Aktuelles Arbeitsrecht, Band 2/2015
 9783504384647

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
A. Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland
1. Gesetz zur Regelung der Tarifeinheit
a) Verfassungsbeschwerden
b) Bedeutung des Betriebsbegriffs
c) Fazit
2. Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Arbeitnehmerüberlassung und zur Bekämpfung der Scheinwerkverträge
a) Ausgangssituation
b) Regelungsvorschläge
c) Fazit
3. Gesetzentwürfe zur Änderung der betrieblichen Altersversorgung
a) Einführung einer tarifvertraglichen Beitragszusage ohne arbeitgeberseitige Ausfallhaftung
b) Absenkung der Unverfallbarkeitsfristen und Verschärfung der Anpassungspflichten
c) Anpassungsverpflichtung nach § 16 BetrAVG
d) Rechnungszins für Rückstellungen
4. Erleichterungen bei den Dokumentationspflichten im Rahmen des MiLoG
5. Änderungen der Rahmenbedingungen zur Beschäftigung von Asylbewerbern und anderen ausländischen Arbeitnehmern
6. Neue Wahlordnungen zum Mitbestimmungsgesetz, zum Mitbestimmungsergänzungsgesetz und zum Drittelbeteiligungsgesetz
7. Keine allgemeine gesetzliche Regelung zum Schutz von Whistleblowern
8. Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes
9. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Forderung nach einer Flexibilisierung des Renteneintritts
10 Entgeltgleichheit für Frauen und Männer
11. Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes
12. IG Metall fordert Neujustierung des deutschen Mitbestimmungsmodels
13. Allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge und Mindestlöhne
B. Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
1. Unwirksamkeit der Safe-Harbor-Entscheidung der Kommission
2. Keine unionsrechtliche Schranke für unbefristete Arbeitnehmerüberlassung
3. Neues zur EU-Datenschutz-Grundverordnung?
4. Rücknahme der Mutterschutzrichtlinie
5. Roadmap zur Work-Life-Balance
6. Öffentliche Konsultation zur Arbeitszeit
C. Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag
1. Praktische Fragen zur Umsetzung der gesetzlichen Pflicht zur Frauenquote
a) Ausgangssituation
b) Kennzeichnung der Führungsebene
c) Berechnung des Erreichens der Zielgröße
d) Zielgröße im Konzern
e) Frauenquote in der Matrix
f) Fazit
2. AGB-Kontrolle: Unbeabsichtigter Wechsel vom Alt- zum Neuvertrag durch Abschluss einer Nachtragsvereinbarung
3. Umfang der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers/Handlungsobliegenheiten des Arbeitnehmers
4. Diskriminierungsfalle bei der Stellenausschreibung: Bewerber oder Scheinbewerber
5. Befristung eines Arbeitsverhältnisses nach Renteneintrittsalter
6. Befristung wegen der bevorstehenden Übernahme von Auszubildenden
7. Keine Fiktion eines Arbeitsverhältnisses bei der Vermittlung selbständig Tätiger
8. Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen als Verstoß gegen ein (nachvertragliches Wettbewerbsverbot)
D. Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub
1. Reisezeiten als Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne
2. Generelle Pflicht zur Bezahlung von Umkleidezeit bei der Verwendung von Schutzausrüstungen
a) Sachverhalt und Entscheidung des LAG Hamburg
b) Stellungnahme
c) Fazit
3. Kennzeichnung der geschuldeten Arbeitszeit beim Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung
4. Betriebliche Gründe zur Ablehnung eines Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung
5. Änderungskündigung mit dem Ziel der Beseitigung einer Teilzeitbeschäftigung
6. Anspruch auf Dienstwagen mit dem Recht zur Privatnutzung während der Freistellungsphase der Altersteilzeit
7. Aktuelle Fragen zur Umsetzung des MiLoG
a) Ausgangssituation
b) Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit im Sinne des MiLoG
c) Anrechnung von Entgeltbestandteilen auf den Mindestlohn
d) Bedeutung des MiLoG für die Entgeltfortzahlung
8. Anspruch auf eine ermessensgerechte Jahressonderzahlung durch vorbehaltlose Gewährung von Zahlungen in unterschiedlicher Höhe
9. Die Zulässigkeitsanforderungen einer Drittschuldnerklage
10. Betriebliche Übung auf Vergütung während der Raucherpause
11. Kürzung des Erholungsurlaubs wegen der Elternzeit
12. Berechnung der Urlaubsansprüche bei einer Neuverteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage
13. Urlaubsdauer bei kurzfristiger Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses
14. Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch bei Freistellung wegen Erwerbsminderung
E. Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags
1. Neues zur Betriebsratsbeteiligung bei Massenentlassungen
a) Berücksichtigung befristeter Arbeitsverhältnisse
b) Einbeziehung der Entlassung von Geschäftsführern
c) Kennzeichnung des Betriebs
d) Massenentlassungsanzeige und Stellungnahme des Betriebsrats
e) Beteiligungsrechte des Betriebsrats
2. Altersdiskriminierende Kündigung im Kleinbetrieb
3. Personenbedingte Kündigung wegen dauerhafter Minderleistung
a) Verhaltensbedingte Kündigung wegen Minderleistung
b) Personenbedingte Kündigung wegen Minderleistung
c) Konsequenzen für die Darlegungs- und Beweislast bei personenbedingter Kündigung
d) Fazit
4. Umfang der Weiterbeschäftigungspflicht bei ordentlicher Kündigung wegen langandauernder Erkrankung
a) Ausgangssituation
b) Dreistufige Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung
c) Keine Verpflichtung zur Freikündigung
d) Keine Einschränkung durch das Verbot einer Benachteiligung wegen Behinderung
e) Bedeutung des bEM für die Darlegungs- und Beweislast
f) Der Arbeitsunfall als Bestandteil der Interessenabwägung
5. Außerordentliche Kündigung wegen Missbrauchs des ITSystems
6. Außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers
7. Outsourcing: Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung von (älteren) Arbeitnehmern mit tarifvertraglichem Sonderkündigungsschutz
a) Betriebliche Erfordernisse als wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB
b) Tarifvertragliche Einschränkung der Kündigungsbefugnis aus § 626 BGB
c) Rechtsmissbrauch einer Outsourcing-Maßnahme
d) Fazit
8. Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung wegen befristeter Möglichkeit der Weiterbeschäftigung
a) Kennzeichnung des freien Arbeitsplatzes
b) Einbeziehung befristeter Beschäftigungsmöglichkeiten
9. Ablehnung einer auf Beschäftigung gerichteten einstweiligen Verfügung aufgrund Freistellungsklausel
10. Klagefrist bei Zugang einer Kündigung unter Abwesenden
a) Ausgangssituation
b) Zugang unter Anwesenden
c) Treuwidrige Verhinderung des Zugangs einer Kündigung unter Anwesenden
d) Zugang einer Kündigung unter Abwesenden
e) Fazit
11. Keine Hemmung der Verjährung von Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers wegen Annahmeverzugs durch Kündigungsschutzklage
F. Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags
1. Unwirksamkeit einer Spätehenklausel
2. Kürzung einer betrieblichen Altersrente bei vorzeitiger Inanspruchnahme durch schwerbehinderte Menschen
3. Grundsätzliche Vermutung einer dynamischen Bezugnahme auf Versorgungsordnung
4. Gesamtversorgung: Auslegung einer Versorgungsordnung
5. Ablösung einer Gesamtzusage über betrieblicher Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung
a) Drei-Stufen-Theorie als allgemeiner Grundsatz von Veränderungen der betrieblichen Altersversorgung
b) Einbeziehung von Veränderungen der Vergangenheit
6. Aktuelle Rechtsprechung zur Betriebsrentenanpassung nach § 16 BetrAVG
a) Berücksichtigung von Konzernverrechnungspreisabreden
b) Bedeutung für Non-Profit-Organisationen
c) Berücksichtigung außerordentlicher Aufwendungen als Folge einer Neubewertung der Pensionsrückstellungen
d) Einschränkung bei der Berücksichtigung von Beherrschungsverträgen
7. Anspruch der Betriebsrentner auf Betriebsrentenanpassung oder Schadensersatz nach umwandlungsrechtlicher Übertragung auf eine Rentnergesellschaft
G. Tarifrecht
1. Unterlassungsanspruch bei Streikmaßnahmen aufgrund rechtswidriger Streikziele
2. Kein Schadensersatzanspruch der Drittbetroffenen eines rechtswidrigen Arbeitskampfs
3. Aktuelle Rechtsprechung zur arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag
a) Vorlagebeschluss zur dynamischen Bezugnahme auf Tarifvertrag beim Betriebsübergang
b) Günstigkeitsvergleich zwischen normativ und kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme geltendem Tarifvertrag
4. Dynamische Verweisung auf Tarifvertrag durch Betriebsvereinbarung
5. OT-Mitgliedschaft: Strengere Anforderungen an die Ausgestaltung der Verbandssatzung
a) Denkbare Gestaltungsformen einer OT-Mitgliedschaft
b) Rechtsfolgen einer unzureichenden Trennung der Mitgliedschaften im Arbeitgeberverband
c) Die Entscheidung vom 21.1.2015
d) Weitere Entscheidungen
e) Zusammenfassung
H. Betriebsverfassung und Mitbestimmung
1. Einbindung ausländischer Tochtergesellschaften in die deutsche Unternehmensmitbestimmung
a) Gesetzliche Ausgangssituation
b) Argumente für eine Einbeziehung der ausländischen Tochtergesellschaften
c) Argumente für eine Ausgrenzung der ausländischen Tochtergesellschaften
d) Vorlagebeschluss des Kammergerichts Berlin
2. Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Festlegung der Art der Aufsichtsratswahl nach dem Mitbestimmungsgesetz
3. Aktuelle Rechtsprechung zum Konzernbetriebsrat
a) Gesetzliche Ausgangssituation
b) Kennzeichnung des herrschenden Unternehmens eines Konzerns
c) Zuständige Verhandlungspartner nach einer Delegationsentscheidung gemäß § 58 Abs. 2 BetrVG
4. Aufteilung betriebsverfassungsrechtlicher Zuständigkeiten durch Tarifvertrag
5. Berechnung der Entgeltfortzahlung bei einer erfolgsabhängigen Vergütung von Betriebsratsmitgliedern
6. Kommunikationsbeauftragte des Betriebsrats
7. Kostenerstattungsansprüche des Betriebsrats
a) Freistellungsanspruch des Betriebsrats von Rechtsanwaltskosten
b) Kostenerstattung des Betriebsrats bei Betriebsratsschulung mit Übernachtung
8. Das Arbeitszeitgesetz als Schranke der Betriebsratsarbeit
9. Keine Nachwirkung bei der Kündigung einer Betriebsvereinbarung zur Altersteilzeit
10. Personelle Einzelmaßnahmen: Pflicht zur Vorlage von Unterlagen bei der Unterrichtung nach § 99 BetrVG
11. Doppelte Eingruppierung bei der Geltung mehrerer Tarifverträge im Betrieb (Tarifpluralität)
12. Vergütungsanspruch bei mitbestimmungswidrig geänderter Entgeltordnung
13. Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze
14. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Maßnahmen des Arbeitsund Gesundheitsschutzes
15. Paritätisch besetzte Kommission im betrieblichen Vorschlagswesen
16. Abführungspflicht für Aufsichtsratstantiemen bei Gewerkschaftsvertretern
I. Betriebsänderung und Betriebsübergang
1. Das Unternehmen als verpflichteter Rechtsträger für die Beteiligung des Betriebsrat nach §§ 111 ff. BetrVG bei Betriebsänderung im Konzern
2. Mitbestimmungsfreie Vorbereitung der späteren Umsetzung einer Betriebsänderung
3. Tarif-Sozialplan mit stichtagsbezogener Begünstigung von Gewerkschaftsmitgliedern
4. Sozialauswahl bei Teilverlagerung von Aufgaben auf anders Unternehmen nach Betriebsstilllegung
5. Betriebsübergang: Kennzeichnung des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Personals bei betriebsmittelarmer Tätigkeit
6. Betriebsübergang trotz befristeten Arbeitsvertrags
7. Betriebsübergang: Unterrichtungspflicht über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags beim übernehmenden Rechtsträger
a) Ausgangssituation
b) Allgemeine Grundsätze zur Unterrichtung
c) Bisherige Feststellungen zur Unterrichtungspflicht bei Kollektivvereinbarungen
d) Erweiterte Handlungsvorgaben durch die Entscheidung des BAG vom 26.3.2015
e) Stellungnahme und Fazit
8. Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung nach Betriebsübergang
a) Übertragung sämtlicher Betriebe
b) Übertragung einzelner Betriebe unter Wahrung ihrer Identität
c) Übertragung einzelner Betriebsteile
9. Annahmeverzug des Betriebsveräußerers durch verspäteten Widerspruch nach Betriebsübergang
J. Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht
1. Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2016
3. Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte
a) Ausgangssituation
b) Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt
c) Zulassung als Syndikusrechtsanwalt
d) Haftpflichtversicherung
e) Sozialversicherungsrechtliche Übergangsregelung
f) Fazit
Stichwortverzeichnis

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Tiefe

Gaul Aktuelles Arbeitsrecht Band 2/2015

Zugangsdaten Benutzername: gaa2015 · Passwort: mindestlohn www.aktuelles-arbeitsrecht.de

Tiefe

Band 2/2015

Aktuelles Arbeitsrecht Herausgegeben von

Prof. Dr. Björn Gaul Bearbeitet von

Dietrich Boewer Rechtsanwalt, Vorsitzender Richter am LAG Düsseldorf a.D.

Prof. Dr. Björn Gaul Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln

Tiefe

Zitierempfehlung: Bearbeiter in Gaul, AktuellAR 2015, S. ...

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISSN 0948-2369 ISBN 978-3-504-42693-4 ©2015 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druck und Verarbeitung: VUA Schaus, Büttelborn Printed in Germany

Vorwort Nachdem die gesetzlichen Vorgaben zur Frauenquote fast überall zum 30.9.2015 umgesetzt wurden, setzt sich im Herbst die verfassungsrechtliche Diskussion über das Tarifeinheitsgesetz fort, das seit Juli 2015 in Kraft ist. Hier muss das BVerfG für Klarheit sorgen. Seit November 2015 liegt auch der Referentenentwurf zu Veränderungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung und zur Einschränkung des Missbrauchs von Werkverträgen vor. Hier besteht noch Anpassungsbedarf, bis er zum 1.1.2017 in Kraft treten kann. Geändert sind die Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von Asylbewerbern. Weiterhin offen sind die Neuregelung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte und die Umsetzung der Mobilitätsrichtlinie im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Obwohl durchaus Regelungsbedarf besteht, jedenfalls aber Zeichen gesetzt werden könnten, sind Vorschläge zur Einführung einer gesetzlichen Whistleblower-Regelung erneut gescheitert. Ganz erhebliche Bedeutung für den transatlantischen Datentransfer in die USA hat die Safe-Harbor-Entscheidung des EuGH, der in Europa tätige Arbeitgeber zu alternativen Lösungen für die Übermittlung personenbezogener Daten zwingt. Safe-Harbor 2.0 wird dies allein nicht bewirken. Die Unternehmensmitbestimmung (MitbestG/DrittelbG) muss – wie auch das BetrVG – zukünftig Leiharbeitnehmer in die Schwellenwert-Berechnung einbinden. Denkbar ist auch, dass Arbeitnehmer deutscher Tochtergesellschaften zu berücksichtigen sind. Hier ist der EuGH angerufen. Die Befristung der Arbeitsverhältnisse mit Arbeitnehmern nach Überschreiten der Altersgrenze für die Regelaltersrente ist möglich, bedarf aber außerhalb von § 14 Abs. 2,3 TzBfG einer sachlichen Rechtfertigung. Das hat das BAG deutlich gemacht. Wichtig für die Betriebspraxis sind erste Klarstellungen der Rechtsprechung in Bezug auf das MiLoG, die sich vor allem mit der Anrechnung unterschiedlicher Entgeltbestandteile und der Handhabe der Entgeltfortzahlung befassen. Parallel dazu hat das BAG die Rechtsprechung zur betrieblichen Übung bei kalenderjährlich unterschiedlichen Sonderzahlungen geändert und unionsrechtliche Vorgaben zur Berechnung der Urlaubsdauer bei einem Wechsel von Vollzeit in Teilzeit umgesetzt. Die Zulässigkeit einer Zwölftelung des Urlaubs bei Elternzeit ist weiterhin offen. Erhebliche Bedeutung haben Entscheidungen zur arbeitszeitrechtlichen Behandlung von Reisezeiten, zur vergütungsrechtlichen Behandlung von Umkleidezeiten und zur Einordnung der Arbeit eines Betriebsratsmitglieds.

V

Vorwort

Im Kündigungsrecht waren neue Vorgaben zur Massenentlassung, zur Altersdiskriminierung, zur betriebsbedingten Kündigung wegen einer Outsourcing-Entscheidung und zur außerordentlichen Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers zu behandeln. Im Betriebsrentenrecht gibt es wichtige Klarstellungen zur Unwirksamkeit einer Spätehenklausel und zu den Schranken eines Berechnungsdurchgriffs im Konzern, die sich vor allem mit dem Beherrschungsvertrag und Konzernverrechnungspreisen befassen. Das Streikrecht bleibt Richterrecht. Daran hat auch das Tarifeinheitsgesetz leider nichts geändert. Unklarheiten zur Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel lässt das BAG jetzt durch den EuGH klären. Dies ist wichtig, weil sich danach auch die Unterrichtung beim Betriebsübergang bestimmt. Diese Unterrichtung ist auch durch neue Vorgaben des BAG in Bezug auf die Genauigkeit einer Beschreibung der für einzelne Regelungen eines Tarifvertrags zu erwartende Folgen erheblich verschärft worden. Zu begrüßen ist, dass es allerdings zur gleichen Zeit noch einmal hilfreiche Klarstellungen zur Kennzeichnung eines Betriebsübergangs bei betriebsmittelarmer Tätigkeit und zu den Rechtsfolgen eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs für Gesamtbetriebsvereinbarungen gibt. In wirtschaftlichen Angelegenheiten richten sich die Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Konzern jeweils nur gegen den Betriebsinhaber, wenn eine einzelne Betriebsänderung in Rede steht. Das hat das BAG klargestellt. Unabhängig davon hat sich das BAG klarstellend mit der Bildung und der Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats befasst, die gerade bei einer Delegation durch Betriebs- oder Gesamtbetriebsrat Schwierigkeiten machen kann. Ergänzend hierzu waren neue Entscheidungen u. a. zur Mitbestimmung bei Beurteilungssystemen, der Änderung einer Vergütungsordnung, den Beteiligungsrechten bei Einstellungen und im Bereich Arbeitsschutz zu behandeln. Ganz herzlich danke ich Dietrich Boewer (Boe), der wieder einmal wichtige Entwicklungen des Arbeitsrechts aufgezeigt und für die Praxis kommentiert hat. Ebenso möchte ich mich bei Frau Linda Kriebel-Volk (Kr), Frau Ilana Bublitz, Frau Anna Maria Miklaszewska, Herrn Daniel Dominik (Do) sowie Saskia Jessen (Je), Gero Müller (Mü) und Andreas Hofelich (Ho) bedanken, die es – in unermüdlicher Weise unterstützt durch Frau Doris Hensch und Frau Nadine Kuhfuß – geschafft haben, diese höchstaktuelle Zusammenfassung fristgerecht fertigzustellen. Köln, im Herbst 2015

VI

Björn Gaul (Ga)

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort .......................................................................................................... V Abkürzungsverzeichnis ............................................................................XVII

A.

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland ............................ 333

1.

Gesetz zur Regelung der Tarifeinheit ............................................... 333 a) Verfassungsbeschwerden .......................................................... 333 b) Bedeutung des Betriebsbegriffs ................................................ 335 c) Fazit ........................................................................................... 337

2.

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Arbeitnehmerüberlassung und zur Bekämpfung der Scheinwerkverträge .......................................................................... 337 a) Ausgangssituation ..................................................................... 337 b) Regelungsvorschläge................................................................. 338 c) Fazit ........................................................................................... 346

3.

Gesetzentwürfe zur Änderung der betrieblichen Altersversorgung .............................................................................. 347 a) Einführung einer tarifvertraglichen Beitragszusage ohne arbeitgeberseitige Ausfallhaftung ............................................. 347 b) Absenkung der Unverfallbarkeitsfristen und Verschärfung der Anpassungspflichten ..................................... 347 c) Anpassungsverpflichtung nach § 16 BetrAVG ......................... 349 d) Rechnungszins für Rückstellungen ........................................... 349

4.

Erleichterungen bei den Dokumentationspflichten im Rahmen des MiLoG ....................................................................................... 350

5.

Änderungen der Rahmenbedingungen zur Beschäftigung von Asylbewerbern und anderen ausländischen Arbeitnehmern ............ 350 VII

Inhaltsverzeichnis

6.

Neue Wahlordnungen zum Mitbestimmungsgesetz, zum Mitbestimmungsergänzungsgesetz und zum Drittelbeteiligungsgesetz .................................................................. 353

7.

Keine allgemeine gesetzliche Regelung zum Schutz von Whistleblowern ................................................................................ 353

8.

Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes ...................... 355

9.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Forderung nach einer Flexibilisierung des Renteneintritts ................................................. 358

10

Entgeltgleichheit für Frauen und Männer ........................................ 360

11.

Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes ................................. 362

12.

IG Metall fordert Neujustierung des deutschen Mitbestimmungsmodels ................................................................... 363

13.

Allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge und Mindestlöhne .................................................................................... 363

B.

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht .......... 365

1.

Unwirksamkeit der Safe-Harbor-Entscheidung der Kommission ..................................................................................... 365

2.

Keine unionsrechtliche Schranke für unbefristete Arbeitnehmerüberlassung ................................................................ 369

3.

Neues zur EU-Datenschutz-Grundverordnung? .............................. 372

4.

Rücknahme der Mutterschutzrichtlinie ............................................ 373

5.

Roadmap zur Work-Life-Balance .................................................... 373

6.

Öffentliche Konsultation zur Arbeitszeit ........................................ 374

C.

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag ............................. 377

1.

Praktische Fragen zur Umsetzung der gesetzlichen Pflicht zur Frauenquote ...................................................................................... 377 a) b) c) d)

VIII

Ausgangssituation ..................................................................... 377 Kennzeichnung der Führungsebene .......................................... 378 Berechnung des Erreichens der Zielgröße ................................ 379 Zielgröße im Konzern ............................................................... 379

Inhaltsverzeichnis

e) Frauenquote in der Matrix ......................................................... 380 f) Fazit ........................................................................................... 381 2.

AGB-Kontrolle: Unbeabsichtigter Wechsel vom Alt- zum Neuvertrag durch Abschluss einer Nachtragsvereinbarung ............. 382

3.

Umfang der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers/Handlungsobliegenheiten des Arbeitnehmers........................................... 386

4.

Diskriminierungsfalle bei der Stellenausschreibung: Bewerber oder Scheinbewerber ....................................................... 391

5.

Befristung eines Arbeitsverhältnisses nach Renteneintrittsalter ........................................................................... 394

6.

Befristung wegen der bevorstehenden Übernahme von Auszubildenden ................................................................................ 400

7.

Keine Fiktion eines Arbeitsverhältnisses bei der Vermittlung selbständig Tätiger ........................................................................... 404

8.

Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen als Verstoß gegen ein (nachvertragliches Wettbewerbsverbot) .......................... 407

D.

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub .......................................... 409

1.

Reisezeiten als Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne ............. 409

2.

Generelle Pflicht zur Bezahlung von Umkleidezeit bei der Verwendung von Schutzausrüstungen ............................................. 414 a) Sachverhalt und Entscheidung des LAG Hamburg .................. 414 b) Stellungnahme ........................................................................... 416 c) Fazit ........................................................................................... 423

3.

Kennzeichnung der geschuldeten Arbeitszeit beim Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung .................................................. 424

4.

Betriebliche Gründe zur Ablehnung eines Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung ....................................................................... 428

5.

Änderungskündigung mit dem Ziel der Beseitigung einer Teilzeitbeschäftigung ....................................................................... 432

6.

Anspruch auf Dienstwagen mit dem Recht zur Privatnutzung während der Freistellungsphase der Altersteilzeit ........................... 436

7.

Aktuelle Fragen zur Umsetzung des MiLoG ................................... 439

IX

Inhaltsverzeichnis

a) Ausgangssituation ..................................................................... 439 b) Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit im Sinne des MiLoG .......... 439 c) Anrechnung von Entgeltbestandteilen auf den Mindestlohn............................................................................... 440 d) Bedeutung des MiLoG für die Entgeltfortzahlung ................... 448 8.

Anspruch auf eine ermessensgerechte Jahressonderzahlung durch vorbehaltlose Gewährung von Zahlungen in unterschiedlicher Höhe..................................................................... 450

9.

Die Zulässigkeitsanforderungen einer Drittschuldnerklage ............. 454

10.

Betriebliche Übung auf Vergütung während der Raucherpause ...... 458

11.

Kürzung des Erholungsurlaubs wegen der Elternzeit ...................... 463

12.

Berechnung der Urlaubsansprüche bei einer Neuverteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage ................................. 466

13.

Urlaubsdauer bei kurzfristiger Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses ......................................................................... 470

14.

Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch bei Freistellung wegen Erwerbsminderung ................................................................ 472

E.

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags ........................................... 475

1.

Neues zur Betriebsratsbeteiligung bei Massenentlassungen............ 475 a) b) c) d)

Berücksichtigung befristeter Arbeitsverhältnisse...................... 475 Einbeziehung der Entlassung von Geschäftsführern ............... 476 Kennzeichnung des Betriebs ..................................................... 478 Massenentlassungsanzeige und Stellungnahme des Betriebsrats ................................................................................ 480 e) Beteiligungsrechte des Betriebsrats .......................................... 480 2.

Altersdiskriminierende Kündigung im Kleinbetrieb ....................... 482

3.

Personenbedingte Kündigung wegen dauerhafter Minderleistung ................................................................................. 486 a) Verhaltensbedingte Kündigung wegen Minderleistung ............ 487 b) Personenbedingte Kündigung wegen Minderleistung .............. 487

X

Inhaltsverzeichnis

c) Konsequenzen für die Darlegungs- und Beweislast bei personenbedingter Kündigung .................................................. 488 d) Fazit ........................................................................................... 494 4.

Umfang der Weiterbeschäftigungspflicht bei ordentlicher Kündigung wegen langandauernder Erkrankung ............................. 495 a) Ausgangssituation ..................................................................... 495 b) Dreistufige Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung ................................................................................. 496 c) Keine Verpflichtung zur Freikündigung.................................... 497 d) Keine Einschränkung durch das Verbot einer Benachteiligung wegen Behinderung ....................................... 498 e) Bedeutung des bEM für die Darlegungs- und Beweislast ........ 500 f) Der Arbeitsunfall als Bestandteil der Interessenabwägung ...... 502

5.

Außerordentliche Kündigung wegen Missbrauchs des ITSystems ............................................................................................ 503

6.

Außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers ...................................................... 506

7.

Outsourcing: Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung von (älteren) Arbeitnehmern mit tarifvertraglichem Sonderkündigungsschutz.................................................................. 509 a) Betriebliche Erfordernisse als wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB ........................................................................ 511 b) Tarifvertragliche Einschränkung der Kündigungsbefugnis aus § 626 BGB .......................................................................... 512 c) Rechtsmissbrauch einer Outsourcing-Maßnahme .................... 513 d) Fazit ........................................................................................... 514

8.

Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung wegen befristeter Möglichkeit der Weiterbeschäftigung ............................. 514 a) Kennzeichnung des freien Arbeitsplatzes ................................. 515 b) Einbeziehung befristeter Beschäftigungsmöglichkeiten ........... 516

9.

Ablehnung einer auf Beschäftigung gerichteten einstweiligen Verfügung aufgrund Freistellungsklausel ........................................ 518

10.

Klagefrist bei Zugang einer Kündigung unter Abwesenden ............ 520 a) Ausgangssituation ..................................................................... 520

XI

Inhaltsverzeichnis

b) Zugang unter Anwesenden ........................................................ 521 c) Treuwidrige Verhinderung des Zugangs einer Kündigung unter Anwesenden ..................................................................... 522 d) Zugang einer Kündigung unter Abwesenden ............................ 524 e) Fazit ........................................................................................... 525 11.

Keine Hemmung der Verjährung von Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers wegen Annahmeverzugs durch Kündigungsschutzklage ................................................................... 252

F.

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags ....................................................................... 529

1.

Unwirksamkeit einer Spätehenklausel ............................................. 259

2.

Kürzung einer betrieblichen Altersrente bei vorzeitiger Inanspruchnahme durch schwerbehinderte Menschen .................... 531

3.

Grundsätzliche Vermutung einer dynamischen Bezugnahme auf Versorgungsordnung .................................................................. 532

4.

Gesamtversorgung: Auslegung einer Versorgungsordnung ............. 535

5.

Ablösung einer Gesamtzusage über betrieblicher Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung ................................ 536 a) Drei-Stufen-Theorie als allgemeiner Grundsatz von Veränderungen der betrieblichen Altersversorgung .................. 536 b) Einbeziehung von Veränderungen der Vergangenheit .............. 538

6.

Aktuelle Rechtsprechung zur Betriebsrentenanpassung nach § 16 BetrAVG ................................................................................... 540 a) Berücksichtigung von Konzernverrechnungspreisabreden ....... 540 b) Bedeutung für Non-Profit-Organisationen ................................ 543 c) Berücksichtigung außerordentlicher Aufwendungen als Folge einer Neubewertung der Pensionsrückstellungen ........... 544 d) Einschränkung bei der Berücksichtigung von Beherrschungsverträgen ........................................................... 544

7.

XII

Anspruch der Betriebsrentner auf Betriebsrentenanpassung oder Schadensersatz nach umwandlungsrechtlicher Übertragung auf eine Rentnergesellschaft ....................................... 546

Inhaltsverzeichnis

G.

Tarifrecht........................................................................................ 551

1.

Unterlassungsanspruch bei Streikmaßnahmen aufgrund rechtswidriger Streikziele................................................................. 551

2.

Kein Schadensersatzanspruch der Drittbetroffenen eines rechtswidrigen Arbeitskampfs.......................................................... 556

3.

Aktuelle Rechtsprechung zur arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag ................................................. 559 a) Vorlagebeschluss zur dynamischen Bezugnahme auf Tarifvertrag beim Betriebsübergang ......................................... 559 b) Günstigkeitsvergleich zwischen normativ und kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme geltendem Tarifvertrag ........ 563

4.

Dynamische Verweisung auf Tarifvertrag durch Betriebsvereinbarung ....................................................................... 566

5.

OT-Mitgliedschaft: Strengere Anforderungen an die Ausgestaltung der Verbandssatzung ................................................. 571 a) Denkbare Gestaltungsformen einer OT-Mitgliedschaft ............ 571 b) Rechtsfolgen einer unzureichenden Trennung der Mitgliedschaften im Arbeitgeberverband.................................. 572 c) Die Entscheidung vom 21.1.2015 ............................................. 573 d) Weitere Entscheidungen ............................................................ 575 e) Zusammenfassung ..................................................................... 576

H.

Betriebsverfassung und Mitbestimmung ................................ 579

1.

Einbindung ausländischer Tochtergesellschaften in die deutsche Unternehmensmitbestimmung .......................................... 579 a) Gesetzliche Ausgangssituation .................................................. 579 b) Argumente für eine Einbeziehung der ausländischen Tochtergesellschaften ................................................................ 580 c) Argumente für eine Ausgrenzung der ausländischen Tochtergesellschaften ................................................................ 581 d) Vorlagebeschluss des Kammergerichts Berlin .......................... 583

2.

Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Festlegung der Art der Aufsichtsratswahl nach dem Mitbestimmungsgesetz ..................................................................... 585 XIII

Inhaltsverzeichnis

3.

Aktuelle Rechtsprechung zum Konzernbetriebsrat.......................... 586 a) Gesetzliche Ausgangssituation .................................................. 586 b) Kennzeichnung des herrschenden Unternehmens eines Konzerns ................................................................................... 588 c) Zuständige Verhandlungspartner nach einer Delegationsentscheidung gemäß § 58 Abs. 2 BetrVG .............. 591

4.

Aufteilung betriebsverfassungsrechtlicher Zuständigkeiten durch Tarifvertrag ............................................................................. 593

5.

Berechnung der Entgeltfortzahlung bei einer erfolgsabhängigen Vergütung von Betriebsratsmitgliedern ............. 595

6.

Kommunikationsbeauftragte des Betriebsrats ................................ 597

7.

Kostenerstattungsansprüche des Betriebsrats .................................. 599 a) Freistellungsanspruch des Betriebsrats von Rechtsanwaltskosten ................................................................. 599 b) Kostenerstattung des Betriebsrats bei Betriebsratsschulung mit Übernachtung ................................... 602

8.

Das Arbeitszeitgesetz als Schranke der Betriebsratsarbeit .............. 604

9.

Keine Nachwirkung bei der Kündigung einer Betriebsvereinbarung zur Altersteilzeit ............................................ 607

10.

Personelle Einzelmaßnahmen: Pflicht zur Vorlage von Unterlagen bei der Unterrichtung nach § 99 BetrVG ...................... 608

11.

Doppelte Eingruppierung bei der Geltung mehrerer Tarifverträge im Betrieb (Tarifpluralität) ......................................... 611

12.

Vergütungsanspruch bei mitbestimmungswidrig geänderter Entgeltordnung ................................................................................. 615

13.

Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze ................................................ 619

14.

Mitbestimmung des Betriebsrats bei Maßnahmen des Arbeitsund Gesundheitsschutzes ................................................................. 622

15.

Paritätisch besetzte Kommission im betrieblichen Vorschlagswesen .............................................................................. 624

16.

Abführungspflicht für Aufsichtsratstantiemen bei Gewerkschaftsvertretern .................................................................. 625

XIV

Inhaltsverzeichnis

I.

Betriebsänderung und Betriebsübergang ............................... 631

1.

Das Unternehmen als verpflichteter Rechtsträger für die Beteiligung des Betriebsrat nach §§ 111 ff. BetrVG bei Betriebsänderung im Konzern ...................................... 631

2.

Mitbestimmungsfreie Vorbereitung der späteren Umsetzung einer Betriebsänderung..................................................................... 633

3.

Tarif-Sozialplan mit stichtagsbezogener Begünstigung von Gewerkschaftsmitgliedern................................................................ 635

4.

Sozialauswahl bei Teilverlagerung von Aufgaben auf anders Unternehmen nach Betriebsstilllegung ............................................ 641

5.

Betriebsübergang: Kennzeichnung des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Personals bei betriebsmittelarmer Tätigkeit ........................................................................................... 642

6.

Betriebsübergang trotz befristeten Arbeitsvertrags .......................... 646

7.

Betriebsübergang: Unterrichtungspflicht über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags beim übernehmenden Rechtsträger ...................................................................................... 648 a) Ausgangssituation ..................................................................... 648 b) Allgemeine Grundsätze zur Unterrichtung ............................... 648 c) Bisherige Feststellungen zur Unterrichtungspflicht bei Kollektivvereinbarungen ........................................................... 649 d) Erweiterte Handlungsvorgaben durch die Entscheidung des BAG vom 26.3.2015 ........................................................... 654 e) Stellungnahme und Fazit ........................................................... 655

8.

Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung nach Betriebsübergang .............................................................................. 658 a) Übertragung sämtlicher Betriebe .............................................. 659 b) Übertragung einzelner Betriebe unter Wahrung ihrer Identität ..................................................................................... 659 c) Übertragung einzelner Betriebsteile.......................................... 663

9.

Annahmeverzug des Betriebsveräußerers durch verspäteten Widerspruch nach Betriebsübergang ............................................... 663

XV

Inhaltsverzeichnis

J.

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht ............................................................ 667

1.

Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2016 .................................................................................................. 667

3.

Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte ................................ 668 a) b) c) d) e) f)

Ausgangssituation ..................................................................... 668 Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt ........................................... 668 Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ......................................... 669 Haftpflichtversicherung............................................................. 670 Sozialversicherungsrechtliche Übergangsregelung .................. 670 Fazit ........................................................................................... 671

Stichwortverzeichnis................................................................................... 673

XVI

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. F. abl. ABlEG Abs. abw. AcP AGBG ADG ÄndG AEntG AEUV AFG AGBG

AiB AFKG AktG AktuellAR AltEinkG AltersvorsorgeVerbesserungsgesetz AltZertG AsylG AVmG allg. AMP AMS amtl. Anl. Anm. AO AP ArbG

anderer Auffassung alte Fassung ablehnend Amtsblatt der EG Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Geschäftsbedingungengesetz Antidiskriminierungsgesetz Änderungsgesetz Arbeitnehmerentsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Arbeitsförderungsgesetz 1969 Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) 1976 Arbeitsrecht im Betrieb Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetz Aktiengesetz Gaul bzw. Gaul/Gaul, Aktuelles Arbeitsrecht Alterseinkünftegesetz Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz Asylgesetz Altersvermögensgesetz allgemein Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister Arbeitsschutzmanagementsystem amtlich(e) Anlage Anmerkung Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Arbeitsgericht

XVII

Abkürzungsverzeichnis

ArbGG AR-Blattei ArBMedVV ArbNErfG ArbPlSchG

ArbRB ArbSchG

ARSt ArbStättVO ArbZG ARdGgw. ArGV Art. ASAV ASiG

ATG AuA AU-Bescheinigung Aufenthalt/EWG

AufenthG Aufl. AÜG

AuR AVmG

AWbG XVIII

Arbeitsgerichtsgesetz 1979 Arbeitsrechts-Blattei, Handbuch für die Praxis Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (Arbeitnehmererfindergesetz) 1957 Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz) 1957 Der Arbeits-Rechts-Berater (Zeitschrift) Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) Arbeitsrecht in Stichworten Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung) Arbeitszeitgesetz Das Arbeitsrecht der Gegenwart Arbeitsgenehmigungsverordnung Artikel Anwerbestoppausnahmeverordnung Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz) Altersteilzeitgesetz Arbeit und Arbeitsrecht Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Aufenthaltsgesetz Auflage Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) 1972 Arbeit und Recht Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz

Abkürzungsverzeichnis

BA BAG BAVAZ BAT BAT-O BB BBG BBiG Bd. BDA Beil. BEEG BEM BerASichG BErzGG Beschäftigungschancengesetz BeschFG

BeschSchG BeschV

BetrAVG BetrSichVO BetrVG BetrVG 1952 BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BildschArbV BilMoG

Bundesanstalt für Arbeit Bundesarbeitsgericht Bedarfsabhängige variable Arbeitszeit Bundesangestelltentarifvertrag Bundesangestelltentarifvertrag Ost Betriebs-Berater Beitragsbemessungsgrenze Berufsbildungsgesetz 1969 Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Beilage Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Berufliches Eingliederungsmanagement Berufsausbildungssicherungsgesetz 2004 Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (Bundeserziehungsgeldgesetz) 1985 Gesetz für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt Gesetz über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung (Beschäftigungsförderungsgesetz) 2001 Beschäftigtenschutzgesetz Beschäftigungsverordnung – Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern Betriebsrentengesetz Betriebssicherheitsverordnung Betriebsverfassungsgesetz 1972 Betriebsverfassungsgesetz 1952 Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Amtliche Sammlung) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Bildschirmarbeitsverordnung Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz XIX

Abkürzungsverzeichnis

BImSchG BKK Bl. BMF BMT-G BMWA BPersVG br BR-Drucks. BRTV-Bau BSDG BSeuchG

BSG BSGE BSHG BSSichG BStBl. BT-Drucks. BUrlG BuW BNichtrSchG BVerfG BVerfGE BVerwG bzw. ca. CGM CGZP ChemG ChGlFöG

XX

Bundes-Immissionsschutzgesetz Betriebskrankenkasse Blatt Bundesministerium für Finanzen Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltung und Betriebe Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Bundespersonalvertretungsgesetz 1974 Behindertenrecht (Zeitschrift) Bundesratsdrucksache Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Bundesdatenschutzgesetz Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (BundesSeuchengesetz) Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Amtliche Sammlung) Bundessozialhilfegesetz Breitragssatzsicherungsgesetz Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) 1963 Betrieb und Wirtschaft Bundesnichtraucherschutzgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise circa Christliche Gewerkschaft Metall Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) 1994 Gesetz zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen

Abkürzungsverzeichnis

DA DAG DB DBGrG DCGK ders. DGB d. h. DKK DLW DNotZ DOK DP DrittelbG DSAG DStR DStRE EAS EBRG EBR-Richtlinie EFG EFTA EFZG

EG EGBGB ELENA-VerfahrensG EstB EGV EGMR EMRK ErfK ESC

Durchführungsanweisung Deutsche Angestellten Gewerkschaft Der Betrieb Gesetz über die Gründung der Deutschen Bahn-AG Deutscher Corporate Governance Kodex derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund das heißt Däubler/Kittner/Klebe Dörner/Luczak/Wildschütz Deutsche Notarzeitschrift Zeitschrift für "Ortskrankenkassen" Das Personalbüro Drittelbeteiligungsgesetz Datenschutzauditgesetz Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerrechtentscheidung Europäisches Arbeits- und Sozialrecht Gesetz über Europäische Betriebsräte (Europäische-Betriebsräte-Gesetz) 1996 Europäische Betriebsräte Richtlinie Entscheidungen der Finanzgerichte European Free Trade Agreement Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) 1994 Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetzes über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises Einkommenssteuerberater Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft 1997 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Europäische Sozialcharta XXI

Abkürzungsverzeichnis

EStG etc. EU EuGH EUZBLG

EWG EWiR EzA

Einkommensteuergesetz et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag über die Europäische Union eingetragener Verein eventuell Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht 1980 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

FPfZG f. ff. FG Fitting FMStG Fn. FR FS

Familienpflegezeitgesetz folgend fortfolgende Finanzgericht Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fußnote Finanz-Rundschau (Dt. Steuerblatt) Festschrift

GA-AÜG

Geschäftsanweisung zum AÜG von der Bundesagentur für Arbeit (Stand 12/2011) Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe gemeinsam(e) Gendiagnostikgesetz Gentechniksicherheitsverordnung Gewerbeordnung 1869 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 1949 gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht GmbH-Rundschau

EuZW EUV e. V. evtl. EVÜ

GefStoffV gem. GenDG GenTSV GewO GG ggf. GK GK-KR GmbHR

XXII

Abkürzungsverzeichnis

GmS-OBG

GRC GRUR GS GSG GWB

Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Gewerkschaft der neuen Brief- und Zustelldienste Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Großer Senat Gerätesicherheitsgesetz 1992 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

HAG HaKo-KSchR Halbs. h. M. HGB HinGebSchG SWG

Heimarbeitergesetz Handkommentar Kündigungsschutzrecht Halbsatz herrschende Meinung Handelsgesetzbuch 1897 Hinweisgeberschutzgesetz Hess/Schlochauer/Worzolla/Glock

i. d. F. i. E. i. H. a. INF InKDG

in der Fassung im Ergebnis im Hinblick auf Die Information über Steuer und Wirtschaft Informations- und Kommunikationsdienstegesetz Insolvenzordnung 1994 Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten Investmentgesetz im Sinne des Verordnung über Arbeitsgenehmigungen Verordnung über Aufenthaltsgenehmigungen IT-Rechtsberater in Verbindung mit

GNBZ

InsO Institutsvergütungsverordnung InvG i. S. d. IT-ArGV IT-AV ITRB i. V. m. JArbSchG JuMoG

Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) 1976 Justizmodernisierungsgesetz

XXIII

Abkürzungsverzeichnis

KDZ

Kap. KAPOVAZ KassArbR KassKomm KG KO KPK KR

K&R krit. KSchG KuG LadschlG LAG LAGE LasthandhabV LFZG

Lit. LPartG LPartÜAG LS LStDV m. MDR m. E. MERL MgVG

m. w. N. XXIV

Kittner/Däubler/Zwanziger (Hrsg.) Kündigungsschutzrecht Kommentar 8. Aufl., 2011 Kapitel Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht Kammergericht Konkursordnung Kölner Praxiskommentar Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften Kommunikation und Recht kritisch Kündigungsschutzgesetz 1969 Kurzarbeitergeld Ladenschlussgesetz Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Lastenhandhabungsverordnung Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) 1969 Literatur Lebenspartnergesetz Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts Leitsatz Lohnsteuer-Durchführungsverordnung mit Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Massenentlassungsrichtlinie Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung mit weiteren Nachweisen

Abkürzungsverzeichnis

MindArbBedG MinLohnG MitbestG MitbestErgG MontanMitbestG Montan-MitbestErgG MTV MünchArbR MüKo MuSchG

NachwG

Mindestarbeitsbedingungsgesetz Gesetzes über die Festsetzung des Mindestlohns (Mindestlohngesetz) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) 1976 Mitbestimmungsergänzungsgesetz Montan-Mitbestimmungsgesetz Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz Manteltarifvertrag Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) 1968

n. F. NJW Nr. Nrn. NZS n. v. NZA NZA-RR NZG

Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz) neue Fassung Neue Juristische Wochenzeitschrift Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Sozialrecht (noch) nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht NZA-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

OLG

Oberlandesgericht

PatG PersR PersVG NW

Patentgesetz 1980 Personalrat Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen Pflegeversicherungsgesetz Pflegezeitgesetz Pflege-Weiterentwicklungsgesetz Preisklauselgesetz Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung von Ausrüstungen bei der Arbeit

PflegeVG PflegeZG PfWG PreisKlG PSABV

XXV

Abkürzungsverzeichnis

PSDG PSH-BV PSV PW

Verordnung über die Benutzung persönlicher Schutzausrüstung Pensionssicherungsverein Preis/Willemsen

RabattG RAG RAGE

Rabattgesetz Reichsarbeitsgericht Entscheidungssammlung des Reichsarbeitsgerichts RdA Recht der Arbeit RDV Recht der Datenverarbeitung Risikobegrenzungsgesetz Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken RIW Recht der internationalen Wirtschaft RL Richtlinie(n) Rz. Randzahl/Randziffer Rs. Rechtssache RsprEinhG Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes 1968 RV-LeistungsverGesetz über Leistungsverbesserungen besserungsgesetz in der gesetzlichen Rentenversicherung RVO Reichsversicherungsordnung 1911 RzK Rechtsprechung zum Kündigungsrecht s. S. Sachgeb. SAE SchwarzArbG SchwbG

SE SEAG SEBG SeemG SGB I

XXVI

siehe Seite bzw. Satz Sachgebiet Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft – Schwerbehindertengesetz (1986) Europäische Gesellschaft SE-Ausführungsgesetz SE-Beteiligungsgesetz Seemannsgesetz 1957 Sozialgesetzbuch, I. Buch – Allgemeiner Teil 1975

Abkürzungsverzeichnis

SGB III SGB IV SGB V SGB VI SGB VII SGB IX SGB X SGB XI

SGb SigG s. o. sog. SozplKonkG SozR SPE spi SprAuG SpTrUG StGB st. Rspr. Tarifautonomie stärkungsgesetz TKG TransPuG TVG TVöD

Sozialgesetzbuch, III. Buch – Arbeitsförderung 1997 Sozialgesetzbuch, IV. Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung 1976 Sozialgesetzbuch, V. Buch – Gesetzliche Krankenversicherung 1988 Sozialgesetzbuch, VI. Buch – Gesetzliche Rentenversicherung 1989 Sozialgesetzbuch, VII. Buch – Gesetzliche Unfallversicherung 1996 Sozialgesetzbuch, IX. Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen 2001 Sozialgesetzbuch, X. Buch – Verwaltungsverfahren 1980/82 Sozialgesetzbuch, XI. Buch – Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit 1994 Die Sozialgerichtsbarkeit Signaturgesetz siehe oben sogenannte(r) Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren Sozialrecht, Entscheidungssammlung Societas Privata Europaea (= Statut der Europäischen Privatgesellschaft) sozialpolitische Informationen Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschussgesetz) 1988 Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen Strafgesetzbuch 1871 ständige Rechtsprechung Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie Telekommunikationsgesetz Transparenz- und Publizitätsgesetz Tarifvertragsgesetz 1969 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst

XXVII

Abkürzungsverzeichnis

TzBfG

Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge 2001

u. a. u. ä. ÜbernG

unter anderem und ähnlich Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und Unternehmensübernahmen 2002 Umlagefinanzierungsgesetz Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (Umwandlungsgesetz) 1994 Urheberrechtsgesetz 1965 und so weiter Unfallverhütungsvorschriften

UmlFinG UmwG UrhG usw. UVV v. VAG VermbG VermG VersAusglG vgl. VglO Vorbem. VorstAG VorstOG VVG VwGO VwVfG WahlO WhistleblowerSchutzgesetz WHSS WiB wib WissZeitG

XXVIII

vom Versicherungsaufsichtsgesetz Vermögensbildungsgesetz Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) Versorgungsausgleichsgesetz vergleiche Vergleichsordnung 1935 Vorbemerkung(en) Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz Gesetz über den Versicherungsvertrag 1908 (Versicherungsvertragsgesetz) Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz 1976 Wahlordnung Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Wirtschaftliche Beratung Woche im Bundestag Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft

Abkürzungsverzeichnis

WM WpHG WPrax WpÜG WWKK

Wertpapiermitteilungen Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftsrecht und Praxis Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wlotzke, Wissmann, Koberski, Kleinsorge: Mitbestimmungsrecht

z. B. ZDG

zum Beispiel Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (Zivildienstgesetz) Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozeßordnung 1877 Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zum Teil Zeitschrift für Tarifrecht zustimmend Zustellungsreformgesetz

ZESAR ZEuP ZfA ZGR ZHR Ziff. ZIP ZPO ZSEG z. T. ZTR zust. ZustRG

XXIX

A. Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland 1.

Gesetz zur Regelung der Tarifeinheit

Auf der Grundlage der Beschlussfassung im Bundestag am 22.5.2015 ist das Gesetz zur Regelung der Tarifeinheit 1 am 10.7.2015 in Kraft getreten 2. Änderungen hat es trotz der verfassungsrechtlichen Bedenken nicht mehr gegeben. Insofern kann im Wesentlichen auf die ausführliche Darstellung an anderer Stelle verwiesen werden 3. Initiativen im Bereich der Daseinsvorsorge wurden nicht umgesetzt 4. Auf zwei Aspekte sei noch einmal hingewiesen:

a)

Verfassungsbeschwerden

Gegen das Tarifeinheitsgesetz haben der Marburger Bund, die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die Vereinigung Cockpit, der Deutschen Journalisten-Verband (DJV), die Neue Assekuranz Gewerkschaft und die Feuerwehr-Gewerkschaft und wenige Einzelpersonen Verfassungsbeschwerde erhoben. Eine Entscheidung darüber liegt bislang nicht vor, dürfte aber schon 2016 zu erwarten sein. Bei 66,5 % solcher Verfassungsbeschwerden beläuft sich die durchschnittliche Verfahrensdauer auf nur ein Jahr. Hintergrund der Verfassungsbeschwerde ist vor allem der Umstand, dass das Gesetz zur Folge hat, dass einzelne Gewerkschaften eigene Tarifverträge nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt durchsetzen können. Dies wird vor allem dadurch begründet, dass in § 4 a Abs. 2 TVG auf den Geltungsbereich, nicht aber den Regelungsgegenstand abgestellt wird. Unabhängig von diesen Bedenken hat das BVerfG am 6.10.2015 allerdings Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Tarifeinheitsgesetz abgelehnt 5. Damit sollte das Gesetz außer Vollzug gesetzt werden. In der Begründung seiner Entscheidung hat das BVerfG deutlich gemacht, dass durch die Beschwerdeführer keine entsprechend gravierenden, irrever-

1 2 3

4 5

Vgl. BT-Drucks. 18/4966; BT-Drucks. 18/4663; BT-Ausschussdrucks. 18(11)345. BGBl. I 2015, 1130 f. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2015, 15 ff.; Vielmeier, NZA 2015, 1294 ff.; Richardi, NZA 2014, 1233 ff.; Litschen, NZA-RR 2015, 57 ff.; Ballauf, AiB 2015, 22 ff.; Greiner, RdA 2015, 36 ff.; Ulrici, DB 2015, 2511 ff.; Fischinger/Monsch, NJW 2015, 31 ff.; Gamillscheg, AuR 2015, 223 ff; Lehmann BB 2015, 2229 ff, 2293 ff; Fischer, NZA 2015, 662 ff; Melot de Beauregard, DB 2015, 1527 ff.; Greiner, NZA 2015, 769 ff; Tiedemann, ArbRB 2015, 124 ff.; Schlachter, AuR 2015, 217 ff. BR-Drucks. 294/15. 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1582/15, 1 BvR 1588/15, NZA 2015, 1271.

333

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

siblen oder nur schwer revidierbaren Nachteile dargelegt seien, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen würden. Derzeit sei nicht absehbar, dass den Beschwerdeführern bei Fortgeltung des Tarifeinheitsgesetzes bis zur Entscheidung in der Hauptsache das Aushandeln von Tarifverträgen längerfristig unmöglich würde oder sie im Hinblick auf ihre Mitgliederzahl oder ihrer Tariffähigkeit in ihrer Existenz bedroht wären. Aus Sicht des BVerfG war zum Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht erkennbar, dass den Beschwerdeführern bei Fortgeltung der angegriffenen Vorschriften bis zur Entscheidung in der Hauptsache das Aushandeln von Tarifverträgen als wesentlicher Zweck von Koalitionen längerfristig unmöglich würde. Schließlich verbiete das Gesetz die tarifpolitische Betätigung auch einer Berufsgruppengewerkschaft an sich nicht. Dass durch das Tarifeinheitsgesetz eine Schwächung der Verhandlungsmacht gegeben sei, genüge nicht. Dabei ist nach Auffassung des BVerfG auch zu berücksichtigen, dass das Tarifeinheitsgesetz nicht unmittelbar die Zulässigkeit von Maßnahmen des Arbeitskampfes regele, die grundsätzlich vom Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst seien. Losgelöst davon sei derzeit nicht absehbar, inwieweit es in der Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache tatsächlich in einem Ausmaß zur Anwendung der Kollisionsregel des § 4 a TVG komme, der eine einstweilige Anordnung unabdingbar erscheinen ließe. Zwar könne auch schon in diesem Zeitraum ein Kollisionsfall eintreten. Die Tarifvertragsparteien hätten jedoch unterschiedliche tarifpolitische Möglichkeiten, dies zu vermeiden. Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass verdrängte Tarifverträge auch für die Vergangenheit Geltung beanspruchten, falls die angegriffene Kollisionsregel für nichtig erklärt werden sollte. Unabhängig davon wird man zu berücksichtigen haben, dass die Tarifverträge der Minderheitsgewerkschaft auch durch arbeitsvertragliche Bezugnahme zur Anwendung gebracht werden können 6. Dass der Mitgliederbestand der Beschwerdeführer durch das Tarifeinheitsgesetz so gefährdet wäre, dass die Tariffähigkeit in Frage stünde, hat das BVerfG jedenfalls zum Zeitpunkt seiner aktuellen Entscheidung abgelehnt. Denn eine realistische Prognose, ob und wie viele Mitglieder die Beschwerdeführer im Zeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache verlieren könnten, die nicht zurück zu gewinnen wären, liege nicht vor. Desgleichen sei nicht hinreichend konkret erkennbar, dass das Tarifeinheitsgesetz kurzfristig zu organisations- oder verbandspolitischen Neuausrichtungen der Gewerkschaften zwänge, die sich für diese existenzgefährdend auswirkten.

6

Zutreffend Schliemann, NZA 2015, 1298 ff.

334

Gesetz zur Regelung der Tarifeinheit

Eine Entscheidung in der Hauptsache ist damit nicht vorweggenommen. Im Gegenteil: Die Erfolgsaussichten der Hauptsache bleiben bei einer Entscheidung über die einstweilige Anordnung außer Betracht. Darauf hat das BVerfG noch einmal hingewiesen. Ergänzend hierzu hat das BVerfG deutlich gemacht, dass es den Beschwerdeführern unbenommen bleibe, bei einer erheblichen Änderung der tatsächlichen Umstände einen erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen, falls bis dahin in der Hauptsache keine Entscheidung getroffen wurde. Die Entscheidung in der Hauptsache wird durch den 1. Senat des BVerfG vorbereitet. So hat das BVerfG gemäß § 27 a BVerfGG verschiedene Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und sonstige Organisationen um Stellungnahme zu folgenden Fragen gebeten worden: 1. Welche empirischen Anhaltspunkte für Entwicklungen, auf die mit dem Tarifeinheitsgesetz reagiert wurde, liegen vor? Von Bedeutung sind dabei insbesondere möglichst konkrete, ggf. quantifizierbare Angaben zur Höhe der Tarifabschlüsse durch Berufsgruppengewerkschaften in den Zeiträumen 2005 bis 2009, 2010 bis Juni 2015 und Juli 2015 bis dato sowie zu spezifisch durch Tarifpluralität im Zeitraum 2010 bis Juni 2015 hervorgerufene Problemlagen. 2. Wie gestaltete sich seit dem Jahr 2010 die Tarifpraxis in Betrieben mit mehreren Gewerkschaften? Welche tarifpolitischen Strategien wurden konkret entwickelt, um etwaigen Auswirkungen der Tarifpluralität zu begegnen? Welche konkreten Veränderungen haben sich seit Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes für die beteiligten Akteure ergeben? 3. Welche Kollisionsfälle sind Ihnen seit Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes bekannt geworden? Welche Erfahrungswerte zu diesbezüglichen arbeitsgerichtlichen Verfahren, insbesondere mit Blick auf deren Praktikabilität, und zu autonomen Lösungen von Kollisionen durch die Tarifvertragsparteien gibt es? 4. Inwiefern hat die von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung seit dem Jahr 2010 gebilligte Tarifpluralität konkrete Belastungen verursacht. Hat sich dies durch das Tarifeinheitsgesetz verändert?

b)

Bedeutung des Betriebsbegriffs

In der Zeit der weiteren Anwendung des Gesetzes dürfte vor allem die Kennzeichnung des Betriebs i. S. d. § 4 a TVG eine Rolle spielen, an den die Auflösung einer Tarifpluralität geknüpft wird. Wir hatten die damit zu-

335

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

sammenhängenden Fragen bereits im Frühjahr behandelt 7. Denn der Gesetzgeber hat zwar einerseits auf den allgemeinen Betriebsbegriff Bezug genommen, andererseits aber auch Regelungen eingefügt, nach denen auch der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen und der gewillkürte Betrieb nach § 3 Abs. 1 BetrVG Grundlage für die Feststellung des anwendbaren Tarifvertrags sein können. Weitergehende Kennzeichnungen fehlen 8. Bedeutung hat dieser Umstand vor allem im Bereich der Luftfahrtunternehmen, für die Arbeitnehmervertreter nach § 117 Abs. 2 BetrVG durch Tarifvertrag für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer bestellt werden 9. Hier dürfte sich in der Zukunft nicht nur die Frage stellen, ob durch einen Tarifvertrag analog § 3 Abs. 1 BetrVG jeweils auch Betriebsstrukturen i. S. des § 4 a Abs. 2 TVG geschaffen werden können, die Flug- und Bodenbetrieb gleichermaßen erfassen. Da der Begriff des „Flugbetriebs“ und der des „Bodenbetriebs“ keine organisatorische, sondern eine tätigkeitsbezogene Differenzierung bewirken soll, steht § 117 BetrVG dieser Gestaltungsoption nicht entgegen. Wichtiger noch aber ist die Erkenntnis, dass bei der Kennzeichnung des Betriebs auch in Bezug auf die Luftfahrtunternehmen an die Steuerung in Bezug auf die wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten angeknüpft werden muss. Die letztgenannte Betrachtungsweise folgt bereits aus der Entstehungsgeschichte, weil sie den allgemeinen arbeitsrechtlichen Betriebsbegriff nutzt. Hinzu kommt, dass damit dem Zweck der gesetzlichen Neuregelung, wie er in § 4 a Abs. 1 TVG zum Ausdruck gebracht wird, Rechnung getragen wird. Denn nur durch eine übergreifende Betrachtungsweise in Bezug auf die im Flug- und Bodenbetrieb tätigen Arbeitnehmer können die Verteilungsfunktion, die Befriedungsfunktion und die Ordnungsfunktion eines Tarifvertrags durchgesetzt werden. Denn dann gäbe es im Zweifel nur einen Betrieb, in dem Flug- und Bodenpersonal übergreifend zum Einsatz käme. Konsequenz wäre, dass für diese Arbeitnehmer dann nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft gelten würde, die in diesem Betrieb die meisten Arbeitnehmer als Mitglieder hat. Soweit § 4 a TVG hinsichtlich der Kennzeichnung der Mehrheitsgewerkschaft auch den gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen (§ 1 Abs. 1 7 8

9

Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2015, 18 ff. Vgl. zum Betriebsbegriff: Richardi, NZA 2015, 915; Greiner, NZA 2015, 769 ff.; Konzen/Schliemann, RdA 2015, 1; Scholz/Lingemann/Ruttloff, NZA-Beilage 2015, 3; Greiner, RdA 2015, 36 ff. Vgl. BAG v. 24.6.2008 – 9 AZR 313/07, NZA 2008, 1309; ArbG Cottbus v. 24.9.2009 – 1 BVGa 7/09, n. v; LArbG Berlin-Brandenburg v 30.10.2009 – 6 TaBVGa 2284/09, n. v; Fitting, BetrVG§ 117 Rz. 6 ff.; Weber/Gräf, ZESAR 2011, 355; Forst, ZESAR 2012, 164; Bayreuther, NZA 2010, 262.

336

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Arbeitnehmerüberlassung

S. 2 BetrVG) einbezieht, scheint übersehen worden zu sein, dass im gemeinsamen Betrieb eine getrennte Tarifbindung besteht. Denn die Frage der Geltung eines Tarifvertrags gemäß § 3 Abs. 1 TVG ist schon als Ergebnis der Koalitionsfreiheit an den Abschluss dieses Tarifvertrags durch den Arbeitgeber bzw. seine eigene Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband geknüpft. Wenn der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen trotz dieser Unterscheidung hinsichtlich der Tarifbindung bei der Kennzeichnung der Mehrheitsgewerkschaft übergreifend einbezogen werden soll, kann dies zur Folge haben, dass Arbeitnehmer eines Unternehmens, die ihrerseits nicht an den Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft geknüpft sind, durch ihre Mitgliedschaft in dieser Gewerkschaft den Vorrang dieses Tarifvertrags bei einem weiteren Arbeitgeber des gemeinsamen Betriebs bewirken können. Das überzeugt nicht, jedenfalls dann nicht, wenn die Kollision zweier Tarifverträge am Geltungsbereich, nicht aber an ihrem am Regelungsgegenstand festgemacht wird.

c)

Fazit

Abzuwarten bleibt, wie das BVerfG mit den verfassungsrechtlichen Bedenken umgehen wird. Ungeachtet dessen ist es bedauerlich, dass es weiterhin keine gesetzliche Regelung gibt, die das Arbeitskampfrecht, das zur Zeit durch die Spartengewerkschaften geprägt wird, in praktikable Bahnen lenken würde. Derzeit bleibt es Aufgabe der Gerichte, Schranken insbesondere für den Streik einzelner Berufsgruppen zu entwickeln. Das zeigen die unterschiedlichen Gerichtsurteile, die für Lokomotivführer, Piloten und Kabinenpersonal derzeit getroffen werden 10. Rechtssicherheit sieht anders aus. (Ga)

2.

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Arbeitnehmerüberlassung und zur Bekämpfung der Scheinwerkverträge

a)

Ausgangssituation

Im Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung angekündigt, nicht nur Scheinwerkverträge zu bekämpfen. Der entsprechende Referentenentwurf liegt seit dem 16.11.2015 vor. Damit will die Bundesregierung die Leiharbeit auf die Kernfunktion beschränken und den Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen und die verdeckte Arbeitnehmerüberlassung verhindern. 11

10 Vgl. nur LAG Hessen v. 7.11.2014 – 9 SaGa 1496/14, ZTR 2015, 132 ff.; LAG Hessen v. 9.9.2015 – 9 SaGa 1082/15 n. v. 11 Vgl. Ulrici, BB 2015, 1209 ff.

337

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Darüber hinaus sollen die Informations- und Unterrichtungsrechte des Betriebsrats sichergestellt und konkretisiert werden. Hintergrund der Verzögerungen bis zur Veröffentlichung des Referentenentwurfs dürfte vor allem die Diskussion über die unionsrechtliche Zulässigkeit der geplanten Maßnahmen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung gewesen sein. Diese Diskussion ist zwar mit dem Urteil des EuGH vom 17.3.2015 12, über das wir an anderer Stelle berichten 13, in Bezug auf die Fragen zum Geltungsbereich der Richtlinie 2008/104/EG und die durch Art. 4 dieser Richtlinie begründeten Grenzen einer Einschränkung der Leiharbeit nicht abschließend beantwortet worden. Führt man sich allerdings die Feststellungen des Generalanwalts vom 20.11.2014 14 vor Augen, dürfte es gleichwohl zulässig sein, die Möglichkeit der Überlassung von Arbeitnehmern auf einen bestimmten Zeitraum zu begrenzen. Gleichzeitig aber haben die Feststellungen der Kommission, die aus der Richtlinie keine Pflicht zur nur vorübergehenden Überlassung ableiten will 15, dem Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, den Tarifvertragsparteien einen weitergehenden Gestaltungsspielraum zu eröffnen.

b)

Regelungsvorschläge

Die wesentlichen Regelungsvorschläge des aktuellen Referentenentwurfs können wie folgt zusammengefasst werden: aa)

Kennzeichnung der Arbeitnehmerüberlassung

Zur Abgrenzung von sonstigen Formen des Arbeitseinsatzes und der Vermittlung von Fremdpersonal soll die Arbeitnehmerüberlassung im Gesetz gekennzeichnet werden. Dies soll zugleich helfen, den Anwendungsbereich des AÜG festzulegen. So soll durch § 1 Abs. 1 S. 2, 3 AÜG bestimmt werden, dass Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen werden, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. Grundsätzlich ist sie nur zulässig, wenn zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht. Allerdings soll durch eine Ergänzung in § 12 Abs. 2 AÜG bestimmt werden, dass die in §§ 9 Nr. 1 bis 1 b, 10 AÜG getroffenen Regelungen entsprechende Anwendung finden, wenn Arbeitnehmer entgegen § 1 Abs. 1 S. 3 AÜG von einer anderen Person überlas12 13 14 15

C-533/13, NZA 2015, 423 – AKT; Däubler, DB 2015, S7 f; Giesen, DB 2015, S. 5 f. B. Gaul, AktuellAR 2015, 71 ff. C-533/13, NZA 2015, 423 - AKT. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2015, 24 ff., 369 ff.

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Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Arbeitnehmerüberlassung

sen werden und dabei gegen § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 S. 5, 6 oder § 1 Abs. 1 b AÜG verstoßen wird. Wichtig für die Betriebspraxis ist, dass mit § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG Kennzeichnungs- und Konkretisierungspflichten geschaffen werden. Danach ist die Überlassung von Leiharbeitnehmern in dem Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu kennzeichnen. Vor der Überlassung ist die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf diesen Vertrag zu konkretisieren. Andernfalls droht die Entstehung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher (§ 9 Nr. 1 a AÜG). Darüber hinaus muss der Verleiher den Leiharbeitnehmer vor jeder Überlassung darüber informieren, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird (§ 11 Abs. 2 AÜG). 16 bb)

Höchstüberlassungsdauer in der Privatwirtschaft

Gemäß § 1 Abs. 1 S. 4 AÜG ist Überlassung zukünftig nur noch vorübergehend bis zu der in § 1 Abs. 1 b AÜG genannten Höchstüberlassungsdauer erlaubt. Danach darf derselbe Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen werden. Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als sechs Monate liegen (§ 1 Abs. 1 b S. 1, 2 AÜG). Der Gesetzgeber verfolgt damit richtigerweise keine arbeitsplatz-, sondern eine arbeitnehmerbezogene Betrachtungsweise. Der gleiche Arbeitsplatz kann also dauerhaft mit wechselnden Leiharbeitnehmern besetzt werden. Dies eröffnet jedenfalls in solchen Bereichen sinnvolle Gestaltungsmöglichkeiten, die nicht durch besonderes Know-how der Leiharbeitnehmer gekennzeichnet sind. Auf der Grundlage der Ankündigung im Koalitionsvertrag enthält § 1 Abs. 1 b S. 3 AÜG eine Tariföffnungsklausel. Danach kann in einem Tarifvertrag von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche oder einer auf Grund eines solchen Tarifvertrags getroffenen Betriebs- oder Dienstvereinbarung eine hiervon abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. Entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten werden den Kirchen und öffentlichrechtlichen Religionsgesellschaften in ihren Regelungen eingeräumt. Diese Gestaltungsmöglichkeit ist zu begrüßen, zumal damit dem Wortlaut nach auch dauerhafte Überlassungstatbestände zugelassen werden. Voraussetzung ist freilich, dass die Richtlinie 2008/104/EG der dauerhaften Über-

16 Vgl. Hennecke/Tuengerthal BB 2015, 1269 ff.; Franzen RdA 2015, 141 ff.

339

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

lassung von Arbeitnehmern nicht entgegensteht, was trotz der gegenteiligen Feststellungen der EU-Kommission, auf die wir an anderer Stelle verwiesen haben 17, umstritten ist 18. Andernfalls wäre ein solcher Tarifvertrag oder eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung unzulässig. Problematisch an der vorgesehenen Regelung ist der Umstand, dass auf die beim Entleiher bestehenden Kollektivregelungen abgestellt wird. Bei einer Betriebs- und Dienstvereinbarung erscheint dies noch vertretbar, weil insoweit auch eine Gestaltungsbefugnis der Betriebsparteien gegeben ist (vgl. § 88 BetrVG), die auch Leiharbeitnehmer erfassen kann. Hinsichtlich der Verlängerung der Überlassungsdauer durch Tarifvertrag löst sich der Entwurf aber von allen bislang denkbaren Formen einer Tarifbindung, indem er durch einen Tarifvertrag Einsatzformen erlaubt, an die weder Verleiher noch Leiharbeitnehmer gebunden sind. Dies dürfte mit Blick auf Art. 9 Abs. 3 GG nicht unproblematisch sein, zumal die arbeitsvertragliche Bezugnahme im Gesetz nicht vorgesehen ist und in der Praxis (bislang) auch keine Tarifverträge erfassen dürfte, die für den Entleiherbetrieb gelten. Zwei Aspekte sind bei der praktischen Umsetzung wichtig: Zum einen stellt § 9 Nr. 1 b AÜG klar, dass eine Missachtung der Höchstüberlassungsdauer zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer führt, dessen Inhalt sich nach § 10 AÜG bestimmt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Leiharbeitnehmer schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher erklärt, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhalten will. Unklar dabei bleibt aber, was passiert, wenn das Überschreiten der Höchstüberlassungsdauer jedenfalls dem Leiharbeitnehmer nicht bewusst war. Zum anderen soll § 19 Abs. 2 AÜG den betroffenen Unternehmen eine lange Übergangszeit einräumen. Denn Überlassungszeiten vor dem 1.1.2017 sollen bei der Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1 b AÜG nicht berücksichtigt werden. cc)

Zwingende Geltung des Equal-Pay-Grundsatzes

§ 8 AÜG soll den Grundsatz der Gleichbehandlung (Equal-Treatment) mit Arbeitnehmern des Entleihers beschreiben. Danach ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gel17 B. Gaul, AktuellAR 369 f. 18 Einerseits BAG v. 30.9.2014 – 1 ABR 79/12, BB 2015, 379 Rz. 14;BAG v. 10.7.2013 – 7 ABR 91/11, NZA 2013, 1296 ff.; andererseits EuGH v. 17.3.2015 – C-533/13, NZA 2015, 423 Rz. 21 ff. – AKT; HWK/Kalb, AÜG § 1 Rz. 7; ErfK/Wank, AÜG § 1 Rz. 37 b ff.; Schaub-ArbR-Handbuch/Koch, § 120 Rz. 12 d.

340

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Arbeitnehmerüberlassung

tenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (Gleichstellungsgrundsatz). Soweit beim Entleiher ein Sachbezug gewährt wird, kann insoweit ein Wertausgleich in Euro erfolgen (§ 8 Abs. 1 AÜG). Entsprechend der heutigen Rechtslage kann hiervon durch Tarifvertrag oder Bezugnahme auf Tarifvertrag abgewichen werden (§ 8 Abs. 2 AÜG), sofern der Arbeitnehmer nicht in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung beim Entleiher oder einem mit dem Entleiher verbundenen Unternehmen ausgeschieden ist (§ 8 Abs. 3 AÜG). Neu ist der Vorschlag, die Eigenständigkeit einer tariflichen Regelung in Bezug auf den Grundsatz des Equal-Pay zu begrenzen. Nach § 8 Abs. 4 AÜG soll eine abweichende Regelung hinsichtlich des Arbeitsentgelts nur für die ersten neun Monate einer Überlassung an einen Entleiher gelten. Danach muss das gleiche Arbeitsentgelt wie für die im Betrieb vergleichbaren Arbeitnehmer gewährt werden. Diese Zeit verlängert sich auf zwölf Monate, wenn ein im Arbeitsverhältnis geltender Tarifvertrag nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen hinsichtlich des Arbeitsentgelts eine stufenweise Heranführung an den Gleichstellungsgrundsatz vorsieht und dieser Tarifvertrag kraft Gesetzes oder kraft Vereinbarung gilt. Bei der 9bzw. 12-Monats-Frist sind Überlassungen an denselben Entleiher, die durch denselben oder einen anderen Entleiher erfolgen, anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen nicht mehr als sechs Monate liegen. Außerordentlich problematisch ist hier der Umstand, dass eine Kennzeichnung des Begriffs des Arbeitsentgelts fehlt. Außerdem fehlt eine Übergangsregelung in Bezug auf Zeiten, die vor dem 1.1.2017 verbracht wurden. Dies dürfte die Praxis in vielfältige Probleme stürzen, die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche sowie straf- und vergaberechtliche Folgen haben. Schließlich erfasst der Begriff des Arbeitsentgelts nicht nur die monatlichen Geldzahlungen. Vielmehr werden auch Sachbezüge (z. B. ÖPNV-Ticket, Deputate, Dienstwagen mit dem Recht zur Privatnutzung) oder sonstige Leistungen (z. B. Jahressonderzahlung, Boni, betriebliche Altersversorgung) einbezogen (vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 AÜG). Wenn der Gesetzgeber hier schon nicht selbst tätig werden will, sollte er jedenfalls den betrieblichen oder tariflichen Sozialpartnern erlauben, mit dem Arbeitgeber bzw. dem für den Arbeitgeber zuständigen Arbeitgeberverband den Begriff des Arbeitsentgelts zu vereinbaren. Dabei könnte an die bisherigen Regelungen der BranchenZuschlagstarifverträge angeknüpft werden. Ungelöst bleibt nach wie vor der Fall, dass Arbeitnehmer nur für einen Teil der Arbeitszeit an einen anderen Arbeitgeber überlassen werden. Erwerben sie nach neun oder 12 Monaten einen Anspruch auf gleiche Vergütung, der

341

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

entsprechend einer Teilzeitbeschäftigung zu bestimmen ist? Gilt dies auch dann, wenn die Tätigkeit unregelmäßig immer nur an einzelnen Tagen im Monat ausgeübt wird? Wie ist mit Sachbezügen zu verfahren, die der Arbeitnehmer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten gewährt, ohne dass Teilbarkeit gegeben ist (z. B. Dienstwagen mit dem Recht zur Privatnutzung)? dd)

Erweiterung der Sanktionen

Wie oben schon geschildert, werden die Sanktionen in §§ 9, 10 AÜG ausgeweitet auf die Fälle einer Nichtbeachtung der Kennzeichnungspflicht (§ 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG) und der Höchstüberlassungsdauer (§ 1 Abs. 1 b AÜG). Klarstellend werden die diesbezüglichen Regelungen aber um die Möglichkeit ergänzt, dass der Leiharbeitnehmer einem Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher widersprechen kann. Dann besteht es mit dem Verleiher fort. 19 ee)

Kein Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher

Nach § 11 Abs. 5 AÜG sollen Leiharbeitnehmer nicht mehr beim Entleiher zum Einsatz kommen, wenn dieser unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist. Für mittelbar betroffene Betriebe gilt dies nicht. ff)

Ausgrenzung des öffentlichen Dienstes aus dem Anwendungsbereich des AÜG

Mit § 1 Abs. 3 Nrn. 2 a) und b) AÜG soll ein umfassendes Privileg für den öffentlichen Dienst und die damit verbundenen Bereiche geschaffen werden. Denn durch diese Regelungen sollen juristische Personen des öffentlichen Rechts und solche Einheiten, die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes zur Anwendung bringen, aus dem AÜG in seiner Gesamtheit ausgegrenzt werden. Dies erlaubt nicht nur jede Form der Personalgestellung, sondern befreit auch von der Notwendigkeit, die Grundsätze des Equal-Pay oder des Equal-Treatment zu beachten. Im Einzelnen sieht § 1 Abs. 3 Nr. 2 b) AÜG vor, dass die Überlassung von Arbeitnehmern zwischen Arbeitgebern nicht in den Anwendungsbereich des AÜG fällt, wenn Aufgaben eines Arbeitnehmers von dem bisherigen zu einem anderen Arbeitgeber verlagert werden und aufgrund eines Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber weiter besteht und die Arbeitsleistung zukünftig bei dem anderen Arbeitgeber erbracht wird. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 c AÜG soll die Arbeitnehmerüberlassung zwischen Arbeitgebern ohne Rücksicht auf das AÜG erfolgen können, wenn diese juristische Personen des öffentlichen Rechts sind und die für sie geltenden Tarifverträge des öffentlichen Dienstes oder Rege19 Reuter RdA 2015, 171 ff.

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Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Arbeitnehmerüberlassung

lungen der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften dies vorsehen. Beispielhaft werden hierdurch öffentlich-rechtliche Körperschaften/ Anstalten, Kommunen, Sparkassen ebenso wie Unternehmen im kommunalen Bereich privilegiert, wenn sie den TVöD oder vergleichbare Regelungen zur Anwendung bringen. Abzuwarten ist, ob diese Vorschläge wirklich zur Umsetzung kommen. Problematisch daran ist, dass das EU-Recht die Privilegierung eines Sektors nicht kennt. Wenn man allerdings die Feststellungen des EuGH im Urteil vom 17.3.2015 20 ernst nimmt, ist es den Arbeitsgerichten verwehrt, einen etwaigen Verstoß gegen die durch Art. 4 Richtlinie 2008/104/EG begründeten Schranken zu prüfen und ggf. eine Rechtsvorschrift unanwendbar zu stellen. Das rechtfertigt jedenfalls aus Unternehmenssicht, trotz unionsrechtlicher Bedenken solche Rechtsvorschriften erst einmal anzuwenden. gg)

Schwellenwerte der Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung

Mit Ausnahme von § 112 a BetrVG sollen Leiharbeitnehmer zukünftig bei der Berechnung aller Schwellenwerte der Betriebsverfassung und der Unternehmensmitbestimmung berücksichtigt werden. Hierzu soll § 14 Abs. 2 AÜG ergänzt werden. Entsprechendes soll bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, dem Europäischen Betriebsrat und etwaigen Umwandlungen in eine SE oder SCE beachtet werden. Für die Betriebsverfassung zeichnet die Bundesregierung damit im Grunde nur die Rechtsprechung nach 21. Im Bereich der Unternehmensmitbestimmung beendet die Bundesregierung mit dem jetzt vorliegenden Vorschlag aber den Streit über die Frage, ob die Leiharbeitnehmer auch bei den Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung zu beachten sind. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des OLG Hamburg im Beschluss vom 31.1.2014 22 war das nach der hier vertretenen Auffassung abzulehnen. Das BAG hatte eine solche Einbeziehung in seinem Urteil vom 4.11.2015 23 zu § 9 MitbestG indes angenommen. Wir haben diese Entscheidung an anderer Stelle behandelt 24.

20 C-533/13, NZA 2015, 423 f. – AKT. 21 Vgl. zuletzt BAG v. 13.3.2013 – 7 ABR 69/11, NZA 2013, 789 Rz. 20; LAG BadenWürttemberg v. 27.2.2015 – 9 TaBV 8/14, NZA-RR 2015, 353 ff. 22 11 W 89/13, NZA 2014, 858. 23 7 ABR 42/13 n. v. 24 B. Gaul, AktuellAR 2015, 585 ff.

343

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Die Entscheidung überzeugt, soweit sie das BetrVG betrifft. Sie überzeugt nicht, soweit sie die gleiche Erweiterung in Bezug auf die Unternehmensmitbestimmung vorsieht. Wegen der hierfür maßgeblichen Argumente sei auf unsere Ausführungen bei früherer Gelegenheit verwiesen 25. Wichtig ist allerdings, dass die Vorschriften über das aktive und passive Wahlrecht (insbesondere als § 7 S. 2 BetrVG) dadurch nicht verändert werden. hh)

Erweiterung und Konkretisierung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats

Die Betriebsverfassung soll nur in §§ 80 Abs. 2, 92 Abs. 1 BetrVG geändert werden. Dadurch soll der Arbeitgeber verpflichtet werden, die Betriebsräte insbesondere über den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben von Fremdpersonal zu unterrichten, damit die Betriebsräte etwaige Beteiligungsrechte prüfen können. Hierzu gehören auch die Verträge, die der Beschäftigung dieser Personen zugrunde liegen (§ 80 Abs. 2 S. 1, 3 AÜG). Ergänzend hierzu soll der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat im Rahmen von § 92 BetrVG auch über die geplante Beschäftigung von Personen, die in keinem Arbeitsverhältnis zu ihm stehen, beraten. Damit soll keine Ausweitung der Beteiligungsrechte bei einer Einstellung (§ 99 BetrVG) oder im Bereich des Arbeitsschutzes (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) erfolgen, wie dies von der SPD in der Vergangenheit noch gefordert worden war 26. ii)

Gesetzliche Kriterien zur Kennzeichnung eines Arbeitsverhältnisses

Durch die Einfügung von § 611 a soll die Kennzeichnung eines Arbeitsverhältnisses und damit auch die Abgrenzung zur vertraglichen Kennzeichnung von Fremdpersonal erleichtert werden. Diese Regelung ist überflüssig, außerordentlich konturlos und dürfte – wegen fehlerhafter Schlussfolgerungen – auf individual- und kollektivrechtlicher Ebene zu erheblichen Missverständnissen führen. In § 611 a Abs. 1 BGB soll zunächst einmal festgehalten werden, dass ein Arbeitsvertrag vorliegt, wenn es sich bei den aufgrund eines Vertrags zugesagten Leistungen um Arbeitsleistungen handelt. Arbeitsleistungen soll danach erbringen, wer Dienste erbringt, dabei in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist und Weisungen unterliegt. Wenn der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung einander widersprechen, ist für die rechtliche

25 B. Gaul, AktuellAR 2013, 202 ff.; 2014, 202 ff., 206; 2015, 584 ff. 26 Vgl. BT-Drucks. 17/12378.

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Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Arbeitnehmerüberlassung

Einordnung des Vertrags die tatsächliche Durchführung maßgebend. Dies alles entspricht ständiger Rechtsprechung, enthält aber für die Rechts- und Betriebspraxis keinen erkennbaren Mehrwert. Diesen Mehrwert erhofft sich der Gesetzgeber mit der Einfügung von Kriterien, die bei der Feststellung einer Eingliederung zu berücksichtigen sind. So bestimmt § 611 a Abs. 2 BGB des Entwurfs, dass für die Feststellung, ob jemand in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist und Weisungen unterliegt, eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist. Diese müsse insbesondere berücksichtigen, ob jemand, a) nicht frei darin ist, seine Arbeitszeit oder die geschuldete Leistung zu gestalten oder seinen Arbeitsort zu bestimmen, b) die geschuldete Leistung überwiegend in Räumen eines anderen erbringt, c) zur Erbringung der geschuldeten Leistung regelmäßig Mittel eines anderen nutzt, d) die geschuldete Leistung in Zusammenarbeit mit Personen erbringt, die von einem anderen eingesetzt oder beauftragt sind, e) ausschließlich oder überwiegend für einen anderen tätig ist, f) keine eigene betriebliche Organisation unterhält, um die geschuldete Leistung zu erbringen, g) Leistungen erbringt, die nicht auf die Herstellung oder Erreichung eines bestimmten Arbeitsergebnisses oder eines bestimmten Arbeitserfolges gerichtet sind, h) für das Ergebnis seiner Tätigkeit keine Gewähr leistet.

Mit Ausnahme der beiden letzten Kriterien sind die vorstehenden Merkmale ohne Indizwirkung, weil sie in einem Arbeitsvertrag ebenso wie in einem Dienst- oder Werkvertrag vorhanden sein können. Sie haben keinen erkennbaren Bezug zur Eingliederung, weil sich entsprechende Umstände der Dienstleistung auch aus der Natur der übertragenen Aufgabe an einem bestimmten Ort ergeben können, obwohl die Tätigkeit im Übrigen selbständig erbracht wird. Das hat das BAG zuletzt im Urteil vom 21.7.2015 27, als es die Arbeitnehmereigenschaft eines ärztlichen Gutachters abgelehnt hat, der seine Tätigkeit in den Räumlichkeiten des Auftraggebers in Abstimmung mit dem dort beschäftigten Personal und mit Betriebsmitteln des Auftraggebers verrichtete. Soweit dann wenigstens die letztgenannten Merkmale eine 27 9 AZR 484/14 n. v.

345

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Kennzeichnung des Arbeitsverhältnisses erlauben sollen, bleibt indes unbeachtet, dass auch der Dienstvertrag oder das freie Mitarbeiterverhältnis nicht zwingend eine Haftung für einen bestimmten Arbeitserfolg voraussetzen. Der Gesetzgeber sollte die Regelung streichen. Sie provoziert trotz gegenteiliger Annahmen in der Gesetzesbegründung Streit über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, weil sie – entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung – die (fehlerhafte) Annahme fördert, dass ein Arbeitsverhältnis jedenfalls dann vorliegen muss, wenn mehrere dieser Kriterien erfüllt sind. Das kann zu Auseinandersetzungen im Arbeitsverhältnis, in der Betriebsverfassung und im Verhältnis zu den Sozialversicherungsträgern führen. Vertretbar erscheint insoweit nur § 611 a Abs. 3 BGB. Dieser bestimmt, dass das Bestehen eines Arbeitsvertrages widerleglich vermutet wird, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund nach § 7 a SGB IV insoweit das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt hat. Dabei sollte es der Gesetzgeber belassen. Dass auch dies zu fehlerhaften Entscheidungen führen kann, wird man als Risiko im Einzelfall hinnehmen müssen. Beispielhaft sei hier nur auf das Urteil des SG Dortmund vom 11.9.2015 28 verwiesen, das im Wesentlichen schon aus dem Vorliegen eines Qualitätshandbuchs, einem Verhaltenskodex und der Notwendigkeit einer zeitlichen Abstimmung der Abholservices an den Sortierprozess in der Logistik von einer unselbständigen Beschäftigung eines Fahrers im Zustellbereich ausgegangen ist.

c)

Fazit

Es bleibt abzuwarten, ob die scharfe Kritik der Arbeitgeberseite 29 zu den notwendigen Änderungen in Bezug auf den Referentenentwurf führen wird. Das betrifft vor allem die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen eines Arbeits- und Leiharbeitsverhältnisses, wie es durch § 611 a BGB geschaffen werden soll. Die Regelungen zu den Schwellenwerten spiegeln eine politische Sichtweise dar, die juristischen Bedenken nicht ausgesetzt ist. Bedenken bestehen aber vor allem in Bezug auf die die Unbestimmtheit des Arbeitsentgeltbegriffs und das Fehlen der Übergangsregelung (§ 8 AÜG), die Wirkungsweise der Tariföffnungsklausel zur Höchstüberlassung (§ 1 b AÜG) und das Privileg des öffentlichen Dienstes (§ 1 Abs. 3 AÜG). Zu erwarten ist, dass losgelöst von den gesetzgeberischen Entwicklungen verschärfte Kontrollen in Bezug auf den Missbrauch von Werkverträgen er-

28 S 34 R 934/14 n. v. 29 Vgl. BDA-Rundschreiben vom November 2015 „Arbeitsteilung nicht gefährden | Arbeitsmarktchancen erhalten“ und Stellungnahme vom 16.11.2015 zum Gesetzentwurf.

346

Gesetzentwürfe zur Änderung der betrieblichen Altersversorgung

folgen werden. Das BMAS hat die Zollämter im März dieses Jahres aufgefordert, in entsprechender Weise tätig zu werden. Das entspricht dem Entschließungsantrag des Landes Niedersachsen vom 4.3.2015, der im Bundesrat eingebracht wurde 30. (Ga)

3.

Gesetzentwürfe zur Änderung der betrieblichen Altersversorgung

a)

Einführung einer tarifvertraglichen Beitragszusage ohne arbeitgeberseitige Ausfallhaftung

Die Einführung der Möglichkeit einer Beitragszusage, bei der die in § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG vorgesehene Ausfallhaftung des Arbeitgebers entfallen soll, wenn die Zusage als Pensionskasse oder Pensionsfonds über eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien gemäß § 4 TVG durchgeführt wird 31, wird derzeit nicht weiter verfolgt. Ein formaler Gesetzentwurf, mit der die bisherige Diskussionsgrundlage, über die wir berichteten 32, fortgeführt würde, liegt bislang nicht vor.

b)

Absenkung der Unverfallbarkeitsfristen und Verschärfung der Anpassungspflichten

Im Gegensatz dazu dürfte das Gesetz zur Umsetzung der EU-MobilitätsRichtlinie in Kürze verabschiedet werden 33. Änderungen sind derzeit nicht zu erwarten. Insofern kann auf die Ausführungen im Frühjahr diesen Jahres verwiesen werden 34. Die damit verbundene Verkürzung der Unverfallbarkeitsfristen wird man nicht verhindern können. Wichtig für die betriebliche Praxis ist aber, dass die Zeit bis zum Inkrafttreten der Änderungen (1.1.2018) genutzt wird, bestehende Versorgungsordnungen mit dem Ziel zu überprüfen, die zukünftige Pflicht zur Anpassung von Versorgungsanwartschaften ausgeschiedener Arbeitnehmer aus § 2 a BetrAVG zu vermeiden. § 2 a Berechnung und Wahrung des Teilanspruchs (1) Bei der Berechnung des Teilanspruchs eines mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmers nach § 2 sind die 30 BR-Drucks. 87/15. 31 Eingehend hierzu Hanau/Arteaga, DB 2015, 615 ff.; dies., 2447 ff.; Frank, BB 2015, 1973 ff. 32 B. Gaul, AktuellAR 2015, 35 ff. 33 BT-Drucks. 18/6283. 34 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2015, 37 ff.

347

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Versorgungsregelung und die Bemessungsgrundlagen im Zeitpunkt des Ausscheidens zugrunde zu legen; Veränderungen, die nach dem Ausscheiden eintreten, bleiben außer Betracht. (2) Abweichend von Absatz 1 darf ein ausgeschiedener Arbeitnehmer im Hinblick auf den Wert seiner unverfallbaren Anwartschaft gegenüber vergleichbaren nicht ausgeschiedenen Arbeitnehmern nicht benachteiligt werden. Eine Benachteiligung gilt insbesondere als ausgeschlossen, wenn 1. die Anwartschaft a) als nominales Anrecht festgelegt ist, b) eine Verzinsung enthält, die auch dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer zugutekommt, oder c) über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchgeführt wird und die Erträge auch dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer zugutekommen, oder 2. die Anwartschaft angepasst wird a) um 1 Prozent jährlich, b) wie die Anwartschaften oder die Nettolöhne vergleichbarer nicht ausgeschiedener Arbeitnehmer, c) wie die laufenden Leistungen, die an die Versorgungsempfänger des Arbeitgebers erbracht werden, oder d) entsprechend dem Verbraucherpreisindex für Deutschland. (3) Ist bei der Berechnung des Teilanspruchs eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen, so kann bei einer unmittelbaren oder über eine Unterstützungskasse durchgeführten Versorgungszusage das bei der Berechnung von Pensionsrückstellungen allgemein zulässige Verfahren zugrunde gelegt werden, es sei denn, der ausgeschiedene Arbeitnehmer weist die bei der gesetzlichen Rentenversicherung im Zeitpunkt des Ausscheidens erreichten Entgeltpunkte nach. Bei einer Versorgungszusage, die über eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds durchgeführt wird, sind der aufsichtsbehördlich genehmigte Geschäftsplan, der Pensionsplan oder die sonstigen Geschäftsunterlagen zugrunde zu legen.

348

Erleichterungen bei den Dokumentationspflichten im Rahmen des MiLoG

(4) Versorgungsanwartschaften, die der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden erwirbt, dürfen nicht zu einer Kürzung des Teilanspruchs führen.“

c)

Anpassungsverpflichtung nach § 16 BetrAVG

Wichtig für die betriebliche Praxis ist darüber hinaus, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Umsetzung der Mobilitäts-Richtlinie auch § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG anpassen will. Dadurch soll klargestellt werden, dass die Anpassungsverpflichtung bei einer Abwicklung der Betriebsrente über eine Direktversicherung im Sinne des § 1 b Abs. 2 BetrAVG oder über eine Pensionskasse im Sinne des § 1 b Abs. 3 BetrAVG durchgeführt wird, auch dann als erfüllt gilt, wenn ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden. Entgegen der Feststellungen des BAG im Urteil vom 30.9.2014 35 ist es damit nicht mehr notwendig, dass zur Berechnung der garantierten Leistung der nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 lit. a VAG festgesetzte Höchstzinssatz zur Berechnung der Deckungsrückstellung nicht überschritten wird.

d)

Rechnungszins für Rückstellungen

Ob und inwieweit der Gesetzgeber auf die sinkenden Zinsen durch eine Verlängerung des derzeit siebenjährigen Bezugszeitraums zur Ermittlung des Zinssatzes (§ 253 Abs. 2 S. 1 HGB) und eine Verteilung des bei den Rückstellungen kalenderjährlich entstehenden Mehraufwands auf 15 Jahre reagieren wird, ist derzeit offen. Erkennbar ist allerdings, dass die Abnahme des Rechnungszinses gerade 2015 zu einem deutlichen Anstieg der Pensionsrückstellungen führen wird, der die handelsrechtlichen Gewinne der Unternehmen belastet 36. (Ga)

4.

Erleichterungen bei den Dokumentationspflichten im Rahmen des MiLoG

Bereits zum 1.1.2015 hatte die Bundesregierung eine Verordnung zu Erleichterungen in Bezug auf die Dokumentationspflichten des MiLoG in Kraft gesetzt. Wir hatten darüber berichtet 37. Konsequenz war, dass Arbeitnehmer mit einem verstetigten regelmäßigen Monatsentgelt von mehr als 35 3 AZR 617/12, AP Nr. 10 zu § 1 BetrAVG Pensionskasse. 36 Vgl. BR-Drucks. 346/1/15 und 346/2/15. 37 B. Gaul, AktuellAR 2015, 14 f.

349

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

2.958,- € (brutto) im Wesentlichen aus den Melde- und Aufzeichnungspflichten der §§ 16, 17 MiLoG ausgegrenzt wurden. Mit der Neufassung der Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung38 (MiLoDokV) hält das BMAS zwar an der vorstehenden Entgeltgrenze von 2.958,- € fest, obwohl diese Grenze erst bei mehr als 80 Wochenstunden – ausgehend von einer Vergütung in Höhe von 8,50 Euro – überschritten würde. Ergänzend hierzu werden auch solche Arbeitsverhältnisse aus den Dokumentationspflichten nach §§ 16, 17 MiLoG, 18, 19 AEntG herausgenommen, in denen das verstetigte regelmäße Monatsentgelt brutto 2.000,- € überschreitet, wenn der Arbeitgeber dieses Monatsentgelt für die letzten vollen zwölf Monate nachweislich gezahlt hat. Zeiten ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt bleiben bei der Berechnung dieses 12-Monats-Zeitraums unberücksichtigt. Obwohl auch diese Grenze zu hoch ist, weil sie einer tatsächlichen Beschäftigung von etwa 54 Wochenstunden á 8,50 Euro/Stunde entspricht, ist die jetzt vorliegende Änderung ein Schritt in die richtige Richtung. Wichtig bei alledem ist, dass bei der Berechnung der vorstehenden Entgeltgrenzen ungeachtet ihrer Anrechenbarkeit auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch sämtliche verstetigte monatliche Zahlungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen sind, die regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt sind (§ 1 Abs. 1 S. 2 MiLoDokV). Problematisch allerdings bleibt, dass die Dokumentationspflichten auch bei einem Überschreiten der 2.000,- EuroGrenze bei einer Neueinstellung für mindestens zwölf Monate erfüllt werden müssen, solange das verstetigte regelmäßige Monatsentgelt nicht auch die 2.958,- Euro-Grenze überschreitet. (Ga)

5.

Änderungen der Rahmenbedingungen zur Beschäftigung von Asylbewerbern und anderen ausländischen Arbeitnehmern

Mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20.10.2015 und der Verordnung zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 24.10.2015 sind zahlreiche Änderungen in (arbeitsrechtlich) relevanten Gesetzen sowie der Beschäftigungsverordnung erfolgt. Hintergrund ist der langanhalte Strom von Asylsuchenden, die in der Bundesrepublik Schutz suchen. Wer eine gute Bleibeperspektive hat, soll nach dem Willen des Gesetzgebers frühzeitig in den Arbeitsmarkt integriert werden.

38 Eingehend dazu: Schrader/Nowak, NJW 2015, 783, 784.

350

Änderungen der Rahmenbedingungen zur Beschäftigung von Asylbewerbern

Eingangs ist festzuhalten, dass die Ausübung einer Erwerbstätigkeit während des Aufenthalts in einer Aufnahmeeinrichtung nach wie vor nicht erlaubt ist, § 61 Abs. 1 AsylG (ehemals AsylVG). Die mögliche Aufenthaltshöchstdauer in einer solchen sog. Erstaufnahmeeinrichtung wurde nunmehr von drei Monaten auf sechs Monate angehoben, § 47 Abs. 1 AsylG. Losgelöst davon haben die Änderungen insbesondere auf dem Gebiet der Leiharbeit Auswirkungen. Hervorzuheben ist hier die Änderung des § 61 Abs. 2 AsylG, der die Gestattung der Erwerbstätigkeit von Asylbewerbern zum Regelungsgegenstand hat. Durch den nunmehr entfallenen Verweis auf § 40 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wurde das generelle Verbot der Leiharbeit aufgehoben. Die Erlaubnis hierfür kann demnach grundsätzlich nach drei Monaten erteilt werden. Grundsätzlich erfolgt aber auch hier weiterhin eine Vorrangprüfung, die es für den Verleiher insbesondere bei wechselnden Einsatzbetrieben nahezu unmöglich macht, die für eine Beschäftigung des ausländischen Arbeitnehmers notwendige Erforderlichkeit einer Beschäftigung des jeweils in Rede stehenden Arbeitnehmers darzulegen. Insofern bleibt auch hier eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) erforderlich. Hiervon ausgehend wurde § 32 Abs. 1 S. 2 der Beschäftigungsverordnung (BeschV) angepasst, der die Regelungen in Bezug auf das Zustimmungsverfahren durch die BA enthält. Auch hier wurde die generelle Zustimmungsverweigerung durch die Streichung des Verweises auf § 40 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG aufgehoben. Nunmehr ist eine Zustimmungserteilung grundsätzlich nach (ebenfalls) drei Monaten ununterbrochenem erlaubten, geduldeten oder mit Aufenthaltsgestattung erfolgten Aufenthalt im Bundesgebiet möglich. Nach dem neu formulierten § 32 Abs. 3 BeschV darf die Zustimmung für ein Tätigwerden als Leiharbeitnehmer allerdings nur in den Fällen des Abs. 5 erteilt werden. Für eine Beschäftigung ohne Vorrangprüfung verbleiben – nach Ablauf der drei Monate – damit folgende Möglichkeiten: Entweder • der Asylsuchende erfüllt die Voraussetzungen für die Erteilung der Blauen Karte EU (§ 2 Abs. 2 BeschV) 39, • er/sie ist eine Fachkraft mit qualifizierter anerkannter Berufsausbildung in einem sog. Engpassberuf nach der Positivliste der BA (§ 6 BeschV) 40 oder

39 Weitere Informationen zur Blauen Karte unter www.bamf.de. 40 www.arbeitsagentur.de/positivliste.

351

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

• er/sie übt eine praktische Tätigkeit gemäß § 17 a AufenthG zur Anerkennung seiner ausländischen Berufsqualifikation aus (Abs. 5 Nr. 1).

Schließlich kann die Zustimmung nach 15 Monaten ununterbrochenem erlaubten, geduldeten oder mit Aufenthaltsgestattung erfolgten Aufenthalt im Bundesgebiet erteilt werden (§ 32 Abs. 5 Nr. 2). Das Verfahren erfolgt in diesen Fällen ohne Vorrangprüfung. Festgestellt werden muss hier lediglich, dass die voraussichtlichen Arbeitsbedingungen mit denen inländischer Arbeitnehmer vergleichbar sind. Bereits zuvor geregelt - und nun in § 32 Abs. 2 BeschV aufgenommen - war die Konstellation des vierjährigen Aufenthalts. In diesem Fall bedarf es keiner Zustimmung der BA. Weitere Änderungen haben sich in Bezug auf sogenannte sichere Herkunftsstaaten ergeben. Die Anlage II zum AsylG wurde dahingehend geändert, dass sie nunmehr die Staaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, ehemalige jugoslawische Republik, Montenegro, Senegal und Serbien aufführt. Ausländern aus diesen Staaten, die nach dem 31.8.2015 einen Antrag gestellt haben, darf nach dem neuen § 61 Abs. 2 S. 4 AsylG während des Asylverfahrens die Ausübung einer Beschäftigung nicht mehr erlaubt werden. Flankiert wird diese Regelung durch den neuen § 60 a Abs. 6 AufenthG. Nach diesem darf einem Ausländer dann die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates ist und sein nach dem 31.08.2015 gestellter Asylantrag abgelehnt wurde. In diesem Zusammenhang wichtig ist auch die Neuerung des § 26 BeschV. Um den Asyldruck aus den Staaten des Westbalkans zu verringern, wurde den Angehörigen der nunmehr in § 26 Abs. 2 aufgeführten Staaten die Möglichkeit eröffnet, unabhängig von ihrer Qualifikation eine Ausbildung oder eine Beschäftigung in Deutschland aufzunehmen. Voraussetzung ist nach der Verordnungsbegründung ein konkretes Ausbildungs- oder Arbeitsplatzangebot und die Zustimmung der BA. Hier bleiben allerdings die Regelungen der Vorrangprüfung unverändert. Diese Ausnahme greift jedoch nur, wenn im jeweiligen Herkunftsstaat bei der jeweils zuständigen deutschen Auslandsvertretung ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt wurde. Um die Integration zusätzlich zu beschleunigen, wurde die Möglichkeit einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung mit § 45 a AufenthG eingeführt. Diese wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge koordiniert und durchgeführt. Mit dem neu aufgenommenen § 421 SGB III wird der BA 352

Keine allgemeine gesetzliche Regelung zum Schutz von Whistleblowern

zusätzlich ermöglicht, die Teilhabe von Ausländern an Maßnahmen zur Erlangung erster Kenntnisse der deutschen Sprache zu fördern. Nach wie vor ist unanfechtbar anerkannten Asylberechtigten i. S. d. § 25 Abs. 1 S. 1 AufenthG die Aufnahme von Erwerbstätigkeiten uneingeschränkt möglich. Diese erhalten eine Aufenthaltserlaubnis, die nach § 25 Abs. 1 S. 4 AufenthG zur Erwerbstätigkeit berechtigt, nach § 26 Abs. 1 S. 2 AufenthG für drei Jahre erteilt wird und jeweils verlängert werden kann. (Mü)

6.

Neue Wahlordnungen zum Mitbestimmungsgesetz, zum Mitbestimmungsergänzungsgesetz und zum Drittelbeteiligungsgesetz

Am 2.9.2015 ist die Verordnung zur Änderung der Wahlordnungen zum MitbestG, zum MitbestErgG und zum DrittelbG in Kraft getreten 41. Mit der Neuregelung wird vor allem der Frauen- und Geschlechterquote Rechnung getragen. Wichtig ist, dass bei etwaigen Wahlen der Arbeitnehmervertreter in die Aufsichtsräte mitbestimmter Unternehmen zukünftig die neuen Wahlordnungen zur Anwendung kommen. (Ga)

7.

Keine allgemeine gesetzliche Regelung zum Schutz von Whistleblowern

Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatte die Fraktion der SPD42 und die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 43 Gesetzentwürfe zum Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (Whistleblowern) vorgelegt, die als Ergänzung der bislang nur vorhandenen Spezialregelungen (vgl. § 17 Abs. 2 ArbSchutzG) in Kraft treten sollten. Nachdem diese Gesetzentwürfe in der vergangenen Legislaturperiode abgelehnt worden waren 44, hatte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihren Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (Whistleblower-Schutzgesetz) in dieser Legislaturperiode erneut eingebracht 45. Für die Privatwirtschaft enthält der Entwurf vor allem die Einfügung von § 612 b BGB, durch das ein stufen-

41 42 43 44 45

BGBl. I 2015, 1443 ff. BT-Drucks. 17/8567. BT-Drucks. 17/9782. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2012, 290 ff. BT-Drucks. 18/3039.

353

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

weises Anzeigerecht bei der Verletzung bzw. drohenden Verletzung rechtlicher Pflichten geschaffen werden soll. Auf der Grundlage einer Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales am 16.3.2015 ist auch dieser Gesetzentwurf abgelehnt worden 46. Gleiches Schicksal hat die Beschlussvorlage der Fraktion DIE LINKE getroffen, durch die ebenfalls gesetzliche Schutzbestimmungen in Bezug auf das Whistleblowing geschaffen werden sollten. In der betrieblichen Praxis bleibt es damit außerhalb der spezialgesetzlichen Regelungen bei einer Lösung, die vor allem §§ 241 Abs. 2, 612 a BGB berücksichtigt. Das Ergebnis des aus diesen Vorschriften abgeleiteten Rechts bzw. der Pflicht zur Anzeige von Rechtsverletzungen ist sodann auch bei der Auslegung und Anwendung von §§ 1 KSchG, 626 BGB zu berücksichtigen, wenn Maßnahmen gegen die Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber eingeleitet werden. Problematisch an den insoweit bereits bestehenden Grundsätzen ist, dass sie einzelfallbezogen durch die Rechtsprechung entwickelt wurden 47. Darüber hinaus sind Überlegungen des EGMR zu berücksichtigen, die dieser im Urteil vom 21.7.2011 48 entwickelt hat. Gemeinsam ist dieser Rechtsprechung, dass sich allgemeingültige Grundsätze schon angesichts der Vielfältigkeit denkbarer Rechtsverletzungen daraus nicht ableiten lassen. Für die Unternehmen hat dies – anders als abweichende Stellungnahmen in der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales erkennen lassen – eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge. Einerseits ist den Unternehmen daran gelegen, Kenntnis von etwaigen Rechtsverletzungen zu erhalten. Dies folgt bereits aus allgemeinen Compliance-Grundsätzen, die angesichts der aktuellen Entwicklung in der Automobilindustrie zunehmende Bedeutung erlangen werden. Dies gilt in entsprechender Weise für den Mittelstand, der sich stärker noch in der Vergangenheit an den Handlungsvorgaben, die bislang vor allem für Großunternehmen entwickelt wurden, ausrichten muss 49. Dies gilt umso mehr, als eine Missachtung entsprechender Handlungsvorgaben unmittelbare Schadensersatzansprüche der Gesellschaft ge-

46 BT-Drucks. 18/5148. 47 Vgl. nur BAG v. 3.7.2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427 ff.; BAG v. 4.7.1991 – 2 AZR 80/91 n. v.; LAG Köln v. 2.2.2012 – 6 Sa 304/11, NZA-RR 2012, 298 ff.; LAG Berlin v. 28.3.2006 – 7 Sa 1884/05, LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 7 b. 48 Beschwerdenummer 28274/08, NZA 2011, 1269. 49 Vgl. CMS-Compliance-Barometer 2015.

354

Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes

gen die insoweit verpflichteten Vorstände bzw. Geschäftsführer zur Folge haben kann 50. Zu erwarten ist, dass die Rechtsprechung im Rahmen ihrer Überlegungen zu den Handlungspflichten von Vorstand bzw. Geschäftsführung im Bereich von Compliance in der Zukunft stärker überprüfen wird, ob Organisationstrukturen geschaffen wurden, die das Whistleblowing nicht nur ermöglichen, sondern den Whistleblower auch schützen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die vorgenommene Anzeige aus nachvollziehbaren Gründen erfolgt ist und im Interesse des Arbeitgebers zunächst interne Wege beschritten wurden. Hilfreich dürfte sein, in diesem Zusammenhang Betriebsvereinbarungen abzuschließen, die die wechselseitigen Handlungspflichten und das Verfahren beschreiben. (Ga)

8.

Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes

Mit dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetze – WissZeitVG) werden besondere Möglichkeiten geschaffen, außerhalb der Vorgaben des TzBfG mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal befristete Arbeitsverträge abzuschließen. Parallel zu klarstellenden Feststellungen des BAG zur aktuellen Rechtslage im Urteil vom 29.4.2015 51 und einem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 21.5.2014 52 hat die Bundesregierung am 4.9.2015 einen eigenen Entwurf eines ersten Gesetzes zur Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vorgelegt 53. Mit dem Änderungsgesetz soll – sei es durch Neuregelungen, sei es durch eine stärkere Konturierung bestehender Regelungen – Fehlentwicklungen in der Befristungspraxis entgegengetreten werden, ohne die in der Wissenschaft erforderliche Flexibilität und Dynamik zu beinträchtigen. Nach dem Gesetzentwurf, zu dem es am 11.11.2015 eine öffentliche Anhörung durch den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik Folgenabschätzung gegeben hat, bezieht sich die Veränderung vor allem auf § 2 WissZeitVG. Dieser soll in den Absätzen 1 und 2 wie folgt gefasst werden: (1) Die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 1 Absatz 1 Satz 1 genannten Personals, das nicht promoviert ist, ist bis zu einer Dauer 50 51 52 53

Vgl. LG München v. 10.12.2013 – 5 HKO 1387/10 u. a., NJW 2014, DB 2014, 766 ff. 7 AZR 519/13, DB 2015, 2338. BT-Drucks. 18/1463. BR-Drucks. 395/15.

355

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

von sechs Jahren zulässig, wenn die befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt. Nach abgeschlossener Promotion ist eine Befristung bis zu einer Dauer von sechs Jahren, im Bereich der Medizin bis zu einer Dauer von neun Jahren zulässig, wenn die befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt; die zulässige Befristungsdauer verlängert sich in dem Umfang, indem Zeiten einer befristeten Beschäftigung nach Satz 1 und Promotionszeiten ohne Beschäftigung nach Satz 1 zusammen weniger als sechs Jahre betragen haben. Die vereinbarte Befristungsdauer ist jeweils so zu bemessen, dass sie der angestrebten Qualifizierung angemessen ist. Die nach den Sätzen 1 und 2 insgesamt zulässige Befristungsdauer verlängert sich bei Betreuung eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren um zwei Jahre je Kind. Satz 4 gilt auch, wenn hinsichtlich des Kindes die Voraussetzungen des § 15 Absatz 1 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes vorliegen. Die nach den Sätzen 1 und 2 zulässige Befristungsdauer verlängert sich bei Vorliegen einer Behinderung nach § 2 Absatz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung um zwei Jahre. Innerhalb der jeweils zulässigen Befristungsdauer sind auch Verlängerungen eines befristeten Arbeitsvertrages möglich. (2) Die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 1 Absatz 1 Satz genannten Personals ist auch zulässig, wenn 1.

die Beschäftigung überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert wird,

2.

die Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt ist,

3.

die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter überwiegend der Zweckbestimmung dieser Mittel entsprechend beschäftigt wird,

4.

die Laufzeit der Befristung mindestens der Laufzeit der Finanzierungsbewilligung nach Nummer 2 entspricht und

5.

eine Befristung nach Absatz 1 nicht möglich ist.

Unter den Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 1 bis 4 ist auch die Befristung von Arbeitsverträgen des nichtwissenschaftlichen und nichtkünstlerischen Personals zulässig, sofern und soweit dies notwendig ist und an der Einrichtung das nicht wissenschaftliche und nichtkünstlerische Personal überwiegend unbefristet beschäftigt ist.

356

Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes

Ergänzend hierzu soll in § 2 Abs. 5 klargestellt werden, dass sich die jeweilige Dauer eines befristeten Arbeitsvertrags im Einverständnis mit der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter auch um Zeiten einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, in denen ein gesetzlicher oder tarifvertraglicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht besteht, verlängert. In den Fällen des § 2 Abs. 5 Nr. 1, 2 und 5 WissZeitVG soll die Verlängerung die Dauer von jeweils zwei Jahren indes nicht überschreiten. Zeiten nach § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 bis 6 sollen in dem Umfang, in dem sie zu einer Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags führen können, darüber hinaus nicht auf die nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG zulässige Befristungsdauer angerechnet werden. Ergänzend hierzu sollen in den §§ 3, 4, 5 WissZeitVG die Sonderregelungen für nicht wissenschaftliches Personal gestrichen werden. Dafür ist beabsichtigt Sonderregelungen für wissenschaftliche und künstlerische Hilfstätigkeiten einzufügen. Der entsprechende § 6 soll wie folgt lauten: §6 Wissenschaftliche und künstlerische Hilfstätigkeiten Befristete Arbeitsverträge zur Erbringung wissenschaftlicher oder künstlerischer Hilfstätigkeiten mit Studierenden, die an einer deutschen Hochschule für ein Studium, das zu einem ersten oder einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt, eingeschrieben sind, sind bis zur Dauer von insgesamt vier Jahren zulässig. Innerhalb der zulässigen Befristungsdauer sind auch Verlängerungen eines befristeten Arbeitsvertrages möglich.

Im Rahmen der Anhörung ist geltend gemacht worden, dass die in § 2 Abs. 1 WissZeitVG vorgenommenen Änderungen präzisiert werden müssen. So sollte in § 2 Abs. 1 S. 1 WissZeitVG ergänzt werden, dass es genügt, wenn die befristete Beschäftigung „auch“ zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt. Entsprechendes gilt für den Fall einer Befristung nach abgeschlossener Promotion. Soweit die vereinbarte Befristungsdauer nach § 2 Abs. 1 jeweils so zu bemessen sein soll, dass sie der angestrebten Qualifizierung „angemessen“ ist, wird dies als zu unbestimmt kritisiert. Alternativ hierzu ist von Sachverständigenseite aus gut nachvollziehbaren Gründe vorgeschlagen worden, dass die „normale“ Befristung nach § 2 Abs. 1 S. 1 innerhalb der dort genannten Zeitspanne bis zu fünfmal verlängert werden kann. Nach einer abgeschlossenen Promotion soll die Verlängerungsmöglichkeit nur einmal bestehen. Diese formale Begrenzung erlaubt eine deutlich einfachere Missbrauchskontrolle, als dies mit dem Begriff der Angemessenheit der Fall ist.

357

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Abzuwarten bleibt, welche Veränderung das weitere Gesetzgebungsverfahren zur Folge hat. In jedem Fall steht aber zu erwarten, dass sich die in Rede stehenden Änderungen im Bereich der befristeten Arbeitsverträge in der Wissenschaft auf Fälle beschränken, bei denen im Zweifel tatsächlich die Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Ausnutzung der Privilegien in diesem Bereich besteht. (Ga)

9.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Forderung nach einer Flexibilisierung des Renteneintritts

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben eine Initiative gestartet, die Möglichkeiten der Inanspruchnahme von gesetzlicher Altersrente zu flexibilisieren. Auf diese Weise sollen individuelle Bedürfnisse in Bezug auf das Renteneintrittsalter stärker berücksichtigt werden. Zum einen kann dies einen gleitenden Wechsel in die Altersrente durch eine Reduzierung der Arbeitszeit sein. Zum anderen aber kann dies auch eine Fortsetzung der Beschäftigung über die Regelaltersgrenze hinaus sein, die – abweichend von der heutigen Rechtslage – allerdings zu einer Verbesserung der gesetzlichen Altersrentenansprüche führen soll. Einen konkreten Gesetzentwurf haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht vorgelegt. Allerdings haben sie in den Bundestag einen Antrag eingebracht, durch den der Bundestag die Bundesregierung auffordern soll, einen Gesetzentwurf zur Flexibilisierung des Renteneintritts vorzulegen 54. Im Einzelnen sieht der Entwurf folgende Punkte vor: 1. die Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmerinnen und -nehmer deutlich zu verbessern, u. a. durch die Förderung von alterns- und altersgerechten Arbeitsbedingungen, z. B. durch eine Anti-Stress-Verordnung und durch ein für alle Altersgruppen greifendes betriebliches Gesundheitsmanagement, 2. die Vermittlung von Personen mit einer teilweisen Erwerbsminderung auf einen Teilzeitarbeitsplatz zu verbessern sowie auf die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten zu verzichten, wenn der Zugang allein aus gesundheitlichen Gründen erfolgte, 3. die Erhöhung der Regelaltersgrenze von 63 auf 65 Jahre bei der Rente wegen Schwerbehinderung zurückzunehmen,

54 BT-Drucks. 18/5212.

358

Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes

4. für die Personengruppe der besonders belasteten Beschäftigten den Bezug einer Teilrente zu verbessern, indem die fälligen Abschläge ausgeglichen werden, 5. eine steuerfinanzierte Garantierente einzuführen, die langjährig Versicherte durch ein Mindestniveau in der Rentenversicherung vor Armut schützt, 6. stärker die individuelle Lebensplanung und Erwerbsbiographie vor Erreichen der Regelaltersgrenze zu berücksichtigen, indem •

die vorzeitige Inanspruchnahme der vollen Altersrente unter Inkaufnahme von Abschlägen schon vor dem 64. Lebensjahr ermöglicht wird,



alle Regelungen, die auf die Aussteuerung älterer Arbeitsloser zielen, wie die zwangsweise Verrentung älterer Langzeitarbeitsloser ab 63 oder die Streichung der Über-58-Jährigen aus der Arbeitslosenstatistik, gestrichen werden und auch älteren Langzeitarbeitslosen über die Einrichtung eines sozialen Arbeitsmarktes neue Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet werden,



der vorhandene Rechtsanspruch auf Teilzeit gestärkt und die Hinzuverdienstmöglichkeiten bei der Teilrente attraktiver werden,



freiwillige Beitragszahlungen zum Ausgleich von Abschlägen ausnahmslos zugelassen werden,

7. stärker die Beschäftigungswünsche nach Erreichen der Regelaltersgrenze zu berücksichtigen, indem •

rechtliche Unsicherheiten bei der Weiterbeschäftigung aufgehoben werden,



auf den Abbau eine Weiterbeschäftigung hindernder tarifvertraglicher oder betrieblicher Regelungen hingewirkt wird und Hürden im öffentlichen Dienstrecht entsprechend herabgesetzt werden sowie



Rentenbeiträge der Arbeitgeber künftig rentenwirksam und freiwillige Rentenbeiträge der beschäftigten Rentnerinnen und Rentner ermöglicht werden.

Derzeit ist nicht absehbar, dass der Vorschlag im Bundestag eine Mehrheit findet. Gleichwohl ist es nicht ausgeschlossen, dass auch von Seiten der

359

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

Bundesregierung solche Initiativen aufgegriffen und eigene Vorschläge zur Flexibilisierung des Renteneintritts vorgelegt werden. (Ga)

10. Entgeltgleichheit für Frauen und Männer Bereits im Frühjahr hatten wir darüber berichtet, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend plant, ein Entgeltgleichheitsgesetz zu schaffen 55. Grundlage könnten Überlegungen der SPD in Bezug auf ein Gesetz zur Durchsetzung des Entgeltgleichheitsgebotes für Frauen und Männer (Entgeltgleichheitsgesetz) sein, die bereits in der vergangenen Legislaturperiode vorgelegt wurden 56. Bislang liegt ein solcher Entwurf zwar noch nicht vor. Außer gesetzlicher Regelungen hat das Bundesministerium allerdings Initiativen eingeleitet, durch die Arbeitgeber und Gewerkschaften bei dem Ziel unterstützt werden sollen, dass sich Mütter und Väter die Aufgaben in der Familie und im Beruf gleichmäßiger aufteilen können. Diese Initiative gehörte zu dem Programm „Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten“, die ein wesentlicher Bestandteil der Familienpolitik der Bundesregierung ist. Ob diese Initiativen in der laufenden Legislaturperiode tatsächlich noch zu einer gesetzlichen Regelung führen, ist offen. Möglicherweise bleibt es auch bei außergesetzlichen Initiativen, wie sie beispielsweise durch den Leitfaden zur Durchsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts bei gleicher und gleichwertiger Arbeit unter dem Titel „Fair P(l)ay – Entgeltgleichheit für Frauen und Männer“ vorgelegt wurden. Tatsächliche Anhaltspunkte für einen etwaigen Regelungsbedarf lassen sich jedenfalls auch dem Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) 57 entnehmen. Ob dabei allerdings immer berücksichtigt wird, dass Männer und Frauen bei der Bewerbung um eine Anstellung und der späteren Entwicklung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses durchaus unterschiedliche Ziele verfolgen, die dann auch in Bezug auf die Karriere zu Unterschieden führen kann, ist nicht erkennbar. So hat eine aktuelle Untersuchung 58 deutlich gemacht, dass weibliche Studierende die folgenden Karriereziele für besonders wichtig halten: 55 56 57 58

B. Gaul, AktuellAR 2015, 39 f. BT-Drucks. 17/9781. BT-Drucks. 18/5100. Universum Student Survey 2015, Universum TOP 100 Deutschland.

360

Entgeltgleichheit für Frauen und Männer

1. eine ausgewogene Work-Life-Balance haben (62 %), 2. einem sicheren und beständigen Job nachgehen (52 %), 3. intellektuell herausgefordert sein (42 %), 4. eine internationale Laufbahn (29 %) / Führungskraft mit leitender Funktion (29 %), 5. unternehmerisch oder kreativ – innovativ sein (28 %).

Männliche Studierende haben demgegenüber folgende Karriereziele, die sie für besonders wichtig halten: 1. eine ausgewogene Work-Life-Balance haben (50 %), 2. Führungskraft mit leitender Funktion (49 %), 3. einem sicheren und beständigen Job nachgehen (41 %), 4. intellektuell herausgefordert sein (39 %), 5. unternehmerisch oder kreativ – innovativ sein (30 %).

Solche Unterschiede haben natürlich auch Auswirkungen auf die berufliche Entwicklung. Dies wird auch deutlich, wenn man die geschlechtsspezifischen Unterschiede in Bezug auf die Einschätzung der wichtigsten Eigenschaften eines attraktiven Arbeitgebers erkennt. Aus Sicht von weiblichen Studierenden geht es vor allem um folgende Aspekte: 1. ein attraktives Grundgehalt, 2. ein freundliches Arbeitsumfeld, 3. Vielfältige Arbeitsaufgaben, 4. eine sichere Anstellung, 5. eine gute Referenz für meine zukünftige Karriere.

Bei männlichen Studierenden geht es um eine hiervon abweichende Schwerpunktsetzung: 1. ein attraktives Grundgehalt, 2. hohes Einkommen in der Zukunft, 3. die Möglichkeit, Führungsaufgaben zu übernehmen, 4. attraktive/interessante Produkte und Dienstleistungen, 5. eine anspruchsvolle Tätigkeit.

Nur folgerichtig ist es deshalb auch, dass unterschiedliche Erwartungen in Bezug auf das Bruttojahreseinkommen im Anschluss an das Studium beste361

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

hen. Während Männer ein Einkommen in Höhe von 46.449 € erwarten, scheinen sich Frauen durchschnittlich mit 38.423 € zu begnügen. Auch wenn die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Gesetzesantrag vom 4.11.2015 die These voranstellen, dass Frauen gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit verdienen 59 bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber diese offenkundigen Unterschiede im wirklichen Leben per Beschlussfassung ändern kann. (Ga)

11.

Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes

Eine gesetzliche Initiative der Bundesregierung zur Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes ist nicht erkennbar. Zu erwarten ist auch, dass zunächst einmal abgewartet wird, ob und inwieweit durch die DatenschutzGrundverordnung unionsrechtliche Vorgaben gesetzt werden, die dann auch bei einer gesetzgeberischen Initiative auf nationaler Ebene zu berücksichtigen sind. Auch hier ist derzeit indes nicht erkennbar, wann mit einer Verabschiedung der Datenschutz-Grundverordnung zu rechnen ist. Wir hatten an anderer Stelle darüber berichtet 60. Auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage einzelner Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zur Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes 61 lässt keine weitergehenden Initiativen der Bundesregierung erkennen. Allerdings bestätigt die Bundesregierung darin noch einmal, dass sie auf europäischer Ebene weiterhin für die Beibehaltung von Betriebsbeauftragten zum Datenschutz kämpfen wird. Darüber hinaus verfolgt sie das Ziel, in der Datenschutz-Grundverordnung zu verankern, dass auf nationaler Ebene zugunsten von Arbeitnehmern strengere Datenschutzvorgaben gesetzt werden können. Wir hatten über die damit verbundenen Bedenken an anderer Stelle berichtet 62. Gleichzeitig soll in der DatenschutzGrundverordnung klargestellt werden, dass Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge ebenso wie Dienstvereinbarungen (weiterhin) eine geeignete Rechtsgrundlage für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten im Arbeitsverhältnis sein können. (Ga)

59 60 61 62

BT-Drucks. 18/6550. B. Gaul, AktuellAR 2015, 45 ff., 372 f. BT-Drucks. 18/5889. B. Gaul, AktuellAR 2015, 372 f.

362

Allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge und Mindestlöhne

12. IG Metall fordert Neujustierung des deutschen Mitbestimmungsmodels Am 7.7.2015 hat die IG Metall ein Papier vorgelegt, mit dem insbesondere Veränderungen im Bereich der Betriebsverfassung und der Unternehmensmitbestimmung vorgeschlagen werden. Vor allem die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat soll durch Absenkung von Schwellenwerten erweitert werden. Gleichzeitig soll die Möglichkeit eingeschränkt werden, durch Formwechsel – insbesondere in SE und SCE – eine Beteiligung von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat einzufrieren oder sogar in Gänze zu verhindern. In der Unternehmensmitbestimmung soll darüber hinaus die Arbeitnehmerseite dadurch gestärkt werden, dass das Doppelstimmrecht des Vorsitzenden im Rahmen der paritätischen Beteiligung zu Gunsten eines Neuralen abgeschafft werden soll. Im Gesetz soll eine Pflicht verankert werden, nach der Arbeitnehmervertreter paritätisch auch bei der Besetzung von Aufsichtsratsausschüssen berücksichtigt werden müssen. Darüber hinaus soll es in allen Unternehmen zur Pflicht werden, einen Personalvorstand zu benennen. Dies soll die wachsende Bedeutung des Faktors Personal hervorheben. Ergänzend hierzu verlangt die IG Metall, dass erweiterte und neue Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte bei Personalplanung, Beschäftigungssicherung, Fremdbeschäftigung, Datenschutz und Gleichstellung geschaffen werden. Hierzu soll es weitergehende Befugnisse geben, Sachverständige in die Betriebsratsarbeit einzubinden. Leiharbeitnehmer sollen darüber hinaus in Form einer „repräsentativeren“ Zusammensetzung der Betriebsräte berücksichtigt werden. (Ga)

13. Allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge und Mindestlöhne In ihrer Antwort auf die kleine Anfrage einzelner Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 63 hat die Bundesregierung ausführlich zur Wirkung des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie in Bezug auf allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge und Mindestlöhne geantwortet. Daraus wird nicht nur das Nebeneinander einer Allgemeinverbindlicherklärung nach Maßgabe von § 5 TVG einerseits und den Vorgaben des AEntG andererseits erkennbar. Deutlich wird auch, dass die Bundesregierung mit den Erleichterungen einer Allgemeinverbindlicherklärung gemäß 63 BT-Drucks. 18/6099.

363

Gesetzliche Entwicklungen in Deutschland

§ 5 TVG zufrieden ist und keine weitergehenden Erleichterungen angestrebt werden. Insbesondere bleibt es damit bei der Notwendigkeit, das entsprechende Anträge gemäß § 5 Abs. 1 TVG nur gemeinsam durch die Tarifvertragsparteien gestellt werden können. (Ga)

364

B. 1.

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Unwirksamkeit der Safe-Harbor-Entscheidung der Kommission

In Übereinstimmung mit dem Vorschlag des Generalanwalts vom 23.9.2015 hat der EuGH in seinem Urteil vom 6.10.2015 1 klargestellt, dass eine Zertifizierung von Unternehmen auf der Grundlage der Safe-HarborEntscheidung der Kommission vom 26.7.2000 2 keine ausreichende Basis bietet, von einem gesetzeskonformen Datentransfer in die USA auszugehen 3. Die Entscheidung 2000/520/EG rechtfertige es nicht, von einem angemessenen Datenschutzniveau auszugehen. Daher stellten die dort niedergelegten Grundsätze keinen Grund dar, der die zuständigen Kontrollstellen auf der Ebene eines Mitgliedstaates daran hindern dürfe, die Eingaben einer Person zu prüfen, die sich auf den Schutz ihrer Rechte und Freiheiten bei der Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten beziehe, die aus einem Mitgliedsstaat in dieses Drittland übermittelt werden, wenn diese Person geltend mache, dass das Recht und die Praxis dieses Landes kein angemessenes Schutzniveau gewährleiste. Von diesen Feststellungen ausgehend bietet eine Safe-Harbor-Zertifizierung keine geeignete Rechtsgrundlage mehr, um aus Europa heraus Daten in die USA zu transferieren. Es bedarf anderer (alternativer) Rechtfertigungen, um an einer solchen Übermittlung und der daraus folgenden Nutzung personenenbezogener Daten in den USA festhalten zu können 4. In der betrieblichen Praxis werden als Alternative zu einer Safe-HarborZertifizierung die EU-Standardvertragsklauseln, der Abschluss verbindlicher Unternehmensregelungen (Corporate Binding Rules) und die individuelle Einwilligung der vom Datentransfer betroffenen Arbeitnehmer genannt. Letztgenannte Rechtfertigungsform ist bei einer allein juristischen Betrachtungsweise wahrscheinlich am geeignetsten, den Vorwurf eines unzutreffenden Datentransfers zu vermeiden. Gleichzeitig dürfte die Einwilligung allerdings nur in solchen Sachverhalten in Betracht kommen, die durch einen kleinen Kreis der hiervon betroffenen Arbeitnehmer gekennzeichnet sind. 1 2 3 4

C-362/14, NJW 2014, 2257 ff. – Schrems. 2000/520/EG. Eingehend hierzu Domke, BB 2015, 2804 ff. Vgl. Bergt, BB 42.2015, I.

365

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Schließlich muss die Einwilligung den Formerfordernissen des § 4 a BDSG genügen, was bei größeren Gruppen oder einer umfangreicheren Nutzung unterschiedlicher Daten kaum zu bewerkstelligen ist. Schließlich enthält § 4 a BDSG auszugsweise folgende Vorgaben: (1) Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Er ist auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie, soweit nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen. Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist sie besonders hervorzuheben. (2) … (3) Soweit besondere Arten personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 9) erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, muss sich die Einwilligung darüber hinaus ausdrücklich auf diese Daten beziehen.

Die Verwendung verbindlicher Unternehmensregelungen ist wegen ihrer Individualität bereits mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Dieser betrifft nicht nur die Ausgestaltung entsprechender Regelungswerke. Problematisch ist vor allem, dass ihre Genehmigung einen aufwändigen Prozess unter Einbindung der jeweils zuständigen Datenschutzbehörden erforderlich macht 5. Dieser Genehmigungsprozess entfällt zwar bei einer Verwendung der EUStandardvertragsklausel. Derzeit besteht allerdings keine Gewissheit, dass die bisherige Rechtfertigung bei einem Datentransfer auf der Grundlage der EU-Standardvertragsklauseln weiterhin angenommen werden kann. Diese Zweifel vermittelt jedenfalls ein Positionspapier der Datenschutzkonferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 26.10.2015. Denn dort werden erhebliche Zweifel auch in Bezug auf die EUStandardvertragsklauseln und die verbindlichen Unternehmensregelungen vermittelt: 1.

5

Nach dem Safe-Harbor-Urteil des EuGH vom 6. Oktober 2015 ist eine Datenübermittlung aufgrund der Safe-Harbor-Entscheidung der Kommission vom 26. Juli 2000 (2000/520/EG) nicht zulässig.

Vgl. Domke, BB 2015, 2804, 2805 f.

366

Unwirksamkeit der Safe-Harbor-Entscheidung der Kommission

2.

Im Lichte des Urteils des EuGH ist auch die Zulässigkeit der Datentransfers in die USA auf der Grundlage der anderen hierfür eingesetzten Instrumente, etwa Standardvertragsklauseln oder verbindliche Unternehmensregelungen (BCR), in Frage gestellt.

3.

Der EuGH stellt fest, dass die Datenschutzbehörden der EUMitgliedstaaten ungeachtet von Kommissions-Entscheidungen nicht gehindert sind, in völliger Unabhängigkeit die Angemessenheit des Datenschutzniveaus in Drittstaaten zu beurteilen.

4.

Der EuGH fordert die Kommission und die Datenschutzbehörden auf, das Datenschutzniveau in den USA und anderen Drittstaaten (Rechtslage und Rechtspraxis) zu untersuchen und gibt hierfür einen konkreten Prüfmaßstab mit strengen inhaltlichen Anforderungen vor.

5.

Soweit Datenschutzbehörden Kenntnis über ausschließlich auf Safe-Harbor gestützte Datenübermittlungen in die USA erlangen, werden sie diese untersagen.

6.

Die Datenschutzbehörden werden bei Ausübung ihrer Prüfbefugnisse nach Art. 4 der jeweiligen Kommissionsentscheidungen zu den Standardvertragsklauseln vom 27. Dezember 2004 (2004/915/EG) und vom 5. Februar 2010 (2010/87/EU) die vom EuGH formulierten Grundsätze, insbesondere die Randnummern 94 und 95 des Urteils, zugrunde legen.

7.

Die Datenschutzbehörden werden derzeit keine neuen Genehmigungen für Datenübermittlungen in die USA auf Grundlage von verbindlichen Unternehmensregelungen (BCR) oder Datenexportverträgen erteilen.

8.

Unternehmen sind daher aufgerufen, unverzüglich ihre Verfahren zum Datentransfer datenschutzgerecht zu gestalten. Unternehmen, die Daten in die USA oder andere Drittländer exportieren wollen, sollten sich dabei auch an der Entschließung der DSK vom 27.3.2014 „Gewährleistung der Menschenrechte bei der elektronischen Kommunikation“ und an der Orientierungshilfe „Cloud Computing“ vom 9.10.2014 orientieren.

9.

Eine Einwilligung zum Transfer personenbezogener Daten kann unter engen Bedingungen eine tragfähige Grundlage sein. Grundsätzlich darf der Datentransfer jedoch nicht wiederholt, massenhaft oder routinemäßig erfolgen.

367

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

10. Beim Export von Beschäftigtendaten oder wenn gleichzeitig auch Daten Dritter betroffen sind, kann die Einwilligung nur in Ausnahmefällen eine zulässige Grundlage für eine Datenübermittlung in die USA sein. 11. Die Datenschutzbehörden fordern die Gesetzgeber auf, entsprechend dem Urteil des EuGH den Datenschutzbehörden ein Klagerecht einzuräumen. 12. Die Kommission wird aufgefordert, in ihren Verhandlungen mit den USA auf die Schaffung ausreichend weitreichender Garantien zum Schutz der Privatsphäre zu drängen. Dies betrifft insbesondere das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz, die materiellen Datenschutzrechte und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ferner gilt es, zeitnah die Entscheidungen zu den Standardvertragsklauseln an die in dem EuGH-Urteil gemachten Vorgaben anzupassen. Insoweit begrüßt die DSK die von der Art. 29-Gruppe gesetzte Frist bis zum 31. Januar 2016. 13. Die DSK fordert die Bundesregierung auf, in direkten Verhandlungen mit der US-Regierung ebenfalls auf die Einhaltung eines angemessenen Grundrechtsstandards hinsichtlich Privatsphäre und Datenschutz zu drängen. 14. Die DSK fordert Kommission, Rat und Parlament auf, in den laufenden Trilog-Verhandlungen die strengen Kriterien des EuGHUrteils in Kapitel V der Datenschutzgrundverordnung umfassend zur Geltung zu bringen.

Vor dem Hintergrund dieses Positionspapiers und mit Blick auf ergänzende Veröffentlichungen kann derzeit nicht von einem gesicherten Umfeld für den Datentransfer in die USA ausgegangen werden. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, hier weiterhin notwendigen Datentransfer eng mit den Datenschutzbehörden und Datenschutzbeauftragten abzustimmen, bis auf europäischer und/oder nationaler Ebene gesicherte Erkenntnisse über einen zulässigen Datentransfer vorliegen. Andernfalls drohen auch Bußgelder. Grundlage eines solchen Transfers können dabei Leitlinien sein, die die Europäische Kommission ohne Verbindlichkeitsanspruch am 6.11.2015 vorgelegt hat. Unabhängig davon versucht die Europäische Kommission eine weitergehende Klarstellung derzeit mit einer Überarbeitung des Safe-HarborÜbereinkommens zu erreichen. Sie meldet, dass „Safe-Harbor 2.0“ kurz vor dem Abschluss stünde. Ausgehend von den Feststellungen des EuGH in sei-

368

Keine unionsrechtliche Schranke für unbefristete Arbeitnehmerüberlassung

nem vorstehend genannten Urteil dürfte aber auch Safe-Habor 2.0 aus sich heraus einer weitergehenden Prüfung individueller Datentransfers in die USA nicht entgegenstehen 6. Weitergehender dürfte es sein, im Rahmen der EU-Datenschutz-Grundverordnung klare Regelungen für eine Legalisierung des Datentransfers in Drittstaaten festzulegen, die dann auch bei einer Einbindung von Rechtsträgern in den USA nutzbar gemacht werden können. Wir werden darüber berichten. (Ga)

2.

Keine unionsrechtliche Schranke für unbefristete Arbeitnehmerüberlassung

Gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG erfolgt die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher vorübergehend. Bereits mit Beschluss vom 10.7.2013 7 hatte der 7. Senat des BAG die Feststellung getroffen, dass dies den nicht nur vorübergehenden Einsatz eines Leiharbeitnehmers verbiete. Beabsichtige der Entleiher, einen Leiharbeitnehmer zeitlich unbegrenzt zu beschäftigen, könne der Betriebsrat des Entleiherbetriebs deshalb nach §§ 14 Abs. 3 S. 1 AÜG, 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG seine Zustimmung zur Einstellung verweigern 8. Der 1. Senat des BAG hatte im Beschluss vom 30.9.2014 9 daran anknüpfend sogar ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV abgelehnt. Nach seiner Auffassung sei das Verständnis von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG als eine, die nicht vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung ausschließende Norm offenkundig mit den Vorgaben der Richtlinie 2008/104/EG vereinbar, „dass für Zweifel kein Raum bleibt“. Wir hatten darüber berichtet 10. Aktuelle Feststellungen der EU-Kommission im Rahmen eines Antrags auf Einleitung eines Beschwerdeverfahrens gegen Deutschland 11 machen allerdings deutlich, dass bei einer unionsrechtlichen Betrachtung das letzte Wort wohl noch nicht gesprochen ist. Dies gilt umso mehr, als der EuGH in seinem Urteil vom 17.3.2015 12 auf jede Form der Klarstellung in Bezug auf den Streit über die „vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung“ verzichtet hat 13. 6 7 8 9 10 11 12 13

C-362/14, NJW 2014, 2257 ff. – Schrems. 7 ABR 91/11, NZA 2013, 1296 ff. Ebenso BAG v. 30.9.2014 – 1 ABR 79/12, BB 2015, 379 Rz. 14. 1 ABR 79/12, BB 2015, 379 Rz. 37. B. Gaul, AktuellAR 2015, 260 f. Aktenzeichen: CHAP(2015)00716. C-533/13, NZA 2015, 423 Rz. 21 ff. – AKT. Vgl. hierzu B. Gaul, AktuellAR 2015, 71 ff.

369

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Hintergrund der unionsrechtlichen Zweifel in Bezug auf die Interpretation von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG bzw. die Wirksamkeit einer dadurch begründeten Einschränkung der Arbeitnehmerüberlassung liegt vor allem in den Art. 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG (Leiharbeits-Richtlinie) begründet. Denn bereits Art. 1 Abs. 1 Leiharbeits-Richtlinie bestimmt, dass die Richtlinie für Arbeitnehmer gelten soll, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sind und die entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um vorübergehend unter deren Aufsicht und Leitung zu arbeiten. In entsprechender Weise wird das Kriterium eines „vorübergehenden“ Arbeitseinsatzes im Rahmen der nachfolgenden Begriffsbestimmungen des Art. 3 Abs. 1 Leiharbeits-Richtlinie zum Leiharbeitsunternehmen, zum Leiharbeitnehmer, zum entleihenden Unternehmen und zum Tatbestand der Überlassung verwendet. Klarstellungen, wann von einer vorübergehenden Überlassung auszugehen ist, enthält die Leiharbeits-Richtlinie indes nicht. Die Leiharbeits-Richtlinie macht lediglich deutlich, dass bei ihrer Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden müssen, um eine rechtsmissbräuchliche Anwendung der Regelungen zur Einschränkung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und insbesondere aufeinanderfolgende Überlassungen, mit denen die Bestimmungen der Richtlinie umgangenen werden sollen, zu verhindern. Darin kommt das Ziel einer Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt und die Verwirklichung des Arbeitnehmerschutzes zum Ausdruck (vgl. nur Art. 5 Abs. 5 Leiharbeits-Richtlinie). Im Rahmen ihrer Begründung der Absicht einer Einstellung des Beschwerdeverfahrens hat die EU-Kommission nunmehr eine Reihe von Feststellungen getroffen, die zwar für die Auslegung und Anwendung der LeiharbeitsRichtlinie nicht verbindlich sind, aber die Notwendigkeit einer Klarstellung durch den EuGH deutlich machen. Zunächst einmal geht die EU-Kommission davon aus, dass die LeiharbeitsRichtlinie für Leiharbeitnehmer gelte, unabhängig davon, ob sie im Rahmen eines befristeten oder eines unbefristeten Arbeitsvertrags von einem Leiharbeitsunternehmen eingestellt werden. Dies entspricht der allgemeinen Bewertung zum Anwendungsbereich des AÜG. Seine Vorgaben gelten insofern auch für Leiharbeitnehmer, die durch den Verleiher nur mit einem befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt werden 14.

14 HWK/Kalb, AÜG § 1 Rz. 7; ErfK/Wank, AÜG § 1 Rz. 37 b ff.; SchaubArbRHdb/Koch, § 120 Rz. 12 d.

370

Keine unionsrechtliche Schranke für unbefristete Arbeitnehmerüberlassung

Weitergehend stellt die EU-Kommission allerdings fest, dass die Leiharbeits-Richtlinie auch keine Beschränkung der Dauer der Arbeitnehmerüberlassung an die entleihenden Unternehmen enthalte. Insofern gelte der durch die Richtlinie über Leiharbeit gewährte Schutz auch für Leiharbeitnehmer, die im Rahmen einer langfristigen Überlassung über einen längeren Zeitraum unter der Aufsicht und Leitung ein und desselben entleihenden Unternehmens arbeiteten. Wie diese Feststellung mit Art. 1 Abs. 1 LeiharbeitsRichtlinie vereinbar ist, nach der die Arbeitnehmerüberlassung nur vorübergehend erfolgt, klärte die EU-Kommission indes nicht auf. Aus Sicht der EU-Kommission ergeben sich aus dieser Feststellung allerdings zwei für die betriebliche Praxis und den Gesetzgeber ganz erhebliche Konsequenzen: Zunächst einmal verpflichte die Leiharbeits-Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht dazu, eine Höchstdauer für die Überlassung von Leiharbeitnehmern an entleihende Unternehmen festzulegen. Das Fehlen einer solchen Begrenzung in den nationalen Vorschriften verstoße deshalb nicht gegen die Bestimmungen zur Umsetzung der Leiharbeits-Richtlinie. Auch gegen andere spezifische Bestimmungen des EU-Rechts werde damit nicht verstoßen. Im Gegenteil: Wenn auf nationaler Ebene eine zeitliche Begrenzung der Arbeitnehmerüberlassung festgelegt werden solle, müsse dies nach Auffassung der EU-Kommission die in Art. 4 Abs. 1 Leiharbeits-Richtlinie genannten Schranken beachten. Danach sind Verbote oder Einschränkungen des Einsatzes von Leiharbeit nur aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt; hierzu zählen vor allem der Schutz der Leiharbeitnehmer, die Erfordernisse von Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz oder die Notwendigkeit, das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes zu gewährleisten und evtl. Missbrauch zu verhüten. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit die Bundesregierung bei ihren Vorschlägen zur Änderung des AÜG auf diese Überlegungen der EUKommission Rücksicht nehmen wird. Wenn eine Diskussion über die Unionsrechtswidrigkeit eines etwaigen Vorschlags zur Einführung einer Höchstgrenze für die Arbeitnehmerüberlassung vermieden werden soll, wäre dies wünschenswert. Grundlage einer entsprechenden Argumentation könnten die Überlegungen sein, die der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 20.11.2014 15 getroffen hatte. Denn nach seiner Auffassung ist es mit Art. 4 Abs. 1 Leiharbeits-Richtlinie vereinbar, wenn die Leiharbeit auf „den Ausgleich von Arbeitsspitzen oder sonst auf zeitlich oder ihrer Art nach be-

15 C-533/13, NZA 2015, 423 Rz. 20 ff. – AKT.

371

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

grenzte Aufgaben, … die wegen der Dringlichkeit, der begrenzten Dauer der Arbeit, erforderlicher beruflicher Kenntnisse und Spezialgeräte oder aus vergleichbaren Gründen [von den entleihenden Unternehmen] eigenen Arbeitnehmer nicht übertragen werden können“, beschränkt werde. In gleicher Weise sei es statthaft, Leiharbeit auszuschließen, wenn sie über einen längeren Zeitraum erfolge. Denn in beiden Schranken werde – so der Generalanwalt – ein berechtigtes Ziel, nämlich diese Arbeitsform betreffende Missbräuche zu verhüten, erkennbar 16. Wir hatten über die Vorschläge der Bundesregierung zur Umsetzung der im Koalitionsvertrag getroffenen Vereinbarungen bereits an anderer Stelle berichtet 17. Unabhängig davon dürfte die Stellungnahme der EU-Kommission die Diskussion über die Bedeutung von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG noch einmal verstärken. Auch wenn das BAG insoweit mit überzeugender Begründung von einer gesetzlichen Vorgabe ausgeht, die i. S. eines Verbotsgesetzes bei der Überlassung von Arbeitnehmern in der betrieblichen Praxis beachtet werden muss, fehlt die unionsrechtliche Freigabe einer Wirksamkeit der darin liegenden Einschränkung. Diese Freigabe kann die EU-Kommission nicht erteilen. Sie kann, weil es um die Interpretation der Leiharbeits-Richtlinie geht, ausschließlich durch den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV erfolgen. Rechtsprechung und Gesetzgeber wäre geholfen, wenn dies kurzfristig möglich wäre. (Ga)

3.

Neues zur EU-Datenschutz-Grundverordnung?

Bis zum Herbst hat es weitere Beratungen über die DatenschutzGrundverordnung gegeben. Nach wie vor ist allerdings eine Reihe von Fragen offen. Dabei geht es nicht nur um die Betriebsbeauftragten für den Datenschutz, eine Zweckbindung der Datenverarbeitung 18, den Umgang mit besonders sensiblen Daten und die Frage, ob auf nationaler Ebene zum Schutz der Arbeitnehmer strengere Regelungen für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten geschaffen werden dürfen. Anhaltspunkt dafür, dass kurzfristig mit einer Einigung über diese Fragen gerechnet werden kann, bestehen nicht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass eine Verschärfung des Datenschutzes zugunsten der Arbeitnehmerseite einerseits Art. 8 GRC Rechnung tragen würde, andererseits aber eine unverhältnismäßige Einschränkung der unternehmerischen Frei16 Schlussanträge des Generalanwalts v. 20.11.2014 – C-533/13 n. v. (Rz. 113 ff., 119 f.) – AKT. 17 B. Gaul, AktuellAR 2015, 337 ff. 18 Eingehend Härting, NJW 2015, 3284 ff.

372

Rücknahme der Mutterschutzrichtlinie

heit (Art. 16 GRC) darstellen kann. Darauf hatte der EuGH in Bezug auf ein spanisches Vorabentscheidungsersuchen bereits in seinem Urteil vom 24.11.2011 19 hingewiesen. Zu unterscheiden sind die Überlegungen zur EU-DatenschutzGrundverordnung allerdings von der aktuellen Diskussion über eine Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Untersuchung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr. Hier hat der Rat der europäischen Kommission am 2.10.2015 20 seine Anmerkungen zum Vorschlag der Europäischen Kommission vom 27.1.2012 21 vorgelegt. (Ga)

4.

Rücknahme der Mutterschutzrichtlinie

Die EU-Kommission hat angekündigt, ihre Überlegungen zu einer Neufassung der Mutterschutzrichtlinie aufzugeben 22. Damit sind – jedenfalls auf EU-Ebene – in Bezug auf das MuSchG und das BEEG keine Veränderungen zu erwarten. Dass das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 20.5.2015 23 noch zum Ausdruck gebracht hatte, dass die Arbeiten zur Überarbeitung der Mutterschutzrichtlinie fortgeführt werden sollen, hat sich damit vorerst erledigt. (Ga)

5.

Roadmap zur Work-Life-Balance

Die europäische Kommission hat beschlossen, sich in den kommenden Jahren mit den „Herausforderungen im Hinblick auf die Wirk-Life-Balance von arbeitenden Familien“ zu beschäftigen. Sie hat hierzu eine „Roadmap“ herausgebracht. Die hiermit verknüpften Arbeiten sollen Überlegungen ersetzen, die auf eine Rücknahme der Mutterschutzrichtlinie gerichtet waren 24. In der Roadmap werden legislative und nicht- legislative Maßnahmen genannt, die Ergebnis des diesbezüglichen Erkenntnisprozesses sein können. Zu den legislativen Maßnahmen gehören beispielsweise:

19 20 21 22 23 24

C-468/10 und C-469/10, NZA 2011, 1409. 12555/15 5833/12. COM(2012) 10 endg. KOM(2008) 637 endg. P8_TA-PROV(2015)0207. 2015/JUST/012 vom August 2015(D1 und D2).

373

Europäisches Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

• Flexible Arbeitsarrangements für Eltern und pflegende Angehörige, Einladung an die Sozialpartner, ihre in den entsprechenden Richtlinien umgesetzten Vereinbarungen zur Elternzeit, befristeten Arbeitsverträgen und Teilzeitarbeit daraufhin zu untersuchen, ob diese überarbeitet werden sollen. • Bessere Umsetzung und Anreize für Elternzeit für Väter, • Verbesserungen einer Mutterschutzrichtlinie (z. B. Regelungen für stillende Mütter oder verbesserter Kündigungsschutz), • Einführung einer „Pflegezeit“ für pflegende Angehörige, • Stärkung der Umsetzung der Gleichstellung von Männern und Frauen im Rahmen von selbständiger und unselbständiger Beschäftigung.

Darüber hinaus sollen nicht-legislative Maßnahmen vor allem auf politischer Ebene die Sensibilität in Bezug auf die entsprechenden Themen erhöhen. Insgesamt bleibt jetzt zunächst einmal abzuwarten, welche Ergebnisse die Europäische Kommission im Rahmen dieses Projekts erzielt. Da ein Teil der vorstehend genannten Aspekte in Deutschland bereits umgesetzt ist, wird man sich jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt auf gesetzliche Veränderungen erst einmal nicht einstellen müssen. (Ga)

6.

Öffentliche Konsultation zur Arbeitszeit

Die öffentliche Konsultation zur Novellierung der Arbeitszeitrichtlinie, über die wir im Frühjahr berichtet hatten 25, ist abgeschlossen. Die Kommission hat die Ergebnisse im Internet eingestellt. Erwartungsgemäß werden darin zwei Lager erkennbar. Die Arbeitnehmerseite hält Änderungen der EURichtlinie nicht für geboten. Dies gilt sowohl für eine stärkere Flexibilisierung als auch für die Ausgrenzung der Bereitschaftsdienste aus der Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne. Arbeitgeberseitig wird allerdings nach wie vor eine Erweiterung der Möglichkeiten gefordert, Arbeitnehmer ganz oder teilweise aus dem Arbeitszeitrecht herauszunehmen. Außerdem wird geltend gemacht, dass die Digitalisierung der Arbeit verlangt, dass auch die Grenzen des Arbeitszeitrechts und die Möglichkeiten, zu unterschiedlichen Tages- und Wochenzeiten zu arbeiten, erleichtert werden müssen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn arbeitnehmerseitig der Wunsch bestehe, eine solche

25 B. Gaul, AktuellAR 2015, 43 ff.

374

Öffentliche Konsultation zur Arbeitszeit

Flexibilisierung der Arbeit auch unter Berücksichtigung familiärer Gesichtspunkte zuzulassen. Die Europäische Kommission muss jetzt die mehr als 2000 Antworten auswerten und auf dieser Grundlage ihr weiteres Vorgehen festlegen. Wir werden darüber berichten. (Ga)

375

C. Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag 1.

Praktische Fragen zur Umsetzung der gesetzlichen Pflicht zur Frauenquote

a)

Ausgangssituation

Im Frühjahr hatten wir über das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in Privatwirtschaft und Öffentlichem Dienst berichtet 1, mit dem für eine Vielzahl von Kapitalgesellschaften die Verpflichtung geschaffen worden ist, für den Aufsichtsrat, den Vorstand bzw. die Geschäftsführung und die beiden oberen Führungsebenen einer Gesellschaft, die börsennotiert ist oder unter eine gesetzliche Regelung zur Unternehmensmitbestimmung fällt, eine Zielgröße für die Beschäftigung von Frauen (Frauenquote) festzusetzen. Unternehmen, die eine Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat nur auf freiwilliger Ebene eingeführt haben, sind hiervon nicht betroffen 2. Die ersten Zielgrößen, die sich auf den Zeitraum bis zum 30.6.2017 beziehen, mussten bis zum 30.9.2015 bestimmt werden. Da der Gesetzgeber nur den Rahmen entsprechender Vorgaben gesetzt hat, sind eine Vielzahl von Fragen bei der praktischen Umsetzung offen 3. Ein Teil dieser Fragen soll jetzt durch einen Praxisleitfaden zum Gesetz beantwortet werden, den das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz unter dem Titel „Zielsicher – Mehr Frauen in Führung“ herausgegeben haben. Interessant für die betriebliche Praxis ist, dass der Praxisleitfaden zu einigen Fragen Antworten gibt, die im Widerspruch zu Erklärungen der Bundesregierungen im Gesetzgebungsverfahren stehen. Dies gilt insbesondere für die Frage, wie Frauenquoten im Konzern – insbesondere bei einer MatrixOrganisation – festgesetzt werden sollen.

1 2 3

B. Gaul, AktuellAR 2015, 1 ff. Röder/Arnold, NZA 2015, 1281, 1283. Vgl. hierzu Winter/Marx/D. Decker, DB 2015, 1331 ff.; Löwisch, BB 2015, 1909 ff.; Müller-Bonanni/Forst, GmbHR 2015, 621 ff.; Stüber, BB 2015, 2243 ff.; Moderegger, ArbRB 2015, 279 ff.; Röder/Arnold, NZA 2015, 1281 ff.

377

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

b)

Kennzeichnung der Führungsebene

Nach Maßgabe der gesetzlichen Neuregelung müssen für die Erhöhung des Frauenanteils in den beiden Führungsebenen unterhalb von Vorstand bzw. Geschäftsführung entsprechende Zielgrößen festgesetzt werden. Folgt man den weitgehend unklaren Ausführungen in der Gesetzesbegründung, sind unter einer Hierarchieebene insoweit organische Einheiten zu sehen, die zueinander gleichberechtigt, aber einer gemeinsamen Führung untergeordnet sind. Im Zweifel soll die Ebene erfasst werden, die an den Vorstand berichtet. Darüber hinaus ist die Ebene einzubeziehen, die an eine Ebene berichtet, die wiederum dem Vorstand berichtet. Voraussetzung ist, dass die jeweilige Ebene selbst die Aufgabe hat, Mitarbeiter zu führen. Die Umsetzung dieser Vorgabe bleibt angesichts dieser unklaren Feststellungen zur Kennzeichnung einer Führungsebene eine Herausforderung, bei der allerdings weitgehender Ermessensspielraum besteht. Dies gilt insbesondere deshalb, weil keine Gewichtung des Werts einer Stelle bzw. der mit einer Stelle verbundenen Führung vorgesehen ist. Insofern könnten Bereichsleiter mit einer Verantwortung für mehrere hundert Mitarbeiter ebenso erfasst werden, wie ein Arbeitnehmer, der nur gegenüber einem einzigen weiteren Arbeitnehmer weisungsbefugt ist. Geboten erscheint, mit dem Verweis auf die fehlende „Gleichberechtigung“ der Personen auch dann keine Einbeziehung vorzunehmen, wenn von beiden Stellen aus unmittelbar einem Mitglied des Vorstands bzw. der Geschäftsführung berichtet wird. Dies ist insbesondere bei vorstandsnahen Assistenz- oder Stabsfunktionen der Fall. Vielmehr wird man im Rahmen einer Einschätzungsprärogative der Geschäftsführung bzw. des Vorstands die funktionale und gewichtende Betrachtungsweise zugrunde legen müssen, die auch in Bezug auf die übrige Bewertung der Führungsebenen eines Unternehmens zum Tragen kommt. Maßstab dabei können Führungsspanne, Budgetverantwortung, Berichtslinien, Bedeutung der verantworteten Bereiche oder die Vergütung sein 4. Davon geht auch der Praxisleitfaden aus, der berechtigterweise bei der Ermessung des Frauenanteils nach Köpfen (nicht: Vollzeitäquivalente-FTE) vorgehen will. Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte werden also ohne Rücksicht auf die unterschiedliche Arbeitszeit eingebunden. Auch ruhende Arbeitsverhältnisse bzw. Arbeitnehmer, die wegen Krankheit oder Mutterschutz vorübergehend tatsächlich keine Arbeitsleistung erbringen, sind zu berücksichtigen 5.

4 5

Vgl. Wasmann/Rothenburg, DB 2015, 291, 294. Praxisleitfaden S. 16 f.

378

Praktische Fragen zur Umsetzung der gesetzlichen Pflicht zur Frauenquote

c)

Berechnung des Erreichens der Zielgröße

Auch wenn die Zielgröße bis zum 30.6.2017 erreicht werden soll, zwingt dies nicht zu einer rein stichtagsbezogenen Betrachtung. Vielmehr wird man im Anschluss an Müller-Bonanni/Forst 6 zulässigerweise eine Durchschnittsbetrachtung vornehmen können. Grundlage ist dabei der Zeitraum, für den der Lagebericht nach § 289 a HGB erstellt werden muss. Dies vermeidet Zufälligkeiten, die sich bei einer tagesgenauen Feststellung der Beschäftigung von weiblichen Arbeitnehmern auf den oberen beiden Führungsebenen ergeben können. Wichtig ist, dass die Zielgröße für jede der beiden Führungsebenen festgesetzt werden muss. Wird nur eine Zielgröße bestimmt, ist dies allerdings so zu verstehen, dass diese Zielgröße jeweils innerhalb der beiden Führungsebenen auch als getrennte Quote erreicht werden soll 7.

d)

Zielgröße im Konzern

Bereits im Frühjahr hatten wir darüber berichtet, dass das Gesetz bei der Festsetzung der Frauenquote für die oberen beiden Führungsebenen an sich eine unternehmensbezogene Betrachtung verfolgt. Gegenteilige Überlegungen sind im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ausdrücklich nicht weiter verfolgt worden 8, sodann unternehmensübergreifende Leitungs- und Hierarchieebenen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind. Dafür spricht auch der Umstand, dass es für die Geschäftsführung bzw. den Vorstand einer Gesellschaft im Zweifel nicht möglich ist, die Einhaltung einer solchen Quote auch in anderen Konzernunternehmen durchzusetzen. Dies gilt insbesondere bei solchen Steuerungsstrukturen, die übergeordnete Unternehmen oder Schwesterunternehmen einbeziehen. Hinzu kommt, dass bei mehreren Unternehmen eines Konzerns, die jeweils unter die Regelungen zur Frauenquote fallen, das Problem einer gegebenenfalls widersprechenden Festlegung der Führungsebenen bestehen kann 9. Der Ratgeber setzt sich über diese Problematik mit der Feststellung hinweg, dass aus Sicht von Konzernen vieles für die Zielvorgabe von Frauenanteilen 6

7 8 9

GmbHR 2015, 621, 623, die allerdings diese Durchschnittsbetrachtung nur für den Status quo vornehmen wollen. Ob die angestrebte Zielquote zum Ende der selbst gesetzten Frist erreicht sei, solle dem gegenüber zweckmäßigerweise stichtagsbezogen festgestellt werden, weil ansonsten der Zeitpunkt, zu dem die Quote erfüllt sein solle, über das Gesetz hinausgehend zeitlich vorverlagert würde. Stüber, BB 2015, 2243, 2245. Vgl. BT-Drucks. 18/4227 S. 22; Röder/Arnold, NZA 2015, 1281, 1284. B. Gaul, AktuellAR 2015, 1, 5.

379

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

auf Konzernebene spreche. So dürfte es beispielsweise der einzelnen Gesellschaft einer Unternehmensgruppe wesentlich schwerer fallen, ambitionierte Zielgrößen zu realisieren, die einen Kulturwandel in der gesamten Organisation nach sich ziehen, wenn keine Vorgaben durch die Spitze der Gruppe vorgegeben und nachgehalten werden. Bei der Festlegung der einzelnen Ziele und bei der späteren Erläuterung, ob sie erreicht bzw. warum sie nicht erreicht werden konnten, könnten Konzernsachverhalte zur Geltung gebracht werden. So könne z. B. eine weniger ambitionierte Zielgröße oder das Nichterreichen einer für alle Gesellschaften gleichhoch festgelegten Zielgröße bei einer Gesellschaft damit begründet werden, dass in einer anderen dem Konzern zugehörigen Gesellschaft (etwa auch einer im Ausland) ein höheres Ziel erreicht worden sei und der Konzern daher insgesamt eine Steigerung vorweisen könne. Diese Feststellungen enden mit der Empfehlung des Ratgebers: Ratsam ist daher die Definition von strategischen Mindestzielgrößen für die Anteile von Frauen auf sämtlichen Managementebenen auf globaler Konzernebene. Dabei sollten die individuellen Rahmenbedingungen in den unterschiedlichen Bereichen, Ländern und Segmenten berücksichtigt werden 10.

Eine derartige Betrachtungsweise erscheint zwar durchaus möglich, ist aber nicht zwingend 11. Gerade mit Blick auf die fehlende Durchsetzbarkeit sollte von einer unternehmensübergreifenden Festlegung allerdings nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. Im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer sollten nur einbezogen werden, wenn sie in dieser Führungsfunktion einem Betrieb im Inland zugeordnet werden können. Dies ist auch bei der Tätigkeit in einer rechtlich unselbständigen Niederlassung nicht notwendig der Fall.

e)

Frauenquote in der Matrix

Auch die Matrix bereitet bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zur Frauenquote Probleme, ohne dass diese im Praxisleitfaden abschließend geklärt werden können. Denn dort sind bedauerlicherweise nur Ausführungen zur unternehmensinternen Matrix zu finden. Konkret wird hierzu wie folgt festgestellt: Sind Unternehmen in einer Matrix organisiert, sind unter der ersten Hierarchiestufe unter dem Vorstand diejenigen Leitungsfunktionen zu versehen, die sich direkt gegenüber dem Vorstand verantworten, auch

10 Praxisleitfaden S. 12 f. 11 Ebenso Winter/Marx/D. Decker, DB 2015, 1331, 1334.

380

Praktische Fragen zur Umsetzung der gesetzlichen Pflicht zur Frauenquote

wenn sie für gewisse Bereiche voneinander unabhängig sind. Gibt es z. B. unterhalb des Vorstands eine Leitungsebene für die verschiedenen Funktionsbereiche wie z. B. Beschaffung, Produktion, Absatz und daneben eine Leitungsebene nach Produkten, stehen diese dennoch auf einer Hierarchieebene und bilden zusammen die erste Führungsebene. Da sich Matrixstrukturen dadurch auszeichnen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darunter zugleich beiden Leitungen unterstehen, können die unmittelbar an die erste Ebene berichtenden Führungskräfte in summa als zweite Managementebene definiert werden 12.

Für die unternehmensinterne Kennzeichnung einer Hierarchieebene scheint dies zutreffend. Bei unternehmensübergreifenden Matrixstrukturen, wie sie heute üblich sind, greifen allerdings die vorstehend bereits im Hinblick auf die konzernbezogene Betrachtungsweise genannten Vorbehalte. Hier wird man für eine unternehmensbezogene Festlegung von Zielgrößen bei der Kennzeichnung einer Führungsebene wohl ausreichen lassen, dass (sekundäre) Berichtspflichten bestehen. Arbeitnehmer, deren Tätigkeit aus einer Gesellschaft heraus gesteuert wird, können daher als erste Führungsebene auch dann gekennzeichnet werden, wenn sie – ohne eine unmittelbare Steuerung auszuüben – hinsichtlich dieser (fremdgesteuerten) Tätigkeit eine unmittelbare Berichtspflicht dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung gegenüber haben. Entsprechendes gilt für die darunterliegende Ebene, sofern deren Tätigkeit wiederum durch Arbeitnehmer bzw. Organe anderer Gesellschaften gesteuert wird.

f)

Fazit

Insgesamt gesehen lässt sich daher schon heute feststellen, dass es eine allgemeingültige und objektivierte Kennzeichnung der Führungsebenen im Zusammenhang mit der Festlegung von Zielgrößen unterhalb von Vorstand bzw. Geschäftsführung nicht gibt. Diesen Umstand müssen die hiervon betroffenen Unternehmen nutzen, um vernünftige, personalpolitisch nachvollziehbare und dem Gesetzeszweck gerecht werdende Festlegungen vorzunehmen. Hilfreich ist, dass der insoweit bestehende Ermessensspielraum auch durch den Gesetzgeber anerkannt ist. Dass sollte allerdings – entgegen anderweitig vorgenommener Beurteilung 13 – nicht dazu verleiten, durch fixe Geschlechterquoten eine Benachteiligung von Männern und daraus folgende

12 Praxisleitfaden S. 16. 13 So aber Olbrich/Krois, NZA 2015, 1288 ff.

381

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Auseinandersetzungen wegen positiver Diskriminierung bei Personalentscheidungen zu provozieren. (Ga)

2.

AGB-Kontrolle: Unbeabsichtigter Wechsel vom Altzum Neuvertrag durch Abschluss einer Nachtragsvereinbarung

Arbeitsverträge, die bereits vor Inkrafttreten der Schuldrechtsmodernisierung am 1.1.2002 abgeschlossen wurden, konnten den gesetzlichen Vorgaben der AGB-Kontrolle im Zweifel nicht genügen. Dass der Gesetzgeber für Dauerschuldverhältnisse das Inkraftsetzen der ABG-Kontrolle für solche Altverträge erst zum 1.1.2003 bestimmt hatte, blieb im Arbeitsrecht in der Regel ungenutzt. Denn eine Bereitschaft der von der Notwendigkeit solcher Änderungen betroffenen Arbeitnehmer, den Arbeitsvertrag mit den darin enthaltenen Befugnissen des Arbeitgebers den Vorgaben der AGB-Kontrolle anzupassen, war in der Regel nicht gegeben. Einseitig war eine Anpassung der Arbeitsverträge im Zweifel ausgeschlossen. Unter Berücksichtigung der Übergangsregelung hat die Rechtsprechung solche Altverträge nach dem 31.12.2002 im Zweifel allerdings trotz dieser Schwierigkeiten an den neuen Vorgaben der AGB-Kontrolle gemessen. Allerdings hat sie im Einzelfall Einschränkungen anerkannt. So ist zwar eine Klausel, die ohne weitere Voraussetzungen den Widerruf übertariflicher Zulagen zulässt, nach §§ 307 Abs. 1, 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Unter Berücksichtigung der in §§ 133, 157 BGB enthaltenen Wertentscheidung ist es nach der Rechtsprechung allerdings möglich, trotz § 306 BGB einen Anspruch des Arbeitgebers anzuerkennen, die übertarifliche Zulage aus wirtschaftlichen Gründen zu widerrufen 14. Ein weiteres Privileg betrifft die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge. Wie an anderer Stelle bereits eingehend aufgezeigt wurde 15, versteht die Rechtsprechung eine kleine dynamische Klausel, die vor dem 1.1.2002 vereinbart wurde, als Gleichstellungsabrede, wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an den dort genannten Tarifvertrag kraft Gesetzes gebunden war. Dies hat – entgegen der für Neuverträge bestehenden Rechtslage – zur Folge, dass eine Änderung oder Beendigung der gesetzlichen Tarifbindung des Arbeitgebers auch eine Beendigung der arbeitsvertraglichen Dynamik dieser Bezugnahmeklausel zur Folge hat. Entgegen ihrem Wortlaut wird die Klausel von die-

14 Vgl. BAG v. 3.7.2013 – 4 AZR 476/12, ZTR 2014, 237 Rz. 44 ff.; BAG v. 3.6.1998 – 5 AZR 616/97, NZA 1999, 102, Rz. 3 ff. 15 B. Gaul, AktuellAR 2015, 559 ff.

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AGB-Kontrolle: Unbeabsichtigter Wechsel vom Alt- zum Neuvertrag

sem Zeitpunkt an also nur noch als statische Bezugnahme auf den dort genannten Tarifvertrag verstanden. Ausgehend davon, dass diese Rechtsprechung in Bezug auf Besonderheiten für Altverträge zu einer Besserstellung der hiervon betroffenen Arbeitgeber führt, ist unternehmensseitig das Interesse gegeben, diese Privilegien nicht zu verlieren, wenn die in Rede stehenden Klauseln schon nicht im Sinne des Arbeitgebers in einer AGB-konformen Weise angepasst werden können. Das Urteil des BAG vom 13.5.2015 16 macht indes deutlich, dass der Arbeitgeber dieses Ziel einer Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags als Altvertrag unbeabsichtigt auch dadurch verlieren kann, dass in der Zeit seit dem 1.1.2002 Ergänzungen zum Arbeitsvertrag vereinbart werden. Solche Ergänzungen in Form eines Nachtrags können zur Folge haben, dass der gesamte Arbeitsvertrag als Neuvertrag zu qualifizieren ist, so dass auch die gesetzlichen Vorgaben der AGB-Kontrolle ohne Einschränkung auf alle Klauseln zur Anwendung kommen. Hiervon ist das BAG auch in der nachfolgenden Entscheidung vom 8.7.2015 17 ausgegangen. In dem der ersten Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte der Arbeitgeber die Klägerin bereits 1999 als Buchhändlerin eingestellt. In dem damals abgeschlossenen Arbeitsvertrag war eine kleine dynamische Bezugnahmeklausel folgenden Inhalts enthalten: § 14 Tarifverträge Soweit sich aus diesem Vertrag nichts anderes ergibt, findet der Mantel-und Gehaltstarifvertrag Hessischer Einzelhandel in der zuletzt gültigen Fassung sowie die Betriebsordnung Anwendung. … Gleichzeitig hatten die Parteien vereinbart, dass die Klägerin ein „Tarifgehalt“ erhalten sollte. Die zum damaligen Zeitpunkt noch bestehende Mitgliedschaft der Arbeitgeberin im Tarifvertrag schließenden Arbeitgeberverband beendete sie nach einem zwischenzeitlichen Wechsel in die OTMitgliedschaft im Jahre 2006. Nachdem das Arbeitsverhältnis als Folge einer Verschmelzung auf die nicht tarifgebundene Beklagte überging, schlossen die Parteien am 14.7.2011 einen „Nachtrag zum Arbeitsvertrag“, der vor allem Änderungen in Bezug auf die Arbeitszeit und die Vergütung enthielt. In den Regelungen zur „Gültigkeit“ wurde sodann abschließend festgehalten: Diese Vereinbarung tritt ab 18.7.2011 in Kraft und endet am 15.10.2011. Alle anderen Bestimmungen des Arbeitsvertrags geltend unverändert fort. 16 4 AZR 244/14 n. v. (Rz. 24 ff.). 17 4 AZR 51/14 n. v.

383

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Mit der jetzt beim BAG anhängigen Klage machte die Klägerin Zahlungsansprüche geltend. Diese ergaben sich aus der Differenz zwischen den ihr geleisteten Zahlungen und dem jeweils gültigen Gehaltstarifvertrag des Hessischen Einzelhandels. Die Beklagte hatte diese Zahlungen mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel aus dem Jahr 1999 um eine Gleichstellungsabrede handele, die im Anschluss an eine Beendigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband nur noch Zahlungsansprüche nach Maßgabe des zu diesem Zeitpunkt gültigen Gehaltstarifvertrags begründen könne. Das BAG hat der Zahlungsklage im Wesentlichen stattgegeben. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass die Klägerin zwar ursprünglich eine Gleichstellungsabrede im Arbeitsvertrag vereinbart hatte, die als Folge der für Altverträge geltenden Besonderheiten an sich nach dem Arbeitgeberverbandsaustritt nur noch statisch gegolten hätte. Mit dem Nachtrag zum Arbeitsvertrag hätten die Parteien diese Klausel indes im Jahre 2011 noch einmal bestätigt, so dass sie nunmehr entsprechend ihrem Wortlaut als Bezugnahme auf den zu diesem Zeitpunkt geltenden Tarifvertrag zu verstehen war. Bei einer Änderung eines von einem Arbeitgeber geschlossenen Altvertrags nach dem 31.12.2001 kommt es – so das BAG – für die Beurteilung, ob die Auslegungsmaßstäbe für Neu- oder für Altverträge maßgebend sind, darauf an, ob die ursprüngliche vertragliche Bezugnahmeregelung in der nachfolgenden Vertragsänderung zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der beteiligten Vertragsparteien gemacht worden sei 18. Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragspartei gemacht worden sei und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1.1.2002 ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten wollten, liege beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“ 19. Eine solche Regelung hindere die Annahme eines Altvertrags und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes 20. Allerdings führe allein der Umstand einer Vertragsänderung nicht dazu, dass zugleich stets alle vertraglichen Regelungen des ursprünglichen

18 BAG v. 13.5.2015 – 4 AZR 244/14 n. v. (Rz. 26); BAG v. 24.2.2010 – 4 AZR 691/08, NZA-RR 2010, 530 Rz. 25; BAG v. 18.11.2009 – 4 AZR 514/08 NZA 2010, 170 Rz. 23. 19 So BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 Rz. 49. 20 BAG v. 18.11.2009 – 4 AZR 514/08, NZA 2010, 170 Rz. 25.

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AGB-Kontrolle: Unbeabsichtigter Wechsel vom Alt- zum Neuvertrag

Arbeitsvertrags erneut vereinbart oder bestätigt würden. Vielmehr sei anhand der konkreten Vertragsänderung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob eine solche Abrede gewollt sei 21. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das BAG in dem hier in Rede stehenden Fall eine ausdrückliche Bestätigung der Altregelungen angenommen. Dies folge aus der Feststellung der Parteien, dass „alle anderen Bestimmungen des Arbeitsvertrages“ vom 1.9.1999, der in Nr. 1 des Nachtrags auch ausdrücklich aufgeführt worden war, „unverändert fortgelten“. Mit dieser Formulierung hätten sie die Bestimmungen des ursprünglichen Arbeitsvertrags erneut vereinbart 22. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelte es sich bei der Regelung im Nachtrag nach Auffassung des BAG auch nicht nur um eine deklaratorische Vertragsbestimmung. Vielmehr sei bei einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung grundsätzlich von übereinstimmenden Willenserklärungen auszugehen. Soll deren Inhalt keine rechtsgeschäftliche Wirkung besitzen, sondern nur eine deklaratorische Wissenserklärung geschaffen werden, müsse dies im Vertrag deutlich zum Ausdruck gebracht worden sein. Solche Anhaltspunkte ließen sich aber dem hier in Rede stehenden Vertrag nicht entnehmen 23. Es erscheint zweifelhaft, ob den Arbeitsvertragsparteien diese Wirkung ihrer Nachtragsvereinbarung wirklich bewusst war. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass solche Erklärungen vom objektiven Empfängerhorizont aus zu verstehen sind. Für die betriebliche Praxis folgt daraus aber, dass nach Möglichkeit auf Aussagen zum Inhalt der im Altvertrag im Übrigen enthaltenen Klauseln im Rahmen eines Nachtrags verzichtet werden sollte. Vielmehr empfiehlt es sich, diesen allein auf die Änderungen zu beschränken. Falls arbeitnehmerseitig die Frage gestellt wird, welche Auswirkungen dies auf den Arbeitsvertrag im Übrigen hat, darf darauf indes nicht mit einer Erklärung geantwortet werden, die der hier in Rede stehenden Vertragsklausel entspricht. Denn damit würde im Zweifel eine mündliche AGB geschaffen, die gleiche Rechtwirkung zuerkannt werden muss. Es genügt, wenn auf die Frage geantwortet wird, dass der Arbeitsvertrag im Übrigen nicht "angefasst" wird. In gleicher Weise könnte gegebenenfalls schriftlich vereinbart werden, dass

21 BAG v. 13.5.2015 – 4 AZR 244/14, n. v. (Rz. 26); BAG v. 19.10.2011 – 4 AZR 811/09, DB 2011, 2783 Rz. 27. 22 Ebenso BAG v. 8.7.2015 – 4 AZR 51/14 n. v. (Rz. 27). 23 BAG v.13.5.2015 – 4 AZR 244/14 n. v. (Rz. 28 f.).

385

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

die im Altvertrag enthaltenen Regelungen von der Nachtragsvereinbarung nicht erfasst werden, deshalb also unberührt bleiben. (Ga)

3.

Umfang der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers/ Handlungsobliegenheiten des Arbeitnehmers

Die Rechtsfolgen des Annahme- oder Gläubigerverzugs des Arbeitgebers, dessen Voraussetzungen sich aus den §§ 293 ff. BGB ergeben, sind für das Arbeitsverhältnis in § 615 BGB geregelt. Nach § 615 S. 1 BGB behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf die vereinbarte Vergütung, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein, wenn der Arbeitgeber mit der Arbeitsleistung in Verzug gerät. Indem der Gesetzgeber den Arbeitnehmer von der Nachleistung der nicht erbrachten Dienste entlastet, verdeutlicht er den absoluten Fixschuldcharakter der in sukzessiven Teilleistungen zu erbringenden Arbeitsleistungspflicht 24. Die Leistungserbringung des Arbeitnehmers wird, weil die Arbeitskraft nicht aufbewahrt werden kann, unmöglich und entfällt, sobald die Leistungszeit ungenutzt verstreicht (§ 275 BGB). Zugleich geregelt § 615 S. 1 BGB die Gegenleistungsgefahr abweichend von § 326 Abs. 1 BGB, weil bereits der vom Verschulden unabhängige Annahmeverzug des Arbeitgebers die Vergütung als Gegenleistung auslöst. Da die nicht erbrachte Arbeitsleistung nicht mehr nachgeholt werden kann, erfasst § 615 S. 1 BGB nach seinem sozialen Schutzzweck den besonderen Fall der Annahmeunmöglichkeit. § 615 S. 1 BGB setzt zunächst das Vorliegen eines rechtswirksamen Arbeitsvertrages voraus, weil nur durch eine entsprechende Arbeitsleistungspflicht des Arbeitnehmers ein Annahmeverzug des Arbeitgebers in Betracht kommen kann 25. Im ungekündigten Arbeitsverhältnis hat der Arbeitnehmer nach § 294 BGB persönlich (§ 613 S. 1 BGB) die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich so anzubieten, wie sie zu bewirken ist. Dies setzt Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft (§ 297 BGB) des Arbeitnehmers voraus. Das Angebot einer anderen als der vertraglich geschuldeten Leistung ist unzureichend. Ebenso schließen sich Unmöglichkeit der Leistung durch den Arbeitnehmer (§ 275 BGB) und Annahmeverzug gegenseitig aus 26.

24 Ausführlich dazu MüArbR/Boewer § 69 Rz. 1 ff. m. w. N. 25 So bereits BAG v. 24.1.1991 – 2 AZR 402/89 n. v. (Rz. 46). 26 BAG v. 4.10.2005 – 9 AZR 632/04, NZA 2006, 442 Rz. 12; MüArbR/Boewer § 69 Rz. 18.

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Umfang der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers

Nach früherer Ansicht des BAG 27 war ein Arbeitnehmer nicht stets schon dann leistungsunfähig i. S. v. § 297 BGB, wenn er aus Gründen in seiner Person nicht mehr alle Arbeiten verrichten konnte, die zu den vertraglich vereinbarten Tätigkeiten gehörten. War es dem Arbeitgeber möglich und zumutbar, dem etwa krankheitsbedingt nur eingeschränkt leistungsfähigen Arbeitnehmer leidensgerechte Arbeiten zuzuweisen, war die Zuweisung anderer, nicht leidensgerechter Arbeiten unbillig. Unterließ der Arbeitgeber die ihm mögliche und zumutbare Zuweisung leidensgerechter und vertragsgemäßer Arbeit, stand die Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers dem Annahmeverzug des Arbeitgebers nicht entgegen. In einer Grundsatzentscheidung vom 19.5.2010 hat der für den Annahmeverzug zuständige 5. Senat des BAG 28 diese Rechtsprechung aufgegeben. Das BAG geht jetzt davon aus, dass der Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts nach § 106 S. 1 GewO die näher bestimmte Tätigkeit des Arbeitnehmers wirksam festgelegt hat. Nur diese Leistung kann der Arbeitnehmer in Annahmeverzug begründender Weise anbieten. Ist der Arbeitnehmer aus in seiner Person liegenden Gründen nicht mehr in der Lage, die vom Arbeitgeber näher bestimmte Leistung zu erbringen, kann es die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB gebieten, dass der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht erneut Gebrauch macht und die vom Arbeitnehmer zu erbringende Leistung innerhalb des arbeitsvertraglich vereinbarten Rahmens anderweitig derart konkretisiert, dass dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung wieder möglich wird. Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft diese Pflicht, kommt ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 280 Abs. 1 BGB wegen entgangener Vergütung in Betracht. Diese Verpflichtung des Arbeitgebers zur Neubestimmung der Tätigkeit des Arbeitnehmers setzt jedoch voraus, dass der Arbeitnehmer die Initiative ergreift und die Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz verlangt, wobei er dem Arbeitgeber mitzuteilen hat, wie er sich seine weitere, die aufgetretenen Leistungshindernisse ausräumende Beschäftigung vorstellt. Diesem Verlangen des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber regelmäßig nachkommen, wenn ihm die in der Zuweisung einer anderen Tätigkeit liegende Neubestimmung der zu bewirkenden Arbeitsleistung nach § 106 GewO zumutbar sowie rechtlich möglich ist. Die Zumutbarkeit wird vom BAG bejaht, wenn der Zuweisung einer anderen Tätigkeit keine betrieblichen Gründe, zu denen auch wirt-

27 BAG v. 24.9.2003 – 5 AZR 282/02, NZA 2003, 1332 Rz. 32; BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 16/08, NZA 2008, 1410 Rz. 13. 28 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

schaftliche Erwägungen zählen können, oder die Rücksichtnahmepflicht gegenüber anderen Arbeitnehmern entgegenstehen. Im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung des BAG gerät der Arbeitgeber damit nicht mehr in Annahmeverzug mit den Rechtsfolgen aus § 615 BGB, wenn der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber kraft Direktionsrechts zugewiesene Tätigkeit nicht mehr erbringen kann (§ 297 BGB), solange er nicht durch eine Neuausübung seines Direktionsrechts dem Arbeitnehmer eine ihm mögliche Arbeitsleistung überträgt. Diese Rechtsprechung hat der 5. Senat des BAG 29 in einer Entscheidung vom 27.5.2015 30 erneut bestätigt. Der Kläger war beim beklagten Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als fremdsprachlicher Vorauswerter und Dolmetscher für den russischen Sprachraum tätig. Hierzu bedurfte es einer besonderen Ermächtigung zum Umgang mit Verschlusssachen auf der Grundlage des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (SÜG). Als dem BfV bekannt wurde, dass der Kläger einen persönlichen Kontakt zu einem Schwager unterhielt, der einer Gruppe der russischen organisierten Kriminalität angehörte, wurde er vom BfV zunächst unter Fortzahlung seiner Vergütung freigestellt und ihm die VS-Ermächtigung entzogen. Außerordentliche Kündigungen der Beklagten vom 30.1.2006 und 25.9.2006 mit Auslauffrist zum 31.3.2007 führten nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das LAG Köln stellte mit Urteil vom 17.1.2012 rechtskräftig die Unwirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom 25.9.2006 fest und verurteilte diese, den Kläger über den 31.3.2007 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen gemäß Arbeitsvertrag als Angestellten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weiter zu beschäftigen. Seit dem 1.8.2013 wurde der Kläger bei einer Bundespolizeiabteilung eingesetzt. Mit seiner im Dezember 2010 eingereichten und mehrfach erweiterten Klage verlangte der Kläger Vergütung wegen Annahmeverzugs, hilfsweise Schadensersatz in Höhe von 391.518,87.- € brutto für den Zeitraum von Februar 2006 bis Juli 2013. Dabei berief sich der Kläger darauf, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihm eine in Ausübung ihres Direktionsrechts neu zu bestimmende Tätigkeit zuzuweisen. Überdies habe die rechtskräftige Verurteilung der Beklagten, ihn weiter zu beschäftigen, präjudizielle Wirkungen. Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

29 5 AZR 88/14, NZA 2015, 1053. 30 5 AZR 88/14, NZA 2015, 1053.

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Umfang der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers

In Übereinstimmung mit seiner Entscheidung vom 19.5.2010 31 lehnt der 5. Senat des BAG einen Anspruch des Klägers auf Vergütung wegen Annahmeverzugs nach § 615 S. 1 BGB i. V. m. § 611 BGB ab, weil der Kläger während des gesamten Annahmeverzugszeitraums mangels einer VSErmächtigung außer Stande war (§ 275 BGB), die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei dem BfV erbringen zu können. Solange die Beklagte die dem Kläger zugewiesene Tätigkeit nicht kraft ihres Direktionsrechts veränderte, konnte der Kläger durch eine von ihm bekundete Bereitschaft, jede andere, gegebenenfalls auch geringer vergütete, Tätigkeit auszuüben, die Beklagte nicht in Annahmeverzug versetzen, weil sie nicht die nach § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung betraf. Solange die Beklagte nicht durch eine Neuausübung ihres Direktionsrechts dem Kläger eine Aufgabe übertrug, die er i. S. v. § 294 BGB hätte bewirken können, war sein Angebot, auch anderweitige Leistungen erbringen zu wollen, ohne Bedeutung für das Vorliegen eines Annahmeverzugs. Das BAG hat auch einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB im Umfang der Klagesumme abgelehnt, weil die Beklagte nicht schuldhaft ihre Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt hat, indem sie dem Kläger keine andere Tätigkeit zuwies. Zwar kann es die Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB gebieten, dass er von seinem Direktionsrecht erneut Gebrauch macht und die vom Arbeitnehmer zu erbringende Arbeitsleistung innerhalb der vertraglich umschriebenen Stellung derart neu konkretisiert, dass dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung wieder ermöglicht wird. Dies setzt aber nach der Neuorientierung des 5. Senats des BAG 32 zur Ausübung des Direktionsrechts voraus, dass der Arbeitnehmer initiativ die Umsetzung auf einem seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz verlangt und dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, wie er sich seine weitere, die aufgetretenen Leistungshindernisse ausräumende Beschäftigung vorstellt. Nur unter dieser Prämisse hat der Arbeitgeber, soweit ihm die Zuweisung einer anderen Tätigkeit zumutbar und rechtlich möglich ist, sein Direktionsrecht neu auszuüben, um einen Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB zu vermeiden. Von dieser ihn treffenden Initiativlast hatte der Kläger keinen Gebrauch gemacht, ohne dass er die ihm zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten in Gestalt einer Stellenbörse der Beklagten ausgeschöpft hatte. Dafür reichte dem BAG die pauschale Behauptung des Klägers, im gesamten Bun-

31 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119. 32 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119 Rz. 28; BAG v. 27.5.2015 – 5 AZR 88/14, NZA 2015, 1053 Rz. 26.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

desgebiet in verschiedenen Geschäftsbereichen der Beklagten eingesetzt werden zu können, nicht aus. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass das LAG Köln mit Urteil vom 17.1.2012 33 dem Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers rechtskräftig entsprochen hatte. Nach Ansicht des BAG war die im Tenor des LAG Köln ausgeurteilte Verpflichtung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers mangels hinreichender Bestimmtheit nicht der Rechtskraft fähig. Zum einen umfasste die Verurteilung der Beklagten eine unmögliche Beschäftigung des Klägers in der Vergangenheit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung am 17.1.2012; des Weiteren ließ sich der Inhalt der ausgeurteilten Beschäftigungspflicht nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit ermitteln. Für das Bestimmtheitserfordernis gilt dabei, dass bei einer im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig vertraglich umschriebenen Stellung des Arbeitnehmers die ausgeurteilte Beschäftigungspflicht nicht so genau bestimmt sein darf, dass sie auf eine ganz bestimmte im Einzelnen beschriebene Tätigkeit oder Stelle zugeschnitten wird. Darauf hat der Arbeitnehmer angesichts des Direktionsrechts des Arbeitgebers (§ 106 GewO) regelmäßig keinen Anspruch. Um diesem Gesichtspunkt gerecht zu werden, ist es erforderlich aber auch ausreichend, wenn die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist. Einzelheiten hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder der sonstigen Arbeitsbedingungen muss der Titel demgegenüber nicht enthalten. Es reicht aus, wenn das Berufsbild, mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, aus dem Titel hervorgeht oder sich in vergleichbarer Weise ergibt, worin die Tätigkeit des Arbeitnehmers bestehen soll 34. Diesen Anforderungen wurde der Beschäftigungstitel des LAG Köln nicht gerecht, weil aus ihm die Art und Weise der Beschäftigung des Klägers nicht hervorging. Für die betriebliche Praxis folgt aus dieser Entscheidung des BAG, dass der Arbeitgeber im Falle einer Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers (§ 297 BGB) auch dann nicht in Annahmeverzug gerät, wenn er es unterlässt, dem Arbeitnehmer innerhalb der vertraglich umschriebenen Stellung kraft Direktionsrechts (§ 106 GewO) eine für ihn ausführbare Tätigkeit zuzuweisen. Dies schließt allerdings nicht aus, dass sich aus einer Untätigkeit des Arbeitgebers Schadensersatzansprüche ergeben können, wenn der Arbeitnehmer eine andere ausreichend konkretisierte Beschäftigung und damit die Neuausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts vom Arbeitgeber einfordert, die ihm zumutbar und rechtlich möglich ist. (Boe) 33 12 Sa 1502/10 n. v. 34 BAG v. 15.4.2009 – 3 AZB 93/08, NZA 2009, 917 Rz. 20.

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Diskriminierungsfalle bei der Stellenausschreibung: Bewerber oder Scheinbewerber

4.

Diskriminierungsfalle bei der Stellenausschreibung: Bewerber oder Scheinbewerber

Das BAG 35 hat sich in der Vergangenheit wiederholt mit der Frage befassen müssen, ob einem abgelehnten Bewerber wegen eines Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14.8.2006 36 (§ 7 AGG) ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht. Danach kann der oder die Beschäftigte bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aus § 1 AGG eine angemessene Entschädigung wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, verlangen. Die Höhe der Entschädigung wird dabei nach § 15 Abs. 2 S. 2 AGG bei einer Nichteinstellung auf drei Monatsgehälter begrenzt, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Angesichts dessen ist es für den Entschädigungsanspruch bedeutungslos, wenn ein Bewerber wegen der besseren Qualifikation anderer Bewerber die zu besetzende Stelle ohnehin nicht erhalten hätte. Der Kausalzusammenhang zwischen nachteiliger Behandlung und eines in § 1 AGG genannten Grundes liegt bereits dann vor, wenn die Benachteiligung an ein in dieser Vorschrift aufgeführtes Merkmal anknüpft oder durch dieses motiviert ist. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der betreffende Grund das ausschließliche Motiv für die Benachteiligung darstellt; vielmehr reicht es aus, dass das entsprechende Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat. Ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht ist nicht erforderlich 37. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG bezieht sich neben dem Arbeitgeber auf Beschäftigte, zu denen nach § 6 Abs. 1 S. 2 AGG außer den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis gehören. Dabei ist nach bisheriger

35 BAG v. 18.9.2014 – 8 AZR 753/13, BB 2015, 506; BAG v. 18.9.2014 – 8 AZR 759/13, AP Nr. 20 zu § 15 AGG; BAG v. 14.11.2013 – 8 AZR 997/12, NZA 2014, 489; BAG v. 25.4.2013 – 8 AZR 287/08, DB 2013, 2509; BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498. 36 BGBl. I S. 1897. 37 BAG v. 25.4.2013 – 8 AZR 287/08, DB 2013, 2509 Rz. 34; BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498 Rz. 38.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Ansicht des BAG 38 gleichgültig, ob der Bewerber für die ausgeschriebene Tätigkeit objektiv geeignet ist 39. Auch die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung sollte keine Rolle spielen und allenfalls zum Einwand treuwidrigen Verhaltens des Bewerbers führen 40 . Nunmehr hat der 8. Senat des BAG in einem Beschluss vom 18.6.2015 41 dem EuGH gem. Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt: 1.

Sind Art. 3 Abs. 1 Buchst. a) der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) dahin gehend auszulegen, dass auch derjenige „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger Erwerbstätigkeit“ sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können?

2.

Falls die erste Frage bejaht wird: Kann eine Situation, in der der Status als Bewerber nicht im Hinblick auf eine Einstellung und Beschäftigung, sondern zwecks Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen erreicht wurde, nach Unionsrecht als Rechtsmissbrauch bewertet werden?

Der 8. Senat sieht sich zu diesem Schritt veranlasst, weil die einschlägigen Richtlinien des Unionsrechts (Richtlinie 2000/78/EG, Richtlinie 2006/54/EG) im Gegensatz zu § 6 Abs. 1 S. 2 AGG den Begriff des Bewerbers nicht verwenden, sondern diejenigen schützen, die „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger Erwerbstätigkeit“ suchen. Aus der Textgestaltung der Richtlinien lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob dafür das Vorliegen einer formalen Bewerbung ausreicht oder ob ein ernsthafter Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger Erwerbstätigkeit angestrebt werden muss. Vorsorglich hat der 8. Senat des BAG seine Fragestellung dahingehend ergänzt, ob im Falle einer für die Anwendung der Richtlinien 38 39 40 41

Vgl. nur BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498 Rz. 25. BAG v. 13.10.2011 – 8 AZR 608/10, EzA AGG § 15 Nr. 16 Rz. 18. BAG v.16.2.2012 – 8 AZR 697/10, EzA AGG § 15 Nr. 17 Rz. 24. 8 AZR 848/13 (A), ZIP 2015, 1508.

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Diskriminierungsfalle bei der Stellenausschreibung: Bewerber oder Scheinbewerber

ausreichenden Formalbewerbung ohne Zugangsabsicht zu einer Beschäftigung nach Unionsrecht jedenfalls Rechtsmissbrauch vorliegt, wenn die Bewerbung nur dem einen Ziel dient, Entschädigungsansprüche zu liquidieren. Der Streitfall betrifft die Entschädigungsklage eines Klägers, der 1973 geboren und Volljurist ist und nach einer Beschäftigung bei einer Rechtsschutzversicherung seit August 2002 ununterbrochen bis zum Jahre 2008 als selbstständiger Rechtsanwalt tätig war und sodann einen Studiengang mit dem Abschluss eines Master of Laws absolviert hatte. Der Kläger bewarb sich um eine Trainee-Stelle der Fachrichtung Jura, die von der Beklagten, einer Versicherungsgesellschaft, ausgeschrieben worden war und dabei einen sehr guten Hochschulabschluss, der nicht länger als ein Jahr zurückliegen oder innerhalb der nächsten Monate erfolgen sollte, voraussetzte. Nachdem die Beklagte die Bewerbung des Klägers abgelehnt hatte, verlangte dieser eine Entschädigung in Höhe von 14.000.- € wegen Altersdiskriminierung. Die Entschädigungsklage blieb sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz ohne Erfolg. Das BAG hat dem Bewerbungsschreiben des Klägers zweifelsfrei entnommen, dass dieser keine Beschäftigung als Trainee bei der Beklagten erreichen wollte, vielmehr die Bewerbung allein dem Zweck zu dienen bestimmt war, sich eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu verschaffen. Da das Unionsrecht den Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger oder selbstständiger Erwerbstätigkeit schützt, bedarf es nach Ansicht des BAG der Auslegung durch den EuGH, ob wirklich dieser Zugang gesucht und eine Einstellung bei einem Arbeitgeber gewollt sein muss, um in den Schutzbereich der Norm zu fallen. Daran will das BAG festmachen, ob die fehlende Ernsthaftigkeit der Bewerbung den Bewerberstatus i. S. v. § 6 Abs. 1 S. 2 AGG und damit einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG von vornherein ausschließt, weil der Schutzbereich des Grundsatzes der Gleichbehandlung und des Diskriminierungsschutzes für diesen Bewerber nicht einschlägig ist. Damit gibt der 8. Senat des BAG seine frühere Rechtsprechung auf, wonach die mangelnde Ernsthaftigkeit der Bewerbung Entschädigungsansprüche nur unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) ausschließen sollte 42, wofür der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast zu tragen hatte. Verneint der EuGH die vom BAG gestellte erste Frage, trüge der Bewerber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er sich mit dem Ziel der Einstellung beim Arbeitgeber beworben hat, wenn Letzterer Indizien vorträgt, die den Schluss auf eine mangelnde Ernsthaftigkeit der Bewerbung erlauben. Nicht ausreichend dafür ist allerdings nach bisheriger Auffassung 42 BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498 Rz. 62.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

des BAG, dass eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen mit anschließenden Entschädigungsprozessen vom Bewerber geführt worden sind. Gelangt dagegen der EuGH zu dem Ergebnis, dass bereits eine formale Bewerbung für den „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger Erwerbstätigkeit“ ausreicht, ohne dass damit das Einstellungsziel verbunden ist, könnte der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs 43 einem Entschädigungsanspruch entgegenstehen, um der Befürchtung vorzubeugen, dass dieser Anspruch zu einem einträglichen Geschäft verkommt. Deshalb hat das BAG hilfsweise dem EuGH die Frage gestellt, ob bei einem Schutz auch der nur formalen Bewerber ihr Vorgehen nach Unionsrecht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden könnte. Auch im Interesse der mit § 15 Abs. 2 AGG intendierten Prävention wäre es wünschenswert, wenn sich der EuGH der Auffassung des BAG anschließen würde, weil damit auch für die betriebliche Praxis ein höheres Maß an Rechtssicherheit geschaffen und der Möglichkeit entgegengewirkt würde, unter dem Deckmantel der Bewerbung ausschließlich Entschädigungsansprüche zu verfolgen. (Boe)

5.

Befristung eines Arbeitsverhältnisses nach Renteneintrittsalter

In der Entscheidung vom 11.2.2015 hatte der 7. Senat des BAG 44 erstmalig Gelegenheit, die Befristung eines Arbeitsverhältnisses nach Eintritt des Rentenalters zu beurteilen. Das BAG hat – wie zu erwarten war 45 – nicht die Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg 46 geteilt, wonach die Gründe für die Zulässigkeit der Vereinbarung von Altersgrenzen bezogen auf das Erreichen der Regelaltersgrenze gleichermaßen gelten, wenn die Arbeitsvertragsparteien erst nach Erreichen der Regelaltersgrenze eine Befristung eines zuvor unbefristet bestehenden Arbeitsverhältnisses mit einem rentenberechtigten Arbeitnehmer vereinbaren. Das LAG Berlin-Brandenburg 47 hat bei derartiger Sachlage die Befristung aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG für gerechtfertigt angesehen. Der Fall betraf einen Arbeitnehmer, der einen Tag nach Erreichen des Renteneintritts mit dem Arbeitgeber einen befristeten Arbeitsvertrag abschloss,

43 44 45 46

Vgl. dazu etwa EuGH v. 2.5.1996 – C-206/94, NZA 1996, 635 – Paletta. 7 AZR 17/13, NZA 2015, 1066. Boewer, AktuellAR 2014, 344; a. A. Bayreuther, NJW 2012, 2758, 2760. 20.11.2012 – 12 Sa 1303/12, BB 2013, 435 Rz. 30. Ebenso Bayreuther, NJW 2012, 2758, 2760. 47 20.11.2012 – 12 Sa 1303/12, BB 2013, 435 Rz. 27.

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Befristung eines Arbeitsverhältnisses nach Renteneintrittsalter

der von den Parteien dreimal zuletzt am 29.7.2011 bis zum 31.12.2011 verlängert wurde. Eine vom Arbeitnehmer gewünschte weitere Verlängerung des Arbeitsverhältnisses lehnte der Arbeitgeber ab, was den Arbeitnehmer veranlasste, eine Entfristungsklage nach § 17 TzBfG zu erheben. Der Arbeitgeber machte unter anderem geltend, die letzte Befristung sei einer Altersgrenzenregelung vergleichbar zulässig, sie habe zudem der Einarbeitung einer Teilzeitkraft dienen sollen, für die das Bewerbungsverfahren bereits begonnen habe. Außerdem habe die Befristung sozialen Erwägungen gedient und sei schließlich auch auf Wunsch des Klägers erfolgt. Die Entfristungsklage war vor dem Arbeitsgericht und dem LAG Berlin-Brandenburg erfolglos. Das BAG hat den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das LAG Berlin-Brandenburg zurückverwiesen. Das BAG konstatiert zunächst, dass die hier zu beurteilende Befristung nicht auf § 41 S. 3 SGB VI in der Fassung des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung 48 gestützt werden kann, weil diese Regelung erst mit Wirkung zum 1.7.2014 in das SGB VI eingeführt worden ist. Das BAG verweist darauf, dass mit dieser Regelung den Arbeitsvertragsparteien ermöglicht werden soll, das Arbeitsverhältnis nach Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich für einen von vornherein bestimmten Zeitraum rechtssicher fortsetzen zu können, um beispielsweise eine Übergangsregelung bis zu einer Nachbesetzung zu schaffen oder den Abschluss laufender Projekte zu ermöglichen 49. Einen ausdrücklichen Hinweis darauf, ob dies sachgrundlos geschehen kann, verbindet das BAG mit dieser Aussage nicht. Unabhängig davon, dass die Entscheidung des BAG vom 11.2.2015 datiert, kam es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Befristung auf die Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung (29.7.2011) und nicht auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an 50. Da eine langjährige Vorbeschäftigung des Klägers vorlag (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG), bedurfte die sich nahtlos anschließende Befristung des Arbeitsvertrages zum 31.12.2011 eines sachlichen Grundes. Das BAG stützt die Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg, wonach eine Altersgrenzenregelung in Kollektivnormen oder in einer individualvertraglichen Abmachung, die das Arbeitsverhältnis zeitlich auf das Erreichen der Regelaltersgrenze unter der Voraussetzung von Regelaltersrente begrenzt, gemäß § 14 S. 1 TzBfG sachlich gerechtfertigt sein kann 51. Dabei steht das 48 49 50 51

BGBl. I 2014 S. 787; vgl. dazu Klösel/Reitz, NZA 2014, 1366, 1369. BT-Drucks. 18/1489 S. 25. BAG v. 17.6.2009 – 7 AZR 112/08 (A), AP Nr. 63 zu § 14 TzBfG Rz. 27. BAG v. 12.6.2013 – 7 AZR 917/11, NZA 2013, 1428, Rz. 20.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Bedürfnis des Arbeitgebers an einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung dem Interesse des Arbeitnehmers gegenüber, die wirtschaftliche Existenzgrundlage seines Arbeitsverhältnisses nicht zu verlieren. Jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer Regelaltersrente beanspruchen kann, hat das BAG dem Interesse des Arbeitgebers Vorrang vor dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers eingeräumt. Dies gilt nach Auffassung des BAG unabhängig davon, dass im Zeitpunkt der Vereinbarung für eine derartige auf die Regelaltersgrenze ausgerichtete Befristung des Arbeitsverhältnisses nur eine abstrakte Personalplanung ausschlaggebend sein kann, weil eine konkrete Personalplanung so lange Zeit im Voraus nicht prognostizierbar ist. Die zusätzliche Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Ausscheiden durch eine Altersgrenze ist zwar Bestandteil des Sachgrundes 52, die Wirksamkeit der Befristung hängt jedoch nicht von der ausreichenden (konkreten) wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers durch seine gesetzliche Rente bei Erreichen der Altersgrenze ab 53. Die Höhe der gesetzlichen Rente lässt sich regelmäßig im Zeitpunkt des Abschlusses der Befristungsabrede nicht abschätzen. Maßgeblich ist daher nur, ob der Arbeitgeber bei Vertragsschluss davon ausgehen konnte, dass der befristet beschäftigte Arbeitnehmer nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer eine Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben kann oder bei Vertragsschluss bereits die für den Bezug einer Altersrente erforderliche rentenrechtliche Wartezeit erfüllt hat 54. Dieser bewertende Denkansatz lässt sich nach Ansicht des BAG auf die vorliegende Fallkonstellation – anders als das LAG Berlin-Brandenburg angenommen hat – nicht als Sachgrund auf die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit einem Rentner übertragen. Abweichend von der Rechtsprechung zur Frage der zeitlichen Begrenzung des Arbeitsverhältnisses auf die Regelaltersgrenze sucht das BAG den Rechtfertigungsgrund nicht in der allgemeinen Regelung des § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG, sondern in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG, wonach ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages insbesondere dann vorliegt, wenn in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen. Für diesen sachlichen Befristungsgrund fordert das BAG, dass der Arbeitnehmer nicht nur Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann, sondern zusätzlich für die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eine konkrete, im Zeitpunkt der Befristungsabrede bestehende Personalplanung des Arbeit52 BAG v. 18.6.2008 – 7 AZR 116/07, NZA 2011, 586, Rz. 25. 53 BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 Rz. 30; BAG v. 12.6.2013 – 7 AZR 917/11, NZA 2013, 1428 Rz. 23. Vgl. dazu auch Preis/Temming, NZA 2010, 185, 197. 54 BAG v. 18.6.2008 – 7 AZR 116/07, NZA 2011, 586 Rz. 26.

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Befristung eines Arbeitsverhältnisses nach Renteneintrittsalter

gebers vorliegen muss. Davon ist etwa auszugehen, wenn die befristete Beschäftigung des Rentners der Einarbeitung einer Ersatzkraft oder der Überbrückung bis zur Nachbesetzung der Stelle mit einer Ersatzkraft dienen soll. Mit dieser Aussage des BAG wird der in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG geforderte Bezug zur Person des Arbeitnehmers lediglich über das Rentenalter nebst Rentenzahlung hergestellt, wobei ebenfalls die rentenrechtliche Versorgung wie beim Ausscheiden durch eine auf das gesetzliche Rentenalter bezogene Altersgrenzenregelung Bestandteil des Sachgrunds für die Befristung ist. Aber auch insoweit soll die Höhe der gesetzlichen Rente keine ausschlaggebende Bedeutung für den Sachgrund der Befristung haben. Für den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG genügt damit nicht die vom LAG Berlin-Brandenburg befürwortete Lösung, dass bereits allein das Erreichen des gesetzlichen Rentenalters nebst Anbindung an die gesetzliche rentenrechtliche Versorgung als Sachgrund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit einem zuvor in einem Dauerarbeitsverhältnis beschäftigten Rentner ausreicht. Da sich der Arbeitgeber in der Entfristungsklage auf das Bewerbungsverfahren zur Einstellung einer Ersatzkraft für den Kläger berufen hatte, war nach Ansicht des BAG der konkrete Anlass für eine Personalplanung des Arbeitgebers im Zeitpunkt der Befristungsabrede gegeben, sodass das LAG BerlinBrandenburg dieser Behauptung nach der Zurückverweisung nachzugehen hat. Keinen Erfolg hatte der Arbeitgeber mit dem Hinweis, die mit dem Arbeitnehmer zuletzt vorgenommene Befristung sei aus sozialen Gründen oder auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin erfolgt. Auch insoweit handelt es sich um denkbare in der Person des Arbeitnehmers liegende Sachgründe für eine Befristung i. S. v. § 14 S. 2 Nr. 6 TzBfG 55. Soweit eine Befristung des Arbeitsverhältnisses auf soziale Erwägungen gestützt wird, setzt dies voraus, dass es ohne den in der Person des Arbeitnehmers begründeten sozialen Zweck überhaupt nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrags, auch nicht eines befristeten Arbeitsvertrags, gekommen wäre. Die sozialen Erwägungen müssen daher im Vordergrund stehen, was nicht ausschließt, dass ein unter diesem Aspekt beschäftigter Arbeitnehmer noch sinnvoll eingesetzt werden kann. Hierzu bedarf es eines Sachvortrags des Arbeitgebers, wonach der aus sozialen Erwägungen beschäftigte Arbeitnehmer Arbeitsaufgaben erledigen soll, die bisher anderen Arbeitnehmern übertragen waren und diesen aus An-

55 BAG v. 21.1.2009 – 7 AZR 630/07, NZA 2009, 727 Rz. 9.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

lass der vorübergehende Beschäftigung keine neuen Aufgaben zugewiesen wurden 56. Hierzu fehlte ein geeigneter Sachvortrag des Arbeitgebers. Ebenso wenig ließ sich die zuletzt vereinbarte Befristung auf einen Wunsch des Klägers stützen. Entscheidend hierfür ist, dass der Arbeitnehmer sein Interesse daran bekundet, nur befristet vom Arbeitgeber beschäftigt zu werden. Davon ist regelmäßig nur dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer auch bei einem Angebot auf Abschluss eines gleich lautenden unbefristeten Arbeitsvertrags lediglich ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart hätte 57. Für die Annahme eines Arbeitnehmerwunsches genügt es noch nicht, dass der Arbeitnehmer selbst lediglich einen befristeten Arbeitsvertrag vorschlägt, weil dieser Vorschlag auf der Erwägung beruhen kann, dem Arbeitgeber entgegenzukommen, um sich damit bessere Chancen für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zu eröffnen. Anschließend wendet sich das BAG der Frage zu, ob der Kläger durch den befristeten Arbeitsvertrag in unzulässiger Weise wegen seines Alters benachteiligt wird, weshalb die Befristungsabrede nach §§ 7 Abs. 1, 3 Abs. 1 S. 1, 1 AGG rechtsunwirksam sein könnte. Eine derartige unzulässige Diskriminierung wegen des Alters hält das BAG jedenfalls dann nicht für gegeben, wenn die Befristung einer konkreten Personal- oder Nachwuchsplanung des Arbeitgebers dient, weil eine derartige Zielsetzung i. s. v. § 10 S. 1 und S. 2 AGG einen ausreichenden Rechtfertigungsgrund abgibt. Danach wird die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters erlaubt, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Beispielhaft erlaubt § 10 S. 3 Nr. 5 AGG eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn eine Vereinbarung die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann. Diese gesetzlichen Vorgaben orientieren sich an Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. So hat auch der EuGH 58 die Regelung des § 10 S. 3 Nr. 5 AGG wegen des mit ihr verfolgten arbeits- und beschäftigungspolitischen Ziels als unionskonform mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG qualifiziert und Altersgrenzen, die an die Regelaltersgrenze und den Bezug einer beitrags-

56 BAG v. 21.1.2009 – 7 AZR 630/07, NZA 2009, 727 Rz. 9. 57 BAG v. 19.1.2005 – 7 AZR 115/04, AP Nr 260 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Rz. 38. 58 EuGH v. 12.10.2010 - C-45/09, NZA 2010, 1167 Rz. 45 – Rosenbladt.

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Befristung eines Arbeitsverhältnisses nach Renteneintrittsalter

abhängigen Altersrente anknüpfen und mit denen über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen der Zugang zur Beschäftigung gefördert werden soll, als legitimes Ziel im Bereich der Sozial- oder Beschäftigungspolitik angesehen. Auf diesen Gesichtspunkt bezieht sich das BAG auch für § 14 S. 2 Nr. 6 TzBfG, so dass ein Sachgrund im Sinne dieser Vorschrift für die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über das Renteneintrittsalter hinaus nur vorliegt, wenn die Befristung der Personaloder Nachwuchsplanung dient. Der Arbeitgeber muss daher darlegen, dass er über den Weg der Befristungsabrede mit dem Rentner die Nachbesetzung des Arbeitsplatzes vorbereiten will, womit zumindest auch über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen der Zugang zur Beschäftigung gefördert werden soll und damit ein Ziel verfolgt wird, dass im Allgemeininteresse liegt und sich nicht nur in rein individuellen Beweggründen erschöpft. Im Streitfall hielt das BAG unter der Prämisse der Richtigkeit des Vortrags des beklagten Arbeitgebers die Befristung zur Verfolgung des Ziels der Personal- und Nachwuchsplanung für erforderlich und die Vertragsdauer gemessen an dem Einarbeitungszweck für angemessen. Schließlich verneint das BAG bei den insgesamt vier befristeten Arbeitsverträgen in der Zeit vom 22.1.2010 bis zum 31.12.2011 einen institutionellen Rechtsmissbrauch, der zur Unwirksamkeit der letzten Befristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien geführt haben könnte. Dabei wird die Dauer des unbefristeten Arbeitsverhältnisses im Rahmen der Rechtsmissbrauchskontrolle unberücksichtigt gelassen, weil es auch nach der Rechtsprechung des EuGH 59 nur auf die Zahl und Dauer der sich an das unbefristete Arbeitsverhältnis anschließenden befristeten Arbeitsverträge ankommt. Für die betriebliche Praxis ergeben sich aus der Entscheidung des BAG vom 11.2.2015 60 weiterführende Erkenntnisse. Das BAG stellt klar, dass auch eine individualvertragliche Befristung des Arbeitsvertrages bis zum Renteneintrittsalter ohne kollektiven Bezug wirksam ist 61. Abgesehen von der Neuregelung in § 41 S. 3 SGB VI, wonach den Arbeitsvertragsparteien gestattet wird, eine zur Regelaltersgrenze vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch mehrfach hinauszuschieben, kann im Anschluss an ein Dauerarbeitsverhältnis mit einem bereits im Rentenalter stehenden Arbeitnehmer ein befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen werden, der allerdings eines Sachgrundes bedarf. Ein solcher kann in i. S. v. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6

59 EuGH v. 18.11.2010 – C-250/09 und C-268/09, C-250/09, C-268/09, NZA 2011, 29 Rz. 65 – Georgiev. 60 7 AZR 17/13, NZA 2015, 1066. 61 Zweifelnd noch BAG v. 12.3.2013 – 7 AZR 917/11, NZA 2013, 1428 Rz. 36.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

TzBfG zu finden sein, wobei der Anspruch auf Zahlung einer Altersrente allein keinen Sachgrund abbildet, vielmehr zusätzlich ein nur vorübergehender Beschäftigungsbedarf bestehen muss, der seinen Grund in einer konkreten Personal- und Nachwuchsplanung gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG finden könnte. Altersgrenzenregelungen unterhalb des Renteneintrittsalters haben regelmäßig mit Blick auf das AGG keinen rechtlichen Bestand 62. (Boe)

6.

Befristung wegen der bevorstehenden Übernahme von Auszubildenden

In der betrieblichen Praxis gibt es zahlreiche Tarifverträge mit Übernahmeregelungen für Auszubildende, wie etwa im öffentlichen Dienst, in der Metall- und Elektroindustrie, Textil- und Bekleidungsindustrie, der Holzund Sägeindustrie sowie dem Kfz-Handwerk. So findet sich auch in § 25 des Tarifvertrags zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Nachwuchskräfte der Bundesagentur für Arbeit eine Übernahmeverpflichtung für Auszubildende. Danach hat die Bundesagentur für Arbeit alle Auszubildenden nach Bestehen der Abschlussprüfung in ein 24 Monate befristetes Vollzeitarbeitsverhältnis zu übernehmen, sofern nicht personen- oder verhaltensbedingte Gründe entgegenstehen. Um dieser tarifvertraglichen Übernahmepflicht nachzukommen, muss der Arbeitgeber eine ausreichende Anzahl von vakanten Arbeitsplätzen nach den jeweiligen Abschlussprüfungen bereitstellen, die dann von den früheren Auszubildenden besetzt werden können. Mit einer derartigen Problematik hatte sich der 7. Senat des BAG in der Entscheidung vom 18.3.2015 63 im Zusammenhang mit einem befristet abgeschlossenen Arbeitsvertrag zur rechtzeitigen Bereitstellung für einen ehemals Auszubildenden zu befassen. Die beklagte Bundesagentur für Arbeit hatte mit der Klägerin in der Zeit vom 24.6.2002 bis zum 30.6.2011 mit einer Unterbrechung von vier Monaten in der Zeit vom 1.4.2004 bis zum 1.8.2004 insgesamt 14 befristete Arbeitsverträge als Telefonserviceberaterin abgeschlossen. Der letzte befristete Vertrag vom 15.12.2010 sah eine Beschäftigung der Klägerin vom 1.1.2011 bis zum 30.6.2011 vor. Diese Befristung beruhte darauf, dass ein Auszubildender nach bestandener Prüfung im Sommer die Tätigkeit der Klägerin übernehmen sollte. Im Prüfungsjahrgang 2011 befanden sich 16 Auszubildende. Eine dieser Auszubildenden wurde

62 EuGH v. 13.9.2011 – C-447/09, NZA 2011, 1039 Rz. 28 - Prigge; BAG v. 18.1.2012 – 7 AZR 112/08, NZA 2012, 575. 63 7 AZR 115/13, BB 2015, 2100.

400

Befristung wegen der bevorstehenden Übernahme von Auszubildenden

nach bestandener Prüfung am 23.6.2011 auf dem bisherigen Arbeitsplatz der Klägerin als Telefonserviceberaterin mit einem auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag eingesetzt. Neben dieser wurden noch acht weitere Auszubildende in befristete Arbeitsverträge übernommen. Die Beklagte hatte mit sechs Arbeitnehmern, darunter die Klägerin, im Hinblick auf die beabsichtigte Übernahme der Auszubildenden des Prüfungsjahrgangs 2011 befristete Arbeitsverträge abgeschlossen. Mit der Entfristungsklage machte die Klägerin geltend, die Befristung sei mangels einer namentlichen Zuordnung zu einem bestimmten Auszubildenden unwirksam und außerdem wegen der Anzahl und der Dauer der befristeten Arbeitsverhältnisse rechtsmissbräuchlich. Die Beklagte verteidigte sich damit, aufgrund ihrer Erfahrungswerte hätten zehn Auszubildende des Prüfungsjahrgangs 2011 die Übernahme in ein befristetes Arbeitsverhältnis beanspruchen können. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Entfristungsklage abgewiesen, das Bundesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Da der Gesetzgeber die Übernahme von Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis nicht in der beispielhaften Aufzählung sachlicher Befristungsgründe in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 8 TzBfG erwähnt, hat das BAG als Ausgangspunkt der Beurteilung auf den allgemeinen Tatbestand des § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG zurückgegriffen, wonach die Befristung eines Arbeitsvertrages zulässig ist, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Geht es – wie im Streitfall – um einen sonstigen, nicht in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 8 TzBfG erwähnten Sachgrund, muss dieser nach gefestigter Rechtsprechung des BAG 64 den in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 8 TzBfG genannten Sachgründen von ihrem Gewicht her gleichwertig sein. Dies wird vom BAG im Falle der beabsichtigten Besetzung eines Arbeitsplatzes mit einem Auszubildenden bejaht, wobei das BAG auf seine Rechtsprechung vor Inkrafttreten des TzBfG am 1.1.2001 verweist 65. Die Gleichwertigkeit eines allgemeinen Befristungsgrundes mit den vom Gesetzgeber definierten Sachgründen wird dadurch bestimmt, dass sämtlichen Beispielen gemeinsam ist, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die berechtigte Prognose anstellen darf, lediglich einen vorübergehenden Beschäftigungsbedarf zu haben, weshalb für ihn ein berechtigtes Interesse an einer nur zeitlich begrenzten Beschäftigung besteht. Davon ist nach Ansicht des BAG auch dann auszugehen, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz zu einem späteren Zeitpunkt mit einem Auszubildenden besetzen will, weil dieser Sachgrund auch 64 BAG v. 16.3.2005 – 7 AZR 289/04, NZA 2005, 923 Rz. 27; BAG v. 9.12.2009 – 7 AZR 399/08, NZA 2010, 495 Rz. 15; BAG v. 2.6.2010 – 7 AZR 136/09, NZA 2010, 1172 Rz. 21. 65 Etwa BAG v. 19.9.2001 – 7 AZR 333/00, EzA § 620 BGB Nr. 181.

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Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

vom Gewicht her den in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 8 TzBfG genannten Sachgründen gleichwertig ist. Begründungsansatz dafür bildet die Erwägung, dass der Arbeitgeber wegen des mit der Ausbildung verbundenen Aufwands ein berechtigtes Interesse daran hat, dem Auszubildenden bei Beendigung der Berufsausbildung einen Arbeitsplatz anbieten zu können 66. Soll daher der Auszubildende in ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis übernommen werden, kann die Befristung des Arbeitsvertrags mit einem anderen Arbeitnehmer bis zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres gerechtfertigt sein. Bei derartigem Sachverhalt hat der Arbeitgeber von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis für die Beschäftigung eines anderen Arbeitnehmers, dessen Arbeitsplatz dem Auszubildenden überlassen werden soll. Dies muss vor allem dann gelten, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer tarifvertraglichen Verpflichtung gehalten ist, eine bestimmte Anzahl von Auszubildenden in ein Dauerarbeitsverhältnis übernehmen zu müssen. Im Streitfall bestand allerdings die Besonderheit, dass die Beklagte tarifvertraglich zur Übernahme der Auszubildenden in ein auf 24 Monate befristetes Arbeitsverhältnis verpflichtet war. Damit ergab sich für die Beklagte eine ständige Fluktuation auf Arbeitsplätzen, die nur befristet mit ehemaligen Auszubildenden besetzt worden waren, jedoch nach Ablauf der Befristung den entsprechenden Arbeitsplatz wieder frei machten. Diese Arbeitsplätze standen von vornherein den nachfolgenden Auszubildenden zur Verfügung, so dass eine Befristung von Arbeitsverträgen mit anderen Arbeitnehmern nur erforderlich wurde, wenn die Prognose gerechtfertigt war, dass nach Abschluss ihrer Ausbildung ein oder mehrere Auszubildende nicht auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden konnten, die aufgrund des Ausscheidens früher in befristete Arbeitsverhältnisse übernommener Auszubildender frei wurden. Ein derartiger Fall konnte eintreten, wenn etwa eine größere Anzahl von Auszubildenden in befristete Arbeitsverhältnisse zu übernehmen war als Arbeitsplätze ausgeschiedener ehemaliger Auszubildender zur Verfügung standen. Nur dann ließ sich zwischen der Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers und der beabsichtigten Übernahme eines Auszubildenden ein nachvollziehbarer Kausalzusammenhang herstellen, der für die Befristung ausschlaggebend war. Problematisch kann daher sein, ob sämtliche Befristungen der Wirksamkeit entbehren, wenn der Arbeitgeber mehr befristete Arbeitsverträge abschließt als Auszubildende zu übernehmen sind. Nach ihren Angaben hatte die Beklagte jedoch mit zehn Auszubildenden gerechnet,

66 BAG v. 1.12.1999 – 7 AZR 449/98, BB 2000, 1525 Rz. 21; BAG v. 18.3.2015 – 7 AZR 115/13, BB 2015, 2100 Rz. 14.

402

Befristung wegen der bevorstehenden Übernahme von Auszubildenden

die zu übernehmen waren, während sie, die Klägerin eingeschlossen, nur sechs befristete Arbeitsverträge abgeschlossen hatte. Die von der Beklagten vorgenommene Befristung erwies sich nach Meinung des BAG nicht allein deswegen als rechtsunwirksam, weil bei Abschluss des Arbeitsvertrags – wie im Falle einer gedanklichen Vertretung 67 – keine namentliche Zuordnung der Klägerin zu einem bestimmten Auszubildenden erfolgt war, der in ein befristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden musste. Das BAG 68 hat den erforderlichen Vertretungszusammenhang auch dann bejaht, wenn der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich in der Lage wäre, dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer im Falle seiner Anwesenheit die dem Vertreter zugewiesenen Aufgaben zu übertragen (sog. gedankliche Vertretung). Zur Gewährleistung des Kausalzusammenhangs zwischen der zeitweiligen Arbeitsverhinderung der Stammkraft und der Einstellung der Vertretungskraft ist dann jedoch erforderlich, dass die gedankliche Zuordnung nach außen erkennbar wird, was durch die namentliche Bezeichnung des vertretenen Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag der Vertretungskraft geschehen kann. Kann der Kausalzusammenhang zwischen der Beschäftigung des befristetet eingestellten Arbeitnehmers und der beabsichtigten Übernahme eines Auszubildenden bereits dadurch hergestellt werden, dass die Zahl der befristet Beschäftigten die Zahl der zu übernehmenden Auszubildenden nicht übersteigt, bedarf es keiner namentlichen Zuordnung des befristet eingestellten Arbeitnehmers zu einem bestimmten Auszubildenden 69. Angesichts der insgesamt 14 befristeten Arbeitsverträge mit der Klägerin in insgesamt neun Jahren, war außerdem der Frage nachzugehen, ob ein Missbrauchstatbestand vorlag, der zur Unwirksamkeit des letzten befristeten Arbeitsvertrags führen konnte. Im Anschluss an die Entscheidung des EuGH 70 bedarf es neben dem geltend gemachten Sachgrund stets der zusätzlichen Prüfung, ob der Arbeitgeber zur Vermeidung eines unbefristeten Arbeitsvertrags rechtsmissbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreift. Diese zusätzliche Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen 71. Ein Gestaltungsmissbrauch ist dabei indiziert, wenn die in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung bestimmte Befristungshöchstdauer und Anzahl der Vertragsverlängerungen um ein Vielfaches überschritten werden. In ei-

67 68 69 70 71

BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 113/13, NZA 2015, 617. BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 113/13, NZA 2015, 617 Rz. 20. BAG v. 18.3.2015 – 7 AZR 115/13, BB 2015, 2100 Rz. 20. v. 26.1.2012 – C-586/10, NZA 2012, 135 – Kücük. BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09, DB 2012, 2813 Rz. 10.

403

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

nem solchen Fall kann der Arbeitgeber jedoch durch Darlegung besonderer Umstände die Annahme des Gestaltungsmissbrauchs widerlegen 72. In diesem Zusammenhang ist der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer von vier Monaten Rechnung zu tragen. Es geht dabei um die Frage, ob bei einer viermonatigen Unterbrechung sämtliche befristeten Arbeitsverträge als aufeinanderfolgend i. S. v. § 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70 enthalten ist, anzusehen sind. Der EuGH 73 hat ein Arbeitsverhältnis noch als ununterbrochen bezeichnet, wenn die befristeten Arbeitsverträge höchstens 60 Tage auseinander liegen. Da das LAG Düsseldorf weder zu der Frage der durch ausscheidende ehemalige Auszubildende frei gewordenen Arbeitsplätze noch zur Problematik des Missbrauchstatbestandes Feststellungen getroffen hatte, hat das BAG den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen. (Boe)

7.

Keine Fiktion eines Arbeitsverhältnisses bei der Vermittlung selbständig Tätiger

Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal kommt es nicht nur zur Überlassung von Arbeitnehmern, die an den Vorgaben des AÜG zu messen ist. Alternativ hierzu kommt es zum Einsatz von Fremdpersonal auch und insbesondere im Rahmen von Dienst- und Werkverträgen. Diese werden nicht nur mit Unternehmen abgeschlossen, die ihre eigenen Arbeitnehmer zur Erfüllung der aus den Dienst- oder Werkverträgen folgenden Verpflichtungen einsetzen. Immer wieder kommt es in der betrieblichen Praxis auch zum Abschluss von Dienst- und Werkverträgen mit sogenannten SoloSelbständigen. Diese können eigenständig am Markt auftreten. Denkbar ist allerdings auch, dass ihr Einsatz durch ihrerseits selbständige Dienstleister vermittelt wird. Auch bei der letztgenannten Einsatzform kann sich die Frage stellen, ob die Tätigkeit des Solo-Selbständigen tatsächlich als selbständige Beschäftigung zu qualifizieren ist oder ob in der Tätigkeit des Solo-Selbständigen – abweichend von der vertraglichen Bezeichnung – der Einsatz eines Arbeitnehmers oder Leiharbeitnehmers zu sehen ist. Letztgenannte Annahme könnte die

72 BAG v. 29.4.2015 – 7 AZR 310/13, NZA 2015, 928 Rz. 26. 73 EuGH v. 3.7.2014 – C-362/13, EzA Richtlinie 99/70 EG-Vertrag 1999 Nr. 10 Rz. 49 – Fiamingo.

404

Keine Fiktion eines Arbeitsverhältnisses bei der Vermittlung selbständig Tätiger

Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Auftraggeber und dem Solo-Selbständigen zur Folge haben. Mit eben dieser Frage musste sich das LAG Düsseldorf im Urteil vom 21.7.2015 74 befassen. In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Kläger mit einem EDV-Beratungsunternehmen einen Auftrag abgeschlossen, im Rahmen dessen er bei der Beklagten zum Einsatz kommen sollte. In dem Vertrag zwischen dem Kläger und dem EDV-Beratungsunternehmen war allerdings festgehalten, dass der Kläger nicht zur höchstpersönlichen Erfüllung des Auftrags verpflichtet war. Weisungs- und Direktionsbefugnisse des Beratungsunternehmens waren ausdrücklich ausgeschlossen. Eine Bindung an bestimmte Arbeitszeiten oder Arbeitsortvorgaben sollte nur insoweit bestehen, als sich diese aus der Natur des jeweils in Rede stehenden Beratungsauftrags ergaben. Abgerechnet werden sollte die Tätigkeit des Klägers auf der Basis von Rechnungen, denen eine stundenbezogene Vergütung zugrunde lag. Auf der Grundlage dieses Auftragsverhältnisses wurde der Kläger bei der Beklagten eingesetzt, um IT-Beratung durchzuführen. Dabei überlies die Beklagte dem Kläger einzelne Betriebsmittel (PC, Drucker, Telefon) und beschäftigte ihn auf dem Betriebsgelände. Krankheits- und Urlaubszeiten sollten der Beklagten gemeldet werden; Nachweise hierfür musste der Kläger indes nicht erbringen. Als das EDV-Beratungsunternehmen nach mehr als drei Jahren den mit dem Kläger bestehenden Auftrag kündigte, machte dieser geltend, als Folge seines Einsatzes bei der Beklagten zu dieser in einem Arbeitsverhältnis zu stehen. Denn er sei während seiner Tätigkeit in die dortige Betriebsorganisation eingegliedert worden. Dies habe entweder unmittelbar oder über §§ 9, 10 AÜG zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses geführt. Schließlich habe das EDV-Beratungsunternehmen keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Das LAG Düsseldorf hat die Klage mit überzeugender Begründung abgewiesen. Nach seinen Feststellungen wäre es zwar grundsätzlich denkbar gewesen, dass der Einsatz des Klägers bei der Beklagten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses durchgeführt wurde. Dass der Kläger im Rahmen des mit dem EDV-Beratungsunternehmen bestehenden Vertrags alle Merkmale einer selbständigen Tätigkeit festgelegt hatte, stand dieser Annahme nicht entgegen. Denn entscheidend ist – so das LAG Düsseldorf – nicht die schriftliche

74 3 Sa 6/15 n. v.

405

Fragen zu Einstellung und Arbeitsvertrag

Vereinbarung, sondern die tatsächliche Handhabe, falls diese Handhabe und die schriftliche Vereinbarung nicht überstimmen. Entscheidend war allerdings, dass der Kläger schlussendlich nicht überzeugend darlegen konnte, dass tatsächlich eine weisungsunterworfene Tätigkeit vorlag. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, dass ihm insbesondere in Bezug auf die Arbeitszeit Handlungsvorgaben gesetzt worden wären, die nicht bereits durch die Natur der von ihm übernommenen Beratungsleistung bedingt waren. Dies aber war der Fall, falls die Arbeitszeitvorgaben allein daraus resultierten, dass die betrieblichen Öffnungszeiten berücksichtigt werden mussten. Unerheblich ist für das LAG Düsseldorf auch, dass im Rahmen der Beratungstätigkeit Abstimmungsprozesse – einschließlich einer Teilnahme an Besprechungen – erforderlich waren. Auch diese Form der Zusammenarbeit steht der Annahme einer selbständigen Tätigkeit nicht entgegen. Wenn die vertraglich vereinbarte Tätigkeit typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbständig erbracht werden kann und die tatsächliche Handhabe der Vertragsbeziehungen nicht zwingend für ein Arbeitsverhältnis spricht, müssen sich – so das LAG Düsseldorf – die Vertragsparteien grundsätzlich an dem von ihnen gewählten Vertragstypus festhalten lassen 75. Darauf hatte bereits das BAG im Urteil vom 9.6.2010 76 hingewiesen. Daran ändert auch die Überlassung von Betriebsmitteln nichts, wenn die Nutzung dieser Betriebsmittel im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit erfolgt. Auch die Mitteilung von Urlaubs- und Krankheitstagen steht der Annahme einer selbständigen Tätigkeit nicht entgegen, wenn dies der Einsatzplanung beziehungsweise der Planung etwaiger Abstimmungsprozesse beim Auftraggeber zu dienen bestimmt ist. Zu Recht hat das LAG Düsseldorf in seinem Urteil vom 21.7.2015 77 auch die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses entsprechend §§ 9, 10 AÜG abgelehnt. Denn Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Regelungen wäre gewesen, dass der Kläger bei dem EDV-Beratungsunternehmen als Arbeitnehmer beschäftigt war. Da das EDV-Beratungsunternehmen den Einsatz bei der Beklagten indes nur vermittelt hatte, ohne selbst ein Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu begründen, lagen die Voraussetzungen für die gesetzliche Begründung eines Arbeitsverhältnisses nicht vor. Dass der Kläger geltend machte, von der Beklagten wirtschaftlich abhängig gewesen zu sein, spiele dabei keine Rolle. Dem ist zuzustimmen. 75 LAG Düsseldorf v. 21.7.2015 – 3 Sa 6/15 n. v. (Rz. 42). 76 5 AZR 332/09, NZA 2010, 877 Rz. 33. 77 3 Sa 6/15 n. v. (Rz. 40 ff.).

406

Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen

Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass auch ohne die Anwendbarkeit von §§ 9, 10 AÜG bei der Umsetzung solcher Einsatzformen sehr genau darauf geachtet wird, dass der vor Ort tätige Solo-Selbständige tatsächlich nicht in die betriebliche Organisationsstruktur eingegliedert wird. Andernfalls besteht auch ohne eine Anwendbarkeit der gesetzlichen Regelungen zu unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis, das nach Ablauf der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG im Zweifel nur mit sozialer Rechtfertigung (§ 1 Abs. 2, 3 KSchG) beendet werden kann. (Ga)

8.

Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen als Verstoß gegen ein (nachvertragliches Wettbewerbsverbot)

Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ist der Arbeitnehmer entsprechend § 60 Abs. 1 HGB verpflichtet, während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ohne Einwilligung des Arbeitgebers nicht in Konkurrenz zum Arbeitgeber zu treten. Gemäß §§ 74 ff. HGB, 110 GewO kann der Arbeitgeber darüber hinaus mit dem Arbeitnehmer vereinbaren, dass seine berufliche Tätigkeit für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beschränkt ist (Wettbewerbsverbot). Losgelöst von dem beabsichtigten Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder einer Verhinderung des Einbruchs eines ausgeschiedenen Mitarbeiters in den Kunden und Lieferantenkreis kann ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auch dadurch begründet sein, dass dieser daran gehindert werden soll, sich in erheblichem wirtschaftlichen Umfang an einem Konkurrenzunternehmen zu beteiligen und damit mittelbar in Wettbewerb zum Arbeitgeber zu treten. Darauf hat das BAG im Urteil vom 7.7.2015 78 hingewiesen. Ein Wettbewerbsverbot, dass sich auf jede denkbare Form der Unterstützung eines Konkurrenzunternehmens beziehe, umfasse – so das BAG – deshalb auch das Belassen eines zinslosen Darlehens, dass der Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses einem Konkurrenzunternehmen zum Zwecke seiner Gründung ausgereicht habe. Damit liege auch eine Wettbewerbstätigkeit im Sinne des § 74 Abs. 1 HGB vor, wenn der Arbeitnehmer die Rückforderung eines solchen Darlehens unterlasse, falls dieses für das Fortbestehen des Konkurrenzunternehmens von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sei 79. (Ga) 78 10 AZR 260/14, NZA 2015, 1253 Rz. 20. 79 BAG v. 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, NZA 2015, 1253 Rz. 24.

407

D. Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub 1.

Reisezeiten als Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne

In der betrieblichen Praxis entstehen immer wieder Streitigkeiten über die Frage, wie Reisezeiten in Bezug auf arbeitszeitrechtliche Grenzen, die Frage einer Vergütung oder ein etwaiges Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu behandeln sind. Auch wenn die begriffliche Kennzeichnung insoweit zum Teil gleiche Kriterien verwendet, kommen die arbeitszeitrechtliche, die vergütungsrechtliche und die mitbestimmungsrechtliche Bewertung von Reisezeiten zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen. Darauf hat jetzt auch der EuGH in seinem Urteil vom 10.9.2015 1 hingewiesen. In dem zugrunde liegenden Fall ging es um die Frage, ob die mit Installations- und Wartungsarbeiten bei Sicherheitsvorrichtungen von Kunden eingesetzten Außendienstmitarbeiter der Fa. Tyco Reisezeit als Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne auch dann geltend machen konnten, wenn es um die Fahrt vom Wohnort zum ersten Kunden und die Fahrt vom letzten Kunden zurück zum Wohnort ging. Tyco hatte ausschließlich die Einsatzzeiten seiner Mitarbeiter an den Standorten der Kunden und die Fahrtzeiten von einem Kunden zum anderen berücksichtigt. Die Zeit bis zur Ankunft des Arbeitnehmers am Standort des ersten Kunden und die Dauer seiner Rückreise vom letzten Kunden wurden bei der täglichen Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne nicht berücksichtigt. Diese Fahrten, bei denen durch Tyco verfügbar gemachte Firmenfahrzeuge benutzt wurden, konnten bis zu 100 km bzw. drei Stunden (einfache Strecke) betragen. Die Kunden, ihre Adressen und die mit den Kunden vereinbarten Servicezeiten wurden den Mitarbeitern am Vortag durch Tyco elektronisch übermittelt. Zur Begründung dieser Handhabe ist durch Tyco darauf verwiesen worden, dass nur die Installation und Wartung der Sicherheitsvorrichtungen der Kunden als Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne behandelt werden könne, weil nur in dieser Zeit eine arbeitsvertraglich geschuldete Aufgabe verrichtet werde. Der Umstand, dass Tyco bis zur Schließung der Regionalbüros die Anfahrt zu den Kunden bzw. die Rückfahrt von den Kunden in die arbeitszeitrechtliche Arbeitszeit einbezogen habe, wenn sie vom/bis zum Regionalbüro erfolgt sei, spiele in der aktuellen Organisation des Außendienstes keine Rolle.

1

C-266/14 n. v. – Tyco.

409

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

In Übereinstimmung mit dem Generalanwalt hat der EuGH diese Sichtweise abgelehnt und auch die hier in Rede stehende Reisezeit in die Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne einbezogen. Arbeitszeit i. S. von Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 2003/88/EG sei jede Zeitspanne, während deren ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeite, dem Arbeitgeber zur Verfügung stehe und seine Tätigkeit ausübe oder seine Aufgaben wahrnehme. Zeiten, die von dieser Begriffsbestimmung erfasst würden, könnten nicht zugleich auch als Ruhezeit i. S. d. Richtlinie 2003/88/EG behandelt werden 2. In Übereinstimmung mit dem Generalanwalt geht der EuGH davon aus, dass Fahrten von Arbeitnehmern, die eine Beschäftigung wie die des Ausgangsverfahrens ausübten, zu den von ihrem Arbeitgeber bestimmten Kunden das notwendige Mittel seien, damit diese Arbeitnehmer bei den Kunden technische Leistungen erbringen könnten. Diese Fahrten nicht zu berücksichtigen, hätte zur Folge, dass ein Arbeitgeber geltend machen könnte, dass nur die für die Tätigkeit der Installation und Wartung der Sicherheitssysteme aufgewandte Zeit unter den Begriff der „Arbeitszeit“ i. S. von Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 2003/88/EG falle, was zur Folge hätte, dass dieser Begriff verfälscht und das Ziel des Schutzes der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer beeinträchtigt würde. Dass auch Tyco im Grunde eine entsprechende Bewertung vorgenommen habe, werde bereits darin erkennbar, dass die Aufgabe, ein Fahrzeug von einem Regionalbüro zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zu diesem Büro zu führen, bis zur Schließung dieser Büros zu den Aufgaben und zur Tätigkeit dieser Arbeitnehmer gerechnet worden sei. Am Wesen dieser Fahrten habe sich aber seit der Schließung der Regionalbüros nichts geändert. Nur der Ausgangspunkt der Fahrten sei anders. Hiervon ausgehend müsse bei Arbeitnehmern, die sich einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens befänden, angenommen werden, dass sie während der Fahrtzeit Wohnort/Kunden ihre Tätigkeit ausübten oder ihre Aufgaben wahrnähmen 3. Nach Auffassung des EuGH standen die Arbeitnehmer dem Arbeitgeber während dieser Reisezeiten auch in einer Weise zur Verfügung, die ihre Kennzeichnung als Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne rechtfertigte. Zwar habe Tyco deutlich gemacht, dass die Mitarbeiter nicht verpflichtet seien, ihr Telefon während der Fahrtzeit einzuschalten. Außerdem gäbe es keine Vorgaben von Tyco, die die Route zum Kunden und den Startzeitpunkt beträfen. 2 3

EuGH v. 10.9.2015 – C-266/14 n. v. (Rz. 25 ff.) – Tyco. EuGH v. 10.9.2015 – C-266/14 n. v. (Rz. 32 ff.) – Tyco.

410

Reisezeiten als Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne

Berechtigterweise hat der EuGH allerdings die darin liegende Freiheit noch nicht als ausreichend angesehen, um in Bezug auf diese Tätigkeit von einer fehlenden Weisungsberechtigung des Arbeitgebers auszugehen. Denn der Arbeitgeber hatte die Kundenreihenfolge und die Servicezeiten festgelegt. Bei einem Arbeitnehmer, der keinen festen oder gewöhnlichen Arbeitsort habe, gehörten diese Fahrten deshalb untrennbar zum Wesen des Arbeitnehmers. Sein Arbeitsort könnte deshalb nicht auf die Orte beschränkt werden, an denen er bei den Kunden des Arbeitgebers physisch tätig werde. Dass die Fahrten an dem eigenen Wohnort begännen und dort auch endeten, habe keine abweichende Bewertung zur Folge, denn dies sei eine unmittelbare Folge der Entscheidung des Arbeitgebers, die Regionalbüros zu schließen. Da den Arbeitnehmern auf diese Weise die Möglichkeit genommen wurde, die Entfernung zwischen ihrem Wohnort und dem gewöhnlichen Ort des Beginns und des Endes ihres Arbeitstages frei zu bestimmen, könne ihnen nicht auferlegt werden, die Folgen der Entscheidung ihres Arbeitgebers, diese Büros zu schließen, zu tragen 4. Grundsätzlich kann dieser Sichtweise zugestimmt werden. Allerdings wird man sich die Frage stellen müssen, ob man nicht den Teil der Reisezeit aus der arbeitszeitrechtlichen Betrachtungsweise herausnehmen muss, den der Arbeitnehmer bis zur Schließung der Regionalbüros für deren Anfahrt gebraucht hat. Für eine solche Möglichkeit spricht, dass der EuGH die vorstehend wiedergegebene Bewertung zur arbeitszeitrechtlichen Behandlung der Reisezeiten auch mit der Begründung rechtfertigt, dass verhindert werden müsse, dass den Arbeitnehmern die Belastung der Reisen als Folge der Schließung der Regionalbüros „in vollem Umfang … auferlegt würde“. Ungeachtet dessen wird man bei der Umsetzung der vorstehend genannten Entscheidung zu berücksichtigen haben, dass damit keinerlei Feststellungen in Bezug auf die Vergütung solcher Reisezeiten getroffen werden. Darauf hat der EuGH ausdrücklich hingewiesen 5. Die Richtlinie 2003/88/EG sei – so der EuGH – mit Ausnahme der zum bezahlten Jahresurlaub in Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG getroffenen Vorgaben darauf beschränkt, bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln. Auf die Vergütung der Arbeitnehmer fände sie deshalb grundsätzlich keine Anwendung. Auch wenn die Reisezeit unter den besonderen Umständen des Ausgangsverfahrens als Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne anzusehen sei, könne Tyco daher in den Grenzen des nationalen Rechts frei bestimmen, ob und inwieweit eine Vergütung erfolge. 4 5

EuGH v. 10.9.2015 – C-266/14 n. v. (Rz. 35 ff., 43 f.) – Tyco. EuGH v. 10.9.2015 – C-266/14 n. v. (Rz. 47 ff.) – Tyco.

411

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Diese Unabhängigkeit der Feststellungen des EuGH gilt auch in Bezug auf die mitbestimmungsrechtliche Betrachtungsweise. Maßgeblich ist insoweit § 87 Abs. 1 Nrn. 2, 3 BetrVG. Danach kann der Betriebsrat bei Beginn und Ende der Reisezeit sowie ihrer Verteilung auf die einzelnen Wochentage mitbestimmen, wenn und soweit es sich um Arbeitszeit im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne handelt. Das Gleiche gilt dann, wenn durch Reisezeiten die betriebsübliche Arbeitszeit überschritten wird. Reisezeit im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne wird durch das BetrVG nicht definiert. Grundsätzlich gehört hierzu die Zeit, während derer der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich erbringen soll. Ob es sich dabei um die Erfüllung der Hauptleistungspflicht oder um eine vom Arbeitgeber verlangte sonstige Leistung handelt, ist solange ohne Bedeutung, wie die sonstige Leistung in der Erbringung von „Arbeit“ besteht. „Arbeit“ ist dabei eine Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient und auf Veranlassung des Arbeitgebers erfolgt 6. Hiervon ausgehend genügt es für die Anerkennung des Mitbestimmungsrechts allerdings nicht, dass die Reise durch den Arbeitgeber veranlasst wird. Vielmehr muss bei dieser Reise auch körperliche oder geistige Arbeit geleistet werden. Ordnet der Arbeitgeber eine außerplanmäßige Dienstreise an, die Reisezeiten außerhalb der normalen Arbeitszeit erforderlich macht, liegt hierin deshalb keine gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtige Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit, wenn während der Reisezeit keine Arbeitsleistung zu erbringen ist 7. Daraus erfolgt auch, dass entsprechende Zeiten schon nicht zur Arbeitszeit i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG gehören, also in Bezug auf Beginn, Ende und Verteilung auf die einzelnen Wochentage keine Zustimmungsplicht gegeben ist. Die Anordnung einer Reise, während der der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung/keine Arbeitsaufgaben zu erbringen hat, löst kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nrn. 2, 3 BetrVG aus 8. Ungeachtet dessen liegt betriebsverfassungsrechtliche Arbeitszeit vor, wenn der Arbeitnehmer auf Anordnung des Arbeitgebers das Fahrzeug, mit dem gereist wird, selbst lenkt 9. Ob dies auch dann gilt, wenn der Arbeitgeber die Wahl des Verkehrsmittels offen lässt, ist in Rechtsprechung und Literatur zwar nicht erkennbar. Richtigerweise wird man hier allerdings unter Rück6 7 8 9

Vgl. BAG v. 14.11.2006 – 1 ABR 5/06, NZA 2007, 458 ff. BAG v. 23.7.1996 – 1 ABR 17/96, NZA 1997, 216 ff. Rz. 28 ff. BAG v. 14.11.2006 – 1 ABR 5/06, NZA 2007, 458 ff. Rz. 25 ff. Vgl. HSWGNR/Worzalla, BetrVG § 87 Rz. 236; ErfK/Kania, BetrVG § 87 Rz. 25.

412

Reisezeiten als Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne

griff auf die Grundsätze in Bezug auf die Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne keine betriebsverfassungsrechtliche Arbeitszeit annehmen, wenn die Wahl des PKW durch den Arbeitnehmer erfolgt, obwohl auch ÖPNV, Flugzeug oder Taxi verfügbar gewesen sind 10. Aus diesen Grundsätzen heraus folgt, dass Arbeitnehmer, deren Tätigkeit zwingend die Benutzung des Dienstwagens verlangt, bereits mit Aufnahme der Fahrt von dem Begriff der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitszeit erfasst werden. Der Betriebsrat kann also mitbestimmen, wann solche Fahrten frühestens erfolgen und wann sie spätestens enden und an welchen Wochentagen solche Tätigkeiten erbracht werden. Arbeitnehmer, deren Tätigkeit aber nicht zwingend einen eigenen Dienstwagen verlangt und deren Hauptleistungspflicht nicht durch Reisen geprägt ist (z. B. Mitarbeitercontrolling), fallen mit ihrer Reise nicht in den Begriff der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitszeit, wenn die Verwendung des eigenen Dienstwagens durch den Arbeitgeber nicht vorgegeben wird. Dass in der Literatur zum Teil auch weitergehende Ansichten vertreten werden 11, zeigt, dass der Umfang der Zeiten, die der Mitbestimmung des Betriebsrats zugeordnet werden müssen, im Einzelfall streitig werden kann. Wichtig für die betriebliche Praxis ist allerdings, dass damit keine Entscheidung über die Vergütung dieser Zeiten verbunden ist. Diese Frage bleibt – wie bei der arbeitszeitrechtlichen Betrachtungsweise – bei § 87 Abs. 1 Nrn. 2, 3 BetrVG ausgegrenzt. Die Vergütungspflicht von Reisezeiten bestimmt sich nach den individualund kollektivrechtlichen Vereinbarungen, der individuellen Aufgabenbeschreibung, einer etwaigen betrieblichen Übung oder arbeitgeberseitigen Zusagen, die für einzelne Bereiche/Funktionen gemacht wurden. Eine Regelung zur Vergütung der Reisezeiten kann der Betriebsrat im Einigungsstellenverfahren auch nicht über § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erzwingen. Denn er kann nur die Verteilung, nicht aber die Frage beeinflussen, ob bestimmte Reisezeiten überhaupt bezahlt werden. Diese Frage kann allenfalls durch den einzelnen Arbeitnehmer zum Gegenstand eines Urteilsverfahrens gemacht werden. Da Dienstreisen immer einen Bezug zur Arbeitsleistung haben und ihre Anordnung im Zweifel über § 106 S. 1 GewO erfolgt, gibt es auch kein Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. (Ga)

10 Vgl. HWK/Gäntgen, ArbZG § 2 Rz. 7. 11 Vgl. DKKW/Klebe, BetrVG § 87 Rz. 83.

413

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

2.

Generelle Pflicht zur Bezahlung von Umkleidezeit bei der Verwendung von Schutzausrüstungen

Auch auf der Grundlage der aktuellen Rechtsprechung des BAG ist es möglich, dass Umkleidezeiten (einschließlich der hierfür erforderlichen innerbetrieblichen Wegezeiten) als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu kennzeichnen sind. Etwas anderes gilt nur dort, wo durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag eine hiervon abweichende Entscheidung getroffen wurde. Wir hatten auf die diesbezügliche Rechtsprechung des BAG 12 bereits bei früherer Gelegenheit hingewiesen 13. Ein Urteil des LAG Hamburg vom 6.7.2015 14 trennt sich nun allerdings von diesem vergütungsrechtlichen Bewertungsansatz. Abweichend hiervon geht das Gericht davon aus, dass Umkleidezeiten jedenfalls dann zu bezahlen sind, wenn die betroffene Kleidung aus Gründen der Arbeitssicherheit oder des Gesundheitsschutzes getragen werden muss. Da diese Rechtsfolge aus § 3 Abs. 3 ArbSchG abzuleiten sei, könnten auf individual- und kollektivrechtlicher Ebene auch keine abweichenden Vereinbarungen hiervon getroffen werden.

a)

Sachverhalt und Entscheidung des LAG Hamburg

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um einen Arbeitgeber der metallverarbeitenden Industrie. Da er Mitglied des Hamburger Arbeitgeberverbands der Metall- und Elektro-Industrie (NORDMETALL) war, galten für rund 650 seiner Mitarbeiter die Bestimmungen des zwischen NORDMETALL und der IG Metall Küste abgeschlossenen Manteltarifvertrags vom 03.10.2008 (MTV). Bezüglich der hier relevanten Frage, welche Zeiten als Arbeitszeit zu vergüten sind, bestimmte der MTV u. a.: § 3 Arbeitszeit 1.

Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit

1.1 Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt a) Für Hamburg und Umgebung sowie Schleswig-Holstein 35 Stunden. 12 Vgl. BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 954/12, NZA 2014, 787 Rz. 18; BAG v. 12.11.2013 – 1 ABR 59/12, NZA 2014, 557 Rz. 32 ff.; BAG v. 12.12.2012 – 5 AZR 355/12, DB 2013, 759 Rz. 17; BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 678/11, BB 2012, 3135 Rz. 28; BAG v. 10.11.2009 – 1 ABR 54/08, DB 2010, 454 Rz. 15. 13 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2013, 67 ff. 14 8 Sa 53/14 n. v.

414

Generelle Pflicht zur Bezahlung von Umkleidezeit

(…) 6.

Pausen, Umkleiden und Waschen

Zeiten für Umkleiden und Waschen sowie Pausen sind keine Arbeitszeit, soweit nicht innerbetriebliche abweichende Regelungen getroffen werden.

Auf der Grundlage eines weiteren Haustarifvertrags hatte der Arbeitgeber ergänzend hierzu mit dem Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung über Gleitende Arbeitszeit“ (BV Arbeitszeit) abgeschlossen. Hiernach betrug die regelmäßige tägliche Sollarbeitszeit für den Betrieb sieben Stunden. Die Erfassung der täglichen Arbeitszeit erfolgte mittels eines elektronischen Zeiterfassungssystems, wobei die Mitarbeiter verpflichtet waren, Arbeitsbeginn und Arbeitsende mittels des dem Arbeitsplatz jeweils nächstgelegenen Terminals zu erfassen. Aus Gründen des Arbeitsschutzes waren eine Reihe von Arbeitnehmern angewiesen, in den Produktionshallen nur mit entsprechender Schutzkleidung zu arbeiten. Zum Zwecke des An- und Ablegens dieser persönlichen Schutzausrüstung (PSA) mussten die entsprechenden Mitarbeiter nach Betreten des Betriebsgeländes zunächst zur Waschkaue gehen, die dort für sie bereitliegende PSA aus einem Wäschefach entnehmen, sich zu ihrem Spint begeben und die Schutzkleidung anlegen. Dies wiederholte sich umgekehrt am Ende eines jeden Arbeitstags. Im Jahre 2013 hat der Kläger erstmals geltend gemacht, die von ihm aufgewendeten Zeiten für das An- und Ablegen der PSA und die damit zusammenhängenden innerbetrieblichen Wegezeiten seien als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu qualifizieren. Ausgehend davon, dass er für diese Tätigkeit pro Schicht mindestens 30 Minuten benötige, sollte eine entsprechende Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto erfolgen. Nachdem das ArbG Hamburg die Klage noch unter Verweis auf die tarifvertragliche Regelung abgewiesen hatte, hat das LAG Hamburg dann allerdings mit Urteil vom 6.7.2015 15 festgestellt, dass der Kläger berechtigt sei, seine PSA nach dem Einstempeln zu Beginn der Schicht im Zeiterfassungsterminal anzulegen und vor dem Ausstempeln am Zeiterfassungsterminal abzulegen. Die Beklagte sei verpflichtet, die mit Hilfe des Zeiterfassungsterminals erfassten Zeiten als Arbeitszeit gemäß MTV zu vergüten. In den Gründen seiner Entscheidung hat das LAG Hamburg zwar anerkannt, dass die Tarifvertragsparteien grundsätzlich berechtigt sind, die Höhe des 15 8 Sa 53/14 n. v.

415

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Entgelts für Arbeitsleistung festzulegen. Dies umfasse auch die Befugnis, für Teile der Arbeitszeit die Vergütungspflicht auszuschließen. Die Tarifvertragsparteien seien bei solchen Regelungen jedoch an höherrangiges Recht gebunden. Hiervon ausgehend sei § 3 Ziffer 6 MTV unwirksam, weil er gegen § 3 Abs. 3 ArbSchG verstoße, soweit die Vergütung für vom Arbeitgeber veranlasste Umkleide- und die damit verbundenen Wegezeiten ausgeschlossen werde.

b)

Stellungnahme

Die vorstehend genannte Bewertung des LAG Hamburg überzeugt nicht. Sie verkennt die unionsrechtliche Grundlage der in § 3 Abs. 3 ArbSchG getroffenen Regelung und steht im Widerspruch zu Wortlaut, Systematik und Zweck der arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben. Es steht zu hoffen, dass das BAG die Entscheidung abändern und die Klage abweisen wird. Revision gegen das Urteil ist zugelassen und eingelegt. aa)

Ausgangspunkt: Umkleide-/Wegezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit

Der arbeitsvertragliche Anspruch auf Vergütung setzt grundsätzlich voraus, dass die Umkleidezeiten überhaupt zu den arbeitsvertraglich „versprochenen Diensten“ im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB gehören, mithin eine zu vergütende Arbeitsleistung darstellen. Während das BAG in früheren Entscheidungen noch davon ausgegangen war, Umkleide- und diesbezügliche innerbetriebliche Wegezeiten seien als reine Vor- bzw. Nachbereitungshandlungen schon deshalb nicht vergütungspflichtig, weil es hier an einer entsprechenden Vergütungserwartung (vgl. § 612 Abs. 1 BGB) fehle, hält das BAG seit seiner Entscheidung vom 19.9.2012 16 hieran ausdrücklich nicht mehr fest. Nunmehr geht das Gericht vielmehr davon aus, die Vergütungspflicht des Arbeitsgebers nach § 611 Abs. 1 BGB bzw. der dort enthaltene Begriff der „versprochenen Dienste“ sei nicht auf die eigentliche Haupttätigkeit beschränkt, sondern erstrecke sich auch auf jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Denn der Arbeitgeber verspreche die Vergütung – so das BAG – regelmäßig für alle Dienste, die er

16 5 AZR 678/11, BB 2012, 3135 Rz. 28.

416

Generelle Pflicht zur Bezahlung von Umkleidezeit

dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Direktionsrechts abverlangt 17. Abweichend von seiner früheren Rechtsprechung ist das BAG in neueren Entscheidungen deshalb auch zu der Erkenntnis gelangt, das Umkleiden im Betrieb sei grundsätzlich zu vergüten, sofern es (a) durch den Arbeitgeber angeordnet wurde, (b) Folge der konkreten Ausgestaltung der Arbeitskleidung oder (c) zur Einhaltung arbeits- und/oder umweltschutzrechtlicher Vorschriften erforderlich sei. In allen vorgenannten Fallgruppen überwiege - so das BAG - letztlich die Fremdnützigkeit des Umkleidevorgangs 18. Dabei erstreckt sich die Vergütungspflicht nach Ansicht des BAG nicht nur auf den Umkleidevorgang selbst, sondern auch auf Wegezeiten, die dadurch veranlasst sind, dass der Arbeitgeber das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz selbst ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle einrichtet, die der Arbeitnehmer zwingend benutzen muss 19. Folgt man dieser Rechtsprechung, so war in dem hier in Rede stehenden Fall einer Verwendung von PSA zunächst einmal anzunehmen, dass das vorbzw. nachgelagerte Umkleiden grundsätzlich Bestandteil der zu vergütenden Arbeitsleistung war. Entsprechendes galt auch für die hierdurch veranlassten innerbetrieblichen Wegezeiten. Denn zum einen war das Tragen der PSA in den jeweiligen Gefahrenbereichen nicht nur für die Durchführung der vom Arbeitnehmer erwarteten Hauptleistung erforderlich; es war dem Arbeitgeber auch arbeitsschutzrechtlich verboten, den Kläger ohne entsprechende PSA zur Verrichtung seiner Arbeit einzusetzen. Zum anderen hatte der Arbeitgeber in Erfüllung dieser gesetzlichen Schutzpflichten neben dem eigentlichen Tragen einer bestimmten Sicherheitskleidung auch vorgeschrieben, wo genau im Betrieb der Umkleidevorgang zu erfolgen hatte. bb)

Tarifvertraglicher Ausschluss des Vergütungsanspruchs

Auch wenn die entsprechenden Umkleide-/Wegezeiten vom Grundsatz her Bestandteil der Arbeitsleistung sind, ist ein Vergütungsanspruch nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG allerdings ausgeschlossen, wenn im Tarifvertrag wirksam vereinbart wurde, dass für diese Zeiten keine Vergütung 17 Vgl. hierzu BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 954/12, NZA 2014, 787 Rz. 18; BAG v. 12.12.2012 – 5 AZR 355/12, DB 2013, 759 Rz. 17; BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 678/11, BB 2012, 3135 Rz. 28. 18 Vgl. hierzu BAG v. 12.11.2013 – 1 ABR 59/12, NZA 2014, 557 Rz. 32 ff.; BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 687/11, BB 2012, 3135 Rz. 18 ff.; BAG v. 10.11.2009 – 1 ABR 54/08, DB 2010, 454 Rz. 15. 19 Vgl. BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 954/12, NZA 2014, 787 Rz. 19 ff.; BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 687/11, BB 2012, 3135 Rz. 23.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

geschuldet ist. Lässt man die mögliche Einwirkung des MiLoG an dieser Stelle einmal unberücksichtigt, genügt nämlich der Umstand noch nicht, dass bestimmte Tätigkeiten zu den „versprochenen Diensten“ im weiteren Sinne zählen, um einen Vergütungsanspruch auszulösen. Vielmehr muss eine Bezahlung der jeweiligen Tätigkeit ausdrücklich vereinbart (§ 611 Abs. 1 BGB) oder jedenfalls den Umständen nach zu erwarten sein (§ 612 Abs. 1 BGB). Damit fehlt es an einem Vergütungsanspruch, wenn die für den Vergütungsanspruch maßgeblichen (Tarifvertrags-)Parteien wirksam vereinbart haben, dass Umkleide- und diesbezügliche innerbetriebliche Wegezeiten bereits mit dem monatlichen Grundgehalt abgegolten, jedenfalls aber nicht gesondert zu vergüten sind. Hierauf hat im Übrigen auch der 5. Senat in seinem Urteil vom 19.9.2012 20 völlig zu Recht hingewiesen. Dort heißt es unter den Randziffern 26 bis 29 wörtlich: Der TV-L hat – was rechtlich grundsätzlich möglich wäre – bei den tariflichen Regelungen zur Arbeitszeit die Dauer von Umkleidezeiten und der durch das Umkleiden veranlassten innerbetrieblichen Wegezeiten nicht pauschaliert (…). Aus dem TV-L ergeben sich [auch] keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten die tarifliche Vergütungspflicht abweichend von der gesetzlichen regeln wollen (…). Eine gesonderte Vergütungsregelung für Umkleidezeiten und durch das Umkleiden veranlasster innerbetrieblicher Wegezeiten hat der TV-L nicht getroffen.

Schon dieser Hinweis in der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zeigt, dass das BAG tarifliche Regelungen, die – wie hier geschehen - die Frage einer Vergütung von Umkleidezeiten regeln, vom Grundsatz her anerkennt. Hierfür spricht im Übrigen auch eine Entscheidung des BAG vom 19.3.2014 21, in der der 5. Senat noch einmal ausdrücklich auf die vorstehende Entscheidung Bezug nimmt und ergänzend hierzu bestimmt: Durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit getroffen werden 22.

20 5 AZR 678/11, BB 2012, 3135 Rz. 26 ff. 21 5 AZR 954/12, NZA 2014, 787 Rz. 30. 22 Vgl. BAG v. 12.12.2012 – 5 AZR 355/12, DB 2013, 759 Rz. 18; BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 678/11, BB 2012, 3135 Rz. 29; BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 200/10, DB 2011, 1639 Rz. 32.

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Generelle Pflicht zur Bezahlung von Umkleidezeit

Wichtig ist hierbei, dass eine solche tarifliche Regelung weder der gerichtlichen AGB-Kontrolle unterliegt (vgl. § 310 Abs. 4 BGB) noch einer sonst wie gearteten Angemessenheitskontrolle unterzogen werden kann. Dies gilt nach zutreffender Ansicht des BAG nicht nur bei unmittelbarer Tarifbindung, sondern ebenso auch für Nicht-Gewerkschaftsmitglieder, deren Arbeitsvertrag auf den MTV in seiner jeweils gültigen Fassung Bezug nimmt. Tarifliche Regelungen können lediglich darauf hin überprüft werden, ob sie gegen die Verfassung, höherrangiges Recht, die guten Sitten oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstoßen 23. Eine über diese reine Rechtskontrolle hinausgehende Inhaltskontrolle – etwa auf inhaltliche Ausgewogenheit - findet dagegen nicht statt. Damit hängt die Anerkennung eines Vergütungsanspruchs maßgeblich davon ab, ob die im MTV getroffene Regelung zum Ausschluss einer solchen Vergütung der Umkleidezeiten wirksam ist. cc)

Verstoß gegen das ArbSchG?

Das LAG Hamburg hat in seinem Urteil vom 6.7.2015 24 einen solchen Verstoß gegen § 3 Abs. 3 ArbSchG angenommen. Danach darf der Arbeitgeber Kosten für Maßnahmen nach dem ArbSchG nicht den Beschäftigten auferlegen. In den Entscheidungsgründen hat das LAG Hamburg darauf verwiesen, dass Maßnahmen i. S. d. § 3 Abs. 3 ArbSchG nicht nur die der Arbeitssicherheit dienenden Sachmittel seien, sondern auch Arbeitszeiten, die erforderlich seien, um diese Sachmittel anzuwenden. Nach allgemeinem Sprachgebrauch seien Maßnahmen alle Handlungen und Regelungen, die etwas Bestimmtes bewirken sollen. Hierzu gehörte auch das An- und Ablegen von Schutzkleidung, zumal § 3 Abs. 3 ArbSchG keine Einschränkung dahingehend enthalte, dass die Maßnahmen des Arbeitsschutzes, deren Kosten die Beschäftigten nicht tragen dürfen, nur Maßnahmen sein dürften, die der Arbeitgeber selber vornehme. Vielmehr fielen darunter auch Maßnahmen, die der Arbeitnehmer im Auftrag des Arbeitgebers ausführen müsse, um die gesetzlichen Bestimmungen zu beachten. Dazu gehöre auch das An- und Ablegen von PSA. Dies werde auch daraus erkennbar, dass der Arbeitgeber „insbesondere“ Schutzausrüstung zur Verfügung stellen müsse.

23 Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG v. 6.11.1996 – 5 AZR 334/95, NZA 1997, 778 Rz. 31. 24 8 Sa 53/14 n. v.

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Diese außerordentlich weite Auslegung von § 3 Abs. 3 ArbSchG entspricht der Rechtsprechung anderer Instanzgerichte 25 und wird auch in der Literatur zum Teil vertreten 26. Anzunehmen ist allerdings, dass der wohl überwiegende Teil der Literatur diese Auslegungsmöglichkeit gar nicht als denkbar angesehen und deshalb auch nicht zu § 3 ArbSchG behandelt hat. Mit Ausnahme von Kohte/Feldhoff/Faber und Landmann/Rohmer 27 finden sich in den übrigen Kommentierungen nämlich weder zu- noch ablehnende Stimmen, was angesichts der Bedeutung dieser Frage nahegelegen hätte 28. Das Ergebnis überzeugt indes nicht. Schon der Wortlaut des Gesetzes spricht von „Maßnahmen nach diesem Gesetz“, nicht aber von Handlungen des Arbeitnehmers. Dass dies nicht auch jedwede Tätigkeit des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit dem Arbeits- und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz erfasst, macht auch der Gesamtzusammenhang deutlich. Denn § 3 Abs. 1 ArbSchG verpflichtet den Arbeitgeber, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen (vgl. Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 89/391/EWG). Er setzt sie um (Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 89/391/EWG). Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und ggf. anzupassen. Keine Regelung des ArbSchG spricht demgegenüber von „Maßnahmen des Arbeitnehmers“. Im Gegenteil: § 3 Abs. 2 Nr. 2 ArbSchG zeigt, dass die Arbeitnehmer bei ihrer Tätigkeit die Maßnahmen des Arbeitgebers beachten sollen. Hinzu kommt der Umstand, dass das ArbSchG selbst gar keine unmittelbare Pflicht zum Tragen von Schutzausrüstung begründet. Sowohl das ArbSchG als auch die unter seinem Dach erlassenen Arbeitsschutzverordnungen (insbesondere die PSA-Benutzungsverordnung, kurz PSA-BV) sehen nur eine Pflicht des Arbeitgebers zur Bereitstellung, Wartung und Reparatur der PSA bzw. zur Unterweisung des Arbeitnehmers in deren Benutzung vor (vgl. §§ 2 und 3 PSA-BV). Die anschließende Verwendung der PSA und damit auch deren An- bzw. Ablegen fällt dagegen nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 ArbSchG in den originären Pflichtenkreis des Arbeitnehmers. Dort wird 25 Vgl. nur LAG Rheinland-Pfalz v. 30.1.2014 – 2 Sa 361/13, AuR 2015, 108 Rz. 25; ArbG Berlin v. 17.10.2012 – 28 BV 14611/12, ZTR 2013, 164 Rz. 48. 26 Vgl. Kohte/Feldhoff/Faber/Blume/Faber, ArbSchG, § 3 Rz. 101; Kohte/Bernhardt, jurisPR-ArbR 30/2011, Anm. 2; Landmann/Rohmer/Wiebauer, ArbSchG, § 3 Rz. 71. 27 Kohte/Feldhoff/Faber/Blume/Faber, ArbSchG, § 3 Rz. 101; Landmann/Rohmer/ Wiebauer, ArbSchG, § 3 Rz. 71. 28 Vgl. nur ErfK/Wank, ArbSchG, § 3 Rz. 1 ff.; Kittner/Zwanziger/Deinert/Schoof, Arbeitsrechtshandbuch, § 26 Rz. 34; Kollmer/Klindt/Kothe, ArbSchG, § 3 Rz. 91 ff.; Pieper, ArbSchG, § 3 Rz. 14 ff.

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Generelle Pflicht zur Bezahlung von Umkleidezeit

– ebenso wie in §§ 16, 17 ArbSchG – nur geregelt, wie die Beschäftigten mit „Maßnahmen des Arbeitgebers“ umzugehen haben, soweit diese Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit betreffen. Schon aus Wortlaut und Gesamtzusammenhang folgt deshalb, dass Handlungen des Arbeitnehmers in Erfüllung arbeitsvertraglicher und/oder gesetzlicher Pflichten zur Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit durch § 3 Abs. 3 ArbSchG nicht erfasst werden. Da § 3 Abs. 3 ArbSchG insoweit auch in einem engen systematischen Zusammenhang mit der Pflicht des Arbeitgebers steht, zur Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit erforderliche Sachmittel bereitzustellen, lässt sich der systematische Aufbau des § 3 ArbSchG gerade als Argument gegen eine generelle Vergütungspflicht des Arbeitgebers nutzen. § 3 Abs. 3 ArbSchG verbietet dem Arbeitgeber nur, die Kosten einer Analyse etwaiger Gefahren und die daran geknüpfte Bereitstellung der PSA auf den Arbeitnehmer abzuwälzen. Für diese Auslegung spricht auch die Gesetzesbegründung zu § 3 ArbSchG 29. Dort heißt es wörtlich: Das Verbot, die Kosten für Arbeitsschutzmaßnahmen den Beschäftigten aufzuerlegen (Absatz 3), entspricht Artikel 6 Abs. 5 der Rahmenrichtlinie [89/391/EWG]. Im Zusammenhang mit der Pflicht des Arbeitgebers, die erforderlichen Mittel bereitzustellen, ergibt sich, daß in aller Regel die Kosten für Arbeitsschutzmaßnahmen, insbesondere für die Zurverfügungstellung von persönlichen Schutzausrüstungen, beim Arbeitgeber verbleiben, es sei denn, es bestehen rechtlich abgesicherte Kostenübernahmevereinbarungen oder sonstige spezielle Regelungen.

Damit hat der Gesetzgeber gerade zu erkennen gegeben, dass sich § 3 Abs. 3 ArbSchG nur auf die Kosten der vom Arbeitgeber bereitgestellten Sachmittel bezieht und eben nicht eine allgemeine Vergütungspflicht, z.B. für das Anlegen der PSA, begründet. Das LAG Hamburg hat insofern verkannt, dass der Einschub „insbesondere für die Zurverfügungstellung von persönlicher Schutzausrichtung“ hinter dem einleitenden Hinweis des Gesetzgebers steht, die Kostentragungspflicht des § 3 Abs. 3 ArbSchG sei stets im Zusammenhang mit der Pflicht des Arbeitgebers zu sehen, die für den Arbeitsschutz erforderlichen (Sach-)Mittel bereitzustellen 30. Dass der Gesetzgeber im Rahmen von § 3 Abs. 3 ArbSchG auch keine Entgeltfortzahlungspflicht begründen wollte, zeigt bereits ein Vergleich mit § 12 Abs. 1 ArbSchG. Dort ist ausdrücklich festgelegt, dass der Arbeitgeber 29 BT-Drucks. 13/3540, S. 16. 30 Vgl. LAG Hamburg v. 6.7.2015 – 8 Sa 53/14 n. v.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit „während der Arbeitszeit“ zu unterweisen hat. Das begründet ausdrücklich einen Anspruch auf Vergütung. Hätte der Gesetzgeber eine solche Verpflichtung auch für das Tragen von Schutzausrüstung begründen wollen, hätte es nahegelegen, § 15 Abs. 1 ArbSchG entsprechend zu ergänzen. In Übereinstimmung mit Art. 13 Rahmenrichtlinie 89/391/EWG, die dem ArbSchG in seiner Gesamtheit zugrunde liegt, spricht § 15 Abs. 1 ArbSchG aber nur davon, dass die Beschäftigten verpflichtet sind, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen und in diesem Zusammenhang auch die ihnen zur Verfügung gestellte persönliche Schutzausrüstung bestimmungsgemäß zu verwenden haben. Eine weitergehende Entgeltfortzahlungsverpflichtung war auch unionsrechtlich nicht gewollt. Denn die Richtlinie 89/391/EWG hat die Frage der Entgeltfortzahlung behandelt, aber ausdrücklich nur im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Arbeitnehmern als Beauftragte zur Gefahrenverhütung (Art. 7 Abs. 1, 2) sowie bei Arbeitnehmervertretern mit einer besonderen Funktion bei der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer (Art. 11 Abs. 5). Hier ist das Verbot einer Benachteiligung und das Gebot einer Arbeitsbefreiung ohne Lohnausfall vorgesehen. Ergänzend hierzu sieht Art. 12 Abs. 4 Richtlinie 89/391/EWG vor, dass die Unterweisung der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit zu erfolgen hat. Bei allen anderen Handlungspflichten, die Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsschutzes treffen (Art. 13 ff.), sind solche Pflichten des Arbeitgebers nicht vorgesehen. Das gilt – wie ausgeführt – auch und insbesondere für das Tragen von Schutzausrüstungen. Losgelöst von der unionsrechtlichen Entwicklung spricht für eine Begrenzung des § 3 Abs. 3 ArbSchG auf Sachkosten auch ein weiteres historisches Argument. § 3 Abs. 3 ArbSchG transformiert nämlich nicht nur Art. 6 Abs. 5 der Rahmenrichtlinie 89/391/EWG in deutsches Recht. Diese Regelung entspricht im Ergebnis vielmehr auch der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland vor dem Inkrafttreten des ArbSchG. Danach war und ist der Arbeitgeber nicht nur öffentlich-rechtlich über das ArbSchG, sondern auch vertragsrechtlich über § 618 BGB verpflichtet, die in seinem Betrieb anfallenden Kosten für den Arbeits- und Gesundheitsschutz und in diesem Zusammenhang eben auch für die persönliche Schutzausrüstung zu tragen 31. Abweichungen zu Lasten der Beschäftigten sind nach § 619 BGB unwirk31 Vgl. BAG v. 21.8.1985 – 7 AZR 199/83, NZA 1986, 324 Rz. 45 ff.; BAG v. 18.8.1982 – 5 AZR 493/80, DB 1983, 234 Rz. 14 ff.

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sam. In § 618 Abs. 1 BGB ist dann aber wiederum nur von der Beschaffung, Einrichtung und Unterhaltung der Gerätschaften durch den Arbeitgeber die Rede. Der Rechtsprechung des BAG lassen sich zwar keine unmittelbaren Anhaltspunkte zur Bedeutung von § 3 Abs. 3 ArbSchG im Zusammenhang mit Umkleidezeiten entnehmen. Zu berücksichtigen sind allerdings die Ausführungen des BAG im Urteil vom 11.10.2000 32. Nach den tatbestandlichen Feststellungen galten für die dortige Beklagte nämlich die Unfallverhütungsvorschriften „Abfallwirtschaft“, die das Tragen von Schutzkleidung vorschreiben. Im Zeitpunkt der Entscheidung galt zudem bereits § 3 Abs. 3 ArbSchG. Dennoch ist der 5. Senat des BAG zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, der Arbeitgeber sei gegenüber einem „Fahrer/Müllerwerker“ nicht zur Vergütung der vorherigen bzw. anschließenden Umkleidezeiten verpflichtet, weil diese Verpflichtung durch den entsprechenden Tarifvertrag gerade ausgeschlossen war. Dass der 5. Senat des BAG gesetzliche Schranken, die durch die Tarifvertragsparteien hätten beachtet werden müssen, insofern übersehen hat, ist nicht zu erwarten. Vielmehr steht zu erwarten, dass auch das BAG in dieser Entscheidung von der Annahme getragen war, dass sich der von ihm angenommene Ausschluss der Vergütungspflicht sehr wohl mit § 3 Abs. 3 ArbSchG vereinbaren lässt. dd)

Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz (ArbZG)?

Sollte das BAG diesen Argumenten zur Auslegung des ArbSchG in dem nunmehr vom LAG Hamburg entschiedenen Fall folgen und einen Verstoß gegen § 3 Abs. 3 ArbSchG ablehnen, dürfte im Übrigen auch ein Verstoß gegen die Regeln des ArbZG abzulehnen sein. Hierauf hat auch das LAG Hamburg in seiner Entscheidung vom 6.7.2015 33 insoweit völlig zutreffend hingewiesen. Denn bei § 3 Ziffer 6 MTV, wonach „Zeiten für Umkleiden und Waschen sowie Pausen (…) keine Arbeitszeit“ sind, handelt es sich auch nach unserer Bewertung um eine reine Vergütungsregelung und eben nicht - wie der Kläger geltend gemacht hatte - um eine von § 2 ArbZG abweichende Definition der Arbeitszeit.

c)

Fazit

Die Entscheidung hat für die betriebliche Praxis ganz erhebliche Bedeutung. Denn sie könnte, wenn das BAG der Auffassung des LAG Hamburg folgt, zur Folge haben, dass alle Umkleidezeiten, die durch Maßnahmen zur Si-

32 5 AZR 122/99, DB 2001, 473 ff. 33 8 Sa 53/14 n. v.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

cherheit bzw. zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer ausgelöst wurden, durch den Arbeitgeber bezahlt werden müssen. Überträgt man dabei die bislang durch das BAG zu Umkleidezeiten entwickelten Grundsätze, wäre dabei eine pauschale Betrachtung unzulässig. Vielmehr müsste – unter Berücksichtigung der persönlichen Geschicklichkeit und jahreszeittypischer Unterschiede in der Kleidung der einzelnen Arbeitnehmer – festgestellt werden, welche Zeitspanne der Arbeitnehmer tatsächlich nötig hat, um die Schutzkleidung anzuziehen. Ggf. ist insoweit eine Beweisaufnahme zu jedem Einzelfall durchzuführen 34. Entsprechendes dürfte für die in diesem Zusammenhang erforderlichen Wegezeiten gelten, die das LAG Hamburg allerdings trotz des nicht ganz eindeutigen Wortlauts von § 3 Ziff. 6 MTV an sich in die Regelung einbezogen hatte. Der Gesamtzusammenhang ließ aber erkennen, dass die Tarifvertragsparteien auch insofern nicht von einer Vergütungspflicht des Arbeitgebers ausgegangen sind 35. Zu wünschen ist, dass das BAG hier möglichst frühzeitig eine Klarstellung vornimmt. Die hiervon abweichende Ansicht des LAG Hamburg zu § 3 Abs. 3 ArbSchG ist weder mit nationalen noch unionsrechtlichen Auslegungskriterien vereinbar. (Ga/Ho)

3.

Kennzeichnung der geschuldeten Arbeitszeit beim Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung

Haben die Arbeitsvertragsparteien keine ausdrückliche Vereinbarung über die Dauer der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitszeit getroffen, so entspricht es dem Vertragswillen verständiger und redlicher Vertragspartner, dass sie die betriebsübliche Arbeitszeit vereinbaren wollten 36. Ein Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag über ein Vollzeitarbeitsverhältnis abschließt, muss bei Fehlen einer ausdrücklichen arbeitsvertraglichen Regelung zum Umfang der Arbeitszeit mangels anderweitiger Anhaltspunkte vom betriebsüblichen Umfang der für Vollzeitmitarbeiter geltenden Arbeitszeit ausgehen. Haben die Arbeitsparteien dagegen ausdrücklich keine Vollzeitbeschäftigung, sondern eine Festbeschäftigung mit flexibler Arbeitszeit

34 Vgl. BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 678/11, BB 2012, 3135 Rz. 18 ff.; ebenso auch LAG Hamburg v. 6.7.2015 – 8 Sa 53/14 n v. 35 Vgl. ArbG Hamburg v. 11.3.2014 – 26 Ca 117/14 n. v. 36 So bereits BAG v. 9.12.1987 – 4 AZR 584/87, NZA 1988, 289 Rz. 13; BAG v. 15.5.2013 – 10 AZR 325/12, NZA-RR 2014, 519 Rz. 21; MüArbR/Reichold § 36 Rz. 81; ErfK/Preis § 611 BGB Rz. 653.

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Kennzeichnung der geschuldeten Arbeitszeit

vereinbart und dabei den Umfang der zu leistenden Arbeitszeit ungeregelt gelassen, ohne auf eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit abzustellen, darf ein verständiger Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, dass ein Vollzeitarbeitsverhältnis begründet worden ist 37. Auch ohne besondere Vereinbarung liegt in diesem Fall eine vereinbarte Arbeit auf Abruf vor, sodass die zum Schutz des Arbeitnehmers geltenden fingierten Arbeitszeiten nach § 12 Abs. 1 S. 3 und S. 4 TzBfG zur Anwendung gelangen. Letzterenfalls kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn er den Arbeitnehmer in dem in § 12 Abs. 1 S. 3 und S. 4 TzBfG vorgesehenen Umfang beschäftigt. Überstunden betreffen die über die betriebliche Vollarbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden, deren Vergütung voraussetzt, dass sie vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls in Kenntnis des Arbeitgebers zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind 38. In der Entscheidung vom 25.3.2015 musste sich der 5. Senat des BAG 39 im Zusammenhang mit einer Klage auf Bezahlung von Überstunden mit der Frage beschäftigen, welche Bedeutung einer vertraglichen Klausel beizumessen ist, wonach der Arbeitnehmer in „Vollzeit“ beschäftigt wird und eine andere Vertragsklausel die Formulierung enthält, die Arbeitszeit sei dem Arbeitnehmer bekannt. Eine derartige Vertragsabsprache war mit einem Busfahrer eines privaten Omnibusunternehmens getroffen worden, der in der Zeit vom 1.5.2011 bis zum 31.3.2012 im Linienverkehr gegen ein Monatsgehalt von 1.800,- € brutto beschäftigt worden war. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nahm der Busfahrer das Unternehmen auf Zahlung von 649,65 Überstunden in Anspruch und verlangte dafür die Zahlung von 6.644,- € brutto. Zur Begründung seiner Klage berief sich der Kläger auf eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Wochenstunden, die er zur Erledigung der ihm übertragenen Arbeiten deutlich überschritten habe. Die Beklagte verteidigte sich damit, dass mit der vertraglichen Regelung die Arbeitszeit gemeint gewesen sei, die der Kläger zur Abwicklung seiner Aufgabe als Busfahrer benötigt habe, wobei allenfalls 8,5 Stunden pro Arbeitstag angefallen seien. Während das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat, war sie vor dem Landesarbeitsgericht in Höhe von 1.103,76 € brutto für 108 geschätzte (§ 287 Abs. 2 ZPO) Überstunden erfolgreich. Die Revision der Beklagten hatte beim BAG keinen Erfolg. Um der Frage nachzugehen, ob zu Gunsten des Klägers überhaupt unter Berücksichtigung der von den Parteien vereinbarten „Vollzeit“ Überstunden,

37 BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 1024/12, NZA 2014, 1328 Rz. 20. 38 BAG v. 10.4.2013 – 5 AZR 122/12, NZA 2013, 1100 Rz. 14. 39 5 AZR 602/13, NZA 2015, 1002 Rz. 14 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

die er vergütet haben wollte, angefallen waren, musste zunächst die normale Arbeitszeit bestimmt werden. Dabei ist das BAG nicht von einer fehlenden Vereinbarung über die Dauer der Arbeitszeit ausgegangen und hat daraus den Schluss auf die betriebsübliche Arbeitszeit gezogen, sondern die Bestimmungen des Arbeitsvertrags zu Tätigkeit und Arbeitszeit wie Allgemeine Geschäftsbedingungen beurteilt, wovon schon deshalb auszugehen war, weil die Beklagte den Arbeitsvertrag vorformuliert und damit im Rechtssinne gestellt hatte (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB) 40. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind 41. Da die Parteien den konkreten Umfang der Arbeitszeit nur vage umschrieben hatten, ist das BAG unter Berücksichtigung der vorstehenden Auslegungsgrundsätze zu dem Ergebnis gelangt, dass ein durchschnittlicher Arbeitnehmer die „in Vollzeit“ angegebene Arbeitszeit unter Zugrundelegung einer Fünf-Tage-Woche nur dahingehend interpretieren kann, dass die regelmäßige Dauer der Arbeitszeit unter Berücksichtigung von § 3 S. 1 ArbZG acht Stunden arbeitstäglich betragen soll und damit 40 Wochenstunden nicht übersteigt. Hätte der Arbeitgeber mit der Formulierung „in Vollzeit“ die Höchstgrenze der Arbeitszeit ausschöpfen wollen, müsste er dies nach Ansicht des BAG durch eine konkrete Stundenangabe oder eine zumindest hinreichend bestimmte Bezugnahme auf den arbeitsschutzrechtlich noch möglichen Arbeitszeitrahmen deutlich zum Ausdruck bringen (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Mit dieser interpretativen Deutung der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden war die Arbeitszeitgrundlage für die Erbringung etwaiger Überstunden des Klägers geschaffen. Haben die Arbeitsvertragsparteien die Vergütung von Überstunden ungeregelt gelassen, so kommt eine Vergütungspflicht gemäß § 612 Abs. 1 BGB in Betracht. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Arbeitsleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Diese Vorschrift ist als Rechtsgrundlage auch dann heranzuziehen, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers quantitativ mehr arbeitet als von der Vergütungsabrede erfasst wird 42. 40 Vgl. dazu BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 Rz. 20; BAG v. 27.6.2012 – 5 AZR 530/11, NZA 2012, 1147 Rz. 14. 41 BAG v. 13.2.2013 – 5 AZR 2/12, NZA 2013, 1024 Rz. 17; BAG v. 25.3.2015 – 5 AZR 602/13, NZA 2015, 1002 Rz. 14. 42 BAG v.18.5.2011 – 5 AZR 181/10, AP Nr. 57 zu § 253 ZPO Rz. 17.

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Kennzeichnung der geschuldeten Arbeitszeit

Die für die Anwendung von § 612 Abs. 1 BGB erforderliche objektive Vergütungserwartung 43 folgte nach Ansicht des BAG bereits daraus, dass im betreffenden Wirtschaftszweig die Vergütung von Überstunden – möglicherweise mit einem Überstundenzuschlag – tarifvertraglich vorgesehen wird, was im Streitfall auf der Grundlage eines MTV für die Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes zutraf. Nach der Rechtsprechung des BAG 44 setzt die Vergütung von Überstunden zunächst einmal voraus, dass sie vom Arbeitnehmer tatsächlich abgeleistet wurden und des Weiteren vom Arbeitgeber veranlasst waren oder ihm zumindest zuzurechnen sind. Hierfür trägt der Arbeitnehmer die Darlegungsund Beweislast 45. Der Arbeitnehmer hat daher vorzutragen, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Darüber hinaus hat er näher zu konkretisieren, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat oder dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten oder ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte. Will sich der Arbeitnehmer auf eine Billigung der geleisteten Überstunden durch den Arbeitgeber berufen, muss er darlegen, wer wann auf welche Weise zu erkennen gegeben hat, mit der Leistung welcher Überstunden einverstanden zu sein 46. Einen derartigen detaillierten Vortrag konnte der Kläger im Streitfall nicht leisten. Gleichwohl war durch die eigene Einlassung der Beklagten unstreitig, dass der Kläger Überstunden geleistet hatte (§ 138 Abs. 3 ZPO), weil seine Arbeit nicht ohne die Leistung von Überstunden zu erbringen war. Steht dies fest (§ 286 ZPO), darf das Gericht nach Ansicht des BAG den Umfang geleisteter Überstunden nach § 287 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 1 und S. 2 schätzen 47. Eine Schätzung hat nur dann zu unterbleiben, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte nicht durchführbar wäre 48. Derartige für die Schätzung unabdingbare Anhaltspunkte muss der Kläger im Regelfall darlegen und nachweisen 49. Hier hatte die Beklagte während der prozessualen Auseinandersetzung eingeräumt, dass von einem zeitlichen Umfang der Arbeit von rund 8,5 Stunden pro Arbeitstag auszugehen sei, 43 44 45 46 47 48 49

BAG v. 27.6.2012 – 5 AZR 530/11, NZA 2012, 1147 Rz. 20. Grundsätzlich BAG v.10.4.2013 – 5 AZR 122/12, NZA 2013, 1100 Rz. 13. BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 347/11, NZA 2012, 939 Rz. 25. BAG v.10.4.2013 – 5 AZR 122/12, NZA 2013, 1100 Rz. 19. BAG v. 25.3.2015 – 5 AZR 602/13, NZA 2015, 1002 Rz. 18. BGH v. 17.12.2014 – VIII ZR 88/13, NJW 2015, 934 Rz. 46. BAG v. 26.9.2012 – 10 AZR 370/10, NZA 2013, 152 Rz. 20.

427

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

wobei die Beklagte alle Wartezeiten herausgerechnet und als Pausen bewertet hatte. Deshalb hat das BAG die Schätzung des LAG Hamm von zumindest einer halben Stunde je Arbeitstag für korrekt angesehen, so dass für die im Streitzeitraum vom Kläger geleisteten 216 Arbeitstage je eine halbe Stunde als Überstunde von der Beklagten zu bezahlen war. (Boe)

4.

Betriebliche Gründe zur Ablehnung eines Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung

In § 8 Abs. 1 TzBfG ist vorgesehen, dass ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, vom Arbeitgeber verlangen kann, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird. Dabei enthält § 8 TzBfG keine Vorgaben hinsichtlich des Umfangs der Vertragsänderung und knüpft den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nicht an ein Mindestmaß der Arbeitszeitreduzierung 50. Daraus folgt, dass ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch Anspruch auf eine verhältnismäßig geringfügige Verringerung seiner Arbeitszeit haben kann. § 8 TzBfG begründet nicht nur für die Verringerung der Arbeitszeit, sondern auch für ihre Verteilung bis zu den Grenzen des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) einen Anspruch auf Vertragsänderung 51. Die in § 8 Abs. 2 bis 5 TzBfG vorgesehene Verknüpfung der Verringerung der Arbeitszeit mit ihrer Neuverteilung soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die wirtschaftlich nachteilige Arbeitszeitverkürzung für den Arbeitnehmer häufig nur sinnvoll ist, wenn sie ihm auch hinsichtlich der Arbeitszeitverteilung die von ihm gewünschten Freiräume verschafft. Der Antrag auf Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit ist auf den Abschluss eines Änderungsvertrags gerichtet und damit ein Angebot i.S.v. § 145 BGB. Der Inhalt des Angebots auf Vertragsänderung muss deshalb so bestimmt sein, dass keine Unklarheiten über den Inhalt des geänderten Vertrags bestehen 52. Allerdings können Betriebsvereinbarungen oder Regelungsabreden der Festlegung der Verteilung der Arbeitszeit entsprechend dem Änderungsangebot des Arbeitnehmers entgegenstehen, wenn die Festlegung einen kollektiven Bezug hat 53. § 8 TzBfG begründet keinen Gesetzesvorbehalt i. S. d. Eingangssatzes von § 87 Abs. 1 BetrVG, der das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausschlösse. Der Teilzeitanspruch aus § 8 TzBfG lässt dem Arbeitgeber einen mitbestimmten Regelungsspielraum hinsichtlich der Beschäftigung im betrieblichen System der Arbeitszeitver50 51 52 53

BAG v. 11.6.2013 – 9 AZR 786/11, NZA 2013, 1074 Rz. 11. BAG v. 18.8.2009 – 9 AZR 517/08, NZA 2009, 1207 Rz. 27. BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 729/07 Rz. 25. BAG v. 18.8.2009 – 9 AZR 517/08, NZA 2009, 1207 Rz. 42.

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Ablehnung eines Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung

teilung. Anderenfalls kann eine Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede dem Verlangen des Arbeitnehmers auf Neuverteilung seiner Arbeitszeit nach § 8 Abs. 2 bis 5 TzBfG entgegenstehen. Nach § 8 Abs. 4 TzBfG hat der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein entgegenstehender betrieblicher Grund nach § 8 Abs. 4 S. 1 und 2 TzBfG liegt insbesondere vor, wenn die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Insoweit genügt es, wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare Gründe hat. Diese Gründe müssen hinreichend gewichtig sein. Der Arbeitgeber kann deshalb die Ablehnung allerdings nicht allein mit seiner abweichenden unternehmerischen Vorstellung von der „richtigen“ Arbeitszeitverteilung begründen 54. Um betriebliche Gründe zur Ablehnung des Anspruchs auf Teilzeitarbeit ging es in der Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 20.1.2015 55. Die Entscheidung des BAG zeichnet sich zunächst dadurch aus, dass sich der Arbeitgeber, d. h. die Beklagte, im Zusammenhang mit einer nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG zulässigen Arbeitnehmerüberlassung im Knzern auf betriebliche Gründe berief, die beim Entleiher, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Beklagten, relevant waren. Des Weiteren ging es in der Entscheidung um die Frage, ob eine Betriebsvereinbarung, die den Einsatz von Mitarbeitern in Teilzeitmodellen regelt, den Anspruch aus § 8 TzBfG auf Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit beeinflussen kann. Der Kläger, ein bei der Beklagten seit über zehn Jahren beschäftigter Flugzeugführer, wurde seit dem Jahre 2011 bei einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Beklagten eingesetzt. Bei dieser Tochtergesellschaft besteht eine Betriebsvereinbarung über Teilzeitmodelle, die im Ergebnis erlaubt, 25 % der monatlichen Arbeitszeit zu verkürzen, wobei vier Alternativen hinsichtlich der Verteilung der verkürzten Arbeitszeit vorgesehen sind. Die Beklagte und der Kläger hatten sich im Oktober 2011 durch eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag darauf verständigt, dass der Kläger bezüglich eines Teilzeitwunsches bei der Tochtergesellschaft an die dort bestehende betriebliche Regelung gebunden war. Ungeachtet dessen verlangte der Kläger von der Beklagten, seine regelmäßige Arbeitszeit ab dem 1.8.2012 durch Freistellung an den letzten sieben Tagen eines Monats zu reduzieren, was einer Verringerung der Arbeitszeit von 23,01 % entsprach und von den 54 BAG v. 13.10.2009 – 9 AZR 910/08, NZA 2010, 33 Rz. 20. 55 9 AZR 735/13, NZA 2015, 816 Rz. 17 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Verteilungsalternativen der Betriebsvereinbarung abwich. Die Beklagte lehnte den Teilzeitwunsch des Klägers rechtzeitig ab und begründete dies vor allem mit der Betriebsvereinbarung Teilzeit bei der Tochtergesellschaft, aber auch mit organisatorischen und wirtschaftlichen Problemen, die bei der Tochtergesellschaft entstünden. Die vom Kläger daraufhin erhobene Klage auf Annahme des Vertragsangebots zur Verkürzung und Freistellung von der Arbeitszeit an den letzten sieben Tagen eines Monats war in allen Instanzen erfolgreich. Ausgangspunkt für den Anspruch des Klägers bildet § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG, wonach der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen hat, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen, die durch § 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG konkretisiert werden. Dabei hat das BAG zugunsten der Beklagten unterstellt, dass ihr das Konzernprivileg des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG zugutekommt, weshalb das Verbot in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG, der lediglich eine vorübergehende Überlassung von Leiharbeitnehmern an den Entleiher erlaubt, nicht gilt. Anderenfalls hätte sich die Beklagte als Arbeitgeberin von vornherein nicht auf betriebliche Gründe berufen können, die allein bei der Tochtergesellschaft vorlagen. Denn aus einer gesetzlich verbotenen Überlassung von Leiharbeitnehmern kann der Arbeitgeber keine entgegenstehenden betrieblichen Gründe i. S. d. § 8 Abs. 4 S. 1 und S. 2 TzBfG herleiten 56. Die Beklagte vermochte sich nicht mit Erfolg auf die bei der Tochtergesellschaft bestehende Betriebsvereinbarung über Teilzeitarbeit zu berufen, weil diese nicht unmittelbar für den Kläger als kollektiver Normenvertrag maßgebend war, sondern auf einer vertraglichen Bezugnahme beruhte. Diese zwischen den Parteien vereinbarte Bezugnahme auf die Betriebsvereinbarung über Teilzeitarbeit ist nach Ansicht des BAG rechtsunwirksam, soweit dadurch zuungunsten des Klägers von den Vorschriften des TzBfG abgewichen wird. Dies folgt aus § 22 TzBfG, wonach außer in den Fällen des § 12 Abs. 3, § 13 Abs. 4 und § 14 Abs. 2 S. 3 und 4 TzBfG von den Vorschriften des TzBfG nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden darf. Angesichts dessen war die in der Betriebsvereinbarung über Teilzeitarbeit vorgesehene Beschränkung der Wahlmöglichkeiten für die Arbeitnehmer eine vom Gesetz nicht mehr gedeckte Regelung und daher unzulässig. Grundsätzlich werden die durch § 8 TzBfG eröffneten Teilzeitwünsche nur durch die vom Arbeitgeber darzulegenden entgegenstehenden betrieblichen Gründe i. S. d. § 8 Abs. 4 S. 1 und S. 2 TzBfG oder durch Ablehnungsgründe be-

56 BAG v. 20.1.2015 – 9 AZR 735/13, NZA 2015, 816 Rz. 21. Vgl. auch zur Konzernleihe: Lembke, NZA 2011, 319, 320; Ulber, AuR 2010, 10, 12; Wank, RdA 2010, 193, 203.

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Ablehnung eines Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung

schränkt, die durch Tarifvertrag festgelegt werden können (§ 8 Abs. 4 S. 3 und 4 TzBfG). Da § 8 TzBfG keinen Gesetzesvorbehalt i. S. d. Eingangssatzes von § 87 Abs. 1 BetrVG enthält, kann auch eine auf der Grundlage von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG geschlossene Betriebsvereinbarung den Arbeitgeber dazu berechtigen, den Arbeitszeitneuverteilungsantrag des Arbeitnehmers abzulehnen 57. Es kam daher für die Entscheidung des Rechtsstreits allein darauf an, ob die Organisation, der Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb bei der Tochtergesellschaft wesentlich beeinträchtigt wurden oder durch die Teilzeittätigkeit des Klägers der Beklagten bzw. der Tochtergesellschaft unverhältnismäßige Kosten entstanden, wobei auf den Zeitpunkt der Ablehnung als Prüfungszeitpunkt abzustellen war. Insoweit genügt es, wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare, hinreichend gewichtige Gründe hat, der Verringerung der Arbeitszeit nicht zuzustimmen Nach ständiger Rechtsprechung des BAG 58 erfolgt die Prüfung der entgegenstehenden betrieblichen Gründe in drei Stufen: In der ersten Stufe ist festzustellen, ob der Arbeitszeitregelung des Arbeitgebers überhaupt ein betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt und wie es konkret aussieht. In der zweiten Stufe ist zu klären, ob dieses Organisationskonzept dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. In der dritten Stufe ist zu prüfen, welches Gewicht den entgegenstehenden betrieblichen Gründen beizumessen ist und ob das betriebliche Organisationskonzept oder die ihm zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung durch die gewünschte Abweichung der Arbeitszeit wesentlich beeinträchtigt wird. Nach Ansicht des BAG hatte die Beklagte im Hinblick auf die Dreistufenprüfung schon ihrer Darlegungslast nicht ausreichend genügt, weil sie sich nur pauschal ohne nähere tatsächliche Konkretisierung auf eine Verschärfung von Personalengpässen, mögliche Umschulungskosten für Copiloten, Planungsunsicherheiten unter Hinweis auf die Besonderheiten von Luftfahrtunternehmen und unberechtigte Vorteile des Klägers gegenüber anderen Mitarbeitern berufen hatte. Von der mangelnden Konkretisierung der betrieblichen Ablehnungsgründe war auch auszugehen, wenn man zugunsten der Beklagten die Betriebsvereinbarung über Teilzeitarbeit bei der Tochtergesellschaft als Organisationskonzept der Arbeitszeit hätte betrachten können. Dies galt unabhängig davon, dass eine Betriebsvereinbarung über die Lage der Arbeitszeit den Arbeitgeber durchaus berechtigen kann, das Ver-

57 BAG v. 24.6.2008 – 9 AZR 313/07, NZA 2008, 1309 Rz. 37. 58 Vgl. nur BAG v. 13.11.2012 – 9 AZR 259/11, NZA 2013, 373 Rz. 23.

431

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

langen des Arbeitnehmers auf eine wunschgerechte Verteilung der verringerten Arbeitszeit abzulehnen 59. Mit dieser Entscheidung verdeutlicht das BAG, wie bereits in seiner früheren Rechtsprechung, dass pauschale Hinweise auf Organisationsschwierigkeiten, Probleme bei der Personalplanung oder unverhältnismäßige Kosten für sich betrachtet nicht ausreichen, einen berechtigten Ablehnungsgrund des Teilzeitverlangens des Arbeitnehmers zu begründen. Vielmehr bedarf der entsprechende Vortrag des Arbeitgebers einer so ausreichenden Konkretisierung, dass er einer Beweiserhebung zugänglich ist. (Boe)

5.

Änderungskündigung mit dem Ziel der Beseitigung einer Teilzeitbeschäftigung

Nach § 8 Abs. 1 TzBfG kann ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, von seinem Arbeitgeber, der regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt (§ 8 Abs. 7 TzBfG), verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird. Diesen Antrag kann der Arbeitnehmer gleichzeitig mit der gewünschten Verteilung der verringerten Arbeitszeit verbinden (§ 8 Abs. 2 S. 2 TzBfG). Der Anspruch auf Verteilung der verringerten Arbeitszeit setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die Verringerung der Arbeitszeit und deren Umfang rechtzeitig, d. h. spätestens drei Monate vor deren Beginn, beantragt (§ 8 Abs. 2 S. 1 TzBfG). Dabei kann der Arbeitnehmer wählen, ob er ausschließlich die Verringerung der Arbeitszeit beantragt und es dem Arbeitgeber überlässt, die verbleibende Arbeitszeit zu verteilen (§ 106 S. 1 GewO), oder ob er eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit wünscht. Macht ein Arbeitnehmer sowohl einen Verringerungs- als auch einen Verteilungswunsch nach § 8 TzBfG geltend, hängen beide Vertragsänderungsanträge erfahrungsgemäß voneinander ab. Der Antrag auf Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit ist auf den Abschluss eines Änderungsvertrags gerichtet und damit Angebot i. S. v. § 145 BGB 60. Angesichts dessen muss der Inhalt des Angebots auf Vertragsänderung so ausreichend bestimmt sein, dass keine Unklarheiten über den Inhalt des geänderten Vertrags bestehen und das Vertragsänderungsangebot durch ein schlichtes „Ja“ angenommen werden kann 61. Da der Gesetzgeber in § 8 Abs. 3 TzBfG einer endgültigen Entscheidung des Arbeitgebers ein sog. 59 BAG v. 16.3.2004 – 9 AZR 323/03, NZA 2004, 1047 Rz. 90. 60 BAG v. 24.6.2008 – 9 AZR 514/07, NZA 2008, 1289 Rz. 21 f.; BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 729/07 n. v. 61 BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 729/07 n. v.

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Beseitigung einer Teilzeitbeschäftigung

Konsensverfahren vorgeschaltet hat, wonach der Arbeitsgeber mit dem Arbeitnehmer die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung mit dem Ziel einer Verständigung zu erörtern hat, muss der Arbeitnehmer den Verteilungswunsch nach der Rechtsprechung des BAG 62 entgegen § 8 Abs. 2 S. 2 TzBfG („gleichzeitig“) nicht zeitgleich mit dem Verringerungsantrag äußern. Er darf ihn bis zur Erörterung mit dem Arbeitgeber zurückstellen, um das Konsensverfahren nicht zu entwerten. Da der Arbeitnehmer gemäß § 145 BGB auch an seinen Verteilungswunsch gebunden wäre, könnte er diesen nicht mehr im Hinblick auf vom Arbeitgeber im Konsensgespräch geäußerte betriebliche Gründe von sich aus anpassen 63, sondern wäre auf die Zustimmung des Arbeitgebers angewiesen. Stimmt der Arbeitgeber im Konsensverfahren dem Teilzeitverlangen nebst der gewünschten Verteilung der Arbeitszeit zu oder lehnt der Arbeitgeber das Angebot auf Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit ab (§ 8 Abs. 5 S. 1 TzBfG), kann der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers seinen Wunsch nach einer bestimmten Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit nicht mehr umgestalten. Der geänderte Verteilungswunsch ist nur durch neuerliche Geltendmachung von Verringerung und Verteilung unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 6 TzBfG durchsetzbar 64. Gemäß § 8 Abs. 5 S. 1 TzBfG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Entscheidung über die Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Verringerung schriftlich mitzuteilen. Der Gesetzgeber verlangt damit eine empfangsbedürftige, an den Arbeitnehmer gerichtete formgerechte (§ 126 Abs. 1 BGB) Willenserklärung, wenn der Arbeitgeber den Teilzeitantrag unter Berufung auf betriebliche Gründe ablehnen will. Eine nur mündlich erklärte Ablehnung des Arbeitgebers wäre wegen Formmangels nichtig (§ 125 S. 1 BGB) 65. Haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht nach § 8 Abs. 3 S. 1 TzBfG über die Verringerung der Arbeitszeit geeinigt und hat der Arbeitgeber die Arbeitszeitverringerung nicht spätestens einen Monat vor deren gewünschtem Beginn schriftlich abgelehnt, verringert sich die Arbeitszeit in dem vom Arbeitnehmer gewünschten Umfang (§ 8 Abs. 5 S. 2 TzBfG) und die Verteilung der Arbeitszeit gilt entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers als festgelegt (§ 8 Abs. 5 S. 3 TzBfG). Infolge dieser Fiktion ist kraft Gesetzes eine Vertragsänderung mit dem Inhalt der vom Arbeitnehmer beantragten 62 63 64 65

BAG v. 24.6.2008 – 9 AZR 514/07, NZA 2008, 1289 Rz. 21. BAG v. 24.6.2008 – 9 AZR 514/07, NZA 2008, 1289 Rz. 22. BAG v. 24.6.2008 – 9 AZR 514/07, NZA 2008, 1289 Rz. 23. BAG v. 20.1.2015 – 9 AZR 860/13, NZA 2015, 805 Rz. 23.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Arbeitszeitverringerung und Arbeitszeitverteilung eingetreten, an die beide Arbeitsvertragsparteien gebunden sind 66. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber eine durch § 8 Abs. 5 S. 2 und 3 TzBfG kraft Gesetzes eingetretene Vertragsänderung auf dem Wege einer Änderungskündigung wieder beseitigen kann, bildete den Schwerpunkt einer Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 20.1.2015 67. Die bei der Beklagten, einem Unternehmen der Wohnungswirtschaft mit 42 Arbeitnehmern, als Assistentin beschäftigte Klägerin richtete noch während ihrer Elternzeit am 21.9.2011 eine E-Mail an die Beklagte, in der sie mitteilte, am 11.6.2012 wiederzukommen und zu dem Entschluss gekommen zu sein, 5 x 6 Stunden, also von 8 bis 14:00 Uhr arbeiten zu wollen. Im Februar 2012 lehnte der Geschäftsführer der Beklagten den Teilzeitwunsch der Klägerin mündlich ab und korrigierte im März 2012 das in einem von der Klägerin vorlegten Formular für eine Kindertagesstätte eingetragene Ende der Arbeitszeit von 14 Uhr auf 17 Uhr. Da die Klägerin nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit am 11.6.2012 darauf bestand, bereits um 14:00 Uhr ihren Arbeitsplatz verlassen zu dürfen, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 28.6.2012 die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.9.2012 und bot der Klägerin gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis ab dem 1.10.2012 in Vollzeit fortzusetzen. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt an, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt sei. Mit der rechtzeitig erhobenen Änderungsschutzklage beantragte die Klägerin nicht nur die Feststellung, dass sich ihre Arbeitszeit auf 30 Stunden verringert hat und die geschuldete Arbeit an fünf Arbeitstagen jeweils in der Zeit von 8:00 Uhr bis 14:00 Uhr zu leisten ist, sondern auch festzustellen, dass eine Änderung der Arbeitsbedingungen durch die ordentliche Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt sei. Die Beklagte verteidigte ihre Änderungskündigung damit, dass sie aus dringenden betrieblichen Gründen gerechtfertigt sei, weil im Bereich der Assistenz ihr betriebliches Organisationskonzept die Beschäftigung von Teilzeitkräften nicht zuließe. ArbG Hamburg und LAG Hamburg haben den Feststellungsanträgen der Klägerin entsprochen. Die Revision der Beklagten blieb vor dem BAG erfolglos. Das BAG geht zunächst davon aus, dass die allgemeinen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Teilzeitarbeit zugunsten der Klägerin vorlagen und Ihre E-Mail vom 21.9.2011 einen wirksamen Antrag auf Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit im Sinne eines Angebots nach § 145 66 BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 729/07 n. v. 67 9 AZR 860/13, NZA 2015, 805 Rz. 37 ff.

434

Beseitigung einer Teilzeitbeschäftigung

BGB darstellte. Es enthielt den Zeitpunkt des Beginns der Teilzeitarbeit und die gewünschte Verkürzung und Verteilung der Arbeitszeit. Dieses Angebot hatte die Beklagte nicht schriftlich und damit nicht formgerecht (§ 126 BGB) innerhalb der Frist des § 8 Abs. 5 S. 1 TzBfG zurückgewiesen, sodass die Fiktion des § 8 Abs. 5 S. 2 und 3 TzBfG zugunsten der Klägerin eingetreten war. Die vom Geschäftsführer vorgenommene Streichung und Ersetzung des Arbeitszeitendes auf dem von der Klägerin eingereichten Formular hatte von vornherein nicht die Qualität einer Ablehnung im Sinne von § 8 Abs. 5 S. 1 TzBfG. Zum einen war das Formular für eine Kindertagesstätte bestimmt; des Weiteren fehlte darin jedwede Bezugnahme zum Teilzeitantrag der Klägerin. Überdies war die entsprechende Erklärung des Geschäftsführers zum Zeitpunkt ihrer Abgabe im März 2012 korrekt, weil die Arbeitszeitänderung erst mit der Rückkehr der Klägerin am 11.6.2012 eintreten sollte. Ob diese mit der Feststellungsklage der Klägerin bestätigte, nach § 8 Abs. 5 S. 2 und 3 TzBfG veränderte regelmäßige Dauer und Lage der Arbeitszeit infolge der durch die Änderungskündigung der Beklagten unter Vorbehalt veranlasste Änderung der Arbeitsbedingungen wieder aufgehoben worden ist, war Gegenstand der Änderungsschutzklage der Klägerin. Dabei ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers gemäß §§ 2 S. 1, 1 Abs. 2 KSchG daran zu messen, ob es durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist und sich darauf beschränkt, solche Änderungen vorzusehen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss 68. Unter Berücksichtigung der Zweckbestimmung des Gesetzes, Teilzeitstellen zu schaffen und den Beschäftigten die Möglichkeit zu eröffnen, Beruf und Familie besser miteinander zu vereinbaren 69, träte nach Ansicht des BAG eine mit den Wertungen des TzBfG im Widerspruch stehende Rechtsfolge ein, wenn nach Ablehnung des Änderungsangebots des Beschäftigten die Zustimmung des Arbeitgebers mit Rechtskraft eines der Klage stattgebenden Urteils nach § 894 S. 1 ZPO als erteilt gilt und der Arbeitgeber anschließend mit denselben betrieblichen Gründen, die er dem Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers zu Unrecht entgegengehalten hat, eine Änderungskündigung erfolgreich begründen könnte. Aus diesem Grunde will das BAG eine Rechtfertigung der mit der Kündigung bezweckten Änderung der Arbeitsbedingungen grundsätzlich nur mit solchen Tatsachen zulassen, die der Arbeitgeber nicht bereits dem Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers hätte entgegenhalten können. Dabei soll es

68 BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 396/12, NZA 2013, 1409 Rz. 16; BAG v. 20.1.2015 – 9 AZR 860/13, NZA 2015, 805 Rz. 36. 69 BT-Drucks. 14/4374 S. 11.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

wegen der gleich gelagerten Situation der eingetretenen Vertragsänderung keinen Unterschied machen, ob die Verringerung oder Neuverteilung der festgelegten Arbeitszeit nach § 894 ZPO erfolgt oder im Wege der Fiktion nach § 8 Abs. 5 S. 2 und 3 TzBfG eingetreten ist. Da sich die Beklagte im Streitfall sowohl vor dem Eintritt der Vertragsänderung nach § 8 Abs. 5 S. 2 und 3 TzBfG als auch zur Begründung der Änderungskündigung auf die Beibehaltung Ihres bisherigen Organisationskonzepts berufen hat, das keine Teilzeitarbeit zuließe, konnte sie damit keine ausreichende Begründung für den betriebsbedingten Anlass der Änderungskündigung liefern, was unabhängig davon gelten musste, ob dieses Argument wegen der Fiktion aus § 8 Abs. 5 S. 2 und 3 TzBfG im Falle einer Klage nach § 894 ZPO auf Zustimmung zu der von der Klägerin gewünschten Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit Erfolg gehabt hätte. Das Resümee dieser Entscheidung liegt zum einen darin, den Anspruch auf Abschluss eines Teilzeitarbeitsvertrags zu sichern und nicht nachträglich über den Weg einer Änderungskündigung wieder revidieren zu können. Des Weiteren kann der Arbeitgeber durch eine Änderungskündigung und den sich daran anschließenden Änderungsschutzprozess jedenfalls in den Fällen der Annahme unter Vorbehalt die Umsetzung eines Teilzeitbegehrens des Arbeitnehmers auf der Grundlage von § 8 TzBfG ungeachtet der Präklusion von Tatsachen, die dem Teilzeitverlangen vor Ablauf der einmonatigen Frist des § 8 Abs. 5 S. 1 TzBfG hätten entgegengehalten werden können, deutlich verzögern, wie der vorliegende Fall demonstriert. (Boe)

6.

Anspruch auf Dienstwagen mit dem Recht zur Privatnutzung während der Freistellungsphase der Altersteilzeit

In der betrieblichen Praxis entsteht immer wieder die Frage, ob der Arbeitnehmer das Recht zur Privatnutzung des ihm überlassenen Dienstwagens auch während der Freistellungsphase der Altersteilzeit behält. Hintergrund ist dabei im Zweifel der Umstand, dass durch den Arbeitnehmer in dieser Zeit keine tatsächliche Arbeitsleistung mehr erbracht wird. Gleichzeitig besteht als Folge der Beendigung der Arbeitsphase für den Arbeitnehmer die Möglichkeit, den Dienstwagen – auf Kosten des Arbeitgebers – in deutlich stärkerem Umfang zu nutzen.

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Anspruch auf Dienstwagen mit dem Recht zur Privatnutzung

Mit überzeugender Begründung hat das LAG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 12.3.2015 70 klargestellt, dass das Recht zur Privatnutzung des dem Arbeitnehmer überlassenen Dienstwagens grundsätzlich auch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit besteht, falls die Parteien nicht ausdrücklich eine hiervon abweichende Regelung getroffen haben. Solche Regelungen können insbesondere in Form eines Widerrufsvorbehalts formuliert werden, der - wenn die allgemeinen Schranken der AGB-Kontrolle beachtet werden – auch während des aktiven Arbeitsverhältnisses eine Beendigung der Dienstwagengestellung mit dem Recht zur Privatnutzung erlaubt hätten. In dem der Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die Gestellung eines Dienstwagens mit dem Recht zur Privatnutzung. Diese Vereinbarung wurde arbeitgeberseitig auch für die Zeit der Arbeitsphase seiner Altersteilzeit erfüllt. Nachdem die Freistellungsphase am 8.9.2012 begonnen hatte, forderte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer indes auf, ab 1.1.2013 den Dienstwagen herauszugeben. Für die verbleibende Zeit der Freistellungsphase bis zum 31.5.2015 entfiel damit die Möglichkeit des Arbeitnehmers, den bislang überlassenen Dienstwagen auch zu Privatzwecken zu nutzen. Er machte deshalb einen Anspruch auf Schadenersatz wegen des unberechtigten Entzugs dieser Nutzungsmöglichkeit geltend. Nach Auffassung des LAG Rheinland-Pfalz war ein solcher Schadenersatzanspruch jedenfalls in Höhe des vermögenswerten Vorteils für die an sich notwendige Überlassung des Dienstwagens anzunehmen. Zur Berechnung dieser Nutzungsausfallentschädigung war insoweit auf die steuerliche Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit in Höhe von 1 % des Listenpreises des Kraftfahrzeugs abzustellen. Die 0,03 %-Regelung konnte dabei unberücksichtigt bleiben. Sie kommt nur dann zur Anwendung, wenn der Dienstwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hätte benutzt werden sollen. In der Begründung seiner Entscheidung hat das LAG Rheinland-Pfalz deutlich gemacht, dass die arbeitsvertragliche Zusage der Gewährung eines Dienstwagens mit dem Recht zur Privatnutzung durch die Vereinbarung von Altersteilzeit nicht verändert wird. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei dem Dienstwagen mit dem Recht zur Privatnutzung um einen Bestandteil des Arbeitsentgelts handele. Solange keine hiervon abweichenden Vereinbarungen getroffen würden, sei es unzulässig, diesen Arbeitsentgeltanspruch alleine mit der Begründung abzu-

70 5 Sa 565/14, NZA-RR 2015, 201 Rz. 22. ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

lehnen, dass der Arbeitnehmer von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung wechselt. Dies folge bereits aus § 4 Abs. 1 TzBfG. Danach dürfe ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden, als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigten. Nach § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG sei einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspreche. Da es sich bei der Gestellung eines Dienstwagens um eine unteilbare geldwerte Leistung handele, scheide auch eine proportionale Minderung aus 71. Dem ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Deutlich wird die Berechtigung des Anspruchs auf Gestellung eines Dienstwagens mit dem Recht zur Privatnutzung insbesondere dann, wenn man sich vor Augen führt, dass die Freistellungsphase eigentlich gar nicht mit einer Freistellung verknüpft ist. Denn der Arbeitnehmer hat die tatsächliche Arbeitsleistung, die der Arbeitgeber als Gegenleistung für das Entgelt dieses Zeitraums verlangen kann, bereits während der Arbeitsphase erbracht. Der Arbeitnehmer ist mit der Erbringung der Arbeitsleistung also bereits in Vorleistung getreten. Seine aus dem Arbeitsverhältnis bestehende Hauptleistungspflicht ist mit Beginn der Freistellungsphase bereits erfüllt. Dies schließt es aus, ihn in der Freistellungsphase von der (nicht mehr bestehenden) Pflicht zur Arbeitsleistung freizustellen. Wenn eine hiervon abweichende Rechtsfolge gewollt ist, muss dies zwischen den Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich vereinbart werden. Fehlt ein Widerrufsvorbehalt, der insbesondere den Anforderungen aus §§ 307 Abs. 1, 308 Nr. 4 BGB genügen muss, kann ein Wegfall des Anspruchs auf die Gestellung eines Dienstwagens mit dem Recht zur Privatnutzung auch ausdrücklich in der Altersteilzeitvereinbarung festgelegt werden. Voraussetzung für die Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung ist allerdings, dass bei Teilzeitbeschäftigten mit einer vergleichbaren Tätigkeit außerhalb von Altersteilzeitvereinbarungen entsprechend verfahren wird. (Ga)

71 LAG Rheinland-Pfalz v. 12.3.2015 – 5 Sa 565/14, NZA-RR 2015, 291 Rz. 28 f.

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Aktuelle Fragen zur Umsetzung des MiLoG

7.

Aktuelle Fragen zur Umsetzung des MiLoG

a)

Ausgangssituation

Grundsätzlich dürfte sich die betriebliche Praxis auf die Anforderungen des MiLoG eingestellt haben. Dies gilt insbesondere für die Feststellung seines Geltungsbereichs (z. B. Praktikanten, Trainees) und die damit verbundene Gefahr einer Einbeziehung des in Form der Scheinselbstständigkeit beschäftigten Fremdpersonals. In vielen Fällen dürfte auch geklärt sein, ob und inwieweit bestimmte Entgeltbestandteile auf den Mindestlohn zur Anrechnung kommen können. Auch der Umgang mit den Dokumentationspflichten aus §§ 16, 17 MiLoG und die Handlungserfordernisse zur Vermeidung einer Auftraggeberhaftung aus §§ 13 MiLoG, 14 AEntG 72 dürften inzwischen geklärt und in Form unternehmensinterner Regularien umgesetzt worden sein. Sollten hier Zweifel bestehen, macht es Sinn, entsprechende Checklisten durchzuarbeiten 73. Ungeachtet dessen bleiben nach wie vor einzelne Fragen offen. Dies gilt insbesondere dort, wo der Gesetzgeber auf Klarstellungen verzichtet hat. Wichtig ist es, dass die betriebliche Praxis insoweit die inzwischen vorliegende Rechtsprechung berücksichtigt. Schließlich hat die Nichteinhaltung der Vorgaben des MiLoG nicht nur arbeitsrechtliche, sondern auch sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen. Verstöße können darüber hinaus als Ordnungswidrigkeiten oder gar Straftaten verfolgt werden.

b)

Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit im Sinne des MiLoG

Nach der ganz herrschenden Meinung wird der Bereitschaftsdienst in die Arbeitszeit i. S. d. MiLoG einbezogen. Damit muss auch in solchen Zeiten, die nur durch die Bereitschaft zur Aufnahme der arbeitsvertraglich geschuldeten Hauptleistung gekennzeichnet sind, der in § 1 Abs. 2 MiLoG bestimmte Mindestlohn von 8,50 € je Zeitstunde gezahlt werden 74. Franzen75 geht dabei indes von der Möglichkeit aus, durch Arbeits- oder Tarifvertrag abweichende Vereinbarungen zu treffen. In der Regel wird zur weiteren Begründung auch auf die Feststellungen des BAG im Urteil vom 19.11.2014 76 verwiesen. Darin hatte der 5. Senat des BAG festgestellt, dass der Bereit72 Eingehend Bayreuther, NZA 2015, 961 ff. 73 Vgl. Rittweger/Ziegelmeier, NZA 2015, 976 ff. 74 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2015, 107; ErfK/Franzen, MiLoG § 21 Rz. 4; Duwell/Schubert/Schubert, MiLoG, Einleitung Rz. 35; Lembke, NZA 2015, 70, 73. 75 ErfK/Franzen, MiLoG § 21 Rz. 4. 76 5 AZR 1101/12, BB 2015, 510.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

schaftsdienst jedenfalls als Arbeitszeit i. S. von § 2 PflegeArbbV zu qualifizieren sei. Daraus folge, dass der Arbeitnehmer auch während des Bereitschaftsdienstes das entsprechende Mindestentgelt erhalten müsse. Abweichende Regelungen auf der Arbeitsvertragsebene seien unwirksam. Thüsing/Hütter 77 lehnen eine Einbeziehung des Bereitschaftsdienstes in den Anwendungsbereich des MiLoG ab. Ausgangspunkt ist dabei nicht nur die gut vertretbare Feststellung, dass eine Gleichsetzung der Arbeitszeit i. S. d. MiLoG mit der Arbeitszeit i. S. d. Arbeitszeitrechts und des Mitbestimmungsrechts schon wegen der unterschiedlichen Zweckbestimmung von MiLoG einerseits und ArbZG bzw. BetrVG andererseits nicht gerechtfertigt sei 78. Vielmehr müsse darauf abgestellt werden, ob der Bereitschaftsdienst als vergütungspflichtige Arbeitszeit qualifiziert werden müsse. Dies hänge davon ab, ob der Bereitschaftsdienst als Arbeit zu kennzeichnen sei. Hiervon ausgehend lehnen sie die Einbeziehung des Bereitschaftsdienstes in den Begriff der Arbeitszeit ab, weil Arbeit nur das sei, „was dem freien Belieben des Arbeitnehmers in Gänze entzogen sei.“ 79. Diese Sichtweise überzeugt nicht. Sie berücksichtigt nicht ausreichend, dass während des Bereitschaftsdienstes – anders als in der Rufbereitschaft – durch den Arbeitgeber der Ort des Aufenthalts bestimmt wird. Er kann sich sogar auf dem Betriebsgelände befinden, so dass die freie Nutzung dieser Zeit durch den Arbeitnehmer ganz erheblich eingeschränkt wird. Hinzu kommt, dass diese Anordnung des Bereitschaftsdienstes und die damit verbundene Festlegung des Aufenthaltsorts Ausfluss des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts ist, also auch insoweit – anders als bei der Rufbereitschaft – kein Entscheidungsspielraum des Arbeitnehmers verbleibt. Im Hinblick darauf wird man weiterhin nur die Rufbereitschaft aus der Arbeitszeit i. S. d. MiLoG ausgrenzen können. Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit i. S. d. § 1 Abs. 2 MiLoG. Die Höhe der Vergütung ist daher nur insoweit einer individual- oder kollektivrechtlichen Gestaltung zugänglich, als mindestens 8,50 € je Zeitstunde gezahlt werden. Dies ist vor allem bei Pauschalzahlungen zu prüfen, die für die Einbindung in entsprechende Dienste gewährt werden.

c)

Anrechnung von Entgeltbestandteilen auf den Mindestlohn

§ 1 Abs. 2 MiLoG spricht lediglich davon, dass die Höhe des Mindestlohns 8,50 € je Zeitstunde beträgt. Auf weitergehende Klarstellungen zur Zusam77 NZA 2015, 970 ff. 78 Thüsing/Hütter, NZA 2015, 970, 971 f. 79 Thüsing/Hütter, NZA 2015, 970, 973.

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Aktuelle Fragen zur Umsetzung des MiLoG

mensetzung des Mindestlohns hat der Gesetzgeber trotz einer entsprechenden Diskussion im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens verzichtet. Die wohl überwiegende Meinung zum MiLoG knüpft bei der Frage einer Anrechnung sonstiger Vergütungsbestandteile an die Ergebnisse der EuGHRechtsprechung zu den Auswirkungen der Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen vom 16.12.1996 80 (Entsende-Richtlinie) an 81. So verfährt auch das Bundesministerium des Inneren in seinem Schreiben vom 28.1.2015. Diese Rechtsprechung sei maßgeblich, weil die Bundesregierung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auf eine entsprechende Anfrage des Bundesrats hin erklärt habe, dass die Frage der Auslegung des Begriffs des Mindestentgeltsatzes und damit die Frage der Berechnung von Mindestlöhnen bereits durch die Rechtsprechung des EuGH und des BAG mit Blick auf den Mindestentgeltsatz des AEntG geklärt sei. Da dessen europarechtlicher Hintergrund die Entsende-Richtlinie sei, seien die vom EuGH zur Entsende-Richtlinie aufgestellten Vorgaben zur Einbeziehung von Vergütungsbestandteilen auf den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn zu übertragen 82. Konsequenz sei, dass nur solche Zulagen/Zuschläge anrechenbar seien, die schlussendlich verstetigtes Arbeitsentgelt seien. Hierzu gehörte z. B. auch eine Zulage für die vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten. Umgekehrt könne keine Anrechnung erfolgen, wenn die Leistungen voraussetzten, dass der Arbeitnehmer zu besonderen (Tages-)Zeiten (z. B. Zuschläge für Sonnund Feiertagsarbeit, Nachtzuschläge, (Wechsel-)Schichtzulagen, regelmäßig Überstundenzuschläge) oder unter besonders unangenehmen, beschwerlichen, körperlich oder psychisch besonders belastenden oder gefährlichen Umständen arbeite (z. B. Schmutz- oder Gefahrenzulage) oder mehr Arbeit pro Zeiteinheit leiste (z. B. Akkordprämien) oder eine besondere Qualität der Arbeit erbringe (z. B. Qualitätsprämien) 83. Dies entspricht auch dem Schreiben des Bundeinnenministeriums vom 28.1.2015. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des EuGH wird eine Anrechnung nur dann für möglich gehalten, wenn sich nicht das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der von ihm erhaltenen Gegenleistung verändere 84. Hiervon ausgehend werden auch in der Literatur z. B. Überstun-

80 ABl.EG L 18 1997, 1 ff. 81 Vgl. EuGH v. 7.11.2013 – C-522/12, NZA 2013, 1359 Rz. 36 ff. – Isbir; EuGH v. 14.4.2005 – C-341/02, NZA 2005, 573 Rz. 39 – Kommission/Deutschland. 82 BT-Drucks. 18/1558 S. 67 f. 83 BT-Drucks. 18/1558 Anlage 4 S. 84 f. 84 Vgl. BT-Drucks. 18/1558 S. 67 f.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

denzuschläge 85, Wechselschichtzuschläge 86, Akkordprämien 87, Qualitätsprämien 88, Gefahrenzulagen 89, Urlaubsgeld oder eine Jahressonderzahlung 90 in der Regel nicht berücksichtigt. Denn mit diesen Zahlungen werde keine „Normalleistung“, sondern eine zusätzliche und andere Leistung des Arbeitnehmers bezahlt. Funktionale Gleichwertigkeit einer Zahlung liege nur dann vor, wenn es um Zahlungen gehe, mit denen die „normale“ Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vergütet werden solle. Hier sei dann auch eine Anrechenbarkeit anzunehmen. Eine Anrechenbarkeit sei hingegen abzulehnen, wenn mit der in Rede stehenden Leistung ein über die normale Arbeitsleistung hinausgehender Zweck honoriert werden soll 91. Etwas anderes könne aber dann gelten, wenn die Leistung des Arbeitnehmers gerade darin besteht, solche „besonderen“ Arbeiten auszuführen und deshalb nicht von einem darüber hinausgehenden Zweck, sondern von der „Normalleistung“ auszugehen sei 92. Die Frage der Anrechenbarkeit könne daher nicht pauschal für Zulagen einer bestimmten Art beantwortet werden, sondern bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalls. Entscheidend sei, ob der Arbeitgeber eine Leistung vergütet, die der Arbeitnehmer „normalerweise“ erbringen muss oder ob die Zahlung für eine besondere Leistung erfolgt 93. Hiervon ausgehend könnten Nachtzuschläge bei Nachtwächtern ebenso zur Anrechnung kommen, wie Schmutzzulagen bei Kanalarbeitern. Auch Wegegeld soll zur Anrechnung kommen, wenn es sich nicht um Fahrtkosten- oder sonstigen Aufwendungsersatz handele, sondern die für den Weg erforderli-

85 So ErfK/Franzen, MiLoG § 1 Rz. 13; Brors, NZA 2014, 938, 940; Däubler, NJW 2014, 1924, 1927; Jöris/von Steinau-Steinrück, BB 2014, 2101, 2103. 86 So Jöris/von Steinau-Steinrück, BB 2014, 2101, 2103; a. A. Schweibert/Leßmann, DB 2014, 1866, 1869 (in Bezug auf Nachtzuschläge). 87 So Berndt, DStR 2014, 1878, 1880; Spielberger/Schilling, NJW 2014, 2897, 2899. 88 So ErfK/Franzen, MiLoG § 1 Rz. 13; Berndt, DStR 2014, 1878, 1880; Spielberger/Schilling, NJW 2014, 2897, 2899. 89 So Berndt, DStR 2014, 1878, 1880; a. A. Sittard, NZA 2014, 951, 952; Sittard/Sassen, ArbRB 2014, 142, 143. 90 ArbG Berlin v. 4.3.2015 – 54 Ca 14420/14, NZA-RR 2015, 404. 91 Vgl. ArbG Düsseldorf v. 20.4.2015 – 5 Ca 1675/15; Spielberger/Schilling, NJW 2014, 2897, 2899. 92 Vgl. ErfK/Franzen, MiLoG § 1 Rz. 14. 93 Vgl. Ulber, RdA 2014, 176, 177; Spielberger/Schilling, NJW 2014, 2897, 2899.

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Aktuelle Fragen zur Umsetzung des MiLoG

che Zeit vergütet werde 94. Im Übrigen wird man Aufwendungsersatz ausgrenzen müssen 95 Für eine Anwendung der EuGH-Rechtsprechung bei der Auslegung und Anwendung von § 1 MiLoG spricht zwar, dass das Gesetz nach § 20 MiLoG auch für Arbeitnehmer gilt, die grenzüberschreitend eingesetzt werden. Das entspricht dem Geltungsbereich der Entsenderichtlinie, die sich an Arbeitnehmer richtet, die in das Hoheitsgebiet eines anderen Landes innerhalb der EU überlassen werden. Dafür spricht auch, dass die Bundesregierung in ihrer Antwort angenommen hat, dass schon die EuGH-Rechtsprechung zu einer Ausgrenzung der vorstehend genannten Zulage führe. Diese Rechtsauffassung ist aber falsch. Die bisherige EuGH-Rechtsprechung selbst bietet keine Grundlage, um in Bezug auf § 1 MiLoG festzustellen, was zur Anrechnung kommen soll 96. Denn auch Art. 3 Entsenderichtlinie garantiert Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen nur dann und insoweit, als sie in einem Mitgliedsstaat durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder durch für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge festgelegt wurden. Die Entsenderichtlinie bestimmt also nicht, was verbindlich ist. Sie regelt die Rahmenbedingungen zur Durchsetzung der Arbeitsund Beschäftigungsbedingungen, die nach den nationalen Bestimmungen eines Mitgliedsstaats auch bei grenzüberschreitender Tätigkeit verbindlich sein sollen. Dazu können neben der Arbeitszeit und den sonstigen Aspekten des Katalogs von Art. 3 Abs. 1 Entsenderichtlinie auch die Mindestlohnsätze einschließlich der Überstundensätze gehören. Was von dem Begriff der Mindestlohnsätze erfasst wird, muss aber – wie Art. 3 Abs. 1 S. 2 Entsenderichtlinie bestimmt – durch die Rechtsvorschriften und/oder Praktiken desjenigen Mitgliedstaats festgelegt werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird. Das bestätigt der EuGH auch im Urteil vom 12.2.2015 97. Dass hierzu auch Zulagen und Zuschläge gehören können, bestätigt die Richtlinie selbst. Denn Entsendezulagen gelten schon nach den Feststellungen der Richtlinie selbst als Bestandteil des Mindestlohns im Sinne der Entsenderichtlinie, sofern sie nicht einem Ausgleich durch die Entsendung tatsächlich entstehender Mehrkosten dienen (Art. 3 Abs. 7 Entsenderichtlinie).

94 Vgl. ErfK/Franzen, MiLoG § 1 Rz. 17; Jöris/von Steinau-Steinrück, BB 2014, 2101, 2103; Schweibert/Leßmann, DB 2014, 1866, 1869; BT-Drucks. 18/2010 S. 15; vgl. auch LArbG Berlin-Brandenburg v. 1.9.2011 – 25 Sa 131/11, n.v. (Rz. 47). 95 Vgl. EuGH v. 12.2.2015 – C-396/13, NZA 2015, 345 Rz. 53 ff., 70 – Sähköalojen. 96 Eingehend auch Bayreuther, NZA 2015, 385, 389 ff. 97 C-396/13, NZA 2015, 345 Rz. 27 ff. – Sähköalojen.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Daraus folgt, dass es eine Frage des nationalen Rechts ist, welche Zahlungen von dem Begriff des Mindestlohns erfasst sind. Die Entsenderichtlinie und die daran anknüpfende Rechtsprechung des EuGH zur Durchsetzung dieser Vergütungsansprüche kommen erst dann zum Tragen, wenn klar ist, was auf nationaler Ebene durch den Gesetzgeber oder die Tarifvertragsparteien als Mindestlohn oder Mindestarbeitsbedingungen bestimmt wurde 98. Folgerichtig können auch Ergebnisse in Bezug auf die Auslegung anderer Mindestvorschriften durch den EuGH oder die deutschen Arbeitsgerichte nicht nutzbar gemacht werden. Sie betreffen andere Rechtsvorschriften, die bei ihrer Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen einen jeweils unterschiedlichen Zweck verfolgen, jedenfalls nach ihrem individuellen Zweck ausgelegt und angewendet werden müssen (z. B. Mindestlohn im Baugewerbe 99, Mindestlohntarifvertrag der Abfallwirtschaft 100, Mindestlohntarifvertrag des Gebäudereinigerhandwerks 101). Entscheidend ist, welchen Zweck § 1 MiLoG verfolgt, um zu bestimmen, was mit der gesetzlichen Vergütung in Höhe von 8,50 € abgegolten werden soll. Eine Anrechnung anderweitiger Vergütungsbestandteile auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch hängt deshalb davon ab, welchen Zweck diese Leistungen verfolgen. Wenn der Zweck der Leistungen gleich ist, wenn also eine „funktionale Gleichwertigkeit der zu vergleichenden Leistungen“ vorliegt, kann eine Anrechnung vorgenommen werden 102. Auf diese Systematik hat das BAG mit Urteil vom 16.4.2014 103 völlig zutreffend hingewiesen. Hiervon ausgehend wird man annehmen müssen, dass alle monatlich gewährten arbeitsleistungsbezogenen Zuwendungen auf den Mindestlohn ohne Rücksicht darauf angerechnet werden können, ob sie auf individual- oder kollektivrechtlicher Grundlage gezahlt werden. Denn § 1 MiLoG verfolgt nur den Zweck, eine Mindestvergütung für jede Form von Arbeit zu sichern.

98 Vgl. EuGH v. 7.11.2013 – C-522/12, NZA 2013, 1359 Rz. 36 ff. – Isbir; EuGH v. 14.4.2005 – C-341/02, NZA 2005, 573 Rz. 39 – Kommission/Deutschland; BAG v. 16.4.2014 – 4 AZR 802/11, NZA 2014, 1277 Rz. 48. 99 Vgl. EuGH v. 14.4.2005 – C-341/02, NZA 2005, 573 – Kommission/Deutschland. 100 Hierzu vgl. BAG v. 16.4.2014 – 4 AZR 802/11, NZA 2014, 1277 Rz. 37 ff. (hier: Anrechnung von Spätschichtzulage, Nachtschichtzulage, vermögenswirksamen Leistungen). 101 Hierzu vgl. EuGH v. 7.11.2012 – C-522/12, NZA 2013, 1359 Rz. 45 – Isbir (hier: Anrechnung tarifliche Einmalzahlungen und vermögenswirksame Leistungen); BAG v. 18.4.2012 – 4 AZR 139/10, NZA 2013, 392 Rz. 31 ff. (hier: Anrechnung einer Erschwerniszulage). 102 Vgl. BT-Drucks. 18/1558 S. 67 f. 103 4 AZR 802/11, NZA 2014, 1277 Rz. 39 ff.

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Aktuelle Fragen zur Umsetzung des MiLoG

Hierzu gehören auch Akkord und Prämie; sicherzustellen ist lediglich, dass diese Leistungen mindestens in Höhe von 8,50 € (brutto) pro Stunde bezahlt werden 104. Folgerichtig spricht auch § 1 MiLoDokV von der Berücksichtigung „sämtliche[r] verstetigte[n] monatlichen Zahlungen“. Die gegenteilige Sichtweise hat auch in Wortlaut oder Gesamtsystematik des Gesetzes keinen Ausdruck gefunden. § 1 MiLoG verpflichtet zur Zahlung von „Mindestlohn“ als Vergütung für die Arbeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Auch § 24 MiLoG spricht abstrakt von dem „Entgelt“. Der „Lohn“ und das „Entgelt“ eines Arbeitnehmers kann aber, was auch §§ 107 f. GewO deutlich machen, aus mehreren Bestandteilen bestehen. Der arbeitsleistungsbezogene Bezug des Mindestlohns schließt vorliegend zwar aus, dass Vergütungsbestandteile, die die Betriebszugehörigkeit honorieren oder den Urlaub erleichtern sollen, einbezogen werden. Zum Urlaubsgeld hat dies mit überzeugender Begründung das ArbG Bautzen im Urteil vom 25.6.2015 105 klargestellt. Anrechenbarkeit ist auch bei vermögenswirksamen Leistungen, bei Personalrabatten oder einer Werkmiet- oder Werkdienstwohnung nicht gegeben 106. Dass es sich um vermögenswirksame Leistungen und/oder gezahltes Entgelt handelt, genügt wegen der abweichenden Zweckbestimmung nicht. Es fehlt an der „funktionalen Gleichwertigkeit“. Entsprechendes gilt für Nachtarbeitszuschläge, die schon wegen der in § 6 Abs. 5 ArbZG enthaltenen Zweckvorgabe auf den Mindestlohnanspruch nicht angerechnet werden können 107. Das gleiche gilt für Trinkgeld, das in der Gastronomie durch Dritte gezahlt wird 108. Alle übrigen Zahlungen, die dem Arbeitnehmer innerhalb der gesetzlichen Fälligkeitsregelungen gezahlt werden, um im Synallagma einen Ausgleich für die geleistete Arbeit zu zahlen, können aber auf den Mindestlohn angerechnet werden. Das gilt nicht nur für Zulagen und Zuschläge, sondern auch für solche Leistungen, die leistungs- oder erfolgsabhängig innerhalb der gesetzlichen Fälligkeitszeiträume gewährt werden. Insofern sind auch Provisionen oder sonstige Erfolgsbeteiligungen, die monatlich bzw. zweimonatig gezahlt werden, auf den Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 MiLoG anzurechnen.

104 105 106 107 108

Vgl. BT-Drucks. 18/1558 S. 34. 1 Ca 1094/15 n. v. Ebenso Preis/Lukes, ArbRB 2015, 153, 155. ArbG Bautzen v. 25.6.2015 – 1 Ca 1094/15 n. v.; Preis/Lukes, ArbRB 2015, 153, 155. Vgl. Dommermuth-Althäuser/Heup, NZA 2015, 406 ff., die allerdings eine Teilanrechnung für zulässig halten, wenn der Mindestbetrag von 8,50 € (brutto) gewährleistet bleibt.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Dass mit § 1 Abs. 1 MiLoG nur eine Normalleistung bezahlt werden soll, ist schon deshalb nicht überzeugend, weil eine „Normalleistung“ tätigkeits- und branchenübergreifend nicht definiert werden kann. Im Gegensatz zu tarifvertraglichen Regelungen, die auf der Grundlage von § 5 TVG oder den Vorgaben des AEntG Allgemeinverbindlichkeit erhalten können, verzichtet das Mindestlohngesetz deshalb auch darauf, eine tätigkeits- und/oder belastungsspezifische Festlegung des Arbeitsentgelts vorzunehmen. Auch wenn der Arbeitgeber wegen des hochwertigen Anforderungsprofils, der besonderen Schwierigkeiten und Belastungen einer Tätigkeit oder wegen des individuellen Erfolgs der Arbeit eines Arbeitnehmers eine höhere Vergütung verspricht, handelt es sich um den in § 1 MiLoG geregelten Ausgleich von Arbeit gegen Geld. Dieses Verhältnis besteht ohne Rücksicht darauf, ob die Zahlung als stundenbezogene Vergütung, Monatsentgelt oder stundenund/oder monatsbezogene Vergütung mit Zuschlägen oder Zulagen versprochen wird. Auch der Bonus steht in diesem unmittelbaren Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Die von Preis/Lukes 109 getroffene Differenzierung zwischen der „regelmäßigen Vergütung der Arbeitsleistung“ und einer Vergütung von „überobligatorischem“ überzeugt nicht. Denn auch bei der Ableistung von Überstunden/Mehrarbeit handelt es sich im Regelfall um Leistungen, die im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts abgerufen werden dürfen. Entsprechendes gilt dann, wenn Arbeitnehmer im Rahmen von Spät- oder Wechselschichten zum Einsatz kommen. Hierfür gewährte Zuschläge sind nicht an eine überobligationsmäßige Leistung, sondern an die Arbeitsleistung geknüpft, wie sie arbeitsvertraglich geschuldet ist. Entsprechendes gilt bei einer Tätigkeit unter besonderen äußeren Rahmenbedingungen, die zu Schmutz- oder Kältezulagen führen 110. Hätte der Gesetzgeber Vergütungsbestandteile ausgrenzen wollen, die durch den Arbeitgeber bezahlt werden, weil eine Arbeit besonders schwierig ist oder unter erschwerten Belastungen geleistet wird, hätte dies – darauf hat das BAG in Bezug auf die vergleichbare Frage einer Anrechnung von Zulagen auf den Mindestlohn nach § 2 des Mindestlohntarifvertrags für die Branche Abfallwirtschaft vom 12.8.2009 im Urteil vom 16.4.2014 111 hingewiesen – im Gesetz zum Ausdruck gebracht werden müssen. § 1 MiLoG spricht aber nur von einer Vergütung der Arbeit pro Stunde. Wenn der Gesetzgeber solche erschwerten Arbeiten aber nicht mit einem höheren Mindestlohn versieht, sind sie Bestandteil der Arbeit, die durch den Mindestlohn

109 Preis/Lukes, ArbRB 2015, 153 ff. 110 A. A. Preis/Lukes, ArbRB 2015, 153, 155. 111 4 AZR 802/11, NZA 2014, 1277 Rz. 40, 42, 49 f.

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Aktuelle Fragen zur Umsetzung des MiLoG

vergütet wird. Auch solche Zahlungen, die einem höheren Arbeitswert oder erschwerten Bedingungen Rechnung tragen, werden deshalb von § 1 MiLoG erfasst. Anders ausgedrückt: Jede Art der Tätigkeit mit jeder Form der Belastung ist Arbeit i. S. d. § 1 MiLoG. Folgerichtig ist jede Vergütung, die dafür gezahlt wird, anzurechnen. Wenn der Gesetzgeber Zulagen und Zuschläge sowie leistungsbezogene Vergütungsbestandteile hätte ausgrenzen wollen, hätte er erkennbar machen müssen, dass die 8,50 € schon für eine einfache Tätigkeit ohne besondere Belastung innerhalb bestimmter Tageszeiten mit einem bestimmten Mindestniveau an Ausbildung gewährt werden müssen. Die darin liegende Ausgrenzung anderweitiger Tätigkeiten fehlt aber. Für dieses Verständnis des gesetzlichen Mindestlohns spricht auch der Zweck des Gesetzes. Ausweislich der Begründung soll der Mindestlohn Arbeitnehmer vor Niedrigstlöhnen schützen, die generell als unangemessen anzusehen sind. Es soll eine existenzsichernde Vergütung gewährleistet werden. Auf diese Weise soll ein Lohnunterbietungswettbewerb zwischen den Unternehmen zu Lasten der Arbeitnehmer durch Vereinbarung immer niedrigerer Löhne verhindert werden. Zugleich sollen durch die Einführung des Mindestlohns negative Kostenwirkungen für die steuerfinanzierte Grundsicherung, Einnahmeausfälle für die Sozialversicherung und negative Folgen für die Alterssicherung der Arbeitnehmer vermieden werden 112. Keiner dieser Zweckbestimmungen verlangt, dass der Mindestlohn in Form eines Betrags geleistet wird, der ohne weitergehende Anknüpfungspunkte für die stundenbezogene Arbeit geleistet wird. Auch bei Zahlungen, die eine besondere Qualität oder Belastung bei der Arbeit honorieren, wird gewährleistet, dass der Arbeitnehmer eine Gegenleistung für seine Arbeit erhält, die die gesetzliche Lohnuntergrenze überschreitet. Da auch solche Zahlungen, die eine besondere Belastung des Arbeitnehmers vergüten oder an bestimmte Arbeitszeiten geknüpft sind der Sozialversicherungspflicht unterfallen, werden durch die Einbeziehung entsprechender Zulagen und Zuschläge auch eine Verbesserung der Einnahmesituation der Sozialversicherung und eine Vermeidung negativer Folgen für die steuerfinanzierte Grundsicherung und die Alterssicherung der betroffenen Arbeitnehmer erreicht 113. Dieses Regelungsziel wird auch dadurch erreicht, dass Urlaubs- und Weihnachtsgelder, die ursprünglich kalenderjährlich zur Auszahlung gebracht wurden, in vorbehaltlose monatliche Zahlungen des Arbeitgebers umgewandelt werden. Denn wenn der Arbeitgeber ohne weitergehende Anspruchsvo112 Vgl. BT-Drucks. 18/1558 S. 27 f. 113 Vgl. Bayreuther, NZA 2014, 865, 869.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

raussetzungen solche Zahlungen mit dem Monatsgehalt gewährt, liegt darin eine Vergütung der geleisteten Arbeit. Auch ohne die direkte Einbeziehung in eine Stundenvergütung entspricht dies dem Regelungsziel, im Monat bzw. dem Folgemonat ein Mindestentgelt für die pro Zeitstunde geleistete Arbeit sicherzustellen. Hiervon ist auch das ArbG Herne im Urteil vom 7.7.2015114 zu Recht ausgegangen. Unzulässig dürfte es allerdings sein, die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zur Gewährleistungen von Jahressonderzahlungen durch Änderungskündigung in monatliche (unbedingte) Gehaltszahlungen umzuwandeln 115.

d)

Bedeutung des MiLoG für die Entgeltfortzahlung

In seinen beiden Urteilen vom 13.5.2015 116 beschäftigt sich der 10. Senat des BAG zwar nur mit der Frage, welchen Einfluss die tarifvertraglichen Regelungen zum Mindestlohn des pädagogischen Personals auf die Entgeltfortzahlung an Feiertagen bzw. im Krankheits- und Urlaubsfall haben. Seine Überlegungen lassen sich allerdings ohne weiteres auch auf die Frage übertragen, welche Bedeutung das MiLoG auf diese Regelungen zur Entgeltfortzahlung besitzt. In den zugrundeliegenden Fällen hatte der Arbeitgeber bei der Entgeltfortzahlung für die als Folge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bzw. infolge von Feiertagen ausgefallene Arbeitszeit nur das vertraglich vereinbarte Bruttomonatsgehalt zugrunde gelegt. Dies war geringer als die Vergütung, die sich als Folge der gemäß § 7 AEntG für verbindlich erklärten Rechtsnormen des Tarifvertrags zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal im streitgegenständlichen Zeitraum ergeben hätten. Die Kläger machten deshalb geltend, dass der Arbeitgeber mit dieser Berechnung seine tarifvertraglichen Pflichten nicht erfüllen würde. Jedenfalls aber ergäbe sich aus den gesetzlichen Regelungen zur Entgeltfortzahlung, dass hinsichtlich der Höhe auf den tarifvertraglichen Mindestlohn abgestellt werden müsse. Der 10. Senat des BAG hat zwar einen tarifvertraglichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit, Urlaub oder für die Zeit eines Feiertags abgelehnt. Denn der Tarifvertrag enthielt keine Regelungen, wie das Entgelt für solche Ausfallzeiten zu berechnen war. Mit überzeugender Begründung ist das BAG indes davon ausgegangen, dass sich ein Anspruch auf Berücksichtigung des tarifvertraglichen Mindestlohns bereits aus den gesetzlichen Vorgaben zur Entgeltfortzahlung an Feiertagen bzw. bei krankheitsbedingter 114 3 Ca 684/15 n. v. m. Anm. Sittard/Rawe, ArbRB 2015, 297 f. 115 ArbG Berlin v. 4.3.2015 – 54 Ca 14420/14, NZA-RR 2015, 404. 116 10 AZR 191/14 n. v.; BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 495/14, NZA 2015, 1127.

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Aktuelle Fragen zur Umsetzung des MiLoG

Arbeitsunfähigkeit (§§ 2, 4 EFZG) ergeben würde 117. Da auch das MiLoG keine Regelungen über die Entgeltfortzahlung bei entsprechenden Fehlzeiten trifft, wird man auch im Anwendungsbereich dieses Gesetzes zu einer entsprechenden Berechnung der Entgeltfortzahlung kommen müssen. Gemäß § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Soweit nicht durch Tarifvertrag etwas anderes bestimmt wird, gilt das gleiche für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§§ 3, 4 Abs. 1 EFZG). Ausgegrenzt werden dort nur solche Vergütungsbestandteile, die für Überstunden gezahlt werden (§ 4 Abs. 1 a EFZG). Aus diesen gesetzlichen Vorgaben zum Lohnausfallprinzip folgt, dass die Klägerinnen wegen der krankheits- bzw. feiertagsbedingten Ausfallzeiten eine Vergütung beanspruchen konnten, die sie unter Berücksichtigung des tarifvertraglichen Mindestlohns erhalten hätten, falls sie an den streitgegenständlichen Krankheits- oder Feiertagstagen gearbeitet hätten. Abweichende Vereinbarungen außerhalb der tarifvertraglichen Öffnungsklausel in § 4 EFZG werden durch § 12 EFZG ausgeschlossen. Da die entsprechende Unabdingbarkeit auch durch § 3 MiLoG bestimmt wird, muss auch der gesetzliche Mindestlohn bei der Entgeltfortzahlung für die Kennzeichnung des Geldfaktors berücksichtigt werden. Arbeitnehmer können deshalb verlangen, dass sie für jede Zeitstunde, die als Folge eines Feiertags oder einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit entfällt, mindestens 8,50 € erhalten. Dieses Ergebnis ist auch auf die Berechnung des Urlaubsentgelts bzw. die Urlaubsabgeltung zu übertragen, auch wenn insoweit das Referenzprinzip zum Tragen kommt. Die Höhe des Urlaubsentgelts bzw. der entsprechenden Urlaubsabgeltung bestimmt sich damit einerseits nach den Stunden, die der Arbeitnehmer als Folge seines Urlaubs tatsächlich nicht geleistet hat (Zeitfaktor). Unter Ausgrenzung des für Überstunden zu zahlenden Entgelts müssen diese Stunden mindestens mit dem in § 1 Abs. 2 MiLoG genannten Mindestlohn multipliziert werden (Geldfaktor). In entsprechender Weise hat das BAG im Urteil vom 13.5.2015 118 in Bezug auf die Berücksichtigung der tarifvertraglichen Mindestlöhne für das pädagogische Personal entschieden. Erhebliche Bedeutung für die betriebliche Praxis hat im Hinblick auf die hier in Rede stehende Frage der Umstand, dass der Zahlungsanspruch des

117 Vgl. BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 191/14 n. v. (Rz. 20 ff.); BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 495/14, NZA 2015, 1127 Rz. 27 ff. 118 10 AZR 191/14 n. v. (Rz. 29).

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Arbeitnehmers bei Krankheit, Urlaub oder an Feiertagen in den gesetzlichen Regelungen des EFZG bzw. BurlG begründet ist. Das MiLoG bestimmt nur die Höhe dieser Leistung, die in Zeiten ohne Arbeit gewährt wird. Es ist selbst nur dann Anspruchsgrundlage, wenn es um die Vergütung tatsächlich geleisteter Arbeit geht. Folgerichtig liegt auch kein Verstoß gegen das MiLoG vor, wenn bei der Entgeltfortzahlung während solcher Fehlzeiten der gesetzliche Mindestlohn nicht ausreichend berücksichtigt wird. Eine entsprechende Verhaltensweise des Arbeitgebers kann deshalb auch keine Ordnungswidrigkeit nach dem MiLoG oder gar einen Ausschluss von Vergabeverfahren zur Folge haben. Außerdem kann anderweitiger Verdienstausfall nach § 615 S. 2 BGB angerechnet werden, ohne das darin ein Eingriff in den Mindestlohnanspruch liegt 119. (Ga)

8.

Anspruch auf eine ermessensgerechte Jahressonderzahlung durch vorbehaltlose Gewährung von Zahlungen in unterschiedlicher Höhe

In seinem Urteil vom 28.2.1996 120 hatte der 10. Senat des BAG den Zahlungsanspruch eines Arbeitnehmers aus betrieblicher Übung als Folge einer mehrjährigen Gewährung einer Jahressonderzahlung noch mit der Begründung abgelehnt, dass die Zahlung durch den Arbeitgeber in jährlich individuell unterschiedlicher Höhe erfolgt sei, ohne dass darin ein System erkennbar war. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber in den 1975 bis 1977 an den Kläger ein Weihnachtsgeld in Höhe von 1.000,- DM, 1.100,- DM und 1.400,- DM gezahlt. Der Geschäftsführer der Beklagten hatte dabei jährlich „nach Gutdünken“ individuell über die Höhe des Weihnachtsgeldes entschieden. In der Begründung seiner Entscheidung hatte das BAG das Entstehen einer betrieblichen Übung abgelehnt. Zwar könne die dreimalige Zahlung von Weihnachtsgeld grundsätzlich zu einem Anspruch aus betrieblicher Übung führen. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn aus dem Verhalten des Beklagten nur eine Zahlung für das jeweilige Jahr abzuleiten sei. Davon sei aber auszugehen, wenn der Geschäftsführer der Beklagten das Weihnachtsgeld „nach Gutdünken“ in jährlich unterschiedlicher Höhe gezahlt habe. Denn dann fehle es bereits an einer regelmäßigen gleichförmigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen. Vielmehr zeige die unterschiedliche Höhe des Weihnachtsgeldes – für den Kläger erkennbar – den Willen der Beklagten, in 119 Vgl. Grau/Sittard, ARbRB 2014, 375, 376; Bayreuther, NZA 2015, 385, 391 f. 120 10 AZR 516/95, NZA 1996, 758.

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Anspruch auf eine ermessensgerechte Jahressonderzahlung

jedem Jahr neu über die Zuwendung zu entscheiden. Für den Kläger erkennbar habe die Beklagte damit in den Jahren 1975 bis 1977 klargestellt, dass das Weihnachtsgeld jeweils nur für das betreffende Jahr gelten solle. Dies schließe aber das Entstehen einer betrieblichen Übung im Hinblick auf die zukünftige Gewährung von Weihnachtsgeld aus 121. Diese Rechtsprechung hat das BAG mit Urteil vom 13.5.2015 122 aufgegeben. In dem aktuellen Entscheidung zugrundeliegenden Fall war der Kläger zuletzt mit einer monatlichen Vergütung in Höhe von 5.300,- € beschäftigt. Zusammen mit der Novembervergütung bekam der Kläger jährlich ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts, das in den Jahren 2007 4.800,- € (brutto), 2008 5.200,- € (brutto), 2009 5.300,- € (brutto) enthielt. Außerdem erhielt er mit der am 10.1. des Folgejahres ausgezahlten Vergütung für Dezember einen in den jeweiligen Abrechnungen als „Sonderzahlung“ ausgewiesenen Betrag, der sich im Jahr 2007 auf 10.000,- € (brutto) und den Jahren 2008 und 2009 auf jeweils 12.500,- € (brutto) belief. Die Sonderzahlung war mit keinem Freiwilligkeitsvorbehalt verbunden. Der Kläger nahm die dreimalige Gewährung der „Sonderzahlung“ zum Anlass, auch für das Jahr 2010 eine solche Zahlung in Höhe von 12.500,- € (brutto) geltend zu machen. Nach seiner Auffassung habe die Beklagte durch die vorbehaltlose Zahlung in den drei vorangehenden Jahren konkludent ihm gegenüber eine entsprechende Zahlungsverpflichtung begründet. Das BAG hat die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen nicht bestätigt. Vielmehr geht es davon aus, dass der Arbeitnehmer auf ein verbindliches Angebot i. S. d. § 145 BGB auf Leistung einer jährlichen Sonderzahlung schließen dürfe, deren Höhe der Arbeitgeber einseitig nach billigem Ermessen bestimme, wenn der Arbeitgeber über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg vorbehaltlos jeweils zum Jahresende einer als „Sonderzahlung“ bezeichnete Leistung in unterschiedlicher Höhe an den Arbeitnehmer erbringe 123. Auch wenn sich diese Grundsätze damit nur auf die Entstehung eines individualvertraglichen Anspruchs im Einzelfall richten, wird man hiervon auch bei der Kennzeichnung des Inhalts einer betrieblichen Übung ausgehen müssen. Insofern steht zu erwarten, dass auch im Bereich der betrieblichen Übung diese neue Sichtweise an die Stelle der im Urteil vom 28.2.1996 124 vertretenen Grundsätze treten wird.

121 122 123 124

BAG v. 28.2.1996 – 10 AZR 516/95, NZA 1996, 758 Rz. 16. 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 Rz. 17 ff., 19. BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 Rz. 10 ff., 19. 10 AZR 516/95, NZA 1996, 758 Rz. 16.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Zunächst einmal weist das BAG daraufhin, dass einzelfallbezogen festgestellt werden müsse, ob sich der Arbeitgeber durch die Gewährung einer einmaligen Sonderzahlung nur zu der konkreten Leistung oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet habe. Eine dauerhafte Verpflichtung könne sich insbesondere aus einem Verhalten ergeben, das als betriebliche Übung qualifiziert werden müsse. Wenn eine betriebliche Übung allerdings deshalb ausscheide, weil die Leistung nur einem einzelnen Arbeitnehmer gewährt werde, könne das Verhalten des Arbeitgebers gleichwohl zu der Entstehung eines Anspruchs führen. Dies sei der Fall, wenn der Arbeitnehmer aus einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers auf ein Angebot schließen könne, dass er gemäß § 151 BGB durch schlüssiges Verhalten angenommen habe 125. Welchen Zweck der Arbeitgeber mit einer Zahlung verfolgt, ist – wenn ausdrückliche Zweckbestimmungen fehlen – im Wege der Auslegung aus den Gesamtumständen heraus festzustellen. Fehlen weitergehende Anspruchsvoraussetzungen, liegt es nahe, dass die Sonderzahlung als Gegenleistung für die Arbeitsleistung gezahlt wird. Dies gilt – so das BAG – auch dann, wenn die Höhe der Leistung nach der vom Arbeitgeber getroffenen Zweckbestimmung vom Betriebsergebnis abhängig ist und/oder als wesentlicher Teil der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers qualifiziert werden muss. Will der Arbeitgeber hiervon abweichend weitergehende Zwecke verfolgen, muss dies in zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen erkennbar werden. Geht es um die Honorierung künftiger Betriebstreue, kann dies beispielsweise durch Stichtagsregelungen erfolgen, die an den Bestand eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses geknüpft sind. Voraussetzung ist freilich, dass die Zahlung in solchen Fällen nicht auch die Arbeitsleistung vergüten soll. Denn nach der Rechtsprechung des BAG ist es jedenfalls auf einzelvertraglicher Ebene ausgeschlossen, Sonderzahlungen, die auch als Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung gezahlt werden, vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am Ende des Bezugszeitraums oder zu einem im Anschluss daran liegenden Zeitpunkt abhängig zu machen. Eine solche Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb – so das BAG – nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Für Betriebsvereinbarungen wird das entsprechende Ergebnis auf § 75 BetrVG gestützt 126.

125 Ebenso bereits BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81 Rz. 11, 12 f. 126 Vgl. BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 Rz. 13 ff., 15; BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368 Rz. 31.

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Anspruch auf eine ermessensgerechte Jahressonderzahlung

Von diesen Grundsätzen ausgehend war in dem der Entscheidung vom 13.5.2015 127 zugrunde liegenden Fall zunächst einmal von einer allein arbeitsleistungsbezogenen Zuwendung auszugehen. Denn die Zahlungen, die jeweils mit dem Dezembergehalt erfolgten, waren an keine weitergehenden Anspruchsvoraussetzungen geknüpft. Hinzu kam, dass sie mit rund 15 % einen nicht unwesentlichen Teil der Gesamtvergütung ausgemacht hatten und zusätzlich zu einem Weihnachtsgeld gezahlt wurden. Damit fehlte eine Zweckbindung zu den besonderen Aufwendungen des Weihnachtsfestes. Auch war eine Stichtagsklausel, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres verlangt hätte, jedenfalls auf einzelvertraglicher Ebene unzulässig. Durch den Umstand, dass arbeitgeberseits Zahlungen in jeweils unterschiedlicher Höhe veranlasst wurden, konnte der Kläger zwar nicht von einem Angebot ausgehen, in den Folgejahren eine Sonderzahlung in bestimmter Höhe vorzunehmen. Nach Auffassung des 10. Senat des BAG durfte der Kläger allerdings in verständiger Weise auf ein verbindliches Angebot des Arbeitgebers mit dem Inhalt schließen, in jedem Kalenderjahr eine Sonderzahlung zu leisten. Aus seiner Sicht rechtfertigte die unterschiedliche Höhe der jeweils gewährten Sonderzahlung nicht die Erkenntnis des Klägers, dass die Beklagte sich nicht dem Grunde nach auf Dauer binden wollte. Denn es sei gerade typische für eine vom Betriebsergebnis abhängige Sonderzahlung, das deren Höhe schwanken könne. Vielmehr habe der Kläger annehmen dürfen, dass die Sonderzahlung grundsätzlich jedes Jahr gewährt werden solle und lediglich in Bezug auf ihre Höhe noch eine jährlich neu zu treffende Entscheidung erfolgen müsse. Aus dieser Ungewissheit über die kalenderjährliche Entscheidung zur Höhe ergab sich, dass ein Zahlungsanspruch in Höhe von 12.500,- € (brutto) ebenso abgelehnt werden musste wie eine Zahlung in Höhe von 10.000,- € (brutto). Denn auch für das Jahr 2010 war die Beklagte nur verpflichtet, eine Sonderzahlung „nach billigem Ermessen“ festzusetzen. Auf der Grundlage der durch das BAG veranlassten Zurückweisung wird das LAG SachsenAnhalt deshalb der Beklagten Gelegenheit geben müssen, ergänzend vorzutragen, dass die für das Kalenderjahr 2010 vorgenommene Leistungsbestimmung „auf Null“ billigem Ermessen entsprach (§ 315 Abs. 3 S. 1 BGB). Hierfür ist die Beklagte als diejenige, der das Leistungsbestimmungsrecht zustand, darlegungs- und beweispflichtig 128. Kann eine solche Leistungsbe-

127 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 Rz. 17 ff. 128 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 Rz. 28; BAG v. 20.3.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rz. 33.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

stimmung zur Überzeugung des Gerichts dargelegt und ggf. auch bewiesen werden, ist die Klage abzuweisen. Entspricht die Leistungsbestimmung allerdings auch unter Berücksichtigung des Beklagtenvortrags nicht dem Grundsatz billigen Ermessens, wird sie durch das LAG Sachsen-Anhalt gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB vorzunehmen sein. Die vorstehend genannte Entscheidung des BAG ist gut vertretbar. Sie macht noch einmal deutlich, dass die Entstehung arbeitsvertraglicher che - auch solche einer betrieblichen Übung – in der betrieblichen Praxis nicht allein dadurch verhindert werden können, dass kalenderjährlich neu in unterschiedlicher Höhe Festsetzungen über Jahressonderzahlungen vorgenommen werden. Denn schon die kalenderjährliche Festsetzung bringt eine Regelhaftigkeit zum Ausdruck, die jedenfalls dem Grunde nach Zahlungsansprüche in den Folgejahren auslösen kann. Dies gilt selbst dann, wenn systemlos in den vorangehenden Jahren verfahren wurde. Denn entscheidend ist nicht, wie der Arbeitgeber zu dem entsprechenden Ergebnis gelangt ist. Aus §§ 133, 157 BGB folgt, dass hier der Empfängerhorizont - also die Arbeitnehmersichtweise – maßgeblich ist. Wenn das Risiko einer entsprechenden Zahlungspflicht in den Folgejahren verhindert werden soll, muss jede einzelne Zahlung mit einem wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt verknüpft werden. Das setzt voraus, dass nicht allein auf die Freiwilligkeit der Maßnahme verwiesen wird. Erforderlich ist, dass ausdrücklich der Hinweis erfolgt, dass diese und weitere Zahlungen keinen Rechtsanspruch in der Zukunft auf eine erneute Zahlung begründen sollen. (Ga)

9.

Die Zulässigkeitsanforderungen einer Drittschuldnerklage

Insgesamt sind nach den Zahlen der Wirtschaftsauskunft Creditreform etwa 6,7 Millionen Menschen nicht in der Lage, ihre Zahlungsverpflichtungen in absehbarer Zeit zu begleichen. Bei durchschnittlichen Schulden von rund 32.600,- € pro Kopf summiert sich der Schuldenberg auf knapp 217,8 Milliarden Euro 129. Jährlich beantragen etwa 100.000 Verbraucher ein Verbraucherinsolvenzverfahren 130. Es verwundert daher nicht, dass eine Vielzahl der Gläubiger versucht, im Wege der Zwangsvollstreckung, insbesondere durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in den Lohn des Schuldners 129 Die Welt v. 6.11.2914. Vgl. auch den Überschuldungsreport 2015 vom Institut für Finanzdienstleistungen e. V. ( aus dem Internet abrufbar). 130 Statistisches Bundesamt 2014. Zu den Einzelheiten des Verbraucherinsolvenzverfahrens aus der Sicht des Arbeitgebers als Drittschuldner: Boewer, Handbuch der Lohnpfändung und Lohnabtretung, S. 423 ff., 480 ff.

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Die Zulässigkeitsanforderungen einer Drittschuldnerklage

und Arbeitnehmers zu vollstrecken, um zumindest eine teilweise Befriedigung ihrer Forderungen zu erreichen. In diesem Zusammenhang ergeben sich unter Umständen schwierige Berechnungsprobleme zur Ermittlung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens, für die grundsätzlich der Drittschuldner (im Arbeitsverhältnis der Arbeitgeber) die Verantwortung trägt. Der Drittschuldner sieht sich bei der praktischen Abwicklung der Lohnpfändung zwei Gläubigern (Arbeitnehmer und Pfändungspfandgläubiger) gegenüber, die beide darauf bedacht sind, den ihnen zustehenden Teil der Forderung vom Drittschuldner zu erhalten. In einer Entscheidung vom 7.7.2015 war der 10. Senat des BAG 131 mit den Zulässigkeitsanforderungen einer Drittschuldnerklage befasst, deren Veranlassung darauf beruhte, dass die beklagte Drittschuldnerin der klagenden Gläubigerin eines titulierten Anspruchs nach Ausbringung eines Pfändungsund Überweisungsbeschlusses trotz entsprechender Aufforderung keine Drittschuldnererklärung abgegeben hatte. Mit ihrer Zahlungsklage machte die Klägerin daraufhin eine Forderung in Höhe von 1.200,- € gegen die beklagte Drittschuldnerin geltend, ohne jedoch zur Höhe des gepfändeten Einkommens des Schuldners irgendwelche Angaben zu machen. Die Beklagte hat sich im gesamten Verfahren nicht geäußert und war in sämtlichen Terminen des Instanzenzugs nicht erschienen. Das ArbG Stuttgart hat die Klage durch unechtes Versäumnisurteil abgewiesen. Das LAG Baden-Württemberg hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb ebenfalls erfolglos. Der für Lohnpfändungsfragen zuständige 10. Senat des BAG hat bereits die Zulässigkeit der Drittschuldnerklage verneint, weil der Zahlungsantrag der Klägerin dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht genügt hat. Nach dieser Vorschrift muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Da Streitgegenstand der Drittschuldnerklage die gepfändete und zur Einziehung überwiesene Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner ist, muss der Gläubiger die Zeitabschnitte der gepfändeten Arbeitsvergütung angeben, für welche die Vergütung in näher bestimmter Höhe des pfändbaren Anteils (§ 850 c ZPO) eingefordert wird. Aus dem Klageantrag auf Zahlung von 1.200,- € ohne nähere Konkretisierung, für welche Zeitabschnitte (Monate) welcher pfändbare Betrag beansprucht wird, lässt sich von vornherein nicht entnehmen, über welche Lohnforderungen das Gericht entscheidet, sodass auch der Umfang der Rechtskraftwirkung einer gerichtlichen Entscheidung völlig offen bleibt. 131 10 AZR 416/14, BB 2015, 2484.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Zu Recht weist das BAG darauf hin, dass die unterlassene Drittschuldnererklärung der Beklagten nach § 840 ZPO 132 keinerlei Auswirkung auf das Bestimmtheitserfordernis des Streitgegenstandes hat. Die Vorschrift begründet nur eine Obliegenheit des Drittschuldners und keinen einklagbaren Anspruch des Gläubigers 133. Die Nichterfüllung der Auskunftspflicht führt gegebenenfalls zu einem Schadensersatzanspruch des Gläubigers. Auch kann die unterbliebene Drittschuldnererklärung nicht die sonstigen Voraussetzungen einer zulässigen und schlüssigen Drittschuldnerklage ersetzen. Es ist nämlich – wie das BAG zutreffend hervorhebt – vorrangig nach § 836 Abs. 3 ZPO Sache des Schuldners und nicht des Drittschuldners, dem Gläubiger die zur Einziehung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und ihm die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben. Die Auskunfts- und Herausgabepflicht soll dem Gläubiger die zur klageweisen Durchsetzung der Forderung notwendigen Informationen und Urkunden verschaffen 134. Die gemäß § 836 Abs. 3 ZPO herauszugebenden Urkunden sind auf Antrag des Gläubigers in der Regel bereits in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufzunehmen 135. Dies wird auch in dem ab 1.3.2013 verbindlich vorgeschriebenen Formular für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vorgesehen (§§ 2, 3 ZVFV 2012). Die Herausgabe der Urkunden kann daher vom Gläubiger notfalls im Wege der Zwangsvollstreckung erwirkt werden (§ 836 Abs. 3 S. 5 ZPO), wenn der Schuldner nicht freiwillig bereit ist, dem Gläubiger die Urkunden zu überlassen. Unabhängig davon kann der Gläubiger auf seinen Antrag hin erreichen, dass der Schuldner die zu erteilenden Angaben zu Protokoll gibt und diese an Eides statt zu versichern hat (§ 836 Abs. 3 S. 2 ZPO) 136. Das BAG geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass der Drittschuldner nur verpflichtet ist, die Fragen des Gläubigers zu beantworten, die sich inhaltlich im Rahmen des Katalogs von § 840 Abs. 1 ZPO bewegen, wobei der Drittschuldner das Anerkenntnis oder die Ablehnung der Forderung nicht zu begründen hat. Dabei wird allerdings vom BAG unberücksichtigt gelassen, dass sich nach der Rechtsprechung des BGH 137 die mit einer Pfändung verbundene Beschlagnahme der Forderung auch auf alle Nebenrechte erstreckt

132 Zu den Einzelheiten ausführlich Boewer, Handbuch der Lohnpfändung und Lohnabtretung, S. 102 ff. 133 BGH v. 4.5.2006 – IX ZR 189/04, NJW-RR 2006, 1566 Rz. 10. 134 Boewer, Handbuch der Lohnpfändung und Lohnabtretung, S. 74 ff. 135 BGH v. 21.2.2013 – VII ZB 59/10, NJW-RR 2013, 766 Rz. 5. 136 Vgl. dazu Boewer, Handbuch der Lohnpfändung und Lohnabtretung, S. 76 ff. 137 BGH v. 9.2.2012 – VII ZB 117/09, NJW-RR 2012, 434 Rz. 12; Boewer, Handbuch der Lohnpfändung und Lohnabtretung, S. 63.

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Die Zulässigkeitsanforderungen einer Drittschuldnerklage

(§§ 401, 412 BGB analog), sodass der Gläubiger auch ohne besondere Hilfspfändung den Anspruch gegen den Drittschuldner auf Erteilung einer Lohnabrechnung mitpfändet, was allerdings aus Klarstellungsgründen in den Pfändungsantrag aufgenommen werden sollte. Im Übrigen vermag der Gläubiger – so das BAG in der Entscheidung vom 7.7.2015 138 – auch ohne Drittschuldnererklärung eine zulässige und schlüssig begründete Klage zu erheben. Danach genügt der Gläubiger seiner Darlegungslast bereits dadurch, dass er die übliche Vergütung für die Tätigkeit des Schuldners (§ 612 BGB) angibt, wobei er regelmäßig auf die tarifvertragliche Vergütung zurückgreifen darf. Es käme – so das BAG – auch eine Bezugnahme auf die Vergütung nach § 1 MiLoG in Betracht. Bei fehlenden Angaben über die Arbeitszeit und Pfändungsfreigrenzen könne der Gläubiger mangels anderer Erkenntnisse grundsätzlich von einer vollschichtigen Tätigkeit und fehlenden Unterhaltspflichten des Schuldners ausgehen, ohne damit gegen die Wahrheitspflicht zu verstoßen. Es sei dann Sache des Drittschuldners, sich zu diesem Vortrag im Rahmen des substantiierten Bestreitens zu äußern. Zu Recht geht das BAG davon aus, dass der Schadensersatzanspruch nach § 814 Abs. 2 S. 2 ZPO den Gläubiger so stellen soll, wie er bei einer richtigen und rechtzeitigen Auskunft des Drittschuldners gestanden hätte. Vor allem kann dabei der Schadensersatzanspruch auf Ersatz der Prozesskosten eines unnötigen Rechtsstreits gerichtet sein 139. Damit wird jedoch der Gläubiger in keinem Falle so gestellt, als bestünde die Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner. Vom Schadensersatzanspruch erfasst wird auch der Fall, dass der Gläubiger zunächst eine Klage unterlässt und von weiteren objektiv erfolgversprechenden Vollstreckungsmaßnahmen Abstand nimmt 140. Unabhängig davon, dass im vorliegenden Fall der Gläubiger mit seiner Drittschuldnerklage gescheitert ist, sollte der Arbeitgeber als Drittschuldner auf eine rechtzeitige und ordnungsgemäße Auskunftserteilung nach § 840 ZPO Wert legen, um einer unnötigen Inanspruchnahme durch eine Drittschuldnerklage vorzubeugen und einen Schadensersatzanspruch des Gläubigers zu vermeiden. (Boe)

138 10 AZR 416/14, BB 2015, 2484 Rz. 21. 139 Boewer, Handbuch der Lohnpfändung und Lohnabtretung, S. 111. 140 BAG v. 7.7.2015 – 10 AZR 416/14, BB 2015, 2484.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

10. Betriebliche Übung auf Vergütung während der Raucherpause Der notwendige Schutz der Nichtraucher hat in den meisten Unternehmen dazu geführt, dass Rauchen nur noch in bestimmten Bereichen erlaubt ist. Vielfach sind die entsprechenden Regelungen auch mit konkreten Vorgaben verknüpft worden, ob und ggf. in welcher Weise die damit verbundene Unterbrechung der Arbeitszeit berücksichtigt wird. Was insoweit selbstverständlich erscheinen mag, konnte früher durchaus als unüblich bezeichnet werden. Denn in den meisten Unternehmen war es in der Vergangenheit möglich, auch am Arbeitsplatz zu rauchen, wenn dies nicht aus produktions- oder sicherheitstechnischen Gründen verboten werden musste. Selbst wenn die Raucher für das Rauchen einen bestimmten Platz aufsuchen mussten, wurde diese Zeit jedenfalls in Bezug auf die Arbeitsvergütung nicht anspruchsmindernd berücksichtigt. In seinem Urteil vom 5.8.2015 141 hat sich das LAG Nürnberg jetzt mit der Frage befasst, ob eine entsprechende Handhabe der Rauchpausen aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung heraus einen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung begründen kann. In dem zugrundeliegenden Fall hatte es sich seit vielen Jahren im Betrieb der Beklagten eingebürgert, dass die Beschäftigten zum Rauchen ihren Arbeitsplatz verließen, ohne am Zeiterfassungsgerät ein- bzw. auszustempeln. Dementsprechend wurde für diese Raucherpausen auch kein Lohnabzug vorgenommen. Erst 2006 erließ die Beklagte eine Betriebsanweisung, in der es wie folgt hieß: Im Sinne der Gesundheitsreform (Nichtraucherschutzgesetz) ist der Arbeitgeber verpflichtet, Nichtraucher vor Rauchern zu schützen. Daher ist ab sofort das Rauchen in den Pausen und generell während der Arbeitszeit im Aufenthaltsraum sowie in den Toiletten und im gesamten Hallenbereich verboten! Für die Raucher wurde eine Raucherinsel am Haupteingang in der Nähe der Stechuhr geschaffen. Nur an diesem Platz ist Rauchen erlaubt.

Am 25.7.2007 erließ die Beklagte eine weitere Betriebsanweisung, in der u. a. festgestellt wurde:

141 2 Sa 132/15, BB 2015, 2622.

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Betriebliche Übung auf Vergütung während der Raucherpause

Aus gegebenem Anlass weisen wir darauf hin, dass das Rauchen nur an den ausgewiesenen Raucherinseln erlaubt ist. Es ist verboten, - auf den vorhandenen Rampen (diese gehören zum Lagerbereich), - innerhalb des gesamten Lagerbereichs (speziell frühere Bananenreiferei), - während der Arbeitszeiten in den Sozialräumen und Toiletten zu rauchen.

Erst am 4.12.2012 vereinbarte die Beklagte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über das Rauchen im Betrieb (BV-Rauchen). In der Präambel hieß es: Der Arbeitgeber hat gemäß § 5 ArbStättV die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind. Die folgende Regelung hat die Aufgabe, die gesundheitlichen Gefährdungen durch Tabakrauch am Arbeitsplatz zu vermeiden und zum anderen rauchenden Beschäftigten weiterhin die Möglichkeit zu geben, zu rauchen, wenn dadurch die Interessen der Nichtraucher nicht beeinträchtigt werden. Zudem soll eine Gleichbehandlung aller Mitarbeiter durch die nachfolgenden Regelungen gewährleistet werden.

Ergänzend hierzu lautete Ziff. 2 Abs. 2 BV-Rauchen: Rauchen ist nur in den speziell ausgewiesenen Raucherzonen, die in der Anlage vermerkt sind, erlaubt.

Ziff. 3 der BV-Rauchen lautete: Rauchpausen Beim Entfernen vom Arbeitsplatz zum Rauchen sind die nächst gelegenen Zeiterfassungsgeräte gemäß Anlage zum Ein- und Ausstempeln zu benutzen. Rauchen ist während der normalen Pausen und ansonsten erlaubt, solange wie bisher betriebliche Belange nicht beeinträchtigt werden.

Die BV-Rauchen trat zum 1.1.2013 in Kraft. Der Kläger hielt die damit verbundene Einschränkung seiner Entgeltfortzahlung für unzulässig. Mit der

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

insoweit anhängig gemachten Klage hat er deshalb geltend gemacht, dass ihm für den Monat Januar 2013 insgesamt 210 Min. für Raucherpausen von der Arbeitszeit abgezogen und nicht vergütet worden seien. Dies habe eine Minderbezahlung in Höhe von 44,41 € (brutto) zur Folge. Für den Monat Februar machte er 96 Min./20,30 € (brutto), für den März 572 Min./120,96 € (brutto) geltend. Zur Begründung verwies er darauf, dass die frühere Handhabe durch die Beklagte einen Anspruch aus betrieblicher Übung auf Entgeltfortzahlung während der Raucherpausen begründet hätte. Denn die Beklagte habe eine Handhabe der Raucherpausen im Umfang von durchschnittlich 60 bis 80 Min. pro Arbeitnehmer und Tag durch Fortzahlung der Vergütung gebilligt. Diesen Anspruch habe die Betriebsvereinbarung nicht einschränken können. Die Beklagte hat sich gegen den Zahlungsanspruch auch mit der Begründung gewehrt, dass sie bis zur Vereinbarung der Betriebsvereinbarung keine Kenntnis bzgl. der exakten Pausenlänge gehabt habe. Im Übrigen sei eine entsprechende Entgeltfortzahlung bereits deshalb unzulässig, weil der Kläger sonst ohne sachlichen Grund gegenüber den Nichtrauchern begünstigt werde. Denn er begünstige den gleichen Lohn wie die Nichtraucher, obwohl er im Schnitt mehr als 10 % weniger arbeite als seine nichtrauchenden Kolleginnen und Kollegen. Hochgerechnet auf das Jahr führe dies dazu, dass der Kläger mehr als einen Monat weniger arbeite, als dies bei nichtrauchenden Kolleginnen und Kollegen der Fall sei. In Übereinstimmung mit dem ArbG hat das LAG Nürnberg die Klage abgelehnt. Dabei ist es zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Entstehung einer betrieblichen Übung voraussetze, dass eine regelmäßige Verhaltensweise des Arbeitgebers in Rede stehe, aus der die Arbeitnehmer schließen könnten, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Das in diesem Verhalten liegende Vertragsangebot des Arbeitgebers werde durch den Arbeitnehmer in der Regel stillschweigend angenommen (§ 151 BGB) und könne im Hinblick auf jeden Gegenstand zu einem arbeitsvertraglichen Anspruch führen. Unerheblich sei, ob der Arbeitgeber einen entsprechenden Verpflichtungswillen besitze. Allein entscheidend sei, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (§§ 133, 157 BGB) verstehen durfte. Insofern könne eine betriebliche Übung auch durch Duldung des Arbeitgebers entstehen 142. Soweit 142 Vgl. nur BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 954/12, NZA 2014, 787 Rz. 43; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 500/05, DB 2006, 2068 Rz. 14; LAG Nürnberg v. 5.8.2015 – 2 Sa 132/15, BB 2015, 2622 Rz. 46.

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das LAG Nürnberg indes von diesen Grundsätzen ausgehend abgelehnt hat, dass der Kläger auf einen entsprechenden Verpflichtungswillen der Beklagten hätte schließen dürfen, erscheint dies allerdings nicht zwingend. Insbesondere unter Berücksichtigung der Feststellungen des BAG im Urteil vom 13.5.2015 143, die auch auf die betriebliche Übung übertragbar sind, sind gewichtige Anhaltspunkte erkennbar, welche für die Anerkennung des im Klagewege verfolgten Zahlungsanspruchs sprechen. Zunächst einmal hat das LAG Nürnberg seine Ablehnung darauf gestützt, dass sich die Beklagte nicht gleichförmig verhalten habe. Insofern liege schon keine regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen vor. Die unterschiedliche Inanspruchnahme der Raucherpausen durch die einzelnen Mitarbeiter und durch den Kläger selbst mache deutlich, dass keine gleichförmige Gewährung bezahlter Raucherpausen mit einer bestimmten Dauer gegeben gewesen sei. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass die Beklagte selbst keinen genauen Überblick über Häufigkeit und Dauer der von den einzelnen Mitarbeitern genommenen Raucherpausen hatte und daher Einwendungen gegen Dauer und Häufigkeit nur hätte schwer erheben können. Beide Argumente können nicht in Gänze überzeugen. Zunächst einmal hängt die Entstehung einer betrieblichen Übung nicht davon ab, ob arbeitgeberseits Einwendungen gegen einen etwaigen Anspruch nur schwer geltend gemacht werden können. Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber durch sein Verhalten – hier: Dulden der bezahlten Raucherpausen – den hiervon betroffenen Arbeitnehmern eine Leistung zugewandt hat. Dass er den Umfang im Laufe der vielen Jahre nicht kontrolliert hat, macht den Umstand nicht unbeachtlich, dass diese Raucherpausen mit Wissen des Arbeitgebers unter Fortzahlung der Vergütung in Anspruch genommen worden sind. Dass die Inanspruchnahme insoweit nicht gleichförmig erfolgt ist, steht unter Berücksichtigung der Feststellungen des BAG im Urteil vom 13.5.2015 144 Der betrieblichen Übung nicht entgegen. Denn unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung hat der 10. Senat in diesem Urteil ausdrücklich festgestellt, dass auch bei Leistungen in unterschiedlicher Höhe ein berechtigtes Vertrauen der hiervon betroffenen Arbeitnehmer auf eine Fortsetzung dieses Verhaltens entstehen könne. Hiervon wird man auch bei Raucherpausen ausgehen können, wenn diese über viele Jahre hinweg durch den Arbeitgeber ohne Minderung der Arbeitsvergütung eingeräumt werden. Für die hiervon betroffenen Arbeitnehmer entsteht damit ein Anspruch auf eine 143 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992. 144 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 Rz. 19.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

entsprechende Freistellung, deren Umfang der Arbeitgeber nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) gewähren muss. Ggf. ist eine Schätzung durch das Gericht entsprechend § 287 ZPO vorzunehmen. Soweit das LAG Nürnberg ergänzend hierzu den Anspruch mit der Begründung verneint, dass die Anerkennung der betrieblichen Übung einen Zahlungsanspruch auch ohne Arbeitsleistung zur Folge habe 145, kann dies nicht überzeugen. Denn jede betriebliche Übung, durch die bezahlte Pausen begründet werden, ist mit einem entsprechenden Zahlungsanspruch verknüpft. Dass eine betriebliche Übung aber solche Ansprüche auf bezahlte Arbeitspausen begründen kann, ist in Literatur und Rechtsprechung unstreitig 146. Dass die betriebliche Übung deshalb ausgeschlossen sein soll, weil es sich bei der Raucherpause nicht um eine „materielle Zuwendung“ handele, ist nicht nachvollziehbar 147. Denn natürlich liegt in der Möglichkeit, die Arbeit zum Zwecke des Rauchens zu unterbrechen, ohne dass dies eine Minderung der Vergütung zur Folge hat, eine materielle Zuwendung des Arbeitgebers. Zuzugestehen ist dem LAG Nürnberg, dass die Anerkennung einer bezahlten Raucherpause zu einer Ungleichbehandlung der Raucher und Nichtraucher führt. Diese Ungleichbehandlung ist auch nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Dass die sachwidrige Ungleichbehandlung von Rauchern und Nichtrauchern allerdings das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern soll 148, überzeugt nicht. Vielmehr hat die Entstehung der betrieblichen Übung zugunsten der Raucher zur Folge, dass die Nichtraucher einen wirtschaftlichen Ausgleich hierfür geltend machen können. Andernfalls wäre der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz auch in Fallgestaltungen außerhalb der betrieblichen Übung ein jederzeit beliebig verwendbares Mittel, durch den Arbeitgeber individualrechtlich zugesagte Leistungen mit der Begründung einzustellen, dass andere Arbeitnehmer hiervon sachwidrig ausgegrenzt würden. Keinen Bezug zu den generellen Voraussetzungen für das Entstehen einer betrieblichen Übung hat dann auch das abschließende Argument des LAG Nürnberg, nach dem der Kläger durch sein Verhalten – insbesondere in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats – Anreize setzen würde, die Gesundheit der Mitarbeiter zu gefährden und das Risiko krankheitsbedingter Ausfälle zu erhöhen. Natürlich wird man das Verhalten 145 LAG Nürnberg v. 5.8.2015 – 2 Sa 132/15, BB 2015, 2622 Rz. 50. 146 Vgl. nur BAG v. 16.6.2004 – 4 AZR 413/03 n. v.; HWK/Thüsing, BGB § 611 Rz. 238. 147 LAG Nürnberg v. 5.8.2015 – 2 Sa 132/15, BB 2015, 2622 Rz. 53. 148 So LAG Nürnberg v. 5.8.2015 – 2 Sa 132/15, BB 2015, 2622 Rz. 54.

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Kürzung des Erholungsurlaubs wegen der Elternzeit

des Klägers in dieser Weise bewerten können. Dass der Kläger indes mit Blick auf die Gesundheitsgefährdung seines Verhaltens nicht habe darauf vertrauen dürfen, auch in Zukunft bezahlte Raucherpausen in Anspruch zu nehmen, überzeugt nicht. Schließlich handelte es sich bei der entsprechenden Duldung durch den Arbeitgeber um ein Handeln, dass viele Jahre hinweg für das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb maßgeblich war. Abweichend von den Feststellungen des LAG Nürnberg wird man daher wohl davon ausgehen müssen, dass das hier in Rede stehende Verhalten des Arbeitgebers zum Entstehen einer betrieblichen Übung geführt hatte, aufgrund derer Raucher einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsunterbrechung geltend machen konnten. Grundsätzlich kann dieser Anspruch nur einvernehmlich oder im Wege einer Änderungskündigung beseitigt werden. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn man – was hier hätte geprüft werden müssen – von einer betriebsvereinbarungsoffenen Regelungen ausgehen kann. Denn in diesem Fall ist der Arbeitgeber berechtigt, gemeinsam mit dem Betriebsrat durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung den Anspruch einzuschränken oder gar aufzuheben. Dies gilt insbesondere dann, wenn – was hier der Fall war – Leistungen in Rede standen, deren Gewährung durch den Arbeitgeber an sich von einer Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, 2, 7 BetrVG abhängig war. Auf diese Möglichkeit einer Einschränkung einzelvertraglicher Ansprüche durch Betriebsvereinbarung hatte der 1. Senat des BAG zuletzt im Urteil vom 5.3.2013 149 hingewiesen. Von diesen Grundsätzen ausgehend wäre die Klage abzuweisen. Denn die Beklagte hatte in dem hier in Rede stehenden Fall mit ihrem Betriebsrat durch Betriebsvereinbarung festgelegt, dass ab 1.1.2013 keine bezahlten Raucherpausen mehr in Anspruch genommen werden können. Unter Berücksichtigung der in den vorangehenden Jahren vorgenommenen Begünstigungen der Raucher gegenüber den Nichtrauchern erscheint dies auch mit den Grundsätzen von Recht und Billigkeit (§ 75 BetrVG) vereinbar. (Ga)

11.

Kürzung des Erholungsurlaubs wegen der Elternzeit

Nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen 150. Dem Wortlaut nach betrifft die Kürzungsmöglichkeit jeden Erholungsurlaub, un149 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 Rz. 18 ff. 150 Vgl. zu den Einzelheiten HWK/Gaul, § 17 BEEG Rz. 1 bis 12; ErfK/Gallner, § 17 BEEG Rz. 1 bis 13. Zur unionsrechtlichen Problematik: Kamanabrou, RdA 2014, 321, 324 ff.

463

Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

abhängig davon, ob er auf dem Gesetz, einem Tarifvertrag oder einer einzelvertraglichen Vereinbarung beruht 151, was allerdings nicht ausschließt, dass zugunsten des Arbeitnehmers in einem kollektiven Normenvertrag oder einer Vertragsabsprache das Kürzungsrecht ausgeschlossen wird. Zur Wahrnehmung des Kürzungsrechts bedarf es einer empfangsbedürftigen rechtsgeschäftlichen Erklärung des Arbeitgebers, weil er auch von der ihm zustehenden Kürzungsmöglichkeit absehen kann 152. Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG 153 ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin vor Antritt der Elternzeit mitzuteilen, dass er den Erholungsurlaub anteilig kürzen will. Diese Erklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend abgegeben werden. Es reicht aus, dass dem Arbeitnehmer nur der gekürzte Urlaub gewährt wird oder für ihn unmissverständlich erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will. Das BAG 154 hat bislang auch zugelassen, die Kürzungserklärung erst nach der Elternzeit abgeben zu dürfen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG 155 war der Arbeitgeber nicht einmal verpflichtet, die Kürzungserklärung im noch bestehenden Arbeitsverhältnis vornehmen zu müssen. Es reichte sogar die Abgabe der Kürzungserklärung erst im Rechtsstreit um die Zahlung der Urlaubsabgeltung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus 156. In der Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 19.5.2015 157 ging es nach Beendigung der Elternzeit um die von der Klägerin geltend gemachte Abgeltung ihres während der Elternzeit erworbenen Naturalurlaubsanspruchs (§ 17 Abs. 3 BEEG). Erst nach Zustellung der Zahlungsklage berief sich die Beklagte auf die Kürzungsmöglichkeit des § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG. Das BAG hat unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung, die eine derartige Kürzungsmöglichkeit erlaubte, nunmehr entschieden, dass die Kürzungsregelung in § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG voraussetzt, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht, woran es fehlt, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist und der Arbeitnehmer nunmehr einen Anspruch Urlaubsabgeltung hat. Dieser Wandel der Rechtsprechung ist der vollständigen Aufgabe

151 152 153 154 155 156

Schaub/Linck ArbR-Hdb. § 172 Rz. 26. BAG v. 23.4.1996 – 9 AZR 165/95, NZA 1997, 44 ff. BAG v. 28.7.1992 – 9 AZR 340/91, NZA 1994, 27 Rz. 18 f. BAG v. 28.7.1992 – 9 AZR 340/91, NZA 1994, 27 Rz. 19. BAG v. 23.4.1996 – 9 AZR 165/95, NZA 1997, 44 Rz. 11 ff. So noch LAG Niedersachsen v. 16.9.2014 – 15 Sa 533/14, LAGE § 17 BEEG Nr. 2; LAG Rheinland-Pfalz v. 16.1.2014 – 5 Sa 180/13, LAGE § 17 BEEG Nr. 1. 157 9 AZR 725/13, NZA 2015, 989 ff.

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Kürzung des Erholungsurlaubs wegen der Elternzeit

der Surrogationstheorie auf Veranlassung der Rechtsprechung des EuGH158 zu Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG geschuldet, wonach der Urlaubsabgeltungsanspruch als Erfüllungssurrogat des Naturalurlaubsanspruchs wegen der daraus abgeleiteten Zweckidentität ebenso wie der Naturalurlaub eine Kürzung erlaubte. Das BAG weist in diesem Zusammenhang erneut darauf hin, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach der neueren Spruchpraxis des 9. Senats ein reiner Geldanspruch und nicht mehr Surrogat des Urlaubsanspruchs ist. Der Urlaubsabgeltungsanspruch verdankt zwar seine Entstehung urlaubsrechtlichen Vorschriften. Ist er jedoch einmal entstanden, unterscheidet er sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber 159. Wird das Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt, kann der Arbeitgeber nach Ansicht des BAG noch während der einzuhaltenden Kündigungsfristen oder vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages von seiner Kürzungsbefugnis Gebrauch machen. Jedenfalls nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fehlt ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers daran, entstandene Zahlungsansprüche von Arbeitnehmern kürzen zu dürfen. Wie das BAG überzeugend hervorhebt, lässt sich auch aus § 17 Abs. 4 BEEG kein anderes Ergebnis herleiten. Die Vorschrift bezieht sich auf die Kürzung des nach dem Ende der Elternzeit zustehenden Urlaubs, der also noch als Naturalurlaub dem Arbeitnehmer erhalten geblieben ist. Sie betrifft indes keine Kürzungsmöglichkeit, wenn das Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Elternzeit endet und damit nur noch ein Urlaubsabgeltungsanspruch besteht. Offen gelassen hat das BAG die Frage, ob die Kürzungsbefugnis nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist. Diese Frage stellt sich wegen Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG allein deswegen, weil der auf Unionsrecht beruhende Urlaub das Element der Urlaubsentgeltzahlung einschließt und § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG zu dem damit im Widerspruch stehenden Ergebnis führte, dass ein vom Arbeitgeber geschuldeter bezahlter Urlaub mit einem unbezahlten Urlaub verrechnet werden dürfte. Es spricht einiges dafür, dass der für Urlaubssachen zuständige Senat des BAG diese Frage dem EuGH gemäß Art. 267 AEUV zur Entscheidung vorgelegt.

158 EuGH v. 20.1.2009 C-350/06 und C-520/06, NZA 2009, 135 ff. - Schulz-Hoff; EuGH v. 22.11.2011 – C-214/10, NZA 2011, 1333 ff. – KHS. 159 Vgl. HWK/Schinz, BurlG § 7 Rz. 95.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

Die betriebliche Praxis wird sich auf diese Rechtsprechungsänderung einzustellen haben und zukünftig darauf Bedacht nehmen müssen, die entsprechende Kürzungserklärung bezüglich des während der Elternzeit entstehenden Urlaubsanspruchs vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeben zu müssen. (Boe)

12. Berechnung der Urlaubsansprüche bei einer Neuverteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage Angesichts flexibler Arbeitszeitmodelle stellt sich in der betrieblichen Praxis die Frage, wie Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers zu berechnen sind, wenn eine Neuverteilung der Arbeitszeit auf einzelne Wochentage stattfindet. Bisher war das BAG 160 davon ausgegangen, dass sich die Dauer des dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubs auf weniger oder auch auf mehr Arbeitstage einer Kalenderwoche verkürzt oder verlängert, wenn sich im Verlauf eines Kalenderjahres die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage verändert. Die Dauer des Urlaubs war dann jeweils unter Berücksichtigung der nunmehr für den Arbeitnehmer maßgeblichen Verteilung seiner Arbeitszeit auf die Anzahl der Wochentage neu zu berechnen. Diese Berechnungsmethode sollte nicht nur auf die Berechnung eines Urlaubsanspruchs während des Kalenderjahres anzuwenden sein, sondern auch für einen Resturlaub gelten, der in das folgende Urlaubsjahr übertragen wurde. Änderte sich die Verteilung der Arbeitszeit auf die Anzahl der Wochentage im Übertragungszeitraum, war die Dauer des dem Arbeitnehmer zustehenden Resturlaubs unter Zugrundelegung der Regelungen im BUrlG neu zu bestimmen. Hatte etwa der Arbeitnehmer im vorangegangenen Kalenderjahr in der Fünftagewoche gearbeitet und einen Resturlaub von zehn Arbeitstagen auf das nächste Kalenderjahr übertragen, in dem er nur in der Dreitagewoche arbeitete, so verkürzte sich der Urlaub bei 30 Arbeitstagen in der Fünftagewoche auf 40: 5 = 8 x 3 Tage = 24 Arbeitstage Urlaub, was eine Kürzung des übertragenen Urlaubs von zehn Arbeitstagen auf sechs Arbeitstage bedeutete. Das BAG rechtfertigte diese Umrechnung damit, dass sie nicht an die Dauer der Arbeitszeit, vielmehr an die Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage anknüpft und damit auch keine Diskriminierung von Teilzeitkräften vorliegt. Eine Verringerung der Anzahl der Wochenarbeitstage muss nicht notwendigerweise mit einer Verringerung der Wochenarbeitszeit einhergehen.

160 BAG v. 28.4.1998 – 9 AZR 314/97, NZA 1999, 156 Rz. 39.

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Neuverteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage

In Anlehnung an diese Rechtsprechung sieht § 26 Abs. 1 S. 4 TVöD vor, dass sich bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als fünf Tage in der Woche der Urlaubsanspruch entsprechend erhöht oder vermindert. Diese tarifvertragliche Vorschrift war Gegenstand einer Entscheidung des 9. Senats des BAG vom 10.2.2015 161 . Der Kläger war bei der Beklagten zunächst in der Fünftagewoche beschäftigt. Er konnte auf der Grundlage des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren TVöD aufgrund seines Alters 30 Arbeitstage Urlaub pro Kalenderjahr beanspruchen. Ab dem 16.7.2010 verkürzte der Kläger seine Arbeitszeit um 17,5 % und arbeitete seitdem nur noch an vier Tagen in der Woche. Die Beklagte gewährte dem Kläger in der zweiten Jahreshälfte 24 Arbeitstage Urlaub, den sie nach der geringeren Anzahl der Arbeitstage (30: 5 = 6 x 4 = 24) berechnete, während der Kläger von der Beklagten drei weitere Urlaubstage (30: 2 = 15 Urlaubstage für das erste Halbjahr plus 30: 5 = 6 x 4 = 24: 2 = 12 Urlaubstage für das zweite Halbjahr), d. h. insgesamt 27 Urlaubstage beanspruchte und mit einer Feststellungsklage drei weitere Urlaubstage geltend machte. Während das LAG Hessen unter Berücksichtigung der früheren Rechtsprechung des BAG 162 in Anwendung der tarifvertraglichen Regelung die Klage abgewiesen hat, war sie vor dem BAG erfolgreich. Das BAG hat dem Kläger den von ihm verlangten Urlaub von drei weiteren Urlaubstagen als Ersatzurlaub zugesprochen, weil der Urlaubsanspruch aus dem Kalenderjahr 2010 am 31.12.2010 erloschen und an seine Stelle ein auf Naturalrestitution gerichteter Schadensersatzanspruch gemäß §§ 275 Abs. 1 und Abs. 4, 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 S. 1, 286 Abs. 1, § 287 S. 2, 249 Abs. 1 BGB getreten ist. Hat der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht erteilt, wandelt sich der im Verzugszeitraum untergegangene Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der als Naturalrestitution in Gestalt von Ersatzurlaub vom Arbeitgeber zu gewähren ist. Nach Ansicht des BAG verstößt die hier einschlägige tarifvertragliche Regelung, soweit sie die Anzahl der während einer Vollzeittätigkeit erworbenen Urlaubstage mindert, gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitkräften (§ 4 Abs. 1 TzBfG) und ist gemäß § 134 BGB unwirksam. Das in § 4 Abs. 1 TzBfG geregelte Verbot der Benachteiligung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit gilt auch für die Tarifvertragsparteien. Die in § 4 Abs. 1 TzBfG vorgesehenen Diskriminierungsverbote sind nämlich gemäß § 22 TzBfG keiner Disposition durch die Tarifver-

161 9 AZR 53/14 (F), NZA 2015, 1005 Rz. 14 f. 162 BAG v. 28.4.1998 – 9 AZR 314/97, NZA 1999, 156 ff.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

tragsparteien zugänglich 163. Nach § 4 Abs. 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, so dass einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung - wie z. B. Erholungsurlaub 164 - mindestens in dem Umfang zuzubilligen ist, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Grund für diesen Rechtsprechungswandel des BAG bilden zwei Entscheidungen des EuGH 165, wonach § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23 geänderten Fassung, einer nationalen Bestimmung entgegensteht, die eine Reduzierung des noch nicht in der Zeit der Vollzeitbeschäftigung verbrauchten Erholungsurlaubs bei einem Übergang von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung vorsieht. Gegenstand des Ausgangsverfahrens in der Entscheidung des EuGH vom 13.6.2013 166 war eine dem § 26 Abs. 1 S. 4 TVöD 2010 wortgleiche Regelung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12.10.2006 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 4 vom 2.1.2012. Der Tenor des Beschlusses dieser Entscheidung lautet: Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Paragraf 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sie nationalen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegenstehen, nach denen die Zahl der Tage bezahlten Jahresurlaubs, die ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer im Bezugszeitraum nicht in Anspruch nehmen konnte, wegen des Übergangs dieses Arbeitnehmers zu einer Teilzeitbeschäftigung entsprechend dem Verhältnis gekürzt wird, in dem die von ihm vor diesem Übergang geleistete Zahl der wöchentlichen Arbeitstage zu der danach geleisteten Zahl steht.

163 BAG v. 21.2.2013 – 6 AZR 524/11, NZA 2013, 625 Rz. 23. 164 ErfK/Preis, § 4 TzBfG Rz. 8. 165 EuGH v. 22.4.2010 – C-486/08, NZA 2010, 557 ff. – Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols; EuGH v. 13.6.2013 – C-415/12, NZA 2013, 775 ff. – Brandes. 166 C-415/12, NZA 2013, 775 ff. – Brandes.

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Neuverteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage

Beim Übergang von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung kann nämlich der in Paragraf 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit genannte Pro-rata-temporis-Grundsatz nicht nachträglich auf einen Anspruch auf Jahresurlaub angewandt werden, der in einer Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworben wurde, insbesondere in Ermangelung eines sachlichen Grundes, der diese Minderung rechtfertigen könnte.

Angesichts dieses Befundes hat der 9. Senat des BAG 167 von einer erneuten Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV abgesehen, was ebenfalls für die Frage der Gewährung von Vertrauensschutz gilt 168. Das BAG verneint auch eine Kürzungsberechtigung des bis zum 15.7.2010 entstandenen Urlaubsanspruchs auf der Grundlage der tarifvertraglichen Regelung, weil der Kläger während seiner Vollzeitbeschäftigung keinen Urlaub beantragt und erhalten hatte. Diese Untätigkeit des Klägers ändert nichts an seiner ungünstigeren Behandlung, so dass sie nicht ins Gewicht fallen kann. Anderenfalls würde die denkbare Obliegenheit des Beschäftigten, vor einem Wechsel in eine Teilzeittätigkeit mit weniger Wochenarbeitstagen seinen Erholungsurlaub ganz oder teilweise in Anspruch nehmen zu müssen, einen Rechtfertigungsgrund für die an sich verbotene Benachteiligung eines Teilzeitbeschäftigten abgeben. Hinzu kommt – wie das BAG zu Recht hervorhebt – dass nach § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs grundsätzlich die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, sodass ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer grundsätzlich nicht gehalten ist, trotz entgegenstehender eigener Urlaubswünsche den Urlaub während der Vollzeitbeschäftigung nehmen zu müssen. Die betriebliche Praxis, insbesondere die Tarifvertragsparteien, müssen sich auf diese geänderte Rechtsprechung einstellen und ihre häufig anders lautenden tariflichen und vertraglichen Regelungen anpassen. Ungelöst ist bislang, ob ein Arbeitnehmer, der in der ersten Jahreshälfte bezogen auf eine Teilzeittätigkeit mit weniger Wochenarbeitstagen seinen vollen - entsprechend gekürzten - Jahresurlaub erhalten hat, und in der zweiten Jahreshälfte in eine Fünf-Arbeitstage-Woche wechselt, eine Erhöhung des Urlaubs nachfordern kann. Dies dürfte zu verneinen sein. Andererseits wird ein Arbeitnehmer, der während einer Teilzeittätigkeit mit weniger Wochenarbeitstagen in der ersten Jahreshälfte keinen Urlaub erhalten hat und sodann in der zweiten Jahreshälfte in der Fünf-Arbeitstage-Woche arbeitet, den vollen Jahresurlaub begehren können. (Boe) 167 v. 10.2.2015 – 9 AZR 53/14 (F), NZA 2015, 1005 Rz. 24. 168 BVerfG v. 10.12.2014 – 2 BvR 1549/07, NZA 2015, 375 Rz. 36.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

13. Urlaubsdauer bei kurzfristiger Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses Der volle Urlaubsanspruch wird gemäß § 4 BUrlG erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben. Dabei ist für die Berechnung der Wartezeit allein der rechtliche Bestand eines Arbeitsverhältnisses maßgeblich 169. Nach § 5 Abs. 1 BUrlG hat ein Arbeitnehmer für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für Zeiten eines Kalenderjahres, für die er wegen Nichterfüllung der Wartezeit in diesem Kalenderjahr keinen vollen Urlausanspruch erwirbt (§ 5 Abs. 1 lit. a BUrlG), wenn er vor erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet (§ 5 Abs. 1 lit. b BUrlG) oder wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahrs aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet (§ 5 Abs. 1 lit. c BUrlG). Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Wird ein Arbeitsverhältnis unter Zahlung einer Urlaubsabgeltung beendet und zu einem späteren Zeitpunkt ein neues Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet, entsteht der volle Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich erst nach erneuter vollständiger Erfüllung der sechsmonatigen Wartezeit des § 4 BUrlG. In Anbetracht der gesetzlichen Vorgabe für den Teilurlaubsanspruch nach § 5 BUrlG können im Verlaufe eines Kalenderjahres zwei voneinander unabhängige Teilurlaubsansprüche zugunsten des Arbeitnehmers entstehen, wenn etwa das eine Arbeitsverhältnis in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres endet und nach einer Unterbrechung zwischen denselben Parteien ein neues Arbeitsverhältnis begründet wird, das seinerseits vor Ablauf der Wartezeit sein Ende findet. Bislang fehlte eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage, ob kurzfristige Unterbrechungen eines Arbeitsverhältnisses zu demselben Arbeitgeber unter allen Umständen die erneute Erfüllung der Wartezeit des § 4 BUrlG erfordern, um den vollen Urlaubsanspruch und nicht nur Teilurlaubsansprüche zu erwerben. Im Schrifttum 170 wird teilweise jedwede Unterbrechung für schädlich gehalten, weil damit die notwendige Rechtssicherheit über die Dauer und den Anlass der Unterbrechung nicht mehr gewährleistet sei. Andererseits 171 wird vertreten, dass kurzfristige Unterbrechungen des

169 BAG v. 16.12.2014 – 9 AZR 295/13, NZA 2015, 827 Rz. 13. 170 ErfK/Gallner § 4 BUrlG Rz. 4 m. w. N. 171 Vgl. etwa Neumann/Fenski, BUrlG, § 4 Rz. 43 ff.; Hk-BUrlG/Hohmeister, § 4 BUrlG Rz. 35 ff.

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Urlaubsdauer bei kurzfristiger Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses

Arbeitsverhältnisses für den Ablauf der Frist aus § 4 BUrlG unbeachtlich sein sollen. Diese Auffassung erinnert an die Rechtsprechung zur Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG, wonach mit Blick auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG von einem „ununterbrochenen“ Arbeitsverhältnis auch dann auszugehen ist, wenn innerhalb des Sechsmonatszeitraums zwar zwei oder mehr Arbeitsverhältnisse liegen, diese aber ohne zeitliche Unterbrechung unmittelbar aufeinanderfolgen. Selbst in Fällen, in denen es an einer nahtlosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses fehlt, kann die rechtliche Unterbrechung unschädlich sein, wenn die Dauer der tatsächlichen Unterbrechung verhältnismäßig kurz ist und zwischen den aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Im schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit über die von der Fraktion der SPD-Drucks. IV/142 und von der Fraktion der CDU/CSU auf Drucks. IV/207 eingebrachten Initiativgesetzentwürfe für ein Bundesurlaubsgesetz 172 heißt es dazu: § 6 des Entwurfs der Fraktion der CDU/CSU, in dem bestimmt war, daß kurzfristige Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses für Entstehung und Höhe des Urlaubsanspruchs ohne Bedeutung sind, ist nicht übernommen. Diese Streichung bedeutet nicht die Aufgabe des in dieser Bestimmung ausgesprochenen Grundsatzes; der Ausschuß war vielmehr der Auffassung, daß dieser Rechtsgedanke auch ohne ausdrückliche gesetzliche Normierung gilt und seine Anwendung der Rechtsprechung überlassen werden kann.

Nunmehr hatte der für Urlaubssachen zuständige Senat des BAG erstmalig Gelegenheit, in einer Entscheidung vom 20.10.2015 173 über eine Revision gegen ein Urteil des LAG Düsseldorf vom 19.2.2014 174 der Frage nachzugehen, welche Bedeutung kurze Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses bei demselben Arbeitgeber für den Ablauf der Wartezeit des § 4 BUrlG haben können. Der Fall betraf einen Arbeitnehmer, der bei der Beklagten seit Januar 2009 beschäftigt war und bei einer Fünf-Tage-Woche einen jährlichen Urlaubsanspruch von 26 Arbeitstagen hatte. Nachdem der Arbeitnehmer und Kläger das Arbeitsverhältnis zum 30.6.2012 gekündigt hatte, einigten sich die Parteien am 21.6.2012 darüber, das Arbeitsverhältnis mit Wirkung ab dem 2.7.2012 (Montag) mit einem neuen Vertrag, der bezüglich des Urlaubs keine Änderung vorsah, fortzusetzen. Dieses Arbeitsverhältnis endete aufgrund fristloser Kündigung der Beklagten am 12.10.2012. Die Parteien strit172 Drucks. IV/785 S. 3. 173 9 AZR 224/14 n. v. 174 1 Sa 1273/13, ZTR 2014, 357.

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Arbeitszeit, Vergütung und Urlaub

ten anschließend über die dem Kläger zustehende Urlaubsabgeltung, wobei der Kläger von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis und damit von 26 Arbeitstagen Urlaub ausging, während die Beklagte die Urlaubsabgeltung auf der Grundlage von zwei Arbeitsverhältnissen mit Teilurlaubsansprüchen abrechnete. Bereits das LAG Düsseldorf ging als Vorinstanz davon aus, dass kurzfristige Unterbrechungen eines Arbeitsverhältnisses zu demselben Arbeitgeber bei bestehendem sachlichen Zusammenhang den Lauf der Wartezeit des § 4 BUrlG in dem neuen Arbeitsverhältnis nicht erneut auslösen. Dieser Auffassung schließt sich der 9. Senat des BAG jedenfalls für den Fall an, dass aufgrund vereinbarter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bereits vor Beendigung des ersten Arbeitsverhältnisses feststeht, dass es nur für kurze Zeit unterbrochen wird. Endet dann das zweite Arbeitsverhältnis nach erfüllter Wartezeit in der 2. Hälfte des Kalenderjahres, entsteht danach zu Gunsten des Arbeitnehmers ein Anspruch auf ungekürzten Vollurlaub. Der kurze Pressebericht des BAG erlaubt noch keine Aussage darüber, ob die jeweilige Verlängerungsvereinbarung des Arbeitsverhältnisses vor dem Ende des bisherigen Arbeitsverhältnisses geschlossen worden sein muss oder ob es ausreicht, dass die Parteien erst nach kurzer Unterbrechung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vereinbaren. Von Bedeutung dürfte dabei auch sein, ob die Arbeitsvertragsparteien an der bisherigen Dauer des übergesetzlichen Urlaubs festhalten, was im Streitfall geschehen war. Für die betriebliche Praxis ließe sich erwägen, im Fortsetzungsvertrag den engen sachlichen Zusammenhang auszuschließen, um klare Verhältnisse zu schaffen. Dies würde jedenfalls für den vertraglichen Zusatzurlaub gelten, weil den Arbeitsvertragsparteien wegen § 13 BUrlG die Dispositionsbefugnis über den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch entzogen ist. (Boe)

14. Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch bei Freistellung wegen Erwerbsminderung In seinem Urteil vom 9.6.2011 175 hatte das LAG Baden-Württemberg noch die Feststellung getroffen, dass bei suspendierten Hauptleistungspflichten kein Urlaubsanspruch entstehen könne. Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG stehe dem nicht entgegen. Konsequenz dieser Feststellung war, dass bei langandauernder Arbeitsunfähigkeit mit der Folge einer Erwerbsunfähigkeit Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche ausgeschlossen sein sollen.

175 6 Sa 109/10 n. v.

472

Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch bei Freistellung

Es ist nicht anzunehmen, dass das BAG diese Feststellung bestätigen wird. Dagegen spricht bereits die Anerkennung von Urlaubsansprüchen für den Fall, dass zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine vorübergehende Freistellung von der Pflicht zur Arbeitsleistung zum Zwecke von Sonderurlaub vereinbart wird. Auf das diesbezügliche Urteil des BAG vom 10.12.2013 176 hatten wir im vergangenen Jahr hingewiesen 177. In diesem Urteil hatte das BAG deutlich gemacht, dass die unionsrechtlichen Vorgaben zur Folge haben, dass auch ohne Rücksicht auf das völlige Fehlen von Arbeitsleistung während des Kalenderjahres ein ungekürzter Anspruch auf Erholungsurlaub bestehe. Endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass der Urlaub in Anspruch genommen wurde, wandelt sich dieser in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern deshalb im Urteil vom 12.02.2015 178 das Entstehen eines Urlaubsanspruchs auch dann angenommen, wenn der Arbeitnehmer eine befristete volle Erwerbsminderungsrente erhält und der Tarifvertrag deshalb als ruhend bezeichnet wird. § 26 Abs. 2 Lit. C TVöD sei deshalb wegen Verstoßes gegen §§ 13 Abs. 1, 3 Abs. 1 BUrlG unwirksam, soweit die dort angeordnete Minderung des Urlaubsanspruchs für Zeiten des ruhenden Arbeitsverhältnisses zu einer Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubs folge. Dem ist aus unionsrechtlichen Gründen und unter Berücksichtigung der Feststellung des EuGH in den Entscheidungen zu den Folgen von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf den Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch, die wir bei früherer Gelegenheit bereits behandelt hatten 179, zuzustimmen. (Ga)

176 177 178 179

9 AZR 51/13, NZA 2014, 196. Boewer/AktuellAR 2014, 90 ff. 5 Sa 47/14, DB 2015, 2399 f. Vgl. zuletzt Boewer/AktuellAR 2014, 90 ff.

473

E.

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

1.

Neues zur Betriebsratsbeteiligung bei Massenentlassungen

Weitere Entscheidungen des EuGH, des BAG und einzelner Instanzgerichte machen noch einmal deutlich, wie wichtig es für die betriebliche Praxis ist, die Handlungspflichten bei einer Massenentlassung gemäß § 17 KSchG ordnungsgemäß zu erfüllen. Dies gilt umso mehr, als etwaige Fehler im Zweifel die Gefahr einer Unwirksamkeit einer Vielzahl von Kündigungen und/oder Aufhebungsverträgen im Zusammenhang mit einer Massenentlassung zur Folge haben.

a)

Berücksichtigung befristeter Arbeitsverhältnisse

Eine Massenentlassung mit der Folge einer besonderen Beteiligung des Betriebsrats (§ 17 Abs. 2 KSchG) und einer Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit (§ 17 Abs. 1, 3 S. 2 KSchG) liegt vor, wenn die in § 17 Abs. 1 KSchG genannten Schwellenwerte für die von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen erreicht werden. Bei diesen Entlassungen sind nicht nur Kündigungen, sondern auch Aufhebungsverträge einzubeziehen. Es genügt, dass diese durch den Arbeitgeber veranlasst werden (§ 17 Abs. 1 S. 2 KSchG). Ausgeschlossen werden unter Berücksichtigung von Art. 1 S. 2 Richtlinie 98/59/EG nur solche Beendigungen des Arbeitgebers, die aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers erfolgen. Unter Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 2 lit. a Richtlinie 98/59/EG hat der EuGH mit seinem Urteil vom 13.5.2015 1 in überzeugender Weise klargestellt, dass für die Feststellung des Vorliegens von Massenentlassungen auch die Beendigung von Arbeitsverträgen ohne Bedeutung ist, wenn diese für eine bestimmte Zeit oder Tätigkeit geschlossen wurden und die Beendigung nicht vor Ablauf des Vertrags oder der Erfüllung der Tätigkeit bewirkt werde. Enden befristete Arbeitsverträge also im Zusammenhang mit einer potenziellen Massenentlassung, ohne dass hierfür eine Kündigung oder ergänzende Vereinbarungen zur Abänderung des ursprünglich vereinbarten Beendigungszeitpunkts erfolgen, spielen diese Fälle bei der Berechnung der Schwellenwerte nach § 17 Abs. 1 S. 1 KSchG keine Rolle. 1

C-392/13, NZA 2015, 669 Rz. 59 ff. – Cañas.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Dies überzeugt, zumal als Entlassung bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses als Folge einer Befristung bereits der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bewertet werden müsste. Dies hat zur Folge, dass solche Befristungsabreden, sofern sie nicht aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers bedingt sind, allenfalls dann eigenständig das Vorliegen einer Massenentlassung zur Folge haben können, wenn innerhalb von 30 Kalendertagen so viele befristete Arbeitsverträge abgeschlossen werden, dass die daraus folgenden Beendigungen die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG erreichen. Hiervon geht der EuGH in dem Urteil vom 13.5.2015 2 offenbar bei der Beantwortung der dritten ihm vorgelegten Frage aus. Unbeantwortet in der vorstehend genannten Entscheidung bleibt allerdings die Frage, ob die auf der Grundlage eines befristet abgeschlossenen Arbeitsvertrags beschäftigten Arbeitnehmer bei der Zahl der „in der Regel“ im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind. Eine solche Einbeziehung würde durch Art. 1 Abs. 2 Richtlinie 59/EG nicht ausgeschlossen. Sie kann zur Folge haben, dass mehr Entlassungen erfolgen müssen, um von dem Vorliegen einer Massenentlassung auszugehen. Vorsorglich sei der betrieblichen Praxis empfohlen, bei der Kennzeichnung einer Massenentlassung die befristet beschäftigten Arbeitnehmer deshalb nicht in den Kreis der „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer einzubinden. Unbeantwortet ist durch den EuGH bislang auch die Frage, ob und inwieweit die Beendigung eines als Folge einer Befristung endenden Arbeitsvertrags von dem Bezug einer Abfindung ausgenommen werden kann. Diese Frage steht in einem weiteren Verfahren, das beim EuGH anhängig ist 3 in Rede. Dort geht es um die Frage, ob die gesetzliche Abfindung, die in Spanien generell bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses als Folge einer Befristung gezahlt wird, niedriger als eine Abfindung sein darf, die als Folge einer Kündigung gewährt wird.

b)

Einbeziehung der Entlassung von Geschäftsführern

In Übereinstimmung mit Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 98/59/EG spricht auch § 17 Abs. 1 KSchG nur davon, dass Arbeitnehmer von einer Entlassung betroffen sind. In einem beim ArbG Verden anhängigen Verfahren ging es deshalb um die Frage, ob bei der Berechnung der Schwellenwerte einer Massenentlassung auch Geschäftsführer als Organmitglieder zu berücksichtigen sind, wenn die ihrer Beschäftigung zugrundeliegenden Dienstverträge im

2 3

C-392/13, NZA 2015, 669 Rz. 68 ff. – Cañas. C-596/14, Zesar 2015, 334 ff. – Porras mit Anm. Peramato/Sagan.

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Neues zur Betriebsratsbeteiligung bei Massenentlassungen

Zusammenhang mit der Kündigung der im Übrigen beschäftigten Arbeitnehmer beendet werden. In seinem Urteil vom 9.7.2015 4 hat der EuGH die Notwendigkeit einer Einbeziehung der Geschäftsführer klargestellt. Nach seiner Auffassung könne der Begriff des Arbeitnehmers in Art. 1 Abs. 1 lit. a Richtlinie 98/59/EG nicht durch Verweisung auf die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten definiert werden. Vielmehr handele es sich um einen autonomen Begriff des Unionsrechts, der durch den EuGH als einheitliche Vorgabe für die Mitgliedsstaaten festgelegt werden soll. Dabei seien objektive Kriterien maßgeblich, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der Betroffenen kennzeichneten. Wesentliches Merkmal des Arbeitsverhältnisses sei dabei, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringe, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhalte. Vergleichbare Feststellungen hatte der EuGH bereits in der Danosa-Entscheidung vom 11.11.2010 5 getroffen. Für den EuGH spielt die Natur des Beschäftigungsverhältnisses bei der Frage einer Einbeziehung von Organmitgliedern in den Anwendungsbereich der Richtlinie 98/59/EG keine Rolle. Unerheblich sei deshalb, dass die Beschäftigung des Geschäftsführers einer GmbH nicht auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags erfolge. Vielmehr könne auch ein Mitglied des Leitungsorgans einer Kapitalgesellschaft als Arbeitnehmer in Sinne der Richtlinie 98/59/EG qualifiziert werden, wenn diese Person bei der Ausübung ihrer Tätigkeit der Weisung und Aufsicht der Gesellschafterversammlung unterliege und insoweit Vorgaben und Beschränkungen erfahre. Eben deshalb habe der Gerichtshof bereits bei früherer Gelegenheit entschieden, dass ein Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das Arbeitsleistungen für eine Gesellschaft erbringe, die es bestellt habe und in die es eingegliedert sei, und seine Tätigkeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübe und jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden könne, die Voraussetzungen erfülle, um als „Arbeitnehmer“ im Sinne des Unionsrechts zu gelten 6. Hiervon ausgehend hat der EuGH den Fremdgeschäftsführer einer GmbH als Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 98/59/EG gekennzeichnet. Die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses auf Veranlassung der Gesellschafterversammlung muss daher bei der Berechnung der Schwellenwerte im Rahmen von § 17 Abs. 1 KSchG beachtet werden. Entsprechendes würde 4 5 6

C-229/14, NZA 2015, 861 Rz. 33 ff. – Balkaya. C-232/09, NZA 2011, 143, Rz. 39. Vgl. EuGH v. 11.11.2010 – C-232/09, NZA 2011, 143 Rz. 51, 56 – Danosa.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

für leitende Angestellte gelten, selbst wenn diese – wie der Geschäftsführer - nicht durch den Betriebsrat vertreten werden. Denn auch diesen Personenkreis würde man in den unionsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers einbeziehen, was dann auch die Einbindung in die Unterrichtung des Betriebsrats, die Beratung mit dem Betriebsrat und die Massenentlassungsanzeige zur Folge hat.

c)

Kennzeichnung des Betriebs

§ 17 Abs. 1 KSchG knüpft die Berechnung einer Massenentlassung an die Zahl der von Kündigungen bzw. Aufhebungsverträgen betroffenen Arbeitnehmer eines Betriebs. Dies entspricht Art. 1 Abs. 1 lit. a Ziff. i Richtlinie 98/59/EG. Weder die Richtlinie noch § 17 KSchG enthalten allerdings Kriterien für die Kennzeichnung des Betriebs. Bereits in früheren Entscheidungen hatte sich der EuGH mit dem Betriebsbegriff auseinandergesetzt. Dabei hatte er deutlich gemacht, dass der Betrieb als Einheit zu qualifizieren sei, der die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgaben zugewiesen seien. Unerheblich sei dabei, ob innerhalb dieser Einheit eine Leitung installiert worden sei, die ihrerseits selbständig über eine Massenentlassung entscheiden könne 7. Ergänzend hierzu hatte der EuGH in seinem Urteil vom 15.2.2007 8 deutlich gemacht, dass das Vorliegen eines Betriebs an eine unterscheidbare Einheit von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stabilität geknüpft sei, die zur Erledigung einer oder mehrerer bestimmter Aufgaben bestimmt sei und über eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, technischen Mitteln und eine organisatorische Struktur zur Erfüllung dieser Aufgaben verfüge. Eine rechtliche oder wirtschaftliche, finanzielle, verwaltungsmäßige oder technologische Autonomie sei nicht erforderlich, um als Betrieb im Sinne der Richtlinie 98/59/EG gekennzeichnet zu werden. In seinem Urteil vom 30.4.2015 9 hat sich der EuGH nunmehr erneut mit dieser Frage auseinandergesetzt. Dabei hat er zunächst einmal klargestellt, dass der Begriff des Betriebs in Richtlinie 98/59/EG ein unionsrechtlicher Begriff sei, der nicht anhand der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten bestimmt werden könne. Vielmehr müsse er in der Unionsrechtsordnung autonom und – durch den EuGH – einheitlich ausgelegt werden. Unter Anknüpfung auf die vorangehenden Entscheidungen hat der EuGH sodann deutlich gemacht, dass durch die Verwendung der Ausdrücke „unterscheidbarer Ein7 8 9

EuGH v. 7.12.1995 – C-449/93, NZA 1996, 471 Rz. 32 – Rockfon. C-270/05, NZA 2007, 319 Rz. 27 f. – Athinaïki. C-80/14, NZA 2015, 601 Rz. 43 ff. – USDAW und Wilson.

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Neues zur Betriebsratsbeteiligung bei Massenentlassungen

heit“ und „im Rahmen eines Unternehmens“ klargestellt worden sei, dass sich die Begriffe „Unternehmen“ und „Betrieb“ unterschieden und dass der Betrieb normalerweise Teil eines Unternehmens sei. Das schließe jedoch nicht aus, dass – sofern ein Unternehmen nicht über mehrere unterscheidbare Einheiten verfüge – der Betrieb und das Unternehmen eins sein könnten. Da die Richtlinie 98/59/EG sozioökonomische Auswirkungen betreffe, die durch Massenentlassungen in einem bestimmten örtlichen Kontext und einer bestimmten sozialen Umgebung hervorgerufen werden könnten, sei – wie bereits zuvor ausgeführt – eine wirtschaftliche, finanzielle, verwaltungsmäßige oder technologische Autonomie ebenso wie eine rechtliche Selbständigkeit nicht erforderlich. Dies verlange, dass Entlassungen in jedem Betrieb für sich genommen zu berücksichtigen seien 10. Von diesen Ausführungen ausgehend lässt sich der aktuellen Entscheidung des EuGH zwar keine abschließende Feststellung zu der Frage entnehmen, ob – was der ganz herrschenden Meinung entspricht 11 – im Rahmen von § 17 KSchG weiterhin am betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff angeknüpft werden kann. Dafür spricht schon die Notwendigkeit, innerhalb dieses Betriebs einen Arbeitnehmervertreter zu haben, der für die Beteiligung nach § 17 Abs. 2 KSchG grundsätzlich zuständig ist. Für die Zulässigkeit einer Anknüpfung am betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff spricht allerdings, dass der EuGH neben der sozialen Umgebung auch den örtlichen Bezug des Betriebsbegriffs für maßgeblich hält. Beide Kriterien werden aber berücksichtigt, wenn auf der Grundlage von §§ 1, 4 BetrVG im Betrieb ein Betriebsrat gebildet wird. Da auch hiervon abweichende Vereinbarungen über betriebsorganisatorische Einheiten nach § 3 BetrVG stets auch den Arbeitnehmerinteressen Rechnung tragen müssen, erscheint es gerechtfertigt, weiterhin auch Betriebsstrukturen im Rahmen von § 17 KSchG zu berücksichtigen, die durch Tarifvertrag der - ausnahmsweise – Betriebsvereinbarung geschaffen wurden 12.

10 EuGH v. 30.4.2015 – C-80/14, NZA 2015, 601 Rz. 50 f., 68 – 71 – USDAW und Wilson. 11 Vgl. BAG v. 13.4.2000 – 2 AZR 215/99, NZA 2001, 144 Rz. 30; BAG v. 13.6.1985 – 2 AZR 452/84, NZA 1986, 600 Rz. 37; HWK/Molkenbur, KSchG § 17, Rz. 7; Stahlhacke/Preis, Kündigungen und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis Rz. 825 ff. 12 So BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 692/10, DB 2012, 1690 Rz. 96 f.; HWK/B. Gaul, BetrVG § 3 Rz. 8; Benecke/Gross, EuZW 2015, 506, 508.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

d)

Massenentlassungsanzeige und Stellungnahme des Betriebsrats

Wichtig ist es, im Zusammenhang mit der Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit auch eine Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen beizufügen. Diese muss schriftlich erfolgen und die eigenhändige Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden enthalten. Fehlt diese Stellungnahme und/oder bestehen Zweifel, ob die vorgelegte Stellungnahme den Anforderungen der Rechtsprechung genügt, sollte der Arbeitgeber gemäß § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG glaubhaft machen, dass er dem Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG unterrichtet hat und den Stand der Beratungen darlegen.

e)

Beteiligungsrechte des Betriebsrats

In seinem Urteil vom 26.2.2015 13 hat der 2. Senat de BAG noch einmal deutlich gemacht, dass der Arbeitgeber die ihm aus § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG obliegenden Pflichten, soweit sie mit denen nach § 111, 112 BetrAVG übereinstimmen, gleichzeitig erfüllen kann. Allerdings obliegt es ihm, in diesem Fall hinreichend klarzustellen, dass und welchen Pflichten er zeitnah nachkommen will. Insofern verlange die Einleitung des durch § 17 Abs. 2 KSchG vorgegebenen Konsultationsverfahrens zumindest, dass für den Betriebsrat die Absicht des Arbeitgebers erkennbar ist, Massenentlassungen vorzunehmen. Zuständig für die Beteiligung nach § 17 Abs. 2 KSchG ist grundsätzlich der Betriebsrat. Bloße Gespräche mit dem Wirtschaftsausschuss oder dem Betriebsratsvorsitzenden sind nicht genügend 14. Ob und inwieweit anstelle des Betriebsrats ausnahmsweise der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat zuständig ist, bestimmt sich nach den allgemeinen Vorgaben in §§ 50, 58 BetrAVG. Im Zweifel ist für die Information nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG und die anschließende Beratung nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG der Betriebsrat zuständig, mit dem über einen Interessenausgleich nach § 112 BetrAVG verhandelt werden muss. Denn nur dieser ist in der Lage, auch bei betriebs- und unternehmensübergreifenden Maßnahmen die nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG erforderliche Beratung über die Frage, ob und ggf. wie Entlassungen vermieden oder eingeschränkt werden können, durchzuführen 15.

13 2 AZR 955/13, NZA 2015, 881 Rz. 17. 14 BAG v. 26.2.2015 – 2 AZR 955/13, NZA 2015, 881 Rz. 19 ff. 15 Vgl. auch Salamon, BB 2015, 1653 ff.; ders. NZA 2015, 789 ff.

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Neues zur Betriebsratsbeteiligung bei Massenentlassungen

Eine bestimmte Dauer ist für die Beteiligung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 KSchG im Gesetzt nicht vorgesehen. Da es bei einer Massenentlassung allerdings nicht um den Versuch geht, den Interessenausgleich und/oder Sozialplan abzuschließen, kann die Beteiligung nach § 17 Abs. 2 KSchG deutlich weniger Zeit als die Beteiligung des Betriebsrats nach §§ 111, 112 BetrAVG in Anspruch nehmen. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass bei einem Scheitern der Verhandlung die Einigungsstelle angerufen wird, um einen ordnungsgemäßen Abschluss der Information und Beratung nach § 17 Abs. 2 KSchG annehmen zu können. Hiervon ist das BAG bereits vor einigen Jahren ausgegangen 16. Erklärt der Betriebsrat das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG vor Ablauf von zwei Wochen nach seiner Unterrichtung für abgeschlossen, steht der Massenentlassungsanzeige das Erfordernis einer rechtzeitigen Unterrichtung nicht entgegen 17. Unerheblich ist dabei, ob dem Betriebsrat bei seiner internen Willensbildung Fehler unterlaufen sind. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des LAG Nürnberg im Urteil vom 10.12.2014 18 ist davon auszugehen, dass hier – wie bei § 102 BetrAVG – die sogenannte Sphärentheorie zur Anwendung kommt. Im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses darf der Arbeitgeber die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats, die pflichtgemäße Massenentlassungsanzeige und das Vorliegen einer Stellungnahme des Betriebsrats mit Nichtwissen bestreiten. Es obliegt dann dem Arbeitgeber, substantiiert und unter Beweisantritt darzulegen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen einer Massenentlassung erfüllt wurden. Ein Verzicht darauf kommt nur dann in Betracht, wenn – ggf. entgegen ursprünglicher Planungen – die Zahl der schlussendlich ausgesprochenen Entlassungen innerhalb des 30-TagesZeitraums die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG nicht erreichen. Bestreitet der Arbeitnehmer, dass die Massenentlassungsanzeige ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung erfolgt ist, und behauptet der Arbeitgeber, die Anzeige ordnungsgemäß erstattet zu haben, ist es nach den Feststellungen des LAG Nürnberg im Urteil vom 10.12.2014 19 zur Vorbereitung der streitigen Verhandlung zulässig, gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG eine amtliche Auskunft bei der zuständigen Agentur für Arbeit über Inhalt und Zeitpunkt der Massenentlassungsanzeige einzuholen. Auf diese Möglichkeit kann arbeitgeberseitig verwiesen werden. (Ga) 16 17 18 19

BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 273/08, NZA 2009, 1267 Rz. 32. So bereits BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 752/11 n. v. 2 Sa 379/14, BB 2015, 947. 2 Sa 379/14, BB 2015, 947 Rz. 96.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

2.

Altersdiskriminierende Kündigung im Kleinbetrieb

Während der aus den §§ 138, 242 BGB herleitbare bürgerlich-rechtliche Kündigungsschutz 20, bei dem es vor allem darum geht, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen, nur eine periphere Bedeutung erlangt hat, sind seit der HIVEntscheidung des 6. Senats des BAG vom 19.12.2013 21 ordentliche Kündigungen während der Wartezeit im Kleinbetrieb (§ 23 KSchG) wiederholt von der Rechtsprechung des BAG 22 am Maßstab des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gemessen worden. Eine ordentliche Kündigung, die einen Arbeitnehmer, auf den das Kündigungsschutzgesetz (noch) keine Anwendung findet, aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe diskriminiert, ist nach § 134 BGB i. V. m. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG rechtsunwirksam. Dieser Bewertung steht § 2 Abs. 4 AGG nicht entgegen, weil diese Vorschrift für Kündigungen nur das Verhältnis zwischen dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und dem Kündigungsschutzgesetz sowie den speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Bestimmungen regelt. Ordentliche Kündigungen während der Wartezeit und in Kleinbetrieben sind deshalb unmittelbar am Maßstab des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu beurteilen 23. Diese Auslegung hat zur Konsequenz, dass eine gegen § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG verstoßende Kündigung des Arbeitgebers regelmäßig einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG auslöst, wonach der Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen kann, ohne dass der Nachweis eines konkreten immateriellen Schadens, d. h. die Feststellung von persönlich belastenden Folgen einer Benachteiligung, erbracht werden müsste. Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es dabei nicht an 24. Bei der Höhe einer festzusetzenden Entschädigung ist zu berücksichtigen, dass sie nach § 15 Abs. 2 AGG angemessen sein muss. Sie muss nach der Rechtsprechung des BAG 25 einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen

20 Vgl. etwa BAG v. 5.4.2001 – 2 AZR 185/00, NZA 2001,890, Rz. 12; BAG v. 16.9.2004 – 2 AZR 447/03, AP Nr. 44 zu § 611 BGB Rz. 35 a; BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 838/12, NZA 2014, 722 ff. 21 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372 ff. 22 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 237/14, NZA 2015, 734 ff.; BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 651/13, NZA 2015, 294 ff. 23 So überzeugend: BAG v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, BB 2014, 115 Rz. 14 ff. 24 BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 364/11, NZA 2012, 1345 Rz. 23. 25 Vgl. nur BAG v. 22.5.2014 – 8 AZR 662/13, NZA 2014, 924 Rz. 44.

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Altersdiskriminierende Kündigung im Kleinbetrieb

Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte gewährleisten. Insofern sind alle Umstände des Einzelfalls - wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns - und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen 26. Dabei genügt eine Person, die sich wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe für benachteiligt hält, ihrer Darlegungslast nach § 22 Halbs. 1 AGG, wenn sie Indizien vorträgt, die diese Benachteiligung vermuten lassen 27. Die vorgetragenen Tatsachen müssen den Schluss erlauben, dass die Benachteiligung zumindest auch wegen jenes Merkmals erfolgt ist. Ist eine solche Vermutung für eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zu bejahen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Darlegungsund Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat 28. In einer Entscheidung vom 23.7.2015 musste der 6. Senat des BAG 29 der Frage nachgehen, ob die Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ des betroffenen Arbeitnehmers in einer Kündigungserklärung eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 22 AGG vermuten lassen kann. Der Fall betraf eine 1950 geborene Klägerin, die bei der Beklagten, einem Kleinbetrieb (Gemeinschaftspraxis), seit Dezember 1991 als Arzthelferin beschäftigt war. In der Praxis arbeiteten im Jahre 2013 noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen. Der zuletzt im Labor eingesetzten Klägerin wurde mit Schreiben vom 24.5.2013 zum 31.12.2013 gekündigt. In dem Kündigungsschreiben hieß es unter anderem wie folgt: „Inzwischen bist Du pensionsberechtigt und auch für uns beginnt ein neuer Lebensabschnitt in der Praxis.“ Den anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt. Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung aus Gründen der Benachteiligung wegen ihres Alters gewandt und eine Entschädigung in Höhe von 20.436 € geltend gemacht. Ab dem 1.7.2014 bezog die Klägerin Altersrente. Während die Vorinstanzen die Klage der Klägerin abgewiesen haben, war die Revision der Klägerin vor dem 6. Senat des BAG erfolgreich. Das BAG hat die streitgegenständliche Kündigung wegen Altersdiskriminierung für rechtsunwirksam gehalten und den Rechtsstreit wegen der Höhe der geltend gemachten Entschädigung nach § 15 Abs. 2 S. 1 AGG zur neuen 26 BAG v. 23.8.2012 – 8 AZR 285/11, NZA 2013, 37 Rz. 38. 27 BAG v. 26.6.2014 – 8 AZR 547/13, AP Nr. 10 zu § 22 AGG Rz. 31 a; EuGH v. 19.4.2012 – C-415/10, NZA 2012, 493 Rz. 25 – Meister. 28 BAG v. 22.7.2010 – 8 AZR 1012/08, NZA 2011, 93 Rz. 65 f. 29 6 AZR 457/14, BB 2015, 1907.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Verhandlung und Entscheidung an das LAG Sachsen zurückverwiesen. Das BAG bestätigt seine frühere Rechtsprechung 30, wonach eine ordentliche Kündigung, die einen Arbeitnehmer, auf den das KSchG keine Anwendung findet, aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe diskriminiert, nach § 134 BGB i. V. m. § 7 Abs. 1, §§ 1,3 AGG unwirksam ist. Dabei ist gleichgültig, ob es sich um eine Kündigung während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG oder in einem Kleinbetrieb (§ 23 Abs. 1 KSchG) handelt. Unter Anwendung des AGG gelangt das BAG im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Kündigung der Klägerin eine unmittelbare Benachteiligung wegen ihres Lebensalters vermuten lässt, weil sie in Relation zu einer in vergleichbarer Situation befindlichen Kollegin, der nicht gekündigt worden war, auch durch ihr Lebensalter veranlasst, gekündigt worden ist. Hierfür lag nach Ansicht des BAG eine ausreichende Vermutung i. S. v. § 22 AGG vor, weil das Kündigungsschreiben ausdrücklich auf die Pensionsberechtigung abstellt. Daraus lässt sich zweifelsfrei entnehmen, dass mit dieser Formulierung eine zumindest in absehbarer Zeit bestehende Möglichkeit der Beanspruchung einer gesetzlichen Rente gemeint ist, die ein Mindestalter voraussetzt (§§ 35 ff. SGB VI), und damit offenbar auf die soziale Absicherung der Klägerin abgestellt werden sollte. Da die Beklagte nicht nachweisen konnte (§ 22 AGG), dass entgegen der Vermutung einer Berücksichtigung des Lebensalters bei der Kündigungsentscheidung kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat, erwies sich die Kündigung als rechtsunwirksam. Die Beklagte hatte insbesondere keinen Rechtfertigungsgrund für die unterschiedliche Behandlung der Klägerin nach § 10 AGG. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist (§ 10 S. 1 AGG). Gemäß § 10 S. 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. Dabei ist – wie das BAG zu Recht hervorhebt – eine unionskonforme Auslegung mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG geboten. Darin werden als legitime Ziele beispielhaft die Bereiche der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarkts und der beruflichen Bildung genannt, sodass als Rechtfertigungsgründe für eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nur solche aus dem Bereich der „Sozialpolitik“ in Betracht kommen, die im Allgemeininteresse stehen 31. Daran gemessen konnte sich die Beklagte nicht erfolgreich damit verteidi30 BAG v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372 Rz. 14. 31 EuGH v. 21.7.2011 – C-159/10, C-160/10, AP Nr. 21 zu Richtlinie 2000/78/EG Rz. 8 – Fuchs und Köhler; EuGH v. 5.3.2009 – C-388/07, NZA 2009, 305 Rz. 4 – Age Concern England.

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Altersdiskriminierende Kündigung im Kleinbetrieb

gen, die Klägerin sei im Verhältnis zu den anderen Mitarbeiterinnen weniger qualifiziert, weil damit kein im Allgemeininteresse bestehendes Ziel, vielmehr das eigene Interesse an qualifiziertem Personal benannt worden ist. Das BAG lässt auch nicht – entgegen der Ansicht der Vorinstanz – gelten, dass § 10 S. 3 Nr. 5 und 6 AGG zum Ausdruck bringt, dass die Möglichkeit eines zeitnahen Rentenbezugs ein generell zulässiges Differenzierungskriterium darstellt. Der Anwendungsbereich des § 10 S. 3 Nr. 5 AGG betrifft nicht die Kündigung, sondern eine Vereinbarung, die auf die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zum Zeitpunkt der Regelaltersgrenze gerichtet ist. § 10 S. 3 Nr. 6 AGG behandelt die Ausgestaltung von Sozialplänen, die nur bei einer wirksamen Kündigung in Betracht kommen 32. Das BAG ist auch dem Argument des LAG Sachsen entgegengetreten, die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung entspräche den Anforderungen einer nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG vorzunehmenden sozialen Auswahl. Im Gegenteil: die Diskriminierungsverbote des AGG sind im Rahmen der Prüfung der Sozialwidrigkeit von Kündigungen zu beachten 33. Schließlich hat das BAG auch einen Rechtfertigungsgrund aus § 8 Abs. 1 AGG verneint, wonach eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes nur zulässig ist, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist 34. Das Merkmal, das im Zusammenhang mit einem der in § 1 AGG genannten Benachteiligungsgründe steht, - oder sein Fehlen - kann nur dann eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung i. S. d. § 8 Abs. 1 AGG darstellen, wenn davon die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit abhängt 35. Hierzu fehlte jedweder Vortrag der Beklagten, dass in der Arztpraxis anfallende Tätigkeiten ab einem bestimmten Alter nicht mehr wahrgenommen werden könnten. Die von der Beklagten vorgetragenen Qualifikationsdefizite waren nicht vom Lebensalter abhängig. Der Betriebspraxis wird anhand dieser Entscheidung des BAG eindringlich vor Augen geführt, dass die Problematik der Diskriminierungsverbote Einzug in den „Kündigungsschutz“ erhalten hat, wobei es im Prinzip nicht darauf ankommt, ob die Vorschriften des KSchG überhaupt (Kleinbetrieb) oder 32 33 34 35

BAG v. 9.12.2014 – 1 AZR 102/13, NZA 2015, 365. BAG v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372 Rz. 16. BAG v. 22.5.2014 – 8 AZR 662/13, NZA 2014, 924 Rz. 34. BAG v. 22.5.2014 – 8 AZR 662/13, NZA 2014, 924 Rz. 34.

485

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

bereits (Wartezeit) anwendbar sind oder die Kündigung unter dem Gesichtspunkt der Sozialwidrigkeit einer Rechtsprüfung unterliegt. Abgesehen davon führt ein Verstoß gegen das AGG stets zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG. (Boe)

3.

Personenbedingte Kündigung wegen dauerhafter Minderleistung

In der betrieblichen Praxis entsteht immer wieder die Frage, ob Arbeitnehmer wegen einer Minder- oder Schlechtleistung gekündigt werden können. Aus arbeitsrechtlicher Sicht geht es dabei nicht nur um die Frage, ob die Kündigung aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers erklärt werden soll. Vielmehr geht es auch um die Frage, ob die rechtlichen Voraussetzungen für den Fall einer prozessualen Auseinandersetzung auch widerspruchsfrei dargelegt und im Bestreitensfall bewiesen werden können. Dies gilt insbesondere bei solchen Arbeitnehmern, deren Leistung nicht allein quantitativ, sondern vor allem qualitativ bzw. in ihren Auswirkungen auf Dritte beschrieben werden kann. Aus praktischer Sicht geht es bei der Vorbereitung etwaiger Maßnahmen allerdings auch um die Frage, wie sich der Arbeitgeber bzw. die verantwortlichen Führungskräfte in der Vergangenheit gegenüber den in Rede stehenden Low-Performern verhalten haben. Denn typischerweise werden Forderungen nach einer Kündigung von Low-Performern durch Fachvorgesetzte gegenüber dem Arbeitgeber oder der Personalabteilung erhoben, obwohl in der Vergangenheit weder Schlecht- noch Minderleistungen dokumentiert wurden. Im Gegenteil: vielfach werden vermeintliche Low-Performer durch die Verantwortlichen Vorgesetzten im Rahmen von Mitarbeiterbeurteilungen, Zwischenzeugnissen oder bei der Kennzeichnung der für die Bonusgewährung maßgeblichen Ziele mit durchschnittlichen oder gar überdurchschnittlichen Leistungen verbunden, so dass eine (plötzliche) Kündigung dieser Arbeitnehmer häufig mit dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens verbunden wird. Aktuelle Entscheidungen des LAG Rheinland-Pfalz vom 25.3.2014 36 und des LAG Baden-Württemberg vom 17.3.2015 37 geben Anlass, sich jedenfalls mit der personenbedingten Kündigung von Arbeitnehmern wegen einer Minder- oder Schlechtleistung noch einmal zu befassen. Wichtig ist, dabei

36 6 Sa 357/13, LAGE § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 27. 37 16 Sa 35/14 n. v.

486

Personenbedingte Kündigung wegen dauerhafter Minderleistung

die grundlegenden Entscheidungen des BAG in den Urteilen vom 11.12.2003 38, 17.1.2008 39 und vom 27.11.2008 40 zu beachten.

a)

Verhaltensbedingte Kündigung wegen Minderleistung

Die verhaltensbedingte Kündigung ist durch den Vorwurf gekennzeichnet, dass der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht in vorwerfbarer Weise verletzt, obwohl ihm die Erfüllung dieser Pflicht möglich gewesen wäre („er kann, will aber nicht). Ob eine Leistung in diesem Zusammenhang als Schlechtleistung und damit auch als Vertragspflichtverletzung anzusehen ist, beurteilt sich – so das BAG – nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Von der insoweit durch den Arbeitsvertrag und das arbeitgeberseitige Direktionsrecht konkretisierten Leistungspflicht ausgehend, ist der Arbeitnehmer zwar nicht verpflichtet, eine „objektive Normalleistung“ zu erbringen. Die hiervon abweichende Auffassung berücksichtigt nach Ansicht des 2. Senats des BAG nicht ausreichend, dass der Arbeitsvertrag als Dienstvertrag keine „Erfolgshaftung“ des Arbeitnehmers kenne. Der Dienstverpflichtete schulde das „Wirken“, nicht das „Werk“. Daraus folge allerdings nicht, dass der Arbeitnehmer seine Leistungspflicht selbst willkürlich bestimmen könne. Vielmehr sei er verpflichtet, unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit zu arbeiten. Unter Berücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit kann dies den Arbeitnehmer zu einer unterdurchschnittlichen, durchschnittlichen oder überdurchschnittlichen Leistung verpflichten. Wird diese Vorgabe allerdings in vorwerfbarer Weise missachtet, kann dies unter Berücksichtigung der weitergehenden Voraussetzungen eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

b)

Personenbedingte Kündigung wegen Minderleistung

Die personenbedingte Kündigung wegen Minderleistung ist dadurch geprägt, dass der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Sphäre liegen, jedoch nicht von ihm verschuldet sein müssen, zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung ganz oder teilweise nicht mehr in der Lage ist 41. In der Regel liegt darin eine schwere und dauerhafte Störung des Austauschverhältnisses, ohne dass der Arbeitnehmer gegen die subjektiv zu be38 39 40 41

2 AZR 667/02, NZA 2004, 784 ff. 2 AZR 536/06, NZA 2008, 693 ff. 2 AZR 675/07, NZA 2009, 842 ff. BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784 Rz. 105; LAG Rheinland-Pfalz v. 25.3.2014 – 6 Sa 357/13, LAGE § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 27.

487

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

stimmende Leistungspflicht verstoßen hat. Voraussetzung einer personenbedingten Kündigung ist allerdings, dass die vom Arbeitnehmer dargebotene Arbeitsleistung die berechtigte Gleichwertigkeitserwartung des Arbeitgebers in einem Maße unterschreitet, dass ihm ein Festhalten an dem (unveränderten) Arbeitsvertrag nicht zumutbar ist. Ebenso wie bei der verhaltensbedingten Kündigung verlangt allerdings auch die personenbedingte Kündigung eine negative Zukunftsprognose. Erforderlich ist also, dass auch für die Zukunft nicht mit einer Wiederherstellung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung zu rechnen ist und kein milderes Mittel zur Wiederherstellung eines Vertragsgleichgewichts zur Verfügung steht. Dieses mildere Mittel kann in der Zuweisung einer leistungsgerechten Tätigkeit im Rahmen des Direktionsrechts oder auch in einer zumutbaren Beschäftigung zu geänderten Vertragsbedingungen liegen 42.

c)

Konsequenzen für die Darlegungs- und Beweislast bei personenbedingter Kündigung

Im Rahmen einer prozessualen Auseinandersetzung wegen einer personenbedingten Kündigung kommt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast zum Tragen. Wichtig ist, auf die daraus für den Arbeitgeber ohne Rücksicht auf einen etwaigen Vortrag des Arbeitnehmers resultierende Darlegungslast bereits bei der Ausgestaltung der Betriebsratsanhörung zu achten. Die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG muss alle Umstände enthalten, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf ein etwaiges Bestreiten des Arbeitnehmers zur Schlüssigkeit einer Erwiderung auf die Kündigungsschutzklage vortragen muss. aa)

Kennzeichnung der arbeitsvertraglichen Pflichten

Ausgangspunkt der Kündigung wegen Schlecht- oder Minderleistung ist stets eine Nicht- oder Schlechterfüllung der dem Arbeitnehmer obliegenden Vertragspflichten. Dieser Punkt hat in der betrieblichen Praxis eine ganz erhebliche Bedeutung, weil vielfach nicht gesehen wird, dass das bisherige Verhalten des Arbeitgebers bzw. seiner Führungskräfte eine solche Vertragspflicht für den Arbeitnehmer nicht in ausreichend klarer Weise hat erkennen lassen.

42 Vgl. BAG v. 3.6.2004 – 2 AZR 386/03, NZA 2004, 1380 Rz. 41; BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784 Rz. 105 ff., 108; BAG v. 12.4.2002 – 2 AZR 148/01, NZA 2002, 1081 Rz. 41; LAG Rheinland-Pfalz v. 25.3.2014 – 6 Sa 357/13, LAGE § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 27.

488

Personenbedingte Kündigung wegen dauerhafter Minderleistung

Grundsätzlich können sich die Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag selbst ergeben. Dieser kann die Leistung nach Quantität und Qualität festschreiben. Fehlt dort eine entsprechende Konkretisierung, richtet sich der Inhalt der durch den Arbeitnehmer geschuldeten Leistung zum einen nach dem vom Arbeitgeber durch Ausübung des Direktionsrechts festzulegenden Arbeitsinhalt und zum anderen nach dem persönlichen (subjektiven) Leistungsvermögen des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer – so das BAG – muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Insofern ist die Leistungspflicht nicht starr, sondern dynamisch und orientiert sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers 43. Soweit es um die Festsetzung quantitativer Anforderungen geht, wird man entsprechende Verhaltenspflichten relativ einfach begründen können. Unterstellt, dass die entsprechende Vorgabe des Arbeitgebers billigem Ermessen entspricht. Schwieriger wird es, wenn die Nicht- oder Schlechterfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten durch qualitative Minderleistung – ggf. sogar wirkungsloses Verhalten – begründet wird. Dies kann insbesondere Führungskräfte betreffen, bei denen Vertragspflichten zunehmend abstraktgenerell bestimmt werden, damit ausreichend Gestaltungsmöglichkeiten auch für eine initiative Leistungsbestimmung durch den Arbeitnehmer gegeben ist. Zu Recht weist das LAG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 17.3.2015 44 allerdings darauf hin, dass auch für diesen Personenkreis eine bestimmte Erwartungshaltung als arbeitsvertragliche Aufgabe konkretisiert werden muss. Ausgangspunkt dabei ist das Anforderungsprofil, das der Arbeitgeber im Rahmen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit mit der entsprechenden Stelle verbindet. Sofern die Einstellung des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung dieses Anforderungsprofils erfolgt ist, kann die weitergehende Konkretisierung durch den Arbeitgeber im Rahmen von § 106 S. 1 GewO erfolgen. Diese Konkretisierung kann harte Ziele zum Inhalt haben, die bestimmte Handlungen, ggf. innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens, betreffen können. Solche Ziele können allerdings auch qualitativer Natur sein, sodass ihre Erfüllung nicht mit harten Zahlen bemessen werden kann. Hier obliegt es dem Arbeitgeber allerdings, die dem Arbeitnehmer gesetzten Ziele in objektiv nachvollziehbarer Weise zu beschreiben. Die hier bestehende Handlungspflicht entspricht den Anforderungen, die bei Abschluss einer Zielvereinbarung erfüllt werden müssen. Wenn diese Konkreti-

43 BAG v. 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, NZA 2008, 693 Rz. 15; BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784 Rz. 90. 44 16 Sa 35/14 n. v.

489

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

sierung der Handlungspflichten gegenüber dem Arbeitnehmer nicht erfolgt ist, ist auch eine Schlecht- oder Nichterfüllung ausgeschlossen. Typische Beispiele hierfür sind die Erfüllung von Führungs- und Steuerungsaufgaben, die Integration von Personen, Betrieben oder Betriebsteilen, die Personalentwicklung oder der Aufbau funktionsfähiger Einheiten. Keine dieser Aufgaben kann in mathematisch nachvollziehbarer Weise umschrieben werden. Jede der Aufgaben kann allerdings an Indizien für eine ordnungsgemäße Erfüllung geknüpft werden. Dies muss durch den Arbeitgeber auch dem Arbeitnehmer gegenüber erkennbar gemacht werden. bb)

Kennzeichnung der Minderleistung

Auf der Grundlage der in vorstehender Weise gekennzeichneten Handlungspflicht obliegt es dem Arbeitgeber, deren Nicht- oder Schlechterfüllung darzulegen. Soweit objektiv messbare Arbeitsergebnisse in Rede stehen, wird die Darlegungslast erfüllt, wenn der Arbeitgeber Tatsachen vorträgt, aus denen ersichtlich ist, dass die Leistung des betreffenden Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleibt, also die Durchschnittsleistung erheblich unterschritten wird. Typischerweise ist dies der Fall, wenn die Leistung des Arbeitnehmers langfristig den Durchschnitt vergleichbarer Arbeitnehmer um deutlich mehr als ein Drittel unterschreitet 45. Handelt es sich allerdings um eine qualitative Minderleistung, kann eine mathematische oder prozentuale Betrachtungsweise dieses Ergebnis nicht rechtfertigen. Zu Recht hat das BAG deshalb bereits im Urteil vom 17.1.2008 46 deutlich gemacht, dass absolute Bezugsgrößen wie eine doppelte oder dreifache Fehlerquote nicht ausreichend berücksichtigen, dass je nach Art der Tätigkeit und der dabei möglicherweise auftretenden Fehler diesen ein sehr unterschiedliches kündigungsrelevantes Gewicht beizumessen ist. Insofern seien Tätigkeiten denkbar, bei denen bereits ein einmaliger Fehler derart weitreichende Konsequenzen hat, dass eine Vertragspflichtverletzung erheblich eher anzunehmen sei, als bei anderen Fehlern (z. B. Sorgfaltspflichten eines Piloten oder Arztes) 47. Andererseits gibt es – so das BAG – Tätigkeiten, bei denen Fehler nach der Art der Tätigkeit vom Arbeitnehmer kaum zu vermeiden und vom Arbeitgeber eher hinzunehmen sind, weil ihre Folgen das Arbeitsverhältnis nicht über Gebühr belasten. Hiervon ausgehend obliegt es dem Arbeitgeber bei qualitativen Minderleistungen, wie sie gerade bei Führungskräften zum Tragen kommen, neben den 45 Vgl. BAG v. 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, NZA 2008, 693 Rz. 18, 20; BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784 ff. Rz. 92. 46 2 AZR 536/06, NZA 2008, 693 Rz. 21. 47 Vgl. LAG Düsseldorf v. 4.11.2005 – 9 Sa 993/05, DB 2006, 455 f. Rz. 38.

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Personenbedingte Kündigung wegen dauerhafter Minderleistung

Leistungsmängeln auch die Fehlerzahl, die Art und Schwere sowie die Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung darzulegen. Wichtig allerdings ist, dass nur „Äpfel mit Äpfeln“ und „Birnen mit Birnen“ verglichen werden. Der Arbeitgeber muss also, soweit ein Vergleich mit anderen Arbeitnehmern gezogen wird, auf die Vergleichbarkeit der Tätigkeit dieser Arbeitnehmer und der Rahmenbedingungen achten, unter denen diese die vergleichbare Arbeitsleistung erbringen. Darüber hinaus muss der Zeitraum, innerhalb dessen die streitgegenständlichen Leistungsmängel eingetreten sind, repräsentativer Natur sein. Darauf hatte das BAG in seinem Urteil vom 27.11.2008 48 hingewiesen. Wenn und soweit ein entsprechender Vortrag des Arbeitgebers erfolgt, ist es Sache des Arbeitnehmers, hierauf zu entgegnen, ggf. das Zahlenwerk und seine Aussagefähigkeit im Einzelnen zu bestreiten und/oder darzulegen, warum er mit einer deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch die persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft. Mit Blick auf die Abwendung einer personenbedingten Kündigung kommt es dann allerdings auch darauf an, ob diese Leistungsdefizite durch externe Umstände ausgelöst wurden. Diese können in der verfügbaren Technik, der betrieblichen Organisation, Weisungen der Führungskräfte, einer fehlerhaften Produktstruktur, der Marktentwicklung oder der Kundenstruktur liegen 49. cc)

Vorliegen einer negativen Zukunftsprognose

Auf der Grundlage der am Tage des Zugangs der Kündigung für den Arbeitgeber erkennbaren Gesamtumstände muss zu erwarten sein, dass auch in der Zukunft nicht mit einer Wiederherstellung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung zu rechnen ist. Dabei muss sich der Arbeitgeber auch mit personenbezogenen Entwicklungsmöglichkeiten befassen. Darauf hat das LAG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 25.3.2014 50 hingewiesen. In dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um die gegenüber einem Oberarzt ausgesprochene Änderungskündigung. Der Arbeitgeber hatte sie vor allem damit begründet, dass dem Kläger dauerhaft die persönliche und fachliche Befähigung fehle. Dies werde beispielsweise darin erkennbar, dass durch den Kläger abgeschlossene Operationen durch einen beigeordneten Oberarzt hätten nachoperiert werden müssen, dass der Kläger regelmäßig auch bei einfachen Operationen die zwei- bis dreifache Zeit be-

48 2 AZR 675/07, NZA 2009, 842 ff. Rz. 25. 49 Vgl. BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784 Rz. 92; BAG v. 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, NZA 2008, 693 Rz. 19, 22. 50 6 Sa 357/13, LAGE § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 27.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

nötige und bei zahlreichen mittelschweren und schweren Operationen das Erfordernis bestehe, ihm einen anderen Oberarzt zur Seite zu stellen, der den Kläger beaufsichtigte, anleitete und im Bedarfsfall die Operation durchgeführt habe. Der Kläger hatte nicht nur diesen Vortrag bestritten. Er hatte zusätzlich geltend gemacht, dass evtl. Fehler oder Unsicherheiten im Rahmen seiner Tätigkeit als Oberarzt auf seine Jugend bzw. seine Unerfahrenheit als junger Oberarzt zurückzuführen seien. Er hat ergänzend hierzu vorgetragen, dass zu erwarten sei, dass mit zunehmender Routine auch eine Erhöhung der Geschwindigkeit bei den Operationen zu erwarten sei. Beide Hinweise hat das LAG Rheinland-Pfalz für so gewichtig gehalten, dass der Arbeitgeber – was nicht geschehen war – darauf hätte substantiiert erwidern müssen. Unabhängig davon hat das LAG Rheinland-Pfalz den pauschalen Grundsatz nicht anerkannt, dass chirurgisches Geschick lediglich bis zum 40. Lebensjahr erworben werden könne. Für das LAG Rheinland-Pfalz ergab sich dies bereits aus dem Umstand, dass der Kläger erst kurz vor seinem 40. Geburtstag zum Oberarzt bestellt worden war und zugleich ein Zwischenzeugnis mit einer sehr guten Bewertung erhalten hatte. dd)

Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung und Fehlen milderer Mittel

Auch bei der personenbedingten Kündigung gilt der ultima-ratio-Grundsatz. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt daher nur in Betracht, wenn es nicht möglich ist, die prognostizierte Störung in der Zukunft durch die Zuweisung einer anderen – ggf. geringwertigeren – Tätigkeit zu verhindern. Die geringwertigere Tätigkeit kann auch mit einer geringeren Vergütung verbunden sein. Hinzu kommt, dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur dann in Betracht kommt, wenn die Interessen des Arbeitgebers an einer störungsfreien Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses die individuellen Interessen des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls überwiegen. Dabei sind auch das Lebensalter und die Umstände, die zu der Einschränkung der persönlichen Leistungsfähigkeit geführt haben, zu berücksichtigen 51. Wir hatten in Bezug auf die ordentliche Kündigung bei langanhaltender Erkrankung auf vergleichbare Vorgaben verwiesen 52.

51 BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784 Rz. 108; BAG v. 7.2.1991 – 2 AZR 205/90, NZA 1991, 806 ff. 52 B. Gaul, AktuellAR 2015, 495 ff.

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Personenbedingte Kündigung wegen dauerhafter Minderleistung

Zweifelsohne kommt eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Minderoder Schlechtleistung nur in Betracht, wenn zuvor eine Abmahnung ausgesprochen wurde und erfolglos geblieben ist. Diese Abmahnung muss allerdings berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich nur gehalten ist, die persönliche Leistungsfähigkeit auszuschöpfen. Weitergehende Verhaltenspflichten in Bezug auf konkrete Arbeitsergebnisse bestehen nur dann, wenn sie zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart wurden. Eine Abmahnung, in der eine Verpflichtung zur „Normalleistung“ oder einem „durchschnittlichen Arbeitsergebnis“ erklärt wird, sind unwirksam 53. Die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 25.3.2014 54 macht deutlich, dass man allerdings auch bei der personenbedingten Kündigung über eine Warnung des Arbeitnehmers nachdenken muss. Nicht überzeugend erscheint zwar, dass auch die personenbedingte Kündigung an den formalen Ausspruch einer Abmahnung geknüpft wird 55. Schließlich soll das Arbeitsverhältnis gerade wegen personenbezogener Umstände beendet werden, die durch den Arbeitnehmer nicht zu vertreten sind. Ungeachtet dessen ist bei der praktischen Handhabe solcher Fallgestaltungen anzuerkennen, dass die Grenze zwischen einer verhaltens- oder einer personenbedingten Kündigung vielfach fließend ist. Insoweit lässt sich auch häufig nicht sauber unterscheiden, ob und inwieweit die Schlecht- oder Minderleistung tatsächlich auf steuerbares Verhalten oder eine unabänderliche Eigenschaft des Arbeitnehmers zurückgeführt werden muss. Hiervon ausgehend erscheint es jedenfalls nachvollziehbar, wenn zum Teil eine vorangehende Warnung des Arbeitgebers in Bezug auf das erkennbare Leistungsdefizit als Vorstufe einer Kündigung für erforderlich gehalten wird 56, wo das Defizit für erforderlich gehalten wird 57. Vergleichbar mit den zur Abmahnung entwickelten Grundsätzen sollte darauf nur verzichtet werden, wenn auch im Rahmen einer prozessualen Auseinandersetzung substantiiert dargelegt und ggf. bewiesen werden kann, dass diese Warnung wegen der

53 54 55 56 57

BAG v. 27.11.2008 – 2 AZR 675/07, NZA 2009, 842 Rz. 25. 6 Sa 357/13, LAGE § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 27. A. A. LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 17.4.2012 – 5 Sa 191/11 n. v. (Rz. 38). So BAG v. 29.7.1976 – 3 AZR 50/75, DB 1976, 2356 Rz. 21. Vgl. BAG v. 3.6.2004 – 2 AZR 386/03, NZA 2004, 1980 Rz. 45; LAG Rheinland-Pfalz v. 25.3.2014 – 6 Sa 357/13, LAGE § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 27; LAG Hamm v. 25.9.2012 – 9 Sa 702/12, LAGE § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 26 Rz. 84.

493

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

fehlenden Möglichkeit einer Änderung des Arbeitnehmers keinen Erfolg versprochen hätte 58.

d)

Fazit

Die vorstehend angesprochenen Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung wegen Minderleistung machen deutlich, dass von einer rechtlichen Betrachtungsweise ausgehend solche Kündigungen durchaus wirksam sein können. Erkennbar wird allerdings auch, dass eine substantiierte Darlegung der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine soziale Rechtfertigung schlussendlich verlangt, dass über einen längeren Zeitraum hinweg das Verhalten bzw. die Leistung des Arbeitnehmers auch im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern dokumentiert wird. Andernfalls scheitert die Kündigung bereits am Fehlen eines in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grundes. Dass sie auch beim Vorliegen eines solchen Grundes scheitern kann, liegt an der Interessenabwägung, die durch das Arbeitsgericht unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls im Zweifel nach Belieben gestaltet werden kann. Losgelöst davon muss man in der betrieblichen Praxis jede Form der Kündigung von Low-Performern auch darauf überprüfen, welche Erklärungen gegenüber diesen Arbeitnehmern in der Vergangenheit erfolgt sind. Zum einen gilt dies für die Kennzeichnung der Vertragspflichten. Wenn Zweifel bestehen, welche Handlungs- oder Unterlassungspflichten der Arbeitnehmer im Rahmen seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit hat, müssen zunächst einmal diese Vorgaben bestimmt werden. Im Anschluss daran muss auf Seiten des Arbeitgebers bzw. der eingebundenen Führungskräfte die Bereitschaft bestehen, eine etwaige Minder- oder Schlechtleistung zu dokumentieren und – hier fehlt oft der Mut – auch gegenüber dem Arbeitnehmer im Rahmen von Beurteilungsgesprächen zu erklären. Andernfalls setzt sich der Arbeitgeber in nachvollziehbarer Weise dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens aus, der in der Regel die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hat. Dann kommt eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur in Betracht, wenn sie – ggf. im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens – in Verbindung mit einer Abfindung vereinbart wird. (Ga)

58 LAG Rheinland-Pfalz v. 25.3.2014 – 6 Sa 357/13, LAGE § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 26.

494

Kündigung wegen langandauernder Erkrankung

4.

Umfang der Weiterbeschäftigungspflicht bei ordentlicher Kündigung wegen langandauernder Erkrankung

a)

Ausgangssituation

Häufig sind für den Arbeitgeber Ursache und Wirkungen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nur eingeschränkt erkennbar. Konsequenzen hat dies nicht nur bei der Frage, ob auch zukünftig weitere krankheitsbedingte Fehlzeiten zu besorgen sind. Auswirkungen hat die Art der körperlichen Einschränkung als Folge einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit auch für die Frage, ob und inwieweit es für den Arbeitgeber möglich und zumutbar ist, den Arbeitnehmer auf einem anderen (leidensgerechten) Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen. Besondere Pflichten können sich in diesem Zusammenhang dadurch ergeben, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit auf einen Arbeitsunfall zurückgeführt werden kann. In seinem Urteil vom 20.11.2014 59 hat sich das BAG eingehend mit den vorstehenden Fragen befasst. Besonders hilfreich ist dabei der Umstand, dass der 2. Senat des BAG dabei auch ausführlich die Frage behandelt hat, welche Konsequenzen die fehlende Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX auf die Darlegungsund Beweislast des Arbeitgebers im Hinblick auf die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit hat. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger seit 2001 als „Call-CenterAgent“ in der Betriebsstätte der Beklagten in Erfurt beschäftigt. Im Jahre 2004 war er an 24 Tagen, im Jahre 2005 an 29 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Im Jahre 2006 fehlte er zunächst einmal für die Dauer von 21 Tagen mehrfach kurzzeitig. Ab dem 27.11.2006 war er dann aber dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. Hintergrund war ein beidseitiger Tinnitus, der 2007 auch zur Anerkennung eines Grads der Behinderung von 30 % und der Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen geführt hatte. Nachdem der Kläger bis zum Frühjahr 2010 nicht beschäftigt wurde, beantragte die Beklagte im Mai 2010 die Zustimmung des Integrationsamts zu einer ordentlichen Kündigung, die durch Bescheid vom 9.11.2010 erteilt wurde. Ohne die Durchführung eines bEM kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 25.11.2010 ordentlich zum 28.2.2011.

59 2 AZR 664/13, NZA 2015, 931 ff.

495

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Im Rahmen seiner Kündigungsschutzklage machte der Kläger eine Weiterbeschäftigung geltend. In dem hierfür zugrunde gelegten Attest wurde bescheinigt, dass er „prinzipiell arbeitsfähig“ sei, wenn keine besonderen Anforderungen an das Gehör gestellt würden, der Arbeitsschutz eingehalten werde, keine permanente höhergradige Lärmbelästigung vorliege und die Arbeit „nicht durch permanentes Telefonieren gekennzeichnet“ sei. Darüber hinaus machte er geltend, im Mai 2006 während eines Kundentelefonats infolge einer technischen Störung an einem Headset einen akustischen Schock erlitten zu haben. Dieser habe zu einem eingeschränkten Hörvermögen, beidseits starken Ohrgeräuschen, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit mit bis dato nachwirkenden Folgen geführt. Da er jedenfalls als Lagerarbeiter beschäftigt werden könne, sei die Beklagte verpflichtet, ihm diese Stelle – und sei es durch Kündigung – frei zu machen. Das BAG hat die klageabweisende Entscheidung der Vorinstanz zwar aufgehoben, die Sache zur weiteren Feststellung der tatsächlichen Gegebenheiten in Bezug auf die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung allerdings zurückverwiesen.

b)

Dreistufige Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung

Das BAG bestätigt in seinem Urteil vom 20.11.2014 60 noch einmal seine dreistufige Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf eine langanhaltende Erkrankung gestützt wird. Zunächst sei eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssten objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigten (1. Stufe). Die prognostizierten Fehlzeiten müssten ferner zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen (2. Stufe). Schließlich müsste eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billiger Weise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führten (3. Stufe) 61. Die negative Prognose im Rahmen der 1. Stufe ist hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands indiziert, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft außerstande ist, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Dieser dauernden Leistungsunfähigkeit steht – so das BAG – die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich. Ei60 2 AZR 664/13, NZA 2015, 931 Rz. 13 ff. 61 Ebenso BAG v. 30.9.2010 – 2 AZR 88/09, NZA 2011, 39 Rz. 11; BAG v. 12.7.2007 – 2 AZR 716/06, NZA 2008, 173 Rz. 27 ff.

496

Kündigung wegen langandauernder Erkrankung

ne solche Ungewissheit bestehe, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden könne. Als absehbar sei in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen 62. Nach den Feststellungen des BAG führt die entsprechende Ungewissheit – ebenso wie eine feststehende Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen – auf der 2. Stufe zu einer grundsätzlich nicht mehr darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Diese bestehe darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert sei, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. Auf der 3. Stufe fehle es dann in aller Regel auch an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses 63. Voraussetzung für eine ordentliche Kündigung ist bei alledem aber, dass angemessene mildere Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten für den Arbeitgeber nicht verfügbar sind. Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen – leidensgerechten – Arbeitsplatz. Dies schließe – so das BAG – in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen. Scheide eine Umsetzungsmöglichkeit aus, könne sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung – und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen – als vorrangig erweisen 64.

c)

Keine Verpflichtung zur Freikündigung

Mit überzeugender Begründung lehnt das BAG eine Verpflichtung des Arbeitgebers ab, die für eine Weiterbeschäftigung des erkrankten Arbeitnehmers in Betracht kommenden Arbeitsplätze „freizukündigen“. Die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung zur Vermeidung der Kündigung kommt daher nur in Betracht, wenn der Arbeitsplatz frei ist oder durch die Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts gegenüber anderen Arbeitnehmern frei gemacht werden kann. 62 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, NZA 2015, – 2 AZR 88/09, NZA 2011, 39 Rz. 11. 63 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, NZA 2015, – 2 AZR 716/06, NZA 2008, 173 Rz. 28. 64 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, NZA 2015, – 2 AZR 1012/06, BB 2008, 2409 Rz. 28; BAG v. 1997, 709.

931 Rz. 14; BAG v. 30.9.2010 931 Rz. 14; BAG v. 12.7.2007 931 Rz. 15; BAG v. 23.4.2008 29.1.1997 – 2 AZR 9/96, NZA

497

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

In der Vergangenheit wurden zu dieser Frage unterschiedliche Auffassungen vertreten. Das BAG selbst hatte eine Verpflichtung zur Freikündigung abgelehnt 65. Dies entsprach der ganz überwiegend in Literatur und Rechtsprechung unter Einbeziehung schwerbehinderter Arbeitnehmer vertretenen Auffassung 66. Nach Auffassung des BAG findet die Verpflichtung zur Beschäftigungs- und Vertragstreue gegenüber (schwer-)behinderten Menschen ihre Grenzen in den entgegenstehenden Rechten der von einer „Freikündigung“ betroffenen Stelleninhaber. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Stelleninhaber Bestandsschutz nach dem KSchG genieße. Selbst wenn die Krankheit des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers betrieblich verursacht sei und zu seiner Leistungsunfähigkeit oder doch der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt habe, bestehe nicht etwa ein Überhang an Arbeitskräften, der den Arbeitgeber zu einer betriebsbedingten Kündigung des anderen Mitarbeiters berechtigen könnte. Vielmehr liege der Kündigungsgrund in der Person des auf seinem angestammten Arbeitsplatz nicht mehr arbeitsfähigen (schwer-)behinderten Arbeitnehmers. Sogar dann, wenn das KSchG auf das Arbeitsverhältnis des Stelleninhabers (noch) keine Anwendung finde, sei eine „Freikündigung“ wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Beschäftigten aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ohne weiteres zu rechtfertigen. In keiner seiner Bestimmungen sehe das SGB IX die Entlassung anderer Arbeitnehmer vor, um den Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen oder ihnen Gleichgestellter verwirklichen zu können. Vielmehr setzten auch die Prüfpflichten des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 SGB IX, die im Rahmen vom § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX mit zu berücksichtigen seien, das Vorhandensein freier Arbeitsplätze voraus 67.

d)

Keine Einschränkung durch das Verbot einer Benachteiligung wegen Behinderung

Auch aus dem unionsrechtlich abgesicherten Verbot einer Diskriminierung wegen Behinderung ergibt sich keine weitergehende Verpflichtung des Arbeitgebers, schwerbehinderte Arbeitnehmer bei einer langandauernden Erkrankung vor der Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses zu schützen. Insbe-

65 Vgl. BAG v. 29.1.1997 – 2 AZR 9/96, NZA 1997, 709. 66 BVerwG v. 2.6.1999 – 5 B 130.99 n. v., Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen/Neumann, SGB IX § 81 Rz. 25. 67 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, NZA 2015, 931 Rz. 33; BVerwG v. 28.2.1968 – 5 C 33.66, DB 1968, 856; Boecken, RdA 2012, 210, 215.

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Kündigung wegen langandauernder Erkrankung

sondere folgt aus den entsprechenden Vorgaben nicht, dass ggf. das Arbeitsverhältnis mit einem nicht behinderten Menschen beendet werden muss 68. Aus den besonderen Regelungen zum Schutz schwerbehinderter Menschen können sich allerdings bei der Suche nach einer Ersatzbeschäftigung Besonderheiten ergeben. Dies kommt auch im Rahmen des bEM zum Tragen. Denn die in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, erfordert – so das BAG – bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Beschäftigten die Prüfung, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine nach § 81 SGB IX leidensgerechte Beschäftigung überwunden werden kann. Hierunter falle auch die – in § 81 Abs. 5 S. 3 SGB IX als Anspruch ausgestaltete – Möglichkeit einer Beschäftigung in zeitlich reduziertem Umfang. Die Verminderung der Arbeitszeit stelle insoweit eine mögliche Maßnahme zur Arbeitsplatzerhaltung dar, welche im Rahmen des bEM ermittelt werden könne. Soweit die Beklagte – was nachfolgend noch auszuführen sein wird – die objektive Nutzlosigkeit eines bEM hätte darlegen müssen, hätte sie auch zu der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung mit reduzierter Arbeitszeit Stellung beziehen müssen. Dies galt im vorliegenden Fall umso mehr, als bei der Beklagten Arbeitnehmer in Teilzeit die Tätigkeit ausübten, die auch der Kläger nach Absenkung seiner Arbeitszeit geltend machen wollte. Das Verbot einer Diskriminierung wegen Behinderung steht schlussendlich auch einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Behinderung nicht entgegen. Dies gilt auch dann, wenn sie auf eine dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gestützt wird. Denn auch unter Berücksichtigung der in § 7 Abs. 1 AGG, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 lit c) Richtlinie 200/78/EG kann an der Behinderung bei einer den Arbeitnehmer benachteiligenden Maßnahme angeknüpft werden, wenn der Arbeitgeber nicht im Stande ist, die bestehende Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch angemessene Vorkehrungen, d. h. durch effektive und praktikable, ihn, den Arbeitgeber, nicht unzumutbar belastende Maßnahmen zu beseitigen 69. Hiervon war vorliegend auszugehen. Denn die Beklagte hatte nicht die Behinderung als solche oder den Rentenbezug des Klägers zum Anlass für die Kündigung genommen, sondern die durch dessen Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten. Dass die Beklagte gegen ihre Verpflichtung, ein ord-

68 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, NZA 2015, 931 Rz. 34; Däubler/Bertzbach, AGG § 7 Rz. 224. 69 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, NZA 2015, 931 Rz. 56 ff., 60; BAG v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372 Rz. 90; EuGH v. 11.4.2013 – C-335/11, NZA 2013, 553 Rz. 69 ff. – HK Danmark.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

nungsgemäßes bEM durchzuführen, verstoßen hatte, war ohne das Hinzutreten weiterer Umstände kein aussagekräftiges Indiz für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung. Soweit der Kläger ergänzend hierzu geltend gemacht hatte, dass die Beklagte die Vertrauensperson der Schwerbehinderten von der beabsichtigten Kündigung nicht zuvor unterrichtet hatte, spielte dies für den Ausgang der Entscheidung keine Rolle. Eine Verletzung der sich aus § 95 Abs. 2 SGB IX ergebenden Beteiligungspflicht führt nach Auffassung des BAG nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung 70.

e)

Bedeutung des bEM für die Darlegungs- und Beweislast

Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für solche Umstände, die nach § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingen. Hierzu gehört auch das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit 71. Wenn der Arbeitgeber, weil die Mindestdauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit noch nicht erreicht wurde, nicht zur Durchführung eines bEM verpflichtet ist, kann er sich – so das BAG – zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasse den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. In diesem Fall obliegt es dem Arbeitnehmer, hierauf konkret zu erwidern, insbesondere darzulegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstelle, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Erst dann sei es Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum auch eine solche Beschäftigung nicht möglich sei 72. Entsprechendes gilt dann, wenn der Arbeitgeber seine Verpflichtung zur Durchführung des bEM in ordnungsgemäßer Weise erfüllt hat. Auch dann greifen wieder die normalen Mechanismen der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG 73. Habe der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX hingegen ein bEM unterlassen, könne dies zu einer Erweiterung seiner Darle70 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, NZA 2015, 931 Rz. 67; BAG v. 28.7.1983 – 2 AZR 122/82, DB 1984, 133 Rz. 15 ff. 71 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, NZA 2015, 931 Rz. 18. 72 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, NZA 2015, 931 Rz. 19; BAG v. 30.9.2010 – 2 AZR 88/09, NZA 2011, 39 Rz. 14. 73 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NJW 2015, 1979; BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, NZA 2015, 931 Rz. 35.

500

Kündigung wegen langandauernder Erkrankung

gungslast führen. Zwar sei – so das BAG – die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel als diese. § 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiere aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mithilfe des bEM könnten mildere Mittel (z. B. die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen) erkannt und entwickelt werden 74. Insofern muss der Arbeitgeber bei seiner Darlegungs- und Beweislast die beiden unterschiedlichen Ergebnisse eines bEM berücksichtigen. Zunächst einmal kann auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM ohne ein positives Ergebnis in Bezug auf eine Beschäftigungsmöglichkeit enden. In einem solchen Fall darf – so das BAG – dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass kein bEM durchgeführt wurde. Wolle sich der Arbeitgeber hierauf berufen, habe er aber die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu müsse er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers spürbar vorzubeugen und so das Arbeitsverhältnis zu erhalten 75. Falls das bEM ein positives Ergebnis hätte erbringen können, dürfe sich der Arbeitgeber indes nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Vielmehr müsse er von sich aus mögliche Alternativen würdigen und darlegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen – leidensgerechten – Arbeitsplatz in Betracht gekommen seien 76. Hier macht sich dann zum Nachteil des Arbeitgebers auch bemerkbar, dass ihm als Folge des unterlassenen bEM keine Informationen zu den Ursachen und Wirkungen der krankheitsbedingten Arbeitsun-

74 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, NZA 2015, 931 Rz. 20; BAG v. 24.3.2011 – 2 AZR 170/10, NZA 2011, 993 Rz. 20. 75 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, NZA 2015, 931 Rz. 21. 76 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, NZA 2015, 931 Rz. 22; BAG v. 30.9.2010 – 2 AZR 88/09, NZA 2011, 39 Rz. 35.

501

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

fähigkeit vorliegen. Dieses Risiko – so das BAG – ist allerdings durch den Arbeitgeber zu tragen 77. In dem hier in Rede stehenden Fall hätte der Arbeitgeber sich jedenfalls im Rahmen der prozessualen Auseinandersetzung also konkret mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob und inwieweit der Kläger nicht doch als CallCenter-Agent mit einer geringeren Arbeitszeit hätte beschäftigt werden können. Schließlich hatte er selbst eine solche Tätigkeit kalendertäglich für die Dauer von drei Stunden für möglich gehalten. Damit verbunden hätte ausgeführt werden müssen, ob und ggf. in welcher Weise der Kläger in der übrigen Zeit – ganz oder teilweise – mit anderen Aufgaben hätte betraut werden können. Hier wird das LAG Thüringen weitergehende Feststellungen zu treffen haben.

f)

Der Arbeitsunfall als Bestandteil der Interessenabwägung

In seinen abschließenden Ausführungen hat das BAG deutlich gemacht, dass bei der Interessenabwägung im Rahmen der Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung auch die Krankheitsursachen von Bedeutung sein können. Denn in aller Regel sei dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich lägen. Das gelte umso mehr, wenn der Arbeitgeber die Umstände, die zu der Arbeitsunfähigkeit geführt hätten, zu vertreten oder er ein Unfallrisiko gar billigend in Kauf genommen habe 78. Die Berücksichtigung des Arbeitsunfalls des Klägers stand im konkreten Einzelfall seiner Kündigung indes nicht entgegen. So hat das BAG deutlich gemacht, dass die Beklagte nach den Umständen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung auf unabsehbare Zeit nicht mehr mit dem Kläger planen konnte. Im Kündigungszeitpunkt waren bereits vier Jahre ohne Arbeitsleistungen des Klägers vergangen. Damit hatte die Beklagte ein hohes Maß an Rücksichtnahme auf dessen Belange gezeigt. Selbst wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sein sollte, wäre die Kündigung des mittlerweile sinnentleerten Arbeitsverhältnisses durch diese Gründe in seiner Person „bedingt“. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte von den behaupteten Funktionsstörungen des Headsets gewusst oder wenn sie bewusst Arbeitsschutzvorschriften missachtet hätte, 77 Vgl. BAG v. 24.3.2011 – 2 AZR 170/10, NZA 2011, 993 Rz. 24; BAG v. 13.5.2015 – 2 AZR 565/15 n. v. (Rz. 28). 78 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, NZA 2015, 931 Rz. 53; BAG v. 8.11.2007 – 2 AZR 292/06, NZA 2008, 593 Rz. 16; KR/Griebeling, KSchG § 1 Rz. 296.

502

Außerordentliche Kündigung wegen Missbrauchs des IT-Systems

bedurfte mangels tatsächlicher Anhaltspunkte für eine solche Vermutung keiner Entscheidung. Dem ist zuzustimmen. (Ga)

5.

Außerordentliche Kündigung wegen Missbrauchs des IT-Systems

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Ein wichtiger Grund zur Kündigung kann sowohl in einer erheblichen Verletzung von vertraglichen Hauptleistungspflichten als auch in der von Nebenpflichten liegen 79. Als Vertragspflichtverletzung, die eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen vermag, kann die erhebliche Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers gemäß § 241 Abs. 2 BGB bilden. Der konkrete Inhalt dieser Pflicht ergibt sich aus dem jeweiligen Arbeitsverhältnis und seinen spezifischen Anforderungen, ohne dass es hierfür einer besonderen Vereinbarung bedarf 80. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dieser Aspekt durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB i. V. m. § 323 Abs. 2 BGB bestätigte gesetzgeberische Aspekt gebietet, einer Kündigung die Rechtfertigung zu nehmen, wenn es mildere Mittel – etwa eine Abmahnung - gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen 81. Von einer derartigen Maßnahme darf abgesehen werden, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist. 79 BAG v. 12.5.2010 – 2 AZR 845/08, NZA 2010, 1348 Rz. 19; BAG v. 24.3.2011 – 2 AZR 282/10, NZA 2011, 1029 Rz. 12. 80 BAG v. 12.5.2010 – 2 AZR 845/08, NZA 2010, 1348 Rz. 20; BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 Rz. 26. 81 BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 Rz. 37.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Nach § 626 Abs. 2 BGB kann eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grunde nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Kündigungserklärungsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dabei beginnt die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB, die von Amts wegen zu prüfen ist, erst zu laufen, sobald der Kündigungsberechtigte eine möglichst zuverlässige und vollständige Kenntnis der für eine Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die dem Kündigungsberechtigten die Gesamtwürdigung nach Zumutbarkeitsgesichtspunkten und damit die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen will oder nicht 82. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen, die im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen darf. Soweit der Kündigungsberechtigte weitere Ermittlungen anstellen muss, sind diese nach pflichtgemäßem Ermessen mit der gebotenen Eile vorzunehmen, bevor die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen beginnt. Die Problematik der Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB sowie die Frage der Berechtigung einer außerordentlichen Kündigung im Falle einer rechtswidrigen Verwendung von dienstlichen Betriebsmitteln war Gegenstand der Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 16.7.2015 83. Der Fall betraf einen bei dem beklagten Land seit 1992 beschäftigten Kläger, der als IT-Verantwortlicher bei einem Oberlandesgericht beschäftigt war. Zu seinen Aufgaben gehörte die Bestellung des für die Datenverarbeitung benötigten Zubehörs, wozu auch CDs und DVDs gehörten. Bei einer Mitte März 2013 erfolgten Geschäftsprüfung wurden auf den Festplatten eines vom Kläger genutzten Rechners mehr als 6.400 E-Book-, Bild-, Audio- und Videodateien vorgefunden. Zudem war ein Programm installiert, womit der Kopierschutz der Hersteller umgangen werden konnte. Es stellte sich heraus, dass in der Zeit von Oktober 2010 bis März 2013 über 1.100 DVDs bearbeitet worden waren. Im gleichen Zeitraum waren etwa gleich viele DVD-Rohlinge vom Gericht bestellt und geliefert worden. Zunächst ließ sich der Kläger im Verlauf der Ermittlungen dahin ein, alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs sei, habe er gemacht. Er habe für andere Mitarbeiter natürlich auch kopiert. Diese Äußerungen nahm er einige Tage später ausdrücklich zurück. Nach Anhörung des Personalrats kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18.4.2013 außerordentlich und mit Schreiben vom 13.5.2013 hilfsweise ordentlich.

82 BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 1037/12, NZA 2014, 1015 Rz. 14. 83 2 AZR 18/15 n. v.

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Außerordentliche Kündigung wegen Missbrauchs des IT-Systems

Die Vorinstanzen haben der Klage des Klägers stattgegeben. Dabei ging das LAG Sachsen-Anhalt 84 davon aus, dass die Kündigungen allein deshalb unwirksam seien, weil unklar bliebe, welchen Tatbeitrag gerade der Kläger zu den Kopier- und Brennvorgängen geleistet habe. Zudem habe das beklagte Land durch lediglich eigene Ermittlungen ohne Einschaltung der Polizei bzw. der Staatsanwaltschaft weder eine umfassende, den Kläger möglicherweise entlastende Aufklärung leisten, noch den Beginn der zweiwöchigen Frist für die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung hemmen können. Im Übrigen verstieße die Kündigung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil das beklagte Land gegenüber den anderen Beteiligten keine vergleichbaren Maßnahmen ergriffen habe. Das BAG hat die Entscheidung des LAG Sachsen-Anhalt aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen. Zunächst geht das BAG davon aus, dass ein Grund zur fristlosen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses an sich darin liegen kann, dass ein Arbeitnehmer privat beschaffte Bild- oder Tonträger während der Arbeitszeit unter Verwendung seines dienstlichen Computers unbefugt und zum eigenen oder kollegialen Gebrauch auf dienstliche DVD- bzw. CD-Rohlinge kopiert. Dabei ist im Gegensatz zur Auffassung des LAG Sachsen-Anhalt gleichgültig, ob der Kläger alle fraglichen Handlungen selbst vorgenommen oder dabei mit anderen Bediensteten zusammengewirkt oder das Herstellen von Raubkopien durch diese ermöglicht hat. Das BAG ist auch der Auffassung des LAG Sachsen-Anhalt entgegengetreten, dass die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB vom beklagten Land nicht gewahrt worden sei, weil es in eigener Regie ohne Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden Ermittlungen angestellt hat. Überzeugend weist das BAG darauf hin, dass es dem Arbeitgeber unbenommen bleibt, zunächst eigene Ermittlungen anzustellen, bevor er möglicherweise die Strafverfolgungsbehörden einschaltet. Solange der Arbeitgeber die Ermittlungen zügig durchführt, wird der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB gehemmt. Das war hier geschehen. Keinerlei Einfluss auf die Kündigungsberechtigung aus wichtigem Grunde hat der Umstand, dass das beklagte Land gegenüber anderen Bediensteten irgendwelche Maßnahmen ergriffen hat. Das BAG hebt dabei hervor, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung im Rahmen verhaltensbedingter Kündigungen grundsätzlich keine Anwendung findet, wobei das LAG SachsenAnhalt keine Feststellungen darüber getroffen hatte, inwieweit überhaupt die

84 v. 19.12.2014 – 4 Sa 10/14, ArbRB 2015, 107.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Sachverhalte unter Berücksichtigung der Einzelheiten und der Stellung der anderen Beschäftigten übereinstimmten. Der Bewertung des BAG ist uneingeschränkt beizutreten. Dies gilt nicht nur für die Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist, sondern auch für das Vorliegen eines wichtigen Grundes, der nicht nur in der Verletzung von Urheberrechten zu sehen ist, weil es sich bei den vom Kläger auf den Dienstrechner kopierte Dateien um urheberrechtlich geschützte Werke gehandelt hat, sondern damit zugleich eine erhebliche Verletzung der Interessen des Arbeitgebers gemäß § 241 Abs. 2 BGB vorliegt. Der Umfang und die Menge der Dateien, die der Kläger widerrechtlich während der Arbeitszeit auf den Dienstrechner heruntergeladen und außerdem auf DVDs, die für den Arbeitgeber bestimmt waren, kopiert hatte, stellten eine so schwere Pflichtverletzung dar, dass dem Kläger klar sein musste, dass er bei Entdeckung nicht mit einer Hinnahme durch seinen Arbeitgeber rechnen konnte. Damit kam als Reaktion auf das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Klägers eine Abmahnung als milderes Mittel nicht mehr in Betracht. (Boe)

6.

Außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann. Dabei gilt ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob - so das BAG – ein bestimmter Arbeitgeber meint, ihm sei die Einhaltung der Kündigungsfrist nicht zuzumuten, insbesondere weil das hinreichende Vertrauen in einen Arbeitnehmer nicht mehr gegeben sei. Entscheidend ist vielmehr, ob die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist dem Kündigenden aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist oder nicht 85. Auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ist der Arbeitgeber durch § 626 Abs. 1 BGB nicht gezwungen, eine fristlose Kündigung auszusprechen. Er kann – darauf weist das BAG im Urteil vom

85

506

BAG v. 13.5.2015 – 2 AZR 531/14, BB 2015, 2682 Rz. 27 ff; BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 Rz. 47.

Außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist

13.5.2015 86 noch einmal hin – die Kündigung grundsätzlich auch – etwa aus sozialen Erwägungen oder weil eine Ersatzkraft fehlt – unter Gewährung einer Auslauffrist aussprechen. Ob die Einräumung einer solchen Auslauffrist zu der Annahme berechtigt, dem Arbeitgeber sei die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zumindest bis zum Ablauf der Frist auch objektiv zumutbar, ist unabhängig davon und nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen 87. Dem ist zuzustimmen, wenngleich die Einräumung einer solchen Auslauffrist mit einer anschließenden Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist auf der Ebene der Instanzgerichte die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass keine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist angenommen wird. In dem der Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall ging es um eine außerordentliche Kündigung aus Gründen im Verhalten der Klägerin. Diese hatte nach dem streitigen Vortrag der Beklagten in einem Gespräch am 11.9.2013 ihrer Vorgesetzten eine Ohrfeige angedroht. Außerdem soll sie in Aussicht gestellt haben, dass ihr Sohn die Vorgesetzte ohrfeigen werde, falls sie selbst hierzu nicht in der Lage sei. Eine ordentliche Kündigung der Klägerin war durch den tarifvertraglichen Sonderkündigungsschutz mit Blick auf ihr Alter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit ausgeschlossen. Nach der Feststellung des BAG steht ein solcher Kündigungsschutz des Tarifvertrags einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist nicht entgegen. In einer solchen Vorgehensweise läge auch kein konkludenter Verzicht auf das Recht zur außerordentlichen Kündigung, wie dies im Ausspruch einer Abmahnung liegen könne. Vielmehr bringe der Umstand, dass die Kündigung trotz sozialer Auslauffrist als außerordentliche Kündigung bezeichnet werde, zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber ein – vermeintliches – Recht zur außerordentlichen Kündigung hat ausüben und nicht etwa hat aufgeben wollen 88. Von außerordentlicher Bedeutung für die betriebliche Praxis ist allerdings die ergänzende Klarstellung, die der 2. Senat des BAG im Urteil vom 13.5.2015 89 vorgenommen hat. Ausgangspunkt dieser Klarstellung ist zwar die Feststellung, dass der Ausschluss einer ordentlichen Kündigung regelmäßig nicht dazu führe, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung bereits dann gegeben ist, wenn die jeweils in Rede stehende 86 87 88 89

2 AZR 531/14, BB 2015, 2682 Rz. 30. BAG v. 13.5.2015 – 2 AZR 531/14, BB 2015, 2682 Rz. 30; BAG v. 6.2.1997 – 2 AZR 51/96 n. v. (Rz. 19). BAG v. 13.5.2015 – 2 AZR 531/14, BB 2015, 2682 Rz. 31, 33 ff., 38. 2 AZR 531/14, BB 2015, 2682 Rz. 44 ff.

507

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Pflichtverletzung an sich nur eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen würde. Bei einem typischerweise nur eine ordentliche Kündigung rechtfertigenden Grund im Verhalten des Arbeitnehmers bedingten es viel mehr Sinn und Zweck des Sonderkündigungsschutzes, dass sich der Arbeitgeber von der freiwillig eingegangenen, gesteigerten Vertragsbindung nicht lösen könne 90. Unabhängig davon sei es denkbar, dass ein pflichtwidriges Verhalten, das bei einem Arbeitnehmer ohne Sonderkündigungsschutz an sich nur eine ordentliche Kündigung rechtfertigen würde, gerade wegen der infolge des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung langen Bindungsdauer doch einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung für den Arbeitgeber im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen könne. Zwar wirke sich der Sonderkündigungsschutz insofern zum Nachteil für den Arbeitnehmer aus. Dies sei jedoch im Begriff des wichtigen Grundes gemäß § 626 Abs. 1 BGB angelegt. Dieser richte sich nach der Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses. Zur Vermeidung eines Wertungswiderspruches müsse in einem solchen Fall allerdings zu Gunsten des Arbeitnehmers zwingend eine der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist eingehalten werden. Der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber ordentlich nicht gekündigt werden könne, dürfe im Ergebnis nicht schlechter gestellt sein, als wenn er dem Sonderkündigungsschutz nicht unterfiele 91. Eine solche außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist kommt in der Praxis allerdings nur in Ausnahmefällen in Betracht. Nach den Feststellungen des BAG müsse die Pflichtverletzung einerseits so gravierend sein, dass sie im Grundsatz auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnte. Andererseits müsse es dem Arbeitgeber aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls indes zumutbar sein, dennoch die (fiktive) ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten. Wäre etwa die Gefahr einer Wiederholung des Pflichtverstoßes zwar für den Lauf der ordentlichen Kündigungsfrist auszuschließen, nicht aber darüber hinaus, könnte ausnahmsweise gerade der Ausschluss der ordentlichen Kündigung dazu führen, dass ein wichtiger Grund

90 91

508

Ebenso BAG v. 21.6.2012 – 2 AZR 343/11, NZA 2013, 224 Rz. 20; ErfK/MüllerGlöge, BGB § 626 Rz. 49. BAG v. 13.5.2015 – 2 AZR 531/14, BB 2015, 2682 Rz. 44; BAG v. 15.11.2001 – 2 AZR 605/00 n. v. (Rz. 21); BAG v. 13.4.2000 – 2 AZR 259/99, NZA 2001, 277 Rz. 55.

Outsourcing: Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung

zur außerordentlichen Kündigung – mit notwendiger Auslauffrist – bestünde. Dieser Differenzierung durch das BAG ist zuzustimmen. Wichtig für die betriebliche Praxis ist freilich, sauber zwischen einer sozialen Auslauffrist und einer notwendigen Auslauffrist zu unterscheiden. Dies gilt insbesondere für die Betriebsratsanhörung, weil in dieser begrifflichen Kennzeichnung auch eine materiell-rechtliche Unterscheidung zum Ausdruck gebracht wird. Eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber nach § 626 BGB an sich auch fristlos kündigen könnte, aber – aus sozialen Überlegungen heraus – freiwillig eine Auslauffrist einräumt. Diese kann auch kürzer als die Frist sein, die für eine ordentliche Kündigung gelten würde. Eine notwendige Auslauffrist ist dann einzuräumen, wenn die Kündigung zwar auf der Grundlage von § 626 BGB gerechtfertigt werden kann, weil dem Arbeitgeber eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum vereinbarten Ende nicht zugemutet werden kann, aus Rechtsgründen aber zu Gunsten des Arbeitnehmers eine der (fiktiven) ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Zeitspanne bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingeräumt werden muss. Neben den seltenen Fällen einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers kommt dies insbesondere dann in Betracht, wenn – wie an anderer Stelle erörtert – der Arbeitsvertrag eines tarifvertraglich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers aus betrieblichen Erfordernissen oder wegen langandauender Erkrankung gekündigt wird. Auch hier ist eine notwendige Auslauffrist, keine soziale Auslauffrist einzuräumen. (Ga)

7.

Outsourcing: Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung von (älteren) Arbeitnehmern mit tarifvertraglichem Sonderkündigungsschutz

In der betrieblichen Praxis stellt sich immer wieder die Frage, ob bei Reorganisationsmaßnahmen, die den dauerhaften Wegfall von Arbeitsplätzen zur Folge haben, auch eine Kündigung solcher Arbeitnehmer erfolgen kann, die tarifvertraglich vom Ausspruch einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung ausgenommen sind. Im Hinblick darauf hat das BAG mit Urteil vom 18.6.2015 92 noch einmal klargestellt, dass mit solchen Regelungen keine völlige Unkündbarkeit verbunden ist. Vielmehr bleiben Arbeitnehmer unter den durch § 626 BGB bestimmten Voraussetzungen kündbar. Voraussetzung ist also, dass die betrieblichen Maßnahmen als wichtiger Grund für eine au92 2 AZR 480/14, NZA 2015, 1315 Rz. 17 ff.

509

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

ßerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB qualifiziert werden können. Ausgehend von der Dauerhaftigkeit der Maßnahme spielt die ZweiWochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB dann keine Rolle mehr 93. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall waren die Arbeitsvertragsparteien kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit an den Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden der Eisenund Stahlindustrie Ost (MTV) gebunden. Dieser enthielt in der streitgegenständlichen Fassung auszugsweise folgende Regelung: 6.2. Einem Arbeitnehmer, der das 50. Lebensjahr vollendet hat und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört, kann nur noch aus in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegendem wichtigen Grund oder bei Vorliegen eines Sozialplans oder bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien gekündigt werden. … 8.

Im Übrigen gelten für ordentliche Kündigungen die gesetzlichen Bestimmungen. Die gesetzlichen Bestimmungen über fristlose Kündigungen bleiben unberührt.

Nachdem die Beklagte in den Jahren 2011 und 2012 zunächst ohne Erfolg zwei ordentliche betriebsbedingte Kündigungen und im Anschluss daran eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung erklärt hatte, beschloss sie, die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit auf ein Fremdunternehmen zu übertragen. Nach ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats sprach sie deshalb durch Schreiben vom 27.2.2013 und – vorsorglich – vom 27.3.2013 eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zum 30.9.2013 bzw. zum 31.10.2013 aus. Sie verwies darauf, dass vor Ausspruch der Kündigung beschlossen worden sei, etwa 10 % der Aufgaben der Klägerin auf einen anderen Arbeitnehmer, den EDV-Beauftragten, zu übertragen und die restlichen Tätigkeiten nach außen zu vergeben. Anderweitige Möglichkeiten, die Klägerin einzusetzen, bestünden nicht. Die Klägerin hielt diese Kündigung für unwirksam. Nach ihrer Auffassung schloss der MTV außerordentliche betriebsbedingte Kündigungen vollständig aus. Ordentliche Kündigungen seien nur aus dringenden betrieblichen Erfordernissen bei Vorliegen eines Sozialplans oder mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien erlaubt. Unabhängig davon könnten die Organisationsentscheidungen der Beklagten schon deshalb nicht anerkannt werden, weil sie (nur) in Reaktion auf das Unterliegen in den vorangegangenen Kündigungsschutzprozessen getroffen worden seien. 93 Vgl. BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 480/14, NZA 2015, 1315 Rz. 24; BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 379/12, NZA 2014, 139 Rz. 32.

510

Outsourcing: Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung

Abweichend von den beiden Vorinstanzen ist das BAG nicht von einer Begründetheit der Kündigungsschutzklage ausgegangen, hat die Angelegenheit aber zurückverwiesen, damit weitere Feststellungen zum Sachverhalt getroffen werden können.

a)

Betriebliche Erfordernisse als wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB

Zunächst einmal bestätigt der 2. Senat des BAG die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers auf der Grundlage von § 626 Abs. 1 BGB. Aus dem dauerhaften Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher, von äußeren Faktoren nicht „erzwungener“ Maßnahmen könne sich – ebenso wie bei § 1 Abs. 2 KSchG – ein wichtiger Grund für eine solche Kündigung ergeben. Der Arbeitgeber müsse regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen werde. Der tarifvertragliche Sonderkündigungsschutz schränke die Freiheit des Arbeitgebers, Umstrukturierungen vorzunehmen, nicht ein. Dies gelte auch dann, wenn damit ein Verlust von Arbeitsplätzen verbunden sei. Der tarifvertragliche Sonderkündigungsschutz erhöhe die Anforderungen an die arbeitgeberseitigen Bemühungen allerdings erheblich, gleichwohl die – anderweitige – Beschäftigung des Arbeitnehmers zu ermöglichen 94. Nach diesen Grundsätzen kommt einer auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen oder – wie hier – tariflich in einer Weise eingeschränkt ist, die ihren Vorrang aufhebt und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüber stünde. Der Arbeitgeber ist allerdings – so das BAG – in diesem Fall in besonderem Maße verpflichtet, zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Bestehe irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzuführen, werde er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn sämtliche denkbaren Alternativen ausscheiden würden, könne ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen 95.

94 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 480/14, NZA 2015, 1315 Rz. 17 ff., 20; BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 379/12, NZA 2014, 139 Rz. 18 ff. 95 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 480/14, NZA 2015, 1315 Rz. 30; BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 372/13, NJW 2014, 3180 Rz. 17.

511

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Konsequenzen haben diese Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes auch im Hinblick auf den Umfang der arbeitgeberseitigen Darlegungslast. Der Arbeitgeber hat in Bezug auf § 626 Abs. 1 BGB von sich aus darzutun, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis – ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung – sinnvoll fortzusetzen. Denn das Fehlen jedweder Beschäftigungsmöglichkeit zählt – so das BAG – bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“ 96. Folgerichtig müssen diese Voraussetzungen auch in die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG eingebunden werden. Fehlt dort der entsprechende Sachvortrag, ist die Kündigung bereits wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam.

b)

Tarifvertragliche Einschränkung der Kündigungsbefugnis aus § 626 BGB

In seinem Urteil vom 18.6.2014 97 hat das BAG offengelassen, ob das Recht zur außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung aus § 626 Abs. 1 BGB durch Tarifvertrag eingeschränkt werden könne 98. Es hat auch offengelassen, ob im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG nicht besondere Anhaltspunkte für den Willen der Tarifvertragsparteien zu einer auch nur unerheblichen Einschränkung dieses Rechts erforderlich wären. Denn nach seiner Auffassung enthielt der streitgegenständliche MTV keine Regelung, die als Einschränkung der aus § 626 Abs. 1 BGB folgenden Kündigungsbefugnis hätte verstanden werden können. Diese Interpretation des streitgegenständlichen Tarifvertrags überzeugt. Denn durch die in § 17 Nr. 8 MTV getroffene Regelung war klargestellt worden, dass die gesetzlichen Bestimmungen über „fristlose Kündigungen unberührt“ bleiben. Im Vergleich mit der zuvor „ordentlichen“ Kündigung war erkennbar, dass damit nicht die fristlose, sondern die außerordentliche Kündigung des § 626 Abs. 1 BGB gemeint war. Hiervon ist dann auch eine solche außerordentliche Kündigung erfasst, die mit einer notwendigen Auslauffrist erklärt wird. Voraussetzung ist lediglich, dass die gesetzlichen Bedingungen einer solchen Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt sind.

96 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 480/14, NZA 2015, 1315 Rz. 31; BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 379/12, NZA 2014, 139 Rz. 36. 97 2 AZR 480/14, NZA 2015, 1315 Rz. 27. 98 Vgl. bereits BAG v. 5.2.1998 – 2 AZR 227/97, NZA 1998, 771 Rz. 22.

512

Outsourcing: Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung

c)

Rechtsmissbrauch einer Outsourcing-Maßnahme

Auch unter Berücksichtigung der zuvor ausgesprochenen Kündigungen, die allesamt unwirksam waren, ist der 2. Senat des BAG nicht von einer rechtsmissbräuchlichen Kündigung ausgegangen. Dies gelte selbst dann, wenn nur die Aufgaben eines einzigen Arbeitnehmers an ein Drittunternehmen vergeben würden 99. Die gerichtliche Kontrolle einer unternehmerischen Entscheidung ziele – so das BAG – nicht darauf ab, dem Arbeitgeber organisatorische Vorgaben zu machen. Sie diene nicht dazu, die Stichhaltigkeit der Erwägungen zu prüfen, die ihn gerade zu dem von ihm gewählten Konzept bewogen hätten. Es geht allein um die Verhinderung von Missbrauch. Ein solcher könne vorliegen, wenn das Konzept des Arbeitgebers alleine darauf abziele, den Arbeitnehmer „loszuwerden“ und dies mit einer unternehmerischen Entscheidung begründet werden solle 100. Für eine beschlossene und durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spreche indes die Vermutung, dass sie aus sachlichen – nicht zuletzt wirtschaftlichen – Gründen getroffen worden sei und nicht auf Rechtsmissbrauch beruhe. Im Prozess habe deshalb der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergeben solle, dass die getroffene Organisationsmaßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei. Trage er entsprechende Indizien vor, sei in den Tatsacheninstanzen zunächst zu prüfen, ob diese in ihrer Gesamtschau, ggf. im Zusammenhang mit dem übrigen Prozessstoff, auf das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs schließen ließen. Sei dem so, müssten die vom Arbeitnehmer angetretenen Beweise erhoben werden, falls der Arbeitgeber diese Indiztatsachen ausreichend bestritten habe 101. Von diesen Grundsätzen ausgehend konnte das BAG keinen Rechtsmissbrauch in der streitgegenständlichen Kündigung sehen. Allerdings hat es einen solchen Rechtsmissbrauch auch nicht ausgeschlossen. Aus Sicht des BAG rechtfertige jedenfalls die Tatsache, dass von der Fremdvergabe - zunächst – nur der Arbeitsplatz der Klägerin betroffen war, ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht die Annahme einer Umgehung des besonderen

99 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 480/14, NZA 2015, 1315 Rz. 21. 100 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 480/14, NZA 2015, 1315 Rz. 34; BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 362/04, NZA-RR 2006, 416 Rz. 35. 101 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 480/14, NZA 2015, 1315 Rz. 35; BAG v. 31.7.2014 – 2 AZR 422/13, NJW 2015, 508 Rz. 31; BAG v. 13.3.2008 – 2 AZR 1037/06, NJW 2008, 2872 Rz. 29.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

Kündigungsschutzes. Dies gelte selbst dann, wenn die unternehmerische Entscheidung – auch – durch Gründe im Verhalten der Klägerin motiviert gewesen sein möge. Denn die Beschlüsse des Arbeitgebers seien selbst dann sachbezogen und objektiv nachvollziehbar, wenn der Arbeitgeber seine Unzufriedenheit mit dem Verhalten der Klägerin zum Anlass genommen hätte, die Arbeiten der EDV-Organisation an ein externes Unternehmen zu vergeben 102.

d)

Fazit

Dies ist für die betriebliche Praxis bemerkenswert. Es zeigt, dass unternehmerische Maßnahmen nicht immer nur auf wirtschaftlichen Überlegungen fußen müssen. Der Arbeitgeber kann auch sonstige – aus der Zusammenarbeit mit einzelnen Arbeitnehmern entstandene – Gründe haben, Reorganisationsmaßnahmen zu beschließen, die nach ihrer Durchführung den Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten zur Folge haben. Wenn die weiteren Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB vorliegen, kann dies auch eine außerordentliche Kündigung mit einer Frist rechtfertigen, die der ordentlichen Kündigungsfrist entspricht. Wichtig allerdings ist, bei der Umsetzung solcher Entscheidungen im Auge zu behalten, dass die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG so durchzuführen ist, als solle eine ordentliche Kündigung erklärt werden. Der Betriebsrat kann damit für seine Stellungnahme die Wochenfrist nutzbar machen. Er kann auch einen Widerspruch erklären, der bei ordnungsgemäßer Begründung den gesetzlichen Weiterbeschäftigungsanspruch zur Folge hat 103. (Ga)

8.

Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung wegen befristeter Möglichkeit der Weiterbeschäftigung

Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist eine betriebsbedingte Kündigung unwirksam, wenn für die Arbeitgeber die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem anderen gleich- oder geringwertigeren Arbeitsplatz im Unternehmen weiter zu beschäftigen. Entsprechendes gilt, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist. 102 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 480/14, NZA 2015, 1315 Rz. 36; BAG v. 31.7.2014 – 2 AZR 422/13, NJW 2015, 508 Rz. 47. 103 Vgl. BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 480/14, NZA 2015, 1315 Rz. 24.

514

Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung

a)

Kennzeichnung des freien Arbeitsplatzes

Grundsätzlich sind in diesem Zusammenhang nur solche Arbeitsplätze als „frei“ anzusehen, die im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind. Dem steht es – so das BAG – gleich, wenn ein Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei wird. Diese momentbezogene Betrachtungsweise schließt allerdings nicht aus, auch vor Ausspruch der Kündigung liegende Umstände zu berücksichtigen. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG dann der Fall, wenn der Arbeitgeber durch zweckvolle Festlegung des Kündigungszeitpunkts anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten, die noch kurze Zeit vorher erkennbar waren, durch eigenes Handeln ausgeschlossen und dadurch den Kündigungsgrund selbst herbeigeführt hat 104. Grundlage der Einbindung von Verhaltensweisen des Arbeitgebers in der Vergangenheit ist der Rechtsgedanke des § 162 BGB. Dieser verwehrt es dem Arbeitgeber, sich auf den Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten zu berufen, wenn er diese bis zum Zeitpunkt der Kündigung treuwidrig herbeigeführt hat. Treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers nimmt das BAG in diesem Zusammenhang insbesondere dann an, wenn für den Arbeitgeber zum Zeitpunkt einer Stellenbesetzung das Auslaufen der Beschäftigungsmöglichkeiten für den später gekündigten Arbeitnehmer bereits absehbar gewesen sei 105. Bei dieser Betrachtungsweise sind Arbeitsplätze grundsätzlich auch ohne eine weitergehende Prüfung einzubeziehen, wenn das mit der fraglichen Stelle verknüpfte Anforderungsprofil durch den Arbeitnehmer erfüllt wird. Dies gilt – so das BAG – auch dann, wenn die Zuweisung dieser Stelle eine Vertragsänderung erforderlich machte. Der Arbeitnehmer solle grundsätzlich selbst entscheiden können, ob er eine Weiterbeschäftigung unter veränderten, möglicherweise erheblich schlechteren Arbeitsbedingungen akzeptiere oder nicht 106. Zu dieser Vorgabe macht das BAG allerdings zwei Einschränkungen. Zum einen könne ein entsprechendes Angebot in „Extremfällen“ unterbleiben,

104 Vgl. BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 417/14, NZA 2015, 1083 Rz. 27; BAG v. 9.9.2010 – 2 AZR 493/09, ZTR 2011, 45 Rz. 22. 105 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 417/14, NZA 2015, 1083 Rz. 27; BAG v. 25.4.2002 – 2 AZR 260/01, NZA 2003, 605 Rz. 33. 106 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 417/14, NZA 2015, 1083 Rz. 28; BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 1001/12, NZA 2014, 1200 Rz. 13; BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 809/12, NZA 2014, 730 Rz. 23.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

wenn dem Arbeitnehmer die andere Tätigkeit nämlich schlechthin nicht zugemutet werden könne. Darüber hinaus spreche vieles für das Vorliegen einer unzumutbaren Beschäftigungsperspektive, wenn sich der Arbeitnehmer auf diese Möglichkeit gegenüber dem Arbeitgeber nach Ausspruch der Kündigung nicht berufe, obwohl ihm diese Stelle bekannt gewesen sei 107. Tatsächlich dürften die Annahmen des BAG zutreffen. In der Praxis wird man der Arbeitgeberseite allerdings von der Annahme, es läge eine entsprechende „Extremsituation“ vor, indes abraten müssen. Zum einen ist völlig offen, ob auch das Arbeitsgericht in Übereinstimmung damit von einer unzumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ausgehen würde. Zum anderen steht zu befürchten, dass der Arbeitnehmer – ggf. auch aus prozesstaktischen Gründen – entgegen vorangehender Erwartungen des Arbeitgebers seine (überraschende) Bereitschaft bekundet, selbstverständlich und gerne auch die in Rede stehende Stelle zu geänderten Arbeitsbedingungen ausüben zu wollen, falls damit eine Beendigungskündigung vermieden werden könne. Empfehlenswert ist es deshalb, vorsorglich eine Änderungskündigung auszusprechen. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das BAG in seinem Urteil vom 26.3.2015 108 zu Recht angenommen, dass es der Beklagten verwehrt war, die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf den Umstand zu stützen, dass nur einen Tag vor Ausspruch der Kündigung die im Streit stehende Stelle durch die befristete Verlängerung eines bereits befristet bestehenden Arbeitsverhältnisses für weitere zwölf Monate besetzt worden war. Denn der Beklagten war zum Zeitpunkt der Verlängerung der Befristung bekannt, dass der Arbeitsplatz der Klägerin entfallen würde. Die diesem Wegfall zugrunde liegende Entscheidung hatte die Beklagte nach eigenem Vorbringen bereits im Vormonat getroffen.

b)

Einbeziehung befristeter Beschäftigungsmöglichkeiten

In der vorstehend genannten Entscheidung vom 26.3.2015 109 hat es der 2. Senat des BAG abgelehnt, das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit allein mit der Begründung anzuerkennen, dass diese nach der Prognose des Arbeitgebers nur für weitere elf Monate bestehen würde. Insbesondere hat es das BAG abgelehnt, dass Interesse der Beklagten zu berücksichtigen, die Stelle im Wege zulässiger Zeitbefristung bzw. deren Verlängerung nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG ohne die mit einer Kündigung verbundenen 107 So BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 417/14, NZA 2015, 1083 Rz. 28. 108 2 AZR 417/14, NZA 2015, 1083 Rz. 31. 109 2 AZR 417/14, NZA 2015, 1083 Rz. 32 ff.

516

Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung

Risiken besetzen zu können. Der Umstand, dass ungewiss sei, ob die Möglichkeit einer Beschäftigung auf einer freien anderen Stelle über einen bestimmten Zeitraum hinaus bestehen werde, ändere nichts daran, dass diese Stelle zum einen nach § 1 KSchG geschützt ist und fachlich geeigneten Arbeitnehmern zur Vermeidung einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses angeboten werden müsse. Wenn keine dauerhafte Beschäftigung möglich ist, muss nach den Feststellungen des BAG differenziert werden: Ist schon im Kündigungszeitpunkt absehbar, dass der Beschäftigungsbedarf auf der freien Stelle nur für einen begrenzten Zeitraum besteht, kommt – so das BAG – eine Änderungskündigung mit dem Angebot einer nur befristeten Weiterbeschäftigung des vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen, nach § 1 KSchG geschützten Arbeitnehmers in Betracht. Die nachträgliche Befristung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses im Wege einer – ohnehin erforderlichen – Änderungskündigung sei durch § 2 KSchG nicht ausgeschlossen. Deren soziale Rechtfertigung setze – unter diesem Aspekt – voraus, dass sich die Befristungen – gemessen am Maßstab des § 14 Abs. 1 TzBfG – ihrerseits als wirksam erweisen 110. Die befristungsrechtliche Rechtfertigung tritt also neben die kündigungsrechtliche Vorgabe. Fehlt zum Zeitpunkt der Kündigung allerdings ein Grund für eine Befristung gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG, schließt dies – so das BAG – eine Änderungskündigung mit dem Ziel einer nur befristeten Weiterbeschäftigung zwar aus. Auch eine sachgrundlose Befristung wäre unzulässig; sie scheitert an der Zuvorbeschäftigung des Arbeitnehmers (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG). Die fehlende Möglichkeit einer Änderungskündigung rechtfertigt allerdings keine Beendigungskündigung. Denn das unternehmerische Konzept, einen zeitlich ungewissen Beschäftigungsbedarf mit einem Arbeitnehmer abzudecken, dessen Arbeitsverhältnis wirksam (sachgrundlos) befristet werden kann, kann nach den Feststellungen des BAG gegenüber einem nach § 1 KSchG geschützten Arbeitnehmer nicht geltend gemacht werden. Andernfalls würde dieses Konzept zu einer Austauschkündigung führen, die einer sozialen Rechtfertigung entgegensteht. Zwar sei der Arbeitgeber nicht verpflichtet, zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen neue Arbeitsplätze zu schaffen. Bestünde jedoch Beschäftigungsbedarf, sei dieser – unbeschadet eines möglichen Wegfalls in der Zukunft – bei der Prüfung alternativer Einsatzmöglichkeiten i. S. d. § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG zu berücksichtigen. Die unternehmerische Freiheit, einen Arbeitsplatz nur vorübergehend einzurichten, 110 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 417/14, NZA 2015, 1083 Rz. 39; BAG v. 16.12.2010 – 2 AZR 576/09, AP Nr. 150 zu § 2 KSchG 1969 Rz. 36.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

werde dadurch nicht berührt. Denn die betreffende Stelle müsse nicht länger aufrechterhalten werden, als dort ein tatsächlicher Beschäftigungsbedarf bestehe. Entfalle dieser und sei eine andere Beschäftigung ausgeschlossen, könne der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis des zunächst weiterbeschäftigten Arbeitnehmers nunmehr – ggf. nach korrekter Sozialauswahl – betriebsbedingt kündigen. Dass dies ihn dann mit dem Risiko eines Kündigungsschutzprozesses belaste, sei hinzunehmen, zumal auch eine zu einem früheren Zeitpunkt mögliche Kündigung mit diesem Risiko verknüpft sei 111. Von diesen Grundsätzen ausgehend hätte die Beklagte in dem der Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Fall den in Rede stehenden Arbeitsplatz der Klägerin anbieten müssen. Der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Kündigung ungewiss war, ob und inwieweit eine Beschäftigung der Klägerin über die Dauer weiterer zwölf Monate hinaus möglich gewesen wäre, stand dieser Verpflichtung nicht entgegen. Dem damit verbundenen Risiko eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses trotz tatsächlich beendeter Beschäftigungsmöglichkeit hätte die Beklagte dadurch Rechnung tragen können, dass sie – sobald der endgültige Wegfall des alternativen Arbeitsplatzes erkennbar geworden wäre – der Klägerin eine betriebsbedingte Beendigungskündigung hätte aussprechen können. (Ga)

9.

Ablehnung einer auf Beschäftigung gerichteten einstweiligen Verfügung aufgrund Freistellungsklausel

Bereits in seinem Urteil vom 27.2.1985 112 hat der Große Senat des BAG deutlich gemacht, dass jedenfalls bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich von einem Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers auszugehen ist. Grundlage hierfür sind die ideellen Interessen des Arbeitnehmers, wie sie vor allem durch Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG auch im Arbeitsverhältnis geschützt werden. Daraus folgt auch, dass der Vergütungsanspruch durch den Anspruch auf Beschäftigung nicht umfasst ist. Seine Erfüllung wird durch § 615 S. 2 BGB abgesichert 113. Ausgehend davon, dass eine auf Beschäftigung gerichtete Klage angesichts der arbeitsgerichtlichen Verfahrensdauer eine Durchsetzung dieses Anspruchs bis zum Ablauf der Kündigungsfrist im Zweifel nicht bewirken kann, werden Beschäftigungsansprüche in der Regel im Rahmen eines 111 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 417/14, NZA 2015, 1083 Rz. 40. 112 GS 1/84, NZA 1985, 702. 113 BAG v. 24.6.2015 – 5 AZR 462/14, NZA 2015, 1183 Rz. 34 f.

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Ablehnung einer auf Beschäftigung gerichteten einstweiligen Verfügung

einstweiligen Verfügungsverfahrens geltend gemacht. Hier obliegt es dann dem Arbeitgeber, besondere Interessen an der Ablehnung dieser Beschäftigung darzulegen und glaubhaft zu machen. Mit dem Urteil vom 13.2.2015 114 hat das LAG Hamm deutlich gemacht, dass die Ablehnung des für eine einstweilige Verfügung erforderlichen Verfügungsanspruchs durchaus bereits durch den Umstand gerechtfertigt sein kann, dass der Arbeitgeber nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zu einer Freistellung des Arbeitnehmers berechtigt ist und von dieser Befugnis nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) Gebrauch gemacht hat. Nach den Feststellungen des LAG Hamm ist eine arbeitsvertragliche Klausel, nach der der Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge und unter Anrechnung etwaiger Urlaubsansprüche von der Arbeit freigestellt werden kann, auch mit den Grundsätzen der AGB-Kontrolle vereinbar. Dies gelte jedenfalls dann, wenn diese Freistellung für den Fall einer Kündigung vereinbart worden sei. Eine solche Klausel sei weder überraschend noch unangemessen, jedenfalls dann nicht, wenn es sich beim Arbeitnehmer um einen Mitarbeiter in leitender Stellung handele. Voraussetzung sei natürlich, dass die Kündigung nicht offensichtlich rechtsunwirksam ist und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls auch von einer Wahrung des Grundsatzes billigen Ermessens bei der Freistellung ausgegangen werden kann. Dies war bei der hier in Rede stehenden Freistellung eines Chefarztes aus nachvollziehbaren Gründen der Fall. Für die betriebliche Praxis bedeutet dies, dass (weiterhin) in den Arbeitsverträgen entsprechende Freistellungsklauseln enthalten sein sollten. Dies gilt allerdings nicht nur für Arbeitnehmer, die im leitenden Bereich beschäftigt werden. Ein berechtigtes – und nach den Vorgaben der AGB-Kontrolle auch angemessenes – Interesse des Arbeitgebers an einer Freistellung kann auch bei nachgeordnet beschäftigten Arbeitnehmern bestehen. Wichtig ist allerdings, dass in der Freistellungsklausel neben dem Ausspruch einer Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerkündigung auch der Verdacht eines wichtigen Grundes für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung genannt wird. Beide Umstände lassen es als angemessen erscheinen, wenn der Arbeitnehmer von der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt wird. Allerdings sollte darauf verzichtet werden, automatisch von einer „Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung“ zu sprechen. Denn damit könnte der Eindruck entstehen, dass ohne Rücksicht auf sonstige Anspruchsvoraussetzungen während der Dauer der Freistellung eine Vergütung erfolgt. Etwaige Krankheiten oh-

114 18 SaGa 1/15, NZA-RR 2015, 460 Rz. 29 ff., 35 ff.

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Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

ne Entgeltfortzahlungsanspruch oder anderweitiger Verdienst blieben damit unberücksichtigt. Sinnvoller ist es deshalb, lediglich die Aussage zu treffen, dass etwaige Vergütungsansprüche von dieser Freistellung (natürlich) unberührt bleiben. Ob und ggf. mit welchen Besonderheiten während der Freistellung auch Urlaubsansprüche gewährt werden, ist einzelfallbezogen zu entscheiden. Wichtig allerdings ist, dass ein Verbrauch der Urlaubsansprüche voraussetzt, dass die Freistellung insoweit unwiderruflich erklärt wird. Die hierfür erforderliche Differenzierung zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Freistellung muss allerdings nicht schon in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden. Es genügt, wenn dies bei der Freistellung erklärt wird. In diesem Zusammenhang kann dann auch klargestellt werden, dass die vertragliche Geheimhaltungspflicht und das gesetzliche Wettbewerbsverbot während der Dauer des Arbeitsverhältnisses durch die Freistellung nicht aufgehoben werden sollen. (Ga)

10. Klagefrist bei Zugang einer Kündigung unter Abwesenden a)

Ausgangssituation

Der Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung hat materiell-rechtliche Bedeutung für die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB (außerordentliche Kündigung) oder die Berechnung der Kündigungsfrist (ordentliche Kündigung). Er ist darüber hinaus maßgeblich für die Frage, bis wann eine etwaige Kündigungsschutzklage erhoben werden muss. Denn der Arbeitnehmer muss, wenn er geltend machen will, dass eine schriftliche Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, gemäß § 4 S. 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach ihrem Zugang Klage auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch sie nicht aufgelöst worden ist. Wird die Unwirksamkeit der Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt sie als von Anfang an rechtswirksam (§ 7 KSchG). Eine verspätet erhobene Kündigungsschutzklage ist deshalb als unbegründet abzuweisen 115. Angesichts dieser Bedeutung des Zeitpunkts des Zugangs der Kündigung ist es für die betriebliche Praxis sehr hilfreich, dass das BAG in seinem Urteil

115 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, , NZA 2015, 1183 Rz. 17; BAG v. 18.12.2014 – 2 AZR 163/14, NZA 2015, 635 Rz. 16.

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Klagefrist bei Zugang einer Kündigung unter Abwesenden

vom 26.3.2015 116 noch einmal ausführlich die allgemeinen Grundsätze über den Zugang einer Kündigung zusammengefasst und auch unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts einer Zugangsvereitelung vertieft hat. In dem zugrunde liegenden Fall war die Klägerin durch den Arbeitgeber am 22.10.2012 zu einem Gespräch eingeladen worden. Ohne vorherige Ankündigung wurde ihr dort durch einen Vertreter des Arbeitgebers erklärt, sie werde eine betriebsbedingte Kündigung erhalten. Sie gab daraufhin an, damit nicht einverstanden zu sein. Ob sie sich darüber hinaus weigerte, die ihr entgegen gehaltene Kündigungserklärung hinzunehmen, bevor sie das Büro verlassen hatte, blieb umstritten. Umstritten war auch, ob die Klägerin vor ihrem Haus noch am gleichen oder am Folgetag zwei Mitarbeiter getroffen hatte, die ihr ankündigten, einen Brief übergeben zu wollen. Der Arbeitgeber hatte – von der Klägerin bestritten – geltend gemacht, sie habe erklärt, keine Zeit zu haben und das Grundstück verlassen. Die Mitarbeiter hätten das Kündigungsschreiben daraufhin in den Hausbriefkasten der Klägerin eingeworfen. Diese bestätigte nur, es am Morgen des 24.10.2012 im Briefkasten vorgefunden zu haben. Mit ihrer am 14.11.2012 beim ArbG Hamburg erhobenen Klage hatte die Klägerin geltend gemacht, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst habe. Problematisch war, ob mit dieser Klage die Drei-WochenFrist des § 4 KSchG gewahrt worden war. Dies wäre nicht der Fall, wenn die Kündigung der Klägerin noch am 22.10.2012 oder am 23.10.2012 zugegangen war. Im Ergebnis hat das BAG zwar keine abschließende Entscheidung getroffen. Es hat allerdings die klagestattgebende Entscheidung des LAG Hamburg aufgehoben und mit dem Ziel weiterer Feststellungen zum Sachverhalt zurückverwiesen. In seiner Begründung hat es dabei die wesentlichen Voraussetzungen für den Zugang einer Kündigung unter An- bzw. Abwesenden deutlich gemacht.

b)

Zugang unter Anwesenden

Nach den Feststellungen des BAG geht eine verkörperte Willenserklärung unter Anwesenden zu – und wird damit entsprechend § 130 Abs. 1 S. 1 BGB wirksam - wenn sie durch Übergabe in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelange. Es komme nicht darauf an, ob der Empfänger die Verfügungsgewalt über das Schriftstück dauerhaft erlange. Vielmehr genüge die Aus-

116 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Rz. 19 ff.

521

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

händigung und Übergabe, sodass dieser in der Lage sei, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen 117. Hiervon ausgehend muss das Kündigungsschreiben so in die tatsächliche Verfügungsgewalt des potenziellen Empfängers gelangen, dass für ihn die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestehe. Der Zugang einer verkörperten Willenserklärung unter Anwesenden sei – so das BAG – daher auch dann bewirkt, wenn das Schriftstück dem Empfänger mit der für ihn erkennbaren Absicht, es ihm zu übergeben, angereicht und, falls dieser die Entgegennahme ablehne, so in seiner unmittelbaren Nähe abgelegt werde, dass er es ohne Weiteres an sich nehmen und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen könne. Es gehe dagegen nicht zu, wenn es dem Empfänger zum Zwecke der Übergabe zwar angereicht, aber von dem Erklärenden oder Überbringer wieder an sich genommen werde, weil der Empfänger die Annahme abgelehnt habe. In diesem Fall sei das Schreiben zu keinem Zeitpunkt in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt 118. Hiervon ausgehend hat das BAG eine weitere Aufklärung des Sachverhalts für geboten gehalten. Denn nach dem Vortrag des Arbeitgebers könne das Kündigungsschreiben der Klägerin bereits während des Gesprächs am Vormittag des 22.10.2012 im Rechtssinne zugegangen sein. Zwar sei unstreitig, dass die Klägerin das Schreiben nicht in den Händen gehalten habe. Der Vortrag des Arbeitgebers lasse aber erkennen, dass ihr das Kündigungsschreiben jedenfalls zum Zwecke der Übergabe angereicht worden sei. Unklar sei nach dem Vortrag des Arbeitgebers allerdings, ob ihr das Schreiben zur weiteren Verfügung hingelegt worden sei. Dafür spreche ein Aktenvermerk, nach dem die Kündigung überreicht und durch die Klägerin „liegengelassen“ worden sei.

c)

Treuwidrige Verhinderung des Zugangs einer Kündigung unter Anwesenden

Berechtigterweise hat es der 2. Senat des BAG auch für erforderlich gehalten, das Vorliegen einer treuwidrigen Zugangsvereitelung zu überprüfen. Denn wenn der Empfänger durch sein eigenes Verhalten den Zugang einer Willenserklärung verhindert, muss er sich – so das BAG – so behandeln lassen, als sei ihm die Erklärung bereits zum Zeitpunkt des Übermittlungsversuchs zugegangen. Nach Treu und Glauben ist es ihm verwehrt, sich auf den

117 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Rz. 20; BAG v. 4.11.2004 – 2 AZR 17/04, NJW 2005, 1533 Rz. 20. 118 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Rz. 20.

522

Klagefrist bei Zugang einer Kündigung unter Abwesenden

späteren tatsächlichen Zugang zu berufen, wenn er selbst für die Verspätung die alleinige Ursache gesetzt habe 119. Voraussetzung für die Annahme einer treuwidrigen Zugangsvereitelung ist allerdings, dass sich das Verhalten des potenziellen Empfängers als Verstoß gegen bestehende Pflichten zur Sorgfalt oder Rücksichtnahme dargestellt hat. Insofern müsse sich der Empfänger nach § 242 BGB jedenfalls dann so behandeln lassen, als sei ihm das Kündigungsschreiben im Zeitpunkt der Ablehnung zugegangen, wenn er im Rahmen vertraglicher Beziehungen mit der Abgabe rechtserheblicher Erklärungen durch den Absender rechnen musste, aber die Entgegennahme eines Schreibens grundlos abgelehnt hat 120. Gleichzeitig muss aber auch der Erklärende seinerseits alles Zumutbare dafür getan haben, dass seine Erklärung den Adressaten erreicht 121. Auch das Vorliegen einer Zugangsvereitelung muss durch das LAG Hamburg auf der tatrichterlichen Ebene geprüft werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Klägerin nach den Umständen nicht hätte annehmen dürfen, dass die für die Arbeitgeber handelnden Personen ihre Weigerung akzeptierten, das Kündigungsschreiben entgegen zu nehmen. Bei seiner Bewertung muss – so das BAG – das LAG Hamburg davon ausgehen, dass ein Arbeitnehmer regelmäßig damit rechnen müsse, dass ihm anlässlich einer im Betrieb stattfindenden Besprechung mit dem Arbeitgeber rechtserhebliche Erklärungen betreffend sein Arbeitsverhältnis übermittelt werden. Der Betrieb sei typischerweise der Ort, an dem das Arbeitsverhältnis berührende Fragen besprochen und geregelt würden. Ob tatsächlich mit einer Kündigung zu rechnen gewesen sei, spiele keine Rolle. Unerheblich sei auch, ob sich die Klägerin laienhaft gegen die Kündigung habe wehren wollen. Gerade darin läge eine ungerechtfertigte Annahmeverweigerung, ohne dass es auf ein Verschulden des Adressaten ankomme. Maßgeblich sei allein, ob objektiv ein Verstoß gegen Treu und Glauben gegeben sei. Schließlich dürfe ein Arbeitgeber darauf vertrauen, einem Arbeitnehmer während einer Besprechung im Betrieb eine schriftliche Willenserklärung in Bezug auf das Arbeitsverhältnis übermitteln zu können. Die Pflicht zur Rücksichtnahme seitens des Arbeitnehmers als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 241 Abs. 2 BGB gebiete es, die Entgegennahme

119 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Rz. 21 ff.; BAG v. 18.2.1977 – 2 AZR 770/75, DB 1977, 1194 Rz. 24. 120 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Rz. 21; BAG v. 11.11.1992 – 2 AZR 328/92, NJW 1993, 1093 Rz. 44. 121 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Rz. 21; BAG v. 22.9.2005 – 2 AZR 366/04, NZA 2006, 204 Rz. 15.

523

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

nicht grundlos zu verweigern. Dies gelte schon deshalb, weil es dem Arbeitgeber auf einen Zugang zu diesem Zeitpunkt ankommen könne. Ob die auszuhändigende Erklärung tatsächlich fristgebunden und dies dem Arbeitnehmer bewusst sei, sei nicht ausschlaggebend 122.

d)

Zugang einer Kündigung unter Abwesenden

Wenn kein Zugang der Kündigung unter Anwesenden und auch keine treuwidrige Zugangsvereitelung gegeben war, wird das LAG Hamburg zu überprüfen haben, ob nicht doch noch vor dem 24.10.2012 als Folge der Begegnung zwischen der Klägerin und den Vertretern des Arbeitgebers von einem Zugang der Kündigung unter Abwesenden auszugehen war. Nach den diesbezüglichen Feststellungen des 2. Senats des BAG im Urteil vom 26.3.2015 123 geht eine verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden i. S. d. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt sei und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit bestehe, von ihr Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehörten von ihm vorbehaltene Empfangseinrichtungen (z. B. Briefkasten). Ob die Möglichkeit einer Kenntnisnahme bestehe, sei dann nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen 124. So bewirke der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen sei. Dabei komme es allerdings nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers an. Im Interesse der Rechtssicherheit sei vielmehr eine generalisierende Betrachtung geboten. Wenn für den Empfänger unter den gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestehe, sei es deshalb unerheblich, ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände vorübergehend gehindert gewesen sei. Ihn treffe die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlasse er dies, so werde der Zugang durch solche – allein in seiner Person liegenden – Gründe nicht ausgeschlossen 125. Wenn man insoweit den bestrittenen Vortrag des Arbeitgebers unterstellte, war nach diesen Grundsätzen das Kündigungsschreiben jedenfalls am Nachmittag des 23.10.2012 zugegangen, selbst wenn es erst dann in den 122 123 124 125

524

BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Rz. 29. 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Rz. 37 ff. Vgl. auch BAG v. 22.3.2012 – 2 AZR 224/11 n. v. (Rz. 21). BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183 Rz. 37; BAG v. 22.3.2012 – 2 AZR 224/11 n. v. (Rz. 22).

Keine Hemmung der Verjährung von Zahlungsansprüchen

Hausbriefkasten geworfen wurde. Für das BAG folgt dies aus dem Umstand, dass die Boten des Arbeitgebers gegenüber der Klägerin darauf verwiesen hatten, ihr einen Brief übergeben zu wollen. Sie habe daraufhin zwar erklärt, keine Zeit zu haben. Dies verhindere aber nicht, dass sie nach dem betreffenden Hinweis davon ausgehen musste, dass die Boten das Kündigungsschreiben in den Hausbriefkasten einwürfen und es damit in ihren Herrschaftsbereich gelangt wäre. Unter gewöhnlichen Verhältnissen habe damit für die Klägerin die Möglichkeit bestanden, von dem Schreiben noch an diesem Tag Kenntnis zu nehmen. Anders als dann, wenn ein Brief ohne Wissen des Adressaten erst nach den üblichen Postzustellzeiten in dessen Hausbriefkasten eingeworfen werde, sei mit der Kenntnisnahme eines Schreibens, von dem der Adressat wisse oder annehmen müsse, dass es gegen 17.00 Uhr eingeworfen werde, unter gewöhnlichen Verhältnissen noch am selben Tag gerechnet werden. Ob die Klägerin zu einer Öffnung des Hausbriefkastens angesichts ihrer Termine an diesem Tage tatsächlich noch in der Lage gewesen war, spielt für das BAG keine Rolle. Unerheblich sei auch, ob der Arbeitgeber Kenntnis von diesen anderweitigen Terminen der Klägerin gehabt habe.

e)

Fazit

Der Sachverhalt des dieser Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Falls macht noch einmal deutlich, wie schwierig es im Einzelfall sein kann, eine Kündigung tatsächlich fristgerecht zuzustellen. Umso wichtiger ist es, in diesem Zusammenhang nicht nur die Umstände der Übergabe, einer Vereitelung dieser Übergabe oder der anderweitigen Zustellung unter Abwesenden zu dokumentieren. Ebenso wichtig ist es, die Schriftform (einschließlich eigenhändiger Unterschrift) einzuhalten und eine etwaige Vertretung so nachzuweisen, dass die Zurückweisung nach § 174 BGB ausgeschlossen ist. (Ga)

11.

Keine Hemmung der Verjährung von Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers wegen Annahmeverzugs durch Kündigungsschutzklage

Nach der Rechtsprechung des BVerfG 126 gewährleistet Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 GG den Parteien im Zivilprozess effektiven Rechtsschutz. Angesichts dessen darf den Prozessparteien der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtferti126 Nur BVerfG v. 1.12.2010 – 1 BvR 1682/07, NZA 2011, 354 ff.

525

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

gender Weise erschwert werden. Eine derartige Zugangserschwerung zur Beschreitung des Rechtswegs kann auch dann vorliegen, wenn das Kostenrisiko zu dem angestrebten Erfolg außer Verhältnis steht, sodass die Inanspruchnahme der Gerichte nicht mehr sinnvoll erscheint. Davon ist das BVerfG ausgegangen, wenn der Arbeitnehmer bereits im Verfahren über den Bestand des Arbeitsverhältnisses seine davon abhängigen Zahlungsansprüche wegen der zweiten Stufe einer Ausschlussfrist, die eine rechtzeitige klageweise Geltendmachung vorschreibt, gerichtlich verfolgen müsse, weil damit in unzumutbarer Weise das Kostenrisiko des Arbeitnehmers erhöht werde. In Anbetracht dieser verfassungsrechtlichen Bewertung ist das BAG 127 anschließend davon ausgegangen, dass tarifliche Ausschlussfristen, die in ihrer zweiten Stufe eine gerichtliche Geltendmachung verlangen, verfassungskonform dahingehend auszulegen sind, dass mit Erhebung einer Kündigungsschutzklage für die vom Erfolg dieser Klage abhängigen Ansprüche die erste und die zweite Stufe der tariflichen Ausschlussfrist gewahrt werden. Der Wortsinn einer gerichtlichen Geltendmachung verlange nicht zwingend, dass gerade der Streitgegenstand Vergütung zum Inhalt des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gemacht wird. Dass die Ansprüche nicht in einer den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechenden Bestimmtheit geltend gemacht werden, sei - wie bei der Wahrung der ersten Stufe der Ausschlussfrist für Ansprüche, die vom Ausgang der Bestandsschutzstreitigkeit abhängen - aus verfassungsrechtlichen Gründen hinzunehmen 128. Ob durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage auch die Verjährung von Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers wegen Annahmeverzugs nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt wird, war Gegenstand der Entscheidung des 5. Senats des BAG vom 24.6.2015 129. Der Kläger machte Ansprüche auf Annahmeverzugslohn aus den Jahren 2003 und 2004 gegen den beklagten Arbeitgeber, einen Landkreis, mit einer erst im Oktober 2008 beim Arbeitsgericht eingereichten Zahlungsklage geltend. Der Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis der mit Schreiben vom 29.9.2003 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2004 gekündigt. Der Kündigungsschutzklage hatte das LAG Hessen bzgl. der außerordentlichen Kündigung im Februar 2007 stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 31.12.2004. Mit der im Oktober 2008 eingereichten Klage begehrte der Kläger Annahmeverzugslohn für

127 BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 627/11, NZA 2013, 101 Rz. 21 f. 128 BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 593/12, NZA 2015, 35, Rz. 28. 129 5 AZR 509/13, NZA 2015, 1256 Rz. 16 ff. Vgl. bereits zuvor BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 593/12, NZA 2015, 35 Rz. 38 ff.

526

Keine Hemmung der Verjährung von Zahlungsansprüchen

die Zeit von Oktober 2003 bis Dezember 2004. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Der 5. Senat des BAG hat die für (tarifliche) Ausschlussfristen entwickelten Grundsätze für die Geltendmachung der vom Kündigungsschutzprozess abhängigen Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug nicht auf die Verjährung übertragen, sodass die Verjährung nicht nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch Erhebung der Kündigungsschutzklage gehemmt wird. Nach dieser Vorschrift wird die Verjährung eines Anspruchs zwar auch durch die Erhebung einer Klage auf Feststellung des Anspruchs gehemmt. Erforderlich hierfür ist jedoch nach überzeugender Ansicht des BAG, dass die positive Feststellungsklage vom Streitgegenstand her den Zahlungsanspruch als solchen betreffen muss. Demgegenüber erfasst zweifelsfrei die Kündigungsschutzklage nach ihrem Streitgegenstand keinerlei Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers. Das BAG lehnt es auch ab, entgegen dem klaren Wortlaut des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, der ausdrücklich auf das im Streit stehende Recht (§ 194 Abs. 1 BGB) bezogen ist, das durch Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs zur Hemmung der Verjährung verfolgt werden muss, durch die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu ersetzen. Dabei beruft sich das BAG nicht nur auf die Intention der Verjährungsvorschriften, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit herzustellen, sondern auch auf das damit zugleich verbundene öffentliche Interesse, für den Rechtsverkehr klare Verhältnisse zu schaffen. Der Schuldner, der auf eine Klage reagieren muss, trage für anspruchshemmende und anspruchsvernichtende Tatsachen in höherem Maße als der Gläubiger, der es in der Hand hat, seinen Anspruch durch rechtzeitige Klageerhebung zu verfolgen, das Risiko zeitablaufbedingter Unaufklärbarkeit. Damit werde das Risiko der Unaufklärbarkeit der für den Annahmeverzugsprozess neben dem Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses maßgebenden Tatsachen, wie die Feststellung anderweitig erzielten oder böswillig unterlassenen Verdienstes oder der Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des Arbeitnehmers (§ 297 BGB), einseitig zu Lasten des Schuldners erhöht. Das BAG verneint in diesem Zusammenhang, dass dem Arbeitnehmer mit dieser Auslegung von § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB eine im Widerspruch zum Gebot effektiven Rechtsschutzes stehende übersteigerte Obliegenheit auferlegt wird 130. Die sachliche Rechtfertigung, tarifliche Ausschlussfristen anders zu behandeln als Verjährungsfristen, ist nach Ansicht des BAG darin zu

130 A. A. ErfK/Preis, § 218 BGB Rz. 18; LAG Bremen v. 13.11.2013 – 2 Sa 42/13 n. v.

527

Abmahnung, Kündigung und sonstige Formen der Beendigung des Arbeitsvertrags

sehen, dass mit den Verjährungsregelungen über die Zwecke von Ausschlussfristen hinausgehend öffentliche Interessen geschützt werden sollen. In Relation zu diesem Schutzzweck der Verjährungsvorschriften hat das Kostenrisiko für den Arbeitnehmer, das mit dem in § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB geregelten Erfordernis der Klageerhebung verbunden ist, in den Hintergrund zu treten 131. Da die regelmäßige Verjährungsfrist für Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs drei Jahre beträgt (§ 195 BGB) und mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB), wird die vom BAG entschiedene Problematik nur in relativ seltenen Fällen auftreten, weil Kündigungsschutzprozesse normalerweise innerhalb von drei Jahren abgeschlossen werden. Die Frage der Verjährung kann sich allerdings dann stellen, wenn etwa die zustimmende Entscheidung des Integrationsamts und der Widerspruchsbescheid nach längerer Prozessdauer von den Verwaltungsgerichten aufgehoben werden und anschließend in einer Restitutionsklage die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt worden ist. (Boe)

131 Ebenso Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 138 Rz. 40; v. Medem, NZA 2013, 345, 348.

528

F.

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

1.

Unwirksamkeit einer Spätehenklausel

Eine Spätehenklausel, wonach der Ehepartner nur dann einen Anspruch auf betriebliche Hinterbliebenenversorgung hat, wenn die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres geschlossen wurde, ist wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. § 1 AGG unwirksam. Innerhalb der betrieblichen Altersversorgung gibt es wohl kaum einen Bereich, der mehr Berührungspunkte zu den Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) hat, als Klauseln, die das Risiko des Arbeitgebers bezüglich etwaiger Hinterbliebenenleistungen begrenzen. Das gilt insbesondere auch für solche Klauseln, die eine Beschränkung der Leistungen an Witwen oder Witwer vorsehen. Zu nennen sind hier beispielsweise „Altersabstandsklauseln“, „Getrenntlebenklauseln“ oder „Wiederverheiratungsklauseln“, die sich allesamt bereits einer höchstrichterlichen Prüfung auf einen etwaigen AGG-Verstoß hin unterziehen mussten. Gleiches gilt auch für sog. „Spätehenklauseln“, die Ansprüche dann ausschließen, wenn die Ehe erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, nach einem bestimmten Höchst-Lebensalter des Arbeitnehmers oder nach Eintritt des Versorgungsfalles geschlossen wurde 1. In einem aktuell vom BAG entschiedenen Fall sah die Versorgungszusage beispielsweise Folgendes vor: 1.

Den Anspruch auf Witwenrente erwirbt die hinterlassene Ehefrau eines Mitarbeiters (Anwärters) mit dessen Tode. Zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen sind, dass der Mitarbeiter (Anwärter) die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat und dass, bereits am 1. Mai vor seinem Tode sowohl die Wartezeit (III) abgelaufen ist, als auch die Ehe mindestens ein Jahr bestanden hat.“

2.

Den Anspruch auf Witwenrente erwirbt auch die hinterlassene Ehefrau eines früheren Arbeitnehmers, der bis zu seinem Tode selbst Anspruch auf Firmenrente (V1, V2, VI) gehabt hat. Zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen sind, dass der Rentenempfänger die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres und

1

Vgl. nur BVerfG v. 1.3.2010 – 1 BvR 2584/06, FamRZ 2010, 1233; BAG v. 28.7.2005 – 3 AZR 457/04, NZA-RR 2006, 591.

529

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

vor dem Erwerb des Anspruchs auf Firmenrente geschlossen hat und daß bereits am 1. Mai vor seinem Tode die Ehe mindestens ein Jahr bestanden hat.

Während die Vorinstanz diese Klausel noch als wirksam erachtet und insbesondere einen AGG-Verstoß abgelehnt hatte 2, hat das BAG sie nunmehr mit Urteil vom 4.8.2015 3 „kassiert“. Eine Regelung, wonach der Ehepartner des verstorbenen Arbeitnehmers nur dann einen Anspruch auf betriebliche Hinterbliebenenversorgung habe, wenn die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen wurde, verstoße – so der 3. Senat – gegen § 7 Abs. 1, Abs. 2 AGG i. V. m. § 1 AGG. Die hiermit verbundene unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters beeinträchtige die legitimen Interessen des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers übermäßig und sei daher nicht gemäß § 10 S. 1 und 2 AGG gerechtfertigt. Auch aus § 10 S. 3 Nr. 4 AGG (Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente) könne sich keine Rechtfertigung ergeben, da die Norm nur auf die Alters- und Invaliditätsversorgung, nicht aber auf die Hinterbliebenenversorgung anwendbar sei. In den Gründen seiner Entscheidung lässt das BAG offen, ob ein legitimes Ziel vorliege, wenn der Arbeitgeber sich darauf berufe, dass die Spätehenklausel dazu diene, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um den Versorgungsaufwand verlässlich kalkulieren zu können und die für die Witwen-/Witwerversorgung insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel nur einem eingegrenzten Personenkreis zukommen lassen zu wollen, um diesem bei Eintritt des Versorgungsfalls „Tod“ eine Witwen-/Witwerversorgung in angemessener, weil substantieller Höhe gewähren zu können. In jedem Fall aber sei die auf das 60. Lebensjahr bestimmte Altersgrenze zur Erreichung dieser Ziele nicht angemessen i. S. d. § 10 S. 2 AGG, da sie zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der Versorgungsberechtigten führe, die – weil sie bei Eheschließung das 60. Lebensjahr vollendet hatten – von der Witwen-/Witwerversorgung vollständig ausgeschlossen würden. Anders als das Ende des Arbeitsverhältnisses oder der Eintritt des Versorgungsfalls stelle das 60. Lebensjahr insoweit auch keine „Zäsur“ dar, die es hätte gestatten können, zur Begrenzung des Risikos und Aufwands der Versorgungszusage daran anzuknüpfen und die Lebensgestaltung des Arbeitnehmers ab diesem Zeitpunkt bei der Abgrenzung der Leis-

2 3

LAG München v. 15.1.2013 – 7 Sa 573/12 n. v. 3 AZR 137/13 n. v.

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Kürzung einer betrieblichen Altersrente

tungen des Arbeitgebers unberücksichtigt zu lassen 4. Dies folge auch aus den Wertungen des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG. Ein Ausschluss der Spätehen könne im Übrigen auch nicht mit dem Risiko sogenannter „Versorgungsehen“ gerechtfertigt werden 5. Hiervon ausgehend sollten bestehende Versorgungsordnungen überprüft und ggf. angepasst werden. Letztgenanntes gilt jedenfalls für Rückstellungen, die ggf. höhere Leistungsrisiken berücksichtigen müssen. (Ho)

2.

Kürzung einer betrieblichen Altersrente bei vorzeitiger Inanspruchnahme durch schwerbehinderte Menschen

Mit überzeugender Begründung hat das LAG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 27.1.2015 6deutlich gemacht, dass der Arbeitgeber eine Betriebsrente bei vorzeitiger Inanspruchnahme auch dann kürzen kann, wenn hiervon schwerbehinderte Menschen betroffen sind. Mit der entsprechenden Kürzung der Betriebsrente wird nicht nur dem Umstand Rechnung getragen, dass der Arbeitnehmer keine weitere Betriebszugehörigkeit bis zum Zeitpunkt der nach der Versorgungszusage maßgeblichen Altersgrenze erbringt. Darüber hinaus trägt die Kürzung dem Umstand Rechnung, dass die Betriebsrente mit höherer Wahrscheinlichkeit früher und länger als mit der Versorgungszusage versprochen in Anspruch genommen wird. Soweit sich der Kläger in dem streitgegenständlichen Fall darauf berufen hatte, dass der frühere Renteneintritt wegen der im Durchschnitt geringeren Lebenserwartung schwerbehinderter Menschen gerade nicht zu einem voraussichtlich längeren Rentenbezug führe, hat dies das LAG RheinlandPfalz für unbeachtlich gehalten. In jedem Fall läge eine zeitlich frühere Inanspruchnahme der Rente vor, die jedenfalls zu Zinsverlusten bei der Beklagten führe. Ergänzend hierzu hat das LAG Rheinland-Pfalz auch eine Diskriminierung wegen Schwerbehinderung abgelehnt. Dies gelte auch für den Gesichtspunkte der mittelbaren Diskriminierung. Denn der Arbeitgeber habe mit der Kürzung der Betriebsrente nur dem Umstand Rechnung getragen, dass die Altersrente vor Vollendung der in der Versorgungszusage zur Kennzeichnung des Versorgungsfalls genannten Altersgrenze in Anspruch genommen werde. Sofern läge keine Ungleichbehandlung wegen der Schwerbehinde4 5 6

BAG v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13 n. v. (Rz. 70). BAG v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13 n. v. Rz. 76 ff. 8 Sa 365/14, NZA-RR 2015, 542 Rz. 56 ff.

531

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

rung vor. Vielmehr werde der Kläger wie andere Arbeitnehmer behandelt, die vor Erreichen der Altersgrenze vorgezogen die betriebliche Altersversorgung in Anspruch nähmen. Dass der Gesetzgeber für den Fall einer vorzeitigen Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente bei schwerbehinderten Menschen eine geringere Kürzung vorgesehen habe (§ 236a SGB VI.), verpflichtet den Arbeitgeber nicht, in Bezug auf die Betriebsrente in entsprechender Weise zu verfahren. Das AGG verbietet nur eine Diskriminierung wegen der Behinderung, verpflichte aber nicht, behinderte Menschen zu begünstigen. Zu Recht hat es das LAG Rheinland-Pfalz auch abgelehnt, aus der Entscheidung des EuGH vom 6.12.2012 7 etwas anderes abzuleiten. Die Kürzung der betrieblichen Altersversorgung erfolge in dem hier in Rede stehenden Fall nicht bereits aufgrund der bloßen Möglichkeit, vorgezogene Altersrente in Anspruch zu nehmen. Vielmehr sei Anlass für die hier in Rede stehende Kürzung, dass der Arbeitnehmer tatsächlich vorzeitig die Betriebsrente in Anspruch nehme. Anders als in dem der Odar-Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Fall, bei dem es um die Gewährung einer Sozialplanabfindung ging, hatte der Arbeitnehmer also die Wahl, die Leistungen des Arbeitgebers vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Mit der Ausübung dieses Wahlrechts befand er sich – so das LAG Rheinland-Pfalz – nicht mehr in einer vergleichbaren Lage mit Arbeitnehmern, die erst ab dem 65. Lebensjahr eine Rente erhielten 8. (Ga)

3.

Grundsätzliche Vermutung einer dynamischen Bezugnahme auf Versorgungsordnung

In seinem Urteil vom 14.7.2015 9 hat der 3. Senat des BAG noch einmal bestätigt, dass arbeitsvertragliche Verweisungen auf die für die betriebliche Altersversorgung beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen im Regelfall dynamischen Charakter haben. Sie verweisen, soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen, auf die jeweils beim Arbeitgeber geltenden Regelungen. Nach Auffassung des BAG seit eine solche Auslegung sachgerecht und werde in der Regel den Interessen der Parteien eher gerecht, als eine statische Verweisung auf einen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Rechtszustand. Nur so werde eine einheitliche Anwendung der Versorgungsordnung auf alle von ihr erfassten Arbeitnehmer und Versorgungsemp-

7 8 9

C-152/11, NZA 2012, 1435 – Odar. LAG Rheinland-Pfalz v. 27.1.2015 – 8 Sa 365/14, NZA-RR 2015, 542 Rz. 64. 3 AZR 517/13, BB 2015, 7490 Rz. 20 ff.

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Bezugnahme auf Versorgungsordnung

fänger des Arbeitgebers sichergestellt. Schließlich wolle der Arbeitgeber im Zweifel die betriebliche Altersversorgung nach einheitlichen Regeln, d. h. als System erbringen. Ein solches System dürfe nicht erstarren. Wenn der Arbeitgeber hiervon abweichend eine Versorgung unabhängig von der jeweils geltenden allgemeinen Versorgungsordnung zusagen wolle, müsse er dies deutlich zum Ausdruck bringen 10. In dem zugrundeliegenden Fall hatten die Parteien vereinbart: Die zusätzliche Altersversorgung wird nach dem in der evangelischlutherischen Landeskirche Sachsens geltenden Recht gewährt.

In überzeugender Weise hat das BAG darin eine dynamische Bezugnahme gesehen. Bemerkenswert an dieser Feststellung ist allerdings, dass dem Arbeitgeber auch diese Weise ein einseitiges Gestaltungsrecht eröffnet wird, falls – was hier der Fall war – die Versorgungszusage auf individualvertraglicher Ebene erteilt wurde. Denn der Arbeitgeber ist als Folge der Jeweiligkeitsklausel berechtigt, die arbeitsvertraglichen Regelungen auch nach Abschluss des Arbeitsvertrags abzuändern. Wenn man sich die bisherige Rechtsprechung des BAG zu einseitigen Gestaltungsrechten in Muster-Arbeitsverträgen vor Augen führt, dürfte eine solche Klausel nur dann wirksam sein, wenn sie den durch §§ 307 Abs. 1, 2, 308 Nr. 4 BGB bestimmten Anforderungen Rechnung trägt. Das aber setzt - wie die Rechtsprechung zum Widerrufsvorbehalt deutlich macht 11 – voraus, dass in der arbeitsvertraglichen Klausel selbst bereits die Gründe genannt werden, unter denen arbeitgeberseits eine Anpassung des Leistungsversprechens erfolgen soll. Darüber hinaus darf der Umfang der dem Arbeitgeber zuerkannten Veränderungsbefugnis nicht in unangemessener Weise das Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung beeinflussen. Bei einer Klausel, die auf die jeweils gültige Versorgungsordnung verweist, fehlt eine solche Schranke für die arbeitgeberseitigen Veränderungen. Dennoch aber, und dies macht das Urteil vom 14.7.2015 12 für die betriebliche Praxis so wichtig, ist die Klausel nach Auffassung des BAG mit den Grundsätzen der AGB-Kontrolle vereinbar.

10 Ebenso BAG v. 23.4.2013 – 3 AZR 23/11, NZA-RR 2013, 542 Rz. 22; BAG v. 18.9.2012 – 3 AZR 415/10, NZA 2013, 210 Rz. 25. 11 Vgl. BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616 Rz. 16. 12 3 AZR 517/13, BB 2015, 2490 Rz. 25 ff.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

Prinzipiell sei eine Verweisung auf die jeweils geltenden Regelungen für die betriebliche Altersversorgung des Arbeitgebers nur dann mit den Vorgaben der Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB vereinbar, wenn die in Bezug genommenen Änderungen den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit entsprächen. Nur in diesem Fall sei der in der Jeweiligkeitsklausel liegende Änderungsvorbehalt für den Arbeitnehmer als Vertragspartner des Verwenders zumutbar. Dies beruhe darauf, dass der Arbeitnehmer erwarten könne, für die durch seine Betriebszugehörigkeit bereits erbrachten Vorleistungen auch die ihm bereits versprochene Gegenleistung zu erhalten, soweit dem nicht Gründe auf Seiten des Arbeitgebers entgegenstünden, die seine schützenswerten Interessen überwiegen würden 13. Im Kern reduziert das BAG damit die Inhaltskontrolle der arbeitsvertraglichen Jeweiligkeitsklausel auf eine Rechtsfolgenkontrolle. Es prüft nur, ob die arbeitgeberseitig bewirkte Änderung den allgemeinen Grundsätzen zur Anpassung von Versorgungszusagen gerecht wird. Zur Begründung verweist das BAG darauf, dass davon auszugehen sei, dass der Arbeitgeber als Verwender der Jeweiligkeitsklausel nur eine rechtlich zulässige Regelung vereinbaren wolle. Daher sei – soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorlägen – eine dynamische Verweisung auf die geltenden Versorgungsregelungen so auszulegen, dass davon nur Regelungen erfasst sein sollten, die den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit entsprächen. Aus diesen Grundsätzen folge, dass die Gründe, die den Eingriff rechtfertigen sollten, umso gewichtiger sein müssten, je stärker der Besitzstand sei, in den eingegriffen werde. Folgerichtig müsse deshalb auch bei arbeitsvertraglichen Anpassungen, die auf der Grundlage der Jeweiligkeitsklausel erfolgen, das dreistufige Prüfungsschema berücksichtigt werden, durch das die Rechtsprechung die bei Einschnitten in Versorgungsrechte zu beachtenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit konkretisiert habe 14. Hiervon ausgehend nimmt das BAG an, dass auch § 5 des hier in Rede stehenden Arbeitsvertrags nur solche abändernden Versorgungsregelungen erfasse, die einer Prüfung anhand des vom BAG entwickelten 3-StufenModells standhielten. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte sich mit der Klausel im Arbeitsvertrag weitergehende Änderungen vorbehalten wollte, lägen nicht vor. Für die betriebliche Praxis ist diese Sichtweise des 3. Senats des BAG außerordentlich vorteilhaft. Sie eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten, 13 Ebenso BAG v. 18.9.2012 – 3 AZR 415/10, NZA 2013, 210 Rz. 30 ff. 14 BAG v. 14.7.2015 – 3 AZR 517/13, BB 2015, 2490 Rz. 28.

534

Gesamtversorgung: Auslegung einer Versorgungsordnung

die insbesondere beim Fehlen einer Arbeitnehmervertretung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung unverzichtbar sind. Denn hier muss der Arbeitgeber schon mit Blick auf die Veränderungen im Arbeits, Steuer- und Sozialversicherungsrecht in der Lage sein, Anpassungen der Versorgungszusage vorzunehmen. Darüber hinaus muss die Möglichkeit bestehen, auch wirtschaftlichen Veränderungen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers durch Anpassungen der Versorgungsordnung Rechnung zu tragen, sofern dies dem Prüfungsschema des BAG Rechnung trägt. Überraschend ist nur, dass die an sich sehr formalisierte Inhaltskontrolle von einseitigen Gestaltungsrechten auf der Grundlage von §§ 307 Abs. 1, 2, 308 Nr. 4 BGB im Grunde für diese Sachlage aufgegeben wird. Dass das BAG solche Gestaltungsoptionen auch bei sonstigen Bezugnahmen auf betriebliche Regelungen eröffnet, erscheint allerdings zweifelhaft. Insofern dürfte es weiterhin geboten sein, bei der Bezugnahme auf eine Dienstwagenordnung, Reisekostenrichtlinie oder Regelungen zu Zuschlägen bei Auslandsaufenthalten jeweils im Arbeitsvertrag selbst Gründe zu benennen, die zu einer künftigen Änderung führen können. (Ga)

4.

Gesamtversorgung: Auslegung einer Versorgungsordnung

In seinem Urteil vom 13.1.2015 15 hat sich der 3. Senat des BAG mit der Frage befasst, welchen Inhalt die durch den Arbeitgeber erteilte Gesamtversorgungszusage hat. Dabei hat das BAG klargestellt, dass – wenn Auslegungszweifel bestehen – regelmäßig davon ausgegangen werden müsse, dass der Arbeitgeber die Betriebsrente erst ab dem Zeitpunkt zahlen wolle, ab dem der Versorgungsberechtigte eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nehme, die bei der Ermittlung der betrieblichen Versorgungsleistungen berücksichtigt bzw. auf die betriebliche Versorgungsleistung angerechnet werden könne. Hintergrund des Rechtsstreits war eine Forderung der Klägerin, betriebliche Altersversorgung bereits mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Vollendung des 60. Lebensjahres zu erhalten. Zur Begründung verwies sie auf eine in der Versorgungsordnung enthaltene Regelung, nach der Versorgungsbezüge nur dann gewährt werden, wenn der/die Angestellte fünf Jahre in den Diensten der Ärztekammer gestanden hatte (Wartezeit) und nach Vollendung des 63. Lebensjahres, bei weiblichen Mitarbeitern nach Vollendung des 60. Lebensjahres, aus den Diensten der Ärztekammer ausgeschie15 3 AZR 897/12, NZA 2015, 1192 Rz. 20 ff.

535

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

den war. Nicht erforderlich sei, dass sie bereits zu diesem Zeitpunkt eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehe. Das BAG ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Zur Begründung hat es auf die besondere Zielsetzung einer Gesamtversorgung verwiesen. Eine Gesamtversorgung – so das BAG – zeichne sich dadurch aus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht eine bestimmte Versorgungsleistung, sondern einen bestimmten Gesamtversorgungsgrad zusage. Die vom Arbeitgeber gewährte Leistung solle gemeinsam mit der gesetzlichen Rente sowie ggf. anderen betrieblichen oder sonstigen Versorgungsleistungen ein bestimmtes Versorgungsniveau sicherstellen, das typischerweise in Abhängigkeit von der Höhe der zuletzt bezogenen Vergütung ermittelt werde. Auf diese Weise solle die Gesamtversorgung die Versorgungslücke schließen, die sich zwischen den anderen Ruhestandsbezügen und dem zugesagten Versorgungsniveau ergebe. Voraussetzung sei deshalb, dass andere Ruhestandsbezüge (hier: Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung) überhaupt gegeben seien 16. Diese Auslegungsregel überzeugt. Wenn und soweit überhaupt noch Gesamtversorgungszusagen fortgeführt werden, liegt es aber gleichwohl nahe, diese Voraussetzung für den Bezug etwaiger Versorgungsleistungen in der Versorgungsordnung unmittelbar zum Ausdruck zu bringen. (Ga)

5.

Ablösung einer Gesamtzusage über betrieblicher Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung

a)

Drei-Stufen-Theorie als allgemeiner Grundsatz von Veränderungen der betrieblichen Altersversorgung

Greift der Arbeitgeber in bestehende Versorgungszusagen verschlechternd ein, muss der Eingriff verhältnismäßig sein. Ob dies der Fall ist, prüft die Rechtsprechung hierbei anhand eines dreistufigen Prüfungsschemas (sog. Drei-Stufen-Theorie). Dabei ist grundsätzlich auf die Verhältnisse beim jeweiligen Versorgungsschuldner selbst abzustellen. Nur in absoluten Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber wirtschaftliche Schwierigkeiten im Konzern zum Anlass für Eingriffe in bestehende Versorgungszusagen nehmen, wobei diese Ausnahme nach dem BAG wohl nur für Eingriffe in die sog. Dritte Besitzstandsstufe (noch nicht erdiente Dynamik) gelten dürfte. Nicht nur in wirtschaftlich schwierigen Zeiten versuchen viele Unternehmen, ihre Ausgaben für die betriebliche Altersversorgung zu minimieren

16 BAG v. 13.1.2015 – 3 AZR 897/12, NZA 2015, 1192 Rz. 36 ff.

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Ablösung einer Gesamtzusage über betrieblicher Altersversorgung

und greifen in bestehende Versorgungssysteme verschlechternd ein. Auch in Niedrigzinsphasen sind Arbeitgeber häufig darum bemüht, mit einer Schließung oder jedenfalls verschlechternden Ablösung ihrer unmittelbaren Versorgungszusagen einem stetigen Anstieg der Pensionsrückstellungen wenigstens teilweise entgegenzuwirken. Während verschlechternde Änderungen von Versorgungsregelungen gegenüber neu eintretenden Arbeitnehmern grundsätzlich ohne besondere Rechtfertigungsgründe möglich sind, genießen die zum Änderungszeitpunkt bereits beschäftigten Arbeitnehmer allerdings – und zwar unabhängig davon, ob ihre Anwartschaften bereits unverfallbar sind oder nicht – einen gewissen Bestandsschutz. Ein Eingriff in die Versorgungsordnung ist für sie nur wirksam, wenn er einer gesonderten Rechtfertigungsprüfung standhält. Das BAG geht hierbei in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass verschlechternde Eingriffe in Versorgungszusagen an den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu überprüfen sind, wobei sich diese Rechtsprechung im Kern auf den allgemeinen Grundsatz zurückführen lässt: Je stärker der Besitzstand ist, den die Arbeitnehmer bereits erworben haben, umso gewichtiger muss der sachliche Grund sein, der einen Eingriff rechtfertigt. In Erweiterung dieses allgemeinen Prinzips wurde die Drei-Stufen-Lehre entwickelt, nach der das Bundesarbeitsgericht drei Arten von Eingriffen unterscheidet und ihnen je nach ihrer Intensität abgestufte Rechtfertigungsgründe zuordnet, die für einen wirksamen Eingriff in bestehende Versorgungszusagen erforderlich sein sollen: 1. Der unter Geltung der bisherigen Versorgungsordnung und im Vertrauen auf deren Inhalte bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 5 S. 1 BetrAVG zu ermittelnde Teilbetrag (1. Besitzstandsstufe) kann allenfalls aus zwingenden Gründen und damit nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Ausnahmsweise zulässig ist ein Eingriff in die 1. Stufe beispielsweise bei einer Störung der Geschäftsgrundlage oder einer konkursgleichen wirtschaftlichen Notlage des Versorgungsschuldners. Wird demgegenüber zwar nicht in den bereits erdienten Teil der Anwartschaft, wohl aber in künftige Zuwachsraten eingegriffen, ist wie folgt zu differenzieren: 2. Zuwachsraten, die sich aus dienstzeitunabhängigen, variablen Berechnungsfaktoren (insbesondere einer gehaltsabhängigen Dynamik) ergeben (sog. 2. Besitzstandsstufe), können nur aus triftigen Gründen

537

Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

geschmälert werden; beispielsweise um eine langfristige Substanzgefährdung des Unternehmens zu verhindern. Wichtig ist hierbei, dass es für den Schutz der 2. Besitzstandsstufe grundsätzlich unerheblich sein soll, ob die Versorgungsanwartschaft im Zeitpunkt der Neuregelung bereits nach § 1 b BetrAVG unverfallbar war oder nicht. Denn die Gehaltsdynamik sei – so das BAG – nicht als Vergütung vorangegangener Betriebstreue zu verstehen, sondern diene allein der Anpassung der Versorgungszusage an den allgemeinen Lebensstandard. Im Gegensatz zu rein dienstzeitabhängigen Steigerungsraten ist die gehaltsabhängige Dynamik im Zeitpunkt der Ablösung mithin bereits durch die bisherige Betriebstreue erdient. Greift der Arbeitgeber gleichwohl in diese erdiente Dynamik ein, indem das ruhegeldfähige Einkommen beispielsweise auf den Zeitpunkt einer Kündigung festgeschrieben oder die Definition des ruhegeldfähigen Einkommens verändert wird, ist dies nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nur gerechtfertigt, wenn hierfür triftige Gründe vorliegen. 3. Wird demgegenüber nur in künftige, rein dienstzeitabhängige Zuwachsraten eingegriffen (sog. 3. Besitzstandsstufe), genügen zur Rechtfertigung des Eingriffs bereits sachlich-proportionale, will heißen willkürfreie, nachvollziehbare und anerkennenswerte Gründe. Solche Gründe können beispielsweise auf eine wirtschaftlich ungünstige Entwicklung des Unternehmens oder auch eine Fehlentwicklung im betrieblichen Versorgungswerk selbst zurückgehen.

b)

Einbeziehung von Veränderungen der Vergangenheit

Mit seinen Urteilen vom 9.12.2014 17 hat das BAG diese Grundsätze nunmehr nochmals bestätigt und dabei auch noch einmal klargestellt, dass die Drei-Stufen-Theorie unabhängig vom Zeitpunkt des verschlechternden Eingriffs anzuwenden ist. Einen Bestandsschutz für verschlechternde Eingriffe, die ggfs. sogar bereits mehrere Jahrzehnte zurückliegen und gar noch vor der Grundsatzentscheidung des BAG vom 17.4.1985 18 getätigt wurden, gibt es mithin auch weiterhin nicht. Soll ein Eingriff mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten gerechtfertigt werden, gilt es zu beachten, dass es insofern grundsätzlich auf die wirtschaftliche

17 3 AZR 323/13, NZA 2015, 1198; 3 AZR 326/13, ArbRB 2015, 140 und 10.3.2015 – 3 AZR 56/14, NZA-RR 2015, 371. 18 3 AZR 72/83, NZA 1986, 57.

538

Ablösung einer Gesamtzusage über betrieblicher Altersversorgung

Entwicklung des jeweiligen Versorgungsschuldners ankommt. Wie das BAG nunmehr mit seinen Urteilen vom 9.12.2014 19 klargestellt hat, können Verflechtungen innerhalb eines Konzerns allerdings dazu führen, dass ausnahmsweise eine konzerneinheitliche Betrachtung geboten ist und der Arbeitgeber wirtschaftliche Schwierigkeiten im Konzern zum Anlass für Eingriffe in die noch nicht erdienten dienstzeitabhängigen Zuwächse nehmen darf. Wichtig ist hierbei jedoch, dass diese Ausnahme wohl nur für Eingriffe in die Dritte Stufe gelten dürfte. Mit den Urteilen vom 9.12.2014 20 hat der 3. Senat zugleich auch weiter konkretisiert, was er unter „sachlich-proportionalen Gründen“ versteht und welche Maßstäbe insofern an die Darlegungslast des Arbeitsgebers zu stellen sind. Zu begrüßen ist in diesem Zusammenhang, dass die Anforderungen an den Sachvortrag des Arbeitgebers – dies betont das BAG ausdrücklich – nicht überspannt werden dürfen. Für die betriebliche Praxis bedeutet dies, dass auch lange zurückliegende Änderungen von Versorgungsordnungen noch beträchtliche Auswirkungen auf die Gegenwart haben können. Dies ist auch deshalb, weil sich nach Ansicht des BAG ohnehin erst im Zeitpunkt des Versorgungsfalls feststellen lässt, ob ein verschlechternder Eingriff vorliegt. Auch wenn sich erst spät herausstellt, dass die Änderung einer Versorgungsordnung unwirksam war, kann dies zu beträchtlichen Verbindlichkeiten des Unternehmens führen, sodass beispielsweise Rückstellungen neu zu bewerten sind oder bestehende Refinanzierungsinstrumente nicht mehr ausreichen und ergänzt werden müssen. Bei einem geplanten Unternehmenserwerb sollte vergangenen Änderungen von Versorgungszusagen deshalb auch besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, um nach Vollzug des Unternehmenserwerbs keine böse Überraschung zu erleben. Kommt es zum Streit mit Betriebsrentnern über die Wirksamkeit eines Eingriffs, muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Darlegungs- und Beweislast für die den Eingriff rechtfertigenden Umstände beim Arbeitgeber liegt. Das verlangt, bereits beim Erwerb entsprechende Informationen sicherzustellen. (Ho)

19 3 AZR 323/13, NZA 2015, 1198 und – 3 AZR 326/13, ArbRB 2015, 140. 20 3 AZR 323/13, NZA 2015, 1198 und – 3 AZR 326/13, ArbRB 2015, 140.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

6.

Aktuelle Rechtsprechung zur Betriebsrentenanpassung nach § 16 BetrAVG

a)

Berücksichtigung von Konzernverrechnungspreisabreden

Bei der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG kommt es allein auf die tatsächliche wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners und nicht auf eine fiktive Lage an, die bestanden hätte, wenn bestimmte unternehmerische Entscheidungen anders getroffen worden wären. Deshalb kann sich ein Unternehmen auch nicht erfolgreich darauf berufen, die von ihm erwirtschafteten Gewinne würden ausschließlich auf einer Verrechnungspreisabrede beruhen. Konzerninterne Verrechnungsabreden schlagen vielmehr – so wie sie getroffen wurden – uneingeschränkt auf die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners durch. Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings auch, dass sich ein Betriebsrentner ebenfalls nicht erfolgreich darauf berufen kann, der Versorgungsschuldner erziele lediglich aufgrund einer konzerninternen Verrechnungspreisabrede keine angemessene Eigenkapitalrendite. Im Rahmen der Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers grundsätzlich ausgehend von dessen handelsrechtlichen Jahresabschlüssen zu bestimmen. Wie das BAG mit seinen Urteilen vom 10.2.2015 21 nochmals hervorgehoben hat, können die Angaben aus dem Jahresabschluss allerdings nicht unbesehen übernommen werden. Hinsichtlich der Betriebsergebnisse sind vielmehr – soweit erforderlich – betriebswirtschaftlich gebotene Korrekturen vorzunehmen. Dies gilt nicht nur für Scheingewinne, sondern beispielsweise auch für betriebswirtschaftlich überhöhte Abschreibungen. Auch außerordentliche Erträge oder Verluste müssen bzw. dürfen vom Arbeitgeber im Regelfall nicht berücksichtigt werden. Mit seinen Urteilen vom 10.2.2015 22 hat das BAG hierbei zum einen genauer konkretisiert, was es unter „Scheingewinnen“ versteht. Zum anderen hat das BAG klargestellt, dass Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Restrukturierung eines Unternehmens stehen, nach seiner Ansicht im Regelfall nicht berücksichtigt werden dürfen, weil es sich insofern regelmäßig um einmalige Sondereffekte handele. Auch ein Arbeitsplatzabbau allein rechtfertige noch keine Aussetzung der Betriebsrentenanpassung. Denn für sich 21 3 AZR 734/13 n. v. (Rz. 35); 3 AZR 37/14, NZA-RR 2015, 318 Rz. 35 und v. 21.4.2015 – 3 AZR 102/14, DB 2015, 221 Rz. 33; 3 AZR 729/13 n. v. (Rz. 28). 22 3 AZR 734/13 n. v. (Rz. 38); 3 AZR 37/14, NZA-RR 2015, 318 Rz. 38.

540

Aktuelle Rechtsprechung zur Betriebsrentenanpassung nach § 16 BetrAVG

betrachtet sage die Tatsache, dass Arbeitsplätze abgebaut würden, nichts über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versorgungsschuldners aus. Zwar könne ein Arbeitsplatzabbau Folge einer schlechten wirtschaftlichen Lage des Versorgungsschuldners sein; in diesem Fall sei der Versorgungsschuldner aber nicht gehindert, sich zur Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung auf eine unzureichende Eigenkapitalrendite bzw. ein Auszehrung des Eigenkapitals zu berufen. Andererseits könnten Arbeitsplätze aber auch bei guter wirtschaftlicher Lage abgebaut werden, um die Kosten zu senken und damit das Betriebsergebnis und die Gewinnsituation zu verbessern. Neben dieser weiteren Präzisierung seiner mittlerweile ständigen Rechtsprechung musste sich der 3. Senat in den Urteilen vom 10.2.2015 23 überdies – soweit ersichtlich erstmals – mit der Frage befassen, wie eine vom Versorgungsschuldner mit der Konzernmutter abgeschlossene Verrechnungspreisabrede im Rahmen des § 16 Abs. 1 BGB zu beurteilen ist. Die Beklagte war insofern der Ansicht, trotz deutlich positiver Jahresergebnisse in den für die Prognoseentscheidung maßgeblichen Geschäftsjahren nicht zur Anpassung verpflichtet zu sein, weil ihre nach handelsrechtlichen Rechnungslegungsregeln erstellten Jahresabschlüsse kein zutreffendes Bild ihrer wirtschaftlichen Lage vermittelten würden. Da sie ihre Umsatzerlöse nahezu ausschließlich aus den von der Muttergesellschaft an sie gezahlten Verrechnungspreisen generiere und diese Verrechnungspreise auf einer mit dem Finanzamt abgestimmten Regelung beruhten, die ausschließlich dazu diene, hinreichende Gewinne für eine Besteuerung im Inland zu erzielen, seien ihre Ergebnisse nur „auf dem Papier“ positiv. Tatsächlich sei sie dagegen insbesondere bedingt durch überdurchschnittlich hohe Produktionskosten nicht mehr wettbewerbsfähig. Der Beitrag, den sie zum gesamten Geschäftsergebnis im Konzern leiste, sei seit Jahren defizitär, so dass ihre tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit – trotz positiver Jahresabschlüsse – eine Anpassung nicht zulasse. Dieser Argumentation ist das BAG nicht gefolgt. Die Prüfung, ob die wirtschaftliche Lage einer Anpassung der Betriebsrenten entgegensteht, habe grundsätzlich nach einem für alle Arbeitgeber einheitlich geltenden Maßstab zu erfolgen. Für die Beklagte würden sich in dieser Hinsicht weder aus ihrer Einbindung in einen Konzern noch aufgrund der konzerninternen Verrechnungspreisabrede Besonderheiten ergeben. Im Rahmen der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG komme es vielmehr allein auf die tatsächliche wirtschaftliche Lage und nicht auf eine fiktive Lage an, die bestehen

23 3 AZR 734/13 n. v. (Rz. 37 ff.); 3 AZR 37/14, NZA-RR 2015, 318, Rz. 37 ff.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

würde, wenn bestimmte unternehmerische Entscheidungen anders getroffen worden wären. Deshalb sei es auch weder von Bedeutung, wie sich die wirtschaftliche Lage der Beklagten darstellen würde, wenn sie nicht in den Konzern eingebunden wäre und die Verrechnungspreisvereinbarung mit der Muttergesellschaft nicht geschlossen hätte, noch, welchem Zweck diese Vereinbarung diene. Auch betriebswirtschaftlich sei keine Korrektur geboten. Bei den Gewinnen der Beklagten handele es sich weder um Scheingewinne noch um außerordentliche Erträge. Denn die Gewinne, die die Beklagte aufgrund der Verrechnungspreisabrede erzielt, würden – so der 3. Senat - keinem unvorhersehbaren und der Höhe nach für die Zukunft nicht kalkulierbaren Sondereffekt sondern einer klar kalkulierbaren Größe (der Verrechnungspreisabrede) entstammen. Bemerkenswert ist, dass der 3. Senat nur zwei Monate später im Rahmen der Urteile vom 21.4.2015 24 Gelegenheit hatte, auch den umkehrten Fall zu entscheiden. Dabei ist das Gericht seiner Linie aus den Entscheidungen vom 10.2.2015 25 durchaus treu geblieben. Während der Betriebsrentner noch vorgetragen hatte, wegen einer konzerninternen Verrechnungspreisabrede komme es zu einer Vorteilsverlagerung vom Versorgungsschuldner auf andere Konzerngesellschaften, weil die Beklagte für ihre Leistungen, wenn sie sie nicht konzernintern, sondern konzernextern erbringen würde, höhere Umsatzerlöse erzielen können, hat das BAG seine Auffassung wiederholt, für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Versorgungsschuldners sei im Rahmen des § 16 Abs. 1 BetrAVG allein die tatsächliche wirtschaftliche Lage entscheidend und nicht eine fiktive Lage, die ohne die Verrechnungspreisabrede ggfs. bestehen könnte. Deshalb sei es für § 16 Abs. 1 BetrAVG auch unerheblich, dass die Beklagte höhere Umsatzerlöse hätten erzielen können, wenn Sie eine für Sie wirtschaftlich günstigere Verrechnungspreisabrede mit den übrigen Konzerngesellschaften geschlossen hätte. Die Entscheidungen vom 10.2.2015 26 sind im Kontext der bisherigen Rechtsprechung zur Anpassungsprüfung und einem entsprechenden Berechnungsdurchgriff im Konzern insoweit atypisch, als normalerweise der Betriebsrentner bei einer negativen Anpassungsentscheidung versucht, aufgrund der Einbindung des Versorgungsschuldners in einen Konzern eine für sich günstigere Entscheidung durch Hinweis auf die Konzernverflechtungen und eine ggf. günstige wirtschaftliche Lage einer Konzernobergesellschaft zu erreichen. Dass eine wirtschaftlich zur Anpassung leistungsfähige Gesellschaft

24 3 AZR 102/14 DB 2015, 2211 Rz. 50; 3 AZR 729/13 n. v. (Rz. 45). 25 3 AZR 734/13, n. v. (Rz. 30); 3 AZR 37/14, NZA-RR 2015, 318, Rz. 30. 26 3 AZR 734/13 n. v.( Rz. 34); 3 AZR 37/14, NZA-RR 2015, 318, Rz. 34.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Betriebsrentenanpassung nach § 16 BetrAVG

sich auf negative Einflüsse durch die Konzerneinbindung beruft, ist eher ungewöhnlich. Da der Ruhegeldsenat aber schon in früheren Fallkonstellationen, in denen zwar der konkrete zur Anpassung verpflichtete Arbeitgeber leistungsfähig, dessen Obergesellschaft und/oder Konzernmutter aber „notleidend“ war, einen Haftungsdurchgriff von „Unten nach Oben“ abgelehnt hat, ist die vorliegende Entscheidung, die ebenfalls ausschließlich auf die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners abstellt, eine konsequente Fortführung dieser Rechtsprechung. Da konzerninterne Verrechnungsabreden nach Ansicht des BAG, so wie sie getroffen wurden, uneingeschränkt auf die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners durchschlagen, sollte vor Abschluss derartiger Vereinbarungen stets geprüft werden, ob eine hiermit ggfs. faktisch einhergehende „Anpassungsgarantie“ tatsächlich gewollt ist. Dabei bleibt allerdings auch festzuhalten, dass sich eine Verrechnungspreisabrede nicht per se zugunsten der Versorgungsberechtigten auswirken muss. Dies belegen die Urteile des BAG vom 21.4.2015 27. In den dort entschiedenen Fällen hat die Verrechnungsabrede nämlich gerade zu einer wirtschaftlichen Lage des Versorgungsschuldners geführt, die eine Anpassung nicht zuließ. Auch dies wird man in der Praxis künftig nutzen können.

b)

Bedeutung für Non-Profit-Organisationen

Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass die Entscheidungen des BAG vom 10.2.2015 und 21.4.2015 28 wohl auch erhebliche Signalwirkung für die bislang höchstrichterlich noch nicht geklärte Bewertung der wirtschaftlichen Lage gemeinnütziger Organisationen (Neudeutsch: Non-ProfitOrganisationen oder NPO’s) haben dürften. Die Tatsache, dass derartige Organisationen schon nach ihrer Satzung regelmäßig keine wirtschaftlichen Gewinnziele, sondern vielmehr soziale, kulturelle oder wissenschaftliche Ziele verfolgen, wird man – wenn man die nunmehr aufgestellten Grundsätze des BAG beim Wort nimmt – ebenfalls für die Ablehnung etwaiger Betriebsrentenanpassungen nutzbar machen können.

27 3 AZR 102/14, DB 2015, 2211 Rz. 77; 3 AZR 729/13 n. v. (Rz. 72). 28 3 AZR 102/14, DB 2015, 2211; 3 AZR 729/13 n. v.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

c)

Berücksichtigung außerordentlicher Aufwendungen als Folge einer Neubewertung der Pensionsrückstellungen

Wichtig ist überdies, dass das BAG im Rahmen seiner Entscheidungen vom 21.4.2015 29 nunmehr – soweit ersichtlich ebenfalls erstmals – klargestellt hat, dass außerordentliche Aufwendungen, die auf einer Neubewertung der Pensionsrückstellungen nach dem BilMoG (vgl. § 253 HGB n. F.) bzw. einer hiernach erforderlichen Zuführung zu den Pensionsrückstellungen beruhen, ausnahmsweise bei der Prognoseentscheidung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG berücksichtigt werden dürfen. In diesem Punkt hat der 3. Senat nunmehr endlich Klarheit für die Praxis geschaffen.

d)

Einschränkung bei der Berücksichtigung von Beherrschungsverträgen

Entgegen der bislang ganz überwiegend vertretenen Auffassung 30 lehnt es das BAG in seinem Urteil vom 10.3.2015 31 ab, beim Vorliegen eines Beherrschungsvertrags automatisch einen Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens zuzulassen. Ein solcher Rückgriff ist nach den aktuellen Feststellungen nur noch in Ausnahmefällen gerechtfertigt, dann nämlich, wenn sich die hierdurch begründete Gefahrenlage tatsächlich verwirklicht hat. Im Rahmen der Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG sind die „Belange der Versorgungsempfänger“, d. h. deren Interesse am Inflationsausgleich, und die „wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers“ gegeneinander abzuwägen. Ist das Unternehmen voraussichtlich nicht in der Lage, die Mehrkosten einer Anpassung aus seinen künftigen Erträgen und Wertzuwächsen zu finanzieren oder würde dem Unternehmen im Falle der Anpassung jedenfalls keine angemessene Eigenkapitalverzinsung verbleiben, kann eine Betriebsrentenanpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG abgelehnt werden. Wichtig ist hierbei, dass im Rahmen der Prognoseentscheidung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG vom Grundsatz her allein die künftige wirtschaftliche Lage des (ehemaligen) Arbeitgebers und somit des unmittelbaren Versorgungsschuldners maßgeblich ist. Während das BAG von diesem Grundsatz in der Vergangenheit noch zahlreiche Ausnahmen gemacht hat, rudert der 3. Senat des BAG mittlerweile ganz erheblich zurück. Für den qualifiziert faktischen Konzern und die Ge29 3 AZR 102/14, DB 2015, 2211 Rz. 77; 3 AZR 729/13 n. v. (Rz. 40). 30 Vgl. nur B. Gaul/B. Schmidt, DB 2014, 300 ff. m. w. N. 31 3 AZR 739/13, DB 2015, 1843 Rz. 26.

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Aktuelle Rechtsprechung zur Betriebsrentenanpassung nach § 16 BetrAVG

winnabführungsverträge ist er von seiner bisherigen Rechtsprechung bereits abgerückt 32. Wir hatten darüber berichtet 33. In seinem Urteil vom 10.3.2015 34 hat der 3. Senat jetzt klargestellt, dass auch das Bestehen eines Beherrschungsvertrags für sich genommen noch keinen Berechnungsdurchgriff rechtfertigt. Insbesondere begründe die bloße Existenz eines Beherrschungsvertrags noch keine unwiderlegbare Vermutung dafür, dass das herrschende Unternehmen bei der Ausübung seiner Leitungsmacht keine angemessene Rücksicht auf die Belange der von ihm abhängigen Unternehmen genommen habe. Seine gegenteilige Rechtsprechung in den Urteilen vom 26.5.2009 35 und vom 17.6.2014 36 hat der 3. Senat ausdrücklich aufgegeben. Diese vom BAG vollzogene Kehrtwende sollte allerdings nicht zu der vorschnellen Annahme verleiten, bei einem Beherrschungsvertrag scheide ein Berechnungsdurchgriff nunmehr – wie auch in den sonstigen vom BAG bislang hierfür bemühten Konstellationen (qualifiziert faktischer Konzern, Gewinnabführungsvertrag etc.) – generell aus. Vielmehr bleibt der Weg des Berechnungsdurchgriffs nach Ansicht des BAG in den Fällen des Beherrschungsvertrags auch weiterhin eröffnet. Erforderlich ist hier dann allerdings, dass (1) die herrschende Gesellschaft tatsächlich Weisungen zum Nachteil des Versorgungsschuldners erteilt hat und (2) gerade diese Weisungen dazu geführt haben, dass sich die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners in einer Weise verschlechtert hat, die eine Betriebsrentenanpassung ausschließt. Für etwaige Streitfälle hat die neue BAG-Rechtsprechung ganz erhebliche Auswirkungen auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. So ist es zunächst Aufgabe des Versorgungsempfängers, darzulegen, dass die Voraussetzungen für einen Berechnungsdurchgriff vorliegen. Dazu reicht ab jetzt nicht mehr der bloße Vortrag aus, es bestehe ein Beherrschungsvertrag; was mit Blick darauf, dass solche Verträge im Handelsregister einzutragen sind (vgl. § 294 AktG), ohnehin leicht herauszufinden ist. Der Betriebsrentner muss vielmehr auch darlegen, dass sich die dem Beherrschungsvertrag eigene Gefahrenlage tatsächlich verwirklicht hat. Allerdings hilft das BAG dem Rentner insofern mit einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast. So soll

32 Vgl. BAG v. 15.1.2013 – 3 AZR 638/10, NZA 2014, 87; BAG v. 21.10.2014 – 3 AZR 1027/12, NZA-RR 2015, 90 und BAG v. 11.11.2014 – 3 AZR 116/13, ZIP 2015, 748. 33 B. Gaul, AktuellAR 2014, 449 ff.; 2015, 221 ff. 34 3 AZR 739/13, DB 2015, 1843 Rz. 22 f. 35 3 AZR 369/07, NZA 2010, 641 Rz. 31. 36 3 AZR 298/13, BB 2015, 190 Rz. 80.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

zunächst die bloße Behauptung einer entsprechenden Gefahrverwirklichung ausreichend sein. Im Anschluss ist es dann Aufgabe des Arbeitgebers, im Einzelnen nachvollziehbar darzulegen, dass die erteilten Weisungen nicht der Grund für seine unzureichende wirtschaftliche Lage sind, sondern dass er auch ohne Weisungen nicht leistungsfähig und damit zur Anpassung der Betriebsrente nicht verpflichtet wäre. Trägt der Arbeitgeber hierzu (a) überhaupt nichts vor, lässt er sich (b) nicht hinreichend detailliert ein oder ist (c) sein Sachvortrag für das Gericht schlichtweg nicht nachvollziehbar, so gilt die Behauptung des Versorgungsempfängers, die durch den Beherrschungsvertrag geschaffene Gefahrenlage habe sich verwirklicht, prozessual als zugestanden. Diese Anforderungen an den eigenen Vortrag sind bei künftigen Auseinandersetzungen zwingend zu beachten. (Ga/Ho)

7.

Anspruch der Betriebsrentner auf Betriebsrentenanpassung oder Schadensersatz nach umwandlungsrechtlicher Übertragung auf eine Rentnergesellschaft

In seinem Urteil vom 14.7.2015 37 hat das BAG deutlich gemacht, dass die vorstehend bereits beschriebenen Grundsätze zur Betriebsrentenanpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG 38 auch für sog. Rentner- und Abwicklungsgesellschaften gelten. Auch diese Gesellschaften seien nicht verpflicht, die Kosten für Betriebsrentenanpassungen aus ihrer Vermögenssubstanz aufzubringen 39. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger im Jahre 1994 bei der B KG ausgeschieden. Seit dem 1.1.1997 erhielt er zwei Betriebsrenten. Deren Höhe belief sich zunächst auf insgesamt 3.044,86 DM. Im Zuge mehrerer Veränderungen auf der gesellschaftsrechtlichen Ebene wurde 2005 eine Abspaltung vorgenommen. Diese hatte zur Folge, dass Teile des Vermögens (hier: Teilbetrieb: „Pensionen“) von der Rechtsnachfolgerin der B KG auf die neu gegründete Beklagte übertragen wurden. Von der umwandlungsrechtlichen Übertragung waren die Pensionsverpflichtungen der früheren B KG sowie u. a. Ansprüche aus Rückdeckungsversicherungen und das für die Erfüllung der Versorgungsverbindlichkeiten gebildete Barvermögen betroffen. Ein operatives Geschäft wurde von der Beklagten nicht fortgeführt. Sie finanzierte sich im Wesentlichen aus den Zinserträgen ihres Vermögens.

37 3 AZR 252/14, NZA-RR 2015, 539 Rz. 23 ff., 27 ff. 38 Vgl. hierzu Gaul/Hofelich, AkutellAR 2015, 539 ff. 39 So bereits BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 298/13, BB 2015, 190 Rz. 42 f.

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Anspruch der Betriebsrentner auf Betriebsrentenanpassung

Ebenso wie die Rechtsvorgängerinnen, nahm die Beklagte die Anpassungsüberprüfungen gebündelt zum 1.7. eines Jahres vor und erhöhte die Betriebsrenten des Klägers zum 1.7.2000, 1.7.2003, 1.7.2006 und zum 1.7.2009. Mit seiner Klage machte der Kläger eine weitere Erhöhung seiner Betriebsrenten zum 1.7.2012 um insgesamt 3,8 % geltend. Die Beklagte verweigerte diese Anpassung mit der Begründung, dass sie im Geschäftsjahr 2009 eine nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 2,6 Mio € gehabt habe. Dieser hatte sich im Geschäftsjahr 2010 auf 3,18 Mio € und im Geschäftsjahr 2011 auf 3,4 Mio € erhöht. Dem hielt der Kläger indes entgegen, dass die Beklagte über ein ausreichendes Vermögen verfüge, das sie für die Anpassung der Betriebsrenten einsetzen könne. Im Übrigen hätte sie bei einer ordnungsgemäßen Verwaltung ihres Vermögens höhere Renditen erzielen können. Zunächst einmal hat das BAG klargestellt, dass die Rentnergesellschaft im Anschluss an das Wirksamwerden der Umwandlung in die Rechtspflichten als Arbeitgeber i. S. d. § 16 Abs. 1 BetrAVG eingetreten ist. Arbeitgeber i. S. dieser Bestimmung sei dasjenige Unternehmen, das ursprünglich als Arbeitgeber die entsprechende Versorgungszusage erteilt oder – was hier der Fall war – im Wege der Rechtsnachfolge die sich daraus ergebenen Verpflichtungen übernommen habe 40. Auch die Rentnergesellschaft ist nach § 16 Abs. 1 BetrAVG aber nur dann zur Anpassung der Betriebsrenten verpflichtet, wenn die künftige Vermögenssituation die damit verbundene Belastung rechtfertigt. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet wird, sondern auch, wenn das Unternehmen nicht mehr über genügend Eigenkapital verfügt. Wegen der weiteren Einzelheiten sei insoweit auf die Ausführungen an anderer Stelle verwiesen 41. Vorliegend war nach diesen Grundsätzen eine Anpassung der Betriebsrenten ausgeschlossen. Denn die hier in Rede stehenden Fehlbeträge der Geschäftsjahre 2009 bis 2011 hatten eine Eigenkapitalauszehrung zur Folge. Das vorhandene Eigenkapital der Beklagten hatte in den Geschäftsjahren 2009 bis 2011 die Summe aus gezeichnetem Kapital (§ 272 Abs. 1 S. 1 HGB) und zusätzlich gebildeten Kapitalrücklagen (§ 272 Abs. 2 HGB) nicht erreicht. Angesichts dieser Entwicklung durfte die Beklagte zum Anpassungsstichtag (1.7.2012) davon ausgehen, dass ihre Eigenkapitalausstattung bis zum

40 BAG v. 14.7.2015 – 3 AZR 252/14, NZA-RR 2015, 539 Rz. 16; BAG v. 10.3.2015 – 3 AZR 739/13, NZA 2015, 1187 Rz. 21. 41 Vgl. B. Gaul/Hofelich, AktuellAR 2015, 539 ff.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

nächsten Anpassungsstichtag für eine Betriebsrentenanpassung nicht ausreichen würde 42. Der Einwand des Klägers, die Beklagte hätte bei ordnungsgemäßer Verwaltung ihres Vermögens höhere Renditen erzielen können, rechtfertigt nach Auffassung des BAG kein anderes Ergebnis. im Rahmen des § 16 Abs. 1 BetrAVG sei die tatsächliche wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers entscheidend, nicht eine fiktive, die bestanden hätte, wenn unternehmerische Entscheidungen anders getroffen worden wären 43. Aus diesem Grunde sei auch nicht erheblich, ob – wie der Kläger behauptete – die B GmbH als Rechtsnachfolgerin der B KG die Beklagte bei der Durchführung der Spaltung nach § 123 UmwG nicht ausreichend ausgestattet hatte. Selbst wenn die frühere Versorgungsschuldnerin des Klägers nicht für eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Beklagten gesorgt haben sollte, würde dies nicht dazu führen, dass die Beklagte sich nicht auf ihre mangelnde Leistungsfähigkeit berufen könne 44. Zu Recht lehnt das BAG auch eine Anpassungsverpflichtung unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes ab. Dabei ließ der 3. Senat des BAG offen, ob die Beklagte von der B GmbH ausreichend für die Zahlung der laufenden Betriebsrenten und die Anpassungen nach § 16 Abs. 1 und 2 BetrAVG bei der Durchführung der Spaltung ausgestattet worden war. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, stünde den Versorgungsberechtigten kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB oder § 826 BGB gegen die Beklagte zu. Bei der Übertragung von Versorgungsverbindlichkeiten auf eine Rentnergesellschaft im Wege der umwandlungsrechtlichen Spaltung nach § 123 UmwG spalte – so das BAG – der bisherige Versorgungsschuldner von seinem Vermögen Teile ab und übertrage diese zur Aufnahme oder zur Neugründung als Gesamtheit auf eine Rentnergesellschaft; im Gegenzug würden ihm (Ausgliederung) oder seinem Anteilsinhaber (Abspaltung) dafür Anteile oder Mitgliedschaften an der Rentnergesellschaft gewährt. Den Umfang der zu übertragenden Vermögensteile und damit auch des Kapitals, mit dem die Rentnergesellschaft ausgestattet werde, bestimme dabei der bisherige Versorgungsschuldner. Die Rentnergesellschaft sei hinsichtlich ihrer Ausstattung nicht Handelnde, sondern lediglich Handlungsobjekt. Sie statte sich nicht selbst unzureichend mit dem für die Zahlung der laufenden Betriebs42 BAG v. 14.7.2015 – 3 AZR 252/14, NZA-RR 2015, 539 Rz. 32. 43 BAG v. 21.10.2014 – 3 AZR 1027/12, NZA-RR 2015, 90 Rz. 22. 44 BAG v. 14.7.2015 – 3 AZR 252/14, NZA-RR 2015, 539 Rz. 35; BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 298/13, BB 2015, 190 Rz. 47 f.

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Anspruch der Betriebsrentner auf Betriebsrentenanpassung

renten und die Anpassungen nach § 16 Abs. 1, 2 BetrAVG erforderlichen Kapital aus. Vielmehr werde sie von der die Versorgungsverbindlichkeiten übertragenden bisherigen Versorgungsschuldnerin nur unzureichend ausgestattet. Mangels eines schadenverursachenden Verhaltens der Rentnergesellschaft seien daher vertragliche oder deliktische Schadensersatzansprüche gegen die Rentnergesellschaft ausgeschlossen. Dieser Betrachtungsweise ist zuzustimmen. Auch wenn möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigt wird, dass jedenfalls die Spaltung zur Aufnahme an den Abschluss eines Spaltungsvertrags geknüpft ist. Dabei ist die Rentnergesellschaft als übernehmender Rechtsträger ein Vertragspartner, der den Inhalt ebenso wie der übertragende Rechtsträger mitbestimmen kann. Die These, dass die Rentnergesellschaft nur Handlungsobjekt ist, gilt deshalb an sich nur für die Spaltung zur Neugründung, weil dort umwandlungsrechtlich an der Entstehung und Übertragung nur der übertragende Rechtsträger beteiligt ist. Unabhängig davon ist das Ergebnis überzeugend, weil jedenfalls schuldhaftes Verhalten in Bezug auf die Anpassungsverpflichtung allenfalls dann erkennbar ist, wenn die damit verbundene Zahlungspflicht bereits bei Wirksamwerden der Umwandlung erkennbar war und insoweit zu entsprechenden Rückstellungen hätte führen müssen. Da allerdings auch der sorgfältig handelnde Kaufmann das Bestehen und den Umfang einer Anpassungsverpflichtung nach weiteren drei Jahren nicht erkennen kann, ist schuldhaftes Handeln nicht gegeben, wenn die hierfür möglicherweise erforderliche Kapitalausstattung im Zusammenhang mit der Spaltung nicht übertragen wurde. Ob der Betriebsrentner allerdings als Konsequenz der nachvertraglichen Fürsorgepflicht einen Schadenersatzanspruch gegenüber dem früheren Arbeitgeber besitzt, der als übertragender Rechtsträger an der Spaltung beteiligt war, musste das BAG in diesem Urteil nicht entscheiden. Die Klage richtete sich nur gegen die Rentnergesellschaft. Folgt man allerdings den Feststellungen des BAG in seinem Urteil vom 11.3.2008 45, wäre eine solche Zahlungsverpflichtung allerdings nicht ausgeschlossen. Auch hier wird man sich zukünftig allerdings sehr kritisch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob und inwieweit tatsächlich eine schuldhafte Verletzung der aus § 241 Abs. 2 BGB folgenden Pflicht zur nachvertraglichen Rücksichtnahme gegeben ist, wenn im Zuge der Spaltung der übernehmende Rechtsträger kein Kapital erhält, das ihn für die Gesamtlaufzeit einer Betriebsrente zu laufen-

45 3 AZR 358/06, NZA 2009, 790.

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Rechte und Pflichten nach Beendigung des Arbeitsvertrags

den Anpassungen nach § 16 Abs. 1 BetrAVG in die Lage versetzt. Richtigerweise wird man eine solche Verpflichtung und damit auch das entsprechende Verschulden – entgegen den Überlegungen des BAG – ablehnen müssen 46. (Ga)

46 Abl. auch BAG v. 14.7.2015 – 3 AZR 252/14, NZA-RR 2015, 539; BAG v. 21.10.2014 – 3 AZR 1027/12, NZA-RR 2015, 90.

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G. Tarifrecht 1.

Unterlassungsanspruch bei Streikmaßnahmen aufgrund rechtswidriger Streikziele

Die Rechtmäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen der Gewerkschaft setzt voraus, dass sie um ein tariflich regelbares Ziel geführt werden. Schließlich ist der Arbeitskampf Ausdruck der Koalitionsfreiheit, die nach Art. 9 Abs. 3 GG auf die Gestaltung von Arbeitsbedingungen gerichtet ist. Nur wenn die Arbeitskampfmaßnahme den Gegner unter Druck setzen soll, damit Vereinbarungen über solche Arbeitsbedingungen zum Abschluss kommen können, kann die daraus folgende Einschränkung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (Art. 14 GG) und der unternehmerischen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG) gerechtfertigt sein. Darauf hat das BAG bereits bei früherer Gelegenheit hingewiesen 1. Dies schließt nicht aus, dass auf freiwilliger Basis auch Vereinbarungen zwischen den Tarifvertragsparteien getroffen werden, die außerhalb der durch Arbeitskampf erzwingbaren Ziele der Tarifautonomie liegen 2. Der im September diesen Jahres geführte Arbeitskampf zwischen der Vereinigung Cockpit (VC) und der Lufthansa hat allerdings noch einmal deutlich gemacht, dass die Feststellung der dadurch zu ziehenden Grenzen zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Zielen etwaiger Arbeitskampfmaßnahmen in der Praxis Schwierigkeiten bereitet. In dem hier in Rede stehenden Fall hatte VC ursprünglich mit der Lufthansa intensiv über die arbeitgeberseitig beabsichtigte Änderung der Übergangsversorgung für Piloten verhandelt. Dabei hat es die Gewerkschaft sogar abgelehnt, Änderungen in Bezug auf diese Übergangsversorgung auf Piloten zu begrenzen, die erst in der Zukunft durch die Lufthansa eingestellt werden. Noch während der laufenden Verhandlungen über diese Übergangsversorgung verkündete die Lufthansa allerdings ihr sog. Wings-Konzept. Dieses ist neben weiteren Maßnahmen dadurch gekennzeichnet, dass im Konzern deutlich stärker zwischen den Prämiumanbietern Lufthansa/Swiss auf der einen und günstigeren Anbietern wie Eurowings/Germanwings auf der ande-

1 2

BAG v. 24.4.2007 – 1 AZR 252/06, NZA 2007, 987, 994 f. Rz. 80; BAG v. 10.12.2002 – 1 AZR 96/02, NZA 2003, 734, 740 Rz. 43. Vgl. LAG Hessen v. 9.9.2015 – 9 SaGa 1082/15, NZA 2015, 1337 Rz. 81 f.; Löwisch/Rieble, TVG Grundlagen Rz. 165.

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Tarifrecht

ren Seite unterschieden werden soll. Um dieses Preiskonzept durchzusetzen, sollen einzelne Bereiche ausgegliedert und/oder in separaten Gesellschaften zu günstigeren Arbeitsbedingungen aufgebaut werden. Da dies auch für die hiervon betroffenen Piloten jedenfalls bei Neueinstellungen mit einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verknüpft wäre, hat VC frühzeitig erheblichen Widerstand gegen dieses Konzept geltend gemacht. Dieser Widerstand ist in gewerkschaftlichen Verlautbarungen und zahlreichen Verhandlungen zwischen der Lufthansa und VC zum Ausdruck gebracht worden, ohne dass aber eine Einigung über eine etwaige Anpassung der unternehmerischen Entscheidung erzielt werden konnte. Nachdem ein letztes Spitzengespräch zum Thema Wings-Konzept gescheitert war, kündigte VC an, dass die Piloten einen Arbeitskampf beginnen würden. Zur Begründung wurde dabei auf einen Streikbeschluss verwiesen, der eine Aufrechterhaltung der bis dahin geltenden Übergangsversorgung der Piloten als Ziel der Arbeitskampfmaßnahmen benannte. Die Lufthansa hielt diesen Streikbeschluss für irreführend, weil er nicht zum Ausdruck brachte, dass VC durch die Arbeitskampfmaßnahmen eigentlich die Lufthansa veranlassen wollte, ihr unternehmerisches Konzept zur Aufteilung des Konzerns aufzugeben, jedenfalls mit Blick auf die hiervon betroffenen Piloten anzupassen. Die deshalb beantragte Unterlassungsverfügung beim ArbG Frankfurt wurde zunächst einmal nicht erteilt. In der Begründung seiner ablehnenden Entscheidung vom 8.9.2015 3 verwies das ArbG Frankfurt zunächst einmal darauf, dass VC kein rechtswidriges Streikziel verfolge. Denn in sämtlichen Streikbeschlüssen sei als Streikziel der Abschluss eines Tarifvertrags über die Übergangsversorgung für das Cockpit-Personal genannt. Die Auffassung der Verfügungsklägerinnen, wonach Strategien, offizielle Statements der Gewerkschaft im Rahmen der Tarifvertragsverhandlungen und das Vorgehen einer Gewerkschaft in diesem Zusammenhang dazu führen könnten, das – abweichend vom Inhalt des Streikbeschlusses – ein neues Streikziel erkannt werden könne, führten zu unlösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten und missachteten die Gewerkschaftsinternen Willensbildungsprozesse. Hiervon ausgehend sei eine Berücksichtigung von Umständen außerhalb des Streikbeschlusses bei der Feststellung der Streikziele ausgeschlossen. Da die angekündigten Streikmaßnahmen nach Auffassung des ArbG Frankfurt auch verhältnismäßig gewesen seien und eine Verpflichtung der Ge-

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13 Ga 130/15 n. v. (Rz. 28).

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Unterlassungsanspruch bei Streikmaßnahmen

werkschaft zur Vereinbarung eines Schlichtungsverfahrens nicht bestand, könne ein Unterlassungsanspruch der Gewerkschaft nicht anerkannt werden. Mit einer außerordentlich sorgfältig begründeten und inhaltlich überzeugenden Entscheidung hat das LAG Hessen das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Gewerkschaft die weitere Fortführung des Arbeitskampfs mit Urteil vom 9.9.2015 4 untersagt. In der Begründung seiner Entscheidung hat auch das LAG Hessen zunächst einmal anerkannt, dass für den Inhalt der mit einem Streik verfolgten Ziele in erster Linie die dem Gegner in Form des konkreten von den dazu legitimierten Gremien der Gewerkschaft getroffenen Streikbeschlusses übermittelten Tarifforderungen maßgeblich seien. Sonstige Verlautbarungen nicht vertretungsberechtigter Mitglieder der Gewerkschaft seien zur Bestimmung des Streikziels schon aus Gründen der Rechtssicherheit und um der Unbefangenheit der Meinungsbildung innerhalb der Gewerkschaft willen unmaßgeblich 5. Ungeachtet dessen stellt das LAG Hessen zu Recht dar, dass zur Bestimmung des Streikziels auch auf Umstände außerhalb des formellen Streikbeschlusses abgestellt werden könne. Dies gelte nicht nur dann, wenn das gegenüber der Arbeitgeberseite kommunizierte Kampfziel unklar sei. Vielmehr müsse durch die Rechtsprechung auch geprüft werden, ob sich aus sonstigen Äußerungen oder Begleitumständen ausnahmsweise ergibt, dass das wahre – aber rechtswidrige – Kampfziel der Gewerkschaft nicht mit den im Streikbeschluss genannten Zielen übereinstimmt. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass eine Gewerkschaft durch die geschickte Formulierung des Streikaufrufs in Wirklichkeit Ziele verfolgen könnte, die nicht mehr von Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt wären 6. Berechtigterweise lehnt es das LAG Hessen in den weiteren Ausführungen dann ab, einfache Erklärungen der örtlichen Streikleitungen zum Anlass zu nehmen, auf ein rechtswidriges Streikziel zu schließen. Hierbei würde es sich um Personen handeln, die nicht zur Vertretung der Gewerkschaft berechtigt sind. Umgekehrt allerdings sei es geboten, andere Äußerungen der Gewerkschaft, etwa die Übermittlung tariflicher Forderungen, Stimmzettel für die Urabstimmung oder einen Streikaufruf – ggf. in Gewerkschaftsver-

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9 SaGa 1082/15, NZA 2015, 1337 Rz. 66 ff. BAG v. 24.4.2007 – 1 AZR 252/06, NZA 2007, 987, 997 Rz. 109; LAG Hessen v. 9.9.2015 – 9 SaGa 1082/15, NZA 2015, 1337 Rz. 85. LAG Hessen v. 9.9.2015 – 9 SaGa 1082/15, NZA 2015, 1337 Rz. 87, 91 f.; krit. Fischer, NZA 2015, 1303 ff.

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Tarifrecht

sammlungen – bei der Auslegung unter Feststellung der Streikziele einzubinden 7. Von diesen Überlegungen ausgehend hat das LAG Hessen in dem hier in Rede stehenden Fall angenommen, dass VC mit dem Arbeitskampf bei der Lufthansa jedenfalls auch rechtswidrige Streikziele verfolgte. Denn die Streikmaßnahmen seien auch darauf gerichtet gewesen, Zugeständnisse bei der Durchführung des Wings-Konzepts zu erreichen. Zur Begründung hat das LAG Hessen insoweit darauf verwiesen, dass die Tarifvertragsparteien seit Bekanntwerden des Wings-Konzepts im Juli 2014 nahezu ausschließlich über diese unternehmerischen Planungen gesprochen hätten. Dass das Wings-Konzept damit auch zum Bestandteil der Tarifvertragsverhandlungen geworden war, ist deutlich geworden, als die Gewerkschaft das Angebot einer Gesamtschlichtung nur für die tariflich regelbaren Ziele im Juli 2015 abgelehnt hatte. In der damals veröffentlichten Pressemitteilung hatte die Gewerkschaft erklärt, dass eine Gesamtbefriedigung des Konflikts nur möglich sei, wenn alle Tarifthemen auf den Tisch kämen. Wenn die Lufthansa sich hinter der unternehmerischen Freiheit verstecke und darauf bestehe, die Arbeitsplatzthemen aus der Gesamtschlichtung auszuklammern, verkenne sie die elementaren Interessen des eigenen Cockpitpersonals. Auch im Folgenden wurde deshalb nur noch über das Wings-Konzept gesprochen. Die Verhandlungen zur Übergangsversorgung, die zuletzt am 12.3.2015 erfolgt waren, fanden keine Fortsetzung mehr. Dass der Streik dann auch Veränderungen in Bezug auf dieses Konzept zum Inhalt hatte, wurde noch einmal bestätigt, als die Gewerkschaft am Tage vor Streikbeginn eine Pressemitteilung veröffentlichte, in der verlangt wurde, während der Verhandlungen über das Gesamtpaket, die am Tariftisch geführt werden sollten, auf eine Ausflaggung von Flugzeugen und den damit einhergehenden Verlagerungen von Arbeitsplätzen ins Ausland zu verzichten 8. Dass diese Erklärungen nicht durch den Vorstand gegeben wurden, spielte für das LAG Hessen zu Recht keine Rolle. Die Gewerkschaft müsse sich - so das LAG Hessen – auch Äußerungen ihres Pressesprechers oder in den von ihr herausgegebenen Rundbriefen zurechnen lassen. Als eingetragener Verein werde die Gewerkschaft vertreten durch ihren Vorstand (§ 31 BGB). Dies schließe aber nicht aus, dass sich die Gewerkschaft auch Äußerungen von Nichtorganmitgliedern, wie im Übrigen auch § 30 BGB zeige, zurech-

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LAG Hessen v. 9.9.2015 – 9 SaGa 1082/15, NZA 2015, 1337 Rz. 88 ff. Eingehend LAG Hessen v. 9.9.2015 – 9 SaGa 1082/15, NZA 2015, 1337Rz. 93 ff.

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Unterlassungsanspruch bei Streikmaßnahmen

nen lassen müsse. Die Übertragung eines wichtigen Aufgabenbereichs an einen Funktionsträger führe grundsätzlich auch zu der Zurechenbarkeit seines Tuns 9. Damit stand für das LAG Hessen zu Recht fest, dass die Gewerkschaft in dem hier in Rede stehenden Arbeitskampf eine tariflich nicht regelbare Forderung mit einer tariflich regelbaren Forderung verknüpft hatte. Da dies auch zum Anlass des Streiks genommen worden und nicht nur unwesentliches Begleitmotiv war, konnte der Arbeitskampf insgesamt nicht mehr als rechtmäßig eingestuft werden. Folgerichtig war die Gewerkschaft – auch im Wege der einstweiligen Verfügung – aufzufordern, diese Arbeitskampfmaßnahmen einzustellen. Diese Entscheidung des LAG Hessen ist zu begrüßen 10. Sie liegt auf der Linie der vorangehenden Rechtsprechung des BAG, auch wenn die Verlautbarungen des BAG häufig auf seine Feststellungen zum Inhalt des Streikbeschlusses verengt wurden. Es ist praxisgerecht und entspricht den allgemeinen Grundsätzen rechtsgeschäftlicher Willensbildung, über den Wortlaut hinaus auch die Gesamtumstände der Erklärung einer Partei zu berücksichtigen, wenn der Inhalt dieser Erklärung in Frage steht. Andernfalls wäre gerade im Bereich des Arbeitskampfs dem Missbrauch rechtmäßig formulierter Streikbeschlüsse Tür und Tor geöffnet, ohne dass die hiervon betroffenen Arbeitgeber und Arbeitgeberverbände außerhalb der allgemeinen Diskussion der Verhältnismäßigkeit Abwehrmaßnahmen mit Erfolg einleiten könnten. Arbeitskampfmaßnahmen, die in rechtswidriger Weise die Koalitionsfreiheit ausnutzen, dürfen aber nicht zu einer Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und einem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb führen. Dass im Einzelfall Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen, ist hinzunehmen, zumal das Risiko einer substantiierten Darlegung der außerhalb des Streikbeschlusses liegenden Umstände einschließlich einer etwaigen Glaubhaftmachung auf Seiten der hiervon betroffenen Arbeitgeber zu sehen ist. (Ga)

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BAG v. 21.6.1988 – 1 AZR 651/86, NJW 1989, 57, 61 Rz. 94 f.; LAG Hessen v. 9.9.2015 - 9 SaGa 1082/15 n. v. (Rz. 104); Palandt/Ellenberger, BGB § 31 Rz. 8. 10 Kritisch hingegen Fischer, NZA 2015, 1303.

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Tarifrecht

2.

Kein Schadensersatzanspruch der Drittbetroffenen eines rechtswidrigen Arbeitskampfs

Gerade bei Arbeitskampfmaßnahmen im Bereich der Daseinsvorsorge bzw. bei Infrastruktureinrichtungen kommt es vermehrt zu ganz erheblichen Beeinträchtigungen auch solcher Unternehmen, die nicht unmittelbar durch den Streik zum Abschluss eines Tarifvertrags gezwungen werden sollen. Beispielhaft sei hier nur auf Streikmaßnahmen im ÖPNV, bei der Deutschen Bahn, den Flughäfen, der Energieversorgungen oder des sonstigen Transportgewerbes verwiesen. Angesichts der Zunahme solcher Streikmaßnahmen drängt sich sogar der Eindruck auf, dass diese Folgen für Fremdunternehmen nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern ganz bewusst herbeigeführt werden sollen, um den Druck auf den tariflichen Gegenspieler zu erhöhen. Dies gilt insbesondere dort, wo eine Vielzahl von Unternehmen erst den Erfolg einer Dienst- oder Werkleistung bewirken können, aber durch den Streik nur einzelner Arbeitnehmer und/oder Funktionsgruppen die Gesamtheit aller Unternehmen betroffen ist. Solange die Arbeitskampfmaßnahme rechtmäßig ist, wird man die unmittelbaren und mittelbaren Folgen solcher Arbeitskampfmaßnahmen hinnehmen müssen. Problematisch ist die bloße Hinnahme dieser Folgen angesichts ihres wirtschaftlichen Ausmaßes allerdings dann, wenn der Streik bereits als Konsequenz der gewerkschaftlichen Ziele rechtswidrig ist. Problematisch ist die Hinnahme auch, wenn man die Rechtswidrigkeit des Streiks aufgrund fehlender Verhältnismäßigkeit annehmen muss, weil – was im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist – nicht nur der soziale Gegenspieler, sondern auch Dritte eine Beeinträchtigung der rechtlichen und wirtschaftlichen Position erdulden müssen. Das Urteil des BAG vom 25.8.2015 11 macht indes deutlich, dass drittbetroffene Unternehmen nach Auffassung des BAG von diesen Grundsätzen abweichend sogar dann keinen Ersatz des eingetretenen Schadens geltend machen können, wenn der Streik rechtswidrig war und durch Entscheidung der Arbeitsgerichte beendet wurde. Diese Bewertung ist insbesondere für Drittbetroffene eines Streiks im Bereich des Verkehrs, der Daseinsvorsorge und der Infrastruktur außerordentlich schwer nachvollziehbar. In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Gewerkschaft der Flugsicherung e. V. (GdF), die die berufs- und tarifpolitischen Interessen des Flugsicherungspersonals in Deutschland vertritt, im Frühjahr 2008 dem Betreiber des

11 1 AZR 754/13 n. v.

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Kein Schadensersatzanspruch der Drittbetroffenen

Stuttgarter Flughafens, die Flughafen Stuttgart GmbH, zu Tarifverhandlungen für die dort beschäftigten Arbeitnehmer der Vorfeldkontrolle/Verkehrszentrale aufgefordert. Vom 3. bis 6.3.2009 fand zunächst ein befristeter Streik dieser Beschäftigten statt, der danach auf unbestimmte Zeit verlängert wurde. Als dies zu keinem Tarifabschluss führte, rief die GdF für den 6.4.2009 die bei ihr organisierten und bei der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) angestellten Fluglotsen am Standort Stuttgart zu einem Streik in der Zeit von 16.00 bis 22.00 Uhr zur Unterstützung des Hauptarbeitskampfs der Beschäftigten der Vorfeldkontrolle/Verkehrszentrale auf. Nur 25 % des planmäßigen Luftverkehrs wurden auf der Grundlage einer Notdienstvereinbarung mit der DFS abgewickelt. Zahlreiche Flüge fielen aus, hatten Verspätung oder mussten umgeleitet werden. Erst eine Verbotsverfügung des ArbG Frankfurt bewirkte, dass die GdF den Unterstützungsstreik vorzeitig abbrach. Die von den Flugausfällen und Verspätungen betroffenen Fluggesellschaften machten daraufhin Schadenersatzansprüche gegen die GdF geltend. Diesen Schadenersatzanspruch hat das BAG nunmehr weitgehend übereinstimmend mit den Vorinstanzen abgelehnt. Nach seiner Auffassung war ein Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer widerrechtlichen Eigentumsverletzung in Form einer erheblichen Nutzungsbeeinträchtigung an den Flugzeugen nicht gegeben. Auch sei das Recht der Klägerinnen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB nicht verletzt worden. Denn der Streik der Fluglotsen sei gegen den Betrieb der DFS gerichtet gewesen. Damit sei kein Eingriff in die Gewerbebetriebe der Klägerinnen verbunden, insbesondere sei wegen der öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen für Luftverkehrsunternehmen ein solcher Eingriff ausgeschlossen. Da auch die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung der Klägerinnen i. S. d. § 826 BGB durch den Arbeitskampf bei der DFS nicht erfüllt seien, könne auch deshalb kein Zahlungsanspruch geltend gemacht werden. Es bleibt abzuwarten, wie das BAG dieses Ergebnis im Rahmen der Entscheidungsgründe rechtfertigen wird. Bei einer ersten Betrachtung ist es schwer nachvollziehbar, einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Bezug auf die Fluggesellschaften abzulehnen. Denn der GdF war klar, dass mit einem Ausfall der Fluglotsen keine Flüge am Flughaften Stuttgart mehr abgewickelt werden konnten. Dass sich diese Streikmaßnahme allerdings allein gegen die DFS richtete, erscheint bereits mit Blick auf die Zweckbestimmung des Streiks unzutreffend. Denn die GdF selbst hatte den Streik als Unterstützungsstreik bezeichnet, was deutlich 557

Tarifrecht

macht, dass die Auswirkungen jedenfalls auch die Flughafen Stuttgart GmbH als Gegner der laufenden Tarifvertragsverhandlungen für die Mitarbeiter der Vorfeldkontrolle/Verkehrszentrale treffen sollte. Dass die Streikmaßnahmen zugleich auch die Fluggesellschaften treffen würden, war auch der GdF klar. Diese Folge dürfte sie billigend in Kauf genommen haben, um ihre Streikziele in Bezug auf den Betreiber des Verkehrsflughafens zu erreichen. Dass aber dieserart vorsätzliche Beeinträchtigungen in Bezug auf die Ausübung eines Gewerbes (hier: Flugbetrieb) durch die Gewerkschaft, wenn sie – was hier der Fall war – rechtswidrig waren, keinen Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB auslösen sollen, erscheint inkonsequent. Sie mag zwar auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung entstanden sein, die den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in den Schutzbereich von § 823 Abs. 1 BGB einbeziehen will, wenn die Verletzungshandlung dieses Rechtsgut zielgerichtet treffen soll 12. Diese Bewertung berücksichtigt nach der hier vertretenen Auffassung aber nicht ausreichend, dass auch die Ausübung des Streikrechts als Bestandteil der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) an die verfassungsimmanenten Schranken gebunden ist. Der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb ebenso wie die Berufsfreiheit (Art. 12, 14 GG) begründen solche Schranken auch zugunsten derjenigen, die nicht unmittelbar Gegner eines Arbeitskampfs sind. Sie haben ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht jedenfalls dort vor Beeinträchtigungen geschützt zu werden, wo Maßnahmen einer Gewerkschaft nicht mehr durch die Koalitionsfreiheit gedeckt und deshalb rechtswidrig sind. Die fehlende Inanspruchnahme der Gewerkschaft wegen der nur mittelbaren Beeinträchtigung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs lässt sich von Seiten der Fluggesellschaften leider auch nicht über die Grundsätze der Drittschadensliquidation lösen. Schließlich kommt es im Zuge eines Arbeitskampfes weniger zu zufälligen Schadensverlagerungen, wie sie das Modell der Drittschadensliquidation verlangt, sondern vielmehr zwangsläufig zu Schäden unmittelbar sowie mittelbar betroffener Unternehmen. Denn sowohl die DFS als auch die Fluggesellschaften haben Schäden erlitten, so dass die Grundsätze der Drittschadensliquidation, die an ein Auseinanderfallen von geschädigter Person und potenziell anspruchsberechtigter Person gekennzeichnet sind, keine Anwendung finden können 13. (Ga)

12 Vgl. BGH v. 16.12.2014 – VI ZR 39/14, NJW 2015, 773 Rz. 13. 13 BB2015, 1850.

558

Bezugnahme auf einen Tarifvertrag

3.

Aktuelle Rechtsprechung zur arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag

a)

Vorlagebeschluss zur dynamischen Bezugnahme auf Tarifvertrag beim Betriebsübergang

Bereits seit vielen Jahren werden in Literatur und Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs für arbeitsvertragliche Bezugnahmen auf den jeweils gültigen Tarifvertrag des übertragenden Rechtsträgers (kleine dynamische Bezugnahme) vertreten. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob der Erwerber, falls dort kein oder ein anderer Tarifvertrag zur Anwendung kommt, als Folge des Eintritts in die arbeitsvertragliche Zusage (§ 613 a Abs. 1 S. 1 BGB) verpflichtet ist, auch nach dem Wirksamwerden des Übertragungsvorgangs die weitere Tarifentwicklung beim Veräußerer in Bezug auf die jetzt bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer weiterzugeben. Wir hatten diese Fragen verschiedentlich erörtert 14. Seit der Änderung seiner Rechtsprechung im Frühjahr 2007 vertritt das BAG eine differenzierte Auffassung. Wenn mit der Klausel – entgegen ihrem eigentlichen Wortlaut – eine zeitdynamische Bindung an den jeweils für den Arbeitgeber kraft Gesetzes verbindlichen Firmen- oder Verbandstarifvertrag gewollt war, soll der Erwerber an die Tarifverträge des Veräußerers in der jeweils gültigen Fassung auch im Anschluss an den Betriebsübergang nur gebunden sein, wenn der Arbeitsvertrag bzw. die entsprechende Klausel nach dem Wirksamwerden der Schuldrechtsmodernisierung abgeschlossen wurde. Wenn eine solche Gleichstellungsabrede in der Zeit bis zum 31.12.2001 vereinbart wurde, soll der Erwerber – entgegen dem eigentlichen Wortlaut – nur noch an die Tarifverträge des Veräußerers gebunden sein, die zum Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses Geltung beanspruchten. Aus der ursprünglich dynamischen Klausel soll also eine statische Bezugnahme werden. Unabhängig davon soll es bei der dynamischen Bezugnahme nur dann bleiben, wenn eine entsprechende Zusage durch den Veräußerer gemacht wurde, ohne dass er selbst kraft Gesetzes an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag gebunden war 15. Der EuGH hatte bislang noch keine abschließende Bewertung der Auswirkungen eines Betriebsübergangs auf entsprechende Klauseln in Arbeitsver14 Vgl. nur B. Gaul, AktuellAR 2006, 272 ff.; 2007, 201 ff.; 2008, 290 ff.; 2011, 201 ff.; 2013, 638 ff.; a. A. Kania/Seitz, RdA 2015, 228. 15 BAG v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965.

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Tarifrecht

trägen vorgenommen. Zunächst einmal hatte er im Urteil vom 9.3.2006 16 darauf hingewiesen, dass sich aus der Richtlinie nicht ergebe, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber den Erwerber durch andere Kollektivverträge als die zum Zeitpunkt des Übergangs geltenden binden und demnach verpflichten wollte, die Arbeitsbedingungen später durch die Anwendung eines neuen, nach dem Übergang geschlossenen Kollektivvertrags zu ändern. Vielmehr bezwecke die Richtlinie nur, die am Tag des Übergangs bestehenden Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer zu wahren. Würde eine dynamische Auslegung einer arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel vorgenommen, so bedeutete dies im Übrigen auch, dass für den Erwerber künftige Kollektivverträge, an die er selbst nicht unmittelbar gebunden sei, gelten würden und dies sein Grundrecht der negativen Vereinigungsfreiheit beeinträchtigen könnte. Schon diese Feststellung des EuGH hatte in Deutschland die Auffassung gestärkt, dass eine dynamische Bindung die beim Veräußerer geltenden Tarifverträge auf der Grundlage einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel schon wegen der durch Art. 12 GRC gewährleisteten Koalitionsfreiheit auch durch Auslegung entsprechender Klauseln nicht angenommen werden dürfe. Diese Sichtweise hat der EuGH dann auch in seinem Urteil vom 18.7.2013 17 bestätigt. Auch dort hatte er die Möglichkeit, den Erwerber durch Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel an die beim übertragenden Rechtsträger geltenden Tarifverträge zeitdynamisch zu binden, im Licht der Grundrechtscharta geprüft. Dabei ging es vor allem um die durch Art. 16 GRC gewährleistete unternehmerische Freiheit, die – so der EuGH – insbesondere die Vertragsfreiheit umfasse. Eine Klausel, die dynamisch auf nach dem Übergang des betreffenden Unternehmens verhandelte und geschlossene Kollektivverträge verweise, die die Entwicklung der Arbeitsbedingungen beim übertragenden Rechtsträger regeln sollten, könnte den Handlungsspielraum, den der Erwerber benötige, um etwaige Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen, erheblich einschränken. Dies gelte jedenfalls dann, wenn es dem Erwerber im Rahmen der Vertragsfreiheit nicht möglich sei, an der Entwicklung der Arbeitsbedingungen im Rahmen dieser Tarifverträge mitzuwirken. Abschließend hat der EuGH deshalb festgestellt, dass Art. 3 Richtlinie 2001/23/EG dahin auszulegen sei, dass er es einem Mitgliedsstaat verwehre vorzusehen, dass für den Fall eines Betriebsübergangs die Klauseln, die dynamisch auf nach dem Zeitpunkt des Übergangs ausgehandelt und abge-

16 C-499/04, NZA 2006, 376 - Werhof. 17 C-426/11, NZA 2013, 835 Rz. 20 ff., 37 – Alemo-Herron; zustimmend LAG BerlinBrandenburg v. 3.12.2014 – 24 Sa 1126/14 n. v.

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Bezugnahme auf einen Tarifvertrag

schlossene Kollektivverträge verweisen, gegenüber dem Erwerber durchsetzbar sind, wenn dieser nicht die Möglichkeit habe, an den Verhandlungen über diese nach dem Übergang geschlossenen Kollektivverträge teilzunehmen. Bedeutung hat diese Feststellung insbesondere für solche Übertragungsvorgänge, bei denen der Erwerber mit dem vom Übergang betroffenen Betrieb oder Betriebsteil in einer anderen Branche tätig war, die vom Geltungsbereich der für den Veräußerer maßgeblichen Tarifverträge nicht (mehr) erfasst wird. Das BAG hält diese Feststellungen offenkundig nicht für ausreichend, um jedenfalls bei solchen Fällen eines Tarifwechsels grundsätzlich von einer statischen Bezugnahme auf die beim übertragenden Rechtsträger zum Zeitpunkt des Übergangs geltenden Tarifverträge auszugehen. Das machen die beiden Beschlüsse des 4. Senats des BAG vom 17.6.2015 18 deutlich. Denn mit diesem Beschluss hat das BAG den EuGH um eine Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit seiner Auslegung von § 613 a Abs. 1 BGB mit Unionsrecht ersucht. Auch hier ging es um die Wirkung einer zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Arbeitnehmer einzelvertraglich vereinbarten Klausel, die dynamisch auf einen bislang beim Veräußerer geltenden Tarifvertrag verweist. Umstritten war, welche Rechtsfolgen sich daraus für den Betriebserwerber ergaben. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger seit 1978 als Hausarbeiter in einem Krankenhaus beschäftigt. In seinem Arbeitsvertrag war eine Verweisung auf den BMT-G II und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge vereinbart. Träger des Krankenhauses war ursprünglich ein Landkreis, der Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) war. An dieser Tarifbindung änderte sich zunächst einmal nichts, als das Krankenhaus im Jahre 1995 privatisiert und von einer GmbH betrieben wurde. Denn auch diese GmbH war Mitglied des KAV. Die entscheidungserhebliche Änderung trat dann zum Jahreswechsel 1997/1998 ein. Denn zu diesem Zeitpunkt ging der Betriebsteil, in dem der Kläger beschäftigt war, auf die K FM GmbH e. G. über, die nicht Mitglied im KAV war. Obwohl in der Folgezeit auf das Arbeitsverhältnis weiterhin der BMT-G II angewandt wurde, gab die K FM GmbH die beiden Tariflohnerhöhungen im Jahre 2004 nicht weiter. Zum 1.7.2008 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers sodann im Wege eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs auf die Beklagte über, die ebenfalls die Regelungen des BMTG II zur Anwendung brachte.

18 4 AZR 61/14 (A) n. v.; BAG v. 17.6.2015 – 4 AZR 95/14 (A) n. v.

561

Tarifrecht

Der Kläger hält diese Bindung an den BMT-G II für falsch. Nach seiner Auffassung sind die Regelungen des TVöD VKA und des TVÜ-VKA für das Arbeitsverhältnis maßgeblich. Denn dies seien – so der Kläger – die den BMT-G II ersetzenden Tarifverträge, deren Anwendung auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vereinbart worden sei. In diese Zusage sei die Beklagte gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB eingetreten. Der 4. Senat des BAG will der Klage offenbar stattgeben. Denn nach seinen Feststellungen in der Begründung seines Beschlusses wird erkennbar, dass der Erwerber eines Betriebsteils durch § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB an eine arbeitsvertragliche Vereinbarung auch dann gebunden sein soll, wenn diese auf Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Bezug nehme und aufgrund solcher privatautonomer Willenserklärungen diese Regelungen zum Inhalt des Arbeitsvertrags gemacht habe. In solchen Fällen sei der Erwerber an diese Zusage so gebunden, als habe er diese Vertragsabrede selbst mit dem Arbeitnehmer getroffen. Zu Recht geht das BAG indes davon aus, dass die unionsrechtliche Vereinbarkeit eines solchen Auslegungsergebnisses zweifelhaft ist. Im Hinblick darauf soll durch den EuGH geklärt werden, ob dieser Auslegung des nationalen Rechts unionsrechtliche Vorschriften – insbesondere Art. 3 Richtlinie 2001/23/EG und Art. 16 GRC – entgegenstehen. Für deren Auslegung ist allein der EuGH zuständig. Das Ergebnis dieses Vorabentscheidungsersuchens hat für die betriebliche Praxis ganz erhebliche Bedeutung. Denn nach wie vor werden in vielen Arbeitsverträgen trotz der damit für den Fall eines Tarifwechsels verbundenen Schwierigkeiten kleine dynamische Bezugnahmeklauseln verwendet. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass auf den für den Arbeitgeber maßgeblichen Tarifvertrag unter Verwendung seiner konkreten Bezeichnung zeitdynamisch verwiesen wird. Hier stellt sich aus Sicht des Erklärungsempfängers berechtigterweise die Frage, ob darin nicht doch die Zusage liegt, die genannten Tarifverträge ohne Rücksicht auf eine fehlende oder anderweitige Tarifbindung des Erwerbers im Anschluss an einen Betriebsübergang anzuwenden. Soll dieses Risiko ohne Rücksicht auf die Auslegungsergebnisse der Rechtsprechung vermieden werden, muss – was auch unter Berücksichtigung der AGB-Kontrolle statthaft ist – die kleine dynamische Bezugnahmeklausel durch eine große dynamische Bezugnahmeklausel ersetzt werden. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass für das Arbeitsverhältnis die jeweils für den (jeweiligen) Arbeitgeber kraft Gesetzes maßgeblichen Firmen- oder Verbandstarifverträge zur Anwendung kommen. Die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblichen Tarifverträge werden sodann nur noch deklaratorisch genannt. Weitergehende Regelungen sind nur dort geboten, wo Fälle 562

Bezugnahme auf einen Tarifvertrag

der Tarifpluralität in Betracht kommen. Wir werden über die weitere Entwicklung in Bezug auf diese Vorabentscheidungsersuchen berichten.

b)

Günstigkeitsvergleich zwischen normativ und kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme geltendem Tarifvertrag

Gerade im Anschluss an den Übergang von Arbeitsverhältnissen nach § 613 a BGB kann es zu der Konkurrenz zwischen den Tarifverträgen des Erwerbers und Tarifverträgen des Veräußerers kommen, die noch auf der Grundlage einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme der vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer zur Anwendung kommen. Um eine vergleichbare Situation ging es in dem vom BAG vom 10.12.2014 19 entschiedenen Fall. Dort gab es Streit über die Frage, ob für den Anspruch auf die Zahlung eines Jubiläumsgeldes nach vierzigjähriger Betriebszugehörigkeit der beim Arbeitgeber aktuell geltende Tarifvertrag oder ein früherer Tarifvertrag eines Rechtsvorgängers maßgeblich war, der – so der Kläger – auf der Grundlage einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel weiterhin Geltung beanspruchte. Der Kläger, der bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen im Bereich der Klinik für Psychiatrie und Neurologie beschäftigt war, ist 1971 durch das Land Schleswig-Holstein eingestellt worden. § 2 seines Arbeitsvertrags lautete auszugsweise wie folgt: §2 Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.2.1961 und diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen …

Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass sich seine Dienst- und Jubiläumszeit unter Berücksichtigung seines Wehrdienstes vom 1.1.1967 bis zum 30.6.1968 und einer Wehrübung vom 10.11. bis zum 10.12.1970 ab dem 3.3.1970 errechne und sein vierzigjähriges Dienstjubiläum am 2.3.2010 erreicht werde. Nach mehreren Übertragungsvorgängen, die jeweils kraft Gesetzes zu einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses geführt hatten, war er bei der Beklagten beschäftigt. Diese war – wie auch der Kläger als Folge seiner Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ver.di – an einen Manteltarifvertrag gebunden. Dieser sah nach vierzigjähriger Betriebszugehörigkeit ein Jubiläumsgeld in Höhe von 450,- € vor. Eine Anrechnung von Vordienstzeiten und/oder Wehrdienstzeiten war im Tarifvertrag nicht vorgesehen.

19 4 AZR 503/12, BB 2015, 1850 ff.

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Tarifrecht

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete am 30.4.2010. Bereits am 26.4.2010 machte der Kläger deshalb die Zahlung eines Jubiläumsgeldes geltend. Als Anspruchsgrundlage verwies er dabei zunächst einmal auf den Manteltarifvertrag der Beklagten. Er machte geltend, dass bei der Betriebszugehörigkeitsdauer seine Wehrdienst- und Wehrübungszeiten zu berücksichtigen waren. Sollte die Beklagte eine solche Verpflichtung nicht anerkennen, müsse sie jedenfalls ein Jubiläumsgeld nach Maßgabe der letzten Fassung des BAT zahlen. Dieser finde auf sein Arbeitsverhältnis auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel weiterhin Anwendung und sehe unter Einbeziehung des Wehrdienstes bzw. der Wehrübung eine Jubiläumszahlung in Höhe von 409,03 € vor. Der 4. Senat des BAG hat die Klage abgewiesen. Nach seiner Auffassung waren dem Manteltarifvertrag der Beklagten keine Anhaltspunkte zu entnehmen, nach denen Zeiten des Wehrdienstes oder einer Wehrübung wie Betriebszugehörigkeit zu behandeln waren. Ob und inwieweit die Tarifvertragsparteien eine andere Regelungsabsicht gehabt hätten, könne offenbleiben. Denn im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dürfe bei der Auslegung von Tarifnormen ein Wille der Tarifvertragsparteien nur Berücksichtigung finden, wenn er in den tariflichen Normen unmittelbar seinen Niederschlag gefunden habe 20. Soweit der Kläger hilfsweise einen Anspruch auf ein Jubiläumsgeld nach Maßgabe des zuletzt geltenden BAT geltend gemacht hatte, ist ihm durch das BAG zwar zugestanden worden, dass die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel grundsätzlich auch im Anschluss an den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte eine Geltung des BAT in der zuletzt geltenden Fassung zur Folge haben konnte. Dass die Klausel ihrem Wortlaut nach auch ergänzende oder ändernde Tarifverträge einbezog, konnte richtigerweise nicht zu einer Geltung der bei der Beklagten geltenden Tarifverträge führen. Zum einen handelte es sich dabei nicht um ändernde oder ergänzende, sondern um ersetzende Tarifverträge. Zum anderen war die als Gleichstellungsabrede formulierte Klausel nur so zu verstehen, dass – im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung – etwaige Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, sofern sie anstelle des BAT geschlossen würden, zur Geltung kommen sollten. Der MTV der Beklagten war kein Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes und konnte deshalb nicht als Tarifvertrag verstanden werden, dessen Anwendung durch die arbeitsvertragliche Klausel gewollt war.

20 BAG v. 10.12.2014 – 4 AZR 503/12, BB 2015, 1850 Rz. 18 ff., 22.

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Bezugnahme auf einen Tarifvertrag

Problematisch an der Durchsetzung des durch den Arbeitsvertrag begründeten Anspruchs auf die Jubiläumszahlung nach §§ 19, 20, 39 BAT war aber, dass dieser arbeitsvertragliche Anspruch in Konkurrenz zu dem zuletzt kraft Gesetzes verbindlichen Manteltarifvertrag stand. Eine solche Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem in § 4 Abs. 3 TVG geregelten Günstigkeitsprinzip zu lösen. Danach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zurück, wenn diese eine für den Arbeitnehmer günstigere Bedingung enthalten. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelung gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt – so das BAG – ein Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung (sog. Günstigkeitsvergleich). Unerheblich sei, ob die Parteien des Arbeitsvertrags die vertraglichen Regelungen vor oder nach Inkrafttreten des Tarifvertrags vereinbart hätten 21. Zu vergleichen seien dabei dann die in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen (sog. Sachgruppenvergleich). Hierbei seien die abstrakten Regelungen maßgebend, nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall. Die Günstigkeit der einzelvertraglichen Regelungen gegenüber der normativ geltenden Tarifnorm muss deshalb bereits im Voraus feststehen. Hänge es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die betreffende Regelung günstiger sei oder nicht (sog. ambivalente Regelung), liege keine günstigere einzelvertragliche Regelung vor 22. Ausgangspunkt ist dabei ein objektiver Beurteilungsmaßstab. Ist die einzelvertragliche Regelung danach gleich oder gleichwertig (sog. neutrale Regelung), ist sie nicht günstiger i. S. von § 4 Abs. 3 TVG. Das gleiche gilt, wenn unklar ist, ob es sich um eine neutrale oder eine ambivalente Regelung handelt. In allen Fällen hat dies zur Folge, dass es weiterhin bei der zwingenden Geltung des Tarifvertrags bleibt. Wenn – so das BAG – der Gesetzgeber eine Abweichung vom Grundsatz der zwingenden Wirkung geltender Tarifnormen für den Fall vorgesehen hat, dass die betreffende Regelung „günstiger“ ist als die tarifliche Norm. Wenn die Günstig-

21 BAG v. 10.12.2014 – 4 AZR 503/12, BB 2015, 1850 Rz. 41; BAG v. 17.4.2013 – 4 AZR 592/11, BB 2013, 2227 Rz. 14. 22 BAG v. 10.12.2014 – 4 AZR 503/12, BB 2015, 1850 Rz. 42; BAG v. 17.4.2002 – 5 AZR 644/00, NZA 2002, 1340 ff. Rz. 92.

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Tarifrecht

keit der abweichenden Regelung nicht feststellbar sei, greife § 4 Abs. 3 2. Alt. TVG nicht ein 23. Hiervon ausgehend musste der 4. Senat des BAG die Klage abweisen. Denn die durch Bezugnahmeklausel vereinbarte Geltung der Regelungen des BAT führte nicht in allen Fällen zu einer für den Kläger günstigeren Regelung. Vorteilhaft an der BAT-Regelung war zwar, dass sie auch die Zeiten des Wehrdienstes und der Wehrübung als Vordienstzeiten berücksichtigte, so dass das Jubiläum zu einem früheren Zeitpunkt erreicht werden konnte. Die Zahlung, die der Jubilar in Anspruch nehmen konnte, lag mit 409,03 € aber etwas unter dem Betrag, der im Manteltarifvertrag der Beklagten vorgesehen war. In den Zeiten, in denen Arbeitnehmer auch die Betriebszugehörigkeit des Manteltarifvertrags erfüllt hatten, stellte dieser deshalb eine für diesen Personenkreis günstigere Regelung dar. Es handelte sich damit um eine ambivalente Regelung, die nach § 4 Abs. 3 TVG gegenüber dem unmittelbar und zwingenden Tarifvertrag keine Geltung beanspruchen kann. Aus Sicht des Klägers ist das Ergebnis möglicherweise unbefriedigend, weil es im Einzelfall zu einem Nachteil geführt hat. Im Interesse einer rechtssicheren und rechtsklaren Auflösung der Konkurrenz zwischen Arbeitsvertrag und Tarifvertrag ist es aber richtig, eine generelle Günstigkeit der arbeitsvertraglichen Regelung gegenüber dem Tarifvertrag zu verlangen. (Ga)

4.

Dynamische Verweisung auf Tarifvertrag durch Betriebsvereinbarung

Gelegentlich enthalten Betriebsvereinbarungen zur weiteren Konkretisierung oder Ergänzung der zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat getroffenen Regelungen eine Bezugnahme auf Tarifverträge. Solche Bezugnahmen werden nicht nur statisch, sondern zum Teil auch dynamisch ausgestaltet. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass darin im Zweifel ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG liegt, der die Unwirksamkeit entsprechender Betriebsvereinbarungen zur Folge hat. Dies macht der 5. Senat des BAG mit seinem Urteil vom 25.2.2015 24 zu Recht deutlich. In dem zugrunde liegenden Fall war der Kläger auf der Grundlage eines Formulararbeitsvertrags vom 19.12.1987 als kaufmännischer Mitarbeiter

23 BAG v. 10.12.2014 – 4 AZR 503/12, BB 2015, 1850 Rz. 44: Wiedemann/Wank, TVG § 4 Rz. 478; HWK/Henssler, TVG § 4 Rz. 37 ff. 24 5 AZR 481/13, NZA 2015, 403 Rz. 32.

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Dynamische Verweisung auf Tarifvertrag durch Betriebsvereinbarung

eingestellt worden. Zum damaligen Zeitpunkt war die Stadt M der Arbeitgeber. Im Arbeitsvertrag war u. a. vereinbart worden: §3 Herr N. erhält eine Vergütung nach BAT IV a. §4 Die vertragsschließenden Parteien sind sich darüber einig, dass sich sowohl alle übrigen Rechte als auch die Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis nach den Bestimmungen der für die H gültigen Betriebsvereinbarungen richten, die somit Grundlage dieses Arbeitsvertrags ist.

In einer Betriebsvereinbarung vom 8.2.2001 (BV) hieß es auszugsweise: § 2 Anwendung von Tarifverträgen (1) Soweit in dieser Vereinbarung keine besonderen Regelungen getroffen sind, werden Bestimmungen der Tarifverträge BAT und BMTG in der Fassung vom 1.8.2000 sowie NGG in der Fassung vom 1.1.1995 auf die Beschäftigungsverhältnisse wie folgt angewandt: A. Mitarbeiter/innen im Verwaltungs- und gewerblich/technischen Bereich: a) Angestellte (BAT) Der § 4 (Arbeitsvertrag, Nebenabreden), § 5 (Probezeit), § 7 (Ärztliche Untersuchung), § 8 (Allgemeine Pflichten), … und § 70 (Ausschlussfristen des Bundesangestellten-Tarifvertrages (BAT)). …

Die Vergütung des Klägers wurde regelmäßig den Veränderungen des BAT angepasst. Als der BAT im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen zum 1.10.2005 durch den TVöD ersetzt wurde, ordnete die Beklagte den Kläger der Entgeltgruppe 11/Stufe 6 TVöD zu. Nachfolgend im öffentlichen Dienst vereinbarte Tariferhöhungen gab die Beklagte indes nicht weiter. Vielmehr teilte sie den Beschäftigten durch Schreiben vom 21.2.2007 mit, dass sie auf der Grundlage einer juristischen Beratung erfahren habe, dass die mit dem Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam sei. Sie verband dies mit folgendem Hinweis: Ich möchte daher ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass die H GmbH sich an die Betriebsvereinbarung ab sofort nicht mehr gebunden sieht. Sie wird lediglich einstweilen, namentlich bis zur Bekanntgabe einer neuen Regelung, angewendet. Dies geschieht allerdings

567

Tarifrecht

ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und ohne Bindungswirkung für die Zukunft und ausschließlich für die Übergangszeit bis zur Bekanntgabe dessen, was zukünftig für die Inhalt der Arbeitsverhältnisse gelten soll. …

Mit der am 29.12.2010 eingereichten Klage hat der Kläger sodann Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst der Kommunen in den Jahren 2008 bis 2010 sowie entsprechend erhöhte Jahressonderzahlungen verlangt. Er machte geltend, dass § 3 seines Arbeitsvertrags eine dynamische Bezugnahme auf die Tarifentgelte enthalte, die auch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst umfasse. Eine Ausschlussfrist habe er nicht einhalten müssen, weil die Regelungen der BV nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam seien. Der 5. Senat des BAG hat die klagestattgebende Entscheidung der Vorinstanzen mit überzeugender Begründung bestätigt und dies mit wichtigen Feststellungen in Bezug auf die Rechtsfolgen der Bezugnahme auf Tarifverträge im Rahmen einer Betriebsvereinbarung verknüpft. Ausgangspunkt seiner klagestattgebenden Entscheidung ist zunächst einmal die Feststellung, dass die pauschale Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf tarifliche Vergütungsbestimmungen ohne Nennung fester Beträge und ohne Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung des in Bezug genommen Tarifvertrags grundsätzlich dynamisch zu verstehen ist. Etwas anders gelte nur dann, wenn sich im Arbeitsvertrag oder ergänzenden Abreden der Parteien eindeutige Hinweise für eine nur statische Bezugnahme auf den Tarifvertrag finden lassen 25. Solche Hinweise enthielten die individualrechtlichen Regelungen zwischen den Parteien indes nicht. Ausgehend von einer dynamischen Bezugnahme auf die für den Arbeitgeber verbindlichen Tarifverträge konnte die ursprüngliche Bezugnahme auf den BAT auch als Bezugnahme auf den späteren TVöD verstanden werden. Diese Bezugnahme konnte zwar nicht mit dem Wortlaut von § 3 des Arbeitsvertrags gerechtfertigt werden. Durch den Wechsel der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes vom BAT/BMT-G zum TVöD war allerdings eine Regelungslücke entstanden, die – so das BAG – im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen war. Da es sich bei § 3 des Arbeitsvertrags um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelte, sei zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit ihrer Regelung bekannt gewesen wäre. Hiervon ausgehend war anzu-

25 BAG v. 25.2.2015 – 5 AZR 481/13, NZA 2015, 403 Rz. 15; BAG v. 21.8.2013 – 5 AZR 581/11, NZA 2014, 271 Rz. 23.

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nehmen, dass es der Wille der Parteien gewesen wäre, die Vergütung an den jeweils für den öffentlichen Dienst maßgeblichen Tarifverträgen auszurichten. Nach der Tarifsukzession war dies der TVÖD, sodass der Kläger einen Anspruch auf die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst der Kommunen in den Jahren 2008 bis 2010 und auf eine Anhebung der Jahressonderzahlung besaß 26. Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Kläger bei der Geltendmachung seiner Zahlungsansprüche auch nicht an eine Ausschlussfrist gebunden. Eine Bindung an den TVÖD bestand nicht. Zum einen fehlte eine beiderseitige Organisation. Zum anderen hatten die Parteien nur in Bezug auf die Vergütung im Arbeitsvertrag eine dynamische Bezugnahme auf den Tarifvertrag vorgenommen. Zu Recht hat der 5. Senat des BAG im Urteil vom 25.2.2015 27 indes auch eine Bindung an die Ausschlussfrist in § 70 BAT abgelehnt. Die entsprechende Bezugnahme in § 2 BV sei wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG unwirksam. Insofern könne auch offen bleiben, ob durch Betriebsvereinbarung überhaupt die Geltung einer Ausschlussfrist vereinbart werden könne, wenn auf individualrechtlicher Ebene – zugunsten des Arbeitnehmers – auf die Vereinbarung einer solchen Frist verzichtet worden sei. Nach den Feststellungen des BAG haben die Betriebsparteien grundsätzlich eine umfassende Kompetenz zur Regelung von materiellen und formellen Arbeitsbedingungen. Sie könnten – so das BAG – durch (freiwillige) Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen treffen. Dazu gehörten auch Regelungen über Ausschlussfristen, die die Betriebsparteien nicht selbst formulieren oder aus einem Tarifvertrag abschreiben müssen. Sie verzichteten dabei auch nicht auf ihr Recht und ihre Pflicht, die Arbeitsbedingungen inhaltlich zu gestalten, wenn sie statisch auf einen bestimmten Tarifvertrag verweisen und damit dessen Regelung gleichsam als eigene übernehmen würden 28. Dieser grundsätzlichen Gestaltungskompetenz der betrieblichen Sozialpartner wird allerdings durch § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG eine Schranke gesetzt. Dieser bestimmt zur Sicherung und Stärkung der Tarifautonomie, dass materielle und formelle Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, außerhalb der Gegenstände der Mitbestimmung nach § 87 BetrVG nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung

26 BAG v. 25.2.2015 – 5 AZR 481/13, NZA 2015, 403 Rz. 16 ff., 22. 27 5 AZR 481/13, NZA 2015, 403 Rz. 29 ff. 28 Ebenso bereits BAG v. 23.6.1992 – 1 ABR 9/92, NZA 1993, 229 Rz. 26.

569

Tarifrecht

sein können. Dies gilt ohne Rücksicht auf eine etwaige Tarifgebundenheit des Arbeitgebers. Ausreichend ist, dass der Betrieb einem Bereich zuzuordnen ist, für den Tarifverträge bestehen oder üblicherweise zum Abschluss gebracht werden 29. Hiervon ausgehend war die Bezugnahme auf § 70 BAT in § 2 BV unwirksam. Denn die Beklagte, die im mehrheitlichen Besitz einer Kommune war, hätte Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbands werden können. Für diesen Bereich waren und sind durch §§ 70 BAT, 37 TVöD stets Ausschlussfristen geregelt, was die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung zur Folge hatte. Berechtigterweise hat das BAG auch eine Umdeutung abgelehnt. Zwar wird eine solche Umdeutung für möglich gehalten, wenn sich der Arbeitgeber in einer unwirksamen Betriebsvereinbarung zu einer Leistung an die Arbeitnehmer verpflichtet hat, aber erkennbar wird, dass er diese Verpflichtung unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall erfüllen wolle 30. Das BAG hat eine Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall allerdings mit der Begründung abgelehnt, dass es nicht um Leistungen des Arbeitgebers, sondern um die Begründung einer Verpflichtung für die von der Ausschlussfrist betroffenen Arbeitnehmer gehen würde. Für eine individualrechtliche Verpflichtung der nicht als Vertragspartner an einer Betriebsvereinbarung beteiligten Arbeitnehmer fehle aber den Betriebsparteien die Kompetenz 31. Da der Arbeitsvertrag mit dem Kläger auch nur auf die „gültigen“ Betriebsvereinbarungen verwies, konnte auch über den Arbeitsvertrag keine Bezugnahme auf die Betriebsvereinbarung und darüber auf den Tarifvertrag erreicht werden. Das solche Bezugnahmen auch auf unwirksame Betriebsvereinbarungen grundsätzlich möglich sind 32, kam daher nicht zum Tragen. (Ga)

29 BAG v. 25.2.2015 – 5 AZR 481/13, NZA 2015, 403 Rz. 32; BAG v. 22.3.2005 – 1 ABR 64/03, NZA 2006, 383 Rz. 41 ff.; HWK/B. Gaul, BetrVG § 77 Rz. 48 ff. m. w. N. 30 Vgl. BAG v. 29.10.2002 – 1 AZR 573/01, NZA 2003, 393 Rz. 35 ff.; Fitting, BetrVG § 77 Rz. 104 ff.; HWK/B.Gaul, BetrVG § 77 Rz. 53. 31 BAG v. 25.2.2015 – 5 AZR 481/13, NZA 2015, 403 Rz. 35. 32 BAG v. 25.2.2015 – 5 AZR 481/13, NZA 2015, 403 Rz. 36.

570

Strengere Anforderungen an die Ausgestaltung der Verbandssatzung

5.

OT-Mitgliedschaft: Strengere Anforderungen an die Ausgestaltung der Verbandssatzung

Arbeitgeberverbände ermöglichen Unternehmen in ihren Satzungen regelmäßig zwischen zwei Arten von Mitgliedschaften zu unterscheiden, nämlich einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung („OT-Mitgliedschaft“) und einer klassischen Mitgliedschaft mit Tarifbindung („T-Mitgliedschaft“). Dabei werden von der Rechtsprechung strenge Anforderungen an die jeweiligen Satzungen gestellt; andernfalls droht den OT-Mitgliedern die unerwünschte Tarifbindung. Insbesondere muss dabei eine klare Trennung der OTMitgliedschaft von der T-Mitgliedschaft gewährleistet sein. Mit seinem Urteil vom 21.1.2015 33 hat das BAG seine bestehende Rechtsprechung zu OTMitgliedschaften und den Anforderungen an die Satzung weiterentwickelt. Im Folgenden soll klargestellt werden, welchen Anforderungen die satzungsgemäße Trennung der Mitgliedschaften genügen muss.

a)

Denkbare Gestaltungsformen einer OT-Mitgliedschaft

Attraktiv ist die OT-Mitgliedschaft vor allem für Unternehmen, die von den Dienstleistungen der Arbeitgeberverbände profitieren möchten, gleichzeitig aber eine Bindung an die Tarifpolitik vermeiden wollen. In der Praxis unterscheidet man zwischen zwei unterschiedlichen Modellen der OT-Mitgliedschaft: Beim „Aufteilungsmodell“ werden zwei rechtlich voneinander getrennte Verbände gebildet, bei denen nur eine der Organisationen Tarifverträge schließt 34. Das „Stufenmodell“ sieht demgegenüber zwei unterschiedliche Formen der Mitgliedschaft – T- und OT-Mitgliedschaft – unter dem Dach eines einzigen Rechtsträgers vor 35. Während das „Aufteilungsmodell“ rechtlich nur wenige Probleme aufwirft, erfordert das „Stufenmodell“ einen deutlich erhöhten Regelungsaufwand, der – wie das BAG deutlich macht – bei fehlerhafter Umsetzung zu einer ungewollten Tarifbindung führen kann. Grundsätzlich ist das „Stufenmodell“ anerkannt und mit einfachem Recht wie auch Verfassungsrecht vereinbar 36. Allerdings ist bei diesem Modell zu

33 34 35 36

4 AZR 797/13, BB 2015, 2547. Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, § 3 Rz. 50. Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, § 3 Rz. 50. BAG v. 21.1.2015 – 4 AZR 797/13 n. v. (Rz. 16); BAG v. 19.6.2012 – 1 AZR 775/10, NZA 2012, 1372 Rz. 16; BAG v. 22.4.2009 – 4 AZR 111/08, NZA 2010, 105 Rz. 27.

571

Tarifrecht

gewährleisten, dass die Mitglieder ohne Tarifbindung hinreichend von denjenigen mit Tarifbindung getrennt sind. Die normative Wirkung von Tarifverträgen gegenüber T-Mitgliedern ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG nur bei einem „Gleichlauf von Verantwortlichkeit und Betroffenheit“ der Beteiligten legitimiert 37. Um dies sicherzustellen, muss daher in der Satzung gewährleistet werden, dass nur diejenigen Verbandsmitglieder tarifpolitische Entscheidungen treffen und an solchen mitwirken dürfen, die an den verhandelten und letztlich vereinbarten Tarifvertrag auch gebunden sind 38. Die Satzung des Arbeitgeberverbandes muss insofern jede auch nur mögliche unmittelbare Einflussnahme der OT-Mitglieder auf tarifpolitische Entscheidungen des Verbandes wirksam verhindern.

b)

Rechtsfolgen einer unzureichenden Trennung der Mitgliedschaften im Arbeitgeberverband

Rechtsfolge einer unzureichenden Trennung der Mitgliedschaften und damit einer unzulänglichen Unterbindung der Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf die Tarifpolitik des Verbandes, ist in der Regel die Unwirksamkeit satzungsrechtlichen Trennung von T- und OT-Mitgliedern. Dies führt zu einer Tarifbindung des betreffenden Mitglieds. Sie beginnt mit dem erstmaligen Eintritt oder endet nicht, wenn von der T-Mitgliedschaft in die OTMitgliedschaft gewechselt wird. Darauf hat das BAG – zumindest im Rahmen des Wechsels von einer T-Mitgliedschaft zu einer OT-Mitgliedschaft – schon in früheren Entscheidungen hingewiesen 39. Auch das OT-Mitglied ist dann im Rahmen seiner weiterhin bestehenden Tarifbindung über § 3 Abs. 1 TVG an künftige Entwicklungen gebunden. Der Versuch, durch einen Wechsel von einer T-Mitgliedschaft in eine OT-Mitgliedschaft ein Einfrieren der Arbeitsbedingungen herbeizuführen, kann damit nicht gelingen. Nach h. M. tritt im Falle eines solchen Wechsels eine Nachbindung analog § 3 Abs. 3, § 4 Abs. 5 TVG ein. Davon geht auch das BAG in seinem Urteil vom 21.1.2015 40 aus. Es reiht sich daher in eine Serie höchstrichterlicher Entscheidungen ein, die die Anforderungen an eine wirksame Trennung der Mitgliedschaften in einer Satzung präzisieren.

37 38 39 40

BAG v. 19.6.2012 – 1 AZR 775/10, NZA 2012, 1372 Rz. 16. BAG v. 22.4.2009 – 4 AZR 111/08, NZA 2010, 105 Rz. 29. Vgl. nur BAG v. 22.4.2009 – 4 AZR 111/08, NZA 2010, 105 Rz. 49. 4 AZR 797/13 n. v. (Rz. 56).

572

Strengere Anforderungen an die Ausgestaltung der Verbandssatzung

c)

Die Entscheidung vom 21.1.2015

Ausgangspunkt der Entscheidung vom 21.1.2015 41 war eine streitige Jahressonderzahlung nach den Regelungen des Bundesmanteltarifvertrages für die Entsorgungswirtschaft (BMTV). Die Beklagte war Mitglied des Verbandes, der den BMTV abgeschlossen hatte. Die diesem Verband zugrundeliegende Satzung eröffnete den Mitgliedern aber die Möglichkeit einer Mitgliedschaft in einem (tarifgebundenen) Arbeitgeberverband (T-Mitgliedschaft) und/oder in einem tariflosen Wirtschaftsverband (OT-Mitgliedschaft). Die Beklagte erklärte im Jahr 2002 ihren Austritt aus dem Arbeitgeberverband, wollte jedoch Mitglied des Wirtschaftsverbandes bleiben. Vor diesem Hintergrund ist auf der Grundlage der hierzu in der Satzung getroffenen Regelungen ein Wechsel von einer T-Mitgliedschaft in eine OT-Mitgliedschaft erfolgt. Nach diesem Wechsel gewährte die Beklagte dem Kläger freiwillige Jahressonderzahlungen, auch im Jahr 2011. Der Kläger begehrte jedoch die tarifliche Jahressonderzahlung. Denn der Wechsel und der damit verbundene Austritt aus dem tarifgebundenen Arbeitgeberverband sei unwirksam, weil die zum Zeitpunkt der Erklärung geltende Satzung keine strikte Trennung zwischen einer T-Mitgliedschaft und einer OT-Mitgliedschaft vorgesehen, durch die sichergestellt worden sei, dass OT-Mitglieder keinerlei Einfluss auf tarifpolitische Entscheidungen nehmen konnten. Nachdem die beiden ersten Instanzen die Zahlungsklage abgewiesen hatten 42, sprach das BAG dem Kläger die Jahressonderzahlung auf der Grundlage der jeweils gültigen BMTV mit der Begründung zu, die Beklagte unterliege auch nach dem vermeintlichen Wechsel in die OT-Mitgliedschaft aufgrund ihrer Tarifgebundenheit der Geltung des BMTV. Ihre Erklärung aus dem Jahr 2002 habe nicht zur Beendigung ihrer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband geführt. Das Gericht begründet diese Auffassung damit, dass die Satzung im Ergebnis nicht die „erforderliche Klarheit und Eindeutigkeit der Trennung“ zwischen einer OT-Mitgliedschaft und einer T-Mitgliedschaft vorsehe. Hierfür schlössen die Bestimmungen eine Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen nicht hinreichend aus. Das Gericht bemängelte insbesondere die Regelung zu einer Großen und Kleinen Tarifkommission, den Gremien, welche die tarifpolitischen Aufgaben des Verbandes wahrnehmen sollten. Die Satzung führte hierzu aus: 41 4 AZR 797/13 n. v. 42 ArbG Chemnitz v. 25.9.2012 – 4 Ca 534/12 n. v.; LAG Sachsen v. 6.8.2013 – 7 Sa 666/12 n. v.

573

Tarifrecht

(1) Für die Wahrnehmung der Aufgaben des Arbeitgeberverbandes bildet der Bundesverband eine Kleine und eine Große Tarifkommission, deren Mitglieder sich ausschließlich aus den Mitgliedern des Arbeitgeberverbandes zusammensetzten. Der Vorstand legt in einer Geschäftsordnung für die Große und Kleine Tarifkommission die Aufgabenbereiche sowie die Größe und Zusammensetzung der Kommission fest. (2) Die Kleine Tarifkommission wird von einem Vorsitzenden geführt, der vom Vorstand berufen wird. (3) Die Große Tarifkommission wird vom Präsidenten geführt.

Nach diesen Regelungen der Satzung konnte der Vorstand die Mitglieder der Tarifkommission auswählen. Dabei sah die Satzung keine Beschränkung der Zusammensetzung des Vorstandes selbst auf tarifgebundene Mitglieder vor. Hiervon ausgehend war es denkbar, dass im Vorstand OT-Mitglieder vertreten waren, die durch ihre Beschlussfassung unmittelbar auf die Zusammensetzung der Tarifkommissionen Einfluss nehmen konnten. Für die betriebliche Praxis ist zu beachten, dass, sieht die Satzung eines Verbandes die Besetzung von tarifpolitischen Gremien durch ein anderes Vereinsorgan vor, unbedingt sicherzustellen ist, dass die OT-Mitglieder dieses Organs von der Besetzung dieses Vereinsorgans oder von der Auswahlentscheidung durch dieses Vereinsorgan ausgeschlossen sind. Darüber hinaus sah die Satzung des Verbands keine Beschränkung der Mitgliederrechte beim Erlass einer Geschäftsordnung für die Tarifkommission vor. Nach Auffassung des BAG hatte auch dieser Umstand zur Folge, dass die strikte Trennung zwischen den Mitgliedschaften nicht gegeben war. Im Gegenteil: Die mögliche Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen des Verbandes war durch Regelungen dieser Art nicht wirksam unterbunden. Dabei war es aus Sicht des BAG unerheblich, ob eine Einflussnahme tatsächlich stattfinde oder nur theoretisch möglich erscheine. Als unzulässig wertete das BAG darüber hinaus die Reglung zur Führung der Großen Tarifkommission. Diese lag beim Präsidenten des Verbandes. Da die Satzung keine Regelung enthielt, dass der Präsident ein Vertreter eines nicht tarifgebundenen Unternehmens war, hatte auch dies keine ausreichende Trennung zwischen T- und OT-Mitgliedern zur Folge. Dies galt im zu entscheidenden Fall umso mehr, als dass die streitgegenständliche Satzung zum einen keine ausdrückliche Vertretungsregelung enthielt und zum anderen vorschrieb, dass die Wahlämter höchstpersönlich wahrzunehmen waren.

574

Strengere Anforderungen an die Ausgestaltung der Verbandssatzung

Bei der Umsetzung der vorstehenden Vorgaben ist in der betrieblichen Praxis darauf zu achten, dass sich die Trennung der Mitgliedschaften zwingend aus der Satzung selbst ergeben muss. Dabei kommt es weder darauf an, wie die Satzung gelebt wird noch wie Geschäftsordnungen die Regelungen konkretisieren. „Unterrangiges Vereinsrecht“, beispielsweise die Geschäftsordnung, ist nach Auffassung des BAG ohnehin unerheblich. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Satzung durch das demokratisch legitimierte Organ des Verbands – der Mitgliederversammlung – beschlossen werde. Die Geschäftsordnung werde demgegenüber regelmäßig von den Gremien selbst aufgestellt und auch wieder verändert.

d)

Weitere Entscheidungen

In weiteren Entscheidungen hat das BAG festgelegt, dass • OT-Mitglieder nicht in Tarifkommissionen entsandt werden dürfen, • von der außenpolitischen Vertretung des Verbandes ausgeschlossen sein müssen und • nicht in Aufsichtsorganen mitwirken dürfen, die Streikfonds verwalten 43.

Mit Blick auf eine wirksame Trennung der Mitgliedschaften ist es unproblematisch, wenn Beiträge durch OT-Mitglieder erbracht werden. Auch müsse vorgesehen werden, dass ein Wechsel von einer TMitgliedschaft zu einer OT-Mitgliedschaft zu einem Verlust aller entsprechenden Ämter führe. Der Verlust der Ämter mit Einfluss auf tarifpolitische Entscheidungen bei einem Wechsel von einer T-Mitgliedschaft zu einer OT-Mitgliedschaft muss sich zumindest im Wege der Auslegung der Satzung ergeben 44. Weiter ist OT-Mitgliedern kein Stimmrecht bei Abstimmungen über die Festlegung von tarifpolitischen Zielen und/oder der Annahme von Tarifverhandlungsergebnissen zu gewähren 45. Ein bloß beratender Einfluss der OT-Mitglieder auf die Tarifpolitik ist im Hinblick auf eine wirksame Trennung der Mitgliedschaften unproblematisch. 43 BAG v. 4.6.2008 - 4 AZR 419/07, BB 2009, 392; BAG v. 22.4.2009 – 4 AZR 111/08, NZA 2010, 105 Rz. 29. 44 BAG v. 19.6.2012 – 1 AZR 775/10, NZA 2012, 1372 Rz. 17. 45 BAG v. 20.5.2009 – 4 AZR 179/08, NZA 2010, 102 Rz. 22 ff.

575

Tarifrecht

Mit einem Urteil vom 22.4.2009 46 äußerte das BAG darüber hinaus erhebliche Bedenken hinsichtlich der Satzung eines Arbeitgeberverbandes, die ein sog. Fachgruppenmodell vorsah. Danach war die Mitgliedschaft in dem Verband nicht mit einer Tarifbindung verbunden. Hierfür bedurfte es einer zusätzlichen Mitgliedschaft in einer Fachgruppe des Verbandes. Kritisch sah das Gericht, • dass die Existenz und teilweise die Organisation der Arbeit dieser Fachgruppe in den Händen der Verbandsmitglieder insgesamt lag. So konnte diese durch die nicht auf T-Mitglieder beschränkte Mitgliederversammlung aufgelöst werden, • dass über einen Ausschluss aus dem Verband – und damit auch aus der Fachgruppe – letztendlich ebenfalls die Mitgliederversammlung entscheiden sollte, • dass die Führung der laufenden Geschäfte einer Fachgruppe durch den, allein dem Vorstand unterliegenden Verbandsgeschäftsführer, erfolgen sollte, der jedoch nicht zwingend ein Unternehmen mit TMitgliedschaft repräsentiert.

Diese Überlegungen dürften sich im Wesentlichen auch auf das Stufenmodell übertragen lassen.

e)

Zusammenfassung

Das Urteil stellt letztlich eine Fortführung der bisherigen Rechtsprechung dar. Allerdings werden die Anforderungen an die Trennung von T- und OTMitgliedschaft noch einmal verstärkt. Eine Reihe von Satzungen bestehender Arbeitgeberverbände dürfte diesen Anforderungen nicht genügen. Für die OT-Mitglieder dieser Verbände besteht daher die Gefahr, einer Tarifgebundenheit zu unterfallen. Es ist zu empfehlen, alle Satzungen einer kritischen Prüfung zu unterziehen und gegebenenfalls anzupassen. Dabei sind zwei mögliche Vorgehensweisen denkbar. Zunächst kann eine allgemeine, jede Einzelkonstellation abdeckende Formulierung für die Trennung der Mitgliedschaften gewählt werden. Eine Möglichkeit, die das BAG in seiner Entscheidung vom 21.1.2015 47 ausdrücklich eröffnet. Dies birgt jedoch die Gefahr, sich mit anderen Regelungen der Satzung in Widerspruch zu setzen.

46 4 AZR 111/08, NZA 2010, 105 Rz. 31 ff. 47 4 AZR 797/13 n. v. (Rz. 18).

576

Strengere Anforderungen an die Ausgestaltung der Verbandssatzung

Alternativ können die jeweiligen Regelungen angepasst werden. Dies betrifft vor allem diejenigen Vorschriften der Satzung, die sich mit der Zusammensetzung der einzelnen Gremien und der Führung von Tarifkommissionen auseinandersetzen. Insbesondere mit Blick auf den Wunsch höchstpersönlicher Ämterwahrnehmung sind Vertretungsregelungen aufzunehmen, die für diejenigen Fälle eine Vertretung vorsehen, in denen das betreffende Amt von einem Repräsentant eines OT-Mitglieds ausgeübt wird und Aufgaben mit Tarifbezug wahrgenommen werden sollen. Regelungen über Organe, die üblicherweise mit Personal- und/oder Führungsfunktionen ausgestattet sind (z. B. Vorstand, Präsident) sind so auszugestalten, dass eine Einflussnahme der vertretenen OT-Mitglieder auf die Tarifpolitik – sei es auch nur über eine Besetzung oder Auflösung tarifpolitischer Gremien – ausgeschlossen ist. (Je/Mü)

577

H. Betriebsverfassung und Mitbestimmung 1.

Einbindung ausländischer Tochtergesellschaften in die deutsche Unternehmensmitbestimmung

a)

Gesetzliche Ausgangssituation

Gemäß § 1 Abs. 1 DrittelbG haben Arbeitnehmer in Unternehmen, die in einer der dort genannten Rechtsform betrieben werden, ein Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat nach Maßgabe dieses Gesetzes, wenn in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Nur in Aktiengesellschaften, die vor dem 10.8.1994 eingetragen wurden und keine Familiengesellschaft sind, kann auch bei einer geringeren Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer eine entsprechende Form der Mitbestimmung verlangt werden. Sie ist in allen Fällen dadurch gekennzeichnet, dass der Aufsichtsrat zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern bestehen muss (§ 4 Abs. 1 DrittelbG). In vergleichbarer Weise bestimmt § 1 Abs. 1 MitbestG, dass die Arbeitnehmer in Unternehmen, die 1. in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer Genossenschaft betrieben werden, und 2. in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen

ein Mitbestimmungsrecht nach Maßgabe dieses Gesetzes haben. Im Gegensatz zur Drittelbeteiligung ist die paritätische Mitbestimmung dadurch geprägt, dass der Aufsichtsrat des Unternehmens jeweils zur Hälfte aus Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer besteht (§ 7 Abs. 1 MitbestG). Unter den Arbeitnehmervertretern sind jeweils auch Vertreter der Gewerkschaften einzubinden (§ 7 Abs. 2 MitbestG). Weitergehende Anwendungsfälle ergeben sich aus §§ 4, 5 MitbestG. Bislang entsprach es der ganz herrschenden Meinung, dass bei der Feststellung des Erreichens der Schwellenwerte für eine Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat nur die in Deutschland gelegenen Betriebe des jeweils in Rede stehenden Unternehmens und der von ihm beherrschten Tochter- und Enkelgesellschaften zu berücksichtigen sind. Dabei gab es keinen Unter-

579

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

schied zwischen MitbestGz 1 und DrittelbG 2. Konsequenz dieser auf das Territorialitätsprinzip abstellenden Betrachtungsweise war bislang auch, dass die im Ausland dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmer weder ein aktives noch ein passives Wahlrecht besitzen 3. Divergierende Entscheidungen des OLG Zweibrücken vom 20.2.2014 4, des LG Frankfurt am Main vom 16.2.2015 5 und des LG Berlin vom 1.6.20156 machen indes deutlich, dass die bereits in der Literatur seit einigen Jahren geführte Diskussion über die Einbeziehung ausländischer Tochtergesellschaften 7 jedenfalls dahingehend Früchte getragen hat, dass wohl in Kürze eine höchstrichterliche Klarstellung erfolgen wird. Denkbar ist sogar, dass die damit befassten Gerichte den EuGH um Vorabentscheidung ersuchen.

b)

Argumente für eine Einbeziehung der ausländischen Tochtergesellschaften

In Übereinstimmung mit dem OLG Zweibrücken ist das LG Frankfurt am Main in seinem Urteil zur Deutsche Wertpapierbörse AG vom 16.2.2015 8 zu dem Ergebnis gekommen, dass auch die ausländischen Tochtergesellschaften bei der Feststellung des für die Unternehmensmitbestimmung maßgeblichen Schwellenwerts der im Konzern in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer zu berücksichtigen seien. Dies hatte in dem hier in Rede stehenden Fall zur Folge, dass bei der Deutsche Wertpapierbörse AG ein paritätisch besetzter Aufsichtsrat nach Maßgabe des Mitbestimmungsgesetzes zu bilden war. Die aktuelle Besetzung, die mit Blick auf die 1.624 in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer noch von einer Drittelbeteiligung ausgegangen war, ist durch das LG Frankfurt am Main insoweit als eine fehlerhafte Zusammensetzung qualifiziert worden.

1 2 3 4 5 6 7

8

Vgl. ErfK/Oetker, MitbestG § 1 Rz. 7; GK-MitbestG/Matthes § 3 Rz. 18 ff.; WWKK/Koberski § 3 Rz. 32. Vgl. ErfK/Oetker, DittelbG § 1 RZ. 3; UHH/Habersack Rz. 5. Vgl. UHH/Habersack Rz. 11, WWKK/Kleinsorge § 22; ErfK/Oetker, MitbestG § 18 Rz. 3. 3 W 150/13, NZG 2014, 740 ff. 3 16 O 1/14, ZIPO 2015, 634 ff. 102 O 65/14, AktG, DB 2015, 1588 ff. Vgl. nur ErfK/Oetker, MitbestG, Einleitung Rz. 6; Krause, AG 20121, 485 ff.; Rieble/Latzel, EuZA 2001, 145 ff.; Teichmann, Beilage zu ZIP 48/2009, 10 ff.; Hellwig/Behme, AG 2011, 740 ff.; Duden, ZHR 141 (1977), 145 ff.; Ebenroth/Sura, ZHR 144 (1980), 610 ff.; Däubler, RabelsZ 1975, 444 ff.; Fischer, NZG 2014, 737 ff. 3 16 O 1/14, ZIP 2015, 634 Rz. 15 f.

580

Einbindung ausländischer Tochtergesellschaften

In der Begründung seiner Entscheidung verweist das LG Frankfurt am Main zunächst einmal darauf, dass der Wortlaut des MitbestG ebenso wie das DrittelbG an keiner Stelle die im Ausland Beschäftigten von der Mitbestimmung ausnehme 9. Auch enthielten weder das MitbestG noch das DrittelbG eine diesbezügliche Regelung, sondern verwiesen hinsichtlich der zu berücksichtigenden Arbeitnehmer auf die Regelung über den Konzern in § 18 Abs. 1 AktG (§§ 5 Abs. 1 MitbestG, 2 DrittelbG). Dass bei der Kennzeichnung des Konzerns i. S. d. Aktienrechts auch ausländische Unternehmen berücksichtigt werden könnten, stehe außer Frage. Denn es sei allein maßgeblich, ob insoweit ein Abhängigkeitsverhältnis zum herrschenden Unternehmen i. S. d. § 17 Abs. 1 AktG bestehe 10. Unabhängig davon sei in der Ausgrenzung der in der Europäischen Union gelegenen Tochterunternehmen ein Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV) zu sehen, das letztlich zu Wettbewerbsverzerrungen führe, wenn die Unternehmensmitbestimmung nicht im grenzüberschreitend tätigen Konzern gelten würde 11.

c)

Argumente für eine Ausgrenzung der ausländischen Tochtergesellschaften

Das LG Berlin hat in seinem Beschluss vom 1.6.2015 12 eine solche Ausweitung zunächst einmal abgelehnt. Betroffen von diesem Verfahren war die TUI AG, bei der nur etwa 10.100 Arbeitnehmer der insgesamt 77.309 Arbeitnehmer (Stand: Ende September 2014) in Deutschland beschäftigt sind. Im EU-Ausland sind insgesamt knapp 40.000 Arbeitnehmer beschäftigt, von denen der größte Teil in Großbritannien tätig ist. Auch in diesem Fall hatte der Antragsteller, der erst seit Mitte 2014 Aktionär der TUI AG geworden war, ein Statusverfahren mit dem Ziel eingeleitet, festzustellen, dass der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin nicht nach den für ihn maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt und gemäß § 96 Abs. 1 Variante 6 AktG nur aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre (Anteilseignervertretern) zusammenzusetzen ist. Das LG Berlin ist den Argumenten des Antragstellers nicht gefolgt und hat festgestellt, dass die aktuelle (paritätische) Besetzung des Aufsichtsrats mit Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern den gesetzlichen Vorschriften 9 Ebenso OLG Zweibrücken v. 20.2.2014 – 3 W 150/13, NZG 2014, 740 ff. 10 LG Frankfurt am Main v. 16.2.2015 – 3 16 O 1/14, ZIP 2015, 634 Rz. 15. 11 LG Frankfurt am Main v. 16.2.2015 – 3 16 O 1/14, ZIP 2015, 634 Rz. 15; Däubler, RabelZ 1975, 444, 450 f. 12 102 O 65/14 AktG, DB 2015, 1588 ff.

581

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

entsprach. In der Begründung seiner Entscheidung hat das LG Berlin nicht nur eine unmittelbare, sondern auch eine mittelbare Diskriminierung der Arbeitnehmer von dem in Ausland ansässigen Konzernunternehmen einer deutschen Obergesellschaft abgelehnt. Zunächst einmal gehöre der Bereich der unternehmerischen Mitbestimmung nicht zu den europarechtlich harmonisierten Rechtsgebieten. Insofern sei grundsätzlich hinzunehmen, dass die nationalen Rechte der EU-Staaten ein unterschiedliches Niveau der unternehmerischen Mitbestimmung aufwiesen, ohne dass es aus europarechtlicher Sicht einen verbindlichen Mindeststandard geben müsste, der sämtlichen Arbeitnehmern der Union zu gewähren wäre 13. Schon deshalb könne das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV die Mitgliedsstaaten nicht dazu zwingen, außerhalb ihrer eigenen Regelungskompetenz für eine Gleichbehandlung der Bürger anderer EU-Staaten Sorge zu tragen. Losgelöst davon lehnt es das LG Berlin ab, dass der hier in Rede stehenden Ungleichbehandlung gleiche oder vergleichbare Sachverhalte in Rede stehen. Die deutsche Konzernmuttergesellschaft als Obergesellschaft auch ausländischer Unternehmen bilde keine hinreichende „Klammer“, um den inländischen Wahlen zu den Arbeitnehmervertretern in deren Aufsichtsrat eine grenzüberschreitende Qualität zu verleihen, die zu unmittelbaren Anwendbarkeit des europäischen Primärrechts führen könnte. Allein wegen der Beherrschung durch eine deutsche Gesellschaft könnten ausländische Unternehmen und deren Belegschaft nicht ohne Weiteres dem deutschen Mitbestimmungsstatut unterfallen. Dagegen spreche bereits, dass für nach ausländischem Recht begründete Gesellschaften, die in ihrem Heimatland auch ihren Sitz hätten, in sämtlichen anderen Rechtsbeziehungen ihr Heimatrecht gelte. Schließlich seien auch die Arbeitnehmer dieser Gesellschaften regelmäßig bei diesen selbst angestellt, sodass sich eine Vergröberung dahingehend verbiete, sie seien bei demselben Konzern beschäftigt, wie die in Deutschland tätigen Arbeitnehmer 14. Soweit die Gegenauffassung darauf verwiesen hätte, dass die fehlende Vertretung der ausländischen Arbeitnehmer im Aufsichtsrat der deutschen Konzernobergesellschaft zu einer Benachteiligung führe, hat das LG Berlin auch dies abgelehnt. Zum einen hat es dabei darauf verwiesen, dass die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nicht dem Schutz konkreter Belegschaftsinteressen verpflichtet seien, sondern – ebenso wie die Anteilseignervertreter –

13 LG Berlin v. 1.6.2015 – 102 O 65/14 AktG, DB 2015, 1588 Rz. 64; LG Landau v. 18.9.2013 – HKO 27/13, NZG 2014, 229. 14 A. A. Wanzleben, NZG 2014, 213, 214.

582

Einbindung ausländischer Tochtergesellschaften

dem allgemeinen Unternehmenswohl 15. Zum anderen sei bereits rein empirisch nicht erwiesen, dass es bei Strukturveränderungen in supranationalen deutschen Unternehmen regelmäßig zu einer Bevorzugung der inländischen Standorte komme, auch wenn dies etwa aus ökonomischen Gründen nicht sinnvoll sei 16. Auch eine Verletzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, wie sie durch Art. 45 AEUV geschützt wird, lehnt das LG Berlin ab. Zwar könne eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit vorliegen, wenn gesetzliche Vorgaben geschaffen würden, die Wegzugshindernisse für Arbeitnehmer begründeten. Der Verlust des Wahlrechts für den Fall, dass ein Arbeitnehmer ins Ausland zöge, sei aber – so das LG Berlin – kein „ernsthaftes Hindernis“ für inländische Arbeitnehmer, von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch zu machen. Schon wegen der Geringfügigkeit dieser Auswirkungen könne deshalb von keinem Eingriff in Art. 45 AEUV gesprochen werden 17. Abschließend weist das LG Berlin darauf hin, dass die Einbeziehung der in ausländischen Tochtergesellschaften beschäftigen Arbeitnehmer als Rechtsfolge zwar im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung und Anwendung der in §§ 1 MitbestG, 1 DrittelbG enthaltenen Vorgaben zur Kennzeichnung der Schwellenwerte möglich wäre. Zu diesem Ergebnis waren auch das OLG Zweibrücken und das LG Frankfurt am Main gekommen. Aus Sicht des LG Berlin dürfte es allerdings in unzulässiger Weise in die Rechtsetzungsbefugnisse anderer EU-Staaten eingreifen, wenn der deutsche Gesetzgeber den dort beschäftigten Arbeitnehmern ein aktives und passives Wahlrecht in den Aufsichtsrat der deutschen Konzernobergesellschaft einschließlich der damit auch zum Nachteil der ausländischen Tochtergesellschaften verbundenen Befugnisse als Aufsichtsratsmitglieder zugestehen würde.

d)

Vorlagebeschluss des Kammergerichts Berlin

Das Kammergericht Berlin ist diesen überzeugenden Feststellungen nicht gefolgt, sondern hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV die Frage vorgelegt, ob es mit Art. 18 AEUV und Art. 45 AEUV vereinbar sei, dass ein Mitgliedstaat das aktive und passive Wahlrecht für die Vertreter der Arbeitnehmer in das Aufsichtsorgan eines Unternehmens nur solchen Arbeitnehmern einräume, 15 Ebenso Hellweg/Behme, AG 2011, 740, 744. 16 LG Berlin v. 1.6.2015 – 102 O 65/14 AktG, DB 2015, 1588 Rz. 68. 17 LG Berlin v. 1.6.2015 – 102 O 65/14 AktG, DB 2015, 1588 Rz. 32 ff.; Krause, AG 2012, 485, 489.

583

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

die in Betrieben des Unternehmens oder in Konzernunternehmen im Inland beschäftigt seien. Erkennbar will das KG zu einer Einbeziehung der in den ausländischen Tochtergesellschaften beschäftigten Arbeitnehmer kommen. Es wäre zu wünschen, wenn der EuGH diese Auseinandersetzung über die Einbeziehung ausländischer Tochtergesellschaften möglichst bald beendet. Denn sie hat erhebliche Konsequenzen für die in Deutschland gelegenen Obergesellschaften, sofern diese durch die Einbeziehung der im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer plötzlich in den Anwendungsbereich des DrittelbG oder des MitbestG fallen würden. Eine veränderte Sichtweise hätte auch erheblich Konsequenzen für die Umwandlung solcher Gesellschaften in eine Europäische Aktiengesellschaft (SE) oder eine Europäische Genossenschaft (SCE), weil auch hier nicht das gelebte Mitbestimmungsstatut, sondern das nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben zutreffende Mitbestimmungsstatut maßgeblich für den Gestaltungsspielraum in der Beteiligungsvereinbarung ist 18. Insgesamt sind die Argumente gegen eine Einbeziehung der Arbeitnehmer ausländischer Tochtergesellschaften deutlich überzeugender. Dies folgt nicht nur aus den allgemeinen Überlegungen zum Territorialitätsprinzip und der daraus folgenden Grenze einer deutschen Rechtssetzung für die nach ausländischem Statut errichteten Tochtergesellschaften. Die Ausgrenzung der in ausländischen Tochtergesellschaften beschäftigten Arbeitnehmer folgt auch aus dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelungen. Denn bei der Auslegung des Begriffs der Arbeitnehmer i. S. d. §§ 1 MitbestG, 1 DrittelbG sind die Begriffsbestimmungen in §§ 3 MitbestG, 3 DrittelbG zugrunde zu legen. Dort wird nicht nur für den Arbeitnehmerbegriff auf § 5 BetrVG verwiesen. Entscheidend ist, dass auch in der Unternehmensmitbestimmung nur die Betriebe des BetrVG erfasst werden (§§ 3 Abs. 2 MitbestG, 3 Abs. 2 DrittelbG). Solche Betriebe kann es nur in Deutschland geben, weil das BetrVG in einem im Ausland belegenen Betrieb keine Anwendung findet. Nur dort, wo im Ausland tätige Arbeitnehmer einem inländischen Betrieb angehören (Betriebszugehörigkeit), kann für einzelne Arbeitnehmer eine Zuständigkeit des im Inland gebildeten Betriebsrats und ein aktives und passives Wahlrecht gegeben sein 19. (Ga)

18 Vgl. B. Gaul/Ludwig/Forst, Europäische Mitbestimmung § 3 Rz. 19 ff, § 5 Rz. 58 ff. 19 Vgl. HWK/B. Gaul, Vorb. BetrVG Rz. 5.

584

Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern

2.

Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern nach dem Mitbestimmungsgesetz bei der Festlegung der Art der Aufsichtsratswahl

Grundsätzlich werden die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer eines Unternehmens mit in der Regel nicht mehr als 8.000 Arbeitnehmern in unmittelbarer Wahl gewählt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die Wahl durch Delegierte beschließen (§ 9 Abs. 2 MitbestG). Umgekehrt gilt: Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer eines Unternehmens mit in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmern werden durch Delegierte gewählt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die unmittelbare Wahl beschließen. In Übereinstimmung mit der Diskussion zu §§ 1 DrittelbG, 1 MitbestG war bislang auch in Bezug auf § 9 MitbestG umstritten, ob und inwieweit Leiharbeitnehmer bei der insoweit erforderlichen Feststellung für die grundsätzlich maßgebliche Art der Aufsichtsratswahl zur berücksichtigen sind. Wir hatten über diese Diskussion vor allem mit Blick auf die Schwellenwerte für die Anwendbarkeit der Drittelbeteiligung bzw. der paritätischen Mitbestimmung in §§ 1 DrittelbG, 1 MitbestG in der Vergangenheit bereits mehrfach berichtet 20. Hierzu liegt eine höchstrichterliche Klarstellung bislang nicht vor. Allerdings hatte das OLG Hamburg durch Beschluss vom 31.1.2014 21 in überzeugender Weise eine Einbeziehung von Leiharbeitnehmern in die Berechnung der Schwellenwerte nach § 1 MitbestG abgelehnt. In seinem Beschluss vom 4.11.2015 22 hat der 7. Senat des BAG jetzt in Bezug auf § 9 Abs. 1 MitbestG eine hiervon abweichende Ansicht vertreten. Nach seiner Auffassung sind wahlberechtigte Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen für den Schwellenwert von in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmern mitzuzählen, ab dessen Erreichen die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem MitbestG grundsätzlich nicht mehr als unmittelbare Wahl, sondern als Delegiertenwahl durchgeführt werden muss. In der derzeit erst als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung rechtfertigt der 7. Senat des BAG diese Auffassung mit seiner geänderten Rechtsprechung zur Einbeziehung von Leiharbeitnehmern in die Schwellenwerte des BetrVG. Das MitbestG – so das BAG – definiere den Begriff „Arbeitnehmer“ nicht selbst, sondern verweise in § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 MitbestG auf 20 B. Gaul, AktuellAR 2013, 583 ff.; 2014, 206 f. 21 11 W 89/13, ZIP 2014, 680 ff. 22 7 ABR 42/13 n. v.

585

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

den betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff des § 5 Abs. 1 BetrVG. Dieser wiederum grenze die Leiharbeitnehmer bei den betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten nicht grundsätzlich aus. Vielmehr müsse unter Berücksichtigung einer normzweckorientierten Auslegung des jeweiligen Schwellenwertes festgestellt werden, ob Leiharbeitnehmer als Arbeitnehmer auch des Entleiherbetriebs zu berücksichtigen seien. Hiervon ausgehend hält es der 7. Senat des BAG für geboten, jedenfalls solche Leiharbeitnehmer im Rahmen von § 9 Abs. 1, 2 MitbestG einzubeziehen, die beim Entleiher auf Stammarbeitsplätzen beschäftigt sind. In dem zugrunde liegenden Fall war es damit richtig, dass der Hauptwahlvorstand bei der Vorbereitung der Aufsichtsratswahlen nach der Einbeziehung von 444 Leiharbeitnehmern, die auf Stammarbeitsplätzen eingesetzt wurden, von der Erforderlichkeit einer Delegiertenwahl ausgegangen war. Ob und inwieweit diese Bewertung auch auf die Schwellenwerte in §§ 1 DrittelbG, 1 MitbestG zu übertragen ist, lässt das BAG im Beschluss vom 4.11.2015 23 ganz bewusst offen. Insofern ist es theoretisch durchaus denkbar, dass hier auf der Grundlage einer am Zweck dieser Schwellenwerte ausgerichteten Auslegung die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern abgelehnt wird. Die Gefahr, dass sich die überzeugenden Feststellungen des OLG Hamburg in dem vorgenannten Beschluss bei einer höchstrichterlichen Bewertung nicht durchsetzen werden, ist nach dieser Entscheidung des BAG indes nicht von der Hand zu weisen. Bis zu einer höchstrichterlichen Klarstellung erscheint es allerdings zulässig, bei der Organisation von Aufsichtsratswahlen zunächst einmal keine Einbeziehung von Leiharbeitnehmern vorzusehen. Dies entspricht auch § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG, der zur Arbeitsleistung überlassene Arbeitnehmer nur unter bestimmten Voraussetzungen als Arbeitnehmer i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG behandeln will. (Ga)

3.

Aktuelle Rechtsprechung zum Konzernbetriebsrat

a)

Gesetzliche Ausgangssituation

Gemäß § 54 Abs. 1 BetrVG kann für einen Konzern (§ 18 Abs. 1 AktG) durch Beschlüsse der einzelnen Gesamtbetriebsräte ein Konzernbetriebsrat errichtet werden. Die Errichtung erfordert die Zustimmung der Gesamtbetriebsräte der Konzernunternehmen, in denen insgesamt mehr als 50 % der Arbeitnehmer der Konzernunternehmen beschäftigt sind. Besteht in einem Konzernunternehmen nur ein Betriebsrat, so nimmt dieser die Aufgaben ei-

23 7 ABR 42/13 n. v.

586

Aktuelle Rechtsprechung zum Konzernbetriebsrat

nes Gesamtbetriebsrats nach den Regelungen zum Konzernbetriebsrat wahr (§ 54 Abs. 2 BetrVG). Im Hinblick auf die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats ist – wie beim Gesamtbetriebsrat – zwischen der originären Zuständigkeit und der Zuständigkeit zu unterscheiden, die durch eine Übertragungsentscheidung der an sich zuständigen Betriebsräte bzw. Gesamtbetriebsräte der einzelnen Konzernunternehmen gegründet wird. Im Rahmen der originären Zuständigkeit ist der Konzernbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können; seine Zuständigkeit erstreckt sich insoweit auch auf Unternehmen, die einen Gesamtbetriebsrat nicht gebildet haben, sowie auf Betriebe der Konzernunternehmen ohne Betriebsrat. Es genügt, dass in dem jeweiligen Konzernunternehmen ein einziger Arbeitnehmer oder eine einzige Arbeitnehmerin beschäftigt ist 24. Die übertragene Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats wird gemäß § 58 Abs. 2 BetrVG dadurch begründet, dass der Gesamtbetriebsrat mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder den Konzernbetriebsrat beauftragt, eine Angelegenheit für ihn zu behandeln. Dabei kann sich der Gesamtbetriebsrat die Entscheidungsbefugnis vorbehalten. Sowohl die Übertragung als auch der Widerruf dieser Übertragung bedürfen allerdings zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§§ 27 Abs. 2 S. 3, 4, 58 Abs. 2 S. 3 BetrVG). In der betrieblichen Praxis entstehen nicht nur dann Fragen, wenn bei komplexen Gesellschaftsstrukturen die Bildung eines Konzernbetriebsrats in Rede steht. Hier muss festgestellt werden, ob das dafür erforderliche Beherrschungsverhältnis zwischen den jeweils in Rede stehenden Unternehmen gegeben ist. Im Anschluss an die Bildung eines Konzernbetriebsrats muss sichergestellt sein, dass in den Angelegenheiten, die zur Wahrung eines gesetzlichen Mitbestimmungsrechts mit ihm verhandelt werden sollen, auch die erforderliche Zuständigkeit gegeben ist. Im Hinblick darauf sollen nachfolgend die beiden Beschlüsse des BAG vom 11.2.2015 25 und vom 17.3.2015 26 zusammengefasst werden. Sie enthalten zur Bildung des Konzernbetriebsrats und seiner Zuständigkeit kraft Delegation wichtige Hinweise, die in den hiervon betroffenen Unternehmen nutzbar gemacht werden können.

24 BAG v. 11.2.2015 – 7 ABR 98/12, EzA § 54 BetrVG 2001 Nr. 6 Rz. 20. 25 7 ABR 98/12, EzA § 54 BetrVG 2001 Nr. 6. 26 1 ABR 49/13, NZA 2013, 159 ff.

587

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

b)

Kennzeichnung des herrschenden Unternehmens eines Konzerns

Voraussetzung für die Bildung eines Konzernbetriebsrats ist ein Konzern. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass eines oder mehrere Unternehmen durch eine unmittelbare oder mittelbare Unterordnung dem beherrschenden Einfluss eines anderen Unternehmens – der Konzernobergesellschaft – unterstellt sind. Wie das BAG im Beschluss vom 11.2.2015 27 deutlich macht, bestimmt das BetrVG nicht selbst, wann ein Konzern besteht und welche Unternehmen ihm angehören. § 54 Abs. 1 BetrVG verweise vielmehr auf § 18 Abs. 1 AktG. Insofern gäbe es keinen eigenständigen betriebsverfassungsrechtlichen Konzernbegriff. Vielmehr seien die Regelungen des AktG maßgeblich. Danach könne ein Konzernbetriebsrat nur in einem sogenannten Unterordnungskonzern errichtet werden. Ein solcher Unterordnungskonzern werde nach § 18 Abs. 1 S. 1 AktG durch ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen gebildet, wenn sie unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst seien. Von einem abhängigen Unternehmen werde nach § 18 Abs. 1 S. 3 AktG vermutet, dass es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bilde. Auch für das Vorliegen eines Konzerns i. S. d. § 44 Abs. 1 BetrVG sei daher grundsätzlich der gesellschaftsrechtliche Begriff der Abhängigkeit maßgeblich 28. Die im Hinblick darauf erforderliche Feststellung eines Konzerns wird durch § 17 AktG erleichtert. Nach § 17 Abs. 1 AktG sind abhängige Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss ausüben kann. Ergänzend hierzu trifft § 17 Abs. 2 AktG die Vermutung, dass ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Gehört die Mehrheit der Anteile eines rechtlich selbständigen Unternehmens einem anderen Unternehmen, ist das Unternehmen nach § 16 Abs. 1 AktG ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen. Unerheblich ist dabei, in welcher Rechtsform das herrschende und die abhängigen Unternehmen geführt werden. Der Unternehmerbegriff wird – dies stellt das BAG jetzt noch einmal klar – in §§ 15 ff. AktG rechtsformneutral verwendet 29.

27 7 ABR 98/12, EzA § 54 BetrVG 2001 Nr. 6 Rz. 23 ff. 28 Ebenso bereits BAG v. 9.2.2011 – 7 ABR 11/10, NZA 2011, 866 Rz. 24 f. 29 BAG v. 11.2.2015 – 7 ABR 98/12, EzA § 54 BetrVG 2001 Nr. 6 Rz. 24; BAG v. 9.2.2011 – 7 ABR 11/10, NZA 2011, 866 Rz. 26.

588

Aktuelle Rechtsprechung zum Konzernbetriebsrat

Neben der Abhängigkeit setzt ein Konzernverhältnis nach den weitergehenden Feststellungen des BAG aber die tatsächliche Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf wesentliche Teile der Unternehmenspolitik der abhängigen Unternehmen voraus. Diese beherrschende Einflussnahme werde bei Abhängigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 S. 3 AktG vermutet. Um die Vermutung zu widerlegen, sei der Nachweis erforderlich, dass trotz eines beherrschenden Einflusses keine Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung bestehe. Hierfür müsse für alle wesentlichen Bereiche der Unternehmenspolitik feststehen, dass das herrschende Unternehmen die Mittel, die die Ausübung einheitlicher Leitung ermöglichten, nicht zu diesem Zweck einsetze und dass die Bereiche, in denen die einheitliche Leitung üblicherweise sichtbar werde, ausschließlich und nachhaltig entsprechend dem uneingeschränkten Eigeninteresse des abhängigen Unternehmens gesteuert würden. Grundlage dieser Gesamtbetrachtung könnten insbesondere Satzungsregelungen, Stimmrechtsbeschränkungen oder das Vorliegen eines Entherrschungsvertrags sein. Vereinzelte Einflussnahmen des herrschenden Unternehmens stünden dabei einer Widerlegung der Konzernvermutung nicht entgegen 30. Eine entsprechende Widerlegung dürfte im Zweifel auch dann erfolgen können, wenn erkennbar wird, dass die scheinbar herrschende Gesellschaft ihrerseits von einem anderen Unternehmen abhängig ist. Solche Fälle der mittelbaren Abhängigkeit stehen der Annahme eines Konzerns ebenso wie der Annahme eines mitbestimmungsrechtlichen Konzerns im Konzern entgegen. Von diesen Grundsätzen ausgehend kann eine Konzernbindung ausnahmsweise auch bei einer Beteiligung von weniger als 50 % vorliegen. Voraussetzung ist, dass dann aufgrund weiterer Umstände in verlässlicher Weise davon ausgegangen werden kann, dass eine tatsächliche Einflussnahme i. S. d. § 17 Abs. 1 AktG gegeben ist. Grundlage kann z. B. ein Beherrschungsvertrag (§ 291 AktG) oder eine aktienrechtliche Eingliederung (§ 319 AktG) sein. Voraussetzung ist freilich, dass das herrschende Unternehmen aufgrund solcher Umstände in der Lage ist, in verstetigter Weise alle unternehmensrelevanten Entscheidungen des abhängigen Unternehmens zu steuern. Die Möglichkeit, Teilbereiche des anderen Unternehmens zu beeinflussen, genügt nach den Feststellungen des BAG ebenso wenig, wie die

30 BAG v. 11.2.2015 – 7 ABR 98/12, EzA § 54 BetrVG 2001 Nr. 6 Rz. 25; BAG v. 15.12.2011 – 7 ABR 56/10, NZA 2012, 633 Rz. 52.

589

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Möglichkeit, vorübergehend auftretende Schwierigkeiten des anderen Unternehmens zur Einflussnahme auf dieses zu nutzen 31. Auch ein Gemeinschaftsunternehmen, an dem zwei Unternehmen jeweils mit 50 % der Geschäftsanteile beteiligt sind, kann in einem Konzern stehen, obgleich aufgrund dieser Beteiligungsverhältnisse ein Unternehmen allein jedenfalls aufgrund seiner Beteiligung keinen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Voraussetzung für die Annahme eines Abhängigkeitsverhältnisses, in dem das Gemeinschaftsunternehmen dann zu jedem der beiden Anteilsinhaber steht, ist, dass – so das BAG – für die Ausübung einer gemeinsamen Herrschaft durch die herrschenden Unternehmen eine ausreichend sichere Grundlage besteht. Die Einflussmöglichkeiten der verschiedenen Herrschaftsträger müssten koordiniert sein. Sie könnten sich aus vertraglichen oder organisatorischen Bindungen, aber auch aus rechtlichen und tatsächlichen Umständen sonstiger Art ergeben. Eine gesicherte Herrschaftsgewalt sei auch ohne organisatorisches oder vertragliches Band möglich, wenn sich die herrschenden Unternehmen zu einer gemeinsamen Willensausübung zusammengefunden hätten. Dies sei typischerweise dann anzunehmen, wenn gleichgerichtete Interessen eine gemeinsame Unternehmenspolitik gewährleisteten 32. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der 7. Senat des BAG im Beschluss vom 11.2.2015 33 das Vorliegen eines Konzerns abgelehnt. Der Konzernbetriebsrat sei deshalb unter Verkennung des Konzernbegriffs errichtet worden. In seiner Begründung hat das BAG zunächst einmal darauf verwiesen, dass die vermeintliche Konzernobergesellschaft an dem Unternehmen, das in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen sollte, unmittelbar nicht beteiligt war. Es lagen auch kein Beherrschungsvertrag und keine aktienrechtliche Eingliederung vor. Grundsätzlich hätte eine Abhängigkeit auch dadurch begründet sein können, dass die vermeintliche Konzernobergesellschaft über eine Tochtergesellschaft an dem streitgegenständlichen Unternehmen beteiligt war. Auch eine mittelbare Einflussnahme löst, wenn sie mit einer Steuerung gemäß § 17 Abs. 1 AktG verbunden ist, eine Konzernbindung i. S. d. § 18 Abs. 1 AktG aus. In dem hier in Rede stehenden Fall war allerdings zu berücksichtigen, 31 BAG v. 11.2.2015 – 7 ABR 98/12, EzA § 54 BetrVG 2001 Nr. 6 Rz. 26; BAG v. 9.2.2011 – 7 ABR 11/10, NZA 2011, 866 Rz. 31. 32 BAG v. 11.2.2015 – 7 ABR 98/12, EzA § 54 BetrVG 2001 Nr. 6 Rz. 27; BAG v. 13.10.2004 – 7 ABR 56/03, NZA 2012, 633. 33 7 ABR 98/12, EzA § 54 BetrVG 2001 Nr. 6 Rz. 28 ff.

590

Aktuelle Rechtsprechung zum Konzernbetriebsrat

dass das Tochterunternehmen der vermeintlichen Konzernobergesellschaft nur mit 50 % an dem streitgegenständlichen Unternehmen beteiligt war. Die anderen 50 % des Gemeinschaftsunternehmens wurden durch eine Gesellschaft gehalten, die in keinerlei Verbindung zur vermeintlichen Konzernobergesellschaft oder einem von dieser beherrschten Unternehmen stand. Unter diesen Voraussetzungen konnte von einem Abhängigkeitsverhältnis des streitgegenständlichen Unternehmens zur vermeintlichen Konzernobergesellschaft nur ausgegangen werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte gegeben waren, von einer gemeinsamen und rechtlich verstetigten Einflussnahme der beiden Anteilsinhaber des Gemeinschaftsunternehmens auszugehen. Eine solche beständige, umfassende und gesellschaftsrechtlich vermittelte Einflussnahme war indes nicht dargelegt. Insbesondere bestanden weder Koordinierungsverträge noch Verträge, die eine Stimmbindung begründen konnten. Dass Verträge über Dienstleistungen (Kunden-/Lieferantenbeziehungen) zwischen der streitgegenständlichen Gesellschaft und ihren Anteilsinhabern bestanden, genügte für diese Annahme einer Steuerung aller unternehmensrelevanten Entscheidungen nicht 34. Dass die mittelbare Einflussnahmemöglichkeit durch die Konzernobergesellschaft auch dadurch entkräftet wurde, dass zwischen dieser Gesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft ein Entherrschungsvertrag abgeschlossen worden war, konnte angesichts der weitergehenden Feststellungen zur fehlenden Steuerung im Gemeinschaftsunternehmen zu Recht offen bleiben.

c)

Zuständige Verhandlungspartner nach einer Delegationsentscheidung gemäß § 58 Abs. 2 BetrVG

In dem weiteren vom BAG am 17.3.2015 35 entschiedenen Fall ging es um die rechtlichen Folgen einer Delegation des durch § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG begründeten Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 BetrVG. Antragssteller war der von mehreren Betriebsräten und Gesamtbetriebsräten gebildeten Konzernbetriebsrat eines vom AWO Landesverband S e. V. (AWO Landesverband) geleiteten Konzerns, dem die zu drei bis acht an dem Verfahren beteiligten Arbeitgeberinnen angehörten. Die Betriebsräte und – soweit vorhanden – die Gesamtbetriebsräte hatten den Konzernbetriebsrat mit der Verhandlung einer Betriebsvereinbarung beauftragt, durch die Regelungsvorschläge zum betrieblichen Eingliederungsmanagement umgesetzt werden sollten.

34 BAG v. 11.2.2015 – 7 ABR 98/12, EzA § 54 BetrVG 2001 Nr. 6 Rz. 30 ff. 35 1 ABR 49/13, NZA 2013, 159 ff.

591

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Auch im Rahmen eines deshalb einberufenen Einigungsstellenverfahrens kam es jedoch nicht zu einer Verständigung zwischen dem AWO Landesverband und dem Konzernbetriebsrat. Hintergrund waren unterschiedliche Auffassungen über den Umfang des Mitbestimmungsrechts in Bezug auf den vom Konzernbetriebsrat vorgelegten Regelungsvorschlag. Der Konzernbetriebsrat entschloss sich daraufhin, den Umfang des Mitbestimmungsrechts durch Beschlussverfahren feststellen zu lassen. Er beantragte deshalb, dass jeweils im einzelnen aufgeführte Regelungen im Rahmen einer Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement, abzuschließen zwischen ihm und den von ihm vertretenen Gesamt-/Betriebsräten und den jeweilig zu drittens bis achtens beteiligten Arbeitgeberinnen, der Mitbestimmung unterliegen würden. Dabei ging es z. B. um eine Festlegung der verantwortlichen Personen, die krankheitsbedingte Daten erheben und verarbeiten durften, das Vorgehen bei der ersten Kontaktaufnahme mit dem vom Eingliederungsmanagement betroffenen Mitarbeiter, die Festlegung der Person eines etwaigen Beauftragten für das bEM oder die Grundsätze/betrieblichen Standards einer Durchführung des bEM. Zu dieser detaillierten Antragstellung sah er sich veranlasst, nachdem das BAG mit Beschluss vom 18.8.2009 36 den bloßen Antrag auf Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei der Ausgestaltung des bEM-Verfahrens und den sich hieraus ergebenden Maßnahmen des Gesundheitsschutzes noch als zu unbestimmt abgewiesen hatte. Losgelöst von der Zulässigkeit der insoweit vorgenommenen Antragsstellung hat das BAG den Antrag allerdings als unzulässig abgewiesen, weil das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse des Konzernbetriebsrats nicht gegeben sei. Denn dieser könne sein Interesse an einer Feststellung der streitgegenständlichen Fragen nicht aus der Diskrepanz zwischen dem AWO-Landesverband und ihm im Rahmen der Einigungsstelle rechtfertigen. Vielmehr könne sich ein Streit über dem Umfang des Mitbestimmungsrechts, der dann auch eine gerichtliche Feststellung notwendig mache, nur zwischen dem Konzernbetriebsrat und den nicht am Einigungsstellenverfahren beteiligten konzernangehörigen Arbeitgebern ergeben. Zwischen diesen und dem für die jeweiligen Betriebs- und Gesamtbetriebsräte kraft Delegation handelnden Konzernbetriebsrat hätten aber bisher Verhandlungen über die Ausgestaltung des bEM nicht stattgefunden 37. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Nach § 58 Abs. 2 BetrVG könne – so das BAG – ein Gesamtbetriebsrat oder im Falle des § 54 Abs. 2 BetrVG auch ein Einzelbetriebsrat den Konzernbe-

36 1 ABR 45/08 n. v. (Rz. 17). 37 BAG v. 17.3.2015 – 1 ABR 49/13, NZA 2013, 159 Rz. 15.

592

Aufteilung betriebsverfassungsrechtlicher Zuständigkeiten durch Tarifvertrag

triebsrat beauftragen, eine Angelegenheit für ihn zu behandeln. Das setze nur voraus, dass die fragliche Angelegenheit in den Zuständigkeitsbereich des beauftragenden Gesamt- bzw. Einzelbetriebsrats falle und demzufolge mit dem Arbeitgeber auf Betriebs- oder Unternehmensebene zu regeln sei. Mit der Beauftragung erhalte der Konzernbetriebsrat aber lediglich die Befugnis, anstelle des originär zuständigen Betriebsverfassungsorgans tätig zu werden. Verhandlungspartner auf Seiten des Gesamt- bzw. Betriebsrats sei der jeweils betroffene konzernangehörige Arbeitgeber. Die Delegation des Mitbestimmungs- oder Mitwirkungsrechts auf einen Konzernbetriebsrat bewirke keine Verlagerung der Zuständigkeit auf Arbeitgeberseite 38. Wenn der Konzernbetriebsrat insoweit kraft Delegation tätig wird, ist sein Verhandlungspartner auf Arbeitgeberseite nicht die Konzernobergesellschaft. Verhandlungspartner bleiben die einzelnen Konzernunternehmen, die ohne eine solche Delegation auch für die Gespräche mit den jeweiligen Betriebs- bzw. Gesamtbetriebsräten zuständig gewesen wären. Diese Unterscheidung zwischen der eigentlichen Verhandlungsführung und der rechtlichen Zuständigkeit wird in der betrieblichen Praxis vielfach übersehen. Konsequenzen hat diese Frage aber nicht nur für die Errichtung einer Einigungsstelle, bei der – wie das BAG deutlich gemacht hat – die jeweils zuständigen Konzernunternehmen die Vertreter der Arbeitgeberseite bestimmen müssen. Konsequenzen hat die rechtliche Zuständigkeit auf Arbeitgeberseite auch für die Frage, wer Partei einer Betriebsvereinbarung wird. Denn auch bei einer Delegation nach § 58 Abs. 2 BetrVG sind es die einzelnen Konzernunternehmen, die als Partei im Rubrum der Betriebsvereinbarung zu nennen sind. Denkbar ist, dass dort ergänzend auf die Vertretung durch den Konzernbetriebsrat verwiesen wird. Bedeutung hat dies nämlich nicht nur für den Abschluss, sondern auch für die Zuständigkeit auf Arbeitgeberseite in Bezug auf eine etwaige Änderung oder Beendigung dieser Vereinbarung. Auch hier sind die einzelnen Konzernunternehmen, nicht die Konzernobergesellschaft zuständig. (Ga)

4.

Aufteilung betriebsverfassungsrechtlicher Zuständigkeiten durch Tarifvertrag

§ 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 BetrVG erlauben, von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Arbeitnehmervertretungen zu schaffen. Diese nehmen dann anstelle des nach dem Gesetz gebildeten Betriebsrats, Gesamt- oder Kon38 BAG v. 17.3.2015 – 1 ABR 49/13, NZA 2013, 159 Rz. 16, BAG v. 12.11.2997 – 7 ABR 78/96, NZA 1998, 497.

593

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

zernbetriebsrats die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte wahr. Wie das BAG mit Beschluss vom 18.11.2014 39 deutlich gemacht hat, rechtfertigt dies allerdings nicht, durch Tarifvertrag auch die betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeiten der nach Gesetz oder Tarifvertrag gebildeten Arbeitnehmervertretungen abweichend zu verteilen. In dem zugrunde liegenden Fall waren bei der Postbank zunächst einmal örtliche Betriebsräte gebildet worden. Grundlage hierfür waren die „normalen“ gesetzlichen Vorgaben in §§ 1, 4 BetrVG. Ergänzend hierzu war dann allerdings durch Tarifvertrag vereinbart worden, dass diese Betriebsräte jeweils überörtliche Betriebsrätegemeinschaften bilden. Nach den Feststellungen im Tarifvertrag sollten die den Betriebsräten kraft Gesetzes zustehenden Beteiligungsrechte dann allerdings nur noch durch die Betriebsrätegemeinschaften wahrgenommen werden. Dies sollte sogar für die Rechte gemäß §§ 37, 38, 40 BetrVG gelten. Eine solche Regelung ist unwirksam. Wie das BAG deutlich gemacht hat, ist der in einem Betrieb gemäß §§ 1, 4 BetrVG gebildete Betriebsrat grundsätzlich Repräsentant der Belegschaft, von der er gewählt wurde. Außerhalb der für Gesamt- oder Konzernbetriebsrat bzw. die Sondersituation des Übergangsmandats getroffenen Regelungen ist eine betriebsübergreifende Zuständigkeit von Betriebsräten im Gesetz nicht vorgesehen. Eine entsprechende Erweiterung betriebsübergreifender Einrichtungen, die zu einer Beschränkung der Zuständigkeit örtlicher Betriebsräte führen kann, kann auch durch Tarifvertrag nach § 3 BetrVG nicht getroffen werden. § 3 Abs. 1 BetrVG eröffne – so das BAG – den Tarifvertragsparteien eine vom BetrVG abweichende Ausgestaltung der Repräsentationsstrukturen. Durch Tarifvertrag könnten unter den gesetzlich normierten Voraussetzungen unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Betriebsräte (Nr. 1), Spartenbetriebsräte (Nr. 2) oder andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen (Nr. 3) bestimmt werden. Die vereinbarten Tarifnormen würden auch für die Arbeitnehmer gelten, die nicht Mitglieder der abschließenden Gewerkschaft sind, sodass die durch Tarifvertrag vereinbarten Arbeitnehmervertretungsstrukturen auch für nicht- oder anders organisierte Arbeitnehmer verbindlich sind. Soweit diese Arbeitnehmervertretungsstrukturen an die Stelle der im Gesetz vorgesehenen Betriebsräte treten, muss dann auch auf der Grundlage des Tarifvertrags eine entsprechende Wahl von Vertretern dieser Gremien erfolgen 40.

39 1 ABR 21/13, NZA 2015, 694 Rz. 18 ff. 40 BAG v. 18.11.2014 – 1 ABR 21/13, NZA 2015, 694 Rz. 26 f.

594

Vergütung von Betriebsratsmitgliedern

Dieser Grundsatz rechtfertigt allerdings nicht, den kraft Gesetzes gebildeten Betriebsräten, sofern sie nicht durch Tarifvertrag in Gänze ersetzt werden, gesetzliche Zuständigkeiten in Bezug auf die Wahrnehmung von Beteiligungsrechten zu nehmen. Dies kommt schlussendlich auch in § 3 Abs. 5 S. 2 BetrVG zum Ausdruck, wonach auch auf die Arbeitnehmervertretungen der durch Tarifvertrag bestimmten Einheiten die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats Anwendung finden. Durch diese Regelung sei – so das BAG – klargestellt, dass die Belegschaft in den nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG gebildeten Einheiten von der dort gewählten Arbeitnehmervertretung repräsentiert werde. Deren Zuständigkeit für die von ihr vertretenen Arbeitnehmer könne weder beschränkt noch einer anderen Arbeitnehmervertretung übertragen werden 41. Dieser Grundsatz gilt natürlich auch für den bereits kraft Gesetzes (§ 1, 4 BetrVG) gebildeten Betriebsrat. (Ga)

5.

Berechnung der Entgeltfortzahlung bei einer erfolgsabhängigen Vergütung von Betriebsratsmitgliedern

Gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Hiervon ausgehend ist dem Betriebsratsmitglied bei einer Arbeitsbefreiung zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen, das es verdient hätte, wenn es anstelle der Betriebsratstätigkeit gearbeitet hätte. Das Arbeitsentgelt, zu dem alle Vergütungsbestandteile gehören, ist nach dem Lohnausfallprinzip fortzuzahlen. Dies erfordert – so das BAG – eine hypothetische Betrachtung, welches Arbeitsentgelt das Betriebsratsmitglied ohne die Arbeitsbefreiung verdient hätte. Zur Berechnung der hypothetischen Vergütung sei dabei die Methode zu wählen, die dem Lohnausfallprinzip am ehesten gerecht werde. Dabei seien die Besonderheiten des jeweiligen Vergütungsbestandteils zu berücksichtigen. Handele es sich um schwankende Bezüge, müsse ggf. eine Schätzung nach den Grundsätzen des § 287 Abs. 2 ZPO vorgenommen werden 42.

41 BAG v. 18.11.2014 – 1 ABR 21/13, NZA 2015, 694 Rz. 28. 42 BAG v. 29.4.2015 – 7 AZR 123/13, NZA 2015, 1328 Rz. 13 f.; BAG v. 23.6.2004 – 7 AZR 514/03, NZA 2004, 1287 ff.; BAG v. 5.6.1985 – 5 AZR 459/83, NZA 1986, 290 ff.

595

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Diese Grundsätze gelten auch bei leistungs- oder erfolgsbezogenen Vergütungsbestandteilen. Darauf hat das BAG im Urteil vom 29.4.2015 43 hingewiesen. Hänge die Höhe eines jahresbezogenen Bonus von dem Grad der Erreichung des vereinbarten Umsatzzieles ab, sei der Berechnung der Zielerreichungsgrad zugrunde zu legen, den das Betriebsratsmitglied in diesem Jahr hypothetisch ohne die Arbeitsbefreiung zur Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben erfüllt hätte. § 37 Abs. 4 BetrVG findet insoweit keine Anwendung. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der für die Höhe des Zahlungsanspruchs maßgeblichen Faktoren zu prüfen, welche Auswirkungen die vorübergehende Freistellung von der Pflicht zur Arbeitsleistung nach § 37 Abs. 2 BetrVG gehabt hat. Im Zweifel kommt es dabei nicht allein auf die Reduzierung der Arbeitszeit an, die dem Betriebsratsmitglied außerhalb der Betriebsratstätigkeit für das Erreichen der ihm gesetzten Ziele verblieben ist. Denn typischerweise hängen leistungs- und erfolgsbezogene Vergütungsbestandteile nicht nur von der Arbeitsleistung, sondern auch von sonstigen Faktoren ab. Auch diese sind in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen 44. Hiervon ausgehend hat es das BAG zunächst einmal für berechtigt gehalten, bei der Berechnung einer kalenderjahresbezogenen Sonderleistung den Zielerreichungsgrad zugrunde zu legen, den das Betriebsratsmitglied während der verbliebenen Arbeitszeit tatsächlich erreicht hatte. Dass der Arbeitnehmer ohne die Betriebsratstätigkeit einen höheren Zielerreichungsgrad erreicht hätte, könne zwar unterstellt werden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Zielgrößen (hier: Umsatz) auch von dem Umfang der Arbeitsleistung des Betriebsratsmitglieds abhängig sind. Aus diesem Umstand heraus folgt allerdings nicht automatisch im Wege einer Hochrechnung der denkbare Zielerreichungsgrad, den ein Arbeitnehmer ohne Betriebsratstätigkeit erreicht hätte. Vielmehr müsse der Arbeitgeber zur Vermeidung einer Begünstigung oder Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds berücksichtigen, welche Auswirkungen sonstige Umstände auf den Zielerreichungsgrad gehabt hätten. Dabei könne es beispielsweise um die Kundenstruktur, Vertragslaufzeiten oder Vertragsverhandlungen gehen. Ggf. könnte von den Parteien auch dargelegt werden, welche weiteren Geschäfte das Betriebsratsmitglied im Bezugszeitraum ohne die Betriebsratstätigkeit hätte abschließen können oder ob aufgrund der Gegebenheiten im Verkaufsgebiet keine oder proportional geringere Umsätze zu erwarten gewesen wären. 43 7 AZR 123/13, NZA 2015, 1328 Rz. 15 ff. 44 Vgl. BAG v. 29.4.2015 – 7 AZR 123/13, NZA 2015, 1328 Rz. 17 ff., 20.

596

Kommunikationsbeauftragte des Betriebsrats

Ein Indiz für die hypothetische Zielerreichung des Betriebsratsmitglieds kann sich nach Auffassung des BAG allerdings auch aus einem des vom Kläger in den Jahren vor der Übernahme des Betriebsratsamts durchschnittlich erfüllten Zielerreichungsgrades und des durchschnittlichen Zielerreichungsgrades der Vergleichsgruppe dieser Zeit ergeben. Wenn der Zielerreichungsgrad des Betriebsratsmitglieds in der Vergangenheit höher gewesen war als derjenige der Vergleichsgruppe, könnte dies ein Indiz dafür sein, dass der Kläger im streitgegenständlichen Jahr ohne die Betriebsratstätigkeit auch einen höheren Zielerreichungsgrad als die dann maßgebliche Vergleichsgruppe erreicht hätte. Ebenso sei es möglich, auf weitere Gesichtspunkte abzustellen, die die Einflussnahmemöglichkeiten des Betriebsratsmitglieds auf die jeweilige Zielgröße deutlich machten. So sei es denkbar, nur den Teil des Umsatzes im Hinblick auf die unterbliebene Tätigkeit des Betriebsratsmitglieds zu berücksichtigen, der dem Verhältnis der Personalkosten des Vertriebs zu den Gesamtvertriebskosten entspreche 45. Insgesamt macht die Entscheidung deutlich, dass die Feststellung einer leistungs- oder erfolgsabhängigen Vergütung bei Betriebsratsmitgliedern sehr sorgfältig erfolgen muss. Wichtig ist es, die zugrunde liegenden Überlegungen unter Einbeziehung der den vergleichbaren Arbeitnehmern zugesprochenen Leistungen zu dokumentieren. Dies vermeidet, dass späteren Vorwürfen einer Begünstigung oder Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds nicht wirksam entgegnet werden kann. (Ga)

6.

Kommunikationsbeauftragte des Betriebsrats

In seinem Beschluss vom 29.4.2015 46 musste sich das BAG mit der Frage befassen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Betriebsrat Kommunikationsbeauftragte bestellen kann. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitsgeber mit dem Betriebsrat über die Bestellung der Kommunikationsbeauftragten eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Danach war es Aufgabe der Beauftragten, die Betriebsräte bei ihrer Kommunikation mit der Belegschaft im Rahmen eines Automobilunternehmens zu unterstützen. Die Zahl der Beauftragten innerhalb des Werkes war dabei auf 500 Personen beschränkt. Das Zeitkontingent, das dem Betriebsrat für die Beauftragten zur Verfügung gestellt wurde, betrug 25.000 Stunden pro Jahr.

45 Vgl. B. Gaul, BB 1998, 101; Fitting, BetrVG § 37 Rz. 64. 46 7 ABR 102/12 n. v. (Rz. 27 ff.).

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Zum Streit kam es, als die Minderheit des Betriebsrats geltend machte, dass der Betriebsrat durch Mehrheitsbeschluss nur solche Arbeitnehmer zu Kommunikationsbeauftragten des Betriebsrats bestellte, die Vertrauensleute der IG Metall waren. Nach seiner Auffassung war die Betriebsvereinbarung unwirksam. Sie sei weder durch § 3 BetrVG noch § 40 Abs. 2 BetrVG gedeckt. Vielmehr liege eine unzulässige „Überversorgung“ des Betriebsrats und eine Begünstigung der Mehrheitsfraktion vor. Das BAG hat diese Bedenken der Minderheitsfraktion nicht geteilt. Zwar ermögliche § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG nicht, eine solche Vereinbarung über Kommunikationsbeauftragte zur treffen. Denn das Gesetz ermögliche nur Regelungen zur Bildung zusätzlicher betriebsverfassungsrechtlicher Vertretungen der Arbeitnehmer, die die Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsrat und den Arbeitnehmern erleichterten. Diese Vertretungen der Arbeitnehmer setzten eine Organstruktur voraus. Arbeitnehmer, die lediglich Hilfsfunktionen für den Betriebsrat wahrnähmen und nicht in einer Organstruktur zusammengefasst seien, stellten keine zusätzliche Arbeitnehmervertretung i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG dar. Gleichwohl sei der Betriebsrat allerdings nicht gehindert, bei der Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben Hilfspersonen hinzuzuziehen. Hierzu könnten auch die hier in Rede stehenden Kommunikationsbeauftragten gehören. Allerdings setze dies voraus, dass sie nur eine Hilfstätigkeit bei der Informationsvermittlung zwischen Betriebsrat und Belegschaft übernähmen. Eine direkte Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft darf dadurch nicht verhindert werden. Die Minderheitsfraktion kann die Bestellung solcher Hilfspersonen nicht mit dem Hinweis auf eine „Überversorgung“ des Betriebsrats verhindern. Selbst wenn durch eine entsprechende Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat Kosten ausgelöst werden, die mit § 40 Abs. 2 BetrVG nicht vereinbar seien, könne diese Grenze durch den Betriebsrat bzw. eine Minderheitsfraktion nicht geltend gemacht werden. Nur der Arbeitgeber könne sich auf die fehlende Erforderlichkeit eines verlangten Hilfsmittels berufen 47. Ungeachtet dessen darf die Bestellung der Kommunikationsbeauftragten natürlich nicht zu einer Begünstigung der Mehrheitsfraktion führen. Dies wäre – als Folge der damit verbundenen Benachteiligung der Minderheitsfraktion - mit § 78 BetrVG nicht vereinbar. Im vorliegenden Fall hat das BAG als Konsequenz einer Einbindung jeweils des gesamten Betriebsrats an den Besprechungen mit den Kommunikationsbeauftragten eine solche Begünsti47 BAG v. 29.4.2015 – 7 ABR 102/12 n. v. (Rz. 38 f.).

598

Kostenerstattungsansprüche des Betriebsrats

gung bzw. Benachteiligung indes abgelehnt. Der Betriebsrat müsse bei der Bestellung der Kommunikationsbeauftragten aber den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG beachten. Die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten kann daher nicht von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gewerkschaft abhängig gemacht werden 48. (Ga)

7.

Kostenerstattungsansprüche des Betriebsrats

a)

Freistellungsanspruch des Betriebsrats von Rechtsanwaltskosten

Das BAG 49 geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Arbeitgeber nach § 40 Abs. 1 BetrVG die Honorarkosten eines Rechtsanwalts, dessen Hinzuziehung der Betriebsrat in Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren für erforderlich halten durfte, zu tragen hat. Dazu müsste der Betriebsrat einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Freistellung in Höhe der dadurch entstandenen erforderlichen Kosten erworben haben, der an den Rechtsanwalt gemäß §§ 398 BGB, 40 BetrVG abgetreten werden kann und sich dann in einen Zahlungsanspruch verwandelt 50. Da ein solcher Anspruch das Bestehen einer entsprechenden Verpflichtung des Betriebsrats gegenüber dem externen Gläubiger voraussetzt 51, muss der Arbeitgeber nur diejenigen Kosten einer anwaltlichen Tätigkeit zu tragen, die auf eine wirksame Beauftragung aufgrund ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses zurückgehen. Mit Urteil vom 18.3.2015 52 hat das BAG die damit zusammenhängenden Fragen klargestellt. Im Streitfall hatte sich der Betriebsratsanwalt von seinem Mandanten vermeintliche Ansprüche auf Kostenerstattung abtreten lassen und verklagte den Arbeitgeber auf Zahlung von 1.150,02 € für die Vertretung des Betriebsrats in einem arbeitsgerichtlichen Eilverfahren. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz hat das BAG die Klage für unbegründet gehalten. Der Betriebsrat habe keinen ausdrücklichen Beschluss zur Beauftragung der Antragsteller mit der Einlegung der Beschwerde gefasst 53. 48 BAG v. 29.4.2015 – 7 ABR 102/12 n. v. (Rz. 67). 49 Nur BAG v.29.7.2009, AP Nr. 93 zu § 40 BetrVG 1972; BAG v. 20.8.2014 – 7 ABR 60/12, AP Nr. 111 zu § 40 BetrVG 1972. 50 BAG v. 18.3.2015 – 7 ABR 4/13, NZA 2015, 954 (Rz. 13); BAG v. 29.7.2009 – 7 ABR 95/07, NZA 2009, 1223 (Rz. 20). 51 BGH v. 25.10.2012 – III ZR 266/11, NZA 2012, 1382. 52 7 ABR 4/13, NZA 2015, 954. 53 Vgl. LAG Düsseldorf v. 16.1.2013 – 7 TaBV 31/12 n. v.

599

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Das BAG stellt zu Recht klar, dass ungeachtet der Verfahrensvollmacht nach § 81 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG, die zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen einschließlich der Einlegung von Rechtsmitteln berechtigt, für jede Instanz ein gesonderter Beschluss des Betriebsrats zur ordnungsgemäßen Beauftragung eines Anwalts vorliegen müsse 54. Eine stillschweigende Beschlussfassung sei ausgeschlossen 55. Der Betriebsrat hätte einen ausdrücklichen Beschluss fassen und sich dabei die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels anhand der gerichtlichen Entscheidungsgründe vor Augen führen müssen 56. Nur so werden die Interessen des Arbeitgebers an einer Begrenzung der Kostentragungspflicht ausreichend berücksichtigt. Abgelehnt wurde eine weitergehende Forderung in Höhe von 942,18 € für die Einleitung eines Beschlussverfahrens zur Einsetzung einer Einigungsstelle. Hier gab es materiell-rechtliche Bedenken. Insofern hat das BAG deutlich gemacht, dass Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats dann nicht erstattungsfähig sind, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung von vornherein offensichtlich aussichtslos erscheint oder die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten rechtsmissbräuchlich erfolgt 57. Diese Sachlage war vorliegend gegeben. Es fehlte bereits das Rechtsschutzinteresse für die Einleitung eines solchen Verfahrens, weil die Betriebsparteien zuvor gar keinen Versuch einer gütlichen Einigung unternommen hatten. Insbesondere hatte der Arbeitgeber weder ausdrücklich Verhandlungen verweigert noch konkludent abgelehnt. Vielmehr hatte er gegenüber erklärt, in der Angelegenheit eine gemeinsame und zufriedenstellende Lösung erarbeiten zu wollen. Der Betriebsrat, der in dieser Situation kein Interesse an einer Verständigung mit dem Arbeitgeber außerhalb der Einigungsstelle gezeigt hat, besitzt kein Rechtsschutzinteresse in Bezug auf die gerichtliche Einsetzung einer Einigungsstelle, die an gescheiterte Verhandlungen und die fehlende Einigung über die einvernehmliche Besetzung der Einigungsstelle geknüpft ist. Losgelöst davon hat das BAG noch einmal klargestellt, dass dem Betriebsrat, der sich ausschließlich auf seine Interessenvertretung konzentrieren soll, durch die Betriebsratstätigkeit finanziell weder Vor- noch Nachteile erwach-

54 Vgl. BAG v. 18.3.2015 – 7 ABR 4/13, NZA 2015, 954 Rz. 10 ff.; BAG v. 18.3.2015 – 7 ABR 4/13, NZA 2015, 954 Rz. 10 f.; BAG v. 20.8.2014 – 7 ABR 60/12, ZTR 2015, 53; BAG v. 29.7.2009 – 7 ABR 95/07, NZA 2009, 1223 Rz. 18; Althoff, NZA 2014, 74; Lüders/Weller, DB 2015, 2149; BAG v. 29.7.2009 – 7 ABR 95/07, NZA 2009, 1223 Rz. 18. 55 BAG v. 19.1.2009 – 7 ABR 24/04 n. v. (Rz. 16). 56 Vgl. BAG v. 18.3.2015 – 7 ABR 4/13, NZA 2015, 954 Rz. 12. 57 BAG v. 17.8.2005 –7 ABR 56/04, NZA 2006, 109.

600

Kostenerstattungsansprüche des Betriebsrats

sen sollen 58. Voraussetzung ist allerdings, dass die geltend gemachten Kosten erforderlich waren und auf einen ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss zurückgehen 59. Eine Ausnahme besteht nur, wenn der Betriebsrat wegen der besonderen Grundsatzbedeutung der Angelegenheit von vornherein beabsichtigt, den Prozess durch alle Instanzen zu betreiben, oder wenn gegen eine zugunsten des Betriebsrats ergangene Entscheidung vom Prozessgegner Rechtsmittel eingelegt wird 60. Wird hingegen trotz fehlenden Betriebsratsbeschlusses durch den anwaltlichen Vertreter des Betriebsrats Rechtsmittel eingelegt, gibt es für den Arbeitgeber keine Pflicht, die Anwaltskosten zu tragen 61. Der Erforderlichkeitsmaßstab ist im Wege einer Abwägung des Arbeitnehmerinteresses an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamtes einerseits und des Interesses des Arbeitgebers an einer Begrenzung der Kostentragungspflicht andererseits zu beurteilen 62. Die Erforderlichkeit einer anwaltlichen Beratung ist nicht gegeben, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich aussichtslos erscheint oder die Hinzuziehung wegen einer Missachtung der Arbeitgeberinteressen insbesondere der Kostenbegrenzung offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist 63. Ist die Beauftragung erforderlich, so stellt sich die Frage nach der Höhe der Anwaltsvergütung. In der Regel wird man dabei auf das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abstellen und daraus eine Höchstgrenze ableiten können. Dieses Grundmodell richtet sich nach dem Wert des Streitgegenstands, nicht nach der Komplexität der Materie und dem damit einhergehenden Arbeitsaufwand 64. Er wird durch das Gericht festgesetzt, das sich dabei auch an den gesetzlichen Pauschalen oder dem Streitwertkatalog 65, wie er derzeit diskutiert wird, orientieren kann. Die vorstehenden Grenzen zur Erforderlichkeit gelten auch bei einer Beauftragung im Rahmen von § 111 S. 2 58 Althoff, NZA 2014, 74. 59 BAG v. 18.3.2015 – 7 ABR 4/13, NZA 2015, 954 Rz. 15; BAG v. 29.7.2009 – 7 ABR 95/07, NZA 2009, 1223 Rz. 7, 18. 60 Vgl. Fitting, § 40 Rz. 32. 61 Vgl. BAG v. 18.3.2015 – 7 ABR 4/13, NZA 2015, 954; BAG v. 6.11.2013 – 7 ABR 84/11, NZA-RR 2014, 196 Rz. 21 ff.; Lüders/Weller, DB 2015, 2149, 2151; ErfK/Koch, BetrVG § 40 Rz. 4; Fitting, § 40 Rz. 42; Hinrichs/Plitt, NZA 2011, 1006, 1009. 62 BAG v. 18.3.2015 – 7 ABR 4/13, NZA 2015, 954 Rz. 11. 63 BAG v. 18.3.2015 – 7 ABR 4/13, NZA 2015, 954 Rz. 11; BAG v. 17.8.2005 – 7 ABR 56/04, NZA 2006, 109 Rz. 10. 64 Lüders/Weller, DB 2015, 2149 f. 65 Vgl. hierzu BAG v. 20.11.1999 – 7 ABR 25/98, NZA 2000, 556 Rz. 33; Lüders/Weller, DB 2015, 2149, 2152.

601

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

BetrVG. Danach kann der Betriebsrat für den Fall einer Betriebsänderung in Betrieben mit mehr als 300 Arbeitnehmern ohne Zustimmung des Arbeitgebers externe Berater hinzuziehen 66. außerhalb von § 111 S. 2 BetrVG bedarf der Betriebsrat einer Zustimmung des Arbeitgebers, wenn Rechtsanwalt gem. § 80 Abs. 3 BetrVG als Sachverständiger hinzugezogen werden soll 67. Diese Vorgabe gilt für alle außergerichtlichen Beauftragungen, wenn es sich eben nicht um die Vertretung des Betriebsrats vor der Einigungsstelle oder vor den Arbeitsgericht handelt, insbesondere für Beratungen im Zusammenhang mit unternehmensinternen Verhandlungen 68. Wichtig ist, bei den erforderlichen Vereinbarungen vor allem Beratungsgegenstand, Kosten und Mandatsdauer festzulegen. Dass der Wert eines Mitbestimmungsrechts und deshalb auch das Honorar mit der Betriebsgröße steige 69, hat das BAG zu Recht abgelehnt 70. (Kr)

b)

Kostenerstattung des Betriebsrats bei Betriebsratsschulung mit Übernachtung

Das Thema der Kostenerstattung war auch Gegenstand einer weiteren Entscheidung des 7. Senats des BAG vom 27.5.2015 71. In dieser Entscheidung ging es um die Erstattung von Reise- und Übernachtungskosten anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulung nach § 37 Abs. 6 BetrVG. Arbeitgeber und Betriebsrat hatten darüber Einvernehmen erzielt, dass eine Betriebsrätin an einer Grundlagenschulung unter der vom Arbeitgeber erbetenen Voraussetzung teilnehmen sollte, dass Übernachtungskosten vermieden wurden. Nach entsprechender Beschlussfassung am 29.10.2010 meldete der Betriebsrat die Betriebsrätin in der Zeit vom 7. bis 10.12.2010 zu einer entsprechenden Schulung als Tagesgast in einem Hotel an, das von ihrem Wohnort 44 km entfernt war. Am 4.11.2010 buchte die Sekretärin des Betriebsrats beim Seminarveranstalter für die zu schulende Betriebsrätin auf deren Veranlassung ein Einzelzimmer mit Vollpensionspauschale für die Dauer der Schulungsveranstaltung nach. Während der Schulungsveranstaltung herrschten ungünstige winterliche Witterungsbedingungen sowie Verkehrsbehinderungen aufgrund von Schnee- und Eisglätte.

66 Althoff, NZA 2014, 74, 75; Lüders/Weller, DB 2015, 2149, 2151. 67 BAG v. 25.6.2014 – 7 ABR 70/12, DB 2014, 2655 Rz. 26. 68 Vgl. BAG v. 25.6.2014 – 7 ABR 70/12, DB 2014, 2655 – Rz. 27; Lüders/Weller, DB 2015, 2149, 2151. 69 LAG Rheinland-Pfalz v. 8.11.2007 – 9 TaBV 38/07 Rz. 77 ff. 70 BAG v. 29.7.2009 – 7 ABR 95/07, NZA 2009, 1223 Rz. 7. 71 7 ABR 26/13, NZA 2015, 1141 ff.

602

Kostenerstattungsansprüche des Betriebsrats

Der Seminarveranstalter stellte für die Übernachtungen insgesamt 314,16 € in Rechnung, deren Bezahlung der Arbeitgeber ablehnte. Die daraufhin vom Betriebsrat erhobene Freistellungsklage war vor dem LAG Köln nach Einholung eines Sachverständigengutachtens erfolgreich. Das BAG hat die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen. Soweit es um die materiell-rechtliche Frage der Kostenerstattung geht, bildet § 40 Abs. 1 BetrVG die Rechtsgrundlage, wonach der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen hat. Da der Arbeitgeber dabei nur mit erforderlichen Kosten belastet werden darf, muss der Betriebsrat darauf achten, dass die durch seine Tätigkeit verursachten Kosten das notwendige Maß nicht überschreiten. Dabei greift das BAG auch auf das in § 2 Abs. 1 BetrVG normierte Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zurück 72. Das BAG überträgt diesen Grundsatz gleichermaßen auf die Kosten, die anlässlich einer Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG erwachsen 73, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist. Im Streitfall stellte sich zunächst die Frage, ob der Beschluss des Betriebsrats über die Beteiligung der Betriebsrätin als Tagesgast ohne Übernachtung in der Schulungsstätte eine bindende Qualität aufwies, sodass allenfalls durch einen weiteren Beschluss, der durch geänderte Umstände veranlasst sein konnte, eine Revision dieser Entscheidung möglich war. Das BAG geht davon aus, dass der für die Schulungsteilnahme erforderliche Betriebsratsbeschluss nur auf ein konkretes Betriebsratsmitglied und auf eine konkrete, nach Zeitpunkt und Ort bestimmte Schulung bezogen sein muss 74. Hingegen müsse sich der Beschluss nicht darauf erstrecken, mit welchem Verkehrsmittel das Betriebsratsmitglied zum Schulungsort gelangt und ob es dort übernachtet oder nicht. Betreffe der Beschluss des Betriebsrats auch diese Fragen, sei das Betriebsratsmitglied daran jedenfalls dann nicht gebunden, wenn sich – wie im Streitfall – zwischen dem Betriebsratsbeschluss und dem Beginn der Schulungsveranstaltung die für die Beurteilung der Erforderlichkeit maßgebenden Umstände gravierend geändert haben. Mit dieser Aussage weicht das BAG davon ab, dass sich die Frage der Erforderlichkeit grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Beschlussfassung oder Handlung zu

72 BAG v. 23.6.2010 – 7 ABR 103/08, NZA 2010, 1298 Rz. 18; BAG v. 16.1.2008 – 7 ABR 71/06, NZA 2008, 546 Rz. 13. 73 Vgl. dazu auch BAG v. 20.8.2014 – 7 ABR 64/12, NZA 2014, 1349 Rz. 14 f. 74 So bereits BAG v. 12.1.2011 – 7 ABR 94/09, NZA 2011, 813 Rz. 22; BAG v. 27.5.2015 – 7 ABR 26/13, NZA 2015, 1141 Rz. 22.

603

Betriebsverfassung und Mitbestimmung

richten hat und ob der Betriebsrat zu diesem Zeitpunkt die entstehenden Kosten für erforderlich halten durfte (ex ante-Beurteilung). Damit bleibt es der Einschätzung des jeweiligen Betriebsratsmitglieds überlassen, ob es die Kosten mit Blick auf die Gegebenheiten im Zeitpunkt der Wahrnehmung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben für erforderlich halten durfte. Eine erneute Beschlussfassung des Betriebsrats ist nicht erforderlich. In Anbetracht dieser Erwägungen hielt das BAG die Entscheidung des LAG Köln zur Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für zutreffend, weil aufgrund der während der Schulungszeit durchgehend herrschenden Eis- und Schneeglätte außergewöhnliche Straßenverhältnisse bestanden, die zu verlängerten Fahrtzeiten und einem besonderen Unfallrisiko führten und damit wegen veränderter Umstände die Betriebsrätin veranlassen durfte, die Übernachtungsmöglichkeiten am Veranstaltungsort im Schulungshotel zu nutzen. Ob dem weiteren Hinweis des BAG, bei Schulungsveranstaltungen werde der Gedanken- und Erfahrungsaustausch unter den Seminarteilnehmern auch außerhalb des eigentlichen Seminarprogramms fortgesetzt, in diesem Zusammenhang als eigenständiger Veranlassungsgrund für die Erforderlichkeit der Verursachung von Übernachtungskosten geltend gemacht werden kann, ist wohl eher zu verneinen, weil er im Kontext mit den winterlichen Verkehrsbedingungen erwähnt wird. Unabhängig davon, dass es für den zitierten Erfahrungsaustausch keine tragfähigen Erkenntnisse gibt, hätte sich das BAG ansonsten seine Erwägungen zu den besonderen winterlichen Verhältnissen an den Schulungstagen ersparen können. Die Entscheidung des BAG überzeugt nicht, weil die Buchung der Übernachtungen im Tagungshotel zu einem Zeitpunkt vorgenommen wurde, an dem überhaupt nicht absehbar war, welche Witterungsbedingungen im Dezember vorherrschen würden. Es ist allein dem Zufall zu verdanken, dass den Arbeitgeber im vorliegenden Fall die Übernachtungskosten treffen, wobei ungeklärt bleibt, weshalb die anderslautende Beschlussfassung des Betriebsrats im Verhältnis zum Betriebsratsmitglied jedwede Bedeutung verliert. Nachvollziehbar wäre möglicherweise gewesen, dass der Betriebsratsbeschluss unter der Prämisse stand, dass die Betriebsrätin den Tagungsort problemlos täglich mit dem PKW erreichen konnte. Unerwähnt bleibt zudem, weshalb öffentliche Verkehrsmittel nicht zu Gebote standen, um den Tagungsort problemlos erreichen zu können. (Boe)

8.

Das ArbZG als Schranke der Betriebsratsarbeit

Nach einer durch einen Teil der Literatur vertretenen Auffassung ist die Tätigkeit von Betriebsratsmitgliedern als Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen 604

Das ArbZG als Schranke der Betriebsratsarbeit

Sinne zu qualifizieren. Die Betriebsratstätigkeit sei eine berufliche Anforderung, die das Betriebsratsmitglied darin hindere, seinen persönlichen Verpflichtungen nachzugehen. Das Fehlen eines Entgeltanspruchs für diese Tätigkeit spiele ebenso wenig eine Rolle wie der Umstand, dass der Arbeitgeber kein Direktionsrecht in Bezug auf die Betriebsratstätigkeit habe. Insofern handle es sich um eine Zeit, während derer ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeite, dem Arbeitgeber zur Verfügung stehe und seine Tätigkeit ausübe oder Aufgaben wahrnehme 75. Mit überzeugender Begründung hat das LAG Niedersachsen im Beschluss vom 20.4.2015 76 eine Einbindung der Betriebsratsarbeit in die Arbeitszeit i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 ArbZG abgelehnt 77. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass es sich bei der Betriebsratstätigkeit um die Wahrnehmung eines Ehrenamts handelt (§ 37 Abs. 1 BetrVG). Darüber hinaus bliebe bei einer Einbindung in den arbeitszeitrechtlichen Begriff der Arbeitszeit unberücksichtigt, dass die Wahrnehmung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben durch den Betriebsrat autonom festgelegt wird. Ein Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf den Inhalt, den Ort oder die Zeit der Betriebsratstätigkeit ist nicht gegeben. Deutlich wird dies insbesondere dort, wo Arbeitnehmer als Folge einer Freistellung gemäß § 38 BetrVG ausschließlich als Betriebsratsmitglied tätig werden. Das aber wäre erforderlich, wenn der Arbeitgeber für den Fall eines Überschreitens der arbeitszeitrechtlichen Grenzen durch Aufsichtsbehörden in Anspruch genommen werden soll. Denn nur dann, wenn der Arbeitgeber einen Verstoß gegen die Schranken des Arbeitszeitgesetzes durch eigenes Handeln verhindern kann, kann auch eine solche Sanktion gerechtfertigt sein. Dies gilt umso mehr, als die Erfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten nicht zugleich auch die Wahrnehmung arbeitsvertraglicher Aufgaben ist. Denn von der Verpflichtung zur Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten wird das Betriebsratsmitglied für die Dauer der erforderlichen Betriebsratstätigkeit gerade freigestellt. In Übereinstimmung mit früheren Feststellungen des BAG im Urteil vom 7.6.1989 78 hält es das LAG Niedersachsen im Beschluss vom 20.4.201579 indes für erforderlich, dass der Arbeitgeber Zeitpunkt und Umfang der Be-

75 So Buschmann/Ulber, ArbZG § 2 Rz. 39. 76 12 TaBV 76/14, NZA-RR 2015, 476 Rz. 42. 77 Ebenso Schaub/Vogelsang, Arbeitsrechts-Handbuch § 156 Rz. 14; Wiebauer, NZA 2013, 540, RGKU/Kock, ArbZG § 2 Rz. 15. 78 7 AZR 500/88, NZA 1990, 531. 79 12 TaBV 76/14, NZA-RR 2015, 476 Rz. 43 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

triebsratsarbeit bei der Wahrnehmung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts in Bezug auf die außerhalb der Betriebsratstätigkeit verbleibende Arbeitszeit zu berücksichtigen hat. Wenn ein Betriebsratsmitglied an einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit stattfindenden Betriebsratssitzung teilnehme und es ihm deswegen unmöglich oder unzumutbar sei, seine vor oder nach der Betriebsratssitzung liegende Arbeitszeit einzuhalten, so habe er in Bezug auf diese Arbeitszeit gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung. In der Regel liege eine Unzumutbarkeit dann vor, wenn bei Zusammenrechnung der für die Betriebsratstätigkeit aufgewendeten Zeiten mit den persönlichen Arbeitszeiten die werktägliche Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG überschritten werde. Aus diesem Grundsatz ergibt sich allerdings keine generelle Schranke, nach der ein Betriebsratsmitglied zur Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten nur solange herangezogen werden darf, als unter Einbindung der am gleichen Tage verrichteten Betriebsratstätigkeit die kalendertägliche Höchstarbeitszeit von acht bzw. zehn Stunden nicht überschritten werde. Vielmehr kommt es auf den Einzelfall an. So kann es in den Grenzen billigen Ermessens auch unter Berücksichtigung der Überlegungen des LAG Niedersachsen Fallgestaltungen geben, bei denen es den Betriebsratsmitgliedern zugemutet werden kann, bei einer Zusammenrechnung der Zeiten der Betriebsratstätigkeit und der arbeitsvertraglich übertragenen Tätigkeit die Grenzen des § 3 ArbZG zu überschreiten. Allerdings spricht das LAG Niedersachsen hier von einer „nur geringfügigen“ Überschreitung. Eine solche Konstellation könne beispielsweise vorliegen, wenn entweder die Zeiten der Betriebsratstätigkeit von geringerer Intensität oder von erheblichen Beratungspausen unterbrochen seien oder aber wenn die im Anschluss noch zu erbringende betriebliche Tätigkeit aufgrund einer Notlage des Arbeitgebers (z. B. Personalengpass aufgrund eines unerwartet hohen Krankenstandes) noch dringend erforderlich sei. Diese Sichtweise erscheint vertretbar. Sie macht es allerdings erforderlich, jeweils einzelfallbezogen die Art und Weise der Betriebsratstätigkeit ebenso wie die arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben zu berücksichtigen. Diese Betrachtungsweise ist dann maßgeblich für die Frage, wie lange am gleichen Kalendertag noch arbeitsvertraglich geschuldete Pflichten erfüllt werden müssen. Ungeachtet dessen hat die fehlende Anwendbarkeit des ArbZG auf die Betriebsratstätigkeit auch zur Folge, dass die Schranken der Sonn- und Feiertagsarbeit nicht zur Anwendung kommen. Ebenso wenig besteht ein An-

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Kündigung einer Betriebsvereinbarung zur Altersteilzeit

spruch auf einen besonderen Ausgleich für Nachtarbeit, wie er in § 6 Abs. 5 ArbZG vorgesehen ist. Ob und inwieweit im Anschluss an Betriebsratstätigkeit Ruhezeiten zu berücksichtigen sind, dürfte – vergleichbar mit der Festlegung der Höchstarbeitszeit – nach billigem Ermessen zu entscheiden sein. Denn auch § 5 ArbZG ist unmittelbar im Anschluss an die Betriebsratstätigkeit nicht anwendbar. (Ga)

9.

Keine Nachwirkung bei der Kündigung einer Betriebsvereinbarung zur Altersteilzeit

Betriebsvereinbarungen, durch die über das Gesetz hinausgehende Leistungen für den Fall einer Altersteilzeitvereinbarung abgeschlossen werden, regeln eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Entsprechendes gilt dann, wenn in einer solchen Betriebsvereinbarung Arbeitnehmern – ggf. unter bestimmten Voraussetzungen – der Anspruch auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung eingeräumt wird. Wie das BAG mit Urteil vom 29.4.2015 80 klargestellt hat, gibt es bei der Beendigung einer solchen Betriebsvereinbarung keine Nachwirkung, falls diese nicht ausdrücklich zwischen den betrieblichen Sozialpartnern vereinbart wird. Eine Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG trete nicht ein, wenn ein Arbeitgeber nach Ablauf der Kündigungsfrist keine Mittel mehr für Aufstockungsleistungen zur Verfügung stelle und diese Absicht gegenüber dem Betriebsrat oder den Arbeitnehmern auch deutlich erkläre. Die Entscheidung über die Gewährung solcher Leistungen unterliege genauso wenig der Mitbestimmung des Betriebsrats wie die Entscheidung über die Einstellung dieser Leistungen 81. Dass die Beendigung der Betriebsvereinbarung zur Folge haben kann, dass Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung mehr geltend machen können, ist hinzunehmen. Insbesondere besteht – so das BAG – kein Anlass, die Folgen der Kündigung einer Betriebsvereinbarung über einen Anspruch auf Altersteilzeit ebenso nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu begrenzen wie die Folgen der Kündigung einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung. Die Einräumung eines Anspruchs auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung sei keine Gegenleistung des Arbeitgebers für geleistete Arbeit oder Betriebstreue. Der Kläger habe durch den Wegfall der Möglichkeit, in Altersteilzeit zu wechseln, auch keine finanziellen Nachteile, die er 80 9 AZR 999/13, NZA 2015, 1204 f. Rz. 17, 20. 81 BAG v. 29.4.2015 – 9 ZR 999/13, NZA 2015, 1204, 1205 Rz. 17.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

nach Beendigung der Betriebsvereinbarung nicht mehr ausgleichen könnte. Vielmehr verbleibe es ohne den Wechsel in die Altersteilzeit bei der bisherigen Regelung des Arbeitsvertrags. Dass die Beendigung einer Betriebsvereinbarung zur Folge haben kann, dass Arbeitnehmer, die während derer Geltungsdauer das für die Geltendmachung eines Anspruchs erforderliche Lebensalter noch nicht erreicht haben, endgültig von der Geltendmachung dieses Anspruchs ausgeschlossen werden, ist hinzunehmen. Insbesondere liegt darin keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. Es sei nicht Sinn und Zweck von § 1, 3 Abs. 1, 7 Abs. 1, 10 AGG, zusätzliche Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Abschaffung einer Regelung aufzustellen, die ältere Mitarbeiter begünstige. Jede Beendigung einer solchen Regelung führe zwangsläufig dazu, dass den jüngeren Arbeitnehmern der künftige Wechsel in die Gruppe der Begünstigten Arbeitnehmer verwehrt werde. Die Regelungen des AGG dienten jedoch nicht der ewigen Perpetuierung einer altersdifferenzierenden Begünstigung, sondern der Verhinderung von altersbedingten Benachteiligungen. Mit anderen Worten: Das im Hinblick auf die Geltungsdauer einer begünstigenden Regelung „verspätete“ Altwerden werde durch das AGG nicht geschützt 82. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Sie hat auch dort praktische Bedeutung, wo im Zusammenhang mit Rationalisierungsmaßnahmen für begrenzte Zeiträume Leistungen durch den Arbeitgeber eingeführt werden, die nur ältere Arbeitnehmer bestimmter Jahrgänge in Anspruch nehmen können. Arbeitnehmer, die aufgrund ihres (jüngeren) Lebensalters nicht in den Kreis der begünstigten Arbeitnehmer gelangen, können nach Beendigung dieses Rationalisierungsprogramms keine entsprechenden Leistungen geltend machen. Selbst wenn sie zum Zeitpunkt der Geltendmachung (endlich) das Lebensalter der ursprünglich begünstigten Arbeitnehmergruppe erreicht haben. (Ga)

10. Personelle Einzelmaßnahmen: Pflicht zur Vorlage von Unterlagen bei der Unterrichtung nach § 99 BetrVG Gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG ist der Arbeitgeber vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern verpflichtet, den Betriebsrat zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben. In diesem

82 BAG v. 29.4.2015 – 9 AZR 999/13, NZA 2015, 1204, 1206 Rz. 22 ff., 26.

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Unterrichtung nach § 99 BetrVG

Zusammenhang muss er dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen auch Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme geben und dessen Zustimmung zu der geplanten Maßnahme einholen. Wenn diese Erfordernisse einer Unterrichtung nicht erfüllt werden, kann das Arbeitsgericht die durch den Betriebsrat verweigerte Zustimmung auch dann nicht ersetzen, wenn keiner der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründe vorliegt. Die gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG setzt – so das BAG – eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber i. S. d. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG voraus. Erforderlich und ausreichend ist dabei eine Unterrichtung, die es dem Betriebsrat ermöglicht, aufgrund der mitgeteilten Tatsachen zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben ist 83. In seinem Beschluss vom 14.4.2015 84 musste sich der 1. Senat des BAG mit der Frage befassen, unter welchen Voraussetzungen zu den vorzulegenden Unterlagen auch solche Schriftstücke gehören, die erst durch den Arbeitgeber im Rahmen des Bewerbungsverfahrens erstellt werden. In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Arbeitgeberin betriebsintern eine Stelle ausgeschrieben und im Anschluss daran mehrere Bewerbungsgespräche mit betriebsangehörigen Arbeitnehmern geführt. Nach Auswertung dieser Gespräche entschloss sie sich, die ausgeschriebene Stelle mit dem Arbeitnehmer M zu besetzen, der nach einem mehrmonatigen Einsatz als Leiharbeitnehmer von der Arbeitgeberin bereits sechs Monate zuvor in ein Arbeitsverhältnis übernommen worden war. Der Betriebsrat hielt diese Entscheidung für falsch, weil aus seiner Sicht andere Bewerber gleichermaßen für die Stelle geeignet gewesen seien und über eine längere Betriebszugehörigkeit verwiesen hätten. Diese hätten aus seiner Sicht vorrangig berücksichtigt werden müssen. Der Betriebsrat verweigerte daraufhin seine Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung mit der Begründung, er sei nicht ausreichend über den Inhalt der Bewerbungsgespräche unterrichtet worden. Insbesondere seien ihm die anlässlich der Bewerbungsgespräche von einer Personalsachbearbeiterin gefertigten Aufzeichnungen nicht vorgelegt worden. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats ist das BAG von einer ordnungsgemäßen Unterrichtung ausgegangen und hat die Zustimmung des Betriebsrats ersetzende Entscheidung des LAG München bestätigt. Der Betriebsrat 83 BAG v. 14.4.2015 – 1 ABR 58/13, NZA 2015, 1081 Rz. 16; BAG v. 30.9.2014 – 1 ABR 32/13, NZA 2015, 970 ff. Rz. 24. 84 1 ABR 58/13, NZA 2015, 1081 Rz. 15 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

sei unter Vorlage der eingereichten Bewerbungsunterlagen über die Personen der Bewerber, den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die Begründung der getroffenen Auswahlentscheidung hinreichend unterrichtet worden. Die Arbeitgeberin habe die aus ihrer Sicht bestehenden Qualifikationsdefizite der unberücksichtigt gebliebenen Bewerber im Rahmen ihres Unterrichtungsschreibens im Einzelnen benannt. Weitere Angaben seien nicht erforderlich gewesen. Insbesondere habe keine Verpflichtung bestanden, die von der Sachbearbeiterin anlässlich der Bewerbungsgespräche erstellten Aufzeichnungen zur Verfügung zu stellen 85. Zwar müssten dem Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG nicht nur die Unterlagen der nicht berücksichtigten Bewerber vorgelegt werden. Vielmehr seien auch solche Schriftstücke vorzulegen, die der Arbeitgeber im Rahmen des Bewerbungsverfahrens über die Bewerber erstellt habe. Andernfalls könne der Betriebsrat sein Recht, für die zu treffende Auswahl Anregungen zu geben, nicht ordnungsgemäß ausüben. Denn hierfür sei es erforderlich, die vom Arbeitgeber ermittelten und von diesem für auswahlrelevant gehaltenen Daten und Unterlagen zu kennen. Zu diesen Unterlagen gehörten deshalb auch solche Schriftstücke, die der Arbeitgeber allein oder zusammen mit dem jeweiligen Bewerber anlässlich seiner Bewerbung erstellt habe, aber nur, wenn der Arbeitgeber diese Schriftstücke bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtige. Aufzeichnungen, die hierfür ohne jegliche Bedeutung seien, müsse der Arbeitgeber nicht vorlegen 86. Diese Voraussetzungen erfüllten die von der Personalsachbearbeiterin gefertigten Notizen nicht. Denn diese hatte ihre Gesprächsnotizen nur als Erinnerungsstütze für die Besprechung mit ihren Vorgesetzten und für die Abfassung des an den Betriebsrat gerichteten Unterrichtungsschreibens erstellt. Für die das Bewerbungsverfahren abschließende Auswahlentscheidung der Arbeitgeberin hatte sie deshalb keine Bedeutung. Dass der Betriebsrat durch die fehlende Vorlage dieser Unterlagen nicht sämtliche Erkenntnisse erhielt, die sich für den Arbeitgeber bzw. seine Beauftragten im Rahmen der Bewerbungsgespräche ergeben hatten, muss der Betriebsrat im Rahmen von § 99 BetrVG hinnehmen. Das BetrVG kennt kein Teilnahmerecht des Betriebsrats an den Bewerbungsgesprächen. Der Arbeitgeber müsse deshalb – so das BAG – das hierdurch bewirkte Informationsdefizit des Betriebsrats nicht durch eine Wiedergabe der mit dem Bewerber geführten Gespräche oder ihrer wesentlichen Inhalte ausgleichen. 85 BAG v. 14.4.2015 – 1 ABR 58/13, NZA 2015, 1081 Rz. 17. 86 BAG v. 14.4.2015 – 1 ABR 58/13, NZA 2015, 1081 Rz. 18; BAG v. 17.6.2008 – 1 ABR 20/07, DB 2008, 2200 ff. Rz. 15.

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Doppelte Eingruppierung bei der Geltung mehrerer Tarifverträge

§ 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG verlange vom Arbeitgeber auch keine Rechtfertigung seiner Auswahl 87. Gegenstand der Unterrichtung seien deshalb nur die wesentlichen Tatsachen und Einschätzungen des Arbeitgebers, die ihn zu der getroffenen Entscheidung bestimmt hätten 88. Dieser Bewertung ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Sie hat über die bloße Kennzeichnung der im Rahmen von § 99 Abs. 1 BetrVG vorzulegenden Unterlagen insbesondere wegen der letztgenannten Feststellung des BAG ganz erhebliche Bedeutung für die betriebliche Praxis. Denn das BAG macht damit noch einmal deutlich, dass der Arbeitgeber – sofern es nicht um Einstellungen im Rahmen des öffentlichen Dienstes geht – nicht verpflichtet ist, den vermeintlich „besten“ Bewerber einzustellen. Der Arbeitgeber ist nicht einmal verpflichtet, eine auch sachlich begründete Rechtfertigung für eine Einstellung vorzunehmen. Sofern mit der Einstellung nicht gegen eine etwaige Auswahlrichtlinie, Diskriminierungsverbote oder sonstige Gesetze verstoßen wird, kann der Arbeitgeber im Rahmen seiner Vertragsfreiheit ohne Einschränkung die Person bestimmen, mit der ein Arbeitsverhältnis abgeschlossen werden soll. Entsprechendes gilt für eine Versetzung, sofern diese auch den Grundsatz der Billigkeit (§§ 106 GewO, 315 BGB) berücksichtigt. (Ga)

11.

Doppelte Eingruppierung bei der Geltung mehrerer Tarifverträge im Betrieb (Tarifpluralität)

Nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Eingruppierung zu unterrichten und dessen Zustimmung zu beantragen. Der Arbeitgeber ist nach § 99 Abs. 1 S. 2 BetrVG verpflichtet, bei Einstellungen und Versetzungen insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Diese auf die Mitteilung der Eingruppierung gerichtete Pflicht setzt voraus, dass der Arbeitgeber zuvor beurteilt, welcher Vergütungsgruppe der betrieblichen Vergütungsordnung der einzugruppierende Arbeitnehmer zuzuordnen ist. Darauf bezieht sich das Zustimmungserfordernis des Betriebsrats. Bei der Eingruppierung handelt es sich nicht um einen konstitutiven Akt des Arbeitge-

87 BAG v. 14.4.2015 – 1 ABR 58/13, NZA 2015, 1081 Rz. 21; BAG v. 28.6.2005 – 1 ABR 26/04, NZA 2006, 111 ff. Rz. 30. 88 BAG v. 14.4.2015 – 1 ABR 58/13, NZA 2015, 1081 Rz. 21.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

bers, sondern nach ständiger Rechtsprechung des BAG um die Kundgabe einer Rechtsansicht im Zuge einer Rechtsanwendung 89. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Eingruppierung setzt eine im Betrieb vorhandene Vergütungsordnung voraus, bei der es sich im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG um ein kollektives, mindestens zwei Vergütungsgruppen enthaltendes, Entgeltschema handelt, das eine Zuordnung der Arbeitnehmer zu einer der Vergütungsgruppen nach bestimmten generell beschriebenen Merkmalen vorsieht. Dabei ist gleichgültig, ob der Geltungsgrund einer derartigen Vergütungsordnung auf einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen im Betrieb beruht oder sogar vom Arbeitgeber einseitig geschaffen worden ist 90. Unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung 91, wonach eine betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Eingruppierung einen Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers auf die entsprechende Vergütungsordnung – etwa eine tarifliche Vergütungsordnung – voraussetzte, hat der 7. Senat des BAG in einem Beschluss vom 4.5.2011 92 für die betriebliche Mitbestimmung nach § 99 Abs. 1 BetrVG nur noch darauf abgestellt, ob die Vergütungsordnung im Betrieb gilt. Ist dies der Fall, so hat der Arbeitgeber eine Eingruppierung vorzunehmen und hieran den Betriebsrat zu beteiligen. Dabei geht es nach Ansicht des BAG – jedenfalls nicht primär – um die Prüfung individueller Vergütungsansprüche, sondern um die Beachtung der kollektiv geltenden Vergütungsordnung. Veranlasst ist dieser Rechtsprechungswandel durch die Rechtsprechung des BAG zur Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Änderung einer im Betrieb geltenden Vergütungsordnung. Auch insoweit käme es nicht auf die individuellen Vergütungsansprüche der einzelnen Arbeitnehmer, sondern auf die kollektive betriebliche Geltung der Vergütungsordnung an, wobei für das Beteiligungsrecht des Betriebsrats unerheblich sei, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze beruht habe 93. Nach dieser Rechtsprechung bleibt, unabhängig vom Geltungsgrund, die ursprüngliche Vergütungsordnung die für den Betrieb maßgebliche Entgeltstruktur, die der Arbeitgeber nicht einseitig ohne Zustimmung des Betriebsrats verändern kann. Dies gilt auch dann, wenn die normative Geltung 89 BAG v. 11.11.2008 – 1 ABR 68/07, NZA 2009, 450 Rz. 23; BAG v. 12.1.2011 – 7 ABR 34/09, NZA 2011, 1297 Rz. 26 f. 90 BAG v. 12.1.2011 – 7 ABR 34/09, NZA 2011, 1297 Rz. 16. 91 Vgl. nur BAG v. 8.12.2009 - 1 ABR 66/08,NZA 2010, 404 ff.; BAG v. 14.4.2010 - 7 ABR 91/08, DB 2010, 1536 ff.; ausführlich dazu Schnitker/Sittard, ZTR 2015, 423. 92 7 ABR 10/10, NZA 2011, 1239 Rz. 21. 93 Vgl. die Nachweise bei BAG v. 4.5.2011 – 7 ABR 10/10, NZA 2011, 1239 Rz. 21 ff.

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Doppelte Eingruppierung bei der Geltung mehrerer Tarifverträge

eines Tarifvertrags endet 94. Demgemäß hat der Arbeitgeber auch bei denjenigen Arbeitnehmern eine Eingruppierung in eine tarifliche Vergütungsordnung seines Betriebes vorzunehmen, die mangels Tarifbindung keine Vergütungsansprüche aus dem Tarifvertrag herleiten können. Unterlässt der Arbeitgeber die gebotene Eingruppierung, kann der Betriebsrat in entsprechender Anwendung von § 101 BetrVG zur Sicherung seines Mitbeurteilungsrechts nach § 99 Abs. 1 BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Eingruppierung vorzunehmen, ihn um Zustimmung zu ersuchen und im Falle der beachtlichen Zustimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten 95. In der Entscheidung des 1. Senats des BAG vom 14.4.2015 96 ging es nun um die Frage der Eingruppierung, wenn ein Arbeitgeber mit unterschiedlichen Gewerkschaften zwei sich in ihrem Geltungsbereich überschneidende Tarifverträge über eine betriebliche Vergütungsordnung abgeschlossen hat. Folgt man der zuvor dargestellten Rechtsprechung des 7. Senats des BAG in der Entscheidung vom 4.5.2011 97 müsste die logische Konsequenz im Falle einer derartigen Tarifpluralität darin bestehen, dass der Arbeitgeber nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG gehalten wäre, die Arbeitnehmer unter Beteiligung des Betriebsrats den Entgeltgruppen beider Vergütungsordnungen zuzuordnen. Diese Konsequenz hat der 1. Senat des BAG gezogen und bei der Existenz einer durch Tarifpluralität veranlassten Existenz von zwei voneinander unabhängigen tariflichen Vergütungsordnungen den Arbeitgeber grundsätzlich für verpflichtet angesehen, die Arbeitnehmer unter Beteiligung des Betriebsrats den Entgeltgruppen beider Vergütungsordnungen zuzuordnen. Der Fall betraf eine Arbeitgeberin, die sowohl an den mit der Eisenbahnund Verkehrsgewerkschaft (EVG) geschlossenen Tarifvertrag als auch an den mit der Gewerkschaft der Deutschen Lokomotivführer (GDL) als Haustarifvertrag abgeschlossenen Tarifvertrag gebunden war. Mit der EVG kam es 2011 zu einer Änderung des Entgeltgruppenverzeichnisses mit der Maßgabe, dass die EVG und die Arbeitgeberin die namentliche Zuordnung von 58 Triebfahrzeugführern, 30 Kundenbetreuern und 10 Mitarbeitern in der Verwaltung zu einer Entgeltgruppe und ihre Einstufung in die geänderten Entgeltgruppen vornahmen. Der Betriebsrat war der Meinung, die Arbeitgeberin hätte ihn zusätzlich bei der Umgruppierung nach § 99 Abs. 1 S. 1

94 BAG v. 8.12.2009 – 1 ABR 66/08, NZA 2010, 404 Rz. 23; BAG v. 22.6.2010 – 1 AZR 853/08, NZA 2010, 1243 Rz. 37. 95 BAG v. 4.5.2011 – 7 ABR 10/10, NZA 2011, 1239 Rz. 16. 96 1 ABR 66/13, NZA 2015, 1077 Rz. 32. 97 7 ABR 10/10, NZA 2011, 1239 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

BetrVG beteiligen müssen und hat gegen die Arbeitgeberin dementsprechend ein Verfahren nach § 101 BetrVG eingeleitet. Während das Arbeitsgericht dem Antrag entsprochen hat, ist er auf die Beschwerde der Arbeitgeberin vom LAG Sachsen-Anhalt abgewiesen worden. Die vom Betriebsrat eingelegte Rechtsbeschwerde blieb erfolglos. Das BAG hält zunächst daran fest, dass es sich bei tariflichen Vergütungsordnungen nicht um Betriebsnormen i. S. v. § 3 Abs. 2 TVG handelt, die unabhängig von der Tarifbindung der Arbeitnehmer für alle Betriebe des tarifgebundenen Arbeitgebers gelten, sondern um Inhaltsnormen, die nur unmittelbar und zwingend im Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und den tarifgebundenen Arbeitnehmern anzuwenden sind 98. Anschließend verneint das BAG im vorliegenden Fall eine Tarifkonkurrenz, bei der einer der miteinander konkurrierenden Tarifverträge verdrängt wird, und nimmt eine Tarifpluralität an, bei der die jeweiligen Tarifnormen unabhängig voneinander auf die jeweils tarifgebundenen Arbeitnehmer anwendbar sind. Damit erweitern sich zugleich die betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers, der im Verhältnis zum Betriebsrat gehalten ist, die Arbeitnehmer den Entgeltgruppen beider Vergütungsordnungen zuordnen und seine Zustimmung nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG einholen zu müssen. In Übereinstimmung mit der Entscheidung des 7. Senat des BAG vom 4.5.2011 99 weist auch der 1. Senat des BAG 100 darauf hin, dass diese Zuordnung zu den Entgeltgruppen beider tariflichen Vergütungsordnungen nicht davon abhängt, ob die davon betroffenen Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Anwendung der Tarifverträge haben. Gleichwohl war der Antrag des Betriebsrats abzuweisen, weil die von der EVG und der Arbeitgeberin getroffenen Zuordnungsentscheidungen keinen Raum mehr für eine (nochmalige) Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG zuließen. Diese Schlussfolgerung ist allein deswegen geboten, weil der Arbeitgeber die Bestimmung einer Eingruppierung oder Umgruppierung nicht mehr vornehmen kann, wenn bereits die Tarifvertragsparteien die ansonsten den Betriebsparteien obliegende Ein- oder Umgruppierungsentscheidung getroffen haben. Entfällt insoweit die Entscheidungskompetenz des Arbeitgebers, wird damit automatisch der Mitbestimmung des Betriebsrats der Boden entzogen. Diesen Grundsatz verdeutlicht der Gesetzgeber unmissverständlich in § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG, wonach eine Mitbestimmung des Betriebsrats bei den in dieser Vorschrift

98 BAG v. 18.10.2011 – 1 ABR 25/10, NZA 2012, 392 Rz. 16. 99 7 ABR 10/10, NZA 2011, 1239 ff. 100 v. 14.4.2015 – 1 ABR 66/13, NZA 2015, 1077 Rz. 32.

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Vergütungsanspruch bei mitbestimmungswidrig geänderter Entgeltordnung

geregelten Angelegenheiten insoweit entfällt, als der Arbeitgeber durch eine zwingende Rechtsnorm oder einen für ihn maßgebenden Tarifvertrag zu einer bestimmten Verhaltensweise gezwungen ist, ohne dass ihm Entscheidungsspielräume verbleiben. Das BAG sieht in der von den Tarifvertragsparteien getroffenen Zuordnungsentscheidung auch keine Kompetenzbeschneidung der Betriebsparteien nach § 99 BetrVG, weil den Tarifvertragsparteien nicht verwehrt ist, neben der Schaffung einer Vergütungsordnung mit abstrakten Vergütungsmerkmalen zugleich deren Umsetzung auf die davon betroffenen Arbeitnehmer in Gestalt einer Eingruppierung vornehmen zu dürfen. Ungeachtet dessen, dass die Bindung des Arbeitgebers an eine tarifliche Entgeltstruktur keinen Anspruch der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer auf den Tariflohn begründet, trifft den Arbeitgeber die betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung, die tarifliche Vergütungsordnung gleichwohl auf diese Arbeitnehmer im Betrieb anwenden zu müssen. Im Lichte der Transparenz vermag der nicht tarifgebundene Arbeitnehmer anhand der Eingruppierung in den Tarifvertrag zu erkennen, ob er über- oder untertariflich bezahlt wird. Der tarifgebundene Arbeitnehmer kann bei untertariflicher Bezahlung unter Nachweis seiner Gewerkschaftszugehörigkeit die tarifliche Mindestvergütung vom Arbeitgeber beanspruchen. Überraschend für den Arbeitgeber mag dabei sein, dass er mit seinem Betriebsrat unter Umständen ein Beschlussverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG oder § 101 BetrVG durchführen muss, ohne dass dieses Verfahren einen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe der Vergütung des davon betroffenen Arbeitnehmers hat. Es bleibt abzuwarten, ob sich durch eine Tarifpluralität veranlasste doppelte Eingruppierungsentscheidungen durch das Gesetz zur Tarifeinheit vom 5.7.2015 101 in der Zukunft weitgehend erübrigen. (Boe)

12. Vergütungsanspruch bei mitbestimmungswidrig geänderter Entgeltordnung Welche Auswirkungen eine mitbestimmungswidrig durch den Arbeitgeber vorgenommene Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze auf den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers hat, war Gegenstand der Entscheidung des 1. Senats des BAG vom 5.5.2015 102. Es ging dabei vorrangig um die Frage, ob ein Arbeitnehmer aus einer mitbestimmungswidrig eingeführten Entgeltordnung höhere Vergütungsansprüche herleiten kann.

101 BGBl. I S. 1130. 102 1 AZR 435/13, NZA 2015, 1207 Rz. 21.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

Die nicht tarifgebundenen Beklagte schloss mit ihrem Betriebsrat im Jahre 1992 eine Betriebsvereinbarung (BV 1992), die bezüglich der Eingruppierung und Vergütung auf den BAT verwies, aber auch eigenständige Regelungen enthielt. Im Jahre 2001 vereinbarten die Betriebsparteien in einer weiteren Betriebsvereinbarung (BV 2001), dass die Bestimmungen der Tarifverträge BAT und BMT-G auf die Beschäftigungsverhältnisse angewandt werden sollten. Diese Betriebsvereinbarung enthielt jedoch keine Regelungen zur Eingruppierung und zur Vergütung. Bis September 2005 schloss die Beklagte mit ihren im Bereich der Verwaltung und der Technik eingesetzten Arbeitnehmern Arbeitsverträge, in denen eine Vergütung in Anlehnung an eine bestimmte Vergütungsgruppe des BAT vereinbart wurde. Im Hinblick auf die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen zum 1.10.2005 unterrichtete die Beklagte ihre Mitarbeiter im Bereich der Verwaltung und Technik im Oktober 2005 darüber, dass nunmehr eine Überleitung des BAT in den TVöD und eine Eingruppierung in Anlehnung an den TVöD erfolge. Eine entsprechende Mitteilung richtete die Beklagte mit Schreiben vom 15.8.2005 auch an den Betriebsrat, der sich dazu nicht äußerte. Die Klägerin wurde seit April 2000 von der Beklagten – zuletzt als Projektleiterin – beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag vom 10.10.2000 sah eine monatliche Vergütung in Anlehnung an BAT III/8 vor. In einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 20.10.2010 gab die Beklagte eine Eingruppierung ab 1.10.2005 in Anlehnung an den TVöD in die Entgeltgruppe 11/Stufe 5 bekannt. In dem letzten, am 27.11.2007 geschlossenen Arbeitsvertrag der Parteien, der alle vorausgegangenen Vereinbarungen ersetzen sollte, war ein monatliches Bruttogehalt von 4.000,- € vorgesehen. Außerdem sollte die Klägerin ab 1.1.2008 eine zielabhängige Tantieme in Höhe von maximal 2.800,- €/Jahr erhalten. Mit ihrer Klage hat die Klägerin für die Jahre 2008 bis 2010 unter Berücksichtigung des ihr gezahlten Bruttomonatsentgelts die Zahlung des monatlichen Tabellenentgelts nach dem TVöD entsprechend der Entgeltgruppe 11/Stufe 6 von der Beklagten beansprucht, weil sich ihre Vergütung nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung nach dem TVöD richte und ihr geänderter Arbeitsvertrag bezüglich der Vergütung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletze. Die Beklagte hat eine Verletzung der Mitbestimmung des Betriebsrats verneint und geltend gemacht, bei der einzelvertraglichen Abmachung mit der Klägerin fehle es an einem kollektiven Bezug. Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Das LAG hat sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Das BAG geht zunächst davon aus, dass die Klägerin ihre Zahlungsansprüche nicht unmittelbar aus dem letzten Arbeitsvertrag vom 27.11.2007 herlei-

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Vergütungsanspruch bei mitbestimmungswidrig geänderter Entgeltordnung

ten kann, weil dieser keinerlei Verweis auf den TVöD (VKA) enthält. Ebenso wenig vermag die Klägerin eine Vergütung nach den Grundsätzen des TVöD von der Beklagten zu beanspruchen, weil dieser Tarifvertrag nicht die im Betrieb der Beklagten zuletzt mitbestimmten Entlohnungsgrundsätze enthält. Das BAG verweist zunächst darauf, dass ein Arbeitnehmer in Fortführung der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung bei einer unter Verstoß gegen das Beteiligungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vorgenommenen Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze eine Vergütung auf der Grundlage der zuletzt mitbestimmten Entlohnungsgrundsätze verlangen kann. Dazu hat das BAG bereits in der Entscheidung vom 17.5.2011 103 ausgeführt, dass die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung über die Vergütungshöhe von Gesetzes wegen ergänzt wird durch die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nach den im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätzen zu vergüten 104. Diese Entlohnungsgrundsätze unterliegen bei einem nicht oder nicht mehr tarifgebundenen Arbeitgeber der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, wonach der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, mitzubestimmen hat. Für dieses Beteiligungsrecht des Betriebsrats kommt es nach Ansicht des BAG nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen Entlohnungsgrundsätze erfolgt ist, wobei dies ein kollektiver Normenvertrag (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung), einzelvertragliche Absprachen oder eine vom Arbeitgeber einseitig praktizierte Vergütungsordnung sein kann. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hängt damit nicht vom Geltungsgrund der Entgeltleistung, sondern ausschließlich vom Vorliegen eines kollektiven Tatbestands ab 105. Der Betriebsrat hat allerdings aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG keinen Zugriff durch Mitbestimmung auf die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts 106. Angesichts dessen darf der Arbeitgeber ohne Beteiligung des Betriebsrats unter Beibehaltung des bisherigen Vergütungsschemas die absolute Höhe der Ver-

103 104 105 106

1 AZR 797/09, NZA-RR 2011, 644 Rz. 30. BAG v. 22.6.2010 – 1 AZR 853/08, NZA 2010, 1243 Rz. 43. BAG v. 17.5.2011 – 1 AZR 779/09, NZA-RR 2011, 644 Rz. 17. BAG v. 3.12.1991 – GS 2/90, NZA 1992, 749 ff.

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gütung um einen bestimmten Prozentsatz verringern, solange der relative Abstand der Gesamtvergütungen zueinander unverändert bleibt 107. Wird der Betriebsrat entgegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Änderung einer im Betrieb geltenden Vergütungsordnung vom Arbeitgeber nicht beteiligt, führt nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls zur Unwirksamkeit von Maßnahmen oder Rechtsgeschäften, die den Arbeitnehmer belasten 108. Maßnahmen zum Nachteil der Arbeitnehmer sind dabei nur solche, die bereits bestehende Rechtspositionen der Arbeitnehmer schmälern. In Fortführung der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung geht das BAG 109 nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung außerdem davon aus, dass der Arbeitnehmer eine Vergütung auf der Grundlage der zuletzt mitbestimmten Entlohnungsgrundsätze fordern kann. Die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung über die Vergütungshöhe wird danach von Gesetzes wegen ergänzt durch die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nach den im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätzen zu vergüten 110. Dieses Auslegungsergebnis entnimmt das BAG dem Zweck des Beteiligungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, um zu verhindern, dass sich der Arbeitgeber seiner Bindung an die von ihm einseitig vorgegebene oder mitbestimmte Vergütungsstruktur unter Verstoß gegen das Beteiligungsrecht des Betriebsrats und den in § 87 Abs. 2 BetrVG bestimmten Einigungszwang entzieht. In Anbetracht dieser allgemeinen Grundsätze geht das BAG im Streitfall davon aus, dass jedenfalls die in der BV 1992 durch Bezugnahme auf die Vergütungsgruppen des BAT geregelten Entlohnungsgrundsätze bislang nicht durch eine anderweitige Regelung in wirksamer Weise abgelöst worden sind. Soweit es um die BV 2001 geht, verhält sich diese nicht über die Festlegung von Entlohnungsgrundsätzen, sodass insoweit eine Ablösung der BV 1992 nicht in Betracht kam. Das BAG lässt auch dahinstehen, ob Teile der BV 1992 und 2001 gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG verstoßen, weil die Teilunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung die Unwirksamkeit ihrer übrigen Bestimmungen nur dann zur Folge hätte, wenn 107 BAG v. 15.4.2008 – 1 AZR 65/07, NZA 2008, 888 Rz. 25; vgl. dazu auch BAG v. 5.10.2010 – 1 ABR 20/09, NZA 2011, 598 Rz. 23 ff. bei Regelung einer zusätzlichen Leistung in einer gesonderten Betriebsvereinbarung. 108 BAG v. 22.6.2010 – 1 AZR 853/08, NZA 2010, 1243 Rz. 42. 109 BAG v. 15.4.2008 – 1 AZR 65/07, NZA 2008, 888 ff.; BAG v. 22.6.2010 – 1 AZR 853/08, NZA 2010, 1243 ff.; BAG v. 11.1.2011 – 1 AZR 310/09, EzA § 87 BetrVG 2001 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 24. 110 BAG v. 22.6.2010 – 1 AZR 853/08, NZA 2010, 1243 Rz. 43.

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Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze

diese ohne die unwirksamen Teile keine sinnvolle Regelung mehr darstellen würden. Die Beklagte konnte – wie das BAG auf der Grundlage seiner bisherigen Rechtsprechung ausführt – die Vergütung der Arbeitnehmer unter Abänderung der BV 1992 nicht einseitig auf die Entlohnungsgrundsätze des TVöD umstellen. Insofern kam auch nicht der Grundsatz der sogenannten Tarifsukzession in Betracht, woran der Betriebsrat mangels Änderung der bisherigen Vergütungsstruktur nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu beteiligen ist 111, weil die Betriebsparteien in der BV 1992 Entlohnungsgrundsätze geschaffen haben, die nicht der Vergütungsstruktur des TVöD entsprechen. Damit erwies sich die seitens der Arbeitgeberin einseitig vorgenommene Änderung der Entlohnungsgrundsätze durch Umstellung auf die Vergütungsstruktur des TVöD ab dem 1.10.2005 mangels Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG als rechtsunwirksam. Angesichts dessen konnte die Klägerin ihre Klageforderung nicht auf die Vergütungsstruktur des TVöD stützen, weil die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung keinen Anspruch auf Vergütung nach mitbestimmungswidrig geänderten Entlohnungsgrundsätzen begründen kann. Die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung ist – wie das BAG betont – keine Anspruchsgrundlage zur Durchsetzung mitbestimmungswidrigen Verhaltens. Diese Rechtsprechung des BAG ist für die betriebliche Praxis deshalb von Bedeutung, weil die Konsequenzen dieser Entscheidung jeden Arbeitgeber treffen können, der sich durch Verbandsaustritt oder eine OT-Mitgliedschaft der weiteren Dynamik eines Tarifvertrages entziehen oder sich durch vertragliche Bezugnahme der Vergütungsstrukturen eines entsprechenden Tarifvertrages bedienen will. Diese Situation kann auch einen nicht tarifgebundenen Arbeitgeber treffen, der einen Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers übernimmt. Jede Änderung der bisherigen Vergütungsstruktur, ungeachtet ihres Geltungsgrundes, lässt sich nur unter Einbindung des Betriebsrats und seiner Zustimmung (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG) bewirken. (Boe)

13. Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze Viele Unternehmen denken darüber nach, die Leistungssteuerung und Leistungsbewertung zu vereinheitlichen. Grundlage sind übergreifende Performance Management Systeme. Sie sollen auch Folgefragen erleichtern, die 111 BAG v. 17.5.2011 – 1 AZR 779/09, NZA-RR 2011, 644 Rz. 24.

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mit Blick auf die weitere Personalentwicklung und/oder Vergütungsanpassung entschieden werden müssen. Soweit es um Fragen der Personalentwicklung, der Fort- und Weiterbildung oder der Vergütung geht, stehen Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus §§ 92, 96 ff., 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Rede. Die damit verbundenen Maßnahmen setzen allerdings zunächst einmal voraus, dass eine Beurteilung des Arbeitnehmers auf der Grundlage vergleichbarer Kriterien erfolgt ist. Die insoweit bestehenden Beteiligungsrechte des Betriebsrats werden durch § 94 Abs. 2 BetrVG bestimmt. Danach bedarf die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze der Zustimmung des Betriebsrats. Kommt diese nicht zustande, entscheidet die Einigungsstelle. Ihr Spruch ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. In seinem Beschluss vom 17.3.2015 112 hat der 1. Senat des BAG klargestellt, dass das durch § 94 Abs. 2 BetrVG begründete Beteiligungsrecht dem Betriebsrat nicht ermöglicht, von sich aus an den Arbeitgeber heranzutreten und von diesem die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze zu verlangen 113. Entschließe sich der Arbeitgeber aber, allgemeine Beurteilungsprinzipien einzuführen, habe der Betriebsrat deren Inhalt mitzubestimmen. Die Art und Weise der Aufstellung sei nicht entscheidend. Es genüge, wenn Regelungen zur Anwendung kommen sollten, die eine Bewertung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer verobjektivierten oder vereinheitlichten oder an Kriterien ausrichten sollten, die für die Beurteilung jeweils erheblich seien. Die Beurteilungsgrundsätze seien insoweit stets auf die Person eines oder mehrerer bestimmter Arbeitnehmer bezogen. Gegenstand des durch § 94 Abs. 2 BetrVG begründeten Mitbestimmungsrechts ist nach den Feststellungen des BAG die Frage, nach welchen Gesichtspunkten Arbeitnehmer insgesamt oder ein Teil ihrer Leistung oder ihres Verhaltens beurteilt werden sollen. Auf diese Weise soll ein einheitliches Vorgehen bei der Beurteilung und ein Bewerten nach einheitlichen Maßstäben ermöglicht und so erreicht werden, dass die Beurteilungsergebnisse miteinander vergleichbar seien. Hiervon ausgehend unterlägen dem Mitbestimmungsrecht die Festlegung der materiellen Beurteilungsmerkmale und die Grundlagen der Beurteilung. Hierzu kann auch die Frage gehören, ob und ggf. in welcher Weise und für welchen Zeitraum dem Arbeitnehmer als Grundlage für die spätere Beurteilung bestimmte Handlungsziele gesetzt werden. Folgerichtig erstreckt sich § 94 Abs. 2 BetrVG auch auf die Ausge-

112 1 ABR 48/13, NZA 2015, 885 Rz. 25. 113 Ebenso bereits BAG v. 23.3.2010 – 1 ABR 81/08, NZA 2011, 811, 812 f. Rz. 20.

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Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze

staltung des Beurteilungsverfahrens 114. Vollziehe sich das Beurteilungsverfahren auf der Grundlage von Mitarbeitergesprächen, werden auch diese nach Inhalt und Art der Durchführung vom Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 2 BetrVG erfasst 115. In dem der aktuellen Entscheidung des BAG zugrundeliegenden Fall war von diesen Grundsätzen ausgehend ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gegeben. Denn der Arbeitgeber beabsichtigte, Mitarbeiterjahresgespräche als zentrales Instrument der Personalentwicklung einzuführen. Insbesondere die Gestaltung dieser Gespräche, aber auch ein hierzu vorbereiteter Leitfaden, der Führungskräften als Orientierungshilfe dienen sollte, bedurfte daher einer Zustimmung des Betriebsrats nach § 94 Abs. 2 BetrVG. Dass die Teilnahme der zu beurteilenden Mitarbeiter an den Mitarbeitergesprächen freiwillig sein und der vorgelegte Leitfaden lediglich als Orientierungshilfe dienen sollte, stand der Annahme eines Mitbestimmungsrechts nicht entgegen. Das Mitbestimmungsrecht des § 94 Abs. 2 BetrVG sollte – so das BAG – sicherstellen, dass ein Arbeitnehmer nur nach seiner Arbeitsleistung und der persönlichen Eignung für seine berufliche Entwicklungsmöglichkeit im Betrieb beurteilt werde 116. Ausgehend von diesem Zweck sei der Betriebsrat auch dann zu beteiligen, wenn Beurteilungen nicht obligatorisch festgelegt und ihre Merkmale und Kriterien lediglich als „Richtungsvorgaben“ formuliert würden 117. Grundsätzlich bleibt es auch bei § 94 Abs. 2 BetrVG bei der Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte. Allein der Wunsch des Arbeitgebers nach einer unternehmenseinheitlichen oder betriebsübergreifenden Regelung, sein Koordinierungs- oder Kosteninteresse sowie reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte genügen nach den zutreffenden Feststellungen des BAG nicht, um in Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zustimmung des Betriebsrats zu begründen 118. Dies schließt aber im Einzelfall eine Zuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats nicht aus. Erforderlich für die Anerkennung einer originären Zuständigkeit dieser Gremien ist allerdings, dass die Überlegungen des Ar114 BAG v. 17.3.2015 – 1 ABR 48/13, NZA 2015, 885 Rz. 25 f.; BAG v. 14.1.2014 – 1 ABR 49/12, DB 2014, 1382 Rz. 13, 20. 115 BAG v. 17.3.2015 – 1 ABR 48/13, NZA 2015, 885 Rz. 26; Fitting, BetrVG § 94 Rz. 30; WPK/Preis, BetrVG § 94 Rz. 3. 116 Ebenso BAG v. 14.1.2014 – 1 ABR 49/12, DB 2014, 1382 Rz. 20. 117 BAG v. 17.3.2015 – 1 ABR 48/13, NZA 2015, 885 Rz. 27. 118 BAG v. 17.3.2015 – 1 ABR 48/13, NZA 2015, 885 Rz. 29; BAG v. 19.6.2012 – 1 ABR 19/11, NZA 2012, 1237, 1239 Rz. 21.

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beitgebers nicht nur mehrere Betriebe bzw. Unternehmen betreffen, sondern objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine betriebs- oder unternehmensübergreifende Regelung gegeben ist. Dies kann – worauf der 1. Senat des BAG hinweist – durch ein einheitlich verfasstes Personalentwicklungskonzept für das Unternehmen bzw. den Konzern ausgelöst werden. Ein Indiz dafür ist der Umstand, dass die Mitarbeitergespräche bzw. sonstige Maßnahmen des Beurteilungsverfahrens von einer zentralen Personalabteilung betriebs- bzw. unternehmensübergreifend koordiniert und gesteuert werden 119. Denkbar ist auch, dass die Arbeits- und Ablauforganisation, die durch Betriebs- bzw. unternehmensübergreifende Steuerungsprozesse geprägt ist, die Einbindung des Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrats erforderlich macht. Typischerweise ist dies in einer Matrix-Organisation der Fall. (Ga)

14. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes In der Vergangenheit haben wir uns mehrfach mit der Frage befasst, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bestehen. Im Mittelpunkt steht dabei natürlich § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Danach hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei allen Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften mitzubestimmen. Hiervon ausgehend hat das BAG umfangreiche Beteiligungsrechte des Betriebsrats, insbesondere im Zusammenhang mit Gefährdungsanalysen nach § 5 ArbSchG 120, Arbeitsunterweisungen nach § 12 ArbSchG 121 und Maßnahmen zur personellen und organisatorischen Steuerung des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes auf der Grundlage von §§ 3, 9 ArbSchG anerkannt 122. Problematisch für die betriebliche Praxis ist, dass es eine Vielzahl gesetzlicher Vorschriften gibt, die ausfüllungsbedürftige Handlungsvorgaben im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes enthalten. Dies gilt erst recht nach dem Inkrafttreten der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichVO), die solche Handlungspflichten in Bezug auf den Einsatz von Arbeitsmitteln noch einmal erweitert hat 123. In allen Fällen stehen Mitbestimmungsrechte 119 BAG v. 17.3.2015 – 1 ABR 48/13, NZA 2015, 885 Rz. 32 f., 38. 120 BAG v. 30.9.2014 – 1 ABR 106/12, NZA 2015, 314 ff. 121 BAG v. 30.9.2014 – 1 ABR 106/12, NZA 2015, 314 ff. 122 Vgl. BAG v. 18.3.2014 – 1 ABR 73/12, NZA 2014, 855 ff. 123 Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2014, 491 ff.; 2015, 275 ff.

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Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes

des Betriebsrats in Rede, weil typischerweise nicht nur eine einzige Möglichkeit zur Umsetzung dieser Handlungspflichten besteht. In seinem Beschluss vom 25.3.2015 124 hat das LAG Berlin-Brandenburg unter Bezugnahme auf die insoweit einschlägige Rechtsprechung des BAG zwar zunächst einmal deutlich gemacht, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG einsetze, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift betriebliche Regelungen zu treffen habe und ihm bei der Gestaltung Handlungsspielräume verblieben 125. Nach dem Verständnis des LAG Berlin-Brandenburg ist das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG allerdings nicht so umfassend, dass für andere auf den Gesundheitsschutz bezogene betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften (z. B. § 88 Nr. 1 und § 91 BetrVG) kein nennenswerter Anwendungsbereich mehr verbleibe. Bei sehr weit gefassten, dem Gesundheitsschutz dienenden gesetzlichen Generalklauseln könne deshalb ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht ohne Einschränkungen bestehen. Hiervon ausgehend sei eine Mitbestimmung des Betriebsrats bei Anwendung umfassender Generalklauseln nur dort zu beachten, wo eine unmittelbare objektive Gesundheitsgefahr vorliege 126. Darüber hinaus habe der Betriebsrat mitzubestimmen, wenn konkrete, dem Gesundheitsschutz dienende Rahmenvorschriften ausgefüllt werden müssten. Dies könne z. B. dann der Fall sein, wenn eine zum Gesundheitsschutz durchgeführte Gefährdungsbeurteilung einen Handlungsbedarf ergebe und es dann um die Festlegung der daraus gebotenen Maßnahmen des Arbeitgebers gehe. Sei eine unmittelbare, objektive Gesundheitsgefahr allerdings nicht gegeben und gehe es auch nicht um die Ausfüllung konkreter Rahmenvorschriften, liege kein Fall der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG vor. Auf der Grundlage dieser einschränkenden Interpretation des Anwendungsbereichs von § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat das LAG Berlin-Brandenburg den Spruch einer Einigungsstelle zu konkreten Handlungspflichten im Rahmen des Gesundheitsschutzes in wesentlichen Teilen aufgehoben, weil außerhalb bestehender Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats entschieden worden sei. Aufgehoben wurden daher alle Bestimmungen, durch die konkrete Handlungspflichten festgelegt wurden, ohne dass eine unmittelbare 124 23 TaBV 1448/14 n. v. 125 So bereits BAG v. 11.12.2012 – 1 ABR 81/11 n. v. (Rz. 17). 126 So BAG v. 16.6.1998 – 1 ABR 68/97, NZA 1999, 49 ff.; BAG v. 2.4.1996 – 1 ABR 47/95, NZA 1996, 998 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

und objektive Gesundheitsgefahr der davon betroffenen Arbeitnehmer gegeben war. Ob das BAG dieser Sichtweise folgen wird, bleibt abzuwarten. Rechtsbeschwerde ist eingelegt 127. (Ga)

15. Paritätisch besetzte Kommission im betrieblichen Vorschlagswesen In den Orientierungssätzen zu seinem Urteil vom 19.5.2015 128 stellt der 9. Senat des BAG fest, dass einem paritätischen Ausschuss durch Betriebsvereinbarung über das betriebliche Vorschlagswesen seine Leistungsbestimmung über die Bewertung eingereichter Verbesserungsvorschläge gemäß den Grundsätzen der §§ 317 ff. BGB zugewiesen werden könne. Tatsachenfeststellungen, die sinnvollerweise besser betriebsnah als von außenstehenden Stellen getroffen werden könnten, dürften vom paritätischen Ausschuss verbindlich getroffen werden. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Sie bestätigt die bereits im vergangenen Winter behandelte Entscheidung des BAG, nach der auch Streitigkeiten über die Auslegung oder eine etwaige erforderliche Ergänzung bestehender Betriebsvereinbarungen einer paritätischen Kommission zur abschließenden Entscheidung zugewiesen werden dürfen. Dieser Mechanismus kann auch genutzt werden, um ein Einigungsstellenverfahren auszuschließen 129. Wir hatten auf diese Entscheidung verwiesen 130. Besteht eine Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Vorschlagswesen, kommt eine Vergütungserwartung i. S. d. § 612 Abs. 1 BGB für einen Verbesserungsvorschlag regelmäßig nur in den in der Betriebsvereinbarung vorgesehenen Fällen in Betracht. Auch darauf hat das BAG im Urteil vom 19.5.2015 131 hingewiesen. (Ga)

127 1 ABR 25/15. 128 9 AZR 863/13 n. v. 129 Vgl. BAG v. 16.12.2014 – 9 AZR 431/13, NZA-RR 2015, 229 Rz. 25 ff.; BAG v. 11.2.2014 – 1 ABR 76/12, ZTR 2014, 497. 130 B. Gaul, AktuellAR 2015, 476 ff. 131 9 AZR 863/13 n. v. (Rz. 28).

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Abführungspflicht für Aufsichtsratstantiemen bei Gewerkschaftsvertretern

16. Abführungspflicht für Aufsichtsratstantiemen bei Gewerkschaftsvertretern Gemäß § 7 Abs. 2 MitbestG müssen sich unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer im Bereich der paritätischen Mitbestimmung Arbeitnehmer des Unternehmens und Gewerkschaftsvertreter in dem dort genannten Verhältnis befinden. Soweit die Mitglieder des Aufsichtsrats – was üblicherweise der Fall ist – eine Vergütung erhalten, gilt dies für Anteilseignerund Arbeitnehmervertreter gleichermaßen. Zwar kann die Vergütung den Aufsichtsratsvorsitz, seine Vertretung oder die Mitwirkung in Ausschüssen des Aufsichtsrats berücksichtigen. Eine Differenzierung zwischen den Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern ist indes ausgeschlossen 132. Gegenstand des Urteils des BAG vom 21.5.2015 133 war nun die Frage, ob eine Gewerkschaft, deren hauptamtlicher Funktionär durch Wahl oder gerichtliche Entscheidung zum Mitglied eines Aufsichtsrats bestimmt wird, von diesem die Abführung der Aufsichtsratstantiemen verlangen kann. In dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Beklagte als hauptamtlicher Funktionär bei der Gewerkschaft ver.di beschäftigt. Nach der Tätigkeitsbeschreibung gehörte zu seinen Aufgaben auch die Wahrnehmung eines etwaigen Aufsichtsratsmandats. Ergänzend hierzu war durch die Satzung der Gewerkschaft bestimmt, dass Bezüge aus Aufsichtsratsmandaten und sonstigen Mandaten unter Berücksichtigung einer vom Gewerkschaftsrat zu erlassenden Richtlinie zu 80 % an die Hans-Böckler-Stiftung und zu 20 % an den Gewerkschaftspolitische Bildung e. V. abzuführen waren.

Der Beklagte war Mitglied von ver.di. Als Vertreter der Gewerkschaft war er seit 2002 Mitglied des Aufsichtsrats mehrerer Gesellschaften und erhielt hierfür auch eine Vergütung. Nachdem er ab 1.7.2009 in die Freistellungsphase der Altersteilzeit gegangen war, beschloss er, die bis dahin vollzogene Abführung der Aufsichtstantiemen einzustellen. Zu seiner Begründung verwies er u. a. darauf, dass er weder bei seiner Kandidatur noch der Annahme des Mandats eine Erklärung gegenüber der Gewerkschaft abgegeben habe, eine solche Abführung vorzunehmen. Darüber hinaus gehöre die Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats – jedenfalls nach Beginn der Freistellungsphase der Altersteilzeit – nicht (mehr) zu den arbeitsvertraglichen Pflichten, sodass auch kein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Abführung der Auf-

132 BAG 21.5.2015 – 8 AZR 956/13, BB 2015, 2426 ff. 133 8 AZR 956/13, BB 2015, 2426 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

sichtsratstantieme gegeben sei. Der von ver.di geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 145.161, 55 € sei deshalb unbegründet. Das BAG hat in seiner Entscheidung zwar arbeitsvertragliche Ansprüche ebenso wie Ansprüche aus dem Auftragsrecht der Gewerkschaft abgelehnt. Auf der Grundlage der für den Kläger als Mitglied der Gewerkschaft verbindlichen Satzung ist der 8. Senat des BAG allerdings in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen von einer Abführungspflicht des Beklagten ausgegangen. Zu Recht hat das BAG eine arbeitsvertragliche Zahlungspflicht des Beklagten verneint. Denn die Abführung von Teilen erhaltener Aufsichtsratsbezüge sei keine Hauptleistungspflicht des Beklagten. Dabei könne offen bleiben, ob der Beklagte als Folge der arbeitsvertraglichen Regelungen verpflichtet gewesen sei, ein Aufsichtsratsmandat „zu übernehmen“, also sich der Wahl zu stellen. Jedenfalls unterliege die Ausübung eines solchen Wahlmandats nicht dem Weisungsrecht der Klägerin, wie sie es für die Ausführung einer Arbeitsleistung gehabt hätte. Nach §§ 116, 93 Abs. 1 AktG seien Aufsichtsräte dem Wohl der Gesellschaft verpflichtet. Bei der GmbH im Bereich der paritätischen Mitbestimmung erfolgt dies aus § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG. Über die allgemeine Beachtung der gewerkschaftlichen Tendenz hinaus unterliegen sie allerdings keinem Weisungsrecht der Gewerkschaft, selbst wenn diese zugleich ihre Arbeitgeberin ist. Ebenso wenig könne – so das BAG – die Klägerin als Arbeitgeberin dem Beklagten verbieten, sein Amt auszuüben oder ihn zwingen, sein Amt niederzulegen. Gewählte Aufsichtsräte könnten nur unter den Voraussetzungen des § 23 MitbestG abberufen werden, wobei die Gewerkschaft nicht stimmberechtigt sei. Da die Gewerkschaft ab dem Moment der Wahl in den Aufsichtsrat weder die Amtsführung noch die Amtsdauer der Aufsichtsratsmitglieder direkt beeinflussen könne, verbiete sich die Annahme, die Wahrnehmung des Mandats stelle eine Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis dar. Ungeachtet dessen könne auch aus der Pflicht, sich einer Wahl in den Aufsichtsrat zu stellen, nicht die Verpflichtung folgen, auch die als Aufsichtsratsmitglied enthaltene Tantieme abzuführen 134. Auch eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht hat das BAG abgelehnt. Zum einen hatten die Parteien keine dahingehende Vereinbarung getroffen. Zum anderen könne eine solche Verpflichtung auch nicht aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB abgeleitet werden.

134 BAG v. 21.5.2015 – 8 AZR 956/13, BB 2015, 2426 ff. Rz. 21.

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Abführungspflicht für Aufsichtsratstantiemen bei Gewerkschaftsvertretern

Mit überzeugender Begründung hat das BAG auch einen Anspruch auf Abführung der Aufsichtsratsvergütung auf der Grundlage der auftragsrechtlichen Bestimmungen abgelehnt. Zwar sei § 667 BGB entsprechend auch auf Arbeitsverhältnisse anwendbar. Daraus folge, dass der Beauftragte durch die Geschäftsbesorgung keinen Nachteil erleiden solle, aus ihr aber auch regelmäßig neben der vereinbarten Arbeitsvergütung keine weiteren materiellen Vorteile ziehen solle 135. Es bestehe deshalb eine Verpflichtung des beauftragten Arbeitnehmers, der Arbeitgeberin als Auftraggeberin alles, was aus der Geschäftsbesorgung erlangt wurde, herauszugeben oder jedenfalls zu ersetzen 136. Nach den Feststellungen des BAG kommen diese Grundsätze zur Anwendung von § 667 BGB im Arbeitsverhältnis vorliegend aber schon deshalb nicht zur Anwendung, weil der Beklagte die Vergütung für seine Aufsichtsratstätigkeit nicht in Ausübung seiner vertraglich geschuldeten Tätigkeit für die Klägerin erhalten habe. Zudem sei die Wahrnehmung eines Aufsichtsratsmandats kein übertragenes Geschäft, das ein Auftragnehmer für einen Auftraggeber durchführen könnte. Das Aufsichtsratsmitglied werde in einem Wahlverfahren persönlich gewählt. Es sei dem Wohle der Gesellschaft verpflichtet, handle eigenverantwortlich und hafte bei Fehlverhalten persönlich. Das schließe ein daneben bestehendes Auftragsverhältnis zur vorschlagenden Gewerkschaft aus 137. Schlussendlich hat der 8. Senat des BAG in seinem Urteil vom 21.5.2015138 allerdings einen Anspruch der Gewerkschaft gegen den Kläger aus der Satzung in Verbindung mit den aufgrund der Satzung erlassenen Richtlinien zur Abführungsverpflichtung und den Aufsichtsratswahlen angenommen. In der weiteren Begründung seiner Entscheidung hat das BAG offengelassen, ob die Rechtsprechung des BGH zur Umlagenerhebung von Mitgliedern eines eingetragenen Vereins auf die Abführungsverpflichtung von Aufsichtsratstantiemen zu übertragen sei. Danach muss die Erhebung von Umlagen durch die Satzung nicht nur dem Grunde, sondern auch zumindest in Gestalt der Angabe einer Obergrenze der Höhe nach bestimmt sein. Vorliegend gehe es aber nicht um die Begründung einer Zahlungspflicht an den Verein, die ohne vorherige vereinsbezogene Einnahmen des Mitglieds statu-

135 BAG v. 21.5.2015 – 8 AZR 956/13, BB 2015, 2426 ff. Rz. 32; BAG v. 21.8.2014 – 8 AZR 655/13, BB 2015, 187 ff. Rz. 36; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 500/05, NZA 2006, 1089 ff. Rz. 21. 136 BAG v. 21.5.2015 – 8 AZR 956/13, BB 2015, 2426 ff. Rz. 32. 137 BAG v. 21.5.2015 – 8 AZR 956/13, BB 2015, 2426 ff. Rz. 33. 138 8 AZR 956/13, BB 2015, 2426 ff. Rz. 34 ff.

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Betriebsverfassung und Mitbestimmung

iert werden solle. Vielmehr werde durch die Satzung der Gewerkschaft eine Verpflichtung begründet, das abzuführen, was durch das Mitglied zuvor eingenommen wurde. Dabei stelle die Satzung nur darauf ab, was dem Mitglied tatsächlich zugeflossen worden sei. Darüber hinaus sei die Verpflichtung auf solche Einnahmen begrenzt, die aus der Aufsichtsratstätigkeit erzielt würden. Nach Auffassung des BAG ist eine solche Verpflichtung durch die Satzung begründbar, ohne dass es einer gesonderten Verpflichtungserklärung des Mitglieds bedürfe. Es entspreche der Vereinsautonomie, jedenfalls aber der Freiheit der gewerkschaftlichen Betätigung, dass die Klägerin als Gewerkschaft entsprechende Verpflichtungen in ihrer Satzung regeln könne. Eine Gewerkschaft sei kein Verein wie jeder andere, sondern eine vom Solidargedanken geprägte Interessenvertretung. Allein dies rechtfertige auch die satzungsgemäße Finanzierung gewerkschaftsnaher Institute durch die Abführungsverpflichtung. Darin liege auch keine Verfügung über das Vermögen der Mitglieder, sondern nur ein schuldrechtlicher Anspruch, zugeflossene Einnahmen abzuführen. Dies sei auch mit dem Grundsatz der Billigkeit vereinbar 139. Nach Auffassung des BAG liegt in einer entsprechenden Abführungspflicht auch kein Verstoß gegen den Grundsatz, dass kein Verband zur Finanzierung des gegnerischen Verbands verpflichtet werden könne 140. Eine direkte Gegnerfinanzierung – sei es durch Zahlung an die Gewerkschaft, sei es durch Zahlung an ein von der Gewerkschaft beherrschtes Drittunternehmen – werde von den mitbestimmten Unternehmen nicht verlangt. Da die vom Unternehmen gezahlte Vergütung dem Beklagten zufließe und Bestandteil seines Vermögens werde, käme allenfalls eine mittelbare Gegnerfinanzierung unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass der Beklagte aufgrund der Abführungsverpflichtung einen Großteil der Vergütung an die von der Klägerin benannten Gewerkschaftsinstitute weiterzuleiten habe. Dies aber unterscheide sich im Grundsatz nicht von der Finanzierung der Gewerkschaft durch Mitgliedsbeiträge 141. Abschließend hat das BAG sodann noch einmal deutlich gemacht, dass die Gewerkschaft nicht verpflichtet sei, eine entsprechende Abführung der Aufsichtsratstantieme auch von solchen Mitgliedern geltend zu machen, die bei ihr nicht als hauptamtliche Funktionäre beschäftigt seien. Es sei sachlich gerechtfertigt und vereinsrechtlich zulässig, zwischen einfachen Mitgliedern 139 BAG v. 21.5.2015 – 8 AZR 956/13, BB 2015, 2426 ff. Rz. 40 ff., 43, 45. 140 Vgl. BAG v. 30.3.1994 – 7 ABR 45/93, NZA 1995, 283 ff., 382 ff. 141 BAG v. 21.5.2015 – 8 AZR 956/13, BB 2015, 2426 ff. Rz. 48.

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Abführungspflicht für Aufsichtsratstantiemen bei Gewerkschaftsvertretern

und Mitgliedern, die hauptberuflich als Tendenzträger beschäftigt würden, zu differenzieren. Hinzu komme, dass der Kläger der „Abführungsbeauftragte“ von ver.di war, also für die Aufsichtsräte, in denen er ein Mandat wahrnahm, dafür zu sorgen hatte, dass die von der Klägerin vorgeschlagenen Aufsichtsratsmitglieder ihre Abführungspflichten erfüllten. Die Entscheidung des BAG überzeugt in ihrem Ergebnis und der Begründung. Losgelöst von der hier in Rede stehenden Betroffenheit der Gewerkschaftsmitglieder wird man daraus allerdings auch Konsequenzen ziehen müssen, soweit Führungskräfte und Organmitglieder als Aufsichtsratsmitglieder in anderen Gesellschaften tätig werden. Solche Verpflichtungen werden insbesondere in Tochtergesellschaften wahrgenommen, deren Tätigkeit dem funktionalen Aufgabenbereich eines Mitglieds des Vorstands oder der Geschäftsführung der Muttergesellschaft oder einer dort angestellten Führungskraft zugeordnet werden kann. Auch hier kann letztlich offen bleiben, ob die Übernahme solcher Mandate bereits im Arbeits- oder Dienstvertrag vereinbart wurde. In Übereinstimmung mit den Feststellungen des BAG in der vorstehend genannten Entscheidung dürfte daraus keine Verpflichtung folgen, eine etwaige Aufsichtsratsvergütung an die Gesellschaft abzuführen, mit der dieser Arbeits- oder Dienstvertrag abgeschlossen wurde. Vielmehr ist es erforderlich, eine teilweise oder vollständige Abführungs- oder Anrechnungspflicht als Nebenpflicht zum Arbeits- oder Dienstvertrag zu vereinbaren, falls dies unternehmens- oder personalpolitisch gewollt ist. (Ga)

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I. 1.

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Das Unternehmen als verpflichteter Rechtsträger für die Beteiligung des Betriebsrat nach §§ 111 ff. BetrVG bei Betriebsänderung im Konzern

Im Zusammenhang mit der Beteiligung des Wirtschaftsausschusses bzw. des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten nach §§ 106 ff., 111 ff. BetrVG nennt der Gesetzgeber nicht den Arbeitgeber, sondern den Unternehmer als verpflichteten Rechtsträger. So hat der Unternehmer den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten, soweit dadurch nicht die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden, sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung darzustellen (§ 106 Abs. 2 S. 1 BetrVG). In Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten (§ 111 S. 1 BetrVG). Mit Urteil vom 14.4.2015 1 hat der 1. Senat des BAG in Bezug auf die Pflichten aus §§ 111 ff. BetrVG deutlich gemacht, dass mit dem Unternehmer der Rechtsträger des Betriebs gemeint ist. Nichts anderes sei bei einer (abhängigen) Konzerngesellschaft anzunehmen. Auch in einem Konzern behalte das einzelne Konzernunternehmen grundsätzlich seine rechtliche Selbständigkeit. Bei einer das Unternehmen betreffende Betriebsänderung sei deshalb dieses – und nicht das herrschende oder ein anderes konzernangehöriges Unternehmen – zur Beteiligung des Betriebsrats nach § 111 BetrVG verpflichtet und damit auch ggf. Schuldner des Nachteilsausgleichs gemäß § 113 BetrVG. Entsprechend bleibe eine generelle (gegenseitige) Zurechnung von Maßnahmen konzernzugehöriger Unternehmen außen vor. Daran ändert sich nach den Feststellungen des BAG auch dadurch nichts, dass die geplante Betriebsänderung auch als Massenentlassung i. S. d. Richtlinie 98/59/EG qualifiziert werden kann. Zwar löst eine Massenentlassung die Beteiligungspflichten aus § 17 Abs. 2 KSchG und die Anzeigepflicht aus 1

1 AZR 794/13, NZA 2015, 1147 Rz. 16.

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§ 17 Abs. 1, 3 KSchG aus. Die Verpflichtungen aus § 17 KSchG einerseits und §§ 111 ff. BetrVG andererseits stehen indes nebeneinander. Insofern könnten – so das BAG – selbst aus einem Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Anzeigepflichten nach § 17 Abs. 1, 3 KSchG keine Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 Abs. 3 BetrVG hergeleitet werden. Eine Korrektur sei insoweit auch im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung nicht veranlasst 2. Die in § 111 S. 1 BetrVG geregelte Pflicht des Unternehmers, den Betriebsrat rechtzeitig über die geplante Betriebsänderung zu informieren und sich mit ihm mit dem Ziel einer Einigung darüber zu beraten, entspricht zwar grundsätzlich den Pflichten aus Art. 2 Richtlinie 98/59/EG. Im Gegensatz zu der Situation im Rahmen von §§ 111 BetrVG kann eine Informations- und Konsultationspflicht nach § 17 Abs. 2 KSchG im Konzern allerdings auch dann ausgelöst werden, wenn strategische Entscheidungen oder Änderungen der Geschäftstätigkeit durch ein übergeordnetes Konzernunternehmen geplant werden. Insofern geht § 17 Abs. 3 a KSchG in Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 4 Richtlinie 98/59/EG davon aus, dass die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach § 17 Abs. 1 bis 3 KSchG auch dann gelten, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, dass das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat. Von diesen Grundsätzen ausgehend war die Beklagte in dem der Entscheidung vom 14.4.2015 3 zugrunde liegenden Fall noch nicht zur Beteiligung des Betriebsrats nach § 111 BetrVG verpflichtet, als in der ihr übergeordneten Gesellschaft die Entscheidung getroffen wurde, den der betrieblichen Tätigkeit zugrundliegenden Zeitungsvertriebsauftrag zu kündigen. Denn die Beklagte war als eigenständiger Rechtsträger an dieser Entscheidung nicht beteiligt. Vielmehr hatte sie erst im Anschluss an den Zugang dieser Kündigung innerhalb ihrer eigenen Geschäftsführung die Entscheidung getroffen, als Folge nicht erkennbarer Möglichkeiten einer weiteren Beschäftigung der im Betrieb eingesetzten Arbeitnehmer eine Stilllegung des gesamten Betriebs vorzunehmen. Erst diese Entscheidung der Geschäftsführung der Beklagten konnte deshalb Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 111 BetrVG auslösen. Solange nur der Gesellschafter Maßnahmen plant, ist die nachgeordnete Gesellschaft nicht zur Unterrichtung und Beratung nach

2 3

BAG v. 14.4.2015 – 1 AZR 794/13, NZA 2015, 1147 Rz. 18. 1 AZR 794/13, NZA 2015, 1147 Rz. 20 ff.

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Umsetzung einer Betriebsänderung

§ 111 BetrVG verpflichtet, selbst wenn die durch den Gesellschafter geplanten Maßnahmen den Charakter einer Betriebsänderung erfüllen. Für die betriebliche Praxis zeigt dies, dass jedenfalls im Rahmen von § 111 BetrVG Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertreter vermieden werden können, wenn (erste) Planungen nicht innerhalb der betroffenen Gesellschaft selbst, sondern in übergeordneten (Konzern-)Gesellschaften getroffen werden. Entsprechendes gilt für §106 BetrVG. Voraussetzung ist allerdings, dass die Geschäftsführung der insoweit von den späteren Maßnahmen betroffenen Gesellschaft in diese Vorüberlegungen bzw. Planungen nicht eingebunden ist. Dass die Beteiligungsrechte wegen einer Massenentlassung als Folge von § 17 Abs. 3 a KSchG nicht in gleicher Weise eingeschränkt werden, wird man dann im Rahmen einer Abwägung mit dieser Handhabe als unternehmerisches Risiko hinnehmen müssen. (Ga)

2.

Mitbestimmungsfreie Vorbereitung der späteren Umsetzung einer Betriebsänderung

Der Zeitpunkt der Umsetzung einer Betriebsänderung hat insbesondere dann Bedeutung, wenn zuvor die gesetzlichen Beteiligungsrechte des Betriebsrats nicht gewahrt wurden. Zum einen kann der Betriebsrat dies zum Anlass nehmen, beim Arbeitsgericht im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Umsetzung der Betriebsänderung bis zum Abschluss eines Interessenausgleichs bzw. dem Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen zu untersagen. Eine Reihe von Arbeitsgerichten erkennt einen solchen Anspruch grundsätzlich an. Darüber hinaus können die von einer solchen Maßnahme betroffenen Arbeitnehmer gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG einen Anspruch auf Nachteilsausgleich geltend machen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG beginnt der Unternehmer mit der Durchführung einer Betriebsänderung, wenn er unumkehrbare Maßnahmen ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft. So besteht eine Betriebsänderung in Form der Stilllegung in der Aufgabe des Betriebszwecks unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation für unbestimmte, nicht nur vorübergehende Zeit. Hier erfolgt – so das BAG – eine Umsetzung, sobald der Unternehmer unumkehrbare Maßnahmen zur Auflösung der betrieblichen Organisation ergreife 4. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn er

4

BAG v. 14.4.2015 – 1 AZR 794/13, NZA 2015, 1147 Rz. 22; BAG v, 30.5.2006 – 1 AZR 25/05, NZA 2006, 1122 Rz. 17.

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die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung kündige 5. In seinem Urteil vom 14.4.2015 6 hat der 1. Senat des BAG deutlich gemacht, dass jede einzelne Maßnahme vor dem Abschluss der Interessenausgleichsverhandlungen eigenständig in Bezug auf die Frage zu prüfen ist, ob darin bereits eine unumkehrbare Maßnahme zur Umsetzung der Betriebsänderung liegt. Keine solche Umsetzung liegt darin, dass die Geschäftsführung bzw. der Vorstand des betroffenen Unternehmens einen Beschluss über die Durchführung einer Betriebsänderung getroffen hat. Dem Arbeitgeber sei es – so das BAG – nicht verwehrt, ohne vorherige Beteiligung des Betriebsrats Entschlüsse zu einer Betriebsänderung zu fassen. Er dürfe nur ohne Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht mit deren Durchführung beginnen. Insofern sichere § 113 Abs. 3 BetrVG kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats an der unternehmerischen Entscheidung, sondern nur bei deren Umsetzung. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 111 BetrVG setzten sogar voraus, dass der Arbeitgeber konkrete Planungen hinsichtlich einer Betriebsänderung habe, die den Gegenstand der zwischen den Betriebsparteien zu führenden Handlungen vorgäben 7. Hiervon ausgehend lehnt es das BAG zu Recht ab, in der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG, der Erstattung einer Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1, 3 KSchG oder etwaigen Anträgen auf Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung schwerbehinderter Menschen nach §§ 85 ff. SGB IX bereits die Umsetzung einer Betriebsänderung zu sehen. Die Maßnahmen dienten allein der Vorbereitung von Kündigungen. Sie zwängen den Arbeitgeber nicht zu deren Ausspruch 8. Auch in der tatsächlichen Einstellung der betrieblichen Tätigkeit liege keine unumkehrbare Maßnahme. Denn sie könne grundsätzlich rückgängig gemacht werden. Etwas anderes sei allenfalls dann denkbar, wenn ein Arbeitgeber – etwa durch die Veräußerung von Betriebsmitteln – bereits mit der Auflösung der betrieblichen Organisation begonnen habe 9. Dass einzelne Betriebsmittel nach Beendigung eines Auftrags schon vor Abschluss der In5 6 7 8 9

BAG v. 14.4.2015 – 1 AZR 794/13, NZA 2015, 1147 Rz. 22; BAG v. 23.9.2003 – 1 AZR 576/02, NZA 2004, 440 Rz. 31. 1 AZR 794/13, NZA 2015, 1147 Rz. 34 ff. Ebenso bereits BAG v. 30.5.2006 – 1 AZR 25/05, NZA 2006, 1122 Rz. 19. BAG v. 14.4.2015 – 1 AZR 794/13, NZA 2015, 1147 Rz. 25, 30. BAG v. 14.4.2015 – 1 AZR 794/13, NZA 2015, 1147 Rz. 26; BAG v. 30.5.2006 – 1 AZR 25/05, NZA 2006, 1122 Rz. 20.

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Tarif-Sozialplan mit stichtagsbezogener Begünstigung von Gewerkschaftsmitgliedern

teressenausgleichsverhandlungen an den Auftraggeber herausgegeben werden müssten (hier: Haustürschlüssel, Tourenbücher, Transportmittel), genüge nicht, um bereits eine Zerschlagung der betrieblichen Organisation anzunehmen. Entsprechendes gelte auch dann, wenn Miet- oder Pachtverträge beendet würden, falls eine Fortsetzung der jeweils in Rede stehenden Tätigkeit notfalls auch außerhalb der gemieteten bzw. gepachteten Räumlichkeiten erfolgen könne 10. Mit überzeugender Begründung hat das BAG auch in der Freistellung von Arbeitnehmern keine Umsetzung der Betriebsänderung gesehen, falls diese nicht unwiderruflich erfolge. Denn auch eine solche Maßnahme könne, wenn mit dem Betriebsrat ein hiervon abweichendes Ergebnis gefunden worden sei, wieder rückgängig gemacht werden 11. In Übereinstimmung mit den vorstehenden Überlegungen des BAG wird man unumkehrbare Maßnahmen zur Umsetzung einer Betriebsänderung auch nicht darin sehen können, dass Makler beauftragt werden, um das bisherige Betriebsgrundstück zu veräußern oder – wegen einer geplanten Verlagerung – ein neues Grundstück zu erwerben bzw. anzumieten. Unerheblich ist auch, wenn im Anschluss an die Anmietung eines neuen Standorts Aufbzw. Ausbauarbeiten durchgeführt und die erforderlichen Voraussetzungen für einen zeitnahen Umzug eingeleitet werden. Sämtliche Maßnahmen erhöhen zwar die Wahrscheinlichkeit, dass die Verhandlungen mit dem Betriebsrat keinen Verzicht auf die Betriebsverlagerung zur Folge haben werden. Sie verpflichten den Arbeitgeber indes nicht, die Maßnahme umzusetzen. Insofern liegt auch keine unumkehrbare Maßnahme vor, durch die Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 111 BetrVG missachtet würden. (Ga)

3.

Tarif-Sozialplan mit stichtagsbezogener Begünstigung von Gewerkschaftsmitgliedern

In einer Reihe von Entscheidungen hat sich die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren mit der Frage befasst, ob die tarifvertraglich geregelte Begünstigung von Gewerkschaftsmitgliedern zulässig ist. Neben der Differenzierung bei der Gewährung eines Zuschlags zum Urlaubsentgelt 12, bei Jahressonderzahlungen 13, Erholungsbeihilfen 14und Weihnachtsgeld 15 ging es

10 11 12 13

BAG v. 14.4.2015 – 1 AZR 794/13, NZA 2015, 1147 Rz. 26. BAG v. 14.4.2015 – 1 AZR 794/13, NZA 2015, 1147 Rz. 27. Vgl. BAG 29.11.1967 – GS 1/67, DB 1968, 1539 Rz. 178 ff., 181 f. BAG v. 15.4.2015 – 4 AZR 796/13, BB 2015, 2362 ff.

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auch um die Frage, ob Gewerkschaftsmitglieder im Rahmen tarifvertraglicher Regelungen zum Ausgleich bzw. der Milderung etwaiger Nachteile einer Betriebsänderung begünstigt werden können 16. Im Mittelpunkt der letztgenannten Diskussion standen die Tarifverträge, die zwischen NokiaSiemens-Network (heute: Nokia-Networks) und der IG Metall im Zusammenhang mit einer Teilbetriebsschließung im Jahre 2012 abgeschlossen worden waren. Zuletzt hatten wir darüber mit Blick auf die jetzt in vollständiger Ausfertigung vorliegende Entscheidung des BAG vom 15.4.2015 17 berichtet 18. In diesem Urteil hat es der 4. Senat des BAG für zulässig gehalten, die von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer in Bezug auf die Höhe ihrer Abfindung und die Höhe der Leistungen nach dem Wechsel in eine Transfergesellschaft zu benachteiligen, wenn sie nicht bis zu einem Stichtag Mitglied der IG Metall geworden sind. Der Stichtag für das Vorliegen einer solchen Mitgliedschaft lag knapp zwei Wochen vor der Unterzeichnung der Tarifverträge. Bemerkenswert an dem Sachverhalt ist, dass der Betriebsrat auf den eigenen Abschluss eines Sozialplans verzichtet und auf einen der beiden Tarifverträge hinsichtlich etwaiger Ausgleichsleistungen verwiesen hat. Hinsichtlich des Tarifvertrags, der die für alle Arbeitnehmer geltenden Regelungen enthielt, war diese statische Bezugnahme zulässig und keinen rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Problematisch war, dass der Betriebsrat ganz bewusst darauf verzichtet hatte, in seiner Vereinbarung mit dem Arbeitgeber auch auf den zweiten Tarifvertrag, durch den nur die stichtagsbezogenen Gewerkschaftsmitglieder begünstigt wurden, zu verweisen. Damit war dieser Tarifvertrag nicht zum Gegenstand einer Vereinbarung der betrieblichen Sozialpartner gemacht worden. Auch die vollständige Ausfertigung des Urteils vom 15.4.2015 19 überzeugt allerdings weder im Ergebnis noch der Begründung. Bereits eingangs seiner Entscheidungsgründe trifft das BAG die Feststellung, dass der streitgegenständliche Tarifvertrag zwar eine Differenzierung

14 BAG v. 21.5.2014 – 4 AZR 50/13, – 4 AZR 120/13, NZA 2015, 115 ff.; BAG v. 23.3.2011 – 4 AZR 366/09, NZA 2011, 920 Rz. 38. 15 Vgl. BAG v. 5.9.2012 – 4 AZR 696/10, DB 2013, 1123 ff. 16 Vgl. nur LAG München v. 15.5.2014 – 2 Sa 785/13 n. v.; LAG München v. 30.4.2014 – 11 Sa 38/14 n. v.; LAG München v. 16.10.2013 – 11 Sa 384/13, LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Nr. 2. 17 4 AZR 796/13, BB 2015, 2362 ff. 18 B. Gaul, AktuellAR 2015, 233 ff. 19 4 AZR 796/13, BB 2015, 2362 ff. Rz. 24 ff.

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enthalte. Entgegen der Auffassung der Klägerin werde dabei aber nicht zwischen Mitgliedern einer Gewerkschaft einerseits und „Unorganisierten“ oder „Außenseitern“ andererseits, sondern zwischen den verschiedenen Gruppen von Mitgliedern der IG Metall und damit allein zwischen tarifgebundenen Arbeitnehmern unterschieden, schlussendlich also denjenigen, für die ein Tarifvertrag ohnehin nur Rechtsnormen nach § 1 Abs. 1 TVG setzen könne. Damit handele es sich nicht um eine sogenannte einfache Differenzierungsklausel 20. Bereits diese Bewertung erscheint wenig überzeugend. Denn die stichtagsbezogene Benachteiligung führt entgegen dieser Annahme nicht nur zu einer Begünstigung der Gewerkschaftsmitglieder, die am Stichtag bereits eingetreten waren, im Verhältnis zu den Gewerkschaftsmitgliedern, die erst zu einem späteren Zeitpunkt Mitglied geworden sind. Sie bewirkt auch eine Ungleichbehandlung zwischen den stichtagsbezogenen Gewerkschaftsmitgliedern auf der einen Seite und solchen Arbeitnehmern, die zu keinem Zeitpunkt Mitglied der Gewerkschaft geworden sind. Deutlich wird dies insbesondere daran, dass eine Mindestdauer der Mitgliedschaft in der IG Metall im Anschluss an den im Tarifvertrag genannten Stichtag nicht verlangt wird. Schlussendlich werden nämlich alle Arbeitnehmer, die am Stichtag nicht Mitglied der IG Metall sind, gegenüber den stichtagsbezogenen Mitgliedern benachteiligt. Auf der Grundlage seines Verständnisses von der „Binnendifferenzierung“ zwischen Gewerkschaftsmitgliedern sieht das BAG keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Dabei erkennt der 4. Senat des BAG einen weiten Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien an. Dies gelte insbesondere für die Festlegung der Höhe des Entgelts. Hier umfasse die Tarifautonomie auch die Befugnis zur Vereinbarung von Regelungen, die dem Betroffenen ungerecht und Außenstehenden nicht zwingend sachgerecht erscheinen mögen. Die Tarifvertragsparteien seien nicht dazu verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genüge, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliege 21. Daraus folge auch, dass die Tarifvertragsparteien bei der Bestimmung der Voraussetzungen und der Festlegung der Höhe von Leistungen zur Abmilderung von wirtschaftlichen und sozialen Nachteilen anlässlich einer Betriebsänderung weitestgehend frei seien. Dies gelte auch für Stichtagsregelungen, die insbesondere bei einer

20 BAG v. 15.4.2015 – 4 AZR 796/13, NZA 2015, BB 2015, 2362 ff. Rz. 27; BAG v. 21.8.2013 – 4 AZR 861/11, NZA-RR 2014, 201 Rz. 21. 21 BAG v. 15.4.2015 – 4 AZR 796/13, NZA 2015, BB 2015, 2362 ff. Rz. 31 f.

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knappen Verfehlung des Stichtags eine unvermeidbare Härte im Einzelfall mit sich bringen könnten. Ausreichend sei, wenn die Wahl des Stichtags aus sachlichen Gründen vertretbar erscheine 22. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das BAG eine zulässige Differenzierung angenommen. Ausgangspunkt war dabei die Feststellung, dass mit der Abfindung die voraussichtlich entstehenden Folgen eines durch die Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlusts möglichst ausgeglichen oder zumindest gemildert werden sollten. Soweit darüber hinaus ein Stichtag vereinbart worden sei, könne dies auch die koalitionsspezifischen Interessen berücksichtigen, bei denen die IG Metall zum Ausgleich von Zugeständnissen in Bezug auf die Aufhebung eines bestehenden tariflichen Sonderkündigungsschutzes mit Ergänzungsleistungen für Gewerkschaftsmitglieder verknüpft sehen wollte. Auch unter Berücksichtigung dieser Zweckbestimmungen ist die vorgenommene Differenzierung indes schwer zu verstehen. Zunächst einmal erkennt das BAG selbst an, dass die Ergänzungsleistungen auch solchen Gewerkschaftsmitgliedern zu Gute gekommen sind, bei denen der Verzicht auf den tarifvertraglichen Sonderkündigungsschutz gar keine Auswirkungen hatte 23. Damit aber war diese Überlegung auch nicht geeignet, den Stichtag zu rechtfertigen. Darüber hinaus ist das BAG nicht darauf eingegangen, dass auch die Nichtgewerkschaftsmitglieder als Folge der Betriebsänderung Nachteile haben, die an sich mit der vereinbarten Abfindung ausgeglichen werden sollten. Soweit in diesem Zusammenhang die Stichtagsregelung mit dem Ziel verknüpft wurde, einen bestimmten („berechenbaren“) Kreis von Mitgliedern festzulegen, für den ein ausgehandeltes Tarifvertragsvolumen Verwendung finden sollte, kann auch dies die Entscheidung nicht rechtfertigen. Denn der Sachverhalt des Urteils enthält gar keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Parteien bei Abschluss des Tarifvertrags ein bestimmtes Volumen vor Augen hatten, das auf dieser Grundlage zu einer Begünstigung der Gewerkschaftsmitglieder genutzt werden sollte. Ebenfalls nicht überzeugend erscheint die Feststellung, dass mit der unterschiedlich geregelten Höhe der Abfindungsleistungen kein „unerträglicher Druck“ zum Gewerkschaftsbeitritt erzeugt worden sei. Wenn man sich vor Augen führt, dass jedes Gewerkschaftsmitglied 10.000,- € pauschal als Zuschlag zur Abfindung auch dann erhalten sollte, wenn die Abfindung insge-

22 BAG v. 15.4.2015 – 4 AZR 796/13, BB 2015, 2362 ff. Rz. 33 f. 23 BAG v. 15.4.2015 – 4 AZR 796/13, BB 2015, 2362 ff. Rz. 43.

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samt nicht mehr als zwei Monatsgehälter betrug, stellt dies eine so erheblich Verbesserung der Ausgleichsleistungen dar, dass dies die von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmern mit hoher Wahrscheinlichkeit in vielen Fällen veranlasst haben dürfte, eine Gewerkschaftsmitgliedschaft einzugehen. Dies gilt umso mehr, wenn man sich den Wert der ergänzenden Begünstigung im Rahmen der Transfergesellschaft vor Augen führt. Denn dort wurden für die Dauer von bis zu 24 Monaten Leistungen in Höhe von 80 % des bisherigen Bruttomonatsentgelts (statt 70 %) gezahlt. Diese ergänzende Zusage entspricht in ihrem Wert etwa zweieinhalb Monatsgehältern, die nur Gewerkschaftsmitglieder erhalten konnten. Schlussendlich verbleibt damit als Grund für eine Differenzierung zwischen der Klägerin und den am Stichtag in der IG Metall organisierten Arbeitnehmern nur noch der Umstand, dass die tarifvertragliche Regelungsbefugnis grundsätzlich auf die Mitglieder der Tarifvertragsparteien beschränkt ist. Wenn außerhalb einer solchen Mitgliedschaft eine Tarifbindung erreicht werden soll, bedarf dies einer individuellen Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien. Wenn ein Arbeitnehmer – so das BAG - am Inhalt eines Kollektivvertrags partizipieren wolle, müsse er, wenn er in den individuellen Vertragsverhandlungen seine Interessen nicht durchsetzen könne, eben in die tarifschließende Gewerkschaft eintreten. Andernfalls würde es von der individuellen Arbeitsvertragsgestaltung abhängen, ob eine ansonsten zulässige Regelung in einem Tarifvertrag, durch die das Grundrecht auf koalitionsmäßige Betätigung aus Art. 9 Abs. 3 GG ausgeübt werde, unwirksam sei. Denn den Tarifvertragsparteien wäre es als Folge individualvertraglicher Abreden verwehrt, günstigere Inhaltsnormen für die Arbeitsverhältnisse ihre Mitglieder zu vereinbaren oder – in den übrigen sachlich gerechtfertigten Fallgestaltungen – zwischen ihren Mitgliedern zu differenzieren 24. Wenn man diese Argumentationslinie des BAG fortsetzt, folgt daraus schlussendlich die völlige Freigabe tarifvertraglicher Differenzierungsklauseln. Denn auf dieser Grundlage wird man im Ergebnis jede tarifvertragliche Regelung billigen müssen, die eine Besserstellung der Gewerkschaftsmitglieder zur Folge haben. Zuzugestehen ist dieser Sichtweise allenfalls, dass sie konsequent den Umstand berücksichtigt, dass nur der koalitionsmäßig organisierte Arbeitnehmer auch einen gesetzlichen Anspruch auf die tarifvertraglichen Leistungen haben kann. Nur der organisierte Arbeitnehmer kann deshalb auch Ansprüche geltend machen, die durch seine Koalition mit dem sozialen Gegenspieler vereinbart wurden. Arbeitnehmer, die als Konsequenz der negativen Koalitionsfreiheit eine Gewerkschaftsmitgliedschaft ab24 BAG v. 15.4.2015 – 4 AZR 796/13, NZA 2015, BB 2015, 2362 ff. Rz. 45 ff., 49.

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lehnen, behalten ihre durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Vertragsfreiheit. Damit aber können sie auch nur solche Ansprüche geltend machen, die in Wahrnehmung dieser Rechtsposition im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber erreicht werden. Dieses Einvernehmen ist aber nicht erzwingbar. Ob diese Betrachtungsweise tatsächlich noch mit der negativen Koalitionsfreiheit vereinbar ist, erscheint zweifelhaft. In jedem Fall aber liegt darin ein Verzicht auf die Notwendigkeit, durch Tarifvertrag keine sozialinadäquaten Drucksituationen zu schaffen. Diese Bedingung hatte der Große Senat noch in seiner Entscheidung vom 29.11.1967 25 aufgestellt. Wenn von diesem Grundsatz abgewichen werden soll, hätte der Große Senat erneut angerufen werden müssen. Dass diese Anrufung durch den 4. Senat des BAG im Urteil vom 15.4.2015 26 mit der simplen Begründung abgelehnt wird, dass es sich bei der vom Großen Senat behandelten Rechtsfrage um eine andere als diejenige nach der Zulässigkeit einer Differenzierung zwischen verschiedenen Gruppen von Gewerkschaftsmitgliedern handelte, trägt zwar der Ausgangsthese des BAG Rechnung. Folgt man der darin liegenden Annahme einer (bloßen) Binnendifferenzierung indes nicht, ist auch die Schlussfolgerung und der darin liegende Verzicht auf eine Vorlage falsch. Dass die hier in Rede stehende Differenzierung mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sein soll, erscheint zwar insoweit zutreffend, als die Tarifvertragsparteien, die durch § 75 BetrVG begründeten Schranken von Recht und Billigkeit nicht einhalten müssen. Insofern können sie tatsächlich Differenzierungen vornehmen, die durch die betrieblichen Sozialpartner nicht zum Gegenstand einer Betriebsvereinbarung bzw. eines Sozialplans gemacht werden könnten. Dies allein rechtfertigt dieses Vorgehen wegen der übergeordneten Bedeutung von Art. 9 Abs. 3 GG indes nicht. Ungeachtet dessen berücksichtigt der Hinweis auf den Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien zu wenig, dass der Betriebsrat in dem zugrundeliegenden Fall unter Berücksichtigung der parallel abgeschlossenen Tarifverträge ganz bewusst auf die eigene Vereinbarung eines Sozialplans verzichtete. Stattdessen wurde auf den Tarifvertrag verwiesen, der für alle Arbeitnehmer gleiche Leistungen vorsah. Dass der Betriebsrat darauf verzichtete, das zeitgleich für die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer vereinbarte „Paket“ auch für die nicht organisierten Arbeitnehmer zu übernehmen, wird man allerdings als Missachtung von Recht und Billigkeit zu qualifizieren haben. Schließlich ist es auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene unzulässig, Arbeitnehmer wegen ihrer Mit25 GS 1/67, DB 1968, 1539 ff. 26 4 AZR 796/13, BB 2015, 2362 ff. Rz. 70.

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Sozialauswahl bei Teilverlagerung von Aufgaben auf anders Unternehmen

gliedschaft in einer Gewerkschaft unterschiedlich zu behandeln. Dass der Betriebsrat hier seine Verhandlungen faktisch durch die Gewerkschaft geführt und seine Regelungsbefugnis durch die Regelungen des Tarifvertrags ersetzt hat, wird man auch im Rahmen von § 23 Abs. 1 BetrVG zu berücksichtigen haben. Es steht zu erwarten, dass die hier in Rede stehende Begünstigung von Gewerkschaftsmitgliedern auch bei zukünftigen Betriebsänderungen das Ziel von Forderungen der Gewerkschaften sein wird. Auch im Sinne des Betriebsfriedens dürfte es allerdings wichtig sein, dieser Forderung nicht zu genügen. Vielmehr sollten die betrieblichen Sozialpartner eigene Regelungen treffen, die die betroffenen Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf eine etwaige Gewerkschaftsmitgliedschaft gleich behandeln. Denn die Nachteile einer Betriebsänderung, die insbesondere die von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer hinzunehmen haben, treffen alle Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf eine Gewerkschaftsmitgliedschaft gleich. (Ga)

4.

Sozialauswahl bei Teilverlagerung von Aufgaben auf anders Unternehmen nach Betriebsstilllegung

In seinem Urteil vom 21.5.2015 27 hat der 8. Senat des BAG zunächst einmal klargestellt, dass der Arbeitgeber grundsätzlich keine Sozialauswahl vornehmen müsse, wenn er allen Arbeitnehmern seines Betriebs kündige 28. Dem liege die Überlegung zugrunde, dass eine Sozialauswahl keinen Sinn mache, wenn – wie bei einer vollständigen Betriebsstilllegung – keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit mehr bestehe. Hiervon abweichend hat es in dem konkret zur Entscheidung stehenden Fall indes eine Verpflichtung des Arbeitgebers angenommen, vor Ausspruch der Kündigung eine Sozialauswahl durchzuführen. Zur Begründung hat der 8. Senat des BAG darauf verwiesen, dass der Arbeitgeber – im Zusammenwirken mit einem Schwesterunternehmen – einem Teil der von der Stilllegung betroffenen Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Schwesterunternehmen angeboten hatte, ohne dass die Kündigung irgendwelche weiteren Folgen für den rechtlichen und sozialen Bestand des Arbeitsverhältnisses im Anschluss an den Wechsel zum Schwesterunternehmen haben sollte.

27 8 AZR 409/13 n. v. (Rz. 58). 28 So bereits BAG v. 7.7.2005 – 2 AZR 447/04, NZA 2005, 1351 Rz. 21.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

Das BAG hat deutlich gemacht, dass eine solche Vereinbarung zwischen zwei Unternehmen schlussendlich einem gewillkürten Eintritt des Schwesterunternehmens in die Arbeitsverhältnisse eines Teils der von der Betriebsstilllegung betroffenen Arbeitnehmer gleichzusetzen sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn mit dem entsprechenden Angebot verbindlich und unwiderruflich erklärt werde, aus der ausgesprochenen Kündigung im Anschluss an den Wechsel des Arbeitgebers keine Rechte mehr herzuleiten. Denn mit einer solchen Zusage hätten die Parteien schlussendlich Rechtsfolgen ausgelöst, wie sie an sich durch § 613 a BGB nur für den Fall eines Betriebsteilübergangs bestimmt würden. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Falls kann dem Ergebnis der Entscheidung zugestimmt werden. Wichtig für die betriebliche Praxis ist allerdings, dass daraus keine allgemeine Verpflichtung zur Sozialauswahl folgt, falls einzelne Arbeiten eines Betriebs im Anschluss an dessen Stilllegung durch einen anderen Rechtsträger übernommen und fortgeführt werden sollen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Übernahme von Tätigkeiten als Funktions- oder Auftragsnachfolge qualifiziert werden muss. Denn ohne die Anwendbarkeit von § 613 a BGB und ohne vergleichbare vertragliche Zusagen kann auch das beauftragte Drittunternehmen nicht verpflichtet werden, einzelne Arbeitnehmer, die von der Betriebsstilllegung betroffen sind, zu übernehmen. Ohne eine solche Verpflichtung zur Übernahme von Arbeitnehmern macht allerdings auch eine Sozialauswahl durch den bisherigen Betriebsinhaber keinen Sinn. Sie bleibt entbehrlich. Dem Auftragnehmer steht es frei, einzelne Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf die in § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG genannten Kriterien einzustellen. Erst dann, wenn damit das nach Zahl und Sachkunde wesentliche Personal übernommen würde, kommen wieder die Folgen eines Betriebsteilübergangs mit der dann auch vorhandenen Verpflichtung zur Sozialauswahl zur Anwendung. (Ga)

5.

Betriebsübergang: Kennzeichnung des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Personals bei betriebsmittelarmer Tätigkeit

In den beiden Urteilen vom 22.01.2015 29 und vom 19.03.2015 30 hat das BAG noch einmal bestätigt, dass die bloße Funktionsnachfolge ebenso wie die Übernahme eines Auftrags für sich allein nicht zum Vorliegen eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs führt. Vielmehr müsse geprüft werden, ob 29 8 AZR 139/14, NZA 2015, 1325 Rz. 18. 30 8 AZR 150/14, EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 163 Rz. 20.

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Betriebsübergang: Kennzeichnung des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Personals

auch die weitergehenden Voraussetzungen der Übernahme eines Betriebsoder Betriebsteils im Sinne des § 613a BGB erfüllt sind. Dies gilt auch bei einer Auftragsneuvergabe und/oder Funktionsnachfolge im Rahmen eines Unternehmensverbunds oder Konzerns 31. Voraussetzung für eine Anwendbarkeit von § 613a BGB ist zunächst einmal, dass eine übertragungsfähige Einheit (Betrieb/Betriebsteil) identifiziert wird. Aus dieser Einheit heraus muss der potenzielle Erwerber durch Rechtsgeschäft die durch eine Fortführung der dort ausgeübten Tätigkeit wesentlichen Ressourcen auf der Grundlage eines Rechtsgeschäfts übernommen haben und ohne wesentliche Unterbrechung unter Fortführung der gleichen oder gleichartigen Tätigkeit zum Einsatz bringen. Dabei muss die bisherige organisatorische Einheit (Betrieb/Betriebsteil) unmittelbar oder in Form ihres Funktionszusammenhangs fortbestehen. In seinem Urteil vom 22.1.2015 32 hat der 8. Senat des BAG deutlich gemacht, dass auf der Grundlage dieser tatbestandlichen Voraussetzungen ein Betriebsübergang nicht bereits dann abgelehnt werden könne, wenn nur eine bestimmte Zahl von Arbeitnehmern, die bislang mit der streitgegenständlichen Tätigkeit beschäftigt waren, durch einen anderen Rechtsträger übernommen wurde. Denn die Frage, ob darin die Übernahme des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Personals liege, könne nur beurteilt werden, wenn zuvor auch der Betrieb bzw. Betriebsteil gekennzeichnet würde, dessen Übertragung in Rede steht. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall war der Kläger als Mitarbeiter im Objektschutz einer Hochschule beschäftigt. Diese beschloss, den Objektschutz (einschließlich Poststelle) zum 1.7.2012 der Beklagten zu übertragen. Während der Kläger und ein weiterer Mitarbeiter, die bis dahin in Vollzeit beschäftigt waren, durch die Beklagte eingestellt wurden, lehnte die Beklagte eine Übernahme von zwei weiteren Teilzeitbeschäftigten, die bis dahin ebenfalls im Objektschutz eingesetzt waren, ab. Als die Beklagte noch innerhalb der ersten sechs Monate nach der Übernahme des Klägers eine Kündigung aussprach, war zu entscheiden, ob diese Kündigung als Folge einer Anwendbarkeit von § 613a BGB nur bei Vorliegen einer sozialen Rechtfertigung wirksam war. Ohne das Vorliegen eines Betriebs- bzw. Betriebsteilübergangs hätte der Kläger die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt, was seine Kündigung bereits aus sachlichem Grund möglich gemacht hätte.

31 BAG v. 19.3.2015 – 8 AZR 150/14, EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 163 Rz. 31. 32 8 AZR 139/14, NZA 2015, 1325 Rz. 13 ff.

643

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hatte die Kündigungsschutzklage abgewiesen, weil die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt gewesen sei. Ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang auf die Beklagte, der zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes hätte führen können, liege nicht vor. Denn mit zwei Vollzeitkräften seien lediglich 2/3 der Belegschaft übernommen worden. Darin aber liege, weil eine qualitativ geringwertige Tätigkeit in Rede stünde, noch keine Übernahme des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Personals. Das BAG hat die Entscheidung aufgehoben und mit dem Ziel weiterer Feststellungen in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten zurückverwiesen. Zu Recht hält es der 8. Senat des BAG zunächst einmal für erforderlich, die Einheit zu kennzeichnen, die Gegenstand des Übertragungsvorgangs sein soll. Dabei müsse es sich – so das BAG – um eine auf Dauer angelegte Einheit handeln, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt sei. Um eine solche Einheit handele es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck 33. Ohne Auseinandersetzung mit der eventuellen Identität der in diesem Fall in Frage kommenden Einheit könne nicht entschieden werden, ob § 613a BGB zur Anwendung komme. Hierzu hat das BAG deutlich gemacht, dass die Frage, ob ein nach Zahl und Sachkunde wesentlicher Teil der Belegschaft übernommen worden sei, im Rahmen einer am Einzelfall ausgerichteten Gesamtbetrachtung geprüft werden müsse. Grundlage dabei ist hier die Erkenntnis, durch welche Art der Tätigkeit die vom Übertragungsvorgang betroffene Einheit geprägt war. Erst in Kenntnis der Identität der beim bisherigen Inhaber bestehenden Einheit könne beurteilt werden, ob eine rein quantitative Betrachtung, die allein auf Bruchzahlen und Prozentsätze abstelle, dieser Identität überhaupt gerecht werden könne. Schließlich stünden die Kriterien Zahl und Sachkunde des weiterbeschäftigten Personals nicht beziehungslos nebeneinander, sondern beeinflussten sich wechselseitig 34. Losgelöst von einer quantitativen Betrachtung kann – so das BAG – die Identität einer gegebenenfalls bestehenden wirtschaftlichen Einheit bei einer Tätigkeit im Bewachungsgewerbe auch dadurch geprägt sein, dass ein Betriebsteil mit kontinuierlicher Stammbelegschaft, die über Erfahrung und Objektkenntnis verfüge, unter Beibehaltung der bisherigen Leitungsstruktur und Arbeitsorganisation weiter funktioniere. Dabei könne auch eine Rolle

33 EuGH v. 6.3.2014 – C-458/12, NZA 2014, 423 Rz. 31 f. – Amatori; BAG v. 22.1.2015 – 8 AZR 139/14, NZA 2015, 1325 Rz. 14. 34 BAG v. 22.1.2015 – 8 AZR 139/14, NZA 2015, 1325 Rz. 23, 25.

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Betriebsübergang: Kennzeichnung des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Personals

spielen, ob ein Betriebsteil räumlich fernab vom restlichen Betrieb womöglich relativ eigenständig arbeite. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, welches Personal übernommen werde. Dies gelte insbesondere für Führungskräfte und die sie verbindende Arbeitsorganisation. Schließlich sei nicht ausgeschlossen, dass die Identität einer gegebenenfalls bestehenden Einheit in manchen Fällen eher von einer Stammbelegschaft abhänge als eventuell auch beschäftigten Aushilfskräften. Auch einem Leitungswechsel oder der Beibehaltung der bisherigen Leitung könne wesentliches Gewicht in der Gesamtbeurteilung zukommen. 35 Die Erforderlichkeit einer Gesamtbetrachtung hat das BAG auch in der zweiten Entscheidung vom 19.3.2015 36 deutlich gemacht. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Dienstleistung unter Verwendung von Betriebsmitteln ausgeübt wird. Denn die Übernahme von Betriebsmitteln stellt nach der Rechtsprechung nur dann ein maßgebliches Kriterium für die Anwendbarkeit von § 613a BGB dar, wenn bei einer wertenden Betrachtungsweise damit der eigentliche Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs durch den potenziellen Erwerber übernommen werde. Diese Voraussetzung ist auch dann – so das BAG – nicht zwangsläufig mit einem Betriebsmittel verknüpft, wenn es für die Ausübung einer Tätigkeit unverzichtbar ist. Im konkreten Fall ging es um die Frage, ob die einer Zustellgesellschaft im Zeitungsvertrieb überlassenen Hausschlüssel ein wesentliches Betriebsmittel waren. Dies hat das BAG abgelehnt. Nach seiner Auffassung handelte es sich zwar um wichtige Hilfsmittel, nicht jedoch um Betriebsmittel, die für die Identität der Einheit prägend waren. Hiervon ausgehend hätte in dem dort zu entscheidenden Fall schlussendlich ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang nur vorliegen können, wenn das für die in Rede stehende Tätigkeit nach Zahl und Sachkunde wesentliche Personal durch den potenziellen Erwerber übernommen worden wäre. Das aber war nicht der Fall. Beiden Entscheidungen ist ohne Einschränkung zuzustimmen. Wichtig für die betriebliche Praxis ist, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs beginnend mit der Kennzeichnung der potenziell vom Übertragungsvorgang betroffenen Einheit begonnen werden. Nur wenn das Objekt der Übertragung bestimmt ist, können die tatbestandlichen Voraussetzungen der Übernahme und einer weiteren Fortführung durch

35 Vgl. EuGH v. 26.9.2000 – C-175/99, NZA 2000, 1327 – Mayeur Rz. 53; BAG v. 22.1.2015 – 8 AZR 139/14, NZA 2015, 1325 Rz. 32 f.; BAG v. 22.5.2014 - 8 AZR 1069/12, NZA 2014, 1335 Rz. 52. 36 8 AZR 150/14, EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 163 Rz. 19 ff.

645

Betriebsänderung und Betriebsübergang

den potenziellen Erwerber als weitere Voraussetzungen einer Anwendbarkeit von § 613a BGB bestimmt werden. (Ga)

6.

Betriebsübergang trotz befristeten Arbeitsvertrags

Grundsätzlich bewirkt § 613a BGB keine Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags, falls dieser noch vor dem Übertragungszeitpunkt endet. 37 Dies gilt selbst dann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Folge der Befristung nur eine juristische Sekunde vor dem Wirksamwerden des Betriebs- oder Betriebsteilübergangs erfolgt 38. Schließlich tritt der Erwerber nur in die Arbeitsverhältnisse ein, die zum Zeitpunkt der Übernahme des Betriebs- oder Betriebsteils noch bestehen. Folgerichtig hat die Rechtsprechung einen Übergang des Arbeitsverhältnisses auch dann abgelehnt, wenn das Arbeitsverhältnis als Folge eines Aufhebungsvertrags noch vor dem Übertragungszeitpunkt beendet wurde 39. Diesen Grundsatz stellt der 8. Senat des BAG im Urteil vom 22.1.201540 zwar nicht in Frage. Denn in dem dort in Rede stehenden Fall war der Kläger, dessen Arbeitsverhältnis unmittelbar vor dem potenziellen Betriebsteilübergang als Folge einer Befristung geendet hatte, durch den potenziellen Betriebsteilerwerber übernommen und mit der bisherigen Tätigkeit weiterbeschäftigt worden. Damit war die Übernahme des Klägers nicht nur als eines der Merkmale zu berücksichtigen, die für eine Anwendbarkeit von § 613a BGB sprachen. Denn gerade dann, wenn bei einer betriebsmittelarmen Tätigkeit das nach Zahl und Sachkunde wesentliche Personal durch den potenziellen Erwerber übernommen wird, kann dies zu einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang führen. In diesem Fall kann sich dann auch der Kläger auf den Inhalts- und Bestandsschutz berufen, obwohl das Arbeitsverhältnis – wenn auch ohne Unterbrechung – erst einmal neu begründet werden muss. Losgelöst davon wird man allerdings die Wirksamkeit einer Befristung zu überprüfen haben, wenn diese für die Dauer eines dem bisherigen Betriebsinhabers erteilten Auftrags vereinbart worden war, ohne dass hierfür andere Gründe vorhanden waren. Eine solche Befristungsabrede kann in Widerspruch zu der gesetzgeberischen Wertentscheidung in § 613a Abs. 4 S. 1

37 EuGH v. 15.9.2010 – C-386/09, AP Nr. 6 zu Richtlinie 2001/23/EG Rz. 33 – Briot. 38 Vgl. BAG v. 22.1.2015 – 8 AZR 139/14, NZA 2015, 1325; HWK/Willemsen/MüllerBonanni, BGB § 613 a Rz. 226; ErfK/Preis, BGB § 613a Rz. 69. 39 BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 379/12, NZA 2014, 139; BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 54/12, NZA 2013, 1197. 40 8 AZR 139/14, NZA 2015, 1325 Rz. 35 ff.

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Betriebsübergang trotz befristeten Arbeitsvertrags

BGB stehen, nach der ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang als solcher keinen Grund zur Kündigung darstellt 41. Darüber hinaus kann eine Beseitigung der ansonsten bestehenden Kontinuität des Arbeitsverhältnisses – so das BAG – als Umgehung von § 613a BGB zu werten sein 42. Für die betriebliche Praxis bedeutet dies zwar dann keine Veränderung der bisherigen Rechtslage, wenn die als Folge einer Befristung noch vor dem Betriebsübergang beendeten Arbeitsverhältnisse durch den potenziellen Betriebserwerber nicht fortgeführt werden. Dies betrifft allerdings nur die betriebsmittelarme Tätigkeit, falls durch dieses Verhalten des potenziellen Erwerbers verhindert wird, dass das nach Zahl und Sachkunde wesentliche Personal wechselt. Steht eine betriebsmittelintensive Tätigkeit in Rede, bei der wesentliche Betriebsmittel durch den potenziellen Erwerber übernommen werden, könnten die vorstehenden Überlegungen des BAG auch einen Anspruch des nur befristet beschäftigten Arbeitnehmers auf Fortführung des Arbeitsverhältnisses beim potenziellen Betriebserwerber zur Folge haben. Entsprechendes gilt dann, wenn durch den Wechsel anderer Arbeitnehmer das nach Zahl und Sachkunde wesentliche Personal vom potenziellen Erwerber übernommen und mit der bisherigen Tätigkeit weiterbeschäftigt wird. Auch hier könnte der an sich nicht übernommene Arbeitnehmer trotz der Befristung eines Arbeitsverhältnisses durch das vorstehend genannte Urteil des BAG in die Lage versetzt werden, eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses mit dem potenziellen Erwerber zu verlangen. Da § 613a BGB an sich nur den Status quo sichern, nicht aber eine Verbesserung bewirken soll, wäre dies nicht überzeugend. Denn auch bei einem Fortbestand des Betriebs beim bisherigen Betriebsinhaber hätte es keinen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegeben. (Ga)

41 EuGH v. 15.9.2010 – C-386/09, AP Nr. 6 zu Richtlinie 2001/23/EG Rz. 29 – Briot; EuGH v. 16.10.2008 – C-313/07, NZA 2008, 171 Rz. 45 – Kirtruna; BAG v. 22.1.2015 – 8 AZR 139/14, NZA 2015, 1325 Rz. 36. 42 BAG v. 22.1.2015 – 8 AZR 139/14, NZA 2015, 1325 Rz. 37; BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 572/11, ZInsO 2013, 946 Rz. 33.

647

Betriebsänderung und Betriebsübergang

7.

Betriebsübergang: Unterrichtungspflicht über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags beim übernehmenden Rechtsträger

a)

Ausgangssituation

§ 613 a Abs. 5 BGB verpflichtet die an einem Betriebsübergang oder einer Umwandlung beteiligten Rechtsträger, die betroffenen Arbeitnehmer auch über die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen des Übergangs ihres Arbeitsverhältnisses zu unterrichten. Hierzu gehört auch die Unterrichtung über die Rechtsfolgen für Ansprüche aus einem Tarifvertrag bzw. einer Bezugnahme auf einen Tarifvertrag. Eine fehlerhafte Unterrichtung bewirkt, dass der Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses in den Grenzen der Verwirkung auch nach Ablauf der Monatsfrist des § 613 a Abs. 6 BGB ausgeübt werden kann. Das Risiko dieser Unterrichtung wird nicht nur dann relevant, wenn es um die Beschreibung umstrittener Rechtsfragen geht, wie sie beispielsweise durch die unterschiedliche Bewertung arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln oder die Komplexität des Umwandlungsrechts ausgelöst werden kann. Die Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 26.3.2015 43 zeigt noch einmal, dass eine Unterrichtung sogar dann als fehlerhaft qualifiziert werden kann, wenn in rechtlich unstreitigen Fragen die aus Sicht der Rechtsprechung erforderliche Detailtiefe der Unterrichtung über einzelne Regelungen eines Tarifvertrags nicht gewahrt wird.

b)

Allgemeine Grundsätze zur Unterrichtung

Der Inhalt der Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB richtet sich nach dem Kenntnisstand des Veräußerers und des Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung. Die erteilten Informationen müssen zutreffend und gerichtlich überprüfbar sein. Dabei ist es grundsätzlich unschädlich, Standardschreiben zu verwenden. Allerdings müssen etwaige Besonderheiten des jeweiligen Arbeitsverhältnisses erfasst werden 44. Bei der inhaltlichen Gestaltung ist eine reine Wiederholung des Gesetzeswortlauts indes unzureichend. Das wird bereits mit Blick auf § 613 a Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB deutlich, der völlig unterschiedliche Rechtsfolgen für die 43 2 AZR 783/13, BB 2015, 1595. 44 Vgl. BAG v. 13.7.2006 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268 Rz. 18 ff., 34; ErfK/Preis, BGB § 613 a Rz. 86.

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Unterrichtungspflicht über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags

bislang durch einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung geregelten Arbeitsbedingungen bestimmt. Vielmehr ist eine konkrete Darstellung in einer auch für juristische Laien möglichst verständlichen Sprache erforderlich, die auch die Auswirkungen organisatorischer oder räumlicher Veränderungen in Bezug auf den Geltungsbereich und die Wirkungsweise von Kollektivvereinbarungen berücksichtigt 45. Angesichts des Umfangs der Unterrichtungspflicht, die rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen betrifft, kommen auch solche Angelegenheiten zum Tragen, deren Handhabe im Zusammenhang mit Betriebsübergang und Umwandlung in Rechtsprechung und Literatur bislang keine abschließende Klärung gefunden hat. Auch derart umstrittene Folgen eines Betriebsübergangs müssen präzise dargestellt werden, ohne dass die Ausführungen im Unterrichtungsschreiben juristische Fehler beinhalten dürfen. Es genügt – so das BAG – nicht, dass die Belehrung über die rechtlichen Folgen nur „im Kern richtig“ ist und damit eine „ausreichende“ Unterrichtung erfolgt 46. Eine Unterrichtung über komplexe Rechtsfragen ist nach den Feststellungen des BAG aber (noch) nicht fehlerhaft, wenn der Arbeitgeber bei „angemessener“ Prüfung der Rechtslage, die ggf. die Einholung von Rechtsrat über die höchstrichterliche Rechtsprechung beinhaltet, seiner Unterrichtung rechtlich vertretbare Positionen zugrunde legt 47.

c)

Bisherige Feststellungen zur Unterrichtungspflicht bei Kollektivvereinbarungen

aa)

Rechtsfolgen für Tarifverträge

Zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen eines Betriebsübergangs gehören stets auch Ausführungen zur Anwendbarkeit kollektivrechtlicher Normen und die Frage, inwieweit beim Veräußerer geltende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durch beim Erwerber geltende Tarifverträge abgelöst werden 48. Sofern der Erwerber nicht kraft eigener Mitgliedschaft an den gleichen Tarifvertrag gebunden ist, ergeben sich die Folgen für Ver-

45 Vgl. BAG v. 13.7.2006 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268 Rz. 18 ff., 34; HWK/Willemsen/Müller-Bonanni, BGB § 613 a Rz. 320 a. 46 Vgl. BAG v. 13.7.2006 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268 Rz. 34; BAG v. 23.7.2009 - 8 AZR 538/08, NZA 2010, 89 Rz. 31. 47 BAG v. 13.7.2006 – 8 AZR 303/05, NZA 2006, 1268 Rz. 23; BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 783/13, BB 2015, 1595 Rz. 25. 48 BAG v. 23.7.2009 – 8 AZR 538/08, NZA 2010, 89 Rz. 30.

649

Betriebsänderung und Betriebsübergang

bandstarifverträge im Wesentlichen aus § 613 a Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB 49, dessen Rechtsfolgen allerdings unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten aufgezeigt werden müssen. Bei Firmentarifverträgen muss festgestellt werden, ob der Übertragungsvorgang – was bei einer Gesamtrechtsnachfolge der Fall sein kann – mit einer kollektivrechtlichen Fortgeltung verbunden ist 50. Wegen der Möglichkeit einer Ablösung bestehender Tarifverträge durch Tarifverträge beim übernehmenden Rechtsträger, die auch bei einer Fortführung als gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen in Betracht kommt 51, ist neben einem Hinweis auf die Branchenzugehörigkeit des übergeleiteten Betriebs oder Betriebsteils vor allem eine Angabe zur etwaigen Tarifbindung des übernehmenden Rechtsträgers erforderlich, mag diese aufgrund Verbandsmitgliedschaft (§§ 3 Abs. 1, 4 TVG), wegen einer Allgemeinverbindlicherklärung (§§ 5 Abs. 4 TVG, 4 Abs. 1 AEntG) oder einer Rechtsverordnung nach §§ 7, 7 a AEntG begründet sein. Insoweit muss auch mitgeteilt werden, ob der übernehmende Rechtsträger Mitglied des Arbeitgeberverbands ist oder werden soll 52. Damit einhergehend muss aufgezeigt werden, welche Tarifverträge nach dem Wirksamwerden des Übertragungsvorgangs zur Anwendung kommen. Dabei ist wegen einer möglichen Tarifkonkurrenz oder –pluralität auch auf Seiten des übernehmenden Rechtsträgers zwischen einer Bindung durch Verbandstarifvertrag und einer Bindung durch einen Firmen- bzw. Haustarifvertrag zu unterscheiden. Wird erst beim übernehmenden Rechtsträger (erstmals) eine Tarifbindung ausgelöst (z. B. durch Allgemeinverbindlicherklärung), ist auch dies anzugeben. Schon in seinem Urteil vom 13.7.2006 53 hatte der 8. Senat des BAG festgestellt, dass dabei keine detaillierte Bezeichnung einzelner Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen nötig sei 54. Der betroffene Arbeitnehmer könne sich nach Erhalt der in Textform zu erteilenden Information selbst näher erkundigen. Dabei hatte er darauf verwiesen, dass auch der Gesetzgeber nicht da-

49 Vgl. B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 24 Rz. 15 ff. 50 Vgl. B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 24 Rz. 134 ff. 51 Vgl. B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 24 Rz. 38 ff. 52 Gerold, MittRhNotK 1997 S. 205, 215; Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht S. 344. 53 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268 Rz. 32. 54 Ebenso auch BAG 10.11.2011 – 8 AZR 430/10, AP Nr. 15 zu § 613 a BGB Unterrichtung Rz. 27; HWK/Willemsen/Müller-Bonanni, BGB § 613 a Rz. 327.

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Unterrichtungspflicht über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags

von ausgehe, dass die Unterrichtung den Arbeitnehmer über alle ihn möglicherweise treffenden Folgen des Betriebsübergangs in Kenntnis setzen müsse, sondern nur darauf abgestellt habe, dass sich der Arbeitnehmer nach der Unterrichtung eingehender informieren und beraten lassen könne 55. Es obliege daher dem Arbeitnehmer als Adressaten der Mitteilung, die Angaben mittels Subsumtion und ggf. auch durch weitere Erkundigungen für sein persönliches Arbeitsverhältnis umzusetzen 56. Eine detaillierte Bezeichnung einzelner Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sei nicht geboten 57. Notwendig sei aber ein Hinweis darauf, ob die Normen kollektivrechtlich oder individualrechtlich fortwirkten. Die bloße Feststellung, kollektive Normenverträge gälten „gem. § 613a BGB weiter“, lässt die oben genannte Frage angesichts der unterschiedlichen Formen der Fortgeltung auch im Anwendungsbereich von § 613 a BGB gerade offen 58. Wird die Geltung eines Tarifvertrags einzelvertraglich vereinbart, tritt der übernehmende Rechtsträger gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein, also auch in die Verweisung auf einen Tarifvertrag. Diese Rechtsfolge gilt für organisierte und nichtorganisierte Arbeitnehmer gleichermaßen, wenn eine entsprechende Bezugnahme erfolgt ist. Nach den Feststellungen des BAG im Urteil vom 10.11.2011 59 ist die allgemeine Unterrichtung darüber, dass das Arbeitsverhältnis mit allen zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Rechten und Pflichten auf den Erwerber übergeht, daher zutreffend. Dazu gehört auch die Bezugnahme auf Tarifverträge, losgelöst davon, ob sie mündlich oder schriftlich erfolgt ist. Dass insoweit unterschiedliche Auffassungen über die unionsrechtlichen Schranken einer Auslegung der in Arbeitsverträgen enthaltenen Bezugnahmeklauseln vertreten werden, beseitigt die Unterrichtungspflicht nicht. Dies gilt sogar dann, wenn die damit zusammenhängenden Fragen nicht einmal durch das BAG abschließend geklärt sind oder geklärt werden können, wie der Beschluss des 4. Senat des BAG vom 17.6.2015 60 zur Vorabentscheidung durch den EuGH noch einmal deutlich gemacht hat. Gerade hier genügt es aber, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtung eine rechtlich vertretbare Position zu-

55 Vgl. BT-Drucks. 14/7760 S. 19. 56 BAG 10.11.2011 – 8 AZR 430/10, AP Nr. 15 zu § 613 a BGB Unterrichtung Rz. 36; BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 783/13, BB 2015, 1595 Rz. 25. 57 BAG 10.11.2011 – 8 AZR 430/10, AP Nr. 15 zu § 613 a BGB Unterrichtung Rz. 27; ArbG Essen v. 22.8.2008 – 5 Ca 727/08 n. v. (Rz. 66). 58 BAG v. 23.7.2009 – 8 AZR 538/08, NZA 2010, 89 Rz. 37. 59 8 AZR 430/10, AP Nr. 15 zu § 613 a BGB Unterrichtung Rz. 39. 60 4 AZR 61/14 (A) n. v.

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Betriebsänderung und Betriebsübergang

grunde legt 61. Insofern ist – folgt man dem BAG im Urteil vom 10.11.2011 62 – sogar eine abstrakte Feststellung ausreichend, nach der „ … die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Tarifverträge darüber [entscheidet], ob zukünftig etwaige Tarifverträge der T Anwendung finden oder es bei einer Geltung der bisherigen tarifvertraglichen Regelungen bleibt.“ Dass dies dem Arbeitnehmer eine konkrete Subsumtion der für ihn geltenden Rechtsfolgen auferlegt und das Ergebnis offen lässt, steht der Annahme einer zutreffenden Unterrichtung ebenso wenig entgegen wie der Hinweis des Arbeitgebers, dass die Rechtsfolgen bei einer „dynamischen Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge“ davon abhängig seien, ob der Arbeitsvertrag vor dem 1.1.2001 oder nach diesem Zeitpunkt abgeschlossen wurde. Auch darin liege die Wiedergabe einer vertretbaren Rechtsposition, was für eine Unterrichtung gemäß § 613 a Abs. 5 BGB ausreichend sei. bb)

Rechtsfolgen für Betriebsvereinbarungen

Bei den Rechtsfolgen eines Übertragungsvorgangs im Anwendungsbereich von § 613 a BGB muss in Bezug auf Betriebsvereinbarungen differenziert werden 63. Wenn der Betrieb unter Wahrung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Identität übertragen oder im Anschluss daran als gemeinsamer Betrieb fortgeführt wird, ist die weitergehende Information zutreffend, nach der die im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen auch nach dem Betriebsübergang kollektivrechtlich weitergelten, soweit sie nicht durch Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen des Erwerbers geändert oder ersetzt werden. Eine Unterrichtung darüber, welche Betriebsvereinbarungen dies im Einzelnen seien, sei – so das BAG – nicht erforderlich, weil sich der Arbeitnehmer selbst erkundigen könne 64. Eines Rückgriffs auf die in § 613 a Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB getroffene Auffangregelung bedarf es im Hinblick auf Betriebsvereinbarungen nur, wenn der Übertragungsvorgang mit einer Spaltung oder Auflösung des Betriebs in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Identität verbunden wird. Hier muss das Unterrichtungsschreiben nicht nur die organisatorische Veränderung beschreiben. Aufzunehmen ist auch, ob und inwieweit die Rechte und Pflichten, die bis zum Wirksamwerden dieser Maßnahme in einer Betriebsvereinbarung geregelt waren, nach der Auflösung bzw. Spaltung als Betriebsvereinbarung oder als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses fortgelten.

61 62 63 64

BAG v. 13.7.2006 – 8 AZR 303/05, NZA 2006, 1268 Rz. 23. 8 AZR 430/10, AP Nr. 15 zu § 613 a BGB Unterrichtung Rz. 39 ff. Vgl. B. Gaul, Festschrift Bauer S. 339 ff. BAG 10.11.2011 – 8 AZR 430/10, AP Nr. 15 zu § 613 a BGB Unterrichtung Rz. 44.

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Unterrichtungspflicht über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags

Eine Fortgeltung von Gesamtbetriebsvereinbarungen als Gesamtbetriebsvereinbarung kommt nur in Betracht, wenn alle Betriebe eines Unternehmens auf einen anderen Inhaber übertragen werden, der seinerseits noch keine Arbeitnehmer beschäftigt 65. Wird nur ein Betrieb unter Wahrung seiner Identität übertragen, gelten die Gesamtbetriebsvereinbarungen beim Erwerber als Betriebsvereinbarungen fort 66. Entsprechendes gilt, wenn der von einer Übertragung betroffene Betriebsteil als eigenständiger Betrieb fortgeführt wird 67. In allen anderen Fällen gilt die Gesamtbetriebsvereinbarung als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses fort, sofern nicht beim übernehmenden Rechtsträger eine Ablösung erfolgt oder die Betriebsvereinbarung aus anderen Gründen nicht mehr gilt (§ 613 a Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB). Diese unterschiedlichen Rechtsfolgen sind im Unterrichtungsschreiben aufzuzeigen. Konzernbetriebsvereinbarungen gelten als Vereinbarungen auf Konzernebene fort, solange auch der übernehmende Rechtsträger im gleichen Konzern steht. Ist dies nicht der Fall, wird der Betrieb aber unter Wahrung seiner Identität übertragen, ist eine Fortgeltung der Konzernbetriebsvereinbarung als „einfache“ Betriebsvereinbarung zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt. Eine Unterrichtung über komplexe Rechtsfragen ist im Rahmen des § 613a Abs. 5 BGB aber dann nicht fehlerhaft, wenn der Arbeitgeber bei angemessener Prüfung der Rechtslage, die ggf. die Einholung von Rechtsrat über die höchstrichterliche Rechtsprechung beinhaltet, rechtlich vertretbare Positionen gegenüber dem Arbeitnehmer kundtut. Die Weitergeltung einer Konzernbetriebsvereinbarung als „einfache“ Betriebsvereinbarung ist jedenfalls für den 8. Senat des BAG eine rechtlich vertretbare Position 68. In entsprechender Weise ist zu beschreiben, ob beim Betriebserwerber Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen existieren, die auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden werden, sofern der Arbeitnehmer in ihren Geltungsbereich fällt. Eine Bezeichnung einzelner Vereinbarungen und die Beschreibung der individuellen Rechtsfolgen sind dabei grundsätzlich nicht geboten. Es obliegt dem Arbeitnehmer, sich innerhalb der Widerspruchsfrist über die Konzernbetriebsvereinbarungen beim neuen Arbeitgeber zu erkundigen und sich über die persönlichen Folgen aufklären zu lassen 69. Dabei sei es – so das BAG – nicht notwendig, im Unterrichtungsschreiben eine Aus-

65 66 67 68

HWK/Willemsen/Müller-Bonanni, BGB § 613 a Rz. 258. Vgl. BAG 18.9.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670 Rz. 51. Vgl. BAG 18.9.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670 Rz. 57. Vgl. BAG 10.11.2011 – 8 AZR 430/10, AP Nr. 15 zu § 613 a BGB Unterrichtung Rz. 44. 69 BAG 10.11.2011 – 8 AZR 430/10, AP Nr. 15 zu § 613 a BGB Unterrichtung Rz. 45.

653

Betriebsänderung und Betriebsübergang

kunftsperson zu benennen oder gesondert darauf hinzuweisen, dass Nachfragen über Geltung und Inhalt von Konzernbetriebsvereinbarungen möglich sind 70.

d)

Erweiterte Handlungsvorgaben durch die Entscheidung des BAG vom 26.3.2015

Bereits 2009 hatte es der 8. Senat des BAG für erforderlich gehalten, auf Änderungen einer Betriebsvereinbarung, die nur die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer erfassten, hinzuweisen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn damit Nachteile verbunden seien 71. In seinem Urteil vom 26.3.2015 72 hat der 2. Senat des BAG diese Rechtsprechung jetzt ausgebaut und die Feststellung getroffen, dass es nicht genüge, im Unterrichtungsschreiben auf die Fortgeltung eines Tarifvertrags hinzuweisen. Vielmehr sei auch erforderlich, Feststellungen dazu zu treffen, ob Regelungen eines Rationalisierungsschutz-Tarifvertrags beim Erwerber auch zur Anwendung kommen, falls es dort zu einer Änderung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommen würde. In dem zugrunde liegenden Fall hatten die britischen Streitkräfte ihr Facility Management auf eine private Gesellschaft außerhalb der Streitkräfte übertragen. In dem Unterrichtungsschreiben war zwar darauf verwiesen worden, dass bei den Streitkräften verschiedene Tarifverträge für die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer kraft gesetzlicher Tarifbindung oder arbeitsvertraglicher Bezugnahme galten. Zu diesen Tarifverträgen, die insoweit auch namentlich genannt wurden, gehörte auch der Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Soziale Sicherung). Diese Tarifverträge galten bei dem Erwerber kraft Bezugnahme (§ 613 a Abs. 1 S. 1 BGB) oder als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses (§ 613 a Abs. 1 S. 2 BGB) fort, was im Einzelnen ausgeführt wurde. Der 2. Senat hat dies indes für nicht ausreichend gehalten und einen Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses daher auch nach Ablauf der Monatsfrist zugelassen. Nach seiner Auffassung hätte in dem Unterrichtungsschreiben deutlich gemacht werden müssen, ob die betroffenen Arbeitnehmer für den Fall einer Personalmaßnahme nach dem Betriebsüber-

70 Vgl. BAG v. 10.11.2011 – 8 AZR 430/10, AP Nr. 15 zu § 613 a BGB Unterrichtung Rz. 46. 71 BAG v. 23.7.2009 – 8 AZR 538/08, NZA 2010, 89 Rz. 38. 72 2 AZR 783/13, BB 2015, 1595 Rz. 24 ff.

654

Unterrichtungspflicht über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags

gang gegenüber dem Erwerber Ansprüche auf Überbrückungsbeihilfen gelten machen könnten. Solche Beihilfen haben nach § 2 Ziff. 1 TV Soziale Sicherung solche Arbeitnehmer, die wegen Personaleinschränkungen infolge einer Verringerung der Truppenstärke oder einer aus militärischen Gründen angeordneten Auflösung bzw. Verlegung von Dienststellen oder Einheiten entlassen werden. Zu der Anwendbarkeit dieser Regelung hätte im Unterrichtungsschreiben eine jedenfalls vertretbare Rechtsauffassung aufgenommen werden müssen. Denn es handele sich um eine wesentliche rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingung des Betriebsübergangs, deren Anwendbarkeit nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses wie vergleichbare Ansprüche aus einem Sozialplan hätte dargestellt werden müssen. Dass das Unterrichtungsschreiben von einer Fortgeltung spreche, enthalte selbst noch keine hinreichend klar erkennbare Aussage, dass auch die in ihm vorgesehenen Leistungen prinzipiell erfüllbar seien 73.

e)

Stellungnahme und Fazit

Die jetzt durch das BAG vorgenommene Kennzeichnung der Unterrichtungspflicht steht im Widerspruch zu der bisherigen Rechtsprechung des 8. Senats. Dieser hatte in seinem Urteil vom 10.11.2011 74 noch deutlich gemacht, dass Veräußerer bzw. Erwerber nicht zu einer Darstellung spekulativer Szenarien (dort: Tarifwechsel durch künftigen Abschluss eines neuen Tarifvertrags) im Unterrichtungsschreiben verpflichtet seien, falls konkrete Angaben angesichts der objektiv bestehenden Situation nicht möglich und entsprechende Maßnahmen nicht absehbar seien. Warum das Unterrichtungsschreiben gleichwohl Feststellungen zu etwaigen Ansprüchen des Arbeitnehmers für den Fall einer Schließung oder Verlegung des Betriebs enthalten soll, die durch Veräußerer oder Erwerber (noch) gar nicht geplant ist, lässt sich mit § 613 a Abs. 5 BGB schwer begründen. Der Wortlaut spricht von den Folgen des Übergangs. Ansprüche, die Folge künftiger Personalmaßnahmen sind, gehören nicht dazu. Dies gilt erst recht, wenn man sich vor Augen führt, dass nur die in Aussicht genommenen Maßnahmen zum Inhalt der Unterrichtung gehören. Da sich die Entscheidung des Arbeitnehmers über den Widerspruch von der Konzeption des Gesetzgebers an den unmittelbaren Folgen oder den Konsequenzen geplanter Maßnahmen ausrichten soll, spricht auch dies nicht für die Einbeziehung der hier in Rede stehenden Rechtsfrage. Losgelöst davon kann der Arbeitnehmer, dem die Fortgeltung eines Tarifvertrags mitgeteilt wird, Rechtsrat in Bezug auf ein73 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 783/13, BB 2015, 1595 Rz. 25 ff., 34. 74 8 AZR 430/10, AP Nr. 15 zu § 613 a BGB Unterrichtung Rz. 39, 41.

655

Betriebsänderung und Betriebsübergang

zelne Klauseln dieses Tarifvertrags einholen, wer Zweifel in Bezug auf ihre Anwendbarkeit beim übernehmenden Rechtsträger bestehen. In Bezug auf den hier in Rede stehenden TV Soziale Sicherheit wäre dann erkennbar geworden, dass die darin für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung aus militärischen Gründen vorgesehenen Leistungen bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die nach einer Privatisierung aufgrund wirtschaftlich motivierter Maßnahmen erforderlich wird, nicht in Anspruch genommen werden können 75. Ungeachtet dessen machen die neuen Handlungsvorgaben des 2. Senats des BAG eine fehlerfreie Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB nahezu unmöglich, was erhebliche Risiken in Bezug auf einen Widerspruch nach Ablauf der Monatsfrist zur Folge hat. Dies gilt umso mehr, als man die Überlegungen des BAG zu der Darstellungstiefe bei Tarifverträgen zwanglos auf die Betriebsvereinbarungen und sonstigen Kollektivvereinbarungen übertragen kann. Auch hier wäre damit keine abstrakt-generelle Beschreibung der Rechtsfolgen mehr ausreichend. Vielmehr müssten die Konsequenzen für einzelne Betriebs-, Gesamt- und Konzernvereinbarungen ebenso wie für Vereinbarungen mit dem Sprecherausschuss, dem Europäischen Betriebsrat oder anderen Arbeitnehmervertretern konkret beschrieben werden. Immer dann, wenn die Anwendung und/oder der Inhalt unternehmens- oder branchenspezifischer Regelungen nach dem Betriebsübergang zweifelhaft wäre, müsste das Unterrichtungsschreiben darüber eine Aussage treffen. Betroffen hiervon wären beispielsweise Kollektivvereinbarungen zu Belegschaftsaktien, Aktienoptionsplänen, gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien, zur Einbindung externer Versorgungsträger zur Abwicklung einer (mittelbaren) Versorgungszusage, Betriebsvereinbarungen über Ansprüche im Zusammenhang mit betrieblichen Einrichtungen, Firmenunfallversicherungen oder Sonderzahlungen, die mit dem Unternehmenserfolg verknüpft sind. Überzeugend ist dies nicht. Denn auch die Darstellung der abstraktgenerellen Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen versetzt die betroffenen Arbeitnehmer durchaus bereits in die Lage, die rechtlichen Konsequenzen eines Übergangs des Arbeitsverhältnisses zu bewerten und eine Entscheidung darüber zu treffen, ob ein Widerspruch erklärt werden soll. Dass der 2. Senat hier von den beteiligten Arbeitgebern fast Unmögliches verlangt, zeigt auch der Umstand, dass über die Auslegung und den Inhalt möglicher Ansprüche nach dem TV Soziale Sicherung parallel vor dem 6. Senat 76 gestritten wurde. Konkret ging es um

75 Vgl. BAG v. 23.7.2015 – 6 AZR 687/14 n. v. (Rz. 21 ff.). 76 BAG v. 23.7.2015 - 6 AZR 991/14 n. v.

656

Unterrichtungspflicht über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags

die Frage, ob auch beim Erwerber nach dem Betriebsübergang verbrachte Dienstzeiten als Beschäftigungszeiten für die Berechnung von tarifvertraglichen Überbrückungsbeihilfen berücksichtigt werden müssen. Nimmt man die Ausführungen des 2. Senats ernst, müssten auch derartige Streitfragen zum Gegenstand der Unterrichtung gemacht werden. Die stetig wachsende Strenge der Rechtsprechung in Bezug auf die Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB sollte möglichst bald überprüft und abgeschwächt werden. Rechtstatsächlich erscheint sie zu eng, was die Kennzeichnung und Beschreibung der Rechtsfolgen betrifft. So spricht der 8. Senat im Urteil vom 10.11.2011 77 noch von der Möglichkeit, dass Tarifverträge kollektiv oder einzelvertraglich nach § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB weiter gelten. Der 4. Senat des BAG hatte in seinem Urteil vom 22.4.200978 demgegenüber klargestellt, dass es sich bei einer Fortgeltung nach § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB gerade nicht um eine individualrechtliche Fortgeltung handele, weil die Tarifverträge nicht Bestandteil des Arbeitsvertrags, sondern des Arbeitsverhältnisses würden. Die beiden Begriffe seien dabei nicht nur sprachlich voneinander zu unterscheiden. Vielmehr habe der Gesetzgeber die konkreten Rechtsfolgen für bestimmte Einzelkonstellationen im Zusammenhang mit der Ablösung transformierter Normen in einer Weise geregelt, die auch dem Verständnis von einer individualrechtlichen Fortgeltung wiedersprächen. Sie behielten deshalb ihren kollektivrechtlichen Charakter. Welche Umschreibung ist jetzt die zutreffende für § 613 a Abs. 5 BGB? Losgelöst davon wird man bei der weiteren Kennzeichnung der Unterrichtungspflicht beim Betriebsübergang zu berücksichtigen haben, dass darin immer auch eine Einschränkung der unternehmerischen Handlungs- und Entscheidungsfreiheit zu sehen ist. Da Art. 16 GRC aber diese Freiheit nur durch andere Grundrechte einschränken will, wird man daraus auch auf eine Einschränkung der aus § 613 a Abs. 5, 6 BGB resultierenden Handlungspflichten schließen müssen. Auf diese Form einer Berücksichtigung der unternehmerischen Handlungsfreiheit hatte der EuGH bereits bei anderer Gelegenheit hingewiesen 79. Schließlich wird durch die aktuelle Interpretation von § 613 a Abs. 5 BGB ein ganz erhebliches Risiko für den Veräußerer geschaffen, als Folge eines Widerspruchs noch nach vielen Jahren wieder zu einer Fortführung von Arbeitsverhältnissen zu kommen. Da der Umfang der durch Art. 7 Abs. 6 Richtlinie 2001/23/EG gesetzten Pflichten nur durch den

77 8 AZR 430/10, AP Nr. 15 zu § 613 a BGB Unterrichtung Rz. 35. 78 4 AZR 100/08, NZA 2010, 41 Rz. 62; vgl. ErfK/Preis, BGB § 613 a Rz. 112. 79 EuGH v. 18.7.2013 – C-426/11, NZA 2013, 835 – Alemo Herron.

657

Betriebsänderung und Betriebsübergang

EuGH selbst bestimmt werden kann, sollte dieser nach Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung angerufen werden. (Ga)

8.

Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung nach Betriebsübergang

Gesamtbetriebsvereinbarungen werden zwischen Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat in Bezug auf Angelegenheiten abgeschlossen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können (§ 50 Abs. 1 BetrVG). Unabhängig davon kann der Gesamtbetriebsrat auch dann tätig werden, wenn er durch den einzelnen Betriebsrat mit der Wahrnehmung einer konkreten Angelegenheit beauftragt wird (§ 50 Abs. 2 BetrVG). Schon die unterschiedliche Begründung der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bewirkt, dass die Frage, ob die im Hinblick auf die Rechtsfolgen einer Unternehmensumstrukturierung für Betriebsvereinbarungen entwickelten Grundsätze auf das Schicksal von Gesamtbetriebsvereinbarungen übertragen werden können, unterschiedlich beurteilt wird. Dies gilt umso mehr, als der Gesamtbetriebsrat nach der gesetzlichen Neuregelung im Rahmen der originären Zuständigkeit auch Vereinbarungen für betriebsratslose Betriebe abschließen kann (§ 50 Abs. 1 S. 1 2. Halbs. BetrVG). Hinzu kommt, dass die für Betriebsübergang und Umwandlung in §§ 613 a Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB, 324 UmwG getroffenen Regelungen dem Wortlaut nach nur Vorgaben für Betriebsvereinbarungen enthalten. Auf der Grundlage früherer Feststellungen im Beschluss vom 18.9.2002 80 hat das BAG diese Fragen in Bezug auf die Situation beim übernehmenden Rechtsträger jetzt in seinen Entscheidungen vom 18.2.2015 81 und 5.5.201582 abschließend klargestellt. Im Vordergrund steht dabei die zutreffende Annahme, dass die in § 613 a Abs. 1 S. 2, 3 BGB festgelegten Rechtsfolgen nur zum Tragen kommen, wenn sich die Konsequenzen eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs nicht bereits aus den allgemeinen Grundsätzen des Betriebsverfassungsrechts ableiten lassen 83. Daran muss bei der künftigen Formulierung von Unterrichtungsschreiben nach § 613 a Abs. 5 BGB angeknüpft werden.

80 81 82 83

1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 4 AZR 778/13, NZA n. v. 1 AZR 763/13, NZA 2013, 1331. Vgl. HWK/B. Gaul, BetrVG § 77 Rz. 69 ff.

658

Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung nach Betriebsübergang

a)

Übertragung sämtlicher Betriebe

Wenn die Betriebe, für die eine Gesamtbetriebsvereinbarung gilt, in ihrer Gesamtheit auf einen anderen Rechtsträger übergehen und dort in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Identität fortbestehen, wird man in jedem Fall von der kollektivrechtlichen Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung beim übernehmenden Rechtsträger ausgehen können 84.

b)

Übertragung einzelner Betriebe unter Wahrung ihrer Identität

Für den Fall der Übertragung von Betrieben unter Wahrung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Identität ging ein Teil des Schrifttums 85 in der Vergangenheit noch davon aus, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung gemäß § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB als Bestandteil des beim übernehmenden Rechtsträger fortbestehenden Arbeitsvertrags Geltung beansprucht. Eine Ausnahme sei nur für Vereinbarungen zu machen, die der Gesamtbetriebsrat kraft Delegation (§ 50 Abs. 2 BetrVG) abschließe. Nur solche Abreden, die der Gesamtbetriebsrat als Betriebsvereinbarung abschließe, würden bei einer Übertragung des Betriebs in seiner Gesamtheit kollektivrechtlich fortgelten 86. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung in ihrer kollektivrechtlichen Fortgeltung an den Bestand und die Identität des Unternehmens als Organisationsebene des Gesamtbetriebsrats geknüpft sei. Insoweit komme bei Gesamtbetriebsvereinbarungen eine normative Weitergeltung (nur) in Betracht, soweit der Betrieb in der „Zuständigkeit“ des abschließenden Gesamtbetriebsrats verbleibe 87.

84 Ebenso WHS/Hohenstatt, Umstrukturierung E Rz. 48; Kittner/Zwanziger/Bachner, Arbeitsrecht § 116 Rz. 12; generell abl. Boecken, Unternehmensumwandlungen Rz. 160. 85 Vgl. zu Umwandlungen: Berscheid, Festschrift Stahlhacke S. 15, 31 f.; Düwell in Rieder, Betriebsübergang S. 193, 223; Hanau, ZGR 1990, 548, 555; Müller, RdA 1996, 287, 292 f., Boecken, Unternehmensumwandlung Rz. 160 f.; Müller-Ehlen, Übergang von Arbeitsverhältnissen S. 136 f.; Moll, NJW 1993, 2018, 2019, Bauer/v. SteinauSteinrück, NZA 2000, 505, 507. 86 Junker in Hanau/Schaub, Arbeitsrecht 1997 S. 87, 115; Boecken, Unternehmensumwandlung Rz. 160 f.; Meyer, DB 2000, 1174, 1175. Generell abl. hinsichtlich einer kollektivrechtlichen Fortgeltung: Gussen/Dauck, Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge Rz. 79 ff. 87 So Müller, RdA 1996, 287, 291 f.; WHS/Willemsen, Umstrukturierung B Rz. 105.

659

Betriebsänderung und Betriebsübergang

In seinem Urteil vom 5.5.2015 88 hat das BAG einen hiervon abweichenden Weg beschritten und dabei an seinen Überlegungen im Beschluss vom 18.9.2002 89 angeknüpft. Nach seiner Auffassung gilt der Inhalt einer Gesamtbetriebsvereinbarung als Einzelbetriebsvereinbarung auch dann weiter, wenn ein Betrieb übertragen wird. Dies gelte auch dann, wenn der übernehmende Rechtsträger bereits mehrere Betriebe habe und die in der Gesamtbetriebsvereinbarung geregelten Rechte und Pflichten beim übernehmenden Rechtsträger nicht normativ ausgestaltet seien. Dieses Ergebnis folgt bereits aus der Rechtsnatur der Betriebsvereinbarung selbst, wenn der Gesamtbetriebsrat auf der Grundlage einer delegierten Zuständigkeit tätig wurde (§ 50 Abs. 2 BetrVG). Denn in diesem Fall handelt es sich nur um eine Betriebsvereinbarung. Der Gesamtbetriebsrat kann nämlich nur solche Vereinbarungen abschließen, die auch der Betriebsrat, der ihn mit der Vertretung beauftragt hat, abschließen könnte. Wenn der Betrieb in seiner Gesamtheit unter Wahrung seiner Identität übertragen wird, gilt die Betriebsvereinbarung deshalb kollektivrechtlich fort 90. Das hat das BAG jetzt auch im Urteil vom 18.2.2015 91 klargestellt. Bereits eine formale Betrachtungsweise rechtfertigt es aber, in Übereinstimmung mit den aktuellen Feststellungen des BAG im Urteil vom 5.5.2015 92 auch bei solchen Regelungen, die in den originären Zuständigkeitsbereich des Gesamtbetriebsrats fallen, eine kollektivrechtliche Fortgeltung der Gesamtbetriebsvereinbarung als Betriebsvereinbarung anzunehmen, wenn ein Betrieb unter Wahrung seiner Identität übertragen wird 93. Anknüpfungspunkt ist dabei die Überlegung, dass auch der Gesamtbetriebsrat nur Betriebsvereinbarungen abschließen kann. Deutlich wird dies bereits in § 47 Abs. 5 BetrVG, der davon spricht, dass zwischen Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird. Letztlich handelt es sich damit bei einer Gesamtbetriebsvereinbarung, wie auch die einheitliche Wortwahl in § 77 BetrVG zeigt, lediglich um eine Vereinbarung mit einem größeren Geltungsbereich. Wenn der Betrieb, für den die Gesamtbetriebsvereinbarung eine bestimmte Ordnung begründet, in seiner Identität erhalten bleibt, kann diese Ordnung grundsätzlich auch dann fortbestehen, wenn es keine weiteren Betriebe mit der identischen Ordnung

88 89 90 91 92 93

1 AZR 763/13, NZA 2015, 1331 Rz. 46. 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. Vgl. B. Gaul, NZA 1995, 717, 724. 4 AZR 778/13 n. v. (Rz. 37). 1 AZR 763/13, NZA 2015, 1331 Rz. 46. Ebenso schon BAG v. 18.9.2002 – 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670 Rz. 48.

660

Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung nach Betriebsübergang

beim übernehmenden Rechtsträger gibt. Schließlich wird die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 BetrVG auch in solchen Fällen begründet, in denen eine sachliche Notwendigkeit für eine einheitliche Regelung auf Unternehmensebene spricht 94. Tatsächlich regelbar wäre die Angelegenheit an sich auch auf Betriebsebene, so dass auch der konkrete Regelungsgegenstand nur in Ausnahmefällen einer Fortgeltung auf Betriebsebene entgegensteht. Entscheidend ist aber letztlich der Zweck von § 613 a BGB, der verlangt, bei der Übertragung eines Betriebs unter Fortbestand seiner betriebsverfassungsrechtlichen Identität von einer kollektivrechtlichen Fortgeltung der Gesamtbetriebsvereinbarung auszugehen. Grund für diese Annahme ist der Umstand, dass der generelle Übergang der Rechte und Pflichten einer Betriebsvereinbarung in den Arbeitsvertrag zu einer Begünstigung der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer führen würde. Rechte und Pflichten, die Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden sind, können für die Dauer eines Jahres - lässt man die Änderungskündigung einmal unberücksichtigt - ohne Einbeziehung des Betriebsrats, des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats beim übernehmenden Rechtsträger nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden (§ 613 a Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Rechtsfolge ist zum Schutz der Arbeitnehmer gewollt, wenn wegen der Ausgliederung eines Betriebsteils und Ablauf des Übergangsmandats (vorübergehend) keine Arbeitnehmervertretung in Form des Betriebsrats, unter bestimmten Voraussetzungen sogar des bisherigen Gesamtbetriebsrats 95, gegeben ist. Wenn aber auch nach dem Übergang des Betriebs eine Arbeitnehmervertretung gegeben ist und der Betrieb in seiner bisherigen Identität fortbesteht, bestehen keine Bedenken, den bis zum Übergang bestehenden Zustand aufrechtzuerhalten. Dieser Zustand war nämlich auch dadurch geprägt, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung mit den Mitteln des Kollektivarbeitsrechts, ggf. also durch Kündigung ohne sachlichen Grund, beendet und durch Vereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat geändert werden konnte. Wirkt die Gesamtbetriebsvereinbarung kollektivrechtlich als Betriebsvereinbarung fort, bleiben dem übernehmenden Rechtsträger diese Rechte erhalten. Eine Änderung tritt nur insoweit ein, als nicht mehr der Gesamtbetriebsrat sondern der im übertragenden Betrieb fortbestehende Betriebsrat zuständig ist. In Bezug auf die wechselseitigen Gestaltungsmöglichkeiten werden Arbeitnehmer und übernehmender Rechtsträger so gestellt, wie sie stehen würden, wenn der Wech-

94 BAG v. 6.12.1988 – 1 AZR 44/87, EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 23 S. 7; Kreutz, GK-BetrVG § 50 Rz. 27 f. 95 Vgl. B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung § 27 Rz. 125 ff.

661

Betriebsänderung und Betriebsübergang

sel auf Arbeitgeberseite nicht erfolgt wäre. Da § 613 a BGB aber nur den Besitzstand schützen, nicht ausbauen soll, genügt dies, um den Zweck des Gesetzes zu verwirklichen. Eine individualrechtliche Fortgeltung als Bestandteil des Arbeitsvertrags ist damit auch bei der Gesamtbetriebsvereinbarung ausgeschlossen, wenn der Betrieb in seiner Gesamtheit übertragen wird. Hier wirkt die Gesamtbetriebsvereinbarung ab Betriebsvereinbarung fort. Zuständig für etwaige Änderungsvereinbarungen oder die Entgegennahme bzw. den Ausspruch einer Kündigung ist grundsätzlich der Betriebsrat, der innerhalb des übertragenen Betriebs fortbesteht. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn betriebsratslose Betriebe übertragen werden, für die der Gesamtbetriebsrat eine Regelung im Rahmen seiner originären Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 S. 1 2. Halbs. BetrVG getroffen hatte. Hier gilt die Betriebsvereinbarung kollektivrechtlich fort, obwohl kein Betriebsrat, mit dem Änderungen vereinbart oder gegenüber dem eine Kündigung ausgesprochen werden könnte, besteht. Dies ist in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Neuregelung hinzunehmen. Dieselbe Rechtsfolge würde im Hinblick auf die in einer Gesamtbetriebsvereinbarung getroffenen Regelungen dann eintreten, wenn bei der Übertragung oder Stilllegung der übrigen Betriebe mit Betriebsrat nur ein betriebsratsloser Betrieb beim übertragenden Rechtsträger verbleiben würde. Um zu verhindern, dass damit eine faktische Unkündbarkeit der Rechte und Pflichten aus der früheren Gesamtbetriebsvereinbarung erzielt würde, letztlich also auch eine Benachteiligung des übernehmenden Rechtsträgers gegenüber dem übertragenden Rechtsträger geschaffen würde, wird man hier eine Kündigung der Betriebsvereinbarung gegenüber jedem einzelnen Arbeitnehmer zulassen müssen. Darlegungs- und beweispflichtig für den Zugang der Kündigung ist der neue Arbeitgeber. Allerdings wird man, entsprechend den Ausführungen zur Änderung der nach § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB fortgeltenden Arbeitsbedingungen, zur Rechtfertigung der Kündigung nicht auf §§ 1, 2 KSchG zurückgreifen müssen, sondern die zur Kündigung von Betriebsvereinbarungen im Rahmen von §§ 75, 77 BetrVG entwickelten Grundsätze anwenden können. Damit sind nicht nur die dort geregelten Kündigungsfristen maßgeblich, sofern in der Betriebsvereinbarung keine abweichende Vorgabe getroffen wurde. Vielmehr ist auch von einer Nachwirkung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG auszugehen, wenn eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit betroffen war.

662

Annahmeverzug des Betriebsveräußerers durch verspäteten Widerspruch

c)

Übertragung einzelner Betriebsteile

Abweichend von der an anderer Stelle noch vertretenen Auffassung 96 überträgt das BAG im Urteil vom 5.5.2015 97 das vorstehend gewonnene Ergebnis auch auf den Fall, dass nur einzelne Betriebsteile auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden. Auch hier soll es, wie schon im Beschluss vom 18.9.2002 98 angedeutet, ebenfalls zu einer Fortgeltung der Gesamtbetriebsvereinbarung als Einzelbetriebsvereinbarung kommen, wenn dieser Betriebsteil durch den übernehmenden Rechtsträger als eigenständiger Betrieb fortgeführt wird 99. Dass für diesen Betrieb im Rahmen des Übergangsmandats nach § 21 a BetrVG möglicherweise nur vorübergehend ein Betriebsrat zuständig ist, steht der kollektivrechtlichen Fortgeltung nicht entgegen 100. Zu den in § 613 a Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB bestimmten Rechtsfolgen kommt es damit allenfalls dann, wenn der Betriebsteil in einen Betrieb des Erwerbers integriert oder durch Zusammenschluss mit einem dort bestehenden Betrieb oder Betriebsteil ein neuer Betrieb geschaffen wird 101. Eine kollektivrechtliche Fortgeltung der früheren Betriebsvereinbarung kommt darüber hinaus dann in Betracht, wenn der vom Übertragungsvorgang betroffene Betrieb als gemeinsamer Betrieb fortbesteht 102. (Ga)

9.

Annahmeverzug des Betriebsveräußerers durch verspäteten Widerspruch nach Betriebsübergang

Wie auch die vorstehend behandelten Entscheidungen des BAG noch einmal deutlich gemacht haben, kann die fehlende oder fehlerhafte Unterrichtung der vom Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nach § 613 a BGB betroffenen Arbeitnehmer zur Folge haben, dass diese auch nach Ablauf der in § 613 a Abs. 6 BGB genannten Monatsfrist wirksam dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen. Die Wirkung des Widerspruchs tritt ex tunc ein. Der Widerspruch hat also zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis trotz des Betriebsübergangs rückwirkend mit dem bisherigen Betriebsinhaber fortgeführt wird.

96 B. Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 6 Rz. 101. 97 1 AZR 763/13, NZA 2015, 1331 Rz. 46. 98 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. 99 Ebenso B. Gaul, Festschrift Bauer S. 339 ff. 100 Krit. Meyer, ZfA 2015, 385, 388 f. 101 Eingehend HWK/B. Gaul, BetrVG § 77 Rz. 69 ff. 102 Vgl. Kittner/Zwanziger/Bacher, Arbeitsrecht § 116 Rz. 13.

663

Betriebsänderung und Betriebsübergang

Für den bisherigen Betriebsinhaber hat dies nicht nur zur Folge, dass künftige Beschäftigungsmöglichkeiten geprüft werden müssen. Gibt es auch unter Berücksichtigung von § 1 Abs. 2 KSchG keine Möglichkeit, den Arbeitnehmer im Unternehmen weiter zu beschäftigen, kann dies zum Anlass einer betriebsbedingten Kündigung genommen werden. Diese setzt allerdings eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG voraus, bei der die Möglichkeit einer weiteren Beschäftigung beim Erwerber nicht zum Nachteil des widersprechenden Arbeitnehmers berücksichtigt werden darf. Ob und inwieweit eine solche Kündigung auch mit Abfindungsansprüchen verknüpft ist, hängt von der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer und einer daraus etwaig resultierenden Sozialplanpflicht oder dem Inhalt der bereits aus der Vergangenheit bestehenden individual- und kollektivrechtlichen Regelungen ab. Problematisch für den Betriebserwerber stellt sich die rückwirkende Begründung des Arbeitsverhältnisses allerdings dann dar, wenn der Arbeitnehmer zu seinem Widerspruch durch den Umstand veranlasst wurde, dass der Erwerber – insbesondere als Folge einer Insolvenz – Zahlungsansprüche nicht erfüllt hat. Denn in diesem Fall besteht für den Betriebsveräußerer die Gefahr, dass solche Ansprüche aus der Zeit zwischen Betriebsübergang und Widerspruch durch den Arbeitnehmer im Anschluss an den Widerspruch gegenüber dem Betriebsveräußerer geltend gemacht werden. In seinem Urteil vom 19.8.2015 103 hat das BAG deutlich gemacht, das entsprechende Zahlungsansprüche des widersprechenden Arbeitnehmers gegenüber dem Betriebsveräußerer bis zum Wirksamwerden des Widerspruchs jedenfalls nicht auf den Tatbestand des Annahmeverzugs gestützt werden können. Denn der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs setze ein erfüllbares, d. h. tatsächlich durchführbares Arbeitsverhältnis voraus. Bei einer rückwirkenden Begründung des Arbeitsverhältnisses liege ein solches für den vergangenen Zeitraum nicht vor. In dem zugrunde liegenden Fall war die Klägerin bis zum 31.12.1986 bei der Beklagten beschäftigt. Mit Wirkung vom 1.1.1987 ging ihr Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf eine neu gegründete Gesellschaft, die C GmbH, über. Die Beklagte garantierte ihr ein Rückkehrrecht. Als über das Vermögen der C GmbH am 1.10.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Klägerin wegen Betriebsschließung zum 31.1.2010 gekündigt wurde, machte sie ihr Rückkehrrecht gegenüber der Beklagten geltend. Im Rahmen einer rechtlichen Auseinandersetzung wurde die Beklagte so-

103 5 AZR 975/13 n. v.

664

Annahmeverzug des Betriebsveräußerers durch verspäteten Widerspruch

dann dazu verurteilt, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrags ab dem 1.2.2010 anzunehmen. Die rückwirkende Begründung des Arbeitsverhältnisses hatte allerdings keinen rückwirkenden Anspruch auf Arbeitsentgelt für die Zeit ab 1.2.2010 zur Folge. Entgegen der klagestattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen hat der 5. Senat des BAG die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des BAG war kein Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs gegeben. Denn dieser habe ein tatsächlich durchführbares Arbeitsverhältnis verlangt, das bei einem rückwirkend begründeten Arbeitsverhältnis für die in der Vergangenheit liegenden Zeiträume nicht gegeben sei. Die Beklagte – so das BAG – schulde die Vergütung auch nicht nach § 326 Abs. 2 S. 1 1. Alternative BGB, weil sie die Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung für die Vergangenheit nicht zu verantworten hatte. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sie sich in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befand. Voraussetzung sei aber, dass die Beklagte weder selbst noch durch ihre Erfüllungsgehilfen bei der Ablehnung der Beschäftigung fehlerhaft gehandelt habe. Hiervon sei auszugehen, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft war und der Schuldner sie sorgfältig geprüft habe. Dabei müssten gewichtige Anhaltspunkte für die Richtigkeit der vertretenen Rechtsmeinung sprechen. Dabei genügt die Berufung auf eine günstige Ansicht im Schrifttum nach Auffassung des BAG nicht, wohl aber die Berufung auf höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere, wenn ihr ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde liege 104. Diese Grundsätze wird man auch auf die rückwirkende Begründung eines Arbeitsverhältnisses als Folge eines Widerspruchs übertragen können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Betriebsveräußerer in entschuldbarer Weise von einer ordnungsgemäßen Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB ausgegangen ist. Denn auch hier bestand für ihn bis zum Zugang des Widerspruchs kein Anlass, den Arbeitnehmer zur Beschäftigung aufzufordern. Im Ergebnis wird man eine solche Verpflichtung sogar erst dann annehmen müssen, wenn rechtskräftig über die Wirksamkeit des Widerspruchs entschieden wurde. Ob man allerdings in allen Fallgestaltungen davon ausgehen kann, dass die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung durch den übertragenden Rechtsträger nicht zu vertreten war, ist einzelfallbezogen zu entscheiden. Schadensersatzansprüche aus §§ 611 Abs. 1, 326 Abs. 2 S. 1 1. Alt. BGB i. V. m. § 275 Abs. 1 BGB sind damit nicht in Gänze ausgeschlossen. (Ga)

104 BAG v. 19.8.2015 – 5 AZR 975/13 n. v. (Rz. 24 ff., 30 f.).

665

J.

1.

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht Neue Beitragsbemessungsgrößen der Sozialversicherung 2016 2015 West

2016 Ost

West

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Jahr

Monat

Jahr

Monat

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Beitragsbemessungsgrenze

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(Rentenversicherung) *

6.050

72.600

5.200

62.400

6.200

74.400

5.400

64.800

Beitragsbemessungsgrenze

EUR

EUR

EUR

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EUR

EUR

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(Knappschaft) *

7.450

89.400

6.350

76.200

7.650

91.800

6.650

79.800

Beitragsbemessungsgrenze

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EUR

EUR

(Arbeitslosenversicherung)*

6.050

72.600

5.200

62.400

6.200

74.400

5.400

64.800

Beitragsbemessungsgrenze

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

(Kranken- und Pflegeversi-

4.125

49.500

4.125

49.500

4.237,50

50.850

4.237,50

50.850

Versicherungspflichtgrenze

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

(Kranken- und Pflegeversi-

4.575,00

54.900

4.575,00

54.900

4.687,50

56.250

4.687,50

56.250

Bezugsgröße in der Sozial-

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

versicherung ***

2.835

34.020

2.415

28.980

2.905

34.860

2.520

30.240

Geringfügigkeitsgröße

EUR

EUR

EUR

EUR

450

450

450

450

cherung) *

cherung) **

*

Hierbei handelt es sich um den Maximalbetrag, bis zu dem in der jeweiligen Sozialversicherung Beiträge erhoben werden dürfen. Der Einkommensanteil, der über diesem Grenzbetrag liegt, ist beitragsfrei.

**

Eine private Krankenversicherung darf gewählt werden, wenn im vergangenen Jahr die Versicherungspflichtgrenze überschritten wurde und auch im aktuellen Kalenderjahr noch überschritten wird.

667

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht ***

In der gesetzlichen Krankenversicherung ist diese Bezugsgröße beispielweise Grundlage für die Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillige Mitglieder und das Mindestarbeitsentgelt. In der gesetzlichen Rentenversicherung stellt die Bezugsgröße die Grundlage für die Beitragsberechnung versicherungspflichtiger Selbständiger dar. In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gilt der Wert für den Westen bundeseinheitlich. (Do)

2.

Neuregelung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte

a)

Ausgangssituation

Im Frühjahr hatten wir über den Vorschlag der Bundesregierung zur Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte berichtet1. Anlass hierfür boten vor allem die Entscheidungen des BSG vom 3.4.20142, die vorangehende Feststellungen des BSG zu den Konsequenzen einer Änderung der Tätigkeit im Urteil vom 31.10.20123 erheblich verschärft hatten. Im Ergebnis war nach den Urteilen vom 3.4.20144 eine weitere Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 SGB VI für die Syndikusrechtsanwälte im Hinblick auf die Einkünfte aus dieser Tätigkeit ausgeschlossen. Lediglich ältere Arbeitnehmer sollten durch Vertrauensschutzregelungen von dieser Änderung ausgenommen werden. Der im Frühjahr diskutierte Referentenentwurf ist jetzt in leicht veränderter Fassung in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden5. Grundsätzlich kann deshalb wegen des Inhalts auf die Feststellungen im Frühjahr verwiesen worden6. Insofern soll nachfolgend nur auf einzelne Punkte verwiesen werden:

b)

Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt

Nach § 46 Abs. 3 BRAO soll die anwaltliche Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts dadurch bestimmt werden, dass das Angestelltenverhältnis durch fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübende Tätigkeiten sowie folgende Merkmale geprägt ist: 1 2 3 4 5 6

B. Gaul, AktuellAR 2015, 28 ff. B 5 RE 13/14 R, NJW 2014, 2743; BSG v. 3.4.2014 – B 5 RE 9/14 R n. v.; BSG v. 3.4.2014 – B 5 RE 3/14 R, AuR 2014, 476. B 12 R 5/10 R, NJW 2013, 1628 ff. BSG v. 3.4.2014 – B 5 RE 13/14 R, NJW 2014, 2743 Rz. 10. BT-Drucks. 18/5201. Vgl. B. Gaul, AktuellAR 2015, 28 ff.

668

Neuregelung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte

1. Die Prüfung von Rechtsfragen, einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts, sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten, 2. die Erteilung von Rechtsrat, 3. die Ausrichtung der Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere durch das selbständige Führen von Verhandlungen oder auf die Verwirklichung von Rechten, und 4. die Vertretungsbefugnis nach außen.

Problematisch an den vorstehenden Kriterien ist weiterhin das Erfordernis einer "Vertretung nach außen", jedenfalls dann, wenn es – was der Wortlaut des Entwurfs nahelegt – kumulativ neben den übrigen Voraussetzungen erfüllt werden muss. Dieses Tätigkeitsmerkmal ist für eine Syndikustätigkeit weder typisch noch mit Blick auf den Zweck der hier in Rede stehenden Regelung erforderlich und sollte gestrichen werden, zumal die bloße Beratung von anderen Konzerngesellschaften von diesem Kriterium nicht erfasst wird. Außerdem steht zu erwarten, dass der Begriff einer "prägenden Tätigkeit" zu Auslegungsschwierigkeiten führt. Dem Wortlaut nach würde man es genügen lassen wollen, wenn die hier genannte Arbeit zu mehr als 50 % der Arbeitszeit erfüllt wird. Der Gesetzgeber spricht aber davon, dass andere Tätigkeiten nur noch in "geringem Umfang" ausgeübt werden dürften. Dies dürfte insbesondere Syndikusrechtsanwälte in Stabs- oder Führungsfunktionen treffen.

c)

Zulassung als Syndikusrechtsanwalt

Der Syndikusrechtsanwalt bedarf zur Ausübung seiner Tätigkeit einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 46 Abs. 2 S. 2 BRAO). Einzelheiten dieser Zulassung werden in § 46 a BRAO geregelt. Über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt soll die örtlich zuständige Rechtsanwaltskammer entscheiden. Mit Blick auf die zum Referentenentwurf geäußerte Kritik soll der Träger der Rentenversicherung dabei nur noch angehört werden. Eine Bindungswirkung ist damit nicht verbunden. Im Gegenteil: der Träger der Rentenversicherung soll bei seiner Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht an die bestandskräftige Entscheidung der Rechtsanwaltskammer gebunden sein. Folgerichtig sollen der Antragssteller und der Träger der Rentenversicherung gleichermaßen Rechtsschutz gegen eine Entscheidung der Rechtsanwaltskammer erhalten.

669

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

Im Rahmen des Zulassungsantrags muss verständlicherweise ein Nachweis dafür geführt werden, dass die anwaltliche Unabhängigkeit gewährleistet ist. Auch nach dem aktuellen Gesetzentwurf soll dies dadurch erfolgen, dass dem Antrag auf Zulassung eine Ausfertigung oder eine öffentlich beglaubigte Abschrift des Arbeitsvertrags oder der Arbeitsverträge des Syndikusrechtsanwalts beigefügt werden muss. Diese Vorgabe begründet einen überflüssigen Formalismus und missachtet die Geheimhaltungsinteressen der Arbeitsvertragsparteien, soweit es um die für eine Kennzeichnung der anwaltlichen Tätigkeit unerheblichen Vertragsbestandteile geht. Sinnvoller wäre, die Nachweispflicht – wie bei etwaigen Änderungen (§ 46 b Abs. 4 BRAO) – auf die tätigkeitsbezogenen Regelungen des Arbeitsvertrags zu beschränken. Hier bleibt indes der Begriff einer "wesentlichen" Änderung weiterhin unklar.

d)

Haftpflichtversicherung

§ 46 a Abs. 4 BRAO begründet weiterhin eine Verpflichtung des Syndikusrechtsanwalts zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung in Bezug auf Vermögensschäden hinsichtlich seiner Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt. Diese Versicherung, deren Kosten im Zweifel durch den Arbeitgeber zu tragen sind, muss den Anforderungen aus § 51 BRAO genügen. Die Mindestversicherungssumme sind derzeit 250.000 €. Das Justizministerium begründet diese Verpflichtung mit der Notwendigkeit, den Syndikusrechtsanwalt vor einem existenzgefährdenden Vermögensverlust durch die Inanspruchnahme seines Arbeitgebers oder anderer Konzerngesellschaften zu schützen und damit auch seine anwaltliche Unabhängigkeit zu sichern. Den Einwand des Bundesarbeitsministeriums, dass sich der Syndikusrechtsanwalt bei einer Pflichtverletzung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses auf die Grundsätze zur Haftungsminderung bei betrieblicher Tätigkeit berufen kann, hält das Justizministerium für unzureichend.

e)

Sozialversicherungsrechtliche Übergangsregelung

Gemäß § 231 Abs. 4 b SGB VI soll eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt, die auf der Grundlage der gesetzlichen Neuregelung erteilt wurde, auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an wirken, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. Sie wirkt auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem Berufsständischen Versorgungswerk bestand. Sie wirkt allerdings grundsätzlich erst ab dem 1.4.2014. Eine Befreiung für davor liegende Zeiten kann auf 670

Neuregelung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte

Antrag nur erfolgen, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden und der Antrag auf rückwirkende Befreiung bis zum ersten Tag des siebten, auf die Verkündung der gesetzlichen Neuregelung folgenden, Kalendermonats gestellt wird. Es genügt also nicht, dass in dieser Zeit nur Mindestbeiträge entrichtet wurden. Ausgenommen von dieser Möglichkeit einer rückwirkenden Befreiung sind nach dem aktuellen Entwurf nur Beschäftigungen, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt aufgrund einer vor dem 4.4.2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde. In allen Fällen kann der Antrag auf eine rückwirkende Befreiung innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes gestellt werden. Pflichtbeiträge, die auf Grund einer Befreiung nach § 231 Abs. 4 b SGB VI zu Unrecht entrichtet wurden, werden abweichend von § 211 SGB VI und abweichend von § 26 Abs. 3 SGB IV von dem zuständigen Träger der Rentenversicherung beanstandet und unmittelbar an die zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung erstattet. Zinsen nach § 27 Abs. 1 SGB IV sind nicht zu zahlen (§ 286 f SGB VI). Bei dieser Übergangsregelung können die aktuellen Problemfälle weitgehend abgearbeitet werden. Allerdings sollte das Wort „Pflichtmitgliedschaft“ durch „Mitgliedschaft“ ersetzt werden. Darüber wird derzeit noch diskutiert. Bedauerlicherweise löst auch der jetzt vorliegende Gesetzentwurf nicht solche Fallgestaltungen, in denen Syndikusrechtsanwälte bereits heute eine wirksame (tätigkeitsunabhängige) Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten haben. Solche Bescheide sind in der Vergangenheit ausgestellt worden und nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen weiterhin wirksam. Darüber hinaus bleibt in der gesetzlichen Neuregelung die Übergangsregelung unbeachtet, die seitens der gesetzlichen Rentenversicherung mit Blick auf Syndici nach Vollendung des 58. Lebensjahres in der gemeinsamen Erklärung vom 12.12.2014 verkündet wurde. Es bleibt zu hoffen, dass hier der Gesetzgeber noch eine Ergänzung vornimmt, damit in solchen Fällen keine zusätzlichen – und nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen auch überflüssigen - Befreiungsanträge mehr gestellt werden müssen.

f)

Fazit

Es ist zu begrüßen, dass der Gesetzgeber die überflüssige Änderung der Rechtsprechung des BSG rückgängig macht. Derzeit ist allerdings offen, wann der noch bestehende Streit über die Haftpflichtversicherung und die sozialversicherungsrechtliche Rückwirkung zwischen den beteiligten Mini671

Aktuelles aus dem Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht

sterien geklärt wird. Erst dann soll das Gesetzgebungsverfahren in den Ausschüssen abgeschlossen und der Entwurf im Bundestag zur Abstimmung gestellt werden. Erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, das ursprünglich einmal für den 1.1.2016 geplant war, können dann aber die (rückwirkenden) Befreiungsanträge gestellt werden. (Ga)

672

Stichwortverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen

Abberufung, Geschäftsführer 204 ff. Abfindung - ältere Arbeitnehmer 277 ff. - Altersdiskriminierung 277 ff. - Arbeitslosengeld 281 ff. - Betriebsrente 39 - Freiwilligenprogramm 283 ff. - Regelaltersgrenze 277 ff. - Turboprämie 283 ff. Abmahnung - Kündigung 168 ff. - milderes Mittel 170 f. - Verbrauch 507 Abwerbeverbot - Due Diligence 215 - gemeinsamer Betrieb 214 ff. - Kooperationsvereinbarung 214 ff. - Wettbewerbsverbot 214 ff. Abwesende, Zugang Kündigung 524 f. AGB-Kontrolle - Altvertrag 382 ff. - Arbeitsvertrag 382 ff. - Ausgleichsquittung 190 ff. - betriebliche Altersversorgung 533 - Bezugnahme auf Tarifvertrag 382 f. - Bezugnahme Versorgungsordnung 532 ff. - Bezugnahmeklausel 382 f. - Denglisch 68 ff. - dynamische Bezugnahmeklausel 382 f.

AGB-Kontrolle - Freistellungsklausel 519 f. - Gesamtzusage 68 ff. - Gleichstellungsabrede 382 f. - Klageverzicht 189 ff. - Nachtragsvereinbarung 384 f. - Neuvertrag 382 ff. - Rückzahlungsklausel 134 f. - übertarifliche Zulage 227 ff. - Vertragsänderung 382 ff. - Vorschuss 134 f. AGG - Bewerber 391 ff. - Hopper 391 ff. - Scheinbewerber 391 ff. Aktiengesellschaft - Frauenquote 1 ff., 377 ff. - Geschlechterquote 1 ff. Alkoholabhängigkeit - Entgeltfortzahlung 131 ff. - Krankheit 131 f. Allgemeinverbindlicherklärung - Betriebsrente 36 - Tarifvertrag 363 f. Altarbeitsvertrag, ABGKontrolle 382 ff. Alter, Diskriminierung 530 f. Ältere Arbeitnehmer - Abfindung 277 ff. - Altersrente 358 f. - außerordentliche Kündigung 509 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 60 ff., 394 ff. - sachgrundlose Befristung 61 f. - Sonderkündigungsschutz 509 ff. 673

Stichwortverzeichnis

Ältere Arbeitnehmer - Sozialplan 277 ff. Altergruppen, Sozialauswahl 183 ff. Altersdiskriminierung - Kleinbetrieb 482 ff. - Sozialplan 277 ff. Altersgrenze - befristeter Arbeitsvertrag 60 ff., 394 ff. - Hinausschieben 61 f. Altersrente wegen Schwerbehinderung - Anerkennung 218 ff. - Wohnsitz 217 Altersrente, Flexibilisierung 358 ff. Gesetzliche Altersrente → Altersteilzeit - Betriebsvereinbarung 607 f. - Dienstwagen 436 ff. - Freistellungsphase 436 ff. - geringfügige Beschäftigung 313 - Versicherungspflicht 313 Altvertrag, AGB-Kontrolle 382 ff. Änderungskündigung - Arbeitszeitverteilung 432 ff. - Gesamtzusage 69 - Sozialauswahl 180 - Teilzeitbeschäftigung 433 ff. Angehörige, Pflege 11 f. Anhörung, Verdachtskündigung 163 ff. Annahmeverzug - Angebot 386 - Arbeitspause 97 ff. - Arbeitsvertrag 386 ff. - Ausschlussfrist 525 ff. - Beschäftigungspflicht 386 ff. - Betriebsübergang 663 ff. - Direktionsrecht 386 ff. - Geschäftsführer 209 f. 674

Annahmeverzug - Kündigung 199 ff. - Kündigungsschutzklage 525 ff. - MiLoG 116 - Weiterbeschäftigung 386 ff. - Widerspruch Betriebsübergang 663 ff. - Wiedereingliederungsverhältnis 127 ff. - Zustimmung Integrationsamt 199 ff. Anrechnung, übertarifliche Zulage 227 ff. Anspruch auf Teilzeit - Arbeitszeitlage 89 ff. - Befristung 93 ff. - Elternzeit 10 f. - spätere Änderung 89 ff. Anteilseignervertreter, Geschlechterquote 1 ff. Anwesende, Zugang Kündigung 521 f. Arbeitgeberverband, OTMitgliedschaft 571 ff. Arbeitgeberwechsel, Erholungsurlaub 141 ff. Arbeitnehmer - Aufsichtsratstantieme 629 - ausländische 350 ff. - Begriff 344 ff. - Beschäftigungsanspruch 518 ff. - Drittschuldnerklage 454 ff. - Eingliederung 345 - Filmaufnahme 85 ff. - Freistellung 518 ff. - Kriterien 345 - KUG 85 ff. - Videoaufnahme 85 ff. Arbeitnehmerdatenschutz 362 - Änderung 362 - Betriebsbeauftragter 372

Stichwortverzeichnis

Arbeitnehmerdatenschutz - Corporate Binding-Rules 365 f. - DatenschutzGrundverordnung 45, 362, 372 ff. - Drittstaaten 365 ff. - Einwilligung 366 - Entschädigung 84 f. - EU-Richtlinie 372 f. - Facebook-Seite 267 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 275 f. - Persönlichkeitsschutz 81 ff. - Safe-Harbor 2.0 368 f. - Safe-Harbor 365 ff. - Standardvertragsklausel 366 - Straftat 373 - Strafvollstreckung 373 - Unterlassungsanspruch Betriebsrat 267 ff. - unternehmerische Freiheit 372 f. - Videoüberwachung 81 ff. Arbeitnehmerfoto, Verwertbarkeit 85 ff. Arbeitnehmerüberlassung 24 ff. - Abgrenzungskriterien 27 - Arbeitnehmerbezug 339 - Arbeitsentgelt-Begriff 26 - Arbeitsplatzbezug 339 - Arbeitsspitzen 73 - Asylbewerber 352 f. - Begriff 338 f. - BeschV 352 f. - Dauer 339 f., 369 ff. - dauerhafte 339, 369 ff. - Einschränkung 71 ff. - Equal Pay 26, 340 ff. - Europäische Kommission 369 ff. - Generalanwalt 72 ff. - Höchstüberlassungsdauer 25 f., 339 f.

Arbeitnehmerüberlassung - Kennzeichnungspflicht 25, 338 f. - Kettenüberlassung 26 - kommende Unter nehmen 342 f. - Konkretisierung 338 f. - Kontrolle 28 - Konzern 27 - Mitbestimmung Betriebsrat 25 ff., 258 f. - öffentlicher Dienst 342 f. - öffentlich-rechtliche Person 342 f. - Personalgestellung 27 - Privatisierung 342 f. - Quote 73 - Rechtsmissbrauch 75 ff. - Referentenentwurf 337 ff. - Regelungsspielraum 74 - Sanktion 340 - Scheinwerkvertrag 75 ff. - selbständig Tätige 404 ff. - Solo-Selbständige 404 ff. - TVöD 27 - Vermutungsregel 27 - Vertragsverletzungsverfahren 369 ff. - Vorratserlaubnis 75 ff. - vorübergehende 71 ff., 260 f. - Zoll 346 f. - Zollämter 28 Arbeitnehmervertreter, Geschlechterquote 1 ff. Arbeitsbereitschaft, MiLoG 107 Arbeitsentgelt, Arbeitnehmerüberlassung 26 Arbeitserlaubnis 350 ff. Arbeitsgericht - Geschäftsführer 204 ff. - Zuständigkeit 204 ff. 675

Stichwortverzeichnis

Arbeitskampf - AÜG 342 - Gewerkschaftszugehörigkeit 223 ff. - rechtswidriger 551 ff. - Schadensersatz 556 ff. - Tarifeinheit 22 ff. Arbeitslosengeld, Abfindung 281 ff. Arbeitslosenversicherung, Beitragsbemessungsgrenze 667 Arbeitspause - Annahmeverzug 97 ff. - Anordnung 97 ff. - Betriebsvereinbarung 97 ff. Arbeitsschutz - Arbeitsschutzrichtlinie 422 - Arbeitsunterweisung 275 - Dienstleister 275 ff. - Fremdpersonal 344 - Fremdunternehmen 275 ff. - Gefährdungsanalyse 274 - Kosten 419 ff. - Maßnahmen 419 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 275 ff., 622 ff. - Organisation 13 f. - Umkleidezeit 414 ff. Arbeitsunfähigkeit, krankheitsbedingte → krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Zweifel 81 ff. Arbeitsunfall, krankheitsbedingte Kündigung 502 Arbeitsverhältnis - Arbeitsort 406 - Arbeitszeit 406 - Begriff 344 ff. - Betriebsmittel 405 - Eingliederung 345 676

Arbeitsverhältnis - IT-Beratung 405 ff. - Kennzeichnung 344 ff., 404 ff. - Kriterien 345 - Solo-Selbständige 404 ff. - Sozialversicherungsrecht 346 - Vermutungsregel 344 ff. Arbeitsvertrag - Annahmeverzug 386 ff. - Arbeitszeit 424 ff. - Aufsichtsratstantieme 629 - Befristung → befristeter Arbeitsvertrag - Beschäftigungspflicht 386 f. - betriebsvereinbarungsoffen 462 f., 536 ff. - Bezugnahmeklausel 532, 559 ff. - Freistellungsklausel 518 ff. - Geschäftsführer 210 - Günstigkeitsvergleich 240 ff. - Unterbrechung 469 ff. - Versorgungsordnung 532 ff. - Vertragspflichten 488 ff. Arbeitszeit - Arbeit 412 - Arbeitsschutz 414 ff. - Arbeitsvertrag 424 ff. - AT-Angestellte 424 ff. - Aufzeichnungspflicht 121 ff. - befristete Verringerung 93 ff. - Befristung 93 ff. - Betriebsratsmitglied 604 ff. - Betriebsratstätigkeit 604 ff. - Betriebsvereinbarung 415 - Dienstwagen 409 ff. - EU-Arbeitszeitrichtlinie 43 - EU-Richtlinie 374 f., 410 - Flugzeug 413 - Lage 89 ff. - MiLoG 107, 121 ff. - Mindestlohn-Verordnung 123 f.

Stichwortverzeichnis

Arbeitszeit - Mitbestimmung 413 - Montagemitarbeiter 409 ff. - ÖPNV 413 - Raucherpause 457 ff. - Reisezeit 409 ff. - Schutzausrüstung 414 ff. - Selbstfahrer 409 ff. - Taxi 413 - Umkleidezeit 414 ff. - Vergütung 413, 414 ff. - Vollzeitbeschäftigung 424 ff. - Wegezeit 416 Arbeitszeitflexibilisierung, MiLoG 116 ff. Arbeitszeitkonto, MiLoG 116 ff. Arbeitszeitlage 89 ff. Arbeitszeitwechsel, Erholungsurlaub 135 ff. Asylbewerber 350 ff. - sicherer Herkunftsstaat 352 - Vorrang Prüfung 352 AT-Angestellte, MiLoG 106 f. Aufgabenverlagerung, Kündigung 173 ff. Aufhebungsvertrag, Klageverzicht 189 ff. Aufsichtsrat - IG-Metall 363 - Leiharbeitnehmer 343 f. - SE 363 Aufsichtsratstantieme, Gewerkschaftsvertreter 625 ff. Auftraggeberhaftung, MiLoG 120 f., 439 Auftragsnachfolge, Betriebsübergang 643 Auftragsvergabe, MiLoG 125 AÜG - Änderung 24 ff. - Anwendungsbereich 342 f.

AÜG - Arbeitsentgeltbegriff 341 - Arbeitskampf 342 - Equal-Pay 340 ff. - Equal-Treatment 340 - Leiharbeitsrichtlinie 369 ff. - öffentlicher Dienst 342 f. - öffentlich-rechtliche Körperschaft 342 f. - Referentenentwurf 337 ff. - Sanktionen 342 - Sparkasse 342 f. - Streikbrecher 342 - TVöD 342 f. Ausgleichsanspruch, Betriebsübergang 297 f. Ausgleichsquittung, AGBKontrolle 190 ff. Ausland, Frauenquote 380 Ausländer, Beschäftigung 24 Ausländische Arbeitnehmer 350 ff. Ausschlussfrist - Annahmeverzug 525 ff. - Erholungsurlaub 143 f. - Kündigungsschutzklage 525 ff. - MiLoG 119 f. - Mobbing 78 ff. - Urlaubsabgeltung 143 ff. - vorsätzliches Handeln 81 Außenseiter - Diskriminierung 231 ff. - Tarifsozialplan 231 ff. - Tarifvertrag 637 Außerordentliche Kündigung - Abmahnung 507 - älterer Arbeitnehmer 509 ff. - Anhörung 163 ff. - Augenblicksversagen 171 - Auslauffrist 506 ff. - Auszubildender 161 ff. 677

Stichwortverzeichnis

Außerordentliche Kündigung - Berufsausbildungsverhältnis 161 ff. - betriebliche Erfordernisse 411 f. - betriebsbedingte 509 ff. - Erholungsurlaub 138 - Ermittlungen 505 - Gleichbehandlungsgrundsatz 505 - Konkurrenztätigkeit 166 f. - Kündigungserklärungsfrist 505 - Missbrauch IT-System 503 ff. - notwendige Auslauffrist 508 f. - Outsourcing 509 ff. - Rechtsmissbrauch 513 - soziale Auslauffrist 506 f. - strafbares Tun 503 ff. - Urlaubsgewährung 138 ff. - Verdachtskündigung 161 ff. - Verhalten 506 ff. - Zwei-Wochen-Frist 505 Auszubildender - außerordentliche Kündigung 161 ff. - Verdachtskündigung 161 ff.

Bachelorarbeit, MiLoG 105 BDSG-Änderung 362 Beförderung, Frauenquote 381 f. Befristeter Arbeitsvertrag - ältere Arbeitnehmer 60 ff., 394 ff. - Altersdiskriminierung 398 f. - Altersgrenze 60 ff., 394 ff. - Betriebsübergang 646 f. - Entfristungsklage 197 f. - Formerfordernis 61 f. - gedankliche Vertretung 66 ff., 403 - gerichtlicher Vergleich 62 ff. - Gründe in der Person 397 678

Befristeter Arbeitsvertrag - Hinausschieben Altersgrenze 399 f. - Hochschule 355 ff. - Massenentlassung 147 ff., 475 f. - nach Renteneintrittsalter 394 ff. - Projektarbeit 56 ff. - Promotion 355 ff. - Prozessbeschäftigung 196 - Rechtsmissbrauch 58, 403 f. - Sachgrund 56 ff., 394 ff. - sachgrundlos → Sachgrundlose Befristung - SGB VI 399 - Übernahme Azubi 400 - Universität 355 ff. - Vergleich 62 ff. - Vertretung 66 ff., 403 - Wissenschaft 355 ff. Befristung → befristeter Arbeitsvertrag Begünstigung, Gewerkschaftsmitglied 231 ff. Beherrschungsvertrag, Betriebsrente 544 f. Behinderung → Schwerbehinderung Behinderung, Diskriminierung 498 ff., 531 Beitragsbemessungsgrenzen, Sozialversicherung 667 ff. bEM → betriebliches Eingliederungsmanagement Berechnungsdurchgriff - Betriebsrente 221 f. - Verrechnungspreisabrede 221 f. Bereitschaftsdienst, MiLoG 107, 439 f. Berufsausbildungsverhältnis - außerordentliche Kündigung 161 ff. - Verdachtskündigung 161 ff.

Stichwortverzeichnis

Beschäftigung - einstweilige Verfügung 518 ff. - Freistellungsklausel 518 ff. Beschäftigungsanspruch, Betriebsratsmitglied 243 f. Beschäftigungsverordnung 24 Beschlussverfahren - Betriebsrat 599 ff. - Kostenerstattung 599 ff. BeschV-Änderung 351 f. BetrAVG - Arbeitszeit 413 - IG-Metall 363 - Leiharbeitnehmer 343 f. - Schwellenwerte 343 f. Betrieb, Tarifeinheit 18 ff., 335 ff. Betriebliche Altersversorgung - Abänderung 301 ff. - Abfindung 39 - Ablösung 307, 536 ff. - AGB-Kontrolle 533 - Allgemeinverbindlichkeit 36 - Altersdiskriminierung 530 f. - Altersgrenze 530 f. - Altzusagen 538 f. - Änderung 302 ff. - Anpassung 539 ff. - Anpassungspflicht 37 ff., 347 ff., 349 - Ausfallhaftung 374 - außerordentliche Aufwendungen 543 - Beherrschungsvertrag 544 f. - Beitragszusage mit Mindestleistung 35 ff. - Beitragszusage 35 ff. - Berechnungsdurchgriff 221 f., 544 f. - Besitzstand 537 - Betriebsübergang 300 ff.

Betriebliche Altersversorgung - betriebsvereinbarungsoffen 536 ff. - Direktversicherung 349 - Diskriminierung Behinderung 531 - Drei-Stufen-Theorie 536 ff. - Dynamik 532 - dynamische Bezugnahmeklausel 532 ff. - Eigenkapitalverzinsung 547 - Eingriff 536 ff. - Einrichtung Tarifvertragsparteien 35 ff. - Ergebnisabführungsvertrag 545 - Gesamtversorgung 535 - Gewinnabführungsvertrag 545 - Konzern 221 f., 539 ff. - Konzernverrechnungspreisabrede 539 ff. - Kündigung 305 f. - Mobilitäts-Richtlinie 347 ff. - Non-Profit-Organisation 543 - Pensionsfonds 347 - Pensionskasse 347, 349 - qualifiziert faktischer Konzern 545 - Rechnungszins 349 - Rentnergesellschaft 546 ff. - Rückstellungen 39, 349 - sachlich-proportionale Gründe 302 f., 538 - schwerbehinderte Menschen 531 f. - Spätehenklausel 529 ff. - Tarifvertrag 35 ff. - triftige Gründe 302, 537 f. - Unverfallbarkeit 312 f., 347 ff. - Unverfallbarkeitsfrist 37 - Verhältnismäßigkeit 536 ff. 679

Stichwortverzeichnis

Betriebliche Altersversorgung - vorzeitige Inanspruchnahme 531 f. - Witwenrente 529 ff. - Witwerrente 529 ff. - Zeitkollisionsregel 303 ff. - zwingende Gründe 304, 537 Betriebliche Übung - Ablösung durch Betriebsvereinbarung 461 ff. - Raucherpause 457 ff. - Sonderleistung 450 ff. - Weihnachtsgeld 450 f. Betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) - Bestandteile 156 ff. - Betriebsarzt 158 - Beweislast 158 ff., 500 ff. - Darlegungslast 158 ff., 500 ff. - Durchführung 156 ff. - Konzernbetriebsrat 591 ff. - Kündigung 152 ff. - Kurzerkrankungen 152 ff. - leidensgerechter Arbeitsplatz 501 - Rehabilitationsmaßnahme 159 ff. - Ultima ratio 155 f. - Verhältnismäßigkeit 155 f. - Voraussetzungen 156 ff. Betriebliches Vorschlagswesen - Mitbestimmung Betriebsrat 624 - paritätische Kommission 624 Betriebsänderung - Anhörung Betriebsrat 634 - Aufhebungsvertrag 283 ff. - Betriebsabwicklungsprämie 288 ff. - Betriebsstilllegung 641 f. - Durchführung 634 - Freiwilligenprogramm 285 ff. 680

Betriebsänderung - Klageverzicht 283 ff. - Konzern 631 ff. - Massenentlassungsanzeige 634 - Mietvertrag 634 f. - Nachteilsausgleich 633 ff. - Neubau 635 - Sozialauswahl 641 f. - Sozialplan 279 ff. - Teilverlagerung 641 f. - Treueprämie 290 ff. - Turboprämie 283 ff. - Umzug 635 - Unternehmer 631 ff. - Unumkehrbarkeit 633 - Veräußerung Betriebsmittel 634 - Vorbereitung 633 ff. - Vorruhestand 217 ff. Betriebsarzt, betriebliches Eingliederungsmanagement 158 Betriebsbedingte Kündigung - Änderungskündigung 179 ff. - Aufgabenverlagerung 173 ff. - befristete Weiterbeschäftigung 514 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 514 ff. - Betriebszugehörigkeit 181 f. - freier Arbeitsplatz 515 f. - Fremdvergabe 176 ff. - Lebensalter 181 f. - Massenentlassung 475 ff. - Outsourcing 176 ff. - Prognose 177 ff. - Punkteschema 183 - Rechtsmissbrauch 513 f. - Sozialauswahl 182, 641 f. - überobligationsmäßige Mehrbelastung 175 - Umsetzung 177 ff. - Unterhaltspflicht 182

Stichwortverzeichnis

Betriebsbedingte Kündigung - unternehmerische Entscheidung 174 - Weiterbeschäftigungsmöglichkeit 414 ff. - wirtschaftliche Rechtfertigung 176 f. - Zeitpunkt 177 ff. Betriebsbegriff, Massenentlassung 478 f. Betriebsmittel - Betriebsübergang 296 ff. - wesentliche 296 ff. Betriebsnorm - Betriebsübergang 313 f. - Tarifvertrag 313 f. Betriebsrat - Arbeitszeit 604 ff. - Begünstigung Gewerkschaftsmitglieder 635 ff. - Begünstigung 598 - Beschluss 249 f. - Beschlussverfahren 599 ff. - Betriebsübergang 298 ff. - Delegation 591 ff. - Ehrenamt 605 f. - Freistellung 605 - Freistellungsanspruch 599 ff. - Gewerkschaftsmitgliedschaft 231 ff. - Koalitionsfreiheit 635 ff. - Kommunikationsbeauftragte 597 ff. - Kosten 599 ff. - Kostenerstattung 598, 599 ff., 602 ff. - Leiharbeitnehmer 344 - Minderheitsfraktion 598 - Rechtsanwaltskosten 599 ff. - sachkundige Arbeitnehmer 252 ff.

Betriebsrat - Sachverständige 599 ff. - Schulung 602 ff. - Seminarkosten 602 ff. - Sitzungsniederschrift 241 ff. - Sozialplan 231 ff. - tarifvertragliche Zuständigkeit 593 ff. - Übernachtungskosten 602 ff. - Vertretung 241 ff. Betriebsratsanhörung - Kündigung 187 ff. - subjektive Determination 187 ff. Betriebsratsbeschluss - Sitzungsniederschrift 243 ff. - Wirksamkeit 243 ff., 249 ff., 251 f. Betriebsratskosten - Betriebsübergang 298 ff. - Kostenerstattung598, 599 ff., 602 ff. - Schulung 602 ff. Betriebsratsmitglied - Arbeitspflicht 606 f. - Arbeitszeit 604 ff. - Beschäftigungsanspruch 253 f. - erfolgsabhängige Vergütung 595 ff. - Höchstarbeitszeit 606 - Ruhezeit 607 - Schulung 602 ff. - Schwerbehinderung 255 f. - Sonderleistung 595 ff. - Vergütung 595 ff. Betriebsratssitzung - Nichtöffentlichkeit 247 - Telepräsenz 249 ff. - Videokonferenz 249 ff. Betriebsratsvorsitzender - Vertretung 251 f. - Vertretungsbefugnis 243 ff. 681

Stichwortverzeichnis

Betriebsrente → betriebliche Altersversorgung Betriebsrentenanpassung 539 ff. - Eigenkapitalverzinsung 546 ff. - NPO 543 Betriebssicherheitsverordnung 13 f. Betriebsstilllegung, Sozialauswahl 641 f. Betriebsteil, Kennzeichnung 293 ff. Betriebsübergang - Abwerbeverbot 215 - Alemo-Herron 560 - Altvertrag 559 ff. - Annahmeverzug 663 ff. - Auftragsnachfolge 643 - Ausgleichsanspruch 297 f. - befristeter Arbeitsvertrag 646 f. - betriebsmittelarme Tätigkeit 642 ff. - Betriebsnorm 313 f. - Betriebsratskosten 300 ff. - Betriebsteil 644 f. - Betriebsvereinbarung 305 ff., 652 ff., 659 f. - Betriebsteilübergang 293 ff. - Bewachungsgewerbe 644 - Bezugnahmeklausel 559 ff. - Dienstleistung 293 ff. - dynamische Bezugnahme 559 ff. - Erstattungsanspruch 299 f. - fehlerhafte Unterrichtung 648 ff. - Funktionsnachfolge 297, 643 - Funktionszusammenhang 645 - Gesamtbetriebsvereinbarung 658 ff. - Gleichstellungsabrede 559 ff. - Kennzeichnung 293 ff., 642 ff. - Konzern 643 - Kündigung Betriebsvereinbarung 305 f. - Monatsfrist 648 682

Betriebsübergang - Neuvertrag 559 ff. - Objektschutz 643 - organisatorische Einheit 293 ff., 644 f. - Sachkunde 644 - Schadensersatzanspruch 299 f. - Tankstelle 297 ff. - Tarifvertrag 313 f., 648 ff. - Unterrichtungspflicht 648 ff. - Unverfallbarkeit Betriebsrente 310 f. - Versorgungszusagen 302 ff. - Werhof 560 - wesentliche Betriebsmittel 296 ff. - wesentliches Personal 642 ff. - Widerspruch 648 - wirtschaftliche Einheit 293 ff. - Zeitkollisionsregel 303 ff. Betriebsvereinbarung - Ablösung betriebliche Übung 461 ff. - Altersdiskriminierung 607 f. - Altersteilzeit 607 f. - Arbeitspause 97 ff. - Arbeitszeit 415 - Betriebsübergang 305 f., 652 ff., 659 f. - Bezugnahme auf Tarifvertrag 566 ff. - Koalitionsfreiheit 635 ff. - Kündigung 305 f. - Nachwirkung 607 - Raucherpause 458 f. - Tarifvorrang 566 ff. - Teilzeitbeschäftigung 430 ff. - Umkleidezeit 415 - Zeitkollisionsregel 303 ff. Betriebszugehörigkeit, Sozialauswahl 181 f.

Stichwortverzeichnis

BetrSichVO, Mitbestimmung Betriebsrat 274 BetrVG-Betriebsstruktur, Tarifvertrag 593 ff. Beurteilungsgrundsätze - Konzern 622 - Matrix 622 - Mitbestimmung Betriebsrat 619 ff. - Unternehmensbezug 621 f. Beweislast - krankheitsbedingte Kündigung 158 ff. - Sitzungsniederschrift 243 ff. Beweislast, Zeugnis 211 ff. Bewerber - Behinderung 47 ff. - Kennzeichnung 393 ff. Bewerbungsverfahren - Diskriminierung Frauen 52 ff. - Diskriminierung Mütter 52 ff. - Entschädigung 56 - Scheinbewerber 393 ff. Bezugnahmeklausel, Günstigkeitsvergleich 563 ff. Bezugsgröße, Sozialversicherung 667 Bonus → Sonderleistung Bonus, Betriebsratsmitglied 595 ff. Börsennotierte Gesellschaft - Frauenquote, 1 ff. - Geschlechterquote 1 ff. Bundesgleichstellungsgesetz 1

Cockpit, Tarifeinheit 22, 333 Compliance, Whistleblower 353 ff. Corporate Binding-Rules, Datenschutz 365 f.

Darlegungslast - krankheitsbedingte Kündigung 158 ff., 500 ff. - Sitzungsniederschrift 243 ff. - Zeugnis 211 ff. Darlehen, Wettbewerbsverbot 407 Datenschutz → Arbeitnehmerdatenschutz Dienstwagen - Altersteilzeit 436 ff. - Arbeitsentgelt 437 - Arbeitszeit 409 ff. - Freistellungsphase 436 ff. - Nutzungsausfallentschädigung 437 - Teilzeitbeschäftigung 437 - Widerrufsvorbehalt 437 Differenzierungsklausel, Tarifvertrag 231 ff., 235 ff. Direktionsrecht - Annahmeverzug 386 ff. - Arbeitspause 97 ff. - Arbeitszeit 90 - sachkundige Arbeitnehmer 252 f. Direktversicherung, Anpassungspflicht 349 Diskriminierung - AGG-Hopper 391 ff. - Alter 279, 391 ff., 398 f., 482 ff., 530 f., 607 f. - Außenseiter 231 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 398 f. - Behinderung 47 ff., 498 ff., 531 - Belästigung 79 - Betriebsrente 529 ff.; 531 f. - Bewerber 391 ff. - Birkenstock 40 - Entgelt 39 f. - Förderpflichten 48 ff. - Frauen 39 f., 52 ff. 683

Stichwortverzeichnis

Diskriminierung - Frauenquote 381 f. - Geschlecht 39 f., 52 ff. - Koalitionsfreiheit 231 ff. - krankheitsbedingte Kündigung 498 ff. - Kündigung 482 ff. - mittelbare 53 - nichtorganisierte Arbeitnehmer 231 ff. - Rollenverteilung 55 - Scheinbewerber 391 ff. - Sozialplan 277 ff. - Spätehenklausel 529 ff. - Statistik 52 ff. - unmittelbare 53 f. - Verfahrenspflichten 48 ff. Doppelberufstheorie 29 Doppelverdienst, Sozialauswahl 182 Drei-Stufen-Theorie, Betriebsrente 536 ff. Dreizehntes Monatseinkommen → Sonderleistung DrittelbG - ausländische Arbeitnehmer 579, 584 - ausländische Tochtergesellschaften 579 ff. - Frauenquote 1 ff. - Leiharbeitnehmer 343 f. - Schwellenwerte 343 f., 579 ff. - Wahlordnung 353 - Wahlrecht 584 Drittschuldnerklage 454 ff. - Zulässigkeit 454 ff. Drittstaaten 365 ff. Duales Studium, MiLoG 105 Due Diligence, Abwerbeverbot 215

684

Eingliederungsmanagement → betriebliches Eingliederungsmanagement - krankheitsbedingte Kündigung 495, 500 ff. Eingruppierung - Mitbestimmung Betriebsrat 243 ff. - Tarifeinheit 611 ff. - Tarifpluralität 611 ff. Einigungsstelle, paritätische Kommission 624 Einstellung - Frauenquote 381 f. - Fremdpersonal 344 - Kennzeichnung 265 f. - Konzernarbeitnehmer 265 f. - Leiharbeitnehmer 260 f. - Matrixstruktur 265 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 254 ff., 608 ff. - Unterrichtung Betriebsrat 608 ff. Einstweilige Anordnung, Tarifeinheit 333 ff. Einstweilige Verfügung, Beschäftigung 518 ff. Einwilligung, Datenschutz 366 Elterngeld Plus 7 ff. Elternzeit - Erholungsurlaub 463 ff. - EU-Richtlinie Arbeitszeit 464 f. - Flexibilisierung 7 ff. - Inanspruchnahme 8 f. - Kündigungsschutz 11 - Teilzeitbeschäftigung 10 f. - Urlaubsabgeltung 463 ff. Entfristungsklage, Prozessbeschäftigung 197 f. Entgelterhöhung - Anrechnung 227 ff. - übertarifliche Zulage 227 ff.

Stichwortverzeichnis

Entgeltfortzahlung 116 - Alkoholabhängigkeit 131 ff. - MiLoG 116, 448 ff. Entgeltgleichheit 39 f. - Frauen 360 ff. Entgeltgleichheitsgesetz 39 f., 360 Entgeltordnung, mitbestimmungswidrige Änderung 615 ff. Entsenderichtlinie 443 Equal Pay - Arbeitnehmerüberlassung 26 - Arbeitsentgelt-Begriff 26 - Leiharbeit 340 f. - Sachbezug 340 Equal-Treatment, AÜG 340 Erholungsurlaub - Arbeitgeberwechsel 141 ff. - Arbeitszeitänderung 466 ff. - Arbeitszeitwechsel 135 ff. - Ausschlussfrist 143 f. - außerordentliche Kündigung 138 ff. - Berechnung 466 ff. - Elternzeit 463 ff. - Erwerbsminderung 472 f. - EU-Richtlinie 468 - Festlegung 469 - fristlose Kündigung 138 ff. - Fünf-Tage-Woche 469 - ruhender Arbeitsvertrag 473 - Teilzeit 466 ff. - Unterbrechung Arbeitsvertrag 469 ff. - Wartezeit 470 - Wechsel in Teilzeit 135 ff. - Zwölftelung 469 ff. Erstattungsanspruch, Betriebsübergang 297 f. Erwerbsminderung - Erholungsurlaub 472 f. - Urlaubsabgeltung 472 f.

EU-Richtlinie - Arbeitsschutz 422 - Arbeitszeit 374 f., 410, 464, 468 - Arbeitszeitrichtlinien 43 - Entsenderichtlinie 109, 443 - Erholungsurlaub 468 - Leiharbeit 338, 369 ff. - Leiharbeitsrichtlinie 24 ff., 71 ff. - Massenentlassung 631 f. - Mobilitäts-Richtlinie 347 ff. - Mutterschutz 373

Facebook-Seite - Datenschutz 267 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 267 ff. Familienpflegezeit 11 ff. Feier Arbeitsplatz, Kündigung 515 f. Feiertagsvergütung, MiLoG 116 Flugbetrieb, Tarifeinheit 336 Fluglotsen - Streik 556 ff. - Tarifeinheit 22 Fragerecht, Gewerkschaftzugehörigkeit 223 ff. Frauen - Entgeltgleichheit 360 ff. - Karriereziele 360 Frauenquote - Aufsichtsrat 1 ff., 377 ff. - Vorstand 1 ff., 377 ff. - Geschäftsführung 1 ff., 377 ff. - Ausland 380 - ausländische Niederlassung 380 - Beförderung 381 f. - Diskriminierung 381 f. - DrittelbG 1 ff., 353 - Durchschnitt 379 - Einstellung 381 f. - fixe Quote 380 f. 685

Stichwortverzeichnis

Frauenquote - Führungsebene 1 ff., 377 ff. - Konzern 379 - Lagebericht 6 - Matrix 380 f. - MitbestG 353 - Praxisleitfaden 377 ff. - Stichtag 379 - Wahlordnung 353 - Zielgröße 379, 377 ff. Freistellungsanspruch, Betriebsrat 599 ff. Freistellungsklausel - AGB-Kontrolle 519 f. - Arbeitsvertrag 518 ff. - Beschäftigungsanspruch 518 ff. Freistellungsphase, Altersteilzeit 436 ff. Freiwilligenprogramm 283 ff. Fremdpersonal - Arbeitsschutz 344 - Einstellung 344 - Mitbestimmung Betriebsrat 344 Fremdvergabe, Kündigung 176 ff. Fristlose Kündigung → außerordentliche Kündigung Führungsebene, Frauenquote 378 Führungsposition, Frauenquote 377 ff. Funktionsnachfolge, Betriebsübergang 643

GDL, Tarifeinheit 22, 333 Gedankliche Vertretung 66 ff., 403 Gefährdungsanalyse, Arbeitsschutz 274 Gemeinsamer Betrieb, Abwerbeverbot 214 ff. Gemeinschaftsunternehmen, Konzernbetriebsrat 589 ff.

686

Gerichtlicher Vergleich, befristeter Arbeitsvertrag 62 ff. Geringfügig Beschäftigte - MiLoG 121 - Altersteilzeit 315 - Besteuerung 316 f. - Pauschalbesteuerung 316 f. Geringfügigkeitsgröße 667 Gesamtbetriebsrat, Delegation 591 ff. Gesamtbetriebsvereinbarung, Betriebsübergang 658 ff. Gesamtversorgung, Betriebsrente 535 Gesamtzusage - AGB-Kontrolle 68 ff. - Änderungskündigung 69 - Änderungsvertrag 69 - Beseitigung 69 - Entstehung 69 - Intranet 68 ff. - Neueinstellung 68 ff. Geschäftsführung, Frauenquote 1 ff., 377 ff. Geschäftsführer - Abberufung 204 ff. - Annahmeverzug 209 f. - Arbeitsgericht 204 ff. - Arbeitsvertrag 210 - Aufsichtsratstantieme 629 - Kündigung 204 ff., 476 ff. - Massenentlassung 476 ff. - Rechtsweg 204 ff. Geschlechterquote - Aufsichtsrat 1 ff. - Lagebericht 6 - MitbestG 1 ff., 353 - MontanmitbG 1 ff. - Wahlordnung 353

Stichwortverzeichnis

Gesundheitsschutz - Mitbestimmung Betriebsrat 275 ff., 622 ff. Gewerkschaft, Mehrheit 18 Gewerkschaftsmitglied - Begünstigung 231 ff., 635 ff. - Binnendifferenzierung 637 ff. - Sozialplan 231 ff., 635 ff. - Tarifsozialplan 231 ff., 635 ff. Gewerkschaftsvertreter, Aufsichtsratstantieme 625 ff. Gewerkschaftszugehörigkeit - Fragerecht 225 ff. - Tarifautonomie 225 ff. - Tarifeinheit 225 ff. Gleichbehandlung - Arbeitsvertragsmuster 100 ff. - Entgelterhöhung 100 ff. - Standardarbeitsvertrag 100 ff. - Überkompensation 103 f. Gleichstellungsgrundsatz, EqualPay 340 GmbH - Geschlechterquote 1 ff. - Frauenquote 1 ff. Grobe Fehlerhaftigkeit, Sozialauswahl 186 f. Günstigkeitsvergleich - ambivalente Regelung 565 - Arbeitsvertrag 240 ff. - Kündigungsfrist 149 ff. - neutrale Regelung 565 - Sachgruppen 565 - Tarifvertrag 240 ff. - TVG 240 ff., 563 ff.

Haftpflichtversicherung, Syndikusrechtsanwalt 31, 670 Heimliche Videoüberwachung 81 ff.

Höchstüberlassungsdauer - AÜG 339 f. - Tariföffnungsklausel 339 f. Homepage, Arbeitnehmerfoto 85 ff.

IG-Metall - BetrAVG 363 - Unternehmensmitbestimmung 363 Integrationsamt - Annahmeverzug 199 ff. - Zustimmung 199 ff. Intranet - Arbeitnehmerfoto 85 ff. - Gesamtzusage 68 ff. IT-System, Missbrauch 503 ff.

Jahressonderzahlung → Sonderleistung Jugendliche, MiLoG 105 f.

Klageverzicht - AGB-Kontrolle 189 ff. - Aufhebungsvertrag 189 ff. Kleinbetrieb, Altersdiskriminierung 482 ff. Knappschaft, Beitragsbemessungsgrenze 667 Koalitionsfreiheit - Diskriminierung 233 ff. - negative 640 - Sozialplan 233 ff. - Tarifsozialplan 233 ff. Kommunikationsbeauftragte, Betriebsrat 597 ff. Konkurrenztätigkeit, außerordentliche Kündigung 166 f. Konzern - Arbeitnehmerüberlassung 27 - Betriebsänderung 631 ff. 687

Stichwortverzeichnis

Konzern - Betriebsrente 221 f., 539 ff. - Betriebsrentenanpassung 221 f. - Einstellung 265 f. - Frauenquote 379 - herrschendes Unternehmen (BetrVG) 587 ff.. - Massenentlassung 631 f. - Matrixstruktur 263 ff. - Syndikusrechtsanwalt 29 - Verrechnungspreisabrede 221 f., 539 ff. - Wirtschaftsausschuss 631 ff. Konzernbetriebsrat - Beherrschung 588 ff. - bEM 591 ff. - Delegationszuständigkeit 591 ff. - Eingliederungsmanagement 591 ff. - Einigungsstelle 591 ff. - Gemeinschaftunternehmen 589 ff. - Gleichordnungskonzern 589 ff. - herrschendes Unternehmen 587 ff. - Zuständigkeit 586 f. Kooperationsvereinbarung, Abwerbeverbot 214 ff. Korruption 42 Kosten, Betriebsrat 599 ff. Kostenerstattung, Betriebsrat 598, 599 ff. Krankenversicherung, Beitragsbemessungsgrenze 667 Krankheit, Alkoholabhängigkeit 131 f. Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit - betriebliches Eingliederungsmanagement 152 ff. - Erholungsurlaub 472 f. 688

Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit - Kündigung 153 ff., 495 ff. - MiLoG 116, 448 ff. - Rehabilitationsmaßnahme 159 ff. - Urlaubsabgeltung 472 f. - Videoüberwachung 81 ff. - vorgetäuschte 81 ff. - Wiedereingliederungsverhältnis 127 ff. Krankheitsbedingte Kündigung - Arbeitsunfall 496; 502 - Behinderung 498 ff. - bEM 495, 500 ff. - Beweislast 500 ff. - Darlegungslast 500 ff. - Diskriminierung wegen Behinderung 498 ff. - Drei-Stufen-Prüfung 496 f. - Eingliederungsmanagement 495, 500 ff. - freier Arbeitsplatz 497 f. - Interessenabwägung 502 - leidensgerechter Arbeitsplatz 501 - schwerbehinderter Mensch 495 ff. - Weiterbeschäftigungsmöglichkeit 497 f. Kündigung - Abmahnung 507 - Abmahnungserfordernis 168 ff. - Annahmeverzug 199 ff. - Aufgabenverlagerung 173 ff. - bEM 152 ff., 495, 500 ff. - Betriebsratsanhörung 187 ff. - Betriebsvereinbarung 303 f. - Diskriminierung 482 ff. - Eingliederungsmanagement 152 ff., 495, 500 ff.

Stichwortverzeichnis

Kündigung - Elternzeit 11 - Familienpflegezeit 12 - freier Arbeitsplatz 515 f. - Fremdvergabe 176 ff. - Führungskraft 486 ff. - Geschäftsführer 204 ff., 476 ff. - Integrationsamt 199 ff. - Interessenabwägung 492 ff. - Klageverzicht 189 ff. - Krankheit 152 ff., 495 ff. - krankheitsbedingte → krankheitsbedingte Kündigung, - krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit 152 ff., 495 ff. - Kündigungsfrist 149 ff. - leistungsbezogene 486 ff. - Low-Performer 486 ff. - Matrixstruktur 265 - Minderleistung 486 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 187 ff. - negative Zukunftsprognose 491 f. - Outsourcing 176 ff., 509 ff. - personenbedingte 486 ff. - Pflegezeit 12 - Prozessbeschäftigung 194 ff. - Schwerbehinderung 199 ff. - sexuelle Belästigung 168 ff. - Slow-Performer 486 ff. - überobligationsmäßige Mehrbelastung 175 - unternehmerische Entscheidung 174 - Verbrauch 507 - verbundene Darlegungs- und Beweislast 158 ff. - strafbares Tun 503 ff.

Kündigung - verhaltensbedingte 168 ff., 486 ff. - Versorgungszusage 303 f. - Vertragspflichten 488 ff. - Wartezeit 482 ff. - Weiterbeschäftigung 194 ff. - Zugang 520 ff. - Zugangsvereitelung 522 ff. Kündigungserklärungsfrist, fristlose Kündigung 505 Kündigungsfrist, Günstigkeitsvergleich 149 ff. Kündigungsschutz - Elternzeit 11 - Pflegezeit 12 Kündigungsschutzklage - Annahmeverzug 525 f. - Ausschlussfrist 525 ff. - Verjährung 525 ff. Kündigungsschutzprozess, Weiterbeschäftigung 194 ff. Kurzarbeitergeld, Verordnung 35

Lagebericht - Frauenquote 6 - Geschlechterquote 6 HGB, Frauenquote 6 Lebensalter, Sozialauswahl 181 Leiharbeit → Arbeitnehmerüberlassung Leiharbeitnehmer - Asylbewerber 352 f. - Aufsichtsrat 343 f. - Betriebsrat 344 - DrittelbG 343 f. - Einstellung 260 f. - MitbestG 584 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 258 f. - Mitbestimmungsgesetz 343 f. 689

Stichwortverzeichnis

Leiharbeitnehmer - SCE 343 - Schwellenwerte 343 f. - SE 343 - Streik 342 Leiharbeitsrichtlinie 338 Leistungsbeurteilung, Zeugnis 211 ff. Leistungskontrolle, Mitbestimmung Betriebsrat 268 ff. Leitende Angestellte, MiLoG 106 f. Low-Performer 486 ff. - Beweislast 488 - Darlegungslast 488 - Vertragspflichten 488 ff.

Massenentlassung 475 ff. - befristete Arbeitsverträge 147 ff. - betriebsbedingte Kündigung 475 ff. - Betriebsbegriff 478 f. - Betriebsrat 480 f. - Betriebsratsvorsitzender 480 - Entlassungsbegriff 147 ff. - EU-Richtlinie 631 f. - Geschäftsführer 476 ff. - Informationspflicht 480 - Konsultationsverfahren 480 f. - Konzern 631 ff. - Massenentlassungsanzeige 480 - Schwellenwerte 147 ff., 475 ff., 478 f. - Stellungnahme Betriebsrat 480 - Wirtschaftsausschuss 480 Matrixstruktur - Beurteilungsgrundsätze 622 - Einstellung 265 f. - Frauenquote 380 f. - Kündigung 265 690

Matrixstruktur - Mitbestimmung Betriebsrat 265 ff. - soziale Angelegenheiten 265 Mehrheitsgewerkschaft 18 - Tarifeinheit 336 MiLoAufzV 14, 123 MiLoDokV 14, 349 f. MiLoG - Akkord 110 - Akkordprämie 441 - Annahmeverzug 16 - Arbeitsbereitschaft 107 - Arbeitsentgelt 440 ff. - Arbeitsleistung 446 - Arbeitsunfähigkeit 116 - Arbeitszeit 107 - Arbeitszeitflexibilisierung 116 ff. - Arbeitszeitkonto 116 ff. - AT-Angestellte 106 f. - Aufbewahrungspflicht 124 f. - Auftraggeberhaftung 120 f., 439 - Aufzeichnungspflichten 121 ff. - Ausschlussfrist 119 f. - Bachelorarbeit 105 - Bereithaltungspflicht 124 f. - Bereitschaftsdienst 107, 439 f. - Bestandteile 107 ff., 440 ff. - Bonus 107 ff., 446 - Dienstwagen 107 ff. - Dokumentationspflichten 349 f. - duales Studium 105 - Entgeltbegriff 107 ff., 440 ff. - Entgeltfortzahlung 116, 448 ff. - Entgeltgrenze 106 f., 349 f. - EU-Entsenderichtlinie 109 - Fälligkeit 116 - Feiertag 116 - Feiertagsentgelt 448 f. - Feiertagszuschlag 441

Stichwortverzeichnis

MiLoG - funktionale Gleichwertigkeit 110 f. - Gefahrenzulage 441 ff. - Geltungsbereich 104 ff. - Generalunternehmer 120 - geringfügig Beschäftigte 121 - Jahressonderzahlung 170 ff., 442 - Jugendliche 105 f. - Kontrolle 126 - Krankheit 448 ff. - leitende Angestellte 106 f. - Mehrarbeitszuschlag 446 - MiLoAufzV 14, 123 - MiLoDokV 14, 349 f. - MiLoMeldV 14, 124 - Mindestlohn 440 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 126 - Nachtschichtzulage 107 ff., 115 - Nachtzuschlag 441 - öffentliche Aufträge 125 - ÖPNV-Ticket 107 ff. - Ordnungswidrigkeit 120 f., 126 f. - Personalrabatt 445 - Praktikant 438 - Praktikum 104 ff. - Provision 446 - Sachleistungen 107 ff. - Schichtzulage 107 ff., 441 - Schmutzzulage 441, 446 - Sonderleistung 440 ff. - Sonntagszuschlag 441 - Tätigkeit 446 - Trainee 438 - Trinkgeld 445 - Übergangsregelungen 125 - Überstundenzulage 446 - Überstundenzuschlag 107 ff., 441 - Unabdingbarkeit 119 f.

MiLoG - Urlaubsentgelt 448 ff. - Urlaubsgeld 107 ff., 442, 445, 447 - Vergabeverfahren 125 - Verjährung 119 f. - Verordnungen 123 f. - Weihnachtsgeld 107 ff. - Werkdienstwohnung 445 - Werkmietwohnung 445 - Zulagen 443 - Zuschläge 443 - Zweck 447 MiLoMeldV 14, 124 Minderheitsgewerkschaft, Tarifeinheit 336 Minderleistung - Interessenabwägung 492 ff. - Kennzeichnung 490 f. - Kündigung 486 ff. - Zukunftsprognose 491 f. Mindestlohn → MiLoG Mindestlohn - Scheinwerkvertrag 44 f. - Tarifvertrag 363 f. - Werkvertrag 43 ff. Mindestlohn-Verordnung 123 f. Mitarbeiterjahresgespräch, Mitbestimmung Betriebsrat 621 MitbestG - ausländische Arbeitnehmer 579, 584 - ausländische Tochtergesellschaften 579 ff. - Deutsche Wertpapierbörse AG 580 f. - EuGH-Vorlage 583 f. - Geschlechterquote 353 - Leiharbeitnehmer 343 f. - Leiharbeitnehmer 584 ff. - SCE 584 691

Stichwortverzeichnis

MitbestG - Schwellenwerte 343 f., 579 ff. - Schwellenwerte 584 ff. - SE 584 - Territorialitätsprinzip 584 - TUI AG 581 ff. - Wahlordnung 353 - Wahlrecht 584 - Wahlverfahren 584 ff. MitbestErgG, Wahlordnung 353 Mitbestimmung Betriebsrat - Arbeitnehmerüberlassung 25 ff. , 260 ff. - Arbeitspause 97 ff. - Arbeitsschutz 273 ff., 622 ff. - Arbeitszeit 413 - betriebliches Vorschlagswesen 624 - Betriebsordnung 271 - BetrSichVO 274 - Beurteilungsgrundsätze 619 ff. - Datenschutz 271 f. - Delegation 621 f. - Dienstleister 273 ff. - Eingruppierung 241 ff., 611 ff. - Einigungsstelle 258 f., 624 - Einstellung 608 ff. - Entgeltordnung 615 ff. - Entleiherbetrieb 259 f. - Entlohnungsgrundsatz 617 - Facebook-Seite 265 ff. - Fremdpersonal 344 - Gefährdungsanalyse 274 - Gesundheitsschutz 273 ff., 622 ff. - Konzernbezug 621 f. - Kündigung 187 ff. - Leiharbeit 259 f. - Leiharbeitnehmer 260 f., 344 - Leistungskontrolle 268 ff. - Massenentlassung 480 f. 692

Mitbestimmung Betriebsrat - Matrixstruktur 263 ff. - MiLoG 126 - Mitarbeiterjahresgespräch 621 - Ordnung im Betrieb 273 - paritätische Kommission 624 - Pausenzeiten 97 ff. - personelle Einzelmaßnahme 608 ff. - Persönlichkeitsrechtsverletzung 274 f. - Recruitementcenter 256 ff. - Scheinwerkvertrag 25 ff. - Social Media 271 - soziale Angelegenheiten 265 - Stellungnahme 480 - Tarifpluralität 611 ff. - technische Einrichtung 268 ff. - Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung 615 ff. - Unfallverhütung 622 ff. - Unterlassungsanspruch 272 f. - Unternehmensbezug 621 f. - Unterrichtungspflicht 608 ff. - Unterweisung 275 - Verbesserungsvorschlag 624 - Vergütungsanspruch 615 ff. - Verhaltenskontrolle 268 ff. - Verleiherbetrieb 259 f. - Versetzung 241 ff., 260 ff. - Zutrittsrechte 260 ff. Mitbestimmung Einstellung 254 ff. MitbestG - Frauenquote 1 ff., 377 ff. - Geschlechterquote 1 ff. Mobbing - Ausschlussfrist 78 ff. - Belästigung 79 - Schmerzensgeld 78 ff. - Verwirkung 78 ff.

Stichwortverzeichnis

Montan-MitbG - Frauenquote 1 ff., 377 ff. - Geschlechterquote 1 ff.

Outsourcing - betriebsbedingte Kündigung 176 ff., 509 ff. - Rechtsmissbrauch 513 f.

Nachteilsausgleich - Betriebsänderung 633 ff. - Voraussetzungen 633 ff. - Vorbereitungshandlung 633 ff. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot - Darlehen 407 - Konkurrenztätigkeit 407 Nachwirkung, Betriebsvereinbarung 607 f. Neueinstellungen, Gesamtzusage 68 ff. Nichtöffentlichkeit - Betriebsratssitzung 247 ff. - sachkundige Arbeitnehmer 251 ff. - Telepräsenz 249 ff. - Videokonferenz 249 ff. Non-Profit-Organisation, Betriebsrente 543

Öffentliche Aufträge, MiLoG 125 Öffentlich-rechtliche Körperschaft, AÜG 342 f. Organisatorische Einheit, Betriebsübergang 291 ff., 644 f. OT-Mitgliedschaft - Arbeitgeberverband 571 ff. - Aufsichtsorgan 575 - Ausschlussverfahren 576 - Fachgruppenmodell 576 - Gestaltungsformen 571 ff. - Mitgliederversammlung 576 - Stimmrecht 575 - Tarifkommission 573 ff. - Unterscheidung 572 - Verbandsatzung 571 ff.

Paritätische Kommission, Mitbestimmung Betriebsrat 624 Partnerschaftsbonus 7 f. Pauschalbesteuerung - geringfügige Beschäftigung 316 f. - Schadensersatzanspruch 316 f. - Wahlrecht Arbeitgeber 316 f. Pausenzeiten, Anordnung 97 ff. Pensionsfonds - Ausfallhaftung 347 - Tarifvertrag 347 Pensionskasse - Anpassungspflicht 349 - Ausfallhaftung 347 - Tarifvertrag 347 Personalgestellung, Arbeitnehmerüberlassung 27, 339 f., 369 f. Personalplanung, Fremdpersonal 344 Personelle Einzelmaßnahme, Unterrichtungspflicht 608 ff. Pfandgläubiger, Drittschuldnerklage 454 ff. Pflege, Angehörige 11 f. Pflegeversicherung, Beitragsbemessungsgrenze 667 Pflegezeitgesetz, Änderung 11 ff. Piloten, Tarifeinheit 22 Praktikum, MiLoG 104 f., 438 Projektarbeit, befristeter Arbeitsvertrag 56 ff. Provision → Sonderleistung Prozessbeschäftigung 194 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 196 - Kündigung 194 ff. 693

Stichwortverzeichnis

Punkteschema, Sozialauswahl 183

Qualifiziert faktischer Konzern, Betriebsrente 545

Raucherpause - betriebliche Übung 457 ff. - Betriebsvereinbarung 458 f. - Vergütung 457 ff. Rechtsanwalt, Betriebsrat 599 ff. Rechtsmissbrauch - Arbeitnehmerüberlassung 75 ff. - außerordentliche Kündigung 513 f. - befristeter Arbeitsvertrag 58, 403 f. - betriebsbedingte Kündigung 513 f. - Outsourcing 513 f. - Teilzeitbeschäftigung 428 ff. Rechtsweg, Geschäftsführer 204 ff. Recruitementcenter, Mitbestimmung Betriebsrat 254 ff. Regelaltersgrenze - Abfindung 277 ff. - befristeter Arbeitsvertrag 60 ff. - Sozialplan 277 ff. Reisezeit, Arbeitszeit 409 ff. Rentennaher Jahrgang, Abfindung 277 ff. Rentenversicherung - Befreiungsantrag 670 f. - Beitragsbemessungsgrenze 667 - Syndikusrechtsanwalt 28 ff., 33 f., 668 ff. Rentnergesellschaft - Betriebsrentenanpassung 546 ff. - Schadensersatz 546 ff. Road Map, Work-LifeBalance 373 f. 694

Rückstellungen, Betriebsrente 39, 349 Rückzahlungsklausel, Provision 134 f. Ruhender Arbeitsvertrag, Erholungsurlaub 473

Sachbezug, Equal-Pay 340 Sachgrund, befristeter Arbeitsvertrag 56 ff., 62 ff., 66 ff., 394 ff., 397, 400 Sachgrundlose Befristung 40 f., 399 f. - älterer Arbeitnehmer 61 f. - Altersgrenze 61 f. - Formerfordernis 61 f. - Wissenschaft 355 ff. Sachkundige Arbeitnehmer - Betriebsrat 250 ff. - Direktionsrecht 252 f. - Nichtöffentlichkeit 251 ff. Sachliche Gründe, Betriebsrente 302 f. Sachverständige, Betriebsrat 599 ff. Safe-Harbor, Arbeitnehmerdatenschutz 365 ff. SCE, Leiharbeitnehmer 343 Schadensersatz - Arbeitskampf 556 ff. - Streik 556 ff. - Betriebsübergang 299 f. - Pauschalbesteuerung 314 f. Scheinbewerber 391 ff. Scheinwerkvertrag 24 ff., 75 ff. - Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis 75 ff. Scheinwerkvertrag - Mindestlohn 44 f. - Mitbestimmung Betriebsrat 25 ff.

Stichwortverzeichnis

Scheinwerkvertrag - Referentenentwurf 337 ff. - Zoll 346 f. Schmerzensgeld, Mobbing 78 ff. Schutzausrüstung - Arbeitszeit 414 ff. - Umkleidezeit 414 ff. Schwellenwerte, Massenentlassung 475 ff., 478 f. Schwerbehinderung - Betriebsratsmitglied 255 f. - Bewerbungsverfahren 47 ff. - Fördervorschriften 47 ff. - Mitteilung 47 ff. - Nachweis 51 - Verfahrenspflichten 47 ff. - Zustimmung Integrationsamt 199 ff. SE - Aufsichtsrat 363 - Leiharbeitnehmer 343 Sexuelle Belästigung, Kündigung 168 ff. Sitzungsniederschrift, Betriebsratsbeschluss 241 ff. Slow-Performer 486 ff. Social Media, Mitbestimmung Betriebsrat 271 Solo-Selbständige 404 ff. - AÜG 404 ff. Sonderleistung - betriebliche Übung 450 ff. - Betriebsratsmitglied 595 ff. - billiges Ermessen 453 f. - ermessensgerechte 450 ff. - gerichtliche Festsetzung 453 f. - MiLoG 107 ff., 440 ff. - Rückzahlung 134 f. - Vorschuss 134 f. Sozialauswahl - Altersgruppen 183 ff.

Sozialauswahl - Änderungskündigung 180 - ausreichende 183 - betriebsbedingte Kündigung 641 f. - Betriebsstilllegung 641 f. - Betriebszugehörigkeit 181 f. - Doppelverdienst 182 - Gewichtung 179 ff. - grobe Fehlerhaftigkeit 186 f. - Lebensalter 181 - Punkteschema 183 - Teilverlagerung 641 f. - Unterhaltspflicht 182 Sozialplan → Abfindung Sozialplan - Abfindungen 279 ff. - ältere Arbeitnehmer 279 ff. - Altersdiskriminierung 279 ff. - Aufhebungsvertrag 285 ff. - Begünstigung Gewerkschaftsmitglieder 635 ff. - Gewerkschaftsmitglied 231 ff. - Klageverzicht 285 ff. - Koalitionsfreiheit 231 ff., 635 ff. - Regelaltersgrenze 279 ff. - rentennahe Jahrgänge 279 ff. - Tarifvertrag 635 ff. - Treueprämie 290 ff. - Turboprämie 285 ff. - Vorruhestand 217 ff. Sozialtarifvertrag → Tarifsozialplan Sozialversicherung - Beitragsbemessungsgrenzen 667 ff. - Bezugsgröße 667 - Syndikusrechtsanwalt 668 ff., 670 f. Sparkasse, AÜG 342 f. Spätehenklausel, Betriebsrente 529 ff. 695

Stichwortverzeichnis

Standardvertragsklauseln, Datenschutz 365 f. Statistik, Diskriminierung 52 ff. Stiefmutter, Pflegezeit 12 Strafprozess - Syndikusrechtsanwalt 33 - Unternehmen 41 Straftaten, Datenschutz 373 Strafvollstreckung, Datenschutz 373 Streik - Fluglotsen 556 ff. - Gewerbebetrieb 558 - Infrastruktureinrichtung 556 ff. - Leiharbeitnehmer 342 - Lufthansa 551 ff. - mittelbare Betroffenheit 556 ff. - Piloten 551 ff. - rechtswidriger 551 ff. - Schadensersatz 556 ff. - Streikbeschluss 552 ff. - Unterlassungsanspruch 551 ff. - Verkehrsbetrieb 556 ff. Streikbeschluss, Bedeutung 553 ff. Subjektive Determination, Betriebsratsanhörung 187 ff. Syndikusrechtsanwalt 28 ff. - ältere Arbeitnehmer 671. - Doppelberufstheorie 29 - Haftpflichtversicherung 31, 670 - Kennzeichnung 29, 668 - Konzern 29 - Nebentätigkeit 32 - Rentenversicherung 28 ff., 33 f. - Sozialversicherung 668 ff. - Strafprozess 33 - Tätigkeit 668 f. - Übergangsregelung 33 f., 670 f. - Vertretungsbefugnis 33 - Zulassung 30 f., 669 696

Tantieme → Sonderleistung Tarifautonomie - Arbeitskampf 223, 225 f. - Fragerecht Gewerkschaft 223 ff. Tarifeinheit - Arbeitskampf 22 ff. - Betrieb 18 ff. - Betriebsbegriff 335 ff. - Bodenbetrieb 336 - Eingruppierung 611 ff. - einstweilige Anordnung 333 f. - Flugbetrieb 336 - Fragenkatalog 335 - GDL 22 - Gewerkschaftszugehörigkeit 223 ff. - Mehrheitsgewerkschaft 18, 336 - Minderheitsgewerkschaft 18, 336 - Nachzeichnungsrecht 17, 20 f. - Tarifeinheitsgesetz 15 ff., 333 ff. - Tarifkollision 16 - TVG 333 - Verfassungsbeschwerde 333 ff. Tarifentgeltanhebung - Anrechnung 229 ff. - übertarifliche Zulage 229 ff. Tarifpluralität → Tarifeinheit - Eingruppierung 611 ff. - Mitbestimmung Betriebsrat 611 ff. Tarifsozialplan - Außenseiter 231 ff. - Gewerkschaftsmitglied 231 ff. Tarifvertrag - Allgemeinverbindlichkeit 363 f. - AÜG 339 f. - Außenseiter 637 - Begünstigung Gewerkschaftsmitglieder 635 ff. - Betrieb 18 ff.

Stichwortverzeichnis

Tarifvertrag - Betriebsnorm 311 f. - Betriebsrat 593 ff. - Betriebsrente 35 ff. - Betriebsstruktur 593 ff. - Betriebsübergang 311 f., 559 ff., 648 ff. - Bezugnahme durch Betriebsvereinbarung 566 ff. - Bezugnahmeklausel 382 f., 559 ff. - Differenzierungsklausel 231 ff., 235 ff., 635 ff. - Diskriminierung nichtorganisierter Arbeitnehmer 635 ff. - dynamische Bezugnahme 382 f. - gemeinsame Einrichtung 35 ff. - Gleichstellungsabrede 559 ff. - Günstigkeitsvergleich 238 ff., 563 ff. - Höchstüberlassungsdauer 339 f. - Leiharbeit 339 f. - Mindestlohn 363 f. - Nachzeichnung 17, 20 f. - negative Koalitionsfreiheit 640 - Pensionsfonds 347 - Pensionskasse 347 - Sozialplan 635 ff. - Tarifeinheit 15 ff. - Umkleidezeit 414 ff. Tarifvorrang, Betriebsvereinbarung 566 ff. Technische Einrichtung, Mitbestimmung Betriebsrat 268 ff. Teilverlagerung, Sozialauswahl 641 f. Teilzeit, Anspruch → Anspruch auf Teilzeit

Teilzeitbeschäftigung - Elternzeit 10 f. - Ablehnung 428 ff. - Ablehnungsgründe 430 f. - Änderungskündigung 432 ff. - Anspruch 89 ff., 428 ff. - betriebliche Gründe 428 ff. - Betriebsvereinbarung 430 ff. - Dauernachtschicht 90 - Dienstwagen 437 - Erholungsurlaub 466 ff. - Flugkapitän 429 - Rechtsmissbrauch 428 - Tarifvertrag 430 f. Telepräsenz, Betriebsrat 247 ff. Territorialitätsprinzip, Unternehmensmitbestimmung 584 Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung 615 ff. Trainee, MiLoG 438 Treueprämie - Betriebsänderung 288 ff. - Sozialplan 288 ff. Triftige Gründe, Betriebsrente 302 Turboprämie - Abfindungsvertrag 283 ff. - Betriebsänderung 283 ff. - Klageverzicht 283 ff. TVG - Betrieb 335 ff. - Günstigkeitsvergleich 239 ff., 563 ff. - Tarifeinheit 333 ff. TVöD - Arbeitnehmerüberlassung 27 - AÜG 342 f. Übertarifliche Zulage - AGB-Kontrolle 227 ff. - Anrechnung 227 ff. 697

Stichwortverzeichnis

Umkleidezeit - Arbeitsschutz 414 ff. - Arbeitszeit 414 ff. - Betriebsvereinbarung 415 - Tarifvertrag 414 ff. - Vergütung 414 ff. Umwandlung → Betriebsübergang Unfallverhütung, Mitbestimmung Betriebsrat 622 ff. Unterhaltspflichten, Sozialauswahl 182 Unterlassungsanspruch Betriebsrat, Datenschutz 265 ff. Unternehmensmitbestimmung, IG Metall 363 Unternehmensstrafrecht 41 Unternehmer, Betriebsänderung 631 ff. Unternehmer, Wirtschaftsausschuss 631 ff. Unterrichtungspflicht, Betriebsübergang 648 ff. Unterweisung, Arbeitsschutz 275 Untreue 42 Unverfallbarkeit, Betriebsrente 37, 347 ff. Urlaub → Erholungsurlaub Urlaubsabgeltung - Ausschlussfrist 143 ff. - Elternzeit 463 ff. - Erwerbsminderung 472 f. Urlaubsgeld → Sonderleistung USA, Safe-Harbor 365 ff.

Verbesserungsvorschlag, Mitbestimmung Betriebsrat 624 Verbraucherinsolvenz 454 Verdachtskündigung - Anhörung 163 ff. - außerordentliche 161 ff.

698

Vereinigung Cockpit, Tarifeinheit 333 Verfassungsbeschwerde, Tarifeinheit 333 ff. Vergabeverfahren, MiLoG 125 Vergütung - Arbeitszeit 413, 414 ff. - Betriebsratsmitglied 595 ff. Verhaltensbedingte Kündigung - Abmahnung 168 ff. - Auslauffrist 506 ff. - Missbrauch IT-System 503 ff. Verhaltenskontrolle, Mitbestimmung Betriebsrat 268 ff. Verjährung - Kündigungsschutzklage 525 ff. - MiLoG 119 f. Verleiherbetriebsrat, Zugangsrechte 259 f. Vermittlung Selbständiger 404 ff. Vermutung, Arbeitnehmerüberlassung 27 Verrechnungspreisabrede, Betriebsrentenanpassung 221 f. Versetzung, Mitbestimmung Betriebsrat 241 ff., 608 ff. Versicherungspflicht, Altersteilzeit 313 Versorgungsanwartschaft, Anpassung 37 f. Versorgungsordnung - arbeitsvertragliche Bezugnahme 532 ff. - betriebsvereinbarungsoffen 536 ff. Versorgungszusage → betriebliche Altersversorgung Vertretung, befristeter Arbeitsvertrag 66 ff. Verwirkung, Mobbing 78 ff. Videokonferenz, Betriebsrat 247 ff.

Stichwortverzeichnis

Videoüberwachung, heimliche 81 ff. Vorruhestand - Beendigung 217 ff. - Sozialplan 217 ff. - Wohnsitzwechsel 217 ff. Vorschuss, Provision 134 f. Vorstand, Frauenquote 1 ff. Vorteilsannahme 42 Vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung 258 f.

Wartezeit - Diskriminierung 482 ff. - Erholungsurlaub 470 - Kündigung 482 ff. Wechsel in Teilzeit, Urlaub 135 ff. Wegezeit, Arbeitszeit 416 Weihnachtsgeld → Sonderleistung Weiterbeschäftigung - Annahmeverzug 386 ff. - Kündigung 194 ff. - Kündigungsschutzprozess 194 ff. Weiterbeschäftigungsanspruch 195 Werkvertrag - Abgrenzungskriterien 27 - Mindestlohn 43 ff. - Referentenentwurf 337 ff. - Vermutungsregel 27 Wettbewerbsverbot - Abwerbeverbot 214 ff. - nachvertragliches → Nachvertragliches Wettbewerbsverbot Whistleblower, Compliance 353 ff. Whistleblower-Schutzgesetz 353 ff. Widerspruch Betriebsübergang, Annahmeverzug 663 ff. Wiedereingliederungsverhältnis - Annahmeverzug 127 ff.

Wiedereingliederungsverhältnis - Arbeitspflicht 130 - Kennzeichnung 130 - Vergütung 127 - Zweck 130 Wirtschaftliche Einheit, Betriebsübergang 291 ff. Wirtschaftsausschuss - Konzern 631 ff. - Unternehmer 631 ff. WissZeitVG-Änderung 355 ff. Work-Life-Balance, Road Map 373

Zeitarbeit → Arbeitnehmerüberlassung Zeitkollisionsregel, Betriebsvereinbarung 303 ff. Zeugnis - Beurteilung 211 - Beweislast 211 ff. - Darlegungslast 211 ff. - Leistungsbeurteilung 211 ff. - Üblichkeit 212 - Wahrheitspflicht 213 - Wohlwollenspflicht 213 f. Zielgröße, Frauenquote 379 Zugang - Abwesende 524 f. - Anwesende 521 f. - Kündigung 520 ff. - Vereitelung 522 ff. Zulassung, Syndikusrechtsanwalt 30 f., 669 Zuständigkeit, Arbeitsgericht 204 ff. Zwangsvollstreckung, Drittschuldnerklage 454 f. Zwingende Gründe, Betriebsrente 302 Zwölftelung, Erholungsurlaub 469 ff. 699