden können. Geht man davon aus, dass bereits die Erhebung gesundheitsbezogener Daten im Rahmen des bEM an eine Einwilligung gemäß § 26 Abs. 2 BDSG geknüpft ist43, setzt diese Form einer Verarbeitung personenbezogener Daten voraus, dass im Rahmen der Einwilligung auch ein solcher Verwendungszweck erkennbar ist. Hinzu kommt, dass zu prüfen wäre, ob durch diese Einwilligung für den Arbeitnehmer ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Vorteil erreicht wird oder die Arbeitsvertragsparteien im Rahmen des bEM und der anschließenden Verwertung der dort gewonnenen Daten (überwiegend) gleichgelagerte Interessen verfolgen. Im Zweifel muss diese Vorgabe für eine Anerkennung der Freiwilligkeit gemäß § 26 Abs. 2 S. 2 BDSG gegeben sein. Gegen die Notwendigkeit einer datenschutzrechtlichen Einigung spricht allerdings, dass es sich bei dem bEM um ein Verfahren handelt, dessen Durchführung nicht in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt ist. Vielmehr erfüllt er damit eine Verpflichtung, die durch § 167 Abs. 2 SGB IX im Zusammen42 BAG v. 29.6.2017 – 2 AZR 47/16, NZA 2017, 1605 ff. Rz. 41 ff. 43 So Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 ff.

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Informationen im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses

hang mit der Durchführung eines Beschäftigungsverhältnisses begründet wird. Damit aber liegt bereits die in § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG genannte Voraussetzung für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung auch besonderer personenbezogener Daten vor. Das bestätigt auch § 26 Abs. 3 BDSG. Danach ist die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses zulässig, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt. Folgt man dieser Bewertung, hängt die Verwertbarkeit gesundheitsbezogener Daten außerhalb des bEM nicht von einer Einwilligung, sondern (nur) davon ab, ob damit auch den gesetzlichen Zielen dieses Verfahrens Genüge getan wird. Führt man sich vor diesem Hintergrund die aktuelle Feststellung des BAG vor Augen, geht es beim bEM zwar vordergründig darum, dass eine bestehende Arbeitsunfähigkeit überwunden oder erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden soll. Schlussendlich ist hier das Verfahren aber darauf gerichtet, dem Arbeitgeber Erkenntnisse darüber zu verschaffen, wie eine dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses erfolgen kann. Insofern geht es daher nicht nur um den Bestand des Arbeitsplatzes, der losgelöst von einzelnen Arbeitnehmern im Betrieb gegeben ist. Vielmehr geht es um den Bestand des Arbeitsverhältnisses und damit um die Vermeidung einer Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses als Folge der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Darauf hat das BAG auch an anderer Stelle bereits hingewiesen44. Wenn man sich diese Zweckbestimmung – nämlich die Förderung einer störungsfreien weiteren Beschäftigung und die Vermeidung einer Kündigung – vor Augen führt, ist auch eine diesbezügliche Erhebung, Verarbeitung und Nutzung gesundheitsbezogener Daten des Arbeitnehmers im Rahmen des bEM als Folge der Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht nicht nur zulässig, sondern gesetzgeberisch auch geboten. Zum einen folgt daraus nicht nur die Berechtigung, sondern die Verpflichtung, Erkenntnisse zur Vermeidung einer Arbeitsunfähigkeit bei der Ausgestaltung der Arbeit im Zusammenhang mit der Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts zu berücksichtigen. Insofern ist der Arbeitgeber beispielsweise gehalten, die Arbeitsorganisation, das Arbeitsumfeld, die Aufgaben, die physische und 44 Vgl. BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612 ff., Rz. 30, 32; BAG v. 10.12.2009 – 2 AZR 400/08, NZA 2010, 398 ff. Rz. 20.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

psychische Belastung sowie die Arbeitszeit nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung betrieblicher Interessen so festzulegen, dass damit einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt wird. Nur dies entspricht auch den arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen, wie sie nicht zuletzt durch § 3 ArbSchG bestimmt werden. Wenn allerdings das bEM die Erkenntnis vermittelt, dass auch unter Berücksichtigung solcher Maßnahmen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit mit hinreichender Gewissheit nicht vorgebeugt werden kann und zugleich anderweitige (leidensgerechte) Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen nicht bestehen, ist dies auch eine Erkenntnis, die als Folge des bEM beim Arbeitgeber entsteht. Er kann diese Erkenntnis zur Grundlage einer krankheitsbedingten Kündigung machen. Dort besteht nämlich auch die Obliegenheit, auf der Grundlage des bEM seiner Darlegungsund Beweislast zum Fehlen einer solchen Beschäftigung gemäß § 1 Abs. 2 S. 2, 3 KSchG zu genügen. Darauf hat das BAG an anderer Stelle bereits hingewiesen, als es eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast beschlossen hat, wenn der Arbeitgeber sich diese Kenntnis nicht bereits durch ein vorgeschaltetes bEM beschafft hat45.

d)

Fazit

Für die betriebliche Praxis bedeutet dies, dass in den Einladungen zum bEM keine Zusicherung erfolgen darf, dass die gesundheitsbezogenen Erkenntnisse, die der Arbeitgeber gewinnt, nur für die Durchführung des bEM genutzt werden. Denn damit schränkt der Arbeitgeber seine bereits aus dem Gesetz heraus resultierende Befugnis zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung dieser Daten auch außerhalb des bEM ein. Darüber hinaus versperrt er sich der Möglichkeit, diese Daten – was allerdings seine Pflicht wäre – jedenfalls bei der Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts zur Vermeidung weiterer Gefährdungen für die Gesundheit des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Dies erlaubt es dem Arbeitgeber auch, etwaige Erkenntnisse für eine eingeschränkte Einsatzmöglichkeit des Arbeitnehmers in den Grenzen der Erforderlichkeit Führungskräften zur Verfügung zu stellen, die an dem eigenen bEM-Verfahren nicht beteiligt waren. Auch darin liegt die Nutzung gesundheitsbezogener Daten im Rahmen der Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht. Falls Einladungen zu einem bEM-Gespräch auch eine solche Weitergabe einschränken, muss dies angepasst werden. Wichtig allerdings ist, den Arbeitnehmern zugleich mitzuteilen, dass auch eine solche Verwendung der Erkenntnisse des bEM geplant ist. Er muss wissen, auf was 45 Vgl. BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612 ff. Rz. 17 ff.; BAG v. 10.12.2009 – 2 AZR 400/08, NZA 2010, 398 ff. Rz. 17 ff.

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Besonderer Kündigungsschutz von Wahlbewerbern

er sich für den Fall einer Zustimmung zur Beteiligung am bEM einlässt. (Ga)

6.

Besonderer Kündigungsschutz von Wahlbewerbern

Nach § 15 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds des Wahlvorstands vom Zeitpunkt seiner Bestellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines durch § 15 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 KSchG geschützten Mitglieds eines Wahlvorstandes kann in Fällen, in denen es auf die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats ankommt, wirksam erst nach Eintritt der formellen Rechtskraft einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung erfolgen46. Eine vor diesem Zeitpunkt erklärte Kündigung ist nicht nur schwebend unwirksam, sondern unheilbar nichtig. Diese Schlussfolgerung hat das BAG47 der Formulierung des Gesetzes entnommen, wonach in § 15 Abs. 3 S. 1 KSchG – ebenso wie in § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG – verlangt wird, dass eine gerichtliche Ersetzung der Zustimmung der betreffenden Arbeitnehmervertretung vorliegt. „Ersetzt“ ist die Zustimmung erst dann, wenn die gerichtliche Entscheidung nicht mehr dem Risiko einer Abänderung im Instanzenzug ausgesetzt ist. Die „formelle Rechtskraft“ im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren tritt ein, wenn der Beschluss mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr angefochten werden kann. Wird die Rechtsbeschwerde vom LAG nicht zugelassen, tritt die Rechtskraftwirkung mit dem Ablauf der Frist nach § 92 a S. 2 i. V. m. § 72 a Abs. 2 S. 1 ArbGG oder mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das BAG ein48.

46 BAG v. 16.11.2017 – 2 AZR 14/17, NZA 2018, 240 ff. Rz. 18; BAG v. 24.11.2011 – 2 AZR 480/10, NZA-RR 2012, 333 ff. Rz. 15; BAG v. 9.7.1998 – 2 AZR 142/98, NZA 1998, 1273 ff. Rz. 17. 47 BAG v. 24.11.2011 – 2 AZR 480/10, NZA-RR 2012, 333 ff. Rz. 16. 48 Vgl. dazu BAG v. 16.11.2017 – 2 AZR 14/17, NZA 2018, 240 ff. Rz. 20; BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 69/11, NZA 2013, 789 ff. Rz. 10; BAG v. 26.11.2009 – 2 AZR 185/08, NZA 2010, 443 ff. Rz. 12; BAG v. 9.7.1998 – 2 AZR 142/98, NZA 1998, 1273 ff. Rz. 17.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Das BAG49 hat jedoch den Eintritt der „formellen Rechtskraft“ des die Zustimmung ersetzenden Beschlusses des Gerichts in der Vergangenheit ausnahmsweise vor Ausspruch der Kündigung dann nicht für erforderlich gehalten, wenn sich ein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf gegen den die Zustimmung ersetzenden Beschluss als offensichtlich aussichtslos erweist. Unter dieser Voraussetzung kann (nicht muss)50 die Kündigung schon vor Eintritt der formellen Rechtskraft der die Zustimmung des Betriebs- oder Personalrats ersetzenden gerichtlichen Entscheidung erfolgen. Der 2. Senat des BAG hat allerdings in einer Entscheidung vom 16.11.201751 ausdrücklich offen gelassen, ob er an dieser Rechtsprechung festhalten wird. Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB gilt auch für die außerordentliche Kündigung gegenüber Arbeitnehmern, die den besonderen Kündigungsschutz des § 15 KSchG – wie etwa Betriebsratsmitglieder und Wahlvorstandsmitglieder – genießen, wobei allerdings der Betriebsrat verpflichtet ist, entsprechend § 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG seine Entscheidung dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Tagen, zu erklären. Gibt der Betriebsrat innerhalb dieser Frist keine zustimmende Erklärung ab, liegt darin eine Verweigerung der Zustimmung. Zur Wahrung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB muss der Arbeitgeber sodann noch innerhalb dieser Frist bei ausdrücklicher Zustimmung oder als Verweigerung der Zustimmung zu wertender Erklärung das Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung beim ArbG einleiten52. Hat der Arbeitgeber beim Betriebsrat innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB die erforderliche Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung eines Funktionsträgers der Betriebsverfassung beantragt und bei deren ausdrücklicher oder wegen Fristablaufs zu unterstellender Verweigerung das Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung nach § 103 Abs. 2 BetrVG beim ArbG eingeleitet, ist die Kündigung nicht wegen einer Überschreitung der Frist unwirksam, wenn das Zustimmungsersetzungsverfahren bei ihrem Ablauf noch nicht abgeschlossen ist. Die Kündigung kann vielmehr auch noch nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erfolgen, wenn sie unverzüglich nach der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Ersetzung der Zu-

49 50 51 52

BAG v. 24.11.2011 – 2 AZR 480/10, NZA-RR 2012, 333 ff. Rz. 18. Schaub/Linck, ArbR-HB § 143 Rz. 33. BAG v. 16.11.2017 – 2 AZR 14/17, NZA 2018, 240 ff. So bereits BAG v. 18.8.1977 – 2 ABR 19/77, DB 1978, 109 ff. Rz. 10.

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Besonderer Kündigungsschutz von Wahlbewerbern

stimmung erklärt wird. Insofern wird von der Rechtsprechung des BAG53 die Fristenregelung in § 174 Abs. 5 SGB IX analog herangezogen. Scheidet ein Betriebsratsmitglied während des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 BetrVG aus dem Betriebsrat aus, ist für die außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber eine erneute Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG nicht erforderlich. Der Arbeitgeber muss die Kündigung auch in diesem Falle unverzüglich erklären, nachdem er Kenntnis von der Beendigung des Sonderkündigungsschutzes erlangt hat54, um die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB zu wahren. In der Entscheidung vom 16.11.2017 hatte der 2. Senat des BAG55 darüber zu befinden, ob ein Wechsel im betriebsverfassungsrechtlichen Amt an der rechtsgestaltenden Wirkung der gerichtlichen Zustimmungsersetzung gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG etwas ändert, wenn die Kündigungsgründe die gleichen bleiben. Der Sachverhalt betraf eine Klägerin, die als Abteilungsleiterin in einem Hotel der Beklagten beschäftigt war und das Amt der Vorsitzenden des im Betrieb der Beklagten gebildeten fünfköpfigen Betriebsrats bekleidet hatte. Mit Beschluss vom 16.7.2015 ersetzte das LAG die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Klägerin. Die Beschlussgründe wurden den Beteiligten am 4.8.2015 zugestellt. Der Beschluss wurde mit Ablauf des 4.9.2015 (Freitag) formell rechtskräftig. Vor Zustellung des Beschlusses legte die Klägerin am 3.8.2015 ihr Betriebsratsamt nieder. Da keine Ersatzmitglieder zur Verfügung standen, beschloss der Betriebsrat am gleichen Tag die Durchführung von Neuwahlen und bestellte die Klägerin zur Vorsitzenden des Wahlvorstandes. Von diesem Vorgang erfuhr die Beklagte am 4.8.2015. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich am 10.8.2015 und nach Eintritt der Rechtskraft des Zustimmungsbeschlusses des LAG erneut am 7.9.2015 außerordentlich fristlos. Gegen beide am Folgetag zugegangenen Kündigungen wandte sich die Klägerin mit der Kündigungsschutzklage. Sie berief sich vor allem darauf, dass für beide Kündigungen die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats fehle und durch ihre Amtsniederlegung das Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem LAG erledigt worden sei. Die Beklagte verteidigte sich damit, die Klägerin habe aus taktischen Gründen

53 Vgl. BAG v. 16.11.2017 – 2 AZR 14/17, NZA 2018, 240 ff. Rz. 46; BAG v. 24.11.2011 – 2 AZR 429/10, NZA 2012, 610 ff. Rz. 32; BAG v. 2.2.2006 – 2 AZR 57/05, NZA-RR 2006, 440 ff. Rz. 14. 54 BAG v. 16.11.2017 – 2 AZR 14/17, NZA 2018, 240 ff. Rz. 46; BAG v. 8.6.2000 – 2 AZN 276/00, NZA 2000, 899 f. Rz. 3. 55 BAG v. 16.11.2017 – 2 AZR 14/17, NZA 2018, 240 ff.

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ihr Betriebsratsamt niedergelegt und anschließend die Funktion als Wahlvorstandsmitglied übernommen, weshalb ihr verwehrt sei, sich auf den Kündigungsschutz als Mitglied des Wahlvorstandes zu berufen. Im Hinblick auf die erste außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.8.2015 gelangt das BAG zu dem Ergebnis, dass diese gemäß § 15 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 KSchG i. V. m. § 134 BGB nichtig ist, weil die Klägerin bei Zugang der Kündigung als Mitglied des Wahlvorstandes vom Zeitpunkt der Bestellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses nur mit Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG hätte wirksam gekündigt werden können. Zweifelsfrei lag weder diese nach § 15 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 KSchG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats vor, noch war sie durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung ersetzt worden. Diese Zustimmung hätte seitens der Beklagten von dem die Geschäfte weiterführenden Betriebsrat (§§ 22, 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG) eingeholt werden müssen, weil zu diesen Geschäften auch die Wahrnehmung der Rechte aus § 103 Abs. 1 BetrVG gehört. Da bei Zugang der außerordentlichen Kündigung vom 10.8.2015 die Rechtskraftwirkung der Entscheidung des LAG noch nicht eingetreten und ein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf gegen den die Zustimmung ersetzenden Beschluss nicht offensichtlich aussichtslos war, fehlte es an einer Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats i. S. v. § 103 Abs. 2 BetrVG als Wirksamkeitsvoraussetzung für die außerordentliche Kündigung. Das BAG hat der Klägerin nicht nach § 242 BGB wegen einer rechtsmissbräuchlich und unredlich erworbenen formalen Rechtsposition die Berufung auf den Sonderkündigungsschutz versagt, weil die Bestellung zum Wahlvorstandsmitglied nicht zum Schein, sondern deshalb erfolgt war, weil mit dem Absinken der Zahl der Betriebsratsmitglieder gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG die Notwendigkeit einer unverzüglichen Neuwahl des Betriebsrats bestand, zu der ein Wahlvorstand zu bestellen war. Das BAG schließt einen Rechtsmissbrauch auch dann aus, wenn mit der Bestellung der Klägerin als Wahlvorstandsmitglied taktische Erwägungen des Betriebsrats im Spiel waren, um dieser einen erneuten Sonderkündigungsschutz zu verschaffen, weil sich der Betriebsrat nicht pflichtwidrig verhalten habe56. Dagegen ist das BAG davon ausgegangen, dass die Kündigung der Beklagten vom 7.9.2015 das Arbeitsverhältnis bei ihrem Zugang mit sofortiger Wirkung aufgelöst hat, weil die auch für ein Wahlvorstandsmitglied nach § 15 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 KSchG i. V. m. § 103 Abs. 1 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung

56 Krit. dazu Weller, BB 2018, 704.

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Besonderer Kündigungsschutz von Wahlbewerbern

durch den rechtskräftigen Beschluss des LAG vom 16.7.2015 i. S. v. § 103 Abs. 2 BetrVG ungeachtet des zwischenzeitlich eingetretenen betriebsverfassungsrechtlichen Amtswechsels ersetzt war. Damit ist das BAG der Ansicht der Klägerin entgegengetreten, dass sich infolge der Niederlegung ihres Betriebsratsamtes am 3.8.2015 das darauf bezogene Zustimmungsersetzungsverfahren erledigt habe und der Wechsel im betriebsverfassungsrechtlichen Amt hinsichtlich der Kündigung eine erneute Zustimmung des Betriebsrats bzw. ihre rechtskräftige Ersetzung durch das Gericht notwendig gewesen wäre. Im Ergebnis ersetzt daher die gerichtliche Entscheidung im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG unabhängig von dem bei Zugang der Kündigung ausgeübten betriebsverfassungsrechtlichen Amt die Zustimmung des Betriebsrats im Hinblick auf die vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründe. Zur Begründung dieser Aussage verweist das BAG darauf, dass im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG allein zu prüfen sei, ob das vom Arbeitgeber reklamierte Recht zur außerordentlichen Kündigung in Form eines wichtigen Grundes i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB vorliege57. Bei der nach § 626 Abs. 1 BGB erforderlichen Interessenabwägung käme es nicht auf die im kollektiven Interesse des Betriebsrats und der Belegschaft am Verbleib des betroffenen Arbeitnehmers liegende betriebsverfassungsrechtliche Funktion an. Das gilt nach Ansicht des BAG ungeachtet dessen, dass der rechtskräftige Beschluss des LAG im Tenor die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds ersetzt hatte. Im Ergebnis zielt diese Rechtsprechung darauf ab, dass das Zustimmungsersetzungsverfahren den Kündigungsschutzprozess praktisch vorwegnimmt. Anschließend bestätigt das BAG seine bisherige Rechtsprechung58, dass für die außerordentliche Kündigung vom 7.9.2015 schon deswegen ein wichtiger Grund vorlag, weil dieses Ergebnis aufgrund der Bindungswirkung des rechtskräftig abgeschlossenen Zustimmungsersetzungsverfahrens bezüglich der von der Beklagten geltend gemachten Gründe zugleich für das vorliegende Kündigungsschutzverfahren feststand. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des 2. Senats vom 15.8.200259 geht das BAG davon aus, dass bezogen auf dieselben Kündigungsgründe der Kündigungsschutzprozess nur eine inhaltliche Fortsetzung des rechtskräftig abgeschlossenen Vorprozesses ist, sodass in diesem Verfahren der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund nur solche Tatsachen entgegengehalten werden können, die im 57 Vgl. dazu BAG v. 22.8.1974 – 2 ABR 17/74, NJW 1975, 181 Rz. 23. 58 BAG v. 15.8.2002 – 2 AZR 214/01, NZA 2003, 432 ff. Rz. 17 f. 59 BAG v. 15.8.2002 – 2 AZR 214/01, NZA 2003, 432 ff. Rz. 15.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Zustimmungsersetzungsverfahren nicht geltend gemacht werden konnten, wie etwa die Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Da die Beklagte die Kündigung vom 7.9.2015 unverzüglich nach Eintritt der formellen Rechtskraft des Zustimmungsersetzungsbeschlusses erklärt hat, war von ihr die Kündigungserklärungsfrist gewahrt worden. Abschließend stellt das BAG für die Kündigung vom 7.9.2015 klar, dass die rechtskräftig ersetzte Zustimmung des Betriebsrats zu dieser Kündigung im Hinblick auf die unveränderten Kündigungsgründe nicht durch die bereits am 10.8.2015 vorsorglich ausgesprochene Kündigung verbraucht worden war. Diese Schlussfolgerung ist daraus abzuleiten, dass der Arbeitgeber bei einer vorsorglich ausgesprochenen Kündigung vor einem rechtskräftig abgeschlossenen Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG sein Ersuchen um die Zustimmung des Betriebsrats nicht aufgibt60. Für die betriebliche Praxis ist die Entscheidung des BAG schon deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie sich erstmalig mit der Frage beschäftigt, ob die gerichtliche Entscheidung im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrats unabhängig davon ersetzt, welches betriebsverfassungsrechtliche Amt vom Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bekleidet wird. Mit dieser Aussage wird im Ergebnis vermieden, dass sich ein zu Gunsten des Arbeitgebers ausgehendes Zustimmungsersetzungsverfahren durch einen schlichten betriebsverfassungsrechtlichen Amtswechsel des betroffenen Arbeitnehmers erledigt und ein weiteres Zustimmungsersetzungsverfahren gegen den Betriebsrat durchgeführt werden müsste, um schlussendlich eine wirksame außerordentliche Kündigung erklären zu können. Von Bedeutung ist außerdem, dass die Bindungswirkung der rechtskräftigen Zustimmungsersetzungsentscheidung bezüglich der in diesem Verfahren behandelten Kündigungsgründe den anschließenden Kündigungsschutzprozess erfasst und hinsichtlich derselben Kündigungsgründe kein anderes Ergebnis aufweisen kann. Der im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 83 Abs. 3 ArbGG beteiligte Arbeitnehmer kann nur durch eine vor Beschlussfassung des Gerichts vorgenommene Amtsniederlegung dieser prozessualen Bindungswirkung ausweichen, weil dann der weiterhin aufrecht erhaltene Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig wird. (Boe)

60 So bereits BAG v. 27.1.2011 – 2 ABR 114/09, NZA-RR 2011, 348 ff. Rz. 15.

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Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern beim Aufhebungsvertrag

7.

Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern beim Aufhebungsvertrag

Bereits im Frühjahr des vergangenen Jahres hatten wir über die Entscheidung des LAG Saarland vom 22.6.201661 berichtet62. Gegenstand der Entscheidung war der Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit dem Vorsitzenden eines Betriebsrats, des Gesamtbetriebsrats und sogleich stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden, dem eine sexuelle Belästigung vorgeworfen wurde. Nachdem der Arbeitgeber ein Strafverfahren eingeleitet, einen Antrag auf Ausschluss des Klägers aus dem Betriebsrat gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG gestellt und ohne Erfolg beim Betriebsrat einen Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung gemäß § 103 BetrVG gestellt und im Anschluss daran die arbeitsgerichtliche Ersetzung der fehlenden Zustimmung beantragt hatte, nahmen die Parteien Verhandlungen über eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf. Diese Verhandlungen endeten am 22.7.2013 außergerichtlich im Abschluss eines Aufhebungsvertrags, in dem unter anderem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2015, die Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung und die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 189.000 € (brutto) vereinbart wurde. Damit sollte der mehr als 30-jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers, der bei Abschluss dieser Vereinbarung 51 Jahre alt war und ein monatliches Gehalt von 5.000 € bezog, Rechnung getragen werden. Nachdem der Kläger am 23.7.2013 vereinbarungsgemäß von seinem Betriebsrats-amt zurückgetreten und in der Folgezeit die Auszahlung der Abfindung an ihn erfolgt war, machte er geltend, dass die Vereinbarung unwirksam sei und keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2015 bewirken könne. Zur Begründung machte er geltend, dass er als Mitglied des Betriebsrats durch den Aufhebungsvertrag in unzulässiger Weise begünstigt worden sei. Die Abfindung hatte er zu diesem Zeitpunkt für Feierlichkeiten im Zusammenhang mit einer Hochzeit ausgegeben. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat das BAG eine Begünstigung des Klägers als Mitglied des Betriebsrats abgelehnt. Damit war eine Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags gemäß §§ 134 BGB, 78 S. 2 BetrVG ausgeschlossen. In Übereinstimmung mit der Argumentation des LAG Saarland, auf die insoweit verwiesen wird, hat das BAG in seinem Urteil vom 21.3.201863 deutlich gemacht, dass ein Betriebsratsmitglied durch den Ab61 LAG Saarland v. 22.6.2016 – 1 Sa 63/15 n. v. 62 B. Gaul, AktuellAR 2017, 283 ff. 63 BAG v. 21.3.2018 – 7 AZR 590/16 n. v.; LAG Saarland v. 22.6.2016 – 1 Sa 63/15 n. v.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

schluss eines Aufhebungsvertrags regelmäßig nicht begünstigt werde. Dies gelte auch dann, wenn dort Leistungen vereinbart würden, die deutlich über den Zugeständnissen an „normale“ Arbeitnehmer liegen würden. Denn soweit die Verhandlungsposition des Betriebsratsmitglieds günstiger als die eines Arbeitnehmers ohne Betriebsratsamt sei, beruhe dies auf dem in §§ 15 KSchG, 103 BetrVG geregelten Sonderkündigungsschutz. Für die betriebliche Praxis gibt dies zwar einerseits die Gewissheit, dass bei entsprechenden Vereinbarungen mit Mitgliedern einer Arbeitnehmervertretung durchaus weitergehende Zugeständnisse gemacht werden können. In allen Fällen wird man sich allerdings vor Augen führen müssen, dass diese Zugeständnisse nicht nur personalpolitisch vertretbar sein müssen. Die Erfahrung zeigt, dass das Interesse eines Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Betriebsratsmitglieds nicht immer zur Lösung von Problemen führt, die in der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Probleme nicht einseitig durch das Mitglied des Betriebsrats begründet wurden. Häufig ist dies nicht der Fall, weil solche Probleme von beiden Seiten verursacht werden und auch Ergebnis struktureller Fehler in der Zusammenarbeit der Betriebsparteien sein können. Hinzu kommt, dass das Ergebnis solcher Vereinbarungen auch für Nachfolger im Betriebsrat die „Messlatte“ sein kann, eigene Interessen durchzusetzen. (Ga)

8.

Rücktritt vom Aufhebungsvertrag oder gerichtlichen Vergleich

Wenn der Schuldner bei einem gegenseitigen Vertrag eine Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt, kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten (§ 323 Abs. 1 BGB). Diese Möglichkeit des Rücktritts kann auch dann bestehen, wenn durch den Schuldner bereits eine Teilleistung bewirkt wurde. Dies setzt aber voraus, dass er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist (§ 323 Abs. 5 BGB)64. Diese Möglichkeit des Rücktritts hat für Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien eine in der betrieblichen Praxis vielfach unterschätzte Bedeu64 Vgl. BAG v. 11.7.2012 – 2 AZR 42/11, NZA 2012, 1316 ff.; BAG v. 10.11.2011 – 6 AZR 583/10 n. v. Rz. 18.

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Rücktritt vom Aufhebungsvertrag oder gerichtlichen Vergleich

tung. Das macht nicht nur die aktuelle Entscheidung des BAG vom 31.1.201865 deutlich. Dort war der Arbeitnehmer, der mit seinem Arbeitgeber ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart hatte, von dieser Vereinbarung zurückgetreten, nachdem der Arbeitgeber die Karenzentschädigung nicht gezahlt hatte. Da der Rücktritt als einseitig rechtsgestaltende Willenserklärung mit seinem Zugang zu einem Wegfall der wechselseitigen Pflichten aus dem Vertrag für die Zukunft führt, hatte dies nicht nur zur Folge, dass seine Pflicht zum Unterlassen einer Wettbewerbstätigkeit nicht mehr bestand. Vielmehr war auch der Arbeitgeber nicht mehr verpflichtet, ihm eine Karenzentschädigung zu zahlen. Die gegen den Arbeitgeber gerichtete Zahlungsklage war deshalb durch das LAG Nürnberg66 zu Recht abgewiesen worden. Wichtig allerdings ist, dass ein entsprechendes Rücktrittsrecht auch im Zusammenhang mit einem Aufhebungsvertrag oder einem gerichtlichen Vergleich, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung regelt67, gegeben sein kann. Denn auch bei solchen Vereinbarungen handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, auf den § 323 BGB Anwendung findet. Die Leistung des Arbeitnehmers liegt insoweit in der Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die nach Ausspruch einer Kündigung den Eintritt der Rechtsfolgen aus §§ 4, 7 KSchG zur Folge hat. Die Leistung des Arbeitgebers liegt typischerweise in der Zahlung einer Abfindung, der Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung und/oder der Ausstellung eines Zwischen- und/oder Schlusszeugnisses, das eine bestimmte Bewertung zum Ausdruck bringen soll. Konsequenz einer Anwendbarkeit von § 323 BGB ist, dass der Arbeitnehmer unter den dort genannten Voraussetzungen grundsätzlich von der Vereinbarung zurücktreten kann, wenn die darin im Gegenseitigkeitsverhältnis vorgesehenen Leistungen durch den Arbeitgeber nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht werden. Bei der Vereinbarung einer Abfindung kann dies in der Auszahlung eines falschen Betrags oder der verspäteten Auszahlung liegen. Bei der Vereinbarung eines Zwischen- oder Schlusszeugnisses kann die Nicht- oder Teilerfüllung darin zu sehen sein, dass im Zeugnis nicht die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte Bewertung von Führung und Leistung zum Ausdruck kommt.

65 BAG v. 31.1.2018 – 10 AZR 392/17, NZA 2018, 578 ff. 66 LAG Nürnberg v. 24.5.2017 – 4 Sa 564/16 n. v. 67 Zusammenfassend dazu Preis/Rolfs, Der Arbeitsvertrag S. 427; Reinfelder, NZA 2013, 62 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

In Literatur und Rechtsprechung wird zwar die Frage erörtert, ob – was naheliegend erscheint – insbesondere durch den Abschluss eines Prozessvergleichs konkludent das gesetzliche Rücktrittsrecht ausgeschlossen wird. Im Gegensatz zum Aufhebungsvertrag liegt dies bereits deshalb nahe, weil der Arbeitnehmer durch die Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung ausreichend geschützt ist, um seine Ansprüche bei Nicht- oder Schlechterfüllung des Prozessvergleichs durchzusetzen68. Ob dies gleichermaßen auf den Aufhebungsvertrag übertragbar ist, erscheint mangels Anwendbarkeit der Regelungen über die Zwangsvollstreckung zweifelhaft. Hinzu kommt, dass in dem kompensationslosen Verzicht auf die Möglichkeit eines Rücktritts im Zweifel eine nach §§ 306, 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessene und damit unwirksame Regelung zu sehen ist69. In der betrieblichen Praxis sollte deshalb vorsorglich nicht von einem konkludenten Ausschluss des Rücktrittsrechts ausgegangen werden. Vielmehr sollte der Verzicht auf das Rücktrittsrecht im Zusammenhang mit allgemeinen Regelungen zum Ausschluss weitergehender Ansprüche beider Parteien aus dem Arbeitsverhältnis aus Anlass seiner Beendigung vereinbart werden. Um dem Vorwurf einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers entgegen zu treten, sollte die Forderung, dies in den Aufhebungsvertrag einzubinden, mit dem letzten Zugeständnis im Rahmen der Vertragsverhandlungen verbunden werden. Für den Prozessvergleich, den man als Konsequenz seiner individuellen Aushandlung nicht dem AGB-Recht unterwerfen kann, gilt dieses besondere Erfordernis einer Verknüpfung mit dem letzten Zugeständnis nicht. Hier kann sich aber aus verhandlungstaktischen Gründen empfehlen, den Verzicht auf das Rücktrittsrecht, ein etwaiges Widerrufsrecht und die Einbindung einer allgemeinen Ausgleichsklausel zur Bedingung zu machen, sodass der letzten Forderung des Arbeitnehmers entsprochen wird. Falls der Arbeitnehmer wirksam von einem Aufhebungsvertrag oder Prozessvergleich zurückgetreten ist, hat dies einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses (Rücktritt vom Aufhebungsvertrag) oder den Wiedereintritt in das frühere Kündigungsschutzverfahren (Rücktritt vom Prozessvergleich) zur Folge. Hiervon geht jedenfalls das BAG in seinem Urteil vom 24.9.201570,

68 So LAG Baden-Württemberg v. 17.6.2011 – 12 Sa 1/10 n. v. Rz. 131; Bauer/Haußmann, BB 1996, 901 ff.; Besgen/Velten, NZA-RR 2010, 561 ff.; Rheinfelder, NZA 2013, 62 ff.; Sperber, BB 2012, 1034 ff.; a. A. LAG Köln v. 5.1.1996 – 4 Sa 909/94, NZA-RR 1997, 11 f. Rz. 59 ff. 69 So ErfK/Preis, BGB §§ 305 bis 310 Rz. 37. 70 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 716/14, NZA 2016, 716 ff. Rz. 26 ff.

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Kündigung eines Organisten einer katholischen Kirchengemeinde

abweichend von der Rechtsprechung des BGH71, aus. Voraussetzung ist allerdings in allen Fällen, dass der Schuldner die ihm obliegenden Pflichten aus dem gegenseitigen Vertrag nicht erfüllt hat, obgleich eine solche Erfüllung noch möglich und zulässig war. War die Leistung – beispielsweise wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens – ohnehin nicht durchsetzbar, ist auch ein Rücktrittsrecht ausgeschlossen72. (Ga)

9.

Kündigung eines Organisten einer katholischen Kirchengemeinde

Der hier angesprochene Fall des Chorleiters und Organisten Bernhard Schüth zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass mit den seit über 20 Jahren währenden prozessualen Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und dem kirchlichen Arbeitgeber neben der Arbeitsgerichtsbarkeit in allen Instanzen, das BVerfG sowie der EGMR befasst waren. Der Kläger war seit 1983 bei einer katholischen Kirchengemeinde als Chorleiter und Organist beschäftigt73. Nachdem er sich 1994 von seiner Ehefrau und Mutter seiner Kinder getrennt hatte und eine neue Partnerschaft eingegangen war, aus der ein Kind hervorging, kündigte die Kirchengemeinde das Arbeitsverhältnis am 15.7.1997 zum 31.3.1998. Die Kirchengemeinde berief sich seinerzeit darauf, dass wegen der Nähe des Klägers zum Verkündungsauftrag der katholischen Kirche die Aufnahme einer neuen Beziehung während seiner bestehenden Ehe mit der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22.9.1993 nicht in Übereinstimmung zu bringen sei und auch ein klärendes Gespräch den Kläger nicht zum Abbruch der neuen Beziehung habe bewegen können. Nachdem das ArbG Essen und das LAG Düsseldorf der gegen die Kündigung erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben hatten, hob das BAG das Urteil des LAG auf, das nach erneuter Verhandlung die Klage abwies. Die Verfassungsbeschwerde des Klägers ist vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen worden. Mit Urteil vom 23.9.2010 stellte der EGMR einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK, der das Privat- und Familienleben schützt, fest, weil von den deutschen Gerichten die Nähe des Klägers zum Verkündungsauftrag nicht ausreichend geprüft und die konkurrierenden Rechte und Interessen nicht aus71 Vgl. BGH 15.4.1964 – Ib ZR 201/62, NJW 1964, 1524 f. 72 Vgl. BAG v. 10.11.2011 – 6 AZR 357/10, NZA 2012, 205 ff. Rz. 23 f.; ausf. hierzu Herresthal, JURA 2008, 561, 564. 73 Vgl. dazu LAG Düsseldorf v. 18.10.2017 – 12 Sa 757/17 n. v.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

reichend abgewogen worden seien. Mit Urteil vom 28.6.2012 hat der EGMR die Bundesrepublik Deutschland verurteilt, dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 40.000 € zahlen zu müssen. Die vom Kläger erhobene Restitutionsklage nach nationalem Recht wurde vom LAG Düsseldorf und vom BAG für unzulässig erachtet. Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Klägers blieb erfolglos. Mit einem daraufhin geltend gemachten Wiedereinstellungsanspruch konnte sich der Kläger weder vor dem LAG Düsseldorf noch vor dem BAG durchsetzen. Mit dem noch nicht abschließend entschiedenen und beim LAG Düsseldorf zurzeit anhängigen Verfahren gegen die Kirchengemeinde und das Bistum Essen macht der Kläger die ihm aufgrund der Kündigung entgangene Vergütung unter Anrechnung anderweitigen Verdienstes als Kirchenmusiker bei einer evangelischen Kirchengemeinde als Schadensersatz geltend, den er für die Vergangenheit mit 275.067 € sowie für die Zeit ab Januar 2017 mit monatlich 1449 € berechnet. Außerdem beansprucht der Kläger einen Ausgleich ihm entgangener Rentenansprüche. Das LAG Düsseldorf hat entschieden, zunächst eine Stellungnahme des Kommissariats der Deutschen Bischöfe darüber einzuholen, ob im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung und nachfolgend bis Ende Juni 2000 für die Kirchengemeinde und das Bistum Essen unvertretbar gewesen sei, in der Aufnahme einer neuen dauerhaften sexuellen Beziehung durch den nach katholischem Recht verheirateten Kläger, aus der ein Kind hervorging, eine kirchenrechtliche Verfehlung zu sehen ist, die auf der Grundlage der zum damaligen Zeitraum geltenden Grundordnung eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen konnte. Eine abschließende Entscheidung des LAG Düsseldorf liegt noch nicht vor74. Nach der Rechtsprechung des BVerfG75 umfasst das durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV gesicherte kirchliche Selbstbestimmungsrecht alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimensionen des Wirkens im Sinne kirchlichen Selbstverständnisses und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum kirchlichen Grundauftrag dienen. Dabei obliegt allein den Kirchen die Formulierung des kirchlichen Propriums und ist als elementarer Bestandteil der korporativen Religionsfreiheit durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verfassungsrechtlich abgesichert. Nach Auffassung des BVerfG haben danach die staatlichen Gerichte im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle auf der Grundlage des glaubensdefinierten Selbstverständnisses der verfassten Kirche zu überprüfen, ob eine 74 Antwort der Pressestelle des LAG Düsseldorf v. 4.5.2018. 75 Vgl. nur BVerfG v. 22.10.2014 – 2 BvR 661/12, NZA 2014, 1387 ff. Rz. 95.

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Kündigung eines Organisten einer katholischen Kirchengemeinde

Organisation oder Einrichtung an der Verwirklichung des kirchlichen Grundauftrags teilhat, ob eine bestimmte Loyalitätsobliegenheit Ausdruck eines kirchlichen Glaubenssatzes ist und welches Gewicht dieser Loyalitätsobliegenheit und einem Verstoß hiergegen nach dem kirchlichen Selbstverständnis zukommt. Sie haben sodann – so schlussfolgert das BVerfG weiter – unter dem Gesichtspunkt der Schranken des „für alle geltenden Gesetzes“ eine Gesamtabwägung vorzunehmen, in der die – im Lichte des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen verstandenen – kirchlichen Belange und die korporative Religionsfreiheit mit den Grundrechten der betroffenen Arbeitnehmer und deren in den allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen enthaltenen Interessen auszugleichen sind. Dabei sind die widerstreitenden Rechtspositionen jeweils in möglichst hohem Maße zu verwirklichen (praktische Konkordanz). Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des BAG76 nach Art. 267 AEUV hat dagegen die Große Kammer des EuGH in einer Entscheidung vom 17.4.201877 zur Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung im Falle der Ablehnung einer konfessionslosen Bewerberin angesichts des Ethos des kirchlichen Arbeitgebers entschieden, dass Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/EG i. V. m. Art. 9, 10 Richtlinie 2000/78/EG und Art. 47 GRC dahin auszulegen ist, dass im Falle eine Kirche oder andere Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, eine Handlung oder Entscheidung – wie die Ablehnung einer Bewerbung – damit begründet, die Religion sei nach der Art der betreffenden Tätigkeiten oder den vorgesehenen Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos dieser Kirche oder Organisation, ein solches Vorbringen ggf. Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle ist, um sicherzustellen, dass die in Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie genannten Kriterien im konkreten Fall erfüllt sind. Diese Aussage ergänzt der EuGH im Tenor der Entscheidung mit der weiteren Feststellung, dass Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen ist, dass es sich bei der dort genannten wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderung um eine solche handelt, die notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten ist und keine sachfremden Erwägungen ohne Bezug zu diesem Ethos oder dem Recht dieser Kirche oder 76 BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 501/14 (A) n. v. 77 EuGH v. 17.4.2018 – C-414/16 n. v. Ls. 1 – Egenberger.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Organisation auf Autonomie umfassen darf. Die Anforderung muss mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen. Mit dieser Entscheidung geht der EuGH über die vom BVerfG befürwortete Kontrolldichte der Gerichte im Hinblick auf Handlungen und Entscheidungen, die von kirchlichen Einrichtungen mit dem Aspekt des Selbstbestimmungsrechts begründet werden, hinaus. Dies gilt sowohl für die jeweilige Art der Tätigkeit als auch für den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insoweit stellt sich die Frage, ob § 9 AGG noch mit Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/EG in Übereinstimmung zu bringen ist und möglicherweise mangels unionskonformer Interpretation unangewandt bleiben muss, zumal der EuGH mit Blick auf Art. 21 Abs. 1 GRC das Verbot jeder Art von Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung als allgemeinen und zwingenden Grundsatz des Unionsrechts qualifiziert, woraus sich das Recht des Einzelnen ableitet, dieses Verbot im Rahmen einer prozessualen Auseinandersetzung geltend machen zu können. Man wird daher gespannt sein dürfen, wie das BAG die Entscheidung des EuGH im Ergebnis umsetzt. (Boe)

10. Altersgrenze bei Anspruch auf Altersrente durch berufsständisches Versorgungswerk Es entspricht ständiger Rechtsprechung des EuGH78 und des BAG79, dass individual- oder kollektivrechtlich in wirksamer Weise eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden kann, die an den Zeitpunkt geknüpft ist, zu dem der Arbeitnehmer einen Anspruch auf ungekürzte Regelaltersrente der gesetzlichen Rentenversicherung hat. Es kann an dieser Stelle offen bleiben, ob eine entsprechende Vereinbarung als Bedingung oder – was das BAG annimmt – als Befristung zu kennzeichnen ist. In allen Fällen liegt darin eine zulässige Differenzierung wegen des Alters, die auch mit Art. 6 Abs. 1 Richtlinie/2000/78/EG bzw. § 10 S. 3 Nr. 5 AGG vereinbar ist. Mit seinem Urteil vom 25.10.201780 hat der 7. Senat des BAG klargestellt, dass eine Altersgrenzenvereinbarung auch dann wirksam getroffen werden kann, wenn sie an eine Regelaltersrente geknüpft wird, die durch ein berufsständisches Versorgungswerk i. S. d. § 6 Abs. 1 SGB VI gezahlt wird. Vor78 Vgl. nur EuGH v. 5.7.2012 – C-141/11, NZA 2012, 785 ff. – Hörnfeldt; EuGH v. 12.10.2010 – C-45/09, NZA 2010, 1167 ff. – Rosenbladt. 79 Vgl. nur BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 17/13, NZA 2015, 1066 ff.; BAG v. 12.6.2013 – 7 AZR 917/11, NZA 2013, 1428 ff. Rz. 32. 80 BAG v. 25.10.2017 – 7 AZR 632/15, NZA 2018, 507 ff. Rz. 38 ff., 43 ff.

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Anwendbarkeit von § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG auf den GmbH-Geschäftsführer

aussetzung ist lediglich, dass das gesetzliche Schriftformerfordernis aus § 14 Abs. 4 TzBfG eingehalten wird. Wir haben darauf an anderer Stelle hingewiesen81. Nach den Feststellungen des BAG bedürfen Regelungen über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen aufgrund von Altersgrenzen eines rechtfertigenden Sachgrunds i. S. d. § 14 Abs. 1 TzBfG. Eine auf das Regelrentenalter abstellende Befristungsvereinbarung, die in Kollektivnormen oder in Individualverträgen getroffen werden könne, sei verfassungsrechtlich allerdings nur zu rechtfertigen, wenn der dauerhafte Bezug von Leistungen aus einer Altersversorgung an die Stelle der Arbeitsvergütung trete. Insoweit sei die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Folge einer Altersgrenze Bestandteil des Sachgrundes. Auf die konkrete wirtschaftliche Absicherung des Arbeitnehmers und damit auch die Höhe der Altersrente komme es aber nicht an. Diese Rechtsprechung hat das BAG jetzt auf Vereinbarungen übertragen, die an Altersrenten eines berufsständischen Versorgungswerks geknüpft sind. Hiervon ausgehend können entsprechende Altersgrenzen auch mit Syndikusrechtsanwälten, Ärzten, Steuerberatern oder Apothekern vereinbart werden, die als Arbeitnehmer beschäftigt sind. Voraussetzung ist, dass auch hier an die ungekürzte Regelaltersrente angeknüpft wird. (Ga)

11.

Anwendbarkeit von § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG auf den GmbH-Geschäftsführer

Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gelten die Vorschriften des 1. Abschnitts des KSchG nicht in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist. Nach den klarstellenden Feststellungen des BAG im Urteil vom 21.9.201782 gilt dies uneingeschränkt jedenfalls dann, wenn die organschaftliche Stellung als Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch besteht. Wird das Organmitglied erst nach Zugang der Kündigung abberufen oder erklärt es die Niederlegung seines Amts, bleibt es bei der fehlenden Anwendbarkeit der Vorschriften des 1. Abschnitts des KSchG. Auch mit Blick auf den Anwendungsbereich von § 611 a Abs. 1 BGB ist es wichtig, dass die negative Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG in jedem Fall auch dann und gerade dann zum Tragen kommt, wenn das der Organ81 B. Gaul, AktuellAR 2018, 34 f. 82 BAG v. 21.9.2017 – 2 AZR 865/16, NZA 2018, 358 ff. Rz. 12, 17.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

stellung zugrunde liegende schuldrechtliche Anstellungsverhältnis materiellrechtlich als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren wäre83. Voraussetzung ist allerdings, dass das Anstellungsverhältnis bei der Gesellschaft besteht, bei der auch die Berufung zum Organ erfolgt ist. Besteht ein Anstellungsvertrag mit einer anderen Gesellschaft, kann dies durchaus zur Folge haben, dass der materiell-rechtliche Kündigungsschutz aus §§ 1 ff. KSchG geltend gemacht werden kann. Ungeachtet dessen müssen bei etwaigen Kündigungen die unionsrechtlichen Pflichten im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang, einer Massenentlassung, etwaigem Kündigungsschutz und dem Schutz vor Diskriminierungen beachtet werden84. Dass der Geschäftsführer einer GmbH im Innenverhältnis durch arbeitsoder gesellschaftsrechtliche Weisungen Beschränkungen seiner Vertretungsmacht unterworfen ist, spielt – so das BAG – im Hinblick auf seine Stellung als Organmitglied i. S. d. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keine Rolle. Solche Beschränkungen sind für die gesetzliche Vertretung im Außenverhältnis ohne Bedeutung. Insoweit genügt also die Organstellung, um die Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG auszulösen. Wichtig ist in der betrieblichen Praxis, dass auch im Anschluss an diese Entscheidung weiterhin erst die Kündigung gegenüber einem etwaigen Geschäftsführer erklärt wird, bevor seine Abberufung veranlasst wird. Dies stellt sicher, dass – falls nicht abweichende Vereinbarungen getroffen wurden – der materiell-rechtliche Kündigungsschutz aus §§ 1 ff. KSchG nicht zur Anwendung kommt. Schließlich hat das BAG in der vorstehend genannten Entscheidung ausdrücklich offengelassen, ob § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG auch dann gilt, wenn die Organstellung bereits vor Zugang der Kündigung durch Abberufung oder Niederlegung geendet hat. (Ga)

83 BAG v. 21.9.2017 – 2 AZR 865/16, NZA 2018, 358 ff. Rz. 18. 84 BAG v. 21.9.2017 – 2 AZR 865/16, NZA 2018, 358 ff. Rz. 20, 22.

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F.

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

1.

Diskriminierung wegen des Alters bei Spätehen- oder Altersabstandsklauseln

Zahlreiche Versorgungsordnungen enthalten Begrenzungen des Kreises der anspruchsberechtigten Dritten durch besondere anspruchsausschließende oder zusätzliche anspruchsbegründende Merkmale, die vor allem im Bereich der Hinterbliebenenversorgung wirtschaftliche Risiken des Arbeitgebers ausschließen sollen, die nicht nur den Zeitpunkt des Leistungsfalls, sondern auch die Dauer der Leistungserbringung betreffen. Der Begrenzung derartiger Risiken dienen sog. Spätehen- und/oder Altersabstandsklauseln1, die in unterschiedlichen Varianten verbreitet sind. Da derartige Klauseln unmittelbar das Alter der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer betreffen, stellt sich regelmäßig die Frage, ob darin ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG zu sehen ist, wonach Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden dürfen2. Nach § 10 S. 3 Nr. 4 AGG kann allerdings eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Falle der Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen gerechtfertigt sein. Das BAG hat zunächst in einer Entscheidung vom 28.7.20053 eine Spätehenklausel, nach der die Ehe mindestens zehn Jahre bestanden haben musste, wenn sie nach Vollendung des 50. Lebensjahres des verstorbenen Ehegatten geschlossen wurde, als sachlich gerechtfertigte Risikobegrenzung nicht beanstandet. In einer weiteren Entscheidung vom 4.8.2015 hat der 3. Senat des BAG4 unter Berücksichtigung des am 18.8.2006 in Kraft getretenen AGG eine Spätehenklausel, die einem Arbeitnehmer Hinterbliebenenversorgung für seinen Ehegatten nur für den Fall zusagt, dass die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen worden ist, für unwirksam gehalten, weil sie den Arbeitnehmer unzulässig wegen des 1 2 3 4

BAG v. 20.4.2010 – 3 AZR 509/08, NZA 2011, 1092 ff. Rz. 75; BAG v. 28.7.2005 – 3 AZR 457/04, NZA-RR 2006, 591 ff. Rz. 36. BAG v. 20.4.2010 – 3 AZR 509/08, NZA 2011, 1092 ff. Rz. 60. BAG v. 28.7.2005 – 3 AZR 457/04, NZA-RR 2006, 591 ff. BAG v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13, NZA 2015, 1447 ff.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

Alters benachteiligt, ohne dass für diese Ungleichbehandlung ein Rechtfertigungsgrund nach § 10 AGG vorliege. Einen Rechtfertigungsgrund nach § 10 S. 3 Nr. 4 AGG, wonach die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft in einem betrieblichen Versorgungssystem oder für den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität aus einem solchen Betriebsrentensystem gerechtfertigt ist, hat das BAG deswegen verneint, weil diese Vorschrift nur auf betriebliche Alters- oder Invaliditätsleistungen anwendbar sei und damit die Hinterbliebenenversorgung nicht erfasste. Das BAG hat eine Rechtfertigung der Spätehenklausel auch nicht § 10 S. 1 und S. 2 AGG entnommen und daran scheitern lassen, dass die auf die Vollendung des 60. Lebensjahres bestimmte Altersgrenze im Hinblick auf das Ziel der Risikobegrenzung eine übermäßige Beeinträchtigung der legitimen Interessen der Versorgungsberechtigten bedeute und deshalb unangemessen sei, weil diese von der Witwen-/Witwerversorgung vollständig ausgeschlossen werden. Das BAG lässt in dieser Entscheidung zudem unentschieden, ob sog. Altersabstandsklauseln unter die Geltung des AGG fallen, und wenn ja, welche Klauseln überhaupt noch tragfähig sind. Im Anschluss an die Entscheidung des EuGH vom 24.11.20165, wonach Art. 2 und Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/EG eine Diskriminierung wegen des Alters ausschließen, wenn eine nationale Regelung in einer Versorgungsordnung den Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung an die Voraussetzung knüpft, dass die Lebenspartnerschaft (Ehe) vor Vollendung des 60. Lebensjahres geschlossen wurde, hat der 3. Senat des BAG in der Entscheidung vom 14.11.20176 seine frühere anderslautende Auffassung in der Entscheidung vom 4.8.20157 ausdrücklich aufgegeben. Der in der Entscheidung vom 14.11.20178 anstehende Fall betraf eine Versorgungsordnung (Bochumer Verband), in der vorgesehen war, dass im Falle, dass der Verstorbene bei der Eheschließung 65 Jahre alt oder älter oder mehr als 25 Jahre älter als sein Ehegatte war, keine Hinterbliebenenversorgung gewährt wird. Die 1949 geborene Klägerin war mit dem 1926 geborenen und im August 2014 verstorbenen Arbeitnehmer seit 2007 verheiratet. Dieser war zum Zeitpunkt des Eheschlusses 81 Jahre alt und 23 Jahre älter als die Klägerin. Der Arbeitnehmer bezog zu seinen Lebzeiten ein Ruhegeld in Höhe von monatlich 6.177,76 € brutto. Die Hinterbliebene (Klägerin) 5 6 7 8

EuGH v. 24.11.2016 – C-443/15, NZA 2017, 233 ff. Ls. 3 – Parris. BAG v. 14.11.2017 – 3 AZR 781/16, NZA 2018, 453 ff. BAG v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13, NZA 2015, 1447 ff. BAG v. 14.11.2017 – 3 AZR 781/16, NZA 2018, 453 ff.; vgl. dazu Diller, ArbR 2018, 154.

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Diskriminierung wegen des Alters bei Spätehen- oder Altersabstandsklauseln

konnte jeweils 60 % dieses Betrages beanspruchen (3.706,66 €). Die Beklagte weigerte sich, an die Klägerin Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Während das ArbG der Klage stattgegeben hat, ist sie vom LAG Düsseldorf9 abgewiesen worden. Das BAG10 hat die Abweisung der Klage bestätigt. Da die Klägerin auf der Grundlage der Versorgungsordnung keine Hinterbliebenenversorgung von der Beklagten beanspruchen konnte, weil ihre Ehe mit ihrem verstorbenen Ehemann nach dessen 65. Lebensjahr geschlossen worden war, bedurfte es der Prüfung, ob der in der Spätehenklausel liegende Leistungsausschluss in der Versorgungsordnung gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist, weil darin eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 Abs. 1 S. 1, 7 Abs. 1 AGG liegt, die nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt ist. Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen der in § 1 AGG genannten Gründe, unter anderem wegen des Alters, benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG rechtsunwirksam11. Da aufgrund der Spätehenklausel in der Versorgungsordnung der Leistungsausschluss mit Vollendung des 65. Lebensjahres vorgesehen war, ist das BAG zu Recht von einer unmittelbaren Benachteiligung des unmittelbar Versorgungsberechtigten wegen Alters i. S. d. §§ 1, 3 Abs. 1 S. 1 AGG ausgegangen. An diese Feststellung schloss sich die Frage an, ob die durch die Spätehenklausel bewirkte Ungleichbehandlung nach § 10 AGG gerechtfertigt ist. Das BAG geht zunächst davon aus, dass die durch die Spätehenklausel bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters dem § 10 S. 3 Nr. 4 AGG unterfällt. Unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung12 zu § 10 S. 3 Nr. 4 AGG geht nunmehr der 3. Senat des BAG im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 24.11.201613 zu dem insofern wortlautidentischen Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/EG davon aus, dass eine Hinterbliebenenversorgung, die an die Altersrente des Arbeitnehmers anknüpft und sich in ihrer Höhe nach der Höhe der Altersrente richtet, eine Form der Altersrente i. S. v. Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/EG darstellt. Dabei kann dahinstehen, ob die vom BAG vorgenommene einschränkende Auslegung 9 LAG Düsseldorf v. 5.10.2016 – 12 Sa 238/16 n. v. 10 BAG v. 14.11.2017 – 3 AZR 781/16, NZA 2018, 453 ff. 11 BAG v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13, NZA 2015, 1447 ff. Rz. 40; BAG v. 18.3.2014 – 3 AZR 69/12, NZA 2014, 606 ff. Rz. 17. 12 BAG v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13, NZA 2015, 1447 ff. 13 EuGH v. 24.11.2016 – C-443/15, NZA 2017, 233 ff. Rz. 75 – Parris.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

von § 10 S. 3 Nr. 4 AGG, wonach die Hinterbliebenenversorgung nur dann unter diese Vorschrift fällt, wenn sie als Annex zur Alters- oder Invaliditätsrente zu betrachten ist und sich an deren Höhe orientiert, unionskonform ist. Ungeachtet dessen, dass die dem § 10 S. 3 Nr. 4 AGG entsprechende Regelung des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/EG nach der Rechtsprechung des EuGH14 zur Rechtfertigung der von ihr erfassten Benachteiligungen nicht voraussetzt, dass diese objektiv und angemessen und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind, geht das BAG bei der Auslegung von § 10 S. 3 Nr. 4 AGG davon aus, dass damit zum Ausdruck gebracht wird, dass die Festsetzung von Altersgrenzen für den Anspruch auf Altersversorgung nur grundsätzlich objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel i. S. v. § 10 S. 1 AGG gerechtfertigt sei. Jedoch müsse die konkret gewählte Altersgrenze i. S. v. § 10 S. 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Daraus schlussfolgert das BAG, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, soweit die Voraussetzungen von § 10 S. 3 Nr. 4 AGG erfüllt sind, zwar grundsätzlich, aber nicht immer zulässig sei. Diesen gegenüber Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/EG überschießenden Prüfungsaspekt rechtfertigt das BAG mit der Begünstigungsklausel aus Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG. Das legitime Ziel i. S. v. § 10 S. 1 AGG liegt nach Ansicht des BAG in der Förderung (Verbreitung) der betrieblichen Altersversorgung, wozu auch gehörte, den unternehmerischen Belangen einer begrenzbaren und kalkulierbaren Belastung Rechnung zu tragen15. Gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung liege es nahe, durch anspruchsausschließende Merkmale zusätzliche Risiken und Unwägbarkeiten bezüglich des Zeitpunkts des Leistungsfalls, aber auch der Dauer der Leistungserbringung für den Versorgungsschuldner zu begrenzen. Das BAG hielt auch die in der Versorgungsordnung konkret bestimmte Altersgrenze für angemessen und erforderlich i. S. v. § 10 S. 2 AGG. Danach sei eine konkrete Altersgrenze grundsätzlich angemessen, wenn sie erlaube, das mit ihr verfolgte Ziel i. S. v. § 10 S. 1 AGG zu erreichen, ohne eine übermäßige Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Arbeit14 EuGH v. 24.11.2016 – C-443/15, NZA 2017, 233 ff. – Parris. 15 Vgl. dazu EuGH v. 13.7.2017 – C-354/16, NZA 2017, 1047 ff. Rz. 63 – Kleinsteuber: Solche Ziele, die im Rahmen von Anliegen der Beschäftigungspolitik und des Sozialschutzes einen Ausgleich zwischen den verschiedenen beteiligten Interessen schaffen sollen, um eine betriebliche Altersversorgung zu gewährleisten, können als im Allgemeininteresse liegende Ziele angesehen werden.

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Diskriminierung wegen des Alters bei Spätehen- oder Altersabstandsklauseln

nehmer zu bewirken, die aufgrund der Klausel benachteiligt werden. Die Altersgrenze sei erforderlich, wenn sie nicht über das hinausginge, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig sei, wobei gemäß § 10 S. 3 Nr. 4 AGG Altersgrenzen in betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit zwar nicht immer, aber grundsätzlich gerechtfertigt seien. In Anwendung dieser Grundsätze bejaht das BAG die Angemessenheit und Erforderlichkeit der auf das vollendete 65. Lebensjahr festgelegten Altersgrenze, weil sie zum einen an betriebsrentenrechtliche Strukturprinzipien anknüpft und sich zum anderen die in der Versorgungsordnung vorgesehene Begrenzung nicht mit gleichwirksamer Genauigkeit durch ein anderes Mittel erreichen ließe. Dieser der Rechtsprechung des EuGH geschuldete Wandel der Rechtsprechung des BAG ist auch im Interesse der Förderung der betrieblichen Altersversorgung zu begrüßen, wenn auch die vorangegangene Entscheidung des Ruhegeldsenats16 teilweise die Empfehlung der Beratungspraxis17 zur Folge hatte, künftig derartige Spätehenklausel in Versorgungsordnungen zu streichen oder auf eine Klausel umzustellen, die altersunabhängig sei. Mit der Wirksamkeit einer Begrenzungsklausel im Bereich der betrieblichen Altersversorgung in Gestalt einer sog. Altersabstandsklausel hat sich der 3. Senat des BAG18 in einer Entscheidung vom 20.2.2018 befassen müssen. Die Parteien stritten darüber, ob der Beklagte als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung verpflichtet war, der Klägerin eine Ehegattenrente zu gewähren. Grundlage dafür bildete eine Versorgungsordnung, die unter anderem vorsah, dass eine Ehegattenrente voraussetzt, dass der Ehegatte nicht um mehr als 15 Jahre jünger ist als der Berechtigte. Da die Klägerin 18 Jahre jünger war als ihr verstorbener versorgungsberechtigter Ehemann, verweigerte der Beklagte die Zahlung. Auch in diesem Rechtsstreit ging es vor allem darum, ob die in der Versorgungsordnung vorgesehene Altersabstandsklausel unmittelbar altersdiskriminierend und damit nach § 7 Abs. 2 AGG rechtsunwirksam war oder nach § 10 S. 1 und S. 2 AGG als sachlich gerechtfertigt angesehen werden konnte. Das BAG wiederholt zunächst die in der Entscheidung vom 14.11.201719 entwickelten Grundsätze zur Auslegung von § 10 AGG und gelangt zu dem Ergebnis, dass die Altersabstandsklausel i. S. v. § 10 S. 2 AGG sowohl angemessen als auch erforderlich sei, weil sie weder zu einer übermäßigen Be16 17 18 19

BAG v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13, NZA 2015, 1447 ff. Vgl. etwa Langohr-Plato, JurisPR-ArbR 1/2016 Anm. 1 unter D. BAG v. 20.2.2018 – 3 AZR 43/17 n. v. BAG v. 14.11.2017 – 3 AZR 781/16, NZA 2018, 453 ff.; vgl. dazu Diller, ArbR 2018, 154.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

einträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Arbeitnehmer führe, die aufgrund der Klausel benachteiligt würden, noch im Sinne der Erforderlichkeit über das hinausginge, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig sei. Wie im Fall der Spätehenklausel stellt auch bei der Altersabstandsklausel das BAG darauf ab, dass diese darauf angelegt sei, im Interesse der Förderung der Altersversorgung eine Risikobegrenzung für den Versorgungsschuldner zu bewirken, die ihrerseits nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der davon betroffenen Arbeitnehmer führe. Dabei weist das BAG darauf hin, dass bei mehr als 80 % aller Ehepaare der Altersabstand weniger als sieben Jahre betrage20. Damit läge bei einem Altersabstand zwischen dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer und seinem Ehegatten von 15 und mehr Jahren ein Altersunterschied vor, der den üblichen Abstand in erheblichem Maße übersteige. Die mit der Altersabstandsklausel einhergehende Begrenzung im Sinne eines vollständigen Ausschlusses einer Hinterbliebenenrente ließe sich nicht mit gleicher Wirksamkeit durch ein milderes Mittel ersetzen. Durch diese Entscheidung des BAG wird für die betriebliche Praxis klargestellt, dass jedenfalls Altersabstandsklauseln, die bei 15 oder mehr Jahren liegen, zum Ausschluss einer Hinterbliebenenversorgung führen dürfen, ohne mit dem Verbot der Altersdiskriminierung in einen Widerspruch zu geraten. (Boe)

2.

Eintrittspflicht des PSV bei Deckungslücken einer Pensionskasse

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 BetrAVG haben Versorgungsempfänger und ihre Hinterbliebenen, deren Ansprüche aus einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht erfüllt werden, weil über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlass das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, gegen den Träger der Insolvenzsicherung einen Anspruch in Höhe der Leistung, die der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage zu erbringen hätte, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre. Dieser Insolvenzschutz gilt unter bestimmten Voraussetzungen (§ 7 Abs. 1 S. 2 BetrAVG) entsprechend, wenn Leistungen aus einer Direktversicherung, einer Unterstützungskasse oder einem Pensionsfonds nicht gezahlt werden, 20 Vgl. Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Haushalte und Familien, Ergebnisse des Mikrozensus 2016 S. 80.

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Eintrittspflicht des PSV bei Deckungslücken einer Pensionskasse

weil der Arbeitgeber wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens seiner Verpflichtung aus § 1 b Abs. 2 S. 3 BetrAVG nicht mehr nachkommt oder als Trägerunternehmen keine Zuwendungen mehr leistet. Gemäß § 10 Abs. 1 BetrAVG werden die Mittel für die Durchführung der Insolvenzsicherung aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung durch Beiträge aller Arbeitgeber aufgebracht, die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unmittelbar zugesagt haben oder eine betriebliche Altersversorgung über eine Unterstützungskasse, eine Direktversicherung der in § 7 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 1 Nr. 2 bezeichneten Art oder einen Pensionsfonds durchführen. Aus den Beitragsbescheiden des Trägers der Insolvenzsicherung findet die Zwangsvollstreckung in entsprechender Anwendung der Vorschriften der ZPO statt. Die vollstreckbare Ausfertigung erteilt der Träger der Insolvenzsicherung (§ 10 Abs. 4 BetrAVG). Träger der Insolvenzsicherung ist gemäß § 14 Abs. 1 BetrAVG der Pensions-Sicherungs-Verein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSV). Er ist zugleich Träger der Insolvenzsicherung von Versorgungszusagen Luxemburger Unternehmen nach Maßgabe des Abkommens vom 22.9.2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über Zusammenarbeit im Bereich der Insolvenzsicherung betrieblicher Altersversorgung. Der Pensions-Sicherungs-Verein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit unterliegt der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) (§ 14 Abs. 2 BetrAVG). Soweit die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung nicht unmittelbar über den Arbeitgeber, sondern über einen der in § 1 b Abs. 2 bis 4 BetrAVG genannten Versorgungsträger erfolgt, hat er auch bezüglich dieser externen Versorgungseinrichtungen für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen einzustehen (§ 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG). Wird über das Vermögen des Arbeitgebers bei derartiger Sachlage das Insolvenzverfahren eröffnet, hat der Träger der Insolvenzsicherung für die dadurch eingetretenen Kürzungen der Betriebsrenten aufzukommen. Allerdings sieht das BetrAVG eine Absicherung der Einstandspflicht des zahlungsunfähigen Arbeitgebers nicht vor, wenn die Abwicklung der Versorgung des Arbeitnehmers über eine Pensionskasse erfolgt. Der Gesetzgeber des BetrAVG ging davon aus21, dass die Ansprüche gegen Pensionskassen durch die Versicherungsaufsicht und die gesetzlichen Anlagevorschriften des VAG ausreichend gesichert seien. 21 Vgl. BT-Drucks. 7/2843 S. 9; 134. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 5.12.1974 Berichterstatter Lutz S. 9060.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

Ob unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten im Lichte von Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG vom 22.10.2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers der Pensionssicherungsverein für die Einstandsverpflichtung des Arbeitgebers bei Herabsetzung der Versicherungsleistung der Pensionskasse insolvenzsicherungspflichtig wird, ist nunmehr Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens des 3. Senats des BAG vom 20.2.201822 an den EuGH. Der Fall betrifft einen Kläger, der eine Pensionskassenrente bezieht, die von der Pensionskasse aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten mit Zustimmung der staatlichen BaFin um 82,74 € gekürzt wurde. In der Vergangenheit glich die frühere Arbeitgeberin des Klägers diese Leistungskürzungen aufgrund ihrer gesetzlichen Einstandspflicht aus. Nachdem über das Vermögen der Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, weigerte sich der beklagte Pensionssicherungsverein als Träger der Insolvenzsicherung die Einstandsverpflichtung der Arbeitgeberin zu übernehmen. Der Kläger hat den Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit für die Leistungskürzungen der Pensionskasse vor dem ArbG in Anspruch genommen. Während die Klage vor dem ArbG erfolglos war, hat das LAG Köln23 der Klage entsprochen. Der 3. Senat des BAG hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Beantwortung vorgelegt: 1. Ist Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers anwendbar, wenn Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine der staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden überbetriebliche Versorgungseinrichtung erbracht werden, diese aus finanziellen Gründen ihre Leistungen mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde berechtigt kürzt und der Arbeitgeber nach nationalem Recht zwar für die Kürzungen gegenüber den ehemaligen Arbeitnehmern einzustehen hat, seine Zahlungsunfähigkeit jedoch dazu führt, dass er seine Verpflichtung, diese Leistungskürzungen auszugleichen, nicht erfüllen kann? 2. Falls die erste Vorlagefrage bejaht wird: Unter welchen Umständen können die durch die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers erlittenen Verluste des ehemaligen Arbeitnehmers bei den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung als offensichtlich 22 BAG v. 20.2.2018 – 3 AZR 142/16 (A) n. v. 23 LAG Köln v. 2.10.2015 – 10 Sa 4/15 n. v.

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Eintrittspflicht des PSV bei Deckungslücken einer Pensionskasse

unverhältnismäßig angesehen werden und damit die Mitgliedstaaten verpflichten, hiergegen einen Mindestschutz zu gewährleisten, obwohl der ehemalige Arbeitnehmer mindestens die Hälfte der Leistungen erhält, die sich aus seinen erworbenen Rentenansprüchen ergeben? 3. Falls die erste Vorlagefrage bejaht wird: Entfaltet Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG unmittelbare Wirkung und verleiht die Bestimmung, wenn ein Mitgliedstaat diese Richtlinie nicht oder nur unzulänglich in nationales Recht umgesetzt hat, dem Einzelnen Rechte, die dieser vor einem nationalen Gericht gegenüber dem Mitgliedstaat geltend machen kann? 4. Falls die dritte Vorlagefrage bejaht wird: Ist eine privatrechtlich organisierte Einrichtung, die von dem Mitgliedstaat – für die Arbeitgeber verpflichtend – als Träger der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung bestimmt ist, der staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegt sowie die für die Insolvenzsicherung erforderlichen Beiträge kraft öffentlichen Rechts von den Arbeitgebern erhebt und wie eine Behörde die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung durch Verwaltungsakt herstellen kann, eine öffentliche Stelle des Mitgliedstaates?

Zur Begründung der Vorlage geht das BAG davon aus, dass das nationale Recht in den §§ 7 ff. BetrAVG die Einstandspflicht des PSV für betriebliche Versorgungsleistungen abschließend regele und dabei keine Eintrittspflicht des PSV für Kürzungen von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vorsehe, wenn diese im Durchführungsweg der Pensionskasse zu erbringen seien. Der deutsche Gesetzgeber habe Versorgungszusagen, die über Pensionskassen abgewickelt würden, bewusst nicht in den gesetzlichen Insolvenzschutz aufgenommen. Käme es daher seitens der Pensionskasse zu Leistungskürzungen, für die der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG hafte, so werde dieser Verschaffungsanspruch insolvenzrechtlich nicht geschützt. Eine Haftung des PSV könne sich daher allenfalls aus Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG ergeben, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, sich zu vergewissern, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb bereits ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter, einschließlich Leistungen für Hinterbliebene, aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungsein133

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

richtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit getroffen werden. Falls der EuGH eine Haftung des PSV aus Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG bejahe, stelle sich die weitere Frage, in welchem Umfang der PSV in Anspruch genommen werden könne. Der EuGH24 habe nämlich bislang entschieden, dass eine ordnungsgemäße Umsetzung von Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG erfordere, dass ein Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers mindestens die Hälfte der Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung erhalte, die sich aus seinen erworbenen Rechten ergäben. In seinem Urteil vom 24.11.201625 habe der EuGH indes ohne nähere Konkretisierung ausgeführt, dass unter anderen Umständen die erlittenen Verluste, auch wenn ihr Prozentsatz ein anderer sei, im Lichte der in Art. 8 der Richtlinie aufgestellten Pflicht zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen werden könnten. Dabei sei es in dem vom EuGH entschiedenen Fall um einen Verlust von 7 € monatlich gegangen, während sich der Verlust des Klägers zurzeit auf 82,74 € brutto monatlich beliefe. Da sich das BAG daran gehindert sähe, im Falle der Anwendung von Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG das BetrAVG unionskonform auszulegen oder im Wege der Rechtsfortbildung ergänzen zu können, bliebe unklar, ob Ansprüche des Klägers unmittelbar aus Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG hergeleitet werden könnten, weil diese Vorschrift die Anforderungen an eine unmittelbar wirkende und damit inhaltlich unbedingte und hinreichend genaue Richtlinienbestimmung erfülle. Wäre dies der Fall, ist aus der Sicht des BAG allerdings fraglich, ob der beklagte PSV zu den Rechtssubjekten gehöre, denen nach der Rechtsprechung des EuGH der unmittelbar anwendbare Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG entgegengehalten werden könne. Der PSV sei zwar ein mit hoheitlichen Aufgaben beliehenes Unternehmen, das jedoch gegenüber den versorgungsberechtigten Arbeitnehmern und Betriebsrentnern als privatrechtliches Versicherungsunternehmen agiere. Arbeitgeber, die eine sicherungspflichtige betriebliche Altersversorgung durchführten, seien gegenüber dem PSV aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung beitragspflichtig, wobei der PSV insoweit mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet sei, als er ähnlich wie eine Verwaltungsbehörde die von ihm erteilten Beitragsbescheide unmittelbar durch Zwangsvollstreckung durchsetzen könne, ohne zunächst einen Vollstreckungstitel erwirken zu müssen. 24 EuGH v. 25.4.2013 – C-398/11 n. v. Rz. 51 – Hogan. 25 EuGH v. 24.11.2016 – C-454/15 n. v. Rz. 35 – Webb-Sämann.

134

Grenzen einer Ausgrenzung von Vordienstzeiten eines anderen Arbeitgebers

Da sich der vorliegende Streitfall seit Inkrafttreten des BetrAVG erstmals mit der gesetzlichen Insolvenzsicherung eines Verschaffungsanspruchs des Versorgungsberechtigten bezüglich des Durchführungswegs der Pensionskasse befassen muss, lag der Gesetzgeber wohl weitgehend richtig, wenn er die Pensionskasse als insolvenzsicher eingestuft hat. (Boe)

3.

Grenzen einer Ausgrenzung von Vordienstzeiten eines anderen Arbeitgebers

In der Entscheidung vom 17.10.2017 musste der 3. Senat des BAG26 der Frage nachgehen, ob eine Versorgungsregelung, die die Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei einem anderen Arbeitgeber oder einer anderweitigen tarifvertraglichen Versorgungsordnung begrenzen soll, altersdiskriminierend ist, wenn sie nur Arbeitnehmer einer bestimmten Altersgruppe des bisherigen Arbeitgebers erfasst und nicht darauf abstellt, ob derartige Vordienstzeiten bei einem anderen Arbeitgeber tatsächlich erbracht wurden. Die Parteien stritten über die Höhe der Betriebsrente der Klägerin, die als Justiziarin bei dem Beklagten, einer Dachorganisation der Betriebskrankenkassen, beschäftigt war und zunächst ab Januar 1985 bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), deren Beteiligte der Beklagte ursprünglich war, pflichtversichert wurde. Nachdem die VBL ihr Zusatzversorgungssystem von einem Gesamtversorgungssystem auf ein Punktesystem umgestellt hatte, wurde der Klägerin eine sog. Startgutschrift erteilt, die einer monatlichen Rentenanwartschaft von 389,16 € brutto entsprach. Der Beklagte kündigte das Beteiligungsverhältnis zur VBL zum 31.12.2002 und führt seitdem die betriebliche Altersversorgung nach der tariflichen Regelung des ATV BKK durch. In einem Änderungstarifvertrag zur tariflich geregelten betrieblichen Altersrente des ATV BKK wurde vorgesehen, dass für Mitarbeiter, die am Tag des Inkrafttretens dieses Tarifvertrags bei einer Zusatzversorgungseinrichtung pflichtversichert waren und das 55. Lebensjahr bereits vollendet und eine Startgutschrift erhalten haben, bei der Leistungsfestsetzung höchstens eine Rentenleistung in Höhe dieser ermittelten Zusatzrente gewährt wird. In einer Protokollnotiz dazu heißt es: „Die einschränkende Regelung lässt die Anwartschaften der Beschäftigten grundsätzlich unberührt. Sie zielt auf Ausnahmefälle, die Mitarbeiter mit langen Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes über Gebühr begünstigt.“ Bei der Berechnung der ab dem 1.1.2009 zu zahlenden Betriebsrente berücksichtigte der Beklagte nur sechs anrechenbare Dienstjahre, während 26 BAG v. 17.10.2017 – 3 AZR 737/15 n. v.

135

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

die Klägerin von 24 anrechenbaren Dienstjahren ausging und die Begrenzungsklausel des Tarifvertrags für rechtsunwirksam hielt, weil diese eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung wegen des Alters aufwiese. Das BAG hat der entsprechenden Zahlungsklage der Klägerin – bis auf geltend gemachte Zinsen – in vollem Umfang entsprochen und im Hinblick auf die Begrenzungsklausel deren Unwirksamkeit wegen eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 AGG festgestellt, weil sie eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin wegen des Alters i. S. v. §§ 1, 3 Abs. 1 und 7 Abs. 1 AGG, die nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt ist, bewirkt. Da die Begrenzungsklausel an die Vollendung des 55. Lebensjahres anknüpft, wurde die Klägerin unmittelbar wegen ihres Alters benachteiligt. Die Klägerin erfuhr nämlich wegen ihres Alters eine ungünstigere Behandlung als ein vergleichbarer Arbeitnehmer, der zum maßgebenden Stichtag jünger war und dessen Betriebsrente bei gleichlanger Beschäftigungszeit und einem gleich hohen betriebsrentenfähigen Einkommen nicht gekürzt wurde. Diese unterschiedliche Behandlung wegen des Alters wäre nach § 10 S. 1 AGG nur zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, wobei die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 S. 2 AGG angemessen und erforderlich sein müssen. Das BAG27 verweist in diesem Zusammenhang auf den in § 10 S. 3 Nr. 4 AGG geregelten Rechtfertigungsgrund, wonach die Festsetzung von Altersgrenzen für den Anspruch auf Leistungen aus den darin aufgeführten betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit grundsätzlich als objektiv und angemessen sowie durch ein legitimes Ziel i. S. v. § 10 S. 1 AGG gerechtfertigt ist. Da jedoch eine solche Altersgrenze in der jeweiligen Versorgungsregelung festzusetzen sei, müsse auch die konkret gewählte Altersgrenze i. S. v. § 10 S. 2 AGG angemessen und erforderlich sein, was vorliegend im Hinblick auf die Begrenzungsklausel des Tarifvertrags zu verneinen sei. Die mit dem 55. Lebensjahr festgelegte Altersgrenze wäre nach § 10 S. 1 und 2 AGG angemessen, wenn sie erlaubte, das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen, ohne die legitimen Interessen der hiervon besonders nachteilig betroffenen Arbeitnehmer übermäßig zu beeinträchtigen. Sie wäre erforderlich i. S. d. § 10 S. 2 AGG, wenn sie nicht über das hinausgehe, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig sei. Nach Ansicht des BAG sei die Angemessenheit der Altersgrenzenregelung in Relation zu dem Ziel, die mit der betrieblichen Altersversorgung verbundenen Kosten insgesamt zu be27 So auch BAG v. 20.2.2018 – 3 AZR 43/17 n. v. Rz. 22; BAG v. 14.11.2017 – 3 AZR 781/16, NZA 2018, 453 ff. Rz. 26.

136

Grenzen einer Ausgrenzung von Vordienstzeiten eines anderen Arbeitgebers

grenzen, bereits deshalb nicht gewahrt, weil sich die Kappungsgrenze ausschließlich bei älteren Arbeitnehmern nachteilig auswirke, während jüngere Arbeitnehmer mit gleich hoher betrieblicher Altersrente von der Kappungsgrenze nicht betroffen seien. Soweit es in der Protokollnotiz um die Erforderlichkeit der Kappungsgrenze für lange Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes ginge, betreffe die tarifliche Regelung gleichermaßen auch Beschäftigungszeiten, die von Mitarbeitern nicht außerhalb des öffentlichen Dienstes und damit bei ihrem bisherigen Arbeitgeber verbracht worden seien und hätte im Tarifvertrag auf Dienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes begrenzt werden können. Diese Entscheidung des BAG verdeutlicht für die betriebliche Praxis, dass auch Stichtagsklauseln mit Kappungswirkung in betrieblichen Versorgungsordnungen, die an ein bestimmtes Alter anknüpfen, Gefahr laufen, als rechtsunwirksam angesehen zu werden, weil sie eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung wegen des Alters beinhalten. (Boe)

137

G. Tarifrecht 1.

AGB-Kontrolle bei der Vereinbarung einer Bezugnahme auf einen Tarifvertrag als Gleichstellungsabrede

In den letzten Jahren haben wir uns immer wieder mit den Rechtsfolgen einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag für den Fall eines Wegfalls der arbeitgeberseitigen Tarifbindung als Konsequenz des Austritts eines Arbeitgeberverbands, des Wechsels in eine OT-Mitgliedschaft oder als Folge eines rechtsgeschäftlichen Übergangs von Betrieben oder Betriebsteilen gemäß § 613 a BGB befasst1. Auch in diesem Frühjahr waren wieder Entscheidungen des BAG zu behandeln, die sich mit einer solchen Bezugnahmeklausel im Anschluss an einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang befasst haben2. In diesem Zusammenhang hat das BAG in seinem Urteil vom 5.7.20173 noch einmal bestätigt, dass es einem tarifgebundenen Arbeitgeber im Rahmen der Vertragsfreiheit möglich ist, eine Gleichstellungsabrede im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, die seine Tarifgebundenheit zur Bedingung für die Anwendbarkeit der Tarifverträge macht. In dem zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien bereits im Jahr 1992 in dem Arbeitsvertrag des tarifgebundenen Arbeitsgebers folgende Klausel vereinbart: Es gelten die Bestimmungen der für den Einsatzort einschlägigen Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel – soweit sie für H verbindlich sind – sowie etwaige Betriebsvereinbarungen/–ordnungen in ihrer jeweils geltenden Fassung.

Die Klägerin war bei der Beklagten als Verkäuferin/Kassiererin im Rahmen eines duty-free Shops beschäftigt. Im Zusammenhang mit einer Ergänzung des Arbeitsvertrags trafen die Parteien am 7.1.2002 Regelungen über eine Kürzung der Arbeitszeit. Gleichzeitig hielten sie ausdrücklich fest, dass alle übrigen Punkte weiterhin ihre Gültigkeit behalten sollten.

1 2 3

Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2015, 559 ff.; 2016, 220 ff., 561 ff.; 2017, 231 ff., 530 ff. B. Gaul, AktuellAR 2018, 143 ff.; Flockenhaus, RdA 2017, 316 ff.; Wahlig/Brune, NZA 2018, 221 ff. BAG v. 5.7.2017 – 4 AZR 867/16, NZA 2018, 47 ff. Rz. 20, 27.

139

Tarifrecht

Mit Ablauf des 31.12.2011 trat der Arbeitgeber sodann aus dem Arbeitgeberverband „Rheinischer Einzelhandels- und Dienstleistungsverband“ aus. Nachdem er die im Gehaltstarifvertrag vom 29.6.2011 vorgesehene Erhöhung der Vergütung, die zum 1.7.2012 wirksam wurde, noch an die Klägerin weitergegeben hatte, weigerte er sich, spätere Gehaltserhöhungen im Bereich des Einzelhandels im Arbeitsverhältnis umzusetzen. Die Klägerin nahm dies zum Anlass, eine entsprechende Zahlungsklage zu erheben. Sie machte geltend, dass arbeitsvertraglich eine Bezugnahme auf den jeweils gültigen Tarifvertrag vereinbart worden sei, die nicht nur eine Gleichstellung mit tarifgebundenen Arbeitnehmern habe bewirken sollen. Das BAG hat diese Klage mit überzeugender Begründung abgewiesen. Nach seiner Auffassung ergab sich aus den Regelungen des Arbeitsvertrags eine Gleichstellungsabrede, die auch durch spätere Ergänzungsvereinbarungen inhaltlich nicht angepasst worden war. Daraus resultierte, dass eine weitere Anpassung an die jeweils gültigen Tarifverträge nur erfolgen sollte, wenn auch der Arbeitgeber kraft Gesetzes an diese Tarifverträge gebunden war. In den Gründen seiner Entscheidung stellt der 4. Senat des BAG klar, dass eine Gleichstellungsabrede im Sinne einer nur bedingten zeitdynamischen Verweisung auf Tarifverträge an die Voraussetzung geknüpft sei, dass die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden sei. Dies sei – auch bei Arbeitsverträgen im Anschluss an das Inkrafttreten der Schuldrechtsmodernisierung am 1.1.2002 – jedenfalls dann anzunehmen, wenn bereits im Wortlaut der Klausel mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck komme, dass die Anwendung der Tarifverträge von der Tarifbindung des Arbeitgebers abhängig sei. Diese Bedingung war nach Auffassung des BAG im vorliegenden Fall erfüllt. Denn der Arbeitgeber hatte bereits im Arbeitsvertrag ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die dort genannten Tarifverträge nur dann in der jeweils gültigen Fassung zur Anwendung kommen sollten, „soweit sie für H verbindlich sind“. Das machte auch das Wort „soweit“ deutlich. Wichtig ist, dass es das BAG genügen lässt, wenn in diesem Zusammenhang „verbindlichen“ Tarifverträgen entsprochen wird. Auch dies lasse in einer hinreichend deutlichen Weise erkennen, dass eine gesetzliche Tarifgebundenheit des Arbeitgebers vorliegen muss, um eine weitere Anpassung der Arbeitsbedingungen vorzunehmen. Eine solche Tarifgebundenheit könne sich aus §§ 3, 4, 5 Abs. 4 TVG ergeben. Dass auch im Zusammenhang mit den Regelungen zum Arbeitsentgelt auf den „geltenden“ Tarifvertrag verwiesen wurde, war aus Sicht des BAG un140

Gewerkschaftseintritt im Nachwirkungszeitraum

schädlich. Die entsprechende Klausel enthalte insoweit keine eigene konstitutive Bezugnahme auf die Tarifverträge des Einzelhandels. Vielmehr regele die Klausel ausdrücklich nur die Einstufung in den Tarifvertrag, wenn dieser nach der abstrakt-generellen Gleichstellungsabrede gelte. Konsequenz dieser Feststellungen des BAG ist, dass es genügt, im Arbeitsvertrag auf die Regelungen des für den Arbeitgeber jeweils kraft Gesetzes verbindlichen Firmen- oder Verbandstarifvertrags zu verweisen, in dessen Geltungsbereich das Arbeitsverhältnis fällt. Im Anschluss daran sollten allerdings klarstellend die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Tarifverträge genannt werden. Dabei genügt es, ihre verbandsbezogene Bezeichnung zu verwenden (z. B. Metall- und Elektroindustrie NordrheinWestfalen). Lediglich dann, wenn der Arbeitgeber als Folge einer Tarifpluralität an Tarifverträge mit unterschiedlichen Gewerkschaften gebunden ist, deren Verhältnis zueinander nicht bereits durch das Spezialitätsprinzip geklärt wird, sollte im Arbeitsvertrag eine ergänzende Kollisionsregel getroffen werden. Diese kann sich an der Systematik des § 4 a TVG orientieren, also auf den Tarifvertrag abstellen, den die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern im Betrieb abgeschlossen hat, sofern der Arbeitnehmer in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt. Weitergehende Hinweise zu den Rechtsfolgen eines Wegfalls der gesetzlichen Tarifbindung sind entbehrlich. Damit muss im Zusammenhang mit der Bezugnahmeklausel auch nicht darauf hingewiesen werden, welche Rechtsfolgen mit einem etwaigen Austritt aus dem Arbeitgeberverband, dem Abschluss eines Firmentarifvertrags oder einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang verbunden sind. (Ga)

2.

Bindungswirkung eines Tarifvertrags bei Gewerkschaftseintritt im Nachwirkungszeitraum

Gemäß § 4 Abs. 5 TVG wirkt ein Tarifvertrag nach seiner Beendigung nach, bis er durch eine andere Abmachung ersetzt wird. Wie das BAG mit Urteil vom 27.9.20174 noch einmal deutlich gemacht hat, erfasst diese Nachwirkung von Tarifnormen nur solche Arbeitsverhältnisse, für die der betreffende Tarifvertrag zuvor gemäß § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend gegolten hat. Konsequenz dieses Verständnisses von § 4 Abs. 5 TVG ist, dass ein nur nachwirkender Tarifvertrag ohne arbeitsvertragliche Zusage keine Wirkung 4

BAG v. 27.9.2017 – 4 AZR 630/15, NZA 2018, 177 ff. Rz. 23 f.

141

Tarifrecht

für die erst in seinem Nachwirkungszeitraum begründeten Arbeitsverhältnisse hat. Ebenso wenig hat der Tarifvertrag Bedeutung für Fälle, in denen die Tarifgebundenheit erst im Nachwirkungszeitraum begründet wird. Relevant wird dies beispielsweise dann, wenn der Arbeitnehmer erst in diesem Zeitraum Mitglied der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft geworden ist5. In dem der vorstehend genannten Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall ging es darüber hinaus noch um die Besonderheit, dass die Tarifbindung des Arbeitgebers durch einen Firmenanerkenntnistarifvertrag bewirkt worden war. Der Kläger war Mitglied der Gewerkschaft geworden, nachdem die Tarifverträge, deren Geltung durch den Anerkenntnistarifvertrag bewirkt werden sollte, als Konsequenz einer Kündigung bereits beendet waren. Der Anerkenntnistarifvertrag selbst war zu diesem Zeitpunkt noch nicht gekündigt. Er endete als Konsequenz einer weiteren Kündigung erst zu einem Zeitpunkt, als der Kläger bereits Mitglied der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft geworden war. Mit seiner Klage machte er deshalb geltend, dass der Arbeitgeber ihm gemäß § 4 Abs. 5 TVG jedenfalls das Entgeld schulde, wie es in den ursprünglich anerkannten Verbandstarifverträgen geregelt war. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls hat dies das BAG im Urteil vom 27.9.20176 abgelehnt. In seiner Begründung hat das BAG deutlich gemacht, dass die Rechtsfolgen eines Anerkenntnistarifvertrages maßgeblich von dem Inhalt der im Tarifvertrag getroffenen Vereinbarungen bestimmt würden. Insoweit sei bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung durch Auslegung zu ermitteln, ob der Anerkenntnistarifvertrag eine Geltung der anerkannten Tarifverträge nur nach Maßgabe ihres jeweiligen Geltungszustandes bewirken solle oder ob der Anerkenntnistarifvertrag eine zwingende Bindung des Arbeitgebers auch dann zur Folge haben solle, wenn die anerkannten Tarifverträge diese Verbindlichkeit als Konsequenz ihrer Beendigung nicht mehr haben. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass durch einen Anerkenntnistarifvertrag im Zweifel nur die Verbandszugehörigkeit des Arbeitgebers ersetzt werden solle, hat das BAG im vorliegenden Fall die erste Auslegungsvariante für gegeben gehalten und angenommen, dass auch der Geltungszu-

5 6

Ebenso BAG v. 15.11.2006 – 10 AZR 665/05, NZA 2007, 448 ff. Rz. 32; BAG v. 11.6.2002 – 1 AZR 390/01, NZA 2003, 570 ff. Rz. 19. BAG v. 27.9.2017 – 4 AZR 630/15, NZA 2018, 177 ff. Rz. 10 ff., 14 ff.

142

Auswirkungen eines Betriebsübergangs auf Bezugnahmeklauseln

stand der in Bezug genommenen Tarifverträge auf die Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich des Anerkennungstarifvertrags durchschlage7. Diese Rechtsfolge resultiert im vorliegenden Fall zwar nicht bereits daraus, dass der Anerkennungstarifvertrag dynamisch auf die jeweils gültigen Verbandstarifverträge verwiesen hatte. Entscheidend war, dass der Tarifvertrag ausdrücklich nur eine Anerkennung der Verbandstarifverträge „mit dem jeweils gültigen Rechtsstatus“ vorgesehen hatte. Damit sei – so das BAG – ersichtlich der „Geltungszustand der Tarifnormen des Tarifvertrags“ gemeint, zu dem auch die Nachwirkung i. S. d. § 4 Abs. 5 TVG gehöre. Daraus folge, dass eine Bindung der Arbeitnehmer im Geltungsbereich des Anerkennungstarifvertrags nur so erfolgen sollte, wie sie bestünde, wenn der Arbeitgeber unmittelbar an den Verbandstarifvertrag gebunden wäre. Damit aber konnte durch den Anerkenntnistarifvertrag eine Verbindlichkeit der Verbandstarifverträge nur für die Dauer ihrer Geltung bewirkt werden. Nach ihrer Beendigung trat ohne Rücksicht auf den Fortbestand des Anerkennungstarifvertrags die Nachwirkung des § 4 Abs. 5 TVG ein. Eine erst zu diesem Zeitpunkt begründete Gewerkschaftsmitgliedschaft konnte deshalb keine Ansprüche mehr aus dem Tarifvertrag begründen. Ergebnis und Begründung der Entscheidung ist zuzustimmen. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass die vorstehend beschriebene Rechtsfolge – wie hier geschehen – auch im Anerkennungstarifvertrag ausdrücklich erkennbar gemacht wird. (Ga)

3.

Auswirkungen eines Betriebsübergangs auf Bezugnahmeklauseln

Bereits im Herbst des vergangenen Jahres hatten wir auf das Urteil des BAG vom 30.8.20178 hingewiesen9. Mit diesem Urteil hatte das BAG die Asklepios-Entscheidung des EuGH vom 27.4.201710 umgesetzt und die These vertreten, dass § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB zur Folge habe, dass der Erwerber eines Betriebs oder Betriebsteils auch dann in die dynamische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag durch den Arbeitsvertrag seines Rechtsvorgängers eintrete, wenn seinerseits gar keine Tarifbindung bestehe und/oder eine Ein7

BAG v. 27.9.2017 – 4 AZR 630/15, NZA 2018, 177 ff. Rz. 13; BAG v. 7.5.2008 – 4 AZR 229/07, ZTR 2008, 615 ff. Rz. 27. 8 BAG v. 30.8.2017 – 4 AZR 95/14, NZA 2018, 255 ff. 9 B. Gaul, AktuellAR 2017, 530 ff. 10 EuGH v. 27.4.2017 – C-680/15 und C-681/15, NZA 2017, 571 f. Rz. 22 ff. – Asklepios.

143

Tarifrecht

flussnahme auf die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge insbesondere als Folge eines Branchenwechsels ausgeschlossen sei. Mit seinen Urteilen vom 23.11.201711 hat das BAG diese Bewertung auf Sachverhalte übertragen, bei denen eine Bindung des Betriebserwerbers an die Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland (AVR-DD) bzw. die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritas Verbandes (AVR) in Rede stand. Während diese beiden Entscheidungen noch eine Parallele durch den Umstand aufwiesen, dass der Betriebsveräußerer selbst keiner gesetzlichen Tarifbindung unterfiel, hat das BAG mit Urteil vom 30.8.201712 diese Grundsätze auch auf einen Fall übertragen, in dem der Erwerber gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB in einen Arbeitsvertrag mit Bezugnahmeklausel treten sollte, die zuvor durch einen kraft Gesetzes tarifgebundenen Arbeitgeber vereinbart worden war. In den Gründen seiner vorstehend genannten Entscheidungen führt das BAG zwar zunächst einmal aus, dass die dynamische Bindung des Erwerbers an die in der Bezugnahmeklausel genannten Tarifverträge als Konsequenz des Eintritts in den Arbeitsvertrag nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB nach den Vorgaben des EuGH zwar an die Voraussetzung geknüpft sei, dass der Erwerber diese Bindung im Anschluss an das Wirksamwerden des Betriebs- oder Betriebsteilübergangs einvernehmlich oder einseitig ändern könne. Darauf hatte der EuGH mit Blick auf den unionsrechtlichen Schutz des Arbeitgebers durch Art. 16 GRC hingewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten sei insoweit insbesondere auf die Urteile des EuGH vom 18.7.201313 und vom 27.4.201714 hingewiesen. Nach Auffassung des 4. Senat des BAG sind diese Voraussetzungen allerdings durch die Möglichkeit einer einvernehmlichen Vertragsänderung und das Recht zur Änderungskündigung nach § 2 KSchG gegeben. Dass die Anpassungsmöglichkeit im Wege der Änderungskündigung an das Erfordernis einer sozialen Rechtfertigung geknüpft sei, stehe den Vorgaben des EuGH nicht entgegen. § 2 i. V. m. § 1 Abs. 2 KSchG ermögliche eine Anpassung von Arbeitsbedingungen durch eine einseitige Willenserklärung des Arbeitgebers. Deren Wirksamkeit sei an bestimmte tatbestandliche Voraussetzungen geknüpft, insbesondere das Vorliegen von Umständen, die die angestrebte Änderung von Arbeitsbedingungen als „sozial gerechtfertigt“ er11 BAG v. 23.11.2017 – 6 AZR 683/16, NZA 2018, 311 ff.; BAG v. 23.11.2017 – 6 AZR 739/15, NZA 2018, 301 ff. 12 BAG v. 30.8.2017 – 4 AZR 443/15, NZA 2018, 363 ff. 13 EuGH v. 18.7.2018 – C-426/11, NZA 2013, 835 ff. Rz. 25 – Alemo-Herron. 14 EuGH v. 27.4.2017 – C-680/15 und C-681/15, NZA 2017, 571 f. Rz. 22 – Asklepios.

144

Auswirkungen eines Betriebsübergangs auf Bezugnahmeklauseln

scheinen ließen. Dabei habe der 2. Senat des BAG darauf abgestellt, ob sich das Änderungsangebot auf die für die Fortsetzung der Tätigkeit des Arbeitgebers „erforderlichen“ Anpassungen beschränke. Auch der EuGH verlange – so das BAG – für einen Betriebserwerber keine voraussetzungsfreien Änderungsmöglichkeiten, sondern lediglich die Möglichkeit „erforderlicher“ Anpassungen. Ob und inwieweit sich diese beiden zumindest im Wortlaut gleichlautenden Tatbestandsvoraussetzungen deckten oder hier ggf. eine unterschiedliche Beurteilung angezeigt sei, müsse der 4. Senat des BAG nicht entscheiden. Es genüge insoweit die Feststellung, dass für die Berücksichtigung des Merkmals der „Erforderlichkeit“ bei der Beurteilung einer Änderungskündigung im Rahmen eines Änderungskündigungsschutzverfahrens ausreichend Raum bestehe. Soweit zum Teil eingewandt werde, eine Änderungskündigung zum Zwecke der Beseitigung der Dynamik sei aussichtslos bzw. nur „theoretisch“ möglich, wie sich an der Rechtsprechung des BAG zur Entgeltabsenkung durch Änderungskündigung zeige15, greife dieser Einwand schon deshalb nicht durch, weil es bei der Entdynamisierung der Verweisungsklausel nicht um eine Entgeltabsenkung gehe, sondern – abgesehen von sonstigen Tarifinhalten – um die Aufrechterhaltung des bisherigen Entgeltniveaus. Darüber hinaus übersehe die Literatur, dass nach der Rechtsprechung des BAG selbst eine Entgeltabsenkung im Wege der Änderungskündigung möglich sei16, selbst wenn an deren Wirksamkeit deutlich höhere Anforderungen gestellt würden, da sie einen nachhaltigen Eingriff in das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bedeute17. Losgelöst davon sei auch im Übrigen kein rechtlich begründeter Anlass dafür ersichtlich, einen Betriebsübernehmer hinsichtlich seiner Bindung an Arbeitsverträge im Vergleich zu anderen Arbeitgebern zu privilegieren. Einem Betriebsübernehmer stehe es frei, den Inhalt der einzelvertraglichen Abreden der von ihm zu übernehmenden Arbeitnehmer – ebenso wie weitere vertragliche Bindungen des Veräußerers (z. B. Leasing-Verträge, Kundenverträge, Lieferantenbedingungen) – zu prüfen und beim Aushandeln seiner Gegenleistung angemessen zu berücksichtigen. Das rechtliche Instrument der Änderungskündigung diene dabei nicht der nachträglichen Korrektur einer unzureichenden Prüfung. Ließe man eine solche Korrektur ohne die Maßgabe der dafür nach § 2 KSchG vorgesehenen materiell15 So Latzel, RdA 2014, 110, 116; Naber/Krois, BB 2015, 1600; Sagan, ZESAR 2016, 116, 120; Willemsen/Grau, NJW 2014, 12, 15. 16 So BAG v. 26.6.2008 – 2 AZR 139/07, NZA 2008, 1182 ff. Rz. 18 ff. 17 Vgl. BAG v. 26.1.1995 – 2 AZR 371/94, NZA 1995, 626 ff.

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Tarifrecht

rechtlichen Kriterien zu, wäre es dem Erwerber eines Betriebs möglich, sich von bestimmten, von ihm für nachteilig gehaltenen vertraglichen Vereinbarungen nach anderen Kriterien zu lösen als sonstigen Arbeitgebern in einem laufenden Arbeitsverhältnis18. Es ist müßig, diese Ausführungen des BAG weiter zu kritisieren. Im Kern sind sie durch einen unzulässigen Zirkelschluss gekennzeichnet, der das durch den EuGH notwendige Erfordernis gebotener Änderungen bereits durch den Umstand als gegeben erachtet, dass im Wege der Änderungskündigung erforderliche Änderungen durchgesetzt werden können. Dass die Erforderlichkeit im Rahmen von §§ 1, 2 KSchG aber nur dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt und keine Bedeutung für die soziale Rechtfertigung hat, bleibt unberücksichtigt. Insoweit macht es sich der 4. Senat des BAG auch einfach, indem er darauf setzt, dass die unionsrechtlich gebotene Einschränkung von §§ 1, 2 KSchG durch den 2. Senat des BAG im Zusammenhang mit einer Änderungskündigung bewirkt wird. Dies aber setzte voraus, dass der 2. Senat des BAG seine bisherige Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine Änderungskündigung aufgibt. Dies erscheint zweifelhaft. Klarheit könnte deshalb wohl nur eine instanzgerichtliche Entscheidung bieten, durch die dem EuGH – bestenfalls im Zusammenhang mit einer Änderungskündigung – noch einmal die Rechtsfolgen einer Bindung aus § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB unter ausführlicher Darlegung der bisherigen Schranken aus §§ 1, 2 KSchG dargelegt werden. Bis dahin dürfte es allerdings empfehlenswert sein, Verhandlungen über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Übernahme eines Betriebs oder Betriebsteils sowie die Vorbereitung einer Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB auf der Grundlage der Ausführungen des 4. Senats des BAG in den hier genannten Entscheidungen zu tätigen. (Ga)

4.

Änderung der dynamischen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag durch Betriebsvereinbarung

Wie wir an anderer Stelle ausgeführt haben, erlaubt das BAG unter bestimmten Voraussetzungen, dass arbeitsvertragliche Regelungen durch Betriebsvereinbarung abgelöst werden. Auch ohne eine ausdrückliche Regelung zur Betriebsvereinbarungsoffenheit geht das BAG von einer solchen Berechtigung im Regelfall aus, wenn der Vertragsgegenstand in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat. Bei18 Vgl. BAG v. 30.8.2017 – 4 AZR 95/14, NZA 2018, 255 ff. Rz. 54 ff.; BAG v. 30.8.2017 – 4 AZR 443/15, NZA 2018, 363 ff. Rz. 37 ff.

146

Änderung der dynamischen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag

spielhaft sei insoweit nur auf das Urteil des BAG vom 24.10.201719 hingewiesen20. In seinem Urteil vom 11.4.201821 hat das BAG allerdings deutlich gemacht, dass eine individualvertraglich vereinbarte Vergütung nach Maßgabe des jeweils gültigen Tarifvertrags durch eine Betriebsvereinbarung nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgeändert werden könne. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger seit 1991 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin als Masseur in einem Senioren- und Pflegezentrum beschäftigt. In einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag verständigte sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem Kläger im Jahre 1992 auf eine Reduzierung der Arbeitszeit. In der damals abgeschlossenen Vereinbarung hieß es, dass die Vergütung „monatlich in der Gruppe BAT Vc/3 = DM 2.527,80 brutto“ betrage. Im Februar 1993 schlossen die Rechtsvorgängerin der Beklagten und der bei ihr gebildete Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung. Danach sollten in ihrem Anwendungsbereich „analog die für die Angestellten des Bundes und der Länder vereinbarten Bestimmungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrages – BAT vom 11.1.1961 –“ gelten. Ihre Bestimmungen sollten automatisch Bestandteil von Arbeitsverträgen werden, die vor Februar 1993 geschlossen worden waren. Dies sollte auch durch einen entsprechenden Nachtrag zum Arbeitsvertrag festgehalten werden, den die Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Kläger im März 1993 unterzeichneten. Die Beklagte kündigte die Betriebsvereinbarung zum 31.12.2001. Im März 2006 vereinbarten die Parteien im Zusammenhang mit einer Arbeitszeiterhöhung, dass das Gehalt „entsprechend der 0,78 Stelle auf 1.933,90 € erhöht“ werde und „alle übrigen Bestandteile des bestehenden Arbeitsvertrags (…) unverändert gültig“ blieben. Vor diesem Hintergrund vertrat der Kläger jetzt die Auffassung, ihm stehe aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme Vergütung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für die kommunalen Arbeitgeber geltenden Fassung (TVöD/VKA) bzw. dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zu. Die Beklagte war hingegen der Auffassung, dass eine dynamische Bezugnahme auf die vom Kläger herangezogenen Tarifwerke nicht vorliege. Entgegen der klageabweisenden Entscheidung der Vorinstanzen hat das BAG den Anspruch des Klägers anerkannt. In der Begründung seiner bislang 19 BAG v. 24.10.2017 – 1 AZR 846/15, ZTR 2018, 221 f. 20 B. Gaul, AktuellAR 2018, 163 ff. 21 BAG v. 11.4.2018 – 4 AZR 119/17 n. v.

147

Tarifrecht

allerdings erst als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung nimmt der 4. Senat des BAG an, dass der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Vergütung nach den jeweils geltenden Regelungen des BAT und nachfolgend des TVöD/VKA arbeitsvertraglich vereinbart hätten. Grundlage dürfte eine ergänzende Vertragsauslegung gewesen sein, kraft derer gemäß §§ 133, 157 BGB die Bezugnahme auf den BAT in der Vereinbarung aus 1992 als Bezugnahme auf den TVöD/VKA, die im öffentlichen Dienst an die Stelle des BAT getreten ist, verstanden wird. Die Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 1993 konnte – so das BAG – diese individualvertragliche Vereinbarung nicht abändern. Dabei ließ das BAG offen, ob die Betriebsvereinbarung überhaupt eine wirksame Bezugnahme auf die Regelungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrags in der jeweils gültigen Fassung bewirken konnte. Darin könnte ein unzulässiger Verzicht auf Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ebenso wie eine Missachtung von § 77 Abs. 3 BetrVG liegen. Entscheidend für das BAG war, dass die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede nicht als Allgemeine Geschäftsbedingung qualifiziert werden konnte, die einer Abänderung durch tarifrechtliche Regelung zugänglich war. Vielmehr habe es sich bei der Vereinbarung aus dem Jahre 1992 um eine individuell vereinbarte, nicht der AGB-Kontrolle unterworfenen Regelung der Hauptleistungspflicht gehandelt. Diese individuelle Regelung sei wegen des fehlenden kollektiven Bezugs nicht betriebsvereinbarungsoffen. Insoweit konnte die individuelle Bezugnahme auf den BAT auch nicht durch die Betriebsvereinbarung abgelöst werden. Wenn man vorliegend von einer individualvertraglichen Regelung ausgeht, die keinen kollektiven Bezug hat, ist es richtig, eine Ablösung durch Betriebsvereinbarung abzulehnen. In diesen Fällen können Arbeitgeber und Betriebsrat nur eine Ergänzung zu Gunsten des Arbeitnehmers vereinbaren. Wenn und soweit es sich allerdings um eine abstrakt-generelle Bezugnahmeklausel handelte, die in einem Formulararbeitsvertrag enthalten ist, dürften die Voraussetzungen einer Ablösung durch Betriebsvereinbarung an sich vorliegen. Im Zweifel scheitert eine entsprechende Regelung allerdings an § 77 Abs. 3 BetrVG. Losgelöst davon dürfte sie nur eine statische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag vorsehen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, dass der Betriebsrat durch eine entsprechende Regelung zeitlich unbefristet auf etwaige Mitbestimmungsrechte in Bezug auf die im Tarifvertrag geregelten Gegenstände verzichtet. (Ga)

148

H. Betriebsverfassung und Mitbestimmung 1.

Aktuelle Rechtsprechung zur Unternehmensmitbestimmung

a)

Einbeziehung der im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer in die Schwellenwertberechnung

In seinem Urteil vom 18.7.20181 hatte der EuGH klargestellt, dass es mit Art. 18, 25 AEUV vereinbar ist, den im Ausland beschäftigten Arbeitnehmern kein aktives und passives Wahlrecht im Bereich der Unternehmensmitbestimmung zuzugestehen. Mit den Entscheidungen vom 21.12.20172 und vom 6.2.20183 haben das LG Frankfurt und das LG Hamburg diese Grundsätze auf die Frage übertragen, ob Arbeitnehmer, die im Ausland beschäftigt werden, bei der Berechnung von Schwellenwerten im Bereich der Unternehmensmitbestimmung mitberücksichtigt werden können. Zu Recht ist die Einbeziehung dieser Arbeitnehmer auch dann abgelehnt worden, wenn es sich bei dem jeweiligen Arbeitgeber um eine Konzerngesellschaft handelt, bei der die Konzernobergesellschaft in den Anwendungsbereich von §§ 1 MitbestG, 1 DrittelbG fällt. Das Unionsrecht hindere einen Mitgliedstaat nicht daran, in dem bislang nicht harmonisierten Bereich der kollektiven Vertretung und Verteidigung der Arbeitnehmerinteressen in den Leitungs- und Aufsichtsorganen einer Gesellschaft nationalen Rechts vorzusehen, dass die von ihm erlassenen Vorschriften nur auf die Arbeitnehmer inländischer Betriebe Anwendung finden. Darin liege auch mit Blick auf die notwendige Berechnung von Schwellenwerten weder eine nach Art. 18 AEUV verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit noch ein Verstoß gegen die in Art. 45 AEUV geregelte Freizügigkeit4. Mit dieser Entscheidung sind alle Fragen im Bereich der Unternehmensmitbestimmung, die die im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer betreffen, beantwortet. In Übereinstimmung mit der früher ganz überwiegend vertretenen Auffassung genügt es, bei den Schwellenwerten ebenso wie bei der Anerkennung des Wahlrechts nur solche Arbeitnehmer einzubinden, die in einem inländischen Betrieb einer Konzerngesellschaft beschäftigt werden. 1 2 3 4

EuGH v. 18.7.2018 – C-566/15, NZA 2017, 1000 ff. – Erzberger. LG Frankfurt v. 21.12.2017 – 3-05 O 85/17, NZA-RR 2018, 192 f. LG Hamburg v. 6.2.2018 – 403 HKO 130/17, ZIP 2018, 731 ff. LG Hamburg v. 6.2.2018 – 403 HKO 130/17, ZIP 2018, 731 ff. Rz. 24.

149

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

b)

Bildung eines Aufsichtsrats bei der Zwischenholding eines Konzerns

Grundsätzlich ist ein mitbestimmter Aufsichtsrat nur bei solchen Unternehmen zu errichten, die selbst so viele Arbeitnehmer beschäftigen, dass die Schwellenwerte von 500 Arbeitnehmern (Drittelbeteiligung) bzw. 2.000 Arbeitnehmern (paritätische Mitbestimmung) überschritten werden. Lässt man die Ausnahme für die Kommanditgesellschaft in § 5 Abs. 2 MitbestG einmal außer Acht, setzt die Einbeziehung von Arbeitnehmern der abhängigen Gesellschaften bei der Berechnung für das Überschreiten der Schwellenwerte im herrschenden Unternehmen im Bereich der Drittelbeteiligung voraus, dass zwischen den Unternehmen ein Beherrschungsvertrag besteht oder das abhängige Unternehmen in das herrschende Unternehmen eingegliedert ist (§ 2 Abs. 2 DrittelbG). Im Bereich der paritätischen Mitbestimmung gelten die Arbeitnehmer der Konzernunternehmen auch ohne das Bestehen eines Beherrschungsvertrags als Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens (§ 5 Abs. 1 S. 1 MitbestG). Voraussetzung ist allerdings, dass das herrschende Unternehmen seinerseits in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 MitbestG fällt. Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn das Unternehmen nach der Rechtsform eines anderen Landes gebildet wurde oder – obwohl es in einer Rechtsform nach deutschem Recht gegründet wurde – nicht in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 MitbestG fällt. Dies ist beispielsweise bei einer SE oder einer Kommanditgesellschaft der Fall, bei der der Komplementär in der Rechtsform eines anderen Landes gebildet wurde (z. B. Niederländische BV, Österreichische GmbH). Auch die SE, deren Gründung nach den spezialgesetzlichen Vorschriften zu einer eigenen Form der Arbeitnehmerbeteiligung führen kann, wird von § 1 Abs. 1 MitbestG nicht erfasst. Für diese Fälle kann sich allerdings für eine der nachgeordneten Gesellschaften durch § 5 Abs. 3 MitbestG eine eigenständige Verpflichtung ergeben, einen Aufsichtsrat mit paritätischer Beteiligung der Arbeitnehmerseite zu bilden. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die nachgeordnete Gesellschaft ihrerseits grundsätzlich in einer Rechtsform gebildet wurde, die unter § 1 Abs. 1 MitbestG fällt. Nach § 5 Abs. 3 MitbestG ist bei der dem nicht mitbestimmungspflichtigen – aber herrschenden – Unternehmen eines Konzerns am nächsten stehenden Konzernzwischengesellschaft ein Aufsichtsrat einzurichten, sofern die Konzernleitung über dieses Unternehmen seine Leitung über weitere (abhängige) Unternehmen des Konzerns ausübt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn durch die Zurechnung der abhängigen Unternehmen der Schwellenwert von 150

Aktuelle Rechtsprechung zur Unternehmensmitbestimmung

mehr als 2.000 Arbeitnehmern überschritten wird. Denn unter diesen Voraussetzungen gilt das der Konzernleitung am nächsten stehende Unternehmen, über das die Konzernleitung andere Konzernunternehmen beherrscht, für die Anwendung des MitbestG als herrschendes Unternehmen. Die zunehmende Einbindung von Konzernobergesellschaften im Ausland und die Gründung von Gesellschaften, die wegen ihrer Rechtsform nicht in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 MitbestG fallen, erhöht zunehmend die Relevanz von § 5 Abs. 3 MitbestG. Dies gilt umso mehr, als auch solche Gesellschaften außerhalb des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 1 MitbestG häufig aus steuerlichen Gründen ihre Anteile der deutschen Gesellschaften über eine Zwischenholding halten, die ihrerseits in der Rechtsform einer GmbH gegründet wurde und damit an sich dem Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 MitbestG unterfällt. Hintergrund dafür sind neben haftungsrechtlichen Gründen oft auch steuerliche Überlegungen, ohne dass dies Einfluss auf die Ausübung der operativen Leitungsmacht hat. Für die operative Steuerung der abhängigen Gesellschaften spielen solche Zwischenholdings in der Praxis typischerweise keine Rolle. Dass dies aber nicht ausschließt, dass auch in solchen Gesellschaften auf der Grundlage von § 5 Abs. 3 MitbestG ein Aufsichtsrat mit paritätischer Beteiligung der Arbeitnehmerseite gebildet werden muss, zeigt der Beschluss des OLG Hamburg vom 4.7.20175. In dem der Entscheidung des OLG Hamburg zugrunde liegenden Fall ging es um die Frage, ob in einer deutschen Zwischenholding, die als GmbH gegründet worden war, ein Aufsichtsrat mit paritätischer Mitbestimmung zu bilden war. Anteilsinhaber dieser Zwischenholding waren zwei Gesellschaften, die in der Rechtsform einer SA mit Sitz in der Schweiz gegründet worden waren. Die Zwischenholding war alleinige Gesellschafterin bzw. Mehrheitsgesellschafterin mehrerer Gesellschaften mit Sitz in Deutschland, die hier insgesamt in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigten. Umstritten war, ob die Zwischenholding deshalb gemäß § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 MitbestG als herrschendes Unternehmen zu behandeln war. Die Zwischenholding hatte die Bildung eines solchen Aufsichtsrats nicht nur mit der Begründung abgelehnt, dass die Leitung der Unternehmensgruppe als Konsequenz einer Matrixorganisation so stark dezentralisiert sei, dass eine einheitliche Leitung bzw. eine Leitungsstruktur zwischen der Zwischenholding und den nachgeordneten Unternehmen nicht bestehe. Wenn man überhaupt von einer zentralen Steuerung ausgehen wolle, werde diese 5

OLG Hamburg v. 4.7.2017 – 11 W 19/17, ZIP 2017, 1621 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

ausschließlich durch eine der beiden Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz ausgeübt. Diese treffe in allen wesentlichen Angelegenheiten, die die deutschen Gesellschaften beträfen, die letzte Entscheidung. Auch unter Berücksichtigung dieses Vortrags rechtfertigte die fehlende Einbindung der Zwischenholding in die Steuerung der Tochtergesellschaften nach Auffassung des OLG Hamburg keine Ablehnung der Anwendbarkeit von § 5 Abs. 3 MitbestG. Vielmehr sei diese kraft gesetzlicher Fiktion als herrschendes Unternehmen zu behandeln, dem die Beschäftigtenzahlen der nachgeordneten Unternehmen als Konsequenz der Mehrheitsbeteiligung zugerechnet werden müssten. In der weiteren Begründung seiner Entscheidung weist das OLG Hamburg zwar darauf hin, dass in der Literatur die Auffassung vertreten würde, dass die bloße Beteiligung einer Zwischengesellschaft, deren Aufgabe sich auf das Halten und die Verwaltung von Beteiligungen an weiteren Konzernunternehmen ohne Einflussnahme auf die Geschäftsführung dieser Konzernunternehmen beschränke, nicht genüge6. In Übereinstimmung mit weiteren Entscheidung der ordentlichen Gerichtsbarkeit hält es das OLG Hamburg allerdings hiervon abweichend für ausreichend, dass die Konzernzwischengesellschaft aufgrund ihrer Beteiligung an nachfolgenden Unternehmen die Leitungsmacht der Konzernspitze vermittelt; eigene Leitungsmacht müsse sie nicht ausüben7. Zweck von § 5 Abs. 3 MitbestG sei es, eine Regelung für die Fälle zu finden, in denen ein mitbestimmter Aufsichtsrat an der Konzernspitze, wo er am effektivsten wäre, nicht bestellt werden könne. Ausreichend sei es daher, dass die Zwischengesellschaft in einen Konzern angegliedert sei, der von einem nicht mitbestimmungspflichtigen Unternehmen beherrscht werde. Es komme nicht darauf an, ob wenigstens Weisungen der Konzernspitze über das Zwischenunternehmen an die nachgeordneten Unternehmen weitergeleitet werden. Denn jede rechtstechnische Ausgestaltung der Leitungswege werde durch die bestehenden Mehrheitsverhältnisse ermöglicht und könne jederzeit Änderungen unterliegen. Es genüge daher, dass eine Vermittlung der Leitungsmacht durch die gesellschaftsrechtlichen Strukturen im Verhältnis zwischen der Zwischenholding und den nachgeordneten Unternehmen erfolge. Eine wenigstens einfache Leitung oder ein Mindestmaß an Leitungsmöglichkeit auf

6 7

So ErfK/Oetker, MitbestG § 5 Rz. 21. OLG Hamburg v. 4.7.2017 – 11 W 19/17, ZIP 2017, 1621 ff. Rz. 26 f.; KG Berlin v. 21.12.2015 – 14 W 105/15, ZIP 2016, 369 ff. Rz. 12; OLG Frankfurt v. 21.4.2008 – 20 W 8/07, ZIP 2008, 880 ff. Rz. 22.

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Beeinflussung der Betriebsratswahl durch den Arbeitgeber

Seiten der Zwischengesellschaft sei auch nach dem Sinn und Zweck der Mitbestimmung der Arbeitnehmer nicht zu fordern8. Hiervon ausgehend kann eine paritätische Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat einer Zwischenholding schlussendlich nur dadurch vermieden werden, dass diese wegen ihrer Rechtsform ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 MitbestG fällt. Alternativ hierfür müsste durch vertragliche Vereinbarung sichergestellt werden, dass auch die Konzernobergesellschaft keine Leitungsmacht auf die Zwischenholding ausübt und von dort aus wiederum keine Leitungsmacht auf die nachgeordneten Unternehmen ausgeübt wird. Nur dann kann eine Anwendung von § 5 Abs. 3 MitbestG auch unter Berücksichtigung der Feststellungen des OLG Hamburg abgelehnt werden. Gleichzeitig wird vermieden, dass die Zwischenholding als herrschendes Unternehmen eines Konzerns im Konzern zu qualifizieren ist. (Ga)

2.

Zulässigkeit und Schranken einer Beeinflussung der Betriebsratswahl durch den Arbeitgeber

Gemäß § 20 Abs. 1, 2 BetrVG darf niemand die Wahl eines Betriebsrats behindern oder durch das Gewähren von Vorteilen oder das Androhen von Nachteilen beeinflussen. Insbesondere darf kein Arbeitnehmer bei der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts beschränkt werden. Dies ergänzt das Begünstigungs- bzw. Benachteiligungsverbot aus § 78 S. 2 BetrVG, das auch im Vorfeld einer Betriebsratswahl zu berücksichtigen ist. Mit seinem Urteil vom 25.10.20179 hat das BAG deutlich gemacht, dass § 20 BetrVG kein striktes Neutralitätsgebot begründe10. Vielmehr geht das BAG in Übereinstimmung mit einem Teil der Literatur davon aus, dass § 20 Abs. 2 BetrVG nur verbietet, die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechung von Vorteilen zu beeinflussen11. § 20 Abs. 2 BetrVG habe deshalb nicht zur Folge, dass jede Äußerung oder Handlung des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen als Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschrif-

8

KG Berlin v. 21.12.2015 – 14 W 105/15, ZIP 2016, 369 ff. Rz. 16; OLG Düsseldorf v. 30.10.2006 – 26 W 14/06, NZA 2007, 707 ff. Rz. 25. 9 BAG v. 25.10.2017 – 7 ABR 10/16, NZA 2018, 458 ff. Rz. 12 ff. 10 A. A. ErfK/Koch, BetrVG § 20 Rz. 7; Fitting, BetrVG § 20 Rz. 24; Maschmann, BB 2010, 245, 250. 11 Ebenso Kreutz, GK-BetrVG § 20 Rz. 30; Bayreuther, FS Unberath S. 35, 47; Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 63, 123 ff.

153

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

ten anzusehen sei, die zur Anfechtung der Wahlberechtigung dienen könnte. Dies gelte auch dann, wenn die Handlung oder Äußerung des Arbeitgebers geeignet sei, die Wahl zu beeinflussen. Die Beeinflussung müsse vielmehr durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen erfolgen. Dem ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Zu Recht lehnt es der 7. Senat des BAG12 deshalb auch ab, von einer unzulässigen Wahlbeeinflussung durch den Arbeitgeber bereits dann auszugehen, wenn der Arbeitgeber nur seine Sympathie mit bestimmten Listen oder Kandidaten bekunde. Ein striktes Neutralitätsgebot des Arbeitgebers würde – so das BAG – auch zu keinen sinnvollen, rechtssicher handhabbaren Ergebnissen führen. Die Wahlen wären nämlich einem hohen Anfechtungsrisiko ausgesetzt, wenn der Arbeitgeber sich jeder kritischen Äußerung über den bestehenden Betriebsrat oder einzelner seiner Mitglieder im Hinblick auf eine zukünftige Wahl enthalten müsste. Selbst ein geraume Zeit zurückliegendes – möglicherweise situatives und später aufgegebenes – Verhalten des Arbeitgebers oder seiner leitenden Angestellten, in dem der Wunsch zum Ausdruck komme, bei der nächsten Wahl möge ein anderer Betriebsrat gewählt werden, begründete andernfalls die Gefahr einer Anfechtung, da § 19 Abs. 1 BetrVG die Anfechtung nur ausschließe, wenn die festgestellten Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnten13. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das BAG in dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall eine unzulässige Wahlbeeinflussung durch den Arbeitgeber und damit auch einen Verstoß gegen § 20 Abs. 2 BetrVG abgelehnt. Dies galt nicht nur für die Äußerung des Personalleiters, dass jeder, der die Betriebsratsvorsitzende wähle, „Verrat begehe“; sie dürfe auf keinen Fall wiedergewählt werden. Mit dieser Äußerung habe der Personalleiter möglichen Wählern keine Nachteile angedroht. Die Aussage sei erkennbar überzeichnet, die – hineininterpretierte – Drohung sei unbestimmt. Aufgrund des Wahlgeheimnisses wäre ein „Verrat“ durch bestimmte Arbeitnehmer, die Nachteile befürchten müssten, nicht feststellbar. In gleicher Weise hat es das BAG abgelehnt, das Hinwirken auf die Bildung „oppositioneller Listen“ als Verstoß gegen § 20 Abs. 2 BetrVG zu qualifizieren. Auch insoweit fehle es an Feststellungen zur Androhung von Nachteilen oder zum Versprechen von Vorteilen für bestimmte Arbeitnehmer oder von diesen erstellten Listen. Allein die Anregung, eine alternative, möglicher12 BAG v. 25.10.2017 – 7 ABR 10/16, NZA 2018, 458 ff. 13 BAG v. 25.10.2017 – 7 ABR 10/16, NZA 2018, 458 ff. Rz. 17 f.

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Neues zur Gleichbehandlung freigestellter Betriebsratsmitglieder

weise eine „arbeitgeberfreundliche“ Liste aufzustellen und ganz gezielte Werbung für eine Kandidatur auf dieser Liste stelle noch keine verbotene Wahlbeeinflussung dar. Es ist sehr zu begrüßen, dass mit dieser Entscheidung endlich Klarheit in Bezug auf die Frage geschaffen wurde, ob und ggf. in welcher Weise der Arbeitgeber seine eigene Meinung im Vorfeld einer Betriebsratswahl zum Ausdruck bringen darf. Hier bestand auch mit Blick auf die unterschiedlichen Auffassungen in der Literatur erhebliche Unsicherheit. Die Feststellungen des BAG erlauben es dem Arbeitgeber, seine Meinung im Vorfeld von Betriebsratswahlen durchaus deutlich zum Ausdruck zu bringen. (Ga)

3.

Neues zur Gleichbehandlung freigestellter Betriebsratsmitglieder

Nach § 78 S. 2 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Diese Regelung dient – ebenso wie das Ehrenamtsprinzip (§ 37 Abs. 1 BetrVG) – der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder14. Jedes Betriebsratsmitglied soll ohne Furcht vor Maßregelungen und Sanktionen des Arbeitgebers sein Amt ausüben können. Eine Benachteiligung im Sinne der Vorschrift ist jede Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht. Eine Benachteiligungsabsicht ist nicht erforderlich. Es genügt die objektive Schlechterstellung gegenüber Nichtbetriebsratsmitgliedern15. Liegt eine Benachteiligung vor, kann das Betriebsratsmitglied deren Beseitigung nach § 78 BetrVG verlangen. Das Begünstigungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG verbietet es, Betriebsratsmitgliedern Sondervorteile gegenüber anderen Arbeitnehmern zu verschaffen, wenn sie ohne sachlichen Grund wegen der Betriebsratstätigkeit gewährt werden16. Vereinbarungen, die gegen das Begünstigungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG verstoßen, sind gemäß § 134 BGB nichtig17, was ohne

14 BAG v. 25.10.2017 – 7 AZR 731/15, NZA 2018, 538 ff. Rz. 24; BAG v. 18.5.2016 – 7 AZR 401/14, NZA 2016, 1212 ff. Rz. 21 m. w. N. 15 BAG v. 18.5.2016 – 7 AZR 401/14, NZA 2016, 1212 ff. Rz. 21 m. w. N. 16 Vgl. BAG v. 8.11.2017 – 5 AZR 11/17, NZA 2018, 528 ff. Rz. 31; BAG v. 16.2.2005 – 7 AZR 95/04, NZA-RR 2005, 556 ff. Rz. 15. 17 BAG v. 21.3.2018 – 7 AZR 590/16 n. v.; BAG v. 8.11.2017 – 5 AZR 11/17, NZA 2018, 528 ff. Rz. 31.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Rüge einer Partei von Amts wegen zu prüfen ist18. Es genügt die objektive Besserstellung gegenüber Nichtbetriebsratsmitgliedern19. Ob zwischen der Begünstigung und der betriebsverfassungsrechtlichen Amtsausübung ein Kausalzusammenhang besteht, muss für den Einzelfall festgestellt werden. Damit ergänzt § 78 S. 2 BetrVG den § 37 Abs. 1 BetrVG, wonach die Mitglieder des Betriebsrats ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt ausüben. Mit der ehrenamtlichen Stellung wird nicht nur die äußere Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder gewahrt, sondern auch das Vertrauen der vom Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer darauf gestärkt, dass die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats nicht durch die Gewährung materieller Vorteile beeinflussbar ist20. Eine unzulässige Begünstigung liegt etwa vor, wenn ein Betriebsratsmitglied nur wegen seiner Betriebsratstätigkeit eine höhere Vergütung erhält. Das folgt aus der Unentgeltlichkeit der Betriebsratstätigkeit (§ 37 Abs. 1 BetrVG), deren Wahrnehmung keine zu vergütende Arbeit darstellt21. Auch in der Vereinbarung einer pauschalen Stundenvergütung zur Abgeltung von Betriebsratstätigkeiten kann ein Verstoß gegen das Begünstigungsverbot zu sehen sein, wenn sie ohne sachlichen Grund wegen der Betriebsratstätigkeit gewährt wird und zu einer Verdiensterhöhung führt. Betriebsratsmitglieder erhielten andernfalls einen Sondervorteil gegenüber anderen Arbeitnehmern, die keine Verdiensterhöhung erlangen können22.

a)

Gewährung pauschalierter Zulagen

Die Frage des Begünstigungsverbots nach § 78 S. 2 BetrVG im Hinblick auf eine pauschale Stundenvergütung zur Abgeltung von Betriebsratstätigkeiten war Gegenstand einer Entscheidung des 5. Senats des BAG vom 8.11.201723. Der Arbeitnehmer war bei dem Arbeitgeber als Zeitungszusteller beschäftigt und Mitglied des im Betrieb gewählten Betriebsrats. Bei einer Sechs-TageWoche war eine wöchentliche Arbeitszeit von sechs Stunden vereinbart. Da 18 BAG v. 8.11.2017 – 5 AZR 11/17, NZA 2018, 528 ff. Rz. 31; BGH v. 28.4.2015 – XI ZR 378/13, NJW 2015, 2248 ff. Rz. 63. 19 BAG v. 8.11.2017 – 5 AZR 11/17, NZA 2018, 528 ff. Rz. 31; BAG v. 16.2.2005 – 7 AZR 95/04, NZA-RR 2005, 556 ff. Rz. 15. 20 BAG v. 8.11.2017 – 5 AZR 11/17, NZA 2018, 528 ff. Rz. 42; BAG v. 5.5.2010 – 7 AZR 728/08, NZA 2010, 1025 ff. Rz. 28. 21 BAG v. 16.2.2005 – 7 AZR 95/04, NZA-RR 2005, 556 ff. Allgemein zur Vergütung und zum Begünstigungsbverbot vgl. Oltmanns/Fuhlrott, DB 2018, 1086 ff.; Uffmann, ZfA 2018, 225 ff. 22 BAG v. 8.11.2017 – 5 AZR 11/17, NZA 2018, 528 ff. 23 BAG v. 8.11.2017 – 5 AZR 11/17, NZA 2018, 528 ff.

156

Neues zur Gleichbehandlung freigestellter Betriebsratsmitglieder

die Arbeitsleistung in den frühen Morgenstunden bis 6:00 Uhr erbracht werden musste, fielen sämtliche Betriebsratstätigkeiten des Arbeitnehmers außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit an. Auf seinen Antrag hin wurde der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber aufgrund gewährter Freistellungen von der Austragung der Zeitungen freigestellt. Wegen der außerhalb der Arbeitszeit erbrachten Betriebsratsarbeit, die nicht in Freizeit ausgeglichen werden konnte, zahlte der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer einen pauschalen Lohn von 18,07 € brutto je Stunde. Nachdem der Arbeitgeber auf entsprechende Klage des Arbeitnehmers diesen pauschalen Lohn auch bei der Berechnung des Urlaubsentgelts und der Entgeltfortzahlung zugrunde gelegt und zunächst ausgezahlt hatte, forderte er diesen Betrag vom Arbeitnehmer im Wege der Widerklage zurück, weil er diese Zahlung in Verkennung der Rechtslage geleistet habe. Der auf § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu stützende Anspruch auf Rückzahlung setzte das Fehlen eines rechtlichen Grundes für die geleistete Zahlung voraus, der im Streitfall daraus resultieren konnte, dass die vom Arbeitgeber geleisteten Ausgleichszahlungen entgegen § 78 S. 2 BetrVG zu einer unzulässigen Verdiensterhöhung für den Arbeitnehmer geführt haben. Der Verstoß gegen das Begünstigungsverbot nach § 78 S. 2 BetrVG hat die Nichtigkeit nach § 134 BGB24 zur Folge. Im Streitfall hat der Arbeitgeber für Betriebsratstätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit durchgehend pauschal einen Betrag von 18,07 € brutto je Stunde in Ansatz gebracht, obwohl dem Arbeitnehmer in dieser Zeit nur ein Mindestlohnanspruch zustand. Diese unterschiedliche Zahlungsweise des Arbeitgebers legt nach Ansicht des BAG zumindest nahe, dass der durchschnittliche Stundenverdienst des Arbeitnehmers, den er als Zeitungszusteller erzielt habe, deutlich unter den 18,07 € brutto lag, die ihm der Arbeitgeber für Betriebsratsarbeit gezahlt hatte. Das BAG hat deshalb zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts den Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen und im Hinblick auf den Bereicherungsanspruch des Arbeitgebers die Prüfung angestellt, ob möglicherweise der Bereicherungsanspruch nach § 814 BGB ausgeschlossen sein könnte25. Danach kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur

24 BAG v. 21.3.2018 – 7 AZR 590/16 n. v.; BAG v. 8.11.2017 – 5 AZR 11/17, NZA 2018, 528 ff. Rz. 31. 25 Vgl. zu den Voraussetzungen: BAG v. 13.10.2010 – 5 AZR 648/09, NZA 2011, 219 ff. Rz. 35.

157

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Leistung nicht verpflichtet war. Hierfür trägt allerdings der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast26. Ergäbe sich jedoch der Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers aus einem Verstoß gegen das Begünstigungsverbot nach § 78 S. 2 BetrVG, wäre nach Ansicht des BAG für die Rückforderung der entsprechenden Beträge nicht auf den Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, vielmehr auf § 817 S. 1 BGB abzustellen, der die Regelung des § 814 BGB verdrängt27. Nach § 817 S. 1 BGB ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet, wenn der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt war, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat. Allerdings ist die Rückforderung nach S. 2 dieser Bestimmung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zur Last fällt. Dabei muss sich der Leistende des Verstoßes bewusst gewesen sein und ihn gleichwohl gewollt haben. Damit trägt der Gesetzgeber – so das BAG – dem Gedanken Rechnung, dass derjenige, der sich außerhalb der Rechtsordnung bewegt, bezüglich der Rückabwicklung keinen Rechtsschutz verdient. Im vorliegenden Fall tritt jedoch das BAG dafür ein, dass der Schutzzweck des Begünstigungsverbots nach § 78 S. 2 BetrVG eine Einschränkung dieses Rückabwicklungsverbots aus § 817 S. 2 BGB verlangt. Begründungsansatz dafür bildet die zu Recht angestellte Erwägung des BAG, dass ein von der Rechtsordnung nicht gebilligter Zustand – wie das Begünstigungsverbot eines Betriebsratsmitglieds nach § 78 S. 2 BetrVG – nicht durch einen Ausschluss des Rückforderungsrechts legalisiert werden darf28. Dies würde aber geschehen, wenn eine Rückforderung nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen wäre und damit die unrechtmäßige Vermögensverschiebung dem Betriebsratsmitglied verbliebe. Bezüglich der klageweisen Durchsetzung der Rückzahlung einer geleisteten Bruttovergütung, die die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung einschließt, gilt es bei der Antragstellung im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu beachten, dass auf § 26 SGB IV Bedacht zu nehmen ist. Der Arbeitgeber hat gegen den Arbeitnehmer deshalb nur einen Anspruch auf Abtretung des diesem gegen den Sozialversicherungsträger bestehenden Anspruchs auf Rückzahlung der Arbeitnehmer26 Vgl. BAG v. 21.12.2016 – 5 AZR 273/16, NZA 2017, 449 ff. Rz. 25; BGH v. 17.10.2002 – III ZR 58/02, NJW 2002, 3772 ff. Rz. 11. 27 BAG v. 8.11.2017 – 5 AZR 11/17, NZA 2018, 528 ff. Rz. 35 f.; BGH v. 14.12.2000 – I ZR 213/98, NJW-RR 2001, 1044 ff. Rz. 33. 28 BGH v. 10.4.2014 – VII ZR 241/13, NJW 2014, 1805 ff. Rz. 18.

158

Neues zur Gleichbehandlung freigestellter Betriebsratsmitglieder

anteile, es sei denn, der Sozialversicherungsträger habe die zu Unrecht entrichteten Sozialversicherungsbeiträge bereits an den Arbeitnehmer ausgezahlt. (Boe)

b)

Gewährung einer variablen Zulage und einer Schichtzulage ohne Schichtarbeit

Eine vergleichbare pauschalierte Zulagengewährung an ein freigestelltes Betriebsratsmitglied lag dem Urteil des LAG Hessen vom 20.2.201729 zugrunde. In diesem Verfahren beanspruchte ein nach § 38 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied, das zuletzt die Aufgabe eines Aufgabenleiters wahrgenommen hatte, die Weiterzahlung einer vertraglich vereinbarten sog. pauschalen variablen Zulage von 411,90 € brutto monatlich sowie die Zahlung einer Schichtzulage von 124,55 € brutto monatlich, die der beklagte Arbeitgeber zunächst gezahlt, dann aber die Zahlung dieser Zulagen eingestellt hat, weil darauf gemäß § 78 BetrVG kein Anspruch des Betriebsratsmitglieds bestünde. Aufgabenleiter – wie der Kläger – seien weder im Schichtdienst tätig, noch erhielten sie eine Funktionszulage. Der Kläger berief sich darauf, dass die Zulagen arbeitsvertraglich vereinbart seien und vom beklagten Arbeitgeber daher nicht einfach gekürzt werden dürften. Das LAG Hessen hat der Klage bezüglich der pauschalen variablen Zulage in Höhe von 411,90 € brutto monatlich entsprochen und diese als Entgeltbestandteil der arbeitsvertraglichen Regelung angesehen und dabei einen Verstoß gegen § 78 S. 2 BetrVG im Sinne des Begünstigungsverbots verneint. Dabei lässt sich das LAG von der Erwägung leiten, dass es sich bei der variablen Zulage um eine Pauschalierung bzw. Typisierung handele, die realitätsgerecht sei und deshalb keine Vergütung für die Betriebsratstätigkeit darstelle. Diesen Realitätsbezug schließt das LAG daraus, dass eine Pauschalierung von Mehrarbeit oder für besondere Belastungen an bestimmten Arbeitstagen im Hinblick auf die Eigenschaft als Betriebsratsmitglied als grundsätzlich zulässig zu bewerten sei. Die Parteien hätten nicht ausschließen können, dass auch beim Kläger Mehrarbeit anfallen könnte. Diesen Realitätsbezug hätte der beklagte Arbeitgeber widerlegen müssen. Auch die Höhe der Zulage sei nicht zu beanstanden, wenn Mehrarbeit oder Samstagsoder Sonntagsarbeit zu leisten wäre. Demgegenüber hat das LAG Hessen die Klage bezüglich der Schichtzulage in Höhe von 124,55 € brutto monatlich abgewiesen, weil insoweit ein Ver-

29 LAG Hessen v. 20.2.2017 – 7 Sa 513/16 n. v. anhängig beim BAG unter Az: 7 AZR 206/17.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

stoß gegen das Begünstigungsverbot aus § 78 S. 2 BetrVG vorläge. Diese Bewertung hat das LAG dem Umstand entnommen, dass für den Aufgabenleiter keinerlei Schichtdienste anfielen. Soweit das LAG Hessen der Klage entsprochen hat, ist das Ergebnis abzulehnen, weil der Begründungsansatz auf rein spekulativen Aspekten beruht und sich nicht an dem tatsächlichen Arbeitsverhältnis der Parteien orientiert. Dass das Arbeitsverhältnis möglicherweise Belastungen in Gestalt von Samstags- oder Sonntagsarbeit ausgesetzt sein kann oder möglicherweise Mehrarbeitsstunden anfallen, kann keinen Begründungsansatz für eine Pauschalzahlung abgeben, für die im Sinne des Lohnausfallprinzips keinerlei Bezug hergestellt werden kann. Dies gilt umso mehr, weil sich auch nicht ermitteln ließe, welche Teilbeträge der Pauschalzulage welchen Belastungen zugeordnet werden können. Eine andere Frage wäre freilich, ob dem Betriebsratsmitglied die Pauschale deshalb zusteht, weil sie in Wahrheit nichts anderes als eine an keine besonderen Voraussetzungen gebundene übertarifliche Zulage abbildet, wie dies häufig in der betrieblichen Praxis bei Funktionszulagen, von denen niemand weiß, wofür sie gewährt werden, der Fall ist. Hat der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, bevor er das Amt als Betriebsratsmitglied übernommen hat, eine Funktionszulage gezahlt, dann ist sie auch weiterhin zu zahlen, wenn das Betriebsratsmitglied in sein Amt eingerückt ist. Gleiches würde gelten, wenn generell bei der arbeitsvertraglichen Position des Betriebsratsmitglieds eine Funktionszulage gezahlt wird, weil unter dieser Prämisse keine Bevorzugung wegen des Betriebsratsamts vorläge. Da der Rechtsstreit beim BAG vorliegt, bleibt abzuwarten, ob es den vertraglichen Anspruch auf Zahlung der im Streitfall angesprochenen pauschalen variablen Zulage als Verstoß gegen das Begünstigungsverbot nach § 78 S. 2 BetrVG einstuft oder den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung zurückverweist. (Boe)

c)

Anwesenheitspflicht im Betrieb

Als Konsequenz des durch § 78 S. 2 BetrVG vorgegebenen Begünstigungsverbots ist das freigestellte Mitglied des Betriebsrats verpflichtet, im Umfang seiner vertraglichen Arbeitszeit im Betrieb anwesend zu sein und sich dort zur Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeiten bereitzuhalten. Darauf hat das BAG mit Urteil vom 25.10.201730 hingewiesen. Dies beruhe darauf, dass an die Stelle der Arbeitspflicht bei einer vollständigen Freistellung die Verpflichtung des Betriebsratsmitglieds trete, während seiner arbeitsvertrag-

30 BAG v. 25.10.2017 – 7 AZR 731/15, NZA 2018, 538 ff. Rz. 22.

160

Beratungspflicht bei der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern

lichen Arbeitszeit im Betrieb am Sitz des Betriebsrats, dem es angehöre, anwesend zu sein. In dem der Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall hatte dies zur Folge, dass der Kläger für die Dauer seiner Freistellung nach § 38 Abs. 1 BetrVG verpflichtet war, sich im Durchschnitt 40 Stunden pro Woche im Betrieb aufzuhalten, um dort bei Bedarf betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben wahrzunehmen. Dies gilt – so das BAG – selbst dann, wenn das Betriebsratsmitglied ohne eine solche Freistellung im Rahmen eines Schichtmodells nur 36,75 Stunden hätte tatsächlich arbeiten müssen, sofern sich der Arbeitgeber vorbehalten hatte, 3,25 Stunden für etwaige Trainings, Meetings oder ähnliche Arbeiten zu nutzen. Nach Auffassung des BAG ist darin auch keine Benachteiligung i. S. d. § 78 S. 2 BetrVG zu sehen. Zwar könne der Arbeitgeber von einem vollständig von der Arbeitsleistung freigestellten Betriebsratsmitglied eine solche Zusatztätigkeit nicht verlangen. Wenn der Kläger sich aber für seine Tätigkeit als freigestelltes Betriebsratsmitglied stets nur 36,75 Stunden pro Woche zur Verfügung halten müsste, würde er sowohl gegenüber „im normalen Tagdienst“ Beschäftigten als auch gegenüber Arbeitnehmern im Schichtdienst wegen der Freistellung ungerechtfertigt begünstigt i. S. d. § 78 S. 2 BetrVG. (Ga)

4.

Beratungspflicht bei der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern gemäß § 38 BetrVG

§ 38 Abs. 1 BetrVG bestimmt, dass bei dem Überschreiten bestimmter Schwellenwerte für die im Betrieb in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer (einschließlich Leiharbeitnehmer) einzelne Betriebsratsmitglieder vollständig von ihrer Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt werden. Diese Freistellungen können auch in Form von Teilfreistellungen erfolgen. Voraussetzung ist, dass diese zusammengenommen nicht den Umfang der im Gesetz vorgesehenen Freistellungen überschreiten. Die freizustellenden Betriebsratsmitglieder werden – so bestimmt es § 38 Abs. 2 S. 1 BetrVG – nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Im Anschluss daran hat der Betriebsrat die Namen der freizustellenden Betriebsratsmitglieder dem Arbeitgeber bekannt zu geben. Hält dieser die Freistellung für sachlich nicht vertretbar, so kann er innerhalb von zwei Wochen nach der Bekanntgabe die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und 161

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Betriebsrat. Bestätigt die Einigungsstelle die Bedenken des Arbeitgebers, so hat sie bei der Bestimmung eines anderen freizustellenden Betriebsratsmitglieds auch den Minderheitenschutz zu beachten. Ruft der Arbeitgeber die Einigungsstelle nicht an, so gilt sein Einverständnis mit den Freistellungen nach Ablauf der zweiwöchigen Frist als erteilt (§ 38 Abs. 2 BetrVG). In seinem Beschluss vom 22.11.201731 hat sich das BAG mit der Frage befasst, welche Konsequenzen es hat, wenn die in § 38 Abs. 2 S. 1 BetrVG vorgesehene Beratung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht erfolgt. Der Arbeitgeber, der von einer entsprechenden Freistellung ohne vorangehende Beratung betroffen war, hatte beantragt festzustellen, dass die Wahl eines bestimmten Betriebsratsmitglieds zur Freistellung gemäß § 38 BetrVG nichtig bzw. unwirksam gewesen sei. Damit sollte der im Schrifttum vertretenen Auffassung Rechnung getragen werden, nach der eine Freistellungswahl ohne vorangehende Beratung anfechtbar32 bzw. für unverbindlich gehalten wird33. Das BAG ist dieser Auffassung nicht gefolgt und hat weder eine Nichtigkeit noch eine Anfechtbarkeit der Freistellungswahl angenommen34. Die Pflicht zur Beratung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sei keine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren, deren Verletzung die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit zur Folge haben könne. Vielmehr konkretisiere das nur gegenüber dem Betriebsrat bestehende Beratungserfordernis das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nach § 2 Abs. 1 BetrVG. Die Beratung sollte dem Arbeitgeber vor der Freistellungswahl Gelegenheit geben, etwaige Bedenken gegen die Freistellung bestimmter Betriebsratsmitglieder zu äußern. Eine zwingende Konsequenz für die Wahl der Betriebsratsmitglieder habe dies nicht. Der Betriebsrat und seine Mitglieder sollten zwar die geäußerten Bedenken des Arbeitgebers nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zur Kenntnis nehmen und bei ihrer Wahlentscheidung in Betracht ziehen. Gleichwohl seien die Betriebsratsmitglieder aber nicht gehindert, ein Betriebsratsmitglied zu wählen, gegen dessen Wahl der Arbeitgeber bei der Beratung – ggf. sogar berechtigte – Bedenken geäußert habe. Nach Auffassung des BAG wird den durch die Beratungspflicht ausschließlich geschützten Belangen des Arbeitgebers durch das in § 38 Abs. 2 S. 4 bis 7 BetrVG vorgesehene Einigungsstellenverfahren abschließend und hin31 32 33 34

162

BAG v. 22.1.2017 – 7 ABR 26/16, NZA 2018, 523 ff. Rz. 17 ff. So DKK/Wedde, BetrVG § 38 Rz. 40; Fitting, BetrVG § 38 Rz. 46. So Richardi/Thüsing, BetrVG § 38 Rz. 31. Ebenso WPK/Kreft, BetrVG § 38 Rz. 15.

Ablösung einzelvertraglicher Zusage (hier: Gesamtzusage Jubiläumsgeld)

reichend Rechnung getragen. Das Verfahren biete die Möglichkeit, eine zügige Klärung von sachlichen Einwendungen des Arbeitgebers über die Freistellung herbeizuführen. Denn die Einigungsstelle könne die Bedenken des Arbeitgebers bestätigen und – unter Beachtung des Minderheitenschutzes – ein anderes freizustellendes Betriebsratsmitglied bestimmen. § 38 Abs. 2 BetrVG regele damit die Berücksichtigung arbeitgeberseitiger Bedenken durch die verpflichtende Beratung und das ggf. durchzuführende Einigungsstellenverfahren abschließend und losgelöst vom eigentlichen Wahlverfahren. Wichtig für den Arbeitgeber ist es daher, im Anschluss an die Bekanntgabe der Freistellungen gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG zu entscheiden, ob ein entsprechendes Einigungsstellenverfahren eingeleitet werden soll. (Ga)

5.

Ablösung einzelvertraglicher Zusage (hier: Gesamtzusage Jubiläumsgeld) durch Betriebsvereinbarung

Grundsätzlich sind individualvertragliche Regelungen nur einer Änderung auf individualvertraglicher Ebene zugänglich. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Vereinbarungen im Arbeitsvertrag, eine Ergänzungsvereinbarung, eine Gesamtzusage oder eine betriebliche Übung handelt. Ungeachtet dessen ist es allerdings möglich, dass individualvertragliche Regelungen durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer so ausgestaltet werden, dass sie einer Änderung oder Ablösung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sind. Wie das BAG bereits mit Urteil vom 5.3.201335 deutlich gemacht hat, kann eine entsprechende Absprache ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen auch konkludent erfolgen. In Übereinstimmung mit dem Urteil des BAG vom 24.10.201736 ist eine konkludente Vereinbarung regelmäßig bereits dann gegeben, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und wie bei einer Gesamtzusage einen kollektiven Bezug hat. Ausgenommen sind, wie an anderer Stelle ausgeführt wird37, nur solche Regelungen, mit denen die Hauptleistungspflicht des Arbeitsvertrags konkretisiert wird. Darauf hatte das BAG mit Urteil vom 11.4.201838 hingewiesen. In dem der Entscheidung vom 24.10.201739 zugrunde liegenden Fall gab es bei der Beklagten ursprünglich Richtlinien, auf deren Grundlage seit 1999 Jubiläumsgelder nach 25, 40 oder 50 Dienstjahren gezahlt wurden. Als Be35 36 37 38 39

BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 ff. BAG v. 24.10.2017 – 1 AZR 846/15, ZTR 2018, 221 f. B. Gaul, AktuellAR 2018, 164 ff. BAG v. 11.4.2018 – 4 AZR 119/17 n. v. BAG v. 24.10.2017 – 1 AZR 846/15, ZTR 2018, 221 f.

163

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

sonderheit war in dieser Richtlinie vorgesehen, dass Mitarbeiter, die mit 24, 39 oder 49 Dienstjahren ausschieden, unter bestimmten Voraussetzungen eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von 90 % des Jubiläumsgeldes erhalten konnten, das mit Eintritt des Jubiläums im bestehenden Arbeitsverhältnis gezahlt worden wäre. Im Anschluss an einen Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte schloss diese mit dem dort bestehenden Gesamtbetriebsrat im Jahre 2008 eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Jubiläumsrichtlinie ab. Mit dieser Gesamtbetriebsvereinbarung wurden die vorangehenden Richtlinien ausdrücklich aufgehoben. Dabei gab es auch in der Gesamtbetriebsvereinbarung eine Sonderregelung für den Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Eine Sonderzahlung in Höhe von 90 % des Jubiläumsgeldes sollte danach aber nur gezahlt werden, wenn das Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Kündigung endete. Die Beklagte kündigte die Gesamtbetriebsvereinbarung zum 28.2.2013. Die Klägerin schied nach Beendigung ihres mit der Beklagten vereinbarten Altersteilzeitverhältnisses wenige Monate vor Erreichen des 25-jährigen Dienstjubiläums mit Ablauf des 28.2.2015 aus. Sie machte geltend, dass ihr jedenfalls auf der Grundlage der früheren Richtlinie eine Sonderzahlung in Höhe von 90 % des Jubiläumsgeldes gezahlt werden müsse. Denn die Voraussetzungen, die in der alten Richtlinie genannt waren, lagen nach ihrer Auffassung vor. Das BAG hat die klageabweisende Entscheidung bestätigt. Ausgangspunkt war dabei zwar die Annahme, dass durch die früheren Richtlinien ein Anspruch auf das Jubiläumsgeld auch für den Fall einer vorzeitigen Beendigung entstanden war. Denn bei dieser Richtlinie handelte es sich um eine Gesamtzusage, die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form mit dem Inhalt gerichtet war, dass arbeitgeberseitig eine bestimmte Leistung erbracht werden sollte. Sie war dadurch auch in Bezug auf die Klägerin wirksam geworden, dass sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart worden war, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt hatte, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Ob auch die Klägerin eine konkrete Kenntnis erlangt hatte, spielte keine Rolle40. Diese Gesamtzusage war nach Überzeugung des BAG allerdings durch die Gesamtbetriebsvereinbarung abgelöst worden. Denn die Gessamtzusage habe schon durch ihren kollektiven Bezug die konkludente Vereinbarung ent40 BAG v. 24.10.2017 – 1 AZR 846/15, ZTR 2018, 221 f. Rz. 13 f.

164

Ablösung einzelvertraglicher Zusage (hier: Gesamtzusage Jubiläumsgeld)

halten, dass eine Abänderung durch betriebliche Normen erfolgen konnte. Mit dem Rückgriff auf die Gesamtzusage habe der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar gemacht, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollten. Eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen stünde dem entgegen. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet seien, könne aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handele, die einer – möglicherweise auch verschlechternden – Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich seien. Etwas anderes gelte nur, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbarten, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollten41. Auch wenn dieses Verständnis arbeitsvertraglicher Regelungen auf abstraktgenereller Ebene zwar als schwer vereinbar mit dem Transparenzerfordernis des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB erscheint, ist das Ergebnis im vorliegenden Fall richtig. Denn in den streitgegenständlichen Richtlinien zur Gewährung des Jubiläumsgeldes war ausdrücklich festgehalten worden, dass die entsprechenden Rundschreiben im Einvernehmen mit dem Gesamtbetriebsrat herausgegeben worden waren. Darin lag ein klares Indiz dafür, dass eine kollektive Regelung geschaffen werden sollte, die mit dem Betriebsrat eingeführt und auch wieder geändert werden sollte. Darauf hat auch das BAG in überzeugender Weise hingewiesen. Die Gesamtbetriebsvereinbarung hat diese Richtlinie nicht nur vorübergehend verdrängt. Ein solcher Mechanismus wäre auch mit der Rechtssystematik einer Anspruchskonkurrenz nicht vereinbar. Denn dann wäre die Klägerin auch während der bestehenden Gesamtbetriebsvereinbarung jederzeit berechtigt gewesen, sich gegenüber der Beklagten auf die Richtlinie als Anspruchsgrundlage zu berufen. Die Beklagte wäre in die daraus resultierende Verpflichtung gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB eingetreten. Dass die Gesamtbetriebsvereinbarung zu einer Verschlechterung der Anspruchssituation führte, war – so das BAG – sowohl mit § 75 Abs. 1, 2 S. 1 BetrVG als auch mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. Denn ein Anspruch auf Jubiläumsgeld, der erst durch künftige Betriebszugehörigkeit entstehen kann, unterliegt keinem eigentumsrechtlichen Schutz. Auch die Grundsätze des Vertrauensschutzes rechtfertigen es nicht, einen unveränderten Fortbe41 BAG v. 24.10.2017 – 1 AZR 846/15, ZTR 2018, 221 f. Rz. 18; BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 ff. Rz. 60.

165

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

stand der früheren Richtlinien zu fordern. Dies widerspräche der auch im Betriebsverfassungsrecht generell bestehenden Möglichkeit, kollektivrechtliche Regelungen abzuändern und/oder zu beenden. Konsequenz der Ablösung der Richtlinie durch die Gesamtbetriebsvereinbarung war, dass mit Beendigung der Gesamtbetriebsvereinbarung auch der Anspruch der Klägerin in Gänze entfallen war. Dies galt ohne Rücksicht auf den Umstand, dass nach der Gesamtbetriebsvereinbarung eine Sonderzahlung in Höhe von 90 % des Jubiläumsgeldes ohnehin nur für den Fall einer Beendigung aufgrund betriebsbedingter Kündigung hätte gezahlt werden müssen. Entscheidend war, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung keine Nachwirkung entfaltete, sodass über den 28.2.2013 hinaus darauf zur Begründung eines Anspruchs kein Bezug mehr genommen werden konnte. Für die betriebliche Praxis ergeben sich durch diese Rechtsprechung erhebliche Erleichterungen bei der Harmonisierung von Arbeitsbedingungen. Denn sie öffnen die Möglichkeit, mit Betriebsvereinbarungen in den Grenzen der betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeit von Betriebsrat, Gesamt- und Konzernbetriebsrat nicht nur bestehende Kollektivvereinbarungen anzupassen. Vielmehr ist es möglich, durch entsprechende Betriebsnormen auch Regelungen zu verändern, die in der Vergangenheit auf individualvertraglicher Ebene geschaffen wurden. Ausgenommen hiervon sind nur – wie ausgeführt – Regelungen zum Inhalt der Hauptleistungspflicht. (Ga)

6.

Datenschutzrechtliche Anforderungen an ITBetriebsvereinbarungen

a)

Ausgangssituation

Mit Blick auf die Verbindlichkeit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Inkrafttreten des geänderten BDSG am 25.5.2018 wird berechtigterweise die Frage gestellt, welche neuen Anforderungen beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen über die Nutzung von IT-Systemen zu beachten sind42. Wichtig allerdings ist, bei dieser Diskussion zwischen solchen Betriebsvereinbarungen zu unterscheiden, die nur einer Wahrung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats, insbesondere aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, dienen (partizipatorische Betriebsvereinbarungen), und solchen Betriebsvereinbarungen, mit denen auch eine datenschutzrechtlich relevante 42 Eingehend vgl. Dzida/Grau, DB 2018, 189 ff.; Grimm, ArbRB 2018, 122 ff.; Haußmann/Brauneisen, BB 2017, 3065 ff.; Kiesche/Wilke/Berger, AiB 2018/3, 15 ff.; Schrey/Kielkowski, BB 2018, 629 ff.; Wybitul, NZA 2017, 1488 ff.

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Datenschutzrechtliche Anforderungen an IT-Betriebsvereinbarungen

Rechtsgrundlage für das Verarbeiten personenbezogener Daten gesetzt werden soll (datenschutzrechtliche Betriebsvereinbarung)43. Nur die letztgenannte Betriebsvereinbarung muss den Anforderungen der gesetzlichen Änderungen Rechnung tragen. Eine (nur) partizipatorische Betriebsvereinbarung muss zwar dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Rechnung tragen (§ 75 Abs. 2 BetrVG). Die datenschutzrechtliche Rechtfertigung der Verarbeitung personenbezogener Daten wird in diesen Fällen allerdings bereits aus dem Gesetz – insbesondere also § 26 Abs. 1, 3 BDSG – abgeleitet. Datenschutzrechtliche Relevanz gewinnt eine solche Betriebsvereinbarung nur, wenn sie, was in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit schwierig sein dürfte, eine von der gesetzlichen Rechtfertigung abweichende und weiterreichende Verarbeitung dieser Daten erlauben wollte. Die wesentliche Schranke einer datenschutzrechtlichen Betriebsvereinbarung ergibt sich aus §§ 75 BetrVG, 26 BDSG i. V. m. der DSGVO. Ausgangspunkt ist dabei die aus den Erwägungsgründen 48, 155 DSGVO i. V. m. § 26 Abs. 4 BDSG folgende Berechtigung, die Verarbeitung personenbezogener Daten – auch unternehmensübergreifend – durch eine Betriebs-, Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung zu regeln. Dabei ist allerdings eine Reihe von Schranken zu berücksichtigen.

b)

Inhaltliche Schranken aus Art. 88 Abs. 2 DSGVO

Eine Kollektivvereinbarung, die datenschutzrechtliche Relevanz hat, muss Art. 88 Abs. 2 DSGVO beachten. Sie muss deshalb angemessen sein und besondere Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Person umfassen, insbesondere im Hinblick auf die Transparenz der Verarbeitung und die Übermittlung personenbezogener Daten innerhalb einer Unternehmensgruppe oder einer Gruppe von Unternehmen, die gemeinsame Wirtschaftstätigkeit ausüben. Dies gilt auch und insbesondere dann, wenn Überwachungssysteme am Arbeitsplatz in Rede stehen. Schlussendlich handelt es sich bei dieser Vorgabe um eine Konkretisierung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der um Prinzipien ergänzt wird, wie sie auch durch Art. 5 DSGVO festgelegt werden. Auch die dort genannten Vorgaben müssen durch den Arbeitgeber beim Abschluss einer Betriebsvereinbarung beachtet werden (§ 26 Abs. 5 BDSG). Dies bedeutet vor allem, dass die Regelungen ein legitimes Ziel verfolgen müssen und nur

43 Zutreffend differenzierend vgl. Wiese, GK-BetrVG § 87 Rz. 509; Schrey/Kielkowski, BB 2018, 629 ff.

167

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

in einer geeigneten, erforderlichen und auch unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers noch angemessenen Weise durch die Verarbeitung personenbezogener Daten in das Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers eingreifen dürfen. Vergleichbare Schranken hatten sich allerdings bereits in der Vergangenheit aus § 75 BetrVG i. V. m. der Datenschutzrichtlinie und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ergeben.

c)

Inhaltliche und formale Anforderungen aus Art. 5 DSGVO

Die wesentlichen Veränderungen in Bezug auf datenschutzrechtlich relevante Betriebsvereinbarungen dürften sich aus Art. 5 DSGVO ergeben. Dieser beschreibt allgemeine Grundsätze, die auch durch den Arbeitgeber bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu berücksichtigen sind. Zu diesen Prinzipien gehören •

Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz,



Zweckbindung,



Datenminimierung,



Richtigkeit,



Speicherbegrenzung,



Integrität und Vertraulichkeit.

Wichtig ist, dass der Arbeitgeber als Verantwortlicher die Einhaltung dieser Grundsätze gewährleisten und dies im Einzelfall auch nachweisen können muss (Rechenschaftspflicht). Aus den Prinzipien der Rechtmäßigkeit und Transparenz in Art. 5 lit. a) und b) DSGVO folgt, dass die Betriebsvereinbarung selbst beschreiben muss, welche Daten, zu welchem Zweck durch wen verarbeitet werden. Da insoweit ein gesetzliches Schriftformerfordernis gilt (§ 77 BetrVG), genügt es nicht, dass entsprechende Informationen den betroffenen Arbeitnehmern durch gesonderte Dokumente verfügbar gemacht werden. Dies gilt selbst dann, wenn die entsprechenden Informationen zur Erfüllung der aus Art. 12 ff. DSGVO resultierenden Unterrichtungspflicht übermittelt werden44. Nur solche Angaben, die in der Betriebsvereinbarung oder Anlagen enthalten sind, die nach den allgemeinen Grundsätzen als Bestandteil der Betriebsvereinbarung gelten, können eine datenschutzrechtliche Rechtfertigung durch Kollektivvereinbarung bilden.

44 Hierzu vgl. B. Gaul, AktuellAR 2018, 41 ff.

168

Datenschutzrechtliche Anforderungen an IT-Betriebsvereinbarungen

Durch das Prinzip der Integrität und Vertraulichkeit ist der Arbeitgeber verpflichtet, in Bezug auf die personenbezogenen Daten ein individuelles Zugriffskonzept einschließlich einer etwaigen Verschlüsselung bzw. Zugriffsbegrenzung festzulegen (Art. 5 lit. f) DSGVO). Das aus Art. 5 lit. e) DSGVO folgende Prinzip einer Speicherbegrenzung verpflichtet ihn, auch ein Löschungskonzept festzulegen. Darüber hinaus ist zu gewährleisten, dass unrichtige Daten, die auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung verarbeitet werden, korrigiert werden (Art. 5 lit. d) DSGVO). Wichtig allerdings ist, dass das Prinzip der Integrität und Vertraulichkeit, der Speicherbegrenzung und Richtigkeit auch durch eine RahmenBetriebsvereinbarung umgesetzt werden kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Prinzipien keine weitergehende Konkretisierung in Bezug auf bestimmte personenbezogene Daten erforderlich machen. Eine RahmenBetriebsvereinbarung dürfte allerdings ungeeignet sein, zugleich auch die Informationspflichten aus Art. 12 ff. DSGVO zu übermitteln45. Hier müssen gesonderte Formen der Unterrichtung – ggf. unter Einbindung des Intranets – etabliert werden.

d)

Schrankenlose Verarbeitungsverbote

In der Praxis wurden in Betriebsvereinbarungen zur Verarbeitung personenbezogener Daten vielfach Verbote aufgenommen, die dem Arbeitgeber untersagen sollten, personenbezogene Daten zum Zwecke der Leistungs- und Verhaltenskontrolle zu nutzen. Weitergehend wurde auch ausgeschlossen, dass für den Fall entsprechender Erkenntnisse des Arbeitgebers über die Leistung oder das Verhalten von Arbeitnehmern arbeitsrechtliche Sanktionsmittel ergriffen werden dürfen. Dies sollte insbesondere Abmahnungen oder Kündigungen ausschließen, selbst wenn ein Missbrauch der Daten erfolgt war oder eine fehlerhafte Nutzung betrieblicher Einrichtungen zur Verarbeitung dieser Daten in Rede stand. Losgelöst von der Frage, ob mit solchen Regelungen überhaupt wirksam eine prozessuale Verwertbarkeit entsprechender Daten ausgeschlossen werden kann46, bestehen erhebliche Zweifel, ob damit auch die datenschutzrechtlichen Schranken beachtet werden. Zwar wird darin zum Teil eine „angemessene Regelung“ zum Schutz des Arbeitnehmers vor einer weitergehenden Verarbeitung personenbezogener Daten i. S. d. Art. 88 Abs. 2 DSGVO gesehen. Dies erscheint mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 lit. c) und f) DSGVO aller-

45 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2018, 41 ff., 47 ff. 46 Abl. Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2018, 413, 416 f.

169

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

dings fraglich. Denn die dort getroffene Regelung dürfte einem abstraktgenerellen Verarbeitungsverbot zum Nachteil des Arbeitgebers entgegenstehen, wenn die Verarbeitung auch dann ausgeschlossen sein soll, falls überwiegende Interessen des Arbeitgebers – ggf. sogar gesetzliche Pflichten – in Rede stehen. Zu Recht hatte der EuGH aus der vergleichbaren Regelung in Art. 7 Richtlinie 95/46/EG ein Verbot abgeleitet, weitergehende Einschränkungen auf nationaler Ebene festzulegen. Darin läge – so der EuGH – ein unverhältnismäßiger Eingriff in die unternehmerische Freiheit, die durch Art. 16 GRC geschützt wird. Ob die Rechtsprechung diesen Überlegungen folgen wird, ist derzeit offen47. Wichtig dürfte sein sicherzustellen, dass keine ausnahmslosen Verwertungsverbote vereinbart werden. Denn darin dürfte auch ein Verstoß gegen die Pflicht des Arbeitgebers liegen, für die Einhaltung des Rechts im Unternehmen zu sorgen. Diese Compliance ist nicht gewährleistet, wenn bei dem Verdacht einer Pflichtverletzung keine Aufklärung und bei etwaigen Verstößen keine Sanktion erfolgen kann. Dass eine Verwertung von der Einbindung des Betriebsrats und/oder des Datenschutzbeauftragten abhängig gemacht wird, erscheint nicht nur zulässig, sondern durchaus auch sinnvoll.

e)

Fazit

Die vorstehenden Anforderungen an datenschutzrechtlich relevante Betriebsvereinbarungen gelten nicht nur für solche Regelungen, die nach dem 25.5.2018 getroffen werden. Auch ältere Betriebsvereinbarungen, die eine eigenständige Rechtsgrundlage zur Verarbeitung personenbezogener Daten bilden sollen, müssen entsprechend angepasst werden. Ergänzend hierzu ist mit Blick auf die Risiken, die mit der jeweils in Rede stehenden Verarbeitung personenbezogener Daten verbunden sein können, an die Pflicht zur Datenschutz-Folgenabschätzung (Art. 35 DSGVO) zu denken. (Ga)

7.

Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats

Grundsätzlich ist von einer Primärzuständigkeit des örtlichen Betriebsrats auszugehen48. Für Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die örtlichen Betriebsräte innerhalb der Betriebe geregelt werden können, ist hingegen der Gesamtbetriebsrat zuständig (§ 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG). Die jeweiligen Mitbestimmungsrechte des Einzel- und Gesamtbetriebsrats schließen sich gegenseitig aus, so dass 47 Diff. vgl. Dzida/Grau, DB 2018, 189, 192. 48 BAG v. 18.10.1994 – 1 ABR 17/94, NZA 1995, 390 ff.

170

Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats

keine Mitbestimmungsrechte des örtlichen Betriebsrats bestehen, wenn der Gesamtbetriebsrat nicht tätig wird oder pflichtwidrig nicht gebildet wurde49. Eine einheitliche mitbestimmungspflichtige Angelegenheit kann auch nicht je nach Zuständigkeit des Gesamt- bzw. örtlichen Betriebsrats aufgeteilt werden50. Hier gilt die Einheitlichkeit der Mitbestimmung.

a)

Maßnahmen im Bereich des Gesundheitsschutzes

Das BAG sprach einem örtlichen Betriebsrat allerdings ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 3 a Abs. 1 S. 1 ArbStättV und Punkt 3.5 des Anhangs zur ArbStättV bei Maßnahmen zur Verringerung von Belastungen durch Hitze oder Kälte in den Arbeitsräumen zu51. Im vorliegenden Fall beinhaltete der Maßnahmenkatalog der von der Einigungsstelle beschlossenen Betriebsvereinbarung (BV Klima), dass die Arbeitnehmer bei unter 17 °C einen an die Dienstkleidung angepassten Pullover tragen dürfen und bei über 30 °C keine Krawatte tragen müssen. Die Arbeitgeberin rügte das Vorliegen eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und die generelle Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats für diese Angelegenheit, denn das Tragen der Dienstkleidung war bereits in einer Gesamtbetriebsvereinbarung geregelt worden. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat bei betrieblichen Maßnahmen über den Gesundheitsschutz ein Mitbestimmungs- und Zustimmungsverweigerungsrecht, sofern eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und mangels zwingender gesetzlicher Vorgaben eine betriebliche Vorkehrung notwendig ist, um den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu gewährleisten52. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber den Gesundheitsschutz zentral verwaltet. Eine unmittelbare Gefahr ist nicht Voraussetzung für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, wenn der Arbeitgeber als Folge einer feststehenden Gefährdung verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen53. Sind Gefährdungen oder Gefahren noch unbekannt, erfasst das Mitbestimmungs-

49 BAG v. 18.7.2017 – 1 ABR 59/15, NZA 2017, 1615 ff. Rz. 20; ErfK/Koch, BetrVG § 50 Rz. 2 f.; a. A. bzgl. der Notwendigkeit einer überbetrieblichen Angelegenheit: Däubler, DB 2017, 667 ff. 50 BAG v. 8.6.2004 – 1 ABR 4/03, NZA 2005, 227 ff. Rz. 33 ff. 51 BAG v. 18.7.2017 – 1 ABR 59/15, NZA 2017, 1615 ff. 52 BAG v. 18.7.2017 – 1 ABR 59/15, NZA 2017, 1615 ff. Rz. 13; BAG v. 28.3.2017 – 1 ABR 25/15, NZA 2017, 1132 ff. Rz. 18. 53 Vgl. Oberberg/Hien, NZA 2018, 18 ff.; Steffgen/Heimes/Bücks, AiB 2018/1, 26 ff.; a. A. LAG Berlin-Brandenburg v. 25.3.2015 – 23 TaBV 1448/14, AuR 2016, 32 ff.

171

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

recht die nach §§ 5 Abs. 1 ArbSchG, 10 MuSchG erforderliche Gefährdungsbeurteilung54. Der Arbeitgeber hat den Arbeitsplatz gemäß § 3 a Abs. 1 S. 1 ArbStättV so zu gestalten, dass Gefährdungen für die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer so gering wie möglich zu halten sind55. Im Anhang 3.5 der ArbStättV wird ferner eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur gefordert. Die zur Konkretisierung beschlossenen technischen Regeln für Arbeitsstätten „Raumtemperatur ASR A 3.5“56 sind keine Rechtnormen – so das BAG – und daher abdingbar. Sie haben aber praktische Bedeutung, da sie als dokumentierte, allgemein anerkannte Regeln bzw. gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse angesehen werden können. Die Betriebsparteien können davon abweichen, sofern durch andere Maßnahmen die gleiche Sicherheit und der gleiche Gesundheitsschutz erreicht werde57. Nach den aktuellen Feststellungen des BAG folgt aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG für eine unternehmenseinheitliche Dienstkleidung aber nicht notwendig seine Zuständigkeit für personenbezogene Maßnahmen, die das Lockern der Kleidungsregeln beinhalten und den aus § 3 a Abs. 1 S. 1 ArbStättV und Punkt 3.5 des Anhangs folgenden Pflichten des Arbeitgebers Rechnung tragen sollen58. Zwar sei die einheitliche Unternehmensbekleidung Gegenstand des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Sie betreffe aber die betriebliche Ordnung, nicht den hier in Rede stehenden Gesundheitsschutz nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG59. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG müsse vom örtlichen, sachnäheren Betriebsrat ausgeübt werden, der die klimatischen Bedingungen vor Ort besser beurteilen könne60. Bezögen sich Regelungstatbestände auf unterschiedliche Mitbestimmungsrechte, folge aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für eine Regelungsmaterie keine solche für eine andere61. Der Beschluss des BAG erscheint auf den ersten Blick nachvollziehbar, wenn man nur die Mitbestimmung in Bezug auf die arbeitsschutzrechtlichen 54 BAG v. 18.7.2017 – 1 ABR 59/15, NZA 2017, 1615 ff. Rz. 16; BAG v. 28.3.2017 – 1 ABR 25/15, NZA 2017, 1132 ff. Rz. 27; ausf. zur Maßgeblichkeit von Gefährdungsbeurteilung: Oberberg/Hien, NZA 2018, 18, 20 f. 55 Zur ArbStättV: B. Gaul, AktuellAR 2016, 369 ff.; 2017, 327 f. 56 GMBl. 2017, 400. 57 BAG v. 18.7.2017 – 1 ABR 59/15, NZA 2017, 1615 ff. Rz. 25. 58 BAG v. 18.7.2017 – 1 ABR 59/15, NZA 2017, 1615 ff. Rz. 21. 59 Vgl. BAG v. 21.7.2009 – 1 ABR 42/08, NZA 2009, 1049 ff. Rz. 23. 60 BAG v. 8.6.2004 – 1 ABR 4/03, NZA 2005, 227 ff. Rz. 30 ff.; Fitting, BetrVG § 50 Rz. 42. 61 BAG v. 3.5.2006 – 1 ABR 15/05, NZA 2007, 1245 ff. Rz. 27.

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Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats

Aspekte beachtet. Außerordentlich problematisch erscheint aber, dass überhaupt nicht berücksichtigt wird, dass mit den betriebsbezogenen Regelungen zum Lockern der Kleidung das ursprüngliche Anliegen des Arbeitgebers, ein einheitliches Auftraten der Belegschaft mit einheitlicher Kleidung nicht mehr gewährleistet ist. Diese überschneidende Wirkungsweise der Mitbestimmungsrechte aus §§ 87 Abs. 1 Nr. 1, 7 BetrVG hätte nach der Einheitlichkeit der Mitbestimmung zu Gunsten des Gesamtbetriebsrats aufgelöst werden müssen. Nur dort, wo Mitbestimmung von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat nebeneinander wahrgenommen werden können, erscheint auch die gleichzeitige Zuständigkeit vertretbar.

b)

Einsichtnahme in unternehmensbezogene Lohn- und Gehaltsliste

Das BAG entschied mit Urteil vom 26.9.201762, dass ein örtlicher Betriebsrat eines Unternehmens keinen Anspruch auf Einsichtnahme in unternehmensbezogene Bruttoentgeltlisten habe. Vorliegend begehrte der örtliche Betriebsrat die Prüfung, ob die von ihm repräsentierten Beschäftigten im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern des Unternehmens von der Arbeitgeberin benachteiligt wurden, da letztere womöglich finanzielle Leistungen ohne Sachgrund erhielten. Grundsätzlich ist dem Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG zwar auf Verlangen Einblick in die für seine Aufgaben erforderlichen Unterlagen zu gewähren. Der erforderliche Aufgabenbezug kann sich insbesondere daraus ergeben, dass der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen hat, dass die zu Gunsten des Arbeitnehmers geltenden Gesetze durchgeführt werden63. Dazu gehört die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einhaltung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes nach § 75 Abs. 1 BetrVG64. Voraussetzung ist aber, dass die Überprüfung einer Einhaltung dieses Grundsatzes auch die entsprechende Information erforderlich macht. Dies war vorliegend nicht der Fall. Begehrt ein Betriebsrat die Einsichtnahme in Gehaltslisten von Arbeitnehmern anderer Betriebe, ist die Voraussetzung des § 80 Abs. 2 S. 2 Halbs. 1 BetrVG deshalb nicht gegeben. Die un-

62 BAG v. 26.9.2017 – 1 ABR 27/16, NZA 2018, 108 ff. 63 BAG v. 26.9.2017 – 1 ABR 27/16, NZA 2018, 108 ff. Rz. 12. 64 BAG v. 14.1.2014 – 1 ABR 54/12, NZA 2014, 738 ff. Rz. 23.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

ternehmensweite Lohngerechtigkeit und –gestaltung unterfällt dem Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG65. Hiervon ausgehend hat das BAG klargestellt, dass der örtliche Betriebsrat durch eine Einsichtnahme in die überbetrieblichen Lohn- und Gehaltslisten nicht den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz wahren wollte, sondern herauszufinden begehrte, ob eine Rechtsgrundlage für mögliche Entgeltklagen der Arbeitnehmer seines Betriebs bestehen könnte66. Dieses Ermitteln „ins Blaue hinein“ sei nicht Teil der Überwachungsbefugnisse nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Folglich habe der einzelne Betriebsrat nur dann ein Einsichtsrecht, wenn festgestellt werden solle, ob ein Zustand innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit existiert oder durch eine veränderte Lohngestaltung erreicht werden könne67. Den Arbeitnehmern steht zwar ein Auskunftsanspruch gemäß § 10 EntgTranspG zu, für dessen Erfüllung auch der Betriebsrat Informationen verlangen kann. Das entsprechende Einsichtsrecht bezieht sich dann aber ebenfalls nur auf die Entgeltlisten der Arbeitnehmer des Betriebs, dessen Betriebsrat den Ausschuss gewählt hat (§§ 12 Abs. 2 EntgTranspG, 27 Abs. 1 BetrVG)68. (Kr)

8.

Mitbestimmung des Betriebsrats in Arbeitszeitfragen

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht, bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen. Das Beteiligungsrecht dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung zu bringen69. Die Lage der täglichen Arbeitszeit i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist die Zeit, während derer der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich zu erbringen hat. Es geht um die Festlegung des Zeitraums, während dessen der Ar65 Vgl. BT-Drucks. 18/11133 S. 13; BAG v. 26.9.2017 – 1 ABR 27/16, NZA 2018, 108 ff. Rz. 15; LAG Saarland v. 27.7.2016 – 2 TaBV 2/16 n. v. Rz. 77; ErfK/Koch, BetrVG § 50 Rz. 3 ff. 66 BAG v. 26.9.2017 – 1 ABR 27/16, NZA 2018, 108 ff. Rz. 17. 67 BAG v. 26.9.2017 – 1 ABR 27/16, NZA 2018, 108 ff. Rz. 13. 68 Kania, NZA 2017, 817, 822 ff.. 69 BAG v. 26.9.2017 – 1 ABR 57/15, NZA 2018, 194 ff. Rz. 19; BAG v. 22.8.2017 – 1 ABR 24/16, NZA 2018, 115 ff. Rz. 23; BAG v. 17.11.20 ff.15 – 1 ABR 76/13, NZA 2016, 247 ff. Rz. 24.

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Mitbestimmung des Betriebsrats in Arbeitszeitfragen

beitgeber vom Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vertraglichen Leistungspflichten verlangen und dieser sie ihm ggf. mit der Folge des § 293 BGB anbieten kann. Arbeitszeit i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist deshalb die Zeit, in welcher der Arbeitnehmer verpflichtet bzw. berechtigt ist, seine vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten70. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat der Betriebsrat des Weiteren mitzubestimmen bei der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit. Inhalt des Mitbestimmungsrechts ist dabei die Regelungsfrage, ob zusätzlicher Arbeitsbedarf durch eine vorübergehende Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit abgedeckt werden soll und welche Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen in welchem Umfang diese Arbeit leisten sollen71.

a)

Festlegung von Ausgleichszeiträumen und Schwankungsbreiten

Ob die Festlegung eines Ausgleichszeitraums der regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit sowie der Schwankungsbreite eines Arbeitszeitkontos die Lage der Arbeitszeit i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG betreffen und damit der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen, war Gegenstand der Entscheidung des 1. Senats des BAG vom 26.9.201772. Die Besonderheit der Fallkonstellation bestand darin, dass die von dieser Frage betroffenen Arbeitnehmer im Betrieb eines anderen Arbeitgebers auf der Grundlage von Gestellungsverträgen eingesetzt wurden, jedoch der Betriebsrat des entsendenden Betriebs ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht reklamierte. Die im Beschäftigungsbetrieb auf der Grundlage eines Tarifvertrags geregelte regelmäßige Arbeitszeit belief sich auf 38,5 Stunden wöchentlich, wobei jedoch für die Berechnung des Durchschnitts ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde gelegt werden konnte. Der Einsatz der gestellten Arbeitnehmer erfolgte nach Schichtplänen, die mit dem Betriebsrat des Einsatzbetriebs vereinbart worden waren. Der Betriebsrat des Arbeitgebers beanspruchte seinerseits den Abschluss einer Betriebsvereinbarung, die als Regelungsgegenstand die Ausgleichszeiträume sowie zulässige Plus- und Minusstunden der bei dem Dritten eingesetzten Arbeitnehmer beinhalten sollte. 70 BAG v. 17.11.2015 – 1 ABR 76/13, NZA 2016, 247 ff. Rz. 24; BAG v. 14.11.2006 – 1 ABR 5/06, NZA 2007, 458 ff. Rz. 27. 71 BAG v. 26.9.2017 – 1 ABR 57/15, NZA 2018, 194 ff. Rz. 20; BAG 24.4.2007 – 1 ABR 47/06, NZA 2007, 818 ff. Rz. 14. 72 BAG v. 26.9.2017 – 1 ABR 57/15, NZA 2018, 194 ff.

175

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Damit ergaben sich zwei Fragen: Zum einen bedurfte es der Klärung, ob die Festlegung der Ausgleichszeiträume sowie der Schwankungsbreite eines Arbeitszeitkontos überhaupt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterliegt; zum anderen ging es darum, ob der Betriebsrat des Einsatzbetriebes oder der Betriebsrat des Arbeitgebers als Träger des Mitbestimmungsrechts in Betracht kam. Das BAG hat ein Mitbestimmungsrecht für die hier fraglichen Regelungsgegenstände nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bejaht, weil die Festlegung eines Ausgleichszeitraums der regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit sowie die Schwankungsbreite des Arbeitszeitkontos mit der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie deren Verteilung auf die einzelnen Wochentage in einem untrennbaren Zusammenhang stünde. Bestimme sich das zeitliche Maß der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitszeit nach einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit in einem bestimmten Zeitraum, müsse neben der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit zugleich festgelegt werden, inwieweit Unteroder Überschreitungen einer vorgegebenen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit aufgrund der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden auszugleichen seien. Auch die zulässige Schwankungsbreite des Arbeitszeitkontos beträfe die Lage und die Verteilung der Arbeitszeit im Sinne des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG73. Allerdings war der Antrag des Betriebsrats des Arbeitgebers, diese Feststellung zu treffen, beim BAG erfolglos, weil das Mitbestimmungsrecht der hier streitigen Regelungsgegenstände dem Betriebsrat des Einsatzbetriebs, nicht aber dem antragstellenden Betriebsrat zustand. Das BAG führt in diesem Zusammenhang überzeugend aus, dass sich die Zuständigkeit für die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten nach dem Gegenstand des Mitbestimmungsrechts und der darauf bezogenen Entscheidungsmacht des jeweiligen Arbeitgebers richtet, wenn – wie hier – eine sog. gespaltene Arbeitgeberstellung vorliegt. In Fragen der Arbeitszeit sei Gegenstand des Mitbestimmungsrechts das Interesse der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit, die zugleich die ihrer freien Zeit bestimme. Seien Arbeitnehmer in einen Drittbetrieb integriert, so begründe dieser Normzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG die Zuständigkeit des dortigen Betriebsrats, weil dem Arbeitgeber des Einsatzbetriebs anstelle des Vertragsarbeitgebers bezüglich der Organisation der Arbeitszeit das Weisungsrecht hinsichtlich der gestellten Arbeitnehmer zustünde.

73 So bereits BAG v. 30.5.2006 – 1 ABR 21/05 n. v. Rz. 21.

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Mitbestimmung des Betriebsrats in Arbeitszeitfragen

b)

Einbindung von Arbeitnehmern in Schichtsysteme

Ob die Zuordnung von neu eingestellten Arbeitnehmern zu den jeweiligen betrieblichen Dienstplänen als Festlegung der konkreten Lage und Verteilung der Arbeitszeit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterliegt, hat den 1. Senat des BAG in zwei Parallelentscheidungen vom 22.8.201774 beschäftigen müssen. Auf der Grundlage des einschlägigen Tarifvertrags, der für die Verteilung der Arbeitszeit die Schaffung von Dienstplänen vorsieht, vereinbarten der antragstellende Betriebsrat und die Arbeitgeberin, die an den Tarifvertrag gebunden ist, sog. arbeitsplatzbezogene Rahmendienstpläne, in denen die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Arbeitstage sowie deren Beginn und Ende festgelegt sind. Die Arbeitgeberin hat bislang den Betriebsrat bei der Zuordnung der einzelnen Arbeitnehmer zu den konkreten Dienstplänen ebenso wenig beteiligt wie bei der erstmaligen Zuweisung neu eingestellter Arbeitnehmer. Im Zusammenhang mit der Beteiligung des Betriebsrats an der Einstellung befristet beschäftigter Arbeitnehmer, kam es zwischen den Beteiligten zu einem Zustimmungsersetzungsverfahren (§ 99 Abs. 4 BetrVG) im Zusammenhang mit einer vorläufigen Beschäftigung der Arbeitnehmer nach § 100 BetrVG. In diesem Verfahren hat der Betriebsrat im Wege eines Widerantrags ein Unterlassungsbegehren gegen die Arbeitgeberin anhängig gemacht und die Auffassung vertreten, auch bei der konkreten erstmaligen Zuordnung neu eingestellter Arbeitnehmer zu den vereinbarten Rahmendienstplänen ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu haben. Deshalb habe die Arbeitgeberin deren Arbeitseinsatz zu unterlassen, bevor nicht die Zustimmung des Betriebsrats vorläge oder durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt sei. Dieses Mitbestimmungsrecht entfalle weder wegen der zwingenden Beteiligung in personellen Angelegenheiten nach § 99 BetrVG noch infolge der bisherigen Duldung des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens der Arbeitgeberin. Die Arbeitgeberin hat sich vor allem damit verteidigt, die Einteilung der neu eingestellten Arbeitnehmer erfolge bereits vor deren tatsächlichen Eingliederungen in die Betriebsorganisation. Außerdem enthielten die §§ 99, 100 BetrVG bei Neueinstellungen abschließende Regelungen, weil der Betriebsrat ansonsten im Falle einer Nichteinigung über die Zuweisung kurzzeitig Beschäftigter zu einem Dienstplan ein faktisches Beschäftigungsverbot erzwingen könne. Das BAG hat den Widerantrag des Betriebsrats für begründet gehalten und den Betriebsrat für berechtigt angesehen, sich für sein Unterlassungsbegeh-

74 BAG v. 22.8.2017 – 1 ABR 4/16, NZA 2018, 191 ff. und 1 ABR 5/16 n. v.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

ren auf eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG berufen zu können. Zunächst knüpft das BAG an die bisherige Rechtsprechung75 an, wonach sich der Betriebsrat gegen zu erwartende weitere Verstöße des Arbeitgebers gegen ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 BetrVG unabhängig von den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG im Wege eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs wehren könne. Sodann geht das BAG unter Hinweis auf den Zweck des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien und für die Gestaltung ihres Privatlebens nutzbaren Zeit zur Geltung zu bringen, davon aus, dass die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in diesem Sinne bei Rahmendienstplänen nicht nur deren Erstellung und Ausgestaltung bezogen auf Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie die Lage der Pausen, sondern auch die Bestimmung desjenigen Personenkreises, der seine Arbeitsleistung danach zu erbringen hat, umfassten. Die Mitbestimmung betreffe zusätzlich die Zuordnung der einzelnen Arbeitnehmer zu einem mitbestimmten Dienstplan76. Auch bei der Zuordnung eines einzelnen Arbeitnehmers zu einem Dienstplan würden nämlich kollektive Interessen der Arbeitnehmer des Betriebs berührt, weil es um die Frage ginge, welche Arbeitnehmer zu welcher Zeit mit welchen anderen Arbeitnehmern ihre Arbeitsleistung zu erbringen hätten77. Dieses Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gelte auch für neu eingestellte Arbeitnehmer und setze nicht bereits die Aufnahme der Arbeit an einem vom Arbeitgeber zugewiesenen Arbeitsplatz voraus. Ebenso wenig werde das Mitbestimmungsrecht durch die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten verdrängt, sodass die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 99 BetrVG und § 87 BetrVG selbständig nebeneinander stünden78. Dieser Bewertung des BAG ist schon deshalb beizutreten, weil die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in personellen und sozialen Angelegenheiten unterschiedliche Regelungsgegenstände betreffen und –

75 BAG v. 30.6.2015 – 1 ABR 71/13 n. v. Rz. 16; BAG v. 25.9.2012 – 1 ABR 49/11, NZA 2013, 159 ff. Rz. 19. 76 So bereits BAG v. 19.6.2012 – 1 ABR 19/11, NZA 2012, 1237 ff. Rz. 18; BAG v. 28.5.2002 – 1 ABR 40/01, NZA 2003, 1352 ff. Rz. 30. 77 Vgl. BAG v. 24.4.2007 – 1 ABR 47/06, NZA 2007, 818 ff. Rz. 19. 78 A. A. aber Bayreuther, NZA 2016, 921, 922; krit. und die Entscheidung des BAG abl. Groß, ArbR 2018, 37 ff..

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Mitbestimmung bei konzernweiter Mitarbeiterbefragung

wie das BAG zu Recht hervorhebt – mit jeweils anderen Konfliktlösungsmechanismen ausgestattet sind. Das BAG lässt den Unterlassungsanspruch des Betriebsrats im Streitfall nicht daran scheitern, dass er in der Vergangenheit sein Mitbestimmungsrecht nicht in Anspruch genommen hat. Die Begründung hierfür liegt darin, dass der Betriebsrat weder auf sein Mitbestimmungsrecht verzichten noch das Mitbestimmungsrecht verwirken kann79. Die Bedeutung dieser Entscheidung des BAG für die betriebliche Praxis liegt vor allem darin, dass bereits im Tarifvertrag, jedenfalls in den Dienstpläne regelnden Betriebsvereinbarungen die Verfahrensweise der Zuordnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Schichten festgelegt werden sollte. Dazu kann gehören, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber zunächst die Schichtzuweisung einseitig vornehmen darf, weil der Arbeitgeber dieses Problem nicht über § 99 BetrVG oder eine vorläufige Personalmaßnahme nach § 100 BetrVG in seinem Sinne lösen kann. Andernfalls muss der Arbeitgeber hinnehmen, dass mit der notwendigen Zuordnung des einzelnen neu eingestellten Arbeitnehmers zu den einzelnen Schichten der Mitbestimmungstatbestand nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG einhergeht und faktisch zu einer paritätischen Beteiligung des Betriebsrats bei einer Einstellung führt. (Boe)

9.

Mitbestimmung bei konzernweiter Mitarbeiterbefragung

Mitarbeiterbefragungen sind für die Arbeitgeberseite ein sehr geeignetes Mittel, um einen Eindruck von der Sichtweise einer Belegschaft z. B. in Bezug auf die Arbeitsbelastung, den gegenwärtigen Zustand der Personalentwicklung, Maßnahmen des Gesundheitsschutzes oder die Zufriedenheit mit dem Arbeitsumfeld zu gewinnen. Voraussetzung ist natürlich, dass die verschiedenen Aspekte ganzheitlich abgefragt werden und die Antworten auch erlauben, kritische Sichtweisen wiederzugeben. Vielfach setzt dies voraus, dass die Teilnahme an entsprechenden Mitarbeiterbefragungen freiwillig erfolgt und eine anonyme Auswertung gewährleistet ist. In dem der Entscheidung des BAG vom 21.1.201780 zugrunde liegenden Fall beabsichtigte ein Universitätsklinikum als Konzernobergesellschaft, auf der 79 BAG v. 28.8.2007 – 1 ABR 70/06, NZA 2008, 188 ff. Rz. 14; BAG v. 3.6.2003 – 1 AZR 349/02, NZA 2003, 1155 ff. Rz. 53; BAG v. 14.12.1999 – 1 ABR 27/98, NZA 2000, 783 ff. Rz. 26. 80 BAG v. 21.1.2017 – ABR 47/16, NZA 2018, 380 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Grundlage eines Vorstandsbeschlusses – wie bereits im Jahre 2012 – auch im Jahre 2015 eine konzernweite Mitarbeiterbefragung durchzuführen. Mit der Durchführung war ein externer Dienstleister beauftragt worden, der Fragebögen bereitstellen, versenden und nach Rücksendung auswerten sollte. Hierfür hatte das Universitätsklinikum die Beschäftigtenadressen zur Verfügung gestellt. Ausweislich entsprechender Mitteilungen der hierfür zuständigen Bereiche sollte die Befragung nicht nur zeigen, ob umgesetzte Maßnahmen aus der Vorgängerbefragung Veränderungen der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach sich gezogen hatten. Darüber hinaus sollten Handlungsbedarfe insbesondere in Bezug auf folgende Bereiche, erkennbar gemacht werden, damit daran anknüpfend Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet werden können: • Führungs- und Unternehmenskultur bzw. Verhältnis zu direkten Vorgesetzten, • Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit, • betriebliches Gesundheitsmanagement, • (interdisziplinäre/interprofessionelle) Zusammenarbeit, • Bedingungen der Patientenversorgung.

Darüber hinaus sollte die Mitarbeiterbefragung als Chance genutzt werden, das Universitätsklinikum als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren. Wie das Universitätsklinikum auch im Intranet bekannt gab, wurde die Mitarbeiterbefragung anonym durchgeführt. Hierzu wurden die Fragebögen nach dem Ausfüllen durch die Arbeitnehmer direkt an den externen Dienstleister geschickt. Das Universitätsklinikum bekam diese Fragebögen, die für alle Mitarbeiter den gleichen Inhalt enthielten, nicht zu sehen. Nach einer Auswertung durch den externen Dienstleister sollte auch das Universitätsklinikum lediglich zusammengefasste Auswertungen erhalten, aus denen nicht geschlossen werden konnte, was eine einzelne Person geantwortet hatte. Der Konzernbetriebsrat, den es beim Universitätsklinikum gab, war offenbar nicht beteiligt worden. Unabhängig davon machte der Betriebsrat des Herzzentrums, das eine Tochtergesellschaft des Universitätsklinikums war, geltend, dass die Mitarbeiterbefragung nur mit seiner Zustimmung oder einer die Zustimmung ersetzenden Entscheidung der Einigungsstelle durchgeführt werden könne. Das Herzzentrum sollte deshalb im Wege des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens verurteilt werden, das Universitätsklinikum auf180

Mitbestimmung bei konzernweiter Mitarbeiterbefragung

zufordern, die Mitarbeiterbefragung nicht ohne diese Form einer Beteiligung des Betriebsrats durchzuführen. Zur Begründung verwies der Betriebsrat darauf, dass es sich insgesamt um eine Gefährdungsbeurteilung bzw. eine Maßnahme des Gesundheitsschutzes und darüber hinaus um einen mitzubestimmenden Personalfragebogen handele. Das BAG ist dieser Sichtweise zu Recht nicht gefolgt und hat ein Mitbestimmungsrecht abgelehnt. Zunächst einmal hat der 1. Senat des BAG deutlich gemacht, dass die durch den Betriebsrat beanspruchte Rechtsfolge nicht auf datenschutzrechtliche Erwägungen gestützt werden konnte. Denn selbst wenn die Mitarbeiterbefragung als Konsequenz des Zweckbindungsgebots im Hinblick auf die Verwendung der Adressen der einbezogenen Arbeitnehmer datenschutzrechtliche Fragen auslösen könnte, könne der Betriebsrat nicht aus eigenem Recht verlangen, dass das Herzzentrum gegenüber dem Universitätsklinikum tätig werdw. Denn eine etwaige Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Mitarbeiter sei ein Individualanspruch, der nicht durch den Betriebsrat als Organ der Betriebsverfassung geltend gemacht werden könne. Ungeachtet dessen hat das BAG allerdings auch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats des Herzzentrums in Bezug auf die durch das Universitätsklinikum als Konzernobergesellschaft durchgeführte Mitarbeiterbefragung abgelehnt. Das Fehlen eines Mitbestimmungsrechts folge – so das BAG – bereits daraus, dass die Mitarbeiterbefragung durch das Universitätsklinikum durchgeführt werde. Wenn damit feststehe, dass das Herzzentrum als der für den Betriebsrat zuständige Arbeitgeber nichts bestimme, sei auch ein Mitbestimmungsrecht nicht gegeben. Dies folge bereits aus der betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung81. Ungeachtet dessen hat das BAG auch ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG abgelehnt. Zwar hat der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften. Voraussetzung ist aber, dass die jeweils in Rede stehende Maßnahme der Beseitigung einer konkreten Gefahrenlage dient, dass sie eine Konsequenz einer vorliegenden oder festgestellten konkreten Gefährdung ist oder

81 BAG v. 21.11.2017 – 1 ABR 47/16, NZA 2018, 380 ff. Rz. 24.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

als Bestandteil einer Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird82. Diese Voraussetzungen waren bei der Durchführung einer Mitarbeiterbefragung der hier in Rede stehenden Art nicht erfüllt. Lässt man die Beseitigung einer konkreten Gefahr oder feststehenden Gefährdung einmal unberücksichtigt, eröffnet § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht nur bei der Frage, wie der Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung organisiert und durchführt. Mit der hier in Rede stehenden Mitarbeiterbefragung konnte dieses Ziel objektiv nicht erreicht werden. Denn die Gefährdungsbeurteilung als Instrument zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen dient – so das BAG – der Überprüfung, ob und ggf. welche Gefährdungen für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbunden sind. Durch sie sei zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich seien83. Einer solchen tätigkeitsbezogenen Beurteilung der Arbeitsbedingungen genügte die Mitarbeiterbefragung nicht. Sie ließ schon wegen der Freiwilligkeit ihrer Teilnahme und ihrer Anonymität, vor allem aber wegen ihres Konzernbezugs keine ortsgebundenen arbeitsplatz-, tätigkeits- und arbeitsbereichsbezogenen Schlüsse über Arbeitsbedingungen im Betrieb des Herzzentrums zu. Auch wenn Mitarbeiterbefragungen Bestandteil einer Gefährdungsbeurteilung sein können, erfüllte die hier in Rede stehende Maßnahme diese Anforderungen nicht84. Auch ein Personalfragebogen war in der Mitarbeiterbefragung nicht zu sehen, so dass auch ein Mitbestimmungsrecht aus § 94 Abs. 1 S. 1 BetrVG zu Recht abgelehnt worden ist. Die Beteiligung des Betriebsrats nach § 94 Abs. 1 BetrVG diene – so das BAG – dem präventiven Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers, soweit dieses durch Fragen des Arbeitgebers nach persönlichen Verhältnissen, Eigenschaften und Fähigkeiten beeinträchtigt werden könne. Eine solche Beeinträchtigung scheide vorliegend – ungeachtet der Frage einer ausreichenden Anonymisierung der Befragung – bereits deshalb aus, weil die Teilnahme an der Mitarbeiterbefragung strikt freiwillig ausgestaltet worden sei und es damit am Arbeitnehmer liege, ob und in welchem Umfang er die gestellten Fragen beantworte oder nicht. Auf der Grundlage der vorstehend wiedergegebenen Feststellungen des BAG ist es dem Arbeitgeber also möglich, Mitarbeiterbefragungen ohne Beteiligung eines Betriebsrats durchzuführen. Es müssen nur die hier gewählten Parameter eingehalten werden. Ungeachtet dessen bleibt es aber zu empfehlen, die Mitarbeitervertretung bei der Vorbereitung und Durchführung 82 BAG v. 18.7.2017 – 1 ABR 59/15, NZA 2017, 1615 ff. Rz. 16; BAG v. 28.3.2017 – 1 ABR 25/15, NZA 2017, 1132 ff. Rz. 27. 83 Oberberg/Hien, NZA 2018, 18, 20. 84 BAG v. 21.11.2017 – 1 ABR 47/16, NZA 2018, 380 ff. Rz. 26 f.

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Selbstverpflichtung zum Umgang mit mobilen Arbeitsmitteln außerhalb der Arbeitszeit

einzubinden. Die Akzeptanz einer Mitarbeiterbefragung dürfte deutlich höher sein und damit die Ergebnisse ein zutreffenderes Bild der Belegschaft vermitteln, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam die damit verbundene Ansprache der Belegschaft vornehmen. (Ga)

10. Selbstverpflichtung zum Umgang mit mobilen Arbeitsmitteln außerhalb der Arbeitszeit Die weite Verbreitung auch dienstlicher Kommunikationsmittel hat zur Folge, dass Arbeitnehmer nahezu rund um die Uhr erreichbar sind. Damit ist eine erhebliche Überschneidung von privaten und dienstlichen Interessen verbunden, die häufig zur Folge hat, dass auch außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit dienstliche Telefonate geführt und/oder E-Mails geschrieben werden. Es gibt Arbeitnehmer, die darin keine Belastung sehen. Diese Form der Einbindung in die betriebliche Tätigkeit wird insoweit als Bestandteil der Freiheit empfunden, die Zeit der Arbeit und der Freizeit flexibel den persönlichen Bedürfnissen anzupassen. Bei anderen Arbeitnehmern wird diese Form der Erreichbarkeit einschließlich der damit verbundenen Inanspruchnahme für dienstliche Aufgaben allerdings nicht nur als Beeinträchtigung der Lebensqualität, sondern auch als körperliche Belastung empfunden. Eine Reihe von Unternehmen haben sich deshalb – häufig gemeinsam mit der Arbeitnehmervertretung – entschlossen, Regeln zu bestimmen, die für die Nutzung solcher Kommunikationsmittel außerhalb der Arbeitszeit maßgeblich sind. Sie können in klaren Handlungspflichten zum Ausdruck kommen, die Arbeitnehmern verbieten, diese Kommunikationsmittel außerhalb der für ihre Arbeit reservierten Zeiten zu benutzen, sofern nicht bestimmte Ausnahmen gegeben sind. Solche Handlungspflichten lösen im Zweifel Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG aus, weil darin Festlegungen in Bezug auf die regelmäßige Arbeitszeit und/oder die ausnahmsweise Erweiterung dieser Arbeitszeit liegen. Denkbar ist auch, dass technische Maßnahmen bis hin zu einer Einstellung der Nutzungsmöglichkeiten (z. B. das Abschalten eines Servers) vereinbart werden, um sicherzustellen, dass entsprechende Handlungspflichten auch tatsächlich umgesetzt werden. Die Erfahrung zeigt freilich, dass solche Maßnahmen nur begrenzt wirken, weil häufig alternative Kommunikationsmöglichkeiten aus dem privaten Bereich in diesen Fällen an die Stelle der dienstlichen Kommunikationseinrichtung gestellt werden. Damit werden aber zusätzliche Probleme aus dem Bereich des Datenschutzes und des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen geschaffen.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

In dem dem Beschluss des BAG vom 22.8.201785 zugrunde liegenden Fall hatte die Deutsche Telekom AG bereits 2011 eine „Selbstverpflichtung zum Umgang mit mobilen Arbeitsmitteln (mobile devices) für tarifliche und außertarifliche Beschäftigte“ herausgegeben. Sie war im Intranet abrufbar und lautete auszugsweise wie folgt: Vorwort Veränderte Rahmenbedingungen und schnellwechselnde Trends prägen das Arbeitsleben der heutigen Zeit. (…) Um diesen Herausforderungen adäquat zu begegnen und doch weiterhin von den Vorteilen dieser neuen Kommunikationsmöglichkeiten zu profitieren, sind Empfehlungen notwendig, die Grenzen ziehen und die Erwartungen seitens des Unternehmens deutlich machen. (…) 2. Grundsätze (…) Wir schaffen ein Arbeitsumfeld, das motiviert, fördert und persönliche Freiräume zulässt. (…) Wir fordern und fördern einen verantwortungsvollen und wertschätzenden Umgang mit mobile devices. • Außerhalb der Arbeitszeit wird grundsätzlich nicht erwartet, dass mobile Arbeitsmittel dienstlich benutzt werden. • Wir achten die persönlichen Freiräume unserer Beschäftigten und gehen davon aus, dass im Urlaub auf Anrufe, Lesen und Bearbeiten von beruflichen E-Mails verzichtet wird. • Wir stellen hiermit klar, dass bei ausnahmsweiser Nutzung außerhalb der Arbeitszeit keine Erwartungshaltung für die umgehende Beantwortung und Bearbeitung von E-Mails besteht. Hierbei bauen wir auf die Selbstverantwortung eines jeden Beschäftigten. • Jeder Nutzer sollte sich bewusst fragen, ob ein E-Mail-Versand außerhalb der Arbeitszeit notwendig ist. • Ausnahmen bilden Krisensituationen und Situationen, in denen ein unmittelbares Handeln erforderlich ist. Hier ist die direkte Kommunikation per Anruf zu bevorzugen.

Wir setzen uns ein für eine von gegenseitigem Respekt geprägte Meetingkultur. (…)

85 BAG v. 22.8.2017 – 1 ABR 52/14, NZA 2018, 50 ff.

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Selbstverpflichtung zum Umgang mit mobilen Arbeitsmitteln außerhalb der Arbeitszeit

Der in einer Tochtergesellschaft gebildete Betriebsrat machte nunmehr geltend, dass eine Kommunikation dieser Selbstverpflichtung nicht ohne seine Zustimmung erfolgen dürfe. Zur Begründung verwies er auf sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, dessen Bestehen im Zusammenhang mit der Verbreitung der Selbstverpflichtung durch das BAG festgestellt werden sollte. Das BAG hat das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG abgelehnt. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts sei – so das BAG – das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Dieses könne der Arbeitgeber kraft seiner Leitungsmacht durch Verhaltensregeln und sonstige Maßnahmen beeinflussen und koordinieren. Regelungen und Weisungen, welche die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisierten (sog. Arbeitsverhalten), seien indes nicht mitbestimmungspflichtig86. Darüber hinaus sei der außerbetriebliche private Lebensbereich der Arbeitnehmer einer Regelungsbefugnis der Betriebsparteien entzogen. Auch § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG berechtige deshalb die Betriebsparteien nicht, in die private Lebensführung einzugreifen und begründe insoweit auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats87. Hiervon ausgehend ziele die streitgegenständliche Maßnahme nicht auf das Ordnungsverhalten der Mitarbeiter. Vielmehr bringe sie lediglich zum Ausdruck, dass mit der Ausgabe mobiler Arbeitsmittel keine stillschweigende Erwartung verbunden sei, diese auch außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit in der Freizeit zu dienstlichen Zwecken zu nutzen. Die damit einhergehende Konkretisierung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts betreffe deshalb auch das Arbeitsverhalten und nicht das betriebliche Verhalten der Arbeitnehmer untereinander. Dem ist zuzustimmen. Denn der Arbeitgeber bringt mit der Selbstverpflichtung gerade zum Ausdruck, dass die Möglichkeit der Erreichbarkeit seinerseits nicht dazu genutzt wird, Arbeitnehmer auf der Grundlage des Arbeitsvertrags zu verpflichten, hiervon auch tatsächlich Gebrauch zu machen. Im Gegenteil: Die Selbstverpflichtung appelliert an die Mitarbeiter, diese technischen Möglichkeiten nur im Ausnahmefall zu nutzen.

86 BAG v. 22.8.2017 – 1 ABR 52/14, NZA 2018, 50 ff. Rz. 24; BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 63/10, NZA 2012, 685 ff. Rz. 17. 87 BAG v. 22.8.2017 – 1 ABR 52/14, NZA 2018, 50 ff. Rz. 25; BAG v. 22.7.2008 – 1 ABR 40/07, NZA 2008, 1248 ff. Rz. 58 f.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

In entsprechender Weise handelt es sich bei der hier in Rede stehenden Selbstverpflichtung auch nicht um eine Vorgabe, mit der die Arbeitszeit festgelegt wird. Folgerichtig scheiden auch Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG aus. Allerdings bleibt damit das arbeitszeitrechtliche Problem ungelöst, wie zu verfahren ist, wenn trotz dieser Selbstverpflichtung außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit dienstliche Telefonate geführt oder dienstliche E-Mails gelesen bzw. geschrieben werden. Wenn in diesen Handlungen ein Arbeitsverhalten zu sehen ist, das in den Anwendungsbereich von § 3 ArbZG fällt, kann dies eine Unterbrechung der Ruhezeit mit der Folge auslösen, dass die Arbeit am Folgetag erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen werden kann. Erfolgen solche Handlungen im Urlaub, kann dies eine Unterbrechung des Urlaubs mit der Folge auslösen, dass der entsprechende Urlaubstag neu gewährt werden muss. Gerade weil diese Rechtsfolge allerdings nicht berücksichtigt, dass die Initiative zum Gebrauch der Kommunikationsmittel häufig nicht durch den Arbeitgeber veranlasst ist, einer persönlichen Entlastung der Mitarbeiter dient und nicht notwendig mit einer echten – langen – Beanspruchung verbunden ist, sollte deshalb jedenfalls über Schwellenwerte nachgedacht werden, die für eine arbeitszeitrechtliche und urlaubsrechtliche Relevanz überschritten werden müssen. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber, der mit Veränderungen im Bereich des Arbeitszeitrechts der Digitalisierung und Flexibilisierung des Arbeitsrechts Rechnung tragen will88, hierzu eine Lösung finden wird. (Ga)

11.

Mitbestimmungspflichtige Einstellung bei Vorgesetztenwechsel in Matrix-Struktur

Bereits in den letzten Jahren haben wir uns mehrfach mit instanzgerichtlichen Entscheidungen befasst, bei denen eine Beteiligung des Betriebsrats wegen einer Einstellung nach § 99 BetrVG in Rede stand, weil Arbeitnehmer im Rahmen einer Matrix-Struktur erstmals oder wiederholt einen neuen Vorgesetzten erhalten hatten89. Im Ergebnis übereinstimmend hatten in diesem Zusammenhang das LAG Baden-Württemberg im Urteil vom 28.5.201490, das LAG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 17.6.201591 und das LAG Düsseldorf in den Urteilen vom 10.2.201692 und vom 20.12.201793 88 89 90 91 92

B. Gaul, AktuellAR 2018, 3 f. B. Gaul, AktuellAR 2016, 253 ff.; 2017, 259 ff. LAG Baden-Württemberg v. 28.5.2014 – 4 TaBV 7/13, BB 2014, 2298 ff. LAG Berlin-Brandenburg v. 17.6.2015 – 17 TaBV 277/15, NZA-RR 2015, 529 f. LAG Düsseldorf v. 10.2.2016 – 7 TaBV 63/15 n. v.

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Einstellung bei Vorgesetztenwechsel in Matrix-Struktur

eine solche mitbestimmungspflichtige Einstellung angenommen. Bereits die Übertragung der Personalverantwortung auf einen Mitarbeiter, der eigentlich einem anderen Betrieb – ggf. sogar eines anderen Unternehmens – angehöre, könne für sich genommen zur Eingliederung dieses Mitarbeiters in den Betrieb führen, innerhalb dessen er einen Bereich, eine Abteilung oder ein Team führen solle. Insoweit könne eine Einstellung i. S. d. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG auch bei einer betriebs- oder unternehmensübergreifenden MatrixStruktur gegeben sein, wenn Führungsfunktionen übertragen würden. Ob ein solcher Vorgesetzter leitender Angestellter i. S. d. § 5 Abs. 3 BetrVG sei, sodass der Betriebsrat ausnahmsweise keine Beteiligung geltend machen könne, müsse unternehmens- und nicht konzernbezogen unter Berücksichtigung der Gegebenheiten in dem Betrieb, auf den sich die Ausübung der Führungsverantwortung beziehe, bewertet werden. Wir hatten bei früherer Gelegenheit bereits deutlich gemacht, dass diese Form einer Kennzeichnung der mitbestimmungspflichtigen Einstellung im Widerspruch zu den Feststellungen des BAG steht, wie sie in einer vergleichbaren Situation bereits im Beschluss vom 13.12.200594 enthalten waren. Nach den Feststellungen des BAG liegt eine Einstellung nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG vor, wenn Personen in dem Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert werden, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern dessen arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Auf das Rechtsverhältnis, in dem diese Personen zum Arbeitgeber als Betriebsinhaber stünden, komme es nicht an. Maßgebend sei, ob die von ihnen zu verrichtenden Tätigkeiten ihrer Art nach weisungsgebundene Tätigkeiten seien, die der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebs zu dienen bestimmt seien und deshalb vom Arbeitgeber organisiert werden müssten. Ob den betreffenden Personen tatsächlich Weisungen hinsichtlich dieser Tätigkeit gegeben werden – und ggf. von wem – sei unerheblich. Voraussetzung für die Anerkennung einer Eingliederung sei allerdings, dass der Betriebsinhaber die für eine weisungsabhängige Tätigkeit typischen Entscheidungen auch über Zeit und Ort der Tätigkeit zu treffen habe. Der für den Arbeitnehmer, dessen Einstellung in Rede stehe, maßgebliche Betriebsinhaber müsse in dem Sinne Personalhoheit besitzen und damit wenigstens einen Teil der Arbeitgeberstellung gegenüber den betref-

93 LAG Düsseldorf v. 20.12.2017 – 12 TaBV 66/17 n. v. 94 BAG v. 13.12.2005 – 1 ABR 51/04, NZA 2006, 1369 ff. Rz. 12 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

fenden Personen wahrnehmen95. Dass der Arbeitnehmer zugleich in einem Arbeitsverhältnis oder einem sonstigen Rechtsverhältnis zu einem Dritten stehe, spiele keine Rolle96. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das BAG eine Eingliederung in den Betrieb zwar auch bei Arbeitnehmern von Drittfirmen für möglich gehalten, die auf der Grundlage eines Dienst- oder Werkvertrags mit weisungsgebundener Tätigkeit im Betrieb beauftragt werden, falls der Betriebsinhaber und nicht der beauftragte Unternehmer das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht inne habe und die Entscheidung über den Einsatz nach Zeit und Ort treffe. Wichtig für die hier in Rede stehende Fallkonstellation der Einbindung einer Führungskraft im Rahmen von Matrix-Strukturen ist aber, dass für eine solche Ausübung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts weder die detaillierte Beschreibung der dem beauftragten Unternehmer übertragenen Tätigkeiten in dem zugrunde liegenden Vertrag noch die enge räumliche Zusammenarbeit der beidseitigen Arbeitnehmer im Betrieb, die Unentbehrlichkeit einer von der Fremdfirma erbrachten Hilfsfunktion für den Betriebsablauf und die Einweisung und Koordination des Fremdfirmeneinsatzes durch Mitarbeiter des Betriebsinhabers genügt. Ebenso wenig ausreichend sind – so ausdrücklich das BAG im Beschluss vom 13.12.200597 – die Wahrnehmung von arbeitgebertypischen Weisungsrechten durch das Fremdfirmenpersonal gegenüber den eigenen Arbeitnehmern und der Umstand, dass die betreffende Tätigkeit bislang von Arbeitnehmern des Beschäftigungsbetriebs durchgeführt wurde und zu bestimmen Zeiten weiterhin durchgeführt wird98. Derzeit ist noch unklar, ob das BAG an dieser Rechtsprechung auch mit Blick auf den Vorgesetztenwechsel im Rahmen einer Matrix-Struktur festhalten will. Mit seinem Beschluss vom 25.4.201899 hat der 7. Senat des BAG allerdings auf die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers den vorangehenden Beschluss des LAG Düsseldorf vom 10.2.2016100 aufgehoben. Damit verbunden hat das BAG bestätigt, dass der Arbeitgeber die streitgegenständliche Personalmaßnahme nicht aufheben muss. 95 Ebenso BAG v. 12.11.2002 – 1 ABR 60/01, NZA 2004, 1289 ff.; BAG v. 19.6.2001 – 1 ABR 25/00, DB 2002, 1278 f. 96 BAG v. 13.12.2005 – 1 ABR 51/04, NZA 2006, 1369 ff. Rz. 13; BAG v. 12.11.2002 – 1 ABR 60/01, NZA 2004, 1289 ff. Rz. 25. 97 BAG v. 13.12.2005 – 1 ABR 51/04, NZA 2006, 1369 ff. Rz. 14. 98 Ebenso BAG v. 13.3.2001 – 1 ABR 34/00, NZA 2001, 1262 f. Rz. 18 ff.; BAG v. 9.7.1991 – 1 ABR 45/90, NZA 1992, 275 ff. 99 BAG v. 25.4.2018– 7 ABR 30/16 n. v. 100 LAG Düsseldorf v. 10.2.2016 – 7 TaBV 63/15 n. v.

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Vergütungsanspruch eines betriebsfremden Beisitzers der Einigungsstelle

Derzeit ist nicht erkennbar, auf welche Gründe das BAG diese Entscheidung stützt und ob insoweit auch tatsächlich sämtliche Personalmaßnahmen durch den Arbeitgeber ohne Einschränkung fortgeführt werden können. Denn das BAG könnte seine Entscheidung nicht nur auf materiell-rechtliche Überlegungen in Bezug auf die Kennzeichnung einer mitbestimmungspflichtigen Einstellung stützen. Ebenso denkbar ist es aber, dass sich aus dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und/oder formalen Fehlern der Beteiligten die Notwendigkeit ergeben hat, die zweitinstanzliche Entscheidung aufzuheben. Wir werden darüber berichten. (Ga)

12. Vergütungsanspruch eines betriebsfremden Beisitzers der Einigungsstelle In § 76 a BetrVG schreibt der Gesetzgeber vor, dass der Arbeitgeber die Kosten der Einigungsstelle zu tragen hat. In § 76 a Abs. 2 BetrVG schließt das Gesetz für betriebsangehörige Beisitzer der Einigungsstelle für ihre Tätigkeit ausdrücklich eine Vergütung aus, was unabhängig davon gilt, ob es sich um Beisitzer des Betriebsrats oder des Arbeitgebers handelt. Andererseits haben die betriebsangehörigen Mitglieder der Einigungsstelle in entsprechender Anwendung von § 37 Abs. 2 und 3 BetrVG für die Zeit der Mitwirkung in der Einigungsstelle einen Anspruch darauf, von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts freigestellt zu werden. Findet das Einigungsstellenverfahren außerhalb der persönlichen Arbeitszeit der betriebsangehörigen Beisitzer statt, haben sie einen Anspruch auf entsprechenden Freizeitausgleich unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts oder unter den Voraussetzungen von § 37 Abs. 3 BetrVG einen Abgeltungsanspruch. Demgegenüber schreibt § 76 a Abs. 3 BetrVG vor, dass der Vorsitzende und die Beisitzer der Einigungsstelle, die nicht dem Betrieb angehören, gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Vergütung ihrer Tätigkeit in der Einigungsstelle haben. Die Höhe der Vergütung richtet sich nach den Grundsätzen des § 76 a Abs. 4 S. 3 bis 5 BetrVG. Danach sind insbesondere der erforderliche Zeitaufwand, die Schwierigkeit der Streitigkeit sowie ein Verdienstausfall zu berücksichtigen. Die Vergütung der Beisitzer ist niedriger zu bemessen als die des Vorsitzenden. Bei der Festsetzung der Höchstsätze ist den berechtigten Interessen der Mitglieder der Einigungsstelle und des Arbeitgebers Rechnung zu tragen. Mit dieser Vorschrift wird für den Vorsitzenden und die außerbetrieblichen Beisitzer der Einigungsstelle ein unmittelbarer gesetzlicher Anspruch auf Vergütung ihrer Tätigkeit begrün-

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

det101. Solange es an der in § 76 a Abs. 4 BetrVG vorgesehenen Rechtsverordnung fehlt, bedarf es einer Bestimmung der Vergütungshöhe durch das anspruchsberechtigte Einigungsstellenmitglied, wobei sich diese im Rahmen billigen Ermessens (§§ 316, 315 Abs. 1 BGB) zu bewegen und dabei den Bemessungsgrundsätzen des § 76 a Abs. 4 S. 3 bis 5 BetrVG zu genügen hat102. Nach der Rechtsprechung des BAG103 entspricht ein Beisitzerhonorar in Höhe von 7/10 des Vorsitzendenhonorars regelmäßig billigem Ermessen und genügt dem zwingend im Gesetz vorgeschriebenen Abstandsgebot. Es scheidet als Bemessungsgrundlage nur aus, wenn es seinerseits unangemessen ist oder sich durch Besonderheiten erklärt, die in den Verhältnissen oder der Person des Beisitzers nicht erfüllt sind104. Für eine gerichtliche Festsetzung der Vergütungshöhe ist nur Raum, wenn die vom Einigungsstellenmitglied getroffene Vergütungsbestimmung nicht der Billigkeit entspricht (§ 315 Abs. 3 S. 2 BGB). Die gesetzliche Regelung in § 76 a BetrVG schließt allerdings nicht aus, dass der Arbeitgeber sowohl mit dem Vorsitzenden als auch mit den externen Beisitzern der Einigungsstelle eine Vergütungsvereinbarung abschließt105. Ansprüche auf Auslagenersatz eines Einigungsstellenmitglieds beruhen auf § 76 a Abs. 1 BetrVG. Sie sind als tatsächliche Kosten der Einigungsstelle vom Arbeitgeber zu erstatten, sofern sie durch die Teilnahme an Sitzungen der Einigungsstelle entstanden sind oder ihre Grundlage in einer gesonderten Aufgabenzuweisung an ein Einigungsstellenmitglied haben106. Über die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten vor der Einigungsstelle entscheidet der Betriebsrat nach pflichtgemäßem Ermessen. Die dadurch entstehenden Kosten sind keine Kosten der Einigungsstelle, sondern Kosten des Betriebsrats gemäß § 40 BetrVG107. In der Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 22.11.2017108 ging es um die Klage eines Beisitzers einer Einigungsstelle, der von der Arbeitgeberin ein Honorar in Höhe von 7/10 des Honorars der Vorsitzenden beanspruchte. 101 BAG v. 22.11.2017 – 7 ABR 46/16 n. v. Rz. 10, BAG v. 10.10.2007 – 7 ABR 51/06, NZA 2008, 369 ff. Rz. 10. 102 BAG v. 22.11.2017 – 7 ABR 46/16 n. v. Rz. 10; BAG v. 14.2.1996 – 7 ABR 24/95, NZA 1996, 1225 ff. Rz. 19. 103 BAG v. 14.2.1996 – 7 ABR 24/95, NZA 1996, 1225 f. Rz. 21. 104 BAG v. 12.2.1992 – 7 ABR 20/91, NZA 1993, 605 ff. Rz. 23. 105 BAG v. 12.2.1992 – 7 ABR 20/91, NZA 1993, 605 ff. Rz. 23. 106 BAG v. 22.11.2017 – 7 ABR 46/16 n. v. Rz. 10; BAG v. 14.2.1996 – 7 ABR 24/95, NZA 1996, 1225 f. Rz. 25. 107 BAG v. 14.2.1996 – 7 ABR 25/95, NZA 1996, 892 ff. Rz. 20. 108 BAG v. 22.11.2017 – 7 ABR 46/16 n. v.

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Vergütungsanspruch eines betriebsfremden Beisitzers der Einigungsstelle

Die Arbeitgeberin verteidigte sich damit, der Betriebsrat habe den Antragsteller nicht durch einen ordnungsgemäß gefassten Beschluss zum Beisitzer der Einigungsstelle bestellt. Das BAG hat den Anspruch des Antragstellers für begründet angesehen, weil sich der an sich berechtigte Einwand des Arbeitgebers durch einen ordnungsgemäß gefassten Genehmigungsbeschluss des Betriebsrats in der Sache erledigt hat. Das BAG bestätigt in dieser Entscheidung seine frühere Rechtsprechung109, wonach der Honoraranspruch des von dem Betriebsrat bestellten betriebsfremden Beisitzers von dessen wirksamer Bestellung für eine im Betrieb des Arbeitgebers gebildete Einigungsstelle und der Annahme dieser Bestellung durch den Beisitzer abhängig ist. Fehlt es daran, so entsteht weder ein Honoraranspruch nach § 76 a Abs. 3 BetrVG noch ein Anspruch auf Kostenerstattung. Die Wirksamkeit eines in einer Betriebsratssitzung gefassten Betriebsratsbeschlusses setzt nach der Rechtsprechung des BAG110 voraus, dass die Mitglieder des Betriebsrats nach § 29 Abs. 2 S. 3 BetrVG vom Vorsitzenden rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zur Betriebsratssitzung eingeladen wurden. Erfolgt die Ladung zu einer Betriebsratssitzung ohne Übermittlung der Tagesordnung, liegt darin ein evidenter Gesetzesverstoß111. Allerdings relativiert das BAG diese Aussage dadurch, dass eine mangels Übermittlung der Tagesordnung verfahrensfehlerhafte Ladung zu einer Betriebsratssitzung durch die ordnungsgemäß geladenen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats in der Betriebsratssitzung geheilt werden kann, wenn der Betriebsrat beschlussfähig i. S. v. § 33 Abs. 2 BetrVG ist und die Anwesenden einstimmig beschließen, über einen Regelungsgegenstand zu beraten und abzustimmen112. Da die Übermittlung der Tagesordnung mit der Einladung zur Betriebsratssitzung dem einzelnen Betriebsratsmitglied die Möglichkeit einräumen soll, sich sachgerecht und ordnungsgemäß auf die Betriebsratssitzung vorbereiten zu können, kann diese Relativierung nicht überzeugen, wenn für die Genehmigung das vollständige Erscheinen sämtlicher Mitglieder des Betriebsrats nicht erforderlich sein soll. 109 BAG v. 10.10.2007 – 7 ABR 51/06, NZA 2008, 369 ff. Rz. 11; BAG v. 19.8.1992 – 7 ABR 58/91, NZA 1993, 710 ff. Rz. 24. 110 BAG v. 22.11.2017 – 7 ABR 46/16 n. v. Rz. 13; BAG v. 15.4.2014 – 1 ABR 2/13 (B), NZA 2014, 551 ff. Rz. 25. 111 BAG v. 22.11.2017 – 7 ABR 46/16 n. v. Rz. 13; BAG v. 15.4.2014 – 1 ABR 2/13 (B), NZA 2014, 551 ff. Rz. 27. 112 BAG v. 22.11.2017 – 7 ABR 46/16 n. v. Rz. 14; BAG v. 15.4.2014 – 1 ABR 2/13 (B), NZA 2014, 551 ff. Rz. 35.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Im Streitfall war auf einer außerordentlichen Betriebsratssitzung, zu der der Betriebsratsvorsitzende nicht ordnungsgemäß eingeladen hatte, der Antragsteller zum Beisitzer der Einigungsstelle durch entsprechende Beschlussfassung bestellt worden. Im Anschluss an diese Sitzung fand eine weitere Betriebsratssitzung statt, zu der die Betriebsratsmitglieder unter Mitteilung einer Tagesordnung geladen worden waren und in der die anwesenden Betriebsratsmitglieder einstimmig sowohl der Tagesordnung zugestimmt als auch die zuvor in der außerordentlichen Betriebsratssitzung gefassten Beschlüsse genehmigt haben. Das BAG hat diese Verfahrensweise akzeptiert und damit angenommen, dass der Antragsteller ordnungsgemäß zum Beisitzer der Einigungsstelle bestellt worden war. Dieser Bewertung wäre beizupflichten, wenn an der zweiten Betriebsratssitzung sämtliche Betriebsratsmitglieder teilgenommen und einstimmig die in der ersten Betriebsratssitzung gefassten Beschlüsse genehmigt hätten. Streiten die Beteiligten über die Wirksamkeit einer Beschlussfassung des Betriebsrats, so misst das BAG einem den Anforderungen des § 34 BetrVG genügendes Protokoll der Betriebsratssitzung einen hohen Beweiswert zu, der bei der nach § 286 Abs. 1 ZPO gebotenen Würdigung über die Beschlussfassung des Betriebsrats zu berücksichtigen sei. Mit dieser Entscheidung verdeutlicht das BAG erneut, dass fehlerhaft gefasste Beschlüsse des Betriebsrats in einer einstimmig erweiterten Tagesordnung einer weiteren Sitzung, bei der der Betriebsrat von der Teilnehmerzahl her nur beschlussfähig sein muss, problemlos durch einstimmige Beschlussfassung geheilt werden können, wobei diese Heilung auch noch während einer prozessualen Auseinandersetzung nachgeholt werden kann, wenn sich der Arbeitgeber auf die Fehlerhaftigkeit der Beschlussfassung des Betriebsrats beruft. In einer weiteren Entscheidung des LAG Nürnberg vom 19.9.2017113 ging es um die Frage, ob der Betriebsrat in wirksamer Weise neben einem Vertreter der Gewerkschaft zwei Rechtsanwälte der ihn vertretenden Kanzlei als Beisitzer einer Einigungsstelle mit je drei Beisitzern bestellen kann, die jeweils einen Honoraranspruch von 7/10 des Honorars des Vorsitzenden der Einigungsstelle vom Arbeitgeber beanspruchen. Der Arbeitgeber beglich die entsprechenden Rechnungen der Gewerkschaftssekretärin und eines Anwalts. Der Honoraranspruch des zweiten Anwalts war Gegenstand der Klage. Im Beschlussverfahren verteidigte sich der Arbeitgeber vor allem damit, die vom Betriebsrat beschlossene Besetzung der Einigungsstelle verstieße gegen 113 LAG Nürnberg v. 19.9.2017 – 2 TaBV 75/16, NZA-RR 2018, 28, anhängig beim BAG unter dem Az: 7 ABR 52/17.

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Vergütungsanspruch eines betriebsfremden Beisitzers der Einigungsstelle

den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit und sei rechtsmissbräuchlich. Dem Betriebsrat sei es offenbar darum gegangen, durch die Entsendung ausschließlich externer und damit vergütungspflichtiger Beisitzer besonderen Druck auf den Arbeitgeber auszuüben. Das LAG Nürnberg hat die Klage des antragstellenden Rechtsanwalts hinsichtlich der Erstattung von Zinsen und Rechtsverfolgungskosten abgewiesen, ihr jedoch im Übrigen entsprochen und den Arbeitgeber für verpflichtet gehalten, den geltend gemachten Honoraranspruch in Höhe von 7/10 des Honorars des Vorsitzenden der Einigungsstelle begleichen zu müssen. Dabei orientiert sich das LAG Nürnberg an der Spruchpraxis des BAG114, wonach ein Beisitzer der Einigungsstelle gemäß § 76 a Abs. 3 BetrVG grundsätzlich einen gesetzlichen Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber hat, wenn er durch entsprechenden wirksamen Beschluss des Betriebsrats zum Beisitzer der Einigungsstelle bestellt worden ist und diese Bestellung angenommen hat. Im Streitfall konnte allenfalls fraglich sein, ob sich trotz formaler Ordnungsgemäßheit der Bestellungsbeschluss des Betriebsrats als materiellrechtlich unwirksam erwies, weil er sich rechtsmissbräuchlich in einen Widerspruch zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber (§ 2 Abs. 1 BetrVG) setzte. So hat das BAG115 den Grundsatz des § 2 Abs. 1 BetrVG bei der Beschlussfassung über die Besetzung der Einigungsstelle mit einem Beisitzer herangezogen und insoweit verlangt, dass die von ihm ausgewählte Person hinsichtlich ihrer Kenntnisse und Erfahrungen bezüglich der Regelungsmaterie nicht offensichtlich ungeeignet sein darf und die Auswahlentscheidung des Betriebsrats nicht auf sachwidrigen Gründen beruhen darf, weil sie etwa dazu dienen sollte, die Kosten der Einigungsstelle zu erhöhen und damit einen Einigungsdruck auf den Arbeitgeber auszuüben. Auf der anderen Seite geht das BAG116 davon aus, dass die Auswahlbefugnis des Betriebsrats der von ihm zu benennenden Beisitzer einer Einigungsstelle nicht durch die Voraussetzung der Erforderlichkeit eingeschränkt wird. So führt das BAG in der Entscheidung vom 13.5.2015117 aus, dass sich der Betriebsrat dabei für Personen entscheiden darf, denen er dahingehend vertraut, 114 BAG v. 22.11.2017 – 7 ABR 46/16 n. v. Rz. 10; BAG v. 10.10.2007 – 7 ABR 51/06, NZA 2008, 369 ff. Rz. 10. 115 BAG v. 13.5.2015 – 2 ABR 38/14, NZA 2016, 116 ff. Rz. 34; BAG v. 24.4.1996 – 7 ABR 40/95, NZA 1996, 1171 ff. Rz. 34. 116 BAG v. 13.5.2015 – 2 ABR 38/14, NZA 2016, 116 ff. Rz. 34; BAG v. 24.04.1996 – 7 ABR 40/95, NZA 1996, 1171 ff. Rz. 15 ff. 117 BAG v. 13.5.2015 – 2 ABR 38/14, NZA 2016, 116 ff. Rz. 34.

193

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

dass sie als Beisitzer die Interessen der Arbeitnehmer in Verhandlungen mit der anderen Seite wahren. Dies und das Vertrauen, durch das Erarbeiten von Kompromissen eine für beide Betriebsparteien annehmbare Konfliktlösung zu erreichen, sei der Maßstab, an dem sich der Betriebsrat bei seiner personellen Auswahl auszurichten hätte. Es stehe ihm dabei frei, betriebsexterne Beisitzer zu benennen. Er dürfe dies nicht nur dann, wenn deren Benennung auch erforderlich sei. Eine Einschränkung der Auswahlbefugnis soll nur dann bestehen, wenn der Betriebsrat Personen als Beisitzer von Einigungsstellen benennt, die offensichtlich ungeeignet sind, entsprechend der Funktion in der Einigungsstelle tätig zu werden118. Bei dieser Gemengelage hat das LAG keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür gesehen, den Bestellungsbeschluss des Betriebsrats für rechtsunwirksam zu halten, weil dieser grundsätzlich legitimiert war, ausschließlich externe Beisitzer in die Einigungsstelle zu entsenden, die auch im Streitfall über die erforderlichen Sachkenntnisse verfügten. Für die betriebliche Praxis wird mit dieser Entscheidung des LAG erneut deutlich, dass die Kosten eines Einigungsstellenverfahrens für den Arbeitgeber durchaus erheblich sein können und ansteigen, wenn ausschließlich oder überwiegend externe Beisitzer neben dem Vorsitzenden an dem Verfahren teilnehmen. Dem Arbeitgeber dürfte es in diesem Zusammenhang auch kaum gelingen, den Nachweis zu führen, dass der Betriebsrat mit der von ihm geübten Bestellungspraxis des Einsatzes externer Beisitzer den Kostendruck erhöhen wollte. Da der Arbeitgeber gegen den Betriebsrat keinen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Unterlassung betriebsverfassungswidriger Handlungen hat, bleibt ihm nur die Möglichkeit, im Wege eines Feststellungsantrags die Besetzungspraxis der Einigungsstelle durch den Betriebsrat vorab gerichtlich klären zu lassen. (Boe)

118 BAG v. 20.8.2014 – 7 ABR 64/12, NZA 2014, 1349 ff. Rz. 23; BAG v. 28.5.2014 – 7 ABR 36/12, NZA 2014, 1213 ff. Rz. 36.

194

I.

Betriebsänderung und Betriebsübergang

1.

Klarstellungen zu Zeitpunkt, Zuständigkeiten und Dauer einer Beteiligung des Betriebsrats bei geplanter Betriebsänderung

a)

Ausgangssituation

In Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentlichen Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Als Betriebsänderungen gelten dabei die in § 111 S. 3 BetrVG genannten Fallgestaltungen, ohne dass dort noch eine gesonderte Prüfung erfolgen muss, ob und inwieweit mit diesen Maßnahmen wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft verbunden sind. Im Anschluss an diese Unterrichtung und Beratung muss der Arbeitgeber gemäß § 112 Abs. 1 BetrVG versuchen, mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich abzuschließen. Verhandlungen über einen Sozialplan sind nur dann zu führen, wenn den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung wirtschaftliche Nachteile entstehen. Wichtig allerdings ist, dass es bei dieser Beteiligung nach §§ 111, 112 BetrVG keine strikte Trennung gibt. Vielmehr können und müssen Verhandlungen jedenfalls über den Interessenausgleich bereits dann geführt werden, wenn die Betriebsänderung oder Teile dieser Betriebsänderung für den Betriebsrat nachvollziehbar dargestellt wurden. Immer wieder entsteht in der betrieblichen Praxis Streit über die Frage, wann der Betriebsrat seine Beteiligung aus §§ 111, 112 BetrVG geltend machen kann. Denn immer wieder sickern Vorüberlegungen des Arbeitgebers oder der Anteilsinhaber des Arbeitgebers zu entsprechenden Maßnahmen an die Arbeitnehmervertreter mit der Folge durch, dass sie verlangen, über den Inhalt dieser Überlegungen in Kenntnis gesetzt zu werden, damit auf dieser Grundlage eine Beratung erfolgen kann. Anlass dafür kann auch die Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses sein, der nach § 106 BetrVG an sich bereits dann zu beteiligen ist, wenn arbeitgeberseitig ernsthafte Vorüberlegungen über die dort genannten Maßnahmen, zu denen auch Betriebsänderungen gehören, getätigt werden. 195

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Vor diesem Hintergrund ist es hilfreich, dass sich das BAG in seinen Urteilen vom 18.7.20171 und vom 7.11.20172 noch einmal mit wesentlichen Fragen zum Zeitpunkt, zur Zuständigkeit und zur Dauer einer Beteiligung des Betriebsrats nach §§ 111, 112 BetrVG befasst hat. Relevant werden diese Feststellungen dann, wenn – was einige Landesarbeitsgerichte für möglich halten – der Betriebsrat versucht, die Umsetzung einer Betriebsänderung wegen Missachtung seiner Beteiligungsrechte aus §§ 111, 112 BetrVG im Wege der einstweiligen Verfügung zu verhindern. Losgelöst davon hat die entsprechende Kennzeichnung dann Bedeutung, wenn Arbeitnehmer gemäß § 113 Abs. 1, 3 BetrVG die Zahlung eines Nachteilsausgleichs mit der Begründung geltend machen, dass der Arbeitgeber eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchgeführt habe, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben und infolge derer Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden.

b)

Beginn der Unterrichtungspflicht nach § 111 BetrVG

Nach den überzeugenden Feststellungen des BAG im Urteil vom 18.7.20173 werden die betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers aus § 111 BetrVG durch konkrete Planungen über eine Betriebsänderung ausgelöst. Die Verhandlungen über einen Interessenausgleich setzen daher – so das BAG – eine hinreichend bestimmte, in Einzelheiten bereits absehbare Maßnahme voraus, deren Durchführung der Arbeitgeber beabsichtigt. Dazu müssten Art und Umfang der Betriebsänderung bekannt sein4. Ziel der Beteiligung nach § 111 BetrVG ist es, dem Betriebsrat die Möglichkeit zu verschaffen, das Ob, Wann und Wie einer Betriebsänderung ebenso zu beeinflussen wie die Kennzeichnung der hiervon betroffenen Arbeitnehmer. Damit muss bereits ein Konzept des Arbeitgebers vorhanden sein, bevor der Betriebsrat zu unterrichten ist und die damit verbundenen Maßnahmen mit diesem zu beraten sind. Insoweit knüpft das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 111 BetrVG an geplante Betriebsänderungen an, nicht aber bereits an die Erstellung des Plans. Wenn die Beteiligung des Betriebsrats begonnen hat, schließt dies nicht aus, dass Veränderungen im Konzept erfolgen. Falls diese bewirken, dass die 1 2 3 4

BAG v. 18.7.2017 – 1 AZR 546/15, NZA 2017, 1618 ff. BAG v. 7.11.2017 – 1 AZR 186/16, NZA 2018, 464 ff. BAG v. 18.7.2017 – 1 AZR 546/15, NZA 2017, 1618 ff. Rz. 28, 34. Ebenso BAG v. 20.11.2001 – 1 AZR 97/01, NZA 2002, 992 ff.

196

Beteiligung des Betriebsrats bei geplanter Betriebsänderung

Maßnahme wegen ihres geringeren Umfangs nicht mehr als Betriebsänderung gekennzeichnet werden kann, führt dies allerdings nicht zu einer Beendigung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus §§ 111, 112 BetrVG5. Entscheidend für die Kennzeichnung des Beteiligungsrechts ist die Betriebsänderung, wie sie als Bestandteil des arbeitgeberseitigen Plans bei Aufnahme der Gespräche nach § 111 BetrVG gegeben ist. Dies schließt allerdings nicht aus, dass – aus welchen Gründen auch immer – dieser Plan durch den Arbeitgeber nach Aufnahme der Gespräche mit dem Betriebsrat modifiziert wird. Insbesondere ist der Arbeitgeber nicht gehindert, den sich aus den Verhandlungen über den Interessenausgleich ergebenden Alternativen nachzugehen6.

c)

Obliegenheit zur Anrufung der Einigungsstelle

Kommt keine Einigung über die geplante Betriebsänderung oder den Sozialplan zustande, können Arbeitgeber und Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen (§ 112 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Dies erfolgt allerdings selten. In der Regel machen die Betriebsparteien unmittelbar von ihrem Recht Gebrauch, die Einigungsstelle anzurufen (§ 112 Abs. 2 S. 3 BetrVG). Eine gesetzliche Vorgabe, wann die Verhandlungen außerhalb der Einigungsstelle gescheitert sind und die Einigungsstelle angerufen werden muss, enthält das Gesetz nicht. Insoweit besteht auch ein Beurteilungsspielraum der Betriebsparteien, innerhalb dessen man zu der Erkenntnis kommen muss, dass außerhalb der Einigungsstelle eine Einigung über Interessenausgleich und/oder Sozialplan nicht mehr erzielt wird. Wichtig ist allerdings, dass es dem Arbeitgeber obliegt, durch Anrufung der Einigungsstelle und eine Fortsetzung der Verhandlungen innerhalb der Einigungsstelle noch einen qualifizierten Versuch zum Abschluss eines Interessenausgleichs zu machen. Nur dann vermeidet der Arbeitgeber einen Anspruch auf den Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 1, 3 BetrVG. Der Arbeitgeber hat insoweit also eine „Initiativlast“, die auch dadurch nicht beseitigt wird, dass der Betriebsrat ankündigt, von sich aus die Einigungsstelle wegen des Interessenausgleichs anzurufen. Macht der Betriebsrat seine An-

5 6

BAG v. 20.11.2001 – 1 AZR 97/01, NZA 2002, 992 ff.; HWK/Hohenstatt/Willemsen, BetrVG § 111 Rz. 59 ff. BAG v. 18.7.2017 – 1 AZR 546/15, NZA 2017, 1618 ff. Rz. 34; BAG v. 20.11.2001 – 1 AZR 97/01, NZA 2002, 992 ff. Rz. 15.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

kündigung nicht wahr, besteht also für den Arbeitgeber die Obliegenheit, hier selbst tätig zu werden7. Diese Verpflichtung gilt auch im Insolvenzverfahren. Der Versuch eines Interessenausgleichs ist für den Insolvenzverwalter nur bei einer gerichtlichen Zustimmung zur Durchführung der Betriebsänderung nach § 122 InsO entbehrlich. Verzichtet der Insolvenzverwalter auf ein entsprechendes Beschlussverfahren, drohen also Nachteilsausgleichsansprüche, wenn die Betriebsänderung vor dem qualifizierten Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen in der Einigungsstelle umgesetzt wird. Wirtschaftlich bedeutsam ist dies für den Insolvenzverwalter bereits insoweit, als es sich dabei als Konsequenz seiner eigenen Pflichtverletzung um eine Masseschuld nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO handelt.

d)

Umsetzung einer Betriebsänderung

Das Bestehen eines Anspruchs auf einen Nachteilsausgleich ist nach § 113 Abs. 1, 3 BetrVG an die Umsetzung der Betriebsänderung geknüpft. Dies setzt – wie das BAG im Urteil vom 18.7.20178 noch einmal bestätigt – voraus, dass durch den Arbeitgeber unumkehrbare Maßnahmen ergriffen werden, die bei einer späteren Beteiligung des Betriebsrats nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Wir hatten uns mit dieser Frage bereits bei früherer Gelegenheit befasst9. Plant der Arbeitgeber eine Betriebsänderung, liegt in der widerruflichen Freistellung von Arbeitnehmern, der Kündigung eines Mietvertrags und/oder der Einstellung der betrieblichen Tätigkeit allerdings noch keine unumkehrbare Maßnahme, die einen Nachteilsausgleichsanspruch zur Folge haben kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn entsprechende Maßnahmen durch behördliche Vorgaben ausgelöst werden10. Wenn Maßnahmen im Zusammenhang mit einer geplanten Betriebsänderung durch andere Konzerngesellschaften veranlasst werden, ist darüber hinaus festzustellen, ob insoweit überhaupt eine Zurechnung zum Arbeitgeber erfolgen kann. Die bloße Konzernbindung genügt für eine solche Zurechnung nicht11.

7 8 9 10

BAG v. 7.11.2017 – 1 AZR 186/16, NZA 2018, 464 ff. Rz. 32. BAG v. 18.7.2017 – 1 AZR 546/15, NZA 2017, 1618 ff. Rz. 38 ff. B. Gaul, AktuellAR 2017, 592 ff. BAG v. 7.11.2017 – 1 AZR 186/16, NZA 2018, 464 ff. Rz. 22; BAG v. 18.7.2017 – 1 AZR 546/15, NZA 2017, 1618 ff. Rz. 40 ff. 11 BAG v. 14.4.2015 – 1 AZR 794/13, NZA 2015, 1147 ff. Rz. 16.

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Beteiligung des Betriebsrats bei geplanter Betriebsänderung

e)

Zuständigkeit des Betriebsrats

Auf der Grundlage der allgemeinen Kompetenzverteilung im Rahmen der Betriebsverfassung ist grundsätzlich der örtliche Betriebsrat für die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte aus §§ 111, 112 BetrVG zuständig. Wichtig allerdings ist, dass man im Auge behält, dass es sich jedenfalls bei den Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan um verschiedene Beteiligungsrechte handelt. Während die Pflicht zur Unterrichtung und Beratung nach § 111 BetrVG in der Regel in Bezug auf den Betriebsrat, Gesamt- oder Konzernbetriebsrat besteht, der auch für den Interessenausgleich zuständig ist, bleibt es in Bezug auf den Sozialplan in der Regel bei der Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats. In gleicher Weise ist eine gesonderte Entscheidung über die Zuständigkeit notwendig, wenn es um die Konsultation nach § 17 Abs. 2 KSchG geht. Hier wird man allerdings in der Regel von der Zuständigkeit des Betriebsrats, Gesamt- oder Konzernbetriebsrats ausgehen müssen, der auch für die Verhandlungen über den Interessenausgleich zuständig ist. Denn sie ist – bezogen auf die Gegenstände des § 17 Abs. 2 KSchG – die umfassendere Zuständigkeit, die damit auch sämtliche Fragen erfasst, die in § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG genannt werden. Wie das BAG im Urteil vom 18.7.201712 noch einmal deutlich gemacht hat, kommt eine Zuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats gemäß §§ 50, 58 BetrVG außerhalb von Fällen der Delegation nur in Betracht, wenn die Betriebsänderung nicht nur mehrere Betriebe bzw. Unternehmen erfasst. Voraussetzung ist darüber hinaus, dass die Art der geplanten Maßnahmen und ihre geplante Umsetzung nach der Konzeption des Arbeitgebers daran geknüpft ist, dass eine Vereinbarung in Bezug auf das Ob, Was, Wann und Wie der Maßnahme mit einem Arbeitnehmervertreter getroffen wird, der wirksam verbindliche Abreden für mehrere Betriebe bzw. Unternehmen treffen kann. Wenn eine solche Abstimmung in Bezug auf die Umsetzung der Betriebsänderung auf überbetrieblicher Ebene bzw. zwischen mehreren Unternehmen nach dem arbeitgeberseitigen Konzept nicht erforderlich ist, um die geplante Betriebsänderung umzusetzen, muss jeweils mit den örtlichen Betriebsräten über die gleiche Betriebsänderung – bezogen auf den jeweiligen Zuständigkeitsbereich – verhandelt werden. Da ein Ausgleich bzw. die Milderung wirtschaftlicher Nachteile ohnehin im Zweifel betriebsbezogen bewertet und entschieden werden kann, ist dieser Betriebsrat in der Regel dann auch für den Sozialplan zuständig. Dies schließt natürlich nicht aus, dass er den Gesamt- oder Konzernbetriebsrat mit den entsprechenden

12 BAG v. 18.7.2017 – 1 AZR 546/15, NZA 2017, 1618 ff. Rz. 31 f.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

Verhandlungen beauftragt, sodass dann auch an einer Stelle übergreifende Gespräche geführt werden können. Missachtet der Arbeitgeber die Zuständigkeitsverteilung der Betriebsverfassung, kann dies einen Nachteilsausgleichsanspruch zur Folge haben. Denn es fehlt auch dann an dem Versuch eines Interessenausgleichs, wenn Gespräche mit einem Betriebsrat geführt werden, der für die Verhandlungen über den Interessenausgleich nicht zuständig ist.

f)

Fazit

Es ergibt Sinn, sich bereits im Rahmen der Vorbereitung einer Betriebsänderung mit den vorstehenden Fragen auseinanderzusetzen. Dies ermöglicht eine genaue Feststellung, wann eine Beteiligung des Betriebsrats aus §§ 111, 112 BetrVG besteht. Es erlaubt auch, durch die Kennzeichnung der geplanten Betriebsänderung Einfluss auf die Zuständigkeit der betriebsverfassungsrechtlichen Organe zu nehmen. Nach Beginn der Beteiligung nach §§ 111, 112 BetrVG ist eine Änderung der geplanten Betriebsänderung mit dem Ziel, auf Betriebsratsseite einen anderen Ansprechpartner zu erhalten, grundsätzlich ausgeschlossen. (Ga)

2.

Sozialplan: Kennzeichnung der Betriebszugehörigkeit und des Bezugseinkommens

Mit dem Sozialplan soll eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile erfolgen, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (§ 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Kommt eine Einigung zwischen den Betriebsparteien darüber nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle (§ 112 Abs. 4 BetrVG). Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG haben Sozialpläne eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Geldleistungen in Form von Abfindungen sind deshalb kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste. Vielmehr sollen sie die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Nachteile eines Arbeitsplatzverlustes infolge einer Betriebsänderung ausgleichen oder zumindest abmildern13. Bei der Festlegung etwaiger Ausgleichsleistungen haben die Betriebsparteien – so das BAG – einen erheblichen Gestaltungsspielraum. Auch wenn der 13 BAG v. 26.9.2017 – 1 AZR 137/15 n. v. Rz. 17; BAG v. 26.9.2017 – 1 AZR 717/15, ZTR 2018, 206 f. Rz. 50.

200

Sozialplan: Kennzeichnung der Betriebszugehörigkeit und des Bezugseinkommens

Sozialplan keiner Kapitalisierung des gesetzlichen Kündigungsschutzes dient, kann insoweit für die Berechnung der Abfindungshöhe die tatsächliche Unternehmenszugehörigkeit Berücksichtigung finden14. Da der wirtschaftliche Nachteil einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich durch die in dem bisherigen Arbeitsverhältnis bezogene Vergütung bestimmt wird, rechtfertigt es auch, diese zur Bezugsgröße für die in dem Sozialplan vorgesehenen Überbrückungsleistungen zu machen15. Wie das BAG deutlich gemacht hat, können die Betriebsparteien insoweit auch entscheiden, ob und inwieweit sie bei der Höhe von Sozialplanabfindungen in der Vergangenheit liegende Schwankungen der monatlichen Vergütung berücksichtigen. Dabei könnten sie beispielsweise bestimmen, dass sich die Abfindungshöhe nach einer zuletzt bezogenen Bruttomonatsvergütung richte und hiervon bestimmte Entgeltbestandteile ausnehmen oder, dass der Durchschnitt des in einem Referenzzeitraum erzielten monatlichen Arbeitseinkommens maßgebend sein solle. Solche Berechnungsvarianten bezwecken, den Ausgleich oder die Abmilderung der zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile eines Arbeitsplatzverlustes nicht an den Zufälligkeiten des jeweiligen Entgeltbezugs auszurichten. Wichtig ist allerdings, dass die diesbezüglichen Regelungen eines Sozialplans zweifelsfrei erkennen lassen, welche Bestandteile bei der Berechnung des Bezugseinkommens berücksichtigt und welche Bestandteile hierbei nicht berücksichtigt werden sollen. In dem der Entscheidung vom 26.9.201716 zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien im Sozialplan „individuelle Zulagen, Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Überstundenvergütung und vermögenswirksame Leistungen ausgegrenzt. Offen blieb, ob auf dieser Grundlage auch Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit sowie ein monatlicher Leistungslohn bei der Berechnung des abfindungsrelevanten Bruttomonatsentgelts keine Berücksichtigung finden sollten. Hiervon ist das BAG auf der Grundlage einer Auslegung des Sozialplans ausgegangen. Um eine solche Auslegung und die damit einhergehenden Risiken zu vermeiden, ist es besser, nur die Leistungen konkret zu bezeichnen, die bei der Berechnung des abfindungsrelevanten Bruttomonatsentgelts berücksichtigt werden. Das erlaubt, alle sonstigen Geld- oder Sachleistungen ohne ihre konkrete Bezeichnung auszuschließen.

14 BAG v. 26.9.2017 – 1 AZR 717/15, ZTR 2018, 206 f. Rz. 50. 15 BAG v. 26.9.2017 – 1 AZR 137/15 n. v. Rz. 17; BAG v. 22.9.2009 – 1 AZR 316/08, DB 2009, 2664 ff. Rz. 16. 16 BAG v. 26.9.2017 – 1 AZR 137/15 n. v. Rz. 13 ff.

201

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Soweit im Sozialplan die maßgebliche Dauer der Betriebszugehörigkeit gekennzeichnet werden soll, ist nicht nur klarzustellen, auf welchen Zeitpunkt dabei abgestellt wird. In der Regel ist dies die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wichtig ist, darüber hinaus auch klarzustellen, ob und ggf. inwieweit Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruht, berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang muss allerdings sichergestellt werden, dass beispielsweise durch die Ausgrenzung von Elternzeit keine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechtes bewirkt wird. Wenn Entgeltschwankungen als Konsequenz eines Wechsels von der Teilzeit- in eine Vollzeitbeschäftigung und umgekehrt berücksichtigt werden sollen, kann dies durch eine sog. Beschäftigungsquote erfolgen. Hierfür muss im Sozialplan ein Zeitraum bestimmt werden, für den eine durchschnittliche Dauer der Arbeitszeit festgestellt und sodann zur Grundlage einer Berechnung der Sozialplanabfindung gemacht wird. Falls es sich allerdings um eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit handelt, darf diese gar nicht berücksichtigt werden. Vielmehr ist diese Zeit wie ein Arbeitsverhältnis zu behandeln, in dem die wechselseitigen Hauptleistungspflichten ruhen. Im Zweifel wird also auf eine entsprechende Dauer der tatsächlichen Beschäftigung vor Antritt der Elternzeit abgestellt. Anderenfalls läge darin – wie das BAG im Urteil vom 26.9.201717 deutlich gemacht hat – eine nicht zu rechtfertigende Differenzierung zwischen Arbeitnehmern, die in Elternzeit nicht oder bei einem anderen Arbeitgeber gearbeitet haben, gegenüber Arbeitnehmern, die in der Elternzeit bei diesem Arbeitgeber in Teilzeit tätig waren18. (Ga)

3.

Benachteiligung wegen Behinderung beim Vorruhestand

Bereits in der Vergangenheit hatten der EuGH19 und das BAG20 deutlich gemacht, dass bei der Berechnung von Sozialplanabfindungen die Möglichkeit, gesetzliche Altersrente wegen Schwerbehinderung zu erhalten, nicht als Grund für eine Kürzung der aus dem Sozialplan resultierenden Leistungen herangezogen werden darf. In der Regel waren entsprechende Schranken in Sonderregelungen für ältere Arbeitnehmer eingebunden worden, durch die 17 BAG v. 26.9.2017 – 1 AZR 717/15, ZTR 2018, 206 f. Rz. 56. 18 Vgl. auch EuGH v. 22.10.2009 – C-116/08, NZA 2010, 29 ff. Rz. 56 – Meerts; BAG v. 5.5.2015 – 1 AZR 826/13 n. v. Rz. 23. 19 Vgl. EuGH v. 6.12.2012 – C-152/11, NZA 2012, 1435 ff. Rz. 62 – Odar. 20 Vgl. BAG v. 23.4.2013 – 1 AZR 916/11, NZA 2013, 980 ff. Rz. 32.

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Benachteiligung wegen Behinderung beim Vorruhestand

die Abfindung auf einen Betrag begrenzt wurde, denn der Arbeitnehmer bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt für den Bezug einer (ungekürzten) Altersrente noch in einem Arbeitsverhältnis gestanden hätte. Konsequenz war, dass bei solchen Höchstbegrenzungsklauseln der Anspruch auf gesetzliche Altersrente wegen Schwerbehinderung gar keine Berücksichtigung finden durfte. Mit Urteil vom 21.11.201721 hat der 9. Senat des BAG diese Grundsätze völlig zu Recht auf Regelungen übertragen, auf deren Grundlage Vorruhestandsleistungen gewährt wurden. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall wurden Vorruhestandsvereinbarungen einzelvertraglich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ab Vollendung des 55. Lebensjahres getroffen. So wurde auch bei der Klägerin verfahren, bei der aus gesundheitlichen Gründen am 23.11.2009 eine Vorruhestandsvereinbarung mit dem Ziel abgeschlossen wurde, das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.6.2010 zu beenden. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte monatlich Vorruhestandsgeld gezahlt werden. Hintergrund für den vereinbarten Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses war, dass die Klägerin ab dem 1.8.2015 Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit Abschlägen beziehen konnte. Bei anderen Arbeitnehmern, die nicht schwerbehindert waren, wurde abweichend hiervon auf den Zeitpunkt des frühestmöglichen Bezugs der gesetzlichen Regelaltersrente abgestellt. Nachdem die Klägerin geltend gemacht hatte, dass darin eine Benachteiligung wegen ihrer Schwerbehinderung lag, erklärte sich die Beklagte bereit, die Beendigung vom 30.7.2015 auf den 30.11.2015 zu verlängern. Mit dem Vorruhestandsgeld, das die Klägerin in der Zeit der Verlängerung erhalten sollte, sollten die Nachteile ausgeglichen werden, die sich für die Klägerin aus dem vorzeitigen Bezug der gesetzlichen Altersrente wegen Schwerbehinderung ergaben. Der Klägerin genügte dies nicht. Sie machte geltend, dass die Vorruhestandsvereinbarung bis zum 30.11.2017 fortgeführt werden müsse, weil von ihr erst zu diesem Zeitpunkt die gesetzliche Regelaltersrente bezogen werden könne. Das BAG hat der Klage insoweit stattgegeben, aber einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Entschädigung abgelehnt. Dieser Anspruch war verfallen, weil die Klägerin die Entschädigung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Monaten geltend gemacht hatte. Maßgeblich war insoweit der Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung, weil sich bereits daraus die

21 BAG v. 21.11.2017 – 9 AZR 141/17, ZTR 2018, 217 ff.

203

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Benachteiligung der Klägerin gegenüber den nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern ergeben hatte. In Bezug auf den Hauptantrag hat das BAG in seinem Urteil vom 21.11.201722 hingegen eine unmittelbare Benachteiligung wegen Schwerbehinderung angenommen, die nicht gerechtfertigt sei. Ausgangspunkt war dabei die Annahme, dass eine unmittelbare Benachteiligung wegen Behinderung vorlag. Insoweit erfasse § 3 Abs. 1 AGG auch eine sogenannte verdeckte unmittelbare Ungleichbehandlung. Diese liege dann vor, wenn nach einem scheinbar objektiven, nicht diskriminierenden Kriterium unterschieden werde, das jedoch in untrennbarem Zusammenhang mit einem in § 1 AGG genannten Grund stehe und damit kategorial ausschließlich Träger eines Diskriminierungsmerkmals betreffe. Hiervon sei vorliegend auszugehen, weil die Laufzeit der Vorruhestandsvereinbarung zwar nicht unmittelbar an die Schwerbehinderteneigenschaft anknüpfte, aber den Bezug der gesetzlichen Altersrente wegen Schwerbehinderung zum Anlass ihrer Beendigung nahm. Dies galt auch für die Änderungsvereinbarung, sodass ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der vorzeitigen Beendigung des Vorruhestandes und der Schwerbehinderung lag. Damit wurde auch eine Schlechterstellung der Klägerin ausgelöst. Denn die Parteien hatten bei Abschluss der Vorruhestandsvereinbarung auf die Altersgrenze für den vorzeitigen Bezug der Altersrente für schwerbehinderte Menschen abgestellt (hier: 60 Jahre und acht Monate), statt die Altersrente bei einem nicht schwerbehinderten Arbeitnehmer zu berücksichtigen (hier: 63 Jahre). Wäre die Klägerin nicht schwerbehindert, hätte der Vorruhestand also bis zum 30.11.2017 bestanden und die Klägerin für weitere zwei Jahre Vorruhestandsgeld bezogen. Die Einkommenseinbußen, die sie als Folge der vorzeitigen Beendigung des Vorruhestandes hinnehmen musste, wurden durch den Rentenbezug nicht ausgeglichen. Da sich die Klägerin auch in einer vergleichbaren Situation mit den nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern befand, weil auch sie als Folge der arbeitgeberseitigen Maßnahme das Arbeitsverhältnis und den damit verbundenen Besitzstand verlor, hätte die Benachteiligung einer Rechtfertigung bedurft, die den Anforderungen aus §§ 5, 8 ff. AGG genügte. Dies aber war nicht der Fall. Gründe, die nach § 3 Abs. 2 AGG eine mittelbare Benachteiligung rechtfertigen können, waren ohnehin nicht ersichtlich. Konsequenz der vorstehenden Feststellungen des BAG ist, dass bei Vorruhestandsregelungen – ebenso wie bei Abfindungsregelungen im Sozialplan – 22 BAG v. 21.11.2017 – 9 AZR 141/17, ZTR 2018, 217 ff. Rz. 18 ff.

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Personelle Besetzung des Übergangsmandats

zwar auf den Zeitpunkt des frühestmöglichen Bezugs von gesetzlicher Altersrente abgestellt werden kann. Ebenso ist es möglich, auf entsprechende Regelaltersrente abzustellen, die von einem berufsständischen Versorgungswerk bezogen wird23. Wir hatten darüber berichtet24. Wichtig ist dabei aber klarzustellen, dass Altersrente wegen Schwerbehinderung bei einer Anwendung entsprechender Regelungen keine Berücksichtigung findet. (Ga)

4.

Personelle Besetzung des Übergangsmandats von Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung bei Restrukturierungen

Restrukturierungen können zur Folge haben, dass Betriebe aufgelöst und/oder Betriebsteile herausgelöst und anderweitig fortgeführt werden. Dabei kommt eine Fortführung dieser Betriebsteile als eigenständige Betriebe ebenso in Betracht wie ihr Zusammenschluss mit einem anderen Betrieb. Da der Gesetzgeber vermeiden will, dass entsprechende Veränderungen ein Vertretungsvakuum zur Folge haben, wird durch §§ 21 a BetrVG, 177 Abs. 8 SGB IX ein Übergangsmandat des Betriebsrats bzw. der Schwerbehindertenvertretung festgelegt. Im Hinblick darauf bestimmt § 21 a Abs. 1 BetrVG, dass, wenn ein Betrieb gespalten wird, dessen Betriebsrat im Amt bleibt und die Geschäfte für die ihm bisher zugeordneten Betriebsteile weiterführt, soweit diese die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG erfüllen und nicht in einen Betrieb eingegliedert werden, in dem ein Betriebsrat besteht. Im Rahmen des Übergangsmandats, kraft dessen sämtliche Beteiligungsrechte eines Betriebsrats wahrgenommen werden können, hat der Betriebsrat insbesondere unverzüglich Wahlvorstände zu bestellen. Das Übergangsmandat endet, sobald in den Betriebsteilen ein neuer Betriebsrat gewählt und das Wahlergebnis bekannt gegeben ist, spätestens jedoch sechs Monate nach Wirksamwerden der Spaltung des Betriebs. Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung kann das Übergangsmandat um weitere sechs Monate verlängert werden. Entsprechendes gilt für das Mandat der Schwerbehindertenvertretung (§ 177 Abs. 8 SGB IX). Dies gilt auch, wenn die Spaltung eines Betriebs im Zusammenhang mit einer Umwandlung oder einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang vorgenommen wird (§ 21 a Abs. 3 BetrVG).

23 BAG v. 21.11.2017 – 9 AZR 141/17, ZTR 2018, 217 ff. Rz. 37. 24 B. Gaul, AktuellAR 2016, 277 ff.

205

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Mit der gesetzlichen Regelung werden nicht alle Fragen beantwortet. So besteht in der betrieblichen Praxis nicht nur Streit über die Frage, wann von der Auflösung eines Betriebes mit der Folge auszugehen ist, dass in sämtlichen Teilen die Neuwahl eines Betriebsrats zu erfolgen hat. Denn die Auflösung ist zu unterscheiden von der Herauslösung eines Betriebsteils. Hier kommt ein Übergangsmandat mit der Folge einer Neuwahl des Betriebsrats nur für den abgespaltenen Teil in Betracht, während in dem verbleibenden Restbetrieb der Betriebsrat unter Berücksichtigung der Besonderheiten aus § 13 BetrVG bis zum Ablauf der regulären Amtszeit fortbesteht25. Höchstrichterlich bislang nicht geklärt ist auch die Frage, mit welcher personellen Zusammensetzung der Betriebsrat bzw. die Schwerbehindertenvertretung während des Übergangsmandats tätig wird. Mit dem Beschluss des LAG Düsseldorf vom 18.10.201726 liegt jetzt jedenfalls eine zweitinstanzliche Entscheidung vor, mit der eine Lösung dieser Frage angeboten wird. In dem zugrunde liegenden Fall war ein Betrieb im Wesentlichen unter Wahrung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Identität auf eine Tochtergesellschaft übertragen worden. Lediglich ein kleiner Teil war aus diesem Betrieb herausgelöst und auf die Muttergesellschaft übertragen worden, um dort als eigenständiger Betrieb fortgeführt zu werden. Auf diese Weise sollte eine Holdingstruktur geschaffen werden, innerhalb derer Mutter- und Tochtergesellschaft jeweils eigenständige Betriebe hatten. Der Kläger, der Mitglied des Betriebsrats und Vertrauensmann der Schwerbehinderten war, widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses mit der Folge, dass der Arbeitsvertrag im Anschluss an die Restrukturierung zunächst einmal mit der Muttergesellschaft fortbestand. Da der Betrieb unter Wahrung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Identität zu diesem Zeitpunkt aber bei der Tochtergesellschaft fortgeführt wurde, stritten die Betriebsparteien über die Frage, ob er im Anschluss an das Wirksamwerden der Spaltung des Betriebs noch sein Amt als Betriebsrat und Schwerbehindertenvertreter innehatte. Während der Arbeitgeber in Übereinstimmung mit dem Betriebsrat und der Schwerbehindertenvertretung der Auffassung war, dass das Amt mit dem Wirksamwerden der Spaltung geendet hatte, vertrat der Kläger die Auffassung, dass er weiterhin Mitglied des Betriebsrats und Vertrauensmann der Schwerbehinderten sei und zu den entsprechenden Sitzungen eingeladen werden müsse.

25 Eingehend ErfK/Koch, BetrVG § 21 a Rz. 7; HWK/Reichold, BetrVG § 21 a Rz. 14 f. 26 LAG Düsseldorf v. 18.10.2017 – 12 TaBVGa 4/17 n. v.

206

Personelle Besetzung des Übergangsmandats

Das LAG Düsseldorf hat einen entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Beschluss vom 18.10.201727 abgelehnt. Nach seiner Auffassung war die Amtszeit des Klägers mit der Spaltung des Betriebs und dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Muttergesellschaft beendet worden. Zunächst einmal hat das LAG Düsseldorf zu Recht darauf hingewiesen, dass das Übergangsmandat nur die Vertretungsbefugnis des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung für die Arbeitnehmer im abgespaltenen Betriebsteil betraf, der durch die Holding als eigenständiger Betrieb fortgeführt wurde. Im Restbetrieb, der durch die Tochtergesellschaft fortgeführt wurde, bestanden der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung im Rahmen ihres regulären Mandats ohne die Notwendigkeit einer Neuwahl fort. §§ 21 a BetrVG, 177 Abs. 8 SGB IV hatten für diesen Restbetrieb keine Bedeutung. Das Übergangsmandat betraf nur den Betriebsteil, der nicht identisch mit dem Restbetrieb war. Für diesen Betriebsteil begründen §§ 21 a Abs. 1 BetrVG, 177 Abs. 8 SGB IV eine Zuständigkeit des Betriebsrats bzw. der Schwerbehindertenvertretung, die bislang für diesen Betriebsteil zuständig war. Umstritten ist allerdings, mit welcher personellen Zusammensetzung der Betriebsrat bzw. die Schwerbehindertenvertretung während der Dauer des Übergangsmandats nach §§ 21 a Abs. 1 BetrVG, 177 Abs. 8 SGB IV sowohl in Bezug auf die Angelegenheiten des Restbetriebs als auch in Bezug auf die Angelegenheiten des abgespaltenen Betriebsteils tätig wird. Ein Teil der Literatur geht davon aus, dass der Betriebsrat in Bezug auf beide Einheiten in der personellen Zusammensetzung tätig wird, die bis zum Wirksamwerden der Betriebsspaltung bestanden hat. Eine Differenzierung zwischen der Zuständigkeit des Betriebsrats in Bezug auf den Restbetrieb und seiner Zuständigkeit im Rahmen des Übergangsmandats wird dabei abgelehnt28. Ein anderer Teil der Literatur differenziert. Soweit das Regelmandat im Ursprungsbetrieb betroffen sei, soll der Betriebsrat auf der Grundlage der allgemeinen Regelungen tätig werden. Das habe zur Folge, dass das Mandat solcher Arbeitnehmer beendet werde, deren Arbeitsverhältnis als Folge eines Betriebsteilübergangs ende. Diese Mitglieder müssten durch Ersatzmitglieder ausgetauscht werden. Für das Übergangsmandat würde dies allerdings nicht gelten. Hier werde der gleiche Betriebsrat weiterhin in seiner früheren 27 LAG Düsseldorf v. 18.10.2017 – 12 TaBVGa 4/17 n. v. Rz. 63 ff. 28 Vgl. ErfK/Koch, BetrVG § 21 a Rz. 7; Fitting, BetrVG § 21 a Rz. 16; B. Gaul, Die Betriebs- und Unternehmensspaltung § 21 a Rz. 65 ff.

207

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Zusammensetzung tätig, sodass insoweit auch die Mitglieder zu berücksichtigen seien, deren Arbeitsverhältnis im Zusammenhang mit der Spaltung des Betriebs durch Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge auf einen anderen Rechtsträger übergegangen sei29. Das LAG Düsseldorf vertritt in seinem Beschluss eine von den beiden vorgenannten Auffassungen abweichende Ansicht. Danach werde der Betriebsrat während der Dauer des Übergangsmandats generell nur noch mit Arbeitnehmern tätig, deren Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber fortbestehe, der Inhaber des Ursprungs- oder Restbetriebs sei. Eine aufgespaltene Zusammensetzung des Betriebsrats, bei der zwischen seiner Zuständigkeit für den Restbetrieb und den abgespaltenen Betriebsteil unterschieden werde, sei abzulehnen30. An der letztgenannten Auffassung überzeugt, dass eine aufgespaltene Zuständigkeit des Betriebsrats mit den Grundprinzipien der Betriebsverfassung nicht vereinbar ist. Dies gilt umso mehr, als insbesondere im Zusammenhang mit der Spaltung eine Fülle von Angelegenheiten denkbar sind, die die Interessen sowohl der Arbeitnehmer im Ursprungs- und Restbetrieb als auch die Arbeitnehmer im abgespaltenen Betriebsteil betreffen. Hier muss der Betriebsrat eine übergreifende Beratung und einheitliche Beschlussfassung vornehmen, die vermeidet, dass divergierende Ergebnisse eintreten. Soweit die Auffassung des LAG Düsseldorf dieses Problem allerdings mit einer übergreifenden Besetzung des Betriebsrats bzw. der Schwerbehindertenvertretung durch Arbeitnehmer zu lösen versucht, deren Arbeitsverhältnis mit dem Inhaber des Ursprungs- oder Restbetriebs fortbesteht, lässt dies den Grundgedanken einer demokratischen Legitimation des Betriebsrats auch für die Dauer des Übergangsmandats unberücksichtigt. Diese Legitimation verlangt nicht nur, dass der Betriebsrat in seiner alten Besetzung, die durch die Wahl auch der Arbeitnehmer des abgespaltenen Betriebs begründet wurde, für alle Angelegenheiten zuständig ist. Dies verlangt auch, dass die Betriebsratswahl im abgespaltenen Betriebsteil durch einen Betriebsrat durchgeführt wird, der auch durch die Arbeitnehmer des abgespaltenen Betriebsteils gewählt wurde. Damit endet das Mandat der Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis mit dem abgespaltenen Betriebsteil auf einen anderen Rechtsträger übergeht, erst mit Beendigung des Übergangsmandats. Dies gilt für den Betriebsrat ebenso wie für die Schwerbehindertenvertretung. Bedauerlicherweise wird es als Konsequenz des einstweiligen Verfügungsverfahrens in dieser Angelegenheit keine Entscheidung des BAG geben. In29 So GK-BetrVG/Kreutz, § 21 a Rz. 34 30 Ebenso Rieble, NZA 2002, 233, 235.

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Neues zur Kennzeichnung eines Betriebsübergangs

soweit muss in der betrieblichen Praxis eine eigene Bewertung erfolgen, die die vorstehend wiedergegebenen Auffassungen berücksichtigt. Das Ergebnis ist dann nicht nur materiell-rechtlich umzusetzen, sondern auch in den entsprechenden Feststellungen in der Unterrichtung nach § 613 a BGB oder den Ausführungen eines Spaltungsvertrages nach § 126 Abs. 1 UmwG zum Ausdruck zu bringen. Dabei genügt es allerdings, dass eine der Auffassungen als die insoweit maßgebliche dargestellt wird, da man jede dieser Lösungen als jedenfalls vertretbar qualifizieren muss. Dies aber ist ausreichend, um von einer ordnungsgemäßen Unterrichtung gemäß § 613 a Abs. 5 BGB auszugehen31. (Ga)

5.

Neues zur Kennzeichnung eines Betriebsübergangs

a)

Kein Betriebsübergang bei Betriebsführung ohne Betriebsinhaberwechsel

§ 613 a BGB knüpft den Übergang des Arbeitsverhältnisses daran, dass ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft von einem anderen Rechtsträger übernommen wird. In seinem Urteil vom 26.1.201832 hat das BAG deutlich gemacht, dass es hierfür nicht genügt, dass die Führung eines Betriebs durch einen anderen Rechtsträger übernommen wird, wenn dieser weiterhin im Namen des bisherigen Betriebsinhabers tätig wird. In dem zugrunde liegenden Fall war der Beklagte seit 1976 als Schlosser im Betrieb der Klägerin in Berlin beschäftigt. Die Klägerin unterhielt daneben weitere Betriebe in Oberstenfeld und Niederorschel. Im März 2011 beschlossen die Klägerin und die Gesellschaft eine „Vereinbarung über die Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsführung“, wonach die Gesellschaft ab dem 1.4.2011 die komplette Produktion der Klägerin an allen drei Standorten in Lohnfertigung mit den dort tätigen Arbeitnehmern weiterführen und für die Klägerin die Betriebsführung des gesamten Geschäftsbetriebs an allen Standorten übernehmen sollte. In diesem Zusammenhang wurde vereinbart, dass die Gesellschaft, sofern die Betriebsführung im Zusammenhang mit der Lohnfertigung und der Produktion ausgeführt werde, ausschließlich für Rechnungen und im Namen der Klägerin

31 BAG v. 26.1.2018 – 8 AZR 338/16 n. v.; BAG v. 10.11.2011 – 8 AZR 430/10 n. v. Rz. 23; BAG v. 14.12.2006 – 8 AZR 763/05, NZA 2007, 682 ff.; HWK/Willemsen, BGB § 613 a Rz. 57 ff. 32 BAG v. 26.1.2018 – 8 AZR 338/16 n. v.

209

Betriebsänderung und Betriebsübergang

tätig werde. Insoweit erteilte die Klägerin der Gesellschaft Generalhandlungsvollmacht. Die Klägerin und die Gesellschaft verfuhren ab dem 1.4.2011 entsprechend dieser Vereinbarung. Zuvor hatten die Klägerin und die Gesellschaft die Arbeitnehmer darüber unterrichtet, dass ihre Arbeitsverhältnisse mit Ablauf des 31.3.2011 infolge eines Betriebsübergangs auf die Gesellschaft übergehen würden. Mit Schreiben von Ende März 2014 kündigte die Gesellschaft das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten wegen Stilllegung des Berliner Betriebs. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Beklagten gegen die Gesellschaft wurde zwar rechtskräftig abgewiesen. Mit Schreiben vom 8.6.2015 forderte der Beklagte allerdings die Klägerin auf anzuerkennen, dass zwischen ihnen über den 31.3.2011 hinaus weiterhin ein Arbeitsverhältnis bestehe. Die Klägerin hat daraufhin Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass ein solches Arbeitsverhältnis über den 31.3.2011 hinaus zwischen den Parteien nicht (mehr) bestehe. In Übereinstimmung mit dem LAG Berlin-Brandenburg hat das BAG diesen Antrag abgelehnt und das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 31.3.2011 hinaus bestätigt. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass durch die „Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsführung“ keine rechtsgeschäftliche Übernahme des Betriebs erfolgt sei, in dem der Kläger beschäftigt wurde. Ein Betriebsübergang setze voraus, dass die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die insoweit die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten eingehe, in rahmenvertragliche Beziehungen wechsele. Diese Voraussetzungen seien vorliegend aber mit der Betriebsführung durch die Gesellschaft ab dem 1.4.2011 nicht erfüllt worden. Die Klägerin hatte ihre Verantwortung für den Betrieb des Unternehmens nicht an die Gesellschaft abgegeben, denn diese führte die Geschäfte weiterhin – auch gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern – im Namen der Klägerin, die insoweit weiterhin Betriebsinhaberin blieb. Dass sich der Betriebsinhaber durch eine andere – natürliche oder juristische – Person bei der Ausübung seiner aus dem Arbeitsverhältnis erfolgenden Weisungsrechte vertreten lässt, steht der (fortbestehenden) Betriebsinhaberschaft nicht entgegen. Zu Recht hat es das BAG auch abgelehnt, es dem Beklagten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu versagen, sich auf den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin zu berufen. Dabei war der Umstand, dass die Kündigungsschutzklage des Beklagten gegen die Gesellschaft rechtskräftig abgewiesen worden war, ohne Belang. Daraus konnte die Klägerin kein schutzwürdiges Vertrauen ableiten, nicht näher aus dem zwischen 210

Neues zur Kennzeichnung eines Betriebsübergangs

ihr und dem Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnis in Anspruch genommen zu werden.

b)

Betriebsübergang durch Auftragsnachfolge

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des EuGH33 und des BAG34, dass ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang nicht an die Voraussetzung geknüpft ist, dass vertragliche Beziehungen zwischen dem alten Betriebsinhaber und dem neuen Betriebsinhaber bestehen müssen. Es genügt, dass der neue Betriebsinhaber durch Rechtsgeschäft die wesentlichen Ressourcen des Betriebs oder Betriebsteils übernimmt, die bis dahin durch den bisherigen Betriebsinhaber bei der Verfolgung seines Betriebszwecks eingesetzt wurden. In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung hat der EuGH in seinem Urteil vom 19.10.201735 noch einmal klargestellt, dass auch die Auftragsnachfolge als Übergang im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG zu qualifizieren sein kann und daher in den Anwendungsbereich des § 613 a BGB fällt. Eine nationale Regelung, wie sie in Portugal bestand, kraft derer der Wechsel eines Auftragsinhabers nicht zu einem Betriebs- oder Betriebsteilübergangs führen könne, ist deshalb mit dem Unionsrecht nicht vereinbar. Voraussetzung für die Anerkennung eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs ist freilich, dass der Auftragsnachfolger die wesentlichen Ressourcen, die der Auftragsvorgänger bislang im Betrieb- oder Betriebsteil eingesetzt hatte, übernimmt und mit diesen ohne wesentliche Unterbrechung und unter Wahrung der bisherigen Organisations- oder Funktionsstruktur eine Fortführung des im Wesentlichen gleichen Betriebszwecks bewirkt. Welche Ressourcen in diesem Zusammenhang maßgeblich sind, hängt davon ab, ob eine betriebsmittelarme oder betriebsmittelreiche Tätigkeit betroffen ist. Bilden materielle und/oder immaterielle Betriebsmittel die wesentliche Grundlage für die betriebliche Tätigkeit, muss der Auftragsnachfolger die wesentlichen Betriebsmittel übernehmen, um eine Anwendbarkeit von § 613 a BGB auszulösen. Steht eine betriebsmittelarme Tätigkeit in Rede, genügt es in der Regel, dass das nach Zahl- und Sachkunde wesentliche Personal, das durch den bisherigen Betriebsinhaber mit der Erfüllung des Auftrags eingesetzt wurde, durch den Auftragsnachfolger übernommen und mit der entsprechenden Tätigkeit weiterbeschäftigt wird. Wichtig ist allerdings insbesonde33 Vgl. EuGH v. 20.11.2003 – C-340/01, NZA 2003, 1385 ff. Rz. 27 ff. – Carlito Abler; EuGH v. 11.3.1997 – C-13/95, NZA 1997, 433 f. Rz. 4 ff. – Ayse Süzen. 34 Vgl. BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 431/06, NZA 2007, 793 ff. Rz. 30; BAG v. 26.8.1999 – 8 AZR 827/98, NZA 2000, 371 ff. Rz. 27. 35 EuGH v. 19.10.2017 – C-200/16, NZA 2017, 1379 ff. Rz. 21 ff., 34 – Securitas.

211

Betriebsänderung und Betriebsübergang

re mit Blick auf Fallgestaltungen, in denen sowohl Arbeitnehmer als auch Betriebsmittel eingesetzt werden, dass jeweils eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls vorgenommen werden muss. Auf der Grundlage der Feststellungen des EuGH im Urteil vom 19.10.201736 obliegt es daher dem nationalen Gericht festzustellen, ob in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall durch den Auftragsnachfolger die wesentlichen Ressourcen übernommen wurden. Gegenstand der Auftragsnachfolge war die Bewachung des Hafens in Ponta Delgada, die der potentielle Erwerber zunächst einmal mit eigenem Personal und eigenen Uniformen übernommen hatte. Zu prüfen ist, ob durch die Möglichkeit, die bisherige Videoüberwachung zu nutzen, ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme einer Übernahme wesentlicher Ressourcen gegeben waren. Dies entspricht auch der Vorgehensweise des BAG, sodass insoweit keine Änderung der Rechtsprechung geboten ist. (Ga)

6.

Gestaltungsspielraum bei der Zuordnung von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit einer Spaltung nach § 123 UmwG

a)

Ausgangssituation

Die Zuordnung von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit einem Betriebsoder Betriebsteilübergang bzw. einer Umwandlung ist dann unproblematisch, wenn der Arbeitnehmer in der vom Übertragungsvorgang betroffenen Einheit tätig ist und insoweit keine personellen Veränderungen vorgenommen werden sollen. Probleme können in der betrieblichen Praxis dann entstehen, wenn der Übergang eines Arbeitsverhältnisses mit einem Arbeitnehmer beabsichtigt ist, der an sich in einer anderen Einheit eingesetzt wird. Problematisch wird die Anwendbarkeit von § 613 a BGB auch dann, wenn die vom Übertragungsvorgang nach dem Willen der beteiligten Unternehmen betroffenen Arbeitnehmer vor dem Wirksamwerden des Betriebsteilübergangs bzw. der Umwandlung noch nicht als organisatorische Einheit tätig werden. In seinen verschiedenen Urteilen vom 19.10.201737 hat sich das BAG jetzt eingehend mit der Frage befasst, welche Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug 36 EuGH v. 19.10.2017 – C-200/16, NZA 2017, 1379 ff. Rz. 31 ff. – Securitas. 37 BAG v. 19.10.2018 – 8 AZR 63/16, NZA 2018, 370 ff.; BAG v. 19.10.2017 – 8 AZR 845/15, NZA 2018, 436 ff.

212

Gestaltungsspielraum bei der Zuordnung von Arbeitnehmern

auf die Zuordnung von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit einer Spaltung nach § 123 UmwG bestehen. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass der 8. Senat dabei nicht nur Klarstellungen in Bezug auf die Bedeutung von § 613 a BGB im Zusammenhang mit einer solchen Umwandlung vorgenommen hat. Von erheblicher Bedeutung ist, dass das BAG insoweit auch ein Wahlrecht des Arbeitnehmers anerkannt hat, der damit jedenfalls für den Fall einer Aufspaltung selbst entscheiden kann, auf welchen Rechtsträger das Arbeitsverhältnis übergeht.

b)

Sachverhalt der Entscheidung des BAG vom 19.10.2017

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Deutsche Lufthansa den Servicevertrag mit einer Tochtergesellschaft gekündigt. Die Tochtergesellschaft war auf Verfahren und Prozesse zur systematischen Analyse von Daten in elektronischer Form im Bereich Abrechnungen im Luftverkehr spezialisiert und stellte in diesem Zusammenhang Abrechnungssysteme zur Verfügung, überwachte Schnittstellen, optimierte Prozesse, prüfte Qualitätskriterien und entwickelte Softwarelösungen. Dafür unterhielt sie einen Betrieb in N, in dem auch die Klägerin beschäftigt war. Ziel der Kündigung des Auftragsverhältnisses war eine Neuvergabe. Ein großer Teil der Arbeit sollte auf ausländische Gesellschaften übertragen werden. Ein anderer Teil sollte bei einer neu gegründeten Gesellschaft in Deutschland verbleiben. Im Hinblick darauf beschloss die Tochtergesellschaft, ihren Betrieb aufzuspalten. Ein Teil der Arbeitnehmer sollte auf eine Gesellschaft übertragen werden, in der die Prozesse fortgeführt wurden, die weiterhin in Deutschland verblieben. Der übrige Teil der Arbeitnehmer sollte auf eine Gesellschaft übergehen, deren Prozesse schrittweise auf andere Gesellschaften im Ausland übertragen werden sollten. Die Tochtergesellschaft vereinbarte daher mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich, dem zwei Namenslisten mit einer entsprechenden Zuordnung der Arbeitnehmer zu den beiden Gesellschaften als Bestandteil angehängt war. Der Name der Klägerin stand in der Namensliste, die Arbeitnehmer enthielt, deren Tätigkeit nur noch vorübergehend in Deutschland fortgeführt werden sollten. Andere Arbeitnehmer der gleichen Abteilung, in der die Klägerin tätig war, waren hingegen der Gesellschaft zugeordnet worden, in der zunächst einmal unbefristet Prozesse in Deutschland fortgeführt werden sollten. Nach dem Interessenausgleich sollten die Spaltung des Betriebs und die Zuordnung der Arbeitnehmer bereits zum 1.1.2015 wirksam werden. Die Übertragung der Arbeitsverhältnisse, die im Wege einer Aufspaltung nach § 123 213

Betriebsänderung und Betriebsübergang

UmwG geplant war, trat erst mit Eintragung im Handelsregister in Kraft. Diese Eintragung erfolgte im Mai 2015. Bereits zuvor hatte die Klägerin Klage mit dem Ziel erhoben, die Beklagte zu verpflichten, sie in ihrem Betrieb weiter zu beschäftigen. Die Beklagte war das Unternehmen, in dem die Prozesse fortgeführt wurden, die in Deutschland verbleiben sollten. Die Klägerin machte geltend, dass die Zuordnung ebenso wie der Interessenausgleich im Widerspruch zu § 613 a BGB stünden und deshalb unwirksam seien.

c)

Übergang von Arbeitsverhältnissen im Wege der Spaltung nach § 123 UmwG

Gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG bewirkt die Eintragung der Spaltung in das Register des Sitzes des übertragenden Rechtsträgers, dass das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers entsprechend der im Spaltungs- und Übernahmevertrag vorgesehenen Aufteilung jeweils als Gesamtheit auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht. Damit tritt eine (partielle) Gesamtrechtsnachfolge ein. Ein gesonderter Übertragungsakt hinsichtlich der einzelnen Gegenstände des Vermögens ist nicht erforderlich. Welche Teile des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers bei einer Aufspaltung i. S. d. § 123 Abs. 1 UmwG auf welchen übernehmenden Rechtsträger übergehen, richtet sich nach ihrer Zuordnung im Spaltungs- und Übernahmevertrag38. Grundsätzlich können auch Arbeitsverhältnisse im Wege der (partiellen) Gesamtrechtsnachfolge gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG von einem übertragenden auf einen übernehmenden Rechtsträger übergehen. Dies setzt aber – so das BAG – nicht nur voraus, dass das Arbeitsverhältnis im Spaltungs- und Übernahmevertrag dem übernehmenden Rechtsträger bzw. der Einheit zugeordnet wurde, die auf den übernehmenden Rechtsträger übertragen wird. Voraussetzung ist auch, dass das betroffene Arbeitsverhältnis nicht bereits zuvor im Wege eines rechtsgeschäftlichen Betriebs- oder Betriebsteilübergangs nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auf einen der übernehmenden Rechtsträger übergegangen ist. Dies folgert das BAG aus § 324 UmwG, wonach § 613 a Abs. 1 und Abs. 4 bis 6 BGB durch die Wirkungen der Eintragung einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung unberührt bleibe. Da § 324 UmwG insoweit eine Rechtsgrundverweisung enthalte, müsse das Vorliegen eines Betriebsübergangs bei einer Verschmelzung, Spaltung

38 BAG v. 19.10.2017 – 8 AZR 63/16, NZA 2018, 370 ff. Rz. 22 f.

214

Gestaltungsspielraum bei der Zuordnung von Arbeitnehmern

oder Vermögensübertragung für jede der in Betracht kommenden Einheiten deshalb auch eigenständig und vorrangig geprüft werden39.

d)

Vorliegen eines rechtsgeschäftlichen Betriebs- oder Betriebsteilübergangs

Auch im Zusammenhang mit einer Umwandlung muss damit zunächst einmal geprüft werden, ob ein rechtsgeschäftlicher Betriebs- oder Betriebsteilübergang vorliegt. Dieser kann zu einem Übergang der Arbeitsverhältnisse vor dem Wirksamwerden der Umwandlung führen. Unerheblich ist dabei, ob es sich um eine Verschmelzung, Vermögensübertragung oder eine Spaltung handelt. Steht eine Abspaltung oder Ausgliederung nach § 123 UmwG in Rede, kann der rechtsgeschäftliche Betriebs- oder Betriebsteilübergang zu einem Arbeitgeberwechsel auch nach dem Wirksamwerden des Betriebsübergangs erfolgen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs unterscheiden sich dabei nicht von Fallgestaltungen ohne einen Zusammenhang mit einer Umwandlung. Insofern kommt es darauf an, dass der potentielle Erwerber die wesentlichen Betriebsmittel und/oder Arbeitnehmermehrheit, die zuvor in einer organisatorisch abgrenzbaren Einheit eingesetzt wurde, übernimmt, um mit diesen ohne wesentliche Unterbrechung die gleiche oder gleichartige Tätigkeit unter Wahrung der bisherigen Organisations- oder Funktionsstruktur fortzusetzen. Einen solchen Betriebsteilübergang mit Konsequenz für das Arbeitsverhältnis der Klägerin hat das BAG im Urteil vom 19.10.201740 abgelehnt. Denn im vorliegenden Fall war nicht feststellbar, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin als Bestandteil einer hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck unter Wahrung seiner Identität auf einen der beiden übernehmenden Rechtsträger übergeleitet worden war. Vielmehr waren der Gesellschaft, auf die das Arbeitsverhältnis der Kläger übergehen sollte, lediglich Prozess und Aufgaben sowie Arbeitnehmer zugeordnet worden, deren Beschäftigungsmöglichkeit wegen der Beendigung des Hauptauftrages in absehbarer Zeit entfallen sollte. Die hiervon betroffenen Arbeitnehmer waren allerdings nicht der wesentliche Bestandteil einer organisato-

39 BAG v. 19.10.2017 – 8 AZR 63/16, NZA 2018, 370 ff. Rz. 24 ff.; BAG v. 20.4.2016 – 10 AZR 111/15, NZA 2017, 141 ff. Rz. 30. 40 BAG v. 19.10.2017 – 8 AZR 63/16, NZA 2018, 370 ff. Rz. 32 ff.

215

Betriebsänderung und Betriebsübergang

risch abgrenzbaren Einheit, die nach allgemeinen Grundsätzen Gegenstand eines Betriebsteilübergangs hätte sein können.

e)

Gestaltungsspielraum bei der Zuordnung von Arbeitnehmern im Rahmen von § 123 UmwG

Für den hier in Rede stehenden Fall kam es daher darauf an, ob das Arbeitsverhältnis tatsächlich entsprechend der Zuordnung der Klägerin im Spaltungs- und Übernahmevertrag und der ergänzenden Aufnahme in die Namensliste zum Interessenausgleich übergegangen war. Auch dies hat das BAG abgelehnt. Zum einen könne die Zuordnung eines Arbeitnehmers im Spaltungsvertrag nicht entgegen den Vorgaben von § 613 a Abs. 1 BGB vorgenommen werden. Zum anderen sei es jedenfalls im Falle einer Aufspaltung erforderlich, dass der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zustimme. Zur Begründung des Zustimmungserfordernisses verweist das BAG nicht nur auf die Gesetzesgeschichte und den ursprünglich in § 132 UmwG a. F. enthaltenen Grundsatz, wonach der Anspruch auf die Dienste aus § 613 S. 2 BGB auch im Rahmen einer Umwandlung grundsätzlich nicht übertragbar sein sollte. Daran müsse angesichts der grundrechtlichen Wertungen des Art. 12 Abs. 1 GG auch nach der Aufhebung von § 132 UmwG a. F. festgehalten werden. Denn das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG garantiere dem Arbeitnehmer die freie Wahl des Arbeitsplatzes und damit auch die freie Wahl des Vertragspartners. Diesen grundrechtlichen Wertungen könne jedenfalls im Falle der Aufspaltung des übertragenden Rechtsträgers, da dieser mit dem Wirksamwerden der Aufspaltung untergehe, nur durch ein Zustimmungserfordernis ausreichend Rechnung getragen werden. Dass das Zustimmungserfordernis durch den 8. Senat des BAG nicht auch mit Blick auf die Abspaltung oder Ausgliederung diskutiert wird, dürfte daran liegen, dass der übertragende Rechtsträger in solchen Umwandlungen fortbesteht. Hier kann der Höchstpersönlichkeit der Dienste (§ 613 S. 2 BGB) ohne Weiteres durch die Ausübung des Widerspruchsrechts gemäß § 613 a Abs. 6 BGB Rechnung getragen werden.

f)

Kein Abweichen durch einen Interessenausgleich nach § 323 Abs. 2 UmwG

Durch die Übernahme der Klägerin in eine Namensliste zum Interessenausgleich anlässlich der Spaltung des Betriebs konnte das Erfordernis einer Zustimmung der Klägerin zu dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nach 216

Gestaltungsspielraum bei der Zuordnung von Arbeitnehmern

Auffassung des BAG nicht beseitigt werden41. § 323 Abs. 2 UmwG räume den zuständigen Betriebspartnern nicht das Recht ein, Arbeitnehmer wirksam einem beliebigen „Spaltprodukt“ zuzuordnen, es sei denn, die Zuordnung ließe sich unter keinem Gesichtspunkt sachlich rechtfertigen. Vielmehr müsse die Zuordnung nach den Kriterien und Vorgaben des § 613 a Abs. 1 BGB erfolgen und damit zu einer übergangsfähigen wirtschaftlichen Einheit i. S. d. § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB und der Richtlinie 2001/23/EG führen. Das Ergebnis sei dann zwar nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar. Erfolge die Zuordnung aber – wie hier – nicht zu einer wirtschaftlichen Einheit i. S. d. § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB, die darauf angelegt sei, identitätswahrend fortgeführt zu werden, sei die Zuordnung grob fehlerhaft i. S. d. § 323 Abs. 2 UmwG und damit unverbindlich. Diese Vorgaben des BAG müssen in der betrieblichen Praxis bei der Ausgestaltung entsprechender Interessenausgleiche nebst Namensliste beachtet werden. Unproblematisch ist dies der Fall, wenn die Arbeitnehmer jeweils bereits in den Einheiten tätig sind, in denen sie im Hinblick auf deren Übertragung zugeordnet werden sollen. Falls die organisatorische Zugehörigkeit zu diesen Einheiten bei Abschluss des Interessenausgleichs aber noch nicht gegeben ist, muss jedenfalls dafür Sorge getragen werden, dass bis zum Wirksamwerden der Spaltung des Betriebes eine entsprechende Versetzung des Arbeitnehmers in die Einheit erfolgt, zu der im Interessenausgleich bereits eine Zuordnung erfolgt ist. Dabei sind ggf. auch Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 99 BetrVG zu beachten.

g)

Wahlrechte des Arbeitnehmers bei fehlender Zustimmung

Fehlt eine Zustimmung des Arbeitnehmers zu seiner Zuordnung zu einem der übernehmenden Rechtsträger, hat dies bei der Aufspaltung nach § 123 UmwG nach Auffassung des BAG allerdings nicht zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis mit Wirksamwerden der Spaltung erlischt42. Ebenso lehnt das BAG ein einheitliches Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und allen übernehmenden Rechtsträgern ab43. Vielmehr bestehe ein Wahlrecht des Arbeitnehmers, kraft dessen er entscheiden könne, mit welchem der neuen Rechtsträger das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werde44. 41 BAG v. 19.10.2017 – 1 AZR 63/16, NZA 2018, 370 ff. Rz. 37 ff. 42 A. A. Brinkmann, Die Spaltung von Rechtsträgern nach dem neuen Umwandlungsrecht S. 128; Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht S. 220 f. 43 A. A. Däubler, RdA 1995, 136, 142. 44 BAG v. 19.10.2017 – 8 AZR 63/16, NZA 2018, 370 ff. Rz. 48 ff.; Böcken, Unternehmensumwandlungen und Arbeitsrecht Rz. 77 (bei unterbliebener Zuordnung).

217

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Diese richterrechtliche Anerkennung eines Wahlrechts des Arbeitnehmers hat erhebliche Bedeutung für die Betriebspraxis. Sie macht es nämlich nicht nur erforderlich, die Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern im Vorfeld einer Aufspaltung nach § 123 UmwG entsprechend ihrer organisatorischen Einbindung zuzuordnen. Vielmehr sind sämtliche Arbeitnehmer um eine Zustimmung zu dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Rechtsträger zu bitten, der diesen Betrieb oder Betriebsteil übernehmen soll. Das gilt – entgegen § 613 a BGB – sogar dort, wo Arbeitnehmer Jahre oder Jahrzehnte in der organisatorischen Einheit tätig waren, der sie jetzt zugeordnet worden sind. Eine Pflicht, diese Zustimmung abzugeben, besteht nicht. Vielmehr hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sein Wahlrecht auch dahingehend auszuüben, dass das Arbeitsverhältnis auf einen Rechtsträger übergeht, dem eine organisatorische Einheit zugeordnet wird, innerhalb derer er selbst nicht tätig gewesen ist.

h)

Fazit

Es bestehen erhebliche Bedenken, ob die letztgenannte Rechtsfolge einer Ausübung des Wahlrechts noch mit der unternehmerischen Freiheit vereinbar ist. Sie verpflichtet den Arbeitgeber zur Übernahme eines Arbeitnehmers auch ohne die Übernahme eines Betriebs oder Betriebsteils, innerhalb dessen der Arbeitnehmer tätig war. Die damit verbundene Ausweitung einer Anwendbarkeit der Rechtsfolgen aus § 613 a BGB dürfte im Widerspruch zu Art. 16 GRC stehen. Es wäre zu wünschen, dass das BAG derart weitreichende Ausweitungen auch unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Vorgaben, die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen gleichermaßen berücksichtigen müssen, zum Anlass eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV macht. Denn dieses Verständnis entsprechender Vorgaben aus Richtline 2001/23/EG dürfte mit Art. 16 GRC nicht vereinbar sein. Unabhängig davon ist bis zu einer höchstrichterlichen Klärung durch den EuGH auf das Erfordernis einer Zustimmung und die Möglichkeit eines Wahlrechts im Rahmen der Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB im Zusammenhang mit einer Aufspaltung nach § 123 UmwG hinzuweisen. Zwar droht bei einer Nicht- oder Schlechterfüllung der Unterrichtungspflicht kein Widerspruch gemäß § 613 a Abs. 6 BGB. Dieser ist wegen der Auflösung des übertragenden Rechtsträgers im Zusammenhang mit einer Aufspaltung ausgeschlossen. Der Arbeitnehmer könnte allerdings Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn als Konsequenz der fehlenden oder fehlerhaften Unterrichtung das Wahlrecht nicht ausgeübt wird und dadurch Nachteile entstehen. (Ga)

218

Verwirkung des Widerspruchsrechts durch bloße Weiterbeschäftigung

7.

Betriebsübergang: Verwirkung des Widerspruchsrechts durch bloße Weiterbeschäftigung

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG wird die einmonatige Widerspruchsfrist aus § 613 a Abs. 6 S. 1 BGB nur durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB in Lauf gesetzt. Fehlt es daran, kann der von einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang bzw. einer Umwandlung betroffene Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auch nach Ablauf der Monatsfrist widersprechen. Wir hatten darauf bereits bei früherer Gelegenheit hingewiesen45. Auch in seinem Urteil vom 24.8.201746 weist das BAG darauf hin, dass die Befugnis zum Widerspruch nach Ablauf der Monatsfrist auch dann gegeben ist, wenn kein Kausalzusammenhang zwischen der fehlerhaften Information und dem nicht ausgeübten Widerspruchsrecht bestehe47. Dem ist zwar grundsätzlich zuzustimmen. Allerdings wird man davon ausgehen müssen, dass die fehlende Anwendbarkeit der Monatsfrist jedenfalls an die Voraussetzung geknüpft ist, dass die fehlerhafte Information auch Relevanz für das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers besitzt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Angaben zur Haftung der beteiligten Rechtsträger und/oder zum Kündigungsschutz fehlerhaft sind. Betrifft der Fehler aber z. B. Besonderheiten eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs in Bezug auf schwerbehinderte Menschen, erlaubt dieser Fehler keinen Widerspruch nach Ablauf der Monatsfrist, wenn der Arbeitnehmer selbst gar keine Behinderung hat. Ungeachtet dessen kann das Widerspruchsrecht auch nach Ablauf der Monatsfrist nicht zeitlich unbegrenzt ausgeübt werden. Vielmehr ist das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers auch bei fehlender/fehlerhafter Unterrichtung – wie jedes Recht – an die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gebunden und kann deshalb verwirkt werden. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes und dient – so das BAG – dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Insofern soll die Verwirkung den Schuldner nicht bereits dann von seiner Verpflichtung befreien, wenn der Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Vielmehr setzt die Anerkennung der Verwirkung voraus, dass der 45 B. Gaul, AktuellAR 2015, 648, 663 ff.; 2016, 283 ff., 623 ff.; 2017, 599 ff. Ausf. dazu vgl. Grau/Schaut, NZA 2018, 216 ff.; Steffan, ArbRB 2018, 86 ff. 46 BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 265/16, NZA 2018, 168 ff. Rz. 13. 47 Ebenso BAG v. 24.7.2008 – 8 AZR 73/07 n. v. Rz. 39; BAG v. 20.3.2008 – 8 AZR 1016/06, NZA 2008, 1354 ff. Rz. 36.

219

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Gläubiger unter Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, sodass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Zeitmoment und Umstandsmoment beeinflussen sich dabei – so das BAG – wechselseitig in dem Sinne, dass beide Elemente bildhaft im Sinne kommunizierender Röhren verbunden sind. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände sind, die eine Geltendmachung für den Gegner unzumutbar machten, desto schneller könne ein Anspruch oder Recht verwirken. Umgekehrt gelte: Je mehr Zeit seit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs verstrichen sei und je länger der Arbeitnehmer bereits für den Erwerber gearbeitet habe, desto geringer seien die Anforderungen an das Umstandsmoment48. Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen zu den „korrespondierenden Röhren“ nimmt das BAG in seinem Urteil vom 24.8.201749 Abschied von der Annahme, dass das Umstandsmoment in allen Fällen eine Verfügung des Arbeitnehmers über sein Arbeitsverhältnis verlangt. Eine derartige Bindung der Anerkennung rechtsmissbräuchlichen Verhaltens an eine bestimmte Handlungsform war ohnehin nicht mit dem einzelfallbezogenen Verständnis von Treu und Glauben vereinbar. Insofern ist es richtig, dass das BAG mit zunehmender Zeit zwischen der fehlerhaften Unterrichtung und dem Widerspruch geringere Anforderungen an den Umstand stellt, der im Verhältnis zu dem früheren Betriebsinhaber oder dem nachfolgenden Betriebsinhaber auftritt und ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses beim nachfolgenden Betriebsinhaber begründen muss. Hiervon ausgehend bestätigt das BAG, dass auch die widerspruchslose Weiterarbeit des Arbeitnehmers für den neuen Inhaber zur Verwirkung des Widerspruchsrechts führen könne. Nach Auffassung des BAG verlangt die Anerkennung des Umstandsmoments durch die bloße Weiterarbeit allerdings, dass der Arbeitnehmer im Rahmen einer Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB über (1) den mit dem Betriebsübergang verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses (2) unter Mitteilung des Zeitpunkts oder des geplanten Zeitpunkts, (3) den Gegenstand des Betriebsübergangs, (4) den Betriebsübernehmer und (5) über sein Widerspruchsrecht in Textform in Kenntnis gesetzt wurde. Eine solche „grundlegende Information“ rechtfertige es, auch ohne weitergehende Umstandsmomente durch bloßen Zeitablauf von einer Verwirkung auszugehen. Notwendig sei allerdings auch, dass diese bloße Weiterarbeit über einen Zeitraum von mindestens sieben Jahren erfolgt sei. 48 BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 265/16, NZA 2018, 168 ff. Rz. 18 f. 49 BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 265/16, NZA 2018, 168 ff. Rz. 23 ff.

220

Verwirkung des Widerspruchsrechts durch bloße Weiterbeschäftigung

Dieser Zeitraum beginne frühestens mit dem Betriebsübergang bzw. – wenn die Monatsfrist des § 613 a Abs. 6 S. 1 BGB erst nach dem Betriebsübergang ablaufe – erst mit Ablauf der gesetzlichen Frist für den Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses. Für die betriebliche Praxis stellt diese Form einer abstrakt-generellen Anerkennung der Verwirkung einen ersten Schritt zu mehr Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dar. Es überzeugt auch, dass das BAG mit dieser Frist eine Ausweitung auf zehn Jahre abgelehnt hat, die unter Bezugnahme auf eine analoge Anwendbarkeit von § 121 Abs. 2 BGB verlangt worden war. Es wäre allerdings wünschenswert gewesen, wenn hier ein deutlich kürzerer Zeitpunkt als ausreichend anerkannt worden wäre. Dies aber hat das BAG ausdrücklich abgelehnt und zudem deutlich gemacht, dass die sieben Jahre sehr streng zu bewerten sind und daher erst nach ihrem vollständigen Wegfall eine Verwirkung durch die bloße Weiterarbeit des Arbeitnehmers beim Betriebserwerber rechtfertigen. Im konkreten Einzelfall hatte dies dann auch zur Folge, dass eine Verwirkung abgelehnt wurde. Die Klägerin war zwar bereits am 26.7.2007 über den Betriebsübergang, der am 1.9.2007 stattfand, unterrichtet worden. Da die Unterrichtung in Bezug auf die Haftung nach § 613 a Abs. 2 BGB fehlerhaft war, konnte der Widerspruch auch außerhalb der Monatsfrist des § 613 a Abs. 6 BGB erklärt werden. Der am 30.7.2014 erklärte Widerspruch war damit fristgerecht. Ablauf der Frist wäre erst am 31.8.2014 eingetreten. Es gehört zur Eigenart von Fristen, dass sie ausgeschöpft werden können. Wenn man – was diesseits wegen der Länge der Frist schwerfällt – der Anerkennung der Sieben-Jahres-Frist für den Fall einer bloßen Weiterarbeit folgt, war es deshalb an sich richtig, noch von einem rechtzeitigen Widerspruch auszugehen. Das gilt auch für Fristen, die im Rahmen von Treu und Glauben aufgestellt werden. Deutlich wird damit allerdings noch einmal, wie wichtig es ist, im Zusammenhang mit einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang auf die ordnungsgemäße Unterrichtung gemäß § 613 a Abs. 5 BGB zu achten. Denn dann muss der Widerspruch bereits kraft Gesetzes innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung erfolgen. Dies vermeidet auch eine etwaige Belastung des übertragenden Rechtsträgers, die sonst auch erst viele Jahre nach dem Wirksamwerden des Betriebs- oder Betriebsteilübergangs eintreten kann. (Ga)

221

J. Aktuelles aus Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht 1.

BMF-Schreiben zur steuerlichen Förderung der betrieblichen Altersversorgung

Am 6.12.2017 ist das BMF-Schreiben zur steuerlichen Förderung der betrieblichen Altersversorgung 1 veröffentlicht worden. Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder nimmt darin das BMF vor dem Hintergrund der Änderungen durch das Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz = BRSG) Stellung. Ausgehend davon, dass ein Teil der gesetzlichen Änderungen bereits zum 1.1.2018 in Kraft getreten ist und weitere Änderungen zu künftigen Stichtagen auslösen wird, ist es wichtig, bei den notwendigen Anpassungen bestehender Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung und neuen Betriebsrentenzusagen die im BMF-Schreiben getroffenen Feststellungen neben den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. In dem Rundschreiben geht es zwar vor allem um die lohnsteuerrechtliche Behandlung von Zusagen auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Ergänzend hierzu werden aber auch die steuerliche Behandlung der Versorgungsleistungen und schädliche Auszahlungen von gefördertem Altersvorsorgevermögen behandelt. Auf der Grundlage der Veränderungen im Arbeits-, Sozialversicherungsund Steuerrecht, über die an anderer Stelle bereits berichtet wurde 2, sei nachfolgend nur auf einige Aspekte hingewiesen. Hilfreich ist es, neben den rechtlichen Ausführungen, die den Finanzbehörden eine Auslegungshilfe bieten sollen, vor allem die Beispiele zu berücksichtigen, die zu den einzelnen Steuertatbeständen in das BMF-Schreiben integriert sind.

a)

Steuerliche Beurteilung des Zeitpunkts der Erteilung einer Versorgungszusage

Zunächst einmal stellt das BMF-Schreiben bereits im allgemeinen Teil klar, wie in Bezug auf die steuerrechtliche Beurteilung die Frage zu beantworten 1 2

IV C 5 – S 2333/17/10002 (2017/0989084). Hofelich, AktuellAR 2017, 336 ff.

223

Aktuelles aus Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

ist, zu welchem Zeitpunkt eine Versorgungszusage erteilt wurde. Nach Maßgabe des BMF-Schreibens ist dafür grundsätzlich die zu einem Rechtsanspruch führende arbeitsrechtliche bzw. betriebsrentenrechtliche Verpflichtungserklärung des Arbeitgebers maßgebend (z. B. Einzelvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag). Entscheidend sei danach nicht, wann Mittel an die Versorgungseinrichtung flössen. Bei kollektiven, rein arbeitgeberfinanzierten Versorgungsregelungen sei die Zusage daher in der Regel mit Abschluss der Versorgungsregelung bzw. mit Beginn des Dienstverhältnisses des Arbeitnehmers erteilt. Wenn die erste Dotierung durch den Arbeitgeber erst nach Ablauf einer von vornherein arbeitsrechtlich festgelegten Wartezeit vorgesehen sei, werde dadurch der Zusagezeitpunkt nicht verändert. Im Falle der ganz oder teilweise durch Entgeltumwandlung finanzierten Zusage gilt diese regelmäßig mit Abschluss der erstmaligen Gehaltsänderungsvereinbarung als erteilt. Abweichend hierzu soll die Versorgungszusage allerdings erst im Zeitpunkt der erstmaligen Herabsetzung als erteilt gelten, wenn zwischen der Gehaltsänderungsvereinbarung und der erstmaligen Herabsetzung des Arbeitslohns mehr als zwölf Monate liegen 3. Relevant wird diese Regelung vor allem bei den Übergangsregelungen zur Entgeltumwandlung. Diese betreffen nicht nur die reine Beitragszusage (§ 23 Abs. 2 BetrAVG). Bedeutsam wird diese Kennzeichnung auch für die normale Entgeltumwandlung. Denn der Arbeitgeber muss bei Zusagen, die nach dem 31.12.2018 erteilt werden, 15 % des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart (§ 1 a Abs. 1 a, 26 a BetrAVG). Bei Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 1.1.2019 geschlossen werden, besteht diese Verpflichtung erst ab dem 1.1.2022.

b)

Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 63 S. 1 EStG

Zu den nach § 3 Nr. 63 EStG begünstigten Aufwendungen gehören nur Beiträge an Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen, die zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung im Kapitaldeckungsverfahren erhoben werden. Wenn Beiträge im Kapitaldeckungsverfahren gemeinsam mit Umlagen entrichtet werden, kann eine Steuerbegünstigung nur geltend gemacht werden, wenn eine getrennte Verwaltung und Abrechnung beider Vermögensmassen erfolgt (Trennungsprinzip) 4.

3 4

BMF-Schreiben Rz. 3. BMF-Schreiben Rz. 25.

224

BMF-Schreiben zur steuerlichen Förderung der betrieblichen Altersversorgung

Steuerfrei sind nach § 3 Nr. 63 S. 1 EStG nur Beiträge des Arbeitgebers, die er als Versicherungsnehmer selbst schuldet und an die Versorgungseinrichtung leistet. Dazu gehören • die Beiträge des Arbeitgebers, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden (rein arbeitgeberfinanzierte Beiträge) sowie • alle im Gesamtversicherungsbeitrag des Arbeitgebers enthaltenen Finanzierungsanteile des Arbeitnehmers, wie z. B. eine Eigenbeteiligung des Arbeitnehmers oder die mittels Entgeltumwandlung finanzierten Beiträge einschließlich der Leistungen des Arbeitgebers i. S. d. §§ 1 a Abs. 1 a, 23 Abs. 2 BetrAVG.

In Bezug auf den Arbeitgeberzuschuss nach §§ 1 a Abs. 1 a, 23 Abs. 2 BetrAVG stellt das BMF-Schreiben unter Bezugnahme auf einen Hinweis des BMAS klar, dass eine entsprechende Zahlung des Arbeitgebers nur erfolgen muss, „soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart“. Sei dies nicht der Fall, etwa wenn Entgelt oberhalb einer Beitragsbemessungsgrenze umgewandelt werde, sei insoweit auch kein Arbeitgeberzuschuss fällig. Werde Entgelt im Bereich zwischen der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung und der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung umgewandelt, könne der Arbeitgeber „spitz“ abrechnen oder 15 % des umgewandelten Beitrags an die Versorgungseinrichtung weiterleiten. Wie die Weiterleitung des Arbeitgeberzuschusses an die Versorgungseinrichtung technisch umgesetzt werde, obliege den Beteiligten. So könne der Arbeitgeberzuschuss zusätzlich zu dem vereinbarten Entgeltumwandlungsbetrag an die Versorgungseinrichtung weitergeleitet werden. Sofern diese nicht bereit sei, den Vertrag entsprechend anzupassen, komme der Neuabschluss eines Vertrags nur für den Arbeitgeberzuschuss in Betracht. Denkbar sei aber auch, dass zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Vereinbarung abgeschlossen werde, wonach der an die Versorgungseinrichtung abzuführende Betrag gleichbleibe und künftig den Arbeitgeberzuschuss neben dem entsprechend verminderten umgewandelten Entgelt des Arbeitnehmers enthält. Wichtig in der betrieblichen Praxis ist, dass bei entsprechenden Zusagen über die Gewährung eines Arbeitgeberzuschusses, die vor dem 1.1.2019 getroffen werden, im Rahmen der individual- oder kollektivrechtlichen Regelung klargestellt wird, dass dieser Zuschuss auf einen kraft Gesetzes zu leistenden Arbeitgeberzuschuss zur Anrechnung kommt. Andernfalls könnte im Wege der Auslegung die Auffassung vertreten werden, dass der freiwillig 225

Aktuelles aus Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

zugesagte Zuschuss neben den Leistungen nach §§ 1 a Abs. 1 a, 23 Abs. 2 BetrAVG gezahlt werden muss.

c)

BAV-Förderbetrag

Umfangreiche Ausführungen des BMF-Schreibens betreffen den BAVFörderbetrag, der durch § 100 EstG zum 1.1.2018 als neues Fördermodell zur betrieblichen Altersversorgung eingeführt wurde. Der BAV-Förderbetrag ist ein staatlicher Zuschuss zu einem vom Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleisteten Beitrag zur betrieblichen Altersversorgung von Arbeitnehmern mit geringem Einkommen (Bruttomonatsentgelt max. 2.200 €). Gefördert werden Beiträge von mindestens 240 € bis höchstens 480 € im Kalenderjahr. Dabei beträgt der staatliche Zuschuss 30 % des gesamten zusätzlichen Arbeitgeberbeitrags, also mindestens 72 € bis höchstens 144 € im Kalenderjahr. Er wird dem Arbeitgeber im Wege der Verrechnung mit der von ihm abzuführenden Lohnsteuer gewährt, grundsätzlich für den Lohnsteueranmeldungszeitraum, dem der jeweilige Beitrag des Arbeitgebers zuzuordnen ist 5. Wenn arbeitgeberseitig an Regelungen gearbeitet wird, bei denen der BAVFörderbetrag nutzbar gemacht werden soll, ist es wichtig, die im BMFSchreiben genannten Voraussetzungen zu berücksichtigen. Dabei muss im Auge behalten werden, dass in Fällen, in denen der Arbeitgeber bereits im Jahr 2016 einen zusätzlichen Arbeitgeberbeitrag an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung geleistet hat, der jeweilige BAV-Förderbetrag auf den Betrag beschränkt ist, den der Arbeitgeber über den bisherigen Beitrag hinaus leistet (§ 100 Abs. 2 S. 2 EstG) 6. (Ga)

2.

BMF-Schreiben zur lohnsteuerrechtlichen Behandlung der Dienstwagenüberlassung

Am 4.4.2018 wurde das BMF-Schreiben zur lohnsteuerrechtlichen Behandlung der Überlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs an Arbeitnehmer verfügbar gemacht 7. Ergänzend zu § 8 Abs. 2 S. 2 bis 5 EStG sowie R 8.1 Abs. 9, 10 LStR wird mit diesem BMF-Schreiben zu Zweifelsfragen Stellung genommen.

5 6 7

BMF-Schreiben Rz. 100. BMF-Schreiben Rz. 126. IV C 5 – S 2334/18/10001 (2018/0258099).

226

BMF-Schreiben zur Behandlung der Dienstwagenüberlassung

Die wesentlichen Ausführungen betreffen die Begrenzung des pauschalen Nutzungswerts für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Dabei werden auch Besonderheiten erfasst, die sich daraus ergeben, dass ein Kraftfahrzeug ausschließlich an Tagen überlassen wird, an denen es erforderlich werden kann, dass der Arbeitnehmer dienstliche Fahrten von der Wohnung aus antritt oder an der Wohnung beendet (z. B. Bereitschaftsdienst in Versorgungsunternehmen). Ergänzende Ausführungen betreffen die Einbeziehung eines Fahrzeugpools, einen etwaigen Fahrzeugwechsel oder den Umstand, dass dem Arbeitnehmer ein Kraftfahrzeug tatsächlich nur gelegentlich überlassen wird. Darüber hinaus behandelte das BMF-Schreiben unter anderem die Einbeziehung von P & R, die Überlassung eines Kraftfahrzeugs an mehrere Arbeitnehmer oder die Überlassung mehrerer Kraftfahrzeuge an einen einzigen Arbeitnehmer. Ein zweiter Teil befasst sich mit besonderen Fragen, die sich bei einer individuellen Nutzungswertmethode ergeben können. Dabei geht es nicht nur um Erleichterungen bei der Führung eines Fahrtenbuchs, sondern auch um die Kennzeichnung der Gesamtkosten, die in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden können. Unter Bezugnahme auf die Urteile des BFH vom 30.11.2016 8 wird auch die Konsequenz eines Nutzungsentgelts, das durch den Arbeitnehmer an den Arbeitgeber oder einen Dritten gezahlt wird, im Hinblick auf die lohnsteuerrechtliche Behandlung aufgezeigt. Dabei kann es sich um pauschale Beträge, einen kilometerbezogenen Betrag, die Beteiligung an Leasingraten oder die Übernahme einzelner Kraftfahrzeugkosten (z. B. Reinigung, Tankkosten im Ausland) handeln. Entscheidend ist, dass es sich bei diesen Kosten um Aufwendungen handelt, die zu den Gesamtkosten des Kraftfahrzeugs i. S. d. § 8 Abs. 2 S. 4 EStG gehören. Kein Nutzungsentgelt i. S. v. R 8.1. Abs. 9 Nr. 4 LStR liegt hingegen in dem Barlohnverzicht des Arbeitnehmers im Rahmen einer Gehaltsumwandlung. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des BFH stellt das BMFSchreiben klar, dass der Arbeitnehmer in Höhe des Nutzungsentgelts durch die Überlassung des Kraftfahrzeugs nicht bereichert ist und die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 8 Abs. 1, 19 Abs. 1 EStG nicht erfüllt sind. Der Nutzungswert, der der lohnsteuerrechtlichen Behandlung zugrunde liegt, ist deshalb entsprechend zu mindern. Übersteigt das Nutzungsentgelt den Nutzungswert, führt der übersteigende Betrag aber weder zu negativem Arbeitslohn noch zu Werbungskosten. 8

BFH v. 30.11.2016 – VI R 49/14, DB 2017, 345 ff. Rz. 22 ff.; BFH v. 30.11.2016 – VI R 2/15, DB 2017, 342 ff. Rz. 12 ff.

227

Aktuelles aus Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

Die gleiche Rechtswirkung tritt ein, wenn Zuzahlungen des Arbeitnehmers zu den Anschaffungskosten vereinbart werden. Auch hier mindern die Zuzahlungen den Vermögenswert, der dem Listenpreis der pauschalierten Besteuerung zugrunde liegt. Wichtig für die Betriebspraxis ist allerdings, dass Zuzahlungen des Arbeitnehmers zu den Anschaffungskosten eines ihm auch zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagens nicht nur im Zahlungsjahr, sondern auch in den darauffolgenden Kalenderjahren auf den privaten Nutzungswert für das jeweilige Kraftfahrzeug bis auf 0 € angerechnet werden. Entsprechend ist bei Zuzahlungen des Arbeitnehmers zu den Leasingsonderzahlungen zu verfahren. Die betriebliche Praxis sollte diese Hinweise im BMF-Schreiben uneingeschränkt bei der Ausgestaltung und Abwicklung von Vereinbarungen zur Überlassung eines Dienstwagens berücksichtigen. Insbesondere die Minderung des Nutzungsentgelts und die damit verbundene Veränderung der lohnsteuerrechtlichen Behandlung könnte im Einzelfall allerdings nahelegen, auf eine entsprechende Beteiligung des Arbeitnehmers an diesen Kosten zu verzichten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die in Rede stehenden Kosten zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlicher Höhe auftreten, sodass immer wieder unvorhersehbare Korrekturen in der Entgeltabrechnung veranlasst werden müssen. (Ga)

228

Stichwortverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen.

Abberufung, Geschäfts-

führer 123 f. Abfindung - Altersgrenze 202 ff. - Betriebszugehörigkeit 200 ff. - Bezugseinkommen 200 ff. - Diskriminierung Behinderung 202 f. - Sozialplan 200 ff. AGB-Kontrolle - Ausschlussfrist 56 ff. - Betriebsvereinbarungsoffenheit 146 ff.; 165 - Bezugnahmeklausel 139 ff. - Gleichstellungsabrede 139 ff. - Hauptleistungspflicht 148 - Kündigungsfrist 87 ff. - Sonderleistung 75 ff. Altersdiskriminierung - befristeter Arbeitsvertrag 37 ff. - Betriebsrente 125 ff. Altersgrenze - Altersrente 122 f. - Apotheker 123 - Arzt 123 - befristeter Arbeitsvertrag 37 ff. - Diskriminierung Behinderung 202 ff. - Steuerberater 123 - Syndikusrechtsanwalt 123 Altersrente → Gesetzliche Altersrente Änderungskündigung - Betriebsübergang 144 ff. - Bezugnahmeklausel 144 ff. - Nachwirkung 142 f.

Angemessenheit, Kündigungsfrist 89 ff. Anwesenheitspflicht, Betriebsratsmitglied 160 Arbeit 4.0, Koalitionsvertrag 2 Arbeit auf Abruf 14 f. - Entgeltfortzahlung 15 - Höchstgrenzen 14 - Mindestarbeitszeit 14 - Planbarkeit 22 f. Arbeitnehmer - generisches Maskulinum 29 f. - Kündigungsfrist 87 ff. Arbeitsgericht, Geschäftsführer 123 f. Arbeitslosenversicherung - Beitragssatz 7 - Koalitionsvertrag 7 Arbeitsschutz - Anpassungsverantwortung 54 - Auswahlverantwortung 54 - Berichtspflicht 5 f. - Delegation 55 f. - Geschäftsführung 54 - ISO 45001 55 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 171 ff. - Mutterschutz 54 - Organisation 54 ff. - Überwachungsverantwortung 54 - Unternehmerpflicht 55 - Vorstand 54 Arbeitsstatut, Entsenderichtlinie 20 Arbeitsvertrag - AGB-Kontrolle 148 - Arbeitnehmerbegriff 29 f. 229

Stichwortverzeichnis

Arbeitsvertrag - Betriebsvereinbarungsoffenheit 146 ff., 163 ff. - Bezugnahmeklausel 139 ff., 146 ff. - Datenschutz 48 - generisches Maskulinum 29 f. - Gleichstellungsabrede 139 ff. - Harmonisierung 166 - Hauptleistungspflicht 148 - Kündigungsfrist 87 ff. - schriftlicher Nachweis 20 ff. Arbeitszeit - Bereitschaftsdienst 61 - Betriebsratsmitglied 160 - Betriebsvereinbarung 3 f. - Flexibilisierung 66 - Koalitionsvertrag 3 f. - Krankenhaus 61 - leitende Angestellte 3 - Mindestruhezeit 64 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 174 ff. - Null-Stunden-Vertrag 21 - Rufbereitschaft 61 ff. - Ruhetag 64 ff. - Sonntagsarbeit 66 f. - Tariföffnungsklausel 3 - Verkürzung 11 ff. - Verlängerung 13 f. Aufhebungsvertrag - Betriebsratsmitglied 115 f. - Nichterfüllung 116 ff. - Rücktritt 116 ff. Aufsichtsrat, Frauenquote 1 f. Aufspaltung - Betriebsübergang 215 - Interessenausgleich 216 f. - Wahlrecht Arbeitnehmer 217 f. - Zuordnung Arbeitnehmer 212 ff., 216 ff. 230

Auftragsnachfolge, Betriebsübergang 211 f. AÜG, Koalitionsvertrag 5 Ausbildungsvergütung, Koalitionsvertrag 2 Ausgleichszeitraum, Mitbestimmung Betriebsrat 175 ff. Auskunftsanspruch, Entgelttransparenz 70 ff. Ausschlussfrist - AGB-Kontrolle 56 ff. - Formulierung 58 f. - Geltendmachung 59 - Kündigungsschutzklage 59 - MiLoG 57 - Pflichtverletzung 57 - Transparenz 56 ff. - Urlaub 85 - Urlaubsabgeltung 85 - Verbot 56 f. Ausschreibung → Stellenausschreibung Außerordentliche Kündigung 99 ff. - Abmahnung 102 - Betriebsratsmitglied 113 f. - Geschäftsgeheimnis 99 ff., 102 - Interessenabwägung 99 ff. - Kündigungserklärungsfrist 100 - privater E-Mail-Account 99 ff. - Wahlbewerber 109 ff. - Zustimmungsersetzungsverfahren 111, 114 - Zwei-Wochen-Frist 100, 110 Ausübungskontrolle, billiges Ermessen 79 f.

BDSG, Koalitionsvertrag 4

Befristeter Arbeitsvertrag - Altersdiskriminierung 37 ff. - Altersgrenze 37 ff. - Brückenteilzeit 6 f.

Stichwortverzeichnis

Befristeter Arbeitsvertrag - Diskriminierung 37 ff. - EU-Richtlinie 38 ff. - Fünf-Jahres-Frist 6 f. - Hinausschieben 39 - Höchstdauer 6 - Kettenarbeitsverhältnis 6 - Koalitionsvertrag 5 ff. - Personalplanung 40 f. - Quote 6 - sachgrundlos 6 - Schriftform 34 ff. - Verlängerung 6, 37 ff. Begünstigung, Betriebsratsmitglied 115 f. Behinderung - Abfindung 202 f. - Diskriminierung 31 ff., 202 ff. - Vorruhestand 202 ff. bEM → Betriebliches Eingliederungsmanagement Bereitschaftsdienst - Arbeitszeit 61 - Kennzeichnung 61 f. Beschäftigtendatenschutz → Datenschutz Betriebliche Altersversorgung - Abstandsklausel 125 ff. - Altersdiskriminierung 125 ff. - BAV-Förderbetrag 226 - BMF-Schreiben 223 ff. - Entgeltumwandlung 225 - Entsenderichtlinie 19 - Insolvenz 130 ff. - Pensionskasse 130 ff. - PSV 130 ff. - Spätehenklausel 125 ff. - Steuerfreiheit 224 ff. - Stichtagsklausel 137 - Vordienstzeit 135 ff.

Betriebliches Eingliederungsmanagement - Datenschutz 103 ff. - Direktionsrecht 53, 108 - Einladung 108 f. - Einwilligung 106 f. - Gesundheitsdaten 103 ff. - Kündigung 103 ff. - Obliegenheit 108 - Versetzung 50 ff. - Zweck 50 f., 107 f. Betriebsänderung - Einigungsstelle 197 f. - geplante 195 ff. - Kennzeichnung 195 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 195 ff. Betriebsänderung - Umsetzung 198 - zuständiger Betriebsrat 199 f. Betriebsbedingte Kündigung - Leiharbeitnehmer 94 ff. - Mutterschutz 92 f. - schwangere Arbeitnehmerin 92 f. - Sozialauswahl 96 ff. Betriebsführungsvertrag, Betriebsübergang 209 Betriebsgeheimnis, Schutz 15 ff. Betriebsrat - Einheitlichkeit der Mitbestimmung 171 ff. - Kosten 190 - Minderheitengeschlecht 28 - Rechtsanwalt 192 f. - Übergangsmandat 205 ff. Betriebsratsmitglied - Anwesenheitspflicht 160 - Arbeitszeit 160 f. - außerordentliche Kündigung 113 f. 231

Stichwortverzeichnis

Betriebsratsmitglied - Begünstigung 115 f., 155 ff. - Benachteiligung 155 ff. - Bereicherung 157 - Entgeltfortzahlung 157 - Freistellung 155 ff., 161 ff. - Gleichbehandlung 155 ff. - Mehrarbeit 159 - Schichtzulage 159 f. - Urlaubsentgelt 157 - Vergleich 115 f. - Zulagen 156 ff. Betriebsratswahl - Anfechtbarkeit 154 - Beeinflussung 153 ff. - Begünstigung 153 ff. - Benachteiligung 153 ff. - Koalitionsvertrag 5 - Neutralitätsgebot 153 - vereinfachtes Wahlverfahren 5 Betriebsratswahl, Wahlbewerber 109 ff. Betriebsrente → Betriebliche Altersversorgung Betriebsrentenstärkungsgesetz, BMF-Schreiben 223 ff. Betriebsrentner, Datenschutz 41 Betriebsteilübergang → Betriebsübergang Betriebsübergang - Bezugnahmeklausel 143 ff. - Änderungskündigung 144 ff. - Asklepios 143 ff. - Aufspaltung 212 ff. - Auftragsnachfolge 211 f. - Betriebsführungsvertrag 209 ff. - Betriebsinhaberwechsel 209 ff. - Caritas 144 - Diakonie 144 - grundlegende Information 220 - Interessenausgleich 216 f. 232

Betriebsübergang - Rotes Kreuz 144 - Tarifbindung 143 ff. - Tarifvertrag 143 ff. - Übergangsmandat 205 ff. - Verwirkung 210 f., 219 ff. - Wahlrecht Arbeitnehmer 217 f. - Widerspruchsfrist 219 - Widerspruchsrecht → Widerspruch Betriebsübergang - Zuordnung Arbeitnehmer 212 ff. Betriebsvereinbarung - ablösende 163 ff. - Arbeitnehmerbegriff 29 f. - Arbeitszeit 3 f. - Bezugnahme Tarifvertrag 146 ff. - Bezugnahmeklausel 146 ff. - Datenschutz 43, 48, 166 ff. - generisches Maskulinum 29 f. - Harmonisierung 163 ff., 166 - Leistungskontrolle 169 f. - Rechenschaftspflicht 168 - Schriftformerfordernis 168 - Umkleidezeit 69 f. - Verarbeitungsverbot 169 f. - Verhaltenskontrolle 169 f. - Verhältnismäßigkeit 167 Betriebsvereinbarungsoffenheit - Arbeitsvertrag 146 ff. - Bezugnahmeklausel 146 ff. - Gesamtzusage 163 ff. Bewerber - Datenschutz 41 - Diskriminierung 30 ff. Bezugnahmeklausel - Änderungskündigung 144 ff. - Betriebsübergang 143 - Betriebsvereinbarung 146 ff. - Betriebsvereinbarungsoffenheit 146 ff.

Stichwortverzeichnis

Billiges Ermessen - Ausübungskontrolle 79 f. - Direktionsrecht 53 BMF-Schreiben - Betriebsrente 223 ff. - Betriebsrentenstärkungsgesetz 223 ff. - Dienstwagen 226 ff. BRSG, BMF-Schreiben 223 ff. Brückenteilzeit 10 ff. - Anspruch 11 ff. - Anwendungsbereich 11 - Tarifvertrag 13 - befristete 4, 10 ff. - Überlassungsschutz 12 f. - Voraussetzungen 11 Bundesregierung, Koalitionsvertrag 1 ff.

Compliance

- Unternehmensstrafrecht 9 - Verarbeitungsverbot 169 f.

Datenschutz -

-

Arbeitsvertrag 48 Aufsichtsbehörde 49 Ausnahmen 45 f. BDSG 43, 166 ff. betriebliches Eingliederungsmanagement 103 ff. Betriebsrentner 41 Betriebsvereinbarung 43, 48, 166 ff. Beweislast 44 Bewerber 41 Bußgeld 41 Datenerhebung 42 ff. Datenminimierung 168 Dienstvereinbarung 43 Dokumentation 44 DSGVO 41 ff.

Datenschutz - Einwilligung 106 f. - Informationspflicht 41, 168 f. - Integrität 168 - Kündigungsschutzprozess 103 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 181 - Rechenschaftspflicht 168 - Rechtmäßigkeit 168 - Richtigkeit 168 - Sprache 49 f. - Speicherbegrenzung 168 - Tarifvertrag 43 - Transparenz 168 - Übersetzungserfordernis 49 f. - Unterrichtungspflicht 41 ff., 168 f. - Verarbeitungsverbot 169 f. - Verhältnismäßigkeit 167 - Vertraulichkeit 168 - Zweckänderung 43 - Zweckbindung 143, 68 Deckungslücke, Pensionskasse 130 ff. Dienstkleidung - Mitbestimmung Betriebsrat 171 ff. - Umkleidezeit 67 ff. Dienstvereinbarung, Datenschutz 43 Dienstwagen - Anschaffungskosten 228 - Besteuerung 226 ff. - BMF-Schreiben 226 ff. - Entgeltumwandlung 227 - Nutzungsentgelt 227 f. - pauschaler Nutzungswert 227 Direktionsrecht - betriebliches Eingliederungsmanagement 53, 108 - billiges Ermessen 53 233

Stichwortverzeichnis

Direktionsrecht - Gesundheitsdaten 108 - Verbindlichkeit 53 Diskriminierung - Alter 125 ff. - Altersabstandsklausel 125 ff. - Behinderung 31 ff., 202 ff. - Bewerber 30 ff. - Bewerbungsverfahren 31 ff. - Darlegungs- und Beweislast 31 ff. - deutsch 30 f. - Entschädigung 33 f. - ethnische Herkunft 30 f. - Förderpflichten 31 ff. - Geschlechtsbezeichnung 27 ff. - Indiz 31 - Kirche 121 - Muttersprache 30 f. - Religion 121 - Schadensersatz 33 f. - Spätehenklausel 125 ff. - Sprachkenntnisse 31 - Staatsangehörigkeit 149 - Unternehmensmitbestimmung 149 - Verfahrenspflichten 31 ff. - Vorruhestand 202 ff. - Weltanschauung 121 Divers, Geschlechtsbezeichnung 27 ff. DrittelbG, Arbeitnehmer Ausland 149 DSGVO 166 ff.

Einheitsregelung

- Betriebsvereinbarungsoffenheit 163 ff. - betriebsangehöriger Beisitzer 189 - betriebsfremder Beisitzer 189 ff. 234

Einheitsregelung - Freistellung Betriebsratsmitglied 161 ff. - Honorar 189 ff. - Interessenausgleich 197 f. - Kosten 189 ff. - Sozialplan 197 f. - Vergütung 189 ff. Einstellung - Matrix-Struktur 186 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 186 ff. Elternurlaub 23 Entgeltfortzahlung - Arbeit auf Abruf 15 - Betriebsratsmitglied 157 Entgelttransparenz - ABAKABA 73 - Anwendungsbereich 71 - Ausbildung 73 - Auskunftsanspruch 70 ff. - Beratungsanspruch 2 - Berichtspflicht 74 f. - Betriebsbezug 71 - EG-Check 73 - EVA-Liste 73 - gleichwertige Tätigkeit 72 ff. - ILO 73 - Koalitionsvertrag 2 - Konzern 74 - Lagebericht 74 - Logib-D 72 - Lohn- und Gehaltsliste 173 f. - Monitor-Entgelttransparenz 72 - Vergleichstätigkeit 71 f. Entgeltumwandlung - Dienstwagen 227 - Sozialversicherung 225 - Zuschlagspflicht 225 Entschädigung - Diskriminierung 31 ff.

Stichwortverzeichnis

- Fristen 33 f. - Geltendmachung 33 f. Entsenderichtlinie 19 f. - Anwendungsbereich 19 - Arbeitsstatut 20 - Betriebsrente 19 - Entlohnung 19 - Internationales Privatrecht 20 Erholungsurlaub → Urlaub Ermessensgratifikation 75 ff. Ethnische Herkunft, Diskriminierung 30 f. EU-Richtlinie - Arbeitszeit 61 ff., 81 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 38 ff. - Betriebsübergang 143 ff. - Elternurlaub 23 - Entsenderichtlinie 19 f. - Hinweisgeber 24 ff. - Mutterschutz 92 f. - Nachweisrichtlinie 20 f. - Pflegeurlaub 23 f. - transparente Arbeitsbedingungen 20 ff. - Urlaub 81 ff. - Vaterschaftsurlaub 23 - Whistleblower 24 ff. - Work-Life-Balance 23 f.

Frauenquote

- Aufsichtsrat 1 f. - Geschäftsführung 1 f. - Meldepflicht 1 - Vorstand 1 f. Freistellung - Beratungspflicht 161 ff. - Betriebsratsmitglied 161 ff. - Einigungsstelle 161 ff. Freiwilligkeitsvorbehalt, Sonderleistung 75

Gefährdungsbeurteilung, Mit-

bestimmung Betriebsrat 171 f., 181 f. Geltendmachung, Ausschlussfrist 59 Geplante Betriebsänderung 196 f. Gesamtbetriebsrat - Betriebsänderung 199 - Einheitlichkeit der Mitbestimmung 171 ff. - Entgelttransparenz 173 f. - Lohn- und Gehaltsliste 173 f. - Zuständigkeit 170 ff. Gesamtzusage, Betriebsvereinbarungsoffenheit 163 ff. Geschäftsführer - Abberufung 123 f. - Arbeitsgericht 123 f. - Kündigungsschutz 123 f. Geschäftsführung - Arbeitsschutz 54 - Frauenquote 1 f. Geschäftsgeheimnis - Arbeitsgericht 17 - Begriff 15 f. - Gerichtsstand 17 - Schadensersatz 17 - Schutz 15 ff. - Unterlassungsanspruch 17 - Whistleblower 16 f. Geschlechtsbezeichnung 27 ff. Gesetzliche Altersrente 8 - Altersgrenze 122 f. - Selbständiger 8 f. - Zugangsalter 8 Gesundheitsschutz, Mitbestimmung Betriebsrat 171 ff. Gewerkschaftsmitgliedschaft, Nachwirkung Tarifvertrag 141 ff. Gleichbehandlung, Betriebsratsmitglied 155 ff. 235

Stichwortverzeichnis

Gleichheitssatz, Geschlechtsbezeichnung 27 ff. Gleichstellung → Behinderung Gratifikation → Sonderleistung

Hinweisgeber → Whistleblower Höchstarbeitszeit, Koalitionsvertrag 3 Home-Office, Koalitionsvertrag 4 Insolvenz

- Betriebsrente 130 ff. - Pensionskasse 130 ff. Inter/divers 27 ff. Interessenausgleich - Aufspaltung 216 f. - Betriebsübergang 216 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 196 ff. - Spaltung 216 f. - Zuordnung Arbeitnehmer 216 f. Internationales Privatrecht, Entsenderichtlinie 20

Jubiläumsgeld → Sonderleistung Katholische Kirche,

Kündigung 119 ff. Kirche, Diskriminierung 121 Know-how, Schutz 15 ff. Koalitionsvertrag 1 ff. - Altersrente 8 - Arbeit 4.0 2 - Arbeitslosenversicherung 7 - Arbeitszeit 3 f. - AÜG 5 - Ausbildungsvergütung 2 - BDSG 4 - befristeter Arbeitsvertrag 5 ff. - Beschäftigtendatenschutz 4 f. 236

Koalitionsvertrag - Betriebsratswahl 5 - Compliance 9 - Digitalisierung 2 - Entgelttransparenz 2 - Frauenquote 1 f. - Gleichberechtigung 1 f. - Höchstarbeitszeit 3 - Home-Office 4 - Kommunikationsmittel 4 - Mitbestimmung Betriebsrat 2 - Mitbestimmung 9 f. - mobile Arbeit 4 - OWiG 9 - Ruhezeit 3 - Selbständige 5 - Sozialversicherung 5 - Statusverfahren 5 - Tarifeinheit 7 - TKG 4 - Unternehmensmitbestimmung 9 f. - Unternehmensstrafrecht 9 Konzern - Entgelttransparenz 74 - Unternehmensmitbestimmung 150 ff. Konzernbetriebsrat, Betriebsänderung 199 Kündigung, außerordentliche → außerordentliche Kündigung Kündigung - betriebliches Eingliederungsmanagement 103 ff. - Betriebsratsanhörung 99 - Diskriminierung Religion 121 - Diskriminierung Weltanschauung 121 - kirchliches Privileg 119 ff. - Massenentlassung 92 ff. - Mutterschutz 92 f.

Stichwortverzeichnis

Kündigung - Organist 119 ff. - schwangere Arbeitnehmerin 92 f. - Wahlbewerber 109 ff. Kündigungsfrist - AGB-Kontrolle 87 ff. - Angemessenheit 89 ff. - Arbeitsvertrag 87 ff. - Verlängerung 87 ff. Kündigungsschutz, Geschäftsführer 123 f. Kündigungsschutzklage, Ausschlussfrist 59 Kündigungsschutzprozess - Datenschutz 103 ff. - Gesundheitsdaten 103 ff.

Lagebericht, Entgelttransparenz 74 Leiharbeitnehmer - Massenentlassung 94 ff. - Schwellenwerte 94 f. Leistungskontrolle, Datenschutz 169 f. Leitende Angestellte, Arbeitszeit 3 Lohn- und Gehaltsliste, Gesamtbetriebsrat 173 f. Maskulinum, generisches 29 f. Massenentlassung - Leiharbeitnehmer 94 ff. - Mutterschutz 92 f. Matrix, Unternehmensmitbestimmung 151 Matrix-Struktur, Einstellung 186 ff. Mehrarbeit, Betriebsratsmitglied 159 Mindestlohn, Ausschlussfrist 57 Mindestruhezeit 65 Mitarbeiterbefragung, Mitbestimmung Betriebsrat 179 ff.

MitbestG, Arbeitnehmer Ausland 149 Mitbestimmung Betriebsrat - Anhörung 99 - Arbeitsschutz 171 ff., 181 f. - Arbeitsverhalten 185 - Arbeitszeit 174 ff. - Ausgleichszeitraum 175 ff. - Betriebsänderung 195 ff., 199 f. - Datenschutz 181 - Dienstkleidung 171 ff. - Einheitlichkeit 171 ff. - Einigungsstelle 197 f. - Einstellung 186 ff. - Entgelttransparenz 173 f. - Entlohnungsgrundsatz 80 f. - Ermessensgratifikation 80 f. - Freizeit 184 ff. - Gefährdungsbeurteilung 171 f., 181 f. - Gesundheitsschutz 171 ff. - Interessenausgleich 196 ff. - Kündigung 99 - Lohn- und Gehaltsliste 173 f. - Lohngerechtigkeit 174 - Matrix-Struktur 186 ff. - Mitarbeiterbefragung 179 ff. - mobile Arbeitsmittel 183 ff. - mobile devices 183 ff. - Moderator 2 - Personalfragebogen 182 - Persönlichkeitsrecht 181 - Schichtplan 175, 177 ff. - Schwankungsbreite 175 ff. - Sonderleistung 80 f. - Sozialauswahl 99 - subjektive Determination 99 - Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung 80 - Unterlassungsanspruch 178 - Vorgesetztenwechsel 186 ff. 237

Stichwortverzeichnis

Mitbestimmung Betriebsrat - Weiterbildung 2 - Work-Life-Balance 183 ff. Mutterschutz - Arbeitsschutz 54 - Kündigung 92 f. - Massenentlassung 92 f. Muttersprache, Diskriminierung 30 f.

Nachweisrichtlinie,

Überarbeitung 20 ff. Nachwirkung - Anerkenntnistarifvertrag 142 f. - Gewerkschaftsmitgliedschaft 141 ff. - Tarifvertrag 141 ff. Neutralitätsgebot, Betriebsratswahl 153 Null-Stunden-Vertrag 21

Organist, Kündigung 119 ff. Pensionskasse - Betriebsrente 130 ff. - Deckungslücke 130 ff. - Insolvenz 130 ff. - PSV 130 ff. Personalfragebogen, Mitbestimmung Betriebsrat 182 Personalplanung, befristeter Arbeitsvertrag 40 f. Persönlichkeitsrecht - Geschlechtsbezeichnung 27 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 181 Pflegeurlaub, EU-Richtlinie 23 f. Probezeit, Höchstdauer 22 PSV, Pensionskasse 130 ff. Religion, Diskriminierung 121 238

Rücktritt - AGB-Kontrolle 118 - Aufhebungsvertrag 116 ff. - Ausschluss 118 - gegenseitiger Vertrag 117 - Vergleich 116 ff. Rufbereitschaft - Arbeitszeit 61 ff. - Kennzeichnung 61 f. Ruhetag, Arbeitszeit 64 ff. Ruhezeit, Koalitionsvertrag 3

Sachgrundbefristung → Befristeter

Arbeitsvertrag Sachgrundlose Befristung → Befristeter Arbeitsvertrag Schadensersatz - Diskriminierung 33 f. - Fristen 33 f. - Geltendmachung 33 f. - Urlaub 84 f. Scheinselbständigkeit - Risiko 81 ff. - Urlaub 81 ff. Schichtplan, Mitbestimmung Betriebsrat 177 ff. Schichtzulage, Betriebsratsmitglied 159 Schriftform, befristeter Arbeitsvertrag 34 ff. Schwangere Arbeitnehmerin → Mutterschutz Schwellenwert, Unternehmensmitbestimmung 149 Schwerbehindertenvertretung, Übergangsmandat 205 ff. Schwerbehinderung → Behinderung Selbständige, Altersrente 8 f. Sonderleistung - AGB-Kontrolle 75 ff. - Ausübungskontrolle 79 f.

Stichwortverzeichnis

Sonderleistung - Begünstigungsverbot 157 - Bereicherung 157 - Betriebsratsmitglied 156 ff. - Ermessen 75 ff. - Ermessensvorbehalt 75 f. - Freiwilligkeitsvorbehalt 74 Sonntagsarbeit, Arbeitszeit 66 f. Sozialauswahl - Betriebsratsanhörung 99 - betriebsübergreifende 97 - fiktive 98 - freie Arbeitsplätze 96 ff. - Weiterbeschäftigung 96 ff. Sozialplan - Abfindung 200 ff. - Auslegung 201 f. - Betriebszugehörigkeit 200 ff. - Bezugseinkommen 200 ff. - Elternzeit 202 - Teilzeitbeschäftigung 201 f. - Überbrückungsleistung 201 - Zweck 200 f. Sozialversicherung, Entgeltumwandlung 225 Spaltung → Betriebsübergang Stellenausschreibung, Geschlechtsbezeichnung 27 ff. Stichtagsklausel, Betriebsrat 137

Tantieme → Sonderleistung Tarifeinheitsgesetz 7 f. Tarifvertrag - Arbeitnehmerbegriff 29 f. - Arbeitszeit 3 f. - Betriebsübergang 143 ff. - Bezugnahmeklausel 139 ff. - Brückenteilzeit 13 - Datenschutz 43 - generisches Maskulinum 29 f. - Gleichstellungsabrede 139 ff.

Tarifvertrag - Nachwirkung 141 ff. - Umkleidezeit 67 ff. Technische Kommunikationsmittel, Selbstverpflichtung 183 Teilzeitbeschäftigung - Arbeit auf Abruf 14 f. - Sozialplan 201 f. - Verlängerung 13 f. Transparenz, Ausschlussfrist 56 ff. Transparenzrichtlinie 20 ff.

Übergangsmandat

-

Betriebsrat 205 ff. Betriebsübergang 205 ff. Betriebsvereinbarung 205 Dauer 205 personelle Besetzung 205 ff. Schwerbehindertenvertretung 205 ff. - Tarifvertrag 205 Umkleidezeit - Betriebsvereinbarung 69 f. - Dienstkleidung 67 ff. - Vergütung 67 ff. Umwandlung → Betriebsübergang Unternehmensmitbestimmung - Arbeitnehmer Ausland 149 - ausländische Kapitalgesellschaft 150 - Beherrschungsvertrag 150 - Enthaftung 152 f. - Koalitionsvertrag 9 f. - Konzern 150 ff. - Konzern im Konzern 152 f. - Matrix 151 - Schwellenwerte 149 - SE 150 - Zwischenholding 150 ff. Unternehmensstrafrecht 9 239

Stichwortverzeichnis

Urlaub - Ausschlussfrist 85 - Schadensersatzanspruch 84 f. - Scheinselbständigkeit 81 ff. - Übertragungszeitraum 83 f. Urlaubsabgeltung - Scheinselbständigkeit 81 ff. - Verjährung 85 Urlaubsentgelt, Betriebsratsmitglied 157

Vaterschaftsurlaub 23

Verarbeitungsverbot, Datenschutz 169 f. Vergleich - Betriebsratsmitglied 115 f. - Nichterfüllung 116 ff. - Rücktritt 116 ff. Vergleichstätigkeit, Entgelttransparenz 71 ff. Vergütung, Umkleidezeit 67 ff. Verhaltenskontrolle, Datenschutz 169 f. Verjährung, Urlaubsabgeltung 85 Verschmelzung → Betriebsübergang Versetzung, betriebliches Eingliederungsmanagement 50 ff. Versorgungswerk - Altersgrenze 122 f. - Altersrente 122 f. Versorgungszusage, Erteilung 223 f. Verwirkung - Betriebsübergang 210 f. - Widerspruch Betriebsübergang 219 ff. Vordienstzeit, Betriebsrente 135 ff. Vorruhestand - Altersgrenze 202 ff. - Behinderung 202 ff. - Diskriminierung 202 ff. 240

Vorstand - Arbeitsschutz 54 - Frauenquote 1 f.

Wahlbewerber

- Betriebsratswahl 109 ff. - Kündigung 109 ff. Wegezeiten, umkleidebedingte 67 ff. Weihnachtsgratifikation → Sonderleistung Weisungsrecht → Direktionsrecht Weiterbildung, Mitbestimmung Betriebsrat 2 Weltanschauung, Diskriminierung 121 Whistleblower - EU-Richtlinie 24 ff. - Geschäftsgeheimnisse 16 f. - Haftung 26 - Meldeverfahren 25 f. - Schutz 16 f., 25 f. Whistleblowersystem 17 Widerspruch Betriebsübergang - Sieben-Jahres-Frist 220 f. - Fehlerhaftigkeit 219 - Frist 219 ff. - grundlegende Information 220 - Treu und Glauben 219 ff. - Verwirkung 219 ff. Work-Life-Balance - EU-Richtlinie 23 f. - mobile Arbeitsmittel 183 ff.

Zulage → Sonderleistung

Zuordnung Arbeitnehmer, Spaltung 212 ff. Zuschlag → Sonderleistung Zuständigkeit, Betriebsrat 170 ff.