Aktiengesetz: Band 2 §§ 53a-75 [4. neubearb. Aufl.] 9783110978773, 9783899494709

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Aktiengesetz: Band 2 §§ 53a-75 [4. neubearb. Aufl.]
 9783110978773, 9783899494709

Table of contents :
Verzeichnis der Bearbeiter der 4. Auflage
Inhaltsübersicht
Verzeichnis späterer Normänderungen
Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis
Vorwort
ERSTES BUCH
Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Vorbemerkungen zu den §§ 53a-75
§ 53a Gleichbehandlung der Aktionäre
Anhang zu §53 a Mitgliedschaftliche Treubindungen im Aktienrecht
Vorwort
§ 54 Hauptverpflichtung der Aktionäre
§ 55 Nebenverpflichtungen der Aktionäre
§ 56 Keine Zeichnung eigener Aktien; Aktienübernahme für Rechnung der Gesellschaft oder durch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen
§ 57 Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen
§ 58 Verwendung des Jahresüberschusses
§ 58 Abs 5*
§ 59 Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn
§ 60 Gewinnverteilung
§ 61 Vergütung von Nebenleistungen
§ 62 Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen
§ 63 Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung
§ 64 Ausschluß säumiger Aktionäre
§ 65 Zahlungspflicht der Vormänner
§ 66 Keine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten
§ 67 Eintragung im Aktienregister
§ 68 Übertragung von Namensaktien, Vinkulierung
§ 69 Rechtsgemeinschaft an einer Aktie
§ 70 Berechnung der Aktienbesitzzeit
§ 71 Erwerb eigener Aktien
§ 71a Umgehungsgeschäfte
S 71b Rechte aus eigenen Aktien
§ 71c Veräußerung und Einziehung eigener Aktien
§ 71d Erwerb eigener Aktien durch Dritte
§ 71e Inpfandnahme eigener Aktien
§ 72 Kraftloserklärung von Aktien im Aufgebotsverfahren
§ 73 Kraftloserklärung von Aktien durch die Gesellschaft
§ 74 Neue Urkunden an Stelle beschädigter oder verunstalteter Aktien oder Zwischenscheine
§ 75 Neue Gewinnanteilsscheine
Sachregister

Citation preview

Großkommentare der Praxis

w DE RECHT

Aktiengesetz Großkommentar

4., neubearbeitete Auflage herausgegeben von

Klaus J. Hopt, Herbert Wiedemann

Zweiter Band §§ 53a-75 Bearbeiter: §§ 53a, 58 Abs. 5: Hartwig Henze/Richard L. Notz §§ 5 4 - 6 2 : Hartwig Henze §§ 63-66: Markus Gehrlein §§ 67-75: Hanno Merkt Sachregister: Sebastian Mock

w DE

G RECHT

De Gruyter Recht · Berlin

Erscheinungsdaten der Lieferungen: (22. (15. (29. (29. (28. (31.

§ 53a S S 54-66 § 58 Abs. 5 S S 67-68 S S 69-75 Sachregister

Lieferung): Lieferung): Lieferung): Lieferung): Lieferung): Lieferung):

Zitiervorschlag z.B.: Henze/Notz

Dezember 2004 Dezember 2000 August 2008 August 2008 Dezember 2 0 0 7 Dezember 2008

in Großkomm AktG, § 53a Rdn. 101

Verzeichnis späterer Normänderungen: Sven Sievert, Hamburg Sachregister: Dr. Sebastian Mock, Hamburg

ISBN 978-3-89949-470-9

Bibliografische

Information

der Deutschen

Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Copyright 2 0 0 8 by De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Datenkonvertierung/Satz: WERKSATZ Schmidt 8c Schulz G m b H , Gräfenhainichen D r u c k : Druckerei H . Heenemann G m b H , Berlin Bindearbeiten: Buchbinderei Bruno Helm, Berlin Printed in Germany

Verzeichnis der Bearbeiter der 4. Auflage Dr. Heinz-Dieter Assmann, L L . M . (Univ. of Pennsylvania), Universitätsprofessor an der Universität Tübingen Dr. Harald Baum, Privatdozent, Wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg Dr. Gerold Bezzenberger, Rechtsanwalt in Berlin Dr. Tilman Bezzenberger, Universitätsprofessor an der Universität Potsdam Dr. Oliver C. Brändel, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Dr. Herbert Brönner, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Berlin Dr. Christian E. Decher, Rechtsanwalt in Frankfurt am M a i n Dr. Ulrich Ehricke, L L . M . (London), M . A . , Richter am Oberlandesgericht a.D., Universitätsprofessor an der Universität zu Köln Dr. Holger Fleischer, Dipl.-Kfm., L L . M . (Univ. of Michigan), Universitätsprofessor an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Dr. Kaspar Frey, Universitätsprofessor an der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder) Dr. M a r k u s Gehrlein, Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe, Honorarprofessor an der Universität Mannheim Dr. Dr. Stefan Grundmann, L L . M . (Berkeley), Universitätsprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Mathias Habersack, Universitätsprofessor an der Eberhard Karls Universität Tübingen Dr. Kai Hasselbach, Rechtsanwalt in Köln Dr. Peter Hemeling, Rechtsanwalt in München Dr. Hartwig Henze, Richter am Bundesgerichtshof a.D., Honorarprofessor an der Universität Konstanz Dr. Heribert Hirte, L L . M . (Berkeley), Universitätsprofessor an der Universität Hamburg Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Klaus J . H o p t , em. Universitätsprofessor, Direktor des Max-PlanckInstituts für ausländisches und internationales Privatrecht, H a m b u r g , vormals Richter am Oberlandesgericht Stuttgart Dr. Peter M . Huber, Universitätsprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München Dr. Michael Kort, Universitätsprofessor an der Universität Augsburg Dr. Hanno Merkt, L L . M . (Univ. of Chicago), Universitätsprofessor, Direktor des Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht (Abteilung II) an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br. Dr. Peter O. Mülbert, Universitätsprofessor, Direktor des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Richard L. Notz, L L . M . (Univ. of Chicago), Rechtsanwalt in Düsseldorf, Lehrbeauftragter an der Universität Osnabrück Dr. Hartmut Oetker, Universitätsprofessor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Dr. Dr. h.c. H a r r o Otto, em. Universitätsprofessor an der Universität Bayreuth Dr. Hans-Joachim Priester, Notar, Honorarprofessor an der Universität H a m b u r g Dr. h.c. Volker Röhricht, Vors. Richter am Bundesgerichtshof a.D., Karlsruhe Dr. Markus Roth, Privatdozent, Wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, H a m b u r g

(V)

Verzeichnis der Bearbeiter der 4. Auflage Dr. Michael Schlitt, Rechtsanwalt in Frankfurt am Main, Lehrbeauftragter an der Universität zu Köln Dr. Dres. h.c. Karsten Schmidt, em. Universitätsprofessor an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Präsident der Bucerius Law School Hamburg Dr. Rolf Sethe, LL.M. (London), Universitätsprofessor an der Universität Zürich Dr. Winfried Werner (f), Rechtsanwalt in Frankfurt am Main Dr. Herbert Wiedemann, em. Universitätsprofessor an der Universität zu Köln, vormals Richter am OLG Düsseldorf Dr. Christine Windbichler, LL.M. (Berkeley), Universitätsprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin

Inhaltsübersicht Verzeichnis späterer Normänderungen Abkürzungsverzeichnis

IX XVII

AKTIENGESETZ ERSTES BUCH AKTIENGESELLSCHAFT Dritter Teil

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

53a-75*

Sachregister

Die durchgängige Kommentierung der §§54 bis 66 stammt aus dem Jahr 2000; der später durch das Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) vom 19. Juli 2002 (BGBl. I 2681) eingefügte § 58 Absatz 5 wurde 2008 ergänzend kommentiert. Diese Erläuterungen befinden sich in diesem Band hinter der Kommentierung des § 58 und vor der Kommentierung des § 59.

Verzeichnis späterer Normänderungen ERLÄUTERUNG In „Übersicht I" wird die aktuelle Fassung des Gesetzes der kommentierten gegenübergestellt. Unterstrichene Normpassagen markieren Erweiterungen des Gesetzeswortlautes gegenüber der kommentierten Fassung, durchgestrichene hingegen Streichungen des kommentierten Textes. Soweit der Wortlaut einzelner Normen durch mehr als ein Änderungsgesetz gegenüber dem Stand der Kommentierung geändert worden ist, sind diese Normen mit einem „ * " gekennzeichnet; in der „Ubersicht II" findet sich für diese Normen auch der jeweils zwischenzeitlich gültige Wortlaut mit entsprechender Kennzeichnung der Änderungen. ÜBERSICHT I Aktueller Wortlaut

Wortlaut der Kommentierung

[§ 53a unverändert] § 5 4 Hauptverpflichtung der Aktionäre

§ 5 4 Hauptverpflichtung der Aktionäre

(G ν 9.12.2004, BGBl I 3214 [gültig seit dem 15.12.2004]) (l)-(3) unverändert

(StückAG ν 25.3.1998, BGBl I 590 [gültig vom 1.4.1998 bis zum 14.12.2004]) (1)...

(4) Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an. Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, so tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung ein.

[§§ 55, 56 unverändert] § 5 7 Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen

§ 57 Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen

(MoMiG ν 23.10.2008, BGBl I 2026 [gültig seit dem 1.11.2008])

(G ν 2.8.1994, BGBl I 1961 [gültig vom 10.8.1994 bis zum 31.10.2008])

(1) Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden. Als Rückgewähr von Einlagen gilt nicht die Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien. Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags

(IX)

(1) Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden. Als Rückgewähr von Einlagen gilt nicht die Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien.

Sven Sievert

Verzeichnis späterer Normänderungen 291) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt sind. Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Aktionärsdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen die einem Aktionärsdarlehen wirtschaftlich entsprechen.

(2), (3) unverändert

(2)

...

§ 58 Verwendung des Jahresüberschusses

§ 58 Verwendung des Jahresüberschusses

(TransPuG ν 19.7.2002, BGBl 12681 [gültig seit dem 26.7.2002]) (1) unverändert

(KonTraG ν 27.4.1998, BGBl I 786 [gültig vom 1.5.1998 bis zum 25.7.2002])

(2) Stellen Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluß fest, so können sie einen Teil des Jahresüberschusses, höchstens jedoch die Hälfte, in andere Gewinnrücklagen einstellen. Die Satzung kann Vorstand und Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren oder kleineren Teils des Jahresüberschusses ermächtigen. Auf Grund einer solchen Satzungsbestimmung dürfen Vorstand und Aufsichtsrat keine Beträge in andere Gewinnrücklagen einstellen, wenn die anderen Gewinnrücklagen die Hälfte des Grundkapitals übersteigen oder soweit sie nach der Einstellung die Hälfte übersteigen würden. Absatz 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(1) ... (2) Stellen Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluß fest, so können sie einen Teil des Jahresüberschusses, höchstens jedoch die Hälfte, in andere Gewinnrücklagen einstellen. Die Satzung kann Vorstand und Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren oder kleineren Teils, bei böracnno tierten Gesellschaften nur einea größeren Toila des Jahresüberschusses ermächtigen. Auf Grund einer solchen Satzungsbestimmung dürfen Vorstand und Aufsichtsrat keine Beträge in andere Gewinnrücklagen einstellen, wenn die anderen Gewinnrücklagen die Hälfte des Grundkapitals übersteigen oder soweit sie nach der Einstellung die Hälfte übersteigen würden. Absatz 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(3)-(5) unverändert

(3) ... [Absatz 5 nachkommentiert]

[§§ 59-61 unverändert] § 6 2 Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen

§ 6 2 Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen

(G ν 9.12.2004, BGBl I 3214 [gültig seit dem 15.12.2004]) (1), (2) unverändert

(EGInsO ν 5.10.1994, BGBl I 2911 [gültig vom 1.1.1999 bis zum 14.12.2004])

(3) Die Ansprüche nach diesen Vorschriften verjähren in zehn Jahren seit dem Empfang der Leistung. § 54 Abs. 4 Satz 2 findet entsprechende Anwendung.

(1) ... (3) Die Ansprüche nach diesen Vorschriften verjähren in feftí Jahren seit dem Empfang der Leistung.

[§ 63 unverändert]

Stand: 1. 11. 2008

(X)

Verzeichnis späterer Normänderungen

§ 64 Ausschluß säumiger Aktionäre**

§ 64 Ausschluß säumiger Aktionäre

(gültig seit dem 1.1.1966)

(gültig seit dem 1.1.1966)

(1), (2) unverändert (3) Aktionäre, die den eingeforderten Betrag trotzdem nicht zahlen, werden durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen zugunsten der Gesellschaft für verlustig erklärt. In der Bekanntmachung sind die für verlustig erklärten Aktien mit ihren Unterscheidungsmerkmalen anzugeben. (41 An Stelle der alten Urkunden werden neue ausgegeben: diese haben außer den geleisteten Teilzahlungen den rückständigen Betrag anzugeben. Für den Ausfall der Gesellschaft an diesem Betrag oder an den später eingeforderten Beträgen haftet ihr der ausgeschlossene Aktionär.

(1) ... (3) Aktionäre, die den eingeforderten Betrag trotzdem nicht zahlen, werden durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen zugunsten der Gesellschaft für verlustig erklärt.

§ 65 Zahlungspflicht der Vormänner* (G ν 21.6.2002, BGBl I 2010 [gültig seit dem 1.7.2002]) (1) Jeder im Aktienregister verzeichnete Vormann des ausgeschlossenen Aktionärs ist der Gesellschaft zur Zahlung des rückständigen Betrags verpflichtet, soweit dieser von seinen Nachmännern nicht zu erlangen ist. Von der Zahlungsaufforderung an einen früheren Aktionär hat die Gesellschaft seinen unmittelbaren Vormann zu benachrichtigen. Daß die Zahlung nicht zu erlangen ist, wird vermutet, wenn sie nicht innerhalb eines Monats seit der Zahlungsaufforderung und der Benachrichtigung des Vormanns eingegangen ist. Gegen Zahlung des rückständigen Betrags wird die neue Urkunde ausgehändigt. (2) Jeder Vormann ist nur zur Zahlung der Beträge verpflichtet, die binnen zwei Jahren eingefordert werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Übertragung der Aktie zum Aktienregister der Gesellschaft angemeldet wird.

§ 65 Zahlungspflicht der Vormänner (gültig vom 1.1.1966 bis zum 24.1.2001) (1) Jeder im Aktionbuch verzeichnete Vormann des ausgeschlossenen Aktionärs ist der Gesellschaft zur Zahlung des rückständigen Betrags verpflichtet, soweit dieser von seinen Nachmännern nicht zu erlangen ist. Von der Zahlungsaufforderung an einen früheren Aktionär hat die Gesellschaft seinen unmittelbaren Vormann zu benachrichtigen. Daß die Zahlung nicht zu erlangen ist, wird vermutet, wenn sie nicht innerhalb eines Monats seit der Zahlungsaufforderung und der Benachrichtigung des Vormanns eingegangen ist. Gegen Zahlung des rückständigen Betrags wird die neue Urkunde ausgehändigt. (2) Jeder Vormann ist nur zur Zahlung der Beträge verpflichtet, die binnen zwei Jahren eingefordert werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Übertragung der Aktie zum Aktionbuch der Gesellschaft angemeldet wird.

* * Aufgrund eines Redaktionsversehens wurden die Absätze 3 und 4 in der Kommentierung unvollständig abgedruckt. Die Bearbeitung von § 64 AktG schließt die Kommentierung dieser Absätze jedoch mit ein.

(XI)

Sven Sievert

Verzeichnis späterer Normänderungen

(3) Ist die Zahlung des rückständigen Betrags von Vormännern nicht zu erlangen, so hat die Gesellschaft die Aktie unverzüglich zum Börsenpreis und beim Fehlen eines Börsenpreises durch öffentliche Versteigerung zu verkaufen. Ist von der Versteigerung am Sitz der Gesellschaft kein angemessener Erfolg zu erwarten, so ist die Aktie an einem geeigneten Ort zu verkaufen. Zeit, Ort und Gegenstand der Versteigerung sind öffentlich bekanntzumachen. Der ausgeschlossene Aktionär und seine Vormänner sind besonders zu benachrichtigen; die Benachrichtigung kann unterbleiben, wenn sie untunlich ist. Bekanntmachung und Benachrichtigung müssen mindestens zwei Wochen vor der Versteigerung ergehen.

(3) Ist die Zahlung des rückständigen Betrags von Vormännern nicht zu erlangen, so hat die Gesellschaft die Aktie unverzüglich zum amtlichen Böroenprcia durch Ver mittlung oineo Kuramaklera und beim Fehlen eines Börsenpreises durch öffentliche Versteigerung zu verkaufen. Ist von der Versteigerung am Sitz der Gesellschaft kein angemessener Erfolg zu erwarten, so ist die Aktie an einem geeigneten Ort zu verkaufen. Zeit, Ort und Gegenstand der Versteigerung sind öffentlich bekanntzumachen. Der ausgeschlossene Aktionär und seine Vormänner sind besonders zu benachrichtigen; die Benachrichtigung kann unterbleiben, wenn sie untunlich ist. Bekanntmachung und Benachrichtigung müssen mindestens zwei Wochen vor der Versteigerung ergehen.

[§§ 66-71 unverändert] § 71a Umgehungsgeschäfte

§ 71a Umgehungsgeschäfte

(MoMiG ν 23.10.2008, BGBl I 2026 [gültig seit dem 1.11.2008]) (1) Ein Rechtsgeschäft, das die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit durch die Gesellschaft an einen anderen zum Zweck des Erwerbs von Aktien dieser Gesellschaft zum Gegenstand hat, ist nichtig. Dies gilt nicht für Rechtsgeschäfte im Rahmen der laufenden Geschäfte von Kreditinstituten oder Finanzdienstleistungsinstituten sowie für die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder für die Leistung einer Sicherheit zum Zweck des Erwerbs von Aktien durch Arbeitnehmer der Gesellschaft oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens; auch in diesen Fällen ist das Rechtsgeschäft jedoch nichtig, wenn bei einem Erwerb der Aktien durch die Gesellschaft diese die nach § 272 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs vorgeschriebene Rücklage für eigene Aktien nicht bilden könnte, ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zu Zahlungen an die Aktionäre verwandt werden darf. Satz 1 gilt zudem nicht für

CG ν 22.10.1997, BGBl I 2567 [gültig vom 1.1.1998 bis zum 31.10.2008]) (1) Ein Rechtsgeschäft, das die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit durch die Gesellschaft an einen anderen zum Zweck des Erwerbs von Aktien dieser Gesellschaft zum Gegenstand hat, ist nichtig. Dies gilt nicht für Rechtsgeschäfte im Rahmen der laufenden Geschäfte von Kreditinstituten oder Finanzdienstleistungsinstituten sowie für die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder für die Leistung einer Sicherheit zum Zweck des Erwerbs von Aktien durch Arbeitnehmer der Gesellschaft oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens; auch in diesen Fällen ist das Rechtsgeschäft jedoch nichtig, wenn bei einem Erwerb der Aktien durch die Gesellschaft diese die nach § 272 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs vorgeschriebene Rücklage für eigene Aktien nicht bilden könnte, ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zu Zahlungen an die Aktionäre verwandt werden darf.

Stand: 1. 11. 2 0 0 8

(XII)

Verzeichnis späterer Normänderungen Rechtsgeschäfte bei Bestehen eines Beherrschungs- oder

Gewinnabführungsvertrags

(S291). (2) unverändert [§§ 71b-7S

(XIII)

(2)

unverändert]

Sven Sievert

...

Verzeichnis späterer Normänderungen ÜBERSICHT II In „Übersicht Π" werden Normen mit mehreren Änderungen des Gesetzestextes gegenüber der kommentierten Fassung zusätzlich mit den jeweils zwischenzeitlich gültigen Fassungen dargestellt. Die Veranschaulichung der Änderungen der einzelnen Norm beginnt mit der kommentierten Fassung und endet mit dem aktuellen Gesetzeswortlaut. Unterstrichene Normpassagen markieren Erweiterungen des Gesetzeswortlautes gegenüber der vorherigen Fassung, durchgestrichene hingegen Streichungen des zuvor gültigen Gesetzestextes. § 65 Zahlungspflicht der Vormänner (gültig vom 1.1.1966 bis zum

24.1.2001)

(1) Jeder im Aktionbuch verzeichnete Vormann des ausgeschlossenen Aktionärs ist der Gesellschaft zur Zahlung des rückständigen Betrags verpflichtet, soweit dieser von seinen Nachmännern nicht zu erlangen ist. Von der Zahlungsaufforderung an einen früheren Aktionär hat die Gesellschaft seinen unmittelbaren Vormann zu benachrichtigen. Daß die Zahlung nicht zu erlangen ist, wird vermutet, wenn sie nicht innerhalb eines Monats seit der Zahlungsaufforderung und der Benachrichtigung des Vormanns eingegangen ist. Gegen Zahlung des rückständigen Betrags wird die neue Urkunde ausgehändigt. (2) Jeder Vormann ist nur zur Zahlung der Beträge verpflichtet, die binnen zwei Jahren eingefordert werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Übertragung der Aktie zum Akticnbuch der Gesellschaft angemeldet wird. (3) ... Geändert durch NaStraG ν 18.1.2001, BGBl I 123 (gültig vom 25.1.2001 bis zum 30.6.2002) (1 ) Jeder im Aktienregister verzeichnete Vormann des ausgeschlossenen Aktionärs ist der Gesellschaft zur Zahlung des rückständigen Betrags verpflichtet, soweit dieser von seinen Nachmännern nicht zu erlangen ist. Von der Zahlungsaufforderung an einen früheren Aktionär hat die Gesellschaft seinen unmittelbaren Vormann zu benachrichtigen. Daß die Zahlung nicht zu erlangen ist, wird vermutet, wenn sie nicht innerhalb eines Monats seit der Zahlungsaufforderung und der Benachrichtigung des Vormanns eingegangen ist. Gegen Zahlung des rückständigen Betrags wird die neue Urkunde ausgehändigt. (2) Jeder Vormann ist nur zur Zahlung der Beträge verpflichtet, die binnen zwei Jahren eingefordert werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Übertragung der Aktie zum Aktienregister der Gesellschaft angemeldet wird. (3) Ist die Zahlung des rückständigen Betrags von Vormännern nicht zu erlangen, so hat die Gesellschaft die Aktie unverzüglich zum amtlichen Börsenproio durch Vermittlung oinoo Kuramaltlerg und beim Fehlen eines Börsenpreises durch öffentliche Versteigerung zu verkaufen. Ist von der Versteigerung am Sitz der Gesellschaft kein angemessener Erfolg zu erwarten, so ist die Aktie an einem geeigneten Ort zu verkaufen. Zeit, Ort und Gegenstand der Versteigerung sind öffentlich bekanntzumachen. Der ausgeschlossene Aktionär und seine Vormänner sind besonders zu benachrichtigen; die Benachrichtigung kann unterbleiben, wenn sie untunlich ist Bekanntmachung und Benachrichtigung müssen mindestens zwei Wochen vor der Versteigerung ergehen.

Stand: 1. 11. 2008

(XIV)

Verzeichnis späterer Normänderungen

Geändert durch G ν 21.6.2002, BGBl 12010 (gültig seit dem 1.7.2002) (1), (2) unverändert idF des NaStraG (3) Ist die Z a h l u n g des rückständigen Betrags von V o r m ä n n e r n nicht zu erlangen, so hat die Gesellschaft die Aktie unverzüglich zum Börsenpreis und beim Fehlen eines B ö r senpreises durch öffentliche Versteigerung zu verkaufen. Ist von der Versteigerung am Sitz der Gesellschaft kein angemessener Erfolg zu erwarten, so ist die Aktie an einem geeigneten O r t zu verkaufen. Z e i t , O r t und Gegenstand der Versteigerung sind öffentlich b e k a n n t z u m a c h e n . D e r ausgeschlossene A k t i o n ä r und seine V o r m ä n n e r sind besonders zu benachrichtigen; die Benachrichtigung k a n n unterbleiben, wenn sie untunlich ist. Bek a n n t m a c h u n g und Benachrichtigung müssen mindestens zwei W o c h e n vor der Versteigerung ergehen.

(XV)

Sven Sievert

Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis einschließlich ausgewählter abgekürzt zitierter Literatur * aA aaO ABl AB1EG, AB1EU Abs AcP ADHGB ADS aE aF AG

AG-S AGB AktG AktG 1937

AktR allg allgM Alt aM Amtl Begr AnSVG

Anm AnwKomm

*

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, der Europäischen Union (Nummer, Seite, Datum) Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Band, Jahr, Seite) Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Adler, Düring, Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Auflage 1995 ff am Ende alte Fassung Amtsgericht; Aktiengesellschaft(en); Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen (Jahr, Seite) Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen, Sonderheft (Jahr, Seite) Allgemeine Geschäftsbedingungen Aktiengesetz ν 6.9.1965 (BGBl 1 1089; BGBl III/FNA 4121-1) Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) ν 30.1.1937 (RGBl I 107), nunmehr AktG 1965 (AktG) Aktienrecht allgemein allgemeine Meinung Alternative anderer Meinung Amtliche Begründung Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz - AnSVG) ν 28.10.2004 (BGBl I 2 6 3 0 ; BGBl III/FNA 4110-4-1) Anmerkung Anwaltkommentar Aktienrecht, hrsg ν Heidel, 1. Auflage 2003, 2. Auflage 2007, Nomoskommentar Aktienrecht und Kapitalmarktrecht (s auch Heidel)

Ergänzte und aktualisierte Kurzfassung des im ersten Band abgedruckten allgemeinen Abkürzungsverzeichnisses. Die abgekürzt zitierte Literatur wird in der aktuellen Auflage angegeben. Im Einzelfall kann in der Kommentierung auf Vorauflagen Bezug genommen worden sein. Insoweit wird auf die hochgestellte Ziffer hinter selbständigen Werken verwiesen, die die benutzte Auflage bezeichnet.

(XVII)

Stand: 1. 11. 2008

Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis

Aufsichtsrat Arbeitsgerichtsgesetz idF ν 2.7.1979 (BGBl I 853, ber 1036; BGBl III/FNA 320-1) Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, hrsg ν Semler, Volhard, 2. Auflage 2003 Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, hrsg ν Semler, von Schenck, 2. Auflage 2004 (s auch Semler/Volhard) Artikel Wertpapierhandelsgesetz, Kommentar, 4. Auflage 2006 Auflage Arbeit und Recht (Jahr, Seite)

AR ArbGG ArbHdbHV ARHdb Art Assmann/Schneider Aufl AuR BaFin

BAG BAGE BAKred Bank-Betrieb Baumbach/Hopt Baumbach/Hueck Baumbach/Hueck Baums Baums/Thoma BAV BAWe BayObLG BayObLGZ BB Bd, Bde BeckBil-Komm BeckHdbAG Begr, begr Begr RegE Beil Bek Beschl

GmbHG

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, durch FinDAG ab 1.5.2002, zuvor BAKred, BAV und BAWe Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (Band, Seite) Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, seit 1.5.2002 BaFin Bank-Betrieb, seit 1977 Die Bank (Jahr und Seite) Handelsgesetzbuch, 33. Auflage 2008 Aktiengesetz, 13. Auflage 1968 GmbH-Gesetz, 18. Auflage 2006 Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001 WpÜG, Kommentar zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, Loseblatt, 2004 ff Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen, seit 1.5.2002 BaFin Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel, seit 1.5.2002 BaFin Bayerisches Oberstes Landesgericht (aufgelöst seit 1.7.2006) Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen (Jahr, Seite) Betriebs-Berater (Jahr, Seite) Band, Bände Beck'scher Bilanz-Kommentar, hrsg ν Ellrott, 6. Auflage 2006 Beck'sches Handbuch der AG, hrsg ν Müller (Weif), Rödder, 2004 Begründung, begründet Begründung Regierungsentwurf Beilage Bekanntmachung Beschluss Stand: 1. 11. 2008

(XVIII)

Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis

BetrVG BFH BFHE BFuP BGB

BGBl I, II, III BGH BGHSt BGHVGrS BGHZ BilKoG

BilReG

BiRiLiG

BKR Böckli BörsG Bonner H d R BR BRD BRDrucks BReg Brodmann BSG BSGE Bsp BStBl BT BTD rucks BVerfG BVerfGE

(XIX)

Betriebsverfassungsgesetz idF ν 25.9.2001 (BGBl I 2518; BGBl III/FNA 801-7) Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Band, Seite) Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Jahr, Seite) Bürgerliches Gesetzbuch ν 18.8.1896 (RGBl 195) idF ν 2.1.2002 (BGBl I 42, ber 2909 und 2003 I 738; BGBl III/FNA 400-2) Bundesgesetzblatt Teil I, II und III Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (Band, Seite) Bundesgerichtshof, Vereinigter Großer Senat Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (Band, Seite) Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen (Bilanzkontrollgesetz - BilKoG) ν 15.12.2004 (BGBl I 3408) Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz BilReg) ν 4.12.2004 (BGBl I 3166) Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz - BiRiLiG) ν 19.12.1985 (BGBl I 2355) Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (Jahr, Seite) Schweizer Aktienrecht, 3. Auflage, Zürich 2004 Börsengesetz (BörsG) 16.7.2007 (BGBl 1330,1351; BGBl III/FNA 4110-10) Bonner Handbuch der Rechnungslegung, hrsg ν Hofbauer, Kupsch, Scherrer, Grewe, Loseblatt, 1986 ff Bundesrat Bundesrepublik Deutschland Bundesrats-Drucksache Bundesregierung Aktienrecht, Kommentar, 1928 Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Beispiel Bundessteuerblatt (Band, Jahr, Seite) Bundestag Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Band, Seite)

Stand: 1. 11. 2008

Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis

BVerwG BVerwGE bzgl bzw ca CEO c.i.c. Combined Code

Company Law Action Plan

CorpGov

Cozian/Viandier/Deboissy

DAI DAX DB DBW DCGK ders dies Diss DJT DNotZ D&O-Versicherung

Dörner/Menold/Pfitzer/Oser Doralt/Nowotny/Kalss DrittelbG

DStR DVO DWiR, DZWir DZWIR

Ebenroth/Boujong/joost

Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Band, Seite) bezüglich beziehungsweise circa chief executive officer culpa in contrahendo The Combined Code on Corporate Governance, July 2 0 0 3 (Financial Reporting Council, London; Combined Code June 2 0 0 6 im Konsultationsverfahren der FSA) Commission of the European Union, Modernising Company Law and Enhancing Corporate Governance in the European Union - A Plan to Move Forward, Brussels 21.5.2003, C O M ( 2 0 0 3 ) 2 8 4 final Corporate Governance Droit des sociétés, 2 0 i è m e éd, Paris 2 0 0 7 Deutsches Aktieninstitut Deutscher Aktienindex Der Betrieb (Jahr, Seite) Die Betriebswirtschaft (Jahr, Seite) Deutscher Corporate Governance Kodex idF ν 6.6.2008, eBAnz AT93 2 0 0 8 B l , Bek ν 8.8.2008 derselbe dieselbe(n) Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Notar-Zeitschrift, früher Zeitschrift des Deutschen Notarvereins (Jahr, Seite) directors & officers liability insurance Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und der Prüfung, 2. Auflage 2 0 0 3 Kommentar zum Aktiengesetz, Wien 2 0 0 3 Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz DrittelbG) ν 18.5.2004 (BGBl I 974; BGBl III/FNA 801-14) Deutsches Steuerrecht (Jahr, Seite) Durchführungsverordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (1991-1998), ab 1999 DZWIR, (Jahr, Seite) Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht (Jahr, Seite), vor 1999 DZWir Entwurf Handelsgesetzbuch, Kommentar, 2001, Aktualisierungsband 2 0 0 3 hrsg ν Boujong, Ebenroth, Joost,

Stand: 1. 11. 2008

(XX)

Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis

evtl EWG

Band 1 in 2. Auflage 2008 begr ν Boujong, Ebenroth, hrsg ν Joost, Strohn European Business Organization Law Review (Band, Jahr, Seite) European Company and Financial Law Review (Jahr, Seite) European Corporate Governance Institute, Brüssel editor(s); edition édition Einführungsgesetz; Europäische Gemeinschaft(en) Einführungsgesetz zum Aktiengesetz ν 6.9.1965 (BGBl 11185; BGBl III/FNA 4121-2) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch idF ν 21.9.1994 (BGBl I 2494, ber 19971 1061; BGBl III/FNA 400-1) Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuche ν 10.5.1897 (RGBl 437; BGBl III/FNA 4101-1) Kommission der Europäischen Gemeinschaften Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Amsterdamer Fassung), geändert durch den Vertrag von Nizza ν 26.2.2002 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, Kommentar, 2003 Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) ν 10.11.2006 (BGBl I 2553, BGBl III/FNA 4100-1) Einführung Einleitung endgültig Entscheidung entsprechend Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, begr ν Dieterich, Hanau, Schaub, hrsg ν Müller-Glöge, Preis, Schmidt (Ingrid), 9. Auflage 2009 Ergänzungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar, 12. Auflage 2008 et cetera Europäische Union; Vertrag über die Europäische Union ν 7.2.1992 (BGBl II 1251) (s auch EUV) Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft Gesetz zur Einführung des Euro (Euro-Einführungsgesetz - EuroEG) ν 9.6.1998 (BGBl I 1242) Vertrag über die Europäische Union ν 7.2.1992 (BGBl II 1251) (s auch EU) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

(XXI)

Stand: 1. 11. 2008

EBOR ECFR ECGI ed(s) éd EG EGAktG EGBGB EGHGB EGKomm EGV

Ehricke/Ekkenga/Oechsler EHUG

Einf Einl end Entsch entspr ErfK

ErgG Erman etc EU EuGH EuroEG EUV EuZW

Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis EWiR EWIV f,ff FASB Feddersen/Hommelhoff/Schneider FG FGG

FinG Fitting/Wlotzke/Wißmann Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel FN FNA fragl FS Fuchs/Köstler Fußn G GBl GbR Geibel/Süßmann gem GenG

Ges GesR GesRÄG GesRZ Geßler

GG ggf GmbH GmbHG

GmbHR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung folgende, fortfolgende Financial Accounting Standards Board Corporate Governance, 1996 Finanzgericht Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ν 17.5.1898 (RGBl 189) idF ν 20.5.1898 (RGBl 771; BGBl III/FNA 315-1) Finanzgericht, (s auch FG) Mitbestimmungsgesetz, Kommentar, 3. Auflage 2008 Schweizerisches Aktienrecht, 1996 Fachnachrichten, Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (Jahr, Seite) Fundstellennachweis A, Bundesrecht ohne völkerrechtliche Verträge (zuvor BGBl III) fraglich Festschrift Handbuch zur Aufsichtsratswahl, 4. Auflage 2008 Fußnote Gesetz Gesetzblatt Gesellschaft bürgerlichen Rechts Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, Kommentar, 2. Auflage 2008 gemäß Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz) idF ν 19.8.1994 (BGBl I 2202; BGBl III/FNA 4125-1) Gesellschaft Gesellschaftsrecht Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz (Österreich) Der Gesellschafter, Zeitschrift für Gesellschaftsrecht, Wien (Jahr, Seite) Aktiengesetz, Kommentar, hrsg ν Geßler (Ernst), Hefermehl, Eckardt, Kropff, 1973 ff, 2./3. Auflage s MünchKommAktG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ν 23.5.1949 (BGBl 11; BGBl III/FNA 100-1) gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung ν 20.4.1892 (RGBl 477) idF ν 20.5.1898 (RGBl I 846; BGBl III/FNA 4123-1) GmbH-Rundschau, vorher Rundschau für die GmbH (Jahr, Seite)

Stand: 1. 11. 2008

(XXII)

Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis

(ν)

Godin/Wilhelmi

Gower/Davies grds Großkomm

GrS GRUR GS GVB1 hA Haarmann/Riehmer/Schüppen

Hachenburg Hanau/Ulmer Happ Hb, Hdb HdbAG Hdb börsennot AG HdR Heidel HeidelbergKomm Hettn Heymann HFA HGB High Level Group

(XXIII)

Aktiengesetz, Kommentar, begr ν Freiherr von Godin, H. Wilhelmi, 4. Auflage 1971 Gower and Davies' Principles of Modern Company Law, 8 th ed, London 2008 grundsätzlich Aktiengesetz, Großkommentar, begr ν Gadow, Heinichen, 1. Auflage 1939, 2. Auflage 1961/65, 3. Auflage 1970 ff, 4. Auflage hrsg ν Hopt, Wiedemann, 1992 ff Großer Senat Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Jahr, Seite) Gedächtnisschrift Gesetz- und Verordnungsblatt herrschende Ansicht Öffentliche Übernahmeangebote, Kommentar zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2002, 2. Auflage Frankfurter Kommentar zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, hrsg ν Haarmann, Schuppen, 2005 GmbH-Gesetz, Großkommentar, hrsg ν Ulmer, 8. Auflage 1992-1997 Kommentar zum Mitbestimmungsgesetz, 1981, 2. Auflage Ulmer/Habersack/Henssler MitbestR Aktienrecht, 3. Auflage 2007 Handbuch Handbuch der Aktiengesellschaft, hrsg ν Nirk, Reuter, Bächle, Loseblatt, 1999 ff Handbuch börsennotierte AG, hrsg ν Marsch-Barner, Schäfer, 2005 Handbuch der Rechnungslegung, hrsg ν Küting, Weber, Loseblatt, 2002 ff Anwaltkommentar Aktienrecht, 1. Auflage 2003, 2. Auflage 2007, Nomoskommentar Aktienrecht und Kapitalmarktrecht (s auch AnwKomm) Heidelberger Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg ν Bürgers, Körber, 2008 Handbuch des Aktienrechts, 8. Auflage 2007 Handelsgesetzbuch, Kommentar, 2. Auflage hrsg ν Horn, 1995 ff Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. Handelsgesetzbuch vom 10.5.1897 (RGBl 219; BGBl III/FNA 4100-1) High Level Group of Company Law Experts (Winter, chairman, Christensen, Garrido Garcia, Hopt, Rickford, Rossi, Simon), Report of the High Level Group of Company Law Experts on Issues Related to Takeover Bids (High Level I), European Commis-

S t a n d : 1. 11. 2 0 0 8

Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis

Hirte Kapitalgesellschaftsrecht hL hM Hoffmann/Lehmann/Weinmann Hoffmantt/Preu Hommelhoff/Hopt/von Werder Hommelhoff/Lutter/ Schmidt/Schön/Ulmer Hopt Kapitalanlegerschutz

Hopt/Kanda/Roe/ Wymeersch/Prigge Hopt/Voigt Hopt/Wymeersch Hopt/Wymeersch Hopt/Wymeersch HReg HRR

Hrsg, hrsg HRV

Hs HuckelAmmann Hüffer HV IAS IASB IASC idF idR IDW IDWFG IDW FN

/Kattda/Baum

sion, Brüssels, 10 January 2002; Report of the High Level Group of Company Law Experts on a Modern Regulatory Framework for Company Law in Europe (High Level II), European Commission, Brussels, 4 November 2002 Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Auflage 2006 herrschende Lehre herrschende Meinung Mitbestimmungsgesetz, Kommentar, 1978 Der Aufsichtsrat, 5. Auflage 2003 Handbuch Corporate Governance, 2003 Corporate Governance. Gemeinschaftssymposium der Zeitschriften ZGR/ZHR, ZHR-Beiheft 71, 2002 Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, Gesellschafts-, bank- und börsenrechtliche Anforderungen an das Beratungs- und Verwaltungsverhalten der Kreditinstitute, 1975 Comparative Corporate Governance, The State of the Art and Emerging Research, Oxford 1998 Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005 Comparative Corporate Governance, Berlin 1997 Capital Markets and Company Law, Oxford 2003 Corporate Governance in Context, Oxford 2005 Handelsregister Höchstrichterliche Rechtsprechung (1928-1942, zitiert Jahr, Nummer), bis 1927: Die Rechtsprechung, Beilage zur Zeitschrift Juristische Rundschau Herausgeber, herausgegeben Verordnung über die Einrichtung und Führung des Handelsregisters (Handelsregisterverordnung HRV) ν 12.8.1937 (RMB1 515; DJ 1251; BGBl III/FNA 315-20) Halbsatz Der Deutsche Corporate Governance Kodex, 2003 Aktiengesetz, 8. Auflage 2008 Hauptversammlung International Accounting Standards (seit 1.4.2001 IFRS) International Accounting Standards Board (vor dem 1.4.2001 IASC) International Accounting Standards Committee (seit 1.4.2001 IASB) in der Fassung in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. Fachgutachten des IDW IDW-Fachnachrichten Stand: 1. 11. 2008

(XXIV)

Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis IDW NA IDW PS IDW RH IDW RS IDW S iE IFRS insb, insbes InsO InvG IPRax iÜ iVm Jabornegg/Strasser JB1 Jg jew JherJ

JR JuS JW JZ KAGG Kallmeyer KfH Kfm KG KGaA KGJ KK KK-WpÜG

(XXV)

Stellungnahmen des Sonderausschusses Neues Aktienrecht und des Hauptfachausschusses des IDW zu Fragen des neuen Aktienrechts IDW Prüfungsstandard IDW Rechnungslegungshinweise IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung IDW Standards im Ergebnis International Financial Reporting Standards (vor dem 1.4.2001 IAS) insbesondere Insolvenzordnung (InsO) ν 5.10.1994 (BGBl I 2866; BGBl III/FNA 311-13) Investmentgesetz (InvG) ν 15.12.2003 (BGBl I 2676; BGBl III/FNA 7612-2) Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Jahr, Seite) im Übrigen in Verbindung mit Kommentar zum Aktiengesetz, begr ν Schiemer, 4. Auflage, Wien 2001-2006 Justizblatt, Juristische Blätter, Wien (Jahr, Seite) Jahrgang jeweils Jahrbücher für Dogmatik des römischen und deutschen Privatrechts, begr ν Jhering, Gerber, später Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des Bürgerlichen Rechts (Jahr, Seite) Juristische Rundschau (Jahr, Seite) Juristische Schulung (Jahr, Seite) Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) Juristenzeitung (Jahr, Seite) Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) idF ν 9.9.1998 (BGBl I 2726; BGBl III/FNA 4120-4), aufgehoben durch InvG Umwandlungsgesetz, 3. Auflage 2006 Kammer für Handelssachen Kaufmann Kommanditgesellschaft, Kammergericht Kommanditgesellschaft auf Aktien Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Band, Seite) Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg ν Zöllner, 1. Auflage 1970 ff, 2. Auflage 1988 ff, 3. Auflage hrsg ν Zöllner, Noack, 2004 ff Kölner Kommentar zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, hrsg ν Hirte, von Bülow, 2003 Stand: 1. 11. 2008

Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis Klausing

Köstler/Zachert/Müller Koller/Roth/Morck KOM Komm KonTraG

KostREuroUG

Kraakman/Davies/Hansmann/ Hertig/Hopt/Kanda/Rock krit Kropff AktG

KTS KühlerIAssmann

GesR

Κ WG

LAG LG Ii Sp Lit LS Lutter Lutter/Hommelhoff GmbHG Lutter Information Lutter/Krieger

Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) nebst Einführungsgesetz und „Amtlicher Begründung" (AktG 1937) Aufsichtsratspraxis, Handbuch für Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, 8. Auflage 2006 Handelsgesetzbuch, Kommentar, 6. Auflage 2007 Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Dokumente) Kommentar Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) ν 27.4.1998 (BGBl I 786; BGBl III/FNA 4121) Gesetz zur Umstellung des Kostenrechts und der Steuerberatergebührenverordnung auf Euro (KostREuroUG) ν 27.4.2001 (BGBl I 751) The Anatomy of Corporate Law. A Comparative and Functional Approach, Oxford 2004 kritisch Aktiengesetz vom 6.9.1965 und Einführungsgesetz zum Aktiengesetz mit Begründung des Regierungsentwurfs, 1965 Zeitschrift für Insolvenzrecht, Konkurs, Treuhand, Sanierung, (Jahr, Seite) Gesellschaftsrecht, 6. Auflage 2006, 5. Auflage Kubier, 1998 Gesetz über das Kreditwesen idF ν 9.9.1998 (BGBl I 2776; BGBl III/FNA 7610-1) Landesarbeitsgericht Landgericht linke Spalte Literatur Leitsatz Umwandlungsgesetz, Kommentar, 3. Auflage 2004 GmbH-Gesetz, Kommentar, 16. Auflage 2004 Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Auflage 2006 Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Auflage

2008 m maW MDR Merkt/Göthel MinG MitbestBeiG

mit mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr, Seite) US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Auflage

2006 Ministergesetz Gesetz zur Beibehaltung der Mitbestimmung beim Austausch von Anteilen und der Einbringung von

Stand: 1. 11. 2008

(XXVI)

Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis

MitbestErgG

MitbestG

Mitt MoMiG

Montan-MitbestG

Mülbert Aktiengesellschaft

MiinchAnwHdb Aktienrecht MünchHdbAG

MünchKommAktG

MünchKommBGB

MiinchKommHGB

mwN MwSt mWv Nachw NASDAQ NaStraG

(XXVII)

Unternehmensteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten der Europäischen Union betreffen (Mitbestimmungs-Beibehaltungsgesetz MitbestBeiG) ν 23.8.1994 (BGBl I 2228) Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie ν 7.8.1956 (BGBl I 707; BGBl III/FNA 801-3) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz - MitbestG) ν 4.5.1976 (BGBl I 1153; BGBl III/FNA 801-8) Mitteilungen Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) ν 23.10.2008 (BGBl I 2026) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie ν 21.5.1951 (BGBl I 347; BGBl III/FNA 801-2) Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt. Die Aktionärsgruppe bei Bildung und Umbildung einer Unternehmensgruppe zwischen Verbands- und Anlegerschutzrecht, 2. Auflage 1996 Münchener Anwaltshandbuch Aktienrecht, hrsg ν Schüppen, Schaub, 2005 Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Band 4: Aktiengesellschaft, hrsg ν HoffmannBecking, 3. Auflage 2007 Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg ν Kropff, Semler, 2. Auflage 2000 ff, Bände 1 und 2 in 3. Auflage 2008, hrsg ν Goette, Habersack, 1. Auflage s Geßler Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg ν Rebmann, Säcker, Rixecker, 4. Auflage 2000 ff, Bände 1 - 3 und AGG in 5. Auflage 2006 ff Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 1. Auflage hrsg ν Κ. Schmidt, 1996 ff, 2. Auflage hrsg ν Κ. Schmidt 2005 ff mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuer mit Wirkung vom Nachweis National Association of Securities Dealers Automated Quotations (USA) Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz -

Stand: 1. 11. 2008

Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis

nF

NJ

NJW NJW-RR

Nr(n) NYSE NZA NZG Obermüller/Werner/Winden OECD Österr OGH OFD OGH OGHZ

OHG OLG OLGZ Palandt Peltzer Pfitzer/Oser Potthoff/Trescher PublG

pW RabelsZ RAG Raiser Raiser Kapitalgesellschaften Raiser/Veil Kapitalgesellschaften

NaStraG) ν 18.1.2001 (BGBl 1123; BGBl III/FNA 4121-1) neue Fassung Neue Justiz (Jahr, Seite) Neue Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (Jahr, Seite) Nummer(n) New York Stock Exchange Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht, seit 1992 Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Jahr, Seite) Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 4. Auflage 2001, bearb ν Butzke Organisation for Economic Cooperation and Development Österreichischer Oberster Gerichtshof Oberfinanzdirektion (Jahr, Seite) Oberster Gerichtshof für die Britische Zone Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Zivilsachen (1949/50, zitiert Band, Seite) Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen (Jahr, Seite) Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Auflage 2008 Deutsche Corporate Governance, 2. Auflage 2004 Deutscher Corporate Governance Kodex, 2003, 2. Auflage 2005 hrsg ν Pfitzer, Oser, Orth Das Aufsichtsratsmitglied, 6. Auflage 2003, bearb ν Theisen Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (Publizitätsgesetz PublG) ν 15.8.1969 (BGBl I 1189, ber 1970 1 1113; BGBl III/FNA 4120-7) positive Vertragsverletzung Rabeis Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Band, Jahr, Seite) Reichsarbeitsgericht, Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts (Band, Seite) Mitbestimmungsgesetz, Kommentar, 4. Auflage

2002

Recht der Kapitalgesellschaften, 3. Auflage 2001, 4. Auflage Raiser/Veil Kapitalgesellschaften Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Auflage 2006, 3. Auflage Raiser Kapitalgesellschaften Stand: 1. 11. 2008

(XXVIII)

Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis

RBegrG

Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) ν 12.8.2008 (BGBl 1 1666) Rdn Randnummer(n) (s auch Rn) RdA Recht der Arbeit (Jahr, Seite) RdW Recht der Wirtschaft, Wien (Jahr, Seite) Recht Das Recht (Jahr, Nummer der Entscheidung; bei Aufsätzen: Jahr, Seite) RefE Referentenentwurf RegE Regierungsentwurf re Sp rechte Spalte RG Reichsgericht (Band, Seite) Reichsgesetzblatt, von 1922-1945 Teil I und Teil II RGBl I, II (Jahr, Seite) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RGZ (Band, Seite) Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Ringleb/Kremer/Lutter/von Werder Kodex, 3. Auflage 2008 Aktiengesetz, 2. Auflage 1939 Ritter Recht der internationalen Wirtschaft (Jahr, Seite) RIW RJA Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zusammengestellt vom Reichsjustizamt (Band, Seite) RL Richtlinie Rn Randnummer(n) (s auch Rdn) Reichsoberhandelsgericht ROHG Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts ROHGE (Band, Seite) Röhricht/Graf von Westphalert Handelsgesetzbuch, Kommentar, 3. Auflage 2008 Rowedder/Schmidt-Leithoff GmbHG, Kommentar, 4. Auflage 2002 Markus Roth Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, Handlungsspielräume und Haftungsrisiken insbesondere in der unternehmerischen Krise, 2001 Roth/Altmeppen GmbHG, Kommentar, 5. Auflage 2005 Rspr Rechtsprechung s S Schlegelberger/Quassowski Κ. Schmidt GesR Scholz Schwark SE SEAG

(XXIX)

siehe Seite; Satz Aktiengesetz, Kommentar, 3. Auflage 1939 Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2002 Kommentar zum GmbH-Gesetz, 10. Auflage 2006 Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Auflage 2004 Societas Europaea, Europäische Aktiengesellschaft Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (SE-Ausführungsgesetz - SEAG) ν 22.12.2004 (BGBl I 3675; BGBl III/FNA 4121-4) Stand: 1. 11. 2008

Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis

SEBG

SEC SEEG Semler Semler/Volhard SeuffArch SE-VO

Slg Soergel sog SprAuG

Spark Staub Staudinger Steinmeyer/Häger StGB str st Rspr StiickAG

SZW/RSDA

Teichmann/Koehler Theisen

TransPuG

Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SE-Beteiligungsgesetz - SEBG) ν 22.12.2004 (BGBl I 3686; BGBl III/FNA 801-15) Securities and Exchange Commission (USA) Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft ν 22.12.2004 (BGBl I 3675) Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 2. Auflage 1996 Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 2. Auflage 2004 (s auch ARHdb) Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte (Band, Nummer) Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (AB1EG L 294/1 ν 10.11.2001) Sammlung Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Auflage 1999 ff sogenannte(r) Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung ν 20.12.1988 (BGBl I 2312; BGBl III/FNA 801-11) Die Sparkasse, Zeitschrift des deutschen Sparkassenund Giroverbandes (Jahr, Seite) Handelsgesetzbuch, Großkommentar, 4. Auflage hrsg ν Canaris, Schilling, Ulmer, 1983-2005 Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 1999 ff WpÜG, Kommentar zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Auflage 2007 Strafgesetzbuch idF ν 13.11.1998 (BGBl I 3322; BGBl III/FNA 450-2) strittig, streitig ständige Rechtsprechung Gesetz über die Zulassung von Stückaktien (Stückaktiengesetz - StückAG) ν 25.3.1998 (BGBl I 590; BGBl III/FNA 4121-1) Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, Revue suisse de droit des affaires (früher SchweizAG, Jahr, Seite) Aktiengesetz, Kommentar, 3. Auflage 1950 Grundsätze einer ordnungsmäßigen Information des Aufsichtsrats, 3. Auflage 2002, Information und Berichterstattung des Aufsichtsrats, 4. Auflage 2008 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz-

Stand: 1. 11. 2008

(XXX)

Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis

TUG

ua iiberw Ulmer/Habersack/ Hertssler MitbestR UMAG

UmwG unstr unzutr Urt USA US-GAAP

ν VAG

VerfGH Verh VersR VfGH vgl VO(en) Voigt Voraufl Vorb, Vorbem VorstOG

(XXXI)

und Publizitätsgesetz) ν 19.7.2002 (BGBl I 2681; BGBl III/FNA 4121-1) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (TransparenzrichtlinieUmsetzungsgesetz - TUG) ν 5.1.2007 (BGBl 110) unten unter anderem; und andere überwiegend Mitbestimmungsrecht, Kommentierung des MitbestG, der DrittelbG und der § § 3 4 bis 38 SEBG, 2. Auflage 2006, 1. Auflage Hanau/Ulmer Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) ν 22.9.2005 (BGBl I 2802; BGBl III/FNA 4121-1) Umwandlungsgesetz idF ν 28.10.1994 (BGBl I 3210, ber 2005 I 428; BGBl III/FNA 4120-9-2) unstreitig unzutreffend Urteil United States of America United States Generally Accepted Accounting Principles und so weiter von; vom Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG) idF ν 17.12.1992 (BGBl 1993 I 2; BGBl III/FNA 7631-1) Verfassungsgerichtshof (s auch VfGH) Verhandlungen des Deutschen Bundestages (BT), des Deutschen Juristentages (DJT) usw Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung (Jahr, Seite) Verfassungsgerichtshof (s auch VerfGH) vergleiche Verordnung(en) Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft, 2004 Vorauflage Vorbemerkung Gesetz über die Offenlegung von Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz VorstOG) ν 3.8.2005 (BGBl I 2267)

Stand: 1. 11. 2008

Ergänzendes Abkürzungsverzeichnis

WiB Wiedemann Gesellschaftsrecht Widmann/Mayer wistra WM WP WPg WpHG

WPK WpÜG WuB

zB ZBB ZEuP ZfA ZfB ZfbF ZfRV ZGR ZHR ZIP ZRP ZVglRWiss

Wirtschaftsrechtliche Beratung (Jahr, Seite) Gesellschaftsrecht, Band 1 1980, Band II 2004 Umwandlungsrecht, Kommentar, hrsg ν Widmann, Mayer, Loseblatt, 3. Auflage 1995 ff Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht (Jahr, Seite) Wertpapier-Mitteilungen (Jahr, Seite) Das Wertpapier (Jahr, Seite) Die Wirtschaftsprüfung (Jahr, Seite) Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz - WpHG) idF ν 9.9.1998 (BGBl I 2708; BGBl III/FNA 4110-4) Wirtschaftsprüferkammer Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) ν 20.12.2001 (BGBl I 3822; BGBl III/FNA 4110-7) Entscheidungssammlung zum Wirtschaftsund Bankrecht zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (Jahr, Seite) Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Arbeitsrecht (Band, Jahr, Seite) Zeitschrift für Betriebswirtschaft (Band, Jahr, Seite) Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (Band, Jahr, Seite) Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (Band, Jahr, Seite) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Rechtspolitik (Jahr, Seite) Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft (Band, Jahr, Seite) Zeitschrift für Zivilprozess (Band, Jahr, Seite)

ZZP

Stand: 1. 11. 2008

(XXXII)

Vorwort Die vorliegende, für den Großkommentar zum Aktiengesetz erstmals vorgenommene Bearbeitung des § 53 a befindet sich auf dem Stand Mitte 2 0 0 4 . Berücksichtigt worden ist auch bereits die 6. Auflage des von Uwe Hüffer verfassten Kurzkommentars zum Aktiengesetz. Die Erläuterungen in diesem Teilwerk erscheinen als 2 2 . Lieferung des Gesamtwerkes. Sie enthalten nach einleitenden Vorbemerkungen zum Dritten Teil des Ersten Buches des Aktiengesetzes (Vor § 53 a) eine Kommentierung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 53 a) sowie als Anhang hierzu eine Kommentierung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht (Anh § 5 3 a ) . Damit schließt sich die Lücke zwischen der 2 0 . Lieferung (§§ 4 1 - 5 3 ) und der 15. Lieferung (§§ 5 4 - 6 6 ) . Gleichbehandlungsgrundsatz und Treuepflicht sind Generalklauseln. Der Aufbau der Kommentierung wird daher nicht durch eine mit der gesetzlichen Regelung vorgegebene Struktur geprägt. Der Benutzer ist somit zum Auffinden der einzelnen Gesichtspunkte besonders auf die den Vorbemerkungen sowie den Erläuterungen zu § 5 3 a und dem Anhang zu § 5 3 a jeweils vorangestellten ausführlichen Gliederungsübersichten zu verweisen. Für tatkräftige Unterstützung bei der tatsächlichen und rechtlichen Durchdringung bestimmter bankenbezogener Probleme danken die Verfasser den Herren Rechtsanwälten Dr. Peter Hemeling und Dr. Michael Schlitt. Dank für Hilfestellungen im Hinblick auf einzelne Bezüge der Kommentierung zum US-amerikanischen Gesellschaftsrecht gebührt ferner Herrn Carsten J . Fiege, Att. at Law (NY). Recklinghausen/Konstanz, im August 2 0 0 4 Hartwig Henze

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Richard L. Notz

Hartwig Henze/Richard L. Notz

ERSTES BUCH Dritter Teil Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Vorbemerkungen zu den §§ 5 3 a - 7 5 Übersicht Rdn

Rdn I. Erstes Buch, Dritter Teil: Der Regelungsinhalt 1. Die Vorschriften im Überblick 2. Rechtsentwicklung; frühere Gesetzeslage a) Kontinuierliche Regelungsinhalte . . b) Streichungen; Umordnungen . . . . c) Grundsätzliche Änderungen und Neuerungen 3. Einfluss des europäischen Gemeinschaftsrechts 4. Zweck und Bedeutung des Regelungskomplexes 5. Kritik an der gesetzlichen Systematik . . a) Titel und Inhalt b) Normtechnische Zersplitterung zusammengehöriger Inhalte II. Die Mitgliedschaft des Aktionärs 1. Natur der Mitgliedschaft 2. Abspaltungsverbot 3. Erwerb der Mitgliedschaft 4. Verlust der Mitgliedschaft a) Untergang der Mitgliedschaft an sich b) Ende der Mitgliedschaft für den derzeitigen Aktionär 5. Schutz der Mitgliedschaft 6. Wertpapierrechtliche Verkörperung der Mitgliedschaft 7. Übertragung der Mitgliedschaft . . . .

1 2 2 3

III.

4 5 6 8 8 10 11 15 19 20 21 23 24 28 29

IV.

V.

VI.

8. Exkurs: Nichtmitgliedschaftliche Rechtsbeziehungen zwischen AG und Aktionär Pflichten und Rechte der Mitglieder 1. Mitgliedschaftliche Pflichten des Aktionärs 2. Mitgliedschaftliche Rechte des Aktionärs a) Ausgangspunkt b) Vermögensrechte c) Verwaltungsrechte d) Sonderrechte e) Anspruch auf gleichmäßige und treugemäße Behandlung Dauer aktienrechtlicher Pflichten und Rechte 1. Beginn 2. Ende 3. Ruhen Das Rechtsverhältnis zwischen den Aktionären 1. Mitgliedschaftliche Bindung (Treuepflicht) 2. Schuldrechtliche Bindungen Eigenkapitalbildung und -erhaltung als gläubigerschützende Elemente der Finanzverfassung der AG

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34 36 36 37 38 39 41 42 43 47

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SO

Schrifttum Baums Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001); Ganske Das Zweite gesellschaftsrechtliche Koordinierungsgesetz vom 13. Dezember 1978, DB 1978, 2461; Habersack Die Mitgliedschaft - subjektives und „sonstiges" Recht (1996); Hadding Verfügungen über Mitgliedschaftsrechte, in: FS Steindorff (1990), S 31; ders Vereinsmitgliedschaft, in: FS Kellermann, ZGR Sonderheft 10 (1991), S 91; Hüffer Harmonisierung des aktienrechtlichen Kapitalschutzes, NJW 1979, 1065; Lutter Zur Europäisierung des deutschen Aktienrechts, in: FS Ferid (1978), S 599; ders Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180 (1980), 84; ders Die Auslegung angeglichenen Rechts, J Z 1992, 593; Merkt Der Kapitalschutz in Europa - ein rocher de bronze?, ZGR 2004, 305; Miilbert Zukunft der Kapitalaufbringung/Kapitalerhaltung, Der Konzern 2004, 151; Müller-Erzbach Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens (1948); Raiser Das Unternehmen als Organisation (1969); ders Kapitalgesellschaften3 (2001), § 12; Reuter Die Mitgliedschaft als sonstiges Recht, in: FS Lange (1991), S 707; Κ Schmidt Die Vereinsmitgliedschaft als Grundlage von Schadensersatzansprüchen, J Z 1991, 157; ders Gesellschaftsrecht4 (2002), §§ 19, 20 I, 28 I, 29 I, II; Schön Die Zukunft der Kapitalaufbringung/Kapitalerhaltung, Der Konzern 2004, 162;

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(2)

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Wiedemann

(1965).

Vor § § 5 3 a—75

Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften

I. Erstes Buch, Dritter Teil: Der Regelungsinhalt 1. Die Vorschriften im Überblick Der Dritte Teil beginnt mit § 53 a, der den bereichsübergreifenden Rechtssatz des 1 Gleichbehandlungsgebots normiert. Es schließt sich die Vorschrift über die Leistung der Einlage als mitgliedschaftlicher Hauptpflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft an (§ 54), wobei der Gesetzgeber zur Durchsetzbarkeit dieser Pflicht ergänzend bestimmte Sicherungen vorgesehen hat: Die Pflicht ist unverzichtbar und muss real erfüllt werden (§ 6 6 Abs 1); für Rechtsklarheit, wer die Schuldner sind, sorgt ein Register (§ 67); säumigen Schuldnern drohen Sanktionen (§§ 6 3 - 6 5 ) . Auch die Zulässigkeit vermögenswerter Nebenpflichten mit korporativem Charakter und Fragen ihrer Vergütung sind geregelt (§§ 55, 61). Sodann sind in diesem Gesetzesteil die Regelungen über den originären Erwerb eigener Aktien durch unmittelbare oder mittelbare Selbstzeichnung (§ 56) sowie auch das Regelungswerk zum derivativen Erwerb eigener Aktien und dem gleichzustellende Tatbestände (§§ 7 1 - 7 1 e) enthalten. Festgelegt werden ferner die Grundpfeiler des Prinzips der Vermögensbindung (§ 57) samt seiner Absicherung (§§ 62, 6 6 Abs 2 Fall 1). Regelungsgegenstand ist des Weiteren die Ergebnisverwendung durch Rücklagenbildung (§ 58 Abs 1 - 3 ) bzw Ausschüttung an die Anteilseigner (§§ 58 Abs 4 und 5 [nF], 59, 60). Im Übrigen beinhaltet der Dritte Teil eine Regelung zur Übertragbarkeit von Namensaktien (§ 68), außerdem eine Bestimmung zu Aktien, die sich in Rechtsgemeinschaft mehrerer Personen befinden (§ 69), und über die Berechnung der Aktienbesitzzeit (§ 70). Zu erwähnen bleiben schließlich die Vorschriften über die Kraftloserklärung von Aktienurkunden durch gerichtliches Aufgebotsverfahren (§ 72) bzw durch die Gesellschaft ( § 7 3 ) sowie die Ausgabe neuer Urkunden anstelle der alten (§§ 7 4 , 7 5 ) . 2 . Rechtsentwicklung; frühere Gesetzeslagen 1 a) Kontinuierliche Regelungsinhalte Viele Vorschriften im Dritten Teil des Ersten Buches existieren seit langem, ohne dass sich ihr sachlicher Regelungsinhalt grundlegend geändert hat. Überwiegend oder ganz stimmen inhaltlich mit dem früheren Recht die jetzigen Regelungen in §§ 5 4 - 5 6 , 5 7 Abs 1 und 2 , 60, 61, 6 3 - 6 6 , 6 8 - 7 0 , 7 2 - 7 5 überein. Formal zwar neu, inhaltlich aber der früheren Rechtslage entsprechend ist auch die Aussage des im Jahre 1978 dem Dritten Teil in § 53a vorangestellten Gleichbehandlungsgebots.

2

b) Streichungen; Umordnungen Gestrichen worden zum AktG 1965 ist im Dritten Teil § 4 8 AktG 1937, da eine Wiederholung dieser bereits in § 1 Abs 1 verankerten Regelung entbehrlich war. Ersatzlos gestrichen wurde später auch der - zweifelhafte - § 5 7 Abs 3 aF (Bauzinsen); an die frei gewordene Stelle ist ohne Veränderungen als § 5 7 Abs 3 nF der damalige § 58 Abs 5 1

Details sind jeweils aus den einleitenden Rdnrn der Kommentierungen bei den einzelnen Vorschriften zu entnehmen.

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Hartwig Henze/Richard L. Notz

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V o r § § 5 3 a—75

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

a F getreten. D u r c h das T r a n s P u G 2 ist § 5 8 A b s 5 n F inzwischen mit anderem Regelungsgehalt wieder belebt worden (Vorschrift über die Sachdividende 3 ). Z w a r den modernen Verhältnissen zeitgemäß angepasst, aber den früheren Regelungsinhalt im Grunde weiterführend stellt sich § 6 7 in seiner heutigen Gestalt dar; in A b s 3 der N e u f a s s u n g 4 ist der vormalige § 6 8 Abs 3 aufgegangen, nach dessen Wegfall in § 6 8 die dortigen beiden letzten Absätze ohne inhaltliche Veränderung numerisch aufgerückt sind. c) Grundsätzliche Änderungen und Neuerungen 4

Tiefgreifende Änderungen hat im Laufe der Zeit der heutige § 5 8 erfahren: Abs 1 und 2 dieser Vorschrift entstanden im R a h m e n des A k t G 1 9 6 5 völlig neu; später wurde noch Abs 2 a eingefügt; zudem wurde A b s 2 S 2 seit dem mehrfach geändert ( B i R i L i G , K o n TraG, TransPuG).5 O h n e Vorgänger neu geschaffen durch das A k t G 1 9 6 5 wurde § 5 9 . Erheblich verändert gegenüber der Vorläufernorm fand auch die Vorschrift des heutigen § 6 2 erstmals Eingang in das A k t G 1 9 6 5 . Häufigen und besonders starken Veränderungen unterlag seit der erstmaligen gesetzlichen N o r m i e r u n g im J a h r e 1 8 7 0 6 bis heute der Regelungskomplex über den (derivativen) E r w e r b eigener A k t i e n ; 7 seine heutige G r u n d f o r m beruht auf der Kapitalschutzrichtlinie der E G 8 , während seither neben anderen jüngeren G e s e t z e n 9 vor allem das K o n T r a G 1 0 die geltende Fassung der § § 7 1 - 7 1 e mitgeprägt hat. 3 . Einfluss des europäischen Gemeinschaftsrechts

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Weite Bereiche des Regelungsinhalts im Dritten Teil des Ersten Buches des A k t G gehen auf eine Gesetzgebung zurück, deren Ursprung ihrerseits in der Aktivität der R e c h t setzenden O r g a n e der Europäischen Gemeinschaften liegt. 1 1 Die Auslegung der betreffenden nationalen Gesetzesbestimmungen muss daher auch mit R ü c k s i c h t auf sowohl den T e x t als auch die Intention derjenigen EG-Richtlinie(n) erfolgen, im Z u g e deren Umsetzung das deutsche Aktienrecht entsprechend neu gefasst, ergänzt oder sonst angeglichen w u r d e . 1 2 Ergeben sich für das nationale Gericht bei der R e c h t s a n w e n d u n g Zweifelsfragen im Hinblick auf das Verständnis von Inhalt oder Reichweite der zugrunde liegenden EG-Richtlinie(n), k o m m t mit dem Ziel der einheitlichen A u s l e g u n g 1 3 des

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6

ν 19. 7. 2 0 0 2 (BGBl I, S 2 6 8 1 ) , auf Vorschlag der Regierungskommission Corporate Governance, siehe Baums (Hrsg), Bericht (2001), Rdn 199, 2 0 0 . Siehe zum Regelungsinhalt von § 5 8 Abs 5 nF Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 5 0 9 ; außerdem Nachw

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bei Hüffer6 § 58 vor Rdn 31.

10

NaStraG ν 18. 1. 2 0 0 1 (BGBl I, S 123). Siehe zu möglichen künftigen Änderungen die Empfehlung der Regierungskommission Corporate Governance bei Baums (Hrsg), Bericht (2001), Rdn 197, 198.

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Art 215 Abs 3 ADHGB, eingefügt durch 1. Aktienrechtsnovelle ν 11. 6. 1870, allgemein dazu Assmann in: G r o ß k o m m 4 Einl Rdn 7 9 ff.

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Eingehend Oechsler in: M ü n c h K o m m 2 S 71 Rdn 2 6 - 3 9 . 2. EG-Richtlinie ν 13. 12. 1976, ABl L Nr 26/1 ν 31. 1. 1977, umgesetzt mittels DurchfG ν 19. 12. 1978 (BGBl I, S 1959). Zusammenfassend Hüffer6 S 71 Rdn 2. ν 27. 4. 1 9 9 8 (BGBl I, S 7 8 6 ) . Vgl im Einzelnen die Erläuterungen eingangs der jeweiligen Vorschriften, sowie KKLutter2 Rdn 16. KK-Lutter 1 Rdn 17. Zur Auslegung des auf der Grundlage von Gemeinschaftsrecht angeglichenen nationalen Rechts ausführlich Lutter J Z 1992, 5 9 3 ff.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

V o r § § 5 3 a—75

Gemeinschaftsrechts Art 243 EG zur Anwendung (Vorabentscheidungsverfahren EuGH).14

beim

4. Zweck und Bedeutung des Regelungskomplexes Der Dritte Teil handelt vor allem von den Grundinteressen, in deren Schnittpunkt die 6 Kapitalgesellschaft als künstliche Rechtsfigur steht: Einerseits kann die Gesellschaft nur existieren, wenn das dem Schutz der Gläubiger dienende Kapital über die zu leistenden Einlagen aufgebracht und das gebildete Vermögen erhalten wird; andererseits ist die Investition von Risikokapital durch die Übernahme von Anteilen und der damit verbundenen Einlagepflicht nur attraktiv, wenn dem eine lohnende Dividende gegenübersteht. Die Funktionsfähigkeit dieses rechtlichen Systems wird durch etliche Vorschriften dieses Gesetzesteils gewährleistet; insoweit kommt der Ordnungskraft dieser Vorschriften elementare Bedeutung zu (va §§ 54, 56, 57, 58, 60, 62, 66, 71 ff). Sie konstituieren maßgeblich den äußeren Rahmen, innerhalb dessen sich das wirtschaftliche Leben der AG und ihrer Aktionäre abspielen darf und muss. Grundlegend für die Regelung der Binnensphäre der Gesellschaft ist zudem der allgemeine Rechtssatz über das Gebot gleichmäßiger Behandlung (§ 53 a). Ferner leitet sich im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 6 8 , die in Abs 2 die einzige gesellschaftsrechtliche Möglichkeit zur Einschränkung der Fungibilität des Anteils vorsieht, ein weiteres zentrales Prinzip des Aktienrechts ab: die freie Übertragbarkeit der Aktie. 15 Aber auch weniger bedeutsame Regelungen finden sich im Dritten Teil. Kaum prak- 7 tische Bedeutung haben heute die §§ 55, 61 über mitgliedschaftliche Nebenleistungen (,,Zuckerrüben"-AG). Auch der Vorabgewinn nach § 59 spielt in der unternehmerischen Wirklichkeit keine entscheidende Rolle. 16 Des Weiteren sind schon auf theoretischer Seite die §§ 69, 70, 74, 75 ohne Wirkung für die Struktur der Gesellschaft und beeinflussen auch die das Gesellschaftsleben beherrschenden Interessen nicht. Ebenso wird man der Kraftloserklärung (§§ 72 f) nur untergeordnete Bedeutung beimessen können. 5. Kritik an der gesetzlichen Systematik a) Titel und Inhalt Überschrieben ist der Dritte Teil des Ersten Buches mit dem Titel „Rechtsverhältnisse 8 der Gesellschaft und der Gesellschafter".17 Das kann notwendigerweise nicht streng programmatisch zu verstehen sein, könnte doch in derart weitläufiger Weise sogar das Aktiengesetz insgesamt übertitelt sein. 18 Eine Vollständigkeit an Regelungen nach Maßgabe der Überschrift ist somit nicht zu erwarten. Immerhin sind alle gesellschaftsrechtlichen Pflichten des Aktionärs im Dritten Teil geregelt (§§ 54, 55, 62, 63). Es darf aber nicht verwundern, dass sich viele - sogar zentrale - Rechte des Aktionärs, die sein Verhältnis zur Gesellschaft betreffen, außerhalb dieses Teils finden, wie beispielsweise das

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Siehe bereits KK-Lutter 2 Rdn 18. Neben dem Rückschluss aus § 68 auch erkennbar in §§ 41 Abs 4 S I , 180 Abs 2. Siehe hierzu Brändel in: G r o ß k o m m 4 § 1 Rdn 90 (zum Wesen der Aktie gehört ihre Übertragbarkeit) und § 10 Rdn 2 (Übertragbarkeit der Anteile gehört zum Wesen der AG). Vorschlag zur Einführung der Zulässigkeit

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einer Zwischendividende deshalb bei Baums (Hrsg), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001), Rdn 201, 202. Siehe ebenso den Titel des Zweiten Abschnitts im GmbHG. So bereits zutreffend Hefermehl/Bungerotk in: Geßler/Hefermehl, Vor ξ 53 a Rdn 1.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

Vor §§ 53 a - 7 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Teilnahmerecht an der Hauptversammlung (§ 118 Abs 1), das Auskunftsrecht (§ 131), das Stimmrecht (§ 1 3 4 ) , das Bezugsrecht (§§ 1 8 6 , 2 0 3 Abs 1, 2 1 2 S 1, 2 2 1 A b s 4 ) , das Anfechtungsrecht (§ 2 4 5 N r n 1 - 3 ) , das R e c h t auf Beteiligung a m Liquidationsüberschuss (§ 2 7 1 ) sowie verschiedene weitere R e c h t e (vgl zB § § 1 2 2 , 1 4 7 ; siehe ferner § § 3 0 4 , 3 0 5 , 320b, 327b). Von der weit geratenen Überschrift erfasst wären zudem aktienrechtliche Beziehungen

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unter den A k t i o n ä r e n . Solche sind indessen weder im Dritten Teil noch sonst im Aktiengesetz förmlich und ausdrücklich normiert. Zwischen den Aktionären besteht als Rechtsverhältnis mitgliedschaftlichen Ursprungs allein die nicht gesetzlich ausdrücklich hervorgehobene, aber von der Rechtsprechung und ganz hLit anerkannte gesellschafterliche Treuepflicht (siehe Anh § 5 3 a). b) Normtechnische Zersplitterung zusammengehöriger Inhalte 10

In diesem Teil sind Regelungen unterschiedlichster T h e m a t i k vereint (worin die Unbestimmtheit der Überschrift ihren Ursprung h a b e n mag). Es ist allerdings nicht durchweg gelungen, jeweils diejenigen Vorschriften, die thematisch zueinander gehören oder miteinander verwandt sind, auch systematisch zueinander zu bringen. D a v o n zeugt etwa, dass die § § 6 3 - 6 6 nicht im Anschluss an § 5 4 ihren Platz gefunden h a b e n ; die Sanktionen sind dadurch fern der Pflicht normiert, zu deren Absicherung sie geschaffen sind. Außerdem hätte es nahe gelegen, den Standort der Vorschriften über den originären E r w e r b eigener Aktien (§ 5 6 ) eng zu verbinden mit den Regeln über den derivativen E r w e r b eigener Aktien (§§ 7 1 ff), was ebenfalls unterblieben ist. N i c h t einleuchtend ist schließlich die räumliche Trennung der § § 5 5 , 61, die sich direkt aufeinander beziehen, und systematisch ebenso nicht recht verständlich ist das Zerreißen von § 5 7 und § 6 2 , denn letzterer ist sachlich unmittelbar die funktionale Ergänzung des ersteren. Besser gebündelt hat der Gesetzgeber innerhalb dieses Teils hingegen den Vorschriftenkomplex über den Gewinn ( § § 5 8 - 6 0 ) , zu dem freilich - insofern ganz abgerissen - auch n o c h § 1 7 4 gepasst hätte. Systematisch richtig, weil das der Regelungsthematik entspricht, hat der Gesetzgeber sowohl die Vorschriften über die Kraftloserklärung (§§ 7 2 , 7 3 ) als auch diejenigen über die Ausgabe neuer Urkunden (§§ 7 4 , 7 5 ) jeweils zusammengezogen.

II. Die Mitgliedschaft des Aktionärs 1. N a t u r der Mitgliedschaft 11

Die Mitgliedschaft ist selbständiges R e c h t 1 9 und als solches Gegenstand des Rechtsverkehrs (Veräußerlichkeit, Vererblichkeit, B e l a s t b a r k e i t ) . 2 0 Sie kennzeichnet für den A k t i o n ä r seine auf der Zugehörigkeit zur Gesellschaft beruhende Rechtsposition. 2 1 Die Mitgliedschaft ist das Teilhaberecht des Aktionärs an der als Verband verfassten A G . 2 2

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Lutter AcP 180 (1980), 84, 99 ff; Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 19 I 3 b, S 550. Wiedemann Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten (1965), passim; Raiser Kapitalgesellschaften3 (2001), § 12 Rdn 3, 63 ff. Vgl Müller-Erzbacb Das private Recht der Mitgliedschaft (1948), S 23 ff; Wiedemann Übertragung und Vererbung von Mitglied-

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schaftsrechten (1965), S 23; Lutter AcP 180 (1980), 84, 86; Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 19 I 1 b, S 547; Reuter in: MünchKommBGB 4 § 38 Rdn 1; Hachenburg/Rainer GrabHG 8 § 14 Rdn 13. Lutter AcP 180 (1980), 84, 88 f; Κ Schmidt GesR 4 (2002), S 19 I 3 a, S 549; Michalski/ Ebbing GmbHG, Bd I (2002), § 14 Rdn 39.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

V o r § § 5 3 a—75

Diese Teilhabe stellt sich sowohl als Dauerrechtsverhältnis eigener Art dar (Mitgliedschaft als Rechtsverhältnis) als auch als subjektivrechtliche Stellung des Aktionärs (Mitgliedschaft als subjektives Recht).23 Die Mitgliedschaft ist die unmittelbare Quelle aller aktionärsrechtlichen Rechte und Pflichten, die sich in ihr bündeln. 24 Die Mitgliedschaft und jede ihrer Teilkomponenten ist ein Individualrecht des Inhabers der Mitgliedschaft (Aktionär). Das Mitgliedschaftsrecht selbst und die in ihm wurzelnden konkreten Leistungs- und Verhaltenspflichten sowie Vermögens- und Mitverwaltungsrechte haben zwar korporativen Rechtscharakter, sie sind aber nicht dem die Korporation (AG) konstituierenden Kollektiv („Aktionärsschaft") als solchem zugeordnet. 25 Jeder Aktionär als Gesellschaftsmitglied tritt seiner Gesellschaft bei der Wahrnehmung seiner mitgliedschaftlichen Rechte und der Erfüllung seiner mitgliedschaftlichen Pflichten als Einzelner gegenüber. Dafür, dass gleichwohl der übergreifende Blick für das gerechte Miteinander aller Mitglieder nicht verloren geht, sorgt § 53 a (und ergänzend die Treuepflicht).

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Die Mitgliedschaft erfährt als „sonstiges" Recht iSd § 823 Abs 1 BGB - ggf iVm § 1004 BGB - Schutz vor deliktischen Eingriffen, die sich unmittelbar gegen den Bestand der Mitgliedschaft oder die in ihr verkörperten Rechte oder Betätigungsmöglichkeiten von erheblichem Gewicht (Kern der Mitgliedschaft) richten. 26

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Begrifflich wird die Mitgliedschaft auch als Aktie bezeichnet; der Begriff der „Aktie" ist aber dreifach belegt: er umschreibt neben der Mitgliedschaft des Aktionärs auch die wertpapierrechtliche Urkunde, die dieses Recht verkörpert, und die Beteiligungsquote als Bruchteil des Grundkapitals der Gesellschaft. 27

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2. Abspaltungsverbot Aus der Mitgliedschaft fließen unmittelbar die Rechte und Pflichten, die dem Aktionär in dieser Position zustehen bzw ihn treffen (Rdn 11). Aus diesem in der Mitgliedschaft zusammengefassten Bündel an Rechten und Pflichten können einzelne Rechtspositionen nicht isoliert werden (Abspaltungsverbot)·, insbesondere sind einzelne mitgliedschaftliche Rechte nicht unabhängig von der ihren Ursprung bildenden Mitgliedschaft übertragbar (allgM; Rechtsgedanke entsprechend § 717 S 1 BGB). 2 8 Das gilt nicht

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Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 19 I 3 a, S 5 4 9 ; Raiser Kapitalgesellschaften3 (2001), § 12 Rdn 1 ; Flume AT 1/2, Die Juristische Person (1983), § 8 I, S 2 5 8 ; Lutter AcP 180 (1980), 84, 97 ff; Wiedemann Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten (1965), S 39; Michalski/Eèèing GmbHG, Bd I (2002), § 14 Rdn 39; zum Teil aA Beuthien AG 2 0 0 2 , 2 6 6 , 2 6 8 ; abw auch Hadding in: FS Reinhardt (1972), S 249, 251. Brändel in: Großkomm 4 § 1 Rdn 81 ff; KKLutter2 Rdn 3; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 6, 7; Wiesner in: MiinchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 1. Lutter2 Rdn 4; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 7. HM; RGZ 100, 274, 2 7 8 ; 158, 248, 2 5 5 ; BGHZ 100, 323; NJW 1990, 2 8 7 7 ; ZIP

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1990, 1552; Brändel in: Großkomm 4 § 1 Rdn 82; Raiser Kapitalgesellschaften 3 (2001), ξ 12 Rdn 5; Κ Schmidt J Z 1991, 157, 158 ff und ders GesR 4 (2002), § 21 V 4, S 651 f mwN; Habersack Die Mitgliedschaft (1996), S 117 ff mwN; Mertens FS Fischer (1979), S 4 6 8 ff; Lutter AcP 180 (1980), 84, 130 f; Michalski/Efctmg GmbHG, Bd I (2002), § 14 Rdn 4 3 ff; aA Hadding AG 2 0 0 2 , 2 6 8 ; ders FS Kellermann (1991), S 91, 104 f. Hüffer6 § 1 Rdn 13; Brändel in: Großkomm 4 § 1 Rdn 79. BGHZ 3, 354, 357, ständige Rspr; Brändel in: Großkomm 4 § 8 Rdn 53 f und § 11 Rdn 11 mwN; Heider in: MünchKomm 2 § 8 Rdn 108 und § 11 Rdn 7 ; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17

Hartwig Henze/Richard L. Notz

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

nur im Verhältnis zu Dritten, sondern auch gegenüber den Mitaktionären. 2 9 Bestehen mitgliedschaftliche Sonderrechte (Rdn 39), erfasst das Abspaltungsverbot auch sie. 30 16

Möglich und rechtlich zulässig ist es (lediglich), einen anderen als den Inhaber des Mitgliedschaftsrechtes zu ermächtigen, das (beim Inhaber verbleibende) Recht auszuüben. Für das Stimmrecht vgl hierzu die Bevollmächtigungsmöglichkeit gemäß § 134 Abs 3 bzw die Zulässigkeit einer Legitimationszession gemäß § 129 Abs 3. Auch kann der Aktionär beispielsweise einen anderen ermächtigen, für ihn an der Hauptversammlung teilzunehmen und Anfechtungsklage gegen dort gefasste Beschlüsse zu erheben. 31 Die Befugnis, durch die der Aktionär einem anderen gestattet, das durch seine Mitgliedschaft vermittelte Recht auszuüben, darf ihrem rechtlichen Inhalt nach nicht so ausgestaltet sein, dass dies der Übertragung des mitgliedschaftlichen Teilrechts gleichkommt, denn das Abspaltungsverbot erfasst auch entsprechende Umgehungskonstruktionen. 32

17

Nicht zu verwechseln mit der durch den Grundsatz des Abspaltungsverbotes untersagten isolierten Übertragung einzelner Mitgliedschaftsrechte ist die Übertragung schuldrechtlicher Positionen bzw einfacher Gläubigerrechte des Aktionärs, mögen diese auch aus einem mitgliedschaftlichen Stammrecht hervorgegangen sein oder sonst ihren Ursprung in der Sphäre der Mitgliedschaft haben. 3 3 Hat sich etwa der dem Aktionär gemäß § 58 Abs 4 zustehende mitgliedschaftliche Gewinnbeteiligungsanspruch, der dem Abspaltungsverbot unterliegt, 34 durch die wirksame Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses (vgl § 119 Abs 1 N r 2, § 174 Abs 1 S 1, Abs 2 Nr 2) zu einem Gewinnauszahlungsanspruch in der dem Gewinnverteilungsschlüssel (§ 60) entsprechenden Höhe konkretisiert, so kann dieser Zahlungsanspruch nach den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Rechts übertragen werden (§ 398 S 1 BGB). 35 Es handelt sich dabei um ein echtes Gläubigerrecht, das nicht korporationsrechtlichen, sondern schuldrechtlichen Charakter hat und selbständig verkehrsfähig ist; der Zessionar (§ 398 S 2 BGB) kann unabhängig von mitgliedschaftlichen Gesichtspunkten gegen die Gesellschaft aus diesem Anspruch als eigenes Recht vorgehen. 36 Frei und selbständig verkehrsfähiges Gläubigerrecht in diesem Sinne ist auch der konkrete Bezugsanspruch, der dem einzelnen Aktionär aufgrund des wirksam gefassten Kapitalerhöhungsbeschlusses zusteht; 3 7 dem Ab-

Rdn 9 f m w N ; Hüffer6 § 8 Rdn 30; Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 19 III 4 a, S 5 6 0 m w N , dort Fn 72. Zur GmbH siehe Hachenburg/Kaiser G m b H G 8 § 14 Rdn 32 f; Michalski/Efcfong GmbHG, Bd I (2002), § 14 Rdn 7 0 m w N . Allgemein vgl bereits eingehend Wiedemann Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten (1965), § 12, S 274 ff. 29

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Raiser Kapitalgesellschaften 3 (2001), § 12 Rdn 13 f. Brändel in: G r o ß k o m m 4 § 11 Rdn 11. Siehe m w N OLG Stuttgart ZIP 2 0 0 3 , 2 0 2 4 f = AG 2003, 5 8 8 f. Bsp: Unbefristet und unwiderruflich an einen Dritten erteilte Vollmacht, das Stimmrecht ohne Rücksicht auf Weisungen des Aktionärs an dessen Stelle ausüben zu dürfen; siehe dazu BGH NJW 1987, 7 8 0 f; Hüffer6 § 134 Rdn 21 m w N ; Wiesner in: M ü n c h H d b

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37

GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 9; Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 19 III 4 a, S 561; Heider in: M ü n c h K o m m 2 § 8 Rdn 112. Dazu Brändel in: G r o ß k o m m 4 $ 11 Rdn 12; Heider in: M ü n c h K o m m 2 § 11 Rdn 18 ff, 2 2 ff; ua bspw: Gründerlohn nach § 26 Abs 2 (Röhricht in: G r o ß k o m m 4 § 26 Rdn 30) oder Ausgleichsanspruch nach S 3 0 4 Abs 1 ( A l t m e p p e n in: M ü n c h K o m m 2 § 3 0 4 Rdn 100 f). Henze in: G r o ß k o m m 4 § 58 Rdn 88; Bayer in: M ü n c h K o m m 2 § 58 Rdn 100; Hüffer6 $ 58 Rdn 26. AllgM; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 1, 9. Henze in: G r o ß k o m m 4 § 58 Rdn 94; Bayer in: M ü n c h k o m m 2 § 58 Rdn 102. Wiedemann in: G r o ß k o m m 4 § 186 Rdn 61 m w N und Brändel ebd, § 11 Rdn 12.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

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spaltungsverbot unterliegt das mitgliedschaftliche Bezugs(stamm)recht des § 186 Abs 1, auf dessen Grundlage sich dieser einzelne Bezugsanspruch aktualisiert. Dass es sich bei diesen Gläubigerrechten in ihrer endlichen Gestalt nicht um solche korporativer Natur handelt, schließt aber nicht aus, dass diejenigen von ihnen, die aus einem mitgliedschaftlichen Stammrecht hervorgegangen und mithin korporationsrechtlicher Herkunft sind, wegen des insofern bestehenden Rechtszusammenhangs zur Mitgliedschaft von den Schranken der Treuepflicht oder dem Schutzbereich des § 53 a erfasst sein können. 3 8 Keine Durchbrechung des Abspaltungsverbots liegt nach zutreffender Ansicht darin, dass der Gläubiger zB eines Nießbrauchs oder Pfandrechts an der Aktie infolge der ihn begünstigenden Belastung das Recht zur Ausübung mitgliedschaftlicher Befugnisse erhält. In diesen Fällen geht es nicht um ein gewillkürtes Bestreben, Mitgliedschaft und ihr innewohnende Rechte zu trennen, sondern um die Beantwortung einer Folgefrage der Zulässigkeit von dinglichen Belastungen 3 9 der Aktie. 4 0

18

3. Erwerb der Mitgliedschaft Die Mitgliedschaft wird originär erworben durch die Gründer im Wege der Ubernähme von Aktien (§ 2 9 ) 4 1 oder dadurch, dass eine Person neu ausgegebene Aktien zeichnet, die im Rahmen einer Kapitalmaßnahme geschaffen wurden (zur Kapitalerhöhung siehe etwa § 185 Abs 1 S l ) . 4 2 Derivativ kann der Erwerb der Mitgliedschaft sich aufgrund Vereinbarung im Rahmen einer rechtsgeschäftlichen Übertragung vollziehen oder der Erwerber ist gesetzlicher Rechtsnachfolger des Aktionärs, etwa dessen Erbe (§ 1922 BGB) oder ein gemäß § 65 Abs 1 S 1 zahlender V o r m a n n 4 3 .

38

Vgl zur G m b H Hachenburg/Reiser G m b H G § 14 Rdn 31; Scholz/H Winter G m b H G 9

schaft der Gründer in der Vor-AG bei deren Eintragung ohne rechtliche Zäsur fort als Mitgliedschaft in der AG und ist daher rechtlich als Kontinuum zu begreifen. Missverständlich ist deshalb die bisweilen zu lesende Erläuterung, „die Mitgliedschaften'^?) entstünden konstitutiv erst und allein mit Eintragung der AG im Handelsregister (KKLutter2 Anh § 68 Rdn 9; vgl auch Heider in: M ü n c h K o m m 2 § 10 Rdn 6). Demgegenüber ergibt der Rückschluss aus $ 41 Abs 4 S I : Die mangelnde Übertragbarkeit der - offenbar doch schon vorhandenen Anteilsrechte müsste nicht dort gesetzlich angeordnet werden, wenn „die Mitgliedschaften" materiell noch nicht existent wären. Ferner erhellt, dass unabhängig von der Eintragung bereits die Einlagepflicht eine mitgliedschaftliche Pflicht gegenüber der Vor-AG ist (allgM; Hüffer6 § 5 4 Rdn 2 , 3; Henze in: Großk o m m 4 § 5 4 Rdn 7, 9, 16).

8

§ 14 Rdn 17; Michalski/Efctowg G m b H G , Bd I ( 2 0 0 2 ) , § 14 Rdn 5 4 . 39

Vergleichbar hierzu stellt sich die Situation ferner im Falle der (qualifizierten) Treuhand oder einer Sicherungsübereignung dar.

40

Wiesner in: MünchHdb G e s R 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 10; Raiser Kapitalgesellschaften 3 ( 2 0 0 1 ) , § 12 Rdn 16; Κ Schmidt G e s R 4 ( 2 0 0 2 ) , § 19 III 4 b, S 5 6 1 f mwN; vgl auch Hachenburg/Kaiser G m b H G 8 § 14 Rdn 3 4 .

41

Zur Mitgliedschaft der Gründer bereits in der Vorgesellschaft siehe Κ Schmidt in: Großk o m m 4 § 41 Rdn 6 3 ff; Pentz in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, G m b H G 4 § 14 Rdn 4; der Sache nach ist es auch diese Mitgliedschaft, aus der die von Pentz in: M i i n c h K o m m 2 § 41 Rdn 41 angesprochenen „Förderpflichten der Gründer" herzuleiten sind. - Dass es mangels Existenz der AG vor Eintragung (§ 41 Abs 1 S 1) noch nicht um die Mitgliedschaft in der AG, sondern um die in der Vor-AG geht, ist selbstverständlich (vgl auch Hiiffer6 ξ 41 Rdn 3 0 ; Pentz in: M ü n c h K o m m 2 § 41

42 43

Κ Schmidt G e s R 4 ( 2 0 0 2 ) , § 2 8 I 1 b, S 797. Gehrlein in: G r o ß k o m m 4 § 65 Rdn 13, 3 9 ff;

Hüffer6 § 65 Rdn 6; KK-Lutter 2 § 65

Rdn 16 ff; Bayer in: M ü n c h K o m m 2 § 65 Rdn 51.

Rdn 161), jedoch setzt sich die Mitglied-

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Hartwig Henze/Richard L. Notz

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V o r § § 5 3 a—75

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

4. Verlust der Mitgliedschaft 20

Es gibt mehrere Gründe, aus denen ein Aktionär seine Mitgliedschaft verlieren kann. Die Umstände, die dazu führen, können von dem Mitgliedschaftsinhaber freiwillig herbeigeführt sein oder ihn zwangsweise treffen. Je nach dem Grund trifft der Verlust nur einen bestimmten Aktionär oder aber daneben weitere oder gar sämtliche Aktionäre der Gesellschaft. a) Untergang der Mitgliedschaft an sich

21

22

Die Mitgliedschaften aller Aktionäre erlöschen, wenn nach Abschluss der Liquidation die Vollbeendigung der Gesellschaft eintritt (Löschung). Dabei verlieren nicht nur diese Personen die Mitgliedschaft, sondern es gibt auch keine Rechtsnachfolger; mit der Beendigung der Existenz des Verbandes wird die Mitgliedschaft als solche gegenstandslos. 44 Unter geht die Mitgliedschaft als solche - trotz Fortbestand der Gesellschaft - auch dadurch, dass die Aktien eingezogen werden (§ 237). Unberührt bleibt die Mitgliedschaft durch eine Kraftloserklärung (§§ 72, 73), da deren materielle Wirkung sich allein auf die urkundliche Verbriefung (Wertpapier) bezieht, nicht aber auf das verkörperte (Mitgliedschafts-)Recht selbst. Ebenso wenig geht die Mitgliedschaft als solche verloren, wo das Gesetz (zB § § 2 0 Abs 7, 21 Abs 4, 71b, 71 d S 4) für den Inhaber das Ruhen mitgliedschaftlicher Rechte anordnet. Im Übrigen führt auch der Untergang des Aktionärs nicht zum Untergang der Mitgliedschaft als solcher. Handelte es sich bei ihm um eine natürliche Person, die verstorben ist, oder eine juristische Person, die aufgelöst und - nach Liquidation ihres Vermögens - gelöscht worden ist, stehen Mitgliedschaften, deren Inhaber er war, einem Rechtsnachfolger zu. b) Ende der Mitgliedschaft für den derzeitigen Aktionär

23

Die Mitgliedschaft an sich bleibt zwar bestehen, geht aber für ihren Inhaber verloren, wenn er sie veräußert; die Mitgliedschaft hat somit der Erwerber inne. 45 Einen Fall zwangsweiser Übertragung regelt § 327a Abs 1 S 1 (squeeze out): Die Minderheit verliert danach ihre Mitgliedschaften an den Hauptaktionär. Ebenso büßt der Aktionär seine Mitgliedschaft ein, die aber existent bleibt, 46 wenn er Adressat der Kaduzierung (§ 64) ist. 4 7 5. Schutz der Mitgliedschaft

24

Die mitgliedschaftliche Rechtsposition des Aktionärs ist innerhalb der Gesellschaft gegen Eingriffe der Verwaltungsorgane (Vorstand, Aufsichtsrat) zunächst geschützt durch das in § 53 a ausgeformte Gleichbehandlungsgebot; ergänzt wird dieser Schutz durch die auf dem Geflecht der Treubindungen beruhende Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären (Anh § 5 3 a Rdn 87ff). Hinzu kommt die ungeschriebene, von der Rechtsprechung praeter legem entwickelte verbandsrechtliche actio negatoria, die dazu dient, eine durch faktische Satzungsänderung drohende Beeinträchtigung des Mitglied-

44

Κ Schmidt GesR 4 ( 2 0 0 2 ) , § 19 II 2 b, S 5 5 2 .

45

Wobei dann, wenn der Erwerber die Gesellschaft ist, aus diesen Mitgliedschaften für die Gesellschaft als Inhaberin keine Rechte folgen (S 71 b).

46

47

Unstreitig, wobei die sich dann aufwerfende Frage der Zuordnung dieser Mitgliedschaften streitig ist; dazu Hü ff er 6 1 6 4 Rdn 8 mwN. Hüffer6 § 6 4 Rdn 7.

Stand: 1. 7. 2004

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Vor §§ 5 3 a - 7 5

schaftsrechts abzuwehren. 4 8 Ferner stehen den Aktionären gegen das Organ der Hauptversammlung als Kontrollinstrumente die mitgliedschaftlichen Klagen zur Nichtigkeitsfeststellung oder Anfechtung rechtswidriger Beschlüsse zur Verfügung (§§ 241 ff). Schutz vor Mitgliedschaftsbeeinträchtigungen im Verhältnis der Aktionäre untereinander, insbesondere vor einer rücksichtslos illoyalen Ausnutzung der Machtposition des Mehrheitsgesellschafters zu Lasten der Minderheit, sieht das Gesetz nicht ausdrücklich vor. Rechtsprechung und Lehre haben in diesem Verhältnis die Treuepflicht als Schutzinstrument entwickelt (Anh § 53 a Rdn 3, 5, 27, 5 2 , 57), die inzwischen anerkannt ist (Anh § 53 a Rdn 6 f mwN). Damit verwandt und sachlich als eine Ausprägung der Treuepflicht ist es zu verstehen, dass zur Erreichung sachgerechten Minderheitenschutzes bestimmte Hauptversammlungsentscheidungen einer materiellen Beschlusskontrolle unterliegen (vgl Anh § 53 a Rdn 23).

25

Ferner genießt die Mitgliedschaft nach h M als „sonstiges" Recht deliktsrechtlich den Schutz der §§ 8 2 3 Abs 1, 1004 BGB, falls sich der Eingriff unmittelbar gegen den Bestand der Mitgliedschaft oder die in ihr verkörperten Rechte oder Betätigungsmöglichkeiten von erheblichem Gewicht, mithin den Kern der Mitgliedschaft richtet (Rdn 13 mwN).

26

Und schließlich genießt die Mitgliedschaft den verfassungsrechtlichen Eigentumsschütz des Art 14 Abs 1 G G . 4 9

27

6. Wertpapierrechtliche Verkörperung der Mitgliedschaft Die Verkörperung des Mitgliedschaftsrechtes in den Aktienurkunden als Wertpapieren ist nicht konstitutiv für das Entstehen oder die Fortexistenz der Mitgliedschaft. 5 0 Die urkundliche Verbriefung hat aber Einfluss darauf, wie die Mitgliedschaft übertragen werden kann (Rdn 29). Vor Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister ist eine wertpapierrechtliche Verbriefung der Mitgliedschaft nichtig (§ 41 Abs 4 S I HS 2 und S 2). Gleichwohl existiert materiell eine Mitgliedschaft der Gründer in der Vor-AG. 5 1

28

7. Übertragung der Mitgliedschaft Die Mitgliedschaft kann als Recht (Rdn 11) formlos 5 2 nach den allgemeinen Zessionsregeln der §§ 413, 398 ff B G B 5 3 Übertrag en werden. Durch die Verkörperung als Wertpapier kann die Übertragung der dadurch verbrieften Mitgliedschaft indessen ebenso nach den für die Art des jeweiligen Papiers geltenden Übertragungsregeln erfolgen. Inhaberaktien können demnach als Urkunden wie Mobilien nach sachenrechtlichen Grundsätzen übereignet werden (§§ 9 2 9 f f BGB, 3 6 6 f HGB), wodurch die Mitgliedschaft dem Eigentum am Papier folgt. Für verbriefte Namensaktien (Orderpapiere) ist durch § 68 Abs 1 die Möglichkeit zur Übertragung durch Indossament eröffnet; die Übertragung

48

Dazu B G H Z 83, 1 2 2 , 133 ff [„Holzmüller"] = L M § 118 AktG N r 1 (Fleck); zuvor grundlegend Knobbe-Keuk FS Ballerstedt ( 1 9 7 5 ) , S 2 3 9 , 2 5 1 f; siehe im Übrigen etwa Rehbinder Z G R 1 9 8 3 , 9 2 , 1 0 3 ff; Wiesner in: M ü n c h H d b G e s R 2 ( 1 9 9 9 ) , § 18 Rdn 3 ff; Κ Schmidt G e s R 4 ( 2 0 0 2 ) , § 21 V 3 a, S 6 4 8 f; Brondics Die Aktionärsklage ( 1 9 8 8 ) , S 7 9 ff, 8 9 ff; Habersack Die Mitgliedschaft ( 1 9 9 6 ) , S 117 ff, 139 ff, 171 ff, 1 8 7 ff und 2 9 7 ff.

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49

BVerfGE 14, 2 6 3 , 2 6 9 ff [„Feldmühle"]; 1 0 0 , 2 8 3 [„DAT/Altana"]; ZIP 2 0 0 0 , 1 6 7 0 [„Moto Meter"].

50

R G Z 31, 17, 2 2 ; 3 4 , 110, 115; 4 1 , 9, 13; 5 2 , 417, 4 2 3 ; Brändel in: G r o ß k o m m 4 § 10 Rdn 10; Heider in: M ü n c h K o m m 2 § 10 Rdn 6, je m w N .

51

Näher Κ Schmidt Rdn 6 3 ff.

52

Anders § 15 Abs 3, 4 G m b H G .

53

Siehe ferner § 18 Abs 3 DepotG.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

in: G r o ß k o m m 4 § 41

29

Vor §§ 53 a - 7 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

wird gemäß § 67 Abs 3 vermerkt. Im Übrigen spielt für Namensaktien § 68 Abs 2 eine Rolle für deren Übertragbarkeit: Handelt es sich bei den Namensaktien um vinkulierte Mitgliedschaften, hängt die dingliche Wirksamkeit des Übertragungsaktes von der nach dieser Vorschrift erforderlichen Zustimmung ab. 30

Im Stadium der Vor-AG sind die Mitgliedschaften von Gesetzes wegen unübertragbar (§ 41 Abs 1 S 1 HS 1). Einen gesetzlich nicht abdingbaren Rahmen für die Übertragung von Aktien an die Gesellschaft, die somit eigene Anteile erwirbt, legen außerdem die §§ 71 ff fest.

8. Exkurs: Nichtmitgliedschaftliche Rechtsbeziehungen zwischen AG und Aktionär 31

Den Mitgliedern der Gesellschaft ist es nicht verwehrt, unabhängig von der mitgliedschaftsrechtlichen Beziehung auf schuldrechtlicher Ebene Rechtsverhältnisse zur Gesellschaft zu begründen und zu unterhalten. Insofern treten Aktionäre und Gesellschaft einander wie sonstige Dritte des Rechtsverkehrs gegenüber. Solche schuldrechtlichen Vereinbarungen können auch und gerade dazu dienen, das bestehende Mitgliedschaftsverhältnis mit individuellen Rechten und Pflichten zu flankieren. Kein bloßes Veräußerungsgeschäft unter Dritten ist die Übertragung der Mitgliedschaft als solcher zwischen Aktionär und Gesellschaft: hier gelten die §§ 71-71 e.

32

Ferner ist eine saubere Grenzlinie im Hinblick darauf zu ziehen, inwiefern eine Rechtsbeziehung, die formal schuldrechtlichen Charakter hat, durch den Umstand beeinflusst ist, dass ein an ihr Beteiligter die Aktionärseigenschaft hat bzw der aktienrechtliche Verband ist, in den der andere Beteiligte mit Risikokapital (Einlage) involviert ist. Erhebt die Gesellschaft etwa für das Zustandekommen, die inhaltlichen Einzelheiten oder die Modalitäten der Durchführung einer Rechtsbeziehung die Aktionärseigenschaft des Vertragspartners zu einem maßgeblichen Kriterium, so wird dadurch ein mitgliedschaftliches Element in diese Rechtsbeziehung mit hineingetragen. Das kann dazu führen, dass der Anwendungsbereich des § 53a und/oder des § 57 eröffnet wird. 5 4

33

Handelt es sich bei dem schuldrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Aktionär um eine (echte) drittgleiche Beziehung, dann ist die Mitgliedschaft hierauf ohne Einfluss. Für Rechtspositionen, die dem Aktionär daraus zustehen, gilt nicht das Abspaltungsverbot, und solche Rechtspositionen gehen im Falle des Wechsels der Mitgliedschaft auch nicht auf den Rechtsnachfolger über. 55 Eine rechtliche Sonderbehandlung erfahren Kredite, die ein unternehmerisch beteiligter Aktionär 5 6 der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt gewährt, in dem die Gesellschaft kreditunwürdig ist. Solche in der Krise zugeführten Fremdmittel können nach h M materiell in haftendes Kapital umqualifiziert werden („eigenkapitalersetzender Aktionärskredit"). 5 7 Von gesellschaftsrechtlichen Regeln überlagert, obwohl im Ursprung schuldrechtlicher Natur, werden auch Rechtsgeschäfte, die in wirtschaftlicher Verknüpfung mit einer zu erbringenden Bareinlage den Tatbestand der „verdeckten Sacheinlage" 5 8 erfüllen, oder die dazu dienen, eine „verdeckte Einlagenrückgewähr" 5 9 zu vollziehen. 54

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Siehe bei § 53 a Rdn 41 und § 5 7 Rdn 39; ebenso Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 11. Reiser Kapitalgesellschaften 3 (2001), § 12 Rdn 9. Näher Henze in: G r o ß k o m m 4 § 5 7 Rdn 118 ff. B G H Z 90, 381 [„BuM/WestLB"]; ausführ-

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lich Henze in: G r o ß k o m m 4 § 5 7 Rdn 98 ff, 144 m w N . Dazu B G H Z 110, 4 7 [„IBH/Lemmerz"]; 118, 83 [„BuM"]; 132, 133 und 141; 155, 329 mwN. Dazu Henze in: G r o ß k o m m 4 § 5 7 Rdn 35 ff, 3 9 ff m w N .

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III. Pflichten und Rechte der Mitglieder 1. Mitgliedschaftliche Pflichten des Aktionärs Die Hauptpflicht des Aktionärs besteht darin, seine Einlage zu leisten (§ 54). Diese 3 4 Pflicht entsteht für ihn als Gründer mit Übernahme der Aktien (§ 29) bzw als Teilnehmer an einer Kapitalerhöhung mit Zeichnung der jungen Aktien (§ 185 Abs 1 S 1). Im Zusammenhang mit dieser Pflicht können den Aktionär daneben die Folgepflichten aus § 63 Abs 2 und 3 treffen, wonach der Inferent einer Bareinlage bei Säumnis verpflichtet ist, Zinsen und Schadensersatz sowie eine ggf festgesetzte Vertragsstrafe zu zahlen. Darüber hinaus ist im Falle satzungsmäßiger Bestimmung eine mitgliedschaftliche Nebenverpflichtung des Aktionärs nach § 55 Abs 1 möglich, deren Nichterfüllung nach Abs 2 die Pflicht zur Begleichung einer Vertragsstrafe auslösen kann. Nicht schuldrechtlicher, sondern aktienrechtlicher Natur ist auch die infolge eines Verstoßes gegen die Vermögensbindung (§ 57) für das begünstigte Mitglied bestehende Rückgewährpflicht nach § 62 Abs 2 S l . 6 0 Des Weiteren ist Ausfluss der mitgliedschaftlichen Beteiligung schließlich die Treuepflicht der Aktionäre (Anh § 53a). 6 1 Eine Pflicht zur Wahrnehmung von Mitgliedsrechten besteht grundsätzlich nicht. Das gilt im Ausgangspunkt auch für das Teilnahmerecht des Aktionärs an der Hauptversammlung und sein dortiges Stimmverhalten: Aus mitgliedschaftsrechtlichen Gesichtspunkten kann er, muss aber nicht dort erscheinen, 62 und wenn er teilnimmt, besteht keine aktiv wahrzunehmende (mitgliedschaftliche 63 ) Pflicht zu entweder zustimmendem oder ablehnendem Stimmverhalten, sondern er muss keine Stimme abgeben. 64 Anders stellt sich dies ausnahmsweise dar, wenn es sich um eine Einmann-AG handelt oder die Satzung zur Beschluss- und mithin Handlungsfähigkeit der Hauptversammlung als Organ ein gewisses Mindestquorum anwesender und/oder mitstimmender Anteile fordert, das ohne die Anwesenheit bzw Stimmabgabe eines bestimmten (Groß-)Aktionärs nicht erreicht werden kann. Aus der Treuepflicht dieses Aktionärs ist dann zu folgern, dass er, weil andernfalls dieses Organ ausfiele, verpflichtet ist, an der Hauptversammlung teilzunehmen und ggf sich dort nicht der Stimme zu enthalten. 65

35

2. Mitgliedschaftliche Rechte des Aktionärs a) Ausgangspunkt Die allgemeinen Mitgliedsrechte des Aktionärs können eingeteilt werden nach der Zielrichtung ihrer Ausübung in eigennützige und uneigennützige (gesellschaftsbezogene) Rechte. 66 Diese Differenzierung hat etwa Einfluss darauf, welche Wertungsgesichtspunkte zur Bestimmung der durch die Treuepflicht zu ziehenden Schranken für die Rechtsaus-

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Dazu Henze in: G r o ß k o m m 4 § 62 Rdn 11 f. Vgl BGHZ 129, 136, 148 [„Girmes/Effectenspiegel"]. Mülbert in: G r o ß k o m m 4 § 118 Rdn 47; Kubis in: M ü n c h K o m m 2 § 118 Rdn 74; Hüffer6 S 118 Rdn 12 aE. Eine andere Frage ist es, ob sich schuldrechtlicb aus einem Stimmbindungsvertrag eine Stimmpflicht herleitet. Von dieser Frage, ob der Aktionär überhaupt abstimmen muss, ist die Frage zu unterschei-

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den, ob er - in Ausnahmefällen mit Rücksicht auf die Treuepflicht - in eine bestimmte Richtung nicht abstimmen darf (siehe dazu Anh § 53a Rdn 58 ff). Vgl Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 23; auch KK-Zöllner 1 § 243 Rdn 204. - Zu möglichen Konsequenzen einer Verletzung dieser Pflicht vgl Anh § 53 a Rdn 142 ff, 145 ff. Statt vieler Wiesner in: M ü n c h H d b GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], S 17 Rdn 5, 6.

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Übung maßgeblich sind (Anh § 5 3 a Rdn 53 f). 67 Entsprechend der jeweiligen Bedeutung eines Rechtes kann auch eine Einteilung in mitgliedschaftliche Haupt- und Hilfsrechte erfolgen. 68 Ferner werden Aktionärsrechte herkömmlich ihrer Art nach unterschieden in Vermögens- und Verwaltungsrechte.69 b) Vermögensrechte 37

Zu den mitgliedschaftlichen Vermögensrechten der Aktionäre zählen das Gewinnrecht (S 58 Abs 4), das Bezugsrecht (§§ 186 Abs 1 S 1, 203 Abs 1, 212 S 1, 221 Abs 4 ) 7 0 und das Recht auf den Liquidationsüberschuss (§ 271 Abs 1). Wirtschaftlich handelt es sich bei diesen Positionen um das Spiegelbild des durch Einbringung der Einlage eingegangenen finanziellen Risikos. Vermögenswertes mitgliedschaftliches Recht ist zudem der Anspruch auf die Vergütung einer zu erbringenden Nebenleistung, falls dies iSd §§ 55, 61 durch die Satzung vorgesehen ist. c) Verwaltungsrechte

38

Die Kategorie der Mitverwaltungsrechte 71 des Aktionärs umfasst sein Teilnahmerecht an der Hauptversammlung (vgl § 118 Abs 1) sowie seine Rechte, dort zu reden, Fragen zu stellen (Auskunftsrecht, §§ 131, 293g Abs 3), Anträge zu stellen (§ 126), Wahlvorschläge zu machen (§ 127) und zur Fassung von Beschlüssen seine Stimme abzugeben (§ 134); ferner die der Kontrolle dienenden Klagerechte (va §§ 245 Nr 1-3, 249 Abs 1 S 1) sowie das Recht, die Einberufung der Hauptversammlung (§ 122), die Bestellung eines Sonderprüfers (§ 142 Abs 2) oder die Geltendmachung von Ersatzansprüchen (§ 147) zu verlangen. Die mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte können ihrer Funktion nach theoretisch eingeteilt werden in Teilhaberechte, die dem Inhaber die Mitwirkung an der Verwirklichung des Gesellschaftszwecks ermöglichen, und Schutzrechte, die dem Inhaber zur Wahrung seiner mitgliedschaftlichen Position in der Gesellschaft dienen. 72 d) Sonderrechte73

39

Die Satzung kann über die allgemeinen Mitgliedsrechte hinaus für bestimmte Aktionäre mitgliedschaftliche Sonderrechte begründen (betreffend Verein vgl § 35 BGB). Den Begünstigten wird dadurch eine mitgliedschaftliche Vorzugsstellung gewährt. 74 Beispiel-

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Sehr skeptisch Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 535 ff. Statt aller Heider in: MünchKomm 2 § 11 Rdn 16, 17. Statt aller Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 3, 4. Funktionell bezweckt das Bezugsrecht einen Schutz der Aktionäre (dazu Wiedemann in: Großkomm 4 § 186 Rdn 56; KK-Lutter 2 § 186 Rdn 7; Hüffer6 § 186 Rdn 2; Bayer Z H R 163 [1999], 505, 5 0 7 f); vereinzelt wird diese Funktion als Schutzrecht derart betont, dass das Bezugsrecht nicht mehr den Vermögensrechten zugeordnet wird (so Zwissler Treuegebot [2002], S 118). Begrifflich auch: „Herrschaftsrechte" oder „Mitwirkungsrechte".

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Κ Schmidt GesR 4 (2002), S 19 III 3 c aa, S 5 5 7 f; Raiser Kapitalgesellschaften3 (2001), § 12 Rdn 10. Zu herrschenden Zweifeln an der Brauchbarkeit des Begriffes „Sonderrecht" im Rahmen der aktienrechtlichen Mitgliedschaft siehe Heider in: MünchKomm 2 § 11 Rdn 13 ff; Hüffer6 § 11 Rdn 6. Allgemein dazu Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 19 III 3 c bb, S 558 f. Kein „Sonderrecht" in diesem Sinn ist der Sondervorteil iSd § 2 6 Abs 1, Röhricht in: Großkomm 4 § 26 Rdn 7 und Brändel ebd, § 11 Rdn 7; vgl auch Hüffer6 § 2 6 Rdn 2; ferner Michalski/ Ebbing GmbHG, Bd I (2002), S 14 Rdn 78; missverständlich Raiser Kapitalgesellschaften 3 (2001), § 12 Rdn 19.

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haft dafür ist die Schaffung von Aktien, die dem Mitglied einen Gewinnvorzug einräumen (§§ 11 S 1, 139 ff). Ebenso ist das Entsendungsrecht nach § 101 Abs 2 ein mitgliedschaftliches Sonderrecht. 7 5 Im Gegensatz zu anderen Gesellschaftsformen 7 6 können einem Aktionär keine Leitungsbefugnisse als mitgliedschaftliche Sonderrechte eingeräumt werden (vgl §§ 8 4 Abs 1 S 1, 2 3 Abs 5 S 1). Echte Sonderrechte wurzeln in der Mitgliedschaft und sind vom Abspaltungsverbot erfasst (Rdn 15). Sie verbleiben beim Wechsel der Mitgliedschaft daher nicht beim Übertragenden, sondern stehen in der Regel dem jeweiligen Inhaber der Mitgliedschaft zu. Sonderrechte können zudem aber an die Person des Mitglieds geknüpft sein. 7 7 Entäußert sich in diesem Fall die betreffende Person ihrer Mitgliedschaft, erlischt das Sonderrecht. 7 8

40

e) Anspruch auf gleichmäßige und treugemäße Behandlung Durch die Mitgliedschaft in der Gesellschaft bedingt ist schließlich auch das Recht jedes Aktionärs, von der Gesellschaft Gleichbehandlung (§ 5 3 a ) und treugemäßen Umgang einzufordern. Die Gesellschaft ist danach verpflichtet, ihren Aktionären die ungehinderte Ausübung der mitgliedschaftlichen Rechte zu ermöglichen und deren Beeinträchtigung zu unterlassen (vgl auch Anh § 53 a Rdn 55, 87 ff). Ein der Gleichstellung im Verhältnis zu den Mitaktionären dienendes oder sonst interessengerechtes Anliegen eines Aktionärs darf die Gesellschaft nur zurückweisen, falls die Erfüllung tatsächlich unmöglich oder rechtlich verboten oder eine Ablehnung sachlich gerechtfertigt ist (vgl zudem § 5 3 a Rdn 7 0 ff, 128 ff).

41

IV. Dauer aktienrechtlicher Pflichten und Rechte 1. Beginn Mit der Übernahme des Anteils bei Gründung bzw Zeichnung im Rahmen einer Kapitalmaßnahme, die neue Aktien schafft, sind für den Übernehmer/Zeichner dieser Mitgliedschaft die gesellschaftsrechtlichen Pflichten und Rechte existent. Weiter gehend wird im Schrifttum erwogen, der mitgliedschaftlichen Treuepflicht bereits eine Vorwirkung zuzuerkennen, mit der Folge, dass sich schon in dem dem Mitgliedschaftserwerb vorgelagerten Stadium gewisse Verhaltenspflichten ableiten lassen; 7 9 das ist auf Kritik gestoßen, scheint jedoch nicht ausgeschlossen (näher Anh § 5 3 a Rdn 4 0 f mwN).

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2. Ende Dem Grundsatz nach enden mit der Mitgliedschaft auch die aus ihr fließenden mitgliedschaftlichen Pflichten und Rechte. Durch Übertragung der Mitgliedschaft wird der Rechtsnachfolger auch Einlageschuldner (näher § 5 4 Rdn 17 ff).

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Allerdings kann den vormaligen Aktionär aus dem Gesichtspunkt des § 63 Abs 2 oder 3 eine über den - veräußerungs- oder kaduzierungsbedingten 8 0 - Mitgliedschaftswechsel hinweg bestehende Leistungspflicht treffen, wenn in seiner Person die Tatbe-

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Hüffer6 S 101 Rdn 8; KK-Kraft 2 § 11 Rdn 16. Vgl insoweit Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 21 I 2, S 602 f mwN. So namentlich im Fall des § 101 Abs 2 S 1 Fall 1; vgl dazu Hüffer6 § 101 Rdn 8.

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80

Brändel in: Großkomm 4 ξ 11 Rdn 11 aE; Bungeroth in: MünchKomm2 Rdn 15. Siehe va Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen (1999), passim. Vgl Gehrlein in: Großkomm 4 § 64 Rdn 43 mwN.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

Vor §§ 53 a - 7 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Standsvoraussetzungen dieser Sanktionsvorschriften eingetreten waren. 8 1 Anknüpfend an die frühere Aktionärseigenschaft kann im Übrigen den Veräußerer einer Aktie, auf die die Einlage nicht oder nicht voll geleistet ist, auch nach dem durch die Veräußerung bewirkten Ende seiner Mitgliedschaft (Rdn 23) im Fall der Kaduzierung der Aktien beim Nachmann (§ 64) eine Leistungspflicht nach § 65 Abs 1 S 1 treffen. Trotz Veräußerung der Mitgliedschaft löst sich ferner vom Inferenten einer Sacheinlage nicht die Pflicht zur Einbringung der Sache als Einlagegegenstand (§ 54 Rdn 31); auf den Erwerber als nunmehriges Mitglied geht als Teil der Mitgliedschaft lediglich die von der Sacheinlagepflicht überlagerte Barzahlungspflicht über, die sich in der Person des jetzigen Mitgliedschaftsinhabers im Falle von Störungen bei der Sacheinbringung aktualisieren kann (§ 5 4 Rdn 13, 32). 45

Es bleibt auch derjenige trotz Veräußerung seiner Mitgliedschaft zur Leistung verpflichtet, für den bereits davor eine nach § 55 Abs 1 zu erbringende Nebenleistung oder ihretwegen nach § 5 5 Abs 2 eine Vertragsstrafe fällig geworden war. Als in der Mitgliedschaft wurzelnde Pflicht treffen den Rechtsnachfolger ab dem Übertragungszeitpunkt alle noch nicht fälligen Nebenleistungen; aus der erworbenen Mitgliedschaft folgt aber für den (neuen) Inhaber nicht die Pflicht zur Erbringung rückständiger Nebenleistungen. 8 2

46

Selbstverständlich ist schließlich, dass echte Gläubigerrechte des Aktionärs, die schuldrechtlichen Charakter haben, einen in der Person des Aktionärs eintretenden Verlust der Mitgliedschaft überdauern. Persönliche Rechte können nicht durch Übertragung der Mitgliedschaft transportiert werden. Das gilt auch dann, wenn ein Mitgliedschafts(stamm)recht ihren Ursprung gebildet hatte. Somit verbleibt der konkrete Gewinnauszahlungsanspruch (vgl Rdn 17), solange er nicht selbst nach den für ihn geltenden Regeln übertragen wird, auch dann bei demjenigen, in dessen Person er entstanden ist, wenn die Aktionärsstellung durch Veräußerung der Mitgliedschaft bereits einer anderen Person zugeordnet ist. 8 3 3. Ruhen

47

Zeitweilig stehen dem Inhaber der Mitgliedschaft, ohne dass er dabei die Mitgliedschaft verliert, die in ihr gebündelten aktienrechtlichen Rechte nicht zu, wenn sie ruhen. Diese für die mitgliedschaftlichen Rechte neutralisierende Wirkung ordnet das Gesetz zB in den §§ 2 0 Abs 7, 21 Abs 4 , 71b, 71d S 4 a n . 8 4

V. Das Rechtsverhältnis zwischen den Aktionären 1. Mitgliedschaftliche Bindung (Treuepflicht) 48

Das Aktiengesetz drückt nicht aus, dass zwischen den einzelnen Aktionären dadurch, dass alle an demselben Verband teilhaben, eine durch die Mitgliedschaften vermittelte Bindung rechtlicher Art besteht. Früher war daher die Ansicht verbreitet, zwischen den Aktionären bestünde keine gesellschaftsrechtliche Beziehung. 85 Allerdings ist diese Sicht-

81

82

Dazu BGHZ 122, 180, 202 f; Gehrlein in: Großkomm 4 § 63 Rdn 13 f; Bayer in: MünchKomm2 § 63 Rdn 19 f. KK-Lutter 1 § 55 Rdn 23; Hüffer6 % 55 Rdn 7; Bungeroth in: MünchKomm2 § 55 Rdn 21.

83

84 85

Vgl auch Heider in: MünchKomm2 § 11 Rdn 20, 23. Vgl ferner § 328 Abs 1. So etwa noch Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Vor § 53a Rdn 22 ff mwN.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Vor § § 5 3 a—75

weise überholt. Von der Rechtsprechung und hLit ist heute anerkannt, dass unter den Aktionären als Ausfluss ihrer mitgliedschaftlichen Beteiligungen eine Treuepflicht existiert (Anh § 53 a Rdn 3, 5, 21, 27, 52, 57 mwN). 8 6 Die Aktionäre sind daher gegenüber einander gehalten, bei der Ausübung von Mitgliedsrechten die Schranken nicht zu überschreiten, die sich mit angemessener Rücksicht auf die Mitaktionäre aus dem Verbot einer willkürlichen oder unverhältnismäßigen Rechtsausübung ergeben. 2. Schuldrechtliche Bindungen Die Aktionäre können neben der ihnen gemeinsamen Teilhabe an der Gesellschaft zudem - wie Dritte - untereinander schuldrechtliche Bindungen eingehen. Mögen in diesem Sinne auch mehrere oder alle Aktionäre sich an einem Geflecht schuldrechtlicher Beziehungen beteiligt haben, so sind die Beteiligten im Verhältnis zueinander aber stets „Vertragspartner", nicht „Mitglieder". Der nichtkorporative Charakter einer solchen Absprache ändert sich auch nicht dadurch, 87 dass ihr Zweck - praktisch zB in der Form von Stimmbindungsverträgen 88 - inhaltlich gesellschaftsbezogen ist und/oder der äußeren Form nach eine schriftliche Niederlegung in der Satzungsurkunde erfolgt (satzungsergänzende Nebenabreden; § 54 Rdn 53 ff mwN). Allerdings hat der B G H 8 9 - streitig danach die obergerichtliche Rechtsprechung 90 - zum Recht der GmbH die Möglichkeit bejaht, dass bei Bindung sämtlicher Gesellschafter an eine satzungsbezogene Nebenabrede ausnahmsweise die durch einen Gesellschafterbeschluss vorgenommene Verletzung dieser Abrede insofern auf die korporative Ebene durchschlagen soll, als der Beschluss entsprechend § 243 Abs 1 angefochten werden könne. 91

49

VI. Eigenkapitalbildung und -erhaltung als gläubigerschützende Elemente der Finanzverfassung der AG Das geltende Recht schreibt ein System des fixen Nennkapitals fest (Grundkapital) 92 . Die Sicherung der realen Vermögensbildung bei der Gründung (Kapitalaufbringung) und die funktionale Fortsetzung dessen im Sinne der Bindung dieses Vermögens in der lebenden Gesellschaft (Kapitalerhaltung) sind nach der Konzeption des deutschen Aktienrechts tragende Prinzipien für das Funktionieren der im Wirtschaftsprozess befindlichen

86

BGHZ 129, 136, 148 [„Girmes/Effectenspiegel"]; vgl im Übrigen allgemein zu dem Gedanken, dass die Mitgliedschaft als Rechtsverhältnis eine Sonderrechtsbeziehung auch unter den Mitgliedern selbst begründet, Lutter AcP 180 (1980), 84, 122 ff.

87

Siehe Heider in: MünchKomm 2 § 12 Rdn 21. Gesellschaftsrechtliche Schranke aber in § 136 Abs 2. BGH NJW 1983, 1910, 1911; 1987, 1890, 1892. Dem BGH jetzt folgend OLG Hamm N Z G 2 0 0 0 , 1036, 1037 = GmbHR 2 0 0 0 , 673, 674; aA OLG Stuttgart BB 2001, 794, 7 9 7 f; kritisch auch noch OLG Hamm ZIP 1986, 1188, 1191.

88

89

90

91

Westermann, GesR 1995, RWS-Forum 8 (1996), S 113, 119 ff; Michalski GmbHG, Bd I (2002), § 3 Rdn 7 9 mwN; Scholz/ H Winter GmbHG 9 § 14 Rdn 15 und Κ Schmidt ebd, § 45 Rdn 116; ders in: Großkomm 4 § 2 4 3 Rdn 19 f und ders GesR 4 (2002), § 5 I 5, S 93 ff; Pentz in: MünchKomm 2 § 2 3 Rdn 194; Hüffer6 § 243 Rdn 10 und ders in: MünchKomm 2 S 2 4 3 Rdn 2 3 f; Henze in: Großkomm 4 § 54 Rdn 6 4 mwN; Raiser Kapitalgesellschaften 3 (2001), § 16 Rdn 166; Habersack Z H R 164 (2000), 1, 10 f. 92

Siehe dazu Brändel in: Großkomm 4 § 1 Rdn 74 ff; Heider in: MünchKomm 2 § 1 Rdn 84 ff.

Siehe zum Ganzen Goette in: Henze/Timm/

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Hartwig Henze/Richard L. Notz

50

V o r § § 5 3 a—75

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Gesellschaft. Über diese Grundsätze der ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung und die Reichweite der Kapitalerhaltung enthält der Dritte Teil des Ersten Buches Vorschriften von entscheidender Bedeutung. Der Gesetzgeber verankert damit das interessengerechte Gegenstück zu der an die Spitze des Aktiengesetzes gestellten und das Wesen der Gesellschaft bestimmenden Regelung, nach der das persönliche, von der Gesellschaft zu trennende Vermögen der Aktionäre dem Zugriff der Gesellschaftsgläubiger verschlossen ist (§ 1 Abs 1): Können diejenigen, die durch rechtsgeschäftliche Aktivität ein finanzielles Risiko in der Gesellschaft eingehen (Gesellschaftsgläubiger), dieses Risiko nicht über eine persönliche Haftung der Anteilseigner abfedern, muss ihnen ein anderer Haftungsfonds dafür zur Verfügung gestellt werden. 51

Das System der Kapitalaufbringung und -erhaltung dient mithin in erster Linie dem Gläubigerschutz. Zu seiner praktisch möglichst effektiven Ausgestaltung muss das Gesetz in dieser Hinsicht erstens gewährleisten, dass die von den Aktionären durch Einlagen aufzubringenden Mittel tatsächlich und in vollem Umfang dem Gesellschaftsvermögen zugeführt werden. Zweitens ist es im Anschluss daran unerlässlich, eine Aufzehrung dieses Haftungsfonds zu verhindern, die in der Binnensphäre der Gesellschaft durch unkontrollierte Zuwendung von Mitteln seitens der Gesellschaft an ihre Aktionäre droht. 52 Das Gesetz fordert die satzungsmäßige Festlegung (§ 23 Abs 3 Nr 3) eines in Aktien zerlegten (§§ 1 Abs 2, 23 Abs 3 Nr 4), festen Nennkapitals (Grundkapital), dessen Höhe mindestens 50000 Euro betragen muss (§§ 6, 7). Der Sicherung der Aufbringung des Grundkapitals dienen aus dem Dritten Teil die Vorschriften in den §§ 54, 56, 63-65, 66 Abs 1 und 71 Abs 2 S 3. Die gleiche Zielrichtung verfolgen außerhalb des Dritten Teils außerdem die Verpflichtung der Gründer zur Übernahme sämtlicher Aktien ( § § 2 3 Abs 2 Nr 2, 29), das gemäß § 9 Abs 1 geltende Verbot einer Emission unter pari (Disagioverbot), die Vorgaben in § 27 hinsichtlich unbarer Einlagegegenstände (samt der einen Umgehungsschutz bewirkenden analogen Anwendung im Falle so genannter „verdeckter Sacheinlagen" 93 und der Bardeckungspflicht entsprechend § 9 GmbHG 9 4 ) sowie die §§ 32-38 mit ihren Bestimmungen zur notwendigen Prüfung und dem Kriterium endgültig freier Verfügbarkeit der eingebrachten Gegenstände und schließlich die Gründerhaftung nach § 46. 53

Nicht nur dieses aufzubringende Grundkapital, sondern das gesellschaftseigene Vermögen als solches unterliegt sodann dem Grundsatz der Kapitalerhaltung. Damit gilt ein umfassendes Prinzip der Vermögensbindung ( § 5 7 Rdn 4, 8 ff). Ausdruck gefunden hat dies im Dritten Teil in den Vorschriften der §§ 57-62, 66 Abs 2 und in den §§ 71-71 e 95 sowie in der richterrechtlichen Figur eigenkapitalersetzender Aktionärskredite 96 . An die Aktionäre ausgeschüttet werden darf nur derjenige Teil des Gesellschaftsvermögens, der aus dem Bilanzgewinn hierfür vorgesehen ist (§§ 57 Abs 3, 58 Abs 4, 174 Abs 2 Nr 2). Ausnahmsweise durchbrochen wird dieses Prinzip der Vermögensbindung selten (§ 57 Rdn 182 ff), so etwa im Vertrags- oder Eingliederungskonzern: Dort wird zwar die Vermögensbindung suspendiert (§§ 291 Abs 3, 323 Abs 2), diese Schwächung wird indessen

93

94

Dazu BGHZ 110, 47 [„IBH/Lemmerz"]; 118, 83 [,,BuM"] ; 132, 133 und 141; 155, 329 mwN; zudem Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 29 II 1 c, S 886 ff mwN. AllgM; BGHZ 64, 52; 118, 83, 101; Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 20 III 4 a, S 584 f mwN.

95

96

Vgl Oechsler in: MünchKomm 2 S 71 Rdn 19; Κ Schmidt GesR 4 (2002), S 29 II 2 c, S 894. BGHZ 90, 381 [„BiiM/WestLB"]; ausführlich Herne in: Großkomm 4 § 57 Rdn 98 ff, 144 mwN.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Vor §§ S3 a - 7 5

wiederum durch Spezialregelungen kompensiert (§§ 3 0 0 - 3 0 3 , 321 f). Außerhalb des Dritten Teils finden sich Bestimmungen, die als ergänzende Elemente der Kapitalerhaltung verstanden werden können, zum einen in den Vorschriften über gesetzlich vorgeschriebene Rücklagen (§ 150 AktG, § 2 7 2 HGB) und zum anderen in den Vorschriften über die Wertansätze in der Bilanz, wonach es grundsätzlich unzulässig ist, Aktiva überoder Passiva unterzubewerten (vgl §§ 2 5 2 ff HGB). Einen vollständigen Schutz der Gesellschaftsgläubiger enthalten die Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsgrundsätze allerdings nicht. Denn sie betreffen allein die Sphäre zwischen der AG und ihren Anteilseignern. Insbesondere hat § 5 7 zwar die Grenzlinie im Auge, über die hinweg es nicht zu Vermögensverlagerungen zugunsten der Aktionäre (oder ihnen gleichzustellender Personen) 9 7 außerhalb von Gewinnausschüttungen kommen darf; die Vorschrift schirmt die Gesellschaft jedoch in keiner Weise vor den äußeren Gefahren des Wettbewerbs oder einem Missmanagement auf der Verwaltungsebene ab. Weder die Einlagenerbringung noch die Vermögensbindung schützen die Gesellschaftsgläubiger davor, dass nicht dennoch das ihnen als Risikopuffer dienende Kapital der Gesellschaft infolge des mit jeder wirtschaftlichen Tätigkeit typischerweise verbundenen Verlustrisikos bzw infolge fehlerhafter Unternehmensleitung verloren geht. Den Gläubigerschutz in diesem Sinne fördern deshalb die §§ 91, 9 2 .

54

De lege lata zeigt sich das beschriebene System eines festen Nennkapitals immer noch als die zentrale Idee des Gläubigerschutzes. Im Schrifttum einst gelobt als die ideale Verbindung der persönlichen Entlastung der Gesellschafter mit der Sicherung der Kreditwürdigkeit des Unternehmens, 9 8 sieht sich diese Idee jedoch in jüngerer Zeit vermehrt Kritik ausgesetzt." Vielfach wird heute die Funktionstüchtigkeit des herkömmlichen Systems bezweifelt, 100 nicht nur in Deutschland; 1 0 1 auf europäischer Ebene deuten die Zeichen derzeit auf eine Distanzierung von dem das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht prägenden System des gesetzlichen (Nenn-)Kapitalschutzes. 102 Ein vornehmliches - inso-

55

97

Dazu Henze in: G r o ß k o m m 4 § 5 7 Rdn 8 0 ff.

98

Wiedemann S 5 5 7 f.

99

Mehrfach und dabei oft mit Blick auf die USA Kübler. Unternehmensfinanzierung ( 1 9 8 9 ) , S 2 9 ff, 61 f; W M 1 9 9 0 , 1 8 5 3 , 1 8 5 5 ff; Z H R 159 ( 1 9 9 5 ) , 5 5 0 ff; zuletzt in: H o p t / W y m e e r s c h , Capital Markets and Company L a w ( 2 0 0 3 ) , S 95. Außerdem Bauer Gläubigerschutz durch Nennkapitalziffer ( 1 9 9 5 ) , S 331 ff; Escher-Weingart Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht ( 2 0 0 1 ) , S 119 ff; S Y M P O S I U M Unternehmensfinanzierung und gesetzliches Grundkapital in Europa in: AG 1 9 9 8 , 3 4 5 ff; Bachmann Z G R 2 0 0 1 , 351, 3 6 5 ff m w N ; vgl auch Hirte KapitalgesR 4 ( 2 0 0 3 ) , Rdn 5 . 2 3 ff sowie die ausführlichen Beiträge von Merkt Z G R 2 0 0 4 , 3 0 5 ff; Mülbert Der Konzern 2 0 0 4 , 151 ff und Schön Der Konzern 2 0 0 4 , 1 6 2 ff, je m w N .

100

(19)

101

Aus dem ausländischen Schrifttum Kahan in: H o p t / W y m e e r s c h , Capital Markets and Company Law ( 2 0 0 3 ) , S 1 4 5 ; Wymeersch in: Erster Europäischer Juristentag 2 0 0 1 , Referate 2 ( 2 0 0 2 ) , S 8 6 , 1 2 6 ff; Enriques/ Macey Cornell L. Rev. 8 6 ( 2 0 0 1 ) , 1 1 6 5 ; Cheffins Company Law: Theory, Structure and Operation ( 1 9 9 7 ) , S 5 2 1 ff; Armour Modern L. Rev. 6 3 ( 2 0 0 0 ) 3 5 5 .

102

Eingehend zum Diskurs über den Kapitalschutz in Europa Merkt Z G R 2 0 0 4 , 3 0 5 ff m w N . Siehe überdies den Bericht der High Level Group of Company Law Experts vom 4 . 11. 2 0 0 2 , Chapter IV, S 1 3 - 1 6 und 7 8 - 9 3 (hiergegen die Stellungnahme der Group of German Experts on Corporate Law vom

GesR I ( 1 9 8 0 ) , § 10 IV 1 b,

Siehe neben N a c h w in Fn 9 9 auch bei Fleischer Z G R 2 0 0 1 , 1, 12; vgl zudem Hopt FS Westermann ( 2 0 0 2 ) , S 1013, 1018.

1. 5. 2 0 0 3 , ZIP 2 0 0 3 , 8 6 3 , 8 7 2 , 8 7 4 und vgl zuvor bereits ZIP 2 0 0 2 , 1310, 1316 ff) sowie den Aktionsplan der EU-Kommission vom 21. 5. 2 0 0 3 , C O M [ 2 0 0 3 ] 2 8 4 endgültig, 3.2., S 17 f (hiergegen Stellungnahme DAVHandelsrechtsausschuss ZIP 2 0 0 3 , 1 9 0 9 , 1912; vgl ferner Maul/Lanfermann/Eggenhofer BB 2 0 0 3 , 1 2 8 9 ) . Bemerkenswert

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§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

fern freilich nicht neues 1 0 3 - Problem dieses Systems besteht darin, dass das Gesetz nur eine Mindestziííer vorsieht, nicht aber zu einer dem Risikovolumen des tatsächlich praktizierten Geschäftsumfanges oder -typs angemessenen Kapitalausstattung zwingt. Für das Recht der GmbH ist die Tendenz erkennbar, dass im Zuge einer weiteren Europäisierung/ Internationalisierung des Gesellschaftsrechts das System eines festen Nennkapitals (vgl §§ 3 Abs 1 Nr 3, 5 Abs 1 HS 1 GmbHG) fallen könnte 1 0 4 und künftig ein Übergang zu anderen Ausschüttungsbegrenzungsregeln stattfinden wird. 1 0 5 Ob, wie und wann solche Bestrebungen de lege ferenda für die AG ganz konkret werden könnten, zeichnet sich gegenwärtig nicht ab.

§ 53a Gleichbehandlung der Aktionäre Aktionäre sind unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln. Übersicht Rdn I. Einführung 1. Gesetzesgeschichte/Rechtsentwicklung 2. Regelungsgegenstand und Bedeutung der Vorschrift 3. Grundsätzliche Gleichbehandlung als Ausprägung einer allgemeinen Treubindung 4. Der Gleichbehandlungsgedanke als Rechtsprinzip in weiteren Bereichen des Rechts a) Vergleich und Verhältnis von § 53 a AktG zu Art 3 GG b) Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz c) Bedeutung von § 3 Abs 1 WpÜG d) Bedeutung von § 39 Abs 1 Nr 1 BörsG II. Geltungsgrand des Gleichbehandlungsprinzips III. Rechtsnatur des § 53 a

Rdn IV. Zweck und Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes; Willkürverbot . . . . V. Reichweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes 1. Adressat der Regelung 2. Beschränkung auf den mitgliedschaftlichen Bereich a) Ausgangspunkt b) Typik aa) Eigene Aktien (1) Erwerb (2) Veräußerung bb) Weitere Einzelfälle c) Echte Dritte d) Gesellschaftergleiche Personen . . e) Schuldrechtlicher Individualrechtsverkehr mit dem Aktionär . . . . f) Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern 3. Zeitlicher Geltungsbereich 4. Geltung für die öffentliche Hand . .

1 4

7

9 9 12 13 14 15 19

ist in diesem Z u s a m m e n h a n g schließlich, dass der Entscheidung „Inspire Art" (NJW 2 0 0 3 , 3 3 3 1 ) e n t n o m m e n werden kann, dass der E u G H aus d e m Gesichtspunkt eines hinreichenden Schutzes der Vertragsgläubiger einer Kapitalgesellschaft das Erfordernis eines festen Nennkapitals für verzichtbar hält, indem er nicht das gesellschaftsrechtliche Konzept eines gesetzlichen Kapitalschutzes, sondern ein kapitalmarktrechtliches Publizitäts- b z w Informationsmodell favorisiert.

103

V g l

Wiedemann

d b

1993,

141,

147

26 29 29 31 31 32 32 33 35 36 39 40 41 43 44 46

wie

schon ders GesR I (1980), § 10 IV 3, S 565: Mindestkapitalziffer als „Seriösitätsschwelle", deren Erfüllung die „Eintrittskarte zur Gesellschaft mit Haftungsprivileg" bedeutet. 104

In Frankreich ist dies schon geschehen, indem der nationale Gesetzgeber das M i n destkapital für die s.r.l. abgeschafft hat (vgl bei Merkt Z G R 2 0 0 4 , 3 0 5 , 317).

105

Vgi

MichalskiJFleischer G m b H G , Bd I ( 2 0 0 2 ) , Syst Darst 6, R d n 81, 8 7 f m w N .

Stand: 1. 7. 2004

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

Übersicht Rdn VI. Die Maßstäbe gleichmäßiger Behandlung 1. Hauptrechte: Höhe des Anteils am Grundkapital 2. Nebenrechte: Zuteilung nach Köpfen 3. Spezialgesetzliche Maßstäbe . . . . 4. Privatautonome Maßstäbe VII. Erscheinungsformen ungleicher Behandlung 1. Formale Ungleichbehandlung . . . . 2. Materielle Ungleichbehandlung . . . VOI. Zulässige Ungleichbehandlung 1. Begriffsbestimmung/Ausgangspunkt 2. Prinzip der relativen Gleichheit . . . 3. Sachliche Rechtfertigung a) Voraussetzungen b) Einzelfälle; Beispiele c) Sonderfall: Höchststimmrecht . . 4. Differenzierung durch die Satzung . a) Ausgangspunkt b) Gestaltungsfreiheit in der Gründungssatzung aa) Unterschiedliche Rechte und Pflichten bb) Unterschiedlicher Verteilungsmaßstab c) Grenzen der Satzungsautonomie bei Satzungsänderung 5. Verzicht des Aktionärs auf gleiche Behandlung a) Möglichkeit eines Verzichts . . . aa) Situationsbezogener Einzelverzicht bb) Pauschalverzicht; abstrakter Verzicht b) Verzichtserklärung IX. Grenzüberschreitende Gleichbehandlung; auslandsbedingte Ungleichbehandlung 1. Sprache 2. Wahrung von Rechten und Interessen der Aktionäre im Ausland X. Rechtsfolgen für gleichbehandlungswidrige Hauptversammlungsbeschlüsse 1. Grundsatz 2. Ausnahme XI. Rechtsfolgen für gleichbehandlungswidriges Handeln der Verwaltung 1. Ausgangspunkt

50 52 54 61

63 64 68 69 70 70 74 82 84 84 86 86 88 89 93 93 93 95 96

97 100

110 113

115

2. Einzelfälle rechtlichen Handelns a) Erwerb eigener Aktien b) Vermögenszuwendungen . . . . c) Beendigung der Aktionärsstellung durch Vorstandsentscheidung d) Kraftloserklärung von Aktien durch die AG e) Entscheidungen des Aufsichtsrats f) Einforderung der Einlagen . . . g) Zustimmung zur Veräußerung vinkulierter Namensaktien . . . h) Festsetzung des Ausgabekurses für neue Aktien i) Zuteilung neuer Aktien 3. Faktische Maßnahmen; Sofortvollzug XII. Rechte benachteiligter Aktionäre wegen Verletzung des § 53 a 1. Ausgangspunkt 2. Gleichstellungsanspruch aus § 53 a . a) Grundsatz b) Einschränkungen aa) Grenze des tatsächlich Möglichen bb) Grenze des rechtlich Zulässigen c) Anwendungsfälle aa) Auskunftserteilung nach § 131 Abs 4 bb) Zustimmungspflicht im Rahmen des § 68 Abs 2 S 1 . cc) Worterteilung; Rede- und Fragerecht dd) Hauptversammlungsprotokolle d) Grenzfälle aa) Zuwendung geldwerter Vorteile bb) Erwerb eigener Aktien . . . . cc) Begebung einer Anleihe . . . 3. Leistungsverweigerungsrecht . . . . 4. Schadensersatzansprüche XIII. Beweislast XIV. Gleichbehandlung im Unternehmensverbund 1. Ausgangspunkt 2. Sonderregelungen a) Beherrschungsvertrag b) Gewinnabführungsvertrag . . . . c) Eingliederung d) Faktischer Konzern Anhang zu § 53 a: Treuepflicht

Rdn 116 116 117 119 120 121 122 123 124 125 126

127 128 128 129 129 130 131 131 133 135 136 137 137 146 148 151 152 155

158 159 160 162 163 164

Schrifttum Aha Die Cross-Border Rules der SEC und ihre Bedeutung für das deutsche Kapitalmarktrecht, AG 2 0 0 2 , 313; Baums Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001); Bodenheimer D a s Gleichheitsprinzip im Aktienrecht (1933); Bungert/Paschos American Depositary Receipts: Gestaltungspotentiale, kollisionsrechtliche und aktienrechtliche Aspekte, D Z W i r 1995, 2 2 1 ; Bydlinski Methodenlehre und Rechtsbegriff 2 (1991); Canaris Die Bedeutung der iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht, in: Sitzungsberichte der Bayerischen A k a d e m i e der Wissenschaf-

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H a r t w i g H e n z e / R i c h a r d L. N o t z

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

ten, 1997, Heft 7; Cohn Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Mitglieder im Verbandsrecht, AcP 132 (1930), 129; Duden Gleichbehandlung bei Auskünften an Aktionäre, in: FS ν Caemmerer (1978), S 499; Ebenroth/Miiller Die Beeinträchtigung der Aktionärsinteressen bei teilweisem Bezugsrechtsausschluss auf Genussrechte, BB 1993, 509; Escher-Weingart Die Zuteilung von Aktien beim „going public" - Gleiches Recht für alle?, AG 2 0 0 0 , 164; ν Falkenhausen Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften (1967); R Fischer Fragen aus dem Recht der GmbH, J Z 1956, 362; Fraune Börsennotierung deutscher Aktiengesellschaften in den USA, RIW 1994, 126; Fritzsche Besprechung von Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, Aktiengesetz (Kommentar), W M 1984, 858; Gamerdinger/Saupe Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen in der Bundesrepublik, AG 1976, 29; Ganske Das Zweite gesellschaftsrechtliche Koordinierungsgesetz vom 13. Dezember 1978, DB 1978, 2461; Grüner Zeitliche Einschränkung des Rede- und Fragerechts auf Hauptversammlungen, N Z G 2000, 770; Grunewald Was bringt der Vorschlag einer 13. EG-Richtlinie über Übernahmeangebote für das deutsche Recht?, W M 1989, 1233; Haberlandt Aktienrechtliche Maßnahmen zur Abwehr unerwünschter Beteiligungen, BB 1975, 353; Henn Die Gleichbehandlung der Aktionäre in Theorie und Praxis, AG 1985, 240; ders Handbuch des Aktienrechts 7 (2002); Henze Aktienrecht - Höchstrichterliche Rechtsprechung 5 (2002); Hillebrandt/Schremper Analyse des Gleichbehandlungsgrundsatzes beim Rückkauf von Vorzugsaktien, BB 2001, 533; Hirte Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung (1986); Hoffmann-Becking Das erweiterte Auskunftsrecht des Aktionärs nach § 131 Abs 4 AktG, in: FS Rowedder (1994), S 155; Hölters Stimmrechtsbeschränkungen als Schutz vor Überfremdung, DB 1975, 917; Honsell Iustitia distributiva - iustitia commutativa, in: FS Mayer-Maly (2002), S 287; Hopt Übernahmeangebote im europäischen Recht, in: FS F Rittner (1991), S 187; A Hueck Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen bei Aktiengesellschaften (1924); G Hueck Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht (1958); ders/Windbichler Gesellschaftsrecht 20 (20 03); Hiiffer Zur Zulässigkeit einer nachträglichen Stimmrechtsbeschränkung, AG 1976, 293; ders Harmonisierung des aktienrechtlichen Kapitalschutzes, NJW 1979, 1065; ders Zur Darlegungs- und Beweislast bei der aktienrechtlichen Anfechtungsklage, in: FS Fleck, Z G R Sonderheft 7 (1988), S 151; lmmenga Grenzen einer nachträglichen Einführung von Stimmrechtsbeschränkungen, BB 1975, 1042; ders Zur Zulässigkeit einer nachträglichen Stimmrechtsbeschränkung, AG 1976, 293; ders Vertragliche Vinkulierungen von Aktien, AG 1992, 79; Joussen Auskunftspflicht des Vorstandes nach § 131 AktG und Insiderrecht, DB 1994, 2485; Kiem Die Stellung der Vorzugsaktionäre bei Umwandlungsmaßnahmen, ZIP 1997, 1627; ders Der Erwerb eigener Aktien bei der kleinen AG, ZIP 2 0 0 0 , 209; Krömker Der Anspruch des Paketaktionärs auf Informationsoffenbarung zum Zwecke der Due Diligence, NZG 2003, 418; Kropff Aktiengesetz 1965; Linker/Zinger Rechte und Pflichten der Organe einer Aktiengesellschaft bei der Weitergabe vertraulicher Unternehmensinformationen, N Z G 2 0 0 2 , 497; Lutter Zur Europäisierung des deutschen Aktienrechts, in: FS Ferid (1978), S 599; ders Die entgeltliche Ablösung von Anfechtungsrechten Gedanken zur aktiven Gleichbehandlung im Aktienrecht, Z G R 1978, 347; ders Materielle und förmliche Erfordernisse eines Bezugsrechtsausschlusses, Z G R 1979, 401; ders Zur Abwehr räuberischer Aktionäre, in: FS 4 0 Jahre Der Betrieb (1988), 193; ders Die Rechte und Pflichten des Vorstandes bei der Übertragung vinkulierter Namensaktien, AG 1992, 369; ders Aktienerwerb von Rechts wegen: Aber welche Aktien?, in: FS Mestmäcker (1996), S 943; ders Due Diligence des Erwerbers beim Kauf einer Beteiligung, ZIP 1997, 613; ders/Grunewald Öffentliches Haushaltsrecht und privates Gesellschaftsrecht, W M 1984, 385; ders/U H Schneider Die Beteiligung von Ausländern an inländischen Aktiengesellschaften, Z G R 1975, 182; K-P Martens Der Ausschluss des Bezugsrechts, in: FS Fischer (1979), S 437; ders Eigene Aktien und Stock-Options in der Reform, AG 1997, Sonderheft [August 1997], S 83; H-J Mertens Zulässigkeit einer Ermächtigung des Vorstandes, Aktien mit einem Gewinnbezugsrecht für das abgelaufene Geschäftsjahr auszugeben?, in: FS Wiedemann (2002), S 1113; Kai Mertens Die Information des Erwerbers einer wesentlichen Unternehmensbeteiligung an einer Aktiengesellschaft durch deren Vorstand, AG 1997, 541; Mestmäcker Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre (1958); Meyerowitz Recht der Aktionäre auf gleichmäßige Behandlung (1932); Mülbert Übernahmerecht zwischen Kapitalmarktrecht und Aktien(konzern)recht, ZIP 2001, 1221; W Müller Zum Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Kapitalschutzrichtlinie), WPg 1978, 565; Müller-Erzbach Das private Recht der

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53a

Mitgliedschaft (1948); Paefgen Die Gleichbehandlung beim Aktienriickerwerb im Schnittfeld von Gesellschafts- und Übernahmerecht, ZIP 2 0 0 2 , 1 5 0 9 ; L Raiser Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, Z H R 111 (1948), 75; Tb Raiser Recht der Kapitalgesellschaften 3 (2001), § 12 VI; Reul Die Pflicht zur Gleichbehandlung der Aktionäre bei privaten Kontrolltransaktionen (1991); Schäfer Grundzüge des neuen Börsenrechts, ZIP 1987, 953; Κ Schmidt Gesellschaftsrecht 4 ( 2 0 0 2 ) ; Schockenhoff Gesellschaftsinteresse und Gleichbehandlung beim Bezugsrechtsausschluss (1988); Dirk Schroeder Nachträgliche Stimmrechtsbeschränkung - Vereinbarkeit mit dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, D B 1977, 197; ders D B 1978, 2 4 6 (Entscheidungsanmerkung); Ulrich Schroeder Darf der Vorstand der Aktiengesellschaft dem Aktienkäufer eine Due Diligence gestatten?, D B 1997, 2161; Seibert Der Ausschluss des Verbriefungsanspruches des Aktionärs in Gesetzgebung und Praxis, D B 1999, 2 6 7 ; Seibt Kapitalmarktrechtliche Überlegungen im Aktienrecht, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung [Hrsg], Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2 0 0 0 , Band 3 (2001), S 37; Stoffels Grenzen der Informationsweitergabe durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft im Rahmen einer „Due Diligence", Z H R 165 (2001), 3 6 2 ; Timm/Schöne Abfindung in Aktien: Das Gebot der Gattungsgleichheit, in: FS Kropff (1997), S 315; Voges Z u m Grundsatz der Gleichbehandlung im Aktienrecht, AG 1975, 197; Werner Einführung des Höchststimmrechts durch nachträgliche Satzungsänderung, AG 1975, 176; Η Ρ Westermann Zum Verhalten des Großaktionärs bei Umtauschangeboten gemäß § 3 0 5 AktG, AG 1 9 7 6 , 3 0 9 ; Wiedemann Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften (1965); ders Gesellschaftsrecht I (1980); ders Gerechtigkeit durch Gleichbehandlung, in: FS 5 0 Jahre Bundesarbeitsgericht ( 2 0 0 4 ) , S 2 6 5 ; Wiethölter Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft im amerikanischen und deutschen Recht (1961); Wirth/'Arnold Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien, Z G R 2 0 0 2 , 859; Würdinger Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen 4 (1981); Ziegler „Due Diligence" im Spannungsfeld zur Geheimhaltungspflicht von Geschäftsführern und Gesellschaftern, D S t R 2 0 0 0 , 2 4 9 ; Zöllner Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden (1963); ders Die sogenannten Gesellschafterklagen im Kapitalgesellschaftsrecht, Z G R 1988, 3 9 2 .

I. Einführung 1. Gesetzesgeschichte/Rechtsentwicklung Die Vorschrift des § 53 a wurde im Zuge der Gesetzesnovellen von 1978 mit Wirkung 1 zum 1. Juli 1979 ins Aktiengesetz eingefügt. Weder in einem der früheren aktiengesetzlichen Normkomplexe (ADHGB, H G B 1897, AktG 1937), noch in der ursprünglichen Fassung des AktG 1965, noch überhaupt im gesellschaftsrechtlichen Bereich des Privatrechts gab es zuvor eine gesetzliche Regelung über den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Vorschrift ist mit ihrer pointierten Aussage somit formell ohne Vorgänger. Aktiengesetzlich schimmerte das grundsätzliche Gebot gleichmäßiger Behandlung der Aktionäre ehemals immerhin in einzelnen Bereichen durch, sichtbar beispielsweise in § 12 Abs 1 S 1, § 6 0 Abs 1 und 2, § 131 Abs 4 S 1, § 134 Abs 1 S 1 und 5, § 186 Abs 1 S 1, § 212 S 1, § 271 Abs 2 und 3. Grund für die Schaffung des § 53 a und der darin erstmals enthaltenen ausdrückliehen Verankerung des Gleichbehandlungsgebotes im deutschen Aktiengesetz war die Umsetzung 1 von Art 4 2 der Zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften 2 . Die Mitgliedstaaten müssen danach durch Rechtsvorschriften „die

1 2

DurchfG ν 19. 12. 1978 (BGBl I, S 1959). 2. EG-Richtlinie ν 13. 12. 1976 (Kapitalschutzrichtlinie), ABl L Nr 2 6 / 1 ν 31. 1. 1977. Dass der Gleichbehandlungsgrundsatz hierdurch in den nationalen Rechtsordnungen

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verankert wurde, entsprach im Ursprung einem rechtlichen Anliegen Frankreichs (Claussen AG 1991, 15; Herrn Hdb A k t R 7 [ 2 0 0 2 ] , Rdn 21).

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§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Gleichbehandlung der Aktionäre sicherstellen, die sich in denselben Verhältnissen befind e n " . 3 Wenn § 5 3 a auch auf europäisches Recht zurückgeht, 4 beschränkt sich die Vorschrift nicht auf den begrenzten Anwendungsbereich der ihr zugrunde liegenden Richtlinie. 5 3

Materiell neues Recht wurde mit der Einführung von § 5 3 a nicht geschaffen. 6 Lediglich fixiert das Gesetz durch § 5 3 a bereichsspezifisch einen Grundsatz, der auch bereits zuvor als ungeschriebener, aber zentraler Rechtsgedanke sowohl im Schrifttum 7 als auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung 8 für das Gesellschaftsrecht sachlich seit langem anerkannt w a r . 9 Daher bedeutet die Normierung dieses Gedankens in der aktienrechtlichen Vorschrift des § 5 3 a insbesondere keine Änderung für die übrigen Bereiche des privaten Verbandsrechts, in denen eine entsprechende Vorschrift bis heute fehlt, sondern der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt ebenso für die anderen Gesellschaftsformen nach wie v o r ; 1 0 auch für die G m b H ist er fester Bestandteil des geltenden Rechts. 1 1 2 . Regelungsgegenstand und Bedeutung der Vorschrift

4

Im Sinne einer Generalklausel bringt § 5 3 a programmatisch den allgemeinen Gerechtigkeitsgedanken zum Ausdruck, dass Gleiches gleich zu behandeln ist, es sei denn, die Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt. 1 2 Dieser Gedanke ist im gesamten Korporationsrecht bereichsübergreifend gültig. Ein sachlicher Rechtsfortschritt ist mit der Kodifizierung dieses Grundsatzes nicht verbunden. Denn die N o r m ist mangels näherer inhaltlicher Konkretisierung ausfüllungsbedürftig, so wie vor Geltung der Vorschrift das

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5 6

7

8

9

Vgl dazu RegBegr BT-Drucks 8/1678, S 13. Zu deshalb möglichen Konsequenzen für die Auslegung der Vorschrift KK-Lutter 1 Vor § 53 a Rdn 17 und ders J Z 1992, 593 ff. Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 1. Hüffer6 Rdn 1; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 2; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 2; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 11; KK-Kraft2 $ 11 Rdn 8; Ganske DB 1978, 2461 f; Hüffer NJW 1979, 1065, 1068; Lutter FS Ferid (1978), S 599, 606; Raiser Kapitalgesellschaften 3 (2001), § 12 Rdn 55. G Hueck Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung (1958), S 35 ff, 44 ff; Zöllner Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S 301 ff; KK-Lutter2 Vor § 53 a Rdn 6; weitere Nachw bei KK-L«fter/Zöllner2 Rdn 2. RGZ 41, 97, 99; 52, 287, 293; 62, 56, 60; 112, 14, 18; BGHZ 33, 175, 186; 44, 245, 256; vgl nach Geltung des § 53 a ferner BGHZ 116, 359, 373; 120, 141, 150 f [„Bremer Bankverein"]. Vgl Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen (1999), § 3 I 3, S 55 f; Lehmann/ Dietz GesR 3 (1970), S 367; weitere Nachw bei Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 16 II 4 b, S 462 Fn 48; zum ausländischen Recht siehe

Wiedemann GesR I (1980), § 8 II 2, S 427 Fn 9. Die vereinzelt an der gefestigten hM zweifelnden Gegenstimmen ( Wiethölter Interessen und Organisation der AG [1961], S 103 ff, 108; Mestmäcker Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte [1958], S 151; vgl auch Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2) hatten sich nicht durchgesetzt. 10

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Vgl zu den Personenverbänden StaublUlmer GroßkommHGB 4 § 105 Rdn 252 ff; bsphaft auch BGH NZG 2002, 518 = DB 2002, 1041, 1042. AllgM; BGHZ 116, 359, 372 ff; Hachenburg/ Raiser GmbHG 8 § 14 Rdn 67 ff; Scholz/ Emmerich GmbHG 9 § 13 Rdn 41; Pentz in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4 § 13 Rdn 94 ff; Michalski GmbHG, Bd I (2002), S 13 Rdn 121 ff; Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 16 II 4 b, S 462. Zum Gleichheitssatz als allgemeinem Rechtsprinzip mit fundamentalem Charakter siehe Bydlinksi Rechtsgrundsätze (1988), S 84 ff, 199 ff; Sachs in: Isensee/Kirchhof, Hdb StaatsR 2 , Bd 5 (2000), § 127, S 1085 ff; Wiedemann FS 50 Jahre BAG (2004), S 265, 266 f mwN. Zum Gleichheitsgrundsatz im Vertragsrecht siehe ferner Canaris in: Bayerische Akademie der Wissenschaften, 1997, Heft 7.

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53a

ohnehin anerkannte Rechtsprinzip gleichmäßiger Behandlung (Rdn 3) stets einer einzelfallgerechten Konkretisierung bedurfte. In sachlicher Hinsicht ist § 53 a deshalb verzichtbar. 13 Selbst der Gesetzgeber hat keine Änderung des Rechtszustandes beabsichtigt, der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift herrschte. 14 Beizumessen ist der Vorschrift danach ein klarstellender Charakter. 15 Ihr Sinn liegt darin, dem gesetzgeberischen Interesse an möglichst weitgehender Transparenz der Rechtsordnung Rechnung zu tragen. 16 Dieses Ziel ist umso mehr erstrebenswert, als es sich hier um ein Rechtsprinzip von größter Bedeutung mit vielfältiger Ausstrahlung handelt, das (formell) nicht deutlich genug im Aktiengesetz ausgeprägt war und auch für verwandte Gesellschaftsformen, auf die im Rahmen der Rechtsanwendung hätte zurückgegriffen werden können, nicht kodifiziert ist. Ferner nimmt die lex scripta der Uneinigkeit (Rdn 16) das Streitpotential, das zuvor zur Begründung der allgemeinen Geltung des ungeschriebenen Rechtssatzes des Gleichbehandlungsgebotes vorhanden war.

5

Diese Zwecke sowie die mit der Schaffung des § 53 a verbundene Signalwirkung werden erreicht, obwohl die Gesetzesformulierung (... unter gleichen Voraussetzungen ...) unscharf ist. Es liegt indessen im Wesen solcher prinzipiellen Sätze, dass sie infolge allgemeinen Aussagecharakters einer gewissen Griffigkeit entbehren und erst durch sachgerechte Konkretisierung ihres Aussagekerns im Einzelfall handhabbar werden. Der Förderung gesetzlicher Transparenz steht dies jedoch nicht entgegen. 17

6

3. Grundsätzliche Gleichbehandlung als Ausprägung einer allgemeinen Treubindung Zum Zeitpunkt der Einführung des § 53 a lag der Stand gesellschaftsrechtlicher Dogmatik im Hinblick auf die Begründung, Anerkennung und Reichweite mitgliedschaftlicher Treuepflichten im Rahmen eines aktienrechtlichen Verbandes weit hinter dem heutigen Entwicklungsstand zurück. Zeitgemäß wird man der Ansicht folgen müssen, nach der § 53 a den Schutz, den die Vorschrift gewähren soll, allein nicht vollständig gewährleisten kann (Rdn 30), sondern erweiternd auf die Treuepflicht zurückgegriffen werden muss. Man mag deshalb begrifflich (noch) davon sprechen, dass die gesetzliche Generalklausel des Gleichbehandlungsprinzips einer „Ergänzung" durch die heute anerkannte (ungeschriebene) Generalklausel der Treuepflicht 18 erfahren muss. Das darf aber nicht den Blick darauf verstellen, dass sachlich die in der jüngsten Rechtsprechung 19 und auch im Schrifttum 20 vertretene Sichtweise zutrifft, die Figur der Treuepflicht als das um-

13

14 15

Ganz h M ; Hüffer6 Rdn 1; KK-Lutter/ Zöllner2 Rdn 2 ; Bungeroth in: MünchK o m m 2 Rdn 2 ; Ganske DB 1 9 7 8 , 2 4 6 1 f; Hüffer N J W 1979, 1065, 1 0 6 8 ; Lutter FS Ferid ( 1 9 7 8 ) , S 5 9 9 , 6 0 6 ; Würdinger AktienR 4 ( 1 9 8 1 ) , § 11 VI 2, S 5 2 .

16

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2 ; vgl auch Bungeroth in: MünchK o m m 2 Rdn 2 ; ähnlich Henn AG 1 9 8 5 , 2 4 0 , 243.

17

So zutreffend Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 2 ; aA Fritzsche W M 1 9 8 4 , 8 5 8 , 859.

BegrRegE BT-Drucks 8 / 1 6 7 8 , S 13. Statt aller Hüffer6 Rdn 1; Würdinger AktienR 4 ( 1 9 8 1 ) , § 11 VI 2 , S 5 2 . - Auswirkungen hat die Kodifizierung, da sie auf eine EG-Richtlinie zurückgeht (Rdn 2), jedoch insofern, als die Auslegung der N o r m seit dem gemeinschaftsrechtskonform und - über Art 2 4 3 E G - ggf nach Maßgabe der Rechtsprechung des E u G H zu erfolgen hat (Vor

18

Dazu ausführlich Anh § 5 3 a; zur Treuepflicht im Verhältnis zwischen AG und Aktionär vgl auch schon B G H Z 14, 2 5 , 38.

19

O L G Stuttgart AG 2 0 0 0 , 2 2 9 , 2 3 0 [rkr]: Gleichbehandlungsgebot als Ausfluss der Treupflicht.

20

Hüffer6 Rdn 14 iVm Rdn 2 a E ; Scholz/ Emmerich G m b H G 9 § 13 Rdn 41, 4 3 und H Winter ebd, § 14 Rdn 41 a E ; Pentz in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, G m b H G 4 § 13

§ 5 3 a Rdn 5).

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

fassendere Prinzip zu verstehen, das sich (unter anderem) im Verhältnis der Gesellschaft zu den Aktionären dahin auswirkt, dass die Gesellschaft ihre Gesellschafter unter gleichen Voraussetzungen gleich behandeln muss, während eine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung als ein die Treuepflicht verletzender W i l l k ü r a k t zu qualifizieren ist. 8

Auch wenn die Verflechtung zwischen den Grundsätzen der Treue und der Gleichbehandlung und ihr Verhältnis zueinander im Schrifttum zumeist noch nicht deutlich genug herausgestellt werden, ist jedenfalls im sachlichen Ausgangspunkt nicht zu erk e n n e n , dass beide Prinzipien isoliert nebeneinander stünden. Vielmehr sind beide Pflichten funktional v e r g l e i c h b a r 2 1 sowie desselben U r s p r u n g s 2 2 , wobei das Postulat der Gleichbehandlung im Sinne des Willkürverbots ( R d n 2 6 ff) nur eine von mehreren M a x i men ist, die für die Bewertung eines Eingriffs der Gesellschaft in das Mitgliedschaftsrecht eines Aktionärs als treuwidrig herangezogen werden k ö n n e n . Vor diesem Hintergrund wächst die Erkenntnis, dass eine selbständige Bedeutung des Gleichbehandlungsgebots neben einem umfassenden Prinzip mitgliedschaftlicher Treuepflichten nicht besteht: D a s Gleichbehandlungsgebot geht in dem allseits in der Gesellschaft herrschenden G e b o t treuepflichtwahrenden Verhaltens auf (Anh § 5 3 a R d n 2 2 ) . 2 3 D e m steht nicht entgegen, dass nicht die Treuepflicht, sondern der Gleichbehandlungsgrundsatz als einer ihrer Ausflüsse gesetzlich kodifiziert ist. D e n n § 5 3 a hat nur klarstellenden C h a r a k t e r (Rdn 5 ) . Die Kodifikation als solche bestimmt sachlich keine Rangfolge der beiden Prinzipien untereinander. Sie darf auch nicht dazu führen, den erläuterten Z u s a m m e n h a n g beider Prinzipien aus dem Blick zu verlieren. 2 4 4 . Der Gleichbehandlungsgedanke als Rechtsprinzip in weiteren Bereichen des Rechts a) Vergleich und Verhältnis von § 5 3 a A k t G zum verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (Art 3 G G ) 2 5

9

O h n e dass sich dies im N o r m t e x t des § 5 3 a niedergeschlagen hätte, soll ausweislich der Gesetzesmaterialien bei der aktienrechtlichen Vorschrift des § 5 3 a ein Bezug zum verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz des Art 3 G G bestehen; die Bestimmung sei an die Rechtsprechung des BVerfG zum W i l l k ü r v e r b o t des Art 3 G G a n g e l e h n t . 2 6 Tatsächlich

Rdn 96; ebenso Doralt/Winner in: MünchKoram 2 Vor § 5 3 a Rdn 4 6 - 4 8 [zum österr Recht]; in diese Richtung auch Semler in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 41 Rdn 41 aE; Lutter J Z 1976, 225, 2 2 9 [„lex specialis"] und ders AcP 180 (1980), 84, 122: Gleichbehandlungsgebot als wichtigste Ausprägung der Loyalitätspflicht der Gesellschaft gegenüber den Aktionären; ebenso Timm WM 1991, 481, 491: S 5 3 a als Konkretisierung der Treuepflicht; vgl ferner Wiedemann in: Großkomm 4 § 186 Rdn 136 und ders GesR I (1980), § 8 II 3, S 431; Jahnke Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (2003),

21

S 42; wohl auch Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen (1999), § 3 I 3, S 55; siehe außerdem bereits Ritter JW 1934, 325; aA Hueck/Fastricb in: Baumbach/Hueck, GmbHG 1 7 § 13 Rdn 35.

24

22

23

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M Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S 82; Hüffer6 Rdn 2, 10; ders FS Steindorff (1990), S 59, 72; Fastrich in: Baumbach/Hueck, GmbHG 1 7 § 13 Rdn 35; Staub /Ulmer GroßkommHGB 4 § 105 Rdn 253. Ulmer in: MünchKommBGB 4 § 705 Rdn 244; Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen (1999), § 3 I 3, S 55. Gl Ansicht wohl Hüffer6 Rdn 2 aE; wie hier auch Doralt/Winner in: MünchKomm 2 Vor § 53 a Rdn 46^18 zum österr Recht; vgl ferner Bydlinski Methodenlehre und Rechtsbegriff2 (1991), S 3 3 9 f. Zutreffend Hüffer6 Rdn 1 aE. Siehe zudem Art 21 EU-Grundrechtscharta. BegrRegE BT-Drucks 8/1678, S 13; vgl ferner Henn AG 1985, 240.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53a

lassen sich strukturelle Parallelen der beiden Situationen nicht leugnen: Ebenso wie der Grundrechtsträger gegenüber hoheitlichen Akten staatlicher Gewalt sieht sich der Aktionär gegenüber einem Handeln der Organe der AG in einer Position, in der Art 3 GG bzw § 53 a dem Einzelnen (Staatsbürger bzw Aktionär) als Teil eines Kollektivs mit Blick auf die Stellung anderer Personen (Mitbürger bzw Mitgesellschafter), aus denen sich dieses Kollektiv (Aktiengesellschaft bzw staatsbürgerliche Gesellschaft) letztlich zusammensetzt und die in gleicher Weise Normadressat sind, ein individuelles Abwehrrecht in die Hand gibt; in beiden Fällen richtet sich dieses Abwehrrecht gegen die Institution (Organ öffentlicher Gewalt bzw Organ der AG), deren Macht auf dem Delegationsoder Konstitutionsakt des Kollektivs beruht. Dabei wird mit dem jeweiligen Abwehrrecht das Ziel verfolgt, die Ausübung dieser Macht durch ein Willkürverbot einzuschränken und somit die faire Koexistenz aller das Kollektiv bildender Einzelner im Rahmen der jeweiligen Organisationsform sicherzustellen. In beiden Vorschriften ist damit generalklauselartig der gleiche allgemeine und fundamentale Gerechtigkeitsgedanke kodifiziert. Nicht zu verkennen ist allerdings der Unterschied, dass es sich bei Art 3 GG um ein 1 0 subjektiv-öffentliches, bei § 53 a hingegen um ein subjektiv-privates Schutzrecht handelt; im letzteren Fall hat der Betroffene die Bindungen, innerhalb derer er eines Schutzes vor ungerechtfertigter Ungleichbehandlung bedarf, freiwillig entstehen lassen und kann sich ebenso aus eigenem Entschluss wieder von ihnen lösen. 27 Infolge des Unterschiedes in der Qualität des Rechts und der rechtlichen Beziehung im einen Fall öffentlich-rechtlich, im anderen Fall privatrechtlich - empfiehlt es sich nicht, bei § 53 a in schematischen Parallelen zu Art 3 GG zu argumentieren. Die beschriebenen Ähnlichkeiten erlauben es aber, die Konkretisierung der Generalklausel des § 53 a in Einzelfällen der sachlichen Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen mit der gebotenen Vorsicht auf Erkenntnisse zu stützen und diese ergänzend zur Auslegung heranzuziehen, 28 die von Rechtsprechung und Wissenschaft zum verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 GG bereits weitergehend ausdifferenziert sein mögen als dies für § 53 a der Fall ist. Diese Anleihe des § 53 a beim Willkürverbot des Art 3 GG mag auch dem Gesetzgeber vorgeschwebt haben (Rdn 9). Allerdings ist zu beachten, dass eine relevante Ungleichbehandlung iSd § 53 a nicht stets erst bei Verletzung dieses „Willkürverbotes" gegeben ist, wie es zur damaligen Zeit noch von der Rechtsprechung des BVerfG geprägt war. 29 Denn nach der ehemaligen - im Jahre 1978/79 bei Einführung des § 53 a (Rdn 1) noch vorherrschenden 30 - Sichtweise in der Rechtsprechung des BVerfG wurde dem - grobmaschigen - Willkürverbot des Art 3 GG, das auf die verfassungsrechtliche Kontrolle der Anwendung des einschlägigen Sachrechts durch die Fachgerichte zugeschnittenen ist, erst dann zuwidergehandelt, wenn eine rechtliche Maßnahme auf sachfremden Erwägungen beruhte und durch eine klare Unangemessenheit im Verhältnis zu der tatsächlichen Situation, die durch diese Maßnahme bewältigt werden soll, gekennzeichnet war 3 1 und mithin eine „evidente" Ungerechtigkeit

27

28

19

Wenngleich uU nur, wenn er gleichzeitig zu gewissen Opfern bereit ist, so zutreffend KKLutter/Zöllner2 Rdn 3. Im Ergebnis auch KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 3; Hiiffer6 Rdn 3; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3. Im Anschluss an B G H Z 33, 175, 186 [„Mini-

(27)

30

31

max II"] etwas missverständlich hier Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 14. Vgl Osterloh in: Sachs, G G 3 (2003), Art 3 Rdn 8, 13. BVerfGE 4, 144, 155; 10, 2 3 4 , 2 4 6 .

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§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

bedeutete. 3 2 In sachlicher Übereinstimmung mit dem gesellschaftsrechtlichen Verständnis des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Aktienrecht ist dem gegenüber bei dem Bestreben, zu Art 3 G G gewonnene Erkenntnisse inhaltlich für § 5 3 a fruchtbar zu machen, nicht so sehr auf den Leitgedanken dieses weiten Maßstabs eines verfassungsrechtlichen Willkürverbotes im eigentlichen (früheren) Sinne, sondern auf die Rechtsprechung des BVerfG zum strengen Gleichheitssatz zurückzugreifen, 3 3 die sich seit geraumer Zeit als verfassungsrechtlich so genannte „Neue F o r m e l " beim Verständnis des Art 3 G G darstellt. Danach gilt das Verbot, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Adressaten derselben Norm unterschiedlich zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede bestehen, die nach Art und Gewicht eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. 3 4 Diese Sicht löst sich mithin von der Evidenz der Unvertretbarkeit als alleinigem Kriterium und stellt - enger als zuvor - bei einer Ungleichbehandlung für die Frage eines darin liegenden Verstoßes gegen den Gleichheitssatz darauf ab, ob sich die Differenzierung sachgerecht abwägen lässt. 3 5 Dazu vergleichbar ist sodann der für die Anwendung des § 5 3 a maßgebende Gedanke, ob sich eine objektive Ungleichbehandlung in einer Verletzung des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebots niederschlägt (Rdn 2 7 f, 68 ff). b) Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz 12

Der Gleichbehandlungsgrundsatz beansprucht als Rechtsprinzip bereichsübergreifend allgemeine Geltung. So ist auch im Arbeitsrecht anerkannt, 3 6 dass der Gleichheitssatz etwa das Tarifvertragsrecht und in vielen Bereichen auch das Individualarbeitsrecht durchdringt, 3 7 wobei zur einzelfallgerechten Ausfüllung dieses Grundsatzes die Rechtsprechung des BAG im Ausgangspunkt in der Regel Anlehnung am verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 G G sucht. 3 8 Überdies verdeutlicht sich der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz in seinen (nicht abschließend) gesetzlich formulierten Ausprägungen, namentlich in Gestalt des Gleichbehandlungsgebotes in § 75 BetrVG und der Diskriminierungsverbote in den §§ 6 1 1 a , 6 1 1 b , 612 Abs 3, 612 a B G B , § 4 Abs 1 und 2 T z B f G , § 10 Abs 4 AÜG. c) Bedeutung von § 3 Abs 1 W p Ü G

13

Der grundsätzliche Gedanke gleichmäßiger Behandlung hat über § 5 3 a hinaus auch in das übernahmerechtliche Gleichbehandlungsgebot des § 3 Abs 1 W p Ü G Eingang gefunden. Dabei hat § 3 Abs 1 W p Ü G nach h M nicht lediglich deklaratorischen Charak-

32

Siehe zur dieser so genannten „alten F o r m e l "

Bepler Gleichbehandlung in Betrieb, Unternehmen und Konzern, in: N Z A Sonderbeilage zu Heft 1 8 / 2 0 0 4 , S 3 ff m w N .

des BVerfG betreffend Art 3 GG Osterloh in: Sachs, G G 3 ( 2 0 0 3 ) , Art 3 Rdn 8 ff rawN. 33

Vgl auch K-P Martens

FS Fischer ( 1 9 7 9 ) ,

S 4 3 7 , 4 4 0 Fn 10; Bungeroth K o m m 2 Rdn 13. 34

37

in: Münch-

Seit 1 9 8 0 ständige Rspr, erstmals durch BVerfGE 5 5 , 7 2 , 88, danach bspw BVerfGE 91, 3 4 6 , 3 6 2 ; 97, 169, 181; zuletzt bislang BVerfGE 1 0 2 , 41, 5 4 ; siehe dazu Osterloh Sachs, G G 3 ( 2 0 0 3 ) , Art 3 Rdn 13 ff. Ipsen StaatsR II 7 ( 2 0 0 4 ) , Rdn 7 6 2 m w N .

36

Statt aller 'Wiedemann Gleichbehandlungsgebote im Arbeitsrecht ( 2 0 0 1 ), passim;

in:

Rdn 2 1 9 ff; Palandt/Putzo B G B 6 3 S 611 Rdn 110 ff.

in:

35

Eingehend Schaub A r b R - H d b 9 ( 2 0 0 0 ) , § 112; Richardi in: M ü n c h H d b A r b R 2 ( 2 0 0 0 ) , Bd 1, § 14 Rdn 6 ff; Müller-Glöge M ü n c h K o m m B G B 3 S 611 Rdn 4 4 9 ff; Etmani Edenfeld B G B 1 1 , Bd I, § 611

38

Siehe Wiedemann

FS 5 0 Jahre BAG ( 2 0 0 4 ) ,

S 2 6 5 , 2 7 1 ff m w N , auch zu den Abweichungen.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53a

ter; die Vorschrift überträgt nicht nur das bereits in § 53 a ausgeformte Prinzip ins Übernahmegesetz, sondern reicht weiter. Während § 53 a die (Ziel-)Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären bindet, nicht aber das Verhältnis zwischen dem Bieter und den Aktionären der Zielgesellschaft regelt, 39 statuiert § 3 Abs 1 WpÜG auch im letztgenannten Verhältnis eine Gleichbehandlungspflicht; 40 beispielsweise wird danach vertreten, der vom Bieter für den Kontrollerwerb zu zahlende Preis müsse allen Aktionären gleichmäßig zu Gute kommen, während ein Paketzuschlag grundsätzlich als unzulässig anzusehen sei. 41 Eine Gemengelage des aktienrechtlichen (§ 53a) und des übernahmerechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 3 Abs 1 WpÜG) taucht bei den „Andienungsrechten" 4 2 der Aktionäre in der Situation des - sofern dieser Fall als Tatbestand des WpÜG eingeordnet w i r d 4 3 - Aktienrückerwerbs auf, in der die Gesellschaft sowohl die Rolle der Zielgesellschaft als auch diejenige des Bieters einnimmt. 4 4 d) Bedeutung von § 39 Abs 1 Nr 1 BörsG Das börsengesetzliche Gleichbehandlungsgebot (§§ 39 Abs 1 Nr 1, 54 S 1 BörsG) hat 1 4 im Hinblick auf den geschützten Personenkreis über § 53 a hinaus insoweit eigenständige Bedeutung, als es auch die Gleichbehandlung der Inhaber von ausschließlich Gläubigerrechte verbriefenden Wertpapieren (insbesondere bei Schuldverschreibungen 45 ) sichert 4 6 sowie auch künftige Aktionäre erfasst; im Übrigen - dh bei Aktionärseigenschaft des Betroffenen - geht § 39 Abs 1 N r 1 BörsG in § 53 a auf. 4 7 Börsenrechtlicher und aktienrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz sind inhaltsgleich zu verstehen: 48 Es gilt das Prinzip relativer Gleichheit, sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlungen sind zulässig (vgl Rdn 68 ff); das Gleichbehandlungsrecht ist verzichtbar (vgl Rdn 93 ff). Ebenso wie § 53 a nicht das Verhältnis der Aktionäre untereinander regelt (Rdn 30), betrifft auch

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Vgl Hopt FS Rittner (1991), S 197, 199; Paefgen ZIP 2002, 1509, 1517; Mülbert ZIP 2001, 1221, 1222; Grunewald WM 1989, 1233, 1234; Reul Pflicht zur Gleichbehandlung (1991), S 270 ff; aA im Ergebnis Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen (1999), S 377 f, 379 ff, 431 ff. Steinmeyer/Häger WpÜG (2002), § 3 Rdn 3; Schwennicke in: Geibel/Süßmann, WpÜG (2002), § 3 Rdn 3; Wackerbarth in: MiinchKommAktG 2 § 3 WpÜG Rdn 6; vgl ferner Ehricke/Ekkenga/OecWer WpÜG (2003), § 3 Rdn 1. Traugott/Schaefer N Z G 2004, 158 ff. Vgl näher Huber FS Kropff (1997), S 101, 115 f; Paefgen AG 1999, 67, 68 f; ders ZIP 2002, 1509, 1510 f; Bosse N Z G 2000, 16, 19 f, Hillebrandt/Schremper BB 2001, 533, 536. Str; vgl dazu DAV Handelsrechtsausschuss ZIP 2001, 1736; Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel, FAZ ν 15. 5. 2002, Nr 100, S 31; AG Report 2002, R 199;

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Wackerbarth in: MünchKommAktG 2 § 2 WpÜG Rdn 2 3 - 4 2 mwN; Lenz/Linke AG 2002, 420; Süßmann AG 2002, 424; Baums/ Stöcker FS Wiedemann (2002), S 703; Koch N Z G 2003, 61; Berrar/Schnorbus ZGR 2003, 59; Baum Z H R 167 (2003), 580; auch Oechsler in: MiinchKomm 2 § 71 Rdn 202a, b mwN. Dazu Paefgen ZIP 2002, 1509, 1517 f; vgl auch Wackerbarth in: MünchKommAktG 2 § 3 WpÜG Rdn 7 mwN. Schäfer/Hamann WpHG/BörsG (1999), § 44 BörsG Rdn 13. Groß KapitalmarktR 2 (2002), §§ 4 4 - 4 4 d BörsG Rdn 1; Schäfer/Hamann WpHG/ BörsG (1999), § 44 BörsG Rdn 2; Schäfer ZIP 1987, 953, 956. Groß KapitalmarktR 2 (2002), §§ 4 4 ^ 4 d BörsG Rdn 1; Schäfer/Hamann W p H G / BörsG (1999), § 44 BörsG Rdn 6. Schwatk/Heidelbach KapitalmarktR 3 (2004), § 39 BörsG Rdn 3; Schäfer /Hamann W p H G / BörsG (1999), § 44 BörsG Rdn 8-10.

H a r t w i g Henze/Richard L. N o t z

§ 53a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

§ 39 Abs 1 N r 1 BörsG nicht das Verhältnis der Wertpapierinhaber untereinander, sondern richtet sich an die Organe des Emittenten. 49

II. Geltungsgrund des Gleichbehandlungsprinzips 15

Der Geltungsgrund des Prinzips, dass die Gesellschaft ihre Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich behandeln muss, ist kein gesetzlicher. Schon vor Schaffung des § 53a war dieser Grundsatz anerkannt (Rdn 3). Die zur damaligen Zeit h M hatte große Skepsis, aus den vereinzelten gesetzlichen Bestimmungen, die zwar dem Prinzip der verteilenden und ausgleichenden Gerechtigkeit für konkrete Situationen Rechung tragen (Rdn 1), eine Gleichbehandlung jedoch oft auch wieder einschränken, 50 den Gleichbehandlungsgrundsatz - etwa im methodischen Wege einer Rechtsanalogie - als ein allgemeines und umfassendes Prinzip des Aktienrechts aus dem Gesetz herzuleiten. 51

16

Zur Herkunft des Gleichbehandlungsgrundsatzes existiert im Schrifttum keine einhellige Meinung. Einerseits wird die Ansicht vertreten, dieses Prinzip sei der Ausübung von Verbandsmacht als notwendige Ausübungskontrolle immanent, 5 2 da die Frage nach einer Pflicht zur Gleichbehandlung nur dort in Rede stehe, wo eine Person oder Institution in der Lage ist, ihren Willen ohne Rücksicht auf den Konsens der Betroffenen durchzusetzen. 53 Nach einer anderen Auffassung basiert der Gleichbehandlungsgrundsatz auf dem Willen der Beteiligten, sich innerhalb der Gruppe, die sich zusammengeschlossen hat und der sie angehören, keiner Diskriminierung auszusetzen. 54 Ferner wird als Geltungsgrund erwogen, auf das Vorhandensein des Gemeinschaftsverhältnisses abzustellen. 55 Wurzel und gedanklicher Kern aller Ansichten sind ähnlich. Letztlich können aus den unterschiedlichen Grundlagen keine unterschiedlichen Ergebnisse hergeleitet werden. 5 6

17

Vorzugswürdig ist die Ansicht, dass die Pflicht der Gesellschaft zur Gleichbehandlung der Gesellschafter rechtsgeschäftlichen Ursprung hat. 5 7 Der Gleichheitssatz als solcher hat den Charakter eines überpositiven Rechtsprinzips.58 Für den konkreten Verband, der sich durch die Gründungssatzung konstituiert, aktualisiert sich seine Wirkung für dessen Mitglieder bei der Vereinbarung dieser Satzung. In dem Willen der Gründer zur Feststellung der Satzung wurzelt als Selbstverständlichkeit die Geltung des Gleichbehandlungsgebotes als Ausgleich für das naturgemäß durch die Leitungsbefugnisse und das Mehrheitsprinzip bedingte Machtgefälle zwischen Verwaltung und Großaktionär auf der einen

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50

51 52

53

Schwark/Heidelbach Kapitalmarkt!*. 3 (2004), § 39 BörsG Rdn 2; Groß KapitalmarktR 2 (2002), §§ 4 4 - 4 4 d BörsG Rdn 1; Schäfer/ Hamann WpHG/BörsG (1999), § 44 BörsG Rdn 7. Etwa § 12 Abs 1 S 2, § 60 Abs 3, § 131 Abs 4 S 3. Vgl Voges AG 1975, 197 ff mN. L Raiser Z H R 111 (1948), 75 ff, 90 ff, 94; Müller-Erzbach Das private Recht der Mitgliedschaft (1948), S 68 ff; Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 16 II 4 b aa, S 462 f; wohl auch Raiser Kapitalgesellschaften 3 (2001), § 12 Rdn 55. So Wiedemann GesR I (1980), § 8 II 2 a, S 428.

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Cohn AcP 132 (1930), 129, 139, 154 ff. Vgl G Hueck Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung (1958), S 151 ff, 222 ff. Vgl bei KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 4 mN; ebenso Michalski GmbHG, Bd I (2002), § 13 Rdn 123 aE. Hiiffer6 Rdn 3; M Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S 82. Allgemein zum „Rechtsprinzip" Alexy in: Krawietz, Argumentation und Hermeneutik in der Jurisprudenz (1979), S 60 sowie ders ARSP 1985, Beiheft 25, S 13 ff; Braun Rechtsphilosophie (2001), S 198; Röhl Allgemeine Rechtslehre (2001), S 258.

Stand: 1. 7. 2004

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53a

sowie den Kleinaktionären auf der anderen Seite. Aus der Satzung als dem Organisationsvertrag der Gründer59 leitet sich somit die Gleichbehandlungspflicht der Gesellschaft gegenüber den Aktionären ab. Der in der Satzung verkörperte Wille, dem Gleichbehandlungsprinzip Geltung zu verleihen, erlangt durch Abschluss des Organisationsvertrages der Gründer Verbindlichkeit im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und den Aktionären, denen sodann infolge dieses Gründungsaktes das Recht auf gleiche Behandlung als Schutzinstrument gegen die infolge der Gründung als selbständige (juristische) Person entstandene Gesellschaft zusteht. 6 0 Seit § 53 a das Gleichbehandlungsprinzip als eigenständige Regelung in das Aktiengesetz eingebettet hat, ist für das Recht der Aktiengesellschaft eine Ausfechtung des Streites um den Geltungsgrund jedenfalls für die Beantwortung der Frage nach dem Ob der Geltung ohne Bedeutung. Gleichwohl hat die Kodifizierung nicht den - streitigen Geltungsgrund verändert. Die selbständige Bedeutung des § 53 a erschöpft sich darin, die Existenz eines umfassenden gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes unübersehbar zu machen (Rdn 5) sowie die mit der Gleichbehandlungspflicht der Gesellschaft korrespondierenden Gleichbehandlungsrechte der Aktionäre zu stabilisieren und den Wert dieses Rechtes zu verdeutlichen. 61

18

III. Rechtsnatur des § 53 a § 53 a enthält ein subjektives Recht im Sinne einer Abwehrbefugnis, die als Generalklausel formuliert und zu ihrer Anwendung ausfüllungsbedürftig ist. 62 Dem Aktionär dient dieses Recht als Instrument, das ihn in die Lage versetzt, sich gegen Beeinträchtigungen seiner mitgliedschaftlichen Positionen zur Wehr zu setzen. Eingriffe in die Mitgliedschaft können für den Aktionär durch den Abwehranspruch aus § 53 a kontrollierbarer werden oder bisweilen ganz abwendbar sein.

19

Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht disponibel (Rdn 84, 95). 63 Auch die Sat- 2 0 zung kann daher weder in ihrer Ursprungsform bei der Gründung noch durch Modifikationen im Wege der Satzungsänderung das Gleichbehandlungsgebot im Vorhinein für die Gesellschaft generell abschaffen. Verfügbar kann - in gewissen Grenzen - allenfalls der Gleichbehandlungsmaßstab sein (Rdn 85 ff). Auch kann der jeweilige Aktionär für den konkreten Einzelfall auf sein Gleichbehandlungsrecht verzichten (Rdn 93 ff). § 53 a spricht den Aktionären kein verselbständigtes subjektives Recht zu, das über 21 die Mitgliedschaft hinausgeht und neben die Vermögens- und Mitverwaltungsrechte hinzutritt, sondern der Gleichbehandlungsgrundsatz und das durch ihn vermittelte Schutzrecht ist Teil der Mitgliedschaft. 64 Ein Aktionär kann nicht abgekoppelt von seinen mitgliedschaftlichen Rechten sein Gleichbehandlungsbegehren auf § 53 a stützen.

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Vgl Braudel in G r o ß k o m m 4 § 2 Rdn 50. Vgl auch M "Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S 82; zur GmbH Hachenburg/Raiser G m b H G 8 § 14 Rdn 69; zur Personen(handels)gesellschaft Staub /Ulmer GroßkommHGB 4 § 105 Rdn 67. Gl Ansicht Hüffer6 Rdn 3. Allgemein zur Funktion einer Generalklausel als ermächtigender Sachnorm Wank Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung (1978), S 132ff.

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KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 26; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 15; Hueck/Windbichler GesR 2 0 (20 03), § 28 Rdn 5; Wiesner in: 2 MünchHdb GesR (1999), Bd 4 [AG], S 17 Rdn 11. Ganz hM; RG JW 1938, 1329; Hüffer6 Rdn 4; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 3; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 7; Zöllner Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S 110.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 53 a 22

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Auch stellt der Anspruch des Aktionärs auf gleichmäßige Behandlung kein Sonderrecht iSd § 3 5 B G B dar. 6 5

23

Ferner

hat

der

Gleichbehandlungsgrundsatz

nicht

die

Qualität

einer

allgemein

präventiven Verbotsregelung, deren regelmäßige Folge im Falle der N i c h t b e a c h t u n g die Nichtigkeit der widersprechenden Rechtshandlung wäre. § 5 3 a ist kein Verbotsgesetz iSd § 134 B G B . 24

Z w a r ist die Mitgliedschaft nach h M ein gegen unerlaubte Handlungen geschütztes R e c h t ; die § § 8 2 3 A b s 1, 1 0 0 4 B G B bieten Schutz vor Eingriffen, die sich unmittelbar gegen den Bestand der Mitgliedschaft oder die in ihr verkörperten R e c h t e oder Betätigungsmöglichkeiten von erheblichem G e w i c h t (Kern der Mitgliedschaft) r i c h t e n . 6 6 D u r c h die Regelung in § 5 3 a hat der Gleichbehandlungsgrundsatz j e d o c h nicht die Q u a lität eines „ s o n s t i g e n " R e c h t s iSd § 8 2 3 Abs 1 B G B e r l a n g t . 6 7

25

Ferner ist die Vorschrift oder auch das Gleichbehandlungsprinzip als solches nach h M kein Schutzgesetz iSd § 8 2 3 A b s 2 B G B . 6 8 Die G e g e n m e i n u n g 6 9 will stattdessen darauf abstellen, dass seit der Einfügung des § 5 3 a in das Gesetz das Gleichbehandlungsgebot nicht mehr nur als ganz allgemeiner Rechtsgrundsatz begriffen werden k ö n n e ; vielmehr müsse die gesetzliche Bestimmung des § 5 3 a als Schutzgesetz im Sinne des Deliktsrechts qualifiziert werden, w o b e i der U m s t a n d , dass der Gesetzgeber mit § 5 3 a das schon zuvor anerkannte Prinzip inhaltlich nicht verändern, sondern lediglich so festschreiben wollte wie es bereits galt, es nicht ausschließe, aus der Kodifikation neue Schlüsse zu z i e h e n . 7 0 Diese Ansicht übersieht aber, dass allein der Hinweis, der mangelnde Legislativwille zur tatsächlichen Rechtsänderung als solcher stehe der Bejahung einer Schutzgesetzqualität nicht im Weg, n o c h nicht zu begründen vermag, dass der mögliche Schluss, fortan sei der Vorschrift ein veränderter R e c h t s c h a r a k t e r zuzumessen, auch sachlich zutrifft. E b e n s o wenig überzeugt das Argument, der Gleichbehandlungsgrundsatz habe durch die Regelung in § 5 3 a konkretere Gestalt a n g e n o m m e n . Das ist lediglich ein formeller Aspekt, der für materiell-rechtliche Schlussfolgerungen wie die B e a n t w o r t u n g der Frage nach der Q u a l i t ä t eines R e c h t s unergiebig ist. Zugunsten der Anerkennung des § 5 3 a als Schutzgesetz im Sinne des Deliktsrechts k ö n n t e allenfalls aus rechtspolitischer Sicht sprechen, dass von dem drohenden Schadensersatzanspruch eine erhöhte Präventivwirkung aus-

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AllgM; RG J W 1938, 1329; Hüffer6 Rdn 4; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 3; KKLutter/Zöllner2 Rdn 7 mwN; Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 19 III 3 c bb, S 559; G Hueck Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung (1958), S 88 ff; Voges AG 1975, 197 f. RGZ 100, 274, 278; 158, 248, 255; BGHZ 100, 323; NJW 1990, 2877; ZIP 1990, 1552; Brändel in: Großkomm 4 § 1 Rdn 82; Κ Schmidt J Z 1991, 157, 158 ff; Habersack Die Mitgliedschaft (1996), S 117 ff mwN. Hüffer6 Rdn 12 aE; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 42; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 35; Meyerowitz Recht der Aktionäre auf gleichmäßige Behandlung (1932), S 29. Hüffer6 Rdn 12 aE; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 42; G Hueck Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung (1958), S 293 ff, 295; Wiet-

hölter Interessen und Organisation der AG (1961), S 103, 128; L Raiser ZHR 111 (1948), 75, 96 Fn 64; Scholz/H Winter GmbHG 9 § 14 Rdn 49; Michalski GmbHG, Bd I (2002), § 13 Rdn 133. - Ebenso verneint die hM den Schutzgesetzcharakter für die zu § 53 a inhaltlich vergleichbare (Rdn 14) Vorschrift des § 39 Abs 1 Nr 1 BörsG, siehe SáwiiMHeidelbach KapitalmarktR 3 (2004), § 39 BörsG Rdn 7; Schäfer /Hamann WpHG/ BörsG (1999), § 44 BörsG Rdn 20; Zietsch/ Holzborn WM 2002, 2356, 2363; differenzierend Groß ZHR 165 (2001), 141, 152; hingegen aA Kümpel KapitalmarktR 3 (2004), Rdn 8.426; Schäfer ZIP 1987, 953, 956. 69

70

Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 35; Henn AG 1985, 240, 248. Vgl Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 35.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53a

geht, wodurch die Gesellschaftsorgane um ein weiteres zur sorgfältigen Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes angehalten werden. Ob die Gewährung eines solchen Schutzpotentials aufgrund der praktischen Unternehmenswirklichkeit für den einzelnen Aktionär notwendig ist, ist eine Wertungsfrage, wobei ein unbedingtes Bedürfnis nach diesem deliktsrechtlichen Schutz derzeit aber wohl nicht erkennbar ist.

IV. Zweck und Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes; Willkürverbot Der Grundsatz, die Aktionäre unter gleichen Bedingungen gleich zu behandeln, dient den Aktionären als Instrument der Einwirkungskontrolle zum Schutz der Mitgliedschaft. 71 In der Praxis wird sich das Gleichbehandlungsprinzip als Mittel zum Minderheitenschutz erweisen. Ebenso könnte sich aber auch die Aktionärsmehrheit, die ohne legitimes Interesse zum Vorteil der Minderheit benachteiligt wird, auf § 53 a als Schutzvorschrift berufen. 7 2 § 53 a verkörpert somit eine an die Gesellschaftsorgane gerichtete Vorsorgeregelung gegen ungleiche Beeinträchtigungen von Bestand und Inhalt der mitgliedschaftlichen Rechte der Anteilseigner. Erfasst sind sowohl die Vermögensrechte als auch die Informations- und Mitwirkungsrechte. 73 In die Mitgliedschaft darf nicht derart eingegriffen werden, dass ein Teil der Aktionäre hinter einen anderen Teil zurückgesetzt wird, es sei denn, die dies bewirkende Maßnahme ist dadurch gekennzeichnet, dass sie durch ein schutzwürdiges Interesse der Gesellschaft gedeckt ist (Rdn 70 ff). 7 4 Die Gesellschaft muss sich für alle Akte, mit denen sie die zu den Aktionären bestehenden rechtlichen Verhältnisse gestaltet, ordnet oder verwaltet, am Prinzip der Gleichbehandlung ausrichten. 75 Das Gleichbehandlungsprinzip beherrscht sowohl Rechte als auch Pflichten der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären: Nach ihm bemisst sich, ob und wie den Ansprüchen der Aktionäre durch die Gesellschaft genügt wird; es ist maßgebend dafür, ob und wie die Gesellschaft ihr gegenüber bestehende Verpflichtungen der Aktionäre verfolgt und durchsetzt. 76

26

Obwohl das Rechtsprinzip des Gleichheitssatzes in Gestalt der gesetzlichen General- 2 7 klausel des § 53 a positiv als Gleichbehandlungsgebot formuliert ist, lässt sich der Regelungsinhalt griffiger als Ungleichbehandlungsverbot formulieren: Der Gesellschaft ist es untersagt, die Aktionäre ohne hinreichende sachliche Rechtfertigung (= „willkürlich") unterschiedlich zu behandeln. 7 7 Ziel der Vorschrift ist danach nicht die schematische Gleichstellung aller Aktionäre, sondern ein Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung (Prinzip der relativen Gleichheit; Rdn 69). 78 § 53 a schützt ferner nicht nur vor ungleicher Abhandlung gleicher Sachverhalte. Ein Verstoß gegen die Vorschrift kommt auch dann in Betracht, wenn ungleiche Sachverhalte nicht nach ihrer Eigenart, sondern schlicht gleich behandelt werden. 7 9 Mithin bedarf auch ein gleichartiges Verhalten der

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75 76 77

Hüffer6 Rdn 4; KK-Lutter/Zöllner 2 Rdn 19. KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 7; für den Fall der Treuepflicht der Minderheit gegenüber der Mehrheit vgl BGHZ 129, 136. Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 7. BGHZ 33, 175, 186 [„Minimax II"] = LM Nr 1 zu § 11 AktG (Fischer); BGHZ 70, 117, 121 [„Mannesmann"]; Hüffer6 Rdn 4. Henn Hdb AktR 7 (2002), Rdn 42. Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 3. Vgl auch BGHZ 120, 141, 150 [„Bremer

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Bankverein"] m Anm Lutter ZGR 1993, 291, 309 f; Hüffer6 Rdn 4; Raiser Kapitalgesellschaften 3 (2001), § 12 Rdn 55; Semler in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 41 Rdn 41; Wiedemann GesR I (1980), § 8 II 2, S 427. Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen (1999), § 3 I 3, S 56; vgl auch Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 13. Vgl Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 16 II 4 b, S 462.

H a r t w i g Henze/Richard L. N o t z

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Gesellschaft gegenüber Aktionären einer sachlichen Rechtfertigung, wenn sich diese in unterschiedlichen Verhältnissen befinden und daher Grund für eine Differenzierung besteht. 28

Das der Vorschrift des § 53 a innewohnende System des Gleichbehandlungsgebots bzw Ungleichbehandlungsverbots ist nicht starr. Grundsätzlich besteht Raum für eine im wohlverstandenen Gesellschaftsinteresse liegende und unter sachgerechter Abwägung der berührten Belange vorzunehmende Differenzierung. Spielraum ist dabei dort, wo er gerechtfertigt werden kann. Die flexible Funktionsweise des Gleichbehandlungsprinzips äußert sich dergestalt, dass nicht etwa die trotz „gleicher Voraussetzungen" erfolgende Ungleichbehandlung bereits den Verstoß gegen § 53 a begründet. Vielmehr ist die Feststellung dieses Sachverhalts nur der erste Schritt auf dem Weg, die Frage nach der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu prüfen. Erst wenn sich im Zuge einer weiteren Prüfung ergibt, dass die Abweichung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist (Rdn 7 0 ff), bedeutet das die Missachtung des § 53 a . 8 0 Ist hingegen die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt, so entbehrt die Maßnahme eines Willkürcharakters und steht zu dem Grundgedanken gerechter Verteilung nicht in Widerspruch.

V. Reichweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes 1. Adressat der Regelung 29

Regelungsadressat der Norm ist die Gesellschaft. Sie tritt dem Aktionär als Verpflichteter gegenüber. Der Gleichbehandlungsgrundsatz als subjektives Schutzrecht entfaltet seine Rechtswirkung zugunsten der Aktionäre gegenüber den Gesellschaftsorganen: 81 Im Zuge der Maßnahmen von Vorstand, Aufsichtsrat und der Hauptversammlung steht jedem Aktionär ein Anspruch darauf zu, nicht ohne Rechtfertigung anders als seine Mitgesellschafter behandelt zu werden 8 2 (zu etwaigen Besonderheiten im Rahmen von Konzernsachverhalten siehe zudem Rdn 158ff). Unterbunden wird dadurch auch, dass die Verwaltungsorgane der Gesellschaft einzelne Aktionäre willkürlich gegeneinander ausspielen. 83

30

Die Beziehungen der Aktionäre untereinander erfasst § 53 a nicht. 8 4 Für die Anteilseigner statuiert die Vorschrift daher keine Gleichbehandlungspflichten im Verhältnis untereinander, die der Einzelne von seinem Mitgesellschafter einfordern könnte. 8 5 Daran ändert es nichts, dass in bestimmten Konstellationen (zB überragend mächtiger Mehrheitsaktionär gegenüber im Einzelfall schutzwürdigem Kleingesellschafter) eine Rücksichtnahmepflicht unter den Aktionären besteht. Eine solche Pflicht ergibt sich aus einer zwischen den Aktionären bestehenden Treubindung (Anh § 5 3 a Rdn 27, 5 2 , 57, 63). Die Pflicht des herrschenden Aktionärs, außen stehende Aktionäre im Konzern nicht grund-

80

Unstr; Hüffer6 Rdn 8; Wiesner in: MünchH d b G e s R 2 ( 1 9 9 9 ) , Bd 4 [AG], § 17 Rdn 11.

81

O L G Düsseldorf AG 1 9 7 3 , 2 8 2 , 2 8 4 ; Hüffer6 Rdn 4 ; Bungeroth in: MünchK o m m 2 Rdn 4; K K - L u t t e r / Z ö l l n e r 2 Rdn 2 5 ; Henn AG 1 9 8 5 , 2 4 0 , 2 4 1 f. Rdn 7.

82

KK-Lutter/Zöllner2

83

Vgl K K - L u t t e r 2 Vor § 5 3 a Rdn 5.

84

O L G Celle AG 1 9 7 4 , 83, 8 4 ; Hüffer6 Rdn 4; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 4; KKLutter/Zöllner2 Rdn 17, 2 5 , 47, 79.

85

H M (siehe N a c h w in voriger Fn); aA Reul Pflicht zur Gleichbehandlung ( 1 9 9 1 ) , S 2 7 0 ff in Anlehnung an die zwischen den Aktionären bestehende Treuepflicht.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(34)

§ 53a

Gleichbehandlung der Aktionäre

los ungleich zu behandeln, 8 6 beruht nicht auf dem Gleichbehandlungsgebot des § 5 3 a . 8 7 Da sich § 5 3 a nicht an den Mitaktionär richtet, kann aus dem Gleichbehandlungsgebot auch kein subjektives Teilhaberecht am Paketzuschlag, den der Großaktionär für die Veräußerung der Unternehmenskontrolle erhält, hergeleitet werden. Allerdings besteht auf der Grundlage von § 3 Abs 1 W p Ü G im Rahmen der Einschlägigkeit dieser Norm die Auffassung, ein Paketzuschlag in einseitiger Bevorzugung des Paketaktionärs sei regelmäßig unzulässig (Rdn 13); im Übrigen könnte - theoretisch - als Grundlage für eine gleichmäßig Verteilung der Kontrollprämie die zwischen den Aktionären herrschende Treubindung angesehen werden, wobei aber festzustellen ist, dass die h M einer solchen Ausprägung der Treuepflicht ablehnend gegenübersteht (Anh § 53 a Rdn 123 mN). 2 . Beschränkung auf den mitgliedschaftlichen Bereich a) Ausgangspunkt Entsprechend seinem Zweck, das Mitgliedschaftsrecht einschließlich seiner konkreten Ausprägungen zu schützen (Rdn 19, 2 6 ) , beschränkt sich die Regelung des § 5 3 a auf den Innenbereich der Gesellschaft: Die Vorschrift entfaltet im Verhältnis der Gesellschaft zu den Aktionären nur insoweit Wirkung, als es um den mitgliedschaftlichen Bereich geht. 8 8 Dabei steht dem Aktionär der Anspruch auf Gleichbehandlung nicht nur hinsichtlich der zwischen ihm und der Gesellschaft bestehenden Rechte und Pflichten zu. Das Gleichbehandlungsgebot erfasst das Mitgliedschaftsverhältnis auch in Bereichen, die über diese Rechte und Pflichten hinausgehen. 8 9 Werden alle Aktionäre zu Gunsten eines gesellschaftsfremden Dritten ohne sachliche Rechtfertigung zurückgesetzt, kann sich keiner von ihnen auf § 5 3 a berufen, solange sie im Verhältnis zueinander sämtlich gleich behandelt werden (Rdn 3 9 ) .

31

b) Typik aa) Eigene Aktien Für die Veräußerung und den Erwerb eigener Aktien gilt, dass die Gesellschaft den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten muss, und zwar für alle Fälle des § 71 Abs l , 9 0 auch wenn dies nur in Nr 8 Satz 3 dieser Vorschrift - klarstellend 9 1 - ausdrücklich Gesetz geworden ist. Es ist anerkannt, dass durch diese Kodifizierung entgegen dem äußeren Anschein die Geltung des § 5 3 a nicht auf den Erwerbsgrund des § 71 Abs 1 Nr 8 S 3 beschränkt werden sollte. Ein methodologischer Umkehrschluss in Bezug auf die sonstigen Erwerbsgründe verbietet sich somit.

32

(1) Erwerb Außerhalb des Börsenhandels (vgl § 71 Abs 1 Nr 8 S 4) muss die Gesellschaft zur Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ihr „ K a u f a n g e b o t " 9 2 an alle Aktionäre

86

Von B G H AG 1 9 7 6 , 218, 2 1 9 sowie O L G Celle AG 1 9 7 4 , 83, 8 4 offen gelassen; verneinend O L G Düsseldorf AG 1 9 7 3 , 2 8 2 , 2 8 4 .

87

Bungeroth

88

B G H AG 1997, 4 1 4 ; KK-hutter/Zöllner2 Rdn 17; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 5; Henn H d b A k t R 7 ( 2 0 0 2 ) , Rdn 4 2 .

89

Bungeroth

(35)

90

KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 6 5 ; Bungeroth M ü n c h K o m m 2 Rdn 8.

91

BegrRegE BT-Drucks 1 3 / 9 7 1 2 , S 13; Hüffer6 § 71 Rdn 19j; Oechsler in: M ü n c h K o m m 2

in: M i i n c h K o m m 2 Rdn 4.

in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 3, 8.

§ 71 Rdn 2 2 , 1 9 8 ; K-P Martens Sonderheft August, S 83, 85. 92

in:

AG 1997,

Dieses wird in der Regel zunächst den Charakter einer invitatio ad offerendum haben.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

33

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

richten. 93 Sieht der Ermächtigungsbeschluss (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 1) vor, dass im Falle eines Rückkaufs eigener Aktien bestimmte Aktionäre vorrangig zur Veräußerung an die Gesellschaft berücksichtigt bzw nur bestimmte Aktionäre von der Gesellschaft als Veräußerer akzeptiert oder auch nicht akzeptiert werden, dann muss sich dieser Beschluss an § 53 a messen lassen. 94 In der Folge bedeutet dies die Anfechtbarkeit des Beschlusses (Rdn 110), wenn nicht die Benachteiligten zustimmen (Rdn 96) oder die abweichende Behandlung einzelner Aktionäre sachlich gerechtfertigt ist (Rdn 28, 70 ff). Eine Differenzierung nach Gattungen wird sachlich gerechtfertigt sein, wenn der Ermächtigungsbeschluss dies bezweckt; 9 5 anderenfalls bietet die bloße Gattungsverschiedenheit als solche noch keinen hinreichenden Grund für die Gesellschaft, nur eigene Aktien aus einer von mehreren Gattungen zu erwerben. 96 Die sachliche Rechtfertigung für eine Einschränkung des Kreises der Veräußerer kann bei nicht börsennotierten Gesellschaften auch darin liegen, dass eine im Zuge der Generationennachfolge in einer Familien-AG im Kreis der Anteilseigner eingetretene Pattsituation aufgelöst werden soll. 97 Ist eine dem Ermächtigungsbeschluss innewohnende Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt, dann genügt dies den Anforderungen des § 53 a, ohne dass über die Beschlussmehrheit hinaus die Benachteiligten ihrer Zurücksetzung einzeln zustimmen müssen. 98 34 Als konsequente Ausprägung einer wirtschaftlichen Gleichbehandlung lässt sich gleichsam in Umkehrung des Bezugsrechts (§ 186), das Ausfluss des Gleichbehandlungsgebots ist 9 9 - ein Andienungsrecht der Aktionäre im Zuge eines Aktienrückkaufs durch die Gesellschaft ableiten, das den veräußerungswilligen Aktionären in Anwendung des § 53 a entsprechend ihren Beteilungen grundsätzlich gleichermaßen zusteht. 100 Umstritten ist, inwieweit mit Rücksicht auf § 53 a dieses Andienungsrecht für einen Teil der Aktionäre ausgeschlossen werden kann zu dem Zweck, von einzelnen Aktionären ein Paket eigener Aktien zu erwerben, und ob dabei an den ohnehin schon bevorzugten Veräußerer zudem eine Paketprämie gezahlt werden darf. 101 Richtig erscheint die Ansicht, die Frage nicht kategorisch in eine Richtung zu beantworten, sondern die Beurteilung ganz entsprechend der inneren Systematik des § 53 a davon abhängig zu machen, ob die Ungleichbehandlung sich hinreichend auf sachgerechte Erwägungen stützen lässt. 102

93 94 95

96 97 98

Kiem ZIP 2 0 0 0 , 209, 212. Kiem ZIP 2 0 0 0 , 209, 213 f. Hüffer6 § 71 Rdn 19k; Wirth/Arnold ZGR 2 0 0 2 , 859, 863: Ermächtigung zum Rückerwerb ausschließlich von Vorzugsaktien, weil diese an der Börse erheblich unterbewertet sind, oder Rückkauf mit dem Ziel, diese Aktien einzuziehen (§ 2 3 7 Abs 1 S 1 Fall 2), so dass mit der danach alleinigen Existenz von Stammaktien die Gesellschaft im Einklang mit ihren unternehmerischen Interessen an gewechselte Rahmenbedingungen des Kapitalmarktes angepasst ist. Hillebrandt/Schremper BB 2001, 533, 535. BegrRegE BR-Drucks 872/97, S 32. So zB hM für die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien zwecks Umwandlung von

99

100

101

102

Vorzugs- in Stammaktien: Volhard/Goldschmidt FS Lutter (2000), S 779, 790; Hillebrand/Schremper BB 2001, 533, 536 f; Wirth/Arnold Z G R 2 0 0 2 , 859, 863. Herrn H d b A k t R 7 (2002), Rdn 1246; Hüffer6 § 186 Rdn 5; kritisch präzisierend Wiedemann in: G r o ß k o m m 4 § 186 Rdn 56. Siehe dazu Oechsler in: M ü n c h K o m m 2 § 71 Rdn 200; Huber FS Kropff (1997), S 101, 115 f; Paefgen AG 1999, 67, 68 f; ders ZIP 2 0 0 2 , 1509, 1510 f; Kiem ZIP 2 0 0 0 , 209, 213; Bosse N Z G 2 0 0 0 , 16, 19 f, Hillebrandt/Schremper BB 2001, 533, 536. Näher Oechsler in: M ü n c h K o m m 2 § 71 Rdn 17, 2 0 4 ff m w N . Dazu Oechsler in: M ü n c h K o m m 2 § 71 Rdn 2 0 6 m w N .

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(36)

Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

(2) Veräußerung Will die Gesellschaft, etwa im Zuge des Abstoßens nach § 71c Abs 2, eigene Aktien an ihre Aktionäre 1 0 3 veräußern, unterliegt sie bei der Auswahl des Erwerbers den Bindungen des § 53 a. 1 0 4 Die Veräußerung an die Anteilseigner entspricht aus deren Sicht wirtschaftlich einer Kapitalerhöhung. Findet die Veräußerung nicht über die Börse statt (vgl § 71 Abs 1 Nr 8 S 4), besteht zur Wahrung des Gleichbehandlungsgebotes nach hM in analoger Anwendung des § 186 Abs 1 ein Bezugsrecht. 105 Auch wenn die Aktien börsennotiert sind, erscheint es - in überschaubaren Grenzen - nicht ausgeschlossen, eigene Aktien mit einem - relativ geringen - Aufpreis auszugeben, ohne dass deswegen eine Verletzung von § 53 a zu bejahen ist. 1 0 6

35

bb) Weitere Einzelfälle Beispielhaft sind als weitere von § 53 a erfasste Fälle zu nennen: Vermögenswerte Zuwendungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter causa societatis,107 auch solche, die der Ablösung aktienrechtlicher Klagerechte dienen; 108 ferner: die Zwangseinziehung (§ 237 Abs 6), 1 0 9 die Kraftloserklärung (§ 7 3 ) 1 1 0 und die Kaduzierung (§ 64) 1 1 1 von Aktien durch die Verwaltung (Rdn 119, 120); das Teilnahme- (vgl § 118 Abs 1), Auskunfts- (§§ 131, 293g Abs 3) und Rederecht in der Hauptversammlung; 112 Nichterteilung der Zustimmung iSd § 68 Abs 2 S 1 (Rdn 123, 133); 1 1 3 Akte der Verwaltung bei Kapitalmaßnahmen mit Wirkung auf das Zuteilungsverhältnis der neuen Aktien (Rdn 125) oder deren Ausgabekurs (Rdn 124); die Beantwortung der Frage, wer bei Überzeichnung junger Aktien zurückstehen muss; 1 1 4 die Entscheidung des Vorstandes über die Ausgabebedingungen im Rahmen des § 204 Abs 1 (Rdn 125); 1 1 5 die Verteilung

103

104

105

Für die Veräußerung an Dritte siehe § 71 Abs 1 Nr 8 S 5 HS 2. Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn eine Veräußerung nur an einzelne Aktionäre erfolgt, so dass die darin liegende Zurücksetzung der bei der Veräußerung nicht berücksichtigten Aktionäre vorrangig zu § 5 3 a - bereits im Rahmen der spezielleren Norm des § 186 Abs 3 nach den Grundsätzen der materiellen Beschlusskontrolle auf ihre sachliche Rechtfertigung hin überprüft wird, wobei sich die Prüfungskriterien entsprechen (vgl Rdn 71, 72); zu praktischen Beispielen sachlicher Rechtfertigung siehe hier BegrRegE BT-Drucks 13/9712, S 14. OLG Oldenburg AG 1 9 9 4 , 417, 4 1 8 ; Hüffer6 S 7 1 c Rdn 7. Oechsler in: M ü n c h K o m m 2 § 71 Rdn 2 0 9 ; Kiem ZIP 2 0 0 0 , 2 0 9 , 2 1 4 ; K-P Martens AG 1996, 337, 3 4 1 .

106

Siehe etwa Hirte in: Κ Schmidt/Riegger, GesR 1999, RWS-Forum 15 ( 2 0 0 0 ) , S 211, 247.

107

KK-Lutter/Zöllner 1 Rdn 7 3 : „verdeckte Gewinnausschüttung". LG Köln AG 1988, 349, 3 5 0 ; Bungeroth in:

108

(37)

M ü n c h K o m m 2 Rdn 8; Lutter Z G R 1978, 347, 3 5 4 f; ders FS 4 0 Jahre DB (1988), S 193, 199; Hirte BB 1988, 1469, 1 4 7 3 ; Kiethe N Z G 2 0 0 4 , 4 8 9 , 4 9 2 . 109

Hüffer6 S 2 3 7 Rdn 11; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 8; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 6 6 ; vgl aber auch Krieger in: MünchHdb G e s R 2 (1999), Bd 4 [AG], § 6 2 Rdn 8.

110

KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 6 7 und KKLutter2 § 7 3 Rdn 16; Oechsler in: MünchK o m m 2 § 7 3 Rdn 12 mwN.

111

Gehrlein in: G r o ß k o m m 4 § 6 4 Rdn 2 3 f; Hüffer6 § 6 4 Rdn 2 ; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 71 und KK-Lutter2 § 6 4 Rdn 5 ff; Bayer in: M ü n c h K o m m 2 § 6 4 Rdn 3 4 .

112

Vgl B G H Z 4 4 , 2 4 5 , 2 5 5 ; LG München I AG 2 0 0 0 , 139, dazu E W i R 2 0 0 0 , 157 (Bachmann).

Bayer in: M ü c h K o m m 2 § 6 8 Rdn 7 3 ; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 14 Rdn 27. 114 Vgl Wiedemann in: G r o ß k o m m 4 § 185 Rdn 3 9 aE; KK-Lutter2 § 185 Rdn 32, 3 3 ; Hüffer6 § 185 Rdn 2 5 . 113

115

Hüffer6

§ 2 0 4 Rdn 3.

H a r t w i g Henze/Richard L. N o t z

36

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

des Liquidationsüberschusses. 1 1 6 Nicht zum Wirkungsbereich des § 5 3 a zählt die Auswahl von Personen g e m ä ß § 1 0 1 , die in den Aufsichtsrat entsendet werden (Rdn 4 3 ) . 37

D e r Gleichbehandlungsgrundsatz erlangt in der Regel bei folgenden Beschlussthemen Bedeutung: Satzungsänderungen mit Einfluss auf die Mitgliedschaftsrechte, wie bei der Änderung der Struktur der A k t i e n g a t t u n g e n 1 1 7 (Rdn 9 0 ) oder im Fall der Einführung von H ö c h s t s t i m m r e c h t e n nach § 1 3 4 Abs 1 S 2 (Rdn 6 6 , 8 2 f ) , der Androhung der Z u s a m m e n l e g u n g 1 1 8 oder tatsächlichen Z u s a m m e n l e g u n g von Aktien zur Kapitalherabsetzung (§ 2 2 2 A b s l ) ; 1 1 9 die Zwangseinziehung von Aktien nach § 2 3 7 ; 1 2 0 die Gewinnverwendung und -Verteilung (§§ 5 7 Abs 3 , 5 8 Abs 4 und 5 , 6 0 Abs 1 - 3 , 1 7 4 ) , 1 2 1 ggf einschließlich der Frage der Ausstattung junger Aktien im R a h m e n des § 2 1 7 (arg § 2 1 6 Abs 1 S l ) ; 1 2 2 satzungsrelevante Fragen im Z u s a m m e n h a n g mit der Z u s t i m m u n g zur Übertragung vinkulierter N a m e n s a k t i e n (§ 6 8 Abs 2 S 3 Fall 2 und S 4 ) ; Einschränkung des Verbriefungsrechtes nach § 10 Abs 5 ; 1 2 3 Aspekte eines Bezugsrechtsausschlusses (§ 1 8 6 Abs 3 ) , 1 2 4 auch im Falle von Genussrechten (§ 2 2 1 Abs 4 ) . 1 2 5

38

Unter dem Gesichtspunkt umwandlungs- bzw konzernrechtlicher Vorgänge (Rdn 161, 1 6 3 ) gewinnt § 5 3 a beispielsweise im R a h m e n der §§ 3 0 4 f, 3 2 0 b für die Verteilung und Bemessung von Ausgleichszahlungen und Abfindungen Bedeutung, ggf auch für die Auswahl der Gattungsart, wenn die Abfindung in Aktien erfolgen s o l l . 1 2 6 c) Echte Dritte

39

Die Abwehrbefugnis des § 5 3 a steht einem A k t i o n ä r von vornherein nicht zu, wenn er - sei es mit oder o h n e Sachgrund - aufgrund eines Verhaltens von Gesellschaftsorganen im Vergleich zu einer Person benachteiligt wird, die nicht A k t i o n ä r ist. Die Begünstigung von gesellschaftsfremden (echten) Dritten durch die Gesellschaft unter Außerachtlassung der M ö g l i c h k e i t , einen Vorteil auch oder allein oder jedenfalls vorrangig den Aktionären zufließen zu lassen, führt nicht zur Anwendbarkeit des § 5 3 a, solange alle

116 117

118 119

120

121

Hüffer6 § 271 Rdn 6. OLG Köln ZIP 2001, 2049, 2051 f [„Metro"; rkr]; Wirth/Arnold ZGR 2002, 859, 863, 865, 867, 880 ff. RGZ 41, 97, 99. RGZ 52, 287, 293: HV-Beschluss zum Kapitalschnitt bestimmt eine vergleichsweise stärkere und im Ergebnis somit ungleichmäßige Zusammenlegung von Aktien zu Lasten der Aktionäre, die ihr Bezugsrecht nicht ausüben; vgl ferner RGZ 80, 81, 85 f; Hüffer6 S 2 2 2 Rdn 15, 21 b; Krieger in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], S 60 Rdn 12. Hüffer6 § 2 3 7 Rdn 11; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 8; KK-Lutter/Zöllner1 Rdn 66; Hueck/Windbichler GesR 2 0 (20 03), § 30 Rdn 9, 10; vgl aber auch Krieger in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 62 Rdn 8. BGHZ 16, 59, 70; 84, 303, 3 0 9 ff; K K - L K Í ter/Zöllner2 Rdn 59, 60.

Hirte in: Großkomm 4 § 217 Rdn 33; Hüffer6 § 217 Rdn 3; H-J Mertens FS Wiedemann (2002), S 1113, 1119. 123 Hüffer6 § 10 Rdn 12; zudem Seibert DB 1999, 2 6 7 ff. 124 Yg| Wiedemann in: Großkomm 4 § 186 Rdn 181. 125 Hüffer6 § 221 Rdn 49. 126 V g i z u Aspekten in diesem Themenkreis OLG Düsseldorf AG 1973, 282, 284; Hüffer6 § 305 Rdn 11 und § 3 2 0 b Rdn 4; Krieger in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 70 Rdn 97; Lutter FS Mestmäcker (1996), S 943, 949 ff; auch ders UmwG 2 (2000), § 5 Rdn 10 ff; ferner Bilda in: MünchKomm 2 § 305 Rdn 42 ff und Grunewald ebd, § 320 b Rdn 2 ff; Emmerich/ Habersack Aktien- und GmbH-KonzernR 3 (2003), § 306 Rdn 13 aE und § 3 2 0 b 122

Rdn 6 f; Kiem ZIP 1997, 1627, 1629 ff; Timm/Schöne FS Kropff (1997), S 315, 328 ff.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(38)

Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53a

Aktionäre gleichmäßig behandelt werden. 127 Nur nach außen wirkende Maßnahmen belasten alle Aktionäre gleich, so dass das im Innenbereich herrschende Gleichbehandlungsgebot (Rdn 31) nicht tangiert ist. Eine andere und hiervon unabhängige Frage ist es, ob sich die Gesellschaftsorgane durch solch ein Verhalten schadensersatzpflichtig machen gemäß §§ 93, 116. 1 2 8 Ob diese Haftung, etwa des Vorstandes nach § 93 wegen eigenmächtiger Hingabe von Vergünstigungen an Dritte, einschlägig ist, folgt den Regeln dieser Normen; § 53 a ist darauf ohne Einfluss. 129 d) Gesellschaftergleiche Personen Handelt es sich bei der Person des „Dritten" jedoch nur formal um einen Nichtaktionär, während sich bei tatsächlicher Betrachtung ergibt, dass es um einen dem Aktionär gleichzustellenden Dritten geht, steht einer Anwendbarkeit des § 53 a nichts im Wege. In diesen Fällen gelten die der Vorschrift zu entnehmenden Beschränkungen. 130 Insbesondere für die Frage, wann in Fällen einer Vorteilsgewährung an einen Nichtaktionär der gewährte Vorteil mittelbar doch einem Aktionär zufließt, lassen sich die Zurechnungsgrundsätze heranziehen, die im Rahmen des § 57 (dort Rdn 72 ff) und zur Figur des gesellschaftergleichen Dritten als (Kredit-)Geber von Eigenkapitalersatz herausgebildet worden sind (vgl den Rechtsgedanken des § 32a Abs 3 S 1 GmbHG) 1 3 1 ; zu bejahen kann die aktionärsgleiche Stellung eines Dritten deshalb dann sein, wenn es sich bei ihm um einen für Rechnung des Aktionärs handelnden mittelbaren Stellvertreter, 132 um einen Treugeber als Hintermann des Aktionärs, 1 3 3 um einen nahen Angehörigen, 134 um ein in Mehrheitsbesitz des Aktionärs stehendes oder sonst mit ihm unmittelbar oder mittelbar verbundenes, von ihm beherrschtes Unternehmen 135 oder um einen auf Veranlassung eines Aktionärs begünstigten Dritten handelt. 136 Außerdem können für die Gleichstellung auch die Kriterien herangezogen werden, die im Rahmen des § 136 zur Erstreckung des Stimmverbotes auf gesellschaftergleiche Dritte 1 3 7 entwickelt worden sind. 138 In all diesen Fällen kann es sich bei der gebotenen tatsächlichen Betrachtungsweise um eine Konstellation handeln, die nach der Schutzrichtung des § 53 a einen relevanten Bezug zur Mitgliedschaft hat und mithin einem der gesellschaftsinternen Sphäre zuzuordnenden Fall gleichsteht.

127

Vgl auch Henze BB 1 9 9 6 , 4 8 9 , 4 9 7 ; Hirte Bezugsrechtsauschluss und Konzernbildung ( 1 9 8 6 ) , S 14 f.

128

KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 19; Bungeroth M i i n c h K o m m 2 Rdn 5.

129

Vgl LG Lüneburg DB 1961, 4 0 2 [Gen]; KKLutter/Zöllner2 Rdn 19; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 5.

130

LG Kassel ZIP 1989, 3 0 6 , 3 0 8 ; ner2 Rdn 2 0 .

(39)

LG Kassel ZIP 1989, 3 0 6 , 3 0 8 ; vgl ferner Henze in: G r o ß k o m m 4 § 5 7 Rdn 9 2 ff, 133 ff. 136 Vgl dazu Henze in: G r o ß k o m m 4 § 5 7 Rdn 8 8 . 135

137

Z u diesen Regeln bspw Hüffer6 § 136 Rdn 6 ff; ausführlich Scholz/K Schmidt G m b H G 9 § 4 7 Rdn 1 4 8 ff m w N .

138

Ebenso Lutter/Zöllner2 Rdn 2 0 ; für das österreichische Recht ausdrücklich österrOGH G m b H R 1 9 8 4 , 2 3 5 ; kritisch Koppensteiner FS Schönherr ( 1 9 8 6 ) , S 2 1 4 f.

Lutter/Zöll-

Siehe dazu Henze in: G r o ß k o m m 4 Rdn 1 3 0 ff; vgl ferner § 2 4 3 Abs 2 132 v g l dazu Henze in: G r o ß k o m m 4 § Rdn 8 6 . 133 Vgl dazu Henze in: G r o ß k o m m 4 § Rdn 81.

131

in:

134 Vgl dazu Henze in: G r o ß k o m m 4 § 5 7 Rdn 9 0 f.

§ 57 S 1. 57 57

Hartwig Henze/Richard L. Notz

40

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

e) Schuldrechtlicher Individualrechtsverkehr mit dem Aktionär 41

Es ist auch denkbar, dass § 5 3 a nicht eingreift, obwohl es um ein Verhalten der Gesellschaft gegenüber einem ihrer Aktionäre geht. Tritt ein Aktionär der Gesellschaft wie ein Dritter als Partner eines schuldrechtlichen Vertrages gegenüber (Kauf, Miete, Dienst- oder Werkvertrag uä), dann handelt es sich bei diesem Rechtsverhältnis nicht um die gesellschaftsrechtlich geprägte Gemeinschaftsbeziehung. Vielmehr ist die Person, die in einer schuldrechtlichen Rechts- und Pflichtenlage mit der Gesellschaft verbunden ist und daher mit ihr wie ein Dritter in Berührung kommt, lediglich zufällig Aktionär. In dieser schuldrechtlichen Individualbeziehung hat der Vertragspartner, mag er auch Aktionär sein, keinen das Vertragsverhältnis ergänzenden Anspruch gegen die Gesellschaft darauf, wie andere Aktionäre behandelt zu werden. 1 3 9 Denn die Gesellschaft ist frei, sich ihre Partner im Geschäftsverkehr nach den Regeln des Wettbewerbs auszusuchen, mit ihnen zu verhandeln und Verträge abzuschließen, ohne dabei den Beschränkungen des § 5 3 a unterworfen zu sein. 1 4 0

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Indessen bedarf es hier einer sorgfältigen Grenzziehung im Einzelfall. Wählt die Gesellschaft ihren Vertragspartner aufgrund seiner Aktionärseigenschaft aus, dann macht sie die Mitgliedschaft zum entscheidenden Kriterium für das Zustandekommen der individualvertraglichen Beziehung, so dass § 5 3 a anwendbar wird. 1 4 1 Praktische Bedeutung gewinnt das vor allem in Fällen, in denen der durch die Gesellschaft als Vertragspartner ausgewählte Aktionär sich seine Position als Geschäftspartner der Gesellschaft mittelbar dadurch verschafft hat, dass er unter Ausnutzung seines Einflusses als Mehrheitsaktionär die Entscheidung des Vorstandes der Gesellschaft darüber, mit wem kontrahiert werden soll, maßgeblich gelenkt h a t . 1 4 2 Ist jedoch nur bekannt, dass die Gesellschaft mit ihrem Mehrheitsaktionär kontrahiert, wird man die Frage der Anwendbarkeit des § 5 3 a aber vorsichtig beurteilen müssen. Diese Tatsache kann nicht ohne weiteres als tatsächliche Vermutung für den Umstand herangezogen werden, die vorhandene M a c h t sei zur Verschaffung des Geschäfts auch eingesetzt w o r d e n . 1 4 3 Anderenfalls wäre der Mehrheitsgesellschafter - soweit er nicht die Vermutung des Vorwurfs widerlegt, er habe die Gesellschaft kraft seines Einflusses bei der Vergabe des Geschäftes dirigiert - daran gehindert, ohne sachliche Rechtfertigung (zB Leistungsqualität, Zuverlässigkeit, Produktmodernität oder -eignung, Preisgestaltung, persönliche Fähigkeiten, etc) auch zu ausgewogenen Bedingungen ein Verkehrsgeschäft mit der Gesellschaft abschließen zu können. Dem § 5 3 a auf der Grundlage einer tatsächlichen Vermutung eine derartige Wirkung beizumessen, ginge zu weit. Allenfalls im Rahmen von Konzernsachverhalten, die den wirtschaftlich wahren Vertragspartner nicht erkennen lassen, kann diese Sicht zu modifizieren sein. Ist die AG von einem ihrer Aktionäre abhängig iSd § 17 und kontrahiert sie mit einer Gesellschaft, die ebenfalls von diesem Aktionär beherrscht wird, so wird man im Streit um eine für diese Gesellschaft in dem Geschäft liegende Vorteilhaftigkeit dem Aktionär als herrschendem Unternehmen, wenn er nicht zuvor seine beherrschende Stellung an der anderen Gesellschaft offengelegt und die Geschäftsleitung somit im Bewusstsein dieses Umstandes den Vertrag geschlossen hat, die Beweislast dafür auferlegen kön-

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LG Lüneburg DB 1961, 402 [Gen]; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 6. KK-Lutter/Zöllner 2 Rdn 21. BGH AG 1997, 414; Bungeroth in: MünchKomm 2 Vor § 53a Rdn 11; Scholz/H Winter GmbHG 9 § 14 Rdn 43.

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KK-Lutter/Zöllner 1 Rdn 21; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 6. Gl Ansicht Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 6; aA KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 21.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53a

nen, dass die konkrete Vorgehensweise und die vereinbarten Bedingungen sachlich gerechtfertigt sind. f) Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern Die Bestimmung der Personen, die das Gremium des Aufsichtsrates besetzen, ist ein Vorgang, der dem Binnenleben der Gesellschaft zuzuordnen ist. Dennoch unterliegt dieser Vorgang nicht den Bindungen des § 53 a; der Gleichbehandlungsgrundsatz kommt nicht zum Tragen. Es ist das Charakteristikum jeder Wahl, dass frei und eigenverantwortlich über die zur Wahl stehenden Vorschläge befunden werden darf. Vor diesem Hintergrund geht die h M zutreffend davon aus, dass der Mehrheitsaktionär ohne Rücksicht auf § 53 a durch sein Stimmverhalten berechtigt ist, darauf hinzuwirken, dass alle Sitze im Aufsichtsorgan mit Personen besetzt werden, die sein Vertrauen genießen bzw deren Loyalität er sich aufgrund persönlicher Nähe sicher sein kann, auch wenn dies dazu führt, dass keine der in den Aufsichtsrat gewählten Personen unternehmenspolitisch ein Interessenvertreter der Minderheitsfraktion der Anteilseigner ist. 1 4 4 Die gegenteilige Ansicht liefe darauf hinaus, allgemeine Wahlgrundsätze hinter einen institutionalisierten Minderheitenschutz zurücktreten zu lassen; ein solcher kommt für die Einrichtung des Aufsichtsrats aber nicht in Betracht. 1 4 5

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3. Zeitlicher Geltungsbereich § 53 a schützt den Aktionär, solange seine Mitgliedschaft besteht (die Vorschrift gilt auch im Liquidationsstadium 1 4 6 ). Da das Gleichbehandlungsgebot rechtsgeschäftlichen Ursprungs ist und auf dem in der Satzung als Organisationsvertrag verkörperten Willen der Gründer beruht (Rdn 17), hängt die Gültigkeit dieses Grundsatzes nicht von dem Entstehen der Gesellschaft als juristischer Person iSd § 1 Abs 1 S 1, also deren Eintragung in das Handelsregister (arg e § 41 Abs 1 S 1) ab. Vielmehr treten die Rechtswirkungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes mit der Wirksamkeit der Satzungsfeststellung gemäß § 2 3 ein. Sie bestimmen demnach bereits das Innenverhältnis der Vorgesellschaft, deren Rechtssubjektsqualität (sui generis) heute anerkannt 1 4 7 ist. Praktische Bedeutung kommt dem Gleichheitssatz in diesem Stadium insbesondere insoweit zu, als es der Vorgesellschaft verwehrt ist, die von den Gründern zu leistenden Einlagen im Rahmen der § § 3 6 Abs 2, 36a, 63 Abs 1 grundlos ungleichmäßig einzufordern und auf diese Weise einen Teil der Gründer zu einer Art Vorleistung zu veranlassen; 1 4 8 weder zeitlich noch der (relativen) Höhe nach dürfen die Inferenten willkürlich verschieden stark belastet werden. 1 4 9 Ein solcher Verstoß der Vorgesellschaft gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz löst deshalb (jedenfalls zeitweilig) ein (ggf teilweises) Leistungsverweigerungsrecht

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BGHZ 76, 191, 195 f; LG Mannheim WM 1990, 760; KK-Lutter/Zöllner 1 Rdn 77; Scholz/U H Schneider GmbHG 9 § 52 Rdn 134; aA OLG Hamm NJW 1897, 1030, 1031. Vgl allgemein Kropff AktG 1965, S 138; Hoffmann-Becking in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 30 Rdn 15; Timm NJW 1987, 977, 986; auch Hüffer6 § 101 Rdn 4. Gl Ansicht allgemein Staudingerl Habermeier BGB 1 3 § 705 Rdn 54.

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AllgM; BGHZ 117, 323, 326 f; aus der Literatur statt aller Κ Schmidt in: Großkomm 4 § 41 Rdn 41; Pentz in: MiinchKomm2 § 41 Rdn 24. Vgl ferner ständige Rspr zur GmbH seit BGHZ 21, 242, 246, zuletzt BGHZ 143, 314, 319. Gehrlein in: Großkomm 4 § 63 Rdn 26, 27; Hüffer6 § 63 Rdn 6; KK-Lutter 2 § 63 Rdn 13. Bayer in: MiinchKomm2 § 63 Rdn 29 f; KK-Lutter 1 § 63 Rdn 13 mwN.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

für die zur Aufbringung des Grundkapitals verpflichteten Inferenten aus (Rdn 122, 151). 150 45 Entäußert sich der Aktionär der Aktie und verliert er damit seine Mitgliedschaftsrechte (Vor § 53a Rdn 23), kann ihm auch das Gleichbehandlungsgebot als Ausfluss der früheren Mitgliedschaft nicht mehr als Recht zur Unterbindung einer Schlechterstellung gegenüber den Personen dienen, die noch Aktionäre sind. Denkbar ist aber eine Art Nachwirkung des Gleichbehandlungsprinzips dergestalt, dass die Gesellschaft Abwicklungs- oder sonstige Annexfragen im Zusammenhang mit der Beendigung von Mitgliedschaften für Aktionäre, die zum selben Zeitpunkt „unter gleichen Voraussetzungen" aus der Gesellschaft ausgeschieden sind, frei von willkürlichen Differenzierungen zu regeln hat. Denn obwohl die Maßnahme zum Zeitpunkt ihrer Vornahme gegenüber einem Nichtaktionär wirkt, besteht ein Bezug zur (ehemaligen) Mitgliedschaft. Der Spielraum für die Rechtfertigung einer ungleichen Behandlung mag dann uU größer und die Ausprägung des Gleichbehandlungsgebotes abgeschwächt sein; es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz in diesem Zusammenhang keine Bedeutung mehr hätte. 4. Geltung für die öffentliche Hand 46

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Für die öffentliche Hand bestehen vereinzelt Sondervorschriften, die die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durchbrechen. Ohne Rücksicht auf § 53 a kommt dem dadurch privilegierten Träger hoheitlicher Gewalt danach im Verhältnis zu den übrigen Aktionären eine hinzunehmende Sonderstellung zu. Im Speziellen legen die §§ 53, 54 HGrG 151 fest, dass ein von einer Gebietskörperschaft betriebenes öffentliches Unternehmen, welches mehrheitlich an einer Aktiengesellschaft beteiligt ist, bestimmte Rechte zur Einwirkung auf die Abschlussprüfung hat; ferner gewähren diese Vorschriften, falls eine entsprechende Satzungsklausel zustande kommt, den Rechnungsprüfungsbehörden der Gebietskörperschaft die Befugnis zur (direkten) Kontrolle des Betreibers und zur Einsichtnahme der Bücher und Schriften der Gesellschaft. 1 5 2 Die Vorschriften greifen damit unmittelbar in § 53 a ein und relativieren dessen Wirkung dadurch, dass sie ihn in dem Umfang der Reichweite der Regelung verdrängen. 1 5 3 Zweck der Vorschriften ist es, bei der Verwaltung des Aktienanteils die besonderen Interessen der öffentlichen Hand durch verstärkte Kontrolle des Unternehmens zur Geltung zu bringen. 154 Außerdem eröffnen die §§ 394, 395 Aufsichtsratsmitgliedern oder mit bestimmten Aufgaben betreuten Repräsentanten von Gebietskörperschaften als Sondervorschriften 155 im Vergleich zu den Mitgesellschaftern, die keine Bindung an eine Gebietskörperschaft haben, eine größere Beweglichkeit bei der Einhaltung der gemäß § 93 Abs 1 S 2

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Gehrlein in: G r o ß k o m m 4 § 6 3 Rdn 28; Hüffer6 Rdn 12 und § 63 Rdn 6; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 28 und Bayer ebd, § 63 Rdn 31; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 37, 70 und KK-Lutter2 § 63 Rdn 13. Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder - Haushaltsgrundsätzegesetz - ν 19. 8. 1969 (BGBl I, S 1273); Text bei Hüffer6 § 3 9 4 Rdn 6 und Erläuterungen ebd Rdn 7 ff.

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Näher Lutter/Grunewald W M 1984, 385, 387 ff, 3 9 3 f. Vgl Hüffer6 § 3 9 4 Rdn 5, 16. AllgM; Hüffer6 § 3 9 4 Rdn 5; Lutter/Grunewald W M 1984, 385, 386 m w N . Zur bewussten Bezeichnung in der Gesetzesfassung (Überschrift des Vierten Buches) R Fischer AG 1982, 85, 90.

Stand: 1. 7. 2004

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

iVm § 116 geltenden Verschwiegenheitspflicht. 156 Sachlich können die §§ 53 f HGrG als Ergänzung zu den §§ 394 f verstanden werden. 1 5 7 Soweit die genannten Sondernormen keine Privilegierung enthalten, ist § 53 a auch im 4 9 Verhältnis der öffentlichen Hand zu den Mitaktionären maßgebend, 1 5 8 so dass außerhalb des Anwendungsbereichs der Spezialregelung kein Aktionär dulden muss, dass der Gesellschaftsanteil einer Gebietskörperschaft bei Eingriffen schonender bzw bei der Verteilung von Chancen großzügiger behandelt wird. 1 5 9 Umkehrt braucht sich die öffentliche Hand nicht etwa mit Rücksicht auf ihre öffentlich-rechtliche Sonderstellung bei der Zuteilung von Vorteilen zurücksetzen zu lassen, sondern kann wie jeder andere Aktionär das Recht aus § 53 a in Anspruch nehmen.

VI. Die Maßstäbe gleichmäßiger Behandlung 1. Hauptrechte: Höhe des Anteils am Grundkapital Entsprechend dem Wesen der Aktiengesellschaft als kapitalistisch strukturiertem Verband bemisst sich der Umfang der Zuteilung von Hauptrechten nach der Beteiligungsquote des Aktionärs am Grundkapital der Gesellschaft. 160 Maßstab für eine gleichmäßige Behandlung ist deshalb nicht die Person des Aktionärs im Vergleich zu den Mitgesellschaftern, sondern der Ausgangspunkt lautet: Jede Aktie ist gleich. 161 Umfang und Ausmaß der Hauptrechte und Hauptpflichten richten sich somit nach der Kapitalbeteiligung. Entscheidend für die Höhe der Kapitalbeteiligung ist grundsätzlich der nominale Umfang des Aktienbesitzes. 162

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Zu den zahlenmäßig abstufbaren und dem Beteiligungsmaßstab unterliegenden (Haupt-) 51 Rechten zählen zB der Anspruch des Aktionärs auf Gewinn (§§ 58 Abs 4, 60) sowie auf Beteiligung am Erlös bei Liquidation der Gesellschaft (§ 271), das Recht zum Bezug neuer Aktien (§ 186) bzw die Zuordnung neuer Aktien (§ 212) und schließlich das Stimmrecht (§§ 12, 134). Ebenso ist - unmittelbar - der jeweilige Umfang des übernommenen Anteils (in Aktien) ausschlaggebend für die Höhe der Einlagepflicht als einziger Hauptpflicht eines jeden Inferenten; gleichsam von selbst entsteht daher ein zu den Beteiligungsquoten proportional gleichmäßiges Verhältnis der (Haupt-)Pflichten aller Inferenten. 2. Nebenrechte: Zuteilung nach Köpfen In Ergänzung zu den Hauptrechten eines Aktionärs bestehen Hilfsrechte. Dazu gehören zB das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung (vgl § 118 Abs 1), das Rede- und Auskunftsrecht (vgl §§ 131, 293 g Abs 3), ferner die rechtliche Befugnis zur 156

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Zu dieser Verschwiegenheitslockerung Lutter/Krieger Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats 4 (2002), Rdn 270 ff. Hüffer6 S 394 Rdn 5 mwN; Lutter/Grunewald W M 1984, 385, 386 f. Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 25; Lutter/Grunewald W M 1984, 385. Vgl auch Hüffer6 $ 394 Rdn 2. BGHZ 70, 117, 121; Hüffer6 Rdn 6; KKLutter/Zöllner2 Rdn 22; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 9, 10; Raiser Kapital-

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gesellschaften 3 (2001), § 12 Rdn 56; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 12; G Hueck Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung (1958), S 202, Immenga BB 1975, 1042, 1043; ders AG 1976, 293, 294; Henn AG 1985, 242, 243; Heider in: M ü n c h K o m m 2 § 1 Rdn 94. Wiethölter Interessen und Organisation der AG (1961), S 120. Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 10.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Anfechtung von in der Hauptversammlung gefassten Beschlüssen (§ 2 4 5 ) . Diese Aktionärsrechte hängen in ihrem Bestand und ihrer Wahrnehmbarkeit nicht davon ab, wie hoch der Anteil des Aktionärs am Grundkapital ist. Für die Frage, ob einem Aktionär die Hilfsrechte zustehen, spielt die Höhe des Investments in die Gesellschaft und das sich darin widerspiegelnde Risikovolumen, das ein Anteilseigner einzugehen bereit ist, keine Rolle. Grundsätzlich bedeutet gleiche Behandlung hier, dass jeder Aktionär das Recht hat, von seinen Hilfsrechten in den von Gesetz und Satzung vorgesehenen Grenzen Gebrauch zu machen, auch wenn er nur eine Aktie besitzt. 1 6 3 53

Dass dieses Recht dem Aktionär wie seinen Mitgesellschaftern zusteht, schließt es allerdings nicht aus, die Intensität der Rechtsausübung in sachgerechter Weise an Einzelumständen auszurichten. Dass typischerweise nicht allen Aktionären für die Interessen und die Zukunft des Gesellschaftsunternehmens eine gleich hohe Bedeutung zukommt, kann zB dazu führen, dass einem Aktionär, dem insofern im Einzelfall eine deutlich gewichtigere Rolle für das prosperierende Fortkommen des Unternehmens zukommt als anderen Anlegern, nach angemessener Abwägung ein vergleichsweise größerer Zeitraum zur Wahrnehmung seines Rede- und Auskunftsrechtes in der Hauptversammlung zugeteilt wird. Dafür, wie bedeutend die Rolle eines Aktionärs in diesem Zusammenhang ist, kann (nicht: muss) neben anderen Umständen die Höhe der Beteiligungsquote indizielle Bedeutung haben. In dieser Sicht der D i n g e 1 6 4 schlägt sich lediglich das allgemeine Prinzip nieder, dass Differenzierungen, die möglich sind, auch als zulässig angesehen werden müssen, falls ein sachlicher Rechtfertigungsgrund sie trägt (Rdn 27 f, 6 8 ff). Eine allgemeine Regel, Kleinanlegern deshalb, weil sie nur einen Splitteranteil halten, (tendenziell) nur eine „Mindestredezeit" zur Verfügung zu stellen, lässt sich daraus aber nicht ableiten. Insbesondere sind zwei Dinge anzumerken: Erstens geht es hier (noch) nicht (notwendig) um das Phänomen des redenden Kleinanlegers als „Störer"; dieses ist zu jedem Zeitpunkt gegenüber jedem Redner ggf über die aus der Treuepflicht folgende Schranke durch Entziehung des Wortes zu lösen (Anh § 53 a Rdn 77). Zweitens ist festzustellen, dass der Mehrheitsaktionär letztlich durch sein Stimmverhalten ohnedies die Richtung vorgeben wird, womit zur Eröffnung gleichwertiger Einflussnahmemöglichkeiten dem Rederecht gerade für die Kleinaktionäre besondere Bedeutung zukommen kann. Ein unreflektiertes Schema einer an den Anteilsumfang geknüpften Zuteilung der Länge der Redezeit ist somit nicht rechtmäßig. 3. Spezialgesetzliche Maßstäbe

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In einigen Vorschriften nennt das Gesetz selbst die Kriterien, an denen sich eine entsprechend den Beteiligungsverhältnissen gleichmäßige Behandlung der Aktionäre auszurichten hat. Das trifft für Regelungsbereiche zu, in denen der Gleichbehandlungsgrundsatz bereits vor Inkrafttreten des § 53 a seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hatte (Rdn 1). Dass das Gesetz in diesen Einzelvorschriften selbst den Maßstab gleichmäßiger Behandlung nennt, schließt einen weiter gehenden Rückgriff auf die Generalklausel des § 53 a zur Begründung eines abweichenden Maßstabes aus, soweit nicht kraft Gesetzes eine davon

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OLG Stuttgart AG 1994, 411, 415; Hüffer6 Rdn 7; KK-Lutter/Zöllner 2 Rdn 23; Bungeroth in: MünchKomm2 Rdn 11; Raiser

Kapitalgesellschaften 3 (2001), § 12 Rdn 56; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 12. Begrifflich missverständ-

lich Mülbert in: Großkomm 4 Vor § 118 Rdn 95, 141: Gleichbehandlungsmaßstab „abweichend von § 5 3 a " nach Köpfen. 164

Ebenso Hüffer6 Rdn 7; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 23; Bungeroth in: MünchKomm2 Rdn 11.

Stand: 1. 7. 2004

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

abweichende Satzungsregelung erlaubt und auch getroffen worden ist, die ihrerseits den sich aus § 5 3 a ergebenden Beschränkungen genügen muss (vgl R d n 8 4 ff). 1 6 5 Z u diesen gesetzlich vorfixierten M a ß s t ä b e n gehören etwa die für die H a u p t r e c h t e

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geltenden Verteilungskriterien der § § 6 0 Abs l , 1 6 6 1 3 4 Abs 1 S 1, 2 7 1 Abs 2 oder auch das in § 2 1 6 Abs 1 S 1 niedergelegte Gleichbehandlungserfordernis. 1 6 7 Ferner gehört hierzu § 1 8 6 Abs 1 S 1 (zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln vgl § 2 1 2 S 1), der der Gesellschaft die Freiheit n i m m t , nur einzelnen Aktionären ein Bezugsrecht einzuräumen, anderen jedoch nicht; die allgemeine Regelung des § 5 3 a wird

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dadurch v e r d r ä n g t . 1 6 8 Auch die Satzung k a n n den in § 1 8 6 Abs 1 ausgedrückten M a ß stab proportionaler Teilhabe nicht v e r ä n d e r n . 1 6 9 D e s h a l b verstößt im R a h m e n einer Kapitalerhöhung, die sich o h n e Bezugsrechtsausschluss vollzieht, eine nicht den Kapitalanteilen entsprechende Zuteilung der neuen Aktien unabhängig von der Frage gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, o b dafür nach dem System des § 5 3 a eine sachliche Rechtfertigung b e s t e h t . 1 7 0 M ö g l i c h ist allenfalls, zunächst alle Aktionäre vom Bezugsrecht g e m ä ß § 1 8 6 Abs 3 auszuschließen (spezieller M a ß s t a b des § 1 8 6 Abs 1 S 1 ist dadurch mit aufgehoben); das bedarf zu seiner U n a n f e c h t b a r k e i t einer materiellen R e c h t fertigung. 1 7 1 Anschließend (mit jetzt wieder eröffnetem R ü c k g r i f f auf den allgemeinen M a ß s t a b des § 5 3 a 1 7 2 ) kann eine von sachlichen Gründen getragene und deshalb gerechtfertigte Ungleichbehandlung dergestalt v o r g e n o m m e n werden, dass nur einem Teil der Aktionäre trotz des Bezugsrechtsausschlusses neue Aktien zur Z e i c h n u n g vorrangig vor den übrigen Aktionären angeboten w e r d e n . 1 7 3 Des Weiteren ergeben sich folgende Fälle unterschiedlicher Regelung des Verteilungsm a ß s t a b e s aus dem Gesetz: H a t ein Teil der Aktionäre seine Einlage voll erbracht, ein anderer erst teilweise, oder sind die Teilleistungen in unterschiedlicher H ö h e erbracht worden, so bestimmen die Vorschriften in § 6 0 Abs 2 ( H ö h e des Gewinnanspruchs) und § 2 7 1 Abs 3 (Anteil am Liquidationserlös), dass für das Zuteilungsverhältnis auf die tatsächlich erbrachten Leistungen jedes Aktionärs abzustellen ist; entsprechendes gilt g e m ä ß § 1 3 4 Abs 2 S 3 und 4 für den U m f a n g des Stimmrechts, w o b e i hier zudem Satz 6 im Hinblick auf eine mögliche satzungsmäßige M o d i f i k a t i o n sichert, dass nach dem G e d a n k e n des § 5 3 a eine zu Lasten der übrigen A k t i o n ä r e gehende Bevorzugung bestimmter von ihnen nicht stattfindet: Eine Vorverlegung des Stimmbeginns durch Satzungsregelung auf die Leistung der gesetzlichen oder einer statutarischen Mindesteinlage ist nur für alle A k t i o n ä r e gleichmäßig oder gar nicht m ö g l i c h . 1 7 4

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Im Hinblick auf Hilfsrechte besteht als Sonderregelung des Gleichbehandlungsgebots

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für die Folgen von außerhalb der Hauptversammlung gegebener Auskünfte die Vorschrift des § 131 Abs 4 . Die Rechtsfolgen dieser Regelung und der ihr zugrunde liegende M a ß stab sind insofern abschließend, als den Aktionären kein über den W o r t l a u t hinaus-

li5 166

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Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 7. Vgl dazu Henze in: Großkomm 4 § 60 Rdn 6. Vgl Hirte in: Großkomm 4 § 216 Rdn 31. Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 7; vgl auch Henn Hdb AktR 7 (2002), Rdn 1246. Hüffer6 § 186 Rdn 5; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, § 186 Rdn 12 mwN. Str; für sachlich „zwingende" Fälle soll dies möglich sein, vgl bei Wiedemann in: Großkomm 4 § 186 Rdn 181 mwN.

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Aus der Rechtsprechung BGHZ 70, 40, 43 ff, 46; 125, 239, 241; 136, 133; weitere Nachw bei Hüffer6 § 186 Rdn 25. Vgl dazu Hüffer6 § 186 Rdn 40 mwN und LG Kassel ZIP 1989, 306, 308. Konstellation vergleichbar mit BGHZ 33, 175, 186 [„Minimax II"] = LM Nr 1 zu § 11 AktG (Fischer) und BGHZ 120, 141 [„Bremer Bankverein"]. Volhard in: MünchKomm 2 § 134 Rdn 33; Hüffer6 § 134 Rdn 20.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

gehendes Recht zusteht. Der GleichbehandlungSiWSprMc/? erstreckt sich nicht darauf, die gleiche Information bereits außerhalb einer Hauptversammlung zu erhalten, sondern die Gleichstellung gewährt den Auskunftsanspruch „ i n " der Hauptversammlung (vgl auch Rdn 131). Für eine auf die allgemeine Vorschrift des § 5 3 a gestützte weitergehende Interpretation der speziellen Vorschrift des § 131 Abs 4 S 1 im Sinne eines sofortigen, nicht an den Besuch der Hauptversammlung geknüpften Anspruchs ist nach h M kein R a u m . 1 7 5 Umgekehrt ist indessen zu erwägen, dass - weil sie ein Sonderfall des § 5 3 a ist (Rdn 131) - die Regelung des § 131 Abs 4 ebenso wie der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz R a u m für eine Differenzierung aufgrund sachlicher Rechtfertigung lässt und mithin über ihren Wortlaut hinaus einschränkbar ist. Das ist noch nicht erforderlich in den Fällen, in denen die Person, die außerhalb einer Hauptverhandlung eine Auskunft erhält, nur zufällig Aktionär ist, während der eigentliche Grund für die bevorzugte Information anderen Ursprungs i s t ; 1 7 6 dann nämlich scheitert ein auf § 131 Abs 4 gestütztes Auskunftsbegehren der übrigen Aktionäre bereits daran, dass die Information dem Informierten nicht „wegen seiner Eigenschaft als A k t i o n ä r " erteilt w u r d e . 1 7 7 Denkbar ist allerdings der Fall, dass ein Aktionär in dieser Eigenschaft, insbesondere wenn und weil er der Großaktionär ist, über sensible Unternehmensinterna informiert wird, deren Mitteilung sich rechtfertigen lässt, während der Hintergrund für diese R e c h t f e r t i g u n g 1 7 8 nicht für alle Mitgesellschafter in gleicher Weise besteht. Praktische Bedeutung gewinnt diese Frage etwa im Z u s a m m e n h a n g mit einer due diligence: Müssen Informationen, die dem Hauptaktionär im Vorfeld einer Transaktion, die sein Paket betreffen soll (Übernahme; Kontrollwechsel), gegeben w e r d e n , 1 7 9 weil sie zur tatsächlichen Ermöglichung

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Decher in: Großkomm 4 § 131 Rdn 337, 363; Hüffer6 % 131 Rdn 42; HoffmannBecking FS Rowedder (1994), S 155, 157; Duden FS ν Caemmerer (1978), S 499, 503; aA Eckardt in: Geßler/Hefermehl, § 131 Rdn 161 -Joussen DB 1994, 2485, 2486; kritisch auch Grüner N Z G 2 0 0 0 , 770, 778. So insbesondere, falls der Grund für die Information in einer besonderen rechtlichen Beziehung zur AG liegt (zB: Vorstandsmitglied, Aufsichtsratsmitglied, Abschlussprüfer, Kreditgeber/Banken, Prozessbevollmächtigter, Berater, Zulieferer, Finanzanalyst, Rating-Agentur), siehe KG DB 2001, 1080, 1082; BayObLG ZIP 2 0 0 2 , 1804, 1805 = NZG 2002, 1020, 1021; Hüffer6 § 131 Rdn 37. Für eine Stärkung der informationellen Gleichbehandlung plädiert in diesem Zusammenhang die Regierungskommission Corporate Governance, siehe Baums (Hrsg), Bericht (2001), Rdn 143. Ausführlich Kubis in: MünchKomm 2 § 131 Rdn 129 ff; Decher in: Großkomm 4 § 131 Rdn 342 ff, je mwN. Allein die Eigenschaft als Großaktionär bietet dabei freilich gerade noch keinen hinreichenden Sachgrund für eine bevorzugte

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Behandlung, BayObLG ZIP 2002, 1804, 1805 = N Z G 2 0 0 2 , 1 0 2 0 , 1021. Nach zutreffender hM verletzt der Vorstand damit im Einzelfall nicht seine ihm gemäß § 93 Abs 1 S 2 obliegende Verschwiegenheitspflicht, denn diese Pflicht hat ihren Ursprung in der Wahrung des Unternehmensinteresses und wird daher durch dieses Interesse auch begrenzt, vgl dazu Hopt in: Großkomm 4 § 93 Rdn 2 0 9 ff; Hüffer6 § 93 Rdn 8; Becker in: Picot/Mentz/Seydel, Aktiengesellschaft bei Unternehmenskauf (2003), Teil II A, Rdn 22 ff; Hefermehl/ Spindler in: MünchKomm 2 § 93 Rdn 63; Roschmann/Frey AG 1996, 449, 452; Schroeder DB 1997, 2161, 2162 f; Κ Mertens AG 1997, 541, 542, 546 f; Wilde ZGR 1998, 423, 4 6 0 f; Ziemons AG 1999, 4 9 2 , 493; Kiethe N Z G 1999, 976, 978 f; Ziegler DStR 2 0 0 0 , 249, 252; Werner ZIP 2 0 0 0 , 989, 991; Traugott BB 2001, 2277, 2 2 7 9 f; Stoffels Z H R 165 (2001), 362, 371 ff; Körber N Z G 2 0 0 2 , 263, 2 6 9 mwN; Linker/Zinger N Z G 2 0 0 2 , 497, 500; Banerjea ZIP 2003, 1730 f; auch Bihr BB 1998, 1198, 1199; ferner Loges/Distler ZIP 2 0 0 2 , 467, 471; sehr reserviert gegenüber der hM allerdings Lutter ZIP 1997, 613, 616 f. - Sogar einen

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

der Veräußerung seines Anteils nötig sind, 1 8 0 gemäß § 131 Abs 4 auch Aktionären gegeben werden, die mit dem Halten eines Splitteranteils lediglich Kapitalanlageinteressen verfolgen? Hier erscheint es stimmig, den in § 5 3 a enthaltenen Gedanken, dass ungleiche Sachverhalte nicht grundlos in schematisierter Weise gleich behandelt werden dürfen (Rdn 27, 6 8 ) , hineinzuverlängern in den Regelungsgehalt des § 131 Abs 4 , so dass für die anderen Aktionäre kein Anspruch auf informationelle Gleichbehandlung besteht. 1 8 1 Diese Sichtweise verlässt noch nicht den dieser Vorschrift vom Gesetzgeber zugedachten Regelungsgehalt, ein grundsätzliches Informationsmonopol zu vermeiden. In gesetzlich vorgezeichneter Weise modifiziert wird § 5 3 a auch durch § 179 Abs 3 : Liegt der Sonderbeschluss vor, müssen die nachteilig betroffenen Gattungsangehörigen nicht einzeln zustimmen. 1 8 2

59

Spielraum für Differenzierungen, die an § 5 3 a zu messen sind, bleibt außerhalb dieser genannten Spezialregelungen (Rdn 56-59). Das trifft ua etwa zu für Fragen des Rederechtes (Länge, Zeitpunkt, Rednerplatz) in der Hauptversammlung. 1 8 3 § 5 3 a lässt es nicht zu, dass der Versammlungsleiter einzelnen Aktionären ohne besonderen Grund großzügig ein unbeschränktes Rederecht einräumt, so dass andere Aktionäre, obwohl auch sie eine rechtzeitige Wortmeldung abgegeben haben, nicht mehr zu Wort komm e n . 1 8 4 Es ist zur Wahrung des Gleichbehandlungsgebotes Aufgabe des Versammlungsleiters, überlange Beiträge zeitlich zu begrenzen. 1 8 5

60

4. Privatautonome Maßstäbe Den M a ß s t a b für eine gleichmäßige Behandlung abweichend von § 5 3 a festzulegen, steht den Beteiligten nur dort offen, wo das Gesetz diese Möglichkeit eröffnet (§ 2 3 Abs 5 S 1). Das trifft insbesondere im Fall des § 6 0 Abs 3, aber auch iRv § 134 Abs 1 S 2 zu,

Anspruch auf Information außerhalb der H V zugunsten des Paketaktionärs zum Zweck der due diligence bejaht Krömker N Z G 2 0 0 3 , 4 1 8 ff, was aber zu weit gehen dürfte (.Hüffer6 § 9 3 Rdn 8). 180

181

(47)

Kann der veräußerungswillige Großaktionär dem Erwerbsinteressierten keine hinreichenden Informationen über das Unternehmen zur Verfügung stellen, kann das die tatsächliche Unveräußerbarkeit des Pakets bedeuten und mithin für den Anteil als Ganzem zu einer Art faktischen Vinkulierung führen (vgl Krömker N Z G 2 0 0 3 , 4 1 8 , 4 1 9 ff [freilich mit der sehr weit reichenden Konsequenz der Bejahung eines Informationsanspruches; dagegen Hüffer6 § 9 3 Rdn 8]); dieser Hintergrund trifft für einen Veräußerungsvorgang von Kleinanleger zu Kleinanleger typischerweise nicht zu, so dass darin ein Ansatzpunkt zur sachlich gerechtfertigten Differenzierung liegt. Gl Ansicht Seibt VGR 3 ( 2 0 0 1 ) , S 37, 5 2 f; Krömker N Z G 2 0 0 3 , 4 1 8 , 4 2 3 ; Ziegler DStR 2 0 0 0 , 2 4 9 , 2 5 4 ; Linker/Zinger NZG 2 0 0 2 , 4 9 7 , 5 0 2 ; Schroeder DB 1997, 2 1 6 1 , 2 1 6 6 ; Κ Mertens AG 1997, 5 4 1 , 5 4 7 ; vgl

auch Stoffels Z H R 165 ( 2 0 0 1 ) , 3 6 2 , 3 8 2 ; Körber N Z G 2 0 0 2 , 2 6 3 , 2 6 5 f; Ziemons AG 1 9 9 9 , 4 9 2 , 4 9 6 ; zum Teil aA Lutter 1997, 613, 618.

ZIP

182

Siehe Wiedemann in: G r o ß k o m m 4 § 1 7 9 Rdn 138; K K - Z ö l l n e r 2 § 1 7 9 Rdn 175; Hüffer2 § 179 Rdn 4 1 ; Heider in: MünchK o m m 2 § 11 Rdn 4 5 ff; vgl auch O L G Celle N Z G 2 0 0 3 , 185.

183

B G H Z 4 4 , 2 4 5 , 2 5 5 ; Henn H d b A k t R 7 ( 2 0 0 2 ) , Rdn 812, 819. Siehe im Übrigen zu den dem Rederecht von vornherein immanenten Schranken Mülbert in: G r o ß k o m m 4 Vor § 118 Rdn 7 2 , 1 5 0 f.

184

185

LG München I AG 2 0 0 0 , 139, dazu E W i R 2 0 0 0 , 1 5 7 (Bachmann)·, vgl auch Mülbert in: G r o ß k o m m 4 Vor § 118 Rdn 110. Vgl BVerfG N J W 2 0 0 0 , 3 4 9 , 3 5 1 ; dazu Grüner N Z G 2 0 0 0 , 7 7 0 , 771. Vgl in diesem Zusammenhang hinsichtlich U M A G § 131 Abs 3 S 1 Nr 7 AktG nF auch K-P Martens AG 2 0 0 4 , 2 3 8 , 2 4 1 ff; Diekmann/Leuering N Z G 2 0 0 4 , 2 4 9 , 2 5 5 f; DAV-Handelsrechtsausschuss N Z G 2 0 0 4 , 5 5 5 , 5 5 8 f; Weißhaupt W M 2 0 0 4 , 7 0 5 , 7 0 7 f.

Hartwig Henze/Richard L. N o t z

61

§ 53a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

bedeutet jedoch nicht, dass hiermit § 53 a zur Gänze durch die Satzungsautonomie überlagert wird (Rdn 84 ff).

VII. Erscheinungsformen ungleicher Behandlung 62

Für die Art der Ungleichbehandlung kann unterschieden werden zwischen der formalen und der materiellen Ungleichbehandlung. Welche Form vorliegt, spielt keine Rolle für die Frage, ob § 53 a dem Aktionär als Kontrolle gegen die Ungleichbehandlung zur Verfügung steht. Vielmehr erfasst die Vorschrift beide Arten. 1. Formale Ungleichbehandlung

63

Eine formale Ungleichbehandlung liegt vor, wenn Aktionäre aufgrund äußerer Anknüpfungspunkte voneinander abweichend behandelt werden. 1 8 6 Das ist etwa der Fall, wenn sich ein Organ der Gesellschaft in der Frage, ob und welchen Aktionären bestimmte Vorzüge zugeteilt werden bzw sie im Gegensatz zu ihren Mitgesellschaftern von bestimmten Nachteilen verschont bleiben, daran orientiert, welche Staatsangehörigkeit oder welches Lebensalter ein Aktionär hat, in welchem Familienstand er lebt, wie lange die Aktionärseigenschaft bereits besteht oder ob der Aktionär diese Eigenschaft schon (bzw noch) zu einem bestimmten Stichtag innehatte (bzw innehaben wird), ferner auch dann, wenn die Art oder die Anzahl der gehaltenen Aktien zum Maßstab für eine Separierung von Aktionären in Bezug auf die Einräumung von Rechten erhoben wird, uä. Aufgrund der darin liegenden Schematisierung anhand verobjektivierter Merkmale wird eine formale Ungleichbehandlung kaum jemals verborgen bleiben. 1 8 7 Beispielhaft gehören dazu: Die Einführung eines Höchststimmrechts nur für ausländische Aktionäre; 1 8 8 ein nur für Arbeitnehmer-Aktionäre geltender Bezugsrechtsausschluss; 189 die Ausgabe einer Anleihe allein an Aktionäre mit einem Anteilsbesitz von über 2 5 % der Aktien; 1 9 0 der Erwerb eigener Aktien nur von Aktionären, die Vorzugsaktien halten, oder die ausschließliche Verweigerung des Erwerbs eigener Aktien, wenn es sich um Stammaktien handelt; die Einräumung eines Rederechts auf der Hauptversammlung von mehr als einer halben Stunde nur für diejenigen Aktionäre, die zu den Gründern gehörten (ggf zudem unter der Auflage der seitdem ununterbrochenen Mitgliedschaft), etc. 2. Materielle Ungleichbehandlung

64

Wendet sich ein Vorgehen der Gesellschaft gegen alle Aktionäre und knüpft es zur Abgrenzung seines Wirkungsbereichs nicht an äußere Merkmale an, die nicht alle Aktionäre erfüllen, dann liegt formal betrachtet eine gleiche Behandlung aller Aktionäre vor. Solch eine Vorgehensweise schließt indessen nicht aus, dass eine Maßnahme dennoch bestimmte Aktionäre in ihren mitgliedschaftlichen Rechten in anderer Weise als die übrigen Gesellschafter berührt. Im Extremfall kann unter einem Gesichtspunkt allein ein Teil der Aktionäre betroffen sein, während der andere Teil verschont bleibt. Sachlich wohnt dem im Ergebnis eine Ungleichbehandlung inne, die nicht schon im Ausgangspunkt angelegt oder beabsichtigt ist, sondern auf der Wirkungsweise der Maßnahme beruht.

186

Hüffer6 Rdn 9.

189

187

Vgl auch KK-Lutter/Zöllner 1 Rdn 10.

190

188

KK-Lutter/Zöllner1

Vgl Hüffer6 Rdn 9. Vgl KK-Lutter/Zöllner2

Rdn 10.

Rdn 10.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(48)

Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

So richtet sich das für eine Kapitalherabsetzung vorgegebene Verhältnis an jeden

65

A k t i o n ä r in gleicher Weise (zB 5 : 1 ) . N u r für diejenigen, die zum Z e i t p u n k t des Kapitalherabsetzungsbeschlusses weniger Aktien halten als es die Bezugsgröße erfordert (hier: nicht mindestens fünf Aktien), um zumindest eine Aktie zu behalten, bedeutet diese M a ß n a h m e den Verlust der Mitgliedschaft, so dass im Ergebnis nicht alle Aktionäre Adressat des gleichen Nachteils sind. 1 9 1 Andererseits k ö n n e n dadurch, dass als Konsequenz der Kapitalherabsetzung ggf einige Mitglieder ihre Aktien verlieren und sich deshalb die Beteiligungsquoten (geringfügig) neu ordnen, diejenigen A k t i o n ä r e durch das Überspringen bestimmter gesetzlicher Schwellenwerte (§ 1 2 2 Abs 1 und 2 ; § 1 4 2 Abs 2 S 1 und Abs 4 S 1; § 1 4 7 A b s 1 S 1, Abs 2 S 2 , Abs 3 S 1; § 2 5 4 A b s 2 S 3; § 2 6 0 A b s 1 S 1 und A b s 3 S 4 ) neue R e c h t e hinzugewinnen, deren Anteilsbesitz sich vor der M a ß n a h m e hinreichend nahe unter einem solchen Grenzwert befand. Dieser mit der Kapitalherabsetzung verbundene Vorteil k o m m t also uU nicht allen, sondern nur einzelnen verbleibenden Aktionären zugute. Umgekehrt k a n n den genannten Schwellenwerten, deren Unterschreiten zum Rechtsverlust führt, dadurch Bedeutung z u k o m m e n , dass sich zwar ein Bezugsrechtsausschluss (§ 1 8 6 Abs 3 ) an alle Aktionäre richten mag (Ausgangspunkt: formale Gleichheit), infolge des „Verwässerungseffektes" im Verhältnis zum erhöhten Grundkapital jedoch nur diejenigen Aktionäre ihres an den Anteilsumfang geknüpften Rechtes verlustig gehen, die zuvor nicht deutlich genug o b e r h a l b des Grenzwertes positioniert waren (Ergebnis: materielle Ungleichheit). N a c h zutreffender Ansicht liegt auch in der nachträglichen Einführung von Höchststimmrechten (vgl § 1 3 4 Abs 1 S 2 ) eine materielle Ungleichbehandlung der Aktionäre, deren Anteil bei der Beschlussfassung die Höchstgrenze bereits übersteigt. 1 9 2 Freilich mag dies (in einer durch den gesetzgeberischen Willen präjudizierten Weise) sachlich gerechtfertigt sein und deshalb keinen Verstoß gegen § 5 3 a bedeuten (Rdn 8 2 f , 9 2 ) . 1 9 3 Es steht aber fest, dass abweichend vom M a ß s t a b der Kapitalbeteiligung, der für das Verhältnis des Stimmumfangs im Vergleich zwischen den Gesellschaftern die grundsätzliche Richtschnur bildet (Rdn 5 0 ) , die ursprünglich vorhandene Vollständigkeit des Stimmgewichts zu Lasten der betroffenen Aktionäre zurückgeschnitten wird.

66

Die Umstände, die zur materiellen Ungleichbehandlung führen, müssen in der M i t gliedschaft angelegt s e i n . 1 9 4 Keine unter dem Blickwinkel des § 5 3 a erhebliche (materielle) Ungleichbehandlung ist anzunehmen, wenn eine gegen alle Aktionäre gleich gerichtete M a ß n a h m e in ihrer W i r k u n g einen Teil der Aktionäre auf Grund von Be-

67

gebenheiten ungleich trifft, die keinen Bezug zur Mitgliedschaft haben, sondern bei denen es sich um persönliche (private) Verhältnisse des Aktionärs h a n d e l t . 1 9 5 Dass ein in A r m u t geratener A k t i o n ä r im Z u g e der beschlossenen Kapitalerhöhung von seinem ihm rechtlich g e m ä ß § 1 8 6 Abs 1 S 1 zustehenden Bezugsrecht faktisch mangels Liquidität

191

(49)

Dass für Aktionäre mit kleinerem Aktienbestand hier nur Spitzenbeträge verbleiben, ist für sich allein betrachtet aber weder als anfechtbarer Sondervorteil iSd § 2 4 3 Abs 2 noch allgemein als Verletzung des § 53 a zu begreifen (BGHZ 138, 71 [„Sachsenmilch"]); etwas anderes gilt, wenn ohne rechtfertigenden Sachgrund die „Spitzen" unverhältnismäßig hoch sind (BGHZ 142, 167 [„Hilgers"]: Verletzung der Treuepflicht; kritisch Krieger Z G R 2000, 885, 902 ff; vgl auch Vetter AG 2000, 193,

192

193

194 195

201 ff; siehe ferner OLG Dresden AG 2001, 489 und Natterer AG 2001, 629 ff). Gl Ansicht Hüffer6 Rdn 9; KK-Lutt er/Zöllner2 Rdn 11 mwN; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 22; aA Hölters DB 1975, 917, 918; abw wohl auch BGHZ 70, 117, 121 f; OLG Düsseldorf AG 1976, 215, 216 f. Hüffer6 Rdn 9; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 22. KK-Lutter/Zöllner 2 Rdn 12. G Hueck Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung (1958), S 190 ff.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

keinen Gebrauch machen kann und deshalb gegenüber vermögenderen Mitaktionären nicht gleichziehen kann, liegt außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Sphäre und ist daher für § 53 a ohne Belang. 196

VIII. Zulässige Ungleichbehandlung 1. Begriffsbestimmung/Ausgangspunkt 68

Die europäische Richtlinie, auf der § 53 a fußt, 1 9 7 fordert eine gleiche Behandlung von Aktionären der Gesellschaft für diejenigen von ihnen, die sich „in den selben Verhältnissen" befinden (Rdn 2). Dem entsprechend legt die Vorschrift des § 53 a sachlich fest, dass eine gleiche Behandlung der Aktionäre „unter gleichen Voraussetzungen" geboten ist. Der Gleichbehandlungsgrundsatz stellt sich damit nicht als Uniformierungsgrundsatz dar. Sind bereits die Sachverhalte verschieden, die von demselben Akt eines Gesellschaftsorgans betroffen sind, so liegt ihre „Gleichbehandlung" darin, dass diese Sachverhalte eine ihrer Verschiedenheit entsprechende Regelung erfahren. Die im Ergebnis darin liegende „Ungleichbehandlung" der Aktionäre verstößt daher nicht gegen § 53 a, sondern muss aufgrund des in § 53 a enthaltenen Prinzips gerade eingefordert werden, damit dem Unterschied der SachVerhaltsgestaltungen Rechnung getragen wird. Im Ausgangspunkt ist daher für die Feststellung der - allein anhand objektiver Kriterien zu beurteilenden 198 - Ungleichheit der Behandlung, wie sie der Tatbestand des § 53 a voraussetzt, stets der Hintergrund der Voraussetzungen (Gleichheit/Ungleichheit des Sachverhalts) von entscheidender Bedeutung. Fehlt der korrekte Wechselbezug im Sinne der Norm, weil Gleiches ungleich oder Ungleiches gleich behandelt wird, dann ist der erste Prüfungsschritt erfüllt, an den sich als zweiter Schritt die Prüfung anschließen muss, ob die mithin vorliegende Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz zulässig, mit anderen Worten: sachlich gerechtfertigt ist. 2. Prinzip der relativen Gleichheit

69

Selbst wenn der zugrunde liegende Sachverhalt für mehrere Aktionäre gleich ist und der für sie geltende Gleichbehandlungsmaßstab feststeht, ist eine strikte Gleichbehandlung, die sich an diesem Maßstab ausrichtet, nicht zwingend. Die Beziehung zwischen der Gesellschaft und den Aktionären ist nicht nur durch § 53 a geprägt, sondern stellt sich als ein Rechtsverhältnis dar, das von einem vielschichtigen Geflecht umwoben ist, welches aus unternehmenspolitischen Zielen sowie wirtschaftlichen Interessen der Anteilseigner und der geschäftsleitenden Organe besteht und dabei dem Einfluss ständig wandelbarer Marktverhältnisse ausgesetzt sein kann, an die die Organisations- und Kapitalstruktur der Gesellschaft in wettbewerbsfähiger Weise angepasst werden muss. Des Weiteren ist denkbar, dass die verschiedenen Aktionärspersonen, mögen sie auch formalrechtlich den gleichen Status als Mitgliedschaftsinhaber haben, je nach Typ des Unternehmens von unterschiedlicher Bedeutung für das Gesellschaftsinteresse sind. Für

196

197 198

Rechtsvergleichend KK-Lutter/Zöllner 2 Rdn 12 mit Hinweis auf schweizerBGE 102 II 283 (v 22. 9. 1976). Siehe oben Fn 2. Subjektive Kriterien spielen für die Bestimmung der (Un-)Gleichheit keine Rolle,

unstr; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 9; Wiedemann GesR I (1980), § 8 II 2 b, S 429; Raiser Kapitalgesellschaften 3 (2001), § 12 Rdn 56; Scholz/ H Winter G m b H G 9 § 14 Rdn 45; Michalski GmbHG, Bd I (2002), § 13 Rdn 126.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53a

Entscheidungen der Gesellschaftsorgane, die das Verhältnis zu den Aktionären betreffen, k a n n auf der Basis dieser Erkenntnisse § 5 3 a nicht als isolierte Regelung verstanden werden, sondern es muss um eine an nachvollziehbaren Gründen orientierte Harmonisierung aller Gesichtspunkte gehen, die den gesellschaftlichen R a h m e n bestimmen, innerhalb dessen die durch § 5 3 a geschützte Aktionärsstellung ihre praktische Verwirklichung findet. Selbst bei absoluter Gleichheit des Hintergrundes k a n n nach Abwägung aller Umstände eine ungleiche Behandlung von Aktionären zulässig sein, ohne dass hierdurch der Gleichbehandlungsgrundsatz des § 5 3 a verletzt wird. Entscheidend ist, welche im Verhältnis zu anderen A k t i o n ä r e n „vergleichbare" Stellung m a n c h e n Aktionären nach sachlicher Rechtfertigung eines Eingriffs in die mitgliedschaftliche Position noch gebührt, w o b e i aufgrund der Wechselwirkung mit den genannten Aspekten nicht selbstverständlich vorgezeichnet ist, dass jeder A k t i o n ä r im selben M a ß e getroffen bzw bevorteilt werden muss. Eine andere Sicht der Dinge liefe auf eine den wahren Lebensverhältnissen nicht adäquate Unbeweglichkeit hinaus, aufgrund derer die Gesellschaft unverzichtbarer Gestaltungselemente und Handlungsvarianten beraubt würde. Die a l l g M 1 9 9 sieht daher zu R e c h t R a u m für sachgerechte Differenzierungen unter den A k t i o n ä r e n , ohne dass deswegen der im Gleichbehandlungsprinzip ausgedrückte grundsätzliche R e c h t s g e d a n k e aufgegeben werden müsste. Garantiert bleiben muss aber auf jeden Fall, dass eine an die A k t i o n ä r e gerichtete und für Teile von ihnen mit unterschiedlicher W i r k u n g ausgestattete M a ß n a h m e nicht den C h a r a k t e r von W i l l k ü r t r ä g t . 2 0 0 3. Sachliche Rechtfertigung a) Voraussetzungen D a m i t einem Sachgrund rechtfertigende W i r k u n g zugeschrieben werden k a n n , muss er gewichtig sein; dass die Ungleichbehandlung lediglich vertretbar im weiteren Sinn ist, reicht nicht a u s . 2 0 1 D e r mit der Ungleichbehandlung verbundene Eingriff in die Mitgliedschaft ist materiell rechtmäßig, wenn er sich in den Grenzen der allgemein zur Abschirmung von Mitgliedschaftsbeeinträchtigungen konzipierten und heute anerkannten Schranken der Verhältnismäßigkeit h ä l t , 2 0 2 die somit auch für die Kontrolle von Ungleichbehandlungen heranzuziehen s i n d : 2 0 3

70

(1.) D e r Eingriff muss geeignet sein, ein bestimmtes, nicht unbedeutendes eigenes Interesse der Gesellschaft zu f ö r d e r n , 2 0 4 also gesellschaftseigenen M o t i v e n dienen; er darf weder an den Interessen Dritter oder nur dem G e m e i n w o h l ausgerichtet n o c h von dem Bestreben geleitet sein, Sonderinteressen einzelner A k t i o n ä r e zu b e f r i e d i g e n . 2 0 5 (2.) Z u r Wahrung des Prinzips des schonendsten Mittels muss der Eingriff als erforderlich qualifi-

71

199 200

201

202

(51)

Statt aller KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 13. BGHZ 33, 175, 186; 71, 4 0 , 44; 116, 359, 363; 120, 141, 150; OLG Frankfurt W M 1986, 1144, 1149; OLG Stuttgart AG 1994, 411, 415; OLG Köln ZIP 2001, 2049, 2051 f [„Metro"; rkr]; KK-Lutter/Zöllner 1 Rdn 13; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 12; G Hueck Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung (1958), S 173 ff, 339 f. KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 16; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 12. Als „bewegliche Schranken der Stimmrechtsmacht" zurückgehend insbesondere

203

204 205

auf Zöllner Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S 2 8 7 ff, 351 ff; rezipiert und fortentwickelt in der Figur der materiellen Beschlusskontrolle durch BGHZ 71, 40, 43 ff [„Kali & Salz"]; 80, 69, 74 [„Süßen"]; 83, 319, 322 [„Holzmann"]; siehe auch Lutter Z G R 1979, 401. Hüffer6 Rdn 10; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 15; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 13. Hüffer, Lutter/Zöllner und Bungeroth aaO. KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 14; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 13.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

zierbar sein. (3.) Schließlich ist Voraussetzung, dass der Eingriff nach umfassender Interessenabwägung mit Rücksicht auf die ungleich behandelten Aktionäre dennoch das angemessene Mittel dafür ist, einen Teil der Aktionäre hinter einen anderen Teil zurückzusetzen (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne). 2 0 6 Es bedarf also der sorgfältigen Beurteilung, ob nach Abwägung der wechselseitigen Belange und der Schwere des Eingriffs die Nachteile, die mit der Ungleichbehandlung einhergehen, zu dem angestrebten Erfolg, wichtige Gesellschaftsinteressen zu verwirklichen, außer Verhältnis stehen. 72

Der B G H hat sich diesem Modell angeschlossen, indem er allgemein die Zulässigkeit der Mitgliedschaftsbeeinträchtigung an sachliche, dem Gesellschaftsinteresse dienende Gründe koppelt, zudem eine Abwägung verlangt und die Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck postuliert („materielle Beschlusskontrolle").207

73

Sachlich gerechtfertigt kann die ungleichmäßige Verteilung von Vorteilen auch dadurch sein, dass den Aktionären, die sich vor demselben Hintergrund vergleichsweise schlechter gestellt sehen, ein anderer Vorteil als Ausgleich geboten wird, durch dessen Gewährung sich in einer Art Gesamtbetrachtung ergibt, dass die Grenzen der Verhältnismäßigkeit gewahrt sind. 2 0 8 b) Einzelfälle; Beispiele

74

(1) Als überwiegende, dem Gesellschaftsinteresse dienende Gesichtspunkte, die eine verhältnismäßige Zurückstufung des Gleichbehandlungsanspruches der Aktionäre erlauben, hat die Rechtsprechung zB den Schutz vor Überfremdung der Gesellschaft anges e h e n ; 2 0 9 überhaupt kann eine Anpassung der Satzung an veränderte Umstände zur Sicherstellung der weiteren Verfolgung des ursprünglichen Unternehmenszwecks erlaubt sein, auch schrittweise. 2 1 0

75

(2) Werden die Aktionäre gemäß § 186 Abs 3 S 1 vom Bezugsrecht (auch: im Falle eines genehmigten Kapitals, § 2 0 3 Abs 1 S 1 ) ausgeschlossen, wird einem Teil von ihnen dann aber gleichwohl vorrangig die Zeichnung junger Aktien angeboten, so kann nach Ansicht des B G H diese ungleiche Zuteilung erlaubt sein, wenn der Grund für sie darin liegt, das Bestreben einer Aktionärsgruppe zu unterbinden, die Gesellschaft mit dem Ziel unter ihre Kontrolle zu bringen, die Gesellschaft zu vernichten. 2 1 1

76

(3) Frei von Willkür und getragen von einer hinreichend sachlichen Erwägung ist auch die Entscheidung des Vorstandes, zur Verhinderung des Entstehens einer Sperrmin o r i t ä t 2 1 2 eine nach der Satzung nötige Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien zu versagen, obschon in früheren Fällen - bei denen jedoch eben nicht das Entstehen der Sperrminorität zu befürchten stand - die nach § 6 8 Abs 2 nötige Zustimmung regelmäßig erteilt worden war. 2 1 3

206

Hüffer6 Rdn 10; K K - L u t t e r / Z ö l l n e r 2 Rdn 15, 16; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 13.

tens FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 4 3 7 ff, 4 5 1 ff; Raiser Kapitalgesellschaften 3 ( 2 0 0 1 ) , § 2 0 Rdn 19; vgl auch Hirte Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung ( 1 9 8 6 ) , S 4 3 ff; kritisch Mestmäcker BB 1961, 9 4 5 , 9 4 6 .

207

B G H Z 71, 4 0 , 4 6 ; 8 0 , 69, 7 4 ; 8 3 , 319, 3 2 2 .

208

Vgl O L G Köln ZIP 2 0 0 1 , 2 0 4 9 , 2 0 5 1 f [ „ M e t r o " ; rkr]; Bungeroth in: MünchK o m m 2 Rdn 14.

212

Vgl insbesondere § § 1 8 2 Abs 1 S 1, 2 0 2 Abs 2 S 2 , 2 2 2 Abs 1 S 1, 2 6 2 Abs 1 N r 2 .

209

B G H Z 7 0 , 117, 1 2 2 f [ „ M a n n e s m a n n " ] .

213

210

B G H Z 5 5 , 3 8 1 , 3 8 7 ff; Rdn 5 4 .

211

B G H Z 3 3 , 175, 1 8 6 f [„Minimax II"] = L M N r 1 zu § 11 AktG (Fischer); dazu K-P Mar-

LG Aachen AG 1 9 9 2 , 4 1 0 , 4 1 2 ff [„AGF/ A M B " ] , dazu Lutter AG 1 9 9 2 , 3 6 9 , 3 7 4 f = ZIP 1 9 9 2 , 9 2 4 , 9 2 9 f, dazu E W i R 1 9 9 2 , 837, 8 3 8 (Bork)·, enger Immenga AG 1 9 9 2 , 79, 8 2 f; siehe zudem Hüffer6 § 6 8 Rdn 15.

KK-Lutter/Zöllner2

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(52)

Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

(4) Bei Angabe nachvollziehbarer Gründe, insbesondere wenn die Erreichung dieses Ziels infolge geänderter kapitalmarktrechtlicher Rahmenbedingungen im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt, 214 ist es ohne Verstoß gegen § 53 a möglich, Vorzugsaktien in Stammaktien umzuwandeln. 215 Dass infolge des kapitalmarkttypisch geringeren Verkehrswertes der Vorzugsaktien 2 1 6 der Umtausch - abhängig von dem gewählten Verfahrensmodell 2 1 7 mehr oder weniger - eine Benachteiligung der Stammaktionäre mit sich bringt, kann dadurch mit § 53 a in Einklang gebracht werden, dass zum Ausgleich eine angemessene 2 1 8 Umtauschprämie geboten wird, 2 1 9 die umso eher zu einer sachlichen Rechtfertigung des Gesamtbildes führen wird, je kleiner der Anteil der Vorzugsaktien am Grundkapital und mithin geringfügiger der durch den Umtausch bewirkte Verwässerungseffekt ist, der den Stimmrechtsanteil und ggf den inneren Beteiligungswert der (alten) Stammaktionäre trifft. 2 2 0

77

(5) Den zu Gunsten des Großaktionärs vorgenommenen Ausschluss der Minderheitsaktionäre vom Bezugsrecht bei der Ausgabe von Genussrechten hat der B G H nicht als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz bewertet, wenn die Genussrechte an einer ertragsschwachen Gesellschaft für die Kleinanleger ohnedies als Kapitalanlage kaum einen Anreiz darstellen bzw wenn den vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionären stattdessen entsprechend verzinsliche und auch sonst nicht ungünstigere Schuldverschreibungen angeboten werden. 2 2 1

78

(6) Allein der Umstand, dass eine Kapitalherabsetzung unter Maßgabe eines sehr gespreizten Verhältnisses (zB 7 5 0 : 1 ) vollzogen wird und für Kleinaktionäre nur „Spitzen" verbleiben, verletzt nicht § 53 a . 2 2 2 Wird die Kapitalherabsetzung mit einer Kapitalerhöhung verbunden, gebietet die Treuepflicht es der Gesellschaft und ihrem Mehrheitsaktionär, das Entstehen unverhältnismäßig hoher Spitzen dadurch zu vermeiden, dass der Nennwert der neuen Aktien auf den gesetzlichen Mindestbetrag festgelegt wird (Anh § 53 a Rdn 6 4 ) . 2 2 3

79

(7) Für die gemäß § 3 0 5 Abs 1 festzusetzende angemessene Abfindung ermittelt sich die Angemessenheit nach § 3 0 5 Abs 3 (Verschmelzungswertrelation): Beide Unternehmen sind zu bewerten und die Ergebnisse auf Aktien umzurechnen, wobei Maßstab für die einzelne Aktie ihr Anteil am Grundkapital iSd § 8 Abs 4 ist. 2 2 4 Bei der Ermittlung des Anteilswertes entbehrt es sachlicher Rechtfertigung und verstößt folglich gegen § 53 a, wenn von dem aus der Unternehmensbewertung abgeleiteten Anteilswert ein Abzug mit der Begründung erfolgt, der abzufindende außenstehende Aktionär besitze nur einen

80

214

Siehe hierzu Wirth/Arnold 861 f.

Z G R 2 0 0 2 , 859,

215

O L G Köln ZIP 2 0 0 1 , 2 0 4 9 , 2 0 5 1 f [ „ M e t r o " ; rkr] (Vorinstanz: LG Köln ZIP

221

B G H Z 1 2 0 , 141, 151 f [„Bremer Bankverein"] m Anm Lutter Z G R 1 9 9 3 , 2 9 1 , 3 0 9 f; vgl zudem Ebenroth/Müller BB 1 9 9 3 , 5 0 9 .

222

Vgl B G H Z 138, 71 [„Sachsenmilch"] = ZIP 1 9 9 8 , 6 9 2 , dazu E W i R 1 9 9 9 , 4 9 (Dreher) = N Z G 1 9 9 8 , 5 4 9 m Anm Mennicke = W u B II A § 2 2 9 AktG 1.98 (Hüffer) = L M § 2 2 2 AktG N r 3 (Heidenhain); ferner Natterer AG 2 0 0 1 , 6 2 9 .

223

B G H Z 1 4 2 , 1 6 7 [„Hilgers"] m Anm Krieger Z G R 2 0 0 0 , 8 8 5 , 9 0 2 ff; O L G Dresden AG 2 0 0 1 , 4 8 9 ; dazu Natterer AG 2 0 0 1 , 6 2 9 ff; vgl ferner Vetter AG 2 0 0 0 , 193, 2 0 1 ff.

224

Bilda in: M ü n c h K o m m 2 § 3 0 5 Rdn 8 6 ; Hüffer6 § 3 0 5 Rdn 2 4 .

2001, 572, 574). 216

G Bezzenberger in: G r o ß k o m m 4 § 139 Rdn 8; Jung/Wachtler AG 2 0 0 1 , 513 ff; auch Wirth/Arnold Z G R 2 0 0 2 , 859, 8 6 0 f m w N .

217

Vgl Wirtb/Arnold

218

Beurteilungskriterien bei Wirth/Arnold

Z G R 2 0 0 2 , 859, 8 6 2 ff. ZGR

2 0 0 2 , 859, 8 7 9 f. 219

O L G Köln ZIP 2 0 0 1 , 2 0 4 9 , 2 0 5 1 f [ „ M e t r o " ; rkr] (Vorinstanz: LG Köln ZIP 2001, 572, 574).

220

Vgl LG Köln ZIP 2 0 0 1 , 5 7 2 , 5 7 3 : 7 % Vorzüge 1 9 3 % Stämme.

(53)

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

kleinen Anteil der Aktien („Minderheitsabschlag"). 225 Durchaus mit § 53a zu vereinbaren ist in diesem Zusammenhang aber die Vorgehensweise, dass mit Rücksicht auf die Gattungsverschiedenheit der abzufindenden Anteile, insbesondere bei ungleicher Stimmrechtsausstattung, eine unterschiedliche Bewertung bei der Ermittlung der Angemessenheit der Abfindung erfolgt: 2 2 6 Im Vergleich zu Stammaktien k a n n 2 2 7 die mangelnde Stimmberechtigung von Vorzugsaktien bei letzteren zu einem angemessenen Bewertungsabschlag führen; 2 2 8 börsentypisch 2 2 9 wird man zur Wahrung der Gleichbehandlung die Stammaktien jedoch kaum jemals niedriger ansetzen dürfen als Vorzugsaktien. 230 81

(8) Dass im Anschluss an einen Formwechsel nur ein Teil der Aktionäre sich in einer stärker veränderten Position befindet als die Mitgesellschafter, verstößt nicht gegen § 53 a, wenn diese Ungleichbehandlung rechtsformbedingt ist. Nicht jedoch darf der Formwechsel funktionswidrig dahin gehend eingesetzt werden, unter sachlich nicht gerechtfertigter Umstülpung des Charakters der Gesellschaft die dem Formwechsel nicht zustimmenden Gesellschafter einseitig hintanzusetzen, indem ohne angemessene Abwägung die Satzung allein auf die Belange des Mehrheitsgesellschafters maßgeschneidert wird. 2 3 1 c) Sonderfall: Höchststimmrecht

82

Das Gesetz sieht in § 134 Abs 1 S 2 die Möglichkeit vor, durch Satzungsregelung einen Höchstbetrag oder Abstufungen festzusetzen, die das Volumen des Stimmrechts beschränken. Nicht nur in der Gründungssatzung, sondern auch später im Wege einer Satzungsänderung kann dies mit Wirkung gegen die Aktionäre bestimmt werden (Rdn 92). 2 3 2 Für die Satzungsänderung gelten hierbei die allgemeinen Regeln des § 179 Abs 1 und 2, so dass der in der eingeführten Höchststimmrechtsregelung liegende Nachteil für die davon betroffenen Aktionäre auch gegen jene gilt, die dem Beschluss nicht zugestimmt haben, jedoch der gegen sie gerichteten Mehrheit unterlegen waren. Die danach in der geänderten Satzung liegende Abweichung vom grundsätzlichen Maßstab der Beteiligungsquote (Rdn 50 f) bedeutet eine Ungleichbehandlung iSd § 53 a (Rdn 66). Diese ist indessen bereits durch die in der gesetzgeberischen Zielsetzung des § 134 Abs 1 S 2 - 6 liegende Abwägung sachlich gerechtfertigt, so dass eine darüber hinausgehende gerichtliche Sachkontrolle nicht stattfindet. 2 3 3

225

226

227

OLG Düsseldorf AG 1973, 2 8 2 , 284; Emmericfc/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernR 3 (2003), § 3 0 5 Rdn 75; Bilda in: M ü n c h K o m m 2 § 3 0 5 Rdn 86; Hüffer6 § 3 0 5 Rdn 24; Kortb ZGR 1999, 4 0 2 , 412 ff. OLG Düsseldorf AG 1973, 2 8 2 , 284; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernR 3 (2003), § 305 Rdn 75 a; Bilda in: M ü n c h K o m m 2 § 3 0 5 Rdn 88; Krieger in: M ü n c h H d b GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 70 Rdn 102; Hüffer6 § 3 0 5 Rdn 24. Nicht aus dem Blick zu verlieren sind stets die Eigenheiten des Einzelfalles, zutreffend Hüffer6 § 3 0 5 Rdn 2 4 aE: „behutsam"; ähnlich auch Bilda in: M ü n c h K o m m 2 § 3 0 5 Rdn 88.

228 229

230

231

232

233

OLG Düsseldorf AG 2 0 0 2 , 398, 4 0 2 . Vgl G Bezzenberger in: G r o ß k o m m 4 § 139 Rdn 8; Jung/Wachtler AG 2001, 513 ff; Wirth/Arnold ZGR 2 0 0 2 , 859, 8 6 0 f m w N . Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernR 3 (2003), S 3 0 5 Rdn 7 5 a m w N . Vgl OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1749, 1752 [n rkr, Rev II ZR 29/03]; Meyer-Landrut/ Kiem W M 1997, 1361, 1366. H M , BGHZ 70, 117, 119 ff [„Mannesmann"]; Hüffer6 § 134 Rdn 7 m w N . OLG Celle AG 1993, 178, 180; Hüffer6 Rdn 11; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 22; kritisch Zöllner Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S 122 ff.

Stand: 1. 7. 2004

(54)

Gleichbehandlung der Aktionäre

S 53a

Die Vorschrift über die - auch nachträglich durch mehrheitlichen Entscheid gegenüber unmittelbar betroffenen A k t i o n ä r e n 2 3 4 - Zulässigkeit der Einführung von H ö c h s t stimmrechten einschließlich der darin liegenden W i r k u n g der Stimmrechtsbeschränkung versucht, widerstreitende Interessen auszugleichen: W ä h r e n d ein völliger Entzug des Stimmrechts unzulässig i s t , 2 3 5 belässt die Begrenzung des Stimmrechts auf einen H ö c h s t betrag jedem A k t i o n ä r sein Stimmrecht in gemindertem Umfang; dabei ist die beschränkende W i r k u n g dadurch abgeschwächt, dass sie für den Fall der Notwendigkeit einer Kapitalmehrheit nicht bei deren Berechnung eingreift (§ 1 3 4 Abs 1 S 6). An praktischer Bedeutung verliert die Regelung dadurch, dass die Vorschrift nicht für börsennotierte Gesellschaften gilt (§ 1 3 4 Abs 1 S 2 2 3 6 ) . Schließlich bleibt ein Grundgedanke des Diskriminierungsverbots insoweit bestehen, als die Beschränkung nicht nur für einzelne A k t i o n ä r e angeordnet werden darf (§ 1 3 4 Abs 1 S 5 ) . Das Ziel der in § 1 3 4 Abs 1 enthaltenen Regelung liegt darin, es der Gesellschaft beispielsweise zu ermöglichen, sich gegen eine ihren Interessen widersprechende Überfremdung zu schützen, die Unabhängigkeit der Geschäftsleitung zu stärken, die Minderheitsaktionäre gegen einen überragenden Einfluss von Paketinhabern abzuschirmen oder andere innere oder äußere Machteinflüsse abzuwehren. Wenngleich - wie regelmäßig in Wertungsfragen - in der theoretischen Diskussion auch ein anderer Standpunkt hinsichtlich dieses gesetzlich antizipierten Ergebnisses der Verhältnismäßigkeitsprüfung eingenommen werden könnte, ist der Rechtsanwender an die Regelung gebunden, so dass eine Einzelfallprüfung nicht mehr stattzufinden h a t : 2 3 7 In typisierter Betrachtungsweise wertet das Gesetz den Schutz des Unternehmens und der Kleinaktionäre vor unerwünschten Einflüssen höher als das Interesse einzelner A k t i o n ä r e an der Erhaltung ihrer vollen Stimmrechtsmacht. Die sachliche Rechtfertigung derart bindend vorzuzeichnen, ist im R a h m e n der dem Gesetzgeber zustehenden Einschätzungsprärogative zulässig. 2 3 8 D e r R e c h t s a n w e n d e r darf die durch das Gesetz selbst gekennzeichnete, als abschließend anzusehende sachliche Rechtfertigung daher nicht ergänzend von weiteren, ungeschriebenen M e r k m a l e n abhängig m a c h e n , um neben § 1 3 4 Abs 1 letztlich zur Unzulässigkeit der (nachträglichen) Einführung eines Höchststimmrechtes zu gelangen, weil er meint, die bei Einführung des H ö c h s t s t i m m r e c h t s unter die H ö c h s t grenze fallenden A k t i o n ä r e würden unangemessen ungleich behandelt.

234

235

236

(55)

HM, BGHZ 70, 117, 121 ff [„Mannesmann"]; Hüffer6 § 134 Rdn 8 mwN; ders in: MünchKomm 2 § 243 Rdn 64; Semler in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 38 Rdn 16. Zur Erreichung dessen etwa im Wege der Umwandlung von Stammaktien in stimmrechtslose Vorzugsaktien ist die Zustimmung jedes einzelnen betroffenen Aktionärs nötig ( H ü f f e r 6 § 179 Rdn 43; Lutter/U H Schneider Z G R 1975, 182, 190; Henze AktienR 5 [2002], Rdn 1037).

237

238

BGHZ 70, 117, 121 ff [„Mannesmann"]; 41, 40, 45; OLG Celle AG 1993, 178, 180; Hüffer6 Rdn 11. Wie Hüffer6 Rdn 11 zutreffend konstatiert, ist die Methode zulässig, so dass sich allenfalls die Frage erheben könnte, ob in $ 134 Abs 1 S 2 das Ergebnis einer vorweggenommenen Abwägung „wirklich normiert ist oder nur hineingelesen wird"; insofern sind die gesetzgeberischen Motive jedoch klar, so dass ersteres zu bejahen ist (gl Ansicht Hüffer aaO).

In der (Neu-)Fassung durch Art 1 Nr 20, Art 11 Nr 1 KonTraG ν 27. 4. 1998 (BGBl I, S 786).

Hartwig Henze/Richard L. Notz

83

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

4. Differenzierung durch die Satzung a) Ausgangspunkt 84

Die Satzung kann den Gleichbehandlungsgrundsatz als solchen nicht abbedingen; § 53 a ist zwingender Natur (Rdn 20). 2 3 9 Eine Satzungsbestimmung, wonach die Verbindlichkeit des § 53 a für die Gesellschaft außer Vollzug gesetzt wird, ist in ihrer Art unvereinbar mit § 23 Abs 5. Selbst wenn unter Zustimmung aller Aktionäre ein dahinlautender Beschluss in der Hauptversammlung gefasst wird, beseitigt dies die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht, da der Beschluss gemäß § 241 Nr 3 Fall 1 nichtig ist. 240 Dass auch bei Einigkeit aller Anteilseigner, deren Schutz das Gleichbehandlungsprinzip dient, der Grundsatz des § 53 a nicht abgeschafft werden kann, steht nicht im Widerspruch zum Prinzip der Privatautonomie und dem rechtsgeschäftlichen Ursprung des Gleichbehandlungsgebots. Vielmehr darf - abgesehen von den durch die § § 2 3 Abs 5, 241 N r 3 gezogenen Grenzen - der allgemeine und insoweit vorrangige Grundsatz nicht außer Acht gelassen werden, dass die Parteien sich nicht nach Gutdünken von den Rechtspflichten lossagen können, die den Gesellschaftsvertrag und die durch ihn begründeten Rechtsverhältnisse fundamental prägen. 2 4 1

85

Es ist aber unverkennbar, dass § 53 a keinen unabänderlich identischen Status von Rechten und Pflichten aller Aktionäre anordnen will. 242 § 23 Abs 5 S 1 ermächtigt die Aktionäre in bestimmten Fällen, in der Satzung eine von dem gesetzlich gesetzten Maßstab abweichende Regelung zu treffen (vgl zB §§ 11 S 1, 12 Abs 1 S 2, 60 Abs 3, 134 Abs 1 S 2). Dadurch wird allerdings nicht der Gleichbehandlungsgrtínásaíz, sondern der Gleichbehandlungsm¿j/?stoó disponibel. Letzterer unterliegt folglich dem Vorrang der Parteiautonomie. 2 4 3 Der Gleichbehandlungsgrundsatz als solcher gilt auch unter dem abgewandelten Maßstab weiter. 244 b) Gestaltungsfreiheit in der Gründungssatzung aa) Unterschiedliche Rechte und Pflichten

86

Die Gründer können bei Satzungsfeststellung auf die Zuteilung von Rechten und Pflichten in weitem Maße Einfluss nehmen und im Rahmen der durch das Gesetz gesteckten Grenzen abweichende Rechte und Pflichten mit unterschiedlichen Inhalten für die Aktionäre begründen. 2 4 5 Davon zeugen besonders klar die § § 1 1 , 12, 23 Abs 3 Nr 4, aus denen sich ergibt, dass verschiedene Aktiengattungen innerhalb derselben Gesellschaft nebeneinander zulässig sind, ohne dass jede Aktiengattung dem jeweiligen Rechtsinhaber gleiche Rechte gewähren muss: 2 4 6 Es können Differenzierungen für die Vermögensrechte (§ 11 S 1 HS 2) und das Stimmrecht (§ 12 Abs 1 S 2) verankert werden.

239

240

241 242

243

Hüffer6 Rdn 5 und § 179 Rdn 24; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 26; Bungeroth in: MünchK o m m 2 Rdn 15; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 11. KK-Lutter/Zöllner 1 Rdn 26; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 27; Κ Schmidt in: G r o ß k o m m 4 § 241 Rdn 58. So auch Hüffer6 Rdn 5. KK-Lutter/Zöllner 1 Rdn 28, sowie zum insoweit „verunglückten" Normtext Lutter FS Ferid (1978), S 599, 607. Hüffer6 Rdn 5; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 22;

244

245

246

vgl auch G Hueck Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung (1958), S 252 f, 258; siehe ferner zB die Erläuterung bei § 60 Rdn 17. KK-Lutter/Zöllner 2 Rdn 27; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 13 Rdn 13; vgl auch Bungeroth in: MünchK o m m 2 Rdn 20; ferner Brändel in: Großk o m m 4 § 11 Rdn 3. Hueck/Windbichler GesR 2 0 (20 03), § 21 Rdn 5. Hüffer6 § 11 Rdn 2.

Stand: 1. 7. 2004

(56)

Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

Ferner steht es den Gründern frei, nur einen Teil der (vinkulierten Namens-) Aktien mit einer Nebenleistungspflicht nach § 5 5 auszustatten, den restlichen Gesellschaftern hingegen keine Nebenpflicht aufzuerlegen (§ 5 5 Rdn 4 ) . 2 4 7 Auch steht nichts im Wege, in der Ursprungssatzung festzulegen, dass nicht für alle, sondern nur für bestimmte Aktien die Möglichkeit zur Zwangseinziehung gemäß § 2 3 7 Abs 1 S 2 besteht, während für andere Anteile diese Option ausgeschlossen w i r d . 2 4 8 Sind derartige Unterschiede Bestandteil der Satzung geworden, ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nach dem Willen der Gründer in seiner Anwendung modifiziert, so dass abweichende M a ß s t ä b e gelten. Sofern es nicht um den Vergleich zwischen verschieden beschaffenen Aktien, sondern um eine Gruppe von Aktionären geht, deren Aktien identische Rechtsmerkmale aufweisen, wirkt sich innerhalb dieser Sektion § 5 3 a ohne Einschränkung a u s . 2 4 9 Das gleiche gilt dann, wenn zwar unterschiedliche Gattungen betroffen sind, die unterschiedliche Behandlung dieser Aktionäre insoweit jedoch nicht an Gattungsmerkmale anknüpft und sich daher der unterschiedliche Hintergrund nicht dahin auszuwirken vermag, einen gattungsbedingt abweichenden Gleichbehandlungsmaßstab anzulegen. 2 5 0

87

bb) Unterschiedlicher Verteilungsmaßstab Auch innerhalb der gleichen Aktiengattung oder ohne Schaffung verschiedener Gattungen kann die Gründungssatzung einen von dem ansonsten geltenden M a ß s t a b abweichenden Verteilungsmaßstab vorsehen. Im Sinne des § 2 3 Abs 5 S 1 sind diesbezüglich vor allem die § § 6 0 Abs 3 und 134 Abs 1 S 2 zu nennen. G e m ä ß § 6 0 Abs 3 ist ein statutarischer Gewinnverteilungsschlüssel zulässig, der vom gesetzlichen Leitbild des § 6 0 Abs 1 und 2 abweicht. Damit ist, soweit die Satzung eine wirksame und durchführbare Zuteilungsregel enthält, der sich an der Beteiligungsquote (Rdn 4 9 f) orientierende Gleichbehandlungsmaßstab verdrängt (§ 6 0 Rdn 1 6 - 2 0 ) . 2 5 1 Ebenso enthält § 134 Abs 1 S 2 eine Öffnungsklausel zugunsten einer Satzungsregelung, über die vom gesetzlichen Leitbild des § 134 Abs 1 S 1 - also von dem an den vollständigen Beteiligungsumfang anknüpfenden M a ß s t a b - in zulässiger Weise abgewichen werden darf.

88

c) Grenzen der Satzungsautonomie bei Satzungsänderung Soll im Rahmen der wirtschaftlich bereits aktiven Gesellschaft eine Modifikation der Verteilungsmaßstäbe für die Zuteilung von Rechten und Pflichten erfolgen, ist die Autonomie der Hauptversammlung zur Änderung der Satzung deutlich eingeschränkt. 2 5 2 Die Strukturierung von Rechten und die Bemessung ihres Umfangs unterliegen dem § 5 3 a, mithin ist für eine Abwandlung des für die Hauptrechte verbindlichen Grundmaßstabes wenig Raum. Ein vom Gleichbehandlungsgrundsatz im Sinne der Beteiligungsquote abweichender Gewinnverteilungsschlüssel nach § 6 0 Abs 3 kann nur unter Zustimmung aller betroffenen Aktionäre verbindlich werden (§ 6 0 Rdn 21). Zur Einführung von Nebenpflichten (§ 55) oder einer Vinkulierung (§ 6 8 Abs 2) durch Satzungsänderung ist gemäß § 180 ohnehin die Zustimmung der betroffenen Aktionäre erforderlich.

247 248 249

250

(57)

Bungeroth in: MünchKomm 2 § 55 Rdn 13. Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 19. Vgl OLG Düsseldorf AG 1973, 282, 284; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 20; vgl ferner KK-Kraft 2 § 11 Rdn 45. Vgl OLG Düsseldorf AG 1973, 282, 284;

251 252

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 12. Hüffer6 Rdn 5. Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 21; zudem Hüffer6 § 179 Rdn 21.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

89

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

90

Ebenso bedarf es mit Rücksicht auf § 53 a der Zustimmung der ungleich betroffenen Aktionäre, wenn durch Umwandlung bereits vorhandener Stammaktien erstmals unterschiedliche Aktiengattungen gebildet w e r d e n 2 5 3 (bestehen bereits mehrere Gattungen und soll deren Verhältnis geändert werden, gilt § 179 Abs 3 2 5 4 ) . Ist für ein an alle Inhaber von Stammaktien gerichtetes Vorhaben, stimmberechtigte Aktien in stimmrechtslose (Vorzugs-)Aktien umzuwandeln, nicht bereits eine Regelung in der Satzung getroffen, 2 5 5 so müssen zusätzlich zu der für die Strukturänderung nach § 179 nötigen Beschlussmehrheit die betroffenen Aktionäre, die von ihrer Umtauschberechtigung Gebrauch machen, nach allgM wegen des Fortfalls ihres Stimmrechts einzeln zustimmen, unabhängig davon, ob objektiv nach Lage des Einzelfalles die Bewertung möglich wäre, der Stimmrechtsverlust sei durch den Gewinnvorzug kompensiert. 2 5 6 Sind nicht alle Stammaktionäre in dieses Umtauschangebot einbezogen, liegt eine Ungleichbehandlung der Übergangenen darin, dass ihnen die Wahlmöglichkeit genommen wird, sich auf Kosten des Stimmrechts für einen Vorzug beim Gewinnrecht zu entscheiden. Nach h M ist zur Einhaltung des § 53 a auch in diesem Ungleichbehandlungsfall die Zustimmung jedes einzelnen nicht in das Umwandlungsangebot einbezogenen Aktionärs erforderlich, während eine in dem strukturändernden Mehrheitsbeschluss liegende sachliche Rechtfertigung der Nichtberücksichtigung allein nicht als genügend angesehen w i r d . 2 5 7

91

Führt die Gesellschaft neue Vorteile ein, die zu ihrer Schaffung der Verankerung in der Satzung bedürfen, so genügt es nicht, die Satzung entsprechend zu ändern, sondern die Vorteile müssen allen Aktionären zugute kommen, soweit nicht für die Beschränkung der Vorteile auf bestimmte Aktionäre eine sachliche Rechtfertigung gegeben ist. Praktisch bedeutet das, dass zB im Falle der Bildung von Vorzugsaktien als neuer Aktiengattung allen Aktionären einheitlich ein gleichmäßiges, also in der Regel ein zu ihrer Kapitalbeteiligung proportionales (direktes oder indirektes) Bezugsrecht zuzuerkennen ist. 2 5 8 Sondervorteile, die sich ein Aktionär durch die unabhängig von seiner Einlagepflicht angebotene Möglichkeit einer freiwilligen Zuzahlung verschaffen kann (vgl § 54 Rdn 77), müssen allen Anteilseignern gleichmäßig angeboten werden (§ 54 Rdn 7 9 ) . 2 5 9 In jedem dieser Fälle ist für gleichheitsrelevante Veränderungen bei den vorhandenen Aktionären § 53 a zu beachten.

92

Im systematischen Ausgangspunkt unterliegt auch die Option des § 134 Abs 1 S 2 , ein Höchststimmrecht durch Satzungsänderung einzuführen, den durch § 53 a gesetzten Schranken. Besonders die Konstellation, dass zum Zeitpunkt der Satzungsänderung bereits gegen den Beschluss votierende Aktionäre vorhanden sind, deren Anteilsvolumen die festzusetzende Höchstgrenze überschreitet, hat für Diskussion darüber gesorgt, ob § 53 a diese Aktionäre schützt. Der Vorschrift des § 134 Abs 1 S 2 ist nicht zu entnehmen, dass in dieser Situation der Grundsatz gleicher Behandlung nicht tangiert sein soll.

253

Hüffer6 % 12 Rdn 2 , § 139 Rdn 12 m w N , § 1 7 9 Rdn 4 3 m w N ; K K - K r a f t 2 § 11 Rdn 3 7 ; vgl auch Röhricht § 2 4 Rdn 12.

in: G r o ß k o m m 4

254

G Bezzenberger in: G r o ß k o m m 4 § 1 3 9 Rdn 4 0 ; vgl auch K K - K r a f t 2 § 11 Rdn 3 2 .

255

Falls doch, siehe G Bezzenberger k o m m 4 § 1 3 9 Rdn 4 0 .

256

B G H Z 79, 117, 122 [ „ M a n n e s m a n n " ] ; Hüffer6 § 139 Rdn 12 m w N ; G Bezzenberger in: G r o ß k o m m 4 § 1 3 9 Rdn 4 1 ; K K - K r a f t 2

S 11 Rdn 3 8 ; Volhard in: M ü n c h K o m m 2 § 139 Rdn 5. 257

H M bejaht auch hier Notwendigkeit einzelner Zustimmung: Hüffer6 § 1 3 9 Rdn 12 aE; K K - Z ö l l n e r 1 § 1 3 9 Rdn 2 3 ; Volhard in: M ü n c h K o m m 2 § 139 Rdn 5 ; Τ Bezzenberger Vorzugsaktien ( 1 9 9 1 ) , S 1 3 0 f.

258

KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 2 8 ; Bungeroth M ü n c h K o m m 2 Rdn 21.

259

Gl Ansicht Bungeroth Rdn 21.

in: Groß-

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

in:

in: M ü n c h K o m m 2

(58)

Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

Zutreffend ist davon auszugehen, dass deshalb das Gleichbehandlungsgebot gegenüber den Betroffenen zu wahren ist. Da sie ihrer Zurücksetzung nicht zugestimmt haben, bedarf es zur Vermeidung eines Verstoßes gegen § 53 a einer sachlichen Rechtfertigung des Eingriffs in das Stimmrecht (Rdn 66). Diese liegt in der Abwägung der Interessen, die der gesetzlichen Regelung des § 134 Abs 1 S 2 - 6 zugrunde liegen und Ausdruck der gesetzlichen Zielsetzung sind (Rdn 82 f). Im Ergebnis ist damit die nachträgliche Einführung des Höchststimmrechts ohne die Stimmen der Betroffenen auch dann ohne Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zulässig, wenn Aktionäre unmittelbar unter den neu eingeführten Grenzwert fallen und ihnen deshalb fortan nicht mehr das volle Stimmgewicht zukommt. 2 6 0 5. Verzicht des Aktionärs auf gleiche Behandlung a) Möglichkeit eines Verzichts aa) Situationsbezogener Einzelverzicht Sobald sich im konkreten Einzelfall aus einem an die Aktionäre adressierten Verhalten von Gesellschaftsorganen eine Ungleichbehandlung ergibt, kann der ungleich behandelte Aktionär bezüglich der verletzten Rechtsposition auf den Schutz, den § 53 a gewährt, verzichten. 261 Der Aktionär ist nicht gehindert, sich des Schutzes vor Ungleichbehandlung im speziellen Fall zu begeben; er kann vielmehr die ihn benachteiligende Entscheidung billigen, so dass ihr (insoweit) kein Fehler anhaftet. Beispielhaft für einen zulässigen Verzicht auf Gleichbehandlung ist der Fall, dass ein Aktionär einer Entscheidung zustimmt, die den nach dem Gewinnverteilungsschlüssel (§ 60 Rdn 8 ff, 16 ff) ihm gebührenden Dividendenbetrag ihm zum - sachlich nicht gerechtfertigten - Nutzen bestimmter Mitgesellschafter vorenthält. 2 6 2

93

Bereits vor Festschreibung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in § 53 a ist dieser Grundsatz nicht anders verstanden worden; diese Art der Einschränkung war unbestritten. 2 6 3 Daher ist es für die Zulässigkeit des einzelfallbezogenen Verzichts unerheblich, dass dieser Gesichtspunkt im Text der Vorschrift nicht zum Ausdruck gekommen ist. Denn der Gesetzesgeber wollte mit § 53 a den geltenden Rechtszustand nicht ändern (Rdn 4), also auch nicht starrer machen und das Recht der Aktionäre auf die Erklärung eines Verzichts im Einzelfall nicht beseitigen. 264

94

260

Heute hM; so im Ergebnis auch BGHZ 70, 117, 121 ff [„Mannesmann"]; 71, 40, 45; OLG Düsseldorf AG 1976, 215; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 22; Hüffer6 Rdn 11 und § 134 Rdn 8; ders in: M ü n c h K o m m 2 § 2 4 3 Rdn 64; Semler in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 38 Rdn 16; Nirk Hdb AG I, Rdn 1263; Haberlandt BB 1975, 353; Scbroeder DB 1977, 197; ders DB 1978, 246; aA K K - L u t t e r / Z ö l l n e r 1 Rdn 53; Immenga BB 1975, 1042, 1043 f; ders AG 1976, 2 9 3 , 294; Gamendinger/Saupe AG 1976, 29, 32; Lutter/U H Schneider ZGR 1975, 182, 194 f.

(59)

261

262

263 264

AllgM, K K - L u t t e r / Z ö l l n e r 2 Rdn 2 9 f; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 17; Hüffer6 Rdn 5 aE; Henn AG 1985, 2 4 0 , 243; Hueck/Windbichler G e s R 2 0 (20 03), § 26 Rdn 12; Lehmann/Dietz GesR 3 (1970), S 367. Vgl Hüffer6 Rdn 5 aE; allgemein zu den vielfältigen Möglichkeiten eines Dividendenverzichts des [Groß-]Aktionärs Horbach AG 2001, 78; König AG 2001, 399. Vgl nur Lutter FS Ferid (1978), S 599, 606. K K - L u t t e r / Z ö l l n e r 2 Rdn 2 9 f; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 17.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

bb) Pauschalverzicht; abstrakter Verzicht 95

Erklärt sich ein Aktionär allgemein damit einverstanden, dass jederzeit in jedem Fall zu seinen Lasten vom Gleichbehandlungsgrundsatz abgewichen werden dürfe, ohne dass Bezugspunkt dieses Willens eine hinreichend bestimmte, klar umrissene einzelne Rechtsposition ist, so entbindet dies die Gesellschaft nicht von der Beachtung des § 5 3 a. Ein derart pauschaler Verzicht ist rechtlich wirkungslos. 2 6 5 Ebenso unverbindlich ist die Bekundung eines vorweggenommenen Verzichts für Teilbereiche der inneren Verhältnisse der Gesellschaft; desgleichen ein für die Zukunft erklärter Generalverzicht für einen näher beschriebenen Situationstyp, dessen praktischer Eintritt sich noch nicht in konkretisierbarer Weise abzeichnet. Die Gesellschaft wird durch keine Art des abstrakten Gleichbehandlungsverzichts eines Aktionärs für bestimmte Angelegenheiten von ihrer grundsätzlichen Gleichbehandlungspflicht freigestellt. Auf Verlautbarungen von Aktionären, man werde im Laufe der Gesellschaftsdauer in allen Fällen einer Kapitalerhöhung ein vom Vorstand festgesetztes Zuteilungsverhältnis der jungen Aktien auch dann akzeptieren, wenn es abweichend von § 186 Abs 1 S 1 nicht den Beteiligungsquoten entspricht, kann sich die Gesellschaft somit unter Außerachtlassung des § 5 3 a nicht berufen. 2 6 6

b) Verzichtserklärung 96

Der Verzicht auf die Anwendung des Gleichbehandlungsgebotes im Einzelfall bedarf zu seiner Wirksamkeit der ausdrücklichen oder schlüssigen Erklärung. Die Verzichtserklärung kann von dem Betroffenen vor, bei oder nach dem das Gleichbehandlungsgebot verletzenden Akt abgeben w e r d e n . 2 6 7 Das kann in, aber auch außerhalb der Hauptversammlung geschehen. 2 6 8 O b in einer Erklärung oder einem Verhalten des Aktionärs dieser Wille hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen ist, richtet sich nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen unter Berücksichtigung der Bedeutung des Gleichbehandlungsprinzips. Die Zustimmung zu einem Hauptversammlungsbeschluss, dessen Inhalt eine Ungleichbehandlung zum Ausdruck bringt, ist als Verzicht des positiv mitstimmenden Aktionärs auf den konkreten Gleichbehandlungsanspruch zu deuten. 2 6 9 Der die Separierung bewirkende Akt wird dadurch fehlerlos; die Ungleichbehandlung ist erlaubt.

IX. Grenzüberschreitende Gleichbehandlung; auslandsbedingte Ungleichbehandlung 1. Sprache 97

Unterliegt die AG nach M a ß g a b e der Kollisionsnormen des Internationalen Gesellschaftsrechts deutschem Gesellschaftsrecht, 2 7 0 ist die in den Angelegenheiten der Gesell-

265

KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 3 0 ; Bungeroth M ü n c h K o m m 2 Rdn 15, 17.

266

Vgl auch K K - L u t t e r / Z ö l l n e r 1 Rdn 3 0 ; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 15.

267

KK-Lut ter/Zöllner 2 Rdn 2 9 ; Bungeroth M ü n c h K o m m 2 Rdn 18.

268

Mülbert

269

KK-Lutter/Zöllner2

in: 270

in:

in: G r o ß k o m m 4 § 118 Rdn 2 2 . Rdn 2 9 ; Bungeroth

in:

M ü n c h K o m m 2 Rdn 18; vgl allerdings Hüffer in: M ü n c h K o m m 2 § 2 4 3 Rdn 6 8 aE. Dazu Hüffer6 § 1 Rdn 3 0 - 4 1 m w N , bereits unter Berücksichtigung von E u G H N J W 2 0 0 2 , 3 6 1 4 [„Überseering"] und E u G H N J W 2 0 0 3 , 3 3 3 1 [„Inspire A r t " ] , sowie B G H Z 151, 2 0 4 ; B G H Z 1 5 4 , 185 und B G H ZIP 2 0 0 3 , 7 2 0 .

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(60)

Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

schaft zu benutzende Sprache Deutsch (vgl auch Anh § 5 3 a R d n 9 3 f ) . 2 7 1 D a Anknüpfungspunkt mithin das Gesellschaftsstatut und nicht die Staatsangehörigkeit deutscher Anleger ist, k ö n n e n ausländische A k t i o n ä r e nicht mit Hinweis auf § 5 3 a begehren, die Gesellschaft müsse ihnen gegenüber in gleicher Weise wie gegenüber den deutschen Aktionären in der M u t t e r s p r a c h e des jeweiligen Anlegers kommunizieren. Dieser U m s t a n d kann n a t u r g e m ä ß für ausländische Anleger, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind und sich deshalb im Einzelfall u m eine Übersetzung oder sprachkundige Hilfspersonen bemühen müssen, eine Behinderung b e d e u t e n . 2 7 2 Das ist jedoch durch die nationale Eigenheit vorgeprägt und geschieht nicht als separierender A k t der Gesellschaftsorgane gegenüber einer bestimmten Mitgliedergruppe. Will eine deutsche A G ausländischen Anlegern den Z u g a n g zu ihrem Unternehmen attraktiv gestalten, wird sie in der Praxis diese Interessenten direkt in deren M u t t e r sprache ansprechen und nach einem Anteilserwerb diese A k t i o n ä r e auch ohne Rechtspflicht aus Servicegesichtspunkten uU weiterhin in dieser ausländischen Sprache betreuen. Z u einem solchen Verhalten ist die Gesellschaft jedoch rechtlich nicht verpflichtet, auch nicht unter Treuegesichtspunkten (Anh § 5 3 a R d n 9 5 ) . Legt sie aber gegenüber einer N a t i o n a l i t ä t ein derart günstiges Verhalten an den Tag, muss sie nach M a ß g a b e des § 5 3 a sachliche Gründe dafür anführen k ö n n e n , falls das nicht im H i n b l i c k auf alle im Kreis der Anteilseigner vertretenen N a t i o n a l i t ä t e n in vergleichbarer Weise geschieht.

98

G l o b a l vorherrschend auf den K a p i t a l m ä r k t e n und in den in sie involvierten Unternehmen ist die englische (Rechts-)Sprache. Börsennotierte deutsche Aktiengesellschaften k ö n n e n daher dann, wenn sie mit R ü c k s i c h t auf dieses Kriterium Prospekte und andere Informationen nicht nur in deutscher, sondern auch in englischer Sprache abfassen und b e k a n n t geben, nicht unter Hinweis auf das Gleichbehandlungsgebot des § 5 3 a dazu angehalten werden, eine Übersetzung h a b e nicht bevorzugt für eine einzelne Aktionärsgruppe - nämlich englischsprachige Anleger - erfolgen dürfen, sondern dieser K o m m u n i kationsvorteil müsse dann allen Aktionären entsprechend ihrer jeweiligen N a t i o n a l i t ä t in gleicher Weise gewährt w e r d e n . 2 7 3 Die Prägung der Börsen und des internationalen Wettbewerbs durch die englische Sprache ist insofern zumeist ein hinreichender Sachgrund zur Differenzierung, der für andere Sprachen in der Regel nicht zutrifft. J e nach geographischem Tätigkeitsfeld ist freilich diese zur englischen Sprache angestellte grundsätzliche Überlegung einzelfallgerecht auf die Eigenheiten der konkreten Situation entsprechend zu übertragen, so dass die Beurteilung, welche Differenzierungen sachgerecht sind, anders ausfallen kann und ggf m u s s . 2 7 4

99

271

272

273

(61)

Zur Verhandlungssprache Deutsch in der HV siehe Miilbert in: Großkomm 4 Vor § 118 Rdn 178; Kubis in: MünchKomm 2 § 118 Rdn 56. Schafft der ausländische Aktionär selbst dadurch Abhilfe, dass er einen Dolmetscher mit in die HV bringt, darf die AG dieser Hilfsperson des (teilnahmeberechtigten) Aktionärs nicht den Zutritt verwehren, Kubis in: MünchKomm 2 § 118 Rdn 54. Dazu, dass in einer deutschen AG die etwaige Praxis, eine Information nur auf Englisch zu erteilen, in Missklang mit der Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären treten kann, siehe Anh § 53 a Rdn 93 f.

274

Bsp: Hält eine in Passau sitzende AG, an der vorwiegend deutsche und tschechische Anleger beteiligt sind und deren Unternehmensgegenstand ein grenzbereichstypisches Geschäftsfeld betrifft, ihre HV in deutscher Sprache ab, dann lässt sich unter dem Blickwinkel des § 53 a durchaus die Ungleichbehandlung sachlich rechtfertigen, dass die AG einen Simultanübersetzer nur zugunsten der tschechischen Aktionäre bereitstellt, während weitere Aktionäre, die der beiden Sprachen Deutsch und Tschechisch nicht mächtig sind, sich dem Nachteil ausgesetzt sehen, aus eigenen Mitteln dafür sorgen zu müssen, dass sie dem Ablauf der HV sprachlich folgen können.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

2. Wahrung von Rechten und Interessen der Aktionäre im Ausland, insbesondere bei Bezugsrechtsemissionen 100

Beteiligt sich eine (rechtsfähige) Person an einer deutschen AG, hängt der rechtliche Bestand ihrer mitgliedschaftlichen Rechtspositionen weder davon ab, welche Staatsangehörigkeit diese Person hat, noch in welchem Staat sich ihr Wohnsitz befindet. In tatsächlicher Hinsicht kann allerdings der Wohnsitz bzw Sitz eines Aktionärs in einem bestimmten ausländischen Staat, bedingt durch die nationalen Gegebenheiten des Rechts dieses Staates, der Gesellschaft erhebliche Schwierigkeiten bereiten, den betroffenen Aktionären eine möglichst ungehinderte Ausübung bestimmter Mitgliedschaftsrechte zu gewährleisten. Ein global operierendes Unternehmen in Form einer deutschen AG ist mit Rücksicht auf §§ 53 a, 186 Abs 1 grundsätzlich verpflichtet, im Zuge einer Kapitalerhöhung allen Aktionären die Ausübung ihres Bezugsrechtes auf die jungen Aktien zu ermöglichen. 275 Denn § 186 Abs 1 unterscheidet nicht zwischen inländischen und ausländischen Aktionären. Vielmehr steht den Aktionären unabhängig davon, in welchem Land sie ansässig sind, ein Bezugsrecht zu. Wird ihnen gleichwohl nicht eine vergleichsweise ungehinderte Ausübung ihres Bezugsrechtes gewährleistet wie den im Inland ansässigen Anlegern, könnte in Betracht zu ziehen sein, diese (formale) Ungleichbehandlung als Verstoß gegen S 53 a zu deuten.

101

In tatsächlicher Hinsicht setzt die Ausübung des Bezugsrechts für den Rechtsinhaber voraus, dass er von der Kapitalerhöhung rechtzeitig Kenntnis erlangt. Haben die Aktionäre ihren Sitz in Deutschland, erfahren sie durch das im Bundesanzeiger und in der Regel in weiteren Zeitungen bekannt gemachte Bezugsangebot sowie aufgrund einer Mitteilung ihrer Depotbank von der beabsichtigten Kapitalmaßnahme. Für im Ausland ansässige Aktionäre ist es häufig schwieriger, von der Durchführung der geplanten Kapitalerhöhung Kenntnis zu erlangen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Maßnahmen die Gesellschaft ergreifen muss, um das Bezugsrecht von im Ausland ansässigen Aktionären ausreichend zu honorieren. 276 Die Frage stellt sich mit besonderer Schärfe bei Kapitalerhöhungen mit einem hohen Bezugsrechtsabschlag, da die Aktionäre bei einem Verfall ihrer Bezugsrechte einen nicht unerheblichen Vermögensnachteil erleiden können.

102

Bei der Verbreitung von Informationen über ein Angebot von Wertpapieren im Wege von Anzeigen oder Aktionärsrundschreiben im Ausland muss die emittierende Gesellschaft die wertpapierrechtlichen Vorschriften der ausländischen Jurisdiktionen beachten. Diese sehen bei einem (öffentlichen) Angebot von Aktien bzw Bezugsrechten teilweise weitgehende Registrierungs- und Offenlegungspflichten vor. Aus Sicht der Gesellschaft ist es zumeist praktisch unmöglich, die Vorschriften aller Staaten, in denen Aktionäre ansässig sind, einzuhalten. Die nationalen, insbesondere im Bereich der Kapitalmarktaufsicht an die Emissionsprospekte gestellten Anforderungen können so unterschiedlich und vielgestaltig sein, dass in dem für die Durchführung der Kapitalmaßnahme zur Verfügung stehenden - mitunter knappen - Zeitraum die rechtlichen Anforderungen nicht oder nur unter unzumutbaren Schwierigkeiten erfüllt werden können und damit die praktische Umsetzung nicht oder nur mit unvertretbarem personellem und sachlichem Aufwand erreicht werden kann. Für Vorstand und Aufsichtsrat der die Kapitalmaßnahme 275

276

Dies geschieht regelmäßig unter Einschaltung von Emissionsinstituten (vgl § 186 Abs 5 ) im Wege des mittelbaren Bezugsrechtes. Zu dem Bestreben, im Zuge der Internatio-

nalisierung der Märkte den Schutz ausländischer Anleger effektiver zu gestalten, vgl auch Baums (Hrsg), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001), Rdn 86, 87.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(62)

Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53a

durchführenden Gesellschaft und das die Emission begleitende Konsortium stellt sich die Frage, ob sie in allen möglicherweise relevanten Jurisdiktionen nach Billigung durch die zuständigen Behörden einen Prospekt veröffentlichen oder ob sie hiervon absehen. Ferner ist es der Gesellschaft in der Regel kaum möglich, die Staaten zu identifizieren, in denen ihre Aktionäre ansässig sind. Bei der Ausgabe von Inhaberaktien liegen diese Probleme auf der Hand. Aber auch dann, wenn die Gesellschaft Namensaktien ausgegeben hat, erweist es sich, wenn sich die Aktionäre hinter so genannten Platzhaltern (street names) verstecken, zuweilen als nicht möglich, den Inhaber der Aktien zu identifizieren. 2 7 7 Aber selbst wenn die Lokalisierung (im Wesentlichen) gelingt, würde die Ermittlung und Beachtung der in den betreffenden Staaten geltenden Vorschriften mit einem erheblichen Kostenaufwand einhergehen. Darüber hinaus wäre damit auch ein nicht unerheblicher zeitlicher Vorlauf verbunden. Schließlich kann die Gesellschaft - wie etwa bei nicht vertraulicher Einreichung eines Registration Statement bei der US-amerikanischen SEC - zu einer Vorabankündigung der Transaktion gezwungen sein, die sich wiederum nachteilig auf den Bezugspreis auswirken würde. Gerade bei mittelständischen oder kleineren Unternehmen würde dies einen im Verhältnis zum erzielten Emissionserlös kaum zumutbaren zeitlichen und finanziellen Aufwand bedeuten und die Kapitalerhöhung mitunter undurchführbar machen. Sofern sich das Schrifttum bislang mit dieser Problematik einer Ungleichbehandlung 2 7 8 von Aktionären auseinandergesetzt hat, wurde die Frage in erster Linie unter dem Blickwinkel der Zulässigkeit des (faktischen) Bezugsrechtsausschlusses und des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach § 53 a betrachtet. Einigkeit besteht im Kern darüber, dass eine Ungleichbehandlung einzelner Aktionäre gerechtfertigt ist, wenn sie sachlich berechtigt und nicht willkürlich ist (Rdn 27, 69 ff) 2 7 9 . Eine Ungleichbehandlung der vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre muss geeignet und erforderlich sein, um die Interessen der Gesellschaft zu wahren, und unter Berücksichtigung der Aktionärsinteressen verhältnismäßig sein. 280 Dabei kann eine Entscheidung über die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung stets nur anhand der Umstände des Einzelfalls erfolgen. 281

277

278

(63)

Um den Aufwand für die Eintragungen im Aktionärsregister zu minimieren, ist häufig als Aktionär eine Depotbank im Aktionärsregister als Platzhalter eingetragen, bei der die Aktien hinterlegt sind, auch wenn zwischenzeitlich die hinterlegten Aktien (mehrfach) veräußert wurden, vgl Hüffer6 § 135 Rdn 23. Abgesehen davon, dass das gegenüber einzelnen Aktionären mangelnde Angebot zum Bezug mit Blick auf das Verhältnis der Aktionäre zueinander in Konflikt mit dem Gleichbehandlungsgebot geraten kann, kann zudem bereits unabhängig davon mit Blick auf das Verhältnis der AG zu den von dem mangelnden Bezugsangebot betroffenen Aktionären - wenn nicht eine angemessene Rechtfertigung für dieses Verhalten gefunden wird - eine Treuepflichtverletzung gesehen werden, da die Gesellschaft es ignoriert, für das rechtlich bestehende Bezugs-

279

280

281

recht dieser Aktionäre die tatsächliche M ö g lichkeit der Ausübung hinreichend zu gewährleisten. Zudem Bezzenberger ZIP 2 0 0 2 , 1917, 1929; Bungert/Paschos DZWir 1995, 221, 232; Geßler/Hefermehl § 186 Rdn 120; Hüffer6 § 186 Rdn 39; "Wiedemann in: G r o ß k o m m 4 § 186 Rdn 181; aA Henn Hdb AktR 7 (2002), Rdn 1248, der einen Ausschluss des Bezugsrechts einzelner Aktionäre und Aktionärsgruppen grundsätzlich für unzulässig hält. Vgl ferner zum Gleichbehandlungsgrundsatz bei Ausschluss aller Bezugsrechte und anschließender Zuteilung an einzelne Aktionäre B G H Z 33, 175, 186 [„Minimax II"] sowie oben Rdn 56. Wiedemann in: G r o ß k o m m 4 § 186 Rdn 181; K K - L u t t e r / Z ö l l n e r 1 Rdn 13 f. Wiedemann in: G r o ß k o m m 4 § 186 Rdn 181; Bungert/Paschos DZWir 1995, 221, 232.

H a r t w i g H e n z e / R i c h a r d L. N o t z

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§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

104

Ein Beispiel für einen zulässigen Fall der Ungleichbehandlung ist nach verbreiteter Auffassung der Ausschluss des Bezugsrechts von in den Vereinigten Staaten ansässigen Aktionären. 2 8 2 Ein Bezugsrechtsausschluss von US-Aktionären sei gerechtfertigt, da nur auf diese Weise die Befolgung der in den USA geltenden Anlegerschutzvorschriften, insbesondere der weit reichenden Offenlegungspflichten, vermieden werden könne. 2 8 3 Zudem rechtfertigten die in den USA bestehenden (gesteigerten) Haftungsrisiken die dem Bezugsrechtsausschluss immanente Ungleichbehandlung der US-Aktionäre. Allerdings empfehlen auch Vertreter dieser Auffassung dann eine Einbeziehung der US-Aktionäre in das Bezugsangebot, wenn Anzeichen dafür vorliegen, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Aktionären ihren Wohnsitz in den USA hat. 2 8 4

105

Nach anderer Ansicht kommt ein Bezugsrechtsausschluss nur dann in Betracht, wenn die Durchführung eines Bezugsrechtsangebots in dem jeweiligen Land für die Gesellschaft einen außergewöhnlichen, über die normalen Belastungen hinausgehenden Nachteil zur Folge hätte. Als Beispiel werden etwa Sanierungsfälle genannt, in denen die Verzögerung der Kapitalaufnahme einen erheblichen Schaden der Gesellschaft zur Folge hätte. 2 8 5 Im Beispiel der US-amerikanischen Aktionäre sei kein grundsätzlich vorrangiges Interesse der Gesellschaft am Bezugsrechtsausschluss erkennbar. 2 8 6 Der mögliche Nachteil für die ausgeschlossenen Aktionäre aufgrund des bestehenden Verwässerungseffekts sei umso größer, je höher der Abschlag gegenüber dem Börsenkurs bemessen sei. 2 8 7 Ein Bezugsrechtsausschluss sei insbesondere dann nicht sachlich gerechtfertigt, wenn die ausgeschlossenen Aktionäre für den Verlust ihres Bezugsrechts keinen vermögensrechtlichen Ausgleich erhalten. 2 8 8

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In den Vordergrund ist indessen die Frage zu rücken, ob der Umstand, dass die Gesellschaft davon absieht, ausländische Aktionäre von der anstehenden Kapitalerhöhung zu informieren, als Bezugsrechtsausschluss bzw als nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der ausländischen Aktionäre qualifiziert werden kann. Dass in der Praxis das Bezugsrecht der ausländischen Aktionäre nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird, ist für die Beantwortung dieser Frage unerheblich, da auch ein faktischer Bezugsrechtsausschluss denkbar ist. Zweifelhaft ist jedoch, ob das Unterbleiben von Informationsmaßnahmen im Ausland überhaupt einen (faktischen) Bezugsrechtsausschluss darstellen kann. Allein der Umstand, dass die Aktionäre im Ausland ansässig sind, ändert nämlich nichts daran, dass sie ihr Bezugsrecht behalten und daher berechtigt sind, ihr Bezugsrecht auszuüben. Zwar mag ihnen aufgrund der wertpapierrechtlichen Vorschriften die Ausübung des Bezugsrechts in ihrem jeweiligen Heimatstaat versperrt sein. Was ihnen jedoch verbleibt, ist die Möglichkeit, ihre Aktien in einem Depot bei einer deutschen Bank zu buchen und über diese das Bezugsrecht auszuüben. Halten sie ihre Aktien bei einer deutschen Bank im Depot, ist typischerweise vereinbart, dass nicht ausgeübte Bezugsrechte ausländischer Aktionäre am letzten Tag der Bezugsfrist für deren Rechnung verwertet werden, so dass die Aktionäre jedenfalls einen vermögensrechtlichen Ausgleich für das Bezugsrecht erhalten. Sofern sich im Ausland ansässige Aktionäre entschließen, Aktien deutscher Gesellschaften zu erwerben, ist es ihnen im Übrigen auch zumutbar, sich in den deutschen Medien über Kapitalmaßnahmen zu informieren. Vor diesem Hintergrund sprechen die besseren Gründe dafür, die geschilderte Situation regelmäßig

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Wiedemann in: G r o ß k o m m 4 § 186 Rdn 181; Aha AG 2 0 0 2 , 313, 326. Wiedemann in: G r o ß k o m m 4 § 186 Rdn 181. Aha AG 2 0 0 2 , 313, 326.

285 286 287 288

Fraune Fraune Fraune Fraune

S t a n d : 1. 7. 2 0 0 4

RIW RIW RIW RIW

1994, 1994, 1994, 1994,

126, 126, 126, 126,

139. 139. 138. 138 f.

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

nicht als faktischen Bezugsrechtsausschluss zu werten; einer sachlichen Rechtfertigung entsprechend den zu § 1 8 6 Abs 3 anerkannten Rechtsprechungsgrundsätzen bedarf es folglich n i c h t . 2 8 9 Abgesehen von dieser Problematik des Bezugsrechts kann auch nicht davon ausgegangen werden, es liege ein Verstoß gegen den (allgemeinen) Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 5 3 a vor. Z w a r mag man im unterschiedlichen Informationszugang von inländi-

107

schen und ausländischen Aktionären im Ausgangspunkt eine Ungleichbehandlung sehen. Diese ist aber ebenso aus den genannten Gründen (vgl Rdn 1 0 2 , 1 0 6 ) sachlich gerechtfertigt und geschieht somit nicht willkürlich. Ergreift der Emittent dennoch ergänzende M a ß n a h m e n , um eine Ansprache bestimmter Investorengruppen im Ausland zu ermöglichen, so tut er das ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein. Der wichtigste Fall ist eine Privatplatzierung nach Rule 144 A zum Securities Act 1933, die ein Angebot an so genannte qualified institutional buyers in den USA ermöglicht, ohne dass es zu einer Registrierung der Aktien bei der SEC kommen müsste. Bei einer solchen Platzierung ist sogar eine Ansprache von privaten Investoren möglich.290

108

X . Rechtsfolgen für gleichbehandlungswidrige Hauptversammlungsbeschlüsse Wird gegen das Gleichbehandlungsprinzip verstoßen, regelt das Gesetz nur in einzelnen Konstellationen die Rechtsfolge für Hauptversammlungsbeschlüsse (vgl §§ 2 1 2 S 2 , 2 4 3 Abs 2). Im Übrigen gelten allgemeine Regeln. In Betracht k o m m t daher entweder die Nichtigkeit (§ 2 4 1 ) oder die bloße Vernichtbarkeit (§ 2 4 3 ) des Beschlusses.

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1. Grundsatz Verstößt ein Beschluss der Hauptversammlung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl beispielsweise Rdn 3 7 ) , sind für seine Rechtswirksamkeit im Allgemeinen die §§ 2 4 1 , 2 4 3 maßgebend. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist weder Teil des - von

289 Q e r Praxis nicht wirklich angemessen erscheint hierbei die theoretisch denkbare Variante, die faktische Außerachtlassung von „Problemstaaten" deshalb als nicht erforderlich und eine Ungleichbehandlung mithin als sachlich ungerechtfertigt anzusehen, weil es vor dem Hintergrund, dass ein Bezugsrechtsausschluss mit dem Argument rechtmäßig sein kann, die jungen Aktien für eine Platzierung in einem bestimmten ausländischen Staat zur Verfügung zu haben (BGHZ 125, 2 3 9 [„Deutsche Bank"]), genügen könne, den Kapitalbedarf in mehreren Tranchen - ggf unter Nutzung des Instituts des genehmigten Kapitals - zu decken, wobei verschiedene Tranchen für verschiedene Staaten jeweils unter Ausschluss der übrigen Staaten vorgesehen werden könnten, was die Möglichkeit eröffne, im Hinblick auf diejenigen Staaten, die sich

(65)

als Hürde erweisen, die erforderliche Zeit zur Überwindung der Hindernisse zu gewinnen, ohne dass dadurch das Emissionsvorhaben insgesamt ins Stocken gerät, so dass im Ergebnis dadurch vermieden werden könne, dass einzelne Staaten faktisch beim Bezug nicht berücksichtigt werden, und den Aktionären, die sich in einem Problemstaat befinden, die Zeichnung der Aktien im Verhältnis zu den Aktionären anderer Staaten lediglich zeitlich versetzt ermöglicht werde, insgesamt jedoch nach Abschluss aller Emissionen alle Aktionäre so gestellt seien, als hätten sie an derselben Kapitalmaßnahme teilgehabt. 290

Ein Angebot nach Rule 801 setzt voraus, dass weniger als 10 % der Aktionäre der Gesellschaft US-Aktionäre sind. Ob die 10 %-Grenze erreicht bzw überschritten wird, richtet sich nach speziellen Regeln.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

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§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

ergänzenden Spezialregelungen abgesehen 2 9 1 - abschließenden Katalogs in § 241 noch wurde § 53 a bei seiner Einführung für den Fall seiner Missachtung ausdrücklich mit einer gesetzlich angeordneten Nichtigkeitsfolge bewehrt. Zu Recht geht deshalb die Rechtsprechung und ebenso die heute ganz h M im Schrifttum davon aus, dass den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzende Beschlüsse der Hauptversammlung regelmäßig nicht nichtig, sondern gemäß § 243 Abs 1 anfechtbar sind. 2 9 2 Der Gleichheitssatz ist materielles Gesetz im Sinne dieser Norm. 2 9 3 Diese Ansicht, der Anfechtbarkeit gegenüber der Nichtigkeit den Vorzug zu geben, wird zudem durch die Überlegung gestützt, dass eine grundsätzliche Nichtigkeit als die einschneidendste Rechtsfolge an dieser Stelle dem Umstand widersprechen würde, dass die Betroffenen im Einzelfall durch Zustimmung zu dem gleichbehandlungswidrigen Beschluss oder durch nachträgliche Erklärung auf ihr Recht aus § 53 a verzichten (Rdn 93 f) und somit den Grund beseitigen können, auf den sich die Nichtigkeit stützen würde. 2 9 4 Für die Annahme einer generellen Nichtigkeit spricht auch nicht § 212 S 2. Es handelt es sich dabei um eine Regelung für einen speziellen Bereich, die keine Züge eines allgemeinen Rechtsgedankens trägt. Zudem stünde einem daraus herzuleitenden allgemeinen System die Bestimmung in § 243 Abs 2 entgegen, die als Rechtsfolge für einen auf Sondervorteile gerichteten Hauptversammlungsbeschluss lediglich die Anfechtbarkeit vorsieht. Sofern im Einzelfall neben der wegen Verletzung des § 53 a nach § 243 Abs 1 gegebenen Anfechtbarkeit zudem § 243 Abs 2 S 1 eingreift, ist weder § 243 Abs 1 demgegenüber nachrangig, noch ist die Ausgleichsklausel des § 243 Abs 2 S 2 auf Abs 1 analog anzuwenden. 2 9 5 Auch ist dann, wenn in dem gleichbehandlungswidrigen Hauptversammlungsbeschluss zugleich eine Verletzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht liegt, nicht der letztere Anfechtungsgrund (Anh § 53 a Rdn 135) etwa deshalb vorrangig, weil § 53 a lediglich als Ausformung dieses allgemein geltenden gesellschaftsrechtlichen Treueprinzips begriffen werden kann (Rdn 7f). Ein gleichzeitiger Verstoß gegen die Treuepflicht überlagert nicht den Verstoß gegen § 53 a, sondern es liegt dann ein doppelter Verletzungstatbestand vor. 2 9 6 Eine Anfechtungsklage nach § 243 Abs 1 ist demnach unter beiden Aspekten begründet.

291

292

Solche Spezialregelungen sind für den vorliegenden Zusammenhang im Ergebnis nicht erheblich; das gilt auch für die Vorschrift des § 2 5 0 , die einen Bereich betrifft, der trotz seiner Zugehörigkeit zur Binnensphäre der Gesellschaft nicht den Maßgaben des § 53 a unterliegt (Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern; Rdn 36 aE, 43). RGZ 118, 67, 7 2 f; RG JW 1935, 1776; BGHZ 116, 359; BGH BB 1960, 880, 881; LG Köln AG 1981, 81, 82; Hüffer6 Rdn 12 und § 2 2 2 Rdn 17 aE und § 2 4 3 Rdn 21, 29; ders in: M ü n c h K o m m 2 § 2 4 3 Rdn 6 7 f; Κ Schmidt in: G r o ß k o m m 4 § 241 Rdn 58 und § 2 4 3 Rdn 44; K K - L u t t e r / Z ö l l n e r 2 Rdn 32; KK-Zöllner1 § 241 Rdn 112 und § 2 4 3 Rdn 148, 152; Bungeroth in: MünchK o m m 2 Rdn 26; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 13 und Semler ebd § 41 Rdn 41; G Hueck Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung (1958),

293 294 295

296

S 3 0 9 ff, 313 f; Würdinger AktienR 4 (1981), S 52, 152; Kaiser Kapitalgesellschaften 3 (2001), § 12 Rdn 62; Henn H d b A k t R 7 (2002), Rdn 21, 42; aA A Hueck Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen (1924), S 103 f; R Fischer JZ 1956, 362, 363. Κ Schmidt in: G r o ß k o m m 4 § 2 4 3 Rdn 9. Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 26. Vgl Hüffer6 § 2 4 3 Rdn 32, 37 aE und ders FS Kropff (1997), S 127, 131 f, 141, 143 f; Κ Schmidt in: G r o ß k o m m 4 § 2 4 3 Rdn 53, 59; KK-Zöllner 1 § 2 4 3 Rdn 231; aA Fechner Treubindungen des Aktionärs (1942), S 100; dem folgend Mestmäcker Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte (1958), S 345: Spezialität von Abs 2; so auch Mülbert Aktiengesellschaft 2 (1996), S 348 ff. Röhricht in: H d b CorpGovernance (2003), S 513, 529, 537.

Stand: 1. 7. 2004

(66)

§ 53 a

Gleichbehandlung der Aktionäre

Die früher in der Literatur bei Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zum Teil vertretene Rechtsfolge einer schwebenden Unwirksamkeit 2 9 7 ist abzulehnen. 298 Soweit für eine schwebende Unwirksamkeit angeführt wurde, die Verletzung des Gleichbehandlungsrechtes sei vergleichbar mit einem Eingriff in ein Sonderrecht, 2 9 9 ferner sei der Verstoß im Wege der Zustimmung für die Benachteiligten disponibel (vgl Rdn 93 ff), vermag dies nicht zur Bejahung der genannten Rechtsfolge zu führen. Die Figur der schwebenden Unwirksamkeit ist für Sachverhalte einschlägig, in denen der Rechtsakt bislang verfahrensmäßig ordnungsgemäß und, soweit er getätigt ist, materiell fehlerfrei zustande gekommen, jedoch zu seiner Wirksamkeit noch unvollständig ist. Für die ungleiche Verteilung von Sonderrechten mag dies zutreffen, nicht aber für einen Verstoß gegen § 5 3 a , der zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses f ü h r t ; 3 0 0 mithin sind beide Fälle keiner parallelen Beurteilung zugänglich. Innerhalb des Systems des § 53 a ist die Zustimmung der nachteilig ungleich behandelten Aktionäre (= Verzicht auf Gleichbehandlung; Rdn 93 f) nicht als ein zu dem Beschluss zugehöriges Verhalten konzipiert, das sich als eine von mehreren echten Voraussetzungen für die Bejahung der Wahrung des Gleichbehandlungsgebots darstellt; vielmehr hängt seine Rechtmäßigkeit von der an objektiv nachvollziehbaren Gründen auszurichtenden sachlichen Rechtfertigung ab. Deshalb heilt ein ggf erklärter Gleichbehandlungsverzicht den materiell fehlerhaften Beschluss und führt - anders als in der Frage der Sonderrechtsverteilung - nicht zur Vervollständigung der Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses als Wirksamkeitsvoraussetzung. 301 Im Übrigen bestehen gegen die Annahme einer schwebenden Unwirksamkeit auch praktische Bedenken: Die Gegenansicht sieht sich mit der misslichen Folge konfrontiert, dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit nicht genügend Rechnung zu tragen. Während die Unwirksamkeit so lange bestehen würde, bis der Wille jedes benachteiligten Aktionärs über die (Nicht-) Akzeptanz der Ungleichbehandlung Ausdruck gefunden hat, führt § 2 4 6 Abs 1 rasch eine klare Rechtslage herbei und ermöglicht im Falle der Nichtanfechtung das weitere Wirtschaften auf verlässlichem Boden. 3 0 2

112

2. Ausnahme Lässt ein Hauptversammlungsbeschluss für eine durch ihn bestimmte Ungleichbehandlung von Aktionären die zu seiner Rechtmäßigkeit notwendige sachliche Rechtfertigung vermissen, so schlägt sich das in seiner Nichtigkeit nieder, wenn die Verletzung des § 53 a von einer Qualität ist, die einen Tatbestand iSd § 2 4 1 erfüllt. Das wird selten in Betracht kommen. Zu bejahen ist es, wenn es nicht lediglich um die Beschlussfassung über eine Ungleichbehandlung im Einzelfall, sondern um die Außerkraftsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes als solchem geht. Hierdurch würden im Widerspruch zu dem jedem Verbandstyp immanenten Rechtsgedanken der verteilenden Gerechtigkeit Willkürakte unkontrollierbar. Eine durch Mehrheit gewährleistete Machtausübung könnte danach ohne weiteres dazu führen, dass die mitgliedschaftlichen Befugnisse derjenigen, die sich in der Minderheit befinden, ohne Rechtfertigung ausgehöhlt werden

297

298

So ehemals Fischer in: Großkomm 2 § 146 Anm 10; vgl vormals auch Wiedemann in: Großkomm 3 § 179 Anm 8 (betreffend satzungsändernde Beschlüsse); teilw dem zuneigend Michalski GmbHG, Bd I (2002),

299

300

KK-Lutter/Zöllner2

§ 13 Rdn 134 aE.

301

Gl Ansicht KK-Lutter/Zöllner2

KK-Lutter/Zöllner 1 Rdn 32, 33; Bungeroth

302

Vgl auch KK-Lutter/Zöllner2

Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung (1958), S 310 ff. Dahin Wiedemann in: Voraufl (Großkomm 3 ) § 179 Anm 8.

in: MünchKomm- Rdn 26; G Hueck

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Hartwig Henze/Richard L. Notz

Rdn 33. Rdn 33.

Rdn 33.

113

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

könnten. Mit dem Wesen der Aktiengesellschaft wäre ein derart gestalteter Zustand der inneren Verhältnisse der Gesellschaft selbst bei Zustimmung aller Aktionäre nicht vereinbar. Unter derartigen Umständen wäre § 241 Nr 3 Fall 1 anzuwenden. 3 0 3 Ferner ist der Hauptversammlungsbeschluss nichtig, wenn die Willkür in der Ungleichbehandlung derart schwer wiegt und/oder ein solch hohes Maß an Rücksichtslosigkeit offenbart, dass der Inhalt des Beschlusses gegen das nach allgemeiner Überzeugung herrschende „Anstandsgefühl der billig und gerecht Denkenden" verstößt 3 0 4 und deshalb der Beschlussgegenstand sittenwidrig iSd § 241 Nr 4 ist. 305

XI. Rechtsfolgen für gleichbehandhingswidriges Handeln der Verwaltung 114

Auch bei Verwaltungsmaßnahmen, die gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, sanktioniert das Gesetz selbst nur vereinzelt die Verletzung des § 53 a (vgl zB § 71 Abs 4 S 2 oder § 134 Abs 4 S 1). Im Übrigen sind - abhängig davon, in welcher Art und in welcher Tiefe das Gleichbehandlungsgebot missachtet wurde - verschiedene Rechtsfolgen denkbar. 1. Ausgangspunkt

115

Der Aktionsradius des Vorstands als dem unternehmensleitenden Organ und des Aufsichtsrats als Beratungs- und Kontrollorgan ist groß. Entsprechend vielgestaltig können die Situationen sein, in denen ein Verwaltungshandeln auf dem Prüfstein des § 53 a steht. Ebenso differenziert muss die Betrachtung in der Frage bleiben, welches die Rechtsfolgen eines den Gleichheitsgrundsatz verletzenden Aktes sind. Die Antwort kann nicht einheitlich ausfallen, 306 sondern muss sich unter Berücksichtigung des Einzelfalles daran ausrichten, welchen Inhalt die den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzende Anordnung hat und wie der Schutzgedanke des § 53 a (Rdn 19, 26 f) interessengerecht durchgesetzt werden kann. 3 0 7 Rechtshandlungen der Verwaltung, die § 53 a widersprechen, können infolge der ihnen deshalb anhaftenden Irregularität entweder schon nichtig oder zwar wirksam sein, ihre Rechtswirkungen können jedoch abgewehrt werden. In Betracht kommt ferner, dass die Verletzungshandlung der Verwaltung wirksam bleibt, allerdings die Verwaltung infolge des Verstoßes gegen § 53 a in die Pflicht genommen wird, erneut zu handeln, um hierdurch nachträglich für gleiche Verhältnisse zu sorgen (Rdn 128 ff). 2. Einzelfälle rechtlichen Handels a) Erwerb eigener Aktien

116

Unterlässt es der Vorstand, für die Gesellschaft im Fall des Erwerbs eigener Aktien von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die eigenen Anteile an der Börse zu erwerben, und erbietet er sich stattdessen nur gegenüber einzelnen Aktionären zum Kauf, liegt

303

Κ Schmidt in: G r o ß k o m m 4 § 241 Rdn 58; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 26; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 27; G Hueck Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung (1958), S 309 Fn 11; Herrn AG 1985, 240, 248; vgl auch Wiesner in: M ü n c h H d b GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 13.

304

305

306 307

Näher Κ Schmidt in: G r o ß k o m m 4 § 241 Rdn 66. Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 27; Henn AG 1985, 240, 248. Vgl auch KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 34. Vgl auch Scholz/H Winter G m b H G 9 § 14 Rdn 48.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

darin eine Ungleichbehandlung (siehe ferner Rdn 33). 3 0 8 Fehlt für dieses Vorgehen die sachliche Rechtfertigung, ist das dem Erwerb zugrunde liegende schuldrechtliche Kausalgeschäft (schon) wegen Verstoßes gegen § 5 3 a nichtig 309 (auch wenn es im Übrigen den Anforderungen des § 71 Abs 1 und 2 iVm § 57 Abs 1 S 2 genügt) und verpflichtet zur Rückabwicklung 3 1 0 (insbesondere: Anspruch der Gesellschaft gemäß § 62 Abs 1 S 1 auf Rückgabe des gezahlten Erwerbspreises 311 ). Für den Erwerb nach § 71 Abs 1 Nr 8 ist dies ausdrücklich festgelegt durch § 71 Abs 4 S 2 iVm Abs 1 Nr 8 S 3. Für alle anderen Erwerbsgründe des § 71 Abs 1 gilt indessen nichts anderes, weil die Vorschrift insgesamt den Beschränkungen des § 53 a unterliegt und § 71 Abs 1 Nr 8 S 3 nur deklaratorisch wirkt, jedoch keinen Umkehrschluss zulässt (Rdn 32). Die Nichtigkeit ist hier insofern die konsequente Rechtsfolge, als die denkbare Alternative, von allen Aktionären gleichermaßen Aktien zu erwerben, an den durch § 71 Abs 1 und 2 normierten Grenzen scheitern und daher uU nicht durchgeführt werden kann. Der Nichtigkeitslösung wohnt aber die Schwäche inne, dass sich mit ihr zunächst nur die rechtliche Sanktion verwirklicht, ohne dass der tatsächliche Ausgleich der Benachteiligung sichergestellt wird: 3 1 2 An dem Rücktransfer werden die unmittelbar Beteiligten wenig Interesse haben, weil die Begünstigten ihre Privilegierung beseitigen würden und der Vorstand den Pflichtverstoß eingestehen müsste. Die ungleich behandelten Aktionäre selbst haben als mittelbar Beteiligte keine direkte Einflussmöglichkeit darauf, dass die Gesellschaft ihrer aus der Unwirksamkeit des Geschäfts stammenden Pflicht nachkommt, den gezahlten Erwerbspreis zurückzuverlangen. 313 b) Vermögenszuwendungen 314 Gewährt die Gesellschaft einzelnen Aktionären geldwerte Vorteile zu nicht drittgleichen Bedingungen außerhalb der durch die §§ 58 Abs 4 und 5, 59, 60, 174 Abs 2 N r 2 gezogenen Grenzen, liegt darin ein Verstoß gegen die in § 57 verankerte Vermögensbindung (§ 57 Rdn 4, 9), die - neben ihrem (Haupt-)Zweck, Vermögen zum Schutz der Gläubiger zu sichern - auch als Ausdruck des Gleichheitsgedankens, die Aktionäre zu schützen, verstanden werden kann (§ 57 Rdn 7 m w N Fn 14). 315 Nach überwiegender Auffassung hat dieser Verstoß gegen § 57 für den gesamten vermögensverlagernden Geschäftsvorgang die Nichtigkeit zur Folge (§ 134 BGB; str; vgl § 57 Rdn 200 ff mwN), nach aA 3 1 6 sind die rechtlichen Vorgänge gültig. In jedem Fall kann unabhängig von der Diskussion um die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 57 - der in dem Verhalten der Gesellschaft liegende Gleichbehandlungsverstoß wegen der zwingenden Natur des § 57 nie von einer sachlichen Rechtfertigung getragen sein, die die Verletzung des § 53 a abwenden könnte; unstreitig besteht deshalb gemäß § 62 Abs 1 S 1 für

308 309

310 311

312 313

314

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KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 65. KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 34; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 28; Oechsler in: M ü n c h K o m m 2 § 71 Rdn 212. BGH DB 1972, 1575 f. Oechsler in: M ü n c h K o m m 2 $ 71 Rdn 300; Hüffer6 § 71 Rdn 24. Vgl auch KK-Lutter/Zöllner1 Rdn 34. Dazu Zöllner ZGR 1988, 392, 405 f; vgl ferner zu diesem Phänomen die Erläuterungen bei § 62 Rdn 54 ff sowie Bayer in: M ü n c h K o m m 2 § 62 Rdn 111 ff. Begrifflich regelmäßig, aber unscharf (siehe

315

316

§ 57 Rdn 13) als „verdeckte Gewinnausschüttung" bezeichnet. Raiser Kapitalgesellschaften 3 (2001), § 12 Rdn 58; auch KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 58; zu dem durch die Kapitalerhaltungsregeln vermittelten Schutz der Mitgesellschafter siehe auch Bitter Z H R 168 (2004), 302, 337 ff [und Diskussionsbericht Schneider ebd, S 354]; vgl ferner Ebenroth FS Trinkner (1995), S 119, 123 ff. Bayer in: M ü n c h K o m m 2 § 57 Rdn 140 ff, 148 m w N .

Hartwig Henze/Richard L. Notz

117

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

die Gesellschaft zur Beseitigung der Ungleichbehandlung aller Aktionäre die Pflicht, den abgeflossenen Wert ins Gesellschaftsvermögen zurückzuholen; g e m ä ß § 6 6 Abs 2 k a n n die Gesellschaft davon nicht befreit w e r d e n . 3 1 7 W i e schon vorstehend dargelegt (Rdn 116 aE), ist auch hier die gesetzliche Konzeption zur Wahrung der Gleichbehandlung im Tatsächlichen jedoch dadurch geschwächt, dass den Benachteiligten v o m Gesetz kein individuelles R e c h t gewährt wird, die zur (Wieder-)Herstellung gleicher Verhältnisse notwendige Durchsetzung des Ausgleichsanspruches aus § 6 2 Abs 1 S 1 selbst zu betreiben (§ 6 2 R d n 5 4 ff). 3 1 8 Das Problem wird auch durch § 6 2 A b s 2 S 1 k a u m abgemildert, da der Anwendungsbereich dieser Vorschrift sehr eng ist (vgl § 6 2 R d n 1 1 2 a E , 1 2 7 ) : Sie e r m ä c h t i g t 3 1 9 einen A k t i o n ä r nur unter der Voraussetzung dazu, selbst einzugreifen, dass er bereits einen durchsetzbaren Anspruch gegen die Gesellschaft hat und darüber hinaus die Gesellschaft illiquide (§ 6 2 R d n 1 2 5 f), mangels M a s s e aber kein Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet ist (vgl § 6 2 Abs 2 S 2 i V m § 8 0 I n s O ) . 118

Unter das V e r b o t des § 5 7 fallen in aller Regel auch Z a h l u n g e n , mit denen die Gesellschaft einem A k t i o n ä r , der gegen sie eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage erhoben hat, die Klage „ a b k a u f t " (§ 5 7 R d n 7 0 m w N ) . Gleichzeitig handelt es sich hierbei um ein für § 5 3 a relevantes Verhalten der Gesellschaft (Rdn 3 6 ) . Für den unterstellten Einzelfall, dass die entgeltliche Ablösung des aktienrechtlichen Klagerechtes - ausnahmsweise nicht von § 5 7 erfasst wird, w o h l aber dem § 5 3 a zuwiderläuft, wird m a n aus dem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz allein nicht die Unwirksamkeit der H i n g a b e von Leistungen, die dem K l a g e a b k a u f dienen, annehmen k ö n n e n (vgl R d n 2 3 ) . c) Beendigung der Aktionärsstellung durch Vorstandsentscheidung

119

M a ß n a h m e n nach § 6 4 (Kaduzierung) und § 2 3 7 Abs 6 (Zwangseinziehung) liegen im Wirkungsbereich des § 5 3 a ( R d n 3 6 m N ) . Missachtet die Gesellschaft bei diesen M a ß n a h m e n 3 2 0 den Gleichbehandlungsgrundsatz, muss davon ausgegangen werden, dass die jeweilige M a ß n a h m e unwirksam, die in der betroffenen Aktie wurzelnde M i t gliedschaft also dem grundlos ungleich Behandelten nicht entzogen worden bzw untergegangen ist. Eine davon abweichende Beurteilung erscheint mit R ü c k s i c h t auf den U m s t a n d , dass es sich bei dem mit der M a ß n a h m e für den Adressaten verbundenen Entzug der Aktie(n) und der Beendigung der damit jeweils für ihn verbundenen Mitgliedschaft um den stärksten denkbaren „ E i n g r i f f " h a n d e l t , 3 2 1 weder sinnvoll n o c h angemessen. Denn andere denkbare Rechtsfolgen lägen entweder in einem - im Allgemeinen jedoch nicht o h n e weiteres zu bejahenden (Rdn 1 5 2 ff) - Schadensersatzanspruch oder aber darin, dem Betroffenen einen Anspruch auf Gleichbehandlung (Rdn 1 2 8 ff) mit dem Ziel zuzusprechen, dass gleichmäßig auch das Ende der Mitgliedschaft der M i t a k t i o n ä r e unter den gleichen Bedingungen und durch die gleiche M a ß n a h m e herbeizuführen w ä r e . Abgesehen davon, dass letzteres Vorgehen die Mitgesellschafter zu hart treffen würde, vermögen j e d o c h beide Varianten den Aktionär zu den übrigen Aktionären auch nicht gleichzustellen. Denn derjenige, der nach der M a ß n a h m e keine Aktie m e h r besitzt, verfügt über kein Mitgliedschaftsrecht mehr, das § 5 3 a schützen soll. Der im Anspruch auf Gleichbehandlung liegenden Abwehrbefugnis gegen ungerechtfertigte Beeinträchtigungen der mitgliedschaftlichen Position (Rdn 2 6 ) kann nur dadurch genügend R e c h n u n g ge-

317 318

319

Gehrlein in: Großkomm 4 § 66 Rdn 2. Vgl auch Bayer in: MünchKomm 2 § 62 Rdn 111 ff; Zöllner ZGR 1988, 392, 4 0 5 f. Gesetzliche Prozessstandschaft; ausführlich § 62 Rdn 101-113, insbesondere Rdn 105

320 321

mwN; ebenso Bayer in: MünchKomm 2 S 62 Rdn 80. Zur Abgrenzung Hüffer6 $ 237 Rdn 2. Dazu etwa Hüffer6 § 237 Rdn 16 mwN.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53a

tragen werden, dass den genannten M a ß n a h m e n im Falle eines Verstoßes des Vorstandes gegen § 5 3 a die Rechtsverbindlichkeit g e n o m m e n w i r d . 3 2 2 d) Kraftloserklärung von Aktien durch die AG Werden Aktienurkunden nach § 7 3 für kraftlos erklärt, o h n e dass der Vorstand hierbei den materiellen Anforderungen dieser Vorschrift genügt, ist die Erklärung n i c h t i g . 3 2 3

120

Z u den sachlichen Voraussetzungen, die den Vorstand in seiner Ermessensentscheidung, gegen welche Wertpapiere er das Verfahren zur Kraftloserklärung einleitet, binden, gehört auch der Gleichbehandlungsgrundsatz (Rdn 3 6 ) . 3 2 4 Ein Verstoß gegen § 5 3 a hat d e m g e m ä ß zur Folge, dass eine Urkunde, auf die sich diese rechtswidrige Erklärung bezieht, das Mitgliedschaftsrecht weiterhin w i r k s a m verkörpert, mithin diese Mitgliedschaft ihre wertpapiermäßige Verbriefung b e h ä l t . 3 2 5 e) Entscheidungen des Aufsichtsrats Verstößt ein Aufsichtsratsbeschluss ohne sachliche Rechtfertigung gegen § 5 3 a , so missachtet die Entscheidung zwingendes R e c h t und ist daher n i c h t i g . 3 2 6 O b es zutrifft, dass für „weniger schwerwiegende" Inhaltsmängel von der Nichtigkeitsfolge für Beschlüsse des Aufsichtsrates abzusehen ist, und welche Rechtsfolge stattdessen anzunehmen sein k ö n n t e , 3 2 7 k a n n hier dahinstehen. Denn eine sachlich nicht gerechtfertigte Missachtung des § 5 3 a k a n n nicht in die Kategorie weniger schwerwiegender Gesetzesverstöße eingeordnet werden.

121

f) Einforderung der Einlagen Fordert der Vorstand die Inferenten o h n e Sachgrund ungleichmäßig nach § 6 3 Abs 1 zur Einlageleistung auf, bedarf es zum Schutz der A k t i o n ä r e vor der Durchsetzung der damit verbundenen ungerechtfertigen Ungleichbehandlung nicht der Nichtigkeitsfolge für die Aufforderung. Es handelt sich u m einen Fall der ungleichen Verteilung von Lasten, der nach zutreffender Ansicht mit der Undurchsetzbarkeit des Leistungsbegehrens begegnet werden k a n n : D e n betroffenen Aktionären steht gegen den Anspruch der Gesellschaft (§ 5 4 Abs 1) ein Zurückbehaltungsrecht zu, das sie zur Verweigerung der Leistung berechtigt (Rdn 151). Somit können auch die an eine vergebliche Leistungs-

322

Zur Kaduzierung ganz hM, siehe Gehrlein in: Großkomm 4 § 64 Rdn 61 mwN; Bayer in: MünchKomm 2 § 64 Rdn 90; KKLutter2 § 64 Rdn 8, 48. Für die Zwangseinziehung nach § 237 Abs 6 hat nichts anderes zu gelten (in anderen Fällen als Abs 6 gilt für den gegen § 53 a verstoßenden HV-Beschluss für die Zwangseinziehung wie sonst auch der Rechtsfolgengrundsatz der Anfechtbarkeit, dazu Rdn 110 sowie Hüffer6 § 2 3 7 Rdn 16). Vgl allgemein auch Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 13.

323

Oechsler in: MünchKomm 2 § 73 Rdn 28; KK-Lutter 2 § 73 Rdn 18. KK -Lutter/Zöllner1 Rdn 67 und KK-

324

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Lutter2 § 73 Rdn 16; Oechsler in: MünchKomm 2 § 73 Rdn 12 mwN. 325 v g i Oechsler in: MünchKomm 2 § 73 Rdn 28; Barz in: Voraufl (Großkomm 3 ) § 73 Anm 3. 3 2 6 Vgl BGHZ 122, 342, 351; 135, 244, 2 4 7 ; Hüffer6 § 108 Rdn 18; Lutter/Krieger Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats4 (2002), Rdn 612; vgl ferner Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 13. 3 2 7 Vgl dazu OLG Hamburg AG 1992, 197 f; Hüffer6 § 108 Rdn 19 mwN; Lutter/Krieger Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats4 (2002), Rdn 611 f.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

122

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

aufforderung des Vorstandes geknüpften Folgen des § 6 3 Abs 2 und 3 (Zinsen, Schadensersatz, Vertragsstrafe) nicht eintreten. 3 2 8 g) Zustimmung zur Veräußerung vinkulierter Namensaktien 123

Vorstand (§ 6 8 Abs 2 S 2) oder Aufsichtsrat (§ 6 8 Abs 2 S 3 Fall 1) können auch dadurch gegen § 5 3 a verstoßen, dass sie die nach der Satzung zur Übertragung von Namensaktien erforderliche Zustimmung durch das jeweilige Gesellschaftsorgan versagen (§ 6 8 Abs 2 S 1). Wenn die Zustimmung einem Aktionär zur Veräußerung seiner vinkulierten Namensaktie erteilt, einem anderen unter gleichen Voraussetzungen aber willkürlich versagt wird, verletzt das den Gleichbehandlungsgrundsatz. 3 2 9 Allein die Sanktionierung des rechtswidrigen Verhaltens führt nicht zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebots. Das bloße Unterlassen der Zustimmungserklärung stellt keine sanktionsfähige M a ß n a h m e dar. Eine Ablehnungserklärung könnte zwar wegen Verletzung des § 5 3 a als unwirksam angesehen werden. Das würde dem betroffenen Aktionär aber nicht weiterhelfen, weil dieser Weg nicht zur Abgabe der Zustimmungserklärung führt. Vor diesem Hintergrund bedarf es einer besonderen Ausformung des in § 5 3 a wurzelnden subjektiven Aktionärsrechtes: Die Gesellschaft trifft die - durch den benachteiligten Aktionär einklagbare - Pflicht, aktiv zu werden, um so durch Beendigung des rechtswidrigen Unterlassens die gebotene Gleichbehandlung herzustellen (Rdn 1 3 3 ) . 3 3 0 Die Gesellschaft kann demnach vom veräußerungswilligen Aktionär gerichtlich im Wege der allgemeinen Leistungsklage zur Erteilung der unter Verstoß gegen § 5 3 a verweigerten Zustimmung gezwungen werden (vgl § 8 9 4 Abs 1 Z P O ) . 3 3 1 h) Festsetzung des Ausgabekurses für neue Aktien

124

Legt die Hauptversammlung im Kapitalerhöhungsbeschluss gemäß § 182 Abs 3 nur den Mindestbetrag fest, unter dem die neuen Aktien nicht ausgegeben werden dürfen, kann es als Ermächtigung der Verwaltung verstanden werden, im Rahmen ihres unternehmerischen Handlungsspielraums - spätestens bis zum Beginn der Zeichnung (arg § 185 Abs 1 S 3 N r 2) - den konkreten Betrag festzusetzen, zu dem die ausgegebenen Aktien zu zeichnen s i n d ; 3 3 2 die Festsetzung trifft der Vorstand, wenn nicht die Haupt-

328

329

AllgM; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 3 7 ; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 2 8 ; Hü ff er 6 Rdn 12 und § 6 3 Rdn 6; Gehrlein in: Großk o m m 4 § 6 3 Rdn 2 8 ; Bayer in: MünchK o m m 2 § 6 3 Rdn 31; K K - L u t t e r 2 § 6 3 Rdn 13; die abw Ansicht R G Z 85, 3 6 6 , 3 6 8 ist heute als überholt zu betrachten. Vgl LG Aachen AG 1 9 9 2 , 4 1 0 , 4 1 2 [,,AGF/ A M B " ] , dazu Lutter AG 1 9 9 2 , 3 6 9 , 3 7 2 = ZIP 1 9 9 2 , 9 2 4 , 9 2 9 , dazu E W i R 1 9 9 2 , 837, 8 3 8 (Bork); Wiesner in: M ü n c h H d b G e s R 2 ( 1 9 9 9 ) , Bd 4 [AG], § 14 Rdn 2 7 ; Bayer in: M ü n c h K o m m 2 § 6 8 Rdn 7 3 m w N ; vgl auch Wiedemann Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten ( 1 9 6 5 ) , S 106. Die früher hA, dass allein die §§ 138, 2 2 6 , 2 4 2 BGB äußerste Schranken bilden (so ehemals ua R G Z 132, 149, 154 ff; Barz in: Vor

aufl [ G r o ß k o m m 3 ] § 6 8 Anm 9; weitere N a c h w bei Bayer a a O , Rdn 7 5 Fn 1 6 6 ) , ist nach heute ganz h M überholt (siehe bereits Lutter a a O , S 3 7 0 f m w N ; Kossmann BB 1 9 8 5 , 1364). 330

Hüffer6 Rdn 12; Bungeroth in: MünchK o m m 2 Rdn 2 9 ; K K - L u t t e r 1 § 6 8 Rdn 3 0 ; ders Z G R 1 9 7 8 , 3 4 7 , 3 6 7 ; G Hueck Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung ( 1 9 5 8 ) , S 3 0 1 f.

331

Bayer in: M ü n c h K o m m 2 § 6 8 Rdn 1 0 7 ; Wirth DB 1 9 9 2 , 617, 6 2 1 ; vgl auch Wiedemann Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten ( 1 9 6 5 ) , S 107.

332

Näher dazu Wiedemann in: G r o ß k o m m 4 § 1 8 2 Rdn 61 ff, 6 4 , 6 6 f; auch Krieger in: M ü n c h H d b G e s R 2 ( 1 9 9 9 ) , Bd 4 [AG], § 5 6 Rdn 2 5 ; Hüffer6 § 182 Rdn 2 4 m w N .

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

Versammlung diese Befugnis dem Aufsichtsrat 3 3 3 oder beiden G r e m i e n 3 3 4 überträgt. Bei der Ausübung ihres Handlungsspielraums unterliegt die Verwaltung den Beschränkungen des § 53 a. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet sie daher grundsätzlich, den Ausgabebetrag (bzgl derselben Aktiengattung) für alle Aktionäre, gleichviel ob es sich um einen Bar- oder Sacheinleger handelt, 3 3 5 gleich hoch festzulegen. 3 3 6 Eine Abweichung bedarf einer sachlichen Rechtfertigung. Weicht die Festsetzung der Verwaltung ohne sachlichen Grund hiervon ab und würde demnach einem Teil der Aktionäre gleichsam willkürlich die verbilligte Zeichnung ermöglicht, ist die Festsetzung unvertretbar und damit rechtswidrig, weil sie § 53 a verletzt. Von einer wirksamen Festsetzung kann wegen ihrer Ungesetzlichkeit nicht ausgegangen werden. Bliebe die Festsetzung trotzdem bestehen, würde das zu praktisch kaum lösbaren Konsequenzen führen. Denn dann müsste versucht werden, die Folgen des Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsprinzip allein auf der Folgenseite der Festsetzung zu lösen. Es ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt sinnvoller, von der Unwirksamkeit der Festsetzung des Ausgabebetrages auszugehen und das Problem so zu werten wie den - bekannten (wenngleich streitigen) - Fall des von vornherein fehlenden konkreten Ausgabebetrages. 3 3 7 Für die Frage, welcher Ausgabebetrag im Ergebnis als festgesetzt gilt, kann auf die Lösung des dortigen Falles zurückgegriffen werden. i) Zuteilung neuer Aktien Werden den Aktionären im Rahmen einer Kapitalerhöhung die neuen Aktien abweichend von dem Maßstab des § 186 Abs 1 S 1 zugeteilt, liegt darin eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Rdn 56). Desgleichen ist § 53 a bei Fehlen einer sachlichen Rechtfertigung missachtet, wenn nach einem wirksamen Ausschluss des Bezugsrechts (§ 186 Abs 3) nicht alle Aktionäre gleichermaßen mit dem übrigen Publikum um die neuen Aktien konkurrieren, sondern ein Teil von ihnen vorrangig eine Offerte der Gesellschaft zur Zeichnung erhält. Im Rahmen eines genehmigten Kapitals hat der Vorstand gemäß § 2 0 4 Abs 1 über die Ausgabebedingungen zu entscheiden. Bei der Frage, wem neue Aktien zugeteilt werden, hat er neben anderen Faktoren auch den Gleichbehandlungsgrundsatz iSd § 53 a zu berücksichtigen (Rdn 3 6 ) . 3 3 8 In jeder dieser Konstellationen stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen, die sich für einen wegen Verstoßes gegen § 53 a rechtswidrigen Zuteilungsakt ergeben. Vorzugswürdig ist es, das durch die Gesellschaft abgegebene, auf Abschluss des Zeichnungsvertrages gerichtete Angebot als nichtig anzusehen. Damit aktualisiert sich das Gleichbehandlungsgebot - ohne dass dadurch etwaige, nach allgemeinen Haftungsregeln bestehende Folgeansprüche ausgeschlossen würden - nach seinem Zweck (Rdn 19, 26) als Abwehrbefugnis der benachteiligten Aktionäre: Derjenige, der zu ihren Lasten unzulässig privilegiert werden soll,

333 334 335

(73)

RGZ 144, 138, 143. Vgl Hüffer6 § 182 Rdn 24 mwN. Bei „gemischter" Kapitalerhöhung muss gemäß § 53 a der Ausgabebetrag für Barund Sacheinleger gleich sein (Kirchner/Sailer NZG 2002, 305, 310); ferner darf gemäß § 53 a eine Benachteiligung von Bar- gegenüber Sacheinlegern auch nicht dadurch bewirkt werden, dass der tatsächliche Wert der Sacheinlage den Barwert der gezeichneten Anteile unterschreitet (Lappe BB 2000, 313, 316).

336 337

338

KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 68. Hierzu 'Wiedemann in: Großkomm 4 § 182 Rdn 68 f; Krieger in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 56 Rdn 25; Hüffer6 § 182 Rdn 25 mwN; bestritten ist die dazu ergangene Rechtsprechung RGZ 143, 20, 23; 144, 138, 142 f; BGHZ 33, 175, 178 [„Minimax II"] = LM Nr 1 zu § 11 AktG (Fischer). Hüffer6 § 204 Rdn 3.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

125

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

kann den angebotenen Vorteil nicht wahrnehmen, weil eine wirksame Zeichnung nicht durchgeführt werden kann. 3. Faktische Maßnahmen; Sofortvollzug 126

Die Frage nach der Unwirksamkeit oder Undurchsetzbarkeit einer Verwaltungsmaßnahme läuft in den Fällen leer, in denen die Gesellschaft über den Vorstand oder einen anderen Repräsentanten - etwa den Leiter der Hauptversammlung - durch tatsächliches Handeln unter Verletzung des Gleichbehandlungsgebots in mitgliedschaftliche Belange eines Aktionärs eingreift oder diese Wirkung dadurch erzielt, dass ein rechtlicher Akt tatsächlich unumkehrbar durchgesetzt wird, bevor der Betroffene sich dagegen zur Wehr setzen und ohne dass er diese Entwicklung verhindern kann. Erklärt beispielsweise der Versammlungsleiter die Hauptversammlung für beendet, bevor ein zur Rede berechtigter Aktionär dieses Recht, dessen Ausübung zu gewähren möglich und auch nicht aus sachgerechten Gründen zu versagen war, ausüben konnte (Rdn 60), bleiben dem Betroffenen allenfalls Folgerechte. Selbst diese sind jedoch schwach, weil die konkrete Möglichkeit zur Rede für die Qualität des Rederechts mitentscheidend ist, diese Situation aber nicht wiederholt werden kann. Ähnlich gestaltet sich die Konstellation, wenn einem auf der Hauptversammlung redenden Aktionär das Wort im Vergleich zu anderen Aktionären zu früh entzogen wird (Abstellen des Mikrofons). 3 3 9 Auch wenn der Aktionär hier die unmittelbare - Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsposition faktisch dulden muss, wird die Verletzung des § 53 a immerhin insoweit - mittelbar - rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, als die Beschlüsse, die unter dem Eindruck des Gleichbehandlungsverstoßes im Anschluss daran gefasst wurden, nach § 243 Abs 1 anfechtbar sind. Jedenfalls wird auf diese Weise verhindert, dass der Verstoß gegen § 53 a weitergehende Wirkungen zeitigt. Im Rahmen dieser Anfechtbarkeit wegen gleichheitswidriger Versagung des Redeoder Fragerechts ist davon auszugehen, dass § 243 Abs 4 entsprechend gilt. 340

ΧΠ. Rechte benachteiligter Aktionäre wegen Verletzung des § 53 a 1. Ausgangspunkt 127

Um sich gegen einen das Gleichbehandlungsgebot verletzenden Hauptversammlungsbeschluss zur Wehr zu setzen, steht dem Aktionär (idR) die Befugnis zur Anfechtung gemäß § 243 Abs 1 zu (Rdn 110). Dass der Aktionär dieses Recht zur Vernichtung des Beschlusses ergreift, bzw die Tatsache, dass gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßende Akte der Verwaltung (Vorstand, Aufsichtsrat) oft bereits an sich nichtig sind (Rdn 116 ff), führt dazu, dass diese Vorgänge keine Rechtswirkungen entfalten können. Damit ist in der Praxis jedoch keineswegs für alle denkbaren Fälle sichergestellt, dass der dem benachteiligten Aktionär zugefügte Nachteil auch tatsächlich ausgeglichen wird (vgl auch Rdn 116, 117). Als Ausfluss des subjektiven Rechts in § 53a kann dem zu Unrecht hinter die Mitgesellschafter zurückgesetzten Aktionär deshalb im Einzelfall auch ein Leistungsrecht auf Gleichstellung zuzubilligen sowie ein der Situation angemessenes, präventiv wirkendes Abwehrrecht an die Hand zu geben sein. Schließlich bleiben da-

Eine sachliche Rechtfertigung liegt ua vor, falls der Redner sich mehrfach wiederholt oder unsachlich spricht oder durch seine Rede den ordnungsgemäßen Gang der HV

340

nachhaltig stört und auf Abmahnung nicht reagiert (vgl zB Raiser Kapitalgesellschaften 3 [2001], § 12 Rdn 58). LG München I AG 2000, 139: arg a fortiori.

Stand: 1. 7. 2004

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§ 53 a

Gleichbehandlung der Aktionäre

neben die allgemeinen Schadensersatzregeln bestehen und gewähren uU ein Reparationsrecht. 2 . Gleichstellungsanspruch aus § 5 3 a a) Grundsatz Die zentrale Bedeutung 3 4 1 des in § 5 3 a niedergelegten Gerechtigkeitsprinzips verlangt, das Gleichbehandlungsrecht des Aktionärs nachdrücklich durchzusetzen. Zu Recht geht die h M deshalb davon aus, dass ein unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz benachteiligter Aktionär die nachträgliche Herstellung der Gleichheit verlangen kann, um den Zustand zu erreichen, der ihm von vornherein von Gesetzes wegen gebührt h ä t t e . 3 4 2 Unter diesem Gesichtspunkt führt (in bestimmten Grenzen, Rdn 129 f) das subjektive Recht des § 5 3 a zu einem Anspruch des Aktionärs gegen die Gesellschaft auf aktive Gleichbehandlung. 3 4 3 Den Aktionären steht diese Rechtsposition kraft ihrer Mitgliedschaft dauerhaft in abstrakter Form zu. Die Konkretisierung dieser Rechtsposition tritt erst infolge tatsächlicher Entwicklungen und Entscheidungen in Einzelfällen ein: N i m m t die Gesellschaft gegenüber einzelnen Aktionären eine günstige Handlung vor, ohne hierfür unter dem Aspekt des § 5 3 a sachgerechte Gründe nennen zu können, sind alle übrigen Aktionäre berechtigt zu verlangen, dass ihnen - unter gleichen Voraussetzungen - die mit dieser Handlung verbundenen Vorteile ebenfalls gewährt werden, obwohl sie ohne die Begünstigungshandlung der Gesellschaft keinen Anspruch auf Vornahme dieser Handlung gehabt h ä t t e n . 3 4 4

128

b) Einschränkungen aa) Grenze des tatsächlich Möglichen Die Pflicht der Gesellschaft zur aktiven Gleichbehandlung kann nur im Rahmen des Machbaren bestehen. Das folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass keine Person zu etwas Unmöglichem verpflichtet sein kann. Konsequent zu Ende gedacht führt dieser Gedanke zu dem Ergebnis, dass dann, wenn eine Ausführung der Handlung gegenüber den Mitaktionären nicht von vornherein ausscheiden muss, die Unmöglichkeit in einen Schadensersatzanspruch nach den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts umschlägt.

129

bb) Grenze des rechtlich Zulässigen Eine weitere - äußerste - Schranke für die Annahme einer aktiven Gleichbehandlungspflicht enthält das Gesetz selbst. Nur unter Wahrung des geltenden Rechts kann der zunächst benachteiligte Aktionär die Vornahme der Handlung zu seinen Gunsten von der

341

Vgl KK-Lutter/Zöllner2

342

KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 12; Bungeroth Rdn 2 9 .

343

Lutter/Zöllner, Hüffer und Bungeroth a a O ; durchaus reserviert demgegenüber G Hueck Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung ( 1 9 5 8 ) , S 3 0 4 , aber zuneigend für den Fall einer Zustimmungspflicht wegen Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen des § 6 8 Abs 2 S 1, siehe S 3 0 2 . - Z u dem besonde-

(75)

Rdn 2 .

ren konzernrechtlichen Fall des Auskaufens der Antragsbefugnisse im Rahmen des § 3 0 6 aF [jetzt: § 3 SpruchG] und der nach h M (str) dort nicht bestehenden Pflicht der Gesellschaft zu aktiver Gleichbehandlung siehe O L G Düsseldorf AG 1 9 9 2 , 2 0 0 , 2 0 2 f; Hüffer6 Anh § 3 0 5 , dort § 3 SpruchG Rdn 10 a E ; Bilda in: M ü n c h K o m m 2 § 3 0 6 Rdn 7 2 ( m N zur Gegenansicht).

Rdn 35, 4 1 ; Hüffer6 in: M ü n c h K o m m 2

344

Bungeroth

in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 29.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

130

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Gesellschaft verlangen. Das folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass es kein subjektives Recht auf Gleichheit im Unrecht geben kann. 345 Der Gesichtspunkt erlangt dort Bedeutung, wo die unter Verstoß gegen § 53 a getätigte Zuwendung gleichzeitig gegen andere - zwingende - Vorschriften verstößt. Bestünde hier eine Pflicht zu einer aktiven Gleichbehandlung, müsste die Gesellschaft ihren Verstoß gegen die über den Anwendungsbereich des § 53 a hinausgehenden Vorschriften wiederholen. Dafür kann weder § 53 a als Rechtfertigungsgrund angeführt werden, noch darf überhaupt das Gesetz selbst einen Zwang zur Begehung von Gesetzeswidrigkeiten entfalten. Abgesehen von den hier regelmäßig entstehenden Ersatzansprüchen nach §§ 93, 116, die aber nicht den Aktionären, sondern der Gesellschaft zustehen, kann den ungleich behandelten Aktionären persönlich allenfalls dann ein Schadensersatzanspruch - denkbar wegen Verletzung der Treuepflicht - zustehen, wenn der ihnen zugefügte Nachteil über den Schaden hinausgeht, der durch Leistung an die Gesellschaft kompensiert wird (arg §§ 117 Abs 1 S 2 und 317 Abs 1 S 2). c) Anwendungsfälle aa) Auskunftserteilung nach § 131 Abs 4 131

Das Gesetz selbst enthält mit Rücksicht auf § 53 a eine Pflicht zu aktiver Gleichbehandlung in der Vorschrift des § 131 Abs 4 , 3 4 6 nach deren Satz 1 die Gesellschaft, wenn sie einem Aktionär wegen seiner Aktionärseigenschaft Auskunft außerhalb der Hauptversammlung gegeben hat, jedem anderen Aktionär auf dessen Verlangen diese Auskunft in der Hauptversammlung ebenfalls erteilen muss. Dass diese Norm im Gleichbehandlungsgebot des § 53 a wurzelt, 347 wird einmal dadurch bestätigt, dass sie eine mitgliedschaftsbedingte Bevorteilung (vgl Rdn 31) des Informierten voraussetzt („... wegen seiner Eigenschaft als Aktionär . . . " ) ; 3 4 8 zum anderen bestätigt es sich dadurch, dass die Information selbst keine tragende Rolle mehr für die Gewährung des Anspruchs spielt (siehe § 131 Abs 4 S 1 HS 2). Daraus folgt, dass die Erfüllung des Auskunftsanspruchs primär der Gleichstellung des bislang nicht Informierten dient. Drittens zeigt sich in § 131 Abs 4 S 2 das für die auf § 53 a beruhende aktive Gleichbehandlungspflicht typische Phänomen, dass ein Anspruch des Aktionärs gerade infolge der Ungleichbehandlung entsteht, der ihm anderenfalls nicht zuzubilligen gewesen wäre (Rdn 128).

132

Abgeschwächt wird dieser Anspruch auf aktive Gleichbehandlung jedoch dadurch, dass die erweiterte Pflicht der Gesellschaft zur Auskunftserteilung nicht - wie bei der Verletzungshandlung geschehen - außerhalb (sprich: sofort), sondern nach § 131 Abs 4 S 1 HS 1 erst in einer 3 4 9 Hauptversammlung besteht. Da § 131 Abs 4 S I eine spezielle Ausgestaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist, dessen Zweck zugleich darin

345

346

Das Selbstverständnis dessen schimmert auch in dem einzigen bereits gesetzlich bestimmten Anwendungsfall der Pflicht zu aktiver Gleichbehandlung durch (Rdn 131): § 131 Abs 4 S 2 nimmt Abs 3 S 1 N r 5 als Verweigerungsgrund nicht aus (und zwar entgegen dem Wortlaut nach zutreffender Ansicht nur N r 5, nicht auch N r 6 [Redaktionsversehen], vgl Decher in: G r o ß k o m m 4 § 131 Rdn 3 6 9 ; Kubis in: M i i n c h K o m m 2 § 131 Rdn 1 3 9 ) . Hüffer6 Rdn 12; Herrn AG 1 9 8 5 , 2 4 0 , 2 4 4 .

347

Kropff AktG 1 9 6 5 , S 1 8 7 ; Ebenroth Auskunftsrecht des Aktionärs ( 1 9 7 0 ) , S 9 8 ; Kubis in: M i i n c h K o m m 2 § 131 Rdn 125 m w N .

348

Näher Decher in: G r o ß k o m m 4 § 131 Rdn 3 4 2 ff; Hüffer6 § 131 Rdn 37.

345

Nach h M muss der Aktionär seinen Anspruch nicht zwingend in der „nächsten" H V geltend machen, BayObLG ZIP 2 0 0 2 , 1804, 1805 = N Z G 2 0 0 2 , 1020, 1021; Decher in: G r o ß k o m m 4 § 131 Rdn 2 6 4 m w N ; Kubis in: M i i n c h K o m m 2 § 131 Rdn 134.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

besteht, allen Aktionären die Information zugänglich zu machen, kommt ein Anspruch auf Informationserteilung außerhalb der Hauptversammlung nach h M nicht in Betracht. 3 5 0 Vor dem Hintergrund, dass § 131 Abs 4 als besondere Ausprägung des in § 5 3 a normierten Gleichbehandlungsgebotes zu begreifen ist (Rdn 131), lässt sich ferner für eine weitere Einschränkbarkeit des § 131 Abs 4 dergestalt argumentieren, dass dieses besondere Gleichbehandlungsgebot ebenso wie das allgemeine Gleichbehandlungsgebot den Schranken sachlicher Rechtfertigung untersteht. Selbst in einer Hauptversammlung muss die Information den übrigen Aktionären somit nicht erteilt werden, wenn zum einen gute, im Unternehmensinteresse liegende Gründe es erforderlich machen, die Auskunft im Einzelfall nicht zu erteilen, und zum anderen sicher gestellt bleibt, dass diese Handhabung nicht zu einem allgemeine Züge annehmenden Informationsmonopol einzelner Aktionäre führt (Rdn 5 8 ) . Unberührt von alledem bleiben aber die Informationspflichten der Gesellschaft, die nicht mit dem mitgliedschaftlichen Auskunftsrecht des Aktionärs aus § 131 korrespondieren, sondern sich aus anderen Rechtsgrundlagen ergeben (etwa: W p H G ) . bb) Zustimmungspflicht im Rahmen des § 6 8 Abs 2 S 1 Ein Anspruch des Aktionärs auf aktive Gleichbehandlung ist auch anerkannt für den Fall, dass die Gesellschaft unter gleichen Bedingungen Mitaktionären die Veräußerung von vinkulierten Namensaktien durch Zustimmung gemäß § 6 8 Abs 2 S 1 ermöglicht (hat), sich ihm gegenüber aber sperrt. 3 5 1 Dass infolge der Vinkulierung die Übertragbarkeit der Mitgliedschaft der Kontrolle durch die Gesellschaft unterliegt und die Verweigerung der Zustimmung einen Eingriff in die Mitgliedschaft mit sich bringt, führt dazu, dass die Frage der Zustimmung in den Schranken pflichtgemäßen Ermessens zu beantworten ist. 3 5 2 Ohne sachliche Rechtfertigung, dieses Ermessen zu Lasten des Veräußerungswilligen auszuüben, reduzieren sich unter dem Aspekt des § 5 3 a die Handlungsmöglichkeiten der Gesellschaft darauf, dass nur die Erteilung der Zustimmung ermessensfehlerfrei und rechtmäßig ist. Umgekehrt steht dem veräußerungswilligen A k t i o n ä r 3 5 3 ein klagbares 3 5 4 subjektives Recht auf aktive Gleichbehandlung zu, aufgrund dessen er die Zustimmung verlangen kann.

350

Decker in: G r o ß k o m m 4 § 131 Rdn 337, 3 6 3 ; Hüffer6 § 131 Rdn 4 2 ; HoffmannBecking FS Rowedder ( 1 9 9 4 ) , S 155, 1 5 7 ; Duden FS ν Caemmerer ( 1 9 7 8 ) , S 4 9 9 , 5 0 3 ; aA Eckardt in: Geßler/Hefermehl, § 131 Rdn 161; Joussen DB 1 9 9 4 , 2 4 8 5 , 2 4 8 6 ; kritisch auch Grüner N Z G 2 0 0 0 , 7 7 0 , 7 7 8 .

351

Vgl LG Aachen AG 1 9 9 2 , 4 1 0 , 4 1 2 [„AGF/ A M B " ] , dazu Lutter AG 1 9 9 2 , 3 6 9 , 3 7 2 = ZIP 1 9 9 2 , 9 2 4 , 9 2 9 , dazu E W i R 1 9 9 2 , 837, 8 3 8 (Bork)·, Hüffer6 Rdn 12; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 2 9 ; K K - L u t t e r 2 § 6 8 Rdn 3 0 ; ders Z G R 1 9 7 8 , 3 4 7 , 3 6 7 ; Wiesner in: M ü n c h H d b G e s R 2 ( 1 9 9 9 ) , Bd 4 [AG], § 14 Rdn 2 8 ; G Hueck Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung ( 1 9 5 8 ) , S 3 0 2 ; Wiedemann Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten ( 1 9 6 5 ) , S 106.

352

(77)

Ganz h M ; aus der Rechtsprechung O L G

Düsseldorf E W i R 1997, 145 (Kort); aus der Literatur statt aller Bayer in: M ü n c h K o m m 2 § 6 8 Rdn 7 2 ff m w N ; Wirth DB 1 9 9 2 , 617, 6 1 9 ; siehe auch bereits Kossmann BB 1 9 8 5 , 1 3 6 4 ; heute überholt ist hingegen die für freies Ermessen plädierende früher überwiegende Ansicht (so auch noch Barz in: Voraufl [ G r o ß k o m m 3 ] § 6 8 Anm 9). 353 Nicht aktivlegitimiert ist hingegen der potentielle Erwerber, dem die Zustimmungsverweigerung die Erwerbschance zunichte zu machen droht ( Wirth DB 1 9 9 2 , 617, 6 2 1 ; Reichert/Winter FS 1 0 0 Jahre G m b H G [ 1 9 9 2 ] , S 2 0 9 , 2 2 4 mwN); es kommt nach h M aber in Betracht, dass der Erwerbswillige als gewillkürter Prozessstandschafter auftritt, LG Aachen AG 1 9 9 2 , 4 1 0 f [ „ A G F / A M B " ] = ZIP 1 9 9 2 , 9 2 4 , 9 2 6 ff, dazu E W i R 1 9 9 2 , 8 3 7 (Bork); Bayer

Hartwig Henze/Richard L. Notz

133

§ 53 a 134

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Kein Recht auf aktive Gleichbehandlung hat der Aktionär in dem (umgekehrten) Fall, dass die Gesellschaft unter rechtmäßiger Verweigerung gegenüber einem Teil von Aktionären nur einer Gruppe anderer Aktionäre unter Verstoß gegen die Satzung (vgl § 68 Abs 2 S 4) in rechtswidriger Weise die Zustimmung gemäß § 68 Abs 2 S 1 erteilt. Hier besteht kein Anspruch weiterer veräußerungswilliger Aktionäre darauf, dass unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung auch ihnen die Zustimmung unter Missachtung statutarischer Bestimmungen erteilt wird. Das Gleichbehandlungsgebot erstreckt sich nicht auf gesetzeswidrige Handlungen (Rdn 130). cc) Worterteilung; Rede- und Fragerecht

135

Das Rederecht des Aktionärs wurzelt im Teilnahmerecht und beinhaltet, dass sich der Aktionär zu Wort melden (Recht auf Gehör) und sachdienliche Ausführungen machen darf (Recht auf Rede). 355 Die Verteilung dieser Rechte unterliegt den Maßgaben des § 53 a (Rdn 60, 126). Naturgemäß kann aber, insbesondere auf gut besuchten Hauptversammlungen großer Publikumsgesellschaften, nicht allen Aktionären in dem durch äußere Faktoren abgesteckten Rahmen einer Hauptversammlung (vgl § 118 Abs 1) diese Rechtsausübung ermöglicht werden. 3 5 6 Im Rahmen des § 53 a muss sich die von der Versammlungsleitung zu treffende Auswahl der Redner an sachgerechten Kriterien ausrichten (Rdn 36). Weicht in der Hauptversammlung die Leitung hiervon ab und bevorzugt von den Aktionären, die unter sachlicher Rechtfertigung sämtlich zurückgesetzt worden waren, einzelne dadurch, dass ihnen nun doch eine Redezeit zugestanden wird, und fehlt hierfür im Verhältnis zu den übrigen Aktionären, die zurückgesetzt bleiben, ein hinreichender Sachgrund, 3 5 7 dann hat - im Rahmen des Möglichen (Rdn 129) - jeder der ungleich behandelten Aktionäre, der unter den gleichen Voraussetzungen (vgl § 53 a) wie der jetzt Privilegierte zunächst zurückgesetzt wurde, ebenfalls einen Anspruch auf sofortige Gewährung eines gleich umfänglichen Rederechts (aktive Gleichbehandlung). Bei einer mehrtägigen Hauptversammlung erscheint es nicht ausgeschlossen, dass dieser Anspruch auf aktive Gleichbehandlung im Wege einstweiligen Rechtsschutzes durchgesetzt wird. Ist dies nicht erfolgversprechend, wird man den Benachteiligten (in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 131 Abs 4 S I ) eine - wenn auch knappe - Redezeit auf der nächsten Hauptversammlung einzuräumen haben. dd) Hauptversammlungsprotokolle

136

Ein Aktionär kann von der Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt der ihr obliegenden Treuepflicht verlangen, dass ihm (gegen Kostenerstattung) eine Abschrift von denjenigen Teilen des Hauptversammlungsprotokolls überlassen wird, die seine Beiträge und Fragen und die darauf erteilten Antworten des Vorstandes betreffen; 3 5 8 ein weitergehender

354 355

356

in: M ü n c h K o m m 2 § 68 Rdn 110; Berger Z H R 157(1993), 31, 41 ff. Bayer in: M ü n c h K o m m 2 § 68 Rdn 107. Kallmeyer AG 1998, 123, 124; Siepelt AG 1995, 245, 255; siehe auch Mülbert in: G r o ß k o m m 4 Vor § 118 Rdn 210 und § 118 Rdn 26, 61. Zur Durchführbarkeit der HV als immanenter Schranke für das Rede- und Auskunftsrecht siehe Mülbert in: G r o ß k o m m 4 Vor § 118 Rdn 72, 150 f.

357

358

Praktisch darf freilich nicht verkannt werden, dass beim Typ der börsennotierten Publikumsgesellschaft insoweit ein recht weiter Ermessensspielraum bestehen kann. Werner in: G r o ß k o m m 4 § 130 Rdn 123, 124; dem folgend BGHZ 127, 107 [„BMW"] = ZIP 1994, 1597, dazu EWiR 1995, 13 (Hirte) = WuB II A § 130 AktG 1.95 (Dilger); Gehrlein W M 1994, 2054, 2056 f; Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 392 ff.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

Anspruch auf Überlassung anderer Teile des Protokolls kann aus der Treuepflicht der Gesellschaft aber nicht hergeleitet werden (Anh § 53 a Rdn 88). Händigt die Gesellschaft darüber hinaus dennoch - freiwillig - einem Aktionär unabhängig von seinen Beiträgen und Fragen Abschriften des Hauptversammlungsprotokolls aus oder gestattet ihm Einsicht in dieses Protokoll, dann muss sie nach Maßgabe von § 53 a auch anderen Aktionären, die dies begehren, diese Möglichkeiten einräumen. 3 5 9 d) Grenzfälle aa) Zuwendung geldwerter Vorteile Wenn die Gesellschaft aus ihrem gebundenen Vermögen an einen Aktionär Leistungen erbringt, die vom Verbotstatbestand des § 57 Abs 1 S 1 erfasst werden, verletzt das auch § 53 a; die Benachteiligten haben indessen rechtlich kaum Einfluss darauf, ob zu ihrer Gleichstellung der Rückleistungsanspruch der Gesellschaft aus § 62 Abs 1 S 1 verfolgt wird (Rdn 117). Das wirft die Frage auf, ob das Gleichbehandlungsprinzip dazu führen kann, dass den Benachteiligten ein Anspruch auf aktive Gleichbehandlung zuerkannt wird, dessen Inhalt es ist, von der Gesellschaft ebenfalls eine entsprechende Leistung zu verlangen. Im Schrifttum 3 6 0 ist darüber nachgedacht worden, ob und auf welche Weise für die nicht bevorteilten Aktionäre ein Anspruch auf aktive Gleichbehandlung geschaffen werden kann. Im Ergebnis ist die bejahende Ansicht 361 abzulehnen. Den Mitgesellschaftern des unter Verstoß gegen §§ 53 a, 57 begünstigten Aktionärs ist kein Anspruch auf „ausgleichende" Vermögensleistungen zuzusprechen. Es besteht kein Weg, rechtskonform eine Pflicht der Gesellschaft zu aktiver Gleichbehandlung zu begründen:

137

Zunächst ist festzuhalten, dass die zum Recht der GmbH und der Genossenschaft vorhandene Rechtsprechung, 362 die eine aktive Gleichbehandlungspflicht bejaht, nicht auf das Aktienrecht übertragen werden kann. 3 6 3 Denn während bei den dortigen Verbandsformen aufgrund der weniger streng ausgeprägten Kapitalbindung (vgl §§ 30 Abs 1 GmbHG, 22 Abs 4 GenG) aus verfügbaren Überschüssen ein Anspruch auf Gleichbehandlung durch Vermögensleistungen erfüllt werden kann und darf, ist das im Aktienrecht aufgrund der nach § 57 Abs 1 S 1, Abs 3 bestehenden umfassenden Vermögensbindung nicht erlaubt (§ 57 Rdn 4, 9). Eine stimmige Lösung zur Durchführung aktiver Gleichbehandlung ist daher nur in den durch § 57 gesetzten Grenzen möglich. Insoweit muss berücksichtigt werden, dass die Ansprüche der Gesellschaft aus § 62 Abs 1 S 1 nicht verzichtbar sind (§ 66 Abs 2 Fall 1).

138

Vorgeschlagen worden ist deshalb, den zum Ausgleich des Nachteils nötigen Betrag 1 3 9 im Rahmen der Gewinnverteilung auszukehren, so dass über die §§ 57 Abs 3, 58 Abs 4, 60, 174 Abs 2 N r 2 der Grundsatz der Vermögensbindung gewahrt bleibt. 364 Dieser Lösungsweg ist aber nur dann vollständig, wenn auch das Problem der nach § 62 Abs 1 S 1 bestehenden Rückleistungspflicht der begünstigten Aktionäre gelöst wird. 3 6 5 Für die Befreiung dieser Aktionäre von ihrer Rückgewährpflicht (§ 62 Abs 1 S 1) besteht die

359 360

361

362

(79)

Werner in: Großkomm 4 § 130 Rdn 122. Vornehmlich KK-Lutter/Zöllner 2 Rdn 38 ff, aufbauend auf Lutter ZGR 1978, 347, 368 ff. So im Ergebnis Lutter/Zöllner aaO sowie schon Lutter aaO. BGH WM 1960, 1007, 1009 und WM 1972, 931, 932 ff.

363

364

365

Unstr, Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 31; auch KK-Lutter/Zöllner 2 Rdn 38. Vgl Lutter ZGR 1978, 347, 368 ff; KKLutter/Zöllner2 Rdn 38. Im Ausgangspunkt zutreffend erkannt auch von KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 39.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

S 53a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Hürde des § 66 Abs 2 Fall 1 (§ 62 Rdn 46 f). In Übereinstimmung mit dem Gebot der realen Kapitalsicherung verbietet die Vorschrift aber nicht die Erklärung der Aufrechnung durch die Gesellschaft (§ 388 S 1 BGB), falls die (Gegen-) Forderung des Aktionärs, von der sich die Gesellschaft durch Aufrechung mit ihrem (Haupt-) Anspruch aus § 62 Abs 1 S 1 befreit, vollwertig, fällig und liquide ist. 3 6 6 Unter dieser Voraussetzung kann die Gesellschaft im Aufrechnungswege dafür sorgen, dass die zur Rückgabe des Vorteils verpflichteten Aktionäre ihrer Leistungspflicht aus § 62 Abs 1 S 1 nachkommen (§ 389 BGB). Da bei der Gewinnverteilung, die der Bereinigung der Ungleichbehandlung dienen soll, Gewinnansprüche gegen die Gesellschaft auch den schon zuvor begünstigten Aktionären zustehen, tritt die bereits beschriebene Aufrechnungslage ein (§ 387 BGB). Mit der Aufrechnungserklärung erledigt sich die Rückleistungspflicht aus § 62 Abs 1 S 1. Zuständig für die Aufrechnungserklärung ist der Vorstand (§ 76 Abs 1). Ob er nach § 119 Abs 2 diese Frage der Hauptversammlung zur Entscheidung vorlegt und sie in den Beschluss über die Gewinnverwendung (§ 174) integriert, hat er im Rahmen seines unternehmerischen Handlungsspielraumes zu entscheiden. 140

Im Anschluss an diese Überlegungen müssen freilich zwei Dinge klargestellt werden: (1.) Die Zulässigkeit dieser Lösung liefert kein Argument dafür, dass dem einzelnen Aktionär ein Anspruch auf deren Durchführung zusteht. 367 Wer einen solchen Anspruch aus § 53 a herleiten will, muss dem Gleichbehandlungsgrundsatz für diesen Fall eine drittgerichtete Wirkung beimessen. Denn den Gesellschaftsorganen würde mit der Verpflichtung zur Abgabe der Aufrechnungserklärung eine Verhaltenspflicht auferlegt, die sich nicht aus dem Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu dem anspruchstellenden Aktionär ergibt. Eine derartige Drittwirkung kommt dem Gleichbehandlungsgebot nicht zu; sie geht vielmehr über das in § 53 a normierte Schutzrecht hinaus. (2.) Wer dennoch aus § 53 a ein solch weitgehendes subjektives Aktionärsrecht herleitet, 368 verkennt, dass mit dem dargestellten Lösungsweg gerade keine Pflicht der Gesellschaft zur aktiven Gleichbehandlung geschaffen, sondern lediglich ein besonderer Weg eingeschlagen wird, um in Übereinstimmung mit dem Gesetz eine Ungleichbehandlung der Aktionäre rückgängig zu machen. Der Anspruch des Aktionärs auf aktive Gleichbehandlung besteht darin, dem unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes benachteiligten Aktionär den gleichen Vorteil einzuräumen, der anderen Mitgesellschaftern gewährt geworden ist und bei jenen verbleibt. Im Ergebnis erlangen somit alle Aktionäre einen dem Gleichbehandlungsmaßstab entsprechenden Vorteil, gerade das ist allerdings nach der dargelegten Lösung (Rdn 139) nicht der Fall. Vielmehr setzt hier die Gesellschaft ihren Anspruch aus § 62 Abs 1 S 1 mit dem Instrument der Aufrechnung durch; sie holt somit den unter Verstoß gegen § 57 weggegebenen Vermögenswert in das Gesellschaftsvermögen zurück. Die Gleichstellung liegt also nicht darin, dass die Gesellschaft den gleichen Vorteil ein weiteres Mal an die übrigen Aktionäre auskehrt, sondern darin, dass die zuvor unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgenommene Begünstigung einzelner Aktionäre auf dem gesetzlich vorgezeichneten Weg (Geltendmachung des § 62 Abs 1 S 1 ) beseitigt wird, wie es im Übrigen der Pflicht des Vorstandes entspricht (§ 93; dazu § 57 Rdn 226). Bestandteil der Gleichbehandlung der Aktionäre ist der zu ihrer Herbeiführung beschrittene Weg, nämlich gegenüber einem Teil die Befriedigung ihrer Gewinn-

366

Ganz h M ; Gehrlein Rdn 35 ff

in: G r o ß k o m m 4 § 6 6 rawN.

367

Zutreffend in Zweifel gezogen, aber offen gelassen von Bungeorth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 3 2 aE.

368

So offenbar - ohne nähere Darlegung - KKLutter ¡Zöllner1 Rdn 3 8 ff.

Stand: 1. 7. 2004

(80)

Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

ausZahlungsansprüche in bar, gegenüber dem anderen Teil hingegen durch ein Surrogat (Aufrechnung) zu bewirken, womit gegenüber allen Aktionären die aus § 58 Abs 4 folgende Pflicht der Gesellschaft erfüllt wird. Die Überlegungen zeigen, dass der auf die ungleiche Verteilung von Gesellschaftsvermögen gestützte Ruf nach einem Aktionärsanspruch auf „aktive Gleichbehandlung" letzten Endes darauf hinaus läuft, aus § 53 a ein Aktionärsrecht entstehen zu lassen, mit dem die Gesellschaft indirekt gezwungen werden kann, das gemäß § 57 in unzulässiger Weise bestimmten Aktionären überlassene Vermögen nach § 62 in das Gesellschaftsvermögen zurückzuholen. Nach der sicherlich kritisch zu würdigenden, 369 aber eindeutigen rechtlichen Konzeption besteht gerade solch ein Aktionärsanspruch nicht. Vielmehr gehört das zu den Aufgaben und Pflichten des Vorstandes.

141

Ein aktive Gleichbehandlung müsste in tatsächlicher Hinsicht so gestaltet werden, dass das unter Verletzung des Gesetzes bestimmten Aktionären zugewendete Vermögen bei der Gewinnverwendung derart berücksichtigt wird, dass es auch den übrigen Aktionären in Form einer für den Einzelfall vergleichsweise höheren Dividende zufließt. In rechtlicher Hinsicht (vgl dazu Rdn 130) ist dies aber aus folgenden Gründen unzulässig:

142

(1) Zum einen müsste dann unter Verstoß gegen §§ 62 Abs 1 S 1, 66 Abs 2 Fall 1, 93 die Rückleistungspflicht der begünstigten Aktionäre ignoriert werden; dass später ein dem § 53 a entsprechender Zustand herbeigeführt wird, heilt nicht auch die Verletzung des § 57 Abs 1 S 1.

143

(2) Ferner bedürfte es dazu - um einen Verstoß gegen § 57 zu vermeiden - einer einzelfallbezogenen Abweichung vom geltenden Gewinnverteilungsschlüssel, da die höhere Dividende nicht ohne weiteres Inhalt des durch den Gewinnverwendungsbeschluss (§ 174 Abs 1 S 1, Abs 2 Nr 2) ispo iure entstandenen (§ 60 Rdn 2) konkreten Gewinnauszahlungsanspruchs des gleichzustellenden Aktionärs ist. Dem Verwendungsbeschluss müsste zur aktiven Gleichbehandlung ein Verteilungsschlüssel zugrunde gelegt werden, der den sonst maßgeblichen Schlüssel derart modifiziert (vgl § § 6 0 Abs 3, 23 Abs 5 S 1), dass zu Lasten der bereits Bevorteilten die Ausschüttung entsprechend großzügiger für die bislang Benachteiligten bemessen wird. Indessen käme das einer in ihrer Zulässigkeit sehr streitigen punktuellen Satzungsdurchbrechung 3 7 0 gleich und stellt keine zustimmungswürdige Lösung dar.

144

(3) Um die vorstehende Problemlage (Rdn 144) zu vermeiden, könnte man allenfalls an folgenden Ansatz denken: Es werden bereits bei der Kalkulation der Gewinnverwendung für verschiedene Gruppen von Aktionären verschiedene Ausschüttungsvolumina vorgesehen. Diese unterschiedlichen Beträge könnten sich sodann bei der Beschlussfassung nach § 174 - ausgerichtet am Aufteilungsmaßstab des § 60 - in einzelne Ansprüche aufteilen, deren Höhe so bemessen ist, dass bei Einbeziehung der unter Verstoß gegen § 57 vorgenommenen Vorteilszuwendung insgesamt gesehen alle Aktionäre eine (verhältnismäßig) gleiche Dividende erhalten. Würde man den Aktionären einen Anspruch auf ein solches Vorgehen geben, würden die zur Entscheidung über die Gewinnverwendung gesetzlich festgelegten Organkompetenzen in einer Weise präjudiziert, die aus der Regelung des § 53 a nicht mehr hergeleitet werden kann. Das Gleichbehandlungsprinzip gewährt kein subjektives Eingriffsrecht dieser Art und Reichweite.

145

369

(81)

Vgl bei § 62 Rdn 54 ff; ferner Bayer in: MünchKomm 2 § 62 Rdn 111 ff.

370

Dazu Wiedemann in: G r o ß k o m m 4 § 179 Rdn 93; Hüffer6 § 179 Rdn 7, 8 mwN.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

bb) Erwerb eigener Aktien 146

D e r gleichheitswidrige 3 7 1 E r w e r b eigener Aktien durch die Gesellschaft führt zur Nichtigkeit des Kausalgeschäftes nach § 71 A b s 4 S 2 ( R d n 116). Die benachteiligten A k t i o n ä r e k ö n n e n jedoch nicht bewirken, dass die Gesellschaft ihrer daraus erwachsenden Pflicht zur R i i c k a b w i c k l u n g tatsächlich n a c h k o m m t ( R d n 116). Erneut stellt sich deswegen die Frage (vgl R d n 1 3 4 ) , o b den Benachteiligten ein Anspruch auf aktive Gleichbehandlung zuzusprechen ist. D a s würde sie in die Lage versetzen, von der Gesellschaft zu verlangen, eigene Aktien auch von ihnen zu e r w e r b e n . 3 7 2 Die Gesellschaft wäre allerdings auch für den zu Gleichstellungszwecken erfolgenden E r w e r b nicht von den Beschränkungen des § 71 Abs 1 und 2 befreit. Ferner müsste den gleichzustellenden Aktionären w o h l derselbe Preis je Aktie bezahlt werden wie den begünstigten, wenn er der M a r k t l a g e entspricht; das Entgelt darf nicht über dem wirklichen Wert liegen (§ 5 7 R d n 6 5 , 1 8 3 ) . Geht m a n davon aus, dass der Erfüllung dieser Voraussetzungen im Einzelfall nichts im Wege steht, k ö n n t e ein Anspruch auf aktive Gleichbehandlung als möglich angesehen w e r d e n . 3 7 3

147

D e n n o c h muss für diesen Fall ein Anspruch der A k t i o n ä r e auf aktive Gleichbehandlung verneint werden. W ü r d e die Gesellschaft nämlich zur Herstellung gleicher Verhältnisse auch von den übrigen Aktionären eigene Aktien erwerben, wäre dies iSd § 5 3 a für die begünstigten A k t i o n ä r e nur dann akzeptabel, wenn ihnen ebenso wie den übrigen Aktionären der von der Gesellschaft entrichtete Erwerbspreis erhalten bliebe. Das aber ist nicht möglich. D e n n da das dem E r w e r b zugrunde liegende Kausalgeschäft nichtig ist, besteht für die Gesellschaft keine Erfüllungspflicht. Die rechtsgrundlose Erfüllung hat dabei keine H e i l u n g s w i r k u n g . 3 7 4 D a s von der Gesellschaft gleichwohl entrichtete Entgelt stellt somit eine gemäß § 5 7 Abs 1 S 1 verbotene Zahlung d a r . 3 7 5 D a h e r k a n n die Gesellschaft den an die begünstigten A k t i o n ä r e gezahlten Erwerbspreis nicht bei den E m p f ä n gern belassen, sondern muss - unverzichtbar (§ 6 6 Abs 2 Fall 1) - nach § 6 2 Abs 1 S 1 diesen Vermögenswert in das Gesellschaftsvermögen zurückführen. D e r Fall ist daher für den weiteren Gedankengang ebenso zu beurteilen wie ein sonstiger Verstoß gegen die Vermögensbindung (ausführlich R d n 138 ff). cc) Begebung einer Anleihe

148

Die Ausgangsüberlegung (vgl R d n 1 3 4 , 1 4 6 ) k a n n schließlich ein weiteres M a l in dem Fall angestellt werden, in dem die Gesellschaft an ihre A k t i o n ä r e eine Anleihe begibt, dabei aber o h n e sachlich rechtfertigenden G r u n d 3 7 6 einzelne A k t i o n ä r e nicht berücksichtigt, so dass die Begebung der Anleihe unter Verstoß gegen § 5 3 a e r f o l g t . 3 7 7 D e r Gleich-

371

Im Zusammenhang mit den folgenden Ausführungen ist der Fall nicht problembehaftet, dass die AG zwar zunächst nur von einem Teil ihrer Aktionäre eigene Aktien erwirbt und später zur Gleichbehandlung aller dann von dem übrigen Teil eigene Aktien erwirbt, wenn beide Erwerbsaktionen von vornherein geplant und aufeinander abgestimmt waren, denn dann ist in einer Gesamtbetrachtung bereits die erste Erwerbsaktion sachlich gerechtfertigt, also keine Verletzung von $ 53 a gegeben, und mithin stellt sich nicht die Folgefrage eines

372 373 374

375

376

377

Anspruches auf aktive Gleichbehandlung wegen „gleichheitswidrigen" Erwerbs. Vgl Lutter/Zöllner2 Rdn 35. Dahin deutend wohl Lutter/Zöllner aaO. KK-Lutter 1 $ 71 Rdn 75; Oechsler in: MünchKomm 2 § 71 Rdn 299. Oechsler in: MünchKomm 2 § 71 Rdn 300; Hüffer6 S 71 Rdn 24. Zur Abgrenzung dieser von einer nicht problembehafteten Konstellation vgl entsprechend oben Fn 371. Vgl Lutter Z G R 1978, 347, 369 f.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53a

behandlungsverstoß k a n n aber dadurch gutgemacht werden, dass bei der (ggf alsbaldigen) Begebung einer weiteren T r a n c h e dieser Anleihe eine Pflicht der Gesellschaft aus § 5 3 a zu aktiver Gleichbehandlung abgeleitet wird: D u r c h Anpassung der Ausgabebedingungen müssen n u n m e h r die A k t i o n ä r e zum Z u g e k o m m e n , die ehemals unter M i s s a c h t u n g des § 5 3 a übergangen worden s i n d . 3 7 8 Dieser Fall unterscheidet sich von den schon erörterten Konstellationen [aa. und bb.] darin, dass dort die Verletzung des § 5 3 a gleichzeitig einen Verstoß gegen anderweitiges

149

zwingendes R e c h t darstellt (§ 5 7 Abs 1 S 1 und § 71 A b s 4 S 2 ) . Das führte zu der H ü r d e des § 6 2 Abs 1 S 1 i V m § 6 6 Abs 2 Fall 1, die nicht unter erneutem Hinweis auf § 5 3 a (Erfordernis aktiver Gleichbehandlung) übersprungen werden k o n n t e . Die den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzende Ausgabe einer Anleihe ist aber nur mit § 5 3 a nicht vereinbar. D e s h a l b erscheint es nicht ausgeschlossen, den benachteiligten Aktionären das R e c h t zuzubilligen, vorrangig vor den begünstigten Aktionären bei der Ausgabe einer Anleihe berücksichtigt zu werden. Die Pflicht der Gesellschaft zu aktiver Gleichbehandlung geht aber nicht so weit, dass sie eine weitere Anleihe für alle A k t i o n ä r e aufzulegen hätte. Die begünstigten Erstbezieher k ö n n e n sich im Übrigen nicht darauf berufen, ihnen müsse ein gleichrangiger Z u g r i f f auf die jetzige Anleihe gewährt werden. D e n n als sachliche Rechtfertigung für ihren Ausschluss v o m Bezug k a n n ihnen die Beteiligung an der ersten Tranche entgegen gehalten werden. M a c h e n A k t i o n ä r e von ihrem R e c h t auf aktive Gleichbehandlung hier G e b r a u c h und erfüllt die Gesellschaft deren Ansprüche, bereinigt sich in der Regel die Situation insgesamt auch im Hinblick auf die vorausgegangene Ausgabe der Anleihe, da in dem jetzigen Verhalten der nunmehr gleichgestellten A k t i o n ä r e eine schlüssige Verzichtserklärung (Rdn 9 6 ) liegen wird, sich auf die vergangene M i s s a c h t u n g des § 5 3 a zu berufen. 3.

Leistungsverweigerungsrecht

Liegt die M i s s a c h t u n g des Gleichbehandlungsgebotes darin, dass die Gesellschaft Lasten ungleichmäßig unter den Aktionären verteilt, gewährt § 5 3 a zum Schutz der nachteilig Betroffenen ein Leistungsverweigerungsrecht, mit dem sie einem Begehren der Gesellschaft entgegen treten k ö n n e n . H a u p t f a l l ist das Zurückbehaltungsrecht eines Inferenten an seiner Einlage, falls die Gesellschaft ihre Aufforderung zur Einlageleistung (§ 6 3 Abs 1) so an ihn richtet, dass er im Vergleich zu seinen Mitgesellschaftern o h n e rechtfertigenden G r u n d zur Vorleistung veranlasst wird ( R d n 4 4 , 1 2 2 ) . D a der Anspruch der Gesellschaft aus § 5 4 A b s 1 infolge des Gegenrechtes des Inferenten undurchsetzbar wird, entstehen keine Ansprüche der Gesellschaft aus § 6 3 Abs 2 und 3 . 3 7 9 4.

379

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151

Schadensersatzansprüche

Die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes lässt keine Ansprüche aus § 8 2 3 B G B (iVm § 31 B G B ) entstehen; weder A b s l 3 8 0 noch A b s 2 3 8 1 ( s t r ) 3 8 2 dieser Vorschrift

378

150

So wohl Lutter aaO und auch KK-Lutter! Zöllner2 Rdn 35. AllgM; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 37; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 28; Hiiffer6 Rdn 12 und § 63 Rdn 6; Gehrlein in: Großkomm 4 $ 63 Rdn 28; Bayer in: MünchKomm 2 S 63 Rdn 31; KK-Lutter2 § 63 Rdn 13 mwN. Hingegen ist RGZ 85, 366,

380

381

368 (§ 62 Abs 2 und 3 seien nicht gehemmt) als überholt anzusehen. Hüffer6 Rdn 12 aE; KK-Lutter/Zöllner1 Rdn 42; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 35; Meyerowitz Recht der Aktionäre auf gleichmäßige Behandlung (1932), S 29. Hüffer6 Rdn 12 aE; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 42; G Hueck Grundsatz der gleich-

Hartwig Henze/Richard L. Notz

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§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

sind einschlägig (Rdn 24 f). Nicht ausgeschlossen, wenn auch praktisch selten ist, dass die allgemeine Haftung für sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB iVm § 31 BGB zum Zuge kommt. 3 8 3 Im Übrigen kann eine vorsätzliche Missachtung von § 53 a zur Anwendung des § 117 führen. 3 8 4 153

Ferner kann aus der Verletzung des Mitgliedschaftsverhältnisses selbst kein Schadensersatzanspruch hergeleitet werden. 385 Denkbar ist aber, dass durch den Gleichbehandlungsverstoß die Treuepflicht schuldhaft verletzt wird, so dass ein Schadensersatzanspruch entsprechend § 280 Abs 1 BGB geltend gemacht werden kann (Anh § 53 a Rdn 145 f). 154 Die allgemeine schuldrechtliche Schadensersatzhaftung des Bürgerlichen Rechts (§§ 280ff BGB) kann auch dort eine Rolle spielen, wo die Gesellschaft zu aktiver Gleichbehandlung verpflichtet ist (Rdn 128), den darauf gerichteten Anspruch des Aktionärs aber nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt und deshalb der ursprüngliche Erfüllungsgegenstand zwischenzeitlich wertlos geworden ist. 386 Das kommt etwa in Betracht, wenn das zuständige Gesellschaftsorgan die nach § 68 Abs 2 S 1 erforderliche und nach § 53a gebotene Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ablehnt (Rdn 123, 133) und die ausgesprochene Ablehnung bis zu einem Zeitpunkt aufrechterhält, in dem die Veräußerung nur noch zu einem verminderten Preis oder, weil der Interessent zu lange hingehalten werden musste und deshalb abgesprungen ist, gar nicht mehr erfolgen kann und der betroffene Aktionär nicht in der Lage war, rechtzeitig die Folgen des § 894 Abs 1 ZPO herbeizuführen. 387 Ferner kann ein Aktionär einen ggf an seinem Vermögen eingetretenen Folgeschaden nach §§ 280 ff BGB geltend machen, wenn die Verweigerung der Gesellschaft, ihrer Pflicht aus § 131 Abs 4 nachzukommen, adäquat kausal für den Schadenseintritt war.

ΧΠΙ. Beweislast 155

Die Darlegungs- und Beweislast obliegt demjenigen, der die Verletzung des § 53 a geltend macht und daraus Rechte herleiten möchte. Das ist der Aktionär. Er muss darlegen und beweisen, dass ihm gegenüber der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht eingehalten worden ist. Hingegen braucht er nicht darzulegen, dass diesem Verhalten der Gesellschaft die sachliche Rechtfertigung fehlt. 388 Vielmehr ist es - anknüpfend an einen substantiierten, ggf mit Beweisangeboten versehenen Tatsachenvortrag des Aktionärs - Sache der Gesellschaft, darzulegen und zu beweisen, dass die Ungleichbehandlung von sachgerechten Erwägungen getragen ist. Die Gesellschaft muss also Tatsachenbehauptungen auf-

mäßigen Behandlung (1958), S 293 ff, 295; Wiethölter Interessen und Organisation der AG (1961), S 103, 128; L Raiser Z H R 111 (1948), 75, 96 Fn 64. 382 Ygj Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 35; Henn AG 1985, 240, 248. 383 Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 35; G Hueck Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung (1958), S 342. 384 KK-Lutter/Zöllner 1 Rdn 42. 385 KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 42; Lutter AcP 180 (1980), 84, 140 ff; Zöllner Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963),

386 387

388

S 426 ff; wohl abw Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 25. Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 35 aE. Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Rdn 34 aE; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 14 Rdn 32; Bayer in: MünchK o m m 2 § 68 Rdn 108; Wirth DB 1992, 617, 621. Vgl ebenso KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 43 mwN; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 11; Hiiffer FS Fleck (1988), S 151, 154 ff, 164 ff; Wiedemann GesR I (1980), § 8 II 2 b, S 430.

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Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

stellen, aus denen sich ergibt, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in den Bestandteilen der Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit (Rdn 71) gewahrt worden ist.389 Diese Grundsätze der Darlegungs- und Beweislastverteilung gelten sowohl im R a h men von Anfechtungsklagen, die A k t i o n ä r e gegen den § 5 3 a missachtenden H a u p t versammlungsbeschluss erheben, als auch in einem Prozess, in dem der A k t i o n ä r im

156

Wege der Leistungsklage Schadensersatz geltend m a c h t , eine aktive Gleichbehandlung fordert oder die Feststellung der Unwirksamkeit einer gegen $ 5 3 a verstoßenden Verwalt u n g s m a ß n a h m e begehrt. Ist streitig, o b und w o d u r c h der A k t i o n ä r im Einzelfall einen Verzicht auf sein subjektives Gleichbehandlungsrecht erklärt hat, trägt entsprechend der allgemeinen Beweisregel im P r o z e s s 3 9 0 die Gesellschaft die Beweislast für das Vorliegen der Umstände, die eine Verzichtserklärung des Aktionärs b e i n h a l t e n ; 3 9 1 denn die Gesellschaft ist es, die sich auf den Verzicht beruft.

157

XIV. Gleichbehandlung im Unternehmensverbund 1. Ausgangspunkt Die Regelung des § 5 3 a und das Vorhandensein einer Konzernlage k ö n n e n in eine Wechselwirkung treten. Einerseits gilt § 5 3 a auch für konzernangehörige Gesellschaften; die Unternehmensverbindung setzt also nicht das Gleichbehandlungsgebot außer K r a f t . 3 9 2 Kein A k t i o n ä r - insbesondere auch nicht das herrschende Unternehmen - wird von den Rechtsfolgen des § 5 3 a allein wegen seiner konzernrechtlichen Position vers c h o n t . 3 9 3 Andererseits k a n n im Einzelfall gerade die konzernrechtliche Verbundenheit ein Argument für die sachliche Rechtfertigung von Differenzierungen l i e f e r n , 3 9 4 etwa weil sich durch die Begründung der Abhängigkeit das Interesse der abhängigen Gesellschaft ändert und sie fortan den Belangen der Obergesellschaft oder des Konzerns d i e n t . 3 9 5 Folge der Verflechtung kann demnach sein, dass eine M a ß n a h m e , die in einer konzernfreien Gesellschaft als Verstoß gegen das Ungleichbehandlungsverbot anzusehen wäre, konzernbedingt keine Verletzung des § 5 3 a darstellt. 2.

Sonderregelungen

Die Konzernbindung k a n n , je nach ihrer Art, zur Anwendung von speziellen VorSchriften führen, die die allgemeine Geltung des § 5 3 a für bestimmte Gesichtspunkte durchbrechen und dafür besondere Ausgleichsmechanismen nach sich ziehen.

389

Κ Schmidt in: Großkomm 4 § 246 Rdn 82; KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 43 mwN; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 11; Hüffer FS Fleck (1988), S 151, 154 ff, 164 ff; Wiedemann GesR I (1980), § 8 II 2 b, S 430; Schockenhoff Gesellschaftsinteresse und Gleichbehandlung (1988), S 89 ff; vgl auch BGH NJW 1978, 1316, 1317 f mwN.

390

BGHZ 3, 342, 345 f; 53, 245, 250. Vgl auch Hüffer in: MünchKomm 2 § 2 4 3 Rdn 68.

391

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158

KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 44; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 23; Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG 1 7 Anh KonzernR, Rdn 65. 393 KK-Lutter/Zöllner2 Rdn 50; Bungeroth in: MünchKomm 2 Rdn 24. 394 Lutter/Zöllner und Bungeroth aaO; außerdem KK-Zöllner1 § 243 Rdn 165. 395 V g i V o g e s A G 1 9 7 5 ; 1 9 7 ; 200 f; ferner auch K-P Martens FS Fischer (1979), S 437, 4 4 7 ff, 4 5 0 f.

392

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159

§ 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

a) Beherrschungsvertrag 160

Besteht ein Unternehmensvertrag gemäß § 2 9 1 Abs 1 S 1 Fall 1, gestattet § 3 0 8 dem herrschenden Unternehmen beliebige, auch nachteilige Einwirkungen auf die abhängige Gesellschaft, sofern die Weisung nicht außerhalb des Konzerninteresses l i e g t 3 9 6 und die Existenz der abhängigen Gesellschaft respektiert wird ( h M ) 3 9 7 . Ist das herrschende Unternehmen Aktionär der Gesellschaft, kann es sich kraft des durch § 3 0 8 vermittelten Einflusses Sondervorteile verschaffen, ohne dass § 5 3 a dies erfasst. Ferner ist über § 2 9 1 Abs 3 auch die allseitige und umfassende Vermögensbindung, die ihrerseits ua Ausdruck gleicher Behandlung ist (§ 5 7 Rdn 7), außer Kraft gesetzt. Verdeckte Vermögensverlagerungen werden hier demnach nicht unter dem Gesichtspunkt des § 5 3 a relevant. 3 9 8 Den Ausgleich für das vertragsbedingte Machtgefälle übernehmen zum Schutz der Gesellschaft die §§ 3 0 2 f sowie zum Schutz der außenstehenden Minderheit die §§ 3 0 4 f.

161

Innerhalb der konkreten Anwendung dieser Ausgleichsvorschriften kann Raum für § 5 3 a sein. Dies hat beispielsweise praktische Bedeutung für die Behandlung außenstehender Aktionäre bei der Frage, ob im Rahmen eines Abfindungsangebotes (§ 3 0 5 ) das herrschende Unternehmen die Abfindung gegenüber einzelnen Aktionären höher bemessen darf oder gleichmäßig ausgestalten m u s s . 3 9 9 Ferner beeinflusst § 5 3 a die Diskussion darüber, ob bei Gattungsverschiedenheit die zur Abfindung angebotenen Umtauschaktien im Rahmen des § 3 0 5 Abs 2 der gleichen Gattung angehören müssen wie die abgegebenen Aktien, und o b in dem Fall, dass der andere Vertragsteil mehrere Gattungen, die künftig vertragsabhängige Gesellschaft aber nur eine Aktiengattung hat, das Umtauschverhältnis möglichst so zu wählen ist, dass Ungleichbehandlungen vermieden werden. 4 0 0 b) Gewinnabführungsvertrag

162

Besteht ein Unternehmensvertrag gemäß § 2 9 1 Abs 1 S 1 Fall 2 , nach dem der ganze 4 0 1 Gewinn an die Obergesellschaft abzuführen ist, schützt § 5 3 a die Gewinninteressen außenstehender Aktionäre nicht (vgl § 2 9 1 Abs 3). Die Schutzwirkung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bezieht sich nur noch auf die übrigen mitgliedschaftlichen R e c h t e , 4 0 2 während für den Bereich, den § 5 3 a nicht erfasst, die §§ 3 0 0 f eingreifen.

396 397

Vgl S 3 0 8 Abs 1 S 2 aE, Abs 2 S 2 aE. Existenzvernichtungsverbot als dem Weisungsrecht nach h M immanente - ungeschriebene - Schranke, siehe zB O L G Düsseldorf AG 1 9 9 0 , 4 9 0 , 4 9 2 ; Hüffer6 § 3 0 8 Rdn 19 m w N ; Krieger in: MiinchHdb G e s R 2 ( 1 9 9 9 ) , Bd 4 [AG], § 7 0 Rdn 134 m w N ; kritisch Altmeppen in: MünchK o m m 2 § 3 0 8 Rdn 115 ff.

Krieger in: MiinchHdb G e s R 2 ( 1 9 9 9 ) , Bd 4 [AG], § 7 0 Rdn 9 7 ; Bilda in: M ü n c h K o m m 2 § 3 0 5 Rdn 4 2 ff; EmmerichfHabersack, Aktien- und G m b H - K o n z e r n R 3 ( 2 0 0 3 ) , § 3 0 6 Rdn 13 aE; G Bezzenberger in: Großk o m m 4 § 139 Rdn 3 9 ; Kiem ZIP 1997, 1627, 1 6 2 9 ff; Timm/Schöne FS Kropff ( 1 9 9 7 ) , S 315, 3 2 8 ff; Lutter FS Mestmäcker ( 1 9 9 6 ) , S 9 4 3 , 9 4 9 ff; auch ders U m w G 2 ( 2 0 0 0 ) , § 5 Rdn 10 ff.

Rdn 4 6 .

398

KK-Lutter/Zöllner1

399

Unter dem Gesichtspunkt des § 5 3 a verneinend B G H AG 1 9 7 6 , 2 1 8 ( O L G Celle DB 1 9 7 4 , 5 2 5 ) , da beschriebene Problemlage Verhältnis von Mehrheits- zu Minderheitsaktionär, also Aktionäre untereinander betrifft (vgl dazu Rdn 3 0 ) ; ebenso KKLutter/Zöllner2 Rdn 47.

400

Näher zum Ganzen Hüffer6

401

Etwas anderes gilt im Falle eines Tei/gewinnabführungsvertrages (§ 2 9 2 Abs 1 N r 2): Das Gleichbehandlungsgebot ist dann für die Außenstehenden nicht aufgehoben, sondern lediglich modifiziert (KK-Lutter/ Zöllner2 Rdn 4 8 ) .

402

KK-Lutter/Zöllner2

Rdn 4 5 .

§ 3 0 5 Rdn 11;

S t a n d : 1. 7. 2 0 0 4

(86)

Gleichbehandlung der Aktionäre

§ 53 a

c) Eingliederung Bedingt durch die Struktur eines Eingliederungskonzerns beansprucht § 53 a in der eingegliederten Gesellschaft keine Geltung; insbesondere genießt das Vermögen einer eingegliederten Gesellschaft keinen Bestandsschutz (§ 323 Abs 2), womit auch entsprechende Gewinninteressen von Gesetzes wegen zurückgesetzt sind. Die mit dem Eingliederungsbeschluss und seiner Eintragung im Handelsregister verbundene ungleiche Wirkung zu Lasten der außenstehenden Aktionäre (§ 3 2 0 a ) ist durch § 3 2 0 erlaubt und wird durch § 3 2 0 b ausgeglichen. Nicht für die Eingliederung als solche, wohl aber für die Modalitäten im Rahmen des § 3 2 0 b bleibt somit Raum für die Anwendung von § 53 a. Ähnlich der bei § 3 0 5 Abs 2 bestehenden Problemlage (Rdn 161), schlägt sich auch im Rahmen des § 3 2 0 b Abs 1 bei der Art der Abfindung im Falle der Gattungsverschiedenheit von Aktien das Gleichbehandlungsgebot nieder. 4 0 3

163

d) Faktischer Konzern In der faktischen Verbindung ist die Geltung des Gleichbehandlungsgebotes weniger stark relativiert. § 291 Abs 3 gilt nicht, vielmehr ist - wie § 311 zeigt - die Vermögensbindung zu respektieren; lediglich wird nach h M für einflussbedingte Vermögensverlagerungen die Vorschrift des § 5 7 durch die spezielle Maßgabe des § 311 konzernspezifisch modifiziert (§ 5 7 Rdn 194 ff mwN; str). Daher bleibt in dieser Art der Unternehmensverbindung auch das mitgliedschaftliche Gewinninteresse durch § 53 a geschützt. 4 0 4 Ferner bestehen im Bereich der §§ 311 ff keine den §§ 3 0 8 , 3 2 3 entsprechenden Eingriffsbefugnisse, so dass insgesamt die voneinander abweichende Behandlung von Aktionären nur bei sachlicher Rechtfertigung das Gebot des § 53 a wahrt.

403

(87)

Siehe Hüffer6 § 320 b Rdn 4; Grunewald in: MünchKomm2 § 320 b Rdn 2 ff; Emmerich/ Habersack Aktien- und GmbH-KonzernR3 (2003), § 320b Rdn 6 f; vgl ferner oben Nachw in Fn 400.

404

KK-Lutter/Zöllner 2 Rdn 49; vgl auch K-P Martens FS Fischer (1979), S 437, 448 f.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

164

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

Anhang zu § 53 a Mitgliedschaftliche Treubindungen im Aktienrecht Übersicht Rdn

Rdn I. Einführung 1. Rechtshistorische Entwicklung . . . 2. Hintergrund für den Wandel zur vollständigen Anerkennung der Treuepflicht im Aktienrecht 3. Europäisches Gemeinschaftsrecht . . 4. Praktische Bedeutung II. Grundlagen 1. Rechtlicher Geltungsgrund a) Rechtsprechung b) Literatur c) Stellungnahme 2. Entstehungsgrundlage a) Treuepflicht im Verhältnis zwischen Aktionären und AG . . b) Treuepflicht der Aktionäre zueinander 3. Verwandte Rechtsfiguren a) Treuepflicht und Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a) b) Treuepflicht und materielle Beschlusskontrolle c) Treuepflicht und rechtsmissbräuchliche Klagen III. Geltungsbereich; Adressaten der Treuepflicht 1. Bereich der Mitgliedschaft 2. Zeitlicher Rahmen 3. Die an dem Mitgliedschaftsverhältnis beteiligten Personen 4. Gesellschaftsfremde Dritte a) Allgemein b) Stimmrechtsvertreter (§ 135) . . . aa) Mitgesellschafter als Vertreter bb) Außenstehender als Vertreter c) Mittelbarer Gesellschafter . . . . aa) Problemstellung bb) Rechtliche Handhabung . . . 5. Vormitgliedschaftliche Treubindungen a) Diskussionsstand b) Stellungnahme 6. Einmann-Gesellschaft a) Keine Treuepflicht des Alleinaktionärs b) Folgen bei Bestandsgefährdung . 7. Exkurs: Verwaltungsorgane IV. Inhalt und Funktion der Treuepflicht 1. Präzisierung und Formulierung der Generalklausel 2. Schrankenfunktion der Treuepflicht durch Rücksichtnahmegebot . . . . a) Ausgangspunkt aa) Allgemein

1

8 10 11 13 13 14 19 20 20 21 22 22 23 24

25 26 27 28 28 29 30 31 32 32 36 40 40 41 42 42 48 51

52 57 57 57

bb) Insbesondere: Treubindung des Stimmrechts b) Bindung aller Aktionäre aa) Mehrheitsaktionär; Beispielsfälle bb) Minderheitsaktionär c) Einzelne Rechte d) Konkurrenztätigkeit 3. Förderpflicht der Aktionäre a) Ausgangspunkt b) Einzelfälle aa) Anwesenheitspflicht bb) Veräußerungspflicht cc) Mitwirkung an der Heilung einer verdeckten Sacheinlage 4. Fürsorgepflicht der Gesellschaft . . . a) Ausgangspunkt b) Einzelfälle; Beispiele aa) Erteilung von Protokollabschriften bb) Überlassung einer Steuerbescheinigung cc) Zustimmung der AG bei Übertragung vinkulierter Aktien (1) Erteilungspflicht (2) Verweigerungspflicht . . . dd) Gewährung eines „Vorbezugsrechts" ee) Sprache 5. Pflichtenkonkurrenz V. Grenzlinien 1. Allgemein a) Vorrang des kodifizierten Rechts . b) Freiheit unternehmerischer Entscheidungen 2. Einzelfälle a) Liquidation der Gesellschaft . . . b) Squeeze-out aa) Regel bb) Mögliche Ausnahmen . . . . c) Krisenbewältigung (Stimmverhalten bei Sanierung) d) Anteilsveräußerung aa) Grundsatz bb) Wirtschaftlich wertlose Anteile cc) Pakethandel; Kontrollerwerb (1) Veräußerung an Wettbewerber (2) Liquidationsbereiter Erwerber (3) Marktschonungspflicht . . (4) Teilhabe am Paketzuschlag

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

58 62 63 71 74 78 81 81 83 83 84 86 87 87 88 88 89

90 90 91 92 93 96 97 97 98 99 99 103 103 104 110 113 113 114 115 117 119 122 123

(88)

Treuepflicht

Anh § 53 a Rdn

Rdn (5) Anspruch auf „Mitnahme" in eine Zwischenholding . VI. Disposition über Treubindungen 1. Abweichende Satzungsbestimmung . 2. Verzicht auf Treue VII. Rechtsfolgen treuwidrigen Verhaltens 1. Stimmrechtsausübung a) Unbeachtlichkeit treupflichtwidriger Stimmen b) Keine Zählung durch den Versammlungsleiter 2. Hauptversammlungsbeschlüsse . . . a) Anfechtbarkeit b) Positive Beschlussfeststellung . . . c) Beweislast 3. Aktionärsklagen 4. Verwaltungsmaßnahmen

124 126 127 128 128 129 135 135 137 138 139 141

5. Folgeansprüche a) Erfüllung; Unterlassung b) Schadensersatz aa) Treuwidriges Stimmverhalten bb) Sonstige Fälle cc) Verjährung c) Beweislast Vili. Treuepflichten und Unternehmensverbund 1. Vertragskonzern 2. Faktischer Aktienkonzern a) Ausgangspunkt b) Anwendbarkeit der Treuepflicht c) Konzernrechtsbedingte Grenzen der Treuepflicht d) Regelungswirkung der Treuepflicht e) Konzerneingangskontrolle . . . .

142 142 145 147 149 150 151

152 154 154 155 156 157 161

Schrifttum Altmeppen NJW 1995, 1749 (Entscheidungsanmerkung); ders Ausgliederung zwecks Organschaftsbildung gegen die Sperrminorität?, DB 1998, 49; Arends Die Offenlegung von Aktienbesitz nach deutschem Recht (2000); Armbrüster Wettbewerbsverbote im Kapitalgesellschaftsrecht, ZIP 1997, 1269; Assmann Gläubigerschutz im faktischen GmbH-Konzern durch richterliche Rechtsfortbildung (Teil 2), J Z 1986, 928; ders/Sethe Die Auswirkung von Vorkaufsrechten und Vinkulierungsklauseln auf den Paketerwerb von GmbH-Anteilen, in: FS Zöllner (1998), Band I, S 3; Bachmann Die Einmann-AG, N Z G 2001, 961; Baltzer Die gesellschaftsrechtliche Treupflicht im Recht der AG und GmbH (1968); Baumgärtner Rechtsformübergreifende Aspekte der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht (1990); Baums Gutachten F zum 63. Deutschen Juristentag, Band I (2000); ders [Hrsg], Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001); Baus Treuepflichten des Aktionärs im Gemeinschaftsunternehmen (1991); Becker/Fett Börsengang im Konzern, W M 2001, 549; Beckerhoff Treupflichten bei der Stimmrechtsausübung und Eigenhaftung des Stimmrechtsvertreters (1996); Bischoff Sachliche Voraussetzungen von Mehrheitsbeschlüssen in Kapitalgesellschaften, BB 1987, 1055; Boese Die Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung bei HV-Beschlüssen (2004); Bommert J R 1988, 5 0 9 (Entscheidungsanmerkung); Brandes Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Aktiengesellschaft, W M 1994, 2177; Bungert Die Treupflicht des Minderheitsaktionärs, DB 1995, 1749; Burgard Die Offenlegung von Beteiligungen, Abhängigkeits- und Konzernlage bei der Aktiengesellschaft (1990); ders Die Offenlegung von Beteiligungen bei der Aktiengesellschaft, AG 1992, 41; ders Das Wettbewerbsverbot des herrschenden Aktionärs, in: FS Lutter (2000), S 1033; ders Die Förder- und Treupflicht des Alleingesellschafters einer GmbH, ZIP 2 0 0 2 , 827; Busch/Groß Vorerwerbsrecht der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse?, AG 2 0 0 0 , 503; Claussen 25 Jahre deutsches Aktiengesetz 1965 (II), AG 1991, 10; ders/Korth Das Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers/Gesellschafters einer GmbH, in: FS Beusch (1993), S 111; Dorpalen Die Treupflicht des Aktionärs, Z H R 102 (1936), 1; Dreher Treuepflichten zwischen Aktionären und Verhaltenspflichten bei der Stimmrechtsbündelung, Z H R 157 (1993), 150; ders Die Schadensersatzhaftung bei Verletzung der aktienrechtlichen Treuepflicht durch Stimmrechtsausübung, ZIP 1993, 332; ders Die gesellschaftsrechtliche Treuepflichten bei der GmbH, DStR 1993, 1632; Ehricke Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz (1998); Emmerich JuS 1976, 54 (Entscheidungsanmerkung); ders Konzernbildungskontrolle, AG 1991, 303; Ernstberger Die Grenzen der Mehrheitsherrschaft in der Aktiengesellschaft (1986); Fechner Die Treubindungen des Aktionärs (1942); Fehrensen Die Treuepflicht des Großaktionärs (1965); Filbinger Die Schranken der Mehrheitsherrschaft im Aktienrecht und Konzernrecht (1942); Filimann Treuepflichten der Aktionäre (1991); Fleischer Informationspflichten der Geschäftsleiter beim Management Buyout im Schnittfeld von Vertrags-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, AG 2000, 309; ders Vertragsschlussbezogene Aufklärungspflichten zwischen Personengesellschaftern, N Z G 2 0 0 0 , 561; ders Bör-

(89)

Hartwig Henze/Richard L. Notz

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

seneinfiihrung von Tochtergesellschaften, Z H R 165 (2001), 513; Flume Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band I, Teil 2, Die juristische Person (1983); ders Die Rechtsprechung des II Zivilsenats des BGH zur Treupflicht des GmbH-Gesellschafters und des Aktionärs, ZIP 1996, 161; Friedewald Die personalistische Aktiengesellschaft (1991); Fries Familiengesellschaft und Treuepflicht (1971); Fuchs Der Schutz der Aktionäre beim Börsengang der Tochtergesellschaft, in: Henze/Hoffmann-Becking [Hrsg], Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 2 0 (2001), S 259; Gehrlein Der Anspruch auf Einsicht in ein Hauptversammlungsprotokoll - eine gesetzesferne, aber interessengerechte Rechtsschöpfung, W M 1994, 2054; Geiger Wettbewerbsverbote im Konzernrecht (1996); Geißler Der aktienrechtliche Auskunftsanspruch im Grenzbereich des Missbrauchs, N Z G 2001, 539; Grundmann Der Treuhandvertrag (1997); Grunewald Rechtswidrigkeit und Verschulden bei der Haftung von Aktionären und Personengesellschaftern, in: FS Kropff (1997), S 89; Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären (1997); Habersack Holzmüller und die schönen Töchter, W M 2001, 545; Hammen Zur Haftung bei der Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute in der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, ZBB 1993, 239; Hartmann Der Schutz der GmbH vor ihren Gesellschaftern, GmbHR 1999, 1061; Häsemeyer Obstruktion gegen Sanierungen und gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, Z H R 160 (1996), 109; Häuser Unbestimmte Maßstäbe als Begründungselement richterlicher Entscheidungen (1981); Heermann Verletzung aktienrechtlicher Treuepflichten bei der Abstimmung in der Hauptversammlung und Schadensersatzhaftung, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1994, 249; Henn Handbuch des Aktienrechts 7 (2002); Hennrichs Treupflichten im Aktienrecht, AcP 195 (1995), 221; Henssler Die Haftung des Stimmrechtsvertreters, DZWiR 1995, 430; Henze Zur Treupflicht unter Aktionären, in: FS Kellermann, Z G R Sonderheft 10 (1991), S 141; ders Auflösung einer Aktiengesellschaft und Erwerb ihres Vermögens durch den Mehrheitsgesellschafter, ZIP 1995, 1473; ders Treupflichtwidrige Stimmrechtsausübung und ihre rechtlichen Folgen, in: Henze/Timm/H Ρ Westermann [Hrsg], Gesellschaftsrecht 1995, RWS-Forum 8 (1996), S 1; ders Die Treuepflicht im Aktienrecht, BB 1996, 489; ders Treupflichten der Gesellschafter im Kapitalgesellschaftsrecht, Z H R 162 (1998), 186; ders Aktienrecht 5 (2002); ders Gesichtspunkte des Kapitalerhaltungsgebotes und seiner Ergänzung im Kapitalgesellschaftsrecht in der Rechtsprechung des BGH, N Z G 2003, 649; Heuer Wer kontrolliert die Kontrolleure?, W M 1989, 1401; A Hueck Der Treugedanke im Recht der offenen Handelsgesellschaft, in: FS A Hübner (1935), S 72; ders Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1944/46, Heft 7 (1947); ders Inwieweit besteht eine gesellschaftliche Pflicht des Gesellschafters einer Handelsgesellschaft zur Zustimmung zu Gesellschafterbeschlüssen?, Z G R 1972, 237; Hiiffer Buchbesprechung [Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988], Z H R 153 (1989), 85; ders Zur gesellschaftsrechtlichen Treupflicht als richterrechtlicher Generalklausel, in: FS Steindorff (1990), S 59; ders Der korporationsrechtliche Charakter von Rechtsgeschäften - Eine hilfreiche Kategorie bei der Begründung von Stimmverboten im Recht der GmbH?, in: FS Heinsius (1991), S 337; Immenga Die personalistische Kapitalgesellschaft (1970); ders Bindung von Rechtsmacht durch Treuepflichten, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz (1992), S 189; Janke Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (2003); Jilg Die Treuepflicht des Aktionärs (1996); Joussen Die Treuepflicht des Aktionärs bei feindlichen Übernahmen, BB 1992, 1075; Klausing Treupflicht des Aktionärs?, in: FS Schlegelberger (1936), S 405; Koppensteiner Treuwidrige Stimmabgabe bei Kapitalgesellschaften, ZIP 1994, 1325; ders Wertbegriffe im Wirtschaftsrecht, in: FS Mayer-Maly (Wien, 1996), S 311; Korehnke Treuwidrige Stimmen im Personengeseilschafts- und GmbH-Recht (1997); Kort Zur Treuepflicht des Aktionärs, ZIP 1990, 294; ders Buchbesprechung [Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999], Z H R 164 (2000), 444; Krieger Beschlusskontrolle bei Kapitalherabsetzungen, Z G R 2 0 0 0 , 885; Kropff Ausgleichspflichten bei passiver Konzernwirkung?, in: FS Lutter (2000), S 1133; Küster Inhalt und Grenzen der Rechte der Gesellschafter (1954); Kunze Positive Stimmpflichten im Kapitalgesellschaftsrecht (2004); Lamprecht Haftung des Aktionärs für die treupflichtwidrige Stimmabgabe seines Stimmrechtsvertreters?, ZIP 1996, 1372; Lawall Das ungeschriebene Wettbewerbsverbot des GmbH-Gesellschafters (1996); Liebscher Umgehungsresistenz von Vinkulierungsklauseln, ZIP 2003, 825; Lifschütz Die Generalklausel im Aktienrecht (1931); Löhlein Treupflicht des Aktionärs?, J R 1950, 497; Lutter Zur Treuepflicht des Großaktionärs, J Z 1976, 225; ders Materielle und förmliche Erfordernisse eines Bezugsrechtsausschlusses, ZGR 1979, 401; ders Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180 (1980), 84; ders Zur inhaltlichen Begründung von Mehrheitsentscheidungen, Z G R 1981, 171; ders Die Haftung des herrschen-

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(90)

Anh § 53 a

Treuepflicht

den Unternehmens im G m b H - K o n z e r n , ZIP 1 9 8 5 , 1 4 2 5 ; ders Die Treuepflicht des Aktionärs, Z H R 1 5 3 ( 1 9 8 9 ) , 4 4 6 ; ders Das Girmes-Urteil, J Z 1 9 9 5 , 1 0 5 3 ; ders Treuepflichten und ihre Anwendungsprobleme, Z H R 162 ( 1 9 9 8 ) , 1 6 4 ; ders

Das Vorerwerbsrecht/Bezugsrecht des Aktionärs beim Ver-

k a u f von Tochtergesellschaften über die Börse, A G 2 0 0 0 , 3 4 2 ; ders N o c h einmal: Z u m Vorerwerbsrecht der Aktionäre

beim Verkauf der Tochtergesellschaften

über die Börse, AG 2 0 0 1 ,

349;

Rechtsfragen beim G a n g an die Börse, in: FS Raisch ( 1 9 9 5 ) , S 2 3 9 ; ders/Gehling

ders/Drygala

deckte Sacheinlagen, W M 1 9 8 9 , 1 4 4 5 ; ders/Grunewald

Ver-

Z u r Umgehung von Vinkulierungsklauseln

in Satzungen von Aktiengesellschaften und Gesellschaften m b H , AG 1 9 8 9 , 1 0 9 ; ders/dies

Gesell-

schaften als Inhaber vinkulierter Aktien und Geschäftsanteile, A G 1 9 8 9 , 4 0 9 ; ders/Timm rechtlicher Präventivschutz im G m b H - R e c h t , N J W 1 9 8 2 , 4 0 9 ; dersiWahlers

Der Buyout: Amerika-

nische Fälle und die Regeln des deutschen Rechts, AG 1 9 8 9 , 1; Markwardt fechtungsrisiken in „Missbrauchsfällen", B B 2 0 0 4 , 2 7 7 ; Marsch-Barner

Konzern-

Squeeze-out: An-

Treuepflichten zwischen

Aktionären und Verhaltenspflichten bei der Stimmrechtsbündelung, Z H R 1 5 7 ( 1 9 9 3 ) , 1 7 2 ; Treupflicht und Sanierung, Z I P

1996,

853;

K-P

Martens

Die Treupflicht

ders

des Aktionärs,

Κ Schmidt [Hrsg], Rechtsdogmatik und Rechtspolitik ( 1 9 9 0 ) , S 2 5 1 ; Meier-Hayoz

der schonenden Rechtsausübung im Gesellschaftsrecht, in: FS H Westermann ( 1 9 7 4 ) , S 3 8 3 ; Unternehmensleitung und Interessenkollision, Z H R 1 5 9 ( 1 9 9 5 ) , 4 2 3 ; H-]

in:

Der Grundsatz

Mertens

Merkt

Die Geschäfts-

führerhaftung in der G m b H und das ITT-Urteil, in: FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 4 6 1 ; ders/Cahn

Wett-

bewerbsverbot und verdeckte Gewinnausschüttung im G m b H - K o n z e r n , in: FS Heinsius ( 1 9 9 1 ) , S 5 4 5 ; Mestmäcker

Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre ( 1 9 5 8 ) ;

Meyer-Landrut

Mehrheitsherrschaft und Treupflicht im Aktienrecht, in: FS Häußling ( 1 9 9 0 ) , S 2 4 9 ;

Mülbert

Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und K a p i t a l m a r k t 2 ( 1 9 9 6 ) ; G Müller

Z I P 1 9 9 5 , 1416 (Ent-

scheidungsanmerkung);

Aktienrecht

(1993);

Handbuch der Aktiengesellschaft 3 , lose Blatt (Stand: September 2 0 0 3 ) ;

Nodous-

Nirk/Reuter/Bächle hani

Nehls

Die

gesellschaftsrechtliche

Treuepflicht

im

Die Treuepflicht der Aktionäre und ihrer Stimmrechtsvertreter ( 1 9 9 7 ) ; Nonn

pflichten des Kapitalgesellschafters ( 1 9 9 5 ) ; Oelricbs

Zustimmungs-

M u s s der Versammlungsleiter bei der Fest-

stellung von Haupt- oder Gesellschafterversammlungsbeschlüssen treuwidrig abgegebene Stimmen mitzählen?, G m b H R 1995, 8 6 3 ; Overlack

Der Komplementär in der G m b H & C o K G a A , in: H o m -

melhoff/Röhricht [Hrsg], Gesellschaftsrecht 1997, R W S - F o r u m 10 ( 1 9 9 8 ) , S 2 3 7 ; Paschke pflichten im R e c h t der juristischen Personen, in: FS Serick ( 1 9 9 2 ) , S 313; Pehle/Stimpel

Rechtsfortbildung, Heft 87/88 der Schriftenreihe der Juristischen Studiengesellschaft ( 1 9 6 9 ) ; Pentz

Neues zur verdeckten Sacheinlage, Z I P 2 0 0 3 , 2 0 9 3 ; Piepenburg

Treupflichten der Aktionäre ( 1 9 9 6 ) ; Priester Raiser

Treu-

Richterliche Karlsruhe

Mitgliedschaftliche

Die eigene G m b H als fremder Dritter, Z G R 1 9 9 3 , 5 1 2 ;

1 0 0 Bände B G H Z : G m b H - R e c h t - Die Treuepflichten im G m b H - R e c h t als Beispiel der

Rechtsfortbildung, Z H R 151 ( 1 9 8 7 ) , 4 2 2 ; ders Rehbinder

R e c h t der Kapitalgesellschaften 3 ( 2 0 0 1 ) , § 12 V;

Treuepflichten im G m b H - K o n z e r n , Z G R 1 9 7 6 , 3 8 6 ; Reichert/Winter

Vinkulierungsklau-

seln und gesellschafterliche Treupflicht, in: FS 1 0 0 J a h r e G m b H - G e s e t z ( 1 9 9 2 ) , S 2 0 9 ;

Reiff/Ettinger

Gesellschaftsrechtliche Treuepflichten im Z u s a m m e n h a n g mit der Heilung von verdeckten Sacheinlagen bei der G m b H , D S t R 2 0 0 4 , 1 2 5 8 ; Reul Die Pflicht zur Gleichbehandlung der Aktionäre bei privaten Kontrolltransaktionen ( 1 9 9 1 ) ; Röhricht

Treuepflichten der Aktionäre, insbesondere des

Mehrheitsgesellschafters, in: Hommelhoff/Hopt/v Werder [Hrsg], H a n d b u c h C o r p o r a t e Governance ( 2 0 0 3 ) , S 513; ders

Das neue Konzept des Bundesgerichtshofs zur Gesellschafterhaftung in der

G m b H , in: Henze/Hoffmann-Becking [Hrsg], Gesellschaftsrecht 2 0 0 3 , R W S - F o r u m 2 5 ( 2 0 0 4 ) , S 1; Roschmann/Frey

Treuepflicht des Gesellschafters, W i B 1 9 9 6 , 8 8 1 , 9 2 5 ; Rottnauer

Gesellschafts-

rechtliche Treuepflichten bei Holdingbildung durch Anteilseinbringung, N Z G 1 9 9 9 , 115; ders 1999,

1159

(Entscheidungsanmerkung);

Säcker

Unternehmensgegenstand

interesse, in: FS Lukes ( 1 9 8 9 ) , S 5 4 7 ; Schaudewet/Paul GmbH-Gesellschafter, G m b H R 1 9 7 0 , 5 ; Schilling gabe Hengeler ( 1 9 7 2 ) , S 2 2 6 ; Schmiedel

NZG

Unternehmens-

Die gegenseitigen Treuebindungen

der

Gesellschaftstreue und Konzernrecht, Freundes-

Literaturbesprechung [Wohlman, Die Treuepflicht des

Aktionärs], Z H R 134 ( 1 9 7 0 ) , 1 7 3 ; H M Schmidt schafter, G m b H R 1 9 6 0 , 137; Κ Schmidt

und

Die gegenseitige Treuepflicht der GmbH-Gesell-

Die sanierende Kapitalerhöhung im Recht der Aktiengesell-

schaft, G m b H und Personengesellschaft, Z G R 1 9 8 2 , 5 1 9 ; ders Die Behandlung treuwidriger Stimmen in der Gesellschafterversammlung und im Prozess, G m b H R 1 9 9 2 , 9 ; ders Gesellschafterzuständigkeiten

Beusch ( 1 9 9 3 ) , S 7 5 9 ; ders Gesellschaftsrecht 4 ( 2 0 0 2 ) ; M Schmidt

(91)

Aktionärs- und

bei der Freigabe vinkulierter Aktien und Geschäftsanteile, in: FS Die Stimmrechtsvertretung durch

Hartwig Henze/Richard L. N o t z

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

Kreditinstitute (1994); G Schmitt Die Haftung der Depotbank als Stimmrechtsvertreter (1997); Schmitthoff Die Treupflicht des englischen Gesellschafters, Z G R 1978, 447; Schnorbus Treuepflichten im Aktienrecht und Haftung des Stimmrechtsvertreters, JuS 1998, 877; Schön Zur „Existenzvernichtung" der juristischen Person, Z H R 168 (2004), 268; Schöne Haftung des AktionärsVertreters für pflichtwidrige Stimmrechtsausübung, W M 1992, 209; Siebel Zur Auskunftspflicht des Aktionärs, in: FS Heinsius (1991), S 771; Skibbe Die Rechtsprechung des BGH auf dem Gebiet des Aktienrechts, W M 1977, 726; Steindorff Der Wettbewerber als Minderheitsaktionär, in: FS Rittner (1991), S 675; Stelzig Zur Treuepflicht des Aktionärs unter besonderer Berücksichtigung ihrer geschichtlichen Entwicklung (2000); Stimpel Aus der Rechtsprechung des zweiten Zivilsenats, in: FS 25 Jahre BGH (1975), S 13; ders Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Innenhaftung des herrschenden Unternehmens im GmbH-Konzern, AG 1986, 117; ders Haftung im qualifiziert faktischen GmbH-Konzern, Z G R 1991, 144; Stützle/Walgenbach Leitung der Hauptversammlung und Mitspracherecht der Aktionäre in Fragen der Versammlungsleitung, Z H R 155 (1991), 516; Tieves Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft (1998); Timm Zur Sachkontrolle von Mehrheitsentscheidungen im Kapitalgesellschaftsrecht, Z G R 1987, 403; ders Missbräuchliches Aktionärsverhalten (1990); ders Treuepflichten im Aktienrecht, W M 1991, 481; Trapp/Schick Die Rechtsstellung des Aktionärs der Obergesellschaft bei Börsengang von Tochtergesellschaften, AG 2001, 381; Tröger Treupflicht im Konzernrecht (2000); Ulmer NJW 1976, 192 (Entscheidungsanmerkung); ders Kündigungsschranken im Handels- und Gesellschaftsrecht, in: FS Möhring (1975), S 295; ders Der Gläubigerschutz im faktischen GmbH-Konzern bei Fehlen von Minderheitsgesellschaftern, Z H R 148 (1984), 391; ders Begründung von Rechten für Dritte in der Satzung einer GmbH, in: FS Werner (1984), S 911; ν Venrooy Einziehung im Gesellschafter-Konkurs und Treuepflicht, GmbHR 1995, 339; Vetter Verpflichtung zur Schaffung von 1 Euro-Aktien?, AG 2000, 193; Vorwerk/Wimmers Treuebindung des Mehrheitsgesellschafters oder der Gesellschaftermehrheit bei der Beschlussfassung in der GmbH-Gesellschafterversammlung, GmbHR 1998, 717; Wastl Der Handel mit größeren Aktienpaketen börsennotierter Unternehmen, NZG 2000, 505; Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen (1999); Werner Zur Treupflicht des Kleinaktionärs, in: FS Semler (1993), S 419; Η Ρ Westermann GmbH-Konzernrecht kraft richterlicher Rechtsfortbildung, GmbHR 1976, 77; ders Die Anpassung von Gesellschaftsverträgen an veränderte Umstände, in: FS Hefermehl (1976), S 225 ff; ders Organzuständigkeit bei Bildung, Erweiterung und Umorganisation des Konzerns, Z G R 1984, 352; Wiedemann Minderheitenschutz und Aktienhandel, Z H R Beiheft 35 (1968); ders Die Bedeutung der ITT-Entscheidung, J Z 1976, 392; ders Rechtsethische Maßstäbe im Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, Z G R 1980, 147; ders Gesellschaftsrecht I (1980); ders J Z 1989, 447 (Entscheidungsanmerkung); ders Zu den Treuepflichten im Gesellschaftsrecht, in: FS Heinsius (1991), S 949; ders Entwicklungen im Kapitalgesellschaftsrecht, DB 1993, 141; ders Erfahrungen mit der Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, in: Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, Z G R Sonderheft 13 (1998), S 5; Wilhelm Konzernrecht und allgemeines Haftungsrecht, DB 1986, 2113; Windbichler Treuepflichtwidrige Stimmrechtsausübung und ihre rechtlichen Folgen, in: Henze/Timm/H Ρ Westermann [Hrsg], Gesellschaftsrecht 1995, RWS-Forum 8 (1996), S 23; M Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht (1988); ders Eigeninteresse und Treupflicht bei der Einmann-GmbH in der neueren BGH-Rechtsprechung, Z G R 1994, 570; Wirth Vinkulierte Namensaktien: Ermessen des Vorstandes bei der Zustimmung zur Übertragung, DB 1992, 617; Wittkowski Haftung und Haftungsvermeidung beim Management Buy-Out, GmbHR 1990, 544; Wolframm Mitteilungspflichten familiär verbundener Unternehmen nach § 20 AktG (1998); Worch Treuepflichten von Kapitalgesellschaftern untereinander und gegenüber der Gesellschaft (1983); Würdinger Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen 4 (1981); Ziemons/Jaeger Treupflichten bei der Veräußerung einer Beteiligung an einer Aktiengesellschaft, AG 1996, 358; Zöllner Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden (1963); ders Schutz der Aktionärsminderheit bei einfacher Konzernierung, in: FS Kropff (1997), S 333; ders Treupflichtgesteuertes Aktienkonzernrecht, ZHR 162 (1998), 235; ders Zur Problematik der aktienrechtlichen Anfechtungsklage, AG 2000, 145; ders/Winter Folgen der Nichtigerklärung durchgeführter Kapitalerhöhungsbeschlüsse, Z H R 158 (1994), 59; Zwissler Treuegebot - Treuepflicht - Treuebindung (2002).

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Treuepflicht I.

Anh § 53 a

Einführung

1. Rechtshistorische Entwicklung 1 Bis heute existiert kein geschriebener Rechtssatz, der in allgemeiner F o r m für das R e c h t der Aktiengesellschaft - überhaupt für das (Kapital-) Gesellschaftsrecht - bereichsspezifisch 2 den Grundsatz festlegt, dass in dem mitgliedschaftlichen Geflecht zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern sowie zwischen den Gesellschaftern untereinander alle Beteiligten einander zu einem treugemäßen Verhalten verpflichtet sind. 3 I m Aktiengesetz klingt lediglich in einzelnen Vorschriften der G e d a n k e von R ü c k s i c h t und Redlichkeit an, wie beispielsweise in § 1 1 7 4 , § 2 4 3 Abs 2 S l 5 , § 5 3 a und §§ 2 5 4 Abs 1, 2 5 5 Abs 2 6 oder auch § 3 1 1 . 7 Es war und ist somit der Judikative überlassen, darüber zu befinden, o b über die lex lata hinaus ein Bedürfnis für die Anerkennung einer besonderen gesellschaftsrechtlichen Treubindung zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern bzw zwischen letzteren besteht, ggf wie sich die Schaffung einer solchen als selbständige Rechtsfigur zu begreifenden Treuepflicht rechtfertigen lässt und w o im Einzelfall Grenzlinien für ihren Wirkungsbereich zu ziehen sind.

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Eingehend Stelzig Treuepflicht des Aktionärs (2000), passim; detailreich hierzu auch Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen (1999), § 2 I, II, S 2 8 - 5 0 ; vgl ferner Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (1993), S 6 - 1 3 ; Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 16-33; Nodoushani Treuepflicht der Aktionäre (1997), S 2 1 - 3 0 ; Jahnke Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (2003), S 4 9 ff. Nur für den Bereich des Privatrechts als Ganzem besteht mit § 242 BGB eine entsprechende allgemeine Vorschrift, die einen Mindeststandard setzt und dazu konzipiert ist, Schuldverhältnisse zu flankieren. Zu einer Kodifizierung des mitgliedschaftlichen Treuepflichtgedankens außerhalb des deutschen Gesellschaftsrechts siehe Rdn 56 (US-amerikanisches Personengesellschaftsrecht). Dass bisweilen - zutreffend - eine Nähe dieser Regelung zum Gedanken der Treuepflicht aufgezeigt wird (Lutter Z H R 153 [1989], 446, 456 f; Henze FS Kellermann [1991], S 141, 148; Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen [1999], § 3 I 4, S 57; Kunze Positive Stimmpflichten [2004], S 101 ff; BGHZ 129, 136, 160), ändert freilich nichts daran, dass die Vorschrift des § 117 grundsätzlich deliktsrechtlichen Charakter hat, siehe Kropff in: MünchKomm 2 § 117 Rdn 5; KK-Mertens 2 § 117 Rdn 10; Hüffer6 § 117 Rdn 2; Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (1993), S 43 ff.

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Zu dieser Vorschrift als Ausprägung der Treuepflicht siehe Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 28 I 4 a, S 799 f mwN und ders in: Großkomm 4 § 243 Rdn 48 aE, 51; Lutter Z H R 153 (1989), 4 4 6 , 457; Hennrichs AcP 195 (1995), 221, 261; Zöllner Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S 335 ff; Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen (1999), § 3 I 1, S 53; Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (1993), S 48 f; vgl auch Raiser Kapitalgesellschaften 3 (2001), § 16 Rdn 167. Vgl Lutter J Z 1976, 225, 227 f; Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (1993), S 51; Kunze Positive Stimmpflichten (2004), S 100 f. Als gesetzliche Ausformungen der Treuepflicht können heute überdies die in §§ 20 f AktG und « 21 ff WpHG geregelten Mitteilungspflichten sowie das durch §§ 35 ff WpÜG vorgesehene Pflichtangebot gelten (Rdn 163 aE). Auch der in den §§ 12-20 WpHG geregelte Komplex des Insider-Wissens wurde vormals unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht diskutiert, siehe Brändel in: Großkomm 4 § 1 Rdn 87 mwN; Lutter Z H R 153 (1989), 4 4 6 , 458 und dazu Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären (1997), S 176 ff. Vgl ergänzend zu noch weiteren gesetzlichen Treuepflichtelementen Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen (1999), § 3 I 6, S 59.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

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Anh § 53 a 2

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

Aus der hohen Regelungsdichte des Aktiengesetzes sowie aus dem Gedanken des von den Einzelpersonen der Aktionäre unabhängigen (§ 1 Abs 1 S 1) und der Satzungsstrenge unterworfenen (§ 2 3 Abs 5), zur eigenen Person organisierten Gebildes wurde - trotz gegenteiliger Analysen 8 - von der ganz überwiegenden Meinung ehemals gefolgert, jedenfalls zwischen den Aktionären bestehe keine durch den Umstand der Mitgliedschaft bedingte Bindung, deren Ausprägung eine Pflicht zur gegenseitigen Treue sein könne. 9 Das Reichsgericht hatte in diesem Verhältnis nur in den §§ 2 2 6 , 2 4 2 , 8 2 6 BGB äußerste Verhaltensschranken gesehen und auch der B G H war dem in seiner Entscheidung „ A u d i / N S U " 1 0 für das Aktienrecht gefolgt, indem er eine unter den Mitgliedern der A G bestehende Treubindung verneinte (obwohl er nur wenige M o n a t e zuvor hinsichtlich des Rechts der G m b H bereits anders entschieden hatte; „ I T T " 1 1 ). N a c h dem damaligen Entwicklungsstand war allenfalls anerkannt, dass eine Art gesellschaftsrechtlich vermittelte Treubindung der Aktionäre gegenüber ihrer Gesellschaft bestehen k o n n t e . 1 2

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Siehe mwN vor allem Fechner Treubindungen des Aktionärs (1942), S 34 ff, passim. Vgl etwa Ballerstedt Kapital (1949), S 155; vormals auch G Hueck GesR 1 7 (1975), S 27 IV 1, S 192: „ ... kann keine Rede davon sein, dass die einzelnen Aktionäre untereinander durch ein Treueband verbunden wären"; ebenso ehemals Meyer-Landrut Voraufl (Großkomm 3 ) § 1 Anm 34: „Es erscheint [...] überhaupt verfehlt, in Beziehung der kapitalistisch organisierten AG einen juristisch nicht greifbaren Treuebegriff einzuführen [...]", sowie Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Vor § 53 a Rdn 23 f: „Im Verhältnis der [...] Aktionäre untereinander kommt eine besondere Treuepflicht [...] nicht in Betracht"; siehe ebenso auch Baumbach/Hueck AktG 1 3 (1968), § 1 Rdn 3, Vor s 54 Rdn 11; Schilling Voraufl (Großkomm 3 ) § 2 4 3 Anm 18; Würdinger AktienR 4 (1981), S 51 f; Reinhardt/Schultz GesR 2 (1981), Rdn 442; A Hueck FS Hübner (1935), S 72, 73; aA indes bereits zu dieser Zeit Dorpalen Z H R 102 (1936), 1, 12, 27; Fechner Treubindungen des Aktionärs (1942), S 88 [vgl auch die Nachw ebd bei S 36 ff]; Lifschütz Die Generalklausel im Aktienrecht (1931), S 34 f, 37; vgl auch den ähnlichen Gedanken von Klausing FS Schlegelberger (1936), S 405, 430: Treuhandverhältnis in Bezug auf die Mitaktionäre.

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BGH W M 1976, 449, 450 = J Z 1976, 561 m abl Anm Lutter = AG 1976, 218 m Anm Η Ρ Westermann 309 [Vorinstanz: OLG Celle W M 1974, 1013 (kritisch dazu Lutter J Z 1976, 225 und Wiedemann J Z 1976, 392)]. Siehe davor RGZ 158, 249, 254.

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BGHZ 65, 15 = NJW 1976, 191 m Anm Ulmer = BB 1975, 1450 m Anm Schilling =

GmbHR 1975, 2 6 9 m Anm Η Ρ Westermann GmbHR 1976, 77 = AG 1976, 16 m Anm Brezing 5 = J Z 1976, 4 0 8 m Anm Wiedemann 392; ferner Emmerich JuS 1976, 54. Diese damalige, auf den ersten Blick widersprüchliche Auffassung des BGH, trotz Anerkennung der horizontalen Treuepflicht im GmbH-Recht [„ITT"] dieselbe im Aktienrecht zu verneinen [„Audi/NSU"], mag vor allem dadurch mitgeprägt gewesen sein, dass sich die Entscheidung BGHZ 65, 15 ehemals noch maßgeblich von dem Gedanken leiten ließ, die inneren Verhältnisse einer GmbH könnten - und das trifft (typischerweise) auf eine (Publikums-)AG weniger (bzw nicht) zu - denjenigen einer Personengesellschaft angenähert sein (vgl Röhricht in: Hdb CorpGovernance [2003], S 513, 522); dieser Gedanke einer an eine GmbH oder Personengesellschaft angenäherten organisatorischen Ausgestaltung einer AG hat zwar später dem Worte nach auch noch Eingang in BGHZ 103, 184, 195 [„Linotype"] gefunden, war dort aber in sachlicher Hinsicht bereits nicht mehr tragende Grundlage für die Entscheidung, eine horizontale Treuepflicht im Aktienrecht nunmehr doch zu bejahen (vgl Henze FS Kellermann [1991], S 141, 143). 12

RGZ 146, 71, 76; 146, 385, 395; BGHZ 14, 26, 38. Siehe demgegenüber allerdings auch ohne dass die mitgliedschaftliche Treuepflicht unter den Aktionären dabei beim Namen genannt worden ist - die sachlichen Aussagen in RGZ 132, 149, 159 ff, 163 [„Victoria"]: Rücksichtspflicht der Mehrheit zum Schutz der Minderheit sowie Erforderlichkeitsprüfung bzgl minderheitsbeeinträchtigender Maßnahmen.

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Treuepflicht

Anh § 53 a

Als Einleitung einer Sinneswandlung wurde allerdings im Schrifttum bereits zu dieser Zeit die Überlegung laut, es sei unerfindlich, w a r u m ein Mitglied einer Personengesellschaft, für das (unstreitig) eine Treuepflicht gegenüber seinen Mitgesellschaftern besteht, bei Umwandlung dieses Gesellschaftstyps in eine AG in der Lage sein sollte, seine mitgliedschaftliche Treuepflicht „beim Eintritt in die Kapitalgesellschaft in der Garderobe a b [ z u ] g e b e n " 1 3 ; zum Teil wurde dem entsprechend unter Ablehnung des damaligen Standpunktes der Rechtsprechung die Anerkennung einer Treuepflicht der Aktionäre untereinander gefordert. 1 4 Die sodann erfolgende Anerkennung dieses Gedankens in der „ΙΤΤ''-Entscheidung zum G m b H - R e c h t 1 5 wurde weithin begrüßt und die Übertragung dieser Ansicht ins Aktienrecht vermehrt für richtig gehalten. Der entscheidende Schritt der Rechtsprechung erfolgte für das Aktienrecht durch die BGH-Entscheidung „Linot y p e " , 1 6 die - unter Abkehr von „ A u d i / N S U " (Rdn 2) - auch für die Aktiengesellschaft das Bestehen einer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht des Mehrheitsgesellschafters gegenüber der Minderheit mit der Einsicht, die der Gesellschaft eigene körperschaftliche Verbandsstruktur als solche dürfe nicht überbewertet werden, bejaht hat. In der Entscheidung „IBH/Scheich K a m e l " bestätigte der B G H , an dieser Ansicht, dass unter den Aktionären jedenfalls eine mehrheitsbezogene Treuepflicht besteht, festhalten zu wollen. 1 7 Als Folge dieser Entscheidungen hat sich endgültig als h M herausgebildet, dass neben der Treuepflicht, die den einzelnen Aktionär gegenüber der Gesellschaft trifft, jedenfalls auch der Mehrheitsgegenüber dem Minderheitsaktionär unmittelbar einer zwischengesellschafterlichen Treubindung unterliegt. 1 8 Die gegenteilige A n s i c h t 1 9 w a r überholt und die geäußerte K r i t i k 2 0 nicht stichhaltig.

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Das Bild geht zurück auf Wiedemann FS Barz (1974), S 561, 5 6 9 (zustimmend bspw Reul Pflicht zur Gleichbehandlung [1991], S 254 Fn 26; inhaltlich ablehnend Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht [1993], S 34 Fn 31). Die Plausibilität dieses Bildes wird noch erhöht, wenn man - wie nicht selten im Fall von Familiengesellschaften für den Einzelfall unterstellt, dass sich die Gesellschaft durch die Typenumwandlung nur ihrer Rechtsform nach, nicht aber wirtschaftlich als Realtyp verändert; vgl ferner schon Wiedemann Minderheitenschutz und Aktienhandel (1968), C I 1, S 54; zur Realtypik außerdem bereits Lutter AcP 180 (1980), 84, 105 ff, 109. Neben Wiedemann (Fn 13 aaO) als Vorbote der heute hM besonders Lutter J Z 1976, 2 2 5 ff und 562 f; Impulse in diese Richtung ebenso schon bei KK-Zöllner 1 § 2 4 3 Rdn 195 ff und noch früher bereits durch Fechner Treubindungen des Aktionärs (1942), S 88. BGHZ 65, 15 = NJW 1976, 191 m Anm Ulmer = BB 1975, 1450 m Anm Schilling = GmbHR 1975, 2 6 9 m Anm Η Ρ Westermann GmbHR 1976, 77 = AG 1976, 16 m Anm Brezing 5 = J Z 1976, 408 m Anm Wiedemann 392; zudem Emmerich JuS 1976, 54. -

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Siehe zum heutigen Entwicklungsstand der mitgliedschaftlichen Treuepflicht im GmbHRecht ausführlich Pentz in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG 4 § 13 Rdn 35 ff, passim, mwN; vgl außerdem die ehemalige Bestandsaufnahme zum 100. Band BGHZ von Raiser Z H R 151 (1987), 4 2 2 ff; siehe ferner Yorwerk/Winners GmbHR 1998, 717 ff; Kunze Positive Stimmpflichten (2004), S 58-87. 16

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BGHZ 103, 184 m Anm Lutter Z H R 153 (1989), 446 = NJW 1988, 1579 m Anm Timm = J Z 1989, 443 m Anm Wiedemann = J R 1988, 505 m Anm Bommert = ZIP 1988, 301 m Anm Kort ZIP 1990, 2 9 4 , dazu EWiR 1988, 5 2 9 (Drygala) = WuB II A § 262 AktG 2.88 (Baums). BGH NJW 1992, 3167, 3171. Lutter Z H R 153 (1989), 446 ff; Hüffer FS Steindorff (1990), S 59 ff; Henze FS Kellermann (1991), S 141 ff. Skibbe W M 1977, 726; vormals auch Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Vor § 53 a Rdn 22 ff. Etwa Meyer-Landrut FS Häußling (1990), S 249, 250 mit dem nicht überzeugenden Argument, die §§ 117, 243 Abs 2 bildeten eine abschließende Regelung; siehe dagegen zutreffend Hüffer6 S 117 Rdn 2, § 243

Hartwig Henze/Richard L. Notz

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Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

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Im Fall „ B M W " setzte der B G H 2 1 seine Rechtsprechung zur Treuepflicht im Aktienrecht mit der Erkenntnis fort, dass nicht nur die Aktionäre gegenüber der Gesellschaft, sondern ebenfalls in die umgekehrte Richtung die Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären einer Pflicht zur Treue unterliegt, die über dasjenige hinausgeht, was bereits an Einzelnormen von Gesetzes wegen den Pflichtkreis der Gesellschaft beschreibt.

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Zu dieser Zeit galt zwar die Figur der Treuepflicht im Kapitalgesellschaftsrecht bereits als etabliert, ohne dass jedoch über die verbliebene Frage Rechtssicherheit herrschte, ob die Stoßrichtung der unter den Aktionären möglichen Treubindung auch dahin gehen konnte, den Minderheits- gegenüber dem Mehrheitsaktionär in die Pflicht zu treugemäßem Verhalten zu nehmen, ihm also Verhaltensschranken gegenüber der Mehrheit aufzuerlegen. Das Problem wurde virulent und vom B G H entschieden im Fall „Girmes/Effectenspiegel"; 2 2 der B G H hat die Frage bejaht und damit die Möglichkeit des Bestehens einer Treuepflicht unter den Aktionären in jede Richtung angenommen.

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Nachdem im Schrifttum als Folge der Entscheidung „ L i n o t y p e " 2 3 die grundsätzliche Aufarbeitung des Themas durch Anmerkungen 2 4 in Gang gekommen und durch ausführliche Beiträge bereichert worden war, 2 S trug ferner das reichhaltige Literaturecho zu der Berufungs- und Revisionsentscheidung im Fall „Girmes/Effectenspiegel" (Rdn 5) dazu bei, den Diskurs über das Bestehen und die Reichweite mitgliedschaftlicher Treuepflichten im Kapitalgesellschaftsrecht nachhaltig zu beleben. 2 6 Auch monographisch zeigt sich seit dieser Zeit ein reges Interesse an der thematischen Beschäftigung mit der Treuepflicht im Kapitalgesellschaftsrecht oder mit bestimmten damit in Zusammenhang stehenden Elementen. 2 7

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Rdn 31 f; Dreher ZHR 157 (1993), 150, 153; Henze FS Kellermann (1991), S 141, 146 ff; Zwissler Treuegebot (2002), S 9 ff. BGHZ 127, 107 = ZIP 1994, 1597, dazu EWiR 1995, 13 ( H irte) = WuB II A § 130 AktG 1.95 (Dilger). BGHZ 129, 136 = NJW 1995, 1739 m Anm Altmeppen = JZ 1995, 1064 m Anm Lutter 1053 = DB 1995, 1064 m Anm Bungert 1749 = ZIP 1995, 819 m Anm G Müller 1416, dazu EWiR 1995, 525 (Rittner) = WuB II A § 135 AktG 1.95 (Hennrichs); siehe zudem Henze in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, RWS-Forum 8 (1996), S 1 und Windbichler ebd, S 23; Jahnke Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (2003), § 6 IV, S 256 ff. BGHZ 103, 184 = EWiR 1988, 529 (Drygala) = WuB II Α ξ 262 AktG 2.88 (Baums). Timm NJW 1988, 1582; Kort ZIP 1990, 294; Wiedemann JZ 1989, 447; Bommert JR 1988, 509. Lutter ZHR 153 (1989), 446; Hüffer FS Steindorff (1990), S 59; Henze FS Kellermann (1991), S 141; Werner FS Semler (1993), S 419. Dreher ZHR 157 (1993), 150; Marsch-Barner ZHR 157 (1993), 172; Hennrichs AcP 195 (1995), 221; Altmeppen NJW 1995,

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1749; Lutter JZ 1995, 1053; Bungert DB 1995, 1749; außerdem Henze BB 1996, 489. Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im Aktienrecht (1993); M Schmidt Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute (1994); Nonn Zustimmungspflichten des Kapitalgesellschafters (1995); Beckerhoff Treupflichten bei der Stimmrechtsausübung (1996); Jilg Treuepflicht des Aktionärs (1996); Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten der Aktionäre (1996); Nodoushani Treuepflicht der Aktionäre (1997); G Schmitt Haftung der Depotbank als Stimmrechtsvertreter (1997); Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären (1997); Korehnke Treuwidrige Stimmen (1997); Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen (1999); Stelzig Treuepflicht des Aktionärs (2000); Tröger Treupflicht im Konzernrecht (2000); Zwissler Treuegebot (2002); Janke Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (2003); Kunze Positive Stimmpflichten im Kapitalgesellschaftsrecht (2004). - Vor dieser Zeit bereits Fechner Treubindungen des Aktionärs (1942); Filbinger Schranken der Mehrheitsherrschaft im Aktienrecht (1942); Behrensen Treuepflicht des Großaktionärs (1965); Baltzer Gesellschaftsrechtliche Treupflicht im Recht der

Stand: 1. 7. 2004

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Treuepflicht

Anh § 53 a

Dass die inneren Verhältnisse einer Aktiengesellschaft zwischen allen Beteiligten von einem allgemeinen Prinzip mitgliedschaftlicher Treubindungen mitbeherrscht sind, wird heute - zu Recht - von der ganz hM nicht mehr in Zweifel gezogen. Bis in die jüngere Zeit ablehnende Stimmen sind vereinzelt geblieben. 28 Die Rechtsprechung hat dieser Kritik in keiner Weise nachgegeben, sondern hat im Einklang mit dem nahezu einhelligen Schrifttum 29 das Prinzip der Treuepflicht in den vergangenen Jahren als selbstverständlich geltend angenommen und verfestigt: Sowohl der B G H als auch die Oberlandesgerichte haben auch in jüngster Zeit den Inhalt dieses Prinzips zur Entscheidungsfindung im Aktienrecht fruchtbar gemacht. 3 0

7

2. Hintergrund für den Wandel zur vollständigen Anerkennung der Treuepflicht im Aktienrecht Dass dem Aktionär in seinem den mitgliedschaftlichen Bereich betreffenden Verhalten gegenüber der Gesellschaft aus dem Gesichtspunkt der Treue unter bestimmten Voraussetzungen Grenzen gezogen werden können, wurde im Grunde stets anerkannt, nicht

behandlung ( 1 9 9 1 ) .

186; ders NZG 2003, 649, 654 ff; Hüffer6 § 53 a Rdn 14; ders FS Steindorff (1990), S 59 ff; Kort ZIP 1990, 294 ff; Lutter J Z 1976, 225 ff; ders AcP 180 (1980), 84, 102 ff, 129 f; ders ZHR 153 (1989), 446 ff; ders ZHR 162 (1998), 164, 166; ders AG 2000, 342, 344; Marsch-Barner ZHR 157 (1993), 172 ff; ders ZIP 1996, 853 ff; Nirk Hdb AG3, Bd I, Rdn 29 f; Paschke FS Serick

Gegen Treuepflichten zwischen Aktionären

( 1 9 9 2 ) , S 313 ff; Reul Pflicht zur Gleich-

Reuter in: MünchKommBGB4 § 34 Rdn 22; K-P Martens in: Κ Schmidt, Rechtsdogmatik

in: H d b C o r p G o v e r n a n c e ( 2 0 0 3 ) , S 513 ff;

AG ( 1 9 6 8 ) ; Worch Treuepflichten von Kapitalgesellschaftern ( 1 9 8 3 ) ; Ernstberger Gren-

zen der Mehrheitsherrschaft (1986); Baumgärtner Rechtsformiibergreifende Aspekte der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ( 1 9 9 0 ) ; Filimann Treuepflichten der Aktionäre (1991); Baus Treuepflichten des Aktionärs ( 1 9 9 1 ) ; Keul Pflicht zur Gleich28

behandlung (1991), § 22, S 251 ff; Röhricht Κ Schmidt GesR4 (2002), § 20 IV 2 c d, 3, § 28 I 4 a; Steindorff FS Rittner (1991), S 675, 686 ff; Timm ZGR 1987, 403, 408 f; ders WM 1991, 481, 482; Werner FS Semler (1993), S 419 ff; Wiedemann J Z 1989, 447 ff; ders DB 1993, 141, 143 f; Windbichler in:

und Rechtspolitik ( 1 9 9 0 ) , S 2 5 1 ff; sehr dezi-

diert Flume ZIP 1996, 161 (mit ablehnender Entgegnung von Marsch-Barner ebd, S 853); vgl auch H-J Mertens AcP 178 (1978), 227, 243 und ders FS Fischer (1979), S 461, 468, 4 6 9 f, 4 7 2 : Treupflicht unter Kapitalgesellschaftern als allgemeine Verhaltenspflicht iSv S 8 2 3 Abs 1 B G B (abgelehnt durch B G H Z 103, 1 8 4 , 195: Sonderverbindung unter Aktionären; siehe auch B G H Z 129, 136, 148 f: Treuepflicht ist Ausfluss der mitgliedschaftlichen Beteiligung). 29

Auswahl (alphabetisch): Bischoff BB 1987, 1055, 1058; Brändel in: Großkomm 4 S 1 Rdn 84 f; Bungeroth in: MünchKomm2 Vor § 53 a Rdn 18; Bungert DB 1995, 1749 ff; Claussen AG 1991, 10, 16; Dreher ZHR 157 (1993), 150 ff; ders ZIP 1993, 332; Häsemeyer ZHR 160 (1996), 109, 113; Hennrichs AcP 195 (1995), 221 ff; Henssler DZWir 1995, 430; Henze FS Kellermann (1991), S 141 ff; ders in: Henze/Timm/Westermann, G e s R 1 9 9 5 , R W S - F o r u m 8 ( 1 9 9 6 ) , S 1 ff;

Henze/Timm/Westermann, G e s R 1 9 9 5 , R W S -

Forum 8 (1996), S 23 ff; Zätzsch/Maul in: BeckHdbAG (2004), ξ 4 Rdn 262 ff; Zöllner Z H R 1 6 2 ( 1 9 9 8 ) , 2 3 5 , 2 3 6 f. 30

Bspw B G H Z 1 4 2 , 167, 169 [„Hilgers"]; O L G Stuttgart AG 2 0 0 0 , 2 2 9 [„Breuninger"; rkr] und 3 6 9 [„DASA/Dornier"]; K G Z I P 2 0 0 3 , 1 0 4 2 , 1 0 4 6 f [ „ E . O N / R u h r g a s " ] ; vgl auch B G H Z 1 3 4 , 3 9 2 , 3 9 9 ; siehe ferner den auf die AG übertragbaren (Rdn 8 6 ) Gedanken zur G m b H in B G H Z 155, 3 2 9 (aus Gesichtpunkt der Treupflicht kann zugunsten eines Inferenten ein gegen die Mitgesellschafter gerichteter Anspruch auf aktive Mitwirkung an Heilung einer verdeckten Sacheinlage folgen [Pflicht zu bestimmtem Stimmverhalten bei der Satzungsänderung]).

ders BB 1996, 489 ff; ders ZHR 162 (1998),

(97)

Hartwig Henze/Richard L. Notz

8

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

hingegen, dass ebenfalls Treuepflichten gegenüber den Mitaktionären bestehen. Der Grund für die über einen langen Zeitraum währende ablehnende Haltung gegenüber der Treuepflicht unter Aktionären liegt maßgeblich darin, dass die Grundlage einer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ursprünglich aus einem dem typischen Bild einer Personengesellschaft entsprechenden, von gegenseitigem Vertrauen geprägten Gemeinschaftsverhältnis hergeleitet wurde. 31 In der Aktiengesellschaft in ihrer historisch gedachten Form eines Kapitalsammelbeckens, das als juristisches Kunstgebilde ein breites anonymes Publikum in sich vereint,32 spiegelte sich indessen keine derartige Vertrauenssphäre wider. Später reifte die zutreffende Erkenntnis, dass für das Vorhandensein von Treubindungen nicht der seiner reinen Rechtsform nach personalistisch oder kapitalistisch strukturierte Verbandstyp entscheidend ist, sondern verbandsübergreifend die Treuepflicht in dem Korrelat zwischen Macht und Verantwortung ihre Funktion als Rechtsbegrenzung wahrnehmen muss, abhängig von der Realstruktur 33 der jeweiligen Gesellschaft mehr oder weniger intensiv.34 9

Damit hat sich zutreffend die Erkenntnis Bahn gebrochen, dass auch in einer Aktiengesellschaft die beteiligten Gesellschafter nicht von dem kollektiven Hintergrund isoliert werden können. Sie erstreben gemeinsam die Verwirklichung des statutarisch verankerten Zwecks, womit sich ein gemeinschaftliches Interesse bildet, das nicht ohne weiteres durch das förmliche Wesen der Aktiengesellschaft als „kapitalistischem" Privatrechtsverband überlagert wird. Im Rahmen der mitgliedschaftlichen Verbindung besteht in vielfältiger Weise die Möglichkeit, die gemeinsame Interessensphäre zum Nachteil anderer zu beeinträchtigen. Wenngleich sich der Gesetzgeber, zu erkennen an der ausdifferenzierten Regelungsdichte der aktienrechtlichen Vorschriften, bemüht haben mag, mehr als nur die häufigsten Situationen des Binnenlebens der Gesellschaft durch gesetzliche Vorschriften zu regeln, erfasst das kodifizierte Aktienrecht nicht alle denkbaren Konfliktlagen und kann sie naturgemäß auch nicht erfassen: Die ordnungsbedürftigen Konfliktfälle sind zu vielgestaltig; der tatsächliche Charakter und die Funktionsweise der Gesellschaft als Wirtschaftseinheit in Rückkopplung an ständige äußere Veränderungen sind zu komplex. Es deutet nichts darauf hin, dass vor diesem Hintergrund der Gesetzgeber das Aktiengesetz an allen Stellen als abschließende Regelung verstanden wissen und selbst augenfällig harmonisierungsbedürftige Interessenkonflikte einer (dann: richterrechtlichen) Regelung vorenthalten wollte. 35 Daher ist es zu befürworten, in Ergänzung

31

32

33

34

Vgl Staub/Fischer GroßkommHGB 3 § 105 Rdn 31a; A Hueck Der Treuegedanke im modernen Privatrecht (1947), S 12, 18 f. Zu diesem Motiv des AktG 1965 siehe bei Assmann in: Großkomm 4 Einl Rdn 191 (mN) und 2 9 2 . Versuch einer Fallgruppenbildung zur Anwendung der Treuepflicht mit Rücksicht auf die denkbaren Realstrukturen einer AG (reine Publikums-AG; gemischte PublikumsAG; Familien-AG; unternehmensvertraglich bzw faktisch abhängige AG) bei Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 235 ff, 2 7 2 ff. Wiedemann GesR I (1980), § 8 II 3 a, b, S 433, 4 3 4 ; Lutter AcP 180 (1980), 84, 102 ff, 105 f, 111 f; Κ Schmidt GesR 4

(2002), § 2 0 IV 2 d, S 5 9 2 ; M Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S 75 ff, 185 ff; Reul Pflicht zur Gleichbehandlung (1991), S 2 5 4 ff; Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (1993), S 75 f; Henze FS Kellermann (1991), S 141, 150 ff; Kort ZIP 1990, 2 9 4 , 295 f; Zöllner Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S 3 4 9 ff; Brändel in: Großkomm 4 § 1 Rdn 86; Röhricht in: Hdb CorpGovernance

35

(2003), S 513, 5 2 0 f, 523, 5 2 4 f; siehe auch Hachenburg/Ra/ser GmbHG 8 § 14 Rdn 53; Burgard FS Lutter (2000), S 1033, 1042; vgl außerdem bereits Löhlein JR 1950, 497, 4 9 8 f. Unzutreffend aA Meyer-Landrut FS Häußling (1990), S 249, 250. Richtig Hüffer6

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Treuepflicht

Anh § 53 a

zum geschriebenen Recht in allen Binnenrechtsverhältnissen einer Gesellschaft die Existenz einer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht anzuerkennen, die die ausdrücklich geregelten Rechte und Pflichten der Aktionäre und der Gesellschaft „überwölbt 3 6 " (ganz hM)37. 3. Europäisches Gemeinschaftsrecht Das Prinzip der mitgliedschaftlichen Treubindung ist ein nationaler Rechtsgrundsatz. Dieser steht ebenso wie das förmliche Aktiengesetz unter dem Einfluss des Rechts der Europäischen Gemeinschaften. Es ist europarechtskonform, auch diejenigen Rechtspositionen im Einzelfall den nach nationaler Doktrin geltenden Treubindungen zu unterwerfen, die durch Gemeinschaftsrecht, insbesondere durch Richtlinien, begründet worden sind, solange das gemeinschaftsrechtliche Regelungsanliegen in der Gesamtabwägung seinen Niederschlag findet und nicht unbesehen als von dem nationalen Rechtsgrundsatz überlagert angesehen wird. 3 8 Der EuGH hat in diesem Sinne festgestellt, es sei gemeinschaftsrechtlich zulässig, dass die nationalen Gerichte eine Bestimmung des nationalen Rechts anwenden, nach der sie prüfen dürfen, ob ein Recht aus einer gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung missbräuchlich ausgeübt wird, insbesondere wenn ein Aktionär einen Rechtsbehelf derart als schädigendes Instrument gegen berechtigte Interessen der Gesellschaft oder seiner Mitgesellschafter einsetzt, dass ein offensichtlich unverhältnismäßiger Schaden zu entstehen droht. Beispielhaft darf jedoch bei dieser Prüfung einem Aktionär, der sich auf Art. 2 5 Abs 1 der 2. EG-Richtlinie v. 1 3 . 1 2 . 1 9 7 6 3 9 beruft, eine treuwidrige Ausübung des Rechts aus dieser Bestimmung nicht schon deshalb zur Last gelegt werden, weil er Minderheitsaktionär ist, weil ihm die Sanierung der einer Sanierungsregelung unterliegenden Gesellschaft zugute gekommen ist, weil er sein Bezugsrecht nicht ausgeübt hat, weil er vor einer Klageerhebung eine gewisse Zeit hat verstreichen lassen oder weil er zu den Aktionären gehört, die eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen für richtig erachten und sie deshalb anstreben. 4 0

10

4. Praktische Bedeutung Die Kodifizierungsdichte des AktG (einschließlich der begleitenden Gesetze wie UmwG, W p H G , WpÜG) und der Grundsatz der Satzungsstrenge eignen sich zwar nicht als durchgreifende Argumente gegen das Bestehen von Treubindungen (Rdn 2 ff). Es sind jedoch ua diese Grundlagen, die den Raum für die Anwendung des Treuepflichtgedankens merklich eingrenzen. Zieht man einen Vergleich zwischen den unterschiedlichen Typen der privatrechtlichen Verbände des Gesellschaftsrechts, ist festzustellen, dass die Treuepflicht in der Aktiengesellschaft nicht das gleiche Gewicht und die gleiche Auswirkung hat wie in den anderen Gesellschaftsformen; Judikate, die sich mit der mitgliedschaftlichen Treuepflicht befassen, sind häufiger zu den anderen Gesellschaftsformen ergangen. Dennoch ist das Prinzip auch für die AG unverzichtbar: Wie jeder gemeinschaftliche private Verband, der seine Unternehmensinteressen wahrt und den Gesell-

§ 117 Rdn 2, § 243 Rdn 31 f; Röhricht in:

37

H d b CorpGovernance ( 2 0 0 3 ) , S 513, 5 1 6 ;

38

Dreher ZHR 157 (1993), 150, 153; Henze FS Kellermann ( 1 9 9 1 ) , S 141, 146 ff; Zwissler Treuegebot ( 2 0 0 2 ) , S 9 ff; Kunze Positive Stimmpflichten ( 2 0 0 4 ) , S 9 3 f. 36

Siehe N a c h w in Fn 27, 2 9 und 3 4 . E u G H Slg 2 0 0 0 I, 1 7 2 3 , 1 7 3 6 f = ZIP 2 0 0 0 , 6 6 3 , 6 6 6 = AG 2 0 0 0 , 4 7 0 , 4 7 2 .

39

ABl N r L 2 6 / 1 ν 31. 1. 1977.

40

Vgl E u G H Slg 2 0 0 0 I, 1 7 2 3 = ZIP 2 0 0 0 , 6 6 3 = AG 2 0 0 0 , 4 7 0 .

Bungeroth in: MünchKomm2 Vor § 53 a Rdn 18.

(99)

Hartwig Henze/Richard L. N o t z

11

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

schaftszweck anstrebt, ist auch die AG eine Wirtschaftseinheit, die bei der Verfolgung dieser Ziele einer Dynamik unterliegt. 41 So wenig wie der Gesetzgeber alle denkbaren Konfliktlagen des komplexen Binnenlebens einer Gesellschaft exakt regeln kann, so wenig ist auch die Satzung geeignet, jede Eventualität einschließlich zukünftiger Wandlungen zu erfassen. 42 In diesem „normlosen Gelände" 4 3 entfaltet sich die Treuepflicht als ein wesentlicher Teil der „ungeschriebenen Legalordnung" 4 4 des Gesellschaftsrechts. Dadurch eröffnet sich - wenn auch wegen der universellen Einsetzbarkeit mit der gebotenen Vorsicht 45 - die Möglichkeit, unter Berücksichtigung der durch das Gesetz vorgezeichneten Grundwerte unter Abwägung widerstreitender Interessen sachgerechte und die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigende Entscheidungen zu treffen. 12

Die Dichte der für die AG relevanten rechtlichen Regelungen und die sonstigen zur Kontrolle der Verantwortung der Unternehmensleitung vorhandenen Instrumente des Marktes führen dazu, dass - jedenfalls orientiert am Leitbild der großen Publikumsgesellschaft - einer Treubindung der Aktionäre für die Corporate Governance eher bescheidene Bedeutung zukommt. Ein nennenswerter Gesichtspunkt bleibt in diesem Zusammenhang die Treupflichtbindung der Stimmrechtsmacht, von der Gebrauch gemacht werden kann, wenn die Hauptversammlung über Beschlussvorlagen des Vorstandes oder Aufsichtsrats abstimmt. Andererseits darf die Treuepflicht nicht überhöht werden; sie kann nicht bei jedem Schweigen des Gesetzgebers zur Konfliktlösung in der Vorstellung herangezogen werden, vorhandene Interessengegenläufe müssten in einer bestimmten Weise geregelt werden. Nicht allein, aber auch der marktbedingten Selbstregulierung Raum zu verschaffen, kann bisweilen förderlicher sein als sämtliche Bereiche des Gesellschaftslebens eines als Publikums-AG oder KGaA organisierten börsennotierten Großunternehmens (zu) intensiv mit der Treuepflicht zu durchdringen. Werden eigenverantwortlich auszufüllende und über bestimmte Mehrheitskriterien hinaus nicht nachprüfbare bzw allein von bestimmten Berichtspflichten flankierte Handlungs- und Gestaltungsräume geschmälert, kann das zu einem Effizienzabbau, einer Steigerung von Transaktionskosten und insgesamt zu einer Schwerfälligkeit der Entscheidungsprozesse führen, die ein angemessenes Agieren und Reagieren des Unternehmens am Markt nicht mehr zulässt. Eine allzu extensive Anwendung des Treuepflichtgedankens, die in der Regel mit einer erhöhten Inanspruchnahme der Gerichte und einer Erhöhung der Rechtsunsicherheit verbunden ist, wirkt sich negativ auf die Verlässlichkeit der von den Gesellschaftsorganen getroffenen Maßnahmen und Entscheidungen aus. 4 6

41

42

Zutreffend deshalb das Bild von der Gesellschaft als einem „nach vorne offenen Rechtsverhältnis" (Lutter Z H R 162 [1998], 164, 166) und von der „Offenheit jedes Verbandes nach vorne" (Lutter AcP 180 [1980], 84, 110). Vgl auch Hüffer FS Steindorff (1990), S 59, 69, 70; Lutter AcP 180 (1980), 84, 102.

43 44 45

46

Lutter Z H R 162 (1998), 164, 167. Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 20 IV 1 a, S 588. Mahnung, sich vor Überdehnungen zu hüten, bei Röhricht ZGR 1999, 445, 459. Vgl auch die Einschätzungen von Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 525 ff, 544 ff.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Treuepflicht

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II. Grundlagen 1. Rechtlicher Geltungsgrund a) Rechtsprechung Der B G H hat sich zur Rechtsgrundlage der Treuepflicht im Kapitalgesellschaftsrecht (bisher) nicht geäußert. Aus praktischer Sicht ist aufgrund des heute erreichten Entwicklungsstandes und der damit verbundenen Anerkennung der Existenz und der grundsätzlichen Reichweite mitgliedschaftlicher Treubindungen eine Äußerung der Rechtsprechung auch nicht notwendig.

13

b) Literatur Im Schrifttum ist die Rechtsquelle umstritten: 4 7 Zum Personengesellschaftsrecht wurde die Rechtsgrundlage der Treuepflicht in dem vom gegenseitigen Vertrauen getragenen Gemeinschaftsverhältnis gesehen, aus dem sie ihren besonderen Gehalt empfange. 4 8 Abgesehen von Zweifeln an dieser T h e s e 4 9 - der Realtyp einer Personengesellschaft muss keineswegs von einer zwischen den Personen der Gesellschafter vorhandenen Vertrauensbeziehung geprägt sein - ist der Gedanke vertrauensgeprägter Berührungen der Gesellschafter untereinander nicht grundsätzlich auf den Typ der (großen) Aktiengesellschaft übertragbar. Uberhaupt ist die Frage vorhandenen Vertrauens besser dort einzuordnen, wo es um einen der Zwecke der Treuepflicht als Vertrauensschutzinstrument geht, nicht aber schon bei der Frage, worauf die Treuepflicht im Grunde beruht.

14

Die Grundlage wird von anderer Seite direkt bei der Vorschrift des § 2 4 2 BGB eingeordnet, in der eine Art gesellschaftsrechtliche Verdichtung des allgemeinen Prinzips von Treu und Glauben bzw ein Unterfall der in jeder rechtlichen Sonderverbindung geltenden allgemeinen Rücksichtnahme- und Loyalitätspflichten gesehen wird. 5 0 Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der Anwendungsbereich von § 2 4 2 B G B nach dem dieser Vorschrift heute von Rechtsprechung und Lehre zuerkannten Inhalt sämtliche entscheidungsrelevanten Fragen abzudecken vermag, die sich im Zusammenhang mit Treuepflichten stellen können. Richtig daran mag sein, dass diese allgemeine Vorschrift des Bürgerlichen Rechts weit über die Grenzen ihres Wortlauts hinweg angewandt wird und viele Rechtsinstitute durch diese ausdehnende Anwendung geschaffen worden sind. Es überzeugt aber nicht, ein Prinzip auf eine Vorschrift mit dem Charakter eines allgemeinen Auffangtatbestandes als alleinige Rechtsgrundlage zu stützen, dessen Funktionen in - wenngleich nur fragmentarisch vorhandenen - sachnäheren Vorschriften konkretere Gestalt angenommen hat. Neben solchen primären gesetzlichen Bestimmungen kann § 2 4 2 B G B des-

15

47

48

Zu den Ansätzen seit Ende 19. Jhdt vgl bei Jilg Treuepflicht des Aktionärs (1996), S 4, S 3 3 ff mwN; Zusammenstellung der vertretenen Ansichten auch bei Kunze Positive Stimmpflichten ( 2 0 0 4 ) , S 9 4 - 1 1 6 mwN.

Staub/Fischer GroßkommHGB3 § 105 Rdn 31a; A Hueck Der Treuegedanke im

modernen Privatrecht ( 1 9 4 7 ) , S 12, 18 f. 49

Hüffer

6

§ 53 a Rdn 15; vgl auch Henze FS

Kellermann (1991), S 141, 150.

(101)

50

Nachdrücklich für § 242 BGB Hennrichs AcP 195 (1995), 221, 2 2 8 ff; siehe ferner

Burgard FS Lutter (2000), S 1033, 1038; ders

ZIP 2 0 0 2 , 827, 8 3 4 f; Nodoushani Treuepflicht der Aktionäre (1997), S 9 4 ff; Scholz/H Winter G m b H G 9 § 14 Rdn 5 0 ;

Roth in: MünchKommBGB4 § 242

Rdn 151 f; Staudinger/Kessler B G B 1 2 Vor

S 705 Rdn 24; Schmiedel ZHR 134 (1970), 173 ff, 182.

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Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

halb allenfalls ein stützendes Teilelement der Treuepflicht als rechtsformübergreifendes Prinzip privater Verbände sein. 5 1 16

Ferner wird vertreten, die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht stelle sich als jeder Mitgliedschaft inhärente Förderpflicht dar, habe ihre Grundlage in § 7 0 5 B G B und konkretisiere sich in aktive Förderpflichten und passive Pflichten in Form der Unterlassungsund Loyalitätspflichten, wobei die jeweilige Realstruktur der Gesellschaft bestimmend dafür sei, in welcher Intensität derartige Pflichten ausgeprägt sind. 5 2

17

Des Weiteren wird unter Zusammenziehung verschiedener Ansichten jeweils differenzierend darauf abgestellt, in welcher Weise die Treuepflicht in Funktion tritt. Während die durch die Treubindung gesetzten Schranken, denen die Ausübung eigen nütziger Gesellschafterrechte unterliegen, ihre Grundlage in § 2 4 2 B G B finden sollen, biete § 7 0 5 B G B den sachnäheren Anknüpfungspunkt für die uneigennützigen Rechte, deren Wahrnehmung der Aktionär am Gesellschaftszweck und dessen Förderung orientieren müsse. 5 3

18

Darüber hinaus hat sich die Auffassung gebildet, nach der die Treuepflicht im Gesellschaftsrecht als Inhalt eines Rechtssatzes in Gestalt einer auf richterlicher Rechtsfortbildung 5 4 beruhenden Generalklausel 55 zu verstehen ist, deren Ableitungsbasis in verschiedenen gesetzlichen Einzelnormen liegt (§§ 2 4 2 , 7 0 5 , 7 2 3 BGB, §§ 112, 113 H G B , 5 6 §§ 5 3 a , 117, 2 4 3 Abs 1 und Abs 2 , 2 5 4 , 2 5 5 Abs 2 A k t G ) 5 7 und zu deren Schaffung mit dem Ziel, das praktisch Notwendige zu bewältigen, 5 8 die Gerichte berufen sind. 5 9 Ferner wird die Treuepflicht als verbandsübergreifendes Rechtsprinzip beschrieben, das Orientierungsgebote überpositiven Charakters beinhaltet. 6 0

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56

Vgl auch Lutter AcP 180 (1980), 84, 102 ff, 114 mwN; Marsch-Barner Z H R 157 (1993), 172, 173; Kunze Positive Stimmpflichten (2004), S 98 iVm 71 f. Vgl dazu Lutter AcP 180 (1980), 84, 102-110; ders Z H R 153 (1989), 4 4 6 , 454; vgl auch Η Ρ Westermann Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit (1970), S 143. M Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S 13 f; Häuser Unbestimmte Maßstäbe (1981), S 176 ff, 182. Zur Methode Hüffer ZHR 151 (1987), 396, 4 2 0 mwN. Zur Funktion einer Generalklausel als ermächtigender Sachnorm siehe allgemein Wank Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung (1978), S 132 ff. Zum allgemein herrschenden Verständnis dieser Vorschriften als Ausprägung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht siehe BGHZ 70, 331, 335; 89, 162, 165; BaumbachIHopt H G B 3 1 § 112 Rdn 1; Staub/Ulmer GroßkommHGB 4 § 112 Rdn 3; Langhein in: MünchKommHGB (2004), § 112 Rdn 1; υ Gerkan in: Röhricht/vWestphalen, H G B 2 § 112 Rdn 1; Goette in: Ebenroth/Boujong/ Joost, HGB, Bd I (2001), § 112 Rdn 1 f.

57

58 59

60

Zu diesen gesetzlichen Ausprägungen des Treupflichtgedankens Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen (1999), § 3, S 53 ff. Dazu Hüffer FS Steindorff (1990), S 59, 7 0 f. Vgl dabei zur besonderen revisionsrichterlichen Aufgabe Röhricht Z G R 1999, 445 ff. Wiedemann in: Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, Z G R SH 13 (1998), S 5, 2 0 ff. Vgl allgemein zur Figur des „Rechtsprinzips" Alexy in: Krawietz, Argumentation und Hermeneutik in der Jurisprudenz (1979), S 60 sowie ders ARSP 1985, Beiheft 25, S 13 ff; Larenz Methodenlehre 6 (1991), S 421 f; Braun Rechtsphilosophie (2001), S 198; Röhl Allgemeine Rechtslehre (2001), S 258. Nach diesem Verständnis gibt das .Rechtsprinzip' eine bestimmte, umgehungsresistente und nicht abschaffbare Wertungsgrundlage als Maßstab vor, lässt aber auf der Seite der Voraussetzungen wie der Rechtsfolgen die genaue Rechtssatzformulierung offen; das durch das Prinzip benannte Rechtsinstitut als solches ist noch nicht konkret subsumtionsfähig.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Treuepflicht

Anh § 53 a

c) Stellungnahme Uberzeugend ist die Ansicht, die den formalen Geltungsgrund in einer richterrecht- 1 9 liehen Generalklausel sieht (Rdn 18), die im Rechtsgedanken verschiedener gesetzlicher Vorschriften wurzelt. 61 Diese Deutung eröffnet die Möglichkeit, die Treuepflicht als gedankliche und sprachliche Zusammenfassung von im Gesellschaftsrecht vorhandenen Teilelementen zu begreifen und sie unter Verknüpfung und Fortführung von Einzelregelungen zu einem eigenen System zu entwickeln. Der (Doppel-)Zweck der Treubindung als Instrument der Einwirkungskontrolle und als Sicherung des Vertrauensschutzes, 62 ggf einschließlich einer Förderpflicht, ermöglicht die alle privatrechtlichen Verbände umfassende Anerkennung der Treuepflicht. 63 Das Verständnis der Treuepflicht als richterrechtliche Generalklausel steht überdies mit der Entwicklungsgeschichte in Einklang und entspricht dem Wesen dieser Rechtsfigur. 64 2. Entstehungsgrundlage a) Treuepflicht im Verhältnis zwischen Aktionären und AG Im Verhältnis zwischen dem Aktionär und der Gesellschaft beruhen die gesellschaftsrechtlichen Treubindungen auf der Satzung, die von den Gründern als Organisationsvertrag geschlossen wird und entsprechend dem Willen der Gründer die mitgliedschaftlichen Beteiligungen entstehen lässt, als deren Ausfluss die Treupflichtbindung zwischen der Gesellschaft und den Aktionären zu begreifen ist; 6 5 nach Eintragung der Gesellschaft bildet die Satzung als verselbständigte Quelle objektiven Rechts einschließlich der Verankerung der Treuepflicht für die Beziehungen der Gesellschaft zu den Aktionären auf der Grundlage des Aktiengesetzes die abschließende Regelung. 66

20

b) Treuepflicht im Verhältnis der Aktionäre zueinander Für das Verhältnis der Aktionäre untereinander ist nach heute zutreffender Ansicht 21 davon auszugehen, dass dieses durchaus den Charakter einer besonderen Verbindung hat, die enger geprägt ist als das zufällige Nebeneinander von Verkehrsteilnehmern eines Marktes. 6 7 Die im Schrifttum diskutierte Frage, ob diese Sonderverbindung aus gesetz-

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Stimpel in: Pehle/Stimpel, Richterliche Rechtsfortbildung (1969), S 15, 18; ders FS 25 Jahre BGH (1975), S 13, 19; ausführlich Hüffer FS Steindorf (1990), S 59, 72 ff; vgl auch Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 14; Röhricht in: H d b CorpGovernance (2003), S 513, 515, 517 f; aA Zwissler Treuegebot (2002), S 109 ff. Dazu Wiedemann GesR I (1980), § 8 II 3, S 431; ders FS Heinsius (1991), S 949, 950. Bsphaft Reul Pflicht zur Gleichbehandlung (1991), S 255 ff, 257: Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, die sich aus Rücksichts- und Förderpflicht zusammensetzt, folgt aus der mit dem Beitritt zur Gesellschaft verloren gegangenen Souveränität des Einzelnen und dessen darauf beruhender Abhängigkeit vom Wohlverhalten der anderen Mitglieder; vgl

(103)

64

és

66

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auch Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären (1997), S 99 ff, 103 ff. Vgl auch Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Vor S 53 Rdn 18 aE. BGHZ 129, 136, 147 ff; Hüffer FS Steindorff (1990), S 59, 66; Paschke FS Serick (1992), S 313, 315 f; Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 120 ff. Brändel in: G r o ß k o m m 4 § 2 Rdn 50; Hüffer6 § 23 Rdn 7; ders FS Steindorff (1990), S 59, 65 f; Ulmer FS Werner (1984), S 911, 912; M Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S 63 ff; Würdinger AktienR 4 (1981), § 10 I, S 39 f; vgl auch Wiedemann GesR I (1980), § 3 II 1, S 159 ff. Vgl BGHZ 103, 184, 195 [„Linotype"] m Anm Lutter Z H R 153 (1989), 446 = NJW 1988, 1579 m Anm Timm = J Z 1989, 443 m

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

liehen Vorschriften herzuleiten i s t 6 8 oder auf dem Organisationsvertrag b e r u h t 6 9 , ist in der Rechtsprechung n o c h nicht entschieden. Aus den Umständen, dass der B G H die Treubindung unter den Aktionären als Ausfluss der mitgliedschaftlichen Beteiligung a n s i e h t 7 0 und die Mitgliedschaften durch den Organisationsvertrag konstituiert werden, erschließt sich die Auffassung als vorzugswürdig, die - auch - für das Entstehen der Treuepflicht unter den Aktionären die Satzung heranzieht. 7 1 3 . Verwandte Rechtsfiguren a) Treuepflicht und Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 5 3 a) 22

Die Rechtsprinzipien der Treue und der Gleichbehandlung sind gleichen Ursprungs (Satzung als Organisationsvertrag der Gründer), verfolgen im Wesentlichen den gleichen Z w e c k (primär: Einwirkungskontrolle), entfalten Rechtswirkungen nur im gleichen R a h men (mitgliedschaftlicher Bereich) und sind beide als Generalklausel formuliert. Beide Grundsätze sind prägende Elemente der Mitgliedschaft. Im Verhältnis von Treuepflicht und Gleichbehandlungsgebot ist letzteres konkreter und durch die Kodifizierung in § 5 3 a - der F o r m nach - stabiler; das umfassendere Prinzip ist jedoch der Grundsatz der Treue. In ihm geht das Gleichbehandlungsgebot als ein Teilelement auf (§ 5 3 a R d n 7 f ) . 7 2 D e r Gleichbehandlungsgrundsatz läuft leer, wenn alle A k t i o n ä r e zu Gunsten eines gesellschaftsfremden Dritten ohne sachliche Rechtfertigung zurückgesetzt werden, solange sie im Verhältnis zueinander sämtlich gleich behandelt werden (§ 5 3 a R d n 3 9 ) . 7 3 E b e n s o k o m m t § 5 3 a als A b w e h r r e c h t nicht zum Z u g e , wenn der A k t i o n ä r nicht gegenüber der Gesellschaft, sondern gegenüber einem M i t a k t i o n ä r zum Schutz seiner Mitgliedschaft ein bestimmtes Verhalten einfordern m ö c h t e (§ 5 3 a R d n 3 0 ) . 7 4 Z u d e m kann für die Fälle aktiver Gleichbehandlung (§ 5 3 a R d n 1 2 8 ) ein Anspruch aus § 5 3 a nur dann hergeleitet werden, wenn die Gesellschaft gegenüber einem M i t a k t i o n ä r eine

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Anm Wiedemann = J R 1988, 505 m Anm Bommert = ZIP 1988, 301 m Anm Kort ZIP 1990, 294, dazu EWiR 1988, 5 2 9 (Drygala) = WuB II A § 262 AktG 2.88 (Baums). Dafür M Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S 67 ff [m Bespr Hüffer ZHR 153 (1989), 85 ff]; Dreher Z H R 157 (1993), 150, 153; Filimann Treuepflichten der Aktionäre (1991), S 88 ff; vgl ferner Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (1993), S 62 ff: Parallele zum Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte (ablehnend Kunze Positive Stimmpflichten [2004], S i l i ) . Dafür Hachenburg/Ulmer GmbHG 8 § 2 Rdn 4 f; Hüffer FS Steindorff (1990), S 59, 67 f. BGHZ 129, 136, 148 [„Girmes/Effectenspiegel"]. Gl Ansicht Hüffer6 § 5 3 a Rdn 15 mN; Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 133 ff; Henze BB 1996, 489, 492; aA Paschke FS Serick (1992), S 313, 318, 320; Kunze Positive Stimmpflichten (2004), S 106 f.

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OLG Stuttgart AG 2000, 229, 230: S 53 a als Ausfluss der Treuepflicht; dazu Hüffer6 § 53 a Rdn 2 aE iVm Rdn 14; siehe auch Wiedemann in: Großkomm 4 § 186 Rdn 136; Scholz¡Emmerich GmbHG 9 § 13 Rdn 41, 43 und H Winter ebd, § 14 Rdn 41 aE; Pentz in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, G m b H G 4 § 13 Rdn 96; vgl in diese Richtung auch Semler in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], S 41 Rdn 41 aE; Lutter J Z 1976, 225, 229: lex specialis, und ders AcP 180 (1980), 84, 122: Gleichbehandlungsgebot als wichtigste Ausprägung der Loyalitätspflicht der Gesellschaft gegenüber den Aktionären; Timm W M 1991, 481, 491: § 53 a als Konkretisierung der Treuepflicht; siehe auch Jahnke Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (2003), S 42; aA Hueck/Fastrich in: Baumbach/ Hueck, G m b H G 1 7 § 13 Rdn 35.

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Vgl auch Henze BB 1996, 489, 497; Hirte Bezugsrechtsauschluss und Konzernbildung (1986), S 14 f. Hüffer6 % 53 a Rdn 13.

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Treuepflicht

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entsprechende Handlung bereits vorgenommen hat; der Gleichbehandlungsgrundsatz kann aber dort nicht nutzbar gemacht werden, wo ein Aktionär gegenüber der Gesellschaft die erstmalige Vornahme einer Handlung überhaupt begehrt, sich also gerade nicht auf ein Präzedenzverhalten der Gesellschaft berufen kann. 7 5 Sofern sich in solchen Konstellationen die Abwehrbefugnis des § 53 a für einen sachgerecht umfassenden Schutz der Mitgliedschaft gegen Einwirkungen als defizitär erweist, 7 6 kann das Schutzniveau durch Rückgriff auf das weitergehende Prinzip der mitgliedschaftlichen Treue vervollkommnet werden. In der praktischen Methode, von dem in § 53 a greifbar formulieren Recht auszugehen und erst für von dieser Vorschrift nicht mehr erfasste Fälle den ungeschriebenen Satz der Treuepflicht zu bemühen, spiegelt sich die „Ergänzung" des Gleichbehandlungsgebots durch die Treuepflicht wider. Rechtstheoretisch formt indessen die Treuepflicht das grundlegendere Prinzip aus und bindet den in § 53 a kodifizierten Gleichbehandlungsgedanken systematisch in sich ein (vgl auch § 53 a Rdn 7 f). b) Treuepflicht und materielle Beschlusskontrolle Die vom B G H in der Entscheidung Kali & Salz77 begründete Rechtsprechung zur materiellen Beschlusskontrolle 7 8 - fortgeführt in den Entscheidungen Süßen79, Holzmanns0, Deutsche Bank81 und Siemens/Nolds2 - kann heute als institutionell verfestigte Ausprägung der Treuepflicht gelten. 8 3 Der B G H selbst hat zwar die Verbindung zwi-

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Bsp: Begehrt erstmals ein Aktionär von der AG, ihm die Zustimmung gemäß § 6 8 Abs 2 zu erteilen, ist die AG nicht durch § 5 3 a beschränkt. H a t aber die A G ihm ihre Zustimmung gemäß § 6 8 Abs 2 erteilt, steht sie für Folgeanfragen weiterer Aktionäre unter den Einschränkungen des § 5 3 a. Der erste Anfragende konnte sich bei seinem Zustimmungsbegehren (noch) nicht auf § 5 3 a berufen, wohl aber auf die Treupflicht der Gesellschaft. - Das Prinzip wird auch deutlich durch Fortspinnen des BGH-Falles „ B M W " ( B G H Z 127, 107): Aus dem Gesichtspunkt der Treupflicht war dem Begehren des Aktionärs gegen die Gesellschaft stattzugeben, ihm gegen Kostenerstattung eine Abschrift der Teile des Protokolls der H V auszuhändigen, soweit es seine eigenen Beiträge und Fragen und die dazugehörigen Antworten betrifft. Da er der erste Anfragende war, stand § 5 3 a nicht in Rede. Wohl aber k o m m t der Gleichbehandlungsgrundsatz zum Zuge, falls weitere Aktionäre mit der gleichen Bitte an die Gesellschaft herantreten, was ihre eigenen Beiträge und die durch sie selbst erfragten Antworten angeht (nicht aber in Betreff derjenigen des Erstanfragenden; R d n 8 8 ) . Diese anderen Aktionäre könnten sich freilich unabhängig von § 5 3 a - insofern geht er als konkretes Element in dem umfassenderen Prinzip zur mit

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gliedschaftlichen Treue auf - wiederum ebenso wie der erste Anfragende schlicht auf die (allgemeine) Treupflicht der Gesellschaft berufen, indessen gibt ihnen das Gesetz hierbei nunmehr als konkreteres und formal stabileres Instrument das Recht aus § 5 3 a an die Hand. 76

Z u r beschränkten Reichweite von § 5 3 a vgl auch Wiedemann G e s R 1 ( 1 9 8 0 ) , § 8 II 2 b, S 4 2 9 f.

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B G H Z 71, 4 0 .

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Dazu Hüffer6 § 2 4 3 Rdn 2 2 ff; ausführlich ders in: M ü n c h K o m m 2 § 2 4 3 Rdn 4 7 ff m w N ; grundsätzlich ablehnend Miilbert Aktiengesellschaft 2 ( 1 9 9 6 ) , S 3 0 3 ff passim, sowie ders in: G r o ß k o m m 4 Vor § 118 Rdn 2 0 1 ; kritisch in jüngerer Zeit bspw Τ Bezzenberger ZIP 2 0 0 2 , 1917, widersprochen durch Rodloff ZIP 2 0 0 3 , 1 0 7 6 ; Plädoyer zugunsten der materiellen Beschlusskontrolle auch bei Bayer Z H R 1 6 8 ( 2 0 0 4 ) , 132, 1 4 6 ff, 1 5 0 ff m w N .

79 80 81

B G H Z 80, 69. B G H Z 8 3 , 319. B G H Z 125, 2 3 9 .

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B G H Z 136, 133.

83

Zutreffend Hüffer6 § 5 3 a R d n 17 a E und § 2 4 3 R d n 2 1 ; ders FS Steindorff ( 1 9 9 0 ) , S 5 9 , 75; ders in: M ü n c h K o m m 2 § 2 4 3 Rdn 5 3 f; Wiedemann

in: G r o ß k o m m 4 § 1 7 9

Rdn 173; Rottnauer NZG 2001, 115, 118;

Hartwig Henze/Richard L. Notz

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

sehen der Sachkontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen und dem Bestehen einer Treuepflicht gegenüber der unterliegenden Minderheit (noch) nicht in Worten offengelegt. Das ändert aber nichts daran, dass sich der Sache nach die im Rahmen der materiellen Beschlusskontrolle maßgeblichen Prüfungskriterien der Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit) als diejenigen Schranken erweisen, die heute aus der mehrheitsbezogenen Treuepflicht in ihrer Funktion der Einwirkungskontrolle zu folgern sind. Die eigenständige Beibehaltung der rechtlichen Figur der materiellen Beschlusskontrolle, ohne sie zugunsten des Rückgriffs auf die allgemein bestehende mitgliedschaftliche Treubindung aufzugeben, ist allein historisch dadurch erklärbar, dass die materielle Beschlusskontrolle in ihrer Anerkennung durch den B G H zeitlich weit früher lag als die richterliche Akzeptanz von Treuepflichten zwischen den Aktionären.

c) Treuepflicht und rechtsmissbräuchliche Klagen 24

Fragen der Illoyalität haben die Rechtsprechung wiederholt im Zusammenhang mit dem Phänomen funktionswidrig erhobener Anfechtungsklagen 8 4 beschäftigt. 8 5 Der B G H hat solch ein Vorgehen, bei dem der klagende Aktionär nicht den in der Anfechtungsklage liegenden institutionellen Zweck der Rechtmäßigkeitskontrolle verfolgt, sondern ein außerhalb dessen liegendes, rechtlich missbilligtes Ziel anstrebt, als rechtmissbräuchlich iSd § 2 4 2 B G B gewertet. 8 6 Dabei hat der B G H verlautbart, zur Begründung des gegen den Kläger gerichteten Einwandes des individuellen Rechtsmissbrauchs bedürfe es k e i n e s 8 7 oder jedenfalls k a u m 8 8 des Rückgriffs auf die Treuepflicht des Gesellschafters. Es mag sein, dass der B G H dabei schon das Element des § 2 4 2 B G B als genügend ansieht, um sein Ergebnis mit einer tragenden Begründung zu unterlegen. Das darf gleichwohl nicht den Blick auf den Sachzusammenhang verstellen, der zwischen der Treuepflicht des Aktionärs und dem Verbot rechtsmissbräuchlicher Anfechtungsklagen besteht. Theoretisch systemgerecht ist auch hier die Verortung des Rechtsmissbrauchsverbotes zu den rechtlichen Schranken, die durch die herrschenden Treubindungen konstituiert sind. 8 9

Wiesner in: M ü n c h H d b G e s R 2 ( 1 9 9 9 ) , Bd 4 [AG], § 17 Rdn 16 a E ; Heme Z H R 1 6 2 ( 1 9 9 8 ) , 1 8 6 , 192 ff; ders BB 1 9 9 6 , 4 8 9 , 4 9 0 f, 4 9 5 f; ders in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, RWS-Forum 8 ( 1 9 9 6 ) , S 1, 4 f m w N ; Filimann Treuepflichten der Aktionäre ( 1 9 9 1 ) , S 1 3 9 ff, 161 f; Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten ( 1 9 9 6 ) , S 2 7 9 ff, 2 8 5 ff, 2 9 4 f; Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären ( 1 9 9 7 ) , S 136 m w N ; Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen ( 1 9 9 9 ) , § 4 II 3, S 9 0 ; vgl auch Κ Schmidt in: G r o ß k o m m 4 § 2 4 3 Rdn 4 5 ff, 4 7 [dort aber Trennung zwischen institutioneller Inhaltskontrolle und individuellem Rechtsmissbrauch (Treupflichtverletzung)]; aA Mülbert Aktiengesellschaft 2 ( 1 9 9 6 ) , S 2 2 9 ff, 2 3 2 ff; im Ergebnis auch Paschke FS Serick ( 1 9 9 2 ) , S 313, 3 2 2 ff, 3 2 5 . 84

Wobei auch Nichtigkeitsklagen rechtsmiss-

bräuchlich sein können, siehe bspw O L G Stuttgart ZIP 2 0 0 1 , 6 5 0 , 6 5 2 ff. 85

Dazu Henze A k t R 5 ( 2 0 0 2 ) , Rdn 1 2 5 9 - 1 2 7 5 und ders ZIP 2 0 0 2 , 97, 1 0 0 f; Hirte BB 1 9 8 8 , 1 4 6 9 ff; Kiethe N Z G 2 0 0 4 , 4 8 9 ff m w N .

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Henze BB 1 9 9 6 , 4 8 9 , 4 9 1 m w N , dort Fn 2 5 . B G H Z 107, 2 9 6 , 311 [„Kochs Adler"] = ZIP 1989, 9 8 0 m Anm Heckschen 1168, dazu E W i R 1989, 8 4 3 (Hirte).

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B G H Z 129, 136, 1 4 4 [„Girmes/Effectenspiegel"].

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Vgl schon Henze BB 1 9 9 6 , 4 8 9 , 4 9 4 ; ders AktienR 5 ( 2 0 0 2 ) , Rdn 1 2 6 6 ; ebenso Κ Schmidt G e s R 4 ( 2 0 0 2 ) , § 2 0 IV 3, S 5 9 4 f; Röhricht in: Hdb CorpGovernance ( 2 0 0 3 ) , S 513, 5 2 0 , 5 4 2 f; Burgard AG 1 9 9 2 , 41, 4 9 ; Lutter Z H R 1 5 3 ( 1 9 8 9 ) , 4 4 6 , 4 6 6 ; Paschke FS Serick ( 1 9 9 2 ) , S 313, 3 2 5 f; Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären ( 1 9 9 7 ) , S 3 1 7 ff, 3 7 2 ff; siehe ferner Werner

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Treuepflicht

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ΙΠ. Geltungsbereich; Adressaten der Treuepflicht 1. Bereich der Mitgliedschaft Die Treuepflicht wurzelt im Gesellschaftsverhältnis. Treubindungen existieren mithin nur innerhalb des Bereichs der Mitgliedschaft, wie ihn der satzungsmäßige Gesellschafts-

25

zweck u m s c h r e i b t . 9 0 A u ß e r h a l b dieses gesellschaftsrechtlichen Bereichs vermittelt die mitgliedschaftliche Treuepflicht keine Abwehrposition gegen die Beeinträchtigung von (außergesellschaftlichen) Interessen oder (persönlichen) R e c h t e n . 9 1 Insofern besteht kein Anlass zur besonderen R ü c k s i c h t n a h m e etwa deshalb, weil die sich berührenden Rechtssubjekte - zufällig bzw in anderem Z u s a m m e n h a n g - Beteiligte desselben Privatrechtsverbandes sind. 2 . Zeitlicher R a h m e n N i c h t nur zur Z e i t der werbenden Gesellschaft, sondern auch im Liquidationsstadium entfaltet die Treuepflicht n o c h ihre W i r k u n g , 9 2 wenngleich der geänderte Z w e c k hierbei zu berücksichtigen ist. Im R a h m e n der G r ü n d u n g existieren Treuepflichten mit Übern a h m e der Aktien (§ 2 9 ) , auch wenn zu diesem Z e i t p u n k t die Gesellschaft als solche mangels Eintragung im Handelsregister (vgl § 4 1 Abs 1 S 1) noch nicht ihre in § 1 A b s 1 S 1 beschriebene rechtliche Q u a l i t ä t erlangt hat, sondern erst Vorgesellschaft, aber auch als solche a n e r k a n n t e r m a ß e n 9 3 bereits ein rechtsfähig organisierter Verband eigener Art ist. Z u r Frage möglicher Vorauswirkungen der Treuepflicht bereits in Bezug auf die Phase des Anteilserwerbs siehe unten R d n 4 0 f.

26

3 . Die an dem Mitgliedschaftsverhältnis beteiligten Personen Innerhalb des mitgliedschaftlichen R a h m e n s bindet die Treuepflicht sowohl die Aktionäre gegenüber ihrer Gesellschaft und umgekehrt, als auch die Aktionäre untereinander (ganz h M 9 4 ) . Alle an dem Mitgliedschaftsverhältnis beteiligten Personen sind daher in jeder Richtung den gesellschaftsrechtlichen Treubindungen und ihren W i r k u n gen unterworfen, spätestens sobald die Mitgliedschaft tatsächlich b e g i n n t . 9 5 In der K G a A erfasst die Treuepflicht nicht nur den K o m p l e m e n t ä r 9 6 (auch und gerade dann, wenn er

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FS Semler (1993), S 419, 4 2 2 ff; Marsch-Barner ZHR 157 (1993), 172, 174; Timm W M 1991, 481, 490; Kort ZIP 1990, 294, 297; Hüffer6 § 245 Rdn 23 aE; wohl auch Bungeroth in: MünchKomm 2 Vor § 5 3 a Rdn 22 aE; aA Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 365 ff. Bungeroth in: MünchKomm 2 Vor § 5 3 a Rdn 26; Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 525. BGH ZIP 1992, 1464, 1470 f, dazu EWiR 1992, 1153 (H Westermann)·, vgl auch Pentz in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4 § 13 Rdn 45. Vgl OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 420, 422 f [GmbH]; BGH GmbHR 1971, 112, 113 [KG],

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BGHZ 117, 323, 326 f; aus der Literatur statt aller Κ Schmidt in: Großkomm 4 § 41 Rdn 41; Pentz in: MünchKomm 2 § 41 Rdn 24. Vgl ferner ständige Rspr zur GmbH seit BGHZ 21, 242, 246, zuletzt BGHZ 143, 314, 319. Siehe die zahlreichen Nachw oben in Fn 27, 29, 34; aA für das Verhältnis der Aktionäre untereinander Reuter in: MünchKommBGB 4 § 34 Rdn 22; Flume ZIP 1996, 161; K-P Martens in: Κ Schmidt, Rechtsdogmatik und Rechtspolitik (1990), S 251. Zur streitigen Frage möglicher Vorwirkungen siehe Rdn 40 f. Dazu Assmann/Sethe in: Großkomm 4 § 278 Rdn 56 ff mwN.

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eine Kapitalgesellschaft ist 9 7 ), sondern ebenso das Verhältnis der Kommanditaktionäre untereinander sowie zur Gesellschaft und zu den Komplementären. 9 8 4. Gesellschaftsfremde Dritte a) Allgemein 28

Außenstehende Dritte sind nicht unmittelbar an den mitgliedschaftlichen Verhältnissen beteiligt. Ihr Aktionsradius ist daher, wenn sie mit einer Aktiengesellschaft in Kontakt treten, grundsätzlich weder durch die auf dem Treuepflichtgedanken beruhenden Schranken reduziert noch obliegt ihnen eine besondere Pflicht zur Förderung des Unternehmenszwecks der Gesellschaft, an der sie nicht beteiligt sind. Eine andere Frage ist es, ob im Falle der Anerkennung gewisser Vorwirkungen mitgliedschaftlicher Treubindungen bereits die Tatsache, dass über einen konkret geplanten Aktienerwerb die Mitgliedschaft angestrebt wird, auch für (noch) Nichtaktionäre zu einer besonderen Pflichtenlage führt, deren Qualität vom gesellschaftsrechtlichen Treugrundsatz mitgeprägt ist; inwieweit diese Frage zu bejahen ist, kann nicht als abschließend geklärt betrachtet werden (Rdn 40 f). b) Stimmrechtsvertreter (§ 135)

29

Erstmals in breiter Diskussion hat sich im Fall Girmes/Effectenspiegel99 die Problemfrage aktualisiert, ob auch ein Stimmrechtsvertreter bestimmen Treubindungen unterliegt und nach welchen Grundsätzen er zur Verantwortung für ein Stimmverhalten, das in der Person eines Aktionärs als Verletzung der Treuepflicht zu qualifizieren wäre, gezogen werden kann. 1 0 0 Im Ausgangspunkt ist die Antwort davon abhängig, ob der Stimmrechtsvertreter neben den vertretungsweise abgegebenen Stimmen selbst Aktionär oder aber kein Mitglied der Gesellschaft ist: aa) Mitgesellschafter als Vertreter

30

Zunächst ist festzuhalten, dass derjenige, der als Aktionär zusätzlich zu den Stimmrechten aus seinen Aktien vertretungsweise auch Stimmen aus Drittaktien abgibt, ins97

Zu dem in einer GmbH &c Co KGaA durch die Treuepflicht vermittelten Schutz der Kommanditaktionäre vor einer Minderheitsherrschaft siehe BGHZ 134, 392, 399 im Anschluss an Priester Z H R 160 (1996), 251, 261; zustimmend Overlack in: Hommelhoff/ Röhricht, GesR 1997, RWS-Forum 10 (1998), S 237, 252 f, 256; auch Hennerkes/ Lorz DB 1997, 1388, 1391 (aA Binz/Sorg BB 1988, 2041, 2046); skeptisch zur Effektivität dieser Treubindung Hommelhoff Z H R Beiheft 67 (1998), 9, 22; Κ Schmidt Z H R 160 (1996), 265, 281; vgl auch Gonella/Mikic AG 1998, 508, 509. 98 Assmann/Sethe in: G r o ß k o m m 4 § 278 Rdn 87 ff; Semler/Perlitt in: M ü n c h K o m m 2 § 278 Rdn 127; Herfs in: M ü n c h H d b GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 76 Rdn 46. 99 BGHZ 129, 136 = NJW 1995, 1739 m Anm

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Altmeppen = J Z 1995, 1064 m Anm Lutter 1053 = DB 1995, 1064 m Anm Bungert 1749 = ZIP 1995, 819 m Anm G Müller 1416, dazu EWiR 1995, 525 (Kittner) = WuB II A § 135 AktG 1.95 (Hennrichs). Dazu auch Herne AktienR 5 (2002), Rdn 1077 ff; ausführlich Nodoushani Treuepflicht der Aktionäre und ihrer Stimmrechtsvertreter (1997), S 120 ff, passim; G Schmitt Haftung der Depotbank als Stimmrechtsvertreter (1997), S 125 ff, passim; Beckerhoff Treupflichten bei der Stimmrechtsausübung (1996), S 144 ff; Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 201 ff; M Schmidt Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute (1994), S 138 f, 147.

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gesamt der Treuepflicht unterliegt; 101 ohne Belang ist dabei auch, ob der Anteil eigener Aktien von dem Stimmrechtsvertreter fiduziarisch für einen Hintermann gehalten wird. Entscheidend ist die mit dem Halten des Anteils im eigenen Namen verbundene Aktionärsstellung des Stimmenden. 102 Solch einem im eigenen Namen agierenden Treuhänder steht ein Legitimationszessionar gleich, der treuhändergleich zur Ausübung fremder Stimmen im eigenen Namen ermächtig ist. 103 bb) Außenstehender als Vertreter Schwieriger ist die Beurteilung, wenn der Vertreter ein Außenstehender, also kein 3 1 Aktionär ist. Im Schrifttum ist die Ansicht vertreten worden, eine Treuepflicht könne auch den Stimmrechtsvertreter treffen. Er sei es, der die Rechtsmacht einsetze und ihn träfen daher die der Machtverantwortung entsprechenden Schranken. 104 Es handle sich um einen Fall der „Rollenübernahme". 105 Vorgeschlagen worden ist auch die Spielart, dass die Treuepflicht zwar beim Aktionär verbleibe, die Bindungswirkung jedoch den Stimmrechtsvertreter treffe. 106 Richtig ist, dass die Treuepflicht nicht den Stimmrechtsvertreter trifft, 107 und zwar selbst dann nicht, wenn erst die in seiner Person erfolgte Bündelung von Stimmen sich zu einem Einflusspotential addiert, aufgrund dessen eine aus Sicht der Aktionäre „treuwidrige" Ausübung der Stimmrechtsmacht entsteht, also Kausalität gewinnt. Die Treuepflicht fußt in der Mitgliedschaft und kann von dieser nicht isoliert werden; die Treubindung beschränkt das Stimmrecht und verbleibt daher beim Inhaber dieses Rechts. 108 Dies ist stets der Aktionär. Die Befugnis zur Ausübung des Stimmrechts wird dem Vertreter übertragen, nicht das von der Mitgliedschaft nicht trennbare mitgliedschaftliche Stimmrecht als solches. 109 Der Stimmrechtsvertreter seinerseits ist an dem treupflichtbegründenden Rechtsverhältnis nicht beteiligt 110 und ein die

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Gl Ansicht Timm W M 1991, 4 8 1 , 4 8 8 ; aA Beckerhoff Treupflichten bei der Stimmrechtsausübung (1996), S 156 ff.

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Gl Ansicht Schröer Rdn 106.

103

Marsch-Barner Z H R 157 ( 1 9 9 3 ) , 172, 182 f. Schick ZIP 1991, 9 3 8 , 9 4 0 ; Timm W M 1991, 4 8 1 , 4 8 8 ; Schöne W M 1 9 9 2 , 2 0 9 , 2 1 2 ; ders E W i R 1 9 9 2 , 9 5 2 ; Marsch-Barner Z H R 157 ( 1 9 9 3 ) , 172, 184; G Schmitt Haftung der Depotbank als Stimmrechtsvertreter (1997), S 158 ff; Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen ( 1 9 9 9 ) , § 7 IV 6,

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107

Schröer in: M ü n c h K o m m 2 § 135 Rdn 110; Hammen Z B B 1993, 2 3 9 , 2 4 2 f; Heermann ZIP 1 9 9 4 , 1243, 1 2 4 4 ; Bungert DB 1995, 1749, 1 7 5 2 ; Henssler D Z W i r 1995, 4 3 0 , 4 3 2 f; Nodoushani Treuepflicht der Aktionäre (1997), S 130 ff, 134 ff, 139 ff; Beckerhoff Treupflichten bei der Stimmrechtsausübung (1996), S 149 ff; Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 2 0 4 ff; Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ( 1 9 9 3 ) , S 7 2 f, 165 ff; vgl auch Dreher Z H R 157 ( 1 9 9 3 ) , 150, 165 ff.

in: M ü n c h K o m m 2 § 135

108

AA G Schmitt Haftung der Depotbank als Stimmrechtsvertreter ( 1 9 9 7 ) , S 158 ff: Nicht die Mitgliedschaft, sondern die Wahrnehmung der Mitgliedsrechte löse die Treubindung aus, so dass die Treuepflicht den vom Stimmrecht des Aktionärs Gebrauch machenden Stimmrechtsvertreter in eigener Person treffe.

109

Zur Untrennbarkeit des Stimmrechts von der Mitgliedschaft B G H Z 4 3 , 2 6 1 , 2 6 7 ; siehe auch Vor § 53 a Rdn 15 f: Abspaltungsverbot.

110

Hüffer6

S 2 0 3 f [S 204/205 Fn 159], Ausdrücklich und näher Lutter J Z 1995, 1053, 1 0 5 6 ; abl Hüffer6 § 5 3 a Rdn 2 0 b . So Dreher Z H R 157 (1993), 150, 165 ff, mit dessen Konzept sich B G H Z 129, 136, 146 ausdrücklich nicht im Einzelnen auseinandersetzt; insoweit gegen Dreher siehe Henssler D Z W i r 1995, 4 3 0 , 4 3 1 und Hennrichs W u B II A § 135 AktG 1.95. B G H Z 129, 136, 142 ff; O L G Düsseldorf ZIP 1 9 9 4 , 8 7 8 , 8 8 1 ; LG Düsseldorf ZIP 1993, 3 5 0 , 3 5 6 f; AG Düsseldorf ZIP 1 9 9 2 , 1155, 1156; Hüffer6 S 5 3 a Rdn 15, 2 0 b ;

(109)

§ 5 3 a Rdn 2 0 b.

H a r t w i g Henze/Richard L . N o t z

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

Treuepflicht übertragender Akt fehlt. 1 1 1 Daher verbleibt die Treuepflicht beim Aktionär. Dort umfasst sie allerdings auch die Frage, wen der Aktionär als seinen Stimmrechtsvertreter auswählt und ihm sodann Stimmrechtsvollmacht erteilt. Im Anschluss an die Erkenntnis, dass ein Stimmrechtsvertreter, der nicht Aktionär der Gesellschaft ist, keiner (originären 1 1 2 ) Treuepflicht unterworfen ist, sind indessen mögliche Haftungskonsequenzen noch nicht ausdiskutiert. Der B G H hat - unter Auseinandersetzung mit anderen Konzepten 1 1 3 - den Stimmrechtsvertreter, der den delegierenden Aktionär nicht aufdeckt, analog § 179 BGB haften lassen. 114 Offen geblieben ist, ob der delegierende Aktionär, wenn der Stimmrechtsvertreter ihn aufdeckt, selbst wegen Verletzung der Treuepflicht zur Verantwortung gezogen werden kann, obwohl er in eigener Person die Stimmrechtsmacht nicht missbraucht hat. Im Schrifttum wird dies kontrovers beantwortet. 1 1 5 c) Mittelbarer Gesellschafter aa) Problemstellung 32

Handelt es sich bei einem Aktionär nicht um eine natürliche Person, sondern um eine Gesellschaft, kann dies die Frage aufwerfen, inwieweit auch deren Gesellschafter infolge ihrer mittelbaren Beteiligung an der AG den Treubindungen zu unterwerfen sind, die für die Gesellschaftsverhältnisse der (unmittelbaren) Aktionäre in der AG maßgebend sind.

33

Erörtert worden ist das Thema insbesondere im Hinblick darauf, ob sich eine Vinkulierungsklausel (§ 68 Abs 2) in Orientierung am Vinkulierungszweck durch das Instrument der Treuepflicht verlängern lässt, so dass die Zustimmungsbedürftigkeit einer Anteilsübertragung nicht dadurch unterlaufen wird, dass - ohne Abänderung der rechtsförmlichen Inhaberschaft der Aktien - der Gesellschafterbestand in der die Aktien haltenden Beteiligungsgesellschaft ausgetauscht wird. 1 1 6 Wirtschaftlich kann dies im Ergebnis eine Wirkung erzielen, die einer direkten Anteilsübertragung gleichkommt, ohne dass diesem Vorgang direkt die Hürde des § 68 Abs 2 entgegenstünde. 117 Beispielhaft ist die Situation, dass eine GmbH Inhaberin vinkulierter Namensaktien ist. Hier liegt es im Einzelfall nahe, den dem Zustimmungserfordernis zugrunde liegenden Vinkulierungszweck

in: M ü n c h K o m m 2 § 135 Rdn 110.

111

Schröer

112

Vgl dazu die Konzeption von Hüffer6 § 5 3 a Rdn 2 0 b aE: Aus § 135 gesetzliche Substitution der Aktionäre durch „institutionelle" Stimmrechtsvertreter entwickeln, was Treubindung bei Aktionären belässt, ihre Haftung aber nach dem Rechtsgedanken des § 6 6 4 Abs 1 S 2 BGB auf Auswahlverschulden begrenzt und Eigenhaftung des Substituten (dazu M o t II, S 5 5 3 ) nach den Grundsätzen erlaubt, die ohne Substitution für die Aktionäre gelten würden.

113

Namentlich: Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte; Eigenhaftung aus culpa in contrahendo; Deliktshaftung gemäß § 8 2 6 BGB. Siehe zu diesen Aspekten Schröer in: M ü n c h K o m m 2 § 135 Rdn 114 ff; Beckerboff Treupflichten bei der Stimmrechtsausübung ( 1 9 9 6 ) , S 158 ff, passim; G Schmitt

Haftung der Depotbank als Stimmrechtsvertreter ( 1 9 9 7 ) , S 4 0 - 6 8 ; Schnorbus JuS 1 9 9 8 , 877, 881 ff m w N . 114

115

B G H Z 129, 136, 149 ff, aufbauend auf Henssler Z H R 1 5 7 ( 1 9 9 3 ) , 91, 118 f; siehe ferner ders D Z W i r 1 9 9 5 , 4 3 0 , 4 3 5 . Vgl Hüffer6 § 5 3 a Rdn 2 0 b aE; Schröer in: M ü n c h K o m m 2 § 135 Rdn 111; Lamprecht ZIP 1 9 9 6 , 1 3 7 2 , 1 3 7 3 ff; Dreher Z H R 1 5 7 ( 1 9 9 3 ) , 1 5 0 , 1 7 0 f; Lutter J Z 1 9 9 5 , 1 0 5 3 , 1 0 5 5 f; Flume ZIP 1 9 9 6 , 161, 165.

116

Liebscher ZIP 2 0 0 3 , 8 2 5 , 8 2 7 ff m w N ; Lutter/Grunewald AG 1989, 4 0 9 , 4 1 1 ; auf die Treuepflicht stützt sich in diesem Zusammenhang auch LG München I, Urt ν 12. 9. 2 0 0 2 - 15 H K O 1 5 7 6 4 / 0 2 [„Springer/ Kirch"].

117

Vgl Bayer in: M ü n c h K o m m 2 § 6 8 Rdn 122.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(110)

Treuepflicht

Anh § 53 a

zum Maßstab für ein rechtmäßiges Handeln auch in Bezug auf einen Rechtsvorgang zu erheben, durch den zwar die GmbH weiterhin Aktionärin bleibt, mit dem aber alle Geschäftsanteile dieser Beteiligungs-GmbH auf (eine) andere Person(en) als neue(n) Gesellschafter dieser GmbH übertragen werden. Denn mit diesem Vorgang hat sich allein formalrechtlich der Aktionärsbestand nicht geändert; faktisch ist die dem Einfluss ihrer Gesellschafter preisgegebene Beteiligungs-GmbH aber als reines Zweckinstrument zwischengeschaltet, materiell also nicht geeignet, die im Hinblick auf die AG herrschenden Treuepflichten in der GmbH so zu absorbieren, dass deren Gesellschafter (natürliche Personen als mittelbare Aktionäre) ohne weiteres davon frei sein könnten. Steht in diesem Fall die Übertragung der Anteile an der Beteiligungsgesellschaft in Widerspruch zum Vinkulierungszweck, wird man zwar nicht von der dinglichen Unwirksamkeit analog § 68 Abs 2 ausgehen können, doch sind Folgeansprüche gegen die mittelbaren Aktionäre wegen Verletzung der gegenüber der AG anzunehmenden Treuepflicht in Betracht zu ziehen. Als weiterer Fall, in dem sich die Frage nach einer Erstreckung der Treuepflicht auf die mittelbaren „Mitglieder" stellen kann, kommt etwa eine KGaA in Betracht, deren einziger Komplementär die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft hat. Der BGH hat diese Rechtsform zwar zugelassen; er nimmt dabei jedoch zur Entkräftung des hiergegen (ua) vorgetragenen Arguments, diese Rechtsform eröffne im Widerspruch zur gesetzlichen Konzeption die Möglichkeit einer Minderheitsherrschaft, die Komplementärin - die Kapitalgesellschaft - dergestalt in die Pflicht zur Treue gegenüber den Kommanditaktionären, dass die Auswahl und Abberufung ihrer Leitungsorgane nicht frei, sondern durch die herrschenden Treubindungen beschränkt ist. 118 Indessen gestaltet sich die so konkretisierte Treuepflicht zum Schutz der Kommanditaktionäre praktisch uU erst dann effektiv, 119 wenn sie nicht nur auf der Ebene der als Komplementärin fungierenden Kapitalgesellschaft verbleibt und dort das organschaftliche Handeln der Geschäftsleiter reguliert, sondern wenn sie auch - mögen diese Personen an der KGaA auch nur mittelbar beteiligt sein - die Gesellschafter der Komplementärin ergreift, die ihrerseits rechtlich oder tatsächlich ihren Einfluss in die Leitung der Komplementärin hineinzutragen vermögen. 120

34

Schließlich sind Konzernsachverhalte denkbar, in denen aufgrund faktisch vorhandener Machtpositionen bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung kaum davon ausgegangen werden kann, Abstufungen in den Beteilungsverhältnissen könnten bereits nach dem ersten Glied dazu führen, dass sich die Treuepflicht mit ihrer Kontroll- und Rücksichtnahmefunktion im Hinblick auf die mittelbare Verflechtung ohne weiteres gänzlich verflüchtigt. 121 Nimmt man beispielsweise (bei Fehlen eines BeherrschungsVertrages 1 2 2 ) aufgrund der Treuepflicht ein Wettbewerbsverbot des mit genügend Einfluss

35

118

B G H Z 134, 3 9 2 , 3 9 9 im Anschluss an Priester Z H R 160 (1996), 2 5 1 , 2 6 1 ; zustimmend Overlack in: Hommelhoff/Röhricht, GesR 1997, RWS-Forum 10 (1998), S 237, 2 5 2 f, 2 5 6 ; auch Hennerkes/Lorz DB 1997, 1388, 1391; aA Binz/Sorg BB 1988, 2 0 4 1 , 2046.

119

An der Effektivität zweifelnd Hommelhoff Z H R Beiheft 6 7 (1998), 9, 2 2 ; Κ Schmidt Z H R 160 (1996), 265, 2 8 1 ; vgl auch Gonella/Mikic AG 1998, 5 0 8 , 5 0 9 .

120

Dazu Gonella/Mikic

(111)

AG 1998, 5 0 8 , 5 0 9 ; vgl

auch Overlack in: Hommelhoff/Röhricht, GesR 1997, RWS-Forum 10 (1998), S 237, 2 5 3 ff. 121

Vgl dazu Tröger Treupflicht im Konzernrecht ( 2 0 0 0 ) , § 2, S 3 7 - 5 8 mwN; Stimpel AG 1 9 8 6 , 117, 120; M Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S 2 5 5 ff mwN; Wiedemann/Hirte Z G R 1986, 163, 165; Vetter AG 2 0 0 0 , 193, 2 0 3 ; aA Schiessl Die beherrschte Personengesellschaft (1985), S 9 4 ff, 9 8 f.

122

Siehe dazu unten Rdn 8 0 .

Hartwig Henze/Richard L. Notz

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

ausgestatteten Aktionärs als eines über die AG herrschenden Unternehmens an (Rdn 78 ff), muss über die Bejahung einer entsprechenden Pflichtenlage nachgedacht werden, wenn es sich nicht um eine unmittelbare Abhängigkeit der AG iSd § 16 Abs 1 handelt, sondern ein Fall mittelbarer Abhängigkeit gemäß § 16 Abs 4 vorliegt, in dem es der - formal betrachtet - Nichtaktionär versteht, als mittelbarer Gesellschafter seinen faktischen Einfluss bis in die Enkel-AG genügend durchzureichen. 123 bb) Rechtliche Handhabung 36

Die Möglichkeit einer über die unmittelbare Beteiligungsebene hinauswirkenden Treuepflicht, die auch den mittelbaren Gesellschafter bindet, ist im Ausgangspunkt zu bejahen. 124 In dieser Sicht spiegelt sich erneut, wenngleich abgeschwächt, das bereits angesprochene Prinzip wider, dass die rechtsförmliche Gestaltung allein nicht als zwingendes Gegenargument taugt, sondern sich daran zunächst nur Schlussfolgerungen für die Intensität von Treuepflichten knüpfen lassen (Rdn 8). Augenfällig wird dies einmal in denjenigen Fällen, in denen bereits mit allgemeinen Erwägungen des Durchgriffs argumentiert werden kann: Bringt ein Aktionär seine Anteile als Sacheinlage in eine mit dem Zweck der Vermögensverwaltung vom ihm allein gegründete und selbst als Geschäftsführer geführte GmbH ein, so muss die Wertung dahin gehen, dass ihn infolge der wirtschaftlichen Identität mit der Aktionärin (GmbH) weiterhin die aktienrechtliche Treuepflicht im Verhältnis zu der AG trifft, obwohl er in persona rechtlich nicht unmittelbar Anteile an ihr hält. Es existieren aber auch jenseits des offenbaren Durchgriffs weitere Fälle, in denen eine Treuepflichterstreckung einsichtig und anerkennenswert ist. Dazu können Konstellationen von (oft: Familien-) Aktiengesellschaften gezählt werden, deren Realstruktur stark personalistisch geprägt ist und in denen, wenn sich in der nächsten Generation die Aktionärsstrukturen (Familienstämme) aufspalten, die Anteile einer aus bestimmten Gründen verbundenen Aktionärsgruppe in eine Kapitalgesellschaft oder einen Familienverein eingebracht werden, um mit Rücksicht auf den Willen der ehemaligen Gründer eine zu starke Zersplitterung der Anteilsstruktur auf der (ersten) Ebene dieser (Familen-) AG zu vermeiden. Es erscheint zutreffend, hier neben den Beteiligungsgesellschaften auch deren Mitglieder zur Treue gegenüber der AG zu verpflichten, da sie mittelbar tatsächlich als Aktionäre fungieren.

37

Der Umgang mit solchen Treuepflichten muss allerdings wohlüberlegt erfolgen. In dem Bewusstsein, dass die Treuepflicht als Generalklausel ohnehin stets einer situationsbezogenen Konkretisierung bedarf, ist die Interessenlage hier besonders sorgfältig abzuwägen. Kernpunkt für die Beurteilung, ob im Einzelfall überhaupt und, falls ja, mit welcher Intensität mittelbare Aktionäre infolge ihrer Stellung einer durchgereichten Treubindung unterliegen, sind die Art und genauen Umstände der Beteiligung, über die sich das Einflusspotential vermittelt, als dessen begrenzendes Korrelat sich die Treuepflicht erweisen soll. Je nach Lage wird eine Gesamtbetrachtung ergeben, wie stark sich wegen der rechtlich fehlenden Unmittelbarkeit die Einwirkungsmöglichkeit in der Sphäre der AG mediatisiert. 125 Davon abhängig ist der Grad der Ausprägung der Treuepflicht auf den mittelbaren Gesellschafter. In dem danach erkannten Maß ist diese Person gegenüber der AG und deren Aktionären zur Treue verpflichtet wie die Beteiligungsgesellschaft (Aktionärin) selbst.

123

124

Vgl hierzu die Fallgestaltung in BGHZ 89, 162 [„Heumann/Ogilvy"] und dazu die Anm Brandes in LM Nr 4 zu § 112 HGB. Bejahend im Ergebnis auch Tröger Treu-

125

pflicht im Konzernrecht (2000), § 2 VI, S 5 7 f. Liebscher ZIP 2 0 0 3 , 825, 828 f.

Stand: 1. 7. 2004

(112)

Anh § 53 a

Treuepflicht

Ist die an der A G beteiligte Gesellschaft nicht nur eine Einmann-Gesellschaft und ist

38

sie selbst operativ tätig, dann ist, zumal wenn kein notwendiger Interessengleichlauf zur A G b e s t e h t , 1 2 6 nicht davon auszugehen, dass sich die in der A G herrschenden Treubindungen nennenswert als Treuepflicht des mittelbaren Gesellschafters auszuwirken verm ö g e n . 1 2 7 Agiert die an der A G beteiligte Gesellschaft hingegen als Holding, insbesondere wenn sie dabei lediglich der A G als reines Z w e c k i n s t r u m e n t strategisch vorgeschaltet ist, dann liegt es nahe, die Treuepflicht aus der Sphäre der A G hinaus auf die Anteilseigner dieser (Zwischen-) Holding zu v e r l ä n g e r n . 1 2 8 Für das A u s m a ß der Mediatisierung der Pflichtenbindung spielt neben diesen Aspekten des Z w e c k s der Beteiligungsgesellschaft außerdem eine Rolle, wie sehr der mittelbare Gesellschafter aufgrund seines Beteiligungsumfangs und der R e c h t s f o r m seiner an der A G beteiligten Gesellschaft in der Lage ist, Einfluss auf die A G auszuüben, so dass ein der Tragweite nach kontrollbedürftiges Machtgefälle zwischen ihm und den A k t i o n ä r e n der A G die Erstreckung der Treuepflicht r e c h t f e r t i g t . 1 2 9 I m praktischen Regelfall k o m m t danach eine Treubindung des „mittelbaren A k t i o n ä r s " eher in B e t r a c h t , wenn er Mehrheitsgesellschafter einer an der A G beteiligten G m b H ist (vgl §§ 3 7 A b s 1 a E , 4 7 Abs 1 G m b H G ) ; schwächer ist die Treubindung, wenn er Minderheitsgesellschafter einer an der A G beteiligten A G ist, da letzterenfalls bereits auf der Ebene der unmittelbaren Beteiligung (jedenfalls infolge der Weisungsfreiheit des Vorstandes, vgl § 7 6 Abs 1) k a u m unternehmerische M a c h t des Gesellschafters b e s t e h t . 1 3 0 Für aktienrechtliche Konzernsachverhalte muss an dieser Stelle aber als Restriktion im Blick behalten werden, dass dem Regelungsinstrument der Treuepflicht zu diesem Bereich nur eingeschränkt Z u g a n g verschafft werden k a n n (Rdn 1 5 2 , 1 5 6 ) . 1 3 1 Insbesondere ginge es für den Aktienrechtskonzern in jedem Fall zu weit, vorschnell eine grundsätzliche Konzerndimensionalität der Treuepflicht anzunehmen und sie ohne weite-

126 127 128

129 130

Dazu Gonella/Mikic AG 1998, 5 0 8 , 509. Liebscher ZIP 2 0 0 3 , 825, 8 3 0 . Liebscher ZIP 2 0 0 3 , 825, 8 3 0 f; vgl auch die Wertung zur Umgehungsfrage bei Bayer in: M ü n c h K o m m 2 § 6 8 Rdn 122 aE; Scholz/ H Winter G m b H G 9 § 15 Rdn 8 3 a aE; Michalski/EMwig GmbHG, Bd I ( 2 0 0 2 ) , § 15 Rdn 167; Kowalski GmbHR 1992, 347, 3 5 3 ; Asmus Vinkulierte Mitgliedschaft (2001), S 176 f. Vgl Liebscher ZIP 2 0 0 3 , 8 2 5 , 8 2 9 f. Das kann theoretisch freilich anders sein: Aktionär A hält 2 0 % an der M-AG, die wiederum 3 0 % an der T-AG hält. In der HV der M-AG fragt der Vorstand nach § 119 Abs 2, wie in der anstehenden HV der T-AG über deren Sanierungskonzept abzustimmen sei. Die HV der M-AG ist gespalten; mitentscheidend ist das Stimmgewicht von A's Paketanteil. A stimmt dafür, dass in der HV der T-AG gegen deren derzeitiges Sanierungskonzept zu stimmen ist. Entsprechend dem Beschluss in der M-AG verhin-

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dert sodann in der HV der T-AG die Sperrminorität des Vorstandes der M-AG die Sanierung der T-AG, was treuwidrig ist. Frage dann: Hat A als mittelbarer Aktionär treuwidrig gegenüber der T-AG gehandelt? Vgl allgemein zur Treuepflicht auch des Minderheitsaktionärs Rdn 71 ff sowie B G H Z 129, 136 [„Girmes/Effectenspiegel"]. 131

Für die AG kommt deshalb - nicht zuletzt wegen des fehlenden Weisungsrechts des Aktionärs gegenüber dem Vorstand (vgl M Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen [1988], S 2 5 6 ) - nicht der gleiche Pragmatismus in Betracht wie dies zum faktischen GmbH-Konzern in B G H Z 65, 15 [„ITT"] und B G H Z 89, 162 [„Heumann/ Ogilvy"] ausgedrückt ist, wonach innerhalb der Unternehmensgruppe Adressat der Treuepflicht gegenüber Enkel-Gesellschaft auch die Mutter-Gesellschaft sei (dazu Reh-

binder ZGR 1976, 386, 395; Wiedemann/ Hirte ZGR 1986, 163, 165; Stimpel AG 1 9 8 6 , 117, 120).

H a r t w i g Henze/Richard L. N o t z

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Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

res zum allgemeinen Maßstab der Leitungsentscheidungen in der Unternehmensgruppe oder zum Ursprung für Handlungspflichten zugunsten des Konzerns zu erheben. 1 3 2 5. Vormitgliedschaftliche Treubindungen a) Diskussionsstand 40

Die Treuepflicht prägt die Mitgliedschaft in jeder Phase des „Lebensprozesses" 1 3 3 der Gesellschaft. In jüngerer Zeit hat Martin Weber eingehend die Frage untersucht, inwieweit sich Verhaltensbindungen aus dem Grundsatz der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht bereits für das Vorstadium der Mitgliedschaft entwickeln lassen: 1 3 4 Auf der Grundlage einzelner rechtlicher Elemente 1 3 5 soll solch eine Vorauswirkung der Treuepflicht zu bejahen sein und zu einer bereichsübergreifenden Rechtsfigur ausgebaut werden können. 1 3 6 Der B G H hat demgegenüber bislang klar den gesellschaftsrechtlichen vom außergesellschaftsrechtlichen Bereich unterschieden und die Treuepflicht nicht auf letzteren erstreckt. 1 3 7 Im Schrifttum ist unter Hinweis auf diese Rechtsprechung die Konzeption Webers zum Teil abgelehnt 1 3 8 bzw jedenfalls, trotz Anerkennung der Grundidee als solcher, deutlich zurückhaltend aufgenommen worden mit der Einschätzung, die Figur einer vormitgliedschaftlichen Treuepflicht eigne sich nicht, die anerkannten Begründungsmuster einer bereichsspezifischen culpa in contrahendo abzulösen, sondern trage allenfalls zur Schärfung ihrer Konturen bei. 1 3 9 b) Stellungnahme

41

Trotz der bisher vorliegenden Rechtsprechung des B G H und der im Anschluss daran geäußerten Stimmen gegen Weber erscheint es gerechtfertigt, dem Konzept vormitgliedschaftlicher Treubindungen offen gegenüber zu stehen 1 4 0 und die starre 1 4 1 Überlegung, die Treuepflicht existiere erst dann, wenn (und nur solange wie) die Mitgliedschaft dau132 Vgl schon für die GmbH zutreffend Stimpel AG 1986, 117, 120; siehe auch Kropff in: MünchKomm2 Vor § 311 Rdn 19: keine 133

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„ Allzweckwaffe". Nach Wiedemann GesR I (1980), § 3 I, S 143. M Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen (Habilitationsschrift; 1999), mit dem Untersuchungsgegenstand der Begründung, Reichweite und Vorauswirkung gesellschaftsrechtlicher Treupflichten, mit dem Ergebnis der Bejahung solcher Vorwirkungen, siehe Kapitel 4-6, S 239 ff, passim; vgl dazu die kritische Bespr von Kort ZHR 164 (2000), 444 ff; kritisch auch Fleischer NZG 2000, 561, 563. Weber (Fn 134), § 7 III, IV, V, S 180 ff, 183 ff, 209 ff. Weber (Fn 134), § 8 III, S 226 ff; ebenso bereits Κ Schmidt GesR 3 (1996), § 20 IV 1 b sowie ders - unter Begrüßung Webers dann in GesR 4 (2002), aaO, S 588 f; siehe auch Tröger Treupflicht im Konzernrecht (2000), § 3, S 59 ff; Wittkowski GmbHR 1990, 544, 549.

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BGH NJW 1992, 3167, 3171 [„IBH/Scheich Kamel"]; kritisch aber bereits Wiedemann EWiR 1992, 1153, 1154. Bungeroth in: MünchKomm2 Vor § 53a Rdn 19 Fn 14; auch Fleischer AG 2000, 309, 320 [bzgl management-buyout als Anwendungsfall]. Fleischer NZG 2000, 561, 563; vgl davor auch schon Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 314 f mwN; grob in diese Richtung auch Jahnke Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (2003), S 30. Siehe auch Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 20 IV 1 b, S 588; Tröger Treupflicht im Konzernrecht (2000), § 3, S 59 ff. Das grundsätzliche Anliegen Webers (Fn 134), die statische Betrachtung zugunsten einer dynamischeren aufzubrechen, begrüßt auch Fleischer NZG 2000, 561, 563, wenngleich Fleischer sich im Hinblick auf die von Weber gezogenen weit reichenden Konsequenzen reserviert zeigt. - Herkömmlich starr in der (also: verneinten) Frage einer Vorwirkung der Treuepflicht im Bereich des Anteilshandels auch Joussen BB

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Treuepflicht

Anh § 53 a

ert, 1 4 2 zu überdenken und sorgfältiger auszuloten. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass bestimmte kapitalmarkt- oder übernahmerechtliche Verhaltenspflichten, die im Rahmen eines sich anbahnenden Anteilserwerbs bestehen, wiewohl sie noch außerhalb der Mitgliedschaft liegen, weniger überzeugend durch eine Sonderform der allgemeinschuldrechtlichen culpa in contrahendo iSd § 311 Abs 2 BGB zu erklären sind als durch den künftigen gesellschaftsrechtlichen Status der mitgliedschaftlichen Verhaltensbindung, 1 4 3 womit bereits die Anbahnung der Gesellschaftereigenschaft als Ursprung der Bindung in Betracht kommt. Durchaus nahe liegend erscheint dies etwa für gesellschaftsbezogene Informations- und Unterlassungspflichten in dem einem Anteilserwerb unmittelbar vorgelagerten Stadium. 144 6. Einmann-Gesellschaft a) Keine Treuepflicht des Alleinaktionärs Befinden sich alle Anteile der Gesellschaft in der Hand derselben Person (oder wird allseits einvernehmlich agiert) 1 4 5 , kann sich die Treuepflicht des Aktionärs naturgemäß nicht darauf gründen, Instrument der Einwirkungskontrolle (Rdn 57 ff) zum Schutz vor übermäßiger Rechtsausübung zu Lasten von Mitgesellschaftern zu sein. Das gleiche gilt, wenn zwar rechtsförmlich mehrere Aktionäre vorhanden sind, die übrigen von ihnen aber ihre Anteile treuhänderisch für einen Aktionär halten, so dass bei der gebotenen Betrachtung der wirtschaftlichen Interessenlage die Gesellschaft tatsächlich in der Hand einer einzigen Person liegt. 146 Es stellt sich die Frage, ob immerhin die Gesellschaft selbst ein von dem Alleinaktionär losgelöstes Eigeninteresse besitzt, zu dessen Schutz der Einmann-Gesellschafter gegenüber seiner AG zur Loyalität verpflichtet sein könnte.

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Für die G m b H verneinen Rechtsprechung 1 4 7 und hLit 1 4 8 eine Treuepflicht des Alleingesellschafters. Diese Ansicht ist zutreffend; sie hängt auch nicht davon ab, ob die Person

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1992, 1075, 1079 und im Anschluss daran Wastl N Z G 2 0 0 0 , 505, 507, der indes die Ansicht Webers nicht berücksichtigt. Lutter Z H R 153 (1989), 4 4 6 , 4 6 0 [aufbauend auf Lutter AcP 180 (1980), 84, 156 f: Mitgliedschaft kein Band für „extrakorporativen Bereich"]; vgl ferner Claussett Z H R 154 (1990), 448, 491; Bozenhardt Freiwillige Übernahmeangebote (1990), S 76. So auch Kort Z H R 164 (2000), 4 4 4 , 447, 4 5 0 , 4 5 2 , wenngleich zum Teil kritisch aus anderen Gründen. Weber (Fn 134), § 9, S 241 ff, und § 10, S 2 5 8 ff; insoweit zustimmend Kort Z H R 164 (2000), 4 4 4 , 451; vgl auch Tröger Treupflicht im Konzernrecht (2000), § 3, S 5 9 ff; aA Fleischer N Z G 2 0 0 0 , 561, 5 6 3 ff. - Für bestimmte von Weber untersuchte Konfliktfelder finden sich nunmehr auch Normen in Gestalt des WpÜG. Vgl B G H Z 122, 333, 336 [GmbH]; siehe auch Röhricht in: Geiß [ua], FS 5 0 Jahre BGH (2000), S 83, 104.

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Ehricke in: G r o ß k o m m 4 § 4 2 Rdn 40; vgl ebenso auch BGHZ 119, 257, 2 5 9 ff [GmbH], dazu EWiR 1992, 1203 (Kort). BGHZ 119, 257, 262, dazu EWiR 1992, 1203 (Kort), und BGHZ 122, 333, 336, dazu EWiR 1993, 6 9 3 (Maier-Reimer) - in beiden Fällen noch offen lassend für den Fall des Existenz vernichtenden Eingriffs; vgl auch B G H Z 142, 92 = ZIP 1999, 1352 m Anm Altmeppen, dazu EWiR 1999, 835 (Wilhelm)·, ferner OLG Brandenburg GmbHR 1997, 1147; diese Rechtsprechung kann - nunmehr auch für den Fall des Existenz vernichtenden Eingriffs - als bestätigt gelten durch BGHZ 150, 61 und BGHZ 151, 181, denn dem (Außen-)Haftungsmodell, das der II Zivilsenat in diesen Entscheidungen entwickelt hat, liegt die Vorstellung zugrunde, dass es im Innenverhältnis kein residuales Eigeninteresse der Gesellschaft an der Erhaltung ihrer Fähigkeit zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten gibt, mit dem eine Art Treuepflicht des Alleingesellschafters korrespondieren könnte, deutlich Röhricht

H a r t w i g Henze/Richard L. N o t z

Anh § 5 3 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

des Alleingesellschafters Unternehmensqualität im Sinne des Konzernrechts ( § § 1 5 f f ) hat. 1 4 9 Auch ein ungeschriebenes, etwa durch eine Treuepflicht bedingtes Wettbewerbsverbot (Rdn 78) des Alleingesellschafters gegenüber der durch ihn gehaltenen Kapitalgesellschaft besteht nicht. 1 5 0 44

Diese Sichtweise beansprucht auch im Aktienrecht Geltung. 151 In der eingliedrigen Gesellschaft muss - da nicht vorhanden - weder auf Mitgesellschafter noch auf ein in der Gesellschaft verkörpertes aktienrechtliches Mitinvestment Rücksicht genommen werden und ebenso wenig kann eine durch „Gemeinsamkeit" bedingte Förderpflicht erwachsen. Daher bedarf es weder der Schutz- und Schrankenfunktion der Treuepflicht noch einer Treubindung zur Herleitung von Mitwirkungspflichten. 1 5 2 Dies gilt auch dann, wenn der Alleinaktionär herrschendes Unternehmen iSd § 17 ist; in dieser Konstellation kommt nicht in Betracht, dass die - dann auch für die Einmann-AG einschlägigen - 1 5 3 Vorschriften der §§ 311 ff durch eine Treuepflicht des einzigen Anteilseigners flankiert werden. 1 5 4

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Dagegen, dass der Alleinaktionär ebenso wenig einer mitgliedschaftlichen Treuepflicht unterliegt wie der Einmanngesellschafter einer GmbH, spricht nicht 1 5 5 die unterschiedliche Leitungsstruktur zwischen der GmbH, in der die Weisungsunterworfenheit der Geschäftsführer die Gesellschaft bereits konzeptionell zum reinen Zweckinstrument ihrer Gesellschafter degradiert, und der AG, in der der Vorstand die Gesellschaft weisungsunabhängig (vgl §§ 76 Abs 1, 119 Abs 2) so zu führen hat, wie es dem Unternehmensinteresse entspricht. Denn die Weisungsunabhängigkeit des Vorstandes führt nur dazu, dass sich das Leitungsorgan als organisatorische Einheit verselbständigt; daraus ergibt sich aber kein Ansatzpunkt für ein von dem Alleinaktionär losgelöstes unternehmerisches Interesse der AG selbst. Außerdem hat auch in der Einmann-AG, wenngleich im Vergleich zur GmbH nur mittelbar, der alleinige Anteilseigner vollen Einfluss auf die

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bei Notz in: Henze/Hoffmann-Becking, GesR 2003, RWS-Forum 25 (2004), S 57; siehe auch Schiessl in: MünchHdb GesR 2 (2003), Bd 3 [GmbH], S 32 Rdn 14; Henze NZG 2003, 649, 655 f, 657. Scholz/H Winter GmbHG 9 § 14 Rdn 52; Pentz in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4 § 13 Rdn 38; Roth/Altmeppen GmbHG 4 S 13 Rdn 65; Hueck/Fastrich in: Baumbach/Hueck, GmbHG 17 § 13 Rdn 21 und Zöllner ebd, Anh KonzernR, Rdn 83; Michalski GmbHG, Bd I (2002), § 13 Rdn 144; Jahnke Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (2003), S 78 f; Schön ZHR 168 (2004), 268, 280. Dagegen aA Burgard ZIP 2002, 827, 835 f; Hartmann GmbHR 1999, 1061, 1062, 1068; ein Eigeninteresse der Einmann-GmbH wird auch bejaht von Ziemons Haftung der Gesellschafter (1996), S 97 ff; vgl auch Wilhelm Rechtsform und Haftung (1981), S 335 ff; Ulmer ZHR 148 (1984), 391, 418 f. Differenzierend M Winter ZGR 1994, 570 ff: Eigeninteresse der Gesellschaft in Form des Verbots der Existenz vernichtenden Einflussnahme; ähnlich, aber allgemein stärker für ein Eigeninteresse

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Priester ZGR 1993, 512 ff. - Zusammenstellung zum Ganzen bei Tieves Unternehmensgegenstand (1998), § 15 III 4, S 562 ff. Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG 17 Anh KonzernR, Rdn 83; aA Olmer ZHR 148 (1984), 391,418 ff. Pentz in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4 § 13 Rdn 88; Claussen/Korth FS Beusch (1993), S 111, 128; Meyer-Arndt BB 1992, 534, 535 f; Tiedchen GmbHR 1993, 616, 618; Knobbe-Keuk GmbHR 1992, 333, 335; Röhricht WPg 1992, 766, 784 ff; im Ergebnis auch Tieves Unternehmensgegenstand (1998), S 603 ff; aA Burgard ZIP 2002, 827, 836. Gl Ansicht Ehricke in: Großkomm4 § 42 Rdn 40. Vgl auch Bachmann NZG 2001, 961, 971. Brändel in: Großkomm4 § 1 Rdn 148. Zur Möglichkeit der ergänzenden Anwendung der Treuepflicht im Rahmen der §§ 311 ff im Falle der mehrgliedrigen abhängigen AG siehe unten Rdn 151 ff. Gl Ansicht Bachmann NZG 2001, 961, 971; aA Flume AT 1/2, Die Juristische Person (1983), § 2 VII 3, S 59 ff.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Treuepflicht

Anh § 5 3 a

Vorstandsbesetzung (vgl § 84 iVm § 101) und kann so den Interessengleichlauf herstellen. Ferner lässt sich zur Begründung einer gegenüber einer Einmann-Gesellschaft bestehenden Treuepflicht nicht anführen, 1 5 6 dass eine als Ausdruck der Treue zu verstehende Förderpflicht des Aktionärs primär gegenüber der - auch im Falle einer Einpersonenkonstellation juristisch von ihm zu trennenden (§ 1 Abs l ) 1 5 7 - Gesellschaft bestehe, womit formal das Bezugsverhältnis für eine Förderpflicht auch im Rahmen der Einmann-Gesellschaft nicht fehle. Diese interne Bezugsrichtung der Förderpflicht resultiert allein daraus, dass es die juristische Person ist, in der sich die wirtschaftlichen Interessen der Anteilseigner bündeln. Inhaltlich wirkt auch diese Förderpflicht zugunsten der anderen Anteilsinhaber, weil sie gemeinsam mit dem Aktionär das unternehmerische Risiko tragen. Ist allein ein einziger Aktionär in dieses Risiko involviert, fällt der innere Grund für die Förderpflicht weg.

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Richtig ist zwar, dass bei der von der natürlichen Person des Aktionärs zu trennenden juristischen Person der AG (§ 1 Abs 1) auch ein Interesse der Gesellschaftsgläubiger an dem in die Gesellschaft geflossenen schuldrechtlichen Investment besteht und daher auch in der Situation einer Einmann-Kapitalgesellschaft eine stetige Förderung des Unternehmenszwecks den außenstehenden Gläubigern günstig sein kann. Der Schutz dieses Gläubigerinteresses am Bestand der Gesellschaft findet seinen Ausdruck jedoch im zwingenden Grundsatz der Vermögensbindung (§ 57), ohne im Innenverhältnis zu einem Eigeninteresse der Gesellschaft gegenüber dem einzigen Aktionär zu führen. 1 5 8 Es ist für die Einmann-AG (ebenso wie im Falle der Einstimmigkeit aller Aktionäre) nicht angezeigt, das allein verbleibende äußere Befriedigungsinteresse der Gesellschaftsgläubiger in Form eines Eigeninteresses der Gesellschaft zu institutionalisieren, welches dann den Bezugspunkt für eine Treuepflicht auch des Alleinaktionärs bilden k ö n n t e ; 1 5 9 der gebotene Gläubigerschutz erfolgt auf andere Weise (Rdn 4 8 ff). Ferner ist aus diesen Erwägungen, die gegen eine Treuepflicht des Alleingesellschafters sprechen, auch die dazu ähnliche Überlegung, es existiere in Bezug auf ein rudimentäres Eigeninteresse der Ein-

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AA Burgard ZIP 2002, 827, 833.

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Bzw § 13 Abs 1 HS 1, Abs 2 GmbHG. Da die Treuepflicht einen Gläubigerschutz allenfalls reflexartig bewirkt (dazu Henze N Z G 2 0 0 3 , 649, 6 5 4 f), kann der Gläubi-

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mitgliedschaftlichen Treuepflicht zum

juristisch geschützten Interesse werden zu lassen. Zweifelhaft ferner Wilhelm Rechtsform und Haftung (1981), S 3 3 8 , zutreffend

kritisch Bachmann NZG 2001, 961, 971

gerschutz die Treuepflicht nicht begründen. Insoweit unzutreffend deshalb das pauschale Anführen von „Gläubigerschutzgründen" bei Bollmann Schädigung der abhängigen Ein-Person-AG (1995), S 112. Zweifelhaft auch Burgard ZIP 2 0 0 2 , 8 2 7 ff ( 8 3 4 reSp, 835 liSp, 8 3 6 liSp), wonach ein Gesellschaftsgläubiger ein „berechtigtes" Interesse habe, dass der Alleingesellschafter seiner internen Förderpflicht nachkomme, wobei aber nicht deutlich wird, weshalb es richtig sein soll, dieses wirtschaftlich typische äußere Befriedigungsinteresse der Gläubiger gerade in der Form der gesellschaftsinternen

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unter Hinweis auf Fabritius (1980), 6 2 4 , 638. 159

Z H R 144

Zutreffend KK-Zöllner Einl Rdn 109; ders Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S 18 ff, 21 ff; dem folgend Filimann Treuepflichten der Aktionäre (1991), S 2 0 5 , 2 0 6 . Zur GmbH ebenso Röh-

richt bei Notz in: Henze/Hoffmann-Becking, GesR 2 0 0 3 , RWS-Forum 2 5 ( 2 0 0 4 ) , S 5 7 ; ferner Lutter/Banerjea ZGR 2003, 402,

439 f; vgl auch Wiedemann/Hirte in:

Heldrich/Hopt, FG 5 0 Jahre BGH ( 2 0 0 0 ) , Bd II, S 337, 353.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

mann-Gesellschaft eine Art Sonderverbindung des alleinigen Anteilsinhabers zu seiner Gesellschaft,160 abzulehnen.161 b) Folgen bei Bestandsgefährdung 48

Greift der (Allein-) Gesellschafter in die Substanz der Gesellschaft ein und vernichtet dadurch die Existenz der Gesellschaft in einer die Gesellschaftsgläubiger schädigenden Weise, schlägt sich das im R e c h t der G m b H zum Schutz der ausgefallenen Gläubiger in einer persönlichen Außenhaftung derjenigen Gesellschafter nieder, die den Existenz vernichtenden Eingriff bewirkt oder jedenfalls mitgetragen h a b e n , 1 6 2 sofern der Eingriff etwa, weil er bilanzneutral w a r 1 6 3 - nicht wegen Verstoßes gegen § 3 0 A b s 1 G m b H G bereits über § 31 G m b H G auszugleichen i s t . 1 6 4

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Es k o m m t in B e t r a c h t , diesen Ansatz einer Durchgriffshaftung im Grundsatz auf die Aktiengesellschaft zu ü b e r t r a g e n . 1 6 5 Z w a r hat in einer G m b H die beschriebene Konzeption der persönlichen Ausfallhaftung von Gesellschaftern durch die Rechtsprechung mittelbar zur Folge, dass die Kapitalerhaltung dort über das gesetzliche Niveau des § 3 0 Abs 1 G m b H G hinaus richterrechtlich im Einzelfall bis auf ein dem Aktienrecht entsprechendes Niveau „hinaufgeschleust" werden k a n n . 1 6 6 D a s führt aber nicht dazu, dass für das Aktienrecht, das nach § 5 7 direkt von der umfassenden Kapitalerhaltung beherrscht ist, die zu den gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften subsidiäre D u r c h griffshaftung wegen Existenz vernichtenden Eingriffs nicht zum Zuge k o m m e n k a n n . Es lässt sich nicht absehen, dass die Vermögensbindung in allen denkbaren Fällen g r e i f t . 1 6 7 Insbesondere der Fall, dass der „ E i n g r i f f " ein Aktiventausch ist, der nach den Wertverhältnissen zwar nicht der durch § 5 7 festgelegten Vermögensbindung zuwiderläuft, w o h l aber dem Gegenstand nach einen (bewussten) Abzug von - mittelbar - überlebensnot-

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161 162

Dahin Ulmer ZIP 2001, 2021, 2026 [noch auf Grundlage von BGHZ 149, 10]; vgl auch Wiedemann/Hirte in: Heldrich/Hopt, FG 50 Jahre BGH (2000), Bd II, S 337, 353 und dem folgend Κ Schmidt NJW 2001, 3577, 3580. Vgl Henze N Z G 2003, 649, 657. Siehe im Anschluss an BGHZ 149, 10 die Entscheidungen BGHZ 150, 61 (= ZIP 2 0 0 2 , 848 m Anm Altmeppen 961 = BB 2 0 0 2 , 1012 m Anm Henze 1010 = N Z G 2 0 0 2 , 520 m Anm Burgard 606) und BGHZ 151, 181, 186 ff (= ZIP 2 0 0 2 , 1578 m Anm Altmeppen 1553 = J Z 2 0 0 2 , 1047 m Anm Ulmer = GmbHR 2002, 902 m Anm Schröder und Anm Kessler 945); ausführlich zum Ganzen Röhricht in: Henze/HoffmannBecking, GesR 2003, RWS-Forum 25 (2004), S 1 ff mwN sowie Ihrig ebd, S 27 ff und Notz ebd, S 57 ff; ferner Henze N Z G

S 493; Vetter ZIP 2003, 601; Hölzle ZIP 2003, 1376; abl Ehricke in: Großkomm 4 § 42 Rdn 11; Nassall ZIP 2003, 969; kritisch auch Schön ZHR 168 (2004), 268, 282 ff. 163 v g t Röhricht bei Notz in: Henze/HoffmannBecking, GesR 2003, RWS-Forum 25 (2004), S 61.

2003, 649, 655 ff; Wiedemann Z G R 2003, 283; Cahn Z G R 2003, 298; Lutter/Banerjea Z G R 2003, 402; Raiser FS Ulmer (2003),

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Subsidiarität, siehe BGHZ 151, 181, 187; Röhricht in: Henze/Hoffmann-Becking, GesR 2003, RWS-Forum 25 (2004), S 1, 24 ff; Henze N Z G 2003, 649, 657; Lutterl Banerjea Z G R 2003, 4 0 2 , 421 ff; kritisch Vetter ZIP 2003, 601, 605 f. Str; wie hier Hüffer6 § 1 Rdn 25 f; Liebscher in: BeckHdbAG (2004), § 14 Rdn 97 aE; aA Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-KonzernR 3 (2003), Anh § 317 Rdn 5; Ehricke in: Großkomm 4 § 42 Rdn 11, 35 aE. Röhricht in: Henze/Hoffmann-Becking, GesR 2003, RWS-Forum 25 (2004), S 1, 22. Siehe auch Hüffer6 § 1 Rdn 25.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Anh § 53 a

Treuepflicht

wendiger Gesellschaftssubstanz darstellt 1 6 8 und eine Insolvenz nach sich zieht, lässt nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung eine Anwendung der Haftung wegen Existenz vernichtenden Eingriffs für das Aktienrecht nicht ausgeschlossen erscheinen. Zum anderen ist die Intensität der über die Grundkapitalziffer und die gesetzliche Rücklage (§ 150) hinausreichenden Bindung des Vermögens nicht groß: Der Alleingesellschafter oder die einverständlich handelnden Gesellschafter können einen Beschluss fassen, mit dem das die Kapitalziffer übersteigende Vermögen als Bilanzgewinn ausgewiesen und der Gesellschaft entzogen wird. 1 6 9 Ein solcher Vermögensentzug kann - je nach Kapitalisierungshöhe - auch bei der AG dazu führen, dass die Gesellschaft nicht mehr existenzund handlungsfähig ist. In beiden Fällen kann das auch in der AG eine Haftung des Alleingesellschafters bzw der einverständlich handelnden Aktionäre auslösen. Der Sache nach handelt es sich mangels zu schützenden Eigeninteresses der Einmann-Gesellschaft nicht um eine Haftung wegen Verletzung der Treuepflicht, 1 7 0 sondern um den - allein auf Gläubigerschutzerwägungen beruhenden - Fall einer Durchgriffs(außen)haftung. 1 7 1 Die Übertragbarkeit dieser Durchgriffsgrundsätze ins Aktienrecht ist streitig. Aufbauend auf der (zweifelhaften) These, die Rechtsfigur des „qualifizierten faktischen Konz e r n s " 1 7 2 mit ihrer Konsequenz einer analogen Anwendung der §§ 3 0 2 , 3 0 3 sei durch den B G H 1 7 3 nur für die GmbH, nicht aber für die AG aufgegeben worden, 1 7 4 wird im

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In dieser Konstellation ist die haftungsbegründende Figur des Existenz vernichtenden Eingriffs freilich besonders sorgfältig abzugrenzen von der risikoreichen, aber den unternehmerischen Handlungsspielraum (vgl B G H Z 135, 2 4 4 , 2 5 3 f und Henze BB 2 0 0 0 , 2 0 9 , 211) noch nicht unvertretbar überschreitenden und somit haftungsfreien Entscheidung im Rahmen der Leitung der Gesellschaft; die Durchgriffsgrundsätze zum Existenz vernichtenden Eingriff bilden keine Grundlage für eine allgemeine Haftung wegen schlechten Managements, Röhricht in: Henze/Hoffmann-Becking, GesR 2 0 0 3 , RWS-Forum 2 5 ( 2 0 0 4 ) , S 1, 14; Vetter ZIP 2 0 0 3 , 6 0 1 , 6 0 4 ; Hoffmann N Z G 2 0 0 2 , 68, 70.

163

Richtig ist zwar, dass in der Ausgestaltung des Verfahrens über die Bildung anderer Gewinnrücklagen bereits ein Schutz der Gläubiger liegt (siehe § 5 8 Abs 2 und §§ 174 Abs 1 S 2 iVm 172 S 1), jedoch kann sich auch dieses System als lückenhaft erweisen, so dass in ähnlicher Weise eine Ausfüllungsbedürftigkeit entsteht, wie das im Recht der G m b H oberhalb der durch § 3 0 Abs 1 G m b H G gezogenen Mindestgrenze der Fall ist. In der Situation einer Einmann-AG (gleichbedeutend: einvernehmlich handelnde Aktionärsgesamtheit) ist insofern insbesondere an folgende Szenarien zu denken: (1.) Der Alleinaktionär kann nach ξ 173 vorgehen, weil entweder ein ent-

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sprechender Beschluss von Vorstand und AR vorliegt oder der A R den Jahresabschluss nicht gebilligt hat; oder: (2.) Der Alleinaktionär ist zugleich Alleinvorstand und handelt im Zusammenwirken mit „seinem" AR, wodurch die Bildung anderer Rücklagen von Vornherein auf den gewünschten HV-Beschluss zugeschnitten wird; oder: (3.) Der Alleinaktionär macht seinen tatsächlichen Einfluss auf die von ihm gewählten AR-Mitglieder und den durch diese ins Amt gelangten Vorstand in einer Weise geltend, durch die es faktisch zur Außerkraftsetzung der unabhängigen Leitungsbefugnis des Vorstandes und mithin auch des § 174 Abs 1 S 2 kommt, so dass Vorstand und A R den Jahresabschluss entsprechend den Wünschen des Alleinaktionärs aufstellen oder nach § 173 vorgehen. 170

171

Gegen den B G H unzutreffend aA O L G Karlsruhe Z I P 2 0 0 3 , 2 0 8 2 (unter Verweis auf O L G Karlsruhe O L G R 1997, 79, 82). Zutreffend Drygala G m b H R 2 0 0 3 , 7 2 9 , 731; richtige Deutung auch bei Schön Z H R 168 ( 2 0 0 4 ) , 2 6 8 , 2 7 4 .

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Für die AG vgl O L G H a m m N J W 1987,

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B G H Z 149, 10.

1030 = AG 1987, 38 m Anm H-J Mertens.

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Cahn ZIP 2001, 2159, 2160; Eberl-Borges

W M 2 0 0 3 , 105; aA (zutreffend) Hüffer6 Rdn 2 6 , § 3 0 2 Rdn 9, § 311 Rdn 11.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 1

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

Schrifttum zum Teil die Ansicht vertreten, neben der Fortgeltung dieser Haftungsfigur sei die Rechtsprechung zum Existenz vernichtenden Eingriff für die A G nicht anzuwend e n . 1 7 5 Soweit sich diese Ansicht auf den konzeptionellen Unterschied stützt, eine G m b H sei grundsätzlich offen für kompensationslose Nachteilszufügungen durch ihre Gesellschafter, während für die AG, selbst wenn es sich um eine Einmann-Gesellschaft handelt, die § § 311 ff Geltung beanspruchen, 1 7 6 vermag dies - wenngleich im Ausgangspunkt zutreffend 1 7 7 - zur Verneinung der Möglichkeit einer Übertragung des Durchgriffskonz e p t s 1 7 8 ins Aktienrecht deshalb kaum zu überzeugen, weil die §§ 3 1 1 - 3 1 8 den gebotenen Gläubigerschutz nicht immer hinreichend zu gewährleisten v e r m ö g e n . 1 7 9 Zieht m a n aus der neuen Rechtsprechung des B G H 1 8 0 den Schluss, dass auch für den faktischen Aktienkonzern, gleichviel ob er „qualifizierter" N a t u r ist, eine Anlehnung an das Vertragskonzernrecht nicht mehr zugunsten der Gläubiger in Betracht k o m m t , 1 8 1 so m a g es zwar durch die bisherige Rechtsprechung nicht bereits vorgezeichnet sein, die zum Recht der G m b H aufgestellten Grundsätze des B G H zum Existenz vernichtenden Eingriff ins Aktienrecht zu übertragen, 1 8 2 ausgeschlossen ist die Übertragung aber keineswegs. 1 8 3

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Emmerich/Habersack Aktien- und GmbHKonzernR 3 (2003), Anh § 317 Rdn 5, 7. Diese Beibehaltung der Außenhaftung analog § 303 eröffnet freilich im Vergleich zu dem neuen Durchgriffskonzept eine - zugegeben: für die AG praktisch wohl seltene Lücke, da die entsprechende Anwendung der Vorschriften des Vertragskonzerns für die Verantwortlichkeit des Herrschenden dessen Eigenschaft als „Unternehmen" im konzernrechtlichen Sinn voraussetzt; unter dem Aspekt der richterrechtlichen Durchgriffshaftung ist die Unternehmenseigenschaft des Eingreifenden hingegen irrelevant (Koppensteiner FS Honsell [2002], S 607, 609; Röhricht in: Henze/Hoffmann-Becking, GesR 2003, RWS-Forum 25 [2004], S 1, 14 f und Ihrig ebd, S 27, 39; Hüffer6 § 1 Rdn 24). Gegen die Beibehaltung der analogen Anwendung der §§ 302 f auf eine jenseits eines Unternehmensvertrages beherrschte AG spricht ferner die Konturlosigkeit der Figur des „qualifiziert-faktischen" Konzerns; ähnlich Hüffer6 § 1 Rdn 26. Vorausgesetzt der Aktionär ist „Unternehmen" iSd § § 1 5 ff, dann aber unstreitig; Brändel in: Großkomm 4 § 1 Rdn 148. Vgl schon Röhricht VGR 5 (2002), S 3 , 1 3 f. BGHZ 150, 61; 151, 181; weitere Nachw zur Literatur oben in Fn 162. Gl Ansicht Hüffer6 § 1 Rdn 25. - Unter der Prämisse, dass der zu Lasten einer beherrschten AG bestehende Zustand einer qualifiziert-faktischen Konzernierung rechtswidrig ist, darf zwar rechtlich der Vorstand

der abhängigen AG diese Lage nicht herbeiführen bzw muss sich hiergegen wehren (und bleibt mangels Beherrschungsvertrages weiterhin zu weisungsunabhängigem Handeln verpflichtet, vgl §§ 76 Abs 1, 308; Kort in: Großkomm 4 § 76 Rdn 145), das darf indessen nicht zu der Annahme verleiten, dass tatsächlich der Allein- oder Mehrheitsaktionär nicht dennoch seine - ggf die Existenz der AG bedrohenden - Interessen durchzusetzen vermag. Ob dann eine Haftung der Leitungsorgane, die im Rahmen der rechtswidrigen Konzernlage ihre Pflichten verletzt haben, als genügendes Gläubigerschutzinstrument zu empfinden ist, erscheint fraglich. 180 181 182

183

BGHZ 149, 10. So zu Recht Hüffer6 § 1 Rdn 26. Offen gelassen von Röhricht bei Grahn VGR 5 (2002), S 39, 43. Übertragung ausdrücklich befürwortend Hüffer6 § 1 Rdn 25, § 302 Rdn 9, § 311 Rdn 11; Liebscher in: BeckHdbAG (2004), § 14 Rdn 97 aE; aA Ehricke in: Großkomm 4 § 42 Rdn 11, 35 aE, der dieses Haftungskonzept aus grundsätzlichen Erwägungen deshalb ablehnt, weil es zum einen nicht praktikabel sei und zum anderen einen über die Insolvenzverschleppungshaftung hinaus nicht gebotenen gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz gewähre, was dafür spreche, die zur GmbH ergangene Rechtsprechung nicht noch weiter dadurch auszudehnen, dass man sie auf die AG überträgt.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Treuepflicht

Anh § 53 a

7. Exkurs: Verwaltungsorgane Auch Vorstand und Aufsichtsrat unterliegen kraft ihrer Organstellung besonderen 51 Treuepflichten in der Gesellschaft.184 Diese Treuepflicht kann naturgemäß nicht in einer Mitgliedschaft wurzeln, sondern wird mit der Organbestellung rechtsgeschäftlich begründet.185 Diese organschaftliche Treuepflicht, die nach hM aus der besonderen Macht der Organe zur Verfügung über fremde Vermögensinteressen abzuleiten ist, geht in Umfang und Intensität über den (Mindest-)Standard des § 242 BGB hinaus. 186

IV. Inhalt und Funktion der Treuepflicht 1. Präzisierung und Formulierung der Generalklausel Näher umschrieben stellt sich die mitgliedschaftliche Treubindung ihrem hauptsäch- 5 2 liehen Inhalt nach als Verpflichtung dar, in allen gesellschaftlichen Belangen auf das wohlverstandene Unternehmensinteresse der Gesellschaft sowie auf die gesellschaftsbezogenen Belange der Aktionäre angemessen Rücksicht zu nehmen. 187 Das gilt zunächst für jeden Aktionär im Verhältnis zu der Gesellschaft, an der er beteiligt ist, und zu den Mitaktionären (Rdn 27). Infolge der Gegenseitigkeitsnatur der Treuepflicht besteht indessen auch umgekehrt für die Gesellschaft die Verpflichtung, ihren Aktionären die sachgemäße Wahrnehmung der mitgliedschaftlichen Rechte zu ermöglichen und deren willkürliche Beeinträchtigung zu unterlassen (Rdn 87). 1 8 8 Der Wirkungsbereich mitgliedschaftlicher Treuepflichten ist dabei außerordentlich vielgestaltig.189 Der Maßstab, anhand dessen die Treuwidrigkeit eines Verhaltens von Aktionären zu 5 3 beurteilen ist, richtet sich nach der Art des auszuübenden Rechtes: Die Einteilung kann sich daran orientieren (str) 190 , ob der Aktionär eine eigennützige oder uneigennützige

184

Dazu Hopt in: Großkomm 4 § 93 Rdn 144 ff mwN; Fleischer W M 2003, 1045 ff; Hüffer6 § 84 Rdn 9, § 116 Rdn 4; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 21 Rdn 12 und § 25 Rdn 8; Möllers in: Hdb CorpGovernance (2003), S 4 0 5 ff; ders N Z G 2003, 697; Hefermehl/Spindler in: MünchKomm 2 § 76 Rdn 14, § 84 Rdn 4 6 , 77; Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen (1999), § 3 II 2, S 62 ff.

185

Gegenüberstellung der Wesensverschiedenheit von organschaftlicher und mitgliedschaftlicher Treuepflicht bei Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 514 f. Zu Details siehe Nachw wie Fußn 184. Der sachliche Kern der Treuepflicht ist insofern bereits zutreffend umschrieben in RGZ 132, 149, 163 [„Victoria"], wo zudem auch schon angesprochen ist, dass Maßnahmen, die zur Beeinträchtigung von Rechten der Minderheit führen, darauf zu prüfen sind, ob der gleiche Erfolg nicht ebenso mit einem insoweit schonenderen Mittel erreicht werden kann.

186 187

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BGHZ 127, 107, 111 [„BMW"] = ZIP 1994, 1597, dazu EWiR 1995, 13 (Hirte) = WuB II A § 130 AktG 1.95 (Dilger). 189 vgl nur Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen (1999), § 4, S 69 ff. 1 9 0 Wie hier die überwiegende Meinung (siehe Nachw in Fn 191; abl hingegen Röhricht in: Hdb CorpGovernance [2003], S 513, 536 f). Es ist zwar zuzugeben, dass die - sogleich folgende - Unterteilung in eigen- und uneigennützige Mitgliedschaftsrechte ursprünglich aus dem Recht der Personengesellschaften stammt (zurückgehend auf 188

A Hueck FS Hübner [1935], S 72, 80 ff). Das schließt jedoch nicht aus, diesen Ausgangspunkt auch für die Kapitalgesellschaften dafür zu wählen, um Leitlinien für das Maß der Treubindung zu entwickeln. Selbst falls sich, was richtig sein mag (vgl Rdn 54), eine Klassifizierung des einzelnen Rechts nicht immer stringent treffen lässt bzw infolge einer praktischen Verquickung von Verbands- und Eigeninteressen Gemengelagen denkbar sind (deshalb grundsätzlich

Hartwig Henze/Richard L. Notz

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

mitgliedschaftliche Befugnis durchsetzt: 191 Wo das Gesetz ihm eine mitgliedschaftliche Rechtsposition nicht primär zum eigenen Nutzen einräumt, muss der Aktionär die Geltendmachung dieses Rechts am Gesellschaftsinteresse ausrichten. Auf der Grundlage uneigennütziger Rechte nimmt der Aktionär Handlungen vor, die der Verfolgung des Gesellschaftszweckes dienen, so dass dem Interesse der Gesellschaft Vorrang vor einem Individualinteresse des Aktionärs gebührt. 1 9 2 An den Eigeninteressen von Aktionären darf sich die Ausübung uneigennütziger Mitgliedschaftsrechte nur insoweit ausrichten, als die Belange der Gesellschaft dadurch keine Beeinträchtigung erfahren. Übt der Aktionär ein eigennütziges Recht aus, besteht nicht die Notwendigkeit zur Unterordnung unter das Gesellschaftsinteresse. Seinem Verhalten sind aber dadurch Grenzen gesetzt, dass seine Entscheidungen die Gesellschaft bzw die Mitaktionäre nicht benachteiligen und in das Gesellschaftsschicksal bzw die Mitgliedschaft der anderen Aktionäre nicht willkürlich oder in unverhältnismäßiger Weise bzw unverhältnismäßigem Umfang eingreifen. Vielmehr muss er im zumutbaren Rahmen Rücksicht nehmen. Zu den Verhaltensmaximen gehört hierbei auch die Wahl des schonendsten Mittels. Zu den eigennützigen Mitgliedschaftsrechten zählen zB das Informationsrecht (§§ 131, 293g Abs 3) 1 9 3 , das Teilnahme- und Rederecht in der Hauptversammlung (S 118 Abs 1), die Vermögensrechte (§§ 58 Abs 4, 186, 221 Abs 4, 271) 1 9 4 sowie die individuellen Kontrollrechte 195 . Zu den uneigennützigen Mitgliedschaftsrechten wird bisweilen ohne weiteres das Stimmrecht gerechnet. 196 Diese einseitige Sicht ist zweifelhaft. 1 9 7 Richtigerweise ist für die Entscheidung, ob das Stimmrecht als eines der wichtigsten der Treubindung unterliegenden mitgliedschaftlichen Befugnisse eigen- oder uneigennützig auszuüben und welchem Treumaßstab es mithin zu unterwerfen ist, zu differenzieren. Die Einordnung hängt vom Beschlussgegenstand im Einzelfall ab, nämlich davon, ob die Beschlusssache den Gesellschaftszweck berührt oder nicht. 198 Der Gewinn-

191

192

ablehnend Röhricht aaO und kritisch auch Windblichler in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, RWS-Forum 8 [1996], S 23, 26), schließt das nicht aus, die genannte Einteilung als Orientierungssystem zu begreifen, wobei es weder um die Behauptung der Eindeutigkeit noch um inhaltlichen Schematismus geht. Vgl Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 5, 15, 17 f; MarschBarner Z H R 157 (1993), S 172, 175; Zöllner Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S 344 ff; M Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S 121 ff; Ulmer FS Möhring (1975), S 295, 300 f; Heme in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, RWS-Forum 8 (1996), S 1, 12 f sowie ders BB 1996, 489, 492 ff; auch Hachenburg/Kaiser G m b H G 8 § 14 Rdn 55; vgl außerdem Mülbert in: G r o ß k o m m 4 Vor § 118 Rdn 232; ferner Lutter AcP 180 (1980), 84, 116. Vgl neben vorstehenden Nachw bereits bei Fechner Treubindungen des Aktionärs (1942), S 78.

193 194

195

196 197

198

Kubis in: MünchKomm 2 § 131 Rdn 4. Mülbert in: G r o ß k o m m 4 Vor S 118 Rdn 234. Das Anfechtungsrecht (§§ 243, 245 Nr 1-3) ist im Grundsatz ein eigennütziges Recht; es hat aber auch Fremdnützigkeitscharakter, weil die Beschlüsse der HV einer Rechtmäßigkeitskontrolle unterzogen werden und das der Klage stattgebende Urteil einen Beschluss inter omnes vernichtet (§ 248 Abs 1 S 1). Etwa Hüffer6 § 53 a Rdn 16. Besonders deutlich Röhricht in: H d b CorpGovernance (2003), S 513, 536; siehe auch Kunze Positive Stimmpflichten (2004), S 63, 124 f. Dazu schon Henze BB 1996, 489, 492 f mwN; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 6; vgl auch Mülbert in: G r o ß k o m m 4 Vor § 118 Rdn 233 f; siehe im Übrigen genauso bereits A Hueck FS Hübner (1935), S 72, 89 f, auf den die - wenngleich dort für das Personengesellschaftsrecht getroffene - Unterscheidung in eigen- und uneigennützige Mitglied-

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Treuepflicht

Anh § 53 a

Verwendungsbeschluss (§ 174) berührt das Verbandsinteresse, falls Maßnahmen nach § 58 Abs 3 vorgesehen sind, anderenfalls nicht. 199 Nicht an eigennützigen Motiven, sondern am Gesellschaftsinteresse hat der Aktionär sein Stimmverhalten bei einem Beschluss auszurichten, der auf Verlangen des Vorstandes nach § 119 Abs 2 eine Geschäftsführungsangelegenheit betrifft; 2 0 0 das gilt ebenso für einen Hauptversammlungsbeschluss, mit dem auf Verlangen des Vorstandes über die Durchführung eines Geschäftes entschieden wird, das unter dem Vorbehalt des § 111 Abs 4 S 2 steht und dessen Ausführung der Aufsichtsrat nicht zugestimmt hat. Handelt es sich bei dem Beschlussgegenstand um eine umwandlungsrechtliche Strukturmaßnahme oder um eine Kapitalerhöhung bzw -herabsetzung, ohne dass ihre Vornahme einen Zusammenhang mit der Zweckverfolgung der Gesellschaft aufweist, darf der Aktionär sein Stimmverhalten an eigennützigen Interessen orientieren. Das Recht, eigennützig abzustimmen, ist ferner für einen Auflösungs- oder Verschmelzungsbeschluss anzunehmen. Eine Formulierung, mit der die Generalklausel der Treuepflicht in Worte gekleidet 5 5 wird, könnte wie folgt lauten: 2 0 1 - (1) Die Aktionäre sind verpflichtet, in Ausübung ihrer im Gesellschaftsinteresse begründeten mitgliedschaftlichen Befugnisse diejenigen Handlungen vorzunehmen, die der Förderung des Gesellschaftszwecks dienen; Maßnahmen, die dem Gesellschaftszweck zuwiderlaufen, sind zu unterlassen. -

(2) Bei der Ausübung eigennütziger Mitgliedsrechte sind die Schranken einzuhalten, die sich aus dem Verbot einer willkürlichen oder unverhältnismäßigen Rechtsausübung ergeben; auf die mitgliedschaftlichen Interessen der anderen Aktionäre ist angemessen Rücksicht zu nehmen.

-

(3) Die Gesellschaft muss ihren Aktionären die ungehinderte Ausübung der mitgliedschaftlichen Rechte ermöglichen und deren Beeinträchtigung unterlassen; sie darf ein interessengerechtes Anliegen eines Aktionärs nur zurückweisen, falls die Ablehnung sachlich gerechtfertigt ist.

Rechtsvergleichend ist festzustellen, dass sich abweichend von der deutschen Ge- 5 6 setzeslage im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht eine Kodifizierung gesellschaftsrechtlicher Treubindungen findet. 2 0 2 Als ein Element der relations of partners to each other and to partnership203 ist die Treuepflicht für den US-amerikanischen Verbandstyp, der einer Personengesellschaft des deutschen Rechts vergleichbar ist, ausformuliert in dem in fast allen Einzelstaaten nahezu vollständig übernommenen UNIFORM PARTNERSHIP ACT (1997), SECTION 404 (general standards of partner's conduct):

199

200

201

schaftsrechte zur Bestimmung des Umfangs der Treubindung zurückgeht, dazu oben Rdn 53 mit Fn 190. Vgl auch Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (1993), S 79 f. Siehe schon Fechner Treubindungen des Aktionärs (1942), S 79; gl Ansicht für die GmbH Michalski GmbHG, Bd I (2002), § 13 Rdn 155; Hueck/Fastrich in: Baumbach/Hueck, G m b H G 1 7 § 13 Rdn 27. (1) und (2) in Anlehnung an Hüffer FS Steindorff (1990), S 59, 69. Zu (3) siehe auch unten Rdn 87 ff. Vgl außerdem bereits

(123)

A Hueck Der Treuegedanke im modernen Privatrecht (1947), S 15. 202 V g l a l l g e m e i n z u r Treuepflicht im USamerikanischen Gesellschaftsrecht bzw zu bestimmten Ausprägungen derselben in verschiedenen Gesellschaftstypen und Marktsituationen Jahnke Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (2003), § 3, S 105-150; Guntz Treubindungen (1997), §§ 1 - 4 , S 22-83; Merkt/Göthel US-amerikanisches GesR 2 (2004), 2. Teil, X 3, je mwN. 203

Amtliche Überschrift vor ARTICLE 4 des U.P.A. (1997).

Hartwig Henze/Richard L. Notz

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

(a) The only fiduciary duties a partner owes to the partnership and the other partners are the duty of loyalty and the duty of care set forth in subsections (b) and (c). (b) A partner's duty of loyalty to the partnership and the other partners is limited to the following: (1) to account to the partnership and hold as trustee for it any property, profit, or benefit derived by the partner in the conduct and winding up of the partnership business or derived from a use by the partner of partnership property, including the appropriation of a partnership opportunity; (2) to refrain from dealing with the partnership in the conduct or winding up of the partnership business as or on behalf of a party having an interest adverse to the partnership; and (3) to refrain from competing with the partnership in the conduct of the partnership business before the dissolution of the partnership. (c) A partner's duty of care to the partnership and the other partners in the conduct and winding up of the partnership business is limited to refraining from engaging in grossly negligent or reckless conduct, intentional misconduct, or a knowing violation of law. (d) A partner shall discharge the duties to the partnership and the other partners under this [Act] or under the partnership agreement and exercise any rights consistently with the obligation of good faith and fair dealing. (e) A partner does not violate a duty or obligation under this [Act] or under the partnership agreement merely because the partner's conduct furthers the partner's own interest. (f) A partner may lend money to and transact other business with the partnership, and as to each loan or transaction the rights and obligations of the partner are the same as those of a person who is not a partner, subject to other applicable law. (g) This section applies to a person winding up the partnership business as the personal or legal representative of the last surviving partner as if the person were a partner. 2. Schrankenfunktion der Treuepflicht durch Rücksichtnahmegebot a) Ausgangspunkt aa) Allgemein 57

In ihrer Ausprägung als Pflicht zur Rücksichtnahme zieht die Treuepflicht eine Grenze für die Aktionäre bei der Ausübung ihrer Rechte. Die Figur der Treuepflicht ist insoweit Instrument zur Einwirkungskontrolle. 2 0 4 Diese Schrankenfunktion wird sich in aller Regel nicht bei der Verfolgung der dem Vermögensbereich zuzuordnenden Rechte der Aktionäre aktualisieren, also nicht die Geltendmachung des Gewinnrechts (§ 5 8 Abs 4), des Bezugsrechts (§§ 186, 2 2 1 Abs 4) oder des Rechtes auf Teilhabe am Liquidationsüberschuss (§ 2 7 1 ) begrenzen. Primär wirken sich Treubindungen in der Funktion der Einwirkungskontrolle auf die Ausübung von Mitverwaltungsrechten, vor allem des Stimmrechtes in der Hauptversammlung aus. bb) Insbesondere: Treubindung des Stimmrechts

58

Im Hinblick auf die Ausübung des Stimmrechts kann eine angemessene Abwägung der berechtigten Interessen der Gesellschaft und/oder der Mitaktionäre erforderlich sein. Den nach Abwägung im Einzelfall 2 0 5 als maßgebend anzusehenden Interessen kann auch

BGHZ 129, 136, 143 f [„Girmes/Effectenspiegel"]; Hiiffer6 § 53a Rdn 17; vgl dazu ferner Lutter AcP 180 (1980), 84, 124; ders ZHR 162 (1998), 164, 167. 205 Verallgemeinerungen sind hier nicht am Platze, vgl dazu ülmer Richterrechtliche

204

Entwicklungen im Gesellschaftsrecht (1986), S 53 und R Fischer FS Kunze (1969), S 95, 97. - Zur möglichen Methodik in der Interessenabwägung Kunze Positive Stimmpflichten (2004), S 152 ff.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Treuepflicht

Anh § 53 a

für dissentierende Aktionäre ein bindender Vorrang zukommen, so dass sich ihr abweichendes Stimmverhalten als rücksichtslos darstellt. Da grundsätzlich aber das Recht zur freien Ausübung des Stimmrechts gilt, wird eine Präjudizierung des Stimmrechts nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. In diesem Sinne folgt aus der Treuepflicht der Aktionäre eine Einschränkung der Stimmrechtsausübung insbesondere dann, wenn es nur eine einzige Entscheidung gibt, die dem Wohl der Gesellschaft dient, während jede abweichende Entscheidung zur Folge hat, dass der Gesellschaft ein erheblicher Schaden zugefügt oder der Verbandszweck gefährdet wird. 2 0 6 Diese Pflicht, in bestimmter Weise abzustimmen, 207 kann zB anzunehmen sein, wenn die Gesellschaft in eine Krise geraten ist und ein für das Überleben der Gesellschaft unverzichtbares Sanierungskonzept zur Abstimmung steht, dessen Durchführung die Verfolgung des Gesellschaftszwecks nach objektiver Einschätzung nachhaltig sicherstellt und bei dessen Scheitern die Stellung des einzelnen Aktionärs schlechter ist als bei seinem Austritt aus der fortbestehenden Gesellschaft (Rdn 110 ff). 2 0 8 Ferner besteht eine solche Stimmpflicht, wenn zur Heilung von (Gründungs-) Mängeln eine Satzungsänderung beschlossen werden soll (vgl § 276), um damit nunmehr tatsächlich ein Ziel zu erreichen, das die Gesellschafter übereinstimmend anzustreben begonnen haben (siehe beispielsweise Rdn 86). 2 0 9 In Betracht kommen außerdem Fälle, in denen eine Satzungsänderung als innergesellschaftliche Anpassung auf eine veränderte Rechtslage (Gesetzesänderung) für den Fortbestand der Gesellschaft (oder dafür, unverhältnismäßige Schäden von ihr abzuwenden) unverzichtbar ist; 210 desgleichen, wenn grundlegend gewandelte wirtschaftliche Rahmenbedingungen (Änderung der Sachlage) eine im Verbandsinteresse liegende und den Aktionären zumutbare Satzungsänderung (oder gar Strukturänderung) 211 dringend notwendig machen. 212 Hingewiesen worden ist zudem auf die Konstellation, dass

206

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209

OLG Stuttgart ZIP 2003, 2024, 2027 = AG 2003, 588, 590; Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 540. Vgl zudem Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (1993), S 88 ff, dessen Unterscheidung in belastende und nichtbelastende Beschlüsse aber abgelehnt wird von Kunze Positive Stimmpflichten (2004), S 147 f. Wenn es nicht zudem um die Erreichung eines gewissen Anwesenheitsquorums oder Stimmquorums im Verhältnis zum vorhandenen Kapital geht (vgl dazu Vor § 53 a Rdn 35), muss diese „positive Stimmpflicht" nicht bedeuten, dass der Beschlussvorlage ausdrücklich zuzustimmen ist, sondern die Treuepflicht wird dann in aller Regel schon durch Stimmenthaltung gewahrt; die durch die Treuepflicht vorgegebene Richtung der Stimmrechtsausübung lautet dann: Gegenstimmen sind verboten. BGHZ 129, 136, 153 [„Girmes/Effektenspiegel"]; dazu Kunze Positive Stimmpflichten (2004), S 179 ff und siehe Nachw unten in Fn 354, 356. Vgl Brändel in: Großkomm 4 § 1 Rdn 88; Guntz Treubindungen von Minderheits-

(125)

210

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212

aktionären (1997), S 191; Kunze Positive Stimmpflichten (2004), S 173. Vgl zur GmbH grundlegend BGHZ 98, 276, 279 f. Die Maßgaben dieser Entscheidung sind auf die AG übertragbar, siehe Lutter ZHR 153 (1989), 446, 468 Fn 134; MarschBarner Z H R 157 (1993), 172, 179; Hüffer6 § 179 Rdn 30; Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 542; Jilg Treuepflicht des Aktionärs (1996), S 88 f; Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären (1997), S 192 f. Nähere Erwägungen dazu bei Kunze Positive Stimmpflichten (2004), S 198 ff mwN. Vgl auch Wiedemann in: Großkomm 4 § 179 Rdn 157; Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 542; Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären (1997), S 197 f; Kunze Positive Stimmpflichten (2004), S 175 ff; Η Ρ Westermann FS Hefermehl (1976), S 255 ff; aA Kollhosser FS H Westermann (1974), S 275, 277 ff und ders FS Bärmann (1975), S 533 ff; Reuter ZHR 148 (1984), 523, 542; Vogel Gesellschafterbeschlüsse 2 (1986), S 89 [gegen diese abw Meinungen siehe insbesondere

Hartwig Henze/Richard L. N o t z

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

die Hauptversammlung kraft der Treuepflicht der Aktionäre gehalten sein kann, den Unternehmensgegenstand (§ 2 3 Abs 3 N r 2 ) 2 1 3 durch eine Satzungsänderung zu erweitern und dadurch eine geschäftsleitende Tätigkeit des Vorstandes auf ein festes rechtliches Fundament zu stellen, wenn sich der Vorstand entweder aufgrund von Einzelermächtigungen der Hauptversammlung oder aufgrund seiner Annexkompetenz oder seiner kraft Natur der Sache oder Sachzusammenhangs bestehenden ergänzenden Leitungskompetenzen 2 1 4 immer weiter in ein Feld hineinbewegt hat, das dem eigentlichen Unternehmensgegenstand, wie ihn die Satzung derzeit formal umschreibt, bei isolierter Betrachtung zwar nicht entspricht, das aber bei teleologischer Betrachtung eng mit dem Satzungsgegenstand verknüpft ist und unter dem Eindruck aktuell herrschender M a r k t bedingungen mit Rücksicht auf eine nachhaltige Förderung des Unternehmensinteresses der weiteren, ggf intensiveren Bewirtschaftung bedarf, damit das Verbandsziel der im Wettbewerb stehenden Gesellschaft fortwährend erreicht werden k a n n . 2 1 5 Dem ähnlich ist die Überlegung, die Aktionäre aufgrund ihrer Treuepflicht dazu anzuhalten, dem Abschluss eines Unternehmensvertrages, durch den die AG eine G m b H beherrscht und deren Gewinne zu vereinnahmen berechtigt ist (§ 2 9 1 Abs 1 S 1), zuzustimmen (vgl § 2 9 3 Abs 2), wenn der Vorstand - im Rahmen seiner Kompetenzen 2 1 6 - einen Betriebsteil auf eine Tochter-GmbH ausgegliedert hat und eine durch die Blockade des Abschlusses des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags bewirkte Verhinderung der körperschaftsteuerlichen Organschaft dazu führt, dass der AG als Mutterunternehmen erhebliche Nachteile zugefügt werden. 2 1 7 Des Weiteren kann aus der Treuepflicht eine positive Stimmpflicht etwa dann gefolgert werden, wenn zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen, deren Voraussetzungen ganz eindeutig vorliegen, mit einer Beschlussfassung in der Hauptversammlung um die nach § 147 Abs 1 S 1 erforderliche Mehrheit nachgesucht wird. 2 1 8 Auch kommt - abhängig vom Einzelfall 2 1 9 - eine positive Stimmpflicht dann in Betracht, wenn die Aktionäre nach § 119 Abs 2 oder § 111 Abs 4 S 3 über eine geschäftsleitende Maßnahme abstimmen, deren Durchführung im Interesse der Gesellschaft dringend geboten und den Aktionären unter Berücksichtigung ihrer eigenen schützenswerten Belange zumutbar i s t ; 2 2 0 jedoch kann dann, wenn - wie das typischer-

Kunze a a O , S 1 7 0 ff und Η Ρ Westermann a a O ] ; aA für die AG auch A Hueck Z G R 1 9 7 2 , 237, 2 5 0 f, allerdings starr auf Grundlage der heute überholten Ansicht, in einer AG bestünden keine horizontalen Treuepflichten. 213

Z u r der den Machtradius des Vorstandes begrenzenden Funktion des statutarischen Unternehmensgegenstandes siehe Röhricht in: G r o ß k o m m 4 § 2 3 Rdn 8 3 ff, Habersack ebd, § 8 2 Rdn 2 3 ff und Wiedemann ebd, § 1 7 9 Rdn 5 8 ff; Hüffer6 § 2 3 Rdn 21, § 8 2 Rdn 9; Tieves Unternehmensgegenstand ( 1 9 9 8 ) , S 8 3 f, 1 6 8 f, 2 6 8 ff.

214

Zur diesbzgl Grenze im Verhältnis zur H V siehe in Fortführung von B G H Z 83, 1 2 2 , 134 f [„Holzmüller"] nunmehr BGH N J W 2 0 0 4 , 1 8 6 0 , 1 8 6 2 ff [„Gelatine"]; dazu Fleischer N J W 2 0 0 4 , 2 3 3 5 ; Altmeppen ZIP 2 0 0 4 , 9 9 9 ; Fuhrmann AG 2 0 0 4 , 3 3 9 ; Götze N Z G 2 0 0 4 , 5 8 5 ; Bungert BB 2 0 0 4 , 1 3 4 5 ; Goette DStR 2 0 0 4 , 9 2 7 ; Just E W i R 2 0 0 4 , 573.

217

Ausführlich Altmeppen DB 1 9 9 8 , 4 9 , 5 2 ff. Κ Schmidt in: G r o ß k o m m 4 § 2 4 3 Rdn 5 0 a E ; Röhricht in: Hdb CorpGovernance

218

( 2 0 0 3 ) , S 513, 5 4 2 . 215

Zutreffend Kunze Positive Stimmpflichten ( 2 0 0 4 ) , S 1 8 4 f gegen Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ( 1 9 9 3 ) , S 89.

220

Vgl O L G H a m m G m b H R 1 9 9 2 , 612, 613 (im konkreten Fall aber verneint, weil mangels hinreichend vorgetragener Existenzgefährdung der Gesellschaft nicht genügend erkennbar, dass Maßnahme dringend geboten).

Dazu Säcker FS Lukes ( 1 9 8 9 ) , S 5 4 7 , 5 5 0 f; Kunze Positive Stimmpflichten ( 2 0 0 4 ) , S 1 7 3 f; vgl auch Wiedemann in: G r o ß k o m m 4 § 1 7 9 Rdn 5 8 ff; ferner Tieves Unternehmensgegenstand ( 1 9 9 8 ) , S 2 8 1 ff.

215

216

Ausführlich Säcker FS Lukes ( 1 9 8 9 ) , S 547, 5 5 2 ff.

S t a n d : 1. 7. 2 0 0 4

(126)

Treuepflicht

Anh § 53 a

weise der Fall ist - die geschäftsleitende Entscheidung Prognosecharakter hat und in einer Einschätzung von Risikowahrscheinlichkeiten besteht sowie von Zweckmäßigkeitserwägungen geprägt ist, eine aus der Treuepflicht abzuleitende positive Stimmpflicht nur angenommen werden (und wird deshalb selten sein), wenn eindeutig ist, dass die Wahrscheinlichkeit der Realisierung des mit der beschriebenen Maßnahme angestrebten Ziels den Eintritt voraussehbarer Risiken erheblich überwiegt, 2 2 1 beispielsweise weil sich allein mit der Durchführung dieser konkreten Maßnahme die Ertragskraft der Gesellschaft wiederher- oder sicherstellen lässt. Und schließlich ist treupflichtbedingt eine positive Stimmpflicht in Personalentscheidungen der Hauptversammlung denkbar, wenn es bei der Beschlussfassung um die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern (§§ 103 Abs 1, 119 Abs 1 Nr 1) geht, in deren Person sich auf neutraler Beurteilungsgrundlage eklatante, für die Gesellschaft gefährliche Defizite zeigen, die ein Verbleiben dieser Organmitglieder im Amt schlechterdings unvertretbar erscheinen lassen. 2 2 2 Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass - ebenso wie die Treuepflicht das Ermessen ansonsten zuständigen Verwaltungsorgane der Gesellschaft reduzieren kann (Rdn 90 mit Rücksicht auf die Treuepflicht ein bestimmtes Stimmverhalten in der Frage der stimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien im Rahmen des § 68 Abs 2 Fall 2 geboten sein kann (Inhaltskontrolle des Hauptversammlungsbeschlusses). 2 2 3

der f) ZuS 3

60

Sowohl in den genannten (Rdn 59, 60) als auch in sonstigen sich ergebenden Konstellationen muss allerdings stets im Blick behalten werden, dass es um die Kontrollierbarkeit der Gefahr unverhältnismäßiger Durchsetzung von Partikularinteressen oder um die Verhinderung eines unvertretbaren, nachteiligen Eingriffs in die Mitgliedschaften geht. Die Treuepflicht darf nicht zu einem Einfallstor dafür werden, ganz allgemein das dem Typ einer Kapitalgesellschaft inhärente Prinzip auf den Kopf zu stellen, nach dem die Richtungsbestimmung im Wege von Mehrheitsbeschlüssen erfolgt. 2 2 4

61

221

Vgl M Winter

Mitgliedschaftliche Treubin-

dungen ( 1 9 8 8 ) , S 1 7 3 f; Kunze 222

Positive

S t i m m p f l i c h t e n ( 2 0 0 4 ) , S 1 8 5 ff.

in R G Z 6 8 , 2 3 5 [ „ H i b e r n i a " ] (dazu

Vgl Lutter Z H R 162 (1998), 164, 169;

Κ Schmidt

Kunze

m w N ) . A u c h im englischen company

Positive S t i m m p f l i c h t e n ( 2 0 0 4 ) ,

S 1 9 0 ; in diesem Sinne zur G m b H a u c h

223

G e s R 4 [ 2 0 0 2 ] , § 2 1 II 3 a, S 6 1 3 ff law

h a t sich die R e c h t s p r e c h u n g in der zweiten

B G H Z I P 1 9 9 1 , 2 3 , 2 4 und O L G H a m b u r g

H ä l f t e des 2 0 . J h d t v o n ihrer v o r m a l s k a t e -

Z I P 1 9 9 1 , 1 4 3 0 , 1 4 3 2 f: T r e u e p f l i c h t gebie-

g o r i s c h e n A u f f a s s u n g , die M e h r h e i t dürfe

tet, der A b b e r u f u n g eines G e s c h ä f t s f ü h r e r s

ihr S t i m m r e c h t u n e i n g e s c h r ä n k t eigennützig

z u z u s t i m m e n , w e n n d a f ü r ein wichtiger

g e b r a u c h e n (so n o c h in GREENHALGH V.

G r u n d vorliegt und m i t h i n das V e r b l e i b e n

ARDENE CINEMA LTD. (NO. 1) [ 1 9 4 6 ] 1 All

i m A m t u n z u m u t b a r ist, z B weil G e s c h ä f t s -

E. R . 5 1 2 ) , distanziert und sah es in späteren

führer K o m p e t e n z o r d n u n g der G e s e l l s c h a f t

E n t s c h e i d u n g e n als g e b o t e n a n , einen -

in s c h w e r w i e g e n d e r Weise m i s s a c h t e t hat.

r i c h t e r r e c h t l i c h e n - M i n d e r h e i t e n s c h u t z der-

Κ Schmidt

gestalt zu g e w ä h r e n , dass der M e h r h e i t s -

FS B e u s c h ( 1 9 9 3 ) , S 7 5 9 , 7 7 6 ;

ders in: Großkomm 4 $ 2 4 3 Rdn 50; gl A n s i c h t zur G m b H ausführlich Winter

Reichert/

FS 1 0 0 J a h r e G m b H G ( 1 9 9 2 ) ,

S 2 0 9 ff mwN; zur AG und GmbH Kunze Positive S t i m m p f l i c h t e n ( 2 0 0 4 ) , S 2 0 1 f. 224

M e h r h e i t s p r i n z i p als solches s c h r a n k e n l o s gilt, wie dies e h e m a l s a n g e n o m m e n w u r d e

Vgl dazu a u c h Röhricht

in: H d b C o r p -

G o v e r n a n c e ( 2 0 0 3 ) , S 5 1 3 , 5 3 3 ff;

Rott-

nauer N Z G 2001, 115, 120. - Andererseits ist n a c h heute gefestigter Ü b e r z e u g u n g eben nicht m e h r davon a u s z u g e h e n , dass das

(127)

gesellschafter sich i m Einzelfall mit R ü c k sicht a u f die M i n d e r h e i t bei seinem S t i m m v e r h a l t e n nicht allein von p e r s ö n lichen Interessen, s o n d e r n a u c h von der Ü b e r l e g u n g leiten lassen m u s s , o b das Beschlussergebnis im Interesse aller Anteilseigner liegt (Megarry,

J. in IN RE HOLDERS

INVESTMENT TRUST LTD. [ 1 9 7 1 ] 1 W. L. R . 5 8 3 , 5 8 8 ; siehe dazu Schmitthoff 1 9 7 8 , 4 4 7 , 4 5 0 ff).

H a r t w i g Henze/Richard L. N o t z

ZGR

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

b) Bindung aller Aktionäre 62

Das Verhalten jedes Aktionärs unterliegt den treupflichtbedingten Schranken. Die Höhe seines Anteils am Gesellschaftskapital spielt für diese Beurteilung im Grundsätzlichen keine R o l l e . 2 2 5 aa) Mehrheitsaktionär

63

Praktisch bedeutsam ist die Treubindung vor allem für Mehrheitsaktionäre zur Regulierung des Machtgefälles zwischen Mehrheit und Minderheit, um einen angemessenen Minderheitenschutz zu gewährleisten. 2 2 6 In dieser Hinsicht hat schon das R G sachlich zutreffend festgestellt: Aus der Befugnis, im Wege des Mehrheitsbeschlusses auch für die Minderheit zu beschließen und damit mittelbar über deren in der Gesellschaft gebundenes Vermögensrecht zu verfügen, ergibt sich die gesellschaftliche Pflicht der Mehrheit, im Rahmen des Gesamtinteresses auch den berechtigten Belangen der Minderheit Berücksichtigung angedeihen zu lassen und deren Rechte nicht über Gebühr zu verkürzen. 2 2 7 Beispielsfälle:

64

(1) Wird im Zuge einer Kapitalherabsetzung auf Null das Grundkapital der Gesellschaft erhöht, 2 2 8 gebietet es die Treuepflicht, das Entstehen unverhältnismäßig hoher Spitzen dadurch zu vermeiden, dass der Nennwert der neuen Aktien auf den gesetzlichen Mindestbetrag festgelegt und somit möglichst vielen Aktionären der Verbleib in der Gesellschaft ermöglicht w i r d . 2 2 9 In jedem Fall darf bei einer Ausgabe neu geschaffener Aktien deren Nennbetrag nicht allein mit dem Ziel festgelegt werden, dass gerade durch diese Höhe des Ausgabebetrages bestimmte Aktionäre zum Ausscheiden aus der Gesellschaft gezwungen werden oder hinnehmen müssen, dass ihre Beteiligung hinter eine für die Ausübung besonderer Minderheitsrechte maßgebliche Schwelle zurückgestuft w i r d . 2 3 0 Dem ähnlich ist unter dem Gesichtspunkt des Treuprinzips auch die Situation, dass ein Bezugsrechtsausschluss nicht die jungen Aktien für einen neuen Investor zugänglich machen soll, sondern zugunsten des Großaktionärs stattfindet, womit infolge des Verwässerungseffektes bestimmte Kleinaktionäre in Relation zu dem erhöhten Kapital nunmehr hinter eine für die Ausübung besonderer Minderheitsrechte maßgebliche Schwelle zurückgestuft sind. 2 3 1 Selbst Kritiker der - als Ausprägung der Treuepflicht zu verstehenden (Rdn 2 3 ) - materiellen Beschlusskontrolle plädieren insoweit weiterhin für einen strengen K o n t r o l l m a ß s t a b . 2 3 2

225

Siehe nur Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Vor § 5 3 a Rdn 2 1 ; Röhricht in: H d b CorpGovernance ( 2 0 0 3 ) , S 513, 5 2 4 , 5 4 0 , 5 4 3 ; Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären ( 1 9 9 7 ) , S 1 5 9 ff; zudem noch unten Rdn 71 ff m w N .

226

B G H Z 1 4 2 , 167, 1 6 9 f [„Hilgers"]; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Vor § 5 3 a Rdn 2 1 ; Röhricht in: H d b CorpGovernance ( 2 0 0 3 ) , S 513, 5 3 2 .

227

R G Z 132, 149, 1 5 9 ff, 1 6 3 [„Victoria"].

228

Z u r grundsätzlichen Zulässigkeit des Vorgangs B G H Z 119, 3 0 5 , 319 f [„Klöckner"]. B G H Z 1 4 2 , 1 6 7 („Hilgers"] mit kritischer Anm Krieger Z G R 2 0 0 0 , 8 8 5 , 9 0 2 ff; O L G

229

Dresden AG 2 0 0 1 , 4 8 9 ; dazu Natterer AG 2 0 0 1 , 6 2 9 ff. Siehe zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln auch Hirte in: Großk o m m 4 § 2 0 7 Rdn 131 iVm 113 f und dazu kritisch Vetter AG 2 0 0 0 , 193, 197, 2 0 6 . 230

Vetter AG 2 0 0 0 , 193, 195 ff, 2 0 2 ; vgl dazu auch Lutter U m w G 2 ( 2 0 0 0 ) , § 13 Rdn 3 9 ; vgl entsprechend zum Formwechsel einer KG B G H Z 85, 3 5 0 , 3 6 0 f; vgl ergänzend außerdem Lutter AcP 1 8 0 ( 1 9 8 0 ) , 8 4 , 116.

231

Vgl dazu Röhricht in: H d b CorpGovernance ( 2 0 0 3 ) , S 513, 5 3 8 . Bezzenberger ZIP 2 0 0 2 , 1917, 1 9 2 8 ff; vgl zudem auch Röhricht Z G R 1999, 4 4 5 , 4 7 3 .

232

S t a n d : 1. 7. 2 0 0 4

(128)

Treuepflicht

Anh § 53 a

(2) D e r G e d a n k e einer treupflichtbedingten Vermeidung von Spitzenbeträgen lässt

65

sich auch für die Abfindung im R a h m e n des § 3 0 5 Abs 1 und 3 fruchtbar m a c h e n : Werden die Umtauschaktien durch eine (bedingte) Kapitalerhöhung geschaffen, so lässt sich aus der Treuepflicht des anderen Vertragsteils eine Pflicht für ihn ableiten, noch vor dem R ü c k g r i f f auf § 3 0 5 Abs 3 S 1 letzt H S die Stückelung - sofern dies z u m u t b a r ist - m ö g lichst so zu wählen, dass Spitzen vermieden w e r d e n . 2 3 3 Ebenso wird m a n aus der Treuepflicht folgern k ö n n e n , dass im R a h m e n einer Verschmelzung der M e h r h e i t s a k t i o n ä r der übertragenden Gesellschaft durch die Z u s t i m m u n g zu dem Verschmelzungsvertrag seine Treuepflicht gegenüber seinen M i t a k t i o n ä r e n nicht w a h r t , wenn der Vertrag keine für die Minderheitsgesellschafter optimale Stückelung der Umtauschaktien vorsieht, o b w o h l der Mehrheitsgesellschafter Einfluss auf die Festsetzungen des Nennbetrages der bei der übernehmenden Gesellschaft zu schaffenden Umtauschaktien hätte nehmen k ö n n e n , dies aber unterlassen h a t . 2 3 4 (3) Des Weiteren ist es beispielsweise nicht zu billigen, dass der H a u p t a k t i o n ä r offenbar o h n e im Gesellschaftsinteresse liegenden Sachgrund, sondern primär motiviert durch persönliche Interessen, unter N u t z b a r m a c h u n g seines Einflusses eine Beschlussfassung über den Vertrauensentzug gegen die Vorstandsmitglieder unter gleichzeitiger Abberufung von Aufsichtsräten herbeiführt, verbunden mit der Wahl neuer Aufsichtsräte, um so eine Neubesetzung des Vorstandes zu erreichen, dessen Mitglieder dann geneigt sind, eine berechtigte Verweigerungshaltung des amtierenden Vorstandes nicht m e h r aufrecht zu erhalten, sondern sich dem H a u p t a k t i o n ä r ergeben zeigen im Hinblick auf die D u r c h setzung seiner eigenen Ziele, bei deren Verwirklichung der Gesellschaft Schaden droht, was der H a u p t a k t i o n ä r jedoch in K a u f n i m m t . 2 3 5

66

(4) M i t der mitgliedschaftlichen Treubindung des M e h r h e i t s a k t i o n ä r s steht es in Widerspruch, wenn er durch Hauptversammlungsbeschluss dem Vorstand bzw Aufsichtsrat Entlastung erteilt (§ 1 2 0 ) , o b w o h l das betreffende O r g a n durch das Verhalten,

67

das Gegenstand des Entlastungsbeschlusses ist, eindeutig und schwerwiegend gegen das Gesetz oder die Satzung verstoßen hat; solch ein Entlastungsbeschluss ist daher anfechtb a r . 2 3 é E b e n s o wird m a n eine Verletzung der Treuepflicht des M e h r h e i t s a k t i o n ä r s darin sehen müssen, dass er die (Wieder-)Wahl einer Person in die Verwaltungsgremien der Gesellschaft bewirkt, o b w o h l für dieses designierte Organmitglied feststeht, dass es sich einen eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß zu Schulden hat kommen lassen.237 (5) Strebt der M e h r h e i t s a k t i o n ä r eine Umstrukturierung der Gesellschaft an, indem er seine Beteiligung auf eine von ihm gegründete und sodann der Gesellschaft strategisch vorzuschaltende Holding durch Übertragung seiner Anteile auslagert, 2 3 8 so verflüchtigt sich die operative Leitungskoordination aus der Einflusssphäre der übrigen Gesellschafter: Es k a n n dadurch eine Beeinträchtigung ihrer Mitwirkungsbefugnisse e i n t r e t e n . 2 3 9

233

LG Berlin AG 1996, 230, 232 [„Brau & Brunnen"]; Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-KonzernR 3 (2003), § 305 Rdn 77 aE; Henze KonzernR (2001), Rdn 401; Krieger in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 70 Rdn 102; Bilda in: MünchKomm 2 § 305 Rdn 90 f; aA Vetter AG 2000, 193, 200 f.

234

Vetter AG 2000, 193, 198 f, 2 0 2 f; Winter in: Lutter, UmwG 2 (2000), § 51 Rdn 21.

(129)

KG ZIP 2003, 1042, 1046 f [„E.ON/Ruhrgas"]. 2 3 6 Vgl BGHZ 153, 47, 51 = ZIP 2003, 387, 388. 2 3 7 Gl Ansicht Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 533. 2 3 8 Dazu Rottnauer NZG 2001, 115, 118. 239 Vgl auch die strukturändernde Konstellation bei BGHZ 82, 188, 191 f [„Hoesch/Hoogovens"]. 235

Hartwig Henze/Richard L. Notz

68

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

Sofern hier infolge der faktischen Eingriffsintensität der Gedanke der Holzmüller-Dokt r i n 2 4 0 zum Zuge kommen könnte, gewährt dies keinen Schutz, da die Anteilsübertragung keine Aktivität der Geschäftsleitung ist, sondern durch den (oder die) Inhaber der Anteilsmehrheit selbst erfolgt. Denkbar bleibt indessen, dass dem Vorhaben im Einzelfall durch die Treuepflicht Grenzen gesetzt sind. Es ist - freilich unter Berücksichtigung eines weiten Ermessensspielraums der Mehrheit (Rdn 98) - abzuwägen, inwieweit das geplante Unternehmenskonzept dem Gesellschaftsinteresse entspricht bzw sich die Berührung der Minderheitsrechte sachlich rechtfertigen lässt und ob, bei erheblicher Eingriffstiefe, für die Minderheit die Option eröffnet ist, ihre Anteile zu angemessenen Konditionen ebenfalls in die Holding einzubringen 2 4 1 (vgl zudem Rdn 124 f). 69

(6) Stimmt im Rahmen einer Umwandlungsmaßnahme der Mehrheitsgesellschafter einem Beschluss über die Ausgliederung zur Aufnahme zu, ohne dafür Sorge zu tragen, dass der Gesellschaft in Form der vom übernehmenden Rechtsträger gewährten Anteile ein angemessener Gegenwert für das übertragene Vermögen zukommt, kann darin ein Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht liegen. 2 4 2

70

(7) Kennt die Mehrheit bei der Beschlussfassung, durch die in der Hauptversammlung der Abschlussprüfer gewählt wird (§ 318 H G B ) , die Umstände, deretwegen sich die Besorgnis der Befangenheit des mit ihren Stimmen gewählten Abschlussprüfers rechtfertigt, so liegt in dem Abstimmungsverhalten eine Treuepflichtverletzung der Mehrheit gegenüber der Minderheit. 2 4 3 bb) Minderheitsaktionär

71

Allerdings nicht nur für Mehrheitsaktionäre bestehen die mitgliedschaftlichen Bindungen. Der Einwirkungskontrolle unterliegt auch der Minderheitsaktionär. 2 4 4 Praktisch

240

Auf richterlicher Rechtsfortbildung beruhende ungeschriebene Mitwirkungskompetenz der HV, siehe BGHZ 83, 122, 134 f [„Holzmüller"] und BGH NJW 2 0 0 4 , 1860, 1862 ff [„Gelatine"] (dazu Fleischer NJW 2 0 0 4 , 2335; Altmeppen ZIP 2 0 0 4 , 999; Fuhrmann AG 2 0 0 4 , 339; Götze N Z G 2 0 0 4 , 585; Bungert BB 2004, 1345; Goette DStR 2 0 0 4 , 927; Just EWiR 2 0 0 4 , 573). Vgl auch Hüffer6 § 119 Rdn 16 ff mwN; Kubis in: MünchKomm 2 § 119 Rdn 31-48; Mülbert in: Großkomm 4 § 119 Rdn 18-24, 48;

gewähren will Lutter (vgl J Z 1976, 225, 231 f; Z H R 153 [1989], 4 4 6 , 459), was aber zu einem regelmäßigen Partizipationsrecht zu führen droht, das sich aus der Treuepflicht so nicht ableiten lässt (dennoch der Auffassung Lutters zuneigend Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten [1996], S 330 ff; vgl gegen Lutter und insoweit ähnlich der hier getroffenen Wertung K-P Martens in: Κ Schmidt, Rechtsdogmatik und Rechtspolitik [1990], S 251, 263 ff). 242

Wiedemann ebd, § 179 Rdn 66 ff; Reichert

in: BeckHdbAG (2004), § 5 Rdn 27 ff; Emmerich/Habersack Aktien- und GmbHKonzernR 3 (2003), Vor § 311 Rdn 3 3 - 4 9 ; Hefermehl/Spindler in: MünchKomm 2 § 76 Rdn 31 ff; Henze FS Ulmer (2003), S 211; vgl ferner Wahlers Konzernbildungskontrolle durch die HV der Obergesellschaft (1995). 241 Yg] _ ¡ m konkreten Fall eine Verletzung der Treuepflicht verneinend - OLG Stuttgart AG 2 0 0 0 , 2 2 9 [„Breuninger"; rkr] = N Z G 2 0 0 0 , 159 m Anm Rottnauer N Z G 2001, 115; wohl zu wenig Ermessensspielraum

243

244

Vgl OLG Stuttgart DB 2 0 0 4 , 749, 751 (nicht rkr; Rev BGH II Z R 40/04). BGHZ 153, 32, 43 f [„HypoVereinsbank"]. Siehe ergänzend ferner zur Treubindung der Gesellschaftermehrheit in der GmbH, einen Abschlussprüfer nicht ohne sachlichen Grund willkürlich durch einen anderen zu ersetzen, die Entscheidung BGH ZIP 1992, 1427, 1428 = AG 1992, 58, 59. Ganz hM seit BGHZ 129, 136, 142 ff [„Girmes/Effectenspiegel"]; davor ua bereits

Timm WM 1991, 481, 483; Steindorff FS

Rittner (1991), S 675, 686 ff; Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (1993), S 35;

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(130)

Treuepflicht

Anh § S3 a

bedeutsam ist dies vor allem, wenn er infolge des Überschreitens von Schwellenwerten in der Lage ist, durch Ausübung bestimmter Rechte auf die Geschicke der Gesellschaft bzw die mitgliedschaftlichen Positionen anderer, und zwar auch des Mehrheitsaktionärs, Einfluss zu nehmen. 245 Von der Treuepflicht des Minderheitsgesellschafters umfasst werden daher etwa die der Mitverwaltung und Kontrolle dienenden Rechte gemäß § 134 (Stimmrecht), § 126 (Antragsrecht), § 127 (Wahlvorschlagsrecht), §§ 131, 293g Abs 3 (Auskunftsrecht) 246 und §§ 241 ff (Klagerechte) sowie das Teilnahme- und Rederecht auf der Hauptversammlung (vgl § 118 Abs 1); ferner die quotalen Minderheitsrechte der §§ 122, 142 Abs 2, 147 Abs 1 und 260 Abs 1. Beispielsweise kommt in Betracht, die Ausübung des Rechtes auf Einberufung der Hauptversammlung (§ 122) als treuwidrig anzusehen, wenn der Aktionär damit ein nicht erreichbares Ziel verfolgt. 247 Besondere Relevanz erlangt die Treubindung von Minderheitsaktionären dort, wo Aktionäre durch eine ihnen zustehende Sperrminorität in die Lage versetzt werden, Blockadepolitik zu betreiben und dadurch zB die Fortsetzung der Gesellschaft erzwingen (vgl § 262 Abs 1 Nr 2; dazu Rdn 85) oder Satzungsänderungen (§ 179) verhindern können, wie sie namentlich für Kapitalmaßnahmen (§§ 182 ff, 202 ff, 222 ff) 2 4 8 oder die Begründung eines Unternehmensvertrages (§ 293 Abs l ) 2 4 9 nötig sind. Die Treuepflicht gebietet es zum einen, keine Beschlüsse herbeizuführen, die bestimmten Aktionären einseitige (Sonder-) Vorteile zu Lasten der Gesellschaft oder der Mitaktionäre verschaffen (bisweilen konkret geregelt durch die §§ 53 a, 243 Abs 2) oder in sonstiger Weise die Interessen der Mitgesellschafter unangemessen benachteiligen, zum anderen darf aber auch das Zustandekommen von Beschlüssen, die im Interesse der Gesellschaft oder der Mitaktionäre unbedingt erforderlich und allen Aktionären zumutbar sind, nicht eigensüchtig verhindert werden. 2 5 0 Eine Treuepflichtverletzung des Minderheitsaktionärs kann auch darin liegen, dass er bei der Beschlussfassung darüber, ob Aufsichtsratsmitglieder, die eindeutig und schwerwiegend gegen ihre organschaftlichen Pflichten verstoßen haben,

245

246 247

siehe außerdem Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 524, 540, 543; Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 2 0 IV 3, S 593; Beckerhoff Treupflichten bei der Stimmrechtsausübung (1996), S 48 ff, 57, 67. Übersicht zu den Minderheitsrechten bei Lehmann AG 1983, 113 ff. Ausführlich Geißler N Z G 2001, 538. OLG Hamburg N Z G 2003, 132, 133; vgl zur Treuepflicht im Zusammenhang mit § 122 auch KG ZIP 2003, 1042, 1045 ff = N Z G 2003, 441 (Antrag nach § 122 Abs 3 S 1 missbräuchlich, wenn das mit ihm durchzusetzende Begehren des § 122 Abs 2 einen Verstoß des Antragstellers gegen die Treuepflicht bedeuten würde, weil er bezweckt, in der HV sachlich offensichtlich nicht gerechtfertige Maßnahmen zu initiieren und mittelbar Ziele zu erstreben, die der Gesellschaft schädlich sein würden; zurückhaltender insofern Halberkamp/ Gierke N Z G 2004, 494, 498 f) und siehe im

(131)

248

249

250

Gegensatz hierzu LG Frankfurt/Main DB 2004, 300 = N Z G 2004, 339; ergänzend ferner Werner in: Großkomm 4 § 122 Rdn 32 ff. Vgl bzgl Treuepflicht der Minderheit hierzu den Fall BGHZ 129, 136, 142 ff [„Girmes/ Effectenspiegel"]. Vgl bzgl Treuepflicht der Minderheit hierzu die Überlegungen bei Altmeppen DB 1998, 49, 52 ff. Siehe zu dem für eine Sanierung nötigen Kapitalschnitt BGHZ 129, 136, 142 ff [„Girmes/Effectenspiegel"]; siehe außerdem die Untersuchung von Altmeppen DB 1998, 49, 52 ff zu der Frage, ob die Ausübung einer Sperrminorität gegen den nach § 293 Abs 2 notwendig zu fassenden Beschluss treuwidrig ist, wenn dadurch mit schädlichen Folgen für die Gesellschaft die Voraussetzung für eine körperschaftsteuerliche Organschaft mit einer Tochter-GmbH blockiert wird.

Hartwig Henze/Richard L. N o t z

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

abberufen werden sollen, durch obstruierendes Stimmverhalten bewirkt, dass die betreffenden Aufsichtsräte im Amt verbleiben. 2 5 1 73

Das Bestehen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ist indessen nicht an die Einflussposition gekoppelt, sondern trifft den Aktionär unabhängig davon. Die Treuepflicht ist also in ihrer Existenz nicht wirkungsbezogen. 2 5 2 Das Fehlen einer genügenden Einflussposition führt lediglich dazu, dass eine Stimmabgabe, die in rücksichtslosem Widerspruch zu den Belangen der Gesellschaft und/oder von Mitaktionären steht, sich nicht in einem Nachteil zu Lasten der Betroffenen manifestiert. Damit fehlt die Kausalität des Treupflichtverstoßes für den Eintritt des Nachteils, nicht aber kann das Verhalten des Aktionärs als (treu-)pflichtgemäß qualifiziert werden. Vor diesem Hintergrund kann nach zutreffender A n s i c h t 2 5 3 - gegen eine Treuepflicht auch nicht damit argumentiert werden, die Einflussposition (zB Sperrminorität) sei zufällig entstanden, etwa durch ein vorher nicht abzusehendes, geschweige denn abgesprochenes gleichgerichtetes Stimmverhalten einer Vielzahl untereinander unbekannter Streubesitzaktionäre. c) Einzelne Rechte

74

Die Schrankenfunktion mitgliedschaftlicher Treubindungen wird sich häufig auf das Stimmrecht beziehen, und zwar in der Form des Verbotes der Herbeiführung einer Beschlussfassung, die die Interessen der Mitaktionäre unverhältnismäßig beeinträchtigt (Rdn 59, 71 ) . 2 5 4

75

Die Schrankenfunktion gilt neben dem Stimmrecht aber ebenso im Hinblick auf die übrigen Mitwirkungsrechte. Auch sie können missbrauchsanfällig sein. Rechtsmissbräuchlich erhobene Anfechtungsklagen sind treuwidrig (Rdn 2 4 ) .

76

Ebenso ist das Informationsrecht im Grundsatz dem Vorbehalt rücksichtsvoller Geltendmachung zu unterstellen, wenngleich insoweit die eingehende und detailreiche Regelung des § 131 als unmittelbar geltendes Recht Vorrang vor der allgemeinen Treupflicht hat und nicht häufig Fälle auftreten, für die ein Ergänzungsbedarf b e s t e h t . 2 5 5 Klarzustellen ist aber, dass § 131 keine abschließende Regelung trifft, sondern R a u m für die Anwendung allgemeiner Grundsätze der Treuepflicht verbleibt. Denn das Erweiterungsverbot in § 131 Abs 3 S 2 bezieht sich nur auf die Verweigerungsgründe des Satz 1, der

251

252

Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären (1997), S 192. Siehe in diesem Zusammenhang zur Möglichkeit einer treupflichtbedingt positiven Stimmpflicht auch Rdn 59 aE. Hennrichs AcP 195 (1995), 221, 237; ders WuB II A § 135 AktG 1.95; Lutter }Z 1995, 1053, 1054; Beckerhoff Treupflichten bei der Stimmrechtsausübung (1996), S 57 ff, 64 ff; Heme in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, RWS-Forum 8 (1996), S 1, 12 f; ders AktienR 5 (2002) Rdn 1073 ff; ders BB 1996, 489, 496; Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 540 f; Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (1993), S 85 ff; Nonn Zustimmungspflichten des Kapitalgesellschafters (1995), S 87; Nodoushani Treuepflicht der Aktionäre (1997), S 164 ff; Kunze Positive Stimmpflichten

253

254 255

(2004), S 119 f; aA Dreher ZHR 157 (1993), 150, 158 ff; ihm folgend Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 47 ff; im Ansatz auch Hammen ZBB 1993, 239, 242. - Von BGHZ 129, 136 f, 145 ff offen gelassen. H Uff er6 § 53 a Rdn 17; Bungeroth in: MünchKomm 2 Vor § 53 a Rdn 21; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 17 Rdn 16; Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 540 f; Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (1993), S 86 f; abw Dreher ZHR 157 (1993), 150, 158 ff; Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 47 ff. BGHZ 142, 167, 170 [„Hilgers"]. BGHZ 129, 136, 144 f [„Girmes/Effectenspiegel"].

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Treuepflicht

Anh § 53 a

seinerseits an ein bestehendes Auskunftsrecht iSd § 131 Abs 1 anknüpft. Diese Vorschriften lassen aber offen, ob ein Auskunftsrecht im Einzelfall nicht schon aus dem Gesichtspunkt der mitgliedschaftlichen Treuepflicht zu versagen ist. Immerhin hat das Gebot treugemäßen Handelns insofern schon Eingang in die Regelung des § 131 gefunden, als das Informationsrecht von Gesetzes wegen der Beschränkung unterliegt, dass die Auskunft „zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich" sein muss. Der Heranziehung des Treupflichtgedankens bedarf es daher in der Regel nicht für die Fälle der illoyal eigensüchtigen Ausübung des Auskunftsrechts. 2 5 6 Wohl aber kann mit dem der Treuepflicht innewohnenden Missbrauchsverbot gearbeitet werden, wenn das Auskunftsrecht widersprüchlich oder maßlos ausgeübt wird („Fragene x z e s s " ) . 2 5 7 Derart treu widrig gestellte Fragen bedürfen keiner Beantwortung und sind zurückzuweisen. 2 5 8 Zu einer Einschränkung des Auskunftsanspruches kann es überdies führen, wenn der Aktionär in der Hauptversammlung Fragen stellt, ohne dem Vorstand vor der Hauptversammlung diese Fragen bekannt zu geben, obwohl zu ihrer sachgemäßen Beantwortung wegen der Fülle von komplexem Zahlen- und Datenmaterial wie dem Aktionär klar sein musste - eine entsprechende Vorbereitung des Vorstands anhand der notwendigen Unterlagen unerlässlich ist. 2 5 9 Der Grund für die in diesem Verständnis des Auskunftsrechts liegende, von der Rechtsprechung anerkannte Mitwirkungspflicht des die Information begehrenden Aktionärs lässt sich, auch wenn die einschlägigen Judikate dies bislang nicht deutlich formuliert haben, in der mitgliedschaftlichen Treuepflicht finden. 2 6 0 In den tatsächlichen Abläufen gesetzlich nicht geregelt sind die Worterteilung und das Rederecht in der Hauptversammlung. Insbesondere hier ist es daher nötig, durch Rückgriff auf die Treubindung - häufig auch in der Ausprägung des Gerechtigkeitsgedankens gleichmäßiger Behandlung (§ 5 3 a Rdn 53, 6 0 , 126, 135) - einen harmonischen Ablauf unter sachgerechter Wahrung der verschiedenen Interessen zu gewährleisten. Die Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber dem Aktionär stellt sicher, dass der Versammlungsleiter im Rahmen des Möglichen und orientiert an der zu erwartenden Sachdienlichkeit von Beiträgen einem Aktionär nicht willkürlich das Rederecht versagt. 2 6 1 Die Treuepflicht der Aktionäre gegenüber der die Hauptversammlung durchführenden Gesellschaft und gegenüber den zur Ausübung ihrer Rechte teilnehmenden Mitaktionären gebietet es dem redenden Aktionär, seine Ausführungen zeitlich gestrafft, sachlich pointiert und inhaltlich frei von Wiederholungen vorzutragen, damit der ordnungsgemäße Ablauf der Hauptversammlung nicht behindert und die Redemöglichkeit der Mitaktionäre nicht

Dazu Geißler NZG 2001, 538, 542 f. Näher Decher in: Großkomm 4 $ 131 Rdn 274 ff mwN; Hüffer6 § 131 Rdn 33 ff mwN; Geißler NZG 2001, 538, 543 ff; auch Kubis in: MünchKomm2 § 131 Rdn 58 ff; vgl ferner Henze BB 1996, 489, 495. 258 Yg| ¡ n d i e s e m Zusammenhang auch UMAG § 131 Abs 3 S 1 Nr 7 AktG nF und siehe dazu K-P Martens AG 2004, 238, 241 ff; Diekmann/Leuering NZG 2004, 249, 255 f; DAV-Handelsrechtsausschuss NZG 2004, 555, 558 f; Weißhaupt WM 2004, 705, 707 f. 2 5 9 BGHZ 32, 159, 166; OLG Frankfurt NZG 1999, 119, 121 [rkr]; vgl ferner dazu, dass es

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der Aktionär im Einzelfall wegen der Komplexität der Auskunft hinnehmen muss, dass er in der HV nicht mündlich informiert, sondern während der HV auf die Einsichtnahme in Aufzeichnungen verwiesen wird, die der Vorstand zu diesem Zweck vorbereitet hat und die das Informationsbedürfnis des Aktionärs schneller und zuverlässiger als eine mündliche Unterrichtung befriedigen, BGHZ 101, 1, 15 f. Ebenso Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 544. Vgl auch Mülbert in: Großkomm 4 Vor § 118 Rdn 110.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

77

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

unverhältnismäßig eingeschränkt w i r d . 2 6 2 Die übermäßige Inanspruchnahme des Rederechts verstößt gegen das Treuegebot. 2 6 3 Verlässt der Redner den Rahmen seines Rederechts, droht ihm eine durch den Versammlungsleiter zu verhängende Begrenzung bis hin zum Entzug des Wortes. 2 6 4 d) Konkurrenztätigkeit 78

Aus der Treuepflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft lässt sich ableiten, dass ein Aktionär, dem eine gewichtige, ihm eine unternehmerische Stellung vermittelnde Einflussposition zukommt - insbesondere also der Mehrheitsaktionär (§ 17 Abs 2) oder sonst herrschende A k t i o n ä r 2 6 5 - , im Verhältnis zu seiner Gesellschaft im Bereich des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes (§ 2 3 Abs 3 N r 2 ) 2 6 6 einem Wettbewerbsverbot unterliegt (heute h M ) . 2 6 7 Das gilt grundsätzlich nicht nur für personalistisch strukturierte Gesellschaften. 2 6 8 Der unternehmerische Aktionär darf nicht eigensüchtig zum Nachteil der Gesellschaft in deren Geschäftschancen eindringen, insbesondere darf er aufgrund seiner Stellung als Aktionär erlangte Kenntnisse über günstige Erwerbsmöglichkeiten nicht derart für sich ausnutzen, dass der Gesellschaft dadurch Schaden zugefügt wird. Würde man es zulassen, dass der Aktionär, der kontrollartigen Einfluss auf die Gesellschaft besitzt, auf ihrem Tätigkeitsfeld zu ihr in Wettbewerb tritt, würde die

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Grüner N Z G 2000, 770, 771; Happ/Freitag AG 1998, 493, 497; Henze BB 1996, 489, 490; vgl auch Mülbert in: Großkomm 4 Vor § 118 Rdn 147, 148. Geißler NZG 2001, 539, 544; zudem Mülbert in: Großkomm 4 Vor § 118 Rdn 110, 157: Worterteilung kann versagt werden, wenn bei Auffächerung in mehrere thematisch abgrenzbare Fragenkomplexe nach Eintritt in einen neuen Teilkomplex Wortmeldung zu einem bereits abgeschlossenen Thema erfolgt. Mülbert in: Großkomm 4 Vor § 118 Rdn 158 f mwN. Vgl § 17 Abs 1 und siehe dazu BGHZ 69, 334, 337, 345 [„VEBA/Gelsenberg"]; 135, 107, 114 [„VW/Niedersachsen"] = ZIP 1997, 887, dazu EWiR 1997, 681 (Η Ρ Westermann)·, OLG Düsseldorf N Z G 2000, 314, 315 [rkr]; zudem Hüffer6 § 17 Rdn 9 mwN; Windbichler in: Großkomm 4 S 17 Rdn 24; Bayer in: MünchKomm 2 § 17 Rdn 35. Tieves Unternehmensgegenstand (1998), S 597 f; Burgard FS Lutter (2000), S 1033, 1048 f. Wie hier Burgard FS Lutter (2000), S 1033, 1039 ff; Armbrüster ZIP 1997, 1269, 1271; Geiger Wettbewerbsverbote (1996), S 75 ff, 97 ff, 146 ff; Henze BB 1996, 489, 497; Emmerich/Habersack Aktien- und GmbHKonzernR 3 (2003), Vor § 311 Rdn 7; Emmerich/Sonnenschein/Habersack Kon-

zernR 7 (2001), S 8 III 4, S 115; vgl ferner Steindorff FS Rittner (1991), S 675, 688 ff; gl Ansicht zur GmbH Hachen burg/Rtfiser G m b H G 8 § 14 Rdn 64 und Ulmer ebd, Anh § 77 Rdn 64; ScholzIEmmerich G m b H G 9 § 13 Rdn 39 und H Winter ebd, S 14 Rdn 59; Michalski GmbHG, Bd I (2002), § 13 Rdn 237 ff; Κ Schmidt GesR 4 (2002), § 20 V 1 b, S 596; M Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S 248 ff; aA für die AG KK-Koppensteiner 2 Vor § 311 Rdn 28; Kropff in: MünchKomm 2 Vor § 311 Rdn 65, 68; U H Schneider BB 1995, 365, 367; Binnewies Konzerneingangskontrolle

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(1996), S 340 ff, 348 f; Seydel Konzernbildungskontrolle (1995), S 171 ff; generell zurückhaltend auch Mai Aktionärsschutz und Minderheitenschutz (2004), S 78 ff, 88 f, wonach ein treupflichtbedingtes Wettbewerbsverbot, wenn überhaupt, allenfalls in nicht börsennotierten Gesellschaften anzunehmen sei; zurückhaltend auch Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären (1997), S 179 ff. Gl Ansicht Emmerich/Habersack Aktienund GmbH-KonzernR 3 (2003), Vor § 311 Rdn 7 mN; siehe bereits Henze BB 1996, 489, 497; aA Krieger in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 69 Rdn 17; Friedewald Die personalistische AG (1991), S 140 ff; Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 355 ff.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Anh § 53 a

Treuepflicht

Gesellschaft in für sie bedrohlicher Weise de facto durch ihren Konkurrenten geführt. 2 6 9 Für das Recht der Personenhandelsgesellschaften hat der Gedanke des Wettbewerbsverbotes Ausdruck in den §§ 112, 113 H G B gefunden, die eine fragmentarische Formulierung des allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Treugebots beinhalten (Rdn 18). In gleicher Weise ist die in diesen Vorschriften steckende Überlegung, die nicht rechtsformspezifisch ist, 2 7 0 auf der Grundlage des allgemeinen Prinzips auch für die Kapitalgesellschaften fruchtbar zu machen. Beispielhaft 2 7 1 für eine Verletzung der Treuepflicht ist in diesem Zusammenhang der Fall, dass der Hauptaktionär, nachdem er in der Hauptversammlung von dem dringenden Bedarf der Gesellschaft an einer bestimmten Immobilie erfahren hat (vgl § 131), diese Immobilie für sich erwirbt, um sie unter Erstreben persönlichen Gewinns anschließend an die Gesellschaft zu einem höheren Preis zu veräußern. 2 7 2 Entsteht gleichwohl Wettbewerb zur eigenen Gesellschaft, indem der herrschende Aktionär eine entsprechende Konkurrenztätigkeit aufnimmt oder sich maßgeblich an einer entsprechend tätigen Konkurrenzgesellschaft beteiligt 2 7 3 , wirkt sich die ihm obliegenden Treuepflicht dahin aus, dass er zur Mitteilung des bestehenden Wettbewerbsverhältnisses gegenüber der Gesellschaft verpflichtet ist. 2 7 4

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Kein Wettbewerbsverbot lässt sich aus der Treuepflicht herleiten, wenn die AG bereits als von einem Wettbewerber abhängig gegründet wurde (Rechtsgedanke entsprechend § 1 1 2 Abs 2 H G B ) 2 7 5 oder wenn der Einfluss des herrschenden Aktionärs durch einen Beherrschungsvertrag legitimiert ist (arg § 3 0 8 ) . 2 7 6 Ferner ist nach den allgemeinen Grundsätzen, in deren Rahmen die Treubindung disponibel ist (Rdn 126 f), die Möglichkeit eröffnet, dem ansonsten von einem Wettbewerbsverbot erfassten Aktionär im Wege einer Satzungsbestimmung oder eines Hauptversammlungsbeschlusses (mit 3/4-Mehrheit, unter Ausschluss des Stimmrechts des Betroffenen, § 136 Abs 1 S 1 Fall 2) allgemein oder für den Einzelfall Befreiung zu erteilen (§ 2 3 Abs 5 S 2 ) . 2 7 7 Außerdem hat auch der Alleinaktionär - mangels Treuepflicht - keine Verpflichtung, Wettbewerb gegenüber seiner Gesellschaft zu unterlassen (Rdn 43 f).

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3. Förderpflicht der Aktionäre a) Ausgangspunkt Ihrem Wesen nach wohnt der mitgliedschaftlichen Treuepflicht eines Gesellschafters auch die Komponente inne, dass der Inhaber der Mitgliedschaft durch sein Verhalten positiv am Gelingen der gesellschaftlichen Zwecksetzung mitwirkt und seine Mitgesell-

269

Röhricht WPg 1992, 766, 772; Burgard FS

273

Vgl dazu Reichert/Winter FS 100 Jahre

274

Burgard FS Lutter (2000), S 1033, 1050; Henze BB 1996, 489, 498 mwN. Vgl auch Wiedemann/Hirte ZGR 1986, 163, 171 f; ferner Emmerich/Sonnenschein/ Habersack KonzernR7 (2001), § 8 IV, S 116. Burgard FS Lutter (2000), S 1033, 1048,

Lutter ( 2 0 0 0 ) , S 1 0 3 3 , 1 0 4 0 . 270

271

Zutreffend Burgard

G m b H G ( 1 9 9 2 ) , S 2 0 9 , 2 3 6 ff.

FS Lutter ( 2 0 0 0 ) ,

S 1 0 3 3 , 1 0 4 1 unter Hinweis auf B G H Z 89, 162, 166 [„Heumann/Ogilvy"]; gl Ansicht auch Κ Schmidt G e s R 4 ( 2 0 0 2 ) , S 2 0 V 1 b,

275

S 5 9 6 f. Vgl auch Κ Schmidt G e s R 4 ( 2 0 0 2 ) , S 2 0 V 3, S 5 9 9 f; im Übrigen weitere Bsp [zur

276

G m b H ] bei Hachenburg/Kaiser G m b H G 8 § 14 Rdn 6 4 m w N . 272

Vgl auch Lutter AcP 180 (1980), 84, 112 f, 116; insoweit wohl zustimmend Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären (1997), S 180.

(135)

1051. 277

EmmenchJHabersack

Aktien- und GmbH-

KonzernR 3 ( 2 0 0 3 ) , Vor § 311 Rdn 8;

Burgard FS Lutter (2000), S 1033, 1050 f; Tieves Unternehmensgegenstand (1998), S 599 f; Geiger Wettbewerbsverbote (1996), S 1 4 6 ff.

Hartwig Henze/Richard L. N o t z

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Anh § 53 a

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

schafter hierbei unterstützt. 278 Auf der Grundlage dieser Erkenntnis ist für Personengesellschaften anerkannt, dass situationsbedingt eine Verpflichtung zur aktiven Unterstützung bestehen kann (Grenze: § 7 0 7 BGB). Es besteht indessen Einigkeit darüber, dass den aktienrechtlichen Vorschriften der §§ 5 4 , 55 über die Leistung der Einlage und (ggf) die Erbringung einer statutarisch vereinbarten Nebenleistung auch die Aufgabe zukommt, den Kreis der in der Mitgliedschaft wurzelnden Leistungspflichten abschließend zu nennen; sie beinhalten insoweit eine Risiko begrenzende Wirkung zugunsten des Aktionärs. 2 7 9 Dieser gesetzliche Zweck, den Pflichtenkreis für jedes Gesellschaftsmitglied kalkulierbar zu machen, schließt es zwar nicht vollkommen aus, aus der Treuepflicht weitere aktive Pflichten von Aktionären herzuleiten. Denn die Risikobeschränkung betrifft nach der ratio legis primär den Vermögensbereich, so dass nur diesbezüglich notwendig auch von einer zwingenden, abschließenden Regelung der §§ 54, 55 ausgegangen werden muss; reine Verhaltenspflichten, die keine Leistungsmehrung im Sinne eines Vermögensopfers in sich bergen, sind daher einer Begründung über die Treuepflicht zugänglich. 2 8 0 Die insgesamt herrschende Grundtendenz des Gesetzes muss gleichwohl beachtet werden: Bei der Begründung anderer Mitwirkungspflichten, die außerhalb des vermögensrechtlichen Bereichs des verpflichteten Aktionärs liegen, muss klare Zurückhaltung geübt werden. 2 8 1 In ihrer Erscheinungsform als aktive Förderpflicht (positives Tun), insbesondere als Verpflichtung zu einer der Beschlussvorlage zustimmenden Stimmabgabe in der Hauptversammlung, wird deshalb die Treuepflicht im Aktienrecht nur in seltenen Ausnahmefällen auftreten, wenn außerordentliche Gründe dafür sprechen und die Zumutbarkeitsschwelle respektiert bleibt. 2 8 2 Zu erwägen ist dies etwa dann, wenn die Wirkung der Zustimmung zu einem Sachgegenstand für den aus Gründen der Treuepflicht zur Zustimmung Verpflichteten neutral ist, weil die Beschlusswirkung für ihn rechtstatsächlich oder zumindest im wirtschaftlichen Ergebnis ohne (negative) Konsequenz ist und mithin nicht aus sachlichen Gründen verweigert werden kann, hingegen für die Gesellschaft oder einen Mitaktionär das positive Zustandekommen des Beschlusses von essentiellem Interesse ist oder sonst in einer Sache von hoher Bedeutung die Beteiligten in ganz besonderem Maße auf die Mitwirkung eines Aktionärs angewiesen sind. 2 8 3 In der Regel muss es jedoch genügen, dass ein Aktionär mit Rücksicht auf die ihn bindende Treuepflicht die Ablehnung dringend erforderlicher Beschlussgegenstände unterlässt und sich stattdessen einer Stimmabgabe, die treuwidrig wäre, enthält (vgl auch Rdn 5 9 ) . 2 8 4 Es ist jedoch entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht nicht ohne weiteres richtig, dass

278

Brändel in: G r o ß k o m m 4 § 1 Rdn 8 8 ; Timm W M 1 9 9 1 , 4 8 1 , 4 8 3 ; Lutter AcP 1 8 0 ( 1 9 8 0 ) , 8 4 , 1 0 2 ff; ders Z H R 1 5 3 ( 1 9 8 9 ) , 4 4 6 , 4 6 7 ; ders Z H R 162 ( 1 9 9 8 ) , 1 6 4 , 1 6 6 f; Heme BB 1 9 9 6 , 4 8 9 , 4 9 3 ; aA Zöllner 2 0 0 0 , 145, 153.

279

280

282

AG

Vgl Henze in: G r o ß k o m m 4 § 5 4 Rdn 4 6 ff; Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären ( 1 9 9 7 ) , S 116 f. Gl Ansicht Lutter/Drygala

FS Raisch ( 1 9 9 5 ) ,

S 2 3 9 , 2 5 1 f (zur Abgabepflicht einer Marktschonungserklärung beim Börsengang); vgl auch Lutter AcP 1 8 0 ( 1 9 8 0 ) , 8 4 , 105, 1 0 8 ; Guntz Treubindungen von Min281

derheitsaktionären ( 1 9 9 7 ) , S 129. B G H Z 129, 136, 151 [„Girmes/Effecten-

spiegel"]; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Vor § 5 3 a Rdn 2 3 . Brändel in: G r o ß k o m m 4 § 1 Rdn 8 8 ; vgl auch Scholz/H Winter G m b H G 9 § 14 Rdn 6 0 . Ferner ist darauf zu achten, dass eine Förderpflicht in jedem Fall nicht außerhalb des mitgliedschaftlichen Bereichs besteht (vgl Rdn 2 5 ) , dazu bspw Röhricht in: Hdb CorpGovernance ( 2 0 0 3 ) , S 513, 5 2 5 : Aus der Treuepflicht kann in der Regel kein Anspruch gegèn einen Aktionär auf Vergabe von Aufträgen an die AG hergeleitet werden, auch nicht im Zusammenhang mit Sanierungsmaßnahmen.

283

Henze BB 1 9 9 6 , 4 8 9 , 4 9 3 .

284

Vgl auch Timm W M 1 9 9 1 , 4 8 1 , 4 8 6 .

S t a n d : 1. 7. 2 0 0 4

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Treuepflicht

Anh § 53 a

für die Frage des Bestehens einer Förderpflicht der G r o ß a k t i o n ä r per se stärker in die Pflicht g e n o m m e n ist, Kleinaktionären hingegen ein „ R e c h t zum Desinteresse" zustehen s o l l . 2 8 5 Dieser Differenzierung k a n n nicht gefolgt werden, weil sie der Sache nach den G e d a n k e n der - abzulehnenden (Rdn 7 3 ) - Figur einer wirkungsbezogenen Treuepflicht aufgreift. Eine Förderpflicht ist nach M a ß g a b e des Sachgegenstandes unter Einbeziehung einer verhältnismäßigen Interessenabwägung im Einzelfall zu bejahen, wenn übergeordnete oder in zumutbarer Weise durchsetzbare und erstrebenswerte Interessen dies notwendig erscheinen lassen. Folgt der K l e i n a k t i o n ä r dem nicht, verletzt er seine ausnahmsweise bestehende Förderpflicht. Eine andere Frage ist es, o b die zur Erreichung des Ziels erforderliche M e h r h e i t auch ohne seine Z u s t i m m u n g zustande k o m m t und deshalb sein treuwidriges Desinteresse nicht kausal für weitergehende Konsequenzen geworden ist. b) Einzelfälle aa) Anwesenheitspflicht Wenn nicht sachliche Gründe, die dem Verhältnismäßigkeitsprinzip standhalten, ein gegenteiliges Verhalten erlauben, ist aus der Treuepflicht die Verpflichtung des Alleinaktionärs herzuleiten, auf der Hauptversammlung zu e r s c h e i n e n , 2 8 é da anderenfalls das O r g a n „ H a u p t v e r s a m m l u n g " ausfällt und ein den Anforderungen des gesetzlichen Leitbildes genügendes Wirtschaften der Gesellschaft nicht gewährleistet wäre. Eine entsprechende Pflicht wird ebenso für den A k t i o n ä r anzunehmen sein, der einen qualifiziert hohen Anteilsbesitz innehat, wenn die Satzung zur Beschlussfähig- und mithin H a n d lungsfähigkeit der Hauptversammlung die Anwesenheit eines bestimmten Anteilsquorums vorschreibt, das in Abwesenheit dieses G r o ß a k t i o n ä r s nicht erreicht werden kann.

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bb) Veräußerungspflicht Ausnahmsweise zu überlegen sein k a n n eine aus Treugesichtspunkten folgende Pflicht des Aktionärs zur Anteilsübertragung o h n e Gegenwert bzw eine Pflicht zur (nötigen) positiven Z u s t i m m u n g zu einem die Gesellschaft umstrukturierenden Unternehmensplan, der solches vorsieht, in folgender Konstellation: Ist die Gesellschaft in eine Situation geraten, in der o h n e Dritthilfe unausweichlich die Insolvenzantragspflicht g e m ä ß § § 17, 19 I n s O besteht und steht zudem fest, dass in der Abwicklung der Insolvenz kein Überschuss nach § 1 9 9 I n s O verbleiben wird, so wird jeder A k t i o n ä r seine Anteile entschädigungslos verlieren. Sieht nun der Plan vor, dass die Aktien gegen Null auf eine andere Person zu übertragen sind, gehen die Aktionäre ebenso ihrer Mitgliedschaften ohne Entschädigung verlustig. Bedeutet der Plan, dass bestimmte M i t a k t i o n ä r e , die ein über die Aktie hinausgehendes Investment für die Gesellschaft getätigt haben, aufgrund des Planes Schadensbegrenzung betreiben können, weil zwar auch sie ihrer Aktien verlustig gehen, aber immerhin für das Gesellschaftsunternehmen bestellte Sicherheiten enthaften können, wäre es rücksichtslos, die zum Gelingen des Konzepts nötige Weggabe der Aktien nur deshalb zu verweigern, um sie in eigener Person zu behalten, aber im Insolvenzverfahren ebenso zu entwerten (siehe ferner R d n 1 1 4 ) . 2 8 7

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Dahin Bungeroth in: MünchKomm 2 Vor § 53 a Rdn 23 mwN; vgl auch Wiedemann BB 1975, 1591, 1595. Vgl Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefer-

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mehl, Vor § 53 a Rdn 21; auch Scholz/ H Winter GmbHG 9 § 14 Rdn 60 mwN. 287 V g i Diskussionsbericht Casper ZHR 162 (1998), 197 f; ähnlich wohl Bungeroth in:

Hartwig Henze/Richard L. Notz

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

D a s bedeutet auch: Strebt die Gesellschaft ihre rechtzeitige Liquidation an (vgl § 2 6 2 Abs 1 N r 2 ) , weil feststeht, dass weiteres W i r t s c h a f t e n den Gesellschaftszweck nicht mehr gewinnbringend verwirklichen kann - ein drohender Verfall der Anteilswerte also sicher bevorsteht - und Besserung aussichtslos ist, kann es eine Verletzung der Treuepflicht bedeuten, durch eine in der Sache nicht zu rechtfertigende Sperrminorität die ruinöse Fortführung des Unternehmens zu e r z w i n g e n 2 8 8 (vgl dazu auch R d n 5 8 ff, 71 ff). Dieses treupflichtwidrige Verhalten ist richterlicher Überprüfung zugänglich. cc) Mitwirkung an der Heilung einer verdeckten Sacheinlage

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D e r B G H hat für das R e c h t der G m b H entschieden, dass der Inferent einer Einlage, die durch die M o d a l i t ä t e n der Erbringung als verdeckte Sacheinlage zu qualifizieren ist, aus dem Gesichtspunkt der Treuepflicht von seinen Mitgesellschaftern die M i t w i r k u n g an einer heilenden Änderung der Einlagedeckung von der Bar- zur Sacheinlage jedenfalls dann verlangen kann, wenn sich die Gesellschafter über die geplante Einlage einig waren, dafür aber - gleich aus welchen Gründen - gemeinsam den rechtlich falschen Weg gewählt haben und das gegen zwingendes Kapitalaufbringungsrecht verstoßende Umgehungsgeschäft einer wirksamen Heilung zugänglich i s t . 2 8 9 Den Ansatzpunkt für eine Mitwirkungspflicht hier in der Treuepflicht zu sehen, ist auf das Aktienrecht übert r a g b a r . 2 9 0 Indessen ist unabhängig davon zu beachten, dass - jedenfalls nach den W o r ten des Gesetzes - der Weg zur Heilung einer verdeckten Sacheinlage im Aktienrecht aufgrund der § § 2 7 Abs 4 , 1 8 3 Abs 2 S 4 w o h l nicht in gleicher Weise wie im R e c h t der G m b H beschritten werden k a n n , 2 9 1 sondern nach Eintragung allenfalls an eine analoge

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MünchKomm 2 Vor § 53 a Rdn 28 aE; vgl auch Michalski GmbHG, Bd I (2002), § 13 Rdn 174; OLG Köln NZG 1999, 1166, 1167 [rkr]; aA Lutter Z H R 162 (1998), 164, 170 f. Gl Ansicht Bungeroth in: MünchKomm 2 Vor § 53 a Rdn 28 aE; Weber Vormitgliedschaftliche Treubindungen (1999), § 4 II 1 c, S 82; Henze ZHR 162 (1998), 186, 196; vgl ferner Jahnke Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (2003), S 89; aA Kunze Positive Stimmpflichten (2004), S 192 f. BGHZ 155, 329 m Anm Reiff/Ettinger DStR 2004, 1258 ff = ZIP 2003, 1540 m Anm Pentz 2093 (2096 f) = J Z 2004, 199 m Anm Witt 202 (205) = GmbHR 2003, 1051 m Anm Bormann 1055 f [Vorinstanz: OLG Koblenz GmbHR 2002, 977]. Vgl zu dieser Ausprägung der Treuepflicht - mit Unterschieden im Einzelnen - auch bereits Lutter/ Gehling W M 1989, 1445, 1456; Priester DB 1990, 1753, 1761; Volhard Z G R 1995, 286, 302; Krieger Z G R 1996, 674, 686; Banerjea Z G R 1998, 498, 505 f; Raiser Kapitalgesellschaften 3 (2001), ξ 26 Rdn 83 aE. Grundlegend hatte sich bereits BGHZ 98, 276, 279 f zur GmbH dafür ausgesprochen, dass ein Gesellschafter „aufgrund seiner Treue-

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pflicht verpflichtet sein kann, einer Satzungsänderung zuzustimmen, die mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis dringend geboten und ihm zumutbar ist" (vgl dazu Rdn 59). Gl Ansicht Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 541 f, der in diesem Zusammenhang außerdem auf zwei weitere Aspekte hinweist: (1.) In dem beschriebenen Fall kommt umgekehrt auch ein aus der Treuepflicht folgendes Verbot für den Einleger der fehlerhaften Sacheinlage in Betracht, sich auf die aus § 27 Abs 3 S 1 folgende Nichtigkeit zu berufen, wenn die Rückabwicklung für die AG und die Mitgesellschafter unzumutbar belastend ist, weil zB der fehlerhaft eingebrachte Gegenstand unentbehrlich ist oder eine erhebliche Wertsteigerung erfahren hat; (2.) Aus dem Bestehen der positiven Mitwirkungspflicht an der Heilung des Satzungsmangels folgt negativ ebenso die Pflicht zur Unterlassung von Klagen, die sich auf diesen Mangel stützen. Henze AktienR 5 (2002), Rdn 218 ff mwN; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 16 Rdn 37; Hüffer6 § 27 Rdn 31, § 183 Rdn 15; Krieger Z G R 1996, 674, 691; aA Groß GmbHR 1996, 721, 726 f; Röh-

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Anwendung von § 52 Abs 1, Abs 10 gedacht werden könnte (str). 292 Das schließt aber nicht aus, ggf auch dafür Mitwirkungspflichten aus den Grundsätzen der mitgliedschaftlichen Treubindung herzuleiten. 293 4. Fürsorgepflicht der Gesellschaft a) Ausgangspunkt In Erweiterung des urspünglich vorherrschenden Gedankens einer Treuepflicht des Aktionärs, deren Inhalt es ist, Rücksicht zu üben, hat die Rechtsprechung später als ergänzendes Gegenstück auch die Treuepflicht der Gesellschaft ausdrücklich ausgesprochen (Rdn 4): Die Gesellschaft muss auf der Grundlage der sie bindenden Treuepflicht den Aktionären die Möglichkeit geben, die Mitgliedschaftsrechte ungehindert auszuüben; ungerechtfertigte Rechtsbeeinträchtigungen muss sie unterlassen. 294 Ferner ist die Gesellschaft verpflichtet, die im mitgliedschaftlichen Bereich liegenden berechtigten Anliegen eines Aktionärs, deren Erfüllung sachlich möglich und geboten ist, weil eine sachlich gerechtfertigte Ablehnung nicht in Betracht kommt, tatsächlich zu erfüllen.

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b) Einzelfälle; Beispiele aa) Erteilung von Protokollabschriften Für die Gesellschaft besteht die Verpflichtung, einem Aktionär, der in der HauptverSammlung das Wort ergriffen hat, gegen Erstattung der für die Gesellschaft dadurch bedingten Kosten eine Abschrift von denjenigen Teilen des Hauptversammlungsprotokolls zu überlassen, die die eigenen Beiträge und Fragen dieses Aktionärs und die darauf erteilten Antworten des Vorstandes betreffen. 295 Ein Anspruch der Aktionäre auf Erteilung einer Abschrift des gesamten Wortprotokolls der Hauptversammlung (Tonbandaufzeichnung) oder unabhängig von einer eigenen Wortmeldung besteht jedoch auch unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht der Gesellschaft nicht. 2 9 6 Im Anschluss an die durch die Treuepflicht bedingte Gewährung von Abschriften von Teilen des Protokolls ergibt sich ein Anspruch der übrigen Aktionäre auf Überlassung des gleichen Materials auch nicht aus § 53 a. Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz besagt, dass Aktionäre „unter gleichen Voraussetzungen gleich" zu behandeln sind. Daraus folgt, dass andere Aktionäre anschließend an die seitens der Gesellschaft treugemäß bediente Anfrage des ersten Aktionärs - sich nur insofern auf § 53 a berufen können, als auch ihnen diejenigen Teile des Hauptversammlungsprotokolls in Abschrift gegen Kostenerstattung zu überlassen

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rieht in: Großkomm 4 § 2 7 Rdn 219; Priester in: Großkomm 4 § 52 Rdn 108 mit Analyse der historischen ratio legis. Dies befürwortet ua Hüffer6 § 2 7 Rdn 31, § 183 Rdn 15 mwN; abl Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 16 Rdn 37; Priester in: Großkomm 4 § 52 Rdn 107 mwN; kritisch auch noch Wiedemann in: Großkomm 4 § 183 Rdn 115. Lutter/Gehling W M 1989, 1445, 1456; Lutter Z H R 153 (1989), 4 4 6 , 4 6 9 ; Heme BB 1996, 489, 4 9 3 . BGHZ 127, 107, 111 [„BMW"] = ZIP 1994, 1597, dazu EWiR 1995, 13 (Hirte) = WuB II

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A § 130 AktG 1.95 (Dilger); Lutter AcP 180 (1980), 84, 122 f. Werner in: Großkomm 4 § 130 Rdn 123, 124; dem folgend BGHZ 127, 107 [„BMW"] = ZIP 1994, 1597, dazu EWiR 1995, 13 (Hirte) = WuB II A § 130 AktG 1.95 (Dilger)·, Gehrlein W M 1994, 2 0 5 4 , 2 0 5 6 f; Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 3 9 2 ff. BGHZ 127, 107, 113 f, 115 f [„BMW"] = ZIP 1994, 1597, dazu EWiR 1995, 13 (Hirte) = WuB II A § 130 AktG 1.95 (Dilger); siehe auch Henze AktienR 5 (2002), Rdn 912 ff.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

sind, die ihre eigenen Beiträge und Fragen und die dazugehörige Beantwortung durch den Vorstand enthalten. 2 9 7 Überlässt die Gesellschaft einzelnen Aktionären Abschriften des Hauptversammlungsprotokolls oder Teile hiervon, auf die die Empfänger keinen aus der Treuepflicht der Gesellschaft abzuleitenden Anspruch haben, dann führt allerdings der Gleichbehandlungsgrundsatz dazu, dass auch jeder andere Mitaktionär berechtigt ist, die Aushändigung des gleichen Materials zu gleichen Bedingungen zu verlangen (§ 53 a Rdn 136). bb) Überlassung einer Steuerbescheinigung 89

Eine Verletzung der Treuepflicht kann auch darin liegen, dass die Gesellschaft einem Aktionär eine Bescheinigung über die abgeführten Steuern vorenthält oder zu spät erteilt, wodurch der Aktionär außer Stande ist, die auf seinen Gewinnanteil entfallende und von der Gesellschaft an das Finanzamt abgeführte Körperschaft- und Kapitalertragsteuer auf seine Einkommensteuerschuld anrechnen zu lassen. 298 cc) Zustimmung der AG bei Übertragung vinkulierter Aktien (1) Erteilungspflicht

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Die Gesellschaft (bzw die Hauptversammlung, § 68 Abs 2 S 3 Fall 2) kann kraft ihrer Treuepflicht dazu angehalten sein, einem anteilsveräußerungswilligen Aktionär die infolge der Vinkulierung seiner Aktien nach § 68 Abs 2 erforderliche Zustimmung zur Übertragung des Anteils zu erteilen. 299 Die Entschließungsfreiheit der zur Entscheidung über die Zustimmung berufenen Gesellschaftsorgane muss von Interessen geleitet sein, die sich in erforderlicher und angemessener Weise am Vinkulierungszweck orientieren. 3 0 0 Bestimmt die Satzung nicht näher, welches die Kriterien sind, an denen sich die Erteilung der Zustimmung ausrichtet, so mag zur pflichtgemäßen Ermessensausübung dem Wohl der Gesellschaft der Vorrang gebühren, 3 0 1 jedoch sind auch die berechtigten Interessen des veräußerungswilligen 302 Aktionärs nicht außer Acht zu lassen. 303 Vor die297 298

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Siehe hierzu auch oben Fn 75. BGH ZIP 1991, 1584, 1585, dazu EWiR 1992, 5 9 (Zimmermann); der Entscheidung liegt zur Körperschaftsteuer das Vollanrechnungsverfahren zugrunde (vgl zu diesem Verfahren Reuter in: Nirk/Reuter/ Bächle, H d b A G 3 , Bd II, Rdn 109). An die Stelle dieses Verfahrens ist aufgrund des Steuersenkungsgesetzes vom 23. 10. 2 0 0 0 (BGBl I, S 1433) das Halbeinkünfteverfahren getreten, das die Anrechnung der Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer nicht mehr kennt; vielmehr wird die den Aktionären ausgeschüttete Dividende bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens nur zur Hälfte erfasst (vgl Reuter aaO, Rdn 111.5). Vgl BGH NJW 1987, 1019, 1020 = ZIP 1987, 291, dazu EWiR 1987, 107 (Priester); vgl auch - im konkreten Fall aber eine Ermessensreduzierung zu Recht verneinend LG Aachen AG 1992, 410, 411 f

[„AGF/AMB"] = ZIP 1992, 924, 928, dazu EWiR 1992, 8 3 7 (Bork)·, Bayer in: MünchK o m m 2 § 68 Rdn 81; Reichert Zustimmungserfordernis zur Abtretung von Geschäftsanteilen (1984), S 217 ff; M Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S 189; vgl ferner OLG Karlsruhe BB 1984, 2015, 2016; OLG Düsseldorf ZIP 1987, 227, dazu EWiR 1987, 251, 2 5 2 (K Schmidt)·, OLG Koblenz DB 1989, 6 7 2 und dazu Westermann/Menger DWiR 1991, 147. Die früher abw Ansicht (vgl noch Barz in: Voraufl [Großkomm 3 ] § 68 Anm 9), ist heute überholt. 300

KK-Lutter 1 § 68 Rdn 30; ders AG 1992, 369, 371 ff. 301 Lutter AG 1992, 369, 3 7 3 ff. 302 Ni c (jt aber Interessen des Erwerbsw'Migen, LG Aachen AG 1992, 410, 411 [„AGF/ AMB"] = ZIP 1992, 924, 928 f, dazu EWiR 1992, 8 3 7 (Bork); Wirth DB 1992, 617, 621.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

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Treuepflicht

Anh § 53 a

sem Hintergrund ist eine treupflichtbedingte Ermessensreduzierung auf Null denkbar, wird aber selten v o r k o m m e n (und ist nicht so engen Voraussetzungen zu unterstellen, wie sie für die Sachkontrolle von mitgliedschaftsbeeinträchtigenden H a u p t v e r s a m m lungsbeschlüssen g e l t e n ) 3 0 4 . Z u denken ist an eine Zustimmungspflicht zB dann, wenn es einem dringenden Interesse der Gesellschaft entspricht, dass die erwerbswillige Person A k t i o n ä r wird, weil gerade mit ihr als neuem Mitglied Vorteile verbunden sind, die der Gesellschaft die Wettbewerbsfähigkeit sichern und somit vermeiden, dass die Gesellschaft in eine existenzgefährdende Situation gerät. (2)

Verweigerungspflicht

Umgekehrt ist freilich ebenso in Betracht zu ziehen, dass sich die Treuepflicht hier dahin auswirkt, dass das zuständige Gesellschaftsorgan mit R ü c k s i c h t auf die übrigen Aktionäre gegenüber demjenigen, der die nach § 6 8 Abs 2 S 1 nötige Z u s t i m m u n g begehrt, die Z u s t i m m u n g verweigern muss. A n g e n o m m e n werden kann dies etwa, falls der Erwerber der Anteile sich bereits auf einem Wirtschaftsfeld betätigt, welches dem satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand der Gesellschaft gleicht, und daher mit E r w e r b der Anteile als (Neu-) Mitglied einem Wettbewerbsverbot ( R d n 7 8 ) unterläge. In dieser Konstellation führt die Treuepflicht nicht dazu, dass erst im Anschluss an den Anteilserwerb gegen den K o n k u r r e n t e n das ihm als nunmehrigem A k t i o n ä r obliegende Wettbewerbsverbot durchgesetzt wird ( R d n 1 4 3 ) , sondern die Fürsorgepflicht der Gesellschaft gebietet es, bereits im R a h m e n des vinkulierungsbedingten Zustimmungserfordernisses sorgfältig und interessengerecht abzuwägen, ob sich die Gesellschaft zu Lasten ihrer Aktionäre überhaupt in die Gefahr des kontrollartigen Einflusses eines Wettbewerbers begeben d a r f . 3 0 5 Hier wahrt die Gesellschaft ihre Treuepflicht gegenüber den Aktionären nur dann, wenn die Z u s t i m m u n g dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entspricht, also im H i n b l i c k auf das wohlverstandene Unternehmensinteresse erforderlich und angemessen ist.

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dd) Gewährung eines „Vorbezugsrechts" Viel diskutiert und unter anderem mit Argumentationslinien der Treuepflicht unterlegt worden ist das T h e m a , o b aus der Treuepflicht der Muttergesellschaft gegenüber ihren Aktionären zu folgern ist, dass diesen Aktionären beim Börsengang einer Tochtergesellschaft ein Vorerwerbsrecht im Sinne eines konzerndimensionalen Bezugsrechtes eingeräumt werden muss bzw o b mit R ü c k s i c h t auf die Treubindung ein Zuteilungsprivileg in analoger Anwendung des § 1 8 6 in Betracht k o m m t . 3 0 6 Ein solches besonderes Teilhaberecht ist regelmäßig zu verneinen ( h M ) ; 3 0 7 etwas anderes wäre allenfalls denkbar,

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BGH NJW 1987, 1019, 1020 = ZIP 1987, 291, dazu EWiR 1987, 107 (Priester)·, LG Aachen AG 1992, 410, 411 [„AGF/AMB"] = ZIP 1992, 924, 928, dazu EWiR 1992, 837 (Bork); Bayer in: MiinchKomm 2 § 68 Rdn 72. Bayer in: MünchKomm 2 § 68 Rdn 76; Reichert/Winter FS 100 Jahre GmbHG (1992), S 209, 223; Lutter AG 1992, 369, 373; Assmann/Sethe FS Zöllner (1998), Bd I, S 3, 29 f.

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Gl Ansicht [zur GmbH] Reichert/Winter FS 100 Jahre GmbHG (1992), S 209, 234 ff. Ausführlich Fuchs in: Henze/HoffmannBecking, GesR 2001, RWS-Forum 20 (2001), S 259 ff. Hüffer6 § 186 Rdn 5a; Fuchs in: Henze/ Hoffmann-Becking, GesR 2001, RWSForum 20 (2001), S 259, 271 ff; Fleischer ZHR 165 (2001), 513, 541 ff; Habersack WM 2001, 545, 548 f; Busch/Groß AG 2000, 503, 507 ff; Trapp/Schick AG 2001,

Hartwig Henze/Richard L. Notz

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Anh § 53 Λ

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

wenn in einem außergewöhnlich gelagerten Fall durch die Treuepflicht, die der AG gegenüber ihren Aktionären obliegt, das Handlungsermessen der Gesellschaft, wem sie über ihren Vorstand bei der Veräußerung des Tochterunternehmens die Anteile anbietet, ausnahmsweise auf Null reduziert ist, womit vorrangig vor einer Platzierung im Publikum die Aktionäre der Muttergesellschaft zum Zuge kommen könnten. 3 0 8 ee) Sprache 93

Die Verhandlungssprache in der Hauptversammlung ist Deutsch, wenn nicht alle anwesenden Teilnahmeberechtigten einmütig eine andere Sprache wählen. 3 0 9 Unsicherheiten bestehen in der Praxis bisweilen im Hinblick darauf, inwieweit Informationen (vgl zB §§ 131, 293g) oder zur Kenntnisnahme der Aktionäre auszulegende Materialien in einer bestimmten Landessprache abgefasst sein müssen oder ob ggf eine Übersetzung zu erfolgen hat. 3 1 0 Vergleichbar ist die Frage, ob - jenseits etwaiger ohnehin geltender kapitalmarktrechtlicher Vorgaben, die unberührt bleiben - Emissionsprospekte in einer bestimmten Sprache zu erstellen sind. Aus der Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären wird man hierzu lediglich folgern können, dass eine AG, die nach Maßgabe der Kollisionsnormen des Internationalen Gesellschaftsrechts deutschem Gesellschaftsrecht unterliegt, 311 mündliche oder schriftliche Informationen jeder Art, die den Aktionären von Rechts wegen erteilt werden müssen, jedenfalls (auch) in deutscher Sprache bereitstellen muss (zum sprachlichen Gleichbehandlungsgebot vgl § 53 a Rdn 97 ff).

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An dieser Pflicht einer deutschen AG ändert es allein noch nichts, dass - auch umfangreiche - Vertragswerke, die zur Kenntnis der Aktionäre auszulegen sein können, in ihrer Ursprungsform verkehrsüblich in englischer Sprache ausgearbeitet sein mögen. Eine andere Frage ist es, ob in solchen Fällen zwar eine wörtliche Übersetzung der sämtlich auszulegenden Unterlagen unterbleiben, gleichwohl aber ein Verstoß gegen die Treuepflicht dadurch vermieden werden kann, dass ein zusammenfassender Bericht in deutscher Sprache über alle relevanten Kernpunkte klar und richtig in einer Weise Auskunft gibt, die in Orientierung an dem mit der Information bezweckten Ziel als ausreichend angesehen werden kann. Das bedarf der sorgfältigen Abwägung, wird aber im Einzelfall zu bejahen sein.

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Kein Anknüpfungspunkt für eine generelle Fürsorgepflicht der Gesellschaft zur Übersetzung von erteilten Informationen ist die Nationalität eines Aktionärs. Beteiligen sich ausländische Anleger an einer deutschen AG, können sie nicht geltend machen, die

3 8 1 ; Lüders/Wulff m 2 0 0 1 , 1 2 0 9 , 1213 f; Kort AG 2 0 0 2 , 3 6 9 ff; Henze FS Ulmer ( 2 0 0 3 ) , S 2 1 1 , 2 3 7 f; vgl ferner Baums (Hrsg), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance ( 2 0 0 1 ) , Rdn 165; a A Lutter AG 2 0 0 0 , 3 4 2 , 3 4 4 ; ders AG 2 0 0 1 , 3 4 9 ; Becker/Fett W M 2 0 0 1 , 5 4 9 , 5 5 5 f. 308 Yg] p u c h s ¡ n . Henze/Hoffmann-Becking, GesR 2 0 0 1 , RWS-Forum 2 0 ( 2 0 0 1 ) , S 2 5 9 , 2 7 7 ff mit Rückgriff auf ein in B G H Z 83, 1 2 2 , 1 4 3 [„Holzmüller"] angesprochenes Investitionsprivileg der Aktionäre (vgl Fuchs a a O , S 2 7 8 / 2 7 9 und Notz ebd, S 2 8 6 ; gegen die Anlehnung an das „Holzmüller"-Urteil hier Hüffer6 § 119 Rdn 1 8 c ) .

Mülbert in: G r o ß k o m m 4 Vor § 118 Rdn 1 7 8 ; Kubis in: M ü n c h K o m m 2 $ 118 Rdn 5 6 . 310 y g ) iVofz in: Henze/Hoffmann-Becking, GesR 2 0 0 1 , RWS-Forum 2 0 ( 2 0 0 1 ) , S 3 3 f, 3 5 f. 309

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Dazu Hüffer6 § 1 Rdn 3 0 ^ t l m w N , bereits unter Berücksichtigung von E u G H N J W 2 0 0 2 , 3 6 1 4 [„Überseering"] und E u G H N J W 2 0 0 3 , 3 3 3 1 [„Inspire A r t " ] , sowie B G H Z 151, 2 0 4 ; B G H Z 154, 185 und B G H ZIP 2 0 0 3 , 7 2 0 .

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Treuepflicht

Anh § 53 a

Gesellschaft verletze ihre Treuepflicht, wenn sie auf Deutsch kommuniziere, während man dieser Sprache nicht mächtig sei. 312 Steht es einer deutschen AG danach grundsätzlich frei, ob sie ausländischen Aktionären Informationen in deren Sprache zukommen lässt, muss sie dennoch beachten, dass diese Fürsorge nicht zu einer grundlosen Bevorzugung einzelne Nationalitäten führt. Denn in der nur selektiven Übersetzung kann ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot liegen (§ 53 a Rdn 98 f). 5. Pflichtenkonkurrenz Verletzt eine Rechtsausübung des Aktionärs sowohl die Treuepflicht gegenüber der 9 6 Gesellschaft als auch die Treuepflicht gegenüber den Mitaktionären, ist die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft vorrangig. Grundsätzlich gilt, dass die Treuepflicht unter den Aktionären nur dann zum Tragen kommt, wenn nicht gleichzeitig Interessen der Gesellschaft verletzt sind (vgl Rdn 145). 313

V. Grenzlinien 1. Allgemein a) Vorrang des kodifizierten Rechts Die Treuepflicht soll Ansatzpunkt dafür sein, im Sinne erfolgreichen Wirtschaftens 9 7 und konfliktfreien Zusammenlebens im Einzelfall einem unverhältnismäßigen Missklang im mitgliedschaftlichen Bereich entgegenzuwirken. Dass die Treuepflicht als Generalklausel formuliert und von Wertungen durchdrungen ist, hebt sie vom förmlich strengen Organisationsrecht des Aktiengesetzes ab 3 1 4 und birgt Unsicherheiten der Rechtsanwendung in sich. 315 Um in der Praxis eine sachgerechte Handhabung zu gewährleisten, müssen daher Grenzen gezogen werden, um einer ausufernden Anwendung entgegenzutreten. 316 Zum einen ist bereits durch die Begrenzung auf den mitgliedschaftlichen Bereich ein Anwendungsrahmen für die Treubindungsgrundsätze festgelegt (Rdn 25 ff). Ferner ergänzt die Treuepflicht mit ihren Funktionen die lex scripta, deren Maßgaben gegenüber der richterrechtlichen Generalklausel Vorrang behalten. 317 Grundsätzliche Wertentscheidungen, die der Aktiengesetzgeber selbst getroffen hat (vgl Rdn 99 ff), dürfen nicht über die Treuepflicht konterkariert werden. Abschließende Regelungen sind einer ergänzenden Modifizierung durch die Treuepflicht nicht zugänglich (Art 20 Abs 3 GG). 318 Nach h M soll dies beispielsweise für die in den §§ 20 f AktG, 21 ff W p H G nor-

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Vgl dazu ergänzend Kubis in: MiinchKomra 2 § 118 Rdn 56. Hennricbs AcP 195 (1995), 221, 255; M Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S 85 ff, 90 ff; EmmeüchJHabersack Aktien- und GmbH-KonzernR 3 (2003), Anh § 318 Rdn 27; Lutter Z H R 153 (1989), 446, 467, 468 f; Henze N Z G 2003, 649, 655; vgl dagegen Hachenburg/Kaiser G m b H G 8 § 14 Rdn 54. Windbichler in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, RWS-Forum 8 (1996), S 23, 27. Brändel in: G r o ß k o m m 4 § 1 Rdn 89; Baltzer Gesellschaftsrechtliche Treupflicht

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(1968), S 151 ff; zu weitgehend in seiner Kritik K-P Martens in: Κ Schmidt, Rechtsdogmatik und Rechtspolitik (1990), S 266: „Treuepflicht dient als rechtspolitische Allzweckwaffe, um [...] beliebige Ergebnisse zu produzieren". Vgl auch Paschke FS Serick (1992), S 313, 315. Windbicbler in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, RWS-Forum 8 (1996), S 23, 28; Vetter AG 2000, 193, 202. Bungeroth in: MiinchKomm 2 Vor § 53 a Rdn 27; Röhricht in: H d b CorpGovernance (2003), S 513, 533 f.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

mierten Mitteilungspflichten gelten. Diese seien abschließend geregelt, so dass sich unterhalb der gesetzlichen Schwellenwerte bzw über die durch das Gesetz erfassten Fälle hinaus ein weitergehendes Mitteilungserfordernis auch nicht aus der Treuepflicht ableiten lasse. 3 1 9 Zwingend erscheint diese Ansicht - vor allem im Hinblick auf eine für sensible Fälle nötige Effektuierung des Minderheitenschutzes 3 2 0 - indessen nicht. 3 2 1 Zum Zuge kommt die Treuepflicht jedenfalls bei der Lösung ungeregelter Konfliktlagen in nicht sicher oder nicht vollständig geregelten Randbereichen einzelner Normen. Ferner kann die Auslegung gesetzlicher Bestimmungen vom Gedanken treugemäßen Verhaltens beeinflusst sein. b) Freiheit unternehmerischer Entscheidungen 98

Praktisch wichtig ist die Treubindung des Aktionärs vor allem im Hinblick auf seine mit der Stimmausübung verbundene Rechtsmacht, die im Einzelfall durch die Treuepflicht Schranken erfahren kann. Übt ein Aktionär sein Stimmrecht treuwidrig aus, (zB Rdn 58 ff, 72) begründet das die Anfechtbarkeit des Beschlusses (Rdn 135). Nach richtiger A n s i c h t 3 2 2 darf das aber nicht dazu führen, dass über die Generalklausel der Treuepflicht eine volle richterliche Kontrolle des Inhaltes jedes Hauptversammlungsbeschlusses institutionalisiert wird. Vielmehr steht der Hauptversammlung, wie den anderen Leitungsorganen (Vorstand, Aufsichtsrat), bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung ein unternehmerischer Handlungsspielraum zu. In einem stimmigen System darf die Treuepflicht im Ausgangspunkt nicht als Vorwand benutzt werden, der Kontrolle durch die Gerichte Spielräume zu eröffnen, deren Überprüfung ihnen entzogen bleiben m u s s . 3 2 3 Denn anderenfalls droht insbesondere in Publikumsgesellschaften, in denen sich der Aktionär jederzeit im Wege der Veräußerung seines Anteils zu einem marktgerechten Preis von seiner Mitgliedschaft trennen kann, durch die Überantwortung der Entscheidung gesellschaftsinterner Prozesse an den Richter als einen außenstehenden Dritten die Gefahr, dass die in dem dichten Feld des Wettbewerbs erforderliche Fähigkeit einer Gesellschaft, vielseitig zu agieren und rasch zu reagieren, verloren geht oder jedenfalls über Gebühr beeinträchtigt wird (vgl auch Rdn 1 2 ) . 3 2 4 Nur dann, wenn der Beschlussgegenstand eine klare Berührung zum Machtmissbrauch aufweist und/oder ein deutlicher Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht vorliegt, kann die Treuepflicht in der Figur der mate-

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Krieger in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 69 Rdn 18; Wfof/NZG 2000, 505, 506 f; Tröger Treupflicht im Konzernrecht (2000), S 308 ff; Wolframm Mitteilungspflichten (1998), S 175, 183 ff; Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären (1997), S 181 ff. So etwa Siebel FS Heinsius (1991), S 771, 787; Burgard AG 1992, 41, 47 ff; ders Offenlegung von Beteiligungen (1990), S 47, 64 ff; Arends Offenlegung von Aktienbesitz (2000), S 27 ff. Kritisch auch Emwencfc/Habersack, Aktienund GmbH-KonzernR 3 (2003), § 20 Rdn 10 f; siehe außerdem Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 325 ff. OLG Stuttgart ZIP 2003, 2024, 2027; Bun-

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gert DB 1995, 1749, 1755; Lutter J Z 1995, 1053, 1055; Windbichler in: Henze/Timm/ Westermann, GesR 1995, RWS-Forum 8 (1996), S 23, 27 f; Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 534 f. OLG Stuttgart ZIP 2003, 2024, 2027; Bungeroth in: MünchKomm 2 Vor S 53a Rdn 31; Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 534 f. Wiedemann in: Lutter/ Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, ZGR SH 13 (1998), S 5, 19 ff; Zöllner AG 2000, 145, 153; Lutter J Z 1995, 1053, 1055; Rottnauer NZG 2001, 115, 120 f; siehe zur GmbH desgleichen OLG Hamm GmbHR 1992, 612, 613. Dazu Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 534 f.

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Treuepflicht

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riellen Beschlusskontrolle herangezogen werden; Maßstab sind dann Unternehmensinteresse, Erforderlichkeit und Angemessenheit (Verhältnismäßigkeitsabwägung). Ferner aktualisiert sich die Treuepflicht als richterliches Prüfungskriterium, wenn mit Rücksicht auf das wohlverstandene Interesse der Gesellschaft eine unternehmerische Entscheidung in keiner Weise mehr als vertretbar angesehen werden kann. Letzteres wird im regulären Wirtschaftsverkehr nur bei ganz außergewöhnlichen Fällen angenommen werden kön-

2. Einzelfälle a) Liquidation der Gesellschaft Die Gesellschaft kann gemäß § 262 Abs 1 Nr 2 durch Beschluss aufgelöst werden. Das Gesetz verlangt nur eine 3 / 4 -Mehrheit; es stellt keine weiteren Voraussetzungen auf. Die h M geht zu Recht davon aus, dass diese Wertentscheidung als abschließend zu betrachten ist und demgemäß ein Auflösungsbeschluss keiner inhaltlichen Kontrolle daraufhin unterliegen kann, ob die Beendigung der Gesellschaft im Übrigen treuwidrig ist. Der Liquidationsbeschluss 326 bedarf keiner sachlichen Rechtfertigung, sondern trägt sie in sich. 327 Aus dem Aktiengesetz lässt sich kein allgemein institutionalisierter Bestandsschutz für eine Gesellschaft folgern. Das Aktiengesetz gewährt den (Minderheits-) Aktionären kein die Vorschrift des § 262 Abs 1 N r 2 ergänzendes Recht, den Mehrheitswillen zur endgültigen Desinvestition zu stoppen. 3 2 8 Die Grundsatzentscheidung, die Gesellschaft aufzulösen, unterliegt mithin keinen Treubindungen.

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Wohl aber stehen die Vorbereitung der Auflösungsentscheidung und die Modalitäten ihrer Abwicklung unter dem Einfluss des Treugebots. Eine Verletzung der Treuepflicht kann nach der Rechtsprechung des BGH dann vorliegen, wenn der die Auflösung betreibende Mehrheitsaktionär sich einen vorrangigen Zugriff auf wesentliche, der Liquidation zugunsten aller Aktionäre unterliegende Vermögensteile dadurch zu sichern sucht, dass er bereits vor Fassung des Liquidationsbeschlusses entsprechende Abreden mit dem Vorstand trifft oder eine vergleichbare sichere Grundlage für den Erwerb schafft, die den Ausschluss Dritter tatsächlich garantiert; er verfolgt etwa von vornherein mit der Auflösung der Gesellschaft das Ziel, das Gesellschaftsvermögen unter Ausschaltung der übri-

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Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Vor § 53 a Rdn 31 aE; Windbichler in: Henze/Timm/ Westermann, GesR 1995, RWS-Forum 8 (1996), S 23, 27 f. Das Gleiche wird man in der Regel annehmen können für den Verschmelzungsbeschluss der übertragenden Gesellschaft ( S S 13, 50 UmwG), OLG Frankfurt ZIP 2003, 1654, 1656 mwN; vgl auch Decker in: Lutter, U m w G 2 (2000), S 193 Rdn 11, 12 mwN. H M , BGHZ 76, 352, 353; 103, 184, 190 f [„Linotype"] = NJW 1988, 1579 m Anm Timm; Hüffer6 S 243 Rdn 28 mwN; Zöllner AG 2000, 145, 155; Heme Z H R 162 (1998), 186, 190 f; Hirte Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung (1986), S 143 f; Jahnke Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht

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(2003), S 69; aA Wiedemann J Z 1989, 447, 448 f; ders FS Heinsius (1991), S 949, 962; ders in: Großkomm 4 S 179 Rdn 175; ders in: Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, Z G R SH 13 (1998), S 5, 22 mit der Wertung, es sei nicht überzeugend, den Kapitalherabsetzungsbeschluss als Weg der Teilliquidation gerichtlich überprüfbaren Loyalitätsanforderungen zu unterwerfen (unter Hinweis auf BGHZ 129, 136, 152), den Beschluss über die Vollliquidation davon aber freizusprechen. 328

Ebenso wenig kann aus der Treubindung allgemein die Verpflichtung des Mehrheitsaktionärs gefolgert werden, seine Anteile nicht an einen ihm bekanntermaßen liquidationswilligen Erwerber zu veräußern (Rdn 117).

H a r t w i g Henze/Richard L. N o t z

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

gen Aktionäre auf sich selbst oder eine von ihm beherrschte Gesellschaft zu übertragen, und schneidet seinen Mitaktionären die (aber wohl nur theoretische und selten wirklich ergreifbare) 3 2 9 Chance ab, sich gemeinsam - möglicherweise auch zusammen mit weiteren Investoren - ebenso um den Erwerb wesentlicher Unternehmensteile zu bemühen, um das Unternehmen der Gesellschaft fortzuführen. 3 3 0 Im Lichte der neueren Rechtsprechung des BVerfG müssen diese Gedanken aber präzisiert werden. Erschöpft sich danach der Schutz der im Wege einer Liquidation hinausgedrängten Minderheitsaktionäre in einer vollwertigen Entschädigung (Rdn 102), 331 so kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die bevorzugte Veräußerung an den Mehrheitsaktionär als solche bereits als anfechtungsbewehrte Verletzung der Treuepflicht angesehen werden kann. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob im Ergebnis die Minderheitsaktionäre zum vollen Wert ihrer Anteile entschädigt werden. 101

Fraglich bleibt danach, ob das Vereiteln der Erwerbschance für sich betrachtet hinreicht, um einen Verstoß gegen die Treuepflicht zu bejahen. Im Kern handelt es sich hierbei um die Frage des Rechts auf gleichmäßige Teilhabe an den Liquidationsgege«ständen. An diesen Gegenständen sind die Aktionäre nicht dinglich berechtigt (vgl § 1 Abs 1 S 1), sondern nach der gesetzlichen Konzeption erschöpft sich - soweit ein Abwicklungsüberschuss vorhanden ist - ihr Recht darin, am Barwert dieser Gegenstände gemäß § 271 teilzuhaben. Über den Erwerber der Gegenstände, aus denen sich das abzuwickelnde Restvermögen zusammensetzt, entscheiden die Liquidatoren. Im Rahmen der pflichtgemäßen Ausübung ihrer organschaftlichen Befugnisse müssen sie danach streben, einen marktgerechten, dh einen unter Ausnutzung vorhandenen Nachfragewettbewerbs möglichst hohen Preis zu erzielen. In diesem Wettbewerb haben die Aktionäre grundsätzlich kein Recht auf vorrangige Berücksichtigung im Verhältnis zu Dritten, sondern der gebotene Preis entscheidet darüber, an wen der Liquidator veräußern muss. 332 Entscheidet sich aber der Liquidator deshalb dafür, an eine bestimmte Person zu veräußern, weil diese Person der Mehrheitsaktionär ist, und wird dadurch ein Wettbewerb um die das Liquidationsvermögen ausmachenden Gegenstände ausgeschlossen mit dem Ergebnis, dass erhöhte Barwerte, von denen alle Aktionäre profitieren könnten, nicht realisiert werden, liegt darin zunächst eine haftungsbewehrte Pflichtverletzung des Liquidators (§ 268 Abs 2 S 1 iVm § 93). Hat zudem der Mehrheitsaktionär sich durch Einflussnahme auf die Geschäftsleitung bereits durch eine gefestigte Vorabsprache den Erwerb der Unternehmensgegenstände, der sich im Anschluss an den Liquidationsbeschluss vollziehen soll, gesichert, ohne dass der von ihm dafür zu entrichtende Preis in seiner Höhe dem auf dem Markt erzielbaren Preis entspricht, dann liegt in dieser rücksichtslosen, unangemessen auf Kosten der Minderheit zielenden Ausnutzung der Machtstellung eine Verletzung seiner Treuepflicht gegenüber der Minderheit. Der die Liquidation anstrebende Mehrheitsaktionär darf nicht dem Ablauf der Ereignisse eine Vorprägung verleihen,

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So auch Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 532 f. Vgl BGHZ 103, 184, 193 ff [„Linotype"] m Anm Lutter Z H R 153 (1989), 446 = NJW 1988, 1579 m Anm Timm = J Z 1989, 443 m Anm Wiedemann = JR 1988, 505 m Anm Bommert = ZIP 1988, 301 m Anm Kort ZIP 1990, 294, dazu EWiR 1988, 529 (Drygala) = WuB II A S 262 AktG 2.88 (Baums)·, vgl auch BGHZ 76, 352, 355 f. BVerfG NJW 2001, 279, 280 f [„Moto

332

Meter") = ZIP 2000, 1670, 1673, dazu EWiR 2000, 913tNe)/e;.= N Z G 2000, 1117 m Anm Bauer 1214 = WuB II A § 179 a AktG 1.01 (Drygala); ferner Fleischer D N o t Z 2000, 876. Dabei ist uU nicht das nominale Höchstgebot entscheidend, sondern Berücksichtigung muss zudem finden, ob und wann der Bieter diesen Preis tatsächlich bezahlen können wird bzw welches die Zahlungsmodalitäten sein sollen.

Stand: 1. 7. 2004

(146)

Anh § 53 a

Treuepflicht

wodurch die Minderheit an dem Bemühen gehindert wird, die Gegenstände zu einem höheren Preis zu erwerben; ebenso wenig darf er die Leitungsorgane behindern, Verhandlungen über den Erwerb der Unternehmensgegenstände auch mit anderen Aktionären zu führen. Je nach Lage des Falles ist hier ferner an § 117 zu denken. Abgesehen von der Verletzung der Treuepflicht durch vorgreifliches, den Liquidationswert der Anteile schmälerndes Verhalten des Mehrheitsaktionärs unterliegt ein Auflösungsbeschluss selbst dann keinen aus der Treuepflicht herzuleitenden Schranken, wenn es sich um eine „übertragende Auflösung" 3 3 3 handelt, mit der der Mehrheitsaktionär anstrebt, die Gesellschaftssubstanz in ein anderes ihm allein gehörendes oder von ihm beherrschtes Unternehmen zu transferieren (vgl auch § 179a Abs 3 ) . 3 3 4 Diese Sichtweise, der Liquidationsbeschluss bedürfe auch im Falle einer auflösungsbedingten Übertragung des Gesellschaftsunternehmens keiner materiellen Rechtfertigung, hat im Schrifttum Kritik gefunden. 3 3 5 Dennoch legt auch das BVerfG diese Ansicht zugrunde: Es geht davon aus, dass im Falle einer übertragenden Auflösung der Schutz der Minderheitsaktionäre, die an dem fortzuführenden Unternehmen nicht beteiligt bleiben sollen, nur insofern besteht, als ihnen eine vollwertige Entschädigung zufließen muss. 3 3 6 Hingegen wird dem Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs kein genereller Bestandsschutz gewährt. 3 3 7

102

b) Squeeze-out aa) Regel Die zur Liquidation (Rdn 99 ff) und insbesondere (Rdn 102) angestellten Überlegungen führen ferner dazu, versammlung zum Minderheitenausschluss gemäß § 327a lich keiner an der Treuepflicht orientierten Sachkontrolle

333

334

Begriff nach Lutter/Drygala FS Kropff (1997), S 191, 193; zur Diskussion vgl die Beiträge von Henze in: ZIP 1995, 1473; FS Boujong (1996), S 2 2 3 ; FS Peltzer (2001), S 181; FS Wiedemann ( 2 0 0 2 ) , S 935, 9 3 9 ff, je mwN. - Zu der streitigen Frage, ob eine übertragende Auflösung zum Zwecke des Minderheitenausschlusses nach Einführung der 3 2 7 a - f [Squeeze-Out] außerhalb dieser neuen gesetzlichen Bestimmungen nunmehr unzulässig ist, siehe einerseits Wolf ZIP 2 0 0 2 , 153 ( § S 3 2 7 a ff nicht abschließend), andererseits Wilhelm/Dreier ZIP 2 0 0 3 , 1369 (Spezialität der S S 3 2 7 a ff), ferner dazu E m m e r i c h / H a b e r s a c k Aktienund GmbH-KonzernR 3 ( 2 0 0 3 ) , S 3 2 7 a Rdn 10 mwN. BayObLG ZIP 1998, 2 0 0 2 [„MagnaMedia/ W E K A " ] = N Z G 1998, 1001 m Anm Sosnitza; OLG Stuttgart ZIP 1995, 1515 [„Moto Meter I"] und ZIP 1997, 3 6 2 [„Moto Meter II"]; Henze FS Peltzer (2001), S 181, 188 ff; ders FS Wiedemann ( 2 0 0 2 ) ,

S 935, 9 3 9 ff; vgl ferner K-P Martens FS Peltzer (2001), S 279, 2 8 4 [Fn 11], 2 9 4 ff.

(147)

zur übertragenden Auflösung auch den Beschluss der HauptAbs 1 (squeeze out) grundsätzzu unterziehen. 338 Der Gesetz-

335

Wiedemann ZGR 1999, 857, 8 7 0 f [venire contra factum proprium]; Lutter/Drygala FS Kropff (1997), S 191, 2 0 0 f, 2 0 9 ff, 216 ff [Missbrauchskontrolle].

336

BVerfG N J W 2 0 0 1 , 279, 2 8 0 f [„Moto Meter"] = ZIP 2 0 0 0 , 1670, 1673, dazu EWiR 2 0 0 0 , 913 (Neye) = N Z G 2 0 0 0 , 1117

m Anm Bauer 1214 = WuB II A S 179 a AktG 1.01 (Drygala); D N o t Z 2 0 0 0 , 876.

ferner

Fleischer

337

BVerfG N J W 2 0 0 1 , 2 7 9 f [„Moto Meter"] = ZIP 2 0 0 0 , 1 6 7 0 , 1671, dazu EWiR 2 0 0 0 , 913 (Neye) = NZG 2 0 0 0 , 1117 m Anm Bauer 1214 = WuB II A S 179a AktG 1.01 (Drygala); ferner Fleischer D N o t Z 2 0 0 0 , 876.

338

OLG Düsseldorf DB 2 0 0 4 , 5 9 0 f;

Hüffer6

S 327 a Rdn 11 mwN; Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-KonzernR 3 ( 2 0 0 3 ) ,

S 327 a Rdn 26 mwN; Steinmeyer/Häger W p Ü G ( 2 0 0 2 ) , S 3 2 7 a AktG Rdn 2 0 ; siehe im Ausgangspunkt auch Kiem in: Henze/ Hoffmann-Becking, GesR 2 0 0 1 , RWSForum 2 0 (2001), S 329, 3 3 9 f.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

103

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

geber hat hier - unter dem Blickwinkel des Art 14 Abs 1 GG in verfassungskonformer Weise 3 3 9 - die erforderliche Abwägung zwischen dem Interesse der Minderheitsaktionäre an ihrem Verbleib in der Gesellschaft und des Hauptaktionärs an ihrem Ausschluss selbst vorgenommen und sieht die Minderheitsinteressen hinreichend durch das Gebot einer angemessenen Barabfindung geschützt (§ 327b). 3 4 0 Diese Regelung entspricht der Rechtsprechung des BVerfG, nach der die Mitgliedschaft der Aktionäre keinen Bestandsschutz genießt. 341 bb) Mögliche Ausnahmen 104

Eine Treuwidrigkeit des Ubertragungsbeschlusses wird in der Literatur allenfalls für besonders gelagerte Einzelfälle bei Hinzutreten bestimmter Umstände in Betracht gezogen, die in der gesetzlichen Wertung, die den §§ 327 a ff zugrunde liegt, nicht berücksichtigt sind. Hier ausnahmsweise auf die Schutz- und Schrankenfunktion der Treuepflicht zurückzugreifen, wird für folgende Konstellationen vorgeschlagen: 342

105

(1) Der Einwand der Verletzung der Treuepflicht kann einen dem Squeeze-out vorausgehenden Beschluss über einen Formwechsel treffen, mit dem der Mehrheitsgesellschafter sein Gesellschaftsunternehmen allein zu dem Zweck in eine Aktiengesellschaft umwandelt, dass ihm anschließend als Instrument der Beseitigung der restlichen Gesellschafter der Weg der §§ 327 a ff geebnet ist. Wiewohl für sich betrachtet weder der Formwechsel noch der Squeeze-out einer materiellen Beschlusskontrolle zu unterziehen sind, soll nach hM dann, wenn beide Beschlüsse in einer einheitlichen Strategie verknüpft sind, die Schranke der Treuepflicht zugunsten der Minderheitsgesellschafter in Funktion treten. 3 4 3

106

(2) Auch ist an den Fall zu denken, dass die Maßnahme, mit der der Weg zum Squeeze-out geebnet wird, eine Kapitalerhöhung oder die Ausübung eines genehmigten Kapitals 3 4 4 unter Bezugsrechtsausschluss ist (§ 186 Abs 3), wodurch zunächst die Minderheit unter die im Rahmen des § 327a Abs 1 relevante 5 %-Schwelle gedrückt wird (vgl auch Rdn 64), um anschließend nach dieser Vorschrift ausgeschlossen zu werden. Freilich wird ein allein dieses Ziel vorbereitender, durch den Großaktionär in der Hauptversammlung beschlossener Bezugsrechtsauschluss der materiellen Beschlusskontrolle, der er nach der Rechtsprechung zu unterziehen ist, 345 kaum standhalten. 3 4 6 Das prakti-

339

340 341

342

Ganz hM; siehe OLG Düsseldorf DB 2 0 0 4 , 590; OLG Hamburg ZIP 2 0 0 3 , 1344; OLG Oldenburg ZIP 2 0 0 3 , 1351; OLG Stuttgart ZIP 2 0 0 3 , 2363; OLG Köln BB 2003, 2 3 0 7 ; OLG Hamburg AG 2003, 696; Hüffer6 § 3 2 7 a Rdn 4 m w N ; Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-KonzernR 3 (2003), § 3 2 7 a Rdn 7 m w N ; Grunewald in: M i i n c h K o m m 2 Vor § 327a Rdn 6 ff m w N . Dieser Ansicht ist auf Grundlage von BVerfG NJW 2001, 2 7 9 = ZIP 2 0 0 0 , 1670 [„Moto Meter"] beizupflichten. Siehe dazu Hüffer6 § 2 4 3 Rdn 2 4 aE. BVerfGE 14, 263, 278 ff [„Feldmühle"]; 100, 289, 301 ff [„DAT/Altana"]; ZIP 1999, 1804 [„Hartmann & Braun"]; N J W 2001, 2 7 9 [„Moto Meter"]. Siehe OLG Düsseldorf DB 2 0 0 4 , 5 9 0 , 591; ausführlich Emmerich/Habersack Aktien-

343

344 345

346

und GmbH-KonzernR 3 (2003), § 3 2 7 a Rdn 2 7 ff; Markwardt BB 2 0 0 4 , 277, 2 8 0 ff; vgl ferner Grunewald in: MiinchKomm 2 § 3 2 7 a Rdn 19 ff. Krieger BB 2 0 0 2 , 53, 61 f; Fleischer ZGR 2 0 0 2 , 757, 787; Gesmann/Nuissl W M 2 0 0 2 , 1205, 1210; Habersack ZIP 2001, 1230, 1234 f; vorsichtig Grunewald ZIP 2 0 0 2 , 18, 22; zurückhaltend auch ν Morgen W M 2 0 0 3 , 1552; aA Hasselbach in: KölnKommWpÜG § 3 2 7 a AktG Rdn 56; Markwardt BB 2 0 0 4 , 277, 283. §§ 2 0 2 , 2 0 3 iVm § 186. B G H Z 71, 4 0 [„Kali & Salz"]; 136, 133 [„Siemens/Nold"]. Gl Ansicht Markwardt BB 2 0 0 4 , 277, 284; siehe auch OLG Schleswig DB 2 0 0 4 , 1416, 1417 f.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(148)

Treuepflicht

Anh § 53 a

sehe Problem liegt jedoch darin, dass der w a h r e Z w e c k im Z e i t p u n k t der K a p i t a l m a ß n a h m e nicht hinreichend e r k e n n b a r sein mag und wegen der Ausschlussfrist des § 2 4 6 Abs 1 der Beschluss unanfechtbar wird, bzw darin, dass der im R a h m e n der Ausübung eines genehmigten Kapitals durch den Vorstand v o r g e n o m m e n e Bezugsrechtsausschluss gar kein nach § 2 4 3 anfechtbarer Gegenstand ist. D a s führt zu der Frage, o b zumindest der dem Bezugsrechtsausschluss nachfolgende und strategisch mit ihm verknüpfte Squeezeout-Beschluss unter dem Gesichtspunkt der Treuepflichtverletzung a n f e c h t b a r ist. (3) Umstritten ist, o b ein Squeeze-out-Beschluss sich deshalb an der Treuepflicht mes-

107

sen lassen muss, weil der H a u p t a k t i o n ä r die nach § 3 2 7 a Abs 1 S 1 nötige M e h r h e i t lediglich vorübergehend - ggf ua dadurch, dass er sich mit dem Ziel der Bündelung in seiner Person kurzzeitig Anteile zu treuen H ä n d e n übertragen lässt - zu dem Z w e c k auf sich vereinigt, einen bestimmten verbleibenden Aktionärskreis h i n a u s z u d r ä n g e n . 3 4 7 ( 4 ) Als Ausprägung des allgemein in § 2 4 2 B G B wurzelnden Rechtsgedankens des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire c o n t r a factum p r o p r i u m ) 3 4 8 lässt sich erwägen, die Beschlussfassung des H a u p t a k t i o n ä r s als Verletzung der Treuepflicht einzustufen, wenn er die Minderheitsaktionäre hinausdrängt, o b s c h o n er sie kurze Zeit davor zum Erwerb der Mitgliedschaften veranlasst und hierdurch einen Vertrauenstatbestand gesetzt hatte, an dem er sich im Interesse dieser jungen Mitglieder festhalten lassen muss.349

108

( 5 ) Vertreten wird schließlich die Ansicht, eine anfechtungsbewehrte Verletzung der Treuepflicht des H a u p t a k t i o n ä r s k ö n n e darin liegen, dass er durch den Übertragungsbeschluss vertragliche A b s p r a c h e n , die er mit (allen) M i n d e r h e i t s a k t i o n ä r e n getroffen h a t , 3 5 0 missachtet. 3 5 1

109

347

Treupflichtschranken bejahend Emmerich/ Habersack Aktien- und GmbH-KonzernR 3 (2003), S 327a Rdn 29; Grunewald in: MünchKomm 2 § 327 a Rdn 21 f; Halasz! Kloster DB 2002, 1253, 1255 f; Bolte DB 2001, 2587, 2589; Baums Ausschluss von Minderheitsaktionären (2001), S 140 ff; aA Hasselbach in: KölnKommWpÜG § 327 a AktG Rdn 56 f; Krieger BB 2002, 53, 62; Witthuhn/Giermann MDR 2003, 372 ff; Markwardt BB 2004, 277, 285.

348

Allgemein dazu Palandt/Heinrichs BGB 6 3 § 242 Rdn 55 ff; Roth in: MünchKommBGB 4 § 242 Rdn 423 ff; ErmanJHobloch BGB 11 , Bd I, § 242 Rdn 106. Zuneigend EmmerichJHabersack Aktienund GmbH-KonzernR 3 (2003), § 327a Rdn 30; Fleischer ZGR 2 0 0 2 , 757, 785 f; Gesmann/Nuissl WM 2002, 1205, 1210 f; Wiedemann ZGR 1999, 857, 870 f; aA Markwardt BB 2004, 277, 286. Vgl auch Grunewald in: MünchKomm 2 § 327a Rdn 26, 28 sowie ZIP 2 0 0 2 , 18, 22.

349

350

Zu der - streitigen - Auffassung der Rechtsprechung, dass die Verletzung schuldrecht-

(149)

licher satzungsbezogener Nebenabreden durch einen Gesellschafterbeschluss die Anfechtbarkeit dieses Beschlusses nach § 243 begründen kann, falls sämtliche Gesellschafter durch die Nebenabrede gebunden sind, vgl [zur GmbH] BGH NJW 1983, 1910, 1911; 1987, 1890, 1892; OLG Hamm NZG 2000, 1036, 1037; aA OLG Stuttgart BB 2001, 794, 797 f. Vgl dazu im Übrigen Goette in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, RWS-Forum 8 (1996), S 113, 119 ff; Michalski GmbHG, Bd I (2002), § 3 Rdn 79 mwN; Scholz/K Schmidt GmbHG 9 § 45 Rdn 116; ders in: Großkomm 4 § 243 Rdn 19 f und ders GesR 4 (2002), § 5 I 5, S 93 ff; Pentz in: MünchKomm 2 § 23 Rdn 194; Hüffer6 § 243 Rdn 10 und ders in: MünchKomm 2 § 243 Rdn 23 f, je mwN; siehe auch Henze in: Großkomm 4 § 54 Rdn 64; Raiser Kapitalgesellschaften3 (2001), § 16 Rdn 166; Habersack ZHR 164 (2000), 1, 10 f. 351

So Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-KonzernR 3 (2003), § 327a Rdn 31.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

c) Krisenbewältigung (Stimmverhalten bei Sanierung) 110

Es gibt keine allgemeine Pflicht für Aktionäre, sich stets für die Sanierung der in die Krise geratenen Gesellschaft zu engagieren. 3 5 2 Eine solche Mitwirkungspflicht zur Sanierung folgt auch nicht aus der Treubindung gegenüber der Gesellschaft oder den Mitaktionären. Weder ist ein Aktionär grundsätzlich verpflichtet, auf eine Sanierung hinzuwirken, noch einer durch die Leitungsorgane oder den Hauptaktionär konzipierten Sanierung zuzustimmen noch für eine beschlossene Sanierung finanzielle Mittel irgendeiner Art aufzuwenden.

111

Das bedeutet freilich nicht, dass im Umkehrschluss jeder Aktionär sogar das Recht hat, eine zur Krisenbewältigung angestrebte Sanierung zu blockieren. Sich an einer Sanierung nicht zu beteiligen, steht den Aktionären frei, auch wenn dies das Ende der Gesellschaft bedeutet. Etwas anderes ist es jedoch, das Ende der Gesellschaft dadurch herbeizuführen, dass die zur Rettung der Gesellschaft notwendigen tatsächlichen Schritte rechtlich aktiv verhindert werden, wodurch zwangsweise die Liquidation der Gesellschaft im Wege des gesetzlichen Verteilungsverfahrens (Insolvenz) erfolgen muss. Aus § 2 6 2 Abs 1 N r 2 ist abzuleiten, dass die Minderheit die Auflösung nicht gegen den Willen der Mehrheit erzwingen k a n n . 3 5 3 Ist das Überleben der Gesellschaft möglich und wird dies durch eine sinnvolle und seriöse Sanierung mehrheitlich angestrebt, müssen sich aus dem Gesichtspunkt gegenseitiger Treue diejenigen Aktionäre, die das Sanierungskonzept ablehnen, der (Gegen-) Stimme zumindest enthalten und dürfen nicht obstruieren. 3 5 4 Dennoch abgegebene Gegenstimmen müssten, weil sie die sinnlose vollständige Entwertung und damit Beseitigung der mitgliedschaftlichen Anteile auch der Mehrheit bedeuten, als eigensüchtig gelten; mithin verletzen sie die Treuepflicht. Ist die Krise von einer Qualität, in der aufgrund der Umstände nur noch ein bestimmtes, allen Aktionären nach Lage der Dinge zumutbares Sanierungskonzept als realisierbar gelten kann, so ist die Durchführung dieses Plans, zu dem es keine ebenso realistische, aber schonendere Alternative gibt, für die Gesellschaft erforderlich. Sind die Aktionäre richtig, vollständig, klar und objektiv über diese zugespitzte Krisenlage sowie das zu ihrer Bewältigung dienende Sanierungskonzept informiert w o r d e n , 3 5 5 dann bindet die Treuepflicht hier ausnahmsweise die Aktionäre zu einem dem mehrheitlichen Ziel entsprechenden Stimmverhalten, den Beschlussgegenstand zu der Sanierung nicht durch ablehnende Ausübung des Stimmrechts zu blockieren (Rdn 5 9 ) . 3 5 6

352

B G H Z 129, 136, 151 [„Girmes/Effectenspiegel"].

353

B G H Z 129, 136, 1 5 2 [„Girmes/Effectenspiegel"]; Timm W M 1991, 4 8 1 , 4 8 4 .

354

B G H Z 129, 136, 152 [„Girmes/Effectenspiegel"]; Timm W M 1991, 4 8 1 , 4 8 5 ; Lutter E W i R 1991, 8 4 9 , 8 5 0 ; Schöne W M 1 9 9 2 , 2 0 9 , 2 1 2 ; Κ Schmidt G e s R 4 ( 2 0 0 2 ) , § 5 IV 5 a, S 134; Marsch-Barner Z H R 157 (1993), 1 7 2 , 1 8 0 f; Kunze Positive Stimmpflichten ( 2 0 0 4 ) , S 1 8 3 ; tendenziell aA K-P Martens in: Κ Schmidt, Rechtsdogmatik und Rechtspolitik ( 1 9 9 0 ) , S 2 5 1 , 2 5 9 ff.

355

Vgl Häsemeyer 127.

Z H R 1 6 0 ( 1 9 9 6 ) , 109, 115,

356

B G H Z 129, 136, 152 [„Girmes/Effectenspiegel"] = N J W 1995, 1 7 3 9 m Anm Altmeppen 1 7 4 9 = J Z 1995, 1 0 6 4 m Anm Lutter 1 0 5 3 = DB 1995, 1 0 6 4 m Anm Bungert 1 7 4 9 = ZIP 1995, 8 1 9 m Anm G Müller 1416, dazu E W i R 1995, 5 2 5 (Rittner) = W u B II A § 135 AktG 1.95 (Hennrichs); vgl auch O L G Stuttgart ZIP 2 0 0 3 , 2 0 2 4 ; Wiesner in: MiinchHdb G e s R 2 ( 1 9 9 9 ) , Bd 4 [AG], § 17 Rdn 2 0 aE; Kunze Positive Stimmpflichten ( 2 0 0 4 ) , S 183; vor der Leitentscheidung des B G H bereits Κ Schmidt ZIP 1 9 8 0 , 3 2 8 , 3 3 5 f; ders Z G R 1 9 8 2 , 519, 5 2 4 f; Lutter Z H R 153 ( 1 9 8 9 ) , 4 4 6 , 4 6 8 ; Timm W M 1991, 4 8 1 , 4 8 4 f.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(150)

Treuepflicht

Anh § 53 a

Nach plausibler Ansicht besteht die Pflichtenbindung der skeptischen Aktionäre in diesem Fall nicht nur gegenüber ihren sanierungswilligen Mitaktionären - also im Verhältnis der Aktionäre untereinander - , sondern auch im Verhältnis zur Gesellschaft: 3 5 7 Solange ein mehrheitlicher Wille zur Liquidation der Gesellschaft nicht geäußert ist, muss sich die Gesellschaft, sofern bei ihr - was bei Vorliegen einer Sanierungschance offensichtlich nicht der Fall ist - noch nicht die Voraussetzungen der §§ 17 ff InsO unvermeidbar vorliegen, nicht von einer Minderheit zerstören lassen, sondern darf Loyalität erwarten.

112

d) Anteils Veräußerung aa) Grundsatz Auch im Hinblick auf die individuelle Entscheidung zur Desinvestition durch Veräußerung der Aktie gilt im Ausgangpunkt, dass der Aktionär in aller Regel frei befinden kann, ob überhaupt und - falls ja - wann und wem er seine Mitgliedschaft überträgt. Treubindungen herrschen grundsätzlich nicht, denn ihnen steht der (im Schutzbereich des Art 14 Abs 1 G G liegende) Grundsatz der freien Ubertragbarkeit der A k t i e 3 5 8 entgegen, 3 5 9 der zum Schutz der Aktionäre die Kehrseite dazu darstellt, dass die Mitgliedschaft nicht gekündigt werden kann bzw das Gesetz kein aktienrechtliches Austrittsrecht vorsieht. 3 6 0 Gesellschaftsrechtlich ist die freie Übertragbarkeit aber dann einer Einschränkung unterworfen, wenn es sich der Gattung nach gemäß § 68 Abs 2 um vinkulierte Namensaktien handelt. Im Grunde müssen sich bei Fehlen einer Vinkulierung die Aktionäre darauf einstellen, dass sich der Bestand der Anteilsinhaber und dadurch mittelbar die Mehrheitsverhältnisse, die Einflussnahme auf das Gesellschaftsschicksal sowie letztlich auch der Kurs der Unternehmenspolitik ändern können. 3 6 1

113

bb) Wirtschaftlich wertlose Anteile Die freie Entscheidung darüber, die Aktie überhaupt nicht oder an eine gewisse Person oder einen bestimmten Personenkreis nicht zu veräußern, kann die Treuepflicht allenfalls höchst ausnahmsweise beeinflussen. Das könnte dann zu erwägen sein, wenn schutzwürdige Belange des Aktionärs deshalb nicht berührt sind, weil er im Ergebnis weder zu entscheiden vermag, dass er seine Aktie nicht verliert noch wann er sie verlieren wird. In Betracht kommt das für den Fall, dass ein Insolvenzverfahren unmittelbar bevorsteht, in dem mit (an) Sicherheit (grenzender Wahrscheinlichkeit) auf Ansprüche nach § 199 InsO keine Masse entfällt, der Anteilsinhaber aber statt des sinnlos ruinösen Verhaltens, die Aktien zu behalten, ebensogut seine Anteile gegen Null auf eine andere Person übertragen kann mit der - die Treuepflicht wahrenden - Wirkung, einen oder mehrere Mitaktionäre, die ebenso ihre Anteile verlieren, vor weiter gehenden Schäden zu

357

358

Bungeroth in: MünchKomm2 Vor § 53 a

aA für den Pakethandel Ziemons/Jaeger AG

Rdn 29, auch zu der praktisch vorzugswürdigen Konsequenz im Hinblick auf etwa bestehende Schadensersatzansprüche; aA B G H Z 129, 136, 166; Kunze Positive Stimmpflichten ( 2 0 0 4 ) , S 1 8 2 f.

1 9 9 6 , 3 5 8 , 361 f, die indessen deutlich zu weit gehen.

YX-Lutter2

361

Bungeroth in: MünchKomm2 Vor § 53a Rdn 30; Lutter ZHR 153 (1989), 446, 460;

(151)

Vgl Bayer in: MünchKomm2 § 68 Rdn 34; dagegen für die Möglichkeit eines außerordentlichen Austrittsrechts Grunewald FS Claussen ( 1 9 9 7 ) , S 103 ff.

§ 68 Rdn 23; Bayer in: Münch-

K o m m 2 § 6 8 Rdn 3 4 . 359

360

Bungeroth in: MünchKomm2 Vor § 53a Rdn 3 0 aE.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

114

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

bewahren (Rdn 8 4 ) . 3 6 2 M i t Rücksicht auf den Ausnahmecharakter dieser Situation erscheint es jedoch angebracht zu verlangen, dass der begünstigte Aktionär seine Mitgesellschafter lückenlos über die Krisensituation der Gesellschaft aufklärt und die vorzunehmende Übertragung der Aktien Teil einer Erfolg versprechenden Sanierungsmöglichkeit der Gesellschaft i s t ; 3 6 3 im Übrigen kann sich die Treuepflicht hier ggf gleichzeitig in die andere Richtung dahin auswirken, dass derjenige, der zur Übertragung seiner Aktien verpflichtet sein soll, an einem verhältnismäßig großen Vorteil des begünstigten Mitgesellschafters angemessen partizipieren oder aber die Übertragung verweigern darf. 3 6 4 cc) Pakethandel; Kontrollerwerb 115

Unterhalb der kapitalmarktrechtlichen Schwellenwerte für Mitteilungs- (zB §§ 21 ff W p H G ) und Verhaltenspflichten (zB §§ 35 ff W p Ü G ) bestehen nach h M keine über diese Regelungen hinausgehenden, etwa aus der gesellschaftsrechtlichen Treubindung herzuleitenden Pflichten des Aktionärs hinsichtlich des Anteilshandels, die den dort normierten Pflichten gleichkommen. 3 6 5 Im Grunde können bereits diese Kodifikationen als gesetzlich verfestigte Fälle einer Treuepflicht angesehen werden (Rdn 163). Diese Wertung des Gesetzgebers bleibt zu respektieren (Rdn 97). Aus ungeschriebenen Gründen muss deshalb ein Aktionär nicht über seine Absicht informieren, eine beherrschende Beteiligung aufzubauen (Rdn 161; str).

116

Unterschiedlich beurteilt wird die Frage, inwieweit für einen Großaktionär eine auf der gesellschafterlichen Treue fußende Pflicht angenommen werden kann, seine Anteile nicht an einen Wettbewerber der Gesellschaft zu veräußern oder an sonst einen Erwerbswilligen zu übertragen, von dem ihm bekannt ist, dass die dem Erwerb zugrunde liegende Absicht darin besteht, die Gesellschaft entweder direkt durch diesen Anteilserwerb oder jedenfalls auch mit Hilfe dessen unter seine Kontrolle zu bringen, um sie - ggf unter vorheriger zügiger Auszehrung - zu liquidieren. Diesbezüglich ist bereits im Ausgangspunkt bestritten, dass der Veräußerungsakt als solcher überhaupt der aktienrechtlichen Treubindung unterliegt, denn mit der Veräußerung seiner Aktien löse sich der Aktionär gerade von der die Treuepflicht vermittelnden Mitgliedschaft. 3 6 6 Zur Ablehnung einer Treuepflicht bei der Anteilsveräußerung erscheint dieses Argument allein aber noch nicht stichhaltig genug, da auch die Veräußerbarkeit der Aktie eine mitgliedschaftsrechtliche Position ist, deren Ausübung zu Beeinträchtigungen der Mitaktionäre führen k a n n . 3 6 7 Daher lässt sich die Möglichkeit, die (ggf das Kapitalmarktrecht flankierende) gesellschaftsrechtliche Treuepflicht als Regulativ für eine rechtsgemäße Auswahl der Erwerbsperson heranzuziehen, noch nicht im Ausgangspunkt verneinen. Entscheidend für die zutreffende Antwort auf die Frage, wem in dieser Konstellation welche Grenzen durch

362

Ähnlich die Richtung bei Micbalski G m b H G , Bd I ( 2 0 0 2 ) , § 13 Rdn 174; wohl auch Bungeroth in: M i i n c h K o m m 2 Vor § 5 3 a Rdn 2 8 aE; vgl ferner Diskussionsbericht Casper Z H R 162 ( 1 9 9 8 ) , 1 9 7 f; O L G Köln N Z G 1 9 9 9 , 1 1 6 6 [rkr]; aA Lutter Z H R 1 6 2 ( 1 9 9 8 ) , 1 6 4 , 1 7 0 f.

363 364 365

Vgl O L G Köln N Z G 1 9 9 9 , 1 1 6 6 , 1 1 6 7 [rkr], Vgl O L G Köln N Z G 1 9 9 9 , 1 1 6 6 , 1 1 6 8 [rkr],

366

Vgl Assmann in: G r o ß k o m m 4 Einl Rdn 2 6 1 : Treuepflicht ist nicht zu erstrecken auf Transaktion auf dem Kapitalmarkt, da kein intrakorporativ vermittelter Konflikt.

367

Vgl auch Bungeroth in: M i i n c h K o m m 2 Vor § 5 3 a Rdn 3 0 m w N ; Reul Pflicht zur Gleichbehandlung (1991), S 2 6 2 ; zudem aber nur insoweit zustimmungsfähig - Ziemons/Jaeger AG 1 9 9 6 , 3 5 8 , 3 6 0 .

Siehe auch Wastl N Z G 2 0 0 0 , 5 0 5 , 5 0 7 : Raum für Treuepflicht allenfalls „ganz ausnahmsweise in krassen Ausnahmefällen".

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(152)

Treuepflicht

Anh § 53 a

Treubindungen zu setzen sind, ist jedoch die richtige Zuordnung der Verantwortungen in sachgerechter Abwägung mit dem zentralen Grundsatz der freien Verfügbarkeit der Aktie (Rdn 85): (1) Veräußerung an Wettbewerber Die Veräußerung von Aktien an eine Person, die sich auf einem zu dem Unternehmen des veräußernden Aktionärs konkurrierenden Geschäftsfeld betätigt, lässt sich nicht durch die Treuepflicht sanktionieren. Das gilt auch dann, wenn die Transaktion dazu führt, dass die Gesellschaft in konzernrechtliche Abhängigkeit gerät (Rdn 161). Der für die verbleibenden Aktionäre gefährliche und deshalb zu ihrem Schutz kontrollbedürftige Einfluss des Konkurrenten ist dadurch zu mäßigen, dass sich die Treuepflicht des Erwerbers aktualisiert: Im Rückgriff auf seine durch den Erwerb der Mitgliedschaft entstandene Treubindung muss das ihm als Ausfluss des erworbenen Mitgliedschaftsrechts ggf obliegende Wettbewerbsverbot (dazu Rdn 78) durchgesetzt werden. 3 6 8 Denn erst er ist es, der sich im Falle der Missachtung des Wettbewerbsverbotes nicht mehr mitgliedschaftsadäquat verhält. Besteht demnach mit dem Wettbewerbsverbot des erwerbenden Aktionärs ein treupflichtbedingtes Schutzinstrument gegen die dieser Aktientransaktion nachfolgende Gefahr, erscheint es unverhältnismäßig, unter Hintanstellung des Rechts zu freier Veräußerung bereits vorsorglich treupflichtbedingte Schranken zu Lasten des Veräußerungswilligen zu begründen. Hat die Gesellschaft hier ein Interesse an einer Bindung ihrer Aktionäre im Sinne eines Präventivschutzes, kann sie das über eine Vinkulierung nach § 68 Abs 2 erreichen. 3 6 9 Ist davon kein Gebrauch gemacht worden, geht es zu weit, anstelle der fehlenden rechtlichen Vinkulierung ersatzweise grundsätzlich eine faktische Sperre mittels der Treuepflicht zu konstituieren, sobald sich herausstellt, dass eine Vinkulierung sinnvoll gewesen wäre.

117

Eine andere Frage ist es, ob dort, wo mehrere potentielle Erwerber dem Veräußerungswilligen einen vergleichbar fairen Preis bieten, die Treuepflicht mit Rücksicht auf die Interessen der verbleibenden Aktionäre den Veräußernden dazu anhält, nicht den Wettbewerber als Erwerber auszuwählen, wenn nicht gerade in dieser Person veräußerungsrelevante Umstände liegen, die sich dem Aktionär in den anderen Erwerbswilligen nicht bieten. 3 7 0

118

(2) Liquidationsbereiter Erwerber Eine ungeschriebene, durch die Treuepflicht bedingte Sachkontrolle des Liquidationswillens existiert grundsätzlich nicht (Rdn 9 9 ff). Konsequent ist es danach, auch einen die Liquidationsmacht vermittelnden Transaktionsakt nicht den Schranken der Treuepflicht zu unterwerfen. 371 Wer derjenige ist, der den Liquidationsbeschluss mit seinen immer gleichen Konsequenzen fasst, spielt für die nicht liquidationswillige Minderheit keine solche Rolle, dass daraus ein über die Treuepflicht vermittelter Schutz vor dem Eintritt der Liquidationssituation angezeigt wäre. In jedem Fall geht ihr rechtlich geschütztes

368 v g i

auc

h Binnewies

Konzerneingangskon-

des, den nur eine der erwerbswilligen Personen besitzt (Wettbewerber), während die übrigen Bargeld anbieten, was für den veräußerungswilligen Aktionär aus strategischen Gründen uninteressant ist.

trolle ( 1 9 9 6 ) , S 3 4 0 . 369

Im Rahmen der pflichtgemäßen Beurteilung, ob die Zustimmung zur Übertragung zu erteilen ist, muss die Zustimmung dann mitunter sogar versagt werden (Rdn 91).

370

Bsp: Aktionär benutzt Aktien als Währung zum Erwerb eines bestimmten Gegenstan-

(153)

371

Lutter Z H R 1 5 3 [ 1 9 8 9 ] , 4 4 6 , 4 6 1 ; Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten ( 1 9 9 6 ) , S 3 2 9 f.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

119

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

Interesse nur dahin, vollwertig entschädigt zu werden (Rdn 1 0 0 , 1 0 2 ) . Im Schrifttum sind diese Grenzen jedoch zum Teil enger gezogen worden mit dem Versuch, aus der Treuepflicht herzuleiten, ein A k t i o n ä r dürfe durch Veräußerung seiner Aktien einer Person keinen K o n t r o l l e r w e r b ermöglichen, wenn b e k a n n t ist, dass das mit dem E r w e r b verbundene Ziel dieser Person die Plünderung der Gesellschaft i s t . 3 7 2 Dieser Ansatz findet Vorbilder im US-amerikanischen R e c h t . 3 7 3 D e n n o c h ist ihm skeptisch gegenüberz u t r e t e n . 3 7 4 Liegt die Gefahr in erster Linie in dem Verhalten des Erwerbers, ist diese G e f a h r auch in erster Linie über die ihn treffende Treuepflicht zu b a n n e n . 3 7 5 120

Eine andere Frage ist es wiederum, o b nicht die Treuepflicht die Auswahl des Erwerbers beeinflusst (vgl R d n 118). Insbesondere wenn der Veräußerer selbst nicht die für eine Liquidation erforderliche Anteilsmehrheit besitzt (vgl § 2 6 2 Abs 1 N r 2) und sich deshalb auf das Argument, er h a b e ohnehin den Einfluss darüber, o b die Gesellschaft liquidiert werde oder nicht, nicht berufen k a n n , wird er gehalten sein, vorrangig ein ihm etwa von seinen M i t a k t i o n ä r e n unterbreitetes, ebenso akzeptables A n g e b o t , die Aktien zu erwerben, anzunehmen. Tut er dies - o h n e anerkennenswerte sachliche Gründe hierfür nennen zu k ö n n e n - nicht, sondern entschließt sich gleichwohl, einen bekannterm a ß e n auf die Vernichtung der Gesellschaft zielenden K o n t r o l l e r w e r b zu ermöglichen, liegt darin eine Verletzung der Treuepflicht. Infolge der ihm eingeräumten (gleichwertigen) Wahlmöglichkeit k a n n er sich demgegenüber auch nicht m e h r ohne weiteres auf das Prinzip der freien Veräußerlichkeit seines Anteils berufen.

121

Falls der Veräußerer sich kollusiv mit dem Liquidierer insofern auf eine Seite schlägt, als der Pakethandel zunächst den Aktienkurs drücken soll mit dem Ziel, dass deshalb die volle Entschädigung der M i t a k t i o n ä r e im R a h m e n des Liquidationsverfahrens nicht m e h r gewährleistet ist, so k o m m t im Lichte der Treuepflicht zweierlei in Betracht: Erstens ist zu erwägen, für die Bemessung der Entschädigungshöhe dann auf den Anteilswert zum Z e i t p u n k t des Kontrollerwerbs abzustellen, da in Wahrheit bereits dieser und nicht erst der Beschluss nach § 2 6 2 Abs 1 N r 2 der die Liquidation einleitende Akt war; zweitens k ö n n e n für etwaige Haftungsfragen hier sowohl der liquidierende A k t i o n ä r als auch der davor seinen Anteil Veräußernde in die Pflicht g e n o m m e n werden. (3)

122

Marktschonungspflicht

Eine Pflicht des G r o ß a k t i o n ä r s , die Art und den Z e i t p u n k t bzw - r ä u m der Veräußerung seines Anteils (oder Einheiten davon) so zu wählen, dass der Kurs der Aktie zugunsten der M i t a k t i o n ä r e geschont wird, k a n n nicht aus der mitgliedschaftlichen Treuepflicht gefolgert werden. Insbesondere ist es in diesem Z u s a m m e n h a n g abzulehnen, die

372 V g l y/iedemann GesR I (1980), § 8 III 3 a, S 451. 373

Harris v. Carter, 582 A.2d 222, 2 3 4 - 2 3 5 (Del.Ch. 1990); DeBaun v. First Western Bank and Trust Co., 120 Cal.Rptr. 354, 3 5 9 - 3 6 0 (Cal.App. 1975); Insuranshares Comp. v. Northern Fiscal Corp., 35 F. Supp. 22 (E.D. Pa. 1940); zudem Wiedemann Minderheitenschutz und Aktienhandel, ZHR Beiheft 35 (1968), Β I 1 a, S 20 ff und ders GesR I (1980), § 9 III 3 a, S 451; Reul Pflicht zur Gleichbehandlung (1991),

374

375

Hinzuweisen ist zudem darauf, dass die in diesem Zusammenhang bisweilen beschriebenen und unternehmensethisch sicherlich zu missbilligenden Szenarien des echten „Plünderns" nicht selten von einer Qualität sind, die ohnehin der Einschlägigkeit des § 826 BGB genügt, so dass ein „mithelfender" Anteilsveräußerer in jenen Fällen durchaus von § 830 BGB in die Pflicht genommen wird. Vgl auch Binnewies Konzerneingangskontrolle (1996), S 340.

S 20 ff.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(154)

Treuepflicht

Anh § 5 3 a

Realstruktur der konkreten Gesellschaft als Vertrauenstatbestand zu interpretieren, dessen Nichtwahrung treupflichtwidrig und in der Konsequenz schadensersatzbewehrt sei. 3 7 6 Mit solchen Überlegungen wird die Treuepflicht unter der wertenden Behauptung, es empfehle sich Rücksichtnahme, in eine konturlose Vertrauenshaftung umfunktioniert. Zur Marktschonung ist ein Aktionär dann verpflichtet, wenn er sich dazu bereiterklärt hat. Die Hoffnung, die Struktur der Gesellschaft werde sich nicht in einer mit Risiken für den Aktienkurs verbundenen Weise ändern, ringt dem Großaktionär noch keine konkludente Schonungserklärung ab. Weder die Treuepflicht noch, falls vorhanden, ein irgendwie geartetes Vertrauen ersetzen eine derartige Erklärung. Theoretisch bleibt in einem vorgelagerten Schritt denkbar, dass es in besonderen Konstellationen treugemäßem Verhalten entspricht, eine Marktschonungserklärung abzugeben. Praktisch ist in aller Regel jedoch auch eine so begründete Pflicht zu Abgabe dieser Erklärung nicht zu bejahen. 3 7 7 (4) Teilhabe am Paketzuschlag Dass der Mehrheitsaktionär sich durch bestimmte Verhaltensweisen marktbedingt einen Vorteil verschaffen kann - wie etwa den finanziellen Bonus eines Paketzuschlages im Falle der (teilweisen) Veräußerung seiner Anteile - , der einem Kleinaktionär vorenthalten bleibt, bleibt von der Schrankenfunktion der Treuepflicht unberührt, sofern der Vorteil sich in der Person des Großaktionärs nicht auf Kosten der Mitaktionäre realisiert, sondern deren Rechtspositionen sich gesellschaftsrechtlich wie vor dem Verhalten des Großaktionärs darstellen. Die Treuepflicht führt in solchen Fällen nicht zu einem Partizipationsanspruch der Minderheit. 3 7 8 In der US-amerikanischen Rechtsprechung ist demgegenüber durchaus für besondere Einzelfälle unter dem Gesichtspunkt eines duty of loyalty im Falle des change (sale) of control die Möglichkeit anerkannt, dass der Paketzuschlag in seiner Eigenschaft als Bonus für die Kontrolle über das Unternehmen allen Aktionären entsprechend ihren Beteiligungsquoten zuzubilligen sein kann, da auch die übrigen Aktionäre ebenso wie der Empfänger des Paketzuschlages ihr Kapital in das Unternehmen investiert hätten. 3 7 9 Für die deutsche AG steht die ganz h M dieser Sicht indessen ablehnend gegenüber. 380

376

Deutlich zu weit gehend deshalb Ziemonsl Jaeger AG 1 9 9 6 , 3 5 8 , 361 ff, w o die Schutzberechtigung ohne ausgereifte Analyse behauptet und ohne überzeugende Argumente im Anschluss daran die Wertung getroffen wird, als Schutzinstrument müsse die Treuepflicht eingreifen.

377

Lutter/Drygala 252.

378

Krieger

schlag zahlenden Erwerber der Aktien eine Pflicht nach § 3 Abs 1 W p Ü G besteht, den übrigen Aktionären den gleich hohen Preis pro Anteil anzubieten wie dem Paketaktionär (vgl § 5 3 a Rdn 13). 379

Perlman v. Feldmann, 2 1 9 F.2d 1 7 3 ( 1 9 5 5 ) , streitig [Nachw bei Wiedemann GesR I ( 1 9 8 0 ) , § 8 III 3 a, S 4 5 2 Fn 3 3 ] ; siehe zu diesem Fall Wiedemann Minderheitenschutz und Aktienhandel, Z H R Beiheft 35 ( 1 9 6 8 ) , Β I 2 c, S 3 5 ff und C II, S 6 4 ff sowie zur weiteren Entwicklung Buxbaum FS Wiedemann ( 2 0 0 2 ) , S 7 6 9 ff; vgl zudem betreffend US-amerikanisches Recht beim sale of control auch Reul Pflicht zur Gleichbehandlung (1991), S 4, S 18 ff.

380

Binnewies Konzerneingangskontrolle ( 1 9 9 6 ) , S 3 3 6 f; Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten ( 1 9 9 6 ) , S 319 ff; Jahnke Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ( 2 0 0 3 ) ,

FS Raisch ( 1 9 9 5 ) , S 2 3 9 ,

in: M ü n c h H d b G e s R 2 ( 1 9 9 9 ) , Bd 4

[AG], § 69 Rdn 18 mwN; K-P Martens in: Κ Schmidt, Rechtsdogmatik und Rechtspolitik ( 1 9 9 0 ) , S 2 5 1 , 2 6 5 f; Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten ( 1 9 9 6 ) , S 319 ff; für den Paketzuschlag gl Ansicht Lutter Z H R 153 ( 1 9 8 9 ) , 4 4 6 , 4 6 2 , jedoch im Übrigen zum Teil aA ders a a O 4 5 9 , ähnlich wie schon in J Z 1 9 7 6 , 2 2 5 , 2 3 1 f. - Eine andere Frage ist es, ob im Rahmen der Einschlägigkeit des W p Ü G für den den Zu-

(155)

Hartwig Henze/Richard L. N o t z

123

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

(5) Anspruch auf „Mitnahme" in eine Zwischenholding 124

Überträgt der Mehrheitsaktionär einer AG sein Anteilspaket auf eine Holding, deren Anteile er allein hält, kann dies in wirtschaftlicher Hinsicht mitunter weit reichende Folgen für die Minderheitsaktionäre haben (vgl auch Rdn 68). Insbesondere dann, wenn die ursprüngliche AG nicht börsennotiert, wohl aber die strategisch eingeschaltete Zwischengesellschaft börsenfähig ist und ihr Gesellschafter dies nutzt, liegt es nicht fern, dass sich die Interessen des Marktes in hohem Maße direkt auf die Anteile der an der Börse gelisteten Holding konzentrieren, deren Anteile mittelbare Macht über die AG eröffnen und deren Wert sich abhängig vom operativen Erfolg dieser AG entwickeln wird. Zu Lasten der in der AG verbliebenen Aktionäre, die an der Holding nicht beteiligt sind, kann sich daraus - wenngleich ohne rechtliche Änderung - die tatsächliche Konsequenz ergeben, dass ihre Aktien kaum noch handelbar sind; diese Aktionäre sind gleichsam „eingemauert". Dennoch kann nicht allgemein davon ausgegangen werden, dass im Rahmen solcher Umstrukturierungen aus dem Aspekt der Treuepflicht ohne weiteres ein Anspruch der Minderheit auf „Mitnahme", hinein in die von dem vormaligen Großaktionär benutzte Zwischenholding erwächst. 381 Eher denkbar ist es, auf die faktische Verringerung der Handelbarkeit der Aktien abzustellen und insoweit eine Parallele zu den für ein Delisting geltenden Regeln zu suchen mit der Konsequenz, dass ein Recht der an der Holding nicht beteiligten Minderheit angenommen wird, gegen Zurverfügungstellung der Anteile Entschädigung von dem Mehrheitsaktionär zu verlangen, 382 worauf sich einzulassen der Mehrheitsaktionär im Einzelfall aus dem Gesichtspunkt der mitgliedschaftlichen Treue verpflichtet sein mag. 3 8 3

125

Kaum anders kann die Bewertung ausfallen, wenn die AG bereits börsennotiert ist, der Mehrheitsaktionär sodann zunächst ein Delisting initiiert und anschließend die in der Minderheitsposition befindlichen Aktionäre „einmauert", indem er sein Aktienpaket auf eine weitere Gesellschaft auslagert und diese Gesellschaft doch wieder an der Börse notiert. Zwar stellt sich in einer Gesamtschau die Lage in diesem Fall so dar, dass den Mitaktionären nicht nur die Börsennotierung als ein über den status quo hinaus gehen-

S 75 f; Baums ZIP 1989, 1376, 1379; Lutter Z H R 153 (1989), 446, 462; Hommelhoff/ Kleindiek AG 1990, 106, 107 f; sehr zurückhaltend auch Otto AG 1994, 167, 169; ebenso bereits Wiedemann Minderheitenschutz und Aktienhandel, Z H R Beiheft 35 (1968), C II, S 71 ff; abw zugunsten eines Teilhaberechts an der Kontrollprämie Grundmann Treuhandvertrag (1997), § 11 II, S 458 ff, 465 ff - Zum Teil funktional ähnlich zur bejahenden Ansicht ist heute aber immerhin das Pflichtangebot nach § S 35 ff WpÜG, das seinerseits als Ausfluss einer Treuepflicht verstanden werden kann, vgl Rdn 163 aE mwN. 381

In die gl Richtung K-P Martens in: Κ Schmidt, Rechtsdogmatik und Rechtspolitik (1990), S 251, 263 ff; aA Lutter Z H R 153 (1989), 446, 459 wie schon ders J Z 1976, 225, 231 f; dem folgend Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996),

S 330 ff. - Ergänzend: Denkbar ist in dieser Situation auch, dass bei einer Transaktion, durch die die Holding mehr als 1/3 der Anteile der AG erwirbt, das dem Erwerb vorausgehende Käuferverhalten der Holding zur Einschlägigkeit der Pflichtangebotsvorschriften gemäß §§ 35 ff WpÜG führt (vgl dazu Rdn 163 aE), so dass zwar gleichwohl keine Mitbeteiligung der restlichen Aktionäre an der Holding stattfindet, immerhin diese Aktionäre sich aber dadurch, das sie das Angebot annehmen, der „Mauern" entledigen können. 382

Siehe für das echte Delisting hierzu BGHZ 153, 47, 56 ff [„Macrotron"]; dazu Streit ZIP 2003, 392, 394 f; Lutter J Z 2003, 684, 686; Heidel DB 2003, 548, 549 f; Benecke W M 2004, 1122, 1125 f. 383 vgl auch den entsprechenden Rechtsgedanken des § 29 UmwG.

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Treuepflicht

Anh § 53 a

der Vorzug vorenthalten wird, sondern ihnen wird die vorhandene börsliche Handelbarkeit zunächst g e n o m m e n und zudem dadurch eine Art „faktische V i n k u l i e r u n g " erzeugt, dass ihnen auch die Teilhabe an der börslichen H a n d e l b a r k e i t derjenigen Anteile (Zwischenholding) versagt ist, die aus der Sicht des M a r k t e s als repräsentativ für das operative G e s c h ä f t in der A G gelten k ö n n e n ; 3 8 4 mithin hat der Mehrheitsgesellschafter durch die beiden Akte im Ergebnis nicht nur etwaige sich aus dem Listing ergebende Vorzüge für sich allein vereinnahmt, sondern bewirkt, dass die ursprünglich gegebene W a h r n e h m b a r k e i t dieser Vorzüge für seine Mitgesellschafter wegfiel. Wenngleich hier die Aktivitäten des Mehrheitsgesellschafters die M i n d e r h e i t tatsächlich einmauern - also abweichend vom Ausgangsfall (Rdn 1 2 4 ) die M i n d e r h e i t nicht lediglich bei der Ausnutzung des Rechtes des Mehrheitsgesellschafters auf freie Veräußerlichkeit seines Anteils nicht mit in die Freiheit g e n o m m e n wird und deshalb als F o l g e p h ä n o m e n weiterhin (und marktbedingt verfestigt) „in M a u e r n " bleibt - , erscheint es auch hier nicht angezeigt, einen Anspruch der Minderheitsaktionäre auf Beteiligung an der Holding zu konstruieren, der seine Grundlage in der zwischen dem G r o ß a k t i o n ä r und den restlichen Aktionären bestehenden Treubindung finden s o l l . 3 8 5 Selbst wenn der M e h r h e i t s a k t i o n ä r mit der Durchführung des Delisting und dem Einschalten der Holding eine einheitliche Strategie verfolgt, wird der Schutz der betroffenen Aktionärsminderheit hinreichend und abschließend durch die für das Delisting geltenden Regeln sichergestellt: W i e w o h l der Hauptversammlungsbeschluss, der einem Delisting vorausgehen muss, keiner materiellen Beschlusskontrolle u n t e r l i e g t , 3 8 6 haben die unterlegenen Anteilseigner aber das R e c h t , ihre Anteile dem M e h r h e i t s a k t i o n ä r gegen volle Entschädigung zur Verfügung zu s t e l l e n . 3 8 7 M a c h e n sie hiervon keinen G e b r a u c h und entscheiden sich stattdessen dafür, weiterhin in der (jetzt nicht mehr gelisteten) Gesellschaft zu verbleiben, tun sie dies mit allen Konsequenzen. Dass der M e h r h e i t s a k t i o n ä r seine Anteile auf eine zum börslichen H a n d e l zugelassene Holding überträgt, schmälert den zu diesem Z e i t p u n k t vorhandenen Status der Mitgesellschafter nicht. Sie stehen Aktionären einer Gesellschaft gleich, die auch vormals nicht gelistet w a r (vgl R d n 1 2 4 ) . 3 8 8

384

Vgl auch Lutter Z H R 153 (1989), 4 4 6 , 4 5 9 : Ein Teil repräsentiert das Ganze.

385

Nachgedacht werden kann aber darüber, ob in dem Fall, dass durch Verschmelzung auf oder Eingliederung in eine nicht börsennotierte Gesellschaft ein „kaltes Delisting" (Adolff/Tieves BB 2 0 0 3 , 797, 8 0 5 ) bewirkt wird, zuletzt die Treuepflicht als Schutzinstrument nutzbar gemacht wird, sofern man nicht eine Analogie zu § 2 9 UmwG für vorzugswürdig erachtet (skeptisch gegenüber Barabfindungspflicht Baums [Hrsg], Bericht der Regierungskommission Corporate Governance [2001], Rdn 167).

386

B G H Z 153, 47, 5 8 f [„Macrotron"] = ZIP 2 0 0 3 , 3 8 7 m Anm Streit; dazu Hüffer6 § 119 Rdn 2 4 mwN.

(157)

387

So B G H Z 153, 47, 5 6 ff [ „ M a c r o t r o n " ] ; dazu Streit ZIP 2 0 0 3 , 3 9 2 , 3 9 4 f; Lutter J Z 2 0 0 3 , 6 8 4 , 6 8 6 ; Heidel DB 2 0 0 3 , 548, 5 4 9 f; Benecke W M 2 0 0 4 , 1122, 1125 f.

388

Befürwortet man dort im Einzelfall eine Entschädigungspflicht des Mehrheitsgesellschafters (Rdn 124 aE), könnte dies unter dem Einfluss der Treuepflicht hier bedeuten, dass der Mehrheitsgesellschafter ein im Rahmen des Delisting den Minderheitsaktionären unterbreitetes Entschädigungsangebot bis einschließlich zu dem Zeitpunkt aufrechterhalten muss, in welchem er seine Anteile auf die gelistete oder jedenfalls börsenfähige Zwischenholding überträgt.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

VI. Disposition über Treubindungen 1. Abweichende Satzungsbestimmung 126

Weder Regelungen in der Ursprungssatzung noch spätere Satzungsänderungen können die bestehenden Treubindungen generell abschaffen. 3 8 9 Infolge der im Aktienrecht herrschenden Satzungsstrenge (§ 23 Abs 5) lassen sich Überlegungen zum Recht der GmbH, inwieweit die Treuepflicht bzw die durch sie geprägten Maßstäbe einer Modifizierung zugänglich sind, 3 9 0 nicht ohne weiteres auf eine Aktiengesellschaft übertragen. Indessen stellt sich im Aktienrecht zumindest die im GmbH-Recht häufig auftauchende Frage, ob und wann „verdeckte Vermögenszuwendungen" eine Verletzung der Treuepflicht darstellen, ohnehin nicht. Denn abweichend von der Kapitalschutzregel des § 30 Abs 1 GmbHG normiert das Aktiengesetz in § 57 Abs 1 eine umfassende Vermögensbindung, so dass eine Vermögenszuwendung an einen Aktionär, die nicht auf §§ 58 Abs 4, 60, 174 Abs 1 S 1, Abs 2 Nr 2 beruht, ohnehin als Verstoß gegen das Kapitalerhaltungs- und Vermögensbindungsprinzip zu werten ist. 391 Nach zutreffender Ansicht kann es im Übrigen auch für die auf der Treuepflicht zwischen den Aktionären beruhende Figur der materiellen Beschlusskontrolle (Rdn 23) keinen generellen Dispens geben. 3 9 2 Einen Vorrang der Privatautonomie vor der konkreten Anwendung des Treuprinzips gibt es insoweit, als der Mehrheitsaktionär von seinem auf der Treuepflicht beruhenden Wettbewerbsverbot (Rdn 78) im Wege einer Satzungsregelung freigestellt werden kann (Rdn 80; § 23 Abs 5 S 2). 3 9 3 Wird dieses Ziel durch Vornahme einer Satzungsänderung verfolgt, prägt sich die Treuepflicht dahingehend aus, dass diese Inhaltsänderung einer materiellen Beschlusskontrolle unterliegt. 394 2. Verzicht auf Treue

127

Ähnlich wie beim Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein für eine konkrete Situation erklärter Einzelverzicht des Aktionärs auf treugemäße Behandlung zulässig (vgl ausführlich die entsprechenden Erläuterungen zu § 53 a Rdn 93 ff). 3 9 5

VII. Rechtsfolgen treuwidrigen Verhaltens 1. Stimmrechtsausübung a) Unbeachtlichkeit treupflichtwidriger Stimmen 128

Während es höchstrichterliche Rechtsprechung zum Aktienrecht insoweit noch nicht gibt, steht der BGH für das Recht der GmbH auf dem Standpunkt, dass dann, wenn ein Gesellschafter bei der Beschlussfassung durch sein Abstimmungsverhalten gegen die Treue-

389

Gl Ansicht Hüffer6 § 53a Rdn 18; vgl auch Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 139 f; Bilmann Treuepflichten der Aktionäre (1991), S 207 f; Teicbmann Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen (1970), S 169. 390 M Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S 190 ff. 391 Statt aller Henze in: G r o ß k o m m 4 § 57 Rdn 4, 9, 182.

392

393

394

395

Hüffer6 § 53 a Rdn 18; M Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S 215 ff. Burgard FS Lutter (2000), S 1033, 1050 f; Geiger Wettbewerbsverbote (1996), S 146 ff. BGHZ 80, 69, 74 f [„Süßen"] m Anm Lutter/Timm NJW 1982, 412; vgl auch BGHZ 89, 162, 166 [„Heumann/Ogilvy"]; dazu Henze AktienR 5 (2002) Rdn 1036; aA Burgard FS Lutter (2000), S 1033, 1050 f. Auch Hüffer6 § 53 a Rdn 18.

Stand: 1. 7. 2004

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Anh § 53 a

Treuepflicht

pflicht verstößt, die Abgabe seiner Stimme nichtig ist. 3 9 6 Die hLit teilt diese Auffassung auch für die A G . 3 9 7 Wenngleich diese Sicht bestritten ist, 3 9 8 ist mit der h M davon auszugehen, dass sie zutrifft. Z w a r ist anerkannt, dass ein unter rechtsfehlerhafter Beurteilung der Treuwidrigkeit von Stimmen ermitteltes Beschlussergebnis in einer Kapitalgesellschaft die Anfechtbarkeit des Beschlusses nach § 2 4 3 Abs 1 begründet (Rdn 135). Allein der Hinweis auf diesen Umstand eines nachträglichen gerichtlichen Schutzes, der sich gegen den Beschluss als Ergebnis aller Stimmenabgaben richtet, vermag indessen nicht zu vermitteln, warum die einzelnen treuepflichtverletzenden Stimmen bis dorthin gültig sein müssten. Denn es überzeugt nicht, die rechts widrige Ausübung eines privaten Rechts schon deshalb als rechtswirksam anzusehen, weil im Hinblick auf drohende Folgen ohnehin die Möglichkeit einer gerichtlichen Korrektur besteht. 3 9 9 Vielmehr verdienen in der Hauptversammlung abgegebene Stimmen, die gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht verstoßen, keine Beachtung (hM). Sie stehen im Hinblick auf die Stimmzählung einer Stimmenthaltung gleich. 4 0 0 b) Keine Zählung durch den Versammlungsleiter Die von einem Aktionär treuwidrig abgegebene Stimme ist infolge ihrer Nichtigkeit rechtlich unbeachtlich (Rdn 128). Erkennt der Versammlungsleiter dies, zählt er solche Stimmen nach h M nicht mit. 4 0 1 Dem ist zuzustimmen. Z w a r hat diese Ansicht unter ver-

396

Forum 8 ( 1 9 9 6 ) , S 2 3 , 3 9 ; zweifelnd auch Timm W M 1991, 4 8 1 , 4 8 6 . - Siehe ferner gegen die h M im G m b H - R e c h t Koppen-

B G H Z I P 1 9 8 8 , 2 2 , 2 4 , dazu E W i R 1 9 8 8 ,

145 (Blaurock)·, BGH ZIP 1991, 23, 24, dazu E W i R 1991, 171 (Günther)

und W u B

II C S 46 GmbHG 1.91 (Soehring)·, BGH

steiner ZIP 1994, 1325 ff; ebenso

Z I P 1 9 9 3 , 1 2 2 8 , 1 2 3 0 , dazu E W i R 1 9 9 3 ,

Treuwidrige Stimmen ( 1 9 9 7 ) , S 159.

1209 (Günther)·

OLG Hamburg ZIP 1991,

399

Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass eine Anfechtungsklage nach dieser Sicht dann nicht - wie ganz herrschend angenommen - gestaltende, sondern lediglich feststellende W i r k u n g hätte. Denn Gegenstand der Klage ist der Beschluss in der Gestalt, wie er sich formal nach der Stimmenzählung und darauf beruhenden Feststellung des Beschlussergebnisses darstellt und ohne die ihn vernichtende Wirkung nach Ablauf der Frist des § 2 4 6 Abs 1 in Bestandskraft erwachsen würde.

400

Zöllner Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht ( 1 9 6 3 ) , S 3 5 9 . Daher gehören solche Stimmen auch nicht zum „vertretenen" Kapital (Hüffer6 § 179

1 4 3 0 , 1 4 3 2 , 1 4 3 4 [ „ C a t s " ] , dazu E W i R

1991, 8 9 9 (Reichard) = GmbHR 1992, 43, 45, 47 m Anm Κ Schmidt 9; OLG Düsseldorf AG 1 9 9 6 , 3 7 3 , 3 7 5 ; O L G Stuttgart AG 2 0 0 0 , 3 6 9 , 3 7 1 . Ausführlich zur Behandlung treuwidriger Stimmen im G m b H - R e c h t Korehnke Treuwidrige Stimmen ( 1 9 9 7 ) , S 74-109, 131-167. 397

Hüffer6 § 53 a Rdn 22, § 179 Rdn 31; Bungeroth in: MünchKomm 2 Vor § 53 a Rdn 32; Κ Schmidt in: Großkomm 4 § 2 4 3 Rdn 47; Lutter Z H R 153 (1989), 4 4 6 , 4 5 8 ;

ders/Grunewald

AG 1989, 109, 114; Nehls

Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ( 1 9 9 3 ) ,

S 94 ff; Beckerhoff

Treupflichten bei der

Stimmrechtsausübung ( 1 9 9 6 ) , S 85 ff; Zöllner Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht ( 1 9 6 3 ) , S 3 6 6 , 3 7 0 [Argumentation aber zum Teil (S 3 6 7 f) überholt durch Anerkennung der Möglichkeit, die Anfechtungsklage mit einem Antrag auf positive Beschlussfeststellung zu verbinden (Rdn 137)]. 398

Starke Bedenken bei Windbichler in: Henze/ Timm/Westermann, G e s R 1 9 9 5 , R W S -

(159)

Korehnke

Rdn 3 1 ; Steindorff 693). 401

Κ Schmidt

FS Rittner [1991], S 6 7 5 ,

in: Großkomm 4 ξ 2 4 3 Rdn 4 7

und ders G e s R 4 ( 2 0 0 2 ) , § 2 1 II 3 c, S 6 1 6

mwN; Hüffer6

§ 130 Rdn 22; Nehls Gesell-

schaftsrechtliche Treuepflicht ( 1 9 9 3 ) , S 9 6 ; vgl auch Diskussionsbericht Schäfer Z H R 1 5 7 ( 1 9 9 3 ) , 1 9 2 , 195; Steindorff TS Rittner

(1991), S 675, 692 f;

Stützle/Walgenbach

Z H R 1 5 5 ( 1 9 9 1 ) , 5 1 6 , 5 3 6 ; gl Ansicht zum

Hartwig Henze/Richard L. Notz

129

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

schiedenen Aspekten Kritik erfahren, 4 0 2 jedoch sind die geäußerten Bedenken letztlich nicht durchgreifend: 130

Ins Leere geht zunächst die gegen eine Kompetenz des Versammlungsleiters, treuwidrige Stimmen außer Acht zu lassen, gerichtete Überlegung, der Versammlungsleiter habe nicht die Befugnis, über die abgegebenen Stimmen in materieller Hinsicht zu richten, seine Funktion erschöpfe sich vielmehr darin, die abgegebenen Stimmen formal zu zählen. Das trifft zwar zu; jedoch ist festzustellen, dass der Versammlungsleiter insoweit nicht materiell richtet. Denn behandelt er eine Stimme, die infolge Treuwidrigkeit nichtig ist, bei der Beschlussfeststellung im Einklang mit der Rechtlage als nichtig, folgt sein Verhalten lediglich den wahren Rechtsverhältnissen und greift nicht richtend ein. Die Entscheidung des Versammlungsleiters hat aber auch dann keine materielle Wirkung für die betroffene Stimme, sondern wirkt sich lediglich auf das - dann rechtlich fehlerhafte und mithin anfechtbare - Zählergebnis bei der Abstimmung aus, wenn treuwidrige Stimmen mitgezählt werden bzw wirksame Stimmen infolge rechtsirrig angenommener Treuwidrigkeit ungezählt bleiben. Der Versammlungsleiter prüft die Verletzung der Treuepflicht nicht vor dem Hintergrund, durch seine Entscheidung eine Stimme zu vernichten oder wirksam werden zu lassen, sondern die Kompetenz, rechtskräftig zu beurteilen, ob eine abgegebene Stimme wegen Treuwidrigkeit materiell nichtig ist, steht dem Gericht zu. 4 0 3 Die Entscheidung des Versammlungsleiters hat demnach keine sachliche Wirkung auf die (Un-) Wirksamkeit der Stimme. Der Versammlungsleiter richtet nicht über einzelne abgegebene Stimmen, sondern - in Übereinstimmung mit seinem Aufgabenkreis 4 0 4 - über das formale Abstimmungsergebnis. Dazu sind die ungültigen von den gültigen Stimmen zu sondern. 4 0 5 Dass der Versammlungsleiter deshalb als Vorfrage zur Beurteilung des Ergebnisses eine eigene Einschätzung gewinnen muss, welche Stimmen er (nicht) zählt, gehört unter allen Gesichtspunkten nicht nur zu den Befugnissen, sondern Pflichten des Versammlungsleiters. Nicht zu verwechseln mit dieser rechtlichen Grundlagenbeurteilung ist die Frage, ob dadurch in tatsächlicher Hinsicht Konsequenzen auftreten, die man je nach Lage des Einzelfalles für praktisch bedenklich halten und - wenn man sie nicht hinnehmen möchte - zu deren Abmilderung Weiteres erforderlich sein mag (vgl noch Rdn 133: praktische Verwerfungskompetenz wohl nur bei Evidenz). Ein Rückschluss dergestalt, der Versammlungsleiter müsse eine von ihm erkannte Rechtsverletzung ignorieren und sehenden Auges nichtige Stimmen zählen, kann jedoch damit nicht gerechtfertigt werden. GmbH-Recht BGH ZIP 1991, 23, 24, dazu EWiR 1991, 171 (Günther) und WuB II C § 46 G m b H G 1.91 (Soehringh BGH ZIP 1993, 1228, 1230, dazu EWiR 1993, 1209 (Günther)·, OLG Hamburg ZIP 1991, 1430, 1432, 1434 [„Cats"], dazu EWiR 1991, 899 (Reichard) = G m b H R 1992, 43, 45, 47 m Anm Κ Schmidt 9; OLG Düsseldorf AG 1996, 373, 375; OLG Stuttgart AG 2000, 369, 371. 402 V g l Marsch-Barner Z H R 157 (1993), 172, 189; Koppensteiner ZIP 1994, 1325, 1327 f; Oelrichs G m b H R 1995, 863, 866 f; Windbichler in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, RWS-Forum 8 (1996), S 23, 38 f; Michalski GmbHG, Bd I (2002), § 13 Rdn 177; Korehnke Treuwidrige Stimmen

403

404

405

(1997), S 151-159; Zwissler Treuegebot (2002), S 142. Die Macht des Versammlungsleiters ist somit gleichsam nur eine vorläufige und stellt sich auch nicht deshalb später als über die Stimmkraft materiell richtend dar, weil das Gesetz bestimmt, dass nach Ablauf der Anfechtungsfrist (§ 246 Abs 1) die [Nicht-] Zählung endgültigen Charakter im Form der Bestandskraft des Beschlusses annimmt. Wohl aA Oelrichs GmbHR 1995, 863, 867; Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären (1997), S 137 f; kritisch auch Κ Schmidt G m b H R 1992, 9, 13 f. Zöllner Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S 373.

Stand: 1. 7. 2004

(160)

Anh § 53 a

Treuepflicht

Gegen die hier befürwortete Meinung, der Versammlungsleiter habe treuwidrige Stimmen nicht zu zählen (Rdn 129), ist des Weiteren eingewandt worden, die Zählung führe dazu, dass § 2 4 3 Abs 2 - als ein gesetzlicher Anwendungsfall treuepflichtverletzenden Stimmverhaltens (Rdn 1) - auf Sachverhalte reduziert würde, in denen der Versammlungsleiter irrtümlich eine nicht berücksichtigungsfähige Stimme mitzählt, so dass sich die Vorschrift nur als Instrument zur Korrektur fehlerhafter Beschlussfeststellungen erweisen würde, was nicht der ursprünglichen gesetzgeberischen Intention entspreche. 4 0 6 Dem ist entgegenzuhalten, dass bereits durch die Anerkennung der Treuepflichtverletzung als Anfechtungsgrund iSd § 2 4 3 Abs 1 (Rdn 135) und durch das herrschende Verständnis, dass diese Anfechtbarkeit ohne Rücksicht auf die Maßgaben in § 2 4 3 Abs 2 besteht (Rdn 136), die Regelung in § 2 4 3 Abs 2 ihre Bedeutung weitgehend verloren h a t . 4 0 7 Nicht erst die hier vertretene Beurteilung, welche Kompetenzen dem Leiter einer Hauptversammlung zustehen, verkleinert daher maßgeblich den Bereich, in dem § 2 4 3 Abs 2 im Zusammenhang mit treuwidrigem Abstimmungsverhalten zum Zuge kommt. Ein Hinweis auf etwaige Vorstellungen des historischen Gesetzgebers wiegt dabei nicht schwer, denn jener hat den derzeitigen juristischen Entwicklungsstand der Treubindungen im Aktienrecht weder gekannt noch vorhersehen können. Soweit ehemalige gesetzgeberische Annahmen in diesem Themenbereich heute überholt sind, erscheint als Konsequenz dessen auch § 2 4 3 Abs 2 als überholt und lässt es mithin kaum zu, aus dieser Vorschrift einen stichhaltigen (Gegen-)Schluss für die hier zu beurteilende Frage zu ziehen.

131

Gegen eine eigene Beurteilungsmacht des Versammlungsleiters in der vorliegenden Frage wird schließlich angeführt, die Figur der Treuepflicht sei in ihren Grenzen zu diffus als dass es ratsam erscheine, dem Versammlungsleiter hier eine Einschätzungskompetenz zu überantworten. 4 0 8 Dieser Überlegung ist durchaus zuzugeben, dass eine praktische Schwierigkeit darin liegt, dass der Versammlungsleiter unter den Rahmenbedingungen der Hauptversammlung ad hoc die Einschätzung treffen muss, ob ein bestimmtes Stimmverhalten treupflichtwidrig ist. Selbst wenn man (was nicht in jedem Fall einsichtig i s t ) 4 0 9 unterstellt, dass diese Rechtsfrage signifikant schwieriger zu beurteilen sein sollte als vergleichbare Vorfragen zur Gültigkeit abgegebener Stimmen, deren Beantwortung dem Versammlungsleiter selbstverständlich überantwortet ist, 4 1 0 wird jedoch diese praktische Unwägbarkeit dadurch entschärft, dass unzutreffend mitgezählte (bzw rechtsirrig außer Acht gelassene) Stimmen die Anfechtbarkeit des Beschlusses (ggf verbunden mit dem Antrag auf positive Beschlussfeststellung) begründen (Rdn 135, 137). Wer hier nun ins Feld führt, dass es folglich ohnehin am Ende zum Anfechtungsklageverfahren kom-

132

406

So Koppensteiner ZIP 1994, 1325, 1327; dem folgend Micbalski GmbHG, Bd I (2002), § 13 Rdn 177 und Kunze Positive

409

Zudem: Es überzeugt grundsätzlich nicht ohne weiteres, vor praktischen Unwägbarkeiten, die allenthalben auftreten können und als solche kein punktuelles Phänomen sind, vorschnell zu kapitulieren, anstatt zur immerhin bestmöglichen Bewältigung des Problems die Bereitstellung qualifizierter personeller Mittel anzustreben.

410

Bsp: Bestehen eines Stimmverbotes wegen Ruhen mitgliedschaftlicher Rechte infolge der Einschlägigkeit von (zB) § § 2 0 Abs 7

Stimmpflichten ( 2 0 0 4 ) , S 2 0 7 f; dagegen schon Zöllner Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht ( 1 9 6 3 ) , S 3 6 9 f. 407

Deutlich Raiser Kapitalgesellschaften3 (2001), § 16 Rdn 167 aE; ebenso Wiedemann in: Großkomm4 § 179 Rdn 173; vgl auch Hüffer6 § 243 Rdn 31; Κ Schmidt in: G r o ß k o m m 4 § 2 4 3 Rdn 5 2 .

408

Vgl Timm WM 1991, 481, 486; MarschBarner ZHR 157 (1993), 172, 189; Koppensteiner ZIP 1994, 1325, 1328; Oelrichs G m b H R 1 9 9 5 , 8 6 3 , 867.

(161)

S 1, 21 Abs 4 S I , 7 1 b AktG, 2 8 S 1 W p H G oder wegen § 136; oder: Wirksamkeit der Legitimation von stimmrechtsbevollmächtigten Nichtaktionären.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

men werde, womit durch eine Beurteilungskompetenz des Versammlungsleiters nichts gewonnen sei, 4 1 1 übersieht, dass immerhin die rechtsfehlerfreie Einschätzung des Versammlungsleiters die Prozesslast sachgerecht verteilt: Das Anfechtungsrisiko liegt dann jeweils bei dem gegen die Treuepflicht verstoßenden Aktionär und wird nicht denjenigen aufgebürdet, die sich rechtmäßig verhalten haben. Das kann wegen des mit dem Klageverfahren verbundenen Zeitverlustes entscheidend sein. 4 1 2 133

Eben weil aber von der - uU gerade nicht rechtsfehlerfreien - Entscheidung des Versammlungsleiters, welche Stimmen er (nicht) mitzählt, abhängt, wem das Prozessrisiko aufgebürdet wird, 4 1 3 hat der Versammlungsleiter in streitigen Fällen einen ernormen Einfluss auf die tatsächliche Verwirklichung des Beschlussgegenstandes. 414 Denn dass eine fehlerhafte Beurteilung des Versammlungsleiters theoretisch zur Beschlussanfechtung berechtigt, steht für die Opfer der Treuepflichtverletzung zum einen unter dem Vorbehalt der kurzen Frist des § 2 4 6 Abs 1. Zudem kann selbst die fristgemäße Anfechtung dann, wenn zur Durchführung eines mehrheitlich gebilligten Beschlussgegenstandes nur ein enger Zeithorizont zur Verfügung steht, gerichtlicher Rechtsschutz faktisch nicht rasch genug sein, womit das Klagerecht sich in der Praxis als nutzloses Instrument erweist. 4 1 5 Die Zuteilung des Prozessrisikos in die Hand des Versammlungsleiters zu geben, darf als Problem allerdings nicht überschätzt werden. Denn ein sorgfältig agierender Versammlungsleiter wird mit Rücksicht auf die ihm im Rahmen der Hauptversammlung zugedachte neutrale Position gut beraten sein, nur in offensichtlichen Fällen treuepflichtverletzenden Abstimmungsverhaltens schon bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses derartige Stimmabgaben unberücksichtigt zu lassen. 4 1 6 Ein davon abweichendes Verhalten wird in der Praxis selten sein.

134

Kein für die vorliegende Frage sehr schlagkräftiges Argument gegen die dargelegte Macht des Versammlungsleiters ist die Mutmaßung, diese Macht könne missbraucht

411 412

413

So Oelrichs GmbHR 1995, 863, 868. Bsp: Hätte im Fall Girmes/Effectenspiegel (BGHZ 129, 136) der Versammlungsleiter die bei Bolko Hoffmann gebündelten treuwidrigen Stimmen ignoriert, wäre das Sanierungskonzept gebilligt worden und es hätte demnach die Chance bestanden, dass der Konkurs vermieden wird. Eine etwaige Anfechtungsklage der Gegner des (konkreten) Sanierungskonzeptes wäre erfolglos gewesen. Hingegen nützte es im Originalfall der Aktionärsmehrheit nichts, dass ihre Anfechtungsklage - Ziel: positive Beschlussfeststellung - begründet gewesen wäre, da sie das Gelingen des von den Banken akzeptierten Sanierungskonzeptes nicht mehr rechtzeitig herbeiführen konnte. Zählt der Versammlungsleiter streitige Stimmen mit, die die Mehrheitsbildung ermöglichen, liegt die Anfechtungslast bei den Beschlussgegnern; lässt er streitige Stimmen außer Acht, unter deren Zählung die erforderliche Beschlussmehrheit erreicht

414

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416

worden wäre, liegt die Anfechtungslast (positive Beschlussfeststellungslast) bei den Befürwortern des Beschlussgegenstandes. Vgl auch Windbichler in: Henze/Timm/ Westermann, GesR 1995, RWS-Forum 8 (1996), S 23, 38 f; Koppensteiner ZIP 1994, 1325, 1328; Oelrichs GmbHR 1995, 863, 867 f; Zwissler Treuegebot (2002), S 142; siehe zur vergleichbaren Fragestellung bei S 136 auch Grunsky ZIP 1991, 778, 779. Zur Personengesellschaft Wiedemann FS Heinsius (1991), S 949, 956. Vgl bereits oben Fn 412; siehe auch Timm WM 1991, 481, 486 (der aber daraus die Konsequenz zieht, dass lediglich Schadensersatzansprüche verbleiben). Vgl auch die dahin gehende Einschätzung von Stützle/Walgenbach ZHR 155 (1991), 516, 536; Marsch-Barner ZHR 157 (1993), 172, 189; ebenso Hüffer6 § 130 Rdn 22 aE; Bungeroth in: MünchKomm 2 Vor S 53 a

Rdn 32; Timm WM 1991, 481, 486; abl Oelrichs GmbHR 1995, 863, 868.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(162)

Treuepflicht

Anh § S3 a

werden. 4 1 7 Diese Gefahr besteht allgemein. Missbrauchsgefahren liegen weniger in der Einräumung von Macht, als vielmehr in ihrer Ausübung. Das wäre hier nur dann anders, wenn von vornherein eine pauschale Neigung der Hauptversammlungsleiter festzustellen wäre, sich ohne Rücksicht auf geltendes Recht zum willkürlich handelnden Gehilfen bestimmter Interessen zu machen. Solch eine allgemeine Unterstellung ist indessen nicht gerechtfertigt. 418 Geht der Versammlungsleiter ausnahmsweise zu sorglos mit der ihm obliegenden Einschätzungspflicht um, dann liegt das Problem in der Person des Versammlungsleiters. Es kann sich allenthalben stellen, ohne dass ein spezieller Sachzusammenhang gerade zu treuepflichtverletzendem Stimmverhalten bestehen muss. Auch dass ein ansonsten gewissenhafter Versammlungsleiter besonders in dieser Frage zu willkürlicher Entscheidung neigt, ist durch nichts belegt. 2. Hauptversammlungsbeschlüsse a) Anfechtbarkeit Beschlüsse der Hauptversammlung, die unter Berücksichtigung von gegen die Treue- 1 3 5 pflicht verstoßenden Stimmen zustande gekommen bzw ihrem Inhalt nach treuwidrig sind, sind gemäß § 243 Abs 1 anfechtbar. 419 Der Anfechtungstatbestand dieser Vorschrift ist offen formuliert und umfasst auch die Verletzung gesellschaftsrechtlicher Generalklauseln, wie diejenige der Treuepflicht. 420 Dabei ist für die Anfechtbarkeit nach § 243 Abs 1 allein Voraussetzung, dass objektiv ein Verstoß gegen die Treuepflicht vorliegt, während subjektive Vorstellungen von Aktionären, die unter Verletzung ihrer Treuepflicht ihr Stimmrecht ausgeübt haben, hier keine Rolle spielen. 421 Sofern im Einzelfall neben der Anfechtbarkeit wegen Verletzung der Treuepflicht außerdem § 243 Abs 2 S 1 eingreift, ist weder § 243 Abs 1 nachrangig noch ist die Ausgleichsklausel des § 243 Abs 2 S 2 auf Abs 1 analog anzuwenden. 4 2 2 Auch wird die Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses wegen Verletzung der Treuepflicht nicht davon verdrängt, dass in dem treuwidrigen Beschluss zugleich eine willkürliche

417

418

419

So aber Oelricbs GrabHR 1995, 863, 867. Freilich ist bislang die behauptete Missbrauchsmöglichkeit in keinem von der obergericht- oder höchstrichterlichen Rechtsprechung entschiedenen Fall praktisch zu Tage getreten, womit sich der wertende Hinweis auf das hohe Missbrauchsrisiko (Oelrichs aaO) offenbar deutlich relativiert. Dennoch geht im Schrifttum die Einschätzung dahin, der Versammlungsleiter sei selten unvoreingenommen (K Schmidt G m b H R 1992, 9, 13; dem folgend Koppensteiner ZIP 1994, 1325, 1328; vgl ferner Windbichler in: Henze/ Timm/Westermann, GesR 1995, RWSForum 8 [1996], S 23, 39). Vgl auch Zöllner Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S 371. AllgM; BGHZ 103, 184, 193 [„Linotype"]; 142, 167, 169 f [„Hilgers"]; Κ Schmidt in: G r o ß k o m m 4 § 243 Rdn 48; Hüffer6 § 243 Rdn 24 und ders in: M ü n c h K o m m 2 $ 243 Rdn 66; Nehls Gesellschaftsrechtliche

(163)

420

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Treuepflicht (1993), S 97 ff; zweifelnd Mülbert Aktiengesellschaft 2 (1996), S 230 f (gegen ihn Zöllner AG 2000, 145,153 Fn 80). AllgM; Κ Schmidt in: G r o ß k o m m 4 § 243 Rdn 9; Hüffer6 § 243 Rdn 5 und ders in: M ü n c h K o m m 2 § 243 Rdn 17. Lutter J Z 1995, 1053, 1054 f; M Winter Mitgliedschaftliche Treubindungen (1988), S 110; Kunze Positive Stimmpflichten (2004), S 212; in den frühen Ansätzen der Treuepflicht aA KK-Zöllner 1 § 243 Rdn 197: Anfechtbarkeit bei ,,schuldhafte[r] Außerachtlassung des Gesellschaftsinteresses". Siehe Hüffer6 § 243 Rdn 32, 37 aE und ders FS Kropff (1997), S 127, 131 f, 141, 143 f; Κ Schmidt in: G r o ß k o m m 4 § 243 Rdn 53, 59; KK-Zöllner1 § 243 Rdn 232; Filimann Treuepflichten der Aktionäre (1991), S 259; aA Mülbert Aktiengesellschaft 2 (1996), S 348 ff.

H a r t w i g Henze/Richard L. N o t z

136

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

Ungleichbehandlung liegt, die gegen § 5 3 a verstößt; vielmehr kann sich die Anfechtungsklage nach § 2 4 3 Abs 1 in diesem Fall auf die Verletzung der Treuepflicht oder die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes oder auf beide Rechtsverletzungen stützen. b) Positive Beschlussfeststellung 137

Ist ein Beschluss nicht gefasst worden, weil durch treuepflichtverletzende Gegenstimmen die erforderliche Mehrheit nicht erreicht wurde, ist den Betroffenen mit einer Anfechtungsklage nicht gedient: Es geht nicht um die Vernichtung eines rechtswidrig bewirkten Ergebnisses, sondern dem bislang rechtswidrig verhinderten Ergebnis gilt es zur Durchsetzung zu verhelfen. In solchen Fällen ist in analoger Rechtsfortbildung der §§ 2 4 3 , 2 4 5 die Möglichkeit einer positiven Beschlussfeststellungsklage anzuerk e n n e n , 4 2 3 so dass auf gerichtlichem Weg rechtsgestaltend der Zustand herbeigeführt werden kann, der bei treuepflichtwahrendem Abstimmungsverhalten aller Aktionäre bereits durch die Beschlussfassung in der Hauptversammlung bewirkt worden wäre. c) Beweislast

138

Für die mit der Behauptung, der Beschluss der Hauptversammlung verstoße gegen die Treuepflicht, erhobene Anfechtungsklage ist es für genügend zu erachten, dass der Anfechtungskläger den typischen Tatbestand der Verletzung einschlägiger Gesellschaftsoder Mitgliederinteressen darlegt und im Falle des Bestreitens beweist. Danach obliegt es der Gesellschaft, die Gründe darzulegen und zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass der das Gesellschafts- bzw Mitgliedsinteresse beeinträchtigende Vorgang ausnahmsweise zulässig ist, weil die notwendige Abwägung sachgerecht gehandhabt w u r d e . 4 2 4 3. Aktionärsklagen

139

Verletzt ein Aktionär durch illoyale, grob eigennützige und mithin missbräuchliche Erhebung einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage (§§ 2 4 1 , 2 4 3 ) seine Treuepflicht (vgl Rdn 2 4 ) , darf die Klage keinen Erfolg h a b e n . 4 2 5

140

Ergeht dennoch ein rechtskräftiges, aber treuwidrig erstrittenes Anfechtungsurteil, so könnte zunächst an eine Nichtanerkennung des Urteils gedacht werden, indem Anleihe bei der auf den Rechtsgedanken des § 8 2 6 B G B gestützten Rechtsprechung zur Rechts-

423

BGHZ 76, 191, 197 ff; 88, 320, 329; 97, 28, 30 f = ZIP 1986, 429, dazu EWiR 1986, 371 (Hommelhoff); BGH ZIP 1995, 1982; Windbichler in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, RWS-Forum 8 (1996), S 23, 40 f; Bungeroth in: MünchKomm 2 Vor § 53 a Rdn 32; Steindorff FS Rittner (1991), S 675, 693; Κ Schmidt in: Großkomm 4 § 243 Rdn 50; ders NJW 1986, 2018 ff; Hüffer6 § 179 Rdn 31, § 246 Rdn 42 f, § 248 Rdn 9; Kunze Positive Stimmpflichten (2004), S 218 ff mwN; Zöllner ZGR 1982, 623; Hachenburg/Ra/ser GmbHG 8 Anh § 47 Rdn 244 f mwN.

424

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Κ Schmidt in: Großkomm 4 § 246 Rdn 82; vgl auch Hüffer6 § 243 Rdn 64. Missbräuchliche Anfechtungsklagen sind unbegründet (hM; BGH ZIP 1992, 1391, dazu EWiR 1992, 1041 [Drygala]; Hüffer6 § 245 Rdn 26 mwN; Boujong FS Kellermann [1991], S 1, 10; Henze AktienR 5 [2002], Rdn 1164 ff; aA Κ Schmidt in: Großkomm 4 § 245 Rdn 75: unzulässig), während missbräuchliche Nichtigkeitsklagen nach verbreiteter Ansicht unzulässig sein sollen (OLG Stuttgart ZIP 2001, 650, 652 sowie AG 2003, 165; Hüffer6 § 249 Rdn 11).

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(164)

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Treuepflicht

kraftdurchbrechung 426 gesucht wird. 427 Die gerichtliche Nichtigerklärung nach § 248 wirkt allerdings inter omnes,428 Eine absolute Unwirksamkeit des Urteils kommt daher nicht in Betracht; denkbar ist es jedoch, mit relativer Wirkung einen Arglisteinwand gegenüber demjenigen zuzulassen, der sich treuwidrig auf das Urteil bzw dessen Rechtswirkung berufen möchte. 429 4. Verwaltungsmaßnahmen Missachtet die Gesellschaft in Gestalt des Vorstandes oder des Aufsichtsrates als verwaltenden Organen bei einer Maßnahme oder Fassung eines Organbeschlusses die der Gesellschaft obliegende Treubindung, so ist das Verwaltungshandeln als rechtswidrig zu qualifizieren und mithin nichtig. Der treuwidrige Akt ist somit wirkungslos.

141

5. Folgeansprüche a) Erfüllung; Unterlassung Nimmt die Gesellschaft unter Verstoß gegen die ihr im Verhältnis zu den Aktionären obliegende Treuepflicht eine Verweigerungshaltung ein und spricht sie dadurch einem Aktionär treuwidrig ein berechtigtes Begehren (vgl Rdn 88 ff) ab, so ist dem Aktionär unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht ein klagbarer Anspruch auf Erfüllung seines Begehrens einzuräumen. Das gilt etwa, wenn trotz einer treupflichtbedingten Ermessenreduzierung auf Null die Gesellschaft gegenüber einem Aktionär, der seine vinkulierten Anteile veräußern will, die nach § 68 Abs 2 erforderliche Zustimmung nicht erteilt (Rdn 90). Der veräußernde Aktionär 4 3 0 kann in diesem Fall die fehlende Zustimmung im Wege des § 894 ZPO überwinden. 431

142

In den Rechtsverhältnissen mit mitgliedschaftlicher Treubindung haben die Beteiligten gegeneinander einen Anspruch auf Unterlassung jedes Verhaltens, das die Treuepflicht verletzt. Dieser Unterlassungsanspruch wird beispielsweise bedeutsam im Falle eines Verstoßes gegen das durch die Treuepflicht bedingte Wettbewerbsverbot (Rdn 78), 4 3 2 wobei hier zudem ein Eintrittsrecht analog §§ 113 Abs 1 HS 2 HGB, 88 Abs 2 S 2 zu erwägen ist. 433

143

426

Dazu B G H Z 4 0 , 130, 133; 101, 3 8 0 , 3 8 3 f; 103, 4 6 ; R G Z 61, 359, 365; 78, 389, 3 9 3 ; Zöller/Vollkommer Z P O 2 4 Vor § 3 2 2 Rdn 72 ff mwN; Gottwald in: MünchK o m m Z P O 2 § 3 2 2 Rdn 2 0 6 ff.

427

Vgl auch Κ Schmidt in: G r o ß k o m m 4 ξ 2 4 5 Rdn 9 4 . Κ Schmidt in: G r o ß k o m m 4 § 2 4 8 Rdn 4 mwN; Hüffer6 § 2 4 8 Rdn 5.

428

So Κ Schmidt in: Großkomm 4 § 2 4 5 Rdn 9 4 , § 2 4 8 Rdn 3. 430 ]\Jicht aktivlegitimiert ist hingegen der potenzielle Erwerber, dem die Zustimmungsverweigerung die Erwerbschance zunichte zu machen droht ( Wirth DB 1992, 617, 6 2 1 ; Reichert/Winter FS 100 Jahre GmbHG [1992], S 2 0 9 , 2 2 4 mwN). Dem Erwerber kommt die Aktivlegitimation selbst dann nicht zu, wenn er - zufällig Aktionär ist, da seine Position nicht an dem

der Treuepflicht unterliegenden Vinkulierungsverhältnis teil hat (str; aA betreffend GmbH KG N Z G 2 0 0 1 , 8 0 5 [rkr]; offen auch Reichert/Winter aaO); es kommt nach hM freilich in Betracht, dass der Erwerbswillige als gewillkürter Prozessstandschafter auftritt, LG Aachen AG 1 9 9 2 , 4 1 0 f [„AGF/ A M B " ] = ZIP 1992, 9 2 4 , 9 2 6 ff, dazu EWiR 1 9 9 2 , 8 3 7 (Bork); Bayer in: MünchK o m m 2 § 6 8 Rdn 110; Berger Z H R 157 (1993), 31, 41 ff; insoweit wohl aA Wirth DB 1 9 9 2 , 617, 621.

429

(165)

431

432

433

Wirth DB 1 9 9 2 , 617, 6 2 1 ; Wiedemann Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten (1965), S 107. Vgl zB Hachenburg/U/mer G m b H G 8 Anh § 7 7 Rdn 65. Bejahend Burgard FS Lutter ( 2 0 0 0 ) , S 1033, 1049; insoweit auch Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 3 5 3 f.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

Anh § 53 a

144

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

Bestehen tatsächlich lediglich zwei Handlungsvarianten und erweist sich eine von ihnen als treuwidrig, gestaltet sich der Anspruch als das Recht, die andere verlangen zu können.434 b) Schadensersatz

145

Die Treuepflicht ist Schuldverhältnis iSd § 2 4 1 B G B . Ihre Verletzung berechtigt daher im Grunde zum Schadensersatz (§ 2 8 0 Abs 1 S 1 B G B ) , 4 3 5 wobei sich die Schutzwirkung der Treuepflicht auf den mitgliedschaftlichen 4 3 6 Bereich beschränkt. 4 3 7 Ein Schadensersatzanspruch ist daher zu verneinen, wenn die Pflichtverletzung zur Fehlinvestition durch Zeichnung junger Aktien aus einer Kapitalerhöhung verleitet. 4 3 8 Bei Verletzung der Treuepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern besteht eine Schadensersatzpflicht, falls und soweit dort ein individueller Schaden entsteht, der über die Wertschmälerung der Anteile hinausgeht, die auf der Schädigung der Gesellschaft beruht (Rechtsgedanke § 117 Abs 1 S 2 ) . 4 3 9 Ein reiner Reflexschaden wird hingegen nicht im Verhältnis der Gesellschafter untereinander e r s e t z t ; 4 4 0 vielmehr bleibt es insofern bei der Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft. 4 4 1

146

Nach den Grundsätzen des Bürgerlichen Rechts müsste der seine Treuepflicht Verletzende bereits jede Fahrlässigkeit vertreten (§ 2 7 6 Abs 1 S 1, Abs 2 BGB) und sähe sich einer Beweislastumkehr ausgesetzt (§ 2 8 0 Abs 1 S 2 B G B ) . Diese Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches sind mit Rücksicht auf die besondere aktienrechtliche Situation, insbesondere wegen der Regelung des § 117 Abs 7 (Nr 1), zu modifizieren: aa) Treuwidriges Stimmverhalten

147

Die Ausübung des Stimmrechtes unter Verletzung der Treuepflicht zieht nur dann eine Schadensersatzpflicht nach sich, wenn der Pflichtverstoß vorsätzlich erfolgt i s t , 4 4 2 wobei

434

Bsp: Anspruch gegen Mitgesellschafter auf Mitwirkung an der Heilung einer verdeckten Sacheinlage, Rdn 8 6 .

435

Vgl B G H Z 129, 136, 158 [„Girmes/Effectenspiegel"]; Bungeroth in: M ü n c h K o m m 2 Vor § 5 3 a Rdn 3 3 ; Jahnke Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ( 2 0 0 3 ) , S 9 8 ; Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ( 1 9 9 3 ) , S 9 9 ff.

436

Je nach Position im Diskurs über die Vorwirkungen der Treuepflicht ggf unter Einschluss formitgliedschaftlicher Treubindungen (dazu Rdn 4 0 f).

437

Hüffer6^ 5 3 a Rdn 21. B G H N J W 1 9 9 2 , 3167, 3171 [„IBH/Scheich K a m e l " ] m Anm Brandes W M 1 9 9 4 , 2177, 2181.

438

439

440

Rdn 181; Jahnke Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ( 2 0 0 3 ) , S 9 8 f m w N . 441

B G H Z 129, 136, 165 [„Girmes/Effectenspiegel"]; Kropff in: M ü n c h K o m m 2 § 117 Rdn 77. B G H Z 105, 121, 1 3 0 f; 129, 136, 165 f; RothlAltmeppen G m b H G 4 § 13 Rdn 5 5 ; Michalski G m b H G , Bd I ( 2 0 0 2 ) , § 13

Die Mitaktionäre können insofern kein eigenes subjektives Recht einklagen (Bayer N J W 2 0 0 0 , 2 6 0 9 , 2 6 1 1 ; Mülbert in: Großk o m m 4 Vor § 118 Rdn 2 2 3 ) . In der Literatur wird aber - außerhalb des für die dort geregelten Fälle abschließenden § 1 4 7 - in prozessualer Hinsicht in Betracht gezogen, auf der Grundlage der Mitverletzung der Mitgesellschafter jenen eine actio pro societate für den Fall an die H a n d zu geben, dass die Gesellschaft ihr Recht, etwa weil sie gegen den Großaktionär vorgehen müsste, nicht wahrnimmt; als gesetzliche Prozessstandschafter könnten sie dann anstelle der untätigen AG für den Ausgleich der Schmälerung des Gesellschaftsvermögens sorgen (Kort in: G r o ß k o m m 4 Vor § 7 6 Rdn 6 4 ; Mülbert in: G r o ß k o m m 4 Vor § 118 Rdn 2 3 0 ; Hüffer6 § 5 3 a Rdn 19).

442

B G H Z 129, 136, 162 ff; Lutter J Z 1 9 9 5 , 1 0 5 3 , 1 0 5 5 ; Grunewald FS Kropff ( 1 9 9 7 ) ,

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(166)

Treuepflicht

Anh § 53 a

sich der Vorsatz auch auf den Schaden beziehen muss. 4 4 3 Ableiten lässt sich dieses Erfordernis eines erhöhten Verschuldensgrades aus folgenden Erwägungen: Der mit der Vorschrift des § 117 Abs 7 Nr 1 verfolgte Zweck sowie die Bewertung der ihr zugrunde liegenden Interessenlage beruhen auf dem Gedanken, eine Haftung für die Stimmrechtsausübung deswegen für unangemessen zu halten, weil der Aktionär im Grunde frei ist, mit seiner Stimme die Geschicke der Gesellschaft in eine von ihm als vorteilhaft eingeschätzte Richtung zu lenken; dabei beschränkt das Gesetz die Sanktion gegen einen Beschluss, der nicht mehr hingenommen werden kann, auf die Anfechtbarkeit wegen Verfolgung eines eigenen, die Gesellschaft oder die Mitaktionäre schädigenden Sondervorteils. Zur Begründetheit des Anfechtungsbegehrens ist ein auf den Sondervorteil gerichteter (bedingter) Vorsatz erforderlich. Kann die Anfechtbarkeit den ihr zugedachten Schutz nicht gewährleisten und bedarf es zum Schutz der Betroffenen eines Rückgriffs auf Schadensersatz wegen Treuepflichtverletzung, so steht es mit der gesetzgeberischen Intention in Einklang, die Ersatzsanktion ebenfalls an die Voraussetzung (bedingt) vorsätzlichen Handelns zu knüpfen. Im Übrigen engt eine Haftungsdrohung für ein unvertretbares Stimmverhalten, das lediglich auf Fahrlässigkeit beruht, die unternehmerische Handlungsfreiheit jedes Aktionärs übermäßig ein, denn ein eventuelles Haftungsrisiko ist kaum überschaubar. 4 4 4 Insbesondere Kleinaktionäre würden aufgrund der Befürchtung, Schadensersatz leisten zu müssen, von ihrem Stimmrecht daher vorsichtshalber keinen Gebrauch machen. Eine zu scharfe Haftung würde daher dieses Recht faktisch entwerten, wenn nicht gar eine in ihrer tatsächlichen Wirkung zu weit gehende Abschreckung noch nicht erfahrener Anleger vor dem Beitritt zu einer Aktiengesellschaft entfalten. 4 4 5 Aus dem Zusammenspiel der § § 1 1 7 Abs 7 Nr 1 und 243 Abs 2 - in krassen Fällen wird ohnehin § 826 BGB eingreifen 4 4 6 - sowie aus der Entstehungsgeschichte 447 ist ferner zu folgern, dass die Anfechtbarkeit eines Beschlusses das Recht, von dem treuwidrig stimmenden Mitaktionär Schadensersatz zu verlangen, zwar nicht ausschließt, 448 jedoch die Anfechtung dem Ersatzanspruch vorgeht. 4 4 9 Ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Treuepflicht kommt demnach nur dann in Betracht, wenn der Schadens-

S 89, 98; Jahtike Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (2003), S 262 ff; aA Beckerhoff Treupflichten bei der Stimmrechtsausübung (1996), S 97 ff; Jilg Treuepflicht des Aktionärs (1996), S 132 ff: grob fahrlässig; kritisch auch Hennrichs WuB II A § 135 AktG 1.95; für den Maßstab des § 276 BGB plädiert Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 158 ff mwN; vgl auch Nehls Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (1993), S 104 ff. 443

444

445

446

OLG Düsseldorf ZIP 1996, 1211, 1213, dazu EWiR 1996, 779 (Wilhelm). Vgl auch Timm W M 1991, 481, 486 f, mit der Überlegung, dass die Konsequenzen nicht dem risikobegrenzenden Charakter der Grundnorm des § 54 zuwiderlaufen dürfen. Lutter J Z 1995, 1053, 1055: AG muss auch unerfahrenen Aktionären offen stehen. Siehe BegrRegE bei Kropff AktG (1965), S 163 f; - im Übrigen: § 826 BGB unterliegt nicht der Einschränkung, dass vorrangig zur Schadensabwehr auf § 243 zurückzugreifen

(167)

447 448

449

ist (Häsemeyer Z H R 160 [1996], 109, 124 mwN), weshalb Altmeppen (NJW 1995, 1749, 1750) empfiehlt, sich für ein Schadensersatzbegehren wegen treuwidrigen Stimmverhaltens praktisch allein auf § 826 BGB zu konzentrieren. Vgl bei Henze AktienR 5 (2002), Rdn 1095. Siehe schon Henze FS Kellermann (1991), S 141, 148. Gl Ansicht Scholz/H Winter G m b H G 9 § 14 Rdn 62; Michalski GmbHG, Bd I (2002), § 13 Rdn 182; hingegen für eine direkte Schadensersatzberechtigung statt des Vorrangs der Beschlussanfechtung Dreher ZIP 1993, 332, 335 f; ders Z H R 157 (1993), 150, 154, sowie zum Teil auch Marsch-Barner ebd, S 172, 190 [für Beschlüsse über Satzungsänderungen und innerorganisatorische Maßnahmen], jedoch ist BGHZ 129, 136 diesen Ansichten insoweit nicht gefolgt, vgl im Einzelnen Henze AktienR 5 (2002), Rdn 1090 ff.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

148

Anh § 53 Λ

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

eintritt durch die Erhebung einer Anfechtungsklage nicht verhindert werden k a n n . 4 5 0 Steht allerdings fest, dass die Anfechtung nicht vor Schaden schützt, muss das Klageverfahren nicht durchgeführt werden, damit ein Schadensersatzanspruch verfolgt werden darf. 4 5 1 Diese Voraussetzung ist insbesondere dann gegeben, wenn die Anfechtungsklage deshalb ins Leere geht, weil selbst ein stattgebendes Anfechtungsurteil eine rückwirkende Gestaltung inzwischen eingetretener Gesetzeswirkungen nicht mehr zu bewirken vermag, so dass der treupflichtwidrige Beschluss gleichwohl weiterhin die Mitgliedschaftsrechte beeinträchtigt. Dem steht der Fall gleich, dass das Anfechtungsurteil seine Wirkung nach § 2 4 8 zwar rechtlich entfaltet, dies jedoch tatsächlich deshalb ohne Konsequenz ist, weil über das Vermögen der Gesellschaft inzwischen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (§§ 13, 2 7 InsO). Jedenfalls wenn diese Wirkungen innerhalb der Frist des § 2 4 6 Abs 1 eintreten, ist es ein ungerechtfertigter Formalismus, die Schadensersatzberechtigung von der Erhebung der Anfechtungsklage abhängig zu m a c h e n . 4 5 2 bb) Sonstige Fälle 149

Liegt die Verletzung der Treuepflicht in einem anderen Verhalten als der Ausübung von Stimmrechtsmacht, ist zu erwägen, eine Schadensersatzberechtigung ebenfalls davon abhängig zu machen, dass der Verstoß vorsätzlich erfolgt i s t . 4 5 3 In der Rechtsprechung ist die Frage nicht entschieden. 4 5 4 Für ihre Bejahung spricht der schon im Zusammenhang mit der treuwidrigen Stimmrechtsausübung angeführte Gedanke (Rdn 147), dass anderenfalls die Unsicherheit darüber, welche konkreten Verhaltenspflichten der nicht kodifizierten Generalklausel der Treuepflicht innewohnen, sich in einem praktisch unangemessenen, weil schwer zu überblickenden Haftungsrisiko niederschlagen. 4 5 5 Will man der so begründeten Beschränkung einer Einstandspflicht auf vorsätzliches Verhalten nicht folgen, wäre jedenfalls davon auszugehen, dass immerhin § 7 0 8 B G B entsprechend gilt, womit nicht geschäftskundige Anleger in der Regel allenfalls ab grober Fahrlässigkeit (vgl § 2 7 7 B G B ) 4 5 6 für Treuepflichtverletzungen zur Leistung von Schadensersatz herangezogen werden k ö n n e n . 4 5 7 cc) Verjährung

150

Ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Treuepflicht verjährt gemäß § 195 B G B in drei J a h r e n 4 5 8 (Fristbeginn: § 199 Abs 1 BGB) bzw spätestens gemäß § 199 Abs 3 B G B .

450

Zöllner/Winter Z H R 1 5 8 ( 1 9 9 4 ) , 59, 7 3 f; Häsemeyer Z H R 1 6 0 ( 1 9 9 6 ) , 109, 1 1 7 ; Marsch-Barner Z H R 1 5 7 ( 1 9 9 3 ) , 1 7 2 , 191; abw Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten ( 1 9 9 6 ) , S 174, 1 9 4 .

451

Vgl B G H Z 129, 136, 158 ff [„Girmes/Effectenspiegel"].

452

BGH aaO.

453

Vgl dahin Grunewald

FS Kropff ( 1 9 9 7 ) ,

S 89, 9 9 ; für treuwidrige Anfechtungsklagen auch Baums Gutachten F, 6 3 . DJT ( 2 0 0 0 ) , Bd I, S 1 8 7 (wonach auf Grundlage dieser Annahme die Regierungskommission Corporate Governance die gesetzliche Verankerung einer Schadensersatzpflicht für das Erheben missbräuchlicher Anfechtungs-

klagen für entbehrlich hält, vgl Baums [Hrsg], Bericht [ 2 0 0 1 ] , Rdn 1 6 0 ) ; aA Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären ( 1 9 9 7 ) , S 1 4 4 ff: Ersatzpflicht auch bei fahrlässiger Treuepflichtverletzung. 454

B G H Z 129, 136, 162 [„Girmes/Effectenspiegel"] und so auch Anm Lutter J Z 1995, 1053, 1055.

455

Dahin Bungeroth § 5 3 a Rdn 3 3 .

456

Z u möglichen Differenzierungen siehe Wiedemann GesR I ( 1 9 8 0 ) , § 8 IV 1 a, S 4 5 5 .

457

Vgl Häsemeyer

458

Wohl aA Kropff in·. M ü n c h K o m m 2 § 117 Rdn 7 7 aE: 5 Jahre entsprechend § 117 Abs 6.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

in: M ü n c h K o m m 2 Vor

Z H R 1 6 0 ( 1 9 9 6 ) , 109, 118.

(168)

Treuepflicht

Anh § 53 a

c) Beweislast Wer zu seinen Gunsten mit dem Argument, die Treuepflicht sei verletzt, einen Anspruch für sich herleiten will, hat die Tatsachen darzulegen und im Streitfall zu beweisen, aus denen sich die Beeinträchtigung des im Schutzbereich der Treuepflicht liegenden

151

gesellschaftsbezogenen Interesses ergibt. Die Darlegung und ggf der Beweis dafür, dass diese Beeinträchtigung infolge zutreffender Gewichtung aller abwägungsrelevanten Belange ausnahmsweise zulässig war, obliegt dem Beklagten (vgl auch entsprechend oben R d n 138).

VIII. Treuepflichten und Unternehmensverbund 1. Vertragskonzern Im R e c h t der durch Unternehmensverträge verbundenen Unternehmen hat der Gesetzgeber als Kehrseite des vertraglich legitimierten Machtgefälles vielfältige Schutzvorschriften zur E i n d ä m m u n g von M i s s b r a u c h und zur Regulierung einflussbedingter Folgen getroffen ( § § 3 0 0 - 3 0 7 , 3 0 9 f). Die nötige Einwirkungskontrolle ist damit im Vertragskonzern gesetzlich geregelt; davon wird die Anwendung der allgemeinen mitgliedschaftlichen Treuepflicht überlagert. Auch k a n n für den Vertragskonzern keine Konzernbildungskontrolle aus der Treuepflicht als zusätzlichem Erfordernis hergeleitet werden, die zu der für den Abschluss des Unternehmensvertrages nach § 2 9 3 Abs 1 nötigen M e h r h e i t hinzutritt. Das ist auch dann so, wenn die Gesellschaft dadurch erstmals in die Abhängigkeit geführt w i r d . 4 5 9

152

Immerhin bei Teilgewinnabführungsverträgen k o m m t in Betracht, dass die R e c h t e der Aktionäre ergänzend auch durch die Treuepflicht der M e h r h e i t gegenüber der M i n d e r heit gewahrt w e r d e n ; 4 6 0 vorrangig gilt aber auch dort, dass der Aktionärsschutz durch die gesetzlichen Regelungen über das Erfordernis einer angemessenen Gegenleistung des Vertragspartners bzw durch das Verbot der Gewährung von Sondervorteilen an einzelne Aktionäre (§§ 57, 5 8 , 6 0 ) sichergestellt wird.

153

2 . Faktischer Aktienkonzern a) Ausgangspunkt D a s K o r r e l a t zwischen M a c h t und Verantwortung hat für den faktischen Aktienrechtskonzern seinen Niederschlag in den § § 3 1 1 ff gefunden. Für faktische Konzernverhältnisse im R e c h t der G m b H , auf die diese aktienrechtlichen Vorschriften nicht (analog) anzuwenden s i n d , 4 6 1 k o m m t die mitgliedschaftliche Treuepflicht als H a u p t i n s t r u m e n t der Einwirkungskontrolle des Konzernverhältnisses zum T r a g e n . 4 6 2 D a s wirft die Frage auf, o b nicht auch für den nicht von einem Unternehmensvertrag getragenen Aktienrechtskonzern die Treuepflicht das beherrschende Prinzip für die K o n t r o l l e sowohl der

459

460 461

Siehe näher schon Heme BB 1996, 489, 498; vgl auch Emmencfc/Habersack, Aktienund GmbH-KonzernR 3 (2003), § 293 Rdn 35. Vgl BGHZ 156, 3 8 , 4 3 f. Ganz hM, BGHZ 149, 10; Emmerich/

(169)

462

Habersack Aktien- und GmbH-KonzernR 3 (2003), Anh § 318 Rdn 6 mwN. Siehe nur EmmerichJHabersack Aktien- und GmbH-KonzernR 3 (2003), Anh § 318 Rdn 15 ff, 24 ff, 27 ff mwN; Henze NZG 2003, 649, 654 f.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

154

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

unmittelbaren als auch der mittelbaren Abhängigkeit ist, 4 6 3 während die §§ 311, 317 in dieses umfassendere Prinzip eines treupflichtgesteuerten Aktienkonzernrechts einzubetten sind und als stabilisierende Teilelemente im Sinne einer kodifizierten Treuepflicht des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen Aktiengesellschaft 464 verstanden werden können. 4 6 5 b) Anwendbarkeit der Treuepflicht 155

Richtig ist zunächst, dass der Einfluss des faktisch herrschenden Unternehmens gesellschaftsrechtlich über das Eigentum an den Anteilen der abhängigen Gesellschaft vermittelt ist, sich der Nichtvertragskonzern also - entgegen der eingebürgerten Begriffsbezeichnung - nicht als „faktische", sondern als mitgliedschaftsbedingte Eingriffssituation darstellt, 466 so dass nach ihrem grundsätzlichen Anliegen der Anwendungsbereich der Treuepflicht als Instrument der Einwirkungskontrolle eröffnet sein kann (es sei denn, das herrschende Unternehmen ist Alleinaktionär; Rdn 42 ff). Ferner ist die These, die §§ 311, 317 könnten eine abschließende Regelung beinhalten, nicht ohne weiteres stichhaltig, da mit Blick auf den geschichtlichen Ablauf bei Einführung der §§ 311 ff eine dem heutigen Stand entsprechende Treuepflicht mit ihrer Reichweite nicht anerkannt war und somit auch kaum von der Intention des historischen Gesetzgebers verdrängt sein kann. Gute Gründe könnten daher dafür sprechen, die §§ 311 ff als ein gesetzlich standardisiertes Mindestregelwerk zu begreifen, in dem der Treupflichtgedanke unter dem Aspekt des inzwischen erreichten Entwicklungsstandes nur rudimentär enthalten ist. Man braucht sich deshalb nicht zu scheuen, den Grundsätzen mitgliedschaftlicher Treubindung Zugang zum faktischen Aktienrechtskonzern zu verschaffen, um sie dort bedarfsabhängig als begleitendes Instrument anzuwenden. 4 6 7 c) Konzernrechtsbedingte Grenzen der Treuepflicht

156

Vor dem gesetzlichen und historischen Hintergrund kann indessen nicht der Schluss gezogen werden, das Regelwerk der §§ 311 ff derart nachdrücklich unter den Einfluss der mitgliedschaftlichen Treuepflicht zu stellen, dass eine faktische Konzernierung im Aktienrecht schon deshalb nur in dezentraler Form für zulässig gehalten werden könnte. 4 6 8 Wer den Schluss ziehen will, der faktische Aktienkonzern sei nur in dezentraler Form zulässig, muss dies direkt aus dem Anliegen der §§ 311 ff folgern. Auch ist eine völlige Parallelität von Treuepflicht und Ausgleichssystem der §§ 311, 317 oder sogar eine Überlagerung des letzteren durch erstere nicht zu befürworten; im originären Anwendungsbereich der speziellen konzernrechtlichen Vorschriften verbleibt kein Raum, in dem die Treuepflicht modifizierend Platz greifen könnte. 4 6 9 Das erschließt sich nicht

463

Vgl Emme rieh/Habersack Aktien- und GmbH-KonzernR 3 (2003), § 311 Rdn 89 mwN. 464 Zutreffend Hüffer6 § 5 3 a Rdn 20. 465 Yg| Jen Diskussionsanstoß durch Zöllner Z H R 162 (1998), 2 3 5 ff. 466 Zöllner Z H R 162 (1998), 235, 2 3 7 f; Emmerich/Habersack Aktien- und GmbHKonzernR 3 (2003), § 311 Rdn 89; Hüffer6 % 53 a Rdn 20. 4i7 Das kann indes nur behutsam geschehen

(zB: Auslegung; Ergänzung; Lückenfüllung), da - wie Kropff in: M ü n c h K o m m 2 Vor 5 311 Rdn 19 richtig bemerkt - sich die Treuepflicht im Aktienkonzernrecht nicht zu einer „das Gesetz überlagernden Allzweckwaffe" entwickeln darf. 468

469

Ähnliche Bedenken bei Hüffer6 § 53 a Rdn 20; vgl auch Röhricht in: H d b CorpGovernance (2003), S 513, 530. Emmerich/Habersack Aktien- und GmbHKonzernR 3 (2003), § 311 Rdn 89; Kropff ιin:

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(170)

Treuepflicht

Anh § 53 a

zuletzt daraus, dass die §§ 311, 317 bewusst ein System des gestreckten Nachteilsausgleichs erlauben, das nicht durch eine anders lautende Wertung der Treuepflicht verkürzt werden darf. d) Regelungswirkung der Treuepflicht Außerhalb des Regelungssystems der §§ 311, 317 greifen ergänzend die allgemeinen 1 5 7 Grundsätze mitgliedschaftlicher Treubindungen ein. 470 Das trifft zum einen zu, wenn das herrschende Unternehmen den verlangten Nachteilsausgleich nicht leistet. Dann ist über § 317 hinaus auch eine Haftung wegen Verletzung der Treuepflicht einschlägig (und ferner wird § 117 nicht mehr durch das Konzernrecht verdrängt). 471 Steht schon vor der einen Nachteil bewirkenden Einflussnahme fest, dass die Einwirkung den durch § 311 legitimierten Bereich überschreiten wird, weil sie ihrer Art nach einem Ausgleich iSd § 3 1 1 Abs 2 nicht zugänglich ist oder das herrschende Unternehmen offensichtlich zu einem Ausgleich entweder nicht willens oder nicht imstande ist, dann muss die abhängige Gesellschaft nicht zuerst den rechtswidrigen Akt dulden, um sich anschließend ihres Rechts aus § 317 zu bedienen, sondern kann aus dem Gesichtspunkt der dem herrschenden Unternehmen als Aktionär obliegenden Treuepflicht bereits präventiv Unterlassung des Eingriffs verlangen. 472 Des Weiteren kann ergänzend neben dem Regelwerk der §§ 311 ff aus der Treue- 1 5 8 pflicht des herrschenden Unternehmens dessen Verpflichtung abgeleitet werden, die konzernierte Gesellschaft am Konzernerfolg zu beteiligen, etwa an konzernbedingten Synergieeffekten teilhaben zu lassen. 473 Es ist auch in Betracht zu ziehen, die Treuepflicht als Instrument des Ausgleichs für negative passive Konzernwirkungen heranzuziehen, falls die so ausgelöste Beeinträchtigung - § 311 erfasst diesen Fall nach allgM nicht 4 7 4 -

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471

472

MünchKomm 2 § 317 Rdn 111 f; vgl auch ders FS Lutter (2000), S 1133, 1144 ff; Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 530; Paschke FS Serick (1992), S 313, 326 f; aA dagegen und offener für ein umfänglich treupflichtgeprägtes System der §§ 311, 317 Ehricke Das abhängige Konzernunternehmen (1998), S 4 3 9 ff; Tröger Treupflicht im Konzernrecht (2000), S 210 ff; vgl ferner Zöllner ZHR 162 (1998), 235 ff; teilweise Tendenz auch bei Henze BB 1996, 489, 499, wonach das herrschende Unternehmen, das für das Vorjahr keinen Nachteilsausgleich geleistet hat, wegen Treupflichtverletzung haftet, wenn es nicht sofort - also bereits vor Ablauf des Geschäftsjahres - ausgleicht. Emmerich/Habersack Aktien- und GmbHKonzernR 3 (2003), § 311 Rdn 90; Kropff 2 in: MünchKomm Vor § 311 Rdn 19; Paschke FS Serick (1992), S 313, 327. Henze BB 1996, 489, 499; Emmerich/ Habersack Aktien- und GmbH-KonzernR 3 (2003), § 311 Rdn 89, § 317 Rdn 34. Hüffer6 § 317 Rdn 10, im Ergebnis allgM, streitig aber Rechtsgrundlage: nach aA folgt

(171)

dieser Unterlassungsanspruch nicht aus der Treuepflicht, sondern entweder aus §§ 1004, 823 Abs 2 BGB iVm § 311 als Schutzgesetz (so KK-Koppensteiner 7 · § 317 Rdn 21; Kropff \in: MünchKomm 2 § 317 Rdn 41; Krieger in: MünchHdb GesR 2 [1999], Bd 4 [AG], § 69 Rdn 103) oder er ist direkt aus § 317 abzuleiten (so Emmerich/Habersack Aktien- und GmbHKonzernR 3 [2003], § 317 Rdn 19; Lutter FS Peltzer [2001], S 241, 2 5 7 f). 473

474

Kropff in: MünchKomm 2 § 311 Rdn 345; Emmerich/Habersack Aktien- und GmbHKonzernR 3 (2003), § 311 Rdn 48, 49, 90 aE; aA Kirchner ZGR 1985, 214, 231; Geßler FS Kunze (1969), S 159, 172. Hüffer6 § 311 Rdn 26; KK-Koppensteiner 1 § 311 Rdn 21; Kropff in: MünchKomm 2 S 311 Rdn 346 f; EmmerichIHabersack Aktien- und GmbH-KonzernR 3 (2003), § 311 Rdn 52; Krieger in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 69 Rdn 63; Kiehne DB 1974, 321, 323; Strohn Verfassung der AG im faktischen Konzern (1977), S 81.

Hartwig Henze/Richard L. N o t z

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

erheblich ist und ihr keine entsprechenden Vorteile aus der

Konzernzugeshörigkeit

gegenüber s t e h e n . 4 7 5 159

Außerdem lässt sich auf der Grundlage der Treuepflicht ein Wettbewerbsverbot für den herrschenden A k t i o n ä r begründen ( h M ; R d n 7 8 m w N ) , 4 7 6 es sei denn, die Gesellschaft wurde bereits als von dem Wettbewerber abhängig gegründet ( R d n 8 0 ) 4 7 7 oder das herrschende Unternehmen ist der alleinige A k t i o n ä r (Rdn 4 3 f).

160

Sofern wegen treuwidriger Akte eine Schadensersatzpflicht in Betracht k o m m t , ist im Ausgangspunkt zu erwägen, diese auf die Fälle vorsätzlicher Pflichtverletzungen zu begrenzen (Rdn 147, 1 4 9 ) . Diese Einschränkung dürfte indessen schon grundsätzlich nicht für konzernbedingtes Schädigungsverhalten gelten; zumindest k ö n n t e diese M a ß gabe nicht a u f den speziellen Ausgleichsanspruch des § 3 1 7 durchschlagen, selbst wenn m a n diese Vorschrift als gesetzlichen Anwendungsfall der Treuepflicht begreift. D e n n in der Erkenntnis, dass die abhängige Gesellschaft besonderen Schutzes bedarf, geht § 3 1 7 insofern bewusst über § 1 1 7 hinaus und knüpft seine Einschlägigkeit nicht an die erhöhte Verschuldensform des V o r s a t z e s . 4 7 8 D e r allgemeine Treuepflichtgedanke ist nicht geeignet, diese konzernspezifische Wertung zu unterlaufen. e)

161

Konzerneingangskontrolle 4 7 9

Systematisch ist aufgrund der für jeden A k t i o n ä r sowohl im Verhältnis zu seiner Gesellschaft als auch zu seinen M i t a k t i o n ä r e n bestehenden Treuepflicht denkbar, dass die Begründung von (faktischer) Abhängigkeit den Schranken der Treubindung unterliegt. Einer aus der Treuepflicht herzuleitenden allgemeinen Konzerneingangskontrolle steht jedoch entgegen, dass die Gesellschaft nach der gesetzlichen Grundwertung als k o n zernoffen konzipiert i s t 4 8 0 und dementsprechend auch der gesetzliche R e g e l u n g s k o m p l e x über das Konzernrecht (§§ 3 1 1 ff) bewusst keinen K o n t r o l l m e c h a n i s m u s für den G a n g in die faktische Abhängigkeit vorsieht. Solange der R u f nach dem Gesetzgeber hier ungehört v e r h a l l t , 4 8 1 ist diese legislative Entscheidung zu respektieren. Die Treuepflicht entfaltet daher de lege lata keinen konkreten Konzerneingangsschutz. 4 8 2 Es bedarf keines in der Untergesellschaft zu fassenden Hauptversammlungsbeschlusses zur mehrheitlichen

Ausführlich Kropff FS Lutter (2000), S 1133, 1143 ff. 4 7 6 Siehe auch Emmerich/Habersack Aktienund GmbH-KonzernR 3 (2003), Vor § 311 Rdn 7; Emmerich/Sonnenschein/Habersack KonzernR 7 (2001), S 8 III 4, S 115; Henze KonzernR (2001), Rdn 129, 136; aA Kropff in: MünchKomm 2 Vor § 311 Rdn 65, 68. 477 Vgl Emmerich/Sonnenschein/Habersack KonzernR 7 (2001), § 8 IV, S 116. 478 vgl j ) a z u Emmttich/Habersack Aktien- und GmbH-KonzernR 3 (2003), S 311 Rdn 4. 4 7 9 Allgemein zur Konzernbildungskontrolle in der abhängigen AG siehe Bouchon Konzerneingangsschutz (2002), S 101 ff, 153 ff; Binnewies Konzerneingangskontrolle (1996), S 2 8 3 - 3 9 4 ; Liebscher Konzernbildungskontrolle (1995), S 3 4 4 - 3 9 7 ; Seydel Konzernbildungskontrolle (1995), S 87-129. 480 Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH475

481

482

KonzernR 3 (2003), Vor § 311 Rdn 1, 5; Kropff in: MünchKomm 2 Vor § 311 Rdn 44; Emmerich /Sonnenschein/Habersack KonzernR 7 (2001), § 8 III 1, S 113. Zur der - schon lange währenden - Kritik an dieser rechtspolitischen Lage siehe Immenga ZGR 1978, 269, 271 und Wiedemann ebd, S 477, 487; Lutter/Timm NJW 1982, 409, 411; Vorschläge de lege ferenda bei Hommelhoff Gutachten G, 59. DJT (1992), S 43 ff; vgl ferner U H Schneider/ Burgard DB 2001, 963, 969; Rechtsvergleichung bei Kindler ZGR 1997, 449, 451 ff. Kropff ιIn: MünchKomm 2 Vor § 311 Rdn 44, 56 ff; Krieger in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 69 Rdn 14, 22; Röhricht in: Hdb CorpGovernance (2003), S 513, 531; Emmerich/Habersack Aktienund GmbH-KonzernR 3 (2003), Vor § 311 Rdn 1, 5; vgl auch BGHZ 119, 1, 7.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(172)

Treuepflicht

Anh § 53 a

Billigung der A b h ä n g i g k e i t s b e g r ü n d u n g . 4 8 3 O b die Treuepflicht das die Herrschaft gewinnende Unternehmen dazu verpflichtet, gegenüber der in Abhängigkeit geratenden Gesellschaft und/oder deren Aktionären eine Erklärung über den Eintritt der Abhängigkeit abzugeben, ist umstritten; die h M steht dem ablehnend gegenüber (vgl auch R d n 9 7 ) . 4 8 4 D e m Grunde nach muss jeder Aktionär, der einer Gesellschaft angehört, die weder über entsprechende Konzernierungsklauseln in der Satzung verfügt noch mittels Vinkulierung der (Namens-)Aktien iSv § 6 8 Abs 2 Vorsorge gegen eine nicht in ihrem Sinne liegende Strukturänderung getroffen hat, den Eintritt der faktischen Abhängigkeit hinnehmen, mag er sie auch als nachteilig empfinden (vgl auch R d n 1 1 7 ) . 4 8 5 Einer Übertragung der für das G m b H - R e c h t zum Teil abweichenden A n s i c h t 4 8 6 steht zwar nicht die von einer G m b H abweichende Realstruktur der Aktiengesellschaft entgeg e n . 4 8 7 Indessen ist die G m b H - anders als die Aktiengesellschaft - nicht von vornherein in konzernoffener Weise durch den Gesetzgeber konzipiert und einer konzernrechtlichen Regelung nicht unterstellt worden. Das ermöglicht dem R e c h t s a n w e n d e r einen erhöhten Spielraum zur Ausgestaltung konzernrechtlicher Regelungen im G m b H - R e c h t und mithin auch zur Institutionalisierung einer Konzerneingangskontrolle.

162

Das Fehlen einer grundsätzlich institutionalisierten aktienrechtlichen Kontrolle der Begründung von Abhängigkeit schließt nicht aus, die in der Praxis oft auftauchenden E i n z e l m a ß n a h m e n , die der Ermöglichung des Konzernierungsvorgangs dienen, einer materiellen Inhaltskontrolle zu unterziehen und in diesem R a h m e n eine sachliche R e c h t fertigung für die konzernbildende M a ß n a h m e zu verlangen. D a s k a n n sich - mittelbar als Konzerneingangsschutz entpuppen und als Sachkontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen vergleichbaren Kriterien unterliegen (vgl R d n 2 3 ) wie die in der Treuepflicht wurzelnde Pflicht zur angemessenen R ü c k s i c h t n a h m e auf die (Unabhängigkeit der) Gesellschaft und die M i t a k t i o n ä r e . Solche praktischen M a ß n a h m e n , die den Treugrundsätzen der materiellen Beschlusskontrolle unterliegen, sind zB ein Bezugsrechtsausschluss im R a h m e n einer Kapitalerhöhung oder eines genehmigten Kapitals sowie die Befreiung des Mehrheitsgesellschafters vom Wettbewerbsverbot. Als gesetzliche Ausfor-

163

483

484

HM, zB Zöllner FS Kropff (1997), S 333, 336; Burgard FS Lutter (2000), S 1033, 1047; Emmerich/Sonnenscheitt/Habersack KonzernR 7 (2001), § 8 III 1, S 113; aA wohl Emmerich AG 1991, 303, 305 f; Wiedemann Unternehmensgruppe im Privatrecht (1988), S 64. KK-Koppensteiner 2 Vor § 311 Rdn 29; Kropff in: MünchKomm 2 Vor § 311 Rdn 47; Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-KonzernR 3 (2003), Vor S 311 Rdn 1; Krieger in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 69 Rdn 18, 22; Raiser Kapitalgesellschaften3 (2001), § 52 Rdn 28 aE mwN, dort Fn 45; Emmerich /Sonnenschein/Habersack KonzernR7 (2001), § 8 III 1, S 113; Guntz Treubindungen von Minderheitsaktionären (1997), S 181 ff; Westermann ZGR 1984, 352, 354; befürwortend aA Zöllner FS Kropff (1997), S 333, 340 f;

(173)

485

486

487

Tröger Treupflicht im Konzernrecht (2000), S 314 ff; Burgard Offenlegung von Beteiligungen (1990), S 66 f; Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 325 ff. Bungeroth in: MünchKomm 2 Vor § 5 3 a Rdn 30; Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-KonzernR 3 (2003), Einl Rdn 11. Zur Konzernbildungskontrolle in der abhängigen GmbH siehe Scholz/Emmerich GmbHG 9 , Bd I, Anh KonzernR, Rdn 48 ff; Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG 17 Schlussanh I [KonzernR], Rdn 68 ff; Hachenburg/Lf/wer GmbHG 8 , Anh § 77 Rdn 57 ff; M¡chalski/Ze¿d/er GmbHG, Bd I (2002), Syst Darst 4 [KonzernR], Rdn 192 ff; Roth!Altmeppen GmbHG 4 Anh $ 13 Rdn 101 ff; vgl ferner bei Reichert/Winter FS 100 Jahre GmbHG (1992), S 209, 230 ff. Dazu Henze BB 1996, 489, 497.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

Anh § 53 a

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter - Treuepflicht

m u n g e n der Treuepflicht bestehen im Sinne des Minderheitenschutzes heute überdies das durch §§ 3 5 ff W p Ü G vorgeschriebene P f l i c h t a n g e b o t 4 8 8 s o w i e die Mitteilungspflichten der §§ 2 0 f A k t G , 21 ff W p H G . 4 8 9

488

Z u der bereits vor Geltung der §§ 35 ff WpÜG angestellten Überlegung, als dogmatische Grundlage für die Pflicht zur Abgabe eines Abfindungsangebotes bei einer Übernahme die unter den Aktionären bestehende gesellschaftsrechtliche Treubindung heranzuziehen, siehe ausführlich Miilbert Aktiengesellschaft 2 (1996), S 463 ff mwN; vgl außerdem Lutter Z H R 162 (1998), 164, 172 ff; Weber Vormitgliedschaftliche Treu-

489

bindungen (1999), § 15, S 379 ff; Piepenburg Mitgliedschaftliche Treupflichten (1996), S 317 f; siehe auch Reul Pflicht zur Gleichbehandlung (1991), S 266 f, 274. Zu ähnlichen Fragen der Treuepflicht bei Transaktionen vgl auch oben Rdn 123 und 124 f. Vgl auch Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-KonzernR 3 (2003), Vor § 311 Rdn 5 aE.

Stand: 1. 7. 2 0 0 4

(174)

Vorwort Die Neubearbeitung befindet sich durchgehend auf dem Stand März 2 0 0 0 , größtenteils aufgrund von Aktualisierungen, die im Laufe der Drucklegung noch vorgenommen werden konnten, sogar auf dem Stand August 2 0 0 0 . Herrn Rechtsreferendar Richard L. Notz, Konstanz, bin ich für seine Mitarbeit zu großem Dank verpflichtet. Er hat einen ersten Entwurf geliefert, der Grundlage für die Endfassung der Kommentierung geworden ist. Zudem hat er unermüdlich das für die Kommentierung verwendete Material aus Rechtsprechung und Schrifttum zusammengestellt und unter Nutzung seines Computers die angefallenen Schreibarbeiten erledigt. Er stand mit stets als Gesprächspartner und kritischer Widerpart zur Verfügung.

Karlsruhe, im Oktober 2 0 0 0

Hartwig

Henze

§54

Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

Hauptverpflichtung der Aktionäre (1) Die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung der Einlagen wird durch den Ausgabebetrag der Aktien begrenzt. (2) Soweit nicht in der Satzung Sacheinlagen festgesetzt sind, haben die Aktionäre den Ausgabebetrag der Aktien einzuzahlen. (3) Der vor der Anmeldung der Gesellschaft eingeforderte Betrag kann nur in gesetzlichen Zahlungsmitteln oder durch Gutschrift auf ein Konto bei einem Kreditinstitut oder einem nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53 b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 des Gesetzes über das Kreditwesen tätigen Unternehmen der Gesellschaft oder des Vorstands zu seiner freien Verfügung eingezahlt werden. Forderungen des Vorstands aus diesen Einzahlungen gelten als Forderungen der Gesellschaft. Übersicht Rdn

Rdn cc) Grenzen

61

1

dd) Auslegung

62

a) Abs 1 und 2

1

ee) Überprüfbarkeit

63

b) Abs 3

2

I. Einführung 1. Gesetzesgeschichte

2 . Regelungsgegenstand, Normzweck und

64

e) Einzelbeispiele

66

Geltungsbereich

3

f) Änderung

67

a) Allgemein

3

g) Übertragung

68

b) Abs 1

4

h) Durchsetzung

75

c) Abs 2

5

i) Bilanzierung

76

d) Abs 3

6

4 . Freiwillige Mehrleistungen neben der 77

Einlage

Π. Oie Einlagepflicht 1. Rechtsnatur

7

2 . Entstehung

9

3. Inhalt

VI. Erfüllung der Einlagepflicht 81

1. Sacheinlagen

11

2 . Bareinlagen (Abs 3)

82

a) Bareinlage

11

a) Ausgangspunkt

82

b) Sacheinlage

12

b) Zeitlicher Anwendungs-

16

c) Erfüllungsbewirkende Leistungs-

bereich

ΠΙ. Gläubiger und Schuldner der Einlage 1. Gläubiger 2 . Schuldner a) Bareinlage b) Sonderfall: Lastenfreier

17

formen aa) Gesetzliche Zahlungsmittel

. . .

85

bb) Kontogutschrift (Buchgeld)

. . .

86

Erwerb bei

cc) Sonstige Leistungsformen

oder teilweise erfolgte Tilgung der Einlagepflicht

83

17

gutem Glauben an die vollständig

84

. . . .

d) Empfangszuständigkeit

97 100

19

aa) Barleistung

30

bb) Leistung auf ein Gesellschafts-

35

cc) Leistung auf ein Vorstands-

1. Obergrenze

39

dd) Haftung

105

2 . Untergrenze

44

e) Freie Verfügung

106

f) Einforderung

116

c) Sacheinlage „Gesellschaftsmantels"

k o n t o für die Gesellschaft

IV. Umfang der Einlagepflicht

V. Weitere Pflichten 1. Selbständige mitgliedschaftliche Zusatzpflichten 2 . Unselbständige Nebenpflichten

101

konto

d) Sonderfall: Verwendung eines

46 . . . .

102 . . .

103

g) Folgen ordnungsgemäßer Leistung

49

118

h) Mehrzahlungen auf die Einlage vor Eintragung („freiwillige Über-

3. Pflichten aus schuldrechtlicher Vereinbarung

53

a) Zulässigkeit

53

zahlung")

119

i) Einlageleistungen nach Eintragung

b) Entstehung

54

der AG

128

c) Inhalt

56

j) Beweislast

131

aa) Allgemein

56

bb) Einlageähnliche Finanzierungszusagen

(1)

d) Abgrenzung

57

VII. Rechtsfolge bei Verstößen 1. Verstoß gegen Abs 1

132

2 . Verstöße gegen Abs 3

134

Hartwig Henze

§ 54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Schrifttum I. Allgemein Assmann/Sethe Kapitalaufbringungskontrolle bei Barkapitalerhöhungen mit mittelbarem Bezugsrecht, Z H R 158 (1994), 646; Barz Geldeinlagezahlungen der Gesellschafter vor Eintragung der GmbH, GmbHR 1962, 189; Baumann/Reiss Satzungsergänzende Vereinbarungen - Nebenverträge im Gesellschaftsrecht, Z G R 1989, 157; Bergmann Die Einzahlungspflicht des Aktionärs, ZBH 1933, 207; ders Ist es der AG gestattet, dem Zeichner von Aktien ein Darlehen in Höhe des einzuzahlenden Betrages zu gewähren? HansRGZ 1934, 517; Bergschmidt Das neue Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuches, J W 1935, 1065; F Brixner/J Brixner Bäuerliche Aktiengesellschaften mit genossenschaftlicher Zielsetzung, AG 1965, 262; J Brixner Zweckmäßigkeit und Möglichkeiten genossenschaftlicher Betätigung in der Rechtsform der Aktiengesellschaft (1961); ders Marktintegration durch bäuerlich-genossenschaftliche Aktiengesellschaften (1966); Brunn Zur Haftung für Geschäfte der Vor-GmbH, BB 1956, 261; Degner Die vinkulierte Versicherungsaktie im Börsenhandel 2 (1966); Döllerer Verdeckte Einlagen bei der Aktiengesellschaft, BB 1971, 1245; Dorpalen Die Neufassung des § 195 HGB, BankArch 1934/35, 339; Drude Die Sicherung der Kapitalaufbringung im englischen und deutschen Aktienrecht (1971); Eckhardt Voreinzahlungen auf Kapitalerhöhungen, MittRhNotK 1997, 289; Ehlke Vorausgezahlte Stammeinlage - ein Fall fehlerhafter Kapitalaufbringung in der GmbH, Z G R 1995, 426; Ekkenga Zur Aktivierungs- und Einlagefähigkeit von Nutzungsrechten nach Handelsbilanz- und Gesellschaftsrecht, ZHR 161 (1997), 599; Frey Einlagen in Kapitalgesellschaften (1989); Georgakopoulos Die Gründung der AG (1959); Geßler Die Umwandlung von Krediten in haftendes Kapital, FS Möhring (1975), S 173; Goette Der Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Kapitalaufbringung im GmbH-Recht, DStR 1997, 924; ders Satzungsdurchsetzung und Beschlußanfechtung, in: Henze/Timm/H Ρ Westermann, Gesellschaftsrecht 1995, RWS-Forum 8 (1996), S113; Groß Voraussetzungen und Grenzen der Voreinzahlung auf eine künftige Bareinlageverpflichtung, GmbHR 1995, 845; Habetha Verdeckte Sacheinlage, endgültig freie Verfügung, Drittzurechnung und „Heilung" nach fehlgeschlagenen Bareinzahlungen im GmbH-Recht, Z G R 1998, 305; Heinsius Kapitalerhöhung bei der Aktiengesellschaft gegen Geldeinlagen und Gutschrift der Einlagen auf einem Konto der Gesellschaft bei der Emissionsbank, FS Fleck, ZGR Sonderheft 7 (1988), S 89; Henn Handbuch des Aktienrechts 6 (1998); Henze Zur Problematik der „verdeckten (verschleierten) Sacheinlage" im Aktien- und GmbH-Recht, ZHR 154 (1990), 105; ders Aktienrecht - Höchstrichterliche Rechtsprechung 4 (2000); ders Handbuch zum GmbH-Recht 2 (1997); Herbeck Die Bareinlageverpflichtung des Aktionärs bei Gründungen und Kapitalerhöhungen von Aktiengesellschaften (1938); Hoffmann-Becking Der Einfluß schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarungen auf die Rechtsbeziehungen der Kapitalgesellschaft, ZGR 1994, 442; Hofmann Voreinzahlungen auf Anteile an Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, AG 1963, 261 und 299; Hommelhoff/Kleindiek Schuldrechtliche Verwendungspflichten und „freie Verfügung" bei der Barkapitalerhöhung, ZIP 1987, 477; G Hueck Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht (1958); Hüffer Wertmäßige statt gegenständlicher Unversehrtheit von Bareinlagen im Aktienrecht, Z G R 1993, 474; ders/van Look Aktuelle Rechtsfragen zum Bankkonto 3 (1998); Ihrig Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von Kapitalgesellschaftern (1991); Jäger Schuldrechtliche Nebenabreden zum Gesellschaftsvertrag der GmbH, DStR 1996, 1935; Joost Vorbelastungshaftung und Leistung der Bareinlage in das Vermögen der Vor-GmbH vor Fälligkeit, Z G R 1989, 554; Klaft/Maxem Praktische Probleme der Voreinzahlung auf künftige Bareinlageschuld, GmbHR 1997, 586; Klausing Die Zahlung durch Wechsel und Scheck (1919); ders Leistung von „Bareinlagen" bei Aktiengesellschaften, BankA 1934, 499; Küsters Die Vererbung gebundener Namensaktien, SozPr 1938, 855; Kutzer Die Tilgung der Bareinlageschuld durch den GmbH-Gesellschafter, GmbHR 1987, 297; Luther Die genossenschaftliche Aktiengesellschaft (1978); Lutter Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG (1964); ders Verwertungsaktien, AG 1970, 185; ders Das überholte Thesaurierungsgebot bei Eintragung einer Kapitalgesellschaft im Handelsregister, NJW 1989, 2649; ders/Hommelhoff/Timm Finanzierungsmaßnahmen zur Krisenabwehr in der Aktiengesellschaft, BB 1980, 737; ders/ Scheffler/U H Schneider Handbuch der Konzernfinanzierung (1998); Mann Die Barzahlungspflicht des Aktionärs nach § 195 Abs 3 HGB, ZBH 1932, 31; ders Die Sachgründung im Aktienrecht (1932); Martens Nachgründungskontrolle beim Formwechsel einer GmbH in eine AG, ZGR 1999,

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(2)

Hauptverpflichtung der Aktionäre

§ 5 4

5 4 8 ; Meilicke Die „verschleierte" Sacheinlage - eine deutsche Fehlentwicklung? ( 1 9 8 9 ) ; ders Bareinlage, Sacheinlage und ihre „Verschleierung" im R e c h t der G m b H , G m b H R 1 9 8 9 , 4 1 1 ; Mülbert Das „Magische Dreieck der Barkapitalaufbringung", Z H R 154 ( 1 9 9 0 ) , 145; G Müller Z u r Umwandlung von Geldkrediten in Grundkapital fallierender Gesellschaften, Z G R 1995, 3 2 7 ; Nirk/Reuter/Bächle Handbuch der Aktiengesellschaft, Teil I (Gesellschaftsrecht), Stand: November 1 9 9 9 (31. Lieferung); Noack Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften ( 1 9 9 4 ) ; Priester Nichtkorporative Satzungsbestimmungen bei Kapitalgesellschaften, D B 1979, 6 8 1 ; ders Stammeinlagezahlung auf ein debitorisches B a n k k o n t o der G m b H , D B 1987, 1 4 7 3 ; ders Voreinzahlung auf Stammeinlagen bei sanierender Kapitalerhöhung, FS Fleck ( 1 9 8 8 ) , S 2 3 1 ; ders Wertgleiche Deckung statt Bardepot? Z I P 1 9 9 4 , 5 9 9 ; ders Rechtskontrolle und Registerpublizität als Schranken satzungsgleicher Gesellschaftervereinbarungen bei der G m b H ? FS Claussen (1997), S 319; Raiser Das Recht der Kapitalgesellschaften 2 ( 1 9 9 2 ) ; Roth Die freie Verfügung über die Einlage, FS Semler ( 1 9 9 3 ) , S 2 9 9 ; Κ Schmidt Die sanierende Kapitalerhöhung im R e c h t der AG, G m b H und Personengesellschaften, Z G R 1 9 8 2 , 5 1 9 ; ders Barkapitalaufbringung und „freie Verfügung" bei der Aktiengesellschaft und der G m b H , AG 1 9 8 6 , 1 0 6 ; ders Gesellschaftsrecht 3 ( 1 9 9 7 ) ; Sittmann Z u r Frage, wer K o n t o i n h a b e r ist, wenn der Eröffnungsantrag die Gründungsgesellschafter einer G m b H als Inhaber mit gemeinschaftlicher Zeichnungsbefugnis ausweist, W u B I C 3 Sonderkonto 2 . 9 8 ; Steinberg Die Erfüllung der Bareinlagepflicht nach Eintragung der Gesellschaft und der Kapitalerhöhung ( 1 9 7 3 ) ; Stimpel Unbeschränkte oder beschränkte, Außen- oder Innenhaftung der Gesellschafter der V o r - G m b H , FS Fleck ( 1 9 8 8 ) , S 3 4 5 ; Ulmer Verletzung schuldrechtlicher Nebenabreden als Anfechtungsgrund im G m b H - R e c h t , N J W 1987, 1 8 4 9 ; ders Verdeckte Sacheinlagen im Aktien- und G m b H - R e c h t , Z H R 154 ( 1 9 9 0 ) , 1 2 8 ; ders Z u r Treuhand an GmbH-Anteilen: Haftung des Treugebers für Einlageansprüche der G m b H ? Z H R 1 5 6 ( 1 9 9 2 ) , 3 7 7 ; ders Rechtsfragen der Barkapitalerhöhung bei der G m b H , G m b H R 1 9 9 3 , 1 8 9 ; Wegmann Vorzeitige Zahlungen auf Kapitalerhöhungen bei der G m b H , D S t R 1 9 9 2 , 1 6 2 0 ; Η Ρ Westermann Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft ( 1 9 9 4 ) ; Wiedemann Haftungsbeschränkung und Kapitaleinsatz in der G m b H ( 1 9 6 8 ) ; ders Die Erfüllung der Geldeinlagepflicht bei Kapitalerhöhungen im Aktienrecht, ZIP 1991, 1257; ders/Hermanns Liquiditätszusagen des GmbH-Gesellschafters, Z I P 1 9 9 4 , 9 9 7 ; Wiedenmann Z u r Haftungsverfassung der Vor-AG: Der Gleichlauf von Gründerhaftung und Handeinden-Regress, Z I P 1997, 2 0 2 9 ; Wilhelm Kapitalaufbringung und Handlungsfreiheit der Gesellschaft nach Aktien- und G m b H - R e c h t , Z H R 1 5 2 ( 1 9 8 8 ) , 3 3 3 ; Wimmer Gefahren bei der Einzahlung von Stammeinlagen bei der G m b H , G m b H R 1997, 8 2 7 ; Winkler Materielle und formelle Bestandteile in Gesellschaftsverträgen und Satzungen und ihre verschiedenen Auswirkungen, D N o t Z 1969, 3 9 4 ; ders Nichtgewerbliche, ideale, insbesondere politische Zielsetzungen als Inhalt von Gesellschaftsverträgen und Satzungen, N J W 1 9 7 0 , 4 4 9 ; M Winter Organisationsrechtliche Sanktionen bei Verletzung schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarungen, Z H R 154 ( 1 9 9 0 ) , 2 5 9 ; ders Satzung und schuldrechtliche Gesellschaftervereinbarungen: Die Sicht der Praxis, in: Henze/Timm/H Ρ Westermann, Gesellschaftsrecht 1 9 9 5 , R W S - F o r u m 8 ( 1 9 9 6 ) , S 131; Wittgensteiner Haftung aus fehlender Bareinzahlung bei der AG, BankA 1 9 3 1 / 3 2 , 2 9 6 ; Wolany Voreinzahlungen auf Aktien, A G 1 9 6 6 , 79, 118 und 1 4 8 ; Würdinger Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen 4 (1981); Zöllner Wechselwirkungen zwischen Satzung und schuldrechtlichen Gesellschaftervereinbarungen ohne Satzungscharakter, in: Henze/Timm/H Ρ Westerm a n n , Gesellschaftsrecht 1 9 9 5 , R W S - F o r u m 8 ( 1 9 9 6 ) , S 89.

II. Kapitalaufbringung bei „Mantelverwendung" Banerjea Die rechtliche Behandlung des Mantelkaufs, G m b H R 1 9 9 8 , 814; Bärwaldt/Schabacker Keine Angst vor Mantel- und Vorratsgesellschaften, G m b H R 1 9 9 8 , 1 0 0 5 ; Bommert GmbH-Mantelk a u f und Gründungsrecht, G m b H R 1 9 8 3 , 2 0 9 ; Heerma Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten ( 1 9 9 7 ) ; Hennrichs Fortsetzung einer mangels M a s s e aufgelösten G m b H , Z H R 1 5 9 ( 1 9 9 5 ) , 5 9 3 ; Ihrig Die Verwertung von G m b H - M ä n t e l n , B B 1 9 8 8 , 1 1 9 7 ; Kant a k Mantelgründung und Mantelverwendung bei der G m b H ( 1 9 8 9 ) ; Mayer M a n t e l k a u f und Mantelverwendung (k)ein Problem? N J W 2 0 0 0 , 175; Peters Der G m b H - M a n t e l als gesellschaftsrechtliches Problem ( 1 9 8 9 ) ; Priester Mantelverwendung und Mantelgründung bei der G m b H , D B 1 9 8 3 , 2 2 9 1 ; Schick G m b H - M a n t e l k a u f und verdeckte Sacheinlage, G m b H R 1997, 9 8 2 ; Ulmer Die wirtschaftliche Neugründung einer G m b H unter Verwendung eines G m b H - M a n t e l s , B B 1 9 8 3 , 1 1 2 3 .

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Hartwig Henze

§ 54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

ΠΙ. Einlagegleiche Finanzierungspflichten Ebenroth/Wilken Kapitalersatz und Betriebsaufspaltung, BB 1993, 305; Dauner-Lieb Finanzplankredit und Krisendarlehen, in: ν Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts (2000), Teil 9; Fleischer Finanzplankredite und Eigenkapitalersatz im Gesellschaftsrecht (1995); ders Der Finanzplankredit im Gesamtgefüge der einlagegleichen Gesellschafterleistungen, DStR 1999, 1774; Habersack Der Finanzplankredit und das Recht der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterhilfen, Z H R 161 (1997), 457; ders Grundfragen der freiwilligen oder erzwungenen Subordination von Gesellschafterkrediten, Z G R 2 0 0 0 , 384; Hommelhoff/Kleindiek Flexible Finanzierungsinstrumente im GmbH-Recht, FS 100 Jahre GmbHG (1992), S 421; Michalski/de Vries Eigenkapitalersatz, Unterkapitalisierung und Finanzplankredite, N Z G 1999, 181; Oppenländer Die Finanzplanüberlassung, GmbHR 1998, 505; Röhricht Die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zum Gesellschaftsrecht, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 1999, Band 2 (2000), Gesellschaftsrechtliche Vereinigung [Hrsg]; Κ Schmidt Quasi-Eigenkapital als haftungsrechtliches und als bilanzielles Problem, FS Goerdeler (1987), S 487; ders Finanzplanfinanzierung, Rangrücktritt und Eigenkapitalersatz, ZIP 1999, 1241; Sieger/Aleth Finanzplankredite: Stand der Rechtsprechung und offene Fragen, GmbHR 2 0 0 0 , 462; Steinbeck Zur systematischen Einordnung des Finanzplankredits, Z G R 2 0 0 0 , 503.

I.

Einführung

1. Gesetzesgeschichte 1

a) Abs 1 und Abs 2. Die frühere Fassung der Vorschrift als § 4 9 AktG 1937 ist in ihren Abs 1 und 2 mit dem heutigen § 5 4 Abs 1 und 2 AktG 1965 - bei lediglich sprachlicher Abweichung - sachlich identisch. Das gilt auch nach der durch Art 1 Nr 4 Stückaktiengesetz 1 erfolgten Änderung der Abs 1 und 2 , in denen die Vorschrift in Rücksicht auf § 8 Abs 3 nunmehr schlicht vom „Ausgabebetrag" spricht.

2

b) Abs 3. Gegenüber § 4 9 Abs 3 AktG 1 9 3 7 hatte die Folgeregelung in § 5 4 Abs 3 AktG 1965 ursprünglich sowohl den Kreis der gesetzlich für die Kontogutschrift vorgesehenen Institute als auch die zugelassenen Zahlungsmittel erweitert. Die Neufassung des Abs 3 S 1 durch Art 4 Nr 1 Begleitgesetz 2 hat insoweit wiederum Modifikationen gebracht: Danach ist zum einen in Einschränkung der bisher zugelassenen Zahlungsmittel die Hingabe eines von der Bundesbank bestätigten Schecks (§ 2 3 BBankG) kein erfüllungsbewirkender Leistungsgegenstand mehr; zum anderen ist der Kreis der für eine Gutschrift zugelassenen kontoführenden Stellen über die §§ 53, 5 3 b K W G zum Teil neu definiert. 2 . Regelungsgegenstand, Normzweck und Geltungsbereich

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a) Allgemein. § 5 4 regelt die Einlagepflicht als die wichtigste aus der Mitgliedschaft erwachsende Pflicht des Aktionärs erschöpfend und zwingend. Das danach bestimmte Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ist Wesensmerkmal der AG. Der zwingende Charakter der Einlageverpflichtung findet zudem in § 6 6 Abs 1 Ausdruck. Auch die amtliche Überschrift drückt die zentrale Bedeutung der Einlagepflicht aus. Der hier verwendete Begriff Hauptverpflichtung soll jedoch nicht auf die im übrigen

1 2

StückAG ν 25. 3. 1998 (BGBl I 590). BegleitG zum Gesetz zur Umsetzung von EGRichtlinien zur Harmonisierung bank- und

wertpapierrechtlicher Vorschriften ν 22. 10. 1997 (BGBl I 2567).

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

bestehenden Nebenpflichten hinweisen; vielmehr wird er nur als Gegensatz zu der in der Praxis seltenen Nebenpflicht iSd § 55 verstanden. Die Vorschrift regelt die Art und Weise, in der die Leistung der Einlage zur Erfüllung der Einlagepflicht und damit zur Befreiung von ihr führt. Die Einlagepflicht ist das Kerninstrument der Kapitalbeschaffung. Ihre Ausgestaltung dient dem Ziel, die materielle Aufbringung des ziffernmäßig bestimmten Grundkapitals ( § § 1 Abs 2, 6, 7, 23 Abs 3 Nr 3) im Sinne des Grundsatzes der realen Kapitalaufbringung zu sichern. b) Abs 1 legt die Obergrenze der internen Beitragspflicht fest. Ihre untere Grenze wird durch § § 9 Abs 1, 2 7 Abs 1 bestimmt. Die Regelung ist im Zusammenhang mit § 1 Abs 1 S 2 zu sehen: Der Zweck des § 5 4 Abs 1 liegt in der internen Beschränkung der Risiken, die der Aktionär mit seiner Beteiligung eingeht. 3

4

Abs 1 ist auf Bareinlagen ebenso wie auf Sacheinlagen anzuwenden. Er beansprucht jederzeit Geltung, ist also nicht nur im Gründungsstadium, sondern auch nach Eintragung der AG bei Kapitalerhöhungen bzw Satzungsänderungen maßgebend. c) Abs 2 verdeutlicht, daß die Einlagepflicht grundsätzlich GeWleistungspflicht ist. Die auf Vereinbarung beruhende, nur unter engen Voraussetzungen entstehende Sacheinlageverpflichtung verdrängt sie nicht, sondern ist ihr lediglich vorgelagert. Damit wird das sich bereits aus § 2 7 Abs 1 ergebende, zwischen Bar- und Sacheinlage herrschende Regel-Ausnahme-Verhältnis ausdrücklich klargestellt. Zeitlich gilt Abs 2 ebenso wie Abs 1 sowohl für die Zeit zwischen Errichtung und Eintragung als auch nach Eintragung der AG. Die Regelung erfaßt nicht nur die Resteinlage, sondern auch die Einlageverpflichtungen aus Kapitalerhöhungen.

5

d) Abs 3 hat Bedeutung nur für die Bareinlage und regelt im einzelnen die VorausSetzungen, unter denen der Aktionär schuldbefreiend leistet, seine Bareinlageverpflichtung also gem § 3 6 2 Abs 1 BGB erfüllt. Durch die Konkretisierung der Anforderungen, die an die Leistung der Einlagebeträge gestellt werden, ergänzt die Vorschrift des Abs 3 die Bestimmungen der § § 3 6 Abs 2 und 36 a Abs 1 über die Mindesteinlage. Sie steht also im systematischen Zusammenhang mit diesen Regelungen. Abs 3 verfolgt das Ziel, während des kapitaltechnisch noch ungefestigten Stadiums zur Sicherung der realen Kapitalaufbringung dadurch beizutragen, daß die Gefahr von Scheinzahlungen ausgeschaltet wird. Durch den Verweis auf die §§ 53, 53 b K W G sucht die Regelung des Abs 3 außerdem bei der Frage nach den für eine Gutschrift zugelassenen kontoführenden Stellen eine Diskriminierung ausländischer Unternehmen zu unterbinden. 4 Abs 3 findet nur bis zur Entstehung der AG Anwendung, dagegen nicht mehr nach Eintragung (Rdn 83, 128 ff; vgl §§ 36 Abs 2, 3 6 a Abs 2, 3 6 a Abs 1, 3 7 Abs 1). Bedeutung gewinnt die Vorschrift auch für eine Kapitalerhöhung vor Eintragung (vgl Rdn 83 aE).

6

II. Die Einlagepflicht 1. Rechtsnatur Die Einlagepflicht des Aktionärs hat den Charakter einer mitgliedschaftlichen Verpflichtung. Sie beruht stets - unabhängig vom konkreten Entstehungstatbestand - auf dem gleichen Rechtsgrund wie die mitgliedschaftlichen Rechte des Aktionärs. 3

Vgl Hüffer4

Rdn 1; Schlegelberger/

4

RegBegr BT-Drucks 1 3 / 7 1 4 3 , S 32.

Quassowski3 § 49 Rdn 1.

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Hartwig Henze

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§54 8

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Ein synallagmatisches Gegenseitigkeitsverhältnis iSd § § 3 2 0 ff BGB besteht zwischen der Einlagepflicht, gleichgiiltg ob bar oder unbar, und den Mitgliedschaftsrechten nicht (ganz hM); insbesondere kann die AG keine Einrede des nichterfüllten Vertrages erheben. 5 Denn eine von der Mitgliedschaft isolierbare Einlagepflicht gibt es nicht. 6 Die Einlagepflicht besteht aber grundsätzlich unabhängig von den Mitgliedschaftsrechten und ihrer Ausübung. 7 Daran ändert es nichts, daß vereinzelte Sonderbestimmungen wie § § 5 5 Abs 2, 63 Abs 3, 6 4 Abs 1 und 134 Abs 2 ausnahmsweise diese Unabhängigkeit beseitigen. Denn grundsätzlich ist die AG nicht berechtigt, einem seiner Einlagepflicht nicht nachkommenden Aktionär die Mitgliedschaftsrechte zu bestreiten oder gar schon die Gewährung dieser Rechte unter die Bedingung ordentlicher Einlageerfüllung zu stellen. 8 Erst und lediglich nach Kaduzierung (§ 6 4 Abs 3 S 1) stehen dem dann ausgeschlossenen Aktionär keine Mitgliedschaftsrechte mehr zu (§ 64 Rdn 5f). Daß die §§ 3 2 0 ff BGB im Verhältnis zwischen Einlagepflicht und Mitgliedschaftsrecht unanwendbar sind, bedeutet für den Aktionär umgekehrt freilich ebenso, daß er die Erfüllung seiner Einlagepflicht nicht deshalb (einredeweise) zu verweigern berechtigt ist, weil die AG die Ausübung oder Geltendmachung seiner Mitgliedschaftsrechte stört. 2. Entstehung

9

Die Verpflichtung zur Einlageleistung entsteht für den Einleger (Inferenten) entweder durch die Übernahme von Aktien als Gründungsgesellschafter (§§ 2, 29) vor Eintragung der AG oder durch die Zeichnung - Abschluß eines Zeichnungsvertrages durch Annahme der Zeichnungserklärung seitens der AG - junger Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung (§ 185). Für Nachmänner eines Inferenten wird eine Einlagepflicht durch den rechtsgeschäftlichen Erwerb einer Aktie begründet, wenn diese vom veräußernden Vormann nicht voll eingezahlt ist (§ 65). Dabei wird die Einlagepflicht des Erwerbers ohne gesonderten Beitritts- oder Übertragungsakt, sondern allein und ipso iure durch den Erwerb der Mitgliedschaft, mit der die Einlagepflicht untrennbar verknüpft ist, begründet. Daneben kann die einmal entstandene Einlagepflicht auf eine (oder mehrere) weitere Person(en) nach den allgemeinen Regeln der Universalsukzession übergehen und damit eine Verpflichtung des Gesamtrechtsnachfolgers zur Einlageleistung auslösen.

10

Unmaßgeblich für das Entstehen der Einlagepflicht ist, ob die AG bereits entstanden ist oder noch zum Entstehen gelangt, also ins Handelsregister eingetragen wird (§ 41 Abs 1 S 1). Davon, daß die AG durch Eintragung in das Handelsregister als juristische Person ins Leben getreten ist (§ 1 Abs 1 S 1), hängt der Bestand der Einlagepflicht nicht ab. 9 3. Inhalt

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a) Bareinlage. Nach Abs 2 ist gesetzlicher Ausgangs- und Regelfall des Inhaltes der Einlageverpflichtung die Zahlung von Bargeld (vgl auch § § 2 7 Abs 1, 183 Abs 2, 194 Abs 2).

12

b) Sacheinlage. Abweichend vom Regelfall der Bareinlage kann die Einlagepflicht auch einen unbaren Leistungsinhalt haben und die mitgliedschaftliche Beitragspflicht s

RGZ 122, 339, 349.

6

Hüffer4 Rdn 2. Hefermehl/Bungeroth

7

Rdn 7.

8

in: Geßler/Hefermehl,

KK-Lutter2 Rdn 4; aA im Fall von Sacheinlagen ν Godia/Wilhelmi4 Anm 4; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 13.

9

OLG Nürnberg AG 1967, 362, 363; Hüffer4 Rdn 3.

Stand: 1. 3. 2000

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Hauptverpflichtung der Aktionäre damit in der Leistung einer Sachew

§54

bestehen. Voraussetzung dafür ist, d a ß der unbare

Leistungsgegenstand sacheinlagefähig 1 1 ist. Im Falle der Festsetzung einer Sacheinlage bestimmt diese jedoch nicht allein den Inhalt der Einlagepflicht; denn die Sacheinlagepflicht verdrängt die Geldzahlungspflicht

13

nicht etwa dergestalt, dal? die Bareinlagepflicht durch die Verpflichtung zur Leistung einer Sacheinlage ausgeschlossen würde. Vielmehr wird die grundsätzlich bestehende Zahlungspflicht von dem R e c h t (auch) einen Sachgegenstand als Einlage zu leisten, lediglich überlagert. 1 2 Sind daher die besonderen Wirksamkeitserfordernisse zur Festsetzung einer Sacheinlage nicht beachtet und ist die Sacheinlagevereinbarung deshalb unwirksam oder treten Leistungsstörungen wie Unmöglichkeit, Unvermögen, Verzug, Mangelhaftigkeit ua mit der Folge der Nichtleistung, R ü c k a b w i c k l u n g oder M i n d e r u n g auf, so lebt für den A k t i o n ä r verschuldensunabhängig die Einlagepflicht in Geld wieder auf ( § § 2 7 Abs 3 S 3, 1 8 3 Abs 2 S 3, 1 9 4 Abs 2 S 3, 2 0 5 Abs 4 S 4 ) . Primärer Schuldinhalt bleibt demnach stets die Pflicht zur Leistung der Bareinlage; die Sacheinlage stellt sich nur als eine vom Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig erachtete datio in solutum dar. Bei M ä n g e l n , die das Sacheinlagegeschäft betreffen, erlischt die Einlagepflicht folglich nicht, sondern an ihre Stellte tritt - abweichend von § § 3 4 6 , 3 6 4 B G B und o h n e N o v a t i o n wiederkehrend - die Geldleistungspflicht. 1 3 Die Fortdauer der Bareinlagepflicht wird zum Teil besonders für die Fälle verdeckter Sacheinlagen14 als mißlich empfunden. So sind unterschiedliche Lösungsvorschläge unterbreitet w o r d e n , die unter A b k e h r von dem im Gesetz niedergelegten totalen Lösungsansatz weniger einschneidende, die Interessen aller Beteiligten berücksichtigende Ergebnisse 1 5 anstreben, namentlich eine Differenzhaftung oder eine M ö g l i c h k e i t der Heilung. Letztere kann im GmbH-Recht dadurch erfolgen, d a ß die Regeln über die Einbringung einer Sacheinlage ( § § 5 Abs 4 , 19 Abs 5, 5 6 G m b H G ) nachgeholt werden und eine Einlageumwidmung durch satzungsändernden Gesellschafterbeschluß (§§ 5 3 , 4 6 ff G m b H G ) stattfindet. 1 6 Dieser Weg ist im Aktienrecht aber aufgrund § § 2 7 Abs 4 , 1 8 3 Abs 2 S 4 nicht in gleicher Weise g a n g b a r , 1 7 sondern nach Eintragung ist allenfalls eine analoge Anwendung von § 5 2 A b s 1/Abs 10 denkbar. 1 8 10

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Der Begriff ist bekanntermaßen unscharf; denn gemeint sind nicht lediglich körperliche Gegenstände iSv § 90 BGB, sondern in Abgrenzung zur GeWeinlage schlicht jede Art von Leistung, die nicht in Geld besteht, also unbar ist (vgl § 27 Abs 1 S 1; näher Großkomm-Röhricht4 § 27 Rdn 12; auch Pentz in: MünchKommAktG 2 § 27 Rdn 11). Dazu Großkomm-Röhricht4 S 27 Rdn 16-85; Pentz in: MünchKommAktG 2 § 27 Rdn 22 ff; KK-Kraft2 S 27 Rdn 13 ff; zu Nutzungsrechten besonders BGH ZIP 2000, 1162 mwN und Ekkenga ZHR 161 (1997), 599. Hüffer4 Rdn 10; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 279 f. KK-Lut ter2 Rdn 5; Hefermebl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 8. Dazu BGHZ 132,133; 125, 141 m Anm G Müller ZGR 1995, 327; BGH NJW 1998, 1951; Großkomm-Röhricht4 § 27 Rdn 188 ff; Pentz in: MünchKommAktG2 § 27 Rdn 84 ff; Henze Harzburger Steuerprotokoll 1997, S 87ff.

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Siehe Großkomm-Röhricht 4 § 27 Rdn 215 ff mwN; Hiiffer4 § 27 Rdn 9, 9 a mwN. BGHZ 132, 141; vgl dazu Henze Hdb GmbHR 2 (1997), Rdn 395-418; GroßkommRöhricht4 § 27 Rdn 215 ff; Einsele NJW 1997, 562; Priester ZIP 1996, 1025; Krieger ZGR 1996, 674; Lutter }Z 1996, 912; Groß GmbHR 1996, 721; Schiessl/Rosengarten GmbHR 1997, 772; Brauer BB 1997, 269; Tillmann DB 1997, 2509; Habetha ZGR 1998, 305, 326 ff; Banerjea AG 1998, 498; Reuter BB 1999, 217. Henze AktienR4 (2000), Rdn 229 ff mwN; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 16 Rdn 37; Hüffer4 § 27 Rdn 31, § 183 Rdn 15; Krieger ZGR 1996, 674, 691; Pentz in: MünchKommAktG 2 § 27 Rdn 82; aA Groß GmbHR 1996, 721, 726 f; Großkomm-Röhricht 4 $ 27 Rdn 219. Dies befürwortet ua Hüffer4 § 27 Rdn 31, § 183 Rdn 15 mwN; abl Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 16 Rdn 37

Hartwig Henze

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§ 54

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Die bei fehlerhafter Sacheinlagepflicht oder fehlgeschlagener Sacheinlageleistung fortbestehende Bareinlagepflicht (Rdn 13) trifft auch den Erwerber von Aktien, die gegen Sacheinlagen ausgègeben worden sind (Rdn 32).

III. Gläubiger und Schuldner der Einlage 1. Gläubiger 16

Die Forderungsberechtigung für offene Einlagen liegt bei der Gesellschaft. Die Gesellschaft tritt dabei in der ihrem jeweiligen Entwicklungsstadium entsprechenden Rechtsform als Gläubigerin auf: Nach Eintragung im Handelsregister macht die AG ihre Einlageforderungen gegen die Aktionäre als juristische Person (§§ 1 Abs 1 S 1, 41 Abs 1 S 1) geltend, vor Eintragung als bereits teilrechtsfähige Vor-AG. 19 2. Schuldner

17

a) Bareinlage. Schuldner der Einlage ist der jeweilige Aktionär (Abs 1 und 2). Die Aktie verkörpert die Mitgliedschaft, in der die Einlagepflicht wurzelt. Es haftet daher derjenige auf Zahlung, in dessen Person die Mitgliedschaft und damit die Einlagepflicht durch Aktienübernahme, Zeichnung junger Aktien oder den derivativen Erwerb einer nicht (voll) eingezahlten Aktie entstanden ist. Im letzten Fall ist es gleichgültig, worauf der Erwerb beruht. Im Verhältnis zur AG schuldet der Erwerber der Aktie die Einlage vorrangig vor dem früheren Aktionär (§ 65), und zwar auch dann, wenn die Einlage schon für den Veräußerer fällig war. 20 Interne Abmachungen zwischen Veräußerer und Erwerber vermögen an diesen Haftungsverhältnissen gegenüber der Gesellschaft nichts zu ändern.

18

Sind Namensaktien ausgegeben worden, so gilt gegenüber der AG ausschließlich der im Aktienbuch Eingetragene als Aktionär. Mithin schuldet nur er - ohne Rücksicht auf die »Mfene//-rechtlichen Verhältnisse - der Gesellschaft die offene Einlage (§ 67 Abs 2), soweit er den mit der Eintragung für seine Aktionärseigenschaft gesetzten Rechtsschein zurechenbar veranlaßt hat. 21

19

b) Sonderfall: Lastenfreier Erwerb bei gutem Glauben an die vollständig oder teilweise erfolgte Tilgung der Einlagepflicht. Probleme ergeben sich, falls entweder die AG vor vollständiger Leistung des Ausgabebetrages unter Verstoß gegen § 10 Abs 2 S 1 nicht Namens-, sondern Inhaberaktien ausgegeben hat oder bei Ausgabe nicht (voll) eingezahlter Namensaktien entgegen § 10 Abs 2 S 2 kein bzw ein in der angegebenen Höhe nicht geleisteter Teilbetrag in der Urkunde vermerkt ist. Mag § 10 Abs 2 auch beides untersagen, sind die Aktien trotz Mißachtung des Verbotes wirksam begeben worden. 22

20

aa) Da es sich bei den in § 10 Abs 2 S 1 und S 2 getroffenen Regelungen um zwingendes Recht handelt, darf der Rechtsverkehr auf die Einhaltung dieser Vorschriften vertrauen. Daher muß ein Erwerber in seinem guten Glauben an die Volleinzahlung bzw die Höhe

19

20

sowie Pentz in: M ü n c h K o m m A k t G 2 § 2 7 Rdn 8 3 ; krit auch noch Großkomm- Wiedemann^ % 18,3 Rdn 115.

21

Vgl dazu bei § 67, etwa Hüffer4 § 6 7 Rdn 10, 11 m w N ; KK-Lutter2 § 67 Rdn 2 7 - 2 9 .

Z u r rechtlichen Selbständigkeit der Vor-AG siehe ua B G H Z 117, 3 2 3 , 3 2 6 . K K - L u t t e r 2 Rdn 6.

22

AllgM, etwa Großkomm-Brandet* § 10 Rdn 47, 4 9 ; Heider in: M ü n c h K o m m A k t G 2 § 10 Rdn 5 2 , 5 4 .

Stand: 1. 3. 2000

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

der angegebenen Teilleistung geschützt werden. Bei Inhaberaktien erfordern zudem Leichtigkeit und Sicherheit des Aktienverkehrs den Schutz gutgläubiger Erwerber. 2 3 Schutzwürdig ist nur, wer die Aktie aufgrund Rechtsgeschäfts von einem Dritten erwirbt, nicht jedoch der gesetzliche Gesamtrechtsnachfolger und der Übernehmer oder Zeichner von Aktien aus originärem Rechtserwerb (§§ 2 , 2 9 bzw § 1 8 5 ) . 2 4 Einem nicht zu schützenden Originärerwerber gleichzustellen ist an dieser Stelle derjenige, welcher in Ausübung eines mittelbaren Bezugsrechtes (§ 186 Abs 5) die Aktien erwirbt. Denn der Umstand, daß der Übertragungsakt auf den mittelbar Bezugsberechtigten formalrechtlich als Erwerb derivativen Charakters konstruiert ist, ist ausschließlich abwicklungstechnisch bedingt. Er rechtfertigt in der Sache keine verschiedene Behandlung von unmittelbar und mittelbar Bezugsberechtigtem, so daß letzterer ebenso schutzunwürdig dasteht. 2 5

21

Der Gutglaubensschutz hat zur Folge, daß der redliche Erwerber die noch ausstehende Resteinlage nicht schuldet. 2 6 Für Inhaberaktien, die entgegen § 10 Abs 2 S 1 ausgegeben werden, war das schon stets allgM, die auch Eingang in die Rspr gefunden hatte. 2 7 Bei Namensaktien, auf denen entgegen § 10 Abs 2 S 2 entweder gar keine oder zu hohe Teilleistungen vermerkt waren, wurde dem redlichen Erwerber lediglich ein persönliches, einredeweise geltend zu machendes Leistungsverweigerungsrecht zuerkannt. 2 8 Zur Begründung wurde ausgeführt, die AG könne gegenüber jedem Erwerber den Inhalt der Mitgliedschaft betreffende Einwendungen geltend machen, weil § 68 Abs 1 die Vorschrift des Art 17 W G nicht für anwendbar erkläre. Daraus folge, daß der gutgläubige Indossatar einer noch nicht voll einbezahlten Aktie zur Leistung der Resteinlage auch dann verpflichtet werde, wenn er die Mitgliedschaft in gutem Glauben an die Volleinzahlung erworben habe. Ihm wird nach dieser Ansicht auf andere Weise geholfen: Die Vorschrift des § 10 Abs 2 stelle ein Schutzgesetz dar, dessen Verletzung dem redlichen Erwerber eine Einrede aus dem Recht des § 8 2 3 Abs 2 B G B gewähre. 2 9 Diese Ansicht ist rechtskonstruktiv richtig; sie trägt aber dem in § 10 Abs 2 zum Ausdruck gebrachten Schutzgedanken nicht hinreichend Rechnung. Dieser beruht auf einer Abwägung des Interesses an der Gewährleistung der Grundkapitalaufbringung und des Schutzes, der dem Erwerber nicht voll eingezahlter Aktien zugebilligt werden kann. Die Vorschrift gibt dem Schutz des Erwerbers den Vorzug, weil zur Zahlung der Resteinlage auf jeden Fall der Übernehmer bzw Zeichner und deren bösgläubige Nachfolger - soweit die Kette der Bösgläubigkeit nicht durch einen redlichen Erwerber unterbrochen ist - herangezogen werden können.

22

Gemessen an dem Schutzbedürfnis des gutgläubigen Aktienerwerbers sind die Wirkungen des ihm mit der Einrede aus § 8 2 3 Abs 2 B G B gewährten Leistungsverweigerungsrechts unzureichend. 3 0 Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Die Mitgliedschaft wäre für den Erwerber weiterhin mit einer - lediglich einredebehafteten -

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23

24 25 26

(9)

KK-Lutter 2 Rdn 7; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 12. BGHZ 122, 180, 197. BGHZ 122, 180, 198 ff. BGHZ 122, 180, 196 f; RGZ 144, 138, 145; 82, 72, 73; KG J W 1927, 2434, 2435; Großkomm-Brändel 4 § 10 Rdn 33; KK-Lutter 2 Rdn 7 mwN; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 13 ff; wohl auch Großkomm-ßdrz Voraufl, Anm 20; BaumbachIHueck 13 § 10 Rdn 4.

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28

29

30

RGZ 144, 138, 145; KG JW 1927, 2434, 2435. Großkomm-Meyer-Landrut Voraufl, § 10 Anm 11; Würdinger AktienR 4 (1981), S 56; Degner Die vinkulierte Versicherungsaktie2 (1966), S 38. Würdinger AktienR4 (1981), S 56; vgl auch Großkomm-Meyer-Landrut Voraufl, § 10 Anm 11; Degner Die vinkulierte Versicherungsaktie2 (1966), S 38. KK-Lutter Rdn 7; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 13, 14.

Hartwig Henze

'

§ 54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Resteinlagepflicht verbunden, diese wäre nicht erloschen. Als Konsequenz sähe er sich einmal im Innenverhältnis bei der Gewinnverteilung gern § 6 0 in der gleichen Situation wie ein bösgläubiger Erwerber. Ein Schutz würde insoweit nicht gewährt. Zum anderen käme es damit bei Veräußerung der Aktien an einen Zweiterwerber für dessen Pflicht zur Zahlung der Resteinlage nunmehr auf dessen Gutgläubigkeit an. Das kann je nach der Erkennbarkeit der eine Gutgläubigkeit verhindernden Umstände und nach dem Kreis potentieller Dritterwerber zu einer nachhaltigen Entwertung der Aktien und einem damit verbundenen Verlust beim Ersterwerber führen. Insgesamt würden die schutzwürdigen Belange des redlichen Erwerbers erheblich eingeschränkt. Deshalb geht die hM zu Recht davon aus, daß ein redlicher Erwerber sowohl bei Inhaber- als auch bei Namensaktien die noch ausstehende Resteinlage nicht schuldet. 24

Da der gutgläubige Erwerber nicht Schuldner der (Rest-)Einlageverpflichtung wird, muß der Grundsatz realer Kapitalaufbringung anderweitig gesichert werden. Das geschieht dadurch, daß der Vormann als voll - und nicht nur subsidiär - forthaftender Einlageverpflichteter anzusehen ist. Das ist die selbstverständliche Konsequenz aus dem nichtvollzogenen Schuldnerwechsel. Bei der gegebenen Sachlage ist demgegenüber eine Enthaftung begründungsbedürftig. Sie ist gegeben, wenn der Vormann seinerseits infolge gutgläubigen Erwerbs für eine Zahlung der Einlage nicht haftet. Allerdings kommt solche Redlichkeit nicht in Betracht beim Erstaktionär (Ubernehmer nach §§ 2 , 2 9 oder Zeichner nach § 185), so daß zumindest dieser voll forthaftet und dadurch die reale Kapitalaufbringung zugunsten der AG hinreichend sichergestellt ist. Restliche Bedenken können dadurch ausgeräumt werden, daß in den Fällen, in denen gegen § 10 Abs 2 verstoßen worden ist, in aller Regel eine Vorstandshaftung gem § 93 Abs 3 Nr 4 , eventuell auch eine Ersatzpflicht des Aufsichtsrates (§ 116) ausgelöst wird.

25

bb) Gutgläubigkeit besteht - entsprechend der Definition der allgemeinen Vorschrift des § 9 3 2 Abs 2 B G B - dann, wenn Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vorgeworfen werden kann. Das folgt auch aus dem Begriff der Gutgläubigkeit im Wertpapierrecht (Art 16 Abs 2, 4 0 Abs 3 S 1 WG; Art 21 ScheckG). Etwas anderes kann nicht aus der strengeren Vorschrift des § 6 2 Abs 1 S 2 hergeleitet werden. Diese Regelung enthält keinen für das Aktienrecht allgemein gültigen Gedanken. Sie kann daher nicht auf andere Fallkonstellationen übertragen werden. 3 1

26

cc) Über die Reichweite des einem gutgläubigen Erwerber gewährten Schutzes im Hinblick auf den Zweiterwerber bestehen unterschiedliche Ansichten. Veräußert der redliche, die Einlage nicht schuldende Erwerber die Aktie weiter, soll die Entscheidung der Frage, ob der Dritterwerber aufgrund dieses rechtsgeschäftlichen Vorganges Einlageschuldner wird, davon abhängen, ob auch er auf die vollständige oder mit einem höheren Betrag als tatsächlich geleistet in der Aktie vermerkte Erfüllung der Einlagepflicht vertrauen durfte, also gutgläubig war. Trotz des gutgläubig lastenfreien Erwerbs des Veräußerers und des daraus folgenden Umstandes, daß ihn keine Verpflichtung zur Leistung der Einlage trifft, soll der bösgläubige Dritterwerber den noch offenen Einlagebetrag schulden. Die Einlageschuld bestehe über den redlichen Zwischenerwerb hinaus fort, weil nicht die Mitgliedschaft einlagefrei geworden sei, sondern nur der redliche Aktionär. Daher finde nunmehr der vom Gesetz gedachte Schuldnerwechsel von dem Vormann des redlichen Erwerbers auf den bösgläubigen Dritterwerber statt. 3 2 Dieser Ansicht wird ent31

Vgl BT-Drucks 8/1678, S 14; KK-Lutter2

Rdn 7; Hefermehl/Bungeroth

in:

32

K K - L u t t e r Rdn 8.

Geßler/Hefermehl, Rdn 16.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(10)

§54

Hauptverpflichtung der Aktionäre

gegengehalten, sie schränke den Schutz des gutgläubigen Erwerbers in beträchtlichem Ausmaß ein. Je nach dem Umfang des für einen Zweiterwerb in Betracht kommenden Personenkreises und dem Bekanntheitsgrad der für die Einlagepflicht maßgebenden Umstände könne die Verkehrsfähigkeit der Inhaberaktie leiden und bei dem Aktionär, der sie veräußern wolle, zu finanziellen Einbußen führen. Bestehe die Einlagepflicht fort und sei der gutgläubige Ersterwerber nur persönlich von ihrer Erfüllung befreit, werde er bei der Gewinnverteilung (§ 60) benachteiligt. 3 3 Stellungnahme. Auf die Bösgläubigkeit des Dritterwerbers kommt es für den lastenfreien Erwerb der Aktie vom gutgläubigen Erwerber, der die Aktie vom Übernehmer bzw Zeichner oder einem der Nachmänner erworben hat, nicht an. Entscheidend ist vielmehr, daß die restliche Einlageforderung, die mit der - in der Aktie verbrieften - Mitgliedschaft verbunden ist, im Zuge des Übertragungsvorganges erlischt und der Dritterwerber unabhängig davon, ob er gut- oder bösgläubig ist, ein Mitgliedschaftsrecht erwirbt, das nicht mit einer Forderung belastet ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß Schuldner der Einlagepflicht stets der Inhaber der Mitgliedschaft, also der Aktionär ist (vgl Abs 2 sowie § § 6 5 Abs 1 und 6 6 Abs l ) . 3 4 Wird die Mitgliedschaft auf einen Dritterwerber übertragen - sei es durch Abtretung des nicht verkörperten Rechtes (§§ 413, 3 9 8 ff BGB), sei es durch Übertragung der Aktie (§ 9 2 9 ff B G B für die Inhaberaktie; § 68 Abs 1 iVm Art 12 ff W G für die Namensaktie) - , folgt ihr ipso iure die Einlagepflicht. 3 5 Soweit der Erwerber davon ausgeht, daß die Einlagepflicht erfüllt ist, muß differenziert werden: Ist das Recht nicht verbrieft, wird der gute Glaube nicht geschützt (arg § 10 Abs 2). Insoweit ist die Regelung des § 4 0 4 B G B maßgebend. Werden Inhaberaktien begeben bzw wird in Namensaktien der Betrag der Teilleistungen unzutreffend hoch angegeben, geht die Verbindlichkeit zwar mit Aktie und Mitgliedschaft auf den Erwerber über, erlischt jedoch infolge seines guten Glaubens an ihre Erfüllung (arg § 10 Abs 2). Der B G H hat dazu, im Ergebnis gleich, auf § 9 3 6 B G B abgestellt. 3 6 Prägt man aber den Regelungsgedanken des § 10 Abs 2 genügend aus, ist ein entsprechender Rückgriff auf § 936 B G B entbehrlich.

27

Hingegen wird die Verbindlichkeit nicht durch Verselbständigung vom Mitgliedschaftsrecht isoliert, so daß sie auch nicht bei dem Veräußerer verbleibt. 3 7 Die Haftung des Veräußerers ist vielmehr aus dem Rechtsgedanken des § 65 herzuleiten: Sinn dieser Regelung ist es, die Kapitalaufbringung sicherzustellen, wenn von dem Aktionär die Einlageleistung nicht erlangt werden kann. Diese Voraussetzung liegt unter dem Aspekt der Kapitalaufbringung vor, weil der redliche Erwerber rechtlich zur Leistung nicht verpflichtet ist. Der Durchführung des Kaduzierungsverfahrens (§ 64) bedarf es nicht, weil dessen Zweck, den Aktionär unter Druck zu setzen, 3 8 um die Erfüllung der Einlagepflicht zu erwirken, in diesem Falle nicht erreicht werden kann. Auch die Ausfallhaftung (§ 6 4 Abs 4 S 2) kommt nicht zum Tragen. Der Veräußerer kann daher unmittelbar zur Haftung herangezogen werden. Der Gedanke, dem Haftenden bei Zahlung des rückständigen Betrages die Aktienurkunde auszuhändigen (§ 65 Abs 1 S 4) und ihm damit das wirtschaftliche Äquivalent für seine Leistung zu verschaffen, läßt sich nicht verwirklichen, steht aber seiner Inanspruchnahme auch nicht entgegen. Wirtschaftlich führt der Haftende im Zweifel nur den Betrag an die AG ab, den er zu Unrecht von dem 33

34 35

Hefermehl/Bungeroth Rdn 14.

KK-Lutter2

in: Geßler/Hefermehl,

37

Rdn 6.

KG J W 1927, 2 4 3 4 , 2 4 3 5 m zust Anm B G H Z 122, 180, 196.

(11)

Rdn 8;

Hefermehl/Bungeroth

in: Geßler/Hefermehl, Rdn 15; GroßkommBarz Voraufl, Anm 20; wohl auch ν Godin/Wilhelmi 4 Anm 5; Großkomm-

Homburger; KK-Lutter 2 Anh § 68 Rdn 7.

36

AA KK-Lutter2

38

Meyer-Landrut Voraufl, § 10 Anm 11. Vgl dazu Hüffer4 § 64 Rdn 1.

Hartwig Henze

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§ 54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

redlichen Erwerber erlangt hat. Hätte er diesem die Einlageverpflichtung offenbart, wäre der Vergütungsbetrag entsprechend niedriger ausgefallen. 29

Wie beim Erwerb einer voll eingezahlten Aktie hat auch der redliche Aktienerwerber eine Mitgliedschaft inne, der eine Einlageschuld nicht mehr anhaftet. Wird diese Mitgliedschaft mit Veräußerung der Aktie dem nächsten Erwerber übertragen, so begründet sie keine Einlageschuld. Ist aber die Mitgliedschaft von solcher Art, daß aus ihr keine Einlage mehr geschuldet wird, stellt sich auch nicht die Frage, ob ihr Erwerber eine Einlagepflicht nur durch seine Gutgläubigkeit abwenden kann; ob er gutgläubig ist, ist belanglos. Die einmal frei von Einlageverpflichtungen erworbene Aktie begründet für deren Aktionär beim Erwerb demnach keine sonstigen Nachteile, weder bei der Gewinnverteilung (§ 60), noch bei der Stimmrechtsausübung (§ 134) oder bei der Verfügung.39

30

dd) Bei nach § 10 Abs 3 ausgegebenen Zwischenscheinen (§ 8 Abs 6) scheidet die Möglichkeit gutgläubigen lastenfreien Erwerbs aus. 40 Wer etwa auf die sachliche Richtigkeit eines auf einem Zwischenschein notierten überhöhten Tilgungsvermerks vertraut, verdient ebenso wenig Schutz wie derjenige, der eine falsche Quittung für richtig hält; eine Befreiung von der Einlageverpflichtung erfolgt nicht. Redlichkeitsschutz zu gewähren wäre hier deshalb verfehlt, weil der Bestimmung des § 10 Abs 3 eine der zwingenden Vorschrift des § 10 Abs 2 S 2 vergleichbare Regelung fehlt, auf die sich ein Vertrauen auf Teilleistungsvermerke in Zwischenscheinen erst stützen könnte. Außerdem besteht bei Zwischenscheinen ebensowenig wie bei Namensaktien ein Bedürfnis zur Sicherung der Umlauffähigkeit, so daß auch unter dem Blickwinkel allgemeiner Schutzwürdigkeitsüberlegungen keine Notwendigkeit besteht, der Redlichkeit eines Aktienerwerbers Rechnung zu tragen.

31

c) Sacheinlage. Wird eine Vereinbarung getroffen, nach der eine Sacheinlage zu leisten ist, ist Schuldner daraus der Inferent, also bei Gründung der Übernehmer (§§ 2, 29) und bei Kapitalerhöhung der Zeichner (§ 185) der für die Sacheinlage ausgegebenen Aktien. Steht die Erfüllung noch aus oder ist die Sachleistung nur unvollständig erbracht und veräußert der Inferent seine Aktien, geht die Sacheinlageverpflichtung nicht ipso iure auf den Erwerber über. Sacheinlageschuldner ist und bleibt nur derjenige, der sich gegenüber der AG zur Sacheinlage verpflichtet hat. 41 Dieses Ergebnis folgt zwar nicht aus der Rechtsnatur des Einbringungsvertrages. Da diese Vereinbarung nach zutreffender Ansicht korporativen Charakter hat, 42 könnte sie als dem Mitgliedschaftsrecht immanente Verpflichtung mit dessen Übertragung ebenso auf den Erwerber übergehen wie die Bareinlagepflicht. Auch der Umstand, daß die Sacheinlage die Bareinlage in Form eines Hilfsgeschäftes lediglich verdrängt, steht dem Übergang nicht entgegen. Entscheidend ist indessen, daß die aus der Sacheinlagevereinbarung verpflichtete Person aus Publizitätsgründen in die Satzung bzw den Kapitalerhöhungsbeschluß aufgenommen werden muß (§§ 27 Abs 1, 183 Abs 1). Das mit dieser Regelung verfolgte Ziel, durch weitestgehende Publizität der mit der Sacheinlage verbundenen Einzelheiten einer Gefährdung der Kapitalin: Geßler/Hefermehl,

39

Hefermehl/Bungeroth Rdn 15.

40

KG J W 1927, 2 4 3 4 , 2 4 3 5 m Anm Homburger; G r o ß k o m m - ß r a W e / 4 § 10 Rdn 5 0 ; KK-Lutter 2 Rdn 9; Hefermehl/ Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 17.

41

Arg §§ 5 4 Abs 2 , 65 Abs 1; vgl KK-Lutter 2 Rdn 11; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/

Hefermehl, Rdn 6; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 13. 42

Hüffer4 § 2 7 Rdn 4 mwN; GroßkommRöhricht4 § 2 7 Rdn 13 mwN; Pentz in: MünchKommAktG 2 § 2 7 Rdn 16; Großkomm-Wiedemann* § 183 Rdn 7 3 ; vgl B G H Z 4 5 , 338, 3 4 5 [zur GmbH] = GmbHR 1967, 145, 147 m Anm Wiedemann.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

aufbringung zu begegnen, wäre nicht mehr gewährleistet, wenn der Verpflichtete durch Übertragung der Mitgliedschaftsrechte ausgetauscht werden könnte, ohne daß die Gesellschaft und die Öffentlichkeit (Inhaberaktien) oder nur die Öffentlichkeit (Namensaktien) davon Kenntnis nehmen könnten. Zudem entspricht der Ausschluß des Überganges auch einer praktischen Überlegung: Die Sachleistung ist in aller Regel auf den Inferenten zugeschnitten, so daß der Aktienerwerber zur Erfüllung der Abrede nur unter Schwierigkeiten oder gar nicht in der Lage sein wird. Mit dem Erwerb der Aktie wird allerdings der neue Aktionär Schuldner der von der Sacheinlagepflicht bloß überlagerten Barzahlungspflicht (Rdn 13). Sie kann vom Zweiterwerber ebenso erfüllt werden wie vom Sacheinleger, soweit das Sacheinlagegeschäft als Hilfsgeschäft ganz oder teilweise nicht ausgeführt wird. Wirtschaftliche Nachteile, die der Erwerber in einem solchen Falle erleidet, muß er durch Inanspruchnahme des Veräußerers auszugleichen versuchen. Die Bareinlagepflicht geht daher als potentielle Verpflichtung auf den Erwerber über, 4 3 die als Primärpflicht aktuell werden kann, wenn sich die Unwirksamkeit der Sacheinlagevereinbarung herausstellen oder ihre Erfüllung ganz oder teilweise scheitern sollte (Rdn 13). Für den Veräußerer als vormaligen Aktionär bleibt auf jeden Fall die subsidiäre Haftung aus § 65 bestehen.

32

Auch bei der Ausgabe von Aktien gegen eine Sacheinlage kann der Fall eintreten, daß Verstöße gegen § 10 Abs 2 S 1 bzw S 2 einen Rechtsschein auslösen, auf den der Erwerber redlicherweise vertrauen kann. Hier gelten die gleichen Grundsätze, die zu dem redlichen Erwerb des von einer Bareinlagepflicht freien Mitgliedschaftsrechtes aufgestellt worden sind (Rdn 2 0 ff).

33

Bei der Gesamtrechtsnachfolge geht die Verpflichtung aus der Sacheinlagevereinbarung auf den Rechtsnachfolger über. Die Einschränkungen, die bei der kraft Rechtsgeschäfts eintretenden Einzelrechtsnachfolge zum Schutz der Gesellschaft, ihrer Minderheitsaktionäre und ihrer Gläubiger geboten sind, greifen bei der kraft Gesetzes eintretenden Universalsukzession naturgemäß nicht. Den Erwerber treffen mit dem Übergang des gesamten Vermögens auch die Verpflichtungen seines Rechtsvorgängers. Zudem bedarf er keines Schutzes vor der Verpflichtung aus der Sacheinlagevereinbarung, weil er sie aus dem Vermögen seines Rechtsvorgängers ebensogut erfüllen kann wie dieser es zu seiner Zeit hätte tun können.

34

d) Sonderfall: Verwendung eines „Gesellschaftsmantels". 44 Entsprechend den VorSchriften über die Kapitalaufbringung kann - soweit kein die Nennkapitalziffer deckendes Vermögen (mehr) vorhanden ist - eine einlagegleiche Pflicht auch diejenigen Personen treffen, die zwar rechtlich keine Gründer iSv j 29 sind, über die sich aber bei wirtschaftlicher Betrachtung sagen läßt, daß sie tatsächlich die Neugründung einer AG durchführen. 45 So verhält es sich dann, wenn die in einer AG verkörperte juristische Person (§§ 1 Abs 1 S 1, 41 Abs 1 S 1) als unternehmensloser Rechtsträger besteht („Mantel") und sodann mit einem Unternehmen ausgestattet wird; dabei spielt es keine Rolle, ob die

35

43

KK-Lutter2 Rdn 11; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 18.

44

Siehe zum Phänomen und den Motiven B G H Z 117, 3 2 3 , 3 3 0 ; Großkomm-Röhricht 4 § 2 3 Rdn 118 f, 129 f mwN; Henze AktienR 4 ( 2 0 0 0 ) , Rdn 5 9 ; Hüffer4 § 2 3 Rdn 2 5 ; Bommert GmbHR 1983, 2 0 9 ; Peters Der GmbH-Mantel (1989), § 1 II; Kantak Mantelgründung (1989), §§ 1 - 3 .

(13)

45

OLG Frankfurt GmbHR 1999, 3 2 m Anm Börner; vgl auch AG Duisburg GmbHR 1998, 8 7 ; bereits angedeutet in B G H Z 117, 323, 3 3 1 ; grundlegend aA zB Bärwaldt/ Schabacker GmbHR 1998, 1005, 1008 ff; Kantak Mantelgründung (1989), S 147.

Hartwig Henze

§ 54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Unternehmenslosigkeit - wie bei der (zulässigen 4 6 ) „ o f f e n e n " 4 7 Vorratsgründung 4 8 - in der Anfangszeit vorgesehen ist und sodann die Gesellschaft erstmals den Betrieb eines Unternehmens aufnimmt, oder ob die Unternehmenslosigkeit - wie bei sog „alten" Gesellschaftsmänteln - darauf beruht, daß der Betrieb eines (vormals) vorhandenen Unternehmens mittlerweile eingestellt bzw aufgegeben worden ist und sodann der, gleichsam als R a h m e n fortbestehenden, 4 9 juristischen Person ein neues Unternehmen implantiert wird; denkbar ist auch, daß eine in Liquidation befindliche und damit nach Wegfall des Unternehmensgegenstandes nur noch den Abwicklungszweck verfolgende Gesellschaft per Fortsetzungsbeschluß nach § 2 7 4 unternehmerisch reaktiviert w i r d . 5 0 In 46

47

Nach allgM überholt ist die frühere Ansicht, derzufolge jede, mithin auch eine offengelegte Vorratsgründung gem § 138 BGB bzw § 134 BGB rechtswirkungslos sein sollte (so ν a KG J F G 1, 200, 201 = J W 1924, 1535; KG J F G 2, 206 = J W 1925, 635; KG J F G 3, 193, 194; KG J F G 10, 152, 154 = DNotZ 1933, 661; dem folgte das ältere Schrifttum, vgl Schlegelberger/Qwiîssoifsfe/3 § 16 Rdn 14; Barz Voraufl, § 23 Anm 13; Baumbach/ Hueck13 § 23 Rdn 5; Feine in: EhrenbergHdb III 3, S 151 f; auch noch Wallner J Z 1986, 721, 729). Die heutige Auffassung, nach der die §§ 134, 138 BGB bei offener Vorratsgründung nicht eingreifen, trifft deshalb zu, weil diese Normen weder die vom Gesetzgeber konzipierte Lösung noch zum Gläubigerschutz nötig und überdies als totaler Ansatz zu undifferenziert und unverhältnismäßig sind, um einzelfallgerecht den sachlichen Bedürfnissen der Praxis Rechung zu tragen (vgl BGHZ 117, 323, 332 f; Ulmer BB 1983, 1123, 1125 ff). Die Festsetzung nach § 23 Abs 3 Nr 2 muß lauten: Verwaltung eigenen Vermögens" (o ä). - Eine „verdeckte" Vorratsgründung läßt nach hM keine(n) rechtswirksame(n) Gesellschaft(smantel) entstehen (BGHZ 117, 323, 334 ff; Hüffer4 § 23 Rdn 26; Großkomm-Röhricbt4 S 23 Rdn 123 f mwN); überwiegend wird dies aus § 117 Abs 1 BGB gefolgert (Großkomm-Röbricbt A § 23 Rdn 126 mwN; Κ Schmidt GesR 3 [1997], § 4 II 2 b aa, S 73 mwN; Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 § 3 Rdn 7; Meyding Die MantelGmbH [1989], S 37 f; / Meyer ZIP 1994, 1661, 1663 f; Keller DZWir 1998, 230, 231), zT wird hingegen auf § 134 BGB abgestellt (.Kantak Mantelgründung [1989], S 48 ff mwN). Eine weiter gehende aA hält auch die verdeckte Vorratsgründung für zulässig und wirksam (m ausführl Begr Kraft DStR 1993, 101, 103 ff unter Aufgabe von KK-Kraft2 § 23 Rdn 56, wo ders vormals § 134 BGB

48

bejaht hatte; für den Fall, daß lediglich zunächst kein Unternehmen betrieben werden soll, auch Ebenroth/Müller DNotZ 1994, 75, 81 ff). Siehe dazu - auf Vorlage nach § 28 Abs 2 FGG von OLG Stuttgart ZIP 1992, 250 BGHZ 117, 323, 330 ff m zust Anm } Meyer ZIP 1994, 1661; Hüffer4 § 23 Rdn 26; Großkomm-Röhricht 4 § 23 Rdn 120 ff; Pentz in: MünchKommAktG 2 § 23 Rdn 89ff; KKKraft1 § 23 Rdn 57; Κ Schmidt GesR 3 (1997), § 4 III 2 b bb, S 73; Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 § 3 Rdn 7; Raiser Kapitalgesellschaften2 (1992), § 26 Rdn 16; Priester DB 1983, 2291, 2298 f; Ulmer BB 1983, 1123, 1125 f.

' Weder Unternehmenslosigkeit noch Vermögenslosigkeit rauben ipso jure der Gesellschaft ihren rechtlichen Bestand {arg §§ 262, 275), vgl etwa Bärwaldt/Scbabacker GmbHR 1998, 1005, 1006 f mwN; Κ Schmidt GesR 3 (1997), § 4 III 2 a, S 72. 5 0 Insofern wird zT verkannt (zB Banerjea GmbHR 1998, 814, 816), daß diese Konstellation kein Beispiel dafür hergibt, wann die theoretische Sonderbehandlung einer sachlichen Mantelverwendung leerlaufen müßte, sondern - falls nicht bloß reguläre Sanierung - im Gegenteil gerade einen Fall der Mantelverwendung mit allen Konsequenzen darstellt (zutreff Hennrichs Z H R 159 [1995], 593, 605 ff); insbes ist dabei unschädlich, wer das neue Unternehmen in die Haftungsbeschränkung des kapitalgesellschaftlichen Rechtsträgers führt, da ein Gesellschafterwechsel zwar signifikant, doch freilich zur Qualifikation eines Vorgangs als „Mantelverwendung" keine notwendige Voraussetzung ist (zutreff Priester DB 1983, 2291, 2298; Hachenburg/U/mer GmbHG 8 § 3 Rdn 35; Ihrig ZHR 154 [1990], 288, 290; Κ Schmidt GesR 3 [1997], § 4 III 3 b, S 75; Ebenroth/Müller DNotZ 1994, 74, 86; Hennrichs aaO, 606 [nicht stichhaltig

4

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§ 5 4

keinem Fall kann es hingenommen werden, daß derjenige, der sein unternehmerisches Risiko durch die Verwendung einer A G als unternehmenstragende Person beschränkt (vgl § 1 Abs 1 S 2 ) , es unter Nichtbeachtung der gesetzgeberischen Absicht, die Gläubigerund Aktionärsinteressen zu schützen, unterläßt, die M a ß n a h m e n zu treffen, die das Gesetz bei der Gründung eines aktienrechtlich organisierten Unternehmens als Preis für die Erlangung der damit einhergehenden Haftungsbeschränkung vorsieht: 5 1 das Grundkapital iSd §§ 1 Abs 2 , 6 , 7, 2 3 Abs 3 N r 3 aufzubringen. D a r a n ändert es nichts, daß die Gesellschafter die Organisationsgewalt bereits innehaben. D e m Gläubiger- und Aktionärsschutz k o m m t hier Vorrang z u . 5 2 D a h e r rechtfertigt sich für jeden, der den M a n t e l einer A G dergestalt verwendet, 5 3 daß er ihn mit einem Unternehmen ausstattet und jenes betreibt („wirtschaftliche Neugründung"; „ M a n t e l g r ü n d u n g " ) , die analoge Anwendung der Gründungsvorschriften, 5 4 insbesondere sind die § § 3 6 Abs 2 , 3 6 a , 3 7 Abs 1, Abs 4 N r 5, 4 6 , 4 8 zu b e a c h t e n . 5 5 An die Stelle der §§ 3 2 ff kann vereinfachend eine analog § 2 1 0 Abs 2 zeitnah geprüfte und mit entsprechenden Erklärungen vorgelegte Bilanz t r e t e n . 5 6 Die Einhaltung jener Bestimmungen hat das Registergericht analog § 3 8 zu ü b e r w a c h e n . 5 7 N a c h Anmeldung der mit Rdn 96; Mayer N J W 2 0 0 0 , 175, 177; KK-

danach B a y O b L G G m b H R 1 9 9 9 , 6 0 6 , 6 0 8 : „vereinzelte" Auffassung]; aA Peters Der G m b H - M a n t e l [ 1 9 8 9 ] , S 5 2 f: Gesellschafterauswechslung sei „unverzichtbares" Kriterium). 51

M i t dem Hinweis darauf, daß ein - auch vermögensloses - Unternehmen erstmals der mit einer Haftungsbeschränkung verbundenen Rechtsform einer Kapitalgesellschaft zugeführt werden kann, wenn es, allerdings ohne Kapitalkontrolle bzw Kapitalaufbringungspflicht, nach §§ 2 ff U m w G durch Aufnahme mit einer Kapitalgesellschaft verschmolzen wird ( B a n e r j e a G m b H R 1 9 9 8 , 814, 816), wird dieser Ausgangspunkt anzugreifen versucht. Solche Einzelfälle sind jedoch nicht geeignet, die zentrale Bedeutung der Kapitalaufbringung ( B G H Z 8 0 , 129, 136 betont: „Kerngedanke") derart zu untergraben, daß es verfehlt erscheinen müßte, eine richterrechtliche Regelung der Mantelverwendung in der analogen Ausprägung der Vorschriften über die Kapitalaufbringung einschließlich einer registerrechtlichen Kontrolle zu suchen (so aber Banerjea aaO).

52

Priester DB 1983, 2291, 2 2 9 3 ff.

53

Der die Verwendung ermöglichende Erwerbsvorgang der Anteile ( „ M a n t e l k a u f " ) ist rechtsgültig (ganz h M ; eingeleitet durch LG Ravensburg N J W 1 9 6 4 , 5 9 7 [mit Einschränkungen] sowie O L G Karlsruhe D B 1978, 1219 [einschränkungslos]; vgl heute

Großkomm-Röhricht4 Κ Schmidt

zutreff abl Anm Priester DB 1983, 2291, 2 2 9 4 f; Ulmer BB 1983, 1123, 1125; Bommert GmbHR 1983, 209, 210 f). 54

B G H Z 117, 3 2 3 , 3 3 0 ff nennt keine einzelnen Normen; so auch AG Duisburg G m b H R 1998, 8 7 f.

55

O L G Frankfurt G m b H R 1999, 3 2 m Anm Börner; AG Duisburg G m b H R 1997, 2 5 6 ; AG Erfurt G m b H R 1997, 74; G r o ß k o m m -

Röhricht4

§ 23 Rdn 132 mwN;

G e s R 3 [1997], § 4 III 3 a, S 7 4 ;

§ 23 Rdn 134, 136, 137;

Hüffer4

§ 2 3 Rdn 2 7 a ; Hachenburg/Ulmer G m b H G 8

56

§ 3 Rdn 39; Priester DB 1983, 2291, 2 2 9 5 f; Ihrig BB 1988, 1197, 1203. Großkomm-Röhricht 4 § 23 Rdn 142; Schick G m b H R 1997, 9 8 2 , 9 8 6 ; dies wird vor allem bei der Aktivierung von noch ungenutzten Mänteln, die aus einer (zulässigen offenen) Vorratsgründung stammen, in Betracht kommen.

57

Bärwaldt/Schabacker GmbHR 1998, 1005, 1007 f; Pentz in: MünchKommAktG 2 § 23

(15)

Kraft2 § 2 3 Rdn 6 0 ) . - Die früher mehrheitlich unter Rückgriff auf §§ 1 3 4 oder 138 B G B vertretene aA (vgl N a c h w bei Kraft a a O , Rdn 5 9 ) ist unzutreff (idS fehlerhaft insbes O L G Hamburg Z I P 1 9 8 3 , 5 7 0 , 5 7 2 m

O L G Frankfurt G m b H R 1999, 3 2 m insow zust Anm Börner; O L G Stuttgart O L G R 1998, 1 0 4 , 105; O L G Hamburg B B 1987, 5 0 5 ; AG Erfurt G m b H R 1997, 7 4 ; AG Duisburg G m b H R 1997, 2 5 6 , 2 5 7 ; 1 9 9 8 , 8 7 m

zust Anm Rawert EWiR 1998, 2 2 3 f; Hüffer4 5 23 Rdn 2 7 a; Pentz in: MünchKommAktG 2 § 23 Rdn 104; Priester DB 1983, 2291, 2 2 9 6 ; Ulmer BB 1983, 1123, 1126; Ihrig BB 1988, 1197, 1203; Hennrichs Z H R 159 (1995), 593, 606.

Hartwig Henze

§ 54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

der Mantelverwendung in aller Regel einhergehenden Satzungsänderungen 5 8 m u ß der Registerrichter somit gem § 12 F G G ermitteln und ggf die E i n t r a g u n g 5 9 ablehnen. Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Einhaltung der Kapitalaufbringungsnormen, auf den sich die registerrechtliche Prüfung bezieht, tritt an die Stelle der gesellschaftskonstituierenden Eintragung (§ 4 1 Abs 1 S 1) die Eintragung des satzungsändernden Beschlusses, durch den Unternehmensgegenstand, Firma, Sitz und Organisation festgelegt werden (vgl §§ 179, 181 A b s 3 i V m § 2 3 Abs 3 N r 1, 2 u 6 bzw § 2 7 6 ) . 6 0 Unterbleibt ein solch gesetzesnotwendiger Beschluß oder k o n n t e er - was sehr selten der Fall sein wird 6 1 gesetzeskonform unterbleiben, so ist an den Z e i t p u n k t anzuknüpfen, in welchem der (re-)aktivierte Rechtsträger tatsächlich durch Betrieb des neuen Unternehmens als werbende A G in Vollzug gesetzt w i r d . 6 2 Darüber, o b im Sinne einer gründungsgleichen Behandlung der Mantelverwendung an dieser Stelle entsprechend richterrechtlich entwickelten Grundsätzen eine dem Vorgesellschaftsstadium vergleichbare Unterbilanzhaftung 6 3 für die Verluste zum Zuge k o m m t , die in der Z e i t zwischen Satzungsänderung und Eintragung eingetreten sind, sowie zu der Frage, o b für denselben Z e i t r a u m eine Handelndenhaftung analog § 4 1 Abs 1 S 2 anzunehmen ist, hat sich n o c h keine übereinstimmende M e i n u n g entwickelt. Eine Unterbilanzhaftung dürfte zu b e j a h e n , 6 4 eine Handelndenhaftung hingegen abzulehnen sein. 6 5

58 59

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§ 179 iVm § 23 Abs 3 Nr 1, 2 u 6. Vgl § 181 Abs 3 (konstitutiv); ferner §§ 81, 106 (deklaratorisch). Großkomm-Röhricht 4 ξ 23 Rdn 136. Möglich nur dann, wenn Firma, Sitz, Unternehmensgegenstand und Zahl der Vorstände sämtlich identisch bleiben; sollte dieser ganz atypische Fall, in dem keine Satzungsänderung nötig ist und infolgedessen auch keine Anmeldung und Eintragung erfolgen kann, dennoch einmal eintreten, so ist hinzunehmen, daß eine Registerkontrolle ausnahmsweise leerläuft. Ihrig BB 1988, 1197, 1202; Lutter/Hommelfco/f GmbHG 1 5 § 3 Rdn 8. Für das GmbH-Recht BGHZ 80, 129, 140; 105, 300, 303; 134, 333 = NJW 1997, 1507 m Anm Altmeppen = ZIP 1997, 679 m Anm Κ Schmidt 671 = DStR 1997, 625 m Anm Goette; für das Aktienrecht OLG Karlsruhe ZIP 1998, 1961; Hüffer4 § 41 Rdn 2 und 8 f mwN; Kort EWiR 1998, 1011, 1012; Wiedenmann ZIP 1997, 2029; Weimar DStR 1997, 1170, 1174; Henze AktienR 4 (2000), Rdn 9 2 - 9 8 . Str; eine entspr Unterbilanzhaftung bejahend: Großkomm-Röhricht4 § 23 Rdn 139; Peutz in: MünchKommAktG 2 § 23 Rdn 106; Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 § 3 Rdn 8; Ihrig BB 1988, 1197, 1203; Ahrens DB 1998, 1069, 1071 ff; Lübbert BB 1998, 2221, 2224;

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- verneinend: Κ Schmidt GesR 3 (1997), § 4 III 3e, S 77; Peters Der GmbH-Mantel (1989), S 133; Bärwaldt/Schabacker GmbHR 1998, 1005, 1012; Keller DZWir 1998, 230, 232; Priester DB 1983, 2291, 2296; Bommert GmbHR 1983, 209, 212. Str; eine § 41 Abs 1 S 2 entspr Handelndenhaftung verneinend: OLG Brandenburg ZIP 1998, 2095; OLG Karlsruhe DB 1987, 1219 ff; OLG Hamburg BB 1987, 505; Großkomm-Röhricht4 § 23 Rdn 140; Lutter/ Hommelhoff GmbHG 1 5 S 11 Rdn 13; Scholz/K Schmidt GmbHG 9 § 11 Rdn 99; Rciwedder/Rittner/Schmidt-Leithoff GmbHG 3 § 3 Rdn 17; Schwaiger in: BeckHdb GmbH 2 (1999), § 2 Rdn 61; Peters Der GmbH-Mantel (1989), S 113 ff, 120 f; Heerma GmbHR 1999, 640, 643 ff; R Werner NZG 1999, 146 ff (in abl Anm zu KG NZG 1998, 731); Bärwaldt/Schabacker GmbHR 1998, 1005, 1012 f; Keller DZWir 1998, 230, 232; Priester DB 1983, 2291, 2296 f; Bommert GmbHR 1983, 209, 211 f; - bejahend: KG NZG 1998, 731 m abl Anm d Schiftltg; LG Hamburg GmbHR 1997, 895 = WiB 1997, 645 m Anm Gummert; LG Hamburg NJW 1985, 2426; Hüffer4 § 23 Rdn 27a; Pentz in: MünchKommAktG 2 S 23 Rdn 105; Ihrig BB 1988, 1197, 1203; grsl auch Hachenburg/Ulmer GmbHG 8 § 3 Rdn 40.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

Die entsprechende Anwendung der der Kapitalausstattung dienenden Gründungsnormen samt registerrechtlicher Kontrolle ist nicht unumstritten. 6 6 Gegen eine Anwendung von Gründungsvorschriften auf die Mantelverwendung sowie gegen eine Prüfungskompetenz des Registergerichts wird vorgebracht, der Registerrichter könne wegen der nicht abschließenden Faßbarkeit und der phänomenologischen Vielgestaltigkeit von Manteltransaktionen sowie im Hinblick auf die im Einzelfall recht schwierige Abgrenzung67 von einer - nicht zu beanstandenden - Umorganisation oder Sanierung (inneroder außerhalb eines regulären Unternehmenserwerbs) eine Kontrolle ohnehin nur begrenzt, wenn überhaupt durchführen; er werde überfordert. 6 8 Solchen Erwägungen kann nicht gefolgt werden. Was zunächst den Inhalt der Prüfung angeht, stellt er sich nicht schwieriger dar als bei einer Gründung. Die Aussage, die Parteien seien durch entsprechende Rechtsgestaltung in der Lage, eine Mantelverwendung als solche vor dem Registerrichter erfolgreich zu verbergen, verkennt die praktischen Abläufe. Denn die Mantelverwendung geht - wenn auch nicht notwenig, so doch typischerweise - einher mit einer zu ihrer Wirksamkeit jeweils gem § 181 Abs 3 eintragungspflichtigen Änderung des Unternehmensgegenstandes (§ 2 3 Abs 3 N r 2), Neufassung der Firma (§ 2 3 Abs 3 N r 1 Var 1), Verlegung des Gesellschaftssitzes (§ 2 3 Abs 3 N r 1 Var 2 ) und/oder NeubestimEine Analogie zur gründungsrechtlichen Kapitalaufbringungsgarantie für die Mantelverwendung ablehnend und folglich eine registerrechtliche Prüfungskompetenz verneinend BayObLG GmbHR 1999, 607, 608 f [ausführl Stellungnahme] = DStR 1999, 1036 m Anm Ammon; Heerma Mantelgründung (1997), S 113 ff; Kober Sonderformen des Beteiligungserwerbs (1995), S 126, 150 ff; Bärwaldt/Schabacker GmbHR 1998, 1005, 1009, 1011 f [die aber übersehen, daß nach hM nichts anderes geschieht, als daß der Mantelverwender gerade „auf den Sinn und Zweck der Norm verwiesen" wird (vgl ebd, S 1009), der auch darin besteht, dem in der Haftung beschränkten Unternehmer beim Geschäftsbeginn zur Risikoteilhabe Kapital leisten zu lassen (vgl Ausschußber GmbHG-Nov-Entwurf, BT-Drucks 8/3908, S 69)]; Bommert GmbHR 1983, 209, 212 f [wegen (angeblicher) Inpraktikabilität]; Mayer NJW 2 0 0 0 , 175, 178 f; ferner OLG Frankfurt GmbHR 1992, 456 [mit dem evident unergiebigen Argument, daß infolge § 399 (iVm Art 103 Abs 2 GG) eine entsprechende Anwendung als solche insgesamt? - ausscheide (mit diesem Hinweis, daß eine Analogie allein zu der Strafvorschrift des $ 399 verfassungsrechtlich verboten ist, ist nichts ausgesagt über entsprechend anzuwendende zivilrechtliche Normen; richtig AG Duisburg GmbHR 1997, 256, 257)]; gg jede Analogie auch Banerjea GmbHR 1998, 814, 817 [Begr: mit dem von § 57 ausgehenden faktischen Zwang zur

(17)

Auffüllung leerer bzw kapitalschwacher Mäntel sei ein ausreichender Gläubigerschutz gegeben - ( ? ) ] ; das Analogiekonzept ebenso abl Kantak Mantelgründung (1989), S 147 [Begr: bürokratische Belastung seriösen Verhaltens - (?), sowie unangemessen hoher Gläubigerschutz - (?)]; vgl schließlich Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 § 3 Rdn 8 [eine Kapitalsicherungshaftung bestehe, eine registerrechtliche Kontrolle finde aber nicht statt]. 67

68

Näher Großkomm-Röhricht* § 23 Rdn 131; Hüffer4 § 23 Rdn 27 a; Hachenburg/Ulmer GmbHG 8 § 3 Rdn 35; Κ Schmidt GesR 3 (1997), § 4 III 3 b, S 74 f; Scholz/Emmerich GmbHG 9 § 3 Rdn 22; Priester DB 1983, 2291, 2 2 9 7 f; Ihrig BB 1988, 1197, 1201; auch KG N Z G 1998, 731; undifferenziert allerdings Bommert GmbHR 1983, 209, 212 f, der die „wirtschaftliche Neugründung" durch Mantelverwendung nicht präzise genug von der Vorausgesetzen Unternehmenslosigkeit des Rechtsträgers abhängig macht (wie Ihrig aaO richtig bemerkt); zT genauso undifferenziert Mayer NJW 2 0 0 0 , 175, 178; generell gegen eine Abgrenzung mittels der Unternehmenslosigkeit Banerjea GmbHR 1998, 814, 816, der dieses Kriterium als bei konkret-praktischer Betrachtung sinnlos verwirft; abl ggüber dem Kriterium der Unternehmenslosigkeit auch Peters Der GmbH-Mantel (1989), S 4 0 ff, 46 f. Vgl - mehr oder minder pointiert - die Nachw in Fußn 66.

Hartwig Henze

§54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

mung der Anzahl von Organmitgliedern (§ 2 3 Abs 3 Nr 6) sowie zumeist unter deren teilweiser oder vollständiger Auswechslung, was nach §§ 81, 106 ebenfalls im Handelsregister einzutragen 6 9 ist. Diese meist kumulativ auftretenden Umstände liefern ein hinreichendes Indiz dafür, daß sich die Verwendung eines Mantels vollziehen soll. In Erkenntnis dessen hat der Registerrichter das Nähere aufzuklären (§ 12 FGG) und kann anschließend in die Prüfung eintreten. 7 0 Auch wenn letztlich nicht ausgeschlossen werden kann, daß Fälle regelungswürdiger Mantelverwendungen nicht erkannt werden, 7 1 rechtfertigt das nicht, sie der Kapitalaufbringung und Kontrolle zu entziehen. Vielmehr ist im Rahmen praktischer Rechtsverwirklichung zu versuchen, das vom Gesetzgeber nicht geregelte Problem auf jeden Fall dort sachgerecht zu lösen, wo das möglich ist. 7 2 Der Einwand mangelnder Kontrollierbarkeit überzeugt darüber hinaus nicht. Daß die der Kapitalaufbringung dienenden Normen entsprechende Geltung beanspruchen, kann nicht von einer - uU bestehenden - Schwierigkeit der Umsetzung in der Praxis abhängen. 7 3 Abgrenzungs- und Kontrollprobleme sind schließlich ein allenthalben anzutreffendes und auch sonst zu bewältigendes Phänomen; 7 4 sie dürften sich hier nicht wesentlich schwieriger darstellen als die Feststellung darüber, ob es sich bei der zur erstmaligen Eintragung angemeldeten Gesellschaft um eine (unzulässige 75 ) verdeckte Mantelgründung handelt. 7 6 Letztlich geht es auch nicht an, die objektiven Interessen des Rechtsverkehrs gegenüber den Individualinteressen der den Mantel verwendenden Unternehmer mit dem Argument hintanzustellen, eine - womöglich aufwendige - Registerkontrolle kassiere die im Vergleich zu einer Gründung bestehenden praktischen Vorteile gleichsam wieder ein. 7 7 Denn ist der Gesellschaftsmantel werthaltig, erscheint es nicht unzumutbar, einen entsprechenden Nachweis erbringen zu müssen; das dürfte umso leichter sein, je kapitalstärker der Mantel ist. Anderenfalls sind die Rechtsanwender aufgerufen, den kapitalschwachen oder gar vermögenslosen und damit für Gläubigerinteressen gefährlichen Gesellschaftsmantel vom Geschäftsleben fernzuhalten. Schließlich wird gegen das hier befürwortete Kapitalsicherungskonzept das rechtstheoretische Argument angeführt, die Analogie sei nicht möglich, weil die Kapitalbeschaffungspflicht nicht kraft Gesetzes, sondern kraft Satzung entstehe, so daß eine

69

Das hat indessen - im Gegensatz zu § 181 Abs 3 - nur deklaratorische Bedeutung

70

Großkomm-Röhricht 4 $ 23 Rdn 135. Es mag denkbar sein, daß die Parteien es „darauf anlegen, dem Gericht keine Anhaltspunkte zu liefern" (Bärwaldt/Schabacker GmbHR 1998, 1005, 1011 [dort mit Fußn 82] wollen die Aufdeckungsfähigkeit der Registerrichter überschätzt sehen); unangebracht wäre es freilich, deswegen ein das Regelproblem lösendes Konzept abzulehnen, denn die Fälle, in denen die Mantelverwendung nicht erkannt wird, sind nicht häufig. Vielmehr darf der abschreckende Effekt der Kontrolle nicht verkannt werden: Ein potentieller Mantelerwerber wird, bevor er eine zumal idR mit Kosten verbundene (= unerwünscht!) - aufwendige Rechtsgestaltung oder zeitliche Streckung (= unerwünscht!) der Einzelakte als Tarnung versucht, einer

(.Hüffer4 S 81 Rdn 10).

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Neugründung oder immerhin der Verwendung eines „sauberen" Mantels, der aus einer offenen Vorratsgründung stammt, den Vorzug geben. Priester DB 1983, 2291, 2295; Ihrig BB 1987, 1197, 1202. Zurecht Ihrig BB 1987, 1197, 1202. Für „wenig tröstlich" hält dies Banerjea GmbHR 1998, 814, 816 [dort Fußn 37]. BGHZ 117, 323, 335 f; Hüffer4 § 23 Rdn 26; Großkomm-Rö/)nc/;f 4 § 23 Rdn 123 f, 126; Κ Schmidt GesR 3 (1997), S 4 II 2 b aa, S 73; Lutter/Hommelhoff GmbHG 15 § 3 Rdn 7; Meyding Die Mantel-GmbH (1989), S 37 f; Kantak Mantelgründung (1989), S 48 ff mwN; Keller DZWir 1998, 230, 231; aA Kraft DStR 1993, 101, 103 ff: zulässig. BGHZ 117, 323, 331. So freilich BayObLG GmbHR 1999, 606, 609.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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§54

Hauptverpflichtung der Aktionäre Pflicht

zur

Kapitalaufbringung

nicht

auf

eine

Gesetzesanalogie

gegründet

werden

k ö n n e ; 7 8 vielmehr dienten die gesetzlichen Kapitalaufbringungsvorschriften lediglich der Präzisierung der vertraglichen Kapitalaufbringungsvereinbarung. 7 9 M i t dieser Argumentation wird verkannt, d a ß diese Pflichten vom Gesetz zwingend im Interesse der Ö f f e n t lichkeit vorgeschrieben werden und für die Parteien nicht disponibel sind (arg 6 6 A b s 1). Überzeugender erscheint daher der Ansatz, d a ß die gesetzlichen Vorschriften über die Kapitalaufbringung nicht lediglich eine Individualabrede präzisieren, sondern in der Satzung nur die zwingenden gesetzlichen Erfordernisse umgesetzt w e r d e n . 8 0 Zuletzt m a c h t ein Vergleich mit alternativen Lösungsmöglichkeiten 8 1 deutlich, d a ß dem Analogiekonzept der Vorzug gebührt. D a sich - was sicherlich zutrifft - die Verwendung kapitalschwacher bis vermögensloser Gesellschaftsmäntel im Kern als eine Erscheinungsform der materiellen Unterkapitalisierung darstelle, soll dem mittels einer dadurch ausgelösten (Außen- oder Innen-)Haftung der Gesellschafter 8 2 zu begegnen s e i n . 8 3 D a s überzeugt nicht. Einer Gesellschafterhaftung wegen materieller Unterkapitalisierung fehlt eine in ihren Voraussetzungen strukturierte - auf jeden Fall aber praktikable - G r u n d l a g e . 8 4 Die Rspr des B G H steht dieser Figur ablehnend gegenüber. 8 5 Eine Durchgriffshaftung entspricht nicht der kapitalgesellschaftsrechtlichen Gesetzeskonzeption, ist mithin als F r e m d k ö r p e r nur ausnahmsweise einsetzbar: Die gesetzgeberische Intention geht dahin, die Pflicht zur Erstellung eines gläubigerschützenden Haftungsfonds und dessen Sicherung gegenüber einer Durchgriffshaftung zu b e v o r z u g e n ; 8 6 Außenstehende sind insofern nur „ m i t t e l b a r " geschützt. 8 7 Die Schutzfigur eines Durchgriffs k o m m t nur und erst dann zum Z u g e , wenn die Rechtsgedanken der Kapitalsicherung v e r s a g e n . 8 8 Z u r e c h t geht deshalb auch die jüngste R s p r des B A G davon aus, d a ß ohne weitere Anhaltspunkte für objektiv rechtsmißbräuchliches Verhalten allein wegen materieller Unterkapitali-

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Bärwaldt/Schabacker GmbHR 1998, 1005, 1010 f. Heerma Mantelgründung (1997), S 111 ff. Soweit richtig Banerjea GmbHR 1998, 814, 815; aA Bärwaldt/Schabacker GmbHR 1998, 1005, 1011 mit dem Argument, das Gesetz betrachte die Kapitalaufbringungspflicht als Gründungsvoraussetzung, knüpfe aber nicht umgekehrt die Pflicht zur Leistung an die Gründung, folglich sei auch an eine wirtschaftliche Neugründung (Mantelverwendung) keine Einlagepflicht knüpfbar. Dieser Einwand verliert seine Kraft allerdings für den - in praxi regelmäßig gegebenen - Fall, daß der Mantelverwendung, eben um sie zu ermöglichen, zunächst ein Erwerb der Anteile vorausgeht; jedenfalls dann nämlich lassen sich die Kapitalaufbringungspflichten analog dem vertraglichen Übernahmeakt (§ 29), der sie bei Gründung enstehen läßt, hier an den rechtsgeschäftlichen Erwerbsakt der Anteile knüpfen (was Bärwaldt/ Schabacker aaO zu übersehen scheinen). Das Phänomen der Verwendung „leerer Mäntel" auf Kosten des Rechtsverkehrs gar nicht in Angriff zu nehmen, wäre vollends

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unbefriedigend; zurecht wird dies daher auch nirgends vorgeschlagen. Vgl dazu allg BSG ZIP 1996, 1134 f; Boujong FS Odersky (1996), S 7 3 9 ff; Hachenburg/Ulmer GmbHG 8 Anh § 30; Κ Schmidt GesR 3 (1997), § 9 IV 4, S 2 4 7 ff; Wilhelm Rechtsform und Haftung (1981), S 330 ff; Priester ZGR 1993, 512, 521 ff. Für Außen-(Durchgriffs-)haftung Kühler GesR 5 (1998), § 22 II 4, S 308 f; Bommert GmbHR 1983, 209, 213; KK-Kraft2 § 23 Rdn 60; auch Banerjea GmbHR 1998, 814, 815, 817 meint, dies neben der Kapitalerhaltung (§ 57) für genügend halten zu können. Für Innenhaftung Bärwaldt/Schabacker GmbHR 1998, 1005, 1013 f; Heerma Mantelgründung (1997), S 154 ff. Vgl Hüffer4 § 1 Rdn 18, 19, § 23 Rdn 27; das müssen auch Bärwaldt/Schabacker GmbHR 1998, 1005, 1013 (mwN) einräumen. BGHZ 68, 312; BGH ZIP 1991, 1140. Priester DB 1983, 2291, 2295; Ihrig BB 1988, 1197, 1202. Stimpel FS Goerdeler (1987), S 601, 613 f. Stimpel aaO, S 606 ff.

Hartwig Henze

§54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

sierung einer Kapitalgesellschaft - selbst falls dies eine Insolvenz nach sich zieht - noch keine persönliche Gesellschafterhaftung eintritt. 8 9 Wann ein in diesem Sinne haftungsauslösender Mißbrauch gegeben ist, wird sich keinesfalls leichter feststellen lassen als die Tatsache einer „wirtschaftlichen Neugründung". Spätestens darin zeigt sich die Relativierung jedes gegen das Analogiekonzept vorgetragenen Praktikabilitätsarguments. Des weiteren sprechen praktische Überlegungen gegen eine Problemlösung, die sich allein auf eine Gesellschafterhaftung stützt: Denn oft genug wird der gegenüber einer Neugründung kapitalsparende Weg eines relativ preiswert zu erwerbenden Gesellschaftsmantels deshalb gewählt, weil die Erwerber persönlich nicht in der Lage sind, das für eine Neugründung nötige Kapital aufzubringen. 9 0 Dann stellen sie aber auch für eine Haftung kein befriedigendes Zugriffsobjekt dar. Ferner vernachlässigt der „Durchgriffsgedanke" den Gesichtspunkt der Präventivwirkung von Kapitalaufbringung und Registerkontrolle. Sehr fraglich erscheint außerdem, ob die Parteien ihre persönliche Haftung als eine gegenüber dem Analogiekonzept sachgerechtere Lösung empfinden, da Höhe und Zeitpunkt der Haftung nicht gewiß sind. Einem natürlichen Interesse der Parteien an Klarheit über ein auf sie zukommendes Leistungsrisiko wäre jedenfalls nicht gedient. Einen Mantelverwender kann im übrigen auch eine Haftung aus § 8 2 6 B G B treffen. Es liegt aber auf der Hand, daß der Nachweis des hier vorausgesetzten Vorsatzes eine häufig unüberwindbare Hürde darstellen wird. 9 1 Hinzu kommt, daß sich das Haftungsinstrument des § 8 2 6 BGB, sollte es doch einmal greifen, ähnlichen Bedenken ausgesetzt sieht, wie die Haftung wegen mißbräuchlicher Herbeiführung oder Ausnutzung einer qualifizierten materiellen Unterkapitalisierung: Das dem Anspruch gegenüberstehende Haftungspotential wird typischerweise gering sein. 38

Ist somit davon auszugehen, daß auf die Mantelverwendung die Grundsätze über die Kapitalaufbringung einschließlich der registerrechtlichen Kontrolle anzuwenden sind (Rdn 36), folgt daraus ferner: Fehlt nach diesen Grundsätzen benötigtes Kapital, muß es entsprechend § 5 4 (iVm § 66 Abs 1) aufgebracht werden. 9 2 Schuldner sind die Personen, die nach der - in der Regel neuen - Satzung des (wieder-)belebten Unternehmensträgers die Anteilseigner sind. Geschieht diese Kapitalbeschaffung durch Zuführung unbarer Werte, sind die Vorschriften über Sacheinlagen entsprechend anzuwenden. 9 3 Ebenso ist zu erwägen, die Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage 9 4 heranzuziehen, insbesondere wenn die Sacheinbringung neben einer Barleistung zwar in ein rechtlich selbständiges Geschäft eingekleidet wird, der gesamte Vorgang jedoch einheitlich zu bewerten ist. 9 5

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93

BAG NJW 1999, 740, 741; 1999, 2299, 2300 = ZIP 1999, 881 ra Anm Altmeppen·, offen gelassen von BSG DB 1984, 1103; ohne Bejahung einer Haftungsfolge und lediglich als obiter dictum bei BSG ZIP 1996, 1134. Vgl den Fall OLG Frankfurt GmbHR 1999, 32. BAG NJW 1999, 740, 742 f; 1999, 2299, 2300 = ZIP 1999, 881 m Anm Altmeppen. Vgl OLG Frankfurt GmbHR 1999, 32 m Anm Börner; AG Duisburg GmbHR 1998, 87; offengeblieben, aber angedeutet in BGHZ 117, 323, 331. Hüffer4 $ 23 Rdn 27a [§§ 34 Abs 1, 52]; Großkomm-Röhricht4 S 23 Rdn 137 [§§ 32 Abs 2, 33 Abs 2 Nr 4, 34, 36 a Abs 2, 37

94

95

Abs 1 S 1, Abs 4 Nr 2 u 4]; AG Erfurt GmbHR 1997, 74 [§§ 5 Abs 4, 7 Abs 3 GmbHG]; Hachenburg/UImer GmbHG8 § 3 Rdn 39 [§§ 5 Abs 4, 8 Abs 1 Nr 5, 10 Abs 3 GmbHG (für Mindestkapitalausstattung)]; liberaler Priester DB 1983, 2291, 2296 [es genügen § § 3 7 Abs 1 S 1, 36 a Abs 2 (§§ 7 Abs 3, 8 Abs 1 Nr 5 GmbHG), verzichtbar ist § 27 Abs 1 (§ 5 Abs 4 GmbHG)]. Dazu BGHZ 125, 141; 132, 133; Großkomm-Röhricht4 § 27 Rdn 188 ff; Henze AktG4 (2000), Rdn 148 ff; ders Harzburger Steuerprotokoll 1997, S 87 ff; G Müller ZGR 1995, 327, 330 ff. Vgl zudem Schick GmbHR 1997, 982, 985 f.

Stand: 1. 3. 2000

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

Entgegen verbreiteter Ansicht 96 ist nicht nur das gesetzliche Mindestkapital (§ 7) zu beschaffen, sondern es muß eine Vermögensausstattung bis zur Höhe der gern § 23 Abs 3 Nr 3 satzungsmäßig festgelegten Kapitalziffer vorhanden sein bzw erfolgen. 97 Dieser Einschätzung kann nicht damit begegnet werden, ein dem Mantelverwender entgegenzuhaltender Vorwurf beschränke sich darauf, er habe es als Unternehmer unterlassen, anstelle der wirtschaftlichen Neugründung die rechtliche Gründung (irgend-)einer Gesellschaft durchzuführen, nicht aber einer AG, deren Mantel er konkret erworben habe; zur Gründung (irgend-)einer AG hätte indes ein Gläubiger- und Anlegerschutz nach § 7 genügt, mithin könne sich - sofern dieser Norm genügt ist - niemand auf den Standpunkt stellen, die Mantelverwendung vernachlässige seine geschützen Interessen. 98 Diese Überlegung überzeugt deshalb nicht, weil sie das, was geschehen wäre, wenn rechtlich eine Gründung stattgefunden hätte, hypothetisch beurteilt. Tatsache ist, daß derjenige, der den unternehmenslosen Mantel (wieder-)belebt, sich in Kenntnis der statutarischen Kapitalziffer sowie des Umstandes, daß der iSv § 23 Abs 3 Nr 3 festgesetzte Betrag den Gläubigern nach § 39 Abs 1 S 1 bekannt ist, für diesen konkreten Gesellschaftsmantel entschieden hat. Daran festzuhalten scheint zudem deshalb geboten, weil anderenfalls der Präventivschutzgedanke umso ineffizienter würde, je höher das satzungsmäßige Nennkapital im Vergleich zum gesetzlichen Mindestkapital beziffert ist. Das gegen die Maßgeblichkeit der satzungsmäßigen Kapitalziffer vorgetragene Argument überzeugt aber auch im übrigen nicht. Denn da das praktische Angebot an Vorratsgesellschaften, die als Mantel angeboten werden und deren Nennkapital der gesetzlichen Mindestziffer (§ 7) entspricht, erfahrungsgemäß groß ist, läßt sich daraus folgern, daß es der Intention des Erwerbers entspricht, den konkreten Gesellschaftsmantel mit dem höheren statutarischen Nennkapital für sich zu verwenden; er hätte daher auch bei (rechtlicher) Gründung diese Kapitalziffer nach § 23 Abs 3 Nr 3 festgesetzt und folglich in dieser Höhe Kapital aufbringen müssen. Der Mantelverwender muß sich mithin vorwerfen lassen, es unterlassen zu haben, entgegen gesetzlicher Intention das Grundkapital in voller Höhe zu beschaffen. Auch die Überlegung, daß der Rechtsverkehr im Hinblick auf eine bestehende Gesellschaft - und um eine solche handelt es sich bei der Mantelverwendung - nicht auf ein unversehrtes Nennkapital rechnen könne, weil die Kapitalgarantie nur den Gründungszeitpunkt betreffe und anschließend durch die Vorschriften der §§ 57, 62, 92 ersetzt werde, 99 ändert daran nichts. Denn Anknüpfungspunkt für die Analogie ist gerade der Umstand, daß lediglich der Mantel, aber kein Unternehmen besteht, und der Unternehmensstart nach Mantelgründung mit einer rechtlichen Gründung gleichzubewerten ist. Ebenso wie bei letzterer tritt aber bei der wirtschaftlichen Neugründung dieses Unternehmen erstmals im Rechtsverkehr auf, so daß die Vertrauenslage auf seifen der Gläubiger vergleichbar ist. Daraus folgt die Notwendigkeit einer nicht nur an § 7, sondern an § 23 Abs 3 Nr 3 orientierten Kapitalausstattung. 100 96

97

Großkomm-Röhricht4 $ 23 Rdn 136 [vgl aber dort mit Rdn 143]; Κ Schmidt GesR3 (1997), § 4 III 3 d, S 76; Keller DZWir 1998, 230, 232; Priester DB 1983, 2291, 2295 f; Ulmer BB 1983, 1123, 1126. Gl Ansicht Pentz in: MünchKommAktG2 S 23 Rdn 101; ebenso zur GmbH OLG Frankfurt GmbHR 1999, 32; auch AG Duisburg GmbHR 1997, 256; Schick GmbHR 1997, 982, 984; Peters Der GmbH-Mantel (1989), S 72 f; SoergelJHuber BGB12 § 433 Rdn 62; Hennrichs ZHR 159 (1995), 593,

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606 ff; tendenziell auch Ihrig BB 1988, 1197, 1202 [dort Fußn 71], 9 8 So insbes Κ Schmidt GesR3 (1997), § 4 III 3d, S 76/77. 9 9 So Priester DB 1983, 2291, 2295 f; Ulmer BB 1983, 1123, 1126. 100 j) e r Rechtsgedanke, daß für den Fall, in welchem ein Unternehmen in eine körperschaftlich strukturierte Gesellschaftsform hineingeführt wird, der statutarische Nertnkapitalbetrag maßgeblich ist und die Gesellschafter wie Gründer konkret dieser Gesell-

Hartwig Henze

§ 54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

IV. Umfang der Einlagepflicht 1. Obergrenze 39

Abs 1 legt ausdrücklich fest, daß die Höhe jeder Einlagepflicht durch den Ausgabebetrag der Aktie begrenzt wird. Eine Nachschußpflicht ist daher ausgeschlossen. Bei Überpariemission ist in dem Ausgabebetrag ein nach § 9 Abs 2 zulässiges Aufgeld (Agio) eingerechnet, das als zur Einlagepflicht gehöriger Teil vollständig am Schutz der realen Kapitalaufbringung partizipiert, obwohl es nicht Einlage auf das Grundkapital ist, sondern in die Kapitalrücklage eingestellt wird (§ 272 Abs 2 Nr 1 HGB).

40

Damit der Aktionär das Risiko seiner Einlageverpflichtung abschätzen kann, muß die Höhe des Ausgabebetrages objektiv feststehen. Sie ist daher bei der Gründung nach § 23 Abs 2 Nr 2 in der Satzung genau anzugeben. Soll eine Kapitalerhöhung über pari erfolgen, so muß gem § 182 Abs 3 der ein Agio enthaltende Mindestausgabebetrag festgesetzt werden. Die Hauptversammlung kann dabei im Kapitalerhöhungsbeschluß ferner einen Höchstausgabebetrag oder einen fixen Ausgabebetrag festsetzen. 101 Soweit letzteres nicht geschehen ist, besteht - bis zum Beginn der Zeichnung (arg § 185 Abs 1 S 3 Nr 2) - ein Ermessensspielraum der Verwaltung (in der Regel der Vorstand, wenn die Hauptversammlung diese Zuständigkeit nicht dem Aufsichtsrat übertragen hat) zur Konkretisierung des endgültigen Ausgabebetrages. Bei bedingter Kapitalerhöhung müssen nach § 193 Abs 2 Nr 3 zumindest die Berechnungsgrundlagen für die Ermittlung der Höhe des Ausgabebetrages feststehen.

41

Das in Abs 1 niedergelegte Begrenzungsprinzip kann durch Unterbewertung von Sacheinlagen durchbrochen werden. Die Einbringung unterbewerteter Sacheinlagen ist jedenfalls insoweit zulässig, als sie nicht der Bildung von Willkürreserven dient (vgl § 279 Abs 1 S 1 HGB). 1 0 2 Übersteigt der wahre Sachwert den Ausgabebetrag der Aktien, so ist der Aktionär verpflichtet, die Sacheinlage vollständig zu leisten, ohne eine entsprechende höhere Zuteilung von Aktien fordern zu können. 103 Für die von der Sacheinlagepflicht nur überlagerte primäre Barzahlungspflicht (Rdn 13) bleibt indessen die Obergrenze des Abs 1 bestehen. 104 Scheitert die Sacheinlage, dann hat der Aktionär die Zahlung nicht in Höhe des wahren Sachwertes, sondern nur in Höhe des Ausgabebetrages vorzunehmen.

42

Hat ein Aktionär aufgrund verspäteter Zahlung einen unselbständigen Nebenanspruch der AG nach § 63 Abs 2 und/oder 3 zu erfüllen, so führt dies zusammen mit der Einlageforderung zu einer Leistungsverpflichtung, deren Höhe die des Ausgabebetrages übersteigt. Eine Ausnahme vom Prinzip der Einlagenbegrenzung liegt darin nicht, sondern allenfalls eine Lockerung. 105 Als wirkliche Ausnahme kommt nur die mitgliedschaftliche Nebenverpflichtung iSd § 55 in Betracht.

43

Die Gesellschaft verstößt nicht dadurch gegen Abs 1, daß sie gegen einen zur Sacheinlage verpflichteten Aktionär Schadensersatzansprüche wegen Vertragsverletzungen oder Schaft zu behandeln sind, klingt auch in den §§ 2 2 0 Abs 1, 2 4 5 Abs 1 S 2 UmwG an (wie Κ Schmidt GesR 3 [1997], § 4 III 3 d, S 76 nicht verkennt; freilich könnten - vgl BayObLG GmbHR 1999, 606, 6 0 8 - diese Rechtsgedanken methodologisch auch einem Umkehrschluß Basis verschaffen). 101

KK-Lutter 2 $ 182 Rdn 23 ff mwN; vgl auch RG JW 1929, 645.

102

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104

Großkomm-Röhricht 4 § 27 Rdn 88; Hüffer4 § 27 Rdn 27; Pentz in: MünchKommAktG 2 § 27 Rdn 39. KK-Lutter2 Rdn 12; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 11. Hüffer4 Rdn 5; KK-Lutter 2 Rdn 12; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn

11.

105

Hüffer4

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

Rdn 6.

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

sonstiger von ihm zu vertretender Leistungsstörungen geltend macht, die daher rühren, daß die Sachleistung nicht ordentlich erbracht wird. Derartige Pflichten sind nicht mitgliedschaftlicher Natur, so daß sie von vornherein außerhalb des von Abs 1 gesteckten Rahmens liegen. 2. Untergrenze Die Mindesthöhe der Einlagepflicht wird nicht durch § 54 Abs 1, sondern durch das 4 4 Verbot der Unterpariemission gem § 9 Abs 1 geregelt (geringster Ausgabebetrag). Auch § 27 Abs 1 setzt diese Untergrenze als zulässigen Mindestausgabebetrag voraus. Sind Aktien dennoch unzulässigerweise unter pari ausgegeben worden, so schmälert das die Mindesthöhe der Einlageverpflichtung nicht: § 9 Abs 1 ist zwingendes Recht. Die Vorschrift darf auch nicht dadurch umgangen werden, daß faktisch eine Unterpariemission vorgenommen wird. Das ist etwa dann der Fall, wenn zur Plazierung von Aktien im Publikum Banken eingeschaltet werden, welche die Aktien übernehmen, die Emission im eigenen Namen durchführen (vgl § 186 Abs 5) und nach Abzug der von ihnen dafür berechneten Provision sodann der AG ein Betrag verbleibt, der den Mindestausgabebetrag nicht erreicht. 106 Keine Umgehung des § 9 Abs 1 liegt in einer Satzungsregelung, nach der die Restein- 4 5 läge aus den zu pari ausgegebenen Aktien nach § 63 Abs 1 nur bei Eintritt bestimmter Umstände eingefordert zu werden braucht. Dieses Vorgehen rührt bei Versicherungsgesellschaften (vgl insoweit § 182 Abs 4 S 2) daher, daß das unternehmerische Risiko bereits durch die Einlageforderungen abgedeckt und ihre Einziehung nur zur Deckung von Sonderrisiken oder im Krisenfall erforderlich ist. Der Entscheidungsspielraum des Vorstandes über den Zeitpunkt der Geltendmachung wird nur durch § § 3 6 Abs 2, 36a, 188 Abs 2, 203 Abs 1 S 1 eingeengt. Im übrigen kann die AG nach ihren wirtschaftlichen Bedürfnissen disponieren. Bei dieser Konstellation von einer „begrenzten Nachschußpflicht" zu sprechen, 107 ist irreführend: Es geht hier allein um die Fälligstellung der regulären, noch offenen Resteinlage.108 Ist die Resteinlage einbezahlt worden, kann sie auch dann nicht aus Gewinnen zurückgezahlt werden, wenn die Einforderung unter dem Vorwand der Rückerstattung aus späteren Gewinnen erfolgt ist. Denn darin liegt ein Verstoß gegen § 57. 109

V. Weitere Pflichten 1. Selbständige mitgliedschaftliche Zusatzpflichten Einem Aktionär zusätzlich zu seiner Einlagepflicht weitere körperschaftsrechtliche 4 6 Pflichten aufzuerlegen, ist durch das Begrenzungsprinzip des Abs 1 grundsätzlich untersagt. Die einzige Ausnahme davon findet sich in § 55. Nur nach dieser Vorschrift können den Aktionären zusätzlich zur Einlagepflicht mitgliedschaftliche (Neben-)Leistungspflichten auferlegt werden. 110

106

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108

(23)

Lutter Kapital (1964), S 162 f; ders AG 1970, 188 [dort Fußn 17]; vgl zudem B G H Z 122, 180. So Großkomm-Barz Voraufl, Anm 5; Schlegelberger/QuassowskP § 4 9 Rdn 2. RGZ 92, 315, 317.

105

110

Großkomm-Barz Voraufl, Anm 5; aA RGZ 92, 315, 317; Ritter § 4 9 Anm 3; Teichmann/Köhler3 § 52 Anm 1. Anders dagegen die allg Zulässigkeit nach § 3 Abs 2 Fall 2 GmbHG.

Hartwig Henze

§ 54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

47

Über § 55 hinaus sind nach Abs 1 als korporative Verpflichtungen insbesondere unzulässig eine (auch nur einmalige) Verlustdeckungs- oder Nachschußpflicht 111 oder andere Verpflichtungen, die dem inhaltlich entsprechen und nur in ein anderes rechtliches Gewand eingekleidet sind, ferner eine Pflicht zur Gewährung von Darlehen oder von - nicht einlagesichernden - Sicherheiten; die Verpflichtung zur Beteiligung an einer Kapitalerhöhung oder Dienstleistungs- und Lieferpflichten; des weiteren die Pflicht, Wettbewerb zu unterlassen, einer Vereinigung beizutreten 112 oder aus einer solchen nicht auszutreten; Gesellschaftsämter zu übernehmen, Rechtsgeschäfte gegenüber der AG oder Dritten vorzunehmen 113 oder der AG oder Dritten An- oder Vorkaufsrechte einzuräumen; ebenso die Festlegung des Aktionärs auf ein bestimmtes Abstimmungsverhalten in der Hauptversammlung; desgleichen eine satzungsmäßig statuierte Pflicht zur Eingehung einer Konsortialbindung. 114 Unzulässig ist auch jegliche mitgliedschaftlich auferlegte Verfügungsbeschränkung über die Aktie (soweit es sich dabei nicht um einen Zustimmungsvorbehalt iSd § 68 Abs 2 handelt). Dazu gehören etwa ein satzungsmäßig geschaffenes Verbot der Verpfändung oder Sicherungsübereignung, der Unter- oder Überwertveräußerung von Mitgliedschaftsrechten oder deren Übertragung nur gegen einen von der AG im voraus oder bei Veräußerung zu bestimmenden Fixpreis; ebenso die Begründung einer - wenn auch umstandsabhängigen - aktienrechtlichen Pflicht zur Übertragung der Aktie auf die AG oder Dritte; 115 letzteres darf in förmlicher Umgehung von Abs 1 auch nicht dadurch zu erreichen versucht werden, daß die AG die Mitgliedschaftsübertragung an Dritte herbeiführt, indem sie die Aktie der Zwangseinziehung durch Auslosung unterwirft. 1 1 6

48

Unzulässig sind schließlich körperschaftliche Vereinbarungen, die Vertragsstrafen oder eine Einziehung der Mitgliedschaft vorsehen, um den Aktionär zur Einhaltung einer der vorgenannten Verpflichtungen anzuhalten. 1 1 7 Das folgt für Vertragsstrafen bereits allgemein aus § 344 BGB und ergibt sich darüber hinaus für diese sowie für den Entzug der Mitgliedschaft im speziellen daraus, daß Vertragsstrafe und Kaduzierung nach der abschließenden Regelung der §§ 63, 64 ausschließlich hinsichtlich der Einlagen und nur unter den dort beschriebenen Voraussetzungen zulässig sind (vgl § 64 Rdn 9ff). 2. Unselbständige Nebenpflichten

49

In zulässiger Weise können weitere, zur Einlagepflicht hinzutretende Aktionärspflichten dann begründet werden, wenn sie in der Satzung festgesetzt sind und bloße Hilfspflichten zur Sicherung der Erfüllung noch ausstehender Einlagen darstellen (allgM). Sie sind im Verhältnis zur Einlageschuld unselbständig; eine Überhöhung der Einlageschuld tritt durch sie nicht ein. Ihre Erfüllung bewirkt grundsätzlich keinen den Ausgabebetrag überschießenden Wertzuwachs zugunsten der AG. Namentlich gehören hierher die Verpflichtung zur Hingabe von (Rest-)Einlagesicherungen in Form einer Hypothekenbestellung, Pfandrechtseinräumung oder eines Wechselakzeptes, 118 wie auch

111

112 113

114 115 116

Anders dagegen die Regelungen gem §§ 2 6 - 2 8 GmbHG. RGZ 49, 77. RG JW 1900, 18; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 20. KK-Lutter 2 Rdn 15. RGZ 49, 77, 79. KK-Lutter 1 Rdn 16; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 21; Großkomm-

117

118

Barz Voraufl, Anm 7; ν GodinJWilhelmi 4 Anm 10; nicht gefolgt werden kann der aA von RGZ 120, 177, 180 m krit Anm Nord JW 1928, 2617 sowie Simon und Goldschmidt JW 1928,2618. RGZ 49, 77, 80; RG J W 1904, 218; 1928, 2622 ff. RGZ 92, 315, 317; KG JW 1930, 2712, 2713; OLG Dresden Z H R 40 (1892), 501.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§

54

die Pflicht, eine Adressenänderung oder den Tod des Aktionärs an die Gesellschaft mitzuteilen. 119 Verletzt ein Aktionär eine solche, ihm nach der Satzung obliegende Hilfspflicht, so darf der AG allerdings - zusätzlich zur Einlageforderung - kein Recht auf Kapitalzufluß erwachsen; insbesondere ist eine Ahndung mit einer Vertragsstrafe unzulässig. Denn anderenfalls würde die von Abs 1 gezogene Obergrenze mittelbar überschritten. 120 Unzulässig als Sanktion zur Erzwingung der Nebenpflichterfüllung ist überdies alles, was aus sonstigen aktienrechtlichen Gründen dem Aktionär nicht als mitgliedschaftliche Pflicht auferlegt werden darf. Die AG darf daher für den Fall, daß die Einlageerbringung gefährdet ist, in der Satzung keinen Anspruch auf Übertragung der Aktie an sich oder Dritte begründen. 121 Im übrigen kommt wegen des abschließenden Charakters des § 64 auch ein Ausschluß des Aktionärs bei einer derartigen Pflichtverletzung nicht in Betracht. Die Verletzung einer Hilfspflicht durch einen Aktionär kann folglich nicht mit seinem Ausschluß aus der AG sanktioniert werden.

50

Zu den satzungsmäßig statuierten unselbständigen Hilfsnebenpflichten ist auch die 51 Vertragsstrafe iSd § 63 Abs 3 zu zählen. Die Regelung weist die Besonderheit auf, daß sie - ausnahmsweise - einen eigenen vermögensrechtlichen Inhalt aufweist. Die Vorschrift lockert damit - abgesehen von der echten Ausnahme des § 55 - als Einzelfall den ansonsten strikten Begrenzungsgrundsatz des Abs 1. Beim Erlöschen der Einlageschuld geht die Hilfspflicht entsprechend ihrem Charakter als im Verhältnis zur Einlagepflicht unselbständige Nebenpflicht mit unter.

52

3. Pflichten aus schuldrechtlicher Vereinbarung122 a) Zulässigkeit. Aufgrund der Vertragsautonomie steht es den Aktionären - gleich Dritten - grundsätzlich offen, jederzeit und in beliebigem Umfang besondere, zur Einlagepflicht hinzutretende nicht korporative Pflichten auf schuldrechtlicher Grundlage gegenüber der AG einzugehen. 123 Abs 1 steht dem nicht entgegen, weil er nur die mitgliedschaftliche Pflicht zur Einlage betrifft, und Sinn und Zweck dieser Vorschrift erfordern auch nicht ihre entsprechende Anwendung auf solche auf schuldrechtlicher Grundlage vereinbarten Sonderpflichten. Denn solche Pflichten unterliegen grundsätzlich den für einzelvertragliche Regelungen maßgebenden Rechtsvorschriften, ohne daß korporationsrechtliche Grundsätze Einfluß auf sie ausüben. 124

53

b) Entstehung. Diese Sonderpflichten werden wie alle schuldrechtlichen Pflichten durch Individualvereinbarung nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts begründet. Formerfordernisse bestehen demnach nur, wenn sie dort aufgestellt sind (zB

54

119

O L G Karlsruhe OLG-Rspr 4 3 , 3 0 9 .

120

KG J W 1 9 3 0 , 2 7 1 2 , 2 7 1 3 (m unzutreff [abl] Anm Heymann); Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Heferraehl, Rdn 2 3 .

123

Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 8; ν GodtnJ Wilkelmi4 Anm 13. 122 vgl zudem ausführl Großkomm-Röhricht* § 2 3 Rdn 2 3 8 ff m w N ; Pentz in: MünchK o m m A k t G 2 § 2 3 Rdn 187ff; ferner HüfferA § 2 3 Rdn 4 5 ff; parallel hierzu ebenso Scholz/Emmerich G m b H G 9 § 3 Rdn 61 ff, 71 ff m w N ; Lutter/Hommelhoff G m b H G 1 5 § 3 Rdn 4 7 f.

Rdn 2 1 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2 6 ; ν Godin/ Wilhelmi4 Anm 10; G r o ß k o m m - ß a r z Voraufl, Anm 10; aA grsl R Fischer in: EhrenbergHdb III 1, S 3 7 6 ff.

121

(25)

R G Z 7 4 , 3 3 ; 79, 3 3 2 , 3 3 5 ; 83, 2 1 6 , 2 1 8 ; 8 4 , 3 2 8 , 3 3 0 ; Hüffer4 Rdn 7 ; K K - L u t t e r 2

124

Z u m umgekehrten Fall der Auswirkung von Nebenabreden auf die Satzung vgl die N a c h w bei Henze AktienR 4 ( 2 0 0 0 ) , Rdn 2 8 - 5 8 .

Hartwig Henze

§ 54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

§§ 3 1 3 , 5 1 8 , 7 6 6 , 7 8 0 - 7 8 2 , 8 7 3 B G B ) . Für die wirksame Entstehung ist es unerheblich, o b die pflichtbegründende Vereinbarung in der Satzung niedergelegt wird. Die A u f n a h m e in die Satzung ist einerseits nicht notwendig, andererseits aber auch unschädlich, weil es ein Verbot der Aufnahme nichtkörperschaftlicher Vereinbarungen in die S a t z u n g s u r k u n d e nicht g i b t . 1 2 5 Werden sie aber in die Satzung a u f g e n o m m e n , ist es r a t s a m , ihren Rechtsc h a r a k t e r klarzustellen, u m das Entstehen von Zweifelsfällen und Auslegungsschwierigkeiten von vornherein zu vermeiden. 55

Zulässig ist auch, d a ß alle A k t i o n ä r e sich in einer untereinander getroffenen Abrede schuldrechtlich gegenseitig binden oder gem § 3 2 8 B G B zu einer Leistung gegenüber der A G verpflichten. 1 2 6 Sind solche lediglich untereinander getroffenen Absprachen auf Stimmbündelung gerichtet (Poolvertrag), 1 2 7 so verstößt dies weder gegen § 136 A b s 2 noch gegen § 4 0 5 Abs 3 N r 6 und N r 7 . 1 2 8 D u r c h die schuldrechtliche Bindung formieren sich die A k t i o n ä r e zu einer Gesellschaft bürgerlichen R e c h t s (§§ 7 0 5 ff B G B ) . 1 2 9 Bei Beteiligung sämtlicher Mitglieder soll solchen Abreden uU körperschaftliche W i r k u n g zukommen können.130

56

c) Inhalt, aa) Allgemein. Gegenstand schuldrechtlicher Sondervereinbarungen kann jede Pflicht sein, m a g sie einmalig, wiederkehrend oder dauernd, entgeltlich oder unentgeltlich sein, der Gesellschaft Vermögensgegenstände nur vorübergehend oder endgültig zufließen zu lassen. 1 3 1 Sie k a n n nach ihrer Beschaffenheit oder aufgrund Vereinbarung mit dem Ende der Mitgliedschaft entfallen oder darüber hinaus weiterbestehen. Gegenstand einer schuldrechtlichen Pflicht k ö n n e n auch solche Umstände sein, die nach den Grundsätzen der §§ 5 4 Abs 1, 5 5 als körperschaftliche Zusatzpflichten nicht in Betracht k o m m e n (zB Ausgleich von Verlusten der A G , G e w ä h r u n g eines Gesellschafterdarlehens, vgl R d n 4 7 ) . 1 3 2

57

bb) Einlageähnliche Finanzierungszusagen. Verpflichtet sich ein A k t i o n ä r - in Ergänzung zu seiner Einlagepflicht - aufgrund Individualvertrages zur Einbringung von weiterem Kapital (auch: N u t z u n g s ü b e r l a s s u n g 1 3 3 ) , so wird dadurch der Form nach zwar

125 126

127

128

KK-Lutter 1 Rdn 24; Priester DB 1979, 681. Zu solchen satzungsergänzenden Nebenabreden vgl ua BGH NJW 1983, 1910; 1987, 890 und 1890 m Anm Ulmer 1849; Großkomm-Röhricht* § 23 Rdn 2 3 8 - 2 7 7 mwN; Hüffer4 § 23 Rdn 45^*7; Henze AktienR4 (2000), Rdn 2 8 - 5 8 ; Dürr BB 1995, 1365; Hoffmann-Becking ZGR 1994, 442; Flume JZ 1987, 572; König Der satzungsergänzende Nebenvertrag (1996); Noack Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften (1994); Köhler Nebenabreden im GmbHund Aktienrecht (1992).

129

Vgl dazu Κ Schmidt GesR 3 (1997), § 21 II 4, S 617 ff mwN; auch GroßkommRöhricht4 S 23 Rdn 241 mwN; krit Hüffer4 S 133 Rdn 25 ff. Hirte KapitalgesR2 (1999), Rdn 425; Hüffer4 § 136 Rdn 25.

133

130

131 132

Vgl BGHZ 126, 226; Westermann ZGR 1996, 272; Henze AktienR4 (2000), Rdn 783 ff. Näher BGH NJW 1983, 1910; 1987, 1890 m Anm Ulmer 1849 [beide zur GmbH]; vgl zu weit Rsprnachw und zum Diskussionsstand im Schrifttum Henze AktienR4 (2000), Rdn 2 8 - 5 8 ; ferner Κ Schmidt GesR 3 (1997), § 5 I 5, S 99 ff. Vgl LG Mainz ZIP 1986, 1323. BGH AG 1970, 86 f; RGZ 79, 332, 335; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 27; Brixner/Brixner AG 1965, 264. OLG Karlsruhe ZIP 1996, 918, 922 m Anm Altmeppen 909 = GmbHR 1996, 524 m Anm Kallmeyer sowie Drygala 481 (der verkennt, daß der „Finanzplankredit" kein Unterfall innerhalb des Eigenkapitalersatzrechtes ist); ferner Habersack ZHR 161 (1997), 457, 486 ff; Fleischer EWiR 1996,

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§ 54

keine mitgliedschaftliche Verpflichtung iSv § 54 begründet; es handelt sich bei dem zuzuführenden Wertposten auch nicht um eigenes Gesellschaftskapital iSv § 266 Abs 3 A HGB. Es kann indessen die schuldrechtliche Vereinbarung zur Gewährung dieses Kapitals inhaltlich derartig ausgestaltet sein, daß der zu leistende Kredit der Sache nach funktional als gesellschaftseigenes Kapital dienen und absprachegemäß als solches Risikokapital zu behandeln sein soll. 134 In diesem Fall hat der Fremdkredit, ohne Einlage zu sein, kraft Vereinbarung einlagegleichen Charakter (sog Finanzplankredit).135 Ob ein Finanzierungsversprechen zur Aufbringung von in diesem Sinne „materiellem Eigenkapital" abgegeben wurde, hängt davon ab, ob die vereinbarungsgemäß herbeigeführten Wirkungen der Kredithingabe unter Berücksichtigung der ihr zugrunde liegenden, in der Vereinbarung zum Ausdruck gebrachten oder anklingenden Motive denen gleichkommen, die von dem aufgrund mitgliedschaftlicher Bindung aufgebrachten Kapital ausgehen. Tragende sachliche Kennzeichen 136 des Eigenkapitals sind: Bindungswirkung 137 und Haftfunktion von Kapital, dessen Zurverfügungstellung aus einem inneren Zusammenhang zwischen Gesellschaftereigenschaft und Unternehmensrisiko resultiert und das in diesem Sinne als mitgliedschaftsbedingter Kredit gedacht ist. 138 Das kann für einen Fremdkredit erreicht werden, indem der Kreditvertrag eine langfristige oder gar unbefristet für die Gesellschaftsdauer geltende Laufzeit festlegt 139 und der den Kredit versprechende Gesellschafter

553; Gandenberger in: BeckHdb G m b H 2 (1999), § 8 Rdn 332f; ν Gerkan ZGR 1997, 173, 196 f; Oppenländer G m b H R 1998, 505, 508 f (mit Rechtsgestaltungsvorschlägen für die Betriebsaufspaltung, S 510 f); iü bereits Ulmer FS Kellermann (1991), S 485, 496 f. 134 Nicht selten erscheint im Aktienrecht die Überlassung von ergänzendem Risikokapital bei Genußrechten mit Eigenkapitalcharakter; vgl dazu BGHZ 119, 305; Hüffer4 § 221 Rdn 22 ff, 31 ff mwN; Großkomm-Wiedemann 4 Vor § 182 Rdn 110 ff; ferner die Regelung in § 10 Abs 5 KWG. 135

BGHZ 142, 116 ff = NJW 1999, 2809 m Anm Altmeppen = ZIP 1999, 1263 m Anm Κ Schmidt 1241 = J Z 2000, 309 m Anm Dauner-Lieb = BB 1999, 1672 m Anm Thümmel = N Z G 1999, 880 m Anm Heidinger 999 = GmbHR 1999, 911 m Anm Brauer = DStR 1999, 1198 m Anm Goette = EWiR 1999, 843 (Dauner-Lieb); außerdem Fleischer DStR 1999, 1774; Steinbeck ZGR 2000, 503; Habersack ZGR 2000, 384, 410 ff; Sieger/Aleth GmbHR 2000, 462; Η Ρ Westermann DZWir 2000, 1, 9 f; ausführl Fleischer Finanzplankredite (1995); Habersack Z H R 161 (1997), 457; ferner Dauner-Lieb in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Teil 9; Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 § 32a/b Rdn 169 ff; Scholz/K Schmidt G m b H G 9 S S 32a/32b Rdn 85ff, 91 ff. Zur Finanz-

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planleistung iRd Betriebsaufspaltung BGHZ 121, 31 = BB 1993, 240 m Anm EbenrothIWilken 305, 307; vgl auch die Rspr zur „gesplitteten Kommanditeinlage" in der Publikums-KG (zusammenfass Wilken ZIP 1996, 61): BGHZ 70, 61, 63; 93, 159, 161; ferner BGHZ 104, 33, 39; BGH NJW 1980, 1522; 1981, 2251; 1982, 2253 m Anm Κ Schmidt; 1985, 1079; zusammenfass Κ Schmidt GesR 3 (1997), S 18 III 3, S 527 ff und S 57 III 2, S 1681 ff. 136

137

138

139

Eine formale Unterscheidung liegt darin, daß nach Freradkapitalgewährung ein schuldrechtlicher Anspruch gegen die Gesellschaft besteht, nach Eigerckapitalzufuhr hingegen nicht. Nach Wiedemann FS Beusch (1993), S 893, 896 sowie ders Großkomm 4 Vor S 182 Rdn 5: „Investitionsfunktion". Κ Schmidt FS Goerdeler (1987), S 487, 491; ders GesR 3 (1997), § 18 II 2, S 514 ff; Habersack Z H R 161 (1997), 457, 480 f; Michalski/de Vries N Z G 1999, 181, 183 f; vgl auch ν Gerkan ZGR 1997, 173, 193 f; vgl ferner Wiedemann FS Beusch (1993), S 893, 896 ff; zu weitgehend Hommelhoff/ Kleindiek FS 100 Jahre G m b H G (1992), S 421, 440 f, die neben der mitgliedschaftsbedingten Gewährung nicht auf eine Bindungswirkung abstellen wollen, sondern auf die Unentbehrlichkeit der Mittel. Vgl BGHZ 121, 31, 40; OLG Karlsruhe ZIP 1996, 918, 924.

Hartwig Henze

§ 54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

auf jedes, auch ein krisenbedingt außerordentliches Kündigungsrecht verzichtet 140 und/ oder für den Eintritt des Insolvenzfalles einen Rangrücktritt in Kauf nimmt bzw eine Rückgabe des Kredits in zu § 271 ähnlicher Weise ausschließlich aus erwirtschafteten Überschüssen erfolgen darf (im Rahmen des § 58 Abs 3 S 2); all dies verdeutlicht, daß der Kredit aus dem Aktionärsvermögen isoliert (Bindung), planmäßig auch für den Fall einer Krise zur Finanzierung in das Gesellschaftsvermögen geleistet und dort verbleiben und somit wie Eigenkapital der Stabilisierung dienen soll (Haftung). Der Voraussetzung eines mitgliedschaftsbedingten Kreditversprechens kann vermutetermaßen dann genügt sein, wenn die Finanzierungspflicht mit jedem oder immerhin der Mehrheit der nicht gänzlich einflußlosen Gesellschafter vereinbart worden ist und die Höhe der Beträge beteiligungsproportional ausgerichtet ist. 141 Daß die Finanzierungspflicht in der Satzungsurkunde niedergeschrieben ist, die zu erbringende Finanzierungsleistung zur Erreichung des Gesellschaftsziels unverzichtbar ist 1 4 2 oder eine Kreditverzinsung nicht oder kaum erfolgen soll bzw der Kredit sonst unter nicht drittgleichen Konditionen (etwa: sicherungslos) zu gewähren ist, 1 4 3 gehört nicht zu den notwendigen Voraussetzungen dafür, die zugesagte Leistung als gewillkürtes Haftkapital ansehen zu können. 1 4 4 Dies sind aber ergänzende Aspekte, infolge derer eine dahingehende Schlußfolgerung um so mehr geboten sein wird. 145 58

Der Rechtsgrund für die Verpflichtung zur Hingabe eines Finanzplankredits wird im Aktienrecht - anders als nach § 3 Abs 2 Fall 2 GmbHG - kein mitgliedschaftlicher sein können: An eine (echte) mitgliedschaftsrechtliche Nebenpflicht nach § 55 Abs 1 S 1 ist nicht zu denken, da dort ein unbarer Leistungsinhalt sowie eine periodische Leistungspflicht vorausgesetzt wird, was für den vorliegenden Zusammenhang beides nicht paßt. Der rechtlichen Einordnung als einlagegleiche Nebenpflicht steht es indessen nicht entgegen, wenn der Rechtscharakter dieser Pflicht kein aktienrechtlich mitgliedschaftlicher ist, sondern es sich um eine Verpflichtung schuldrechtlicher Natur handelt. 146 Denn der Unterschied beider Arten von Pflichten erschöpft sich darin, daß mitgliedschaftliche Pflichten bereits an die Aktionärseigenschaft als solche knüpfen, also alle Aktionäre und auch deren jeweilige Nachmänner ohne weiteres binden, während schuldrechtliche Kreditabreden mit jedem Gesellschafter einzeln zu treffen sind und für einen Anteilserwerber nur in den Grenzen der §§ 414, 415 BGB Bindung entfalten; daraus ist aber nicht ableitbar, daß für schuldrechtliche Pflichten kein zu mitgliedschaftlichen Nebenpflichten sachlich vergleichbares Ergebnis herbeigeführt werden könnte. Da sich - in der Regel - alle Gründungsmitglieder einer derartigen Verpflichtung unterwerfen sollen, ist es sinnvoll, eine Konsortialabrede (Vertrag iSv § 705 BGB) zu treffen. Als Gründungsmitglieder kommen dann nur Personen in Betracht, die zugleich dem Konsortium (GbR) beitreten. 147 Eine Bindung von Anteilserwerbern im Wege der Einzelrechtsnachfolge kann in diesem Rahmen dadurch erreicht werden, daß der Anteilserwerber der GbR beitritt. Eine Sicherstellung dieses Beitritts wird - nur - ermöglicht, indem Namensaktien (§ 10 Abs 1) ausgegeben werden und deren Übertragbarkeit an die 140

Habersack Z H R 161 (1997), 457, 4 8 2 ; Altmeppen ZIP 1996, 909, 911; vgl auch BGH N J W 1987, 1080, 1 0 8 2 .

141

Vgl Fleischer Finanzplankredite (1995), S 128 ff, 156 ff; krit Habersack Z G R 2 0 0 0 , 3 8 4 , 413. Vgl B G H Z 104, 33, 4 1 ; BGH W M 1997, 5 7 6 ; zu sehr darauf abstellend Sieger/Aleth GmbHR 2 0 0 0 , 4 6 2 , 4 6 3 f.

142

143

Vgl BGH W M 1997, 5 7 6 ; Lutter/Hommelhoff G m b H G 1 5 § 3 2 a / b Rdn 176.

144

Vgl Habersack Z H R 161 (1997), 457, 481 f. Michalski/de Vries N Z G 1999, 181, 184. Zutreff Sieger/Aleth GmbHR 2 0 0 0 , 4 6 2 , 4 6 6 ; vgl auch B G H Z 142, 116 [LS a), S 2], Vgl dazu Scholz/K Schmidt G m b H G 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 87.

145 146

147

Stand: 1. 3. 2000

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

Zustimmung der AG gebunden wird (Vinkulierung, § 68 Abs 2 S 1). Als Grund für die Verweigerung der Zustimmung kann die Satzung das Fehlen des Beitritts zu der G b R aufführen (§ 68 Abs 2 S 4). Somit ist die Kontinuität von Anteilseignerschaft und persönlicher Finanzplanverpflichtung kontrollierbar (vgl Rdn 70). In jedem Fall sind die in ihrer rechtlichen Anlage unterschiedlichen Wirkungsweisen beider Arten von Pflichten nicht geeignet, auch einem auf schuldrechtlicher Grundlage zugesagten Kredit seine Qualifizierbarkeit als „materielles Eigenkapital" zu nehmen. Insbesondere setzt danach bei der Prüfung der sachlichen Kriterien des „materiellen Eigenkapitals" das Merkmal mhgYiedschaftsbedingter Kreditgewährung (Rdn 57) nicht notwendig das Bestehen einer mitgliedschahsrechtlichen Kreditabrede voraus. Immerhin mag - im Recht der GmbH - der Umstand, daß es sich um eine gesellschaftsrechtliche Pflicht handelt, ein zusätzlicher Indikator dafür sein, daß die Begründung der (dann: Finanzplan-)Verpflichtung aus einem inneren Zusammenhang zwischen Gesellschaftereigenschaft und Unternehmerrisiko resultiert. Ein Finanzierungsversprechen der beschriebenen Art hat zur Konsequenz, daß ab dem Eintritt der Krise dem Gesellschafter eine Berufung auf die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft (vgl §§ 610, 775 Abs 1 Nr 1 BGB) versagt ist. Nach der zum GmbH-Recht ergangenen Entscheidung des B G H folgt aus einer derartigen Kreditzusage außerdem, daß jede für die Gesellschaft nachteilige Änderung der Kreditabrede sowie insbesondere die Aufhebung der Finanzierungsverpflichtung nur außerhalb einer Krise möglich sei; ab dem Eintritt der Krise soll den Parteien zum Wohle der Gesellschaft und deren Gläubiger die privatautonome Gestaltungsmacht entzogen sein. 1 4 8 Dem kann nicht gefolgt werden: Es sind keine Gründe ersichtlich, diesen in zeitlicher Hinsicht für die Umqualifizierung eines Fremdkredits in Eigenkapitalersatz maßgebenden Grundsatz (vgl § 5 7 Rdn 98, 100) vorbehaltlos auf Finanzplankredite zu übertragen. Darauf ist auch bereits hingewiesen worden. 1 4 9 Solange nicht im Hinblick auf die für die Gesellschaft bestehende Gläubigerposition die Verwaltungs- und Verfügungsrechte infolge der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (§ 2 7 InsO) auf den Insolvenzverwalter übergegangen sind (§ 80 InsO), ist die Finanzplanabrede noch nicht kraft objektiven Rechts unabänderlich, mag im Einzelfall auch durch eine in Krisenzeiten vorgenommene Aufhebung der Finanzierungsverpflichtung ein Treupflichtverstoß seitens des Gesellschafters bzw ein Verstoß gegen die Sanierungspflicht (§ 93 Abs 1 S 1) seitens der Geschäftsleitung in Betracht kommen. Nach Eintritt des Insolvenzfalles allerdings zeigt ein Einvernehmen von Gesellschaftern und Geschäftsleitung, das auf die Änderung der Finanzierungszusage zielt, keine Rechtswirkung. Der Insolvenzverwalter kann daher, soweit zur Gläubigerbefriedigung erforderlich, die Einzahlung noch ausstehender Kreditbeträge verlangen. 1 5 0

148

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Nach BGHZ 142, 116, 117, 121 soll das aus einer „sinnentsprechenden Heranziehung der gesetzlichen Regeln" über „die Befreiung von eingegangenen, aber nicht vollständig erfüllten Einlagepflichten" - vgl § 19 Abs 2 u 3 GmbHG - herzuleiten sein; zust Lutter/Hommelhoff GmbHG 15 § 32a/b Rdn 171; krit zur Argumentationslinie, im Erg aber ähnlich Fleischer DStR 1999, 1774, 1778 f, der den Rechtsgedanken des § 328 BGB fruchtbar zu machen sucht (was von Dauner-Lieb JZ 2000, 309, 314 als „lebensfremd" bezeichnet wird.)

149

150

Röhricht in: GesR in der Diskussion 1999, Bd 2 (2000), S 24; Altmeppen NJW 1999, 2812, 2813; ders FS Sigle (2000), S 211 ff; Κ Schmidt ZIP 1999, 1241, 1247, 1250; Scholz/dm GmbHG9 §§ 32a/32b Rdn 97; Steinbeck ZGR 2000, 503, 518 f, 522; Η Ρ Westermann DZWir 2000, 1, 10; Dauner-Lieb J Z 2000, 309, 313 f. Vgl BGHZ 104, 33, 38 f, 43 mwN; 142, 116, 120 f; BGH WM 1997, 576, 577; Lutter/ Hommelhoff GmbHG 15 § 32a/b Rdn 183; Michalski/de Vries NZG 1999, 181, 184; Habersack ZHR 161 (1997), 457, 490;

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§ 54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Soweit in der Entscheidung des B G H ausgeführt wird, die Vereinbarung über den Finanzplankredit sei nur mit der für Satzungsänderungen erforderlichen Mehrheit unter Einhaltung der Vorschriften über eine Kapitalherabsetzung (§ 2 2 2 Abs 1) möglich, 1 5 1 könnte das allenfalls für eine Finanzplanregelung zutreffen, die - denkbar gemäß § 3 Abs 2 Fall 2 GmbHG - auf satzungsrechtlicher Grundlage vereinbart ist, was für das Aktienrecht jedoch praktisch ausscheidet (Rdn 58). Unter welchen Voraussetzungen eine von den Gesellschaftern untereinander getroffene schuldrechtliche Nebenabrede einlagegleicher Ergänzungsfinanzierung aufgehoben werden kann, hängt von Art und Inhalt der jeweiligen Abrede ab; zu denken ist hier an § 7 2 3 Abs 1 und 3 BGB. Bei Einzelverträgen zwischen der AG und ihren Aktionären sind die getroffenen Individualabsprachen maßgebend (vgl auch Rdn 67). Seinen Charakter als einer Einlage gleichstehender Finanzplankredit verliert die versprochene Leistung erst und lediglich dann, wenn die der Kreditgewährung zugrunde liegenden Maßgaben - ggf unter Einhaltung allgemein geltender Förmlichkeiten - inhaltlich so geändert werden (Rdn 59, 67), daß die sachliche Kennzeichnung als „Eigenkapital" entfällt. Hat der Gesellschafter einen zugesagten Finanzplankredit gewährt, unterliegt das Geleistete in den Grenzen der schuldrechtlichen Bindung als gewillkürtes Haftkapital der Kapitalerhaltung (§ 5 7 Rdn 159). 1 5 2 Nach der Hingabe des Kredits wird sich in Krisenzeiten die Bindung des Kredits daneben153 freilich stets auch aus den einschlägigen Regeln über den Eigenkapitalersatz (§ 5 7 Rdn 98 ff, 144 ff, 2 2 8 ff) ergeben: Bedeutet nicht schon die Gewährung des Kredits eine in diesem Sinne Ersetzung benötigten Kernkapitals (§§ 7, 2 3 Abs 3 Nr 3, 150, 3 0 0 ) , so wird dem Gewährten immerhin infolge Stehenlassens iVm der antizipierten Finanzierungsentscheidung der eigenkapitalersetzende Charakter beizumessen sein (ausführl § 5 7 Rdn 161 ). 1 5 4 ders ZGR 2000, 384,418; Voigt WiB 1997, 756; Hommelhoff/Kleindiek FS 100 Jahre GmbHG (1992), S 421, 441; vgl zur eigenkapitalgleich versprochenen Einlage eines stillen Gesellschafters OLG Frankfurt GmbHR 1997, 892. - Zweifelnd Altmeppen NJW 1999, 2812, 2813 f: Stets sei genau zu prüfen, ob die Finanzierungszusage auch für den Insolvenzfall eine Valutierungspflicht beinhalten sollte, was regelmäßig deshalb zu bezweifeln sei, weil in diesem Fall feststeht, daß ein durch die Valutierung geplanter Stabilisierungseffekt genauso wie das Gesellschaftsziel, zu dessen Erreichung die Valuta etwa nötig gewesen wäre, nicht mehr eintritt; ebenso Dauner-Lieb JZ 2000, 309, 314. 151 BGHZ 142, 116, 121 läßt § 58 GmbHG anklingen; aA - wohl zutreff - die hL: Fleischer Finanzplankredite (1995), S 162ff; ders DStR 1999, 1774, 1777 f; Habersack ZHR 161 (1997), 457, 479 f; ders ZGR 2000, 384, 414 ff; Altmeppen NJW 1999, 2812, 2813; Κ Schmidt ZIP 1999, 1241, 1250; Sieger/Aleth GmbHR 2000, 462, 471. 152 vgl - obschon mit teils mißverständlicher Formulierung („eigenkapitalersetzend") -

153

154

OLG München NZG 1999, 775 f: Gesellschaftsdarlehen, die vereinbarungsgemäß „nach individueller Kapazität" zuzuführen sind, unterliegen wie Eigenkapital den Kapitalerhaltungsvorschriften; ebenso Ebenroth/Wilken BB 1993, 305, 307; Habersack ZHR 161 (1997), 457, 490; auch Hommelhoff/Kleindiek FS 100 Jahre GmbHG (1992), S 421, 441 ff. Siehe § 57 Rdn 160 f: Eigenkapitalersatz und Finanzplankredit sind voneinander unabhängige Rechtsinstitute, die jedoch parallel eingreifen können (vgl BGHZ 142, 116; zutreff ν Gerkan ZGR 1997, 173, 193; Habersack ZHR 162 [1998], 201, 211 f; ders ZGR 2000, 384, 412; Κ Schmidt ZIP 1999, 1241, 1243, 1250; Michalski/de Vries NZG 1999, 181, 183, 185; Fleischer DStR 1999, 1774 f, 1780; Lutter/Hommelhoff GmbHG15 32a/32b Rdn 172; Gandenberger in: BeckHdb GmbH2 (1999), § 8 Rdn 225; unrichtig BFH GmbHR 1999, 1041 m krit Anm Hoffmann; Drygala GmbHR 1996, 481 ). Scholz/K Schmidt GmbHG9 §§ 32a/32b Rdn 37; Steinbeck ZGR 2000, 503, 521; vgl auch ν Gerkan ZGR 1997, 173, 195.

Stand: 1. 3. 2000

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

cc) Grenzen. Die inhaltlichen Grenzen schuldrechtlicher Sondervereinbarungen werden durch die Vorschriften der §§ 134, 138 BGB gezogen, zu denen aus dem Aktiengesetz noch § 136 Abs 2 hinzukommt (Nichtigkeit von Stimmbindungsverträgen mit bestimmtem Inhalt).

61

dd) Auslegung. Unabhängig davon, ob die Nebenvereinbarung in die Satzung aufgenommen worden ist, gelten entsprechend ihrer schuldrechtlichen Natur für die Ermittlung des Inhaltes die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 B G B , 1 5 5 nicht hingegen die objektiven Grundsätze zur Satzungsauslegung; 156 letztere sind ausschließlich für echte körperschaftsrechtliche Bestimmungen heranzuziehen. 157 Bei alleiniger Anwendung der §§ 133, 157 BGB muß es nach h M auch dann bleiben, wenn Dritte ein Interesse an der Vereinbarung erlangen und auf den Text der Satzung vertrauen. 1 5 8

62

ee) Uberprüfbarkeit. Nichtkorporative Pflichten unterliegen keiner unbeschränkten revisionsgerichtlichen Nachprüfbarkeit; es bleibt für sie bei den allgemeinen Grundsätzen der §§ 5 4 9 f Z P O . 1 5 9

63

d) Abgrenzung. Vereinbarungen, die nicht in die Satzung aufgenommen worden sind, können grundsätzlich keine korporationsrechtlichen Pflichten begründen. 1 6 0 O b das allerdings auch dann gilt, wenn der Vereinbarung alle Gesellschafter zugestimmt haben, ist umstritten. 161 Für die Wirksamkeit förmlich in die Satzung eingestellter Sondervereinbarungen, die als korporative unter Abs 1 unzulässig, als persönliche allerdings zulässig sind, erlangt die Qualifizierung einer bestimmten Pflicht als korporations- oder schuldrechtliche entscheidende Bedeutung. O b die Vereinbarung als mitgliedschaftliche anzusehen ist oder als schuldrechtliche Nebenpflicht jedes Aktionärs gewollt ist, der an ihrem Zustandekommen beteiligt war und ihr zugestimmt hat, muß - bei fehlendem Klarstellungszusatz - im Zweifel durch Auslegung festgestellt werden. Die Intentionen der Beteiligten sollen dabei nur berücksichtigt werden können, wenn sie im Satzungswortlaut oder in sonstigen objektiven Umständen ihren Niederschlag gefunden haben. 1 6 2 Da jedoch in solchen Fällen nicht bezweifelt werden kann, daß die Aktionäre, welche die Satzung aufgestellt haben, eine Verpflichtung eingehen wollten, kann zumindest eine persönliche Einzelschuld jedes Aktionärs angenommen werden. 1 6 3 Davon kann insbesondere dann ausgegangen werden, wenn die Festsetzung nicht alle Aktionäre binden soll. 1 6 4

64

155

Vgl B G H Z 1 4 2 , 116, 123, 1 2 4 f.

156

Siehe dazu Hüffer4 § 2 3 Rdn 3 9 ; Großkomm-Röhricht4 § 2 3 Rdn 2 9 ff; Κ Schmidt GesR 3 ( 1 9 9 7 ) , § 5 I 4, S 9 3 ff; Henze Aktie n R 4 ( 2 0 0 0 ) , Rdn 14 ff, je m w N ; krit Scholz/Emmerich G m b H G 9 § 2 Rdn 3 3 ff.

157

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3 2 ; vgl auch SdwAzIEmmerich G m b H G 9 § 3 Rdn 6 3 .

158

B G H L M S 5 4 9 Z P O N r 2 5 [zur GmbH]; Großkomm-Röhricht 4 § 2 3 Rdn 35; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 32; Priester DB 1979, 6 8 1 , 6 8 6 ; aA KKLutter2 Rdn 2 5 ; K K - K r a f t 1 § 2 3 Rdn 104.

159

BGH L M S 5 4 9 ZPO Nr 25; N J W 1992, 1967.

160

Vgl K K - Z ö l l n e r 2 § 1 7 9 Rdn 8, 11.

(31)

161

Vgl B G H ZIP 1 9 8 3 , 2 9 7 ; 1987, 2 9 3 , 2 9 5 ; zurückhaltend B G H Z 123, 15; tendenziell zust Noack Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften ( 1 9 9 4 ) , S 1 0 7 ff; Η Ρ Westermann Satzung und Nebenordnungen ( 1 9 9 4 ) , S 3 9 ff; Zöllner in: Henze [ua], GesR 1 9 9 5 , S 89, 9 5 ff; abl Goette ebd, S 113, 1 2 3 ff; M Winter ebd, S 131, 135 ff; ders Z H R 154 ( 1 9 9 0 ) , 2 5 9 , 2 6 8 ff; Ulmer N J W 1987, 1 8 4 9 , 1851 ff.

162

K K - Z ö l l n e r 2 § 179 Rdn 31; Priester DB 1979, 6 8 1 , 6 8 4 .

163

K K - L u t t e r 2 Rdn 2 5 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3 0 ; GroßkommBarz Voraufl, Anm 10.

164

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3 0 ; Priester DB 1979, 6 8 1 , 6 8 4 .

Hartwig Henze

§ 54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Ist umgekehrt eine satzungsförmig getroffene Nebenvereinbarung über Zusatzpflichten an § 55 gemessen zulässig und geht aus ihr nicht hervor, ob sie mitgliedschaftlicher oder schuldrechtlicher Art sein soll, so kann davon auszugehen sein, daß ihr körperschaftsrechtlicher Charakter zukommen soll. 165 65

Steht fest oder ergibt die Auslegung, daß der Vereinbarung korporativer Charakter zukommen soll, ist eine solche Regelung aber unzulässig, dann kommt, wenn die Vereinbarung als schuldrechtliche aufrecht erhalten werden kann, § 140 BGB zum Zuge. 1 6 6 Für den Fall allerdings, daß jene Vereinbarung, die als körperschaftliche nicht zulässig ist, in dem Beschluß über eine Änderung der Satzung enthalten ist, wird auch § 140 BGB nicht weiterhelfen: Die Umdeutung der Festsetzung des Hauptversammlungsbeschlusses in eine Vielzahl persönlicher Einzelverpflichtungen derjenigen Aktionäre, die dem Beschluß zugestimmt haben, wird man zumindest dann nicht vornehmen können, wenn an der Hauptversammlung nicht alle Aktionäre teilgenommen haben bzw kein einstimmiger Beschluß gefaßt worden ist. Denn gewollt ist in einem solchen Fall im Zweifel kein Sonderopfer nur derjenigen Gesellschafter, die dem Beschluß zugestimmt haben, sondern eine Bindung aller Aktionäre. Dieses Ergebnis kann über die Umdeutung nach § 140 BGB nicht erreicht werden. 1 6 7

66

e) Einzelbeispiele. Als Beispielsfälle kommen ua in Betracht: Verpflichtung des Aktionärs, bei Veräußerung seiner Aktien den Erwerber die Pflichten aus den von ihm geschlossenen Nebenvereinbarungen übernehmen zu lassen; Verpflichtungen einer Bank oder eines Konsortiums, die aus Anlaß der Abwicklung eines mittelbaren Bezugsrechtes (§ 186 Abs 5) eingegangen werden; Emissionsabreden anderer Art (zB über Kurspflege 168 ). Auch kann sich der Aktionär einer Verfügungsbeschränkung unterschiedlicher Art unterwerfen, freilich ohne Außenwirkung (§ 137 BGB). Schließlich können sich die Aktionäre - wie das nicht selten durch Vereinbarung untereinander geschieht 169 - verpflichten, ihre mitgliedschaftlichen Rechte nur in bestimmter Weise (nicht) auszuüben, bei Stimmbindungsverträgen 170 jedoch nur in den durch § 134 BGB iVm § 136 Abs 2 gezogenen Grenzen.

67

f) Änderung. Für die inhaltliche Änderung schuldrechtlicher Sondervereinbarungen gilt zunächst das gleiche wie für deren Begründung. Auch wenn die ursprünglich nichtkorporative Abrede in die Satzung aufgenommen worden ist, bedarf es zu ihrer Änderung nicht der Einhaltung der für die Satzungsänderung vorgeschriebenen Förmlichkeiten. Ein notariell beurkundeter und ins Handelsregister eingetragener Hauptversammlungsbeschluß ist daher für die Abänderung der Vereinbarung nicht nötig. Werden Rechte genommen oder weitere Pflichten auferlegt, ist der Beschluß auch nicht ausreichend, um eine schuldrechtliche Zusatzvereinbarung zu ändern, wenn er ohne Zustimmung der betroffenen Aktionäre gefaßt wird. 171 Liegt deren Zustimmung vor, kann man in dem Beschluß einen einfachen Abänderungsvertrag sehen. 172

165 166

167

168 169

KK-Zöllner1 § 179 Rdn 31. KK-Zöllner1 § 179 Rdn 32; GroßkommBarz Voraufl, Anm 10. KK-Lutter2 Rdn 27; Hefermebl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 31. KK-Lutter2 Rdn 22. Vgl BGHZ 126, 226.

170

171

172

Näher dazu - mit zahlr weit Nachw Κ Schmidt GesR 3 (1997), S 21 II 4, S 617 ff; krit Hiiffer4 $133 Rdn 25 ff. BGHZ 18, 205, 207; 142, 116, 124; BGH NJW 1961, 507 [je zur GmbH]; Priester DB 1979, 681, 685; Winkler D N o t Z 1969, 401 f. Hefermebl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 34; Priester DB 1979, 681, 685.

Stand: 1. 3. 2000

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

g) Übertragung. D a die schuldrechtlichen Zusatzpflichten nicht der in der Aktie ver-

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brieften Mitgliedschaft entspringen, sondern an die Person des jeweiligen Aktionärs geknüpft sind, gehen sie bei der Weiterveräußerung der Aktie, anders als die korporative Einlagepflicht, nicht eo ipso a u f den rechtsgeschäftlichen Erwerber über. D a s ist nur bei Universalsukzession der Fall: D e r A k t i o n ä r wird ipso iure Gesamtrechtsnachfolger und damit Schuldner der individualvertraglichen Verpflichtung. Sollen auch die einzelvertraglichen Schulden auf einen Aktienerwerber übertragen

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werden, so k a n n das, wie auch sonst eine Verbindlichkeitsübertragung auf Dritte, nur durch Schuldübernahme gem §§ 4 1 4 - 4 1 8 B G B geschehen; das setzt die Z u s t i m m u n g der A G voraus (§ 4 1 5 Abs 1 S 1 B G B ) . 1 7 3 W i r d die Z u s t i m m u n g verweigert, bleibt der bisherige A k t i o n ä r weiterhin aus der schuldrechtlichen Vereinbarung verpflichtet, wenn seine Mitgliedschaft nicht zur Bedingung für den Fortbestand der schuldrechtlichen Verpflichtung gemacht worden ist. W i r d dem Veräußerer die Erfüllung der Schuld durch den Übertragungsvorgang unmöglich, bestimmen sich die Rechtsfolgen nach §§ 2 7 5 , 2 8 0 BGB.174 D a z u , d a ß eine die schuldrechtlichen Sonderpflichten übertragende Schuldübernahmevereinbarung getroffen wird, k a n n die Gesellschaft im Interesse des Gleichlaufs von Mitgliedschaft und Pflichten den A k t i o n ä r anhalten. D a s kann einmal durch eine entsprechende schuldrechtliche Sondervereinbarung, darüberhinaus aber besonders dadurch geschehen, d a ß im R a h m e n einer Vinkulierung eine Schuldübernahme zur Voraussetzung für die Zustimmung zu der Übertragung der Aktien gemacht wird ( § 6 8 Abs 2 S 1). Diese Verknüpfung ist zulässig, weil die Übertragung vinkulierter N a m e n s a k t i e n grundsätzlich vorbehaltlos der Z u s t i m m u n g durch die A G unterliegt. D a n n k a n n die Z u s t i m m u n g auch an Bedingungen geknüpft werden (vgl § 6 8 Abs 2 S 4 ) . 1 7 5

70

D e r A b s c h l u ß eines Schuldübernahmevertrages erfolgt nach den allgemeinen Regeln zur Begründung von Schuldverhältnissen; ggf sind die Erklärungen und das Verhalten der Parteien auszulegen (§§ 133, 1 5 7 B G B ) . M ö g l i c h ist daher auch der konkludente A b s c h l u ß eines Übernahmevertrages. W a n n das Verhalten von Veräußerer und E r w e r b e r bereits als schlüssige Schuldübernahme zu deuten ist, wird unterschiedlich beurteilt.

71

Dabei k a n n derjenigen Auffassung, die den konkludenten A b s c h l u ß eines Übernahmevertrages bereits dann a n n i m m t , wenn die schuldrechtliche Vereinbarung in die Satzung a u f g e n o m m e n worden i s t , 1 7 6 nicht gefolgt werden. Die für die W i r k s a m k e i t der Vereinbarung nicht erforderliche Satzungsförmigkeit ist für die hier in R e d e stehende Frage ohne jeden Aussagewert. D e r potentielle Ü b e r n e h m e r m u ß zumindest auch wissen, d a ß eine nichtmitgliedschaftliche Pflicht b e s t e h t . 1 7 7

72

D a ß allerdings allein diese Kenntnis des Erwerbers als Bereitschaft zur Ü b e r n a h m e zu deuten ist, falls der Veräußerer die Pflicht aufgrund der Anteilsveräußerung nicht mehr zu erfüllen vermag oder der Fortbestand in seiner Person nicht mehr sinnvoll i s t , 1 7 8 ist ebenfalls problematisch. D a b e i mag dahingestellt bleiben, o b bei Zugrundelegung dieser Ansicht der Unterschied zwischen der erforderlichen selbständigen Übertragung der per-

73

sönlichen Schuldverpflichtung und dem automatischen Übergang körperschaftlich begründeter Pflichten bei Übertragung der Mitgliedschaft eingeebnet w i r d . 1 7 9 Die Argum e n t a t i o n , es k ö n n e dem Erwerber, der die Einzelheiten über die schuldrechtliche

173

174 175 176

(33)

Auch Scholz/Emmerich GmbHG 9 § 3 Rdn 65, 73 mwN. KK-Lutter 1 Rdn 28. ν Godin/Wilhelm? Anm 10. So Goldschmidt J W 1928, 2618, 2619.

177

178 179

KK-Lutter 1 Rdn 29; auch ders/Hommelhoff GmbHG 15 § 14 Rdn 10. So KK-Lutter 1 Rdn 30. So Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 12; aA KK-Lutter 1 Rdn 30.

Hartwig Henze

§54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Nebenverpflichtung kenne, nicht unterstellt werden, daß er den Veräußerer oder die Gesellschaft „hereinfallen" lassen wolle, 1 8 0 überzeugt nicht. Sie entfernt sich zu weit von dem Willensmoment und begibt sich in den Bereich der Fiktion. Dem Erwerber der Aktien wird schon aufgrund seiner Kenntnis ein venire contra factum proprium unterstellt, wenn er die persönliche Schuld nicht mitübernehmen will. Es ist aber nicht Sache des Erwerbers, dem Veräußerer dessen Haftungsrisiko aus subjektivem Unvermögen (§§ 275, 2 8 0 BGB) abzunehmen, nur weil es ihm bekannt war. Und auch der Gesellschaft kann nur dann ein Nachteil drohen, wenn sie trotz der mit der Schuldverpflichtung verknüpften Problematik der Übertragung der (vinkulierten) Namensaktie zustimmt. Bei Inhaberaktien kann sie zwar die Übertragung nicht blockieren. Sie erlangt auch nicht zwangsläufig Kenntnis von der Aktienübertragung. Man würde aber die Sicht der Dinge überspitzen, würde man nicht davon ausgehen, daß Veräußerer und Erwerber einer bedeutenden Beteiligung - und nur darum kann es im Zusammenhang mit der Übertragung der Schuldrechtsverpflichtung gehen - die bevorstehende Veräußerung nicht der Gesellschaft bekanntgeben (vgl auch die Verpflichtungen aus §§ 2 0 f) und sich mit ihr nicht ins Benehmen setzen. Allein die Kenntnisse des Erwerbers von den vorstehend dargelegten Umständen führt daher nach zutreffender h M nicht zum Zustandekommen einer schlüssigen Schuldübernahmevereinbarung. 1 8 1 Es müssen vielmehr noch weitere Umstände hinzukommen, um von einem konkludenten Übertragungs- bzw Übernahmewillen der Parteien ausgehen zu können, etwa ein für den wirtschaftlichen Wert der Aktie niedrig bemessener Erwerbspreis, der nur unter Berücksichtigung des Risikos und der Haftung aus der schuldrechtlichen Vereinbarung ausgehandelt worden sein kann. 74

Die Beweislast für das Vorliegen eines Schuldübernahmevertrages liegt jeweils bei dem, der sich auf sein Bestehen beruft. 1 8 2

75

h) Durchsetzung. Kommt ein Aktionär seinen schuldrechtlichen Sonderpflichten nicht nach, so kann ihre Erfüllung ausschließlich nach den schuldrechtlichen Vorschriften durchgesetzt werden. Der Einsatz korporativer Sanktionsmittel (§§ 63, 64), insbesondere die Drohung mit Kaduzierung, ist hingegen unzulässig. O b sich ein Aktionär dem freiwillig unterworfen hat, ist unerheblich. 1 8 3 Die korporationsrechtlichen Sanktionsformen stehen nicht zur Disposition der Parteien. Mitgliedschaftsrechte können niemals aufgrund besonderen Einzelvertrages verwirkt werden. 1 8 4 Nach zutreffender hM dürfen persönliche Pflichten der Aktionäre daher auch nicht in der Weise durchgesetzt werden, daß das gegenüber dem Aktionär gewählte Sanktionsmittel zwar neutral ist, jedoch das eigentliche Ziel in der Durchsetzung einer schuldrechtlichen Verpflichtung besteht. Die Einziehung von Aktien (§§ 2 3 7 ff) ist daher unzulässig, wenn mit ihr lediglich die Übertragung der eingezogenen Aktien auf Dritte bezweckt wird. Denn im Ergebnis bedeutete das nichts anderes als die Durchsetzung eines Aktienankaufsrechtes mit dem körperschaftsrechtlichen Mittel der Einziehung. 1 8 5

180 181

So KK-Lutter 1 Rdn 30. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 36; Priester DB 1979, 681, 686; Winkler D N o t Z 1969, 397.

182

183

ν Godin/Wilhelmi4 Anm 10; aA Goldschmidt JW 1928, 2618, 2619. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl,

184

R G Z 4 9 , 77, 8 0 ; Großkomm-Barz Vorauf!, Anm 11.

185

KK-Lutter 1 Rdn 21; ν Godin/Wilhelmi4

Anm 10 mit zutreff Kritik an der gegenteiligen Entscheidung R G Z 1 2 0 , 1 7 7 ; vgl

auch Nord JW 1928, 2617; Simon und Goldschmidt JW 1928, 2618.

Rdn 2 6 .

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

i) Bilanzierung. Bilanziell zu behandeln sind schuldrechtliche Zusatzleistungen der Aktionäre gleich sonstigen persönlichen Drittverpflichtungen seitens Nichtaktionären gegenüber der AG.

76

4. Freiwillige Mehrleistungen neben der Einlage Der Aktionär kann über die Einlage und ggf andere zulässige Pflichten hinaus freiwil- 7 7 lig Zusatzleistungen an die AG erbringen. Gerade weil die Gesellschaft derartige Mehrleistungen nicht beanspruchen kann, können die § § 5 4 Abs 1, 55 hierauf, solange die Zuwendung oder das Verhalten auf tatsächlich freiwilliger Grundlage beruhen, keinen Einfluß haben. Die durch § § 5 4 Abs 1, 55 gesetzten Grenzen gewinnen allerdings dann wieder Bedeutung, wenn die freiwillige Leistung zwar der Form nach freiwillig (rechtlich ohne Zwang) erfolgt, tatsächlich aber unter Druck erbracht wird. Der Umstand, daß die Begründung einer bestimmten Pflicht körperschaftsrechtlich unzulässig, schuldrechtlich jedoch zulässig ist, birgt die Gefahr in sich, den Aktionär durch korporativen Druck zur Abgabe eines Individualleistungsversprechens zu bewegen. Das führt zu der Notwendigkeit, die zulässige Gewährung eines Vorzuges von der unzulässigen abzugrenzen, die zu einem wirtschaftlichen Zwang führt. Agiert der Aktionär, weil ihm für seine Leistung ein von ihm akzeptiertes Äquivalent geboten wird, handelt er freiwillig; reagiert er auf die Inaussichtstellung eines Vorteils, weil er nur so einen ihm drohenden Nachteil vermeiden kann, so fügt er sich unfreiwillig. In diesem Fall wird Abs 1 in unzulässiger Weise ausgehebelt. 186 Insoweit besteht der Sache nach Einigkeit; begrifflich empfiehlt es sich jedoch, dort nicht von Zwang zu sprechen, wo ein zwar verlockender, aber noch zulässiger Vorteil den Aktionär zum Handeln veranlaßt. 187 Über die Fälle unzulässigen rechtlichen Zwangs (Androhung der Kaduzierung oder 7 8 einer vergleichbaren Sanktion) hinaus wird unzulässiger wirtschaftlicher Zwang dann ausgeübt, wenn der Aktionär die Zusatzleistung erbringen muß, weil ihm andernfalls effektive wirtschaftliche Nachteile erwachsen. Unzulässig ist demnach eine Regelung in der Satzung, nach der Aktionäre, die im Krisenfall nicht „freiwillig" zuzahlen, die Zusammenlegung ihrer Aktien hinzunehmen haben. 188 Faktisch würde mit dieser Maßnahme, die - für sich genommen - zulässig ist (§§ 237 ff), eine Sanierungspflicht statuiert, dh der Aktionär würde zu einer die Einlagepflicht nach Abs 1 übersteigenden Pflicht zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile gezwungen. Zulässig ist es, wenn die AG Anreize zu einer zusätzlichen Leistung dadurch schafft, 7 9 daß sie denjenigen, die sich zu einer freiwilligen Mehrleistung bereit finden, Vorzüge verspricht (vgl auch § 272 Abs 2 Nr 3 HGB). Freilich kann ein solches Versprechen unter einem anderen Gesichtspunkt unzulässig sein: Das Angebot muß den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53 a) wahren. Dagegen wird verstoßen, wenn es nicht allen Aktionären unterbreitet wird. 189 Folglich ist es zulässig, für Zuschüsse bei allen Aktionären damit zu werben, daß die Aktien derjenigen Aktionäre, die Zuschüsse leisten, in Vorzugsaktien umgewandelt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung scheint zwar ein Nachteil der Aktionäre, die keine Zuschüsse leisten, darin zu liegen, daß sie keinen Vorteil erlangen. Es bedeutet indes noch keine Ausübung unzulässigen wirtschaftlichen Zwanges, wenn die Aktionäre zur Vermeidung eines wirtschaftlichen Nachteils Zuschüsse leisten müssen. 186

187

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RGZ 52, 287, 293 f; 76, 155, 157; 80, 81, 85; Großkomm- Wiedemann4 § 182 Rdn 103; KK-Lutter2 Rdn 33; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 25. Zutreff KK-Lutter2 Rdn 33; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl,

188 185

Rdn 25; mißverständl Großkomm-Barz Vorauf!, Anm 9; ν GodinJWilhelmi4 Anm 12. Hüffer4 Rdn 9. G Hueck Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht (1958), S 54, 57.

Hartwig Henze

§54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Denn dieser Nachteil stellt nur die Kehrseite eines Vorteils dar, der durch Leistung eines Zuschusses erkauft werden muß. 80

Ein unzulässiger Nachteil wird erst zugefügt, wenn der Vorteil den Nachteil nicht nur ausgleicht, sondern zu einem im Vergleich zur Mehrleistung höherwertigen Vorzug führt, so daß jedem, der zu dem Mehropfer nicht bereit ist, ein Geschenk entgeht. Folgerichtig setzt Abs 1 der Gewährung von Vorzügen, die den Anreiz zu einer Mehrleistung bieten sollen, solange keine Schranke, wie der Wert der angebotenen Vorzüge denjenigen der für sie zu erbringenden Sonderleistung nicht überschreitet, sondern ihm äquivalent ist. 190

VI. Erfüllung der Einlagepflicht 1. Sacheinlagen 81

Aktienrechtlich ist zwar die Fälligkeit von Sacheinlagen (§§ 36a Abs 2 , 1 8 8 Abs 2 S 1), nicht aber deren Erfüllung gesondert geregelt. Abs 3 betrifft nur die Bareinlage. Bei Sacheinlageleistungen tritt Erfüllungswirkung (§ 362 Abs 1 BGB) daher je nach Art des einzubringenden Gegenstandes nach den für ihn allgemein geltenden rechtlichen Regelungen ein. Mobiliareigentum ist danach gem §§ 929 ff BGB, Immobiliareigentum nach §§ 873, 925 BGB zu verschaffen. Rechte sind nach §§ 398, 413 BGB zu übertragen. Eine Dienstbarkeit ist nach §§ 873, 1018 BGB, ein Nießbrauch gem §§ 873, 1030 BGB zu bestellen. Einlagefähige obligatorische Nutzungen 191 sind etwa nach §§ 535, 581 BGB zu überlassen, etc. Im einzelnen sind hierbei zudem die in der Satzung nach § 27 Abs 1 bzw im Kapitalerhöhungsbeschluß nach § 183 Abs 1 festgesetzten Vereinbarungen als maßgeblich zu beachten. 2. Bareinlagen (Abs 3)

82

a) Ausgangspunkt. Abs 3 verschärft gegenüber §§ 362 ff BGB die Anforderungen an eine ordentliche Erfüllung. An die Umstände, unter denen eine Geldzahlung auf die Bareinlagepflicht Tilgungseffekt entfaltet, werden strenge Anforderungen gestellt. Nur bei genauer Beachtung der abschließend als zulässig benannten Leistungsmodi und ausschließlich bei Zahlung an die abschließend genannten Empfänger wird der Bareinleger nach § 362 Abs 1 BGB von seiner Verpflichtung frei.

83

b) Zeitlicher Anwendungsbereich. Diese in Abs 3 normierte Beschränkung der zur Erfüllung tauglichen Leistungsformen besteht bis zur Entstehung der AG durch Eintragung. Nach Eintragung gelten grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften der §§ 362 ff BGB, 1 9 2 soweit diese nicht durch den vorrangigen § 66 Abs 1 verdrängt werden. Zwar spricht Abs 3 nicht von der Eintragung, sondern nennt die Anmeldung als maßgeblichen Zeitpunkt. Die Vorschrift ist jedoch berichtigend zu lesen. Das mangels existenter Rechtspersönlichkeit ungesicherte Verbandsstadium besteht über die Anmeldung hinweg bis zur Eintragung (§ 41 Abs 1 S 1); erst dann tritt die AG ins Leben. Abs 3 soll sicher190

RGZ 80, 81, 86; Großkomm-WWema«« 4 § 182 Rdn 103; KK-Lutter 1 Rdn 33; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 25.

191

Dazu BGH ZIP 2 0 0 0 , 1162 mwN; Großkomm-Röhricht 4 § 27 Rdn 51 ff; vgl auch Ekkenga Z H R 161 (1997), 599.

192

BGH W M 1986, 129 m Anm Κ Schmidt EWiR 1986, 159; OLG Koblenz AG 1990, 497, 4 9 8 ; KK-Lutter 2 Rdn 46; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 52; Κ Schmidt AG 1986, 106, 109; Hommelhoff/Kleindiek ZIP 1987, 477, 485; Lutter NJW 1989, 2649, 2654.

Stand: 1. 3. 2000

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

stellen, daß der Gesellschaft in diesem Zeitpunkt die real aufgebrachte Kapitalmasse - in welcher Form auch immer - zur Verfügung steht. 193 Aus dieser am Normzweck orientierten Maßgeblichkeit des Eintragungszeitpunktes folgt weiterhin, daß - entgegen dem Wortlaut - selbst schon vor der Anmeldung eingeforderte Zahlungen dem Abs 3 nicht unterfallen, wenn sie erst nach Entstehung der AG geleistet werden, mag die Vorschrift auch mißverständlich auf die Einforderung statt - was zutreffender wäre - auf die Einzahlung abstellen. 194 Auf nach Eintragung geleistete Bareinlagen findet Abs 3 daher selbst dann keine Anwendung, wenn die § § 3 6 Abs 2, 36a Abs 1, 37 Abs 1 mißachtet worden sein sollten. 195 Damit ergibt die Auslegung des Abs 3 schließlich, daß alle - und sei es auch verspätet - während der Gründung eingeforderten Zahlungen erfaßt werden, die vor Eintragung der Gesellschaft geleistet werden. 1 9 6 Auf eine Kapitalerhöhung, die vor dem Zeitpunkt der Eintragung durchgeführt wird, findet die Vorschrift ebenfalls Anwendung. Wird eine Kapitalerhöhung vor der Eintragung der Gesellschaft beschlossen, aber erst nach der Eintragung durchgeführt, ist die Regelung sinngemäß anzuwenden (§§ 188 Abs 2, 36 Abs 2). c) Erfüllungsbewirkende Leistungsformen. Als für den Aktionär gegenüber der 8 4 Gesellschaft zugelassene Zahlungsformen kommen lediglich zwei in Betracht: Nach Abs 3 S 1 Var 1 die Zahlung in gesetzlichen Zahlungsmitteln und nach Abs 3 S 1 Var 2 eine näher spezifizierte - Kontogutschrift. aa) Gesetzliche Zahlungsmittel. Erste Möglichkeit ist die Zahlung in gesetzlichen 8 5 Zahlungsmitteln. Das sind bis zum 31.12.2001 - längstens für den weiteren Übergangszeitraum bis zum 3 0 . 6 . 2 0 0 2 1 9 7 - Münzen sowie Banknoten der Bundesrepublik Deutschland (§ 14 Abs 1 BBankG), also inländisches Bargeld. Es wird ab 1.1.2002 durch den Euro 198 ersetzt (Art 9, 10 Euro-VO). Da die Leistung im Wege des Giralgeldverkehrs in Abs 3 S 1 Var 2 eigens geregelt ist, bedeutet im Fall von Abs 3 S 1 Var 1 Zahlung von Bargeld, daß dieses der Gesellschaft gem §§ 929 ff BGB zu übereignen ist. Wie § 930 iVm § 868 BGB und § 931 iVm § 870 BGB zeigen, kommt es dafür nicht darauf an, ob die Gesellschaft unmittelbaren Zugriff erlangt; allerdings ist dann problematisch, ob der übereignete Betrag zur freien Verfügung des Vorstandes steht (Rdn 106 ff). bb) Kontogutschrift (Buchgeld). Zweite zulässige Leistungsform ist die Gutschrift auf einem Konto. Der Gesellschaft erwächst daraus zunächst ein Auszahlungsanspruch gegen das die Gutschrift buchende Kreditinstitut. Im folgenden periodischen Rechnungsabschluß liegt sodann ein abstraktes Schuldversprechen (§ 780 BGB) des Kontoführers. 1 9 9

86

(1) Die Gutschrift kann auf einen Betrag in Deutsche Mark oder Euro lauten (Art 8 Abs 3 Euro-VO). Lautet sie auf ausländische Währung, so ist zu unterscheiden: Eine Gutschrift in der Währung eines zum Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) gehörigen Staates genügt, 2 0 0 weil sie zum Euro und dieser zur D M einen fixen Rechnungsbezug hat. Kursschwankungen bergen also kein Risiko in sich. Anfallende Umrechnungskosten

87

193

194

195 196

197

(37)

Vgl Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 39. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 39. KK-Lutter2 Rdn 34. AllgM, vgl OLG Koblenz AG 1990, 497, 498; Hüffer4 Rdn 11. Art 15 Euro-VO.

198

199

200

Vgl EG-Verordnung Nr 974/98 des Rates ν 3. 5. 1998 über die Einführung des Euro, EG-Abl Nr L 139/1. B G H Z 103, 143, 146; Hüffer in: MünchKommBGB 3 S 7 8 0 Rdn 3 9 a m w N . Im Erg ebenso Hüffer4 Rdn 16: Es darf in keine Richtung eine Diskriminierung stattfinden.

Hartwig Henze

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

bei Auszahlung in Deutsche Mark oder Euro hat der Einzahlende selbst zu tragen; sie dürfen nicht von dem auf die Einlageverpflichtung zu zahlenden Betrag abgezogen werden, weil anderenfalls die Zahlung auf die Einlage unvollständig ist. Probleme dieser Art sind ab 1 . 1 . 2 0 0 2 - spätestens nach Ablauf einer weiteren Übergangszeit bis zum 3 0 . 6 . 2 0 0 2 - irrelevant, weil dann nach Art 10, 15 Euro-VO nur noch Euro gültig sind. Dagegen befreit eine Gutschrift in der Währung eines sonstigen ausländischen Staates, der nicht dem europäischen Wirtschaftsraum angehört, nicht nach Abs 3 S 1 Var 2, da dies bei steigendem DM-Kurs zur Konsequenz hätte, daß die Buchung der Gutschrift in DM die Höhe des zu leistenden Einlagebetrages nicht erreicht und damit die Aufbringung des Grundkapitals nicht gewährleistet ist. 88

(2) Maßgeblich ist nur die Gutschrift als solche, dagegen nicht, wie sie erreicht worden ist. Sie kann mit allen allgemein zulässigen Mitteln herbeigeführt werden, wie Bareinzahlung, Überweisung, Anweisung, Wechsel, Scheck. 201 Diese Zahlungsmittel können auf irgendeine ausländische Währung lauten, sofern nur die Gutschrift als solche in der geschuldeten Höhe dann auf die zulässige Währung lautet. 202

89

(3) Die Gutschrift bewirkt die Erfüllung nur dann, wenn sie bei einer der in Abs 3 S 1 Var 2 genannten kontoführenden Stellen erfolgt. Das sind zum einen gem §§ 32 ff KWG genehmigte Kreditinstitute iSd §§ 1, 2 KWG und zum anderen die in §§ 53, 5 3 b KWG genannten Unternehmen. Kreditinstitute sind Unternehmen, die Bankgeschäfte iSd § 1 Abs 1 Nr 1 - 9 KWG betreiben, wenn der Umfang dieser Geschäfte einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Dazu zählen ua Banken und Sparkassen.

90

Die Deutsche Bundesbank ist seit der Änderung der Bestimmung durch das Begleitgesetz 203 nicht mehr genannt. Da sie nach § 2 Abs 1 Nr 1 KWG nicht als Kreditinstitut iSd § 1 KWG gilt, kommt sie als Institut für die Führung von Einlagekonten nicht mehr in Betracht. Daß § 37 Abs 1 S 3 unverändert von der Deutschen Bundesbank spricht, ändert daran nichts. Denn nicht § 37 Abs 1 S 3, sondern § 54 Abs 3 S 1 ist insofern die maßgebliche Vorschrift, wie die Verweisung verdeutlicht. Der Umstand, daß § 37 Abs 1 S 3 im Zuge der Änderung von § 54 Abs 3 S 1 nicht letzterem angeglichen wurde, beruht auf einem gesetzgeberischen Versehen. 204

91

Das Postscheckkonto ist im Gegensatz zur früheren Regelung ebenfalls nicht mehr aufgeführt. Dessen bedarf es auch nicht, weil diese Kontoart nicht mehr von der Deutschen Bundespost, sondern von der Postbank-AG geführt wird, die Kreditunternehmen iSd § 1 KWG ist. 205

92

Als kontoführende Institute sind ferner Kreditinstitute zugelassen, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat des EWR haben, über eine Zweigstelle oder durch Dienstleistungen im Geltungsbereich des KWG die in § 1 Nr 1 - 5 und 7 - 9 KWG aufgeführten Geschäfte betreiben, falls sie im Herkunftsland zugelassen sind und der dortigen Bankaufsicht nach den Vorgaben der EG-Richtlinien unterstehen (§ 53 b Abs 1 KWG). Das gleiche gilt für Tochtergesellschaften von Unternehmen, wenn ein solches als Kreditinstitut in einem zum EWR gehörenden Staat zugelassen ist und die Tochtergesellschaft dort ihren Sitz hat, eine Beteiligung von mindestens 90 % besteht sowie bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt sind (§ 53 b Abs 7 KWG).

Vgl Hüffer4 Rdn 13. 202 vgl Hefermehl/Bungeroth mehl, Rdn 45. 201

203

in: Geßler/Hefer204

BegleitG zum Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank-

205

und wertpapierrechtlicher Vorschriften ν 2 2 . 1 0 . 1 9 9 7 (BGBl I 2 5 6 7 ) . Ebenso Hüffer4 $ 3 7 Rdn 3. Vgl RegBegr BT-Drucks 1 3 / 7 1 4 2 , S 32.

Stand: 1. 3. 2000

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

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Unterhält ein Unternehmen, das seinen Sitz in einem Staat außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes hat (§ 1 Abs 5a S 2 KWG), eine Zweigstelle in der Bundesrepublik Deutschland, die Bankgeschäfte iSd § 1 Abs 1 KWG betreibt, so gilt die Zweigstelle als Kreditinstitut (§ 53 Abs 1 KWG). Weil ein Genehmigungsverfahren iSd §§ 32 ff KWG nicht stattgefunden hat, ist allerdings erforderlich, daß die Voraussetzungen nach § 53 Abs 2 Nr 1 - 6 KWG erfüllt werden. Ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat iSv § 1 Abs 5a S 2 KWG, das keine Zweigstelle in der Bundesrepublik Deutschland betreibt, ist keine nach Abs 3 zulässige kontoführende Stelle. 206

93

Unternehmen, die nach § 2 Abs 4 KWG wegen der Art der von ihnen betriebenen Geschäfte durch das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen von bestimmten Vorschriften freigestellt sind, stehen Unternehmen gleich, die nicht als Kreditinstitute im Sinne des KWG gelten. Sie kommen daher als kontoführende Institute nicht in Betracht. 207 Obwohl nach dem Wortlaut des Gesetzes eine Kontoführung im Inland nicht ausdrücklich vorgeschrieben wird, ergibt sich dieses Erfordernis aus dem KWG: Die Zweigstelle iSd § 53 Abs 1 KWG muß im Geltungsbereich des KWG betrieben werden. Sie unterliegt bestimmten Aufsichtsmaßnahmen des Bundesaufsichtsamtes. Die Zweigstelle eines Unternehmens mit Sitz im EWR muß ebenfalls im Geltungsbereich des KWG liegen; Dienstleistungen des Unternehmens müssen in diesem Geltungsbereich erbracht werden. Bestimmte Arten von Dienstleistungen sind nicht erlaubt (§§ 53 b Abs 3, 3, 23 a, 37 KWG). Da § 54 Abs 3 S 1 auf diese Vorschriften verweist, ist die Schlußfolgerung geboten, daß die Konten in der Bundesrepublik Deutschland geführt werden müssen.

94

(4) Sonderproblem: Kreditinstitut als Aktionär. Strittige Fragen tauchen auf, falls ein Kreditinstitut zugleich Mitgründer ist. Dabei besteht noch Einigkeit darüber, daß mangels gesetzlicher Inkompatibilitätsregelung die neben dem in Rede stehenden Kreditinstitut vorhandenen Mitinferenten auch bei diesem Kreditinstitut ihre Einlagepflicht mittels Kontogutschrift wirksam erfüllen können. 2 0 8

95

Umstritten ist indessen, ob ein solches Kreditinstitut seine Einlagepflicht durch Gutschrift auf ein von ihm selbst geführtes Konto, dh durch institutsinterne Umbuchung, zu erfüllen vermag. Das wird zum Teil damit verneint, daß bei einem solchen Prozeß der Einlageleistung keine Aussonderung aus dem Vermögen des Inferenten stattfinde und eine derartige Umbuchung nur eine Formalität ohne materielle Bedeutung sei. 209 Dieser Beurteilung ist mit der hM entgegenzutreten. 210 Denn auch wenn die Gutschrift in diesem Falle - veranlaßt durch das als Mitgründer handelnde Kreditinstitut - bei einem anderen Kreditinstitut erfolgt, so hat doch der aus der Gutschrift Begünstigte stets (aber auch nur) die materielle Position des Auszahlungsanspruches gegen das die Gutschrift veranlassende Kreditinstitut. Auch die Umbuchung ist sonach keineswegs nur gehaltlose Förmelei, solange das die Gutschrift vornehmende und damit die Auszahlung schuldende Kreditinstitut solvent ist. Die Gefahr, daß ein die Gutschrift vornehmendes Kreditinstitut nicht über die erforderliche Bonität verfügt, besteht unabhängig davon, ob Gutschriftsund Einlageschuldner identisch sind. 211 Soweit die Gefahr mangelnder Bonität nicht hingenommen werden soll, dürfte keinerlei Kontogutschrift schuldbefreiende Wirkung 206 207

208 209

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Hüffer4 Rdn 15. AA Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 47. Vgl KK-Lutter2 Rdn 37. KK-Lutter2 Rdn 37 mwN; Hefermehl! Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 49.

2,0

211

Vgl Schlegelberger/QKiJssoutt&i3 § 49 Rdn 6; Geßler FS Möhring (1975), S 173, 175 ff; eingehend Heinsius FS Fleck (1988), S 89, 97ff, 102 ff. Das berücksichtigen nicht Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 49.

Hartwig Henze

§ 54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

beigemessen werden. 212 Daneben kann es in dem hier erörterten Zusammenhang nicht darauf ankommen, daß die Umbuchung keine hinreichend greifbare Vermögensaussonderung bedeute; 213 dieser Gesichtspunkt erlangt bei der Frage Bedeutung, ob das Geleistete zur freien Verfügung steht (Rdn 113). 96

Der hM könnte jedoch entgegengehalten werden, dai? die Gefahr, die Eintragung der Gesellschaft oder einer Kapitalerhöhung zu erwirken, obwohl ihre Voraussetzungen mangels Einzahlung iSd § 36 a Abs 1 noch nicht vorliegen, erhöht wird, wenn sich das kontoführende Kreditinstitut an der Gründung beteiligt (bzw an einer Kapitalerhöhung, insbesondere eine solche iSd § 186 Abs 5 abwickelt). Wie der Fall „Kerkerbachbahn" 214 gezeigt hat, ist ein Institut unter derartigen Umständen in besonderem Maße in der Lage, eine unzutreffende Bestätigung iSd § 37 Abs 1 S 3 abzugeben. Insoweit könnte man daran denken, den Wortlaut des Abs 3 S 1, der nur von einem Kreditinstitut bzw einem nach § ... tätigen Unternehmen spricht und damit das Vorhandensein von Mitgliedschaft und Kontoführung bei einem Kreditinstitut nicht ausschließt, im Wege der teleologischen Auslegung einzuschränken. Dem stehen aber zwei Gesichtspunkte entgegen: Das Vertrauen, das den Kreditinstituten nach der gesetzlichen Regelung entgegengebracht wird, gilt allgemein und hängt nicht von der jeweiligen Konstellation ab, unter der dieses Institut tätig wird. Des weiteren ist zu Recht darauf hingewiesen worden, 215 daß die erörterte Problematik dem Gesetzgeber nicht nur schon vor der Gesetzesnovelle des Jahres 1965, sondern auch bereits vor der des Jahres 1937 bekannt gewesen ist. Dennoch hat er zuletzt im Jahre 1997 2 1 6 - keine Veranlassung gesehen, durch Änderung des Gesetzes die Kontoführung iSd Abs 3 für den dargelegten Fall auszuschließen. Für die Annahme einer Inkompatibilität besteht daher keine Veranlassung.

97

cc) Sonstige Leistungsformen. Andere als in Abs 3 S 1 genannte Leistungen befreien von der Einlageschuld nicht. 217 Nur erfüllungshalber geleistete Gegenstände lassen die Einlagepflicht des Einlegers so lange unverändert fortbestehen, bis aus diesem zunächst hingegebenen Gegenstand schließlich ein die Einlagepflicht deckender Wertbetrag in einer dem Abs 3 S 1 genügenden Weise der Gesellschaft zufließt. Da Bareinlagen nach Abs 2 einzuzahlen sind, ist auch eine Erfüllung durch Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs 1 BGB) ausgeschlossen. Zudem läge in diesem Falle regelmäßig eine Sacheinlage vor, deren Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt wären. Daß in diesem Sinne auch die Erfüllung durch Aufrechnung (§ 389 BGB) seitens des Einlegers ausgeschlossen ist, ergibt sich ausdrücklich aus § 66 Abs 1 S 2.

98

Streitig ist, ob der Bareinleger Befreiung dadurch erlangen kann, daß er direkt an einen Gesellschaftsgläubiger zahlt. Dadurch käme der als Einlage geschuldete Betrag der Gesellschaft wertmäßig dergestalt zu, daß er sie von einer Verbindlichkeit befreien würde. Die hM lehnt diese Möglichkeit ab; sie erkennt unter Abs 3 S 1 selbst bei Zustimmung durch den Vorstand die Möglichkeit einer Erfüllungswirkung nach § 362 Abs 2

212 213 214

215

Zutreff Hiiffer4 Rdn 17. So aber KK-Lutter2 Rdn 37. Vgl den Hinweis bei K K - L u t t e r 1 Rdn 3 7 auf OLG Karlsruhe ZIP 1986, 711; zur schadensersatzrechtlichen Problematik dieses Falles vgl B G H Z 105, 121. Dorpalen BankArch 1934/35, 339, 3 4 0 ; ebenso Herbeck Die Bareinzahlungsver-

pflichtung des Aktionärs (1938), S 6 8 ff und

Hüffer4 Rdn 17. 216

Vgl BegleitG zum Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bankund wertpapierrechtlicher Vorschriften ν 2 2 . 1 0 . 1 9 9 7 (BGBl I 2 5 6 7 ) .

217

RGZ 94, 61; 144, 138, 146; 144, 3 4 8 , 351; 156, 2 3 , 31.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

BGB nicht an. 218 Dem ist zu folgen. Die Gegenansicht 219 kann weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch der ratio legis in Übereinstimmung gebracht werden. Es ist zwar richtig, daß es der unter Abkehr vom Bardepoterfordernis vollzogene Übergang von der gegenständlichen zur wertmäßigen Beurteilung der Kapitaldeckung 220 denkbar erscheinen läßt, auch in der Befreiung von einer Verbindlichkeit eine hinreichende Einlageleistung zu sehen. Ob aber die so getilgte Verbindlichkeit vollwertig, fällig und liquide ist ausschließlich dann wäre der Gesellschaft ein hinreichend realer Wert zugeführt - , kann das Registergericht nicht überprüfen. Insbesondere kann der Nachweis nicht durch eine Bankbestätigung ' iSd § 37 Abs 1 S 3 erbracht werden, weil diese, soweit es um die Tilgung des von ihr gewährten Kontokorrentkredites geht, in der Regel nichts zu Werthaltigkeit und Liquidität der Forderung sagen kann. 221 Außerdem würde eine Zulassung dieser Leistungsform (mittels teleologischer Reduktion des Einzahlungsgebotes 222 ) stets die Gefahr in sich bergen, daß der Vorstand einem dahingerichteten Wunsch des Inferenten und/oder Gesellschaftsgläubigers willfährig folgt. 223 Soweit unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen den Voraussetzungen 9 9 von Abs 3 S 1 entsprochen ist, hindert die Drittzahlung iSv § 267 BGB die Erfüllung nicht. Ebenso ist es gleichgültig, aus wessen Mitteln die Leistung erfolgt; lediglich die Gesellschaft darf es nicht sein, die zahlt oder die für die Zahlung Mittel zur Verfügung stellt. 224 d) Empfangszuständigkeit. Die Rechtszuständigkeit für die Geltendmachung der Ein- 1 0 0 lageforderung und den Empfang der Einlageleistung liegt nach Abs 3 S 1 bei der Gesellschaft selbst oder ihrem Vorstand. aa) Barleistung. Die Leistung der Einlage durch Barzahlung nimmt der Aktionär an die Vorgesellschaft vor. Für diese handelt der Vorstand als organschaftlicher Vertreter durch Entgegennahme der Zahlungsmittel. Besitz und Eigentum gehen auf die Vor-AG über.

101

bb) Leistung auf ein Gesellschaftskonto. Während des zwischen Abschluß des Gesell- 1 0 2 schaftsvertrages ( § 2 3 ) und Eintragung der Gesellschaft (§ 41 Abs 1 S 1) herrschenden Stadiums ist die Gesellschaft als Vor-AG nach heute anerkannter Auffassung kontofähig. 225 Kontoinhaberin und damit forderungsberechtigt gegen die kontoführende Stelle ist somit die Vorgesellschaft. Diese Rechtsposition geht mit der Eintragung eo ipso auf die entstandene AG über. cc) Leistung auf ein Vorstandskonto für die Gesellschaft. Abs 3 läßt die Leistung auch auf ein Vorstandskonto zu, wobei die Vorschrift die aus diesem Konto resultierende 218

219

220

(41)

B G H Z 119, 177, 188 (m teils krit Anm Priester ZIP 1994, 599); OLG Naumburg N Z G 2 0 0 0 , 152, 153 m w N ; KK-Lutter 1 Rdn 44; Nirk H d b AG, Teil I, Rdn 285; Hüffer Z G R 1993, 474; Henze AktienR 4 (2000), Rdn 106-110. Ulmer GmbHR 1993, 189, 190; Ihrig Die endgültig freie Verfügung (1991), S 295 ff. B G H Z 119, 177 m insow zust Anm Priester ZIP 1994, 599; vgl dazu die breit angelegte Darstellung bei Großkomm-Röhricht4 § 36 Rdn 8 4 - 9 7 .

221 Hüffer ZGR 1993, 474, 479. 222 Bereits die Möglichkeit dieser einschränk

223 224

225

Auslegung abl Wiedemann ZIP 1991, 1257, 1264. Hüffer ZGR 1993, 4 7 4 , 478. OLG H a m m N Z G 1999, 451, 452; OLG Frankfurt AG 1991, 402; KK-I.utter2 Rdn 45. BGH W M 1962, 644; B G H Z 45, 338, 3 4 7 [zur GmbH] = GmbHR 1967, 145, 147 m Anm Wiedemann; Hüffer4 Rdn 19; KK-Lutter2 Rdn 39.

Hartwig Henze

103

§54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Forderung als solche der Gesellschaft fingiert wissen will. Diese Regelung darf dabei jedoch nicht dahingehend mißverstanden werden, daß das Gesetz dem Vorstand eine Art eigene Kontofähigkeit und Empfangszuständigkeit zuerkennen möchte. Vielmehr ist der Vorstand stets Gesellschaftsorgan, ohne daß ihm in dieser Eigenschaft eigene Teilrechtsfähigkeit in Form der Kontofähigkeit zukommt. Zu folgen ist der hM, daß auch dann, wenn ein Konto auf den Namen des Vorstandes oder in namentlicher Bezeichnung der Vorstandsmitglieder errichtet worden ist, die Vor-AG Inhaberin dieses Kontos und des sich daraus ergebenden Auszahlungsanspruches ist, 226 so daß diese Position mit Eintragung eo ipso der AG zukommt. Keine Zustimmung verdient hingegen die Ansicht, derzufolge Kontoinhaber der Vorstand als Organ 2 2 7 oder die einzelnen Vorstandsmitglieder persönlich (als Gesamtgläubiger) seien 228 und mithin auch die Eintragung keine Kontoinhaberschaft für die entstandene AG begründe. Eine tatsächlich von der Gesellschaft getrennte Kontozuständigkeit des Vorstandes begründet Abs 3 S 2 nach heutigem Verständnis der Vorschrift nicht; dogmatisch bedarf es dieser überflüssigen „Fiktion" nicht. Die Regelung ist aus historischer Sicht zu würdigen: Letztlich war Gedanke des Abs 3 S 2, mögliche mangels Handelsregistereintragung eintretende Unsicherheiten zu verhindern, weil der historische Gesetzgeber nicht erkannt hat, daß mit der Errichtung der AG (§ 23 Abs 1 S l ) eine Vorgesellschaft entsteht. 2 2 9 Das steht mit der unvollkommenen Regelung über die Handelndenhaftung iSd § 41 Abs 1 S 2 in Einklang. Solche Unsicherheiten können aufgrund der Anerkennung der Kontofähigkeit der Vor-AG (Rdn 102) nach dem Stand der gegenwärtigen Rechtsentwicklung nicht aufkommen. Folgerichtig stehen die Schutzrechte der §§ 771 ZPO, 4 7 InsO im Falle des Drittzugriffs auf das „Vorstands"-Konto nur der Gesellschaft zu. Unter dem Eindruck dieser Entwicklung kann der Regelung in Abs 3 S 2 nur noch der Sinn beigemessen werden, daß der Vorstand das Konto der Vor-AG lediglich als ihr Organ kennzeichnet. 230 104

Wer die Einlage durch Gutschrift auf das Privatkonto einer Person bewirkt, die Vorstandsmitglied der forderungsberechtigten Gesellschaft ist, erfüllt seine Einlageschuld schon deshalb nicht, weil er an den falschen Gläubiger leistet. Abs 3 S 2 ist hier ohne Bedeutung, weil solche Konten bereits nicht durch die Vorstandsmitglieder in ihrer Organeigenschaft eröffnet worden sind.

105

dd) Haftung. Für die Eignung einer zur Annahme der Zahlung bestimmten Stelle sind alle an der Gesellschaftsgründung Beteiligten gegenüber der AG verantwortlich (SS 46 Abs 1 S 2, 48 S 1).

106

e) Freie Verfügung. 231 Weitere Voraussetzung für eine von der Einlageschuld befreiende Wirkung der Leistung des Einlegers ist, daß der durch die Zahlung bzw Gutschrift der Gesellschaft zugeflossene Kapitalwert zur freien Verfügung des Vorstandes steht. Damit nimmt Abs 3 S 1 dieses bereits in § 36 Abs 2 S 1 niedergelegte Erfordernis wieder auf. Dem Zeitpunkt, in welchem die Leistung zur freien Verfügung des Vorstandes bewirkt 226

227

228

OLG Naumburg W M 1998, 9 8 0 m zust Anm Sittmann WuB I C 3 Sonderkonto 2.98; Hüffer4 Rdn 19; KK-Lut ter2 Rdn 40; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 18; ν Godin/Wilhelmi 4 Anm 7; Hüffer/v Look Aktuelle Rechtsfragen zum Bankkonto 3 (1998), Rdn 16. So offenbar Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 44. So Ritter % 4 9 Anm 5 f.

229 230 231

Vgl etwa B G H Z 117, 323, 326. Hüffer4 Rdn 19; KK-Lutter2 Rdn 3 9 f. Siehe hierzu umfänglich Großkomm-Röfcricht4 § 36 Rdn 5 5 - 1 0 5 m w N ; Pentz in: MünchKommAktG 2 § 36 Rdn 4 7 - 7 1 ; Hüffer4 § 36 Rdn 7 - 1 1 a; Scholz/H Winter G m b H G 9 § 7 Rdn 3 4 - 3 7 ; Lutter/Hommelhoff G m b H G 1 5 § 7 Rdn 13-15; vgl auch KK-Lutter 2 Rdn 4 6 - 5 6 .

Stand: 1. 3. 2000

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

sein m u ß , k o m m t jedoch in beiden Vorschriften unterschiedliche Bedeutung zu: Unter dem Blickwinkel des § 5 4 A b s 3 S 1 ist m a ß g e b e n d , o b überhaupt einmal freie Verfügbarkeit zwischen Errichtung und Eintragung der Gesellschaft vorgelegen hat, n a c h d e m die Leistung erbracht worden war. Hingegen ist bei § § 3 6 , 3 7 (bzw §§ 1 8 8 , 2 0 3 ) entscheidend, o b die freie Verfügbarkeit zum Z e i t p u n k t der Anmeldung gegeben i s t . 2 3 2 Dabei befreit das einmal zur freien Verfügung an die Gesellschaft Geleistete den Inferenten von seiner Einlageschuld auch dann, wenn erst in der Folgezeit - gleichviel o b rechtlich durch die Auferlegung einer Verfügungsbeschränkung oder aber in tatsächlicher Hinsicht aufgrund wirtschaftlicher Entwicklungen - die Verfügbarkeit derart eingeschränkt wird, d a ß die Voraussetzungen für eine Anmeldung nach § § 3 6 , 3 7 nicht mehr erfüllt sind. D e n n unter diesen Umständen hatte der A k t i o n ä r unter dem Aspekt freier Verfügbarkeit iSd Abs 3 schon erfüllt, so d a ß alle nachfolgenden Risiken allein zu Lasten der Gesellschaft g e h e n . 2 3 3 Umgekehrt genügt es, wenn der Vorstand über eine aus einer Überweisung resultierende Gutschrift zunächst nicht (frei) verfügen konnte, später jedoch die freie Verfügbarkeit eintritt. Die Vorschrift in A b s 3 enthält eine Verschärfung zu § 6 6 A b s 1 und zu § 3 6 2 Abs 1 B G B : Sie schließt über § 6 6 A b s 1 hinaus auch die Aufrechnung durch die A G aus. Ferner bedeutet das M e r k m a l freie Verfügung eine Erhöhung der nach § 3 6 2 Abs 1 B G B an die Erfüllung gestellten Anforderungen. Zugleich stellt sie durch die Zulassung der Z a h l u n g auf ein B a n k k o n t o , die keine Erfüllung iSd § 3 6 2 Abs 1 B G B darstellt, als Z a h l u n g an Erfüllungs Statt an die Erfüllung weniger strenge A n f o r derungen. Diese Einzelheiten lassen Abs 3 als abschließende Regelung gegenüber den beiden genannten Vorschriften e r s c h e i n e n . 2 3 4 Entsprechend den von der R s p r zu § 3 6 Abs 2 S 1 entwickelten Grundsätzen über das Vorliegen freier Verfügung235 m u ß die Aussonderung der Einlage aus dem Einfluß- und Verfügungsbereich des Inferenten tatsächlich und endgültig vorgenommen w e r d e n . 2 3 6 Die Einlage m u ß ohne den Vorbehalt einer R ü c k f o r d e r u n g 2 3 7 und frei von R i s i k e n 2 3 8 an die Gesellschaft übermittelt werden, so d a ß der Vorstand im R a h m e n seines unternehmerischen H a n d l u n g s s p i e l r a u m e s 2 3 9 frei von F r e m d e i n f l ü s s e n 2 4 0 mit dem Geleisteten verfahren k a n n .

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Großkomm-Röhricht 4 § 36 Rdn 36; KKLutter2 Rdn 46 und 57; zu Einzelheiten vgl Roth FS Semler (1993), S 299, 302. BGHZ 15, 66, 69; Mülbert ZHR 154 (1990), 145, 149 f. RGZ 94, 61, 62 f [zu § 195 Abs 3 HGB]; Großkomm-Berz Voraufl, Anm 15; Steinberg Die Erfüllung der Bareinlagepflicht (1973), S 70; aA Staub/Pinner § 195 Anm III 2 d; auch Schlegelberger/QatfssotfS/h'3 § 49 Rdn 6; unklar Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 40 gegen Rdn 43 und § 66 Rdn 20. BGHZ 113, 335, 347 ff; 125, 141, 151; vgl dazu Großkomm-Röfcncfci4 § 36 Rdn 5 5 - 1 0 5 mwN; KK-Lutter2 Rdn 4 6 - 5 6 . Vgl BGHZ 122, 180, 184 m Anm Assmann/Sethe ZHR 158 (1994), 646, 658; RG JW 1911, 514; 1912, 950; 1915, 356; 1927, 1698; OLG Celle NZG 2000, 146,

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147; OLG Dresden GmbHR 2000, 34, 36; OLG Frankfurt AG 1991, 402, 403; Lutter EWiR 1993, 1045; Wiedemann WuB II A § 186 AktG 3.93; Ihrig Die endgültig freie Verfügung (1991), S 183 ff, 191 ff. BGHZ 15, 66, 69; BGH NJW 1959, 383; RGZ 157, 213, 225; OLG Dresden GmbHR 2000, 34, 36 f; OLG Frankfurt AG 1991, 402, 404; OLG Hamburg W M 1986, 738, 740. BGHZ 28, 77, 78; RGZ 47, 180, 185; 98, 276, 277; RGSt 36, 185. Vgl dazu BGHZ 125, 239, 243, 246; 135, 244, 253. BGH AG 1978, 166; BGHZ 96, 231; RGZ 157, 213, 224; OLG Hamburg AG 1980, 275; OLG Koblenz W M 1987, 310 m Anm Uommelhoff/Kleindiek ZIP 1987, 477, 489, 490; Marsch-Barner WuB II A § 54 AktG 1.87; aA Steinberg Die Erfüllung der Bareinlagepflicht (1973), S 96.

Hartwig Henze

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§ 54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

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Freie Verfügung und verdeckte Sacheinlage. Zunächst wird auf die Kommentierung zu § 36 Abs 2 Bezug genommen. 241 Ergänzend ist für § 54 Abs 3 folgendes zu bemerken: Zu dem vorstehend dargestellten Ergebnis (Rdn 107) gelangt auch eine Ansicht, die das Fehlen der Leistung zur freien Verfügung aus dem Fehlen der Erfüllungswirkung der Bareinlageverpflichtung beim Hin- und Herzahlen im Rahmen der verdeckten Sacheinlage242 annimmt. 243 Mangels wirksamer Tilgungsbestimmung könne die Leistung bereits formal nicht auf die Einlageforderung bezogen werden. Zudem werde nur diese Lösung dem Zweck des Abs 3 S 1 gerecht, die Aufbringung des Grundkapitals durch Barzahlung zu sichern. Unter dieser Voraussetzung bleibt der Erfüllungsanspruch der Gesellschaft bestehen. Gehe man hingegen von der Erfüllung der Einlageverpflichtung aus, stehe der Gesellschaft lediglich ein Bereicherungsanspruch mit den für ihn typischen Risiken zu. 2 4 4

109

Aus dogmatischer Sicht ist diese Begründung derjenigen der Rspr vorzuziehen, die wertend lediglich den tatsächlichen Geschehensablauf wiedergibt. Soweit die Ansicht vertreten wird, eine verdeckte Sacheinlage beinhalte nicht zugleich eine Beschränkung des Vorstandes zu seiner freien Verfügung, 245 beruht diese Annahme auf dem unzutreffenden Ausgangspunkt, die zugrundeliegenden Abreden und Rechtsgeschäfte seien wirksam. 246

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Der BGH hat in einer früheren Entscheidung 247 die Beeinträchtigung der freien Verfügung des Vorstandes davon abhängig gemacht, daß dem Inferenten eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf die Einlageleistung verbleibe. Eine solche Beschränkung des Merkmals freie Verfügung auf faktische Gegebenheiten mag zwar dem historischen Ausgangspunkt der Regelung entsprochen haben, wonach der bar eingezahlte Betrag im Besitz des Vorstandes sein mußte (vgl Art 210 Abs 3 ADHGB, § 195 Abs 3 HGB). Mit der Eröffnung der Möglichkeit, den Einlagebetrag auf ein Bankkonto einzuzahlen (vgl § 94 Abs 3 AktG 1937), wurde die Regelung nicht nur in ihrem Wortlaut („zu seiner freien Verfügung eingezahlt werden"), sondern es wurde auch ihr Anwendungsbereich erweitert: Nicht nur Scheinzahlungen der Art, daß der Empfänger erst gar nicht in den Besitz der Leistung gelangt, sollten verhindert werden, sondern ebenso die Beschränkung der freien Verfügung durch schuldrechtliche Vereinbarungen über die Rückzahlung, etwa die Abrede, daß dem Aktionär das Geld nach der Anmeldung wieder zurückgewährt werden sollte. 248 Allein dieses - weitergehende - Verständnis der Vorschrift wird ihrer Funktion, die Kapitalaufbringung sicherzustellen, gerecht.

111

Im Schrifttum wird - zutreffend - zwischen dem Vorgang der Mittelaufbringung durch den Inferenten und der Mittelverwendung durch den Vorstand als Organ der Gesellschaft unterschieden. Sei der Vorgang der Mittelaufbringung abgeschlossen, habe der Vorstand die freie Verfügung darüber erlangt. Eine Vereinbarung mit dem Inferenten 241

242

243

Insbes Großkomm-Röhricht4 § 36 Rdn 55 ff; parallel hierzu für das GmbHRecht Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 § 7 Rdn 13 ff; Scholz/H Winter GmbHG 9 § 7 Rdn 34 ff. Vgl dazu BGH ZIP 1982, 689, 6 9 2 - insoweit in BGHZ 83, 319 nicht abgedruckt; ferner BGHZ 110, 4 7 ; 125, 141; 132, 133; 132, 141; BGH N J W 1998, 1951. Ulmer Z H R 154 (1990), 128, 137 f; Mülbert Z H R 154 (1990), 145, 182; Henze Z H R 154 (1990), 105, 117 f; vgl ferner Habetha ZGR 1998, 305, 315 ff.

244 245

Mülbert Z H R 154 (1990), 145, 182. OLG Düsseldorf W M 1984, 5 8 6 , 597; Hommelhoff/Kleindiek ZIP 1987, 477, 485 ff; Κ Schmidt AG 1986, 106, 111 f; Meilicke Die verschleierte Sacheinlage (1989), S 73 ff; ders GmbHR 1989, 411, 413; Wilhelm Z H R 152 (1988), 333, 367 ff.

Vgl Mülbert Z H R 154 (1990), 145, 185 f. BGHZ 96, 231, 241. 248 Yg| Schlegelberger/Qwassoi^sih'3 § 4 9 Rdn 7. 246

247

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§54

über die anschließende Verwendung der Mittel könne die freie Verfügung darüber nicht beeinträchtigen. 249 Diese Unterscheidung zwischen Scheinzahlungen (Rückzahlungen sine causa) und Verwendungszahlungen (Zahlungen cum causa) mögen zwar ein brauchbares Abgrenzungskriterium zur Auslegung des Merkmals freie Verfügung sein. 250 Es mag auch zweifelhaft erscheinen, ob man ihm mit der Erwägung der Rspr begegnen kann, an der freien Verfügung fehle es, wenn das Geld absprachegemäß zur Tilgung von Forderungen des Inferenten gegen die Gesellschaft verwendet werden, der Mittelzufluß also der Gesellschaft nur vorübergehend zugute kommen soll. 251 Die dargelegte Rechtsansicht kann jedoch zur Auslegung des Merkmals der freien Verfügung in den Fällen des Hin- und Herzahlens unter Tilgung einer Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber dem Inferenten deswegen nicht herangezogen werden, weil es bereits an einer wirksamen Erfüllung der Bareinlageverpflichtung fehlt. Denn die Ausführungsgeschäfte zur verdeckten Sacheinlage sind gegenüber der AG unwirksam, wie sich aus § § 2 7 Abs 3, 183 Abs 2 ergibt. 252 Klarstellend sind zu § 54 Abs 3 S 1 zwei Hinweise angezeigt: Zum einen gewährt die Einzahlung zur Gutschrift auf ein gesperrtes 253 oder gepfändetes 254 Konto dem Vorstand keine freie Verfügung über den geleisteten Betrag. Gleiches gilt im Falle eines debitorischen Kontos, da dies eine Verrechnungsmöglichkeit zugunsten des Kontoinstituts auslöst. 2 5 5 Allerdings ist trotz Debetsaldo die freie Verfügbarkeit dann zu bejahen, wenn der Vorstand innerhalb eines nicht ausgeschöpften Kreditrahmens auf den gutgeschriebenen Betrag, um den der Kontokorrentkredit zurückgeführt worden ist, vollständig und ungehindert zugreifen kann. 2 5 6

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Des weiteren ist zutreffend davon auszugehen, daß es der freien Verfügbarkeit 1 1 3 grundsätzlich nicht entgegensteht, wenn ein Kreditinstitut, das selbst Mitgründer der Gesellschaft ist, die Einlage durch Gutschrift auf ein von ihm selbst für die Gesellschaft geführtes Konto mittels interner Umbuchung (vgl Rdn 95 f) erbringt. 2 5 7 Es muß aber durch entsprechende Gestaltung , des Vertrages über das Einlagenkonto sichergestellt sein, daß das Kreditinstitut auf die einmal bewirkte Gutschrift anschließend keinerlei Zugriff mehr zu erlangen vermag. 2 5 8 Die bloße Bezeichnung als „Sonderkonto" reicht dazu nicht aus, weil dieser Begriff rechtlich nicht hinreichend konkret ist. 259 249

Κ Schmidt AG 1986, 106, 111 ff; Hommelhoff/Kleindiek ZIP 1987, 477, 485 ff. 250 Vgl zB OLG Dresden G m b H R 2000, 34 ff [wirkungslose Scheinzahlung] im Gegensatz zu OLG Dresden GmbHR 2000, 38 f [Verwendungszahlung zur freien Verfügung]. 251 Der Rspr folgend Gioßkomm-Röhricht4 S 36 Rdn 77. 252 V g l Mülbert Z H R 154 (1990), 145, 185; im Erg ebenso Henze Z H R 154 (1990), 105, 117 f; wohl auch Ulmer Z H R 154 (1990), 128, 137 f. 253 BGH W M 1962, 644, 645 [zur GmbH], 254 Hommelhoff/Kleindiek ZIP 1987, 477, 490. 255 BGHZ 119, 177, 190; BGH NJW 1991, 226 f und 1294 f; OLG Düsseldorf AG 1984, 188, 191; OLG Frankfurt W M 1984, 1448, 1449; OLG Stuttgart AG 1995, 516, 517; österrOGH N Z G 1998, 731; Wimmer GmbHR 1997, 827, 828; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], S 16

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Rdn 6; etwas großzügiger OLG Dresden GmbHR 2000, 38, 39: Infolge stillschweigender Duldung durch das kontoführende Kreditinstitut schade eine geringfügige Kontoüberziehung trotz fehlender Dispositionslinie nicht der freien Verfügbarkeit. 256

257

258

259

BGH DStR 1996,1416, 1417; NJW 1991, 226 f und 1294 f; BayObLG GmbHR 1998, 736; OLG Frankfurt W M 1984, 1448, 1449; OLG H a m m GmbHR 1985, 326; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 16 Rdn 6; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 408; Κ Schmidt AG 1986, 106, 110; Priester DB 1987, 1473, 1474 f; Buffer ZGR 1993, 474, 477. AA Pentz in: MünchKommAktG 2 § 36 Rdn 69; wohl auch KK-Lutter2 Rdn 37. Vgl Großkomm-Röhricht 4 § 36 Rdn 108; Hüffer4 Rdn 18. So mit Recht Hüffer4 Rdn 18.

Hartwig Henze

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

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In jedem Falle trägt nach hM bei einer Einlageleistung mittels Kontogutschrift der zur Einlage verpflichtete Inferent das Risiko, wenn es an der freien Verfügbarkeit über seine Leistung fehlt. 2 6 0

115

Gründer sowie Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder haften gem § § 4 6 Abs 1 S 2, 4 8 S 1 der Gesellschaft gegenüber dafür, daß die freie Verfügung über die eingezahlten Beträge besteht.

116

f) Einforderung, aa) Gem Abs 3 S 1 muß es sich bei dem Geleisteten um den eingeforderten Betrag handeln. Damit die an den Aktionär ergangene Aufforderung wirksam ist, muß sie unter Beachtung des § 53 a ausgesprochen werden, und zwar vom Vorstand als - allein - zuständigem Organ. Das gilt nicht nur nach § 6 3 Abs 1 S 1 ausdrücklich für die AG, sondern ergibt sich in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift auch schon für die Vor-AG. 2 6 1 Denn der Vorstand wird bereits im Gründungsstadium in seiner Organeigenschaft tätig, wie sich aus § 54 Abs 3 ergibt: Das Gesetz erkennt ihm für die Bareinlageansprüche iSd § § 3 6 Abs 2 , 36 a Abs 1 die Empfangszuständigkeit für die Vorgesellschaft zu.

117

bb) In welcher Höhe der Vorstand die Einlage einfordern darf, ist streitig. Als Ausgangspunkt steht dabei fest, daß als Voraussetzung der Anmeldung nach § 36 Abs 2 S 1 der Vorstand das in § 36 a Abs 1 genannte Viertel, ggf erhöht um ein Agio, einfordern muß. Mit seiner Bestimmung, es müsse mindestens ein Viertel des geringsten Ausgabebetrages oder, wenn dieser höher ist, auch der höhere Betrag eingefordert werden, stellt § 36 a Abs 1 iVm § 2 3 Abs 5 S 2 darüber hinaus klar, daß der Vorstand auch mehr als dieses Viertel einzufordern berechtigt sein k a n n . 2 6 2 Dazu wird teilweise angenommen, der Vorstand entscheide aus eigener Machtvollkommenheit - lediglich mit der Möglichkeit der internen Kontrolle durch den Aufsichtsrat nach § 111 Abs 4 S 2 - über eine etwaige erhöhte Einforderung vor Eintragung, 2 6 3 wobei gleichgültig sei, ob eine konkretisierende oder zumindest eine den Vorstand dazu ermächtigende Satzungsbestimmung existiere oder nicht. Dem kann nicht gefolgt werden. § 2 3 Abs 2 Nr 3 legt fest, daß es Sache der Gründer ist, über die Höhe des Betrages zu bestimmen, der bei Eintragung eingezahlt sein und demgemäß eingefordert werden m u ß . 2 6 4 Zu Recht geht daher die überwiegende Meinung davon aus, daß Voraussetzung für die Wirksamkeit eines das gesetzliche Mindestviertel des § 36 a Abs 1 übersteigenden Einforderungsbetrages iSv § 54 Abs 3 S 1 die Festsetzung der höheren Quote in der Satzung ist. 2 6 5 Hingegen reicht es nicht 260

261

262

KK-Lutter 1 Rdn 55; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 51; GroßkommBarz Voraufl, Anm 17; ν Godin/Wilhelmi4 Anm 7; aA Schlegelberger/Qttassoifsih'3 § 49 Rdn 8; Herbeck Die Bareinlageverpflichtung des Aktionärs (1938), S 67. HM, vgl RGZ 144, 348, 351; GroßkommRöhricht4 § 36 Rdn 44; Hüffer4 § 36 a Rdn 2; KK-Kraft 1 § 36 a Rdn 5; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 57; aA Eckardt in: Geßler/Hefermehl, § 36a Rdn 7: „Gründer". Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 58 f; Wolany AG 1966, 80; aA grsl Hofmann AG 1963, 264; auch noch Lutter Kapital (1964), S 130, letzterer nunmehr aber abgeschwächt in KK-Lutter 1 Rdn 58

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mit bloßem Verweis auf Hefermehl/Bungeroth aaO. Großkomm-Barz Voraufl, § 36 Anm 13 und - dies weiterführend - GroßkommRöhricht4 § 36 Rdn 45. Vgl zu dieser Vorschrift Art 3 lit g der 2. Richtlinie des Rates ν 13.12.1976 (77/191/EWG - EG-Abl ν 31.1.1977 - Nr L 26/1). Vgl BGHZ 15, 66, 68 [zur Gen]; 37, 75, 77 [zur GmbH]; RGZ 149, 293, 304 [zur GmbH]; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 59; ν Godin/ Wilhelmi4 § 36 Anm 9; Drude Die Sicherung der Kapitalaufbringung (1971), S 91; Wolany AG 1966, 80.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

aus, wenn der Betrag außerhalb der Satzung festgelegt wird oder die Satzung eine den Vorstand nur ermächtigende Bestimmung enthält, mehr als das Mindestviertel einfordern zu k ö n n e n . 2 6 6 Eine Änderung des in der Satzung festgelegten Einzahlungsbetrages bedarf der Z u s t i m m u n g aller Gründer, da die Vorschrift über die Satzungsänderung mit der dafür erforderlichen M e h r h e i t erst ab Eintragung der Gesellschaft angewandt werden k a n n . H a b e n die Gründer einstimmig die uneingeschränkte A u f n a h m e der Geschäfte durch die Vor-AG beschlossen, so ist der Vorstand entsprechend § 6 3 Abs 1 berechtigt, über die Einforderung weiterer Beträge zu befinden, soweit die Gründer nicht einverständlich Abweichendes bestimmt h a b e n . g) Folgen ordnungsgemäßer Leistung. H a t der A k t i o n ä r gem A b s 3 auf seine aus A b s 1 folgende Einlagepflicht geleistet, tritt in H ö h e der Z a h l u n g Tilgungswirkung gem

118

§ 3 6 2 Abs 1 B G B ein. D a b e i bleibt es auch dann, wenn die Einlageleistung der Gesellschaft noch vor der Eintragung entzogen oder durch Eintritt einer Verfügungsbeschränkung blockiert oder vom Vorstand pflichtwidrig verwendet wird. D a s R i s i k o einer etwaigen Unterschlagung oder wirtschaftlichen Aufzehrung trägt somit die G e s e l l s c h a f t . 2 6 7 h) Mehrzahlungen auf die Einlage vor Eintragung („freiwillige Überzahlung"). D e r A k t i o n ä r sieht sich bei der Vereinbarung einer Sacheinlage schon vor Eintragung nach § 3 6 a Abs 2 S 1 einem in vollem U m f a n g fälligen Einlageanspruch der Vor-AG ausgesetzt, soweit nicht die Regelung in S 2 dieser Vorschrift eingreift. 2 6 8 Hingegen hat der Inferent einer Bareinlage vor Eintragung gem § 3 6 a Abs 1 lediglich ein Viertel des Mindestbetrages - ggf zuzüglich eines Agio - zu leisten. Dieser Mindestbetrag k a n n durch Regelung in der Satzung erhöht werden (Rdn 117). D e r erhöhte Betrag entspricht jedoch keinem freiwilligen „ M e h r " an Leistung; denn der Einlageschuldner zahlt genau den Betrag ein, den er mit der Fälligstellung durch Einforderung des Vorstandes zu diesem Z e i t p u n k t nach der satzungsmäßigen Feststellung schuldet.

119

Leistet der A k t i o n ä r allerdings vor der Eintragung der A G mehr als den Betrag, der durch Einforderung fällig gestellt worden ist - gleichgültig, o b es sich dabei um den Mindestbetrag iSd § 3 6 a A b s 1 oder den in der Satzung festgesetzten höheren Betrag handelt - , stellt sich die Frage, o b mit dieser Z a h l u n g die Resteinlageverpflichtung getilgt worden ist. Hier m u ß differenziert werden:

120

aa) Sind die übrigen Gründungsgesellschafter mit der Leistung vor Eintragung und Einforderung durch den Vorstand einverstanden, bestehen gegen die Erfüllungswirkung keine Bedenken. Zwingende, ihrem Schutz dienende Vorschriften werden nicht verletzt. Werden die Geschäfte nicht vorzeitig a u f g e n o m m e n , k a n n davon ausgegangen werden,

121

d a ß die Leistung im Z e i t p u n k t der Eintragung noch vorhanden ist. Soweit sich die Erfüllungswirkung auf die Gewinnverteilung (§ 6 0 A b s 1 und 2 ) und das Stimmrecht (§ 1 3 4 Abs 2 ) auswirkt, haben sie sich mit dieser Änderung durch ihr zustimmendes Verhalten einverstanden erklärt. Auch der Umstand, d a ß das R i s i k o des Untergangs der Einlageleistung auf die Vorgesellschaft übergegangen ist, wird von dieser Z u s t i m m u n g u m f a ß t . 266

267

(47)

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 59; tendenziell offenbar aA ν Godin/Wilhelmi 4 § 36 Anm 9, 11. BGHZ 15, 66, 69; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 52; KK-Lutter2 Rdn 57.

268

Zur str Auslegung von § 36 a Abs 2 vgl einerseits Gtoßkomm-Röhricht4 § 36 a Rdn 3 - 1 0 und Hüffer4 § 36 a Rdn 4, andererseits KK-Kraft 1 § 36 a Rdn 9-13 und Mayer ZHR 154 (1990), 535, 542 ff.

Hartwig Henze

§ 5 4

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

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Sind die übrigen Gründungsgesellschafter mit der vorzeitigen Leistung nicht einverstanden, tritt keine Erfüllungswirkung ein. Die Regelung des § 271 Abs 1 BGB, die dem Schuldner das sofortige Bewirken der Leistung ermöglicht, wird den Besonderheiten des Aktienrechts nicht gerecht. M a n mag darüber streiten, ob die Abhängigkeit der Einlageleistung von der Aufforderung des Vorstandes eine Regelung ist, die auch den Schutz der Gesellschaft vor einer zu frühzeitigen Erfüllung und den damit verbundenen Ubergang der nachfolgenden Risiken (zB Unterschlagung, Verlust etc) auf die Gesellschaft im Auge hat. Auf jeden Fall würden diese Risiken auf die Gesellschaft übergehen. Würde sich nur eines davon verwirklichen, hätte die Gesellschaft bereits vor Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit einen erheblichen Nachteil erlitten. Zutreffend wird ferner darauf hingewiesen, 2 6 9 daß sich zu Lasten der übrigen Gesellschafter nachteilige Auswirkungen auf die Gewinnverteilung (§ 6 0 Abs 2) und das Stimmrecht (§ 134 Abs 2) ergeben. Zwar werden solche Auswirkungen bei Leistungen, die nicht eingefordert und damit fällig gestellt worden sind, verneint. 2 7 0 Würde man jedoch auf die Bestimmung des Zeitpunktes der Einlageleistung § 271 Abs 1 BGB anwenden und von einer Erfüllungswirkung der Leistung ausgehen, müßte man Veränderungen der Gewinnverteilung (§ 6 0 Rdn 12) und des Stimmgewichtes annehmen. 2 7 1

123

bb) Weitergehende Überlegungen ergeben sich, wenn die Vor-AG die Geschäfte im Einverständnis aller Gründergesellschafter aufnimmt. Unter diesen Umständen muß man sich mit den Einwendungen auseinandersetzen, die auch im Rahmen des § 36 Abs 2 erhoben werden:

124

Gegen die Tilgungswirkung wird hier das - formale - Argument vorgebracht, der Vor-AG fehle die Gläubigerstellung und Empfangszuständigkeit für die Resteinlage; beides liege allein bei der eingetragenen AG. Den freiwillig erbrachten Mehrleistungen komme daher Tilgungswirkung nur dann zu, wenn der entsprechende Betrag im Zeitpunkt der Entstehung der AG noch unversehrt als Bar- oder Buchgeld vorhanden sei. 2 7 2 Diese Ansicht ist überholt. Im Recht der G m b H haben Rspr und Lehre das sog Vorbelastungsverbot aufgegeben und bei Einverständnis aller Gründer die Aufnahme der Geschäfte durch die Vor-GmbH mit Wirkung für und gegen die eingetragene GmbH zugelassen. 273 An die Stelle der Unversehrtheit des Stammkapitals ist die Sicherstellung seiner Aufbringung durch die Unterbilanz-(Vorbelastungs-)haftung der Gründer getreten. Diese Grundsätze beanspruchen auch im Aktienrecht Geltung. 2 7 4

125

Rspr und Lehre vertreten im GmbH-Recht weiterhin die Ansicht, die Verpflichtung zur Leistung der Resteinlage werde auch dann erfüllt, wenn die Einlage freiwillig vor der 1

Hefermehl/Bungeroth Rdn 5 5 .

in: Geßler/Hefermehl,

270 Vgl Hüffer4 § 6 0 Rdn 3. 271 Vgl Stimpel FS Fleck ( 1 9 8 8 ) , S 3 4 5 , 347. 272 B G H Z 37, 75, 7 8 ; 4 5 , 3 3 8 , 3 4 5 = G m b H R 1967, 1 4 5 m Anm Wiedemann [zur Kapitalerhöhung]; B G H Z 51, 157, 1 5 9 ; R G Z 149, 2 9 3 , 3 0 3 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 5 6 ; Eckardt in: Geßler/Hefermehl, § 3 6 a Rdn 10; Großk o m m - ß a r z Voraufl, Anm 19; KK-Kraft1 § 3 6 a Rdn 8; Hofmann AG 1 9 6 3 , 2 6 1 und 2 9 9 ; grsl ebenso, wenn auch ohne Unversehrtheitsgebot KK-Lutter2 Rdn 5 8 f; krit hingegen O L G Saarbrücken J Z 1951, 4 4 6 m

273

zust Anm Schilling; Brunn BB 1 9 5 6 , 2 6 1 ; Wolany AG 1 9 6 6 , 7 9 und 118. B G H Z 8 0 , 129, 140; 105, 3 0 0 , 3 0 3 ; zuletzt B G H Z 1 3 4 , 3 3 3 = N J W 1997, 1 5 0 7 m Anm Altmeppen = ZIP 1997, 6 7 9 m Anm Κ Schmidt 6 7 1 = DStR 1997, 6 2 5 m Anm Goette; Lutter/Hommelhoff G m b H G 1 5 § 11 Rdn 9, 2 0 ; Scholz/K Schmidt G m b H G 9 § 11 Rdn 1 2 4 ff; H a c h e n b u r g / G m b H G 8 § 7 Rdn 4 2 m w N ; Joost Z G R 1 9 8 9 , 5 5 4 .

274

O L G Karlsruhe ZIP 1 9 9 8 , 1 9 6 1 ;

Hüffer4

§ 41 Rdn 2 und 8 f m w N ; Kort E W i R 1 9 9 8 , 1011, 1012; Wiedenmann ZIP 1997, 2 0 2 9 ; Weimar DStR 1997, 1 1 7 0 , 1174; Henze AktienR 4 ( 2 0 0 0 ) , Rdn 9 2 - 9 8 .

Stand: 1. 3. 2000

(48)

Hauptverpflichtung der Aktionäre

§ 54

Eintragung der Gesellschaft geleistet werde. 2 7 5 Soweit auch dieser Betrag bei der Eintragung im Zuge der Aufnahme der Geschäftstätigkeit durch die Vor-GmbH verbraucht worden ist, wird die Aufbringung dieses Teils der Einlage ebenfalls durch die Unterbilanz-(Vorbelastungs-)haftung sichergestellt. Auch dieser Grundsatz ist auf das Aktienrecht übertragbar. Naturgemäß kann in diesem Falle der vorzeitigen Leistung der Resteinlage TilgungsWirkung nur dann beigemessen werden, wenn die Gründer der Aufnahme des Geschäftsbetriebes vor Eintragung der Gesellschaft zugestimmt h a b e n . 2 7 6 Denn die einverständliche Geschäftsaufnahme ist Voraussetzung dafür, daß die Unterbilanz-(Vorbelastungs-)haftung eingreift. Nur dann kommt der Leistung der Resteinlage Tilgungswirkung zu. Die Gegenansicht, die grundsätzlich § 271 Abs 1 B G B angewandt wissen möchte und die einer freiwilligen Mehrzahlung die schuldbefreiende Wirkung nur dann versagt, wenn sich aus der Satzung oder aus sonstigen Umständen die Unzulässigkeit dieses Verhaltens ergibt, 2 7 7 geht über diese Voraussetzungen hinaus. Ihr kann jedoch aus den dargelegten Gründen (Rdn 122) nicht gefolgt werden.

126

Von Mehrzahlungen im vorstehenden Sinn abzugrenzen sind Vorauszahlungen, die auf eine erst noch zu beschließende Kapitalmaßnahme hin erfolgen; aufgeworfen werden hierdurch nicht gründungs-, sondern kapitalerhöhungsrelevante Fragen. 2 7 8

127

i) Einlageleistungen nach Eintragung der AG. Von dem Zeitpunkt der Handelsregistereintragung an, in dem die AG rechtsfähig wird, verliert Abs 3 im Hinblick auf die Einlageansprüche seine Geltung. Die Tilgungswirkung (§ 3 6 2 Abs 1 BGB) bei Leistungen auf die Einlage ist somit nicht mehr von den dort normierten strengen Erfordernissen abhängig. Allerdings sind immer noch anderweitige Anforderungen zu beachten, die die allgemeinen Erfüllungsregeln des Bürgerlichen Rechts modifizieren; insbesondere wird nach § 6 6 Abs 1 die Erfüllungswirkung der §§ 3 6 4 Abs 1, 389, 3 9 7 B G B ausgeschlossen und sind entsprechend § 6 6 Abs 1 alle Rechtsgeschäfte unzulässig, die zu einem vergleichbaren Ergebnis führen (vgl § 6 6 Rdn 11 ff, 4 9 f, 5 2 f f ) . 2 7 9

128

Ist das Stadium der Rechtsfähigkeit erreicht, kann jeder Aktionär Befreiung von der Einlageschuld durch jede Leistungsform erzielen, die nach Maßgabe des Abs 2 der AG endgültig Bar- oder Buchgeld zuführt, sei es in ausländischer Währung und/oder bei einer von den §§ 53 Abs 1 S 1, 5 3 b Abs 1, Abs 7 K W G nicht erfaßten kontoführenden Stelle. Ebenso ist Erfüllung nach Maßgabe des § 3 6 2 Abs 2 B G B möglich. 2 8 0 Für den Giralgeldverkehr ist es irrelevant, ob (Gesellschafts-)Konten auf den Vorstand lauten; denn der-

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(49)

BGHZ 105, 300, 303; Hachenburg/Ulmer GmbHG8 § 7 Rdn 42 mwN; Joost ZGR 1989, 554. Vgl BGHZ 105, 300, 303 f; Hüffer4 § 36 a Rdn 3; Hachenburg/Ulmer GmbHG8 § 7 Rdn 42 f; aA Pentz in: MünchKommAktG2 § 36 Rdn 73. Vgl Scholz/H Winter GmbHG 9 § 7 Rdn 44; Stimpel FS Fleck (1988), S 345, 347. Dazu BGHZ 96, 231; 118, 83; BGH NJW 1995, 460 = WiB 1995, 204 m Anm ν Gierke; BGH ZIP 1996, 1466 = DStR 1996, 1416 m Anm Goette-, GroßkommWiedemann4 § 188 Rdn 36 f mwN; Lutter/Hommelhoff GmbHG 15 § 56 Rdn 18 ff mwN; Henze AktienR4 (2000),

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280

Rdn 195-203 mwN; Wimmer GmbHR 1997, 827, 829; Klaft/Maxem GmbHR 1997, 586; Eblke ZGR 1995, 426; Groß GmbHR 1995, 845; Lutter/Hommelhoff/Timm BB 1980, 737, 744; Κ Schmidt ZGR 1982, 519; Hirte in: Kölner Schrift zur InsO (1997), S 955, 974; vgl zudem OLG Düsseldorf DB 2000, 612; OLG München NZG 1999, 84; unzutreff OLG Köln GmbHR 1999, 288, dessen Entscheidung inzwischen revidiert ist durch BGH Urt ν 18.9.2000 - II ZR 365/98. AllgM, BGHZ 28, 77, 78; OLG Köln WM 1984, 740; ZIP 1989, 174, 176; Hüffer4 § 66 Rdn 4 mwN. BGH ZIP 1986, 161 m Anm Κ Schmidt EWiR 1986, 159.

Hartwig Henze

§ 54

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

artige Konten sind vor Eintragung Konten der Vorgesellschaft. Mit der Eintragung werden sie ipso iure Konten der AG. Zahlungen auf derartige Konten befreien den Inferenten mit Leistung der Gutschrift. 2 8 1 130

Auf die Resteinlageverpflichtung, die erst nach Eintragung der AG fällig wird, ist Abs 3 nicht anwendbar. Für die Erfüllungswirkung gegenüber der AG ist es daher unerheblich, ob die Leistung der Einlage zur freien Verfügung des Vorstandes erfolgt (zur Anwendbarkeit auf eine Kapitalerhöhung vor Eintragung vgl Rdn 83 aE). Allerdings ergeben sich auch für sie im Ergebnis tatsächlich vergleichbare Einschränkungen nach den Grundsätzen der verdeckten Sacheinlage 2 8 2 oder der verdeckten Leistung an Erfüllungs S t a t t 2 8 3 . In beiden Fällen - bei Vereinbarung des Deckungsgeschäftes anläßlich der Gründung (verdeckte Sacheinlage) bzw nach Eintragung der AG mit dem Vorstand (verdeckte Leistung an Erfüllungs Statt) - hat die Leistung auf die Bareinlageverpflichtung keine Erfüllungswirkung.

131

j) Beweislast. Für die Erfüllung seiner Einlageschuld ist der Aktionär beweispflichtig. 2 8 4 Vereinbarungen, die eine Beweislaständerung bezwecken oder sich sonst in dieser Richtung für einen Gläubiger nachteilig auswirken, sind entsprechend § 6 6 Abs 1 wirkungslos. 2 8 5 Genügend Beweis für die eingetretene Tilgungswirkung wird der Aktionär in der Regel unter substantiierter 2 8 6 Darlegung durch den Nachweise erbringen, daß er - unter den Voraussetzungen des Abs 3 - der AG zum Zwecke der Aufbringung ihres Kapitals einen Betrag hat zufließen lassen, dessen Höhe mit derjenigen der Einlageverpflichtung übereinstimmt. Hingegen wird der Beweis nicht geführt, wenn der Gesellschafter allein darauf verweisen kann, er habe eine Überweisung mit dem Verwendungszweck „Einlage/Darlehen" getätigt, deren Betrag denjenigen der Einlageverpflichtung übersteigt und die vollständig als Darlehen verbucht wird: Hier ist die Verwendungsbestimmung des geleisteten Betrags zweideutig. 2 8 7

VII. Rechtsfolge bei Verstößen 1. Verstoß gegen Abs 1 132

Abs 1 ist abschließend und beinhaltet zwingendes Recht, das für das Wesen der AG mitbestimmend ist (Rdn 3). Eine hiernach unzulässige Vereinbarung können die Gründer nicht wirksam zum Satzungsbestandteil machen. Ebenso ist jeder Hauptversammlungsbeschluß, der inhaltlich zu Abs 1 in Widerspruch steht, nach § 241 Nr 3 Var 1 nichtig. 2 8 8 Wird eine Satzung mit einem derartigen Bestandteil bzw ein derartiger Hauptversammlungsbeschluß zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet, hat das Registergericht den Antrag zurückzuweisen. Wird er gleichwohl eingetragen, erlangt er keine Wirksamkeit, weil der Eintragung keine Heilungsfunktion zukommt. Jedoch kann ein Fristver-

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KK-Lutter2 Rdn 62; aA Großkomm-ßiirz Voraufl, Anm 19. Ausführl zur verdeckten Sacheinlage Großkomm-Röhricht4 § 27 Rdn 188-220 mwN; außerdem BGHZ 132, 133; BGH NJW 1998, 1951. Mülbert ZHR 154 (1990), 145, 186 f; vgl auch BGH ZIP 1996, 595, 597.

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Vgl BGH NJW 1992, 2698, 2699; OLG Naumburg NZG 2000, 152, 153 mwN [zur GmbH]. OLG Köln NJW-RR 1989, 354; 1996, 939, 941 [zur GmbH], Vgl OLG Köln NJW-RR 1996, 939, 941. OLG Oldenburg ZIP 1996, 2026 m zust Anm ν Zwoll EWiR 1997, 115. RGZ 113, 152, 155.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Hauptverpflichtung der Aktionäre

§54

säumnis iSd § 242 Abs 2 dazu führen, daß einem gem § 54 Abs 1 iVm $ 241 Nr 3 Var 1 nichtigen Hauptversammlungsbeschluß Beachtung geschenkt werden muß. 2 8 9 Hatte die nach Abs 1 unwirksame Bestimmung eine Leistungspflicht zum Inhalt und ist ihr der Aktionär nachgekommen, so kann er seine Leistung aus ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812 ff BGB zurückfordern. Dabei ist aber gem § 66 Abs 1 S 2 die Aufrechnung (§§ 387 ff BGB) gegen eine Einlageforderung ebenso ausgeschlossen wie entsprechend § 66 Abs 1 S 2 die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes (§§273 f BGB).

133

2. Verstöße gegen Abs 3 a) Auch die Regelung des Abs 3 ist erschöpfend und hat zwingenden Charakter. Erbringt der Aktionär seine Bareinlage unter Nichteinhaltung der Voraussetzungen dieser Vorschrift, tritt eine die Einlageschuld tilgende Erfüllungswirkung (§ 362 Abs 1 BGB) nicht ein.

134

b) Ein untauglicher Tilgungsversuch kann uU eine Erfüllungswirkung später noch herbeiführen, soweit sich die Leistungshandlung und ihre Wirkung tatsächlich fortsetzen und dadurch der Gesellschaft eine Rechtsposition gewährt wird, die den Anforderungen des Abs 3 genügt:

135

aa) Möglich ist das einmal, wenn aus der Verwertung eines der Gesellschaft erfüllungshalber geleisteten Gegenstandes (zB Scheck) der geschuldete Barbetrag der AG zufließt oder daraus eine Kontogutschrift iSv Abs 3 folgt. 2 9 0 Gleiches gilt, wenn der Inferent zunächst eine Gutschrift auf einem Konto bewirkt hatte, das die Voraussetzungen nach Abs 3 nicht erfüllt und der Gutschriftbetrag sodann auf ein Konto iSd Abs 3 weiterüberwiesen wird oder wenn die Gesellschaft sich den Wert durch Abhebung in bar zuführt. Ebenso tritt Erfüllung ein, wenn ein Barbetrag anfangs nicht zur freien Verfügung geleistet ist, sein Wert im Gesellschaftsvermögen verbleibt und die Verfügungsfreiheit des Vorstandes zu einem späteren Zeitpunkt eintritt.

136

bb) Wird die Mindesteinlage iSd § 36 a Abs 1 oder der in der Satzung festgelegte höhere Betrag (Rdn 117) von einem Gründergesellschafter eingezahlt, ohne daß er vom Vorstand eingefordert worden ist, hängt die Beantwortung der Frage, ob dieser Teil der Einlageforderung damit erfüllt ist, von den verschiedenen Umständen ab, die auch schon für die vor Fälligstellung gezahlte Resteinlage als maßgebend angesehen worden sind (Rdn 120 ff): Wird die Zahlung ohne Einverständnis der übrigen Gründergesellschafter vorgenommen, liegt keine Erfüllungswirkung vor, weil die Gründer die mit der Leistung für sie und die Gesellschaft verbundenen Risiken (Aufzehrung, Verlust, Unterschlagung des Betrages mit der möglichen Folge einer Ablehnung der Eintragung) nicht auf sich zu nehmen brauchen. § 271 Abs 1 BGB ist insofern im Aktienrecht nicht anwendbar. Anders sieht das aber aus, wenn die übrigen Gründer ihr Einverständnis erklären oder alle Gründer mit der Vor-AG die Geschäfte aufnehmen. In diesem Fall nehmen sie die für sie und die Gesellschafter drohenden Nachteile in Kauf, im Falle der Geschäftsaufnahme ggf auch Nachteile bei der Gewinnverteilung und dem Stimmrecht.

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(51)

Hiiffer4 § 2 4 2 Rdn 1 und 7 m w N zu der str Frage, ob Konsequenz des § 2 4 2 Abs 2 die materielle Heilung ist oder der Mangel

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lediglich nicht geltend gemacht werden kann, Hüffer4 Rdn 13.

Hartwig Henze

§ 55

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

138

Im Falle fehlenden Einverständnisses ist die Möglichkeit späterer Erfüllung anzunehmen, wenn der Vorstand einen Annahmeakt zum Ausdruck bringt. Das kann konkludent dadurch geschehen, daß er die ohne Einforderung vorgenommene Zahlung annimmt, setzt aber aus Gründen der Gleichbehandlung der Gesellschafter (§ 53 a) voraus, daß auch an die übrigen Aktionäre eine Zahlungsaufforderung ergeht und der geleistete Betrag zumindest seinem Werte nach in diesem Zeitpunkt noch vorhanden ist. 2 9 1

139

c) Solange die Leistung der Einlage nicht zur Tilgung der Einlageforderung geführt hat, kann der Inferent sie nach §§ 812 ff B G B kondizieren. Ausgeschlossen ist jedoch, daß mit dem Bereicherungsanspruch gegen die weiterbestehende Einlageforderung der AG aufgerechnet (§ 6 6 Abs 1 S 2), ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt oder sonst eine Saldierung geltend gemacht wird (§ 6 6 Abs 1 S 2 entsprechend).

§55

Nebenverpflichtungen der Aktionäre (1) Ist die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden, so kann die Satzung Aktionären die Verpflichtung auferlegen, neben den Einlagen auf das Grundkapital wiederkehrende, nicht in Geld bestehende Leistungen zu erbringen. Dabei hat sie zu bestimmen, ob die Leistungen entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringen sind. Die Verpflichtung und der Umfang der Leistungen sind in den Aktien und Zwischenscheinen anzugeben. (2) Die Satzung kann Vertragsstrafen für den Fall festsetzen, daß die Verpflichtung nicht oder nicht gehörig erfüllt wird. Übersicht Rdn

Rdn

I. Einführung

3. Unbarer Leistungsinhalt

1. Gesetzesgeschichte 2. Rechtsnatur, Regelungsgegenstand und Bedeutung der Norm II. Zulässigkeitsvoraussetzungen 1. Ausgabe vinkulierter Namensaktien . 2. Erfordernis der Aufnahme in die Satzung 3. Bestimmung der Entgeltlichkeit (Abs 1 S 2) a) Form b) Teilentgelt c) Höhe d) Inhalt e) Änderung 4. Nachträgliche Begründung ΙΠ. Möglicher Gegenstand der Nebenpflicht 1. Begriff der Leistung 2. Wiederkehrende Leistungspflicht . . 291

1 2

IV. V.

6 7 10 10 11 12 13 14 15 16 17

Zur Kapitalerhöhung vgl BGHZ 119, 177, 188 m insow zust Anm Priester ZIP 1994, 599; KK-Lutter 2 Rdn 58 f; Hüffer ZGR 1993, 474; aA noch BGHZ 37, 75, 78; 51, 157, 159; BGH NJW 1966, 1311, 1313; RGZ

VI. VII.

VIII.

20

4. Sonstige Schranken Angaben im Wertpapier (Abs 1 S 3) Schuldner der Nebenverpflichtung 1. Grundsatz 2. Sonderfall: Gutgläubig „lastenfreier" Erwerb Änderung der Nebenleistungspflicht . . Übertragung von Nebenleistungspflicht und -ansprach 1. Pflichtenübertragung 2. Anspruchsübertragung Rechtliche Behandlung und Leistungsstörungen 1. Entsprechende Anwendung des Vertragsrechtes 2. Leistungsstörungen a) Schlechterfüllung b) Anfechtung

21

22 23 24

28

37

149, 293, 303; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 56; Eckardt in: Geßler/Hefermehl, § 36 a Rdn 10; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 19.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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der Aktionäre

§ 55 Rdn

Rdn I X . Beendigung der Nebenleistungspflicht 1. Allgemeines 2. Mögliche Einzelgründe a) Vereinbarung einer zeitlich oder rechtlich begrenzten Pflicht . . . . b) Satzungsänderung c) Veräußerung der Aktie d) Ende der Vinkulierung . . . . . . . e) Unmöglichkeit f) Anfechtung g) Kündigung aa) Ordentliche Kündigung . . . . bb) Außerordentliche Kündigung . h) Verzicht durch die Gesellschaft . . i) Aufgabe durch den Gesellschafter .

38 39 39 40 41 42 43 44 45 45 46 48 49

j) Umwandlung der AG k) Liquidation der AG 1) Insolvenzverfahren über das Vermögen der AG m) Insolvenz über das Vermögen des Aktionärs X . Sicherung der Nebenverpflichtung 1. Vinkulierung (Abs 1 S 1 iVm § 68 Abs 2) 2. Vertragsstrafe (Abs 2) 3. Sonstige Sicherungsmöglichkeiten . . X I . Rechtsfolgen bei Verstößen 1. Verstöße gegen Abs 1 S 1 und S 2 . . 2. Verstöße gegen Abs 1 S 3 XII. Nichtmitgliedschaftliche Individualpflichten

50 51 52 53

54 56 59 62 63 64

Schrifttum Buchholz Die Nebenleistungspflichten bei der GmbH, JherJ 74, 260; ν Carolsfeld Zur Arbeitsleistung im Rahmen von Gesellschaftsverhältnissen, FS Alfred Hueck (1959), S 261; F Brìxner! J Brixner Bäuerliche Aktiengesellschaften mit genossenschaftlicher Zielsetzung, AG 1965, 262; J Brixner Zweckmäßigkeit und Möglichkeiten genossenschaftlicher Betätigung in der Rechtsform der Aktiengesellschaft (1961); ders Marktintegration durch bäuerlich-genossenschaftliche Aktiengesellschaften (1966); Finke Die Sonderleistungspflichten bei der GmbH (1931); Gansmüller Die Nebenleistungsgesellschaft auf mangelhafter Grundlage, GmbHR 1955, 172; Herzog Übermäßige Bindungen der Gesellschafter von Zuckerrübenfabriken, ZBH 1929, 313; ders Ein Preisgaberecht bei Nebenleistungsgesellschaften, ZHR 97 (1932), 422; A Hueck Inwieweit besteht eine gesellschaftliche Pflicht des Gesellschafters einer Handelsgesellschaft zur Zustimmung zu Gesellschafterbeschlüssen? ZGR 1972, 237; Kulenkampf die Nebenleistungsaktiengesellschaft (1927); Lippmann Über die rechtliche Natur der Rübenlieferungspflicht der Aktionäre von Aktienzuckergesellschaften, ZHR 39 (1891), 126; Lobedanz Der Einfluß von Willensmängeln auf Gründungs- und Beitrittsgeschäfte (1938); Luther Die genossenschaftliche AG (1978); Markus Kapitaleinlagen und wiederkehrende Leistungen des Aktionärs, AG 1931, 3; Miigel Die Erhaltung der Familiengesellschaft, SozPr 1939, 987; Müller-Erzbach Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens (1948); Orel Die Nebenleistungspflichten bei der eingetragenen Genossenschaft (1961); Schütt Die Nebenleistungsaktiengesellschaft (1927); Ullrich Formzwang und Gestaltungsgrenzen bei Sonderrechten und Nebenleistungspflichten in der GmbH, ZGR 1985, 235; Wiedemann Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften (1965); Winkler Materielle und formelle Bestandteile in Gesellschaftsverträgen und Satzungen und ihre verschiedenen Auswirkungen, DNotZ 1969, 394; ders Nichtgewerbliche, ideale, insbesondere politische Zielsetzungen als Inhalt von Gesellschaftsverträgen und Satzungen, NJW 1970, 449; ders Die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen im Wege der Grundtypenvermischung, NJW 1970, 1065; Wolff Oie Nebenleistungsaktiengesellschaft des neuen HGB, FS Wilke (1900), S 319.

I. Einführung 1. Gesetzesgeschichte

Die Vorschrift besteht seit 1965 unverändert. Mit Ausnahme von Abs 1 S 2, der 1 damals neu eingefügt worden ist, stimmt die Vorschrift wörtlich mit § 50 AktG 1937 überein. Dessen Vorläufer war § 212 HGB.

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Hartwig Henze

§55

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

2. Rechtsnatur, Regelungsgegenstand und Bedeutung der Norm 2

§ 55 Abs 1 ist zwingendes Recht und regelt als einzige echte Ausnahme von § 54 Abs 1 die Zulässigkeit einer über die Einlagepflicht hinausgehenden mitgliedschaftlichen 1 Nebenpflicht. Diese hat demnach ebenso korporativen Charakter wie die Einlagepflicht, neben die sie tritt, ohne sie zu ersetzen; denn anderenfalls bliebe eine Deckung des Grundkapitals aus. Die Leistungen gern § 55 werden nicht auf das Grundkapital erbracht. Sie unterliegen folglich auch nicht den Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsgrundsätzen der §§ 57, 58, 62 und 66. Soll ein Aktionär eine Nebenleistung als Einlage erbringen, handelt es sich nicht um eine Pflicht iSv § 55, sondern um eine Sacheinlageverpflichtung (§ 27 Abs 1). Eine Satzungsbestimmung, die vorsieht, daß ein Aktionär allein zu einer Leistung nach § 55 verpflichtet ist, ohne daneben eine Einlage nach § 54 zu schulden, ist wegen Verstoßes gegen die zwingenden Regelungen über das Grundkapital (§§ 1, 2 3 Abs 3 N r 3) nichtig.

3

Körperschaftsrechtlichen Charakter hat nur die Nebenpflicht als Stammrecht. Hiervon zu unterscheiden sind die aus diesem Stammrecht wiederkehrend erwachsenden einzelnen Leistungsverpflichtungen, die nach ihrem Entstehen selbständig sind und bei denen es sich um nichtmitgliedschaftliche schuldrechtliche Forderungen der AG gegen ihren Aktionär handelt.

4

Die Gesellschaft kann Aktien schaffen, auf denen eine mitgliedschaftliche Nebenleistungspflicht fußt; geschieht das, so ist die Gesellschaft gleichwohl nicht gehalten, nur nebenpflichtbegründende Mitgliedschaften ins Leben zu rufen. Die Aktionärsstruktur kann vielmehr auch so beschaffen sein, daß nur einen Teil der Aktionäre eine Nebenverpflichtung iSv § 55 trifft, während die restlichen Aktionäre von Mitgliedschafts wegen nur eine Einlage schulden (§ 54). Die Aktien, die unter dieser Voraussetzung zusätzlich zur regulären Einlagepflicht eine Nebenverpflichtung verbriefen, bilden dann gegenüber den restlichen, nicht mit einer Nebenleistungspflicht belegten Aktien eine besondere Gattung iSv § I I . 2

5

Die Regelung des § 55 beruht auf einem Zugeständnis an die Zuckerrübenindustrie, eine Lieferpflicht der Zuckerrübenanbauer als mitgliedschaftliche gestalten zu können, ohne daß damit - anders als im Genossenschaftsrecht (vgl § 65 GenG) - ein Austrittsrecht einhergeht. M a g auch die Anwendbarkeit der Vorschrift nicht auf diesen Fall der Zuckerrübenindustrie, der nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers der Hauptanwendungsfall war, beschränkt sein, so hat § 55 doch in anderen Branchen etwa in der Brennereiwirtschaft 3 oder für Molkereien und Produktionsverwertungsgesellschaften (zB Hefeverwertung 4 ) - keine praktische Bedeutung gewonnen. Gemessen an der heute geringen Zahl von Zuckerrübenaktiengesellschaften mit Nebenleistungsvereinbarungen iSv § 55 hat diese Vorschrift insgesamt nie tragende Bedeutung erlangt. Z u d e m wird die Regelung überwiegend als Fremdkörper im kapitalgesellschaftsrechtlich strukturierten System des Aktienrechts angesehen, da sie die (in der Regel entgeltliche) Nebenleistungspflicht als eine ihrem Wesen nach personale Pflicht zur korporativen Pflicht erhebt. 5 Darüber hinaus verlieren die Aktien - wertpapierrechtlich untypisch -

1 2

AllgM; bspw RGZ 136, 313, 315. Großkomm-Barz Voraufl, Anm 3; Schlegelb e r g e r / Q u a s s o w s k i 3 § 5 0 Rdn 10; Düringer/ Hachen bürg/Hec/jífcíim 5 § 212 Anm 9; vgl auch RGZ 80, 95; OLG Braunschweig OLGRspr 36, 278.

3 4 5

Vgl RGZ 104, 349. Vgl RGZ 125, 114 [zur GmbH], Vgl näher KK-Lutter2 Rdn 2 m w N .

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Nebenverpflichtung der Aktionäre

§55

durch die mit ihnen verbundene Leistungspflicht ihre - schon durch die für die Übertragung erforderliche Zustimmung stark eingeschränkte - Beweglichkeit im Rechtsverkehr.

Π. Zulässigkeitsvoraussetzungen 1. Ausgabe vinkulierter Namensaktien Nach Abs 1 S 1 kann eine korporative Nebenpflicht nur für solche Aktionäre statuiert werden, deren Aktien bei Übertragung einer Zustimmung der Gesellschaft bedürfen. Es muß sich folglich um vinkulierte Namensaktien iSv § 68 Abs 2 handeln. Der Sinn der Regelung liegt darin, der Gesellschaft die Möglichkeit der Kontrolle und Beeinflussung des Schuldners der Nebenverpflichtung zu verschaffen, weil es von seinen persönlichen Umständen und den ihm zur Verfügung stehenden sachlichen Mitteln abhängt, ob er die Nebenverpflichtung ordnungsgemäß zu erfüllen in der Lage sein wird.

6

2. Erfordernis der Aufnahme in die Satzung Entsprechend ihrem korporativen Charakter muß die eine derartige Nebenpflicht begründende Vereinbarung zu ihrer Wirksamkeit in die Satzung aufgenommen werden (Abs 1 S 1). Ausschließlich diese Form ist ausreichend.6 Nach allgM genügt hierfür aber nicht allein die satzungsmäßige Bestimmung über das Bestehen einer Nebenpflicht als solcher, sondern es sind in der Satzung auch Art, Inhalt und Umfang der Nebenverpflichtung festzulegen.7 Es reicht demnach nicht, wenn die Satzung, um eine Nebenpflicht zu begründen, lediglich den Wortlaut des § 55 zitiert. Andererseits ist es nicht erforderlich, daß in der statutarischen Festsetzung schon jedes Detail ausgearbeitet wird. Vielmehr ist ein vorgezeichneter Rahmen genügend,8 innerhalb dessen die Leistung bestimmt werden kann. 9 Unterschiedlich beantwortet wird die Frage, ob Art, Inhalt und Umfang der Nebenverpflichtung als Verpflichtung in der Satzung konkret festgelegt werden müssen10 oder ob die Satzung nur einen Vorbehalt bzw eine Ermächtigung zu enthalten braucht, daß den Aktionären Nebenpflichten, für deren Art, Inhalt und Umfang ein konkret umrissener Rahmen festgelegt wird, durch Hauptversammlung, Vorstand und/oder Aufsichtsrat oder gar durch Dritte nach billigem Ermessen auferlegt werden können. 11 Diese Frage ist an Hand des mit den Regelungen der § § 5 5 und 180 verfolgten Zwecks zu entscheiden. Dieser besteht darin, den Aktionären vor den mit der Einführung der korporativen Nebenpflicht in das Aktienrecht verbundenen Risiken einen gewissen Schutz zu gewähren. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die Aktionäre, die an der Gründung beteiligt ( § 5 5 ) oder von dem später über die Einführung der Nebenpflicht gefaßten Beschluß betroffen sind, oder künftige Aktionäre über die Einzelheiten der Regelung unterrichtet sind und aufgrund dessen abschätzen können, was auf sie zukommt. Diese 6

7 8 9

10

RGZ 8 3 , 2 1 6 , 2 1 8 ; KG OLG-Rspr 27, 345, 346. RGZ 79, 332, 336; 83, 216, 218. Flechtheim J W 1916, 126. RGZ 87, 261, 265; 136, 313, 318; Hefermehl/ Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 5; Großkomm-fWz Voraufl, Anm 4. So Großkomm- Wiedemann4 § 180 Rdn 9.

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11

RGZ 87, 261, 265 [zur GmbH]; 136, 313, 318 [Rübenlieferungs-AG]; Hüffer4 § 180 Rdn 4; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 5; KK-Zöllner 2 § 180 Rdn 8; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 4; Brodmann § 276 Anm 1; Flechtheim J W 1916, 126; Roth L Z 1915, 1492, 1494.

Hartwig Henze

7

§ 55

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Voraussetzung ist auf jeden Fall dann gegeben, wenn die Satzung Art, Inhalt und Umfang der Nebenverpflichtung als Pflicht festlegt und nur noch Einzelheiten der Durchführung und Leistungsmodalitäten offen läßt, zu deren Regelung eines der Gesellschaftsorgane ermächtigt wird. Nicht anders ist die Situation, wenn Art, Inhalt und Umfang der Nebenverpflichtungen eingeschränkt werden und sich in einem bestimmten vorgezeichneten Rahmen bewegen, die nach Art und Inhalt konkretisierte Verpflichtung sowie ihr Umfang aber der Entscheidung durch ein bestimmtes Gesellschaftsorgan vorbehalten werden. Auch in diesem Falle können die Aktionäre überblicken, ob sie einer oder mehreren der in Betracht zu ziehenden Verpflichtungen unter Berücksichtigung ihrer inhaltlichen Ausgestaltung nachkommen, den Höchstumfang einer Lieferpflicht erfüllen oder sich mit deren Mindestumfang in Anbetracht ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse begnügen und einverstanden erklären können. Hat ein Aktionär unter diesen Umständen bei der Gründung Aktien übernommen oder später einen Beschluß über die Auferlegung von Nebenverpflichtungen zugestimmt, kann ihn die weitere Entscheidung, mit der die Verpflichtung konkretisiert wird, nicht mehr überraschen. 8

Abs 1 S 3 steht diesem Verständnis der Regelung über die Nebenverpflichtungen nicht entgegen. Denn ebenso wie konkrete Pflichten und ein bestimmter Leistungsumfang in der Aktie oder dem Zwischenschein vermerkt werden können, ist es auch möglich, den Rahmen zu umschreiben, in dem sich Art und Inhalt der Verpflichtung bewegen, und die Grenzen anzugeben, in denen eine Höchst- oder Mindestleistung in Betracht kommt. Potentielle Erwerber der Aktien können auf diese Weise über die auf sie - möglicherweise zukommenden Pflichten und deren Umfang unterrichtet werden. Genügt ihnen dieser Hinweis nicht, können sie sich durch Einsichtnahme der Satzung über weitere Einzelheiten unterrichten. Der Gesellschaft bleibt bei dieser Rahmenregelung ein Entscheidungsspielraum erhalten, der sie in die Lage versetzt, sich ohne weiteres auf wirtschaftliche Entwicklungen einzustellen und den dadurch eintretenden Sachzwängen Rechnung zu tragen.

9

Zu der konkreten Festlegung der Nebenpflicht kann in der Satzung die Regelung getroffen werden, daß die Bestimmung innerhalb des vorgezeichneten Rahmens durch ein Verwaltungsorgan oder einen Dritten nach billigem Ermessen vorgenommen werden soll. 12 Die Grenzen des billigen Ermessens bestimmen sich mangels abweichender Regelung nach den jeweils maßgebenden bürgerlich-rechtlichen Vorschriften. Die Leistungsbestimmung des Dritten ist nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist (§ 319 Abs 1 S 1 BGB). Die Entscheidung durch das Verwaltungsorgan ist unverbindlich, wenn sie nicht der Billigkeit entspricht (§ 315 Abs 3 S 1 BGB). Die Bestimmung der Leistung hat die Interessen beider Parteien angemessen zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Spezifische Fragen des unternehmerischen Beurteilungsspielraumes fließen auf Seiten der Gesellschaft insoweit ein, als ihre besonderen Verhältnisse im Rahmen der allgemeinen Marktlage zu berücksichtigen sind. Dem hat sowohl der Dritte als auch das Verwaltungsorgan als Entscheidungsträger Rechnung zu tragen. In diesen Grenzen unterliegt die Entscheidung gerichtlicher Überprüfung. Eine weitergehende Entscheidungsautonomie, die an ein billiges Ermessen nicht gebunden ist und somit einseitig die Interessen der Gesellschaft bevorzugen kann, darf einem Verwaltungsorgan nicht eingeräumt werden. 13 Jede Regelung, die einem Verwaltungsorgan eine derart zu weitgehende Befugnis zuspricht, setzt sich in Widerspruch 12

RGZ 87, 261, 265; 136, 313, 318; Hefermehl/

Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 5; Großkomm-Berz Voraufl, Anm 4 .

13

Vgl Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 5; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 4; aA Düringer/Hachenburg/F/ecfci-

heim3 § 212 Anm 7.

Stand: 1. 3. 2000

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Nebenverpflichtung der Aktionäre

§55

zu Abs 1 S 1 iVm § 2 3 Abs 5 S 1. Sie ist ebenso wie eine darauf gestützte Entscheidung, die dem Billigkeitsrahmen des § 315 Abs 3 S 1 B G B (Verwaltungsorgan) bzw § 319 Abs 1 S 1 B G B (Dritter) nicht entspricht, nichtig. 3. Bestimmung der Entgeltlichkeit (Abs 1 S 2) a) Form. Schließlich muß in der Satzung bestimmt sein, ob die Nebenleistung ohne oder gegen Entgelt zu erfolgen hat. Bezweckt wird dadurch der Schutz künftiger Aktienerwerber, die in die Lage versetzt werden sollen, die mit dem Erwerb der Mitgliedschaft verbundenen Risiken und Kosten einzuschätzen. 14 Diese Regelung in Abs 1 S 2 erwies sich als erforderlich, weil im früheren Recht zu §§ 212, 216 H G B bzw §§ 50, 5 5 AktG 1937 die Frage, ob die Gewährung eines dem Wert der Leistung entsprechenden Entgeltes in der Satzung geregelt werden mußte oder durch Beschluß der Hauptversammlung (mit einfacher Mehrheit) festgelegt bzw der Vorstand dazu ermächtigt werden konnte, unterschiedlich beantwortet wurde. 1 5 Für Nebenleistungsaktiengesellschaften, die bereits vor dem 1 . 1 . 1 9 6 6 bestanden haben und die bei Begründung einer Nebenpflicht nach § 5 0 AktG 1937 keine Regelung über die Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Leistung treffen mußten, gilt als Übergangsregelung § 10 EGAktG: Sobald solch eine AG eine ihren Unternehmensgegenstand oder die Nebenverpflichtung betreffende Satzungsänderung vornimmt, muß auch eine dem § 55 Abs 1 S 2 AktG 1965 genügende Bestimmung eingefügt werden. Geschieht das nicht, darf die Satzungsänderung nicht in das Handelsregister eingetragen werden. Aus dem Umstand, daß die Satzung einer solchen Gesellschaft noch keine Regelung über die Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Leistung enthält, läßt sich nur dann zwingend der Schluß ziehen, es bestehe kein Vergütungsanspruch der Aktionäre, wenn man der zu dem früheren Recht vertretenen Ansicht folgt, die Festlegung eines Entgeltes oder die Ermächtigung des Vorstandes dazu müsse in der Satzung geregelt werden. Folgt man der gegenteiligen Ansicht, kann die Antwort auf die Frage nach der Vergütung nur aus Umständen hergeleitet werden, die außerhalb der Satzung liegen.

10

b) Teilentgelt. Unentgeltlichkeit und Entgeltlichkeit schließen sich nicht aus. Zulässig ist auch eine Mischform, nach der die Nebenleistung teilweise unentgeltlich, teilweise entgeltlich zu erbringen ist. Musterbeispiel 1 6 dafür ist: Der Aktionär erhält keine Vergütung für die geschuldete Abfallentsorgung, die geschuldete Lieferung von Rüben wird hingegen vergütet. Eine teils entgeltliche, teils unentgeltliche Leistung liegt auch dann vor, wenn das Entgelt geringer ist als der Wert der Leistung. 1 7

11

c) Höhe. Die Höhe eines vorgesehenen Entgeltes kann bereits in der Satzung festgesetzt werden (§ 2 3 Abs 5 S 2). Das kann auch dergestalt geschehen, daß sie im Einzelfall an Bedingungen geknüpft ist, etwa eine Vergütung nur insoweit erfolgen soll als ein Reingewinn das ermöglicht 1 8 oder daß eine grundsätzlich feste Vergütung für den Fall nicht ausreichenden Gewinns herabzusetzen ist. 1 9 Zulässig ist auch die Regelung, daß der genaue Vergütungsumfang durch ein Gesellschaftsorgan festgelegt wird; 2 0 insoweit findet § 315 B G B Anwendung. 2 1 Mit der Festsetzung des Entgeltes kann die Satzung den

12

14 15

16

Kropff AktG 1965, S 72. Das Erfordernis einer Satzungsregelung verneinten Düringer/Hachenburg/Flechtheim3 § 216 Anm 2; Brodmann § 216 Anm 1 a, b; Goldscbmidt ξ 216 Anm 2; bejaht wurde es demgegenüber von Schlegelberger/Qwassowski3 § 50 Rdn 12; Ritter2 § 55 Anm 3. Vgl Hüffer4 Rdn 5; KK-Lutter 2 Rdn 9.

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17

18 19 20 21

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 16 mwN. RGZ 104, 349, 350. RG Holdheim 23, 204. RGZ 136, 313, 318; RG JW 1937, 2836. RGZ 87, 261, 266; OLG Braunschweig OLGRspr 36, 278; Schlegelberger/QiMssouttèî3 § 50 Rdn 11.

Hartwig Henze

§ 55

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Vorstand, den Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung betrauen. §§ 111 Abs 4 S I , 119 Abs 2 stehen dem deswegen nicht entgegen, weil die Entgeltregelung das Verhältnis zwischen AG und Gesellschaftern betrifft und mithin keine reine Geschäftsführungsmaßnahme darstellt. 22 Möglich ist es auch, die Höhe des Entgeltes durch einen Dritten festsetzen zu lassen (§§ 317, 319 BGB). Auf § 316 BGB kann hingegen mit Rücksicht auf § 5 3 a nicht zurückgegriffen werden. 2 3 Die Ermessensausübung iSd §§ 315, 317 BGB ist gerichtlich nachprüfbar. 2 4 Zulässige Höchstgrenze jeder Entgeltbestimmung ist der durch § 61 markierte Maximalbetrag. Wird er überschritten, muß der Aktionär den Überschußbetrag wegen Verstoßes gegen § 5 7 nach § 6 2 zurückzahlen (§ 61 Rdn 15). 13

d) Inhalt. Die Vergütung der Nebenleistung kann bar oder unbar vorgenommen werden oder in einer Kombination beider Vergütungsarten bestehen. Die Satzung muß darüber keine Angaben machen. Denn künftige Erwerber von Aktien sind in ihrem berechtigten Bestreben, das mit dem Aktienerwerb verbundene Risiko angemessen einschätzen zu können, bereits dadurch hinreichend geschützt, daß ihnen die Satzung überhaupt darüber Auskunft erteilt, ob sie als zur Nebenleistung verpflichtete Aktionäre ein Entgelt zu erwarten haben oder nicht. Das ist bei korrekter Anwendung von Abs 1 S 2 der Fall. Welche Höhe eine ggf vorgesehene Vergütung hat und wie sie sich zusammensetzt, für den potentiellen Aktienerwerber hinreichend werthaltig oder überhaupt brauchbar ist, kann der Einzelne selbst in Erfahrung bringen. 25

14

e) Änderung. Soll die Entgeltbestimmung geändert werden, so bedarf es hierzu eines satzungsändernden Hauptversammlungsbeschlusses (§ 179), der insbesondere mit Rücksicht auf § 5 3 a zu ergehen hat. Bringt die beabsichtigte Änderung ihrer Art nach unmittelbar oder mittelbar eine Verkürzung oder sonst nachteilige Modifikation der Vergütungsansprüche mit sich, so schlägt das auf die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Nebenleistungspflicht durch und bedeutet auch für diese eine Verschärfung; denn sie ist dann zwangsläufig unter erhöhtem wirtschaftlichen Risiko zu erbringen. Folglich unterliegt solch eine Änderung nicht nur dem qualifizierten Mehrheitserfordernis für eine Satzungsänderung, sondern auch dem Erfordernis der Zustimmung der betroffenen Aktionäre (§ 1 8 0 Abs l ) . 2 6 4 . Nachträgliche Begründung

15

Neben der Möglichkeit, mitgliedschaftliche Nebenpflichten schon in der Gründungssatzung festzulegen, können solche Nebenverpflichtungen iSv § 5 5 auch später durch Satzungsänderung statuiert werden. Wirksam wird eine derartige Maßnahme erst mit der Zustimmung aller davon betroffenen Aktionäre (§ 180) und der Eintragung in das Handelsregister (§ 181 Abs 3).

22

23

24

Hefermehl/Bungeroth Rdn 7. Hefermehl/Bungeroth § 61 Rdn 12. Hefermehl/Bungeroth Rdn 7 und § 61 Rdn Voraufl, Anm 9.

in: Geßler/Hefermehl,

25 26

in: Geßler/Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl, 12; Großkomm-Barz

Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 4. Hüf f er4 § 180 Rdn 3; KK-Zöllner 2 § 180 Rdn 5; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, § 180 Rdn 11; auch GroßkommWiedemann4 § 180 Rdn 8.

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Nebenverpflichtung der Aktionäre

§55

ΙΠ. Möglicher Gegenstand der Nebenpflicht 1. Begriff der Leistung Geschuldete Leistung kann nach § 241 B G B jegliches mit der Rechtsordnung in Einklang stehende Verhalten sein (Tun oder Unterlassen), und zwar nach einhelliger Meinung ohne Unterschied, ob dem ein Vermögenswert zukommt oder nicht, solange nur die Gesellschaft ein schutzwürdiges Interesse an der Leistung haben kann. 2 7

16

2. Wiederkehrende Leistungspflicht Die Leistung muß wiederkehrend zu erbringen sein (Abs 1 S 1). Das bedeutet, daß sich die Pflicht zum Tun bzw Unterlassen periodisch aktualisiert. Als mitgliedschaftliche Nebenverpflichtung nicht begründbar ist demnach jede einmalige oder dauernde Leistungspflicht. Einmalig ist insbesondere die Pflicht, der AG eine bestimmte Sache zu übereignen oder sonst zu verschaffen (das ist aufgrund korporativer Leistungspflicht nur als Sacheinlage nach § 2 7 Abs 1 zulässig). Nach § 5 5 nicht statuierbare Dauerpñichten sind namentlich ein generelles Wettbewerbsverbot, 2 8 die Verpflichtung, über seine Grundstücke nicht zu verfügen, 29 die Pflicht, Mitglied eines bestimmten Verbandes zu sein 3 0 oder einen Amtsposten innerhalb der AG zu besetzen, 31 desgleichen die Pflicht, bestimmte Waren (nicht) zu führen, an andere Unternehmen (nicht) zu liefern oder sich an ihnen (nicht) zu beteiligen. 32 Zulässige wiederkehrende Leistungspflichten im Sinne der gesetzlichen Vorschrift ist beispielsweise die jährliche Zuckerrübenablieferung nach der Ernte, außerdem jede nicht dauerhafte, weil nur periodisch oder von Zeit zu Zeit anfallende Dienstleistung, wie etwa die Durchführung einer Revision. 3 3

17

Unmaßgeblich für die Beurteilung, ob eine Leistung wiederkehrend ist, sind das Variieren ihres Umfanges sowie ihre Regelmäßigkeit oder Unregelmäßigkeit. Desgleichen ist unschädlich, daß die Leistung nur einmal erbracht worden ist, wenn sie ursprünglich als wiederkehrende gedacht und möglich war.

18

Das Erfordernis der Wiederkehr einer Leistung, ohne daß sie Dauerleistung ist, begrenzt die Berücksichtigung von Unterlassungspflichten als Nebenleistungspflichten erheblich, weil diese regelmäßig ständige Beachtung fordern. Der hM ist jedoch darin zu folgen, daß die Möglichkeit, überhaupt eine Unterlassung zum Gegenstand einer Nebenverpflichtung zu machen, nicht ausgeschlossen ist; 3 4 denn es ist denkbar, daß - ausnahmsweise - auch eine Unterlassungspflicht nur anläßlich wiederkehrender Rechtsgeschäfte wiederkehrend beachtet werden muß. Das ist zB für einen - soweit nach dem G W B zulässig - Zusammenschluß zu einem Konditionen- oder Rabattkartell der Fall, mit dem das Ziel verfolgt wird, von bestimmten allgemeinen Regeln nicht abzuweichen. 35

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Hüffer4 Rdn 3; KK-Lutter 1 Rdn 5; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 12; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 8; aA noch RGZ 49, 77, 78: Vermögenswert erforderlich; dem folgend Schlegelberger/Qaassowkil § 50 Anm 6. KG OLG-Rspr 27, 345, 346; Hefermehl/ Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 15; KK-Lutter2 Rdn 6; Hüffer4 Rdn 4; ν Godin/ Wilhelmi4 Anm 4. KK-Lutter 2 Rdn 6; Großkomm-Barz Vorauf!, Anm 8.

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RGZ 49, 77, 79. KK-Lutter1 Rdn 6; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 14. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 15. KK-Lutter2 Rdn 6; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 14. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 15; KK-Lutter2 Rdn 7; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 8; aA Schlegelberger/Qwassowski3 § 50 Rdn 6. Vgl KK-Lutter2 Rdn 7.

Hartwig Henze

§ 55

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

3 . Unbarer Leistungsinhalt 20

Die Nebenverpflichtung darf nicht in einer Geldleistung bestehen (Abs 1 S 1 aE) und auch nicht - in lediglich formal anderer Einkleidung - mittelbar auf eine Zahlungspflicht hinauslaufen. Demgemäß sind als gesellschaftsrechtliche Nebenverpflichtungen ebenso wie eine Barzahlungspflicht ihrem Inhalt nach unzulässig: Eine Hingabe jedweder sonstiger dem Bargeld vergleichbarer Zahlungsmittel wie Schecks (vgl Art 5 ScheckG), Wechsel (Art 38 ff W G ) oder Anweisungen (§§ 7 8 3 ff B G B ) . Darüber hinaus ist jede Pflicht zur Gewährung von Sicherheiten (etwa Garantievertrag, § 2 4 1 B G B , oder Bürgschaftsübernahme, §§ 7 6 5 ff B G B ) oder die Eingehung einer Nachschußpflicht unstatuierbar iSv § 5 5 . Von einer unzulässigen mittelbaren Zahlungspflicht ist ferner dann auszugehen, wenn die den Aktionär treffende Nebenverpflichtung darin bestehen soll, mit der AG einen den Aktionär zu einer Zahlung verpflichtenden Austauschvertrag zu schließen. Das ist etwa dann der Fall, wenn sich der Aktionär für Vertragsabschlüsse mit Dritten der entgeltlichen Vermittlung durch die AG zu bedienen hat, er gesellschaftseigene Räumlichkeiten anmieten muß oder ihn die Pflicht trifft, Waren gegen Zahlung von Entgelt abzunehmen. Letzteres soll nach allgM nur dann ausnahmsweise zulässig sein, wenn solch eine Abnahmepflicht im Verhältnis zur eigentlichen Nebenpflicht eine untergeordnete Rolle spielt: Bei regelmäßigem Verlauf darf diese Gestaltung nicht dazu führen, daß der Aktionär für die Erfüllung seiner hauptsächlichen Nebenpflicht weniger bekommt als er aufgrund der untergeordneten Abnahmepflicht zu zahlen veranlaßt wird (Bsp: Die Nebenleistungspflicht hat Zuckerrübenlieferungen zum Inhalt, wobei aus Gründen der Qualitätssicherung der liefernde Aktionär verpflichtet ist, Saatgut und Dünger bei der AG zu kaufen). 3 6 4. Sonstige Schranken

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Nebenpflichten, die gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 B G B ) oder die guten Sitten (§ 138 B G B ) verstoßen, dürfen in der Satzung nicht festgesetzt werden. Namentlich darf keine Nebenverpflichtung statuiert werden, die dem Aktionär zur Auflage macht, entgegen § 136 Abs 2 sein Stimmrecht stets oder bisweilen in einem bestimmten Sinne oder nach bestimmten Weisungen auszuüben, 3 7 oder die den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 5 3 a ) oder die Treuepflicht mißachtet. 3 8

IV. A n g a b e n i m W e r t p a p i e r (Abs 1 S 3 ) Das Bestehen einer Nebenleistungspflicht sowie deren Umfang müssen in den Aktien und Zwischenscheinen (§ 8 Abs 6) angegeben werden. Parallel zu den Festsetzungserfordernissen in der Satzung ist auch an dieser Stelle ein vorgezeichneter Rahmen ohne Detailangaben notwendig und ausreichend (vgl Rdn 7). Im Unterschied zum Einstellungszwang in die Satzung (Abs 1 S 2) ist die Verbriefung der Entgeltlichkeit nicht vorgeschrieben.

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37

Vgl Hüffer4 Rdn 4; Hefermehl/Bungeroth Geßler/Hefermehl, Rdn 13. A Hueck Z G R 1 9 7 2 , 2 5 0 .

in:

38

Vgl dazu O L G Braunschweig AgrarR 1 9 9 2 , 208.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Nebenverpflichtung der Aktionäre

§55

V. Schuldner der Nebenverpflichtung 1. Grundsatz Schuldner der Nebenverpflichtung ist der Inhaber der Mitgliedschaft, aus der diese Pflicht erwächst, also der jeweilige Aktionär. Dies sind (originär) bei der Gründung die Ubernehmer bzw bei einer Kapitalerhöhung die Zeichner der Aktien sowie bei einer nachträglichen Festsetzung durch Satzungsänderung die nach § 180 Abs 1 Zustimmenden. Im übrigen sind es diejenigen, die (derivativ) durch rechtsgeschäftlichen Erwerb der Aktie oder im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Aktionär geworden sind.

23

2. Sonderfall: Gutgläubig „lastenfreier" Erwerb Hiervon können beim rechtsgeschäftlichen Erwerb einer Aktie dann Abweichungen eintreten, falls unter Verstoß gegen die zwingenden Maßgaben des Abs 1 S 3 unrichtige, unvollständige oder gar keine Angaben aus dem Wertpapier hervorgehen. Denn der redliche Rechtsverkehr ist in seinem berechtigten Vertrauen auf die Einhaltung zwingenden Gesetzesrechtes schutzwürdig. Ebenso wie bei der Ausgabe von entgegen § 10 Abs 2 nicht voll eingezahlten Aktien (§ 5 4 Rdn 2 0 ff) ist auch bei Verstoß gegen § 5 5 Abs 1 S 3 ein gutgläubiger „lastenfreier" Erwerb der Aktie für denjenigen möglich, der höchstens leicht fahrlässig auf die inhaltlich falsche Verbriefung vertraut, die wahre materielle Rechtslage demnach ohne grobe Fahrlässigkeit verkennt. 3 9

24

Das bedeutet folgerichtig, daß die Aktie ihren Charakter ändert: Sie verbrieft nun keine zur Nebenleistung verpflichtende Mitgliedschaft mehr, vielmehr geht ihr Nebenleistungscharakter mit dem Untergang der mitgliedschaftlichen Stammpflicht zur Nebenleistung in dem Umfang, in dem Redlichkeit des Erwerbers besteht, verloren. Beim Veräußerer kann sie nicht verbleiben, weil dieser nicht mehr Mitglied der AG ist, mag der Neuaktionär der Aktie auch von ihm gutgläubig frei von Nebenpflichten erworben haben. Weitere Käufer werden die Aktie auch ohne entsprechende Gutgläubigkeit lastenfrei erwerben, da die Aktie keine Nebenverpflichtung mehr verbrieft, die kraft Redlichkeit überwunden werden müßte. 4 0

25

Ist das Bestehen der Nebenleistungsverpflichtung bzw ihr Umfang entgegen Abs 1 S 3 aus den Zwischenscheinen oder Aktien nicht ersichtlich, trifft den Veräußerer im Verhältnis zur AG die Pflicht, den Erwerber auf die Nebenverpflichtung hinzuweisen. Das folgt aus der Treupflicht, die ihm gegenüber der Gesellschaft und seinen Mitaktionären obliegt. Unterbleibt ein solcher Hinweis und erlischt aus diesem Grund die Nebenleistungspflicht (vollständig oder teilweise) kraft redlichen Erwerbs, kann das nicht nur zu Gewinneinbußen, sondern auch zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung der Unternehmensstruktur der Gesellschaft - und damit ihrer Existenz - führen. Der Veräußerer macht sich unter diesen Umständen gegenüber der AG schadensersatzpflichtig, so daß er nach § 2 4 9 S 1 B G B die Nebenverpflichtung weiterhin zu erfüllen hat. Setzt sich ein Aktionär, der seine Aktien an einen ihm bekanntermaßen gutgläubigen Dritten veräußert, bewußt über seine Hinweispflicht weg, um der AG auf diese Weise einen Nachteil zuzufügen, dann hat er die Weitererfüllung der Nebenverpflichtung zudem nach §§ 8 2 6 , 2 4 9 S 1 B G B zu bewirken.

26

Hingegen ergibt sich eine Forthaftung des Veräußerers an dieser Stelle, anders als es ein Verstoß gegen § 10 Abs 2 nach sich zieht (§ 54 Rdn 2 4 , 2 8 ) , nicht schon aus Gründen 39

RGZ 82, 72, 73; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 37-39; Hüffer4 Rdn 10; im Erg ebenso, jedoch mit anderer

(él)

40

Konstruktion Großkomm-Barz Voraufl, Anm 18; im Erg zT aA KK-Lutter1 Rdn 24. HM; hingegen aA insbes KK-Lutter2 Rdn 24.

Hartwig Henze

§55

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

der Sicherung der Kapitalaufbringung. Denn die Nebenleistung steht in keinem Zusammenhang mit der Aufbringung des Grundkapitals, so daß die zwingenden Grundsätze, die deren Sicherung dienen, durch den redlichen Wegerwerb der Nefce«Verpflichtung anders als bei der Einlagepflicht nach § 54 - nicht berührt werden. 27

Auch unter weiteren Aspekten bleibt trotz des Unterganges der Nebenverpflichtung der volle Redlichkeitsschutz die vorzugswürdige Lösung. Insbesondere hat es die AG selbst in der Hand, die nach § 68 Abs 2 notwendige Zustimmung solange zu verweigern, bis der Erwerber über die Einzelheiten der Nebenleistungspflicht aufgeklärt worden ist. Da sie die Aufklärung des Erwerbers auch selbst vornehmen kann, ist sie selbst in der Lage, einen gutgläubig lastenfreien Erwerb der Aktie zu verhindern. Überdies darf nicht vergessen werden, daß ein durch gutgläubigen Erwerb bewirkter Verlust des Nebenleistungsanspruchs für die AG in der Regel auch deswegen tragbar sein wird, weil die Versäumnisse, die diesen Rechtsverlust ermöglicht haben, regelmäßig zu einer ausgleichenden Haftung des Vorstandes (§ 93) und/oder des Aufsichtsrates (§ 116) führen werden. VI. Änderung der Nebenleistungspflicht

28

Ebenso wie eine mitgliedschaftliche Nebenpflicht unter den Voraussetzungen der §§ 180 Abs 1, 181 Abs 3 durch Satzungsänderung statuierbar ist, kann sie nach diesen Grundsätzen auch geändert werden. Der - auch konkludent möglichen41 - Zustimmung aller betroffenen Aktionäre bedarf es bei jeder Art der unmittelbaren oder auch nur mittelbaren Verschärfung der den Aktionären auferlegten Nebenpflicht. Davon ist einmal auszugehen, wenn der Pflichtenkreis umfänglicher als ursprünglich gestaltet oder die bestehende Pflicht erhöht 42 oder schlicht die Lebensdauer der AG und damit der zeitliche Umfang der Nebenpflicht ausgedehnt wird.43 Letzteres kann auch dadurch erreicht werden, daß eine zunächst vorgesehene zeitliche Begrenzung hinausgeschoben oder ganz aufgehoben wird.44 Eine an § 180 Abs 1 zu messende Verschärfung ist auch darin zu sehen, daß eine sich auf die Nebenpflicht nach Abs 2 beziehende Vertragsstrafe eingeführt oder erhöht werden soll. 45 Weiterhin sind die Schmälerung oder Abschaffung eines festgesetzten Entgeltes sowie die strengere Handhabung des nach § 55 iVm § 68 Abs 2 geltenden Zustimmungserfordernisses46 in diesem Sinne zustimmungsbedürftige Änderungen.47

29

Haben einer zustimmungsbedürftigen Änderung noch nicht alle betroffenen Aktionäre zugestimmt, ist der Änderungsbeschluß nicht nichtig oder anfechtbar, sondern schwebend unwirksam. Die schwebende Unwirksamkeit ist erst dann behoben, wenn alle betroffenen Aktionäre ihre Zustimmung erklärt haben.48 Verhindert schließlich auch nur ein Aktionär den erforderlichen Konsens, tritt die beabsichtigte Änderung nicht ein. 49 41

Vgl R G Z 121, 2 3 8 , 2 4 4 ; RG J W 1931, 2 9 7 5 .

45

R G Z 121, 2 3 8 , 2 4 2 ; Hüffer4

42

R G Z 91, 166, 1 6 9 ; 121, 2 3 8 , 2 4 1 ; 136, 313, 317.

46

43

H M , vgl etwa R G Z 136, 185, 1 8 6 , 1 8 8 [zur GmbH]; Hüffer4 § 1 8 0 Rdn 3 ; Hefermehl/ Bungerotb in: Geßler/Heferraehl, Rdn 8 m w N ; aA R Fischer G m b H R 1955, 168: Kiindigungsrecht für den beschlußablehnenden Gesellschafter; dem folgend GroßkommBarz Voraufl, Anm 6.

R Fischer j Z 1 9 5 6 , 3 6 2 , 3 6 3 ; Hefermehl/ Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 8; Schlegelberger/Qwassoiwh 3 § 5 0 Anm 10.

47

O L G Braunschweig OLG-Rspr 3 6 , 2 7 8 , 280.

48

R G Z 121, 2 3 8 , 2 4 4 ; RG J W 1931, 2 9 7 5 . R G Z 121, 2 3 8 , 2 4 4 ; Großkomm-Bar? Voraufl, Anm 7; nach R G Z 136, 185, 1 8 9 soll ein derartiger Beschluß im G m b H - R e c h t gegenüber den zustimmenden Gesellschaftern Wirkung entfalten.

44

Hefermehl/Bungeroth Rdn 8.

in: Geßler/Hefermehl,

49

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

§ 1 8 0 Rdn 3.

(62)

Nebenverpflichtung der Aktionäre

§55

Satzungsänderungen, die Nebenverpflichtungen ganz oder teilweise aufheben, begün- 3 0 stigen die betroffenen Aktionäre. Sie bedürfen daher lediglich der für sie allgemein geltenden Beschlußmehrheit (§§ 179 ff), müssen aber dem Gleichbehandlungsgebot (§ 53 a) entsprechen. Der Zustimmung aller Betroffenen bedarf jedoch eine Nebenpflicht, die zugleich als Leistungsrecht ausgestaltet ist (Abnahmepflicht der AG). Im Falle einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln bleibt der Umfang der 31 Nebenverpflichtungen nach § 216 Abs 3 S 2 selbst dann unverändert, wenn dessen Berechnung an den Nennwert der Aktien gekoppelt ist. Zwar müßte er sich rein rechnerisch erhöhen; das wird aber dadurch vermieden, daß der gleichgebliebene Umfang der Nebenleistungspflicht für die Zukunft an den erhöhten Nennbetrag gekoppelt wird. VII. Übertragung von Nebenleistungspflicht und -ansprach 1. Pflichtenübertragung Aufgrund ihres korporativen Charakters wurzelt eine nach § 55 begründete Neben- 3 2 Verpflichtung in der Mitgliedschaft. Bei Übertragung der Mitgliedschaft geht sie als von ihr untrennbarer Teil durch Veräußerung der Aktie eo ispo auf den Neuaktionär als Mitgliedschaftserwerber über, ohne daß es hierfür einer gesonderten Pflichtenübernahme nach §§ 414, 415 BGB bedürfte. Insbesondere ist für die Übertragung § 415 Abs 1 S 1 BGB bedeutungslos. Allerdings muß jede die Nebenpflicht verbriefende Aktie nach Abs 1 S 1 eine vinkulierte Namensakte sein. Dadurch erlangt die AG über § 68 Abs 2 die volle Kontrolle darüber, ob sich eine Mitgliedschaftsübertragung und damit einhergehend eine Nebenverpflichtung durch rechtsgeschäftliche Einzelnachfolge mittels Erwerbsgeschäftes vollzieht. Dagegen geht auf einen Gesamtrechtsnachfolger die Mitgliedschaft ohne die durch die Vinkulierung geschaffene Einflußmöglichkeit über; für diesen Fall kann die Satzung lediglich die Zwangseinziehung nach § 237 vorsehen. 2. Anspruchsübertragung Die AG kann ihren Anspruch auf Leistung aus der Nebenverpflichtung nicht an 3 3 Dritte abtreten; denn dieses Forderungsrecht ist nach § 399 Fall 1 BGB nicht abtretbar;50 seine Pfändbarkeit richtet sich folglich nach § 851 Abs 2 ZPO. Stimmt indes der Aktionär einer Übertragung der Forderungsrechte zu, besteht kein Hinderungsgrund mehr, einen Forderungsübergang auf den Dritten zu bejahen.51 VIII. Rechtliche Behandlung und Leistungsstörungen 1. Entsprechende Anwendung des Vertragsrechtes Da eine gem § 55 geschuldete Nebenpflicht gesellschafts- und nicht schuldrechtlicher 3 4 Natur ist, finden die Vorschriften über die schuldrechtlichen Verträge keine unmittelbare Anwendung. Nach allgM sind jedoch die §§ 241 ff BGB analog anzuwenden,52 da auch 50

51

Vgl RGZ 136, 313, 315; KK-Lutter2 Rdn 29; ν Godin/Wilhelmi4 Anm 10; GroßkommBarz Voraufl, Anm 19; aA lediglich Ritter § 50 Anm 3 a. Vgl RGZ 149, 385, 395; Hüffer4 Rdn 7; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 18; ν Godin/Wilhelmi4 Anm 10.

(63)

52

RGZ 87, 261, 265 [zur GmbH]; Hüffer4 Rdn 3; KK-Lutter 1 Rdn 10; Hefermehl/ Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 20, 22.

Hartwig Henze

§55

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

nach § 5 5 eine „Leistung" geschuldet wird. Ist für die Leistung aus der Nebenverpflichtung ein Entgelt vorgesehen, so ergibt sich der Anspruch auf Entgelt nicht etwa aus bürgerlich-rechtlichen Vorschriften (zB §§ 4 3 3 Abs 2, 5 3 5 S 2, 611 Abs 1 HS 2, 631 Abs 1 HS 2 BGB), sondern aus der durch den Gesellschaftsvertrag ins Leben gerufenen Mitgliedschaft. Gleichwohl besteht zwischen Nebenleistung und Entgelt eine Art Synallagma. Soweit daher keine aktienrechtlichen Eigenheiten entgegenstehen, können die Vorschriften des Besonderen Schuldrechtes über den jeweiligen Vertragstyp, dem die zu erbringende Nebenleistung entspricht, analog angewendet werden. 2. Leistungsstörungen 35

a) Schlechterfüllung. Wird die geschuldete Nebenleistung nicht ordentlich erfüllt, so sind die §§ 2 7 5 ff BGB, im Falle der Vereinbarung eines Entgeltes die §§ 3 2 0 ff BGB ebenso analog anwendbar wie das jeweils einschlägige Gewährleistungsrecht. Es ist dabei jedoch stets zu differenzieren zwischen der mitgliedschaftlichen Stammverpflichtung und den daraus entstehenden individuellen Einzelverpflichtungen. Verlangt die AG Schadensersatz oder erklärt sie den Rücktritt oder findet eine Wandelung statt, so bringt sie damit nicht das Stammrecht zum Erlöschen, sondern nur den aufgrund des Stammrechtes entstandenen Einzel-„Vertrag". Ebenso führt ein Minderungsbegehren (analog § 4 6 2 Var 2 BGB) nicht dazu, daß wegen der Schmälerung des Stammrechtes fortan stets weniger zu leisten wäre; vielmehr betrifft auch die Minderung nur die Abwicklung der für diesen Fall in Rede stehenden Einzelverpflichtungen. Desgleichen wird der Aktionär bei Unvermögen stets und bei Unmöglichkeit regelmäßig nur von der für ihn unerfüllbar gewordenen Individualpflicht befreit, nicht aber geht die körperschaftliche Stammpflicht als solche unter. 53 Anders liegt es nur, wenn auch die Erfüllung der Stammverpflichtung objektiv unmöglich wird (Rdn 43).

36

O b der Aktionär den Verzug, die Unmöglichkeit oder einen Schadensfall - soweit bei letzterem erforderlich - zu vertreten hat, bestimmt sich entsprechend §§ 2 7 6 - 2 7 9 , 2 8 2 , 2 8 5 BGB, 3 4 7 H G B . Dagegen ist im Rahmen des kapitalistisch strukturierten Verbandes einer AG § 7 0 8 B G B nicht entsprechend anwendbar.

37

b) Anfechtung. Das Stammrecht der AG auf Nebenleistungen ist nach hM unanfechtbar (Rdn 4 4 ) . Für die jeweils entstandenen Individualverpflichtungen gelten insoweit hingegen die allgemeinen Regeln.

IX. Beendigung der Nebenleistungspflicht 1. Allgemeines 38

Von der Beendigung der korporativen Stammpflicht zur Nebenleistung ist die Beendigung der daraus erwachsenden schuldrechtlichen £¿wze/verpflichtungen zu unterscheiden. Soweit der AG aus ihrem Stammrecht, Nebenleistungen fordern zu können, schon fällige Einzelverpflichtungen zustehen, sind diese selbständig und werden mithin auch dann weiterhin geschuldet, wenn nach ihrer Entstehung die Stammpflicht endet; 5 4 lediglich neue Einzelschulden können dann nicht mehr entstehen. Der Untergang bereits selbständig entstandener Einzelschulden richtet sich nach den auf sie anwendbaren bür53

Hüffer4 Rdn 6.

54

Vgl Hüffer4 Rdn 7; KK-Lutter2 Rdn 23; Hefermehl/Bungeroth

in: Geßler/Hefermehl,

Rdn 19.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(64)

Nebenverpflichtung der Aktionäre

§55

gerlich-rechtlichen Regelungen (zB §§ 142, 275, 280, 323, 325, 346, 362, 378, 389, 397 BGB). Damit ist freilich nichts ausgesagt über eine Beendigung der mitgliedschaftlichen Stammpflicht. Eine solche ist nur in den nachfolgend dargelegten Grenzen möglich: 2. Mögliche Einzelgründe a) Vereinbarung einer zeitlich oder rechtlich begrenzten Pflicht. Ist die Nebenverpflichtung auflösend bedingt vereinbart worden (§ 158 Abs 2 BGB) oder soll sie nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gelten (Befristung), endet sie ohne weiteres mit Bedingungseintritt bzw Zeitablauf.

39

b) Satzungsänderung. Bestehende Nebenleistungspflichten können durch satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluß aufgehoben werden (§§ 179 ff), wobei allerdings § 53 a zu beachten ist. Die Aufhebung bedarf in der Regel nicht der Mitwirkung der davon betroffenen Aktionäre. Die Zustimmung des einzelnen Aktionärs ist jedoch dann erforderlich, wenn ihn ein vom Bestand der Nebenleistungspflicht abhängiges, selbständiges mitgliedschaftliches Recht zusteht, etwa auf Abnahme von Gütern aus betriebseigener Produktion: Vom Bestehen eines solchen Abnahmerechtes ist in der Regel auszugehen, wenn die Nebenleistung vergütungspflichtig ist. 55

40

c) Veräußerung der Aktie. Hat ein zur Nebenleistung verpflichteter Aktionär seine 41 Mitgliedschaft durch Veräußerung der Aktie wirksam auf einen Erwerber übertragen, so wird er im Verhältnis zur AG mit Eintragung im Aktienbuch (§ 67 Abs 2) infolge seines Ausscheidens aus der AG von allen korporativen Pflichten frei. Auch eine zu der Haftung des Aktienerwerbers subsidiäre Forthaftung des Veräußerers besteht - anders als bei der Einlageverpflichtung nach § 65 - nicht. Die AG kann eine solche Haftung auf nichtkorporativer Ebene dadurch erreichen, daß sie die Zustimmung zur Übertragung iSv § 68 Abs 2 davon abhängig macht, daß der Altaktionär eine - in ihrer Art wie auch immer näher ausgestaltete - Ausfallhaftung individualvertraglich übernimmt (Rdn 55). Daß für ihn die mitgliedschaftliche Nebenpflicht mit der Übertragung der Mitgliedschaft auf den Erwerber endet, ist wegen der Untrennbarkeit von Mitgliedschaft und Nebenleistungspflicht zwingend. Die Möglichkeit einer Abweichung davon steht nicht einmal dann zur Disposition, wenn sich der veräußernde Aktionär, der Aktienerwerber und die AG einig sind, daß die - körperschaftsrechtliche - Pflicht trotz des Verlustes seiner Aktionärseigenschaft beim Veräußerer bleiben soll. Erreicht werden könnte dies nur durch die Schaffung einer persönlichen Pflicht des Veräußerers unter Trennung von Aktie und der an ihr haftenden Nebenpflicht; letzteres ist aber nur durch Satzungsänderung erreichbar. 56 An Stelle des Veräußerers als vormaligem Aktionär schuldet nunmehr der Aktienerwerber als neues Mitglied der AG die Erfüllung der Nebenleistungspflicht, soweit er nicht ausnahmsweise durch gutgläubigen lastenfreien Erwerb davon befreit ist (Rdn 24 ff). d) Ende der Vinkulierung. Wird die Vinkulierung durch satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluß aufgehoben, geht damit das Ende der aus dieser Aktie erwachsens5

Hüffer4 Rdn 8; KK-Lutter2 Rdn 21; Godin/Wilhelmi* Anm 11; vgl auch Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl,

ν

56

Gioßkomm-Barz Voraufl, Anm 16 rawN; Düringer/Hachenburg/F/ecfcffceira 3 § 2 1 2

Anm 18.

Rdn 21.

(65)

Hartwig Henze

42

§ 55

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

den Nebenpflicht einher; denn mit dem Wegfall der Vinkulierung, die nach Abs 1 S 1 zwingende Voraussetzung für die Ausgestaltung der Aktie als Nebenleistungsaktie ist, wird der Nebenpflicht die Grundlage entzogen, auf allein der sie konstituiert werden darf. 43

e) Unmöglichkeit. Wird die Erbringung einer Nebenleistung - generell tatsächlich oder rechtlich - objektiv unmöglich, so erlischt das Stammrecht der Gesellschaft nach allgemeinen schuldrechtlichen Regeln entsprechend § 275 BGB. 5 7 Die Mitgliedschaft besteht ohne die Nebenpflicht fort. 58 Hat der Aktionär die Unmöglichkeit zu vertreten, ist er der Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet (§§ 280, 325 BGB). Für den Bestand der AG sind derartige Umstände unerheblich.

44

f) Anfechtung. Die Stammverpflichtung zur Nebenleistung ist unanfechtbar,59 Zwar läßt sich diese Ansicht nicht mit Drittschutzargumenten begründen; ein solcher besteht nicht: Die Nebenverpflichtungen können durch satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluß zu Fall gebracht werden, einen besonders ausgestalteten Drittschutz enthält das Gesetz nicht. 60 Auch der Kapitalschutz liefert keinen Grund dafür, die Anfechtung als unzulässig anzusehen. Die Sicherung der Kapitalaufbringung und -erhaltung ist schon deshalb nicht tangiert, weil die Nebenverpflichtung keine Kapitalaufbringung bezweckt. Für eine Unanfechtbarkeit maßgeblich könnte man sodann zwar den Gesichtspunkt halten, daß es dem Wesen eines bereits in Vollzug gesetzten Gesellschaftsverhältnisses als Dauerverbindung widerspricht, dessen Rechtswirkungen rückwirkend zu modifizieren.61 Indes könnte dem immerhin dadurch begegnet werden, daß die Wirkung der Anfechtung der Nebenverpflichtung nur ex nunc eintritt. 62 Tragend ist jedoch die Überlegung, daß es dem einzelnen Aktionär nicht in die Hand gegeben werden kann, durch die Anfechtung einer Nebenleistungspflicht ohne den Willen der übrigen Aktionäre für seine Aktien eine besondere Gattung im Verhältnis zu den anderen Aktien zu schaffen. 63 Zudem würde die mit einer Anfechtung einhergehende Freistellung des Anfechtenden von seiner Nebenleistungspflicht einen einseitigen Eingriff in das Gleichgewicht darstellen, das zwischen den Rechten und Pflichten aller Aktionäre besteht. 64 Diese Begründung verwechselt nicht Erwägungen des Drittschutzes, die zu einer Anpassung des Anfechtungsrechtes an die Besonderheiten des Aktienrechts führen, mit einem Bestandsschutz zugunsten der AG. 65 Vielmehr berührt die Anfechtung der Nebenverpflichtung durch Schaffung einer nicht vorgesehenen besonderen Aktiengattung die Rechte der übrigen Gesellschafter, die nur mit deren Zustimmung, allenfalls durch qualifizierten Mehrheitsbeschluß, nicht aber durch Maßnahmen eines einzelnen nachhaltig verändert werden dürfen (vgl ua §§ 179 Abs 3, 182 Abs 2, 222 Abs 2, 60 Abs 3). Diese Besonderheit des Aktienrechts schließt die Anfechtung einer Willenserklärung ebenso aus wie der Drittschutz.

57

Vgl zu diesem seltenen Fall R G Z 1 0 4 , 3 4 9 , 350.

58

KK-Lutter2 Rdn 2 6 und 14; GroßkommBarz Voraufl, Anm 2 2 .

59

R G Z 88, 1 8 7 ; ν Godin/Wilhelmi4 KK-Lutter2 Rdn 11.

60

Z u Unrecht aA Bergmann 3 7 3 , 3 8 9 f.

61

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 4 2 ; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 11 m w N ; R Fischer J Z 1 9 5 4 , 4 2 6 , 4 2 8 .

62

So K K - L u t t e r 2 Rdn 11; vgl auch Gansmüller G m b H R 1 9 5 5 , 1 7 2 ff; Lobedanz Einfluß von Willensmängeln ( 1 9 3 8 ) , S 1 7 0 ff.

63

Großkomm-Barz Voraufl, Anm 11; Düringer/Hachenburg/F/ecfcffce¿m 3 § 2 1 2 Anm 13.

64

Hefermehl/Bungeroth Rdn 4 2 .

65

So die Kritik von K K - L u t t e r 2 Rdn 11 unter Hinweis auf Lutter Kapital ( 1 9 6 4 ) , S 85 ff.

Anm 6; aA

Z H R 99 (1934),

Stand: 1. 3. 2000

in: Geßler/Hefermehl,

(66)

Nebenverpflichtung der Aktionäre

§ 55

Entsprechend den für Publikums-Personengesellschaften entwickelten G r u n d s ä t z e n 6 6 ist dem anfechtungsberechtigten

A k t i o n ä r jedoch das R e c h t zuzugestehen, aus

der

A G auszuscheiden. D a s entspricht dem R e c h t zur außerordentlichen Kündigung (vgl R d n 4 6 f). g) Kündigung,

aa) Ordentliche Kündigung. D u r c h ordentliche Kündigung k a n n der

45

A k t i o n ä r die Nebenverpflichtung nur dann beenden, wenn ihm ein solches R e c h t bei Begründung der Nebenleistungspflicht zugestanden oder später durch Änderung seiner Nebenleistungspflicht eingeräumt und in der Satzung verankert worden ist. D a r ü b e r hinaus steht ihm ein ordentliches Kündigungsrecht nicht zu. Vielmehr hat er nur das - an die Z u s t i m m u n g der A G gebundene - R e c h t , sich der Nebenverpflichtung durch Veräußerung seiner Aktien zu entledigen. 6 7 bb) Außerordentliche Kündigung. Entsprechend dem übergeordneten Rechtsprinzip, d a ß niemand o h n e zeitliche Beschränkung in einem Dauerrechtsverhältnis festgehalten werden darf, wenn ihm der weitere Verbleib nicht mehr zugemutet werden k a n n , ist dem A k t i o n ä r ein außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem G r u n d zuzubilligen. 6 8 D a s personenbezogene Element der Unzumutbarkeit darf dabei an dieser Stelle gerade deshalb berücksichtigt werden, weil über § 5 5 die kapitalistische Verbandsstruktur der A G aufgeweicht ist (Rdn 5).

46

Diese Kündigungsmöglichkeit ist aber an zwei strenge Voraussetzungen zu k n ü p f e n . 6 9 Es m u ß sich im Einzelfall für den A k t i o n ä r als schlechthin unzumutbar erweisen, als Mitglied der A G aus der Nebenverpflichtung weiter in Anspruch g e n o m m e n werden zu k ö n n e n . Ferner darf der A k t i o n ä r nicht in der Lage sein, seine Aktien selbst unter erheblichen, aber dem R i s i k o c h a r a k t e r einer Investition in Wertpapiere noch entsprechenden Preiszugeständnissen zu veräußern. D a v o n k a n n dann ausgegangen werden, wenn selbst langfristig eine Mitgliedschaftsübertragung entweder gar nicht oder nur unter überobligationsmäßiger R ü c k s t u f u n g der Preisvorstellungen des Veräußerer möglich i s t , 7 0 weil die A G ihre Z u s t i m m u n g versagt, die H a n d h a b u n g der Z u s t i m m u n g s p r a x i s zu eng ist oder interessierte Käufer nicht vorhanden sind. Insbesondere wird m a n dem veräußerungsbereiten A k t i o n ä r nicht zumuten k ö n n e n , Zuzahlungen auf sich zu nehmen, u m einen Käufer zu finden. 7 1

47

h) Verzicht durch die Gesellschaft. Verzichtet die A G - ohne satzungsändernde Aufhebung der Nebenverpflichtung (Rdn 4 0 ) - auf die Geltendmachung ihres korporativen Nebenleistungsanspruches, so ändert dies nichts an dem weiteren Bestand der den A k t i o n ä r treffenden Stammpflicht, Nebenleistungen zu erbringen. In dem Verzicht k a n n

48

aber der E r l a ß (§ 3 9 7 Abs 1 B G B ) von Individualpflichten liegen, die aus der S t a m m pflicht erwachsen sind. BGHZ 63, 338, 345; Baumbach/Hopf HGB 3 0 (2000), Anh § 177a Rdn 58; Ulmer in: MünchKommBGB 3 § 705 Rdn 245 ff; Κ Schmidt GesR 3 (1997), § 57 II 1 b, S 1676 f; Wiedemann GesR I (1980), § 9 II 2 a (3). Hüffer4 Rdn 9; KK-Lutter2 Rdn 13; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 43. BGHZ 116, 359, 369; RGZ 128, 1, 17 [beide zur GmbH]; Hüffer4 Rdn 9; KK-Lutter2

(67)

69

70 71

Rdn 13; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 43; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 27; Herzog ZHR 97 (1932), 422, 424; ders ZBH 1929, 313 ff; aA Schlegelberger/Quassowski3 § 50 Rdn 7. RGZ 128, 1, 17 [zur GmbH]; ν Godin/ Wihelmi4 Anm 9; weniger streng Herzog ZHR 97 (1932), 422 ff. Ebenso KK-Lutter 2 Rdn 13. Herzog ZHR 97 (1932), 422, 424; ders ZBH 1929, 313 ff.

Hartwig Henze

§ 55

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

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i) Aufgabe durch den Gesellschafter. Der Aktionär hat als Verbandsmitglied keine Möglichkeit, seine Mitgliedschaft durch einseitigen Verzicht zu beenden. Dementsprechend gibt es auch in Anbetracht der mitgliedschaftlichen Nebenverpflichtung weder ein Abandonrecht noch eine Dereliktionsmöglichkeit. 7 2 Diese Beurteilung lag bereits dem § 212 H G B zugrunde. Sie ist daher auch für § 55 maßgebend, der - läßt man Abs 1 S 2 außer Betracht - mit der früheren Vorschrift inhaltlich übereinstimmt.

50

j) Umwandlung der AG. Keinen Einfluß auf das Fortbestehen der Nebenverpflichtung hat etwa ein Formwechsel oder eine Fusion, mag damit auch die ursprüngliche AG als Gläubigerin dieses Anspruchs rechtlich untergehen. An die Stelle der AG tritt der ihr nachfolgende bzw der neue Rechtsträger, auf den das Recht aus der Nebenpflicht des Aktionärs übergeht (§§ 2 0 Abs 1 Nr 1, 73, 2 0 2 Abs 1 Nr 1 UmwG). 7 3

51

k) Liquidation der AG. Für das Abwicklungsstadium einer in Auflösung (§ 2 6 2 ) befindlichen AG gelten die §§ 2 6 4 ff. M i t dem Ende der werbenden Tätigkeit und dem Beginn der Abwicklung erlischt die Stammverpflichtung zur Nebenleistung; 74 denn es widerspräche dem auf Liquidation des Gesellschaftsvermögens gerichteten Zweck, die AG wie eine werbende Gesellschaft weiter zu beliefern. 75 Das Fortbestehen der Nebenverpflichtung kann sich jedoch (ausnahmsweise) auch während des Abwicklungsstadiums insoweit als erforderlich erweisen, als die Abwicklung die Eingehung weiterer auf der Nebenverpflichtung beruhender Geschäfte erfordert. 7 6 Forderungsberechtigt nach § 55 sind dann die Abwickler (§ 2 6 4 Abs 2 S 2 bzw §§ 2 6 5 , 2 6 6 ) .

52

1) Insolvenzverfahren über das Vermögen der AG. Wird über das Gesellschaftsvermögen das Insolvenzverfahren eröffnet, so löst das gem § 2 5 2 Abs 1 Nr 3 die AG auf. Für diesen Fall gelten mithin die gleichen Grundsätze wie für den Fall sonstiger Liquidation, 7 7 soweit besondere Regelungen des Insolvenzverfahrens nicht zu Abweichungen führen. Die Nebenverpflichtung erlischt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das gilt auch dann, wenn das Gesellschaftsunternehmen nach § 157 InsO vorläufig fortgeführt werden soll. 7 8 Die wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Aktionäre lassen es auch unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen als unzumutbar erscheinen, sie weiterhin an die AG zu binden; von einer fortwährenden Bindung kann man auch dann nicht ausgehen, wenn den Nebenleistungspflichten gleichwertige Entgeltforderungen gegenüberstehen. 79 Insolvenzverwalter und Aktionären ist es unbenommen, Vereinbarungen über die weitere Belieferung der Gesellschaft gegen gleichwertige Vergütung zu schließen. Stehen bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens Nebenleistungen aus, kann der Insolvenzverwalter die Erfüllung verlangen. Der Anspruch des Aktionärs auf Zahlung des ihm nach der Satzung zustehenden Entgeltes ist eine Masseverbindlichkeit (§ 5 5 Abs 1 Nr 2 InsO). War hingegen die Nebenleistung bereits erbracht, kann der Aktionär nur noch eine Insolvenzforderung geltend machen (§ 174 InsO).

72

H M , vgl R G Z 17, 3, 5; 73, 4 2 9 , 4 3 3 .

73

R G Z 136, 313, 316.

74

R G Z 7 2 , 2 3 6 , 2 3 9 [zur Gen]; 125, 114, 119 [zur GmbH].

75

KK-Lutter2 Rdn 27. R G Z 7 2 , 2 3 6 , 2 3 9 f; KK-Lutter2 Rdn 2 7 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3 2 (mit Bsp).

76

77

Hüffer4 Rdn 8; KK-Lutter2 Rdn 2 7 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3 4 .

78

G r o ß k o m m - ß a r z Voraufl, Anm 2 4 . AA Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3 4 .

79

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(68)

Nebenverpflichtung der Aktionäre

§55

m) Insolvenz über das Vermögen des Aktionärs. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Aktionärs läßt die Nebenverpflichtung nicht erlöschen. 80 Der Insolvenzverwalter ist jedoch entsprechend § 103 InsO berechtigt, die Erfüllung der Einzelverbindlichkeiten abzulehnen, solange die Aktie zur Insolvenzmasse gehört. Unter diesen Umständen steht der AG ein Schadensersatzanspruch als Insolvenzforderung zu. Der Insolvenzverwalter ist jedoch nicht berechtigt, die Erfüllung aus der Nebenverpflichtung insgesamt - unabhängig von der im Einzelfall konkretisierten Nebenleistungspflicht - abzulehnen.

53

X . Sicherung der Nebenverpflichtung 1. Vinkulierung (Abs 1 S 1 iVm § 68 Abs 2) Da Voraussetzung für die Begründung mitgliedschaftlicher Nebenverpflichtungen die Mitgliedschaftsverbriefung in vinkulierten Namensaktien ist, kann die AG über § 68 Abs 2 ein weitreichendes Kontrollinstrumentarium nutzen. Sicherbar ist damit - im Gegensatz zur Vertragsstrafe nach Abs 2 - zwar nicht die Erfüllung der Nebenverpflichtung durch den jeweiligen Aktionär. Geht man jedoch - was naheliegt - davon aus, daß die Gesellschaft Aktien, die eine Nebenverpflichtung verbriefen, nur an Aktionäre ausgibt, denen die sachlichen und/oder persönlichen Mittel zur Erfüllung der Nebenverpflichtung zur Verfügung stehen, so stellt das Zustimmungserfordernis im Übertragungsfall sicher, daß der Erwerber in gleicher Weise wie der übertragende Aktionär in der Lage ist, der Verpflichtung nachzukommen. Ist diese Voraussetzung nicht gewährleistet, kann die AG ihre Zustimmung verweigern und dadurch die Übertragung der Aktien verhindern.

54

Zudem kann die AG den ihr über § 68 Abs 2 zukommenden Einfluß auch in der Weise geltend machen, daß der veräußernde Aktionär eine Bürgschaft, Garantie oder sonstige Ausfallhaftung für den Neuaktionär übernimmt oder daß er seine zur Erfüllung der Nebenpflicht notwendigen Mittel auf den Aktienerwerber mitüberträgt. Ein solches Vorgehen der AG ist zulässig, denn wenn die AG die Aktienübertragung nach § 68 Abs 2 S 1 im Grundsatz vollständig unterbinden kann, ist es ihr auch gestattet, die Zustimmung zur Übertragung von Bedingungen abhängig zu machen (vgl auch § 68 Abs 2 S 4).

55

2. Vertragsstrafe (Abs 2) Wenn der Aktionär der Erfüllung seiner Nebenverpflichtung entweder nicht nachkommt oder nicht gehörig leistet (zB die Leistung ganz oder teilweise verzögert oder mangelhaft leistet), kann die AG gegen ihn eine Vertragsstrafe verhängen, wenn sie von ihrem Recht nach Abs 2 Gebrauch gemacht hat, zur Sicherung ordentlicher Erfüllung in der Satzung eine Vertragsstrafe festzusetzen. Aus der Regelung müssen sich sowohl die Voraussetzungen für die Fälligkeit der Strafe als auch deren Umfang ergeben. Im übrigen gelten die §§ 3 3 9 - 3 4 5 BGB und § 348 HGB. Bei Anwendung des § 340 Abs 1 S 2 BGB ist zu berücksichtigen, daß die Vertragsstrafe nicht die Stammpflicht zur Nebenleistung ersetzt, sondern an die Stelle der jeweils nicht oder nicht gehörig erfüllten Leistung tritt, die als Einzelverpflichtung aus dem Stammrecht fließt.

56

Das Gesetz unterwirft die Anwendung der Vorschrift über die Vertragsstrafe keinen Beschränkungen. Da das Vertragsstrafeversprechen in erster Linie den Inhalt hat, eine

57

80

RGZ 108, 2 0 , 2 3 [zur GmbH]; KK-Lutter1 Rdn 25; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/

(69)

Hefermehl, Rdn 35; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 25.

Hartwig Henze

§ 55

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Geldsumme zu zahlen, könnte darin ein Widerspruch zu der Regelung in Abs 1 S 1 liegen, daß die Nebenleistung nicht in Geld bestehen darf. Ein solcher Widerspruch besteht aber nicht, weil die Vertragsstrafe lediglich ein Druckmittel ist, die Erfüllung der Nebenverpflichtung zu erzwingen. 8 1 Diese Differenzierung kann zwar im Falle des § 3 4 0 Abs 1 B G B - Zahlung an Erfüllungs Statt - nicht mehr vorgenommen werden. Das Gesetz läßt aber auch diese Regelung zu, so daß Bedenken gegen die Vereinbarkeit mit dem Charakter der Nebenverpflichtung aus dem Wege geräumt sind. 8 2 58

Das Versprechen der Vertragsstrafe kann seinerseits durch eine in die Satzung aufzunehmende Vereinbarung über die Bestellung von Pfandrechten oder die Hingabe von Wechselakzepten abgesichert werden. 3. Sonstige Sicherungsmöglichkeiten

59

Über Abs 2 hinausgehend kann die Kaduzierung nicht als Sanktionsmittel benutzt werden, da sie nach den Vorschriften der §§ 63, 6 4 ausschließlich auf die Einlageleistung anwendbar ist (§ 6 4 Rdn 1 0 ) ; 8 3 die Nebenverpflichtung ist aber keine Einlageschuld auf das Grundkapital.

60

Zulässig als Sicherung des Nebenleistungsanspruchs ist eine Satzungsregelung, die für den Fall nicht ordentlicher Erfüllung der Nebenverpflichtung die Zwangseinziehung gem § 2 3 7 vorsieht. 8 4 Denn dieses Institut ist nur dann unanwendbar, wenn Ziele verfolgt werden, die nicht als aktienrechtliche Verpflichtung statuiert werden können. 8 5 Ihre Anwendung ist - anders als die Kaduzierung - nicht von vornherein auf die Verletzung der Einlagepflicht beschränkt.

61

Das Gesetz sieht keine Forthaftung aus der Nebenverpflichtung des Aktionärs vor, der seine Anteile auf einen Erwerber überträgt; § 65 gilt hier nicht. Die AG kann aber aufgrund der ihr nach § 6 8 Abs 2 zukommenden Einwirkungsmöglichkeit eine Vereinbarung erzwingen, die eine Einstandspflicht des veräußernden Aktionärs regelt.

XI. Rechtsfolgen bei Verstößen 1. Verstöße gegen Abs 1 S 1 und S 2 62

Jedes Bestreben, aktienrechtlich eine Nebenpflicht zu statuieren, die den von Abs 1 S 1 oder S 2 gesetzten Maßgaben nicht genügt, ist aktienrechtlich wirkungslos. Eine solche Nebenverpflichtung wäre infolge Widerspruchs zu zwingendem Recht (vgl § 2 3 Abs 5 S 1) nach § 134 B G B unwirksam, gleichgültig, welche Voraussetzung nicht erfüllt ist. 8 6 Die Rechtswirksamkeit der Gesellschaftsgründung oder die Entstehung der einzel-

81

82 83

84

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 24. KK-Lutter2 Rdn 15. KK-Lutter 1 Rdn 15; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 25; GroßkommBarz Voraufl, Anm 14 und 29; ν Godin/W¡7helmi4 Anm 6; Schiegelberger/Quassoivski1 § 50 Rdn 14; aA Schnorr ν Carolsfeld DNotZ 1963, 414 [dort Fußn 49], Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 25 mwN; Großkomm-Barz Voraufl,

85

86

Anm 14; Schlegelberger/Q«¡jssoífsfe¿3 § 50 Rdn 14; wohl abw ν Godin/Wilhelmi* § 237 Anm 12. Großkomm-Berz Voraufl, Anm 14; vgl zudem Wiedemann Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten (1965), S 87. RGZ 79, 332, 335; 83, 216, 218; Hüffer4 Rdn 10; KK-Lutter 1 Rdn 20; Hefermehl/ Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 10; aA bzgl Abs 1 S 2 Baumbach/Hueck 13 Rdn 7: Auslegung.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(70)

Keine Zeichnung eigener Aktien

§56

nen Mitgliedschaften wird dadurch nicht verhindert. 87 Den in Rede stehenden Mitgliedschaftsrechten haftet jedoch keine korporative Nebenpflicht bzw kein korporativer Entgeltanspruch an. Erbringt ein Aktionär eine Nebenleistung, zu der er infolge Verstoßes gegen Abs 1 S 1 und/oder S 2 nicht wirksam verpflichtet war, ist das Geleistete der AG sine causa zugeflossen; es kann nach §§ 812 ff BGB zurückgefordert werden. Besteht keine wirksame Satzungsbestimmung, die ein Entgelt verspricht, oder sieht die Satzung kein Entgelt vor, so darf eine Vergütung nicht gezahlt werden. Geschieht das gleichwohl, muß das unter Verstoß gegen § 57 geleistete Entgelt nach § 62 an die AG zurückgewährt werden. 2. Verstöße gegen Abs 1 S 3 Fehlen in den ausgegebenen Aktien oder Zwischenscheinen die nach Abs 1 S 3 vorausgesetzten Angaben, so ist die Urkunde ebensowenig nichtig wie die Nebenpflichtvereinbarungen selbst; trotz des Verstoßes sind beide wirksam. 88 Der erste Aktiennehmer (Übernehmer bei Gründung bzw Zeichner bei Kapitalerhöhung) ist entsprechend der wahren materiellen Rechtslage zur Leistung verpflichtet. Da jedoch der Rechtsverkehr auf die Einhaltung der - zwingenden - Vorschrift des Abs 1 S 3 vertrauen darf, kann die mangelnde Angabe bei einem gutgläubigen Erwerber dazu führen, daß dieser die Nebenpflicht nicht oder nicht voll schuldet (Rdn 24 ff). Dies wiederum kann eine Schadensersatzpflicht von Vorstand und/oder Aufsichtsrat (§§ 93, 116) nach sich ziehen.

63

XII. Nichtmitgliedschaftliche Individualpflichten Sonstige, ihrer Natur nach nicht körperschaftsrechtliche, sondern schuldrechtliche Pflichten, die zur mitgliedschaftlichen Einlagepflicht (§ 54) und/oder zu einer mitgliedschaftlichen Nebenverpflichtung (§ 55) als weitere „Nebenpflichten" hinzutreten, können nach Art, Inhalt und Umfang zwischen den Aktionären und der AG jederzeit beliebig nach allgemeinen schuldrechtlichen Regeln vereinbart werden (ausführl § 54 Rdn 53 ff mwN). 89 Da die einschränkenden Voraussetzungen des § 55 für sie nicht gelten, bestehen bei derartigen Vereinbarungen vergleichsweise wesentlich flexiblere Möglichkeiten der Gestaltung. Daher mag in der Praxis häufig nichtkorporativen Individualvereinbarungen (§ 305 BGB) der Vorzug vor Regelungen iSd § 55 zu geben sein. 90

§56

Keine Zeichnung eigener Aktien; Aktienübernahme für Rechnung der Gesellschaft oder durch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen (1) Die Gesellschaft darf keine eigenen Aktien zeichnen. (2) Ein abhängiges Unternehmen darf keine Aktien der herrschenden Gesellschaft, ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen keine Aktien der an ihm mit Mehrheit 87 88

R G Z 1 0 4 , 3 4 9 , 351. RGZ 82, 72, 73.

89

90

(71)

H M , vgl ua R G Z 8 4 , 3 2 8 , 3 3 0 sowie Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 4 4 - 4 6 . Brixner/Brixner AG 1 9 6 5 , 2 6 2 , 2 6 4 .

Hartwig Henze

64

§ 5 6

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

beteiligten Gesellschaft als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausch- oder Bezugsrechts übernehmen. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift macht die Übernahme nicht unwirksam. (3) Wer als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausch- oder Bezugsrechts eine Aktie für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens übernommen hat, kann sich nicht darauf berufen, daß er die Aktie nicht für eigene Rechnung übernommen hat. Er haftet ohne Rücksicht auf Vereinbarungen mit der Gesellschaft oder dem abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen auf die volle Einlage. Bevor er die Aktie für eigene Rechnung übernommen hat, stehen ihm keine Rechte aus der Aktie zu. (4) Werden bei einer Kapitalerhöhung Aktien unter Verletzung der Absätze 1 oder 2 gezeichnet, so haftet auch jedes Vorstandsmitglied der Gesellschaft auf die volle Einlage. Dies gilt nicht, wenn das Vorstandsmitglied beweist, daß es kein Verschulden trifft. Übersicht Rdn I. Einführung 1. Gesetzesgeschichte 2. Regelungsgegenstand und Zweck der Vorschrift Π. Selbstzeichnungsverbot (Abs X) 1. Umfang des Verbotes 2. Rechtsfolgen einer verbotswidrigen Selbstzeichnung a) Nichtigkeit der Zeichnungserklärung b) Heilungsmöglichkeit c) Rechtsfolgen nach Heilung aa) Analoge Anwendung der §§ 71 b, 71c bb) Annahme einer Berichtspflicht . cc) Vorstandshaftung auf die Einlage (Abs 4) 19 III. Aktienübernahme durch ein von der AG abhängiges oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen (Abs 2) 23 1. Adressatenkreis des Verbotes nach Abs 2 S 1 24 a) Unternehmensbegriff 24 b) In Mehrheitsbesitz stehende und abhängige Unternehmen 25 c) Einfache Unternehmensbeteiligungen 26 d) Mit Mehrheit beteiligte und herrschende Unternehmen 29 2. Arten der nach Abs 2 S 1 verbotenen Übernahme 30 a) Gründung 31 b) Kapitalerhöhung gegen Einlagen; genehmigtes Kapital; bedingte Kapitalerhöhung 33 c) Kapitalerhöhung aus Gesellschafts• mittein 34 3. Rechtsfolgen einer verbotswidrigen Übernahme 35 a) Keine Nichtigkeit der Übernahmeerklärung b) Pflichten und Rechte des Übernehmers c) Berichtspflicht 42

Rdn d) Vorstand sha ftung auf die Einlage (Abs 4) e) Verwaltungshaftung auf Schadensersatz IV. Die Aktienübernahme für Rechnung der AG oder ein in ihrem Mehrheitsbesitz stehendes oder von ihr abhängiges Unternehmen (Abs 3) 1. Regelungsbereich des Abs 3 2. Erwerbshandlungen nach Abs 3 S 1 . . 3. Handeln „für Rechnung" a) Wirtschaftlicher Hintermann . . . . b) Rechtsverhältnis zwischen der AG bzw deren Tochter und dem Übernehmer c) Emission junger Aktien als „Verwertungsaktien" 4. Rechtsfolgen eines Erwerbs nach Abs 3 S 1 HS 1 a) Die Wirkungen im Grundsätzlichen b) Rechtsstellung des Übernehmers als Aktionär aa) Pflichten bb) Rechte c) Rechte und Pflichten aus dem der Übernahme zugrunde liegenden Innenverhältnis aa) Rechtlosigkeit des Übernehmers bb) Pflichten des Übernehmers; Rechte des Geschäftsherrn d) Berichtspflicht e) Thesaurierungspflicht 5. Nachträgliche Übernahme für eigene Rechnung (Abs 3 S 3) a) Durchführung der Eigenübernahme aa) Auflösung der mittelbaren Vertretungsbeziehung bb) Formen der Beendigung . . . . (1) Reguläre einseitige Beendigungsmöglichkeiten .

Stand: 1 . 3 . 2 0 0 0

43 46

47 50 51 51

53 58 64 64 65 65 66

69 69 72 75 76 77 77 77 78 79

(72)

Keine Zeichnung eigener Aktien

§ 5 6

Rdn (2) Auflösungsvertrag (3) Außerordentliche Kündigung b) Rechtsfolgen der Eigenübernahme . aa) Gewährung aller Mitgliedsrechte bb) Abwicklung des beendigten Innenverhältnisses cc) Pflicht zur Rücklagenbildung . . 6. Mehrstufige mittelbare Stellvertretung a) Anwendbarkeit von Abs 3 b) Rechtsfolgen für den Übernehmenden aa) Pflichten und Rechte gegenüber der AG bb) Rechte und Pflichten gegenüber der Mittelsperson c) Rechtsstellung des Dritten als Mittelsperson d) Nachträgliche Übernahme für eigene Rechnung durch einen der mittelbaren Stellvertreter

80 83 86 86 87 90 91 91 92 92 93 94

95

Rdn aa) Eigenübernahme durch den Aktionär bb) Eigenübernahme durch den Mittelsmann V. Originärer Aktienerwerb durch ein Tochterunternehmen der AG auf Rechnung der AG oder eines ihrer Tochterunternehmen (Zusammentreffen von Abs 2 mit Abs 3) VI. Ausländische Unternehmen; internationales Privatrecht 1. Allgemeines 2. Auslandsfragen im Zusammenhang mit Abs 2 3. Auslandsfragen im Zusammenhang mit Abs 3 4. Ausländische Muttergesellschaft mit deutschem Tochterunternehmen

96 97

98

101 102 103

105

Schrifttum Benckendorff Erwerb eigener Aktien im deutschen und US-amerikanischen Recht (1998); Boesebeck Die wechselseitige Verflechtung von Aktiengesellschaften, ZKredW 1956, 766; ders Regelung der wechselseitigen Beteiligung im Referentenentwurf eines AktG, BB 1959, 15; ders Wechselseitig beteiligte Unternehmen nach dem Referentenentwurf eines AktG, AG 1961, 331; Büdenbender Eigene Aktien und Aktien an der Muttergesellschaft, DZWir 1998, 1 und 55; Cahn/Farrenkopf Abschied von der qualifizierten wechselseitigen Beteiligung, AG 1984, 178; Förschner Zur Problematik der Verwertungsaktie, AG 1964, 61; Ganske Das zweite gesellschaftsrechtliche Koordinierungsgesetz vom 1 3 . 1 2 . 1 9 7 8 , DB 1978, 2461; Gonnella/Mikic Die Kapitalgesellschaft 8c Co KGaA als „Einheitsgesellschaft", AG 1998, 508; Grasmann System des internationalen Gesellschaftsrechts (1970); Henkel Bilanzierung von eigenen Anteilen, JbFfSt 1996/97, 558; Henn Handbuch des Aktienrechts 6 (1998); Henze Die treuhänderische und haftungsrechtliche Stellung des Sacheinlegers bei Kapitalerhöhungen unter besonderer Berücksichtigung der Banken (1970); Hettlage Darf sich eine Kapitalgesellschaft durch die Begründung einer wechselseitigen Beteiligung an der Kapitalaufbringung ihrer eigenen Kapitalgeber beteiligen? AG 1967, 249; Horrwitz Schutz- und Vorratsaktien (1926); Huber Zum Aktienerwerb durch ausländische Tochtergesellschaften, FS Duden (1977), S 137; Hüffer Harmonisierung des aktienrechtlichen Kapitalschutzes, NJW 1979, 1065; Klussmann Zum Begriff des Agios bei Vorratsaktien, BB 1965, 182; Koppensteiner Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht (1971); Kropff Die wechselseitige Beteiligung nach dem Entwurf eines AktG, DB 1959, 15; Laule Steuerliche Probleme von Verwertungsanteilen, AG 1967, 107; Lutter Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG (1964); ders Verwertungsaktien, AG 1970, 185; ders/Schneider Die Beteiligung von Ausländern an inländischen Aktiengesellschaften, Z G R 1975, 182; Meilicke/Meilicke Die Abführung des Mehrerlöses aus Aktienemissionen nach Handels- und Steuerrecht, DB 1985, 457; Mestmäcker Verwaltung, Konzernmacht und Rechte der Aktionäre (1958); Müller Zum Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Kapital schutzrichtlinie), WPg 1978, 565; Müller-Erzbach Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens (1948); Ruth Eigene Aktien und Verwaltungsaktien (1928); Nirk/Reuter/Bächle Handbuch der Aktiengesellschaft, Teil I (Gesellschaftsrecht), Stand: November 1999 (31. Lieferung); Raiser Das Recht der Kapitalgesellschaften 2 (1992); Schmulewitz Die Verwaltungsaktie, Herrschafts- und Vorratsaktie, ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen (1927); Thiel Die Aktienemission als handelsrechtliches, kapitalverkehrsteuerliches und körperschaftsteuerliches Problem, AG 1966, 388; Trumpler Die Bilanz der AG (1950); Wahl Agio bei Vor-

(73)

Hartwig Henze

§ 56

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

ratsaktien, D B 1 9 6 5 , 8 6 4 ; Wilhelmi

Das neue Aktiengesetz, AG 1 9 6 5 , 2 4 9 ; H Winter Die wechsel-

seitige Beteiligung von Aktiengesellschaften ( 1 9 6 0 ) ; Zöllner

Die Schranken

mitgliedschaftlicher

Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden ( 1 9 6 3 ) .

I. Einführung 1. Gesetzesgeschichte 1

Die Vorschrift besteht in ihrer geltenden Fassung seit dem 1. 7. 1979. 1 Formal neu eingefügt wurden zu diesem Zeitpunkt die heutigen Abs 1 und 4. Dabei war aus dem Gedanken der realen Kapitalaufbringung das heute in Abs 1 genannte Zeichnungsverbot bereits vor seiner ausdrücklichen Normierung unbestritten anerkannte, selbstverständliche Grundlage des § 51 AktG 1937 und § 56 aF AktG 1965. 2 Abs 4 ergänzt die Vorschrift seit ihrer Neufassung; angesichts der Vorstandshaftung nach § 93 Abs 3 Nr 3 ist es zweifelhaft, ob es dieser Bestimmung bedurfte.3

2

Abs 2 geht zurück auf den vormals neugefaßten4 § 226 Abs 4 S 2 HGB und dessen Nachfolgevorschrift § 51 Abs 2 AktG 1937. Der heutige Abs 3 entspricht § 51 Abs 1 AktG 1937, dessen Regelung das AktG 1965 zunächst in § 56 Abs 1 aF aufgriff. Dabei wurde zum einen klargestellt, daß der Regelungsbereich der Norm auch die Übernahme von Aktien in Ausübung eines eingeräumten Bezugs- oder Umtauschrechtes (bedingte Kapitalerhöhung, §§ 192 Abs 1 und 5, 198 Abs 1 S 1) erfaßt; zum anderen fand eine Angleichung an die konzernrechtliche Terminologie der §§ 15 ff statt. Mit der Änderung zum 1. 7.1979 5 wurde § 56 Abs 1 aF wortgleich als Abs 3 gefaßt. 2. Regelungsgegenstand und Zweck der Vorschrift Durch das Verbot der Zeichnung eigener Aktien durch die AG (Abs 1) bezweckt § 56 die Sicherung der realen Kapitalaufbringung; denn mit dieser Zeichnung würden der Gesellschaft keine neuen Einlagen zugeführt, sondern es würde nur der Zufluß von Kapital vorgespiegelt. Niemand könnte für sich auf diese Weise Werte entstehen lassen, die er kapitalmäßig nicht ohnedies bereits hat. 6 Gleichzeitig sucht die Norm Vorgänge, die bei wirtschaftlicher Betrachtung einer Selbstzeichnung entsprechen, möglichst zu unterbinden (Abs 2) oder für die AG jedenfalls folgenlos zu machen (Abs 3), da in all diesen Fällen lediglich eine Scheinkapitalbildung stattfände.7 Verstärkt wird dieses System der Kapitalsicherung schließlich durch eine Vorstandshaftung (Abs 4). Systematisch ist § 56 somit in den Regelungskomplex der §§ 9, 26, 27, 29, 36-37, 46-52, 54, 55, 63-66 hineinzustellen. Der Kapitalschutz durch Sicherung der Kapkaiaufbringung nach § 56 findet sein Gegenstück in dem Erwerbsverbot gem §§ 71-71 e, das der Kapitalerhaltung dient. § 56 Umsetzung von Art 18 der 2. EG-Richtlinie ν 13. 12. 1 9 7 6 (Abi N r L 2 6 / 1 ν 31. 1. 1 9 7 7 ) durch das DurchfG ν 13. 12. 1 9 7 8 (BGBl I 1959). Vgl B G H Z 15, 3 9 1 , 3 9 2 [zur G m b H ] ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 5 ; Schlegelberger/Qwtfssoutt/ii 3 § 51 Rdn 1; Ganske DB 1 9 7 8 , 2 4 6 1 , 2 4 6 3 ; Müller W P g 1978, 565, 569. Hüffer N J W 1979, 1 0 6 5 , 1 0 6 8 ; wohl aA KKLutter1 Rdn 2 : materielles neues Recht.

Durch die Aktienrechtsverordnung ν 19. 9. 1931 (RGBl I 4 9 3 ) . Umsetzung von Art 18 der 2 . EG-Richtlinie ν 13. 12. 1 9 7 6 (Abi Nr L 2 6 / 1 ν 31. 1. 1 9 7 7 ) durch das DurchfG ν 13. 12. 1 9 7 8 (BGBl I 1959). Vgl K K - L u t t e r 1 Rdn 5. KK-Lutter1 Rdn 13; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 14; Großkomm-Barz Vorauf!, Anm 7; Huber FS Duden ( 1 9 7 7 ) , S 137, 165.

Stand: 1. 3. 2000

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Keine Zeichnung eigener Aktien

§56

regelt somit die Möglichkeiten originären Erwerbs, die §§ 71 ff betreffen hingegen den derivativen Aktienerwerb. Weiterhin zielt § 56 in Abs 1 und Abs 2 darauf ab, die Schaffung von Verwaltungs- 5 stimmrechten zu verhindern, deren Bestehen eine Verwässerung der Stimmrechtsmacht der Aktionäre zur Folge hätte. Da die Aktionäre die tatsächlichen Kapitalgeber sind, muß deren Recht, über das von ihnen aufgebrachte Kapital zu bestimmen, unbeschnitten bleiben. § 56 dient insbesondere der Beseitigung des Phänomens der „Vorratsaktien".8 Dabei handelt es sich um Aktien, die die AG selbst oder über Dritte zu ihrer Verfügung hält, ohne daß damit das der Grundkapitalziffer zugrunde liegende Vermögen erhöht wird. Sie dienen lediglich der Herstellung eines formellen Bilanzausgleichs. ? Die daraus folgende Unüberwachbarkeit eines für die Aktien real vorhandenen Gegenwertes ist ebenso aktionärs- wie gläubigerfeindlich. 10 Ein berechtigtes unternehmerisches Interesse an einem derartigen Vorratskapital kann sich zwar aus der damit verbundenen Möglichkeit ergeben, schnell und flexibel auf einen tatsächlichen Kapitalbedarf oder sonst günstige Kapitalmarktbedingungen zu reagieren. Diesen schutzwürdigen Belangen trägt das Gesetz indes durch die Institute der bedingten Kapitalerhöhung (§§ 192 ff) und des genehmigten Kapitals 11 (§§ 202 ff) Rechnung. Ansonsten ist eine Kurspflege durch den Erwerb eigener Aktien nur in den Grenzen des § 71 Abs 1 S 1 Nr 8, Abs 2 und 3 zulässig.

6

II. Selbstzeichnungsverbot (Abs 1) 1. Umfang des Verbotes Begrifflich erfaßt die Zeichnung iSd Abs 1 jede rechtsgeschäftliche Erklärung, die 7 zum Ziel hat, eigene Aktien gegen Einlagen originär zu erwerben; für den derivativen Erwerb gelten die §§ 71-71 e. Dieses im Rahmen von Abs 1 begrifflich weite Verständnis der „Zeichnung" ist unbestritten. 12 Mögen auch die Abs 2 und 3 die originären Erwerbsvorgänge konkreter umschreiben (Übernahme als Gründer, Zeichner oder in Ausübung eines Umtausch- oder Bezugsrechtes bei der bedingten Kapitalerhöhung), kann daraus nicht im Umkehrschluß der Zeichnungsbegriff des Abs 1 eng ausgelegt werden. Das wäre deshalb verfehlt, weil Abs 1 damit den Kapitalschutz unter ein Niveau zurückführen würde, das bereits vor Bestehen dieser Vorschrift allgemein anerkannt war. Daran sollte die Neufassung des Gesetzes nichts ändern. Gemeint ist somit die jeweilige im Rahmen einer Kapitalbeschaffungsmaßnahme abgegebene Erklärung der Übernahme neuer Aktien: Bei Kapitalerhöhung die Zeichnung nach § 185 Abs 1 S 1, ebenso beim genehmigten Kapital nach § 203 Abs 1 S 1 iVm § 185; bei der bedingten Kapitalerhöhung die der Zeichnung nach § 198 Abs 1 S 1 gleichgestellte Bezugs- oder Umtauscherklärung iSd §§ 198 Abs 1 S 1, 192 Abs 5. Theoretisch beansprucht das Verbot des Abs 1 zwar auch Geltung für den Gründungsvorgang, jedoch ist die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt ohnehin noch nicht existent (vgl ξ 29), so daß eine Übernahme eigener Aktien bei 8

9 10

Dafür werden auch Begriffe wie „Leeraktien" oder „Verwaltungsaktien" verwendet, vgl KK-Lutter 2 Rdn 3. Ausführl KK-Lutter 2 Rdn 3, 4 mwN. Förschner AG 1964, 61; auch Wilhelmi AG 1965, 249.

(75)

11

12

Zu der praxisnahen Ausgestaltung dieses Instituts vgl BGHZ 136, 133; dazu Henze AktienR 4 (2000), Rdn 837 ff. Vgl ua Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 6.

Hartwig Henze

§ 56

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Gründung nicht in Betracht kommt. Sachlicher Gewinn kann in dieser Frage aus Abs 1 aber insoweit gezogen werden, als bereits jede Spekulation über eine Vertretungskonstruktion ausscheidet.13 8

Keine verbotene Zeichnung liegt dann vor, wenn die Gesellschaft eigene Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207 ff) übernimmt, da § 215 Abs 1 der Vorschrift des § 56 Abs 1 als Spezialregelung vorgeht. Das ist konsequent; denn die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist eine Umwandlung von Rücklagen in Grundkapital, jedoch keine Kapitalbeschaffungsmaßnahme. Der realen Sicherung der Aufbringung neuen Kapitals bedarf es daher nicht. 14 2. Rechtsfolgen einer verbotswidrigen Selbstzeichnung

9

a) Nichtigkeit der Zeichnungserklärung. Hat die Gesellschaft unter Verstoß gegen Abs 1 eigene Aktien gezeichnet, so ist ihre rechtsgeschäftliche Erklärung gem § 134 BGB nichtig, 15 gleichgültig, welche Maßnahme der Kapitalbeschaffung gegeben ist.

10

Bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§§ 182 ff) erfaßt die Nichtigkeit die Zeichnungserklärung des § 185 Abs 1 S 1, so daß die Kapitalerhöhung so lange nicht wirksam durchgeführt ist, wie nicht die von der Gesellschaft gezeichneten Aktien anderweitig wirksam gezeichnet werden. Erst wenn das geschehen ist, darf die Verwaltung nach § 188 Abs 1 die Durchführung der Kapitalerhöhung zur Eintragung in das Handelsregister anmelden; andernfalls muß das Registergericht die Eintragung mangels wirksamer Zeichnung des erhöhten Kapitals ablehnen. 16

11

Wird der Kapitalerhöhungsvorgang durch das Verhalten der Verwaltung verzögert und erleidet die Gesellschaft dadurch einen Schaden, macht sich die Verwaltung unter den Voraussetzungen der § § 9 3 Abs 3 Nr 3, 116 schadensersatzpflichtig. Eine Haftung nach Abs 4 scheidet aus, solange die Kapitalerhöhung nicht - unzulässigerweise - in das Handelsregister eingetragen worden und damit wirksam geworden ist (§ 189). Denn nur unter dieser Voraussetzung trifft den Vorstand die Einlagenhaftung.17

12

Die Situation beim genehmigten Kapital ist in rechtlicher Hinsicht gleich (§ 203 Abs 1 S 1): Die Zeichnungserklärung ist nichtig. In tatsächlicher Hinsicht können sich jedoch Unterschiede zur regulären Kapitalerhöhung ergeben; zeichnet bei letzterer die Gesellschaft das Kapital nur zum Teil selbst, wird die Kapitalerhöhung insgesamt nicht wirksam. Bei genehmigten Kapital kann von der Ermächtigung mehrfach Gebrauch gemacht werden, bis der festgelegte Betrag ausgeschöpft ist. Zeichnet die AG nur eine Tranche selbst, berührt das die Wirksamkeit der Zeichnung der übrigen Tranchen nicht. 18

13

Gibt bei einer bedingten Kapitalerhöhung die Gesellschaft im Fall des § 192 Abs 2 Nr 1 aufgrund eigener Wandelschuldverschreibungen eine Bezugs- oder Umtauscherklärung nach §§ 198 Abs 1 S 1, 192 Abs 5 ab, so ist diese nach §§ 198 Abs 2 S 1, 56 Abs 1 iVm § 134 BGB nichtig. Zwar bedarf es nach der gesetzgeberischen Konzeption zur Wirksamkeit einer bedingten Kapitalerhöhung nach § 200 lediglich der Ausgabe der Bezugsaktien, ferner ist die Handelsregistereintragung (§ 201) nur deklaratorischer Rdn 3; Lutter Kapital ( 1 9 6 4 ) , S 105.

13

Hüffer4

14

G r o ß k o m m - H / r t e 4 § 2 1 5 Rdn 9.

15

Hüffer4 Rdn 4 ; KK-Lutter2 Rdn 8; Ganske DB 1 9 7 8 , 2 4 6 1 , 2 4 6 3 ; Müller W P g 1 9 7 8 , 565, 569.

16

Unstr, vgl Hüffer4 Rdn 4; K K - L u t t e r 2 Rdn 8; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 7.

17

Hefermehl/Bungeroth Rdn 7.

in: Geßler/Hefermehl,

18

Hefermehl/Bungeroth Rdn 10.

in: Geßler/Hefermehl,

Stand: 1. 3. 2000

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Keine Zeichnung eigener Aktien

§56

Natur. Dennoch dürfen auch hier weder der Vorstand die bedingte Kapitalerhöhung zur Eintragung anmelden noch der Registerrichter bei gleichwohl erfolgter Anmeldung die Eintragung vornehmen. Denn eine Heilung der Nichtigkeit der Bezugserklärung kann nicht etwa aus § 198 Abs 3 gefolgert werden. Diese Vorschrift erfaßt nur die Fälle des § 198 Abs 2 S 2. Sie setzt zumindest eine vorbehaltlich inhaltlicher Mängel wirksame Begebung der Aktie voraus, die gem § 134 B G B hier aber gerade fehlt. Folglich hilft § 198 Abs 3 nicht über das Selbstzeichnungsverbot des Abs 1 hinweg. 1 9 b) Heilungsmöglichkeit. Hat die Gesellschaft eine wegen Verstoßes gegen Abs 1 nach § 134 B G B nichtige Zeichnungserklärung abgegeben und ist die Kapitalerhöhung nach unstatthafter Anmeldung dann vom Registergericht unzulässigerweise in das Handelsregister eingetragen worden, so ist nach allgM mit der Eintragung die Nichtigkeit der Erklärung geheilt. 20 Die Annahme dieser Heilungswirkung läßt sich zwar den §§ 182 ff nicht entnehmen. Die Heilung ist jedoch aus dem sachlich-systematischen Bezug von Abs 4 S 1 auf Abs 1 zu folgern. Nur dann nämlich, wenn eine Einlagepflicht auf gezeichnetes Kapital wirksam entstanden ist, deren Schuldner die Gesellschaft nicht sein kann, ist es sinnvoll anzunehmen, daß anstelle der Gesellschaft zur Sicherung der realen Kapitalaufbringung die Vorstandsmitglieder auf die volle Einlage haften.

14

Hiergegen können auch keine Bedenken daraus hergeleitet werden, daß aufgrund der in Abs 4 S 2 vorgesehenen Exkulpationsmöglichkeit die Kapitalaufbringung nicht gesichert ist. Denn einmal ist der Wortlaut des Abs 4 S I eindeutig; er entspricht Art 18 Abs 3 der umgesetzten EG-Richtlinie 2 1 . Der Vorschrift liegt auch kein Redaktionsversehen zugrunde, so daß die Regelung schon deshalb de lege lata hinzunehmen ist. Darüber hinaus wiegt dieses Bedenken 2 2 aus praktischer Sicht aber auch deswegen nicht so schwer, weil zum einen der Gegenbeweis iSv Abs 4 S 2 kaum jemals dem gesamten Vorstand gelingen kann und zum anderen selbst dann, wenn das für das eine oder andere Mitglied einmal zutreffen sollte, 2 3 der Ausfall eines sich exkulpierenden Vorstandsmitgliedes von den als Gesamtschuldner (§§ 421 ff BGB) mithaftenden übrigen Mitgliedern des Vorstandes getragen wird.

15

c) Rechtsfolgen nach Heilung, aa) Analoge Anwendung der §§ 71b, 7 1 c . Die heilende Wirkung der Eintragung führt dazu, daß die Gesellschaft eigene Aktien wirksam erworben hat. Das Gesetz schweigt darüber, was mit solchen Aktien zu geschehen hat. Soweit nicht infolge § 215 Abs 1 ein zulässiger Erwerb vorliegt (Rdn 8), ist nach allgM 2 4 diese Regelungslücke über eine entsprechende Anwendung der Normen für derivativ erworbene eigene Aktien zu schließen. Das bedeutet, daß die Aktien analog § 71 b der Gesellschaft keine Rechte gewähren. Der Gesellschaft ist danach insbesondere ein Dividendenrecht (§ 5 8 Abs 4) und Stimmrecht (§§ 12, 134) abgeschnitten, 2 5 ebenso wie ein unmittelbares oder mittelbares Bezugsrecht auf junge Aktien (§ 186 Abs 1 S 1, Abs 5 S 1) nicht besteht. Der Gesellschaft stehen ferner weder mitgliedschaftliche Auskunfts-

16

19

Hüffer4 Rdn 4 und § 198 Rdn 12; KKLutter2 Rdn 8, 10; aA Hefermebl/Bungeroth

23 24

in: Geßler/Hefermehl, Rdn 11.

20

21

22

Hüffer4 Rdn 5; KK-Lutter2

Rdn 9; Hefer-

mebl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 9, 11. 2. EG-Richtlinie ν 13. 12. 1976 (Abi Nr L 26/1 ν 31. 1. 1977).

Hüffer4 Rdn 5.

(77)

25

Vgl ua KK-Lutter 2 Rdn 63. Hüffer4 Rdn 6 und § 71 b Rdn 2, § 71 c

Rdn 3; KK-Lutter 1 Rdn 11; im Erg ebenso, aber mit unterschiedlicher Begründung (direkte Anwendung) Hefermebl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 12, 13; auch Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 463. BGH NJW 1995, 1027 f [zur GmbH],

Hartwig Henze

§56

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

(§ 131) und Klagerechte noch sonstige Teilhaberechte mitgliedschaftlicher Natur zu. Durch diese Versagung sämlicher Rechte wird - dem Normzweck des Abs 1 entsprechend - ua das Entstehen von Verwaltungsstimmen verhindert (Rdn 5). 17

Außerdem ist die Gesellschaft analog § 71c Abs 1 verpflichtet, die Aktien binnen Jahresfrist zu veräußern. Wird die Veräußerungspflicht nicht eingehalten, sind die Aktien analog § 71 c Abs 3 iVm § 237 einzuziehen.

18

bb) Annahme einer Berichtspflicht. § 160 Abs 1 S 1 Nr 2 schreibt vor, daß über den Bestand an eigenen Aktien, welche die AG selbst, ein von ihr abhängiges oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen oder ein Dritter für Rechnung dieser Gesellschaften erwirbt oder in Pfand nimmt, im Anhang (§§ 284 ff HGB) Angaben zu machen sind. Nr 1 dieser Vorschrift schreibt diese Angaben für Aktien vor, die unter Verstoß gegen § 56 Abs 2 und 3 erworben worden sind. Der unter Verstoß gegen Abs 1 getätigte Erwerb wird nicht genannt. Das ist bei der Neufassung des § 160 offenbar übersehen worden. Die Vorschriften der Abs 2 und 3 waren bereits im früheren Aktienrecht enthalten (Rdn 2). Sie waren Gegenstand des § 160 Abs 3 Nr 1 AktG 1965, der dem heutigen § 160 Abs 1 Nr 1 entspricht. Der Regelungsgegenstand des heutigen § 160 Abs 1 Nr 2 entsprach § 160 Abs 3 Nr 2 AktG 1965. Da § 56 Abs 1 im alten Aktienrecht keine Vorgängerregelung hatte, sondern lediglich als selbstverständliche Grundlage der § § 5 1 AktG 1937, 56 AktG 1965 angesehen wurde, ist es bei der Anpassung des § 160 durch das BiRiLiG offenbar übersehen worden, die Neuregelung des § 56 Abs 1 in die Neufassung des § 160 einzubeziehen. 26 Da unter dem Aspekt der Berichtspflicht, die der Transparenz des originären und derivativen Erwerbs eigener Aktien durch die AG dienen soll, kein Unterschied zwischen den verschiedenen Erwerbsmöglichkeiten besteht, ist die entsprechende Anwendung des § 160 Abs 1 Nrn 1, 2 auf den Fall des § 56 Abs 1 geboten.

19

cc) Vorstandshaftung auf die Einlage. Weiterhin sieht Abs 4 S I eine Vorstandshaftung vor, wobei im Falle des Abs 1, in dem die Gesellschaft ihre Einlage nicht selbst schulden kann, nur die Vorstandsmitglieder auf die volle Einlage haften (das „auch" in Abs 4 betrifft demnach nur die Verweisung auf Abs 2). Mehrere Mitglieder des Vorstandes haften untereinander gesamtschuldnerisch iSd § § 421 ff BGB. Damit ist - wenn auch theoretisch abgeschwächt durch Abs 4 S 2 - der Sicherung der realen Kapitalaufbringung entsprechend dem Normzweck des Abs 1 Rechnung getragen.

20

Abs 4 S I spricht nur die Situation der Kapitalerhöhung an und konzipiert eine Haftung daher nicht für die Übernahme eigener Aktien bei Gründung. Diese - theoretische Lücke wiegt deswegen nicht schwer, weil derartige Fälle rechtlich nicht möglich sind (Rdn 7). Im übrigen umfaßt im Rahmen von Abs 4 S I der Begriff des Zeichnens die Zeichnungserklärungen nach § 185 Abs 1 S 1 und § 203 Abs 1 S 1, ferner die ihnen gleichgestellte Bezugs- oder Umtauscherklärung nach §§ 198 Abs 1 S 1, Abs 2 S 1, 192 Abs 5.

21

Abs 4 S 2 eröffnet jedem Vorstandsmitglied eine Exkulpationsmöglichkeit. Da bei entsprechender Satzungsbestimmung (vgl § 78 Abs 2 S 1) eine Mitwirkung des Vorstandes an der verbotenen Selbstzeichnung und deren Anmeldung in vertretungsberechtigter Zahl genügt, ohne daß dabei der Gesamtvorstand vertretend tätig werden müßte, ist für die mit dem Vorgang nicht betrauten Vorstandsmitglieder, wenn sie auch sonst 26

Z u r Umgestaltung durch das BiRiLiG vgl

Gtoßkomm-Brönner4

§ 160 Rdn 1.

Stand: 1. 3. 2000

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Keine Zeichnung eigener Aktien

§56

keine Kenntnis von dem Verstoß gegen Abs 1 erlangt und keine naheliegenden Überwachungspflichten verletzt haben, die Widerlegung der Verschuldensvermutung denkbar. Die Führung eines vollständigen Negativbeweises der Unkenntnis zu fordern, erscheint allerdings überzogen; dies wäre faktisch unerfüllbar. 2 7 Trotz Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage m u ß jedem Vorstandsmitglied, das seiner Haftung nachkommt und auf die Einlagen an die Gesellschaft zahlt, nach allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen entweder ein Anspruch auf Überlassung der seiner Leistung entsprechenden Aktien zuerkannt werden 2 8 oder gestattet sein, gegen das zeichnende Unternehmen als eigentlichen Schuldner einen Erstattungsanspruch geltend zu machen. 2 9 Eine andere Lösung besteht darin, daß derjenige, der nach Abs 4 geleistet hat, verlangen kann, daß die Gesellschaft den Erlös, den sie durch eine Veräußerung der Aktien entsprechend § 71 c Abs 1 erhält (Rdn 17), bis zur Höhe des von ihm gezahlten Betrages an ihn abführt. 3 0

22

Im übrigen stehen einem Vorstandsmitglied, das seine Schuld aus Abs 4 erfüllt hat, u ü Regreßansprüche aus § 4 2 6 Abs 1 und 2 B G B gegen seine solidarisch mithaftenden Kollegen zu.

ΙΠ. Aktienübernahme durch ein von der AG abhängiges oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen (Abs 2) Abs 2 S 1 regelt das Verbot mittelbarer Selbstzeichnung und sucht damit Formen von Aktienübernahmen und -Zeichnungen zu verhindern, die eine - naheliegende - Umgehung des unmittelbaren Selbstzeichnungsverbotes darstellen. Dabei ist dieses den Abs 1 ergänzende Verbot in seiner praktischen Effektivität allerdings nach Abs 2 S 2 begrenzt. 3 1

23

1. Adressatenkreis des Verbotes nach Abs 2 S 1 a) Unternehmensbegriff. Das Verbot des Abs 2 S 1 richtet sich an diejenigen Unternehmen, die in Mehrheitsbesitz der AG, die für sich eine Kapitalbeschaffungsmaßnahme durchführt, stehen oder die von ihr abhängig sind. Entsprechend dem konzernrechtlichen Begriffsverständnis ist dabei der Unternehmensbegriff rechtsformneutral zu handhaben. 3 2

24

b) In Mehrheitsbesitz stehende und abhängige Unternehmen. Die Beurteilung, wann ein Unternehmen sich mehrheitlich im Besitz der AG befindet, richtet sich gem § 16 danach, ob der AG die Kapitalmehrheit oder die Stimmrechtsmehrheit zusteht.

25

O b ein Unternehmen als von der AG abhängig anzusehen ist, bestimmt sich nach § 17. Bei Mehrheitsbesitz ist Abhängigkeit gem § 17 Abs 2 (widerlegbar 3 3 ) zu vermuten.

27

Ähnlich K K - L u t t e r 2 Rdn 6 3 : „probatio diabolica".

31

Vgl auch Hefermehl/Bungeroth Hefermehl, Rdn 2 5 .

28

Hüffer4 Rdn 17; K K - L u t t e r 1 Rdn 12 und 6 2 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 9.

32

29

Hüffer4 Rdn 17; KK-Lutter2 Rdn 6 2 ; Büdenbender D Z W i r 1 9 9 8 , 5 5 , 5 7 : § 6 7 0 BGB entsprechend.

Siehe dazu Hüffer4 Rdn 7; GroßkommWindbichler4 Vor § 15 Rdn 5 3 sowie § 15 Rdn 1 5 - 3 0 m w N ; Henze AktienR 4 ( 2 0 0 0 ) , Rdn 1 2 0 7 - 1 2 2 4 m w N ; ferner ν Godin/ Wilhelmi4 Anm 7.

33

30

Hefermehl/Bungeroth Rdn 9.

Näher G r o ß k o m m - W i n d b i c h l e r 4 § 17 Rdn 7 1 - 8 7 ; Bayer in: M ü n c h K o m m A k t G 2 s 17 Rdn 91 ff.

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in: Geßler/Hefermehl,

Hartwig Henze

in: Geßler/

§ 56

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Ansonsten ist die Möglichkeit der Einflußnahme iSv § 17 Abs 1 entscheidend, 34 von der insbesondere im Fall eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages (§ 291) auszugehen ist. 35 Letzterenfalls ist - bei fehlender Beteiligung - zwar zuzugeben, daß das Übernahme- und Zeichnungsverbot regelmäßig nicht aus dem Gedanken realer Kapitalaufbringung zu rechtfertigen ist. Der Normzweck wird aber praktisch insoweit verwirklicht, als das Entstehen von unerwünschten Verwaltungsstimmrechten unterbunden wird (Rdn 5). 36 Es kann daher nur eingeschränkt davon gesprochen werden, daß die Norm in Abs 2 S 1 über ihr Ziel hinausschießt. 26

c) Einfache Unternehmensbeteiligungen. Ist die AG mit weiteren Unternehmen über Beteiligungen verflochten oder besteht sonst eine Einflußmöglichkeit, ohne daß jedoch die Voraussetzungen der §§ 16, 17 erfüllt sind, so findet das Verbot des Abs 2 S 1 nach hM keine Anwendung. 37 27 Unter dem Gesichtspunkt einer möglichst umfassenden Sicherung der realen Kapitalaufbringung verdient die beschränkte Reichweite des Verbotes von Abs 2 S 1 freilich Kritik. Denn auch dann, wenn eine Beteiligung von weniger als 50,1 % vorliegt, hat das die kaum hinnehmbare Folge, daß wirtschaftlich betrachtet die Einlageleistungen letztlich in Höhe der Beteiligungsquote aus dem Vermögen der Gesellschaft stammen, die die Aktien zur Übernahme oder Zeichnung angeboten hat. Eben diesen Tatbestand der Gefährdung realer Kapitalaufbringung zu verhindern ist Aufgabe von Abs 2 S l. 3 8 Zwar finden in den Fällen beiderseitiger Beteiligungen von mehr als 25 % auf die wechselseitig beteiligten Unternehmen die §§ 19-21, 328 Anwendung; deren Rechtsfolgen sind indessen nicht in gleichem Maße effektiv wie das Verbot in Abs 2 S 1. Unterhalb einer Beteiligung von 25 % greifen in Bezug auf die Aktienübernahme und -Zeichnung keinerlei Kapitalschutzregeln ein, obwohl in Höhe des Beteiligungsumfangs der materielle Verstoß gegen das Prinzip der realen Kapitalaufbringung auf der Hand liegt. 28

Allerdings ist der Wortlaut von Abs 2 S 1 eindeutig. Er muß als Ausdruck eines überlegten gesetzgeberischen Willens hingenommen werden. 3 9 Denn der beschriebene, von der Vorschrift nicht erfaßte Bereich war dem Gesetzgeber aus der Regelung zu der Vorgängervorschrift des § 51 Abs 2 AktG 1937 und § 56 Abs 2 AktG 1965 bekannt, ohne daß er sich trotz der Erörterungen über Lösungen zur möglichen Schließung der Schutzlücke 4 0 dazu entschlossen hätte, regelnd einzugreifen. Vielmehr bringt gerade das System der §§ 19-22, 328 zum Ausdruck, daß die Reichweite von Abs 2 S 1 über seinen Wortlaut hinaus nicht in Betracht kommen soll. 41 34

35

36

37

Vgl BGHZ 69, 334, 344 ff; 135, 107, 114 f; zudem Hüffer4 § 17 Rdn 9 mwN. Eingehend Großkomm-Windbicbler" 1 § 17 Rdn 2 2 - 5 8 mwN, vgl zu § 291 insbes ebd Rdn 35, 36; Bayer in: MünchKommAktG 2 § 17 Rdn 64. Hüffer4 Rdn 7; KK-Lutter 2 Rdn 14; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 17; Zöllner Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S 133. Hüffer4 Rdn 7; KK-Lutter 2 Rdn 15; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 19; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 7; aA Hettlage AG 1967, 249; H Winter Die wechselseitige Beteiligung (1960), S 27 ff, 39 ff, 43 ff, 51 ff.

38

39

40

41

Zur Verhinderung einer Gefährdung der Kapitalerhaltung vgl die ähnliche Regelung in § 71 d S 2. Ebenso Hüffer4 Rdn 7; KK-Lutter 1 Rdn 15; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 19; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 7. H Winter Die wechselseitige Beteiligung (1960), S 27 ff, 39 ff; 43 ff, 51 ff; Bóesebeck ZKredW 1956, 766 ff. Ebenso sind die §§ 57, 62 Abs 1 nicht als einschlägig anzusehen, weil das Gesetz in den §§ 19 ff, 328 gerade von der Zulässigkeit wechselseitiger Beteiligungen ausgeht.

Stand: 1. 3. 2000

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§56

Keine Zeichnung eigener Aktien

d) Mit Mehrheit beteiligte und herrschende Unternehmen. Auch in der Konstellation, in der eine Aktienübernahme durch ein die AG beherrschendes oder mit Mehrheit an ihr beteiligtes Unternehmen stattfindet („Umkehrfall" 4 2 zu Abs 2 S 1), kann eine solche Verflechtung Gefahren für die reale Kapitalaufbringung mit sich bringen. Dieser Fall wird von dem Regelungsbereich des Abs 2 S 1 nicht umfaßt. Das Mutterunternehmen kann, soweit sein zur Deckung des Nennkapitalbetrages erforderliches Vermögen nicht angegriffen wird, frei über seine restlichen Mittel verfügen. In diesem Rahmen kann es auch Aktien einer Tochter-AG erwerben. 43

29

Abs 2 S 1 erfaßt auch nicht die Übernahme von Aktien einer in einen Konzern integrierten AG durch ein gleichrangiges Konzernunternehmen oder durch ein von diesem abhängiges Unternehmen. 44 2. Arten der nach Abs 2 S 1 verbotenen Übernahme Ebenso wie Abs 1 untersagt Abs 2 S 1 denjenigen Unternehmen, an die sich sein Verbot richtet, jede rechtsgeschäftliche Erklärung, die zum Ziel hat, Aktien gegen Einlagen originär zu erwerben (für den derivativen Erwerb vgl §§ 71-71 e, insbesondere § 71 d).

30

a) Gründung. Abs 2 S 1 spricht ausdrücklich von der Unzulässigkeit einer AktienÜbernahme durch die benannten Unternehmen als Gründer. Rechtslogisch ist dieser Fall (§ 29) indes nicht unmittelbar denkbar; denn da eine noch nicht gegründete AG zu dem maßgeblichen Zeitpunkt rechtlich nicht existent ist, kann ein mitgründendes Unternehmen noch nicht von ihr abhängig sein oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehen.

31

Dennoch kann in praktisch seltenen Konstellationen eine Anwendung des Abs 2 S 1 auf Gründungsfälle dann in Betracht kommen, wenn ein Gründer eine mehrheitliche oder sonst herrschaftsauslösende Beteiligung an einem Unternehmen als Sacheinlage in die zu gründende AG einzubringen hat oder die Summe derartiger von mehreren Gründern zu leistenden Einlagen eine mehrheitliche oder sonst herrschaftsauslösende Beteiligung an einem Unternehmen ausmacht. Hier ist von Beginn an klar, daß das betreffende Unternehmen von dem Zeitpunkt der Gründung der AG an in ihrem Mehrheitsbesitz stehen bzw von ihr abhängig sein wird. Mithin darf ein solches Unternehmen nach Abs 2 S 1 nicht Mitgründer der AG sein. 45 Demgemäß kann es im Rahmen der Gründung einer GmbH &c Co KGaA 4 6 der Komplementär-GmbH entsprechend Abs 2 S 1 versagt sein, Kommanditaktien zu übernehmen, wenn Gründer eine mehrheitliche oder herrschaftsauslösende Beteiligung an der Komplementär-GmbH in die GmbH & Co KGaA einbringen. 47

32

Außerdem sind Umgründungsfälle denkbar, in denen Abs 2 S 1 eingreift. Wird ein Unternehmen von einer Personengesellschaft beherrscht, so ist es bei der Umgründung der Personengesellschaft in eine AG diesem beherrschten Unternehmen verboten, als Gründer Aktien der AG zu übernehmen. 48 Rdn 8.

42

Hüffer4

43

Hüffer4 Rdn 8; KK-Lutter 1 Rdn 3 4 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 18; Schlegelberger/Q«assoifi^i 3 § 51 Rdn 10; vgl ferner noch Boesebeck AG 1 9 6 1 , 3 3 1 , 3 3 2 ; Kropff DB 1959, 15, 17; aA MüllerErzbach Das private Recht der Mitgliedschaft ( 1 9 4 8 ) , S 3 7 4 .

44

Hefermehl/Butigeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 18; ν Godm/Withelmi4 Anm 11;

(81)

Schlegelberger/Qwassoifsih' 3 § 51 Rdn 10. 45

46

Vgl Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2 1 . Vgl dazu B G H Z 134, 3 9 2 ; Hüffer4 § 2 7 8 Rdn 8 - 9 a; Henze AktienR 4 ( 2 0 0 0 ) , Rdn 1 1 5 2 ff.

47

Offenbar aA Gonnella/Mikic 510.

48

Vgl K K - L u t t e r 1 Rdn 17.

Hartwig Henze

AG 1 9 9 8 , 5 0 8 ,

§ 56

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

33

b) Kapitalerhöhung gegen Einlagen; genehmigtes Kapital; bedingte Kapitalerhöhung. Hauptanwendungsfall des Verbotes mittelbarer Selbstzeichnung sind die Zeichnungserklärungen nach §§ 185 Abs 1 S 1, 2 0 3 Abs 1 S 1 sowie die Bezugs- oder Umtauscherklärungen nach §§ 198 Abs 1 S 1, Abs 2 S 1, 192 Abs 5. Die Vorschrift des Abs 2 S 1 untersagt es, derartige Erklärungen abzugeben.

34

c) Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Ebenso wie bei Abs 1 (Rdn 8) ist auch nach Abs 2 S 1 die Übernahme von Aktien durch abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen zulässig, wenn es sich um Aktien aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln handelt (§§ 2 0 7 ff). 4 9 Das folgt in beiden Fällen aus der Erwägung, daß vorhandenes Kapital lediglich bilanziell umqualifiziert wird, nicht aber neues Kapital zu beschaffen ist, dessen Aufbringung durch Abs 2 S 1 gesichert werden müßte. 5 0 Zudem wäre es ungereimt, wenn Dritten untersagt wäre, was nach der Vorschrift des § 215 Abs 1 der Gesellschaft selbst erlaubt ist. Der Rechtsgedanke des § 215 Abs 1 beansprucht hier entsprechende Geltung. 3. Rechtsfolgen einer verbotswidrigen Übernahme

35

a) Keine Nichtigkeit der Übernahmeerklärung. Wird eine gegen Abs 2 S 1 verstoßende Übernahme gleichwohl vorgenommen, ist sie gem Abs 2 S 2 wirksam. Damit wird das abhängige bzw in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen Aktionär der herrschenden AG. § 134 BGB findet keine Anwendung. Anders als bei einem Verstoß gegen Abs 1 (Rdn 9) tritt hier also keine Nichtigkeitsfolge ein. Damit kommt es auf Fragen der Heilung nicht an. Der Grund für diese gesetzgeberische Handhabung liegt in der Befürchtung, daß ohne die Entstehung der Einlagepflichten Kapitalbeschaffung und Kapitalerhaltung in noch stärkerem Maße in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. 5 1

36

Die Folgenregelung des Abs 2 S 2 gilt indessen nicht für eine schuldrechtliche Erklärung, mit der sich ein Tochterunternehmen dazu verpflichtet, Aktien der Mutter-AG in einer nach Abs 2 S 1 verbotenen Weise originär zu erwerben. Eine solche Verpflichtungserklärung ist nach § 134 B G B nichtig. 5 2

37

Obwohl die Übernahme rechtlich wirksam ist, muß das Registergericht - abgesehen vom Fall der § § 2 0 0 , 201 - die Eintragung der gegründeten Gesellschaft bzw der durchgeführten Kapitalerhöhung ablehnen. 5 3 Das ist daraus zu folgern, daß Abs 2 S 2 allein Folge der Überlegung ist, die Kapitalbasis der AG nicht weiter zu gefährden. Keinesfalls aber will Abs 2 S 2 das Registergericht von der Aufgabe entbinden, die Kapitalbeschaffungsvorgänge ordnungsgemäß zu kontrollieren. 5 4 Das ist in § 38 Abs 1 für die Eintragung der Gründung (§ 41 Abs 1 S 1) hervorgehoben und gilt in gleicher Weise für sonstige, eine Kapitalbeschaffung betreffende konstitutive Eintragungen (§§ 189, 2 0 3

49

50

HüfferA Rdn 9; KK-Lutter1 Rdn 18; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 7; im Erg, jedoch mit abw Begr, auch Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 22: Da die neuen Aktien den Aktionären nach § 211 ohne Erklärung zustünden und gem § 214 Abs 1 S 1 lediglich abzuholen seien, liege schon keiner der in Abs 2 S 1 genannten Übernahmetatbestände vor. Siehe auch Großkomm-Hirte4 § 215 Rdn 9.

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54

Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 8; Schlegelberger/Quassowski3 § 51 Rdn 12. Hüffer4 Rdn 10; KK-Lutter 1 Rdn 20; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 23; Baumbach/Hueck 13 Rdn 8. Hüffer4 Rdn 10; KK-Lutter2 Rdn 21; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 24; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 8; aA Baumbach/Haeoí:13 Rdn 8; Schlegelberger/Quassowski3 § 51 Rdn 12. KK-Lutter2 Rdn 21.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Keine Zeichnung eigener Aktien

§56

Abs 1 S l). 5 5 Abs 2 S 2 läßt lediglich die Nichtigkeits/b/ge des § 134 BGB nicht eintreten, macht aber Abs 2 S 1 nicht zum erlaubten Tatbestand. Der Gesetzesverstoß an sich bleibt daher bestehen, die Übernahme war und bleibt verboten. 5 6 Das muß der Registerrichter beachten. Richtig ist dagegen, daß im Falle einer bedingten Kapitalerhöhung das Registergericht die Eintragung nicht verweigern darf. 5 7 Denn hier kann der Registerrichter das Handelsregister nur noch formell an die Rechtslage angleichen, weil der Eintragung aufgrund der in § 200 getroffenen Regelung nur noch deklaratorischer Charakter zukommt (§ 201). Er ist nicht in der Lage, den Gesetzesverstoß durch Eintragung zu sanktionieren. Könnte die Eintragung in diesem Fall verweigert werden, hätte das die nicht hinnehmbare Folge dauerhafter Unrichtigkeit des Handelsregisters.

38

b) Pflichten und Rechte des Übernehmers. Das Unternehmen, das nach Abs 2 S 1 3 9 verbotswidrig, gem Abs 2 S 2 aber wirksam Aktien übernommen hat und damit Aktionär der herrschenden AG geworden ist, trifft nach § 54 die Pflicht, die Einlage zu leisten, sowie ggf eine Nebenleistungspflicht nach § 55 zu erfüllen. Nach allgM stehen hingegen dem Inhaber einer derart erworbenen Aktie keine Mit- 4 0 gliedschaftsrechte zu. 5 8 Er ist weder dividenden- ( § 5 8 Abs 4) noch stimm- (§§ 12, 134) noch auskunfts- (§ 131) noch klageberechtigt; ihm kommt kein Bezugsrecht auf junge Aktien ( § 1 8 6 Abs 1 S 1) zu, es sei denn, es liegt eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln vor (§ 215 Abs l); 5 9 am Liquidationserlös (§ 271) hat er nicht teil. Dies rechtfertigt sich aus einer Anwendung von § 71 d S 2 und 4 iVm § 71 b, wobei dahinstehen kann, ob die Vorschrift des § 71 d direkt 6 0 oder analog 6 1 anzuwenden ist. Daß in jedem Falle der Rechtsgedanke des § 71 d anzuwenden ist, hat der historische Gesetzgeber dadurch zum Ausdruck gebracht, daß er ξ 136 Abs 2 aF 6 2 , der sich unzweifelhaft auch auf den originären Erwerb bezog, 63 mit der Begründung aufgehoben 6 4 hat, die Vorschrift sei neben den § § 71 b, 71 d eine überflüssige Doppelregelung. 65 Demjenigen, der gegen das Verbot „mittelbarer Selbstzeichnung" verstoßen hat, aber 41 dennoch Aktionär geworden ist, sind die Mitgliedschaftsrechte abgeschnitten. Mitgliedschaftliche Rechte erwachsen aus der Aktie damit erst, sobald die Aktie an eine Person veräußert wird, die nicht zum Adressatenkreis des Abs 2 S 1 gehört. Zu solcher Veräußerung ist die herrschende AG entsprechend § 71 d S 2 und 4 iVm § 71c Abs 1 binnen 55

56 57

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60

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 24. Hüffer4 Rdn 10. Hüffer4 Rdn 10; KK-Lutter 1 Rdn 22; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 24. Hüffer4 Rdn 11; KK-Lutter 1 Rdn 26-29; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 26. Hüffer4 Rdn 11; KK-Lutter 1 Rdn 30; im Erg ebenso Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 27. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 26; auch KK-Lutter1 Rdn 26 (Bevorzugung einer grammatikalischen Auslegung, derzufolge § 71 d S 2 wegen der allgemeinen Formulierung „Besitz" unmittelbar auch der originäre Erwerb erfaßt werden soll).

(83)

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Hüffer4 Rdn 11 (Bevorzugung einer systematischen Auslegung, derzufolge § 71 d wegen seiner Stellung innerhalb der § § 71 ff unmittelbar nur den derivativen Erwerb regele). Wortlaut dieser Bestimmung: „Das Stimmrecht kann nicht ausgeübt werden für Aktien, die der Gesellschaft oder einem abhängigen Unternehmen oder einem anderen für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen Unternehmens gehören. " Vgl Großkomm-Barz Voraufl, Anm 9. DurchfG zur 3. EG-Richtlinie ν 25. 10. 1982 (BGBl I 1425). RegE zum DurchfG ν 25. 10. 1982, BTDrucks 9/1065, S 14

H a r t w i g Henze

§ 56

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Jahresfrist verpflichtet; anderenfalls ist die Aktie entsprechend § 71 d S 2 und 4 iVm §§ 71 c Abs 3, 237 einzuziehen. Dagegen trifft die Veräußerungspflicht nicht das Unternehmen, das Aktionär geworden ist. Vielmehr muß das von der AG abhängige oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen entsprechend § 71 d S 5 und S 6 der herrschenden AG die Aktien gegen Erstattung des Gegenwertes übereignen, damit die AG ihren Pflichten aus § 71 d S 2 und 4 iVm §§ 71c Abs 1 und Abs 3, 237 nachkommen kann. 42

c) Berichtspflicht. Über die in der Hand ihrer Tochter befindlichen, wirksam übernommenen Aktien muß die Muttergesellschaft nach § 160 Abs 1 Nr 1 im Anhang ( § § 2 8 4 ff HGB) nähere Angaben über Bestand, Zugang und Verwertung der Aktien sowie über die Erzielung eines Verwertungserlöses und seiner Verwendung machen. Die Verletzung dieser Pflicht ist nach § 403 strafbewehrt.

43

d) Vorstandshaftung auf die Einlage. Neben dem Tochterunternehmen, das infolge des nach Abs 2 S 2 wirksamen Aktienerwerbs die Leistung der Einlage nach § 54 schuldet, haftet nach Abs 4 S I auch jedes Vorstandsmitglied der Mwííergesellschaft auf die volle Einlage (vgl Rdn 19). Dabei herrscht zwischen dem nach § 54 einlageverpflichteten Tochterunternehmen und den nach Abs 4 S I auf die Einlage haftenden Vorstandsmitgliedern kein Gesamtschuldverhältnis, vielmehr ist die Vorstandshaftung akzessorisch. Sie tritt ergänzend zu der primären Einlageschuld des Aktienzeichners hinzu. 66 Das bedeutet, daß bei kapitaldeckender Leistung des Tochterunternehmens die Einlagepflicht erlischt (§ 362 Abs 1 BGB) und damit die Haftung der Vorstandsmitglieder entfällt. Regreßansprüche des Tochterunternehmens bestehen gegen die Vorstandsmitglieder nicht, weil das Tochterunternehmen als Aktionär eine eigene Pflicht erfüllt hat und mithin cum causa geleistet hat. 67

44

Da im Rahmen der „mittelbaren Selbstzeichnung" des Abs 2 durchaus Fälle verbotswidriger Aktienübernahme bei Gründung denkbar sind - mögen sie auch selten vorkommen (Rdn 32) - , scheint sich der Umstand, daß Abs 4 S I nur den Fall der Kapitalerhöhung erfaßt, empfindlicher auszuwirken als im Rahmen von Abs 1 (Rdn 20). Dennoch sind auch hier diese Bedenken nicht allzu schwerwiegend; denn im Gegensatz zur Konstellation des Abs 1 kommt eine Haftung der Vorstandsmitglieder nur für den Fall in Betracht, daß das übernehmende Unternehmen mit der Einlage ausfällt: Primärer Schuldner der Einlage ist das Tochterunternehmen. Damit wird zwar nicht ausgeschlossen, daß der Muttergesellschaft Vermögen, das uU zur Deckung der Grundkapitalziffer benötigt wird, entzogen wird. Jedoch: Wird das Tochterunternehmen im Wege der Sacheinlage eingebracht oder soll es mit Bareinlagemitteln erworben werden, greifen ohnehin die Präventivschutzvorschriften der §§ 27, 32 ff. Auch wird es bei der Gründungsprüfung (§ 33 Abs 2 Nr 4) regelmäßig nicht verborgen bleiben, wenn das im Wege der Sacheinlage oder der Sachübernahme der AG überlassene Unternehmen Aktien seiner künftigen Mutter zeichnet. In diesem Falle droht den Mitgliedern des Vorstandes die Haftung nach § 48. Hinzu kommt, daß derartige Fälle in der Praxis selten auftreten werden. Eine echte Lücke im Kapitalschutzsystem entsteht also auch bei der nach Abs 2 verbotswidrigen Aktienübernahme im Gründungsfall trotz Unanwendbarkeit des Abs 4 S I nicht.

66

Hüffer4

Rdn 17; Hefermehl/Bungeroth

Geßler/Hefermehl, Rdn 31; vgl auch Büdenbender DZWir 1998, 55, 57:

in:

Parallelpflicht ähnlich § 7 7 3 Abs 1 N r 1 67

BGB. Vgl KK-Lut ter 2 Rdn 61.

Stand: 1. 3. 2000

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Keine Zeichnung eigener Aktien

§56

Die Vorstandshaftung entfällt für diejenigen Mitglieder, die nach Abs 4 S 2 ihrer Beweislast für mangelndes Verschulden genügen (Rdn 21). Diese Exkulpation kann hier eher in Betracht kommen als im Rahmen von Abs 1. Denn da der Verstoß gegen Abs 2 in der Übernahme bzw Zeichnung durch den Vorstand des Tochterunternehmens liegt, muß sich nicht notwendig auch der Vorstand der Muttergesellschaft in vorwerfbarer Weise beteiligt haben.

45

e) Verwaltungshaftung auf Schadensersatz. Unabhängig von der Einlagenhaftung nach Abs 4 kann eine allgemeine Schadensersatzpflicht des Vorstandes aus § 93 Abs 3 Nr 3 und/oder des Aufsichtsrates aus § 116 in Betracht kommen, soweit die AG durch den Verstoß gegen Abs 2 S 1 geschädigt wurde. Gleiches gilt für die Verwaltung des die Aktien übernehmenden Tochterunternehmens, wenn es eine AG ist.

46

IV. Die Aktienübernahme für Rechnung der AG oder ein in ihrem Mehrheitsbesitz stehendes oder von ihr abhängiges Unternehmen (Abs 3) 1. Regelungsbereich des Abs 3 Abs 3 betrifft die Fälle, in denen nicht die AG selbst (Abs 1) bzw deren Tochter (Abs 2) Aktien erwirbt, sondern ein mittelbarer Stellvertreter für deren Rechnung. Erklärt dieser Mittelsmann die Übernahme von Aktien, so ist das wegen des Auftretens im eigenen Namen nur formalrechtlich keine unmittelbare oder mittelbare Selbstzeichnung iSd Abs 1 und 2, sondern Fremdzeichnung. Wegen des Handelns für Rechnung birgt dieses Vorgehen für die Aufbringung des aus den Kapitalmaßnahmen zu beschaffenden Kapitals wirtschaftlich indes die gleichen Gefahren in sich wie der originäre Aktienerwerb durch die Gesellschaft (AG oder deren Tochter), für deren Rechnung der „Strohmann" handelt. Da der Eintritt dieser Gefahren durch das Verbot der Abs 1 und 2 verhindert werden soll, schiebt das Gesetz zur umfassenden Sicherung realer Kapitalaufbringung durch das Umgehungsverbot in Abs 3 der Konstellation der mittelbaren Stellvertretung einen Riegel vor. Die Regelung bewirkt, daß die wirtschaftlichen Folgen des Rechtsgeschäfts des mittelbaren Stellvertreters auch im Verhältnis zur AG bzw deren Tochter, für deren Rechnung er handelt, an seine im eigenen Namen abgegebene rechtliche Erklärung gebunden werden. Das Gesetz läßt die im Innenverhältnis zwischen AG bzw deren Tochter und dem mittelbaren Stellvertreter getroffenen Absprachen außer Betracht. Es erlegt ihm zur Sicherung der Kapitalaufbringung sämtliche Aktionärspflichten einschließlich der Einlagepflicht persönlich auf, gewährt ihm aber solange keine Mitgliedschaftsrechte, wie er die Aktien nicht für eigene Rechnung übernommen hat.

47

Abs 3 erfaßt nicht den Fall der offenen Stellvertretung iSd §§ 164 ff BGB. Denn hier treffen die Rechtswirkungen der Geschäfte dieses Vertreters unmittelbar die AG bzw deren Tochter. Insoweit greifen die Vorschriften der Abs 1 bzw 2 ein. Abs 3 greift jedoch dann wieder ein, wenn sich nicht die AG bzw deren Tochter, sondern der iSv Abs 3 mittelbare Stellvertreter nach §§ 164 ff BGB vertreten läßt.

48

Existiert ein mittelbarer Stellvertreter iSd Abs 3 und erwirbt nicht dieser, sondern ein von ihm vorgeschobener weiterer mittelbarer Stellvertreter Aktien der AG auf Rechnung der AG oder ihrer Tochter (mehrstufige Mittelbarkeit), so findet auch auf diese Gestaltung der Rechtsgedanke des Abs 3 Anwendung (Rdn 91 ff).

49

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Hartwig Henze

§56

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

2. Erwerbshandlungen nach Abs 3 S 1 50

Abs 3 S 1 erfaßt alle Übernahmehandlungen des mittelbaren Stellvertreters, die einen originären Aktienerwerb zum Ziel haben (für derivativen Erwerb vgl § 71 d). Das können sein die Übernahme bei Gründung (§§ 2, 29), 6 8 die Zeichnung bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§ 185 Abs 1 S 1) oder bei genehmigtem Kapital (§ 203 Abs 1 S 1) sowie die Ausübung eines Bezugs- oder Umtauschrechtes im Rahmen einer bedingten Kapitalerhöhung (§§ 198 Abs 1 S 1, Abs 2 S 1, 192 Abs 5). Wer derjenige ist, der im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung auf diese Weise Aktien erwirbt, ist gleichgültig; jeder kommt in Betracht. Genauso wie Abs 1 und Abs 2 erfaßt auch Abs 3 eine Aktienübernahme bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207 ff) nicht, weil keine Einlagepflichten entstehen (Rdn 8, 34). 3. Handeln „für Rechnung"

51

a) Wirtschaftlicher Hintermann. Derjenige, für dessen Rechnung der Strohmann auftritt und der daher wirtschaftlich letztlich von dem Erwerbsgeschäft betroffen ist, kann die Gesellschaft sein, die die Aktien zum Originärerwerb anbietet (Abs 3 S 1 Fall 1).

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Dem gleichgestellt ist das Handeln für Rechnung eines Tochterunternehmens der AG (Abs 3 S 1 Fall 2). Das entspricht einer konsequenten Fortführung der Sicherung realer Kapitalaufbringung in Form einer Regelung zur Verhinderung der Umgehung von Abs 1 und 2. In Bezug auf das im Mehrheitsbesitz stehende oder abhängige Unternehmen ist die Vorschrift des Abs 3 S 1 freilich nicht hinreichend genau formuliert: Nicht irgend ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen, sondern nur ein von der AG abhängiges oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen ist gemeint. 69 Diese einschränkende Auslegung des weit geratenen Wortlautes folgt schlicht aus dem mit der Regelung verfolgten Zweck, die Kapitalaufbringung bei dem mit Mehrheit beteiligten bzw herrschenden Unternehmen zu sichern. Welche Tochterunternehmen begrifflich iSv Abs 3 S 1 in Mehrheitsbesitz stehen oder abhängig sind, richtet sich nach §§ 16 und 17 (Rdn 25).

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b) Rechtsverhältnis zwischen der AG bzw deren Tochter und dem Übernehmer. aa) Voraussetzung des Abs 3 S 1 ist, daß Aktien einer Gesellschaft für Rechnung dieser Gesellschaft oder eines ihrer Tochterunternehmen übernommen (originär erworben) werden. Ob ein Handeln „für Rechnung" in diesem Sinne zu bejahen ist, ist anhand des Innenverhältnisses zu beurteilen, das zwischen der AG bzw deren Tochter und dem Übernehmer besteht und kraft dessen dem Übernehmer seine Position als mittelbarer Stellvertreter zukommt. Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher Natur sein, wie etwa Auftrag (§ 662 BGB), Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 Abs 1 BGB) oder kommissionsähnlicher70 Vertrag (§§ 406 Abs 1, 383 HGB); auch ein Gesellschaftsverhältnis kann in Betracht kommen (§§ 705 ff).71 Das Rechtsverhältnis kann sich aber auch aus dem Gesetz ergeben, wie etwa Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677 BGB). Entscheidendes Kriterium dafür, ob der Übernehmer nach dem Inhalt des jeweils bestehenden Rechtsverhältnisses „für 68

Theoretisch denkbar, aber praktisch selten in der Form, daß der Dritte Aktien für Rechnung der noch nicht entstandenen AG übernimmt.

69

Vgl KK-Lutter2 Rdn 5 7 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 4 2 .

70

Da § 5 6 nur den originären Erwerb regelt und diese erste Übernahme einer Aktie kein „ K a u f " ist, kann die Kommissionsvorschrift des § 3 8 3 H G B im Innenverhältnis nicht unmittelbar angewandt werden.

71

Großkomm-Barz Voraufl, Anm 2 .

Stand: 1. 3. 2000

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Keine Zeichnung eigener Aktien

§56

Rechnung" handeln soll, ist allein die Zuweisung des wirtschaftlichen Risikos. Wird dieses Risiko ganz oder auch nur teilweise von der AG bzw deren Tochter getragen, so wird der AG durch den Aktienerwerb in Wirklichkeit - überhaupt oder teilweise - kein neues Kapital zugeführt. Dies zu verhindern ist Zweck der in Abs 3 getroffenen Regelung. Im Zweifel ist durch Auslegung des Rechtsverhältnisses gem §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, ob eine Pflicht der AG oder ihres Tochterunternehmens zur Risikotragung vereinbart worden ist. bb) Bei den genannten, der gesetzlichen Regelung unterworfenen Rechtsverhältnissen 5 4 fällt nach der Vorstellung des Gesetzes das volle wirtschaftliche Risiko der AG bzw ihrer Tochter als Geschäftsherrin zur Last, da derart ausgestaltete Innenverhältnisse allesamt dem Übernehmer einen von der AG bzw deren Tochter zu erfüllenden Aufwendungsersatzanspruch gewähren (§§ 662, 670 BGB; §§ 675 Abs 1 iVm 670 BGB; §§ 677, 683 S 1 iVm 670 BGB; §§ 406 Abs 1, 396 Abs 2 HGB iVm § 670 BGB; §§ 713 iVm 670 BGB). Daher greift Abs 3 bei Vorliegen solch einer Rechtsbeziehung nur dann nicht ein, wenn die Regeln über die Leistung von Aufwendungsersatz vollständig abbedungen und auch sonst keine Individualabreden getroffen worden sind, die letztlich eine Risikoabwälzung vom Übernehmer auf die AG bzw deren Tochter bewirken. cc) Eine eindeutige Risikoübernahme durch die AG bzw deren Tochter liegt insbe- 5 5 sondere dann vor, wenn eine der beiden die Aktien nach der Übernahme durch den „Strohmann" von diesem gegen Einlagenerstattung erwerben soll. Es ist aber nicht notwendig, daß gerade der Eigenerwerb - der ohnehin nur in den engen Grenzen des § 71 bzw § 71 d zulässig ist - Ziel des Innenverhältnisses ist. Vielmehr reicht es ebenso aus, daß der mittelbare Stellvertreter die Aktien weiterveräußern soll. Denn auch ohne ausdrückliche Verlustübernahmepflicht trägt dann die AG bzw deren Tochter das Risiko, daß die Veräußerung der Aktien keinen einlagedeckenden Erlös bringt. Solch eine Differenz zwischen dem vom mittelbaren Stellvertreter für den Erwerb aufgewendeten Einlagebetrag und dem Weiterveräußerungserlös gehört typischerweise zu den von § 670 BGB erfaßten Aufwendungen. Des weiteren genügt für ein Handeln auf Rechnung iSv Abs 3 bereits, daß der Übernehmer die von ihm im eigenen Namen erworbenen Aktien schlicht für die AG bzw deren Tochter zur Verfügung halten soll. 72 dd) Ist keines der dargelegten wirtschaftlichen Risiken zu Lasten der AG bzw ihrer 5 6 Tochter feststellbar, dann ist es unter dem Blickwinkel des Abs 3 unschädlich, daß der Übernehmer einen bei der Weiterveräußerung der Aktien - im Vergleich zur geleisteten Einlage - erzielten Gewinn an die AG bzw deren Tochter abzuführen hat. Das birgt zwar für die AG bzw deren Tochter das wirtschaftliche Risiko in sich, daß infolge schlechten Verhandlungsgeschicks des Übernehmers bei der Veräußerung oder wegen schlechter Marktlage kein Gewinn erzielt wird, so daß der AG bzw ihrer Tochter ein entsprechender Betrag nicht zufließen kann. Doch ist offensichtlich, daß allein dies die Kapitalaufbringung bei der AG nicht angreift; schlechtestenfalls wird lediglich kein den Nominalbzw Stückwertbetrag übersteigender Preis realisiert. ee) Ganz irrelevant für die Beantwortung der Frage nach der Aufteilung des wirtschaftlichen Risikos und die daran geknüpfte Entscheidung, ob ein Handeln für Rechnung vorliegt, ist der Umstand, ob ein Weisungsrecht der AG bzw ihres Tochterunter72

KK-Lutter2 Rdn 37; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 35.

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Hartwig Henze

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

nehmens besteht. 7 3 Zwar ist der Hintermann schon kraft Gesetzes weisungsbefugt (vgl § 6 6 5 BGB, § 3 8 4 Abs 1 HS 2 Fall 2 HGB). Regelmäßig wird er sich auch durch vertragliche Vereinbarung das Recht einräumen lassen, Weisungen darüber zu erteilen, wie der Ubernehmende zu verfahren und welche Pflichten er zu befolgen hat. Daraus kann jedoch nicht der Schluß gezogen werden, nur derjenige handle iSv Abs 3 für fremde Rechnung, der fremder Weisung untersteht. Denn die Vorschrift spricht mit dieser Formulierung nur das wirtschaftliche Risiko an, das in der beschriebenen Konstellation bei mittelbarer Stellvertretung der Kapitalgrundlage der AG drohen kann. Soweit hier überhaupt ein Bezug zwischen Weisungsbefugnis und Kapitalsicherung hergestellt werden kann, müßte er dahin gehen, daß derjenige mittelbare Stellvertreter, der weisungsfrei handeln darf, ein größeres wirtschaftliches Risiko für die AG bzw ihre Tochter bedeutet als ein weisungsunterworfen Handelnder. Denn letzterenfalls kann die AG bzw ihre Tochter den Mittelsmann kontrollieren und das wirtschaftliche Risiko nach eigener Einschätzung steuern. 7 4 58

c) Emission junger Aktien als „Verwertungsaktien". Bei Kapitalerhöhungen gegen Einlagen (§§ 182 ff) ist es die Regel, daß sich die AG unter Gewährung eines mittelbaren Bezugsrechtes (§ 186 Abs 5 ) 7 5 oder zur Plazierung der Aktien unter Bezugsrechtsausschluß (§ 186 Abs 3) der Hilfe eines Kreditinstituts (Emissionsbank oder -konsortium) bedient. Das eingeschaltete Kreditinstitut übernimmt die Aktien zwar im eigenen Namen, aber nicht mit dem Ziel, selbst Aktionär zu bleiben, sondern um in Absprache mit der AG und nach ihrer Weisung die Aktien an deren Stelle zu verwerten („Verwertungsa k t i e n " 7 6 ) . Falls das Kreditinstitut hier die Funktion eines mittelbaren Stellvertreters für Rechnung der AG ausübt, weil es nach der getroffenen Emissionsvereinbarung 7 7 das in der Aktienübernahme liegende wirtschaftliche Risiko nicht vollständig trägt, unterliegt es der Vorschrift des Abs 3. Für eine Entscheidung hierüber sind folgende Einzelheiten besonders bedeutsam:

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aa) Hat eine AG junge Aktien durch ein Emissionskonsortium zeichnen lassen und ist sie selbst Mitglied des zeichnenden Konsortiums, so ist Abs 3 einschlägig. Hier muß eine Übernahme der Aktien durch das Konsortium für Rechnung der AG iSv Abs 3 deshalb bejaht werden, weil die AG wirtschaftlich auf beiden Seiten des Emissionsvertrages steht und daher jedenfalls im Risiko des Emissionsgeschäftes mit dem Konsortium verhaftet ist: 7 8 Entweder beläßt der Emissionsvertrag der AG als der Geschäftsherrin ganz oder teilweise ein wirtschaftliches Risiko oder der Emissionsvertrag wälzt das ganze wirtschaftliche Risiko auf den die Aktien übernehmenden mittelbaren Stellvertreter, also das 73

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Hiiffer4 Rdn 12; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 37; abw zur 1. Aufl Rdn 9 nunmehr auch KK-Lutter 2 Rdn 43; nicht deutlich Großkomm-Barz Voraufl, Anm 2. Zudem hindert die Regelung des § 136 Abs 2 die Schaffung von „Herrschaftsaktien". KK-Lutter 2 Rdn 43. Vgl dazu BGHZ 118, 83, 95 ff; 122, 180, 185 f; BGH ZIP 1995, 1177, 1178. Geläufig ist auch die Bezeichnung „Verfügungsaktie". Zum Vorgang vgl Henze Die treuhänderische Stellung des Sacheinlegers bei Kapitalerhöhungen (1970), S 60 ff.

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Zu der in der Praxis üblichen Ausgestaltung ihres Inhaltes vgl Heinsius FS Fleck (1988), S 89 ff; auch Henze Die treuhänderische Stellung des Sacheinlegers bei Kapitalerhöhungen (1970), S 61 [dort Fußn 3], Hüffer4 Rdn 13; KK-Lutter 2 Rdn 40; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 41; Schlegelberger/QMdssoK'.sih'3 § 51 Rdn 3; Lutter AG 1970, 185, 188; zur Haftung der Konsorten vgl BGHZ 118, 83, 100; dazu Henze AktienR4 (2000), Rdn 235 ff; auch ders Die treuhänderische Stellung des Sacheinlegers bei Kapitalerhöhungen (1970), S 29 ff.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Keine Zeichnung eigener Aktien

§56

Konsortium ab, wobei die AG dann als Konsortialmitglied. in Höhe ihrer Beteiligungsquote am Konsortium das mit der Aktienübernahme verknüpfte wirtschaftliche Risiko tragen muß. In beiden Fällen ist Abs 3 anzuwenden. bb) Aus der Funktion des Kreditinstituts als Emissionsstelle folgt, daß nach den VorStellungen der Beteiligten die Aktien von den Konsorten übernommen werden, um sie auf dem Markt zu piazieren. Gelingt das nicht vollständig, wird die Frage aufgeworfen, was mit den nicht abgesetzten Aktien geschieht. Sie verbleiben in der Regel bei den Konsorten. 7 9 Sieht die mit dem Kreditinstitut getroffene Abrede entgegen den üblichen Vereinbarungen eine Rücknahmepflicht durch die AG vor, liegt darin die Abwälzung des wirtschaftlichen Risikos der Unverkäuflichkeit auf die A G . 8 0 Es liegt dann eine Aktienübernahme für Rechnung der AG iSv Abs 3 vor.

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cc) Das Kreditinstitut trifft nach den üblicherweise abgeschlossenen Emissionsverträgen die Pflicht, einen über den Einlagebetrag hinausgehenden Mehrerlös („Aufgeld") an die AG abzuführen. Umgekehrt darf der AG jedoch nicht die Pflicht auferlegt werden, für einen unter dem Übernahmepreis des Konsortiums liegenden Mindererlös einzustehen. Die Durchführung einer solchen Vereinbarung kann einmal gegen das Verbot einer Unterpariemission (§ 9 Abs 1) verstoßen, wenn der Ausgabebetrag dem Nenn- bzw Stückwert der Aktie entspricht, das Emissionsinstitut die Aktien jedoch zu einem geringeren als diesen Betrag veräußert. Zum anderen kann die Durchführung solch einer Vereinbarung die Voraussetzungen nach Abs 3 erfüllen.

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Aus dem Emissionsvertrag ergibt sich üblicherweise die Pflicht der AG, die Tätigkeit des Kreditinstituts durch die Zahlung einer Provision zu vergüten. Eine solche Regelung ist nicht per se als Risikoabwälzung auf die AG iSd Abs 3 zu werten. Allerdings ist zu beachten, daß solche Provisionen stets nur aus einem die Einlagenhöhe übersteigenden Mehrerlös gezahlt werden; der Wert, der der AG als Einlage auf eine Aktie zugeführt wird, darf durch Abzug der Provision nicht unter den Ausgabebetrag zurückgeführt werden. Daher führen der Höhe nach fixe Provisionszusagen zur Anwendung von Abs 3, weil die AG das wirtschaftliche Risiko dafür trägt, daß bei nicht ausreichendem Überschuß aus der Weiterveräußerung das für sie aufzubringende Kapital angegriffen wird. Abs 3 ist auch anwendbar, wenn das Kreditinstitut dafür, daß es übernommene Aktien für die AG zur Verfügung hält, Provisionen oder auch Kreditzinsen aus dem Betrag abrechnet, den es als Einlage aufgewendet hat. 8 1

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dd) Enthält der Emissionsvertrag keine Regelung über die Risikoverteilung, muß durch Auslegung festgestellt werden, ob er die Voraussetzungen nach Abs 3 erfüllt, 8 2 insbesondere die Regelungen der §§ 6 7 0 BGB, 3 9 6 Abs 2 H G B abbedungen sein sollen. Die Feststellung derartiger Voraussetzungen ist zwar ungewöhnlich, weil sie den Eindruck erwecken, dem Kreditinstitut solle zugemutet werden, dem Vertragspartner (AG) jedes Geschäftsrisiko dadurch abzunehmen, daß es jeglichen Gewinn abführt und auf eigenes Verlustrisiko arbeitet. 8 3 Es darf aber nicht übersehen werden, daß den Emissionsbanken die Vorschrift des Abs 3 bekannt ist und sie am Eintritt ihrer Rechtsfolgen

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Vgl dazu BGH ZIP 1995, 1177, 1178. Hüffer4 Rdn 13; KK-Lutter2 Rdn 39; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 38; aA Thiel AG 1966, 388, 391. KK-Lutter2 Rdn 42; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 39.

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KK-Lutter2 Rdn 41; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 40; ν Godin/ Wilhelmi4 Anm 5. KK-Lutter2 Rdn 41.

Hartwig Henze

§ 56

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

keinesfalls interessiert sind. 84 Sie mindern daher das ihnen zugewiesene Risiko durch Einflußnahme auf den Zeitpunkt der Emission und durch Festlegung eines entsprechend niedrigen Ausgabekurses, der gewährleistet, daß der Verkaufspreis die Emissionsgebühren (Provisionen) abdeckt. 8 5 4. Rechtsfolgen eines Erwerbs nach Abs 3 S 1 HS 1 64

a) Die Wirkungen im Grundsätzlichen. Anders als Abs 1 und Abs 2 ist Abs 3 nicht als Verbotstatbestand konzipiert. Die Übernahme von Aktien einer AG für Rechnung dieser AG oder eines ihrer abhängigen oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens ist folglich wirksam; der Übernehmer wird Aktionär. Der Registerrichter darf Eintragungen nicht verweigern. Wie Abs 3 S 3, der hier gegenüber § 57 Abs 1 S 1 Vorrang genießt, zu entnehmen ist, bleibt das Innenverhältnis des mittelbaren Stellvertreters zu der AG bzw ihrer Tochter in seiner Wirksamkeit unberührt. Mit der Regelung wird allerdings auf den Übernehmer Druck ausgeübt, die Vereinbarungen mit der AG bzw ihrem Tochterunternehmen aufzuheben. Die Gefahr, daß der AG keine Vermögenswerte zugeführt werden, wird also weder durch Nichtigkeit des Erwerbsvorganges noch durch Nichtigkeit des Innenverhältnisses gebannt. Vielmehr greift das Gesetz, um dieses Ziel zu erreichen, in den Aktionärsstatus sowie in das zwischen dem mittelbaren Stellvertreter und der AG bzw ihrer Tochter bestehende Rechtsverhältnis in einer Weise ein, die gewährleistet, daß eine Scheinkapitalbildung verhindert wird. Das bedeutet für den Übernehmer, daß er, solange eine Verbindung mit der AG bzw ihrer Tochter besteht, aus der Übernahme verpflichtet bleibt, aber rechtlos gestellt wird. 8 6 Damit besteht kein Anreiz für eine Übernahme auf Rechnung der AG oder eines ihrer Tochterunternehmen. Das hat Abschreckungswirkung. Kommt es dennoch zu einer Aktienübernahme, muß der Übernehmer für die daraus erwachsenden Pflichten einstehen, ohne Rechte aus der Mitgliedschaft geltend machen zu können. Die AG bzw ihre Tochter ist allerdings gehalten, diese harte gesetzliche Regelung nicht in rechtsmißbräuchlicher Weise zum Nachteil des Übernehmers auszunutzen. 8 7

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b) Rechtsstellung des Übernehmers als Aktionär, aa) Pflichten. Der Übernehmer wird Aktionär und schuldet gegenüber der AG die volle Einlage und ggf eine Nebenleistung (§§ 54, 55). Der Vorstand muß deren Leistung einfordern (§§ 36a Abs 1, 63 Abs 1, 188 Abs 2 S 1), wie gegenüber sonstigen Aktionären auch. Anderenfalls wird eine Schadensersatzpflicht gem § 93 (bei Vorsatz auch nach § 823 Abs 2 BGB iVm § 266 StGB) ausgelöst. 88 Das zwischen dem Aktionär und der AG bzw dem Tochterunternehmen bestehende Rechtsverhältnis kommt nach der gesetzlichen Regelung nicht zum Tragen. Der gegen die Erfüllung der Einlageforderung gerichtete Einwand des mittelbaren Stellvertreters, er habe die Aktien nicht auf eigene Rechnung übernommen, ist ihm abgeschnitten (vgl Abs 3 S 1 HS 2 und S 2). Für den Fall der Aktienübernahme auf Rechnung eines Tochterunternehmens folgt das auch aus dem allgemeinen Prinzip, daß Rechte aus diesem Rechtsverhältnis der AG als Dritten, die daran nicht beteiligt ist, nicht entgegengehalten werden können. 84

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Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 40. KK-Lutter2 Rdn 41; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 39; zum Inhalt der Emissionsvereinbarungen vgl Heinsius FS Fleck (1988), S 89 ff.

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Kritisch zu dieser Rechtskonstruktion Büdenbender DZWir 1998, 55. Vgl auch Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 52. Hüffer4 Rdn 14; KK-Lutter 2 Rdn 44; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 3; Schlegelberger/ Quassowski3 § 51 Rdn 7.

Stand: 1. 3. 2000

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Keine Zeichnung eigener Aktien

§56

bb) Rechte. Gem Abs 3 S 3 8 9 stehen dem Aktionär aus der Aktie keinerlei Mitglied- 6 6 schaftsrechte zu. Insbesondere hat der Übernehmer kein Dividendenrecht (§ 58 Abs 4), kein Stimmrecht (§§ 12, 134), kein unmittelbares oder mittelbares Bezugsrecht auf Aktien aus Kapitalerhöhungen gegen Einlagen oder aus genehmigtem Kapital (§§ 186 Abs 1 S 1, Abs 5, 203 Abs 1 S 1), es sei denn, das Bezugsrecht geht aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln hervor (arg § 215 Abs l). 9 0 Auch ist dem Übernehmer versagt, mitgliedschaftliche Auskunfts- (§ 131) und Klagerechte oder sonstige Teilhaberechte eines Aktionärs geltend zu machen. All diese Rechte sind so lange abgeschnitten, bis die Aktien für eigene Rechnung übernommen sind (Rdn 77 ff). Das gilt grundsätzlich auch bei Abwicklung einer in Auflösung befindlichen AG für 6 7 die Beteiligung am Liquidationserlös (§ 271). Dieses Verständnis der Vorschrift schießt nicht etwa über die ratio legis hinaus; vielmehr ist diese Auslegung geboten, weil es Ziel der Vorschrift ist, größtmöglichen Druck zu erzeugen, um zur Sicherstellung der realen Kapitalaufbringung die Übernahme der Aktien für eigene Rechnung des mittelbaren Stellvertreters zu erreichen. 91 Zwar kann er das Rechtsverhältnis zur AG bzw ihrer Tochter grundsätzlich nicht einseitig beenden. Jedoch kann die Auflösung der AG einen wichtigen Grund zu seiner Kündigung ergeben (Rdn 83 f). 92 Die Aberkennung der Aktionärsrechte bedeutet hier auch, daß für die Berechnung 6 8 von Stimm- oder Kapitalanteilen (vgl etwa §§ 133 Abs 1, 126 Abs 2 Nr 5, 137, 179 Abs 2 S 1, 182 Abs 1 S 1) die Aktien, die noch nicht für eigene Rechnung übernommen sind, nicht berücksichtigt werden dürfen. 9 3 Anderenfalls könnten die Stimmrechtsverhältnisse manipuliert werden; in bestimmten - allerdings seltenen - Konstellationen wäre eine Abstimmung gar nicht möglich. 94 c) Rechte und Pflichten aus dem der Übernahme zugrunde liegenden Innen Verhältnis. 6 9 aa) Rechtlosigkeit des Übernehmers. Abs 3 hebt in S 2 hervor, daß die Pflicht zur Leistung der Einlage ungeachtet des Inhaltes einer getroffenen Innenabrede besteht. Abs 3 S 1 HS 2 spricht dem Übernehmer weitergehend die Berechtigung ab, sich auf den Umstand zu berufen, er habe die Aktie für fremde Rechnung erworben. Damit erfaßt diese Vorschrift das zwischen der AG bzw ihrer Tochter und dem mittelbaren Stellvertreter bestehende schuldrechtliche Verhältnis. Folglich steht der Übernehmer dem Unternehmen in Ansehung dieses Rechtsverhältnisses völlig rechtlos gegenüber. 95 Der Übernehmer hat danach keinerlei Ansprüche auf Aufwendungsersatz; auf §§ 670 BGB, 396 Abs 2 HGB kann er sich nicht berufen. 96 Es müssen ihm also weder die gezahlte Einlage oder sonstige 89

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Aufgrund dieser besonderen Regelung braucht nicht vertieft zu werden, inwieweit dieses Erg auch aus § 71 d S 1, 2 und 4 iVm § 71 b gewonnen werden kann (vgl dazu Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 46). AllgM, vgl ua Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 48; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 4. Hüffer4 Rdn 15; KK-Lutter 2 Rdn 47; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 47, 49; ν Godin/Wilhelmi 4 Anm 3; Schlegelberger/QHiJssoH/s&i'3 § 51 Rdn 8; aA Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 5. Vgl KK-Lutter 2 Rdn 50; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 57.

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94 95

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KK-Lutter 2 Rdn 47; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 47; ν Godin/W¿/helmi4 Anm 3; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 4; aA Mestmäcker Verwaltung, Konzernmacht und Rechte der Aktionäre (1958), S 148. Dazu KK-Lutter2 Rdn 47. Hüffer4 Rdn 14; KK-Lutter2 Rdn 46 und 55; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 50; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 4; ν Godin/Wilhelmi4 Anm 2 und 7; Schlegelberger/Quassou/ski3 § 51 Rdn 7; Lutter AG 1970, 185, 188; Lutter/Schneider ZGR 1975, 197. Hüffer4 Rdn 14; KK-Lutter2 Rdn 46 und 55; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl,

Hartwig Henze

§ 56

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Auslagen erstattet noch eine Provision gezahlt werden. Auch einen durch Weiterveräußerung der Aktie erzielten Gewinn darf er nicht behalten. 9 7 70

Fließt dem Aktionär trotz Nichtbestehens dieser Ansprüche gleichwohl ein Vermögenswert von den Unternehmen zu, so bedeutet das einen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr aus § 5 7 Abs 1 S 1. Damit erlangt die AG bzw ihre Tochter einen Rückgewähranspruch aus § 6 2 Abs 1 S 1. Sind dem Übernehmer im Rahmen der mittelbaren Stellvertretung bereits vor der Übernahme Finanzmittel bereitgestellt und/oder gewährt worden und hat er daraus die Leistung auf seine Einlage finanziert, so hat das wegen Verstoßes gegen § 5 4 schon keine Erfüllungswirkung; die Einlageschuld besteht ungetilgt fort (vgl § 5 4 Rdn 99).

71

Daß dem Übernehmer keine Rechte zustehen, ist durchgängig anzunehmen. Mag daher auch das Innenverhältnis besagen, die AG bzw ihre Tochter sei verpflichtet, dem Übernehmer anschließend die Aktie abzunehmen, so kommt dem Übernehmer ein Anspruch auf solch eine Abnahme auch dann nicht zu, wenn sie ein nach §§ 71 ff erlaubter Eigenerwerb wäre. 9 8 Von dem Gesichtspunkt, daß die AG bzw ihre Tochter die Aktien entgegen einer derartigen Innenabrede nicht übernehmen muß, ist die Frage zu trennen, unter welchen Voraussetzungen - in den Grenzen der § § 71 ff - die AG bzw deren Tochter berechtigt ist, eine Herausgabe der übernommenen Aktien zu verlangen (Rdn 73).

72

bb) Pflichten des Übernehmers; Rechte des Geschäftsherrn. Die Pflichten aus dem Innenverhältnis dauern für den Übernehmer so lange fort wie dieses besteht. Obwohl der Übernehmer keine Rechte hat, bleibt er also den Ansprüchen und einer Weisungsbefugnis der AG bzw ihrer Tochter in vollem Umfang ausgesetzt. 9 9 Was der Übernehmer durch eine Weiterveräußerung der Aktie erlangt, muß er - einschließlich des erzielten Gewinnes - gem § 6 6 7 B G B 1 0 0 oder § 3 8 4 Abs 2 HS 2 Fall 2 H G B 1 0 1 herausgeben.

73

Die Herausgabepflicht umfaßt grundsätzlich auch die von dem mittelbaren Stellvertreter nicht für eigene Rechnung übernommenen Aktien. Es kann jedoch durch den Normzweck des Abs 3 nicht mehr als gedeckt angesehen werden, wenn der Unternehmer - weil rechtlos gestellt - zur Überlassung der Aktien an die Gesellschaft bzw ihre Tochter ohne jede Möglichkeit, einen Gegenwert zu erlangen, verpflichtet wäre, obwohl er die Einlagepflicht erfüllt hat. Denn damit hätte Abs 3 nicht nur die ihm zugedachte Funktion der Kapitalsicherung, sondern darüber hinaus auch die einer Bereicherung der AG bzw ihrer Tochter. Damit würde der Regelungsgehalt der Vorschrift über den ihr immanenten Normzweck hinausgehen. Einen Anspruch gegen den Übernehmer auf Herausgabe der von ihm übernommenen Aktien wird man sonach nur zulassen können, wenn der anspruchsberechtigte Hintermann dem herausgabepflichtigen Übernehmer im Gegenzug die Erstattung des zur Erfüllung der Einlage geleisteten Betrages anbietet. Darin liegt keine nach Abs 3 unzulässige Rücküberantwortung des mit der Aktienübernahme verbundenen wirtschaftlichen Risikos, da hier die AG bzw ihre Tochter lediglich berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, die Aktien des Übernehmers abzunehmen. 1 0 2

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Rdn 50; Trumpler Die Bilanz der AG (1950), S 343. KK-Lutter 1 Rdn 46; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 50; Lutter AG 1970, 185, 188. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 51; aA Lutter Kapital (1964), S 103. Hüffer4 Rdn 14; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 52; Großkomm-Barz

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101 102

Voraufl, Anm 4; Schlegelberger/ Quassowski3 § 51 Rdn 7; Lutter AG 1970, 185, 188. iVm § 662 BGB / § 675 Abs 1 BGB / 677, 681 S 2 BGB / § 713 BGB. iVm § 406 Abs 1 HGB. Ebenso Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 53.

Stand: 1. 3. 2000

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Keine Zeichnung eigener Aktien

§56

Gibt der mittelbare Stellvertreter die im eigenen Namen übernommenen Aktien nach vorstehenden Grundsätzen an seinen Hintermann heraus, liegt darin ein Erwerb eigener Aktien durch die AG bzw ihre Tochter. Unabhängig von der inhaltlichen Ausgestaltung des Innenverhältnisses ist daher die Möglichkeit der Geltendmachung des vorstehend beschriebenen Herausgabeanspruches nach § 71 bzw § 71 d S 1 - 4 eingeschränkt. Liegen deren Voraussetzungen nicht vor, hat der Hintermann schon aus diesen Gründen gegen den Übernehmer keinen Herausgabeanspruch. Etwas anderes kann auch nicht aus § 71 d S 5 und S 6 hergeleitet werden; denn gegenüber dieser Vorschrift ist die für den originären Erwerb geschaffene selbständige Regelung des Abs 3 vorrangig. 103 Werden unter Mißachtung des Erwerbs Verbotes der §§ 71, 71 d gleichwohl die Aktien an die AG bzw ihre Tochter gegen Einlageerstattung übertragen, ist der erstattete Betrag wegen Verstoßes gegen § 57 Abs 1 an die AG bzw ihre Tochter zurückzugewähren (S 62 Abs 1 S 1).

74

d) Berichtspflicht. Über den Bestand, den Zugang und die Verwertung von Aktien, die ein Dritter als mittelbarer Stellvertreter für Rechnung der AG oder Rechnung einer ihrer Tochterunternehmen übernommen hat, sowie über den Verwertungserlös aus solchen Aktien und dessen Verwendung muß die AG gem § 160 Abs 1 S 1 Nr 1 im Anhang (§§ 284 ff HGB) Angaben machen.

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c) Thesaurierungspflicht. Erzielt der mittelbare Stellvertreter durch die Weiterveräußerung der Aktie einen Gewinn, der an die AG abzuführen ist, so muß die AG diesen Betrag gem § 272 Abs 2 Nr 1 HGB in die gesetzliche Kapitalrücklage einstellen. 104

76

5. Nachträgliche Übernahme für eigene Rechnung (Abs 3 S 3) a) Durchführung der Eigenübernahme, aa) Auflösung der mittelbaren Vertretungs- 7 7 beziehung. Die Regelung des Abs 3 S 3, daß der mittelbare Stellvertreter den vom Gesetz vorgegebenen Rechtszustand, die Mitgliedschaftsrechte nicht ausüben zu können, dadurch zu beenden vermag, daß er die Aktie für eigene Rechnung übernimmt, bedeutet nicht, daß er die Aktie erneut, wenn auch nicht mehr auf fremde Rechnung, „übernehmen" müßte. Denn ein wiederholter Originärerwerb ist ausgeschlossen. Der Erwerbsvorgang ist rechtlich dadurch abgeschlossen worden, daß der mittelbare Stellvertreter wenn auch als Strohmann - die Aktie bereits im eigenen Namen wirksam übernommen hat; er ist somit Aktionär. Abs 3 S 3 fordert nur, daß der Aktionär den Zustand, die Aktien für fremde Rechnung zu halten, beendet und die Aktien sodann für eigene Rechnung hält. Da für das Handeln für fremde Rechnung das Innenverhältnis konstitutiv ist, aus dem sich die wirtschaftliche Abhängigkeit des Übernehmenden von der AG bzw ihrem Tochterunternehmen ergibt, endet dieser Zustand mit Beendigung des Innenverhältnisses. In diesem Falle besteht keine Verbindung mehr zu einem wirtschaftlichen Hintermann; der Übernehmer ist nicht länger mittelbarer Stellvertreter und handelt nunmehr auf eigenes Risiko und in seinem alleinigen Interesse. Vollzieht sich dieser Wandel, dann hat der Aktionär iSv Abs 3 S 3 „die Aktien für eigene Rechnung übernommen". 105 Ipso iure vollzieht sich dieser Wandel nur, wenn das Innenrechtsverhältnis auflösend 103

104

(93)

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 5 3 . KK-Lutter2 Rdn 5 3 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 5 2 ; GroßkommBarz Voraufl, Anm 4 ; Meilicke/Meilicke DB 1985, 4 5 7 .

105

Hüffer4 Rdn 16; K K - L u t t e r 2 Rdn 4 9 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 5 5 ; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 5; Schlegelberger/Qwtfssou«&« 3 § 51 Rdn 8; wohl aA Klussmann BB 1 9 6 5 , 182.

Hartwig Henze

§ 56

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

bedingt (§ 158 Abs 2 BGB) oder befristet oder sonst nach §§ 134, 138 B G B nichtig ist. Ansonsten findet eine Auflösung nur durch Rechtshandlungen der Parteien statt. Das Innenverhältnis kann keinesfalls schon deswegen als nicht mehr bestehend angesehen werden, weil der Übernehmer die Einlageschuld vollständig aus eigenen Mitteln getilgt hat: Auch die Einlageleistung kann für Rechnung der AG bzw deren Tochter vorgenommen worden sein. 1 0 6 78

bb) Formen der Beendigung. Das der Übernahme zugrunde liegende Rechtsverhältnis ist nicht etwa nichtig, sondern wirksam (Rdn 64). Wie dieses Innenverhältnis zu beenden ist, kann sich deshalb nur aus allgemeinen Vorschriften über eine Vertragsauflösung und/oder aus dem Inhalt dieses Rechtsverhältnisses sowie den Umständen ergeben, in denen es sich vollzieht und die für die Parteien bedeutsam sind.

79

(1) Reguläre einseitige Beendigungsmöglichkeiten. Ohne Mitwirkung der AG bzw ihrer Tochter kann das Innenverhältnis nach den allgemeinen Regeln zunächst durch Anfechtung (§§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 BGB) oder Rücktritt ( S S 3 4 6 S 1, 3 4 9 BGB) enden, falls deren Voraussetzungen vorliegen. Denkbar ist auch, daß dem Übernehmer ein Kündigungsrecht eingeräumt ist, das er nutzen kann. Ist das nicht der Fall, gewährt § 671 Abs 1 B G B ein Kündigungsrecht. Von dieser Möglichkeit kann jedoch nur im eingeschränkten M a ß e Gebrauch gemacht werden: In den Fällen von § 6 7 5 Abs 1 BGB und §§ 4 0 6 Abs 1, 3 8 3 ff H G B findet die Vorschrift keine Anwendung. Selbst in den eher seltenen Fällen eines unentgeltlichen Auftrages (§ 6 6 2 BGB) stellt sich nach Gegenstand und Inhalt des Geschäftes die Frage, ob nicht § 671 Abs 1 B G B - jedenfalls konkludent abbedungen ist. 1 0 7 Im Ergebnis ist festzuhalten, daß es nicht im Belieben des Übernehmers steht, das Innenverhältnis zu beenden, da er vertraglich gebunden ist. 1 0 8 Eine einseitige Auflösung des Rechtsverhältnisses ist deshalb über die gezogenen Grenzen hinaus nicht möglich.

80

(2) Auflösungsvertrag. Liegen - wie regelmäßig - die Voraussetzungen für eine einseitige Beendigung des Innenverhältnisses nicht vor, müssen sich die AG bzw ihre Tochter und der Übernehmer über die Beendigung der zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehung einigen. Der in der Ausübung von Rechten in stärkerem Maße eingeschränkte Übernehmer wird dazu im Zweifel eher bereit sein als die AG bzw ihre Tochter.

81

Ein Anspruch einer Partei auf Abschluß eines Auflösungsvertrages besteht nur in besonderen Fällen. Nicht ausgeschlossen erscheint das etwa nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage dann, wenn sich beide Parteien über die Tragweite ihrer Erklärungen angesichts der Rechtsfolgen des Abs 3 nicht im klaren waren oder der Übernehmer den Vertrag in Verkennung der Sach- und Rechtslage abgeschlossen hat, der AG bzw ihrer Tochter dies erkennbar war und sie sich redlicherweise darauf einlassen muß, daß der Übernehmer an dem Vertrag nicht festgehalten werden kann. 1 0 9 Allerdings wird man eine Auflösung nicht vorschnell und allein deshalb bejahen dürfen, weil die Konsequenzen von Abs 3 den Übernehmer einseitig benachteiligen. Denn insofern setzt

106

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 5 6 ; B a u m b a c h / H n e c è 1 3 Rdn 7; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 5; Schlegelberger/ Quassowski3 § 51 Rdn 8.

107

KK-Lutter1 Rdn 4 9 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 5 6 .

108

Hüffer4 Rdn 16; KK-Lutter2 Rdn 4 9 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl,

Rdn 5 6 ; B a u m b a c h / H w e c £ u Rdn 7 ; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 5; Schlegelberger/Quassowski3 § 51 Rdn 8; aA ν Godin/Wilhelmi4 Anm 4 , der aber zu weit geht. 109

In diese Richtung auch Großkomm-Barz Voraufl, Anm 5; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 57.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Keine Zeichnung eigener Aktien

§56

sich das Gesetz bewußt über den Willen des Übernehmers hinweg, um der Verwirklichung des Grundsatzes realer Kapitalaufbringung Nachdruck zu verleihen. Wenn der Übernehmer keinen Anspruch auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages hat, 8 2 kann die Berufung der AG bzw ihrer Tochter auf das Weiterbestehen des Innenverhältnisses rechtsmißbräuchlich sein. Ist nämlich im Einzelfall offenbar, daß die AG bzw ihre Tochter kein schutzwürdiges Interesse daran haben kann, daß der Aktionär die übernommenen Aktien weiterhin als mittelbarer Stellvertreter für ihre Rechnung besitzt - immerhin sind ihre Möglichkeiten zum Erwerb der Aktien außerordentlich beschränkt - , so kann es eine willkürliche, mit § 242 BGB nicht zu vereinbarende Ausnutzung der den Gesellschaftsunternehmen durch Abs 3 gewährten Rechtsüberlegenheit darstellen, würden sich die AG bzw ihre Tochter mit einem Auflösungsbegehren des Übernehmers nicht einverstanden erklären. (3) Außerordentliche Kündigung. Die Rolle, in die Abs 3 den Übernehmer drängt, beruht auf dem Ansinnen, ihn zu einem alsbaldigen Handeln für eigene Rechnung anzuhalten. Diese Intention liefe leer, wenn die Möglichkeiten einer Übernahme für eigene Rechnung so eingeschränkt würden, daß diese Eigenübernahme kaum eintreten kann. Eine zu formale Sicht würde den von Abs 3 mißbilligten Zustand verfestigen. Deshalb muß, um zu sachgerechten Entscheidungen zu gelangen, das Kriterium der Zumutbarkeit bei der Beurteilung der Frage nach der Beendigung des Innenverhältnisses berücksichtigt werden. Dem Übernehmer ist unter diesem Aspekt in Einzelfällen ein außerordentliches Kündigungsrecht zu gewähren.

83

Anzunehmen ist das beispielsweise dann, wenn der mittelbar vertretene Geschäftsherr (AG bzw ihre Tochter), insbesondere trotz Aufforderung durch den Übernehmer, Anweisungen dazu, wann und/oder wie die Aktien zu verwerten sind, entgegen den getroffenen Vereinbarungen nicht binnen angemessener Frist erteilt; 110 ferner dann, wenn sich eine Verwertung nach den abgesprochenen Modalitäten auch langfristig nicht durchführen läßt. 111 Schließlich ist es für einen Übernehmer, der die Einlageverpflichtung aus eigenen Mitteln erfüllt hat, bei Auflösung der AG unzumutbar, nach Abs 3 S 3 nicht am Liquidationserlös beteiligt zu sein. Deswegen kann auch hier der Übernehmer durch Kündigung aus wichtigem Grund die Übernahme der Aktien für eigene Rechnung herbeiführen. 1 1 2 Das muß um so mehr gelten, als infolge der Liquidation der Zweck des Innenverhältnisses in aller Regel gegenstandslos wird. 113

84

Einen Grund für eine außerordentliche Kündigung stellt es auch dar, wenn die AG bzw ihre Tochter, obwohl dies nach § 71 bzw § 71 d zulässig wäre, es unterlassen, die Aktien vom Übernehmer als eigene zu erwerben. 114 Das kann allerdings nur dann gelten, wenn eine andere Verwertung der Aktien nicht in Betracht kommt.

85

b) Rechtsfolgen der Eigenübernahme, aa) Gewährung aller Mitgliedsrechte. Dem Aktionär stehen ab Übernahme der Aktien für eigene Rechnung alle in der Aktie verbrieften Mitgliedschaftsrechte zu. Die Einschränkungen, die Abs 3 S 3 für die Ausübung der Rechte aus den Aktien für den Zeitraum anordnet, in dem der Übernehmer die Aktien für fremde Rechnung hält, fallen weg.

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110 111

112

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KK-Lutter2 Rdn 49. Lutter AG 1970, 185, Hefermehl/Bungeroth Rdn 57. KK-Lutter2 Rdn 50; in: Geßler/Hefermehl,

113

189; dem folgend in: Geßler/Hefermehl, Hefermehl/Bungeroth Rdn 57.

114

Im Erg ebenso Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 5. Lutter AG 1970, 185, 189; ihm folgend Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 57 sowie Großkomm-Barz Voraufl, Anm 5.

H a r t w i g Henze

§56

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

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bb) Abwicklung des beendigten Innenverhältnisses. Die Übernahme für eigene Rechnung wird durch Beendigung des der Übernahme für fremde Rechnung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses bewirkt. Dieses Innenverhältnis ist noch abzuwickeln. Wie das zu geschehen hat, richtet sich nach dem Auflösungsvertrag. Ist ein solcher nicht geschlossen worden, sind die Vereinbarungen über das Innenverhältnis oder die zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften heranzuziehen.

88

Es ist - theoretisch - nicht ausgeschlossen, daß der Übernehmer die Aktie im Zuge der Abwicklung an die AG bzw ihre Tochter herauszugeben hat und ihm im Gegenzug die von ihm aus eigenen Mitteln erbrachte Einlage zu erstatten ist. In der Praxis wird das kaum vorkommen, weil die Voraussetzungen dafür nach §§ 71, 71 d regelmäßig nicht mehr vorliegen werden.

89

Häufig werden die Parteien übereinkommen, daß die Aktie beim Übernehmer verbleiben soll; oft wird sie ohnehin bereits weiterveräußert worden sein, so daß nur noch der erzielte Veräußerungsgewinn beim Übernehmer liegt. In diesen Fällen ist mangels anderweitiger Vereinbarungen wie folgt abzuwickeln: 1 1 5 Ist der Übernehmer noch Inhaber der Aktien, ist ihr Wert im Zeitpunkt der Übernahme für eigene Rechnung maßgebend. Nach dem beim Übernehmer liegenden Verlustrisiko kann er keinen Ausgleich verlangen, wenn der Kurs niedriger ist als die auf die Aktie geleistete Einlage; einen Wertverlust trägt er selbst. Einen im Vergleich zum geleisteten Einlagebetrag mittlerweile höheren Kurswert hat der Übernehmer auszugleichen. Er muß den Differenzbetrag an die AG abführen. Die Aktien kosten den Übernehmer damit letztlich so viel, wie wenn er sie im Zeitpunkt der Übernahme für eigene Rechnung auf dem freien Markt (derivativ) erworben hätte. Parallel dazu muß der Übernehmer in dem Fall, daß er die Aktien weiterveräußert hat, einen Mehrerlös an die AG bzw ihre Tochter abführen, einen Mindererlös aber als nicht erstattungspflichtigen Verlust hinnehmen.

90

cc) Pflicht zur Rücklagenbildung. Hat der Übernehmer nicht für Rechnung eines Tochterunternehmens der AG gehandelt, sondern die Aktien in mittelbarer Stellvertretung für die AG erworben, so muß die AG einen infolge der Abwicklung an sie abgelieferten Überschuß gem § 2 7 2 Abs 2 Nr 1 H G B in die gesetzliche Kapitalrücklage einstellen. 1 1 6 6. Mehrstufige mittelbare Stellvertretung

91

a) Anwendbarkeit von Abs 3. Übernimmt ein Aktienerwerber die Mitgliedschaft nicht direkt für Rechnung der AG oder ein von ihr abhängiges oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen, sondern ist der Übernehmer für Rechnung eines Dritten tätig und handelt der Dritte für Rechnung der AG bzw ihrer Tochter - indem der Dritte in weiterer Delegation den Übernehmer eingeschaltet und sich selbst zum bloßen Mittelsmann gemacht hat - , dann bewirkt auch diese Kette mittelbarer Stellvertretungen, daß formal eine von der AG bzw ihrer Tochter verschiedene Person Aktionär wird, wirtschaftlich jedoch - wenn auch über ein Zwischenglied - im Interesse der AG bzw ihrer Tochter gehandelt wird. Abs 3 findet auch auf diese Konstellation Anwendung. Diese Vorschrift soll eine Umgehung der Abs 1 und 2 verhindern. Da der AG bzw ihrer Tochter bei dieser Fallgestaltung durch den Übernahmevorgang die gleichen Gefahren drohen wie bei einfacher mittelbarer Stellvertretung, wird auch sie vom Normzweck des Abs 3 abgedeckt. 1 1 7 115

116

KK-Lutter2 Rdn 51; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 58. KK-Lutter 2 Rdn 52; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 58; Wahl DB 1965, 864; aA Klussmann BB 1965, 182.

117

KK-Lutter 2 Rdn 54; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 59-64; ν Godin/ Wilhelmi4 Anm 6; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 2; Schlegelberger/Q«ffce¿íw 3 § 2 1 3 Anm 9, dessen Ansicht jedoch aufgrund der SS 5 6 Abs 2 , 71 d heute nicht mehr haltbar ist. 199 200

HachenburgIFlechtheim 3 S 2 1 3 Anm 9. 198

AllgM; vgl Hü ff er4 Rdn 13; KK-Lutter1 Rdn 3 8 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 3 2 ; Nirk H d b AG, Teil I, Rdn 3 8 6 ; Baumbach/Hueck™ Rdn 6;

(139)

Großkomm-Barz Voraufl, Anm 6. Vgl Fleck FS 1 0 0 Jahre G m b H G ( 1 9 9 2 ) , S 391, 401.

201

202

KK-Lut ter2 Rdn 3 8 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3 2 , 33. KK-Lutter1 Rdn 3 8 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3 2 .

Hartwig Henze

§57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

beteiligung der Mutter-AG am Tochterunternehmen, so führt zwar auch dies dazu, daß in Höhe der jeweiligen Beteiligungsquote Leistungen aus dem Vermögen des Tochterunternehmens letztlich das Vermögen der AG belasten. Doch sind hier Einschränkungen geboten. Ist die Kapitalbeteiligung der AG an dem von ihr abhängigen Unternehmen unerheblich, so scheint es überzogen, formal die strengen Regeln des Kapitalschutzes anzuwenden. 2 0 3 Dafür, ob im Einzelfall eine nicht ganz unerhebliche Beteiligung vorliegt, kann dem Rechtsgedanken des § 3 2 a Abs 3 S 2 HS 2 G m b H G Leitbildfunktion zukommen (10 %-Grenze). Bei höheren Kapitalanteilen der AG an ihrer Tochter findet der Verbotstatbestand des Abs 1 S 1 sodann wieder Beachtung. Das könnte zwar mit dem Argument in Zweifel zu ziehen sein, daß unterhalb der Mehrheitsschwelle die Vorschrift des § 5 6 Abs 2 als bewußter Ausdruck gesetzgeberischen Willens einen Kapitalschutz vor konzernbedingten Gefahren nicht vorsieht und dieser Schutz unterhalb der Mehrheitsbeteiligung deshalb nur eingeschränkt gem §§ 1 9 - 2 2 , 328 bei einer mindestens 2 5 %-igen Kapitalverflechtung in Betracht kommt, bei jeder geringeren Beteiligung jedoch nicht (§ 56 Rdn 2 6 ff). Insofern ist aber dem § 5 7 eine strengere Regelungswirkung beizumessen. 3. Verbotene Rückgewähr durch Leistung der AG an einen Nichtaktionär 79

a) Grundsätzliche Zulässigkeit von Leistungen an Dritte. Zuwendungen an Dritte hat Abs 1 S 1 nicht im Blick. Sie können etwa als kulturelles oder soziales Engagement von der AG vorgenommen werden. Allenfalls können pflichtwidrig gewährte und Schaden verursachende Leistungen eine Verwaltungshaftung nach §§ 93, 116 auslösen. 2 0 4 Tritt ein Aktionär seiner AG unter Bedingungen gegenüber, unter denen die AG für Dritte vorteilhafte Leistungen aus ihrem Vermögen zu gewähren verspricht oder gewährt, ist es keinem Aktionär verwehrt, eine Leistung der AG wie ein Dritter entgegenzunehmen. Nur die Aktionärseigenschaft des Leistungsempfängers darf nicht den eigentlichen Grund für die Zuwendung ausmachen. Bisweilen kann die AG sogar gehalten sein, den Aktionären drittgleich Vermögensvorteile zufließen zu lassen; daß die AG als Arbeitgeber den Belegschaftsaktionären in deren Eigenschaft als Arbeitnehmern freiwillige Leistungen gleichermaßen zu Teil werden läßt wie den übrigen Arbeitnehmerkollegen dieser Aktionäre, gebietet das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsprinzip. 2 0 5

80

b) Leistungen an einen künftigen oder ehemaligen Aktionär. Abs 1 S 1 kommt dann zur Anwendung, wenn der Grund für die Zuwendung die Aktionärseigenschaft ist, nicht jedoch eine Leistung wie unter Dritten vorliegt. Das setzt aber nicht Gleichzeitigkeit von Aktionärsstatus und Gewährung der Leistung voraus. Die Leistung kann auch gerade mit Rücksicht auf die künftige ebenso wie eine frühere Gesellschafterstellung erfolgen. Empfängt ein ehemaliger Aktionär Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen, deren Gewährung ihm noch während der Zeit, in der er Aktionär war, von der Gesellschaft oder einem die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter 2 0 6 - versprochen wurde, und würde die Gewährung dieser Leistung an einen Aktionär dem Verbotstatbestand des Abs 1 S 1 unterfallen, so liegt gegenüber dem ehemaligen Aktionär, mag er mittlerweile 203

So auch KK-Lutter2 Rdn 38; zu recht hält indessen Hüffer4 Rdn 13 diese Frage für kaum praxisrelevant. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 32 erörtern diese Konstellation nicht, sondern gehen davon aus, daß dann „in der Regel" ein Beherrschungsvertrag vorliege.

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206

Näher hierzu Großkomm-Hopt4 § 93 Rdn 120. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 22. BGHZ 13, 49, 54 [zur GmbH],

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Grundsatz der Vermögensbindung

§57

auch formal Dritter sein, eine verbotene Vermögenszuwendung vor. 2 0 7 Die Anwendung des Verbotstatbestandes kann jedoch nicht auf diese Konstellation eines noch während der Mitgliedschaft abgegebenen Leistungsversprechens begrenzt werden. Maßgeblich ist stets, ob die Leistung - auch aus anderen Gründen als dem vorstehenden - in einen hinreichend zeitlich-sachlichen Zusammenhang mit der Aktionärseigenschaft gestellt werden kann und deshalb mit Rücksicht auf diese - wenn auch nicht mehr aktuelle Aktionärseigenschaft gewährt wird. 2 0 8 Für Personen, die im Zeitpunkt des Versprechens und/oder der Gewährung der Leistung noch nicht Mitglied und insofern Dritte sind, künftig aber Aktionäre werden sollen, gelten die vorstehenden Grundsätze ebenso; 2 0 9 insbesondere kann nicht gesagt werden, die Leistung sei einem Dritten versprochen worden und ihre Gewährung an den Aktionär stelle lediglich die Erfüllung dieses Versprechens dar, könne also nicht Einlagenrückgewähr sein. 210 Schließlich ist Abs 1 S 1 erst recht dann einschlägig, wenn ein Aktionär seine Mitgliedschaft vorübergehend beendet, um als „Dritter" eine Leistung aus dem Vermögen der AG zu empfangen, und anschließend durch Aktienerwerb seinen Gesellschafterstatus wiederbelebt. c) Leistungen an den faktischen Aktionär. In manchen Fällen steht an der Stelle des 81 Empfängers nur scheinbar ein Dritter, der bei wirtschaftlicher Betrachtung jedoch der wahre Aktionär ist. Daß der Empfänger formalrechtlich keinen Aktionärsstatus hat, ist dann unerheblich. Es genügt, wenn ihm eine solche Stellung faktisch zukommt. Das ist einmal dann zu bejahen, wenn der - formalrechtliche - Aktionär die Aktien als Treuhänder für einen treugebenden Dritten hält. Wie dem Rechtsgedanken des § 46 Abs 5 zu entnehmen ist, dürfen solche Formen der Rechtsgestaltung nicht dazu führen, daß das Rückgewährverbot leerläuft. Abs 1 S 1 findet daher auf Leistungen an den treugebenden Hintermann entsprechende Anwendung. 211 Faktischer Aktionär ist auch der Alleingesellschafter oder der Inhaber aller Anteile eines Unternehmens, das rechtlich Aktionär dieser AG ist. In einem solchen Fall besteht zwischen dem Unternehmer als Empfänger und dem Aktionär wirtschaftliche Identität. Hier ist in Bezug auf die Aktionärsstellung das Unternehmen für den Alleingesellschafter nur ein rechtsförmlich benutzter Rahmen ohne eigenen materiellen Gehalt; tatsächlich ist der Unternehmer selbst als Aktionär anzusehen. 212 207

208

O L G Frankfurt AG 1 9 9 6 , 3 2 4 , 3 2 5 ; O L G Hamburg AG 1 9 8 0 , 2 7 5 , 2 7 8 ; Hüffer4 Rdn 14; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 2 3 ; Canaris FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 31, 3 2 ; zur G m b H genauso B G H Z 13, 4 9 , 5 4 ; 81, 2 5 2 , 2 5 8 ; Goette DStR 1997, 1495, 1 4 9 8 . Hüffer4 Rdn 14; K K - L u t t e r 2 Rdn 4 0 ; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 3 8 5 . Nach Lutter (aaO) soll bei Überschreiten einer 6-Monats-Frist kein zeitlicher Zusammenhang mehr herstellbar sein; Lutter leitet das aus einem entsprechenden von ihm entwickelten Gedanken zur verdeckten Sacheinlage her. Der B G H hat die 6-Monats-Frist nicht bestätigt (vgl B G H Z 132, 133, 138 f); er hat sich bisher nur zu

(141)

einem Zeitraum von mehr als 3 Jahren festgelegt ( B G H Z 132, 141, 146). 209

Hüffer4 Rdn 14; KK-Lutter2 Rdn 4 0 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2 3 ; Canaris FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 31, 3 2 f; vgl auch Lutter/Hommelhoff G m b H G 1 5 § 3 0 Rdn 2 2 ; Roth1 Altmeppen G m b H G 3 § 3 0 Rdn 15 m w N .

210

Canaris FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 31, 3 3 .

211

Vgl B G H Z 31, 2 5 8 , 2 6 6 f; 75, 3 3 4 , 3 3 5 f; 95, 188, 1 9 3 ; 107, 7, 12; 110, 47, 6 7 ; B G H N J W 1991, 1057, 1 0 5 8 f; O L G Hamburg AG 1 9 8 0 , 2 7 5 , 2 7 8 ; auch B G H N J W 1 9 7 6 , 751, 7 5 2 [zu § 1 7 2 Abs 4 H G B ] ; Canaris FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 31, 4 0 .

212

O L G H a m m ZIP 1995, 1 2 6 3 , 1 2 7 0 ; davon zu unterscheiden ist der umgekehrte Fall

Hartwig Henze

82

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

83

Als dem rechtlichen Aktionär gleichgestellter faktischer Aktionär muß sich schließlich derjenige behandeln lassen, der als gesetzlicher Stellvertreter oder Bevollmächtigter mitgliedschaftliche Rechte - wenn auch im fremden Namen - wie ein Aktionär geltend macht und dabei Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen im eigenen Namen für sich selbst empfängt. 213 Bsp: Der Vater - als gesetzlicher Vertreter (§§ 1626, 1629 BGB) erhebt für seine minderjährige Tochter, die rechtliche Aktionärin, Klage gegen die AG; sodann nimmt er diese Klage zurück, nachdem ihm dafür die AG aus dem Gesellschaftsvermögen eine Leistung gewährt hatte (vgl zudem Rdn 70f). Darin liegt ein Verstoß gegen Abs 1 S 1.

84

Vor dem aus Abs 1 S 1 folgenden Prinzip der Vermögensbindung ist schließlich derjenige ebenso wie der Aktionär zu behandeln, dem ein Nießbrauch an der Aktie eingeräumt ist. 214 Das rechtfertigt sich daraus, daß diese dingliche Belastung dem Nießbraucher im Hinblick auf die Nutzung eine eigentümergleiche Stellung gewährt (vgl § 1030 BGB). Ein typischer Pfandgläubiger an einem Gesellschaftsanteil unterliegt nicht ohne weiteres aktionärsgleich den Kapitalerhaltungsgrundsätzen. 215 Durch die Verpfändung entsteht nur das Recht zur Befriedigung durch Verwertung des gepfändeten Anteils (vgl § 1277 BGB), ohne einen Einfluß auf Stimm- und Gewinnrecht oder sonst die Mitgliedschaftsstellung zu vermitteln. 216 Nach Auffassung des BGH kann der Pfandgläubiger allerdings dann zum Adressaten des Abs 1 S 1 werden, wenn ihm in atypischer Ausgestaltung des Pfandrechts über seine Position der Verwertungsberechtigung hinaus zusätzliche Befugnisse eingeräumt sind, die es ihm ermöglichen, die Geschicke der Gesellschaft ähnlich einem Gesellschafter mitzubestimmen. 217 Diese Rechtsansicht ist im Schrifttum für den Fall auf Kritik gestoßen, daß die weitergehenden Rechte des Pfandgläubigers im wesentlichen solche sind, die ihm entweder infolge einer entsprechend § 1287 BGB eintretenden Surrogation ohnehin zustehen würden bzw wegen einer nach § 2 4 2 BGB vorzunehmenden Eingrenzung keinen hinreichenden Einfluß entfalten. 218

(Rdn 92): Der Unternehmer ist der Aktionär und sein Unternehmen ist Empfänger der Leistung. 213

214

HüfferA Rdn 14; KK-Lutter2 Rdn 4 0 ; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 3 8 5 ; einschränkend BGH N J W 1992, 2821.

melhoff G m b H G 1 5 § 3 2 a / b Rdn 5 6 ; aA Rümker FS Stimpel ( 1 9 8 5 ) , S 6 7 3 , 6 8 8 ; dem zuneigend für eindeutige Fälle Hüffer Z H R 1 5 3 ( 1 9 8 9 ) , 3 2 2 , 3 2 7 ff. 217

Scholz/H Ρ Westermann G m b H G 9 § 3 0 Rdn 3 0 ; Rowedder G m b H G 3 § 32 a Rdn 3 3 ; Fleck FS 1 0 0 Jahre G m b H G ( 1 9 9 2 ) , S 3 9 1 , 4 0 8 , je m w N ; aA R o t h / A l t m e p p e n G m b H G 3 § 3 0 Rdn 4 0 ; ders FS Kropff (1997), S 641, 658.

215

B G H Z 119, 191, 1 9 4 f m w N .

216

Dagegen soll ein Treuhändergesellschaicer selbst dann, wenn er die Stimmrechtsausübung dem Treugeber überlassen hat und es sich somit wirtschaftlich um ein einflußloses „Pfandrecht" handelt, Adressat der Kapitalerhaltungsgrundsätze sein, vgl B G H Z 105, 168, 1 7 4 f m zust Anm Lutter ZIP 1989, 4 7 7 , 4 8 2 f und Priester Z B B 1 9 8 9 , 3 0 , 3 3 ; auch Fleck FS 1 0 0 Jahre GmbHG (1992), S 391, 4 0 9 ; Lutter/Hom-

B G H Z 119, 191, 195 ff m Bespr Dreher Z G R 1 9 9 4 , 144 = W u B II C § 32 a G m b H G 1.93 m Anm Michalski; zust Lutter/Hommelhoff G m b H G 1 5 § 3 2 a / b Rdn 5 4 ; krit Heidenhain L M ξ 3 0 G m b H G N r 3 9 ; aA Altmeppen ZIP 1 9 9 3 , 1 6 7 7 sowie ders FS Kropff ( 1 9 9 7 ) , S 6 4 1 , 6 5 7 f; Maier-Reimer FS Rowedder ( 1 9 9 4 ) , S 2 4 5 , 2 5 9 ff [ausführl Stellungsnahme]; Habersack Z G R 2 0 0 0 , 3 8 4 , 3 9 8 ff; krit ebenso Η Ρ Westermann FS Odersky ( 1 9 9 6 ) , S 897, 914, 916 ff und Hagemeister/Bültmann W M 1997, 5 4 9 , 5 5 1 ff; vgl ferner noch Neuhof N J W 1 9 9 9 , 2 0 f; Mertens ZIP 1 9 9 8 , 1787, 1 7 8 9 ; Johlke in: ν Gerkan/Hommelhoff, H d b KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 5 . 2 7 ff.

218

Vgl Maier-Reimer

FS Rowedder ( 1 9 9 4 ) ,

S 2 4 5 , 2 6 1 ff; Heidenhain L M S 3 0 G m b H G N r 3 9 ; Altmeppen ZIP 1 9 9 3 , 1 6 7 7 , 1 6 7 9 ff;

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(142)

Grundsatz der Vermögensbindung

§57

d) Dem Aktionär zuzurechnender Leistungsempfang durch Dritte. Trotz PersonenVerschiedenheit liegt mit der Gewährung einer Leistung an einen Nichtaktionär dennoch ein nach Abs 1 S 1 verbotener Kapitaltransfer vor, wenn der Empfang dieser Leistung dem Aktionär so zurechenbar ist, als wäre die Leistung ihm selbst gewährt worden. Dieser Gedanke hat für die Kapitalsicherung im Recht der G m b H in § 32 a Abs 3 S 1 G m b H G seinen Niederschlag gefunden. Aber auch für die AG ist diese Wertung im Interesse des Kapitalschutzes geboten. Folgende Fallgruppen haben sich herausgebildet:

85

aa) Leistungsempfang durch Dritte für Rechnung des Aktionärs. Wer Leistungen aus dem Vermögen der AG für Rechnung eines Aktionärs empfängt, läßt sich eine Leistung gewähren, die nach Abs 1 S 1 nicht gewährt werden darf. 2 1 9 Die § § 5 6 Abs 3 S 1, 89 Abs 3 S 2, 115 Abs 2 Fall 3 beinhalten diesen kapitalschützenden Rechtsgedanken in anderem Zusammenhang. Der vom Aktionär vorgeschobene mittelbare Vertreter mag dabei zwar im eigenen N a m e n handeln; da infolge des Handelns für fremde Rechnung dieser Dritte jedoch im Innenverhältnis dem Aktionär als dem wirtschaftlichen Hinterm a n n gegenüber verpflichtet ist, das Empfangene herauszugeben (§ 667 BGB; § 384 Abs 2 HS 2 Fall 2 HGB), empfängt letztlich der Aktionär die Leistung der AG; eben das will Abs 1 S 1 unterbinden.

86

Z u dieser Kategorie gehört auch der Fall, daß die AG nach § 267 Abs 1 S 1 BGB eine Schuld des Aktionärs gegenüber einem Dritten durch Leistung an diesen tilgt. 2 2 0 Durch die Befreiung von der Forderung des Dritten hat auch hier letztlich der Aktionär mit der Zahlung aus dem Gesellschaftsvermögen einen Vorteil erlangt. Ebenso verhält es sich, wenn die AG an den Dritten leistet, damit dieser eine Schuld beim Aktionär begleiche. Der Dritte mag zwar damit eine eigene Verpflichtung erfüllen, es sind aber letztlich Mittel aus dem Gesellschaftsvermögen, die dem Aktionär über die Zwischenstation seines Schuldners zufließen. 2 2 1 Nicht anders zu bewerten ist es, wenn die AG direkt an den Aktionär zur Erfüllung der Drittschuld leistet. 2 2 2

87

bb) Leistungen an Dritte auf Veranlassung des Aktionärs. Leistet die AG an einen Dritten, ohne d a ß dem Aktionär die Leistung in irgendeiner Form zugute kommt, bedeutet das lediglich eine Zuwendung der AG an den Dritten. 2 2 3 Solch einer Beschenkung Dritter setzt Abs 1 S 1 keine Grenze. Geschieht die Zuwendung aber auf Veranlassung eines Aktionärs, so ist ihm diese Leistung an seine „Geheißperson" 2 2 4 zuzurechnen; auch er gilt dann als leistungsbegünstigt. 2 2 5 Denn der Aktionär hat sich lediglich des kürzeren

88

219

220

221 222

223 224

BGHZ 95, 188, 193; 107, 7, 10ff; OLG Hamburg AG 1980, 275, 278; LG Düsseldorf AG 1979, 290, 291; Hüffer4 Rdn 15; KK-Lutter 1 Rdn 43; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 26; Canaris FS Fischer (1979), S 31, 36; Geßler ebd, S 131, 144 f; Döllerer BB 1967, 1437, 1441. KK-Lutter 1 Rdn 43; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 26; vgl ferner Fleck FS 100 Jahre GmbHG (1992), S 391, 402. Vgl auch KK-Lutter2 Rdn 43. Vgl BGHZ 13, 49, 54 ff; Roth/Altmeppen GmbHG 3 S 30 Rdn 16. Vgl Canaris FS Fischer (1979), S 31, 39. Vgl Altmeppen FS Kropff (1997), S 641, 654.

(143)

225

KK-Lutter 1 Rdn 45; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 28; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 384; Geßler FS Fischer (1979), S 131, 145; vgl auch BGH W M 1957, 61; Tries Verdeckte Gewinnausschüttungen (1991), S 78; Lutter/Hommelhoff G m b H G l s § 30 Rdn 23. Für Betriebsaufspaltungen: Die von dem Koordinationsunternehmen (K) abhängige - vermögende Besitzgesellschaft (B-AG) wendet aufK's Veranlassung ihrer - vermögenslosen Schwesterbetriebsgesellschaft (S) Kapital zu, auch: Sicherheitenbestellung durch die B-AG auf Veranlassung von Κ für Drittkredite an S.

Hartwig Henze

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Weges bedient, um die Zuwendung direkt dem Dritten zufließen zu lassen. Der Aktionär, der einen Dritten zu begünstigen sucht, hätte sich die Mittel zunächst auch selbst von der AG geben lassen können, um sie dann an den Dritten weiterzuleiten. 226 Unter diesen Umständen aber bestünde kein Zweifel, daß eine nach Abs 1 S 1 verbotene Leistung vorliegt. 89

Eine Veranlassung in diesem Sinne liegt dabei stets vor, wenn die Gesellschaft auf Betreiben des Aktionärs in seinem Interesse die Zuwendung leistet. Nur dann kann die Rede davon sein, daß die Zuwendung mit Rücksicht auf die Stellung des Aktionärs erfolgt und damit nicht als drittgleich qualifiziert werden kann. Im Unterschied dazu genügt es jedoch nicht, daß die Gesellschaft den Dritten im eigenen Interesse bevorteilt und der Aktionär dies, etwa als ihr Verwaltungsorgan, lediglich angeregt und/oder organisiert hat. 2 2 7 Letzterenfalls müssen mangels „Veranlassung" andere Kriterien vorliegen, an denen eine Zurechenbarkeit festgemacht werden kann.

90

cc) Leistungen an nahe Angehörige des Aktionärs. Analog § § 8 9 Abs 3 S 1, 115 Abs 2 Fall 1 und Fall 2 ist bei Gewährung eines Vermögensvorteils an den Ehegatten oder minderjährige Kinder des Aktionärs die Zurechnung des Leistungsempfanges auf den Aktionär ohne weiteres zu bejahen; 2 2 8 die gesetzliche Wertung ist in diesem Bereich eindeutig (vgl ferner §§ 138 Abs 1 InsO, 3 Abs 2 AnfG).

91

Leistungen an sonstige Personen oder Verwandte, die dem Aktionär eng verbunden sind, können - soweit nicht weitere Zurechenbarkeitsumstände einschlägig sind (für Rechnung oder auf Veranlassung) - dem Aktionär nur dann zugerechnet werden, wenn auch er selbst durch diese Zuwendung wenigstens mittelbar einen hinreichend konkreten wirtschaftlichen Vorteil erlangt. 229 Dafür mag der erste Anschein um so mehr sprechen, je enger seine Beziehung zu dem Dritten ist, der die Leistung von der AG in Empfang nimmt; dabei mag es sich um Geschwister, Eltern oder - volljährige - Kinder handeln. 230

92

dd) Leistungen an mit dem Aktionär verbundene Unternehmen.231 Besteht eine Konzernierung dergestalt, daß der Aktionär der alleinige oder jedenfalls mehrheitlich beteiligte Gesellschafter oder Anteilsinhaber eines Unternehmens ist, also vollständige oder überwiegende wirtschaftliche Identität zwischen beiden herrscht, dann muß davon ausgegangen werden, daß der Leistungsempfang durch dieses Unternehmen einem Leistungsempfang durch den Aktionär gleichsteht. 232 Nichts anderes gilt, wenn nicht einer, 226

So Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2 8 ; in dieser Art der Mittelbeschaffung liegt auch der von einigen Autoren geforderte mittelbare wirtschaftliche Vorteil: Canaris FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 31, 3 9 ; Michalski AG 1 9 8 0 , 2 6 1 , 2 6 6 ; Fleck FS 1 0 0 Jahre G m b H G ( 1 9 9 2 ) , S 3 9 1 , 4 0 4 ; Weisser Der Gewinn der AG ( 1 9 6 2 ) , S 115.

227

Hefermehl/Bungeroth Rdn 2 8 .

228

B G H Z 81, 3 6 5 , 3 6 8 ; B G H ZIP 1 9 8 6 , 4 5 6 , 4 5 8 ; N J W 1991, 357, 3 5 8 ; 1 9 9 6 , 5 8 9 , 5 9 0 ; Hüffer4 Rdn 15; KK-Lutter2 Rdn 4 4 ; Wiesner in: M ü n c h H d b G e s R 2 ( 1 9 9 9 ) , Bd 4 [AG], § 16 Rdn 4 6 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2 9 ; Canaris FS

Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 31, 3 8 ; Schuppen W i B 1 9 9 6 , 114; vgl auch KG N Z G 1999, 161. 229

Hüffer4 Rdn 15; KK-Lutter2 Rdn 4 4 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2 9 ; Canaris FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 31, 3 9 ; Geßler ebd, S 131, 145 f.

230

Geßler FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 131, 145. Vgl zum Ganzen ausfiihrl - und zT mit eigener Linie - C a h n Kapitalerhaltung im Konzern ( 1 9 9 8 ) , S 5 ff, 16 ff, 3 1 - 1 4 9 m zahlr weit Nachw.

231

in: Geßler/Hefermehl, 232

Vgl B G H Z 81, 311, 315; zudem insbes B G H ZIP 1999, 1314, 1315 = N Z G 1999, 9 3 9 m Anm Schlitt = G m b H R 1 9 9 9 , 9 1 6 m Anm Bahr: Es genügen 5 0 , 1 % der Anteile, es sei denn, dies löst wegen statutarischer Regelung nach § 133 Abs 1 HS 2 keinen Einfluß

Stand: 1. 3. 2000

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Grundsatz der Vermögensbindung

§57

aber mehrere Aktionäre in ihrer Gesamtheit als Gesellschafter des Empfängerunternehmens mit letzterem wirtschaftlich identisch s i n d . 2 3 3 M a ß g e b l i c h e r Zeitpunkt für die Beteiligung ist hierbei derjenige der Leistung, nicht derjenige des Vertragsschlusses. 2 3 4 D e n n wenn im Zuwendungszeitpunkt keine Unternehmensverbindung besteht, werden die Kapitalerhaltungsgrundsätze unter diesem Aspekt nicht u m g a n g e n . 2 3 5 In anderen Fällen der konzernmäßigen Verflechtung der Empfängergesellschaft mit

93

dem A k t i o n ä r k o m m t Abs 1 S 1 zur Anwendung, falls die Verbundenheit so weit reicht, d a ß der A k t i o n ä r Zugriff auf Vermögen oder Gewinn der mit ihm verbundenen Gesellschaft hat und dadurch auch dasjenige, was aus dem Vermögen der A G an die Gesellschaft abgeflossen ist, wenigstens mittelbar in der H a n d des Aktionärs l i e g t . 2 3 6 Davon ist bei Vorliegen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages (§ 2 9 1 Abs 1) und bei Eingliederung (§§ 3 1 9 ff) a u s z u g e h e n . 2 3 7 Außerdem liegt das der Gesellschaft zugeflossene Vermögen weiterhin dann wenigstens mittelbar in der H a n d des Aktionärs, wenn seine Beteiligung an der begünstigten Gesellschaft mehrheitlich ist, da auch in diesem Fall hinreichende wirtschaftliche Identität a n g e n o m m e n werden k a n n . 2 3 8 Im Einzelfall mag auch die mehrheitliche Beteiligung nicht ausreichend einflußreich sein (vgl § § 311, 317, 3 1 8 ) . 2 3 9 Sind mehrere Einzelunternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt oder greift aufgrund der § § 1 6 A b s 1, 17 Abs 2 die Konzernvermutung des § 18 Abs 1 ein, dann liegt ein wirtschaftlich einheitlicher Unternehmenskomplex vor. Dies rechtfertigt es, die Kapitalerhaltungspflicht zugunsten der A G auch einem Unternehmen aufzuerlegen, das an der A G zwar nicht unmittelbar, j e d o c h mittelbar dadurch beteiligt ist, d a ß es in die wirtschaftliche Einheit einbezogen ist, zu der auch die A G g e h ö r t . 2 4 0 Bsp: Die T-Gesellschaft ist abhängige Tochter eines M u t t e r u n t e r n e h m e n s M ; unter M hat Τ eine Schwestergesellschaft S. D a b e i sind Τ und S als Treugeber bzw über eine Zwischengesellschaft an einer A G beteiligt. H i e r haftet Τ nach §§ 57, 6 2 auch dann, wenn diese A G Leistungen an M oder S erbracht h a t . 2 4 1

94

In einem faktischen Konzern, der sich aus einer Obergesellschaft A und zwei von ihr abhängiger Tochterunternehmen T - A G und S, die untereinander nicht verflochten sind,

95

aus; vgl ferner zur maßgeblichen Beteiligung BGHZ 122, 333, 339 f; BGH ZIP 1986, 456, 458; 1987, 1050, 1051; NJW 1991, 1057, 1059; 1996, 589, 590 OLG Celle WM 1986, 237, 239; Hüffer4 Rdn 15; KKLutter2 Rdn 46; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 30; Fleck FS 100 Jahre GmbHG (1992), S 391, 4 0 4 f; Canaris FS Fischer (1979), S 31, 43 f; Geßler ebd, S 131, 147; Michalski AG 1980, 261, 266; Schuppen WiB 1996, 114. 233 V g i Michalski AG 1980, 261, 266; auch BFHE 94, 373; 101, 501, 505. 234 235 236

237

238

BGH NJW 1996, 589, 590; Hüffer4 Rdn 15. Goette DStR 1997, 1495, 1499. Geßler FS Fischer (1979), S 131, 146 ff; Michalski AG 1980, 261, 266. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 30. Vgl BGH ZIP 1999, 1314, 1315 [zur GmbH] = NZG 1999, 939 m Anm Schlitt = GmbHR

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1999, 916 m Anm Bähr: Es genügen 50,1 % der Anteile, es sei denn, dies löst wegen statutarischer Regelung nach § 133 Abs 1 HS 2 keinen Einfluß aus; KK-Lutter 1 Rdn 46; Geßler FS Fischer (1979), S 131, 147; Canaris ebd, S 31, 41 f; Michalski AG 1980, 261, 266; bedenklich BGH WM 1957, 61. 239

240

241

Dazu Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 30. Vgl BGHZ 81, 311, 315; 81, 365, 368; 105, 168; 110, 47, 67; 121, 31, 35; 127, 1, 5; BGH ZIP 1986, 456, 458; 1991, 366; NJW 1991, 357, 358; 1991, 1057, 1059; 1992, 1167, 1168. Vgl BGH NJW 1991, 1057, 1059 [zur GmbH]; einschränkend Fleck FS 100 Jahre GmbHG (1992), S 391, 417 f; krit auch Sonnenhol/Groß ZHR 159 (1995), 388, 401 f.

Hartwig Henze

§57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

zusammensetzt (zB Betriebsaufspaltung), bedeutet eine Zuwendung der T-AG an ihr Schwesterunternehmen S - mittelbar - einen Vermögensfluß an A als Aktionär. Dennoch muß darin nicht notwendig ein Verstoß gegen Abs 1 S 1 liegen, für den A rückgewährpflichtig wird: Der durch Zuwendung an S bei A (mittelbar) bewirkten Vermögenserhöhung steht in der Regel spiegelbildlich der Wert der bei Τ und mithin bei A (mittelbar) bewirkten Vermögensminderung gegenüber. 242 Soweit sich dies ausgleicht, hat die Obergesellschaft A nichts empfangen; anderenfalls 243 greift Abs 1 S 1 ein. 2 4 4 96

ee) Eindeutige Fälle. Klar zu bejahen ist die Zurechnung dort, wo Fallgruppen zusammentreffen. Das ist etwa der Fall, wenn der Aktionär veranlaßt, daß die Leistung an ein in seinem Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen oder an einen ihm nahestehenden Angehörigen erbracht wird, damit er selbst einen konkreten Vermögensvorteil erlangt; desgleichen, wenn ein von dem Aktionär abhängiges Unternehmen oder seine Ehefrau bzw ein von dieser vertretenes minderjähriges Kind des Aktionärs jeweils für dessen Rechnung eine Leistung der AG empfängt. 4. Verbotene Rückgewähr durch Leistung unter Dritten

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Selbst dann, wenn auf keiner Seite der Leistungsbeziehung die AG bzw ein Aktionär unmittelbar beteiligt ist, findet das Verbot des Abs 1 S 1 Anwendung, wenn die vorstehenden Konstellationen des Drittbezugs - Leistung durch Dritte (Rdn 74 ff); Leistung an Nichaktionäre (Rdn 79 ff) - kombiniert auftreten. Bsp: Der Ehegatte des Aktionärs (Rdn 90) empfängt die Leistung aus der Hand einer GmbH, die von der AG mittels 80 %-iger Vermögensbeteiligung beherrscht wird (Rdn 76 f).

V. Sonderproblemkreis: Eigenkapitalersetzende Aktionärskredite 2 4 5 1. Einführung 98

Tritt ein Aktionär der Gesellschaft gleich einem Dritten gegenüber, bleibt also sein Aktionärsstatus unberücksichtigt, so kann er zu marktüblichen Konditionen Rechtsgeschäfte beliebiger Art mit der AG tätigen. Er kann daher der Gesellschaft auch Kredite zu marktüblichen Konditionen zur Verfügung stellen. Diese Möglichkeit kann allerdings 242

243 244

245

Geßler FS Fischer (1979), S 131, 147; Fleck FS 100 Jahre GmbHG (1992), S 391, 405 f; Scholz/H Ρ Westermann GmbHG 9 § 30 Rdn 35, mit dem Hinweis, daß jedoch eine Veranlassung der Obergesellschaft in Betracht kommt. Vgl BFHE 145, 175. Fleck FS 100 Jahre GmbHG (1992), S 391, 406; U H Schneider ZGR 1984, 525. Kapitalersetzende Gesellschafterkredite sind rechtspraktisch in erster Linie bei der GmbH anzutreffen; in der AG kommen sie bislang - tatsächlich seltener vor. Rspr und Schrifttum existieren daher in weitaus größerem Umfang zum Recht der GmbH (siehe insbes die Kommentarliteratur zu den §§ 32 a, 32 b GmbHG einschließlich der

dort miterläuterten Rechtsprechungsgrundsätze analog SS'30, 31 GmbHG, etwa Scholz/K Schmidt9 [2000]; Lutter/Hommelhoff15 [2000]; Hachenburg/U/mer 8 [1992]; Roth/Altmeppen 1 [1997]; Baumbach/ Hueck16 [1996]; iü auch ν Gerkan/HommelhoffUdb KapitalersatzR [2000], alle m zahlr Nachw). Die Gedanken derjenigen Judikate und Publikationen, die sich mit grundsätzlichen, nicht spezifisch (nur) bei einer GmbH auftauchenden Fragen des Eigenkapitalersatzes befassen, sind freilich gleichermaßen zutreffend für die Beurteilung dieses Problemkreises im Aktienrecht. Demgemäß sind viele der nachfolgenden Zitate (bei Rdn 9 8 - 1 5 8 u 2 2 8 - 2 3 8 ) der Rspr und Lit zum GmbH-Recht entlehnt.

Stand: 1. 3. 2000

(146)

Grundsatz der Vermögensbindung

§57

Einschränkungen erfahren, wenn die Gesellschaft wirtschaftlich in eine Krise gerät. Ist die Kapitalschwäche so groß, daß es einem Dritten zu riskant erscheinen muß, der Gesellschaft noch Kreditmittel zur Verfügung zu stellen, dann vermag die Gesellschaft zur Überwindung ihrer Krise eine Fremdhilfe nicht mehr in Anspruch zu nehmen. Gewährt unter derartigen Umständen ein Gesellschafter die benötigten Mittel, kann das nur dann zur Stabilisierung beitragen, wenn sichergestellt ist, daß der Gesellschaft die Finanzierungsmittel so lange verbleiben, bis sie die Krise überwunden hat und aus eigener Kraft weiterwirtschaften kann. Trifft den kreditgebenden Aktionär aufgrund seiner Beziehung zur Gesellschaft und als Folge der getroffenen Finanzierungsentscheidung die Verantwortung, für den Stabilisierungsprozeß zu sorgen, dann ist es im Gläubigerinteresse geboten, dem Aktionär den Zugriff auf den gewährten Kredit zu versagen, soweit die Stabilisierung noch nicht eingetreten ist oder nicht mehr eintreten kann. 2. Ausgangspunkt: Die Rechtsprechungsgrundsätze zur GmbH Im Recht der GmbH finden sich gesetzliche Regelungen über die Rechtsfolgen 9 9 kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen und -Sicherheiten in den §§ 32 a, 32 b GmbHG. 2 4 6 Diese Vorschriften sind für das Aktienrecht nicht (entsprechend) heranzuziehen (str). Denn neben der Regelung in §§ 57, 62 iVm den Rechtsprechungsgrundsätzen zu eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen sowie der gesellschaftsformneutralen Bestimmung in § 39 Abs 1 Nr 5 InsO (iVm § 174 Abs 3 InsO) erübrigt es sich, die §§ 32 a Abs 1 und 2, 32 b GmbHG - zumal deren Anwendbarkeit auf den Insolvenzfall beschränkt wäre - für das Aktienrecht nutzbar zu machen (Rdn 232). 2 4 7 Bereits vor Einführung der §§ 32a, 32b GmbHG 2 4 8 hat der BGH aus dem - zu den §§ 57, 62 parallelen - Rechtsgedanken der §§ 30, 31 GmbHG in Ausgestaltung des Prinzips der Kapitalerhaltung die nachfolgenden Grundsätze 249 zur Behandlung eigenkapitalersetzender Gesellschafterkredite entwickelt, 250 die heute in Rspr und Lehre anerkannt 251 sind: Benötigt die Gesellschaft Kapital, so können die Gesellschafter frei entscheiden, ob sie der Gesellschaft die benötigten Mittel als Eigenkapital im Wege der Kapitalerhöhung beschaffen oder ob sie der Gesellschaft das nötige Kapital über die Gewährung von Krediten als Fremdkapital zur Verfügung stellen. Diese unternehmerische Entscheidungsfreiheit endet jedoch, sobald der Zeitpunkt erreicht ist, in dem ein ordentlicher Kaufmann nicht mehr den Weg des Fremdkredites gewählt, sondern der Gesellschaft mit 246

Vgl ferner

^

129a, 172a HGB.

247

Hüffer4 Rdn 16; vgl auch Scholz/K Schmidt G m b H G 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 2 2 ; aA Bayer in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 1 1 . 3 2 ff; Veil Z G R 2 0 0 0 , 2 2 3 , 2 5 4 f.

248

Durch das Gesetz ν 4 . 7 . 1 9 8 0 (BGBl I 8 3 6 , 838).

249

N a c h B G H Z 9 0 , 3 7 0 , 3 7 6 ff beanspruchen diese „Rechtsprechungsgrundsätze" neben den §§ 3 2 a, 3 2 b G m b H G volle Geltung („zweispuriges Gläubigerschutzsystem"; st Rspr, bspw B G H N J W 1 9 9 8 , 3 2 7 3 , 3 2 7 4 = DStR 1 9 9 8 , 1 2 2 5 m Anm Goette-, ferner Hommelhoff in: ν Gerkan/Hommelhoff, H d b KapitalersatzR [ 2 0 0 0 ] , Rdn 1.2 ff).

250

Nachgezeichnet von Hommelhoff ZGR 1 9 8 8 , 4 6 0 ; auch Hommelhoff/Kleindiek FS

(147)

1 0 0 Jahre G m b H G ( 1 9 9 2 ) , S 4 2 1 , 4 2 9 ff; grundlegend für die heutige Konzeption Ulmer FS Duden ( 1 9 7 7 ) , S 6 6 1 , 6 7 1 ff; ders ZIP 1 9 8 4 , 1 1 6 3 ; ders Z G R 1985, 5 9 8 ; Lutter/Hommelhoff Z G R 1979, 3 1 ; Κ Schmidt Z G R 1 9 8 0 , 5 6 7 ; ders ZIP 1981, 6 8 9 ; Rümker Z G R 1 9 8 8 , 4 9 4 . 251

Die generell gegen die heutige Konzeption des „Eigenkapitalersatzrechtes" gerichteten Plädoyers sind bislang vereinzelt: Reiner FS Boujong ( 1 9 9 6 ) , S 4 1 5 ; Grunewald G m b H R 1997, 7; Fastrich FS Zöllner ( 1 9 9 8 ) , Bd I, S 1 4 3 ; vgl dagegen ua Goette Z H R 1 6 2 ( 1 9 9 8 ) , 2 3 1 : Unverzichtbares Instrument des Gläubigerschutzes; bsphaft auch Fleischer J R 1997, 2 9 4 : Es gibt keine überzeugende Alternative.

Hartwig Henze

100

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Rücksicht auf seine gesellschafterbedingte Finanzierungsfolgenverantwortung252 Eigenkapital zugeführt hätte. Ein Gesellschafter, der solche Verantwortung trägt, muß in diesem Stadium die Gesellschaft entweder liquidieren oder sie über den Zufluß gesellschaftseigener Mittel stabilisieren. 253 Anderenfalls würde ihre Liquidität lediglich unter Erhöhung der Überschuldung hergestellt und dadurch das Risiko der außenstehenden Gläubiger vergrößert, beim wirtschaftlichen Zusammenbruch der Gesellschaft auszufallen. Entscheidet sich der Gesellschafter gegen die Liquidation, weicht aber dennoch auf den ihn weniger belastenden bzw ihm weniger riskant erscheinenden Weg der Krisenfinanzierung durch von ihm persönlich zur Verfügung gestellte Fremdmittel aus, so muß er hinnehmen, daß seine Mittel in der Krise zugunsten der Gesellschaft und ihrer Gläubiger in haftendes Eigenkapital umqualifiziert werden. 254 Sein Anspruch auf Rückgabe des Kredits wird für die Dauer der Krise undurchsetzbar. 255 Das gilt soweit das zur Beseitigung einer Unterbilanz oder Überschuldung erforderlich bzw solange die Krise nicht überwunden, der Zweck des Kredites also nicht nachhaltig erreicht ist. Entzöge der Gesellschafter die Darlehensvaluta zu einem früheren Zeitpunkt, würde er sich entgegen Treu und Glauben in Widerspruch zu seinem Anfangsverhalten setzen: Denn da er der Gesellschaft den Kredit ersatzweise für dringend benötigte Eigenmittel gewährt hat, um so die Gesellschaft überleben zu lassen, hat er den Anschein ausreichender Kapitalausstattung hervorgerufen. Daran muß er sich festhalten lassen. 256 Ist der Kredit in der Krise wie Stammkapital zu behandeln, folgt daraus, daß eine Rückzahlung entsprechend § 30 Abs 1 GmbHG nicht vorgenommen werden darf und daß bei Zuwiderhandlung die Erstattungspflicht nach § 31 Abs 1, Abs 3 GmbHG Platz greift. 101

Die Regeln über den Eigenkapitalersatz erfassen nicht nur Darlehen, sondern auch andere Arten von Kreditleistungen eines Gesellschafters, 257 insbesondere die Gebrauchs-

252

N u r in den Fällen des § 3 2 a Abs 3 S 2 und

und ausführl Crezelius in: ν Gerkan/ Hommelhoff, H d b KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Teil 13.

S 3 G m b H G trifft den Kreditgeber trotz Gesellschafterstatus keine Finanzierungsfolgenverantwortung für seine G m b H (stellv für die verbreitete Kritik an diesen Regelungen Hirte KapitalgesR 2 [ 1 9 9 9 ] , Rdn 7 5 7 - 7 6 8 m zahlr N a c h w ; sehr deutlich gegen S 2 ua Goette Z H R 1 6 2 [ 1 9 9 8 ] , 2 2 3 , 2 2 6 ff, 2 3 0 f). 253

B G H N J W 1995, 6 5 8 .

254

B G H Z 31, 2 5 8 ; 75, 3 3 4 = ZIP 1 9 8 0 , 115 m Anm Kiasmeyer; B G H Z 7 6 , 3 2 6 ; 81, 2 5 2 ; 109, 5 5 ; B G H W M 1 9 6 3 , 121; ZIP 1 9 9 0 , 9 8 ; O L G Düsseldorf ZIP 1995, 1907, 1 9 0 9 f; vgl iü bereits RG J W 1939, 3 5 5 , 3 5 6 ; auch BR-Drucks 4 0 4 / 7 7 , S 3 9 ; ferner Herne Hdb G m b H R 2 ( 1 9 9 7 ) , Rdn 4 9 4 ff, 6 0 6 ff. Die Umqualifizierung findet (nur) unter gesellschaftsrechtlichem Blickwinkel statt; steuerrechtlich findet keine Gleichbehandlung von Eigenkapital und Eigenkapitalersatz statt, B F H E 1 6 6 , 3 5 6 = ZIP 1 9 9 2 , 6 2 0 m Anm Wassermeyer Z G R 1 9 9 2 , 6 3 9 ; B F H DB 2 0 0 0 , 9 0 2 ; zur steuerrechtlichen Behandlung Eilers/Wienands G m b H R 1 9 9 8 , 6 1 8 ff

255

B G H N J W 1 9 9 6 , 1341, 1 3 4 3 ; Roth/Altmeppen G m b H G 3 § 3 2 a Rdn 3 2 ; vgl auch die Wertung zur Nutzungsüberlassung: B G H Z 1 4 0 , 147, 1 4 9 f m weit Rspr-Nachw.

256

B G H Z 9 0 , 381, 3 8 8 f; 105, 168, 175 f; zur früheren Begründung vgl B G H Z 31, 2 5 8 , 2 6 8 ff; 67, 171, 175 f; 75, 3 3 4 , 3 3 6 , 3 3 9 ; 7 6 , 3 2 6 , 329.

157

Z u m Eigentumsvorbehalt, Finanzierungsleasing und sale-and-lease-back vgl - krit RothIAltmeppen G m b H G 3 § 3 2 a Rdn 8 9 ff; Johlke in: ν Gerkan/Hommelhoff, H d b KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 5 . 5 5 - 5 . 7 3 sowie Haas/Dittrich ebd, Rdn 8.13 ff; Gattdenberger in: BeckHdb G m b H 2 ( 1 9 9 9 ) , § 8 Rdn 318 ff. Z u r Dienstleistungspflicht siehe - alle gegen O L G H a m m G m b H R 1 9 9 2 , 6 0 7 - Priester DB 1 9 9 3 , 1 1 7 3 ; Scholz/ ÍC Schmidt G m b H G 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 116 und Gandenberger a a O , Rdn 3 4 2 f. Iü Goette DStR 1997, 2 0 2 7 , 2 0 3 3 m w N .

Stand: 1. 3. 2000

(148)

Grundsatz der Vermögensbindung

§57

Überlassung von Sachgütern,258 Desgleichen erfaßt sind Bürgschaften 259 und andere Sicherheitsleistungen, 260 die von dritter Seite an die Gesellschaft gewährte Kredite absichern; hier entspricht der Erstattungsanspruch, den der Gesellschafter zum Regreß gegen die Gesellschaft hat, falls er den Sicherungsnehmer befriedigen muß, funktional dem RückZahlungsanspruch, den der Gesellschafter hat, falls er selbst das Darlehen gibt. Im übrigen kommen in Betracht beispielsweise die Diskontierung eines Wechsels sowie ein unechtes Factoring. 261 Der Gesellschafter kann sich auch mittelbar zum Eigenkapital ersetzenden Kreditgeber machen, indem er gegen Entgelt eine Forderung erwirbt, die aus einem - nicht als Eigenkapitalersatz zu qualifizierenden - Drittkredit stammt: Das für den Forderungserwerb eingesetzte Kapital hätte der mit Finanzierungsfolgenverantwortung belastete Zessionar ebensogut direkt als Fremdkapital in die Gesellschaft investieren können, womit an der Natur der Leistung als Eigenkapitalersatz kein Zweifel bestünde.

102

Maßgeblich ist auch nicht, daß der Kredit erst in der Krise gewährt wird. Denn entscheidend ist nicht die Gewährung als solche, sondern die Finanzierungsentscheidung selbst. Deshalb werden ab Eintritt der Kreditunwürdigkeit als dem krisenmaßgeblichen Zeitpunkt auch Mittel von der Umqualifizierung erfaßt, die der Gesellschafter der Gesellschaft in Zeiten wirtschaftlicher Stabilität als Fremdkapital hat zufließen lassen, die er anschließend jedoch bei Eintritt der Krise und nach angemessener Bedenkzeit 262 im Gesellschaftsvermögen beläßt, obwohl er die Krise hätte erkennen 263 und die Mittel hätte abziehen können (sog „Stehenlassen" von Krediten). 264 Ob letzteres der Fall ist,

103

258

BGHZ 109, 55; 121, 31; 127, 1 ff = NJW 1994, 2 3 4 9 m Anm Altmeppen; BGHZ 127, 17 ff; BGH N J W 1997, 3 0 2 6 ; BGHZ 140, 147; Übersicht bei Henze Hdb GmbHR 2 (1997), Rdn 5 7 2 ff; eingehend Haas/Dittrich in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Teil 8; Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 § 32a/b Rdn 138 ff; Scholz/ Κ Schmidt GmbHG §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 120 ff; RothIAltmeppen GmbHG 3 § 32 a Rdn 82 ff; ferner ν Gerkati ZGR 1997, 173, 189 ff; G Hueck FS Odersky (1996), S 823; Oppenländer GmbHR 1998, 505, 5 0 6 f.

261

161

9

259

260

Bspw BGHZ 81, 2 5 2 ; BGH W M 1986, 4 4 7 f; auch: A«s/a//bürgschaften, siehe BGHZ 105, 168, 185; BGH NJW 1988, 824. BGHZ 67, 171; BGH NJW 1989, 1733 [Kaution]; ZIP 1990, 95 [Abtretung einer Eigentümergrundschuld]; NJW 1995, 457, 4 5 8 [Stundung bzw bloße Nichtgeltendmachung (dazu Altmeppen ZIP 1995, 26; Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 § 32a/b Rdn 37)]; OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1907, 1910 [Stundung]; weit Bsp bei Scholz/ Κ Schmidt GmbHG 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 148; Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 § 32a/b Rdn 116; Übersicht bei Henze Hdb GmbHR 2 (1997), Rdn 551 ff.

(149)

263

264

OLG Köln ZIP 1986, 1585; Scholz/ Κ Schmidt GmbHG 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 116 f; Johlke in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 5.55 f; Gandenberger in: BeckHdb GmbH 2 (1999), § 8 Rdn 3 0 2 ff; Roth/ Altmeppen GmbHG 3 § 32 a Rdn 95 f. Als Orientierungsmaßstab dient analog § 92 Abs 2 S 1 eine Drei-Wochen-Frist, vgl BGH NJW 1995, 658, 659; ZIP 1998, 1352, 1353; OLG München N Z G 1999, 603. AA Roth/Altmeppen GmbHG 3 § 32 a Rdn 19 ff; ders ZIP 1994, 1939, 1940 f; krit auch ν Gerkan GmbHR 1996, 4 0 0 ff. BGHZ 75, 334; 81, 252, 2 5 6 und 311; 121, 31; insbes BGHZ 127, 336, 345 = ZIP 1994, 1934 m Anm Altmeppen; BGH NJW 1985, 858 und 2179; 1995, 4 5 7 ff; 1996, 722; ZIP 1998, 1352; OLG Karlsruhe GmbHR 1998, 941; OLG München N Z G 1999, 603; Übersicht bei Henze Hdb GmbHR 2 (1997), Rdn 5 2 4 ff; ferner Pape ZIP 1996, 1409 [insbes zum „Stehenlassen" von Sicherheiten]; ν Gerkan GmbHR 1996, 4 0 0 ; ders ZGR 1997, 173, 184 ff; Κ Schmidt ZIP 1999, 1241, 1244 ff; Habersack Z H R 161 (1997), 457, 471 ff; zusammenfass Goette DStR 1997, 2027, 2 0 3 2 f; Johlke in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 5.76 ff; Scholz/K Schmidt

Hartwig Henze

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

hängt von der - krisenbedingt ggf außerordentlichen (§§ 5 5 4 a , 6 2 6 , 7 7 5 BGB a n a l o g ) 2 6 5 - Kündigungsmöglichkeit ab sowie von der Möglichkeit des Gesellschafters, durch eine gesellschaftsbeherrschende Stellung die Beendigung des Kredit- oder Überlassungsverhältnisses auf gesellschaftsrechtlichem Wege mittels Auflösung der Gesellschaft herbeizuführen (vgl für die A G § 2 6 2 Abs 1 N r 2 ) . 2 6 6 Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß der Gesellschafter ausnahmsweise von der zur Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln führenden Krise keine Kenntnis hat haben können, trifft ihn und nicht die Gesellschaft bzw den an deren Stelle getretenen Insolvenzverwalter. 2 6 7 104

In eigenkapitalersetzender Weise leistend bzw kreditgebend können auch Dritte sein, wenn das nur im wirtschaftlichen Ergebnis der Kreditgewährung bzw Leistung durch einen Gesellschafter g l e i c h k o m m t . 2 6 8 Das Gebot effektiven Gläubigerschutzes gebietet es hier, jede Art der Umgehung, in welche Vorgänge sie rechtsförmlich auch eingebunden sein mag, zu unterbinden (ausführl Rdn 1 2 9 ff).

105

Der Art nach keine Kredite, denen eigenkapitalersetzender Charakter zuzuschreiben ist, sind kurzfristige Überbrückungskredite, falls im Zeitpunkt der Einräumung des Kredits aufgrund der wirtschaftlich-finanziellen Unternehmenssituation objektiv damit gerechnet werden konnte, daß die Gesellschaft den Kredit in der vorgesehenen kurzen Zeitspanne werde ablösen k ö n n e n . 2 6 9 Dann nämlich dienen diese Kredite sowohl ihrer Zweckbestimmung als auch ihrer tatsächlichen Wirkung nach nicht dazu, eine Kapitallücke

265

266

267

268

GmbHG 9 §§ 32a/32b Rdn 4 7 ff; Lutterl Hommelhoff GmbHG 1 5 § 32a/b Rdn 45 ff. AllgM; stellv Roth/Altmeppen GmbHG 3 § 32 a Rdn 18, 54 mwN. BGHZ 121, 31, 35 ff = BB 1993, 240 m Anm Ebenroth/Wilken 305; BGHZ 127, 1, 6 = NJW 1994, 2 3 4 9 m Anm Altmeppen; BGHZ 127, 336, 345 = ZIP 1994, 1934 m Anm Altmeppen; Κ Schmidt ZIP 1993, 161, 167. BGH ZIP 1998, 1352; BGHZ 127, 336, 347 = ZIP 1994, 1934 m Anm Altmeppen; BGH ZIP 1992, 618, 620. Vgl § 32 a Abs 3 S 1 GmbHG; zusammenfass Johlke in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 5.7 ff sowie Scholz/K Schmidt GmbHG 9 « 32a/32b Rdn 134-141 mwN; Bsp aus der Rspr: BGHZ 81, 311 [doppelstöckige faktische Konzernierung]; 105, 168, 176 f [Kreditgebender, der mittelbar Gesellschaftsanteile hält]; 106, 7, 9 ff [atypischer stiller Gesellschafter]; 119, 191, 194 ff [atypischer Pfandgläubiger eines Anteils]; BGH ZIP 1987, 1050 [mit einem Gesellschafter verbundenes Unternehmen]; NJW 1987, 1080, 1081 [Beteiligungsidentität]; NJW 1991, 1057, 1058 f [Handeln für Rechnung; Konzern]; NJW 1992, 1167, 1168 [vom Gesellschafter abhängige Gesellschaft]; NJW 1993, 2179, 2180 [Ehegatte/minderj Kind leistet aus Gesellschaftermitteln]; NJW 1996, 1341,

1342 [ehemaliger Gesellschafter; Treugeber]; NJW 1997, 740, 741 m Anm Dostal DB 1997, 613 = WiB 1997, 246 m Anm Ihrig = WuB II C § 32 a GmbHG 2.97 m Anm Butzke = DStR 1997, 172 m Anm Goette [Komplementär, der über KG Gesellschaftsanteil hält und wegen Komplementärbürgschaft Freistellungsanspruch nach § 110 HGB hat]; NJW 1997, 3026 = LM § 3 0 GmbHG Nr 55 m Anm Döser [Miteigentümer; vgl dazu Jebens/Wagner DB 1998, 2253, 2255; Scholz/K Schmidt GmbHG 9 §§ 32a/32b Rdn 141; Haas/Dittrich in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 8.93]; ZIP 1999, 1314, 1315 = N Z G 1999, 939 m Anm Schlitt = GmbHR 1999, 916 m Anm Bähr [wirtschaftliche Einheit durch 50,1 %-ige Unternehmensverflechtung (bei nur 50 % siehe OLG Hamm N Z G 1998, 681 f)]; DStR 1999, 553, 554 [einheitlich beherrschte Unternehmensgruppe]; OLG Hamburg ZIP 1996, 709 [mittelbare Gesellschafterstellung aufgrund wirtschaftlicher Identität]; OLG Karlsruhe GmbHR 1998, 941 [Verflechtung durch maßgebliche Beteiligung]; OLG Dresden N Z G 1999, 594 [objektive unternehmerische Einheit]; Übersicht bei Henze Hdb GmbHR 2 (1997), Rdn 586 ff, 595 ff. 269

Vgl BGH ZIP 1990, 95, 97; NJW 1995, 457, 458 f; OLG Frankfurt DB 1993, 154.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(150)

Grundsatz der Vermögensbindung

§ 5 7

in der Weise zu schließen, daß den Gesellschaftsgläubigern vorgespiegelt würde, die Gesellschaft sei ausreichend mit Kapital ausgestattet. Solche Überbrückungskredite beheben lediglich einen kurzfristigen Geldmangel. Auch die Tatsache, daß der Kapitalmangel chronisch ist und deshalb durchgreifende Sanierungsmaßnahmen vollzogen werden müssen, schließt die Zulässigkeit eines Überbrückungsdarlehens nicht ohne weiteres aus. 2 7 0 Besonders in der Zeitspanne, in der sich der Vorstand um eine - nicht von vornherein als erfolglos anzusehende - Sanierung bemüht und einen Insolvenzantrag noch nicht zu stellen braucht, 271 dürfen kurzfristige Finanzierungshilfen nicht vorschnell als eigenkapitalersetzend angesehen werden. Abzugrenzen hiervon sind demgemäß bloße Verschleppungskredite, deren Gewährung die sofortige Umqualifizierung in Eigenkapital nach sich zieht. Sie liegen dann vor, wenn kein vernünftig wirtschaftender Dritter sie mehr gewährt hätte, weil er das Risiko eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs der Gesellschaft als unmittelbar bevorstehend ansehen mußte. 2 7 2 3. Grundsätzliche Übertragung der Eigenkapitalersatzregeln in das Aktienrecht Ob die vorstehenden Grundsätze auch auf eine AG anzuwenden sind, war zunächst umstritten. 273 Der BGH hat sodann für die Praxis klargestellt, daß diese Grundsätze (Rdn 99 ff) auch im Aktienrecht gelten. 274 Dieser Auffassung ist beizutreten. Denn der tragende Grund für diese Behandlung eines Kredites oder einer anderweitigen vergleichbaren Leistung des Gesellschafters liegt hier wie dort in seiner Verantwortung für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung. Diese verpflichtet den Aktionär in der Krise zwar nicht, fehlendes Kapital aus seinem Vermögen nachzuschießen; er kann sich ihr aber nicht in der Weise zum Nachteil der Gläubiger entziehen, daß er bei einer in Aussicht genommenen Finanzierungshilfe - anstatt sie durch die objektiv gebotene Einbringung haftenden Kapitals zu leisten - auf eine andere, ihm weniger riskant erscheinende Finanzierungsform ausweicht. 275 Gegen diese Übertragung spricht grundsätzlich nicht schon die bei der GmbH und der AG strukturell verschiedenartige Ausprägung der Kapitalbindung. Daß diese im Aktienrecht aufgrund der Regelung der § § 5 7 Abs 3, 58 Abs 4, 59, 150, 300 weitaus strenger ausgestaltet ist als nach § 30 GmbHG im Recht der GmbH (Rdn 9 f), läßt die Notwendigkeit eines Kapitalschutzes durch Umquali270 271

272

273

B G H Z 9 0 , 381, 3 9 4 . Zum Abwägungsgebot zwischen Sanierungspflicht (§ 9 3 Abs 1 S 1) und Liquidationspflicht (§ 9 2 ) siehe B G H Z 75, 96.

Obermüller ZIP 1982, 915, 9 2 1 ; ZIP 1982, 1385, 1395. 274

KK-Lutter2 Rdn 9 2 ; ders/Hommelhoff G m b H G 1 5 § 3 2 a/b Rdn 3 4 ; Scholz/ Κ Schmidt GmbHG 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 4 3 . Bejahend: Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 21; Immenga ZIP 1983, 1 4 0 5 ; Lutter/Hommelhoff/Timm BB 1980, 737, 741 f; Heilmann KTS 1983, 513, 514 f; Κ Schmidt Z H R 147 (1983), 165, 171 ff; ders AG 1984, 12, 13 ff; siehe auch bereits RG J W 1939, 355, 3 5 6 . - Verneinend in Vorinstanz zu B G H Z 9 0 , 381: OLG Düsseldorf N J W 1983, 2 8 8 7 = ZIP 1983, 7 8 6 m Anm Η Ρ Westermann 1281; vgl auch die vormaligen Argumentationsansätze bei

(151)

Rümker

B G H Z 90, 381 = J Z 1 9 8 4 , 1031 m Anm Schwark; OLG Düsseldorf AG 1987, 181, 183; 1991, 4 0 1 ; zust Hüffer4 Rdn 17; KKLutter2 Rdn 87; Henze AktienR 4 ( 2 0 0 0 ) , Rdn 2 7 6 f; Wilhelm KapitalgesR (1998), Rdn 3 5 3 ff; Κ Schmidt GesR 3 (1997), § 2 9 I 2, S 8 8 4 ff; Ketzer Eigenkapitalersetzende Aktionärsdarlehen ( 1 9 8 9 ) ; A Müller Regeln für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen ( 1 9 8 7 ) ; Junker Z H R 156 (1992), 3 9 4 , 3 9 9 ; Claussen AG 1985, 173; Fleck L M § 17 AktG 1 9 6 5 Nr 5; Hommelhoff in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 1.39 ff; Bork ZIP 1990, 1037, 1 0 3 9 ; vgl für die KGaA Wiehert Finanzen der KGaA (1999), S 211 ff.

275

B G H Z 9 0 , 381, 389, 3 9 0 mwN.

Hartwig Henze

106

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

fizierung von Fremdkapital in haftendes Eigenkapital nicht entfallen. Denn auch die aktienrechtliche Konzeption der Kapitalerhaltung kann nicht verhindern, daß gebundenes Vermögen verbraucht wird und dann ein verstärkter Kapitalbedarf auftritt. Ist das der Fall, dann muß auch im Aktienrecht verhindert werden, daß ein Gesellschafter, der seine notleidende Gesellschaft mit Fremdkapital zu stützen sucht, das damit verbundene Finanzierungsrisiko letztlich auf die außenstehenden Gläubiger ablädt. Diese Gefahr droht vor allem deswegen, weil er aufgrund besserer Informationsmöglichkeiten sein Kapital rechtzeitig wieder abzuziehen und es somit noch vor dem endgültigen wirtschaftlichen Zusammenbruch der Gesellschaft in Sicherheit zu bringen in der Lage ist. Auch im Aktienrecht kann ein solch spekulatives, auf dem Rücken der Gesellschaftsgläubiger ausgetragenes Verhalten in keinem Fall gerechtfertigt werden. 276 Allenfalls haben die Strukturunterschiede Einfluß auf die Frage nach der konkreten Reichweite des Schutzsystems der Umqualifizierung (Rdn 146 ff). 277 Im übrigen müssen für die Beantwortung der Frage, welche Gesellschafter (keine) Finanzierungsfolgenverantwortung tragen, die Eigenheiten der AG Berücksichtigung finden (Rdn 118 ff). 4. Voraussetzungen 107

a) Wirtschaftliche Krise der AG (Kreditunwiirdigkeit). Die unternehmerische Entscheidung des Aktionärs, seiner AG kein Eigenkapital zu verschaffen, sondern ihr Kredit zu gewähren, muß dann als verfehlt angesehen werden, wenn die Gesellschaft kreditunwürdig - bzw im Hinblick auf eine Nutzungsüberlassung „überlassungsunwürdig"278 geworden ist. Die zum Recht der GmbH insoweit entwickelten Grundsätze gelten auch hier. 279 Danach ist der maßgebliche Zeitpunkt erreicht, wenn der AG von dritter Seite kein Kredit mehr zu marktüblichen Konditionen eingeräumt wird. 280 Unter diesen Umständen müßten die Aktionäre, wenn sie ihr Handeln an den Grundsätzen einer ordentlich kaufmännischen Unternehmensfinanzierung ausrichten, die AG liquidieren ( S S 262 Abs 1 Nr 2, 263 S 1) oder Eigenkapital einschießen ( S S 182 ff). 281

108

Ergibt sich aus den Büchern der AG ihre Zahlungsunfähigkeit ( S 17 Abs 2 InsO) oder zeigt sich in einer Überschuldungsbilanz2S2 ihre Überschuldung283 ( S 19 Abs 2 InsO), ist sie aufgrund der dadurch eingetretenen Insolvenzreife ( S S 17 Abs 1, 19 Abs 1 InsO) kreditunwürdig. 284 Hingegen läßt sich - jedenfalls aus eigenkapitalersatzrechtlicher Sicht 276 277 278

279

280

Vgl BGHZ 90, 381, 388. BGHZ 90, 381, 387. Siehe zu den Besonderheiten BGHZ 109, 55, 62 ff; 121, 31, 39; BGH NJW 1997, 3026, 3 0 2 7 ; OLG Karlsruhe ZIP 1996, 918, 9 2 0 ff; OLG Stuttgart N Z G 1998, 308, 309; eingehend Haas/Dittrich in: ν Gerkan/ Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 8.22 ff; Lutter/Hommelhoff GmbHG 15 § 3 2 a / b Rdn 142; krit Scholz/K Schmidt GmbHG 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 128 f. Hüffer4 Rdn 17; Hommelhoff/Freytag DStR 1996, 1409, 1410; Junker Z H R 156 (1992), 394, 4 0 0 . St Rspr seit BGHZ 76, 326, 329 f; zuvor Ulmer FS Duden (1977), S 661, 6 7 3 und ähnlich schon Lutter/Hommelhoff ZGR 1979, 31, 39 f; sodann: BGHZ 81, 2 5 2 , 255; 90, 381, 390; 119, 201, 2 0 6 ; BGH NJW

1985, 2179, 2180; 1996, 7 2 0 und 722; GmbHR 2 0 0 0 , 931; vgl auch Fleck FS Werner (1984), S 107, 117 ff. 2 8 1 Vgl BGH NJW 1995, 658. 282 Nicht: Jahresabschlußbilanz nach fortgeführten Buchwerten, siehe BGH NJW 1994, 1478; OLG Dresden N Z G 1999, 347, 348 m zust Anm Michalski/Barth 349. 2 8 3 Zur Diskussion um die Begriffsbestimmung eingehend Götz ZInsO 2 0 0 0 , 77 ff mwN; auch Spliedt DB 1999, 1941; Lutter ZIP 1999, 641, 6 4 2 ff. 2 8 4 BGHZ 76, 326, 329; 105, 168, 181; BGH NJW 1993, 2179, 2180; noch weitergehend OLG Hamburg ZIP 1986, 1113, 1118; ferner Scholz/K Schmidt GmbHG 9 H 32 a/32 b Rdn 39 f; ν Gerkan in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR

Stand: 1. 3. 2000

(152)

Grundsatz der Vermögensbindung

§57

- im Falle „drohender Zahlungsunfähigkeit" (§ 18 Abs 2 InsO) 2 8 5 nicht ohne weiteres annehmen, die Gesellschaft sei in diesem Sinne kreditunwürdig. 286 Zwar liegt dann nach §§ 16, 18 Abs 1 InsO ein Grund zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vor. Jedoch kann, abweichend von § 13 Abs 1 S 2 InsO, nur die AG selbst dies nutzen: Allein der Schuldner ist antragsberechtigt,2fi7 nicht seine Gläubiger. Diese Regelung verfolgt das Ziel, der Geschäftsleitung statt einer außergerichtlichen Sanierung die gesetzliche Liquidation zu ermöglichen, um wahlweise die mit einer Insolvenzeröffnung einhergehenden Vorteile greifbar zu machen. 2 8 8 Solange sich der Schuldner demgegenüber noch bemüht, eine private Sanierung ins Werk zu setzen, verhindert die Beschränkung auf den Eigenantrag, daß der Schuldner von der Gläubigerseite unter Druck gesetzt und hierdurch eine Sanierung gefährdet werden k a n n . 2 8 9 Dieses Ziel, einer außergerichtlichen Sanierung die Tore offen zu halten, drohte auf den Kopf gestellt zu werden, würde man bereits zu diesem Zeitpunkt stets annehmen, gewährte oder stehengelassene Kredite seien infolge Kreditunwürdigkeit der AG als Eigenkapitalersatz verstrickt. Freilich kann im Einzelfall die Zahlungsunfähigkeit derart massiv drohen, daß sie zu einem ganz nahen Zeitpunkt sicher feststehen wird. Dann mag eine Kreditunwürdigkeit auch bereits zu diesem unmittelbar bevorstehenden Zeitpunkt zu bejahen sein und infolgedessen die Qualifizierung von Krediten als Eigenkapitalersatz sachgerecht erscheinen (vgl dann ggf Rdn 127 f). Weiterhin ist Kreditunwürdigkeit anzunehmen, wenn Kreditanträge der AG nach Überprüfung der Bilanzen und Geschäftsunterlagen mehrfach abgelehnt worden sind. Genügend ist auch, daß die Gesellschaft die Hälfte ihres haftenden Kapitals eingebüßt hat und über keine belastbaren Vermögensgegenstände mehr verfügt; 2 9 0 ebenso, falls das Eigenkapital buchmäßig verbraucht ist, Verluste ausgewiesen sind und hinzukommt, daß liquide Mittel nicht zur Verfügung stehen. 2 9 1 Außerdem kommt indizielle Bedeutung dem Umstand zu, daß die Gesellschaft in erheblichem Ausmaß nicht mehr in der Lage ist, fällige Verbindlichkeiten zu begleichen; 2 9 2 desgleichen bei Versenden von Stundungsschreiben an alle Gläubiger und Kündigung gegenüber allen Mitarbeitern nach einer bereits erfolgten Pfändung. 2 9 3 Mit zu berücksichtigen für die (rückblickende) Beurteilung der Kreditwürdigkeit hinsichtlich eines Zeitpunktes, der vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens lag, kann schließlich die Höhe der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Uberschuldung sein. 2 9 4 ( 2 0 0 0 ) , Rdn 3 . 4 4 , 3 . 4 8 ; RothJAltmeppen G m b H G 3 § 3 2 a Rdn 12; iü Henze H d b G m b H R 2 ( 1 9 9 7 ) , Rdn 5 0 0 ff m w N . 285 V g i z u J i e s e m Merkmal Haas in: Henckel/Kreft, InsR 1 9 9 8 , S 1, 10 ff m w N ; Schmerbach in: FrankfurtKommlnsO 2 ( 1 9 9 9 ) , § 18 Rdn 4 ff; Kirchhof in: HeidelbergKommlnsO ( 1 9 9 9 ) , § 18 Rdn 5 ff; zur praktischen Feststellung Drukarczyk/Schiiler in: Kölner Schrift zur InsO 2 ( 2 0 0 0 ) , S 95, 1 0 8 ff; krit Penzlin N Z G 2 0 0 0 , 4 6 4 ff. 286

287

288

Günstig ist für den Schuldner, daß sofort Maßnahmen nach § 21 Abs 2 N r 3 InsO angeordnet werden können, Sicherungen gem § 8 8 InsO unwirksam werden und sanierungsverhindernde Gläubigerstimmen iRe Insolvenzplanes (§§ 2 1 7 ff InsO) überwindbar sein können.

289

Vgl BegrRegE BT-Drucks 1 2 / 2 4 4 3 , S 114 f; Κ Schmidt Z G R 1 9 9 8 , 6 3 3 , 6 5 0 f; Uhlenbruch in: Kölner Schrift zur InsO 2 ( 2 0 0 0 ) , S 1157, 1165.

Ebenso Hirte in: Hommelhoff/Röhricht, GesR 1997, S 145, 1 7 3 ; Gandenberger in: BeckHdb G m b H 2 ( 1 9 9 9 ) , § 8 Rdn 2 1 8 ; aA ν Gerkan in: ν Gerkan/Hommelhoff, H d b KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 3.49.

290

B G H N J W 1 9 9 6 , 7 2 0 ; zudem aber B G H ZIP 1 9 9 9 , 1 5 2 4 , 1 5 2 5 .

Siehe § 18 Abs 1 InsO; eine nach §§ 9 2 Abs 2 , 4 0 1 Abs 1 N r 2 haftungs- und strafbewehrte Pflicht zur Antragstellung besteht nicht.

294

(153)

291

O L G Celle ZIP 1 9 9 6 , 1 9 9 4 .

292

BGH N J W 1996, 720, 721, 722.

293

O L G München N Z G 1 9 9 9 , 6 0 3 . Lutter/Hommelhoff GmbHG15 § 32a/b Rdn 2 0 , 2 3 .

Hartwig Henze

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Ist die Kreditunwürdigkeit nicht bereits auf solche Arten feststellbar, muß aufgrund der Überlegung entschieden werden, ob ein wirtschaftlich vernünftig handelnder Dritter, der kein Beteiligungsinteresse an der in Liquiditätsschwierigkeiten geratenen AG hat, dieser überhaupt bzw zu gleichen Konditionen wie der Aktionär Kredit gegeben hätte (Rdn 107). Konnte die Gesellschaft dem kreditgebenden Aktionär vollwertige Kreditsicherheiten beibringen, war sie im Zweifel nicht kreditunwürdig, weil unter diesen Umständen regelmäßig auch ein Dritter einen Kredit gewährt hätte, mag auch später die Gesellschaft insolvent werden; 2 9 5 etwas anderes kann gelten, wenn dennoch der Kapitalmangel nicht behoben wird oder sonst besondere Umstände vorliegen. 2 9 6 Gegen eine Kreditunwürdigkeit spricht auch der Umstand, daß die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Kreditgewährung die ihr von den Hausbanken gewährte Kreditlinie noch nicht ausgeschöpft h a t ; 2 9 7 desgleichen, daß außenstehende Kreditgläubiger nach Prüfung der Lage Gesellschaftersicherheiten freigeben. 2 9 8 Hat ein Sachverständiger die Kreditunwürdigkeit festgestellt, so wird dessen Gutachten nicht dadurch entkräftet, daß behauptet wird, es würden der Gesellschaft unbilanzierte Leistungen zugeführt; ebensowenig genügt hierfür der unsubstantiierte Vortrag, die vorhandenen Erzeugnisse hätten einen höheren als den im Gutachten angesetzten W e r t . 2 9 9 Auch ändert eine Auftragslage, die sich erst geraume Zeit nach Eintritt der Insolvenzreife auswirken wird, nichts an der Richtigkeit einer sachverständig belegten negativen Fortführungsprognose. 3 0 0 110

Ist anhand der genannten Kriterien eine hinreichende Kreditunwürdikeit der Gesellschaft feststellbar, so braucht die Gesellschaft bzw der Insolvenzverwalter zum (Negativ-)Beweis dieser Kreditunwürdigkeit nicht alle denkbaren, sondern nur die von den Gesellschaftern substantiiert behaupteten Möglichkeiten einer mittels gesellschaftseigener Mittel bewirkten Kreditsicherung zu widerlegen. Für das NichtVorliegen der Krise ist damit der kapitalgebende Gesellschafter vorrangig darlegungspflichtig. 301

111

Entscheidender Beurteilungszeitpunkt für die Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft und somit für die Bejahung des eigenkapitalersetzenden Charakters des Kredits ist derjenige der Vergabe bzw des Stehenlassens des Kredits. 3 0 2 Wird der Kredit während seiner Laufzeit prolongiert, dann ist die Kreditwürdigkeit im Moment dieser Abrede maßgeblich, unabhängig davon, ob die AG beim zunächst vereinbarten Auslaufzeitpunkt wahrscheinlich kreditwürdig sein würde. 3 0 3 Darüber hinaus ist die Ansicht vertreten worden, grundsätzlich sei bereits auf den Zeitpunkt der Zusage eines Darlehens abzustellen, sofern diese Zusage verbindlich ist und das Darlehen später tatsächlich gewährt wird. 3 0 4 Richtig daran ist sicherlich, daß unverbindliche Darlehenszusagen aufgrund der Möglichkeit des Widerrufs (§ 610 BGB) kein eigenkapitalersetzender Wertposten sein können. Fraglich bleibt aber, ob dort, wo der Vermögenswert mangels Zuführung noch gar nicht im - Fremd- oder Eigen- 295

296 297 298

299 300 301

BGH NJW 1985, 2719, 2720; 1987, 1080, 1082; 1988, 824; 1992, 1169, 1170; OLG Koblenz DStR 1993, 251, 252; Lutter/Hommelhoff GmbHG15 § 32a/b Rdn 29. BGH NJW 1985, 858; ZIP 1987, 169 ff. OLG Dresden NZG 1999, 347, 348. OLG Hamburg ZIP 1990, 1262 m zust Anm Gehling EWiR 1990, 1096. Vgl BGH NJW 1997, 3171. BGH NJW 1997, 3171, 3172. BGH ZIP 1998, 243, 244.

302

303

304

BGHZ 119, 201, 207; BGH NJW 1988, 824; Lutter/Hommelhoff GmbHG15 § 32a/b Rdn 19; Michalski/Barth NZG 1999, 348; vgl auch KK-Lutter2 Rdn 91. OLG Hamburg ZIP 1986, 1048 ff; Lutter/Hommelhoff GmbHG15 § 32a/b Rdn 52. BGHZ 133, 298 [IX. ZS] = JR 1997, 290 m Anm Fleischer = DStR 1996, 1779 m Anm Goette = EWiR 1996, 1087 m Anm Fleck.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(154)

Grundsatz der Vermögensbindung

§57

Kapital der Gesellschaft vorhanden ist, die Gesellschaftsgläubiger allein aufgrund des bestehenden, noch unerfüllten Anspruches in für sie schutzwürdiger Weise den Eindruck gewinnen konnten, die Gesellschaft sei infolgedessen hinreichend mit Eigenkapital ausgestattet. 3 0 5 Jedenfalls dann, wenn die tatsächliche Gewährung des Darlehens erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt, ist dies zu verneinen. 3 0 6 b) Besonderheiten im Unternehmensverbund: Konzernierungsbedingte Kreditwürdigkeit? aa) Vertragskonzern. Ist die AG aufgrund eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrages (§ 2 9 1 Abs 1 S 1) einem anderen Unternehmen untergeordnet, so ist gem § 2 9 1 Abs 3 das Verbot der Kapitalrückgewähr suspendiert. Als Ausgleich wird zum Schutz der Gläubiger die Kapitalkraft der beherrschten bzw gewinnabführungsverpflichteten AG durch die Spezialregelung der §§ 3 0 0 ff sichergestellt. Um das Vorhandensein eigener Kapitalkraft geht es aber gerade bei der Beurteilung der Frage, ob als Konsequenz einer verfehlten Finanzierungsentscheidung des Unternehmers eine Umqualifizierung des Fremdkapitals in haftendes Eigenkapital erfolgen muß. Deshalb muß bei der Anwendung der Grundsätze über eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen die Konzernsituation berücksichtigt werden. Das betrifft insbesondere die Entscheidung darüber, ob die abhängige AG noch kreditwürdig ist. Sie wird regelmäßig dann kreditwürdig sein, wenn sie selbst wirtschaftlich gesund ist. Sie muß aber noch nicht deshalb kreditunwürdig sein, weil sie sich in einer finanziellen Lage befindet, in der eine konzernfreie Gesellschaft von dritter Seite keinen Kredit mehr erhalten würde. Denn da das herrschende Unternehmen aufgrund des Unternehmensvertrages und des bestehenden Weisungsrechtes iSd § 3 0 8 die Kapitalkraft der ihr untergeordneten AG in seinem Interesse steuern kann und dies vor allem im Rahmen einer bei sich als Konzernspitze zentralisierten Verbundfinanzierung auch tut, sind die Gläubiger der finanziell unselbständigen AG von vornherein nur durch die §§ 3 0 2 , 3 0 3 geschützt. Wegen dieser Ausgleichs- und Sicherungspflicht des herrschenden Unternehmens nach §§ 3 0 2 , 3 0 3 3 0 7 muß berücksichtigt werden, ob die Obergesellschaft nach ihrer Finanzkraft diese Pflichten zu erfüllen in der Lage ist. 3 0 8 Ist das zu bejahen, läßt sich nicht pauschal sagen, ein vernünftiger Kaufmann hätte sich nicht zum Kreditgeber der abhängigen AG gemacht, selbst

305

306

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308

So BGHZ 133, 298, 302 ff [IX. ZS]; zust Fleischer JR 1997, 293, 294; mit guten Gründen verneinend Hirte KapitalgesR2 (1999), Rdn 716; skeptisch auch Roth]Altmeppen GmbHG 3 § 32 a Rdn 17; vgl ferner Wiedemann/Hermanns ZIP 1994, 997, 1001 f. Zutreff Fleck EWiR 1996, 1087, 1088; zu weitgehend BGHZ 133, 298 [IX. ZS], dem aber Fleischer JR 1997, 293, 294 und ν Gerkan in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 3.32 - gegen Fleck - folgen. Zur Entstehung, Festlegung, Fälligkeit und Höhe des Verlustausgleichsanspruches vgl BGH NZG 2000, 139 m Anm Hoffmann 205. KK-Lutter2 Rdn 101; Emmerich in: Hommelhoff [ua], Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht (1986), S 64, 89 f;

(155)

Rümker/H Ρ Westermann Kapitalersetzende Darlehen (1987), S 49 f; Ketzer Eigenkapitalersetzende Aktionärsdarlehen (1989), § 6 I 2, S 93 ff, 96-98; leicht abw Hommelhoff WM 1984, 1105, 1107 f, 1117 und ders/Kleindiek in: Lutter [ua], Hdb Konzernfinanzierung (1998), Rdn 21.40, wonach bei Anerkennung eines aus den §§ 302, 303 fortzubildenden ständigen konzernspezifischen Liquiditätsschutzes (vgl dies aaO, Rdn 21.14 mwN) anzunehmen sei, daß bei Funktionieren dieses Schutzes für die Tochter-AG auf die Kreditwürdigkeit des Mutterunternehmens abzustellen sei; vgl ferner Eichholz Das Recht konzerninterner Darlehen (1993), S 162 ff, der im Erg gar keinen Raum für die Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln sieht (aA etwa Fleischer in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR [2000], Rdn 12.35).

Hartwig Henze

112

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

wenn diese AG - isoliert betrachtet - eine Kapitalschwäche aufweist. 309 Solange also die AG konzernbedingt nicht als notleidend anzusehen ist, können Aktionärskredite auch keinen Eigenkapitalersatz darstellen. Das ändert sich folgerichtig dann, wenn das herrschende Unternehmen seinerseits eine Kapitalschwäche aufweist, derzufolge die Erfüllung der in den §§ 302, 303 normierten Pflichten nicht mehr sichergestellt ist. Denn die Konzeption des Gesetzes geht dahin, daß die §§ 300 ff die allgemeinen Vermögensbindungsregeln konzernspezifisch ersetzen. 310 Greifen diese Vorschriften jedoch nicht in praktisch effektiver Weise kapitalerhaltend ein, dann rechtfertigt es sich auch nicht, die Aktionärskredite unter Berücksichtigung von Konzerngesichtspunkten zu beurteilen. Es ist dann die für eine nichtkonzernierte Gesellschaft maßgebende Betrachtungsweise vorzunehmen. 311 113

Für den Fall, daß die Kapitalschwäche der vertraglich untergeordneten Gesellschaft nicht überschuldungs-, sondern illiquiditätsbedingt ist, hat der BGH zur der Frage, ob mit Rücksicht auf die Finanzierungskraft des Mutterunternehmens die Tochtergesellschaft konzernbedingt dennoch als kreditwürdig angesehen werden kann, strenge Maßstäbe angelegt: Benötigt eine ergebnisabführungsverpflichtete AG sowohl zur Tilgung ihrer Schulden als auch für Reinvestitionen liquide Mittel und wird ihr diese Liquidität über den konzernvertraglichen Ausgleichsanspruch nur einmal zugeführt mit der Konsequenz, daß - weil erzielter Gewinn abzuführen und somit für eigene Zwecke nicht verwendbar ist - ein fortlaufendes Wirtschaften nur unter Neuverschuldung finanzierbar ist, und genügt sodann wegen der trotz des Ausgleichs nicht behobenen Illiquidität und daraus resultierenden Zahlungsstockungen Dritten der Unternehmensvertrag allein nicht als Kreditgrundlage, so ist diese AG auch dann kreditunwürdig, wenn das herrschende Unternehmen den bei der Tochter-AG über die Entschuldung hinaus bestehenden Liquiditätsbedarf decken könnte, das aber unterläßt. 312 Von Teilen des Schrifttums wird diese Rechtsansicht kritisiert. 313 Ähnlich der Linie des BGH ist aber ferner entschieden 309

Κ Schmidt NJW 1988, 3148, 3149; Scholz/ders GmbHG 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 41; ähnlich Lutter ZIP 1989, 477, 481 f; deutlich Messer Z H R 159 (1995), 375, 380 f; vgl auch Jula/Breitbarth AG 1997, 256, 265; tendenziell aA für illiquiditätsbedingte Kreditunwürdigkeit BGHZ 105, 168, 181; OLG Hamburg ZIP 1987, 977, 985 (Vorinstanz); dahin auch Rümker ZGR 1988, 494, 4 9 8 ff.

310

KropffKVxG 1965, S 375. KK-Lutter1 Rdn 101; Emmerich in: Hommelhoff [ua], Entwicklungen im GmbHKonzernrecht (1986), S 64, 89 f; Ketzer Eigenkapitalersetzende Aktionärsdarlehen (1989), § 6 I 2, S 98 ff, 1 0 0 - 1 0 2 ; aA A Müller Regeln für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen (1987), S 195 ff. BGHZ 105, 168, 181 ff [zur GmbH] = NJW 1988, 3143 m insow krit Anm Κ Schmidt 3148, 3149 = ZIP 1988, 1248 m für den Einzelfall zust Anm Lutter ZIP 1989, 477, 481 f = WuB II C § 3 2 a GmbHG 2.88 m Anm Rümker; auch Priester ZBB 1989, 30, 34 f; Fleck EWiR 1988, 1095, 1096.

311

312

313

Insbes Messer Z H R 159 (1995), 375, 380 f, 386: Diese Rspr übersehe, daß wenn auch die beherrschte AG die ihr im Wege der konzernrechtlichen Ausgleichspflicht überlassenen Mittel nur entweder zur Schuldentilgung oder zur Ersatzbeschaffung abgewirtschafteter Produktionsanlagen verwenden könne, sie jedoch für den Fall, daß sie die laufenden Kredite abzahlt, genauso dastehe wie vorher: Ohne Produktionsmittel, aber auch ohne Schulden; mithin könne sie bei erneuter Liquiditätszufuhr entweder weiterwirtschaften oder anderenfalls ohne Ausfallgefahr für ihre Gläubiger liquidiert werden. Auch Κ Schmidt NJW 1988, 3148, 3149 hält es für bedenklich, aus dem Kredit bedarf die Kredit unwürdigkeit schließen zu wollen. Hüffer Z H R 153 (1989), 322, 336 ff lehnt die Argumentationslinie des BGH ab, denn: Anders als bei der Kreditauszahlung, begründe für „stehen gelassene" Kredite allein die illiquiditätsbedingte Zahlungsstockung keine Kreditunwürdigkeit (dagegen

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Grundsatz der Vermögensbindung

§57

worden, daß eine vertraglich beherrschte Gesellschaft, die - ohne operativ tätig zu sein lediglich als (steuerliches) Verlustvortragsbecken des herrschenden Unternehmens fungiert, Kreditwürdigkeit nicht aufgrund der nach § 302 bestehenden Verlusttragungspflicht erlangt, wenn das Mutterunternehmen nur einmal jährlich zum Ausgleich verpflichtet ist und der beherrschten Gesellschaft somit bei Kreditaufnahme kein gesicherter Anspruch auf Abschlagszahlungen vor Ablauf des Geschäftsjahres zur Kompensation von Liquiditätsengpässen zusteht. 314 bb) Qualifiziert faktischer Konzern. Für den qualifiziert faktischen Konzern ist anerkannt, daß das herrschende Unternehmen zugunsten der beherrschten Gesellschaft und deren Gläubigern entsprechend §§ 302, 303 zur Verlustübernahme und zur Gläubigerbefriedigung verpflichtet sein kann. 315 Daß diese Grundsätze über die Haftung des herrschenden Unternehmens im qualifiziert faktischen Unternehmensverbund von der Rspr in Entscheidungen entwickelt worden sind, die eine beherrschte GmbH betrafen, ist unerheblich; die Haftungsgrundsätze sind auf die qualifiziert faktisch beherrschte AG übertragbar. 316 Ob indessen die aus dem Rechtsgedanken zu §§ 302, 303 richterrechtlich herausgebildeten Voraussetzungen für eine gläubigerschützende Haftung der Konzernspitze - insbesondere der haftungsmaßgebliche Umstand, ob das herrschende Unternehmen unter mißbräuchlicher Ausübung seiner faktischen Leistungsmacht die unternehmerischen Eigeninteressen der beherrschten AG verletzt hat - zum Beurteilungszeitpunkt der Kreditwürdigkeit der beherrschten AG vorliegen, wird für Außenstehende kaum einmal eindeutig erkennbar sein. 317 Eine Publizität des Haftungstatbestandes, wie sie im Vertragskonzern aus §§ 294, 295 Abs 1, 298 folgt, fehlt. Das gebietet, die Frage nach der Kreditwürdigkeit einer qualifiziert faktisch beherrschten AG als allein von der vorhandenen eigenen Kraft zur Unternehmensfinanzierung abhängig anzusehen. 318 Die Fähigkeit des herrschenden Unternehmens, im Ernstfall seine Pflichten entsprechend §§ 302, 303 zu erfüllen, bleibt hingegen außer Betracht.

114

cc) Eingliederungskonzern. Im Eingliederungskonzern sind für die eingegliederte AG nach § 323 Abs 2 die allgemeinen Kapitalerhaltungsregeln außer Kraft gesetzt. Die Hauptgesellschaft kann deshalb über das Vermögen der eingegliederten AG verfügen,

115

314

315

Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 § 32a/b Rdn 28). KG GmbHR 1998, 938, 9 4 0 m Anm Kersting 915, 917. BGHZ 95, 3 3 0 ; 107, 7; 115, 187; 122, 123; BGH NJW 1994, 4 4 6 (m Anm Κ Schmidt) und 3288; 1996, 1283; 1997, 9 4 3 ; BAG NJW 1999, 740, 741 f; Kubier NJW 1993, 1204; Κ Schmidt ZIP 1993, 5 4 9 ; Η Ρ Westermann ZIP 1993, 5 5 4 ; Ebenroth/Wilken ZIP 1993, 5 5 8 ; Schulze-Osterloh ZIP 1993, 1838; Lutter J Z 1993, 5 8 0 ; U Η Schneider W M 1993, 7 8 2 ; Drygala GmbHR 1993, 317; Goette DStR 1993, 5 6 8 ; Krieger ZGR 1994, 375; Hommelhoff ZGR 1994, 395; Rspr-Analyse bei Michalski/Zeidler NJW 1996, 2 2 4 ; zusammenfass Scholz/Emmerich GmbHG 9 Anh KonzernR, Rdn 95 ff, 125 ff mwN; krit Altmeppen DB 1994, 1912 ff mwN.

(157)

316

3,7 318

Ganz hM; Krieger in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 6 9 Rdn 113 mwN; Cohn Kapitalerhaltung im Konzern (1998), S 84 f mwN; Hüffer4 § 3 0 2 Rdn 30 mwN; EmmerichJ Habersack AktienkonzernR (1998), Vor § 311 Rdn 20; Hommelhoff,1 Freytag DStR 1996, 1409, 1416; Kropff AG 1993, 4 8 5 ff. Vgl BGHZ 103, 1, 5. Hommelhoff W M 1984, 1105, 1113 f; ν Gerkan ZGR 1997, 173, 2 0 5 ; Messer ZHR 159 (1995), 375, 381; auch Rümker ZGR 1988, 494, 4 9 8 f; ferner Hommelhoff/Kleindiek in: Lutter [ua], Hdb Konzernfinanzierung (1998), Rdn 21.38; ]ula/Breitbarth AG 1997, 256, 265; aA Ketzer Eigenkapitalersetzende Aktionärsdarlehen (1989), § 6 III, S 110 ff; Eichholz Das Recht konzerninterner Darlehen (1993), S 164; wohl auch KK-Lutter2 Rdn 102.

Hartwig Henze

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

ohne daß § 57 dem entgegenstünde. Einen Ausgleich schafft die durch § 322 Abs 1 angeordnete solidarische Mithaftung der Hauptgesellschaft: Es ist letztlich auch nur diese Haftung, die den Gläubigern der eingegliederten AG Sicherheit dafür gibt, daß Forderungen gegen diese AG erfüllt werden. Steht deren Gläubigern das Vermögen der Hauptgesellschaft zur Verfügung, so kann die Kreditunwürdigkeit der eingegliederten AG nicht losgelöst von der Kapitalkraft der Hauptgesellschaft als gesetzlicher Mitschuldnerin beurteilt werden. Selbst wenn die eingegliederte AG isoliert betrachtet kreditunwürdig ist, führt das nicht dazu, daß Aktionärskredite in haftendes Kapital umqualifiziert werden. Denn solange der Zugriff auf den durch die Vermögensmasse der Hauptgesellschaft vergrößerten Haftungsfond Erfolg verspricht, hätte auch ein Dritter der eingegliederten AG noch Kredit gewährt. Ist die Hauptgesellschaft hinreichend kapitalstark, so wirkt das über § 322 Abs 1 wie die Bestellung einer vollwertigen Sicherheit. Dann aber ist die eingegliederte AG als Kreditnehmer kreditwürdig (vgl Rdn 109). Erst wenn die Hauptgesellschaft kreditunwürdig wird, büßt auch die eingegliederte AG ihre Kreditwürdigkeit ein. Es zeigt sich also, daß es im Eingliederungskonzern zur Gläubigersicherung auf das Vermögen der Hauptgesellschaft ankommt. Da Ursprungsgedanke der Grundsätze über eigenkapitalersetzende Gesellschafterkredite ist, daß den Gläubigern nicht durch ein Finanzierungsverhalten der für die Kapitalausstattung verantwortlichen Gesellschafter, das mit ordentlich kaufmännischen Grundsätzen unvereinbar ist, ein Ausfall entstehen soll, kann es als ausreichend angesehen werden, die Aktionäre der Hauptgesellschaft diesen Grundsätzen über die Finanzierungsfolgenverantwortung zu unterstellen. Dagegen bedarf es in dem Verhältnis der Hauptgesellschaft zur eingegliederten AG wegen des durch § 322 Abs 1 gewährten Schutzes keiner Anwendung der Umqualifizierungsgrundsätze bei Eigenkapitalersatz. 319 116

dd) Einfacher faktischer Konzern. Ist der Unternehmensverbund weder vertraglicher noch qualifizierter faktischer Natur, dann gilt nach §§ 311 ff das System des Einzelausgleichs; ein Globalausgleich nach §§ 302, 303 erfolgt nicht. Auch entheben die §§ 311 Abs 1 und 2, 317 die allgemeinen Vorschriften über die Vermögensbindung nicht grundsätzlich ihrer Wirkung (arg e contrario § 291 Abs 3; vgl Rdn 194 ff). Mithin kommt eine Beurteilung der mit dem Eigenkapitalersatz zusammenhängenden Frage unter konzernspezifischen Gesichtspunkten nicht in Betracht. Maßgeblich ist allein, ob die Tochter-AG unter Fingierung ihrer Konzernfreiheit sich selbst in einer finanziellen Lage befindet, in der ihre Kreditunwürdigkeit bejaht werden muß. 3 2 0

117

ee) Sonstige Finanzierungshilfen. Es ist zwar keine konzernrechtliche Folge, jedoch tatsächlich typisch, daß in einem Unternehmensverbund die Obergesellschaft den Gläubigern ihrer Tochter-AG auf schuldrechtlicher Basis Sicherheit bietet; häufig in Form einer Patronatserklärung. 321 Solche und ähnliche Zusagen an die Tochter-AG, die das Ausfallrisiko für deren Gläubiger minimieren sollen, sind wenig geeignet, unter eigenkapitalersatzrechtlichen Gesichtspunkten eine Kreditwürdigkeit der Tochter-AG herzu319

Hüffer4 § 3 2 4 Rdn 8 m w N ; Hommelhoff W M 1 9 8 4 , 1 1 0 5 , 1 1 1 7 ; Rümker Z G R 1 9 8 8 , 4 9 4 , 5 0 0 ; Ketzer Eigenkapitalersetzende Aktionärsdarlehen ( 1 9 8 9 ) , § 6 IV, S 112, 113; A Müller Regeln für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen ( 1 9 8 7 ) , S 195; Eichholz Das Recht konzerninterner Darlehen ( 1 9 9 3 ) , S 161 f.

320

KK-Lutter2

Rdn 1 0 3 ; Hommelhoff

WM

1 9 8 4 , 1105, 1 1 0 7 f, 1117 f; Ketzer Eigenkapitalersetzende Aktionärsdarlehen ( 1 9 8 9 ) , S 6 II, S 1 0 6 - 1 0 9 ; A Müller Regeln für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen ( 1 9 8 7 ) , S 197, 198. 321

Dazu etwa Fleischer W M 1999, 6 6 6 ff.

Stand: 1. 3. 2000

(158)

Grundsatz der Vermögensbindung

§ 5 7

stellen. 322 Denn wenn die Tochter-AG sich in einer Krise befindet, die bei gedachter Unabhängigkeit zur Annahme ihrer Kreditunwürdigkeit führen müßte, wird die Sicherheit, die seitens des Mutterunternehmens gestellt wird, in aller Regel ihrerseits als eigenkapitalersetzend zu qualifizieren sein. c) Finanzierungsfolgenverantwortung des Kreditgebers, aa) Ausgangspunkt. Das als Fremdkapital eingebrachte Vermögen wie Eigenkapital der AG zu behandeln, kann nur dann sachgerecht sein, wenn der kreditgebende Aktionär nicht bloß Kapitalanleger, sondern wie ein Unternehmer zu behandeln ist, so daß in seiner Kreditgewährung eine Finanzierungsentscheidung erblickt werden muß, die er mit Rücksicht auf die ihm zukommende unternehmerische Verantwortung getroffen hat. Obliegt dem Kreditgeber keine Finanzierungsfolgenverantwortung, dann ergeben sich für seine Rückgewähr- bzw Rückgriffsansprüche auch keine Einschränkungen aus dem Eigenkapitalersatzrecht; im Insolvenzverfahren gilt § 38 InsO.

118

Anders als bei der GmbH, die in der Regel nur von wenigen Gesellschaftern, die oft zum Teil zugleich zu Geschäftsführern berufen sind, getragen wird, kann indessen bei der AG nicht jeder Aktionär, der mehr als 10 % der Aktien auf sich vereinigt (vgl § 32 a Abs 3 S 2 GmbHG), 3 2 3 als Mitunternehmer mit Finanzierungsfolgenverantwortung für die AG angesehen werden. Nur wer einen ausreichenden Einfluß besitzt, ist in der Lage, für das wirtschaftliche Schicksal der Gesellschaft unternehmerische Verantwortung zu übernehmen oder mitzutragen. 324 Da insbesondere das aktionärsrechtliche Informationsrecht (§ 131) in seiner Reichweite demjenigen der §§ 51a, 51 b GmbHG nicht gleichkommt 3 2 5 und die Aktionäre keine Weisungsbefugnis gegenüber der Geschäftsleitung haben (vgl §§ 76 Abs 1, 119 Abs 2), wird sich eine Aktionärsposition mit einer hinreichenden Verantwortlichkeit im Regelfall nur aus einem entsprechend großen Anteilsbesitz und der daran anknüpfenden Stimmrechtsmacht (§ 134 Abs 1 S 1) ergeben können. Dafür reicht es aber noch nicht aus, daß ein Minderheitsaktionär Anteile hält, die ihm das Einberufungsrecht nach § 122 Abs 1 oder das Antragsrecht nach § 122 Abs 2 gewähren. 326 Andererseits kann einem Aktionär nicht erst dann ein hinreichendes unternehmerisches Interesse mit der daraus folgenden Verantwortung für die Finanzierung der AG zuerkannt werden, wenn er Mehrheitsaktionär ist oder gar eine Kapitalerhöhung (vgl § 182 Abs 1 S 1) durchsetzen könnte. 3 2 7

119

322

Vgl ν Gerkan Z G R 1997, 173, 2 0 5 ; ders in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 3.55.

323

§ 32 a Abs 3 S 2 GmbHG allein ist kein Argument gegen die von B G H Z 9 0 , 381, 3 9 0 f für das Aktienrecht vorgeschlagene Orientierung an der 2 5 %-Grenze; zutreff Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 16 Rdn 4 4 ; Früh GmbHR 1999, 8 4 2 , 8 4 3 f; siehe zudem BegrRegE zum KapAEG, BT-Drucks 13/7141, S 11 f = ZIP 1997, 7 0 6 , 709.

324

Hüffer4 Rdn 18; Immenga ZIP 1983, 1405, 1 4 0 9 f; Κ Schmidt Z H R 147 (1983), 165, 185 f; Westermann ZIP 1 9 8 2 , 379, 3 8 7 f; Junker Z H R 156 (1992), 3 9 4 , 4 0 2 ff; Henze Hdb G m b H R 2 (1997), Rdn 587.

(159)

325

Dem Aktionär fehlt typischerweise die „Insiderstellung", vgl Ulmer ZIP 1984, 1163, 1166 f, 1174; krit Bayer in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 11.12.

326

KK-Lutter 1 Rdn 9 3 ; ähnlich Immenga ZIP 1983, 1405, 1410 f; unzutreff aA Farrenkopf Kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen (1984), S 97 f: jeder Aktionär.

327

Hüffer4 Rdn 18; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 21; Henze AktienR 4 ( 2 0 0 0 ) , Rdn 2 7 6 f; Junker Z H R 156 (1992), 3 9 4 , 4 0 1 ; Κ Schmidt Z H R 147 (1983), 165, 185; Schwark J Z 1984, 1036, 1 0 3 7 ; Ketzer Eigenkapitalersetzende Aktionärsdarlehen (1989), S 75; aA Vorinstanz zu BGHZ 90, 381: OLG Düsseldorf N J W 1983, 2 8 8 7 = ZIP

Hartwig Henze

§ 5 7

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

120

Als erforderlich und ausreichend ist es mit dem B G H anzusehen, daß der in Rede stehende Aktionär über eine Sperrminorität, mithin über mehr als 2 5 % des Grundkapitals verfügt. 3 2 8 Denn ein Anteilsbesitz von mehr als 2 5 % sichert seinem Inhaber ein ausschlaggebendes Mitspracherecht auch in Angelegenheiten, die für die Geschicke der AG von zentraler Bedeutung sind und über die die Hauptversammlung deshalb mit qualifizierter Mehrheit beschließen muß. Hinter einem solchen Einfluß wird sich in aller Regel ein eigenes Unternehmerinteresse verbergen. 3 2 9 Diese Wertung bestätigt das Gesetz in den §§ 19 Abs 1, 2 0 Abs 1, 21 Abs 1 und 3 2 8 Abs 1. Unzutreffend erscheint es dagegen, auf die in § 2 7 1 Abs 1 S 3 H G B normierte 2 0 % - i g e Beteiligung abzustellen. 3 3 0 Diese bilanzrechtliche Vorschrift dient nicht der Kapitalerhaltung, sondern der Publizität. Z w a r ist Grund für diese Publizität die Vermutung, daß solch eine Beteiligung unternehmerischen Zwecken dient. Jedoch stellt § 2 7 1 Abs 1 S 1 H G B gerade nicht auf eine Unternehmerposition des Anteilseigners, sondern auf die Dauerhaftigkeit der Verbindung ab; aus letzterer läßt sich aber für die Bestimmung der Kriterien für das Einflußpotential, ab dem ein Aktionär den Grundsätzen ordentlich kaufmännischer Unternehmensfinanzierung zu unterstellen ist, nichts herleiten. 3 3 1

121

bb) Sachgerechte Einzelfallbeurteilung. Für die praktische Umsetzung enthält dieser gesetzlich typisierte Grenzwert eines Viertels der Anteile kein unbedingtes Schema. Der B G H hat zurecht vorsichtig formuliert, daß ein Anteil in Höhe von 2 5 % „regelmäßig" und „erfahrungsgemäß" den Schluß auf die vorausgesetzte unternehmerische Stellung z u l ä ß t . 3 3 2 Die Sperrminorität ist damit eine Richtschnur, die weder zu einer ausschließlichen Freistellung von den Eigenkapitalersatzregeln im darunterliegenden Bereich führt noch zur Einschlägigkeit bei höherer Anteilsquote zwingt.

122

Die Rspr hat unter Zustimmung der Lit allgemein den Gedanken entwickelt, daß dort, wo Rechtsfolgen aus einer über die Beteiligung entstandenen Machtposition herzuleiten sind, nicht die (nominale) Größe des gehaltenen Anteils maßgeblich ist, sondern darauf abgestellt werden muß, ob die konkreten Umstände den vorausgesetzten Einfluß 1 9 8 3 , 7 8 6 m Anm Η Ρ Westermann 1 2 8 1 ; dahin auch Obermüller ZIP 1 9 8 2 , 915, 921. 328

B G H Z 9 0 , 381, 3 9 0 , 3 9 1 = J Z 1 9 8 4 , 1031 m Anm Schwark; krit Schummer Eigenkapitalersatzrecht ( 1 9 9 8 ) , S 2 8 2 : bloße „Verhinderungskompetenz" sei nicht genügend.

329

Daß sich für die GmbH bis zur Einführung des § 3 2 a Abs 3 S 2 G m b H G ( K a p A E G ν 2 0 . 4 . 1 9 9 8 , BGBl I 7 0 7 ) die Ansicht durchgesetzt hatte, zur Begründung einer Finanzierungsfolgenverantwortung nicht auf die Möglichkeit der unternehmerischen Einflußnahme abzustellen, dies wohl aber für die AG getan wird, muß nicht als Widerspruch verstanden werden. Denn im Ansatz ist es nach wie vor so, daß der G m b H Gesellschafter typischerweise Unternehmer ist, der Aktienanleger aber nicht (zutreff Bayer in: ν Gerkan/Hommelhoff, H d b KapitalersatzR [ 2 0 0 0 ] , Rdn 11.14). Daß es auch umgekehrt sein kann, mag zutreffen; insofern ist aber keineswegs ausgeschlossen, dies einzelfallgerecht zu berücksichtigen (vgl

Rdn 121 ff). Außerdem hat der Gesetzgeber in § 3 2 a Abs 3 S 2 G m b H G nunmehr festgeschrieben, daß der unternehmerische Einfluß ein Zurechnungskriterium im Eigenkapitalersatzrecht ist (aA Veil Z G R 2 0 0 0 , 2 2 3 , 2 3 4 ff: nur rechtspolitische Bedeutung). Das mag in der Form, wie das Kriterium dort Gestalt angenommen hat, kritisierbar sein (stellv Scholz/K Schmidt G m b H G 9 H 3 2 a / 3 2 b Rdn 178 f m w N ) . Der Gedanke ist allerdings deutlich ausgedrückt und rechtsverbindlich. 330

So aber ν Gerkan Z H R 154 ( 1 9 9 0 ) , 2 0 0 , 2 0 1 ; Kreis Finanzierungsverantwortung ( 1 9 9 0 ) , S 1 0 9 ; vgl ferner O L G Hamburg W M 1989, 717, 718.

331

Gl Ansicht Junker 402.

332

Vgl B G H Z 9 0 , 381, 3 9 0 , 3 9 1 ; zu dem sich seit dieser Entscheidung vollzogenen Wandel des Realtyps der AG und möglichen Folgerungen daraus siehe Veil Z G R 2 0 0 0 , 2 2 3 , 2 2 6 ff.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

Z H R 156 (1992), 394,

(160)

Grundsatz der Vermögensbindung

§57

beständig, umfassend und gesellschaftsrechtlich vermitteln. 333 Diese Überlegung ist auch hier maßgeblich. Deshalb kann im Einzelfall zu berücksichtigen sein, daß infolge einer Nichtpräsenz von Mitgesellschaftern - wie sie sich jahrelang gezeigt hat und absehbar kaum ändern wird - in der Hauptversammlung auf den Aktionär in den Beschlußfassungen de facto mehr als 25 % der Stimmantziie entfallen („Hauptversammlungsquote") und der Aktionär dies unternehmenspolitisch nutzt. Ist das der Fall, dann tritt demgegenüber die Tatsache, daß er rechnerisch weniger als ein Viertel der gesamten Gesellschaftsanteile innehat, in den Hintergrund. 334 Auf der anderen Seite wird man stimmrechtslose Aktien (§§ 11, 139 f) bei der Ermittlung einer ausreichenden Beteiligung nicht ohne weiteres hinzurechnen können: 3 3 5 Sie werden dem Aktionär kaum als gesellschaftsbezogenes Steuerungsinstrument dienen, vielmehr sind sie typisches Spiegelbild reiner Kapitalanlage ohne unternehmerische Einflußmöglichkeiten. Vereinigt ein Aktionär nach dem Dargelegten (Rdn 120 ff) keine Sperrminorität auf 1 2 3 sich, so schließt dies allein seine Unternehmereigenschaft nicht aus. Um solch einem Aktionär jedoch unternehmerische Verantwortung auferlegen zu können, müssen zu dem Anteilsbesitz weitere Umstände hinzutreten, aufgrund deren seine Beteiligung ausnahmsweise als eine unternehmerische angesehen werden kann. 3 3 6 In Betracht gezogen werden kann dies, falls konsortialvertragliche Bindungen zu einem Mitaktionär mit nicht unwesentlichem Anteilsbesitz bestehen 337 oder mehrere Aktionäre konzernmäßig derart verflochten sind, daß sie zusammengerechnet eine wesentliche Beteiligung erreichen. 338 Das kann auch bei einer familienrechtlichen Verbundenheit von Aktionären zutreffen, wenn ihr Verhalten eine einheitliche Geschäftspolitik erkennen läßt. 3 3 9 Die Voraussetzungen für die Zusammenrechenbarkeit von Kapitalanteilen kann an den Grundsätzen ausgerichtet werden, die für die Einflußkoordinierung bei einer Mehrmütterherrschaft gelten. 340 Ein geringerer Anteilsbesitz als 25 % wird in aller Regel auch dann genügen, wenn der Aktionär - etwa nach § 291 Abs 1 S 1 - als herrschendes Unternehmen angesehen werden kann und ihm deshalb eine Unternehmerstellung zukommt. 341 Auch wird man einem Aktionär Anteile zurechnen müssen, die ein Dritter treuhänderisch für Rechnung des Aktionärs hält. 3 4 2 Des weiteren kann für eine „kleine" 333 Vgl BGHZ 69, 334, 3 4 7 m Anm Zöllner AG

1978, 40; BGHZ 135, 107, 114 f (ebenso Vorinstanz: OLG Braunschweig AG 1996, 271, 273 m krit Anm Mertens 241, 245); ferner LG Berlin AG 1996, 230, 231 f und 1997, 183, 184 f; Bayer in: MünchKommAktG 2 § 17 Rdn 35; Großkomm- Windbichler4 § 17 Rdn 24; KK-Koppensteiner2 § 17 Rdn 35 f mwN. Vgl auch Habersack Z H R 162 (1998), 201, 217; Veil ZGR 2 0 0 0 , 223, 2 3 0 , 2 4 3 ; Bayer in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 11.16; Kamprad GmbHR 1984, 339, 343. Vgl Rümker FS Stimpel (1985), 673, 678 f; Kamprad GmbHR 1984, 339, 343; Junker Z H R 1 5 6 ( 1 9 9 2 ) , 394, 4 0 4 f. 336 Vgl Junker Z H R 156 (1992), 394, 4 0 3 ff. 3 3 7 BGHZ 90, 381, 391 m Anm Schwark J Z 1984, 1036, 1037; Hüffer4 Rdn 18; KK-Lutter2 Rdn 93; Κ Schmidt Z H R 147 (1983), 165, 185; Henze AktienR 4 (2000), Rdn 277.

(161)

338

Ebenso Bayer in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 11.19 mwN; vgl ferner die Ansätze von Κ Schmidt GmbHR 1999, 1269, 1271 f zur Möglichkeit einer Überwindung der 10 %-Hürde iRv § 32 a Abs 3 S 2 GmbHG mittels Zusammenrechnung von Anteilen; auch Pentz GmbHR 1999, 437, 445.

339

OLG Düsseldorf AG 1991, 401, 4 0 2 ; Hüffer4 Rdn 18; Schwark J Z 1984, 1036, 1037; Junker Z H R 156 (1992), 394, 4 0 5 mwN; vgl ferner BGHZ 77, 94, 105 f; 80, 69, 73.

340

Vgl dazu Großkomm- Windbichler4 § 17 Rdn 6 1 - 6 5 ; Hüffer4 § 17 Rdn 15 f; KK-Koppensteiner2 S 17 Rdn 74. Vgl KK-Lutter2 Rdn 100. Vgl - zu § 32 a Abs 3 S 2 GmbHG - Pentz GmbHR 1999, 437, 4 4 4 ; Κ Schmidt GmbHR 1999, 1269, 1271.

341 342

Hartwig Henze

§57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

AG, 3 4 3 die - anders als eine echte Publikums-AG - in einer zur GmbH vergleichbaren Weise personalistisch strukturiert ist und so geführt wird, eine andere Orientierung als die an der 25 % Marke geboten sein (arg § 32a Abs 3 S 2 GmbHG). 3 4 4 Insbesondere wenn bei gleichbleibender unternehmerischer Binnenstruktur der Gesellschaft ein Formwechsel von einer AG in eine GmbH stattfindet bzw umgekehrt, erscheint ein typisierter Beurteilungsmaßstab, der sprunghaft um 15 % Anteilsgröße differieren würde, kaum zu rechtfertigen; desgleichen ist für eine G m b H & Co KGaA 3 4 5 (vgl § 278 Abs 3 iVm § 57) nicht zu Unrecht auf die aus unternehmerischer Sicht bestehende „praktische Austauschbarkeit" mit einer GmbH & Co KG (vgl § 172 a HGB iVm § 32 a Abs 3 S 2 GmbHG) hingewiesen worden. 3 4 6 124

Allein die Tatsache, daß der Aktionär stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender oder etwa Finanzausschußvorsitzender ist, kann nicht über die Begründung einer Finanzierungsfolgenverantwortung entscheiden. 347 Die Besetzung solcher Posten entspricht zwar einer weit verbreiteten Übung von Gläubigern, die Hauptkreditgeber und Hausbank von Gesellschaften sind; diese Aktionäre mögen damit als Kreditgeber de facto eine dominierende Position bekleiden. Ihr Einfluß ist insoweit allerdings nicht gesellschaftsrechtlich bedingt oder vermittelt. Freilich erscheint nicht ausgeschlossen, diesen Faktor im Einzelfall mit zu berücksichtigen. Einflußmöglichkeiten eines Aktionärs, die auf bloßer Kreditabhängigkeit der AG fußen, genügen nicht (vgl aber Rdn 130). 348

125

Denkbar ist aber auch, daß ein Aktionär, der zu etwas mehr als einem Viertel an der Gesellschaft beteiligt ist oder dem immerhin für die Beschlußfassungen in der Hauptversammlung solch eine Stimmquote tatsächlich zukommt (Rdn 120-122), keine Finanzierungsfolgenverantwortung trägt. Das erscheint, wenn nicht sonstige einflußvermittelnde Umstände hinzutreten (Rdn 123 f), dann möglich, wenn statutarische Bestimmungen nach §§ 179 Abs 2 S 2 HS 1, 182 Abs 1 S 2 HS 1 existieren, nach denen eine einfache oder 2 / 3 -Beschlußmehrheit genügt. 3 4 9 Der Anteilseigner hat dann keine Möglichkeit, über sein Stimmrecht unternehmerischen Einfluß auszuüben. Insbesondere kann er weder positiv nach § 262 Abs 1 N r 2 noch negativ über die Blockade einer Kapitalerhöhung den Fortbestand der in der Krise befindlichen AG beeinflussen. Des weiteren erscheint naheliegend, einer zufällig und ersichtlich nicht aus unternehmerischen Interessen erworbenen Sperrminorität keine Maßgeblichkeit zuzusprechen, solange diese Beteiligung nicht unternehmenspolitisch genutzt wird. Das könnte anzunehmen sein für Fälle, 350 in denen ein Kreditinstitut als reiner Emissionsmittler nach § 186 Abs 5 fungiert, infolge einer der AG garantierten Vollplazierung sodann aber auf

343 Vgl das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften ν 2. 8. 1994 (BGBl I 1961). 344 Vgl KK-Lutter2 Rdn 93; Habersack Z H R 162 (1998), 201, 221; Junker Z H R 156 (1992), 3 9 4 , 405; Hirte KapitalgesR 2 (1999), Rdn 756; ferner Bayer in: ν Gerkan/Hommelhoff, H d b KapitalersatzR (2000), Rdn 11.20. 345 Dazu B G H Z 134, 392; Hüffer4 § 2 7 8 Rdn 8 - 9 a; Henze AktienR 4 (2000), Rdn 1152 ff, je m w N . 346 Habersack Z H R 162 (1998), 201, 218; auch Veil ZGR 2 0 0 0 , 2 2 3 , 228, 2 4 2 , 248. 347 Tendenziell aA Habersack Z H R 162 (1998), 201, 220; ähnlich Junker Z H R 156 (1992),

394, 4 0 4 , 412: „wichtiger Indikator"; auch Obermüller ZInsO 1998, 51, 5 2 in Anlehnung an die Voraussetzung mangelnder Geschäftsleitung in § 32 a Abs 3 S 2 GmbHG für den Fall, daß ein Aktionär im Vorstand tätig ist; ebenso Veil ZGR 2 0 0 0 , 223, 236/237, 2 4 4 f; differenzierend Bayer in: ν Gerkan/Hommelhoff, H d b KapitalersatzR (2000), Rdn 11.17, 11.23. 348 349

350

Zutreff Junker Z H R 156 (1992), 3 9 4 , 4 0 6 . Vgl Junker Z H R 156 (1992), 3 9 4 , 4 0 4 f; abw wohl Rümker FS Stimpel (1985), S 673, 6 7 7 f. Siehe zur „co op"-AG FAZ ν 8. 11. 1990, S 15.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Grundsatz der Vermögensbindung

§57

Aktien „sitzen bleibt", weil das Bezugsinteresse der Altaktionäre bzw die Kauffreudigkeit im Publikum sich wider Erwarten als gering herausstellt, und die Bank die Anteile nicht in ihren Eigenbestand übernimmt sowie keine Rechte daraus ausübt. 3 5 1 Zu beachten ist endlich, daß gem § 24 UBGG eine Zurechnung des Kredits als Eigenkapitalersatz ausgeschlossen sein kann. cc) Veränderung des Beteiligungsumfanges. Kommt dem kreditgebenden Aktionär eine Finanzierungsfolgenverantwortung zu und hat dies dazu geführt, daß das für die AG eingesetzte (Fremd-)Kapital den Grundsätzen des Eigenkapitalersatzrechtes unterliegt, dann ist es auf diese Rechtsfolge ohne Einfluß, wenn der Aktionär anschließend seine Aktien ganz oder immerhin einen genügenden Teil veräußert und dadurch seine Einflußmöglichkeiten beendet bzw auf ein M a ß schwächt, aufgrund dessen ihm eine unternehmerisch verantwortliche Stellung fortan nicht mehr beizumessen ist. Selbst mit dem Verlust der Mitgliedschaft kann sich der Kreditgeber den Regeln des Eigenkapitalersatzes, soweit sie seine Leistung bereits betreffen, nicht mehr entziehen: 352 Der Charakter des Kredits ändert sich nur durch den objektiven Umstand, daß die Gesellschaft ihre Kreditwürdigkeit nachhaltig wiedergewinnt (Rdn 144 ff). Das gilt entsprechend für Dritte, die zum Zeitpunkt ihrer Finanzierungsentscheidung einem Aktionär gleichgestellt sind (Rdn 129 ff) und ihre mitgliedschaftsähnliche Position anschließend aufgeben. 3 5 3 Ebenso verliert ein eigenkapitalersetzender Kredit seinen Charakter nicht deshalb, weil nach dem Tod des Kreditgebers seine Anteile im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in Kleinbeteiligungen zersplittert werden. Sogar eine Finanzierungsleistung, die ein ehemaliger Aktionär in einer finanziellen Krise der AG nach seinem Ausscheiden erbringt, kann als Eigenkapitalersatz behandelt werden, wenn die rechtliche Grundlage für die Leistung bereits geschaffen wurde, als der Finanzierungsgeber noch Aktionär war; das gilt insbesondere dann, wenn bei der verbindlichen Zusage eines Darlehens vor dem Ausscheiden die Krise der AG bereits bestand und über den Zeitpunkt der Valutierung hinaus andauert. 3 5 4 Dem Kreditgeber haftet insoweit noch Finanzierungsfolgenverantwortung an. Im umgekehrten Sinne muß sich ein Kreditgeber, den zum Valutierungszeitpunkt keine Finanzierungsfolgenverantwortung trifft, als Eigenkapitalersatzgeber behandeln lassen, wenn er durch nachfolgenden Anteilserwerb oder spätere Addition sonstiger Umstände (Rdn 123 f) dann eine unternehmerische Position bekleidet und die Voraussetzungen des „Stehenlassens" des Kredits (Rdn 103) eintreten. 355

126

dd) Sanierungskredite. Es ist keine erst in jüngerer Zeit angestellte Erwägung, 3 5 6 1 2 7 Sanierungskredite - unter bestimmten Voraussetzungen - von der Rechtsfolge einer 351

352

Vgl Junker Z H R 156 (1992), 394, 408 f und Rümker FS Stimpel (1985), S 673, 682 ff, die auf den Rechtsgedanken des § 37 Abs 3 GWB (nF) abstellen, sowie zur verdeckten Sacheinlage beim mittelbaren Bezugsrecht BGHZ 118, 83, 95 ff; 122, 180, 185 f; BGH NJW 1995, 2486; ferner Veil Z G R 2000, 223, 245 ff. BGHZ 110, 342, 353; 127, 1, 6 f = NJW 1994, 2349 m Anm Altmeppen; BGH NJW 1996, 1341, 1342; ZIP 1999, 1314, 1315; ν Gerkan in: ν Gerkan/Hommelhoff, H d b KapitalersatzR (2000), Rdn 3.21; Scholz/ Κ Schmidt G m b H G 9 §§ 32a/32b Rdn 34.

(163)

353 354

355

356

Timm/Geuting ZIP 1992, 525, 526. BGH NJW 1987, 1080; 1996, 1341, 1342; Henze H d b GmbH 2 (1997), Rdn 592 f; Scholz/K Schmidt G m b H G 9 §§ 32a/32b Rdn 34; Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 § 32a/b Rdn 59, je m weit Aspekten und Nachw. Vgl Rowedder G m b H G 3 § 32 a Rdn 29; auch ν Gerkan in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 3.20; ferner Traugott ZIP 1997, 1690 ff. Ausgelöst wurde die Diskussion durch BGHZ 81, 311 im Jahre 1981 [„Helaba/ Sonnenring"].

Hartwig Henze

§ 57

128

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Umqualifizierung in materielles Eigenkapital (Rdn 144 ff, 2 2 8 ff) derart auszunehmen, daß der Kreditgeber von einer Finanzierungsfolgenverantwortung freigestellt w i r d . 3 5 7 Typischerweise besteht für Zulieferer und Hausbanken als diejenigen, die (Fremd-)Kapital in die Gesellschaft investiert haben, ein verständliches Bedürfnis, sich für eine Stabilisierung der finanziell notleidenden Gesellschaft zu engagieren: Nur nach deren Rettung können Gewinne realisiert werden; eine Liquidation bedeutet quotale Befriedigung, mithin Verlust. Neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung zu zeichnen, um die nötigen Eigenmittel zuzuführen und anschließend einen den Aufwärtstrend einleitenden Kurs mitzubestimmen, kommt allerdings kaum in Frage. Denn mit der erworbenen Aktionärsstellung werden - bei hinreichender Anteilsgröße (Rdn 120 ff), die bei seriösen Sanierungsbestrebungen freilich gegeben sein wird - die schon zugeführten Kredite ebenso wie etwa noch zu gewährende in materielles Haftkapital umqualifiziert. Zudem sind gestellte Sicherheiten faktisch entwertet (Rdn 145). Mißlingt im übrigen die Sanierung, verbleibt den Sanierern wegen des erzwungenen Nachrangs nicht einmal mehr die anteilige Tilgung. Solche oä Szenarien 3 5 8 sind knapp umschrieben worden mit „Sanierungsfeindlichkeit des Eigenkapitalersatzrechtes". 3 5 9 Soweit diesen Überlegungen und einer daraus zu schließenden, sachgerecht umzusetzenden Ausnahme von den Eigenkapitalersatzregeln eine gewisse Plausibilität nicht abzusprechen ist, waren doch Rspr und Lit davon nicht hinreichend überzeugt, um eine Art „Sanierungsprivileg" für das G m b H - oder Aktienrecht anzuerkennen. 3 6 0 Durch Art 10 N r 1 K o n T r a G 3 6 1 hat nunmehr der Gesetzgeber, rechtswirksam seit 1. 5 . 1 9 9 8 , in § 3 2 a Abs 3 S 3 G m b H G festgeschrieben, daß auf (Alt- und Neu-)Kredite eines Sanierers die Eigenkapitalersatzregeln ohne Anwendung bleiben, wenn Gesellschaftsanteile zum Zweck der Krisenüberwindung erworben werden. Schlägt der Sanierungsversuch fehl, gilt im Verteilungsverfahren für alle gegen die Gesellschaft gerichteten Kreditforderungen des sanierungswilligen Gesellschafters oder gleichgestellten Dritten nicht § 3 9 Abs 1 N r 5 InsO, sondern § 38 InsO. Die Vorschrift des § 3 2 a Abs 3 S 3 G m b H G ist nicht gesellschaftsformspezifisch, sondern formt den eingangs erwähnten, allgemeinen Gedanken (Rdn 127) positivrechtlich aus. Der Rechtsanwender ist zwar nicht gehalten, für das Aktienrecht eine am Wortlaut orientierte Analogie zu ziehen;

357

Siehe bereits Κ Schmidt ZIP 1981, 6 8 9 , 6 9 0 ; Ublenbruck G m b H R 1 9 8 2 , 141 ff, 1 5 0 ; Η Ρ Westermann ZIP 1 9 8 2 , 3 7 9 , 3 8 6 ; Rümker ZIP 1 9 8 2 , 1385, 1391, 1 3 9 3 f; Schröder/ Weber ZIP 1 9 8 2 , 1 0 2 3 , 1 0 2 8 ; Menzel AG 1 9 8 2 , 1 9 7 ff; Claussen Z H R 1 4 7 ( 1 9 8 3 ) , 195, 2 0 9 f, 2 1 5 ff; später ders FS Forster ( 1 9 9 2 ) , 1 4 0 , 1 4 4 sowie G m b H R 1 9 9 6 , 316, 3 2 0 , 3 2 3 ; ebenso Götz/Hegerl D B 1997, 2 3 6 5 , 2 3 6 7 ; für das Aktienrecht hat Junker Z H R 1 5 6 ( 1 9 9 2 ) , 3 9 4 , 4 1 0 f Einschränkungen vorgeschlagen.

358

Vgl Claussen G m b H R 1 9 9 6 , 3 1 6 , 3 2 5 ; Götz/Hegerl D B 1997, 2 3 6 5 , 2 3 6 6 f.

359

Dagegen Κ Schmidt in: Κ Schmidt/Uhlenbruck, Die G m b H in Krise, Sanierung und Insolvenz 2 ( 1 9 9 9 ) , Rdn 9 3 ; S c h o l z / ¿ m G m b H G 9 » 3 2 a / 3 2 b Rdn 4 5 : Der - vermeintlichen - „Sanierungsfeindlichkeit" sei

360

mit einer teleologischen Reduktion des Eigenkapitalersatzrechts zu begegnen. Vgl zum GmbH-Recht B G H Z 81, 311, 3 1 4 ; 105, 168, 175 f m zust Anm Κ Schmidt N J W 1 9 8 8 , 3 1 4 8 sowie Lutter ZIP 1989, 4 7 7 , 4 7 8 f; B G H Z 119, 191, 1 9 6 ; zum Aktienrecht vgl O L G Frankfurt AG 1 9 9 6 , 3 2 4 , 3 2 6 ; aus dem Schrifttum Hiiffer4 Rdn 18; Κ Schmidt Z H R 1 4 7 ( 1 9 8 3 ) , 165, 1 7 7 ; Fleck FS Werner ( 1 9 8 4 ) , S 107, 1 2 0 ff, 1 2 3 f; Ullrich G m b H R 1 9 8 3 , 133, 1 4 3 ; H a c h e n b u r g / U W GmbHG8 § 32a/b Rdn 5 9 ; Scholz/K Schmidt G m b H G 8 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 3 6 ; Baumbach/H«ecè G m b H G 1 6 § 3 2 a Rdn 11, 18, 2 9 ; RothIAltmeppen G m b H G 3 § 3 2 a Rdn 2 6 .

361

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich ν 27. 4 . 1 9 9 8 (BGBl I 786).

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(164)

Grundsatz der Vermögensbindung

§57

insofern wird die Kritik 362 an der Regelung, wie sie in § 32 a Abs 3 S 3 GmbHG konkrete Gestalt gefunden hat, zu berücksichtigen sein. Die Kodifizierung dieses Rechtsgedankens hat aber für das Aktienrecht Signalwirkung. Daher kann es als geboten angesehen werden, auch im Aktienrecht eine Freistellung sanierungsbewirkender Kredite nicht mehr grundsätzlich abzulehnen. 363 Berücksichtigt werden muß allerdings, daß die Vermögensbindung im Aktienrecht strenger ausgestaltet ist als im Recht der GmbH (Rdn 9 f). Deshalb müssen dafür, daß ein eigenkapitalersetzender Sanierungskredit ausnahmsweise nicht der Rechtsfolge einer entsprechend § 57 anzunehmenden Verstrickung unterstellt und im Hinblick auf die Vermögensbindung wie Eigenkapital der AG behandelt wird (Rdn 144 ff, 228 ff), mindestens diejenigen Voraussetzungen 364 vorliegen, die § 32a Abs 3 S 3 GmbHG entsprechen. Streitfragen 365 bei der Bestimmung des genauen Anwendungsfeldes dieser Norm sind im Sinne der Vermögensbindung zu Lasten des Kreditgebers zu lösen. Ob im Aktienrecht weitere Einschränkungen am Platze sind, wird noch zu diskutieren sein. ee) Nichtaktionäre als Adressaten der Eigenkapitalersatzregeln. (1) Neben den Aktionären können auch Dritte Adressat des in Abs 1 S 1 niedergelegten Kapitalerhaltungsgrundsatzes sein, wenn sie - zur Verhinderung einer Umgehung des Einlagenrückgewährverbotes - bei wirtschaftlich-faktischer Betrachtung einem Aktionär gleichzubehandeln sind (Rdn 79 ff). Da die Regeln über die Behandlung eigenkapitalersetzender Gesellschafterleistungen eine besondere Ausprägung des Rechtsgedankens darstellen, wie er in der durch §§ 57 Abs 1 S 1, 62 Abs 1 S 1 normierten Rechtsfolge Ausdruck gefunden hat, ist folgerichtig anzunehmen, daß jene Nichtaktionäre, die dem Verbot aus Abs 1 S 1 unterliegen, diesen Regeln ebenso unterstehen können (auch Rdn 104 mwN). Unter der Voraussetzung, daß Leistungen des Aktionärs als Eigenkapitalersatz zu qualifizieren wären, tragen für an die AG gewährte Kredite mithin insbesondere folgende „Dritte" gleich dem Aktionär Finanzierungsfolgenverantwortung: Der Treugeber von Aktien als Hintermann des Aktionärs (vgl Rdn 8 1 ) 3 6 6 sowie eine Gebietskörperschaft, die über ihre öffentlich-rechtliche Landesbank Aktien hält und damit mittelbar Aktionär ist; 3 6 7 die mit einem Aktionär rechtstatsächlich identische Person (vgl Rdn 82 f); der mittelbare Stellvertreter, der für Rechnung des Aktionärs Kredit gewährt (vgl Rdn 86), 3 6 8 sowie der

362

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365

Κ Schmidt in: Henckel/Kreft, InsR 1998, S 287, 301 f; Hirte ZInsO 1998, 147, 150 ff; ders KapitalgesR 2 (1999), Rdn 762 f; auch Altmeppen ZGR 1999, 291, 2 9 3 ff. So auch Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 16 Rdn 44; Pichler W M 1999, 411, 419; Dauner-Lieb in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 4 . 2 7 sowie Bayer ebd, Rdn 11.26. Ausführt Scholz/K Schmidt GmbHG 9 § 3 2 a / 3 2 b Rdn 1 9 1 - 2 0 2 mwN; Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 32a/b Rdn 7 9 - 8 9 mwN; Dauner-Lieb in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Teil 4 mwN. Die Erläuterungen sind bislang ganz kontrovers, vgl Hirte ZInsO 1998, 147, 150; Dauner-Lieb DStR 1998, 1517 ff; Dörrte

(165)

ZIP 1999, 12 ff; Altmeppen ZGR 1999, 291, 293 ff; Bormann NZI 1999, 389 ff; Pichler W M 1999, 411, 414 ff; Pentz GmbHR 1999, 437, 4 3 9 f, 4 4 8 ff; Haas DZWir 1999, 177, 179 ff; Götz/Hegerl DB 2 0 0 0 , 1385; Η Ρ Westermann DZWir 2 0 0 0 , 1, 6 ff; Casper/Ullrich GmbHR 2 0 0 0 , 4 7 2 ; siehe zu allem Scholz/K Schmidt GmbHG 9 §§ 32 a/32 b Rdn 191 ff; Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 32a/b Rdn 7 9 ff. 366

367

368

Vgl BGHZ 31, 258, 2 6 6 ff; 75, 334, 335; 95, 188, 193; BGH ZIP 1989, 93; 1992, 2 4 2 , 2 4 4 ; NJW 1996, 1341, 1342 = LM § 765 BGB Nr 106 m Anm Noack; einschränkend OLG Hamburg W M 1997, 1846. Vgl BGHZ 105, 168, 176 f m Anm Lutter ZIP 1989, 477, 4 8 2 f. Roth¡Altmeppen GmbHG 3 § 32 a Rdn 58; ders FS Kropff (1997), S 641, 656 mwN;

Hartwig Henze

129

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Ehegatte bzw minderjährige Kinder des Aktionärs, falls die Kreditmittel vom Aktionär stammen; 3 6 9 des weiteren der persönlich haftende Gesellschafter einer Aktien haltenden Personengesellschaft, der in Gesellschaftereigenschaft zugunsten der AG eine Sicherheit stellt und deshalb von seiner Gesellschaft nach §§ 713, 6 7 0 B G B bzw § 110 H G B (§ 161 Abs 2 H G B ) Freistellung verlangen k a n n . 3 7 0 Wird ein Gegenstand, der im Miteigentum eines Aktionärs und eines Dritten steht, der AG zur Nutzung überlassen, dann ist der Bruchteil des Dritten - sofern nicht sonstige Gleichstellungskriterien erfüllt sind - allenfalls dann von den Rechtsfolgen eines Eigenkapitalersatzes betroffen, wenn der Dritte über die Kreditunwürdigkeit informiert ist und in gemeinschaftlichem Zusammenwirken mit dem die Finanzierungsfolgenverantwortung tragenden Aktionär die AG stützen will. 3 7 1 Wer im übrigen lediglich geschäftsleitendes Organ ohne formelle oder wirtschaftliche Beteiligung ist, zählt nicht zu denjenigen Dritten, an die sich das Eigenkapitalersatzrecht richtet. 3 7 2 130

Einem Gesellschafter als Kapitalersatzgeber gleichzustellen ist nach h M auch der „atypische", dh mit gesellschaftergleicher Einflußmöglichkeit ausgestattete Pfandgläubiger eines Anteils (vgl näher Rdn 8 4 mwN). Von diesem Ausgangspunkt wird im Schrifttum vorgeschlagen, auch einen Kreditgeber gesellschaftergleich den Eigenkapitalersatzregeln zu unterstellen, der sich über die getroffene Kreditabrede (iSv sog „financial covenants" 3 7 3 ) eine breite und intensive Möglichkeit der Einflußnahme auf die Geschäftsleitung dadurch sichert, daß er sich zur Gewinnung eines Informationsvorsprunges gegenüber anderen Gläubigern ein Einsichtnahmerecht sowie zur Ausübung eigener Kontrolle Gestaltungsmacht für Strukturänderungen bzw ein Mitspracherecht bei echten unternehmerischen Führungsentscheidungen hat einräumen lassen. 3 7 4 O b und wie die Rspr diesen Gedanken aufgreifen wird, ist offen.

131

(2) Gleichviel, ob eine besondere Verknüpfung zu einem Gesellschaftsmitglied besteht, muß ein Dritter stets die Wirkung des Eigenkapitalersatzes (Rdn 144 ff, 2 2 8 ff), Noack G m b H R 1 9 9 6 , 153, 154 [„Zahlungsmittler"]; B G H G m b H R 2 0 0 0 , 9 3 1 , 9 3 2 . 369

Anders als für die Einlagenrückgewähr (Rdn 9 0 ) erfolgt an dieser Stelle keine pauschale Gleichstellung analog § § 8 9 Abs 3, 115 Abs 2 ; vgl B G H ZIP 1991, 3 6 6 ; N J W 1 9 9 2 , 1167, 1 1 6 8 ; DStR 1 9 9 9 , 810, 811 m Anm Goette; Rowedder G m b H G 3 § 32 a Rdn 3 5 ; Scholz/K Schmidt G m b H G 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 134; Lutter/Hommelhoff G m b H G 1 5 § 32 a / b Rdn 6 2 m w N ; Henze H d b G m b H R 2 ( 1 9 9 7 ) , Rdn 6 0 1 ; aA υ Gerkan G m b H R 1 9 8 6 , 2 1 8 , 2 2 3 .

370

371

Abweichend von § 4 3 2 Abs 2 BGB muß sich der Dritte - jedenfalls - in H ö h e des verstrickten (Gesellschafter-)Bruchteils die Nichtdurchsetzbarkeit der Vergütungsforderung entgegenhalten lassen (arg § 2 4 2 BGB; B G H a a O , im Erg zust Döser a a O ; siehe auch Haas/Dittrich in: ν Gerkan/ Hommelhoff, H d b KapitalersatzR [ 2 0 0 0 ] , Rdn 8 . 9 3 ) .

B G H N J W 1997, 7 4 0 , 741 m Anm Dostal DB 1997, 6 1 3 = DStR 1997, 1 7 2 m Anm Goette = W i B 1997, 2 4 6 m Anm Ihrig = W u B II C § 3 2 a G m b H G 2 . 9 7 m Anm Butzke; R o t h / A l t m e p p e n G m b H G 3 § 3 2 a Rdn 5 8 . Vgl dazu Jebens/Wagner DB 1 9 9 8 , 2 2 5 3 , 2 2 5 5 ; im gl Sinne Scholz/K Schmidt G m b H G 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 141; offengelassen in B G H N J W 1997, 3 0 2 6 , 3 0 2 7 = L M § 3 0 G m b H G N r 5 5 m Anm Döser = DStR 1997, 1 2 9 8 m Anm Goette. - Zudem:

372

B G H Z 1 2 6 , 181, 1 8 7 f.

373

Vgl dazu Köndgen in: Prütting, InsR 1 9 9 6 , S 127; Thiessen Z B B 1 9 9 6 , 19; Wittig W M 1 9 9 6 , 1381; Alberth WPg 1997, 7 4 4 ; Fleischer ZIP 1 9 9 8 , 313; Habersack Z G R 2 0 0 0 , 3 8 4 , 3 9 3 ff, 4 1 8 f.

374

Eingehend und befürwortend Fleischer ZIP 1 9 9 8 , 313 ff; zuneigend Lutter/Hommelhoff G m b H G 1 5 § 32 a / b Rdn 5 5 ; abl hingegen Früh G m b H R 1 9 9 9 , 8 4 2 f sowie Habersack Z G R 2 0 0 0 , 3 8 4 , 3 9 3 ff, 3 9 5 , 3 9 7 [Begr: kein gesellschaftsrechtlich bedingtes Interesse]; zurückhaltend auch Scholz/ Κ Schmidt G m b H G 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 141 [keine Gleichstellung, solange sich Kontrolle auf Kreditsicherung beschränkt].

S t a n d : 1. 3. 2 0 0 0

(166)

§57

Grundsatz der Vermögensbindung

die ein für die Finanzierungsfolgen verantwortlicher Aktionär hervorgerufen hat, gegen sich gelten lassen, wenn er Rechte an oder aus dem eigenkapitalersetzenden Gegenstand erwirbt. So wird der Charakter einer Forderung aus einem eigenkapitalersetzenden Kredit nicht dadurch berührt, daß der Aktionär sich ihrer durch Abtretung entledigt bzw sich eine cessio legis vollzieht. 375 Auch ohne die Last einer Finanzierungsfolgenverantwortung hat der Zessionar keine weitergehenden Rechte als der zedierende Aktionär (§ 404 BGB). Das gleiche kann bei Veräußerung einer beweglichen Sache zutreffen, mit deren Überlassung an die AG ein Aktionär Gesellschaftskapital ersetzt hat: Erlangt der Erwerber Eigentum 376 nach § 931 BGB, kann sich die AG entsprechend § 986 Abs 2 BGB auf den Umstand des Eigenkapitalersatzes berufen; 377 selbst eine diesbetreffende Gutgläubigkeit des Erwerbers ändert nichts an der Pflicht, die Sache im Vermögen der AG zu belassen (§ 936 Abs 3 BGB analog). Gelingt dem Aktionär eine Veräußerung der zur Nutzung überlassenen Mobilie nach §§ 929 bzw 930 BGB, so ist über die Frage, ob der Eigenkapitalersatzcharakter zu Lasten des Erwerbers fortbesteht, analog § § 145 Abs 2 InsO, 15 Abs 2 AnfG zu entscheiden. 378 Für unbewegliche Sachen nehmen die §§ 571, 580, 581 BGB den Erwerber gleich dem Aktionär in die Pflicht. 379 Bislang nicht abschließend geklärt ist, wann ein Dritter sich die Rechtsfolgen der Eigenkapitalersatzregeln entgegenhalten lassen muß, der einem Aktionär, den die Finanzierungsfolgenverantwortung trifft, ein Gebrauchsrecht einräumt, woraufhin der Aktionär diesen Gegenstand im Wege der Untermiete/-pacht in eigenkapitalersetzender Weise der AG zur Nutzung überläßt („mittelbare Nutzungsüberlassung").380 War der Aktionär nur obligatorisch berechtigt (§§ 535 ff, 581 ff BGB), wird man davon auszugehen haben, daß eine eigenkapitalersetzende Wirkung zugunsten des Eigentümers als beendet anzusehen ist, sobald er sich von dem Aktionär löst (§ 564 BGB); dann greift die Wertung der §§ 556 Abs 3, 985 f BGB Platz; 381 auf subjektive Merkmale bei dem Eigentümer kommt es dafür nicht an. 3 8 2 War der Aktionär Nießbraucher (§§ 1030 ff BGB), so finden für überlassene Immobilien bei Ende dieser dinglichen Berechtigung (§ 875 BGB) im Rahmen einer entsprechenden Geltung der §§ 1056, 571 BGB die Eigenkapitalersatzregeln auch gegenüber dem Eigentümer Anwendung.

132

(3) Besondere praktische Relevanz weist die Fallgruppe der verbundenen Unternehmen als den Eigenkapitalersatzregeln unterworfene „Dritte" auf (vgl parallel Rdn 92 ff). Von vornherein kein konzernspezifisches Problem ergibt sich, wenn im Rahmen eines Unternehmensverbundes das kreditgebende Unternehmen, das keine Aktien der zum Verbund gehörenden AG, an die es leistet, besitzt, für Rechnung eines Aktionärs dieser AG deren Eigenkapital ersetzt (arg §§ 16 Abs 2 S 3, Abs 4 Fall 2). Hier folgt die Geltung des Eigenkapitalersatzrechtes unabhängig davon, wie sich daneben die gesellschaftsrechtliche Verknüpfung zwischen Aktionär und Kreditgeber darstellt, schon aus dem Umstand der durch die mittelbaren Stellvertretung erfolgten Risikoübernahme

133

375

Röhricht JbFfSt 1 9 9 1 / 9 2 , 313, 3 3 4 ; Roth/ Altmeppen G m b H G 3 § 32 a Rdn 7 7 ; Scholz/ Κ Schmidt G m b H G 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 140 m w N ; ν Gerkan in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 3 . 3 8 .

376

Das gleiche gilt nach 5 1032 BGB in dem Fall, daß der Aktionär einem Dritten einen Nießbrauch bestellt.

377

Gl Ansicht Haas/Dittrich in: ν Gerkan/ Hommelhoff, H d b KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 8.111.

(167)

378

Abw Haas/Dittrich

379

In arg § 5 7 3 BGB aA Haas/Dittrich Rdn 8 . 1 1 0 . Vgl dazu B G H N J W 1 9 9 3 , 2 1 7 9 f.

380

a a O , Rdn 8.109. aaO,

381

So auch Scholz/K Schmidt G m b H G 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 141; Haas/Dittrich in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 8.91.

382

Richtig Κ Schmidt a a O ; fragwürdig insoweit Jebens/Wagner DB 1 9 9 8 , 2 2 5 3 , 2 2 5 4 f.

Hartwig Henze

§57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

(Rdn 129). Für das Vorliegen solch eines Auftretens „für Rechnung" spricht im Einzelfall ein nicht ungewichtiges Indiz:3S3 Gemessen an typisch kaufmännischem Finanzierungsverhalten muß es ungewöhnlich erscheinen, wenn ein Unternehmen in eine kreditunwürdige AG, zu der es keine unmittelbare gesellschaftsrechtliche Verbindung hat, die aber zufällig? - zur selben Gruppe gehört, auf eigenes Risiko Kapital investieren würde. 134

Über die genaue Behandlung von einander kreditgebenden konzernierten Unternehmen im Hinblick darauf, wer für wessen nicht ordnungsgemäß kaufmännische Finanzierung ggf die Rechtsfolgen des Eigenkapitalersatzes tragen muß, besteht kein vollständiger Konsens. Die Rspr orientiert sich an den in §§ 15-18 getroffenen Wertungen und sieht in diesem Sinne verbundene Unternehmen als Finanzierungseinheit an. 3 8 4 Das steht mit dem gesetzgeberischen Willen in Einklang: § 32 a Abs 5 S 2 RegE 1977 GmbHG-Novelle 1980 sah diesen Tatbestand ausdrücklich so vor; 385 diese Regelung ist, ohne daß damit eine sachliche Änderung bezweckt war, 3 8 6 in der Generalklausel des § 32 a Abs 3 S 1 GmbHG aufgegangen. 387 Der dort niedergelegte allgemeine Rechtsgedanke ist auch für das Aktienrecht maßgebend. Für ihn spricht, daß - die praktische Häufigkeit bestätigt dies - die komplexen Strukturen eines Konzerns in besonderer Weise zu Umgehungsversuchen einladen. Es ist daher geboten, die Rechtsfolgen des Eigenkapitalersatzes möglichst weitgehend anzuwenden. Mithin ist dem von der Rspr aufgegriffenen Kriterium - trotz teilweiser Kritik des Schrifttums 388 - zu folgen. 389 Im einzelnen:

135

- Kreditvergabe durch die Muttergesellschaft (M) des für die Finanzierungsfolgen verantwortlichen Aktionärs (A) an die AG als ihre Enkelgesellschaft (E). Zunächst besteht Einigkeit für den Fall, daß A eine - nahezu - 100 %-ige Tochtergesellschaft von M ist. Zutreffend ist hier M mit A gleichzusetzen. Dabei spielt es für das Ergebnis keine Rolle, ob man diese Konstellation als Variante der Treuhand mit M als Treugeber in konzernrechtlichem Gewände begreift 390 oder darauf abstellt, daß M und A zu einer „wirtschaftlichen Einheit" verbunden sind; 391 beides ist als Begründung tragfähig. Diese Gedanken tragen auch dann, wenn der Verbund zwar nicht auf einer Alleinbeteiligung beruht, M jedoch deshalb nicht losgelöst von A betrachtet werden kann, weil A in M eingegliedert ist (§§ 319 ff) oder vertraglich (§§ 291 ff) bzw qualifiziert faktisch 3 9 2 von 383

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Vgl Altmeppen FS Kropff (1997), S 641, 665; auch Johlke in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 5.47. BGH NJW 1991, 357, 358; 1991, 1057, 1059; ZIP 1992, 242, 244; OLG Düsseldorf DB 1997, 521; vgl ferner die Nachw bei Michalski DZWir 1991, 285, 2 8 9 ff; Henze Hdb GmbHR 2 (1997), Rdn 599. Siehe BT-Drucks 8/1347, S 10 = BR-Drucks 404/77, S 10. Siehe Ausschußber BT-Drucks 8/3908, S 74; Deutler GmbHR 1980, 145, 149. Vgl BGHZ 81, 311, 315 mwN. Roth1Altmeppen GmbHG 3 § 32 a Rdn 64; ders FS Kropff (1997), S 641, 661 ff; Lutter ZIP 1989, 477, 4 8 0 ; Noack GmbHR 1996, 153, 155, 157; Karollus FS Claussen (1997), S 199, 2 0 5 ; Cabn Kapitalerhaltung im Konzern (1998), S 238; Johlke in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 5.38 ff und Fleischer ebd,

Rdn 12.19, 12.24 ff; auch ν Gerkan ZGR 1997, 173, 182; vgl ferner diejenigen, nach denen die §§ 15 ff allenfalls iSe widerlegbaren "Vermutung anzuwenden sind: Rowedder GmbHG 3 § 32 a Rdn 37; Scholz/ Κ Schmidt GmbHG 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 136; Priester ZBB 1989, 30, 36; vgl auch Fleischer aaO, Rdn 12.14 f, 12.18. 389

Baumbach/Hueck GmbHG 1 6 § 32 a Rdn 24; Hachenburg/U/mer GmbHG 8 § 32a/b Rdn 121; Timm/Geuting ZIP 1992, 525, 528; Hüffer Z H R 153 (1989), 322, 3 3 0 ff; Kühbacher Darlehen an Konzernunternehmen (1993), S 63 ff, 69, 88 f.

390

So OLG Düsseldorf ZIP 1995, 465, 4 6 6 ; Noack GmbHR 1996, 153, 154. BGHZ 81, 311, 315. Vgl dazu BGHZ 122, 123 mwN; Kubier NJW 1993, 1204; Κ Schmidt ZIP 1993, 549; Η Ρ Westermann ZIP 1993, 554; Ebenroth/Wilken ZIP 1993, 558; Schulze-Oster

391 392

Stand: 1. 3. 2000

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Grundsatz der Vermögensbindung

§57

M beherrscht wird. 3 9 3 Weitergehend muß für eine Befürwortung der Gleichstellung genügen, daß M an A mehrheitlich beteiligt ist oder faktisch die „Hauptversammlungsmehrheit" 3 9 4 der Stimmen innehat und dadurch - es sei denn, die Mehrheitsbeteiligung ist aufgrund einer innerhalb von A geltenden Bestimmung nach § 133 Abs 1 HS 2 bzw § § 4 7 Abs 1, 45 Abs 2 GmbHG einflußlos - über das Schicksal der von A an E gehaltenen Aktien bestimmen kann; 3 9 5 das entspricht dem Rechtsgedanken der § § 1 6 Abs 1, 17 Abs 2 . 3 9 6 Ohne diese Mehrheit kann ein Eintritt von M in A's Finanzierungsfolgenverantwortung nicht angenommen werden. 397 Zwar ist denkbar, daß die mittelbare Beteiligung von M an E rechnerisch eine Sperrminorität (vgl Rdn 120 ff) ausmacht und auch die jeweils unmittelbaren Beteiligungsquoten hinreichen, um bei M für A und bei A für E die Finanzierungsfolgenverantwortung zu begründen. 398 Allerdings kann M mangels positiven Durchsetzungsvermögens innerhalb A ihren Einfluß nicht auf E durchmitteln (es sei denn, es treten weitere einflußvermittelnde Umstände hinzu). 399 Tatsächlich hat M in diesem Fall in Bezug auf E somit keine unternehmerische Position inne. - Kreditvergabe durch die Großmuttergesellschaft (G) des finanzierungsfolgenverantwortlichen (Enkel-)Aktionärs (A) an die AG als ihre Urenkelgesellschaft (U). In diesem Fall 4 0 0 gilt das Vorstehende (Rdn 135) entsprechend, wenn sowohl die Verbindung zwischen G und M als auch diejenige zwischen M und A die genannten Kriterien erfüllen; G ist dann als - mittelbarer - Aktionär von U anzusehen (vgl § 16 Abs 4).

136

- Kreditvergabe durch eine Schwestergesellschaft (S) des finanzierungsfolgenverantwortlichen Aktionärs (A) an ihre Nichten-AG (N) = Tochtergesellschaft des A. Diese Konstellation unterscheidet sich von den vorstehenden (Rdn 135 f) dadurch, daß nicht die Muttergesellschaft (M) selbst den Kredit an Ν (= M's Enkel) gibt, sondern M sich ihrer Tochter S (= A's Schwester) bedient. Dieses Manöver ist unter konzernrechtlichen Gesichtspunkten dann gleichzubewerten mit einer Kreditgewährung durch A, wenn M an S ebenso wie an A zumindest mehrheitlich beteiligt ist oder eine gar stärkere Verbundform - Eingliederung oder vertragliche bzw qualifiziert faktische Konzernierung besteht (vgl § 18 Abs 1 iVm §§ 16 Abs 1, 17 Abs 2; zudem Rdn 139). 4 0 1

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lob ZIP 1993, 1838; Lutter JZ 1993, 580; U H Schneider WM 1993, 782; Drygala GmbHR 1993, 317; Goette DStR 1993, 568; Krieger ZGR 1994, 375; Hotnmelkoff ZGR 1994, 395. Noack GmbHR 1996, 153, 155 f; Lutter/ Hommelhoff GmbHG15 § 32a/b Rdn 64. Vgl BGHZ 69, 334, 347 m Anm Zöllner AG 1978, 40; BGHZ 135, 107, 114 f (ebenso Vorinstanz: OLG Braunschweig AG 1996, 271, 273 m krit Anm Mertens 241, 245); ferner LG Berlin AG 1996, 230, 231 f und 1997, 183, 184 f; Bayer in: MünchKommAktG2 § 17 Rdn 35; Großkomm- Windbichler4 § 17 Rdn 24; KK-Koppensteiner2 § 17 Rdn 35 f mwN. Vgl BGH ZIP 1999, 1314, 1315 = NZG 1999, 939 m Anm Schlitt = GmbHR 1999, 916 m Anm Bahr·, Fleischer in: ν Gerkan/ Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 12.12.

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400 401

Vgl auch Scholz/K Schmidt GmbHG9 §§ 32a/32b Rdn 135; einschränkend Lutter/Hommelhoff GmbHG15 § 32a/b Rdn 64; abl Noack GmbHR 1996, 153, 155. Vgl OLG Hamm GmbHR 1998, 834, 835. Bsp: Besitzt A 72 % der Ε-Aktien und hält M 36 % der Anteile an A, dann ist M an E mittelbar - zu knapp 26 % beteiligt; über eine Finanzierungsfolgenverantwortung von M für E ist allein damit aber noch nichts ausgesagt; vgl ferner den Gedanken bei Fleischer in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 12.17. Für unmaßgeblich hält dies wohl Altmeppen FS Kropff (1997), S 641, 661 f; zutreff hingegen Fleischer in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 12.13. Vgl OLG Hamm ZIP 1989, 1398. Dezidiert aA Altmeppen FS Kropff (1997), S 641, 665, der für die Gleichstellung stringent darauf achtet, ob der „Dritte"

Hartwig Henze

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

138

- Kreditvergabe an die AG durch ihre Tochtergesellschaft = Enkelgesellschaft (E) des finanzierungsfolgenverantwortlichen Aktionärs (A). Hier bilden A und E eine hinreichende wirtschaftliche Einheit, falls über eine jeweilige Mehrheitsbeteiligung zwischen A und der AG sowie zwischen der AG und E die Voraussetzungen des § 16 Abs 4 gegeben sind. Es bestehen dann typische konzernierungsbedingte Einflußmöglichkeiten, die es rechtfertigen, die für A bestehende Finanzierungsfolgenverantwortung auch E aufzuerlegen (str). 4 0 2 Daran ändert es nichts, daß dieser unternehmerische Einfluß auf der Linie vermittelt wird, auf der auch die AG liegt, deren Eigenkapital ersetzt wird.

139

- Kreditvergabe durch eine Tochtergesellschaft (T) des finanzierungsfolgenverantwortlichen Aktionärs (A) an ihre Schwester-AG (S). Handelt es sich bei S und Τ um Konzernunternehmen iSv § 18 Abs 1, die der Leitung durch A unterstehen, dann ist Τ für Fragen des Eigenkapitalersatzes aktionärsgleich zu behandeln. 4 0 3 Darüber hinaus gilt aber auch, daß jedes Unternehmen, an dem ein Aktionär zu mehr als 5 0 % beteiligt ist und das dadurch maßgeblich von ihm beherrscht wird (vgl aber § 133 Abs 1 HS 2; §§ 4 7 Abs 1, 4 5 Abs 2 GmbHG), für Leistungen an die AG gleich dem Aktionär den Eigenkapitalersatzregeln unterliegt. 4 0 4 Letzteres ist in der Lit bestritten; 4 0 5 nach dort zum Teil vertretener Ansicht soll das nur dann anzunehmen sein, wenn Τ in A eingegliedert ist oder von A vertraglich oder qualifiziert faktisch beherrscht wird, da in diesem Fall die Mittel, die Τ an S verliert, im Zweifel von A getragen werden (vgl §§ 3 2 2 , 3 0 2 ) . 4 0 6

140

- Beim typischen Fall der schaft, die nicht unmittelbar koordinative Konzernspitze Schwestergesellschaft einem

402

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Betriebsaufspaltung in eine Betriebs- und eine Besitzgesellmiteinander verflochten sind, deren Gesellschafter aber als jeweils - ganz oder beinahe - identisch sind, ist die eine Gesellschafter der anderen Schwestergesellschaft gleich-

(hier: S) mit eigenem Risikokapital beim Kreditnehmer (hier: N) beteiligt ist, woran es hier fehle; außerdem rückt er zur Begründung den Aspekt in den Vordergrund, daß die Einbeziehung in den Kreis derjenigen Kreditgeber, die Finanzierungsfolgenverantwortung tragen, für Gesellschaften, die ihrerseits abhängig sind, deswegen kaum zu rechtfertigen sei, weil sie selbst und zumal ihre Gläubiger schutzbedürftig seien (vgl Altmeppen aaO, S 662 ff). Vgl BGH NJW 1991, 1057, 1059; ferner BGHZ 105, 168, 176 f und dazu Henze Hdb GmbHR 2 (1997), Rdn 599 mwN; dezidiert aA Altmeppen FS Kropff (1997), S 641, 662 ff sowie RothIders GmbHG3 § 32 a Rdn 67, der den Umstand betont, daß E in die AG kein Risikokapital investiert hat; auch Cahn Kapitalerhaltung im Konzern (1998), S 238 ff, der anderenfalls die Kapitalerhaltung bei E unterlaufen sieht [vielmehr werde M in die Haftung einbezogen]; ebenso Fleischer in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 12.19. BGH ZIP 1992, 242, 244; zust Scholz/ Κ Schmidt GmbHG 9 §§ 32a/32b Rdn 135; Timm/Geuting ZIP 1992, 525, 528; vgl

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auch Hüffer ZHR 153 (1989), 322, 331; ferner BGH DStR 1999, 553 m Anm Goette 554; dagegen sieht Roth1 Altmeppen GmbHG3 § 32 a Rdn 65 kein taugliches Kriterium in § 18. BGH ZIP 1999, 1314, 1315 = NZG 1999, 939 m Anm Schlitt = GmbHR 1999, 916 m Anm Bähr; vgl auch OLG Hamburg ZIP 1996, 709, 710. Gänzlich abl Roth1Altmeppen GmbHG3 § 32a Rdn 68 und ders FS Kropff (1997), S 641, 665: Zum einen fehle die Risikokapitalbeteiligung, zum anderen sei der Gläubigerschutz der ihrerseits abhängigen Kreditgeberin nicht hintanzustellen; krit genauso Fleischer in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 12.24. In diese Richtung Priester ZBB 1989, 30, 36; Lutter/Hommelhoff GmbHG 15 § 32a/b Rdn 63 f; Fleischer in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 12.25 f; für den Vertragskonzern so Noack GmbHR 1996, 153, 156, 157. Vgl iü zum potentiellen Konflikt mit dem Verbot der Einlagenrückgewähr Cahn Kapitalerhaltung im Konzern (1998), S 242 ff; auch Karollus FS Claussen (1997), S 199, 206 f.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Grundsatz der Vermögensbindung

§ 5 7

zustellen: 4 0 7 Ist die Betriebsgesellschaft eine AG, unterliegen Kredite, die ihr von der Besitz(schwester)gesellschaft gewährt werden, dem aktienrechtlichen Eigenkapitalersatzrecht ebenso wie wenn ein Aktionär der Betriebsgesellschaft dieser den Kredit - unmittelbar - gewährt hätte. Soweit hier die Aktionäre der Betriebs-AG ausnahmsweise nicht identisch sind mit den Besitzgesellschaftern, stehen auch letztere den Betriebsaktionären gleich. 4 0 8 ff) Konsortialkredite. 4 0 9 Bisweilen tritt der Aktionär im Zusammenschluß mit anderen - meist institutionellen - Kreditgebern auf (Konsortium). Bei einer Kreditvergabe durch ein (echtes) Außenkonsortium erfolgt dabei eine koordinierte Valutierung; quotai kreditiert jeder einzelne Konsorte gegenüber der AG aber im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Diese Risikoteilnahme von Fremdgläubigern an der Finanzierungsaktion zeigt regelmäßig, daß die Gesellschaft auch für Dritte noch kreditwürdig ist, so daß schon deshalb eine Anwendung der Regeln über den Eigenkapitalersatz ausscheiden wird. 4 1 0 Freilich gilt etwas anderes, wenn den außenstehenden Kreditgebern das Kreditrisiko von Seiten des Aktionärs durch interne Sicherheitsbestellung abgenommen wird. Im wirtschaftlichen Ergebnis liegt dann kein (echter) Fremdkredit vor, so daß das Geschäftsverhalten der dritten Konsorten für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit nichts hergibt. 4 1 1 Soweit danach oder sonst nach Lage des Einzelfalles die Kreditunwürdigkeit der AG zu bejahen ist, sind dennoch neben dem Gesellschafter(konsorten) nicht auch die dritten Konsorten in den Eigenkapitalersatz involviert: Ihnen kommt keine Finanzierungsfolgenverantwortung zu. Der lediglich praktisch einheitliche Vollzug der Kreditgewährung ändert daran nichts. Es haftet allein die Kreditquote des Aktionärs (ganz hM).

141

Weniger übereinstimmend wird die Rechtslage im Falle eines Innenkonsortiums beurteilt, also dann, wenn im Außenverhältnis zur AG allein der Aktionär rechtsförmlich als Kreditgeber auftritt, während die Kapitalbeschaffung und Risikoteilung intern zwischen dem Aktionär und Dritten abläuft. 4 1 2 Das wirft die Fragen auf, ob erstens die mittelbare - Kreditbeteiligung Dritter, obwohl diese rechtlich nicht mit der AG in Berührung kommen, Indiz gegen eine Kreditunwürdigkeit der AG ist, und verneinendenfalls ob zweitens der ganze Kredit als Eigenkapitalersatz zu qualifizieren ist oder das nur für die intern auf den Finanzierungsfolgenverantwortlichen entfallende Quote zutrifft. Für die Antwort auf die erste Frage ist darauf abzustellen, ob zuletzt jeder Konsorte ein

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Vgl B G H Z 121, 31, 3 4 f; 127, 1, 5 ; auch O L G Dresden N Z G 1999, 5 9 4 ; Fleischer in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 1 2 . 2 2 ; Rowedder GmbHG3 § 32 a Rdn 36 m w N ; Noack G m b H R 1 9 9 6 , 1 5 3 , 1 5 6 f. Vgl Scholz/K Schmidt G m b H G 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 137 m w N ; Roth!Altmeppen GmbHG3 § 32 a Rdn 6 6 . Eingehend Preissler Eigenkapitalersetzende Darlehen und konsortiale Kreditvergabe durch Banken ( 1 9 9 7 ) ; ν Gerkan in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 3 . 6 6 ff; Rümker FS Stimpel (1985), S 6 7 3 , 7 0 0 ff.

410

Vgl B G H Z 105, 168, 1 8 4 m w N ; ν aaO, Rdn 3.67.

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Gerkan

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Vgl B G H Z 105, 168, 185; ν Gerkan a a O , Rdn 3 . 7 4 . Zu der Konstellation, daß der Gesellschafter einer der - nicht führenden - Innenkonsorten ist, siehe υ Gerkan in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 3 . 7 2 : Formal liegt zwar ein Fremdkredit vor; nach der (maßgeblichen) wirtschaftlichen Betrachtung ist in Höhe der Konsortialquote aber der Kredit zu Lasten des Gesellschafters verhaftet, sofern - wie idR - der Gesellschafter-Konsorte nach der Konsortialabrede sein (anteiliges) Kreditrisiko selbst tragen soll: Denn hier gibt ein Dritter der AG auf - teilweises - Risiko eines Aktionärs Kredit (vgl Rdn 129); ferner BGH G m b H R 2 0 0 0 , 931 f.

Hartwig Henze

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Ausfallrisiko übernimmt oder sich im Innenverhältnis - zumal von dem Gesellschafterkonsorten - freistellen lassen kann. Findet eine Risikoverteilung auch auf die Nichtgesellschafterkonsorten statt, dann bedeutet dies in gleicher Weise wie beim Außenkonsortium in aller Regel die Kreditwürdigkeit der AG. 4 1 3 Denn darin äußert sich ein Zutrauen gesellschaftsfremder Dritter auf die Solvenz der Gesellschaft, für das es auf den Umstand einer Offenlegung nicht ankommt; insofern spielt es für die Innenkonsorten keine Rolle, ob sie für die Kreditrückgabe über den für ihre Rechnung handelnden Zahlungsmittler bedient werden oder ihnen eigene Ansprüche gegen den Kreditnehmer zustehen. Fehlt dennoch die Kreditwürdigkeit, stellt sich die - zweite - Frage nach dem Umfang, in dem der Innenkonsortialkredit den Eigenkapitalersatzregeln unterliegt. Wenig einleuchtend erscheint hierbei, zwischen „offenem" und „verdecktem" Innenkonsortium unterscheiden zu wollen. 414 Denn der Eintritt der Rechtsfolgen des Eigenkapitalersatzes basiert weniger auf Gesichtspunkten eines Vertrauensschutzes, sondern orientiert sich an objektiven Finanzierungsgrundsätzen.415 Sodann mag bei materieller Betrachtung der nach außen konsortialführende Aktionär keine Finanzierungsentscheidung in voller Höhe des ausgereichten Kredits, sondern nur eine quotale getroffen haben. 416 Die Rspr hat jedoch für den Treuhänder-Gesellschafter betont, daß es auf die sachlichen Motive von Leistungen ebenso wie die internen Regelungen zwischen ihm und seinem Auftraggeber nicht ankommt. 417 Damit vergleichbar ist die vorliegende Konstellation. Deshalb ist die Trennung zwischen der den Kredit nehmenden Gesellschaft und den „Hintermännern" beachtlich; die Verhaftung des Kredits beurteilt sich nach den Rechtsverhältnissen zwischen den Kreditparteien und ergibt sich ggf in voller Höhe. 4 1 8 Umgekehrt beeinflussen Spezifika dieses Verhältnisses nicht die - davon eben getrennten - gesellschaftsfremden Innenkonsorten. Sie können im Innenverhältnis von dem Konsortialführer Verteilung der Beträge verlangen, die die AG gegenüber einem Kreditgeber ohne Finanzierungsfolgenverantwortung zurückzuzahlen verpflichtet und in der Lage gewesen wäre. 143

gg) Folgenverantwortung für Kredite an „Dritte". Der Aktionär trägt Finanzierungsfolgenverantwortung grundsätzlich nur im Hinblick auf die Gesellschaft, an der er beteiligt ist. Im übrigen kann er ohne die Einschränkungen, die diese Position mit sich bringt, Dritten Kredit gewähren. Nicht zu verkennen ist allerdings, daß es der Aktionär dann nicht mit einem echten Dritten zu tun hat, wenn der ausgereichte Kredit bei der Person des Kreditnehmers de facto in der Hand der AG liegt. Im Falle der Kreditunwürdigkeit der AG erfassen die Regeln über eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen somit beispielsweise eine Kreditleistung des Aktionärs, die auf ein von einem Treuhänder

413

Lutter/Hommelhoff Rdn 4 2 .

GmbHG15 § 32a/b

414

So aber Hüffer Z H R 1 5 3 ( 1 9 8 9 ) , S 3 2 2 , 3 2 6 f; Claussen FS Forster ( 1 9 9 2 ) , S 139, 1 4 2 ; zutreff dagegen Lutter/Hommelhoff G m b H G 1 5 § 3 2 a/b Rdn 4 2 .

415

Ähnlich Lutter ZIP 1989, 4 7 7 , 4 8 3 .

416

N a c h Lutter ZIP 1989, 4 7 7 , 4 8 3 überlagere das nun die formelle Position; genauso Früh G m b H R 1999, 8 4 2 , 8 4 6 .

417

Vgl B G H Z 105, 168, 174 f m zust Anm Lutter ZIP 1989, 4 7 7 , 4 8 2 f und Priester Z B B 1989, 3 0 , 3 3 ; a A Rümker FS Stimpel

( 1 9 8 5 ) , S 6 7 3 , 6 8 8 ; dem zuneigend für eindeutige Fälle Hüffer Z H R 1 5 3 ( 1 9 8 9 ) , 3 2 2 , 3 2 7 ff. 4,8

ν Gerkan in: ν Gerkan/Hommelhoff, H d b KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 3 . 7 1 ; Priester Z B B 1989, 3 0 , 3 3 ; ν Gerkan Z G R 1997, 173, 181; Lutter/Hommelhoff GmbHG15 § 3 2 a/b Rdn 4 2 ; Schwintowski/Schäfer BankR ( 1 9 9 7 ) , § 7 Rdn 2 2 0 ; aA Rümker FS Stimpel ( 1 9 8 5 ) , S 6 7 3 , 7 0 2 ; beim „offenen" Innenkonsortium auch Hüffer Z H R 1 5 3 ( 1 9 8 9 ) , 3 2 2 , 327.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(172)

§57

Grundsatz der Vermögensbindung

für Rechnung der AG geführtes Anderkonto gebucht wird. 4 1 9 O b das auch in dem Fall anzunehmen ist, daß der finanzierungsfolgenverantwortliche Aktionär den Kredit nicht an seine kreditunwürdige AG vergibt, sondern an ein mit ihr vertraglich (§ 291 Abs 1 S 1) oder qualifiziert faktisch konzerniertes Unternehmen bzw an eine in die AG eingegliederte Gesellschaft ( § § 3 1 9 ff), ist streitig. 4 2 0 4. Die Wirkung eigenkapitalersetzender Fremdkapitalgewährung a) Grundsatz. Der gegebene Fremdkredit wird in haftendes Eigenkapital der AG umqualifiziert, bis die Krise überwunden und damit der Zweck des Kredites - nachhaltig - erreicht ist. 4 2 1 Das der Gesellschaft gewährte Kapital zählt damit - solange nötig - zu dem nach Abs 1 S 1 gebundenen Vermögen. Eine Zinszahlung ist für diese Zeit analog Abs 2 verboten (Rdn 1 6 7 ) . 4 2 2 Bei der Gebrauchsüberlassung von Sachgütern darf für die Dauer der Umqualifizierung kein Nutzungsentgelt (§§ 5 3 5 S 2, 581 Abs 2 BGB) entrichtet werden. 4 2 3 Damit ergibt sich als regelmäßige Rechtsfolge (ausführl Rdn 2 2 8 ff): Wird das als Eigenkapitalersatz gebundene Vermögen angegriffen, indem dem Aktionär das von ihm geleistete Kreditkapital zurückgewährt oder ein Zins b e z a h l t 4 2 4 wird, so liegt ein Verstoß gegen § 5 7 vor. Es greift eine Rückerstattungspflicht entsprechend § 6 2 Abs 1 ein. Erst wenn infolge Überwindung der Krise dem Kredit kein eigenkapitalersetzender Charakter mehr beizumessen ist, fällt das Rückzahlungsverbot weg und der Aktionär kann gleich einem außenstehenden Kreditgläubiger Rückzahlung des Kreditbetrages verlangen. 4 2 5 Für die Tatsache, daß die Gesellschaft nach eingetretener Kreditunwürdigkeit ihre Kreditwürdigkeit (nachhaltig) wiedererlangt hat und damit der eigenkapitalersetzende Charakter der Kreditforderung weggefallen ist, trägt derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der sich hierauf beruft. 4 2 6 Bei der Geltendmachung der Forderung ist demnach grundsätzlich der Gesellschafter als Gläubiger darlegungs- und beweispflichtig für die EntSperrung seines Kredits. 4 2 7 Anders kann das dann sein, wenn der Gesellschafter mittlerweile aus der Gesellschaft ausgeschieden ist oder die verstrickte Rückforderung abgetreten hat und damit in jedem Fall der Gläubiger des - freilich dennoch weiterhin als Eigenkapitalersatz verhafteten (Rdn 126, 131) - Kredits keine Möglichkeit mehr hat, sich 419

O L G Düsseldorf ZIP 1 9 9 8 , 2 1 0 1 , 2 1 0 3 m Anm ν Gerkan E W i R 1 9 9 9 , 2 5 , 2 6 .

420

Dafür wohl Lutter/Hommelhoff GmbHG15 § 3 2 a / b Rdn 6 5 ; abl RothIAlimeppen G m b H G 3 § 32 a Rdn 6 9 ; ders FS Kropff ( 1 9 9 7 ) , S 6 4 1 , 6 6 5 f.

Vgl B G H Z 31, 2 5 8 ; 81, 2 5 2 ; 9 0 , 3 7 0 und 3 8 1 ; 109, 5 5 ; B G H W M 1 9 6 3 , 121; ZIP 1 9 9 0 , 9 8 , 101; iü bereits RG J W 1 9 3 9 , 3 5 5 , 3 5 6 ; auch BR-Drucks 4 0 4 / 7 7 , S 3 9 ; ferner RothIAltmeppen G m b H G 3 § 3 2 a Rdn 2 3 m w N ; Henze H d b G m b H R 2 ( 1 9 9 7 ) , Rdn 4 9 4 ff, 6 0 6 ff. 422 Verboten ist die Zins Zahlung, dem Zins lauf steht die Rückzahlungssperre nach ganz h M nicht entgegen, B G H N J W 1 9 9 6 , 1341, 1 3 4 3 m w N ; zust Scholz/K Schmidt G m b H G 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 77, 110 m w N ; RothIAltmeppen G m b H G 3 § 32 a Rdn 3 3 ; Priester Z G R 1 9 9 9 , 5 3 3 , 5 4 2 ; Maser ZIP

1 9 9 5 , 1319, 1 3 2 1 ; nunmehr ebenso Lutter/Hommelhoff GmbHG15 § 32a/b Rdn 1 0 4 ; vgl auch ν Gerkan Z G R 1997, 173, 2 0 0 f; ferner ausführl Sieker Z G R 1 9 9 5 , 2 5 0 ff. Die laufenden Zinsen sind folglich gutzuschreiben, bis sie nach einem Ende der Krise zu bedienen sind.

421

(173)

423

B G H Z 109, 5 5 , 6 6 ; B G H N J W 1991, 1057, 1 0 5 9 ; 1 9 9 3 , 2 1 7 9 , 2 1 8 0 ; 1997, 3 0 2 6 .

424

Ggf muß der Insolvenzverwalter für jede einzelne Zinszahlung belegen, daß sie zu einem Zeitpunkt erfolgte, in welchem eine Krisensituation iSd Eigenkapitalersatzrechtes vorlag, B G H DStR 1 9 9 9 , 5 5 3 m Anm Goette 5 5 4 f.

425

Statt aller Κ Schmidt 175.

426

B G H ZIP 1 9 9 0 , 9 8 , 100.

427

B G H a a O ; vgl auch B G H Z 9 0 , 3 7 0 , 381.

Hartwig Henze

Z H R 1 4 7 ( 1 9 8 3 ) , 165,

144

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

mittels eines Auskunfts- bzw Einsichtsrechts anläßlich der Feststellung des Jahresabschlusses ein Bild über die Entwicklung der Gesellschaft zu machen. In solch einem Fall liegt die Beweislast für den Fortbestand des eigenkapitalersetzenden Charakters der Gesellschafterleistung ausnahmsweise bei der Gesellschaft. 428 Dieser Beweislast genügt die Gesellschaft - insbesondere wenn noch kein Insolvenzantrag (§ 13 InsO) gestellt und mithin das Vorhandensein hinreichend stiller Reserven nicht ausschließbar ist - nicht allein durch den substanzlosen Hinweis, die Unternehmenssituation habe sich bislang nicht gebessert. 429 145

Sind dem Aktionär dafür, daß er der Gesellschaft den - in Eigenkapital umqualifizierten - Kredit gewährt hat, Sicherheiten gestellt worden, so darf für die Zeit der Umqualifizierung des Kredites in haftendes Kapital auch die Sicherheit nicht verwertet werden. 430 Das ist deshalb geboten, weil sonst über diesen Umweg die Umqualifizierung sogleich wieder unterlaufen würde. Für den Fall, daß die Gesellschaft als Kreditschuldner selbst die - dann regelmäßig nicht vollwertige - Sicherheit bestellt hatte, ist das augenfällig. Es gilt aber gleichermaßen dann, wenn ein Dritter als Sicherungsgeber aufgetreten ist. Denn müßte dieser dem Aktionär haften, würde über den Regreßanspruch des Sicherungsschuldners gegen die AG als Kreditschuldner das zu erhaltende Kapital angegriffen. Daß der Aktionär die Sicherung nicht verwerten darf, läßt sich dogmatisch wie folgt begründen: Während der Zeit der Umqualifizierung steht dem Aktionär keine durchsetzbare Rückforderung zu (Rdn 100). Für akzessorische Sicherheiten zieht das die Folge nach sich, daß der Aktionär auch keine Verwertungsrechte geltend machen kann (§§ 768 Abs 1 S 1, 1137 Abs 1 S 1 BGB analog). 431 Für selbständige Sicherheiten läßt sich das gleiche Ergebnis dadurch herbeiführen, daß man dem Sicherungsschuldner in Auslegung des Sicherungsvertrages eine Einrede gegen den Aktionär zubilligt: Der fiduziarische Charakter der nichtakzessorischen Sicherheit gibt dem Sicherungsschuldner einen Anspruch auf Rückübertragung der Sicherheit, aus dem sich in arg a maiore ad minus die Einrede gegen die Verwertung der Sicherheit herleitet. 432 Dieses Ergebnis leuchtet ein; denn wenn der Aktionär sich entgegenhalten lassen muß, er sei selbst der die Finanzierungsfolgenverantwortung tragende Unternehmer, muß ihm auch die Möglichkeit abgeschnitten sein, das Finanzierungsrisiko letztlich auf Kosten seines Unternehmens und dessen Gläubiger zu sichern. Etwas anderes kann gelten, wenn die von einem Dritten gestellte Sicherheit das Risiko, daß der gesicherte Kredit als Eigenkapitalersatz ins Gesellschaftsvermögen verstrickt wird, mit abdecken sollte. 433 Hier soll der Sicherungsgeber die belastenden Konsequenzen des Eigenkapitalersatzes tragen.

428

O L G Celle N Z G 2 0 0 0 , 145 ff [Rev II Z R 2 6 1 / 9 9 ] = DStR 2 0 0 0 , 6 9 8 m Anm Haas.

429

O L G Celle a a O . Hommelhoff/Freytag DStR 1 9 9 6 , 1 4 0 9 , 1410; Weber W P g 1 9 8 6 , 1, 4 .

430

431

Lutter/Hommelhoff GmbHG15 § 32a/b Rdn 10; vgl auch - zu § 32 a Abs 1 S 1 aF GmbHG - Hachenburg/U/mer GmbHG8 § 3 2 a / b Rdn 169 und Hommelhoff/Freytag DStR 1 9 9 6 , 1 4 0 9 , 1410: akzessorische Sicherheiten besteht nicht, da die zu sichernde Forderung fehlt-, so auch noch ν Gerkati in: ν Gerkan/Hommelhoff, H d b KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 3 . 1 1 4 .

432

Vgl ferner Lutter/Hommelhoff GmbHG15 § 3 2 a / b Rdn 108, die alternativ auf § 813 BGB hinweisen.

433

Dazu B G H N J W 1 9 9 6 , 1341, 1 3 4 2 f = L M § 7 6 5 BGB N r 106 m Anm Noack = W u B I F l a Bürgschaft 2 . 9 7 m Anm Ebbing-, zust ν Cerkan E W i R 1 9 9 8 , 419, 4 2 0 . Enger als der B G H (aaO) Lutter/Hommelhoff G m b H G 1 5 § 32 a / b Rdn 109: Diese Risikoübernahme folge nicht schon aus der Kenntnis. Extensiver dagegen Scholz/K Schmidt G m b H G 9 SS 3 2 a / 3 2 b Rdn 6 1 : Der Sicherungsgeber übernehme dieses Risiko grundsätzlich.

S t a n d : 1. 3. 2 0 0 0

(174)

Grundsatz der Vermögensbindung

§57

b) Umfang der Umqualifizierung. Für die GmbH folgt aus § 30 Abs 1 GmbHG eine Eigenkapitalbindung nur bis zur Höhe der eingetragenen Stammkapitalziffer ( § § 3 Abs 1 N r 3, 5 Abs 1 HS 1 GmbHG). M u ß aber dort nur das Stammkapital gedeckt sein, dann findet dementsprechend eine Umqualifizierung von Gesellschafterkrediten auch nur in dem Umfang statt, der diese Deckung sicherstellt. Da im Aktienrecht grundsätzlich das gesamte Vermögen der Kapitalsicherung unterliegt (Rdn 8f) und nur der im Gewinnverwendungsbeschluß zur Ausschüttung ausgewiesene Betrag frei wird (§ 174 Abs 2 Nr 2), kann der für die GmbH geltende Grundsatz auf die AG nicht übertragen werden. 4 3 4

146

Als zu kurzgreifend wird man es daher ansehen müssen, eine Umqualifizierung nur insoweit anzunehmen, als sie zur Deckung des Grundkapitals (§§ 1 Abs 2, 7, 23 Abs 3 Nr 3) erforderlich ist. 435 Das wäre mit den Vorschriften der §§ 150, 300 unvereinbar. Die dort gesetzlich vorgeschriebene Rücklagendotierung sorgt für die Bindung von Kapital, das grundsätzlich nicht zugunsten der Aktionäre freigestellt werden darf. Der Konzeption des Gesetzes, nach der die gesetzliche Rücklage gedeckt sein muß, ist Rechnung zu tragen. Folglich ist das Sicherungsmittel der Umqualifizierung von Gesellschafterkapital in gesellschaftseigenes Kapital neben der Grundkapitalerhaltung auch darauf zu erstrecken, daß die gesetzliche Rücklagenbildung ermöglicht wird. 4 3 6

147

Eine weitergehende Umqualifizierung des Kredites findet nicht statt. Denn sind Grundkapital und die gesetzlichen Reserven gedeckt, könnte die Gesellschaft aus weiterem Kapital theoretisch einen Bilanzgewinn ausweisen. Solange dies nicht geschieht, ist zwar auch solches Vermögen der AG gem Abs 1 S 1 gebunden; das Gesetz stellt es jedoch zur Disposition der Gesellschafter, diesen Vermögensteil durch einen Gewinnverwendungsbeschluß (§ 174 Abs 2 Nr 1 und Nr 2) von der Kapitalbindung zu befreien und auszuschütten, ohne daß Gläubiger dies beanstanden könnten. Letzteres gilt ebenso hinsichtlich der Gesellschaftspolitik, freiwillige Reserven zu bilden oder nicht. Der kreditierende Aktionär ist deshalb nur insoweit erstattungspflichtig, als ihm Mittel zurückgewährt worden sind, die fehlendes Grundkapital ersetzen oder zur Dotierung der gesetzlichen Rücklagen nötig sind. 4 3 7

148

5. Bilanzierung auf der Passivseite? a) Handelsbilanz. In der handelsrechtlichen Jahresbilanz muß die Geschäftsleitung (§§ 242, 264 HGB iVm §§ 76 f) die gegen die AG gerichteten Rückzahlungs- bzw Rückgriffsansprüche eines Aktionärs (oder eines gleichgestellten Dritten; Rdn 129 ff), die aus einem eigenkapitalersetzenden Darlehen bzw einer eigenkapitalersetzender Dritt-

434 435

436

Offengelassen in BGHZ 90, 381, 387. So aber die aA von Immenga ZIP 1983, 1405, 1411 f; Ketzer Eigenkapitalersetzende Aktionärsdarlehen (1989), § 12 I 3, S 175-185; Veil ZGR 2000, 223, 249 f. Hü f f er4 Rdn 19; KK-Lutter 2 Rdn 94; Schwark J Z 1984, 1036 f; ν Gerkan ZGR 1997, 173, 189; Bayer in: ν Gerkan/Hommelhoff, H d b KapitalersatzR (2000), Rdn 11.38; Hommelhoff W M 1984, 1105, 1118; ders/Kleindiek in: Lutter [ua], Hdb Konzernfinanzierung (1998), Rdn 21.37; ders/Freytag DStR 1996, 1409, 1410; Früh GmbHR 1999, 842, 847.

(175)

437

Hüffer4 Rdn 19; KK-Lutter2 Rdn 94; Bayer in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 11.38; Hommelhoff W M 1984, 1105, 1118; ders/Freytag DStR 1996, 1409, 1410; Schwark J Z 1984, 1036, 1037; aA Herrmann in: 50 Jahre WP-Beruf (1981), S 151, 178 und wohl auch Weber WPg 1986, 1, 4, nach denen das gesamte Vermögen mit Ausnahme des Bilanzgewinns durch Umqualifizierung zu schützen ist (die Kreditrückgabe kann dieser Ansicht zufolge nur iRv § § 5 7 Abs 3, 174 Abs 2 N r 1 erfolgen).

Hartwig Henze

149

§57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

besicherung stammen, wie sonstige Gesellschaftsverbindlichkeiten voll passivieren. 4 3 8 Der gesetzlich durch Umqualifizierung erzwungene Charakter des Kredits als funktionales Haftkapital ändert daran nichts. Das folgt aus dem in § 2 6 4 Abs 2 S 1 H G B niedergelegten, die Öffentlichkeit schützenden Rechnungslegungsgebot, ein zutreffendes Bild von der Vermögens- und Finanzlage der Gesellschaft zu vermitteln. D a der Aktionär durch die Qualifizierung des von ihm gewährten Kredits als Eigenkapitalersatz nicht seine materielle Gläubigerstellung verliert, sondern dadurch nur jede Tilgung dem Verbot des § 5 7 untersteht, aktualisiert sich sein Anspruch, sobald und soweit die AG wieder unabhängig von der Gesellschafterleistung über hinreichend eigenes Kapital verfügt (Rdn 144, 147 f). Dieser Umstand darf den Adressaten der Bilanz nicht verborgen werden (auch wenn der Anspruch des kreditierenden Aktionärs letztlich nicht dazu führt, die Kapitalschwäche der Gesellschaft weiter zu vertiefen). Eben nur im Ernstfall wird er keine Konkurrenz für andere Gläubiger darstellen. Auszuweisen ist der Eigenkapitalmaftposten nach § 2 6 6 Abs 3 C H G B (nicht A). 150

O b der danach zu bilanzierende Ersatzkapitalposten als solcher besonders gekennzeichnet werden muß, ist streitig. 4 3 9 Dafür könnte der Rechtsgedanke des § 2 6 4 Abs 2 H G B („true and fair v i e w " ) 4 4 0 sowie das Gebot zur hinreichenden (Mindest-)Aufgliederung nach § 2 4 7 Abs 1 a E H G B sprechen. 4 4 1 Auch ist zuzugeben, daß hiermit die im Hinblick auf unternehmensleitende Maßnahmen nötige Selbstinformation der Vorstände als ein Ziel der Rechnungslegung 4 4 2 auf verstärkte Art verwirklicht w ü r d e . 4 4 3 Die Rspr verneint indessen eine Pflicht der Geschäftsleitung, den Adressaten der Rechnungslegung die Zusatzinformation über die Eigenkapitalersatznatur zu geben: Mit Rücksicht auf die Dynamik, die der Kapitalkonstitution der Gesellschaft innewohnt, besteht die Möglichkeit, daß die eigenkapitalersetzende Wirkung des Kredits wieder entfällt, so daß die gesellschaftsrechtliche Umqualifizierung des Kredits bilanziell nicht vorweggenommen werden d a r f . 4 4 4

151

b) Vorbelastungsbilanz. Die Passivierungspflicht (Rdn 149) ist in gleicher Weise anzunehmen für eine Vermögensbilanz, die dazu dient, den Umfang einer - eventuellen Unterbilanz-(Vorbelastungs-)Haftung445 zu ermitteln. 4 4 6 Diese Haftung soll sicherstellen,

438

439

Ganz h M ; B G H Z 1 2 4 , 2 8 2 , 2 8 4 f m w N ; B F H E 1 6 6 , 3 5 6 ; Kleindiek in: ν Gerkan/ Hommelhoff, H d b KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 7.4 ff; Lutter/Hommelhoff GmbHG15 § 4 2 Rdn 3 3 m w N ; Scholz/K Schmidt G m b H G 9 SS 3 2 a / 3 2 b Rdn 1 0 8 ; Klaus BB 1 9 9 4 , 6 8 0 , 6 8 3 f; Küting/Kessler BB 1 9 9 4 , 2 1 0 3 , 2 1 0 7 f; Priester DB 1991, 1917, 1 9 2 3 f; Fleck G m b H R 1989, 313, 314 f; eingehend zum Ganzen Fleischer Finanzplankredite ( 1 9 9 5 ) , S 3 0 5 ff; auch Kamprad FS H Meilicke ( 1 9 8 5 ) , S 57, 6 3 ff, 6 6 . Vgl ν Gerkan Z G R 1997, 173, 1 9 7 f m w N ; bejahend: Beine Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen ( 1 9 9 4 ) , S 178 ff [ausfiihrl]; Kleindiek in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 7.8 ff; Küting/Kessler in: Küting/Weber, Hdb Rechnungslegung 4 , S 2 7 2 Rdn 1 8 4 ; Lutter/ Hommelhoff G m b H G 1 5 § 4 2 Rdn 3 4 - 3 6 ;

Scholz/Crezelius G m b H G 9 Anh S 4 2 a Rdn 2 2 1 ; Scholz/K Schmidt G m b H G 9 SS 3 2 a / 3 2 b Rdn 108; Fleck G m b H R 1989, 313, 3 1 6 f. 440

Krit Goerdeler

441

Lutter/Hommelhoff GmbHG15 S 42 Rdn 3 4 . Vgl Lutter/Hommelhoff G m b H G 1 5 Vor S 41 Rdn 17.

442

ZIP 1 9 8 8 , 6 1 0 , 611.

443

Vgl Lutter/Hommelhoff Rdn 35.

444

B G H Z 1 2 4 , 2 8 2 , 2 8 5 ; genauso Clemm/Erle in: BeckBil-Komm 4 , S 2 6 6 Rdn 2 5 5 ; Adler/Düring/Schmalz6 S 4 2 Rdn 35.

445

Von B G H Z 8 0 , 1 2 9 , 1 4 0 ; 105, 3 0 0 , 3 0 3 ; 134, 3 3 3 [= N J W 1997, 1 5 0 7 m Anm Altmeppen = ZIP 1997, 6 7 9 m Anm Κ Schmidt 6 7 1 ] sind diese Haftungsgrundsätze zunächst zum Recht der V o r - G m b H entwickelt worden; sie sind auf das Aktienrecht

S t a n d : 1. 3. 2 0 0 0

GmbHG15 S 42

(176)

Grundsatz der Vermögensbindung

§57

daß der Gesellschaft im Augenblick ihrer Eintragung ins Handelsregister ( § 41 Abs 1 S 1 ) dem Werte nach der Nennbetrag (§§ 7, 2 3 Abs 3 Nr 3) des gezeichneten Kapitals (§ 2 6 6 Abs 3 A I H G B ) unversehrt zur Verfügung steht. 4 4 7 Über letzteres soll die Vorbelastungsbilanz Erkenntnis vermitteln. 4 4 8 Steht sie somit einer Eröffnungsbilanz nahe, 4 4 9 gelten für sie in arg § 2 4 2 Abs 1 S 2 H G B die gleichen Grundsätze wie für die Jahresbilanz. 4 5 0 Die sachliche Rechtfertigung dessen ergibt sich zudem daraus, daß eine Nichtpassivierung dem Zweck der Vorbelastungsbilanz zuwiderliefe: Die Vorbelastungshaftung der Gesellschafter tritt an die Stelle fehlender Einlagen. Sie unterliegt daher den strengen Regeln über die reale Kapitalaufbringung, nach denen eine durch Kreditierung erfolgte Leistung keine Tilgungswirkung hat. Mithin führt auch die materielle Umqualifizierung des Kredits nicht zu realer Eigenkapitalaufbringung. Anderenfalls könnte die - dann eingetragene - AG nach Wegfall der entsprechend § 5 7 eingetretenen Verstrickung den Kredit tilgen, womit sich der Aktionär seiner Einlageschuld durch vorübergehende Kreditierung entledigt, sie jedoch - am Rechtsgedanken des § 6 6 Abs 1 vorbei - nicht real erfüllt hätte. Um zu zeigen, wieviel Grundkapital zum Eintragungs(stich)tag fehlt, muß die dazu erstellt Bilanz folglich jeden Aktionärskredit passivieren; alles andere liefe auf eine von § 6 6 Abs 1 verbotene Verrechnung hinaus. 4 5 1 c) Überschuldungsstatus. Die Frage, ob gegen die AG gerichtete Forderungen, die aus eigenkapitalersetzenden Krediten stammen, in der gem § 9 2 Abs 1 Fall 2 iVm § 19 Abs 2 InsO aufzustellenden 452 Sonderbilanz zu passivieren sind, ist ebenso praxisrelevant 4 5 3 wie umstritten 454 . Die für die Jahresbilanz (Rdn 149 f) bzw Vorbelastungsbilanz (Rdn 151) angeführten Gründe geben dafür nichts her, denn der Überschuldungsstatus verfolgt einen ganz anderen Zweck als jene: Er soll über die Insolvenzreife der Gesellschaft aufklären.

152

Der Gesetzgeber hat sich stets für die Passivierungspflicht eigenkapitalersetzender Kredite im Überschuldungsstatus ausgesprochen. Sie war niedergelegt in § 32 a Abs 1 S 5 HS 1 RegE 1977 zur GmbHG-Novelle 19 8 0 , 4 5 5 und es ist zu vermuten, daß die Nichtkodifizierung dieser Vorschrift kein Ausdruck einer Abkehr von ihrem Regelungsinhalt, sondern von der Idee getragen war, den Wortlaut zu straffen. 4 5 6 Sodann ist in den

153

446

447 448 449 450 451

452

übertragbar und daher auch für die Gründer einer AG während der Zeit der Vorgesellschaft sowie für daraus bei Eintragung resultierende Lasten maßgebend, siehe OLG Karlsruhe ZIP 1998, 1961; Hüffer4 § 41 Rdn 2 und 8 f mwN; Kort EWiR 1998, 1011, 1012; Wiedenmann ZIP 1997, 2029; Weimar DStR 1997, 1170, 1174; Henze AktienR4 (2000), Rdn 92-98. BGHZ 124, 282, 285 ff = ZIP 1994, 295 m krit, aber im Erg zust Anm Priester 413, 415 ff. BGHZ 80, 129, 136 f; 124, 282, 286. BGHZ 124, 282, 286. Krit Priester ZIP 1994, 413, 415, 417. BGHZ 124, 282, 285. Vgl BGHZ 124, 282, 288; aA Priester ZIP 1994, 413, 417. Nach der Aufstellung muß diese Überschuldungsbilanz unter Beobachtung der wirt-

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456

schaftlichen Entwicklung des Unternehmens regelmäßig fortgeschrieben werden, vgl OLG Düsseldorf GmbHR 1999, 479. Bestätigend Priester ZGR 1999, 533, 534; Κ Schmidt GmbHR 1999, 9. Eingehende Stellungnahmen bei Fleischer ZIP 1996, 773 [contra] und Κ Schmidt GmbHR 1999, 9 [pro] sowie Altmeppen ZHR 164 (2000), 349 [pro], alle mwN; ausführl ferner Kleindiek in: ν Gerkan/ Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 7.29 ff; Beintmann Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen im Überschuldungsstatus (1998); von BGHZ 124, 282, 285 offengelassen. BT-Drucks 8/1347, S 9 m Begr S 40 = BRDrucks 404/77, S 9, 40. Vgl Ausschußbegr BT-Drucks 8/3908, S 73/74.

Hartwig Henze

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Gesetzgebungsmaterialien, die der InsO den Weg bereitet haben, die Rede davon, daß auf der Passivseite des Überschuldungsstatus auch nachrangige Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sind. 4 5 7 Auch das hat sich in keinem geschriebenen Gesetz niedergeschlagen. Es fehlt somit bis heute die rechtliche Verbindlichkeit des gesetzgeberischen Wunsches. Er könnte allenfalls als zusätzliche Stütze einer der diskutierten Ansichten zu berücksichtigen sein. Immerhin: Eine verbreitete Literaturmeinung 4 5 8 hat ihn auf ihrer Seite, die teilweise Gefolgschaft auch in der obergerichtlichen R s p r 4 5 9 findet. Diese Sicht bedarf allerdings einer kritischen Würdigung. 154

Klarzustellen ist eingangs, daß der Wechsel von der KO/VglO zur InsO auf diese Diskussion sachlich ohne Einfluß ist; insbesondere ist (allein) durch die Schaffung der in § 3 9 Abs 1 Nr 5 enthaltenen Regelung diesbezüglich keine Aussage getroffen: Diese Norm verfolgt - iVm § 199 S 2 InsO - ausschließlich abwicklungstechnische Ziele innerhalb eines eröffneten Insolvenzverfahrens. 4 6 0 Zu bemerken ist auch, daß die ganz h M zurecht darin übereinstimmt, für die Fälle eines Forderungsverzichtes oder der Vereinbarung eines Rangrücktrittes eine Ansatzpflicht zu verneinen. 4 6 1 Für den Verzicht ergibt sich das ohne weiteres aus der durch ihn bewirkten Inexistenz der Forderung (§ 3 9 7 Abs 1 BGB), wonach kein passivierungsfähiger Gegenstand verbleibt. 4 6 2 Für eine Forderung, die die Parteien mit einem Rang-

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BegrRegE BT-Drucks 12/2443, S 115 (zu § 23 RegE [= § 19 InsO]) und S 123 (zu § 46 RegE [= § 39 InsO]). Hüffer4 § 92 Rdn 11; KK-Mertens2 § 92 Rdn 13; Scholz/K Schmidt GmbHG 9 §§ 32 a/32b Rdn 63; ders GesR3 (1997), S 18 III 5 c, S 536; Altmeppen ZHR 164 (2000), 349, 366 ff; Rowedder GmbHG3 § 63 Rdn 14; Gandenberger in: BeckHdb GmbH2 (1999), § 8 Rdn 218; Dauernheim in: FrankfurtKommlnsO2 (1999), § 135 Rdn 111; Kirchhof in: HeidelbergKommInsO (1999), § 19 Rdn 26; Priester ZIP 1994, 413, 416; Küting/Kessler BB 1994, 2103, 2108; Τ Wolf DB 1995, 2277, 2278, 2281; ders DB 1997, 1833 ff; Schlitt NZG 1998, 701, 704; Beintmann BB 1999, 1543 ff; Fischer GmbHR 2000, 66, 68; Groth Überschuldung und eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen (1995); Kamprad FS H Meilicke (1985), S 57, 62 f; auch Großkomm-Habersack4 § 92 Rdn 57, der aber die „guten Gründe" nicht nennt. OLG Hamburg BB 1986, 1817, 1818; OLG Düsseldorf NZG 1999, 668, 670; dagegen aA OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 1256 ff; OLG Stuttgart GmbHR 1998, 235; OLG München NJW 1966, 2366; 1994, 3112, 3114; LG Waldshut-Tiengen BB 1995, 2365, 2366 m Anm Tappmeier EWiR 1995, 1203. Zutreff Κ Schmidt in: HenckeVKreft, InsR 1998, S 287, 297 ff; ders GmbHR 1999, 9, 11 f; Lutter ZIP 1999, 641, 645 f; Früh

GmbHR 1999, 842, 846; Priester ZGR 1999, 533, 542; Hoack in: Prütting, InsR 1996, S 195, 206 f; Hirte KapitalgesR2 (1999), Rdn 733; Kleindiek in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 7.38; aA Pape in: Kübler/ Prütting, InsO [Bd I], § 19 Rdn 4; Gandenberger in: BeckHdb GmbH2 (1999), S 8 Rdn 218; auch Dauernheim in: FrankfurtKommlnsO2 (1999), § 135 Rdn 111. 4 6 1 Unter Geltung der KO/VglO allgM, stellv OLG Düsseldorf BB 1996, 1428, 1429 mwN; Teller Rangrücktrittsvereinbarungen2 (1995), S 91 ff; Κ Schmidt FS Goerdeler (1987), 487, 501; Roth/Altmeppen GmbHG3 § 63 Rdn 19; daran hat sich mit § 39 Abs 2 InsO zum 1.1.1999 nichts geändert, zutreff Großkomm-Habersack 4 § 92 Rdn 58, 59; Hüffer4 § 92 Rdn 11; Altmeppen ZHR 164 (2000), 349, 373 f; Lenz GmbHR 1999, 283, 284; Kleindiek in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 7.38 ff; Scholz/K Schmidt GmbHG 9 §§ 32a/32b Rdn 63; ders in: Henckel/Kreft, InsR 1998, S 287, 298 f; Lutter ZIP 1999, 641, 645; ders/Hommelhoff GmbHG 15 § 64 Rdn 17a; Fischer GmbHR 2000, 66 ff, 68 f; Noack FS Claussen (1997), S 307, 315; Forschte/ Kofahl in: Budde/Förschle, Sonderbilanzen2 (1999), Rdn 119 f. 462 Nichts anderes gilt für einen bedingten Forderungsverzicht: Zum Aufstellungszeit-

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§57

Grundsatz der Vermögensbindung

rücktritt 463 versehen haben, ist es deshalb anzunehmen, weil sicher ist, daß dieser - dann gem § 3 9 Abs 2 InsO im Zweifel 464 letztrangige - Anspruch die Befriedigungsaussichten der Teilnehmer des Insolvenzverfahrens in keiner Weise gefährden kann. 465 Für Forderungen aus eigenkapitalersetzendem Kredit, für die ein gewillkürter Rang- 1 5 5 rücktritt fehlt, kann sich eine Passivierungspflicht nur ergeben, wenn der Bilanzierungszweck selbst dies erfordert. Der Sinn einer Überschuldungsbilanz erschöpft sich in der Beantwortung der Frage, ob die Gläubiger der AG aus dem am Stichtag vorhandenen verwertbaren Gesellschaftsvermögen - noch - befriedigt werden können oder ob gem § 92 Abs 2 S 2 iVm § 19 Abs 2 InsO die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen zu beantragen ist ( § § 11 Abs 1 S 1, 13 Abs 1, 27 Abs 1 S 1, 80 Abs 1 InsO), damit eine weitere Verschlechterung der Befriedigungsaussichten vermieden wird. 466 Die der AG seitens der Aktionäre zugeführten Werte, die als eigenkapitalersetzend anzusehen sind, sind entsprechend §§ 57, 62 gesperrt (Rdn 144 f) und treten nach § 39 Abs 1 Nr 5 InsO mit den sonstigen Gläubigerforderungen (§§ 38, 39 Abs 1 Nr 1 - 4 InsO) nicht in Konkurrenz. Ist damit der eigenkapitalersetzende Gegenstand für die Gläubiger, in deren Interesse der Überschuldungsstatus aufzustellen ist, voll verwertbar, so darf aus diesem Grund kein Anspruch auf der Passivseite bilanziert werden, der - in unzutreffender Wiedergabe der rechtlichen Lage - ausdrücken würde, der betreffende Gegenstand sei nicht (voll) verwertbar. Anderenfalls bliebe die widersinnige Konsequenz, daß der auf der Passivseite der Bilanz eingebuchte Rückleistungsanspruch des Eigenkapitalersatzgebers eine bilanzielle „Überschuldung" erzeugen würde, die - wie sich in dem daraufhin eingeleiteten Insolvenzverfahren zeigt - tatsächlich nicht besteht: Manche von den in die Bilanz eingerechneten Passivposten, eben die Forderungen aus eigenkapitalersetzendem Kredit, dürfen ja aus Rechtsgründen nicht bedient werden. 467 Genauso wie im Falle eines vertraglich vereinbarten Rangrücktritts (Rdn 154) entfällt komm-Habersack4 § 9 2 Rdn 5 8 , 5 9 ; Hüffer4 § 9 2 Rdn 11; Kleindiek in: ν Gerkan/Hommelhoff, H d b KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 7.51 ff; Kirchhof in: HeidelbergKommlnsO ( 1 9 9 9 ) , § 19 Rdn 2 6 ; Lenz G m b H R 1999, 2 8 3 f; Κ Schmidt in: Kölner Schrift zur InsO 2 ( 2 0 0 0 ) , S 1199, 1 2 0 9 f; ders G m b H R 1 9 9 9 , 9, 11, 13, 15; ders in: Henckel/Kreft, InsR 1 9 9 8 , S 2 8 7 , 2 9 8 f; Fischer G m b H R 2 0 0 0 , 6 6 , 6 8 ; Altmeppen Z H R 1 6 4 ( 2 0 0 0 ) , 3 4 9 , 3 5 8 ff, 3 7 3 ; Lutter/Hommelhoff GmbHG15 § 64 Rdn 1 7 b ; Brüggemann N Z G 1 9 9 9 , 811, 812 ff; unzutreff aA Holzer in: Kübler/ Prutting, InsO [Bd I], S 3 9 Rdn 2 2 b ; Rowedder G m b H G 3 § 6 3 Rdn 14; Hess/Weis InVo 1 9 9 9 , 3 3 ; Ehlers DStR 1 9 9 8 , 1 7 5 6 , 1758, 1 8 4 1 ; Möhlmann DStR 1 9 9 8 , 1 8 4 3 , 1 8 4 6 ; Gesellschaft für Wirtschaftsinformation (Hrsg), GmbH-Brief ν 1 0 . 7 . 1 9 9 8 , S 2. Vgl iü zu der ganz mißlichen steuerrechtlichen Konsequenz dieser Gegenansicht Altmeppen a a O , S 3 5 9 f m w N .

punkt wäre rechtstheoretisch noch eine passivierbare Forderung existent, sie soll jedoch gerade für den Fall, den der Status ins Auge faßt, erlassen sein. 463

Formulierungsvarianten bei Fischer 2 0 0 0 , 6 6 , 69.

GmbHR

464

Ein vereinbarter Rangrücktritt von Forderungen aus Eigenkapitalersatz wird regelmäßig bedeuten, daß die Parteien das Gesellschafterrecht im Range an die in § 3 9 Abs 1 N r 5 bezeichnete Position (zurück-)setzen wollten, womit die Zweifelsiegelung in § 3 9 Abs 2 anwendungslos bleibt (vgl Κ Schmidt Z G R 1 9 9 8 , 6 3 3 , 6 5 8 ; krit zu dieser Idee Altmeppen Z H R 1 6 4 [ 2 0 0 0 ] , 3 4 9 , 3 5 2 f). Das führt dann freilich genausowenig zu einer Passivierungspflicht (aA Altmeppen aaO, S 373, 374).

465

Ganz mißverständlich und dem Worte nach irrend ist die BegrRegE zu §§ 2 3 , 4 6 [= SS 19, 3 9 InsO], BT-Drucks 1 2 / 2 4 4 3 , S 115, 123: Rangrücktritt durch Forderungserlaß (?). Das kann - sinnvollerweise - nicht dahin gedeutet werden, der erklärte einfache Rangrücktritt sei (neuerdings) nicht ausreichend; gl Ansicht wie hier ua Groß-

(179)

466

Siehe statt aller B G H Z 1 2 4 , 2 8 2 , 2 8 6 .

467

Anschaulich Lutter/Hommelhoff § 6 4 Rdn 17 b.

Hartwig Henze

GmbHG15

§57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

damit bei einer entsprechend § 5 7 erzwungenen Nachrangigkeit eine Passivierungspflicht. 4 6 8 156

Die Stichhaltigkeit dieser Überlegungen läßt sich kaum in Abrede stellen. 4 6 9 So wird denn auch unter einem anderen Blickwinkel versucht, für die Passivierung zu plädieren: Es müsse sichergestellt werden, daß die Frage, ob eine Gesellschafterleistung Eigenkapital ersetzt, zur Wahrung der Gläubigerinteressen nicht allein der Entscheidung der Geschäftsleitung überlassen werde. 4 7 0 Dem ist nicht zu folgen. Daß es allein der Vorstand ist, der über alle im Zusammenhang mit dem zu erstellenden Überschuldungsstatus auftauchenden Fragen selbständig und in eigener Verantwortung zu befinden zuständig und verpflichtet ist, kann im Hinblick auf die Regelung des § 9 2 Abs 1 Fall 2 nicht in Zweifel gezogen werden. 4 7 1 Es ist nicht einzusehen, warum sich die Geschäftsleitung im Rahmen dieser Norm - krisenbedingt - so verhalten soll als würde sie bereits durch eine ihr objektiv übergeordnete Kontrollinstanz überwacht. Der Überschuldungsstatus hat gerade erst zu klären, ob dieser Fall (vgl § 8 0 Abs 1 InsO) im Gläubigerinteresse herbeizuführen i s t . 4 7 2 Angesichts des Risikos, sich einer unbeschränkten persönlichen Außenhaftung wegen Insolvenzverschleppung (cic, § 8 2 3 Abs 2 B G B iVm § 92 Abs 2 ) 4 7 3 sowie der Strafdrohung des § 4 0 1 auszusetzen, ist überdies die Behauptung überzogen, daß jedes Vorstandsmitglied, um einer Insolvenzantragspflicht zu entgehen, „nach pflichtgemäßem Ermessen" den Kredit als Eigenkapitalersatz qualifizieren werde. 4 7 4 Im übrigen ist die Unterstellung, von einer Verneinung der Passivierungspflicht gehe eine

468

OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 1256 ff; OLG Stuttgart GmbHR 1998, 235; OLG München NJW 1994, 3112, 3114 = wistra 1994, 278 m zust Anm Muhler 283 f; LG Waldshut-Tiengen BB 1995, 2365, 2366; Kleindiek in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 7.50; Hachenburg/[//mer GmbHG 8 § 63 Rdn 46 a; Lutter ZIP 1999, 641, 645 ff; ders/Hommelhoff GmbHG 15 § 64 Rdn 17d; Fleischer ZIP 1996, 773, 774 ff mwN; Noack FS Claussen (1997), S 307; 315; Hirte in: Hommelhoff/ Röhricht, GesR 1997, S 145, 174 f; Fleck FS Döllerer (1988), S 109, 125; ders GmbHR 1989, 313, 322 f; Joecks BB 1986, 1681 f; ν Gerkan ZGR 1997, 173, 199; Niesert InVo 1998, 242; wohl auch Goette DStR 1997, 2027, 2030 und Brüggemann NZG 1999, 811, 814; ergänzend wird zT vorgeschlagen, Unsicherheiten durch Rückstellungen (5 249 Abs 1 HGB) zu überwinden, vgl Hommelhoff FS Döllerer (1988), S 245, 263 ff; Fleischer ZIP 1996, 773, 778 f; Kleindiek in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 7.49 f; Noack in: Prutting, InsR 1996, S 195, 209; Hirte KapitalgesR2 (1999), Rdn 733; das wird für ungenügend befunden von Hü ff er4 § 92 Rdn 11; Κ Schmidt GmbHR 1999, 9, 15.

469

Das erkennt auch Κ Schmidt an (in: Henckel/Kreft, InsR 1998, S 297 ff und

470

471

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473

474

GmbHR 1999, 12, 13), der sich - anderen Erwägungen folgend - im Erg für eine Passivierungspflicht ausspricht; vgl auch Altmeppen ZHR 164 (2000), 349, 356 ff, im Erg dann aber S 366 ff. OLG Düsseldorf BB 1996, 1428 f; Priester ZIP 1994; 413, 416; Schlitt NZG 1998, 701, 704; Κ Schmidt GesR3 (1997), § 18 III 5c, S 536; ders in: Henckel/Kreft, InsR 1998, S 287, 297 ff. Ebenso Lutter ZIP 1999, 641, 646; Kleindiek in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 7.48. Zudem ist hier nicht zu verkennen: Die Erfüllung der in § 92 Abs 1 statuierten Pflichten dient iSe Warnsignals primär den Gesellschaftennteressen, ein Gläubigerschutz wird nur mittelbar mitbewirkt, ohne von dieser Vorschrift bezweckt zu sein (Hüffer4 § 92 Rdn 1 mwN; Rowedder/ Koppensteiner GmbHG 3 § 49 Rdn 11; Priester ZGR 1999, 533, 536 f); es ist § 92 Abs 2, der die Gläubiger schützt. Vgl BGHZ 126, 181; Henze AktienR4 (2000), Rdn 485 f, 499 ff; GroßkommHabersack4 § 92 Rdn 75 ff; krit Hüffer4 § 92 Rdn 16 ff; abl Altmeppen/Wilhelm NJW 1999, 673, 679. Solches Vorstandsgebaren glaubt Kuhn/Uhlenbruck KO 11 (1994), § 102 Rdn 6w vorhersagen zu können.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Grundsatz der Vermögensbindung

§57

Gläubigergefährdung aus, 4 7 5 in dieser pauschalen Form nicht haltbar. Umgekehrt ließe sich ebenso sagen, daß eine Bejahung der Passivierungspflicht einen Insolvenzantrag zu provozieren in der Lage ist, wo die Gläubiger noch voll befriedigt werden könnten (Rdn 155), sodann innerhalb der Zwangsliquidation Marktpreise nicht erlösbar sind und somit die Verfrühung überhaupt einen Schaden erst hat eintreten lassen. Dafür müßte die Geschäftsleitung wegen Verletzung ihrer aus § 93 Abs 1 S 1 folgenden Sanierungspflicht haften. Anknüpfungspunkt könnte aber nicht die vorgenommene Passivierung sein, da sie vorzunehmen ja gerade eine Pflicht bestanden haben soll. 4 7 6 Schließlich wird zur Bejahung der Passivierungspflicht darauf abgestellt, daß die Beteiligten - Vorstand und Eigenkapitalersatzgeber - die Pflicht trifft, im Insolvenzvorfeld die Rechtsklarheit sicherzustellen, indem ein Rangrücktritt vereinbart werde; ohne diesen dürfe sich die Geschäftsleitung nicht einseitig auf die Nachrangigkeit berufen. 477 Dieses Argument unterliegt bereits dann Zweifeln, wenn der Eigenkapitalersatzcharakter eindeutig feststeht, mithin die Rechtsklarheit schon objektiv vorliegt: 478 Was für jeden ersichtlich und von den Beteiligten nicht abänderbar ist (Nachrangigkeit nach § 39 Abs 1 Nr 5 InsO), muß nicht zusätzlich durch privatautonome Vereinbarung festgeschrieben werden. Auch daß angeblich häufig Rechtsunklarheit besteht, 479 erscheint zweifelhaft: 480 Die Gesellschaft ist in der Krise; nur deshalb richtet sich die Pflicht aus § 92 Abs 1 an die Geschäftsleitung. Die für den Eigenkapitalersatzcharakter entscheidende Frage lautet lediglich, ob der Kreditgeber eine Finanzierungsfolgenverantwortung trägt. Sie zu beantworten ist keine unüberwindbare Hürde (vgl Rdn 120 ff). 4 8 1 Daß der Vorstand dem kreditgebenden Gesellschafter mit dem Hinweis auf eine Passivierung und dem aus ihr ggf folgenden Insolvenzantrag einen - Klarheit schaffenden Rangrücktritt wird abtrotzen können, 4 8 2 mag einleuchten. Nur erfordert das in keiner 475 476

Vgl Schlitt N Z G 1998, 701, 704. Wollte man für die Sanierungspflichtverletzung nun daran anknüpfen, daß es unterlassen wurde, die Rangrücktrittserklärung einzuholen, infolge derer die Passivierung dann hätte unterbleiben dürfen, so würde zweierlei übersehen: (1.) Es entfällt die haftungsbegründende Kausalität, falls der Kreditgeber dem Rangrücktritt nicht zugestimmt hätte, und daß letzteres nicht so gewesen wäre, kann hohen Beweisschwierigkeiten unterliegen; (2.) Sollten die Voraussetzungen des § 93 Abs 2 gegeben sein, löst dies lediglich eine Innenhahung aus, womit die Gläubiger schlechter stehen als bei einer A«/?enhaftung aus § 823 Abs 2 BGB iVm § 92 Abs 2.

477

Κ Schmidt GmbHR 1999, 9, 15; ders ZGR 1998, 633, 6 6 0 ; ders GesR 3 (1997), § 18 III 5 c, S 536; so auch Fischer GmbHR 2 0 0 0 , 66, 68.

478

Selbst eingeräumt von Κ Schmidt aaO. Vgl den Gedanken in BegrRegE BT-Drucks 8/1347, S 4 0 = BR-Drucks 404/77, S 40; dagegen Kleindiek in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 7.32.

479

(181)

480

Für die hier diskutierte Frage ist - entgegen Κ Schmidt (in: Henckel/Kreft, InsR 1998, S 2 9 8 ; ZGR 1998, 660; GmbHR 1999, 15) - die „nicht enden wollende Flut von Prozessen" um Fragen des Kapitalersatzes gerade nicht signifikant für eine Unklarheit darüber, ob die bestrittenen Positionen eigenkapitalersetzend sind. Im Gegenteil: Die meisten Prozesse bestätigen den Kapitalersatzcharakter, wo ihn die Parteien nicht wahr haben wollen. Dann kann die Geschäftsleitung aber objektiv-rechtlich durch die unterlassene Passivierung gerade nichts falsch machen! Vgl ferner Kleindiek in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 7.46 f.

481

Vgl Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 S 64 Rdn 17c; ähnlich Fleischer ZIP 1996, 773, 776; zweifelnd und daher im Erg aA Fischer GmbHR 2 0 0 0 , 66, 68.

482

Vgl Κ Schmidt GmbHR 1999, 9, 15; ders FS Goerdeler (1987), S 487, 5 0 6 gegen Hommelhoff WPg 1984, 629, 631, der Druckausübung eher in die umgekehrte Richtung vermutet; zweifelnd an der Effektivität solcher Druckausübung Fleischer ZIP 1996, 773, 777.

Hartwig Henze

157

§ 57

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Weise eine selbständige, gleichsam dies sanktionierende Pflicht zur Passivierung. So verfahren muß der Vorstand nur aufgrund seiner Sanierungspflicht; 483 insofern trägt er dann auch die Verantwortung dafür, daß die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens - auf welche Weise auch immer - nicht unnötig überstürzt wird. In dem Spannungsfeld zwischen Insolvenzantrags- (§ 9 2 Abs 2) und Sanierungspflicht (§ 93 Abs 1 S 1), innerhalb dessen dem geschäftsleitenden Organ ein pflichtgemäß zu handhabender Beurteilungsspielraum zuzuerkennen ist, 4 8 4 kann der Vorstand den Kreditgeber mit dem Argument des anderenfalls baldigen Insolvenzantrages dazu anhalten, der Klarheit halber den Rangrücktritt zu erklären, und daraufhin die Passivierung unterlassen. 4 8 5 Unterläßt er sie ohnedies und stellt sich aufgrund richterlicher Beurteilung ex post heraus, daß dies mit § 3 9 Abs 1 Nr 5 in Einklang stand, kann von einer Pflichtverletzung keine Rede sein und sind Gläubigerinteressen nicht berührt. 4 8 6 Im Überschuldungsstatus nicht zu passivieren sind nach all dem (a.) Rückzahlungsansprüche aus eigenkapitalersetzenden Darlehen und (b.) Rückgriffsansprüche aus einer - funktional gleichzusetzenden - eigenkapitalersetzenden Sicherheitsbestellung für einen Kredit von dritter Seite. Diese Ansprüche sind entsprechend § 5 7 verstrickt; für Leistungen, die dennoch erfolgen, greift § 6 2 ein (Rdn 2 2 8 ff). Dagegen ist im zweiten Fall (b.) der eigenkapitalersetzend besicherte Anspruch des Dritten auf Kredifriickgabe als Forderung auf der Passivseite zu bilanzieren. 487 Zwar gilt der gesetzliche Nachrang gem § 3 9 Abs 1 Nr 5 Fall 2 InsO auch für „gleichgestellte Forderungen". Insofern ist daran zu denken, daß mittels des der Gesellschaft in dieser Konstellation entsprechend §§ 57, 6 2 zukommenden Freistellungsanspruches (Rdn 2 3 0 ) der Dritte direkt von dem Sicherungsgeber befriedigt wird. Es fände dann kein Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen statt, der in Konkurrenz zu den übrigen Gläubigern tritt (vgl Rdn 155). Zu beachten ist allerdings, daß die Gesellschaft - im Innenverhältnis zum Sicherungsgeber - Freistellung verlangen kann, so daß der Dritte möglicherweise auf das Gesellschaftsvermögen nicht zugreift. Der Dritte trägt aber auch im Falle eines Insolvenzverfahrens (vgl Rdn 2 3 3 ) nicht das Illiquiditätsrisiko des Aktionärs (Sicherungsgeber), sondern erlangt bei mangelnder Werthaltigkeit der Sicherung Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen (Schuldner). Deshalb tritt seine Forderung in - potentielle - Konkurrenz zu den übrigen Gläubigern. „Gleichgestellte" Forderung iSv § 3 9 Abs 1 Nr 5 Fall 2 InsO und damit nachrangig ist nur der Teil, mit dem der kreditgebende Dritte beim sicherungsgebenden Gesellschafter Befriedigung erlangt; ein Ausfall, der dort eintritt, ist als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) gegen die Gesellschaft gerichtet. 4 8 8 Da hierüber zum Zeitpunkt der Aufstellung der Überschuldungsbilanz nichts feststeht, muß die Geschäftsleitung den Drittanspruch passivieren. Bilanziell ausgeglichen werden kann dieser Passivposten nur durch - soweit vollwertig - die Aktivierung des Freistellungsanspruches der AG (Rdn 2 3 0 ) . 4 8 9 483

484 485 486

Und im Einzelfall kann dies zweckmäßig sein; Lutter ZIP 1999, 641, 646. Instruktiv BGHZ 75, 96. Vgl auch Goette DStR 1997, 2027, 2030. Absurderweise müßten diejenigen, die eine Passivierungspflicht bejahen, hier dennoch von einer Strafbarkeit nach § 401 ausgehen, da zu einem Zeitpunkt, in dem - bei Passivierung der Kredite - rechnerische Überschuldung gegeben war, sich der Vorstand über seine daraus resultierende Insolvenzantragspflicht hinweggesetzt hat (dennoch so Hess/Weis InVo 1999, 33, 36).

487

488

489

Insow zutreff auch Dauernheim in: FrankfurtKommlnsO 2 (1999), § 135 Rdn 113. BegrRegE zu § 46 [= § 39 InsO], BT-Drucks 12/2443, S 123; vgl auch § 32 a Abs 2 aE GmbHG; genauso Schmerbach in: FrankfurtKommlnsO 2 (1999), § 39 Rdn 12; Kirchhofen: HeidelbergKommlnsO (1999), § 39 Rdn 11. Vgl BGH ZIP 1987, 574 f [zum Rangrücktritt]; vgl hier ferner die eigene Linie zu § 32 a Abs 2 GmbHG von Κ Schmidt ZIP 1999, 1821, 1825.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Grundsatz der Vermögensbindung

§57

VI. Eigenkapitalgleiche Risikofinanzierungen (sog „ F i n a n z p l a n k r e d i t " ) 4 9 0 Unmittelbar gem § 5 7 gebunden ist das gesamte gesellschaftseigene Vermögen (Rdn 8 f). Gesellschaftsfremdes Kapital unterliegt einer § 5 7 entsprechenden Bindung, falls die Eigenkapitalersatzregeln eingreifen (Rdn 9 8 ff, 2 2 8 ff). Beides beruht auf objektiven Kriterien. Unabhängig davon können die Aktionäre ihrer Gesellschaft aufgrund (schuldr e c h t l i c h e r 4 9 1 ) Vereinbarung, Bar- oder S a c h m i t t e l 4 9 2 zuführen (§ 5 4 R d n 5 3 ff). Infolge der inhaltlichen Ausgestaltung der Kreditabrede, die dieser Kapitalüberlassung zugrundeliegt, können diese Mittel eigenkapitalgleichen Charakter haben (sog Finanzplanl e i s t u n g ) . 4 9 3 Entscheidend dafür, o b die formal als Fremdkredit zugeführten Mittel in diesem Sinne „materielles E i g e n k a p i t a l " darstellen, ist, d a ß der geleistete Gegenstand nach dem Willen der Gesellschafter in einer Weise, die für Eigenkapital sachlich kennzeichnend ist, behandelt werden s o l l . 4 9 4 Z u bejahen ist das, wenn das zur Verfügung gestellte Kapital [a.] einer Bindung unterliegen 4 9 5 sowie [b.] Haftfunktion haben soll und [c.] es sich um eine mitgliedschaftsbedingte Leistung handelt (ausführl § 5 4 R d n 5 7 f ) . 4 9 6

490

491 492

493

Terminologisch auch: „Quasi-(Eigen-)Kapital" oder „Risikokredit" (vgl Lutterl Hommelhoff GmbHG 1 5 § 32a/b Rdn 169 aE; Κ Schmidt FS Goerdeler [1987], S 487). Näher hierzu bei § 54 Rdn 58. Zur „Finanzplannutzungsüberlassung" vgl OLG Karlsruhe ZIP 1996, 918, 922 m Anm Altmeppen 909 = GmbHR 1996, 524 m Anm Kallmeyer sowie Dry gala 481 (der verkennt, daß der „Finanzplankredit" kein Unterfall innerhalb des Eigenkapitalersatzrechtes ist); ferner Habersack Z H R 161 (1997), 457, 4 8 6 ff; Fleischer EWiR 1996, 553; Gandenberger in: BeckHdb GmbH 2 (1999), § 8 Rdn 332 f; ν Gerkan Z G R 1997, 173, 196 f; Oppenländer GmbHR 1998, 505, 508 f (mit Rechtsgestaltungsvorschlägen für die Betriebsaufspaltung, S 510 f); iü bereits Ulmer FS Kellermann, Z G R Sonderheft 10(1991), S 485, 496 f. Vgl BGHZ 142, 116 ff = N J W 1999, 2809 m Anm Altmeppen = ZIP 1999, 1263 m Anm Κ Schmidt 1241 = J Z 2000, 309 m Anm Dauner-Lieb = BB 1999, 1672 m Anm Thümmel = N Z G 1999, 880 m Anm Heidinger 999 = GmbHR 1999, 911 m Anm Brauer = DStR 1999, 1198 m Anm Goette = EWiR 1999, 843 (Dauner-Lieb)·, außerdem Fleischer DStR 1999, 1774; Steinbeck Z G R 2000, 503; Habersack Z G R 2000, 384, 410 ff; Sieger/Aleth GmbHR 2000, 462; Η Ρ Westermann DZWiR 2000, 1, 9 f; ausführl Fleischer Finanzplankredite (1995); Habersack Z H R 161 (1997), 457; ferner Dauner-Lieb in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Teil 9;

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Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 § 32a/b Rdn 169 ff; Scholz/K Schmidt GmbHG 9 §§ 32 a/32 b Rdn 85 ff, 91 ff. Zur Finanzplanleistung iRd Betriebsaufspaltung BGHZ 121, 31 = BB 1993, 240 m Anm Ebenroth/ Wilken 305, 307; vgl auch die Rspr zur „gesplitteten Kommanditeinlage" in der Publikums-KG (zusammenfass Wilken ZIP 1996, 61): BGHZ 70, 61, 63; 93, 159, 161; ferner BGHZ 104, 33, 39; BGH NJW 1980, 1522; 1981, 2251; 1982, 2 2 5 3 m Anm Κ Schmidt; 1985, 1079; zusammenfass Κ Schmidt GesR 3 (1997), § 18 III 3, S 527 ff und S 57 III 2, S 1681 ff. 494

Nicht selten erscheint im Aktienrecht die Überlassung von ergänzendem Risikokapital bei Genußrechten mit Eigenkapitalcharakter; vgl dazu BGHZ 119, 305; Hüffer4 § 221 Rdn 22 ff, 31 ff mwN; Großkomm- Wiedemann 4 Vor § 182 Rdn 110 ff; ferner die Regelung in § 10 Abs 5 KWG.

495

Nach Wiedemann FS Beusch (1993), S 893, 896 sowie ders Großkomm 4 Vor § 182 Rdn 5: „Investitionsfunktion". Κ Schmidt FS Goerdeler (1987), S 487, 491; ders GesR 3 (1997), § 18 II 2, S 514 ff; Habersack Z H R 161 (1997), 457, 4 8 0 f; Michalski/de Vries NZG 1999, 181, 183 f; vgl auch ν Gerkan Z G R 1997, 173, 193 f; vgl ferner Wiedemann FS Beusch (1993), S 893, 896 ff; zu weitgehend Hommelhoff/ Kleindiek FS 100 Jahre GmbHG (1992), S 421, 4 4 0 f, die neben der mitgliedschaftsbedingten Gewährung nicht auf eine Bindungswirkung abstellen wollen, sondern auf die Unentbehrlichkeit der Mittel.

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Hartwig Henze

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§57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

D a s drückt sich in einem Kreditvertrag dadurch aus, d a ß [a.] eine langfristige oder gar unbefristet für die Gesellschaftsdauer geltende Laufzeit der Finanzierungsleistung festgelegt w i r d , 4 9 7 [b.] der kreditierende Gesellschafter auch auf ein krisenbedingt außerordentliches Kündigungsrecht v e r z i c h t e t 4 9 8 und/oder für den Insolvenzfall einen R a n g rücktritt erklärt hat bzw eine Kreditrückgabe - vergleichbar zu § 2 7 1 - a b s p r a c h e g e m ä ß nur aus Überschüssen erfolgen darf und [c.] die Finanzierungspflicht zumindest die M e h r h e i t der nicht gänzlich einflußlosen Gesellschafter trifft sowie in ihrer H ö h e beteiligungsproportional bemessen i s t 4 9 9 (vgl ferner § 5 4 R d n 5 7 ) . Trifft dies für Finanzierungsleistungen zu, mit denen zugunsten der Gesellschaft ergänzendes Risikokapital aufgebracht wurde (siehe dazu § 5 4 R d n 5 9 ) , dann steht das Geleistete den nach § 5 4 erbrachten Einlagen funktionell gleich: Es unterliegt als gewillkürtes Haftkapital entsprechend §§ 57, 6 2 den Grundsätzen der Vermögensbindung. 5 0 0 All das ändert sich erst und nur, wenn die die N a t u r des Leistungsgegenstandes bestimmenden vertraglichen Vorgaben inhaltlich derart abgeändert werden (§ 5 4 R d n 5 9 , 6 7 ) , daß die den eigenkapitalgleichen C h a r a k t e r kennzeichnenden W i l l e n s m o m e n t e revidiert sind. Für diese sachliche U m w a n d l u n g der eigenkapitalgleichen Werte in einen (echten) Fremdkredit sind Formvoraussetzungen zu beachten, sofern es sich um allgemein geltende handelt. Hingegen erscheint es - jedenfalls für die im Aktienrecht nicht als gesellschaftsrechtliche, sondern praktisch nur als schuldrechtliche Zusatzpflicht denkbare Finanzplanabrede (§ 5 4 R d n 5 8 ) - unzutreffend, auf die Aufhebung des einlagegleichen C h a r a k t e r s gleich einer Kapitalherabsetzung den Rechtsgedanken des § 2 2 2 Abs 1 entsprechend anzuwend e n . 5 0 1 Genausowenig ist anzunehmen, d a ß eine - einverständliche - Kreditrückgabe, die vor dem ursprünglich vereinbarten Laufzeitende bzw unter Bedingungen erfolgt, die für den kreditierenden A k t i o n ä r weniger riskant als zunächst vorgesehen sind, den M a ß gaben des § 2 2 5 analog unterliegt. Entgegen der zum R e c h t der G m b H geäußerten Ansicht des B G H 5 0 2 führt auch nicht bereits das Eintreten einer Unternehmenskrise, in der die einlageähnliche Finanzierung ihre dem Eigenkapital gleiche und ihm typisch innewohnende „ r i s i k o a b p u f f e r n d e " 5 0 3 Aufgabe erfüllen soll(te), zu einer Art Sperrwirkung Vgl BGHZ 121, 31, 41 f; OLG Karlsruhe ZIP 1996, 918, 924. 498 Habersack ZHR 161 (1997), 457, 482; Altmeppen ZIP 1996, 909, 911. Vgl auch BGH NJW 1987, 1080, 1082. 499 v g l Fleischer Finanzplankredite (1995), S 128 ff, 156 ff; krit Habersack ZGR 2000, 384, 413. 500 Vgl _ obschon mit teils mißverständlicher Formulierung („eigenkapitalersetzend") OLG München NZG 1999, 775 f: Gesellschafterdarlehen, die vereinbarungsgemäß „nach individueller Kapazität" zuzuführen sind, unterliegen wie Eigenkapital den Kapitalerhaltungsvorschriften; ebenso Lutter/Hommelboff GmbHG 15 § 32a/b Rdn 171; Ebenroth/Wilken BB 1993, 305, 307; Habersack ZHR 161 (1997), 457, 490; auch Hommelhoff/Kleindiek FS 100 Jahre GmbHG (1992), S 4 2 1 , 4 4 1 ff. 497

501

Wie hier - selbst für korporative Vereinbarungen iSv § 3 Abs 2 Fall 2 GmbHG - die hL, vgl Fleischer Finanzplankredite (1995),

502

503

S 162 ff; ders DStR 1999, 1774, 1777 f; Habersack ZHR 161 (1997), 457, 4 7 9 f; ders ZGR 2000, 384, 414 ff; Altmeppen NJW 1999, 2812, 2813; Κ Schmidt ZIP 1999, 1241, 1250; Oppenländer GmbHR 1998, 505, 509; Sieger/Aleth GmbHR 2000, 462, 471; aA wohl BGHZ 142, 116, 121, wo auf den Rechtsgedanken des § 58 GmbHG Bezug genommen ist. Vgl BGHZ 142, 116, 121: § 19 Abs 2 u 3 GmbHG sollen „sinnentsprechend" heranzuziehen sein; so auch Lutter/Hommelhoff GmbHG 15 § 32 a/b Rdn 171. Im Ausgangspunkt deutlich gegen dieses Analogieargument, im Erg aber ähnlich Fleischer DStR 1999, 1774, 1777 ff mit der Erwägung, das Finanzplanversprechen als für den Krisenfall aufschiebend bedingten Vertrag zugunsten der Gesellschaftsgläubiger iSv § 328 BGB zu deuten; diese Rechtskonstruktion wird von Dauner-Lieb J Z 2000, 309, 314 für „lebensfremd" gehalten. Lutter/Hommelhoff

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

aaO.

(184)

Grundsatz der Vermögensbindung

§57

im Sinne einer Einschränkung der Parteiautonomie (etwa analog § 66 Abs 1); allein das Merkmal der „Krise", das dem Bereich des Eigenkapitalersatzrechtes entstammt, bedingt kein unumstößliches Abzugsverbot für eine Finanzplanvaluta. Vielmehr ist es - in arg § 8 0 InsO - den Beteiligten bis zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO) grundsätzlich unbenommen, zugunsten des Kreditgebers einvernehmlich für den Wegfall der rechtsgeschäftlich bestimmten Merkmale des Finanzplankredits zu sorgen, so daß danach noch nicht gewährte Mittel nicht mehr zugeführt werden müssen bzw schon überlassene Mittel an den Kreditgeber zurückgeführt werden können. 504 Daß - insbesondere im Krisenstadium - mit jenem Einvernehmen im Einzelfall ein Verstoß des Gesellschafterkreditgebers gegen seine Treupflicht bzw der Geschäftsleitung gegen ihre Sanierungspflicht (§ 93 Abs 1 S 1) einhergehen kann, ist eine Folge der Ausübung der (noch) vorhandenen Parteiautonomie, schränkt diese aber ebensowenig ein. Kraft objektiven Rechts eingeschränkt ist die Rückführbarkeit gewährter (Finanzplan-)Kredite ab dem krisenmaßgeblichen Zeitpunkt auch vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, soweit die - von dem Phänomen eines Finanzplankredites zu trennenden (Rdn 160) - Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechtes diesen Kredit erfassen (Rdn 161). Erfolgt eine Kreditrückgabe allerdins, ohne daß die Kreditabrede zuvor so modifiziert wurde, daß sachlich kein „Finanzplankredit" mehr vorliegt, greift eine Erstattungspflicht entsprechend § 62 Abs 1 S 1 Platz. 505 Unerheblich ist dabei, ob sich die AG zu diesem Zeitpunkt in einer Krise befindet. Finanzplankredite sind einlagegleiches Ergänzungskapital; sie sind kein Unterfall der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen. 506 Für die für Finanzplanleistungen eintretende Bindungswirkung und Haftfunktion kommt es - gemessen an den § § 7 , 23 Abs 3 Nr 3, 150, 300 (vgl Rdn 146 ff) - nicht darauf an, ob ihre Gewährung (objektiv) fehlendes Eigenkapital ersetzt. Sie unterliegen der Kapitalerhaltung ohne Rücksicht auf die Vollwertigkeit des Kernkapitals und unabhängig vom Vorhandensein einer Krise deshalb, weil und solange (subjektiv) der Wille der Parteien darauf zielt. 507 Die Figur des Finanzplankredits kann in ihrer Anwendbarkeit sowie ihren Rechtsfolgen über das Eigenkapitalersatzrecht hinausgehen. Erstens können in den Fällen mangelnder Finanzierungsfolgenverantwortung zwar nicht die Rechtsfolgen des Eigenkapitalersatzes, wohl aber diejenigen eines Finanzplankredits in Betracht gezogen werden. Denn letzterenfalls geht es schon im Ansatz nicht um erzwungene Konsequenzen einer objektiv verfehlten Finanzierungsentscheidung, sondern um einen Tatbestand, den der Kreditgeber in privatautonomer Ausübung seiner Finanzierungsfreiheit gesetzt hat. 5 0 8 Zweitens beschränken 504

Gl Ansicht Röhricht in: GesR in der Diskussion 1 9 9 9 , Bd 2 ( 2 0 0 0 ) ; S 2 4 ; Altmeppen N J W 1 9 9 9 , 2 8 1 2 , 2 8 1 3 ; ders FS Sigle ( 2 0 0 0 ) , S 211 ff; Κ Schmidt ZIP 1999, 1241, 1247, 1 2 5 0 ; Scholz/ders G m b H G 9 §§ 3 2 a/ 3 2 b Rdn 9 7 ; Steinbeck Z G R 2 0 0 0 , 5 0 3 , 5 1 8 f, 5 2 2 ; Η Ρ Westermann D Z W i R 2 0 0 0 , 1, 10; Dauner-Lieb J Z 2 0 0 0 , 3 0 9 , 313 f.

505

AA Scholz/K Schmidt G m b H G 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 9 4 : nur § 812 BGB; ebenso Heidinger N Z G 1999, 1000/1001.

506

B G H Z 1 4 2 , 116; ν Gerkan Z G R 1997, 173, 1 9 3 ; Habersack Z H R 162 ( 1 9 9 8 ) , 2 0 1 , 211 f; ders Z G R 2 0 0 0 , 3 8 4 , 4 1 0 f, 4 1 2 ; Hommelhoff in: ν Gerkan/Hommelhoff, H d b KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 1 . 2 7 ; Κ Schmidt

(185)

ZIP 1 9 9 9 , 1241, 1 2 4 3 , 1 2 4 8 , 1 2 5 0 ; Michalski/de Vries N Z G 1 9 9 9 , 181, 183, 185; Fleischer DStR 1 9 9 9 , 1 7 7 4 f, 1 7 8 0 ; Lutter/ Hommelhoff G m b H G 1 5 § 3 2 a / b Rdn 1 7 2 ; Gandenberger in: BeckHdb G m b H 2 ( 1 9 9 9 ) , § 8 Rdn 2 2 5 ; unzutreff B F H G m b H R 1 9 9 9 , 1041 m krit Anm Hoffmann; Drygala GmbHR 1996, 481. 507

O L G München N Z G 1 9 9 9 , 7 7 5 f [sachlich richtig, aber falsch formuliert („eigenkapitalersetzender Charakter")]; Fleischer Finanzplankredite ( 1 9 9 5 ) , S 9 2 ff; Habersack Z H R 162 ( 1 9 9 8 ) , 2 0 1 , 211 f; Michalski/de Vries N Z G 1 9 9 9 , 181, 183.

508

Hommelhoff in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 1 . 2 8 ;

Hartwig Henze

160

§57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

sich die Rechtsfolgen der Eigenkapitalersatzregeln auf ein Abzugsverbot tatsächlich überlassener und sodann umqualifizierter Mittel; es rechtfertigt sich aus ihnen aber keine Pflicht, eine bislang nur versprochene Leistung dem Gesellschaftsvermögen zuzuführen.^"9 Hingegen sind unerfüllte einlageähnliche Finanzierungszusagen auch in der Krise und ggf auf Verlangen des Insolvenzverwalters noch zu valutieren (§ 54 Rdn 59). 161

Die Erkenntnis, zwischen Finanzplanleistungen und Eigenkapitalersatzleistungen zu unterscheiden, darf freilich nicht den Blick darauf verstellen, daß praktisch beides parallel vorliegen kann, nach tatsächlicher Gewährung der Finanzierungsleistung und ab dem Zeitpunkt krisenbedingter Kreditunwürdigkeit (Rdn 107 ff) die Rechtsfolgen beider Rechtsinstitute gar regelmäßig nebeneinander eingreifen werden: 510 Liegen die Voraussetzungen eines Finanzplankredits vor und tritt die Krise ein, so bleibt der - auch oder gerade zum Zwecke der Stabilisierung dieser Situation - gewährte Kredit „stehen". Daß der Aktionär ihn infolge der vereinbarten Bindungswirkung momentan nicht (einseitig) abziehen kann, darf keine Spekulation darüber auslösen, ob nicht deshalb die für ein „eigenkapitalersetzendes Stehenlassen" nötige Finanzierungsentscheidung (Rdn 103) fehlt; 511 denn die Finanzierungsentscheidung hat der Kreditgeber hier in der vertraglichen Zweckbestimmung vorweggenommen.512 Solch ein Kredit unterliegt daher seit seiner Einbringung ins Gesellschaftsvermögen bis zum Zeitpunkt einer - falls noch möglich (Rdn 159) - ausreichenden Modifikation der inhaltlichen Bestimmungen des zugrunde liegenden Vertrages einer § 57 entsprechenden gewillkürten Bindung (Rdn 159) und ist zudem ab Eintritt der Krise bis zu deren Überwindung entsprechend § 57 de iure in haftendes Kapital umqualifiziert (Rdn 144, 228). Beides folgt für die Qualifikation sowie für die Entsperrung seinen eigenen Regeln. 513

VII. Das Zinsverbot (Abs 2) 1. Grundsätzliches 162

Durch das in Abs 2 festgelegte Verbot der Zusage und Auszahlung von Zinsen auf die Einlage wird das Rückgewährverbot des Abs 1 S 1 ausdrücklich konkretisiert. Der Begriff Zinsen erfaßt jede Art wiederkehrender Zahlungen, die in ihrer Höhe bestimmt oder bestimmbar sind und deren Leistung im Hinblick auf die Mitgliedschaft, nicht jedoch mit Rücksicht auf einen förmlich festgestellten Bilanzgewinn erfolgen soll. 514

Lutter/Hommelhoff GrabHG15 § 3 2 a / b Rdn 1 7 0 ; Habersack Z H R 161 ( 1 9 9 7 ) , 4 5 7 , 4 7 7 ; ders Z G R 2 0 0 0 , 3 8 4 , 411, 4 1 2 ; vgl ferner Κ Schmidt G m b H R 1 9 9 9 , 1 2 6 9 , 1 2 7 2 f; auch Sieger/Aleth G m b H R 2 0 0 0 , 4 6 2 , 4 6 8 f; Heidinger N Z G 1 9 9 9 , 999, 1 0 0 0 . 509

B G H Z 127, 17, 2 3 ; 142, 116, 119 f.

510

Vgl dazu den Fall O L G Karlsruhe ZIP 1 9 9 6 , 9 1 8 [rkr durch Nichtannahme der Rev, B G H II Z R 1 2 9 / 9 6 ] : Nach den tatbestandlichen Feststellungen waren die Voraussetzungen sowohl eines Finanzplankredits als auch einer eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung erfüllt. Letzteres hatte das Berufungsgericht zu Unrecht verneint; es hatte übersehen, daß eine von vornherein

auf Krisenfinanzierung angelegte Gesellschafterleistung gegeben war, die einem Abzug des geleisteten Gegenstandes bei Eintritt der Krise entgegenstand. 511

Fragwürdig insoweit Habersack Z H R 161 ( 1 9 9 7 ) , 4 5 7 , 4 7 6 , 4 8 3 , 4 8 8 (vgl dazu treffend Altmeppen N J W 1 9 9 9 , 2 8 1 2 ) .

512

BGH N J W 1992, 1763, 1764; B G H Z 142, 116, 1 2 0 m insow zust Anm Altmeppen N J W 1 9 9 9 , 2 8 1 2 ; ebenso Scholz/ Κ Schmidt G m b H G 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 3 7 ; auch Steinbeck Z G R 2 0 0 0 , 5 0 3 , 5 2 1 .

513 514

Richtig Κ Schmidt ZIP 1 9 9 9 , 1241, 1 2 4 3 . Hüffer4 Rdn 2 1 ; K K - L u t t e r 1 Rdn 4 9 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 4 4 ; Nirk H d b AG, Teil I, Rdn 387.

S t a n d : 1. 3. 2 0 0 0

(186)

Grundsatz der Vermögensbindung

§57

Eben letzteres führt zu der Einsicht, daß Abs 2 lediglich eine verdeutlichende Ausprägung der allgemeineren Regelung in Abs 1 S 1 ist, sachlich aber im Vergleich dazu nichts eigenständiges regelt. Zwar läßt schon der Wortlaut von Abs 2 keinen Zweifel daran, daß nicht nur die Gewährung, sondern ebenso bereits die Verpflichtung dazu verboten ist. Daraus darf indessen nicht im Umkehrschluß gefolgert werden, das gelte nur für den Fall der Zinszusage. Vielmehr unterliegt sachlich jede Verpflichtung zur verbotenen Rückgewähr dem Verbot (Rdn 12); Abs 2 betont das gleichsam nur. 5 1 5 Klarstellend verbietet die Vorschrift insbesondere fixe Dividendengarantien der AG gegenüber ihren Aktionären; denn zur Erfüllung solcher Zusagen müßte bei nicht ausreichendem Bilanzgewinn das gebundene Vermögen angegriffen werden. Das zu verhindern ist gerade Aufgabe des § 57. 5 1 6 Bei variablen Dividendengarantien ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob die Zusage so gestaltet ist, daß ein Verstoß gegen Abs 1 S 1, Abs 2 tatsächlich ausscheidet. Keine Ausnahme vom deklaratorischen Charakter des Abs 2 - und deshalb auch über Abs 1 S 1 erfaßbar - ist die Konstellation, in der die AG derivativ erworbene eigene Aktien veräußert und dabei dem Erwerber einen Gewinnanteil garantiert. 5 1 7 Ohne Bedeutung ist es, daß der Sache nach der für die Aktien an die Gesellschaft gezahlte Kaufpreis, nicht aber - mangels originären Erwerbs - eine echte „Einlage verzinst" wird. Tatsache ist schlicht, daß Vermögenszuwendungen unabhängig vom förmlich festgestellten Bilanzgewinn versprochen werden und dies mit Rücksicht auf die - künftige (vgl Rdn 80) Aktionärseigenschaft geschieht.

163

Die in Abs 2 getroffene Regelung ist konsequent. Denn die Einlage ist für die Gesellschaff kein darlehensartiges Fremdkapital, dessen Überlassung im bürgerlich-rechtlichen Sinne (§ 2 4 6 BGB) zu „verzinsen" wäre; vielmehr ist jeder Gesellschafter aufgrund der Kapitalbereitstellung an dem unternehmerischen Risiko der Gesellschaft beteiligt. Damit fällt für ihn möglicherweise Gewinn an, dessen Auszahlung auch - allein - erlaubt ist (Abs 3). Eine Forderung steht der Einlage aber nicht gegenüber (Abs 1 S 1), vielmehr verschafft die Einlage dem Gesellschafter die Mitgliedschaft mit ihren Rechten. 5 1 8

164

2. Fälle zulässiger Zahlung unechter und echter „Zinsen" Daß die Parteien Auszahlungen, die von § 5 7 nicht verboten sind, lediglich als „Zinsen" bezeichnen, ist unschädlich (falsa demonstratia non nocet).™ So liegt - bei ordnungsgemäßer Handhabung - in einer Abschlagszahlung nach § 59, in einer Vorabdividende nach § 6 0 Abs 2 , in einem Gewinnvoraus oder Nachbezug 5 2 0 aus Vorzugsaktien (vgl §§ 139 Abs 1, 140 Abs 2) oder in einer zinsähnlichen Zahlung, die auf einer nach § 6 0 Abs 3 zulässigen Satzungsbestimmung beruht, kein Verstoß gegen Abs 2. Denn in all diesen Fällen wird auf das Stammrecht aus § 58 Abs 4 hin der nach § 174 Abs 2 Nr 2 515

516

517

RGZ 149, 385, 400; Hüffer4 Rdn 21; KKLutter2 Rdn 9, 48; Hefermebl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 34, 42, 43; Wiesner in: MünchHdb GesR2 (1999), Bd 4 [AG], § 16 Rdn 48. Hefermebl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 44; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 17; Schlegelberger/QHdssoifs/h'3 § 54 Rdn 2. Wie hier KK-Lutter2 Rdn 48; Hefermehl/ Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 42; aA Gioßkomm-Barz Voraufl, Anm 16: Abs 2 gehe über Abs 1 S 1 hinaus.

(187)

518

519

520

KK-Lutter2 Rdn 49; Hefermebl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 44; Baumbach/ Huecku Rdn 14; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 17; vGodin/Wilhelmi4 Anm 9; Schlegelberger/QHassows&i3 § 54 Rdn 2. RGZ 68, 235, 238; Hüffer4 Rdn 21; KKLutter2 Rdn 50; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 45; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 387; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 17. Vgl BGHZ 7, 263 ff.

Hartwig Henze

165

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

zur Ausschüttung vorgesehene Bilanzgewinn unter die Aktionäre verteilt oder es liegt eine dem gleichgestellte Situation (§ 59) vor; das ist durch § 57 nicht verboten. 166

Sind Aktionäre iSd §§ 11 S 1, 271 Abs 2 für die Abwicklungsphase bevorteilt, so kann das bedeuten, daß der auf bevorrechtigte Aktien entfallende Anteil am Liquidationserlös sich nach dem festgelegten System einer „Verzinsung" errechnet, das sich etwa an der Höhe der geleisteten Einlage orientiert. 521 Vorrangig sind allerdings stets die Gläubiger der in Liquidation befindlichen Gesellschaft zu bedienen. Zahlungen, die das nicht berücksichtigen, stellen auch während des Liquidationsstadiums eine verbotene Rückgewähr dar (Rdn 16, 3 3 ) . 5 2 2

167

Zulässige Zinsen im bürgerlich-rechtlichen Sinne (§ 246 BGB) können dem Aktionär aus dem Gesellschaftsvermögen dann gezahlt werden, wenn er der Gesellschaft zu marktüblichen Zinskonditionen Kredit gewährt hat. Das folgt daraus, daß bei einem solchen drittgleichen Geschäft nicht die mitgliedschaftliche Einlage verzinst wird. Allerdings ist das nicht zulässig, wenn der Kredit Eigenkapital der Gesellschaft ersetzt und den kreditgebenden Aktionär eine Finanzierungsfolgenverantwortung in der Krise trifft (Rdn 118 ff). 5 2 3 Jede Zinszahlung verstößt unter diesen Umständen gegen § 57, weil solch ein eigenkapitalersetzender Aktionärskredit wie haftendes Kapital zu behandeln ist, mithin zum gebundenen Gesellschaftsvermögen gehört (Rdn 144 ff, 228 ff). Die Situation ist für die Dauer der Umqualifizierung rechtlich so zu behandeln, als hätte der Aktionär keinen Rückforderungsanspruch, der zu verzinsen wäre. Den Zins lauf hindert das aber nicht; 5 2 4 die Erträge sind gutzuschreiben, bis nach Überwinden der Krise Mittel zur Bedienung zur Verfügung stehen. Das Verbot des Abs 2 greift ferner dann ein, wenn sachlich eine darlehensartige Kapitalzufuhr vorliegt, die nach der - am Steuer- und Bankaufsichtsrecht orientierten - Rechtsgestaltung als Eigenkapital zu behandeln ist, und die mittels eines Genußrechtes verzinst werden soll. 5 2 5 3. Zinszahlungen durch Dritte

168

a) Allgemeines. Dritte dürfen Leistungen an Aktionäre ohne weiteres erbringen. Solche Leistungen können in der Zusage oder Auszahlung von Zinsen bestehen, die der Dritte dem Aktionär auf die Mitgliedschaft leistet. Nur dann, wenn der Dritte mit der Gesellschaft derart in Berührung steht, daß Leistungen, die er verspricht bzw erbringt, letztlich auf Kosten des gebundenen Gesellschaftskapitals erbracht werden, greift das Verbot des § 57 ein. So etwa, wenn der Dritte für Rechnung der AG leistet oder ein Tochterunternehmen der AG (§§ 16, 17) die Leistung erbringt (Rdn 75 ff). 5 2 6 Solange und soweit jedoch der Dritte auf eigenes Risiko handelt und keine - wesentliche kapitalmäßige Verflechtung besteht, die mittelbar zu einer Vermögensbeeinträchtigung der Gesellschaft führt, ist das aus Gründen der Kapitalerhaltung nicht zu beanstanden (vgl Rdn 78). 521

R G Z 68, 2 3 5 , 2 3 9 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 4 6 ; GroßkommBarz Voraufl, Anm 17.

522

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 4 6 ; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 17; mißverständlich RG WarnRspr 1932, 132, 133; aA wohl R G Z 68, 235, 2 3 9 .

523 524

Vgl dazu B G H Z 9 0 , 381, 3 9 0 , 391. BGH N J W 1996, 1341, 1 3 4 3 mwN; Scholz/ Κ Schmidt G m b H G 9 §§ 3 2 a / 3 2 b Rdn 77, 110; Roth/Altmeppen GmbHG 3 § 3 2 a

Rdn 3 3 ; Maser ZIP 1995, 1319, 1321; ν Gerkan Z G R 1997, 173, 2 0 0 f; jetzt auch Í.utter/Hommelhoff GmbHG15 § 32a/b Rdn 104; vgl ferner ausführl Sieker Z G R 1995, 2 5 0 ff. Vgl Hirte Z B B 1 9 9 2 , 5 0 , 51 (Anm zu OLG Bremen ZBB 1 9 9 2 , 38). KK-Lutter2 Rdn 51; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 4 8 ; GroßkommBarz Voraufl, Anm 19.

Stand: 1. 3. 2000

(188)

Grundsatz der Vermögensbindung

§57

b) Insbesondere: Dividendengarantien durch Dritte. Auch jede Art der Dividendengarantie 527 durch Dritte ist im Rahmen der vorstehenden Grundsätzen zulässig. Solche Dividendengarantien haben in der Praxis eine nicht zu übersehende Bedeutung. Sie kommen in unterschiedlichen Formen vor und dienen verschiedenen Zwecken. Ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach kann eine Dividendengarantie etwa einen Pachtzins darstellen, wenn die AG ihren Betrieb verpachtet und den Pachtzins in Form einer Dividende erhält. 5 2 8 Für bestimmte Konzernverhältnisse schreibt das Gesetz selbst in § 304 Abs 1 S 1 und S 2 vor, daß das übergeordnete 529 Unternehmen die Zahlung eines festen Betrages an die außenstehenden Aktionäre einer untergeordneten AG zu leisten hat. Eine vertraglich begründete Dividendengarantie wird von dem für eigene Rechnung handelnden Dritten in den seltensten Fällen unentgeltlich abgegeben. Verspricht er dennoch eine Zahlung ohne Gegenleistung, so bedarf die Garantie zu ihrer Wirksamkeit notarieller Beurkundung nach § 518 Abs 1 BGB. 5 3 0 Inhaltlich zielt die Garantie darauf, daß vom Garanten ein bestimmter oder bestimmbarer Betrag im Sinne eines selbständigen Leistungsversprechens zu zahlen ist. 531 Das kann in Form einer - an die Aktionäre gerichteten - Rentengarantie oder in Form einer - an die Gesellschaft gerichteten - Rentabilitätsgarantie geschehen. 532

169

aa) Die Rentengarantie. Verspricht der Garant, daß den Aktionären (vgl Rdn 169 aE) in bestimmten Abständen ein festgelegter oder nach bestimmten Merkmalen festzulegender Mindestbetrag auf die Mitgliedschaft zu gewähren ist, handelt es sich um eine Rentengarantie; für mehr als diese garantierte Dividende haftet der Garant dabei nicht, insbesondere nicht auf Ausgleich von Verlusten der Gesellschaft oder darauf, die Bildung von Rücklagen zu ermöglichen. 533

170

Für die Vereinbarung, auf der die Rentengarantie beruht, sind rechtlich verschiedene Konstruktionen denkbar. Welche im Einzelfall von den Parteien gewollt ist, ist - allgemeinen Grundsätzen folgend - im Zweifel durch Auslegung der Vereinbarung zu ermitteln (SS 133, 157, 328 Abs 2 BGB). 5 3 4 In Betracht kommen folgende Möglichkeiten:

171

(1) Theoretisch kann der Garant den Rentengarantievertrag unmittelbar mit den Aktionären abschließen. Das wird aber selten vorkommen. Die AG ist hier unbeteiligt. Empfängt sie dennoch vom Garanten dessen garantierte Zahlungen, fungiert sie lediglich als Beauftragter der Aktionäre und ist ihnen nach § 667 BGB zur Herausgabe verpflichtet. In das eigene Vermögen der AG geht dieses Kapital nicht über, die bloße Weiterleitung ist damit von § 57 nicht verboten. Auch auf Änderungen eines solchen Garantievertrages hat die Gesellschaft - konsequenterweise - keinen Einfluß; sie werden allein von den Vertragspartnern - den Aktionären und dem Garanten - vorgenommen. 535 (2) Ebenso ist möglich, daß sich der Garant gegenüber der AG zu Rentenleistungen verpflichtet und die Gesellschaft sich ihrerseits gegenüber dem Garanten verpflichtet, 527

528

529

530 531

Krit zur Verwendung dieses Begriffs Flume DB 1956, 455, 4 6 2 . RFH 14, 3 0 3 ; RFH StuW 1932, Nr 526; Mestmäcker Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre (1958), S 319; Rasch KonzernR 5 (1974), S 100. Nach hM trifft die Ausgleichspflicht nach § 3 0 4 Abs 1 unmittelbar das gewinnab(ührungsbegünstigte bzw herrschende Unternehmen, vgl Hüffer4 § 3 0 4 Rdn 4 mwN. Großkomm-Barz Voraufl, Anm 19. Großkomm-Barz Voraufl, Anm 19, 20.

(189)

532 V g i Düringer/Hachenburg/F/ecfci/jeim3

533

534

535

§ 215 Anm 6 ff mwN; Flume DB 1956, 455, 4 6 2 mwN. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 50; Großkomm-ßarz Voraull, Anm 21. RGZ 147, 42, 4 7 ff; RFH StuW 1929 Nr 1025; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 49; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 388; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 23; Schlegelberger/Qttassows/h'3 § 54 Rdn 7. Großkomm-Barz Voraufl, Anm 22.

Hartwig Henze

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

dessen Zahlungen an die Aktionäre weiterzuleiten. Bei einer derartigen Garantievereinbarung ist auch dann von einem Weiterleitungsanspruch der Aktionäre gegen die Gesellschaft auszugehen, wenn dieser nicht ausdrücklich in die Vereinbarung aufgenommen worden ist. 5 3 6 Denn der vom Garanten gezahlte Betrag stellt für die Gesellschaft nur einen Durchgangsposten dar, ohne daß er der Gesellschaft zum Verlustausgleich oder zur Rücklagendotierung dienen soll. 5 3 7 (3) Schließlich kann der Garant in einem Garantievertrag mit der AG auch den Aktionären einen direkten Anspruch gegen ihn selbst auf die garantierte Rente einräumen (Vertrag zugunsten Dritter, § 328 Abs 1 BGB). Im Zweifel wird aber nicht diese, sondern die vorstehend sub (2) dargelegte Konstruktion gewollt sein. 538 172

Steht den Aktionären im Rahmen einer Rentengarantie ein eigener Anspruch gegen den Garanten oder die Gesellschaft zu, dann ist dieser Rentenanspruch nicht mitgliedschaftlicher, sondern schuldrechtlicher Natur. Es ist davon auszugehen, daß Anspruchsinhaber nur die jeweiligen Aktionäre sind, gleichviel, ob es sich dabei um diejenigen Personen handelt, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Garantievertrages Aktionäre waren. 5 3 9

173

Nachträgliche Änderungen der Umstände in der Gesellschaft vermögen den Umfang der Rentengarantie grundsätzlich nicht zu beeinflussen. Denn das Garantieversprechen ist in seinem Bestand von diesen Umständen unabhängig und nicht akzessorisch. Insbesondere sind junge Aktionäre, die im Zuge einer nach Abschluß des Garantievertrages wirksam gewordenen Kapitalerhöhung zu den bisherigen Mitgliedern hinzugekommen sind, nicht rentenberechtigt. 540 Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn der Garant Anlaß hatte, das Versprechen auch zugunsten von Neuaktionären zu geben und das auch zum Ausdruck gebracht hat. Für eine Herabsetzung des Grundkapitals durch Zusammenlegung der Aktien ist unter Auslegung der Garantieübernahme entschieden worden, daß auch nach der Kapitalherabsetzung die Rente so weiter zu gewähren ist als ob keine Zusammenlegung der Aktien stattgefunden hätte. 5 4 1

174

Die Rentengarantie endet, falls sie befristet ist, mit Ablauf der Frist. Als weitere Gründe für die Beendigung kommen in Betracht: Die Gesellschaft endet infolge Zeitablaufs (§ 252 Abs 1 Nr 1); die Gesellschaftsauflösung wird nach § 262 Abs 1 Nr 2 beschlossen, es sei denn, der Garant hat die Auflösung wider Treu und Glauben bewirkt (§ 162 Abs 2 BGB analog). 542 Ist die Rentengarantie für eine bestimmte Zeit versprochen worden, kann es trotz Vorliegens der Liquidationsgründe iSd § 262 Abs 1 Nr 3 und Nr 4 gerechtfertigt sein, den Garanten noch an seinem Versprechen festzuhalten.543 Der Garant kann seine Verpflichtung aus wichtigem Grund kündigen; ein Kündigungsrecht steht ihm außerdem zu, wenn er es sich in dem Versprechen vorbehalten hat. Der Garant kann mit seinem Vertragspartner auch einen Aufhebungsvertrag abschließen. Letzterenfalls ist die Position der Aktionäre schwach, wenn der Garant sich nicht ihnen, sondern der AG gegenüber zu Rentenzahlungen verpflichtet hat. Eine Zustimmung der Aktionäre zu 536

537

538

RG HRR 1935 Nr 1606; Hefermehl/ Bungeroth in: Geßler/Heferraehl, Rdn 49; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 2 3 ; Ritter § 54 Anm 2b. KG OLG-Rspr 6, 28; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 23; Düringer/Hachenburg/ Flechtheim3 § 215 Anm 5; Flume DB 1956, 455, 463. RFH StuW 1929 Nr 1025; auch RGZ 147, 42, 4 7 ; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 23.

539

540

541 542 543

KK-Lutter 2 Rdn 52; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 49; Düringer/ Hachenburg/Flechtheim 3 § 215 Anm 3; Flechtheim ZB1HR 1930, 271. KK-Lutter 2 Rdn 54; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 26. RGZ 147, 42, 4 9 f. Großkomm-Bisrz Voraufl, Anm 26. RGZ 147, 4 2 , 57.

Stand: 1. 3. 2000

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Grundsatz der Vermögensbindung

§57

einer Vertragsaufhebung kann hier allenfalls dann nötig sein, wenn die Aktionäre iSv § 328 Abs 1 BGB unmittelbar gegenüber dem Garanten forderungsberechtigt waren. 544 Anderenfalls sind sie ohne Einflußmöglichkeit. Ihre Position ist insbesondere dann gefährdet, wenn der Garant die Gesellschaft beherrscht. Nur ausnahmsweise werden sich die Aktionäre hier über § 117 oder § 243 wehren können. Im Konzern erfahren außenstehende Aktionäre immerhin den Schutz der §§ 295 Abs 2, 296 Abs 2, 297 Abs 2 (Sonderbeschlußrecht). bb) Die Rentabilitätsgarantie. Inhalt einer Rentabilitätsgarantie ist das Versprechen des Garanten, der Gesellschaft (vgl Rdn 169 aE) so viel Kapital zur Verfügung zu stellen, daß sich jährlich ein Bilanzgewinn in bestimmter Höhe ergibt. 545 Das Risiko, das in der Zusicherung verteilbaren Bilanzgewinns steckt, ist enorm und letztlich kaum zu überblicken. Denn im Ernstfall muß der Garant die von der Gesellschaft erwirtschafteten Verluste ausgleichen und die gesetzlich vorgeschriebene Rücklagenbildung (§§ 150, 300) finanzieren, bevor überhaupt ein Bilanzgewinn ausgewiesen und verteilt werden kann (vgl § 58 Abs 4). Um letzteres schließlich zu ermöglichen, muß der Garant sodann zudem einen Betrag bis zur Höhe des garantierten Bilanzgewinns zuschießen. 546

175

Ist objektiv nicht eindeutig, ob der Garant nur eine Rentengarantie oder die weitreichende Rentabilitätsgarantie abgegeben hat, so liegt im Zweifel eine Renten- und keine Rentabilitätsgarantie vor. 547 Diese Auslegungsregel ist gerechtfertigt, weil sie in angemessener Weise dem Umstand Rechnung trägt, daß es nach der Interessenlage nicht angebracht sein kann, einen Willen zu einer überaus gefährlichen Garantie (Rentabilitätsgarantie) zu vermuten, wenn er nicht klar ausgedrückt ist und ebenso eine risikolosere Garantieform (Rentengarantie) gemeint sein kann. 548 Ein Umstand, aus dem im Einzelfall etwas anderes hergeleitet werden kann, ist das Bestehen eines Gewinnabführungsoder Beherrschungsvertrages mit dem Garanten. Denn das verschafft dem Garanten als Berechtigtem Einfluß auf die AG, so daß das Rentabilitätsrisiko kalkulierbarer wird. Zudem ist der Garant in diesem Falle ohnehin gem §§ 300, 302 Abs 1 oder Abs 2 verpflichtet, die gesetzliche Rücklage zu bilden und Verluste zu übernehmen. Seine Risiken würden sich daher durch Abgabe einer Rentabilitätsgarantie nicht unübersehbar erhöhen. Daß das Gesetz an dieser Stelle in § 304 Abs 1 dennoch keine Verpflichtung zu einer Rentabilitätsgarantie vorsieht (Rdn 180), 5 4 9 beruht auf der Überlegung, daß die außenstehenden Aktionäre besser dadurch geschützt werden können, daß ihnen ein eigener Anspruch eingeräumt wird: Bei einer Rentabilitätsgarantie wäre das nicht der Fall (Rdn 177).

176

Im Unterschied zur Rentengarantie zielt die Rentabilitätsgarantie in der Regel nicht darauf, die Dividende der Aktionäre zu sichern. Vielmehr soll sie durch die Garantie

177

544 545

546

547

Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 24. KK-Lutter 2 Rdn 53; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 50; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 388; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 25; Schlegelberger/Q«assoifsfe; 3 § 54 Rdn 6. Vgl KG OLG-Rspr 6, 28; 28, 358; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 50; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 388; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 25. KG OLG-Rspr 28, 358; KK-Lutter2 Rdn 53; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl,

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Rdn 51; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 20; SciilegelbergeT/Quassowski3 § 54 Rdn 7; Ritter § 54 Anm 2 c; Rasch KonzernR 5 (1974), S 100; Düringer/Hachenburg/ Flechtheim3 § 215 Anm 8; krit Baumbach/ Hueck13 Rdn 13. 548 549

So Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 20. Geßler in: Geßler/Hefermehl, § 3 0 4 Rdn 50; aA für § 3 0 4 Abs 1 S 2 (isolierter Beherrschungsvertrag) ν Godin/Wihelmi 4 § 3 0 4 Anm 2.

Hartwig Henze

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

eines Jahresüberschusses Gewähr für die Rentabilität des Unternehmens der Gesellschaft bieten. Die Gesellschaft kann zwar den vom Garanten sichergestellten Bilanzgewinn ganz oder teilweise zugunsten der Aktionäre als Ausschüttungsbetrag iSv § 174 Abs 2 Nr 2 verwenden, jedoch haben die Aktionäre darauf keinen Anspruch. 550 Nicht anders als sonst kann die Gesellschaft deshalb, soweit das nach § 58 zulässig und nach § 254 unanfechtbar ist, anstelle einer Gewinnausschüttung freiwillig Reserven bilden. Die Rentabilitätsgarantie führt insofern zu keiner Einschränkung. 551 178

Wie weit die Rentabilitätsgarantie im Falle von Satzungsänderungen reicht, die eine gesteigerte Pflicht zur Rücklagendotierung schaffen, also die Möglichkeit der Entstehung eines ausschüttbaren Bilanzgewinnes verringern und damit das Garantierisiko verschärfen, ist eine Frage der Auslegung. War hier nicht von vornherein klar, daß die Garantie die Rentabilität der Gesellschaft auch unter der Geltung der durch Satzungsänderung neu geschaffenen Kapitalstruktur sichern sollte, so ist große Vorsicht geboten, die veränderte Situation als vom Garantieversprechen mitumfaßt anzusehen. 552

179

Beenden die Parteien den Garantievertrag, so müssen die Aktionäre das hinnehmen, weil sie nicht Vertragspartner sind. Allenfalls ist es denkbar, daß ausnahmsweise § 117 oder § 243 zum Zuge kommt.

180

cc) Die gesetzlichen Regelungen in § 304 Abs 1. Die Pflicht zu Ausgleichszahlungen nach § 304 Abs 1 S 1 bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages (§ 291 Abs 1 S 1 Fall 2) ebenso wie nach § 304 Abs 1 S 2 beim Beherrschungsvertrag (§ 291 Abs 1 S 1 Fall 1) stellt sich als - gesetzliche - Rentengarantie dar. 5 5 3 Das ist daraus zu schließen, daß die Regelungen nicht auf die Sicherung der Kapitalkraft der untergeordneten AG zugeschnitten sind, sondern dem Schutz der außenstehenden Aktionäre dienen, indem diesen ein eigener Anspruch eingeräumt wird. 5 5 4

VUL Das Verbot sonstigen Vermögensabflusses (Abs 3) 181

Wenn Abs 3 den Bilanzgewinn (§ 174 Abs 2 Nr 1) als dasjenige Kapital nennt, das allein zulässigerweise an die Aktionäre ausgeschüttet werden kann, ist damit eine absolute Höchstgrenze des verteilbaren Betrages ausgesprochen. Inhaltlich regelt Abs 3 indes nichts, was über Abs 1 S 1 hinausgeht: 555 Daß alles, was keine Ausschüttung des Bilanz550

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 5 0 ; G r o ß k o m m - ß a r z Voraufl,

551

Hefermehl/Bungeroth und Barz a a O . Vgl Großkomm-Barz Voraufl, Anm 2 6 : „Mit einiger Sicherheit" keine Garantieerweiterung.

554

Konstruktiv ist der Unternehmensvertrag hier nach § 3 2 8 Abs 1 BGB ein Vertrag zugunsten der außenstehenden Aktionäre, vgl R G Z 147, 4 2 , 4 7 ; Hüchting Abfindung und Ausgleich ( 1 9 7 2 ) , S 11 m w N ; davon geht auch Hüffer4 § 3 0 4 Rdn 5 aus, möchte es aber nicht als „Dividendengarantie" bezeichnet wissen.

555

Hüffer* Rdn 2 2 ; KK-Lut ter1 § 5 8 Rdn 8 1 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, § 5 8 Rdn 115; aus diesem Grunde hatte die Forderung, § 5 8 Abs 5 a F aufzuheben (Fraktionsbegr in BT-Drucks 1 2 / 6 7 2 1 , S 8) was sich im Rechtsausschuß nicht durchgesetzt hat (vgl BT-Drucks 1 2 / 7 8 4 8 , S 5 ; Seibert ZIP 1 9 9 4 , 9 1 5 ) - , eine gewisse Berechtigung.

Anm 2 5 . 552

553

K K - L u t t e r 2 Rdn 5 6 , 5 7 (unter Aufgabe der zT abw Ansicht in der 1. Aufl, Rdn 2 3 ) ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 5 1 ; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 3 8 8 ; G r o ß k o m m - B a r z Voraufl, Anm 2 5 ; Großkomm- Würdinger Voraufl, § 3 0 4 Anm 8; aA ν GodinJWilhelmi 4 § 3 0 4 Anm 2, der beim Beherrschungsvertrag wahlweise auch eine Rentabilitätsgarantie zulassen will.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Grundsatz der Vermögensbindung

§57

gewinns darstellt, eine verbotene Leistung ist - wenn nicht eine Ausnahme eingreift (Rdn 182 ff) - , mithin das gesamte Vermögen der AG außer dem förmlich festgestellten Bilanzgewinn gebunden ist, ist bereits Abs 1 S 1 zu entnehmen (Rdn 8 f).

IX. Ausnahmsweise erlaubte Rückgewähr Erlaubt ist grundsätzlich die Ausschüttung des Betrages, der in einem von der HauptVersammlung ( § 1 1 9 Abs 1 Nr 2) wirksam gefaßten Gewinnverwendungsbeschluß (§ 174 Abs 1 S 1) zur Bedienung der Dividendenrechte ( § § 5 8 Abs 4, 60) förmlich festgesetzt ist (§ 174 Abs 2 Nr 2). Ansonsten ist eine Ausnahme vom Verbot der Einlagenrückgewähr (Abs 1 S 1, Abs 2, Abs 3) ausschließlich dann anzuerkennen, wenn sie gesetzlich zugelassen ist; weitere Einschränkungen können nicht vorgenommen werden (vgl allerdings Rdn 18 ff). 5 5 6 Ohne daß dem das Rückgewährverbot entgegenstünde, sind Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen demnach wie folgt zulässig:

182

1. Zulässiger Erwerb eigener Aktien (Abs 1 S 2 iVm § § 7 1 ff) Erwirbt die Gesellschaft im Rahmen der §§ 71 ff entgeltlich eigene Aktien, so stellt die Entgeltzahlung der Sache nach eine Einlagenrückgewähr dar. 5 5 7 Für dieses Austauschgeschäft bestimmt Abs 1 S 2, daß ein Verstoß gegen Abs 1 S 1 nicht vorliegt. Freilich kann das nur insoweit angenommen werden, als die Höhe des gezahlten Entgeltes den Verkehrswert der Aktien nicht übersteigt (Rdn 65). Zahlt die AG dem an sie veräußernden Aktionär einen höheren Betrag, wird dieser Überschuß nicht von der Ausnahme des Abs 1 S 2 erfaßt. Er ist als verbotene Einlagenrückgewähr zu qualifizieren. Das Geschäft im übrigen bleibt von der Verbotswirkung des Abs 1 S 1 verschont. Anders als bei sonstigen Umsatzgeschäften mit einem objektiven Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung erfaßt die Nichtigkeitsfolge nicht das ganze Geschäft. Lediglich der Überschuß ist der AG gem § 6 2 Abs 1 S 1 zu erstatten. Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu der sonst vertretenen Auffassung, daß bei objektivem Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Rahmen eines Austauschgeschäftes grundsätzlich Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft insgesamt nichtig sind, also nicht lediglich hinsichtlich des Differenzwertes (Rdn 2 0 6 ff). Denn insofern macht die ausdrückliche Regelung des Abs 1 S 2 im Vergleich zu sonstigen Umsatzgeschäften eine Ausnahme. Deshalb entfällt für den Fall des Erwerbs eigener Aktien zu einem überhöhten Preis die volle Nichtigkeit schon mit diesem Argument. Es kann hier folglich dahingestellt bleiben, ob das nicht stets zu gelten h a t . 5 5 8

556

Großkomm-Barz Voraufl, Anm 15 m w N ; aA Ballerstedt Kapital, Gewinn und Ausschüttung ( 1 9 4 9 ) , S 1 2 8 ff.

557

Hüffer4 Rdn 2 0 ; KK-Lutter2 Rdn 3 2 ; Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl, Rdn 3 6 ; Baumbach/HKecfc 1 3 Rdn 10; ν Godin/Wilhelmi 4 Anm 8; GroßkommBarz Voraufl, Anm 13; Canaris FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 31, 3 3 ; Hettlage AG 1 9 8 1 , 9 2 , 9 6 ;

(193)

Huber FS Duden ( 1 9 7 7 ) , S 137, 161; Z G R 1978, 347, 356. 558

Lutter

Demnach sind die grundsätzlichen Ausführungen von Benckendorff (Erwerb eigener Aktien [ 1 9 9 8 ] , § 8 Β I 3, S 2 3 9 ff) nicht erforderlich, weil es aufgrund Abs 1 S 2 ausnahmsweise offen bleiben kann, welcher Ansicht man im übrigen bei der Frage der Reichweite des § 134 BGB folgt.

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

2. Wechselseitige Beteiligungen (insbesondere: § 71 d S 2) 184

Soweit wechselseitige Beteiligungen nach § 71 d zulässig sind, sich im Ergebnis also ein Eigenerwerb in Höhe der Beteiligungsquote vollzieht, 559 stellt der Erwerb des Teils eines Unternehmens, das Aktien der erwerbenden Gesellschaft hält, nach Abs 1 S 2 keine Einlagenrückgewähr dar. 5 6 0 Unterhalb der Schwelle der Abhängigkeit (§ 17) oder des Mehrheitsbesitzes (§ 16) gehen die §§ 19-22, 328 als gegenüber Abs 1 S 1 speziellere Normen ohnehin von der grundsätzlichen Zulässigkeit wechselseitiger Beteiligungen aus (vgl Rdn 67). 3. Wirksame Kapitalherabsetzung (§§ 222 Abs 3, 225 Abs 2)

185

Als Folge einer ordentlichen Kapitalherabsetzung darf - unter Festsetzung im Kapitalherabsetzungsbeschluß (§ 222 Abs 3) und unter Beachtung der in § 225 Abs 2 getroffenen Regelung - eine Rückzahlung an die Aktionäre erfolgen. 561 Soweit die Vorschriften der §§ 237 ff beachtet werden, gilt das nach § 237 Abs 2 S 3 auch für eine Kapitalherabsetzung durch Aktieneinziehung. Hingegen kommen nach § 230 bei vereinfachter Kapitalherabsetzung Rückzahlungen nicht in Betracht. 4. Abschlagszahlungen auf die Dividende ( § 5 9 Abs 1)

186

Auch die Regelung des § 59 Abs 1 ist als Ausnahme zu Abs 1 S 1 anzusehen (§ 59 Rdn 3). Denn obwohl hier mangels eines endgültigen Jahresabschlusses ein Bilanzgewinn noch nicht förmlich festgestellt ist und auch kein Gewinnverwendungsbeschluß vorliegt, der einen Ausschüttungsbetrag nach ξ 174 Abs 2 Nr 2 ausweist, erkennt das Gesetz eine Abschlagszahlung auf den Gewinnanspruch der Aktionäre als zulässig an. Das Verbot der Einlagenrückgewähr kommt hier, soweit die Voraussetzungen des § 59 erfüllt sind, nicht zum Zuge. 5. Vergütung von Nebenleistungen (§ 55 Abs 1 S 2)

187

§ 55 Abs 1 S 2 drückt aus, daß es zulässig ist, den aufgrund ihrer Mitgliedschaft zu Nebenleistungen verpflichteten Aktionären (§ 55 Abs 1 S 1) ein Entgelt dafür zu gewähren, daß sie die auf der Stammverpflichtung beruhenden Einzelpflichten erfüllen. Zahlungen, mit denen die AG diese mitgliedschaftlichen Nebenleistungen ihrer Aktionäre vergütet, sind daher von Abs 1 S 1 ausgenommen. Allerdings beansprucht das Rückgewährverbot Geltung, wenn das für die Nebenleistung satzungsmäßig versprochene oder gewährte Entgelt den objektiven Wert der zu erbringenden oder erbrachten Nebenleistung übersteigt. § 61 bestimmt hier eindeutig, daß die Vergütung ihrem Wert nach der Leistung höchstens äquivalent sein darf (vgl zudem § 61 Rdn 15). 6. Konzernierungsbedingte Sonderregelungen

188

a ) Einlagenrückgewähr im Vertragskonzern (§ 291 Abs 3). aa) Gewinnabführungsvertrag (§ 291 Abs 1 S 1 Fall 2). Besteht für eine AG die vertragliche Pflicht zur Abführung ihres Gewinnes an ein anderes Unternehmen, so findet als lex specialis § 291

559

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 5 3 - 5 5 m w N ; G r o ß k o m m - ß a r z Voraufl, Anm 13 m w N .

560

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3 7 und 5 3 - 5 5 m w N ; Körte W i B 1997, 9 5 3 ff.

561

Vgl B F H AG 1 9 8 0 , 312; Hüffer4 Rdn 6 ; KK-Lutter2 Rdn 4 7 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 5 6 ; GroßkommBarz Voraufl, Anm 9.

Stand: 1. 3. 2000

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Grundsatz der Vermögensbindung

§57

Abs 3 Anwendung: Die §§ 57, 58 und 60 können nicht angewandt werden, soweit es um die Beurteilung der Zulässigkeit von Leistungen geht, die aufgrund des Gewinnabführungsvertrages zu erbringen sind, mag auch das berechtigte Unternehmen - was in der Regel der Fall ist - Aktionär der gewinnabführungsverpflichteten AG sein. Es braucht demnach hinsichtlich des Kapitals, das die AG aufgrund des Gewinnabführungsvertrages abführen muß oder abgeführt hat, kein Beschluß der Hauptversammlung über die Gewinnverwendung gefaßt zu werden. Diese Ausnahme vom Verbot eines Vermögenstransfers gilt freilich nur innerhalb der durch § 301 gezogenen Grenzen. Sie ist auf die Abführung von Gewinnen beschränkt. Alle anderen Leistungen sowie die Leistungen, die diese für das Konzernverhältnis vertraglich oder gesetzlich gezogenen Grenzen überschreiten, werden beim isolierten Gewinnabführungsvertrag von Abs 1 S 1 erfaßt. 5 6 2 Dazu gehören insbesondere eine die AG belastende Preisgestaltung oder eine an den anderen Teil zu gewährende Konzernumlage; 563 ebenso die Kreditbesicherung zugunsten des Mutterunternehmens bzw eines Unternehmens, über das die Muttergesellschaft nach § 16 Abs 4 als - mittelbarer - Aktionär ihrer Tochter-AG gilt. bb) Beherrschungsvertrag (§ 291 Abs 1 S 1 Fall 1). Auch beim Beherrschungsvertrag ist der Verbotstatbestand des Abs 1 S 1 nach der Sonderregelung in § 291 Abs 3 suspendiert. 5 6 4 Hier erlaubt das aus § 308 folgende Weisungsrecht, daß auch ungeachtet eines förmlich festgestellten Bilanzgewinnes Vermögenswerte Gegenstände aus dem Vermögen der AG abfließen. Möglicher Begünstigter kann nicht nur das herrschende Unternehmen sein. Die Weisung an die beherrschte AG kann auch lauten, eine Leistung an ihre Aktionäre oder an gesellschaftsfremde Dritte zu erbringen. 565 Anders als bei Bestehen eines isolierten Gewinnabführungsvertrages ist im Rahmen eines Beherrschungsvertrages das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens nicht darauf beschränkt, die AG zu Zahlungen aus ihrem Gewinn zu veranlassen. Eine Konzernumlage, die Bestellung von Sicherheiten („upstream guarantees") oder andere Rechtsgeschäfte, die dem herrschenden Unternehmen oder dem Konzern auf Kosten der beherrschten AG zugute kommen, können daher über das Weisungsrecht angeordnet und vollzogen werden. 5 6 6 Zum Ausgleich dieser Aufhebung der Vermögensbindung gelten die §§ 302, 303. 5 6 7 Damit ist den Gläubigern zu ihrem Schutz der Zugriff auf das Vermögen des weisungsbefugten Unternehmen eröffnet.

189

Einschränkungen. Wird allerdings aus dem Vermögen der beherrschten AG eine Zuwendung vorgenommen, die nicht auf einer Weisung iSd § 308 beruht, oder genügt eine Weisung nicht den Anforderungen des § 308 Abs 1 S 2 letzt HS (Konzerninteresse), 568 dann verstößt die Vermögenszuwendung der AG gegen Abs 1 S l . 5 6 9 Außerdem

190

562

563 564

565

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KK-Koppensteiner2 § 291 Rdn 79; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 60, 61; Eichholz Das Recht konzerninterner Darlehen (1993), S 139; aA Mayer BB 1971, 1405, 1406; Tubach DB 1969, 322, 324. KK-Lutter 1 Rdn 77. Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 7, 14; ν Godin/Wilhelmi 4 Anm 8. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 60. Vgl OLG München AG 1980, 272; krit Ballerstedt Z H R 137 (1973), 388, 396 f.

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569

Zur Entstehung, Festlegung, Fälligkeit und Höhe des Verlustausgleichsanspruches vgl BGH N Z G 2000, 139 m Anm Hoffmann 205. Vgl KK-Koppensteiner2 § 291 Rdn 79; Geßler in: Geßler/Hefermehl, § 291 Rdn 109, 110. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 61; Geßler ebd, S 291 Rdn 109; Brandes FS Kellermann (1991), S 25, 27 m w N ; Eichholz Das Recht konzerninterner Darlehen (1993), S 139; Michalski AG 1980, 261, 262 f; abw wohl OLG München AG 1980, 272, 273.

H a r t w i g Henze

§57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

hebt § 291 Abs 3 die Vermögensbindung ungeachtet der Interessen des Gesamtverbundes dann nicht auf, wenn die Befolgung der Weisung unter Zugrundelegu ng des dem innewohnenden Maximalrisikos 570 für die beherrschte AG existenzbedrohend ist; zu derartigen Weisungen besteht nach hM allgemein kein Recht der Obergesellschaft. 571 Ferner wird die vertraglich untergeordnete AG die Befolgung von Weisungen, mit denen Vermögen verlagert werden soll, mit Rücksicht auf Abs 1 S 1 verweigern dürfen und müssen, wenn schon beim Abzug der Mittel feststeht, daß das Ausgleichssystem der §§ 302, 303 versagen wird; ähnliches ist anzunehmen, wenn bereits vor Erteilung der Weisung die AG wegen permanenten Liquiditätsentzugs kaum noch oder nicht mehr lebensfähig ist. 5 7 2 191

cc) Andere Unternehmensverträge (§ 292). Liegt kein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag vor, dann ist § 291 Abs 3 nicht einschlägig; § 57 bleibt anwendbar. Leistungen einer AG im Rahmen eines anderen Unternehmensvertrages an ein Unternehmen, das Aktionär der AG ist, müssen sich daher am Verbotstatbestand des Abs 1 S 1 messen lassen. 573 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 292 Abs 3 S 1. Denn diese Vorschrift schließt nicht die Weibotsgeltung des Abs 1 S 1 aus, sondern sieht für den Fall, daß gegen dieses Verbot verstoßen wird, nach § 292 Abs 3 S 2 als Rechtsfolge an Stelle der Nichtigkeit lediglich die Anfechtbarkeit vor. 5 7 4

192

b) Einlagenrückgewähr im qualifiziert faktischen Konzern. Für den qualifiziert faktischen Konzern hat die Rspr zum Schutz einer beherrschten GmbH und ihrer Gläubiger analog §§ 302, 303 Haftungsgrundsätze entwickelt, nach denen das herrschende Unternehmen zur Verlustübernahme und Gläubigerbefriedigung verpflichtet ist. 5 7 5 Diese Grundsätze sind auf die qualifiziert faktisch beherrschte AG zu übertragen. 576 Daraus 570

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573

Maier-Reimer in: Lutter [ua], Hdb Konzernfinanzierung (1998), Rdn 16.64. OLG Düsseldorf AG 1990, 4 9 0 , 4 9 2 ; Hüffer4 § 3 0 8 Rdn 19 mwN; Krieger in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], ξ 70 Rdn 134 mwN; Hommelhoff/Kleindiek in: Lutter [ua], Hdb Konzernfinanzierung (1998), Rdn 21.10; Geßler in: Geßler/Hefermehl, § 3 0 8 Rdn 55; Brandes FS Kellermann (1991), S 25, 31 mwN; Emmerich in: Hommelhoff [ua], Entwicklungen im GmbH-KonzernR (1986), S 64, 71 f; Schön Z H R 159 (1995), 351, 373; Jula/Breitbarth AG 1997, 2 5 6 , 2 5 8 f; ferner Kühbacher Darlehen an Konzernunternehmen (1993), S 54 ff; Eichholz Das Recht konzerninterner Darlehen (1993), S 88 ff; aA KK-Koppensteiner2 § 3 0 8 Rdn 32. Vgl U H Schneider ZGR 1984, 497, 5 3 3 f; Emmerich in: Hommelhoff [ua], Entwicklungen im GmbH-KonzernR (1986), S 64, 72, 75; Scholz/¿ers GmbHG 9 Anh KonzernR, Rdn 185 mwN; Brandes FS Kellermann (1991), S 25, 28 f. KK-Lutter2 Rdn 79; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 62; Großkomm-

574

Barz Voraufl, Anm 14; Havermann WPg 1966, 90, 92; Kropff BB 1965, 1281, 1286. Hüffer4 § 2 9 2 Rdn 29; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 62, 80 f; vgl auch KK-Zöllner § 2 4 3 Rdn 2 5 3 ; Geßler FS Barz (1974), S 97, 106 f; Schilling Freundesgabe Hengeler (1972), S 226, 2 4 4 .

575

BGHZ 95, 330; 107, 7; 115, 187; 122, 123; BGH NJW 1994, 4 4 6 (m Anm Κ Schmidt) und 3288; 1996, 1283; 1997, 943; BAG NJW 1999, 740, 741 f; Kühler NJW 1993, 1204; Κ Schmidt ZIP 1993, 549; Η Ρ Westermann ZIP 1993, 554; Ebenroth/Wilken ZIP 1993, 5 5 8 ; Schulze-Osterloh ZIP 1993, 1838; Lutter }Z 1993, 5 8 0 ; U Η Schneider W M 1993, 782; Drygala GmbHR 1993, 317; Goette DStR 1993, 568; Krieger ZGR 1994, 375; Hommelhoff ZGR 1994, 395; Rspr-Analyse bei Michalski/Zeidler NJW 1996, 2 2 4 ; zusammenfass Scholz¡Emmerich GmbHG 9 Anh KonzernR, Rdn 95 ff, 125 ff mwN; krit Altmeppen DB 1994, 1912 ff mwN.

576

Ganz hM; Krieger in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 6 9 Rdn 113 mwN; Cahn Kapitalerhaltung im Konzern (1998),

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Grundsatz der Vermögensbindung

§57

kann aber nicht geschlossen werden, daß - etwa analog § 291 Abs 3 - das Gebot der Vermögensbindung in einer zum Vertragskonzern vergleichbaren Weise seiner Geltung enthoben ist. Denn in einem nichtvertraglichen Unternehmensverbund fehlt gerade die Legitimation zur Weisung aufgrund eines Beherrschungsvertrages. Die richterrechtlichen Haftungsgrundsätze überwinden zwar zum Schutz Außenstehender die von § 1 Abs 1 S 2 vorgesehene Vermögenstrennung; mit ihrer Anwendung sind aber keine zusätzlichen (rückwirkenden) Befugnisse zugunsten des herrschenden Unternehmens in dem Verhältnis zur beherrschten Gesellschaft eingeführt. Die qualifiziert faktische, vom Gesetz nicht anerkannte und deswegen rechtswidrige Konzernierung setzt die Grundsätze über die Kapitalerhaltung nur tatsächlich, aber nicht rechtlich außer Kraft. 577 Deshalb bleibt soweit nicht die Vorschriften über den schlicht faktischen Konzern ( § 3 1 1 Abs 1 und 2) vorrangig zu beachten sind (Rdn 194 ff) - § 57 im qualifiziert faktischen Konzern zu beachten. 578 c) Einlagenrückgewähr bei Eingliederung (§ 323 Abs 2). Leistungen einer nach §§ 319 ff eingegliederten AG an die Hauptgesellschaft sind der Reichweite des Abs 1 S 1 in vollem Umfang entzogen. Nach § 323 Abs 2 ist hier keinerlei Vermögenstransfer verboten. 579 Das Vermögen dieser AG genießt keinen Bestandsschutz.

193

d) Einlagenrückgewähr im faktischen Konzern. Anders als für den Vertragskonzern 1 9 4 und die Eingliederung enthalten die §§ 311 ff keine den §§ 291 Abs 3, 323 Abs 2 vergleichbare Regelung. Allerdings sieht § 311 Abs 1 die Möglichkeit vor, daß das faktisch herrschende Unternehmen unter Ausnutzung seines Einflusses Vermögensverlagerungen zu Lasten der beherrschten AG vornimmt. Die Zulässigkeit dieses Verhaltens ist aber an eine Ausgleichsleistung für die entstandenen Nachteile geknüpft (§ 311 Abs 1 und Abs 2). Eine weitergehende Regelung enthält die Vorschrift nicht, obwohl wegen des Abhängigkeitsverhältnisses jede das herrschende Unternehmen begünstigende Leistung als verdeckte Vermögenszuwendung iSv Abs 1 S 1 anzusehen ist. Das darf aber nicht zu der Annahme verleiten, § 57 käme für diese Konstellation zum Zuge. Die Vorschrift des § 311 ist vielmehr als lex specialis gegenüber dem allgemeinen Rückgewährverbot des § 57 zu verstehen; § 311 formt die Vermögensbindung in konzernspezifischer Weise

577 578

579

S 84 f mwN; Hüffer4 § 3 0 2 Rdn 30 mwN; Emmerich/Habersack AktienkonzemR (1998), Vor S 311 Rdn 20; Hommelhoff/ Freytag DStR 1996, 1409, 1416; Kropff AG 1993, 4 8 5 ff. BGHZ 115, 187, 197 f; 122, 123 ff. Cahn Kapitalerhaltung im Konzern (1998), S 86 f mwN; Sonnenbol/Groß Z H R 159 (1995), 388, 410; Schön ebd, S 351, 374; Maier-Reimer in: Lutter [ua], Hdb Konzernfinanzierung (1998), Rdn 16.60; vgl auch Jula/Breitbarth AG 1997, 256, 2 6 3 ; Peltzer GmbHR 1995, 15, 17. Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 16 Rdn 51; Krieger ebd, § 73 Rdn 53; Großkomm- Würdinger Voraufl, § 323 Anm 8; Eichholz Das Recht konzerninterner Darlehen (1993), S 138 f.

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HM; OLG Frankfurt AG 1996, 324, 327; OLG Stuttgart AG 1994, 4 1 1 , 4 1 2 ; LG Düsseldorf AG 1979, 290, 291; Hüffer4 Rdn 6 sowie § 311 Rdn 49; Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 16 Rdn 51; Krieger ebd, § 6 9 Rdn 61; EmmetichJHabersack AktienkonzemR (1998), § 311 Rdn 55; KK-Lutter 2 Rdn 80; KK-Koppensteiner2 § 311 Rdn 107; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 64; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 379; Kropff in: Geßler/Hefermehl, § 311 Rdn 65 und 103; Großkomm-ßar? Voraufl, Anm 7; Henze BB 1996, 4 8 9 , 4 9 8 f; Kropff Ob 1967, 2147 ff; Michalski AG 1980, 261, 2 6 4 ; U H Schneider ZGR 1985, 279, 2 9 4 ; Sonnenhol/Groß ZHR 159 (1995), 388, 410; Adler/Düring/Schmaltz6 § 311 Rdn 59, 7 7 ;

Hartwig Henze

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

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Dieser Vorrang der konzernspezifischen Regelung (§ 311) gegenüber der Vorschrift in Abs 1 S 1 gilt allerdings nur dann, wenn sich die Vermögenszuwendung der abhängigen AG auch tatsächlich einflußbedingt vollzieht. Denn nur damit steht die Pflicht des herrschenden Unternehmens aus § 311 in Einklang, das Kapital der abhängigen AG zu schützen. Leistungen an das herrschende - oder ein dem gleichzuachtendes - Unternehmen, die von der beherrschten AG unabhängig des Einflusses erbracht werden, werden daher vom Verbot des Abs 1 S 1 voll erfaßt. 5 8 1

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Ebenso wird Abs 1 S 1 dann nicht verdrängt, wenn bei einflußbedingter Vermögensverlagerung weder ein Nachteilsausgleich nach § 311 Abs 1 vorgenommen noch eine Vereinbarung iSd § 311 Abs 2 getroffen wird. 5 8 2 Die Verlagerung von Kapital aus dem Vermögen der AG wird in diesen Fällen nicht mehr in dem durch die Regelung des § 311 als zulässig anzusehenden Rahmen vorgenommen, so daß keine konzernrechtlich zu privilegierende Ausnahme mehr vorliegt und der strenge allgemeine Kapitalschutz nach Abs 1 S 1 wieder eingreift. 583 Der abhängigen AG steht daher ggf der Rückgewähranspruch aus § 62 zu; zudem löst der Verstoß gegen § 311 Abs 2 den Schadensersatzanspruch aus § 317 aus. 5 8 4 Diese beiden Ansprüche bestehen nebeneinander. 585 Ihre Konkurrenz ist wegen der unterschiedlich strengen Voraussetzungen und der unterschiedlich weitreichenden Rechtsfolgen durchaus sinnvoll: 586 § 62 verpflichtet nur zur Rückgewähr des transferierten Vermögens, wofür nach Abs 1 S 1 schon die Aktionärseigenschaft des Empfängers genügt; hingegen gewährt § 317 einen verschuldensunabhängigen 5 8 7 Schadensersatzanspruch, der aber nur dann erfolgreich durchgesetzt werden kann, wenn bewiesen wird, daß das herrschende Unternehmen einen nachteiligen Einfluß auf die AG ausgeübt hat.

197

Liegt die einflußbedingte Zuwendung der abhängigen AG an ihr Mutterunternehmen in der Gewährung eines Dahrlehens oder der Bestellung einer Sicherheit und ist diese Kreditvergabe nach den allgemeinen Grundsätzen der Vermögensbindung als Verstoß gegen Abs 1 S 1 zu qualifizieren (Rdn 49 f, 51 ff), dann wird auch § 311 an diesem Verbotsverstoß in aller Regel nichts ändern. 5 8 8 Denn in diesen Fällen muß - spätestens in dem Augenblick, in dem sich die Verlustausgleichspflicht nach § 311 Abs 1 gläubigeraA Geßler in: Geßler/Hefermehl, § 2 9 2 Rdn 33; Großkomm- Würdinger Voraufl, § 311 Anm 5; Ebenroth Verdeckte Vermögenszuwendungen (1979), S 443; Altmeppen ZIP 1996, 693, 695 ff: § 6 2 anwendbar; ebenso Cahn Kapitalerhaltung im Konzern (1998), S 6 4 ff. 581

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Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 65. OLG H a m m ZIP 1995, 1263, 1271; vgl auch BGHZ 141, 79, 87: Nachteilszufügende Steuerumlage ohne Ausgleich kann gegen § 311 und § 5 7 verstoßen. OLG Frankfurt AG 1996, 324, 327; OLG H a m m ZIP 1995, 1263, 1271; Hüffer4 § 317 Rdn 17; KK-Lutter2 Rdn 81; Canaris FS Fischer (1979), S 31, 42; Geßler ebd, S 131, 138; Horn ZIP 1987, 1225, 1229; Wiedemann/Strohn AG 1979, 113, 120; Verhoeven/Heck AG 1977, 232, 233; aA Holtermann BB 1988, 1538, 1542;

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Michalski AG 1980, 261, 264; wohl auch Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 64. Vgl etwa B G H Z 141, 79; dazu Heme AktienR 4 (2000), Rdn 1240 ff; Einzelheiten bei Emmerich/Sonnenschein KonzernR 6 (1997), § 20, S 338 ff. OLG Frankfurt AG 1996, 324, 327; Hüffer4 § 317 Rdn 17; KK-Eutter2 Rdn 81; aA Michalski AG 1980, 261, 2 6 4 . Vgl KK-Lutter 2 Rdn 81. Vgl BGHZ 141, 79, 89; Hüffer4 § 317 Rdn 5 m w N ; Emmerich/Habersack AktienkonzernR (1998), § 317 Rdn 3, 5; Emmerich/Sonnenschein KonzernR 6 (1997), § 2 2 II 1, S 376; aA Großkomm -Würdinger Voraufl, § 317 Anm 5; Brüggemeier AG 1988, 93, 100. Vgl Schön Z H R 159 (1995), 351, 372; Maier-Reimer in: Lutter [ua], H d b Konzernfinanzierung (1998), Rdn 16.61.

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Grundsatz der Vermögensbindung

§57

schützend aktualisieren soll, dieselbe ins Leere gehen: Das Mutterunternehmen kann für den Fall seiner Insolvenz nicht aus eigener Kraft dieses Insolvenzrisiko zugunsten der abhängigen AG ausgleichen. Ebenso kann eine Vereinbarung, die nach § 311 Abs 2 getroffen würde, keine eigenständige Bedeutung gewinnen: Sie müßte im Falle der Darlehensgewährung dahin gehen, der Tochter-AG das Gewährte zurückzugeben; diesen Anspruch besitzt die AG freilich ohnehin aus § 6 0 7 BGB. Im Falle der Besicherung des herrschenden Unternehmens, müßte die Vereinbarung nach § 311 Abs 2 der abhängigen AG einen Befreiungsanspruch einräumen; diese Position - die sich freilich unabhängig von einer konzernrechtlichen Abrede genauso aus dem Sicherungsverhältnis ergeben wird (vgl § 775 BGB) - kann aber situationsbedingt nie werthaltig sein, da das Mutterunternehmen die Tochter-AG ebensowenig freizustellen vermag wie es den Kredit zu tilgen in der Lage ist. 7. Keine weiteren Ausnahmen a) Die Regelung des § 2 6 Abs 1 und Abs 2 . Bei der Festsetzung eines besonderen Vorteils iSv § 2 6 Abs 1 sowie bei einer nach § 2 6 Abs 2 zu gewährenden Entschädigung bzw Belohnung sind die Beteiligten nach ganz hM grundsätzlich nicht vom Verbot des Abs 1 S 1 befreit. 5 8 9 Dem ist zu folgen; denn da § 5 7 zwingendes Recht ist (Rdn 6), führen die Regelungen in § 2 6 Abs 1 und Abs 2 nicht zu einer Abweichung.

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b) Die Regelung des § 2 4 3 Abs 2 S 1 und S 2. Daß bei Ausgleichszahlungen iSv § 2 4 3 Abs 2 S 2 kein Anfechtungsgrund nach § 2 4 3 Abs 2 S 1 besteht, heißt nicht, daß der in § 2 4 3 Abs 2 S 1 genannte Beschluß durch derartige Ausgleichszahlungen wirksam würde oder auf solche Sondervorteile § 5 7 nicht anzuwenden wäre. § 2 4 3 Abs 2 statuiert keine Ausnahme vom Rückgewährverbot des Abs 1 S 1; eine Heilung des nach § 241 Nr 3 nichtigen Beschlusses tritt nicht ein. 5 9 0 Die nach § 2 4 3 Abs 2 S 2 angesprochenen Ausgleichszahlungen können, soweit die Zahlung nicht von dritter Seite erfolgt, von der Gesellschaft an die Aktionäre nur aus dem zur Ausschüttung vorgesehenen Bilanzgewinn gezahlt werden. 5 9 1

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X . Die Rechtsfolgen einer verbotenen R ü c k g e w ä h r 1. Nichtigkeit a) Grundsatz. § 5 7 ist Verbotsgesetz iSv § 134 BGB. Alle Rechtsgeschäfte, die dem Verbot der Kapitalrückgewähr (Abs 1 S 1; Abs 2; Abs 3) zuwider laufen, sind daher grundsätzlich nichtig. Im einzelnen können freilich Differenzierungen angebracht sein, da § 5 7 verdeckte Vermögensverschiebungen jedenfalls nicht unmittelbar im Blick hat, und

589

Hüffer4 Rdn 6 und § 26 Rdn 3; Großkomm-Röhricht 4 § 26 Rdn 9, 13-16, 18 mwN; KK-Lutter 2 Rdn 83; KK-Kraft2 § 26 Rdn 6, 7; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 67-69 mwN; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 168 und 382; GroßkommBarz Voraufl, § 26 Anm 5, 7; Baumbach/ HueckP § 26 Rdn 3; Schlegelberger/ Quassowski3 § 19 Rdn 5; ν Godin/ Wilhelmi4 § 26 Anm 2, 3; Würdinger

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AktienR4 (1981), S 43; Junker ZHR 159 (1995), 207, 214; Schüller BB 1991, 2403, 2410; aA Bommert Verdeckte Vermögensverlagerungen (1989), S 121 ff; Gail WPg 1970, 237, 241. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 81. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 70; Geßler FS Barz (1974), S 97, 100 f.

Hartwig Henze

200

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

auch die Konstellationen, die sich unter Drittbeteiligung abspielen, bei der Fassung der Bestimmung nicht bedacht worden sind. 201

b) Offene Verbotsmißachtung, aa) Das schuldrechtliche Kausalgeschäft. Bereits jede Verpflichtung der Gesellschaft, deren Erfüllung eine Schmälerung ihres gebundenen Vermögens im einseitigen Kapitalabfluß an einen Aktionär bedeuten würde, ist nach § 5 7 iVm § 134 B G B nichtig. 5 9 2 Geht man davon aus, daß sich diese Nichtigkeitsfolge auch auf das Erfüllungsgeschäft erstreckt (Rdn 2 0 3 ) , kann das für die Verpflichtung ferner aus § 3 0 6 BGB folgen. 5 9 3

202

Gänzlich irrelevant ist dabei, ob die Verpflichtung mündlich, schriftlich oder gar in notarieller Form begründet werden sollte. Nichtig sind daher auch Satzungsbestimmungen, die gegen § 5 7 verstoßen (§ 2 3 Abs 5). Auch kann kein Hauptversammlungsbeschluß jemals Bestand haben, der eine von § 5 7 untersagte offene Vermögensverschiebung vorsieht; er ist stets nach dem § 134 B G B vorgehenden § 241 Nr 3 nichtig, 5 9 4 es sei denn, die Rechtsfolge des § 5 7 ist durch § 291 Abs 3 modifiziert (Rdn 188 ff). Und schließlich ist - soweit wiederum nicht § 291 Abs 3 einschlägig ist (Rdn 189 f) - jede Art der Anweisung an die Verwaltung (zB durch den Mehrheitsaktionär im qualifiziert faktischen Konzern), eine gegen § 5 7 verstoßene Handlung vorzunehmen, ohne Rechtsverbindlichkeit. 5 9 5

203

bb) Das dingliche Vollzugsgeschäft. In gleicher Weise wie das Verpflichtungsgeschäft ist auch das Erfüllungsgeschäft nach § 134 B G B nichtig. 5 9 6 Faßt man den eigentlichen Schutzzweck des § 5 7 ins Auge, Vermögensübertragungen, die keine Gewinnausschüttungen sind, auf Aktionäre zu verhindern, so ist davon auszugehen, daß sich das Verbot der Vermögensverlagerung in erster Linie gegen die Leistung richtet und das Verpflichtungsgeschäft von dieser Regelung mitumfaßt wird. 5 9 7 Denn während die Verpflichtung nur die Vorbereitung des Kapitalabflusses darstellt, greift die Leistung das gebundene Vermögen in tatsächlicher Weise an; das eigentliche Gesetzesziel besteht daher darin, den dinglichen Vollzug einer derartigen Verpflichtung zu unterbinden. Nur bei Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäftes bleibt die AG Eigentümerin des übertragenen Vermögensgegenstandes. Im Gegensatz zu reinen Rückforderungsansprüchen ist allein diese Position 592

593

594

AllgM; RGZ 77, 71, 72; 107, 161, 166; 121, 99, 106; 149, 385, 400; OLG Koblenz AG 1977, 231, 232; OLG München AG 1980, 272, 273; Hüffer4 Rdn 23; KK-Lutter 1 Rdn 61, 62; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 71; Wiesner in: MünchHdb GesR2 (1999), Bd 4 [AG], § 16 Rdn 52; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 389; Baumbach/Hwecè13 Rdn 8; GroßkommBarz Voraufl, Anm 10; Schlegelberger/ Quassowski3 § 52 Rdn 7; Sonnenhol/ Stützle WM 1983, 2, 5 f; aA Joost ZHR 149 (1985), 419, 435 f; Κ Schmidt GesR3 (1997), § 2 9 II 2b aa, S 898 f. Vgl RGZ 95, 347, 348; Palandt/Heinrichs BGB59 (20 00), § 306 Rdn 4. RG HRR 1937 Nr 13; Wiesner in: MünchHdb GesR2 (1999), Bd 4 [AG], § 16 Rdn 54; KK-Lutter 2 Rdn 60; Hefermebl/

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Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 80 mwN; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 390. Joost ZHR 149 (1985), 419, 435; vgl auch Lutter/Hommelhoff GmbHG15 § 32a/b Rdn 103. RGZ 107, 161, 166; 121, 99, 106; OLG Koblenz AG 1977, 231, 232; OLG München AG 1980, 272, 273; Hüffer4 Rdn 23; KKLutter2 Rdn 63; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 71; Wiesner in: MünchHdb GesR2 (1999), Bd 4 [AG], § 16 Rdn 52; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 389; Baumbach/H«ec&13 Rdn 8; GroßkommBarz Voraufl, Anm 10; Schlegelberger/ Quassowski3 § 52 Rdn 8; aA Joost ZHR 149 (1985), 419, 435 f; Κ Schmidt GesR3 (1997), § 29 II 2b aa, S 898 f. Lutter Kapital (1964), S 429; Canaris FS Fischer (1979), S 31, 33.

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Grundsatz der Vermögensbindung

§57

insolvenzfest (§ 47 InsO) und vor dem Zugriff Dritter geschützt (§ 771 ZPO). Nur so wird verhindert, daß das Risiko eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs eines Aktionärs, der entgegen § 57 bevorteilt ist, auf die AG durchschlägt. Diese Sichtweise muß sich nicht dem Vorwurf aussetzen, sie entferne sich von der wertmäßigen Vermögensbindung und gehe über zu einer gegenständlichen Kapitalerhaltung (vgl Rdn 5). Die bei Wirksamkeit des Erfüllungsgeschäftes bestehenden Rückübertragungsansprüche haben unter dem Zugriffsaspekt gerade nicht den gleichen Wert, da die Gesellschaftsgläubiger vor und zur Realisierung dieses Rückführungsanspruches zudem mit den Gläubigern des begünstigten Aktionärs in Konkurrenz treten würden. Bedenken gegen die Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäftes lassen sich nicht daraus herleiten, daß seit dem AktG 1965 mit § 62 Abs 1 S 1 eine die Rückgewährpflicht speziell regelnde Vorschrift besteht. 598 Die Einfügung dieser Vorschrift läßt keinen Rückschluß auf die Rechtsfolgen aus § 57 zu; denn mit ihrer Aufnahme in das Gesetz sollte keine Änderung der schon im AktG 1937 anerkannten Rechtsfolgen des damaligen § 52 verbunden sein. Mit § 62 Abs 1 S 1 ist lediglich der bereits vor Bestehen dieser Norm allgemein anerkannte Rückgewähranspruch als speziell aktienrechtlicher Anspruch ausgestaltet worden (§ 62 Rdn 11), um die Bindung des Kapitals zu verstärken. Diese Vorschrift tritt an die Stelle aller schuldrechtlichen Rückgewähransprüche, die sich entweder aus §§ 812 ff BGB, § 816 iVm § 932 BGB oder §§ 946 ff, 951 BGB iVm §§ 812 ff BGB ergeben. Das verstärkt den Kapitalschutz deutlich, weil insbesondere die §§ 814, 817 S 2 und 818 Abs 3 BGB keine Anwendung finden. Im übrigen kann § 62 Abs 1 S 1 - genauso wie die ansonsten nicht verdrängten §§ 812 ff BGB - ohne weiteres neben § 985 BGB treten, dessen Anwendbarkeit die Konsequenz aus der auch für das Erfüllungsgeschäft anzunehmenden Nichtigkeit ist. 5 9 9

204

Die Annahme der Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäftes läßt auch keinen Bruch zu den für das Recht der GmbH - insbesondere § 30 GmbHG - entwickelten Kapitalschutzgrundsätzen befürchten. 600 Wenn dort die Wirksamkeit des dinglichen Geschäftes angenommen wird, so spiegelt sich darin lediglich die unterschiedliche Strenge der Vermögensbindung im Aktien- und GmbH-Recht wider: § 57 will eine umfassende Vermögensbindung erreichen, § 30 GmbHG hingegen bindet ausschließlich das Stammkapital bis zur Höhe der nach § § 3 Abs 1 Nr 3, 5 Abs 1 HS 1 GmbHG festgelegten Kapitalziffer. Bei der GmbH kann - je nach dem, in welcher Höhe die Stammkapitalziffer gedeckt ist - eine Ausschüttung bald erlaubt, bald verboten sein. 601 Schon dieser Unterschied mag Zweifel daran entstehen lassen, ob für das Recht der GmbH die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäftes die zutreffende, § 30 GmbHG zu entnehmende Rechtsfolge wäre. 602 Geht man diesbetreffend von der schwebenden Unwirksamkeit des

205

598

599

So aber Joost Z H R 1 4 9 ( 1 9 8 5 ) , 419, 4 2 1 ff, 4 3 5 ; auch Κ Schmidt GesR 3 ( 1 9 9 7 ) , § 2 9 II 2 b aa, S 8 9 8 f. Vgl auch K K - L u t t e r 1 Rdn 6 3 .

600

So freilich Joost Z H R 149 ( 1 9 8 5 ) , 419, 4 2 1 ff, 4 3 7 ff; auch Κ Schmidt GesR 3 ( 1 9 9 7 ) , S 2 9 II 2 b aa, S 8 9 8 f.

601

Freilich gilt nach den zur G m b H jüngst ergangenen Urteilen B G H ZIP 2 0 0 0 , 1251 = BB 2 0 0 0 , 1 4 8 3 m Anm Thümmel sowie B G H ZIP 2 0 0 0 , 1 2 5 6 , daß umgekehrt der Verstoß gegen § 3 0 Abs 1 G m b H G nicht deshalb entfällt, weil anschließend - aus anderen Gründen als der Erfüllung von

(201)

§ 31 Abs 1 G m b H G - die Vermögenswerte in stammkapitalauffüllender Weise die Schwelle des § 3 0 Abs 1 G m b H G wieder übersteigen und somit zu diesem späteren Zeitpunkt eine Auszahlung nunmehr erlaubt wäre (Aufgabe von B G H N J W 1 9 8 8 , 139 = ZIP 1987, 1113 m Anm Η Ρ Westermann = E W i R 1987, 1 0 9 9 m Anm Κ Müller). 602

§ 3 0 G m b H G ist kein Verbotsgesetz iSv § 134 BGB, siehe B G H Z 136, 125, 1 2 9 f; 138, 2 9 1 , 2 9 8 ; Κ Schmidt GesR 3 ( 1 9 9 7 ) , § 3 7 III 2 c , S 1137 f; in pauschaler Parallele zwischen GmbH- und Aktienrecht wird diese Rspr zu § 3 0 G m b H G ( B G H Z 136,

Hartwig Henze

§ 5 7

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Kausalgeschäftes aus, braucht auch der darauf beruhende dingliche Vollzug nicht nichtig zu sein. Das Recht der GmbH und das Aktienrecht folgen im Hinblick auf die Kapitalerhaltung aber ihren eigenen gesetzlich vorgezeichneten Regeln. 6 0 3 Da beide Regelungen unterschiedlich konzipiert sind (Rdn 9f), läßt sich bei unterschiedlichen Rechtsfolgen somit nicht von einem Systembruch sprechen. 206

c) Verdeckte Verbotsmißachtung. aa) Das schuldrechtliche Kausalgeschäft. Haben die Gesellschaft und der Aktionär ein Umsatzgeschäft vereinbart, bei dem die auszutauschenden Leistungsgegenstände ihrem objektiven Wert nach nicht ausgewogen sind, dann ist der diesem Geschäft zugrundeliegende Vertrag nach Abs 1 S 1 verboten. Denn diese Verpflichtung wäre dazu bestimmt, ein Rechtsgeschäft zu tragen, das wegen unzulässiger Schmälerung des Gesellschaftsvermögens von Abs 1 S 1 untersagt ist. Das bedeutet ebenso wie für den Fall des offenen Verstoßes (Rdn 201), daß der Vertrag, der diese Verpflichtungen begründet, nach § 134 BGB nichtig ist. 6 0 4 Für die Gesellschaft heißt das nicht nur, daß sie keine Leistungspflicht trifft, sondern auch, daß für sie ein Leistungsverbot besteht. Hat sie die Leistung noch nicht erbracht, trifft sie eine Leistungsferweigerungspflicht, die ein Leistungsverweigerungsrecht enthält. 605

207

Dieser Standpunkt ist nicht unstreitig. Die gegenteilige Ansicht, den Verpflichtungsgrund nicht oder nicht insgesamt der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB zu unterwerfen, läßt sich jedoch mit der strengen Kapitalbindung nicht vereinbaren. Außerdem würde dies nicht der Regelung des § 62 Abs 1 S 1 entsprechen. Denn ein wirksamer Vertrag stünde dem Rückgewähranspruch entgegen: Das kann also vom Gesetz nicht gewollt sein. 6 0 6

208

Im einzelnen ist die Auffassung abzulehnen, aus den §§ 57, 62 ergebe sich, daß das Verpflichtungsgeschäft unter Vereinbarung des marktgerechten Preises als geschlossen gelten müsse. 607 Eine derart vertragsändernde Wirkung kommt dem in Abs 1 S 1 normierten Rückgewährverbot nicht zu. 6 0 8 Auch eine Abspaltung des verdeckten, unter gesellschaftsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilenden Vermögensvorteils und die Aufrechterhaltung des restlichen Rechtsgeschäftes nach § 139 BGB als drittgleiches 1 2 5 ) von Hirte KapitalgesR 2 ( 1 9 9 9 ) , Rdn 6 8 4 und Früh G m b H R 2 0 0 0 , 105, 1 0 8 zu Unrecht dahin gedeutet, das sei auch für § 5 7 anzunehmen. 603

Die wirksame Erfüllung im GmbH-Recht läßt die Position der G m b H im Vergleich zur AG schwächer erscheinen; das Fehlen einer § 31 Abs 3 G m b H G entspr Regelung im Aktienrecht räumt der G m b H für die Rückgewähr jedoch eine vergleichsweise stärkere Position ein, vgl K K - L u t t e r 1 Rdn 6 3 .

604

2 1 4 8 ; aA Ballerstedt Kapital, Gewinn und Ausschüttung ( 1 9 4 9 ) , S 1 2 8 ff; Weisser Der Gewinn der AG ( 1 9 6 2 ) , S 116, 117; Wilhelm FS Flume ( 1 9 7 8 ) , Bd II, S 337, 3 8 7 ; Fiedler Verdeckte Vermögensverlagerung ( 1 9 9 4 ) , S 14, 15; Würdinger AktienR 4 ( 1 9 8 1 ) , S 3 8 ; Joost Z H R 1 4 9 ( 1 9 8 5 ) , 419, 4 3 5 ; Döllerer W P g 1969, 3 3 8 , 3 3 9 ; wohl auch ν Godin/Wilhelmi 4 Anm 7. 605

K.K-Lutter 2 Rdn 6 5 ; Flume Z H R 1 4 4 ( 1 9 8 0 ) , 18, 2 3 .

Hü ff er4 Rdn 2 3 ; K K - L u t t e r 2 Rdn 6 7 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl,

606

K K - L u t t e r 2 Rdn 6 7 gegen Joost Z H R 1 4 9 ( 1 9 8 5 ) , 419, 4 2 6 , 4 3 5 .

Rdn 7 3 ; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 10, 15; Mestmäcker Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre ( 1 9 5 8 ) , S 2 3 4 ; Strohn Die Verfassung der AG ( 1 9 7 7 ) , S 2 4 , 2 5 ; Canaris FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 31, 3 3 ; Geßler ebd, S 131, 136 ff, 1 4 0 ; Fabritius Z H R 1 4 4 ( 1 9 8 0 ) , 6 2 8 , 6 3 9 ; Holtermann BB 1 9 8 8 , 1538, 1 5 4 0 ; Kropff D B 1967, 2147,

607

So aber Ballerstedt Kapital, Gewinn und Ausschüttung ( 1 9 4 9 ) , S 135 ff; Würdinger AktienR 4 ( 1 9 8 1 ) , S 3 8 ; ν GodinJWilhelmi 4 Anm 7.

608

K K - L u t t e r 2 Rdn 6 6 ; Κ Schmidt GesR 3 ( 1 9 9 7 ) , § 2 9 II 2 b bb, S 8 9 9 ; Geßler FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 131, 1 4 0 ff.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(202)

Grundsatz der Vermögensbindung

§ 5 7

Geschäft kommt nicht in Betracht. 6 0 9 Denn jede Beschränkung der Nichtigkeit auf die Wertdifferenz bedeutet letztlich nichts anderes als eine als zulässig angesehene Verrechnung der Leistungswerte, soweit diese sich decken; das ist entsprechend § 66 Abs 2 Fall 1 aber gerade untersagt. Etwas anderes kommt unter Anwendung des § 139 BGB nur dann in Frage, wenn eine selbständige Regelung mit der Vereinbarung einer verdeckten Vermögenszuwendung verbunden worden ist und diese Regelung auch nach Abtrennung sinnvoll ist und bestehen bleiben kann 6 1 0 (Bsp: Abschluß eines Werkvertrages über die Errichtung eines Gebäudes zu unangemessener Vergütung, verknüpft mit einem für sich betrachtet korrekten Grundstückskauf; der Werkvertrag ist nichtig, der Grundstückskauf muß nicht nichtig sein). Des weiteren läßt sich die Ansicht nicht halten, aus dem Gesetzesverstoß solle zunächst nur die schwebende Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäftes folgen, so daß die Vereinbarung im Falle ausreichenden späteren Gewinnanfalls wirksam werde. 611 Das kann der für die AG durch § 57 iVm § 174 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 getroffenen Regelung nicht entnommen werden. 612

209

bb) Das dingliche Vollzugsgeschäft. Besteht die Erfüllung des nach § 57 unzulässigen Umsatzgeschäftes durch die Gesellschaft 613 nicht nur in einem Realakt, sondern in einem Rechtsgeschäft, kommt auch hier für das Vollzugsgeschäft die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB in Betracht. Der Annahme der Nichtigkeit treten konsequenterweise diejenigen entgegen, die bereits das Verpflichtungsgeschäft nicht als nichtig ansehen. 614 Vertreten wird aber ferner die Ansicht, die Erfüllung sei auch bei nichtigem Verpflichtungsgeschäft wirksam, 615 es sei denn, die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts erfasse über § 139 BGB oder § 158 BGB ausnahmsweise auch das Erfüllungsgeschäft.

210

Dem kann nicht gefolgt werden. Das Argument, das Vollzugsgeschäft setze sich aus 211 Einlagenrückgewähr und Verkehrsgeschäft zusammen, 616 darf nicht den Blick auf das mit § 57 verfolgte Ziel verstellen, die Erhaltung des Vermögens der AG so weitgehend wie möglich zu sichern. Wenn dem ausgekehrten Kapital überhaupt keine Gegenleistung des Aktionärs gegenübersteht („offener" Verstoß), ist die Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäftes das allein zutreffende Ergebnis (Rdn 203 ff). Steht der Rückgewährleistung 609

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 7 3 ; Geßler FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 131, 139 ff; aA Ballerstedt Kapital, Gewinn und Ausschüttung ( 1 9 4 9 ) , S 1 3 4 f; Weisser Der Gewinn der AG ( 1 9 6 2 ) , S 116, 117; tendenziell auch Döllerer W P g 1969, 3 3 3 , 3 3 8 , 339.

610

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 7 3 ; Geßler FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 131, 1 4 0 , 142.

611

Dennoch aA Ballerstedt Kapital, Gewinn und Ausschüttung ( 1 9 4 9 ) , S 135 ff.

612

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 7 3 ; Mestmäcker Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre ( 1 9 5 8 ) ,

gewähr nicht auf. Sie ist nach § 5 7 stets wirksam, weil sie das Gesellschaftsvermögen nicht nachteilig berührt. Vgl Hefermehl/ Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 7 4 ; Flume Z H R 1 4 4 ( 1 9 8 0 ) , 18, 2 4 . 614

Ballerstedt Kapital, Gewinn und Ausschüttung ( 1 9 4 9 ) , S 128 ff; Fiedler Verdeckte Vermögensverlagerungen ( 1 9 9 4 ) , S 14, 15; Κ Schmidt GesR 3 ( 1 9 9 7 ) , S 2 9 II 2 b aa, S 8 9 8 f; Wilhelm FS Flume ( 1 9 7 8 ) , Bd II, S 3 3 7 , 3 8 3 ff, 3 8 7 ; Joost Z H R 1 4 9 ( 1 9 8 5 ) , 419, 4 3 5 ; vgl auch RothJAltmeppen G m b H G 3 § 3 0 Rdn 4 6 .

6,5

K K - L u t t e r 1 Rdn 69, 7 0 (unter Aufgabe der Annahme der Nichtigkeit in der 1. Aufl, Rdn 2 4 f); Geßler FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 131, 1 4 0 , 1 4 3 f; Flume Z H R 144 ( 1 9 8 0 ) , 18, 2 4 .

6:6

Vgl KK-Lutter2 Rdn 6 9 ; Hüffer4 Rdn 2 3 äußert zwar Zweifel an der Nichtigkeitsfolge, gibt ihnen jedoch nicht nach.

S 2 3 4 f; Geßler FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 131, 138. 613

Die von dem Aktionär zu erbringende Leistung wirft im Hinblick auf ihre Erfüllung die Frage einer verbotenen Rück-

(203)

Hartwig Henze

§57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

der AG keine ausreichende Gegenleistung des Aktionärs gegenüber, besteht zu dem vorstehenden Fall nur ein gradueller Unterschied. 617 In beiden Fällen verdienen die Argumente, die zur bestmöglichen Ausgestaltung des Kapitalschutzes auch das dingliche Erfüllungsgeschäft der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB unterstellen (Rdn 203 ff), den Vorzug.618 212

d) Verbotene Rückgewähr durch Dritte und an Dritte, aa) Verbotene Rückgewähr an den Aktionär durch Leistung eines Dritten. (1) Liegt der Verstoß gegen § 57 darin, daß der Dritte für Rechnung der AG handelt (Rdn 75), trifft die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB jedenfalls nicht das Verhältnis zwischen dem Dritten und dem Aktionär. Denn von diesem Rechtsverhältnis allein wird das Gesellschaftsvermögen nicht berührt. Unter dem Gesichtspunkt des Kapitalschutzes birgt hier allein die Absprache zwischen der Gesellschaft und dem Dritten als ihrem mittelbaren Stellvertreter Gefahren; denn aus dieser Vereinbarung ergibt sich ein Aufwendungsersatzanspruch des Dritten, der das Gesellschaftsvermögen tangiert. Um das auszuschließen, ist davon auszugehen, daß sich der Dritte entsprechend § 56 Abs 3 S 1 nicht darauf berufen kann, er habe nicht für eigene Rechnung gehandelt. 619 Danach stehen ihm insbesondere die Rechte aus § 670 BGB bzw § 396 Abs 2 HGB nicht zu. Empfängt der Dritte dennoch Zahlungen, die zu Lasten des Gesellschaftsvermögens gehen, dann steht der AG gegen den Dritten nicht etwa der aktienrechtliche Anspruch aus § 62 Abs 1 S 1 zu, sondern ein Bereicherungsanspruch nach §§ 812 ff BGB: Da der Dritte nicht Aktionär ist, greift im Rechtsverhältnis zwischen ihm und der AG Abs 1 S 1 nicht ein. Aufgrund der Besonderheit des Kapitalschutzes, insbesondere seiner objektiven Schutzfunktion, erscheint es jedoch gerechtfertigt, im Rahmen der §§ 812 ff BGB eine Berufung des Dritten auf die Vorschriften der §§ 814, 817 S 2, 818 Abs 3 BGB auszuschließen (§ 62 Rdn 61). 6 2 0

213

(2) Hat ein Tochterunternehmen der AG dem Aktionär Vermögensgegenstände derart zugewendet, daß darin ein Verstoß gegen § 57 liegt (Rdn 76 ff), dann ist die Nichtigkeit nach § 134 BGB auch auf das Tochterunternehmen zu erstrecken. 621 Bei mehrheitlicher Beteiligung der AG an der Tochter (§ 16) oder im Falle eines Abhängigkeitsverhältnisses (§ 17), das die Vermögensbelange der Mutter-AG tangiert (vgl §§ 302, 303), folgt dies aus dem der Regelung der § § 5 6 Abs 2 S 1, 71 d S 2 zugrundeliegenden Rechtsgedanken. Aber auch unterhalb dieser Schwellen kann bei einer nicht unbeachtlichen Beteiligung der Mutter-AG an ihrem Tochterunternehmen durch eine derartige Leistung das Vermögen der Muttergesellschaft gefährdet werden. Deshalb ist es gerechtfertigt, auch in diesem Fall § 134 BGB auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Tochterunternehmen und dem Aktionär anzuwenden. Erst bei unerheblicher Beteiligung (vgl etwa die Wertung in § 32 a Abs 3 S 2 HS 2 GmbHG) können die für das Kapital der Muttergesellschaft auftretenden Gefahren vernachlässigt werden. Der Nichtigkeitsfolge nach § 134 BGB bedarf es in diesem Falle nicht. in: Geßler/Hefermehl,

617

Hefermehl/Bungeroth Rdn 75.

618

Hüffer4 Rdn 2 3 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 75; Nirk H d b AG, Teil I, Rdn 3 8 9 ; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 11, 15; Mestmäcker Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre ( 1 9 5 8 ) , S 2 3 4 ff; Strohn Die Verfassung der AG ( 1 9 7 7 ) , S 2 4 , 2 5 ; Canaris FS Fischer

( 1 9 7 9 ) , S 31, 3 3 ; Holtermann BB 1 9 8 8 , 1 5 3 8 , 1 5 4 1 ; Kropff DB 1967, 2147, 2148. 619

Hüffer4 Rdn 13, 2 4 ; ähnlich K K - L u t t e r 1 Rdn 71.

620

K K - L u t t e r 2 Rdn 71; Canaris FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 31, 37.

621

Hefermehl/Bungeroth Rdn 7 8 .

Stand: 1. 3. 2000

in: Geßler/Hefermehl,

(204)

Grundsatz der Vermögensbindung

§57

bb) Verbotene Rückgewähr durch Leistung der AG an einen Nichtaktionär. Handelt es sich bei dem Empfänger um einen künftigen oder ehemaligen Aktionär und war die Leistung an ihn deshalb verboten (Rdn 80), so wird das zwischen ihm und der AG bestehende Rechtsverhältnis von § 134 BGB erfaßt. Das gleiche gilt für ein Rechtsverhältnis mit einem faktischen Aktionär (Rdn 81 ff). 6 2 2

214

Wird Dritten eine Leistung aus dem Gesellschaftsvermögen gewährt, werden diese, weil sie nicht Verbotsadressaten des § 57 sind, 623 grundsätzlich nicht von der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB betroffen. 624 In den Fällen, in denen anstelle des Aktionärs ein Dritter die Leistung empfängt und dies dem Aktionär zuzurechnen ist, weil der Dritte für Rechnung des Aktionärs oder auf dessen Veranlassung handelt, er Angehöriger des Aktionärs ist, dem Aktionär aus der Leistung mittelbar ein wirtschaftlicher Vorteil erwächst oder weil der Dritte im Rahmen eines Konzernverhältnisses von dem Aktionär abhängig ist, muß der Aktionär625 wegen Verstoßes gegen § 57 die Leistung zurückgewähren. Das Rechtsgeschäft zwischen dem Dritten und der AG ist hingegen nur in bestimmten Fällen nicht wirksam.

215

Insofern ist, zumeist für die Sonderkonstellation der aktionärsbegünstigenden Drittbesicherung (Rdn 221), 6 2 6 diskutiert worden, die Reichweite des § 134 BGB dann auf den Dritten zu erstrecken, wenn er aufgrund in seiner Person begründeter subjektiver Tatbestände keinen Schutz verdiene. Es ist sowohl vorgeschlagen worden, bereits einfache Fahrlässigkeit genügen zu lassen, 627 als auch - abhängig von der Art des gewährten Vorteils - erwogen worden, die Lösung in einer Analogie zu § 932 BGB (grob fahrlässige Unkenntnis) bzw § 892 BGB (positive Kenntnis) zu suchen 628 oder die in Art 17 WG getroffene Wertung fruchtbar zu machen. 6 2 9 Eine strengere Ansicht fordert, daß Kenntnis allein nicht genüge, da sich nur ihretwegen die Reichweite der Vorschrift des § 134 BGB nicht verändere, den Dritten als Nichtadressaten also nach wie vor nicht erfassen könne. 6 3 0 Die Rspr hatte sich zunächst dahin geäußert, daß neben dem Aktionär auch der Dritte sich den Gesetzesverstoß entgegenhalten lassen müsse, falls er mit der Geschäftsleitung bewußt zum Nachteil der Gesellschaft zusammengewirkt habe; 631 dabei wurde nicht ganz deutlich, ob das Bewußtsein des Gesetzesverstoßes nach § 57 als solches genügte oder - zudem - eine Art bedingter Schädigungsvorsatz vorliegen mußte. Den genannten Rechtsansichten ist gemein, daß sie in starkem Maße auf Wertungen beruhen. Soweit die Idee darin liegt, dem Dritten seinen Schutz wegen - vorausgesetzt freilich: sittenwidriger - Gläubigerbenachteiligung zu nehmen, handelt es sich um ein allgemein bürgerlich-rechtliches Problem, dem mit dem Rechtsgedanken der §§ 138, 826

216

622

623 624

625

626

Vgl BGHZ 31, 258, 2 6 6 ff; 75, 334, 335/336; Canaris FS Fischer (1979), S 31, 40. Vgl auch BGHZ 138, 291, 298. Vgl BGH W M 1982, 1402; OLG Düsseldorf AG 1980, 273, 274; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 77; Canaris FS Fischer (1979), S 31, 34; Sonnenbol/Stützle W M 1983, 2, 6. Vgl BGHZ 81, 365, 368; OLG Hamburg AG 1980, 275, 2 7 8 f; Canaris FS Fischer (1979), S 31, 52. Vgl Schön Z H R 159 (1995), 351, 364 ff; Sonnenhol/Groß ebd, S 388, 4 0 2 ff; Mülbert ZGR 1995, 578, 601 ff; ferner die Nachw bei Wittig WuB I F 4 Sicherungsabtretung 4.98.

(205)

627 628

629 630

631

Peltzer/Bell ZIP 1993, 1757, 1764. Canaris FS Fischer (1979), S 31, 45 ff; Michalski AG 1980, 261, 2 6 9 ; vgl auch KK-Lutter 2 Rdn 73, 74, der schlicht auf „Kenntnis" abstellt und den „Rechtsgedanke[n] des § 826 BGB" nennt. Abramenko GmbHR 1997, 875, 878 ff. Maier-Reimer in: Lutter [ua], Hdb Konzernfinanzierung (1998), Rdn 16.36, 16.38; vgl auch Mülbert ZGR 1995, 578, 6 0 3 f; abl ggüber subj Kriterien auch Sonnenhol/Groß ZHR 159 (1995), 388, 407. BGH AG 1981, 227; OLG Düsseldorf AG 1980, 2 7 3 ; BGH W M 1982, 1402.

Hartwig Henze

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

BGB beizukommen und das hier nicht vertieft zu erläutern ist; 632 angemerkt sei immerhin, daß Vorsicht geboten ist, allein aus dem Verstoß gegen Abs 1 S 1 die Unwirksamkeit nach diesen Normen (§§ 138, 826 BGB) herleiten zu wollen. Das hat nunmehr auch der BGH deutlich zum Ausdruck gebracht. 633 Aus spezifisch gesellschaftsrechtlichen Erwägungen wird sich darüberhinaus eine Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften mit dem Dritten kaum begründen lassen. 217

Allerdings kann erwogen werden, im Falle einer Kenntnis des Dritten von den Gesamtumständen eine Unwirksamkeit der zwischen der AG und ihm getätigten Rechtsgeschäfte anzunehmen, indem zum Schutz der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter die Grundsätze über den Mißbrauch der Vertretungsmacht634 angewandt werden. Das bedeutet, daß mangels schutzwürdigen Vertrauens des Dritten § 82 Abs 1 nicht zum Zuge kommt, mithin der Dritte sich den Kompetenzverstoß des Vorstandes (vgl §§ 119 Abs 1 Nr 2, 174 Abs 1 ) und infolgedessen auch den Umstand entgegenhalten lassen muß, daß ihm eine Forderung gegen die AG nicht wirksam eingeräumt worden ist. 635 Anerkannt sind insofern die Konstellationen des - objektiviert zu beurteilenden - evidenten Kompetenzmißbrauchs seitens des Vorstandes (§ 242 BGB bzw § 177 BGB entsprechend) 636 sowie einer gesellschaftsbenachteiligenden Kollusion zwischen Drittem und Vorstand (§ 138 BGB). 6 3 7 Falls das im Einzelfall bejaht werden kann, erfolgt die Leistung schon bzw auch aus diesem Grund sine causa. Entgegen verbreiteter Ansicht 638 stehen die §§ 57, 62 einer Anwendung dieser Grundsätze nicht entgegen. Erstens kann es nicht überzeugen, daß der Dritte deshalb Freiheit von der ihn belastenden Anwendung einer allgemeinen Rechtsfigur genießen soll, weil bereits ein anderer - der Aktionär haftet. Auch können insofern die §§ 57, 62 nicht als „speziellere" Normen begriffen werden: Der Dritte ist gerade nicht Gesellschafter,639 Abgesehen von streitigen Einzelheiten besteht über Ansatz und Ergebnis einer Ausnahme von § 82 Abs 1 (kein schutzwürdiges Vertrauen; Verbindlichkeitsbegründung nicht wirksam) für bestimmte Fälle des Mißbrauchs organschaftlicher Vertretungskompetenz Einigkeit. 640 Solch ein Fall kann hier vorliegen: Zwar beinhaltet § 57 allein keine Beschränkung der Vertretungsbefugnis, da insoweit nur das Rechtsverhältnis der Gesellschaft und der „Gesellschafter" 641 - nicht: Dritter - geregelt ist. Anzuknüpfen ist allerdings an §§ 119 Abs 1 S 2, 174 Abs 1 iVm 632

Näher dazu VaXanáll Heinrichs B G B 5 9 ( 2 0 0 0 ) , § 138 Rdn 8 6 ; Thomas ebd, § 8 2 6 Rdn 3 6 ff.

633

B G H Z 138, 2 9 1 ff m w N [IX. ZS] = W u B I F 4 Sicherungsabtretung 4 . 9 8 m Anm Wittig; siehe zudem Früh G m b H R 2 0 0 0 , 105, 108 ff sowie Röhricht in: GesR in der Diskussion 1 9 9 9 , Bd 2 ( 2 0 0 0 ) , S 12 f.

634

Allg dazu PalandtJHeinrichs

BGB59 (2000),

§ 1 6 4 Rdn 13 ff; Κ Schmidt GesR 3 ( 1 9 9 7 ) , S 10 II 2, S 2 6 4 ff; zur AG Hüffer* § 8 2 Rdn 6 f; K K - M e r t e n s 1 § 8 2 Rdn 3 7 ff; zur G m b H Scholz/U H Schneider

G m b H G 1 5 § 3 0 Rdn 3 9 ; Maier-Reimer in: Lutter [ua], H d b Konzernfinanzierung ( 1 9 9 8 ) , Rdn 1 6 . 4 2 ; Schulze-Osterloh FS Stimpel ( 1 9 8 5 ) , S 4 8 7 , 4 9 2 ff, 5 0 2 f; Tries Verdeckte Gewinnausschüttungen ( 1 9 9 1 ) , S 123 ff, 138 f; Steinbeck W M 1 9 9 9 , 8 8 5 , 8 8 9 ff; Kühbacher Darlehen an Konzernunternehmen ( 1 9 9 3 ) , S 71, 7 3 . 636

Vgl B G H N J W 1 9 9 9 , 2 2 6 6 ; 1 9 9 9 , 2 8 8 3 ; B G H Z 127, 2 3 9 .

637

Vgl B G H N J W 1 9 8 9 , 2 6 ; R G Z 136, 3 5 6 . Mülbert Z G R 1 9 9 5 , 5 7 8 , 6 0 5 f; zu §§ 3 0 , 31 G m b H G auch Oetker KTS 1991, 5 2 1 , 5 3 5 ; Zacher G m b H R 1 9 9 4 , 8 4 2 ; Sonnenhol/Groß Z H R 1 5 9 ( 1 9 9 5 ) , 3 8 8 , 4 0 7 f; dem folgt Abramenko G m b H R 1997, 875, 877.

638

GmbHG9

§ 3 5 Rdn 2 4 , 132 ff; RothIAltmeppen G m b H G 3 § 3 7 Rdn 3 2 ff; Lutter/Hommelhoff G m b H G 1 5 § 3 5 Rdn 12 ff; 635

Michalski/

Arends N Z G 1 9 9 9 , 1011. Altmeppen FS Kropff ( 1 9 9 7 ) , S 6 4 1 , 6 4 6 f, 6 5 4 ; Roth1 Altmeppen G m b H G 3 S 3 0

639

Altmeppen

640

Vgl Κ Schmidt GesR 3 ( 1 9 9 7 ) , § 10 II 2 , S 2 6 4 ff; Hüffer4 § 82 Rdn 6 f, je m w N .

Rdn 2 3 f, 4 8 , 6 5 ;

641

Siehe AktG, 1. Buch, 3. Teil.

Lutter/Hommelhoff

Stand: 1. 3. 2000

FS Kropff ( 1 9 9 7 ) , S 6 4 1 , 6 4 6 f.

(206)

Grundsatz der Vermögensbindung

§57

§§ 78, 8 2 . 6 4 2 Letztere regeln das Verhältnis zu Dritten, und zwar mit den für sie typischen Schwächen, die aus allgemeinen Grundsätzen folgen. Von vornherein fehl geht für das Aktienrecht das Argument, der Dritte hafte dann aus §§ 985, 812 BGB schärfer (§ 195 BGB), als der Gesellschafter aus § 62 (Abs 3); denn zutreffend ist davon auszugehen, daß - anders als nach § 30 Abs 1 G m b H G 6 4 3 - der Aktionär nach § 57 iVm § 134 BGB genauso nach § 985 BGB haftet (Rdn 223). Das Privileg aus § 62 Abs 1 S 2 kann schließlich auf den Dritten entsprechend zu übertragen sein (§ 62 Rdn 91 ff), so daß auch hier keine ungerechte Unausgewogenheit zu befürchten ist. Unergiebig ist des weiteren der Vortrag, die Vorschriften der §§ 119 Abs 1 Nr 2, 174 Abs 1 sollen nicht die Gläubiger, sondern die AG selbst sowie die Aktionäre schützen. Dafür aber, daß der Gesellschaftsund Aktionärsschutz nicht zum Zuge kommen soll, weil daneben ein Gläubigersdmitz tritt, gibt es keinen Grund. 6 4 4 Vielmehr wird der Gläubigerschutz über den Schutz der AG und ihrer (Minderheits-)Aktionäre gerade gewährleistet. All dies läuft hier - im Interesse der AG, ihrer Aktionäre und der Gläubiger - darauf hinaus, der AG entzogenes Vermögen wieder zuzuführen. Des weiteren ist im Hinblick auf Dritte von der Einschlägigkeit des § 134 BGB auszugehen, falls der Dritte mit dem Aktionär wirtschaftlich ganz oder nahezu identisch ist (Rdn 92), für Rechnung des Aktionärs empfängt (Rdn 86) oder aufgrund der gesetzlichen Wertung der §§ 89 Abs 3 S 1, 115 Abs 2 Fall 1 und Fall 2 der Empfänger (Ehegatte oder minderjähriges Kind) dem Aktionär gleichzustellen ist (Rdn 90). 6 4 5 In diesen Fällen besteht zwischen dem Dritten und dem Aktionär eine Art qualifiziertes Näheverhältnis, das es der AG erlaubt, zur Kapitalerhaltung auch auf den Dritten zuzugreifen (vgl noch Rdn 225). Gesellschafter und Dritter haften dann als Gesamtschuldner (vgl § 62 Rdn 34).

218

e) Sonderfall: Verbotene Sicherheitsleistung. Die Gesellschaft kann Aktionäre auf zweifache Weise durch Sicherheitsleistung begünstigen: Entweder sie bestellt zur Absicherung eines Kredites, den ein Dritter einem Aktionär gewährt, eine Sicherheit (Rdn 221), oder sie besichert einen Kredit, den der Aktionär einem Dritten gewährt (Rdn 220). In jedem Fall wird der Aktionär mit der Bestellung der Sicherheit bevorteilt. Hält die Gesellschaft dabei die Regeln, die von Kreditinstituten bei vergleichbaren Geschäften beachtet werden, hinsichtlich Vergütung oder Bonitätsprüfung nicht ein, oder hätte sie Dritten gegenüber gar keine Sicherheit bestellt, dann liegt darin eine nach Abs 1 S 1 verbotene verdeckte Vermögenszuwendung (ausführl Rdn 51 ff). Als Rechtsfolge ergibt sich:

219

aa) Aktionär als besicherter Kreditgeber. Besichert die AG einen vom Aktionär vergebenen Kredit, so ist die Bestellung der Sicherheit nach § 134 BGB insgesamt nichtig. Der Aktionär muß das, was er aus der Sicherheitsbestellung erlangt hat, der AG herausgeben (S 985 BGB bzw § 62 Abs 1 S 1).

220

642

643

Vgl zudem die Wertung in § 93 Abs 1 S 1, Abs 3 Nr 1, 2 u 5. Dort ist dieser Einwand aber aus einer anderen, allgemeinen Überlegung ebensowenig zutreffend: Der Dritte haftet zurecht schärfer, weil sich die Haftungsvoraussetzungen aus ihm subjektiv vorwerfbaren Umständen (Evidenz; Kollusion) ergeben, während für die Gesellschafterhaftung aus § 31 GmbHG objektive Voraussetzungen

(207)

644

645

genügen (vgl auch Maier-Reimer in: Lutter [ua], Hdb Konzernfinanzierung [1998], Rdn 16.37); überdies: Wenn der Gesellschafter dieselben Voraussetzungen wie der Dritte erfüllt, wird auch er genauso „scharf" haften - siehe § 31 Abs 5 S 2 GmbHG iVm § 195 BGB. Vgl auch Schulze-Osterloh FS Stimpel (1985), S 487, 494 ff. Canaris FS Fischer (1979), S 31, 36 ff.

Hartwig Henze

§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

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bb) Aktionär als Kreditnehmer; Drittbesicherung. Leistet die AG einem Dritten Sicherheit, der dem Aktionär einen Kredit gewährt hat, so ist, da der Dritte nicht Adressat des Rückgewährverbotes ist, dieses Geschäft grundsätzlich wirksam (Rdn 215 f). 6 4 6 Der Dritte kann sich - sofern die gegen Abs 1 S 1 verstoßende Besicherung nicht sittenwidrig (§ 138 BGB) oder sonst wegen kollusiver Schädigung nichtig ist (arg § 826 BGB) 6 4 7 - auf die Vertretungsmacht des Vorstandes berufen, das Sicherungsgeschäft wirksam schließen zu können (§§ 76 Abs 1, 78 Abs 1, 82). Auf die Unwirksamkeit der Sicherheitsbestellung kann sich die vom Vorstand vertretene AG aber dann berufen, wenn der im Falle des Abs 1 S 1 mit dem Verstoß gegen §§ 119 Abs 1 Nr 2, 174 Abs 1 einhergehende Mißbrauch der Vorstandskompetenz für den Dritten objektiv evident war oder der Dritte mit dem Vorstand in Kenntnis der Einzelheiten zum Nachteil der Gesellschaft kolludiert hat (Grundsätze zum Schutz des Vertretenen bei Mißbrauch der Vertretungsmacht; ausführl Rdn 217). 6 4 8

222

Im übrigen haftet der Aktionär nach § 62 Abs 1 S 1: Er muß die Gesellschaft von ihrer Verpflichtung gegenüber dem Dritten freistellen, wenn sie im Sicherungsfall in Anspruch genommen wird (§ 62 Rdn 45). Er kann dies unmittelbar aus eigener Kraft tun oder durch Beibringen eines die AG ablösenden anderen Sicherungsgebers, dessen Bonität mit derjenigen der AG vergleichbar ist. 2. Rückforderungsansprüche der AG

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a) Ansprüche gegen den Aktionär, aa) Herausgabeanspruch aus dem Eigentum (§ 985 BGB). Ist einem Aktionär ein der Gesellschaft gehörender Vermögensgegenstand unter Verstoß gegen § 57 gewährt worden, so ist die Gesellschaft berechtigt, die Herausgabe des Gegenstandes nach § 985 BGB zu verlangen, da nach § 134 BGB weder ein Eigentumsübergang stattgefunden hat noch das Kausalgeschäft wirksam ist (Rdn 200 ff). Dieser Anspruch scheidet aus Rechtsgründen aus, wenn der Gesellschaft das Eigentum infolge weiterer tatsächlicher oder rechtlicher Vorgänge (§§ 946 ff, 932 ff BGB) nicht mehr zusteht. Außerdem ist beim Empfang der Leistung durch einen Dritten die Herausgabe durch den Aktionär dann nicht möglich, wenn dieser weder den Gegenstand in Händen hält noch einen - abtretbaren - Anspruch auf seine Aushändigung hat. Daran ändert der Umstand nichts, daß dem Aktionär das Verhalten des Dritten zuzurechnen ist und damit ein Verstoß gegen § 57 vorliegt.

224

bb) Gesellschaftsrechtlicher Erstattungsanspruch (§ 62). Die schuldrechtlichen Ansprüche des bürgerlichen Rechts, insbesondere aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812ff BGB), werden durch den aktienrechtlichen Anspruch aus § 62 Abs 1 ersetzt. 649 Das

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Vgl B G H ZIP 1 9 8 1 , 1 8 8 ; B G H Z 138, 2 9 1 , 2 9 8 ; O L G Düsseldorf AG 1 9 8 0 , 2 7 3 , 2 7 4 f. Dazu B G H Z 138, 2 9 1 = W u B I F 4 Sicherungsabtretung 4 . 9 8 m Anm Wittig; MaierReimer in: Lutter [ua], Hdb Konzernfinanzierung ( 1 9 9 8 ) , Rdn 1 6 . 3 7 ff; Mülbert Z G R 1 9 9 5 , 5 7 8 , 6 0 7 ff; Schön Z H R 1 5 9 ( 1 9 9 5 ) , 351, 3 6 6 f; vgl auch Früh G m b H R 2 0 0 0 , 105, 1 0 8 ff. K K - L u t t e r 1 Rdn 75; RothIAltmeppen G m b H G 3 § 3 0 Rdn 6 5 ; Peltzer/Bell ZIP 1 9 9 3 , 1757, 1 7 6 5 ; Steinbeck W M 1 9 9 9 , 8 8 5 , 8 8 9 ff; vgl auch Canaris FS Fischer ( 1 9 7 9 ) ,

S 31, 4 8 ; Schulze-Osterloh FS Stimpel (1985), S 487, 4 9 5 f; aA Sonnenhol/Groß Z H R 159 (1995), 3 8 8 , 4 0 9 ; Mülbert Z G R 1995, 5 7 8 , 6 0 4 ff; Früh G m b H R 2 0 0 0 , 105, 108. 649

O L G Frankfurt AG 1 9 9 6 , 3 2 4 , 3 2 5 f m krit Anm Westermann/Wilhelmi DZWir 1996, 2 4 9 f: Auch die bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsgrundsätze für Direktlieferungsverträge im Drei-Personen-Verhältnis sind unanwendbar. Vgl zudem parallel für das GmbH-Recht B G H Z 136, 1 2 5 = W u B II C § 3 0 G m b H G 1 . 9 7 m Anm Bayer.

Stand: 1. 3. 2000

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Grundsatz der Vermögensbindung

§57

betrifft sowohl diejenigen Bereicherungsansprüche, die neben § 985 BGB existieren und nach dessen Wegfall weiterbestehen, als auch diejenigen, die eben wegen Wegfalls des Vindikationsanspruches als Rechtsfortwirkungsanspriiche an dessen Stelle treten (§ 816 BGB; § 951 iVm §§ 812 ff BGB). Der Aktionär ist auch dann nach § 62 Abs 1 S 1 zur Rückgewähr verpflichtet, wenn ein Dritter die Leistung in einer dem Aktionär zurechenbaren Weise empfangen hat (Rdn 85 ff). Desgleichen ist der Aktionär gegenüber der AG rückgewährpflichtig, wenn er die Leistung von einem Dritten empfangen hat, die dieser für Rechnung der AG erbracht hat (Rdn 75). Der aktienrechtliche Anspruch aus § 62 Abs 1 stärkt das Kapitalerhaltungssystem dadurch, daß die §§ 814, 817 S 2, 818 Abs 3 BGB nicht angewandt werden können. Er ist ferner durch die Regelung des § 66 Abs 2 Fall 1 besonders abgesichert. b) Ansprüche gegen Nichtaktionäre/Dritte. Hat sich der Verstoß gegen § 57 unter Beteiligung Dritter vollzogen, so können auch sie rückgewährpflichtig sein, wenn trotz ihrer Eigenschaft als Nichtaktionäre ausnahmsweise auch die mit ihnen vollzogenen Rechtsgeschäfte von der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB erfaßt werden oder allgemeine Unwirksamkeitsgründe vorliegen (Rdn 215 ff). Als Anspruchsgrundlage kommt § 62 insoweit aber nur ausnahmsweise in Betracht, falls der Dritte dem Gesellschafter faktisch gleichsteht oder es sich bei dem Empfänger um einen ehemaligen oder zukünftigen Aktionär handelt, der mit Rücksicht auf diesen Umstand begünstigt wurde (Rdn 80 ff, 214). Anderenfalls bleibt § 62 als gesellschaftsrechtlicher Anspruch auf das Verhältnis der AG zu ihren Mitgliedern beschränkt. 650 Der AG steht ansonsten neben oder anstelle des Vindikationsanspruchs (§ 985 BGB) ein Anspruch gegen den Dritten aus §§ 812 ff BGB zu. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß für bestimmte Konstellationen der Bereicherungsanspruch auf die Verbotsnorm des § 57 zurückzuführen ist. Deshalb ist, damit dem Grundsatz der Kapitalerhaltung Rechnung getragen werden kann, im Rahmen solch eines Bereicherungsanspruches von der Anwendung der §§ 814, 817 S 2, 818 Abs 3 BGB abzusehen (§ 62 Rdn 61). 6 5 1

225

3. Ersatzansprüche a) Verwaltungshaftung auf Schadensersatz (§§ 93, 116). Für den Schaden, den die Gesellschaft durch den nach § 57 verbotswidrigen Abfluß ihres Vermögens erleidet, haften nach § 93 Abs 3 Nr 1, 2 und 5 die Mitglieder des Vorstandes 652 und/oder nach § 116 die Mitglieder des Aufsichtsrates solidarisch (§§ 421 ff BGB), es sei denn, daß ihnen der Entlastungsbeweis 6 5 3 iSv § 93 Abs 2 S 2 gelingt. Als Schaden kommt der Betrag in Betracht, der sich im Hinblick auf § 62 Abs 1 S 2 aus rechtlichen Gründen oder sonst aus tatsächlichen Gründen daraus ergibt, daß der Rückgewähranspruch gegen die verpflichteten Personen nicht durchgesetzt werden kann. Sind infolge der verbotenen Leistung auch Aktionäre oder Dritte geschädigt worden, haftet die Verwaltung auch ihnen gegenüber. Diese Haftung folgt zwar nicht aus §§ 93, 116, wohl aber aus anderen Anspruchsgrundlagen (cic, §§ 823 ff BGB). Wird die gegen § 57 verstoßende Handlung durch einen Prokuristen vorgenommen, kann er im Zusammenhang mit seinem Anstellungsvertrag aus p W haftbar zu machen sein. 654 650 651

652 653

Vgl BGH ZIP 1981, 188. Teilw aA KK-Lutter2 Rdn 99: Bei Gutgläubigkeit sei § 818 Abs 3 BGB anzuwenden. Vgl zB OLG Hamm ZIP 1995, 1263, 1265 ff. Vgl für den Vorstand Großkomm-Hopt 4 § 93 Rdn 276 ff; Hüffer4 § 93 Rdn 16 f;

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654

Henze AktienR 4 (2000), Rdn 4 6 0 ff; Goette ZGR 1995, 648, 671 ff, je mwN; für den Aufsichtsrat vgl Hüffer4 § 116 Rdn 8 f mwN. Vgl OLG Karlsruhe N Z G 1999, 4 5 4 [Rev II Z R 38/99].

Hartwig Henze

226

§ 57

227

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

b) Schadensersatzhaftung der Aktionäre (§ 117). Unter den Voraussetzungen des § 117 ist auch an eine Haftung von Aktionären gegenüber der AG und/oder den Mitgesellschaftern zu denken. Das kommt etwa dann in Betracht, wenn sich ein Mehrheitsaktionär durch Nutzung seines Einflusses Vorteile zu Lasten des Gesellschaftsvermögens verschafft hat, die ihm nach § 57 nicht hätten gewährt werden dürfen. Allerdings wird es in der Regel schwierig sein, den nach § 117 Abs 1 S 1 vorausgesetzten Vorsatz zu beweisen. Zu beachten ist zudem, daß ein Anspruch der Aktionäre aus § 117 Abs 1 S 2 einen über die Schmälerung des Gesellschaftsvermögens hinausgehenden eigenen Schaden der Aktionäre voraussetzt. Dieser liegt jedoch keinesfalls bereits darin, daß ihnen, abweichend von den begünstigten Mitgesellschaftern, lediglich nicht der gleiche - gesetzeswidrige - Bonus zugewendet worden ist. 4. Rechtslage bei eigenkapitalersetzendem Aktionärskredit

228

a) Bindung des Kredits. Eigenkapitalersetzende Aktionärskredite sind bis zum Ende der Krise zur Deckung des Grundkapitals (§§ 7, 23 Abs 3 N r 3) und der gesetzlichen Rücklagen (§§ 150, 300) wie haftendes Eigenkapital der Gesellschaft zu behandeln (Rdn 144, 147). Mithin unterliegen sie für diese Zeit und in diesem Umfang dem Auszahlungsverbot des Abs 1 S 1 und es darf analog Abs 2 kein Zins ausbezahlt werden (Rdn 144, 167). Diese Rechtsfolgen sind für die Parteien nicht disponibel.655 Für eine Rückgabe solcher Kredite ebenso wie für Zinszahlungen aus ihnen gelten daher die vorstehenden allgemeinen Grundsätze entsprechend: Eine Tilgungswirkung tritt nicht ein (Rdn 200 ff). Es besteht ein Vindikationsanspruch (§ 985 BGB); daneben gilt § 62 Abs 1 S 1 entsprechend (Rdn 223 f). 6 5 6 Auf die Geltendmachung dieser Ansprüche hat der Vorstand umgehend hinzuwirken (§ 93 Abs 1 S 1). Gegen Dritte verbleiben grundsätzlich nur Ansprüche nach §§ 812 ff BGB, allerdings in modifizierter Form (Nichtanwendbarkeit der §§ 814, 817 S 2, 818 Abs 3 BGB; vgl Rdn 212, 225). Die Kreditrückgabe kann Schadensersatzansprüche entsprechend §§ 93 Abs 3 N r 1, 2 und 5 bzw § 116 oder wegen p W 6 5 7 auslösen (Rdn 226). Sind dem Aktionär für die Kreditvergabe Sicherheiten gesteilen worden, kann er sie für die Dauer und in der Höhe des Eigenkapitalersatzes nicht in Anspruch nehmen (Rdn 145).

229

Soweit die Umqualifizierung reicht und solange sie dauert, hat eine Aufrechnungserklärung des kreditgebenden Aktionärs mit seiner Kreditforderung gegen den Erstattungsanspruch keine Wirkung: Entweder man billigt dem Aktionär für die Zeit und in der Höhe der Verstrickung seines Kredites keine aufrechenbare Gegenforderung zu oder man muß den Rechtsgedanken des § 66 Abs 2 Fall 1 berücksichtigen bzw die Aufrechnungserklärung nach § 134 BGB als nichtig ansehen. 6 5 8 In jedem Fall kann der Aktionär die Rechtsfolge des § 389 BGB nicht herbeiführen. 6 5 9

230

Bestand die eigenkapitalersetzende Leistung des Aktionärs darin, einen Kredit zu besichern, den ein Dritter an die Gesellschaft gewährt hat (Rdn 101), so verpflichtet dies den Aktionär, die Gesellschaft von der Rückgewährpflicht gegenüber dem Dritten freizu655

656

Deutlich und richtig OLG H a m m DStR 2000, 984 m Anm Haas; hingegen rechtsfehlerhaft aA LG Frankenthal ZIP 1991,

657

1594 [rkr] m zutreff abl Anm Timm/ Geuting ZIP 1992, 525, 528 ff. Hüffer4 Rdn 19; KK-Lutter2 Rdn 95.

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658

OLG Karlsruhe N Z G 1999, 454 [Rev II Z R 38/99], Z u letzterem vgl BGHZ 81, 365, 367 f.

BGH WM 1987, 284, 285/286; ν Gerkan in: ν Gerkan/Hommelhoff, H d b KapitalersatzR (2000), Rdn 3.109; Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 S 32a/b Rdn 105.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Grundsatz der Vermögensbindung

§57

stellen, sobald jener seinen RückZahlungsanspruch geltend macht oder beginnt, zu dessen Befriedigung Sicherheiten zu verwerten, die die AG neben dem Aktionär bestellt h a t . 6 6 0 Aus dem Bestehen dieses Freistellungsanspruches folgt - auch ohne Zession durch die AG an ihren Gläubiger - , daß eine Einrede der Vorausklage oder dem vergleichbare Rechte, die vorrangig auf eine Belastung des Gesellschaftsvermögens zielen, dem Aktionär gegen den Gläubiger nicht zustehen. 6 6 1 Erfüllt der Aktionär seine Freistellungspflicht und befriedigt aus der gegebenen Sicherheit den Kreditgläubiger, unterliegt sein Rückgriffsanspruch gegen die AG als Hauptschuldnerin sowohl außer- als auch innerhalb eines Insolvenzverfahrens in gleicher Weise den Eigenkapitalersatzregeln wie das für einen RückZahlungsanspruch anzunehmen wäre (Rdn 2 2 8 f, 2 3 2 f), falls der Aktionär nicht Sicherungsgeber, sondern - anstelle des Dritten - selbst der Kreditgeber wäre (vgl Rdn 1 0 1 ) . 6 6 2 Nimmt er ungeachtet dessen dennoch Regreß, findet § 6 2 Abs 1 S 1 entsprechende Anwendung; 6 6 3 zudem sind die §§ 135 InsO, 6 AnfG anwendbar (vgl Rdn 2 3 4 , 238). Der Dritte kann indessen als Nichtadressat von Abs 1 S 1 und den daraus herzuleitenden Eigenkapialersatzregeln nicht von vornherein auf den Sicherungsgeber verwiesen werden (vgl aber Rdn 2 3 3 ) . 6 6 4 Nicht ihm, sondern dem Aktionär als die Finanzierungsfolgenverantwortung tragenden Sicherungsgeber wird die Leistung als Eigenkapitalersatz zugerechnet. 6 6 5 Wird daher auf berechtigtes Verlangen des Gläubigers der Kredit von der AG an ihn zurückgewährt - sei es durch Zahlung, sei es durch Verwertung von Sicherheiten, die die AG (neben dem Aktionär) gestellt hat - , so ergibt sich als Rechtsfolge für den Aktionär: Mit der Erfüllung der Verbindlichkeit gegenüber dem Dritten durch die AG endet zugunsten des Aktionärs dessen Sicherungspflicht gegenüber dem Dritten. Darin liegt, weil die Sicherheit als Eigenkapitalersatz zu qualifizieren ist, eine Leistung an den Aktionär aus dem gebundenen Gesellschaftsvermögen. In Höhe der Tilgung des Kredits ist der Aktionär folglich entsprechend § 6 2 Abs 1 S 1 erstattungspflichtig. 6 6 6 In gleicher Weise wie der Drittkredit wird diese Erstattungspflicht aber nur dann von der Aktionärssicherheit im Sinne einer Forderungsauswechslung abgesichert, wenn dies entweder unter Einbeziehung der AG so mit ihr vereinbart wurde oder es sich iSv § 3 2 8 B G B zugunsten der AG aus dem Inhalt der Sicherungsabrede entnehmen l ä ß t . 6 6 7 Zu beachten ist, daß die Umqualifizierung nur das überlassene Recht bindet. Hat der Aktionär der Gesellschaft Gegenstände zur Nutzung überlassen, wird keine dingliche 660

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663

AllgM; BGH NJW 1987, 1697, 1698; 1992, 1166; 1997, 3171, 3172; Fleischer in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 6.46 ff; Scholz/K Schmidt GmbHG9 §§ 32 a/32b Rdn 165 mwN; Lutter/Hommelboff GmbHG15 § 32a/b Rdn 130. HM; vgl - entspr zu § 32 a Abs 2 GmbHG Scholz/K Schmidt GmbHG9 §§ 32a/32b Rdn 160 mwN; aA Fastrich NJW 1983, 260, 263 f. Vgl BGHZ 67, 171, 182 = NJW 1977, 104, 106 m Anm Κ Schmidt; BGH WM 1986, 447, 449; Scholz/K Schmidt GmbHG9 § § 32 a/32 b Rdn 166. Vgl Scholz/K Schmidt GmbHG9 § § 32 a/32 b Rdn 166.

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Lutter/Hommelboff GmbHG15 § 32a/b Rdn 121. Vgl etwa BGH NJW 1985, 858. Vgl BGHZ 81, 252, 260; BGH NJW 1998, 3273, 3274 = DStR 1998, 1225 m Anm Goette; BGH NJW 1997, 3171 = WiB 1997, 1239 m Anm Dannhoff = WuB II C § 32 a GmbHG 7.97 m Anm Habighorst; BGH NJW 1990, 2260; 1988, 824, 825; WM 1986, 447, 449; BGHZ 67, 171, 182 f = NJW 1977, 104 m Anm Κ Schmidt; OLG Düsseldorf ZIP 1995, 465; Scholz/K Schmidt GmbHG9 §§ 32a/32b Rdn 176. BGH NJW 1986, 429, 430; Lutter/Hommelhoff GmbHG15 § 32 a/b Rdn 122 f; vgl auch Fleischer in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 6.30, 6.59 ff.

Hartwig Henze

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§ 57

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Rechtsänderung bewirkt. 6 6 8 Sind solche Gegenstände an den Aktionär herausgegeben worden, so ist die Durchsetzung des Rückgewähranspruchs nur in den Grenzen möglich, in denen die Umqualifizierung eingetreten ist: Das Recht der Gesellschaft beschränkt sich auf Rückgabe des Gegenstandes zu dessen - analog Abs 2 (Rdn 144) - unentgeltlicher weiterer Nutzung. 6 6 9 Den kapitalisierten Nutzungswert muß der Aktionär - analog § 6 2 Abs 1 S 1 - nur dann in bar leisten, wenn er die der AG zu belassende Nutzungsmöglichkeit vereitelt. 6 7 0 Das ist zu bejahen, wenn er den überlassenen Gegenstand entzieht, genügend umgestaltet oder an einen Dritten veräußert, der sich den Umstand des Eigenkapitalersatzes nicht entgegenhalten lassen muß (vgl Rdn 131). Im übrigen ist es aber auch dann anzunehmen, wenn der Aktionär den Gegenstand als Untervermieter/-verpächter der AG überlassen hat und infolge des Endes seiner Berechtigung auch die AG ihre Nutzungsbefugnis als Untermieter/-pächter gegenüber dem Dritten als Hauptvermieter/ -Verpächter verliert und deshalb herausgabepflichtig ist (vgl Rdn 132). 6 7 1 232

b) Insolvenzverfahren, aa) Nachrangigkeit von Forderungen. Im Insolvenzfall finden die §§ 3 2 a Abs 1 und 2, 3 2 b G m b H G keine entsprechende Anwendung (str). Ein Rückgriff auf jene Normen ist hier unnötig, da die allgemein formulierte Vorschrift des § 3 9 Abs 1 Nr 5 InsO (iVm § 174 Abs 3 InsO) den kapitalersetzenden Kredit ohne Rücksicht auf die Rechtsform der insolventen Gesellschaft anspricht. Für die gesetzliche Bewirkung des Rangrücktrittes von Darlehensrückzahlungsansprüchen des Aktionärs bzw seinen Regreßforderungen bei eigenkapitalersetzender Drittbesicherung ist daher diese Vorschrift im Aktienrecht unmittelbar heranzuziehen. Die übrigen Fälle regeln sich über die Anwendung des Rechtsgedankens aus S 6 2 Abs 1 S l . 6 7 2

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BGHZ 127, 1, 7 ff = NJW 1994, 2349 ra Anm Altmeppen; BGHZ 127, 17, 22 ff; zust Lutter/Hommelhoff GmbHG 15 § 32a/b Rdn 146 f; krit Haas/Dittrich. in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 8.60 ff. Vgl BGHZ 109, 55, 66; BGH NJW 1991, 1057, 1059; 1993, 2179, 2180; 1997, 3026. BGHZ 127, 1; Scholz/K Schmidt GmbHG 9 §§ 32a/32b Rdn 131; Haas/Dittrich in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 8.77. Κ Schmidt aaO, Rdn 141; Haas/Dittrich aaO, Rdn 8.91. Gl Ansicht wie hier gegen eine entsprechende Anwendung der §§ 32 a Abs 1 u 2, 32 b GmbHG A Müller Regeln über kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen (1987), S 166 ff [mit methodologischem Arg: keine bedeutsame Regelungslücke]; Ketzer Eigenkapitalersetzende Aktionärsdarlehen (1989), S 173; Heilmann KTS 1983, 513, 515; Immensa ZIP 1983, 1405, 1406; Claussen ZHR 147 (1983), 195, 202 [dessen Argumente jedoch zT überholt sein dürften]; wohl auch Hüffer4 Rdn 16; vgl ferner OLG Düsseldorf NJW 1983, 2887, 2888 f [freilich

mit dem sodann unzutreffenden weiteren Schluß, daß daher auch die Rechtsprechungsgrundsätze nicht übertragbar seien (korrigiert durch BGHZ 90, 381, 385 f)]. Im Fall von BGHZ 90, 381 [385] mußte die Analogie zwar - schon - deshalb unterbleiben, weil der zeitliche Anwendungsbereich der §§ 32 a, b GmbHG - noch - nicht eröffnet war, die Entscheidung deutet aber an, daß die grundsätzliche Lösung des Problemkreises eigenkapitalersetzender Aktionärskredite nicht in schlichter Analogie zu diesen Normen des GmbH-Rechts zu suchen ist [wertungsfreier dagegen die Deutung bei Bayer in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 11.33], Eine aA befürwortet die Analogie, siehe Bayer aaO, Rdn 11.32; Veil ZGR 2000, 223, 254 f; Hommelhoff WM 1984, 1105, 1118; Fassnacht Fremdfinanzierung von Kapitalgesellschaften (1984), S 145; Kruppa Die Bankhaftung bei der Sanierung (1982), S 97 f. Vormals noch unentschieden, wenngleich offen gegenüber einer Analogie Κ Schmidt ZHR 147 (1983), 165, 173 f, später dann vorsichtig abneigend ders FS Goerdeler (1987), S 487, 504, schließlich jedoch extensiv ders ZIP 1991, 1, 4, 9.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Grundsatz der Vermögensbindung

§57

Für den Fall eines in eigenkapitalersetzender Weise aktionärsbesicherten Drittkredits (Rdn 101, 2 3 0 ) folgt aus § 3 9 Abs 1 Nr 5 Fall 2 InsO, daß der Dritte in einem eröffneten Insolvenzverfahren (§ 2 7 InsO) seinen Anspruch gegen die AG auf Rückgabe des Kredits nur insoweit zur Tabelle anmelden kann (§§ 174 ff InsO), als er bei dem sicherungsgebenden Aktionär keine Befriedigung findet. In Höhe der Werthaltigkeit der Sicherung trifft den Dritten der gesetzliche Nachrang; der abgesicherte Teil seines Anspruchs ist zugunsten der übrigen - ungesicherten - Massegläubiger eine in diesem Sinne „gleichgestellte Forderung". 6 7 3 Das Wahlrecht, gegen Hauptschuldner oder Sicherungsgeber vorzugehen (vgl Rdn 2 3 0 ) , findet darin eine teilweise bis vollständige Schranke.

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bb) Anfechtbarkeit gläubigerbenachteiligender Rechtshandlungen. Für die bis zum

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3 1 . 1 2 . 1 9 9 8 geltende Vorschrift des § 32 a KO war eine entsprechende Anwendung auf eigenkapitalersetzende Aktionärskredite abzulehnen. Insofern war hinsichtlich der Voraussetzungen einer Konkursanfechtung unter Außerachtlassung des aktienrechtlichen Problemkreises auf die Regelungen des G mbH- Rechts in §§ 32 a, 32 b G m b H G verwiesen; auch war davon auszugehen, daß die hinreichende Ausprägung des Rechtsgedankens aus § 6 2 Abs 1 S 1 keinen Platz für einen Analogieschluß beließ. Diese Gesetzeslage hat sich durch § 135 InsO zum 1 . 1 . 1 9 9 9 6 7 4 geändert: Anfechtbar ist danach eine Rechtshandlung, die für eine Forderung auf Rückgewähr „[irgend-]eines" eigenkapitalersetzenden Kredits - mithin nicht nur bei den in § § 32 a, 32 b G m b H G normierten Fällen - Sicherung oder Befriedigung gewährt hat. Zum Zwecke einer Insolvenzanfechtung erfassen die Vorschriften der §§ 129, 135, 143 InsO somit (auch) den eigenkapitalersetzenden Aktionärskredit nunmehr unmittelbar. 6 7 5 cc) Fortdauer von Gebrauchsüberlassungen. Besonderheiten haben sich für die Behandlung der eigenkapitalersetzenden 676 Nutzungsüberlassung im Insolvenzfall herausgebildet. Der durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gesetzlich bewirkte Nachrang (§ 3 9 Abs 1 Nr 5 InsO) bedeutet hier nicht, daß das Grundstück an die Gesellschaft zu übereignen oder seine Substanz unter die Insolvenzgläubiger zu verteilen wäre. 6 7 7 Zurückgesetzt ist - nur - der Rückgabeanspruch des Gesellschafters aus dem Uberlassungsverhältnis (§§ 5 5 6 , 581 Abs 2 BGB). Die dingliche Zuordnung ändert sich nicht (Rdn 231). Der Insolvenzverwalter (§ 8 0 InsO) kann aber verlangen, daß der Gegenstand für die vereinbarte oder eine sonst marktübliche Z e i t 6 7 8 der Gesellschaft überlassen

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674 675

676

Für die G m b H regelt sich das ausdrücklich auch über § 3 2 a Abs 2 G m b H G ; dazu Fleischer in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 6 . 3 1 ff. § 3 3 5 InsO iVm Art 110 Abs 1 EGInsO. BegrRegE zu § 1 5 0 [= § 135 InsO], BTDrucks 1 2 / 2 4 4 3 , S 161; Dauernheim in: FrankfurtKommlnsO 2 ( 1 9 9 9 ) , § 135 Rdn 1 und 1 0 3 ; Kreft in: HeidelbergKommlnsO ( 1 9 9 9 ) , § 135 Rdn 2; Hess/Weis AnfR 2 ( 1 9 9 9 ) , § 135 Rdn 10; Smid InsR 3 ( 1 9 9 9 ) , § 15 Rdn 3; Paulus in: Kübler/Prütting, InsO [Bd I], § 135 Rdn 5. Das gleiche gilt, wenn die Nutzungsüberlassung eine sog „Finanzplanleistung" (Rdn 1 5 9 ) darstellt, Lutter/Hommelhoff G m b H G 1 5 § 32 a / b Rdn 161.

(213)

677

678

B G H Z 127, 1, 7 ff = N J W 1 9 9 4 , 2 3 4 9 m Anm Altmeppen; B G H Z 127, 17, 2 2 ff. Vgl dazu B G H Z 127, 1, 10 f = N J W 1 9 9 4 , 2 3 4 9 m Anm Altmeppen; auch Κ Schmidt ZIP 1 9 9 3 , 161, 1 6 9 ; zusammenfass Jebens/Wagner DB 1 9 9 8 , 2 2 5 3 , 2 2 5 6 ff; siehe zur - im Einzelfall str - Dauer der Umqualifizierung bei eigenkapitalersetzender Nutzungsüberlassung iü Lutter/Hommelhoff G m b H G 1 5 § 32 a / b Rdn 1 4 9 ff; Gandenberger in: BeckHdb G m b H R 2 ( 1 9 9 9 ) , § 8 Rdn 3 3 6 ff; Haas/ Dittrich in: ν Gerkan/Hommelhoff, H d b KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 8 . 7 8 ff, je mwN.

Hartwig Henze

235

§ 57

236

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

bleibt, so daß er ihn selbst nutzen oder zum Zwecke der Masseerhöhung das Nutzungsrecht auf Dritte übertragen k a n n . 6 7 9 Ist keines von beiden möglich, muß der Aktionär nicht Wertersatz leisten: Es ist nicht sein Risiko, daß der überlassene Gegenstand im Insolvenzfall nicht mehr (bestimmungsgemäß) verwendbar ist; 6 8 0 anders nur, wenn er die mögliche Nutzung vereitelt (Rdn 231). Freilich kann der Gesellschafter den Restnutzwert in bar anbieten, um seinen Gegenstand auszulösen; es erscheint sogar sachgerecht, ihm darauf ein Recht zuzusprechen, denn diese Verfahrensweise erhöht nur die Praktikabilität 6 8 1 der Insolvenzabwickung, ohne die Gläubigerinteressen zu berühren. 6 8 2 Eine Einschränkung ist ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn an dem zum Gebrauch überlassenen Gegenstand ein dingliches Verwertungsrecht eines Dritten bestand, das dieser im Laufe des Insolvenzverfahrens wirksam ausübt. Hier ist bei Bestehen eines Grundpfandrechtes der Interessenausgleich zwischen den Insolvenzgläubigern und dem Verwertungsberechtigten, den keine Finanzierungsfolgenverantwortung trifft, entsprechend SS 1123 f BGB iVm SS 148, 152 Abs 2 Z V G zu suchen. Das bedeutet, daß von dem Beschlagnahmebeschluß an (S 2 0 Abs 1 ZVG) das Recht des Insolvenzverwalters, die Belassung des Grundstücks im Gesellschaftsvermögen zu fordern, ohne weiteres endet. 6 8 3 Der Dritte kann also von diesem Zeitpunkt an gem S 1147 BGB die Rechtswirkungen der S S 8 6 6 Abs 1, 8 6 9 Z P O iVm S S 105 Abs 1, 117 Abs 1 Z V G (Zwangsversteigerung) bzw iVm SS 152 Abs 1, 157 Abs 1 S 1 Z V G (Zwangsverwaltung) für sich herbeiführen. Die gesetzlichen Folgen des eigenkapitalersetzenden Stehenlassens der zum Gebrauch überlassenen Sache muß der dinglich zur Verwertung Berechtigte also nicht so hinnehmen wie wenn der Gesellschaft die Sache vom Eigentümer unentgeltlich oder mit der Abrede zur Verfügung gestellt worden wäre, die aus der Überlassung erwachsenden Zinsforderungen sollten gegenüber Forderungen der Gesellschaftsgläubiger zurücktreten; 6 8 4 der Umstand, daß die Umqualifizierung der Gebrauchsüberlassung in funktionelles Eigenkapital eine - zeitweilige oder endgültige - Undurchsetzbarkeit des

679

B G H Z 127, 1, 7 ff; 127, 17, 2 9 ff; B G H ZIP 1 9 9 8 , 1 3 5 2 , 1 3 5 3 ; aA Kallmeyer

680

B G H ZIP 2 0 0 0 , 4 5 5 , 4 5 6 ; ebenso nun O L G München N Z G 1999, 7 7 7 , 7 7 8 ; außerdem Suchan Auswirkungen eigenkapitalersetzender Sachwertüberlassungen ( 1 9 9 8 ) , S 9 4 ff; vgl ferner Lutter/Hommelhoff G m b H G 1 5 § 32 a / b Rdn 1 5 5 - 1 6 1 ; Haas/ Dittrich in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR ( 2 0 0 0 ) , Rdn 8.95 ff; siehe zu den vorher vertretenen - zT abw - Ansichten: O L G München ZIP 1 9 9 8 , 1917 [Vorinstanz zu B G H Z 140, 1 4 7 ] ; O L G Düsseldorf ZIP 1 9 9 8 , 1910 [Vorinstanz zu B G H ZIP 2 0 0 0 , 4 5 5 ] ; O L G Köln ZIP 1 9 9 8 , 1914 = N Z G 1 9 9 8 , 8 2 8 m Anm Eckardt; O L G Karlsruhe ZIP 1997, 1 7 5 8 m Anm Brandes E W i R 1997, 9 9 1 ; Heublein ZIP 1 9 9 8 , 1 8 9 9 ; Michalski N Z G 1 9 9 8 , 41, 4 2 f; Gehrlein N Z G 1 9 9 8 , 8 4 5 ; Wenzel W i B 1997, 119; Gnamm W M 1 9 9 6 , 189; Hirte in: Hommelhoff/Röhricht, GesR 1997, S 145, 153 f; Baur/Stürner SachenR 1 7 ( 1 9 9 9 ) , § 3 9 Rdn 59, S 4 6 8 f.

GmbHR

1 9 9 9 , 59, 6 0 . B G H Z 127, 1, 14; 127, 17, 31; Goette DStR 1 9 9 9 , 5 5 3 , 5 5 5 ; Steinbeck Z G R 1 9 9 6 , 116, 138 f.

681

Mangelnde Praktikabilität und Profitabilität einer zeitweisen Zwangsüberlassung beklagt ν Gerkan Z H R 158 ( 1 9 9 4 ) , 6 6 8 , 6 7 2 ff; ders Z G R 1997, 173, 192.

682

Vgl Lutter/Hommelhoff GmbHG15 § 32a/b Rdn 148; aA Altmeppen N J W 1 9 9 4 , 2 3 5 3 , 2 3 5 4 : Einvernehmen mit dem Insolvenzverwalter.

683

B G H Z 1 4 0 , 1 4 7 [ausführl Stellungnahme m w N ] = ZIP 1 9 9 9 , 6 5 m Anm Jungmann 6 0 1 = L M § 3 0 G m b H G N r 6 0 m Anm Mülbert = N Z G 1 9 9 9 , 3 0 5 m Anm Michalski/Barth 2 7 7 = G m b H R 1 9 9 9 , 175 m Anm Wahlers 1 5 7 = DStR 1 9 9 9 , 3 5 m Anm Goette sowie Pohlmann 5 9 5 = D Z W i r 1 9 9 9 , 2 4 6 m Anm Depré; ferner zust Bespr Habersack Z G R 1 9 9 9 , 4 2 7 [auch zum Unterschied nach Geltung der InsO, S 4 3 9 f]; bestätigt in

684

B G H Z 1 4 0 , 147, 152 ff; aA Heublein 1 9 9 8 , 1 8 9 9 , 1901 ff m w N .

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

ZIP

(214)

Grundsatz der Vermögensbindung

§57

Zinsanspruches bewirkt, 6 8 5 führt nicht dazu, daß die Gebrauchsüberlassung in ihrer Art zu einem unentgeltlichen, von §§ 152 Abs 2 ZVG, 1123 f BGB nicht erfaßten Rechtsverhältnis wird. 6 8 6 In Konsequenz dazu benötigt der dinglich Verwertungsberechtigte für die Zwangsvollstreckung auch kein - etwa analog § 57a ZVG iVm § 242 BGB anzunehmendes - Sonderrecht zur vorzeitigen Kündigung des Überlassungsverhältnisses. 687 Die vorstehenden Grundsätze (Rdn 236) sind ebenso anzuwenden, wenn - zeitlich umgekehrt - eine Grundpfandrechtsbestellung an einem zur Nutzung überlassenen Grundstück erfolgt, dessen Überlassung bereits eigenkapitalersetzenden Charakter hat.6SS Denn die Umqualifizierung eines (nur) zum Gebrauch überlassenen Gegenstandes in funktionelles Eigenkapital ändert nicht die dinglichen Zuordnungsverhältnisse (Rdn 231, 235), so daß der Eigentümer grundsätzlich weiterhin (wirksam) über den Gegenstand verfügen kann (vgl aber §§ 145 Abs 2 InsO, 15 Abs 2 AnfG 6 8 9 ). Ebenso ändert es nichts, falls die Beschlagnahme nicht auf ein rechtsgeschäftlich bestelltes Grundpfandrecht und den damit begründeten Anspruch aus § 1147 BGB zurückgeht, sondern auf einer Immobilarvollstreckung durch einen ungesicherten Privatgläubiger des Aktionärs nach §§ 866, 869 ZPO basiert. Denn letztlich ist die Wirkung des in jedem Fall erfolgenden Beschlagnahmeaktes nach § 20 ZVG maßgeblich. 690

237

c) Individualanfechtung durch Gesellschaftsgläubiger. Zum 1.1.1999 6 9 1 ist die in 2 3 8 § 3 b AnfG aF getroffene Regelung, die in dieser (vormaligen) Fassung auf die GmbH zugeschnitten war, durch die gesellschaftsformneutrale Bestimmung des § 6 AnfG abgelöst worden (vgl parallel Rdn 234). Unter den im Zusammenhang mit kapitalersetzenden Krediten dort genannten Voraussetzungen 6 9 2 steht seitdem - bzw vgl § 20 AnfG außerhalb eines Insolvenzverfahrens (auch) den Gläubigern einer Aktiengesellschaft in unmittelbarer Anwendung der §§ 1, 2, 6, 11 AnfG das Recht zu, durch Anfechtung Vermögen zum Zwecke der Befriedigung an sich zu ziehen. 693 Die Ausübung dieses Rechts (vgl § 2 AnfG) hängt für die Gesellschaftsgläubiger nicht davon ab, daß sie fruchtlos in einen für die AG gegen den Eigenkapitalersatzgeber entsprechend § 62 Abs 1 S 1 entstandenen Anspruch (Rdn 144, 228, 230) vollstreckt haben; 685 686

687

688

Vgl BGH NJW 1997, 3026. BGHZ 140, 147, 152 ff; Wahlers GmbHR 1999, 157, 159; aA Gnamm W M 1996, 189, 190. BGHZ 140, 147, 152 ff; Habersack ZGR 1999, 427, 434; aA OLG Köln ZIP 1998, 1914, 1917 (m krit Anm Eckardt N Z G 1998, 830 f): „Wegfall der Geschäftsgrundlage"; auch Brandes in: Priester/Timm, Abschied von der Betriebsaufspaltung (1990), S 43, 45. Vgl Suchan Auswirkungen eigenkapitalersetzender Sachwertüberlassungen (1998), S 127 ff, 135 ff; Michalski/Barth N Z G 1999, 277, 281; Pohlmann DStR 1999, 595, 598 f; Habersack Z G R 1999, 427, 438 f; Goette DStR 1999, 37, 38; Haas/Dittricb in: ν Gerkan/Hommelhoff, H d b KapitalersatzR (2000), Rdn 8.112.

(215)

689

690

691

692

693

Dazu Suchan Auswirkungen eigenkapitalersetzender Sachwertüberlassungen (1998), S 138 ff, 151 ff. Haas/Dittricb in: ν Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 8.108; Lutter/Hommelboff GmbHG 1 5 § 32a/b Rdn 159; Pohlmann DStR 1999, 595, 599; Habersack Z G R 1999, 427, 437 f; Depré DZWir 1999, 249, 251. Art 1 EGInsO iVm Art 110 Abs 1 EGInsO (BGBl I 1994, 2911). Siehe dazu Huber AnfG 9 (2000), § 6 Rdn 3 ff sowie die Kommentare zur sachlich identischen Parallelnorm § 135 InsO. Huber AnfG 9 (2000), § 6 Rdn 2 [freilich mit der Annahme, daß (entgegen der vormals wohl hM) bereits § 3 b AnfG aF analog anzuwenden gewesen sei, womit die Neufassung des Gesetzes hier im Erg keine sachliche Änderung bringe].

H a r t w i g Henze

§58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

es sei denn, dieser Anspruch - als ein über §§ 829, 835 Z P O nutzbar zu machendes Vermögensrecht der Schuldnerin - ist gegenüber dem Eigenkapitalersatzgeber bereits rechtskräftig festgestellt. 6 9 4

XI. Fragen zur Auslandsberührung 239

Maßgebend für die Anwendung von § 5 7 ist allein, ob die Gesellschaft, deren gebundenes Vermögen geschützt werden soll, ein deutsches Personalstatut 6 9 5 hat. Gesellschaften mit ausländischem Personalstatut schützt § 5 7 nicht. Die Staatsangehörigkeit des Aktionärs und der Ort, an dem der Verstoß vorgenommen wird, sind irrelevant. Auch die Staatsangehörigkeit Dritter, deren Leistungsempfang aus dem Gesellschaftsvermögen sich der Aktionär zurechnen lassen muß, ist ohne Bedeutung. § 5 7 greift schließlich auch dann ein, wenn ein Unternehmen mit ausländischem Personalstatut, das Tochter einer AG mit deutschem Personalstatut ist, außerhalb von § 71 d Aktien seiner deutschen Mutter-AG erwirbt. 6 9 6

§58

Verwendung des Jahresüberschusses (1) Die Satzung kann nur für den Fall, daß die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, bestimmen, daß Beträge aus dem Jahresüberschuß in andere Gewinnrücklagen einzustellen sind. Auf Grund einer solchen Satzungsbestimmung kann höchstens 694 Ygj v Ggrkan ¡ n : v Gerkan/Hommelhoff, Hdb KapitalersatzR (2000), Rdn 3.135 695

mwN. Vgl dazu Hüffer4 § 1 Rdn 25, 26; Großkomm-Assmann 4 Einl Rdn 532-549; Großkomm-Brändel 4 $ 5 Rdn 45 ff; Heider in: MünchKommAktG2 Einl Rdn 117-136, § 5 Rdn 18-20; Scholz/H Ρ Westermann GmbHG 9 Einl Rdn 81-89; Lutter/Hommelhoff GmbHG 15 Einl Rdn 27 ff; EuGH NJW 1999, 2027 m Anm Kindler 1993 = ZIP 1999, 438 m Anm Roth 861 und Werlauff 867 = NZG 1999, 298 m Anm Leible 300 und Hoor 984 = DB 1999, 625 m Anm Meilicke sowie Höfling 1206 = JZ 1999, 669 m Anm Ebke 656 und Ulmer 662 = EuZW 1999, 216 m Anm Freitag 267 = BB 1999, 809 m Anm Sedemund/Hausmann = IPRax 1999, 360 m Anm Behrens 323 = EWiR 1999, 259 m Anm Neye; Kieninger ZGR 1999, 724; Timme/Hülk JuS 1999, 1055, 1057 f; Sonnenberger/Großerichter RIW 1999, 721; Zimmer ZHR 146 (2000), 23; Puszkajler IPRax 2000, 79; ferner BayObLG DB 1998, 2318 = IPRax 1999, 364 m Anm Behrens 323. Der VII. Zivilsenat des BGH

hat im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens dem EuGH die Frage zur Überprüfung vorgelegt, ob die sog „Sitztheorie" im Widerspruch zur EU-Niederlassungsfreiheit steht, siehe Vorlagebeschluß BGH GmbHR 2000, 715 m Bespr Meilicke 693 = BB 2000, 1106 m Anm Zimmer 1361, 1363 = DB 2000, 1114 m Anm Forsthoff 1109 (Vorinstanz: OLG Düsseldorf J Z 2000, 203 m Anm Ebke)·, desgleichen hat das AG Heidelberg EuZW 2000, 414 den EuGH angerufen. Der österrOGH hat unter dem Eindruck des Gemeinschaftsrechts seine Rspr neuerdings geändert, indem er - betreffend die sekundäre Niederlassungsfreiheit - in Abkehr von der „Sitztheorie" fortan die sog „Gründungstheorie" als maßgeblich ansieht, vgl österrOGH AG 2000, 333 = NZG 2000, 36 m Anm Kieninger = JZ 2000, 199 m Anm Masch = EuZW 2000, 156 m Anm Höfling 145. 696

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 87, 88; Benckendorff Erwerb eigener Aktien (1998), § 8 Β IX 4, S 2 7 7 f mwN; aA Huber FS Duden (1977), S 137, 154 f.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(216)

Verwendung des Jahresüberschusses

§ 58

die Hälfte des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen eingestellt werden. Dabei sind Beträge, die in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind, und ein Verlustvortrag vorab vom Jahresüberschuß abzuziehen. (2) Stellen Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluß fest, so können sie einen Teil des Jahresüberschusses, höchstens jedoch die Hälfte, in andere Gewinnriicklagen einstellen. Die Satzung kann Vorstand und Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren oder kleineren Teils, bei börsennotierten Gesellschaften nur eines größeren Teils des Jahresüberschusses ermächtigen. Auf Grund einer solchen Satzungsbestimmung dürfen Vorstand und Aufsichtsrat keine Beträge in andere Gewinnrücklagen einstellen, wenn die anderen Gewinnrücklagen die Hälfte des Grundkapitals übersteigen oder soweit sie nach der Einstellung die Hälfte übersteigen würden. Absatz 1 Satz 3 gilt sinngemäß. (2 a) Unbeschadet der Absätze 1 und 2 können Vorstand und Aufsichtsrat den Eigenkapitalanteil von Wertaufholungen bei Vermögensgegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens und von bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung gebildeten Passivposten, die nicht im Sonderposten mit Rücklageanteil ausgewiesen werden dürfen, in andere Gewinnrücklagen einstellen. Der Betrag dieser Rücklagen ist entweder in der Bilanz gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben. (3) Die Hauptversammlung kann im Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns weitere Beträge in Gewinnrücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen. Sie kann ferner, wenn die Satzung sie hierzu ermächtigt, auch eine andere Verwendung als nach Satz 1 oder als die Verteilung unter die Aktionäre beschließen. (4) Die Aktionäre haben Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung, durch Hauptversammlungsbeschluß nach Absatz 3 oder als zusätzlicher Aufwand auf Grund des Gewinnverwendungsbeschlusses von der Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen ist. Übersicht Rdn

Rdn I. Einführung 1. Gesetzesgeschichte a) D a s A k t G 1937 b) D a s A k t G 1965 c) Einfluß des BiRiLiG d) Gesetz für kleine Aktiengesellschaften e) K o n T r a G 2. Regelungsgegenstand und Normzweck Π. Grundlagen und Begriffe ΙΠ. Einstellung des Jahresüberschusses in die Gewinnriicklagen 1. Feststellung durch die H a u p t versammlung ( A b s 1 ) a) Satzungsbestimmung b) Bemessungsgrundlage und Höchstgrenzen c) Rechtsfolgen 2. Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat (Abs 2) a) Die Ermächtigung nach Abs S 1 . . b) Satzungsöffnung nach A b s 2 S 2 . aa) H ö h e der Ermächtigung . . . . bb) Bestimmtheit der Ermächtigung c) Nicht börsennotierte Gesellschaften d) Bemessungsgrundlage

(217)

1 3 5 6 7 9 10 15 23 24 25 29 33 35 35 37 38 39 40 41

e) Schranken des A b s 2 S 3 f) Rechtsfolgen IV. Rücklagenbildung im Konzern 1. Problemstellung 2. Anwendbarkeit der Abs 1 und 2 in der abhängigen AG bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages 3. Anwendung des § 5 8 auf die herrschende AG a) Verschiebung der Gewinnverwendungskompetenz im Konzern b) Lösungsansätze c) Zeitliche Verschiebung der Ausschüttung V. Einstellungen in Sonderrücklagen durch Vorstand und Aufsichtsrat (Abs 2 a ) 1. Z w e c k und Bedeutung der Vorschrift 2. Einstellung in die Rücklagen nach A b s 2 a auch in Verlustjahren? . . . . 3. Eigenkapitalanteil von Wertaufholungen 4. Eigenkapitalanteil von Passivposten . 5. Bildung und Auflösung der Rücklage VI. Rücklagenbildung nach A b s 3 1. Möglichkeiten der Gewinnverwendung a) Ausschüttung

Hartwig Henze

42 43 46

47 50

50 54 65

66 68 70 71 72 74 75 75

D r i t t e r Teil. R e c h t s v e r h ä l t n i s s e der G e s e l l s c h a f t und der G e s e l l s c h a f t e r

§ 5 8

Rdn

Rdn b) Rücklagenbildung (Abs 3 S 1 Fall 1) c) Gewinnvortrag (Abs 3 S 1 Fall 2) . d) Andere Verwendung (Abs 3 S 2) . 2. Steuerliche Folgen 3. Einschränkung der Gewinnverwendungsfreiheit durch die Satzung VII. Die Regelung des Abs 4 1. Der mitgliedschaftliche Gewinnbeteiligungsanspruch 2. Der konkrete Gewinnauszahlungsanspruch 3. Ausschlußtatbestände a) Kein Gewinnanfall b) Kein Dividendenrecht 4. Einzelfragen

5. Formen urkundlicher Verbriefung . . a) Dividendenschein (Coupon) . . . aa) Inhalt des Dividendenscheins . bb) Übertragung cc) Einwendungen der Gesellschaft dd) Aufhebung b) Erneuerungsschein (Talon) . . . . Vili. Rechtsfolge von Verstößen gegen § 58 1. Abs 1 , 2 und 2 a 2. Abs 3 und 4 IX. Parallelbetrachtung zur KGaA und GmbH 1. Die Gewinnverwendung bei der KGaA 2. Die Gewinnverwendung im Recht der GmbH

78 80 81 82 83 85 86 92 96 96 97 99

105 105 105 110 112 113 114 115 116 117 118 122

Schrifttum Ausgliederung z w e c k s O r g a n s c h a f t s b i l d u n g gegen die S p e r r m i n o r i t ä t ? D B 1 9 9 8 , 4 9 ;

Altmeppen Barz

D i e d u r c h die A k t i e n r e c h t s r e f o r m 1 9 6 5 v e r a n l a ß t e n S a t z u n g s ä n d e r u n g e n , A G 1 9 6 6 , 3 9 ;

Becker

S a t z u n g s m ä ß i g e E r m ä c h t i g u n g der V e r w a l t u n g einer A G zur Bildung freier R ü c k l a g e n , B B 7 6 4 ; Beusch Konzerne

R ü c k l a g e n b i l d u n g im K o n z e r n , FS G o e r d e l e r ( 1 9 8 7 ) , S 2 5 ; Biener -

Rechnungslegung,

Prüfung

und

Publizität

nach

den

1966,

AG, KGaA, G m b H ,

Richtlinien

der

EG

(1979);

N e u e V o r s c h r i f t e n für R e c h n u n g s l e g u n g und Prüfung in K o n T r a G und K a p A E G , D B

Böcking/Orth

1 9 9 8 , 1 2 4 1 ; Bösert

D a s Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des A k t i e n -

rechts - Ein Ü b e r b l i c k ü b e r H i n t e r g r u n d und Inhalt, D S t R 1 9 9 4 , 1 4 2 3 ; Broer zip und H a r m o n i s i e r u n g der R e c h n u n g s l e g u n g ( 2 0 0 0 ) ; Broschwitz

Maßgeblichkeitsprin-

E r g e b n i s a n a l y s e im H i n b l i c k a u f

die G e w i n n v e r w e n d u n g s v o r s c h r i f t e n des Aktiengesetzes 1 9 6 5 , D B 1 9 6 7 , 8 9 ; Bundesministerium Justiz

(Hrsg)

der

B e r i c h t ü b e r die V e r h a n d l u n g e n der U n t e r n e h m e n s r e c h t s k o m m i s s i o n ( 1 9 8 0 ) ;

2 5 J a h r e deutsches Aktiengesetz von 1 9 6 5 , A G 1 9 9 0 , 5 0 9 ; ders

Claussen

D i e vier aktienrechtlichen Ände-

rungsgesetze des 1 2 . D e u t s c h e n Bundestages - R e f o r m o d e r A k t i o n i s m u s ? A G 1 9 9 5 , 1 6 3 ; ders

Das

G e s e t z ü b e r die kleine A G - und die ersten p r a k t i s c h e n E r f a h r u n g e n , W M 1 9 9 6 , 6 0 9 ; Coenen

Die

Rechtsnatur

des aktienrechtlichen

r e f o r m , D B 1 9 5 8 , 3 2 8 ; Busse

von

Dividendenanspruchs, Cölbe

zugleich

eine Studie zur

Aktienrechts-

D e r K o n z e r n a b s c h l u ß als B e m e s s u n g s g r u n d l a g e für die

G e w i n n e r m i t t l u n g , FS G o e r d e l e r ( 1 9 8 7 ) , S 6 1 ; ders W a s ist und w a s bedeutet Shareholder Value aus betriebswirtschaftlicher Sicht? Z G R 1 9 9 7 , 2 7 1 ; Csik

Behandlung der „Sonstigen R ü c k l a g e n n a c h § 7

des H y p o t h e k e n b a n k g e s e t z e s " im a k t i e n r e c h t l i c h e n A b s c h l u ß , B B 1 9 7 0 , 1 2 3 8 ; Döllerer

Rechnungs-

legung n a c h d e m neuen Aktiengesetz und ihre A u s w i r k u n g e n a u f das S t e u e r r e c h t , B B 1 9 6 5 , 1 4 0 5 ; ders

D e r G e w i n n b e g r i f f des neuen Aktiengesetzes, FS G e ß l e r ( 1 9 7 1 ) , S 9 3 ; Ebenroth

bildungs- und K o n z e r n l e i t u n g s k o n t r o l l e ( 1 9 8 7 ) ; Eckardt Aktiengesetzes, N J W 1 9 6 7 , 3 6 9 ; Eßer

G l i e d e r u n g s v o r s c h r i f t e n , B e w e r t u n g , G e w i n n v e r w e n d u n g und

P f l i c h t a n g a b e n n a c h d e m Aktiengesetz 1 9 6 5 , A G 1 9 6 5 , 3 6 0 und 1 9 6 6 , 2 4 ; Fabritius dung in A G und G m b H ( 1 9 8 0 ) , 6 2 8 ; ν Falkenhausen

Konzern-

S a t z u n g s ä n d e r u n g e n a u f g r u n d des neuen Vermögensbin-

tiefgreifender U n t e r s c h i e d oder grundsätzliche Identität? Z H R Verfassungsrechtliche

G r e n z e n der M e h r h e i t s h e r r s c h a f t n a c h

R e c h t der Kapitalgesellschaften ( A G und G m b H ) ( 1 9 6 7 ) ; Fischer s c h e n A k t i e n r e c h t , in: M i n d e r h e i t e n s c h u t z

144 dem

D e r M i n d e r h e i t e n s c h u t z im deut-

bei K a p i t a l g e s e l l s c h a f t e n

( 1 9 6 7 ) , S 5 9 ; Forster

Vom

G l ä u b i g e r s c h u t z zum A k t i o n ä r s s c h u t z - der W a n d e l in den B e w e r t u n g s b e s t i m m u n g e n des Aktienrechts, W P g 1 9 6 4 , 4 2 2 ; ders R e c h n u n g s l e g u n g s v o r s c h r i f t e n im W a n d e l , FS K a u f m a n n ( 1 9 7 2 ) , S 1 5 3 ; Gutglaubensschutz beim Erwerb gestohlener Ersatz-Dividendenscheine? W M

Franke Freidank Frey

1973,

982;

Z i e l s e t z u n g und I n s t r u m e n t e der Bilanzpolitik bei A k t i e n g e s e l l s c h a f t e n , D B 1 9 8 2 ,

337;

Z u r P r o b l e m a t i k der a k t i e n r e c h t l i c h e n G e w i n n v e r w e n d u n g , B B 1 9 6 8 , 2 7 5 ; Fussan

A G ( 1 9 7 8 ) ; Gail

O r g a n e der

A u s w i r k u n g e n des Aktiengesetzes 1 9 6 5 a u f die K o m m a n d i t g e s e l l s c h a f t a u f A k t i e n ,

W P g 1 9 6 6 , 4 2 5 ; Geßler

D e r B e d e u t u n g s w a n d e l der R e c h n u n g s l e g u n g im A k t i e n r e c h t , „ 7 5 J a h r e

D e u t s c h e T r e u h a n d - G e s e l l s c h a f t 1 8 9 0 - 1 9 6 5 " ( 1 9 6 5 ) ; ders D a s neue A k t i e n r e c h t , B B 1 9 6 5 , 6 7 7 ; Vollendete oder nur b e g o n n e n e A k t i e n r e c h t s r e f o r m ? A G 1 9 6 5 , 3 4 3 ; ders

S t a n d : 1. 3 . 2 0 0 0

ders

G r u n d z ü g e des neuen

(218)

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

Aktienrechts, Rpfl 1966, 1; ders Aktuelle gesellschaftsrechtliche Probleme, DB 1966, 215; ders Besprechung von Baumbach/Hueck, AktG, BB 1969, 235; ders Die GmbH-Novelle, BB 1980, 1385; ders Rücklagenbildung bei Gewinnabführungsverträgen, FS Meilicke (1985), S 18; ders Rücklagenbildung im Konzern, AG 1985, 257; ν Gleichenstein Satzungsmäßige Ermächtigung der Verwaltung einer AG zur Bildung freier Rücklagen (S 58 Abs 2 AktG 1965), BB 1966, 1047; Göppert Buchbesprechung zu „Veit Simon, Die namenlosen Zinsscheine der Orderpapiere", ZHR 55 (1904), 591; Goerdeler Rücklagenbildung nach § 58 Abs 2 AktG 1965 im Konzern, WPg 1965, 229; Gollnick Gewinnverwendung im Konzern, JA 1992, 18; Gössel/Hehl Die Rechtsprechung zum Aktiengesetz 1965, ZHR 142 (1978), 19; Götz Die Sicherung der Rechte der Aktionäre der Konzernobergesellschaft bei Konzernbildung und bei Konzernleitung, AG 1984, 85; ders Rücklagenbildung in der Unternehmensgruppe, FS Moxter (1994), S 573; Grob Der Fall Tomberger - Nachlese und Ausblick, DStR 1998, 813; Grotherr Kritische Bestandsaufnahme der steuersystematischen und betriebswirtschaftlichen Unzulänglichkeiten des gegenwärtigen Organkonzepts - Die Organschaft als lex imperfecta zur steuerlichen Erfassung der wirtschaftlichen Einheit „Konzern", StuW 1995, 124; Hahn „Kleine AG", eine rechtspolitische Idee zum unternehmerischen Erfolg, DB 1994, 1659; Haller Probleme der Bilanzierung der Rücklagen und des Bilanzergebnisses einer AG nach neuem Bilanzrecht, DB 1987, 645; Harms/Küting/Weber Die Wertaufholungskonzeption des neuen Bilanzrechts Eine handels- und steuerrechtliche Analyse, DB 1986, 653; Henn Handbuch des Aktienrechts6 (1998); Henze Aktienrecht - Höchstrichterliche Rechtsprechung4 (2000); Herzig/Rieck Europäisierung der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlung im Gefolge der Tomberger-Entscheidung, IStR 1998, 309; Hoffmann Phasengleiche Vereinnahmung von Dividenden - Bestandsaufnahme zur Rechtslage nach der Entscheidung des EuGH, in: Herzig, Europäisierung des Bilanzrechts (1997), S 2; Hoffmann-Becking Gesetz zur „kleinen AG" - unwesentliche Randkorrekturen oder grundlegende Reform? ZIP 1995, 1; Hommelhoff Die Konzernleitungspflicht (1982); ders „Kleine Aktiengesellschaften" im System des deutschen Rechts, AG 1995, 529; Hornef Bilanzpolitische Überlegungen beim Übergang auf das neue Aktiengesetz, BB 1966, 505; Hiiffer Harmonisierung des aktienrechtlichen Kapitalschutzes, NJW 1979, 1065; Hueck Minderheitsschutz bei der Ergebnisverwendung in der GmbH - Zur Neuregelung des § 29 GmbHG durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz, FS Steindorff (1990), S 45; Jährig „Zusätzlicher Aufwand" im Rahmen der Gewinnverwendung nach dem AktG 1965, DB 1966, 1101; ders Die Rücklagenkompetenz des Vorstandes, des Aufsichtsrates und der Hauptversammlung, DB 1968, 1589; Jagenburg Aktienrecht als Organisationsrecht, AG 1965, 156; ders Erste Erfahrungen mit dem neuen Aktiengesetz, DB 1967, 1399; Joost Grundlagen und Rechtsfolgen der Kapitalerhaltungsregeln im Aktienrecht, ZHR 149 (1985), 419; ders „Holzmüller 2 0 0 0 " vor dem Hintergrund des UmwG, ZHR 163 (1999), 164; Karstens Der zusätzliche Aufwand bei der Gewinnverwendung iS §§ 170, 174 AktG, unter besonderer Berücksichtigung der Versicherungsunternehmen, DB 1969, 537; Kindler Die AG für den Mittelstand; das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts, NJW 1994, 3041; Klink Zusätzlicher Ertrag im Gewinnverwendungsvorschlag bzw -beschluß, DB 1979, 804; Knapp Die Behandlung der Körperschaftsteuer im Jahresabschluß und Gewinnverwendungsbeschluß der AG bei Thesaurierung, DB 1979, 173; Knop Die Bilanzaufstellung nach teilweiser oder vollständiger Ergebnisverwendung, DB 1986, 549; Knur Das Aktiengesetz von 1965 - Satzungsgestaltung nach neuem Recht, DNotZ 1966, 324; Kohlstruck Rücklagendotierung aus dem Bilanzgewinn - Zusätzlicher Aufwand bei Gewinnthesaurierungen durch die Hauptversammlung, WPg 1969, 161; Koll Besprechung von Möhring/Schwartz/Rowedder/Haberlandt, Die AG und ihre Satzung2, WPg 1968, 52; Krekeler/Lichtenberger Satzungsänderungen nach § 58 Abs 2 AktG - eine Rechtstatsachenuntersuchung, ZHR 135 (1971), 362; Kronstein/Claussen Publizität und Gewinnverteilung im neuen Aktienrecht (1960); Kropff Aufgaben des Registergerichts nach dem Aktiengesetz 1965, Rpfl 1966, 33; Kubier Institutioneller Gläubigerschutz oder Kapitalmarkttransparenz, ZHR 159 (1995), 550; Küting/Weber Der Konzernabschluß6 (2000); Kuhn Die Rechtsprechung des BGH auf dem Gebiete des Aktienrechts, WM 1971, 518; Laufermann Minderungen des zusätzlichen Aufwands im Gewinnverwendungsvorschlag und Gewinnverwendungsbeschluß, WPg 1969, 313; Ludewig Möglichkeiten der Bilanzänderung bei Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens, DB 1986, 133; Luther § 23 Abs 5 AktG im Spannungsfeld von Gesetz, Satzung und Einzelentscheidungen der Organe der Aktiengesellschaften, Freundesgabe Hengeler (1972), S 167; ders Die genossenschaftliche AG (1978); Lutter Zur Binnenstruktur des Konzerns, FS Harry Westermann

(219)

Hartwig Henze

§ 58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

(1974), S 347; ders Die GmbH-Novelle und ihre Bedeutung für die GmbH, die GmbH & Co KG und die AG, DB 1980, 1317; ders Rücklagenbildung im Konzern, FS Goerdeler (1987), S 327; ders Im Mahlstrom der Interessen: das Bilanzrecht, NJW 1996, 1945; Marks Zu den Auswirkungen der Körperschaftsteuerreform auf die Rechnungslegung - Zum Entwurf einer Verlautbarung des HFA, WPg 1977, 197; Marsch Die rechtliche Problematik der Verwendung von Jahresüberschüssen deutscher Aktiengesellschaften unter besonderer Berücksichtigung der Kleinaktionärsinteressen (1974); Martens Gewinnverwendung und Gewinnverteilung in der AG, FS Claussen (1997), S 279; Heinz Meilicke Der Anspruch des Aktionärs auf Reingewinn, AG 1959, 13; Wienand Meilicke Zivilrechtliche Probleme des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens, FS Heinz Meilicke (1985), S 94; Meister Das neue Aktiengesetz und die Lebensversicherungsunternehmen, WPg 1966, 573; Mertens Zur Auslegung und zum Verhältnis von § 76 und § 58 AktG im Hinblick auf uneigennützige Aktivitäten der AG, FS Goerdeler (1987), S 349; Möhring Besprechung von Würdinger, Aktienrecht 2 , NJW 1967, 1899; Möhring/Schwartz/Rowedder/Haberlandt Die AG und ihre Satzung 2 (1966); Moxter Substanzerhaltung und Aktienrecht, ZfbF 1976, 694; ders Entziehbarer Gewinn? FS Clemm (1996), S 231; ders Die Vorschriften zur Rechnungslegung und Abschlußprüfung im Referentenentwurf eines KonTraG, BB 1997, 722; Mülbert Sicherheiten einer Kapitalgesellschaft für Verbindlichkeiten ihres Gesellschafters, Z G R 1995, 578; H-P Müller Satzungsregelung für die Bildung von Rücklagen durch die Hauptversammlung, WPg 1969, 245; ders Die Behandlung „Sonstiger Rücklagen nach ξ 7 Hypothekenbankgesetz" im Rahmen des § 58 AktG, BB 1971, 493; ders Endgültiger Dividendenverlust bei unterlassener Mitteilung gem § 20 Abs 7 AktG? AG 1996, 396; Th Mülter/Reinke Behandlung von Genußrechten im Jahresabschluß - eine kritische Bestandsaufnahme, WPg 1995, 569; Weif Müller Zum Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Kapitalschutzrichtlinie), WPg 1978, 565; Mutze Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses der AG sowie Beschlußfassung über die Gewinnverwendung, AG 1966, 173, 212; Nauss Probleme bei der Verwendung des Jahresüberschusses und des Bilanzgewinns nach dem Aktiengesetz von 1965, AG 1967, 127; Nebendorf Die stillen Reserven der Kreditinstitute, WPg 1965, 57; Nickol Die Maßgeblichkeiten der Handels- und Steuerbilanz füreinander nach neuem Recht, BB 1987, 1772; Niehus Wertaufholung und umgekehrte Maßgeblichkeit, BB 1987, 1353; Nirk/Reuter/Bächle Handbuch der Aktiengesellschaft, Teil I (Gesellschaftsrecht), Stand: November 1999 (31. Lieferung); Nörr Zur Entwicklung des Aktien- und Konzernrechts während der Weimarer Republik, Z H R 150 (1986), 155; Obermüller/Werner/Winden Die Hauptversammlung der AG 3 (1967); Piper Zur Dividendenpolitik von Aktiengesellschaften, DB 1968, 2185; Priester Die eigene GmbH als fremder Dritter - Eigensphäre der Gesellschaft und Verhaltenspflichten ihrer Gesellschafter, Z G R 1993, 512; ders Die klassische Ausgliederung - ein Opfer des UmwG 1994? Z H R 163 (1999), 187; Raiser Das Recht der Kapitalgesellschaften 2 (1992); Rogalla Der „zusätzliche Aufwand" im Bilanzgewinn der AG, DB 1970, 309; Rose Praxisorientierte Berechnungen zur Ausschüttungspolitik nach der Reform der Körperschaftsteuer und im Übergangsstadium, DB 1976, 1873; Rosencrantz Anm zu LG Hamburg ν 1 6 . 1 0 . 1 9 6 8 , NJW 1969, 664; D Schäfer Aktuelle Probleme des neuen Aktienrechts, BB 1966, 229; G Schäfer Zuweisungen zu den Rücklagen nach altem und neuem Aktienrecht, ZfgesK 1966, 276; Schindler Dividendenpolitik und Besteuerung - Verfahren zur Quantifizierung der Grenzsteuerbelastung der Aktionäre, DB 1977, 733; Schilling Shareholder Value und Aktiengesetz, BB 1997, 373; Schlitt Die Satzung der Kommanditgesellschaft auf Aktien (1999); U H Schneider Das Recht der Konzernfinanzierung, Z G R 1984, 497; Schlesinger Die rechtliche Natur des Aktiendividendenscheins (1917); Schreib Freie Rücklagen (§ 58 AktG), WPg 1967, 136; Schön Entwicklung und Perspektiven des Handelsbilanzrechts: vom ADHGB zum IASC, Z H R 161 (1997), 133; Schreib Bedenkliche Satzungsänderungen, WPg 1966, 506; Schüller Eigentumsrechte, Unternehmenskontrollen und Wettbewerbsordnung, ORDO-Jahrbuch 30 (1970); Seibert Das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften, ZAP Fach 15, 173; Sethe Die personalistische Kapitalgesellschaft mit Börsenzugang (1996); ders Die Besonderheiten der Rechnungslegung bei der KGaA, DB 1998, 1044; ders Aktien ohne Vermögensbeteiligung? Z H R 162 (1998), 474; Siegel/Bareis/Rückle/Schneider/Sigloch/ Streim/Wagner Stille Reserven und aktienrechtliche Informationspflichten, ZIP 1999, 2077; Sonnenberger/Coester Feststellung und Prüfung des Jahresabschlusses der Aktiengesellschaften im Gemeinsamen Markt - Kommissionsvorschlag einer 5. Richtlinie zur Angleichung des Gesellschaftsrechts (IV. Kapitel), AG 1974, 177; Staber Satzungsmäßige Ermächtigung der Verwaltung einer AG zur

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(220)

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

Bildung freier Rücklagen ( § 5 8 Abs 2 AktG), BB 1966,1254; Strunz Probleme der Gewinnverwendung bei Versicherungsunternehmen unter besonderer Berücksichtigung der Rückstellung für Beitragsrückerstattung, Die Versicherungs-Praxis 1980, 17; Theissen Rücklagenbildung im Konzern, ZHR 156 (1992), 174; Thomas Rücklagenbildung im Konzern, ZGR 1985, 365; Timm Die AG als Konzernspitze (1980); Tiefenbacher Maßnahmen zur Anpassung an das neue Aktienrecht, BB 1965, 1197; Trenhol Ermittlung, Grenzfälle und Problematik des zusätzlichen Aufwands gemäß § § 5 8 Abs 4, 170 Abs 2, 174 Abs 2 AktG 1965, DB 1969, 1853; Wagner Substanzerhaltung und Gewinnverwendung bei Publikumsaktiengesellschaften, WPg 1976, 487; ders Enteignung durch Rechnungslegung, Wirtschaftswoche Nr 7 vom 15.2.1980, S 54; ders Zur Informations- und Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses auf einem organisierten Kapitalmarkt, ZfbF 1982, 749; ders Allokative und distributive Wirkungen der Ausschüttungskompetenzen von Hauptversammlung und Verwaltung einer AG, ZGR 1988, 210; Weher-Grellet Europäisierung des Bilanzrechts Perspektiven und Entwicklungen, in: Herzig, Europäisierung des Bilanzrechts (1997), S 95; Weisser Der Gewinn der AG im Spannungsfeld zwischen Gesellschaft und Aktionären (1962); Wenger Managementanreize und Kapitallokation, Jahrbuch für neue Politische Ökonomie (1987), S 217; ν Werder Shareholder Value-Ansatz als (einzige) Richtschnur des Vorstandshandeln? ZGR 1998, 69; Werner Der erste Kommentar zum neuen AktG, AG 1967, 102; ders Zum Erscheinen der 13. Auflage des Kommentars von Baumbach/Hueck zum AktG, AG 1968, 181; ders Gewinnverwendung im Konzern, FS Stimpel (1985), S 935; Werther Zur freien Rücklage im Jahresabschluß, insbesondere bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien, AG 1966, 305; Η Ρ Westermann Grundfragen der Rechtsfortbildung im Aktienkonzernrecht, FS Pleyer (1986), S 421; Wilhelmi Das neue Aktiengesetz, AG 1965, 153, 187, 217, 247, 277, 307 und 349; Wimmer Körperschaftsteueraufwand und aktienrechtliche Gewinnverwendung, DB 1982, 1177; Wirtschaftsprüferkammer (Hrsg) Stellungnahme zum Entwurf eines KonTraG, WPK-Mitt 1997, 100; Wohlgemuth Möglichkeiten der Substanzerhaltung in Zeiten inflationärer Geldentwertungen, AG 1975, 296 und 313; Wolany Die stillen Rücklagen und das Reichsgericht, AG 1961, 198; Würdinger Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen 4 (1981); Wysocki Einflüsse der Körperschaftsteuerreform 1977 auf die aktienrechtliche Rechnungslegung, DB 1977, 1909; Zilias/Lanfermann Die Neuregelung des Erwerbs und Haltens eigener Aktien, WPg 1980, 61 und 89.

I. E i n f ü h r u n g 1. Gesetzesgeschichte Der heutige § 5 8 geht im wesentlichen auf die A k t i e n r e c h t s r e f o r m 1965 z u r ü c k . Einzelne Regelungen der geltenden Fassung sind teilweise a u c h aus B e s t i m m u n g e n des A k t G 1 9 3 7 h e r v o r g e g a n g e n . Ü b e r n o m m e n sind diesbezüglich Teile der § § 5 2 u n d 126 A b s 3 S 2 A k t G 1 9 3 7 in v e r ä n d e r t e r F o r m ; Abs 4 h a t seinen Vorgänger in § 5 2 S 1 H S 2 A k t G 1937; Abs 3 e n t s p r i c h t in e t w a § 126 Abs 3 S 2 A k t G 1937. 1

1

Abs 1 u n d Abs 2 sind d u r c h das A k t G 1965 in das R e c h t der Aktiengesellschaft eingegangen. A b s 2 a w u r d e d u r c h das Bilanzrichtliniengesetz 2 h i n z u g e f ü g t . Der ehemalige A b s 5 w u r d e 1994 d u r c h d a s Gesetz f ü r kleine Aktiengesellschaften u n d zur Deregulierung des A k t i e n r e c h t s 3 z u m n e u e n § 5 7 Abs 3 4 . Die Vorschrift des § 5 8 Abs 2 S 2 w u r d e d u r c h d a s Gesetz f ü r kleine Aktiengesellschaften u n d zur D e r e g u l i e r u n g des A k t i e n r e c h t s sowie d u r c h d a s Gesetz zur Kontrolle u n d T r a n s p a r e n z im U n t e r n e h m e n s bereich 5 neu gestaltet.

2

1

2 3

Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 1; zur Geschichte des AktG 1937 vgl auch Nörr ZHR 150 (1986), 155. BiRiLiG ν 19. 12. 1985 (BGBl I 2355). Vom 2. 8. 1994 (BGBl 11961).

(221)

4

5

Der heutige § 57 Abs 3 - der ehemalige § 58 Abs 5 AktG 1965 - hatte seinen Vorgänger in § 54 Abs 1 HS 1 AktG 1937; vgl GroßkommBarz Voraufl, Anm 1. KonTraG ν 27. 4. 1998 (BGBl I 786).

Hartwig Henze

§58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

a) Das Aktiengesetz 1937. Mit der Aktienrechtsreform 1937 wurden die aktienrechtlichen Vorschriften, die bisher im HGB geregelt waren, im neuen Aktiengesetz zusammengefaßt. Das AktG 1937 überließ die Entscheidung, in welchem Umfang die Aktionäre am Ertrag zu beteiligen waren, vollständig der Verwaltung. Die Verwaltung ermittelte zunächst durch die Feststellung des Jahresabschlusses den erzielten Gewinn. Die Gewinnermittlungsvorschriften des AktG 1937 enthielten in § 133 Nr 1-3 Bestimmungen über die Bewertung von Vermögensgegenständen. Diese enthielten jedoch im wesentlichen nur Höchstwertbestimmungen. Über die Mindestbewertung der Aktiva schwieg das Gesetz ebenso wie über die Höhe der zulässigen Rückstellungen. Damit war der Vorstand in der Bewertung der Aktiva nach unten relativ frei. Unterbewertungen durch den Vorstand waren damit fast uneingeschränkt möglich. Schon im Rahmen der Gewinnermittlung hatte damit der Vorstand weitgehende Möglichkeiten, die Ausschüttung zu präjudizieren.6 Diese Möglichkeiten der Verwaltung setzten sich in der Gewinnverwendung fort. Das AktG 1937 verschob die Kompetenzen zwischen den Anteilseignern und der Verwaltung hinsichtlich der Gewinnverwendung gegenüber den aktienrechtlichen Vorschriften des HGB 1897 klar zu Lasten der Aktionäre.7 § 131 Abs 1 Β II AktG 1937 enthielt insofern die Position der freien Rücklagen. Da das AktG 1937 aber keine Regelung zur Höhe dieser Rücklagen enthielt, war nach damals herrschender Ansicht eine grundsätzlich unbeschränkte Dotierung der Rücklagen durch den Vorstand zulässig.8 Die Gesetzeslage bis zum Jahre 1965 ermöglichte es damit der Verwaltung, die Höhe des Reingewinns durch die Dotierung der Rücklagen so festzulegen, daß er gerade ausreichte, um die von der Verwaltung für richtig gehaltene Dividende zu ermöglichen.9 Nach dem AktG 1937 waren - entsprechend dem Bild Kronsteins - die Taschen der Aktiengesellschaft „undurchsichtig und verschlossen".10 b) Das Aktiengesetz 1965. Durch die Aktienrechtsreform im Jahre 1965 11 wurden die Vermögensinteressen der Aktionäre im Konfliktfeld zu den Selbstfinanzierungsinteressen der Gesellschaft, getragen vom Großaktionär und der Verwaltung, stärker in den Vordergrund gerückt. Die Stellung der Aktionäre gegenüber der Verwaltung sollte insgesamt ebenso gestärkt werden wie die der Minderheit in der Hauptversammlung.12 Das AktG 1965 unternahm es auch erstmals, das Verhältnis von Kapitalschutz und Informationsrechten der Aktionäre neu zu gestalten.13 Zunächst wurde für die Gewinnermittlung die Möglichkeit der willkürlichen Bildung stiller Reserven eingeschränkt. In den Bewertungsvorschriften der §§ 153 ff wurde das Höchstwertprinzip des § 133 AktG 1937 durch feste Wertansätze ersetzt. Das Imparitätsund Vorsichtsprinzip, das Niederstwertprinzip sowie die Ermessensreserven und die Übernahme der steuerlichen Sonderabschreibungen14 ließen aber nach wie vor weit6

7

8

9

10

KK-Lutter2 Rdn 16; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3. Vgl Großkomm-Bizrz Voraufl, Anm 2; weit Nachw bei KK-Lutter 2 Rdn 15. KK-Lutter2 Rdn 15; ν Godm/Wilhelmi4 Anm 1. KK-Lutter2 Rdn 17; Kronstein/Claussen Publizität und Gewinnverteilung (1960), S 136.

BGBl I 1965, 1089; allgemein zur Entstehungsgeschichte des AktG 1965 Claussen AG 1990, 509. Claussen AG 1990, 509, 511. Vgl Claussen AG 1990, 509, 511; Kronstein/ Claussen Publizität und Gewinnverteilung (1960), S 136; hierzu auch Moxter FS Clemm (1996), S 231. Vgl § 154 Abs 2 AktG 1965 (mittlerweile aufgehoben durch Art 2 BiRiLiG ν 19. 12. 1985 [BGBl I 2355] und nunmehr geregelt in §§ 254 ff, 280 ff HGB).

Stand: 1. 3. 2000

(222)

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

gehende Möglichkeiten der Reservenbildung zu. Auch ein traditionell großzügiges R ü c k stellungsverständnis gestattete eine überwiegend an Selbstfinanzierungsinteressen orientierte Gewinnermittlung; die Taschen der Aktiengesellschaften blieben insoweit weiterhin „ undurchsichtig " . 1 5 Hinsichtlich der Gewinnverwendung wurde in S 5 8 A k t G 1 9 6 5 die hälftige Teilung der Gewinndisposition zwischen Eignern (Aktionären) und Verwaltung geregelt. Diese Vorschrift ist Ausdruck des gesetzgeberischen Wunsches, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Ausschüttungsinteressen der Anlageaktionäre und dem Geschäftsleitung an der Selbstfinanzierung der Gesellschaft zu f i n d e n . 1 6

Interesse

der

c) Einfluß des Bilanzrichtliniengesetzes (BiRiLiG vom 1 9 . 1 2 . 1 9 8 5 ) . Durch das B i R i L i G 1 7 wurden die Vorschriften der §§ 1 4 8 ff A k t G 1 9 6 5 über den J a h r e s a b s c h l u ß aufgehoben und nahezu die gesamte Rechnungslegung im J a h r e s a b s c h l u ß auch für die A G in den §§ 2 3 8 ff H G B , insbesondere §§ 2 5 7 ff H G B neu gefaßt. D a s Gesetz setzte damit die Vierte, Siebte und Achte gesellschaftsrechtliche E G - R i c h t l i n i e in nationales R e c h t u m . 1 8 Es betont das Verbot der Bildung stiller Reserven für die Kapitalgesellschaften in den §§ 2 7 9 ff H G B stärker als das in den §§ 1 5 3 ff A k t G 1 9 6 5 a F der Fall w a r . 1 9 Die A b s 1 - 3 des § 5 8 wurden durch das B i R i L i G insoweit abgeändert, als die freien Gewinnrücklagen in den Abs 1 und 2 durch „andere G e w i n n r ü c k l a g e n " ersetzt wurden. In Abs 3 S 1 wurden die offenen Gewinnrücklagen durch „ G e w i n n r ü c k l a g e n " ersetzt. Eine weitere Änderung des § 5 8 , die mit dem B i R i L i G v o r g e n o m m e n wurde, war die Einfügung eines neuen Abs 2 a. Soweit stille Reserven durch die Anwendung der neuen Bilanzierungsvorschriften aufgedeckt werden k o n n t e n , wurde der Vorstand durch die Einführung von Abs 2 a ermächtigt, zur M i t t e l b i n d u n g 2 0 im Unternehmen den Eigenkapitalanteil von bestimmten Wertaufholungen in die anderen Gewinnrücklagen einzustellen. Die grundsätzliche Verteilung der Befugnisse zwischen Vorstand und Aufsichtsrat einerseits und Hauptversammlung andererseits veränderte sich durch die Neuregelung also k a u m . 2 1 Die entsprechende Dotierung dieser Wertaufholungsrücklagen sollte nach der neuen Rechtslage allerdings n u n m e h r offen erfolgen.

15 16

17 18

19

Vgl Lutter NJW 1996, 1945. Vgl BegrRegE BT-Drucks 4/171, S 113 f; KKLutter2 Rdn 18-21. BGBl 1 1985, 2355. 4. EG-Richtlinie ν 25. 7. 1978 (Bilanzrichtlinie), 78/660/EWG, Abi ν 18. 8. 1978, Nr L 222, S 11; 7. EG-Richtlinie ν 13. 6. 1983 (Konzernbilanzrichtlinie), 83/349/EWG, Abi ν 18. 3. 1983, Nr L 193, S 1; 8. EG-Richtlinie ν 10. 4. 1984 (Prüferrichtlinie), 84/253/EWG, Abi ν 12. 5. 1984, Nr L 126, S 20. Nicht anwendbar ist ua die Vorschrift des § 253 Abs 4 HGB über die Abschreibungen nach „vernünftiger kaufmännischer Beurteilung". Nach § 280 Abs 1 HGB besteht eine grundsätzliche Verpflichtung zur Wertaufholung. Die Bedeutung dieses Wertaufholungsgebots war - vor allem mit Blick auf den Maßgeblichkeitsgrundsatz in § 5 Abs 1 S 1 EStG und seine Umkehrung in

(223)

S 2 - bis Ende 1998 durch § 280 Abs 2 HGB erheblich relativiert. Infolge des StEntlG 1999/2000/2002 ν 24. 3. 1999 (BGBl I 402) ist allerdings dieses frühere Verhältnis zwischen § 280 Abs 1 HGB als praktischer Ausnahme- und § 280 Abs 2 HGB als praktischer Regelfall für Kapitalgesellschaften nunmehr umgekehrt: Es besteht steuerlich kein Wertbeibehaltungswahlrecht mehr, sondern eine grundsätzliche Zuschreibungspflicht (ξ 6 Abs 1 Nr 1 S 4, Nr 2 S 3 EStG nF und § 7 Abs 1 S 6 HS 2 EStG nF). Die Vorschrift des § 280 Abs 2 HGB läuft somit jetzt leer, maßgeblich bleibt das Wertaufholungsgebot aus § 280 Abs 1 HGB (vgl Budde/Karig in: BeckBil-Komm 4 , § 280 Rdn 32 a; Broer Maßgeblichkeitsprinzip (2000), D III 3; Hoffmann GmbHR 1999, 380, 383; auch BMF DB 2000, 546 ff). 20 21

Vgl BT-Drucks 10/4268, S 123 f. KK-Lutter2 Rdn 2.

Hartwig Henze

6

§ 58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

7

d) Gesetz für kleine Aktiengesellschaften (vom 2. 8. 1994). Durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts wollte der Gesetzgeber durch eine Vielzahl von Maßnahmen die AG als Rechtsform auch für kleinere Unternehmen attraktiver machen. 22 Daneben wurde ua dem ehemaligen § 58 Abs 5 in § 57 Abs 3 ein neuer Standort zugewiesen.23 Die Umsetzung war von systematischen Erwägungen getragen, da die Regelung des Verbotes der sonstigen Vermögensverteilung methodisch richtiger in § 57 aufgehoben ist, der die Verteilbarkeit des Gewinns grundsätzlich regelt.

8

§ 58 Abs 2 S 2 wurde dahingehend geändert, daß die Satzung nicht börsennotierter Aktiengesellschaften den Vorstand und den Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren oder eines kleineren Teils als der Hälfte des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen ermächtigen kann. Bisher konnte die Kompetenz von Vorstand und Aufsichtsrat, bei der Feststellung des Jahresabschlusses höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen einzustellen, aufgrund einer Satzungsbestimmung zwar auf einen größeren Teil erweitert, nicht dagegen auf einen geringeren Teil zurückgeführt werden. Intention des Gesetzgebers war die Stärkung der Satzungsautonomie personalistisch organisierter kleiner Aktiengesellschaften.24 Den Gesellschaftern nicht börsennotierter Aktiengesellschaften soll die Möglichkeit gegeben werden, durch Satzungsänderung größere Mitsprachemöglichkeiten bei der Rückstellungs- und Ausschüttungspolitik zu erlangen. Dies soll auch die Rechtsform der AG für kleinere Unternehmen attraktiver machen. 25 Die Kompetenzerweiterung der Hauptversammlung entspricht nach der gesetzgeberischen Konzeption dem Charakter der kleinen AG, bei der mit einem „stärkeren unternehmerischen Engagement der Aktionäre auch eine größere Verantwortung für die Rückstellungs- und Ausschüttungspolitik der Gesellschaft korrespondieren kann". 2 6

9

e) Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG vom 27. 4. 1998). Durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich wurde eine mehrjährige Debatte über die Möglichkeiten zur Verbesserung der Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich, der Begrenzung der Bankenmacht und der Steigerung der Effizienz der Aufsichtsratsarbeit beendet; das Gesetz trat am 1.5.1998 in Kraft. 27 Durch Art 1 Nr 4 KonTraG wurde auch Abs 2 S 2 dahingehend geändert, daß die Satzung bei „börsennotierten Aktiengesellschaften" Vorstand und Aufsichtsrat nur zur Einstellung eines größeren Teils des Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen ermächtigen kann. Vorher stellte die Vorschrift auf Gesellschaften, deren Aktien zum Handel an einer Börse zugelassen sind, ab; die Änderung knüpft damit an die Legaldefinition des neuen § 3 Abs 2 an.

22

23

BGBl 1 1 9 9 4 , 1 9 6 1 ; vgl BT-Drucks 1 2 / 6 7 2 1 , S 1 ; vgl zum Gesetz für kleine Aktiengesellschaften Hoffmann-Becking ZIP 1 9 9 5 , 1; Hahn DB 1 9 9 4 , 1 6 5 9 ; Claussen W M 1 9 9 6 , 6 0 9 ; Bösert DStR 1 9 9 4 , 1 4 2 3 ; Kindler N J W 1994, 3041. Vgl Kindler N J W 1 9 9 4 , 3 0 4 1 . Im Gesetzgebungsverfahren war noch vorgesehen, § 5 8 Abs 5 aF gänzlich zu streichen: Die Vorschrift sei verzichtbar, da sie im Grunde nur

wiederholt, „was bereits in § 5 7 [...] gesagt ist" (BT-Drucks 1 2 / 6 7 2 1 , S 8); Hüffer4 § 5 7 Rdn 1. 24

Kindler N J W 1 9 9 4 , 3 0 4 1 , 3 0 4 3 .

25

Vgl BT-Drucks 1 2 / 6 7 2 1 , S 8; Kindler 1994, 3041, 3043.

26

BT-Drucks 1 2 / 6 7 2 1 , S 8.

27

BGBl 1 1 9 9 8 , 7 8 6 ; vgl zum KonTraG Böcking/Orth D B 1 9 9 8 , 1 2 4 1 ; Moxter 1997, 7 2 2 .

Stand: 1. 3. 2000

NJW

BB

(224)

§58

Verwendung des Jahresüberschusses

2. Regelungsgegenstand und Normzweck § 58 regelt die Verwendung des Jahresüberschusses der AG. Die Vorschrift definiert die Kompetenzen von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung hinsichtlich der Rücklagenbildung und der Ausschüttung an die Aktionäre. Sie bestimmt primär, ob und ggf welches Organ berechtigt oder verpflichtet ist, zu Lasten des Bilanzgewinns Rücklagen zu bilden. 28

10

Auf den verbleibenden Bilanzgewinn haben die Aktionäre gem Abs 4 einen Anspruch, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung, durch Hauptversammlungsbeschluß nach Abs 3 oder als zusätzlicher Aufwand aufgrund des Gewinnverwendungsbeschlusses (§ 174 Abs 2 Nr 5) von der Verteilung ausgeschlossen ist. Die Vorschrift betrifft die Gewinnverwendung und baut damit auf der überwiegend im HGB in den §§ 2 5 2 - 2 5 6 , 2 7 9 - 2 8 3 HGB geregelten Gewinnermittlung auf. Im Zusammenhang mit § 174 Abs 2 Nr 2 wird dabei derjenige Betrag festgelegt, auf dessen Ausschüttung die Aktionäre einen mitgliedschaftlichen Anspruch haben. Die konkretisierende Einzelaufschlüsselung legt sodann § 60 fest. Regelungsziel ist der Ausgleich zwischen den Interessen der Anteilseigner und der 11 vom Vorstand unter Aufsicht des Aufsichtsrates verwalteten AG. 29 Das von den Aktionären aufgebrachte Eigenkapital und das weitere Vermögen der AG werden in der Regel von Dritten verwaltet. Durch die Trennung von Eigentum und Verwaltung in der AG ist eine Definition der Kompetenzen von Aktionären und Unternehmensleitung erforderlich; das betrifft vor allem die Vermögensrechte der Aktionäre und hier insbesondere die Verwendung des Gewinns. Der Jahresabschluß wird nach § 264 Abs 1 HGB iVm § § 7 8 Abs 1, 170 Abs 1 AktG vom Vorstand aufgestellt und im Regelfall von Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam festgestellt (vgl §§ 172, 173). Die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung ist die Ausnahme. Die Hauptversammlung beschließt im übrigen über die Verwendung des Bilanzgewinns (§ 174). Dieses Verhältnis von Gewinnermittlung und -Verteilung in der deutschen AG wurde von Kronstein mit dem Ausdruck der „gläsernen, aber verschlossenen Taschen" umschrieben. 30 Gläsern sollen die Taschen bei der Gew'mnermittlung sein, verschlossen hinsichtlich der GewinnVerwendung. Die Vorschrift des § 58,steht dabei in engem Zusammenhang mit der strengen aktienrechtlichen Regelung über den Kapitalschutz (§§ 57, 62). Das Gesetz versucht demnach, durch die Abgrenzung der Organbefugnisse den Ausgleich der Interessen der Anlageaktionäre, die auch an einer hohen Ausschüttung interessiert sind, und dem von der Verwaltung vertretenen Interesse der Gesellschaft, die Stellung des Unternehmens durch Eigenfinanzierung zu stärken, herbeizuführen.31 Die Angemessenheit des Interessenausgleichs sieht das Gesetz grundsätzlich in einer Aufteilung des Jahresüberschusses im hälftigen Verhältnis auf andere Gewinnrücklagen und den auszuschüttenden Bilanzgewinn.32 Die Regelung war bei ihrer Entstehung heftig umstritten. 33 Während die Kompetenzverteilung zwischen Hauptversammlung und Verwaltung zum Teil als angemessen angesehen, 34 vereinzelt auch eine zu weitgehende Einengung der

28

K K - L u t t e r 1 Rdn 2 3 ; Rdn 1.

29

Vgl Hüffer4 Rdn 1; KK-Lut ter2 Rdn 4 ff; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3.

30

Kronstein/Claussen Publizität und Gewinnverteilung ( 1 9 6 0 ) , S 136; vgl auch Claussen AG 1 9 9 0 , 5 0 9 , 511 ff.

(225)

Adler/Düring/Schmaltz6

31

Z u r Fragwürdigkeit dieser Annahmen vgl zB Schilling BB 1997, 3 7 3 , 3 7 9 .

32

Vgl Adler/Düring/Schmaltz6 ν GodMWilhelmi4 Anm 1.

33

N a c h w bei Hefermehl/Bungeroth Geßler/Hefermehl, Rdn 5.

34

So wohl Großkomm-ßijrz Voraufl, Anm 4 f; ähnlich auch die Bewertung des Gesetzgebers

Hartwig Henze

Rdn 7 f; in:

12

§58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Verwaltung durch die Vorschrift des Abs 2 S 3 gerügt w u r d e , 3 5 hält die w o h l h L die Sicherung der Aktionärsinteressen für unzureichend. 3 6 Jedenfalls wird die Regelung des Abs 2 S 2 , nach der die Satzung Vorstand und Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren Teils des Jahresüberschusses in die R ü c k l a g e n ermächtigen k a n n , überwiegend kritisch bewertet.37 13

Richtig ist, d a ß dem Interesse der Verwaltung an der Selbstfinanzierung der Gesellschaft in § 5 8 ein großes G e w i c h t beigemessen worden ist. Abs 2 läßt von vornherein die Verfügung der Verwaltung über die Hälfte des Jahresüberschusses zu. Berücksichtigt m a n die mit der Rücklagenbildung - freilich nach dem nur n o c h bis zum Jahreswechsel 2 0 0 0 / 2 0 0 1 geltenden R e c h t 3 8 - in der Regel verbundenen steuerlichen M e h r b e l a s t u n g e n gegenüber einer Ausschüttung aufgrund des gespalteten Körperschaftsteuertarifs, ist dieser Verteilungsmaßstab n o c h einseitiger. D e r Spielraum wird durch die nach A b s 2 S 2 gegebene M ö g l i c h k e i t , die Geschäftsleitung durch die Satzung zu n o c h höheren Einstellungen in die Rücklagen zu ermächtigen, weiter ausgedehnt. D a r ü b e r hinaus k a n n ein Mehrheitsgesellschafter in der H a u p t v e r s a m m l u n g nach A b s 3 zu Lasten der M i n d e r h e i t fast unbegrenzt in die R ü c k l a g e n einstellen (Rdn 7 8 f). D a n e b e n tritt die M ö g l i c h k e i t der Verwaltung, im R a h m e n der Gewinnermittlung stille Reserven zu bilden. I m konzernierten Unternehmen ist der Einfluß der Verwaltung der Muttergesellschaft aufgrund der mehrfachen Anwendung des § 5 8 n o c h größer (Rdn 5 0 f f ) . Im Ergebnis läßt sich festhalten, d a ß § 5 8 die Interessen der Anteilseigner nur unzureichend berücksichtigt. D e n Finanzierungsinteressen der Gesellschaft kann auch durch eine weniger weitgehende K o m p e tenz der Verwaltung zur Stärkung der Eigenkapitalbasis durch Selbstfinanzierung entsprochen werden. D u r c h die Beschränkung der Ausschüttung von Erträgen, die von den Kapitalgebern reinvestiert würden, wirkt die Vorschrift als Allokationsbremse auf den Kapitalmärkten.

14

Die Regelung des Gesetzes beruht auf der Unterstellung, es bestehe ein typisches Aktionärsinteresse an einer h o h e n Ausschüttung, sei es zum Verbrauch, sei es zur Vorin BT-Drucks 12/6721, S 8, wo von einer grundsätzlichen Bewährung der Regelung des § 58 Abs 2 die Rede ist. 35 Vgl Jagenburg AG 1965, 158; Eßer AG 1966, 26. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 6. 37 Vgl Hüffer4 Rdn 2; KK-Lutter 2 Rdn 20; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 7; Krekeler/Lichtenberg ZHR 135 (1971), 362; Gössel/Hehl ZHR 142 (1978), 19, 21. 3 8 Von einer Kapitalgesellschaft an ihre Anteilseigner ausgeschüttete Dividenden werden momentan mit einem Satz von 30 % besteuert; der Körperschaftsteuertarif beträgt 40 % (bzw bis zum 3 1 . 1 2 . 1 9 9 8 vormals 45 %). Nach der weitgehenden Neugestaltung des Körperschaftsteuerrechts, wie es auf das erste nach Ablauf des Jahres 2000 endende Geschäftsjahr einer Kapitalgesellschaft anwendbar ist, wird der Körperschaftsteuertarif einheitlich, dh für einbehaltene ebenso wie für entnommene Gewinne,

2 5 % betragen. Mithin wird für thesaurierte Gewinne eine deutliche Steuerentlastung eintreten. Außerdem wird das bislang geltende körperschaftsteuerliche (Voll-)Anrechnungsverfahren durch das sog „Halbeinkünfteverfahren" ersetzt. Eine Doppelbesteuerung der Dividende mit KSt einerseits sowie ESt andererseits wird insoweit vermieden, als nach § 3 Nr 40 EStG nF Gewinnausschüttungen nur zu 50 % bei den Einkünften aus Kapitalvermögen angesetzt und (nach Werbungskostenabzug) dem persönlichen Steuersatz des Steuerpflichtigen unterworfen werden. Vgl näher Jakobs GmbHR 2000, R 169; Schiffers GmbHR 2000, 205; Lang GmbHR 2000, 453; Müller-Gatermann GmbHR 2000, 650; Krubl BB 2000, 173; Kiesel BB 2000, 1014; Eisolt/Verdenhalven NZG 2000, 527; Dötsch/Pung DB 2000, 61; zu den Übergangsregelungen bis 2002 Haritz/Slabon GmbHR 2000, 593; krit zum Ganzen Maiterth/Semmler BB 2000, 1377 und D Schneider BB 2000, 1322.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(226)

§58

Verwendung des Jahresüberschusses

nähme anderweitiger Investitionen. Die Ansprüche, die von verschiedenen Gruppen von Aktionären an die Unternehmensführung gestellt werden - von unternehmerischen Aktionären mit erheblichem Anteilsbesitz, Anlageaktionären oder eher spekulativen Investoren - , werden in der Regel unterschiedlich sein. Andererseits kann das Interesse an einer hinreichenden Eigenkapitalbasis keineswegs eindeutig nur der Verwaltung zugeordnet werden; der Entscheidung des Mehrheitsaktionärs kommt hier eine maßgebende Bedeutung zu. Die erforderliche Stärkung der Eigenkapitalbasis kann schließlich auch ohne diese Art der Eigenfinanzierung durch Außenfinanzierung über die Kapitalmärkte im Wege der Erhöhung des Grundkapitals erreicht werden. Zahlreiche Beispiele der jüngeren Zeit (Deutsche Bank/bankers trust; Telekom; Entwicklung des „Neuen Marktes") haben dieser Finanzierungsart wieder erhöhte Aktualität verliehen. Sie dient zudem in der Unternehmenspraxis der wertorientierten Unternehmensführung („shareholder value") durch Zukauf ertragreicher 39 Unternehmensteile, die einhergeht mit dem Abstoßen weniger erfolgreicher Sparten, um auf diese Weise die Eigenkapitalrendite über den Kapitalmarktzins hinauszuheben. 40 Dieses Ziel kann auch mit - aufgelösten Rücklagen verfolgt werden, so daß die Rücklagenbildung den Aktionärsinteressen im Sinne des shareholder value-Gedankens dient. Da die Rücklagenbildung auch den inneren Wert des Unternehmens erhöht, der sich regelmäßig im Aktienkurs 41 niederschlägt, tragen die Rücklagen dem Aktionärsinteresse gleich in zweifacher Hinsicht Rechnung. 42

Π. Grundlagen und Begriffe § 58 baut systematisch auf den Vorschriften über die Gewinnermittlung auf und verwendet deren Fachterminologie. Hinsichtlich der verwendeten Begriffe wie Jahresabschluß, Jahresüberschuß oder Rücklagen gilt folgendes: Jahresabschluß ist der Oberbegriff für die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) sowie den Anhang der Kapitalgesellschaften. 43 Jahresüberschuß ist der Saldo aller in der GuV ausgewiesenen Erträge und Aufwendungen vor Steuern. 44 Er ist nach § 275 Abs 2 und 3 HGB in der GuV als Posten 19 bzw 20 auszuweisen.45 Der Jahresüberschuß ist stets positiv; ein negativer Erfolgssaldo wird als Jahresfehlbetrag bezeichnet. 46 Der Jahresüberschuß ist der Ausgangspunkt für die Ergebnisverwendung.

15

Der Bilanzgewinn ergibt sich aus dem Jahresüberschuß, der nach § 158 korrigiert und ergänzt wird. 47 Die nach dem Gliederungsschema des § 275 HGB erstellte GuV wird

16

39

So die Hoffnungen der Geschäftsleitungen der Deutschen Bank mit dem Erwerb von bankers trust und der Preussag mit der Umstrukturierung des Konzernunternehmens.

43

Vgl §§ 2 4 2 Abs 3, 2 6 4 Abs 1 S 1 H G B ; Budde/Karig in: BeckBil-Komm 4 , § 2 6 4 Rdn 5 ff; Hüffer4 Rdn 3 ; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 5 0 7 ; Wiedmann BilanzR, § 2 6 4 Rdn 1 ff.

40

Vgl Schilling BB 1997, 3 7 3 ; Busse ν Cölbe Z G R 1997, 2 7 1 .

44

Förschle in: BeckBil-Komm 4 , § 2 7 5 Rdn 2 6 1 ff.

41

Z u m Zusammenhang zwischen Börsenkurs und Unternehmensbewertung vgl Großfeld BB 2 0 0 0 , 2 6 1 ff m w N .

45

KK-Lutter2 Rdn 2 6 ; Hüffer4 Hdb AG, Teil I, Rdn 5 0 7 .

46

42

Zusammenfass zum shareholder valueGedanken und seiner Berücksichtigung durch die Unternehmensleitung vgl υ Werder Z G R 1 9 9 8 , 6 9 , 8 0 ff.

KK-Lutter2 Rdn 2 6 ; G r o ß k o m m - B a r ? Voraufl, Anm 9 ; Förschle in: BeckBilK o m m 4 , § 2 7 5 Rdn 2 6 1 .

47

Hüffer4 Rdn 3; Nirk H d b AG, Teil I, Rdn 5 0 4 , 5 0 7 .

(227)

Hartwig Henze

Rdn 3; Nirk

§58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

nach der Position Jahresüberschuß nach § 158 in Fortführung der Numerierung um folgende Positionen erweitert:48 1. Gewinnvortrag/Verlustvortrag aus dem Vorjahr 2 . Entnahmen aus der Kapitalrücklage 3 . Entnahmen aus Gewinnrücklagen a) aus der gesetzlichen Rücklage b) aus der Rücklage für eigene Aktien c) aus satzungsmäßigen Rücklagen d) aus anderen Gewinnrücklagen 4. Einstellungen in Gewinnrücklagen a) in die gesetzliche Rücklage b) in die Rücklage für eigene Aktien c) in satzungsmäßige Rücklagen d) in andere Gewinnrücklagen 5. Bilanzgewinn/Bilanzverlust

17

Festgestellt wird der Jahresabschluß von Aufsichtsrat und Vorstand, ausnahmsweise von der Hauptversammlung.49 Die Feststellung hat rechtsgeschäftlichen Charakter. 50 Die Vorlage des Jahresabschlusses durch den Vorstand und der darauf bezogene Billigungsbeschluß des Aufsichtsrates nebst entsprechender Erklärung nach § 171 Abs 2 S 4, Abs 3 stellen ein korporationsrechtliches Rechtsgeschäft sui generis dar.51 Die Feststellung ist von der Aufstellung des Jahresabschlusses zu unterscheiden, die nach § 264 Abs 1 HGB und § 170 Abs 1 Aufgabe des Vorstandes ist. 52 Der Gewinnvortrag leitet sich aus dem Jahresüberschuß des Vorjahres ab; er war insofern schon Teil der Berechnungsgrundlage für die Rücklagendotierung.53 Verlustvortrag ist der Bilanzverlust des Vorjahres. 54

18

Der Begriff der Rücklagen umfaßt die Gewinn- und die Kapitalrücklagen; im Rahmen der Kompetenzregelung des § 58 sind allerdings in erster Linie die Gewinnrücklagen nach § 266 Abs 3 A III HGB relevant. Die Kapitalrücklage (§ 266 Abs 3 A II HGB) umfaßt die einer AG von ihren Aktionären neben dem Grundkapital von außen zugeführten Anteile des Eigenkapitals.55 Dazu zählt bei der Ausgabe von Aktien, Bezugsanteilen oder Schuldverschreibungen (für Wandlungs- und Optionsrechte) jeweils das Agio, weiterhin fallen hierunter Zuzahlungen der Gesellschafter gegen Gewährung eines Vorzugs für ihre Anteile und andere Zuzahlungen der Gesellschafter. ' 6 Gewinnrücklagen werden dagegen aus dem Ergebnis des Geschäftsjahres oder der früheren Geschäftsjahre gebildet. Dazu gehören nach § 272 Abs 3 HGB aus dem Ergebnis zu bildende gesetzliche oder auf Satzung beruhende Rücklagen und andere Gewinnrücklagen. ' 7 Gem § 266 Abs 3 A III HGB sind unter der Position Gewinnrücklagen in der Bilanz die Positionen gesetzliche Rücklage, Rücklage für eigene Aktien, satzungsmäßige Rücklagen und andere Gewinnrücklagen auszuweisen. Eine Verpflichtung zur Bildung von gesetzlichen Rücklagen ergibt sich für die AG und KGaA aus §§ 150, 300. Die Vorschrift des § 150 ver48

Vgl Förschle Rdn 311.

in: BeckBil-Komm 4 , § 2 7 5

49

Vgl dazu Kropff in: Geßler/Hefermehl, § 172 Rdn 7.

50

Hüffer4

53

Adler/Düring/Schmaltz6

54

Förschle/Kofahl Rdn 181.

55

Einzelheiten bei Förschle/Kofahl in: BeckBilK o m m 4 , § 2 7 2 Rdn 5 9 ; Wiedmann BilanzR, § 2 7 2 Rdn 14 ff.

56

Förschle/Kofahl Rdn 5 9 ff.

57

Vgl Förschle/Kofahl § 2 7 2 Rdn 8 6 ff.

§ 1 7 2 Rdn 2 , 3.

51

B G H Z 1 2 4 , 111, 116; Hüffer4

52

Vgl Budde/Karig in: BeckBil-Komm 4 , § 2 6 4 Rdn 5 ff; zur Unterscheidung der Begriffe Aufstellung und Feststellung der Bilanz vgl B G H Z 132, 2 6 3 [zur KG].

§ 1 7 2 Rdn 2 f.

Stand: 1. 3. 2000

Rdn 18.

in: BeckBil-Komm 4 , § 2 7 2

in: BeckBil-Komm 4 , § 2 7 2 in: BeckBil-Komm 4 ,

(228)

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

pflichtet die Gesellschaft, 5 % des um einen etwaigen Verlustvortrag gekürzten Jahresüberschusses in die gesetzliche Rücklage einzustellen, bis die Summe der gesetzlichen Rücklagen und der Kapitalrücklagen nach § 2 7 2 Abs 2 Nr 1 - 3 H G B 10 % des Grundkapitals oder einen von der Satzung bestimmten höheren Prozentsatz erreicht. Diese Regelung wird im Vertragskonzern durch die Vorschrift des § 3 0 0 modifiziert. Zu den „anderen" Gewinnrücklagen gehören alle Rücklagen, die ohne gesetzlichen Zwang gebildet und wieder aufgelöst werden können. 5 8 Das sind alle Rücklagen, die weder zu den gesetzlichen noch zu den satzungsmäßigen Rücklagen oder den Rücklagen für eigene Anteile gehören. 5 9 Gewinnthesaurierung bedeutet im folgenden die Einbehaltung von Erträgen der AG, die nicht an die Anteilseigner ausgeschüttet worden sind. Soweit diese thesaurierten Gewinne nach den G o B 6 0 als Erfolg der abgelaufenen Rechnungslegungsperioden ausgewiesen wurden, sind sie gem §§ 2 6 6 Abs 3 A II und III, 275 Abs 4 H G B aus der Bilanz und GuV ersichtlich. Insofern wird im folgenden von „offenen" Rücklagen gesprochen.

19

Dagegen sind stille Reserven Teile des Eigenkapitals, deren Höhe aus der Bilanz nicht ersichtlich ist. 61 Sie unterscheiden sich von den offenen Rücklagen dadurch, daß sie sowohl auf der Aktivseite (zB durch Nichtaktivierung oder Unterbewertung von Vermögensgegenständen) als auch auf der Passivseite (zB durch die Bewertung von Schulden über den nach dem H G B zulässigen Beträgen) entstehen können. 6 2 Die stillen Reserven unterliegen im übrigen bei der Auflösung in der Regel der Besteuerung. Sie erschweren die Aussagekraft des Jahresabschlusses und ermöglichen es der Unternehmensführung, die „tatsächliche" Lage des Unternehmens durch die stille Auflösung der Reserven zumindest zeitweise zu verdecken. Durch die Bildung und Auflösung stiller Reserven kann sich die Verwaltung also einer effektiven Kontrolle entziehen. 63 Zudem erschwert die Bildung stiller Rücklagen die Einschätzung des Unternehmenswertes auf dem Kapitalmarkt.

20

Nach der Art ihrer Entstehung kann bei den stillen Reserven zwischen Zwangs-, Ermessens- und Willkürreserven unterschieden werden. Gesetzliche Zwangsreserven entstehen zwingend durch die Einhaltung der Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften. Ermessensreserven sind regelmäßig Folge der Einhaltung des Vorsichtsprinzips. Ursachen sind die gesetzlichen Ermessensspielräume im Rahmen von Ansatz und Bewertung und Ungewißheiten über zukünftige Ereignisse. Willkürreserven entstehen durch Verstöße gegen zwingende Bilanzierungsvorschriften. Sie sind unzulässig und können im Einzelfall nach § 2 5 6 Abs 5 S 1 Nr 2, S 3 zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen. 6 4

21

Wertaufholungen iSd Abs 2 a sind Zuschreibungen auf der Aktivseite der Bilanz, wenn die Gründe für bestimmte in der Vergangenheit vorgenommene, nicht planmäßige Abschreibungen weggefallen sind. 65 Für sie besteht nach dem Wertaufholungsgebot des § 2 8 0 Abs 1 H G B bei Kapitalgesellschaften grundsätzlich eine Pflicht (Rdn 6 7 ) . 6 6

22

58

KK-Lutter2 Rdn 2 6 ; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 2 8 f; Nirk H d b AG, Teil I, Rdn 507.

59

Förschle/Kofahl Rdn 9 7 f.

60

Ausführl hierzu etwa ScholzICrezelius G m b H G 9 Anh § 4 2 a Rdn 6 7 - 9 3 m w N .

61

KK-Lutter2

62

Z u r Unter- bzw Überbewertung vgl § 2 5 6 Abs 5 S 2 u 3.

63

Vgl etwa K K - L u t t e r 1 Rdn 9; Siegel [ua] ZIP 1999, 2 0 7 7 ; zu Beispielsfällen vgl B G H Z 8 6 , 1, 7 ff; 101, 1, 6 ff.

(229)

64

Lutter faßt begrifflich die gesetzlichen Reserven, die sich aus dem Niederstwertprinzip und gesetzlich vorgeschriebenen Abschreibungen ergeben, nicht als stille Rücklagen auf, da sie kraft Gesetzes einer Ausschüttungssperre unterliegen. Danach fallen laut Lutter nur die verbotenen Willkürreserven unter den Begriff der stillen Rücklagen, vgl K K - L u t t e r 1 Rdn 1 0 - 1 2 .

65

Budde/Karig

66

Näher Budde/Karig § 2 8 0 Rdn 2 - 2 0 .

in: BeckBil-Komm 4 , § 2 7 2

Rdn 9.

Hartwig Henze

in: BeckBil-Komm 4 , § 2 8 0 Rdn 1. in: BeckBil-Komm 4 ,

§58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

III. Einstellung des Jahresüberschusses in die Gewinnrücklagen 23

Das Gesetz differenziert hinsichtlich der Einstellung des Jahresüberschusses in die Gewinnrücklagen danach, wer den Jahresabschluß im Einzelfall feststellt. Regelmäßig geschieht dies durch Vorstand und Aufsichtsrat. In diesem Fall kann nach Abs 2 höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses in die Rücklagen eingestellt werden, soweit nicht die Satzung einen anderen Betrag zuläßt. Stellt ausnahmsweise die Hauptversammlung den Jahresabschluß auf, kann nach Abs 1 durch die Satzung bestimmt werden, daß bestimmte Beträge aus dem Jahresüberschuß in andere Gewinnrücklagen einzustellen sind. Ausgangspunkt für beide Verfahren zur Dotierung der anderen Rücklagen ist der Jahresüberschuß. Um die Bemessungsgrundlage für die Dotierung der Rücklagen nach Abs 1 und Abs 2 zu ermitteln, wird der Jahresüberschuß sodann um die Einstellung in die gesetzlichen Rücklagen und um einen weiteren Verlustvortrag gemindert. 6 7 1. Feststellung durch die Hauptversammlung (Abs 1)

24

Abs 1 setzt voraus, daß der Jahresabschluß durch die Hauptversammlung festgestellt wird. In der Praxis ist diese - nach §§ 172, 173 zulässige - Feststellung die Ausnahme. 6 8 Eine solche Feststellungskompetenz der Hauptversammlung ist nach § 173 Abs 1 einmal dann gegeben, wenn Vorstand und Aufsichtsrat ihr die Feststellung überlassen. 6 9 Zum anderen ist die Hauptversammlung zuständig, wenn der Aufsichtsrat den Jahresabschluß nicht gebilligt hat. Das ist kraft ausdrücklicher negativer Schlußerklärung nach § 171 Abs 2 S 4 ebenso möglich wie durch die Fiktion des § 171 Abs 3 S 3, die den Ablauf der weiteren Frist nach § 171 Abs 3 S 2 voraussetzt. Weiterhin ist in Sonderfällen eine Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung möglich: Das betrifft nach § 2 8 6 Abs 1 S 1 die KGaA (Rdn 119), die Abwicklung nach § 2 7 0 Abs 2 S 1 und die Kapitalherabsetzung mit Rückwirkung gem § 2 3 4 Abs 2.

25

a) Satzungsbestimmung. Abs 1 setzt für eine wirksame Dotierung der Rücklagen eine entsprechende Bestimmung in der Satzung voraus. Ziel der Regelung ist es, überhöhte Thesaurierungen durch eine Mehrheit in der Hauptversammlung zu Lasten der Ausschüttung, an der vor allem die Minderheit interessiert ist, zu verhindern. 7 0 Die Satzung muß also eine Regelung zur Einstellung von bestimmten Beträgen aus dem Jahresüberschuß in andere Gewinnrücklagen treffen und die Satzung muß es ermöglichen, daß die Höhe der zu bildenden Rücklage von vornherein eindeutig bestimmbar ist. Dem genügt nach h M nur die Angabe einer eindeutigen Summe oder eines festen Prozentsatzes, so daß für eine Willensbildung der Hauptversammlung kein Raum bleibt . 7 1

26

Eine Ermächtigung der Hauptversammlung durch die Satzung ist ebenfalls nicht ausreichend, um einen wirksamen Beschluß iSv Abs 1 hierauf zu stützen. 7 2 Unzulässig ist 67

Vgl ua Adler/Diiring/Schmaltz6

68

Vgl Hüffer4 Rdn 6 ; KK-Lutter1 Rdn 6 1 ; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 3 2 ; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 5 0 8 . Sowohl die Information durch die Unternehmensberater und Syndici der Unternehmen als auch die Erfahrungen aus der Gerichtspraxis bestätigen dieses Bild immer wieder: Es sind Vorstand und Aufsichtsrat, die den Jahresabschluß feststellen; die Hauptversammlung erteilt nur Entlastung.

Rdn 14.

69 70

Vgl Hüffer4 § 173 Rdn 2. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 29.

71

KK-Lutter 2 Rdn 6 2 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3 2 ; Adler/ Diiring/Schmaltz6 Rdn 3 9 f; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 5 0 9 ; aA Gail W P g 1 9 6 6 , 4 2 5 ; Werther AG 1 9 6 6 , 3 0 5 .

72

Ganz h M ; vgl Hüffer4 Rdn 6 ; K K - L u t t e r 2 Rdn 6 1 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 3 0 ; G r o ß k o m m - ß a r z Vor-

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(230)

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

auch eine Satzungsbestimmung, die zwar eine bestimmte H ö h e für die Z u f ü h r u n g zu den Rücklagen vorsieht, die H a u p t v e r s a m m l u n g aber ermächtigt, geringere Beträge in die Rücklagen einzustellen, wenn die Lage des Unternehmens Rücklagen in der vorgesehenen H ö h e nicht erforderlich m a c h t . 7 3 D a s ergibt sich vor allem aus dem W o r t l a u t des § 1 7 3 Abs 2 S 2 , w o n a c h die Hauptversammlung nur die Beträge in Gewinnrücklagen einstellen darf, die nach Gesetz und Satzung einzustellen sind. 7 4 Fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit, ist die entsprechende Klausel nichtig und

27

damit nicht a n w e n d b a r . 7 5 Auch die rückwirkende Begründung einer Pflicht zur R ü c k lagenbildung durch die Satzung ist nach § 181 Abs 3 nicht m ö g l i c h . 7 6 Die Vorschrift der Satzung m u ß bei ihrer Anwendung im Handelsregister eingetragen sein. N i c h t erforderlich ist es allerdings, d a ß die Satzungsregelung schon in dem Geschäftsjahr eingetragen war, über dessen Ergebnisverwendung beschlossen w i r d . 7 7 Soweit die Hauptversammlung den J a h r e s a b s c h l u ß feststellt, ist sie - anders als der Aufsichtsrat - bei der Bildung des Jahresabschlusses nicht an den v o m Vorstand aufgestellten J a h r e s a b s c h l u ß g e b u n d e n . 7 8 Sie m u ß sich allerdings bei der Feststellung ebenso wie der Vorstand an das materielle Bilanzrecht halten. Die Entscheidung über die Ausübung von Wahlrechten und die Ausnutzung von Bewertungsspielräumen kann die H a u p t v e r s a m m l u n g anders treffen als der Vorstand.

28

b) Bemessungsgrundlage und Höchstgrenzen. Die Höchstgrenze der R ü c k l a g e n dotierung ergibt sich in diesen Fällen aus A b s 1 S 2 und S 3. D a n a c h k a n n höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen eingestellt werden. Die Bemessungsgrundlage für den G e w i n n ist also ein wie folgt bereinigter J a h r e s ü b e r s c h u ß : 7 9

29

G e m A b s 1 S 3 sind zunächst Beträge, die in die gesetzliche R ü c k l a g e einzustellen sind, und ein Verlustvortrag v o r a b v o m J a h r e s ü b e r s c h u ß abzuziehen. N a c h § 1 5 0 sind in die gesetzliche R ü c k l a g e 5 % des um einen etwaigen Verlustvortrag gekürzten Jahresüberschusses einzustellen, bis die S u m m e der Kapitalrücklagen 10 % des Grundkapitals oder einen von der Satzung bestimmten höheren Prozentsatz e r r e i c h t . 8 0 Im Vertragskonzern gilt die Vorschrift des § 3 0 0 , die zum Schutz der Gläubiger und der A G die allgemeine Regel des § 1 5 0 A b s 2 modifiziert.

30

Ein Verlustvortrag ist nach Abs 3 S 2 abzuziehen. Analog § 5 8 Abs 1 S 3 sind daneben nach h M die Sonderrücklage (§ 2 1 8 S 2) und die Zuweisung zur Kapitalrücklage (§ 2 3 2 ) in Abzug zu bringen. 8 1 Andere Rücklagen sind nicht abzugsfähig. Vor allem die nach § 2 7 2 Abs 4 H G B erforderliche R ü c k l a g e für eigene Aktien geht allein zu Lasten des

31

73

aufl, Anm 11; aA ν Godin/Wilhelmi 4 Anm 4. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 34; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 40; aA Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 12, wonach eine Satzungsbestimmung auch dann als gesetzeskonform angesehen werden muß, wenn sie auf der Basis eines festen Betrages, der seinerseits als Summe oder Prozentsatz festgeschrieben ist, der Hauptversammlung die Befugnis gibt, hinter diesem Betrag zurückzubleiben, soweit keine wirtschaftliche oder finanzielle Notwendigkeit zur Bildung einer solch hohen Rücklage gesehen wird.

(231)

74 75 76

77

78 79

80

81

Vgl auch KK-Lutter 2 Rdn 62. Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 41. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 31; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 42. KK-Lutter2 Rdn 29; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 42. Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 33. KK-Lutter2 Rdn 26; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 11. Einzelheiten bei Förschle/Kofahl in: BeckBilKomm 4 , § 272 Rdn 87 ff. Vgl KK-Lutter 2 Rdn 26; Adler/Düring/ Schmaltz6 Rdn 13 ff.

Hartwig Henze

§ 58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Bilanzgewinns.82 Diese Rücklage, die nach § 272 Abs 4 S 3 HGB bereits; bei der Aufstellung der Bilanz zu bilden ist, darf nach § 272 Abs 4 S 3 aE HGB unter anderem aus den vorhandenen frei verfügbaren Gewinnrücklagen gebildet werden. 83 Schließlich gehen Erträge aus einer höheren Bewertung kraft einer Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung (§§ 258 ff) nach § 261 Abs 3 nicht in den Jahresüberschuß ein. 84 32

Überschreitet die Regelung in der Satzung hinsichtlich der Dotierung der Rücklagen die gesetzliche Höchstgrenze von Abs 1 S 2, so führt das nach hM grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit der entsprechenden Bestimmung. 85 Diese bleibt insoweit wirksam, als sie die Hauptversammlung berechtigt und verpflichtet, die Hälfte des Jahresüberschusses in die freien Rücklagen einzustellen. 86 Das ergibt sich zwingend bereits aus dem Umstand, daß alle Methoden, welche die Dotierung der Rücklagen nicht nach einem festen Prozentsatz des Jahresüberschusses bemessen, ansonsten im Einzelfall zu einer höheren als der gesetzlich zulässigen Rücklagendotierung führen können. 87

33

c) Rechtsfolgen. Trifft die Satzung eine Regelung gem Abs 1 S 1, so hat die Hauptversammlung keinerlei Ermessen, ob sie die Gewinnrücklagen dotiert. 88 In diesem Fall sind nach dem Wortlaut von Abs 1 S 1 die in der Satzung genannten Beträge aus dem Jahresüberschuß in andere Gewinnrücklagen einzustellen. Eine materielle Begrenzung hinsichtlich der Rücklagendotierung aufgrund einer Satzungsregelung gibt es ansonsten nicht. Die Hauptversammlung muß also auch dann in die Rücklagen einstellen, wenn die anderen Gewinnrücklagen bereits mehr als die Hälfte des Grundkapitals ausmachen. 89

34

Existiert hingegen keine Satzungsregelung zur Dotierung der anderen Gewinnrücklagen im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses, so kann die Hauptversammlung einen entsprechenden Beschluß nicht fassen. 90 Ein gleichwohl gefaßter Beschluß wäre gem § 256 Abs 1 Nr 4 nichtig. 91 Die Hauptversammlung kann allerdings Zuweisungen zu den gesetzlichen Rücklagen treffen; sie kann weiterhin den Jahresabschluß feststellen, um daraufhin nach Abs 3 durch den Ergebnisverwendungsbeschluß Zuweisungen zu den anderen Gewinnrücklagen vorzunehmen. 2. Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat (Abs 2)

35

a) Die Ermächtigung nach Abs 2 S 1. Die Vorschrift des Abs 2 normiert die Rücklagenbildung bei der Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat. Diese Konstellation ist nach § 172 die Regel. In diesem Fall sind Vorstand und Aufsichtsrat berechtigt, einen Teil des Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen einzustellen. Eine satzungsmäßige Ermächtigung zur Rücklagenbildung ist insofern nicht erforderlich. 92 Diese Rücklagenbildung durch die Verwaltung erfolgt im Zuge der Aufstellung des Jahresabschlusses. 93

82

83

Vgl § 158 Abs 1; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 19; Hüffer N J W 1979, 1065, 1069. Einzelheiten bei Förschle/Kofahl in: BeckBilK o m m 4 , § 111 Rdn 119 f.

Vgl den Wortlaut von S 5 8 Abs 1 S 1: „ ... Beträge aus dem Jahresüberschuß in andere Gewinnrücklagen einzustellen sind". Ebenfalls ergibt sich das aus § 1 7 3 Abs 2 S 2 , vgl Adler/Düring/Schmaltz'' Rdn 37.

89

Adler/Düring/Schmaltz1'

Rdn 4 5 .

90

Adler/Düring/Schmaltz6

Rdn 3 4 .

84

Vgl Hüffer Rdn 21.

85

Adler/Düring/Schmaltz6

86

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3 5 ; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 4 4 .

91

Vgl Hüffer4

92

Hefermehl/Bungeroth Schmaltz6 aaO.

93

Großkomm-Barz Voraufl, Anm 14. Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 47.

87

A

Rdn 7;

88

Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 4 4 .

aaO;

Adler/Düring/

Stand: 1. 3. 2000

Rdn 6 und § 2 5 6 Rdn 15.

(232)

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

Nach Abs 2 S 1 ist der von Vorstand und Aufsichtsrat in die Rücklagen einstellbare Betrag auf maximal die Hälfte des Jahresüberschusses begrenzt. Die Vorschrift des Abs 2 S 1 ist - anders als die in Abs 2 S 2 vorgesehene Erweiterungsmöglichkeit - zwingendes Recht (vgl § 23 Abs 5 S l ) . 9 4 Die Satzung kann daher nur eine Ermächtigung, nicht aber eine Verpflichtung vorsehen. 95 Das ergibt sich aus Abs 1, der diese Möglichkeit nur für den von der Hauptversammlung festgestellten Jahresabschluß vorsieht. 96 Die Satzung kann auch keine der vorgeschriebenen Grenzen für die Zuführung zu den Rückstellungen ändern. Sie darf auch keine allgemeinen Grundsätze zur Rücklagenzuweisung enthalten. 97

36

b) Satzungsöffnung nach Abs 2 S 2. Nach Abs 2 S 2 kann die Satzung Vorstand und Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren oder kleineren Teils, bei börsennotierten Gesellschaften (§ 3 Abs 2) nur eines größeren Teils des Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen ermächtigen. Die Vorschrift ermöglicht es damit zunächst, Vorstand und Aufsichtsrat durch die Satzung zu einer weitergehenden Dotierung der Rücklagen zu ermächtigen. Die Satzung nicht börsennotierter Aktiengesellschaften kann den Vorstand und den Aufsichtsrat zur Einstellung auch eines kleineren Teils als die Hälfte des fraglichen Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen ermächtigen. Diese Regelung von Abs 2 S 2 wurde durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften eingeführt. Sie soll der Hauptversammlung größere Mitsprachemöglichkeiten bei der Rücklagen- und Ausschüttungspolitik ermöglichen. 98

37

aa) Höhe der Ermächtigung. Die satzungsmäßige Erweiterung der Verwaltungskompetenzen ist nach hM an keine Höchstgrenze gebunden. Die Satzung kann Vorstand und Aufsichtsrat also auch ermächtigen, den vollen Jahresüberschuß in freie Rücklagen einzustellen. 99 Aus dem Wortlaut der Bestimmung (größerer „Teil" als der Hälfte) folgert allerdings ein Teil der Lit, daß Abs 2 S 2 eine Ermächtigung zur Einstellung des gesamten Jahresüberschusses in die freien Rücklagen nicht zulasse. 100 Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden, denn Abs 2 enthält insofern keine Obergrenze für die zulässige Rücklagendotierung. Auch der Wortlaut der Bestimmung spricht nicht gegen eine vollständige Übertragung der Gewinnverwendungskompetenz auf Vorstand und Aufsichtsrat. 1 0 1 Die Formulierung „Teil" ist insofern nur ungenau. 102 Vor allem könnte die Formulierung des Abs 2 S 2 allein nicht die Annahme einer Beschränkung rechtfertigen. 103 Für eine Beschränkung wäre vielmehr eine Grenzziehung im Normtext selbst erforderlich. Ohne genauere Vorgaben des Gesetzgebers ließe sich nämlich allein aus Abs 2 - ggf auch iVm dem Gedanken des § 254 Abs 1 - eine solche Grenze nicht ermitteln. Schließlich wäre eine Regelung, die auf der einen Seite die Einstellung des gesamten Jahresüberschusses in die Rücklagen untersagt, andererseits aber die Einstellung eines beliebig großen Teils

38

94

95

96 97

98

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 38; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 50; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 511. Hüffer4 Rdn 11; KK-Lutter 2 Rdn 35; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 51; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 511. KK-Lutter 1 Rdn 35. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 38; Großkomm-Bar ζ Voraufl, Anm 14; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 50. Vgl BT-Drucks 12/6721, S 1 - 8 .

99

100

101 102

103

(233)

BGHZ 55, 359; Hüffer4 Rdn 12; KKLutter2 Rdn 30; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 52; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 512; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 4 2 mwN; Henze AktienR 4 (2000), Rdn 272; aA Eckardt NJW 1967, 369 mwN. Rosencrantz NJW 1969, 664, 665; Geßler DB 1966, 216; Schäfer BB 1966, 233. AA Rosencrantz NJW 1969, 664, 665. ν Godin/Wilhelmi 4 Anm 3; aA Eckardt NJW 1967, 369. KK-Lutter2 Rdn 30; ν Godin/Wilhelmi 4 Anm 3.

Hartwig Henze

§ 58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

(etwa 9 9 % ) zuläßt, wenig sinnvoll. 104 Auch § 254 kann keine Obergrenze entnommen werden, etwa der Art, daß die Verwaltung bei der Dotierung der freien Rücklagen vom Jahresüberschuß so viel übrig lassen müsse, daß eine Dividendenausschüttung von 4 % ermöglicht werde. 105 Außerdem bezieht sich § 254 nicht auf die Feststellung des Jahresabschlusses, sondern auf die Verwendung des Bilanzgewinns durch Beschluß der Hauptversammlung. 106 Zur Auslegung des Abs 2 S 2 kann § 254 daher nicht herangezogen werden. Ein Rahmen für die Zuführung zu den Rücklagen ergibt sich somit nur aus Abs 2 S 3. 39

bb) Bestimmtheit der Ermächtigung. Die Ermächtigungsklausel der Satzung kann einen bestimmten Satz für die Befugnis des Vorstandes zur Rücklagenzuweisung enthalten. Wie konkret dieser Satz im Rahmen einer wirksamen Satzung festgelegt sein muß, ist streitig. Eine wirksame Klausel muß zumindest den Gesetzeswortlaut wiedergeben. Das wird in der Lit teilweise als ausreichend angesehen. 107 Nach der Gegenauffassung wird darüber hinaus eine eindeutige Angabe der Obergrenze gefordert, zB als Prozentangabe vom Jahresüberschuß. 108 Die Formulierung einer Satzung, die zur Ausschüttung des ganzen Jahresüberschusses abzüglich des für die Ausschüttung einer Dividende von 4 °/o erforderlichen Betrages ermächtigte, wurde als hinreichend bestimmt angesehen. 109 Stellungnahme: Es spricht einiges dafür, die Wiederholung des Gesetzeswortlautes als ausreichend anzusehen. Der Wortlaut des § 58 fordert jedenfalls unmittelbar keine genauere Bestimmtheit der Ermächtigung. Die Zuständigkeit der Verwaltung kann nach richtiger Auffassung bis auf 100 % des Jahresüberschusses erweitert werden (Rdn 38). Jedenfalls dann hat die Verwaltung stets die Möglichkeit, einen geringeren Anteil in die Rücklagen einzustellen. Daher kann auch für andere Fälle eine Obergrenze für eine wirksame Satzungsklausel nicht gefordert werden.

40

c) Nicht börsennotierte Gesellschaften. Vorstand und Aufsichtsrat von nicht börsennotierten Gesellschaften können durch die Satzung nicht nur ermächtigt werden, einen größeren Anteil als die Hälfte des Jahresabschlusses in die anderen Gewinnrücklagen einzustellen, sondern die Ermächtigung kann auch auf einen kleineren Teil begrenzt werden. Die Satzung kann insoweit die Kompetenzen des Vorstandes auch auf Null reduzieren. 110 Wird ein bestimmter geringerer Prozentsatz als der nach Abs 2 S 2 für die große AG gewählt, gelten insoweit obige Ausführungen (Rdn 35 f). Vorstand und Aufsichtsrat können von dem Recht aus Abs 2 S 1 nach ihrem Ermessen Gebrauch machen.

41

d) Bemessungsgrundlage. Nach Abs 2 S 4 und Abs 1 S 3 sind auch im Rahmen der Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Bemessungsgrundlage die Abzugsbeträge zu beachten. Hinsichtlich der Bemessung der Höchstgrenze gelten die Erläuterungen zur Regelung durch Satzung (Rdn 29 ff).

104

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 4 0 ; G r o ß k o m m - ß a r z Voraufl, Anm 17; deshalb will Eckardt N J W 1967, 3 6 9 bereits bei 9 0 % die Grenze ziehen.

108

Hüffer4 Rdn 11; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 4 5 ; vgl auch Großkomm-Barz Voraufl, Anm 16; Eckardt N J W 1967, 3 6 9 , 3 7 0 .

105

Hü ff erA Rdn 12; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 4 1 ; aA ν Gleichenstein BB 1967, 1047.

109

LG Hamburg N J W 1969, 6 6 4 , 6 6 6 m Anm Rosencrantz·, Hüffer4 Rdn 12; Adler/Düring/ Schmaltz6 Rdn 5 4 .

106

B G H Z 5 5 , 3 5 9 , 3 6 4 f. KK-Lutter2 Rdn 31; Adler/Düring/ Schmaltz6 Rdn 5 3 .

110

Adler/Düring/Schmaltz6

107

Stand: 1. 3. 2000

Rdn 5 6 .

(234)

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

e) Schranken des Abs 2 S 3. Gem Abs 2 S 3 dürfen Vorstand und Aufsichtsrat auch auf Grund einer Satzungsbestimmung keine Beträge in andere Gewinnrücklagen einstellen, die 50 % des Jahresüberschusses übersteigen, wenn die anderen Gewinnrücklagen die Hälfte des Grundkapitals übersteigen oder übersteigen würden. 111 Zur Bemessung der Höchstgrenze ist auf die in der Bilanz ausgewiesenen anderen Gewinnrücklagen (§ 266 Abs 3 A III 4 HGB) abzustellen. 112 Die Befugnis von Vorstand und Aufsichtsrat, gem Abs 2 S 1 die Hälfte des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen einzustellen, bleibt von der Vorschrift des S 3 allerdings unberührt.

42

f) Rechtsfolgen. Liegen die Voraussetzungen des Abs 2 S 1 vor, dann können Vorstand und Aufsichtsrat jedes Jahr 50 % des Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen einstellen. Das gilt in den Fällen von Abs 2 S 2 genauso wie bei der gesetzlichen Beschränkung, allerdings in den Schranken des Abs 2 S 3. Ob und in welchem Umfang Vorstand und Aufsichtsrat von diesem Recht Gebrauch machen, liegt in ihrem Ermessen, das sich am Wohl und Interesse der Gesellschaft zu orientieren hat. 113

43

Zum Teil wird für die Fälle von Abs 2 S 2, wenn die Satzung Vorstand und Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren Teils des Jahresüberschusses in die Rücklagen ermächtigt, die Auffassung vertreten, die Ausnutzung der Satzungsermächtigung nach Abs 2 S 2 sei nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt. 114 Dieser Auffassung kann im Hinblick auf die Satzungsautonomie der Gesellschaft nicht gefolgt werden. Soweit die von den Aktionären festgestellte Satzung der Gesellschaft eine solche Einschränkung im Rahmen der nach Abs 2 S 2 getroffenen Regelung vorsieht, bindet eine solche Ermessensreduzierung die Verwaltung nicht. 115 Andererseits begründet das Bestehen einer entsprechenden Satzungsklausel auch keinerlei Vermutung für die Richtigkeit und Pflichtgemäßheit der Maßnahme von Vorstand und Aufsichtsrat. Nur ausnahmsweise ist das Ermessen der Verwaltung beschränkt: So soll sie im Rahmen der Ausgabe von Belegschaftsaktien zu Lasten des Jahresüberschusses nach § 204 Abs 3 S 1 über die entsprechenden Beträge nicht nochmals zu Lasten des Bilanzgewinns verfügen. 116 Nach Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn gem § 59 tritt eine Bindung der Verwaltung dahingehend ein, daß dieser Betrag in voller Höhe von der Einstellung in die anderen Gewinnrücklagen ausgeschlossen ist. 117 Es muß also mindestens ein Bilanzgewinn in Höhe der Abschlagszahlung verbleiben (anderenfalls vgl § 59 Rdn 29 f).

44

Bei der Rücklagenbildung handelt es sich um eine Geschäftsführungsmaßnahme. Ob und inwieweit eine Rücklagendotierung oder deren Unterlassen im Einzelfall eine Pflichtverletzung des Vorstandes und des Aufsichtsrates darstellen kann, die nach § § 9 3 Abs 2, 116 zur Schadensersatzpflicht führt, wird dabei in der Lit unterschiedlich beantwortet. Eine Auffassung bejaht die grundsätzliche Möglichkeit einer Pflichtverletzung und damit auch einer grundsätzlichen Schadensersatzpflicht von Aufsichtsrat und Vorstand. 118 Nach der Gegenauffassung soll es immerhin nicht ausgeschlossen sein, daß in extrem gelagerten Ausnahmefällen eine Reduzierung des Geschäftsführungsermessens denkbar ist. 119 Teilweise wird die Möglichkeit einer Pflichtverletzung auch speziell für eine Überdotierung

45

1,1 112 113

114

115

KK-Lutter2 Rdn 33 f. Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 66. KK-Lutter1 Rdn 34; Adler/Düring/ Schmaltz6 Rdn 49. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 58 mwN. Vgl Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 67; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 515.

(235)

116 117

118

119

Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 60. KK-Lutter2 Rdn 32; Adler/Düring/ Schmaltz6 Rdn 59, 60. KK-Lutter 2 Rdn 34 f; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 58. Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 61.

Hartwig Henze

§ 58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

der Rücklagen bei einem Tochterunternehmen im Rahmen einer konzernartigen Verbindung bejaht. 120 Zutreffend ist in dieser Frage von folgendem auszugehen: Die Bildung von Rücklagen ist eine Maßnahme der Geschäftsführung, hinsichtlich deren Durchführung dem Vorstand - wie auch sonst grundsätzlich - unternehmerisches Ermessen zusteht.121 In welchem Umfang der Vorstand (offene) Rücklagen bildet, hängt von der Geschäftspolitik ab, die er im Rahmen seiner Leitungsmacht verfolgt. Diesbezüglich kann er sich zur Entlastung von Konsequenzen aus der Leitungsverantwortung auf die Grundsätze berufen, denen der BGH in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung122 in Konkretisierung der Grenzen unternehmerischen Beurteilungs- und Ermessensspielraumes unter Anlehnung an die USamerikanische business judgement rule123 für das deutsche Recht der Unternehmensleitung Maßgeblichkeit zugesprochen hat. 124 In jedem Fall hat der Vorstand sein Handeln am Wohl der AG zu orientieren, muß dabei aber ebenso das Wohl der Aktionäre im Auge behalten. 125 Die im Hinblick auf das Gesellschafts- bzw Gesellschafterwohl zutage tretenden Positionen des Unternehmensinteresses, des Interesses am Unternehmenswert (shareholder value) und des Dividenden- und Renditeninteresses müssen im Rahmen der Geschäftspolitik miteinander abgewogen werden. Rechtskonstruktiv trifft den Vorstand eine Treupflicht gegenüber der Gesellschaft; dieser hat er in Ausübung seiner Geschäftsleitungsmacht dadurch Rechnung zu tragen, daß er die Treuepflichten, die der Gesellschaft gegenüber den Aktionären obliegen, im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt. Die Möglichkeit einer Pflichtverletzung kann somit nach all dem auch auf dem Gebiet der Bildung von Rücklagen nicht ausgeschlossen werden. Soweit der - wie beschrieben freilich regelmäßig recht weit zu verstehende - Bereich des Beurteilungs- und Ermessensspielraumes eines ordentlichen Geschäftsleiters überschritten wird, ist daher auch die Anwendung der §§ 93, 116 dem Grunde nach eröffnet. Allerdings wird sich sagen lassen, daß die Schranke des Abs 2 S 1 eine Vermutung für die Richtigkeit eines entsprechenden Beschlusses von Vorstand und Aufsichtsrat begründet.126 Die bloße Ermächtigung durch die Satzung (Abs 2 S 2) vermag eine solche Vermutung über die von Abs 1 S 2 gesteckte Grenze hinaus dagegen nicht zu begründen.127

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Vgl KK-Lutter 2 Anm 38 ff; ders FS Goerdeler (1987), S 327 ff. Zum Beurteilungs- und Handlungsspielraum des Vorstandes vgl Henze BB 2000, 209, 211 mwN. BGHZ 135, 244, 253 f; ferner Kindler ZHR 162 (1998), 101, 103ff, Götz NJW 1997, 3275, 3276; Horn ZIP 1997, 1129, 1133 ff. Nach diesem Regelgrundsatz hat die Geschäftsleitung bei der Ausübung unternehmerischer Führungsmacht dann die Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten, wenn das geschäftsleitende Organ (1.) ohne persönlichen Interessenskonflikt über die Sache entschieden hat [disinterested

124

125 125

127

judgement], (2.) hinreichend Informationen über die Angelegenheit eingeholt hat [informed judgement] und (3.) nachvollziehbar im besten Interesse des Unternehmens zu handeln geglaubt hat [rational belief and good faith]·, vgl dazu Großkomm-Hopi 4 § 93 Rdn 83 mwN. Vgl zudem Großkomm-Hopt 4 S 93 Rdn 81 ff; Scholz/U H Schneider GmbHG 9 § 43 Rdn 45 a ff. Großkomm-Hopt 4 S 93 Rdn 86 ff mwN. So auch KK-Lutter 1 Rdn 34; aA Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 58. KK-Lutter 2 Rdn 34.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Verwendung des Jahresüberschusses

§ 58

IV. Rücklagenbildung im Konzern 1. Problemstellung Auch bei der Einstellung von Beträgen aus dem Jahresüberschuß in die Rücklagen stellen sich einige Probleme für konzernierte Unternehmen. Das betrifft einmal die Auswirkungen der Sondervorschriften über verbundene Unternehmen in den §§ 291 ff. Soweit ein Gewinnabführungsvertrag besteht, erscheint es fraglich, ob die Restriktion von Abs 2 auf die Tochtergesellschaft Anwendung finden soll. Zum zweiten ist im Konzern eine faktische Verschiebung der Kompetenzen von Aktionären und Verwaltung in der Muttergesellschaft eines Konzerns zu Lasten der Aktionäre festzustellen. Vor diesem Hintergrund ist in der Lit schon seit langem umstritten, ob Abs 2 in direkter oder analoger Anwendung herangezogen werden kann, um diese Konflikte zu mindern. 128

46

2. Anwendbarkeit der Abs 1 und 2 in der abhängigen AG bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages Unter abzuführendem Gewinn iSd § 291 Abs 1 ist der Bilanzgewinn zu verstehen, der sich ohne Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages, jedoch unter Berücksichtigung der erhöhten Dotierung der gesetzlichen Rücklage iSd § 300 Nr 1 ergäbe. Sein Höchstbetrag errechnet sich nach § 301 S 1 als Jahresüberschuß abzüglich der gesetzlichen Rücklage und eines Verlustvortrages. Versteht man als abzuführenden Gewinn in dem Vertrag nach § 291 Abs 1 diesen Höchstbetrag, dann ist die abhängige Gesellschaft nicht in der Lage, Beträge aus dem Jahresüberschuß in andere Gewinnrücklagen einzustellen: Die Vorschrift von Abs 2 S 1 sowie in der Satzung der abhängigen Gesellschaft getroffene Regelungen nach Abs 1, bestimmte Beträge aus dem Jahresüberschuß in andere Gewinnrücklagen einzustellen, ebenso wie die Vorschrift des Abs 2 S 2, Vorstand und Aufsichtsrat zu ermächtigen, einen die Hälfte des Jahresüberschusses übersteigenden Teil zu berücksichtigen, kämen nicht zum Tragen. Das rührt daher, daß diese Regelungen sowohl den für Unternehmensverträge maßgebenden Vorschriften als auch dem Inhalt des Unternehmensvertrages entgegenständen. Für die Dauer der Gültigkeit des Vertrages wären Abs 1 und Abs 2 S 1 und S 2 außer Kraft gesetzt. 129 Wird der abzuführende Gewinn hingegen als Bilanzgewinn im Sinne der obigen Definition (Rdn 16; vgl auch § 158) verstanden, bleibt der abhängigen Gesellschaft die Möglichkeit erhalten, Beträge aus dem Jahresüberschuß in andere Gewinnrücklagen einzustellen. Dem entspricht die in § 301 S 2 getroffene Regelung, nach der Beträge, die während des Bestehens eines Gewinnabführungsvertrages bei der abhängigen Gesellschaft aus dem Jahresüberschuß in andere Gewinnrücklagen eingestellt worden sind, den Rücklagen entnommen und als Gewinn an das herrschende Unternehmen abgeführt werden können. Das Gesetz geht also in dieser Bestimmung davon aus, daß andere Gewinnrücklagen dotiert werden dürfen. 130 Dadurch wird die Frage aufgeworfen, unter welchen Voraussetzungen die Bildung solcher Rücklagen bei der abhängigen Gesellschaft zulässig ist, insbesondere ob - und ggf in welchem Umfang - die Einschränkungen des § 58 zum Tragen kommen. Abs 1 wird in der Praxis selten angewandt werden. Denn das Ziel einer höheren Rücklagendotierung für die Zeit des Unternehmensvertrages über eine Satzungsänderung zu verfolgen, ist ein umständlicher Weg, den die Beteiligten nicht oft beschreiten werden. Es läßt sich 128

Vgl Lutter FS H Westermann (1974), S 3 4 7 ; ders FS Goerdeler (1987), S 327; vgl auch BGHZ 83, 122; Goerdeler WPg 1986, 2 2 9 ; Gollnick JA 1992, 18; Theissen ZHR 156

(237)

129 130

(1992), 174; Beusch FS Goerdeler (1987), S 25; Geßler AG 1985, 257. Vgl BGHZ 105, 324, 331 mwN. Hüffer4 Rdn 15.

Hartwig Henze

47

§ 58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

im R a h m e n des rechtlich Zulässigen einfacher über Abs 2 erreichen (vgl aber R d n 61). Eine Anwendung von Abs 2 hätte sodann zur Folge, d a ß Vorstand und Aufsichtsrat höchstens die Hälfte des Jahresüberschußbetrages einstellen k ö n n t e n , soweit die Satzung ihnen keine davon abweichende Ermächtigung erteilt (Abs 2 S 2 ) . Letztlich verbliebe die Entscheidung über die Einstellung eines höheren als des hälftigen Jahresüberschußbetrages bei der Hauptversammlung, die bei 1 0 0 % - i g e n T ö c h t e r n von der herrschenden Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, und bei mehrheitlicher Beteiligung zusätzlich durch die Minderheitsaktionäre repräsentiert wird. Ist die Entfaltung des Schutzzwecks der Vorschrift in derartigen Fällen erforderlich? 48

Von einem Teil des Schrifttums wird die Anwendbarkeit des § 5 8 abgelehnt; 1 3 1 zum Teil wird nach den Beteiligungsverhältnissen differenziert: Sind außenstehende Gesellschafter vorhanden, denen ein variabler Ausgleich iSd § 3 0 4 Abs 2 S 2 gewährt wird, soll Abs 2 keine Anwendung finden. 1 3 2 Für 1 0 0 % - i g e Tochtergesellschaften ist die Kompetenz der Verwaltung, den vollen im Gewinnabführungsvertrag vorgesehenen Teil des Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen einzustellen, zu b e j a h e n . 1 3 3 Abs 2 findet dann also keine Anwendung, weil Ausschüttungsinteressen von Aktionären nicht betroffen sind. Dogmatisch läßt sich dieses Ergebnis auf eine teleologische Reduktion des Abs 2 stützen, 1 3 4 kann aber auch aus dem Rechtsgedanken des § 2 9 1 Abs 3 hergeleitet w e r d e n . 1 3 5

49

Dieses Resultat kann auch für Tochtergesellschaften mit außenstehenden Aktionären gelten, denen nach § 3 0 4 Abs 2 S 1 eine feste jährliche Ausgleichszahlung z u s t e h t 1 3 6 und die deswegen im Hinblick auf einen G e w i n n a n s p r u c h keines besonderen Schutzes bedürfen. 1 3 7 Problematisch ist das nur dann, wenn die Ausgleichszahlung der außenstehenden A k t i o n ä r e nach § 3 0 4 Abs 2 S 2 von der Dividende der Muttergesellschaft a b h ä n g t . In diesem Fall vermindert nämlich die Thesaurierung in der Tochtergesellschaft mittelbar die Grundlage des Dividendenanspruchs der außenstehenden A k t i o n ä r e . 1 3 8 Hier ist daher für eine höhere Dotierung als die Hälfte des fiktiven Jahresüberschusses vor Gewinnverwendung eine ausdrückliche Regelung in der Satzung erforderlich. Für eine Einschränkung von Abs 2 ist insofern kein R a u m ; die Vorschrift ist damit auch bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages anwendbar. 3 . Anwendung des § 5 8 auf die herrschende A G

50

a) Verschiebung der Gewinnverwendungskompetenz im Konzern. § 5 8 dient ua dem Schutz der Vermögensinteressen der A k t i o n ä r e . D a sich die Vorschrift an dem gesetzlichen Leitbild einer selbständigen AG orientiert, n i m m t sie auf die Besonderheiten im Bereich des Konzernrechts keine R ü c k s i c h t . Ist eine A G herrschendes Unternehmen in einem K o n z e r n , vermindern die von der Verwaltung der Muttergesellschaft bei den Tochterunternehmen thesaurierten Beträge den J a h r e s ü b e r s c h u ß der A G . Beispiel 1: In einem einstufigen Konzern zweier Aktiengesellschaften, in dem keine Gewinnabführungsverträge bestehen, die gesetzlichen Rücklagen aufgefüllt sind und die Gewinne phasenkongruent vereinnahmt werden, könnte sich die Situation wie folgt darstellen: 131

132

133

Hefermehl/Bungerotb in: Geßler/Hefermehl, Rdn 63; Kropff in: Geßler/Hefermehl, § 151 Rdn 119. Hüffer4 Rdn 15; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 77 f; Geßler FS Meilicke (1985), S 18, 22. Vgl Hüffer4 Rdn 15; Hefermehl/Bungerotb in: Geßler/Hefermehl, Rdn 63; Adler/ Düring/Schmaltz6 Rdn 77.

134 135

136 137

138

So Hüffer4 Rdn 15. Vgl Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 77; krit Geßler FS Meilicke (1985), S 18, 21. Geßler FS Meilicke (1985), S 18, 22. Vgl BayObLG ZIP 1998, 1872; Hefermehl/Bungerotb in: Geßler/Hefermehl, Rdn 63. Vgl Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 78; Geßler FS Meilicke (1985), S 18, 23.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(238)

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

Beide Gesellschaften erwirtschaften in der Rechnungslegungsperiode einen Jahresüberschuß von jeweils 1 0 0 0 0 0 , - Euro. Die Verwaltung der Tochtergesellschaft stellt gem § 58 Abs 2 einen Betrag iHv 5 0 0 0 0 , - Euro in die anderen Gewinnrücklagen ein. Die Hauptversammlung schüttet die verbleibenden 5 0 0 0 0 , - Euro an die Muttergesellschaft aus. Deren Jahresüberschuß beträgt damit 1 5 0 0 0 0 , - Euro (Beteiligungsertrag zzgl des eigenen Ergebnisses). Wenn die Verwaltung der Muttergesellschaft entsprechend § 58 Abs 2 die Hälfte dieser Summe den anderen Gewinnrücklagen zuführt, verbleibt der Hauptversammlung dieser Gesellschaft die Entscheidung lediglich über 75 0 0 0 , - Euro. Wäre der Jahresüberschuß komplett in der Muttergesellschaft angefallen, hätte sie über die Verwendung von 1 0 0 0 0 0 , - Euro entscheiden können. D a der Vorstand als gesetzlicher Vertreter der Muttergesellschaft (§ 7 8 ) diese als Gesellschafterin des Tochterunternehmens auf deren Gesellschafterversammlungen vertritt, k a n n er in der Tochtergesellschaft nach Abs 3 durch die Einstellung weiterer Beträge in die Gewinnrücklagen einen höheren Betrag thesaurieren und so die K o m p e tenzen der Hauptversammlung der Muttergesellschaft schmälern. Äußerstenfalls kann der Vorstand der Muttergesellschaft durch entsprechende Ausübung der Stimmrechte in der Hauptversammlung des Tochterunternehmens im R a h m e n der Gewinnverwendung den gesamten J a h r e s ü b e r s c h u ß des Tochterunternehmens in die R ü c k l a g e n einstellen. Beispiel

51

2:

Der Vorstand der Muttergesellschaft könnte in Fortführung des Beispiels 1 durch entsprechende Ausübung der Stimmrechte in der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft als Vertretungsorgan der Mutter den verbleibenden Jahresüberschuß der Tochter gem § 58 Abs 3 in die anderen Gewinnrücklagen einstellen. Es würde dann bei der Mutter kein Beteiligungsertrag ausgewiesen. Soweit der eigene Jahresabschluß entsprechend § 58 Abs 2 hälftig zur Rücklagendotierung genutzt wird, hätte die Hauptversammlung der Muttergesellschaft in diesem Fall lediglich über einen Betrag von 50 0 0 0 , - Euro zu entscheiden. Das Problem stellt sich besonders deutlich bei reinen Holding-Gesellschaften und mit zunehmender Tiefe eines Konzerns. Beispiel 3:

52

Hat das Tochterunternehmen in Beispiel 1 (T 1) selbst ein Tochterunternehmen (T 2), in dem konzernweit die einzigen Gewinne angefallen sind, so könnten Vorstand und Aufsichtsrat der Τ 2 gem § 58 Abs 2 einen Betrag iHv 5 0 0 0 0 , - Euro in die anderen Gewinnrücklagen einstellen; die Hauptversammlung schüttet die verbleibenden 5 0 0 0 0 , - Euro an die Τ 1 aus. Deren Jahresüberschuß beträgt damit 5 0 0 0 0 , - Euro, von dem die Verwaltung der Τ 1 gem § 58 Abs 2 einen Betrag iHv 2 5 0 0 0 , - Euro in die anderen Gewinnrücklagen einstellt. 2 5 0 0 0 , - Euro werden an die Muttergesellschaft ausgeschüttet, die diesen Betrag als Beteiligungsertrag im Jahresüberschuß ausweist. Davon stellt die Verwaltung der Muttergesellschaft wiederum 5 0 % in die allgemeinen Rücklagen ein, so daß der Hauptversammlung der Muttergesellschaft im Ergebnis die Entscheidung lediglich über 1 2 5 0 0 , - Euro, also 12,5 % des Konzerngewinns verbleibt. Und schließlich Beispiel

53

4:

Wenn bei einem Holding-Konzern die Gewinne der Unternehmensgruppe ausschließlich bei der Tochter (den Töchtern) angefallen sind, dann wird bei der Muttergesellschaft überhaupt kein Jahresüberschuß ausgewiesen, falls die Verwaltung der Muttergesellschaft in den Hauptversammlungen der Töchter für eine Thesaurierung nach § 58 Abs 3 votiert. b) Lösungsansätze. D u r c h ein entsprechendes Vorgehen des Vorstandes können die Dividendeninteressen und die M i t s p r a c h e r e c h t e der Minderheitsaktionäre der M u t t e r gesellschaft stark beeinträchtigt werden. In der Lit werden daher verschiedene M ö g l i c h keiten d i s k u t i e r t , 1 3 9 den Kompetenzzuwachs des Vorstandes durch eine entsprechende Anwendung des Abs 2 S 1 im Konzern zu kompensieren:

139

Nachw ua bei Κ Schmidt GesR 3 (1997), § 31 V 3, S 971 f.

(239)

Hartwig Henze

54

§ 58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

55

So wird - unter Heranziehung der vom BGH in der Holzmüller-Entscheidung140 aufgestellten Grundsätze - gefordert, Abs 2 und Abs 3 müßten auf den Gesamtgewinn von Mutter- und Tochtergesellschaften entsprechende Anwendung finden.141 Dabei ist der Bereich der entsprechenden Anwendung von Abs 2 S 1 auf faktische und Vertragskonzerne im einzelnen ebenso umstritten wie die erforderlichen BeteiligungsVerhältnisse.142

56

Materiell sollen im Ergebnis Vorstand und Aufsichtsrat über die eine Hälfte, die Hauptversammlung über die andere Hälfte des konzernweiten Jahresüberschusses beschließen.143 Hinsichtlich der Ausgestaltung der - für Konzernsachverhalte angenommenen - Regelungslücke wird eine Anrechnung der in den Tochterunternehmen thesaurierten Gewinne im Rahmen der Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Abs 2 S 1 vorgeschlagen. Die in den beherrschten Unternehmen gebildeten Rücklagen sind danach der herrschenden Gesellschaft zuzurechnen.144 Ggf muß die Verwaltung der Muttergesellschaft von einer Thesaurierung in den Tochterunternehmen absehen, um eine Ausschüttung in der Muttergesellschaft zu ermöglichen.145 Aus einer abweichenden Handhabung wird die Konsequenz gezogen, daß der Jahresabschluß des Mutterunternehmens wegen Verstoßes gegen § 58 nach § 256 Abs 1 Nr 4 nichtig ist. 146 Eine vermittelnde Auffassung ist der Ansicht, daß lediglich eine Rechtspflicht der Verwaltung einer AG besteht, Abs 2 konzernweit anzuwenden. Vorstand und Aufsichtsrat einer Konzernmutter-AG seien zwar im Rahmen ihrer Organbefugnis, nicht jedoch im Innenverhältnis zu den Aktionären befugt, den Jahresabschluß ohne Beachtung des Konzernsachverhaltes wirksam festzustellen.147 Danach wäre ein unter Mißachtung dieser Grundsätze aufgestellter Jahresabschluß zwar wirksam, die Verwaltung würde sich aber schadensersatzpflichtig (§§ 93, 116) machen. Jeder Aktionär hätte einen Unterlassungsanspruch und einen Anspruch auf Wiederherstellung des korrekten Zustandes durch Auflösung der rechtswidrigen Rücklagen im nächsten Jahresabschluß. 148

57

Nach überwiegender Meinung ist allerdings diese Lösung de lege lata nicht haltbar. 149 Aus § 58 ergebe sich, daß für jede AG die Voraussetzungen für die Dotierung der Rücklagen gesondert zu prüfen seien. Eine analoge Anwendung von Abs 2 auf konzernierte Unternehmen und damit eine Zurechnung der Rücklagen finde nicht statt. 150 Dem ist zuzustimmen; eine Anwendung von Abs 2 auf die herrschende AG ist somit abzulehnen.

58

Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift auf das Rechtsgebilde Konzern - vertraglicher oder faktischer Art - verbietet sich. Wortlaut, Inhalt und gesetzessystematische Stellung der Regelung ergeben, daß sich ihr Anwendungsbereich auf die einzelne AG beschränkt.151 Würde man die Vorschrift auf den Konzern anwenden, würde das voraus-

140

B G H Z 83, 1 2 2 ; Geßler FS Meilicke ( 1 9 8 5 ) ,

Z G R 1985, 3 6 5 , 3 6 8 ff; Η Ρ Westermann FS Pleyer ( 1 9 8 6 ) , S 4 2 1 , 4 3 7 ff; Goerdeler W P g 1 9 8 6 , 2 2 9 , 2 3 4 ff.

S 18, 2 5 ; ders AG 1985, 2 5 7 f; Götz AG 1 9 8 4 , 85. 141

Götz AG 1 9 8 4 , 85, 9 3 ; ähnlich Geßler Meilicke ( 1 9 8 5 ) , S 18, 2 6 f.

FS

146

Geßler FS Meilicke ( 1 9 8 5 ) , S 18; JA 1 9 9 2 , 18, 2 5 .

142

K K - L u t t e r 2 Rdn 4 4 und Rdn 5 0 f (zu den Ausnahmen); Geßler AG 1985, 2 5 7 , 2 6 1 .

147

KK-Lutter2 Rdn 4 0 f; ders FS H Westermann ( 1 9 7 4 ) , S 347.

143

Vgl Götz AG 1 9 8 4 , 9 3 ; ähnlich Geßler Meilicke ( 1 9 8 5 ) , S 18, 2 6 f.

FS

148

KK-Lutter2

149

144

Vgl KK-Lutter2 1 9 9 2 , 18, 2 3 .

JA

Hüffer4 Rdn 16, 17; Adler/Düring/ Schmaltz6 Rdn 8 4 ff; Beusch FS Goerdeler (1987), S 25.

145

KK-Lutter2 Rdn 41 m w N ; zur aA vgl Werner FS Stimpel ( 1 9 8 5 ) , S 9 3 5 ff; Thomas

150

Hüffer4 Rdn 17. Vgl Beusch FS Goerdeler ( 1 9 8 7 ) , S 2 5 , 3 2 .

Rdn 4 1 ; auch Gollnick

151

Stand: 1. 3. 2000

Gollnick

Rdn 4 8 .

(240)

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

setzen, daß dieses Gebilde vom Gesetz als einheitliches Unternehmen angesehen wird. Das ist jedoch nicht der Fall. 152 So bleibt allenfalls die Anwendung des Rechtsgedankens aus Abs 2 im Konzern. Sie wird unter Bejahung einer Gesetzeslücke von einigen Autoren gefordert, 153 wobei sich manche 154 auf die Grundsätze des Holzmüller-Urteils155 stützen. Dem kann aus verschiedenen Überlegungen nicht gefolgt werden. Zum ersten besteht die behauptete Gesetzeslücke 156 nicht. Das ergeben eine Wortinterpretation, eine systematische Gesetzesauslegung und bestimmte historische Aspekte. Werner157 hat die verschiedenen Regelungen zusammengestellt und gewürdigt, die für eine Anwendung des § 58 auf die einzelnen Konzerngesellschaften und gegen eine Berücksichtigung der bei den Tochtergesellschaften gebildeten Rücklagen bei der Obergesellschaft - sei es in der Form der unmittelbaren Zurechnung, sei es mittelbar als Rechtspflicht vom Vorstand und Aufsichtsrat - sprechen. Stichwortartig zusammengefaßt geht es dabei um folgende Gesichtspunkte: Wortinterpretation: Der in § 58 gebrauchte Begriff des „Jahresüberschusses" wird auch in § 275 Abs 2 Nr 20 bzw Abs 3 Nr 19 HGB verwendet. In ihm sind sowohl verschiedene Erträge aus Beteiligungen an verbundenen Unternehmen (Nr 9-11 bzw Nr 8-10) als auch Erträge aus Gewinnabführungs- oder Gewinngemeinschaftsverträgen (SS 291 f AktG, 277 Abs 3 S 2 HGB) enthalten. Systematische Auslegung: Im faktischen Konzern darf die Verwaltung der abhängigen Gesellschaft nicht von der Bildung anderer Gewinnrücklagen abgehalten werden, weil das herrschende Unternehmen keinen nachteiligen Einfluß auf die abhängige Gesellschaft nehmen darf (S 311 Abs 1). Wird kein Ausgleich iSd S 311 Abs 2 gewährt, kann die abhängige Gesellschaft grundsätzlich in gleicher Weise Rücklagen bilden wie die unabhängige AG. Aus verschiedenen Vorschriften des Vertragskonzernrechtes folgt, daß nachgeordnete Unternehmen andere Gewinnrücklagen bilden können (SS 300, 301, 302 Abs 1, 304 Abs 2). 1 5 8 Die Rücklagenbildung kann jedoch durch den Vorstand der Obergesellschaft untersagt werden (§ 308 Abs 1 S 2). Historische Aspekte: Sowohl der Gesetzgeber des Jahres 1965 als auch der späteren Jahre war sich der Problematik der Rücklagenbildung im Konzern bewußt. So wird in der BegrRegE zu S 290 (= S 301 AktG) 159 ausgeführt, „freie" Rücklagen dürften dann aufgelöst werden, wenn sie während der Dauer des Vertrages gebildet worden seien. Diese - in begrenztem Umfange als pragmatische Erwägungen hingenommene - Auflösbarkeit widerspreche nicht dem Grundsatz der Kapitalerhaltung (§ 57). In der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses vom 18.11.1985 zum BiRiLiG heißt es ua, die Regelung des neu in § 58 eingefügten Abs 2a gelte wie bisher schon Abs 2 nur für Entscheidungen über den Jahresabschluß der Gesellschaft, so daß entsprechende Entscheidungen von Tochterunternehmen bei Mutterunternehmen nicht zu berücksichtigen seien. 160 Lutter161 wertet diese Stellungnahme als Rechtsmeinung eines „Gesetzgebungsorgans bzw seines Ausschusses", die nicht mehr oder minder verbindlich sei „als die 152

Vgl Hüffer4

153

KK-Lutter2 Rdn 4 0 f; Geßler FS Meilicke ( 1 9 8 5 ) , S 18, 2 5 ; ders AG 1 9 8 5 , 2 5 7 ; Götz AG 1 9 8 4 , 85.

158

Werner FS Stimpel ( 1 9 8 5 ) , S 9 3 5 , 9 4 2 .

154

Geßler FS Meilicke ( 1 9 8 5 ) , S 18, 2 5 ; ders AG 1 9 8 5 , 2 5 7 ; Götz AG 1 9 8 4 , 85.

159

Kropff AktG 1 9 6 5 , S 3 9 0 .

160

155

B G H Z 83, 122.

161

156

Z u r Kritik an der Argumentation vgl Beusch FS Goerdeler ( 1 9 8 7 ) , S 2 5 , 3 2 .

BT-Drucks 1 0 / 4 2 6 8 , S 1 2 4 . KK-Lutter2 Rdn 3 9 ; Adler/Düring/ Schmaltz6 Rdn 85.

(241)

Rdn 17.

157

Werner FS Stimpel ( 1 9 8 5 ) , S 9 3 5 , 941 ff; vgl zudem Goerdeler W P g 1 9 8 6 , 2 2 9 , 2 3 0 , 2 3 4 ff.

Hartwig Henze

§ 58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Rechtsmeinung anderer Personen oder Einrichtungen". Diese Einstufung der authentischen Interpretation eines Gesetzgebungsorgans als Mittel der Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift ist ungewöhnlich und nicht gerechtfertigt. 1 6 2 60

Darüber hinaus wird zu Recht die für eine Analogie erforderliche Ähnlichkeit der Konfliktlage im Fall der unabhängigen sowie der abhängigen Gesellschaft verneint. Die Schwierigkeiten und Ungereimtheiten, die bei der Anwendung der Bestimmung im Konzern auftreten, zeigen sich in den Bemühungen der Autoren, die Rechtsfolgen der Analogieregelung zu konkretisieren 1 6 3 und eine Bereinigung von Zwischengewinnen und Erträgen vorzunehmen. 1 6 4 Da die vorgeschlagene schlichte Addition der Gewinne keine echte Gewinnkonsolidierung vornimmt, wären in der Basissumme möglicherweise Zwischengewinne aus konzerninternen Umsatzgeschäften enthalten, denen keine echten, aus Konzernsicht am Markt realisierten Gewinne entsprechen. Mit den Grundsätzen einer konzernweiten Kapitalerhaltung (bzw Substanzerhaltung) wäre eine mögliche Ausschüttung solcher Scheingewinne nicht zu vereinbaren. 1 6 5 Auch im Verhältnis zu ausländischen Tochterunternehmen wäre eine solche Zusammenrechnung zweifelhaft. 1 6 6 Eine Anwendbarkeit des § 58 auf konzernierte Unternehmen könnte mithin eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit erzeugen. Auch bei einer Analogiebildung würde man dazu kommen, den Konzern als ein Unternehmen zu behandeln und den dem geltenden Recht zugrundeliegenden Ausgangspunkt, daß sich der Konzern aus verschiedenen Unternehmen zusammensetzt, die rechtlich existent bleiben, über Bord werfen.

61

Schließlich kann entgegen der Ansicht einiger Autoren 1 6 7 auch das HolzmüllerUrteil 1 6 8 nicht als Grundlage für eine Rechtsfortbildung in der hier erörterten Frage dienen. Allerdings ist die Anwendung des vom B G H in dieser Entscheidung entwickelten Grundsatzes, ein erheblicher Eingriff in Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre durch Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstandes erfordere die Entscheidungsbefugnis der Hauptversammlung, 1 6 9 auf die für die Rücklagenbildung und Gewinnausschüttung bestehenden Kompetenzen als Bestandteil der Finanzverfassung der A G 1 7 0 nach der Entscheidung nicht ausgeschlossen. Denn das Urteil läßt ausdrücklich offen, ob im Zuge der Beteiligung an einer anderen Gesellschaft die Hauptversammlung der Obergesellschaft bei wichtigen Grundentscheidungen in der Tochtergesellschaft, die sich nachhaltig auf die Rechte der Aktionäre auswirken können, intern in gleicher Weise beteiligt werden muß wie das für Entscheidungen in der Obergesellschaft der Fall ist. 1 7 1 Folgt man dem Schrifttum, nach dem die Grundsätze der Holzmüller-Entscheidung auf alle Grundlagenund Strukturentscheidungen anzuwenden sind, 1 7 2 hat der Vorstand auf jeden Fall eine 162

163 164

165

166

Vgl Hüffer4 Rdn 17; Adler/Düring/ Schmaltz6 Rdn 77. Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 86. KK-Lutter2 Rdn 46 ff, 55 ff; ders FS Goerdeler (1987), S 327, 338 ff; Busse ν Cölbe FS Goerdeler (1987), S 61. Insofern wäre de lege ferenda allenfalls an die Heranziehung des Konzernabschlusses zu denken, vgl hierzu KK-Lutter2 Rdn 55 ff; den FS Goerdeler (1987), S 327, 341; Lutter erörtert neben einer Heranziehung des Konzernabschlusses auch eine Nebenrechnung zu den Einzelabschlüssen der Konzerngesellschaft. Einzelheiten bei Beusch FS Goerdeler (1987), S 25, 30-32; nach KK-Lutter2

Rdn 50 sollen ausländische Töchter uU aus der Berechnung ausgenommen werden. 1 6 7 Vgl Geßler FS Meilicke (1985), S 18, 25; ders AG 1985, 257; Götz AG 1984, 85 ff. 1 6 8 BGHZ 83, 122. 1 6 9 BGHZ 83, 122, 131, 135 ff. 170 Vgl j a 2 u Großkomm- Wiedemann4 § 179 Rdn 45, 83 ff, insbes 86-89. 171 BGHZ 83, 122, 137 f. 1 7 2 Vgl Großkomm- Wiedemann4 § 179 Rdn 45 mwN [dort Fußn 82]; ferner Priester ZHR 163 (1999), 187, 194 f; abl Joost ZHR 163 (1999), 164, 173 ff; krit auch Altmeppen DB 1998, 49, 51.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(242)

Verwendung des Jahresüberschusses

§

58

Entscheidung der Hauptversammlung der Obergesellschaft zu einer Satzungsänderung einzuholen, mit der Regelungen iSd Abs 1 S 2 oder Abs 2 S 2 bei der Untergesellschaft eingeführt werden sollen. Auch für Beschlüsse nach Abs 3 wäre sie zuständig. 173 Diese Ansicht ist in sich konsequent, weil hier Hauptversammlungszuständigkeiten über Entscheidungen in den Tochtergesellschaften betroffen sind, die in der Obergesellschaft von der Hauptversammlung getroffen würden und die in ein wichtiges Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre (Entscheidung über die Gewinnverwendung) eingreifen. Der hier vertretenen Meinung, daß § 58 auf Konzernfälle keine Anwendung findet (Rdn 5 7 - 6 0 ) , widerspricht diese Ansicht nicht, weil die Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung der Untergesellschaft erhalten bleibt. Lediglich im Innenverhältnis hat der Vorstand des herrschenden Unternehmens die Zustimmung der Hauptversammlung der Obergesellschaft einzuholen. Allein das ist eine Auswirkung des Holzmüller-Urteils. Zu weit geht es aber, würde man die in der Holzmüller-Entscheidung aufgestellten Grundsätze auch für die Frage der Anrechnung der in der Untergesellschaft gebildeten Rücklagen im Zuge der Rücklagenbildung bei der Obergesellschaft als maßgeblich ansehen. Die Weisung ist eine Geschäftsführungsmaßnahme, für die keine Hauptversammlungszuständigkeit denkbar ist. Im Vertragskonzern bestehen zwei Möglichkeiten: Ist die Frage im Unternehmensvertrag geregelt, sind die Aktionäre nicht beeinträchtigt, weil sie dem Vertrag zugestimmt haben (§ 293 Abs 2). Ist keine vertragliche Regelung getroffen, werden auch hier Geschäftsführungshandlungen vorgenommen, für die eine Hauptversammlungszuständigkeit weder in der Unter- noch in der Obergesellschaft denkbar ist. Würde man Abs 2 S 1 für anwendbar halten, ginge es allein um die Anrechenbarkeit von Beträgen, die nach dem Gesetz stets im Zuständigkeitsbereich der Verwaltung liegen. Berücksichtigt man die Weisungsbefugnis des Vorstandes der Obergesellschaft nach § 308, soll mit der Anwendung von Abs 2 S 1 gleichsam eine „Doppelzuständigkeit" der Verwaltung im Rahmen der Rücklagenbildung kompensiert werden. Dafür bietet das Holzmüller-Urteil keine Entscheidungsgrundlage. Ob ein Verstoß gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung vorliegt, muß im Einzelfall unter Beachtung der oben aufgestellten allgemeinen Grundsätze gelöst werden (Rdn 45). 1 7 4 Die Konzernleitung ist damit de lege lata lediglich gehalten, im Rahmen ihrer Thesaurierungspolitik die Interessen der Aktionäre der Muttergesellschaft angemessen zu berücksichtigen. Eine Gewinnverlagerung auf die Muttergesellschaft kann von deren Aktionären nicht verlangt werden. 175 Verstößt der Vorstand im Einzelfall mit seiner Thesaurierungspolitik gegen seine Pflichten, kann er sich schadensersatzpflichtig machen (§ 93); aus einem Pflichtverstoß folgt aber weder die Nichtigkeit des Jahresabschlusses noch die Möglichkeit einer Sonderprüfung nach § 258.

62

Von der obigen Streitfrage ist die - in der Lit ebenfalls erörterte - Frage zu trennen, ob und inwieweit dem Konzernabschluß 176 de lege ferenda als Ausschüttungssperre neben oder anstelle des Einzelabschlusses Bedeutung zukommen sollte. Um eine konzernweite Kapitalerhaltung zu gewährleisten, kann entsprechend den Vorschlägen im Schrifttum de lege ferenda die Heranziehung des Konzernabschlusses ins Auge gefaßt werden. 177

63

173

Vgl Großkomm- Wiedemann

174

Vgl ferner Goerdeler

175

Goerdeler W P g 1 9 8 6 , 2 2 9 , 237. Umfassend hierzu Küting/Weber Konzernabschluß 6 ( 2 0 0 0 ) .

176

(243)

4

aaO.

177

WPg 1986, 229, 236.

Vgl zur Zahlungsbemessungsfunktion des Konzernabschlusses de lege lata et ferenda auch aus steuerrechtlicher Sicht - KKLutter2 Rdn 6 0 ; Busse ν Cölbe FS Goerdeler ( 1 9 8 7 ) , S 61; Grotherr AG 1 9 9 5 , 4 0 5 ; ders StuW 1 9 9 6 , 3 5 6 .

Hartwig Henze

§ 58 64

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Nach dem Dargelegten (Rdn 5 4 - 6 1 ) ist die einheitliche (entsprechende) Anwendung des § 58 auf die gesamte Unternehmensgruppe - auch unter Berücksichtigung der entscheidungstragenden Gedanken des Holzmüller-Urteils - keine vorzugswürdige Lösung. Der Blick ist daher auf andere für Konzernverhältnisse bestehende Zurechnungsgrundlagen zu lenken. Deren Anwendung wird nicht zu einer Zuständigkeitsverlagerung führen (für die aus § 58, der selbst keine Anrechnungsnorm darstellt, nichts herzuleiten ist). Die Heranziehung anderer Zurechnungsnormen bzw die Verpflichtung, das Ergebnis solcher Normen zum Maßstab einer treugebundenen Entscheidung der Verwaltung der Konzernspitze zu machen, könnte jedoch den ins dritte, vierte oder weitere Verbundglied versetzten außenstehenden Aktionären dienen und somit die beschriebene Problemlage (Rdn 5 0 - 5 3 ) abmildern. Die handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften der §§ 300 ff HGB scheiden dabei als Zurechnungsgrundlage aus. Sie kommen schon deshalb nicht in Betracht, weil sie den Konzern entgegen seiner gesellschaftsrechtlichen Konzeption als Einheitsgesellschaft ansehen; die rechtsförmliche Eigenständigkeit der einzelnen Konzernunternehmen nicht über Bord zu werfen, ist bereits gegen die analoge Anwendung von § 58 angeführt worden (Rdn 60). Maßgeblich sind - neben den in allen Fällen von der Konzernspitze im Rahmen des § 58 einzuhaltenden Prinzipien ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung - die Wertungen, die denjenigen konzernrechtlichen Vorschriften zu entnehmen sind, in denen der Gedanke des Schutzes außenstehender Aktionäre abhängiger Gesellschaften Ausdruck gefunden hat und in denen einerseits die Einflußmöglichkeiten und andererseits die Rücksichtnahmepflichten der Konzernspitze festgelegt sind: Im einfachen faktischen Konzern (§§ 311 ff) ist die abhängige AG wie eine selbständige Gesellschaft zu führen. Ihr Vorstand muß nach § 58 verfahren und dabei die Grenzen seines unternehmerischen Ermessens einhalten (Rdn 4 3 - 4 5 ) ; er hat darauf zu achten, daß ihr zugefügte Nachteile nach § 311 Abs 2 ausgeglichen werden. Der Vorstand der herrschenden AG hat zum einen deren Interessen wahrzunehmen, zum anderen darf er in keiner Richtung die Erfüllung seiner Treuepflichten aus dem Blick verlieren: Für ihn besteht sowohl eine Treuepflicht, die ihm in seiner Funktion als Mehrheitsaktionär der abhängigen AG gegenüber obliegt, als auch eine Treuepflicht, die gegenüber der von ihm geleiteten herrschenden AG besteht, die ihrerseits Treuepflichten gegenüber ihren Aktionären hat. An der möglichst weitgehenden Harmonisierung dieser Treuepflichten hat er die (Stimm-)Entscheidungen der Hauptversammlung in der abhängigen AG und seine (Verwaltungs-)Entscheidungen betreffend § 58 in der herrschenden AG auszurichten. Die Entscheidungsprozesse und deren Ergebnisse müssen dem - nötigenfalls auch über Rücklagenbildung zu sichernden - Bestandsinteresse der abhängigen AG ebenso Rechnung tragen, wie dem Unternehmensinteresse der herrschenden AG und den Belangen ihrer Aktionäre. Für den qualifiziert faktischen Konzern, der vom Gesetz nicht anerkannt und demgemäß rechtswidrig ist, ist auf die vorstehenden Überlegungen zum einfachen faktischen Konzern Bezug zu nehmen. Im Eingliederungskonzern (§§ 319ff) wird die eingegliederte AG wie eine Betriebsstätte der Hauptgesellschaft geführt. Gegenüber einem Bestandsschutz der eingegliederten AG während der Zeit der Konzernierung sind hier die Interessen und Belange der Hauptgesellschaft und ihrer Aktionäre maßgebend: Die Vorschriften des § 323 über die Leitungsmacht und des § 322 über die Haftung sind Normen, aus denen sich Maßgaben für das Verhalten des Vorstandes bei der Rücklagenbildung im Zusammenhang mit § 58 ableiten lassen. Diesbezüglich von Bedeutung ist auch die - umstrittene - Frage, ob die Hauptgesellschaft dafür Sorge tragen muß, daß die eingegliederte AG bei Beendigung der Eingliederung unternehmerisch existenzfähig ist. Sofern man dies bejaht,

Stand: 1. 3. 2000

(244)

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

muß der Vorstand der Hauptgesellschaft: im Rahmen des § 5 8 eine Thesaurierungspolitik mit entsprechendem Vorsorgecharakter zugunsten der eingegliederten AG verfolgen. Im Untemebmensvertragskonzem (§§ 291 f f , 300ff, 308ff) hat der an der Konzernspitze stehende Vorstand in Ausübung seiner ihm über § 3 0 8 vermittelten Konzernleitungsmacht in erster Linie die Interessen der herrschenden Gesellschaft zu wahren. 1 7 8 Für die Thesaurierungspolitik richtungsweisend sind sicherlich die in den §§ 3 0 0 , 3 0 1 getroffenen Regelungen; den Minderheitenschutz in der beherrschten AG gewährleisten die §§ 3 0 4 , 3 0 5 . Die Konzernspitze hat deren Eigeninteresse ebenso zu wahren wie das Gesamtkonzerninteresse und das Interesse der Aktionäre der herrschenden Gesellschaft; im übrigen gelten hier die Grundsätze entsprechend, die zum geschäftsleiterischen Ermessen und dessen Grenzen für die Thesaurierungspolitik im Einzelunternehmen dargelegt worden sind (Rdn 4 5 ) : Danach ist die Führung der vertraglich abhängigen AG - auch im Hinblick auf die Rücklagenbildung - eine Frage der Konzernpolitik. Der durch die unternehmensvertragliche Verbindung entstandene, sich für das konzernleitende Organ in jede Richtung streckende „Treupflichtverbund" hält dieses Organ dazu an, die konzernbedingt widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen. Umfang der Rücklagenbildung, Interesse am Unternehmenswert und die Belange der Aktionäre der herrschenden Gesellschaft, insbesondere deren Dividendeninteressen, sind in diesen Grenzen der Konzernleitungsfreiheit möglichst miteinander in Einklang zu bringen. Sofern man schließlich eine Pflicht der herrschenden Gesellschaft annimmt, die Überlebensfähigkeit der abhängigen AG für den Fall des Beherrschungsendes sicherzustellen, gilt auch hier wie für den Eingliederungskonzern - , daß eine im Rahmen ihres pflichtgemäßen unternehmerischen Ermessens agierende Konzernspitze diesen Umstand durch entsprechend vorausschauende Thesaurierungspolitik berücksichtigen muß. c) Zeitliche Verschiebung der Ausschüttung. Neben der Verlagerung der finanziellen Kompetenz zu Lasten der Hauptversammlung kann auch eine zeitliche Verschiebung treten. Z w a r besteht nach der neuesten Rspr des B G H für eine Konzerngesellschaft, die allein an einer Kapitalgesellschaft beteiligt ist, die Pflicht, den von der Tochtergesellschaft erzielten und zur Ausschüttung vorgesehenen Gewinn noch für dasselbe Geschäftsjahr in ihrer Handelsbilanz und der GuV auszuweisen, wenn der Jahresabschluß der Tochtergesellschaft noch vor Abschluß der Prüfung bei der Muttergesellschaft festgestellt worden ist und deren Gesellschafterversammlung über die Gewinnverwendung beschlossen h a t . 1 7 9 Diese Rspr einer handelsbilanzrechtlich phasengleichen Aktivierungspflicht steht mit Art 31 Abs 1 lit c aa der Vierten gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie 1 8 0 in Übereinstimmung; 1 8 1 sie vermag allerdings nichts daran zu ändern, daß die Gesellschaften phasenverschoben bilanzieren können, wenn zumindest der Gewinnverwendungsbeschluß nach Abschluß der Prüfung des Jahresabschlusses bei der Muttergesellschaft gefaßt wird. Unter derartigen Umständen verzögert sich die Berücksichtigung der von der Tochter erzielten Gewinne in der Bilanz und GuV der Muttergesellschaft um ein Jahr. 178

179

Z u den Einzelheiten G r o ß k o m m - H o p f 4

180

4 . EG-Richtlinie ν 2 5 . 7. 1 9 7 8 (Bilanzricht-

§ 9 3 Rdn 114 ff.

Unie), 7 8 / 6 6 0 / E W G , Abi ν 18. 8. 1978, N r L

So unter Aufgabe von B G H Z 65, 2 3 0 nun

222, S i l .

B G H Z 137, 3 7 8 = N Z G 1 9 9 8 , 314 m Anrn Scbüppen; vgl dazu Henze AktienR 4 ( 2 0 0 0 ) ,

181

Siehe - auf Vorlagebeschluß von BGH ZIP 1 9 9 4 , 1 2 5 9 hin - E u G H ZIP 1 9 9 6 , 1168 mit

Rdn 1 1 2 9 - 1 1 4 8 ; Henssler J Z 1 9 9 8 , 7 0 1 ;

Berichtigungsbeschluß E u G H ZIP 1997,

Hoffmann/Sauter G m b H R 1 9 9 8 , 318; ferner O L G Köln N Z G 1999, 8 2 m Anra Schuppen

1 3 7 4 ; vgl Henze AktienR 4 ( 2 0 0 0 ) , Rdn 1145, 1 1 4 6 ; abw Generalanwalt

3 5 2 und O L G Köln N Z G 1999, 1112 m

Tesauro in seinen Schlußanträgen ZIP 1 9 9 6 ,

Anm Schuppen.

397.

(245)

Hartwig Henze

65

§58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Diese Verzögerung wirkt sich entsprechend bei der Entscheidung über die Rücklagenbildung und Gewinnverwendung in der Muttergesellschaft aus. Im Unterschied zu dieser handelsbilanzrechtlichen Behandlung phasengleicher bzw phasenverschobener Gewinnvereinnahmung nach der Rspr des B G H und EuGH, hat sich der Große Senat des B F H in steuerbilanzrechtlicher Hinsicht neuerdings grundsätzlich gegen eine phasengleiche Aktivierung ausgesprochen. 1 8 2

V. Einstellungen in Sonderrücklagen durch Vorstand und Aufsichtsrat (Abs 2 a) 1. Zweck und Bedeutung der Vorschrift 66

Nach Abs 2 a können Vorstand und Aufsichtsrat den Eigenkapitalanteil von bestimmten Wertaufholungen (§ 2 8 0 Abs 1 HGB) unbeschadet der Abs 1 und 2 in die anderen Gewinnrücklagen einstellen. Die durch das Bilanzrichtliniengesetz 183 eingeführte Vorschrift ermöglicht im wesentlichen die Fortführung des früheren Rechtszustandes: Die früher in den beiden genannten Fällen gebildeten stillen Rücklagen bzw unechten Rückstellungen können nunmehr als offene (Wertaufholungs-)Rücklagen zugeführt werden. Zweck der Vorschrift ist die Mittelbindung im Unternehmen: 1 8 4 Durch die Möglichkeit nach Abs 2 a , die aus der nach § 2 8 0 Abs 1 H G B vorzunehmenden Wertaufholung resultierende Erhöhung des Jahresergebnisses zu thesaurieren, steht es der Gesellschaft offen, einen Abfluß des Eigenkapitalanteils der durch Zuschreibung aufgedeckten Reserve aus dem Unternehmen zu vermeiden.

67

§ 2 8 0 Abs 1 H G B gebietet für Kapitalgesellschaften grundsätzlich eine Wertaufholung. 1 8 5 Aufgrund der Ausnahmebestimmung des § 2 8 0 Abs 2 H G B , der ein handelsbilanzrechtliches Wertbeibehaltungswahlrecht bei Beibehaltung des niedrigeren Wertes in der steuerlichen Gewinnermittlung normiert, 1 8 6 und des sog umgekehrten Maßgeblichkeitsprinzips nach § 5 Abs 1 S 2 E S t G 1 8 7 war die Vorschrift des Abs 2 a bis Ende 1998 praktisch bedeutungslos. 188 Denn steuerrechtlich war ein Wertbeibehaltungswahlrecht vorgesehen, 1 8 9 das bei Kapitalgesellschaften in aller Regel über § 5 Abs 1 S 2 EStG iVm § 2 8 0 Abs 2 H G B auf die Handelsbilanz zurückwirkte, womit § 2 8 0 Abs 1 H G B nicht zum Zuge kam, sondern von einer Zuschreibung abgesehen werden konnte (es sei denn, der handelsrechtliche Wertansatz des betreffenden Vermögensgegenstandes lag unter dem steuerlichen Wertansatz) 1 9 0 . Zu beachten war lediglich, daß § 2 8 0 Abs 3 H G B für diesen Fall bestimmte Berichtspflichten im Anhang vorschreibt. Nach dem Steuerentlastungsgesetz 1 9 9 9 / 2 0 0 0 / 2 0 0 2 1 9 1 wird Abs 2 a allerdings an Relevanz gewinnen, da infolge-

182

183 184

185

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187

BFH (GrS) DStR 2000, 1682 ff nach Vorlagebeschluß gem § 11 Abs 4 FGO durch BFH (7. Senat) BStBl II 1999, 551 = BB 1999, 1206 m Anm Ekkenga; dahin deutete auch schon BFH {IV. Senat) BB 1999, 507. BiRiLiG ν 19. 12. 1985 (BGBl I 2335). BT-Drucks 10/4268, S 123 f; Budde/Karig in: BeckBil-Komm4, § 280 Rdn 38. Näher Budde/Karig in: BeckBil-Komm4, § 280 Rdn 2-20. Näher Budde/Karig in: BeckBil-Komm4, § 280 Rdn 21-31. Eingeführt durch das Gesetz zur Förderung des Wohnungsbaus und zur Ergänzung des

188

189

190

191

SteuerreformG 1990 ν 22. 12. 1989 (BStBl I 2408); Einzelheiten bei Broer Maßgeblichkeitsprinzip (2000), C V 1. Vgl Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 89; Budde/Karig in: BeckBil-Komm4, § 280 Rdn 1 und 23. Für den wichtigen Bereich der Teilwertabschreibungen siehe die alte Fassung von § 6 Abs 1 Nr 1 S 4, Nr 2 S 3 EStG. Vgl Budde/Karig in: BeckBil-Komm4, § 280 Rdn 27 f. StEntlG 1999/2000/2002 ν 24. 3. 1999 (BGBl I 402).

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(246)

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

dessen für Kapitalgesellschaften das zuvor bestehende steuerliche Wertbeibehaltungswahlrecht nunmehr durch ein Zuschreibungsgebot ersetzt wurde (§ 6 Abs 1 Nr 1 S 4 , Nr 2 S 3 EStG nF und § 7 Abs 1 S 6 HS 2 EStG n F ) . 1 9 2 Künftig besteht demnach für die AG die Wertaufholungspflicht nach § 2 8 0 Abs 1 H G B , wogegen § 2 8 0 Abs 2 H G B - und mithin auch § 2 8 0 Abs 3 H G B - wohl regelmäßig leer laufen wird. 1 9 3 2. Einstellung in die Rücklagen nach Abs 2 a auch in Verlustjahren? Fraglich ist, ob eine Dotierung der Rücklagen nach Abs 2 a S 1 auch dann zulässig ist, wenn hierzu kein oder kein ausreichender Jahresüberschuß zur Verfügung steht. Der Wortlaut von Abs 2a S 1 gibt darüber keinen Aufschluß. Die Tatsache, daß ein Hinweis auf den Jahresüberschuß fehlt, und der Umstand, daß die Einstellung in die Rücklagen „unbeschadet" der Abs 1 und 2 geschieht, sprechen zunächst für die Zulässigkeit einer von der Höhe des Jahresüberschusses oder eines eventuellen Jahresfehlbetrages unabhängigen Rücklagendotierung. 1 9 4 Danach dürfte die Verwaltung den Eigenkapitalanteil von Wertaufholungen in jedem Fall in die Rücklagen einstellen.

68

Dennoch wird in der Lit erörtert, ob nicht statt der Rücklagenbildung durch Erhöhung des Bilanzverlustes eine Nachdotierung in späteren Perioden erfolgen sollte, in denen ein Jahresüberschuß erwirtschaftet worden ist. Eine Rücklagendotierung, die einen Bilanzverlust begründe oder vertiefe, betreffe letztlich nicht die Disposition über das Jahresergebnis der abgelaufenen Periode, sondern das Ergebnis künftiger Jahre. 1 9 5 Dem Wortlaut der Norm kann die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens freilich nicht entnommen werden. 1 9 6 Das mit der Regelung nach Abs 2 a verfolgte Ziel, die durch die Wertaufholung aufgedeckten Reserven im Unternehmen zu belassen, läßt sich auf beiden Wegen erreichen. Ein Ausschluß der Rücklagendotierung bei Fehlen eines Jahresüberschusses folgt also nicht aus der ratio legis. Ebensowenig erfordert der Schutz der gesetzlichen Rücklage einen Ausschluß einer Rücklagendotierung, die einen Bilanzverlust begründet oder vertieft. Denn bevor die gesetzliche oder satzungsmäßige Rücklage aufgelöst würde, wären vorrangig die Rücklagen nach Abs 2 a aufzulösen. 1 9 7

69

3. Eigenkapitalanteil von Wertaufholungen Abs 2 a S 1 Var 1 erlaubt es, den Eigenkapitalanteil von Wertaufholungen in andere Gewinnrücklagen einzustellen. Wertaufholungen dienen grundsätzlich der Beseitigung nicht mehr gerechtfertigter Abschreibungen. § 2 8 0 Abs 1 HGB gebietet Zuschreibung auf der Aktivseite der Bilanz, wenn die Gründe für bestimmte in der Vergangenheit vorgenommene, nicht planmäßige Abschreibungen weggefallen sind. 1 9 8 Den Gesellschaften, die von dem Wertaufholungsgebot Gebrauch machen, soll durch Abs 2 a die Möglichkeit gegeben werden, den um den Eigenkapitalanteil der Wertaufholung erhöhten Jahresüberschuß im Unternehmen zu behalten; seit dem Steuerentlastungsgesetz 1 9 9 9 / 2 0 0 0 / 2 0 0 2 hat dies praktische Bedeutung (Rdn 67). Die Höhe des Eigenkapitalanteils der Wertauf-

192 193

194

195

Vgl auch BMF DB 2000, 546 ff. Budde/Karig in: BeckBil-Komra4, § 280 Rdn 32 a, 32 f; Broer Maßgeblichkeitsprinzip (2000), D III 3; Hoffmann GmbHR 1999, 380, 383. Vgl Adler/Düring/Schmaltz 6 Rdn 95; Budde/Karig in: BeckBil-Komm4, § 280 Rdn 47; aA Knop DB 1986, 549, 555. Vgl Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 96.

(247)

196

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198

Vgl Budde/Karig in: BeckBil-Komm4, § 280 Rdn 46 (Nachholung in späteren Jahren grundsätzlich unzulässig). Vgl Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 95; idS wohl auch Hüffer4 Rdn 18; aA Knop DB 1986, 549, 555; ähnlich Haller DB 1987, 645, 650. Vgl Budde/Karig in: BeckBil-Komm4, § 280 Rdn 1.

Hartwig Henze

70

§ 58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

holung errechnet sich aus der Differenz zwischen Wertaufholungsbetrag (Zuschreibungsbetrag auf der Aktivseite) und der entsprechenden Steuerbelastung. 1 9 9 D a b e i ist der Thesaurierungssatz zugrunde zu legen, weil A b s 2 a S 1 die M ö g l i c h k e i t der R ü c k l a g e n bildung e r ö f f n e t . 2 0 0 Streitig ist insofern, o b die relevante Steuerbelastung individuell oder pauschal

zu ermitteln i s t . 2 0 1

4 . Eigenkapitalanteil von Passivposten 71

Auch der Eigenkapitalanteil von Passivposten darf nach Abs 2 a S 1 Var 2 in die anderen Gewinnrücklagen eingestellt werden, soweit diese nicht im Sonderposten mit R ü c k lageanteil ausgewiesen werden dürfen. D a s betrifft die §§ 2 4 7 A b s 3, 2 7 3 H G B . 2 0 2 5. Bildung und Auflösung der Rücklage

72

Die Zuständigkeit für diese Rücklagendotierung liegt ausschließlich bei Vorstand und Aufsichtsrat. 2 0 3 Ihnen steht hinsichtlich der Bildung der R ü c k l a g e Ermessen zu. D a die Einstellung „ u n b e s c h a d e t " der A b s 1 und 2 geschieht, ist sie in die dort bestehenden Beschränkungen nicht mit e i n z u b e z i e h e n . 2 0 4 Hinsichtlich des Ausweises solcher R ü c k lagen bestimmt Abs 2 a S 2 , d a ß sie entweder in der Bilanz gesondert auszuweisen oder im A n h a n g (§§ 2 8 4 ff H G B ) anzugeben s i n d . 2 0 5 N a c h § 1 5 8 Abs 1 N r 4 lit d ist der Betrag in der G u V ebenfalls a u s z u w e i s e n . 2 0 6 Eine direkte Einstellung in die R ü c k l a g e n ist danach unzulässig. 2 0 7

73

Für die Auflösung einer Wertaufholungsrücklage sind die allgemeinen Regeln zur Auflösung des Bilanzpostens „andere G e w i n n r ü c k l a g e n " , in den sie eingestellt ist, m a ß geblich. Der weitere Verlauf der Wertentwicklung des werterholten Vermögensgegenstandes spielt diesbezüglich keine Rolle, denn die R ü c k l a g e ist kein materieller Gegenposten zum Buchwert dieses Vermögensgegenstandes. Weder hindert ein werthaltiges Verbleiben des Gegenstandes die Auflösung, n o c h besteht im Falle seines weiteren Wertverlustes ein G e b o t zur A u f l ö s u n g . 2 0 8

VI. Rücklagenbildung nach Abs 3 74

Abs 3 regelt die Kompetenzen der H a u p t v e r s a m m l u n g zur Verwendung des Bilanzgewinns. Sie ist im R a h m e n ihrer Beschlußfassung an den festgestellten J a h r e s a b s c h l u ß und damit hinsichtlich der H ö h e des Bilanzgewinns gebunden. Die H a u p t v e r s a m m l u n g kann die Ausschüttung beschließen oder weitere Beträge in die Gewinnrücklagen einstellen 199

200

201

202 203 204

Zur Steuerbelastung Harms/Küting/Weber DB 1986, 653, 659; Niehus BB 1987, 1353; Nickol BB 1987, 1772, 1775. Näher dazu Adler/Düring/Scbmaltz6 Rdn 90. Vgl dazu ie Budde/Karig in: BeckBilKomm 4 , § 2 8 0 Rdn 4 0 ff; Adler/Düring/ Schmaltz6 Rdn 90 ff; Harms/Küting BB 1982, 1462 und BB 1984, 1336; Streim WPg 1983, 678. Vgl Adler/Düring/Scbmaltz6 Rdn 100 f. Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 102. Hüffer4 Rdn 20; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 106; aA Nickol BB 1987, 1772, 1776.

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Vgl Förschle/Kofahl in: BeckBil-Komm4, § 272 Rdn 102: Der Bilanzausweis kann durch „Davon-Vermerk" erfolgen; vgl Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 107. Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 107; Einzelheiten bei Ellrott in: BeckBil-Komm4, § 284 Rdn 70 ff. Budde/Karig in: BeckBil-Komm4, § 2 8 0 Rdn 47; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 107. Budde/Karig in: BeckBil-Komm4, § 280 Rdn 48.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Verwendung des Jahresüberschusses

§58

oder den Betrag ganz oder teilweise als Gewinn vortragen. Nach Abs 3 S 2 ist eine andere Verwendung als nach S 1 oder als die Verteilung unter die Aktionäre nur zulässig, wenn eine entsprechende statutarische Ermächtigung vorliegt. 1. Möglichkeiten der Gewinnverwendung a) Ausschüttung. Die Hauptversammlung wird in der Regel im Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns (§ 174) nach dem Vorschlag der Verwaltung dessen Ausschüttung beschließen; denn die Rücklagen sind bereits im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses dotiert worden.

75

Die Gewinnausschüttung ist nur in einzelnen Sonderfällen ausgeschlossen oder begrenzt. 2 0 9 Gem § 2 2 5 Abs 2 dürfen bei ordentlichen Kapitalherabsetzungen Zahlungen an die Aktionäre erst geleistet werden, wenn seit der Bekanntmachung der Eintragung sechs Monate verstrichen sind und den Gläubigern, die sich rechtzeitig gemeldet haben, Befriedigung oder Sicherheit gewährt worden ist. Nach §§ 2 3 3 Abs 3, 2 3 0 dürfen bei vereinfachter Kapitalherabsetzung Beträge, die aus der Auflösung von Kapital- oder Gewinnrücklagen und aus der Kapitalherabsetzung gewonnen werden, nicht zu Zahlungen an die Aktionäre verwandt werden. Andere Gewinne darf die Gesellschaft erst nach Auffüllung der gesetzlichen Rücklage ausschütten (§ 2 3 3 Abs 1). Gem § 2 3 3 Abs 2 ist die Zahlung einer Dividende von mehr als 4 % erst für ein Geschäftsjahr zulässig, das später als zwei Jahre nach der Beschlußfassung über die Kapitalherabsetzung beginnt, solange nicht alle Gläubiger, deren Forderungen vor der Bekanntmachung der Eintragung des Beschlusses begründet worden waren, befriedigt oder sichergestellt sind.

76

De facto gehört auch die steuerliche Anerkennung einer AG als gemeinnützig iSv §§ 51 ff AO zur Frage des Ausschlusses der Gewinnausschüttung. Diese setzt voraus, daß die Aktionäre keine Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft als Aktionäre auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft erhalten (§§ 55 Abs 1 Nr 1, 5 9 AO). Will eine als gemeinnützig anerkannte AG diesen Status nicht verlieren, muß eine Gewinnausschüttung vermieden werden.

77

Bis zum Jahre 1990 spielten die Vorschriften des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes für die in der Rechtsform der AG organisierten gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen eine wichtige Rolle. Danach war eine Ausschüttungsbegrenzung für die Mitglieder von gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen vorgesehen. Aktiengesellschaften, die als gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen anerkannt waren, durften danach maximal 4 % der erbrachten Einlagen pro Periode als Gewinne ausschütten. 2 1 0 Die umfassende Steuerbefreiung für gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen wurde 1 9 9 0 auf Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaften sowie Vereine beschränkt, soweit Gegenstand ihrer Geschäftstätigkeit nur die Errichtung und der Erwerb von Wohnungen und die Vermietung an ihre Mitglieder ist. 2 1 1 b) Rücklagenbildung (Abs 3 S 1 Var 1). Die Einstellung weiterer Beträge in die Gewinnrücklagen setzt einen entsprechenden Hauptversammlungsbeschluß mit einfacher

209

210

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 69 ff. Vgl hierzu BGHZ 84, 303; W Meilicke FS H Meilicke (1985), S 94; nach Aufhebung des WohnGemeinniitzG vgl LG Aachen EWiR 1991, 323 m Anm Altmeppen.

(249)

211

Das WohnGemeinniitzG wurde durch Art 21 des SteuerreformG 1990 ν 25. 7. 1988 (BGBl I 1093) aufgehoben. Zur fortgeltenden Steuerbefreiung für Vereine und Wirtschaftsgenossenschaften vgl § 5 Abs 1 Nr 10 KStG.

Hartwig Henze

78

§ 58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Mehrheit voraus. 2 1 2 Dabei ist die Hauptversammlung weitgehend frei. Sie ist nicht an den Gewinnverwendungsvorschlag der Verwaltung gebunden, sondern kann den Gewinn nach unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten verteilen. 2 1 3 Für die Rücklagenbildung nach Abs 3 gilt keine gesetzliche Obergrenze. 2 1 4 Allerdings gelten auch für die Hauptversammlung die Einschränkungen, die sich aus einer vorherigen Abschlagszahlung nach § 5 9 ergeben (Rdn 4 4 ) . 2 1 5 79

Die Möglichkeit, daß die Minderheitsgesellschafter hierdurch in ihren Vermögensrechten erheblich beeinträchtigt werden, hat der Gesetzgeber in Kauf genommen. 2 1 6 Die Minderheit wird insofern nur durch die Anfechtungsmöglichkeit nach § 2 5 4 geschützt. Die von § 2 5 4 gezogene Grenze ist allerdings nur dann überschritten, wenn die Hauptversammlung Beträge, die nicht nach Gesetz oder Satzung von der Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen sind, in Gewinnrücklagen einstellt oder als Gewinn vorträgt, obwohl eine solche Maßnahme bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht notwendig ist, um die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft für einen hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Notwendigkeiten übersehbaren Zeitraum zu sichern. Die Anfechtungsmöglichkeit wird durch das weitere Erfordernis eingeschränkt, daß aufgrund des Beschlusses unter die Aktionäre kein Gewinn iHv mindestens 4 % des Grundkapitals abzüglich von noch nicht eingeforderten Einlagen verteilt werden kann. Das Gesetz billigt damit den Aktionären lediglich eine minimale Mindestdividende zu. Hinzu kommt die weitere Einschränkung, daß nur diejenigen Aktionäre nach § 2 5 4 Abs 2 zu einer Anfechtung befugt sind, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder - sollte dieser höher als 5 0 0 0 0 0 , - Euro sein - diesen Betrag erreichen. Der Schutz der Minderheit gegen ein „Aushungern" durch die Mehrheit ist somit sehr zurückhaltend ausgestaltet.

80

c) Gewinnvortrag (Abs 3 S 1 Var 2). Neben oder statt einer Einstellung in die offenen Rücklagen ist ein Vortrag des Bilanzgewinnes auf neue Rechnung zulässig. Ein Gewinnvortrag erhöht den Bilanzgewinn des Folgejahres und steht damit nicht nochmals zur Disposition der Verwaltung. 2 1 7 Das ergibt sich schon aus § 158 Abs 1 Nr l . 2 1 8 Für den Vortrag des Gewinns auf neue Rechnung gilt nach Abs 3 keine Obergrenze; danach ist es also grundsätzlich möglich, den gesamten Gewinn vorzutragen. 2 1 9 Auch ist die Anfechtungsmöglichkeit des Aktionärs nach § 2 5 4 zu beachten, die seit dem BiRiLiG unmittelbar auf den Gewinnvortrag anwendbar ist. In der Regel wird der Gewinnvortrag allerdings nur genutzt, um Spitzenbeträge zu verwenden. 2 2 0

81

d) Andere Verwendung (Abs 3 S 2). Nach Abs 3 S 2 kann die Hauptversammlung auch eine „andere Verwendung" als nach Abs 3 S 1 oder als die Verteilung unter die Aktionäre beschließen, wenn die Satzung sie hierzu ausdrücklich ermächtigt. 2 2 1 Eine andere Verwendung als zur Ausstattung der Rücklagen, zur Ausschüttung oder als Gewinnvortrag ist dabei nur als Zuwendung an Dritte denkbar. Hierunter fällt insbeson212 213

214 215 216

217 218

KK-Lutter2 Rdn 70. Adler/Diiring/Schmaltz6 Rdn 110 ff; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 516. KK-Lutter2 Rdn 70 f. Vgl Großkomm-Bizrz Voraufl, Anm 22. KK-Lutter 2 Rdn 70; vgl Kropff AktG 1965, S 77. Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 18. Hüffer4 Rdn 24.

219 220

221

Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 119. Zur früher str Frage, ob eine analoge Anwendung des § 254 auch hinsichtlich des Gewinnvortrages zum Schutze der Minderheitsaktionäre erforderlich ist, vgl Hüffer4 Rdn 24; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 23; ν Godin/Wilhelmi4 Anm 7. KK-Lutter2 Rdn 74.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Verwendung des Jahresüberschusses

§58

dere die Förderung gemeinnütziger Z w e c k e . 2 2 2 Die Satzung kann insofern nach richtiger Auffassung nicht nur die Ermächtigung enthalten, sondern auch eine Verpflichtung b e g r ü n d e n . 2 2 3 Die praktische Relevanz einer Ermächtigung oder Verpflichtung ist jedoch gering, da Zuwendungen an karitative Einrichtungen meist unmittelbar von der Verwaltung v o r g e n o m m e n und als Aufwand behandelt w e r d e n . 2 2 4 Ein Verstoß gegen A b s 3 S 2 m a c h t den entsprechenden Hauptversammlungsbeschluß nach § 2 4 3 A b s 1 anfechtbar (Rdn 117). 2 . Steuerliche Folgen Bei der Einstellung weiterer Beträge in die gesetzlichen R ü c k l a g e n durch die H a u p t Versammlung ist stets die Veränderung der Steuerschuld zu beachten. Aufgrund des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes führt eine E r h ö h u n g der Rücklagendotierung durch die Hauptversammlung zu weiterem Steueraufwand, der nach § 1 7 4 Abs 2 N r 5 in dem Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns anzugeben ist. D e r Vorstand hat bei der Bemessung der Steuern v o m Ertrag bei der Aufstellung des Jahresabschlusses nach § 2 7 8 H G B grundsätzlich von dem von Vorstand und Aufsichtsrat gefaßten Ergebnisverwendungsvorschlag a u s z u g e h e n . 2 2 5 Entschließt sich die Hauptversammlung zu einer weitergehenden oder geringeren Ausschüttung als im Ergebnisverwendungsvorschlag vorgesehen, so stimmen der tatsächliche Steueraufwand und der im Gewinnverwendungsvorschlag vorgesehene nicht m e h r überein, dh die Körperschaftsteuerrückstellung im festgestellten J a h r e s a b s c h l u ß ist entweder zu niedrig oder zu hoch. Zusätzlicher steuerlicher Aufwand aus der E r h ö h u n g der anderweitigen Rücklagen oder aus Gewinnvortrag ist nach § 1 7 4 Abs 2 N r 5 in dem Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns a n z u g e b e n . 2 2 6 Beschließt etwa die Hauptversammlung abweichend vom Verwaltungsvorschlag einen höheren Ausschüttungsbetrag aus dem ungemildert mit Körperschaftsteuer belasteten Eigenkapital (,EK 4 0 ' ; bis zum 31. 12. 1 9 9 8 , E K 4 5 ' ) , so ist der Betrag für die Körperschaftsteuerrückstellung zu h o c h . Sie ist im Folgejahr a u f z u l ö s e n . 2 2 7 D a der Beschluß der Hauptversammlung den festgestellten J a h r e s a b s c h l u ß nicht ändert, sind seine Auswirkungen auch im übrigen erst im nächsten J a h r e s a b s c h l u ß d a r z u s t e l l e n . 2 2 8

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3. Einschränkung der Gewinnverwendungsfreiheit durch die Satzung Eine satzungsmäßige Bestimmung, nach der die Hauptversammlung zur gesamten oder teilweisen Ausschüttung des Bilanzgewinns verpflichtet wird, ist nach h M zulässig. 2 2 9 Ein Verstoß gegen Abs 3 liegt in einer solchen Satzungsbestimmung nicht. Denn es ist nicht ersichtlich, daß die Regelung abschließend und eine Ergänzung durch die Satzung gem § 2 3 A b s 5 ausgeschlossen i s t . 2 3 0 222

Vgl Hüffer4 Rdn 2 5 ; Adler/Düring/ Schmaltz6 Rdn 102 ff.

223

Hüffer4 Rdn 2 5 ; KK-Lutter2 Rdn 75; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 107; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 122; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 518.

224

225

KK-Lutter2 Rdn 76; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 8 6 ; GroßkommBarz Voraufl, Anm 2 4 / 2 5 . Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 2 5 ; Budde/ Müller in: BeckBil-Komm 4 , § 2 7 8 Rdn 11 ff.

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226

Großkomm-Barz Voraufl, Anm 2 3 ; Einzelheiten bei Budde/Müller in: BeckBilKomm 4 , § 2 7 8 Rdn 27.

227

Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 2 7 ; näher Budde/Müller in: BeckBil-Komm 4 , § 2 7 8 Rdn 2 7 f.

Vgl Budde/Müller in: BeckBil-Komm 4 , § 2 7 8 Rdn 27. 2 2 9 Vgl Großkomm-fWz Voraufl, Anm 21; Nirk Hdb AG, Teil I, Rdn 518; Adler/Düring/ Schmaltz6 Rdn 133. 230 Yg] Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 1 0 9 ; Baumbach/Hwecfc 13 Rdn 9.

228

Hartwig Henze

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§ 58

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Nicht einhellig beantwortet wird weiterhin die Frage, ob die Satzung die Gewinnausschüttung ganz oder teilweise ausschließen kann. Ausgangspunkt der Beurteilung müssen Abs 4 und § 254 Abs 1 sein. Beide Vorschriften gehen davon aus, daß die Ausschüttung des Bilanzgewinns durch Satzungsregelung ausgeschlossen werden kann. 2 3 1 Sie beziehen sich auf Abs 3. Nach dessen S 1 kann die Hauptversammlung im Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns weitere Beträge in die Gewinnrücklagen einstellen. Bei entsprechender Ermächtigung in der Satzung läßt Abs 3 S 2 eine andere Verwendung als nach S 1 oder als die Verteilung unter die Aktionäre durch Hauptversammlungsbeschluß zu. Beide Varianten stehen damit unter dem Vorbehalt der angesprochenen Satzungsregelung. Diese kann nur darin bestehen, daß der Bilanzgewinn im Rahmen der Förderung gemeinnütziger Zwecke Dritten zugeführt 2 3 2 oder zur Erhöhung der anderen Gewinnrücklagen verwendet wird. 2 3 3 Der letztgenannten Variante steht nicht entgegen, durch Satzungsbestimmung könne im Hinblick auf die Regelung in Abs 1 kein Zwang zur Rücklagenbildung begründet werden. 2 3 4 Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, daß Abs 1 nur die Verwendung des Jahresüberschusses bei der Aufstellung des Jahresabschlusses, nicht jedoch die Verwendung des Bilanzgewinnes regelt. 235 Es ist nicht erkennbar, daß Abs 1 auch hinsichtlich der Verwendung des Bilanzgewinns eine abschließende Regelung zukommen soll. Für die hier vertretene Ansicht spricht ferner, daß der aufgrund Satzungsregelung in die Rücklage einzustellende Bilanzgewinn der satzungsmäßigen Rücklage iSd § 158 Abs 1 Nr 4 lit c zuzuordnen ist; diese Norm ginge ins Leere, würde man der Gegenansicht folgen. 236 Schließlich wird zutreffend ausgeführt, wenn die Verteilung des Bilanzgewinns nach Abs 3 S 2 ganz ausgeschlossen werden könne, um ihn der Verfolgung gemeinnütziger Zwecke vorzubehalten, müsse auch eine Satzungsbestimmung zulässig sein, nach der zur Absicherung der Gemeinnützigkeit die Auffüllung der Rücklagen mit dem Bilanzgewinn vorzunehmen sei. 237 VII. Die Regelung des Abs 4

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• Abs 4 normiert mit dem Anspruch auf die Dividende das - neben dem Verfügungsrecht - zentrale mitgliedschaftliche Vermögensrecht der Aktionäre. 238 Danach haben die Aktionäre einen Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit er nicht von der Verteilung unter sie ausgeschlossen ist. Die Vorschrift korrespondiert insofern mit der in § 57 Abs 3 geregelten Beschränkung der Ausschüttung auf den Bilanzgewinn und dem Verbot der Einlagenrückgewähr in § 57 Abs 1 S l . 2 3 9 Die Regelung des Abs 4 enthält einen mitgliedschaftlichen Gewinnanspruch. Hinsichtlich dieses Gewinnanspruchs ist zwischen dem korporativen Anspruch auf Gewinnbeteiligung nach Abs 4, der nach Feststellung des Jahresabschlusses als Anspruch auf den Bilanzgewinn eine gewisse Konkretisierung erfährt, 2 4 0 und dem nach §§ 174 Abs 2 Nr 2, 60 konkreten schuldrechtlichen Ausschüttungsanspruch zu unterscheiden. 231

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KK-Lutter2 Rdn 68 unter Hinweis auf § 55 Abs 1 Nr 1 AO; HefermehUBungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 96. BGHZ 84, 303; Kropff AktG 1965, S 78; Hüffer4 Rdn 25; Sethe Z H R 162 (1998), 474, 478 f. Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 135 und § 272 HGB Rdn 154; H-P Müller WPg 1969, 245, 247 f.

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So aber KK-Lutter 2 Rdn 69; Hefermehl/ Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 101; ν GodtnJWilhelmi4 Anm 5. Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 135. Adler/Düring/Schmaltz6 S 272 HGB Rdn 154. Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 135. KK-Lutter2 Rdn 79. KK-Lutter 2 Rdn 81. Vgl Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 140 ff. KK-Lutter2 Rdn 80 vollzieht zwischen dem

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Verwendung des Jahresüberschusses

§58

1. Der mitgliedschaftliche Gewinnbeteiligungsanspruch D e r mitgliedschaftliche Gewinnbeteiligungsanspruch ist, solange die Mitgliedschaft andauert, unlösbar mit ihr v e r b u n d e n . 2 4 1 N a c h Abs '4 ist der Anspruch des Aktionärs auf

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die Beteiligung a m Bilanzgewinn gerichtet, soweit dieser nicht von Gesetzes oder Satzungs wegen, durch Hauptversammlungsbeschluß nach Abs 3 oder als zusätzlicher Aufwand aufgrund des Gewinnverwendungsbeschlusses von der Verteilung unter die A k t i o n ä r e ausgeschlossen ist. Solange nicht ein ordnungsgemäß festgestellter J a h r e s a b s c h l u ß vorliegt, der einen

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Bilanzgewinn ausweist, ist ein Anspruch des einzelnen Aktionärs auf den Bilanzgewinn n o c h nicht e n t s t a n d e n . 2 4 2 D a der Anspruch vor dem Gewinnverwendungsbeschluß n o c h nicht auf eine bestimmte Geldzahlung gerichtet ist, k a n n er auch noch nicht im Wege der Zahlungsklage durchgesetzt werden. D e r mitgliedschaftliche Gewinnbeteiligungsanspruch gibt dem A k t i o n ä r allerdings einen Anspruch darauf, d a ß ein Gewinnverwendungsbeschluß gefaßt w i r d ; 2 4 3 k o m m t ein solcher Beschluß nicht innerhalb der Frist des § 1 7 5 A b s 1 S 2 zustande, so k a n n der A k t i o n ä r die Gesellschaft auf Herbeiführung eines solchen Beschlusses v e r k l a g e n . 2 4 4 Die Klage k a n n allerdings - schon aufgrund der Hauptversammlungskompetenz nach A b s 3 - nicht auf einen Gewinnverwendungsbeschluß bestimmten Inhaltes, sondern nur darauf gerichtet sein, d a ß der Gewinnverwendungsbeschluß als solcher gefaßt w i r d . 2 4 5 Ein obsiegendes Urteil kann nach § 8 8 8 Z P O vollstreckt werden, nicht aber nach § 8 9 4 Z P O . 2 4 6 W i e für andere Mitgliedschaftsbestandteile gilt auch für den körperschaftlichen Gewinnbeteiligungsanspruch, d a ß ihn der jeweilige A k t i o n ä r nur durch Übertragung der Mitgliedschaft übertragen k a n n , nicht aber isoliert von d i e s e r . 2 4 7

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In bestimmten Fällen verliert der A k t i o n ä r - einstweilig - seine Mitgliedschaftsrechte, mithin auch das Dividendenrecht aus Abs 4 . D a s Gesetz sieht diese Konsequenz in den §§ 2 0 Abs 7 S 1, 2 1 Abs 4 S 1, 5 6 Abs 3 S 3 , 71 b, 71 d S 4 , 3 2 8 v o r . 2 4 8 Außerdem ist ein - auch dauernder - Ausschluß des mitgliedschaftlichen Gewinnanspruchs durch statutarische Regelung eingeschränkt möglich, wobei freilich der Gleichbehandlungsgrundsatz des § 5 3 a beachtet werden m u ß . Soll nur für einzelne A k t i o n ä r e das Dividendenrecht ausgeschlossen sein, so bedarf das neben der satzungsändernden M e h r h e i t der Z u s t i m mung der B e t r o f f e n e n . 2 4 9 Soll kein A k t i o n ä r gewinnbezugsberechtigt sein, müssen alle zustimmen.250

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mitgliedschaftlichen Gewinnbeteiligungsanspruch und dem konkreten mitgliedschaftlichen Bilanzgewinnausschüttungsanspruch eine scharfe Trennung. KK-Lutter 1 Rdn 80. Vgl BGHZ 23, 150, 154; 65, 230, 235; 124, 27, 31; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 116; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 28; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 140. BGHZ 124, 111, 123. Hüffer4 Rdn 26; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 117; Adler/Düring/ Schmaltz6 Rdn 140. KK-Lut ter2 Rdn 91; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 117; Großkomm-Bar ζ Voraufl, Anm 31.

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Hüffer4 Rdn 26; KK-Lutter2 Rdn 91; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 117; Großkomm-Bar ζ Voraufl, Anm 31; Baumbach/H«ecè 13 Rdn 19. Hüffer4 Rdn 26; KK-Lutter2 Rdn 95; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 118. Hüffer4 § 20 Rdn 12, 15, § 56 Rdn 15, S 71 b Rdn 3 f, § 328 Rdn 4; Bayer in: MünchKommAktG 2 § 20 Rdn 42, 70; vgl auch BGH NJW 1995, 1027, 1028 [aus eigenen Anteilen kein Gewinnstammrecht für eine GmbH]; ferner BGHZ 114, 203, 218 [gem § 20 Abs 7 (aF) Verlust des Bezugsrechts (§ 186 Abs 1 S 1)]. Vgl KK-Lutter1 Rdn 93; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 120 f. Sehte ZHR 162 (1998), 474, 479.

Hartwig Henze

§58 90

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Kein Rechtsverlust, sondern ein Ruhen des aktienrechtlichen Gewinnanspruchs tritt unter den Voraussetzungen der § § 2 0 Abs 7 S 2, 21 Abs 4 S 2 ein. Wird die unvorsätzlich unterlassene Mitteilung nachgeholt, so belebt dies den Dividendenanspruch rückwirkend (Rdn 98). 251 Die Verjährung des mitgliedschaftlichen Gewinnbeteiligungsanspruchs richtet sich nach § 195 BGB. Die Mitgliedschaft als solche verjährt zwar nicht; der Anspruch auf den Periodengewinn entsteht daher jedes Jahr einredefrei mit dem Vorliegen eines ordnungsgemäß festgestellten Bilanzgewinns. Dieser Anspruch unterliegt aber seinerseits der Verjährung nach § 195 BGB. 252 2. Der konkrete Gewinnauszahlungsanspruch

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Der mitgliedschaftliche Gewinnanspruch aktualisiert sich, sobald ein ordnungsgemäß festgestellter Jahresabschluß vorliegt, der einen Bilanzgewinn ausweist. 253 Der Anspruch des einzelnen Aktionärs ist auf den seiner Beteiligung entsprechenden (§ 60), konkret erzielten und förmlich festgestellten Bilanzgewinn gerichtet, dessen Ausschüttung die Hauptversammlung nach § 174 Abs 2 Nr 2 beschlossen hat. 2 5 4

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Grundlage für den konkreten Zahlungsanspruch der Aktionäre ist der Ausweis eines Bilanzgewinns, über den ein wirksamer Beschluß gefaßt worden ist. Nur der im Jahresabschluß ausgewiesene Bilanzgewinn darf vor Auflösung der Gesellschaft unter die Aktionäre verteilt werden (§ 57 Abs 3). 255 Weitere Voraussetzung für den konkreten Zahlungsanspruch der Aktionäre ist das Vorliegen eines wirksamen Gewinnverwendungsbeschlusses (§ 174). 256 Ein nichtiger bzw vernichteter Beschluß kann keine Grundlage für das Entstehen eines solchen Gläubigerrechts sein. Im Falle des nichtigen Beschlusses ist kein als Dividende verteilbarer Bilanzgewinn festgestellt. 257 94 Nach § § 1 1 9 Abs 1 Nr 2, 174 Abs 1 S 1 beschließt die Hauptversammlung über die Gewinnverwendung. Gem § 174 Abs 1 S 2 ist sie dabei an den festgestellten Jahresabschluß gebunden. 258 Eine Bindung an den Verwendungsvorschlag der Verwaltung besteht nicht. Anspruchsgrundlage für die konkrete Gewinnauszahlung ist Abs 4 iVm dem Ausschüttungsbeschluß nach § 174. 259 Der Aktionär wird im Zeitpunkt der Wirksamkeit dieses Beschlusses Gläubiger des Anspruchs. 260 Dieser Anspruch ist scHuldrechtlicher 251

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Hüffer4 § 20 Rdn 13, 15; vgl auch Bayer in: MünchKommAktG 2 § 20 Rdn 74, 79ff; schon zu § 20 Abs 7 aF ebenso Heinsius FS Fischer (1979), S 215, 224 ff. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 122. BGHZ 23, 150, 154; 65, 230, 235; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 116; Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 140. Vgl Großkomm-Barz Voraufl, Anm 28. Vgl BGHZ 23, 150, 154; 65, 230, 235; Hüffer4 Rdn 26. BGHZ 23, 150, 154; 65, 230, 235; BGH AG 1994, 81, 82; Hüffer4 Rdn 28; KK-Lutter 1 Rdn 97; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 126; ν Godin/Wilhelmi 4 Anm 10. KK-Lutter2 Rdn 98. Vgl Großkomm-Barz Voraufl, Anm 30. Hüffer4 Rdn 28.

260

H M , BGHZ 139, 299, 302 ff; BayObLG NJW 1988, 426, 427 [beide zur GmbH]; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 123; Hueck FS Steindorff (1990), S 45, 52; Zöllner ZGR 1988, 392, 418 f; Roth/ Altmeppen G m b H G 3 § 29 Rdn 47 mwN; vgl auch Henze AktienR 4 (2000), Rdn 873; eine aA vertritt folgende Konzeption: Bereits mit dem Beschluß über die Feststellung des Jahresabschlusses entstehen die Individualrechte auf Auszahlung, lediglich stehen diese Ansprüche unter dem Vorbehalt der Thesaurierung des festgestellten Jahresüberschusses, können also noch nicht durchgesetzt werden, sondern sind vorläufig gehemmt und erst mit Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses in ihrer konkreten Höhe fällig, vgl insbes Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 § 29 Rdn 3, 4, 41 mwN.

Stand: 1. 3. 2000

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Verwendung des Jahresüberschusses

§58

N a t u r : Als Gläubigerrecht ist er übertragbar (§ 3 9 8 S 1 B G B ) , p f ä n d b a r (§§ 851 Abs 1, 8 2 8 ff Z P O ) und verpfändbar (§§ 1 2 7 3 f B G B ) . 2 6 1 Inhaltlich ist der Anspruch auf Geldzahlung g e r i c h t e t . 2 6 2 Die Ausschüttung anderer Vermögensgegenstände ist grundsätzlich zulässig, bedarf aber der Z u s t i m m u n g der A k t i o n ä r e . 2 6 3 Ein Hauptversammlungsbeschluß reicht insoweit nicht aus. Von der Sachdividende ist die A n n a h m e an Erfüllungs Statt oder erfüllungshalber zu unterscheiden. W i e jeder andere Anspruch kann auch der Gewinnanspruch nach § 3 6 4 B G B befriedigt werden. D e r Anspruch ist unentziehbar. D a der Gewinnverwendungsbeschluß die Dividenden-

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ansprüche der A k t i o n ä r e als von der Mitgliedschaft unabhängige, konkretisierte und reine Gläubigerrechte entstehen läßt, k a n n der Beschluß nicht o h n e Z u s t i m m u n g aller Beteiligten durch einen gegenteiligen Beschluß aufgehoben w e r d e n . 2 6 4 Über den Anspruch kann auch schon vor seiner Entstehung verfügt werden. Die H ö h e des Zahlungsanspruchs der einzelnen A k t i o n ä r e richtet sich nach § 6 0 , ergibt sich folglich aus dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel des § 6 0 Abs 1 und 2 , soweit nicht - vorrangig - ein statutarischer Gewinnverteilungsschlüssel besteht (§ 6 0 Abs 3 i V m § 2 3 Abs 5 ) . Dagegen kann die Hauptversammlung hierüber nicht b e f i n d e n . 2 6 5 M a n g e l s abweichender Regelungen in der Satzung oder im Gewinnverwendungsbeschluß tritt die Fälligkeit gem § 2 7 1 B G B sofort e i n . 2 6 6 D e r Anspruch verjährt gem § 1 9 5 B G B in 3 0 J a h r e n , da es sich bei der Dividende nicht u m eine wiederkehrende Leistung iSd § 1 9 7 B G B handelt. Ist der Anspruch in einem Dividendenschein verkörpert, verjährt er innerhalb von 2 Jahren v o m Ende der Vorlegungsfrist an (§ 8 0 1 A b s 1 S 2 B G B ) . Die Vorlegungsfrist beträgt 4 J a h r e ; sie beginnt mit dem Schluß des Jahres, in dem die für die Leistung bestimmte Zeit eintritt (S 8 0 1 A b s 2 , 3 B G B ) . 3.

Ausschlußtatbestände

a) Kein Gewinnanfall. D e r Gewinnanspruch entsteht nur insoweit, als der Anspruch auf den Bilanzgewinn nicht nach Gesetz oder Satzung, durch Hauptversammlungsbeschluß oder als zusätzlicher Aufwand auf G r u n d des Gewinnverwendungsbeschlusses von der Verteilung ausgeschlossen ist. Gesetzlich kann die Ausschüttung nach M a ß n a h m e n der Kapitalherabsetzung ausgeschlossen sein (Rdn 7 6 ) . Ein Ausschluß durch die Satzung k o m m t in Betracht, wenn die Satzung eine Klausel iSd Abs 3 S 2 enthält. Ausschlußtatbestand iSv Abs 4 k a n n weiterhin ein Hauptversammlungsbeschluß sein, etwa hinsichtlich eines Gewinnvortrages oder der Einstellung weiterer Beträge in die G e w i n n r ü c k lagen. Zusätzlicher Aufwand aufgrund des Gewinnverwendungsbeschlusses kann sich in erster Linie durch die Erhöhung der Körperschaftsteuer bei weitergehender Thesaurierung durch die Hauptversammlung ergeben. Schließlich ist ein Gewinnanspruch ausgeschlossen, soweit ein bestehender Gewinnabführungsvertrag das Vorhandensein eines Bilanzgewinns u n t e r b i n d e t . 2 6 7

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RGZ 98, 318, 320; Hüffer4 Rdn 28,' Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 140; KK-Lutter1 Rdn 100; Hefermebl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 129. KK-Lutter2 Rdn 107; Hefermebl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 124; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 33. Hüffer4 Rdn 28; KK-Lutter2 Rdn 107; Hefermebl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 124.

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BGHZ 23, 150, 157; Hüffer4 Rdn 28; KK-Lutter2 Rdn 103; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 32. Vgl BGHZ 84, 303. Hüffer4 Rdn 28; KK-Lutter2 Rdn 109; Hefermebl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 126. Vgl KK-Lutter2 Rdn 88.

Hartwig Henze

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§ 58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

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b) Kein Dividendenrecht. Für diejenigen Aktionäre, deren mitgliedschaftliches Gewinnbeteiligungsrecht aus Abs 4 infolge gesetzlicher oder statutarischer Bestimmung zum Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses inexistent ist (Rdn 89), entsteht kein Ausschüttungsanspruch. Mit dem auszuschüttenden Betrag werden allein und vollständig die übrigen, gewinnberechtigten Mitglieder bedient (str). 2 6 8

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Etwas anderes gilt für Dividendenstammrechte, die nach § § 2 0 Abs 7 S 2, 21 Abs 4 S 2 ruhen. Sie konkretisieren sich durch den Gewinnverwendungsbeschluß regulär zu einzelnen schuldrechtlichen Gewinnauszahlungsansprüchen. 2 6 9 Während der Zeit des Ruhens der Mitgliedschaft fehlt den betroffenen Aktionären aber die Berechtigung, ihren Anspruch geltend zu machen. Diese Befugnis steht ihnen erst, dann jedoch rückwirkend zu, sobald die nach § § 2 0 Abs 1 oder 4 , 21 Abs 1 oder 2 gebotene, jedoch unvorsätzlich unterlassene Mitteilung nachgeholt ist. 2 7 0 Bis dahin ist der währenddessen nicht auszuschüttende Betrag in neuer Rechnung als sonstige Verbindlichkeit auszuweisen. 2 7 1 4 . Einzelfragen

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Der Anspruch auf Auszahlung der Dividende ist ein selbständiges Gläubigerrecht. Die Frage ist, ob dieses Recht - vorausgesetzt, der Zahlungsanspruch beruht auf einem wirksamen Gewinnverwendungsbeschluß - unangetastet bestehen bleiben kann, wenn in der Zeit nach dem Bilanzstichtag Verluste eintreten, die den Bilanzgewinn, darüber hinaus den Jahresüberschuß, die anderweitigen Rücklagen und die gesetzlichen Rücklagen sowie einen Teil des Grundkapitals aufzehren. Dazu werden unterschiedliche Ansichten vertreten:

100

Eine Ansicht nimmt an, daß ein Verlust, der nach dem Bilanzstichtag eintrete, den Bilanzgewinn des abgelaufenen Geschäftsjahres nicht ungeschehen machen könne. Der Dividendenanspruch könne daher grundsätzlich nicht berührt werden. Etwas anderes gelte nur dann, wenn Rückstellungen nicht oder zu niedrig angesetzt worden seien (§§ 249, 2 6 6 Abs 3 Β HGB) oder der Verlust im abgelaufenen Geschäftsjahr entstanden sei, sich aber erst zwischen Feststellung des Jahresabschlusses und dem Datum des Gewinnverwendungsbeschlusses herausstelle. 2 7 2 Nach anderer Meinung muß der Jahresabschluß stets dann berichtigt werden, wenn sich der Verlust vor dem Gewinnverwendungsbeschluß zeigt. 2 7 3 Einer weiteren Ansicht zufolge bleibt der Auszahlungsanspruch unberührt, wenn der Verlust nach dem Gewinnverwendungsbeschluß, aber vor der Auszahlung der Dividende eintritt. Trete er vor dem Gewinnverwendungsbeschluß ein, so werde zwar die Regelung 268

Wie hier BGH NJW 1995, 1027, 1028 [zur GmbH]; KK-Koppensteiner2 § 20 Rdn 49; KK-Lutter 2 § 60 Rdn 26; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, § 60 Rdn 31, § 62 Rdn 15; Raiser Kapitalgesellschaften2 (1992), § 52 Rdn 8; Lutter/Hommelboff GmbHG15 S 29 Rdn 39; aA Hüffer4 § 20 Rdn 15 mwN; ders FS Boujong (1996), S 277, 291; Großkomm- Windbichler4 § 20 Rdn 75; Emmerich/Habersack AktienkonzernR, S 20 Rdn 28; Bayer in: MünchKommAktG2 § 20 Rdn 73 ff; Geßler in: Geßler/Hefermehl, § 20 Rdn 84; ders BB 1980, 217, 219: Die AG müsse den für rechtlose Mitgliedschaften vorgesehenen Betrag als eigenen Ertrag verbuchen, da sich die

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Dividende der gewinnbezugsberechtigten Aktionäre nicht anteilig (§ 60) erhöhe; letzteres anzunehmen erscheint rechtstheoretisch jedoch nicht zutreffend. Hüffer4 S 20 Rdn 13, 15. Hüffer4 § 20 Rdn 13, 15; schon zu § 20 Abs 7 aF ebenso Heinsius FS Fischer (1979), S 215, 224 ff. Hüffer4 § 20 Rdn 15; Adler/Düring/ Schmalz6 Vor §§ 15-18 Rdn 25; schon zu § 20 Abs 7 aF ebenso H-P Müller AG 1996, 396, 397. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 130. Großkomm-Barz Vorauf!, Anm 32.

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Verwendung des Jahresüberschusses

§58

des § 57 Abs 3 als Folge der Periodizität der Jahresrechnung formell nicht verletzt, wohl aber in ihrem materiellen Aspekt: Denn mitgliedschaftlich stünden die Aktionäre stets hinter den Gläubigern. Werde der Gewinnverwendungsbeschluß trotz der Verluste gefaßt, sei er gesetzwidrig und damit zumindest anfechtbar. Die Anfechtung müsse der Vorstand vornehmen, der Beschluß dürfe von ihm nicht vollzogen werden. 274 Stellungnahme: Eine Auszahlung darf sicher dann nicht erfolgen, wenn entgegen §§ 249, 266 Abs 3 Β HGB und den GoB erforderliche Rückstellungen überhaupt nicht oder nicht in der gebotenen Höhe vorgenommen worden sind. Denn da in diesem Falle ein Bilanzposten nicht bzw in zu geringer Höhe passiviert worden ist, liegt eine Überbewertung nach § 256 Abs 5 S 2 vor, 275 die zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses und des Gewinnverwendungsbeschlusses führt (§ 253). Der Fall, daß ein Verlust im abgelaufenen Geschäftsjahr aufgetreten ist, sich aber erst nach der Feststellung des Jahresabschlusses herausgestellt hat, ist dem gleichzustellen. Begreift man den Posten Bilanzgewinn (§ 266 Abs 3 A V HGB iVm § 158 Abs 1 S 1 Nr 5) als isolierten Bestandteil des Gesellschaftsvermögens, der aufgrund der in §§ 57 Abs 3, 58 Abs 4 getroffenen Regelung den Aktionären zusteht, ist die von Hefermehl/Bungeroth vertretene Ansicht konsequent, dieser Gewinn könne von negativen, im Folgegeschäftsjahr eintretenden Entwicklungen nicht mehr tangiert werden, gleichgültig, in welchem Zeitpunkt nach dem Bilanzstichtag der Verlust eintrete. 276 Nach der Konzeption des Gesetzes trifft dieser Ausgangspunkt jedoch nicht zu. Allerdings sagt § 57 Abs 3 aus, daß der Bilanzgewinn unter die Aktionäre verteilt werden darf; auch stellt § 58 Abs 4 den Anspruch des Bilanzgewinns lediglich unter den Vorbehalt, daß er nicht nach Gesetz oder Satzung, durch Hauptversammlungsbeschluß oder als zusätzlicher Aufwand aufgrund des Gewinnverwendungsbeschlusses von der Verteilung ausgeschlossen ist. Das heißt aber nicht, daß diese Vorschriften die Verteilung des Bilanzgewinns von dem Verbot der Einlagenrückgewähr freistellen. 277 Vielmehr bezieht sich die Regelung der § § 5 8 Abs 4, 57 Abs 3 nur auf den Vorgang und das Ergebnis der Bilanzfeststellung, ohne den Grundsatz der Kapitalerhaltung für die Gewinnverteilung in Frage zu stellen. Barz27S tut das jedoch mit zwei Erwägungen: (1.) Die Auszahlung eines ordnungsgemäß festgestellten Gewinnanteils könne niemals Rückzahlung einer Einlage sein; (2.) das Aktienrecht kennt keine Schutzvorschrift wie § 30 Abs 1 GmbHG, vielmehr werde der notwendige Schutz der Gläubigerinteressen zur Erhaltung der Vermögenssubstanz durch die weitergehende Vorschrift des § 57 Abs 1 S 1 gewährleistet, die hier aber wegen (1.) nicht eingreife. Beiden Erwägungen kann nicht gefolgt werden. Die erste Überlegung überträgt die formale Regelung der periodischen Gewinnermittlung auf das Gesellschaftsvermögen, isoliert und thesauriert den entsprechenden Betrag und gibt ihn für die Verteilung unter die Aktionäre frei. Halten ließe sich dieses Ergebnis nur, wenn die weitere Überlegung zutreffen würde, daß die Erweiterung der Vermögensbindung, wie sie aus § 57 Abs 3 folgt, als abschließende Regelung zu verstehen sei, die der Auszahlung des Gewinns nicht entgegenstehe, wenn sie aufgrund der nach dem Bilanzstichtag eingetretenen Verluste aus dem gebundenen Vermögen erfolgen müsse. Das trifft jedoch nicht zu. Der Wirkungsbereich des § 57 Abs 1 S 1 geht zwar im Hinblick auf § 57 Abs 3 weiter als der des § 30 Abs 1 GmbHG: Soweit es um die Deckung der Grundkapitalziffer geht, enthält § 57 Abs 1 S 1 den gleichen Vermögensschutz wie § 30 Abs 1 GmbHG; er erfaßt jedoch darüber hinaus auch das weitergehende 274 275

Vgl KK-Lutter 2 Rdn 106. OLG Hamm AG 1992, 233, 2 3 4 ; vgl auch BGHZ 23, 150, 154; Hüffer4 § 2 5 6 Rdn 25.

276

277

278

(257)

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 131 f. So aber die aA von Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 131. Großkomm-Barz Voraufl, Anm 32.

Hartwig Henze

101

§58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Vermögen, weil er Kapital- und gesetzliche Rücklage unter den Auflösungsvorbehalt des § 150 Abs 3 und 4 und die satzungsmäßigen sowie anderen Gewinnrücklagen unter einen - bei entsprechender Satzungsbestimmung - zweckbedingten oder allgemeinen Auflösungsvorbehalt stellt. Das ist eine Verschärfung des Gläubigerschutzes durch abgestufte Bindung weiteren - über die Grundkapitalziffer hinausgehenden - Vermögens, die keine Anhaltspunkte dafür gibt, daß die Erweiterung der Vermögensbindung eine Freistellung des Gewinnbetrages von dieser Bindung bewirkt. Die Lösung muß mE wie folgt aussehen:

102

Tritt ein Verlust zwischen Bilanzstichtag und dem Tag des Beschlusses der Hauptversammlung über die Gewinnverwendung ein, so muß die Hauptversammlung abwägen, ob und in welcher Höhe sie weitere Beträge in die anderen Gewinnrücklagen einstellt (Abs 3), die zur Abdeckung der Verluste im nächsten Geschäftsjahr entnommen werden können (§ 158 Abs 1 S 1 Nr 3 lit d). Dabei wird das Ermessen der Hauptversammlung umso stärker eingeschränkt, je weiter die Verluste das Vermögen der AG aufgezehrt haben. Zehren sie die gesetzliche oder die Kapitalrücklage auf, tritt das Interesse der Gesellschaft zur Rücklagenbildung in den Vordergrund und verdient den Vorzug vor dem Interesse der Aktionäre an der Gewinnausschüttung. Weniger schwer können Gesichtspunkte für die Bildung einer Rücklage wiegen, wenn lediglich satzungsmäßige Rücklagen oder gar nur die anderen Gewinnrücklagen aufgezehrt sind. Ist das zur Deckung der Grundkapitalziffer benötigte Vermögen angegriffen, bleibt der Hauptversammlung im Hinblick auf § 5 7 Abs 1 und 3 gar keine andere Wahl als den Bilanzgewinn in andere Rücklagen einzustellen. Tritt der Verlust erst nach dem Gewinnverwendungsbeschluß auf, steht den Aktionären zwar der Anspruch auf Zahlung des Gewinns als selbständiges Gläubigerrecht zu. 2 7 9 Insoweit trifft es zu, daß den Aktionären der Gewinnanspruch nicht mehr genommen werden kann. Entgegen der h M 2 8 0 können sie, solange der Gewinn aus den Rücklagen iSd § 150 Abs 3 und 4 oder gar aus dem Grundkapital (§ 5 7 Abs 1 S 1) gezahlt werden muß, ihren Anspruch jedoch nicht durchsetzen. Das folgt aus der ihnen gegenüber der AG obliegenden Treupflicht. Es mag sein, daß der Gewinnauszahlungsanspruch ein selbständiges Gläubigerrecht darstellt. M a n kann aber nicht darüber hinwegsehen, daß dieses Recht seine Entstehung dem im Mitgliedschaftsrecht verhafteten Gewinnrecht verdankt. Insofern unterscheidet es sich qualitativ von dem Gläubigerrecht, das durch außergesellschaftliche Verträge gegründet worden ist. Man mag dem Gesellschafter bei der kapitalistisch strukturierten Kapitalgesellschaft - im Gegensatz zu dem der personalistisch gestalteten oder gar dem Gesellschafter einer Personengesellschaft nicht zumuten, unter Treupflichtgesichtspunkten gesellschafterliche Rücksichten auf die Durchsetzung einer Gläubigerforderung aus einem Austauschvertrag (oä) zu nehmen. Diese Einschränkung kann aber nicht für ein Gläubigerrecht gelten, das aus dem Mitgliedschaftsrecht hervorgegangen ist. 103

Die Körperschaftsteuergutschrift ist keine Gewinnausschüttung im Sinne des Gesetzes. Weder die von der Gesellschaft auf die Ausschüttungsbeträge zu zahlende Körperschaftsteuer noch der Betrag, der auf die Einkommensteuer der Aktionäre nach § 36 Abs 2 Nr 3 EStG angerechnet wird, sind Teil des Bilanzgewinns. 281 Zwar handelt es sich wirt279

280

KK-Lutter2

Rdn 1 0 5 ; Hefermehl/Bungeroth

281

LG Köln AG 1 9 8 1 , 81, 8 2 ;

Hefermehl/

in: Geßler/Hefermehl, Rdn 131, 132.

Bungeroth

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 131, 132; KK-Lutter1 Rdn 1 0 5 ; Baumb a c h / H u e c k 1 3 Rdn 2 0 ; Großkomm-Barz Vorauf], Anm 3 2 .

Soweit die konkret gezahlte Körperschaftsteuer „zusätzlichen Aufwand" iSv SS 5 8 Abs 4 , 1 7 4 Abs 2 N r 5 darstellt, wird allerdings zumindest die Körperschaftsteuer

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

in: Geßler/Hefermehl, Rdn 139:

(258)

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

schaftlich bei der Körperschaftsteuer, die bei der Kapitalgesellschaft auf die ausgeschütteten Gewinne erhoben wird, um eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer der unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner. 2 8 2 Rechtlich geht es jedoch um eine eigene Steuerschuld der Körperschaft. Im Anrechnungsverfahren werden dem Einkommensteuerpflichtigen also Steuern eines anderen angerechnet oder vergütet. 2 8 3 Gegen eine Qualifikation der Körperschaftsteuergutschrift als Gewinnausschüttung spricht ferner, daß nicht alle Aktionäre am Anrechnungsverfahren beteiligt sind (vgl § 36 Abs 2 S 2 Nr 3, S 4 lit a - g EStG). Etwas anderes gilt für die Kapitalertragsteuer; hier handelt es sich um einen Teil der Dividende, die lediglich aufgrund gesetzlicher Regelung nicht an die Aktionäre, sondern unmittelbar an den Fiskus ausgekehrt wird. 2 8 4 Auf die Ausschüttung an die Anteilseigner wird nach § 4 3 Abs 1 Nr 1 EStG eine Kapitalertragsteuer erhoben. Steuerschuldner ist der Aktionär; die Gesellschaft oder das die Dividende auszahlende Kreditinstitut haben jedoch nach § 4 4 Abs 1 S 3 und 4 EStG für Rechnung des Aktionärs die Kapitalertragsteuer abzuziehen und an das Finanzamt abzuführen. Der Aktionär kann sich die Steuer auf seine Einkommensteuer nach § 36 Abs 2 Nr 2 EStG anrechnen lassen. Die Kapitalertragsteuer ist damit praktisch eine im Wege des Steuerabzugs erhobene Vorauszahlung auf die Einkommensteuer der Aktionäre.

104

5. Formen urkundlicher Verbriefung a) Dividendenschein (Coupon), aa) Inhalt des Dividendenscheins. Die AktiengesellSchäften können über den Anspruch auf den Bilanzgewinn ein Wertpapier ausstellen, den sog Dividendenschein (Gewinnanteilschein). 2 8 5 Eine gesetzliche Verpflichtung zur Ausgabe eines solchen Scheines besteht allerdings ebensowenig wie ein allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Anspruch auf die Ausgabe von Dividendenscheinen. 286 Die Satzung bestimmt, ob derartige Gewinnanteilscheine ausgegeben werden. Soweit die Satzung keine Regelung trifft, ist diese aufgrund der Üblichkeit von Gewinnscheinen allerdings nach hM dahingehend auszulegen, daß die Aktionäre die Ausgabe solcher Scheine verlangen k ö n n e n . 2 8 7

105

Der Dividendenschein (Coupon) ist ein aktienrechtliches Nebenpapier. 2 8 8 Er ist echtes Wertpapier und verbrieft - ähnlich wie die Aktie die Mitgliedschaft des Aktionärs - den konkreten Dividendenzahlungsanspruch. 2 8 9 Die Dividendenscheine werden - auch bei Namensaktien - als Inhaberpapiere ausgestellt und regelmäßig als Zusammendruck von mehreren, durch Nummern gekennzeichneten Scheinen (sog Bogen) mit dem Erneuerungsschein (sog Talon; Rdn 114) und der Aktie (sog Mantel) ausgegeben. 2 9 0 Sie sind in der Regel numeriert und können daher auch für ein Bezugsrecht im Rahmen einer Kapitalerhöhung genutzt werden. 2 9 1

106

schuld der Gesellschaft insoweit aus dem Bilanzgewinn erfüllt. 2 8 2 Vgl BGHZ 84, 303; BFH BB 1982, 414, 415. 2 8 3 BFH BStBl II 1987, 179; BGH DStR 1995, 574. 284 Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 141. 28J Vgl zudem Wiesner in: MünchHdb GesR2 (1999), Bd 4 [AG], § 12 Rdn 27 ff. 286 Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 142; Großkomm-Barj Voraufl, Anm 35; ν Godin/Wilhelmi* Anm 12.

(259)

287

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289 290 291

KK-Lutter1 Rdn 118; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 142; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 35. KK-Lutter1 Rdn 115; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 147. Hüffer4 Rdn 29; KK-Lutter 2 Rdn 115 f. Hüffer4 Rdn 29. KK-Lutter 2 Rdn 119; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 143.

Hartwig Henze

§58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

107

Da Dividendenscheine echte Inhaberpapiere sind, gelten für sie grundsätzlich die §§ 7 9 3 ff BGB; die Ausübung des Rechtes hängt damit von dem Besitz des Papiers ab. Sofern die Gesellschaft nicht die Nichtberechtigung des Inhabers der Gewinnanteilscheine beweist, kann dieser die Leistung beanspruchen (§ 7 9 3 Abs 1 S 1 BGB). Die Gesellschaft braucht grundsätzlich nur an den Inhaber gegen Aushändigung des Scheins zu leisten (§ 7 9 7 S 1 BGB). Sie wird aber auch durch Leistung an einen Nichtberechtigten, der im Besitz des Dividendenscheines ist, frei (§ 7 9 3 Abs 1 S 2 BGB). Das gilt allerdings dann nicht, wenn die Gesellschaft die fehlende Berechtigung des Inhabers kennt und diese unschwer beweisen k a n n . 2 9 2

108

§ 8 0 4 Abs 1 B G B lockert die Bindung der Rechtsausübung an den Gewinnanteilscheinen, wenn der Schein abhandengekommen oder vernichtet ist und der bisherige Inhaber dies der Gesellschaft vor dem Ablauf der Vorlegungsfrist angezeigt hat. Die rechtzeitige Anzeige bewirkt nach § 8 0 1 Abs 1 BGB, daß der bisherige Inhaber nach Ablauf der Frist von der Gesellschaft Zahlung verlangen kann. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die Anwendung des § 8 0 4 Abs 1 durch eine Bestimmung nach § 8 0 4 Abs 2 B G B ausgeschlossen ist oder vor Ablauf der Frist ein neuer Inhaber des Scheins diesen der Gesellschaft vorgelegt oder den Anspruch gerichtlich geltend gemacht hat (§ 8 0 4 Abs 1 S 2 BGB).

109

Da die Höhe der Dividende von dem jeweiligen Bilanzgewinn und dem Gewinnverwendungsbeschluß abhängig ist, lauten Dividendenscheine - anders als Zinsscheine nicht auf einen bestimmten Betrag oder ein bestimmtes Fälligkeitsdatum. Bis zum Aufruf der bestimmten Dividendenscheine durch die Gesellschaft verkörpert der Schein lediglich die Anwartschaft auf eine künftige oder aufschiebend bedingte Forderung. 2 9 3 Die Vorschrift des § 8 0 3 Abs 1 B G B , dergemäß die Scheine in Kraft bleiben, auch wenn die Hauptforderung erlischt oder die Verpflichtung zur Verzinsung aufgehoben oder geändert wird, ist auf Dividendenscheine und Erneuerungsscheine nicht anwendbar. 2 9 4

110

bb) Übertragung. Für die auf den Inhaber lautenden Gewinnanteilscheine folgt - wie bei allen Inhaberpapieren - das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier, dh der Dividendenanspruch folgt dem Eigentum am Gewinnanteilschein. 295 Hinsichtlich der Übertragung gelten die §§ 9 2 9 ff BGB, insbesondere die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb nach §§ 9 3 2 , 933, 9 3 6 B G B und §§ 3 6 6 , 3 6 7 H G B . Für den Dividendenschein gilt insbesondere auch § 9 3 5 Abs 2 BGB, so daß ein Abhandenkommen des Scheins einen gutgläubigen Erwerb nicht hindert. Nach § 3 6 7 H G B ist ein gutgläubiger Erwerb durch Kaufleute, die Bankier- und Geldwechslergeschäfte betreiben, ausgeschlossen, wenn zur Zeit der Veräußerung der Verlust des Papieres im Bundesanzeiger bekanntgemacht worden war und seit dem Ablauf des Jahres, in dem die Veröffentlichung erfolgt ist, nicht mehr als ein Jahr verstrichen ist. Das gilt nach § 3 6 7 Abs 3 H G B nur dann, wenn der Gewinnanteilschein erst nach dem nächsten auf den Erwerbszeitpunkt folgenden Zahlungstermin fällig wird.

111

Der Gewinnanteilschein ist selbständig ohne die Aktie veräußerlich. 2 9 6 Auch die Aktie kann ohne ihn veräußert werden. In diesem Fall geht mit dem Eigentum an der Aktie nicht automatisch das Eigentum am Gewinnanteilschein über. 2 9 7 Insofern bedarf 292

293

294

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 148; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 36. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 146. Vgl Hüffer4 Rdn 29; KK-Lutter2 Rdn 116.

295

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297

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 151. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 153 f. Großkomm-Barz Voraufl, Anm 37 f.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(260)

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

es auch hinsichtlich des Gewinnanteilscheins der Einigung und Übergabe gem §§ 929 ff BGB. Es ist eine Frage der Auslegung des schuldrechtlichen Rechtsgeschäftes, ob das Geschäft über die Aktie sich auch auf den Gewinnanteilschein erstrecken soll. § 314 BGB ist hier nicht anzuwenden, da der Gewinnanteilschein kein Zubehör der Aktie ist. 298 Trotzdem wird sich ein obligatorisches Geschäft über eine Aktie nach der Verkehrssitte in der Regel jedenfalls auf die noch nicht fälligen Dividendenscheine erstrecken. 299 cc) Einwendungen der Gesellschaft. Die Einwendungen der AG gegen den Anspruch aus dem Dividendenschein richten sich nach § 796 BGB sowie zusätzlich nach dem Inhalt der Mitgliedschaft als Hauptrecht. 3 0 0 Nach § 796 BGB kann der Aussteller dem Inhaber der Schuldverschreibung nur solche Einwendungen entgegensetzen, welche die Gültigkeit der Ausstellung betreffen, sich aus der Urkunde ergeben oder dem Aussteller unmittelbar gegen den Inhaber zustehen. Darüber hinaus muß sich der Inhaber auch solche Einwendungen entgegen halten lassen, die sich aus dem mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnis ergeben. 301 Dazu gehören der Einwand der Kraftloserklärung 3 0 2 vor Fälligkeit (§ 72), der Einwand der vor dem Verteilungsbeschluß erfolgten Kaduzierung (§ 64) oder der Einwand der Einziehung der Aktie nach § 237 f. 3 0 3

112

dd) Aufhebung. Ein Aufgebot des Dividendenscheins zwecks Kraftloserklärung ist 1 1 3 nach $ 799 Abs 1 S 2 BGB nicht möglich. 304 Allerdings erlischt mit der Kraftloserklärung der Aktienurkunde nach § 72 Abs 2 auch der Anspruch aus den noch nicht fälligen Gewinnanteilscheinen, soweit diese auf den Inhaber lauten. Der Anspruch aus dem Dividendenschein erlischt mit Ablauf der Vorlegungsfrist. 305 Dauer und Beginn der Vorlegungsfrist richten sich nach § 801 Abs 2 BGB, sofern nicht der Anteilschein etwas anders bestimmt (vgl § 801 Abs 3 BGB). Wird der Gewinnanteilschein vor Ablauf der Vorlegungsfrist vorgelegt oder der Dividendenanspruch gerichtlich geltend gemacht, so verjährt der Anspruch in zwei Jahren von dem Ende der Vorlegungsfrist an (§ 801 Abs 1 S 2 und S 3 BGB). b) Erneuerungsschein (Talon). Der Bogen (Rdn 106) enthält im allgemeinen auch einen sog Erneuerungsschein (Talon).306 Dieser ermächtigt den Inhaber zur Entgegennahme eines neuen Bogens mit Dividendenscheinen. 307 Der eigentliche Anspruch auf Ausgabe neuer Dividendenscheine folgt allerdings aus der Aktie selbst. Der Erneuerungsschein ist damit kein echtes Wertpapier, sondern einfaches Legitimationspapier. 308 Die AG kann gegen Vorlage des Erneuerungsscheines einen neuen Bogen ausgeben, ohne die 298

299

300

301

302

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 156; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 38. KK-Lutter2 Rdn 117; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 156. Hüffer4 Rdn 29; KK-Lutter 1 Rdn 121 ff; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 157 ff. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 158; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 36. Dazu Wiesner in: M ü n c h H d b GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 12 Rdn 32 ff.

(261)

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Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 159; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 36. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 161; ν G o d i n / W i l h e l m i 4 Anm 12. KK-Lutter1 Rdn 110; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 34; ν G o d i n / W i l h e l m i 4 Anm 12. Vgl zudem Wiesner in: MünchHdb GesR 2 (1999), Bd 4 [AG], § 12 Rdn 3 0 f. Vgl KK-Lutter 1 Rdn 133; Hefermehl/ Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 163. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 164 f.

Hartwig Henze

114

§ 58

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Berechtigung des Inhabers prüfen zu müssen. Ein Recht auf Auslegung des neuen Bogens hat der Inhaber des Erneuerungsscheins jedoch nicht. Das ergibt sich aus § 75, nach dem neue Gewinnanteilscheine an den Inhaber des Erneuerungsscheines nicht ausgegeben werden dürfen, wenn der Besitzer der Aktie oder des Zwischenscheines widerspricht. Der Anspruch auf neue Gewinnanteilscheine ist demnach in der Aktienurkunde verkörpert. Er ist Bestandteil des mitgliedschaftlichen Rechtes und geht mit diesem auf den Erwerber einer Aktie über. 3 0 9 Mit dem Eigentum der Aktie wird automatisch, ohne daß es einer besonderen Einigung und Übergabe bedarf, gem § 9 5 2 B G B auch das Eigentum an dem Erneuerungsschein erworben. 3 1 0 Der Erneuerungsschein kann nicht selbständig übertragen oder mit einem dinglichen Recht belastet werden. 3 1 1 Fallen allerdings Besitz an der Aktie und Inhaberschaft an dem Erneuerungsschein auseinander, dann gilt die Vorschrift des § 75. O b die Coupons an den Inhaber des Erneuerungsscheins abzuliefern sind, hängt davon ab, ob der Besitzer der Haupturkunde widerspricht, sofern der Inhaber die Haupturkunde nicht vorlegt. 3 1 2 Mit der Kraftloserklärung der Aktienurkunde verliert auch der Talon seine Bedeutung; er selbst kann nicht für kraftlos erklärt werden. 3 1 3

VIII. Rechtsfolge von Verstößen gegen § 58 115

Hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Verstößen gegen § 58 ist zu unterscheiden, ob es sich um Verstöße gegen die Vorschriften über die Verwendung des Jahresüberschusses (Abs 1, 2 und 2a) oder über die Verwendung des Bilanzgewinns (Abs 3 und 4) handelt. 1. Abs 1, 2 und 2 a

116

Gem § 2 5 6 Abs 1 Nr 4 ist ein festgestellter Jahresabschluß nichtig, wenn die Bestimmungen des Gesetzes oder der Satzung über die Einstellung von Beträgen in Kapitaloder Gewinnrücklagen bei seiner Feststellung verletzt worden sind. Zu diesen in § 2 5 6 Abs 1 Nr 4 angesprochenen Normen gehören auch die Abs 1, 2 und 2 a . Ein Verstoß gegen Abs 1 - zB die Nichteinhaltung der Vorgaben einer Verpflichtung nach der Satzung durch die Hauptversammlung oder die Rücklagendotierung durch die Hauptversammlung ohne Satzungsermächtigung bei der Feststellung des Jahresabschlusses bewirkt gem § 2 5 6 Abs 1 Nr 4 die Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses. 3 1 4 Fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit einer Satzungsklausel nach Abs 1, so ist die entsprechende Klausel nichtig und damit unanwendbar. Ein darauf beruhender Beschluß der Hauptversammlung ist genauso nichtig wie wenn die Satzung überhaupt keine Regelung zur Dotierung der anderen Gewinnrücklagen trifft, die Hauptversammlung aber gleichwohl einen entsprechenden Beschluß faßt. Auch ein Verstoß gegen Abs 2 , etwa die überhöhte Dotierung der Rücklagen durch die Verwaltung, zieht die Nichtigkeitsfolge nach sich. 3 1 i Eine Heilung von entsprechenden Verstößen tritt nach § 2 5 6 Abs 6 mit Ablauf von sechs Monaten seit der Bekanntmachung des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger ein.

309

310 311 312

Hefermehl/Bungeroth Rdn 167. Hefermehl/Bungeroth Hefermehl/Bungeroth Hüffer4 § 75 Rdn 2, Rdn 133 f.

in: Geßler/Hefermehl,

313 314

aaO. aaO. 3; KK-Lutter 1

315

Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 39. Hüffer4 Rdn 6 und § 256 Rdn 15; KKLutter2 Rdn 64; Großkomm-fWz Voraufl, Anm 19. Vgl ΚK-Lutter 1 Rdn 37; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 19.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(262)

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

2. Abs 3 und 4 Gewinnverwendungsbeschlüsse sind nichtig, wenn die Bindung an den festgestellten Jahresabschluß mißachtet wird. Ansonsten führen Verstöße gegen Abs 3 oder gegen die Satzung zur Anfechtbarkeit nach § 243 Abs 1 und § 254 Abs 1 S 1. Ein Beschluß der Hauptversammlung, der unter Verstoß gegen Abs 3 S 2 gefaßt wird, ist wegen des darin liegenden Verstoßes gegen Gesetz oder Satzung anfechtbar. 316 Auch eine übermäßige Rücklagenbildung oder ein nicht gerechtfertigter Gewinnvortrag kann die Anfechtbarkeit nach § 254 begründen.

117

Bei der Gewinnverteilung führen Verstöße gegen Abs 4 in aller Regel zur Anfechtbarkeit nach § 254, wenn eine übermäßige Rücklagenbildung die mitgliedschaftlichen Dividendenrechte beeinträchtigt. I X . Parallelbetrachtung zur KGaA und G m b H 1. Die Gewinnverwendung bei der KGaA Für die Rücklagenbildung sind in den §§ 278 ff keine besonderen Regelungen für die KGaA bei der Feststellung des Jahresabschlusses enthalten. 317 Gem § 278 Abs 3 gilt daher grundsätzlich die Regelung des § 58 für die KGaA sinngemäß. Aus den Besonderheiten der KGaA ergeben sich jedoch zum Teil Einschränkungen für die Anwendbarkeit des § 58. 3 1 8 Der wesentliche Unterschied zwischen der KGaA und der AG besteht - für die Anwendung des § 58 - in der Feststellung des Jahresabschlusses. Hier gilt für die KGaA ein eigenständiges Verfahren. Jahresabschluß, Lagebericht und der Vorschlag für die Gewinnverwendung werden zunächst nach § 283 Nr 9 iVm §§ 242, 264 Abs 1, 290 Abs 1 HGB von den Komplementären der KGaA als deren gesetzliche Vertreter (§ 278 Abs 2 iVm §§ 161 Abs 2, 125 HGB) aufgestellt, soweit sie nicht durch Satzung ihrer Vertreter· und Geschäftsführerposition enthoben sind. 319 Zur Unterzeichnung der Aufstellung (§§ 264 Abs 1 S 1, 245 S 2 HGB) sind dabei diejenigen Personen berufen, die zum Zeitpunkt der Aufstellung die Komplementäre sind, unabhängig davon, wer zum Bilanzstichtag Komplementär war. 3 2 0

118

Anders als bei der AG verlangt hinsichtlich der Feststellung § 2 8 6 Abs 1 S 1 bei der KGaA zwingend einen Beschluß der Hauptversammlung. Dieser Beschluß bedarf aber nach § 286 Abs 1 S 2 zur Wirksamkeit der Zustimmung aller Komplementäre, soweit die Satzung nichts anderes vorsieht. 321 Besonderheiten ergeben sich auch aus § 286 Abs 2 hinsichtlich des bilanziellen Ausweises der Kapitalanteile der Komplementäre. Diese Kapitalanteile sind - zum Zwecke des Gläubigerschutzes - auf der Passivseite der Bilanz auszuweisende Rechnungsposten, die dem Wert der geleisteten und aktivierten Einlage in ihrem jeweiligen Stand entsprechen. 322 Sie sind nach dem Posten bezeichnetes Kapital' in der Bilanz gesondert auszuweisen. 323

119

316

KK-Lutter2

Rdn 7 7 ; vgl auch Großkomm-

Barz Voraufl, Anm 26.

Z u den Besonderheiten im Jahresabschluß einer KGaA Sethe DB 1 9 9 8 , 1 0 4 4 , 1 0 4 5 ff mwN.

318

Adler/Düring/Schmaltz6

321

der KGaA ( 1 9 9 9 ) , S 2 1 9 ; Sethe DB 1 9 9 8 , 1044 mwN.

Vgl Hüffer4 § 286 Rdn 1 mwN; Adler/ Düring/Schmaltz6 S 286 Rdn 18 ff. Str ist die Rechtslage, falls keine Einigung herbeigeführt werden kann.

Rdn 69; vgl auch

Werther AG 1966, 305. Hüffer4 § 283 Rdn 1; Schlitt Die Satzung

(263)

Budde/Karig in: BeckBil-Komm4, § 264 Rdn 14.

317

319

320

322

Vgl Hüffer4 § 286 Rdn 2.

323

Näher dazu und zu den übrigen Besonderheiten der Bilanz Sethe DB 1 9 9 8 , 1 0 4 4 , 1 0 4 6 ff m w N .

Hartwig Henze

§58 120

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Diese Art der Feststellung des Jahresabschlusses bei der KGaA erfüllt die Voraussetzungen von § 5 8 Abs 1 bzw Abs 2 nicht: 3 2 4 Für Abs 1 fehlt es an der Feststellung des Jahresabschlusses durch allein die Hauptversammlung; es müssen die Komplementäre mitwirken. Abs 2 ist nicht erfüllt, weil der Aufsichtsrat unbeteiligt ist. Aufgrund dieser Unterschiede ist streitig, ob und inwieweit § 58 nach § 2 7 8 Abs 3 sinngemäß auf die KGaA angewendet werden kann. Gegen eine Anwendbarkeit von Abs 1 auf die KGaA spricht, daß diese Vorschrift aufgrund ihrer Starrheit als Alternativregelung für seltene Ausnahmefälle gedacht ist. Für die KGaA, bei der die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung der ausnahmslos geltende Grundfall ist, paßt die Vorschrift daher nicht. 3 2 5 Nach richtiger Auffassung ist freilich immerhin Abs 2 , der für die AG auf den Normalfall der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Verwaltung zugeschnitten ist, auf die KGaA sinngemäß anzuwenden. 3 2 6 Das gilt vor allem, weil bei der KGaA der Jahresabschluß nicht ohne Mitwirkung der Komplementäre festgestellt werden kann, die die Stelle des Vorstandes einnehmen. 3 2 7 Der Vorschlag, Abs 1 ohne Verpflichtung zur Rücklagendotierung anzuwenden, 3 2 8 ist demgegenüber nicht vorzugswürdig.

121

Auf der Grundlage des festgestellten Jahresabschlusses faßt gem § 2 7 8 Abs 3 iVm § 174 die Hauptversammlung den Gewinnverwendungsbeschluß über den an die Kommanditaktionäre als Gewinn auszuschüttenden Betrag. Die Komplementäre wirken bei dieser Beschlußfassung nicht m i t , 3 2 9 es sei denn, sie sind satzungsmäßig zur Zustimmung berufen. 3 3 0 Außerdem entscheidet die Hauptversammlung über die weiteren, nach § 2 7 8 Abs 3 iVm § 58 Abs 3 S 1 aus dem Bilanzgewinn in die Gewinnrücklagen einzustellenden Beträge. 2. Die Gewinnverwendung im Recht der G m b H

122

Die Gewinnverwendung bei der G m b H unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von derjenigen in einer AG. Bei der GmbH gehört - vorbehaltlich anderer Satzungsregelungen 331 (§ 4 5 Abs 2 GmbHG) - die Feststellung des Jahresabschlusses und der Beschluß über die Verwendung des Ergebnisses zu den Zuständigkeiten der Gesellschafter (§§ 4 6 Nr 1, 4 2 a Abs 2 G m b H G ) . 3 3 2 Der Feststellung des Jahresabschlusses geht dessen Aufstellung durch die Geschäftsführer voraus (§§ 2 6 4 H G B , 35 Abs 1 GmbHG). Der Jahresabschluß ist ggf durch einen Abschlußprüfer und den Aufsichtsrat zu prüfen (§§ 316 ff HGB; § 4 2 a Abs 2 S 3 GmbHG). Der aufgestellte Abschluß ist gem § 4 2 a Abs 1 S 1 G m b H G den Gesellschaftern unverzüglich zur Feststellung vorzulegen. Die Gesellschafter stellen den Jahresabschluß fest, wobei ein Beschluß mit einfacher Mehrheit erforderlich, aber auch ausreichend ist (§§ 4 7 Abs 1, 4 5 Abs 2 G m b H G ) . 3 3 3 Bei dem Beschluß sind die Gesellschafter nicht an die von den Geschäftsführern vorgelegte

324 325

326 327

328 329

Adler/Düring/Schmaltz6 Rdn 70 f. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 61; vgl zum ganzen auch Werther AG 1966, 305. Sethe DB 1998, 1044 f mwN. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 61. So KK-Mertens § 286 Rdn 5. Förschle/Kofahl in: BeckBil-Komm4, § 272 Rdn 128; Clemm/Jensen ebd, Vor § 325 Rdn 98.

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KK-Mertens § 286 Rdn 6; Semler in: Geßler/Hefermehl, § 286 Rdn 44; Sethe Die personalistische Kapitalgesellschaft (1996), S 126, 187. Dazu Ahrenkiel in: BeckHdb GmbH2 (1999), § 10 Rdn 103 ff. Lutter/Hommelhoff GmbHG15 § 46 Rdn 3; Scholz/K Schmidt GmbHG8 § 46 Rdn 6. Vgl auch Förschle/Kofahl in: BeckBilKomm4, § 272 Rdn 106.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(264)

Verwendung des Jahresüberschusses

§58

Fassung des Jahresabschlusses gebunden; sie können vielmehr im Rahmen der GoB den Jahresabschluß nach freiem Ermessen umgestalten.334 Gem § 46 Nr 1 GmbHG obliegt auch die - begrifflich vom Beschluß über die FestStellung des Jahresabschlusses zu trennende - Entscheidung über die Gewinnverwendung grundsätzlich der Gesellschafterversammlung. In praxi werden die Abschlußfeststellung und die Entscheidung über die Ergebnisverwendung regelmäßig verbunden.335 Ein Beschluß über die Ergebnisverwendung wird vielfach die Abschlußfeststellung konkludent enthalten. 336 Die Gesellschafterversammlung kann, soweit der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, im Gewinnverwendungsbeschluß beliebig Beträge in Gewinnrücklagen einstellen oder einen Gewinnvortrag beschließen (§ 29 Abs 2 GmbHG). Ob der Gesellschaftsvertrag in dieser Richtung anderes vorsieht, unterliegt für die GmbH, im Unterschied zur aktienrechtlichen Regelung in § 23 Abs 5, der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter: Über die Rücklagenbildung ebenso wie über die Verwendung des nicht zu thesaurierenden Gewinns kann die Satzung frei bestimmen. Eine den §§ 150, 300 entsprechende Thesaurierungspflicht gibt es nicht. Auch ein Schutz, wie ihn ein Aktionär über § 254 erfährt, normiert das GmbHG nicht ausdrücklich. Denkbar ist indes, einen Minderheitenschutz diesbezüglich über die Treupflicht und, bei Verletzung derselben, durch die Gewährung einer Anfechtungsmöglichkeit (analog § 243) zu verwirklichen.337

123

Schließlich existiert im GmbH-Recht keine zu § 58 Abs 2 vergleichbare Möglichkeit der Verwaltung zur Rücklagenbildung. Dagegen findet sich als Parallele zu § 58 Abs 2a die Vorschrift des § 29 Abs 4 GmbHG. Die §§ 268 Abs 1 HGB, 29 Abs 1 S 2 GmbHG ermöglichen die Aufstellung der Bilanz unter Berücksichtigung einer vollständigen oder teilweisen Ergebnisverwendung. Erst mit dem Beschluß über die Ergebnisverwendung entsteht ein unbedingtes und klagbares Forderungsrecht im Sinne eines konkreten Anspruches des Gesellschafters gegen die Gesellschaft auf Gewinnzahlung.338 Die Höhe dieses Anspruches richtet sich nach § 29 Abs 3 GmbHG, dessen S 1 und 2 Parallelität zu § 60 Abs 1 und 3 aufweisen. § 60 Abs 2 ist im Rahmen von § 29 Abs 3 S 1 GmbHG nicht analog anzuwenden.339 (siehe beginnend auf der folgenden Seite die Rdn 125 f f als Kommentierungsnachtrag § 58 Abs 5 nF)

334

335 336 337

(1)

Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 § 4 6 Rdn 4. Scholz/K Schmidt GmbHG 8 § 4 6 Rdn 10. Scholz/K Schmidt GmbHG 8 § 46 Rdn 17. Siehe OLG Hamm DB 1991, 2 4 7 7 f; Roth/Altmeppen GmbHG 3 § 2 9 Rdn 18 f;

338 339

zu

Ahrenkiel in: BeckHdb GmbH 2 (1999), § 10 Rdn 71 ff; vgl auch Lutter/Hommelhoff GmbHG 1 5 § 2 9 Rdn 2 5 ff; Scholz/Emmerich GmbHG 9 § 2 9 Rdn 70 f. Scholz/K Schmidt GmbHG 8 S 4 6 Rdn 26. Scholz /Emmerich GmbHG 9 § 2 9 Rdn 76.

Hartwig Henze

124

§ 58 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

§ 58 Abs 5 * (l)-(4) [...] ( 5 ) Sofern die Satzung dies vorsieht, k a n n die H a u p t v e r s a m m l u n g a u c h eine Sachausschüttung beschließen. Übersicht Rdn I. Einführung 1. Gesetzesgeschichte 2. Frühere Rechtslage 3. Europäisches Recht 4. Praktische Bedeutung; mögliche Vorteile; Rechtstatsächliches 5. Sachdividende in der GmbH 6. Sachdividende in der SE Π. Sachdividendenähnliche Vorgänge; Vergleich mit verwandten Erscheinungsformen

125 129 132 133 136 137 V.

1. Sachleistung auf den Gewinnzahlungsanspruch an Erfüllungs statt 2. Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln 3. Kapitalherabsetzung mit Sachausschüttung 4. Einziehung von Aktien gegen Sachleistung 5. Abspaltung (§ 123 Abs 2 UmwG) . . 1Π. Regelungsgegenstand und Normzweck von Abs 5 IV. Voraussetzungen für die Gewährung einer Sachdividende 1. Satzungsregelung a) Ermächtigungserfordernis b) Mehrheitserfordernis c) Formulierung; Reichweite d) Inhaltskontrolle e) Wirksamkeitszeitpunkt 2. Hauptversammlungsbeschluss . . . . a) Beschlusserfordernis b) Mehrheitserfordernis c) Beschlussinhalt d) Beschlussvorschlag e) Rechtsfolge des Beschlusses . . . . f) Maximales Ausschüttungsvolumen g) Vorabausschüttung 3. Ausschüttungsfähige Gegenstände . . a) Begriff der „Sache" b) Formelle Grenze c) Materielle Grenze d) Praktische Grenze 4. Kompetenz zur Konkretisierung des Dividendengegenstandes im Konflikt zwischen Vorstands- und Hauptversammlungszuständigkeit

138 139 141 143 145 VI. 147

151 151 152 153 154 155 157 157 158 161 162 163 166 167 168 168 170 171 173

VII.

Vin.

IX. X.

a) Problemstellung b) Meinungsstand/Stellungnahme 5. Gleichbehandlung der Aktionäre a) Gleichmäßige Gewinnteilhabe b) Formale Gleichbehandlung . c) Materielle Gleichbehandlung d) Sondervorteil durch Kontrollverschaffung? 6. Zulässigkeit einer Mischdividende . . Schutz der Aktionäre gegen Sachdividenden 1. Inhaltskontrolle des Ermächtigungsund/oder Ausschüttungsbeschlusses . a) Motive des Gesetzgebers b) Kritik und Stellungnahme aa) Ermächtigungsbeschluss . . . bb) Ausschüttungsbeschluss . . . . 2. Minderheitenschutz nach § 2 5 4 Abs 1 3. Sonderbeschluss bei Vorzugsaktien (§ 141 Abs 1 und 3) Bewertung des Gegenstandes der Sachdividende 1. Bewertung im Jahresabschluss/ Gewinnverwendungsbeschluss . . . . a) Bewertungsnotwendigkeit b) Verkehrswert versus Buchwert . . 2. Sonstige Bewertungsfälle a) Dividendenvorzug b) Dividendenabhängige Ansprüche . c) Wert der Sachdividende iRv § 2 5 4 Abs 1 Rechtsfolge einer Sachausschüttung ohne oder außerhalb der Ermächtigung (Verstoß gegen Abs 5) Leistungsstörungen/Mängelgewährleistung 1. Unmöglichkeit 2. Verzug 3. Sach- und Rechtsmängel a) Analogie zu § 365 B G B b) Entsprechende Geltung von § 437 BGB c) Gewährleistungsausschluss . . . . d) Kein Verbraucherschutz Ausländisches Recht Hinweis zum Steuerrecht

Rdn 174 176 178 178 179 180 181 182

185 185 186 187 189 191 192

196 196 197 205 205 206 207

208

209 214 215 216 217 218 219 220 221

174

§ 5 8 wurde seit dem Erscheinen der Kommentierung der Absätze 1 bis 4 (Henze Stand: 1.3.2000) durch das Transparenz- und Publizi-

tätsgesetz vom 19.7.2002 geändert (BGBl I, S 2681), indem u a Absatz 5 angefügt wurde. Die bisherige Erläuterung der „Sachdividende"

Stand: 18. 5. 2 0 0 8

(2)

Verwendung des Jahresüberschusses

§ 58 Abs 5

Schrifttum Baums Bericht der Regierungskommission Corporate Governance (2001); BDI/BDA/BdB/ DIHK/GDV Gemeinsame Stellungnahme vom 11.1.2002 zum Referentenentwurf eines Transparenzund Publizitätsgesetzes [www.bda-online.de/www/bdaonline.nsf/id/TransPuG/$file/TransPuG.pdf]; Bosse TransPuG: Änderungen zu den Berichtspflichten des Vorstands und zur Aufsichtsratstätigkeit Weitere Änderungen zur Gründungsprüfung und Kapitalbildung, DB 2 0 0 2 , 1592; DAI Stellungnahme vom 11.2.2002 zum Entwurf eines Transparenz- und Publizitätsgesetzes [www.dai.de/internet/ dai/dai-2-0.nsf/dai_publikationen.htm]; DAV-Handelsrechtsausschuss Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Transparenz- und Publizitätsgesetzes, N Z G 2 0 0 2 , 115; Ebke Wenn Tochtergesellschaften an die Börse gehen, F.A.Z. vom 2.5.2001 (Nr 101) S 50; Fleischer Börseneinführung von Tochtergesellschaften, Z H R 165 (2001) 513; Forstmoser Sachausschüttungen im Gesellschaftsrecht, in: FS Keller (1989) S 701; Grage Notarrelevante Regelungen des Transparenz- und Publizitätsgesetzes im Überblick, R N o t Z 2 0 0 2 , 326; Grund Sachdividenden bei Aktiengesellschaften (2006); Häger/ Forst Ausschüttung in Form der Sachdividende - Probleme bei der Verwendung von Tochtergesellschafts-Anteilen, EStB 2 0 0 2 , 335; Hasselbach /Wicke Sachausschüttungen im Aktienrecht, N Z G 2001, 599; Heine/Lechner Die unentgeltliche Auskehrung von Sachwerten bei börsennotierten Aktiengesellschaften, AG 2005, 2 6 9 ; ders/ders Die umwandlungsrechtliche Sachauskehrung durch Spaltung bei börsennotierten Aktiengesellschaften, AG 2 0 0 5 , 6 6 9 ; Hirte „Aktie plus Neuemission" (APNProgramme) - eine Innovation am deutschen Kapitalmarkt, in: FS Peltzer (2001) S 195; ders Das Transparenz- und Publizitätsgesetz (2003); Hoffmann-Becking Vorschläge der Regierungskommission „Corporate Governance" zum Recht der Unternehmensfinanzierung, in: Hommelhoff/Lutter/ Κ Schmidt/Schön/Ulmer, Corporate Governance (2002) ZHR-Beiheft 71, S 215; Holzborn/Bunnemann Gestaltung einer Sachausschüttung und Gewährleistung im Rahmen der Sachdividende, AG 2 0 0 3 , 671; Ihrig/Wagner Die Reform geht weiter: Das Transparenz- und Publizitätsgesetz kommt, BB 2 0 0 2 , 7 8 9 ; Kowalewksi Das Vorerwerbsrecht der Mutteraktionäre beim Börsengang einer Tochtergesellschaft (2008); Knigge Änderungen des Aktienrechts durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz, W M 2 0 0 2 , 1729; Leinekugel Die Sachdividende im deutschen und europäischen Aktienrecht (2001); Leip Die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften durch Kapitalgesellschaften, BB 2 0 0 2 , 1839; Lutter/Leinekugel/Rödder Die Sachdividende - Gesellschaftsrecht und Steuerrecht, Z G R 2 0 0 2 , 2 0 4 ; Menner/Broer Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten bei Umstrukturierungen im Konzern - Alternativen zur Spaltung von Kapitalgesellschaften unter besonderer Berücksichtigung von Sachdividenden, DB 2 0 0 3 , 1075; Merkt Zum Verhältnis von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht in der Diskussion um die Corporate Governance, AG 2 0 0 3 , 126; W Müller Die Änderungen im HGB und die Neuregelung der Sachdividende durch das Transparenz- und Publiziätsgesetz, N Z G 2 0 0 2 , 752; Orth Sachdividenden - Zu deren Kodifizierung und den offen gebliebenen aktienrechtlichen, bilanzrechtlichen und steuerrechtlichen Fragen, WPg 2 0 0 4 , 7 7 7 (Teil 1) und WPg 2 0 0 4 , 841 (Teil 2); Prinz/Schürner Tracking Stocks und Sachdividenden - ein neues Gestaltungsinstrument für spartenbezogene Gesellschaftsrechte?, DStR 2 0 0 3 , 181; Schnorbus Tracking Stock in Germany: Is German Corporate Law Flexible Enough to Adopt American Financial Innovations? (2001) 2 2 University of Pennsylvania Journal of International Economic Law 541; ders Die Sachdividende, ZIP 2 0 0 3 , 509; Schulze-Osterloh Ausweis der Sachdividende im Jahresabschluss und im Gewinnverwendungsbeschluss, in: FS Priester (2007) S 749; Schüppen To comply or not to comply - that's the question!, ZIP 2 0 0 2 , 1269; Seibert Das „TransPuG", N Z G 2 0 0 2 , 6 0 8 ; Stern Nur Bargeld lacht? Sachdividenden im Aktienrecht, in: FS Dorait (2004) S 625; Strunk Sachdividenden im Spannungsfeld von Gesellschafts-, Bilanz- und Steuerrecht, UM 2003, 45; ders/Kolaschnik TransPuG und Corporate Governance Kodex (2003); Tübke Sachausschüttungen im deutschen, französischen und Schweizer Aktien- und Steuerrecht (2002); Waclawik Die neue Sachdividende: Was ist sie wert?, W M 2003, 2 2 6 6 ; ders Die neue Sachdividende und die Kapitalertragsteuer, BB 2003, 1408; J Winter/ Drebes Ein Kühlschrank als Dividende für die Aktionäre - Die Reform des Aktienrechts erlaubt Sachausschüttungen, F.A.Z. vom 2 2 . 6 . 2 0 0 2 (Nr 142) S 19.

bei § 58 Rdn 94 aE ist damit überholt und wird durch den vorliegenden Nachtrag ersetzt. Diese Nachkommentierung zu § 58

(3)

Abs 5 nF fügt sich an den Schluss der bereits vorliegenden Kommentierung zu § 58 an; Randnummern und Fußnoten zählen fort.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 58 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

I. E i n f ü h r u n g 1. Gesetzesgeschichte 125

Die Vorschrift über die Sachdividende in § 58 Abs 5 (nF) wurde durch Art 1 N r 3 lit b T r a n s P u G 3 4 0 im Jahr 2 0 0 2 n e u ins Aktiengesetz aufgenommen; sie ist inhaltlich ohne Vorläufer. 3 4 1 Der Gesetzgeber ist damit einer Empfehlung der R e g i e r u n g s k o m m i s s i o n Corporate G o v e r n a n c e gefolgt, diesen Themenkreis zu kodifizieren und eine durch Mehrheitsbeschluss festsetzbare Sachdividende ausdrücklich zu erlauben. 3 4 2 Die gesetzliche Regelung erhöht die Flexibilität der Unternehmen im Rahmen der Dividende und ist grundsätzlich begrüßt worden. 3 4 3 Sie schafft gegenüber der früheren Rechtslage (Rdn 129 ff) einen rechtssicheren und praktikableren Gestaltungsrahmen für Sachdividenden. Z u d e m brachte sie das deutsche Recht in Einklang mit den internationalen Gepflogenheiten, 3 4 4 denn auch zahlreiche ausländische Rechtsordnungen lassen eine Sachdividende z u . 3 4 5

126

Der R e f e r e n t e n e n t w u r f des TransPuG enthielt in Abs 5 nF noch einen Satz 2 mit der Bestimmung, dass bei Sachwerten, die nicht an einem geregelten Markt (§ 3 Abs 2) gehandelt werden, das Vertrauen auf eine Barausschüttung zu berücksichtigen sei. 3 4 6 Die Vorschrift fand, nachdem sie Kritik geerntet hatte, 3 4 7 keinen Eingang in den Regierungsentwurf 3 4 8 und wurde nicht Gesetz.

340

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343

Transparenz- und Publizitätsgesetz ν 19.7. 2002 (BGBl I, S 2681); zu den Schritten im Gesetzgebungsverfahren und den Hintergründen des TransPuG siehe Schuppen ZIP 2002, 1269 f; Seibert NZG 2002, 608, 613. Dazu Seibert N Z G 2002, 608, 609: „echte Novität in Deutschland". Baums Bericht RKCG (2001), Rdn 200, S 217/218. Nicht aufgegriffen hat der Gesetzgeber hingegen den Gedanken, die Ausschüttung von Dividenden in Form eigener Aktien („stock dividends") speziell zu regeln, nachdem von Expertenseite dafür kein Bedarf gesehen wurde, da die §§ 207 f hierfür als Instrument zur Verfügung stehen (vgl unten Rdn 139 f), siehe Baums aaO, Rdn 199; zustimmend Hoffmann-Becking ZHR-Beiheft 71 (2002), S 215,219 f; gleicher Ansicht Bayer in: MünchKomm 3 Rdn 111. Vgl etwa BDI/BDA/BdB/DIHK/GDV Stellungnahme ν 11.1.2002, S 3; DAI Stellungnahme ν 11.2.2002, S 4; Schüppen ZIP 2002, 1269, 1277. Kritisch hinterfragt wurde aber, ob die Zulassung der Sachdividende auch für nicht börsennotierte Gesellschaften nicht unnötig weitgehend war und stattdessen eine Zulassung nur für börsennotierte Gesellschaften die praktisch angemessenere Lösung gewesen wäre, siehe Merkt AG 2003, 126, 131.

344

Auf diese deutsche Abweichung gegenüber den Rechtsordnungen anderer Staaten hatte auch der Gesetzgeber seinen Blick gerichtet (vgl BegrRegE, BT-Drucks 14/8769, S 12 = N Z G 2002, 213, 218), entsprechend dem vorausgehenden Hinweis der RKCG (vgl Baums Bericht RKCG [2001], Rdn 200, S 218). 345 Siehe unten Rdn 220. 346 RefE ZIP 2001, 2192, 2194. 347 w e g e n der Konturlosigkeit und des Streitpotentials dieser Bestimmung war ihre Streichung gefordert worden vom DAVHandelsrechtsausschuss N Z G 2002, 115, 116 und vom DAI Stellungnahme ν 11.2.2002, S 4 f; wegen Wertungswiderspruchs zu Satz 1 für eine Umformulierung des Satz 2 ausgesprochen hatte sich BDI/BDA/BdB/DIHK/GDV Stellungnahme ν 11.1.2002, S 3 f; ähnliche Kritik und Vorschlag für eine geänderte (vom Gesetzgeber aber nicht umgesetzte) Fassung des Satz 2 auch bei Lutter/Leinekugel/Rödder ZGR 2002, 204, 213; vgl außerdem Schnorbus ZIP 2003, 509,511. 348

RegE BT-Drucks 14/8769, S 5 = N Z G 2002, 213 f; siehe dazu Seibert N Z G 2002, 608, 609: Formulierung zu schwammig und geeignet, Streit zu provozieren.

Stand: 18. 5. 2008

(4)

Verwendung des Jahresüberschusses

§ 58 Abs 5

Gleichzeitig mit der Einführung von Abs 5 wurde folgerichtig § 174 Abs 2 Nr 2 (2. Alt nF) um den Gesichtspunkt der Sachdividende ergänzt. 3 4 9 Eine ausdrückliche Regelung der Sachdividende in § 170 Abs 2 S 2 ist hingegen unterblieben (Rdn 162). Bewusst nicht geäußert hat sich der Gesetzgeber zur Frage der Bewertung der Sachdividende (dazu unten Rdn 197 ff). 3 5 0

127

Vor Schaffung von Abs 5 (nF) war diese Vorschrift seit dem Jahr 1994 unbesetzt, nachdem die ehemals in Abs 5 aF niedergelegte Regelung zur Verteilbarkeit des Bilanzgewinns im Zuge einer Reform 3 5 1 wortgleich und systematisch zutreffend 3 5 2 in den § 57 Abs 3 (nF) überführt worden war. 3 5 3

128

2. Frühere Rechtslage Vor Geltung des Abs 5 existierte im deutschen Aktienrecht keine gesetzliche Regelung über die Zulässigkeit oder die Voraussetzungen der Ausschüttung einer nicht in Bargeld bestehenden Dividende. Es bestand dementsprechend Uneinigkeit darüber, ob bzw unter welchen Umständen unbares Vermögen als Gewinn ausgeschüttet werden durfte. 3 5 4 Die Regelung in Abs 5 hat diesen vormaligen Streit weitgehend 3 5 5 befriedet.

129

Nach vormals hM konnte nur dann die Gewährung unbaren Vermögens als Dividende vollzogen werden, wenn alle Aktionäre dem zustimmten, während eine Durchsetzung durch Mehrheitsentscheid rechtlich als unzulässig erachtet wurde; 356 auch ein einstimmiger Beschluss der Hauptversammlung, in der nicht alle Aktionäre anwesend waren, konnte den Abwesenden eine Sachdividende nicht ohne deren Zustimmung aufdrängen. 3 5 7 Allenfalls sollte per Hauptversammlungsbeschluss ein Wahlrecht (vgl § 2 6 2 BGB) zwischen einer Bar- und einer Sachdividende eingeräumt werden können; 3 5 8 offen stand ferner die allgemeine Rechtskonstruktion einer Ersetzungsbefugnis (§ 364 BGB; vgl dazu Rdn 138). Begründet wurde diese vormals hM zum einen damit, dass die § § 6 0 Abs 2, 2 3 3 Abs 2 S 1, 254 Abs 1 implizit Bargeld als Dividendenform voraussetzten. 359 Zum

130

349

Art 1 Nr 2 0 TransPuG, angeregt durch DAV-Handelsrechtsausschuss NZG 2002, 115, 116.

350

Siehe entsprechend der Einschätzung durch Baums Bericht RKCG (2001), Rdn 2 0 0 ,

356

W Müller N Z G 2 0 0 2 , 7 5 2 , 7 5 7 ; HoffmannBecking ZHR-Beiheft 71 ( 2 0 0 2 ) , S 215, 2 2 0 ; vgl auch Bayer in: MünchKomm 3 Rdn 105 (der selbst jedoch a A war [Rdn 107]). Siehe vormals auch oben Rdn 9 4 .

S 218 zunächst RefE (Seibert), ZIP 2 0 0 2 , 2 1 9 2 , 2 1 9 4 und sodann BegrRegE, BT-Drucks 14/8769, S 13 = N Z G 2 0 0 2 , 213, 219. 351

Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts ν 2 . 8 . 1 9 9 4 (BGBl I, S 1961).

352

Siehe oben Rdn 7 ; gleicher Ansicht § 5 7 Rdn 1.

357

Hüffer8

(5)

S 38 ff. Streitfragen unter der Neuregelung (siehe bspw Rdn 185 ff) entspringen zum Teil Überlegungen, die auch unter der früheren Rechtslage angestellt worden waren, etwa zur Schutzbedürftigkeit des Aktionärs vor Ungleichbehandlung (§ 53a).

Vgl KK-Lutter2 Rdn 107; Adler/Düring/ Schmaltz6 § 5 8 AktG Rdn 140; Hüffer8 Rdn 31; Cahn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 103; Hirte/Heckschen TransPuG, 3. Kap, Rdn 3 3 ; Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 5 0 9 f; Bosse DB 2 0 0 2 , 1592, 1 5 9 4 ; Jäger Aktiengesellschaft ( 2 0 0 4 ) , § 2 5 Rdn 5 8 f; Happ/ Ludwig3 S 1348 f.

Dazu Großkomm-H««ze 4 § 5 7 Rdn 3. 354 V g i n e l j e n R d n 130 f zur vormaligen Rechtslage auch Grund Sachdividenden ( 2 0 0 6 ) , 353

355

KK-Lutter 2 Rdn 107; Butzke in: Obermüller/Werner/Winden 4 , S 315; Adler/Düring/ Schmaltz6 § 174 AktG Rdn 5 7 ; Baums Bericht R K C G (2001), Rdn 2 0 0 , S 2 1 7 ;

358

359

Vgl RGZ 107, 161, 168; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 124 mwN; W Müller in: BeckHdbAG, § 8 Rdn 2 9 ; Jäger Aktiengesellschaft ( 2 0 0 4 ) , § 2 5 Rdn 58. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 124; vgl ferner R G Z 11, 162.

H a r t w i g Henze/Richard L. N o t z

§ 5 8 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

anderen wurde auf den potenziellen Konflikt mit dem Gleichbehandlungsgebot (§ 53a) verwiesen, falls die im Vergleich zu Bargeld mindere Fungibilität der als Dividende gewährten Sache dazu führt, dass diese Sache sich wirtschaftlich nicht für alle Aktionäre als gleichermaßen werthaltig erweist. 3 6 0 131

Die vormalige Gegenansicht hielt indessen, mit Differenzierungen im Einzelnen, eine Sachdividende für möglich. 3 6 1 Vorgebracht wurde zum einen, die hM sei historisch bedingt und inzwischen überholt; sie berücksichtige nicht genügend, dass durch Hauptversammlungsmehrheit sogar beschlossen werden könne, keinen Bilanzgewinn zu verteilen (vgl § 58 Abs 3 ) 3 6 2 , mithin müsse erst recht die Verteilung von lediglich Sachen statt Bargeld von der Minderheit hingenommen werden. 3 6 3 Andere Stimmen im Schrifttum wollten jedenfalls insoweit eine durch Mehrheitsbeschluss festzusetzende Sachdividende als unproblematisch ansehen, als börsennotierte Wertpapiere (vgl § 3 Abs 2) als Dividende verteilt werden, da solche Papiere ebenso fungibel wie Bargeld einzuschätzen seien (vgl auch § 31 Abs 2 S 1 WpÜG); 3 6 4 darüber hinaus sollten auch sonstige Gegenstände, falls sie unter zumutbarem Aufwand in Bargeld umwandelbar waren, im Gewinnverwendungsbeschluss als Sachdividende vorgesehen werden können, wenn eine statutarische Ermächtigung 3 6 5 für diese Dividendengewährung bestand. 3 6 6 3. Europäisches Recht

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Vor dem Hintergrund des europäischen Gemeinschaftsrechts besteht keine Pflicht zur Zulassung einer Sachdividende im deutschen Aktienrecht. Andererseits stehen europarechtliche Vorgaben einzelstaatlichen Normen zur Zulässigkeit einer Sachdividende aber auch nicht entgegen: 3 6 7 Die Richtlinie 77/91/EWG 3 6 8 bestimmt in Art 15 Abs 1 lit d), dass eine Ausschüttung im Sinne dieser Norm begrifflich „insbesondere" die Zahlung von Dividenden und von Zinsen für Aktien umfasst, schließt also unbare Ausschüttun-

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Kropff in: Geßler/Hefermehl, § 174 Rdn 28. Hasselbach/Wicke N Z G 2001, 5 9 9 ff; Lutter/Leinekugel/Rödder ZGR 2 0 0 2 , 2 0 4 ff; Leinekugel Sachdividende (2001), S 124 ff, 147; Tübke Sachausschüttungen (2002), S 2 0 ff; zuneigend Ihrig/Wagner BB 2 0 0 2 , 789, 796. Dazu oben Rdn 7 8 - 8 1 ; siehe auch Bayer in: MünchKomm 3 Rdn 82, 88 ff; Kropff in: MünchKomm 2 § 170 Rdn 59; Hoffmann-Becking in: MünchHdbGesR 3 , Bd 4 [AG], § 4 6 Rdn 14 f. Tübke Sachausschüttungen (2002), S 2 4 f; rückblickende Zustimmung bei Bayer in: MünchKomm 3 Rdn 107. Lutter/Leinekugel/Rödder ZGR 2 0 0 2 , 2 0 4 ff; Leinekugel Sachdividende (2001), S 136 ff; vgl auch Bayer in: MünchKomm 3 Rdn 107. Zu eingehenden Überlegungen anhand von § 31 Abs 2 S 1 WpÜG für § 58 Abs 5 siehe Grund Sachdividenden (2006), S 72 ff. Wobei deren Wirksamkeit - vor Geltung von Abs 5 nF - mit Rücksicht auf § 2 3

Abs 5 zweifelhaft war, vgl W Müller N Z G 2 0 0 2 , 752, 757; Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 509, 510; kein Hindernis wurde darin jedoch gesehen von Hasselbach/Wicke N Z G 2001, 599, 6 0 0 ; Leinekugel Sachdividende (2001), S 117 ff; vgl auch Tübke Sachausschüttungen (2002), S 82 f, 85. 366

Leinekugel Sachdividende (2001), S 129 ff, 136 ff; darüber hinausgehend Tübke Sachausschüttungen (2002), S 2 0 ff, 39, 50, wonach eine Satzungsermächtigung grdsl entbehrlich sein sollte. - Aus rechtspolitischen Gründen zurückhaltend bzgl nicht fungibler Werte Bayer in: MünchKomm 3 Rdn 107; vgl auch Lutter/Leinekugel/ Rödder ZGR 2 0 0 2 , 2 0 4 , 208.

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Auf diesen Befund hat sich auch der Gesetzgeber gestützt, siehe BegrRegE, BT-Drucks 14/8769, S 12 = N Z G 2 0 0 2 , 213, 218. Zweite gesellschaftsrechtliche RL („Kapitalschutzrichtlinie") ν 13.12.1976, Abi Nr L 26 ν 31.1.1977, S 1 ff, geändert durch die RL 92/01/EWG ν 23.11.1992, Abi Nr L 3 4 7 ν 28.11.1992, S 64 ff.

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Stand: 18. 5. 2008

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Verwendung des Jahresüberschusses

§ 58 Abs 5

gen nicht aus. Auch der Inhalt von Art 15 Abs 1 lit a) bis c) der Richtlinie 77/91/EWG oder die Vorschriften der Richtlinie 7 8 / 6 6 0 / E W G 3 6 9 sprechen nicht dagegen, eine Sachdividende durch die nationalen Rechtsordnungen zu erlauben. 3 7 0 4. Praktische Bedeutung; mögliche Vorteile; Rechtstatsächliches Für die Gesellschaft kann der Gesichtspunkt attraktiv sein, dass eine anstelle von Geld erfolgende Ausschüttung von Sachen die Liquidität schont und so der Innenselbstfinanzierung förderlich ist. 3 7 1 Des Weiteren kann die Gesellschaft die Gewährung einer Sachdividende in Form von Wertpapieren als ein Mittel nutzen, Beteiligungsbesitz ohne Verkaufsvorgang abzubauen. 372 Das kann uU kartellrechtlich motiviert sein; 3 7 3 bezweckt sein kann aber auch das sonstige Absenken des Beteiligungsumfangs unter einen bestimmten Schwellenwert, um an diesen Schwellenwert knüpfende Rechtsfolgen zu vermeiden. 3 7 4 Eine Sachdividende kann auch der Umstrukturierung des Konzerns dienen (Zuwendung von Anteilen einer Tochtergesellschaft); 3 7 5 dies mag gegenüber alternativen Maßnahmen vergleichsweise die steuerlich günstigere oder in der praktischen Handhabung weniger komplizierte und, weil hierfür eine einfache Beschlussmehrheit grundsätzlich ausreichend ist (Rdn 158), die leichter durchzusetzende Methode sein. 3 7 6 Im Ergebnis können Anteile an einer Tochtergesellschaft auf eine höhere Konzernebene umgehängt werden, indem sie durch Ausschüttung als Dividende eine Schwestergesellschaft formen. 3 7 7 Will die AG ihre Aktionäre beim Börsengang einer Tochtergesellschaft - freiwillig 3 7 8 - an deren Anteilen ohne Konkurrenz zum übrigen Publikum teilhaben lassen, steht mit der Sachdividende ein direkter Übertragungsweg dafür zur Verfügung. 3 7 9 Die Sachdividende stellt überdies einen Weg dar, eigene Aktien an die Aktionäre auszugeben (unten Rdn 171). Eine aus eigenen Aktien bestehende Sachdividende lässt sich beispiels-

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Vierte gesellschaftsrechtliche RL („Bilanzrichtlinie") ν 25.7.1978, Abi Nr L 222 ν 14.8.1978, S 11 ff, geändert durch die RL 94/8/EWG ν 21.3.1994, Abi Nr L 82 ν 25.3.1994, S 33 ff. Hierzu Lutter/Leinekugel/Rödder ZGR 2002, 204, 225 ff; Leinekugel Sachdividende (2001), S 10 ff. Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 75; Schnorbus ZIP 2003, 509, 510; Orth WPg 2004, 777, 778; Strunk/Kolaschnik TransPuG, S 54. Bei Einführung von Abs 5 wurde vor allem darin ein Interesse der Unternehmen vermutet, allerdings hat sich dies bislang praktisch so nicht bestätigt (vgl unten Rdn 135). Zur Erfüllung wettbewerbsrechtlicher Auflagen musste sich die spanische Telefonica von Beteiligungsbesitz (Fernsehsender) trennen und hat diesen als Sachausschüttung an ihre Aktionäre verteilt, um ihn nicht potentiellen Konkurrenten zugänglich zu machen; siehe Financial Times Deutschland ν 20.3.2003, S 5. Näher etwa Grund Sachdividenden (2006), S 37. Hasselbach/Wicke NZG 2001, 599 (mit

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Bsp); Lutter/Leinekugel/Rödder ZGR 2002, 204, 205 f; vgl auch BegrRegE, BT-Drucks 14/8769, S 12 = NZG 2002, 213, 218; Deiltnann/Lorenz AG (2005), § 1 Rdn 14. Siehe dazu Menner/Broer DB 2003, 1075, 1077 ff, 1079; Hoffmann-Becking ZHRBeiheft 71 (2002), S 215, 221; vgl auch Heine/Lechner AG 2005, 669, 677. Grund Sachdividenden (2006), S 37. Beim Börsengang der Tochter-AG besteht nach hM kein konzerndimensionales Bezugsrechts der Aktionäre der Mutter-AG, vgl Großkomm-Henze/Notz* Anh § 53a Rdn 92 mwN; Meyer in: Hdb börsennotierte AG, § 7 Rdn 44 ff; Veil in: Κ Schmidt/Lutter, § 186 Rdn 5; Hüffer8 § 186 Rdn 5a. Eingehend zur Sachdividende und ihren Vorteilen in diesem Zusammenhang Kowalewski Vorerwerbsrecht (2008), S 408-418 mwN; vgl ferner bereits Ebke FAZ ν 2.5.2001, S 50; Schnorbus ZIP 2003, 509, 510; Fleischer ZHR 165 (2001), 513, 548 f; Erber Aktionärsschutz (2003), S 130.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 58 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

weise dazu verwenden, Spartenaktien-Strukturen („tracking s t o c k s " 3 8 0 ) in einer Unternehmensgruppe einzuführen oder aufzulösen. 3 8 1 Ferner ermöglicht Abs 5 es den Gesellschaftern, Produkte der Gesellschaft als Gewinn zu beziehen, 3 8 2 w o r a n insbesondere ein Interesse bestehen kann, wenn eine Genossenschaft unter Beibehaltung ihrer Realstruktur in eine AG umgewandelt w i r d ; 3 8 3 im Übrigen ist dabei an die Fälle zu denken, in denen je Aktie eine Freikarte zur Nutzung von der AG bereitgestellter Dienstleistungen als Sachdividende gewährt w i r d 3 8 4 oder die Gewinnbeteiligung des Aktionärs (auch) darin besteht, pro Jahr und Aktie ein bestimmtes Kontingent eines von der A G hergestellten Konsumgutes verbrauchen zu dürfen. 3 8 5 Auch die Rückführung von Sacheinlagen ist als

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Sachdividende denkbar. 3 8 6 Möglicherweise lässt sich schließlich im Liquidationsstadium analog Abs 5 eine Abweichung von dem Grundsatz rechtfertigen, dass das Vermögen ausnahmslos in Geld umzusetzen ist (vgl § 2 6 8 Abs 1 AktG), und stattdessen eine (teilweise) Ausschüttung in natura vollziehen. 3 8 7 Betrachtet man die Satzungen einer Vielzahl von im Kapitalmarkt n a m h a f t e n 3 8 8 Gesellschaften, ergibt sich rechtstatsächlich folgendes Bild: Etliche Gesellschaften haben eine Sachdividendenregelung iSv Abs 5 in die Satzung a u f g e n o m m e n , 3 8 9 jedoch sehen auch ungefähr ebenso viele Gesellschaften eine Sachdividende in der Satzung nicht v o r . 3 9 0

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Ausführt hierzu Kuhn Tracking Stocks (2007); Nolte Tracking Stock Strukturen (2004); Tonner Tracking Stocks (2002); Wunsch Tracking Stocks (2002); Thiel Spartenaktien (2001). Näher Prinz/Schürner DStR 2003, 181, 185 ff mwN; vgl ferner Schnorbus Univ of Penn Journal of Int Economic Law (2001), Vol 22 Nr 3, S 541 ff. - Zur Möglichkeit, Tracking Stocks über das mit einer Sachdividende in der Wirkung verwandte Instrument der Einziehung (unten Rdn 143) zu implementieren, siehe Hasselbach/Wicke NZG 2001, 599, 601 [dort Fn 27]. Vgl Stern FS Dorait (2004), S 625, 626; Schnorbus ZIP 2003, 509, 510; HoffmannBecking ZHR-Beiheft 71 (2002), S 215, 220. Schnorbus ZIP 2003, 509, 510; HoffmannBecking ZHR-Beiheft 71 (2002), S 215, 220. Entgegen bisweilen im Schrifttum zu findendem Hinweis ist in der Zoologischer Garten Berlin AG das Recht des Aktionärs auf eine Dauereintrittskarte allerdings nicht als Sachdividende ausgestaltet (vgl § 3 und § 5 der Satzung). Auch bei dem Bsp von Hirte FS Peltzer (2001), S 195, 199 dürfte es sich um eine Sachvorteilsgewährung (unten Rdn 149) und nicht um eine Sachdividende handeln. Bsp: Bier für Brauereiaktionäre; siehe Leinekugel Sachdividende (2001), S 2; vgl auch Hoffmann-Becking ZHR-Beiheft 71 (2002), S 215, 220.

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Stern FS Dorait (2004), S 625, 626. Vgl Schnorbus ZIP 2003, 509, 510. Insbesondere aufgrund Listing im DAX oder M-DAX. Allianz SE (§ 17 S 2); BASF SE (§ 21 S 2); Bayer AG (§ 19 Abs 3); Beiersdorf AG (§ 24); Continental AG (§ 22 Abs 2 S 2); Daimler AG (§ 23 Abs 2); Deutsche Bank AG (§ 23 Abs 1 S 2); Deutsche Post AG (§ 22 Abs 4 S 2); Deutsche Telekom AG (§ 19 Abs 5); EON AG (§ 22 Abs 2); GEA Group AG (§ 24 Abs 2); Hannover Rückversicherung AG (§ 20 Abs 5); Henkel KGaA (IX., Nr 35 Abs 3); Hochtief AG (§ 23 Abs 6); Hypo Real Estate AG (§ 21 Abs 2); Infineon Technologies AG (§ 19 Abs 1 S 2); Jenoptik AG ($ 27 S. 2); Klöckner AG (§ 19 Abs 5); Lanxess AG (§ 19 Abs 3); Lufthansa AG (§ 20 S 2); MLP AG ( § 20 Abs 3); Mobilcom AG (§ 17 Abs 5 S 2, 3); MTU Aero Engines AG (I 20 Abs 2); Münchener Rück AG (§ 20 S 2); Postbank AG (§ 2 0 Abs 4 S 2); ProSiebenSat.l Media AG (§ 18 Abs 1 S 2); SAP AG (§ 23 Nr 7); Siemens AG (§ 25 Nr 1 S 2); Symrise AG {$ 21 Abs 2); Talanx AG (§ 19 Abs 5); ThyssenKrupp AG (§ 19 S 2); Tognum AG (§ 22 Abs 1 S 2); Wacker Chemie AG (§ 20 Abs 2); Wincor Nixdorf AG (§ 21 Abs 2). AMB Generali Holding AG, Adidas AG, Altana AG, Arcandor AG, Arques Industries AG, AWD Holding AG, Bilfinger Berger AG,

Stand: 18. 5. 2 0 0 8

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Verwendung des Jahresüberschusses

§ 5 8 Abs 5

Ein Fall, in dem eine börsennotierte AG ihren Aktionären eine Sachdividende gewährt hat, ist bislang nicht bekannt. 3 9 1 Als möglicher Grund für diese Zurückhaltung kommt Verschiedenes in Betracht: 3 9 2 Zum einen wird die Gesellschaft die in aller Regel auf eine Dividende in Geld gerichteten Erwartungen der Anleger nur ganz ausnahmsweise enttäuschen wollen. Außerdem wird, wenn die Gewährung einer Sachdividende theoretisch als alternatives Umstrukturierungsmittel (Rdn 133, 145 f) denkbar ist, bisweilen das Volumen des für die Ausschüttung verfügbaren Bilanzgewinns nicht hinreichen, um das verfolgte Ziel - etwa einen Geschäftsbereich abzustoßen - praktisch zu erreichen. Ferner ist beispielsweise im Fall einer Sachdividende in Form von (börsennotierten) Aktien grundsätzlich zu bedenken, dass eine konzentrierte Ausschüttung zu einem Marktdruck führt, der den Wert dieser Aktien sinken lässt; dieser Effekt läuft dem Interesse der Aktionäre als Empfänger der Sachdividende zuwider. In Betracht zu ziehen ist ferner, dass die herrschende Rechtsunsicherheit 3 9 3 , zu welchem Wert die Sachdividende anzusetzen ist (vgl unten Rdn 197 ff), ihrer praktischen Attraktivität abträglich ist. 3 9 4

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5. Sachdividende in der GmbH Das GmbH-Gesetz enthält - nach wie vor der Einführung von Abs 5 für die AG keine Bestimmung zur Sachdividende. Für die GmbH wurde und wird indessen unabhängig von einer ausdrücklichen gesetzlichen Erlaubnis angenommen, dass die Ausschüttung einer Sachdividende erfolgen kann, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht. 395 Was der Gesetzgeber im Aktienrecht durch Abs 5 festgeschrieben hat, galt und gilt damit sinngemäß auch für die G m b H . 3 9 6

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6. Sachdividende in der SE Die SE-Verordnung 397 enthält weder selbst eine Bestimmung zur Sachdividende, noch stellt sie es der Satzung der SE ausdrücklich anheim, eine Regelung zur Sachdividende zu treffen; ebenso wenig regelt das S E A G 3 9 8 Fragen der Sachdividende. Mithin besteht kein Geltungsvorrang nach Art 9 Abs 1 lit a), b) oder c) i) SE-VO. 3 9 9 Stattdessen unterliegt die

Borussia Dortmund KGaA, BMW AG, Commerzbank AG, Deutsche Börse AG, Deutz AG, Douglas Holding AG, Dürr AG, Fresenius SE, Fresenius Medical Care KGaA, HeidelbergCement AG, Heidelberger Druckmaschinen AG, Hugo Boss AG, IVG Immobilien AG, KUKA AG, Linde AG, MAN AG, Merck KGaA, Metro AG, Pfleiderer AG, Porsche SE, Premiere AG, Puma AG, Rheinmetall AG, RWE AG, Südzucker AG, TUI AG, Volkswagen AG. 391

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Die Infineon Technologies AG will ihre Anteile an der Qimonda AG auf der HV 2 0 0 9 als Sachdividende ausschütten. Die im Jahr 2 0 0 3 von der Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG erwogene Sachausschüttung wurde aus steuerlichen Gründen zugunsten einer Abspaltung aufgegeben, siehe Spaltungsbericht ν 2 6 . 3 . 2 0 0 3 (gewerbliches Immobilienfinanzierungsgeschäft). Vgl Heine/Lechner

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Hoffmann-Becking in: MünchHdbGesR 3 , Bd 4 [AG], § 4 6 Rdn 2 8 : „Ungeklärt und hoch umstritten".

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Grage R N o t Z 2 0 0 2 , 3 2 6 , 3 3 0 . AllgM; W Müller in: GroßkommGmbHG, § 2 9 Rdn 122; Pentz in: Rowedder/SchmidtLeithoff, G m b H G 4 § 2 9 Rdn 123; Hueck/ Fastrich in: Baumbach/Hueck, G m b H G 1 8 S 2 9 Rdn 5 5 ; Roffc/Altmeppen, GmbHG 5 § 2 9 Rdn 5 3 .

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Vgl Schulze-Osterloh FS Priester ( 2 0 0 7 ) , S 749, 7 5 0 , 7 6 0 ; Orth WPg 2 0 0 4 , 777, 7 7 8 . VO (EG) N r 2 1 5 7 / 2 0 0 1 ν 8 . 1 0 . 2 0 0 1 , Abi Nr L 2 9 4 ν 10.11.2001, S 1. SE-AusführungsG ν 2 2 . 1 2 . 2 0 0 4 (BGBl I, S 3675). Zur Systematik der Normenhierarchie vgl LutterlHommelhoff, SE-Kommentar, Einl SE-VO, Rdn 3 0 und Hommelhoff/Teichmann ebd, Art 9 SE-VO, Rdn 3 4 ff.

AG 2 0 0 5 , 2 6 9 .

H a r t w i g Henze/Richard L. N o t z

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§ 5 8 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

SE gemäß Art 9 Abs 1 lit c) ii) SE-VO hier denjenigen Rechtsvorschriften, die auf eine deutsche AG Anwendung finden würden. Danach gilt § 58 Abs 5 AktG hinsichtlich der Zulässigkeit einer Sachdividende für die SE genauso wie für die AG. In mancher deutschrechtlichen SE findet sich dementsprechend eine Satzungsermächtigung für die Gewährung einer Sachdividende. 400

Π. Sachdividendenähnliche Vorgänge; Vergleich mit verwandten Erscheinungsformen 1. Sachleistung auf den Gewinnzahlungsanspruch an Erfüllungs statt 138

Im Rahmen von Abs 5 beinhaltet der durch den Gewinnverwendungsbeschluss konkretisierte Anspruch auf Auskehrung der Dividende unmittelbar das Recht des Aktionärs auf Sachleistung durch die AG (Rdn 163). Ein vergleichbares Ergebnis lässt sich mittelbar erzielen, wenn im Rahmen einer Bardividende der Gewinnauszahlungsanspruch des Aktionärs mit der Abrede gemäß § 3 6 4 Abs 1 BGB (Ersetzungsbefugnis) verknüpft wird, dass die AG berechtigt ist, anstelle des Barbetrags durch eine Sachleistung Erfüllung zu bewirken. 4 0 1 Das bedarf indessen nach hM der individuellen Zustimmung aller Aktionäre. 402 Dieser somit aus praktischen Gründen häufig nicht gangbare 4 0 3 Weg bleibt durch Abs 5 unberührt 404 und kann (theoretisch) eingeschlagen werden, wenn die Satzung keine wirksame Ermächtigung iSv Abs 5 vorsieht oder wenn eine bestehende Satzungsermächtigung die Gegenstände, die ausgekehrt werden sollen, inhaltlich nicht abdeckt. 2. Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln

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Aktien als Dividende kann die AG gemäß Abs 5 gewähren, indem sie eigene Aktien oder ihren an anderen Gesellschaften vorhandenen Anteilsbesitz ausschüttet (Rdn 133, 171). Unbeeinflusst durch Abs 5 ist daneben die Möglichkeit einer „Aktiendividende" (stock dividenti) durch die §§ 2 0 7 ff eröffnet, 405 indem durch Umwandlung von Kapitalund Gewinnrücklagen die Ausschüttung neuer eigener Anteilsrechte der AG ermöglicht wird. 4 0 6

140

Anders als bei einer Sachdividende nach Abs 5 bedarf es für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln keiner Satzungsermächtigung; andererseits fordert § 2 0 7 Abs 2 S 1 iVm § 182 Abs 1 grundsätzlich eine qualifizierte Beschlussmehrheit, während für den

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So zB Allianz SE (§ 17 Satz 2 der Satzung) und BASF SE ($ 21 Satz 2 der Satzung). Keine Sachdividendenregelung hingegen in den Satzungen der Fresenius SE, der MAN Diesel SE und der Porsche SE. Vgl KK.-Lutter 2 Rdn 108; Orth WPg 2 0 0 4 , 777, 781. Siehe nur Hüffers Rdn 31 und Baums Bericht RKCG (2001), Rdn 200. Solch eine Zustimmung liegt auch in einem unter Anwesenheit aller Aktionäre einstimmig gefassten HVBeschluss, Semler/Volhard ArbHdbHV 2 § 17 Rdn 9; W Müller N Z G 2 0 0 2 , 752, 757. Vgl Lutter/Leinekugel/Rödder 2 0 4 , 2 0 7 ; Hasselbach/Wicke

ZGR 2 0 0 2 , N Z G 2001,

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599; Semler/Volhard ArbHdbHV 2 § 17 Rdn 9; Jäger Aktiengesellschaft (2004), § 2 5 Rdn 58; Butzke in: Obermüller/Werner/ Winden 4 , S 315; Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 509, 516. Hüffer8 Rdn 31; Holzborn/Bunnemann AG 2 0 0 3 , 671, 672. Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 78 aE; vgl auch W Müller in: BeckHdbAG, § 8 Rdn 29. Einer besonderen Reglung iRv Abs 5 bedurfte es daher nicht, siehe oben Fn 342. Dazu Than Festgabe Heinsius, W M Sonderheft 1991, S 54, 56; Krieger in: MünchHdbGesR 3 , Bd 4 [AG], § 59 Rdn 2 5 mwN.

Stand: 18. 5. 2 0 0 8

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Verwendung des Jahresüberschusses

§ 5 8 Abs 5

Gewinnverwendungsbeschluss auch im Fall einer Sachdividende iSd Abs 5 grundsätzlich die einfache Mehrheit reicht (Rdn 158). Weiterhin besteht ein Unterschied insofern, als bei der Gewährung einer Sachdividende nach Abs 5 Teile des Gesellschaftsvermögens auf die Aktionäre übertragen werden, während die Gewährung einer Aktiendividende nach §§ 207, 2 0 8 das Gesellschaftsvermögen nicht mindert. 4 0 7 3. Kapitalherabsetzung mit Sachausschüttung Ein im Ergebnis sachdividendengleicher Transfer unbarer Werte aus dem Vermögen der AG an die Aktionäre kann gesellschaftsrechtlich auch dadurch geschehen, dass die Hauptversammlung eine Kapitalherabsetzung mit Sachausschüttung beschließt (vgl § 2 2 2 Abs 3 ) . 4 0 8 Der Wortlaut des § 2 2 2 Abs 3 HS 2 („Teile des Grundkapitals zurückgezahlt") steht dem nicht entgegen: Er wird von der ganz hM nicht als zwingendes Gebot einer Geldzahlung, sondern dahin verstanden, dass eine Ausschüttung von (barem oder unbarem) Gesellschaftsvermögen in Höhe des Betrages stattfindet, um den das Grundkapital herabgesetzt wird. 4 0 9

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Im Gegensatz zur Sachdividende nach Abs 5 setzt eine Kapitalherabsetzung, auch wenn sie mit einer Sachgewährung verbunden ist, nicht voraus, dass die Satzung eine Ermächtigung dafür vorsieht; 410 ausreichend ist die entsprechende Festsetzung im Kapitalherabsetzungsbeschluss. 411 Während zur Durchführung einer Sachdividende iSd Abs 5 grundsätzlich eine einfache Beschlussmehrheit genügt (Rdn 158), bedarf die Kapitalherabsetzung jedoch gemäß § 2 2 2 Abs 1 stets einer qualifizierten Mehrheit. Ob sich in der Praxis eine Kapitalherabsetzung mit Sachausschüttung als gestalterische Alternative zu einer Sachdividende anbietet, ist fraglich. Denn der Kapitalherabsetzung haftet eine negatives, weil in der Regel krisenindizierendes Signal an. 4 1 2 Zudem hat die Gewährung einer Sachdividende den Vorteil, dass sie nicht die in § 2 2 5 ausgedrückten Konsequenzen (sechsmonatige Ausschüttungssperre; ggf Sicherheitsleistung) nach sich zieht. Andererseits hat die Kapitalherabsetzung mit Sachausschüttung den Vorzug, dass kein Bilanzgewinn vorliegen muss, eine Ausschüttung also auch bei Bestehen eines Verlustvortrags erfolgen kann. 4 1 3

142

4. Einziehung von Aktien gegen Sachleistung Wird bei einer Kapitalherabsetzung im Wege der Zwangseinziehung von Aktien ein „Entgelt" an die Aktionäre ausgekehrt (vgl § 237 Abs 2 S 3), so muss dies nicht notwendig in Form eines Geldbetrages gezahlt, sondern es können auch andere Vermögensgegenstände, die einen angemessenen Wert haben, als Abfindung gewährt werden. 414 Dies führt ggf zu einer Zuwendung von Sachwerten auf gesellschaftsrechtlicher Ebene, wirkt also ähnlich der Ausschüttung einer Sachdividende iSv Abs 5.

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Näher Orth WPg 2 0 0 4 , 777, 7 8 0 f. Vgl HasselbacbiWicke NZG 2001, 599, 6 0 0 f; Heine/Lechner AG 2 0 0 5 , 269, 274; ferner Orth WPg 2 0 0 4 , 777, 7 8 0 ; Krieger in: MünchHdbGesR 3 , Bd 4 [AG], § 60 Rdn 3. Hüffer* § 2 2 2 Rdn 20; Veil in: Κ Schmidt/ Lutter, § 2 2 2 Rdn 11, 2 7 ; Marsch-Barner in: Spindler/Stilz, § 2 2 2 Rdn 3, 36; KK-Lutter 2 § 2 2 2 Rdn 16; Oechsler in: MünchKoram 2 § 2 2 2 Rdn 3; vgl ferner Krieger ZGR 2 0 0 0 , 885, 890.

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Krieger in: MünchHdbGesR 3 , Bd 4 [AG], § 60 Rdn 3. Vgl dazu Oechsler in: MünchKomm 2 § 2 2 2 Rdn 39. Vgl Heine/Lechner AG 2 0 0 5 , 269, 274. Krieger in: MünchHdbGesR 3 , Bd 4 [AG], § 60 Rdn 3 mwN. Hasselbach/Wicke N Z G 2001, 599, 601; Hoffmann-Becking ZHR-Beiheft 71 (2002), S 215, 2 2 0 f.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

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§ 5 8 Abs 5 144

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

E b e n s o wie es A b s 5 H S 1 für die Sachdividende vorschreibt, steht auch die Zulässigkeit einer Einziehung unter Satzungsvorbehalt, § 2 3 7 Abs 1 S 2 4 1 5 . Z u r D u r c h f ü h r u n g einer Einziehung bedarf es grundsätzlich einer qualifizierten Beschlussmehrheit der Hauptversammlung (§ 2 3 7 Abs 2 S 1 i V m § 2 2 1 A b s 1, wenn nicht § 2 3 7 A b s 4 S 2 gilt), hingegen genügt bei einer Sachdividende grundsätzlich die einfache M e h r h e i t (Rdn 1 5 8 ) . Gegenüber der Sachdividende ist ein unbares Einziehungsentgelt nachteilig für die A k t i o n ä r e , weil dafür eine sechsmonatige Ausschüttungssperre besteht (§ 2 3 7 Abs 2 S 3 i V m § 2 2 5 Abs 2 ) . 5. Abspaltung (§ 1 2 3 Abs 2 U m w G ) 4 1 6

145

Gegenstand einer Sachdividende nach A b s 5 k ö n n e n ua die im Vermögen der A G befindlichen Anteile an einer Tochtergesellschaft sein ( R d n 1 3 3 , 171). Solch eine Ausschüttung weist Parallelen zur Abspaltung auf, denn wie diese trennt sie die Beteiligung an der Tochtergesellschaft zugunsten der Aktionäre aus dem Vermögen der A G hera u s . 4 1 7 Die Abspaltung stellt damit für die entgeltlose Auskehrung von Sachwerten eine Alternative zur Sachdividende dar. 4 1 8 W i r d der umwandlungsrechtliche Weg gewählt, erfolgt die Z u f ü h r u n g der von der A G gehaltenen Tochter-Anteile an die Aktionäre durch Abspaltung von der A G auf die Tochtergesellschaft g e m ä ß § 1 2 3 Abs 2 N r 1 U m w G . Ist ein Geschäftsbereich der A G nicht in eine Tochtergesellschaft eingebettet, besteht nach § 1 2 3 Abs 2 N r 2 U m w G die M ö g l i c h k e i t , den Geschäftsbereich zu verselbständigen und die Teilhabe daran an die A k t i o n ä r e auszukehren. D e r Vollzug der M a ß n a h m e gewährt den Aktionären die Anteile an der Tochtergesellschaft als übernehmendem Rechtsträger (vgl § § 1 2 3 A b s 2 letzt H a l b s , 131 A b s 1 N r 3 S 1 U m w G ) . Rechtstechnisch k a n n dies entweder dadurch bewerkstelligt werden, dass die Anteile als Ausgleich gewährt werden für die Abspaltung eines anderen Gegenstandes von der A G auf ihre Tochtergesell-

415

416

In Verlängerung des Rechtsgedankens aus § 237 Abs 1 S 2 erscheint es freilich sachgerecht, den Satzungsvorbehalt auch darauf zu beziehen, dass die Einziehung durch eine unbare Leistung entgolten werden kann; zutreff Hasselbach/Wicke NZG 2001, 599, 601. Die Ausführungen zu den umwandlungsrechtlichen Mechanismen gelten genauso für die Verschmelzung (die Abspaltung ist funktional eine partielle Verschmelzung, l.utterlTeichmann UmwG 3 § 123 Rdn 17). Deutlich wir dies beim down-stream merger auf eine 100%-ige Tochtergesellschaft, infolge dessen alle Anteile dieser Tochtergesellschaft an die Aktionäre der Mutter-AG ausgeschüttet werden (vgl § 2 UmwG). Jedoch liegt für den vorliegenden Zusammenhang die praktische Vergleichbarkeit der Gestaltungsinstrumente Sachdividende und Verschmelzung deswegen ferner als ein Vergleich mit der Abspaltung, weil die verschmelzungsbedingte Ausschüttung den Untergang des „ausschüttenden" (über-

417

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tragenden) Rechtsträgers mit sich bringt (§ 20 Abs 1 Nr 2 UmwG), was bei der Abspaltung - wie bei einer Sachdividende nicht der Fall ist. Waclawik WM 2003, 2 2 6 6 , 2267; eingehender Vergleich bei Grund Sachdividenden (2006), S 100 ff; vgl auch HoffmannBecking ZHR-Beiheft 71 (2002), S 215, 220 f; Hirte KapitalgesR5, Rdn 4.16 aE; Orth WPg 2004, 777, 780; ferner Lutter/ Leinekugel/Rödder ZGR 2002, 204, 235 f; siehe zu vergleichenden Wertungen bzgl Sachdividende und Verschmelzung auch Klein/Stephanblome ZGR 2007, 351, 373 f. Vgl bspw die Fälle der Abspaltung des Geschäftsbereichs der industriellen Chemie im Jahr 1999 von der Hoechst AG auf die Celanese AG, die Abspaltung des gewerblichen Immobilienfinanzierungsgeschäfts im Jahr 2003 von der Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG sowie die Abspaltung des Chemikalien- und Polymergeschäfts im Jahr 2 0 0 4 von der Bayer AG auf die Lanxess AG.

Stand: 18. 5. 2 0 0 8

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Verwendung des Jahresüberschusses

§ 58 Abs 5

schaff, 419 oder dadurch, dass es die von der AG gehaltenen Tochter-Anteile selbst sind, die auf die Tochtergesellschaft abgespalten und hierbei (uno acto) als Ausgleich an die Aktionäre ausgeschüttet werden. 420 Anders als für die Durchführung einer Sachdividende bedarf es für die Durchführung einer Abspaltung keiner Satzungsermächtigung. Jedoch bedarf die Abspaltung zu ihrer Wirksamkeit der Registereintragung (vgl § 131 Abs 1 Nr 3 S 1 UmwG), so dass Anfechtungsklagen 421 wegen der durch sie ausgelösten Registersperre (§§ 16 Abs 2, 125 S 1 UmwG) den Vollzug der Anteilszuwendung auf unbestimmte Zeit verzögern können, wenn nicht ein Freigabeverfahren ( § § 1 6 Abs 3, 125 S 1 UmwG) alsbald Erfolg hat. Eine Anfechtung des Gewinnverwendungsbeschlusses blockiert eine Ausschüttung von Aktien als Sachdividende hingegen nicht. 4 2 2 Die Abspaltung birgt auch nach Durchführung der Anteilsauskehrung mehr Risiken in sich als eine Sachdividende: Es können Sicherheitsleistungen erforderlich sein (§§ 22, 125 S 1 UmwG); es kann zu einem Spruchverfahren kommen (§§ 15 Abs 1, 125 S 1 UmwG). Vor allem wenn eine Umstrukturierung kleineren Ausmaßes in Rede steht, kann deshalb die Sachdividende das attraktivere Gestaltungsinstrument sein. 4 2 3 Der Vorteil der Abspaltung liegt demgegenüber darin, dass ein weit höheres Transaktionsvolumen bewältigt werden kann, da der Ausschüttungsumfang der Sachdividende auf die Höhe des Bilanzgewinns beschränkt ist (unten Rdn 166). 4 2 4 Ob der Sachdividende oder der Abspaltung als Umstrukturierungsinstrument der Vorzug gegeben wird, wird in der Praxis sodann häufig von einem Vergleich der jeweiligen steuerrechtlichen Folgen bestimmt sein und insbesondere davon abhängen, ob eine Abspaltung steuerneutral durchführbar (vgl § 15 Abs 1 UmwStG) und damit insofern günstiger ist als die Gewährung einer Sachdividende. 425

419

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Es muss nicht der übernehmende Rechtsträger selbst sein, der die an die Aktionäre der übertragenden AG zu gewährenden Anteile gewährt, sondern dies kann auch die AG als übertragender Rechtsträger besorgen (arg SS 5 4 Abs 1 S 2 N r 2, Abs 2, 6 8 Abs 1 S 2 N r 2, Abs 2 UmwG), siehe Lutier/Teicbmann U m w G 3 $ 1 2 3 Rdn 13.

422

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Vgl Hoffmann-Becking ZHR-Beiheft 71 ( 2 0 0 2 ) , S 2 1 5 , 2 2 1 : Abspaltung viel zu aufwändig.

N a c h richtiger Ansicht findet in diesem Fall kein Durchgangserwerb für eine juristische Sekunde beim übernehmenden Rechtsträger statt, sondern ein Direkterwerb durch die Ausgleichsberechtigten. Es verhält sich nicht anders als im Fall von „Mitgift-Aktien"

424

Vgl Heme/Lechner AG 2 0 0 5 , 2 6 9 : Volumen der Sachdividende reicht regelmäßig nicht aus; Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 5 0 9 , 5 1 6 : weitreichende Umstrukturierungen sind kaum zu realisieren; vgl auch Hasselbach/Wicke N Z G 2001, 599, 600.

425

Vgl dazu Menner/Broer DB 2 0 0 3 , 1 0 7 5 , 1 0 7 6 ff; Heine/Lechner AG 2 0 0 5 , 6 6 9 , 6 7 3 ff; Orth W P g 2 0 0 4 , 7 7 7 , 7 8 0 ; ferner Lutter/Leinekugel/Rödder ZGR 2002, 204, 2 3 6 ff; allg zu den Voraussetzungen dieser Steuerneutralität einer Abspaltung Rogali DB 2 0 0 6 , 6 6 ff.

(S 6 8 Abs 1 S 2 N r 2 U m w G ) iRe Verschmelzung (für die Abspaltung sinngemäß nach S 1 2 5 S 1 UmwG), vgl dazu Lutter/Grunewald U m w G 3 § 2 0 Rdn 5 7 ; Kallmeyer !Marsch-Barner UmwG3 S 20 Rdn 2 9 m w N . 421

(13)

Praktisch indes risikolos bei 1 0 0 %-iger Tochtergesellschaft als übernehmendem Rechtsträger.

Heine/Leckner AG 2 0 0 5 , 2 6 9 , 2 7 2 . Rechtsfolge einer erfolgreichen Anfechtung ist die Rückgewährpflicht nach § 6 2 Abs 1, siehe G r o ß k o m m - H e n z e 4 S 5 7 Rdn 2 6 .

Hartwig Henze/Richard L. Notz

146

§ 58 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

ΙΠ. Regelungsgegenstand und Normzweck von Abs 5 147

Mit Abs 5 hat der Gesetzgeber für die AG und KGaA 4 2 6 eine rechtssichere Grundlage geschaffen, die es ermöglicht, durch Mehrheitsentscheid unbares Vermögen unmittelbar zum Inhalt der Gewinnausschüttung zu machen. Danach bedarf es für eine Sachdividende weder einer Zustimmung aller dividendenberechtigten Aktionäre, noch bürgerlich-rechtlicher Begleitkonstruktionen 427 , über die eine Dividendenzahlung von Bargeld transformiert wird in eine Zuwendung von Sachen (dazu oben Rdn 130). Stattdessen ist die Sachdividende durch Abs 5 auf die gesellschaftsrechtliche Ebene gehoben; 4 2 8 die Zuwendung von Sachen an den Aktionär kann damit auch gegen seinen Willen erfolgen. 429 Eine Beschränkung der Regelung des Abs 5 auf börsennotierte Gesellschaften hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen, 430 so dass ebenso für nicht börsennotierte Gesellschaften die Möglichkeit zur Gewährung von Sachdividenden besteht.

148

Die Vorgabe in Abs 5, dass die Hauptversammlung die Ausschüttung einer Sachdividende nur beschließen darf, sofern die Satzung dies vorsieht, dient dem Uberraschungsschutz der Aktionäre. 431 Denn gesetzliches Leitbild und praktischer Normalfall ist eine Dividende in Form einer Geldzahlung. Regelmäßig rechnen die Aktionäre daher nicht ohne weiteres mit einer Dividende in Form von Sachen; dem Aktionär mag die gewährte Sache aufgrund persönlicher Umstände wenig werthaltig erscheinen, es mag ihm lästig sein, sich zur Erlangung des bevorzugten Bargeldes um die Veräußerung der Sache zu kümmern, oder er mag nicht gewillt sein, das Risiko zu tragen, den Gegenstand veräußern zu können. Im Sinne einer Warnfunktion stellt das Erfordernis der statutarischen Ermächtigung zur Sachdividende sicher, dass jeder Aktionär sich all dies rechtzeitig bewusst machen kann. 4 3 2

149

Terminologisch spricht Abs 5 von der „Sachausschüttung". Im Schrifttum wird die Sachausschüttung zT als Oberbegriff verstanden, der sowohl die Sachdividende als auch die Sachvorteilsgewährung 433 erfasst. 434 Im Hinblick auf die systematische Stellung von Abs 5 (Verwendung des Jahresüberschusses) wird man davon auszugehen haben, dass der Gesetzgeber inhaltlich eine Regelung zur Sachdividende schaffen wollte. 4 3 5 Denn bei der Sachvorteilsgewährung handelt es sich um die Zuwendung von Sachwerten außerhalb der Gewinnverteilung. 436

150

Nicht um eine „Sachdividende" iSd Abs 5 handelt es sich, wenn den Aktionären als Treuebonus für das Einhalten einer bestimmten Haltefrist Gratisaktien zugeteilt werden. Denn diese Zuwendung erfolgt nicht aufgrund des mitgliedschaftlichen Rechts der be-

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§ 2 7 8 Abs 3 iVm § 58 Abs 5; Bsp: Henkel KGaA (IX., Nr 35 Abs 3 der Satzung). §§ 262, 3 6 4 BGB. W Müller N Z G 2 0 0 2 , 752, 757; vgl auch Schulze-Osterloh FS Priester (2007), S 749, 750; Orth WPg 2 0 0 4 , 777, 781 und 841, 853. Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 79 aE; Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 509, 516. Kritisch diesbzgl Merkt AG 2 0 0 3 , 126, 131. BegrRegE, BT-Drucks 14/8769, S 12 = N Z G 2 0 0 2 , 213, 218. Vgl BegrRegE, aaO; DAV-Handelsrechts-

433

434

ausschuss N Z G 2 0 0 2 , 115; Waclawik W M 2003, 2 2 6 7 , 2 2 6 8 . Dazu ausführl Tübke Sachausschüttungen (2002), S 121 ff. Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 76; Prinz/Schürner DStR 2003, 181, 182 [dort Fn 16]; Tübke

Sachausschüttungen (2002), S 309; krit

dazu Grund Sachdividenden (2006), S 32. 435 436

Vgl auch Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 77. Tübke Sachausschüttungen (2002), S 121, 3 0 9 ; Grund Sachdividenden (2006), S 32 f; Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 76; Prinz/ Schürner DStR 2003, 181, 182 [dort Fn 16],

Stand: 18. 5. 2 0 0 8

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Verwendung des Jahresüberschusses

§ 58 Abs 5

günstigten Aktionäre auf Teilhabe am Gewinn der Gesellschaft, zumal wenn diese Bonusaktien nicht aus dem Vermögen der AG stammen, sondern von einem anderen Aktionär zur Verfügung gestellt werden. 4 3 7

IV. Voraussetzungen für die Gewährung einer Sachdividende 1. Satzungsregelung a) Ermächtigungserfordernis. Gemäß Abs 5 HS 1 muss die Gewährung einer Sachdividende auf einer entsprechenden Erlaubnis in der Satzung fußen. 4 3 8 Diese Ermächtigung kann bereits in der Gründungssatzung enthalten sein, kann aber auch später durch eine Satzungsänderung aufgenommen werden. 4 3 9

151

b) Mehrheitserfordernis. Für den satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluss, der die Ermächtigung zur Sachdividende einführt, gelten die allgemeinen Mehrheitsregeln. Grundsätzlich ist eine Dreiviertelmehrheit nötig und ausreichend (§ 179 Abs 2 S 1). Jedoch gilt ein anderes Mehrheitserfordernis - zB § 133 Abs 1 - bzw sind ggf weitere Erfordernisse zu beachten, wenn die Satzung dies für Satzungsänderungen bestimmt (§ 179 Abs 2 S 2 und S 3 ) . 4 4 0

152

c) Formulierung; Reichweite. Die Satzungsklausel kann weit gefasst sein und schlicht den Wortlaut von Abs 5 HS 2 wiedergeben; sie kann aber auch präzise festlegen, welche Sachen allein erfasst sind. 4 4 1 Beispielsweise kann eine Beschränkung auf eine bestimmte Sorte von Gegenständen erfolgen oder es können bestimmte Sachtypen von der Ermächtigung ausgenommen werden. Die Art des Ausschüttungsgegenstandes kann zu Konflikten mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz führen und ein Bedürfnis nach Minderheitenschutz hervorrufen (Rdn 171, 180, 189 f). Solche Probleme werden umso eher auftreten, je weniger fungibel die ausgeschütteten Sachgegenstände sind. 4 4 2 Deshalb kann es praktisch sinnvoll sein, den Wortlaut der Ermächtigung auf liquide Wertpapiere einzugrenzen; 4 4 3 einige Gesellschaften folgen dieser Empfehlung. 444 Im Übrigen empfiehlt es sich zur Minimierung von Anfechtungsrisiken, die aus der Reichweite der Klausel her-

153

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Tübke Sachausschüttungen ( 2 0 0 2 ) , S 17 f; Grund Sachdividenden ( 2 0 0 6 ) , S 31 f.

438

Auf der Grundlage der Ansicht, dass die Dividende vor Geltung des Abs 5 in Geld bestehen musste (dazu oben Rdn 130 mN), lässt sich Abs 5 als Fall von § 2 3 Abs 5 S 1 einordnen; so zB Grund Sachdividenden ( 2 0 0 6 ) , S 8 4 f.

440

Hoffmann-Becking in: MünchHdbGesR 3 , Bd 4 [AG], § 4 6 Rdn 2 7 ; Fleischer in: Κ Schmidt/Lutter, Rdn 5 8 mwN. Hüffer8 Rdn 31; Bayer in: MünchKoram 3 Rdn 108; Fleischer in: Κ Schmidt/Lutter, Rdn 58; Cahn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 103; Hiite/Heckschen TransPuG,

441

3. Kap, Rdn 3 3 aE. Schüppen in: MünchAnwHdbAktR, § 3 0 Rdn 32; Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 7 9 ;

439

(15)

Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 509, 511; Lechner AG 2 0 0 5 , 2 6 9 , 271. 442 443

Heine/

Hüffer8 Rdn 3 2 mwN. Merkt AG 2 0 0 3 , 126, 131; Heidel/Drmhausen2 Rdn 5 2 ; Strunk/Kolaschnik TransPuG, S 6 9 ; vgl auch Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 79. - Formulierungsbsp bei HappIPühler 1 S 2 4 und 143 (Muster 1.01, § 2 7 Abs 2, Anm Nr 96); vgl auch Hirte/ Heckschen TransPuG, 3. Kap, Rdn 38.

444

Bsp: Deutsche Post AG (§ 2 2 Abs 4 S 2 Halbs 2 der Satzung); Deutsche Telekom AG (§ 19 Abs 5 Halbs 2 der Satzung); Klöckner AG (§ 19 Abs 5 Halbs 2 der Satzung); Mobilcom AG (§ 17 Abs 5 S 3 der Satzung); Postbank AG (§ 2 0 Abs 4 S 2 Halbs 2 der Satzung).

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 58 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

rühren können, eine eindeutige Fassung zu wählen. 4 4 5 Die Satzungsklausel kann ferner eine reine Sachdividende ausschließen, indem sie festlegt, dass die Gewährung einer Sachdividende nur in Kombination mit einer Dividendenzahlung in Geld erfolgen darf; 4 4 6 dabei kann die Satzung auch ein bestimmtes Verhältnis von barem und unbarem Teil der Dividende festlegen. 447 Die Formulierung der Ermächtigung wird durch Vorstand und Aufsichtsrat zur Beschlussfassung vorgeschlagen (§ 124 Abs 3 S 1) und kann in der Hauptversammlung durch Gegenanträge (§ 126) modifiziert werden. 154

d) Inhaltskontrolle. Nach dem Ansinnen des Gesetzgebers soll der satzungsändernde Hauptversammlungsbeschluss, durch den eine Ermächtigung iSv Abs 5 geschaffen wird, einer gerichtlichen Inhaltskontrolle unterliegen. 448 Nach zutreffender Ansicht erscheint das jedoch grundsätzlich nicht angezeigt (ausführl unten Rdn 186 ff).

155

e) Wirksamkeitszeitpunkt. Die Satzungsregelung zur Sachdividende muss im Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses wirksam sein. 449 Die satzungsändernde Einführung der Sachdividendenregelung bedarf im Anschluss an den Hauptversammlungsbeschluss zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung ins Handelsregister (§ 181 Abs 3). Das spricht dafür, dass nicht in derselben Hauptversammlung die Ermächtigung zur Sachdividende sowie gleichzeitig bereits eine auf diese Ermächtigung gestützte Ausschüttung einer Sachdividende beschlossen werden können; 4 5 0 ebenso wenig kann auf einer nachfolgenden (außerordentlichen) Hauptversammlung eine Sachdividende beschlossen werden, wenn die auf der früheren Hauptversammlung beschlossene satzungsändernde Ermächtigung iSv Abs 5 noch nicht im Handelsregister eingetragen ist. Die Gegenansicht 451 beruft sich auf die Rechtstechnik, dass ein Beschluss, der eine Satzungsänderung voraussetzt, bereits vor deren Eintragung gefasst werden kann und mit Eintragung der Satzungsänderung dann wirksam wird. 4 5 2 Diese Gestaltung führt indessen zu einer unangemessenen Verkürzung der Entscheidungsfreiheit des Aktionärs, einerseits aus der Gesellschaft auszuscheiden, bevor die Mehrheit eine Sachdividende gegen ihn beschließen kann, andererseits allerdings auch so lange in der Gesellschaft zu bleiben, wie mangels wirksamer Grundlage in der Satzung ihm keine Sachdividende droht. Dieses Bedenken verflüchtigt sich auch nicht durch die Wertung, dass durch die Bekanntgabe der Tagesordnung (§ 124 Abs 1) eine hinreichende Information stattgefunden habe. 4 5 3 Denn das ändert nichts daran, dass der Aktionär seine uU nicht oder nur teuer reversible Disposition bereits auf den Verdacht hin treffen müsste, dass die Voraussetzungen einer Sachdividende geschaffen werden könnten, unabhängig davon, ob eine Rechtsgrundlage für eine Sachdividende wirklich zur Entstehung gelangt. Nicht weiter führt es hier ferner, den Aktionär auf die

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Vgl Hiiffer8 Rdn 32 aE; SemlerIVolhard ArbHdbHV 2 § 17 Rdn 10 aE; Holzborn/ Bunnemann AG 2003, 671, 673; Bosse DB 2002, 1592, 1595. Z u der dann entstehenden Form einer „Mischdividende" siehe unten Rdn 182 ff mN. Ellrott/Ring in: BeckBilKomm 6 Vor § 325 Rdn 58. BegrRegE, BT-Drucks 14/8769, S 13 = N Z G 2002, 213, 219. Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 79; Ihrig/ Wagner BB 2002, 789, 796; Knigge W M 2002,1729, 1735.

450

Gleicher Ansicht Kowalewski Vorerwerbsrecht (2008), S 410 [dort mit Fn 433]. 451 Schnorbus ZIP 2003, 509, 513; theoretisch auch Heine/Lechner AG 2005, 269, 271, die aber zur Vermeidung von Verzögerungen praktisch davon abraten. 452 Ygj J a z u allg Großkomm- Wiedemann 4 § 181 Rdn 43; Stein in: MünchKomm 2 § 181 Rdn 72; Hüffer8 § 181 Rdn 25; Priester Z H R 151 (1987), 40, 56 f. 453 So Schnorbus ZIP 2003, 509, 513.

Stand: 18. 5. 2008

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Verwendung des Jahresüberschusses

§ 58 A b s 5

Anfechtung (§ 243) des satzungsändernden Ermächtigungsbeschlusses zu verweisen, um der Sachausschüttung die Grundlage zu entziehen. 4 5 4 Denn der durch Abs 5 vermittelte Schutz, sich den Umstand bewusst zu machen, dass in der Gesellschaft eine Sachdividende zulässig ist (vgl Rdn 148), setzt gerade nicht voraus, dass die Einführung der Sachdividendenermächtigung rechtswidrig erfolgte. Will die AG künftig keine Sachdividenden mehr auskehren und soll deshalb eine bestehende Satzungsermächtigung aufgehoben werden, so kann in derselben Hauptversammlung, in der diese Satzungsänderung beschlossen wird, gleichzeitig noch ein Beschluss zur - dann idR letztmaligen - Ausschüttung einer Sachdividende gefasst werden. Denn materiell bleibt die Ermächtigung bis zur Eintragung ihrer Aufhebung im Handelsregister in Kraft (vgl § 181 Abs 3), 4 5 5 kann also in dieser Hauptversammlung noch als wirksame Grundlage für den die Sachausschüttung vorsehenden Gewinnverwendungsbeschluss herangezogen werden. O b die tatsächliche Auskehrung der einzelnen Sachen dann noch vor oder erst nach der Eintragung der Satzungsänderung erfolgt, ist ohne Belang. Mit Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses hatten sich die mitgliedschaftlichen Gewinnrechte der Aktionäre anteilig in schuldrechtliche Individualrechte auf dingliche Übertragung der Gegenstände konkretisiert (vgl § 174 iVm § 60 Abs 1) und sind als solche unabhängig geworden von der korporativen Rechtsgrundlage (Rdn 163).

156

2. Hauptversammlungsbeschluss a) Beschlusserfordernis. § 174 Abs 2 N r 2 Fall 2 lässt keinen Zweifel, dass für die konkrete Durchführung einer Sachausschüttung nicht allein eine diesbezügliche Satzungsermächtigung genügt. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Sachausschüttung zum Inhalt eines Gewinnverwendungsbeschlusses gemacht wird, mit dem sich die Hauptversammlung für die Sachdividende entscheidet. 4 5 6

157

b) Mehrheitserfordernis. Ist nichts Strengeres vorgesehen, genügt für den Ausschüttungsbeschluss (§ 174 Abs 1 S 1), auch wenn er eine unbare Dividende verteilt, die einfache Mehrheit nach § 133 Abs l . 4 5 7 Hiergegen gerichtete rechtspolitische Bedenken, wonach wegen der Verwandtschaft der Sachdividende mit einer Abspaltung oder Einziehung (oben Rdn 145, 143) eine qualifizierte Mehrheit angezeigt sein sollte, 4 5 8 haben sich nicht durchsetzen können.

158

Eine Sachdividende kann auch als Gestaltungsinstrument zur Umstrukturierung des Unternehmens oder der Unternehmensgruppe eingesetzt werden (vgl oben Rdn 133). Im Schrifttum wird deshalb daran gedacht, dass Fälle auftreten könnten, die wegen ihrer Tragweite für die Unternehmensstruktur und ihrer Eingriffstiefe in die Aktionärsinteressen in die richterrechtliche Kategorie eines ungeschriebenen qualifizierten Mehrheitserfordernisses fallen („Holzmüller-Konstellationen")459, wonach der Sachausschüttungsbeschluss

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(17)

So Schnorbus ZIP 2003, 509, 513 f. Vgl Stein in: MünchKomm 2 § 181 Rdn 71. Hüffer8 Rdn 32; Waclawik WM 2003, 2266, 2268. BegrRegE, BT-Drucks 14/8769, S 12 = NZG 2002, 213, 218; Bayer in: MünchKomm 3 Rdn 108; Fleischer in: Κ Schmidt/Lutter, Rdn 59 mwN; Bosse DB 2002, 1592, 1595; W Müller in: BeckHdbAG, § 8 Rdn 29.

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Vgl DAV-Handelsrechtsausschuss NZG 2002, 215, 216; Hoffmann-Becking ZHRBeiheft 71 (2002), S 215, 222 [und 235]; tendenziell zustimmend Hüffer8 Rdn 32. Dazu BGHZ 159, 30, 45 f („Gelatine"] im Anschluss an BGHZ 83, 122 [„Holzmüller"]; vgl hierzu Hüffer8 § 119 Rdn 16 ff mwN; Adolff ZHR 169 (2005), 310 ff.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 58 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

ggf ausnahmsweise einer Dreiviertelmehrheit b e d ü r f e . 4 6 0 Richtig erscheint demgegenüber, dass die Gewährung einer Sachdividende nicht in diese Kategorie fällt. Denn dafür reicht es nicht, auf den Charakter als Strukturmaßnahme in Verbindung mit dem beträchtlichen A u s m a ß des Transaktionsvolumens 4 6 1 abzustellen. 4 6 2 Dass die Rechtsprechung in solchen Fällen die M a ß n a h m e dem Erfordernis einer qualifizierten Hauptversammlungszustimmung unterwirft, findet seinen inneren Grund vielmehr darin, dass mit der M a ß n a h m e eine Mediatisierung der mitgliedschaftlichen Einflussrechte der Aktionäre einhergeht. 4 6 3 Indessen fehlt dieser Mediatisierungseffekt vorliegend nicht nur, sondern im Zuge einer Sachdividende werden - genau umgekehrt - die aus dem Vermögen der A G herausgeschälten Werte gerade unmittelbar in die H ä n d e der Aktionäre ü b e r f ü h r t . 4 6 4 160

Ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis bei dem Gewinnverwendungsbeschluss lässt sich analog § § 2 3 Abs 3 N r 2 , 1 7 9 Abs 2 annehmen, wenn die Gewährung der Sachdividende eine „Unterschreitung des Unternehmensgegenstandes" 4 6 5 b e w i r k t . 4 6 6 Das ist theoretisch - denkbar, falls infolge der Auskehrung von Vermögensgegenständen, die zur Verfolgung des satzungsmäßigen Unternehmenszwecks elementar sind, der Vorstand dauerhaft zur Aufgabe der in der Satzung (genau) festgelegten unternehmerischen Tätigkeit gezwungen w ü r d e . 4 6 7

161

c) Beschlussinhalt. Der Gewinnverwendungsbeschluss muss zunächst in Bezug auf die zur Ausschüttung vorgesehenen Sachen inhaltlich mit den Vorgaben der Satzungsermächtigung übereinstimmen (Rdn 1 5 3 , 1 7 0 ) . 4 6 8 Sodann muss der Beschluss gemäß

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Vgl Cahn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 105; HtideVDrinhausen2 Rdn 55; Ζätzsch/Maul in: BeckHdbAG, § 4 Rdn 254; W Müller N Z G 2002, 752, 758; aA (zutreff) Grund Sachdividenden (2006), S 92 f; Schnorbus ZIP 2003, 509, 513. Betroffen sein muss mindestens 80 % des „Gesellschaftsvermögens" (vgl Hüffer8 § 119 Rdn 18b mwN), wobei ungeklärt ist, auf welche Rechengröße (Ertrag; Umsatz; Aktiva; Bilanzsumme; Eigenkapital) abzustellen ist (vgl Liebscher Z G R 2005, 1, 15 f mwN), wie zudem str ist, ob dabei auf Gesellschaft oder Konzern abzustellen ist (Emmerich/Habersack Aktien- und GmbHKonzernR 5 , Vor § 311 Rdn 46 aE gegen Krieger in: MünchHdbAG 3 , Bd 4 [AG], § 69 Rdn 11). Eben in diese Richtung jedoch die oben in Fn 460 Genannten. BGHZ 83, 122, 136 ff [„Holzmüller"]; BGHZ 159, 30, 40 ff [„Gelatine"]; nunmehr deutlich geworden durch BGH ZIP 2007, 24 m Anm ν Falkenhausen (im Nachgang zu OLG Stuttgart ZIP 2005, 1415), wonach der Verkauf einer Tochtergesellschaft nicht den besagten Rspr-Grundsätzen unterfällt, da ihm nicht die erforderliche Mediatisierung innewohnt (vgl zuvor schon Habersack AG 2 0 0 5 , 1 3 7 , 145 f; Liebscher ZGR, 2005, 1,

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24; Arnold ZIP 2005, 1573, 1576 f; Reichert AG 2005, 150, 155 f). Richtig Grund Sachdividenden (2006), S 93. - Überdies kann man mit Schnorbus ZIP 2003, 509, 513 an der Anwendbarkeit der „Holzmüller"-Rspr auf den Sachdividendenbeschluss deshalb zweifeln, weil diese Grundsätze entwickelt wurden, um zur Beschränkung der Leitungsmacht des Vorstandes eine ungeschriebene HV-Zuständigkeit zu begründen (Begrenzung von § 76 Abs 1 durch Verlängerung von § 119 Abs 2), während es von vornherein in die ausschließliche Zuständigkeit der HV fällt, über die Gewinnverwendung zu entscheiden (§§ 119 Abs 1 Nr 2, 174 Abs 1 S 1); vgl auch ] Winter/Drebes FAZ ν 22.6.2002, S 19. Siehe dazu Hüffer8 § 179 Rdn 9a; Großkomm-Wiedemann 4 $ 179 Rdn 60 ff; Stein in: MünchKomm 2 § 179 Rdn 108; Seibt in: Κ Schmidt/Lutter, § 179 Rdn 18; Wollburg/Gehling FS Lieberknecht (1997), S 133, 138 ff. Schnorbus ZIP 2003, 509, 513; ] Winter/ Drebes FAZ ν 22.6.2002, S 19. Vgl auch Schnorbus und J Winter/Drebes je aaO. Cahn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 108; Heine/Lechner AG 2005, 269, 272.

Stand: 18. 5. 2 0 0 8

(18)

Verwendung des Jahresüberschusses

§ 58 Abs 5

§ 174 Abs 2 Nr 2 Fall 2 den an die Aktionäre auszuschüttenden „Sachwert" (dazu unten Rdn 197 ff) angeben. Danach genügt es nicht, nur die zu übertragenden Gegenstände als solche und/oder ihre Stückzahl zu bezeichnen, 469 sondern der Beschlussinhalt muss die Art der Sachausschüttung und die Höhe ihres Wertes festlegen. 470 Der Beschluss darf es nicht in das Ermessen der Verwaltung stellen, ob oder mit welchem Wert eine Sachdividende verteilt wird. 471 d) Beschlussvorschlag. Die Vorschlagsinitiative, dass eine Sachdividende ausgeschüttet werden und aus welchen Gegenständen sie bestehen soll, hat grundsätzlich die Verwaltung (§ 124 Abs 3 S l ) , 4 7 2 wobei der Beschlussvorschlag inhaltlich keine Bindung für die Hauptversammlung entfaltet. 473 Für den Inhalt des Gewinnverwendungsvorschlags ist § 170 Abs 2 maßgeblich, jedoch hat der Gesetzgeber in Satz 2 dieser Vorschrift die Möglichkeit einer Sachdividende nicht bedacht. Nach ganz hM ist auf § 174 Abs 2 analog zurückzugreifen. 474 Der Gewinnverwendungsvorschlag muss die Tatsache der Sachdividende benennen, ihren Gesamtwert beziffern sowie darlegen, mit welchem Anteil der Sachwert auf die einzelne Aktie entfällt. 475 Die Konkretisierung des Sachwertes darf in dem Beschlussvorschlag auch nicht der Verwaltung anheim gestellt sein. 476

162

e) Rechtsfolgen des Beschlusses. Durch den Gewinnverwendungsbeschluss (§ 174) konkretisiert sich das mitgliedschaftliche Stammrecht auf Gewinnbezug entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel (§ 60) in einen schuldrechtlichen Gewinnausschüttungsanspruch, 477 der im Fall einer Sachdividende unmittelbar das Recht des Aktionärs auf Sachleistung durch die AG beinhaltet. 478 Dieser Anspruch ist - ebenso wie im Fall einer Bardividende 479 - als Individualrecht (reines Gläubigerrecht ohne korporativen Charakter) selbständig verkehrsfähig und kann von der AG nicht mehr einseitig geändert werden. 480

163

Den dahin gehenden Formulierungsvorschlag durch DAV-Handelsrechtsausschuss N Z G 2 0 0 2 , 215, 216 hat der Gesetzgeber nicht übernommen. 470

471

472

473

(19)

Kropff in: MünchKomm 2 § 174 Rdn 2 2 ; Cahn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 105; Fleischer in: Κ Schmidt/Lutter, Rdn 5 9 ; Drygala ebd, § 174 Rdn 7; Waclawik W M 2 0 0 3 , 2 2 6 6 , 2 2 6 8 ; Orth WPg 2 0 0 4 , 777, 781 f; abw Heine/Lechner AG 2 0 0 5 , 269, 271 : Anzugeben ist nicht der innere Wert der Sachen, sondern der Wertbetrag des (Teils des) Bilanzgewinns, der in Sachform ausgeschüttet wird, denn der Sachwert könne zwischen Bewertung und Ausschüttung steigen, womit ein Verstoß gegen § 5 7 zu besorgen sei. Hüffer8 Rdn 32; Westermann in: HeidelbergKomm, Rdn 2 9 ; vgl auch W Müller N Z G 2 0 0 2 , 7 5 2 , 7 5 8 ; Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 81 [dort mit Fn 2 3 3 ] : arg % 5 3 a . Siehe daneben ferner: §§ 122 Abs 2, 124 Abs 4 S 2, 126 Abs 1 S 1. Fleischer in: Κ Schmidt/Lutter, Rdn 5 8 ; Heidel/Drinhausen 2 Rdn 5 3 ; Cahn/Senger

in: Spindler/Stilz, Rdn 107; Semler/Volhard ArbHdbHV 2 § 17 Rdn 13; W Müller N Z G 2 0 0 2 , 7 5 2 , 7 5 8 ; Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 509, 512. 474

Hüffer8 § 170 Rdn 7 und § 174 Rdn 6; Schulz in: HeidelbergKomm, § 170 Rdn 8; Euler/Müller in: Spindler/Stilz, § 170 Rdn 35; S e m l e r / V o / W ArbHdbHV 2 § 17 Rdn 12; vgl auch Kropff in: MünchKomm 2 § 170 Rdn 5 4 ; im Erg vergleichbar Drygala in: Κ Schmidt/Lutter, § 170 Rdn 9: § 170 sei sinngemäß anzuwenden (Gesamtwert der Sachausschüttung wird zu Gliederungsbeginn angegeben), Analogie zu § 174 Abs 2 entbehrlich.

475

Kropff in: MünchKomm 2 § 170 Rdn 5 4 ; Euler/Müller in: Spindler/Stilz, § 170 Rdn 35; Schulz in: HeidelbergKomm, § 170 Rdn 8.

476

Kropff in: MünchKomm 2 § 170 Rdn 54. Dazu Großkomm-Henze 4 § 6 0 Rdn 2. Orth WPg 2 0 0 4 , 777, 781 und 841, 853. Siehe oben Rdn 95 sowie Bayer in: MünchKomm 3 Rdn 103 mwN.

477 478 479

480

Zätzsch/Maul

H a r t w i g H e n z e / R i c h a r d L. N o t z

in: BeckHdbAG, § 4 Rdn 2 5 4 .

§ 5 8 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

164

Diesem Anspruch des Aktionärs unterliegt kein von dem Recht auf Sachleistung nur überlagerter (eigentlicher) Barzahlungsanspruch.481 Denn Inhalt des Gewinnverwendungsbeschlusses ist im Fall einer Sachdividende nicht gleichzeitig eine dazu subsidiäre Bardividende in Höhe des Sachwertes. Das folgt schon daraus, dass es bei der Gewinnverwendung unbenommen ist, sich (aus guten Gründen 482 ) dafür zu entscheiden, entweder eine Sachdividende oder gar keine Dividende auszuschütten. 483 Nicht am Platze ist hier auch - gleichsam umgekehrt - die Rechtskonstruktion, wie sie zur Sacheinlagepflicht des Inferenten bekannt ist. 4 8 4 Denn dort handelt es sich um einen mitgliedschaftlichen Anspruch auf Sachleistung, dessen Wert objektiven Dnftinteressen (Gläubigerschutz durch Kapitalaufbringung) dient. Damit ist das in dem schuldrechtlichen Anspruch des Aktionärs beinhaltete persönliche Gewinninteresse nicht vergleichbar.

165

Rechtswirkung des Beschlusses ist auch, dass der Vorstand iSd § 83 Abs 2 angewiesen ist, die Übertragung der Sachen an die dividendenberechtigten Aktionäre auszuführen.

166

f) Maximales Ausschüttungsvolumen. Mehr als der Bilanzgewinn (§ 174) darf an die Aktionäre nicht verteilt werden, § 58 Abs 4 iVm § 57 Abs 3. Das gilt für die Bardividende und ebenso für die Sachdividende, dh der Hauptversammlungsbeschluss zur Sachdividende muss berücksichtigen, dass die ausgekehrten Sachwerte den Betrag des auszuschüttenden Bilanzgewinns nicht übersteigen485 (zur str Frage, woran sich die Bewertung ausrichtet, siehe unten Rdn 197 ff).

167

g) Vorabausschüttung. Schon vor Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses kann wie bei einer Bardividende - unter den Voraussetzungen des § 59 eine Vorabsachdividende gewährt werden. 486 Der Wortlaut von § 59, der durchweg die Geldzahlung im Blick hat, steht dem nicht entgegen: Vor dem Hintergrund, dass Abs 5 die lex posterior ist, ist § 59 entsprechend auszulegen. Die Grenzen, die in § 59 Abs 2 S 2 und 3 für die Höhe gezogen werden (vgl dazu § 59 Rdn 20 ff, 24), können beachtet werden, weil Vorstand und Aufsichtrat den Wert der Sachdividende beziffern können, wenn sie sich im Vorfeld des Beschlusses nach § 174 Abs 2 Nr 2 Fall 2 auf den Vorschlag geeinigt haben, eine Sachausschüttung vorzunehmen. 487 Für den Bewertungszeitpunkt ist auf das Stichtagsprinzip abzustellen, wobei Wertaufhellungsgesichtspunkte, die bis zur Aufstellung des vorläufigen Abschlusses bekannt werden, zu berücksichtigen sind. 3. Ausschüttungsfähige Gegenstände

168

a) Begriff der Sache. Der in Abs 5 verwendete „Sach"-Begriff entspricht nicht § 9 0 BGB, 4 8 8 folgt also nicht der bürgerlich-rechtlichen Unterscheidung zwischen Sachen und Rechten unter dem Oberbegriff des Gegenstandes. Vielmehr wird man ein Begriffsver-

481

482 483 484

485

Zutreff Grund Sachdividenden (2006), S 35, 148 [vgl auch S 152 und 163]; aA W Müller N Z G 2 0 0 2 , 752, 758; Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 82. Vgl Grund Sachdividenden (2006), S 151. In den Grenzen des § 2 5 4 Abs 1. Vgl dazu Großkomm-Henze 4 § 54 Rdn 13; Bungeroth in: MünchKomm 3 § 54 Rdn 6, je mwN. Hüffer8 Rdn 33; SemlerIVolhard ArbHdbHV 2 S 17 Rdn 13; Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 509, 516; Holzborn/Bunnemann AG 2 0 0 3 , 671,

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6 7 3 f; W Müller N Z G 2 0 0 2 , 752, 757, 758; Heine/Lechner AG 2 0 0 5 , 269, 2 7 0 mwN. Ebenso wohl Heine/Lechner AG 2005, 269, 272; aA Bayer in: MünchKomm 3 § 59 Rdn 17 (ohne Begründung). Zur Bestimmung des Wertes der Sachausschüttung im Gewinnverwendungsbeschluss siehe Rdn 161, 197 ff und zum Bilanzgewinn als Höchstgrenze des Ausschüttungsvolumens siehe Rdn 166. Zutreff Holzborn/Bunnemann AG 2 0 0 3 , 671, 672; Orth WPg 2 0 0 4 , 777, 779.

Stand: 18. 5. 2 0 0 8

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Verwendung des Jahresüberschusses

§ 5 8 Abs 5

ständnis zugrunde legen müssen ähnlich demjenigen zu § 27 Abs 1 S 1, Abs 2 HS 2 . 4 8 9 Jedenfalls ist nicht anzunehmen, dass nur körperliche Gegenstände zum Inhalt einer Sachdividende gemacht werden können. Um nach Abs 5 zulässige Sachdividenden handelt es sich daher auch dann, wenn die Gewinnausschüttung darin besteht, dass die AG Forderungen oder andere unverbriefte (Anteils-) Rechte an die Aktionäre abtritt oder ihr zustehendes geistiges Eigentum an die Aktionäre überträgt. 490 Ferner sind auch Immobilien Sachen iSd Abs 5. Der Gesetzgeber hat die ursprünglich vorgebrachte Anregung zu einer Beschränkung auf Sachwerte, die an einem leistungsfähigen Markt gehandelt werden, 491 gerade nicht begrifflich umgesetzt. 492 Die sich im Schrifttum teilweise abzeichnende Tendenz, den Sachbegriff des Abs 5 unter Heranziehung des Fungibilitätsgrades einschränkend zu deuten, 493 verdient daher keine Zustimmung. Das Ansinnen dieser Ansicht besteht letztlich darin, die Aktionärsinteressen zu schützen. Dem ist jedoch nicht über ein einschränkendes Verständnis des Sachbegriffs, sondern durch eine materielle Kontrolle des Ausschüttungsbeschlusses Rechnung zu tragen (Rdn 172 und 189 f).

169

b) Formelle Grenze. Liegt keine uneingeschränkte Satzungsermächtigung vor, muss der Ausschüttungsgegenstand seiner Art nach zu denjenigen Sachen gehören, auf die die Formulierung der Ermächtigung (oben Rdn 153) die Erlaubnis zur Sachdividende eingrenzt. Ausschüttungsfähig in der konkreten Gesellschaft ist nur, was in ihrer Satzung als solches bezeichnet ist. Offen formulierte Satzungsklauseln haben eine entsprechende Reichweite. 494 Ist die im Gewinnausschüttungsbeschluss vorgesehene Sache nicht von der Bezeichnung in der Satzungsklausel erfasst, hilft es auch nicht, dass es sich um einen branchenüblichen Sachdividendengegenstand handeln mag oder dass die Sache leicht veräußerbar wäre. Für eine Auslegung einer unklar formulierten Sachdividendenermächtigung ist der Grundsatz der objektiven Satzungsauslegung zu beachten. 495

170

c) Materielle Grenze. Abs 5 ist seiner sprachlichen Form nach nicht zufällig offen für Sachdividenden jeder Art (Rdn 169), sondern der Gesetzgeber hat bewusst auf inhaltliche Vorgaben verzichtet. 496 Ein genereller Ausschluss gewisser Sacharten aus dem Kreis denkbarer Sachdividendengegenstände lässt sich daher weder durch die Natur des Regelungszusammenhangs noch durch eine allgemeine Typisierung von Anlageinteressen

171

489

Vgl auch Grund

Sachdividenden ( 2 0 0 6 ) ,

H a p p / L u d w i g ! S 1 1 8 0 / 1 1 8 1 ; Semler/ Volhard A r b H d b H V 2 § 17 Rdn 11; Orth WPg 2 0 0 4 , 777, 7 7 9 ; siehe auch Tübke Sachausschüttungen ( 2 0 0 2 ) , S 4 0 ff, 51, 86.

S 5 2 . - Allgemein zum Sachbegriff iRd Kapitalaufbringung Hüffers § 2 7 Rdn 2 4 ff; Großkomm-Röfcnc^i 4 S 2 7 Rdn 3 6 ff. 490

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493

(21)

Strunk/Kolaschnik TransPuG, S 5 5 ; Holzborn/Bunnemann AG 2 0 0 3 , 6 7 1 , 6 7 2 f; vgl auch Streck/Binnewies D B 2 0 0 4 , 1116, 1121: Übertragung von Emissionsberechtigungen ( T E H G ) als Sachdividende. BDl/BDA/BdB/DIHK/GDV Stellungnahme ν 11.1.2002, S 4; Lutter/Leinekugel/Rödder Z G R 2 0 0 2 , 2 0 4 , 2 1 4 ; vgl auch Merkt AG 2 0 0 3 , 1 2 6 , 131. Seibert N Z G 2 0 0 2 , 6 0 8 , 6 0 9 ; Uine/Heckschen TransPuG, 3. Kap, Rdn 3 4 ; Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 5 0 9 , 5 1 1 ; Grund Sachdividenden ( 2 0 0 6 ) , S 5 5 ff. Vgl Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 8 0 ;

494

Nicht überzeugend aA Grund Sachdividenden ( 2 0 0 6 ) , S 9 0 f: Offen formulierte Satzungsermächtigung keine Erlaubnis zur Ausschüttung nicht fungibler Werte, sondern hierfür ausdrückliche satzungsmäßige Gestattung erforderlich.

495

Vgl dazu Hüffer8 § 2 3 Rdn 3 9 ; GroßkommRöhricht4 § 2 3 Rdn 2 9 ff; Pentz in: MünchK o m m 3 § 2 3 Rdn 4 9 ff.

496

Vgl Erläuterung von Seibert N Z G 2 0 0 2 , 6 0 8 , 6 0 9 zu BegrRegE, BT-Drucks 1 4 / 8 7 6 9 , S 12 f = N Z G 2 0 0 2 , 213, 2 1 8 f; kritisch dazu Merkt AG 2 0 0 3 , 1 2 6 , 131.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 5 8 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

rechtfertigen. Jeder Gegenstand k o m m t als Sachdividende in Betracht, bargeldnahe Sachwerte (liquide Aktien; börsennotierte Anleihen) ebenso wie die übrigen Wertgegenstände des Gesellschaftsvermögens von geringem Fungibilitätsgrad (nicht gelisteter Anteilsbesitz; Erzeugnisse der Gesellschaft; Betriebsvermögen, u ä ) . 4 9 7 Als Sachdividende können auch eigene Aktien ausgeschüttet w e r d e n , 4 9 8 insbesondere solche, die gemäß § 71 Abs 1 N r 8 S 1 erworben wurden; es kann sich aber auch um solche handeln, die nach §§ 2 0 7 ff geschaffen w u r d e n . 4 9 9 172

Eine andere Frage ist es, ob der als Sachdividende gewährte Gegenstand unter den konkreten Umständen des Einzelfalles schutzwürdige Belange der Minderheitsaktionäre insbesondere: § 5 3 a - unangemessen beeinträchtigt (dazu unten Rdn 179, 1 8 0 ) und deshalb einer etwaigen gerichtlichen Inhaltskontrolle nicht standhält (dazu unten Rdn 1 8 9 f). Insofern kann sich situationsabhängig eine materielle Grenze ergeben, jenseits derer ein Gegenstand wegen seiner N a t u r nicht rechtmäßig zum Inhalt einer Sachdividende gemacht werden kann.

173

d) Praktische Grenze. Mit Rücksicht auf die Dividendendistribution durch das Depotbankensystem werden für eine börsennotierte A G nur amtlich gehandelte Wertpapiere als sachdividendentaugliche Gegenstände in Frage k o m m e n . 5 0 0 Andere Sachen dürften hier in aller Regel aus Praktikabilitätserwägungen ausscheiden. 4 . Kompetenz zur Konkretisierung des Dividendengegenstandes im Konflikt zwischen Vorstands- und Hauptversammlungszuständigkeit

174

a) Problemstellung. Der Vorstand legt iRv § 1 7 0 Abs 2 fest, ob eine Sachdividende oder ob - weil eine reine Bardividende vorgesehen wird - keine Sachdividende gewährt werden soll. Auf dieser Basis wird den Aktionären nach § 1 2 4 Abs 3 S 1 ein Beschlussvorschlag entsprechenden Inhalts unterbreitet. Die Hauptversammlung ist an diesen

497

Cahn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 105; Fleischer in: Κ Schmidt/Lutter, Rdn 59; Ek Praxisleitfaden HV (2005), Rdn 682; Ellrott/Ring in: BeckBilKomm 6 Vor § 325 Rdn 58; Waclawik W M 2003, 2266, 2268; Holzborn/Bunnemann AG 2003, 671, 673; Grund Sachdividenden (2006), S 55 ff und 142; vgl auch Schnorbus ZIP 2003, 509, 511; grdsl zustimmend, zT aber abw Heine/Lechner AG 2005, 269, 270: keine Ausschüttung rechtlich oder tatsächlich unübertragbarer Gegenstände (dies dürfte aber eher ein Leistungsstörungsproblem [dazu unten Rdn 209 ff] und überdies in der Praxis bedeutungslos sein, da die Festlegung unübertragbarer Gegenstände als Sachdividende erkennbar sinnlos ist und daher kaum jemals vom Vorstand vorgeschlagen und von der HV beschlossen würde); vgl ferner Bosse DB 2002, 1592, 1595: Gegenstände ohne feststellbaren Marktwert kaum geeignet (es kann dahinstehen, inwieweit dies praktisch plausibel ist, jedenfalls ist es rechtlich nicht zwingend). Grdsl aA Tübke Sach-

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500

ausschüttungen (2002), S 40 ff, 51, 86: Weil Beteiligung des Aktionärs „kapitalbezogen" ist, seien allein bargeldgleich fungible Sachdividenden erlaubt. Vgl zu tendenziell abw Stimmen iÜ oben Nachw in Fn 493. Bayer in: MünchKomm 3 Rdn 112; Cabn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 106; Ek Praxisleitfaden HV (2005), Rdn 682; Semler/Volbard ArbHdbHV 2 § 17 Rdn 11; Seibert NZG 2002, 608, 609; Hoffmann-Becking ZHRBeiheft 71 (2002), S 215, 223; Ihrig/Wagner BB 2002, 789, 796; Butzke in: Obermüller/ Werner/Winden4, S 315 f; Lutter/Leinekugel/Rödder Z G R 2002, 204, 206. Näher Cabn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 106 und Bayer in: MünchKomm 3 Rdn 112, je mwN; aA Westermann in: HeidelbergKomm, Rdn 30; KK-Lutter 1 Rdn 108; Grund Sachdividenden (2006), S 77 f [dort mit Fn 193]. Seibert NZG 2002, 608, 609; Schnorbus ZIP 2003, 509, 511; Heine/Lechner AG 2005, 269, 270.

Stand: 18. 5. 2 0 0 8

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Verwendung des Jahresüberschusses

§ 5 8 Abs 5

Gewinnverwendungsvorschlag aber nicht gebunden. 501 Sie kann etwas anderes beschließen, wenn vor oder in der Hauptversammlung entsprechende Anträge durch Aktionäre gestellt wurden (vgl dazu §§ 122 Abs 2, 124 Abs 4 S 2, 126 Abs 1 S 1). Jedenfalls im Ausgangspunkt liegt die Konkretisierungskompetenz mithin bei der Hauptversammlung.502 Läuft allerdings die von dem Beschlussvorschlag der Verwaltung abweichende Beschlussfassung der Hauptversammlung Plänen der Geschäftsführung zuwider, kann der Vorstand dadurch seine Leitungskompetenz tangiert sehen, während die Hauptversammlung auf ihre Gewinnverwendungskompetenz pocht. Die Frage ist dann, ob § 76 Abs 1 insoweit die Entscheidungsmacht der Hauptversammlung begrenzt. Bsp: ( 1 ) Der Konfliktfall kann zum einen so liegen, dass der Vorstand die übliche Bardividende vorschlägt, die Hauptversammlung sich stattdessen aber die Anteile einer Tochtergesellschaft, bei der es sich um strategisch bedeutsamen operativen Beteiligungsbesitz der AG handelt, als Sachdividende ausschütten lassen will, um eine Kontrollverschiebung weg von der Machtsphäre der Geschäftsleitung zu bewirken. 503 (2) Umgekehrt kann der Vorstand in seinem Vorschlag, die Anteile einer nicht mehr in das Portfolio der AG passenden Tochtergesellschaft als Sachdividende auszukehren, den strategisch besten Weg der Entäußerung sehen, wird in seinem Streben aber blockiert, wenn die Hauptversammlung die Gewährung einer Bardividende vorzieht, und muss deshalb eine andere Umstrukturierungsmethode in die Wege leiten. 504 (3) Schließlich ist denkbar, dass es nicht um die Ersetzung der Bar- durch eine Sachdividende oder umgekehrt geht, sondern die Hauptversammlung die vom Vorstand vorgeschlagene Sachdividende gegen eine andere Sachdividende austauscht und dadurch den Vorstand zwingt, das Unternehmen mittelfristig verstärkt auf einen Geschäftszweig auszurichten, von dem der Vorstand den Konzern aus Gründen steigenden Marktrisikos jetzt mittels der von ihm vorgeschlagenen Sachausschüttung beginnen wollte zu lösen.

175

b) Meinungsstand und Stellungnahme. Eine Ansicht streitet dafür, dass bei Kollision der Hauptversammlungskompetenz zur Festlegung des Sachausschüttungsgegenstandes mit der Leitungskompetenz des Vorstandes die Leitungskompetenz Vorrang beanspruche. 505 Anderenfalls ließe sich die Sachdividende, die keine Leitungskompetenz vermittle und allein der Erfüllung des Gewinnbeteiligungsanspruches diene, zweckwidrig für eine aktive Geschäftsführung durch die Hauptversammlung instrumentalisieren; das

176

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503

(23)

Siehe oben Rdn 162 mit Fn 4 7 3 ; außerdem Großkomm-Brönner* § 174 Rdn 12; Hüffer8 § 174 Rdn 5; Adler/Düring/Schmaltz6 § 174 AktG Rdn 17; Kropff in: MünchKomm 2 § 174 Rdn 11. Insofern unstr; Fleischer in: Κ Schmidt/ Lutter, Rdn 59; Heidel/Drinhausen 2 Rdn 5 3 f; Hine/Heckschen TransPuG, 3. Kap, Rdn 36; Schnorbus ZIP 2003, 509, 512; W Müller N Z G 2 0 0 2 , 752, 758; auch: Cahn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 107 (abw dann in 108). Dieser Falltyp (vgl bereits W Müller N Z G 2 0 0 2 , 752, 758) wird kaum in Publikums-AG, eher in Familien-AG auftreten; näher Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 509, 512.

504

Entgegen Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 509, 512 erledigt sich dieser Fall (2) nicht per se, sondern im Ausgangspunkt kann auch hier der Vorstand sich in seiner Leitungskompetenz verletzt wähnen; richtig Grund Sachdividenden (2006), S 94 f [dort mit Fn 269], In dieser Konstellation wird freilich die Wertung, dass die HV-Kompetenz Vorrang hat (unten Rdn 177), besonders deutlich.

505

Cahn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 108; siehe auch Kowalewski Vorerwerbsrecht (2008), S 414 ff, 416 [bzgl „Spin-Off-IPO"]. - Konsequenz ist dann, dass der Vorstand durch Anfechtung des Sachausschiittungsbeschlusses den Eingriff in seine Leitungskompetenz abwehren kann (vgl § 245 Nr 4).

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 5 8 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

widerspreche der in §§ 76 Abs 1, 119 Abs 2 5 0 6 ausgedrückten Zuordnung der Geschäftsführungsaufgabe an allein den Vorstand. Die Begründungslinie dieser Ansicht lebt indessen von der einseitig wertenden Feststellung des Ergebnisses und überzeugt deshalb aus sich heraus nicht. Denn genauso ließe sich umgekehrt sagen, die Leitungskompetenz des Vorstandes, die fraglos nicht die Gewinnverwendungskompetenz umfasst, könnte zweckwidrig für eine aktive Einmischung in die Gewinnverteilung von Sachen instrumentalisiert werden; das widerspricht der in §§ 119 Abs 1 Nr 2, 174 Abs 1 S 1, Abs 2 Nr 2 Fall 2, 58 Abs 5 ausgedrückten Zuordnung dieser Aufgabe an allein die Hauptversammlung. 177

Berührt eine Maßnahme einerseits den Geschäftsleitungsspielraum des Vorstandes und kann diese Maßnahme andererseits aber auch Beschlussgegenstand der Hauptversammlung sein, ist die Systematik entscheidend, mit der das Gesetz das Kompetenzgefüge zwischen Vorstand und Hauptversammlung ordnet. Maßgeblich ist mithin § 119 Abs 1 HS 1. Dort ist die Abgrenzung der Organzuständigkeiten verankert, nach der sich auch die Reichweite von § 76 Abs 1 richtet: Die Geschäftsführungskompetenz des Vorstandes erstreckt sich gemäß § 119 Abs 1 HS 1 auf nichts, wofür gesetzlich oder (rechtswirksam) satzungsmäßig eine ausdrückliche Kompetenzzuweisung an die Hauptversammlung besteht. 507 Dazu zählt nach §§ 119 Abs 1 Nr 2, 174 Abs 1 S 1, Abs 2 Nr 2 Fall 2, 58 Abs 5 HS 2 iVm der Satzungsermächtigung gemäß Abs 5 HS 1 auch die Frage der Sachdividendenausschüttung. Nach zutreffender Auffassung ist eine etwaige Friktion von Kompetenzen folglich dahin zu lösen, dass das Leitungsinteresse des Vorstandes zurücktreten muss hinter das Gewinnverwendungsinteresse der Hauptversammlung.508 Der Vorstand muss den Beschluss gemäß § 83 Abs 2 ausführen (Rdn 165). 509 5. Gleichbehandlung der Aktionäre

178

a) Gleichmäßige Gewinnteilhabe. Die Vorschriften in § 60 gelten auch im Falle einer Sachdividende.510 Die Anzahl der Sachen, die jedem Aktionär bei der Gewinnverwendung zustehen, bestimmt sich damit nach § 60 Abs 1 gleichmäßig nach dem Umfang des Anteilsbesitzes, es sei denn § 60 Abs 2 oder 3 greift ein. Die gleichmäßige Zuteilung von Sachen als Gewinn kann gemäß § 11 S 1 iVm § 60 Abs 3 5 1 1 zB dadurch modifiziert sein, dass nur bestimmte Aktien ein Recht auf Bezug einer unbaren Dividende beinhalten - sei es generell oder als Vorzug - oder dass bestimmte Aktien kein Recht auf Bezug einer baren Dividende beinhalten, den Aktionär also leer ausgehen lassen, wenn nicht eine Sachdividende ausgeschüttet wird.

506

507 508

505

Richtigerweise geht es freilich nur um § 76 Abs 1, während der Hinweis auf § 119 Abs 2 (vgl Cahn/Senger aaO) keinen zusätzlichen Gehalt bringt, denn § 119 Abs 2 setzt seinerseits voraus, dass zunächst einmal ein Anwendungsfall von § 76 Abs 1 gegeben ist. Großkomm-Mülbert"' § 119 Rdn 4 0 mwN. Heidel/Drinhausen 2 Rdn 54; Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 509, 512; Grund Sachdividenden (2006), S 96 f. Generell liegt iÜ noch nichts Befremdliches allein darin, dass Entscheidungen, die in die Hände der HV gelegt sind, die Gestaltungsmacht des Vorstandes beeinflussen können.

Im obigen Bsp (1) bei Rdn 175 würde etwa bei einer das gleiche Ergebnis erzielenden Kapitalherabsetzung mit Sachausschüttung (vgl dazu oben Rdn 141) auch nicht angenommen, ihre Wirkung greife in die nach § 76 Abs 1 dem Vorstand gehörende Leitungskompetenz ein und stelle deshalb die aus § 119 Abs 1 Nr 6 folgende Beschlusskompetenz der HV in Frage. 510

511

Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 81; Tübke Sachausschüttungen (2002), S 73, 83 ff. Vgl dazu Großkomm-Henze/Notz* S 53a Rdn 61, 85, 86, 88 und Henze ebd, S 6 0 Rdn 17.

Stand: 18. 5. 2008

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Verwendung des Jahresüberschusses

§ 58 Abs 5

b) Formale Gleichbehandlung. Bei der Festlegung einer Sachdividende ist außerdem allgemein § 53a zu beachten. Die auszuschüttenden Gegenstände müssen gleichartig und gleichwertig sein. 5 1 2 Das fordert der Grundsatz der formalen Gleichbehandlung 513 . Unter dem Gesichtspunkt formaler Gleichbehandlung problematisch ist der Fall, dass als Sachdividende Anteile verschiedener Gesellschaften ausgeschüttet werden sollen, mit der Folge, dass nicht alle Aktionäre im Zuge dieser Anteilsgewährung an denselben Gesellschaften beteiligt werden. 514 Im Schrifttum ist erwogen worden, solch eine Ausschüttung von Aktien verschiedener Gesellschaften zuzulassen, wenn deren Wert in jüngster Vergangenheit weitestgehend übereinstimmt. 515 Dass wird allenfalls für liquide Aktien gelten können, damit sichergestellt ist, dass der Aktionär sich über den Wert, der den ihm gewährten Aktien innewohnt, rasch und ohne Weiteres ersatzweise die an die anderen Aktionäre ausgeschütteten Aktien besorgen kann. Ist dies nicht der Fall, reicht es zur Wahrung der Gleichbehandlung nicht notwendig aus, dass die verschiedenen Aktien bei Ausschüttung denselben Geldwert haben. Denn eine Aktie verkörpert auch Mitverwaltungsrechte: Zwei Anteilspakete, die jeweils aus gleich vielen Aktien bestehen und denselben Marktwert haben, können dennoch abhängig von der gesamten Anzahl der Aktien, die in der jeweiligen Gesellschaft existieren, ein ganz unterschiedliches Gewicht unternehmerischen Einflusses vermitteln. Insofern sind diese Aktien formal nicht gleich iSd § 53a. Ferner kann der Aspekt Bedeutung haben, ob die Höhe der aus den verschiedenen Aktien zu erwartenden Dividende vergleichbar ist.

179

c) Materielle Gleichbehandlung. Die Wahrung formaler Gleichbehandlung schließt aber den möglichen Verstoß gegen § 53a noch nicht aus. Vor allem bei weniger fungiblen Werten besteht die Gefahr, dass die Sache in der Hand des einen Aktionärs einen niedrigeren Wert als für einen anderen Aktionär hat, die mit den Zuwendungen verbundene tatsächliche Begünstigung also unterschiedlich ist (materielle Ungleichbehandlung 516 ). Das kann daraus resultieren, dass nicht jeder Aktionär in gleicher Weise Verwendung für die ausgeschüttete Sache hat, dabei aber auch nicht alle Aktionäre die gleichen Möglichkeiten zur Liquidation der Sachen haben, weil ein geregelter Markt fehlt oder die Zugangsmöglichkeiten einzelner Aktionäre zu diesem Markt nicht gleichwertig gegeben sind; das lässt eine Verletzung von S 53a besorgen. 517 Scharfe Kriterien mit allgemeiner Gültigkeit lassen sich hier, wie regelmäßig im Zusammenhang mit § 53a, 5 1 8 schwerlich aufstellen. Richtig ist, dass das Problem abgemildert wird, wenn keine reine Sachdividende gewährt wird, sondern die Sachausschüttung mit einer Bardividende kombiniert wird, 5 1 9

180

512

Hoffmann-Becking in: MiinchHdbGesR 3 , Bd 4 [AG], § 4 6 Rdn 2 8 .

513

Vgl Großkomm-Henze/Notz4

514

Überträgt man die von KK-Lutter2 § 225 Rdn 51 zur Sachausschüttung bei Kapitalherabsetzung getroffene Wertung auf § 5 8 Abs 5, dann stellt die Ausschüttung unterschiedlicher Aktien als Sachdividende ein Gleichbehandlungsproblem dar, das nur über die Zustimmung aller Aktionäre lösbar ist.

515

Leinekugel

516

Vgl Großkomm-Henze/Notz4

§ 5 3 a Rdn 6 3 .

Sachdividende ( 2 0 0 1 ) , S 170. S 53a

Rdn 6 4 ff; Verse Gleichbehandlungsgrundsatz ( 2 0 0 6 ) , S 2 3 2 ff m w N .

(25)

517

Bayer in: M ü n c h K o m m 3 Rdn 1 0 8 ; Hüffer8 Rdn 3 2 ; Cahn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 1 0 5 a E ; Fleischer in: Κ Schmidt/Lutter, Rdn 5 9 ; Strunk/Kolaschnik TransPuG,

S 6 8 f; Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 5 0 9 , 5 1 4 ; Merkt AG 2 0 0 3 , 1 2 6 , 131; Waclawik W M 2 0 0 3 , 2 2 6 6 , 2 2 6 8 ; W Müller N Z G 2 0 0 2 , 7 5 2 , 7 5 7 ; Schüppen ZIP 2 0 0 2 , 1269, 1 2 7 7 ; Hasselbach/Wicke N Z G 2001, 599, 600. 518 Vgl etwa Großkomm-Henze/Notz4 § 53a Rdn 4 , 6 9 . 519

In der Sache zutreff BegrRegE, BT-Drucks 1 4 / 8 7 6 9 , S 13 = N Z G 2 0 0 2 , 213, 2 1 8 f, allerdings eingebettet in das diffuse Argument von „Vertrauensschutz".

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 58 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

oder wenn ein Wahlrecht auf eine Bardividende eingeräumt w i r d . 5 2 0 Insgesamt wird stets eine angemessene G e s a m t b e t r a c h t u n g entscheidend sein, die die Fungibilität des Gegenstandes, die H o m o g e n i t ä t des Aktionärskreises und die Art der Gesellschaft als Familienoder Publikums-AG b e d e n k t . 5 2 1 181

d) Sondervorteil durch Kontrollverschaffung? Werden als Sachdividende Anteile einer Tochtergesellschaft ausgekehrt, k a n n das dazu führen, dass ein A k t i o n ä r entweder infolge des auf ihn nach § 6 0 entfallenden Gewinnvolumens oder deshalb, weil er zusätzlich bereits (genügend) Anteile dieser Tochtergesellschaft besitzt, eine Sperrminorität oder die einfache oder qualifizierte M e h r h e i t an der Tochtergesellschaft erlangt. D e m gegenüber ist bei seinen M i t a k t i o n ä r e n die Ausschüttung der Sachdividende nicht mit diesem Vorteil der Erlangung von Kontrolle verbunden. H a n d e l t es sich hier u m den Mehrheitsgesellschafter der A G , der den Gewinnverwendungsbeschluss unter Festsetzung der betreffenden Sachausschüttung als Instrument für die Verlagerung der operativen K o n t r o l l e auf ihn selbst benutzen k a n n (und uU benutzt hat), k a n n dies als Verschaffung eines Sondervorteils (§ 2 4 3 Abs 2 ) zu deuten s e i n . 5 2 2 Alternativ ist aber zu berücksichtigen, dass bei einer gleichwertigen Barausschüttung mit anschließender Reinvestition in Anteile dieser Tochtergesellschaft (vorausgesetzt deren Anteile sind handelbar) dasselbe Ergebnis herbeigeführt würde, o h n e dass das Gleichbehandlungsgebot in R e d e steht. Ferner könnte es im Einzelfall angezeigt sein, sich auf den kapitalmarktrechtlichen Schutz des § 3 5 Abs 2 W p Ü G (Pflichtangebot) zu b e s c h r ä n k e n . 5 2 3 Bejaht m a n einen Sondervorteil, k a n n dem damit verbundenen Anfechtungsrisiko begegnet werden, indem über die Festsetzung einer zusätzlichen Bardividende zugunsten der übrigen A k t i o n ä r e (Mischdividende; R d n 1 8 2 ff) ein angemessener Ausgleich iSd § 2 4 3 Abs 2 S 2 gewährt wird.524 6 . Zulässigkeit einer Mischdividende

182

Es ist zulässig, dass sich die Dividende nur zum Teil aus einem Sachwert, im Übrigen aber aus einer Barausschüttung zusammensetzt ( „ M i s c h d i v i d e n d e " ) . 5 2 5 Die Gesellschaft ist also nicht gehalten, beim Ausnutzen einer g e m ä ß Abs 5 bestehenden Satzungsermächtigung stets eine reine Sachdividende zu gewähren. Z w a r ist der Wortlaut von Abs 5 für diese Frage wenig e r g i e b i g . 5 2 6 Gegenteiliges lässt sich aber jedenfalls nicht dem W o r t l a u t von § 1 7 4 A b s 2 N r 2 („oder") entnehmen, denn der Sinn dieser Vorschrift besteht nicht darin, ein materielles Exklusivitätsverhältnis zwischen Barbetrag und Sachwert als Art der Dividende f e s t z u s c h r e i b e n . 5 2 7

520

521

522

523

Vgl Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 81; W Müller NZG 2002, 752, 757 (arg § 243 Abs 2 S 2). Siehe auch Waclawik WM 2003, 2266, 2268; Schüppen ZIP 2002, 1269, 1277. Cabn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 106; Fleischer in: Κ Schmidt/Lutter, Rdn 5 9 aE; Heidel/Drinhausen 2 Rdn 56. Auch die Kontrollerlangung im Weg der Sachdividende fällt unter § 35 Abs 1 S 1, Abs 2 S 1 WpÜG, siehe υ Biilow in: KK-WpÜG, § 35 Rdn 52; Schlitt in: MünchKomm 2 , Bd 9/1, § 35 WpÜG Rdn 76; Ekkenga/Schulz in: Ehricke/Ekkenga/

Oechsler, § 35 Rdn 15; SteinmeyeriHäger2 § 35 Rdn 59. 5 2 4 Vgl Cahn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 106; W Müller NZG 2002, 752, 757. 525 Heine/Lechner AG 2005, 269; Orth WPg 2004, 777, 779; Waclawik WM 2003, 2266, 2268; Deilmann/Lorenz AG (2005), § 1 Rdn 14 aE; Grage RNotZ 2002, 326, 329. 526 H v kam, „auch" eine Sachausschüttung beschließen. 5 2 7 Gleicher Ansicht Waclawik W M 2003, 2266, 2268; ders BB 2003, 1408, 1409; Orth WPg 2004, 777, 779 [dort Fn 27],

Stand: 18. 5. 2 0 0 8

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Verwendung des Jahresüberschusses

§ 58 Abs 5

Die Möglichkeit einer gemischten Bar-/Sachdividende ist anzuerkennen, weil der Gesetzgeber ihre Zulässigkeit als selbstverständlich vorausgesetzt h a t 5 2 8 und keine sachlichen Argumente vorhanden sind, die gegen diese Sichtweise sprechen könnten. 5 2 9 Zudem existiert ein guter Grund, die Ausschüttung einer gemischten Bar- und Sachdividende zuzulassen: Es bedarf geradezu einer Mischdividende zur Wahrung des Gleichbehandlungsgebots (§§ 53a, 60 Abs 1), wenn die beschränkte Teilbarkeit oder die Stückelung der auszuschüttenden Gegenstände dazu führt, dass erst mehrere Aktien zum Bezug einer Sache als Dividende berechtigen, so dass ergänzend ein Spitzenausgleich in Geld stattfinden muss. 5 3 0 In der Praxis wird es sich ferner aus steuerrechtlichen Gründen regelmäßig empfehlen, einer Mischdividende den Vorzug vor einer reinen Sachdividende zu geben. Denn die AG muss die Kapitalertragsteuer vom Ausschüttungsbetrag für Rechnung der Aktionäre einbehalten und in bar (§ 3 Abs 1 AO) abführen, was bei fehlender Barkomponente der Ausschüttung Probleme bereitet. 531 Die Gewährung einer Mischdividende kann hier abhelfen: die einzubehaltende Kapitalertragsteuer wird dann vom baren Teil der Dividende abgezogen (§ 44 Abs 1 S 7 EStG). 532

183

Lautet die Formulierung der Satzungsklausel, die zur Sachdividende ermächtigt, dass „anstelle der Bardividende auch eine Sachausschüttung beschlossen werden kann", so ist dies regelmäßig nicht dahin zu verstehen, dass eine Mischdividende unzulässig sein soll. Demgegenüber sind Formulierungen, nach denen eine Sachdividende „neben" oder „ergänzend zu" einer Bardividende erlaubt ist oder „ganz oder teilweise" eine Sachdividende gewährt werden kann, im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Mischdividende deklaratorisch. Die Satzungsermächtigung kann aber insoweit Grenzen ziehen, als sie für den Fall der Ausschüttung von Sachen eine Mischdividende vorschreibt und dadurch ausschließt, dass eine reine Sachdividende gewährt wird (Rdn 153).

184

V. Schutz der Aktionäre gegen Sachdividenden 1. Inhaltskontrolle des Ermächtigungs- und/oder Ausschüttungsbeschlusses a) Motive des Gesetzgebers. Die Sachdividende gründet systematisch auf zwei Stufen·. Zunächst bedarf es der Satzungsermächtigung (Abs 5 HS 1), dann kann ein Sachausschüttungsbeschluss gefällt werden (Abs 5 HS 2 iVm §§ 119 Abs 1 Nr 2, 174 Abs 1 S l). 5 3 3 Nach dem Willen des Gesetzgebers 534 soll der Ermächtigungsbeschluss einer Inhaltskontrolle daraufhin zu unterziehen sein, ob durch die Schaffung der Möglichkeit, im

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529 530

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(27)

Siehe BegrRegE, BT-Drucks 14/8769, S 13 = N Z G 2 0 0 2 , 213, 219: „... zusätzlich zu einer [...] Bardividende eine Sachdividende ausgeschüttet wird." Ebenso Waclawik W M 2 0 0 3 , 2 2 6 6 , 2268. Heine/Leckner AG 2 0 0 5 , 269, 270; vgl auch Waclawik BB 2003, 1408, 1410; eingehend zum Spitzenausgleich bei Sachdividendenausschüttung, etwa durch Teilbezugsrechte, siehe Holzborn/Bunnemann AG 2 0 0 3 , 671, 675 f. Näher Heine/Lecbner AG 2 0 0 5 , 269, III f; Waclawik BB 2 0 0 3 , 1408, 1410 ff; Orth WPg 2 0 0 4 , 841, 847. Orth WPg 2 0 0 4 , 841, 8 4 7 f; Heine/Lecbner AG 2 0 0 5 , 2 6 9 f, 273; Waclawik BB 2 0 0 3 ,

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1408, 1410; Häger/Forst EStB 2 0 0 2 , 335, 336; Schuppen in: MünchAnwHdbAktR, § 3 0 Rdn 33; Strunk/Kolaschnik TransPuG, S 55. Im Schrifttum ( H o f f m a n n - B e c k i n g Z H R Beiheft 71 [2002], S 215, 222) wurde - in Anlehnung an Abspaltung und Einziehung auch einstufiges System ohne Satzungsermächtigung erwogen, wenn stattdessen für Ausschüttungsbeschluss zwingend qualifizierte Mehrheit vorgeschrieben würde. DAVHandelsrechtsausschuss hält zweistufiges System für „sachgerecht" ( N Z G 2 0 0 2 , 115). BegrRegE, BT-Drucks 14/8769, S 12 f = N Z G 2 0 0 2 , 213, 218 f.

H a r t w i g Henze/Richard L. N o t z

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§ 58 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Rahmen der Gewinnverwendung eine Sachdividende auszuschütten, das schutzwürdige Vertrauen von Aktionären auf eine Bardividende beeinträchtigt werde. 5 3 5 Liege sodann ein wirksamer Satzungsvorbehalt nach Abs 5 vor, k o m m e eine Anfechtung des Ausschüttungsbeschlusses regelmäßig nicht mehr in Betracht. Rechtsschutz werde also „am Anfang, nicht am Ende" 5 3 6 gewährt. 186

b) Kritik und Stellungnahme. Die gedachte Konzeption des Gesetzgebers stößt auf Bedenken. Z u Recht wird sie im Schrifttum weithin abgelehnt. 5 3 7 Richtigerweise unterliegt der Ermächtigungsbeschluss allenfalls einer allgemeinen Rechtsmissbrauchskontrolle, während der Ausschüttungsbeschluss einer Inhaltskontrolle unterzogen werden kann, insbesondere zur Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes:

187

aa) Ermächtigungsbeschluss. Die im Regierungsentwurf enthaltene argumentative Anknüpfung an das „Vertrauen auf eine Bardividende" ist unstimmig, weil sie offenbar immer noch Satz 2-RefE53S in den Blick n i m m t . 5 3 9 Diese Vorschrift hat indessen bewusst keinen Eingang in das Gesetz gefunden, weil sie für diffus gehalten und ein Streitrisiko in ihr gesehen w u r d e . 5 4 0 Es ist nicht stimmig, nunmehr gleichwohl über die Figur eines (wie auch immer gearteten) Vertrauens die gerichtliche Inhaltskontrolle zu eröffnen.

188

Die Änderung der Satzung zugunsten der Möglichkeit einer Sachdividende greift allein nicht in die mitgliedschaftlichen Interessen der Aktionäre ein, folglich ist es systemwidrig, eine Inhaltskontrolle für die Ermächtigung zu statuieren. 5 4 1 Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Einführung der Satzungsklausel keine sachliche Rechtfertigung erfordert. Soweit in den Gesetzgebungsmaterialien die Sorge Ausdruck findet, bereits die

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Bsp: Familien-AG, in der die Ermächtigungsklausel eine Ausschüttung auch von uU schwierig veräußerbaren Werten zulässt, obwohl die Dividende eine wichtige Einkommensquelle bestimmter Anteilseigner ist. BegrRegE, BT-Drucks 14/8769, S 13 = N Z G 2002, 213, 219. Fleischer in: Κ Schmidt/Lutter, Rdn 58 f; Cahn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 104; Schüppen ZIP 2002, 1269, 1277; Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 81; W Müller N Z G 2002, 752, 757; Schnorbus ZIP 2003, 509, 511 (bzgl Ausschüttungsbeschluss); wohl abw, da näher an der Linie der BegrRegE, HeideV Drinhausen2 Rdn 52; Heine/Lechner AG 2005, 269, 271, 272; Schnorbus ZIP 2003, 509, 511 (bzgl Ermächtigung). Berichtigend interpretiert wird die RegBegr durch Grund Sachdividenden (2006), S 111 ff. Siehe dazu oben Rdn 126. Vgl Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 80; Jäger Aktiengesellschaft (2004), § 25 Rdn 60; Ihrig/Wagner BB 2002, 789, 796. Vgl Seibert N Z G 2002, 608, 609 und Nachw oben in Fn 347. Vertiefend zum

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schutzwürdigen Vertrauen der Minderheit auf eine Bardividende Grund Sachdividenden (2006), S 126-140, wonach uU ein Vertrauensschutz anzuerkennen sei. Hüffer8 Rdn 31; Fleischer in: Κ Schmidt/ Lutter, Rdn 58; Cahn/Senger in: Spindler/ Stilz, Rdn 104; W Müller N Z G 2002, 752, 757. Klarzustellen ist, dass dies die Frage betrifft, ob der Umstand der satzungsmäßigen Zulassung einer Sachdividende als solcher einen Eingriff in die Mitgliedschaft bedeutet (was zu verneinen ist). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass die Satzungsklausel über die grdsl Zulassung der Sachdividende hinaus - zudem die Bestimmung enthält, dass die Sachdividendenregelung nicht alle, sondern nur bestimmte Aktionäre erfassen soll. In solch einer zusätzlichen Regelung liegt ein eigenständiger Akt mit separierender Wirkung, für den eine Inhaltskontrolle unter Berücksichtigung von § 53a eröffnet ist. Danach ist gem § 243 Abs 1 die Anfechtung begründet, wenn nicht eine sachliche Rechtfertigung gegeben ist (dazu Großkomm-Henze/Notz 4 § 53a Rdn 70 ff, insbes 89, 91).

Stand: 18. 5. 2 0 0 8

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Verwendung des Jahresüberschusses

§ 5 8 Abs 5

Ermächtigung könne dem gezielten „Aushungern" dienen, 542 führt dies nicht weiter. Zum einen ist diese These unvollständig, denn die Ermächtigung als solche kann, ohne entsprechenden Gewinnverwendungsbeschluss, dieses Ziel nicht erreichen. Des Weiteren ist mit dieser These kein praktischer Gewinn verbunden. Es ist eine reine Vermutung, wozu die Ermächtigung künftig benutzt werden wird. Darauf eine abstrakte Inhaltskontrolle zu gründen, ist nicht zielführend. 543 Unlautere Motive für die Einführung einer Sachdividendenregelung können verborgen sein. Wenn im Übrigen die Satzungsklausel einen Zuschnitt aufweist, dessen Folge offensichtlich nur die rücksichtlose Behandlung von Mitgesellschaftern bei der Gewinnverwendung sein kann, greift - so ein solcher Fall denn denkbar ist - ohnehin die allgemeine Missbrauchskontrolle ein. bb) Ausschüttungsbeschluss. Die regelmäßige Ablehnung einer Inhaltskontrolle des Ausschüttungsbeschlusses lässt sich nicht damit begründen, dass der Aktionär gewarnt ist. 5 4 4 Richtig ist zwar, dass die Einführung der Satzungsermächtigung nach Abs 5 einen Appell an den Aktionär enthält, nicht in der AG zu verbleiben, falls er das Risiko der Gewährung einer Sachdividende nicht in Kauf nehmen will (vgl oben Rdn 148). Insofern dürfen die verbliebenen Aktionäre bei entsprechend weit gefasster Satzungsklausel nicht darauf vertrauen, es würden - wenn überhaupt - nur bargeldgleiche oder sonst leicht veräußerbare („fungible") Werte ausgeschüttet. Das ändert allerdings nichts daran, dass sich die Minderheit eine ihr unliebsame Sachdividende nur rechtmäßig aufdrängen lassen muss. Die Warnung in der Satzung entbindet die Hauptversammlungsmehrheit nicht von § 53a. Weder beinhaltet die Schaffung der Ermächtigung einen Verzicht auf Gleichbehandlung 545 noch setzt die Anwendung des Gleichbehandlungsgebots eine Vertrauensposition voraus. Schlüssig wäre die in der Regierungsbegründung ausgedrückte Vorstellung zur mangelnden Inhaltskontrolle des Ausschüttungsbeschlusses, wenn man nicht nur das Risiko der Veräußerbarkeit als solches (dazu Rdn 148), sondern auch die ungleiche Verteilung dieses Risikos ausschließlich in die persönliche Sphäre des Aktionärs überantworten und dadurch dem Regelungsbereich des § 53a entheben würde. Das ist mit der hM jedoch abzulehnen. 546

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Die Inhaltskontrolle des Sachausschüttungsbeschlusses erstreckt sich neben § 53a auch darauf, ob § 243 Abs 2 eingehalten wurde. 547 Beide Vorschriften sind Teilelemente der Treuepflicht, 548 die hier ebenfalls gewahrt sein muss. 5 4 9 Dabei geht es stets um eine Überprüfung im Hinblick auf die konkret ausgeschütteten Gegenstände. Allein der Umstand, dass eine Sachausschüttung stattfindet, begründet die Anfechtungsklage nicht. 5 5 0

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BegrRegE, BT-Drucks 14/8769, S 13 = N Z G 2 0 0 2 , 213, 219. Ähnlich Grund Sachdividenden (2006), S 116. In diese Richtung aber BegrRegE, BT-Drucks 14/8769, S 13 = N Z G 2 0 0 2 , 213, 219. Siehe Großkomm-Henze/Notz 4 § 53a Rdn 20, 95. Nachw oben in Fn 517. Cahn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 104; Fleischer in: Κ Schmidt/Lutter, Rdn 5 9 [mit 58 aE]; Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 509, 514; vgl

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ergänzend Grund Sachdividenden (2006), S 141 f. Großkomm-Henze/Notz 4 Anh § 53a Rdn 18, 22. Hüffer8 Rdn 32; Bayer in: MünchKomm 3 Rdn 108; Zätzsch/Maul in: BeckHdbAG, § 4 Rdn 2 5 4 ; krit Grund Sachdividenden (2006), S 118 ff. Insoweit zutreff BegrRegE, BT-Drucks 14/8769, S 13 = N Z G 2 0 0 2 , 213, 219; siehe auch W Müller N Z G 2 0 0 2 , 752, 757; Holzborn/Bunnemann AG 2 0 0 3 , 671, 6 7 2 ; Heidel/Drinhausen 1 Rdn 56.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 5 8 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

2. Minderheitenschutz nach § 254 Abs 1 191

Der durch § 254 Abs 1 vermittelte Schutz vor einem „Aushungern" einer Aktionärsminderheit gilt auch im Fall einer Sachdividende.551 Sie muss sich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der Vorschrift - daran messen lassen, ob durch sie ein Gewinn in Höhe von mindestens 4 % des Grundkapitals unter die Aktionäre verteilt wird. Dabei ist der Verkehrswert der ausgeschütteten Gegenstände maßgeblich (unten Rdn 207). 3. Sonderbeschluss bei Vorzugsaktien (§ 141 Abs 1 und 3)

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Der satzungsändernde Hauptversammlungsbeschluss, mit dem die Ermächtigung des Abs 5 eingeführt wird, führt nicht zu dem Erfordernis eines Sonderbeschlusses durch die Vorzugsaktionäre nach § 141 Abs 3. 5 5 2 Die Schaffung der Möglichkeit der Ausschüttung einer Sachdividende verändert nicht das mitgliedschaftliche Dividendenstammrecht. 553 Dieses ist abstrakt auf Gewinnteilhabe gerichtet. Inhaltlich ausgefüllt wird es durch den Gewinnverwendungsbeschluss. Erst dieser legt die Natur der Ausschüttung fest. Zwischen der Satzungsermächtigung nach Abs 5 und der Wirkung einer Sachdividende auf die Vorzugsaktionäre besteht daher kein unmittelbarer Zusammenhang. § 141 Abs 1 erfasst indessen nur die unmittelbare Beeinträchtigung des Vorzugs. 554 Ob später in dem Gewinnverwendungsbeschluss, der eine unbare Dividende festlegt, eine Beeinträchtigung von Vorzügen gesehen werden kann, darf unter dem Blickwinkel des § 141 Abs 1 und 3 dahinstehen, denn dieser Beschluss ändert die Satzung nicht.

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Im Übrigen ist grundsätzlich die Vorstellung, eine Dividende unbarer Natur beeinträchtige den Vorzug iSd § 141 Abs 1, nicht überzeugend. Ein Vorzugsrecht bedeutet für den Aktionär lediglich, dass er mehr erhält und/oder früher bedient wird. Über die Art des Gegenstandes sagt dies nichts aus. Das Vertrauen, dass es sich dabei um eine Zahlung in Geld handeln wird, unterscheidet sich nicht von der Situation, in der sich alle Aktionäre vor Einführung einer Ermächtigung nach Abs 5 befinden. Insoweit prägt sich die Warnfunktion des Abs 5 (Rdn 148) zum Schutz auch der Vorzugsaktionäre hinreichend aus: Sie können entscheiden, ob sie in einer AG bleiben wollen, in der Sachausschüttungen möglich sind. Sodann wird dem mit der Sachgewährung möglicherweise verbundenen Risiko, dass die Sache nicht werthaltig ist, im Einzelfall durch entsprechende Anwendung von § 140 Abs 2 5 5 5 begegnet (vgl auch unten Rdn 205). Ein schon vorgelagert bei der Ermächtigung eingreifendes Zustimmungserfordernis nach § 141 Abs 3 rechtfertigt sich daraus nicht.

194

Im Zusammenhang mit der Einführung einer Sachdividende kann sich ein Zustimmungserfordernis nach § 141 Abs 3 dann ergeben, wenn die Ermächtigung nach Abs 5 begleitet wird von der Klausel, dass Vorzüge fortan nur noch über Sachdividenden bedient werden. In diesem Fall wird bereits zum Zeitpunkt der Ermächtigung (allerdings nicht durch diese, sondern durch die begleitende Klausel) in das Vorzugsrecht eingegriffen, weil der Inhalt des Rechts, das der Vorzug gewährt, direkt abgeändert wird.

551

552

Cahn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 104; Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 509, 514; Hasselbach/Wicke N Z G 2001, 599, 600. Grund Sachdividenden (2006), S 86 f; aA Waclawik W M 2 0 0 3 , 2 2 6 6 , 2 2 6 8 [dort mit Fn 23: Vorschlag für gesetzliche Ergänzung in § 141 Abs 1],

553

554 555

Zum mangelnden Eingriff in die Mitgliedschaft durch bloße Schaffung der Ermächtigung nach Abs 5 vgl auch oben Rdn 188. Hüffer8 § 141 Rdn 4 mwN. Denkbar auch: § 141 Abs 4 analog.

Stand: 18. 5. 2 0 0 8

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Verwendung des Jahresüberschusses

§ 58 Abs 5

Ist in der Satzung ausdrücklich ein Geldbetrag bestimmt, der auf Vorzüge zu zahlen ist, dann liegt in der Einführung einer Sachdividendenermächtigung kein Fall von § 141

195

Abs 1, Abs 3. Vielmehr findet die Ermächtigung des Abs 5 ihrerseits ihre Grenze in dieser Satzungsbestimmung. Die Vorzüge dürfen weiterhin nur in Geld bedient werden. W i r d bei der Einführung der Sachdividendenermächtigung zugleich die für Vorzugsaktien satzungsmäßig geltende Bardividendenbestimmung abgeschafft, dann Abs 3 einschlägig.

ist § 141 Abs 1,

VI. Bewertung des Gegenstandes der Sachdividende 1. Bewertung im Jahresabschluss/Gewinnverwendungsbeschluss a) Bewertungsnotwendigkeit. Gemäß § 1 7 4 Abs 2 N r 2 Fall 2 muss der GewinnverWendungsbeschluss die H ö h e des Wertes der Sachdividende als Geldbetrag angeben (oben Rdn 161 m N ) . Denn dieser Wert addiert sich mit den anderen Posten des § 1 7 4

196

Abs 2 zum Bilanzgewinn, der seinerseits stets ein in Geld ausgedrückter Rechnungsposten i s t . 5 5 6 Für die Gewinnverwendung, auch schon iRv § 1 7 0 Abs 2 (oben Rdn 1 6 2 m N ) , muss daher eine Bewertung der Sachdividende in Geld stattfinden, um sie zum Bilanzgewinn in Beziehung zu s e t z e n . 5 5 7 b) V e r k e h r s w e r t 5 5 8 versus B u c h w e r t 5 5 9 . Der Gesetzgeber hat die Frage der Bewertung der auszukehrenden Gegenstände zum Buch- oder Verkehrswert offen gelassen und die Beantwortung ausdrücklich der wissenschaftlichen Literatur überlassen. 5 6 0 D o r t wird heute überwiegend der Verkehrswert für maßgeblich gehalten; 5 6 1 diese Ansicht trifft zu. Andere Stimmen halten es stattdessen für zulässig, vorzugsweise oder wahlweise auf den Buchwert abzustellen. 5 6 2 Die Beurteilung ist demnach streitig. 5 6 3

556

557 558

559 560

561

Siehe nur Kropff in: MünchKomm 2 § 170 Rdn 54. Waclawik W M 2003, 2 2 6 6 , 2 2 6 8 , 2269. = „Marktwert", „Zeitwert", „Realwert", „Substanzwert", „tatsächlicher Wert", „objektiver Wert", „wahrer Wert". = „Nominalwert", „bilanzieller Wert". BegrRegE, BT-Drucks 14/8769, S 13 = N Z G 2002, 213, 219 und ebenso davor RefE (Seibert), ZIP 2 0 0 2 , 2192, 2194, was zurückgehen dürfte auf Baums Bericht RKCG (2001), Rdn 2 0 0 , S 218. Hüffer* Rdn 33; Cahn/Senger in: Spindler/ Stilz, Rdn 110; Fleischer in: Κ Schmidt/ Lutter, Rdn 60; Ηζ\άζ\1 Drinhausen1 Rdn 58; Ellrott/Ring in: BeckBilKomm 6 Vor § 325 Rdn 58; S e m l e r / V o / W ArbHdbHV 2 § 17 Rdn 13; Ζätzsch/Maul in: BeckHdbAG, § 4 Rdn 255; Schnorbus ZIP 2003, 509, 514 ff; Heine/Lechner AG 2005, 269, 270; Orth WPg 2 0 0 4 , 777, 782 ff und 841, 853; Waclawik W M 2003, 2 2 6 6 , 2 2 6 9 ff; Prinz/Schürner DStR 2003, 181, 183; Ψ Müller N Z G 2002, 752, 758; Ihrig/

(31)

Wagner BB 2002, 789, 796; Schulze-Osterloh FS Priester (2007), S. 749, 753; Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 83; Strunk/Kolaschnik TransPuG, S 57 ff, 70 f; Ek Praxisleitfaden HV (2005), Rdn 682; Hasselbach/ Wicke N Z G 2001, 599, 600; Tübke Sachausschüttungen (2002), S 59 f. Bayer in: MünchKomm 3 Rdn 109 f; Kropff in: MünchKomm 2 § 170 Rdn 55; Hoffmann-Becking in: MünchHdbGesR 3 , Bd 4 [AG], § 46 Rdn 28; Lutter/Leinekugel/Rödder Z G R 2 0 0 2 , 2 0 4 , 215 ff; Holzborn/Bunnemann AG 2003, 671, 674 f; Menner/Broer DB 2003, 1075, 1078; Euler/Müller in: Spindler/Stilz, § 170 Rdn 35; Schulz in: HeidelbergKomm, § 170 Rdn 8 aE; Leinekugel Sachdividende (2001 ), S 154 ff; Grund Sachdividenden (2006), S 165 ff, 197 ff. 563 Auch rechtsvergleichend ist festzustellen, dass die Frage der Bewertung der Sachdividende zum Buch- oder Verkehrswert nicht einheitlich beurteilt wird: Im europäischen Ausland favorisieren manche Länder

562

Hartwig Henze/Richard L. Notz

197

§ 58 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

198

Eine Ausschüttung zum Buchwert müsste zunächst in jedem Fall berücksichtigen, dass dennoch die Verkehrswerte der einzelnen ausgeschütteten Gegenstände im Vergleich zueinander nur so geringfügig, wenn überhaupt, differieren, dass eine Verletzung von §§ 53a, 60 nicht zu besorgen ist. 564 Ferner kommt man bei der Ausschüttung einer Mischdividende (oben Rdn 182 ff) aus Gleichbehandlungsgründen nicht umhin, die Sachen zum Verkehrswert anzusetzen. 565 Aber selbst unter Beachtung dieser Einschränkungen bleiben gewichtige Zweifel an der Stimmigkeit einer Zugrundelegung von Buchwerten bezüglich einer (reinen) Sachdividende. 199 Infolge des Anschaffungskosten- und Niederstwertprinzips (§ 253 Abs 1 HGB) wird der Buchwert idR unter dem Verkehrswert der Sachdividendengegenstände liegen; in ihnen verbergen sich stille Reserven. Auch diese „Zwangsreserven" (oben Rdn 21) sind von der Vermögensbindung des § 57 umfasst. 566 Für den Umfang der Vermögensbindung ist der Verkehrswert einer Sache maßgeblich, unabhängig davon, inwieweit sie nach den handelsrechtlichen Grundsätzen aktiviert wurde oder aktivierungsfähig ist. 567 Es geht mithin ins Leere, zur Befreiung von den Schranken des § 57 auf die Bilanzneutralität einer zum Buchwert erfolgenden Ausschüttung der Sachdividende hinzuweisen. Zudem spielt es für die unabdingbare Geltung 568 der Vermögensbindung als objektivem Rechtsprinzip keine Rolle, ob die Gläubiger das - nicht transparente - Ausmaß der stillen Reserve kennen und deshalb darauf vertrauen können. 569 Ohne Einfluss auf § 57 ist ferner der (iÜ sachlich nicht richtige) Gedanke, die Vermögensbindung könne sich bei einer Sachdividendengewährung nicht am Verkehrswert orientieren, weil die Gewinnverwendung ein gesellschaftsinterner Vorgang, nicht aber ein Umsatzgeschäft at arms' length, und damit einem Drittvergleich nicht(?) zugänglich sei. Denn für die Einschlägigkeit von § 57 ist die Natur der causa der Wertauskehrung ohne Belang.570 Festzuhalten bleibt danach, dass § 57 auf den Vorgang der Ausschüttung einer Sachdividende anzuwenden ist und sich die Wirkung der Vorschrift auf den Verkehrswert der Sachdividendengegenstände bezieht. 571 200

Eine Freistellung dieser Sachwerte von der Vermögensbindung erfolgt durch den Gewinnverwendungsbeschluss (§ 57 Abs 3 iVm § 174 Abs 1 S l), 5 7 2 jedoch nur in dem dort gemäß § 174 Abs 2 Nr 2 Fall 2 betragsmäßig bestimmten Umfang. 573 Für die Errechnung des von der Vermögensbindung befreiten Sachwertbetrages sind daher Sachverkehrswerte heranzuziehen. Folgt die AG dem nicht, erfolgt eine unzulässige „stille

564

565 566

den Buchwert, manche den Verkehrswert, und manche lassen beides zu; genauer dazu Lutter/Leinekugel/Rödder ZGR 2002, 204, 224 mwN; zum österr Recht siehe Stern FS Dorait (2004), S 625, 632 ff. Zugegeben von DAV-Handelsrechtsausschuss N Z G 2002, 115, 116; Menner/Broer DB 2003, 1075, 1078; Leinekugel Sachdividende (2001), S 169. Vgl auch Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 83. Stern FS Dorait (2004), S 625, 636. Zutreff W Müller N Z G 2002, 752, 758; Schnorbus ZIP 2003, 509, 515; Prinz/ Schürner DStR 2003, 181, 183; vgl auch Großkomm-Henze 4 § 57 Rdn 9; aA Lutter/Leinekugel/Rödder Z G R 2002, 204, 218 ff, 221; Holzborn/Bunnemann AG

567 568 569

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571 572 573

2003, 671, 674; Menner/Broer DB 2003, 1075, 1078. Großkomm-Henze 4 § 57 Rdn 11. Großkomm-Henze 4 § 57 Rdn 6. Zutreff Waclawik W M 2003, 2266, 2271; tendenziell abw Holzborn/Bunnemann AG 2003, 671, 675. Zutreff Hüffer 8 Rdn 33; Semler/Volhard ArbHdbHV 2 § 17 Rdn 13 [dort Fn 46]; Cahn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 110; Schnorbus ZIP 2003, 509, 515 f; aA Lutter/Leinekugel/Rödder Z G R 2002, 204, 217; Holzborn/Bunnemann AG 2003, 671, 675. Nachw wie oben in Fn 561. Großkomm-Herne4 % 57 Rdn 182. Großkomm-Henze 4 § 57 Rdn 9, 181.

Stand: 18. 5. 2008

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Verwendung des Jahresüberschusses

§ 58 Abs 5

Auskehr stiller Reserven": 574 es wird ein den Betrag des Bilanzgewinns übersteigender Vermögenswert ausgeschüttet und damit das maximal zulässige Ausschüttungsvolumen überschritten (siehe dazu oben Rdn 166). 5 7 5 Systematisch überzeugt es auch nicht vollends, einen hinreichenden Gläubigerschutz 201 darin zu sehen, dass die bei Zugrundelegung des Buchwertes mitausgeschütteten stillen Reserven zur Dotierung der gesetzlichen Rücklage nach § 150 Abs 2 herangezogen werden. 576 Die gesetzliche Rücklage wird aus dem Jahresüberschuss und nicht aus dem Bilanzgewinn bedient und ist demgemäß bei Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses bereits dotiert. 577 Für den zulässigen Rückgriff auf den Buchwert ist schließlich angeführt worden, bei 2 0 2 den zur Sachdividende vergleichbaren Strukturmaßnahmen der Abspaltung und Einziehung (oben Rdn 145 f, 143 f) könne sich - ohne dass darin ein Verstoß gegen § 57 gesehen wird - ebenfalls der Effekt einer Auskehrung stiller Reserven ergeben, wenn das ausgeschüttete Vermögen nach Maßgabe der handelsrechtlichen Buchwerte zu Lasten des Bilanzgewinns oder der Gewinnrücklage ausgebucht wird. 578 Das ist zwar richtig, rechtfertigt aber nicht notwendig eine parallele Handhabung bei der Sachdividende. Abspaltung und Einziehung werden von Gläubigerschutzvorschriften ergänzt (§ 125 S 1 iVm § 22 UmwG bzw § 237 Abs 2 S 3 iVm § 225 Abs 2), die bei der Sachdividende nicht vorhanden sind. Bei der Sachdividende ist der durch § 57 vermittelte Schutz daher vergleichsweise stärker zu betonen. Auch folgt die Möglichkeit einer Abspaltung zum Buchwert einer besonderen Regelung (vgl §§ 24, 125 S 1 UmwG), während eine solche Buchwertverknüpfung für die Sachdividende gerade fehlt. 579 Theoretisch kann eine Schwierigkeit bei der Heranziehung des Verkehrswertes gegen- 2 0 3 über dem Buchwert im Einzelfall darin liegen, dass der Verkehrswert schwer zu ermitteln ist. 5 8 0 Das Problem einer Bewertungsunsicherheit tritt bei Zugrundelegung von Buchwerten dagegen kaum auf. 581 Dieses Argument ist jedoch nicht geeignet, die Maßgeblichkeit des Verkehrswertes in Abrede zu stellen. Zum einen wird diese Schwierigkeit bei fungiblen Sachgegenständen nicht zum Tragen kommen. Es werden aber in der Regel derartige Gegenstände sein, die für eine Sachdividende ausgewählt werden. Damit verliert das Argument für die Praxis bereits an Gewicht. Außerdem besteht die Möglichkeit, bei tatsächlich unbekanntem oder mit zu großen Unsicherheiten behaftetem Verkehrswert im Zweifel den Blick dann auf die Größenordnung des Buchwerts zu richten. Auch das führt nicht zu einer grundsätzlichen Maßgeblichkeit des Buchwertes, sondern nur zu seiner ergänzenden Heranziehung; jedenfalls erübrigt es die Diskussion. Bei börsennotierten Aktien muss nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass der Börsenkurs den Verkehrswert vorgibt; es wird aber oft nahe liegen. Notwendig, aber auch hinreichend ist es, einen angemessenen Betrag für die Aktien zu veranschlagen. Die574

575

576

(33)

Orth WPg 2 0 0 4 , 777, 7 8 4 und 841, 8 5 3 ; präzisierend Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 509, 516. Wegen des unterschiedlichen Umfangs der Kapitalerhaltung kann daher in einer GmbH - bis zur Grenze des § 3 0 Abs 1 GmbHG - der Ausschüttungswert einer Sachdividende zum Buchwert angesetzt werden, W Müller in: GroßkommGmbHG, § 2 9 Rdn 123.

577

So Kropff in: MünchKomm 2 § 170 Rdn 5 5 ; Bayer in: MünchKomm 3 Rdn 1 0 9 aE mwN, 110.

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Cahn/Senger in: Spindler/Stilz, Rdn 110. Hoffmann-Becking in: MünchHdbGesR 3 , Bd 4 [AG], § 4 6 Rdn 2 8 wie schon ders ZHR-Beiheft 71 ( 2 0 0 2 ) , S 215, 2 2 2 f. W Müller N Z G 2 0 0 2 , 7 5 2 , 7 5 8 ; Waclawik W M 2 0 0 3 , 2 2 6 6 , 2 2 7 0 f. Vgl Holzborn/Bunnemann AG 2 0 0 3 , 671, 6 7 4 ; Waclawik W M 2 0 0 3 , 2 2 6 6 , 2 2 6 9 ; Kropff in: MünchKomm 2 § 1 7 0 Rdn 55. Aus Sicht der Praxis auch deshalb den Buchwert befürwortend Hoffmann-Becking ZHR-Beiheft 71 ( 2 0 0 2 ) , S 215, 2 2 3 .

Hartwig Henze/Richard L. Notz

204

§ 58 Abs S

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

ser kann sich aus dem anteiligen Ertragswert des Unternehmens errechnen (Ertragswertmethode) und im Ergebnis unter dem Börsenkurs liegen.582 Die Maßgabe des BVerfG 583 und des BGH 5 8 4 , wonach mit Rücksicht auf Art 14 Abs 1 GG das Anteilseigentum im Rahmen von Ausgleichs- und Abfindungszahlungen mindestens in Höhe des Börsenkurses zu entgelten ist, darf auf die Bewertungsfrage von Aktien, die als Sachdividende ausgeschüttet werden, nicht übertragen werden. Denn diese Rechtsprechung dient dem Schutz des Aktionärs. Der Aktionär profitiert hier jedoch von einem unter dem Börsenkurs liegenden Wertansatz, weil dadurch eine höhere Anzahl von Aktien an ihn als Sachdividende ausgekehrt wird als wenn der Börsenkurs in Ansatz gebracht wird. 585 2. Sonstige Bewertungsfälle 205

a) Dividendenvorzug. Besteht für den Inhaber von Vorzugsaktien (§ 139 Abs 1) die Mehrdividende in einer Sachausschüttung, bedarf es einer Ermittlung des Gegenstandswertes in Geld. So wird festgestellt, ob der Vorzug voll erfüllt ist oder, wenn dies zu verneinen ist, das Stimmrecht auflebt (§ 140 Abs 2). Bei dieser Bewertung der Vorzugssachdividende ist der Vermögenswert zu ermitteln, wie er sich in der Hand des durchschnittlichen Aktionärs als Vorzugsberechtigtem darstellt ( Verkehrswert).6

206

b) Dividendenabhängige Ansprüche. Wenn es um Ansprüche geht, deren Höhe an den Wert einer Dividendenausschüttung gekoppelt ist, ist ebenfalls auf den objektiven Sachwert abzustellen. Das trifft beispielsweise auf die Ausgleichszahlung nach § 304 Abs 2 S 2 zu. Erfolgt die als Referenz dienende Ausschüttung in Form einer Sachdividende, ist deren Verkehrswert maßgeblich.587 Gleiches ist anzunehmen, wenn sich die Höhe der Vergütung von Mitgliedern eines Verwaltungsorgans an Gewinnausschüttungswerten ausrichtet.588

207

c) Wert der Sachdividende iRv § 254 Abs 1. Um zu entscheiden, ob bei Gewährung einer Sachdividende ein Anfechtungsgrund wegen Aushungerns der Minderheit gegeben ist (oben Rdn 191), muss der Wert der ausgeschütteten Sachen gemäß § 254 Abs 1 letzt HS rechnerisch in Bezug zum Grundkapital gesetzt werden (4 %-Grenze). Für die dazu erforderliche Feststellung des Geldwerts der Sachdividende ist deren Verkehrswert zu ermitteln.589 VII. Rechtsfolge einer Sachausschüttung ohne oder außerhalb der Ermächtigung (Verstoß gegen Abs 5)

208

Beschließt die Hauptversammlung eine Sachdividende, obwohl eine Ermächtigungsklausel nach Abs 5 HS 1 fehlt, so ist dieser Gewinnverwendungsbeschluss anfechtbar nach § 243 Abs 1 Fall 1 (Gesetzesverletzung). Aus § 243 Abs 1 Fall 2 (Satzungsverletzung) ergibt sich die Anfechtbarkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses, wenn er Gegenstände als Sachdividende ausschüttet, die von einer vorhandenen Ermächtigungs582

583

584

585

Hüffer8 Rdn 33; Cahn/Senger in: Spindler/ Stilz, Rdn 110 aE; vgl auch Ellrott/Ring in: BeckBilKomm 6 Vor § 325 Rdn 58. BVerfGE 100, 2 8 9 [„DAT/Altana"] = NJW 1999, 3769, 3771 f. BGHZ 147, 108 [„DAT/Altana") = NJW 2001, 2 0 8 0 . Zutreff Hüffer8 Rdn 33.

586

Gleicher Ansicht Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 84; Ihrig/Wagner BB 2 0 0 2 , 789, 796. Frage angedeutet, aber Bewertungsart offen gelassen bei DAV-Handelsrechtsausschuss N Z G 2 0 0 2 , 115, 116.

587

Vgl Ihrig/Wagner BB 2 0 0 2 , 789, 796. Vgl Ihrig/Wagner aaO. Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 84.

588 589

Stand: 18. 5. 2 0 0 8

(34)

Verwendung des Jahresüberschusses

§ 5 8 Abs 5

klausel nicht erfasst sind, und mithin die satzungsmäßigen Vorgaben missachtet. Der Beschluss ist in diesen Fällen nicht nichtig. 5 9 0 Der als Nichtigkeitsgrund allenfalls in Betracht zu ziehende § 241 Nr 3 ist nicht einschlägig. Dass mangels Ermächtigungsgrundlage die Minderheitsaktionäre überrascht wurden und dadurch der Normzweck von Abs 5 unterlaufen wurde (vgl dazu Rdn 148), berührt die Interessen der Aktionäre; hingegen werden Gläubiger'mteressen durch die Natur des Ausschüttungsgegenstandes nicht verletzt. 591

VÜL

Leistungsstörungsrecht/Mängelgewährleistung

1. Unmöglichkeit Ist die Übertragung des Dividendengegenstandes anfänglich unmöglich, etwa weil schon zum Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses die Gesellschaft nicht verfügungsbefugt oder die Sache untergegangen war, macht dies den Beschluss nicht nichtig. Denn dieser Fall fällt unter keinen der Nichtigkeitsgründe, die (abschließend) in § 253 Abs 1 S 1 unmittelbar oder durch Verweisung genannt sind. 5 9 2 Absichern lässt sich dieser Befund durch eine entsprechende Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 311a Abs 1 BGB. 5 9 3 Die anfängliche Unmöglichkeit macht den Gewinnverwendungsbeschluss auch nicht anfechtbar. Denn sie stellt keine Verletzung des Gesetzes oder der Satzung iSd § 243 Abs 1 dar.

209

Dem Aktionär kann ein Schadensersatzanspruch analog den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts als Ausgleich dafür zustehen, dass er entsprechend § 275 Abs 1 BGB keinen Anspruch auf Übertragung der Sache hat. Bei anfänglicher Unmöglichkeit ist § 311a Abs 2 BGB, bei nachträglicher Unmöglichkeit sind die §§ 283, 280 BGB entsprechend anzuwenden. 594

210

Das setzt voraus, dass der AG ein Verschulden zur Last fällt (§§ 280 Abs 1 S 2, 311a Abs 2 S 2 BGB iVm § 276 Abs 1 S 1, Abs 2 BGB). Hatte der Vorstand die nicht erfüllbare Sachdividende vorgeschlagen (vgl §§ 124 Abs 3 S 1, 170 Abs 2), kann das als Anknüpfungspunkt dienen, eine darin liegende Pflichtverletzung entsprechend § 31 BGB der AG zuzurechnen. 595 Da dieser Weg nicht gangbar ist, wenn die Hauptversammlung auf Antrag von Aktionären eine Sachdividende beschlossen hatte, entfällt dann ein Schadensersatzanspruch mangels Verschulden der AG. Nicht zu folgen ist der Ansicht, die aus der Situationstypik eine konkludente Garantieerklärung der AG auf (subsidiäre) Barzahlung bei Scheitern der Sachausschüttung herleitet. 596 Diese Sichtweise ist aufgrund ihrer Nähe zur Fiktion und der ernormen Tragweite eines Garantieversprechens generell bedenklich; 597 jedenfalls überspannt sie undifferenziert den Willen der Beteiligten, da dieser zweckgerichtet dahin gehen kann, entweder eine Sachdividende oder aber - ggf begrenzt durch § 254 Abs 1 - gerade nichts auszuschütten. 598 Im Übrigen kann ein

211

590

591 592 593 594

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Gleicher Ansicht Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 79; aA Heidel/Drinhausen 2 Rdn 64 (aber ohne Nennung des Nichtigkeitsgrundes oder einer sonstigen Begründung). Zutreff Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 79. Näher Grund Sachdividenden (2006), S 145 f. Vgl Grund Sachdividenden (2006), S 146 f. Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 509, 516; Grund Sachdividenden (2006), S 147 f, 149, 156.

595 596

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Grund Sachdividenden (2006), S 149 ff. So Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 509, 517; hiergegen Holzborn/Bunnemann AG 2 0 0 3 , 671, 6 7 6 ; Grund Sachdividenden (2006), S 151. Holzborn/Bunnemann AG 2 0 0 3 , 671, 6 7 6 ; vgl auch Grund Sachdividenden (2006), S 161. Grund Sachdividenden (2006), S 151.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

§ 58 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Aktionär, der nach Untergang des Sachausschiittungsanspruchs wegen unverschuldeter Unmöglichkeit keinen Schadensersatzanspruch hat, auch nicht geltend machen, dass dann ersatzweise ein Anspruch auf Bardividende auflebe. Die Annahme einer solchen Rechtskonstruktion ist im vorliegenden Zusammenhang irrig (siehe oben Rdn 164). 212 Die weitere Konsequenz eines Eintritts unverschuldeter Unmöglichkeit der Sachausschüttung ist es, dass der Gewinnverwendungsbeschluss faktisch wirkungslos ist. Dass deshalb erneut über die Gewinnverwendung beschlossen werden muss, 599 ist aber zweifelhaft. 213 Der Schadensersatzanspruch des Aktionärs ist nicht auf den (anteiligen) Betrag des Bilanzgewinns beschränkt und kann daher auch Folgeschäden (zB § 252 BGB) umfassen. 600 Denn der Aktionär macht mit dem Anspruch auf Übertragung der Sache ein einfaches Gläubigerrecht geltend und steht der AG hier daher grundsätzlich wie ein Dritter gegenüber (vgl oben Rdn 163). Einschränkungen sind allenfalls ausnahmsweise auf der Grundlage der Treuepflicht denkbar, wenn die als Dividende vorgesehenen Sachen ersatzlos untergegangen sind und eine Begleichung des Schadensersatzanspruchs die Kapitalrücklage oder gar das Grundkapital angreifen würde. 601 2. Verzug 214

Der Anspruch auf Übertragung der Sache wird, wenn nicht die Satzung oder der Gewinnverwendungsbeschluss etwas anderes bestimmt, bei seinem Entstehen durch den Beschluss sogleich fällig (§ 271 Abs 1 BGB; vgl entspr oben Rdn 95). Für die - angemessene - Zeit, die für den Übertragungsvorgang der Sachen an die Aktionäre erforderlich ist, kommt die AG noch nicht in Verzug (arg § 286 Abs 4 BGB).602 Verzugsschaden verlangen kann der Aktionär unter den Voraussetzungen von §§ 280 Abs 2, 286 BGB analog. Verzugszinsen sind nicht zu gewähren, da es sich entgegen § 288 Abs 1 S 1 BGB nicht um eine GeWschuld handelt. 603 3. Sach- und Rechtsmängel

215

Ist der Dividendengegenstand mit einem Sach- oder Rechtsmangel behaftet, steht dem Aktionär in analoger Anwendung von § 365 BGB ein Recht auf Gewährleistung entsprechend § 437 BGB zu. 604 Der abweichenden Ansicht 605 , die § 280 BGB anwenden will, ist nicht zu folgen:

216

a) Analogie zu § 365 BGB. Die Ausschüttung einer Sachdividende iSd Abs 5 ist kein Anwendungsfall von § 364 BGB (siehe Rdn 138). Für die Mängelhaftung scheint deshalb § 280 BGB näher zu liegen als ein Rückgriff auf § 365 BGB, insbesondere da § 280 BGB die Zentralnorm für Pflichtverletzungen ist, nach der sich bei Rechtsverhältnissen ohne

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601

602

So Grund Sachdividenden (2006) S 155 und 157. Grund Sachdividenden (2006), S 153, 156 f; Holzborn/Bunnemann AG 2003, 671, 676; aA Schnorbus ZIP 2003, 509, 517. Vgl dazu oben Rdn 99 ff, 102 und siehe Grund Sachdividenden (2006) S 153 ff, 156 f; ferner grdsl Großkomm-Henze/Notz4 Vor §§ 53a-75 Rdn 17 aE. Vgl Hü f f erg Rdn 28.

603

604

605

Nicht richtig die Nennung von § 288 BGB bei Schnorbus ZIP 2003, 509, 516. Holzborn/Bunnemann AG 2003, 671, 677 f; Grund Sachdividenden (2006), S 160 ff. Schnorbus ZIP 2003, 509, 517. Noch anders H irte TransPuG, 1. Kap, Rdn 82 mit der Konstruktion, dass der primäre Anspruch auf Bardividende wieder auflebe; das ist indes verfehlt, siehe schon oben Rdn 164 und 211.

Stand: 18. 5. 2 0 0 8

(36)

Verwendung des Jahresüberschusses

§ 58 Abs 5

besondere Mängelhaftung grundsätzlich auch die Gewährleistung richtet. 6 0 6 Dennoch gebührt der Analogie zu § 365 BGB der Vorzug. Gewährleistungsrechte könnte der Aktionär aus § 2 8 0 BGB nur herleiten, wenn ein Verschulden der AG vorliegt (vgl § 2 8 0 Abs 1 S 2 BGB). Hingegen stehen die Rechte aus § 365 iVm § 437 Nr 1 und 2 BGB dem Aktionär bereits unabhängig von einem Verschulden der AG zur Verfügung. Das Schutzniveau des § 4 3 7 BGB ist somit höher. Zwar könnte das theoretisch dadurch kompensiert werden, dass das Verschuldenserfordernis bei § 2 8 0 BGB im Fall der Gewährung einer Sachdividende unmaßgeblich gemacht wird, indem der AG eine Garantieerklärung zur Mangelfreiheit der Dividende unterstellt wird. 6 0 7 Eine derartige Modifizierung von § 2 8 0 BGB überzeugt jedoch nicht (vgl oben Rdn 211 mN). Nun ist das vergleichsweise höhere Schutzniveau der §§ 365, 437 BGB allein noch kein sachlicher Grund, § 280 BGB demgegenüber zurückzustellen. Ebenso könnte in Betracht gezogen werden, dass der Aktionär die Schwäche des § 2 8 0 BGB als gesetzliche Wertung hinnehmen muss, wie dies auch sonst gilt für Beteiligte von Verträgen ohne speziell geregelte Mängelhaftung. Entscheidend ist allerdings, dass sich anhand der Motive des Gesetzgebers ermitteln lässt, dass der durch §§ 365, 4 3 7 BGB vermittelte Schutz angezeigt ist. Der Gesetzgeber hat die Sachdividende auf die gesellschaftsrechtliche Ebene gehoben, um ihre Attraktivität als Gestaltungsinstrument zu fördern. Diese Attraktivität fehlte früher, weil sich auf der vormals nur möglichen schuldrechtlichen Ebene des § 364 BGB regelmäßig die praktisch kaum zu bewältigende Hürde stellte, dass alle Aktionäre zustimmen mussten (oben Rdn 130, 138). Wird aber für eine Sachausschüttung dennoch dieser Weg des § 364 BGB beschritten, erfahren die Aktionäre direkt den Schutz der §§ 365, 4 3 7 BGB. Es ist fernliegend, dass der Gesetzgeber im Zuge der mit Abs 5 geschaffenen Erleichterung eine Verkürzung dieses Aktionärschutzes hinnehmen wollte. Stimmig ist es daher, auch unter Geltung von Abs 5 Sach- und Rechtmängel einer Sachdividende nach § 365 BGB (analog) zu beurteilen. b) Entsprechende Geltung von § 437 BGB. Da es sich bei dem Rechtsverhältnis, aus dem der Anspruch auf Übertragung der Sache stammt, nicht um einen synallagmatischen Vertrag wie Kauf oder Tausch handelt, bedarf § 4 3 7 BGB bei seiner Anwendung auf die Sachdividende einer entsprechenden Anpassung: Ein Rücktritt nach § 437 Nr 2 Fall 1 BGB kommt nicht in Betracht, da ein (unter umgekehrten Leistungspflichten) fortgesetztes Synallagma hier nicht möglich ist. Der Aktionär kann Nacherfüllung bzw Minderung wählen. Im Falle der Minderung ist die Höhe des Betrages, um den der Mangel den Wert der Sache herabsetzt, an den Aktionär in bar auszukehren. 608 Schadensersatz nach § 437 Nr 3 iVm §§ 280 Abs 3, 281 BGB steht dem Aktionär zu, wenn die AG den Mangel zu vertreten hat. Die Gewährleistungsrechte werden für den jeweiligen Aktionär grundsätzlich nicht durch den anteiligen Betrag am Bilanzgewinn beschränkt; die Geltendmachung von Mangelfolgeschäden ist daher neben dem Erfüllungsschaden möglich (vgl dazu oben Rdn 213). 6 0 9

606

607

(37)

Siehe dazu Bamberger/Roth/Unteraifc BGB 2 S 2 8 0 Rdn 23; Jauernig/Stad/er BGB 12 § 2 8 0 Rdn 11; ErmanJWestermann BGB 12 § 2 8 0 Rdn 44; Palandt/Heinrichs BGB 6 7 S 2 8 0 Rdn 15 f. So im Erg Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 509, 517; zutreff aA Grund Sachdividenden (2006),

608

609

S 161; Holzborn/Bunnemann AG 2003, 671, 676. Vgl Staudinger/Olzen BGB, 2 0 0 6 , § 365 Rdn 26. Grund Sachdividenden (2006), S 164; aA Schnorbus ZIP 2 0 0 3 , 509, 517.

Hartwig Henze/Richard L. Notz

217

§ 5 8 Abs 5

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

218

c) Gewährleistungsausschluss. Ein Ausschluss der Gewährleistung (vgl § 4 4 4 BGB) ist möglich. Er kann in die Satzungsregelung zur Sachdividende oder in den Ausschüttungsbeschluss der Hauptversammlung aufgenommen werden. 610

219

d) Kein Verbraucherschutz. Die Übertragung der als Sachdividende ausgeschütteten Gegenstände an die Aktionäre wird durch die § § 474 ff BGB nicht berührt. Zweifelhaft ist bereits, ob die lediglich analoge Verweisung ins Kaufrecht über die entsprechende Anwendung von § 365 BGB zu einem „Kauf" im Sinne dieser Vorschriften führt. Jedenfalls tritt der Aktionär nicht als Verbraucher iSd § 13 BGB auf, sondern als Anteilseigner (Mitunternehmer).

I X . Ausländisches Recht 220

Einige andere europäische Staaten lassen ebenfalls eine Sachdividende zu, zum Teil auch schon erheblich länger als dies seit Einführung von Abs 5 für Deutschland gilt. Beispielsweise existiert in Italien, Spanien, Schweden, Großbritannien, Irland, Frankreich, in der Schweiz und den Niederlanden die gesellschaftsrechtliche Möglichkeit der Ausschüttung einer unbaren Dividende. 611 Das System der Zulässigkeit der Sachdividende ist in den ausländischen Rechtsordnungen regelmäßig vergleichbar zum deutschen Recht: Es bedarf eines Satzungsvorbehalts, der allgemein zur Ausschüttung von Sachdividenden ermächtigt, und eines Hauptversammlungsbeschlusses, der diese Satzungsregelung im konkreten Fall ausfüllt. 612

X . Hinweis zum Steuerrecht 221

Dass die Einführung der Sachdividende durch Abs 5 nicht flankiert war von einer korrespondierenden steuerrechtlichen Regelung, wurde deutlich kritisiert. 613 Zu den einschlägigen Gesichtspunkten der steuerrechtlichen Folgen auf der Ebene der Gesellschaft sowie auf der Ebene der Aktionäre als Empfänger existiert reichhaltig Literatur. 614

610

611

612

613

Holzborn/Bunnemann AG 2 0 0 3 , 671, 6 7 7 [dort mit Fn 77]. Siehe dazu detailliert mit Nachw zum ausländischen Recht Leinekugel Sachdividende (2001), S 4 3 - 1 0 6 ; Tübke Sachausschüttungen (2002), S 2 0 0 ff, 2 5 0 ff; Lutter/Leinekugel/Rödder ZGR 2 0 0 2 , 2 0 4 , 2 2 3 f; Forstmoser FS Keller (1989), S 701 ff. Vgl ferner Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 7. Für Österreich siehe Stern FS Dorait (2004), S 6 2 5 ff. Näher Lutter/Leinekugel/Rödder ZGR 2 0 0 2 , 204, 2 2 3 f; siehe zudem ausführt Leinekugel Sachdividende (2001), S 4 3 - 1 0 6 ; Tübke Sachausschüttungen (2002), S 2 0 0 ff, 2 5 0 ff. BDI/BDA/BdB/DIHK/GDV Stellungnahme ν 11.1.2002, S 4; DAI Stellungnahme ν 11.2.2002, S 5; vgl zudem

614

Rechtsausschussbericht, BT-Drucks 14/9079, S 17; eingestehend Seibert N Z G 2 0 0 2 , 608, 6 0 9 ; siehe ferner die Einschätzung von Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 85. Bareis/Siegel BB 2 0 0 8 , 4 7 9 ff; Grund Sachdividenden (2006), S 2 1 9 - 2 6 6 mwN; Heine/Lechner AG 2 0 0 5 , 269, 2 7 2 ff; Orth WPg 2 0 0 4 , 841 ff, 854 f; Waclawik W M 2 0 0 3 , 2 2 6 6 , 2 2 7 3 ff; ders BB 2 0 0 3 , 1408, 1409 ff; Prinz/ Schürner DStR 2003, 181, 183 ff; Menner/Broer DB 2 0 0 3 , 1075, 1078 ff; Strunk/Kolaschnik TransPuG, S 64 ff; Hirte TransPuG, 1. Kap, Rdn 86 ff; Lutter/ Leinekugel/Rödder ZGR 2 0 0 2 , 204, 2 2 9 ff; Häger/Forst EStB 2 0 0 2 , 335 ff; Leip BB 2 0 0 2 , 1839, 1840.

Stand: 18. 5. 2008

(38)

Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn

§59

Gratisaktien, die als Bonus für die Haltetreue von Anteilen gewährt werden, hat der 2 2 2 Bundesfinanzhof als einkommensteuerpflichtige „Sachdividende" qualifiziert,615 auch wenn diese Bonusaktien nicht unmittelbar aus dem Vermögen der AG gewährt und nicht in Erfüllung des Gewinnanspruchs geleistet werden (dazu Rdn 150). 616 Ebenso besteht die Steuerpflicht für den Aktionär, wenn er im Rahmen eines Wahlrechtes auf Barausschüttung oder Aktiengewährung Aktien wählt. 617

§59

Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn (1) Die Satzung kann den Vorstand ermächtigen, nach Ablauf des Geschäftsjahrs auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn einen Abschlag an die Aktionäre zu zahlen. (2) Der Vorstand darf einen Abschlag nur zahlen, wenn ein vorläufiger Abschluß für das vergangene Geschäftsjahr einen Jahresüberschuß ergibt. Als Abschlag darf höchstens die Hälfte des Betrags gezahlt werden, der von dem Jahresüberschuß nach Abzug der Beträge verbleibt, die nach Gesetz oder Satzung in Gewinnrücklagen einzustellen sind. Außerdem darf der Abschlag nicht die Hälfte des vorjährigen Bilanzgewinns übersteigen. (3) Die Zahlung eines Abschlags bedarf der Zustimmung des Aufsichtsrats.

615

(39)

BFH BB 2005, 868 (Vorinstanz: FG Düsseldorf, Urt ν 17.7.2002 - 2 Κ 4068/01 E). Siehe ferner zur Einkommensteuerpflicht bzgl einer gleichzeitig mit einer Bardividendenausschüttung erfolgten beteiligungsproportionalen Zuteilung von Aktien einer

616 617

Tochtergesellschaft [„Spin-Off-Dividende"] FG Rheinland-Pfalz, Urt ν 24.9.2007 - 5 Κ 1484/07, EFG 2008, 41. Vgl Grund Sachdividenden (2006), S 31 f. Vgl BFH N Z G 2006, 875 (Vorinstanz: FG Bad-Württ, Urt ν 26.5.2003 - 13 Κ 176/00).

Hartwig Henze

59

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Übersicht Rdn

Rdn I. Einleitung 1. Gesetzesgeschichte 2. Regelungsgegenstand; Systematik Π. Tatbestandsvoraussetzungen für eine zulässige Gewinnabschlagszahlung 1. Ablauf des Geschäftsjahres . . . . 2. Statutarische Ermächtigung der Verwaltung 3. Inhaltliche Grenzen 4. Jahresüberschuß im vorläufigen Abschluß 5. Eigene positive Entscheidung der Verwaltung a) Beschluß des Vorstandes b) Beschluß des Aufsichtsrates . . . . 6. Zulässige Höhe eines Dividendenabschlages

a) Betragsmäßige Beschränkung nach Abs 2 S 2 b) Betragsmäßige Beschränkung nach Abs 2 S 3 ID. Rechtsfolgen des $ 5 9 1. Entstehen eines konkreten selbständigen Auszahlungsanspruches 2. Auswirkungen auf den Jahresabschluß und die Gewinnverwendung IV. Rechtsfolgen von Verstößen 1. Rückgewährpflicht gem § 6 2 Abs 1 . a) Überhöhte Abschlagszahlungen . . b) Zahlungen außerhalb von § 5 9 . . 2. Haftung der Verwaltung (§§93,116)

10 13 14 15 19

20 24

25

26 28 29 29 31 32

Schrifttum Eder Aktuelle Aspekte der Vorabausschüttung, BB 1994, 1260; Furkel Zur Rückgängigmachung verdeckter Gewinnausschüttungen, BB 1973, 1541; Fussan Organe der AG (1978); Meier/Budde Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeit des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft, DB 1974, 1271; R Müller „Tracking Stock" und seine Realisierbarkeit im deutschen Gesellschaftsrecht, WiB 1997, 57; Obermüller/Werner/Winden Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft3 (1967); Priihs Der Sachverstand im Aufsichtsrat, AG 1970, 347. - Siehe im übrigen auch bei § 58.

I. Einleitung 1. Gesetzesgeschichte 1

Abschlagszahlungen auf die Dividende waren nach dem AktG 1937 unzulässig. 1 Von der damals einzig möglichen Gestaltung in Form des Hinausschiebens der Fälligkeit einer bereits beschlossenen Dividende wurde praktisch kein Gebrauch gemacht. 2 So fand die in § 5 9 enthaltene Regelung durch das AktG 1965 erstmals Eingang ins deutsche Aktienrecht. Sie wurde seitdem nicht geändert.

2

Da die Durchführung der Abschlagszahlungen mit zusätzlichem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden ist, hat der Gesetzgeber davon abgesehen, die Vorschrift des § 5 9 als zwingendes Recht auszugestalten. Das ließ andererseits schon zu Beginn Zweifel darüber aufkommen, ob die Vorschrift praktische Bedeutung erlangen werde. 3 Schließlich wurde die Norm dennoch ins AktG 1965 aufgenommen, um den Gesellschaften immerhin die Option, eine Abschlagszahlung vornehmen zu können, nicht von vornherein abzuschneiden; es sollte die Möglichkeit geschaffen sein, durch eine Art Halbjahrescoupon die Aktie in ihrer Attraktivität für Anleger den festverzinslichen Wertpapieren anzugleichen. Als Leitbild diente dabei das US-amerikanische aktienrechtliche Dividendensystem, das Zwischenzahlungen auf den Gewinn mit Erfolg praktizierte. Praktisch durchgesetzt haben sich Abschlagszahlungen nach § 5 9 aber nicht. Die Vorschrift ist fast bedeutungslos, denn Gebrauch gemacht wird von ihr kaum. 1 2

RGZ 107, 161, 168. Vgl KK-Lutter2 Rdn 2.

3

Vgl Kropff AktG 1965, S 79, 80.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(40)

Abschlagzahlungen auf den Bilanzgewinn

§59

2. Regelungsgegenstand; Systematik Die Voraussetzungen des § 5 9 einzuhalten, ist für die Zulässigkeit eines Dividendenabschlags zwingend. Die Norm stellt eine Ausnahme zu § 57 dar und lockert § 58. Damit fügt sich die Vorschrift nicht reibungslos in das System der Kapitalsicherung ein. Dieses baut auf § 57 auf, wonach Zahlungen an Aktionäre nur aus dem Bilanzgewinn erfolgen dürfen, der wiederum erst nach dem Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung feststeht (§ 174). Diese Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften, die das allgemeine Verbot der Einlagenrückgewähr flankieren, werden durch § 59 aufgeweicht. Konkret besteht die Lockerung darin, daß die Gewinnausschüttung vor endgültiger Feststellung des Jahresüberschusses erfolgt, was ersichtlich die Gefahr einer - im Vergleich zum letztlich dann festgestellten Bilanzgewinn - überhöhten Vorwegausschüttung birgt. Außerdem liegt, was die Gewinnverwendung angeht, in der Maßgeblichkeit der Entscheidung durch die Verwaltung (Abs 1; Abs 2 S 1; Abs 3) eine Zuständigkeitsverschiebung zu Lasten der Hauptversammlung. Beides versucht § 59 dadurch zu entschärfen, daß die Zulässigkeit einer Abschlagsdividende an strenge Voraussetzungen geknüpft ist. 4

3

Π. Tatbestandsvoraussetzungen für eine zulässige Gewinnabschlagszahlung 1. Ablauf des Geschäftsjahres Eine Vorabzahlung auf den Bilanzgewinn kommt von vornherein erst nach Ablauf 4 eines Geschäftsjahres in Betracht; das legt Abs 1 unumgänglich fest. Grund dafür ist die Tatsache, daß erst dann sicher kein Ereignis mehr eintritt, das eine noch so berechtigte Gewinnhoffnung bis zum Bilanzstichtag hätte zu nichte machen können. 5 Für das laufende Geschäftsjahr ist eine Abschlagsdividende also ausgeschlossen. Nicht entscheidend für § 59 ist, ob das Geschäftsjahr einem Kalenderjahr entspricht oder wie lange es dauert (vgl aber § 240 Abs 2 S 2 HGB). Auch für unregelmäßig kurze Geschäftsjahre, etwa bei Gesellschaftsgründung oder Verlegung des Geschäftsjahres, können nach deren Ablauf Abschlagszahlungen vorgenommen werden. 2. Statutarische Ermächtigung der Verwaltung Abs 1 setzt voraus, daß die Satzung die Verwaltung zur Abschlagszahlung ermächtigt. Dadurch wird die Hauptversammlung als das für die Gewinnverwendung zuständige Organ wenigstens indirekt an der Entscheidung über die Gewinnausschüttung durch Zahlung einer Abschlagsdividende beteiligt; erst durch die satzungsmäßige Ermächtigung des Vorstandes - Erteilung, soweit von den Gründern nicht vorgesehen; keine Abschaffung, soweit von den Gründern aufgenommen - begibt sich die Hauptversammlung insoweit dieser Kompetenz.

5

Erforderlich ist eine Ermächtigung durch die Satzung; nicht ausreichend ist also ein einfacher Beschluß der Hauptversammlung. Die entsprechende Bestimmung muß sich nicht schon im ursprünglichen Gesellschaftsvertrag befinden, sondern kann auch nachträglich durch Satzungsänderung (§§ 179 ff) aufgenommen werden. Die Zustimmung aller Anteilseigner analog § 35 BGB ist dazu jedoch nicht erforderlich, weil weder § 174 noch die Ermächtigung iSd § 59 den Aktionären ein Sonderrecht einräumt. 6 Daher ist auch die Aufhebung einer in die Satzung aufgenommenen Ermächtigung durch satzungsändernden Beschluß jederzeit möglich.

6

4

Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 1.

5

Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 2.

(267)

6

KK-Lutter1 Rdn 6.

Hartwig Henze

§ 59

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

7

Inhaltlich muß die Satzungsbestimmung darauf zielen, die Verwaltung zur Zahlung einer Abschlagsdividende zu ermächtigen. Eine Verpflichtung dazu ist nicht möglich. Das ergibt sich für den Fall, in dem kein Bilanzgewinn vorliegt, schon ohne weiteres aus § 57. Aber auch dann, wenn ein Bilanzgewinn ausgewiesen ist, liegt die Beurteilung, ob die Geschäftslage eine Abschlagszahlung zuläßt, im Verantwortungsbereich des Vorstandes. Aus diesem Grunde kann die Hauptversammlung auch bei Bestehen einer dementsprechenden Ermächtigung keinen Beschluß fassen, der den Vorstand zur Abschlagszahlung anweist. 7

8

Eine den genannten Voraussetzungen nicht entsprechende Satzungsbestimmung hat regelmäßig ihre Nichtigkeit zur Folge. Es kann allerdings eine Umdeutung (§ 140 BGB) in eine Ermächtigung im Wege der gesetzeskonformen Auslegung in Betracht kommen. 8 3. Inhaltliche Grenzen

9

D a § 5 9 nur die Höchstgrenze für mögliche Abweichungen von den §§ 57, 174 darstellt, kann die konkrete Ermächtigung einen Umfang festlegen, der hinter dem Höchstm a ß zurückbleibt.® Selbstverständlich wirksam sind daher Bestimmungen, die einen maximalen Abschlag in H ö h e eines Drittels (vgl Abs 2 S 2) des vorjährigen Bilanzgewinns vorsehen oder die Zulässigkeit einer Zahlung von einer Bestätigung des Abschlußprüfers abhängig machen. Dagegen können die von § 5 9 gezogenen Grenzen nicht überschritten werden: Ermächtigungen, die entgegen Abs 2 S 1 auf das Erfordernis eines vorläufigen Abschlusses verzichten, einen Abschlag entgegen Abs 1 bereits für das laufende Geschäftsjahr oder eine Zahlung entgegen Abs 2 S 3 in Höhe von zwei Dritteln des vorjährigen Bilanzgewinns vorsehen, weichen in unzulässiger Weise von § 5 9 a b 1 0 und verstoßen damit gegen § 2 3 Abs 5 S 1. 4. Jahresüberschuß im vorläufigen Abschluß

10

Nach Abs 2 S 1 muß ein vorläufiger Abschluß einen Jahresüberschuß ergeben. Dadurch soll verhindert werden, daß die Gesellschaft einen Abschlag zahlt, ohne daß sie einen ausreichenden Gewinn erwirtschaftet hat. 1 1 Die Vorschrift ist eine konkrete Ausgestaltung des Grundsatzes der Kapitalerhaltung. 1 2 Abschluß ist dabei bilanzrechtlich zu verstehen: Grundlage für eine Abschlagsdividende kann daher nur eine den gesetzlichen Ansatz-, Bewertungs- und Gliederungsvorschriften (§§ 2 5 2 ff, 2 6 6 ff, 2 7 5 ff H G B ) entsprechende Bilanz und GuV nach § 2 4 2 Abs 3 H G B sein. Dagegen sind insbesondere Schätzungen des Jahresüberschusses ungenügend. 1 3

11

M i t der Maßgabe, daß die Ermächtigung selbst keine weiterreichenden Anforderungen stellt (Rdn 9), bedeutet vorläufig daher lediglich, daß Prüfung und Bestätigung des Jahresabschlusses durch Aufsichtsrat und Abschlußprüfer noch nicht erfolgt sein müssen; 1 4 denn gerade dieser Zeitraum soll durch die Abschlagszahlung überbrückt werden. 1 5 Weiter sind weder Anhang (§§ 2 6 4 , 2 8 4 H G B ) noch Lagebericht (§§ 2 6 4 , 2 8 9 H G B ) erforderlich, und auch Änderungen in den Wertansätzen können im endgültigen Abschluß vorgenommen werden. 1 6 7 8 9

10 11

ν GodinJWilhelmi4 Anm 2. Großkomm-Barz Voraufl, Anm 3. Hefermebl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 6; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 3. Großkomm-Barz Voraufl, Anm 3. KK-Lutter 2 Rdn 9.

12

13

14 15 16

Hefermebl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 9. Hefermebl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 10; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 4. KK-Lutter 2 Rdn 10. ν GodmJWilhelmi4 Anm 4. KK-Lutter2 Rdn 10.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(268)

Abschlagzahlungen auf den Bilanzgewinn

§59

Eine Abschlagsdividende kommt nur dann in Betracht, wenn der danach erstellte Abschluß einen Jahresüberschuß (§ 2 7 5 Abs 2 Nr 2 0 bzw Abs 3 Nr 19 HGB) ergibt. Ein Gewinnvortrag aus dem vorhergegangenen Geschäftsjahr und Erträge aus der Auflösung von Rücklagen bleiben bei dessen Ermittlung außer Betracht (§ 158). Letzteres ist deswegen geboten, weil die Auflösung von Rücklagen dabei eine bilanzpolitische Entscheidung darstellt, die üblicherweise erst beim endgültigen Abschluß getroffen wird. 1 7 Ein eventueller Verlustvortrag geht zwar gleichfalls nicht in die Berechnung des Jahresüberschusses ein, eine Abschlagszahlung scheitert in diesem Fall aber an Abs 2 S 1, da in diesem Fall im Vorjahr kein Bilanzgewinn vorgelegen hat. 1 8

12

5. Eigene positive Entscheidung der Verwaltung Die Verwaltung muß sich selbst für die Abschlagszahlung aussprechen und eine positive Entscheidung über ihre Vornahme treffen. Die Hauptversammlung kann ein solche Entscheidung der Verwaltung nicht beseitigen oder - ausgenommen durch eine Änderung der Satzung - verhindern.

13

a) Beschluß des Vorstandes. Abs 1 iVm Abs 2 S 1 fordert vom Vorstand eine in den Grenzen des Abs 2 zu treffende Ermessensentscheidung (§ 76 Abs 1), in die neben Gesichtspunkten der Rechtmäßigkeit auch solche der Zweckmäßigkeit eingehen. So muß sich der Vorstand trotz rechtlicher Zulässigkeit gegen einen Dividendenabschlag entscheiden, wenn dies die augenblickliche Liquiditätslage der Gesellschaft oder eine Kosten-/Nutzenabwägung der Zahlung selbst gebieten. 1 9 Entschieden werden muß für jede Abschlagszahlung neu, 2 0 und zwar vom gesamten Vorstand; eine Delegation ist nicht möglich. 2 1 Die Vorstandsentscheidung wird wirksam mit Bekanntgabe des Beschlusses bzw - ist nur ein Vorstandsmitglied vorhanden - mit Abgabe seiner Erklärung. 2 2

14

b) Beschluß des Aufsichtsrates. Kumulativ zum Vorstandsbeschluß bedarf eine zulässige Abschlagsdividende der Zustimmung des Aufsichtsrates. Anders als der Wortlaut nahelegt (vgl §§ 182 ff BGB), ist dafür eine Genehmigung iSd § 184 Abs 1 B G B nicht ausreichend. Notwendig ist vielmehr die Einwilligung iSd § 183 B G B . 2 3

15

Auch bei der Zustimmung durch den Aufsichtsrat handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Der Aufsichtsrat darf einer rechtswidrigen Abschlagszahlung nicht zustimmen, ist jedoch frei, einer Zahlung, die auf einer unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben getroffenen Entscheidung beruht, seine Zustimmung aus Gründen der Zweckmäßigkeit zu verweigern. 2 4

16

Bei der Prüfung der rechtlichen Anforderungen ist problematisch, daß - regelmäßig noch keine Ergebnisse der Abschlußprüfer (§§ 316 ff HGB) vorliegen und der Aufsichtsrat daher auf der Grundlage des vorläufigen Jahresabschlusses entscheiden muß. Die Beurteilung, ob die Bewertungsregeln eingehalten sind, bedarf daher sehr sorgfältiger Prüfung. Eine umfassende oder gar vertiefte Kenntnis aller einschlägigen Bilanzierungs-

17

17 18 19

20 21 22

Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 4. Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 4. Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 5.

Hüffer4 Rdn 2. KK-Lutter 2 Rdn 7. KK-Lutter2 Rdn 7.

(269)

23

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 13; Obermüller/Werner/Winden Die Hauptversammlung der AG 3 (1967), S 209.

24

KK-Lutter 2 Rdn 8 ; Hefermehl/Bungeroth

in:

Geßler/Hefermehl, Rdn 15; Großkomm-ßarz

Voraufl, Anm 6; Meier/Budde DB 1974, 1271, 1273.

Hartwig Henze

§ 59

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Vorschriften wird man dem Aufsichtsrat aber kaum abverlangen dürfen. 2 5 Immerhin kann der Aufsichtsrat im Wissen um die mangelnde eigene Fachkenntnis jedoch gehalten sein, einen Sachverständigen heranzuziehen (vgl § 109 Abs 1 S 2). 18

Die Entscheidung muß der gesamte Aufsichtsrat treffen (§§ 108, 107 Abs 3 S 2); eine Delegation auf einen Ausschuß scheidet hier ebenso aus wie bei der Entscheidung des Vorstandes (Rdn 14). 26 Die Zustimmung wird mit der Bekanntgabe des Beschlusses wirksam. 2 7 6. Zulässige Höhe eines Dividendenabschlages

19

Liegen die Voraussetzungen des § 59 bis hierhin vor, so darf im Grundsatz eine Abschlagszahlung auf die Dividende vorgenommen werden. Der Betrag, der hierzu verwendet werden darf, wird freilich durch die S 2 und 3 des Abs 2 in doppelter Hinsicht eingegrenzt.

20

a) Betragsmäßige Beschränkung nach Abs 2 S 2. Nach Abs 2 S 2 darf als Abschlag höchstens die Hälfte dessen gezahlt werden, was vom Jahresüberschuß nach Abzug der Beträge verbleibt, die von Gesetzes oder Satzungs wegen zu thesaurieren sind. Jahresüberschuß ist der Saldo der Erträge, Aufwendungen und Steuern, der nach § 275 Abs 2 und 3 HGB in der GuV als Posten 19 bzw 20 auszuweisen ist. Hiervon sind alsdann die Beträge abzuziehen, die nach Gesetz oder Satzung in die Gewinnrücklage einzustellen sind.

21

Zu den Gewinnrücklagen iSv §§ 266 Abs 3 A III, 272 Abs 3 HGB gehören die gesetzlichen Rücklagen nach §§150, 300. Die Vorschrift des § 150 verpflichtet die Gesellschaft, 5 % des um einen etwaigen Verlustvortrag gekürzten Jahresüberschusses in die gesetzliche Rücklage einzustellen, bis die Summe der gesetzlichen Rücklagen und der Kapitalrücklagen nach § 272 Abs 2 Nr 1 - 3 HGB 10% des Grundkapitals oder einen von der Satzung bestimmten höheren Prozentsatz erreicht. Diese Regelung wird im Vertragskonzern durch die Vorschrift des § 300 modifiziert. Die Kapitahüóá>n (§§ 266 Abs 3 A II, 272 Abs 2 HGB, 237 Abs 5) werden hier bewußt nicht erfaßt, weil die in die Kapitalrücklage einzustellenden Beträge ergebnisneutral und mithin ohne daß die GuV davon berührt wird, erfaßt werden. 2 8

22

Satzungsmäßige Rücklagen sind Gewinnrücklagen, die aufgrund zwingender Bestimmungen in der Satzung der Gesellschaft gebildet werden müssen. 29 Hierbei ist zunächst an § 58 Abs 1 zu denken: Danach vorgesehene Beträge müssen dann berücksichtigt werden, wenn die Hauptversammlung den Jahresabschluß voraussichtlich feststellt. 30 Gleiches gilt, wenn die Satzung die Hauptversammlung zur anderweitigen Gewinnverwendung iSd § 58 Abs 3 S 2 ermächtigt: Um eine Präjudizierung des Gewinnverwendungsbeschlusses zu vermeiden, hat sich die Verwaltung zu fragen, ob und ggf in welchem Umfang die Hauptversammlung voraussichtlich von der Ermächtigung Gebrauch machen wird. 31

25 Ähnlich Hefermehl/Bungeroth

in: Geßler/Hefermehl, Rdn 14; aA Prühs AG 1970, 347, 352. 26 KK-Lutter 1 Rdn 8; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 6. 27 KK-Lutter2 Rdn 8. 28 Förschle/Kofahl in: BeckBil-Komm 4 , § 272 Rdn 69, 70; YLYL-Lutter2 Rdn 11.

29

30

31

Förschle/Kofahl in: BeckBil-Komm4, § 272 Rdn 95. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 17. Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 7; auch ν Godin/Wilhelmi 4 Anm 5; aA Hefermehl/ Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 18.

Stand: 1. 3. 2000

(270)

Abschlagzahlungen auf den Bilanzgewinn

§ 59

Die gern § 58 Abs 2 zur Einstellung in Gewinnrücklagen vorgesehenen Beträge braucht die Verwaltung nicht zu berücksichtigen. Denn das Gesetz will nur einen Höchstbetrag festlegen, den der Vorstand nicht überschreiten darf. 3 2

23

b) Betragsmäßige Beschränkung nach Abs 2 S 3. Ferner darf gem Abs 2 S 3 der Abschlag die Hälfte des vorjährigen Bilanzgewinnes nicht übersteigen. Maßgeblich ist allein der Bilanzgewinn, der zur Verfügung stand. Auf die Dividende des Vorjahres kommt es deshalb nicht an. Dadurch, daß auch das Kriterium des vorjährigen Bilanzgewinns (§ 158 Abs 1 S 1 Nr 5) berücksichtigt wird, soll sichergestellt werden, daß die Entscheidung über die Gewinnverwendung durch die Regelung des Dividendenabschlages nicht vollständig von der Hauptversammlung auf den Vorstand übergehen kann; denn durch hohe Vorabausschüttungen wird die Hauptversammlung in ihrem Gewinnverwendungsbeschluß präjudiziert. 3 3 Freilich kann dieser Zweck dann nicht erreicht werden, wenn sich entweder die Ertragslage der Gesellschaft deutlich verschlechtert und infolgedessen der Bilanzgewinn im Vergleich zum Vorjahr stark verringert oder wenn die Gesellschaft keine im wesentlichen gleichbleibende Rücklagenpolitik verfolgt. 3 4 Insgesamt kann aber in § 5 9 eine durchaus genügende Sicherung gegen unzureichend bedachte oder zu optimistische Abschlagszahlungen erblickt werden. 3 5

24

III. Rechtsfolgen des § 59 1. Entstehen eines konkreten selbständigen Auszahlungsanspruches Bei Einhaltung aller Voraussetzungen tritt mit Erfüllung des letzten Tatbestandsmerkmais, regelmäßig also mit Wirksamwerden der Zustimmung des Aufsichtsrates, die gleiche Wirkung ein wie durch den Ausschüttungsbeschluß der Hauptversammlung nach § 174 Abs 2 Nr 2. Aus dem mitgliedschaftlichen Stammrecht des § 58 Abs 4 konkretisiert sich ein schuldrechtlicher Anspruch auf Auszahlung der Abschlagsdividende. Dieser Anspruch steht dem einzelnen Aktionär als selbständig verkehrsfähiges und sofort fälliges Gläubigerrecht zu, über das der Inhaber ohne Einfluß durch die Verwaltung verfügen kann. Die Höhe des als Abschlag zu zahlenden Betrages richtet sich an den Vorgaben des § 6 0 aus. 3 6

25

2. Auswirkungen auf den Jahresabschluß und die Gewinnverwendung Die Zahlung der Abschlagsdividende hat als Entscheidung über die Verwendung des Gewinns des vergangenen Geschäftsjahres auf den zurückliegenden Jahresabschluß ebensowenig Einfluß wie der Gewinnausschüttungsbeschluß der Hauptversammlung. 3 7 Eine Verwendung des Jahresergebnisses iSv § 2 6 8 Abs 1 H G B liegt in der Gewährung einer Abschlagsdividende also nicht. 3 8 Deshalb werden auch an den Jahresüberschuß anknüpfende gesetzliche oder satzungsmäßige Pflichten (vgl §§ 150, 3 0 0 sowie § 58 Abs 1) und Rechte (vgl § 58 Abs 2) zur Rücklagendotierung nicht berührt.

26

Da die Abschlagszahlung erst nach dem Bilanzstichtag erfolgt, wird sie auch bei der Ermittlung der Höhe des Bilanzgewinns nicht berücksichtigt. Freilich kann ein bereits

27

32 33

34 35

KK-Lutter2 Rdn 11.

36

Vgl Kropff AktG 1965, S 80.

ν Godin/Wilhelmi4 Anm 6. KK-Lutter 2 Rdn 12; ν GodmlWtlbelmi4

37

38

KK-Lutter2 Rdn 13;

Eder BB 1994, 1260, 1261.

Anm 6.

(271)

Hefermehl/Bungeroth

in: Geßler/Hefermehl, Rdn 20. Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 9.

Hartwig Henze

§ 59

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

ausgeschütteter Gewinn nicht mehr anderweitig verwendet werden. Deshalb ist die Abschlagszahlung im Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung zu berücksichtigen 3 9 und als Abzugsposten feststellend zu erwähnen. 4 0

IV. Rechtsfolgen von Verstößen 28

Werden Zahlungen als Abschlag auf eine Dividende vorgenommen, so kann dies zunächst deshalb unzulässig sein, weil die Zahlung als solche von § 5 9 deswegen nicht gedeckt ist, weil die Voraussetzungen der N o r m nicht vollständig vorliegen (Rdn 31). Es mag aber auch sein, daß § 5 9 grundsätzlich beachtet ist, die darauf erfolgenden Zahlungen allerdings gemessen am tatsächlich zur Verfügung stehenden Bilanzgewinn überhöht sind (Rdn 2 9 f ) . 1. Rückgewährpflicht gem § 6 2 Abs 1

29

a) Überhöhte Abschlagszahlungen. Stellt sich bei Erstellung des endgültigen Jahresabschlusses heraus, daß der gezahlte Dividendenabschlag höher ist als der nach dem Jahresabschluß tatsächlich zur Verfügung stehende Bilanzgewinn, so haben die Aktionäre mehr Leistungen erhalten, als ihnen nach den gesetzlichen Vorschriften zustehen. Denn die Obergrenze des ausschüttbaren Gewinns ist zwingend durch § 5 7 Abs 3 vorgeschrieben. Damit liegt eine verbotene Einlagenrückgewähr iSd § 5 7 Abs 1 S 1 vor, die in direkter 4 1 oder a n a l o g e r 4 2 Anwendung des § 6 2 Abs 1 S 1 die Aktionäre zur Rückzahlung verpflichtet. 43

30

Allerdings handelt es sich bei der Abschlagsdividende um einen Vorschuß auf den von der Hauptversammlung zur Ausschüttung festzusetzenden Betrag und damit um einen Gewinnanteil. Daher entfällt die Haftung der Aktionäre unter den in § 6 2 Abs 1 S 2 normierten Voraussetzungen schutzwürdiger Gutgläubigkeit (§ 6 2 Rdn 6 4 ff). Das wird häufig, wenn nicht gar in aller Regel, in Betracht zu ziehen sein.

31

b) Zahlungen außerhalb von § 59. Die gleiche Rechtsfolge wie für überhöhte Zahlungen gilt auch dann, wenn mangels Erfüllung der tatbestandlichen Anforderungen des § 5 9 der Dividendenabschlag in rechtswidriger Weise gewährt worden ist. Da in diesem Fall kein Anspruch der Aktionäre entsteht, 4 4 verletzt jede Zahlung den aus § 5 7 Abs 1 S 1 folgenden Grundsatz der Vermögensbindung und löst die Rückgewährpflicht nach § 6 2 Abs 1 S 1 aus (§ 5 7 Rdn 2 8 ; § 6 2 Rdn 16). Allerdings werden auch hier oftmals die Voraussetzungen nach § 6 2 Abs 1 S 2 durchschlagen.

39

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2 2 ; Fussan Organe der AG ( 1 9 7 8 ) ,

41

Hüffer4 Rdn 4; K K - L u t t e r 1 Rdn 15; ν Godin/Wilhelmi4 Anm 7; Baumbach/ Hueck13 Rdn 8; Furkel BB 1 9 7 3 , 1541, 1548.

42

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2 5 ; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 10.

43

Z u r steuerrechtlichen Beurteilung der Folgen einer überhöhten Vorabausschüttung vgl für die G m b H B F H G m b H R 2 0 0 0 , 4 0 m krit Anm Kohlhaas 7 9 6 .

44

Hefermehl/Bungeroth Rdn 27.

S 471. 40

Hüffer4 Rdn 4; KK-Lutter2 Rdn 14; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2 3 ; aA Großkomm-Barz Voraufl, Anm 9: Die Hauptversammlung müsse die Zahlung der Abschlagsdividende im Gewinnverwendungsbeschluß bestätigen. Diese Ansicht trifft nicht zu, weil § 5 9 eine echte Verwaltungskompetenz statuiert, soweit die Ermächtigung reicht.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

in: Geßler/Hefermehl,

(272)

Gewinnverteilungsschlüssel

§ 60

2. Haftung der Verwaltung (§§ 9 3 , 1 1 6 ) H a t die Verwaltung eine überhöhte oder rechtswidrige Abschlagszahlung vorgenommen oder beruht diese zumindest auf einer ermessensfehlerhaften Entscheidung, haften Vorstand und/oder Aufsichtsrat nach § § 9 3 Abs 3 N r 2, 116. Da die Rückgewähransprüche gegen die Aktionäre aus § 62 Abs 1 S 1 aus dem rechtlichen Grund des § 62 Abs 1 S 2, möglicherweise aber auch aus dem praktischen Grund, d a ß die einzelnen Empfänger nicht mehr ohne weiteres ermittelt werden können, kaum Erfolg haben werden, kann der Schaden, der durch die Auszahlung entsteht, erhebliche Ausmaße annehmen. 4 5

§ 6 0

Gewinnverteilung (1) Die Anteile der Aktionäre am Gewinn bestimmen sich nach ihren Anteilen am Grundkapital. (2) Sind die Einlagen auf das Grundkapital nicht auf alle Aktien in demselben Verhältnis geleistet, so erhalten die Aktionäre aus dem verteilbaren Gewinn vorweg einen Betrag von vier vom Hundert der geleisteten Einlagen. Reicht der Gewinn dazu nicht aus, so bestimmt sich der Betrag nach einem entsprechend niedrigeren Satz. Einlagen, die im Laufe des Geschäftsjahrs geleistet wurden, werden nach dem Verhältnis der Zeit berücksichtigt, die seit der Leistung verstrichen ist. (3) Die Satzung kann eine andere Art der Gewinnverteilung bestimmen. Übersicht Rdn I. Einführung 1. Gesetzesgeschichte 2. Regelungsgegenstand und -system . . 3. Normzweck Π. Der gesetzliche Gewinnverteilungsschlüssel (Abs 1 und 2) 1. Die Regelung des Abs 1 2. Einlageleistungen in unterschiedlicher Höhe (Abs 2 S 1 und S 2) und/oder zu verschiedenen Zeitpunkten (Abs 2 S 3) a) Grundaussagen b) Begriff der „Einlage" in Abs 2 . . aa) Bareinlage bb) Sacheinlage cc) Agio c) Sonderproblem: Kapitalerhöhung . ΙΠ. Statutarischer Gewinnverteilungsschlüssel (Abs 3) 1. Verhältnis zum gesetzlichen Gewinnverteilungsschlüssel und zum allgemeinen Gleichbehandlungsgebot

45

1 2 6

8

10 10 12 12 13 14 15

16

2. Begründung in der Ursprungssatzung 3. Aufhebung und Änderung a) Satzungsänderung b) Sonderfall: Kapitalerhöhung . . . 4. Beispiele von Gestaltungsmöglichkeiten IV. Verstöße gegen den Gewinnverteilungsschlüssel V. Sonderfragen mit Einfluß auf die Handhabung des Verteilungsschlüssels 1. Rechtlose Mitgliedschaften; Verzicht auf den Gewinnanteil a) Verlust und Ruhen von Mitgliedschaftsrechten b) Verzicht auf den Gewinnanteil . . 2. Kraft Redlichkeit „lastenfrei" erworbene Aktien a) Gutgläubig „lastenfreier" Erwerb von Aktien b) Gutgläubig von Nebenpflichten freier Aktienerwerb

Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 11.

(273)

Hartwig Henze

Rdn 18 21 21 22 29 33

36 36 38 39 39 40

32

§ 60

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Schrifttum Barz Die durch die Aktienrechtsreform von 1965 veranlaßten Satzungsänderungen, AG 1966, 40; Buchetmann Die teileingezahlte Aktie - insbesondere die Rechtsstellung der Inhaber teileingezahlter Aktien (1972); Henn Die Gleichbehandlung der Aktionäre in Theorie und Praxis, AG 1985, 240; G Hueck Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht (1958); Luther Die genossenschaftliche Aktiengesellschaft (1978); H-P Müller Endgültiger Dividendenverlust bei unterlassener Mitteilung gem § 20 Abs 7 AktG? AG 1996, 396; Obermüller/Werner/Winden Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft 3 (1967); Schmidt Zur aktienrechtlichen Mitteilungspflicht für Beteiligungen, ZfgesK 1966, 1046; Selchert Möglichkeiten und Grenzen einer Beteiligung der Mitglieder am „inneren Wert" im Falle einer Genossenschaft in der rechtlichen Form der Aktiengesellschaft, ZfgG 1968, 169; Simon Rückwirkende Dividendengewährung beim genehmigten Kapital? AG 1960, 148; Teichmann Buchbesprechung Luther, ZHR 143 (1979), 361; H Westermann Zweck der Gesellschaft und Gegenstand des Unternehmens im Aktien- und Genossenschaftsrecht, FS Schnorr ν Carolsfeld (1972), S 517; Wiindisch Können junge Aktien mit Dividendenberechtigung für ein bereits abgelaufenes Geschäftsjahr ausgestattet werden? AG 1960, 320.

I. Einführung 1. Gesetzesgeschichte 1

Die in § 60 getroffene Regelung geht zurück auf § 214 HGB. Die Unklarheiten, die bei der Auslegung des § 214 Abs 2 H G B dadurch auftraten, daß die Bestimmung - in sich inkonsequent - teilweise auf die Leistung, teilweise auf die Fälligstellung durch Einforderung abstellte, bestehen heute nicht mehr. N a c h § 53 AktG 1937 war durchweg der Zeitpunkt der Leistung maßgeblich. Mit dieser Vorschrift stimmt § 60 AktG 1965 sachlich vollständig überein; die geringfügigen sprachlichen Abweichungen sind unbedeutend. Daran hat auch das Stückaktiengesetz 1 nichts geändert, das § 60 Abs 1 der in § 8 getroffenen Regelung angepaßt hat, nach der die Aktien als Nennbetrags- oder Stückaktien ausgegeben werden können. Da sich das Verhältnis der Anteile bei beiden Aktienarten nach dem Grundkapital bemißt, ist es letztlich nur eine sprachliche Änderung, daß sich die Anteile der Aktionäre am Gewinn nicht mehr nach dem Verhältnis der Aktiennennbeträge, sondern nach den Anteilen am Grundkapital bemessen. 2. Regelungsgegenstand und -system

2

Die Aktionäre haben nach § 58 Abs 4 Anspruch auf Auszahlung des Bilanzgewinnes (§§ 57 Abs 3, 58 Abs 1 und 3), der im Gewinnverwendungsbeschluß für eine Ausschüttung an sie vorgesehen ist (§ 174 Abs 2 N r 2). Für die Bestimmung der konkreten H ö h e der den einzelnen Aktionären danach zu gewährenden Dividende bzw möglicher diesbezüglicher Abschlagszahlungen (§ 59) gibt § 60 einen Gewinnverteilungsschlüssel vor. Dabei entstehen mit Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses (§§ 174, 175) die konkreten Gewinnausschüttungsansprüche (§ 58 Rdn 92 ff) ipso iure in der an diesem Schlüssel orientierten Höhe, womit der Gesamtausschüttungsbetrag aufgeteilt ist. Die anschließende Verteilung zur Befriedigung der einzelnen aktionärsrechtlichen Gewinnauszahlungsansprüche vollzieht allein der Vorstand. Eine Zuständigkeit der Hauptversammlung besteht insoweit nicht. 2

3

Wird kein Bilanzgewinn erzielt bzw ausgewiesen, weil infolge statutarischer Ermächtigung nach § 58 Abs 2 S 2 Vorstand und Aufsichtsrat den vollen Jahresüberschuß in 1

Siehe Art 1 Nr 11 StückAG ν 25. 3. 1998 (BGBl 1 590).

2

BGHZ 84, 303, 311.

Stand: 1. 3. 2000

(274)

Gewinnverteilungsschlüssel

§60

freie Rücklagen einstellen (§ 58 Rdn 37 f), oder ist nach § 58 Abs 3 kein Bilanzgewinn für eine Gewinnausschüttung vorgesehen (§ 58 Rdn 78 ff), so läuft § 60 leer. Gleiches gilt, soweit infolge eines Eingliederungsvertrages (§§ 319 ff) oder Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages (§ 291 Abs 1) die Vorschriften der §§ 57, 58 und 60 gern §§ 291 Abs 3, 323 Abs 2 suspendiert sind. 3 In der Praxis kommt ein statutarisch festgelegter Verteilungsschlüssel nach Abs 3 weitaus häufiger vor als die rechnerisch mitunter recht komplizierten gesetzlichen Verteilungsschlüssel der Abs 1 und 2. 4 Die Regelung des Abs 3 ist gegenüber Abs 1 und Abs 2 rechtlich vorrangig. Sie ergab sich bereits aus § 214 HGB, der 1900 in das Gesetz eingefügt worden war. Sie durchbricht den Grundsatz der Satzungsstrenge, der im Jahre 1965 als damals herrschende Lehre in § 23 Abs 5 S 1 kodifiziert worden ist, 5 zugunsten einer satzungsautonomen Gestaltung.

4

Im Verhältnis von Abs 1 zu Abs 2 geht § 60 von Abs 1 als Regelfall aus, in dem gleichmäßige Einlageleistungen unterstellt werden. Abs 2 schließt daran als Sonderfall an. Die überwiegende Meinung 6 ist bei dieser Sichtweise stehengeblieben. Damit greift sie materiell aber wohl zu kurz: Abs 1 und Abs 2 bilden vielmehr als gesetzlicher Gewinnverteilungsschlüssel eine einheitliche Regelung, die alle denkbaren Fälle alternativ erfaßt, nämlich die anteilig und zeitlich gleichmäßige ebenso wie die anteilig oder zeitlich ungleichmäßige Einlageleistung. Damit ergänzen sich die Abs 1 und 2 gegenseitig und stehen als vollständige Regelungen nebeneinander. Sachlich ist keiner Ausnahme vom anderen, beide Absätze können auch gleichzeitig regelnd eingreifen (Rdn 10). Dieses Systemverständnis der Abs 1 und 2 erschließt sich letztlich daraus, daß beiden Absätzen dasselbe Prinzip zugrunde liegt: Der Gewinnanteil jedes Aktionärs bemißt sich nach dem Verhältnis der von ihm erbrachten Einlage zu dem, was seine Mitgesellschafter als Einlagen bislang geleistet haben. Dieser Bezug gilt auch für die von den Gesellschaftern gewählten Leistungszeitpunkte. Materiell entscheidend ist also stets die zeitliche und höhenmäßige Relation des auf die Einlagen Geleisteten.7

5

3. Normzweck Die in § 60 Abs 1 und 2 vorgenommenen Differenzierungen stellen eine einzelgesetzliehe Konkretisierung des in § 53a allgemein kodifizierten Gleichbehandlungsgebotes dar. Mit ihnen wird der Zweck verfolgt, die Dividende als Kehrseite des Anlagerisikos an diejenigen Mitglieder im größeren Umfang auszuschütten, die aufgrund höherer und/oder längerer Einlageleistung mit ihrer Kapitalanlage ein größeres Risiko eingegangen sind.

6

Die in Abs 3 eingeräumte Möglichkeit, die Art der Gewinnaufteilung in der Satzung abweichend von dem Verteilungsschlüssel der Abs 1 und 2 zu bestimmen, gibt der Gesellschaft und den Aktionären den erforderlichen Spielraum, die Ausschüttung den gesellschaftlichen Belangen anzupassen. Die Regelung hat in erster Linie die Ausgabe von Vorzugsaktien (§§ 11, 139 ff), aber auch die Besonderheiten der Nebenleistungs-AG (§§ 55, 61) im Auge.8 Sie berechtigt jedoch auch unabhängig von diesen Fallgestaltungen zu einer von den Abs 1 und 2 abweichenden Gewinnverteilung (vgl Rdn 17, 19, 22ff).

7

3

4

5

Anders dagegen bei Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsverträgen (vgl § 2 9 2 Abs 3).

6

Rdn 2; Baumbach/H«ec& 13 Rdn 3; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 1.

7

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, KropffAktG 1965, S 44.

(275)

8

Hiiffer4 Rdn 2, 3; Hefermehl/Bungeroth in:

Geßler/Hefermehl, Rdn 4, 5, 15; GroßkommBarz Voraufl, Anm 2, 3; nicht eindeutig KK-Lutter2 Rdn 3 gegenüber Rdn 5, 6. Insow zutreff KK-Lutter 1 Rdn 3. Düringer/Hachenburg/F/ecfci/jeim3 § 214 Anm 5.

Hartwig Henze

§ 60

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

II. Der gesetzliche Gewinnverteilungsschlüssel (Abs 1 und Abs 2 ) 1. Die Regelung des Abs 1 8

Abs 1 bestimmt die Gewinnquote der Aktionäre nach dem Umfang des Teils vom Grundkapital, den der jeweilige Aktionär hält. Ob es sich um Nennbetragsaktien oder Stückaktien handelt (§ 8), spielt keine Rolle (Rdn l). 9 Die Vorschrift betrifft dabei den Fall gleichmäßiger Einlagenerbringung; sie gilt für Bar- ebenso wie für Sacheinlagen. Gleichmäßigkeit der Leistungen liegt zunächst vor, wenn alle Einlagen voll erbracht sind. Wie sich aus Abs 2 schließen läßt, gilt Abs 1 indes für jede Konstellation, in der pro rata und pro tempore eine durch alle Aktionäre gleichmäßig erbrachte Leistung vorliegt, etwa zu einem Abschlußstichtag jeder Aktionär den gleichen prozentualen Anteil seiner Einlage geleistet hat.

9

In den Aktienausgabebetrag kann nach § 9 Abs 2 ein Aufgeld (Agio) eingerechnet werden. Dieses unterliegt nach §§ 36a Abs 1, 54, 188 Abs 2 S 1 zwar vollständig dem Schutz der realen Kapitalaufbringung. Das Agio ist aber nicht Leistung auf das Grundkapital, sondern Kapitalrücklage (§§ 272 Abs 2 Nr 1, 266 Abs 3 A II HGB). Deswegen ist es für die Bestimmung der Grundkapitalanteile bedeutungslos und unter dem Blickwinkel des § 60 Abs 1 nicht „Einlage". 10 Es spielt folglich für die Anwendung des Abs 1 keine Rolle, ob ein zu leistendes Aufgeld trotz Fälligkeit nicht erbracht ist, ebenso wie - anders gewendet - ein geleistetes Aufgeld auf die von Abs 1 bestimmte Gewinnhöhe ohne Einfluß ist. 2. Einlageleistungen in unterschiedlicher Höhe (Abs 2 S 1 und S 2) und/oder zu verschiedenen Zeitpunkten (Abs 2 S 3)

a) Grundaussagen. Hat auch nur ein Aktionär in Relation zu den übrigen Mitgesellschaftern der Höhe nach nicht gleichmäßig eingelegt, sondern verhältnismäßig mehr oder weniger als jene geleistet, so berechnet sich nach Abs 2 S 1 anhand des - nach Fälligstellung - tatsächlich Erbrachten eine Vorabdividende von 4 % des Geleisteten als zu verteilender Gewinn, unabhängig von den jeweils gehaltenen Grundkapitalanteilen. Nach demselben Prinzip muß sich eine solche Vorabdividende gem Abs 2 S 2 an einem entsprechend herabgesetzten Prozentsatz ausrichten, wenn der auszuschüttende Gewinn nicht ausreicht, um sie in Höhe von 4 % zu gewähren. Ist dagegen nach 4 %-iger Vorabdividende der als Gewinn auszuschüttende Betrag noch nicht vollständig verbraucht, so wird der Rest nach Abs 1 verteilt.11 Das ergibt sich zwanglos aus dem für Abs 1 und Abs 2 maßgebenden einheitlichen, auf demselben Grundsatz beruhenden Gewinnverteilungsschlüssel (Rdn 5). 11 Dieser Verteilungsgrundsatz gilt auch dann, wenn nur ein Aktionär seine Leistung abweichend von seinen übrigen Mitgesellschaftern zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt als jene erbringt. Es gilt dann nicht Abs 1, sondern nach Abs 2 S 3 eine zeitanteilige Berücksichtigung, wobei für den Zeitpunkt, von dem an die Einlage zu berücksichtigen ist, erst die tatsächliche Leistung, nicht jedoch bereits die Fälligstellung bestimmend ist.

10

12

b) Begriff der „Einlage" in Abs 2. aa) Bareinlage. Als auf das Grundkapital geleistete Einlage iSv § 60 Abs 2 ist nur dasjenige anzusehen, was der Aktionär auf Fälligstellung 9 10

Hüffer4

Rdn 2 .

Hüffer4 Rdn 2 ; K K - L u t t e r 2 Rdn 5; vgl Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 7 - 1 0 ; G r o ß k o m m - ß a r z Vorauf!, Anm 3.

AllgM, vgl Hüffer4 Rdn 4 ; KK-Lutter1 Rdn 12; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 15; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 3.

Stand: 1. 3. 2000

(276)

Gewinnverteilungsschlüssel

§ 60

(§§ 36 a Abs 1, 63 Abs 1 S 1) hin leistet. Leistet ein Inferent „vor" dem Fälligkeitszeitpunkt, weil er bereits einen höheren als den fällig gestellten Betrag erbringt, so bleibt dieser Überschuß unberücksichtigt. 12 Das gilt unabhängig davon, daß auch solchen Leistungen, die vor der Einforderung erbracht werden, Tilgungswirkung hinsichtlich der Einlageschuld (§ 54 Abs 1 und 3) zukommen kann (§ 54 Rdn 120 ff). Die Erfüllungswirkung einer vor Fälligstellung erbrachten Einlageleistung ist nur unter dem Aspekt der Haftungsbefreiung des Einlageschuldners im Rahmen der Sicherung der Kapitalaufbringung von Bedeutung. Die Gefahr, daß das vor Fälligstellung an die Vorgesellschaft geleistete Kapital der Gesellschaft im Zeitpunkt ihrer Entstehung nicht mehr zur Verfügung steht, weil es in diesem Zeitpunkt bereits verwirtschaftet ist, kann nicht mehr als schwerwiegender Nachteil angesehen werden, da auch im Aktienrecht ein Vorbelastungsverbot zu verneinen und dafür eine Vorbelastungs-(Unterbilanz-)haftung der Gründer anzuerkennen ist. 13 Wirtschaftlich tritt daher eine Befreiung von der Einlageschuld nur ein, wenn die Gesellschaft nicht mit einer Unterbilanz in das Leben tritt. Letztlich geht es daher um die Frage, ob durch die Anerkennung der Vor-Leistung eine Gefährdung der durch das Einlagekapital gesicherten Gesellschaftsgläubiger eintritt und der Gesellschafter weiterhin haftet. Diese Einzelheiten haben mit dem hier maßgebenden Gesichtspunkt, ob bei der Gewinnverteilung auch die vor Fälligstellung geleisteten Einlagebeträge zu berücksichtigen sind, keine Berührungspunkte. Betroffen ist nicht das Interesse an der Sicherung der Kapitalaufbringung, sondern das interne Rechtsverhältnis der Aktionäre. Dieses richtet sich, soweit es die Gewinnverteilung angeht, ausschließlich nach $ 60, der für die Bemessung der Gewinne auf die nach Fälligstellung geleisteten Einlagen abstellt (Abs 1 und 2), soweit nicht in der Satzung eine davon abweichende Regelung getroffen wird (Abs 3). Es müßte als ungereimt erscheinen, könnte sich der einzelne Aktionär durch Vorleistungen eigenmächtig zu Lasten seiner Mitgesellschafter einen Gewinnvorteil verschaffen. 14 bb) Sacheinlage. Weiterhin ist Einlage hier neben der Bareinlage auch die Sacheinlage. Daß § 36a Abs 2 S 1 grundsätzlich deren sofortige Leistung bestimmt, ändert daran nichts; denn einmal läßt § 36 a Abs 2 S 2 ausnahmsweise eine spätere Übertragung zu, auf die es im Rahmen von § 60 Abs 2 tatsächlich ankommt, 1 5 mag für die Einlageschulderfüllung als solche gem § 36 a Abs 2 S 2 auch bereits die Pflichtübernahme ausreichen. Zum anderen kann es beim Leistungszeitpunkt und bei der Höhe zu Abweichungen kommen, wenn infolge unwirksamer Sacheinbringung für den Sacheinleger die subsidiäre Barleistungspflicht auflebt (§ 54 Rdn 13). 16

13

cc) Agio. Schließlich gilt ebenso wie für Abs 1 (Rdn 9) nach hM auch für Abs 2, daß 14 ein Agio auf den gesetzlichen Gewinnverteilungsschlüssel keinen Einfluß ausüben kann. 1 7 Das Gegenteil kann zum einen nicht daraus hergeleitet werden, daß Abs 2 S 1 aE nur von Einlagen redet und nicht wie am Anfang die Wendung Einlagen auf das Grundkapital gebraucht, 18 denn der Schluß von S 1 nimmt auf dessen Anfang Bezug. Außerdem sieht Hüffer4 Rdn 3; KK-Lutter 1 Rdn 9, 12; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 14. OLG Karlsruhe ZIP 1998, 1961; Hüffer4 § 41 Rdn 2 und 8 f m w N ; Kort EWiR 1998, 1011, 1012; Wiedenmann ZIP 1997, 2 0 2 9 ; Henze AktienR 4 (2000), Rdn 9 2 - 9 8 . Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 14.

(277)

15

16 17

18

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 5. KK-Lutter 1 Rdn 7. Hüffer4 Rdn 3; KK-Lut ter2 Rdn 8; Großkomm-Barz Vorauf], Anm 3; ν Godin/Wi7helmi4 Anm 3; Schlegelberger/Q«tfssoM>s&!3 § 53 Rdn 4; aA Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 7 - 1 1 . So aber Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 10.

Hartwig Henze

§ 60

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

sich die Mindermeinung für den Fall unterschiedlich hoher Aufgelder Problemen ausgesetzt, die mit Abs 1 und 2 sachgemäß nicht gelöst werden können. 1 9 15

c) Sonderproblem: Kapitalerhöhung. Mit der Zeichnung entsteht während des laufenden Geschäftsjahres für die Übernehmer junger Aktien eine Einlageverpflichtung auf das erhöhte Grundkapital, die neben etwa noch offene Einlageverpflichtungen auf das Grundkapital aus alten Aktien tritt. Auch wenn alte und junge Aktionäre ihre Einlagen gleichmäßig erbringen, findet nach hM Abs 1 keine Anwendung; vielmehr sollen nach Abs 2 S 3 die Zeichner junger Aktien - selbst bei Volleinzahlung - nur für den Rest des Geschäftsjahres mit einer Vorabdividende pro tempore bedient werden. 2 0 Dem ist zuzustimmen; denn nur diese Lösung trägt dem in Abs 2 ausgeprägten Gedanken der Gleichbehandlung hinreichend Rechnung. Zudem ist sie auch von dem weit gefaßten Wortlaut des Abs 2 S 1 (nicht auf alle Aktien in demselben Verhältnis geleistet) noch gedeckt. 21 Die alten Aktien partizipieren unter sich je nach den Umständen anteilig gem Abs 1, gem Abs 2 S 1 oder gem Abs 1 und Abs 2 S 1 am Gewinn.

III. Statutarischer Gewinnverteilungsschlüssel (Abs 3 ) 1. Verhältnis zum gesetzlichen Gewinnverteilungsschlüssel und zum allgemeinen Gleichbehandlungsgebot 16

Nach der Regelung von Abs 3 sind die Abs 1 und 2 dispositives Recht iSd § 2 3 Abs 5 S 1. Wird von der durch Abs 3 gewährten Option Gebrauch gemacht, so gilt für den auszuschüttenden Gewinnbetrag unter Ausschluß der Abs 1 und 2 allein der in der Satzung niedergelegte Zuteilungsschlüssel, wenn die abweichende Regelung vollständig ist. Sie kann aber auch nur einen der beiden Abs 1 und 2 ganz oder teilweise oder beide nur zum Teil abändern. Sie kann den gesetzlichen Verteilungsschlüssel in diesem unterschiedlichen Umfang unter bestimmten Bedingungen für nachrangig erklären. Ist die statutarische Änderung unvollständig, gelten ergänzend die dispositiven gesetzlichen Vorschriften. eine Regelung undurchführbar, weil sie zB aufgrund einer Änderung des Gesetzes mit dessen Bestimmungen nicht mehr vereinbar ist, gelten im Umfang der Undurchführbarkeit Abs 1 und/oder Abs 2 . 2 2

17

Die Regelung ist unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes unbedenklich, weil von der Gewinnverteilung nur die Aktionäre betroffen sind. Diese werden zwar durch den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53 a) geschützt, der in Abs 1 und 2 eine besondere Ausprägung erfahren hat. Dennoch wird ihre Rechtsstellung nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Die Vorschrift des Abs 3 gewährt kein Recht dazu, durch Satzungsregelung den Gleichbehandlungsgrundsatz abzuschaffen. Dieser steht nicht zur Disposition. 2 3 Es kann jedoch der Maßstab der Gleichbehandlung privatautonomer Gestaltung unterstellt werden. Läßt es das Gesetz dann zu, daß eine gesetzliche Regelung, in der der Gleichbehandlungsgrundsatz im Gesellschaftsrecht eine besondere Ausprägung erfahren hat, durch die Satzung abgeändert und durch eine abweichende Regelung ersetzt wird, 19

20

KK-Lutter2 Rdn 8 gegen Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 7 ff, insbes Rdn 11. Hüffer4 Rdn 5; KK-Lutter 2 Rdn 11; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 6; Großkomm-Bflrz Voraufl, Anm 5; aA ν GodmJWilhelmi4 Anm 5.

21

22

23

Ebenso Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 6. RGZ 104, 349, 350 f; KK-Lutter 1 Rdn 13; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 18; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 6. Hüffer4 § 53 a Rdn 5; KK-Lutter/Zöllner2 § 53 a Rdn 26; Henn AG 1985, 240, 243.

Stand: 1. 3. 2000

(278)

Gewinnverteilungsschlüssel

§60

wird lediglich dem Grundsatz der Privatautonomie der Vorrang vor der konkreten Anwendung des Gleichbehandlungsgebotes eingeräumt. 24 Abs 3 kann ferner als Konkretisierung der §§ 11 S 1 und 12 Abs 1 angesehen werden, die ihrerseits als dem § 53 a immanente Schranken verstanden werden können. Dem Gleichbehandlungsgrundsatz wird nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen der Vorrang vor dem Grundsatz der Privatautonomie eingeräumt. 25 2. Begründung in der Ursprungssatzung Die von Abs 1 und/oder Abs 2 abweichende Regelung iSd Abs 3 muß in die Satzung aufgenommen werden. Abs 3 gebietet zwingend, daß die Satzung ... eine andere Art der Gewinnverwendung bestimmen kann. Eine außerhalb der Satzung getroffene Vereinbarung oder ein Hauptversammlungsbeschluß entfalten körperschaftsrechtlich keine verbindliche Wirkung; 2 6 vielmehr bleibt der gesetzliche Verteilungsschlüssel in Kraft. Die Satzung muß die Einzelheiten der Gewinnverteilung einschließlich etwaiger Berechnungskriterien, mit denen nach Art und Umfang von Abs 1 und Abs 2 abgewichen werden soll, unmittelbar selbst und zwingend festlegen. Die Hauptversammlung, ein anderes Organ der AG oder ein Dritter können nicht - auch nicht in der Satzung - ermächtigt werden, die Abweichungen generell oder nach jeder Beschlußfassung über den auszuschüttenden Betrag festzulegen. 27 Ungenügend ist demnach eine Satzungsbestimmung, nach der Abs 1 und/oder Abs 2 abbedungen werden und es der Geschäftsleitung oder Dritten übertragen wird, den jeweils anzuwendenden Schlüssel nach ihrem Ermessen zu bestimmen.

18

Von dieser Gestaltung kann jedoch bei dem genehmigten Kapital (§§ 202 ff) abgewichen werden. Das ist durch die Besonderheiten der gesetzlichen Regelung bedingt. Soweit die Hauptversammlung nicht bereits Einzelheiten in dem Beschluß über die Ermächtigung zur Erhöhung des Grundkapitals vorsieht, entscheidet der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates - in den von § 204 Abs 2 gesteckten Grenzen - über den Inhalt der Aktienrechte und die Bedingungen der Aktienausgabe (§ 204 Abs l). 2 8 Zu diesen Entscheidungsbefugnissen gehört auch ein die jungen Aktien betreffender Gewinnverteilungsschlüssel. 29 Die Gegenansicht 30 , nach der Abs 3 auch beim genehmigten Kapital gilt, verkennt, daß die Bestimmungen der §§ 202 ff als leges speciales der allgemeinen Vorschrift des Abs 3 vorgehen.

19

Art und Berechnung der Verteilung können in der ursprünglichen Satzung frei ge- 2 0 staltet werden. Eine Beschränkung auf Sonderregelungen wie die Ausgabe von Vorzugsaktien (§§ 139-141) oder das Vorliegen besonderer Anknüpfungspunkte für eine vom Gesetz abweichende Regelung wie bei der Nebenleistungs-AG (§§ 55, 61) besteht nicht. 31 Diese Sonderfälle mögen zwar den Anstoß für die Schaffung dieser Bestimmung gegeben haben. Weder Wortlaut noch Normzweck lassen jedoch eine zwingende Beschränkung auf derartige Fälle erkennen.

24

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26

Hüffer4 § 53 a Rdn 5; KK-Lutter/Zöllner2 $ 53 a Rdn 27. Vgl auch BGHZ 84, 303, 310. Vgl § 12 Abs 2; zu den Hintergründen dieser Regelung vgl G Hueck Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht (1958), S 2 5 7 f. Hüffer4 Rdn 6; KK-Lutter 1 Rdn 14; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 16.

(279)

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29

30 31

Hüffer4 Rdn 6; YLK-Lutter1 Rdn 14; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 17; vgl BGHZ 84, 303. Zur formellen Anpassung kann § 179 Abs 1 S 2 zum Zuge kommen. KK-Lutter 1 Rdn 23; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 32. Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 5. Im Erg ebenso KK-Luffer 2 Rdn 15.

Hartwig Henze

§ 60

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

3. Aufhebung und Änderung 21

a) Satzungsänderung. Eine nach Abs 3 in die Satzung aufgenommene Bestimmung kann naturgemäß nur unter den Voraussetzungen abgeschafft, geändert oder durch eine vollständig neue Regelung ersetzt werden, die für eine Änderung der Satzung (§§ 179 ff) erforderlich sind. Die vom Gesetz geforderte qualifizierte Mehrheit kann jedoch dann nicht zu einer wirksamen Satzungsänderung führen, wenn durch den Beschluß in das Dividendenstammrecht von Aktionären eingegriffen wird. In diesem Falle bedarf der Beschluß zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung aller von der nachteiligen Änderung betroffenen Aktionäre. 3 2 Davon ist auch auszugehen, wenn die Satzung bislang - überhaupt oder teilweise - keine Gewinnverteilungsbestimmung enthielt, nunmehr aber eine Regelung iSv Abs 3 getroffen werden soll und diese im Vergleich zum gesetzlichen Verteilungsschlüssel vorsieht, die Gewinnverteilung zum Nachteil mehrerer oder aller Aktionäre zu ändern.

22

b) Sonderfall: Kapitalerhöhung. Da eine Kapitalerhöhung stets die Voraussetzungen einer Satzungsänderung erfüllt, kann der Kapitalerhöhungsbeschluß auch eine Regelung nach Abs 3 treffen, ohne daß es eines gesonderten Beschlusses der Hauptversammlung über eine Satzungsänderung iSd Abs 3 bedarf. 3 3 Durch die Kapitalerhöhung werden neue Aktien geschaffen. Aus sehr unterschiedlichen Gründen (Erhöhung der Absatzchancen, Schaffung von Anreizen für die Ausübung des Bezugsrechtes, Vermeidung der aufwendigen Regelung der Abs 1 und 2) kann es sich empfehlen, die Gewinnverteilung für diese jungen Aktien im Verhältnis zu den Altaktien gesondert zu regeln oder die Gewinnverteilungsordnung insgesamt neu zu fassen. Werden dabei alte und neue Aktien unterschiedlich behandelt, insbesondere die jungen Aktien bevorzugt, so wäre nach dem bisher Gesagten eine solche Regelung nur dann wirksam, wenn ihr die Inhaber der alten Aktien insgesamt zustimmen würden. Ein solcher Beschluß würde in den seltensten Fällen Zustandekommen (man denke nur an eine Publikums-AG wie die Telekom und die versprochenen Vorteile auf den Bezug neuer Aktien, um die Plazierung zu sichern). Können die Aktien wegen Wegfalls des in Aussicht gestellten Vorteils auf dem Markt nicht abgesetzt werden, drohen geringere Erlöse durch Reduzierung des Bezugspreises. Das kann zu erheblichen weiteren wirtschaftlichen Einbußen führen, weil die Gesellschaft die geplanten Vorhaben in nur geringerem Umfange, zu einem späteren Zeitpunkt, unter Aufnahme teurerer Fremdmittel oder auch überhaupt nicht verwirklichen kann. Die nachteiligen Auswirkungen, die sich daraus für die künftige Vertragssituation der Gesellschaft und die an die Aktionäre auszuschüttenden Gewinne ergeben können, liegen auf der Hand. Insbesondere würde der Gesellschaft auch die notwendige Flexibilität verloren gehen, um die vom Gesetz zur Verfügung gestellten Möglichkeiten der Projektfinanzierung über Einlagemittel (zB Ausgabe von Vorzugsaktien gem § 139 ff) ausschöpfen zu können. 3 4 Deshalb hat sich zu Recht allgemein die Auffassung durchgesetzt, daß im Rahmen einer Kapitalerhöhung die Satzung (bzw beim genehmigten Kapital der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates) die Gewinnverteilung für die jungen Aktien frei gestalten kann. Einzuhalten sind lediglich die allgemeinen Voraussetzungen der §§ 179 ff, 182 ff. Ein Verstoß gegen § 53a liegt darin nicht. Denn es ist nur scheinbar zum Nachteil der betroffenen Aktionäre gehandelt worden. In Wirklichkeit werden die Nachteile, die für die 32

33

Hüffer4 Rdn 8; KK-Lutter2 Rdn 16; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 23; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 6. AllgM, vgl Hüffer4 Rdn 9; KK-Lutter 2 Rdn 18; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/

34

Hefermehl, Rdn 25; ν Godin/Wilhelm? Anm 5; Schlegelberger/Q«assowsi;'3 § 53 Rdn 8; aA vormals Großkomm-Barz Voraufl, Anm 5. KK-Lutter 1 Rdn 17.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Gewinnverteilungsschlüssel

§60

alten Aktien entstehen, durch das Recht zum Bezug der jungen Aktien (§ 186 Abs 1 S 1) ausgeglichen. 35 Eine Vorzugsbehandlung junger Aktien führt für die Altaktionäre aber dann zwangsläufig zu rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteilen, wenn das Bezugsrecht nach § 186 Abs 3 ausgeschlossen wird. Aus diesem Grunde wird die Ansicht vertreten, daß unter diesen Umständen von einem Zustimmungserfordernis aller benachteiligten Altaktionäre auszugehen sei. 3 6 Dem steht die Ansicht gegenüber, eine solche Zustimmung sei deswegen nicht erforderlich, weil die künftige Ungleichbehandlung der Altaktionäre bei der Verteilung des Gewinns im Verhältnis zu den Zeichnern der jungen Aktien in die Prüfung der Frage einbezogen werde, ob der Ausschluß des Bezugsrechtes iSd § 186 Abs 3 materiell gerechtfertigt ist. Ergebe diese Prüfung, daß der Bezugsrechtsausschluß erforderlich geeignet und angemessen sei, werde bereits daraus das vitale Interesse der Gesellschaft an dieser Gestaltung der Kapitalerhöhung deutlich. 3 7

23

Diese in der Rspr noch nicht entschiedene und im Schrifttum kaum erörterte Frage ist im Sinne der letztgenannten Ansicht zu entscheiden. Der Ausschluß des Bezugsrechtes bei der ordentlichen Kapitalerhöhung (§§ 182 ff) setzt voraus, daß die Maßnahme im Interesse der Gesellschaft liegt, geeignet und erforderlich ist, um die konkret angestrebte Maßnahme zu erreichen, und die Nachteile, die für die Rechts- und Vermögensposition der betroffenen Aktionäre eintreten, nicht außer Verhältnis zu den Vorteilen stehen, die für die Gesamtheit angestrebt werden. 3 8 Die Prüfung der Frage, ob der Bezugsrechtsausschluß im Interesse der Gesellschaft, dh des Unternehmens mit der Gesamtheit der Aktionäre liegt, umfaßt nicht notwendigerweise die Einzelheiten, die für die Festlegung der Gewinnverteilung maßgebend sind. Übergeordneter Gesichtspunkt ist jedoch die von der Unternehmensleitung der Hauptversammlung zu vermittelnde - unternehmerische Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen die Kapitalerhöhung durchgeführt werden muß, damit das angestrebte Ziel, dem Wohle des Unternehmens zu dienen und seinen Interessen förderlich zu sein, erreicht werden kann. Dahin gehört auch die Entscheidung der Frage, wie unter diesem Aspekt die Gewinnverteilung unter den verschiedenen Aktien - hier: Alt- und Neuaktien - zu strukturieren ist. Ist die Gestaltung der Gewinnstruktur in die Prüfung einbezogen, ob sie im Unternehmensinteresse liegt, muß sie auch den Überlegungen zu Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit unterstellt werden. Angesichts der angestrebten Änderung des Gleichbehandlungsmaßstabes muß sie dazu taugen, die für die Gesellschaft bestmögliche Plazierung zu fördern oder gar zu erreichen, und es darf auch kein anderer die Altaktionäre weniger beeinträchtigender Weg zur Verfügung stehen. Daß die Nachteile, die den Altaktionären zugefügt werden, nicht außer Verhältnis zu den für das Unternehmen erstrebten Vorteilen stehen dürfen, also zumutbar sein müssen, hat den konsequenten Abschluß der Prüfung zu bilden, ob ein sachlicher Grund für die Änderung des Gewinnverteilungsschlüssels gegeben ist.

24

Die vorstehenden Erwägungen trafen bislang - unter Vornahme bestimmter, den Besonderheiten des Rechtsinstituts Rechnung tragender Modifikationen - auch auf das genehmigte Kapital (§§ 2 0 2 ff) zu, solange die Grundsätze der Holzmann-Entscheidung 3 9 dafür maßgebend waren. Fraglich ist, ob die unter Aufgabe dieses Urteils im Fall

25

35

Hüffer4 Rdn 9; KK-Lutter 2 Rdn 17; Hefermehl/Bungeroth Rdn 26.

36

So Hefermehl/Bungeroth

mehl, Rdn 26.

37

BGHZ 71, 40, 44, 46; 83, 319, 321; 125, 239, 242, 2 4 4 ; vgl die umfassende Darstellung der Problematik bei Großkomm- Wiede-

mann4 § 186 Rdn 137 ff.

in: Geßler/Hefer-

Hüffer4 Rdn 9; KK-Lutter 2 Rdn 17.

(281)

38

in: Geßler/Hefermehl,

39

BGHZ 83, 319, 321 ff.

Hartwig Henze

§ 60

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

4 0 entwickelten Grundsätze als sachlicher Grund für die Einschränkung Siemens/Nold des Gleichbehandlungsmaßstabes bei der Bestimmung der Gewinnverteilung nach Abs 3 ausreichen. Das kann bejaht werden.

Das Urteil stellt drei Grundsätze auf: (1)

Die Prüfungen der Voraussetzung für den Bezugsrechtsausschluß oder die Ermächtigung des Vorstandes dazu durch die Hauptversammlung ist an dem im Beschlußzeitpunkt bekannten Sachverhalt auszurichten. Zur Beschlußfassung genügt es, daß der Hauptversammlung die Maßnahme allgemein und in abstrakter Form bekanntgegeben wird.

(2)

Der Vorstand darf von der Ermächtigung zur Kapitalerhöhung und zum Bezugsrechtsausschluß nur dann Gebrauch machen, wenn sich das Vorhaben konkretisiert hat und seiner abstrakten Umschreibung gegenüber der Hauptversammlung entspricht.

(3)

Das Vorhaben muß bei der Beschlußfassung der Hauptversammlung und seiner Inangriffnahme durch den Vorstand (die der Zustimmung des Aufsichtsrates bedarf, § 2 0 4 Abs 1) im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegen.

26

Im Vergleich zu „Holzmann" ist die Prüfung durch die Hauptversammlung nur noch von geringerer Intensität, weil sie nur abstrakte Vorgaben umfaßt. Die Prüfungspflicht des Vorstandes 41 (und Aufsichtsrates, § 2 0 4 Abs 1) hat sich an dem konkreten Projekt auszurichten, besteht also unverändert fort. Die Siemens/Nold-Entscheidung enthält keine Ausführungen darüber, was unter dem wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft zu verstehen ist. Da die Erörterung dieser Frage für die Entscheidung des Falles nicht erforderlich war (Beschränkung der Ermächtigung auf Ausgabe von Arbeitnehmeraktien und Stammaktien zum Erwerb von Beteiligungen), ist sie - wohl bewußt - offengelassen worden, um mögliche spätere Optionen nicht ohne Anlaß preiszugeben. Da die Urteilsgründe keine Distanzierung von der früheren Definition 4 2 erkennen lassen, ist diese nach wie vor maßgebend. Demnach steht die Ermächtigung durch den Hauptversammlungsbeschluß auf jeden Fall abstrakt unter dem Vorbehalt von Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Der Vorstand hat diese Voraussetzungen in den Grenzen des ihm zuzubilligenden unternehmerischen Beurteilungsspielraumes 4 3 sorgfältig zu prüfen. 4 4

27

Auf die Bestimmung der Gewinnverteilungsart nach Abs 3 übertragen heißt das: die Hauptversammlung ist nur noch in sehr eingeschränktem Maße in der Lage zu prüfen, ob es ihr geboten erscheint, Bestimmungen über den Inhalt der Aktienrechte bzw die Bedingungen der Aktienausgabe zur Bindung des Vorstandes in die Ermächtigung aufzunehmen oder sie schlicht Vorstand und Aufsichtsrat zu überantworten (§ 2 0 4 Abs 1). Der Vorstand (und Aufsichtsrat) hat die von ihm zu verantwortende Entscheidung über die Gewinnverteilung nach wie vor unter Berücksichtigung des Unternehmenszweckes, der Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu treffen. Kommt er seiner Verpflichtung nicht ordnungsgemäß nach, drohen ihm Entlastungsverweigerung (§ 120) und 40

B G H Z 136, 133, 1 3 9 ff; vgl dazu Henze AktienR 4 ( 2 0 0 0 ) , Rdn 8 3 7 ff; Bungert N J W 1 9 9 8 , 4 8 8 ; Volhard AG 1 9 9 8 , 3 9 7 ; Kindler Z G R 1 9 9 8 , 3 5 ; Lutter FS Zöllner ( 1 9 9 8 ) , Bd I, S 3 6 3 , 3 7 2 ff; ders J Z 1 9 9 8 , 5 0 ; Hofmeister N Z G 2 0 0 0 , 713; Cabri Z H R 1 6 3 ( 1 9 9 9 ) , 5 5 4 , 5 6 9 ff; Bayer Z H R 1 6 3 ( 1 9 9 9 ) , 5 0 5 , 512 ff.

41

Eingehend zu allen Pflichten des Vorstandes beim genehmigten Kapital mit Bezugsrechtsausschluß Cahn Z H R 163 ( 1 9 9 9 ) , 5 5 4 ff.

42 43

B G H Z 71, 4 0 , 4 6 ; 125, 2 3 9 , 2 4 4 . Vgl dazu B G H Z 125, 2 3 9 , 2 4 6 ff; 135, 2 4 4 , 2 5 3 ; 136, 133, 138.

44

Vgl ferner C a h n Z H R 1 6 3 ( 1 9 9 9 ) , 5 5 4 ff.

S t a n d : 1. 3. 2 0 0 0

(282)

§60

Gewinnverteilungsschlüssel

Inanspruchnahme auf Leistung von Schadensersatz (§ 9 3 Abs 2), der Gesellschaft darüber hinaus eine Klage auf Unterlassung oder Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vorstandshandelns. 4 5 Diese Sanktionsmöglichkeiten werden in der Regel ausreichen, um sachgemäße Entscheidungen zu gewährleisten. 4 6 Spricht im übrigen schon die ursprüngliche Satzung die Befugnis aus, daß aus einer Kapitalerhöhung stammende junge Aktien bei der Gewinnverteilung mit Vorzügen ausgestattet werden können, so ist schon diese Regelung als Bestimmung iSd Abs 3 anzusehen. Bei Realisierung dieser Gestaltung unter Ausschluß des Bezugsrechts bedarf es keiner Zustimmung der Altaktionäre. Der Klarheit halber ist daher die Aufnahme einer entsprechenden Gestaltungsklausel in die Satzung anzuraten. 4 7

28

4. Beispiele von Gestaltungsmöglichkeiten In der ursprünglichen Satzung sowie bei Satzungsänderungen kann, sofern nicht gegen Verbotsgesetze verstoßen wird, jede Gestaltung des Gewinnverteilungsschlüssels vorgenommen werden. Beispielhaft sei auf die Vorzugsaktien (§§ 11 S 1, 139 ff) verwiesen. 4 8 Die Satzung kann alle oder auch einzelne Aktien ganz, teilweise oder bedingungsabhängig vom Gewinnbezug ausschließen. Ebenso möglich ist die Bestimmung, allen oder einem Teil der Aktionäre unabhängig von ihren Grundkapitalanteilen und/oder Einlageleistungen den gleichen Betrag zu zahlen oder nur solche Aktien am Gewinn teilhaben zu lassen, auf die der volle Einlagebetrag eingezahlt worden ist. Des weiteren wird in genossenschaftlich strukturierten Gesellschaften häufig in der Satzung vorgesehen, daß demjenigen Mitglied eine verhältnismäßig höhere Dividende gewährt wird, von dem die AG höhere Leistungen in Anspruch genommen hat („Umsatzdividende"). 4 9 Trifft die Aktionäre eine Nebenpflicht iSd § 5 5 Abs 1, können die Gewinnanteile an der Nebenleistungspflicht ausgerichtet werden; der Aufteilungsschlüssel kann auch an den Umfang oder die ordnungsmäßige Erfüllung anknüpfen. 5 0

29

Probleme, die sich früher durch die Begrenzung der Gewinnausschüttung für gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen ergaben, die insbesondere auch durch die Berechtigung von Aktionären zur Körperschaftsteueranrechnung auftreten konnten (Kürzung des zulässigen Ausschüttungshöchstsatzes um den Anrechnungsbetrag, volle Dividendenausschüttung bei den nicht anrechnungsberechtigten Aktionären: Kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz) 5 1 stellen sich nach Aufhebung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes und der Neufassung des § 5 Abs 1 Nr 10 K S t G 5 2 nicht mehr. Bei einer Kapitalerhöhung können die jungen Aktien mit einem Vorzug versehen werden. Dieser kann so ausgestaltet sein, daß die jungen Aktien an dem während des ganzen Jahres erwirtschafteten Gewinn partizipieren, obwohl die Kapitalerhöhung erst am Ende des Geschäftsjahres wirksam wird (vgl § 181 Abs 3). Mangels anderweitiger Bestimmung stellt das im Fall einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 217 Abs 1) den Regelfall dar. 5 3 Darüber hinaus ist es möglich, die jungen Aktien im KapitalerhöhungsB G H Z 136, 133, 141.

143 ( 1 9 7 9 ) , 3 6 1 , 3 6 3 ; H Westermann

Z u weitergehenden Sicherungsmaßnahmen vgl Ulmer Z H R 1 6 3 ( 1 9 9 9 ) , 2 9 0 ; Lutter J Z

Schnorr ν Carolsfeld ( 1 9 7 2 ) , S 517, 5 2 4 . RGZ 104, 349, 350.

1998, 50, 52.

50 51

Hüffer4 Rdn 9; K K - L u t t e r 2 Rdn 17; vgl auch Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl,

52

Rdn 2 6 .

Vgl dazu § 9 lit a WohnGemeinnützG sowie B G H Z 8 4 , 3 0 3 ; K K - L u t t e r 2 Rdn 21. Vgl dazu BT-Drucks 1 1 / 2 1 5 7 , S 169 und 11/3536, S 88.

Vgl die einzelnen Bsp bei K K - L u t t e r 2 Rdn 19. Eingehend Luther Die genossenschaftliche AG ( 1 9 7 8 ) , S 165 m Bespr Teichmann Z H R

(283)

FS

53

Z u m Sachgrund vgl Hefermehl/Bungeroth Geßler/Hefermehl, Rdn 3 3 m w N .

Hartwig Henze

in:

30

§ 60

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

beschluß auch mit einem Gewinnbezugsrecht für ein schon abgeschlossenes Geschäftsjahr auszustatten; für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln wird diese O p t i o n v o m Gesetz ausdrücklich eingeräumt (§ 2 1 7 A b s 2 ) . D a s ist jedoch auch bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen eine zulässige Verteilungsvariante, die so lange gewählt werden kann wie der Beschluß iSv § 174 noch nicht gefaßt ist. 5 4 Dagegen läßt sich nicht anführen, d a ß die neuen A k t i o n ä r e im V o r j a h r noch keine A k t i o n ä r e , sondern außenstehende Dritte waren, denen ein G e w i n n nur nach § 5 8 A b s 3 S 2 gewährt werden k a n n . 5 5 Entscheidend ist vielmehr, d a ß der Bilanzgewinn vor Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses eine reine R e c h e n g r ö ß e ist, auf dessen Auszahlung niemand einen konkreten Anspruch hat. M i t h i n k a n n über die Verteilung des Gewinns n o c h frei disponiert werden. In dem Z e i t p u n k t , in dem der auf das vergangene Geschäftsjahr bezogene Dividendenanspruch entsteht, k o m m t den Inhabern der jungen Aktien aber bereits die Aktionärseigenschaft zu, so d a ß sie im Gewinnverteilungsschlüssel zu berücksichtigen s i n d . 5 6 Freilich ist es nicht möglich, ein solches G e w i n n r e c h t in einem Kapitalerhöhungsbeschluß zu regeln, der gleichzeitig den Beschluß über die Verwendung des Vorjahresgewinns enthält. D a s hätte zur Folge, d a ß mit dem Beschluß der Vorjahresbilanzgewinn an Personen ausgeschüttet würde, die mangels Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses in das Handelsregister (§ 181 Abs 3) n o c h gar kein Dividendenstammrecht h a b e n , das durch den Ausschüttungsbeschluß in einen Auszahlungsanspruch konkretisiert werden kann.57 31

Die Unzulässigkeit der G e w ä h r u n g des Gewinnbezugsrechtes auf junge Aktien für ein schon abgeschlossenes Geschäftsjahr kann auch nicht mit der Begründung aus § § 9 Abs 1, 5 7 Abs 1 S 1, A b s 3 hergeleitet werden, sachlich liege eine verdeckte Herabsetzung des Ausgabebetrages vor, so d a ß uU gegen das Verbot der Unterpariemission verstoßen w e r d e . 5 8 Es m a g zwar sein, d a ß die Gewinnauszahlung bei dem neuen A k t i o n ä r dazu führt, d a ß er wirtschaftlich nicht den vollen Betrag der Einlageleistung zu tragen hat. D e r Schutzzweck der § § 9 Abs 1, 5 7 Abs 1 S 1, Abs 3 wird dadurch jedoch nicht berührt: D a s Grundkapital und die von Gesetzes wegen einzustellenden Rücklagen werden nicht geschmälert. Denn das Gewinnbezugsrecht ändert nichts an der ziffernmäßigen Höhe des nach § 174 Abs 2 N r 2 ohnehin auszuschüttenden Betrages; es ändert sich lediglich der Verteilungsschlüssel. Seiner EinZahlungsverpflichtung auf die gezeichneten Aktien k o m m t der neue A k t i o n ä r jedoch n a c h .

32

Bei dem genehmigten Kapital gelten die für die Kapitalerhöhung dargelegten Grundsätze zu den einzelnen Gestaltungsmöglichkeiten der Gewinnverteilung entsprechend. Zuständig ist hier jedoch der Vorstand, soweit der Hauptversammlungsbeschluß keine konkreten Regelungen trifft ( a r g § 2 0 4 A b s 1).

54

Hüffer4 Rdn 10; KK-Lutter 1 Rdn 22; Simon AG 1960, 148 ff; Wündisch AG 1960, 320 f (allerdings mit nicht zweifelsfreier Konstruktion, wie zutreff von Großkomm-Barz Voraufl, Anm 5 aE bemerkt); aA Hefermehl/ Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 27, 28; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 5; einschränkend auch ν Godin/Wilhelmi 4 Anm 1:

55

56 57 58

Zulässigkeit wird nur bei anteiliger Gleichmäßigkeit bejaht. So Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 27, 28. Hüffer4 Rdn 10. Vgl Hüffer4 Rdn 10; KK-Lutter 2 Rdn 22. So noch Großkomm-Barz Voraufl, Anm 5.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(284)

Gewinnverteilungsschlüssel

§60

IV. Verstöße gegen den Gewinnverteilungsschlüssel In der Beschlußfassung nach § 174 Abs 2 Nr 2 erschöpft sich das Recht der HauptVersammlung, auf die Dividende Einfluß zu nehmen. Der für die Auszahlung an jeden Aktionär maßgebende Betrag errechnet sich nach § 6 0 . Für die Erfüllung des Gewinnauszahlungsanspruchs, der ein selbständiges unentziehbares Gläubigerrecht darstellt, ist der Vorstand zuständig. Jeder Hauptversammlungsbeschluß, der diesen Verteilungsschlüssel zu modifizieren sucht, bleibt mangels Zuständigkeit der Hauptversammlung ohne Rechtsfolge. Umstritten ist, ob Nichtigkeit entsprechend § 241 Nr 3 Var 3 oder schlicht Wirkungslosigkeit anzunehmen ist. 5 9 Diese Frage hat jedoch keine praktischen Auswirkungen. Entscheidend ist, daß ein Beschluß nicht angefochten werden muß; denn § 2 5 4 regelt die Anfechtung von Bilanzbeschlüssen abschließend. 60 Ein Beschluß, für dessen Inhalt die Hauptversammlung nur teilweise nicht zuständig war, ist nicht insgesamt nichtig oder unwirksam. § 139 B G B kann nicht angewendet werden, weil die abschließende Vorschrift des § 2 5 3 diesen Fall nicht aufführt. 61

33

Stimmen alle betroffenen Aktionäre einer ihnen nachteiligen Änderung der GewinnVerteilung zu, ist dieser Beschluß wirksam.

34

Wird den Aktionären als Dividende mehr gewährt als ihnen nach § 6 0 iVm §§ 58 Abs 4, 174 Abs 2 Nr 2 zusteht, so stellt dies einen Verstoß gegen § 5 7 Abs 1 S 1 dar, der die Empfänger verpflichtet, den überzahlten Betrag gern § 6 2 Abs 1 S 1 an die Gesellschaft zurückzuzahlen (§ 5 7 Rdn 2 9 ; § 6 2 Rdn 17), sofern nicht im Einzelfall § 6 2 Abs 1 S 2 eingreift (§ 6 2 Rdn 6 4 ff). Entfällt eine Verpflichtung zur Rückzahlung, dann haftet der Vorstand für den Ausfall nach § 93 Abs 2.

35

V. Sonderfragen mit Einfluß a u f die H a n d h a b u n g des Verteilungsschlüssels 1. Rechtlose Mitgliedschaften; Verzicht auf den Gewinnanteil a) Verlust und Ruhen von Mitgliedschaftsrechten. Ohne die Mitgliedschaft als solche zu berühren, sieht das Gesetz in verschiedenen Fällen vor, daß aus der Mitgliedschaft keinerlei Rechte erwachsen: Sämtliche mitgliedschaftlichen Rechte sind dann - zeitweilig - nicht existent (§§ 2 0 Abs 7 S 1, 21 Abs 4 S 1, 56 Abs 3 S 3, 7 1 b , 71 d S 4, 3 2 8 ) . 6 2 Außerdem kann die Satzung Umstände festlegen, deren Eintritt die - zeitweilige Versagung der (oder einzelner) Mitgliedschaftsrechte zur Konsequenz hat (§ 58 Rdn 89). Fällt der Gewinnverwendungsbeschluß in diese Zeit nichtvorhandenen Dividendenstammrechts (§ 58 Abs 4), so entsteht kein Auszahlungsanspruch. 63 Bei der Gewinnverteilung werden deshalb allein die übrigen Aktien berücksichtigt; der nach § 174 Abs 2 Nr 2 ausgeschüttete Gewinn entfällt gemäß dem Verteilungsschlüssel des § 6 0 vollständig nur auf sie (§ 58 Rdn 97). Die rechtlosen Mitgliedschaften werden so behandelt, als

59

Für Nichtigkeit entspr § 2 4 1 N r 3 Var 3 KK-Zöllner § 2 4 1 Rdn 2 6 , 117; Hüffer in: Geßler/Hefermehl, § 2 4 1 Rdn 5 2 ; für schlichte Wirkungslosigkeit ua Baumbach/ Hueckxi § 119 Rdn 10; offengelassen bei K K - L u t t e r 1 Rdn 2 8 .

60

K K - L u t t e r 1 Rdn 2 8 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 38, 39.

61

Lutter a a O ; Hefermehl/Bungeroth

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aaO.

62

Dazu Hüffer4 § 2 0 Rdn 12, 15, § 5 6 Rdn 15, § 71 b Rdn 3 f, § 3 2 8 Rdn 4 ; Bayer in: M ü n c h K o m m A k t G 2 § 2 0 Rdn 4 2 , 7 0 ; vgl auch B G H N J W 1 9 9 5 , 1027, 1 0 2 8 [aus eigenen Anteilen kein Gewinnstammrecht für eine GmbH]; ferner B G H Z 114, 2 0 3 , 2 1 8 [gem § 2 0 Abs 7 (aF) Verlust des Bezugsrechts (S 1 8 6 Abs 1 S 1)].

63

Hüffer4

Hartwig Henze

§ 2 0 Rdn 15.

36

§ 60

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

bestünden sie nicht; werden sie dennoch bedient, löst dieser Verstoß gegen § 57 Abs 1 S 1 die Erstattungspflicht nach § 62 Abs 1 aus (§ 57 Rdn 30; § 62 Rdn 17). 37

Anders verhält es sich, wenn die mitgliedschaftlichen Rechte gem § § 2 0 Abs 7 S 2, 21 Abs 4 S 2 ruhen (§ 58 Rdn 90, 98) Hier tritt kein Rechtsverlust ein. Ungeachtet des Ruhens entsteht mit Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses der Auszahlungsanspruch, 64 mögen die betroffenen Aktionäre ihn während der Zeit des Ruhens der Mitgliedschaft auch nicht geltend zu machen berechtigt sein. Diese Befugnis steht ihnen aber rückwirkend zu, sobald die gesetzlich gebotene, jedoch unvorsätzlich unterlassene Mitteilung nachgeholt ist. 65 Bis dahin ist der währenddessen nicht auszuschüttende Betrag in neuer Rechnung als sonstige Verbindlichkeit auszuweisen.66 Eine Befriedigung dieser Gewinnansprüche vor Nachholung der Mitteilung verstößt gegen § 57 Abs 1 S 1. Solange diese Ausschüttung nicht durch die Nachholung der Mitteilung legalisiert wird, sind die Empfänger gem § 62 Abs 1 erstattungspflichtig (§ 57 Rdn 31; § 62 Rdn 17).

38

b) Verzicht auf den Gewinnanteil. Dieselbe Folge wie beim Verlust des Gewinnbezugsrechtes (Rdn 36) tritt ein, wenn ein Aktionär auf den ihm zustehenden Gewinnanteil verzichtet. 67 Dabei gewährt der Verzicht dem Aktionär freilich nicht das Recht zu bestimmen, wie mit dem frei gewordenen Betrag zu verfahren ist, er zB zu Stabilisierungszwecken thesauriert werden soll. Wenn ein Aktionär einen Verzicht ausspricht, wird der frei werdende Betrag vom Gewinnverteilungsschlüssel erfaßt und entfällt damit nach § 60 anteilig auf die übrigen Gesellschafter. Keinesfalls kann die Verzichtsleistung bewirken, daß der nach § 174 Abs 2 ergangene Gewinnverwendungsbeschluß der Hauptversammlung oder gar der gesetzliche oder statutarische Gewinnverteilungsschlüssel modifiziert wird. 68 2. Kraft Redlichkeit „lastenfrei" erworbene Aktien

39

a) Gutgläubig „lastenfreier" Erwerb von Aktien. Hat die Gesellschaft unter Verstoß gegen § 10 Abs 2 S 1 vor vollständiger Leistung des Ausgabebetrages nicht Namens-, sondern Inhaberaktien ausgegeben oder war bei nicht voll eingezahlten Namensaktien entgegen § 10 Abs 2 S 2 kein bzw ein in dieser Höhe nicht geleisteter Teilbetrag in der Urkunde vermerkt, so schuldet ein Aktienerwerber, wenn er insoweit gutgläubig ist, die noch ausstehende Resteinlage, von deren Erfüllung er gutgläubig ausgegangen ist, nach hM nicht. Die Gesellschaft hat aus dieser Aktie keinen Einlageanspruch mehr. Die Überlegungen zur Schutzwürdigkeit des Erwerbers, die für dieses Ergebnis maßgeblich sind (§ 54 Rdn 22 f, 26 ff), lassen es geboten erscheinen, den Schutz des redlichen Erwerbers auch auf die Gewinnverteilung zu erstrecken. Entscheidend ist dies bei Anwendung des Gewinnverteilungsschlüssels nach Abs 1 und Abs 2 S 1 und S 2, wonach für den Gewinnanteil die Höhe der Einlage bzw die Höhe der bisher auf die Einlage erbrachten Leistung bestimmend ist, sowie bei jeder statutarischen Bestimmung iSv Abs 3, die den Verteilungsschlüssel an die Höhe der geleisteten Einlagen knüpft. Obwohl der Aktionär die Einlage nicht in der für die Gewinnverteilung maßgebenden Höhe geleistet hat, darf aaO.

64

Hüffer

65

Hüffer4 § 2 0 Rdn 13, 15; vgl auch Bayer in: M ü n c h K o r a m A k t G 2 § 2 0 Rdn 74, 7 9 ff; schon zu § 2 0 Abs 7 a F ebenso Heinsius FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 2 1 5 , 2 2 4 ff.

66

Hüffer4 § 2 0 Rdn 15; Adler/Düring/Schmalz6 Vor §§ 1 5 - 1 8 Rdn 2 5 ; schon zu § 2 0

Abs 7 aF ebenso H-P Müller AG 1 9 9 6 , 3 9 6 , 397. 67

KK-Lutter2 Rdn 2 7 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3 6 .

68

Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 3 6 ; aA Obermüller/Werner/Winden Die Hauptversammlung der AG 3 ( 1 9 6 7 ) , S 2 0 2 .

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(286)

Vergütung von Nebenleistungen

§ 61

ihn mit R ü c k s i c h t auf seine Redlichkeit kein Nachteil treffen. D e r A k t i o n ä r ist bei der Bemessung des G e w i n n s deshalb so zu behandeln, als sei derjenige Teil der Einlageleistung, den er kraft Redlichkeit nicht schuldet, bereits geleistet (Fiktion). Allerdings m u ß in dieser Situation, soweit der Verteilungsschlüssel des Abs 2 gilt, beachtet werden, d a ß hier nur das als Einlage zugrunde gelegt werden k a n n , was auf Fälligstellung (§§ 3 6 a Abs 1, 6 3 Abs 1 S 1) hin geleistet worden ist. Dieses Prinzip ist auch bei fiktiver Z u r e c h nung einer Leistung zu w a h r e n , so d a ß im R a h m e n von A b s 2 die Leistungsfiktion für die Gewinnverteilung m a x i m a l in der H ö h e zu berücksichtigen ist, in der die Einlagen auf Aktien der Art, die der Gutgläubige erworben hat, bereits fällig s i n d . 6 9 b) Gutgläubig von Nebenpflichten freier Aktienerwerb. Gehen unter Verstoß gegen § 5 5 Abs 1 S 3 unrichtige, unvollständige oder keine Angaben aus der urkundlichen Verbriefung hervor, so schuldet ein Aktienerwerber die Nebenleistung nur, soweit er beim E r w e r b der Aktien nicht gutgläubig war (§ 5 5 R d n 2 4 f). Orientiert sich in diesem Z u s a m m e n h a n g aufgrund einer nach A b s 3 getroffenen Bestimmung der auf diese Aktie entfallende Gewinnanteil an der Leistung aus der Nebenverpflichtung, gilt auch hier, d a ß der gutgläubig erwerbende A k t i o n ä r bei der Gewinnverteilung keinen Nachteil erleidet, o b w o h l ihn keine Nebenleistungspflicht trifft.

§61 Vergütung von Nebenleistungen

Für wiederkehrende Leistungen, zu denen Aktionäre nach der Satzung neben den Einlagen auf das Grundkapital verpflichtet sind, darf eine den Wert der Leistungen nicht übersteigende Vergütung ohne Rücksicht darauf gezahlt werden, o b ein Bilanzgewinn ausgewiesen wird. Übersicht Rdn I. Einführung 1. Gesetzesgeschichte 2. Regelungsgegenstand und Normzweck Q. Rechtsnatur und Geltendmachung des Vergütungsanspruchs IQ. Voraussetzungen eines Vergütungsanspruchs IV. Höchstgrenze der Vergütung 1. Grundsatz

1 2 7 10 11

Rdn 2. Ermittlung des Leistungswertes . . . 3. Ermittlung des Vergütungswertes . . V. Rechtsfolgen 1. Konsequenzen angemessener Vergütung 2. Konsequenzen übermäßiger Vergütung a) Rückgewähr des Überschusses . . b) Festsetzung der Vergütung in der Satzung c) Schadensersatzpflicht

12 13

14 15 15 17 18

Schrifttum Buchholz Die Nebenleistungspflichten bei der GmbH, JherJ 74, 260; ν Carolsfeld Zur Arbeitsleistung im Rahmen von Gesellschaftsverhältnissen, FS A Hueck (1959), S 261; F Brixner/J Brixner Bäuerliche Aktiengesellschaften mit genossenschaftlicher Zielsetzung, AG 1965, 262; J Brixner Zweckmäßigkeit und Möglichkeiten genossenschaftlicher Betätigung in der Rechtsform der Aktiengesellschaft (1961); ders Marktintegration durch bäuerlich-genossenschaftliche Aktiengesellschaften 69

Hefermehl/Bungeroth Rdn 35.

(287)

in: Geßler/Hefermehl,

Hartwig Henze

40

§ 61

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

(1966); Eckert Sittenwidrigkeit und Wertungswandel, AcP 199 (1999), 337; Finke Die Sonderleistungspflichten bei der GmbH (1931); Gansmüller Die Nebenleistungsgesellschaft auf mangelhafter Grundlage, GmbHR 1955, 172; Heckelmann Abfindungsklauseln in Gesellschaftsvertägen (1973); Herzog Übermäßige Bindungen der Gesellschafter von Zuckerrübenfabriken, ZBH 1929, 313; ders Ein Preisgaberecht bei Nebenleistungsgesellschaften, Z H R 97 (1932), 422; A Hueck Inwieweit besteht eine gesellschaftliche Pflicht des Gesellschafters einer Handelsgesellschaft zur Zustimmung zu Gesellschafterbeschlüssen? Z G R 1972, 237; Kulenkampf die Nebenleistungsaktiengesellschaft (1927); Lippmann Über die rechtliche Natur der Rübenlieferungspflicht der Aktionäre von Aktienzuckergesellschaften, Z H R 39 (1891), 126; Lobedanz Der Einfluß von Willensmängeln auf Gründungs- und Beitrittsgeschäfte (1938); Luther Die genossenschaftliche AG (1978); Markus Kapitaleinlagen und wiederkehrende Leistungen des Aktionärs, AG 1931, 3; Miigel Die Erhaltung der Familiengesellschaft, SozPr 1939, 987; Müller-Erzbach Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens (1948); Orel Die Nebenleistungspflichten bei der eingetragenen Genossenschaft (1961); Schütt Die Nebenleistungsaktiengesellschaft (1927); Ullrich Formzwang und Gestaltungsgrenzen bei Sonderrechten und Nebenleistungspflichten in der GmbH, Z G R 1985, 235; Ulmer Die rechtliche Beurteilung vertraglicher Abfindungsklauseln bei nachträglich eintretendem groben Mißverhältnis, Z G R 1995, 143; Winkler Materielle und formelle Bestandteile in Gesellschaftsverträgen und Satzungen und ihre verschiedenen Auswirkungen, DNotZ 1969, 394; ders Nichtgewerbliche, ideale, insbesondere politische Zielsetzungen als Inhalt von Gesellschaftsverträgen und Satzungen, NJW 1970, 449; ders Die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen im Wege der Grundtypenvermischung, N J W 1970, 1065; Wolff Die Nebenleistungsaktiengesellschaft des neuen HGB, FS Wilke (1900), S 319.

I.

Einführung

1. Gesetzesgeschichte 1

§ 6 1 besteht seit seiner Fassung im A k t G 1 9 6 5 unverändert. Der W o r t l a u t der Vorschrift weicht von der V o r g ä n g e r n o r m des § 5 5 A k t G 1 9 3 7 nur geringfügig ab. Inhaltlich ist keine Änderung v o r g e n o m m e n worden. Die Regelung geht auf § 2 1 6 H G B zurück. 2 . Regelungsgegenstand und N o n n z w e c k

2

Die Kernaussage des § 6 1 lautet: Die Vergütung darf nicht höher sein als der Wert der Nebenleistung. W i r d dem R e c h n u n g getragen, gilt § 5 7 nicht. Anderenfalls greifen die §§ 57, 6 2 ein, es sei denn, der überschießende Vergütungsbetrag ist materiell Dividendenzahlung ( S S 5 8 A b s 4 , 6 0 A b s 3 ) .

3

Die Vorschrift ist in Zusammenhang mit § 5 5 zu lesen, an den sie anknüpft und der durch sie ergänzt wird. Die Anwendungsbereiche beider N o r m e n decken sich, so d a ß § 61 ebensowenig wie § 5 5 diejenigen Rechtsgeschäfte betrifft, die der A k t i o n ä r mit der A G nicht im R a h m e n seiner mitgliedschaftlichen Stellung, sondern unabhängig davon als Drittgeschäfte tätigt.

4

Beide Vorschriften beinhalten eine Ausnahme v o m Regelgrundsatz: Korrespondierend zu dem System, in dem § 5 5 eine A u s n a h m e von § 5 4 darstellt, durchbricht § 6 1 das in § 5 7 niedergelegte Verbot fester Vergütungen. Materiell folgerichtig n i m m t die Regelung des § 61 das Entgelt für Nebenleistungen iSd § 5 5 , die keine Einlagen auf das Grundkapital sind, v o m Verbot der Einlagenrückgewähr aus (§ 5 7 R d n 1 8 7 ) . Schließlich ist es dem A k t i o n ä r gleich einem Dritten nicht verwehrt, für seine der Gesellschaft erbrachten Leistungen, die keine Einlage darstellen, eine bestimmte Gegenleistung von der A G zu beanspruchen, ohne d a ß er sich dabei durch die in der A G herrschende finanzielle Situation reglementiert sehen m ü ß t e - soweit bei solchen drittgeschäftsähnlichen Transaktionen nicht im Einzelfall in Wahrheit eine

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(288)

Vergütung von Nebenleistungen

§61

nach § 57 verbotene verdeckte Einlagenrückgewähr vorliegt (§ 57 Rdn 35 ff) oder die Qualifikation als Drittgeschäft aufgrund bestimmter Umstände nicht gegeben ist, wie das beim eigenkapitalersetzenden Darlehen 1 der Fall ist (§ 57 Rdn 98 ff). Umgekehrt findet dieser Gedanke seine Parallele darin, daß für Leistungen, die Einlagen auf das Grundkapital darstellen, eine Gegenleistung nur als Dividende zulässig ist (§§ 5 7 Abs 3, 58 Abs 4). Freilich läßt § 61 eine Abweichung von § 57 nicht unbegrenzt zu. Die Bestimmung markiert gleichzeitig die maximale Höhe der Vergütung, die noch zulässigerweise in Empfang genommen werden kann, ohne eine Verpflichtung des Aktionärs nach § 62 auszulösen. Hingegen trifft § 61 nicht die Aussage, korporative Nebenleistungen seien stets zu vergüten. Vielmehr fallen Fragen der Statuierbarkeit einer Vergütung {ob), ihrer Inhaltsbestimmung (was und wie) sowie die Festlegung des Vergütungsumfanges (wieviel) originär in den Regelungsbereich der § § 5 5 Abs 1 S 2, 23 Abs 5 S 2, mag sich die konkrete Höhe des Entgeltes auch an der von § 61 ausgesprochenen Obergrenze messen lassen müssen.

5

Wirtschaftlich bezweckt § 61, daß Vereinbarungen iSv § 55 nicht von vornherein unattraktiv erscheinen. Denn unterläge eine Vergütungsmöglichkeit von mitgliedschaftlichen Nebenpflichten zusätzlich zu den einschränkenden Voraussetzungen des § 55 den strengen Maßgaben des § 57, böte die Regelung für die Aktionäre keinerlei Anreize: Bei ihnen könnte kaum Interesse an der - ohnehin seltenen - Eingehung von korporativen Nebenleistungspflichten geweckt werden.

6

Π. Rechtsnatur und Geltendmachung des Vergütungsanspruchs Gleich dem ihm synallagmatisch gegenüberstehenden Nebenleistungsrecht der AG aus § 55 ist das Recht des Aktionärs auf die Vergütung von Nebenleistungen körperschaftlicher Natur. Die beiden korrespondierenden Rechtspositionen erwachsen aus dem Gesellschaftsverhältnis; diese gesellschaftsrechtlichen Stammrechte sind also nicht Gegenstand eines schuldrechtlichen Individualvertrages. Auf das Verhältnis dieser Rechte und Pflichten zueinander und ihrer Erfüllung sind nach allgM die Regeln des Allgemeinen und Besonderen Schuldrechtes aber entsprechend anzuwenden (§ 55 Rdn 34 ff).

7

Von dem in der Aktie verbrieften mitgliedschaftlichen Stammrecht des Aktionärs, für Nebenleistungen eine Vergütung verlangen zu können, ist der mit jeder konkret erbrachten Nebenleistung entstandene einzelne Zahlungsanspruch zu unterscheiden. Diese konkretisierte Rechtsposition des Aktionärs erwächst aus dem Stammrecht auf Vergütung; sie ist ein selbständiges Gläubigerrecht des Aktionärs, gleichgestellt den anderen Verbindlichkeiten der AG, ohne an der Mitgliedschaft zu haften. Die AG kann es von Gesellschafts wegen einseitig nicht mehr beeinflussen.

8

Rechtlich steht der mitgliedschaftliche Vergütungsanspruch zu den konkretisierten Entgeltansprüchen in dem gleichen Verhältnis wie das korporative Recht des Aktionärs auf Dividende zu dem durch den Gewinnverwendungsbeschluß (§ 174) konkret entstandenen Gewinnauszahlungsanspruch. Das Stammrecht ist untrennbar an die Mitgliedschaft gebunden. Verfügungen darüber sind nur durch Verfügungen über das Mitgliedschaftsrecht möglich. Über die selbständig entstandenen Einzelansprüche kann unabhängig von der Aktie disponiert werden, und zwar nach allgemeinen Regeln auch schon vor ihrer Entstehung im Rahmen von Rechtsgeschäften über künftige Ansprüche. 1

Vgl dazu BGHZ 90, 381, 384 ff.

(289)

Hartwig Henze

§ 61

9

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Geltend zu machen ist jeder einzelne, konkret entstandene Vergütungsanspruch durch gewöhnliche Leistungsklage. Die Satzung kann allerdings die Anspruchsverfolgung im Schiedsverfahren vorsehen. Da der Anspruch aus dem Stammrecht auf Vergütung erwachsen ist und dieses Stammrecht körperschaftlicher Natur ist, kann die Schiedsgerichtsbarkeit nach § 1066 ZPO mit Wirkung gegen Gesellschaft und Aktionäre satzungsmäßig verankert werden. Der Umstand, daß die Gesellschaft nicht an der Satzungsvereinbarung mitgewirkt hat, steht nicht entgegen. Wer Partei eines korporativen Verfahrens vor dem Schiedsgericht ist, bestimmt sich nach Verbandsrecht. § 1066 ZPO harmonisiert Schiedsabrede, Schiedsgerichtszuständigkeit und Verbandsverfassung.2 Die bei der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage auftretende Problematik von Drittschutz und Drittbindung durch Rechtskrafterstreckung (vgl §§ 248 f), die der Schiedsfähigkeit dieser Klagearten im Aktienrecht entgegensteht und den BGH bislang bewogen hat, die Schiedsfähigkeit auch im Recht der GmbH abzulehnen,3 ist hier ohne Bedeutung. III. Voraussetzungen eines Vergütungsanspruchs

10

Ein Vergütungsanspruch entsteht nur dann wirksam, wenn er nach § 55 Abs 1 S 2 satzungsförmig statuiert ist und als Gegenleistung für eine gemessen an § 55 Abs 1 S 1 und S 2 wirksam begründete Nebenleistungspflicht vorgesehen ist. Die Festsetzung der Höhe der Vergütungsleistung kann in der Satzung selbst getroffen werden. Sie kann aber durch Satzungsregelung auch dem Vorstand - ggf mit Zustimmung des Aufsichtsrates übertragen werden. Gleichermaßen können die Hauptversammlung, der Aufsichtsrat und auch Dritte - für sie gilt § 317 BGB - ermächtigt werden, die Höhe zu bestimmen.4 Erstmalige Einführung, Erhöhung oder Herabsetzung der Vergütungsleistung ist nach den Vorschriften über die Satzungsänderung (§§ 179 ff) zulässig, bei der Herabsetzung mit der Maßgabe, daß alle betroffenen Aktionäre zustimmen müssen (§ 180 Abs 1). IV. Höchstgrenze der Vergütung 1. Grundsatz

11

§ 61 bestimmt, daß dem Aktionär im Gegenzug für die von ihm nach § 55 zu erbringenden Nebenleistungen eine den Wert dieser Leistung nicht übersteigende Vergütung gezahlt werden darf, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ein Bilanzgewinn ausgewiesen ist. Das bedeutet für die zulässige Maximalhöhe der Vergütung: Das Entgelt darf dem Leistungswert höchstens äquivalent sein. Damit fügt sich die Regelung des § 61 zwanglos in das Kapitalschutzsystem der §§ 57, 62 ein, weil sie sicherstellt, daß selbst in dem für die AG ungünstigsten Fall der Äquivalenz von Leistung und Entgelt lediglich eine Umstrukturierung der kapitalbildenden Faktoren vonstatten geht, ohne daß wertmäßig die Gefahr eines Kapitalverlustes zu Lasten der AG auftritt.

2

Κ Schmidt Z G R 1 9 8 8 , 5 2 3 , 5 3 0 f; den AG 1995, 5 5 1 , 5 5 2 ; ihm folgend B G H Z 132, 2 7 8 ,

3

B G H Z 132, 2 7 8 , 2 8 5 ff; näher dazu Henze AktienR 4 ( 2 0 0 0 ) , Rdn 1 0 1 1 - 1 0 3 3 m w N .

2 8 4 f; vgl bereits B G H L M § 1 9 9 AktG 1 9 3 7

4

Vgl K K - L u t t e r 2 Rdn 6; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 11; Schlegelberger/ Quassowski3 § 5 0 Rdn 12.

N r 1.

Stand: 1. 3. 2000

(290)

Vergütung von Nebenleistungen

§61

2. Ermittlung des Leistungswertes Der für die Obergrenze der Vergütung maßgebliche Wert der Leistungen ist der marktübliche Anschaffungswert des zu leistenden Gegenstandes im vorgesehenen Leistungszeitpunkt.5 Marktüblich ist der Preis, den die AG zu begleichen gehabt hätte, wenn sie sich den Gegenstand auf dem freien Markt von einem Dritten verschafft hätte, der nicht ihr Aktionär ist. Wird der Gegenstand auf dem freien Markt nicht zu - in etwa - einheitlichen Preisen angeboten, so ist der günstigste Preis maßgebend, für den die AG den Gegenstand hätte bekommen können. 6 Für die Preisbemessung muß eine gewisse „Bandbreite" des Beurteilungsspielraums (für Faktoren wie Qualität, Serviceleistungen usw) eingeräumt werden. In zeitlicher Hinsicht beurteilt sich der Wert allein nach demjenigen Moment, in dem der Aktionär die Leistung zu erbringen hat; jedes Steigen oder Fallen des Preises vor oder nach diesem Zeitpunkt ist bedeutungslos. 7

12

3. Ermittlung des Vergütungswertes Zur Feststellung, ob die zu gewährende Vergütung höher ist als der Wert der Leistungen, bedarf es der Bestimmung des Wertes dieser Vergütung. Ihn zu ermitteln bereitet bei barem oder der Barzahlung vergleichbarem, auf inländische Währung oder Euro lautenden Entgelt naturgemäß keine Schwierigkeiten: Es gilt der Nennwert der zur Vergütung vorgesehenen Zahlungsmittel. Bei Vergütung in ausländischen Zahlungsmitteln ist der im vorgesehenen Zahlungszeitpunkt bestehende Devisenwert zugrunde zu legen. Bei unbarer Vergütung gelten die für die Ermittlung des Leistungswertes maßgebenden Grundsätze: Es ist also der Marktwert zu ermitteln, der in dem für die Gegenleistung festgelegten Zeitpunkt besteht.

13

Ist eine Vergütung vereinbart, die sich aus barer und unbarer Gegenleistung zusammensetzt, dann ist durch Addition der Vergütungsgesamtwert zu errechnen. Hierher gehört auch der in der Rspr entschiedene Beispielsfall, 8 daß die AG an den Aktionär nebst einem Barentgelt auch Sachwerte leistet, wie zB die Lieferung von Rübensamen oder die Rückgabe von Diffussions-(Verarbeitungs-)rückständen. Zu vage ist es, hier von einer „Anrechnung" bei der Ermittlung der Höchstgrenze des § 6 1 9 zu sprechen, weil es schlicht um die Berechnung des Vergütungswertes geht. 1 0

V. Rechtsfolgen 1. Konsequenzen angemessener Vergütung Soweit die Leistung des gem § 5 5 Abs 1 S 2 festgelegten Entgeltes den Voraussetzungen des § 61 entspricht, kann diese Vergütung nicht Gegenstand einer auf § 5 7 gestützten Beurteilung sein ( § 5 7 Rdn 187). Der Aktionär ist daher nicht verpflichtet, das Empfangene nach § 6 2 ganz oder teilweise zurückzugewähren. Jede von der AG an ihren Aktionär aus ihrem Vermögen geleistete Vergütung, mit der sich der Entgeltanspruch iSd § 5 5 Abs 1 S 2 konkretisiert und der die Vergütungshöchstgrenze des § 61 nicht überschreitet, vollzieht sich daher unabhängig von zwei Umständen: Es ist gleichgültig, ob ein 5

6

7

AllgM, vgl Hüffer4 Rdn 2; KK-Lut ter2 Rdn 5; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 7. KK-Lutter 1 Rdn 5 mwN. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 7; Großkomm-iWz Voraufl, Anm 2.

(291)

8 9

10

Vgl RGZ 48, 102, 105. Vgl Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 7. Treffend Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 2: Einrechnung in die Vergütung.

Hartwig Henze

14

§ 61

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Bilanzgewinn ausgewiesen wird oder ausgewiesen werden kann, und es kommt nicht darauf an, ob - wenn ja, in welcher Höhe - der Aktionär nach §§ 58 Abs 4, 60 konkret dividendenberechtigt ist. Die angemessene Vergütung ist nicht Dividende und damit von einem Gewinnanfall und dessen Verteilungsschlüssel unabhängig. 2. Konsequenzen übermäßiger Vergütung 15

a) Rückgewähr des Uberschusses. § 61 ist keine Verbotsnorm, deren Nichtbeachtung zur Rückgewähr der gesamten dem Aktionär gewährten Vergütung zwingt. Die Grundsatzvoraussetzungen für eine Vergütung regelt § 55 Abs 1 S 2. Die Vorschrift des § 61 beschränkt diese Vergütung lediglich auf den Wert der Leistung des Aktionärs und stellt klar, daß eine unter Beachtung dieser Beschränkung bemessene Vergütung die Voraussetzungen des § 57 nicht erfüllt. Das heißt aber nicht, daß diese Rechtsfolge für den gesamten Vergütungsbetrag entfällt, wenn die Vergütung diesem Maß nicht entspricht. Übersteigt sie den von § 61 markierten Höchstbetrag, greift für diesen Teilbetrag der Grundsatz der Kapitalerhaltung ein, wie er in den §§ 57, 62 seinen Niederschlag gefunden hat (§ 57 Rdn 48; § 62 Rdn 16). Das Leistungsgeschäft ist daher gem § 57 Abs 1 S 1, Abs 3 iVm § 134 BGB nur insoweit nichtig.11 Der Überschußbetrag ist der Gesellschaft nach § 62 Abs 1 S 1 zurückzugewähren. Auf einen guten Glauben - zB an die Äquivalenz von Leistungs- und Vergütungswert - kann sich der Aktionär nicht berufen. § 62 Abs 1 S 2 gilt nur für den Bezug von Gewinnanteilen (vgl § 62 Rdn 65 ff, 74).12 16 Die Vorschrift schließt eine den Wert der Leistung übersteigende Vergütung aus dem Bilanzgewinn nicht aus. Dem kann dadurch entsprochen werden, daß der Gewinn ganz oder teilweise nach dem Verhältnis der Lieferungen verteilt wird. 13 Die Rechtsgrundlage dazu bietet § 60 Abs 3, gemäß dem die Satzung eine von den Abs 1 und 2 dieser Bestimmung abweichende Gewinnverteilung festlegen kann. Zulässig ist die Umsetzung einer solchen Regelung erst, wenn ein geprüfter Jahresabschluß vorliegt und die Hauptversammlung einen Beschluß iSd § § 5 8 Abs 3, 174 gefaßt hat. Die Vergütungsleistung aus dem Bilanzgewinn ist rechtlich Dividendenzahlung; ihre Bemessung richtet sich an dem Wert der Nebenleistungen aus. Wird den Aktionären eine den Wert der Leistung übersteigende Vergütung formal als Dividendenzahlung gewährt, ohne daß sie auf einer zulässigen Gewinnverwendung beruht, löst dieser Vorgang eine Erstattungspflicht nach § 62 Abs 1 S 1 aus. Der gute Glaube der Aktionäre daran, daß die Beträge aus dem Bilanzgewinn gezahlt worden sind, läßt dann eine Rückzahlungspflicht entfallen (§ 62 Abs 1 S 2). 14 17

b) Festsetzung der Vergütung in der Satzung. Die Satzung muß nach § 55 Abs 1 S 2 eine Aussage darüber treffen, ob eine Leistung iSd § 55 Abs 1 S 1 vergütet wird oder ob sie unentgeltlich zu erbringen ist. Wird die Gewährung einer Vergütung festgelegt, kann die Satzung darüberhinaus nach § 23 Abs 5 S 2 ihre Höhe festsetzen; sie braucht hierzu jedoch keine Regelung zu treffen. Allerdings darf die Bestimmung der Höhe nur in dem durch §§ 61, 57 Abs 1 S 1 gesteckten Rahmen vorgenommen werden (vgl § 57 Rdn 12).

11

12 13

Insofern ergibt sich aus § 61 eine Abweichung zu der allgemeinen Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Vermögensbindung (vgl dazu § 5 7 Rdn 2 0 6 ff). KK-Lutter 2 Rdn 8. RGZ 104, 349, 350; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, § 55 Rdn 17 und S 6 0

14

Rdn 22; KK-Lutter 2 § 6 0 Rdn 20; Großko mm-Bar ζ Voraufl, § 6 0 Anm 6; Schlegelberger/Quassowski3 § 55 Rdn 3; Düringer/ Hachenburg/Flechtheim^ § 216 Anm 4. KK-Lutter 2 Rdn 8; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 16; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 3.

Stand: 1. 3. 2000

(292)

Vergütung von Nebenleistungen

§61

Unzulässig ist daher etwa, die Vergütung mit 5 % über dem Wert der Leistung festzulegen. Damit würde die vom Gesetz vorgegebene Obergrenze überschritten. Eine solche Satzungsvorschrift ist nichtig.15 Denkbar ist auch, daß in der Satzung ein Vergütungsbetrag festgesetzt wird, der in dem Zeitpunkt, in dem die Regelung wirksam wird, dem Wert der Leistungen entspricht, später jedoch höher wird als der Leistungswert, weil wegen Veränderung der Marktverhältnisse der Preis gesunken ist. Eine solche Entwicklung kann auch dann eintreten, wenn in der Satzung ein den Marktwert unterschreitender Mindestpreis aufgenommen wird. Derartige Regelungen sollen von vornherein nichtig sein, weil sie die Gefahr in sich tragen, daß der Vergütungswert in der Zukunft den Leistungswert überschreitet.16 Einer vergleichbaren Beurteilung unterzog die Rspr bis zum Jahre 1993 die Klauseln über die Abfindung ausscheidender Gesellschafter im Personengesellschafts- und GmbH-Recht: Entstand aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft zwischen Anteilswert und Abfindungsbetrag zum Nachteil des ausscheidenden Gesellschafters eine erhebliche Diskrepanz, wurde diese Entwicklung als unzulässige Beschränkung seines Kündigungs- bzw Austrittsrechtes gewertet, die zur Nichtigkeit der Klausel führte. 17 Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, daß es für die Beurteilung der Nichtigkeit nicht auf den Zeitpunkt der in Aussicht genommenen Wirkung der Klausel18 ankommt, sondern auf denjenigen ihres Inkrafttretens.19 Diese Wertung ist auch für die im Rahmen von § § 5 5 Abs 1, 61 in Rede stehenden Satzungsklauseln maßgebend. Im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens übertrifft der Vergütungswert den Leistungswert nicht. Die Regelung ist daher wirksam.20 Ihr ist aber die im Gesetz zwingend für die Bemessung der Vergütung vorgeschriebene Höchstgrenze immanent. Führt die Entwicklung der Marktverhältnisse dazu, daß der Leistungswert den Vergütungswert unterschreitet, entfaltet diese gesetzliche Schranke ihre Wirkung. Ein höherer als nach dem Gesetz zulässiger Vergütungswert darf den Aktionären nicht gewährt werden.21 Gegenüber dem Nichtigkeitsansatz wird mit dieser Lösung eine Benachteiligung der Gesellschaft vermieden; denn bei entsprechender Marktentwicklung kann sie jederzeit einen niedrigeren Vergütungswert in Ansatz bringen. c) Schadensersatzpflicht. Vorstand und Aufsichtsrat haften gegenüber der Gesellschaff für jede Veranlassung, Durchführung oder Zulassung einer iSv § 61 übermäßigen Vergütung (§§ 93 Abs 2, Abs 3 Nr 1 und 5, 116).

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17

Zur Rechtsgrundlage der Nichtigkeit einer Satzungsbestimmung bei Gründung der AG vgl einerseits Hiiffer4 ξ 23 Rdn 43 sowie andererseits Großkomm-Röhricht 4 § 23 Rdn 202, 203 und Pentz in: MünchKommAktG 2 § 23 Rdn 162, 163 mwN. RGZ 48, 102, 104 f; KK-Lutter 1 Rdn 6, 8; BaumbachJHueck l i Rdn 3; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 4. Zum Personengesellschaftsrecht: BGH WM 1979, 1064, 1065; 1984, 1506; ZIP 1989, 768; 1993, 1160, 1161. Zum GmbH-Recht: BGHZ 116, 359, 360, 368 f.

(293)

18

19 20

21

So aber Heckelmann Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen (1973), S 145; vgl auch Eckert AcP 199 (1999), 337, 352 ff. Ulmer ZGR 1995, 134, 139 f. Im Erg ebenso Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 9; Schlegelberger/ Quassowski3 § 55 Rdn 2; wohl auch ν GodinJ Wilhelmi4 Anm 2. Im Erg ebenso Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 9; Schlegelberger/ Quassowski3 § 55 Rdn 2; vgl auch ν Godin/ Wilhemi4 Anm 2, der von „Unzulässigkeit" iSv Unerfüllbarkeit spricht.

Hartwig Henze

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§ 6 2

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter § 6 2

Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen (1) Die Aktionäre haben der Gesellschaft Leistungen, die sie entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes von ihr empfangen haben, zurückzugewähren. Haben sie Beträge als Gewinnanteile bezogen, so besteht die Verpflichtung nur, wenn sie wußten oder infolge von Fahrlässigkeit nicht wußten, daß sie zum Bezüge nicht berechtigt waren. (2) Der Anspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter das Recht der Gesellschaftsgläubiger gegen die Aktionäre aus. (3) Die Ansprüche nach diesen Vorschriften verjähren in fünf Jahren seit dem Empfang der Leistung.

Rdn I. Einfuhrung 1. Gesetzesgeschichte 2. Regelungsgegenstand, N o r m z w e c k u n d Systematik der Regelung II. Anspruch der AG auf Rückgewähr (Abs 1 S 1) 1. Rechtscharakter des Rückgewähranspruchs 2. Voraussetzungen eines Anspruchs nach Abs 1 S 1 a) E m p f a n g einer „Leistung" b) Gesetzeswidrigkeit der erbrachten Leistung 3. Gläubiger des Rückgewähranspruchs . 4. Rückgewährpflichtiger Schuldner . . . a) Aktionär als Schuldner aa) Ausgangspunkt bb) Aktionärsstatus und Empfangszeitpunkt cc) D e m Aktionär zuzurechnender Leistungsempfang durch Dritte dd) Rückgewährpflicht eines „ S t r o h m a n n " -Aktionärs (Treuhänder) b) Aktienrechtlicher Rückgewähranspruch gegen Nichtaktionäre . . aa) Ausgangspunkt bb) Ehemalige u n d zukünftige Aktionäre cc) Der faktische Aktionär dd) Echte Dritte c) Mehrere Schuldner d) H a f t u n g des Rechtsnachfolgers . . . e) Keine Erstattungspflicht der Vor- und Nachmänner 5. Anspruchsinhalt; Gegenstand der Rückgewähr a) Bar- und Sachleistungen b) Dienstleistungen c) Umsatzgeschäfte

1 8

11 13 13 14 19 20 20 20 21

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23 25 25 27 28 29 33 35 38 39 39 41 42

Stand: 1.

Rdn d) Sicherheitsleistungen 6. Arten der Erfüllbarkeit ( § 6 6 Abs 2 F a l l i ) 7. Durchsetzbarkeit des Anspruchs . . . a) Vereinfachung b) Kein Gegenrecht aus § 2 4 2 BGB . . 8. Z u r Durchsetzung des Anspruchs berechtigte Personen a) Gesellschaft (Vorstand), Gesellschaftsgläubiger und Insolvenzverwalter b) Rechtsverfolgung durch die Aktionäre? 9. Anspruchskonkurrenzen a) Bereicherungsrechtliche Ansprüche ( § § 8 1 2 ff BGB) b) Vindikation (§ 985 BGB) c) Schadensersatzansprüche III. Der Schutz gutgläubigen Dividendenbezugs (Abs 1 S 2) 1. Intention der Regelung 2. Sachliche Reichweite der Vorschrift . . 3. Voraussetzungen schutzwürdiger Gutgläubigkeit a) Unverschuldete Unkenntnis b) Inhaltlicher Bezugspunkt des guten Glaubens c) Art und Inhalt des Irrtums d) Sorgfaltsmaßstab e) Maßgeblicher Z e i t p u n k t 4. Geschützter Personenkreis a) Schutz f ü r den aktienrechtlichen Schuldner b) Schutz für Dritte entsprechend Abs 1 S 2 aa) Ausgangspunkt bb) Schutz des scheinbaren Neugläubigers cc) Schutz sonstiger Dritter als Verbotsadressaten von § 5 7 . . 5. Beweislast

I. 2000

45 46 50 50 51 53

53 54 59 59 62 63

64 65 72 72 73 75 79 80 82 82 83 83 84 91 96

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Haftung beim Empfang verbotener Leistungen Rdn IV. Die Geltendmachung des Rückgewähranspruches durch einen Gesellschaftsgläubiger (Abs 2 S 1) 1. Regelungsgehalt und Konsequenz der Vorschrift a) Inhalt des Gläubigerrechtes aa) Grundsätzliche Andersartigkeit im Vergleich zum AktG 1937 . . bb) Keine materiell-rechtliche Gläubigerverdoppelung cc) Keine eigene Empfangszuständigkeit dd) Vergleich zum Regelungsinhalt von § 93 Abs 5 S 1 b) Reichweite und Umfang der Klagebefugnis c) Folgen der Klageerhebung durch einen Gesellschaftsgläubiger gegen den Aktionär 2. Voraussetzungen der Befugnis zur Geltendmachung a) Gläubigerposition gegenüber der AG b) Keine Befriedigungsmöglichkeit aus dem Gesellschaftsvermögen (HS 2)

Rdn 3. Möglichkeiten des Aktionärs zur Verhinderung der Anspruchsdurchsetzung durch den Gesellschaftsgläubiger

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a) Gegenrechte des Aktionärs aus seinem Verhältnis zur AG b) Gegenrechte des Aktionärs aus dem Verhältnis der AG zu ihrem Gläubiger

99 99 101 108 113 115

118 119 119

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§62

c) Gegenrechte des Aktionärs aus einem Verhältnis zwischen ihm und dem Gesellschaftsgläubiger V. Die Gläubigerbefugnis im Insolvenzfall (Abs 2 S 2) 1. Sachliche Aussage der Vorschrift . . . 2. Prozessuale Wirkungen VI. Verjährung (Abs 3) 1. Verjährung des aktienrechtlichen Rückforderungsanspruches a) Beginn und Vollendung der Verjährung b) Unterbrechung der Verjährung 2. Verjährung konkurrierender Ansprüche

129 129

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139 139 142 144

Schrifttum Altmeppen „Dritte" als Adressaten der Kapitalerhaltungs- und Kapitalersatzregeln in der GmbH, FS Kropff (1997), S 641; Ballerstedt Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften (1949); Bommert Verdeckte Vermögensverlagerung im Aktienrecht (1989); Cahn Kapitalerhaltung im Konzern (1998); Canaris Die Rückgewähr von Gesellschaftereinlagen durch Zuwendungen an Dritte, FS Fischer (1979), S 31; Döllerer Aktuelle Fragen aus dem Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung und der verdeckten Einlage, BB 1973, 5; Flauger Verdeckte Gewinnausschüttung und das Problem ihrer Erfaßbarkeit (1958); Fleck Der Grundsatz der Kapitalerhaltung - seine Ausweitung und seine Grenzen, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz (1992), S 391; Flume Der Gesellschafter und das Vermögen der Kapitalgesellschaft und die Problematik der verdeckten Gewinnausschüttung, ZHR 144 (1980), 18; Gail Aktienrechtliche Rückgewähr von Einlagen und steuerliche verdeckte Gewinnausschüttung - Gemeinsamkeiten und Unterschiede, WPg 1970, 237; Ganske Das zweite gesellschaftsrechtliche Koordinierungsgesetz vom 13.12.1978, DB 1978, 2461; Haase Zur Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses im Konkurs der Gesellschaft, DB 1977, 241; Habscheid Prozessuale Probleme hinsichtlich der „Geltendmachung von Gläubigerrechten" durch den Konkursverwalter beim Konkurs einer AG (§ 93 Abs 5 AktG), FS F Weber (1975), S 197; Hautle Der Gläubigerschutz im Aktienrecht (1907); Henn Handbuch des Aktienrechts 6 (1998); Henze Aktienrecht - Höchstrichterliche Rechtsprechung 4 (2000); Joost Grundlagen und Rechtsfolgen der Kapitalerhaltungsregeln im Aktienrecht, Z H R 149 (1985), 419; Lutter Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG (1964); ders Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180 (1980), 84; ders Verdeckte Leistungen und Kapitalschutz, FS Stiefel (1987), S 505; ders Zur Abwehr räuberischer Aktionäre, FS 40 Jahre Der Betrieb (1988), S 193; ders/Scheffler/U H Schneider Handbuch der Konzernfinanzierung (1998); Martens Die Vergleichsund Abfindungsbefugnis des Vorstands gegenüber opponierenden Aktionären, AG 1988, 118; Mestmäcker Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre (1958); Michalski Ungeklärte Fragen bei der Einlagenrückgewähr im Aktienrecht, AG 1980, 261; Müller Zum Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Kapitalschutzrichtlinie), WPg 1978, 565; Nirk/Reuter/Bächle Hand-

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Hartwig Henze

§ 62

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

buch der Aktiengesellschaft, Teil I (Gesellschaftsrecht), Stand: November 1 9 9 9 (31. Lieferung); Prühs Feststellung und Prüfung des Jahresabschlusses - eine Buchbesprechung, AG 1974, 6 8 ; Raiser Das Recht der Kapitalgesellschaften 2 ( 1 9 9 2 ) ; Rehbinder Z u m konzernrechtlichen Schutz der Aktionäre einer Obergesellschaft, Z G R 1 9 8 3 , 9 2 ; Schiaus Auskauf opponierender Aktionäre, AG 1 9 8 8 , 113; Κ Schmidt Gesellschaftsrecht 3 ( 1 9 9 7 ) ; Schubert/Hommelhoff 1 0 0 Jahre modernes Aktienrecht, Z G R Sonderheft 4 ( 1 9 8 5 ) ; Sonnenhol/Stützle Auswirkungen des Verbots der Einlagenrückgewähr auf Nichtgesellschafter, W M 1 9 8 3 , 2 ; Ulmer Gesellschafterpflicht zur Erhaltung des satzungsmäßigen Haftungsfonds der GmbH? Z G R 1985, 4 9 8 ; ders Z u r Treuhand an G m b H Anteilen: Haftung des Treugebers für Einlageansprüche der G m b H ? Z H R 1 5 6 ( 1 9 9 2 ) , 3 7 7 ; Verhoeven/Heck Zur Rückgewähr von Einlagen durch Verpfändung von Vermögensteilen an einzelne Aktionäre - § § 57, 6 2 AktG, AG 1977, 2 3 2 ; Weisser Der Gewinn der AG im Spannungsfeld zwischen Gesellschaft und Aktionären ( 1 9 6 2 ) ; Η Ρ Westermann Ein Aktienprozeß mit Haken und Ösen, AG 1981, 8 5 ; ders/Wilhelmi Z u m Kapitalerhaltungsgrundsatz im Aktienrecht speziell bei Finanzierung eines Beteiligtenerwerbs aus Mitteln der AG, D Z W i r 1 9 9 6 , 2 4 9 ; Wilken Unzulässige Einlagenrückgewähr gemäß § § 57, 6 2 AktG, W i B 1 9 9 6 , 163; Zöllner Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden ( 1 9 6 3 ) .

I. Einführung 1. Gesetzesgeschichte 1

Eine Erstattungspflicht des Gesellschafters wegen verbotswidrig empfangener Leistungen der Gesellschaft war erstmals kodifiziert in Art 197 Abs 3 ADHGB und später in Art 198 ADHGB 1884. Diese Vorschriften betrafen unmittelbar aber nur die Kommanditaktionäre einer KGaA. Für die Aktionäre einer AG bestand lediglich die Regelung des Art 218 ADHGB, derzufolge gutgläubige Empfänger von einer Rückgewährpflicht verschont blieben. Immerhin kam darin inzident eine Verpflichtung der Aktionäre zur Rückgewähr unrechtmäßig empfangener Leistungen an die AG zum Ausdruck. Erst § 217 HGB 1897 legte eine Verpflichtung der Aktionäre zur Rückzahlung verbotswidrig empfangener Leistung ausdrücklich fest, soweit die Empfänger nicht infolge gutgläubigen Empfangs schutzwürdig waren. Allerdings sprach die Norm nur von den Gesellschaftsgläubigern als anspruchsberechtigten Personen, und statuierte damit eine (der Höhe nach begrenzte) Außenhaftung der Aktionäre. Der Wortlaut der Regelung ließ hingegen offen, wie es sich mit einem Erstattungsanspruch der Gesellschaft selbst gegen den Aktionär verhalten sollte.

2

Die Vorschrift des § 217 HGB 1897 wurde sodann in § 56 AktG 1937 fortgeführt. Dabei blieb der Regelungsgehalt im wesentlichen unverändert; inhaltlich war wiederum nicht ausdrücklich die Rede von einem Anspruch der Gesellschaft selbst. § 56 Abs 3 AktG 1937 regelte allerdings ausdrücklich, wann der Gesellschaft jedenfalls kein Forderungsrecht zustehen sollte.

3

Nachfolgend zu § 56 AktG 1937 wurde die Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen völlig neu geregelt in § 62 AktG 1965. Einmal ist formal nicht mehr die Rede von „Zahlungen", sondern allgemeiner von „Leistungen", um außer Zweifel zu stellen, daß die Rückerstattungspflicht auch Sachleistungen erfaßt. Zudem rückte die Norm erstmals in Abs 1 S 1 explizit den eigenen Anspruch der Gesellschaft in den Vordergrund und gewährt seitdem den Gläubigern der Gesellschaft eine Anspruchsbefugnis in Gemäßheit des Abs 2 S 1 nur abhängig von Abs 1.

4

Die erste Fassung des § 62 AktG 1965 machte in Abs 1 S 2 einen Anspruchsausschluß für den Fall schutzwürdigen Leistungsempfangs noch davon abhängig, daß der Empfänger glauben mußte, die Leistung als Gewinnanteil bezogen zu haben, wobei eine bloß einfache Fahrlässigkeit des Empfängers hinsichtlich der Verbotsmißachtung unschädlich

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

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Haftung beim Empfang verbotener Leistungen

§62

war. Korrespondierend zur damaligen Regelung in § 57 Abs 3 aF AktG 1965 über die Zulässigkeit der Zahlung sog „Bauzinsen" (vgl § 57 Rdn 3) schützte Abs 1 S 2 auch den guten Glauben daran, die gewährte Leistung stelle eine Zahlung solcher Zinsen dar. In Abs 1 S 3 war in § 62 AktG 1965 eine Beweislastregel aufgenommen, die bezüglich der Voraussetzungen schutzwürdiger Gutgläubigkeit (Abs 1 S 2) die Aktionäre beweispflichtig machte. Ende 1978 wurde Abs 1 teilweise neugefaßt:1 Zum einen wurde die Vorschrift in S 3 über die Beweislastverteilung ersatzlos aufgehoben; andererseits wurde S 2 dahin geändert, daß nun nicht mehr erst die grob fahrlässige Unkenntnis zur Bösgläubigkeit führt, sondern bereits bei einfacher Fahrlässigkeit des empfangenden Aktionärs keine Schutzwürdigkeit mehr anzunehmen und der Anspruch der AG nicht ausgeschlossen ist. Im Jahre 1982 2 wurde Abs 1 S 2 sodann durch Streichung der „Zinsen" an den Umstand angepaßt, daß bereits seit 1.7.1979 durch die Aufhebung der Ausnahmeregelung in § 57 Abs 3 aF 3 („Bauzinsen") jede Zinszahlung gem § 57 Abs 2 verboten war, schutzwürdiger guter Glaube diesbezüglich also nicht mehr in Rede stehen konnte.

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Wie Abs 1 S 1 ist auch die Vorschrift des Abs 2 gegenüber § 56 AktG 1937 neu. Die Sätze 1 und 2 sind formal dem § 93 Abs 5 S 1 und S 4 (bzw § 84 Abs 5 S 1 AktG 1937) nachgebildet. Seit seiner Einführung ins AktG 1965 besteht Abs 2 sachlich unverändert, lediglich der Text des S 2 hat im Zuge der Insolvenzrechtsreform eine sprachliche Anpassung erfahren. 4

6

Die in Abs 3 normierte aktienrechtliche Sonderverjährungsfrist von fünf Jahren ist wörtlich aus § 56 Abs 4 AktG 1937 übernommen.

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2. Regelungsgegenstand, Normzweck und Systematik der Regelung Abs 1 S 1 regelt einen Erstattungsanspruch der Gesellschaft, der darauf zielt, alle Vermögenswerten Gegenstände wieder in das Gesellschaftsvermögen zurückfließen zu lassen, die entgegen dem Verbot, das gebundene Kapital anzugreifen, weggegeben worden sind. Wenn das Gesetz fordert, daß - abgesehen vom förmlich festgestellten Bilanzgewinn (§§ 57 Abs 3, 174 Abs 1 S 1, Abs 2 Nr 2) und den gesetzlichen Ausnahmen (§ 57 Rdn 182 ff) - die von § 1 zwischen Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen gezogene Grenze nicht verschoben werden darf, dann bedarf es für Zuwiderhandlungen einer Sanktionsnorm. Sie muß das Ziel verfolgen, daß Schmälerungen des gebundenen Vermögens wieder rückgängig gemacht werden, so daß der Umfang des gebundenen Vermögens der Gesellschaft wieder hergestellt wird. Mit Rücksicht auf die umfassende Vermögensbindung darf den Empfängern grundsätzlich nichts verbleiben. In diesem Sinn gestaltet § 62 das Prinzip der Kapitalerhaltung aus und bildet in Ergänzung der in §§ 57, 59, 61, 71 ff getroffenen Regelungen zusammen mit diesen Vorschriften das System, das diesen Grundsatz verwirklicht. Als Instrument zur Wiederbeschaffung desjenigen Kapitals, das trotz seiner Bindung abgeflossen ist, kommt dem Anspruch der Gesellschaft aus Abs 1 S 1 dadurch eine besondere Durchsetzungskraft zu, daß er kein Verschulden voraussetzt, unabhängig von den Schwächen der §§ 814, 817 S 2, 818 Abs 3 BGB besteht und zudem 1

DurchfG ν 1 3 . 1 2 . 1 9 7 8 (BGBl 1 1 9 5 9 ) zur Umsetzung von Art 16 der 2 . EG-Richtlinie ν 1 3 . 1 2 . 1 9 7 6 (ABl N r L 2 6 / 1 ν 3 1 . 1 . 1 9 7 7 ) .

2

DurchfG ν 2 5 . 1 0 . 1 9 8 2 (BGBl I 1 4 2 5 ) zur 3. EG-Richtlinie.

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Aufhebung von § 5 7 Abs 3 aF im Zuge der Umsetzung von Art 18 der 2. EG-Richtlinie

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ν 1 3 . 1 2 . 1 9 7 6 (Abi N r L 2 6 / 1 ν 3 1 . 1 . 1 9 7 7 ) durch das DurchfG ν 1 3 . 1 2 . 1 9 7 8 (BGBl I 1959). 4

Siehe Art 4 7 N r 2 EGInsO ν 5 . 1 0 . 1 9 9 4 (BGBl I 2 9 1 1 , 2 9 3 0 ) .

Hartwig Henze

8

§62

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

über § 66 Abs 2 Fall 1 genauso gesichert ist wie schon die der Kapitalaufbringung dienenden Einlageforderungen (§ 54 Abs 1). Grenzen sind nur durch Abs 1 S 2 in rechtlicher und durch Abs 3 in zeitlicher Hinsicht gesetzt. Abs 1 S 2 räumt für den Fall schutzwürdigen Empfangs von Gewinnanteilen dem Individualinteresse des Anlegers Vorrang vor dem Kapitalerhaltungsprinzip ein (Rdn 64ff). Abs 2 S 1 erweitert den Kreis der anspruchsbefugten Personen dadurch, daß neben und abhängig von der AG auch deren Gläubigern ein Recht zur Geltendmachung des Erstattungsanspruches aus Abs 1 S 1 zugebilligt wird. Das ist konsequent; denn es sind in erster Linie die Gläubiger, in deren Interesse es liegt, dem Prinzip der Kapitalerhaltung Nachdruck zu verleihen. Ausgangspunkt bleibt zunächst dennoch Abs 1; nach ihrer internen Systematik setzt die Vorschrift des Abs 2 das Bestehen eines Anspruches der AG gem Abs 1 voraus. Nur falls, soweit und solange die Gesellschaft einen Anspruch gegen den Aktionär hat, können ihn auch die Gesellschaftsgläubiger geltend machen. Abs 2 S 2 überträgt diese Gläubigerbefugnis während des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter bzw Sachwalter (Rdn 136 ff). Für das Recht der GmbH ist § 62 ohne Bedeutung. Dort stellen die Vorschriften in § 31 Abs 1; §§ 31 Abs 2, 32; § 31 Abs 5 GmbHG eine eigene und erschöpfende Regelung mit materiell parallelem Gehalt dar. Eine analoge Anwendung des § 62 ist demnach mangels planwidriger gesetzgeberischer Regelungslücke unzulässig; 5 das gilt auch für § 62 Abs 2, zu dem sich im Recht der GmbH kein Pendant findet. Umgekehrt kennt das Aktienrecht keine dem § 31 Abs 3 GmbHG entsprechende Ausfallhaftung.

II. Der Anspruch der AG auf Rückgewähr (Abs 1 S 1) 1. Rechtscharakter des Rückgewähranspruches Abs 1 S 1 normiert einen selbständigen und spezifisch gesellschaftsrechtlichen Anspruch; es handelt sich also nicht um einen schlicht schuldrechtlichen, sondern um einen speziellen aktienrechtlichen Anspruch. 6 Als Anspruch, der den Aktionär sachlich zur „Wiedereinlage" 7 verpflichtet, ist er ebenso aktienrechtlicher Natur wie die Einlagepflicht selbst. Auch die Gleichstellung der Erstattungsforderung mit der Einlageforderung in § 66 Abs 2 Fall 1 bestätigt dies. Die Schwächen der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften zur ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 814, 817 S 2, 818 Abs 3 BGB) sowie das im Deliktsrecht regelmäßig vorausgesetzte Verschulden sind für Abs 1 S 1 damit ohne Bedeutung. 8 5 6

BGH NJW 1977, 1449, 1451. AllgM; Hüffer4 Rdn 2; KK-Lutter 1 Rdn 4; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 4; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 1; Baumbach/Hwecfe 13 Rdn 3; vgl zudem BGHZ 31, 258, 265 [zur GmbH] und BGH NJW 1999, 2524, 2526 [zur Gen] m Anm Henze BB 1999, 1623, 1624 - die Gedanken beider Entscheidungen zur Natur des Rückgewähranspruches sind ins Aktienrecht zu übertragen (vgl auch Henze AktienR 4 [2000], Rdn 267 ff); ferner BGH W M 1957, 61, 62 [zur Rechtslage aufgrund des AktG 1937]; abw

7 8

davon möchte Bommert Verdeckte Vermögensverlagerungen (1989), S 100 ff den Anspruch aus § 62 Abs 1 S 1 als eine Synthese aus Bereicherungsrecht und Aktienrecht deuten. Zu der unter Geltung des AktG 1937 bestehenden Auffassung der Rspr (damals: bereicherungsrechtlicher Anspruch) siehe RGZ 77, 88, 89. KK-Lutter2 Rdn 5. Hüffer4 Rdn 2, 9; KK-Lutter2 Rdn 4, 29; vgl zur Bedeutungslosigkeit von S 818 Abs 3 BGB insbes BGH NJW 1999, 2524, 2526 [Gen] m Anm Henze BB 1999, 1623 f.

Stand: 1. 3. 2000

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Haftung beim Empfang verbotener Leistungen

§62

Die Diskussion, wie sie unter Geltung des § 56 AktG 1937 zur Rechtsnatur des 12 damals nicht ausdrücklich normierten Rückgewähranspruches der Gesellschaft geführt wurde, 9 erübrigt sich heute; die Fassung des § 62 AktG 1965 hat die damals umstrittenen Fragen geklärt. 10 2. Voraussetzungen eines Anspruchs nach Abs 1 S 1 a) Empfang einer „Leistung". Der Begriff der Leistung ist weit zu verstehen. Das 1 3 läßt zunächst ohne weiteres schon die allgemeine Begriffsdeutung zu. Auch ist die Beibehaltung dieses Begriffsverständnisses deswegen einschränkungslos geboten, weil anderenfalls der Kapitalschutz lückenhaft würde. Schließlich steht diese Sichtweise klar mit der gesetzgeberischen Intention in Einklang: Im Wechsel von § 56 AktG 1937 auf § 62 AktG 1965 wurde zur Beseitigung möglicher Zweifel der Begriff der „Zahlungen" nicht übernommen, sondern eben dem allgemeineren Begriff der „Leistungen" der Vorzug eingeräumt. Maßgeblich ist danach stets, daß der Gesellschaft Vermögenswerte entzogen werden. Der konkrete Gegenstand oder die Gestalt des Geleisteten ist gleichgültig, sofern nur die Zuwendung als solche einen Vermögenswert besitzt.11 Erfaßt ist nicht nur eine (Geld-) Zahlung, sondern auch jede Art unbarer Leistung in Gestalt der Überlassung einer Sache bzw eines Rechtes, gleichviel ob sich damit eine dingliche Rechtsänderung zugunsten des Empfängers vollzieht oder ob nur obligatorische (Nutzungs-)Rechte an der Sache bzw dem Recht eingeräumt werden. Genügend ist aber selbst die bloße Duldung des Gebrauchs gesellschaftseigener Einrichtungen. Desgleichen kommen in Betracht ungegenständliche Leistungen mit meßbarem Kapitalwert, wie Beratungen und andere Serviceleistungen oder das Überlassen bzw Bereithalten von Personal. Schließlich kann eine Leistung auch darin liegen, daß die AG eine Verbindlichkeit eingeht, wie etwa durch die Bestellung einer Sicherheit. b) Gesetzeswidrigkeit der erbrachten Leistung. Ausschlaggebend für das Entstehen 14 der Erstattungspflicht ist, daß die Leistung gegen ein aktienrechtliches Verbot verstößt. Hier korrespondiert Abs 1 S 1 direkt mit dem Verbot der „Einlagenrückgewähr" aus § 57. Danach ist zunächst alles Vermögen der Gesellschaft gebunden und grundsätzlich jede Leistung untersagt, die „in causa societatis" erfolgt. Erlaubt sind allein (vgl § 57 Rdn 182 ff): Die Verteilung desjenigen Betrages als Divi- 1 5 dende, der in dem durch den Gewinnverwendungsbeschluß (§§ 119 Abs 1 Nr 2, 174 Abs 1 S 1) förmlich festgestellten Bilanzgewinn zur Ausschüttung vorgesehen ist (§ 174 Abs 2 Nr 2); desgleichen eine gem § 59 zulässige Abschlagszahlung auf die Dividendenansprüche; außerdem die Vergütung von Nebenleistungen (§§ 55 Abs 1 S 2, 61) sowie die Zahlung eines Preises bei einem nach §§ 71 ff zulässigen Erwerb eigener Aktien (§ 57 Abs 1 S 2) bzw Dritterwerb iSd § 71d, soweit jeweils Leistung und Gegenleistung in äquivalentem Wertverhältnis stehen; weiterhin Zahlungen bei ordentlicher Kapitalherabsetzung oder Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien, wenn hierbei der Rahmen von § 225 Abs 2 bzw § 237 Abs 2 S 3 eingehalten ist; schließlich Leistungen, die infolge konzernrechtlicher Spezialregelungen erlaubt sind (vgl §§ 291 Abs 3, 301, 9

10

11

Nachgezeichnet bei Joost Z H R 149 (1985), 419, 422 ff; siehe zudem Großkomm-ßarz Voraufl, § 57 Anm 11 mwN. Vgl auch Hü f f er4 Rdn 2; KK-Lutter 2 Rdn 4 mwN; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 1. AllgM; Hüffer4 Rdn 6; KK-Lutter 1 Rdn 16; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl,

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Rdn 5; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 3; vgl ferner OLG Frankfurt AG 1996, 324, 325. So auch zuvor schon die ganz h M zum Begriff der „Zahlungen" in § 56 AktG 1937, siehe Schlegelberger/Q«iJsso«/sii 3 § 56 Rdn 4.

Hartwig Henze

§62

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

308, 311, 323 Abs 2; dazu § 57 Rdn 188 ff). War die Leistung hiernach erlaubt, so wird sie selbst dann nicht zu einer verbotenen, wenn sie ein Ausfallen von Gesellschaftsgläubigern bewirkt. Insbesondere stehen Gläubigern, die im Rahmen einer Kapitalherabsetzung oder bei der Abwicklung die gern § 225 Abs 2 bzw § 272 Abs 1 geltenden Fristen versäumen, weder Erstattungsansprüche aus Abs 1 S 1 zu, 12 noch kann auf das Bereicherungsrecht zurückgegriffen werden. 13 16

Alle übrigen Leistungen, die sachlich außerhalb vorgenannter Erlaubnistatbestände vollzogen werden, stellen einen Verstoß gegen aktienrechtliche Bestimmungen dar. Ohne Unterschied ist dabei, ob sich die Leistung einseitig (offen) von seifen der AG an den Begünstigten vollzieht oder ob sie (verdeckt) in ein Umsatzgeschäft eingekleidet ist, bei dem der Leistungsempfänger keine äquivalente Gegenleistung erbringt und somit in Höhe der Differenz beider Leistungen gebundenes Vermögen der Gesellschaft verbotenermaßen angegriffen wird (§ 57 Rdn 8 ff, 25 ff). 17 Daß die Leistung entgegen den Vorschriften des Aktiengesetzes empfangen sein muß, setzt nicht (notwendig) voraus, daß die Gewährung der Leistung gegen zwingendes Aktienrecht verstößt. Auch die Nichtbeachtung des durch § 60 - ggf iVm der Satzung festgelegten Gewinnverteilungsschlüssels (§ 60 Rdn 35) und/oder die Mißachtung des Umstandes, daß Dividendenrechte nicht bestehen ( § 5 8 Rdn 89, 97; § 60 Rdn 36) 14 hat zur Folge, daß gegen ein aktienrechtliches Verbot iSv Abs 1 S 1 iVm § 57 Abs 1 S 1 verstoßen wird (§ 57 Rdn 29 f). Solche Überzahlungen erfolgen mangels entsprechender Gewinnauszahlungsansprüche auch, aber nicht lediglich ohne Rechtsgrund im bürgerlich-rechtlichen Sinne. Folglich ist auch hier gegenüber den bereicherungsrechtlichen Vorschriften in §§ 812 ff BGB vorrangig Abs 1 S 1 einschlägig. 15 Ruhende Dividendenrechte (§ 58 Rdn 90, 98; § 60 Rdn 37) 16 dürfen erst bedient werden, wenn die bislang - unvorsätzlich - unterlassene Mitteilung (§§ 20 Abs 1 oder 4, 21 Abs 1 oder 2) nachgeholt ist. Eine vorschnelle Ausschüttung ist nach Abs 1 S 1 zu erstatten (§ 57 Rdn 31). Der Anspruch der AG entfällt, falls die zwischenzeitliche Nachholung der gebotenen Mitteilung die Zahlung legalisiert. 18

Leistet die AG im Rahmen eines Austauschgeschäftes, das zu drittgleichen Konditionen abgeschlossen ist und mithin keine die Gesellschafterstellung berücksichtigende, verdeckte Vermögenszuwendung darstellt, dann ist das nach § 57 nicht zu beanstanden. So ist Abs 1 S 1 nicht einschlägig, wenn diese Leistungen deshalb rückabzuwickeln sind, weil im übrigen gegen ein anderes, nicht aktienrechtliches gesetzliches Verbot iSv § 134 BGB oder gegen § 138 BGB verstoßen wurde. Ebensowenig ist ein Anwendungsfall des Abs 1 S 1 gegeben, wenn innerhalb solch eines aktienrechtlich zulässigen Umsatzgeschäftes wegen Anfechtung (SS 119, 123 BGB) bzw Rücktritt oder Wandelung Leistungen gem §§ 812 ff BGB 12

13 14

15

KK-Lutter1 Rdn 24; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 3; zur Gen vgl BGH ZIP 1997, 927 und 928; zum Rückgewähranspruch im Liquidationsverfahren einer Gen vgl BGH NJW 1999, 2524 = BB 1999, 1621 m Anm Henze. RGZ 124, 210. Vgl SS 20 Abs 7 S 1, 21 Abs 4 S 1, 56 Abs 3 S 3 , 71 b, 71 d S 4, 328. H M , Hüffer4 Rdn 8; Bayer in: MünchKommAktG 2 S 20 Rdn 76; KK-Lutter 2 Rdn 21 (unter Abkehr von der vormals gegenteiligen Auffassung in der 1. Aufl,

Rdn 14); Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 14-16; Ritter S 56 Anm 2 c; aA Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 3; Schlegelberger/Q«assou/sfe¿ 3 S 56 Rdn 4; Düringer/Hachenburg/F/ecfcifce/m 3 S 217 Anm 2; widersprüchlich iü ν GodinJ Wilhelmi Anm 2: Eine Zahlung entgegen S 60 sei aktienrechtlich verboten; - dann aber: nur Zahlungen entgegen zwingendem Recht seien aktienrechtlich verboten (wozu der Gewinnverteilungsschlüssel nicht gehört, vgl S 60 Abs 3 iVm S 23 Abs 5). 16

Vgl

SS

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

20 Abs 7 S 2, 21 Abs 4 S 2.

(300)

Haftung beim Empfang verbotener Leistungen

§62

bzw §§ 346 ff BGB zurückzugewähren sind. 17 Auch hier tritt eine durch die Mitgliedschaft vermittelte unzulässige Weggabe gesellschaftsrechtlich gebundenen Vermögens nicht auf. 3. Gläubiger des Rückgewähranspruches Originär kommt nur der Gesellschaft die Anspruchsberechtigung zu; sie ist Gläubiger des gem Abs 1 S 1 erstattungspflichtigen Empfängers. Zwar kann nach Abs 2 S 1 daneben auch eine Anspruchsbefugnis der Gesellschaftsgläubiger entstehen. Es wird jenen aber kein eigenständiges, von dem Gesellschaftsanspruch losgelöstes Forderungsrecht zugesprochen. Abs 2 S 1 enthält kein materielles, sondern ein prozessuales Recht (Rdn 101 ff). Insofern verhält es sich abweichend von der in §§ 172 Abs 4, 171 Abs 1 HGB normierten Konzeption einer echten Außenhaftung. Denn dort sind gegenüber den Kapitalanlegern gerade die Gesellschaftsgläubiger selbständig materiell anspruchsberechtigt.

19

4. Rückgewährpflichtiger Schuldner a) Aktionär als Schuldner, aa) Ausgangspunkt. Schuldner des Erstattungsanspruches 2 0 sind grundsätzlich die Aktionäre als Empfänger des Gegenstandes der aktienrechtlich verbotenen Leistung. Formal bringt das zum einen bereits der Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck. Sachlich bestätigt sich das darin, daß der Anspruch als in seiner Natur spezifisch aktienrechtlicher grundsätzlich nicht gegenüber Dritten greifen kann, die nicht Mitglied der anspruchsberechtigten AG sind. 18 Denn gegenüber Personen, die nicht Aktionär sind, steht die verbotswidrige Grenzverschiebung zwischen Gesellschaftsvermögen und Aktionärsvermögen, die § 62 sanktioniert, nicht in Rede (vgl aber Rdn 27 f). bb) Aktionärsstatus und Empfangszeitpunkt. Ausgangspunkt ist der Normalfall des 21 Empfangs einer Leistung durch einen Aktionär für sich selbst, ohne Einschaltung weiterer Personen (Dritter). Unproblematisch wird hierbei derjenige zum Schuldner aus Abs 1 S 1, der im Moment des Leistungsempfangs Aktionärsstatus hat. Ist dadurch der Anspruch aus Abs 1 S 1 gegen einen Aktionär entstanden, ist es belanglos, ob im Zeitpunkt der Geltendmachung und/oder (gerichtlichen) Durchsetzung des Anspruchs der zur Rückgewähr verpflichtete Schuldner noch Aktionär ist. Der Anspruch geht weder dadurch unter, daß sich der Aktionär seiner Mitgliedschaftsstellung durch Übertragung der Aktie entledigt, noch ändert deswegen der Erstattungsanspruch seine Natur. cc) Dem Aktionär zuzurechnender Leistungsempfang durch Dritte. Empfängt anstelle des Aktionärs ein Dritter eine Leistung der AG, die unmittelbar dem Aktionär zu gewähren verboten wäre, so kann die Zuwendung dem Aktionär unter bestimmten Umständen so zuzurechnen sein, als habe er sie selbst empfangen. Eine solche Zurechenbarkeit ist etwa zu bejahen, wenn der Dritte beim Empfang für Rechnung des Aktionärs handelt, die Leistung an den Dritten auf Weisung des Aktionärs erfolgt oder wenn der Empfänger ein naher Angehöriger des Aktionärs oder ein Unternehmen ist, an dem der Aktionär eine mehrheitliche Beteiligung hält (§ 57 Rdn 85 ff). Hier ist der Aktionär selbst aus Abs 1 S 1 erstattungspflichtig. Dies gilt auch dann, wenn der gewährte Leistungsgegenstand nicht an den Aktionär weitergeleitet wird, sondern bei dem Dritten

17

18

K K - L u t t e r 1 Rdn 23; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 10. BGH ZIP 1981, 188; OLG Düsseldorf ZIP

(301)

1981, 186; Hüffer4 Rdn 5; K K - L u t t e r 2 Rdn 13; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 20.

Hartwig Henze

22

§ 62

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

als „Empfangsstation" verbleibt. 1 9 Das hat allenfalls Auswirkungen auf den Inhalt des Erstattungsanspruches (Rdn 40). Zudem kommt in Betracht, daß neben dem Aktionär auch der Dritte Riickgewähr schuldet (Rdn 30, 34). 23

dd) Rückgewährpflicht eines „Strohmann"-Aktionärs (Treuhänder). Empfängt ein Aktionär eine aktienrechtlich verbotene Leistung, so wird er von der gem Abs 1 S 1 ausgelösten Erstattungspflicht nicht dadurch befreit, daß er die Leistung für einen Dritten empfangen hat, der kein Aktionär ist. Es mag zwar sein, daß aufgrund der rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Ausgestaltung des Innenverhältnisses zwischen dem Aktionär und dem Dritten, wirtschaftlich der Dritte als treugebender Hintermann (mittelbar) der faktische Aktionär ist. Jedoch entbindet dieses Innenverhältnis - auch wenn damit ein Dritter nur eine andere Person als Aktionär vorschiebt - diesen Aktionär keineswegs von seiner Pflicht nach dem Gesetz zu handeln. Die AG kann in einem solchen Fall wahlweise neben dem Aktionär auch den Dritten in Anspruch nehmen; der Anspruch ist jedoch keineswegs auf den Dritten beschränkt (Rdn 28, 34). Wer formalrechtlich die Position des Aktionärs innehat, haftet gegenüber der AG nach Abs 1 S l ; 2 0 das gilt auch dann, wenn - bedingt durch die Ausgestaltung des Innenverhältnisses - das Empfangene an den faktischen Aktionär weitergeleitet wurde.

24

Nach richtiger Ansicht ist der die Aktien haltende Treuhänder in gleicher Weise Schuldner nach Abs 1 S 1, wenn die AG die Leistung direkt an den wirtschaftlichen Hintermann erbringt. 2 1 Das ergibt sich in den Fällen der Leistung auf Veranlassung des Aktionärs (Hintermann als „Geheißperson") schon aus den Grundsätzen zur Zurechnung der Leistung (Rdn 2 2 ) . Jedoch trifft den Aktionär hier die Erstattungspflicht auch dann, wenn die Leistung ohne seine Weisung gleich dem Treugeber zugewendet wird. Denn daß dem Aktionär diese Leistung im Innenverhältnis zu dem treugebenden Dritten ohnedies nicht zugestanden hätte, führt nicht dazu, daß sie in Bezug auf den Gesellschafter erlaubt ist. Vielmehr ist es gerade der Aktionärsstatus, dessentwegen die Zuwendung trotz direkter Leistung an den Hintermann verboten bleibt, eben weil der Dritte als Empfänger mit einer Person verbunden ist, die diese Aktionärseigenschaft innehat. Es macht keinen Unterschied, ob der Aktionär die Leistung empfängt und weiterleitet oder aber direkt an den Hintermann geleistet wird. 2 2 Allenfalls dann, wenn die Direktleistung in Unkenntnis des Aktionärs erfolgt und die Beziehung des Empfängers zum Aktionär mit der Leistung nicht in Verbindung gebracht werden kann, mag der „Strohmann"Aktionär nicht haften.

25

b) Aktienrechtlicher Rückgewähranspruch gegen Nichtaktionäre. aa) Ausgangspunkt. Für Personen, die keine Aktionäre sind, folgt eine Erstattungspflicht gegenüber der AG grundsätzlich nicht aus Abs 1 S 1 (Rdn 20). Das gilt auch für die Rückabwicklung von Geschäften, die in keinem Zusammenhang mit einer - weiteren - Person stehen,

19

20

21

Vgl zum GmbH-Recht Altmeppen FS Kropff (1997), S 641, 645; aA Ulmer ZHR 156 (1992), 377, 385 mwN. Unstr, falls die Leistung tatsächlich über den „Strohmann"-Aktionär läuft, vgl insbes Hefermebl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 20; Altmeppen FS Kropff (1997), S 641, 654. Richtig KK-Lutter 2 Rdn 11, 12; Canaris FS Fischer (1979), S 31, 41; Roth/Altmeppen

22

GmbHG3 § 30 Rdn 19; im Erg ebenso OLG Hamburg AG 1980, 275, 278; leicht einschränkend Fleck FS 100 Jahre GmbHG (1992), S 391,410; aA Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 20. Vgl Roth/Altmeppen GmbHG3 § 30 Rdn 19; unzutreff aA Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 20.

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(302)

Haftung beim Empfang verbotener Leistungen

§62

die Aktionär ist. Hier sind allein die §§ 364 ff BGB oder §§ 812 ff BGB oder § 985 BGB einschlägig. Auch ein sonstiger Bezug zur Gesellschaft führt nicht zur Anwendung des Abs 1 S 1, solange nicht eine Mitgliedschaft in der Gesellschaft der (mit-)tragende Gesichtspunkt für die Leistung ist. Überzahlungen an Personen, die ihre Gewinnanteilsberechtigung nicht aus § 58 Abs 4 herleiten (Inhaber von Genußrechten mit Gewinnberechtigung, vgl § 221 Abs 3; tantiemeberechtigte Mitglieder eines Verwaltungsorgans, §§ 86, 113 Abs 3), sind folglich unter Anwendung des allgemeinen Bereicherungsrechtes (§§ 812 ff BGB) abzugleichen. 23 Anders ist es freilich, wenn diese Person gleichzeitig Aktionär ist und die Überzahlung mit Rücksicht auf den Aktionärsstatus erfolgt ist (causa societatis): Dann greift Abs 1 S 1 ein. Indessen würde es sachlich zu kurz greifen, die Unanwendbarkeit der Vorschrift uneingeschränkt stehen zu lassen. Denn Abs 1 S 1 ist eine Rechtsfolgenregelung bei aktienrechtswidrigen Leistungen, deren Voraussetzungen sich nach § 57 beurteilen. Die Reichweite des Tatbestandes der verbotenen Einlagenrückgewähr bestimmt daher auch die Reichweite der im Fall eines Verbotsverstoßes eingreifenden Sanktionsnorm. Können Nichtaktionäre/Dritte Adressaten der Verbotsnorm des § 57 sein (§ 57 Rdn 79 ff), so kann auf diese Personen uU auch Abs 1 S 1 anwendbar sein.

26

bb) Ehemalige und zukünftige Aktionäre. Das wirkt sich im Rahmen von Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft aus: Gleichzeitigkeit von Aktionärseigenschaft und Leistungsempfang sind dann verzichtbar, wenn der Empfänger vor dem Empfang der Leistung Aktionär war oder danach wird, und wenn feststeht, daß die - nicht drittgleiche Leistung mit Rücksicht auf seine ehemalige bzw zukünftige Aktionärseigenschaft erfolgt ist (§ 57 Rdn 80). Hier wird auch derjenige zum Schuldner aus Abs 1 S 1, der im Zeitpunkt der Leistung nicht mehr bzw noch nicht Aktionär ist. 24

27

cc) Der faktische Aktionär. Trotz fehlender Aktionärseigenschaft wird derjenige entsprechend Abs 1 S 1 Schuldner des aktienrechtlichen Erstattungsanspruches, der - wirtschaftlich betrachtet - de facto eine Aktionärsposition bekleidet und sich in dieser Eigenschaft Leistungen von der AG gewähren läßt, deren Empfang § 57 einem Aktionär untersagt. 25 Die aktienrechtliche Gleichstellung solcher Hintermänner mit den von ihnen vorgeschobenen Aktionären wird in der Regelung des § 46 Abs 5 bestätigt. Der faktische Aktionär kann dabei seine Position etwa darauf gründen, daß er Treugeber eines für ihn fungierenden „Strohmann"-Aktionärs oder er Alleingesellschafter bzw überwiegend beteiligter Gesellschafter eines Unternehmens ist, das für ihn die Aktien hält, oder daß er als Stellvertreter für einen Aktionär auftritt, dabei die Mitgliedschaftsrechte aber im eigenen Interesse zu seinem Vorteil instrumentalisiert (§ 57 Rdn 81 ff). 26 Diese Haftung des Hintermannes als - wirtschaftlich betrachtet - wahren Gesellschafters tritt neben die Haftung des vorgeschobenen „Strohmann"-Aktionärs. Letzteren entlastet diese erweiterte

28

23 AllgM; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 2

und eingehend Anm 16. O L G Frankfurt AG 1 9 9 6 , 3 2 4 , 3 2 5 m Anm Wilken W i B 1 9 9 6 , 1 6 3 ; Fleischer E W i R 1 9 9 6 , 197; Westermann/Wilhelmi DZWir 1 9 9 6 , 2 4 9 ; O L G Hamburg AG 1 9 8 0 , 2 7 5 , 2 7 8 ; auch B G H Z 13, 49, 5 4 [zur GmbH]; KK-Lutter 2 Rdn 8; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 18; Canaris FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 31, 32 f.

(303)

25

Canaris FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 31, 4 0 f; K K - L u t t e r 2 Rdn 13; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2 0 ; auch Hüffer4 Rdn 5.

26

Auf eine Konstellation, die in diese Richtung geht (Rechtsvertreter nimmt Entgelt bei Klageabkauf für sich entgegen) hat B G H N J W 1 9 9 2 , 2 8 2 1 indes die Anwendung des § 6 2 Abs 1 S 1 gegen den Dritten nicht eröffnet; die Entscheidung wird deshalb von Hüffer4 $ 57 Rdn 14, § 6 2 Rdn 5 abgelehnt.

Hartwig Henze

§ 62

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Zugriffsmöglichkeit der AG auch dann nicht, wenn direkt an den faktischen Aktionär geleistet wurde, ohne daß dem Treuhänder/Vordermann der Gegenstand ausgehändigt worden ist (Rdn 2 4 ) . 2 7 Umgekehrt wird man dem Treugeber/Hintermann gegen seine Pflicht aus Abs 1 S 1 nicht den Einwand gestatten dürfen, der Aktionär habe entgegen der Ausgestaltung des Innenverhältnisses das Empfangene - noch oder gar - nicht an ihn abgeführt; dieses Risiko trägt nicht die AG, sondern der Dritte. 2 8 29

dd) Echte Dritte. Ist der Empfänger der Leistung keine Person, die vor der Leistung Gesellschaftsmitglied war oder danach wird oder die faktisch die Aktionärsstellung einnimmt, dann kommt § 6 2 nicht in Betracht. 2 9 Denn an solche Dritte erfolgt die Leistung nicht mit Rücksicht auf die eigene Mitgliedschaft.

30

Soweit die Nichtigkeitsfolge des § 5 7 iVm § 134 B G B auch das Geschäft der AG mit solch einem Dritten erfaßt, bestehen für die AG die Ansprüche aus Eigentum (§ 9 8 5 BGB) und aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff BGB). Das ist indessen nicht ohne weiteres anzunehmen. Als Adressat des § 5 7 kommt ein Nichtmitglied nur in Betracht, wenn es mit dem Aktionär wirtschaftlich identisch 30 bzw aufgrund der gesetzlichen Wertung der §§ 89 Abs 3 S 1, 115 Abs 2 Fall 1 und 2 der Empfänger (Ehegatte oder minderjähriges Kind des Aktionärs) dem Aktionär gleichzusetzen ist oder die Leistung für Rechnung eines Aktionärs empfängt (vgl § 5 7 Rdn 85 ff). In diesen Fällen ist der Dritte einem bürgerlich-rechtlichen Rückgewähranspruch der AG ausgesetzt. 31 Stützt sich die Gesellschaft hier auf §§ 812 ff BGB, so ist unter Berücksichtigung des Sinn und Zweck des § 5 7 die Nichtanwendbarkeit der §§ 814, 817 S 2, 818 Abs 3 B G B geboten (Rdn 61).

31

Außerdem bestehen dann keine Rechte des Dritten gegen die AG, wenn die Grundsätze über den Mißbrauch der Vertretungsmacht verhindern, daß der Vorstand dem Dritten einen Anspruch gegen die AG hatte einräumen können (§ 2 4 2 BGB bzw § 177 B G B analog; ausführl § 5 7 Rdn 217), oder sonst die Tatbestände der §§ 138, 8 2 6 BGB eingreifen (vgl § 5 7 Rdn 216). Auch hier kommt nicht Abs 1 S 1 zum Zuge, sondern es finden die §§ 985, 812 ff B G B Anwendung. In diesen Fällen sind die §§ 814, 817 S 2, 818 Abs 3 BGB - theoretisch - anwendbar, weil der Rechtsgedanke des § 5 7 nicht entgegensteht; denn das Eingreifen der Bereicherungshaftung ist an dieser Stelle nicht auf diese Vorschrift zurückzuführen. Freilich werden aber aufgrund der jeweiligen Voraussetzungen, die für diese allgemeinen Unwirksamkeitsgründe vorliegen müssen, die §§ 814, 817 S 2, 818 Abs 3 B G B praktisch ohne Bedeutung bleiben.

32

In den übrigen Fällen haftet gegenüber der Gesellschaft nicht der Dritte, sondern allein der (mittelbar oder unmittelbar) begünstigte Aktionär. 3 2

27

Zutreff KK-Lutter2 Rdn 11, 12; Canaris FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 31, 4 1 ; vgl auch O L G H a m burg AG 1 9 8 0 , 2 7 5 , 2 7 8 ; Fleck FS 1 0 0 Jahre G m b H G ( 1 9 9 2 ) , S 3 9 1 , 4 1 0 f; aA Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl,

HüfferA Rdn 5: in den Konstellationen der §§ 8 9 Abs 3 S 1, 115 Abs 2 Fall 1 und 2 gegen Ehegatten und minderjährige Kinder sei § 6 2 Abs 1 S 1 der Vorzug zu geben; das erscheint mit dem vorstehend (Rdn 2 9 ) genannten Argument nicht zutreffend, mag auch B G H Z 81, 3 6 5 , 3 6 8 für § 31 G m b H G das befürworten. Wie hier neben Canaris (aaO) ebenso für § § 812 ff BGB K K - L u t t e r 2 Rdn 13; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 2 0 .

Rdn 2 0 . 28

Zutreff R o t h / A l t m e p p e n G m b H G 3 § 3 0 Rdn 18; ders FS Kropff ( 1 9 9 7 ) , S 6 4 1 , 6 4 4 .

29

KK-Lutter2 Rdn 13; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2 0 .

30

Für verbundene Unternehmen zT abw Altmeppen FS Kropff ( 1 9 9 7 ) , S 6 4 1 , 651 f.

31

Canaris FS Fischer ( 1 9 7 9 ) , S 31, 3 6 - 3 8 ; aA

32

Vgl B G H ZIP 1981, 188; O L G Düsseldorf ZIP 1981, 1 8 6 .

S t a n d : 1. 3. 2 0 0 0

(304)

§62

Haftung beim Empfang verbotener Leistungen

c) Mehrere Schuldner. Sind in aktienrechtswidriger Weise mehrere Zuwendungen an verschiedene Aktionäre erfolgt, so ist jeder Empfänger selbständig zur Rückgewähr des von der AG geleisteten Gegenstandes verpflichtet. Die Haftung aus Abs 1 S 1 trifft dabei jeden Schuldner unabhängig von den weiteren Aktionären, die ihrerseits die von ihnen empfangene Leistung nach Abs 1 S 1 an die AG zurückzugeben haben. Im Verhältnis untereinander sind die Empfänger der verschiedenen verbotswidrigen Leistungen nicht Gesamtschuldner; die Vorschriften der §§ 421 ff BGB, insbesondere § 426 BGB, sind nicht einschlägig.33

33

Anders ist die Sach- und Rechtslage, wenn aufgrund ein und derselben Zuwendung mehrere Personen erstattungspflichtig geworden sind. Das betrifft die Konstellation, in der neben dem aus Abs 1 S 1 verpflichteten „Strohmann"-Aktionär auch dessen wirtschaftlicher Hintermann als faktischer Aktionär aktienrechtlich haftet (Rdn 23, 28), sowie die Fälle der Dritthaftung nach biirgerlich-rechlichen Vorschriften, in denen die Verbotswirkung des § 57 auch an den Dritten gerichtet ist (Rdn 30) oder allgemeine Grundsätze eine Haftung begründen (Rdn 31). Hier haften der Aktionär und der Nichtaktionär - gleichviel ob letzterer entsprechend Abs 1 S 1 oder nach §§ 985, 812 ff BGB in Anspruch genommen wird - gegenüber der AG als Gesamtschuldner (§§ 421 ff BGB). 3 4 Denn da nur eine Zuwendung geleistet wurde, kann die Gesellschaft auch nur einmal erstattungsberechtigt sein, allerdings unter gleichzeitiger Inanspruchnahme mehrerer Personen.

34

d) Haftung des Rechtsnachfolgers, aa) Soll die Gesellschaft zu einer Leistung verpflichtet sein, deren Gewährung gegen § 57 verstößt, so ist schon die hierauf zielende Verpflichtung nach § 134 BGB nichtig (§ 57 Rdn 12, 201, 206). Außerdem kann es im Bereich der Dividendenauszahlung vorkommen, daß eine Leistungsverpflichtung der AG wegen nichtigen Gewinnverwendungsbeschlusses von vornherein nicht besteht (§§ 173 Abs 3, 217 Abs 2, 241, 253 Abs 1 S 1). In jedem Falle hat der Aktionär hier keine Anspruchsberechtigung. Leistet die Gesellschaft gleichwohl, trifft den Gesellschafter als Empfänger die Haftung aus Abs 1 S 1. Überträgt der Aktionär diese - vermeintliche Rechtsposition im Wege der Abtretung (§§ 398 ff BGB) auf einen Dritten, bevor die AG leistet, und erbringt daraufhin die AG ihre Leistung nunmehr an den - vermeintlichen Zessionar, so besteht kein Erstattungsanspruch nach Abs 1 S 1. Vielmehr haftet der (scheinbare) Einzelrechtsnachfolger gegenüber der AG gem §§ 812 ff BGB; immerhin kann er mangels Verität der zedierten Forderung beim Aktionär gem §§ 437 Abs 1, 440 Abs 1 BGB Regreß nehmen. In diesem Fall verbleibt es bei der bürgerlich-rechtlichen Bereicherungshaftung des Dritten auch dann, wenn er der Gesellschaft einen Dividendenschein als Beleg dafür vorlegt, daß ein Aktionär ihm seinen (angeblichen) Gewinnauszahlungsanspruch zediert habe, und die Gesellschaft deshalb an den Dritten als vermeintlichen Zessionar leistet; dasselbe gilt, wenn an einen Dieb des Coupons geleistet wird.

35

33

Unstr; KK-Lutter2 Rdn 15; HefermehU Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 19; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 7. Die vor Geltung des AktG 1 9 6 5 diesbezüglich herrschende Unsicherheit und Uneinigkeit ist seit der Fassung von § 6 2 Abs 1 S 1 gegenstandslos; zu der vormaligen Rechtslage vgl Großkomm-Fischer1 § 5 6 Anm 10, 11; Ritter § 5 6 Anm 2 e ; Düringer/Hachenburg/F/ec/ji

(305)

heim3 § 2 1 7 Anm 4; Brodmann Anm 1. 34

§ 217

Für den Fall der Haftung des „Strohmann"Aktionärs aus S 6 2 Abs 1 S 1 mit derjenigen des faktischen Aktionärs analog § 6 2 Abs 1 S 1 ausdrücklich auch Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2 0 ; es kann aber weitergehend auch in den übrigen hier dargestellten Fällen nichts anderes gelten.

Hartwig Henze

§62

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

Die aktienrechtliche Erstattungspflicht aus Abs 1 S 1 trifft den Nichtaktionär in diesem Falle nicht. 3 5 36

Ist ein Gewinnverwendungsbeschluß (§ 174) auf der Grundlage eines wirksam festgestellten Jahresabschlusses (vgl § 2 5 3 Abs 1 S 1) gefaßt worden, dann ist aus dem mitgliedschaftlichen Stammrecht des § 58 Abs 4 ein konkreter schuldrechtlicher Gewinnauszahlungsanspruch des Aktionär entstanden ( § 5 8 Rdn 94). Diesen Anspruch konnte der Aktionär abtreten. Zahlt die AG an den Zessionar (§ 3 9 8 S 2 BGB), wird jedoch anschließend der Gewinnverwendungsbeschluß vernichtet (§§ 2 4 3 Abs 1, 2 4 8 Abs 1 S 1, 241 Nr 5), kann auch der Zessionar dieser rückwirkenden Nichtigkeit nicht entfliehen; 3 6 er haftet nach §§ 812 ff BGB. Das löst zum einen zu Lasten des Aktionärs als Zedenten die Veritätshaftung nach §§ 4 3 7 Abs 1, 4 4 0 Abs 1 B G B aus, zum anderen haftet der Aktionär aus Abs 1 S 1 gesamtschuldnerisch neben dem Zessionar gegenüber der AG auf Erstattung. Eine Doppelhaftung des Aktionärs kann jedoch nicht entstehen, da die Gesellschaft nur einmal forderungsberechtigt ist (§ 421 S 1 BGB).

37

bb) Tritt ein Dritter universalsukzessiv in die Rechtsstellung eines Aktionärs ein, so haftet fortan der Dritte aktienrechtlich aus Abs 1 S l . 3 7 Das folgt für den Fall, daß bereits vor Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge die Pflicht aus Abs 1 S 1 bestand, aus dem gesetzlichen Übergang dieser Pflicht auf den Gesamtrechtsnachfolger (zB §§ 1922, 1 9 6 7 BGB). Es gilt dies aber auch dann, wenn vor der Gesamtrechtsnachfolge nur das Verpflichtungsgeschäft abgeschlossen war und die Leistung erst dem Gesamtrechtsnachfolger gewährt wird. Wird im übrigen der Dritte im Zuge der Gesamtrechtsnachfolge Aktionär und tätigt er in dieser Eigenschaft unabhängig von seinem Rechtsvorgänger mit der AG Geschäfte, die § 5 7 untersagt, liegt darin keine Besonderheit der Rechtsnachfolge: Abs 1 S 1 trifft ihn, weil er selbst als Aktionär eine verbotswidrige Leistung in Empfang genommen hat.

38

e) Keine Erstattungspflicht der Vor- und Nachmänner. Der aktienrechtliche Erstattungsanspruch der AG aus Abs 1 S 1 ent- und besteht stets gegenüber der Person, die als Aktionär 3 8 die Leistung empfangen hat, ganz gleich ob diese Person nach Entstehen des Rückgewähranspruches ihre Aktionärsstellung beibehält oder aufgibt (Rdn 21). Es haftet nur sie, nicht hingegen der jeweilige Aktionär. Zwar beruhen die Verbotswirkung des § 5 7 und die Nichtigkeit nach § 134 B G B auf der Mitgliedsstellung des Aktionärs; der als Nichtigkeitsfolge eintretende Rückgewähranspruch knüpft jedoch nicht an die Mitgliedschaft als solche an, sondern an die Person des Empfängers: Die Pflicht aus Abs 1 S 1 wurzelt somit nicht in der Aktie. Vormänner des Erstattungspflichtigen, die aus § 65 haften, werden deshalb ebensowenig zum Rückgewährschuldner aus Abs 1 S 1 wie Nachmänner des Erstattungspflichtigen, die eine (Rest-)Einlage gem § 54 schulden. 3 9 35

Heute unstr; Hüffer4 Rdn 4; KK-Lutter1 Rdn 10; ν Godin/Wilhelmi4 Anm 4; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 2; Baumbach/ Hueck13 Rdn 8; Ritter § 56 Anm 2a; Canaris FS Fischer (1979), S 31, 54. Die nur ganz früher verbreitete Gegenmeinung ist nach allgM seit geraumer Zeit überholt (vgl zur vormals abw Ansicht ROHG 18, 153, 159; Brodmann § 217 Anm 3 a; Düringer/ Hachenburg/Flecbtheim 3 § 217 Anm 3, 9; auch noch Schlegelberger/Quassowski3 § 56 Rdn 2).

36

37 38

39

KK-Lutter 1 S 58 Rdn 98; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, § 58 Rdn 133; Großkomm-Barz Voraufl, § 58 Anm 32; Baumbach/Hueck13 § 58 Rdn 20. Hüffer4 Rdn 4. Oder dem ggf gleichgestellt als ehemaliger, künftiger oder faktischer Aktionär (Rdn 27 f). AllgM; KK-Lutter 1 Rdn 14; Hefermehl/ Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 17; ν GodìnJWtlhelmi4 Anm 4; Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 2; BaumbachIHueck13 Rdn 8;

Stand: 1. 3. 2 0 0 0

(306)

Haftung beim Empfang verbotener Leistungen

§62

5. Anspruchsinhalt; Gegenstand der Rückgewähr a) Bar- und Sachleistungen. Der Erstattungsanspruch der Gesellschaft aus Abs 1 S 1 ist auf Rückgewähr dessen gerichtet, was an den Aktionär unter Mißachtung von § 57 geleistet wurde. 40 Das Gesellschaftsvermögen ist so wiederherzustellen, wie es vor der aktienrechtswidrigen Leistung bestand. 41 Empfangene Barmittel sind zurückzuzahlen; überlassene Sachen sind herauszugeben. Zu verzinsen ist eine Geldschuld aus Abs 1 S 1 erst mit Verzugseintritt (§§ 284, 285, 2 8 8 BGB); 4 2 für eine Sachschuld kann lediglich § 2 9 2 BGB iVm §§ 987 ff BGB Relevanz gewinnen.

39

Ist der konkrete Leistungsgegenstand im Vermögen des Empfängers nicht mehr vorhanden, so ist die Erhebung einer Entreicherungseinrede unstatthaft. Denn auf Abs 1 S 1 als spezifisch aktienrechtlichen Anspruch ist § 818 Abs 3 BGB unanwendbar. 43 Vielmehr wird mit Abs 1 S 1 zwischen dem Aktionär und der AG ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet, aufgrund dessen der Aktionär, wenn er zur Rückgewähr des gegenständlich Geleisteten außerstande ist, wegen Unvermögen bzw Unmöglichkeit der Leistung gem §§ 2 7 5 - 2 8 3 BGB einzustehen hat; 4 4 § 347 BGB kommt nicht zum Zuge. Bei nicht zu vertretender Unmöglichkeit ist gem $ 281 BGB nur ein etwaiges Surrogat herauszugeben; im übrigen wird der Aktionär von der Leistungspflicht frei (§ 275 BGB). Daran zeigt sich, daß Abs 1 S 1 keinen reinen Werthaftungsanspruch beinhaltet. 45

40

b) Dienstleistungen. Handelt es sich bei dem, was die AG dem Aktionär zugewendet hat, um eine nichtgegenständliche Leistung (Serviceleistungen, Einräumen einer Nutzungsmöglichkeit etc), dann kann das Geleistete naturgemäß nicht zurückgewährt werden. Hier richtet sich die Haftung des Zuwendungsbegünstigten weder nach § 818 Abs 2 BGB, noch ist dieser Fall über §§ 275 ff BGB zu erfassen. 46 Zutreffend ist davon auszugehen, daß dann ein Ausgleichsanspruch analog § 346 S 2 BGB besteht. 47

41

c) Umsatzgeschäfte. Die vorstehenden Grundsätze (Rdn 39 ff) gelten ohne Unterschied, ob eine einseitige verbotswidrige Leistung der AG vorliegt („offene" Einlagenrückgewähr) oder ob eine von dem empfangenden Aktionär zu erbringende unangemessen niedrige Gegenleistung den Abfluß gebundenen Kapitals verschleiert („verdeckte" Einlagenrückgewähr ).

42

Das bedeutet insbesondere im Falle verdeckten Vermögenstransfers, daß Inhalt des Erstattungsanspruches nach Abs 1 S 1 nicht lediglich die Wertdifferenz ist, die sich zwischen den beiden Leistungswerten, die in einem objektiven Mißverhältnis zu Lasten der

43

Schlegelberger/QKijssoii's&i 3 § 5 6 Rdn 2 ; Düringer/Hachenburg/F/ecfcifcei'm 3 § 2 1 7 Anm 3, 9. 40

41 42

45

Hüffer4 Rdn 9; KK-Lutter1 Rdn 2 6 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2 1 ; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 5.

Richtig Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/ Hefermehl, Rdn 2 2 ; auch Großkomm-Berz Voraufl, Anm 5: § 2 8 1 BGB; aA ν Godin/ Wilhelmi4 Anm 5.

46

Hüffer4 Rdn 9. K K - L u t t e r 1 Rdn 2 6 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 21.

Für §§ 2 7 5 ff BGB vormals aber KK-Lutter1 Rdn 15; richtig sodann unter Aufgabe dieser Meinung K K - L u t t e r 1 Rdn 2 6 .

47

AllgM; Hüffer4 Rdn 9; KK-Lutter2 Rdn 2 6 ; Wiesner in: M ü n c h H d b GesR 2 ( 1 9 9 9 ) , Bd 4 [AG], § 16 Rdn 5 8 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2 3 ; Großkomm-Barz Voraufl, Anm 5; das muß zumal deshalb richtig erscheinen, weil der Gesetzgeber § 6 2 Abs 1 S 1 gerade in Anlehnung an $ 3 4 6 BGB gefaßt hat (vgl Kropff AktG 1965, S 83).

43

Hüffer4 Rdn 9; Hefermehl/Bungeroth Geßler/Hefermehl, Rdn 2 1 ; vgl auch Großkomm-ßarz Voraufl, Anm 5.

44

Hüffer4 Rdn 9; K K - L u t t e r 1 Rdn 2 6 ; Hefermehl/Bungeroth in: Geßler/Hefermehl, Rdn 2 2 ; Großkomm-Bató § 33, 99; Bayer ZGR 2002, 588, 618; Haarmann/Schüppen/ Röh2 § 33, 85; Krause/Pötzsch in Assmann/ Pötzsch/Schneider § 33, 71. Haarmann/Schüppen/Röfc 2 § 33, 104;

996

997

998

999

MünchKommAktG-S&iimsfT\\omzlGrunewald S 33, 48. 1003 Haarmann/Schüppen/Röfe 2 § 33, 79; Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/ Schneider § 33, 74; aM Ekkenga in Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 33, 24. 1004 Haarmann/Schüppen/Rö/; 2 § 33, 79. 1005 Bayer ZGR 2002, 588, 604; Ekkenga in

(171)

Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 33, 5; Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/ Schneider § 33, 79. 1006 Baums/Thoma/Gr«»eifdW § 33, 20; Ekkenga in Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 33, 2 4 (für analoge Anwendung); a M Haarmann/Schüppen/Rö/? 2 § 33, 79; Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/ Schneider § 33, 78. 1007 Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/ Schneider § 33, 112. 1008 GeibeVSäßmannJSchwennicke § 33, 55; Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/ Schneider § 33, 113.

Hanno Merkt

§ 68

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Gesellschaft vorgenommen w ü r d e . 1 0 0 9 Im Ergebnis ist danach jede vinkulierungsbezogene Entscheidung unabhängig von ihrem Entscheidungstenor von dem Ausnahmetatbestand des § 3 3 Abs 1 Satz 2 Alt 1 W p Ü G erfasst. 439

N a c h zutreffender Auffassung ist hingegen davon auszugehen, dass sich der Vorstand bei einer Zustimmungsverweigerung in einer Übernahmesituation allein auf den Ausnahmetatbestand des § 3 3 Abs 1 Satz 2 Alt 3 W p Ü G stützen kann. Demgemäß bedarf es stets der Zustimmung des Aufsichtsrates (dazu sogleich in Rdn 4 4 1 ) . 1 0 1 0

440

Liegt einer der Ausnahmetatbestände nach § 3 3 Abs 1 Satz 2 W p Ü G vor, so richtet sich die Zulässigkeit der Zustimmungsverweigerung nach der Satzung (Rdn 3 8 3 ff) und den aktienrechtlichen Vorschriften (Rdn 4 0 3 ff). 1 0 1 1 Es finden daher auch in Übernahmesituationen die bereits erörterten Grundsätze Anwendung. Dies gilt namentlich für den Grundsatz, dass die Interessen des Erwerbers im Rahmen der Abwägungsentscheidung nicht berücksichtigt werden müssen (Rdn 410). Dieser Grundsatz gilt im Übrigen auch dann, wenn der Erwerber Bieter ist. 1 0 1 2

441

(3) Handeln mit Zustimmung des Aufsichtsrates (§ 3 3 Abs 1 Satz 2 Alt 3 W p Ü G ) . Die Zustimmungsentscheidung des Vorstands zur Übertragung vinkulierter Namensaktien wird zu Recht allgemein als möglicher Anwendungsfall des Vorstandshandelns mit Zustimmung des Aufsichtsrates eingeordnet. 1 0 1 3 Bei der Erteilung einer Zustimmung im Rahmen des § 3 3 Abs 1 Satz 2 Alt 3 W p Ü G ist der Aufsichtsrat selbst nicht zur Neutralität gegenüber einem Übernahmeangebot verpflichtet. 1 0 1 4

442

Damit der Ausnahmetatbestand des § 3 3 Abs 1 Satz 2 Alt 3 W p Ü G erfüllt ist, bedarf es nach h M einer vorherigen Zustimmung (Einwilligung, § 183 BGB) des Aufsichtsrates. Eine nachträgliche Genehmigung (§ 184 BGB) reicht nicht a u s . 1 0 1 5 Weil sich die Zustimmungsentscheidung des Aufsichtsrates zudem auf konkrete Abwehrmaßnahmen beziehen muss und eine pauschale Ermächtigung zur Vornahme bestimmter Abwehrmaßnahmen nicht zulässig ist, 1 0 1 6 kann der Vorstand eine Aufsichtsratseinwilligung zu einer beabsichtigten Zustimmungsverweigerung gegenüber einem Bieter erst dann einholen, wenn die Zustimmung der Aktiengesellschaft zu einer bestimmten Aktienübertragung beantragt wurde und der Vorstand beabsichtigt, diese zu verweigern. Das Verfahren ist in dieser Form allerdings kaum mit dem ungeschriebenen aktienrechtlichen Verbot einer kumulativen Entscheidung mehrerer Gesellschaftsorgane (Rdn 3 6 0 ) vereinbar, weil die Kumulation hier der Ermöglichung einer Zustimmungsverweigerung (nicht einer Zustimm u n g 1 0 1 7 ) dient und daher die Übertragbarkeit der Namensaktie in einer Weise einschränkt, die nicht mit § 6 8 Abs 2 AktG zu vereinbaren ist. § 3 3 Abs 1 Satz 2 Alt 3 W p Ü G wird auf vinkulierungsbezogene Entscheidungen deshalb gleichwohl anzuwenden

1009 Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/ Schneider $ 3 3 , 152. 1010

MünchKommAktG-ScW/ii 2 § 3 3 W p Ü G ,

1014

Baums/Thoma/Grunewald § 3 3 , 2 0 ; Haarmann/Schüppen/Rö/i 2 § 3 3 , 162.

1015

Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 3 3 , 6 2 ; H a a r mann/Schüppen/Röfc 2 § 3 3 , 165; Krause! Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Schneider

168. 1011

Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/ Schneider § 3 3 , 113; ν Aubel 161 ff.

1012

Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/ Schneider § 3 3 , 113.

1013

Baums/Thoma/Grunewald § 3 3 , 4 8 ; Haarmann/Schüppen/Rofc 2 § 3 3 , 1 5 5 ; Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/ Schneider § 3 3 , 176; M ü n c h K o m m A k t G Schlitt2 § 3 3 W p Ü G , 168.

§ 33, 1 7 9 ; bei „unaufschiebbaren" M a ß nahmen weniger streng Baums/Thoma/ Grunewald § 3 3 , 67. 1016

MünchKommAktG-ScMiii 2 § 3 3 W p Ü G ,

1017

Z u m aus diesem Grund zulässigen innergesellschaftlichen „Rechtsmittelzug" Rdn 3 6 3 ff.

168.

Stand: 1 . 6 . 2 0 0 8

(172)

Übertragung von Namensaktien, Vinkulierung sein, weil die übernahmerechtliche Vorschrift insoweit als lex specialis AktG anzusehen ist.

§68 zu § 6 8 Abs 2

Zu Recht wird im Übrigen darauf hingewiesen, dass die „Holzmüller"-Grundsätze auch im Anwendungsbereich des § 33 Abs 1 Satz 2 W p Ü G gelten 1 0 1 8 und daher auch hier zu einer ungeschriebenen gesetzlichen Zuständigkeit der Hauptversammlung in Vinkulierungsfragen (Rdn 3 6 7 ff) führen können. Nicht geklärt sind allerdings die Folgen, die aus diesem Befund für die in Übernahmesituationen bestehende Entscheidungszuständigkeit nach § 68 Abs 2 AktG resultieren. Während es einerseits denkbar erscheint, in „Holzmüller"-Konstellationen die Zustimmungskompetenz nach § 33 Abs 1 Satz 2 Alt 3 W p Ü G nicht dem Aufsichtsrate, sondern an seiner Stelle der Hauptversammlung zuzubilligen, wird man richtigerweise davon ausgehen müssen, dass der Hauptversammlung unter diesen Umständen bereits die originäre Entscheidungszuständigkeit zukommt und das Vereitelungsverbot des § 33 Abs 1 W p Ü G aus diesem Grund nicht einschlägig ist.

443

3. Entscheidungsverfahren Beantragt werden kann die Zustimmung nach h M wahlweise durch den Veräußerer oder den Erwerber, 1 0 1 9 weil das Zustimmungserfordernis sich auf die Übertragung als rechtlichen Verfügungsvorgang bezieht, an welchem beide Parteien beteiligt sind. Aufgrund dieses Bezugspunktes der Vinkulierung bestehen keine Bedenken, eine Beantragung alternativ auch gemeinsam durch Veräußerer und Erwerber oder aber durch einen Dritten ausreichen zu lassen. Vertretung bei der Beantragung gegenüber der Aktiengesellschaft (etwa durch Kreditinstitute) ist zulässig.

444

Für die Durchführung des Entscheidungsverfahrens kann die Satzung Regelungen vorsehen, 1 0 2 0 etwa Fristen für die Bescheidung. 1 0 2 1

445

Nach dem subsidiär maßgeblichen Gesetz ist die Entscheidung als solche nicht an eine Form g e b u n d e n 1 0 2 2 und kann zeitlich vor oder nach dem Veräußerungsgeschäft getroffen werden. 1 0 2 3 Da die intern getroffene Entscheidung vor ihrer Übermittlung an den oder die Antragsteller noch keinerlei Auswirkungen entfaltet, kann sie bis zu diesem Zeitpunkt von dem zuständigen Organ (siehe oben Rdn 341 ff) frei zurückgenommen bzw abgeändert werden. 1 0 2 4

446

4. Erklärung von Zustimmung oder Verweigerung a) Zuständigkeit. Es ist streng zu trennen zwischen der bereits erörterten Zuständigkeit zur Entscheidung über die Zustimmung zur Übertragung, die grundsätzlich dem Vorstand obliegt, aber durch die Satzung dem Aufsichtsrat oder der Hauptversammlung übertragen werden kann (dazu bereits Rdn 346), und der Zuständigkeit zur Erklärung über die Entscheidung. 1 0 2 5

1018

1019

(173)

Bayer ZGR 2002, 588, 602; Haarmann/ Schüppen/Röfc2 § 33, 158; Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Schneider § 33, 174; Schwark/Noack 3 § 33 WpÜG, 19; aM Ehricke/Ekkenga/Oechsler § 33, 64. Baumbach/Hueck13 8; Bruns AG 1962, 329, 332; Degner 39; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 129; Küsters BankA 1937, 175, 178; MünchKommAktG-Bayer2 89.

1020 1021

1022 1023 1024

1025

MünchKommAktG-ßjyer2 57. GeßkrlHefermehl/Bungeroth 129; Luther 75; MünchKommAktG-ßayer2 57. KK-Lutter2 29. KK-Lutter 2 29. KK-Lutter 2 29; MünchKommAktG-ßayer2 82. Hüffer7 15; Würdinger4 § 12 VI 3.

Hanno Merkt

447

§ 68

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

448

Z u r Abgabe dieser Erklärung ist unstreitig stets - also unabhängig von der Entscheidungszuständigkeit - allein der Vorstand der Aktiengesellschaft zuständig. 1 0 2 6 Die genaue gesetzliche Grundlage für diese im Ergebnis unbestrittene Zuständigkeitszuweisung ist allerdings nicht unumstritten, was vor allem mit der nicht völlig geklärten Bedeutung von Abs 2 Satz 2 zusammenhängt (dazu bereits Rdn 3 4 3 ) . Während die Erklärungszuständigkeit des Vorstands von manchen aus Abs 2 Satz 2 abgeleitet w i r d , 1 0 2 7 ergibt sie sich nach hier vertretener Auffassung aus § 7 8 Abs 1, weil es sich bei der Erklärungsabgabe um einen Akt der Außenvertretung handelt. 1 0 2 8

449

Erforderlich ist das Handeln von Vorstandsmitgliedern in vertretungsberechtigter Zahl (§ 78 Abs 2 , 3 ) , 1 0 2 9 ohne dass es stets einer Erklärungsabgabe durch den gesamten Vorstand bedürfte. 1 0 3 0 Ebenfalls ausreichend ist die Erklärung durch einen vom Vorstand Bevollmächtigten. 1 0 3 1 Soweit es allerdings an einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung des Dritten fehlt, ist seine Erklärung rechtlich bedeutungslos. 1 0 3 2 Die Rechtsprechung hat freilich auch die Mitteilung eines internen Beschlusses durch andere Personen genügen lassen, 1 0 3 3 was mit der Begründung kritisiert wird, es könne zwar in Ausnahmefällen eine Berufung auf einen Mangel der Erklärung gemäß § 2 4 2 B G B rechtsmissbräuchlich sein, sofern die Aktiengesellschaft oder eine Partei des Übertragungsgeschäftes seit dem Bekanntwerden des Beschlusses bereits nicht unwesentliche Zeit haben verstreichen lassen. Im Übrigen sei der Betroffene aber auf die Möglichkeit zu verweisen, auf ordnungsgemäße Erklärung der Zustimmung durch den Vorstand zu klagen. 1 0 3 4

450

Bei der Erklärung der Zustimmung zu einem Übertragungsvorgang bzw deren Verweigerung handelt der Vorstand nur als Vollzugsorgan. 1 0 3 5 Sofern die Zuständigkeit zur internen Entschließung über eine Zustimmung gesellschaftsintern einem anderen Organ also Aufsichtsrat oder Hauptversammlung - zugewiesen ist (Rdn 3 4 6 ff), ist der Vorstand im Innenverhältnis an die dort getroffene Entscheidung gebunden (§ 8 2 Abs 2). Dies gilt auch in den Fällen, in denen einem anderen Gesellschaftsorgan über einen in der Satzung vorgesehenen gesellschaftsinternen „Rechtsmittelzug" (Rdn 3 6 3 ) die Letztentscheidungsbefugnis übertragen ist.

451

Verletzt der Vorstand bei Abgabe der Erklärung eine abweichende Entscheidungszuständigkeit im Innenverhältnis, so hat dies grundsätzlich keine Unwirksamkeit der abgegebenen Willenserklärung zur Folge. 1 0 3 6 Etwa anderes gilt nur, wenn gleichzeitig ein 1026

1027

1028 1029

RG H RR 1933 Nr 45; 3. Aufl (Barz) 8; Brodmann § 222, 4c; Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 99; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 113; Heidel¡Heinrich 1 16; Hommelhoff/Schwab WiB 1995, 115, 118; Hüffer7 15; KK-Lutter 1 31; Küsters BankA 1937, 175, 177; Lutter AG 1992, 369, 370; MünchKommAktG-Bayer2 87; Pentz in HdbVorstR § 16, 141; Reichert GmbHR 1995, 176, 177; K. Schmidt FS Beusch 767; Stupp DB 2006, 655, 659; ν Godin/ Wilhelmi4 11; Wiedemann Übertragung 105; Würdinger4 § 12 VI 3. Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 99; Ge&er/Hefermehl/Bungeroth 113; K. Schmidt FS Beusch 767; Stupp NZG 2005, 205, 206; ders DB 2006, 655, 659. MünchKommAktG-Bayer2 87. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 114; Hüffer7

1030

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1034 1035 1036

15; KK-Lutter2 31; MünchKommAktGBayer1 87; ν Godin/Wilhelmi4 11. Geßler /Hefermehl/Bungeroth 114; MünchKommAktG-Bayer 2 87. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 114; KKLutter1 31; MünchKommAktG-Bayer2 87. MünchKommAktG-Bayer2 87 Fn 195; Serick FS Hefermehl 432. BGHZ 15, 324, 330 (zu § 15 Abs 5 GmbHG); aM KK-Lutter 2 31; MünchKommAktG-Bayer2 87 Fn 195. KK-Lutter2 31. Lutter AG 1992, 369, 370. 3. Aufl (Barz) 8; Baumbach/Hueck13 8; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 133; KK-Lutter 2 37; Küsters BankA 1937, 175, 177; MünchKommAktG-Bayer2 94; Schlegelberger/Quassowski AktG 2 § 61, 6.

Stand: 1 . 6 . 2 0 0 8

(174)

Übertragung von Namensaktien, Vinkulierung

§68

evidenter Missbrauch seiner organschaftlichen Vertretungsmacht vorliegt. 1037 Eine solche Evidenz kann zu bejahen sein, wenn die abweichende Zuständigkeit in der Satzung ausdrücklich geregelt ist. 1038 Hingegen wird man Evidenz nicht ohne weiteres annehmen können, wenn eine abweichende Zuständigkeit aus den „Holzmüller"-Grundsätzen folgt. 1 0 3 9 Im Falle der unberechtigten Zustimmungserklärung durch den Vorstand kommen Schadensersatzansprüche der Aktiengesellschaft in Betracht. 1 0 4 0 Erklärt der Vorstand zu Unrecht die Verweigerung, so ist er daneben auch gegenüber dem veräußerungswilligen Aktionär schadensersatzpflichtig, in dessen Mitgliedschaftsrecht pflichtwidrig eingegriffen wurde. 1041

452

Unzulässig ist es, die Zuständigkeit für die Abgabe der Erklärung in der Satzung auf ein anderes Organ der Gesellschaft 1042 oder gar auf Aktionäre bzw außenstehende Dritte zu übertragen. 1043 Abs 2 Satz 3 ist tatbestandlich nicht einschlägig. Die Erklärungszuständigkeit des Vorstands ist satzungsfest.

453

Die Zuständigkeit des Vorstands zur Abgabe der Erklärung bleibt grundsätzlich auch in der Insolvenz bestehen. 1044 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Aktien noch nicht voll einbezahlt sind. Hier ist die Vermögensverwaltung nach § 80 InsO berührt, sodass nicht nur die Entscheidungszuständigkeit (dazu bereits Rdn 379), sondern auch die Erklärungszuständigkeit auf den Insolvenzverwalter übergeht. 1045 Bei der Erklärungszuständigkeit des Insolvenzverwalters handelt es sich nach zutreffender Auffassung um eine Alleinzuständigkeit, weil anderenfalls die Handlungsfreiheit des Insolvenzverwalters beeinträchtigt würde, 1 0 4 6 während eine Gegenansicht lediglich eine Mitzuständigkeit annehmen will. 1 0 4 7

454

Im Fall der Liquidation der AG ist schließlich gem §§ 2 6 8 Abs 2, 2 6 9 der Abwickler (Liquidator) zuständig. 1048

455

b) Rechtsnatur und Adressat der Erklärung. Sowohl die Erklärung der Zustimmung als auch die Erklärung der Verweigerung sind empfangsbedürftige Willenserklärungen, für die §§ 182 bis 184 BGB gelten. 1049

456

1037

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1039 1040 1041 1042

HtidtVHeinrich 2 16; Küsters BankA 1937, 175, 178; MünchKommAktG-ßayer 2 95; K. Schmidt FS Beusch 770. Ebenso für die GmbH OLG Hamburg GmbHR 1992, 309. K. Schmidt FS Beusch 7 7 0 für die satzungsmäßige Zuständigkeit der Hauptversammlung; MünchKommAktG-Bayer 2 95. K. Schmidt FS Beusch 770. KK-Lutter 2 37. MünchKommAktG-Bayer 2 94. RG HRR 1933 Nr 45; 3. Aufl (Barz) 8; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 113; Hommelhoff/Schwab WiB 1995, 115, 118; KK-Lutter2 31; Luther 73; MünchKommAktG-Bayer 2 87; Stupp DB 2 0 0 6 , 655, 659; ν Godin/Wilhelmi4 11; Wiedemann Übertragung 105; unklar Hüffer7 14: Satzung könne Zuständigkeit für „Erteilung der Zustimmung" auf Aufsichtsrat oder Hauptversammlung übertragen (anders aber in Rdn 15).

(175)

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3. Aufl (Barz) 8; Geßiet/Hefermehl/Bungeroth 113; ν Godin/Wilhelmi4 11. 3. Aufl (Barz) 8; Baumbach/Hueck13 8; Geß\et/Hefermehl/Bungeroth 115; KK-Lutter2 29; MünchKommAktGBayer2 88. RGZ 72, 2 9 0 , 2 9 3 (zur KO); 3. Aufl (Barz) 8; Buchetmann 104; Geß\et/Hefermehl/ Bungeroth 115; MünchKommAktG-Bayer 2 88. RGZ 72, 2 9 0 , 2 9 3 ; 3. Aufl (Barz) 8; Geßier/Hefermehl/Bungeroth 115; MünchKomm AktG-Bayer 2 88. Baumbach/Hueck13 8; Schönhofer 123 f; Wiedemann Übertragung 98. 3. Aufl (Barz) 8; Baumbach/Hueck13 8; Gtßler/Hefermehl/Bungeroth 115; KK-Lutter2 29, 32; MünchKommAktGBayer2 88. RGZ 132, 149, 155; LG Düsseldorf AG 1989, 332; Asmus 35; Brodmann § 2 2 2 , 4c;

Hanno Merkt

§ 68

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

457

aa) Einwilligung und Genehmigung. Als für die Zwecke des Abs 2 zulässige und ausreichende Zustimmung kommt sowohl eine Einwilligung (§ 183 BGB) der Aktiengesellschaft in Frage, die zeitlich vor der zustimmungsbedürftigen Übertragung erteilt wird, als auch eine Genehmigung (§ 184 BGB), die sich auf eine bereits vorgenommene Aktienübertragung bezieht. 1050 Der Aktionär kann eine Einwilligung nach § 183 BGB daher auch bereits vor Abschluss irgendwelcher schuldrechtlichen Rechtsgeschäfte einholen. Nicht erforderlich ist, dass die Namensaktien bereits verkauft und (einstweilen schwebend unwirksam, Rdn 493) übertragen sind. 1051 Ausreichend ist in diesem Fall, dass der Aktionär die beabsichtigte Verfügung gegenüber der Aktiengesellschaft im Einzelnen bezeichnet und dabei insbesondere die Anzahl der zu übertragenden Namensaktien sowie den Erwerber benennt. 1 0 5 2

458

Ob die Satzung der Aktiengesellschaft Namensaktienübertragungen - wie nicht selten sprachlich lediglich von einer „Einwilligung" oder einer „Genehmigung" abhängig macht, ist nach h M letztlich unmaßgeblich, 1 0 5 3 weil die Satzungsbestimmung regelmäßig so auszulegen ist, dass eine Zustimmung der Gesellschaft in einer der beiden Formen notwendig, aber auch ausreichend sein soll. Im Übrigen wäre eine satzungsmäßige Beschränkung auf eine dieser Zustimmungsformen unzulässig, weil die Übertragbarkeit der Namensaktie dadurch in über Abs 2 hinausgehendem Maße eingeschränkt würde (Rdn 300 ff). 1 0 5 4

459

bb) Adressat und Zugang. Die Erklärung ist empfangsbedürftig und muss daher ihrem Adressaten zugehen (§ 130 BGB). 1055 Die Zustimmung kann daher gemäß § 182 Abs 1 BGB sowohl dem Veräußerer (dh dem bisherigen Aktionär, dem Besteller des Pfandrechts oder Nießbrauchs) oder aber dem Erwerber (dem Aktienerwerber, Pfandrechtsgläubiger oder Nießbraucher) 1 0 5 6 oder aber beiden 1 0 5 7 zugehen. Ausreichend ist auch ein Zugang bei ihren Vertretern. 1058 Die Erklärung wird mit ihrem Zugang wirksam. 1059 Nicht ausreichend ist hingegen eine (vorweggenommene) Zustimmungserklärung gegenüber einem Dritten, 1060 wie etwa einer an der Finanzierung des Aktienerwerbs beteiligten Bank 1 0 6 1 oder der für die Börsenzulassung zuständigen Stelle. 1062 Bedeutung hat diese Frage in der Vergangenheit vor allem im Zusammenhang mit sog Fungibilitätserklärungen erlangt, die im Rahmen des Börsenzulassungsverfahrens gegenüber der Zu-

460

1050

1051 1052 1053

1054

GeßlerIHefermehl/Bungeroth 106; Hüffer7 16; KK-Lutter2 31; Rümpel WM 1983 Sonderbeilage 8, 3, 8; MünchKommAktGBayer2 84. RGZ 72, 2 9 2 , 293; RGZ 132, 149, 155; BGH NJW 1987, 1019; 3. Aufl (Barz) 7; Brodmann § 2 2 2 , 4c; Geß\cr/Hefermebl/ Bungeroth 107; KK-Lutter 2 32; MünchKommAktG-ßayer 2 85. BGH NJW 1987, 1019. BGH NJW 1987, 1019. RGZ 1 3 2 , 1 4 9 , 1 5 5 ; RGZ 1 6 0 , 2 2 5 , 2 3 2 ; GeßierlHefermehl/Bungeroth 107; KK-Lhíter2 32; MünchKommAktG-ßayer 2 85; Schlegelberger/Quassowski AktG 2 § 61, 6. Ebenso zur GmbH BGH GmbHR 1965,155. GeßlerIHefermehl/Bungeroth 107;

1055 1056

1057 1058

1059 1060

1061 1062

KK-Lutter 2 32; MünchKommAktG-Beyer 2 85; Schönhofer 62. Hüffer7 15. RG JW 1931, 2097; 3. Aufl (Barz) 7; Geßler IHefermehl/Bungeroth 106; Hüffer7 2 16; KK-Lutter 32; Küsters BankA 1937, 175, 176; MünchKommAktG-ßayer 2 84. Brodmann § 2 2 2 , 4c. RGZ 132, 149, 156; Staudinger/G«rsi:y 2 0 0 4 § 182, 4. Hüffer7 15; MünchKommAktG-ßayer 2 84. Küsters BankA 1937, 175, 176; MünchKommBGB-Schramm 5 § 182, 4; Stauding e r I G u r s k y 2 0 0 4 § 182, 4. Küsters BankA 1937, 175, 176. RGZ 132, 149, 155 f.; Degner W M 1990, 793, 794; Küsters BankA 1937, 175, 176.

Stand: 1.6.2008

(176)

Übertragung von Namensaktien, Vinkulierung

§68

lassungsstelle abgegeben wurden (dazu bereits in R d n 2 4 5 ) . Hier ist zu beachten, dass eine Zustimmungserklärung nur bestimmten Personen gegenüber abgegeben werden k a n n . 1 0 6 3 c) F o r m aa) Gesetzliche Regelung. Erklärungen, durch die der Vorstand im N a m e n der Aktiengesellschaft die Z u s t i m m u n g zur Übertragung erteilt bzw diese verweigert, sind nach

461

ganz h M formlos g ü l t i g 1 0 6 4 und damit auch konkludent möglich (§ 1 8 2 Abs 2 B G B ) . 1 0 6 5 Eine konkludente Erklärung der Zustimmung k a n n etwa in der Eintragung des Erwerbers in das Aktienregister nach § 6 7 Abs 3 , 1 0 6 6 in seiner Zulassung zur Hauptvers a m m l u n g 1 0 6 7 , in seiner Zulassung zu A b s t i m m u n g e n 1 0 6 8 und in der Einforderung von Einlagen v o m E r w e r b e r 1 0 6 9 liegen. Auch die Verweigerung der beantragten Z u s t i m m u n g k a n n grundsätzlich konkludent e r f o l g e n . 1 0 7 0 Z u beachten ist insoweit jedoch, dass in bloßem Schweigen der Aktiengesellschaft auf den Z u s t i m m u n g s a n t r a g eines Betroffenen n o c h keine Ablehnungserklärung gesehen werden k a n n , weil nach allgemeinen Grundsätzen das Schweigen keinen Erklärungswert h a t . 1 0 7 1

462

bb) Statutarische Formerfordernisse. Die Satzung k a n n für die Z u s t i m m u n g und ihre Verweigerung eine bestimmte F o r m vorschreiben. Die Behandlung statutarischer F o r m erfordernisse im Hinblick auf deren Rechtswirkungen ist allerdings umstritten:

463

N a c h überwiegender A n s i c h t 1 0 7 2 entfalten satzungsmäßige Formerfordernisse im Außenverhältnis (dh gegenüber dem veräußernden A k t i o n ä r und dem Erwerber) keine W i r k u n g e n . Begründen k a n n m a n dies damit, dass die andernfalls nach § 1 2 5 B G B eintretende Nichtigkeit einer formlosen Z u s t i m m u n g eine über das nach Abs 2 Zulässige

464

RGZ 132, 149, 155; Degner WM 1990, 793, 794; Kumpel WM 1983 Sonderbeilage 8, 3, 8. 1064 KG JW 1939, 296; Brodmann § 222, 4c; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 109; Hüffer7 15; KK-Lutter2 33; Küsters BankA 1937, 175, 176; MünchHdbAG-Wiesner 2 § 14, 25; MiinchKomm AktG-ßa yer 2 90; 1063

1065

E. Ulmer FS Schmidt-Rimpler 275. RGZ 104, 413, 415; RGZ 132, 149, 155 „auch stillschweigend"; RGZ 160, 230, 232; RG JW 1931, 2097; KG NZG 2003, 226, 227; LG Köln DB 1998, 2008; 3. Aufl (Barz) 7; Baumbach/Hueck u 8; Brodmann § 222, 4c; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 109; KK-Lutter 1 33; MünchHdbAGWiesner2 § 14, 25; MiinchKommAktGBayer2 90; Schinzler 40.

1066

(177)

RGZ 72, 290, 294; RG HRR 1933 Nr 45; KG NZG 2003, 226, 227; LG Köln DB 1998, 2008; 3. Aufl (Barz) 7; KK-Lutter 2 33; MiinchHdbAG-WiesKer2 § 14, 25; Schinzler 40; E. Ulmer FS Schmidt-Rimpler 275. Unzutreffend Müller-von Püchau 111, der die Zustimmung mit der Eintragung in das Aktienbuch gleichsetzt.

1067

RGZ 104, 413, 414; Brodmann § 222, 4c; GeSler/Hefermehl/Bungeroth 109; KK-Lutter2 33; MünchHdbAG-Wiewr 2 § 14, 25; MünchKommAktG-ßayer 2 90; ähnlich KG NZG 2003, 226, 227: der Erwerber habe der Einladung zur Hauptversammlung die in Gestalt der Umschreibung des Aktienbuches erfolgte Zustimmung entnehmen können.

1068

RG JW 1931, 2097; 3. Aufl (Barz) 7: Ausstellung der Stimmkarte auf den Erwerber; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 109; KK-Lutter2 33: „insbesondere"; MünchKommAktG-ßayer 2 90. Brodmann § 222, 4c. KK-Lutter2 33; MünchKommAktG-ßayer 2 90. KK-Lutter2 33. KG JW 1939, 296; Brodmann $ 222, 4c; Buchetmann 104 f; Ge&\tdHefermehl/ Bungeroth 110; KK-Lutter2 33; Luther 74 f; MiinchHdbAG-Wiesner2 § 14, 25; MünchKommAktG-ßayer 2 90; Schinzler 40; Schönhofer 123; Schlegelberger/Quassowski AktG 2 § 61, 9.

1069 1070

1071 1072

Hanno Merkt

§ 68

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

hinausgehende Beschränkung der freien Übertragbarkeit bedeuten würde. 1 0 7 3 Zudem wird diese Lösung dem Verkehrsinteresse besser gerecht, weil die Gesellschaftssatzung dem Erwerber sowie dem Aktionär idR nicht in allen Einzelheiten bekannt sein wird. 1 0 7 4 Entsprechenden Satzungsregelungen etwa des Inhalts, dass die erteilte Zustimmung zur Übertragung auf der Rückseite der Aktienurkunde zu vermerken ist, 1075 kommt danach nur die Bedeutung einer internen Geschäftsanweisung zu. 1 0 7 6 465

Die Gegenansicht hält satzungsmäßige Formvorgaben hingegen in Anknüpfung an eine zum GmbH-Recht vertretene Auffassung 1 0 7 7 für zulässig und auch im Außenverhältnis wirksam. 1078 Sofern die Satzung bestimme, dass die Zustimmung schriftlich erfolgen müsse, bleibe eine formlos erteilte Zustimmung danach wirkungslos. 1079 Diese Ansicht kann nicht überzeugen, übersieht sie doch, dass im Anwendungsbereich des § 15 Abs 5 GmbHG - anders als bei der aktienrechtlichen Vinkulierungsnorm des Abs 2 keine abschließende gesetzliche Vorgabe für den Umfang zulässiger Übertragungsbeschränkungen existiert. 1080

466

d) Frist. Satzungsmäßige Erklärungsfristen sind grundsätzlich zulässig 1081 und zu beachten. Im Übrigen muss die Erklärung innerhalb angemessener Frist abgegeben werden, nachdem die Zustimmung von Seiten des Veräußerers bzw des Erwerbers (dazu näher Rdn 444) gegenüber der Aktiengesellschaft beantragt worden ist. 1082 Einer gesonderten Aufforderung zur Erklärung der Zustimmung bedarf es für das Inkraftsetzen des Fristlaufs zusätzlich nicht. 1 0 8 3

467

Haben Veräußerer oder Erwerber die Aktiengesellschaft zur Erklärung der Zustimmung aufgefordert, so wird ein klagbarer Anspruch auf Abgabe einer Erklärung verneint 1 0 8 4 und stattdessen angenommen, dass die Zustimmung nach Ablauf einer angemessenen Erklärungsfrist analog §§ 108 Abs 2, 117 Abs 2, 415 Abs 2 Satz 2 BGB als verweigert gilt. 1085 Dies entspricht der Rechtslage nach GmbH-Recht, 1 0 8 6 führt aber zu erheblicher Rechtsunsicherheit, weil die Angemessenheit der Frist vielfach schwierig zu beurteilen sein wird und eine erst nach Fristablauf erklärte Zustimmung wirkungslos sein soll. 1087

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KG JW 1939, 296; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 110; KK-Lutter2 33; MünchHdbAGWiesner2 § 14, 25; MünchKommAktGBayer2 90; Schinzler 40; Schönhofer 123. Buchetmann 104. So in KG JW 1939, 296. KG JW 1939, 296; KK-Lutter 1 33; MünchKommAktG-ßayer 2 90. OGHBrZ NJW 1950, 347; GroßKommGmbHG/Winter/Löbbe § 15, 227 mwN; ausdrücklich offen gelassen in BGHZ 15, 324, 330. 3. Aufl (Barz) 7; Baumbach/Hueck13 8; Küsters BankA 1937, 175, 176; ν Goditi/ Wilhelm;4 11; Wiedemann Übertragung 105. OGHBrZ NJW 1950, 347 (zur GmbH); 3. Aufl (Barz) 7; Küsters BankA 1937, 175, 176. Zutreffend Geßler/Hefermehl/Bungeroth 110; KK-Lutter2 33; Luther 74 f; aM ν Godin/Wilhelmi4 11.

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MünchKommAktG-ßayer 2 89. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 129; KK-Lutter 2 36; MünchKommAktG-ßayer 2 89; Schönhofer 128. GeßXed Hefermehl/Bungeroth 129; KK-Lutter 2 36; anders möglicherweise MünchKommAktG-Bnjmm5 Vor § 182, 13. AM Mehring BB 1953, 773, 774. Zum aufschiebend bedingten Kausalgeschäft siehe unten Rdn 507. Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 101; KK-Lutter 2 38; Wirth DB 1992, 617. RGZ 72, 290, 293; Gätsch in Hdb börsen-

1144

1145 1146 1147

not AG § 4, 101; MünchKommAktGBayer1 96; K. Schmidt FS Beusch 777. MünchKommAktG-Bayer2 96; aM LG Köln DB 1998, 2008. MiinchKommAktG-Bayer2 97. Geßlei/Hefermehl/Bungeroth 148. Gadow1 § 61, 16; so anscheinend auch Würdinger4 § 12 VI 2.

Stand: 1 . 6 . 2 0 0 8

(184)

Übertragung von Namensaktien, Vinkulierung

§68

„Botentheorie"). Beantragt dieser erfolgreich die Zustimmung der Aktiengesellschaft, so ist damit nur diese Übertragung genehmigt, während die dazwischen erfolgten Vorgänge unwirksam bleiben, was aus Sicht der Aktiengesellschaft sowie des Erstveräußerers und des Letzterwerbers grundsätzlich unschädlich ist. 1148 Nach zutreffender und heute herrschender Auffassung bezieht sich die Zustimmung der Aktiengesellschaft hingegen allein auf die Übertragung der Aktie von dem letzten Zwischenerwerber auf den jetzigen Erwerber, der gegenüber der Aktiengesellschaft im Rahmen des Antrags auf Zustimmung als solcher benannt wird. Der letzte Zwischenerwerber handelt bei dieser zu genehmigenden Übertragung im eigenen Namen, aber aufgrund einer impliziten und übertragbaren Verfügungsermächtigung (§ 185 BGB) des zuletzt in das Aktienregister eingetragenen Aktionärs. Die durch die Aktiengesellschaft erteilte Genehmigung macht folglich allein den letzten Erwerber zum Aktionär, nicht hingegen die Zwischenerwerber jeweils rückwirkend für ihre Besitzzeit.1149

499

Nicht unproblematisch ist die Beurteilung der Folgen der hier vertretenen Auffassung 5 0 0 für Kausalgeschäfte zwischen den Zwischenerwerbern innerhalb der Übertragungskette: Da die betreffenden Übertragungen, die in Erfüllung dieser Kausalgeschäfte (regelmäßig Kaufverträge) vorgenommen wurden, in Ermangelung der Genehmigung durch die Aktiengesellschaft dauerhaft unwirksam bleiben, haben die jeweiligen Veräußerer ihre schuldrechtliche Leistungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt. Im Ergebnis ist gleichwohl zu Recht anerkannt, dass die Zwischenerwerber aus diesem Umstand keine Ansprüche gegen ihre Vertragspartner herleiten können. 1150 Die Begründung fällt allerdings nicht ganz einfach. Man kann argumentieren, dass sich alle Beteiligten so behandeln lassen müssen, als seien die den einzelnen Veräußerungen zugrunde liegenden schuldrechtlichen Verträge erfüllt worden, weil durch die Genehmigung (nur) der letzten Übertragung im Ergebnis jedenfalls wirtschaftlich der gleiche Erfolg eintritt, als sei jede Zwischenübertragung ebenfalls genehmigt worden. 1151 2. Verweigerung der Zustimmung a) Rechtsfolgen für das dingliche Übertragungsgeschäft. Verweigert die Aktiengesell- 5 0 1 schaff ihre Zustimmung zu einer von der Vinkulierungsklausel erfassten Übertragung, so ist die Übertragung (dh das dingliche Erfüllungsgeschäft bzw der sonstige von Abs 2 abgedeckte Übertragungsvorgang) ex tunc unwirksam.1152 Diese Rechtsfolge tritt unabhängig davon ein, ob die Zustimmungsverweigerung zeitlieh vor oder nach Vornahme der Aktienübertragung erfolgt. Wird die beantragte Einwilligung (§ 183 BGB) versagt, ist die dennoch vorgenommene Verfügung von Anfang an

1148

1149

(185)

RG J W 1932, 2599; Baumbach/Hueck13 4; Blum J W 1932, 2648 ff; Möbring BB 1953, 773, 774; ν Berenberg-Gossler BB 1954, 427, 428; aM Nußbaum J W 1932, 3179, 3180; Kumpel WM 1983 Sonderbeilage 8, 3,7. 3. Aufl (Barz) 13; Degner 76; Ge&ei/Hefermehl/Bungeroth 148; Y.K-Lutter1 43; Rümpel WM 1983 Sonderbeilage 8, 3, 7; ν Godin/Wilhelmi4 6; E. Ulmer FS Schmidt-Rimpler 273; Wiedemann Übertragung 118, 125,127.

1150

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GeñerlHefermehl/Bungeroth 150; KK-Lutter2 43. GeñerlHefermehl/Bungeroth 150. RGZ 132, 149, 157; KG NZG 2003, 226, 227; Degner WM 1990, 793, 795; Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 93; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 137; Hüffer7 16; KK-Lutter 1 38; Kraft/Hönn 170; Mentz/Fröhling NZG 2002, 201, 203; MünchKommAktG-Bayer 2 98; Schrötter DB 1977, 2265, 2266; Wirth DB 1992, 617.

Hanno Merkt

502

§ 68

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

u n w i r k s a m . 1 1 5 3 W i r d hingegen die Genehmigung (§ 1 8 4 B G B ) verweigert, so wird die bereits v o r g e n o m m e n e und zunächst schwebend unwirksame Übertragung mit Z u g a n g der Verweigerungserklärung ( R d n 4 5 9 ) endgültig u n w i r k s a m . 1 1 5 4 U m die Verfügung des dinglichen Rechtsgeschäfts w i r k s a m werden zu lassen ist dann eine N e u v o r n a h m e erforderlich.1155 503

O b dies auch im Falle der unberechtigten Genehmigungsverweigerung gilt, ist wiederu m u m s t r i t t e n : 1 1 5 6 N a c h einer Auffassung vermag die rechtswidrig versagte Genehmigung den Z u s t a n d schwebender Unwirksamkeit nicht zu beenden, so dass eine spätere (von der Gesellschaft erteilte bzw durch rechtskräftiges Urteil gem § 8 9 4 Z P O ersetzte) Genehmigung zur W i r k s a m k e i t der Verfügung führt, o h n e dass eine Wiederholung des Übertragungsgeschäfts erforderlich w ä r e . 1 1 5 7 N a c h anderer Ansicht ist dagegen wie im Falle rechtmäßiger Genehmigungsverweigerung die N e u v o r n a h m e e r f o r d e r l i c h . 1 1 5 8 Eine Ausnahme soll lediglich für eine rechtsmissbräuchliche Verweigerung gelten, weil die Verweigerungserklärung in diesem Fall ihrerseits von vornherein nichtig w a r . 1 1 5 9

504

Unerheblich für das Eintreten der Rechtsfolgen der Zustimmungsverweigerung ist, o b dem Erwerber die Vinkulierung der N a m e n s a k t i e b e k a n n t w a r . 1 1 6 0 D e r gute Glaube k a n n die für die Übertragung der Aktien notwendige Z u s t i m m u n g der Aktiengesellschaft also nicht ersetzen. 1 1 6 1

505

Bei Verweigerung der Z u s t i m m u n g durch die Aktiengesellschaft bleibt der Veräußerer also Aktionär mit allen R e c h t e n und P f l i c h t e n 1 1 6 2 sowie Eigentümer der Aktienurkunde bzw des Z w i s c h e n s c h e i n s . 1 1 6 3

506

Die Unwirksamkeit der Übertragung gilt nach h M a b s o l u t , 1 1 6 4 dh nicht nur gegenüber der Aktiengesellschaft, sondern auch im Verhältnis der Vertragspartner untereinander und gegenüber D r i t t e n . 1 1 6 5 Gestützt wird dies zum einen auf den Wortlaut des Abs 2 , der die Bindung der Übertragung an die Z u s t i m m u n g der Gesellschaft o h n e jede Einschränkung z u l ä s s t . 1 1 6 6 Hinzu k o m m t , dass der Veräußerer hinsichtlich der Mitgliedschaft im Innenverhältnis anderenfalls dem Willen des Erwerbers untergeordnet und die

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Degner WM 1990, 793, 795; Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 93; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 137; KK-Lutter 2 38; Mentz/Fröhling NZG 2002, 201, 203; MünchKommAktG-ßayer 2 98; Schrötter DB 1977, 2265, 2266; Wirth DB 1992, 617. GeßledHefermehl/Bungeroth 137; Hüffer7 16; KK-Lutter 2 38; Kraft/Hönn 170; MünchKommAktG-Bayer 2 98. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 137; Hüffer7 16; KK-Lutter 2 38. Dazu MünchKommAktG-Bayer 2 99. K. Schmidt FS Beusch 779. GeßlerIHefermehl/Bungeroth 137; Schönhofer 131; für die KG so auch BGHZ 13, 179, 187. Geß\erl Hefermehl/Bungeroth 138; Hüffer 16; KK-Lutter2 37-^Schönhofer 131. Hennerkes/May DB 1988, 537, 538; Küsters BankA 1937, 175, 178. 3. Aufl (Barz) 4; Buchetmann 115; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 151; Hennerkes/May

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DB 1988, 537, 538; Küsters BankA 1937, 175, 178. RGZ 132, 149, 157; RG J W 1928, 1552, 1553; Degner WM 1990, 793, 795; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 140; Hennerkes/May DB 1988, 537, 538; Schrötter DB 1977, 2265, 2266; Wiedemann Übertragung 118. RGZ 132, 149, 157; Degner WM 1990, 793, 795; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 140; Schrötter DB 1977, 2265, 2266; E. Ulmer FS Schmidt-Rimpler 272. BGHZ 13, 179, 187; 3. Aufl (Barz) 12; Buchetmann 116; Degner AG 1963, 122; Geß\et/Hefermehl/Bungeroth 140; KK-Lutter 2 39; MünchKommAktG-Bayer 2 100; Schönhofer 63; Schrötter DB 1977, 2265, 2 2 6 7 ; Wirth DB 1992, 617; Wiedemann Übertragung 118. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 140; Wirth DB 1992, 617. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 140; Wirth DB 1992, 617.

Stand: 1 . 6 . 2 0 0 8

(186)

Übertragung von Namensaktien, Vinkulierung

§68

Aktiengesellschaft damit doch fremdem Einfluss unterworfen wäre, den die Vinkulierung gerade verhindern s o l l . 1 1 6 7 Eine M i n d e r m e i n u n g meint demgegenüber, dass nur relative Unwirksamkeit im Verhältnis des Aktionärs zur Aktiengesellschaft e i n t r i t t . 1 1 6 8 b) Auswirkungen auf das schuldrechtliche Kausalgeschäft. Die Wirksamkeit des der

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Übertragung zugrunde liegenden Kausalgeschäfts, bei dem es sich idR u m einen Kaufvertrag handelt, bleibt von der Versagung hingegen u n b e r ü h r t . 1 1 6 9 Etwas anderes gilt nur, wenn der schuldrechtliche Vertrag durch die Parteien unter den V o r b e h a l t des R ü c k tritts für den Fall der Zustimmungsverweigerung gestellt wurde bzw wenn der Vertrag unter einer entsprechenden auflösenden Bedingung (§ 1 5 8 Abs 2 B G B ) abgeschlossen w u r d e . 1 1 7 0 Für die Praxis wird eine entsprechende Gestaltung zwar e m p f o h l e n ; 1 1 7 1 o h n e entsprechende eindeutige Vertragsregelung k a n n sie aber nicht unterstellt w e r d e n . 1 1 7 2 Beim K a u f der Aktie über die Börse ist die A u f n a h m e einer solchen Bedingung ohnehin ausgeschlossen.1173 Ist das Kausalgeschäft (wie im Regelfall) unbedingt abgeschlossen w o r d e n , so richtet sich die H a f t u n g des Verkäufers vorrangig nach den vertraglichen V e r e i n b a r u n g e n 1 1 7 4 und subsidiär nach den gesetzlichen Bestimmungen über den Rechtskauf (§ 4 5 3 B G B ) . Die überwiegende Ansicht qualifiziert die aus der Zustimmungsverweigerung resultierende Folge für die Übertragung der N a m e n s a k t i e im Anschluss an die h M zur Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung zum Jahresbeginn 2 0 0 2 1 1 7 5 als Rechtsmangel iSv § 4 3 5 Satz 1 B G B . 1 1 7 6

508

Umstritten ist schließlich, aus welchen Vorschriften die R e c h t e des Käufers (Rücktritt vom Kaufvertrag bzw Anspruch auf S c h a d e n s e r s a t z 1 1 7 7 ) abzuleiten sind. N a c h einer Auffassung soll bei Vorliegen einer endgültigen Zustimmungsverweigerung 1 1 7 8 auf die Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung (§§ 4 3 7 N r 3 , 2 8 0 , 2 8 3 B G B bzw §§ 4 3 7 N r 2 , 3 2 6 Abs 5 B G B ) abzustellen s e i n . 1 1 7 9 D a b e i knüpft m a n an die nach altem Schuldrecht herrschende Einordnung als Fall der U n m ö g l i c h k e i t 1 1 8 0 an. D a n e b e n wird dem durch die Aktiengesellschaft abgewiesenen Bewerber gestattet, nach erfolgter Z u s t i m -

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3. Aufl (Ban) 12; Geßler/Hefermehi/Bungeroth 140; Wiedemann Übertragung 118. Bruns AG 1962, 332; ähnlich E. Ulmer FS Schmidt-Rimpler 271 f; zur „Spaltungstheorie" des schweizerischen Rechts Schrötter DB 1977, 2265, 2266 f. Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 101; Geßler/Hefermehi/Bungeroth 141; Hüffer7 16; Küsters BankA 1937, 175, 178; MünchI IdbAG- Wiesner3 ξ 14, 27; MiinchKommhktG-Bayer1100 f; Obermüller NJW 1962, 852; Schlegelberger/Quassowski AktG 2 § 61, 10; Schrötter DB 1977, 2265, 2266; Wirth DB 1992, 617; Würdinger4 § 12 VI 3.

1172

RGZ 132, 149, 157; 3. Aufl (Barz) 12; Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 101; GeßlerIHefermehi/Bungeroth 141; Hüffer7 16; KK-Lut ter 2 41; Schlegelberger/ Quassowski AktG 2 § 61, 10; Schrötter DB 1977, 2265, 2266; Wirth DB 1992, 617; Würdinger4 § 12 VI 3.

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Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 101; Würdinger4 § 12 VI 3.

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1177

1179 1180

E. Ulmer FS Schmidt-Rimpler 270; vgl auch MünchKommAktG-Beyer 2 101: in der Praxis sei die Vereinbarung einer Bedingung selten. KK-Lutter 1 41; MünchKommAktG-ßayer 2 101; Wiedemann Übertragung 113. Geßler/Hefermehi/Bungeroth 141. RG Recht 1921 Nr. 521; KK-Lutter2 41; Wirth DB 1992, 617. Hüffer7 16; MünchHdbAG-Wi'es«er3 § 14, 28; MünchKommAktG-ßayer 2 103. Hüffer7 16; KK-Lutter2 41; MünchHdbAG-Wiesner 3 § 14, 28; MünchKommAktG-Bayer 2 102. Zur (unsicheren) Bestimmung der „Endgültigkeit" Geßler/Hefermehi/Bungeroth 142 f; MünchHdbAG-W¿ewr 3 § 14, 28. MünchKommAktG-ßayer 2 102. 3. Aufl (Barz) 12; Degner 107; Geßler/ Hefermehi/Bungeroth 142 ff; Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski2 § 72, 79; KK-Lutter 2 41; Schönhofer 133.

Hanno Merkt

§68

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

mungsverweigerung seinen Erfüllungsanspruch aus dem Kaufvertrag (bzw aus einem Vermächtnis oder einer Schenkung) an einen Dritten (ggfs entgeltlich) abzutreten. 1 1 8 1 510

Der Qualifikation der endgültigen Zustimmungsverweigerung als Fall der Unmöglichkeit (§ 275 Abs 1 BGB) kann nach geltendem Schuldrecht vor allem deshalb nicht zugestimmt werden, weil sie eine sachgerechte Abwicklung des gescheiterten Kausalgeschäftes erschwert. Die Anwendung der Unmöglichkeitsregeln hat nämlich zur Folge, dass mit Zugang der Zustimmungsverweigerungserklärung (Rdn 4 5 9 ) sowohl der Übereignungsanspruch des Aktienerwerbers (§ 2 7 5 Abs 1 BGB) als auch der Zahlungsanspruch des veräußernden Aktionärs (§ 326 Abs 1 Satz 1 BGB) ipso iure erlöschen. 1 1 8 2 Dies resultiert etwa dann in - vermeidbaren - Schwierigkeiten, wenn die Aktiengesellschaft ihre Entscheidung später ändert 1 1 8 3 oder eine der Vertragsparteien die Aktiengesellschaft erfolgreich auf Erteilung der Zustimmung verklagt (Rdn 514, 518) und die Zustimmungserklärung daher gemäß § 894 Abs 1 Satz 1 ZPO durch das gerichtliche Urteil ersetzt wird. In diesem Fall geht die Genehmigung der Übertragung ins Leere und den Vertragsparteien bleibt nur die Möglichkeit, das Kausalgeschäft zu wiederholen, was namentlich bei börsennotierten Namensaktien mit volatilen Kursen nicht oder nicht zu denselben Konditionen möglich sein wird.

511

Weitere Schwierigkeiten ergeben sich bei Zustimmungsverweigerungserklärungen, die durch den Vorstand pflichtwidrig abgegeben wurden (Rdn 451). Hier müsste geklärt werden, auf welche Vertragsparteien es bei der Beurteilung der Evidenz des Pflichtenverstoßes ankommt. Denn hiervon hängt auch die Unmöglichkeit der Aktienübertragung ab. Schließlich erscheint problematisch, dass bei Kettenveräußerungen nachträglich auch die Erfüllung der Leistungspflichten zwischen diversen Zwischenerwerbern (Rdn 4 9 7 f) unmöglich würde und die sachgerechte Option des Käufers zur Abtretung seines Erfüllungsanspruches bei Anwendung des S 2 7 5 Abs 1 B G B nicht begründbar ist, weil der Primäranspruch nach dieser Vorschrift ohne Einflussmöglichkeit des Käufers erlischt. 1 1 8 4 Die besseren Gründe sprechen daher für eine Einordnung als Fall der Nichtleistung, weshalb sich die Käuferrechte aus §§ 4 3 7 Nr 3, 2 8 0 , 281 BGB (Schadensersatz) und §§ 4 3 7 Nr 2, 3 2 3 BGB (Rücktritt) ergeben. 1 1 8 5

512

Die Käuferrechte aufgrund einer gescheiterten Übertragung von vinkulierten Namensaktien können schließlich im Einzelfall durch vertragliche oder gesetzliche Bestimmungen ausgeschlossen sein. Zu nennen sind insoweit zunächst die Geschäftsbedingungen der Wertpapierbörsen, denen zufolge bei einer Zustimmungsverweigerung grundsätzlich kein Anspruch des Käufers auf Kaufpreisrückzahlung oder Schadensersatz besteht. 1 1 8 6 Die Bestimmung des § 2 5 der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse 1 1 8 7 schließt entsprechende Ansprüche aus und legt fest, dass in Fällen, in denen die Übertragung von Namensaktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist, die Verweigerung der Zustimmung dem Käufer keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises oder auf Schadenersatz gibt, es sei denn, dass die Verweigerung auf einem Mangel beruht, der den Indossamenten, der Blankozession oder dem Blankoumschreibungsantrag anhaftet. Der Erwerber ist danach jedoch zur Übertragung der Namensaktie an einen Dritten ermächtigt. Entsprechende Bestimmungen sind in Börsenbedingungen be-

1181

1182

GeßlerIHefermehl/Bungeroth 144; KK-Lutter 2 42; Wiedemann Übertragung 119 f. Insoweit zutreffend MünchKommAktG-

1184

1185 1186

Bayer2 105.

Π83 Yg[ hierzu E. Ulmer FS Schmidt-Rimpler 273.

1187

MünchKommAktG-ßayer 2 105.

Hü ff er7 16. Kossmann BB 1985, 1364; GeßlerIHefermehl/Bungeroth 165; Wirth DB 1992, 617, 618. Abgedruckt bei Kiimpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennz 4 5 0 .

Stand: 1 . 6 . 2 0 0 8

(188)

Übertragung von Namensaktien, Vinkulierung

§68

reits seit geraumer Zeit enthalten. 1 1 8 8 Die Wirksamkeit dieses Ausschlusses ist allerdings umstritten. 1 1 8 9 Zudem können Rechte des Käufers aufgrund von § 4 4 2 Abs 1 B G B entfallen, wenn der Käufer von der Vinkulierung Kenntnis hatte. 1 1 9 0 3. Rechtsschutz im Falle der Zustimmungsverweigerung a) Klageerhebung durch veräußerungswilligen Aktionär. Im Falle der ZustimmungsVerweigerung ist nach allgM der veräußerungswillige Aktionär berechtigt, gegen die Aktiengesellschaft Klage zu erheben. 1 1 9 1 Dass dem veräußerungswilligen Gesellschafter ein klagbarer Anspruch zusteht, findet seine dogmatische Begründung darin, dass Klagegrundlage die Treuepflicht gegenüber einem Mitgesellschafter ist. 1 1 9 2

513

In Betracht kommt zum einen eine Leistungsklage mit dem Ziel der Zustimmungserteilung 1 1 9 3 und zum anderen eine Klage auf Schadensersatz. 1 1 9 4 Lautet das Klageziel auf Leistung von Schadensersatz, so kann dieser zum einen gemäß § 2 4 9 B G B in Naturalrestitution (also wiederum Erteilung der Zustimmung) bestehen 1 1 9 5 oder aber in Schadensersatz in Geld. 1 1 9 6 Der Schaden des Veräußerers kann dabei auch darin bestehen, dass er sich Ersatzansprüchen seines Vertragspartners aus dem Kaufvertrag ausgesetzt sieht. 1 1 9 7 Alternativ ist auch eine Klage auf Feststellung möglich, dass die Übertragung ohne Zustimmung der Gesellschaft wirksam war. 1 1 9 8

514

Die Klage ist begründet, wenn die Verweigerung der Zustimmung durch die Aktiengesellschaft unberechtigt war, 1 1 9 9 was im Einzelnen von der Ausgestaltung der Vinkulierung abhängt.

515

b) Klageerhebung durch Erwerber aa) Klage aus eigenem Recht. Weitgehend anerkannt ist, dass der Erwerber gegen die Aktiengesellschaft Klage auf Schadensersatz gemäß § 8 2 6 B G B erheben k a n n , 1 2 0 0 die jedoch nur dann Erfolg haben wird, wenn die Zustimmung zur Übertragung der Namensaktien in sittenwidriger Weise verweigert wurde. 1188 V g i Möhring BB 1953, 773 zu den Bedingungen der Frankfurter Börse vom 15.2.1938. 1,89

1190

1191

1192

1193

1194

Für die Wirksamkeit 3. Aufl (Barz) 12; Gtß\tdHefermehl/Bungeroth 166; aM KK-Lutter 41; Schönhof er 146 f. Hüffer7 16; KK-Lutter 1 41; MünchHdbAG- Wiesner3 § 14, 28; MünchKommAktG-Bayer2 103. Degner WM 1990, 793, 796; Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 102; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 147; GroßKomm/Hewze/ Notz 4 § 53a, 123; MünchKommAktGBayer2 106; D. Uhlenbruck DB 1967, 1927, 1928 KK-Lutter 2 37; Schinzler 50; ν Codini Wilhelmi4 12; H. P. Westermann FS Huber 1013. Degner WM 1990, 793, 796; Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 102; GroßKomm/ Henze/Notz4 § 53a, 123; MiinchKommAktG-Bayer 2 106; D. Uhlenbruck DB 1967, 1927, 1928.

(189)

1195 1196

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1198 1199

1200

Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 102; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 147; MünchHdbAG- Wiesner3 § 14, 29; MünchKommAktG-Bayer2 106. Degner WM 1990, 793, 796. Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 102; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 147; KK-Lutter 2 37; MünchHdbAG-Wiesner3· § 14, 29; MünchKommAktG-Bayer2 108; zweifelnd Kossmann BB 1985, 1364, 1367. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 147; KK-Lutter2 37; Schinzler 50; zweifelnd Kossmann BB 1985, 1364, 1367. MünchKommAktG-Bayer2 58. Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 102; MiinchKomm AktG-Bayer 2 107. 3. Aufl (Barz) 10; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 147; MünchHdbAG-Wiesner 2 § 14, 32; MiinchKommAktG-Bayer2 109; Schönhofer 130; Η. P. Westermann FS Huber 1013: „Notausgang".

Hanno Merkt

516

§68 517

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Ein eigener Anspruch gegen die Gesellschaft auf Erteilung der Zustimmung steht dem E r w e r b e r hingegen nach h M nicht z u , 1 2 0 1 weil sich ein solcher Anspruch nur aus der Mitgliedschaft ergeben k a n n . 1 2 0 2 Sehr umstritten ist, o b der Erwerber sich die Ansprüche des Veräußerers gegen die Aktiengesellschaft g e m ä ß § 3 9 8 B G B abtreten lassen und sodann im eigenen N a m e n geltend m a c h e n k a n n . Dies wird teilweise für möglich geh a l t e n , 1 2 0 3 überwiegend j e d o c h unter überzeugendem Verweis auf das Abspaltungsverbot abgelehnt.1204

518

bb) Klage in gewillkürter Prozessstandschaft. D e r E r w e r b e r kann allerdings in gewillkürter Prozessstandschaft gegen die Aktiengesellschaft auf Z u s t i m m u n g zur Übertragung und auf Eintragung in das Aktienbuch k l a g e n . 1 2 0 5 Voraussetzung ist nach allgemeinen Regeln lediglich, dass eine Ermächtigung des materiell berechtigten Veräußerers vorliegt und mit der Klage ein eigenes Interesse des Erwerbers verfolgt w i r d . 1 2 0 6 D a s Abspaltungsverbot steht dem in dieser Konstellation nicht e n t g e g e n , 1 2 0 7 weil eine Klage in gewillkürter Prozessstandschaft nicht voraussetzt, dass der geltend gemachte Anspruch a b t r e t b a r i s t . 1 2 0 8 Die notwendige Ermächtigung wird im Falle der Veräußerung börsennotierter Aktien v o m Veräußerer regelmäßig konkludent erteilt s e i n . 1 2 0 9

IX. Schuldrechtliche Abreden mit Vinkulierungsbezug 519

Die Vinkulierung ihrer N a m e n s a k t i e n durch eine Aktiengesellschaft stellt sich in der Praxis regelmäßig nicht als isolierter rechtlicher Vorgang mit dinglicher W i r k u n g dar, sondern ordnet sich ein in eine Vielzahl schuldrechtlicher Rechtsbeziehungen, die ebenfalls den Z w e c k der K o n t r o l l e des Einflusses auf die Aktiengesellschaft verfolgen k ö n n e n und insofern einen vinkulierungsnahen Regelungsgehalt aufweisen. Es lässt sich in dieser Hinsicht zwischen vinkulierungsergänzenden und -ersetzenden Abreden einerseits (Rdn 5 2 0 ff) und vinkulierungsumgehenden Abreden andererseits (Rdn 5 2 8 ff) unterscheiden. 1. Vinkulierungsergänzende und -ersetzende Abreden

520

Die vielfältigen Grenzen, denen die statutarische Vinkulierung von N a m e n s a k t i e n aufgrund der abschließenden N a t u r der gesetzlichen Vorgaben des Abs 2 unterliegt, lassen häufig eine umfassende Verwirklichung des von der Aktiengesellschaft oder ihren Aktio-

1201

1202

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1205

Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 102; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 147; GroßKommIHenze/Notz 4 S 53a, 133; MiinchHdbAG- Wiesner3 § 14, 29; Schinzler 47; ν Godin/Wilhelmi4 12. ν Godin/Wilhelmi4 12; Wirth DB 1992, 617, 621. Immenga AG 1992, 105, 107; MünchHdbAG-Wiesner 2 § 14, 32. Berger ZHR 157 (1993), 31, 40; Gätsch in Hdb börsennot AG S 4, 102; Wirth DB 1992, 617, 621; in diese Richtung auch MünchKommAktG-Bayer 2 109: „sehr fraglich". LG Aachen AG 1992, 410; LG Düsseldorf AG 1989, 332; Berger ZHR 157 (1993), 31,

1206

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41 ff; GroßKommJHenze/Notz4 § 53a, 133; Immenga AG 1992, 105, 108 f; MünchHäbkG-Wiesner2 § 14, 28; MünchKommAktG-Bayer 1 110; Schinzler 47 f; Schönhofer 130 f; Schroeter AG 2007, 854, 861; aM Wirth DB 1992, 617, 621. BGHZ 100, 217, 218; Berger ZHR 157 (1993), 31, 43 f; MünchKommAktGBayer2 110. MünchKommAktG-Bayer 2 110; Berger ZHR 157 (1993), 31, 41 ff; aM Wirth DB 1992, 617, 621. Leipold in Stein/Jonas ZPO 2 1 Vor § 50, 43a. LG Aachen AG 1992, 410; MünchKommAktG-ßijyer 2 110; Schinzler 49.

Stand: 1 . 6 . 2 0 0 8

(190)

Übertragung von Namensaktien, Vinkulierung

§68

nären angestrebten Vinkulierungszweckes (Rdn 199 ff) nicht zu. Aus diesem Grund sind in der Praxis schuldrechtliche Vereinbarungen mit Aktionären verbreitet, durch welche die Schwächen der satzungsmäßigen Vinkulierung ausgeglichen werden sollen. Nach dem Zweck der jeweiligen schuldrechtlichen Vereinbarung lässt sich dabei 521 unterscheiden zwischen vinkulierungsergänzenden Abreden, die zusätzlich zu einer bestehenden Vinkulierung nach Abs 2 getroffen werden, 1 2 1 0 und vinkulierungsersetzenden Abreden, die im konkreten Fall eine satzungsmäßige Vinkulierung überflüssig erscheinen lassen. a) Typologie vinkulierungsergänzender und -ersetzender Abreden. Regelmäßig werden entsprechende Abreden zwischen verschiedenen Aktionären getroffen (Aktionärsvereinbarungen),1211 jedoch können vinkulierungsergänzende oder -ersetzende Abreden nach überwiegender Ansicht auch gegenüber der Aktiengesellschaft selbst eingegangen werden. 1212 Auf praktische Schwierigkeiten trifft eine nachträgliche Begründung beider Vereinbarungsarten naheliegenderweise bei Aktiengesellschaften, die sich im Streubesitz befinden. 1213

522

Typischerweise enthalten vinkulierungsergänzende oder -ersetzende Abreden Verfügungsbeschränkungen. 1214 Denkbar ist aber auch eine Vielzahl anderer Gestaltungsvarianten. Beispiele für zulässige schuldrechtliche Abreden sind etwa die Vereinbarung von Vorkaufs- und Ankaufsrechten zwischen Aktionären, 1215 Veräußerungsverböte, 1216 die Verpflichtung zur Einbringung der Aktien in einen Pool (BGB-Gesellschaft), 1217 Anbietungs- und Übertragungspflichten für Aktionäre, 1218 die Verpflichtung, Abtretungen nur unter Beachtung bestimmter Formerfordernisse vorzunehmen, 1219 die Vereinbarung zwischen Aktionären, wonach die Aktien ausscheidender Aktionäre auf die verbleibenden Aktionäre bzw auf von ihnen zu bestimmende Personen übergehen, verbunden mit einem Verbot der Abtretung der Aktien an andere Personen, 1220 sog Schutzgemeinschaftsverträge, 1221 schuldrechtliche Haltepflichten für Aktien 1 2 2 2 oder schließlich die schuldrechtliche Pflicht zur Übertragung gepfändeter Namensaktien (etwa auf die Aktiengesellschaft, einen Aktionär oder einen sonstigen Dritten. 1 2 2 3

523

Entsprechende schuldrechtliche Vereinbarungen können nicht nur individuell zwischen einzelnen Aktionären, sondern auch als satzungsergänzende schuldrechtliche Nebenabrede mit Wirkung für alle zustimmenden Aktionäre getroffen werden, 1 2 2 4 die dabei sogar der

524

1210 1211

1212

1213 1214

1215

MittBayNot 2006, 281, 285; Schanz NZG 2000, 337, 341.

Vgl M a y e r

Immenga AG 1992, 79, 80; KK-Lutter1 27; Lutter/Schneider ZGR 1975, 182, 187; Mayer MittBayNot 2006, 281, 282; Schanz NZG 2000, 337, 341. Baumann/Reiss ZGR 1989, 157 ff; Barthelmeß/Braun AG 2000, 172 ff; MiinchKommAktG-Bayer 2 41; Schanz NZG 2000, 337, 341; aM Immenga AG 1992, 79, 83; Otto AG 1991, 369, 374. Schanz NZG 2000, 337, 341. Mayer MittBayNot 2006, 281, 284; MünchKommAktG-Bayer 2 41; Schanz NZG 2000, 337, 341. Böttcher/Beinert/Hennerkes DB 1971, 1998, 1999; Gätsch in Hdb börsennot AG S 4, 97; KK-Lutter 2 23; Mayer MittBayNot

(191)

1216 1217

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1219 1220 1221

1222 1223 1224

2006, 281, 285; MünchKommAktG-Bayer 2 41; Schanz NZG 2000, 337, 341. Mayer MittBayNot 2006, 281, 285. Mayer MittBayNot 2006, 281, 283; MünchKommAktG-Bayer 2 41. Böttcher/Beinert/Hennerkes DB 1971, 1998, 2000; Schanz NZG 2000, 337, 341; H.P. Westermann FS Huber 1001. Stupp NZG 2005, 205, 207. Vgl. KG NZG 2003, 226, 227. Böttcher/Beinert/Hennerkes DB 1971, 1998, 2000 ff; Capelle BB 1954, 1076,1078; Mayer MittBayNot 2006, 281, 283. Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 97. KK-Lutter 1 22. MünchKommAktG-ßayer 2 41; MünchKommAktG-Peniz 2 § 23, 189; Stupp NZG 2005, 205, 207.

Hanno Merkt

§ 68

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Satzung etwa als Anhang beigefügt sein kann. 1 2 2 5 Eine entsprechende vinkulierungsergänzende oder -ersetzende Abrede stellt rechtlich allerdings weiterhin lediglich eine schuldrechtliche Vereinbarung dar, ohne Teil der Satzung zu werden und ohne deren Regelungen direkt (nach Eintragung in das Handelsregister) oder auch nur entsprechend (qua Änderung durch Mehrheitsbeschluss) zu unterliegen. 1226 Auch Außenwirkung entfaltet eine satzungsergänzende Abrede nicht. 1227 525

b) Rechtliche Zulässigkeit und Regelungswirkung. Entsprechende Verpflichtungen eines Aktionärs sind nach dem Grundsatz der Privatautonomie zulässig. Voraussetzungen und Grenzen des Abs 2 sind insoweit nicht maßgeblich. 1228 526 Schuldrechtliche Nebenabreden dieser Art zeichnen sich in ihrer Regelungswirkung gegenüber einer Vinkulierung nach Abs 2 allerdings durch gewisse Nachteile aus. Während die Vinkulierung die Übertragung der Namensaktie mit dinglicher Wirkung verhindert und daher eine gesetzlich geregelte Ausnahme zu § 137 Satz 1 BGB darstellt, 1229 führt eine vinkulierungsergänzende oder -ersetzende Abrede im Falle des Zuwiderhandelns allenfalls zu einem Schadensersatzanspruch (§ 137 Satz 2 BGB), ohne jedoch die Verfügungsmöglichkeit des Aktionärs zu beeinträchtigen. 1230 Eine unter Verletzung einer Aktionärsvereinbarung vorgenommene Übertragung ist folglich im Außenverhältnis wirksam. 1231 527 Die Praxis versucht, diese Schwäche durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe zu kompensieren. 1232 Die Durchsetzung des Unterlassungsanspruches, der sich aus einer schuldrechtlichen Abrede ergibt, kommt hingegen selbst im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes (etwa durch Erwirkung eines gerichtlichen Veräußerungsverbotes im Wege einer einstweiligen Verfügung) regelmäßig zu spät. 1 2 3 3 Eine wirksame Sicherung vinkulierungsergänzender oder -ersetzender Abreden ist im Ergebnis letztlich nur durch ergänzende Vereinbarung einer treuhänderischen Verwaltung der Namensaktien (etwa in einem Pool) zu erreichen. 1234 2. Vinkulierungsumgehende Abreden 528

Eine vinkulierungsumgehende Abrede liegt dann vor, wenn ein unter Beteiligung eines Aktionärs abgeschlossenes Rechtsgeschäft zwar keinen iSd Abs 2 verfügenden Charakter besitzt, aber zwecks Umgehung einer Vinkulierungsklausel zumindest in wirtschaftlicher Sicht einen ähnlichen Erfolg anstrebt. 1235 Im Gegensatz zu vinkulierungsergänzenden oder -ersetzenden Abreden (Rdn 520) sind vinkulierungsumgehende Abreden nach über-

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Capelle BB 1954, 1076, 1078; Lutter/ Schneider ZGR 1975, 182, 187. Lutter/Schneider ZGR 1975, 182, 187; Mayer MittBayNot 2006, 281, 282. Immenga AG 1992, 79, 80; MünchKommAktG-Peniz 2 § 23, 189; Stupp NZG 2005, 205, 207. Immenga AG 1992, 79, 80; Heidel/ Heinrich2 10; KK-Lutter 2 23; Mayer MittBayNot 2006, 281, 282; MünchKommAktG-ßayer 2 41; Schanz N Z G 2000, 337, 341; ν Godin/Wilhelmi4 § 54, 10. Liebscher ZIP 2003, 825; MünchKoramAktG-Bayer 2 42. Heidel/Heinrich 2 10; Lutter/Schneider ZGR 1975, 182, 187; MünchKommAktG-

1231

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1233 1234

1235

Bayer1 42; Schanz NZG 2000, 337, 341; Stupp NZG 2005, 205, 207. Immenga AG 1992, 79, 80; Stupp NZG 2005, 205, 207. Immenga AG 1992, 79, 80; MünchKommAktG-Bayer 2 42. MünchKommAktG-Bayer 2 42. Lutter/Schneider ZGR 1975, 182, 187; MünchKommAktG-Bayer 2 42; D. Uhlenbruch DB 1967, 1927, 1930. Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 103; Haarmann/Schüppen/Röfc 2 § 33, 104; HeideV Heinrich2 15; Hüffer7 12; Liebscher ZIP 2003, 825, 827 ff; Lutter/Grunewald AG 1989, 109, 111 ff; Otto DB 1988 Beil 12, 1, 6; Sieveking/Technau AG 1989, 17, 18 f.

Stand: 1.6.2008

(192)

Übertragung von Namensaktien, Vinkulierung

§68

wiegender Ansicht a u f g r u n d ihres U m g e h u n g s c h a r a k t e r s unzulässig, w o b e i die Rechtsfolgen im Einzelnen u m s t r i t t e n sind (dazu n o c h R d n 5 3 3 ) . V i n k u l i e r u n g s u m g e h e n d e A b r e d e n k ö n n e n zwischen verrschiedenen A k t i o n ä r e n get r o f f e n w e r d e n , zeichnen sich jedoch typischerweise d a d u r c h aus, dass neben einem o d e r m e h r e r e n A k t i o n ä r e n z u m i n d e s t ein gesellschaftsfremder Dritter beteiligt ist, dessen A k t i e n e r w e r b d u r c h die u m g a n g e n e s a t z u n g s m ä ß i g e V i n k u l i e r u n g v e r h i n d e r t w i r d .

529

Als Beispiele sind insbesondere Stimmrechtsvollmachten, 1 2 3 6 Stimmbindungsverträge 1 2 3 7 u n d T r e u h a n d v e r e i n b a r u n g e n 1 2 3 8 zu n e n n e n . Unter U m s t ä n d e n k o m m t a u c h ein Gesellschafterwechsel in einer Mitgliedschaftsgesellschaft in Betracht ( „ m i t t e l b a r e Ü b e r t r a g u n g " der N a m e n s a k t i e ; d a z u bereits in R d n 2 8 6 f ) . 1 2 3 9

530

a) Umgehungscharakter schuldrechtlicher Abreden. Bei der Beurteilung des U m gehungscharakters der schuldrechtlichen A b r e d e k o m m t es m a ß g e b l i c h auf den Zweck a n , d e m die k o n k r e t e V i n k u l i e r u n g bei objektiver B e t r a c h t u n g dient (dazu s c h o n R d n 199 f f ) . 1 2 4 0 Dieser Z w e c k m u s s d u r c h das U m g e h u n g s g e s c h ä f t beeinträchtigt oder vereitelt w e r d e n . 1 2 4 1 Eine U m g e h u n g s a b s i c h t ist nicht e r f o r d e r l i c h . 1 2 4 2 Ist der Vinkulier u n g s z w e c k d u r c h das k o n k r e t e R e c h t s g e s c h ä f t nicht b e t r o f f e n , so scheidet eine E i n o r d n u n g als U m g e h u n g s g e s c h ä f t a u s . 1 2 4 3 Allerdings w i r d dies s c h o n d e s h a l b n u r selten der Fall sein, weil sich viele Vinkulierungsklauseln in aller Regel nicht ausschließlich auf einen einzigen Z w e c k richten (Rdn 414). Keine Umgehung des Abs 2 stellen regelmäßig solche schuldrechtliche A b r e d e n dar, die die Position des E r w e r b e r s im Hinblick auf G e w i n n - u n d Bezugsrechte sowie auf den Erlös aus einer (genehmigten) V e r ä u ß e r u n g an einen D r i t t e n betreffen, weil hiervon der Regelungszweck von V i n k u l i e r u n g e n typischerweise nicht b e t r o f f e n w i r d . 1 2 4 4

531

Entscheidend ist letztlich die Auslegung der Vinkulierungsklausel im Einzelfall. U m g e h u n g s c h a r a k t e r a n g e n o m m e n wird bei einer Stimmrechtsvollmacht zugunsten eines von der Aktiengesellschaft abgewiesenen A k t i e n e r w e r b e r s d a n n , w e n n die V i n k u l i e r u n g die F e r n h a l t u n g u n e r w ü n s c h t e r Fremdeinflüsse z u m Ziel h a t u n d die Stimmrechtsvollm a c h t d e m Bevollmächtigten die Verfolgung eigener Z w e c k e bei der S t i m m a b g a b e ermöglichen soll. 1 2 4 5 Dasselbe m u s s unter d e n g e n a n n t e n Voraussetzungen a u c h f ü r

532

1236

1237

1238

RGZ 132, 149, 159; Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 103; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 157; Heidel/Heinrich 2 15; Liebscher ZIP 2003, 825, 826; MünchKommAktGBayer2 117. Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 103; Geß\er/Hefermehl/Bungeroth 158; Haarmann/Schüppen/Rö^ 2 § 33, 104; Heidel/ Heinrich2 15; Hüffer7 12; Liebscher ZIP 2003, 825, 826; Lutter/Schneider ZGR 1975, 182, 186; MünchKommAktG-Bayer 2 117; Otto DB 1988 Beil 12, 1, 6. Gätsch in Hdb börsennot AG § 4, 102; Ge&er/Hefermehl/Bungeroth 159 f; Heidel/Heinrich 1 15; KK-Lutter 1 48; Liebscher ZIP 2003, 825, 826; Lutter/ Schneider ZGR 1975, 182, 186 (bei strikter Bindung des „Veräußerers" an Weisungen des „Erwerbers"); MünchKommAktGBayer1 117; Schinzler 51; Sieveking/ Technau AG 1989, 17, 19.

(193)

1239

Asmus 143 f; Heidel/Heinrich 2 15; Liebscher ZIP 2003, 825, 826. 1240 Asmus 25. 1241 Geßler/Hefermehl!Bungeroth 156; Liebscher ZIP 2003, 825, 828; MünchKommAktG-ßayer 2 118. 1242 Liebscher ZIP 2003, 825, 832; Lutterl Grunewald AG 1989, 109, 110; MünchKommAktG-ßayer 2 117. 1243 Q e ß[ e r /Hefermehl/Bungeroth 156. 1244 Geßler/Hefermehl/Bungeroth 160; Lutter/Schneider ZGR 1975, 182, 186; MünchKommAktG-ßayer 2 118; aM Lutter/Grunewald AG 1989, 109, 114. 1245 RGZ 132, 149, 159; Degner 78 f; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 157; Schönhofer 81 f; Schrötter DB 1967, 2267; Wiedemann Übertragung 119.

H a n n o Merkt

§ 68

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft u n d Gesellschafter

Stimmbindungsverträge gelten. 1 2 4 6 Bei schuldrechtlichen Treuhandvereinbarungen, die nicht zur (bereits unmittelbar von Abs 2 erfassten) Treuhandübertragung des Mitgliedschaftsrechts f ü h r e n , ist umstritten, ob sie trotz Fehlens einer dinglichen Rechtsübertragung von Abs 2 in direkter A n w e n d u n g erfasst werden (Rdn 276). Verneint man dies, stellt sich die Frage nach ihrem Umgehungscharakter, 1 2 4 7 die hier wohl in gleicher Weise zu beantworten ist wie in den vorgenannten Fällen. 1 2 4 8 533

b) Rechtliche Behandlung vinkulierungsumgehender Abreden. K o m m t einer schuldrechtlichen Vereinbarung Umgehungscharakter zu, so ist umstritten, welche Rechtsfolgen sich d a r a n anschließen. N a c h einer Auffassung sind vinkulierungsumgehende Abreden wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs 1 BGB nichtig, 1 2 4 9 wobei das Sittenwidrigkeitsverdikt mit dem offenen Widerspruch der Abreden zu Abs 2 begründet w i r d . 1 2 5 0 Die Gegenauffassung will Umgehungsgeschäfte hingegen ebenfalls der Vinkulierungsklausel unterstellen 1 2 5 1 und daher erst mit Z u s t i m m u n g der Aktiengesellschaft wirksam werden lassen. 1 2 5 2 Wieder andere wollen nach den einzelnen Folgen differenzieren, die sich infolge des Umgehungsgeschäftes für die Aktiengesellschaft ergeben h a b e n . 1 2 5 3

534

c) Faktische Wirkungen vinkulierungsumgehender Abreden. Dass eine vinkulierungsumgehende Abrede rechtlich unwirksam ist, hindert die Parteien in der Praxis vielfach nicht, ihr Verhalten faktisch an der unwirksamen vinkulierungsumgehenden Abrede auszurichten. 1 2 5 4 So hat etwa die Unwirksamkeit eines Stimmbindungsvertrages lediglich zur Folge, dass der Veräußerer rechtlich nicht verpflichtet ist, den Weisungen des Erwerbers zu folgen. Folgt er den Weisungen gleichwohl, bleibt dies ohne Einfluss auf die Wirksamkeit seiner Stimmrechtsausübung. 1 2 5 5 Ist etwa die Zahlung des Kaufpreises ganz oder teilweise aufgeschoben worden, so wird er daran sogar ein ökonomisches Interesse haben. 1 2 5 6

535

Auch die Erstreckung des kontrollierenden Effekts von Vinkulierungen auf Umgehungsgeschäfte vermag der Aktiengesellschaft deshalb letztlich keinen umfassenden Einfluss auf die Z u s a m m e n s e t z u n g ihres Aktionärskreises zu sichern. 1 2 5 7

X. Zwischenscheine (Abs 4) 536

Zwischenscheine verbriefen das Mitgliedschaftsrecht bis zur geplanten Aktienausgabe. 1 2 5 8 Sie sind Wertpapiere und werden g e m ä ß Abs 4 rechtlich in jeder Hinsicht wie Namensaktien behandelt. 1 2 5 9 Auch Zwischenscheine können also insbesondere durch 1246

1247

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1250 1251

G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 158; Schönhofer 84 f; Wiedemann Übertragung 119; a M ν Godin/Wilhelmi4 13. Gt&\txl Hefermehl/Bungeroth 159; Luther 68; Lutter/Schneider Z G R 1975, 182, 186. G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 160; Lutter/Schneider Z G R 1975, 182, 186. R G Z 69, 137; R G Z 132, 149, 159; G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 158; Lutter/Schneider Z G R 1975, 182, 186; M ü n c h H d b A G - Wiesner1 § 14, 34; Sieveking/Technau AG 1989, 17, 19. Lutter/Schneider Z G R 1975, 182, 186. Asmus 126; Gätsch in H d b b ö r s e n n o t AG S 4, 103; H a a r m a n n / S c h ü p p e n / R ö f c 2 S 33, 104; H e i d e l / H e i n r i c h 1 15; Hüffer7 12;

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1259

KK-Lutter1 49; Liebscher ZIP 2 0 0 3 , 825, 8 2 7 ff; Lutter/Grunewald AG 1989, 109, 111 ff; Otto DB 1988 Beil 12, 1, 6. Gätsch in H d b b ö r s e n n o t AG § 4, 103; KK-Lutter1 49. M ü n c h K o m m A k t G - ß a y e r 2 120 f. H a a r m a n n / S c h ü p p e n / R ö f c 2 § 33, 104; KK-Lutter1 50. Otto DB 1988 Beil 12, 1, 6; teilweise a M KK-Lutter1 50. Otto DB 1988 Beil 12, 1, 6. M ü n c h K o m m A k t G - B a y e r 2 123. KK-Lutter1 63; M ü n c h H d b A G - Wiesner3 § 12, 2 4 f. KK-Lutter2 63.

Stand: 1 . 6 . 2 0 0 8

(194)

Übertragung von Namensaktien, Vinkulierung I n d o s s a m e n t ü b e r t r a g e n 1 2 6 0 u n d g e m ä ß Abs 2 a u c h vinkuliert w e r d e n . 1 2 6 1 erstreckt sich die P r ü f u n g s p f l i c h t der AG n a c h Abs 3 auf Z w i s c h e n s c h e i n e . 1 2 6 2

§68 Zudem

XI. Namensaktien in der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) 1. Übertragung und Vinkulierung von Namensaktien einer Europäischen Aktiengesellschaft a) Übertragung von Namensaktien. G e m ä ß Art 5 SE-VO gelten f ü r d a s Kapital der E u r o p ä i s c h e n Aktiengesellschaft, dessen E r h a l t u n g u n d dessen Ä n d e r u n g e n sowie die Aktien, die Schuldverschreibungen u n d sonstige vergleichbare W e r t p a p i e r e der E u r o p ä ischen Aktiengesellschaft die Vorschriften des Rechts, die f ü r eine Aktiengesellschaft mit Sitz in d e m Mitgliedstaat, in d e m die E u r o p ä i s c h e Aktiengesellschaft eingetragen ist, gelten w ü r d e n . Es w i r d s o m i t w e d e r die Ausgestaltung der Aktien einer E u r o p ä i s c h e n Aktiengesellschaft als I n h a b e r - o d e r N a m e n s a k t i e n 1 2 6 3 n o c h deren E r w e r b u n d Übertragbarkeit 1 2 6 4 d u r c h die SE-VO gemeinschaftsrechtlich geregelt. D a diese Fragen vielm e h r d e m nationalen Aktienrecht unterliegen, 1 2 6 5 richtet sich die Ü b e r t r a g u n g von N a m e n s a k t i e n einer in D e u t s c h l a n d ansässigen E u r o p ä i s c h e n Aktiengesellschaft folglich nach § 68.1266

537

Soweit § 68 auf eine E u r o p ä i s c h e Aktiengesellschaft a n w e n d b a r ist, gilt der Regelungsgehalt in gleicher Weise wie bei der d e u t s c h e n Aktiengesellschaft. Eine SE-spezifische I n t e r p r e t a t i o n des n a t i o n a l e n Aktienrechts ist n a c h z u t r e f f e n d e r Ansicht u n z u lässig. 1 2 6 7

538

Eine E u r o p ä i s c h e Aktiengesellschaft mit Sitz in D e u t s c h l a n d k a n n g e m ä ß A r t 5 SE-VO iVm § 10 A k t G Namensaktien ausgeben. Sofern die Aktien einer E u r o p ä i s c h e n Aktiengesellschaft n a c h deren Satzung auf d e n N a m e n l a u t e n , 1 2 6 8 k a n n deren Übertragung nach A r t 5 SE-VO iVm § 6 8 Abs 1 A k t G d u r c h I n d o s s a m e n t o d e r Art 5 SE-VO iVm §§ 413, 3 9 8 ff BGB d u r c h Zession erfolgen; d a n e b e n treten depotrechtliche Sonderf o r m e n der Ü b e r t r a g u n g ( R d n 119 ff). A u c h im Übrigen gelten die v o r a n g e h e n d e n Ausf ü h r u n g e n zu § 68 A k t G e n t s p r e c h e n d .

539

1260

1261

1262 1263

1264

(195)

Hüffer7 18; KK-Lutter 1 63; MünchHdbAG-Wiesner 2 § 12, 26; MünchKommAktG-ßayer 2 124. Hüffer7 18; KK-Lutter 2 63; MünchKommAktG-Bayer2 124. Hüffer7 18. Hirte N Z G 2002, 1, 9; Jannott/Frodermann/Kolster Kap 4, 43 ff; Koke 83; Lutter/Kollmorgen/Feldhaus BB 2005, 2473, 2474; Merkt in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 190; MünchK o m m A k t G - O ^ s / e r 2 Art 5 SE-VO, 36; Scbroeter AG 2007, 854, 855. Hirte NZG 2002, 1, 9; Koke 98; Merkt in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 190; MiinchKommAktGOechsler2 Art 5 SE-VO, 36; Schroeter AG 2007, 854, 855.

1265

1266 1267

1268

Lutter/Kollmorgen/Feldhaus BB 2005, 2473, 2474; Mayer in Manz/Mayer/ Schröder Art 5 SE-VO, 23; Merkt in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 190; Schroeter AG 2007, 854, 855. Schroeter AG 2007, 854, 855. Casper FS Ulmer 70; MünchKommAktGSchäfer2 Art 9 SE-VO, 19; Schröder/Fuchs in Manz/Mayer/Schröder Vorbem, 70; Schroeter AG 2007, 854, 855; aM Jannott/ FrodermannISchwintowski Kap 8, 10; Koke 19 f. Das Muster einer entsprechenden Satzungsklausel ist abgedruckt bei Lutter/Kollmorgen/Feldhaus BB 2005, 2473, 2475.

H a n n o Merkt

§ 68

540

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

b) Vinkulierung von Namensaktien. Das nationale Recht entscheidet g e m ä ß Art 5 SE-VO zudem, o b und wie die Übertragung der Aktien durch Vinkulierung an die Z u s t i m m u n g der Gesellschaft gebunden werden k a n n . 1 2 6 9 Bei Geltung deutschen Rechts gilt wiederum § 6 8 AktG. 1 2 7 0 Besonderheiten ergeben sich nur in dem Umfang, wie die Unternehmensverfassung der Europäischen Aktiengesellschaft von derjenigen der Aktiengesellschaft iSd § 1 AktG abweicht. aa) Zuständigkeit für die interne Entscheidung über die Zustimmung

541

(1) Dualistisch verfasste Europäische Aktiengesellschaft. Für die interne Entschließung ist in der dualistischen Europäischen Aktiengesellschaft g e m ä ß § 68 Abs 2 Satz 2 A k t G iVm Art 39 Abs 1 SE-VO das Leitungsorgan zuständig, soweit die Satzung nicht gemäß § 68 Abs 2 Satz 3 AktG die Zuständigkeit des Aufsichtsorgans (Art 4 0 Abs 1 SE-VO) oder der H a u p t v e r s a m m l u n g vorsieht. Z u d e m kann sich nach zutreffender Ansicht aus den „Holzmüller"-Grundsätzen eine Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung der Europäischen Aktiengesellschaft ergeben. 1 2 7 1

542

Für das Verbot einer kumulativen Entscheidungszuständigkeit mehrerer Gesellschaftsorgane kann auf die Ausführungen in Rdn 360 ff auch für die dualistische Europäische Aktiengesellschaft verwiesen werden. D e m g e m ä ß kann weder die Satzung (Art 48 Abs 1 Satz 1 SE-VO) noch das Aufsichtsorgan selbst (Art 48 Abs 1 Satz 1 SE-VO iVm § 19 SEAG) einen entsprechenden Zustimmungsvorbehalt a n o r d n e n , weil die daraus resultierende Erschwerung der Übertragbarkeit der Namensaktien als Sachfrage durch Art 5 SE-VO dem nationalen Recht und damit § 68 Abs 2 Satz 1 AktG zur Regelung zugewiesen ist. 1 2 7 2

543

(2) Monistisch verfasste Europäische Aktiengesellschaft. In der monistischen SE liegt die Zuständigkeit für die interne Entscheidung nach § 2 2 Abs 6 SEAG beim Verwaltungsrat. 1 2 7 3 O b innerhalb dieses Gesellschaftsorgans die Zuständigkeit bei den geschäftsführenden Direktoren (§ 4 0 Abs 1 Satz 1 SEAG) oder beim Verwaltungsrat insgesamt liegt, beurteilt sich nach der Bedeutung des Übertragungsvorganges für die Gesellschaft und hängt daher vom Einzelfall ab. Es empfiehlt sich eine Zuständigkeitszuweisung in der Satzung. 1 2 7 4

544

N a c h § 3 4 Abs 4 Satz 2 SEAG kann die Aufgabe nach § 68 Abs 2 Satz 2 AktG nicht an Stelle des Verwaltungsrates einem Ausschuss überwiesen werden. Im Wege der systematischen Auslegung ergibt sich, dass damit die Entschließung über die Z u s t i m m u n g in Vinkulierungsfragen angesprochen ist, 1 2 7 5 weil die Vertretungsbefugnis der geschäftsführenden Direktoren schon nach § 4 4 Abs 1 SEAG unbeschränkbar ist und folglich die Übertragung der Erklärung der Entscheidung nach außen in § 34 Abs 4 Satz 2 SEAG nicht gemeint sein k a n n . 1 2 7 6 1269

1270 1271

Hirte N Z G 2 0 0 2 , 1, 9; ders DStR 2005, 7 0 0 , 703; Koke 98 f; Lutter/Kollmorgen/ Feldhaus BB 2 0 0 5 , 2473, 2475; Mayer in Manz/Mayer/Schröder Art 5 SE-VO, 23; Merkt in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 190; MünchKommAktG-Oechsler 2 Art 5 SE-VO, 36; Schroeter AG 2007, 854, 855. Schroeter AG 2007, 854, 855. Casper FS Ulmer 69; Habersack ZGR 2003, 724, 741 f; Mayer in Manz/Mayer/ Schröder Art 52 SE-VO, 18; MünchKomm-

1272 1273 1274 1275

1276

AktG-Reichert/Brandes 2 Art 39 SE-VO, 10; Schroeter AG 2007, 854, 860; a M Brandt 129 ff; MünchKommAktG-Kate; 2 Art 5 2 SE-VO, 22. Schroeter AG 2007, 854, 858. Schroeter AG 2007, 854, 859. Schroeter AG 2007, 854, 859. MünchKommAktG-Reichert/Brandes2 Art 4 4 SE-VO, 46; Schroeter AG 2007, 854, 859. Schroeter AG 2007, 854, 859.

Stand: 1 . 6 . 2 0 0 8

(196)

Übertragung von Namensaktien, Vinkulierung

§68

Zulässig ist gemäß § 68 Abs 2 Satz 3 AktG iVm Art 52 Satz 2 SE-VO die statutarische Zuweisung der Entscheidungszuständigkeit an die Hauptversammlung. 1277 Daneben kann - wie schon zur dualistischen Europäischen Aktiengesellschaft ausgeführt (Rdn 541) - eine gesetzliche Zuständigkeit der Hauptversammlung bestehen.

545

bb) Erklärung von Zustimmung und Verweigerung. In der dualistischen Europaischen Aktiengesellschaft ist das Leitungsorgan für die Erklärung der Zustimmung bzw deren Verweigerung nach außen zuständig, während diese Zuständigkeit in der monistischen Europäischen Aktiengesellschaft gemäß Art 43 Abs 1 Satz 1 SE-VO iVm § 44 Abs 1 SEAG bei den geschäftsführenden Direktoren liegt.

546

2. Gründung einer Holding-SE durch Gesellschaften, die Namensaktien ausgegeben haben Für die in Art 2 Abs 2 SE-VO vorgesehene Gründung einer Holding-SE statuiert Art 33 Abs 1 SE-VO eine dreimonatige Frist, binnen derer die Gesellschafter der zu gründenden Gesellschaften diesen Gesellschaften mitzuteilen haben, ob sie beabsichtigen, ihre Gesellschaftsanteile bei der Gründung der SE einzubringen. Die rechtlichen Einzelheiten der Einbringung regelt die SE-VO hingegen nicht; diese bleiben dem nationalen Recht überlassen. 1278

547

Das nationale Recht entscheidet daher sowohl über die Form 1 2 7 9 als auch über sonstige Wirksamkeitsvoraussetzungen der Einbringungen einschließlich der Frage, ob die Einbringung der Gesellschaftsanteile infolge ihrer Vinkulierung der Zustimmung des Vertretungsorgans oder der Hauptversammlung der betreffenden Gesellschaft bedarf. 1 2 8 0 Die Einbringung von Namensaktien bei der Gründung einer SE stellt rechtlich eine Anteilsübertragung dar, 1 2 8 1 auf die bei Geltung deutschen Rechts daher § 68 Abs 1, 2 AktG Anwendung findet. 1 2 8 2

548

1277

1278

1279

MünchKommAktG-KKte 2 Art 52 SE-VO, 23; Schroeter AG 2007, 854, 859 f. Jannott/Frodermann//annoti Kap 3, 167; Schröder in Manz/Mayer/Schröder Art 33 SE-VO, 6. Jannott/Frodermann//annoii Kap 3, 169.

(197)

1280

1281

1282

Schröder in Manz/Mayer/Schröder Art 33 SE-VO, 6. Schröder in Manz/Mayer/Schröder Art 33 SE-VO, 7. Schröder in Manz/Mayer/Schröder Art 33 SE-VO, 28.

H a n n o Merkt

Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§

69

§69 Rechtsgemeinschaft an einer Aktie (1) Steht eine Aktie mehreren Berechtigten zu, so können sie die Rechte aus der Aktie nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben. (2) Für die Leistungen auf die Aktie haften sie als Gesamtschuldner. (3) 'Hat die Gesellschaft eine Willenserklärung dem Aktionär gegenüber abzugeben, so genügt, wenn die Berechtigten der Gesellschaft keinen gemeinschaftlichen Vertreter benannt haben, die Abgabe der Erklärung gegenüber einem Berechtigten. 2 Bei mehreren Erben eines Aktionärs gilt dies nur für Willenserklärungen, die nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft abgegeben werden.

Übersicht Rdn I. Allgemeines 1. Regelungsgegenstand und -zweck 2. Geschichte der Norm 3. Bedeutung der Vorschrift 4. Systematik des § 69 Π. Eine Aktie und mehrere Berechtigte 1. Inhaber- und Namensaktien 2. Fallgruppen der Mitberechtigung . . . a) Grundsatz: Dingliche Zuordnung . b) Juristische Person und Personengesellschaft c) Keine Anwendung auf (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts . . d) Weitere ausgenommene Gesamthandsgemeinschaften, nicht-rechtsfähiger Verein e) Personenmehrheit mit gesetzlichem Vertreter f) Dauerglobalurkunden g) Analoge Anwendung 3. Eintragung im Aktienregister 4. Beendigung der Mitberechtigung . . . III. Rechtsausübung durch einen gemeinschaftlichen Vertreter 1. Person des Vertreters a) Grundsatz: Auswahlfreiheit . . . . b) Ausnahme: Gesetzlicher Vertreter . c) Vertretung durch mehrere Personen d) Keine Legitimationswirkung der Vertretereintragung 2. Gesetzlicher Vertreter 3. Voraussetzungen der Vertreterbestellung a) Bestellung als Obliegenheit . . . . b) Erteilung und Form der Vollmacht

1 4 5 6 7 8 8 11 12

14 15 16 18 20 22 23 24 24 25 26 28 29 32 33 34

c) Dauer und Erlöschen der Vollmacht d) Reichweite der Vertretungsmacht . e) Keine Verfügungsmacht über Aktie 4. Tätigkeit des Vertreters: Ausübung der Mitgliedschaftsrechte a) Vertretungsbedürftige Mitgliedschaftsrechte b) Keine Ausübung unmittelbar durch die Berechtigten c) Grenzen und Reichweite der Vertretungsregelung aa) Legitimation durch Urkundenbesitz bb) Zulassung des Inhabers durch die AG d) Statutarische Änderung des Abs 1 . e) Vertreter und Mitinhaber 5. Mehrere Vertreter eines Alleinberechtigten IV. Haftung als Gesamtschuldner (§ 69 Abs 2) 1. Ausgangspunkt: Leistungen auf die Aktie 2. Haftungsbeginn und -ende 3. Reichweite der Haftung, beschränkte Erbenhaftung V. Willenserklärung der Gesellschaft gegenüber dem Aktionär (§ 69 Abs 3) . . . . 1. Regelungsbereich 2. Erklärung gegenüber dem gemeinschaftlichen Vertreter 3. Erklärung gegenüber einem Berechtigten 4. Sonderfall § 69 Abs 3 S 2: Erbengemeinschaft 5. Statutarische Änderung

Rdn 37 39 41 42 43 44 46 46 48 51 52 54 56 58 59 62 65 67 69 71 73 74

Schrifttum Großfeld/Spennemann Die Teilnahmeberechtigung mehrerer gesetzlicher Vertreter von Gesellschaften in Mitgliederversammlungen von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, AG 1979, 128; Klump Die obligatorische Gruppenvertretung - Gesellschaftsrechtliche Fragen bei Personen-

(1)

H a n n o Merkt

§69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

gesellschaften, Kapitalgesellschaften, erbrechtliche Folgeprobleme, Z E V 1999, 3 0 5 ; Koch

Die Be-

teiligung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts an einer GmbH-Gründung, Z H R 1 4 6 ( 1 9 8 2 ) , 118; Schörnig

Die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit einer Gruppenvertretung bei Personen- und Aktien-

gesellschaften durch eine sog Vertreterklausel, Z E V 2 0 0 2 , 3 4 3 ; Schrötter vertrag, N J W 1979, 2 5 9 2 ; Schwichtenberg

Der Schutzgemeinschafts-

Gemeinschaftliche Berechtigung bei Geschäftsanteilen

bzw Aktien, die zum Gesellschaftsvermögen einer O H G oder KG gehören, DB 1 9 7 6 , 3 7 5 ;

Singhof

Die Außenhaftung von Emissionskonsortien für Aktieneinlagen, 1 9 9 8 .

I. Allgemeines 1. Regelungsgegenstand und -zweck 1

Die Norm regelt die für die Verwaltung einer Inhaberschaft an einer Aktie durch mehrere Berechtigte nötigen Rechte und Pflichten gegenüber der Gesellschaft. Regelungsziel ist der Schutz der Gesellschaft vor Nachteilen und Unsicherheiten, die sich aus einer solchen Rechtsgemeinschaft an einer Aktie ergeben können. 1 § 6 9 betrifft nicht das Verhältnis der mehreren Berechtigten untereinander, sondern ausschließlich ihr Verhältnis zur Aktiengesellschaft. 2 Indem § 6 9 die Möglichkeit einer Rechtsgemeinschaft an einer Aktie voraussetzt, stellt die Vorschrift klar, dass neben der Übertragung von treuhänderischen Befugnissen auch die Bildung einer Rechtsgemeinschaft iSd §§ 7 0 5 , 741, 2 0 3 2 B G B zulässig ist. 3 Die Regelung bezweckt allein den Schutz der Gesellschaft vor den Nachteilen und Erschwernissen, die sich aus der Existenz mehrerer Berechtigter ergeben können. 4

2

Die Vorschrift steht nicht im Widerspruch zu § 8 Abs 5, wonach Aktien unteilbar sind, denn bei § 6 9 geht es um die Rechtsgemeinschaft an einer ungeteilten Mitgliedschaft. 5 Die Unteilbarkeit iSd § 8 Abs 5 meint hingegen, dass eine Aktie nicht in mehrere je für sich bestehende Mitgliedsrechte aufgeteilt werden kann. Weder der Aktionär noch die Gesellschaft können daher eine solche sog. Realteilung vornehmen. Entsprechende Rechtsgeschäfte wären gem § 134 BGB nichtig. 6 Unzulässig und nichtig ist auch die Abtrennung von Verwaltungsrechten, etwa des Stimmrechts oder der Anfechtungsbefugnis, von der Mitgliedschaft, weil das subjektive Recht des Mitglieds notwendig einheitlich und so der Fremdbestimmung entzogen ist. 7 Dies ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 717 S 1 B G B in seiner aktienrechtlichen Ausprägung. 8 Allerdings war die genaue Abgrenzung vor der Einführung der Regelung durch § 63 AktG 1937 umstritten. 9

3

Den praktischen Hauptanwendungsfall der Norm stellen Namensaktien dar. 10 Die Norm gilt allerdings sowohl für Inhaber- und Namensaktien als auch für unverkörperte Mitgliedschaftsrechte. 11 Die Art der Verbriefung ist für die Anwendung des § 6 9 unerheblich. Mit Rücksicht auf ihren Schutzzweck ist die Norm zwingend iSv § 2 3 Abs 5 und

1

A n w K o m m / L o i i r 1.

8

2

G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 2; MünchK o m m / B a y e r 2.

Überblick bei Reichert/Harbarth 447, 448.

5

3

Hüffer

4

G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 2; Hüffer MünchKomm/ßayer 2.

Z u m Streitstand: Düringer/Hachenburg/ Flechtheim Ergänzungsband zur Erläuterung des Handelsgesetzbuches, § 2 2 5 Anm 1.

5

MünchKomm/Bifyer 1.

6

Hüffer § 8 Rdn 3 0 . Allgemein Ansicht vgl nur R G Z 132, 149, 159; B G H N J W 1987, 7 8 0 ; Hüffer % 8 Rdn 3 0 .

7

§ 8 Rdn 3 0 , 1. 1; 10 11

Hüffer 1. Gtß,\er/Hefermehl/Bungeroth Hüffer 1.

Stand: 1.11.2007

AG 2 0 0 1 ,

4 ; KK/Lutter

3;

(2)

Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§ 69

damit nicht durch Satzungsbestimmungen abdingbar. 12 Eine inhaltlich entsprechende Regelung für das Recht der GmbH findet sich in § 18 GmbHG. 1 3 2. Geschichte der Norm Der heutige § 69 AktG stimmt fast vollständig mit dem früheren § 63 AktG 1937 4 überein. Gegenüber dem früheren Recht wurde lediglich Abs 3 S 1 genauer gefasst, indem auf die Benennung des gemeinschaftlichen Vertreters gegenüber der Gesellschaft und nicht mehr (so das alte Recht) auf seine bloße Bestellung abgestellt wird. 14 Seit der Einführung des AktG 1965 wurde die Vorschrift nicht geändert. 3. Bedeutung der Vorschrift Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist gering, weil eine solche Rechtsgemein- 5 schaft kaum vorkommt. Dieser Befund spiegelt sich darin wider, dass sich jedenfalls bislang nur eine sehr geringe Anzahl von Gerichtsentscheidungen mit dieser Norm auseinandergesetzt hat. 1 5 Seit der Anerkennung der Außenrechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat sich auch die Anwendung auf den sog Schutzgemeinschaftsvertrag erledigt. 16 4. Systematik des § 69 Die drei Absätze des § 69 regeln jeweils unterschiedliche Interessenlagen. Abs 1 schafft 6 im Interesse der Gesellschaft Klarheit darüber, wie die Rechte aus der Aktie ausgeübt werden können. Indem Abs 2 eine gesamtschuldnerische Haftung der mehreren Berechtigten anordnet, wird die Sicherheit für die Erfüllung der mit der Aktie verbundenen Pflichten erhöht. Schließlich dient Abs 3 dazu, der Gesellschaft den Umgang mit einer Rechtsgemeinschaft an einer Aktie dadurch zu erleichtern, dass die Berechtigten der Gesellschaft einen Vertreter benennen und dass falls dies nicht geschieht die Abgabe einer Erklärung gegenüber einem der Berechtigten genügt. Da § 69 regelmäßig nur auf Namensaktien Anwendung findet, gehört die Norm systematisch in den Regelungsbereich der §§ 67, 68. 17

II. Eine Aktie und mehrere Berechtigte 1. Inhaber- und Namensaktien Wie bereits ausgeführt, findet die Vorschrift grundsätzlich auf alle Arten von Aktien Anwendung. Es ist unerheblich, ob es sich insoweit um Inhaber- oder Namensaktien, um verkörperte oder unverkörperte Aktien handelt. 18 Hauptanwendungsfall sind jedoch

12

Geßler/Hefermehl/Bungeroth 2; Hiiffer 1; MünchKomm/Bayer 3; KKJLutter 10, 22 f,

16

28. 13 14 15

(3)

Hiiffer 1; MünchKomm/ßayer 3. Kropff AktG, 1965, 88 f. Vgl nur RGZ 137, 305; BGHZ 78, 311 = NJW 1981, 682; BGHZ 108, 21 = NJW 1989, 2694; BayObLG AG 1968, 330; KG J W 1930, 793; KG JW 1930, 1009; KG AG 1972, 49.

17 18

Vgl dazu Schrötter NJW 1979, 2595; ders Die Grenzen der Abschließbarkeit personenbezogener Aktiengesellschaften gegenüber unerwünschten Beteiligungen nach deutschem, schweizerischen und französischem Recht, 1976, S 125. MünchKomm/ßayer 4. Allgemeine Meinung vgl Hiiffer 1; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 4; KK/Lutter 3; MünchKomm/Bayer 4; AnwKomm/Lohr 2.

Hanno Merkt

7

§ 69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Namensaktien, für die mehrere Berechtigte im Aktienregister eingetragen sind. Dies folgt mittelbar schon aus der systematischen Stellung der Vorschrift im Anschluss an die §§ 67, 68. Die praktische Bedeutung für Inhaberaktien ist auch im Hinblick auf den Inhalt der Vorschrift gering. Die Anwendung des § 69 Abs 1 auf Inhaberaktien scheitert schon daran, dass sich bei Inhaberpapieren die Legitimation allein nach dem Besitz der Aktien richtet. 1 9 Ferner wird die in § 69 Abs 2 angeordnete Gesamtschuldnerschaft wegen § 10 Abs 2 oder § 55 Abs 1 S 1 regelmäßig nicht eintreten. 2 0 Und schließlich ist auch für die Mehrzahl der unter Abs 3 fallenden Willenserklärungen das Vorliegen einer Namensaktie nötig. 2 1 2 . Fallgruppen der Mitberechtigung 8

a) Grundsatz: Dingliche Zuordnung. Die Vorschrift setzt voraus, dass die Aktie mehreren Berechtigten zusteht. Damit ist allein die dingliche Zuordnung der Mitgliedschaft zu mehreren Personen gemeint. 2 2 Die Norm gilt sowohl für Bruchteilsgemeinschaften als auch für Gesamthandsgemeinschaften. 23 Die kausale Grundlage für die dingliche Zuordnung ist unerheblich. 2 4 Sie kann rechtsgeschäftlich, etwa durch Miteigentum als Folge eines gemeinschaftlichen Erwerbs, oder gesetzlich begründet sein. 2 5 Hauptfall der gesetzlichen Zuordnung ist die durch Erbeinsetzung entstandene Erbengemeinschaft. 2 6

9

Nicht ausreichend ist hingegen eine Mitberechtigung auf schuldrechtlicher Grundlage, etwa eine stille Beteiligung iSd § 2 3 0 H G B oder eine Unterbeteiligung. 2 7 Erforderlich ist außerdem eine Zuordnung auf gleicher Ebene, dh der Aktionär und der Inhaber eines beschränkt dinglichen Rechts an dem Papier, etwa eines Pfandrechts oder im Falle des Nießbrauchs, bilden keine Rechtsgemeinschaft. Allein berechtigt und verpflichtet bleibt in diesen Fällen der Aktionär. 2 8

10

Es spielt für § 6 9 keine Rolle, ob die Mitberechtigung originär mit der Aktie oder erst später entstanden ist. 2 9 Zu beachten ist, dass die Regelung auf die einzelne Aktie abstellt. Wenn mehreren Berechtigten also mehrere Aktien gemeinsam zustehen, kann für jede Aktie theoretisch ein anderer gemeinschaftlicher Vertreter bestellt werden. 3 0 Auf diese Weise kann man faktisch eine Aufteilung der Mitgliedschaftsrechte, insbesondere des Stimmrechts, schon vor Auflösung der Rechtsgemeinschaft auf die einzelnen Mitberechtigten erreichen. Dabei sind allerdings die Bindungen im Innenverhältnis zu beachten.

11

b) Keine Anwendung auf juristische Person und Personenhandelsgesellschaft. Nach dem klaren Wortlaut setzt § 6 9 zwei oder mehr Berechtigte voraus. Die Norm findet also

15 20 21

22

MünchKomm/ßeyer 4 . MünchKomm/Bayer 4 . Im Einzelnen zur Regelung des § 6 9 Abs 3 Rdn 65 ff. Allgemeine Meinung vgl AnwKomm/Lofor 3;

26 27

Bayer 5.

28

Allgemeine Meinung: Geß\eTlHefermehll Bungeroth 6; KKJLutter 4 ; MünchKomm/ Bayer 5; zur Unterbeteiligung bei § 18 G m b H G vgl O L G Frankfurt/Main G m b H R 1987, 57, 5 8 .

29

Wiederum unstreitig: G e ß l e r I H e f e r m e h l l Bungeroth 6; KKJLutter 4; M ü n c h K o m m /

30

KKJLutter

Geßler/Hefermehl/Bungeroth 5 f; Hüffer 2;

KKJLutter 4 ; MünchKomm/Bayer 5; in: MünchenerHdbAG/Sem/er § 36 Rdn 9. 23

Unstreitig: Geßler/HefermehllBungeroth 6; Hüffer 2 , 3 ; KKJLutter 4; M ü n c h K o m m /

Bayer 5.

24 25

MünchKomm/Bayer 5. Untstreitig: G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 6; KKJLutter 4 ; MünchKomm/Bayer 5.

Näher dazu BayObLG AG 1968, 3 3 0 , 331. Allgemeine Meinung: vgl G e ß l e r I H e f e r m e h l l Bungeroth 5; KKJLutter 4 ; MünchKomm/

Bayer 5.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

5; MünchKomm/Bayer 6.

(4)

Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§69

keine Anwendung, wenn die Aktie nur einem Rechtsträger zusteht. Dies gilt nach allgemeiner Ansicht für natürliche und juristische Personen. 31 Bei Gesellschaften mit dem Status einer juristischen Person (AG, GmbH) schließt die mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit versehene gesellschaftsrechtliche Hülle einen Durchgriff auf die einzelnen Anteilseigner aus. Nach inzwischen ganz h M erstreckt sich § 69 auch nicht auf Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG). 32 Ihre Rechtsträgereigenschaft ist durch die §§ 124, 161 Abs 2 HGB zwischenzeitlich allgemein anerkannt. Ferner besteht für sie auch eine Registerpublizität. c) Keine Anwendung auf (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Umstritten ist hingegen die Anwendbarkeit des § 69 auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. 33 Nach richtiger Ansicht ist § 69 auf die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts weder direkt noch analog anzuwenden, weil die Gesellschaft als teilrechtsfähige Einheit selbst Zurechnungsobjekt ist. 34 Lediglich im Fall der reinen Innengesellschaft bleibt es bei der Regelung des § 69. Das Problem besteht indessen nur im Hinblick auf § 69 Abs 1 und 3. Für die Haftungsvorschrift des § 69 Abs 2 ist die dogmatische Einordnung letztlich unerheblich. Selbstverständlich haftet der Aktiengesellschaft neben dem Gesamthandsvermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch das Privatvermögen ihrer Gesellschafter. 35 Da die neuere Rechtsprechung des BGH die unbeschränkte Rechts- und Parteifähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts bejaht, 36 kommt insoweit lediglich eine analoge Anwendung der Vorschrift in Betracht. Diese ist nämlich, soweit sie sich nicht in einer reinen Innengesellschaft erschöpft, nicht nur unbegrenzt gründungsfähig, sondern auch Rechtsträger der Aktien in Rahmen des § 69. 37 Formal fehlt es damit an dem Merkmal der mehreren Berechtigten.

12

Die Tatsache, dass auch die unternehmenstragende Gesellschaft bürgerlichen Rechts gerade nicht als GbR, sondern nur als oHG in das Handelsregister eingetragen werden kann, ist für die Frage der analogen Anwendbarkeit des § 69 nicht erheblich. 38 Es fehlt insoweit bereits an der regelungsbedürftigen Lücke. Die Aktiengesellschaft ist bei Namensaktien nämlich nicht auf den Schutz durch die Handelsregisterpublizität angewiesen. Vielmehr speichert sie alle erforderlichen Daten in ihrem eigenen Aktienregister. Bei einer

13

31

32

33

(5)

Hüffer 3; KYJLutter 7; MünchKomm/ Bayer 7. Vgl AnwKomm/Lohr 4; Baumbach/Hueck 2; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 7; Hüffer 3; YXJLutter 7; MünchKomm/Bayer 7; HdbAG/N/>¿ 3 494; ebenso zum früheren Recht Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Anm 2; aA noch Schwichtenberg DB 1976, 375 f; Ritter § 63 AktG 1937 Anm l b ; wie hier auch die allgemeine Ansicht zu $ 18 GmbHG. Für eine Anwendung: Geß\ti/Hefermehl/ Bungeroth 7; KKJLutter 7; MünchKomm/ Bayer 8 (analoge Anwendung von § 69 Abs 1, 3); ausführlich Singhof Die Außenhaftung von Emissionskonsortien, 1998, S 201 ff; zu § 18 G m b H G auch BGHZ 78, 316; Zutt in Hachenburg G m b H G § 18 Rdn 6; Lutter/Hommelhoff G m b H G § 18 Rdn 2; Baumbach/Hueck/Fastrich GmbHG

34 35

36

37 38

§ 18 Rdn 2; Scholz /Winter G m b H G § 18 Rdn 7; Roth/Altmeppen G m b H G § 18 Rdn 3; aA Hüffer 3 und zu § 18 GmbHG: Rohwedder G m b H G § 18 Rdn 1; Koch Z H R 146 (1982), 118, 127 ff. Hüffer 3. BGHZ 142, 315 = NJW 1999, 3483; dazu Reiff N Z G 2000, 281; Huep N Z G 2000, 285; Kindl W M 2000, 697; Wolf W M 2000, 704; Goette DStR 1999, 1707; Henze BB 1999, 2260; MünchKomm/ßayer 8. BGH NJW 2001, 1056; vorher schon zur Teilrechtsfähigkeit BGHZ 138, 82 = NJW 1998, 1220; allgemein zu dieser Problematik: Grunewald Gesellschaftsrecht 4 95 ff; K. Schmidt Gesellschaftsrecht 4 § 60 II 1. (S 1771 ff). MünchKomm/ßayer 8. Anders MünchKomm/Bayer 8.

Hanno Merkt

§69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Gesellschaft bürgerlichen Rechts steht es dabei der Aktiengesellschaft grundsätzlich frei, ob sie neben der G b R selbst zusätzlich die Namen aller Gesellschafter einträgt. Es ist zwar richtig, dass bei einer aus Gründen der Rechtssicherheit erfolgten Eintragung aller Gesellschafter in das Aktienregister offen bleibt, ob für die Gesamtvertretung aller Gesellschafter Einzelvertretung oder eine beschränkte Gesamtvertretung gilt. 3 9 Das betrifft aber nur das Innenverhältnis der G b R , das für die Aktiengesellschaft grundsätzlich irrelevant ist. Vielmehr wird sie im Außenverhältnis mit einem Vertreter der G b R konfrontiert werden, dessen Verhalten sich die G b R zumindest nach Rechtsscheinsgesichtspunkten wird zurechnen lassen müssen. 4 0 Ein besonderer Nachteil im Vergleich zur Situation bei Personenhandelsgesellschaften droht der Gesellschaft nicht. Für den Fall der Inhaberaktien besteht schon bei tatsächlichem Vorliegen einer Mehrheit von Berechtigten aufgrund der Legitimationswirkung allein durch den Besitz der Aktienurkunde kein Bedürfnis für eine Anwendung des § 6 9 Abs 1, so dass erst recht keine Analogie geboten ist. Auch eine Zustellung an die G b R ist der Gesellschaft stets möglich, so dass für die in § 6 9 Abs 3 geregelte Zugangserleichterung kein Raum ist. 14

d) Weitere ausgenommene Gesamthandsgemeinschaften, nicht-rechtsfähiger Verein. Bei anderen Gesamthandsgemeinschaften ist eine Anwendung des § 6 9 nicht möglich, wenn sie als teilrechtsfähige Wirkungseinheiten selbst Zuordnungssubjekt sind. 4 1 Dies betrifft etwa Vorformen der Kapitalgesellschaften und andere Verbände mit gesamthänderischer Vermögenszuordnung. Im Übrigen sind Gesamthandsgemeinschaften allerdings als Mehrheit von Berechtigten zu behandeln. 4 2 Praktisch verbleiben als Anwendungsfälle für § 6 9 lediglich die Erben- und die Gütergemeinschaft. 43 Die neuere Rechtsprechung des B G H zur Außenrechtsfähigkeit der G b R hat nicht zur Folge, dass eine eigene Rechtsfähigkeit der Gütergemeinschaft und der Erbengemeinschaft anzunehmen ist. 4 4 Auf den nicht-rechtsfähigen Verein ist § 6 9 ebenfalls nicht anzuwenden. Das gilt schon im Hinblick auf die körperschaftliche Struktur des Rechtsträgers, die die Annahme einer Mehrheit von Berechtigten ausschließt. 4 5 Auch im Hinblick auf eine fehlende Handelsegisterpublizität lässt sich eine analoge Anwendung nicht rechtfertigen. 4 6 Die Gesellschaft ist nicht schutzbedürftig. Eine Regelungslücke liegt nicht vor. 4 7

15

e) Personenmehrheit mit gesetzlichem Vertreter. Bestimmte Personenmehrheiten sind schon kraft Gesetzes dazu verpflichtet, einen Vertreter zu bestellen. Das Erfordernis der Vertreterbestellung besteht mit dieser M a ß g a b e zunächst bei Bruchteilsgemeinschaften iSv §§ 741 ff B G B . 4 8 Testamentsvollstrecker und vergleichbare Amtswalter sind kraft ihres gesetzlich ausgestalteten Amtes gemeinschaftliche Vertreter iSd § 6 9 Abs 1. Für die

35 40

So M ü n c h K o m m / B a y e r 8. Anders M i i n c h K o m m / ß a y e r 8.

45

41

So schon Hüffer 3; ders in Hachenburg G m b H G § 4 8 Rdn 17.

42

Geßlet/Hefermehl/Bungeroth 7; KK/Lutter 7 mit Ausnahme für den nicht eingetragenen Verein.

43

Hüffer 3. AnwKomm/Lofcr 4 unter Hinweis auf Eberl-Borges Z E V 2 0 0 2 , 1 2 5 ff, die die Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft bejaht.

44

Ganz h M : Hüffer 3; KKJLutter 7 ; ebenso zu § 18 G m b H G : Zutt in Hachenburg G m b H G § 18 Rdn 12; Lutter/Hommelhoff GmbHG § 18 Rdn 2 ; R o t h / A l t m e p p e n G m b H G § 18 Rdn 3; aA M ü n c h K o m m / B a y e r 9; zu § 18 G m b H G : Scholz/Winter G m b H G § 18 Rdn 7.

46 47 48

Anders M ü n c h K o m m / B a y e r 9. S o Rdn 13. Hüffer

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

2.

(6)

Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§69

Bestellung eines weiteren Vertreters ist dann kein Raum. 4 9 Das gleiche gilt, wenn aufgrund eines Rechtsgeschäfts ein Ehegatte zum Verwalter des Gesamtguts im Rahmen der ehelichen Gütergemeinschaft nach § 1421 S 1 BGB berufen wird. 5 0 Im Übrigen kommt die Vorschrift des § 69 zur Anwendung. 51 f) Dauerglobalurkunden. Von dem Erfordernis einer Vertreterbestellung ist die Giro- 1 6 Sammelverwahrung gem § § 5 ff DepotG auszunehmen. 5 2 Dies entspricht der gängigen Praxis. Dagegen sind keine durchgreifenden Bedenken zu erheben. 53 Zwar besteht bei an den nach § 6 Abs 1 DepotG im Sammelbestand des Verwahrers hinterlegten Dauerglobalurkunde Miteigentum aller Hinterleger und damit eine Bruchteilsgemeinschaft iSd §§ 741 ff BGB. Allerdings verbrieft die Dauerglobalurkunde nicht eine Aktie iSd § 69, sondern die Gesamtheit der einzelnen Mitgliedschaften. Die bloße Tatsache, dass die Verbriefung gem § 10 Abs 5 ausgeschlossen wurde, berührt deren Inhalt nicht. Da § 69 lediglich den Fall erfasst, bei dem an einem individualisierten, nicht weiter teilbarem Mitgliedschaftsanteil eine Mehrheit von Berechtigten existiert, meint das Wort „Aktie" mit Rücksicht auf die neueren Tendenzen zur Girosammeiverwahrung in einer Dauerglobalurkunde lediglich die individuelle Mitgliedschaft. Trotz der rechtlichen Konstruktion der Bruchteilsgemeinschaft ist jeder Aktionär wirtschaftlich hinsichtlich seines nominellen Miteigentumsanteils als Alleininhaber zu qualifizieren. 54 Der Tatbestand des § 69 liegt somit nicht vor. Wollte man dennoch am Gesetzeswortlaut festhalten und die Dauerglobalurkunde als Aktie iSd § 69 qualifizieren, so müsste man zumindest annehmen, dass der Verwahrer jeden Hinterleger hinsichtlich der ihm jeweils zustehenden Aktien konkludent zum gemeinsamen Vertreter aller Hinterleger bestellt hat. 5 5

17

g) Analoge Anwendung. Bestimmte Aktionäre, insbesondere Personen- und Kapital- 1 8 gesellschaften, können nicht selbst, sondern nur durch Vertreter handeln. Dabei sind diese Gesellschaften frei, einen oder mehrere Vertreter als Einzelvertreter oder beschränkte Gesamtvertreter zu bestellen. Sind mehrere Vertreter bestellt, ergibt sich auch hier das Problem der Zuständigkeit gegenüber der Gesellschaft. Dies gilt insbesondere für die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts. Die Lage ähnelt damit der Situation, dass mehrere Berechtigte Inhaber einer Aktie sind. Die h M sieht hier eine planwidrige Lücke im Aktiengesetz und wendet die Schutzregelung des § 69 Abs 1 analog an. 5 6 Soweit beschränkte Gesamtvertretung besteht, erscheint dies sachgerecht. Denn es wird sichergestellt, dass die Gesellschaft jederzeit Kenntnis davon hat, wer die Rechte aus der Aktie ausübt.

49

so

51

52

(7)

Allgemeine Ansicht: Baumbach/Hueck 2; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 8; Hüffer 3; KK/Lutter 8; MünchKomm/Bayer 10. Heute wohl unstreitig. Frühere aA bezüglich der ehelichen Gütergemeinschaft: Schlegelberger/Quassowski § 6 3 AktG 1937 Anm 2. Heute allgemeine Meinung: G e ß l e r / H e f e r mehl/Bungeroth 8; KKJLutter 8; MünchKomm/Bayer 10. A n w K o m m / L o h r 5; G e ß l e r / H e f e r m e h l / Bungeroth 9 f; Hüffer 2; K K / L u t t e r 13; Heinsius/HornfThan § 6 DepotG Rdn 53; zum früheren Recht schon Schlegelberger/

53

54 55 56

Quassowski § 63 AktG 1937 Anm 2; allgemein zu den Möglichkeiten der Wertpapierverwahrung: Mentz/Fröhling N Z G 2 0 0 2 , 201, 2 0 4 ff. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 9 f; Hüffer 2; KKJLutter 13; MünchKomm/Bayer 11; speziell zum DepotG: Heinsius/Horn/Than § 6 DepotG Rdn 53. MünchKomm/Bayer 11. K K / L u t t e r 11. G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 33; KK/Lutter 9; MünchKomm/Bayer 12; ausführlich Großfeld/Spennemann AG 1979, 128 ff m w N .

Hanno Merkt

§ 69

19

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Anders verhält es sich bei einer unbeschränkten Gesamtvertretung. Hier ist eine analoge Anwendung von § 69 Abs 1 nicht angezeigt. 5 7 Z w a r ist die Konstellation der Gesamtvertretung der gesetzlich geregelten Mitberechtigung durchaus vergleichbar, weil in beiden Fällen die Mitgliedschaftsrechte nur bei Einigkeit ausgeübt werden können. Dennoch wäre eine analoge Anwendung nicht interessengerecht: Der Aktionär setzt in diesem Fall bewusst auf das Mittel der Gesamtvertretung, um sich vor einem nachteiligen Vertreterhandeln zu schützen. Dieses Interesse ist schützenswert und darf nicht durch eine analoge Anwendung von § 69 Abs 1 beeinträchtigt werden. 5 8 Zu beachten ist dabei, dass es auch den mehreren Berechtigten freisteht, als gemeinschaftliche Vertreter iSd § 69 Abs 1 mehrere Personen in Gesamtvertretung zu bestellen. 59 3. Eintragung im Aktienregister

20

Eine Mitberechtigung iSd § 69 liegt bei Namensaktien gegenüber der Gesellschaft immer nur dann vor, wenn die mehreren Berechtigten im Aktienregister als Aktionäre eingetragen sind. 6 0 Die tatsächliche materielle Rechtslage ist im Verhältnis zur Gesellschaft unerheblich. Zwischenzeitliche Veränderungen sind vor der Umschreibung des Aktienregisters nicht zu berücksichtigen. 6 1

21

Eine Ausnahme ist im Falle der Erbfolge durch mehrere Erben zu machen. Durch den Erbfall rücken die Erben im Wege der Universalsukzession gem § 1922 BGB in die Aktionärsstellung ein. Die Eintragung als Aktionär iSv § 67 Abs 2 geht als Vermögenswerte Rechtsposition mit dem Erbgang auf den oder die Erben über. Erst mit der Eintragung entsteht eine eigenständige und von der Erbschaft losgelöste Verpflichtung der eingetragenen Erben. Vorher gelten sie gegenüber der Gesellschaft als Mitinhaber der Aktie und unterliegen der Bestimmung des § 69. 6 2 4. Beendigung der Mitberechtigung

22

§ 69 setzt die Mitberechtigung mehrerer an einer Aktie voraus. Wird die Inhaberaktie auf einen Mitinhaber zu alleinigem Recht übertragen oder an einen Dritten veräußert, wird § 69 unanwendbar. Bei Namensaktien k o m m t es dabei nicht auf den Zeitpunkt der Veräußerung, sondern den der Umtragung im Aktienregister an. 6 3 Z u r Nachwirkung der gesamtschuldnerischen H a f t u n g über die Beendigung hinaus vgl unten Rdn 60.

III. Rechtsausübung durch einen gemeinschaftlichen Vertreter 23

Die mehreren Berechtigten können gem § 69 Abs 1 ihre Rechte aus der Aktie nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben.

57

58 59 60

YXJLutter 9 m w N aus dem älteren Schrifttum; MünchKomm/ßayer 13. YXJLutter 9; MünchKomm/ßayer 13. MünchKomm/ßayer 13, 17. Hüffer 2; K K / L u t t e r 6; MünchKomm/ßayer 14.

61

62

63

Geß\er/Hefermebl/Bungeroth 11, 13; Hüffer 2; K K / L u t t e r 6, 10; MünchKomm/ Bayer 14. Geßier/Hefermehl/Bungeroth 12; aA MünchKomm/Bayer 14. G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 13.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

(8)

Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§69

1. Person des Vertreters a) Grundsatz: Auswahlfreiheit. In der Auswahl ihres Vertreters sind die Aktionäre grundsätzlich frei. Es besteht insoweit keine Rechtspflicht gegenüber der Gesellschaft. Da die Rechte ohne den gemeinschaftlichen Vertreter jedoch nicht ausübbar sind, besteht ein faktischer Druck zur Bestellung eines Vertreters. Gemeinschaftlicher Vertreter iSv § 69 Abs 1 kann jede natürliche oder juristische Person sein. In Betracht kommt ohne weiteres auch die Bestellung eines Vertreters aus dem Kreise der mehreren Berechtigten. Auch Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrates der Gesellschaft können zum gemeinschaftlichen Vertreter bestellt werden. In diesem Fall ist allerdings der Stimmrechtsausschluss nach § 136 Abs 1 zu beachten. 64 Eine Beschlussfassung des gemeinschaftlichen Vertreters über seine Entlastung als Vorstandsmitglied ist nicht möglich.

24

b) Ausnahme: Gesetzlicher Vertreter. Die mehreren Berechtigten können dann keinen gemeinschaftlichen Vertreter bestimmen, wenn bereits ein gesetzlicher Vertreter, etwa der Testamentsvollstrecker einer Erbengemeinschaft, bestellt wurde. 6 5 Dann übt der gesetzliche Vertreter die Funktion des gemeinschaftlichen Vertreters allein aus. 66

25

c) Vertretung durch mehrere Personen. Eine Vertretung durch mehrere Personen ist zulässig. 67 Dies erfordert der Schutz des Aktionärs vor nachteiligen Handlungen des Vertreters. 68 Insbesondere können auch alle Mitglieder der Rechtsgemeinschaft zu Gesamtvertretern bestellt werden. 6 9 Dabei muss aber immer eine Ermächtigung zur Gesamtvertretung ausgesprochen werden. 7 0 Nur so kann dem Interesse der Gesellschaft an einer einheitlichen Willensbildung Genüge getan werden.

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Unzulässig ist hingegen die mehrfache Einzelvertretung, weil sie dem Ziel der einheitliehen Ausübung der Aktionärsrechte zuwiderlaufen würde. 7 1 Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, dass lediglich ein berechtigter Aktionär mehrere Einzelvertreter bestellt hat. Auf diese Konstellation findet § 69 Abs 1 analoge Anwendung. 7 2

27

d) Keine Legitimationswirkung der Vertretereintragung. Die Eintragung der gemeinschaftlichen Berechtigung in das Aktienregister ist möglich. 73 Als sonstige Tatsache unterliegt sie aber nicht der Legitimationswirkung des § 67 Abs 2. 7 4 Vielmehr ist sie im Hinblick auf § 67 Abs 2 als nicht geschrieben zu behandeln. Die Situation ist nicht mit

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Unstreitig, vgl AnwKomm/Lohr 8; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 21; KKJ Lutter 17; MünchKomm/Bdyer 15. AnwKomm/Lohr 6; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 24, 26; Hüffer 4; KKJLutter 14; MünchKomm/Bayer 16. S o Rdn 15. KnwKommJLohr 8; Baumbach/Hwecfc 3; ν Godin/Wilhelmi 3; KK/Lutter 18. Wiederum unstreitig: Geßler/He/erraeW/ Bungeroth 22; Hüffer 4; KKJLutter 18; MünchKomm/Bayer 17. MünchKomm/ßayer 17. Geßier/Hefermehl/Bungeroth 22; aA ν Godin/Wilhelmi 3, die eine Vertretung durch Vertreter mit unabhängig voneinander

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bestehender Einzelvertretungsmacht für zulässig halten. Anders - soweit ersichtlich - nur ν Godin/ Wilhelmi 3. S o Rdn 18. In diesem Sinne auch Baumbach/H«ec& 3; KKJLutter § 67 Rdn 9; MünchKomm/ßayer 18, § 67 Rdn 34; υ Godin/Wilhelmi 3; aA Geßler/Hefermehl/Bungeroth 23. Sehr strittig. Gegen die Legitimationswirkung auch: Geßler/Hefermehl/Bungeroth 23, § 67 Rdn 12; Hüffer § 67 Rdn 5; KKILutter § 67 Rdn 9; für eine analoge Anwendung von § 67 Abs 2: MünchKomm/Bayer 18; § 67 Rdn 34; Großkomm/Barz Voraufl § 69 Anm 7; ν Godin/Wilhelmi 3.

Hanno Merkt

§ 69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

dem Ausnahmefall eines beschränkt dinglichen Rechts, etwa eines Pfandrechts oder eines N i e ß b r a u c h s , zu vergleichen, für die eine Legitimationswirkung analog § 6 7 Abs 2 besteht. Es besteht wegen der allgemeinen Grundsätze über die Duldungs- und R e c h t scheinsvollmacht ( § § 1 7 0 , 1 7 3 analog B G B ) aber auch gar kein Bedürfnis, dem gemeinschaftlichen Vertreter die unwiderlegliche Vermutung der Vertreterberechtigung für den Ausnahmefall zuzuerkennen, dass die mit der Angabe konkludent b e k a n n t gemachte Vollmacht im Innenverhältnis nicht oder nicht mehr besteht. 7 5 Ferner ist zu bedenken, dass der Z w e c k des Aktienregisters darin besteht, die R e c h t s i n h a b e r an der Aktie gegenüber der Gesellschaft verbindlich sichtbar zu m a c h e n . Hinsichtlich der übrigen Rechtsverhältnisse besteht lediglich ein Informationsinteresse der Gesellschaft, dem jedoch kein Schutzbedürfnis gegenübersteht. Es wäre zudem unpraktisch, jede Veränderung allein durch Löschung und Neueintragung analog § 6 7 Abs 3 durch Mitteilung und N a c h w e i s gegenüber der Gesellschaft v o r z u n e h m e n . 7 6 Vielmehr sollten solche Änderungen durch formlose Benachrichtigung erfolgen. 2 . Gesetzlicher Vertreter 29

Eine im Eigentum mehrerer Berechtigter stehende Aktie k a n n Teil eines Sondervermögens sein, für das kraft Gesetzes oder allgemein wirkenden Rechtsgeschäfts bereits ein Vertreter vorhanden ist. Dieser erfüllt zugleich die Voraussetzungen des § 6 9 Abs l . 7 7 D a s gilt für die Erbengemeinschaft etwa in Fällen der Testamentsvollstreckung, der Nachlassverwaltung und der N a c h l a s s i n s o l v e n z . 7 8 Allerdings k ö n n e n auch mehrere Testamentsvollstrecker vorhanden sein. Die Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters ist in diesen Fällen dann erforderlich, wenn jeder von ihnen aufgrund besonderer Anordnung des Erblassers iSv § 2 2 2 4 Abs 1 S 3 B G B auch allein handeln k a n n . 7 9

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Bei der (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters schon deshalb nicht nötig, weil aufgrund ihrer Teilrechtsfähigkeit kein Fall des § 6 9 A b s 1 vorliegt. Aber auch bei einer reinen Innengesellschaft braucht wegen der Vertretungsregelung des § 7 1 4 B G B kein besonderer gemeinschaftlicher Vertreter bestellt zu w e r d e n . 8 0 § 6 9 Abs 1 k o m m t nur dann direkt (Innengesellschaft) oder analog (Außengesellschaft) zur Anwendung, wenn im Einzelfall mehreren Gesellschaftern nebeneinander Einzelvertretungsmacht erteilt wurde. 8 1

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Auch bei der ehelichen Gütergemeinschaft bedarf es keiner zusätzlichen Vertreterbestellung. Im Fall der alleinigen Verwaltungsberechtigung eines Ehegatten ist dieser gemeinschaftlicher Vertreter; bei gemeinschaftlicher Vertretung durch beide Ehegatten sind beide gemeinschaftliche Vertreter. 8 2 3 . Voraussetzungen der Vertreterbestellung

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D i e Voraussetzungen der Bestellung des gemeinschaftlichen Vertreters richten sich nach den Vereinbarungen bzw gesetzlichen Vorschriften der jeweiligen Rechtsgemein-

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Die Eintragung für nicht erforderlich halten auch: Baumbach/Hueck 3; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 23; ν Godin/Wilhelmi 3; Schlegelberger/Quassowski § 63 Anm 3; aA mit beachtlichen Argumenten MünchKommJBayer 18, § 67 Rdn 34. So aber MünchKomm/ßayer 18. S o Rdn 15; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 24. Baumbach/H«ecè 3; υ Godin/Wilhelmi 3;

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Geßler/Hefermehl/Bungeroth 24; Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Rdn 3. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 24; aA ν Godin/Wilhelmi 3. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 25. S o Rdn 18. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 25; ν Godin/ Wilhelmi 3.

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Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

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schaft. So ist etwa bei der Erbengemeinschaft die Bestellung des gemeinschaftlichen Vertreters keine Verfügung über den Nachlassgegenstand iSd § 2040 BGB, sondern eine Verwaltungsmaßnahme gemäß § 2038 BGB. Somit reicht gem § 2038 Abs 2 S 1 iVm § 745 Abs 1 S 1 BGB eine einfache Mehrheit bei der Beschlussfassung für eine wirksame Bestellung aus. 8 3 Wie schon gesehen wird der gemeinschaftliche Vertreter von den mehreren Berechtigten an der Aktie durch Bevollmächtigung bestellt, soweit die Wahrnehmung der Rechte nicht durch den gesetzlich bestimmten Amtswalter oder in ähnlicher Weise erfolgt. 84 a) Bestellung als Obliegenheit. Die Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters ist als Obliegenheit zu qualifizieren. 85 Eine Pflicht der Rechtsgemeinschaft, einen gemeinschaftlichen Vertreter zu bestellen, besteht indes nicht. 86 Vielmehr besteht lediglich ein faktischer Eintragungsdruck für die mehreren Berechtigten. Unterlassen sie nämlich die Bestellung des gemeinschaftlichen Vertreters, dann können sich ihre Mitgliedschaftsrechte nicht ausüben. Zudem müssen sie Willenserklärungen der Gesellschaft sich gegenüber gem § 69 Abs 3 S 1 schon dann gelten lassen, wenn sie gegenüber einem Berechtigten abgegeben wurden. Wegen dieser Regelung besteht auch kein Schutzbedürfnis der Gesellschaft, welches eine Pflicht zur Vertreterbestellung rechtfertigen würde.

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b) Erteilung und Form der Vollmacht. Für die Erteilung und die Form der Vollmacht enhält § 69 keine spezielle Regelung. Daher gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 167 ff BGB. 87 Diese sind gegebenenfalls durch das Innenrecht der jeweiligen Rechtsgemeinschaft modifiziert. 88 Die Vollmacht kann damit gem § 167 Abs 1 BGB sowohl dem gemeinschaftlichen Vertreter als auch der Gesellschaft gegenüber erteilt werden.

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Weiterhin bestehen grundsätzlich keine besonderen Formerfordernisse.89 Eine münd- 3 5 liehe Bevollmächtigung ist daher zulässig. Nach § 167 Abs 2 BGB bedarf die Vollmachtserteilung insbesondere nicht der Form, die für das der Vollmacht zugrundeliegende Rechtsgeschäft vorgeschrieben ist. Nur bei einseitigen Rechtsgeschäften kann wegen § 174 S 1 BGB die Erteilung einer Vollmachtsurkunde angebracht sein. 90 Anderenfalls wird die Gesellschaft diese Geschäfte des Vertreters zurückweisen. Die Aktiengesellschaft kann auch über den Anwendungsbereich des § 174 S 1 BGB hinaus bei bestehenden Zweifeln zum Nachweis der Bevollmächtigung die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht verlangen. 91 Soweit jedoch andere Vorschriften eine bestimmte Form verlangen, befreit § 69 nicht 3 6 von diesen Erfordernissen. 92 Dies betrifft etwa den Fall der Stimmrechtsausübung durch den gemeinschaftlichen Vertreter. Dazu muss dieser nämlich gem § 134 Abs 3 S 2 grundsätzlich eine schriftliche Vollmacht vorlegen, weshalb in der Praxis eine schriftliche Bevollmächtigung sinnvoll ist. 93

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BayObLG AG 1968, 330, 331; AnwKomm/ Lohr 9; MünchKommJBayer 20 unter Bezugnahme auf die Rechtslage zu ξ 18 GmbHG: BGHZ 49, 183, 191; Schoh/Winter GmbHG § 18 Rdn 21; R o t h / A l t m e p p e n § 18 Rdn 12. S o Rdn 29 ff; Hüffer 4. Allgemeine Ansicht: Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 26; Großkomm/Barz Voraufl 7; KK/Lutter 21; MünchKomm/Bayer 19. S o Rdn 24; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 34; MünchKomm/Bayer 19.

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Geßkr/Hefermehl/Bungeroth 27; Hüffer 4. MünchKomm/ßayer 20. Hüffer 4; MünchKomm/ßayer 20. Hüffer 4. So auch KK/Lutter 15; MünchKomm/Bayer

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Unstreitig vgl Geßler/Hefermehl/Bungeroth 28; Hüffer 4; KK/Lutter 15; MünchKomm/ Bayer 20. AnwKomm/Lohr 11; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 28; Hüffer 4; KK/Lutter 15.

Hanno Merkt

§ 69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

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c) Dauer und Erlöschen der Vollmacht. Auch Dauer und Erlöschen der Vollmacht richten sich mangels Regelung in § 69 allein nach den allgemeinen Vorschriften. So ist insbesondere eine bestimmte Dauer für die Vollmacht des gemeinschaftlichen Vertreters nicht erforderlich. 94 Die Vollmacht kann also zeitlich begrenzt werden. 9 5 Die mehreren Berechtigten, die schon über das Ob der Bestellung des gemeinschaftlichen Vertreters bestimmen, sind auch frei, das Wie näher auszugestalten. 96

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Das Erlöschen der Vollmacht ist BGB sowie nach den spezifischen trag), das der Bevollmächtigung die Vollmacht damit jederzeit frei §§ 168 ff BGB, insbesondere die §§

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d) Reichweite der Vertretungsmacht. Nach dem Wortlaut des § 69 Abs 1 bezieht sich die Vertretungsmacht des gemeinschaftlichen Vertreters auf die Ausübung der Rechte aus der Aktie gegenüber der Gesellschaft. Die Vollmacht ist weder inhaltlich noch gegenständlich im Außenverhältnis wirksam beschränkbar. Vereinbarungen über Rückfragen bei den Inhabern, die Beschränkung auf den Empfang der Dividenden oder die Ausübung des Stimmrechts können lediglich im Innenverhältnis zu Schadensersatzansprüchen führen, 9 9 gegenüber der Gesellschaft sind sie unwirksam. 1 0 0 Etwas anderes gilt nur dann, wenn ausnahmsweise der Tatbestand der Kollusion iSv § 138 Abs 1 BGB oder des Missbrauchs der Vertretungsmacht nach § 242 BGB erfüllt ist. 101 Die Formulierung des Abs 1, wonach die Rechte aus der Aktie nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausgeübt werden können, legt nahe, dass alle Rechtsgeschäfte und nicht lediglich einzelne von ihnen gemeint sind. Auch die Möglichkeit der Bestellung von mehreren Personen zur gemeinschaftlichen Vertretung ändert daran nichts, denn rechtlich bleibt es trotz der Gesamtvertretung dabei, dass gegenüber der Gesellschaft nur gemeinschaftliche Vertretung möglich ist. Weiterhin sind auch besondere Gründe, insbesondere Schutzinteressen der mehreren Berechtigten, für eine Aufspaltung der einheitlichen Vertretungszuständigkeit nicht erkennbar. 102 Vielmehr wäre es für die Gesellschaft eine unzumutbare Erschwerung, wenn sie in jedem Einzelfall vor der Zulassung eines gemein-

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allein nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 168 ff Regeln des Rechtsverhältnisses (Dienstvertrag, Aufzu Grunde lag, zu beurteilen. 97 Grundsätzlich ist widerruflich. Zugunsten der Gesellschaft gelten die 170-173 BGB. 98

Geßler/Hefermehl/Bungeroth 29; ν Goditi/ mlbelmi 3; KK/Lutter 18. AnwKomm/Lohr 10; Hüffer 4; KK/Lutter 18. Geßier/Hefermehl/Bungeroth 29. Geßkr/Hefermehl/Bungeroth 29; Hüffer 4. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 29; Hüffer 4; KK/Lutter 16; MünchKomm/ßayer 20. Für eine wirksame Bindung im Innenverhältnis auch Geßler/Hefermehl/Bungeroth 32; KK/Lutter 19; MünchKomm/ßayer 23. Baumbach/Hueck 3; Geß\tdHefermehl/ Bungeroth 31; Hüffer 4; MünchKomm/ Bayer 21; HdbAG/Nini: 494; aA KK/Lutter 18; AnwKomm/Lohr 10, der aber zumindest Zustimmungsvorbehalte im Außenverhältnis für unzulässig hält. MünchKomm/Bayer 23; näher zum Missbrauch der Vertretungsmacht und der

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umstrittenen dogmatischen Einordnung: Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 46 Rdn 142 f; MünchKomm/Schramm § 164 Rdn 100 ff. Der Verfasser folgt hier der ständigen Rechtsprechung. Vgl BGHZ 50, 114; BGHZ 113, 320; BGH NJW 1990, 385; BGH NJW-RR 1992, 1135. Hüffer 4; MünchKomm/ßayer 21. Für die Parallelnorm des § 18 G m b H G wird der Streit anders entschieden. Für die Zulässigkeit einer gegenständlichen Beschränkung der Vollmacht: Scholz/Winter G m b H G § 18 Rdn 21; Zutt in Hachenburg G m b H G § 18 Rdn 24; Lutter/Hommelhoff GmbHG § 18 Rdn 7; Rowedder G m b H G § 18 Rdn 3.

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Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§69

schaftlichen Vertreters zur R e c h t s a u s ü b u n g die Reichweite seiner V o l l m a c h t überprüfen müsste. Dies liefe dem Z w e c k der N o r m zuwider, der darin liegt, die R e c h t s a b w i c k l u n g für die Gesellschaft bei mehreren Berechtigten an einer Aktie zu erleichtern. 1 0 3 Auch § 6 9 Abs 3 legt eine umfassende Ermächtigung des gemeinschaftlichen Vertreters nahe. Im Fall des A b s 3 wird dieser als Adressat für alle Willenserklärungen der Gesellschaft genannt, die regelmäßig die Aktie als Ganzes bzw die mit ihr verbundenen Pflichten, nicht jedoch einzelne R e c h t e aus der Aktie b e t r e f f e n . 1 0 4 Eine inhaltlich beschränkte Vollm a c h t kann daher von der Aktiengesellschaft mit der Folge zurückgewiesen werden, dass eine gemeinschaftliche Vertretung ihr gegenüber nicht besteht. Faktisch k ö n n e n die mehreren Berechtigten allerdings eine inhaltlich Beschränkung erreichen, indem sie ihr R e c h t zur zeitlichen Beschränkung der V o l l m a c h t ausüben. So kann die Vollmacht im Wege der Befristung auf solche M a ß n a h m e n beschränkt werden, die sich k o n k r e t a n k ü n d i g e n . 1 0 5

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e) Keine Verfügungsmacht über die Aktie. Verfügungen über die Mitgliedschaft insgesamt (Übertragung, Verpfändung, N i e ß b r a u c h etc) sind von der Vollmacht nicht gedeckt, weil es insoweit um die Aktie selbst und nicht um die aus ihr folgenden Einzelrechte g e h t . 1 0 6 Vielmehr k ö n n e n solche Verfügungen unmittelbar nur von den mehreren Berechtigten vorgenommen werden. D a h e r müssen etwa M i t e r b e n für die Ausübung von Aktienoptionen (sog stock options) keinen gemeinsamen Vertreter bestellen. Die Ausübung erfolgt in diesem Fall gemeinschaftlich nach § 2 0 4 0 B G B . 1 0 7

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4 . Tätigkeit des Vertreters: Ausübung der Mitgliedschaftsrechte N a c h dem W o r t l a u t des § 6 9 Abs 1 übt allein der gemeinschaftliche Vertreter für die mehreren Berechtigten die R e c h t e aus der Aktie a u s . 1 0 8 D a m i t sind sämtliche Mitgliedschaftsrechte gemeint. N i c h t erfasst sind hingegen die Verfügungen über die Mitgliedschaft selbst. Ist ein gemeinschaftlicher Vertreter vorhanden und seine Vertretungsmacht nachgewiesen, so darf die A G ihn grundsätzlich nicht von der Rechtsausübung ausschließen.109

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a) Vertretungsbedürftige Mitgliedschaftsrechte. Ein gemeinschaftlicher Vertreter ist insbesondere für die W a h r n e h m u n g von Vermögens- und Mitwirkungsrechten erforderlich. Vermögensrechte umfassen etwa die Entgegennahme von Dividenden, die Ausübung von Bezugsrechten sowie die Auszahlung der Liquidationsquote. Die M i t w i r k u n g s r e c h t e umfassen die Teilnahme an der Hauptversammlung, die Ausübung des Stimmrechts, die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen gem § 2 4 5 , sowie die Ausübung verschiedener Minderheitsrechte, etwa nach § § 1 2 2 , 1 4 2 , 147, und des Antragsrechts nach § § 3 0 4 , 3 0 5 . 1 1 0 Verfügungen über die Mitgliedschaft insgesamt (Übertragung, Verpfändung, Nießbrauchbestellung etc) sind von der Vollmacht nicht gedeckt, weil es insoweit um die Aktie selbst und nicht um die aus ihr folgenden Einzelrechte g e h t . 1 1 1 Soweit der

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Geßier/Hefermehl/Bungeroth 31. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 31. MünchKomm/Bayer 22. Hüffer 5. AnwKomm/Lohr 13; Kolmann ZEV 2002, 216, 218.

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Hüffer 5; MünchKomm/ßayer 24. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 34; KKJLutter 23. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 35; Hüffer 5. AnwKomm/Lohr 13; Hüffer 5; MünchKomm/Bayer 24.

Hanno Merkt

§69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

gemeinschaftliche Vertreter hierzu ermächtigt oder bevollmächtigt ist, wird der Anwendungsbereich des § 69 Abs 1 überschritten. 112 44

b) Keine Ausübung unmittelbar durch die Berechtigten. Die Ausübung der Rechte aus der Aktie ist den mehreren Berechtigten daneben nicht möglich. § 69 folgt der Prämisse, dass die Mitgliedschaftsrechte nicht ohne die Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters direkt durch alle Berechtigten gemeinsam ausgeübt werden können. 1 1 3 Insbesondere kann auch bei Untätigkeit des gemeinschaftlichen Vertreters nicht jeder Berechtigte quasi als Notgeschäftsführer Anfechtungsklage erheben. 114 Die ausschließliche Zuständigkeit des gemeinschaftlichen Vertreters wird auch dann nicht durchbrochen, wenn nach dem Innenrecht der Rechtsgemeinschaft eine Mehrheit der Mitberechtigten oder gar ein einzelner Mitberechtigter zur Rechtsausübung für alle Mitberechtigten befugt ist. Unterlassen die mehreren Berechtigten die Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters, dann geht diese Obliegenheitsverletzung zu ihren Lasten. Verletzt der gemeinschaftliche Vertreter etwa mit der Nichterhebung der Anfechtungsklage seine Pflichten gegenüber den mehreren Berechtigten im Innenverhältnis, dann muss er diesen den etwaig entstandenen Schaden ersetzen. Schließlich liegt die Auswahl und Überwachung des gemeinschaftlichen Vertreters im Verantwortungsbereich der Mitinhaber.

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Zwar hat dies der BGH zur Parallelvorschrift in § 18 GmbHG anders entschieden. 115 Da § 18 GmbHG aber lediglich verhindern will, dass die Anteilsrechte von den einzelnen Mitberechtigten unterschiedlich ausgeübt werden, kann hier eine Anfechtungsklage gegen einen rechtswidrigen Gesellschafterbeschluss durch einen Miterben gem § 2038 Abs 1 S 2 2. HS BGB (Ermächtigung jedes Miterben, die zur Erhaltung des Nachlasses notwendigen Maßregeln auch ohne Mitwirkung der anderen zu treffen) zugelassen werden. Abweichend von § 69 gestattet § 18 Abs 1 GmbHG nämlich auch die gemeinschaftliche Rechtsausübung durch die Mitinhaber. Somit vermag die BGH-Rechtsprechung eine abweichende Entscheidung für das Aktienrecht nicht zu präjudizieren. 116 Aus § 2038 Abs 1 S 2 2. HS BGB kann aber die Ermächtigung folgen, auch ohne die Zustimmung der übrigen Miterben einen gemeinschaftlichen Vertreter zu bestimmen. c) Grenzen und Reichweite der Vertretungsregelung

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aa) Legitimation durch Urkundenbesitz. Bei Inhaberaktien genügt zur Legitimation bei der Rechtsausübung der Besitz der Urkunde. Die Mitinhaber einer Inhaberaktie können ihre Rechte daher auch ohne ausdrückliche Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters ausüben, indem sich jeweils einer von ihnen durch die Vorlage der Urkunde gegenüber der AG ausweist. 117 Treten sie hingegen auch gegenüber der Gesellschaft gemeinsam auf, dann bedürfen sie in diesem Fall zur Rechtsausübung eines gemeinschaftlichen Vertreters. 118

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Geßler/Hefermehl/Bungeroth 30, 35; Hüffer 5; KKILutter 23; MünchKomm/ßayer 24. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 34. So auch Hüffer § 245 Rdn 6; aA AnwKomm/Lohr 12 unter Hinweis auf BGHZ 108, 21, 31 = BGH NJW 1989, 2694 (zu § 18 GmbHG); MünchKomm/Bayer 25. BGHZ 108, 21, 31 = BGH NJW 1989, 2694; ebenso OLG Karlsruhe GmbHR 1995, 824, 826. Ihm folgend Baumbach/

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Hueck/Fastrich § 18 G m b H G Rdn 4; Roth/Altmeppen § 18 G m b H G Rdn 11; aA Scholz/Winter § 18 G m b H G Rdn 20; Lutter/Hommelhoff § 18 G m b H G Rdn 3; Zutt in Hachenburg G m b H G § 18 Rdn 20. So auch MünchKomm/ßflyer 25; aA wohl Hüffer 6. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 36; Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Rdn 3. So schon Großkomm/iWz Voraufl 3.

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Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§69

H a t die Gesellschaft Namensaktien ausgegeben, dann hängt die Rechtsausübung gegenüber der Gesellschaft nach § 6 7 Abs 2 grundsätzlich von der Eintragung im Aktienre-

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gister ab. Die Legitimation erfolgt gerade nicht durch die Vorlage der Aktienurkunde. D a der Anspruch auf Auszahlung der Dividende bei N a m e n s a k t i e n regelmäßig in einem besonderen Gewinnanteilsschein ( C o u p o n ) verkörpert ist, wird insoweit die Legitimation durch das Register durch die Legitimation des Couponbesitzes mit der Folge verdrängt, dass wie bei Inhaberaktien die ausdrückliche Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters entbehrlich i s t . 1 1 9 Dasselbe gilt für ein im Wege der Vorlage des Gewinnanteilsscheins ausübbares Bezugsrecht auf junge A k t i e n . 1 2 0 bb) Zulassung der mehreren Berechtigten durch die Gesellschaft. Die Gesellschaft k a n n gem § 6 9 Abs 1 den nicht durch einen gemeinschaftlichen Vertreter repräsentierten mehreren Berechtigten einer Aktie Leistungen auf die Aktie und die Zulassung zur Ausübung sonstiger Mitgliedschaftsrechte verweigern. 1 2 1 Sie ist dazu jedoch nicht verpflichtet. Vielmehr k a n n sie auch die unvertretenen mehreren Berechtigten unmittelbar zur Rechtsausübung z u l a s s e n . 1 2 2 Schließlich dient die N o r m lediglich dem Schutz der Gesellschaft durch einen vereinfachten Ablauf der Verwaltung der mehreren Berechtigten, indem die Gesellschaft von der Erforschung des Innenverhältnisses befreit wird. Auf diesen Schutz k a n n die Gesellschaft aber im R a h m e n ihres jeweils neu auszuübenden pflichtgemäßen Ermessens verzichten bzw die mehreren Berechtigten unmittelbar als gemeinschaftlichen Vertreter b e h a n d e l n . 1 2 3

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Ein entsprechendes aktienrechtliches Verbot existiert nicht. Auch ein berechtigtes Interesse der übrigen A k t i o n ä r e oder ein allgemeines Ordnungsinteresse an der Vertreterbestellung ist nicht ersichtlich. Vielmehr k a n n , wenn sich etwa alle Aktien der Gesellschaft in der H a n d von mehreren Berechtigten, z B M i t e r b e n eines Alleinaktionärs, o h n e gemeinschaftlichen Vertreter befinden, sogar ein Ordnungsinteresse an der Abweichung von Abs 1 bestehen, weil anderenfalls die Organisation der Gesellschaft lahm gelegt werden w ü r d e . 1 2 4 Somit kann die Gesellschaft etwa die Dividende wirksam an alle Berechtigten gemeinsam und bei Bruchteilsgemeinschaften anteilsmäßig an jeden M i t berechtigten leisten. 1 2 5

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Ferner kann die Gesellschaft die M i t i n h a b e r der Aktie auch gemeinsam zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur S t i m m a b g a b e zulassen. Ein mit gemeinschaftlicher S t i m m a b g a b e der mehreren Berechtigten zustande g e k o m m e n e r Hauptversammlungsbeschluss ist in diesem Fall nicht fehlerhaft und kann nicht wegen eines Verstoßes gegen § 6 9 Abs 1 angefochten w e r d e n . 1 2 6

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Geßler/Hefermehl/Bungeroth 37. Ge&eil Hefermehl/Bungeroth 37; Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Rdn 3. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 38. AnwKomm/Lohr 7; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 38; Hüffer 6; KK/Lutter 24; MünchKomm/ßayer 26; Schörnig ZEV 2002, 343, 350; aA Großkomm/Barz Voraufl 7; ν Godin/Wilhelmi 3; Schrötter NJW 1979, 2595; ders, Die Grenzen der Abschließbarkeit personenbezogener Aktiengesellschaften gegenüber unerwünschten Beteiligungen nach deutschem, schweizerischem und französischem Recht,

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1976, S 125; offengelassen von KG AG 1972, 49. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 39; KK/Lutter 24. Geßler¡Hefermehl/Bungeroth 39; aA ν Godin/Wilhelmi 3. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 38; Hüffer 6; KKJLutter 24; MünchKomm/Bayer 26; Ritter § 63 AktG 1937 Anm le. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 38; Hüffer 6; KKJLutter 24; MünchKomm/Bayer 26; aA ν Godin/Wilhelmi 3; Schrötter NJW 1979, 2595; ders, Die Grenzen der Abschließbarkeit personenbezogener Aktiengesellschaften

Hanno Merkt

§ 69 51

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

d) Statutarische Änderung des Abs 1. Abweichungen von § 6 9 A b s 1 k ö n n e n mit Rücksicht auf den nach § 2 3 A b s 5 zwingenden C h a r a k t e r der Vorschrift nicht im Vorwege durch abweichende Satzungsbestimmung oder sonstige vertragliche Vereinbarungen mit bindender W i r k u n g für die Z u k u n f t festgelegt werden. Vielmehr sind in jedem Einzelfall eine Prüfung und ein Verzicht n o t w e n d i g . 1 2 7

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e) Gemeinschaftlicher Vertreter und mehrere Berechtigte. Selbst für den Fall, dass ein gemeinschaftlicher Vertreter bestellt wurde, steht es der Aktiengesellschaft frei, die M i t berechtigten zur gemeinsamen Rechtsausübung zuzulassen bzw Dividenden direkt an sie auszuzahlen und mithin den gemeinschaftlichen Vertreter zu ü b e r g e h e n . 1 2 8 Das gilt aber nur dann, wenn die Rechtsgemeinschaft keinen gesetzlichen Vertreter hat, etwa einen Testamentsvollstrecker, der ausschließlich als gemeinschaftlicher Vertreter zuständig i s t . 1 2 9 Z u d e m ist die Z u s t i m m u n g aller Berechtigten erforderlich. Ein solches Vorgehen wird allerdings nur ausnahmsweise zu empfehlen sein.

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Die Eintragung des gemeinschaftlichen Vertreters in das Aktienregister ist unerheblich, da sich die Legitimationswirkung des § 6 7 Abs 2 nicht auf diese Eintragung bezieht.130 5. Mehrere Vertreter eines Alleinberechtigten

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Die A k t i o n ä r e haben nicht nur die Freiheit zur Wahl eines gemeinschaftlichen Vertreters, sondern sie k ö n n e n auch mehrere Personen zu ihren Vertretern bestellen. M i t R ü c k sicht auf den Z w e c k des § 6 9 Abs 1 ist in diesen Fällen allerdings nur Gesamtvertretung m ö g l i c h . 1 3 1 N a c h dem W o r t l a u t setzt § 6 9 die Berechtigung mehrerer an einer Aktie voraus. Die N o r m kann auf Fälle, in denen sich ein Alleininhaber durch mehrere Personen vertreten lässt, nicht direkt angewendet w e r d e n . 1 3 2

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D e r Vorschrift des § 6 9 lässt sich der allgemeine Z w e c k entnehmen, dass im Interesse der Gesellschaft die einheitliche Willensausübung für jede Aktie gesichert werden s o l l . 1 3 3 D a h e r muss durch eine analoge Anwendung von § 6 9 gewährleistet werden, dass eine Vertretung durch mehrere einzelvertretungsberechtigte Vertreter nebeneinander nicht zulässig i s t . 1 3 4 Das gilt nicht nur für die Vertretung einer natürlichen Person durch Bevollmächtigte, sondern auch für die Vertretung einer juristischen Person durch Mitglieder ihres Vertretungsorgans. 1 3 5 Die M ö g l i c h k e i t , sich als Alleininhaber durch mehrere gesamtvertretungsberechtigte Personen vertreten zu lassen, wird davon nicht berührt.

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gegenüber unerwünschten Beteiligungen nach deutschem, schweizerischem und französischem Recht, 1976, S 125; offengelassen von KG AG 1972, 4 9 f, das jedoch die Vollzähligkeit iSv § 241 Nr 1 bejaht. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 39; Hüffer 6; KK¡Lutter 24; Großkomm/Barz Voraufl 6. Geßler /Hefermehl/Bungeroth 40; Hüffer 6; KK/Lutter 25; MünchKomm/Bayer 27; aA Großkomm/Barz Voraufl § 69 Anm 7; Schrötter NJW 1979, 2595. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 40; Hüffer 6; KK/Lutter 25; MünchKomm/Bayer 27.

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Im Ergebnis ebenso MünchKomm/Bayer 27, der allerdings auf die Zustimmung der ebenfalls eingetragenen Berechtigten abstellt. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 22; Hüffer 4; KKJLutter 18; aA ν Godin/Wilhelmi 3. Großfeld/Spennemann AG 1979, 129; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 33. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 33. So für die Stimmrechtsausübung Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 33; ν Godin/Wilhelmi § 134 Anm 16; Großfeld/Spennenmann AG 1979, 129, 130. Großfeld/Spennemann AG 1979, 129, 130.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§69

IV. Haftung als Gesamtschuldner (§ 69 Abs 2) Die mehreren Berechtigten haften für die Leistungen aus der Aktie nach § 69 Abs 2 als Gesamtschuldner iSd §§ 421 ff BGB. Das gilt insbesondere für die Einlagepflicht, aber auch für Ansprüche der Gesellschaft aus §§ 55, 62, 63. 136 Diese Haftung besteht unabhängig davon, ob die Berechtigten eine Bruchteils- oder eine Gesamthandsgemeinschaft bilden. 137 Ist die Rechtsgemeinschaft selbst verpflichtungsfähig, wie etwa im Fall der (Innen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts, so ist die Regelung in Abs 2 als zwingende Anordnung einer (zusätzlichen) unbeschränkten gesamtschuldnerischen Mithaftung aufzufassen. 138 Dies entspricht dem allgemeinen Rechtsgedanken einer akzessorischen Gesellschafterhaftung nach § 128 HGB. 1 3 9 Auch der nicht verwaltungsberechtigte Ehegatte bei der Gütergemeinschaft haftet ungeachtet des § 1422 S 2 BGB.

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Diese Regelung ist zwingend. Aus § 66 Abs 1 lässt sich folgern, dass eine abweichende Satzungsbestimmung unwirksam ist. 140 Die Vorschrift hat keine Bedeutung für das Innenverhältnis der Rechtsgemeinschaft. 141 Ihre gegenseitigen Ausgleichsansprüche können die Mitinhaber daher abweichend von § 426 BGB regeln.

57

1. Ausgangspunkt: Leistungen auf die Aktie Die Vorschrift schafft nach allgemeiner Ansicht keinen selbständigen Schuldgrund, sondern setzt voraus, dass aufgrund einer anderen gesetzlichen Regelung eine Leistungspflicht „auf die Aktie" besteht. 142 Dies betrifft die Fälle der Verpflichtung aus § 54 (Einlagepflicht), § 55 (Nebenleistungspflicht), § 62 (Rückgewährpflicht), § 63 (Zinsen und Vertragsstrafen bei nicht rechtzeitiger Einzahlung) und § 65 (Regresshaftung). 143 § 69 Abs 2 ist keine Zurechnungsnorm für fremdes rechtswidriges Handeln. 1 4 4 Werden von der Aktiengesellschaft unter Verstoß gegen § 57 an einzelne Mitinhaber Leistungen erbracht und damit nicht zugleich „auf die Aktie", so begründet § 69 Abs 2 keine Mithaftung der übrigen Mitglieder der Rechtsgemeinschaft. 145 Die Rückgewährpflicht nach § 62 trifft vielmehr nur den unmittelbaren Leistungsempfänger.

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2. Haftungsbeginn und -ende Die Haftung beginnt mit dem Zeitpunkte der dinglichen Berechtigung mehrerer an der Aktie, bei Namensaktien aber erst mit der Eintragung in das Aktienregister gem

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AnwKomm/Lohr 14; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 17; Hüffer 7; KK/Lutter 28. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 14; MünchKommJ Bayer 28; Großkomm/Barz Vorauf] 8. Hüffer 7; MünchKomm/Bayer 29; wohl auch BGHZ 78, 311, 316 f = NJW 1981, 682 zu § 18 GmbHG; Scholz/Winter GmbHG § 18 Rdn 25 m w N . Hüffer 7; aA AnwKomm/Lofcr 14, der aufgrund der grundsätzlichen Unanwendbarkeit des § 69 auf die o H G folgert, dass die Gesellschafter nicht über § 69 Abs 2 in Anspruch genommen werden können, sondern allein über § 128 HGB.

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AnwKomm/Lofcr 15; KKJLutter 27; MünchKomm/Bayer 28; Großkomm/ßarz Voraufl 8. GeñedHefermehl/Bungeroth 17; KKJLutter 27; MünchKomm/Bayer 28. Ge&iedHefermehl/Bungeroth 15; KYJLutter 27; MünchKomm/ßayer 30. AnwKomm/Lo/ir 14; Geßler /Hefermehl/ Bungeroth 15; Hüffer 7; KYJLutter 24; MünchKomm/Bayer 30; zum früheren Recht schon Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Anm 4. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 16; MünchKomra/Bayer 30. So aber KKJLutter 28.

Hanno Merkt

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§69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

§ 67 Abs 2. 1 4 6 Die Haftung endet dementsprechend, wenn die Beteiligung an der Rechtsgemeinschaft beendet wird. Wiederum ist bei Namensaktien die Löschung aus dem Aktienregister entscheidend. 147 60

Dabei ist allerdings eine zeitliche Nachwirkung zu beachten. Die Haftung dauert für solche Verpflichtungen, die ein Aktionär auch nach der Beendigung seiner Aktionärsstellung noch zu erfüllen hat, über den Zeitpunkt der Beendigung der Beteiligung an der Rechtsgemeinschaft hinaus fort. Dies betrifft insbesondere die Verpflichtungen aus §§ 54, 55, die während des Bestehens der Gemeinschaft begründet, aber nicht geltend gemacht wurden, sowie für Ansprüche aus einer Ausfallhaftung gem § § 6 5 Abs 1, 64 Abs 4 S 2. 1 4 8

61

Soweit einer der mehreren Berechtigten an einer Aktie auf die Gesamtschuld gezahlt hat, ist er auch nach Beendigung der Rechtsgemeinschaft gegenüber den übrigen Beteiligten nach den Regeln der gesamtschuldnerischen Haftung ausgleichsberechtigt. 149 Scheidet nur einer der Berechtigten aus der Rechtsgemeinschaft aus und kommt es dann zu einer Veräußerung und später zu einer Kaduzierung, so haftet er nach § 65 Abs 1 subsidiär gegenüber allen, die nach ihm noch an der Aktie beteiligt waren, im Rahmen dieser Haftung aber auf den vollen Betrag. 150 3. Reichweite der Haftung, beschränkte Erbenhaftung

62

Im Grundsatz geht § 69 Abs 2 von einer unbeschränkten Haftung der mehreren Berechtigten aus. Umstritten ist hingegen, ob und inwieweit sich die Mitglieder einer Erbengemeinschaft auf die beschränkte Erbenhaftung gem §§ 1975 ff, 2059 Abs 1 S 1 BGB berufen können. 1 5 1 Für Inhaberaktien und Namensaktien vor der Eintragung der Miterben ist die Möglichkeit einer Beschränkung allgemein anerkannt. 1 5 2 Nach richtiger Auffassung kann jedoch die bloße Eintragung der mehreren Berechtigten in das Aktienregister am erbrechtlichen Haftungsprivileg nichts ändern. 1 5 3 Im Ergebnis nicht überzeugend ist die Ansicht, dass sich mit der Eintragung die Einlageschuld von ihrer erbrechtlichen Grundlage löse und damit keine entsprechenden Beschränkungsmöglichkeiten zur Verfügung ständen. 1 5 4 Dem liegt ein unzutreffendes Verständnis von § 67 Abs 2 zu-

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MünchKomm/Bayer 31. Geßler/He fermehl/Bungeroth 19; KKJLutter 28; MünchKomm/Bayer 31. Allgemeine Ansicht: G e ß l e r / H e f e r m e b l / Bungeroth 19, 20; ν Godin/Wilhelmi 4; KK¡Lutter 28; MünchKomm/ßayer 31. Geßkd He fermehl/Bungeroth 19. ν Godin/Wilhelmi 4; G e ß l e r / H e f e r m e h l / Bungeroth 20. Grundsätzlich dafür: GroßkommIBarz Voraufl 8; Geßler/He,fermehl/Bungeroth 18; MünchKomm/Bayer 32; aA im Hinblick auf Namensaktien nach der Eintragung der Miterben in das Aktienregister: AnwKomm/ Lohr 15; Baumbach/HWcfc 4; Crezelius Unternehmenserbrecht, Rdn 382; ν Godin/ Wilhelmi 4; Hüffer 7; KKJLutter 29;

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Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Anm 4. A n w K o m m / L o h r 15; ßaumbach/HwgcjS: 4; Crezelius Unternehmenserbrecht, Rdn 382; υ Godin/Wilhelmi 4; Großkomm/ßtfrz Voraufl 8; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 18; Hüffer 7; KKJLutter 29; MünchKomm/ Bayer 32; Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Anm 4. So auch Großkomm/Berz Voraufl 8; Gzß\ed He fermehl/Bungeroth 18; MünchK o m m / B a y e r 32. In diesem Sinne aber Baumbach/Hueck 4; ν Godin/Wilhelmi 4; Hüffer 7; KKJLutter 29; Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Anm 4.

Stand: 1.11.2007

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§69

Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

gründe: Die Legitimationswirkung bezieht sich lediglich auf diejenige Person, die gegenüber der Gesellschaft als Aktionär gilt. Über das für Pflichten aus der Aktie haftende Vermögen trifft die Norm hingegen keine Aussagen. Auch § 6 9 Abs 2 wirkt selbst nicht haftungsbegründend. Vielmehr leitet die Vorschrift die mitgliedschaftliche Haftung aus der Aktie auf die mehreren Berechtigten über. Die jeweiligen Leistungspflichten werden nicht durch § 6 9 Abs 2 modifiziert. Dabei werden keine Aussagen über den Umfang des haftenden Schuldnervermögens gemacht. Das Haftungssubstrat wird nicht festgelegt. Im Grundsatz bestehen daher Beschränkungsmöglichkeiten. 155 Die Beschränkung der Haftung auf das Vermögen des Erblassers ist auch sachgerecht. Es besteht kein billigenswertes Interesse der Gesellschaft daran, dass sich die ihr haftende Vermögensmasse allein aufgrund eines Erbfalls zwingend vergrößern müsste. Die Gesellschaft hat lediglich ein Anrecht darauf, dass sich die Haftungsmasse infolge des Erbfalls nicht vermindert. Diesem Anliegen wird durch §§ 1975 ff, § 2 0 5 9 Abs 1 S 1 BGB Rechnung getragen.

63

Dieser Grundsatz gilt auch für weitere erbrechtliche Konstellationen. So kann der Vorerbe trotz seiner Eintragung in das Aktienregister nach Eintritt des Nacherbfalls seine Haftungsbeschränkung gem § 2145 BGB geltend machen. Der Nacherbe haftet gem § 6 7 Abs 2 jedoch erst dann, wenn er selbst in das Aktienregister eingetragen ist. Erst ab diesem Zeitpunkt greift dann auch die Privilegierung des § 2145 BGB. Sie erstreckt sich dann auch auf die Ausfallhaftung nach § 65 Abs l . 1 5 6 Eine Berufung auf einen Wegfall der Erbenstellung und damit zugleich der Stellung als Aktionär, etwa durch die Nacherbfolge, ist im Falle der Eintragung in das Aktienregister bis zur Beseitigung der Eintragung nicht möglich. Das gilt für mehrere Erben ebenso wie für Miterben. 1 5 7 Ein Nachteil ist für die Aktiengesellschaft damit nicht verbunden, denn der Vorerbe wird nur insoweit frei, als der Nacherbe haftet. Ein Ausfallrisiko besteht folglich nicht. 1 5 8

64

V. Willenserklärung der Gesellschaft gegenüber dem Aktionär (§ 6 9 Abs 3) Die Regelung des § 6 9 Abs 3 erfasst drei Fallgruppen: Die Erklärung gegenüber dem gemeinschaftlichen Vertreter, die Erklärung gegenüber einem der mehreren Berechtigten, falls ein gemeinschaftlicher Vertreter nicht bestellt wurde (§ 69 Abs 3 S 1) sowie die Erklärung gegenüber der Erbengemeinschaft (§ 6 9 Abs 3 S 2).

65

Haben die mehreren Berechtigten an der Aktie gegenüber der Gesellschaft keinen gemeinschaftlichen Vertreter benannt, so kann die Gesellschaft nach § 6 9 Abs 3 S 1 eine ihnen gegenüber abzugebende Willenserklärung gegenüber einem Beliebigen von ihnen mit Wirkung für und gegen alle abgeben. Ohne diese Vorschrift wäre die Gesellschaft gezwungen, die Erklärung jedem Mitinhaber der Aktie zugehen zu lassen. 1 5 9 Die Gesellschaft ist wiederum nicht verpflichtet, von der Vergünstigung des § 6 9 Abs 3 S 1 Ge-

66

155

156

(19)

Vgl G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 18; M ü n c h K o m m / B a y e r 3 2 . Ebenso zu § 18 Abs 2 G m b H G : Scholz/Winter § 18 Rdn 2 7 ; Lurter/Hommelhoff G m b H G § 18 Rdn 4; BaumbachJHueck/Fastrich § 18 G m b H G Rdn 8; RothIAltmeppen § 18 Rdn 13. In diesem Sinne auch MiinchKomm/ Bayer 3 3 . Teilweise in unterschiedliche Richtungen abweichend Hüffer 7; KK¡Lutter 2 9 ;

G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 18; Großk o m m / B a r z Voraufl 8. 18.

157

Geßler/Hefermehl/Bungeroth

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M ü n c h K o m m / B a y e r 3 3 . Ausführlich zur Haftungsbegrenzung des § 2 1 4 5 BGB: MünchKomm/Grunsky § 2 1 4 5 BGB Rdn 3 ff m w N .

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Geßler/Hefermehl/Bungeroth 43.

Hanno Merkt

§ 69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

brauch zu machen. Zwar ist die Abgabe der Willenserklärung gegenüber einem der Mitberechtigten für den Zugang gegenüber allen anderen ausreichend, aber die Gesellschaft kann dennoch die Erklärung gegenüber mehreren oder allen Mitberechtigten abgeben. 1 6 0 1. Regelungsbereich 67

Der Anwendungsbereich ist eng begrenzt. Nach seinem Wortlaut gilt § 6 9 Abs 3 ausschließlich für Willenserklärungen der Gesellschaft, die gegenüber einem einzelnen Aktionär abzugeben sind. Gemeint ist damit eine Erklärung, die sich an den einzelnen Aktionär und nicht an die Gesamtheit der Aktionäre richtet. 1 6 1 Beispiele für solche Willenserklärungen sind die Zahlungsaufforderung nach § 65 Abs 1 an einen früheren Aktionär oder die Anmahnung rückständiger Nebenleistungen nach § 5 5 . 1 6 2 Weitere unter Abs 3 fallende Erklärungen können in der Satzung vorgesehen werden. 1 6 3 Auf öffentlich abzugebende Erklärungen und Bekanntmachungen, etwa nach § § 6 3 Abs 1, 6 4 Abs 2 S 1 - 3 , Abs 3, 121 Abs 3, ist § 6 9 Abs 3 hingegen grundsätzlich nicht anwendbar. 1 6 4 Die Zahlungsaufforderung nach § 63 Abs 1 kann aber dann unter § 6 9 Abs 3 fallen, wenn sie aufgrund besonderer Satzungsbestimmung individuell an die einzelnen Einlageschuldner gerichtet wird. 1 6 5 Auch auf die Nachfristsetzung mit Einziehungsandrohung nach § 6 4 Abs 1 ist § 6 9 Abs 3 dann ausnahmsweise anwendbar, wenn sie bei vinkulierten Namensaktien nach § 6 9 Abs 2 S 4 durch Einzelaufforderungen an Stelle der öffentlichen Bekanntmachung ergeht. 1 6 6 Hingegen ist § 6 9 Abs 3 ebenfalls nicht einschlägig für Erklärungen, die nur einzelne Mitberechtigte betreffen. 1 6 7

68

Auf die zuvor genannten Aufforderungen und Benachrichtigungen nach §§ 55, 6 4 Abs 2 S 4, 65, 2 3 7 kann § 6 9 Abs 3 analog angewendet werden. 1 6 8 2 . Erklärung gegenüber dem gemeinschaftlichen Vertreter

69

Die Vorschrift des § 6 9 Abs 3 S 1 stellt klar, dass die Gesellschaft eine Willenserklärung grundsätzlich gegenüber dem gemeinschaftlichen Vertreter abzugeben hat, wenn dieser nicht nur von den Berechtigten bestellt, sondern auch gegenüber der Gesellschaft benannt wurde. 1 6 9 Dazu ist die Gesellschaft aber nicht gezwungen. Statt der Zustellung an den gemeinschaftlichen Vertreter kann sie dann auch an alle Berechtigten direkt zustellen. Eine Zustellung lediglich an einen Mitinhaber ist hingegen nicht ausreichend. 1 7 0

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Geßler/Hefermehl/Bungeroth 43. Allgemeine Ansicht: Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 41; Hüffer 8; KKJLutter 30; MünchKomm/Bijyer 34; Großkomm/ßarz Voraufl 9. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 42. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 42. AnwKomm/Lohr 17; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 41; Hüffer 8; Schlegelberger/ Quassowski § 63 AktG 1937 Rdn 5. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 42; KKJLutter 30; MiinchKomm/Bayer 34. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 42 Baumbach/Hwcc/î 5; Geßler /Hefermehl/ Bungeroth 41; Hüffer 8; KKJLutter 30; MünchKomm/ßayer 34.

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So MünchKomm/Btfyer 34; vgl auch Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 42. Hüffer 8; MünchKomm/ßayer 35. Bei der Vorgängervorschrift in § 63 Abs 3 S 1 AktG 1937 fehlte die ausdrückliche Bezugnahme auf die Benennung. Heute wohl unstreitig: Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 48; Hüffer 8; KKJLutter 32; MünchKomra/ßayer 35; aA noch Großkomm/Barz Voraufl 9; Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Rdn 5. Wie hier für § 18 GmbHG Scholz/Winter § 18 GmbHG Rdn 35; Zutt in Hachenburg GmbHG § 18 Rdn 29 mwN.

Stand: 1.11.2007

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Rechtsgemeinschaft an einer Aktie

§69

Die Norm bezweckt schließlich allein den Schutz der Gesellschaft, auf den sie auch verzichten kann. Die Gesellschaft trägt dann aber das Übermittlungsrisiko gegenüber allen Berechtigten. Eine solche Zustellung unmittelbar an die mehreren Berechtigten wird in der Praxis sehr selten vorkommen, da der gemeinschaftliche Vertreter grundsätzlich leichter erreichbar ist als alle Mitinhaber. 1 7 1 § 6 9 Abs 3 S 1 gestattet aber keine Durchbrechung der ausschließlichen Zuständigkeit eines gesetzlichen Vertreters, dh eine unmittelbare Zustellung an alle Berechtigten wäre in diesem Fall nicht wirksam. 1 7 2 Aufgrund des disponiblen Charakters des § 6 9 Abs 3 S 1 kann die Gesellschaft zudem an den zwar bestellten, ihr gegenüber aber nicht benannten gemeinschaftlichen Vertreter wirksam zustellen. 1 7 3 Die Benennung des gemeinschaftlichen Vertreters gegenüber der Gesellschaft ist eine empfangsbedürftige Wissenserklärung, die keiner besonderen Form bedarf. Sie muss jedoch die Angaben enthalten, die nötig sind, damit die Gesellschaft ihre Willenserklärungen dem gemeinschaftlichen Vertreter ohne zumutbare Schwierigkeiten übermitteln kann. 1 7 4 Die Mitteilung zur Eintragung des gemeinschaftlichen Vertreters in das Aktienregister genügt diesem Erfordernis.

70

3. Erklärung gegenüber einem Berechtigten Existiert kein gemeinschaftlicher Vertreter oder ist zwar Vollmacht erteilt, aber der Vertreter nicht gegenüber der AG benannt worden, 1 7 5 so kann die Gesellschaft nach § 6 9 Abs 3 S 1 die Willenserklärung wirksam gegenüber einem der mehreren Berechtigten abgeben. In diesen Fällen wird auf das Erfordernis einer Erklärung gegenüber allen Mitberechtigten verzichtet. 1 7 6 Eine Einzelbekanntmachung scheidet dann aus, wenn für die Rechtsgemeinschaft eine ausschließliche gesetzliche Vertretung, etwa durch einen Testamentsvollstrecker, besteht. 1 7 7 Ein solcher gesetzlicher Vertreter gilt immer auch als gemeinschaftlicher Vertreter der mehreren Berechtigten.

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Ist der Gesellschaft die Person des gemeinschaftlichen Vertreters zwar sicher bekannt ist, ist diese Person ihr aber nicht als solche benannt worden, dann ist sie dennoch berechtigt, die Erklärung wirksam ihr gegenüber abzugeben. 1 7 8 In einem solchen Fall kann die Berufung auf die Privilegierung des § 6 9 Abs 3 unter Umständen rechtsmissbräuchlich sein. 1 7 9 Da die Benennung der Person des gemeinschaftlichen Vertreters gegenüber der Gesellschaft eine Obliegenheit der mehreren Berechtigten ist, kommt ein Rechtsmissbrauch aber nur ganz ausnahmsweise in Betracht, etwa wenn die mehreren Berechtigten eine Bekanntgabe zumindest versucht haben und ihnen der fehlende Zugang der Erklärung nicht wissentlich oder grob fahrlässig unbekannt geblieben ist. 1 8 0 Anderenfalls besteht überhaupt kein Vertrauensschutz.

72

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In diesem Sinne auch GeßlerIHefermehll Bungeroth 4 8 .

177

Unstreitig vgl nur Kropff Begr RegE zum AktG 1965, S 8 8 f; MünchKomm/ßayer 37.

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Gt&et/Hefermehl/Bungeroth 4 4 , 4 8 ; Hüffer 8; YXJLutter 3 2 ; MünchKomm/ßayer 35.

178

Geßler/Hefermehl/Bungeroth 4 4 ; 3 2 ; MünchKomm/Bayer 37.

173

Kropff Begr RegE zum AktG 1965, S 8 8 f; Geßler¡Hefermehl/Bungeroth 4 4 .

179

Geßlei/Hefermehl/Bungeroth 44; KYJLutter 3 2 ; zweifelnd: MünchKomm/Bayer 37.

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Gt&tdHefermehl/Bungeroth 45. Die Benennung gegenüber der Gesellschaft ist konstitutiv. Vgl Kropff Begr RegE zum AktG 1965, S 8 8 f.

180

Anders Geßler/Hefermehl/Bungeroth 4 4 , die auf jede anderweitige Kenntnisnahme durch die Gesellschaft abstellen.

175

17é

(21)

S o Rdn 6 6 ; vgl auch M ü n c h K o m m / ß a y e r 36.

Hanno Merkt

KKJLutter

§69

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

4. Sonderfall § 69 Abs 3 S 2: Erbengemeinschaft 73

Die Regelung des § 69 Abs 3 S 1 gilt nach Abs 3 S 2 bei mehreren Erben eines Aktionärs nur für Willenserklärungen, die nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft abgegeben werden. Bis zum Ablauf dieser Frist müssen Willenserklärungen der Gesellschaft, sofern nicht bereits ein gemeinschaftlicher Vertreter benannt worden ist, gegenüber allen Miterben abgegeben werden. 181 Die Miterben genießen somit eine Schonfrist von einem Monat. Die Frist des § 69 Abs 3 S 2 läuft unabhängig von der Kenntnis der Beteiligten vom Erbanfall. 182 Ein besonderer Schutz des Nächstberufenen im Falle einer Ausschlagung der Erbschaft ist im Hinblick auf die Rückwirkungsfiktion des § 1953 Abs 2 BGB nicht angebracht. Die Monatsfrist des Abs 3 S 2 beginnt daher mit der Erbausschlagung nicht neu zu laufen. 183 Eine damit etwaig verbundene Härte für den Fall der Ausschlagung durch den Nächtsberufenen ist nach dem Willen des Gesetzes hinzunehmen. 184 Der Schutz der Gesellschaft genießt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 69 Abs 3 S 2 Vorrang. 185 Als Anfall der Erbschaft gilt im Hinblick auf § 2106 Abs 1 BGB auch der Eintritt der Nacherbfolge. Der Nacherbfall setzt daher für die durch ihn entstehende Erbengemeinschaft eine eigene Monatsfrist nach § 69 Abs 3 S 2 in Gang. 186 Diese Frist beginnt auch dann neu zu laufen, wenn infolge des Nacherbfalls nur einer von mehreren Berechtigten durch eine andere Person ersetzt wird. 187 5. Statutarische Änderung

74

Auch § 69 Abs 3 bezweckt den Schutz der Gesellschaft. Daher kann auf diesen Schutz im Einzelfall grundsätzlich verzichtet werden. 188 Eine Ausnahme ist allerdings dann zu machen, wenn der gemeinschaftliche Vertreter der allein zuständige Amtswalter ist. 189

181

182

183 184 185

Geßler/Hefermehl/Bungeroth 46; ν Godin/ Wilhelmi 5; KK/Lutter 31; MünchKomm/ Bayer 38; Schlegelberger/Quassowski § 63 AktG 1937 Rdn 5. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 4 6 f; KK/ Lutter 31; MünchKomm/ßayer 38. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 47. KK/Lutter 31; MünchKomm/ßayer 38. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 47; KKJLutter 31; MünchKomm/ßeyer 38. Ebenso zu § 18 Abs 3 GmbHG: HueckíFastúch in Baumbach/Hueck GmbHG § 18 Rdn 11; Zutt in Hachenburg GmbHG § 18 Rdn 34.

186

187

188

189

AnwKomm/Lohr 18; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 47; KK/Lutter 31; MünchKomm/ Bayer 39. Ebenso zu § 18 Abs 3 GmbHG: Roth/Altmeppen GmbHG § 18 Rdn 16; LKtter/Hommelhoff GmbHG § 18 Rdn 6. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 47; MiinchKoram/Bayer 39. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 48; Hüffer 8; KK/Lutter 32; aA Großkomm/Bürz Voraufl 9. Hüffer 8.

Stand: 1.11.2007

(22)

Berechnung der Aktienbesitzzeit

§

70

§70 B e r e c h n u n g der Aktienbesitzzeit 1 Ist die Ausübung von Rechten aus der Aktie davon abhängig, daß der Aktionär während eines bestimmten Zeitraums Inhaber der Aktie gewesen ist, so steht dem Eigentum ein Anspruch auf Übereignung gegen ein Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut oder ein nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 des Gesetzes über das Kreditwesen tätiges Unternehmen gleich. 2 Die Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers wird dem Aktionär zugerechnet, wenn er die Aktie unentgeltlich, von seinem Treuhänder, als Gesamtrechtsnachfolger, bei Auseinandersetzung einer Gemeinschaft oder bei einer Bestandsübertragung nach § 14 des Versicherungsaufsichtsgesetzes oder § 14 des Gesetzes über Bausparkassen erworben hat.

Übersicht Rdn I. Allgemeines 1. Regelungsgegenstand und -zweck . . 2. Geschichte der Norm 3. Bedeutung der Vorschrift 4. Addition verschiedener Anrechnungsfälle II. Anspruch auf Übereignung nach § 70 S 1 1. Anspruchsgegner 2. Art des Anspruchs (Spezies-, Gattungsund Verschaffungsschuld) 3. Rechtsgrund des Übereignungsanspruchs 4. Fälligkeit des Anspruchs

ΙΠ. Bezugsrecht auf neue Aktien IV. Spezielle Zurechnungsfälle nach § 70 S 2 1. Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers 2. Unentgeltlicher Erwerb 3. Erwerb vom Treuhänder 4. Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge 5. Auseinandersetzung einer Gemeinschaft 6. Bestandsübertragung nach 5 14 VAG und § 14 BausparkassenG V. Mögliche Addition verschiedener Anrechnungsfälle

1 4 5

10 13 14 18

Rdn 19 21 22 24 27 28 31 34 35

Schrifttum Boos/Fischer/Schulte-Mattler Kreditwesengesetz, 2. Auflage 2 0 0 4 ; Heinsius/Horn/Than Kommentar z u m Depotgesetz, 1975; Lehmann/Schäfer K o m m e n t a r z u m B a u s p a r k a s s e n g e s e t z , 2. A u f l a g e 1973; Pinner Z u r Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, B a n k e n a u f s i c h t und Steueramnestie, J W 1931, 2 9 3 0 ; Prölss Versicherungsaufsichtsgesetz mit E u r o p ä i s c h e m Gemeinschaftsrecht und Recht der Bundesländer, 11. A u f l a g e 1997; Schmölder Der Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und K o m m a n d i t g e s e l l s c h a f t e n auf Aktien, J W 1 9 3 0 , 2 6 2 3 ; Siebert Die Treuhandfälle der Aktiennovelle im R a h m e n der Treuhandlehre, Z B H 1932, 184.

I. Allgemeines 1. Regelungsgegenstand und -zweck Wie sich bereits aus der Überschrift ergibt, betrifft § 70 die Modalitäten der Berech- 1 nung von „Aktienbesitzzeiten" für die Fälle, in denen die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten eine Mindestdauer der Aktionärstellung voraussetzt. 1 Der Begriff ist missverständlich, denn es kommt allein auf die Dauer der Aktionärsstellung und nicht den Besitz der Aktienurkunde an. 2 Auch der Zusammenhang mit S 2 zeigt, dass es um die Zurech-

1

A n w K o m m / L o f c r 1; Geßler/Hefermehl/Bungeroi/) 1; KK/Lutter 2, 3.

(23)

2

Geßler/Hefermehl/Bungeroth 6; M ü n c h Komm/Bayer 1.

Hanno Merkt

§70

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

nung von sog Vorbesitzzeiten geht. 3 Zusätzlich ist § 70 auch dann anzuwenden, wenn die Satzung für die Geltendmachung von Rechten bestimmte Mindestzeiten der Aktionärsstellung verlangt. 4 2 Die von § 70 angesprochenen Mindesthaltefristen begrenzen die Ausübung typischer Minderheitenrechte (vgl unten Rdn 5). Ein „Ad hoc "-Aktienerwerb mit dem alleinigen Ziel, in den Genuss des Minderheitsrechts zu kommen, soll ausgeschlossen werden. 5 Da Minderheitsrechte das Risiko einer Investition in Aktien mindern sollen, scheint eine Einschränkung des Anlegerschutzes durch eine Festsetzung von Mindestbesitzzeiten nicht mehr zeitgemäß.6 Die These, es bestehe die Gefahr, dass sich ein oder mehrere Aktionäre Aktien zukaufen, um Minderheitsrechte (missbräuchlich) auszuüben, ist nicht mehr haltbar. Denn sie setzt den Minderheitsaktionär pauschal und undifferenziert mit einem „räuberischen Kleinaktionär" gleich, der die Gesellschaft mit einer Anfechtungsklage überzieht und so die Ausführung der auf der Hauptversammlung beschlossenen Maßnahmen zu verhindern droht, nur um sich das Anfechtungsrecht zu möglichst hohem Preis abkaufen zu lassen. Anders als in aller Regel die Anfechtungsklage entfalten die den Aktionären zustehenden Minderheitsrechte aber keine Blockadewirkung und sind also nicht geeignet, eine verlustbringende Lähmung der Gesellschaft herbeizuführen. Es handelt sich lediglich um Kontrollrechte, die neben dem notwendigen Quorum auch das Vorliegen bestimmter Tatsachen voraussetzen. So müssen im Fall des § 142 Abs 2 Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, dass Unredlichkeiten oder grobe Gesetzes- bzw Satzungsverletzungen vorgefallen sind. Auch § 315 S 2 stellt auf den durch Tatsachen zu erhärtenden Verdacht einer pflichtwidrigen Nachteilszufügung ab. § 265 Abs 3 fordert sogar das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Das befürchtete Missbrauchsrisiko ist unter Abwägung mit den berechtigten Interessen der Minderheitsaktionäre daher als gering einzuschätzen. Im Übrigen erscheint auch die Forderung einer Mindestbesitzzeit von drei Monaten schon nicht geeignet, um Missbräuche effektiv zu verhindern. Daher spricht einiges dafür, die Mindestbesitzzeiten und damit auch § 70 im Zuge einer Deregulierung des Aktienrechts ersatzlos aufzuheben. 3

An dieser Bewertung ändert auch nichts, dass die für den Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers bislang erforderliche Beteiligungsschwelle durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) auf ein Zehntel des bisherigen Werts gesenkt wurde, sodass nunmehr nach § 142 Abs 2 ein Anteil von 1 % am Grundkapital bzw ein anteiliger Betrag von 100.000 € ausreichend ist. 7 Der Gefahr der Häufung von Erpressungs- und Missbrauchsfällen wird dadurch begegnet, dass gem § 145 Abs 4 das Gericht auf Antrag des Vorstands zu gestatten hat, dass bestimmte Tatsachen nicht in den Bericht aufgenommen werden, wenn überwiegende Belange der

3 4 5 6 7

Hü ff er 1. Geßlei/Hefermehl/Bungeroth 1; KKJLutter 2. GeßkrlHefermehl/Bungeroth 5; KKJLutter 3. AA KKJLutter 3. Auch für die Minderheitsrechte der § $ 2 5 8 Abs 2 S 3, 315 S 2 ist die Schwelle gesenkt worden. Andererseits bedarf es für den Antrag auf Bestellung eines anderen Abschlussprüfers gem § 318 Abs 3 HGB einer zwanzigprozentigen Beteiligung der Gesellschafter oder eines

Börsenwerts ihrer Anteile von mindestens 5 0 0 . 0 0 0 €. Für den Antrag nach § 2 6 5 Abs 3 ist immerhin ein Anteil von 2 0 % am Grundkapital bzw ein Nennwert der Aktien von 5 0 0 . 0 0 0 € erforderlich. Haben die Antragsteller einen solchen Anteil erworben bzw eine solche Summe in die Gesellschaft investiert, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie ihre eigene Investition nicht gefährden wollen, indem sie der Gesellschaft Schaden zufügen.

Stand: 1. 11. 2007

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Berechnung der Aktienbesitzzeit

§70

Gesellschaft dies gebieten und diese Tatsachen zur Darlegung der Unredlichkeiten oder groben Pflichtverletzungen gem § 1 4 2 A b s 2 nicht unerlässlich sind. D a r ü b e r hinaus ist zu berücksichtigen, dass mit der Absenkung der Beteiligungsschwelle eine Harmonisierung mit den Regelungen zum Klagezulassungsverfahren nach § 1 4 8 bezweckt war, für dessen Vorbereitung eine Sonderprüfung oftmals unverzichtbar sein wird, und das Gesetz auch im Falle des § 1 4 8 auf eine Mindestbesitzzeit verzichtet. 2 . Geschichte der N o r m Die N o r m geht auf § 6 4 A k t G 1 9 3 7 zurück, der wiederum im Wesentlichen dem

4

damaligen § 2 3 0 a H G B entsprach. 8 Auch bei der Neufassung des Aktiengesetzes 1 9 6 5 blieb der T e x t des jetzigen § 7 0 fast unverändert. Lediglich die Bezeichnung B a n k wurde durch den Begriff Kreditinstitut ersetzt, u m die weite Auslegung des Begriffs B a n k in § 6 4 S 1 A k t G 1 9 3 7 festzuschreiben. 9 D a seit dem 1 . 1 . 1 9 7 3 Bestandübertragungen im B a u s p a r k a s s e n G separat geregelt sind, 1 0 musste S 2 durch Art 2 A b s 13 N r 1 des Gesetzes vom 2 9 . 3 . 1 9 8 3 ( B G B l I 3 7 7 ) ergänzend geändert werden. Erst kürzlich wurden in S 1 im Z u g e der europarechtlichen H a r m o n i s i e r u n g 1 1 neben den Kreditinstituten auch Finanzdienstleistungsinstitute sowie nach § § 5 3 Abs 1 S 1, 5 3 b Abs 1 S 1, Abs 7 K W G tätige Unternehmen in den Anwendungsbereich a u f g e n o m m e n . 1 2 D e r Regelungszweck der Vorschrift wurde dadurch aber nicht verändert. 3 . Bedeutung der Vorschrift Die N o r m ergänzt Vorschriften, die eine Rechtsausübung von einer Mindesthaltezeit abhängig m a c h e n . 1 3 § 7 0 ist damit in gewisser Hinsicht unselbständig, da die inhaltliche Tragweite allein durch die Z a h l und Bedeutung der in Bezug g e n o m m e n e n Fälle bestimmt w i r d . 1 4 Soweit dann die Voraussetzungen des § 7 0 S 1 oder 2 erfüllt sind, ist die jeweilige Vorbesitzzeit bei der Fristberechnung zu berücksichtigen. Gesetzlich sind sechs Fälle geregelt, bei denen jeweils eine Besitzzeit von mindestens drei M o n a t e n vor dem Tage der H a u p t v e r s a m m l u n g bzw Antragsstellung glaubhaft geltend gemacht werden m u s s : 1 5 D a s R e c h t , eine von der H a u p t v e r s a m m l u n g abgelehnte Sonderprüfung zu erzwingen (§ 1 4 2 Abs 2 S 2 ) , das R e c h t , die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft zu erzwingen (§ 1 4 7 Abs 1 S 2 ) , das R e c h t , bei Gericht einen Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers zu stellen (§ 2 5 8 Abs 2 S 4 ) , das R e c h t , nach der Auflösung der Gesellschaft und bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Abwickler gerichtlich bestellen und abberufen zu lassen (§ 2 6 5 Abs 3 S 2 ) , das R e c h t , einen Antrag auf

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Vgl Schlegelberger/Quassowski § 64 AktG 1937 Rdn 1, 3, in § 230a HGB wurden Bestandsübertragungen allerdings nicht auf die Eigentumszeit des Rechtsvorgängers angerechnet. Kröpf Begr zum AktG 1965, S 89; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 4, 9 f; KKJLutter 1. Früher einheitlich ξ 14 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen vom 6.6.1931, RGBl I S 315. Änderung durch Art 4 Nr 2 des Begleitge-

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14 15

setzes zum Gesetz zur Umsetzung von EGRichtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapierrechtlicher Vorschriften vom 22.10.1997, BGBl I S 2567. Hüffer 1; MünchKomm/ßayer 5. Kropff RegBegr AktG 1965, S 89; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 1; MünchKomm/ Bayer 2. KKJLutter 2. Vgl auch die Aufzählungen bei Geßler/Hefermehl/Bungeroth 1; Hüffer 5; KKJLutter 2; MünchKomm/itayer 3.

Hanno Merkt

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§70

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Bestellung eines Sonderprüfers in Bezug auf die Verhältnisse der Gesellschaft zu beherrschenden oder zu verbundenen Unternehmen zu stellen (§ 315 S 2) und das Recht, einen Antrag auf Bestellung eines anderen als des gewählten Abschlussprüfers zu stellen (§ 318 Abs 3 S 3 HGB 1 6 ). Diese Fallgestaltungen standen auch schon dem Gesetzgeber des AktG von 1937 vor Augen.17 6

Obwohl die Norm vom Inhaber spricht, sind auch Mitgliedschaftsrechte aus Namensaktien und unverkörperten Mitgliedschaftsrechten erfasst. 18 Die Begriffe Eigentum, Anspruch auf Übereignung und Eigentumszeit sind ebenfalls untechnisch iSv Rechtsinhaberschaft, Anspruch auf Rechtsübertragung und Dauer der Rechtsinhaberschaft zu verstehen.19 Es kann bei Namensaktien und Zwischenscheinen nämlich nicht darauf ankommen, ob der Anspruch auf Rechtsübertragung durch Übereignung der indossierten Urkunde oder durch einfache Abtretung des Mitgliedschaftsrechts erfüllt werden soll. 20 Auch bei unverkörperten Mitgliedschaftsrechten scheidet eine Übereignung des verbrieften Rechts aus. 21 Ferner zeigt § 70, dass für die Berechnung der Haltefrist das wirtschaftliche Risiko aus der Aktie und nicht deren rechtliche Innehabung entscheidend ist. 22 Zur Ausübung des Minderheitsrechts ist dagegen nur der Inhaber berechtigt. Besitz oder wirtschaftliches Eigentum genügen hier nicht. 23 Bei Namensaktien kommt es dabei gem § 67 Abs 2 zusätzlich darauf an, dass der Inhaber zur Zeit der Rechtsausübung im Aktienregister vermerkt ist. 24 Zudem gilt, dass die Belastung der Aktie mit einem beschränkt dinglichen Recht zwar der Aktionärsstellung nicht gleich steht, aber dennoch der Berechnung der Dauer der Aktionärsstellung nicht entgegensteht.25 § 70 reichert also die aktuelle Aktionärsstellung durch die Hinzurechnung von Vorbesitzzeiten quasi an.

7

Die Vorschrift des § 70 enthält zwingendes Recht. 26 Zwar kann in der Satzung für die Geltendmachung weiterer Mitgliedschaftsrechte eine Mindestbesitzzeit eingeführt werden, weil § 70 das Bestehen einer solchen Mindestbesitzzeit lediglich voraussetzt. Jedoch ist für die Berechnung der jeweiligen Zeiträume stets allein auf § 70 abzustellen. Abweichende Satzungsbestimmungen, die andere als die im Gesetz vorgesehenen Berechnungsfaktoren zulassen, sind in jedem Fall nichtig.27

16

Vor Inkrafttreten des Bilanzrichtliniengesetzes vom 1 9 . 1 2 . 1 9 8 5 , BGBl I S 2 3 5 5 war die Karenzzeit zur Abberufung von Abschlussprüfern in § 163 Abs 2 S 4 AktG geregelt. Leider verweist nicht nur die ältere Kommentarliteratur auf diese N o r m . Vgl KKJLutter 2 .

17

Vgl Schlegelberger/Quassowski 1 9 3 7 Rdn 1.

18

Allgemeine Ansicht: BaumbachJHueck § 7 0 AktG 1 9 6 5 Rdn 2 ; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 2 ; KKJLutter 4 ; MünchKommJ Bayer 2 ; Ritter § 6 4 AktG 1 9 3 7 Rdn 2 a ; Schlegelberger/Quassowski § 6 4 AktG 1 9 3 7 Rdn 1.

23

Geßler /Hefermehl/Bungeroth Schlegelberger/Quassowski Rdn 2 .

24

Baumbach/H«ec& 3 ; Flechtheim § 2 3 0 a H G B a F Rdn 3 ; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 8; KKJLutter 3 ; MünchKomm/Bayer 2 ; Schlegelberger/Quassowski AktG 1 9 3 7 § 6 4 Rdn 2 .

25

Geßler/Hefermehl/Bungeroth 6 ; MiinchKomm/Bayer 2.

26

Geßlei/Hefermehl/Bungeroth Wilhelmi Anm 1; KKJLutter Komm/Bayer 4 .

27

Geßler /Hefermehl/Bungeroth 3 ; KKJLutter M ü n c h K o m m / ß a y e r 4 ; aA noch GKJBarz (Vorauflage) Anm 2 .

§ 6 4 AktG

19

Geßler/Hefermehl/Bungeroth

20

Geßler/Hefermehl/Bungeroth 11; MünchKomm/Bayer 7.

21

M ü n c h K o m m / ß a y e r 7. Flechtheim § 2 3 0 a H G B 1 9 3 4 Rdn 1; Geßler/

22

Hefermehl/Bungeroth 7; KKJLutter 3; Pinner J W 1931, 2 9 3 0 , 2 9 3 3 ; Schmölder J W 1 9 3 0 , 2623, 2631.

2.

Stand: 1. 11. 2007

5; KKJLutter 3 ; § 6 4 AktG 1 9 3 7

3; ν Godin/ 5; Münch5;

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Berechnung der Aktienbesitzzeit

§70

4 . Addition verschiedener Anrechnungsfälle Die H i n z u r e c h n u n g von Vorbesitzzeiten betrifft zum einen die I n n e h a b u n g des wirtschaftlichen E i g e n t u m s (S 1) und zum a n d e r n sonstige Vorbesitzzeiten (S 2 ) . D i e T a t -

8

bestände aus S 1 und S 2 k ö n n e n z u s a m m e n f a l l e n und zu einer m e h r f a c h e n H i n z u r e c h n u n g f ü h r e n . 2 8 A u c h innerhalb des S 2 k ö n n e n verschiedene A n r e c h n u n g s f ä l l e z u s a m m e n t r e f f e n und dem A k t i o n ä r kumuliert zugute k o m m e n . D a z u muss a b e r der unmittelbare Rechtsvorgänger ebenfalls auf eine der in § 7 0 abschließend beschriebenen Arten A k t i o n ä r g e w o r d e n s e i n . 2 9 Z u d e m ist S 2 erweiternd dahin auszulegen, dass einem A k t i o n ä r , der nicht die Aktie selbst, sondern nur einen unter S 1 fallenden A n s p r u c h a u f Übereignung - etwa gegen die D e p o t b a n k a u f H e r a u s g a b e der s a m m e l verwahrten Aktie gem § 7 A b s 1 D e p o t G - auf eine unter den T a t b e s t a n d von S 2 fallende A r t e r w o r b e n h a t , die Z e i t angerechnet wird, w ä h r e n d derer der A n s p r u c h seinem R e c h t s v o r g ä n g e r z u s t a n d . 3 0 Die jeweils anzurechnenden Tatbestände müssen jedoch unmittelbar aufeinander folgen. W u r d e die Zurechnungskette etwa durch eine Veräußerung unterbrochen, dann wird dem folgenden Inhaber nur die Besitzzeit bis zu dieser Unterbrechung zugerechnet. 3 1

9

Π. Anspruch auf Übereignung nach § 70 S 1 1. Anspruchsgegner N a c h § 7 0 S 1 A k t G wird der Z e i t r a u m zugerechnet, in dem der A k t i o n ä r v o m Kreditinstitut (§§ 1 Abs 1, 2 Abs 1 K W G ) , einem Finanzdienstleistungsinstitut (§§ 1 Abs l a , 2 Abs 6 K W G ) oder einem nach § § 5 3 Abs 1 S 1, 5 3 b A b s 1 S 1, A b s 7 K W G tätigen Unternehmen Übereignung verlangen konnte. § 7 0 S 1 bewirkt damit lediglich, dass der D a u e r der Aktionärsstellung der Z e i t r a u m hinzugerechnet wird, in dem der jetzige A k t i o n ä r bereits einen Anspruch gegen ein Kreditinstitut auf Übereignung der Aktie h a t t e . 3 2 Die Gleichstellung beruht darauf, dass der I n h a b e r eines solchen Anspruchs im wirtschaftlichen Ergebnis ähnlich wie ein A k t i o n ä r über die Aktie verfügen kann und das wirtschaftliche R i s i k o t r ä g t . 3 3 W i e schon gesehen (s o R d n 6 ) bezieht sich diese Gleichstellung nur auf die fristwahrende Wirkung. Z u r Rechtsausübung ist jeweils nur der aktuelle A k t i o n ä r befugt. S 1 soll damit dem zweifelhaften Z w e c k der Dauerbesitzvorschriften Rechnung tragen, nur das längerfristige wirtschaftliche Engagement als Aktionär

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Flechtheim § 230a HGB aF Rdn 5; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 30; KK/Lutter 4; Ritter § 64 AktG 1937 Rdn 3a; Schlegelberger/ Quassowski § 64 AktG 1937 Rdn 4, die sich auf Beispielsfälle einer Sammelverwahrung mit gleichzeitiger erbrechtlicher Problematik beziehen. Ein weiteres Beispiel für eine kombinierte Zurechnung von § 70 S 1 und 2 sowie einer mehrgliedrigen Anrechnungskette findet sich bei MünchKomm/ßayer 23 f. So schon GKIBarz (Vorauflage) Anm 7; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 30; ihnen folgend MünchKomm/Bayer 23.

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33

Schlegelberger/Quassowski AktG 1937 § 64 Rdn 4; Ge&er/Hefermehl/Bungeroth 30; KK/Lutter 4. Unstreitig: Flechtheim § 230a HGB aF Rdn 3; GYJBarz (Vorauflage) Anm 7; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 30; KKJLutter 4; MünchKomm/Bayer 25. AnwKomm/Lohr 2; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 8. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 7; KK/Lutter 3; MünchKomm/Bayer 1.

Hanno Merkt

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§70

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

mit der Teilhabe an den typischen Minoritätsrechten zu honorieren. 3 4 Mit dem heute immer stärker dominierenden Typus des Anlegeraktionärs, der in erster Linie am Kursgewinn interessiert ist, lässt sich dies kaum vereinbaren. 11

Der Anspruch auf Übereignung muss gegenüber einem Kredit- bzw Finanzdienstleistungsinstitut oder einem nach §§ 53 Abs 1 S 1, 5 3 b Abs 1 S 1, Abs 7 K W G tätigen Unternehmen bestehen. Die Norm knüpft damit an Regeltatbestand des heutigen Aktienhandels und häufigste Form der wirtschaftlichen Vermögenszugehörigkeit von Aktien an. 3 5 Der Begriff Kreditinstitut verweist auf §§ 1 Abs 1, 2 Abs 4 KWG, dh Kreditinstitute sind neben Geschäftsbanken namentlich Genossenschaftsbanken und öffentlich-rechtliche Institute, wie Sparkassen und Girozentralen. 3 6 Nach §§ 1 Abs l a , 11, 2 Abs 6, 10 K W G sind Finanzdienstleistungsinstitute insbesondere im Wertpapiergeschäft, etwa als Anlagevermittler, Anlageberater oder Portfolioverwalter tätig. 3 7 §§ 53 Abs 1 S l , 5 3 b Abs 1 S 1, Abs 7 K W G enthalten Sondervorschriften für inländische Zweigstellen von Unternehmen mit Sitz im Ausland, wobei § 5 3 b K W G zusätzlich den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr für Unternehmen aus dem europäischen Wirtschaftsraum erleichtert, weil diese grundsätzlich keine Genehmigung gem § 32 K W G beantragen müssen. Eine Gleichstellung mit den Kreditinstituten ist angebracht, weil auch gegenüber Finanzdienstleistern Übereignungsansprüche bestehen können. 3 8

12

Die Begriffsdefinitionen in § 1 Abs 1, l a K W G sind bewusst weit gezogen, um in einem ersten Schritt möglichst viele Fälle zu erfassen. In einem zweiten Schritt hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen als Aufsichtsbehörde gem § § 2 Abs 4 , 6, 10 K W G die Möglichkeit, solche Unternehmen aus dem Anwendungsbereich der Vorschriften des K W G herauszunehmen. 3 9 Die Entscheidung des Bundesaufsichtsamtes bezieht sich jedoch nur auf aufsichtsrechtliche Fragen und nicht auf den Inhalt der Geschäfte der einzelnen Unternehmen. Damit kann ein fehlendes Bedürfnis nach Aufsicht nicht zu einer Änderung der Bewertung bei der Auslegung von § 7 0 S 1 führen. 4 0 Selbst wenn Bankoder Finanzgeschäfte nur als Hilfs- oder Nebengeschäft von untergeordneter Bedeutung betrieben werden, ist dies aus der Sicht des Aktionärs unerheblich. Es entsteht wirtschaftliches Eigentum mit dem Erwerb durch das Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut unabhängig davon, ob eine Überwachung nach dem K W G erfolgen muss. 2. Art des Anspruchs (Spezies-, Gattungs- und Verschaffungsschuld)

13

Der Begriff der Übereignung ist untechnisch zu verstehen. Gemeint ist vielmehr die Verschaffung der Aktionärsstellung, also der Mitgliedschaft. 4 1 Der Rechtsgrund für den Anspruch auf Übereignung ist unerheblich. 4 2 Für § 7 0 S 1 ist es ebenfalls unerheblich, ob

34 35

Geß\er/Hefermebl/Bungeroth KYJLutter 6.

7; KK/Lutter 8.

36

Geßler/Hefermebl/Bungeroth 9 ; Hüffer KK/Lutter 6 ; MiinchKomm/Bayer 6.

37

Näher zur Begriffsbestimmung Füllbier in: Boos/Fiscker/Schulte-Mattler (Hrsg) Kreditwesengesetz § 1 Rdn 117 ff.

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RegBegr zur 6 . K W G Novelle BT-Drucks 1 3 / 7 1 4 3 S 3 2 ; Hüffer 2. Z u den einzelnen Kriterien für eine Befreiung nach § 2 Abs 4 , 6 und 10 K W G vgl Füllbier

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2;

in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg) Kreditwesengesetz § 2 Rdn 3 7 ff, 51 ff, 81 ff. 40

Ebenfalls zweifelnd MünchKomm/Biiyer 6 ; aA Geßler/Hefermebl/Bungeroth 10, der auf das typische Erscheinungsbild und das angeblich fehlende Interesse des Aktionärs abstellt.

41

AnwKomm/Lo/>r 3 ; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth 11; Hüffer 2 ; M ü n c h K o m m / Bayer 7.

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Geßler/Hefermebl/Bungeroth 12; KYJLutter

Stand: 1.11. 2 0 0 7

7.

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Berechnung der Aktienbesitzzeit

§70

sich der Anspruch auf eine bestimmte Aktie oder auf nur gattungsmäßig bezeichnete Stücke richtet, da ein Gattungsanspruch auch auf Verschaffung gerichtet ist. 43 3. Rechtsgrund des Übereignungsanspruchs Der Übereignungsanspruch kann auf Ansprüchen aus einem Kauf- oder Tauschvertrag mit dem Kreditinstitut oder Finanzdienstleister beruhen. Falls dabei aus dem eigenen Bestand geliefert wird, sind die §§ 18 ff DepotG über die Einkaufkommission zu beachten. Die Effektenkommission fällt immer dann unter § 70 S 1, wenn ein Zwischenerwerb des Kommissionärs erfolgen soll. 44 Diese Fälle werden aber praktisch kaum vorkommen, weil die §§ 18 ff DepotG einen umgehenden Rechtserwerb vorsehen. Gem § 18 Abs 3 geht das Eigentum nämlich schon mit der Absendung des Stückeverzeichnisses über. Auf die - theoretisch - verbleibenden Zwischenzeiten ist § 70 S 1 aber anwendbar. 4 5

14

Hauptanwendungsfälle sind hingegen die Ansprüche des Hinterlegers bei allen Formen 1 5 der Verwahrung, bei denen andere als die hinterlegten Aktien zurückzugeben sind. An erster Stelle ist der Auslieferungsanspruch aus Sammelverwahrung gem § 695 BGB iVm § 7 Abs 1 DepotG zu nennen. 46 Erfasst werden aber ebenso die Ansprüche aus Tauschverwahrung nach § § 695 BGB, 10 DepotG, aus einer Verwahrung mit Ermächtigung zur Verfügung über das Eigentum gem §§ 695 BGB, 13 DepotG, aus einer unregelmäßigen Verwahrung und Wertpapierdarlehen gem §§ 700 BGB, 15 DepotG. Zu beachten ist, dass auf die Sammelverwahrung neben S 2 auch Satz 1 Anwendung finden kann. 4 7 Die Gegenansicht, 48 die Ansprüche aus der Girosammeiverwahrung vom Anwen- 16 dungsbereich des § 70 S 1 ausnehmen will, überzeugt nicht. Denn aus dem (Regel-)Fall einer sammelverwahrten Globalurkunde, bei der ein Anspruch auf Einzelverbriefung gem § 10 Abs 5 AktG iVm § 9 Abs 3 S 2 DepotG ausgeschlossen ist, können keine Rückschlüsse auf die übrigen Sammelverwahrungsfälle gezogen werden. Bei solchen Globalurkunden ergibt sich kein Zurechnungsproblem. Der Erwerber wird nämlich schon mit Umbuchung bei der Clearstream Banking AG als Wertpapiersammelbank iSv § 1 Abs 3 DepotG Miteigentümer am Sammelbestand (§ 6 Abs 1 S 1 DepotG) und damit Aktionär. Die Begründung einer Aktionärsstellung ist keineswegs per se ausgeschlossen. 49 Kann der Miteigentümer am Sammelbestand hingegen sein Recht auf Auslieferung nach § 7 Abs 1 DepotG geltend machen, dann erhält er mit Auslieferung eine bestimmte Anzahl von Aktien zum Alleineigentum, die nach § 7 Abs 1 2. Halbs DepotG gerade nicht mit den von ihm eingelieferten Stücken identisch sein müssen und auch nicht sein werden. Diese

43

44

45 46

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Ritter § 6 4 AktG 1937 Rdn 2c; Geßler/ Hefermehl/Bungeroth 11 f; Hüffer 2; KKJLutter 7; MünchKomm/ßayer 7. Allgemeine Ansicht: A n w K o m m / L o h r 3; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 13; Hüffer 3; MünchKomm/Rryer 8. Zur rechtsgeschäftlichen Übertragung von Aktien: Mentz/Fröhling N Z G 2 0 0 2 , 201 ff. KKJLutter 1. A n w K o m m / L o h r 3; G e ß l e r / H e f e r m e h l / Bungeroth 14; Hüffer 3; K K / L u t t e r 7; aA MünchKomm/ßayer 9 f, der allerdings bei

Namensaktien § 7 0 S 1 analog auf die Zeitspanne zwischen Umbuchung im Bestandsverzeichnis des Verwahrers und der insoweit maßgeblichen Eintragung in das Aktienregister anwenden will. Vgl auch Heinsius/ Horn/Than § 7 DepotG Rdn 8. 47

48 45

Baumbach/H«ec¿ § 7 0 AktG 1965 Rdn 4; Geßler /Hefermehl/Bungeroth 14; K K / L u t t e r 8, a M Schlegelberger/Quassowski § 6 4 AktG 1937 Rdn 2. MünchKomm/ßijyer 9. So aber MünchKomm/Bayer 9.

Hanno Merkt

§70

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Aktien hat er damit erstmals erworben. Ohne § 70 S 1 würde die Besitzzeit dann erst mit der Auslieferung beginnen. Dieses Ergebnis wäre jedoch unangemessen. Auch der Verweis auf die h M zu § 69 geht fehl, da es dort lediglich um die Rechtsfrage geht, ob die Miteigentümer als mehrere Berechtigte an einer Aktie gelten sollen. 17

Nicht von § 70 S 1 erfasst ist schließlich die Sonderverwahrung nach § 2 DepotG, denn dort bleibt der Hinterleger Eigentümer der Papier, so dass gar keine Notwendigkeit einer Zurechnung von Besitzzeit besteht. 50 Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn sich der Verwahrer die Wertpapiere gem § 13 Abs 2 DepotG aneignet oder das Eigentum auf einen Dritten überträgt, weil dann ein Anspruch des Hinterlegers auf Papiere derselben Art besteht. 4. Fälligkeit des Anspruchs

18

Um eine Zurechnung der Besitzzeit zu erreichen, muss dieser Anspruch fällig, dh jederzeit ausübbar sein. 51 Ansonsten wären Verschaffungsanspruch und Innehabung des Rechts wirtschaftlich nicht gleichwertig. 52 Fällig ist der Anspruch des Hinterlegers auf Verschaffung des Alleineigentums aus §§ 695, 700 BGB iVm § § 7 , 10, 13, 15 DepotG. Bei der Einkaufkommission beginnt die nach S 1 anrechenbare Zeit erst mit der Ausführung des Auftrags durch den Kommissionär, nicht bereits mit der Annahme. 5 3 Denn erst, wenn der Kommissionär die Papiere tatsächlich erwirbt oder von seinem Recht zum Selbsteintritt Gebrauch macht, können sie tatsächlich herausgegeben werden. Vorher besteht noch keine Position, die dem Volleigentum wirtschaftlich vergleichbar wäre. Das gleiche gilt, wenn der Kommissionär nach dem Erwerb der Wertpapiere die Übersendung des Stückeverzeichnisses gem § 19 Abs 1 DepotG aussetzt. Auch dann besteht noch kein fälliger Anspruch. 5 4

III. Bezugsrecht auf neue Aktien 19

Ein weiterer Anwendungsfall des § 70 S 1 besteht beim Bezug von neuen Aktien aufgrund eines Bezugsrechts. Bei einem unmittelbaren Bezugsrecht gem § 186 Abs 1 übt der Aktionär sein Bezugsrecht selbst aus, so dass sein Anspruch gegen die Gesellschaft nicht unter S 1 fällt. 55 Beauftragt der Bezugsberechtigte hingegen gern § 26 DepotG einen Kommissionär mit der Geltendmachung seiner Ansprüche, dann wirkt S 1 vom Zeit-

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52 53

So auch A n w K o m m / L o h r 3; Hiiffer 3; KK¡Lutter 7; zur Sonderverwahrung näher Gößmann in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg) Bankrechtshandbuch, Bd II, 2. Auflage 2001, § 72 IV Rdn 121. Geßlet/Hefermehl/Bungeroth 16; ν Godin/ Wilhelmi Anm 2; KKJLutter 10. Hüffer 3. Inzwischen ganz hM: G e ß l e r / H e f e r m e h l / Bungeroth 16; ν Godin/Wilhelmi Anm 2; Hüffer 3; KKJLutter 9; MünchKomm/Bayer 11; Ritter § 6 4 AktG 1937 Rdn 2c; die ältere Gegenansicht würde wohl heute nicht mehr

54

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vertreten werden vgl Raumbach/Hueck § 7 0 AktG 1965 Rdn 4; Flechtheim § 2 3 0 a HGB aF Rdn 5; GKJBarz (Vorauflage) Anm 5. Heinsius/Thorn/Than § 19 DepotG Rdn 1; KKJLutter 9. G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 15; KKJLutter 10; MünchKomm/ßayer 12; aA wohl Baum bach¡Hueck § 7 0 AktG 1965 Rdn 4; GKI Barz (Vorauflage) Anm 5, die den Fall des § 26 DepotG allerdings nicht problematisieren.

Stand: 1. 11. 2007

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Berechnung der Aktienbesitzzeit

§70

punkt der Entstehung des Mitgliedschaftsrechts an, dh im Regelfall mit der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung ins Handelsregister. Im Regelfall bedient sich die Gesellschaft gem § 186 Abs 5 eines Kreditinstituts, um den Aktionären die neuen Aktien anzubieten. Dann geschieht eine Zurechnung mit der Ausübung des Rechts durch den Berechtigten selbst oder seinen Kommissionär (§ 26 DepotG) gegenüber dem beauftragten Kreditinstitut als Verpflichtetem. 56 Die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Bezugsrecht mag im Ergebnis wenig befriedigend sein, 57 wird jedoch dadurch relativiert, dass sich die Besitzzeit für junge Aktien nach dem Rechtsgedanken des § 216 grundsätzlich nach der Besitzdauer der alten Aktien richtet. Das gilt jedoch nur für den Anteil an jungen Aktien, den der Aktionär durch die Ausübung der ihm aufgrund seines bisherigen Anteils zustehenden Bezugsrechte erworben hat. 5 8 Erwirbt er noch mehr junge Aktien, und erhöht er damit seinen Anteil am Grundkapital, muss für diese Aktien die Besitzzeit gem § 70 bestimmt werden.

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IV. Spezielle Zurechnungsfälle nach § 70 S 2 In § 70 findet sich eine Aufzählung spezieller Zurechnungsfälle. Die fünf aufgeführten 21 Fälle durchbrechen die Voraussetzung einer wirtschaftlichen Identität von Inhaberschaft und Eigentum. 59 Die Aufzählung der Anrechnungsfälle ist abschließend, dh darüber hinaus ist eine Zurechnung von Zeiten eines Rechtsvorgängers nicht möglich. 60 Ein gemeinsamer Grundgedanke ist nicht ersichtlich. Es erscheint sehr zweifelhaft, ob allen Gestaltungen gemeinsam ist, dass bei ihnen die Gefahr eines kurzfristigen Aktienerwerbs allein zur Ausübung von Minderheitsrechten im allgemeinen nicht besteht. 61 Dafür sind die Fallgruppen zu unterschiedlich. Die legislatorischen Motive sind ungeklärt. 6 2 Da jedenfalls die wirtschaftliche Verfügungsmacht nicht durchgehend maßgebend ist, kann sie zum Verständnis und zur Auslegung einzelner Fallgruppen nicht beitragen. 63 1. Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers Auch der Begriff Eigentumszeit ist untechnisch zu verstehen. Gemeint ist die Zeit, 2 2 während der der unmittelbare Rechtsvorgänger die Aktionärsstellung innehatte. 64 Die Rechtsinhaberschaft fällt nicht immer mit dem Eigentum an der Aktie oder den Zwischenschein zusammen. Als Beispiele lassen sich unverkörperte Mitgliedschaftsrechte oder der Untergang der Urkunde nennen. Da § 67 Abs 2 nur im Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Aktionären in Bezug auf die Aktionärstellung gilt, kommt es bei Namensaktien und Zwischenscheinen allein auf die tatsächliche Aktionärsstellung des Rechtsvorgängers und nicht auf dessen Eintragung im Aktienregister an. 6 5

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Unstreitig: GKJBarz (Vorauflage) Anm 5; G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 15; ν Goditi/ Wilhelmi Anm 2; KKILutter 10; MünchKomm¡Bayer 12. So ν Godm/Wilhelmt Anm 2 (unsinnige Unterscheidung). KK/Lutter 11; ihm folgend MünchKomm/ Bayer 12. KKJLutter 12. Geß\edHefermehl/Bungeroth 20; Hüffer 4; K K / L u t t e r 12; MünchKomm/ßayer 13.

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So aber G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 17; ihnen folgend MünchKomm/ßayer 13. Vgl etwa den Streit um die Aufnahme der Alternative „unentgeltlich" in S 2. Dazu Staub/Pinner § 230a H G B aF Rdn 9; Ritter § 64 AktG 1937 Rdn 3a. KKJLutter 12. GeßXer/Hefermehl/Bungeroth 18; MünchK o m m / B a y e r 13. G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 18; ν Godin/ Wilhelmi Anm 3.

H a n n o Merkt

§ 70

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Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Nach Sinn und Zweck des § 70 ist stets nur der unmittelbare Rechtsvorgänger gemeint, von dem der jetzige Inhaber in der angegebenen Weise erworben hat. 6 6 Insoweit ist die Formulierung „eines Rechtsvorgängers" zu weit. Unter Umständen kommt dem Aktionär aber auch die Besitzzeit seines mittelbaren Rechtsvorgängers zugute. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der unmittelbare Rechtsvorgänger auch durch eine nach S 2 begünstigte Art erworben hat. In diesem Fall ist dem Aktionär auch die Besitzzeit des mittelbaren Rechtsvorgängers mittelbar über die Besitzzeit seines unmittelbaren Rechtsvorgängers zuzurechnen (sog Verschachtelung). 67 2. Unentgeltlicher Erwerb

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Der erstgenannte Fall der Zurechnung der Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers betrifft den unentgeltlichen Erwerb. Das bedeutet, dass jede nachträgliche Vereinbarung eines Entgelts die Annahme eines unentgeltlichen Erwerbs rückwirkend beseitigt. 68 Unentgeltlich ist ein Erwerb, wenn durch Gesetz oder Rechtsgeschäft festgelegt ist, dass der Erwerber keine Gegenleistung zu erbringen braucht. 6 9 Darunter fallen Schenkungen unter Lebenden (§ 516 BGB) und von Todes wegen (§ 2301 BGB), sowie Vermächtnisse (§ 2147 BGB), wenn der Vermächtnisnehmer keine Gegenleistung, etwa in Form eines Ankaufsrechts, zu erbringen hat. 7 0 Ebenfalls unentgeltlich ist der Erwerb von Aktien im Rahmen eines zinslosen Wertpapierdarlehens. Auch hier ist die Vorbesitzzeit des Darlehensgebers dem jetzigen Inhaber anzurechnen. 71

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Auf die Hingabe von Aktien zur Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs kann S 2 entsprechend angewendet werden. 7 2 Schließlich wird der Pflichtteilsanspruch unentgeltlich erworben. 7 3 Zwar ist dieser nach § 2303 Abs 1 S 2 BGB nicht auf den Erwerb von Aktien, sondern auf einen bestimmten Geldwert gerichtet, 74 wird aber statt eines Geldbetrags eine bestimmte Anzahl von Aktien geleistet, dann handelt es sich um eine Leistung an Erfüllungs statt gem § 364 Abs 1 BGB. Diese Vereinbarung stellt keinen neuen Schuldgrund dar, sondern lässt den ursprünglichen Schuldgrund unberührt, 7 5 dh es handelt sich weiterhin um einen unentgeltlichen Erwerb. Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses spricht der Vergleich mit einem Vermächtnisnehmer: Dessen Stellung ist mit der des Pflichtteilsberechtigten wirtschaftlich vergleichbar. 76

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So schon Ritter § 6 4 AktG 1937 Rdn 3a; Schlegelberger/Quassowski § 6 4 AktG 1937 Rdn 3; ihnen folgend G e ß l e r / H e f e r m e h l / Bungeroth 19; KK¡Lutter 12; MünchKomm/ Bayer 13. GeßierlHefermehl/Bungeroth 19; MiinchKomm¡Bayer 2 3 ff; Schlegelberger/ Quassowski § 6 4 AktG 1937 Rdn 3. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 21; KYJLutter 13. RGZ 163, 348, 355 f; G e ß l e r / H e f e r m e h l / Bungeroth 21. A n w K o m m / L o h r 4. GeßkrlHefermehl/Bungeroth 21; KYJLutter 13; MünchKomm/Äryer 14. GYJBarz (Vorauflage) Anm 6; K K / L u t t e r 13; MünchKomm/Rjyer 15, der sein Ergebnis

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allerdings mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise begründet; aA G e ß l e r / H e f e r m e h l / Bungeroth 22; Hüffer 4. Es handelt sich nicht um einen Fall der Gesamtrechtsnachfolge, da der Pflichtteilsberechtigte nicht in die Erbenstellung einrückt. Vgl Erman/Schliiter Vor § 2 3 0 3 BGB Rdn 1; VaìznàtlEdenhofer Überbl ν § 2 3 0 3 BGB Rdn 1. Insoweit dogmatisch korrekt: G e ß l e r / H e f e r mehl/Bungeroth 22. Harder, Die Leistung an Erfüllungs Statt (datio in solutum), 1976, S 129 ff; Erman/ 'Westermann § 364 BGB Rdn 2; MünchK o m m / W e n z e l § 364 BGB Rdn 1; Palandt/ Heinrichs § 364 Rdn 2. So MünchKomm/ßayer 15.

Stand: 1. 11. 2 0 0 7

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Berechnung der Aktienbesitzzeit

§70

Der Erwerb von Aktien im Wege der Erbfolge geschieht zwar ohne Gegenleistung und 2 6 damit unentgeltlich. Dennoch bildet die Gesamtrechtsnachfolge einen Spezialfall. 77 Der rechtsgrundlose Erwerb geschieht nicht zwangläufig unentgeltlich. Er kann dem unentgeltlichen Erwerb im Gegensatz zu §§ 988, 816 BGB auch nicht gleichgestellt werden, weil § 70 Fälle des endgültigen, dh des kondiktionsfesten Rechtserwerbs betrifft. 7 8 3. Erwerb vom Treuhänder Eine Zurechnung der Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers ist auch bei einem Erwerb vom Treuhänder möglich. Dieser Fall ist den Fällen des S 1 vergleichbar, weil auch hier in wirtschaftlicher Sicht eine Aktionärsstellung besteht. 79 Daher kann es auch zu Überschneidungen mit S 1 kommen, wenn der Treuhänder gleichzeitig ein Kredit- bzw Finanzdienstleistungsinstitut ist. Der Begriff der Treuhand ist hier weit auszulegen und erfasst die uneigennützige Verwaltungstreuhand und die eigennützige Sicherungstreuhand genauso wie die echte oder unechte Treuhand (sog stille Stellvertretung). 80 Die Ausgestaltung im Einzelnen ist ohne Bedeutung. Es reicht aus, dass dem Aktionär lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung zusteht. Diese weite Auslegung ist sachgerecht, da der Begriff Treuhänder keine Anhaltspunkte für eine teleologische Reduktion bietet. Einzige Bedingung ist, dass der Treuhänder selbst Inhaber der Aktien gewesen sein muss. 81 Eine Legitimationsübertragung nach § 129 Abs 3 ist kein Treuhandfall, da der Übertragende Aktionär bleibt und damit eine Zurechnung nach § 70 S 2 weder möglich noch erforderlich ist, weil die Besitzzeiten des Berechtigten hier nicht verkürzt werden. 8 2 Der Legitimationsaktionär kann die Rechte aus Namensaktien gem § 67 Abs 2 allerdings nur ausüben, wenn er in das Aktienregister eingetragen wurde.

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4. Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge Die Zurechnung der Eigentumszeiten bei einer Gesamtrechtsnachfolge ist unmittelbar einleuchtend. Der Gesamtrechtsnachfolger tritt in die Rechtsposition seines Vorgängers mit allen Rechten und Pflichten ein. Daher wäre es nicht einzusehen, dass trotz des unveränderten Bestands der Rechtsposition die Rechtsausübung behindert sein sollte. 83 Im Übrigen wurden die Fälle schon vor der Aufnahme von § 230a in das HGB entsprechend behandelt. 84

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Heute unstreitig: BaumbachIHueck § 7 0 AktG 1965 Rdn 5; Geß\erlHefermehl/ Bungeroth 22; KKJLutter 13; MünchKomm/ Bayer 14; aA noch Schlegelberger/Quassowski § 6 4 AktG 1937 Rdn 3. RGZ 163, 348, 356 f; Geß\er/Hefermehl/ Bungeroth 21; Hüffer 4; K K / L u t t e r 13; MünchKomm/ßayer 14. G e ß l e r / H e f e r m e h l / B u n g e r o t h 23; MünchK o m m / B a y e r 16. Obwohl laut KKJLutter 14 der Aspekt, dass der Treugeber in jedem dieser Fälle wirtschaftlicher Eigentümer ist, für die Auslegung nicht so entscheidend sein soll.

Rdn 5; Staub/Pinner § 230a HGB aF Rdn 8; Ritter § 6 4 AktG 1937 Rdn 3b; Schlegelberger/Quassowski AktG 1937 § 64 Rdn 3; Baumbach/Hueck S 7 0 AktG 1965 Rdn 5; A n w K o m m / L o h r 5; Gtß\tdHefermehl/ Bungeroth 24; Hüffer 4; KKJLutter 14; MünchKomm/ßayer 16. 81 82

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KKJLutter 14. Allgemeine Ansicht: Flechtheim § 2 3 0 a HGB aF Rdn 5; A n w K o m m / L o h r 5; G e ß l e r / H e f e r mehl/Bungeroth 24; Hüffer 4; KKJLutter 14; MünchKomm/Bayer 17. KKJLutter 15; MünchKomm/ßayer 18. Vgl den Nachweis bei KKJLutter 15.

Unstreitig: Flechtheim § 2 3 0 a HGB aF

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Hanno Merkt

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§ 70

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

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Die wichtigsten Fälle sind die Gesamtrechtsnachfolge von Todes wegen (§§ 1922 ff BGB), die Verschmelzung nach § § 2 0 Abs 1 Nr 1, 73 UmwG, die Anwachsung nach § 738 Abs 1 S 1 BGB, die Nachfolge gem § 140 Abs 1 S 2 iVm S 1 HGB 8 5 und der Anfall von Vereinsvermögen an den Fiskus gem § 46 BGB. Weitere Fälle betreffen die Vermögensübertragung ohne Abwicklung gem §§ 174 f UmwG und die Begründung der ehelichen Gütergemeinschaft durch Ehevertrag gem § 1416 Abs S 1 BGB.

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Nicht von dem Begriff der Gesamtrechtsnachfolge erfasst sind alle Übertragungen von Vermögensmassen durch Einzelverfügungen, etwa ein Unternehmenskauf nach § § 22 ff HGB, der Anfall des Vereinsvermögens an andere Personen als den Fiskus (§ 47 BGB) sowie die Übertragung der Aktien außenstehender Aktionäre auf die Hauptgesellschaft bei Eingliederung gem § 320a. Letztere betrifft den Fall einer Einzelrechtsnachfolge kraft Gesetzes. 86 Ferner gilt die N o r m nicht für den Formwechsel nach § 202 Abs 1 Nr 1 UmwG, da dabei die Identität des Rechtsträgers unverändert bleibt und daher die Besitzzeit der Aktien nicht unterbrochen wird. 8 7 Ein Übergang der Aktiva und Passiva findet nicht statt, insbesondere nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. 88 Für eine Zurechnung iSv § 70 S 2 verbleibt dann kein Raum. 5. Auseinandersetzung einer Gemeinschaft

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Nähe zum Gedanken der wirtschaftlichen Verfügungsbefugnis haben schließlich die Fälle der Auseinandersetzung einer Gemeinschaft. Die Anrechnung der Eigentumszeit ist hier deshalb sachgerecht, weil der Aktionär als Mitglied der Gemeinschaft schon vor der Auseinandersetzung rechtlich und wirtschaftlich an der Aktiengesellschaft beteiligt war. 8 9 Daraus folgt aber auch, dass eine Anrechnung dann nicht stattfindet, wenn der Aktionär die Aktien zwar bei der Auseinandersetzung einer Gemeinschaft erworben hat, an dieser Gemeinschaft aber selbst nicht beteiligt war. 9 0 32 Der Begriff der Gemeinschaft ist wiederum weit zu verstehen. Erfasst sind alle Fälle der Auseinandersetzung einer gemeinschaftlichen Berechtigung. Das betrifft alle Bruchteils- und Gesamthandsgemeinschaften, und zwar unabhängig davon, ob sie auf Gesetz oder Vertrag beruhen. Gemeint sind sowohl die Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften (§§ 2032 ff BGB) oder ehelichen Gütergemeinschaften (1471 ff BGB), als auch die Abwicklung von Personenhandelsgesellschaften (§§ 145 ff HGB), soweit die Auseinandersetzung durch Übertragung von Aktien aus dem bisherigen Gesellschaftsvermögen erfolgt. 91 Auch das Ausscheiden des Aktionärs aus der Sammelverwahrung nach

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Vgl RGZ 68, 410, 414 f zu § 142 HGB aF, auf den sich auch die frühere Kommentarliteratur bezieht. Diese Norm wurde jedoch durch Art 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsre formgesetz - HRefG) vom 22.06.1998 BGBl I S 1474 aufgehoben. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 26; Hüffer 4; KK/Lutter 15; MünchKomm/ftzyer 19. So auch MünchKomm/itayer 18; aA AnwKomm/Lofcr 6; Hüffer 4.

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KallmeyerIMeister/Klöcker § 202 UmwG Rdn 13; Lutter/Decfcer § 202 UmwG Rdn 10 (Vermögensidentität); Semler/Stengel/KäWer § 202 UmwG Rdn 7. Gcßicr/Hefermehl/Bungeroth 27; MünchKomm/Beyer Rdn 20. Schlegelberger/Quassowski AktG 1937 Rdn 3; KK/Luit er 16. Allgemeine Ansicht: Ritter § 64 AktG 1937 Rdn 3d; AnwKomm/Loiir 7; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 28; Hüffer 4; KK¡Lutter 16; MünchKomm/ßtfyer 21.

Stand: 1. 11. 2007

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Berechnung der Aktienbesitzzeit

§70

§ § 5 ff DepotG fällt hierunter. Bei einer Sammelverwahrung besteht aber zugleich ein Herausgabeanspruch gern § 6 9 5 B G B iVm § 7 DepotG, so dass die Voraussetzungen von S 1 und 2 kumulativ erfüllt sind. 9 2 Die Zurechnung erfolgt gleichwohl nur einmal. Der Erwerb der Aktien muss bei, nicht jedoch anlässlich der Auseinandersetzung einer Gemeinschaft erfolgen. Gemeint ist immer nur Erwerb aufgrund der ehemaligen Gesamtberechtigung. 93 Das bedeutet: die Anrechnung erfolgt nur für die Zeit, in der der Aktionär Mitglied in der Gemeinschaft war, und nur für die Anzahl der Aktien, deren Übernahme durch den früheren Umfang der Beteiligung an der Gemeinschaft gedeckt ist. 9 4 Im Übrigen ist der Aktionär wie ein außenstehender Dritter zu behandeln, denn insoweit fehlt eine wirtschaftliche Inhaberschaft. Diese Wertung folgt bei der Sammelverwahrung schon aus S 1. Die übrigen Fälle sind identisch zu behandeln. 9 5

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6. Bestandsübertragung nach § 14 VAG und § 14 BausparkassenG Die Bestandsübertragungen nach § 14 VAG und § 14 BausparkassenG betreffen die rechtsgeschäftliche Übertragung einer Sondervermögensmasse, nämlich des Kundenbestands. 9 6 In Bezug auf die im Vermögen des übertragenden Rechtsträgers vorhandenen Aktien handelt es sich nicht um einen Fall der Gesamtrechtsnachfolge, da die Aktiva, mit denen die technischen Reserven gedeckt werden, mangels genauer Zuordnung zum Kundenbestand nur im Wege der Einzelübertragung übergehen können. 9 7 Der Vorgang ähnelt aber einer Gesamtrechtsnachfolge, da eine Vermögensteileinheit übertragen wird. Dies und die Tatsache, dass eine behördliche Prüfung und Genehmigung erforderlich ist, lassen die Vergünstigung einer Zurechnung der Aktienbesitzzeit in diesen Fällen als gerechtfertigt erscheinen. 9 8

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V. M ö g l i c h e Addition verschiedener Anrechnungsfälle Im Rahmen des S 2 können verschiedene Anrechnungsfälle zusammentreffen und zu einer kumulierten Hinzurechnung von Vorbesitzzeiten führen, wenn der Rechtsvorgänger seinerseits die Aktie auf eine in S 2 genannte Art erworben hat. 9 9 Ferner ist es möglich, dass ein Anrechnungsfall nach S 2 zusammen mit einem solchen nach S 1 auftritt,

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Schlegelberger/Quassowski § 64 AktG 1937 Rdn 3; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 28; KK¡Lutter 16; aA MünchKomm/ Bayer 9, 21. KK/Lutter 16. Flechtheim § 230a HGB aF Rdn 4; Staub/Pinner § 230a HGB aF Rdn 8; Schlegelberger/Quassowski ξ 64 AktG 1937 Rdn 3; Gcß\tr!Hefermehl/Bungeroth 27; KK¡Lutter 16; MünchKomm/ Bayer 20. So auch YJfJLutter 16; aA MünchKomm/ Bayer 21, der insoweit konsequent die Giro-

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sammelverwahrung nicht als Fall des § 70 S 1 betrachtet. AnwKomm/Lohr 8. Prölss/Schmidt § 14 VAG Rdn 31; Lehmann/Schäfer § 14 BausparkassenG Rdn 4, 9. Vgl auch Geßler/Hefermehl/Bungeroth 29; KKJLutter 17. Schlegelberger/Quassowski § 64 AktG 1937 Rdn 3; Geßler/Hefermehl/Bungeroth 29; KK/Lutter 17; MünchKomm/Bayer 22. MünchKomm/Bayer 23.

Hanno Merkt

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§70

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

wenn dem Rechtsvorgänger ein Übereignungsanspruch nach Satz 1 zustand. 1 0 0 So ist S 2 mit Blick auf die Gleichstellung in S 1 dahingehend auszulegen, dass nicht nur die Eigentumszeit des Rechtsvorgängers, sondern auch diejenige Zeit, während welcher er einen Anspruch auf Übereignung nach S 1 hatte, von der Anrechnung erfasst wird. 1 0 1 Voraussetzung für eine Addition ist in jedem Fall aber, dass die jeweiligen anrechenbaren Besitzzeiten lückenlos aufeinanderfolgen; 1 0 2 eine Unterbrechung hat den Neubeginn der Karenzzfrist zur Folge. 103

100 101 102

MünchKomm/Bayer 23. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 30. MünchKomm/Bayer 25; GK/Barz (Vorauflage) Anm 7; KK/Lutter 4.

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MünchKomm/Bayer 25; GK/Barz (Vorauflage) Anm 7; KK/Lutter 4.

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Erwerb eigener Aktien

§71

§71 Erwerb eigener Aktien (1) 'Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur erwerben, 1. wenn der Erwerb notwendig ist, um einen schweren, unmittelbar bevorstehenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, 2. wenn die Aktien Personen, die im Arbeitsverhältnis zu der Gesellschaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen stehen oder standen, zum Erwerb angeboten werden sollen, 3. wenn der Erwerb geschieht, um Aktionäre nach § 305 Abs 2, § 320b oder nach § 2 9 Abs 1, § 125 S 1 in Verbindung mit § 2 9 Abs 1, § 207 Abs 1 S 1 des Umwandlungsgesetzes abzufinden, 4. wenn der Erwerb unentgeltlich geschieht oder ein Kreditinstitut mit dem Erwerb eine Einkaufskommission ausführt, 5. durch Gesamtrechtsnachfolge, 6. auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals, 7. wenn sie ein Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut oder Finanzunternehmen ist, aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung zum Zwecke des Wertpapierhandels. 2 Der Beschluß muß bestimmen, daß der Handelsbestand der zu diesem Zweck zu erwerbenden Aktien fünf vom Hundert des Grundkapitals am Ende jeden Tages nicht übersteigen darf; er muß den niedrigsten und höchsten Gegenwert festlegen. 3 Die Ermächtigung darf höchstens 18 Monate gelten; oder 8. aufgrund einer höchstens 18 Monate geltenden Ermächtigung der Hauptversammlung, die den niedrigsten und höchsten Gegenwert sowie den Anteil am Grundkapital, der zehn vom Hundert nicht übersteigen darf, festlegt. 2 Als Zweck ist der Handel in eigenen Aktien ausgeschlossen. 3 § 53a ist auf Erwerb und Veräußerung anzuwenden. ''Erwerb und Veräußerung über die Börse genügen dem. s Eine andere Veräußerung kann die Hauptversammlung beschließen; § 186 Abs 3, 4 und § 193 Abs 2 Nr 4 sind in diesem Fall entsprechend anzuwenden. 6 Die Hauptversammlung kann den Vorstand ermächtigen, die eigenen Aktien ohne weiteren Hauptversammlungsbeschluß einzuziehen. (2) 'Auf die zu den Zwecken nach Abs 1 Nr 1 bis 3, 7 und 8 erworbenen Aktien dürfen zusammen mit anderen Aktien der Gesellschaft, welche die Gesellschaft bereits erworben hat und noch besitzt, nicht mehr als zehn vom Hundert des Grundkapitals entfallen. 2 Dieser Erwerb ist ferner nur zulässig, wenn die Gesellschaft die nach § 272 Abs 4 des Handelsgesetzbuchs vorgeschriebene Rücklage für eigene Aktien bilden kann, ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zu Zahlungen an die Aktionäre verwandt werden darf. 3 In den Fällen des Absatzes 1 Nr 1, 2, 4, 7 und 8 ist der Erwerb nur zulässig, wenn auf die Aktien der Ausgabebetrag voll geleistet ist. (3) 'in den Fällen des Absatzes 1 Nr 1 und 8 hat der Vorstand die nächste Hauptversammlung über die Gründe und den Zweck des Erwerbs, über die Zahl der erworbenen Aktien und den auf sie entfallenden Betrag des Grundkapitals, über deren Anteil am Grundkapital sowie über den Gegenwert der Aktien zu unterrichten. 2 Im Falle des Absatzes 1 Nr 2 sind die Aktien innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb an die Arbeitnehmer auszugeben. 3 Im Falle des Absatzes 1 Nr 8 hat die Gesellschaft die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unverzüglich von der Ermächtigung zu unterrichten. (4) 'Ein Verstoß gegen die Absätze 1 oder 2 macht den Erwerb eigener Aktien nicht unwirksam. 2 Ein schuldrechtliches Geschäft über den Erwerb eigener Aktien ist jedoch nichtig, soweit der Erwerb gegen die Absätze 1 oder 2 verstößt.

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Hanno Merkt

§ 7 1

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Übersiebt Rdn

Rdn I. Allgemeines 1. Regelungsgegenstand und -zweck . . a) Gläubigerschutz b) Schutz der Kompetenzverteilung in der AG c) Schutz der Aktionäre d) Schutz der AG e) Kontrolle der Unternehmensleitung durch den Markt f) Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes 2. Ökonomische Zwecke des Erwerbs eigener Aktien a) Ausschüttung entbehrlichen Kapitals b) Steigerung der Eigenkapitalrendite c) Alternative zur Dividendenausschüttung d) Kurspflege e) Verhinderung feindlicher Übernahmen f) Gestaltung der Beteiligungsstruktur g) Aufbau wechselseitiger Beteiligungen iSd § 19 h) Erwerb eigener Aktien als Akquisitionswährung i) Kapitalherabsetzung durch Einziehung gem § 2 3 7 j) Rückzug von der Börse 3. Methoden des Erwerbs eigener Aktien Zustandekommen des Kaufvertrages . a) Erwerb über die Börse b) Öffentliche Rückkaufangebote . . aa) Festpreisangebot (Fixed Price Tender Offer) bb) Preisspannenangebot (Dutch Auction Tender Offer) . . . . cc) Emission übertragbarer Verkaufsrechte (Transferable Put Rights) c) Individuell vereinbarter Rückkauf (Negotiated Repurchase) 4. Durchführung des Erwerbs eigener Aktien a) Zuständigkeit b) Kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten aa) Ad-hoc Mitteilung (§ 15 WpHG) bb) Anforderungen der Verordnung 2273/2003/EG vom 2 2 . 1 2 . 2 0 0 3 cc) Beteiligungspublizität (§§ 21, 25 WpHG) dd) Veröffentlichungspflicht gem § 10 WpÜG ee) Nachträgliche Unterrichtung der Hauptversammlung c) Höhe des Kaufpreises aa) Erwerb über die Börse . . . . bb) Öffentliches Rückkaufangebot

1 2 5 6 10 11 14 17 18 19 20 21 22 24 25 26 27 28 29 30 31 32 34

37 39 41 41 43 43 49 52 54 55 56 58 59

Stand:

cc) Kaufvertrag mit einzelnen Aktionären d) Gleichbehandlung (§§ 53a, 71 Abs 1 Nr 8 S 3) aa) Gleichbehandlung beim Erwerb (1) Erwerb über die Börse . . . (2) Öffentliche Rückkaufangebote und Andienungsrecht (3) Individuell vereinbarter Rückkauf (Negotiated Repurchase) bb) Gleichbehandlung bei der Veräußerung ( 1 ) Veräußerung unter erneutem Zustimmungsvorbehalt (2) Keine öffentliche Versteigerung (3) Entbehrlichkeit des Bezugsrechtsausschlusses cc) Keine zusätzliche Zustimmung des Aufsichtsrates dd) Rechtsfolgen des Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot 5. Geschichte der Norm a) Erste Aktienrechtsnovelle von 1870 b) Zweite Aktienrechtsnovelle von 1884 c) Handelsgesetzbuch von 1897 . . . d) Notverordnung von 1931 e) AktG von 1937 f) Aktienrechtsreform des Jahres 1965 g) KapRL von 1976 und Aktienrechtsnovelle von 1978 h) Bilanzrichtliniengesetz von 1985 . . i) Zweites Finanzmarktförderungsgesetz von 1994 j) Umwandlungsbereinigungsgesetz von 1994 k) Begleitgesetz zum Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften von 1997 1) Stückaktiengesetz vom 25.3.1998 . m)KontraG vom 27.4.1998 n) Bericht der Regierungskommission Corporate Governance von 2001 . o) Änderungsrichtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006 aa) Änderung der Bestandsgrenze für aufgrund einer Hauptversammlungsermächtigung erworbene eigene Aktien . . . bb) Änderung der Bestandsgrenze für nicht aufgrund einer Hauptversammlungsermächtigung erworbene Aktien

1.11.2007

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69

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83 85 86 89

90 94 95 99 102 106 111 112 114 120 121 122

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Erwerb eigener Aktien

Rdn

Rdn cc) Auswirkungen auf die Erwerbsgrenzen der § 71 Abs 1 Nr 7 und Nr 8 AktG dd) Änderungen in zeitlicher Hinsicht ee) Sonstige Änderungen 6. Systematik des § 71 und Verhältnis zu § 57 7. Verhältnis zu § 56 8. Verhältnis zu § § 6 4 f 9. Verhältnis zum WpÜG 10. Darlegungs- und Beweislast II. Grundsatz: Erwerbsverbot (§ 71 Abs 1) 1. Allgemeines 2. Erwerb eigener Aktien a) Dingliche Rechtsgeschäfte . . . . b) Erwerbstatbestände c) Einzelfälle aa) Originärer Erwerb bb) Vorübergehender Erwerb . . . cc) Erlangung der bloßen Verfügungsbefugnis dd) Legitimationsübertragung . . ee) Erwerb gem § 71d S 5 . . . . ff) Vollstreckung in eigene Aktien und Erwerb in der Zwangsversteigerung gg) Kaduzierungsverfahren ( § § 6 4 ff) 3. Aktien 4. Eigene Aktien ΠΙ. Ausnahmen vom Erwerbsverbot (§ 71 Abs 1 Nr 1-8) 1. Allgemeines 2. Notwendigkeit zur Schadensabwehr (§ 71 Abs 1 Nr 1) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Schaden der Gesellschaft c) Schwere des Schadens d) Unmittelbar bevorstehender Schaden e) Notwendigkeit des Erwerbs zur Abwehr des Schadens f) Verschiedene Schadensfälle . . . . aa) Forderungssicherung bb) Auseinandersetzung von Aktionären cc) Abkauf von Anfechtungsklagen dd) Bankenhandel in eigenen Aktien ee) Kurspflege und Baisseangriff ff) Feindliche Übernahme der Aktiengesellschaft gg) Greenmailing hh) Rückabwicklung eines Übernahmevertrages im Zusammenhang mit einer Aktienneuemission

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§71

3. Belegschaftsaktien (§ 71 Abs 1 Nr 2) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Ernstlicher Wille zur Weitergabe an die Belegschaft c) Personen, die im Arbeitsverhältnis zu der Gesellschaft stehen oder standen d) Arbeitnehmer eines verbundenen Unternehmens e) Durchführung der Ausgabe an die Belegschaft f) Umwidmung bereits erworbener eigener Aktien 4. Abfindung von Aktionären (§ 71 Abs 1 Nr 3) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Konzernrechtliche Abfindung . . aa) § 305 Abs 2 AktG bb) § 320b AktG c) Umwandlungsrechtliche Abfindung aa) § 29 Abs 1 UmwG bb) § 125 S 1 iVm § 29 Abs 1 UmwG cc) § 207 Abs 1 S 1 UmwG . . . d) Erweiterung auf nicht ausdrücklich geregelte Fälle aa) Verschmelzung nach § 62 UmwG bb) Abfindung der Aktionäre bei einem Delisting e) Ernstliche Verwendungsabsicht . . f) Überschreiten der Grenzen des § 71 Abs 2 S 1 und 2 g) Veräußerungspflicht gem § 71c Abs 1 analog h) Vorhandene Aktien kein Erwerbshindernis 5. Unentgeltlicher Erwerb und Einkaufskommission (§ 71 Abs 1 Nr 4) . . . a) Unentgeltlicher Erwerb aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte bb) Unentgeltlichkeit b) Einkaufskommission aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte bb) Begriff der Einkaufskommission cc) Kreditinstitut dd) Ernstlicher Wille ee) Veräußerungspflicht gem § 71c Abs 1 analog 6. Gesamtrechtsnachfolge (§ 71 Abs 1 Nr 5) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Erbschaft c) Verschmelzung und Spaltung . . .

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§ 7 1

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter Rdn

Rdn d) Unternehmensübernahme gern § 140 Abs 1 S 2 HGB e) Analoge Anwendung bei verschmelzungsbedingtem Erwerb einer Put Option bezüglich eigener Aktien 7. Einziehung (§ 71 Abs 1 Nr 6) . . . . a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Beschluss einer Einziehung gem § 237 Abs 2 S 2 c) Unterschied zu § 71 Abs 1 Nr 8 . . d) Bilanzierung 8. Wertpapierhandel (§ 71 Abs 1 Nr 7) . a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Adressaten c) Beschluss der Hauptversammlung . aa) Zum Zwecke des Wertpapierhandels bb) Fünf Prozent des Grundkapitals (S 71 Abs 1 Nr 7 S 2 1. HS ) . cc) Niedrigste und höchste Gegenwert (S 71 Abs 1 Nr 7 S 2 2. HS ) dd) Nichtigkeit des Beschlusses gem S 241 Abs 1 Nr 3 . . . . d) Ermächtigungsdauer (§ 71 Abs 1 Nr 7 S 3) e) Verhältnis zu § 71 Abs 1 Nr 8 . . . 9. Ermächtigungsbeschluss ohne Zweckvorgabe (S 71 Abs 1 Nr 8) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Verhältnis zu § 71 Abs 1 Nr 7 . . . c) Beschluss der Hauptversammlung . aa) Ermächtigungsdauer bb) Angabe des niedrigsten und höchsten Gegenwertes cc) Angabe des Anteils am Grundkapital dd) Zwecksetzung und sonstige Vorgaben ee) Nichtigkeit oder Rechtswidrigkeit des Beschlusses ff) Ausübung der Ermächtigung durch den Vorstand d) Ausschluss des Handels in eigenen Aktien ($ 71 Abs 1 Nr 8 S 2) . . . aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte bb) Abgrenzungsfunktion cc) Handel in eigenen Aktien . . . dd) Kein Verbot der Kurspflege . . e) Gleichbehandlungsgebot (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 3) f) Erwerb und Veräußerung über die Börse (S 71 Abs 1 Nr 8 S 4) . . . . aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte bb) Börse

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S t a n d : 1.

g) Andere Veräußerung durch Hauptversammlungsbeschluss (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 5) aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte bb) Bezugsrechtsausschluss (S 186 Abs 3, 4) cc) § 193 Abs 2 Nr 4 (1) Kumulative Anwendung von § 186 Abs 3, 4 und § 193 Abs 2 Nr 4 (2) Zeitpunkt der Beschlussfassung (3) Gruppenaufteilung . . . . (4) Erfolgsziele (5) Weitere inhaltliche Anforderungen (6) Analoge Anwendung von § 193 Abs 2 Nr 3 (7) Entbehrlichkeit der Angaben des § 193 Abs 2 Nr 4 (8) Ausführung des Beschlusses und weitere Bedingungen der Optionsrechte . . . (9) Bedienung des Aktienoptionsprogramms mit rechtswidrig erworbenen Aktien h) Einziehungsermächtigung (§ 71 Abs 1 Nr 8 S 6) aa) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte bb) Anforderungen an die Einziehungsermächtigung cc) Unternehmerisches Ermessen . i) Einzelne Anwendungsfälle aa) Aktienoptionsprogramme . . . bb) Bedienung von Bezugsrechten von Wandelschuldverschreibungen ( § 2 2 1 ) cc) Einziehung dd) Feindliche Übernahmen . . . . ee) Handel in eigenen Aktien durch ein Tochterunternehmen der Gesellschaft ff) Kurspflege gg) Legalzession schuldrechtlicher Ansprüche hh) Put- und Call-Optionen . . . . ii) Rückabwicklung eines Übernahmevertrages nach Eintragung der Kapitalerhöhung . . jj) Verschmelzung gem § 62 UmwG IV. Schranken des zulässigen Erwerbs (S 71 Abs 2) 1. Allgemeines 2. Zehn-Prozent-Schranke (§ 71 Abs 2 S 1) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte

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Erwerb eigener Aktien Rdn b) Tatbestand aa) Besitz anderer Aktien . . . . bb) Hinzurechnung weiterer Aktien cc) Zehn vom Hundert des Grundkapitals 3. Kapitalgrenze (5 71 Abs 2 S 2) . . . a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Nach § 272 Abs 4 HGB vorgeschriebene Rücklage c) Bildung der Rücklage ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern d) Berücksichtigung von gern § 71a Abs 1 S 2 erlaubten Geschäften . . e) Verhältnis zu § 58 4. Voll geleisteter Ausgabebetrag (§ 71 Abs 2 S 3) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Tatbestand c) Erfordernis einer vollständigen Leistung aufgrund von § 237 Abs 3 . 5. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 71 Abs 2 V. Pflichten nach dem Erwerb (J 71 Abs 3) 1. Allgemeines 2. Berichtspflicht des Vorstands (§ 71 Abs 3 S 1) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Tatbestand c) Inhalt der Berichtspflicht d) Erfüllung der Berichtspflicht . . . e) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 71 Abs 3 S 1 f) Verhältnis zu § 131 Abs 1 . . . . g) Verhältnis zu § 160 Abs 1 Nr 2 . . 3. Ausgabe der Aktien an die Belegschaft (S 71 Abs 3 S 2) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Pflichten der Verwaltung c) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 71 Abs 3 S 2 d) Keine analoge Anwendung des § 71 Abs 3 S 2 auf andere Ausnahmetatbestände 4. Unterrichtung der BaFin (§ 71 Abs 3 S 3) a) Regelungszweck und Entstehungsgeschichte b) Tatbestand c) Inhalt der Unterrichtungspflicht d) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 71 Abs 3 S 3 VI. Rechtsfolgen des unzulässigen Erwerbs (S 71 Abs 4) 1. Allgemeines

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2. Wirksamkeit des dinglichen Erwerbs ( § 7 1 Abs 4 S I ) 3. Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Geschäfts (§ 71 Abs 4 S 2) a) Nichtigkeit unabhängig von der Durchführung des Erwerbsgeschäfts b) Zeitpunkt für die Beurteilung des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts c) Ausnahmen von der Nichtigkeit . d) Keine Heilung e) Teilnichtigkeit f) Einzelne Schuldverhältnisse . . . . aa) Unregelmäßige Verwahrung (S 700 BGB, § 15 DepotG) . . bb) Tauschverwahrung (§§ 10 f DepotG) cc) Report- Deportgeschäft und aufschiebend bedingte Rückübertragungsansprüche . . . dd) Treuhandverträge ee) Vorverträge und Verkauf von Übereignungsansprüchen . . . ff) P u t - u n d Call-Optionen . . . gg) Bloße Kursverlaufswette und Kursgarantie 4. Ansprüche der Beteiligten a) Schadensersatzansprüche der Aktionäre und außenstehender Dritter b) Ansprüche der Gesellschaft gegen den Veräußerer c) Ansprüche der Gesellschaft gegen die Verwaltung d) Ansprüche des Veräußerers gegen die Gesellschaft aa) Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung bb) Schadensersatzansprüche . . . 5. Ordnungswidrigkeiten VII. Bilanz- und steuerrechtliche Behandlung 1. Allgemeines 2. Bilanzrechtliche Behandlung a) Veräußerbare Aktien b) Eingefrorene Aktien c) Anhang der Bilanz (§ 160 Abs 1 N r 2) d) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen §§ 266, 272 HGB 3. Steuerrechtliche Behandlung a) Behandlung des Erwerbs bei der Aktiengesellschaft b) Behandlung des Erwerbs beim Aktionär c) Veräußerung eigener Aktien durch die Gesellschaft d) Spätere Einziehung veräußerbarer Aktien VIII. Internationale Anwendbarkeit der §5 71 ff 1. Allgemeines 2. Personalstatut

Hanno Merkt

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§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter Rdn

Rdn 3. Vertragsstatut a) S 71 Abs 4 S 2 b) § 71a Abs 1 und 2 4. § 71 d 5. § 71e I X . Rechtsvergleich 1. Großbritannien a) Erwerb von redeemable shares . . b) Erwerb sonstiger eigener Aktien . aa) Einzuziehende Aktien . . . . bb) Fortbestehende Aktien („treasury shares") cc) Weitere Anforderungen . . .

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c) Verbot der finanziellen Unterstützung Dritter 2. Frankreich 3. Österreich 4. USA a) Rückerwerb eigener Aktien . . . . aa) Überblick bb) Grund cc) Aktionärsschutz dd) Gläubigerschutz b) Rückerwerb und Dividenden in steuerlicher Sicht c) Bezugsrecht

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Schrifttum Achleitner/Wichels Aktienrückkaufprogramme - Beratungsaufgabe für Investmentbanken, Die Bank 1999, 703; Adams Die Usurpation von Aktionärsbefugnissen mittels Ringverflechtung in der „Deutschland-AG", AG 1994, 148; ders Stellungnahme zur Aktienrechtsreform 1997, AG Sonderheft 1997, 9; van Aerssen Erwerb eigener Aktien und Wertpapierhandelsgesetz: Neues von der Schnittstelle Gesellschaftsrecht/Kapitalmarktrecht, WM 2000, 391; Aha Verbot des Erwerbs eigener Aktien nach den §§ 71 ff AktG und eigener Genußscheine nach § 10 Abs 5 S 5 KWG, AG 1992, 218; Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung" der Schmalenbach-Gesellschaft Behandlung „eigener Aktien" nach deutschem Recht und US-GAAP unter besonderer Berücksichtigung der Änderungen des KonTraG, DB 1998, 1673; Assmann Eigene Aktien, AG 1996, 433; Ballerstedt Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949; Bandte Der Erwerb eigener Aktien, Jura 1987, 465; Baum Rückerwerbsangebote für eigene Aktien: übernahmerechtlicher Handlungsbedarf?, ZHR 167 (2003), 580; Baums Stellungnahme zur Aktienrechtsreform 1997, AG Sonderheft 1997, 26; ders Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder, FS Claussen 1997, 3; ders/Stöcker Rückerwerb eigener Aktien und WpÜG, Festschrift für Wiedemann 2002, 703; Bednarz Der Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung zum Erwerb eigener Aktien, 2006; Beeser Inpfandnahme von Eigenaktien, AcP 159 (1960), 56; Benckendorff Erwerb eigener Aktien im deutschen und US-amerikanischen Recht, 1998; Bernhardt Die Abfindung von Aktionären nach neuem Recht, BB 1966, 257; Berrar/Schnorbus Rückerwerb eigener Aktien und Übernahmerecht, ZGR 2003, 59; Bertheim Erwerb eigener Aktien, Frankfurt 1933; T. Bezzenberger Der Erwerb eigener Aktien durch die AG, Köln 2002; Bise Eigene Anteile bei Kapitalgesellschaften - Besonderheiten im Ertragsstreuer-, Bewertungs- und Verkehrssteuerrecht, DB 1974, 804; Böhm Der Rückkauf eigener Aktien und Übernahmetransaktionen, in: ν Rosen/Seifert (Hrsg.) Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, 1999, S 327; Boesebeck Die wechselseitige Verpflichtung von Aktiengesellschaften, ZKredW 1956, 766; ders Die Regelung der wechselseitigen Beteiligung im Referenten-Entwurf eines Aktiengesetzes, BB 1959, 15; ders Wechselseitig beteiligte Unternehmen nach dem Regierungsentwurf eines Aktiengesetzes, AG 1961, 331; Bösselmann Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens im 19. Jahrhundert, 1939; Bosse Zulässigkeit des individuell ausgehandelten Rückkaufs eigener Aktien („Negotiated repurchase") in Deutschland, NZG 2000, 16; ders Melde- und Informationspflichten nach dem Aktiengesetz und Wertpapierhandelsgesetz im Zusammenhang mit dem Rückkauf eigener Aktien, ZIP 1999, 2047; ders Handel in eigenen Aktien durch die Aktiengesellschaft, WM 2000, 806; ders Probleme des Rückkaufs eigener Aktien - Kommentar zu LG Berlin (NZG 2000, 944), NZG 2000, 923; ders Mitarbeiterbeteiligung und Erwerb eigener Aktien, NZG 2001, 594; ders Erwerb eigener Aktien, 2002; Breadley/Desai/Kim The Rational behind Interfirm Tender Offers - Information or Synergy? Journal of Financial Economics 11 (1983) 183; Brodmann Eigene Aktie, genehmigtes Kapital, Verschachtelung, BankA 1932/33, 46; ders Erwerb eigener Aktien und Einziehung von Aktien, ZBH 1932, 49; Budde Aktienrückkaufprogramme im Spannungsfeld von Aktien-, Bilanz- und Steuerrecht, Festschrift für Offerhaus 1999, 659; Büdenbender Eigene Aktien und Aktien der Muttergesellschaft, DZWir 1998, 1 (Teil I), 55 (Teil II); Bundesministerium der Finanzen Steuerrechtliche Behandlung des Erwerbs eigener Aktien, DStR 1998, 2011; Bungert/Hentzen Kapitalerhöhung zur Durch-

stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

führung von Verschmelzung oder Abspaltung bei parallelem Rückkauf eigener Aktien durch die übertragende Aktiengesellschaft, DB 1999, 2501; Burhoff Die KapRL. Zweite Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts, Neue Wirtschaftsbriefe 1979, 1351; Busch Eigene Aktien in der Kapitalerhöhung, AG 2005, 429; ders Aktuelle Rechtsfragen des Bezugsrechts und Bezugsrechtsausschlusses beim Greenshoe im Rahmen von Aktienemissionen, AG 2 0 0 2 , 230; Butzke Gesetzliche Neuregelungen beim Erwerb eigener Aktien, W M 1995, 1389; Cahn Aktien der herrschenden AG in Fondsvermögen abhängiger Investmentgesellschaften, W M 2001, 1929; ders Kapitalerhaltung im Konzern, 1998; ders/Farrenkopf Abschied von der qualifizierten wechselseitigen Beteiligung?, AG 1984, 178; ders Die Auswirkungen der Kapitaländerungsrichtlinie auf den Erwerb eigener Aktien, Institute for Law and Finance, Working Paper Series No 61 (04/2007); Canaris Die Rückgewähr von Gesellschaftseinlagen durch Zuwendungen an Dritte, FS Fischer 1979, 31; Casper Insiderverstöße bei Aktienoptionsprogrammen, W M 1999, 363; ders Repricing von Stock Options, DStR 2004, 1391; Chamorro Domínguez Rückerwerbbare Aktien: Ein Plädoyer für ihre Zulassung in Deutschland aus rechtsvergleichender Perspektive, AG 2 0 0 4 , 487; Cristoffel Die Bewertung von eigenen Anteilen an Kapitalgesellschaften, DB 1984, 863; ders Wie ändert das KonTraG das Aktiengesetz?, DB 1998, 177; Claussen Über Kapitalvorschriften in den EWG-Rechten, AG 1965, 194; ders 25 Jahre deutsches Aktiengesetz von 1965 (Teil II), AG 1991, 10; ders Aktienrechtsreform 1997, AG 1996, 481; ders Wie ändert das KonTraG das Aktiengesetz?, DB 1998, 1, 55; Cosack Eigene Aktien als Bestandteile des Vermögens einer Aktiengesellschaft, Glessen 1907; DAI (Hrsg.) Der Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft, 1995; dass (Hrsg.) Der Erwerb eigener Aktien in Deutschland - Ergebnisse einer Untersuchung des Deutschen Aktieninstituts zum Rückkauf eigener Aktien durch die Gesellschaft, 1999; DAVHandelsrechtsausschuss Referentenentwurf zur Änderung des Aktiengesetzes („KonTraG") - Stellungnahme des DAV, ZIP 1997, 1007; ders Stellungnahme zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/91/EWG (2. Richtlinie) in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals, N Z G 2005, 426; de la Concepción Rückerwerbbare Aktien: ein Plädoyer für ihre Zulassung in Deutschland aus rechtsvergleichender Perspektive, AG 2 0 0 4 , 487; Diekgräf Sonderzahlungen an opponierende Kleinaktionäre im Rahmen von Anfechtungs- und Spruchstellenverfahren, 1990; Diekmann/Merkner Die praktische Anwendung des WpÜG auf öffentliche Angebote zum Erwerb eigener Aktien, ZIP 2 0 0 4 , 836; DSW Eingabe zum Rückkauf eigener Aktien, Das Wertpapier 1996, 78; Eberstadt Rückkauf eigener Aktien - Ein wichtiges Element zur Stärkung des Finanzplatzes Deutschland, W M 1986, 1809; Eschbach Eigene Aktien und Shareholder Value, DB 2003, 161; Escher-Weingart Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, 2001; dies/Kübler Erwerb eigener Aktien, Z H R 162 (1998), 537; Feddersen Aktienoptionsprogramme für Führungskräfte aus kapitalmarktrechtlicher und steuerlicher Sicht, Z H R 161 (1997), 269; Fellner/Winkler Aktienrückerwerbsgesetz („AReG") - Neuerungen beim Erwerb eigener Aktien, GesRZ 2 0 0 0 , 20; Flechtheim Zur Aktienrechtsnovelle, BankA 1931/32, 10 (Teil I), 65 (Teil II); Fleischer/Körber Der Rückerwerb eigener Aktien und das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, BB 2001, 2589; Fried Insider Signaling and Insider Trading with Repurchase Tender Offers, University of Chicago Law Review 67 (2000), 421; Fuchs Aktienoptionen für Führungskräfte und bedingte Kapitalerhöhung - Anmerkung zur geplanten Neuregelung nach dem Referentenentwurf zur Änderung des AktG („KonTraG"), DB 1997, 661; Ganske Das Zweite gesellschaftsrechtliche Koordinierungsgesetz vom 13. Dezember 1978, DB 1978, 2461; Ganssmüller Erwerb von Wandelschuldverschreibungen durch die ausgebende AG und abhängige Unternehmen, DB 1955, 865; Geber/zur Megede Aktienrückkauf - Theorie und Kapitalmarktpraxis unter Beachtung der „Safe-harbor-Verordnung" (EG Nr 2273/2003), W M 2005, 1861; Geiger Der Erwerb eigener Aktien im schwedischen Recht, AG 1997, 163; Gerber Der Erwerb eigener Aktien durch die AG, 1932; Giloy Belegschaftsaktien bei Organschaft, BB 1976, 264; ders Zur Privilegierung der (Belegschafts-)Aktie, BB 1976, 1172; Goldschmidt Herabsetzung des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft durch Ankauf und Amortisation eigener Aktien, Z H R 21 (1876), 1; Gottschalk Die Lehren aus den Aktienskandalen der Nachkriegszeit, 1934; Grobecker/Michel Rückkauf eigener Aktien: Die Grenzen des § 71 Abs 1 Nr 8 AktG, DStR 2001, 1757; Giinther/Muche/White Bilanzrechtliche und steuerrechtliche Behandlung des Rückkaufs eigener Anteile in den USA und in Deutschland, WPg 1998, 574; dies Zulässigkeit des Rückkaufs eigener Aktien in den USA und in Deutschland - vor und nach KonTraG, RIW 1998, 337;

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Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Habersack Rückerwerbbare Aktien auch für deutsche Gesellschaften, FS Lutter 2000, 1329; ders Das Andienungs- und Erwerbsrecht bei Erwerb und Veräußerung eigener Anteile, ZIP 2005, 1121; Hachenburg Verkauf eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft und eigener Geschäftsanteile durch die Gesellschaft m.b.H., Recht 1907, 226; Hampel Erwerb eigener Aktien und Unternehmenskontrolle, 1994; Heinsius Die Ausführung einer Verkaufskommission in eigenen Aktien durch ein Kreditinstitut und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien nach § 71 AktG, AG 1988, 253; Hettlage Die AG als Aktionär - ein vermögenspolitischer Beitrag zur steuerlichen Konsolidierung des Aktienwesens, AG 1981, 92; Hillebrandt/Schremper Analyse des Gleichbehandlungsgrundsatzes beim Rückkauf von Vorzugsaktien, BB 2001, 533; Hirsch Der Erwerb eigener Aktien nach dem KonTraG Unter besonderer Berücksichtigung der Bilanzierung eigener Aktien, 2003; Hoff Aktienoptionen für Aufsichtsräte über § 71 Abs 1 Nr 8 AktG?, W M 2003, 910; Hoffmann-Becking Vorschläge der Regierungskommission „Corporate Governance" zum Recht der Unternehmensfinanzierung, in: Hommelhoff, ua (Hrsg.), Corporate Governance, 2002, S 214; Hopt Stellungnahme zur Aktienrechtsreform 1997, AG Sonderheft 1997, 42; Huber Zum Aktienerwerb durch ausländische Tochtergesellschaften, FS Duden 1977, 137; ders Rückkauf eigener Aktien, FS Kropff 1997, 101; Hüffer Harmonisierung des aktienrechtlichen Kapitalschutzes, NJW 1979, 1065; ders Aktienbezugsrechte als Bestandteil der Vergütung von Vorstandsmitgliedern und Mitarbeitern - gesellschaftsrechtliche Analyse, Z H R 161 (1997), 214; Ihrig Optionen auf eigene Aktien, Festschrift für Ulmer 2003, 829; Jakobs Steuerliche Auswirkungen des Aktivierungsverbots für eigene Aktien nach § 272 Abs 4 S I HGB, FR 1998, 872; Janberg Einige Betrachtungen zur Belegschaftsaktie, AG 1960, 175; JohannsenRoth Der Erwerb eigener Aktien, 2001; Joost Grundlagen und Rechtsfolgen der Kapitalerhaltungsregeln im Aktienrecht, ZHR 149 (1985), 419; Kallmeyer Aktienoptionspläne für Führungskräfte im Konzern, AG 1999, 97; Kau/Leverenz Mitarbeiterbeteiligung und leistungsgerechte Vergütung durch Aktien-Options-Pläne, BB 1998, 2269; Kellerhals/Rausch Liberalisierung von Aktienrückkäufen: Bundesdeutsche Erfahrungen, AG 2000, 222; Kessler/Suchan Erwerb eigener Aktien und dessen handelsbilanzielle Behandlung, BB 2000, 2529; Keyssner Die Aktiengesellschaften und die Kommanditgesellschaften auf Aktien unter dem Reichs-Gesetz vom 11. Juni 1870, 1873; Kiem Der Erwerb eigener Aktien bei der kleinen AG, ZIP 2000, 209; Kindt Der Erwerb eigener Aktien nach dem KonTraG, DStR 1999, 1276; ders Der Erwerb eigener Aktien nach Europäischem Gemeinschaftsrecht, ZEuP 1994, 77; Kleindiek Stock Options und Erwerb eigener Aktien, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 10, 1997, 23; Klingenberg Der Aktienrückkauf nach dem KonTraG aus bilanzieller und steuerlicher Sicht, BB 1998, 1575; Klug Erwerb eigener Aktien als Instrument zur Abwehr feindlicher Übernahmen, Hagen 2000; Knepper Die Belegschaftsaktie in Theorie und Praxis, ZGR 1985, 419; Kniehase Derivate auf eigene Aktien, 2005; Koch Der Erwerb eigener Aktien - kein Fall des WpÜG, NZG 2003, 61; Kohler Stock Options für Führungskräfte aus Sicht der Praxis, Z H R 161 (1997), 246; R Koch Die Auswirkungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes auf den Erwerb eigener Aktien, 2006; Kopp Erwerb eigener Aktien - Ökonomische Analysen vor dem Hintergrund von Unternehmensverfassung und Informationseffizienz des Kapitalmarktes, 1996; Koppensteiner Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, 1971; Kraft/Altvater Die zivilrechtliche, bilanzielle und steuerliche Behandlung des Rückkaufs eigener Aktien, N Z G 1998, 448; Krebs Ausländerbeteiligungen an deutschen Unternehmen - ein neues Kapitel zu einem alten Problem, DB 1982, 1390; Kröner/Hadzic Der Erwerb eigener Anteile nach § 71 Abs 1 Nr 8 AktG unter Berücksichtigung von § 50c EStG, DB 1998, 2133; Kropff Die wechselseitige Beteiligung nach dem Entwurf eines Aktiengesetzes, DB 1959, 15; Krüger Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft, IStR 2002, 552; Kübler Stellungnahme zur Aktienrechtsreform 1997, AG Sonderheft 1997, 48; ders Aktie, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, 1989; Kiiting/Busch Die Bilanzierung eigener Aktien nach HGB-, US-GAAP- und IFRS-Normen, PiR 2006, 213; Kuhn Arbitragegeschäfte der Aktienbanken in eigenen Aktien, NJW 1973, 833; Leithaus Die Regelung des Erwerbs eigener Aktien in Deutschland und den Niederlanden, 2000; Lenz/Linke Rückkauf eigener Aktien nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, AG 2002, 420; Leppert/Stürwald Aktienrückkauf und Kursstabilisierung - Die Safe-Harbour-Regelung der Verordnung (EG) Nr 2273/2003 und der KuMaKV, ZBB 2004, 302; Lewin Die Rechtsbeziehungen der Aktiengesellschaft zu ihren eigenen Aktien, 1911; Luken Der Erwerb eigener Aktien nach §§ 71 ff AktG, 2004; Lutter Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG, 1964; ders Zur Europäisierung des deutschen Aktienrechts, FS Ferid 1978, 599; ders Stellung-

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Erwerb eigener Aktien

§71

nähme zur Aktienrechtsreform 1997, AG Sonderheft 1997, 52; ders Aktienoptionen für Führungskräfte - de lege lata und de lege ferenda, ZIP 1997, 1; Lutter/Wahlers, Der Buyout: Amerikanische Fälle und Regelungen des deutschen Rechts, AG 1989, 1; Maltschew Der Rückerwerb eigener Aktien in der Wirtschaftskrise 1929-1931, 2003; Martens Die Vergleichs- und Abfindungsbefugnis des Vorstands gegenüber opponierenden Aktionären, AG 1988, 118; ders Erwerb und Veräußerung eigener Aktien im Börsenhandel, AG 1996, 337; ders Der Erwerb eigener Aktien zum Umtausch im Verschmelzungsverfahren, FS Boujong 1996, 335; ders Eigene Aktien und Stock-Options in der Reform, AG Sonderheft August 1997, 83; ders Stimmrechtsbeschränkung und Stimmbindungsvertrag im Aktienrecht, AG 1993, 495; Maul/Eggenhofer/Lanfermann Deregulierung der EURegelungen zur Kapitalaufbringung und -erhaltung, BB 2 0 0 4 , 5; Merkt/Göthel US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Auflage 2006; Mestmäcker Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958; Michalski Abwehrmechanismen gegen unfreundliche Übernahmeangebote („unfriendly takeovers") nach deutschem Aktienrecht, AG 1997, 152; Mick Aktien- und bilanzsteuerrechtliche Implikationen beim Einsatz von Eigenkapitalderivaten beim Aktienrückkauf, DB 1999, 1201; ders/Wiese Erwerb eigener Anteile und § 50c EStG, DStR 1998, 1201; Mittermüller Die eigene Aktie, Köln 1954; M Möller Rückerwerb eigener Aktien, 2005; Mordhorst-Thießen Das Verbot des Erwerbs von Anteilen an Kapitalgesellschaften, Kiel 1957; F Müller Die eigene Aktie - Eine betriebswirtschaftliche Untersuchung auf der Grundlage der rechtlichen Bestimmungen in den EWG-Staaten, Karlsruhe 1966; W Müller Zum Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der zweiten Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (KapRL), WPg 1978, 565; Mutter Darf's ein bisschen mehr sein? - Überlegungen zum zulässigen Gesamtvolumen von Aktienoptionsprogrammen nach dem KonTraG, ZIP 2 0 0 2 , 295; Neufeld Der Erwerb eigener Aktien, J W 1931, 3041; Niethammer Der Erwerb eigener Aktien zur Ausgabe an Arbeitnehmer, BB 1960, 257; Nowotny Kapitalmarkt und Aktienrückerwerb, FS Lutter 2000, 1513; Nußbaum Aktienerwerb zwecks Ausschaltung einer Minorität, J W 1929, 2109; Oechsler Der RefE zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz - Regelungsbedarf auf der Zielgeraden!, N Z G 2001, 817; ders Der Rückerwerb eigener Aktien kraft Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung zur Abwehr von Unternehmensübernahmen in: Lange/Wall (Hrsg) Risikomanagement nach dem KonTraG, 2001; ders Die Änderung der Kapitalrichtlinie und der Rückerwerb eigener Aktien, Z H R 170 (2006), 72; Oser Pflicht zur (Neu-)Bildung der Rücklage für eigene Aktien im Konzernabschluss, DB 1999, 1125; Paefgen Die Gleichbehandlung beim Aktienrückerwerb im Schnittfeld von Gesellschafts- und Übernahmerecht, ZIP 2 0 0 2 , 1509; ders Eigenkapitalderivate bei Aktienrückkäufen und Managementbeteiligungsmodellen, AG 1999, 67; Pellens/Schremper Aktienrückkäufe in Deutschland - eine theoretische und empirische Untersuchung der Erwerbsmotive, 1999; Peltzer, M Steuer- und Rechtsfragen bei der Mitarbeiterbeteiligung und die Einräumung von Aktienoptionen (Stock Options), AG 1996, 307; Peltzer O Die Neuregelung des Erwerbs eigener Aktien im Lichte der historischen Erfahrungen, W M 1998, 322; Peterssen Die Belegschaftsaktie, 1968; Piepenburg Sind die Vorschriften zum Rückkauf eigener Aktien nicht zeitgemäß?, BB 1996, 2582; Pinner Kommentar zum HGB, 2. Bd, §§ 178-342, 13. Auflage 1926; Pluskat Rückerwerb eigener Aktien nach WpÜG - auch offiziell kein Anwendungsfall mehr, N Z G 2 0 0 6 , 731; Posner Der Erwerb eigener Aktien in der US-amerikanischen Unternehmenspraxis, AG 1994, 312; Preusche „Altbestand" eigener Aktien und Veräußerungspflichten nach §§ 71 ff AktG, BB 1982, 1638; Quassowski Die Vorschriften der Aktienrechtsnovelle über Publizität, eigene Aktien und Einziehung von Aktien, J W 1931, 2914; Rams Aktienrückkauf: Flexibilisierung der Unternehmensfinanzierung, Die Bank 1997, 216; Reichert/Harbarth Veräußerung und Einziehung eigener Aktien, ZIP 2001, 1441; Renaud Das Recht der Aktiengesellschaften, 1863; ders Das Recht der Aktiengesellschaften, 2. 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Hanno Merkt

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Saria Schranken beim Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs 1 N r 8, N Z G 2000, 458; Schäfer Zulässigkeit und Grenzen der Kurspflege, W M 1999, 1345; ders Aktuelle Probleme der Mitarbeiterbeteiligung nach In-Kraft-Treten des KonTraG, N Z G 1999, 531; Schänder Abwehrstrategien gegen feindliche Übernahmen und ihre Zulässigkeit im Lichte der Aktienrechtsreform, BB 1997, 1801; ders Der Rückkauf eigener Aktien nach dem KonTraG und Einsparpotentiale bei Übernahmetransaktionen, ZIP 1998, 2087; Schanze Eigene Aktien - Recht und Ökonomie, Festschrift für Nobel 2005, 999; Schiaus Auskauf opponierender Aktionäre, AG 1988, 113; Schmid Eigene Aktien nach der Neuregelung durch das KonTraG, DB 1998, 1785; ders/Miihlhäuser Rechtsfragen des Einsatzes von Aktienderivaten beim Aktienrückkauf, AG 2001, 493; dies Die Gegenleistung beim Erwerb eigener Aktien mittels Optionen, AG 2004, 342; Schmid/Wiese Bilanzielle und steuerliche Behandlung eigener Aktien, DStR 1998, 993; Schmidbauer Die Bilanzierung eigener Aktien im internationalen Vergleich, DStR 2002, 187; Schneider Aktienoptionen als Bestandteil der Vergütung von Vorstandsmitgliedern, ZIP 1996, 1769; Schockenhoff/Wagner Ad-hoc-Publizität beim Aktienrückkauf, AG 1999, 548; Scholz Aktienoptionen und Optionspläne beim grenzüberschreitenden Unternehmenserwerb, ZIP 2001, 1341; S Schön Geschichte und Wesen der eigenen Aktie, 1937; Schönle Erwerb eigener Aktien durch Kreditinstitute nach dem neuen Aktiengesetz, ZKredW 1966, 148; Schreuer Der entgeltliche Erwerb von Aktien oder Geschäftsanteilen der herrschenden Gesellschaft durch die abhängige, Breslau 1933; Schröder Private Möglichkeiten einer Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer in der deutschen Wirtschaft - Alternativen zu einer kollektiven Zwangsbeteiligung, AG 1974, 323; Schroeder Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs - Der § 71a Abs 1 AktG und sein Vorbild im englischen Gesellschaftsrecht, Bonn 1995; Seibert Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) - Der Referenten-Entwurf zur Aktienrechtsnovelle - , W M 1997, 1; Sievers Verkauf eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft, Recht 1906, 974; Singhof Zur finanziellen Unterstützung des Erwerbs eigener Aktien durch Kreditinstitute, N Z G 2002, 745; ders/Weber Neue kapitalmarktrechtliche Rahmenbedingungen für den Erwerb eigener Aktien, AG 2005, 549; Skog Der Erwerb eigener Aktien: Reformbestrebungen in den EU-Mitgliedsstaaten, ZGR 1997, 306; Spickhoff Der verbotswidrige Rückerwerb eigener Aktien: Internationales Privatrecht und europäische Rechtsangleichung, BB 1997, 2593; Spindler Deregulierung des Aktienrechts, AG 1998, 53; Steiner Über den Erwerb und die Amortisierung eigener Aktien, Tübingen 1876; Süßmann Anwendung des WpÜG auf öffentliche Angebote zum Erwerb eigener Aktien?, AG 2002, 424; Thiel Bilanzielle und steuerrechtliche Behandlung eigener Aktien nach der Neuregelung des Aktienerwerbs durch das KonTraG, DB 1998, 1583; ders Wirtschaftsgüter ohne Wert: Die eigenen Anteile der Kapitalgesellschaft, FS Ludwig Schmidt, 571; Thömmes Steht dem Tochterunternehmen aus dem Besitz von Aktien der Muttergesellschaft eine Dividende zu?, AG 1987, 34; Tollkühn Die Schaffung von Mitarbeiteraktien durch kombinierte Nutzung von genehmigten Kapital und Erwerb eigener Aktien unter Einschaltung eines Kreditinstituts, N Z G 2004, 594; Umnuß/Ehle Aktienoptionsprogramme für Arbeitnehmer auf der Basis des ξ 71 Abs 1 Nr 2 AktG, BB 2002, 1042; Vetter Die Gegenleistung für den Erwerb einer Aktie bei Ausübung einer Call Option, AG 2003, 478; ders Die Gegenleistung beim Erwerb eigener Aktien mittels Call Optionen, AG 2004, 344; Wassermeyer Der Erwerb eigener Anteile durch eine Kapitalgesellschaft - Überlegungen zur Rechtsprechung des I. Senats des BFH, Festschrift für L Schmidt 1993, 621; Wastl Erwerb eigener Aktien nach dem Referentenentwurf zur Änderung des AktG und des HGB, DB 1997, 461; ders/Wagner Wechselseitige Beteiligungen im Aktienrecht, AG 1997, 241; dies/Lau Der Erwerb eigener Aktien aus juristischer Sicht - Herleitung und Entwicklung von Vorschlägen für eine gesetzgeberische Reform, 1997; Weiß Aktienoptionspläne für Führungskräfte, 1999; ders Aktienoptionsprogramme nach dem KonTraG, W M 1999, 353; Weiss Put Option auf eigene Aktien kraft Gesamtrechtsnachfolge, AG 2004, 127; Wellkamp Rechtliche Zulässigkeit einer aktienkursorientierten Vergütung von Aufsichtsräten, W M 2001, 489; Werneburg Dividendenbezugsrecht und Erwerb eigener Aktien, Z H R 90 (1927), 204; Westphal Der nicht zweckgebundene Erwerb eigener Aktien - Die Umsetzung des Artikels 19 Absatz 1 der zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie in England, den Niederlanden und Deutschland, 2004; Widder/Kocher Die Behandlung eigener Aktien im Rahmen der Mitteilungspflichten nach §§ 21 W p H G , AG 2007, 13; Wiederholt Rückkauf eigener Aktien (§ 71 AktG) unter Einsatz von Derivaten, 2006; Wieneke Der Einsatz von Aktien als Aquisitionswährung, N Z G 2004, 61; ders/Förl Die Einziehung neuer Aktien nach § 237 III Nr 3 AktG - eine Lockerung des Grundsatzes der Vermögensbindung?, AG 2005, 189; Wiese KonTraG: Erwerb eigener Aktien

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Erwerb eigener Aktien

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und Handel in eigenen Aktien, DB 1998, 609; ders Die steuerliche Behandlung des Aktienrückkaufs im Lichte des BMF-Schreibens vom 2.12.1998, DStR 1999, 187; Wilsing/Siebmann Die Wiederveräußerung eigener Aktien außerhalb der Börse gem § 71 Abs 1 Nr 8 Satz 5 AktG, DB 2006, 881; Zätzsch Eingefrorene Aktien in der Rechnungslegung: HGB versus AktG und Europarecht - Auswirkungen im Steuerrecht, FS Möller 2001, S 773; Ziehe Der Erwerb eigener Aktien und eigener GmbH-Geschäftsanteile in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft, Frankfurt a M 1981; ders Die Regelung des Erwerbs eigener Aktien in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft, AG 1982, 175; Ztlias/Lanfermann Die Neuregelung des Erwerbs und Haltens eigener Aktien, WPg 1980, 61 (Teil I), 89 (Teil II); Zöllner Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963.

I. Allgemeines 1. Regelungsgegenstand und -zweck § 71 regelt den Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft: In § 71 Abs 1 und 1 Abs 2 werden die Voraussetzungen benannt, unter denen ein solcher Erwerb ausnahmsweise zulässig ist, so dass die Vorschrift im Grundsatz von einem Erwerbsverbot ausgeht. Ferner werden weitere Pflichten, insbesondere Mitteilungspflichten (§ 71 Abs 3), und die Rechtsfolgen im Falle eines Verstoßes gegen § 71 Abs 1 und 2 normiert (§ 71 Abs 4). Die Vorschrift wird ergänzt durch die §§ 71a-e, mit denen bestimmte Umgehungsgeschäfte (§ 71a) und die Inpfandnahme eigener Aktien (§ 71e) einbezogen werden. § 71b schließt die Ausübung von Rechten aus eigenen Aktien aus, § 71c regelt die Pflicht zur Veräußerung und Einziehung eigener Aktien. Schließlich erstreckt § 71 d das Verbot des Erwerbs eigener Aktien und die Ausnahmeregelung auf den Erwerb eigener Aktien der AG durch von ihr abhängige oder in ihrem Mehrbesitz stehende Unternehmen sowie auf Dritte, die für die AG oder ein solches Unternehmen handeln. a) Gläubigerschutz. Erwirbt die Aktiengesellschaft Aktien zurück, obwohl auf diese 2 der Ausgabebetrag iSv § 9 noch nicht vollständig geleistet ist, so wird die Gesellschaft zugleich Gläubiger und Schuldner der Einlageforderung (Konfusion). Dies hat zur Folge, dass die Forderung erlischt und damit die Kapitalaufbringung gefährdet wird 1 . Diesem Risiko des Erwerbs eigener Aktien wirkt § 71 Abs 2 S 3 entgegen, indem er den Erwerb von nicht voll eingezahlten Aktien verbietet. Insofern ist er - gemeinsam mit den §§ 54, 56, 63-66 - dem Komplex der Regeln zur Kapitalaufbringung zuzuordnen. 2 Außerdem werden den Aktionären durch die Zahlung des Kaufpreises seitens der 3 Gesellschaft die von ihnen geleisteten Einlagen zurückgewährt. Eine solche Rückgewähr der Einlagen ist an und für sich gem § 57 Abs 1 S 1 untersagt, um zum Zwecke des Gläubigerschutzes den Abfluss von Kapital aus dem Gesellschaftsvermögen zu verhindern (Kapitalerhaltung oder Vermögensbindung). 3 Den systematischen Zusammenhang zwischen den beiden Vorschriften stellt § 57 Abs 1 S 2 her, wonach der zulässige Erwerb eigener Aktien ausnahmsweise im Wege einer Fiktion nicht als Einlagenrückgewähr anzusehen ist („gilt"). 4 Die Zulässigkeit des Erwerbs eigener Aktien ist daher ausschließlich nach Maßgabe des § 71 zu beurteilen (zum Verhältnis zu § 57 s auch Rdn 134). 1

2 3

Kropff Begr RegE, S 90; KK/Lutter 11; Münch Komm/Oechsler 21; Zätsch/Maul Rdn 143. Hefermehl/Bungeroth in: Geßler, 4. Kropff Begr RegE, S 90; KK/Lutter 11; MünchKomm/Oecfcs/er 21; Schlegelberger/ Quassowski § 65 AktG Rdn 1; Zätsch/Maul

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4

Rdn 143; näher dazu Büdenbender DZWir 1998, 55, 56; näher zu der mit dem Erwerb eigener Aktien verbundenen Gläubigerbenachteiligung während der Weltwirtschaftskrise 1929-1931 vgl Peltzer W M 1998, 322, 326 f. Hüffer 1.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

4

Um zu gewährleisten, dass die Grundkapitalziffer ( § 6 ) durch das Vermögen der Aktiengesellschaft gedeckt ist und verbindliche Rücklagen nicht angetastet werden (gebundenes Vermögen), sieht § 71 Abs 2 S 2 iVm §§ 2 6 6 Abs 3 A III Nr 2, 2 7 2 Abs 4 S 1 H G B im Ergebnis vor, dass der Kaufpreis für die eigenen Aktien nur aus ausschüttungsfähigem Gewinn, aus Gewinnrücklagen oder aus ähnlichen frei liquidierbaren Reserven stammen darf (Ausschüttungsperre, näher dazu Rdn 3 2 8 ff). 5 Da die Vorschriften der §§ 7 1 - 7 1 e auf diese Weise der Vermögensbindung dienen, sind sie - zusammen mit den §§ 57, 5 8 Abs 5, 6 2 - dem Komplex der Regeln zur Kapitalerhaltung zuzurechnen. 6

5

b) Schutz der Kompetenzverteilung in der AG. Der Erwerb von Aktien durch die Gesellschaft birgt die Gefahr, dass sich Vorstand und Aufsichtsrat der Kontrolle der Aktionäre entziehen. 7 Der Kauf der Aktien ist eine Maßnahme der Geschäftsführung (§§ 76 f) und bedarf damit grundsätzlich nicht der Entscheidung der Hauptversammlung (§ 119 Abs 2, s a Rdn 41 ). 8 Mit den Stimmrechten der erworbenen Aktien könnte sich der Vorstand in die Lage versetzen, die Bestellung des Aufsichtsrates (§ 119 Abs 1 Nr 1) und seine eigene Entlastung ( § 1 1 9 Abs 1 Nr 3) durch die Hauptversammlung zu bewirken. Dies verhindert § 71b, indem er der Gesellschaft Rechte aus eigenen Aktien versagt.

6

c) Schutz der Aktionäre. Diejenigen Aktionäre, die ihre Einlage in Form des von der Gesellschaft gezahlten Kaufpreises zurück erhalten, werden im Vergleich zu den verbleibenden Aktionären möglicherweise bevorzugt. Denn nur diesen einzelnen Aktionären fließt ein Teil des Gesellschaftsvermögens - dh des ausschüttungsfähigen Gewinns oder der Gewinnrücklagen - zu und zugleich werden nur sie von dem gesellschaftlichen Risiko entbunden. Wenn beispielsweise die Gesellschaft der Insolvenz nahe ist, können auf diese Weise diejenigen Aktionäre, die ihre Aktien verkaufen dürfen, im Unterschied zu den verbleibenden Aktionären uU ihr Kapital noch retten 9 . Der Sache nach ist ein solcher Rückkauf von Aktien als „irreguläre Teilliquidation von Gesellschaftsvermögen" 1 0 anzusehen, der zugleich mit einer Ungleichbehandlung der Aktionäre einhergeht. 1 1

7

Ein Sondervorteil für einzelne Aktionäre kann insbesondere darin bestehen, dass der vereinbarte Kaufpreis über dem inneren Wert der Aktie liegt, etwa wenn sich der Vorstand der AG entscheidet (zur Zuständigkeit Rdn 41), den Großaktionären, auf die er insbesondere im Rahmen seiner Entlastung (§ 119 Abs 1 Nr 3) angewiesen ist, die Aktien zu einem überhöhten Preis abzunehmen 1 2 . Sofern der Preis umgekehrt unter dem Wert der Aktie liegt, werden die veräußernden im Vergleich zu den übrigen Aktionären benachteiligt 1 3 . Neben dieser finanziellen Benachteiligung ist außerdem denkbar, dass der Vorstand versucht, gezielt auf die Beteiligungsstruktur der AG einzuwirken, indem er Aktien von widerspenstigen Aktionären kauft und auf diese Weise die Stimmmacht der anderen Aktionäre verhältnismäßig stärkt. 1 4 Diesen Gefahren wird entgegengewirkt, indem die Aktionäre gem § 53a beim Rückerwerb gleich zu behandeln sind. Für den

5

6 7

8 9 10

KK¡Lutter 10; MiinchKomm/Oecfcs/er 21 u 271 f; vgl auch Baumbach/Hopt/Merkt § III HGB Rdn 10; MünchKomm/ßeaier § 266 HGB Rdn 65. Geßler/Hefermehl/Bungeroth 3; KK¡Lutter 10. YXJLutter 12; MünchKomm/Oec/js/er 23; näher dazu Huber FS Duden, S 140 f. MünchKomm/Oecfcs/er 23. Schlegelberger/Quassowski § 65 AktG Rdn 1. Huber FS Duden, S 139; vgl auch KK/Lutter 10.

11

12

13 14

Huber FS Duden, S 139 f; KYJLutter 10 und 15; Schlegelberger/Quassowski § 65 AktG Rdn 1; aus historischer Sicht Peltzer WM 1998, 322, 327; zur Gefahr der Ungleichbehandlung auch Kropff Begr RegE, S 90. MiinchKommJOechsler 22; Schlegelberger/ Quassowski § 65 AktG Rdn 1. MünchKomm/Oechsler 22. MünchKomm/Oecfcs/er 22; Huber FS Duden, S 141; Schlegelberger/Quassowski § 65 AktG Rdn 1; vgl auch Deutsches Aktieninstitut

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Erwerb eigener Aktien

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praktisch häufigsten Fall des Erwerbs aufgrund eines Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung ohne positive gesetzliche Zweckvorgabe (§ 71 Abs 1 Nr 8) hat der Gesetzgeber dies ausdrücklich klargestellt (vgl § 71 Abs 1 Nr 8 S 3, näher dazu Rdn 2 7 9 ) . 1 5 Darüber hinaus wäre - wenn der Gesetzgeber nicht Abhilfe geschaffen hätte - sowohl von den Gläubigern der AG als auch von denjenigen Aktionären, die ihre Anteile an der Gesellschaft behalten, ein doppeltes Risiko zu tragen. 1 6 Die Gesellschaft hat die Aktien in der Bilanz mit dem Anschaffungspreis, berichtigt um etwaige in der Zwischenzeit eingetretene Wertminderungen, zu aktivieren (vgl § 2 6 6 Abs 2 Β III Nr 2 H G B ) . 1 7 Wenn die Gesellschaft einen Verlust erleidet - beispielsweise weil sich mit einer Geschäftsidee keine Gewinne erwirtschaften lassen - und folglich ihr Börsenkurs sinkt, so würde sich der Verlust in der Bilanz einerseits unmittelbar und andererseits mittelbar im Wege der Wertberichtigung der aktivierten Aktien auswirken. 1 8

8

Dieses doppelte Risiko wird sowohl für die Gläubiger 1 9 als auch für die Aktionäre weitestgehend ausgeräumt, indem § 2 6 6 Abs 3 A III N r 2 H G B vorschreibt, dass auf der Passivseite der Bilanz eine Rücklage für eigene Anteile zu bilden ist, und § 2 7 2 Abs 4 S I H G B verlangt, dass diese Rücklage einen Betrag aufweisen muss, der dem auf der Aktivseite der Bilanz für die eigenen Anteile anzusetzenden Betrag entspricht. Auf diese Weise wird mit bilanziellen Mitteln erreicht, dass die eigenen Aktien den Wert des Vermögens der AG nicht erhöhen. Der Wert der eigenen Aktien wird „bilanziell neutralisiert". 2 0 Verlieren die Aktien an Wert, so wird sowohl der Posten auf der Aktivseite als auch der Posten auf der Passivseite angepasst. Ein etwaiger Wertverlust der eigenen Aktien hat daher weder zur Folge, dass die Vermögenswerte der AG die Grundkapitalziffer (§ 6) unterschreiten, denn das gebundene Vermögen wird wegen der gleichzeitigen Passivierung des Wertes der eigenen Aktien zu jedem Zeitpunkt unabhängig von ihrem Wert ermittelt, noch, dass eine Ausschüttung wegen der Rücklagepflicht der §§ 2 6 6 Abs 3 A III Nr 2 , 2 7 2 Abs 4 S I H G B gesperrt wäre, denn bei einem Wertverlust der eigenen Aktien wird der Posten auf der Passivseite ebenfalls nach unten korrigiert.

9

d) Schutz der AG. Während dieses „doppelte Risiko" für die Gläubiger und die Aktionäre durch die Bildung einer Rücklage minimiert wird, bleibt es dabei, dass die Gesellschaft Kapital aufwendet und dafür einen höchst unsicheren Gegenwert erhält. Dieser Abfluss von Kapital kann beispielsweise dazu führen, dass aufgrund eines Kursverlustes der Aktien die finanziellen Mittel fehlen, um notwendige Investitionen vorzunehmen. Solche negativen wirtschaftlichen Folgen lassen sich mit Hilfe der oben genannten bilanziellen Mittel nicht wirksam bekämpfen. Es ist daher auch zum Schutz der AG selbst gerechtfertigt, den Erwerb eigener Aktien gem § 71 grundsätzlich zu verbieten 2 1 und ihn, sofern er ausnahmsweise zulässig ist, dem Umfang nach zu beschränken (§ 71 Abs 2 S 1).

10

(Hrsg), Der Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft, 1999, S 13; danach herrscht in den meisten Gesellschaften Unklarheit darüber, was mit den erworbenen Aktien geschehen soll. 15

BT-Drucks 1 3 / 9 7 1 2 , S 13.

16

Kropff Begr RegE, S 9 0 ; Huber FS Duden, S 139; M ü n c h K o m m / O e c h s l e r 19.

17

Eigene Anteile müssen aus Gründen der Transparenz in einem besonderen Posten in der Bilanz ausgewiesen werden (§§ 2 6 6 Abs 2 Β III N r 2 , 2 6 5 Abs 3 S 2 HGB). Denn

(49)

ihr Erwerb ist nicht nur rechtlich gem § § 71 ff AktG erschwert, sondern er ist auch mit Risiken verbunden, da sie im Liquidationsfall wertlos sind, vgl Baumbach/Hopt/ Merkt S 2 6 6 H G B Rdn 10; M ü n c h K o m m / Beater § 2 6 6 H G B Rdn 5 5 . 18

Huber FS Duden, S 139; M ü n c h K o m m / Oechsler 19.

19

M ü n c h K o m m / O e c h s l e r 19.

20

M ü n c h K o m m / O e c h s l e r 19.

21

Schlegelberger/Quassowski § 6 5 AktG Rdn 1; Beeser, AcP 1 5 9 ( 1 9 6 0 ) , 5 6 , 5 9 .

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

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e) Kontrolle der Unternehmensleitung durch den Markt. Ein schrankenloser Erwerb eigener Aktien liefe darauf hinaus, dass sich Aktiengesellschaften mit sehr wenigen Gesellschaftern oder sogar gänzlich ohne Aktionäre („eigentümerlose Unternehmen") 2 2 herausbilden könnten. In einer Gesellschaft, die sich quasi selbst gehörte, würden der Aufsichtsrat und der Vorstand nicht mehr wirksam durch die Eigentümerseite kontrolliert werden. Dies soll nicht nur im Interesse der Aktionäre und der Gläubiger der AG, sondern auch im allgemeinen ordnungspolitischen Interesse daran verhindert werden, die Grundlagen der Unternehmensverfassung von Aktiengesellschaften zu wahren, denn diese Grundlagen sind für eine freie Wettbewerbswirtschaft unverzichtbar. 23 Daher wird der Erwerb eigener Aktien gem § 71 Abs 2 S 1 dem Umfang nach auf 10% des Grundkapitals begrenzt.

12

Selbst wenn jedoch die AG innerhalb der Grenzen des § 71 Abs 2 S 1 eigene Aktien erwirbt, kann dies im Hinblick auf die Kontrollfunktion des Kapitalmarktes bedenklich sein. Der Vorstand kann nämlich versuchen, den Börsenkurs in die Höhe zu treiben, indem er eigene Aktien der Gesellschaft kauft, um Übernahmeversuche Dritter zu verhindern (näher auch Rdn 22). 2 4 Ein Übernahmeinteressent muss den Aktionären einen Preis anbieten, der über dem Börsenpreis liegt, um genügend Aktionäre zum Verkauf ihrer Anteile zu bewegen. Diese „Kontrollprämie" wird er bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nur investieren wollen, wenn er die Aktien angesichts des aktuellen Börsenkurses für unterbewertet und eine Kurssteigerung für möglich hält. Eine solche Unterbewertung spricht zugleich dafür, dass der amtierende Vorstand die Investitions- und Wachstumspotenziale der AG nicht voll ausgeschöpft hat. Daher wirken Übernahmeangebote ( § § 2 9 ff WpÜG) auch als Instrument zur Kontrolle des Vorstands. 25

13

Der Anreiz für die Vorstandsmitglieder, den Börsenkurs durch den Kauf eigener Aktien der AG zu stützen, rührt vor allem daher, dass sie im Falle von Übernahmeversuchen regelmäßig um ihre Anstellung zu fürchten haben. 2 6 Denn in denjenigen Fällen, in denen der Bieter die Unterbewertung der Aktie auf die mangelhafte Unternehmensleitung zurückführt, wird er im Falle der Kontrollerlangung die Unternehmensleitung regelmäßig austauschen. Die daraus resultierende Gefahr, dass der Vorstand durch Erwerb eigener Aktien die Kontrollfunktion des Marktes beeinträchtigt, wird zum einen durch das Erwerbsverbot des § 71 Abs 1 begrenzt. Darüber hinaus regelt § 33 Abs 1 S 1 WpÜG, dass der Vorstand der Zielgesellschaft nach der Veröffentlichung der Entscheidung des Bieters, ein Übernahmeangebot abzugeben, keine Handlungen vornehmen darf, durch die der Erfolg des Angebotes verhindert werden könnte und verbietet ihm daher nach diesem Zeitpunkt den Kauf von eigenen Aktien, sog Neutralitätspflicht bzw Vereitelungsverbot (näher zur Bedeutung des WpÜG im Zusammenhang mit § 71, vgl Rdn 138).

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f) Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Der Rückerwerb eigener Aktien als Strategie zur Abwehr von Unternehmensübernahmen erweist sich damit zugleich als kapitalmarktrechtliches Regelungsproblem, denn er beeinträchtigt die Funkionsfähigkeit des Kapitalmarkts. 27 Indessen kann diese Funktionsfähigkeit durch den Aktienrückerwerb auch unabhängig von einem Übernahmeangebot beeinträchtigt werden. Erwirbt die AG

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23

24

25

GeßlerIHefermehl/Bungeroth 5; ausführlich dazu auch Huber FS Duden, S 141 f. GeßlerIHefermehl/Bungeroth 5; Huber FS Duden, S 142. Bezzenberger 2002, S 64; Kopp 1996, S 121; MiinchKomm/Oecfcs/er 24. MünchKommJOechsler 24.

26 27

MünchKomm/Oechsler 24. Zur individual- und institutionenschützenden Doppelfunktion des Kapitalmarktrechts Hopf ZHR 141 (1977), 389, 431; Kumpel Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, Köln 2000, Rdn 8.173.

Stand: 1.11.2007

(50)

Erwerb eigener Aktien

§71

nämlich eigene Aktien anonym über die Börse zurück, so beeinflusst die damit erzeugte Nachfrage den Börsenkurs, ohne dass dies den Marktteilnehmern bekannt ist. Aktuelle wie potentielle Aktionäre werden durch solche Maßnahmen über den wahren Wert einer Beteiligung und die voraussichtliche Entwicklung des Börsenkurses getäuscht. 28 Auf diese Weise stört ein öffentlich nicht bekannt gemachter Rückerwerb eigener Aktien den Preismechanismus des Kapitalmarktes. Das Gesetz verhindert eine derartige Störung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes primär dadurch, dass der Vorstand, nachdem er den Beschluss gefasst hat, eigene Aktien zu kaufen, gem § 15 W p H G verpflichtet ist, dies unverzüglich zu veröffentlichen (Ad-hoc-Mitteilung, näher Rdn 43). Zudem haftet der Vorstand uU gem §§ 15 Abs 6 iVm §§ 37b und 37c W p H G oder gem § 826 BGB auf Schadensersatz (näher Rdn 388). Diese Haftungsnormen schützen einerseits den einzelnen Anleger (Individualschutz) und andererseits die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Des Weiteren besteht grundsätzlich die Gefahr, dass der Vorstand beim Erwerb eigener Aktien die Kenntnis nicht allgemein bekannter Tatsachen nutzt, um zugunsten der AG einen günstigen Zeitpunkt für den Erwerb zu wählen. Entsprechende Insidergeschäfte beeinträchtigen das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt und damit wiederum seine Funktionsfähigkeit. Sie sind daher gem § 14 W p H G verboten und nach § 38 Abs 1 Nr 1 W p H G unter Strafe gestellt. 29 Insbesondere verstößt die Gesellschaft gegen § 14 WpHG, wenn sie nicht alle kursrelevanten Tatsachen veröffentlicht, bevor sie mit dem Rückkauf eigener Aktien beginnt. 30

15

Durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998 (näher Rdn 125) wurde die Regelung des § 71 Abs 3 S 3 neu geschaffen, um der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die gezielte Untersuchung von auffälligen Handelsbewegungen insbesondere in der Zeit unmittelbar vor Ad-hoc-Mitteilungen zu ermöglichen. 31 Die Norm ergänzt die Vorschriften des WpHG. Etwaige Insidergeschäfte können dadurch eher entdeckt und verfolgt werden. Daneben kann auch der Kauf von Aktien durch Vorstandsmitglieder und leitende Angestellte für eigene Kasse Insiderprobleme mit sich bringen. Dies gilt in gleicher Weise für die Ausübung von Aktienoptionen durch das Leitungspersonal.

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2. Ökonomische Zwecke des Erwerbs eigener Aktien Der Erwerb eigener Aktien kann verschiedenen Zwecken dienen. In § 71 Abs 1 Nr 1 bis 7 werden solche Fälle ausdrücklich aufgezählt, bei denen der Rückerwerb eigener Aktien für die Gesellschaft von Vorteil und erlaubt ist. Gem § 71 Abs 1 Nr 8 ist der Erwerb eigener Aktien aber auch unabhängig von einem gesetzlich vorgegebenen Erwerbszweck allein auf der Grundlage eines Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung möglich. Nachfolgend werden daher die wirtschaftlichen Ziele aufgezählt, die mit dem Rückerwerb eigener Aktien billigenswerter Weise verfolgt werden dürfen. Diese wirtschaftlichen Ziele können aber auch neben einem der gesetzlich geregelten Erwerbszwecke der § 71 Abs 1 Nr 1 bis 7 bestehen oder sich dahinter verbergen. Während im Zusammenhang mit der jeweiligen Ziffer des § 71 Abs 1 die hinter dem gesetzlichen Erwerbszweck stehenden wirtschaftlichen Erwägungen näher erläutert werden, ist zu-

28

29

Huber FS Duden, S 141 f; Geibel/Süßmann/ Angerer/Hueck 3; KYJLutter 12; MünchKomm/Oecfo/er 25; Peltzer W M 1998, 322, 327; Zätsch/Maul Rdn 143. BT-Drucks 12/6679, S 33, 47; Assmann/ Schneider Vor § 12 WpHG Rdn 43a.

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30 31

MunchKomm/Oec/js/er 25, 293. BT-Drucks 13/9712, S 14 re Sp; MünchKomm/Oechsler 291.

H a n n o Merkt

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§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

nächst aus ö k o n o m i s c h e r Perspektive darzulegen, welche Gründe für einen Rückerwerb eigener Aktien sprechen k ö n n e n . W i e die Gesetzesbegründung zum K o n T r a G von 1 9 9 8 b e t o n t , birgt der R ü c k e r w e r b eigener Aktien nicht nur Risiken und G e f a h r e n , sondern er bietet auch wirtschaftliche Vorteile für die G e s e l l s c h a f t . 3 2 D e s h a l b dürfen bei der Auslegung der §§ 7 1 ff nicht nur die Risiken des Erwerbs eigener Aktien in den Vordergrund gestellt werden, sondern es müssen auch seine Vorteile Berücksichtigung finden. 18

a) Ausschüttung entbehrlichen Kapitals. W i e bereits die Gesetzesbegründung zum K o n T r a G von 1 9 9 8 ausführt, kann der Rückerwerb eigener Aktien zunächst insbesondere dann sinnvoll sein, „wenn mit den zum R ü c k k a u f verwendeten Gewinnrücklagen anderweitig keine angemessene Rendite erzielt werden k a n n " . 3 3 K a n n das in einer Gewinnrücklage eingestellte Kapital nicht oder nur in einer Weise eingesetzt werden, die hinter den berechtigten Renditeerwartungen der Aktionäre zurückbleibt, so sind diese eher an Ausschüttung dieses Kapitals namentlich im Wege eines R ü c k k a u f s der Aktien seitens der Gesellschaft interessiert. Diese Entwicklung war über längere Zeit insbesondere in solchen Branchen zu b e o b a c h t e n , denen hinreichende Möglichkeiten zur profitablen Reinvestition des Kapitals fehlten, so etwa in der traditionellen Energiewirtschaft und der Eisenund Stahlerzeugung. 3 4

19

b) Steigerung der Eigenkapitalrendite. W i r d entbehrliches Kapital ausgeschüttet, so fallen zukünftig höhere G e w i n n e je Aktie an, dh die Eigenkapitalrendite wird auf diese Weise gesteigert. D e n k b a r ist a u c h , kostenintensives Eigenkapital teilweise durch günstiges Fremdkapital zu ersetzen, was sich insbesondere in Niedrigzinsphasen a n b i e t e t . 3 5

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c) Alternative zur Dividendenausschüttung. Schließlich lässt sich der R ü c k k a u f eigener Aktien als eine Alternative zur Dividendenausschüttung einsetzen. 3 6 Er hat dabei insbesondere den Vorteil, dass nicht die Erwartung geweckt wird, eine Gewinnbeteiligung werde möglicherweise regelmäßig in entsprechender H ö h e ausfallen; denn der R ü c k k a u f eigener Aktien stellt nach außen hin offensichtlich eine einmalige Auskehr d a r 3 7 . Gesellschaften k ö n n e n auf diese Weise ausschütten und zugleich ihre Dividende auf einem kontinuierlichen, vertrauenswürdigen Niveau halten. Das R ü c k e r w e r b s a n g e b o t ist aber auch für den A k t i o n ä r von Vorteil, denn er k a n n im Unterschied zur Dividendenausschüttung zwischen dem Halten (Thesaurierung) und dem Verkauf der Aktie (Ausschüttung) w ä h l e n . 3 8 Schließlich ist der Verkauf im Unterschied zu einer Dividendenzahlung während gewisser Zeiträume steuerfrei. W ä h r e n d über die H ö h e der Dividende die Hauptversammlung zu entscheiden hat (vgl § 1 1 9 A b s 1 N r 2 ) , k a n n , wenn ein Ermächtigungsbeschluss g e m § 71 Abs 1 N r 8 bereits gefasst wurde, der Vorstand den R ü c k k a u f eigener

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BT-Drucks 13/9712, S 13 li Sp; ausdrücklich zitiert unten bei Rdn 126. BT-Drucks 13/9712, S 13 li Sp; näher dazu auch Bezzenberger 2002, S 60; MünchKomm/Oechsler 8. Ausführlich dazu Bezzenberger 2002, S 63; zur Situation in den USA Chew, The New Corporate Finance, 1999, S 2 6 9 f, 272 f; Jensen Harvard Business Review 67 (1989), S 61, 64 ff; ders American Economic Review 76 (1986) S 323, 325 ff. In den USA standen im Jahre 1987 Dividenden in Höhe von 83 Mrd US Aktienrückkäufe in Höhe von

35 36

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38

54 Mrd US gegenüber, vgl Deutsches Aktieninstitut, 1995, S 7. Kellerhals/Rausch AG 2000, 222, 223. Benckendorff 1998, S 54 ff; Bezzenberger 2002, S 62; MünchKommJOechsler 8; Deutsches Aktieninstitut, 1995, S 3. Bezzenberger 2002, S 62; Huber in: Festschrift Kropff 1997, S 101, 106, 111; Kellerhals/Rausch AG 2000, 222, 223; Kühler 1989, S 48; von Rosen/Helm AG 1996, 435, 437; Wastl/Wagner/Lau 1997, S 34 f. MünchKomm/Oechsler 8.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

Aktien zu einem Zeitpunkt und in einem Umfang seiner Wahl durchführen. Die Ausschüttung kann beim Rückkauf also flexibler gestaltet werden. 3 9 d) Kurspflege. Ein weiterer bedeutsamer Effekt des Aktienrückkaufs ist, dass der Börsenkurs steigen kann oder sinkende Kurse stabilisiert werden können. Dies ist für den Kapitalmarkt in den USA empirisch belegt worden: Aktienrückkäufe im Wege des public offering konnten dort langfristig zweistellige Kurssteigerungen bewirken 40 oder den Kursrückgang bremsen. 41 Die Steigerung des Börsenkurses ist dabei auf zwei verschiedene Ursachen zurückzuführen: Einerseits wird das Verhältnis von Angebot und Nachfrage verändert, da die Gesellschaft als zusätzliche Nachfragerin am Markt auftritt. Nach dem Abschluss des Rückkaufs zieht sie sich zwar wieder vom Markt zurück. Da sie jedoch die zurück erworbenen Aktien dem Markt entzogen hat, bleibt das Angebot geringer als vorher. Dies hat zur Folge, dass der Kurs, solange die Nachfrage im Vergleich zur Situation vor dem Rückkauf nicht abnimmt, sich auf einem höheren Kurs als zuvor stabilisiert. 42 Außerdem signalisiert der Vorstand mit einem Rückkauf, dass er die Aktie für unterbewertet hält 4 3 und er der Gesellschaft künftig hinreichende Erträge zutraut, die den Abfluss von Kapital ausgleichen können. In den USA wurde beobachtet, dass diese so genannte „positive Signalwirkung" ebenfalls kurssteigernde Wirkung haben kann. 4 4 Ein solches Signal kann von einem Rückkauf vor allem dann ausgehen, wenn die Gesellschaft eigene Aktien über dem Börsenkurs ankauft. Denn in diesem Fall glauben die außen stehenden Dritten den Aktionären, die in der Gesellschaft verbleiben, dass sie die Aktie für unterbewertet halten (zu dieser Signalwirkung auch Rdn 34). Sofern nämlich der Börsenkurs tatsächlich dem inneren Wert der Aktie entspricht, würde die Gesellschaft die Aktien zu teuer einkaufen und die verbleibenden Aktionäre sich folglich selbst schädigen. 45 In der Praxis hängt die Glaubwürdigkeit dieses Signals häufig zudem davon ab, ob der Vorstand selbst Aktien erwirbt. 46 Im Unterschied zur Gesellschaft unterliegt er selbstverständlich nicht den Beschränkungen der §§ 71 ff. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine kontinuierliche Kurspflege grundsätzlich nicht verboten, sondern bei Beachtung gewisser Grenzen zulässig ist (näher Rdn 273 ff).

39 40

41

Bezzenberger 2 0 0 2 , S 62. Benckendorff 1998, S 56 ff; Bezzenberger 2002, S 63 ff mwN in Fn 144; Hampel 1994, S 2 0 ff; Kopp 1996, S 4 6 ff; Westphal 2 0 0 4 , S 35 f; MünchKomm/Oee/js/er 1; Posner AG 1994, 312, 316 f; Rams Die Bank 1997, 216, 220; Wastl/Wagner/Lau 1997, S 35 ff; aus dem US-amerikanischen Schrifttum Copeland/ Weston 1988, 598 f; Larry Y. Dann, Journal of Financial Economics 9 (1981), 113 ff. So das Ergebnis einer Studie der Securities Exchange Commission zum Börsencrash vom 19. Oktober 1987, wonach diejenigen Gesellschaften den Kursverfall bremsen konnten, die Rückkaufprogramme von durchschnittlich 5 - 7 % ihres Aktienbestandes durchgeführt hatten, vgl SEC, The October 1987 Market Break, A Report by the Division of Market Regulation, U.S. Securities Exchange Commission, Feburary 1998; näher dazu Benckendorff 1998, S 58.

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Bezzenberger 2 0 0 2 , S 65. Bezzenberger 2 0 0 2 , S 65; Kellerhals/Rausch AG 2000, 222, 224; MünchKomm/Oecfcs/er 1. Benckendorff 1998, S 56; Copeland/Weston Financial Theory and Corporate Policy, 1988, 5 9 8 f; Hampel 1994, S 36 f, 48 ff; Kopp 1996, S 118 ff; Kubier 1989, S 4 8 ; so im Ergebnis auch Bezzenberger 2 0 0 2 , S 65, 6 9 ff. Die Verursachung von Kurssteigerungen durch Signaleffekte ist im Übrigen nicht unumstritten, Immenga/Noll Feindliche Übernahmeangebote, 1990, S 55 f; kritische Stimmen im Überblick bei Kopp 1996, S 116 ff. Böhm in: von Rosen/Seifert, 1999, S 327, 3 3 4 ff; Kopp 1996, S 118 ff; MünchKomm/ Oechsler 3. Bezzenberger 2 0 0 2 , S 65.

Hanno Merkt

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§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

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e) Verhinderung feindlicher Übernahmen. Der Erwerb eigener Aktien kann auch als präventives Instrument zur Abwehr von Übernahmeversuchen eingesetzt werden. 4 7 Allerdings ist diese Verwendungsmöglichkeit rechtspolitisch umstritten (näher Rdn 1 ff und 158 ff). Im Fall der Unterbewertung drohen insbesondere solche Übernahmen, bei denen ein Dritter die Kontrollmehrheit an der Gesellschaft zu einem viel zu niedrigen Preis von den bisherigen Aktionären erlangt, um sofort im Wege der Liquidation der Gesellschaft seine Übernahmekosten nebst einem Gewinn zu generieren (so genannter „Leveraged Buyout"). 48 Zum einen können mit einem Rückkauf eigener Aktien - wie bereits gezeigt wurde - erhebliche Liquiditätsreserven der Aktiengesellschaft an die verkaufenden Aktionäre ausgeschüttet werden. Der Verlust von flüssigen Mitteln hat zur Folge, dass die Gesellschaft für fremde Aufkäufer an Anziehungskraft verliert. 49 Es wird dadurch auch erheblich schwieriger, nach dem Erwerb der Kontrollmehrheit die Kosten der Übernahme aus der Liquidität der Zielgesellschaft zu finanzieren oder darüber hinaus sogar einen Gewinn zu erwirtschaften. 5 0 Außerdem muss ein Übernahmeinteressent den Aktionären einen Preis anbieten, der über dem Börsenpreis liegt, um genügend Aktionäre zum Verkauf ihrer Anteile zu bewegen. Je höher die Gesellschaft mit einem Rückkauf eigener Aktien den Börsenkurs treiben kann, desto unrentabler wird es, ein Übernahmeangebot abzugeben. 51 Zudem kann die Anzahl der umlaufenden Wertpapiertitel gesenkt werden, so dass es auch technisch schwieriger wird, die angestrebte Kontrollmehrheit zu erreichen. 52 Ferner kann auf die Beteiligungsstruktur nach taktischen Maßgaben eingewirkt werden: Macht die Gesellschaft ein Rückkaufsangebot, so werden in der Regel vor allem diejenigen Aktionäre ihre Anteile verkaufen, die ohnehin zur Veräußerung bereit gewesen sind und daher wohl als erste auf das Angebot eines Bieters eingegangen wären. 5 3 In diesem Zusammenhang ist der Gesellschaft zu raten, die verkaufswilligen Aktionäre im Rahmen eines öffentlichen Auktionsverfahrens außerhalb des Börsengeschehens zu ermitteln („Dutch Auction O f f e r " 5 4 , näher Rdn 34). Dabei werden die Aktionäre aufgefordert, innerhalb eines von der Gesellschaft vorgegebenen Preisrahmens Angebote zu machen. Es werden dann die Aktien derjenigen Bieter übernommen, welche die niedrigsten Angebote abgegeben haben und dementsprechend den Wert der Gesellschaft geringer einschätzen. Nachdem dieser Rückkauf, der nicht gegen § 53a verstößt (näher Rn 273), abgeschlossen ist, sind dann vor allem diejenigen Aktionäre in der Gesellschaft verblieben, die von möglichen Übernahmeinteressenten nicht so einfach zum Verkauf ihrer Anteile bewegt werden können.

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Der Erwerb eigener Aktien kann jedoch in Deutschland nicht ebenso effektiv zum Zwecke der Abwehr feindlicher Übernahmen angewandt werden wie in den USA 55 . Zum einen wird der Rückerwerb eigener Aktien dem Umfang nach gem § 71 Abs 2, insbesondere durch die Zehnprozentschranke des § 71 Abs 2 S 1, begrenzt. Außerdem ist es gem § 71b verboten, die Stimmrechte aus eigenen Aktien auszuüben, so dass die Unternehmensführung nicht mit diesen Stimmrechten gestützt werden kann. Dem kann jedoch abgeholfen werden, indem die zurück erworbenen Aktien an einen strategischen Partner

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48 49

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Bezzenberger 2 0 0 2 , S 6 4 f; KYJHirte § 33 WpÜG Rdn 61; Kopp 1996, S 41 ff; MünchKomm/Oechsler 24. MünchKomm/Oecfcs/er 2. Bezzenberger 2 0 0 2 , S 64 f; Kellerhals/Rausch AG 2 0 0 0 , 2 2 2 , 224; Kopp 1996, S 41 f; MünchKomm/Oecfcs/er 10. Kopp 1996, S 41 f; MünchKomm/Oecfe/er 10. Bezzenberger 2 0 0 2 , S 65.

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Assmann/Bozenhardt ZGR-Sonderheft 9, S 1, 132 f; KKIHirte S 33 WpÜG Rdn 61; Knoll, Übernahme von Kapitalgesellschaften, 1992, S 2 0 4 . Kopp 1996, S 4 2 f; MünchKomm/Oechsler 15. MünchKomm/Oecfcs/er 10. Aha AG 1992, 218, 2 2 0 .

Stand: 1.11.2007

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Erwerb eigener Aktien

§71

der Zielgesellschaft (sog white knight) verkauft w e r d e n , 5 6 damit dieser das Stimmrecht der zurück gekauften Aktien, das dann nicht mehr gem § 7 1 b ruht, zur A b w e h r der feindlichen Ü b e r n a h m e n nutzen k a n n . f) Gestaltung der Beteiligungsstruktur. M i t dem R ü c k k a u f eigener Aktien kann auch noch aus anderen Erwägungen gezielt auf die Beteiligungsstruktur der A G eingewirkt

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werden. D e r Vorstand k a n n beispielsweise widerspenstigen Aktionären Anteile abkaufen und auf diese Weise wegen § 7 1 b die S t i m m m a c h t der anderen A k t i o n ä r e verhältnismäßig s t ä r k e n 5 7 : So k a n n er geneigt sein, solchen A k t i o n ä r e n , die die Unternehmensleitung behindern, indem sie bei Hauptversammlungen exzessiv von ihrem Auskunftrecht gem § 131 A k t G G e b r a u c h machen oder Beschlüsse anfechten (§§ 2 4 3 , 2 4 6 A k t G ) , mit einem lukrativen A n g e b o t den Ausstieg aus der Gesellschaft s c h m a c k h a f t zu m a c h e n . Dies birgt jedoch das R i s i k o einer Ungleichbehandlung von Aktionären in sich (näher R n 2 7 3 ) . Sodann kann die Konzentration des Aktienbesitzes in wenigen H ä n d e n insbesondere auch deshalb angestrebt werden, weil sich auf diese Weise die Verwaltungskosten, die auf jeden einzelnen Aktionär entfallen (sog Shareholder Servicing Costs), reduzieren lassen. 5 8 N a c h Schätzungen betragen diese Kosten in den USA zwischen zwölf und zwanzig D o l l a r pro A k t i o n ä r 5 9 . D a h i n t e r verbergen sich die Ausgaben für den D r u c k von Geschäftsberichten, für den Versand von Einladungen zur Hauptversammlung und für die Zuteilung von Bezugsrechten. Allerdings können deutsche Gesellschaften durch entsprechendes „ H e r a u s k a u f e n " von Kleinaktionären aus der Gesellschaft nur begrenzt Kosten s p a r e n 6 0 . Im Unterschied zu US-amerikanischen müssen deutsche Gesellschaften nämlich beispielsweise ihre A k t i o n ä r e nicht individuell postalisch zur H a u p t v e r s a m m lung einladen, sondern es ist ihnen ebenso möglich, die Einberufung der H a u p t v e r s a m m lung in den Geschäftsblättern b e k a n n t zu geben (§ 121 Abs 3 S 1). g) Aufbau wechselseitiger Beteiligungen iSd § 19. U m der Z u s a m m e n a r b e i t mit einer anderen Gesellschaft (sog strategische Partnerschaft) eine Grundlage zu geben, k ö n n e n sich beide Partner wechselseitig aneinander beteiligen. G e h ö r t jeder Gesellschaft m e h r als der vierte Teil der Anteile der anderen, so spricht das Gesetz von „wechselseitig ten U n t e r n e h m e n " (§ 19 A b s l ) . 6 1 D e m steht § 71 A b s 1 i V m § 71 d S 2 A k t G gegen, sofern eines der Unternehmen v o m anderen „ a b h ä n g i g " ist (§ 17 Abs einer der Gesellschaften die M e h r h e i t der Anteile oder der Stimmrechte an der gehört (S 16 Abs 1, näher § 7 1 d R d n 3 5 ff).

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beteilignur ent1) oder anderen

h) Erwerb eigener Aktien als Akquisitionswährung. Eigene Aktien k ö n n e n auch deshalb erworben werden, weil sie später als Gegenleistung bei dem Erwerb eines Unternehmens angeboten werden sollen. 6 2 Dies hat gegenüber einer Gegenleistung in Geld den Vorteil, dass weder Fremdkapital aufgenommen noch etwaige im eigenen Unternehmen befindliche stille Reserven aufgedeckt werden müssen.

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i) Kapitalherabsetzung durch Einziehung gem § 2 3 7 . V o m Gesetzgeber selbst wird in der Begründung zum K o n T r a G von 1 9 9 8 davon gesprochen, dass der Eigenerwerb vor

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allem auch der Vorbereitung einer endgültigen Einziehung der Aktien dienen kann (vgl § 7 1 Abs 1 N r 6 und N r 8 S 6 ) . 6 3 § 2 3 7 A b s 1 S 1 nennt den E r w e r b eigener Aktien

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Kopp 1996, S 44; MünchKomm/Oecfcs/er 10. MünchKomm/Oecta/er 22; Huber FS Duden, S 141; Schlegelberger/Quassowski § 65 AktG Rdn 1. Kellerhals/Rausch AG 2000, 222, 223. Kopp 1996, S 40; MünchKomm/Oecfcs/er 9.

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60

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Bezzenberger 2002, S 67 f; Kellerhals/Rausch AG 2 0 0 0 , 222, 224 f. Näher dazu Wastl/Wagner AG 1997, 241 ff. Näher Wieneke NZG 2004, 61 ff. BT-Drucks 13/9712, S 13 li Sp.

Hanno Merkt

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

durch die Gesellschaft als einen möglichen Anwendungsfall der Kapitalherabsetzung durch Einziehung (näher dazu Rdn 2 3 3 ff). 28

j) Rückzug von der Börse. Außerdem kann mit dem Rückkauf eigener Aktien auch der Rückzug von der Börse (sog Going private) vorbereitet w e r d e n 6 4 . Befinden sich nicht mehr als 10 % der Aktien im Streubesitz, so kann die Gesellschaft den Versuch unternehmen, allen Streuaktionären ihre Anteile abzukaufen (vgl § 71 Abs 2 S 1). Gelingt dies, können in einem weiteren Schritt, wie soeben (vorige Rdn) dargestellt, diese Anteile eingezogen werden (§ 2 3 7 Abs 1 S 1), und es kann bei der Zulassungsstelle der Antrag gestellt werden, die Zulassung der Aktien zum M a r k t zu widerrufen. Dem Antrag ist dann ohne Weiteres stattzugeben, denn es kann ausgeschlossen werden, dass die Interessen weiterer Minderheitsaktionäre betroffen sind (vgl § 38 Abs 4 S 2 BörsG). Liegt der Streubesitzanteil bei mehr als 10 % , so kann der Aktienrückkauf einen späteren Rückzug von der Börse nur vorbereiten; denn die Bestimmung des § 71 Abs 2 S 1 steht einem Rückkauf sämtlicher Aktien entgegen. Wird im Anschluss an den Rückerwerb ein Delisting durchgeführt, so muss den übrigen Aktionären nach den Grundsätzen der „ M a c r o t r o n " - E n t scheidung des B G H ein Pflichtangebot unterbreitet werden. 6 5 Die Abfindung wird gem § 71 Abs 1 N r 3 analog ermöglicht. Dabei müssen allerdings die Grenzen des § 71 Abs 2 S 1 wegen § 2 9 Abs 1 S 1 2 . HS nicht beachtet werden (näher Rdn 2 0 1 ff). 3. Methoden des Erwerbs eigener Aktien - Zustandekommen des Kaufvertrages

29

Rückkauf und dinglicher Rückerwerb eigener Aktien lassen sich auf unterschiedlichen Wegen durchführen. In Betracht kommen hauptsächlich ein Erwerb über die Börse, ein öffentliches Rückkaufangebot oder individuelle Verhandlungen mit dem jeweiligen Aktionär. 6 6 Bei der Wahl der Methode wird es jeweils auf die mit dem Rückerwerb eigener Aktien verfolgten Ziele (näher oben Rdn 17 ff) ankommen.

30

a) Erwerb über die Börse. Bei einem Rückkauf über die Börse (sog open market repurchase) erwirbt die Gesellschaft die Aktien zum jeweiligen Tageskurs 6 7 . Bei diesem Verfahren ist die Gleichbehandlung der Aktionäre (§ 53a) sichergestellt, da sie jeweils zum aktuellen Kurs veräußern können (vgl § 71 Abs 1 N r 8 S 4 , näher Rdn 6 6 ff). 6 8 Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die einzelnen Rückkaufgeschäfte den jeweiligen Marktverhältnissen flexibel angepasst werden können, dh es kann je nach Höhe des Aktienkurses gekauft werden und gegebenenfalls, sofern der Kurs erheblich ansteigt, auch gänzlich von dem geplanten Rückkauf Abstand genommen werden. 6 9 Der Erwerb über die Börse wird zudem in der Regel kostengünstiger sein als ein öffentliches Rückkaufangebot, da den verkaufsbereiten Aktionären anders als beim öffentlichen Rückkaufangebot keine Verkaufsprämie gewährt w i r d . 7 0

64

Richard/Weinheimer

65

B G H Z 153, 4 7 ff = N J W 2 0 0 3 , 1 0 3 2 ff = AG 2 0 0 3 , 2 7 3 ff = ZIP 2 0 0 3 , 3 8 7 ff.

BB 1999, 1613, 1614.

66

Berrar/Schnorbus Z G R 2 0 0 3 , 59, 6 4 ff; Hirsch S 7 3 ff; Johannsen-Roth S 13 ff; M ü n c h K o m m / O e c h s l e r 13 ff; Wastl/ Wagner/Lau S 2 3 ff.

67

Näher dazu Benckendorff S 7 3 ; Berrarf Schnorbus Z G R 2 0 0 3 , 59, 6 4 ; Hirsch S 7 5 ; Johannsen-Roth S 14; M ü n c h K o m m / Oechsler 14; Wastl/Wagner/Lau S 24.

68

MünchKomm/Oechsler 14.

69 70

Hirsch S 7 5 ; Johannsen-Roth S 14. Hirsch S 7 4 ; Johannsen-Roth S 15; Kopp S 3 6 , 3 9 ; MünchKomm/Oecfcs/er 14; eine Umfrage des Deutschen Aktieninstituts ergab im Jahre 1999, dass der Erwerb über die Börse von den Gesellschaften am häufigsten als Methode für den Rückerwerb eigener Aktien gewählt wurde, siehe DAI, Der Erwerb eigener Aktien in Deutschland, S 10, dazu auch Hirsch S 7 3 f.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

(56)

Erwerb eigener Aktien

b) Öffentliche Riickkaufangebote. Die Gesellschaft kann aber auch ein öffentliches Angebot zum Rückkauf von Aktien abgeben. Dabei lassen sich drei Varianten unterscheiden: das Festpreisangebot (sog Fixed Price Tender Offer), das Preisspannenangebot (sog Dutch Auction Tender Offer) und die Emission übertragbarer Verkaufsrechte (sog Transferable Put Rights oder Share Repurchase Puts (Scharps). 71 Im Unterschied zum Erwerb über die Börse sind bei diesen öffentlichen Rückkaufsangeboten die Vorschriften des W p U G zu beachten (näher Rdn 138). In der Praxis werden sie üblicherweise eingesetzt, um innerhalb einer kurzen Zeitspanne eine relativ hohe Anzahl von Aktien zurückzukaufen. 7 2

31

aa) Festpreisangebot (Fixed Price Tender Offer). Bei einem Festpreisangebot schließlieh erklärt sich die Gesellschaft bereit, Aktien zu einem von ihr genannten Preis zurückzukaufen und kündigt in der Regel zugleich an, in welchem Umfang sie Aktien zu erwerben bereit ist. 7 3 Das Angebot wird in der Praxis häufig auf höchstens einen M o n a t befristet (§ 148 BGB). 7 4 Um eine hinreichende Zahl von Anteilseignern zum Verkauf ihrer Anteile zu bewegen, wird den Aktionären ein finanzieller Anreiz zur Veräußerung geboten, indem die Gesellschaft den Rückkaufspreis oftmals erheblich über dem aktuellen Börsenkurs festlegt. 75

32

Die Bemessung dieser Prämie bereitet in der Praxis jedoch Schwierigkeiten 7 6 : Ist sie zu niedrig, sind zu wenige Aktionäre bereit, ihre Aktien zu verkaufen. Ist sie zu hoch, so wollen zu viele Aktionäre ihre Aktien verkaufen. Zwar kann dem Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a) bei einer solchen Überzeichnung des Angebotes dadurch genügt werden, dass alle verkaufswilligen Aktionäre jeweils nur einen Teil ihrer Aktien verkaufen dürfen (näher dazu Rdn 66ff, 138). Doch ist im Einzelfall regelmäßig problematisch, ob die gezahlte Prämie als unzulässige Einlagenrückgewähr iSv § 5 7 Abs 1 S 1 zu qualifizieren ist und deshalb später gem § 6 2 Abs 1 S 1 von der Gesellschaft - oder in ihrem Namen von den Gläubigern (vgl § 62 Abs 2 S 1) - zurückgefordert werden kann. Wegen dieser Rechtsunsicherheit dürfte das Festpreisangebot in Deutschland eher unpraktikabel sein. Die dargelegte Schwierigkeit lässt sich mit Hilfe des sogleich (nachfolgende Fn) dargestellten Preisspannenangebotes umgehen (zur Anwendbarkeit des W p Ü G siehe Rdn 138). 7 7

33

bb) Preisspannenangebot (Dutch Auction Tender Offer). Im Unterschied zum Festpreisangebot wird beim Preispannenangebot, das sich seit etwa Anfang der 80er Jahre als Gestaltungsalternative etabliert hat, 7 8 statt eines festen Preises eine Preisspanne von der Gesellschaft bekannt gegeben, innerhalb derer die Aktionäre ihre Anteile zu einem von ihnen gewählten Preis der Gesellschaft zum Verkauf anbieten können. 7 9 Es wird wie bei einem Festangebot in der Regel mitgeteilt, in welchem Umfang die Gesellschaft Aktien zurück kaufen möchte. 8 0 Um einen Verkaufsanreiz zu bieten, wählt man als untere Grenze

34

71

Escher-Weingart Reform durch Deregulierung, S 2 7 5 f; Hirsch S 7 6 ff; Johannsen-Roth S 16 ff; M i i n c h K o m m / O e c f o / e r 15 f.

76

Näher dazu Hirsch S 7 7 f; S 17.

Johannsen-Roth

77

Hirsch S 7 8 ; Johannsen-Roth

S 17.

72

Johannsen-Roth S 16; Wastl/Wagner/Lau S 25. Näher dazu Benckendorff S 7 4 f; Berrar/ Schnorbus Z G R 2 0 0 3 , 59, 6 7 ; Hirsch S 7 6 f; Johannsen-Roth S 16; MiinchKomm/ Oechsler 15; Wastl/Wagner/Lau S 25.

78

Hirsch S 7 8 ; Johannsen-Roth S 18. Näher dazu Benckendorff S 7 6 f; Berrar/ Schnorbus Z G R 2 0 0 3 , 59, 6 7 ; Groß in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rn 8; Hirsch

Johannsen-Roth S 16. Hirsch S 7 6 ; Johannsen-Roth

80

73

74 75

(57)

79

S 7 8 ff; Johannsen-Roth S 18; M ü n c h K o m m / Oechsler 15; Wastl/Wagner/Lau S 26. Johannsen-Roth

S 17 rawN.

Hanno Merkt

S 18.

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

der Preisspanne üblicherweise einen Preis über dem aktuellen Börsenkurs. 81 Im Unterschied zum Festangebot wird die Höhe der Prämie im Rahmen eines Marktmechanismusses nach Angebot und Nachfrage ermittelt: Nach Ablauf der Angebotsfrist erstellt die Gesellschaft ein Angebotsprofil und entnimmt diesem den höchsten Preis, den sie für die letzte Aktie zahlen müsste, um die gewünschte Anzahl von Aktien erwerben zu können. 8 2 Dieser Preis wird nun nicht nur denjenigen Aktionären, die genau diesen Preis angeboten haben, sondern mit Rücksicht auf das Gebot der Gleichbehandlung gem § 53a auch allen denjenigen Aktionären bezahlt, die bereit waren, ihre Aktien zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen. 8 3 35

Zwar kann einerseits mit Hilfe eines Festpreisangebotes eher eine Signalwirkung für den Kapitalmarkt erzielt werden (zur Anwendbarkeit des WpÜG siehe Rdn 138). Denn wenn die Gesellschaft lediglich einen Preisrahmen setzt, so überlässt sie die exakte Bewertung den Aktionären. 84 Indes kann andererseits mit Hilfe des Preispannenangebotes - im Unterschied zum Festpreisangebot - die niedrigste Prämie ermittelt werden, die den Erwerb der gewünschten Anzahl von Aktien ermöglicht, so dass ein kostengünstigerer Rückkauf eigener Aktien möglich wird. 85 Daher eignet sich ein Preisspannenangebot insbesondere dazu, kostengünstig einer feindlichen Übernahme vorzubeugen. Denn es können gezielt diejenigen Aktionäre zum Ausstieg aus der Gesellschaft bewegt werden, die bereit sind, die Aktien am günstigsten zu verkaufen. Schließlich ist ein entscheidender Vorteil darin zu sehen, dass beim Preisspannenangebot im Unterschied zum Festpreisangebot regelmäßig nicht die Gefahr besteht, dass der gezahlte Preis als unzulässige Rückgewähr von Einlagen iSv § 57 Abs 1 S 1 zu qualifizieren ist (näher Rdn 59).

36

Sowohl beim Festpreisangebot als auch beim Preispannenangebot besteht die Gefahr, dass die Aktionäre ihre Verkaufsentscheidung übereilt oder aufgrund unzureichender Information treffen müssen 8 6 . Diesem Risiko begegnen die §§ 10 ff WpÜG, indem die Angebotsunterlage gewisse Mindestangaben enthalten (§ 11 Abs 2 WpÜG) und die Annahmefrist mindestens vier Wochen betragen muss (§ 16 Abs 1 WpÜG; näher zur Anwendbarkeit des WpÜG siehe Rdn 138). Keine Anwendung findet § 17 WpÜG, wonach eine öffentliche auf den Erwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft gerichtete Aufforderung des Bieters zur Abgabe von Angeboten durch die Inhaber der Wertpapiere unzulässig ist. 87 Die Regelung verbietet eine invitatio ad offerendum, weil die Gesellschaft durch ein Angebot nicht über einen unangemessenen Zeitraum hinaus in ihrer Geschäftstätigkeit behindert werden darf. 8 8 Die Auswirkungen eines Angebotes auf die Zielgesellschaft, ihre Manager und ihre Aktionäre sind so gravierend, dass es nicht gerechtfertigt ist, wenn der Bieter nicht an sein Angebot gebunden ist. 89 Wenn jedoch, wie im Falle des Preisspannenangebotes, die Gesellschaft selbst das Angebot abgibt, können diese negativen Begleiterscheinungen nicht auftreten, da die Gesellschaft selbst dieses Angebot abgegeben hat. Im Übrigen wird bei einem Preisspannenangebot nicht nur mitgeteilt, innerhalb welcher Preisspanne die Gesellschaft erwerben will, sondern in der Regel auch, in welchem Umfang die Gesellschaft Aktien erwerben möchte (näher Rdn 34), so dass die Gesellschaft sich bereits in begrenztem Umfang bindet.

81 82

83 84 85

Johannsen-Roth S 18. Hirsch S 78 f; Johannsen-Roth S 18; MünchKomm/Oechsler 15. Hirsch S 79; Johannsen-Roth S 18. Kopp S 120; MünchKomm/Oecfo/er 15. Hirsch S 79 mwN; Johannsen-Roth S 19; MünchKomm/Oec/w/er 15.

86 87 88

89

M ü n c h K o m m / O c f o / e r 202. AA offenbar MünchKomm/Oecbs/er 203. BR-Drucks 574/01, S 114; Haarmann/ Riemer/Schiippen/Riemer § 17 WpÜG Rdn 3. Haarmann/Riemer/Schüppen/Riemer § 17 WpÜG Rdn 3.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

(58)

Erwerb eigener Aktien

§71

cc) Emission übertragbarer Verkaufsrechte (Transferable Put Rights). Die Gesellschaft kann zudem auch übertragbare Verkaufsoptionen (Puts) an ihre Aktionäre ausgeben. Diese

37

Optionen beinhalten gegenüber der Gesellschaft als Stillhalterin das R e c h t , eine Aktie zu einem bestimmten Zeitpunkt für einen festgelegten Preis an die Gesellschaft zu verkauf e n . 9 0 Jedem Aktionär werden proportional zu seinem Anteilsbesitz so viele Verkaufsoptionen zugeteilt, dass die Aktiengesellschaft die von ihr gewünschte Anzahl von Aktien kaufen kann. Will die Gesellschaft beispielsweise 5 % der Aktien zurückkaufen, so wird sie jedem Anteilseigner für 2 0 von ihm gehaltene Aktien jeweils eine Verkaufsoption einräumen. Diese Optionen sind dann selbständig am Kapitalmarkt handelbar, so dass diejenigen Aktionäre, die alle ihre Aktien behalten möchten, ihre Puts verkaufen, und diejenigen Aktionäre, die mehr Aktien verkaufen wollen, Puts hinzukaufen können. Auf diese Verkaufsoptionen findet § 71 Abs 4 S 2 Anwendung (näher R d n 3 7 7 ) . Diese M e t h o d e des öffentlichen R ü c k k a u f s a n g e b o t e s weist zwar einerseits Vorteile gegenüber dem Festpreis- und dem Preisspannenangebot auf: Erstens profitieren beispielsweise auch diejenigen A k t i o n ä r e von dem R ü c k k a u f , die letztlich ihre Aktien behalten, indem sie ihre Puts verkaufen. 9 1 D a h e r wirkt ein solches R ü c k k a u f s p r o g r a m m zugunsten aller A k t i o n ä r e wie eine Gewinnausschüttung. Zweitens wird eine Überzeichnung des Angebotes durch die Vergabe von solchen Verkaufsrechten und damit die N o t w e n d i g k e i t einer Repartierung auf pro-rata-Basis ausgeschlossen, während bei einem zu niedrig gewählten Festangebot oder bei einer zu niedrig gewählten Preisspanne genau dies erforderlich werden k a n n . 9 2 Andererseits ist diese M e t h o d e mit dem gewichtigen Nachteil verbunden, dass die Gesellschaft wie beim Festpreisangebot einen Kaufpreis für die Aktien festlegen m u s s . 9 3 D a r a u s resultiert die Gefahr, dass die Z a h l u n g des Erwerbspreises als eine unzulässige Einlagenrückgewähr qualifiziert wird. Wegen dieses Risikos werden Gesellschaften dem Preisspannenangebot auch gegenüber dieser M e t h o d e w o h l grundsätzlich den Vorzug einräumen (näher bereits R d n 3 5 ) .

38

c) Individuell vereinbarter Rückkauf (Negotiated Repurchase). N e b e n dem E r w e r b über die Börse und dem öffentlichen R ü c k k a u f a n g e b o t bietet sich mit dem E r w e r b im Wege der direkten Verhandlung mit dem A k t i o n ä r eine dritte M e t h o d e zum R ü c k k a u f eigener A k t i e n . 9 4 In der Regel finden die Verhandlungen zwischen der Gesellschaft und einzelnen Aktionären oder Aktionärsgruppen statt, die im Besitz nennenswerter Anteilspakete der Gesellschaft s i n d . 9 5 Auch bei einem solchen Paketerwerb zahlt die Gesellschaft idR einen den aktuellen Börsenkurs übersteigenden Preis (Paketzuschlag). 9 6 W i e

39

beim Festangebot und bei übertragbaren Verkaufsoptionen ist zweifelhaft, o b dieser Paketzuschlag als unzulässige Einlagenrückgewähr iSv § 5 7 Abs 1 S 1 anzusehen ist. Ebenso ist diese M e t h o d e unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung gem § 5 3 a (iVm § 71 Abs 1 N r 8 S 3) bedenklich (näher R d n 6 6 ff).

90

91 92

93

Näher Benckendorff S 77 f; Groß in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 8; Hirsch S 80; Johannsen-Roth S 20; Kopp S 37; Mick DB 1999, 1201; MünchKomm/Oechsler 16; Paefgen AG 1999, 67. Hirsch S 80; Johannsen-Roth S 20. Hirsch S 80; Johannsen-Roth S 20; Kopp S 37. Hirsch S 80; Johannsen-Roth S 20.

(59)

94

Näher dazu und zum folgenden BenckendorffS 78 f; Berrar/Schnorbus Z G R 2003, 59, 65; Bosse NZG 2 0 0 0 , 16; Hirsch Johannsen-Roth S 21; Kopp S 38; MünchKomm/ Oechsler 17; Wastl N Z G 2 0 0 0 , 505 ff; Wastl/Wagner/Lau S 27.

95

Johannsen-Roth S 21. Johannsen-Roth S 21 f.

96

Hanno Merkt

§71 40

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Diese Form des Aktienrückkaufs ist beispielsweise von praktischer Bedeutung, wenn ein Aktionär der Gesellschaft mit einem eigenen Übernahmeangebot oder mit dem Verkauf seines Aktienpaketes an einen Übernahmeinteressenten droht, sofern der Vorstand nicht bereit ist, das Aktienpaket zu einem weit über dem Börsenkurs liegenden Preis zurückzukaufen (sog Greenmailing, näher Rdn 185). 4. Durchführung des Erwerbs eigener Aktien

41

a) Zuständigkeit. Der Erwerb eigener Aktien ist grundsätzlich eine Maßnahme der Geschäftsführung und steht daher in den Fällen des § 71 Abs 1 Nr 1 - 5 gem §§ 76, 7 7 allein dem Vorstand zu. 9 7 Eine Zuständigkeit der Hauptversammlung besteht in den Fällen des S 71 Abs 1 Nr 6 - 8 , in denen der Erwerb eigener Aktien nur zulässig ist, wenn er auf einem Beschluss der Hauptversammlung beruht. Ein solcher Ermächtigungsbeschluss bedarf der einfachen Stimmenmehrheit, soweit nicht Gesetz oder Satzung eine größere Mehrheit oder weitere Erfordernisse bestimmen (§ 133 Abs 1 AktG). Während in diesen Fällen der Erwerb eigener Aktien nur aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses zulässig ist (§ 71 Abs 1 Nr 6 - 8 ) , verbleibt die Entscheidung, ob von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht wird oder nicht, beim Vorstand (näher Rdn 2 7 2 ) .

42

Ausnahmsweise kann der Vorstand außerdem in allen Fällen des § 71 Abs 1 Nr 1 - 8 an die Zustimmung des Aufsichtsrats gebunden sein, wenn dies von der Satzung oder dem Aufsichtsrat bestimmt wird ( § 1 1 1 Abs 4 S 2). Ein solches Zustimmungserfordernis kann beispielsweise empfehlenswert sein, wenn gem § 71 Abs 1 Nr 8 Aktienoptionsprogramme aufgelegt werden, die zur Vergütung der Vorstandsmitglieder bestimmt sind (näher zu Aktienoptionsprogrammen Rdn 3 0 2 ) . 9 8 Darüber hinaus ist die Hauptversammlung zur Entscheidung über den Erwerb eigener Aktien berufen, wenn der Vorstand dies ausdrücklich verlangt (§ 119 Abs 2 ) . " Diese Anrufungsentscheidung trifft er grundsätzlich nach freiem Ermessen ( „ k a n n " ) 1 0 0 . Dabei ist in den Fällen des § 71 Abs 1 Nr 1 - 5 für eine zwingende Einberufung der Hauptversammlung nach den Grundsätzen der „Gelatine"-Rechtsprechung 1 0 1 im Wege einer offenen Rechtsfortbildung kein Raum, wie der Umkehrschluss aus § 71 Abs 1 Nr 6 - 8 zeigt, denn dort ist abschließend geregelt, welchem Sachverhalt eine solche Bedeutung zukommt, dass eine Mitentscheidung der Hauptversammlung über den Rückerwerb eigener Aktien geboten ist (expressio unius exclusio alterius). b) Kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten

43

aa) Ad-hoc-Mitteilung (§ 15 W p H G ) . Der Rückkauf von Aktien wird sich nicht selten auf den Börsenkurs der Aktie auswirken (näher Rdn 2 1 ) . Daher muss ein vom Vorstand gefasster Beschluss, eigene Aktien der Gesellschaft zurückkaufen zu wollen, nach zutreffender herrschender Meinung im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung gem § 15 Abs 1 W p H G veröffentlicht werden, sofern der Rückkauf im konkreten Fall geeignet ist,

97

Groß in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 3; KKJLutter 16; M ü n c h K o m m / O e c t a / e r 7 0 ; van Aerssen W M 2 0 0 0 , 3 9 1 , 3 9 4 .

98

M ü n c h K o m m / O e c f o / e r 7 0 ; Groß in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 3.

99

Geßler/Hefermehl/Bungeroth Lutter 16.

1 2 4 ; KK/

100

MünchKomm/Kwfcis § 119 AktG Rdn 2 2 .

101

B G H N Z G 2 0 0 4 , 5 7 1 , 5 7 4 und N Z G 2 0 0 4 ,

5 7 5 , 5 7 8 unter Aufgabe der „Holzmüller"Doktrin aus B G H Z 83, 1 2 2 , 131 = N J W 1 9 8 2 , 1 7 0 3 = AG 1 9 8 2 , 158, derzufolge ein Schrumpfen des Ermessens zur Einberufung iSv § 119 Abs 2 ( „ k a n n " ) bei „grundlegenden Entscheidungen" angenommen wurde, die „tief in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre" eingreifen.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

(60)

Erwerb eigener Aktien

§71

den Börsenpreis erheblich zu beeinflussen. 1 0 2 N a c h der Gegenansicht soll der Vorstand zu einer solchen Ad-hoc-Mitteilung nicht verpflichtet s e i n . 1 0 3 Z u r Begründung wird angeführt, dass bereits die Mitteilung selbst zu einem Ansteigen des Börsenkurses führe und demzufolge die Gesellschaft einen höheren Kaufpreis bezahlen m ü s s t e . 1 0 4 Ferner sei eine öffentliche Erklärung des Vorstands über seine Absicht, in Kürze eigene Aktien zu erwerben, zu unsicher, weil der Vorstand aufgrund einer kurzfristigen Veränderung des Kapitalbedarfs der Gesellschaft seine Absicht revidieren k ö n n e . 1 0 5 Dass die Gesellschaft möglicherweise einen höheren Kaufpreis bezahlen muss, spricht indes nicht dafür, den Schutz der Anleger gem ξ 15 W p H G einzuschränken. Die Gesellschaft k a n n dieser Entwicklung im Übrigen entgegenwirken, indem sie den R ü c k e r w e r b eigener Aktien über einen längeren Z e i t r a u m hinweg durchführt. N a c h d e m der Vorstand den Beschluss, einen R ü c k e r w e r b durchzuführen, gefasst und veröffentlicht hat, ist er nicht verpflichtet, den Beschluss auch umzusetzen (keine Selbstbindung). D e n n das Interesse der Gesellschaft, das insoweit allein entscheidet, kann eine andere Entscheidung aufgrund von kurzfristigen Entwicklungen der Finanzlage der Gesellschaft oder auf dem Kapitalmarkt erforderlich m a c h e n . 1 0 6 N i m m t der Vorstand später von der Absicht, eigene Aktien zu erwerben, wieder Abstand, so muss dies erneut gem § 15 A b s 1 S 1 oder S 4 (Berichtigung unwahrer Tatsachen) veröffentlicht w e r d e n . 1 0 7 Die A d - h o c - M i t t e i l u n g muss auf den Bezug nehmen und den wesentlichen a n g e b e n , 1 0 8 dh den Z e i t r a u m , während ben sind ferner die Stückzahl und die sich aus der Verordnung 2 2 7 3 / 2 0 0 3 / E G

Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung Inhalt des Rückkaufbeschlusses des Vorstands dessen der R ü c k e r w e r b stattfinden soll. AnzugePreisspanne. 1 0 9 Weitere Anforderungen ergeben v o m 2 2 . 1 2 . 2 0 0 3 (näher sogleich R d n 4 9 ) .

44

Die von § 15 W p H G vorausgesetzte Erheblichkeit des R ü c k k a u f s mit Blick auf die Börsenpreisentwicklung wird zum einen regelmäßig dann zu bejahen sein, wenn durch den beabsichtigten K a u f oder Verkauf die Schwellenwerte des § 2 1 A b s 1 W p H G (5 oder 10 Prozent des Grundkapitals) überschritten oder unterschritten werden 1 1 0 . Dafür spricht in diesem Z u s a m m e n h a n g insbesondere, dass nach dem E r w e r b - im Unterschied zur Ad-hoc-Mitteilung gem § 15 W p H G , die zwischen Vorstandsbeschluss und E r w e r b zu erfolgen hat - eine Mitteilung der Gesellschaft gem § 2 5 Abs 1 S 3 W p Ü G zu erfolgen hat (näher R d n 5 2 ) , die ihrerseits Einfluss auf den Börsenkurs haben kann. Werden die Schwellenwerte des § 2 1 Abs 1 W p H G weder über- n o c h unterschritten, so wird von der überwiegenden Auffassung die Kurserheblichkeit a n g e n o m m e n , wenn mit einer Kursschwankung von 5 % zu rechnen ist. 1 1 1 D a b e i ist unerheblich, o b diese K u r s s c h w a n k u n g

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BT-Drucks 13/9712, S 14 re Sp; Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel (heute: BaFin), Schreiben an die Vorstände der börsennotierten Aktiengesellschaften vom 28. Juni 1999, W M 2000, 438; BenckendorffS 288 ff; Kraft/Altvater NZG 1998, 448, 450 f; MünchKomiWOecfcs/er 293; von Rosen/Helm AG 1996, 434, 439 f; Schockenhoff/Wagner AG 1999, 548 ff; Schwark-Zimmer § 15 WpHG Rdn 174. Martens AG 1996, 337, 340 f; Peltzer WM 1998, 322, 329 f. Peltzer WM 1998, 322, 330. Martens AG 1996, 337, 341. Kraft/Altvater NZG 1998, 448, 451;

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Martens AG 1996, 337, 341; MünchKomm/ Oechsler 231 und 293. Näher dazu Schwark/Zimmer § 15 WpHG Rn 159 ff; Assmann/Scbneider/Kümpel § 15 WpHG Rdn 129 ff. BAWe, WM 2000, 438. MünchKomm/Oechsler 293. Assmann/Schneider § 13 WpHG Rdn 61; Kraft/Altvater NZG 1998, 448, 451. Assmann/Schneider § 13 WpHG Rdn 69 mwN; Caspari ZGR 1994, 530, 541 ff; Claussen ZBB 1992, 277 ff; Hopt ZHR 159 (1995), 135, 154 f; Kraft/Altvater NZG 1998, 448, 451; Weber BB 1995, 157, 164.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

später tatsächlich eintritt. D e n n die Frage der Ad-hoc-Pflichtigkeit kann und muss nur e x - a n t e beurteilt w e r d e n . 1 1 2 46

Für den Fall, dass dem R ü c k k a u f auch der Aufsichtsrat zustimmen muss (mehrstufige Entscheidung; näher R d n 4 1 ) ist umstritten, o b der Vorstand gem § 9 3 Abs 1 S 2 A k t G den Beschluss bis zur Entscheidung des Aufsichtsrates vertraulich behandeln muss, um die Entscheidung des Aufsichtsrats nicht zu präjudizieren. 1 1 3 D e m k ö n n t e die ratio legis des § 15 Abs 1 W p H G entgegenstehen. D e n n wenn es darum geht, eine Tatsache deshalb möglichst frühzeitig zu publizieren, weil sich Insiderhandel nur auf diese Weise wirksam unterbinden lässt, dann spricht dies dafür, bereits den Vorstandsbeschluss zu veröffentl i c h e n . 1 1 4 Eine dritte, vermittelnde Auffassung differenziert dahingehend, dass die Veröffentlichungspflicht des § 15 Abs 1 W p H G nur dann die Verschwiegenheitspflicht des § 9 3 Abs 1 S 2 A k t G im Wege der Spezialität verdrängt, wenn die Z u s t i m m u n g des Aufsichtsrates hinreichend wahrscheinlich ist (ausreichende Realisierungswahrscheinlichk e i t ) . 1 1 5 Die dafür erforderliche Prognose wird indes in vielen Fällen mit erheblicher Unsicherheit belastet sein.

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D e r Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung g e m § 71 A b s 1 N r 8 stellt regelmäßig keine publizitätspflichtige Tatsache dar, da im Z e i t p u n k t der Beschlussfassung zumeist nicht a b s e h b a r ist, o b und in welchem U m f a n g der Vorstand von der Ermächtigung G e b r a u c h m a c h e n w i r d . 1 1 6 G e m § 71 A b s 3 S 3 muss der Ermächtigungsbeschluss jedoch der BaFin gemeldet werden (näher R d n 3 5 5 ff). Sofern ausnahmsweise bereits zu einem früheren Z e i t p u n k t als dem Z e i t p u n k t des Vorstandsbeschlusses - denkbar ist auch der Z e i t p u n k t der Beschlussfassung der H a u p t v e r s a m m l u n g gem § 71 A b s 1 N r 8 - überwiegend wahrscheinlich ist, dass ein A k t i e n r ü c k k a u f stattfinden wird, entsteht die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität bereits zu diesem Z e i t p u n k t . 1 1 7 Die Beschlüsse des Vorstands und des Aufsichtsrates, die H a u p t v e r s a m m l u n g u m einen Ermächtigungsbeschluss g e m § 71 A b s 1 N r 8 zu bitten, müssen idR erst recht nicht gem § 15 A b s 1 W p H G veröffentlicht w e r d e n . 1 1 8 D a jedoch s o w o h l die Beschlüsse des Vorstands und des Aufsichtsrates als auch der spätere Ermächtigungsbeschluss der H a u p t v e r s a m m l u n g Insidertatsachen iSv § 13 W p H G darstellen k ö n n e n , kann es - ohne dass eine entsprechende Verpflichtung gem § 1 5 W p H G bestände - ratsam sein, diese Insidertatsachen zugleich mehreren Informationssystemen zuzuleiten, damit die N a c h r i c h t umgehend an den M a r k t gelangt. Auf diese Weise k ö n n e n mögliche Verstöße gegen das Verbot des Insiderhandels (§ 14 W p H G ) von der Gesellschaft verhindert w e r d e n . 1 1 9

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Assmann/Schneider § 13 WpHG Rdn 69. So Burgard ZHR 162 (1998), 51, 95; Cahn ZHR 162 (1998), 1, 23 ff; Happ/Semler ZGR 1998, 116, 130 f, 141; Hopt ZHR 159 (1995), 135, 152; Wittich AG 1997, 1, 3 Ii Sp; BAWe, W M 2000, 438. Nach dieser Auffassung liegt eine publizitätspflichtige „Tatsache" iSv § 15 Abs 1 WpHG erst dann vor, wenn auch die Zustimmung des Aufsichtsrates erteilt ist. So Lutter FS ders S 363, 370 ff; Pananis WM 1997, 460, 4 6 3 f; Gehrt S 125 ff, nach deren Auffassung § 15 Abs 1 WpHG insofern lex specialis ist. Assmann/Schneider/Kümpel § 15 WpHG Rdn 48 ff; ders AG 1997, 66, 68 f; zu einem

116

117 118

119

ähnlichen Ergebnis gelangen auch Assmann WM 1996, 1337, 1341 („besonders hohe Eintrittswahrscheinlichkeit" ); Kiem/Kotthoff DB 1995, 1999, 2003 f. („wenn mit der Umsetzung des Vorstandsbeschlusses bei normalem Geschehensablauf gerechnet werden kann") und Schander/Lucas DB 1997, 2109, 2110; Wölk AG 1997, 73, 78 ( „ überwiegende Wahrscheinlichkeit" ). BAWe, WM 2000, 438; MünchKomm/ Oechsler 291. BAWe, WM 2000, 438. BAWe, WM 2000, 438; MünchKomm/ Oechsler 293. BAWe, W M 2000, 438; MünchKomm/ Oechsler 295.

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Erwerb eigener Aktien

§71

Entscheidet sich der Vorstand, von der Einziehungsermächtigung gem § 71 Abs 1 Nr 8 4 8 S 6 Gebrauch zu machen, dann muss diese Entscheidung ebenfalls durch Ad-hoc-Mitteilung gem § 15 W p H G veröffentlicht werden 12 °. Denn der Umstand, dass die Aktien auf Dauer dem Markt entzogen werden, kann den Börsenkurs erheblich beeinflussen. bb) Anforderungen der Verordnung 2273/2003/EG vom 22.12.2003. Weitere Anfor- 4 9 derungen an die Durchführung des Rückerwerbs eigener Aktien ergeben sich aus der Verordnung 2273/2003/EG der Kommission vom 22.12.2003 1 2 1 die im Zusammenspiel mit der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) 1 2 2 zu sehen ist. Gem Art 8 der Richtlinie gelten das Insiderhandelsverbot und das Marktmissbrauchsverbot unter gewissen Voraussetzungen nicht für den Rückkauf eigener Aktien seitens der Gesellschaft (sog Safe Harbour-Regelung). 1 2 3 Die Anforderungen der „Safe Harbour"-Regelung werden näher ausgeführt in der Verordnung 2273/2003/EG. Dementsprechend stellt § 14 Abs 2 W p H G in Umsetzung des Art 8 der Richtlinie klar, dass es sich bei einem Rückkauf eigener Aktien nicht um ein Insidergeschäft handelt, und § 20a Abs 3 W p H G stellt klar, dass es sich bei einem Rückkauf eigener Aktien nicht um eine Marktmanipulation handelt, soweit dieser Rückerwerb nach Maßgabe der Verordnung 2273/2003/EG erfolgt. Genügt die Durchführung des Erwerbs eigener Aktien den Anforderungen der Verordnung, so ist die Maßnahme jedenfalls rechtmäßig. Die Verbotstatbestände des W p H G sind dann unanwendbar. Greift die „Safe Harbour"-Regelung der § § 1 4 Abs 2, 20a Abs 3 W p H G iVm VO 2273/2003/EG und Art 8 RL 2003/6/EG hingegen im Einzelfall nicht ein, so bedeutet dies nicht im Umkehrschluss, dass die Maßnahme als Insidergeschäft oder Marktmanipulation anzusehen ist. Vielmehr bedarf es dann noch der positiven Feststellung, ob die Maßnahme ein Insidergeschäft iSv § 14 Abs 1 W p H G oder eine Marktmanipulation iSv § 20a Abs 1 W p H G darstellt. 124 Der Emittent kommt nur in den Genuss der Safe Harbour-Regelung, wenn der Rück- 5 0 kauf einem der drei von Art 3 genannten Zwecke - Kapitalherabsetzung, Bedienung von Bezugsrechten aus Schuldtiteln und Einrichtung eines Belegschaftsaktienprogramms dient, wenn der Emittent die Bekanntgabepflichten des Art 4 Abs 2-4 VO 2273/2003/EG erfüllt und wenn er beim Kauf der Aktien die Handelsbedingungen des Art 5 der Verordnung beachtet: Artikel 3 Zweck von Rückkaufprogrammen Um in den Genuss der in Artikel 8 der Richtlinie 2003/6/EG vorgesehenen Freistellung zu kommen, muss ein Rückkaufprogramm den Artikeln 4, S und 6 entsprechen und einzig und allein dem Zweck dienen, das Kapital eines Emittenten (in Wert oder Zahl der Aktien) herabzusetzen oder die aus einem der folgenden Titel resultierenden Verpflichtungen zu erfüllen: a) Schuldtitel, die in Beteiligungskapital umgewandelt werden können; b) Belegschaftsaktienprogramme und andere Formen der Zuteilung von Aktien an Mitarbeiter des Emittenten oder einer Tochtergesellschaft.

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So MünchKomm/Oec/js/er 293, anders aber offenbar bei Rdn 241. Abi L 336/33. Abi L 96/16. Näher zu der „Safe Harbour"-Regelung Geber/zur Megede BB 2005, 1861 ff;

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Leppert/Stürwald ZBB 2004, 302, 304 ff; Singhof/Weber AG 2005, 549, 554 ff. Geber/zur Megede BB 2005, 1861, 1862; Leppert/Stürwald ZBB 2004, 302, 306 Ii Sp; Singhof/Weber AG 2005, 549, 555.

Hanno Merkt

§ 71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

Artikel 4 Bedingungen für Rückkaufprogramme und deren Bekanntgabe (1) Das Rückkaufprogramm muss die in Artikel 19 Abs 1 der Richtlinie 77/91/EWG festgelegten Bedingungen erfüllen. (2) Vor Beginn des Handels sind in den Mitgliedstaaten, in denen der Emittent einen Antrag auf Zulassung seiner Aktien zum Handel auf einem geregelten Markt gestellt hat, alle Einzelheiten des nach Artikel 19 Abs 1 der Richtlinie 77/91/EWG genehmigten Programms angemessen bekannt zu geben. Hierbei sind der Zweck des Programms gem Artikel 3, der maximale Kaufpreis, die maximal zu erwerbende Aktienstückzahl und der Zeitraum, für den das Programm genehmigt wurde, zu nennen. Nachträgliche Änderungen des Programms sind in den Mitgliedstaaten angemessen bekannt zu geben. (3) Der Emittent muss über Mechanismen verfügen, die gewährleisten, dass er seinen Meldepflichten gegenüber der für den geregelten Markt, auf dem seine Aktien zum Handel zugelassen wurden, zuständigen Behörde nachkommt. Diese Mechanismen müssen die Erfassung aller mit Rückkaufprogrammen zusammenhängenden Transaktionen, einschließlich der in Artikel 20 Abs 1 der Richtlinie 93/22/EWG genannten Informationen gewährleisten. (4) Der Emittent muss für alle Transaktionen spätestens am Ende des siebten Handelstages nach deren Ausführung die in Abs 3 genannten Informationen bekannt geben. Artikel 5 Handelsbedingungen (1) Was die Kurse betrifft, so darf der Emittent, wenn er Geschäfte im Rahmen eines Rückkaufprogramms tätigt, Aktien nicht zu einem Kurs erwerben, der über dem des letzten unabhängig getätigten Abschlusses oder (sollte dieser höher sein) über dem des derzeit höchsten unabhängigen Angebots auf den Handelsplätzen, auf denen der Kauf stattfindet, liegt. Ist der Handelsplatz kein geregelter Markt, so ist der im Rahmen des letzten unabhängigen Abschlusses erzielte Kurs oder das derzeit höchste unabhängige Angebot auf dem geregelten Markt des Mitgliedstaats, in dem der Kauf stattfindet, als Referenzkurs zu berücksichtigen. Wickelt der Emittent den Kauf eigener Aktien über derivative Finanzinstrumente ab, so sollte der Basispreis dieser derivativen Finanzinstrumente nicht über dem Kurs des letzten unabhängigen Abschlusses oder (sollte dieser höher sein) über dem Kurs des derzeit höchsten unabhängigen Angebots liegen. (2) Was die Menge betrifft, so darf der Emittent an einem Tag nicht mehr als 25 % des durchschnittlichen täglichen Aktienumsatzes auf dem geregelten Markt, auf dem der Kauf erfolgt, erwerben. Dieser ist aus dem durchschnittlichen täglichen Handelsvolumen im Monat vor Veröffentlichung des Programms abzuleiten und für die genehmigte Dauer des Programms festzulegen. Wird im Programm nicht auf diesen Wert Bezug genommen, so ist der durchschnittliche Tagesumsatz vom durchschnittlichen täglichen Handelsvolumen der 20 Börsentage vor dem Kauftermin abzuleiten. (3) Bei außerordentlich niedriger Liquidität auf dem relevanten Markt kann der Emittent die in Abs 2 genannte 25%-Schwelle überschreiten, wenn dabei die folgenden Bedingungen erfüllt sind: a) er teilt der für den relevanten Markt zuständigen Behörde vorab seine Absicht mit, den Schwellenwert von 25 % zu überschreiten; b) er gibt in angemessener Weise bekannt, dass er unter Umständen vom Schwellenwert von 25 % abweichen wird; c) ergeht nicht über 50 % des durchschnittlichen Tagesumsatzes hinaus. Art 4 Abs 2 VO 2 2 7 3 / 2 0 0 3 / E G fordert also wie die Ad-hoc Publizitätspflicht gern § 15 Abs 1 W p H G die vorherige Bekanntgabe des geplanten Rückkaufs, so dass es zum Teil zu Überschneidungen mit dem bereits vorhandenen kapitalmarktrechtlichen Instrumentarium kommt. Allerdings stellt die Verordnung höhere Anforderungen an den Inhalt der Bekanntgabe als § 15 Abs 1 W p H G . So sind gern Art 4 Abs 2 VO 2 2 7 3 / 2 0 0 3 / E G der Zweck des Rückkaufprogramms, der maximale Kaufpreis, die maximal zu erwerbende Aktienstückzahl und der Zeitraum, für den das Programm genehmigt wurde, zu nennen.

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Erwerb eigener Aktien

§71

In Art 5 wird ferner detailliert geregelt, zu welchem Kurs und in welchem U m f a n g der R ü c k k a u f m a x i m a l stattfinden darf. U m die Anforderungen der Safe H a r b o u r - R e g e l u n g zu erfüllen, darf der Kaufpreis nicht den Kurs des letzten unabhängig getätigten Abschlusses oder - sollte dieser höher sein - des derzeit höchsten unabhängigen Angebots auf den Handelsplätzen übersteigen (Art 5 Abs 1 R L ) . Unabhängig von diesen Anforderungen unterliegt der Kaufpreis jedoch auch den Grenzen des § 5 7 ; diese N o r m sieht andere Anforderungen und für den Fall des Zuwiderhandelns andere Rechtsfolgen vor (näher R d n 5 6 f). cc) Beteiligungspublizität ( § § 2 1 , 2 5 W p H G ) . Führt ein Erwerb oder eine Veräußerung eigener Aktien einer börsennotierten Gesellschaft dazu, dass 5 oder 10 Prozent der Stimmrechte erreicht, überschritten oder unterschritten werden, so hat die Gesellschaft dies gem § 2 5 Abs 1 S 3 (iVm § 2 1 Abs 1) W p H G innerhalb von neun Tagen zu veröffentlichen und gem § 2 5 Abs 3 S 1 der BaFin einen Beleg über die Veröffentlichung zu ü b e r s e n d e n . 1 2 5 Die Schwellenwerte des § 2 1 Abs 1 (iVm § 2 5 Abs 1 S 3 ) W p H G k ö n n e n von der Gesellschaft überschritten werden, o b w o h l ihr aus eigenen Aktien gem § 7 1 b keine Stimmrechte zustehen. D e n n § 2 5 Abs 1 S 3 W p H G ordnet die Anwendung der Schwellenwerte des § 2 1 Abs 1 W p H G ausdrücklich a n . 1 2 6 Eine gesonderte vorherige Mitteilung des Erwerbs eigener Aktien an die BaFin gem § 2 1 Abs 1 W p H G ist wegen der abschließenden Regelung in § 2 5 Abs 1 S 3 W p H G nicht e r f o r d e r l i c h . 1 2 7

52

Z w a r hat der Erwerb eigener Aktien wegen § 7 1 b zur Folge, dass sich der Stimmrechtsanteil der Aktionäre vergrößert. D e r Gesetzgeber hat jedoch in der Begründung des K o n T r a G ausgeführt, dass sich durch den E r w e r b eigener Aktien die Stimmrechtsanteile der übrigen A k t i o n ä r e gerade mit R ü c k s i c h t auf die Bestimmung des § 2 1 W p H G nicht verändern sollen, solang keine Einziehung der Aktien stattfindet. 1 2 8 Dies ist umstritten, wird jedoch von der herrschenden Auffassung damit gerechtfertigt, dass der einzelne A k t i o n ä r ansonsten in regelmäßigen Abständen nachfragen müsste, o b die Gesellschaft eigene Aktien erworben hat oder n i c h t . 1 2 9

53

dd) Veröffentlichungspflicht gem § 10 W p Ü G . Sofern der Erwerb eigener Aktien im Wege eines öffentlichen Angebots durchgeführt wird, richtet sich diese Veröffentlichung nach § 10 Abs 1 i V m Abs 3 W p Ü G (näher R d n 138).

54

ee) Nachträgliche Unterrichtung der Hauptversammlung. N a c h der Durchführung des Erwerbs eigener Aktien ist dies in den Fällen des § 71 Abs 1 N r 1 und N r 8 der nächsten Hauptversammlung gem § 71 Abs 3 S 1 zu berichten (näher R d n 3 4 7 ) . Ferner muss der E r w e r b eigener Aktien in allen Fällen des § 7 1 Abs 1 N r 1 - 8 im Anhang der Bilanz und gem § § 4 0 B ö r s G , 5 5 S 5 B ö r s Z u l V i V m § 1 6 0 Abs 1 N r 2 im Zwischen-

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bericht aufgeführt werden (näher R d n 3 5 0 ) . c) H ö h e des Kaufpreises. Im R a h m e n eines gem § 71 Abs 1 N r 1 - 8 erlaubten R ü c k kaufs eigener Aktien durch die Gesellschaft darf nur ein marktüblicher Kaufpreis gezahlt w e r d e n . 1 3 0 G e m § 5 7 Abs 1 S 2 liegt zwar ausnahmsweise kein Fall der Einlagenrück-

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126 127 128

(65)

Näher dazu BAWe, WM 2000, 438; Benckendorff S 292; Groß in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 28; Assmann/ Schneider § 21 WpHG Rdn 5 ff. Assmann/Schneider § 25 WpHG Rdn 7. BT-Drucks 13/9712, S 30. BT-Drucks 13/9712, S 30; BAWe, WM

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2000, 438; MünchKommJOechsler 296; Assmann/Schneider § 21 WpHG Rdn 34. Assmann/Schneider § 21 WpHG Rdn 34 mwN. MünchKomm/ßayer § 57 AktG Rdn 117; vgl dazu auch Groß in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 9; Hüffer § 57 AktG Rdn 12, 20;

Hanno Merkt

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§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

gewähr vor, wenn der Erwerb eigener Aktien gem § 71 Abs 1 erlaubt ist. Allerdings sind in § 71 Abs 1 Nr 1 - 8 nur verschiedene Erwerbszwecke geregelt, eine Regelung hinsichtlich der Preisgestaltung enthält § 71 nicht 131 . § 57 Abs 1 S 1 könnte umgangen werden, wenn in den Fällen, in denen einer der Erlaubnistatbestände erfüllt ist, in beliebiger Höhe ausgeschüttet werden dürfte. Daher ist § 71 Abs 1 nur in Bezug auf den Erwerbszweck als abschließende Regelung aufzufassen. Im Übrigen verbleibt es für die Höhe des Erwerbspreises bei der Anwendung der Regelung des § 57 Abs 1 S 1. 57

Umstritten ist, ob bei Zahlung eines überhöhten Kaufpreises der Kaufvertrag gem § 134 BGB iVm § 57 Abs 1 S 1 nichtig ist und damit der gesamte Kaufpreis gem § 62 Abs 1 S 1 (näher dazu Rdn 385 zurückgefordert werden kann 132 oder ob es sich nur in Höhe der über dem Marktpreis ausgezahlten Differenz um eine unzulässige, verdeckte Vermögenszuwendung an den veräußernden Aktionär handelt, die er zurückzugewähren hat. 133 Zwar handelt es sich bei § 57 Abs 1 S 1 grundsätzlich um ein Verbotsgesetz iSv § 134 BGB, mit dem die Vermögenszuwendung als solche verboten wird. 134 Im Falle des § 57 Abs 1 S 2 iVm § 71 Abs 1 ist die Zuwendung jedoch ausnahmsweise erlaubt. Nur hinsichtlich der Höhe der Zuwendung bleibt § 57 Abs 1 S 1 von Bedeutung. Daher wird nur in Höhe des Differenzbetrages gegen § 57 Abs 1 S 1 verstoßen und nur dieser Betrag ist zurückzugewähren. In steuerrechtlicher Hinsicht liegt in diesem Umfang eine verdeckte Gewinnausschüttung vor (näher Rdn 399).

58

aa) Erwerb über die Börse. Besteht ein Marktpreis, so ist grundsätzlich dieser als Kriterium für die Beurteilung der Angemessenheit des Preises maßgeblich. 135 Der Erwerb über die Börse zum Börsenpreis verstößt mithin eindeutig nicht gegen § 57 Abs 1 S 1.

59

bb) Öffentliches Rückkaufangebot. Fraglich ist, inwieweit ein den Börsenkurs übersteigender Kaufpreis als üblicher Marktpreis angesehen werden kann. Aus § 71 Abs 1 Nr 7 S 2 und § 71 Abs 1 Nr 8 S 1, wonach in einem Ermächtigungsbeschluss der niedrigste und höchste Gegenwert festzulegen ist, ergibt sich, dass der Gesetzgeber für den zulässigen Preis offenbar von einer gewissen Spanne ausgeht. Bei allen drei Formen des öffentlichen Rückkaufsangebotes - dem Festpreis - dem Preisspannenangebot und bei der Emission übertragbarer Verkaufsoptionen - wird regelmäßig ein Kaufpreis erzielt, der eine Prämie für den Verkauf der Aktie enthält und daher über dem Börsenpreis liegt (näher Rdn 32 ff). Wäre der Börsenkurs auch in diesem Zusammenhang das maßgebliche Kriterium, so wäre immer ein Verstoß gegen § 57 Abs 1 S 1 anzunehmen. Dagegen spricht jedoch, dass der Börsenpreis das Produkt des Preisbildungsmechanismusses auf einem anonymen Markt ist. 136 Demgegenüber tritt die Gesellschaft bei einem öffentlichen Rückkaufangebot nicht anonym auf. Hinzu kommt, dass sie offen legt, Aktien in einem bestimmten, nicht unerheblichen Umfang kaufen zu wollen. Um diese Anzahl von Aktien erwerben zu können, muss die Gesellschaft den Aktionären eine Prämie zahlen, denn sonst könnten verkaufsbereite Aktionäre genausogut an der Börse verkaufen. Auch sonst ist es üblich, beim Erwerb eines Aktienpaketes einen Paketzuschlag zu zahlen.

KYJLutter § 57 AktG Rdn 33, 47; MünchKomm/Oechsler 64; Schiaus AG 1988, 113, 134

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Hüffer § 57 AktG Rdn 20; Martens AG 1988, 118, 121; MünchKomm/Oecfcs/er 64. Hüffer § 62 AktG Rdn 9; KK/Lutter § 57 Rdn 63; Raiser Kapitalgesellschaften, S 219. MünchKomm/Bayer S 57 AktG Rdn 117; Benckendorff S 240 f; Joost Z H R 149

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136

(1985), 419, 443; MünchKomm/Oecfcs/er 64; Κ Schmidt Gesellschaftsrecht, S 29 II 2b. MünchKomm/ßayer § 57 AktG Rdn 137; Hüffer § 57 AktG Rdn 23; KYJLutter § 57 AktG Rdn 62. Hüffer § 57 AktG Rdn 9; KYJLutter % 57 AktG Rdn 17. Dazu und zum Folgenden Benckendorff S 237 f.

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Erwerb eigener Aktien

§71

D e r Preis für eine Aktie bildet sich im R a h m e n eines solchen öffentlichen R ü c k k a u f a n g e botes wie folgt: D e r Börsenkurs stellt die Untergrenze dar. Die H ö h e der Prämie hängt von einer Reihe von Faktoren a b , so zB von der Anzahl der Aktien, die zurückerworben werden sollen, vom Z e i t r a u m für den R ü c k e r w e r b und von den Erwartungen der Aktionäre hinsichtlich der zukünftigen Kursentwicklung, die in F o r m der Prämie entschädigt werden. Dieser besondere Preisbildungsmechanismus rechtfertigt die A n n a h m e , dass der Erwerbspreis sich bei einem öffentlichen R ü c k k a u f a n g e b o t auf einem von der Börse zu unterscheidenden eigenständigen M a r k t bildet. 1 3 7 D e r maßgebliche M a r k t p r e i s bildet die S u m m e von Börsenpreis und P r ä m i e . 1 3 8 Für dieses Ergebnis spricht ferner, dass der Gesellschaft neben dem E r w e r b über die Börse weitere R ü c k k a u f s m ö g l i c h k e i t e n eröffnet werden sollten, damit sie von der in § 71 Abs 1 eingeräumten Möglichkeit, eigene Aktien zu erwerben, effektiv G e b r a u c h m a c h e n k a n n . Folgerichtig vertritt das Bundesfinanzministerium die Ansicht, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung gem § 8 A b s 3 S 2 K S t G nicht vorliegt, wenn entweder die Aktien über die Börse oder im Tenderverfahren erworben werden und dabei ein über dem Börsenpreis liegender Kaufpreis gezahlt wird (näher R d n 3 9 9 ) . 1 3 9 W i e bereits dargelegt, kann sich bei der Z a h l u n g einer Prämie die Frage stellen, o b die Grenze zur unzulässigen Einlagenriickgewähr iSv § 5 7 Abs 1 S 1 überschritten wird. Beim Preisspannenangebot (Dutch Auction Tender O f f e r ) ist dies am einfachsten festzustellen, weil die H ö h e der Prämie durch den M a r k t m e c h a n i s m u s auf der Grundlage von A n g e b o t und N a c h f r a g e ermittelt wird (näher R d n 3 4 ) . Ist die Gesellschaft in der Lage, mit einer Prämie, die innerhalb der Preisspanne liegt, die von ihr gewünschte Anzahl an Aktien zu erwerben, so ist dies zugleich der zulässige M a r k t p r e i s . 1 4 0 Entscheiden sich nicht genügend A k t i o n ä r e , ihre Aktien für eine Prämie innerhalb der Preisspanne zu veräußern, und führt die Gesellschaft den R ü c k k a u f dennoch durch, indem sie von der ursprünglich geplanten G e s a m t m e n g e a b r ü c k t und indem sie die Prämie bezahlt, die an der Obergrenze der Preisspanne liegt, so ist diese Prämie ebenfalls zulässig. Denn um die eigentlich gewünschte Anzahl von Aktien zu erwerben, hätte der M a r k t eine n o c h höhere Prämie verlangt. Wenn demgegenüber die Preisspanne zu h o c h gewählt wurde und m e h r Aktionäre bereits für eine Prämie, die der Untergrenze der Preisspanne entspricht, verkaufen wollen, so würde ein R ü c k k a u f der Aktien zu diesem Preis gegen § 5 7 Abs 1 S 1 verstoßen und muss daher unterbleiben. D e n n der M a r k t hätte der Gesellschaft die von ihr gewünschte Anzahl an Aktien bereits bei einer geringeren Prämie angeboten. Es muss dann ein erneutes öffentliches R ü c k k a u f a n g e b o t von der Gesellschaft mit einer niedrigeren Preisspanne unterbreitet werden.

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Im Unterschied dazu wird bei einem Festangebot (Fixed Price Tender Offer) die tatsächlich für den E r w e r b einer gewissen Anzahl von Aktien erforderliche Prämie nicht durch den M a r k t m e c h a n i s m u s bestimmt, sondern von der Gesellschaft selbst festgelegt.

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K o m m t es zu einer Überzeichnung des Angebotes, so liegt die Vermutung nahe, dass eine niedrigere Prämie auch ausreichend gewesen wäre, um die gewünschte Anzahl an Aktien zurückkaufen zu k ö n n e n . O b diese Vermutung indes tatsächlich zutrifft, lässt sich nicht o h n e weiteres feststellen. Bei einer geringfügigen Überzeichnung etwa in der G r ö ß e n o r d nung von nicht mehr als 5 % wird m a n den Erwerbspreis n o c h als M a r k t p r e i s ansehen k ö n n e n . Liegt der Wert darüber, darf das R ü c k k a u f a n g e b o t nicht durchgeführt werden.

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Benckendorff Aktien"). Benckendorff 1er 65.

S 238 („Markt für eigene

139 140

S 238; MünchKomm/Oecfcs-

BMF DStR 1998, 2011, 2012 Tz 17. So im Ergebnis Benckendorff S 238; in diese Richtung auch Groß in: Happ, Aktienrecht, 13.01 Rdn 9.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

D a es im Unterschied zum Preisspannenangebot aufgrund des fixen Preises häufiger zu einer Überzeichnung k o m m e n wird, ist das Festangebot eher mit dem R i s i k o verbunden, dass es gegen § 5 7 Abs 1 S 1 verstößt. D a h e r ist das Preisspannenangebot in der Praxis vorzugswürdig. 62

I m R a h m e n der Emission übertragbarer Verkaufsoptionen (Transferable Put Rights) wird - wie beim Festpreisangebot - ebenfalls ein Kaufpreis für die Aktien vorher festgelegt. D a bei der Emission übertragbarer Verkaufsoptionen eine Uberzeichnung ausgeschlossen ist (näher R d n 3 8 ) , fehlt ein wichtiger Indikator, um die Zulässigkeit der H ö h e des Erwerbspreises zu ermitteln. Es bliebe dann für die Prüfung nach § 5 7 Abs 1 S 1 nur der Weg über ein Bewertungsgutachten. Die damit verbundene Unsicherheit ließe sich vermeiden, wenn ein fester Grenzwert a n g e n o m m e n werden k ö n n t e . W ä h r e n d das L G Berlin eine Abweichung von 10 % gegenüber dem Börsenpreis für zulässig gehalten h a t , 1 4 1 wird im Schrifttum teilweise eine Prämie von bis zu 3 0 % des Börsenpreises grundsätzlich als zulässig a n g e s e h e n . 1 4 2 Die Prämie hängt jedoch von vielen individuellen Faktoren a b , insbesondere v o m U m f a n g , in dem die Gesellschaft Aktien zurück erwerben m ö c h t e , ferner von der jeweils zu erwartenden Kursentwicklung. Die jeweils angemessenen Prämien werden daher so stark divergieren, dass ein pauschaler Grenzwert nicht oder zumindest nicht ausschließlich maßgeblich sein k a n n . 1 4 3 Vielmehr kann ein Grenzwert allenfalls - wie beim Festangebot - in Z u s a m m e n h a n g mit einer etwaigen Uberzeichnung als Indikator sinnvoll sein. Es ergeben sich also vergleichbare Schwierigkeiten wie beim Festangebot.

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cc) Kaufvertrag mit einzelnen Aktionären. Schließt die Gesellschaft im Wege direkter Verhandlungen mit einzelnen Aktionären einen Kaufvertrag über deren Aktienpaket a b (Negotiated Repurchase), so hat sie regelmäßig einen Paketzuschlag zu entrichten. Diese E r w e r b s m e t h o d e erspart Zeit und Kosten gegenüber dem E r w e r b über die Börse und den öffentlichen R ü c k k a u f a n g e b o t e n , so dass der vom M a r k t verlangte Aufpreis nicht per se als unzulässige Rückgewähr von Einlagen iSv § 5 7 Abs 1 S 1 anzusehen i s t 1 4 4 . Es muss vielmehr im Einzelfall festgestellt werden, o b dieser Aufpreis eine angemessene Gegenleistung für die genannten wirtschaftlichen Vorteile darstellt. Dies ist mit den gleichen Schwierigkeiten behaftet wie die Beurteilung des Kaufpreises bei der Emission übertragbarer Verkaufsoptionen (näher R d n 3 9 ) . Eine Prämie von bis zu 5 % des Börsenkurses wird m a n regelmäßig als angemessen, eine Prämie von mehr als 10 % des Börsenkurses regelmäßig als unangemessen einstufen k ö n n e n . 1 4 5 In der Praxis wählt m a n als m a x i m a len Kaufpreis je Aktie üblicherweise einen Wert von zehn Prozent über dem D u r c h schnittskurs der letzten fünf Handelstage.

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Ein weiteres Problem des R ü c k k a u f s durch Paketerwerb resultiert daraus, dass nur ein Aktionär oder einige wenige Aktionäre diesen Aufschlag auf den Börsenpreis erhalten, während bei den anderen R ü c k k a u f s m e t h o d e n alle A k t i o n ä r e die M ö g l i c h k e i t h a b e n , ihre Aktien zu den von der Gesellschaft angebotenen Konditionen zu verkaufen. Auch hier stellt sich die Frage, o b und inwieweit der aktienrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 5 3 a , § 71 Abs 1 N r 8 S. 3) die G e w ä h r u n g eines Paketzuschlags an einzelne A k t i o n ä r e zulässt (näher R d n 6 6 ff).

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LG Berlin DB 2 0 0 0 , 765 zu einem aufgrund von § 71 Abs 1 Nr 8 durchgeführten Aktienoptionsprogramm. Benckendorff S 238; DAI (Hrsg.), Der Erwerb eigener Aktien in Deutschland, 1999, S 12; MünchKomm/Oecfo/er 177.

143 144

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MünchKomm/OecMer 178. Benckendorff S 238 f; Bosse N Z G 2 0 0 0 , 16, 18; Martens AG 1996, 337, 344; MünchKommlOechsler 66. Bosse N Z G 2 0 0 0 , 16, 18.

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Erwerb eigener Aktien

§71

Eine unzulässige R ü c k g e w ä h r von Einlagen iSv § 5 7 A b s 1 S 1 ist ferner denkbar,

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wenn die Anteile eines opponierenden A k t i o n ä r s zum Schutz der Gesellschaft abgekauft werden. Es k a n n in Ausnahmefällen gern § 7 1 A b s 1 N r 1 erlaubt sein, die Aktien eines Aktionärs, der eine Anfechtungsklage nur erhebt, u m eine Geldzahlung zu erpressen, abzukaufen (Abkauf von Anfechtungsklagen; näher R d n 1 7 3 ) . D e r A k t i o n ä r lässt sich dabei regelmäßig von der Gesellschaft durch einen Aufschlag auf den Börsenpreis vergüten, dass er die der Gesellschaft lästige Anfechtungsklage zurücknimmt. Z w a r hat diese Klage einen Lästigkeitswert, der möglicherweise mit einem Geldbetrag bewertet werden k a n n . Ein solches Verhalten k a n n jedoch als Erpressung (§ 2 5 3 StGB) oder zumindest als Verletzung der aufgrund des Mitgliedschaftsverhältnis bestehenden Treuepflicht anzusehen sein (näher R d n 175). Denn der Aktionär „verkauft" einen rechtswidrigen Vorteil, der im R a h m e n der Bemessung des M a r k t p r e i s e s seiner Anteile keine Berücksichtigung finden k a n n . Somit ist in diesen Fällen jeder Kaufpreis, der den Börsenpreis übersteigt, als eine verbotene Einlagenrückgewähr iSv § 5 7 Abs 1 S 1 a n z u s e h e n . 1 4 6 d) Gleichbehandlung (§§ 5 3 a , 71 Abs 1 N r 8 S 3). Bei der Durchführung des Erwerbs und der Veräußerung eigener Aktien müssen sich die Organe der Gesellschaft ferner gem § 5 3 a grundsätzlich strikt neutral verhalten und allen Aktionären die gleichen Chancen einräumen, Anteile zu veräußern oder zu erwerben. Ein Verstoß gegen das G e b o t der Gleichbehandlung setzt neben der eigentlichen Ungleichbehandlung Zweierlei voraus: Für die Ungleichbehandlung darf kein sachlicher Grund bestehen und die Ungleichbehandlung darf weder in der Satzung in zulässiger Weise gestattet sein noch dürfen die Betroffenen ihr zugestimmt h a b e n . 1 4 7 In § 71 Abs 1 N r 8 S 3 wird für den durch das K o n T r a G im J a h r e 1 9 9 8 neu ins Gesetz aufgenommenen Ausnahmetatbestand geregelt, dass § 5 3 a auf Erwerb und Veräußerung anzuwenden ist. Die Regelung hat nur klarstellenden C h a r a k t e r . 1 4 8 Aus der Regelung kann weder der Umkehrschluss gezogen werden, dass das Gleichbehandlungsgebot für die anderen Erwerbsgründe des § 71 Abs 1 keine Anwendung f i n d e t , 1 4 9 noch kann aus ihr gefolgert werden, dass andere nicht in § 71 Abs 1 N r 8 S 3 erwähnte Grundsätze - wie zB die Beschränkung der Aktionäre bei der Ausübung ihrer Stimmrechte durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (näher Rdn 2 5 5 ff) - mangels ausdrücklicher Erwähnung im Gesetz keine Geltung beanspruchen. 1 5 0 D a die Vorschrift des § 71 Abs 1 N r 8 S 3 mithin nur Selbstverständliches regelt, ist sie entbehrlich (siehe auch Rdn 2 7 9 ) . 1 5 1

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Z u n ä c h s t dient § 5 3 a dem Schutz der A k t i o n ä r e vor Ungleichbehandlungen. Eine Ungleichbehandlung k a n n einerseits darin bestehen, dass in einer kritischen Unternehmenssituation nur einzelne A k t i o n ä r e aus dem mitgliedschaftlichen R i s i k o des Einlageverlusts entlassen w e r d e n . 1 5 2 Andererseits besteht die Gefahr, dass einzelnen Aktionären zu erwartende Gewinne entgehen, wenn sie durch einen R ü c k e r w e r b ihrer Aktien seitens

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der Gesellschaft von der weiteren Gewinnentwicklung ausgeschlossen w e r d e n . 1 5 3 Darüber

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MünchKomm/Oechsler 67, 119; Schiaus AG 1988, 113, 116. Bosse NZG 2000, 16, 17; KYJLutter § 53a Rdn 8. BT-Drucks 13/9712, S 13 re Sp; BenckendorffS 245; Hüffer 19j. BT-Drucks 13/9712, S 13; MünchKomm/ Bungeroth % 53a AktG Rdn 8; KK/Lutter § 53a Rdn 65; YXJLutter 15. Martens AG August-Sonderheft 1997, 83, 85; MünchKomm/Oechsler 198.

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Hüffer 19j; Martens AG August-Sonderheft 1997, 83, 85. Kropff Begr RegE, S 90; Bosse NZG 2000, 16, 17; Escher-Weingart/Kübler ZHR 162 (1998), 537, 539; Huber FS Duden, S 139 f; KK/Lutter 10 u 15; MünchKomm/Oecfcs/er 198; Schlegelberger/Quassowski § 65 AktG Rdn 1. MünchKomm/Oechsler 198.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

hinaus wird auch die Gesellschaft davor geschützt, dass der Vorstand willkürlich und zu seinen Gunsten Einfluss auf die Beteiligungsstruktur der Gesellschaft n i m m t . 1 5 4 So könnte der Vorstand etwa versuchen, die Anteile derjenigen A k t i o n ä r e zu kaufen, die gegen seine Entlastung (§ 1 2 0 ) auf der Hauptversammlung stimmen werden. aa) Gleichbehandlung beim Erwerb (1) Erwerb über die Börse. Sofern die Aktien an der Börse zurück erworben oder ver-

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äußert werden, ist die Gleichbehandlung der Aktionäre sichergestellt. 1 5 5 Dies wird wiederum für den Erwerbsgrund des § 7 1 Abs 1 N r 8 ausdrücklich in § 7 1 Abs 1 N r 8 S 4 festgelegt. Die Gleichbehandlung der Aktionäre k a n n auch auf anderem Wege sichergestellt werden, da § 71 Abs 1 N r 8 S 4 nicht von abschließender N a t u r ist (näher zum E r w e r b über die Börse R d n 2 9 ff und R d n 2 8 0 ff). Ein Andienungsrecht wie im Falle eines öffentlichen R ü c k k a u f a n g e b o t e s besteht in diesem Z u s a m m e n h a n g nicht, denn § 71 Abs 1 N r 8 S 4 ist die gesetzliche Wertung zu entnehmen, dass ein (anonymer) Erwerb über die Börse den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt (dazu auch R d n 2 8 0 ff). 69

( 2 ) Öffentliche Rückkaufangebote und Andienungsrecht. D e r Gleichbehandlungsgrundsatz muss auch dann gewahrt werden, wenn ein öffentliches R ü c k k a u f a n g e b o t - in der F o r m eines Festangebotes, eines Preisspannenangebotes oder von Verkaufsoptionen (näher R d n 2 9 ff) - abgegeben wird. Der Regierungsentwurf zum K o n T r a G begründet dies wie folgt: „In Betracht k o m m t auch eine öffentliche Offerte (Tender-Verfahren). D a b e i sind Festpreisangebote, aber auch Preisspannen-Angebote denkbar. D e r R ü c k k a u f ist nicht auf börsennotierte Gesellschaften beschränkt [ . . . ] . Bei geschlossenen Aktiengesellschaften (kleine AG) bietet die Verwaltung den R ü c k e r w e r b allen Aktionären an und teilt bei Ü b e r a n g e b o t bzw -nachfrage nach Q u o t e n z u . " 1 5 6 Erwirbt oder veräußert eine börsennotierte Gesellschaft ihre Aktien nicht über die Börse, so hat sie diesen Anforderungen ebenfalls zu g e n ü g e n . 1 5 7 N a c h dem Gleichbehandlungsgrundsatz steht jedem A k t i o n ä r - in U m k e h r u n g des bei einer Kapitalerhöhung bestehenden Bezugsrechts ( § § 1 8 6 , 2 2 1 Abs 4 ) - ein R e c h t zu, an den öffentlichen Aktienrückkäufen pro rata seiner Beteiligungsquote teilzunehmen (sog „Andienungsrecht"). 1 5 8 Dies gilt nicht in den Fällen des E r w e r b s über die B ö r s e (näher R d n 3 0 ) . Indem jedem A k t i o n ä r ein solches Andienungsrecht zugestanden wird, ist - wie im Falle des Bezugsrechts - ausgeschlossen, dass Wertetransfers an einzelne A k t i o n ä r e erfolgen, die den Wert der Aktien der verbleibenden A k t i o n ä r e a u s h ö h l e n . 1 5 9 E b e n s o wird ausgeschlossen, dass der Vorstand Einfluss auf die Beteiligungsstruktur der Gesellschaft nehmen k a n n . Dieses Andienungsrecht entsteht mit dem Beschluss des Vorstands, Aktien aufgrund eines der Ausnahmetatbestände z u r ü c k z u k a u f e n . 1 6 0 N a c h seiner Wahl k a n n der A k t i o n ä r entweder selbst von dem Andienungsrecht G e b r a u c h m a c h e n oder es - wie ein Bezugsrecht a u c h 1 6 1 - am M a r k t verkaufen und gem § § 4 1 3 , 3 9 8 B G B an den K ä u f e r ü b e r t r a g e n . 1 6 2 Auf diese Weise k a n n

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MünchKomm/Oechsler 198. Berrar/Schnorbus ZGR 2003, 59, 64; KK/Lutter 15; YXJLutter § 53a AktG Rdn 65; Martens AG 1996, 337, 339; MünchKomm/Oec¿>s/er 14 und 213. BT-Drucks 13/9712, S 13 f. Hüffer 19k; MünchKomm!Oechsler 200; Paefgen AG 1999, 67, 68. Näher dazu Habersack ZIP 2004, 1121 ff; vgl auch Hüffer 19k; MünchKomm/Oecfcs-

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ler 200; Paefgen AG 1999, 67, 68; ders ZIP 2002, 1509, 1510 f. Paefgen AG 1999, 67, 68; ders ZIP 2002, 1509, 1511. MünchKomm/Oecfcs/er 200. Hüffer § 186 Rdn 7; MünchKomm/ife/er S 186 Rdn 23. Hüffer 19k; MünchKomm/Oecfcs/er 200; Paefgen AG 1999, 67, 69 Ii Sp.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

er den Wert des Andienungsrechtes realisieren und damit von der Rückkaufaktion profitieren, ohne aus der Gesellschaft auszuscheiden. In der Praxis ist es ratsam, für die Ausübung des Andienungsrechtes - wie bei einem Bezugsrecht - zu verlangen, dass der Gesellschaft ein Dividendenschein vorgelegt wird (Legitimationsfunktion). 163 Da in einem solchen Falle der Dividendenschein von der überwiegenden Auffassung nicht nur als Legitimationspapier, sondern als Wertpapier angesehen wird, folgt das Recht, die Aktie zu verkaufen, dem Recht am Papier. Daher ist der Dividendenschein selbst gem §§ 929 ff BGB zu übertragen. 1 6 4 Indem die Gesellschaft ihren Aktionären übertragbare Verkaufsrechte (Transferable Put Rights, näher Rdn 37), einräumt, genügt sie jedenfalls den Anforderungen des Gleichbehandlungsgebots und des aus ihm abgeleiteten Andienungsrechts. In diesem Falle wird von der Gesellschaft bewusst ein Markt für den Verkauf des Andienungsrechts geschaffen. Eine von der Gesellschaft begebene Verkaufsoption unterfällt nicht § 71 Abs 1 („Erwerb"), sondern § 71 Abs 4 S 2 (näher Rdn 361 ff).

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Räumt die Gesellschaft einem Nichtaktionär - zB einem Finanzdienstleister - eine Ver- 71 kaufsoption ein, wonach er Aktien, welche er noch erwerben wird, später an die Gesellschaft verkaufen darf, so liegt nach einer teilweise vertretenen Ansicht keine Ungleichbehandlung vor. 165 Da der Begünstigte im Zeitpunkt des Optionsvertrages noch kein Aktionär sei, seien alle Aktionäre der Gesellschaft in gleicher Weise von dieser Regelung betroffen. 1 6 6 Dem ist zu widersprechen, denn für die Beurteilung der Zulässigkeit des Erwerbs eigener Aktien gem § 71 Abs 1 kommt es nicht auf den Zeitpunkt des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts, sondern auf den Zeitpunkt der Durchführung des dinglichen Rechtsgeschäfts an. Für das schuldrechtliche Rechtsgeschäfts im Rahmen von § 71 Abs 4 S 2 kommt es hingegen auf den Zeitpunkt an, zu dem die Durchführung des Erwerbs nach der Vorstellung der Parteien vorgesehen ist (näher Rdn 363). Von der Verkaufsoption kann der Begünstigte erst Gebrauch machen, nachdem er Aktien der Gesellschaft erworben hat, so dass sowohl der Erwerb als auch das zugrunde liegende schuldrechtliche Rechtsgeschäft gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. 167 Bei dem Festpreisangebot (Fixed Price Tender Offer, näher Rdn 32) hat jeder Aktionär die Möglichkeit zur Annahme. Sofern es zu einer Überzeichnung des Angebotes kommt, ist die Gesellschaft aufgrund des gem § 53a bestehenden Andienungsrechts der Aktionäre verpflichtet, von jedem der verkaufswilligen Aktionäre Aktien abzunehmen (sog Repartierung). Jeder Aktionär darf dabei denjenigen Anteil des von der Gesellschaft geplanten Rückerwerbsvolumens ausschöpfen, welcher seiner Beteiligungsquote entspricht. 168 Ist beispielsweise ein Aktionär A am Grundkapital einer Gesellschaft von 100.000 Euro mit 75.000 und der Aktionär Β mit 25.000 Aktien (Nennwert: 1 Euro) beteiligt und möchte die Gesellschaft 10.000 Aktien erwerben, so darf aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes des § 53a der Aktionär A 7.500 und der Aktionär Β 2.500 Aktien an die Gesellschaft veräußern. Im Unterschied zur Emission übertragbarer Verkaufsrechte wird in diesem Fall zwar kein Markt für den Handel mit Andienungsrecht geschaffen. Die Aktionäre können aber dennoch ihr Andienungsrecht verkaufen und gem §§ 413, 398 BGB übertragen (näher Rdn 69). Dann hat der erwerbende Aktionär ein Andienungsrecht, das die Höhe seiner Beteiligungsquote übersteigt, und er darf bei der Repartierung einen entsprechend höheren Anteil seiner Aktien an die Gesellschaft verkaufen.

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MünchKomm/Oechsler 200. Näher MünchKommJPeifer § 186 Rdn 23. Mick DB 1999, 1201, 1205. Mick DB 1999, 1201, 1205.

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So im Ergebnis auch MünchKommJOechsler 208. MünchKomm/Oechsler 200.

Hanno Merkt

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§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

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Z w a r können die §§ 10 ff W p Ü G auf ein öffentliches Rückkaufangebot grundsätzlich Anwendung finden (näher Rdn 138). Die Vorschrift des § 19 W p Ü G , wonach die Annahmeerklärungen verhältnismäßig zu berücksichtigen sind, wenn die Anzahl der Aktien der verkaufsbereiten Aktionäre die in einem Teilangebot genannte Anzahl übersteigt, wird hingegen nach zutreffender Ansicht vom spezielleren aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 5 3 a ) verdrängt. 1 6 9 Der Unterschied der beiden Regelungen besteht darin, dass es bei § 5 3 a auf das Verhältnis der Annahmeerklärungen und bei § 19 W p Ü G auf das Verhältnis der Beteiligungsquoten ankommt. Beide Methoden kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn einer der verkaufsbereiten Aktionäre nur einen Teil seiner Beteiligung verkaufen m ö c h t e . 1 7 0 Sofern sich in dem soeben (Rn 7 2 ) gebildeten Beispiel sowohl Aktionär A als auch Aktionär Β entschließen, der Gesellschaft auf ihr Erwerbsangebot hin 1 0 . 0 0 0 Aktien zum Kauf anzubieten, müsste die Gesellschaft gem § 19 W p Ü G von jedem der Aktionäre 5 . 0 0 0 Aktien erwerben. Der aktienrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und § 19 W p Ü G können nicht widerspruchsfrei kumulativ angewendet werden, so dass einer der beiden Regelungen der Vorrang eingeräumt werden muss. Während § § 1 0 ff W p Ü G das öffentliche Angebot sowohl seitens eines außenstehenden Bieters als auch seitens der Gesellschaft erfasst, behandelt § 5 3 a iVm § 71 Abs 1 N r 8 S 3 den Sonderfall des Erwerbs durch die Gesellschaft. Für den Vorrang des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes spricht ferner, dass das Andienungsrecht auch wegen der Parallele zum Bezugsrecht gem § 186 anteilig entsprechend der jeweiligen Beteiligungsquote des Aktionärs zu berechnen ist. 1 7 1 Wegen der Vergleichbarkeit mit dem Bezugsrecht kann jedoch durch einen Beschluss der Hauptversammlung auf das Andienungsrecht verzichtet werden (näher Rdn 6 9 ) und es kann folglich auch eine andere Verteilung - zB iSv § 19 W p Ü G - beschlossen werden. 1 7 2

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Beim Preisspannenangebot (Dutch Auction Tender Offer, näher Rdn 3 4 ) hat jeder Aktionär gleichermaßen die Möglichkeit, mit der Abgabe eines Angebotes, das an der Untergrenze der Preisspanne angesiedelt ist, seine Aktie zu verkaufen. Dem aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes bestehenden Andienungsrecht wird dadurch genüge getan, dass allen Aktionären diese Bietmöglichkeit eingeräumt wird. Ferner gebietet die Gleichbehandlung, dass anhand des Angebotsprofils ein einheitlicher Preis für alle verkaufswilligen Aktionäre ermittelt wird (näher zur Ermittlung dieses Preises Rdn 5 6 ff). Das Andienungsrecht besteht also nur insofern, als der Aktionär einen Preis anbietet, der den später aufgrund des Angebotsprofils ermittelten Preis nicht überschreitet. Bieten mehrere Aktionäre einen gleich hohen Preis, so sind sie anteilsmäßig entsprechend ihrer Beteiligungsquoten zu berücksichtigen. Gegen dieses Verfahren wurde eingewand, es zwinge den gewöhnlichen Privatanleger zu einer Entscheidung, die ihn überfordere. 1 7 3 Inzwischen sorgt indes die Anwendung des W p Ü G für einen ausreichenden Schutz der Aktionäre (zur Bedeutung des W p Ü G in diesem Zusammenhang siehe Rdn 2 9 ff).

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Diekmann/Merkner ZIP 2 0 0 4 , 8 3 6 , 8 4 0 ; Fleischer/Körber BB 2 0 0 1 , 2 5 8 9 , 2 5 9 3 ; Hüffer 19k; Ehrick/Ekkenga/Oecbsler § 2 W p Ü G Rdn 6; ders N Z G 2 0 0 1 , 817, 819; MüncbKomm/Oechsler 2 0 2 a ; anders Paefgen ZIP 2 0 0 2 , 1509, 1 5 1 7 ff, der § 19 W p Ü G Vorrang einräumt.

170

Dazu auch das Beispiel bei Diekmann/ Merkner ZIP 2 0 0 4 , 8 3 6 , 8 4 0 Ii Sp.

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Diekmann/Merkner

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Diekmann/Merkner ZIP 2 0 0 4 , 8 3 6 , 841. Huber FS Kropff 1997, S 102, 116; Kindl DStR 1999, 1 2 7 6 , 1279.

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Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

ZIP 2 0 0 4 , 8 3 6 , 841.

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Erwerb eigener Aktien

§71

Das Andienungsrecht kann - wie das Bezugsrecht auch - analog § 186 Abs 3 S 1 durch Hauptversammlungsbeschluss ausgeschlossen werden. 1 7 4 Dies ist beispielsweise von Bedeutung, wenn die Gesellschaft bei einem Festpreisangebot auf eine spätere Repartierung anhand der Beteiligungsquoten verzichten und statt dessen denjenigen Aktionären, die sich am schnellsten für einen Verkauf ihrer Anteile entscheiden, alle Aktien abkaufen will („first come, first serve"). Denn in einem solchen Fall können diejenigen Aktionäre, die sich später zu einem Verkauf ihrer Aktien entscheiden, von ihrem Andienungsrecht keinen Gebrauch machen. Außerdem ist denkbar, dass die Gesellschaft nicht die Stamm-, sondern nur die Vorzugsaktien zuriickgekaufen will und damit nur das Andienungsrecht der Stammaktionäre ausgeschlossen wird. 1 7 5

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Umstritten ist, welche Stimmenmehrheit für einen solcher Ausschluss des Andienungsrechts erforderlich ist. Während nach einer Ansicht ein solcher Ausschluss bereits mit einfacher Mehrheit (§ 133 Abs 1) beschlossen werden k a n n 1 7 6 , wird von der Gegenansicht zu Recht gem § 186 Abs 3 S 2 analog eine qualifizierte Mehrheit von 3/4 des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals gefordert. 1 7 7 Zur Begründung beruft sich die erste Ansicht auf einen Umkehrschluss aus § 71 Abs 1 N r 8 S 5 1 7 8 : Danach kann die Hauptversammlung eine andere Veräußerung beschließen; in diesem Fall ist nach dem 2. Halbsatz die Vorschrift des § 186 Abs 3, 4 entsprechend anzuwenden. Da die Anwendung von § 186 Abs 3 S 2 von § 71 Abs 1 N r 8 S 5 für die Veräußerung ausdrücklich angeordnet wird, sei im Umkehrschluss dessen Anwendung auf den Erwerbsvorgang ausgeschlossen. Dieser Umkehrschluss überzeugt nicht. Vielmehr hat § 71 Abs 1 N r 8 S 5 1. HS nur klarstellende Bedeutung. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum der Grundsatz der Gleichstellung von Andienungs- und Bezugsrecht (näher zum Bezugsrecht Rdn 76) hier durchbrochen werden sollte.

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Neben dieser qualifizierten Mehrheit muss der Ausschluss des Andienungsrechts auch die weiteren formellen und materiellen Voraussetzungen in analoger Anwendung der Vorschriften über den Ausschluss des Bezugsrechts (§ 186 Abs 3 und 4) erfüllen: 1 7 9 Im Falle des § 71 Abs 1 N r 7 und N r 8 muss der Ausschluss in dem Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung enthalten sein (§ 186 Abs 3 S 1 analog), der Ausschluss des Andienungsrechts muss als Tagesordnungspunkt gem § 124 ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sein (§ 186 Abs 4 S I analog), der Vorstand hat einen schriftlichen Bericht vorzulegen (§ 186 Abs 4 S 2 analog), und im Übrigen muss der Beschluss auch sachlich gerechtfertigt sein. 1 8 0 Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Ausschluss des Bezugsrechts die Gefahr begründet, dass sich die Beteiligungsquoten der einzelnen Aktionäre und damit ihr Einfluss in der Gesellschaft verringern, wohingegen die Ungleichbehandlung bei einem Ausschluss des Andienungsrechts darin bestehen kann, dass nur einzelne Aktionäre durch den Verkauf ihrer Anteile aus dem mitgliedschaftlichen Risiko entlassen werden (näher Rdn 6 7 ) . 1 8 1 Der Ausschluss des Andienungsrechts muss im Interesse der Gesellschaft liegen, zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich sein, und es müssen die für die Gesellschaft bestehenden Vorteile in einem angemessenen Verhältnis zu den Nachteilen der betroffenen Aktionäre stehen. 1 8 2 Ein Festpreisangebot kann bei-

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MünchKommJOecbsler 201; Paefgen AG 1999, 67, 69. Hillebrandt/Schremper BB 2001, 533, 535; Hüffer 19k. MünchKomm/Oecta/er 201; so im Ergebnis offenbar auch Kiem ZIP 2000, 209, 214. Paefgen AG 1999, 67, 70.

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MiinchKomm/Oecfcs/er 201. MünchKomm/Oecfcs/er 201; Paefgen AG 1999, 67, 70. Näher dazu Hüffer § 186 Rdn 20 ff; MünchKomm/Pei/er S 186 Rdn 59 ff. MiinchKomm/Oecbsler 201. MünchKomm/Pei/er § 186 Rdn 72.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

spielsweise ohne die sonst erforderliche Repartierung durchgeführt werden (näher zu diesem Beispiel Rdn 76), wenn der Rückkauf möglichst zügig durchgeführt werden muss. Je eher dabei der von der Gesellschaft angebotene Kaufpreis dem Börsenwert der Aktie entspricht, desto geringere Anforderungen sind an die sachliche Rechtfertigung des Ausschlusses des Andienungsrechts zu stellen. 1 8 3 Denn die anderen Aktionäre, die nicht mehr berücksichtigt werden, können ihre Anteile dann zu einem nahezu identischen Preis an der Börse verkaufen. Diese Wertung kann bereits der Vorschrift des § 71 Abs 1 Nr 8 S 3 entnommen werden. Einer analogen Anwendung des § 186 Abs 3 S 4 bedarf es daher nicht. 78

(3) Individuell vereinbarter Rückkauf (Negotiated Repurchase). Wie bereits dargelegt, stellt sich auch für den individuell vereinbarten Rückkauf die Frage, inwieweit der Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a, ξ 71 Abs 1 Nr 8 S 3) verbietet, eigene Aktien aufgrund eines individuell vereinbarten Kaufvertrages zu erwerben (Negotiated Repurchase). Ein solcher Erwerb begegnet deswegen Bedenken, weil nur wenige Aktionäre die Möglichkeit zum Verkauf ihrer Aktien erhalten und der Kaufpreis üblicherweise einen Aufschlag auf den Börsenpreis enthält (Paketzuschlag). Der Gesetzgeber hat ausweislich der Gesetzesbegründung zum KonTraG bewusst auf eine gesetzliche Regelung verzichtet. Dort heißt es: „Die strikte Geltung des Gleichbehandlungsgebots macht ausdrückliche gesetzliche Verfahrensvorschriften zum An- und Verkauf entbehrlich. Ein Rückkaufsoder Wiederverkaufsangebot hat sich daher an alle Aktionäre zu r i c h t e n . " 1 8 4 Vereinzelt wird der Erwerb durch einzelne Aktionäre in jedem Fall als Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot angesehen. 185 Hierfür ließe sich die soeben zitierte Gesetzesbegründung anführen, wonach sich ein Rückkauf an alle Aktionäre zu richten hat. Nach der ganz herrschenden Meinung muss hingegen ein Rückkaufsangebot nur im Grundsatz gegenüber allen Aktionären abgegeben werden. Es sind sachliche Gründe denkbar, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können. 1 8 6 Für diese Auffassung spricht zunächst, dass ganz allgemein eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt sein kann (siehe etwa Art 3 G G , § 611a BGB). Außerdem nennt der Regierungsentwurf selbst das Beispiel eines zulässigen Erwerbs durch den einzelnen Aktionär: „Bei geschlossenen Gesellschaften kann der Aktienrückkauf im Rahmen des Generationswechsels eine wertvolle Hilfe sein, um einvernehmlich die Anteile ausscheidenswilliger Aktionäre zu übernehmen oder Patt-Situationen im Anteilseignerkreis der verschiedenen Stämme aufzulösen." 1 8 7 Im Übrigen werden die Aktionäre ausreichend geschützt, weil ein solcher Erwerb grundsätzlich nur zulässig ist, wenn das Andienungsrecht durch Beschluss der Hauptversammlung ausgeschlossen wird. Dabei sind desto höhere Anforderungen an die sachliche Rechtfertigung zu stellen, je weniger Aktionäre von einem Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft profitieren. Unabhängig von der Frage, ob eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist, sind bei der Bestimmung des Kaufpreises wegen § 5 7 Abs 1 gewisse Grenzen zu beachten, bei deren Überschreitung eine teilweise Rückgewähr in Betracht kommt (näher Rdn 5 6 ff).

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MünchKomm/Oechsler 1 9 9 9 , 67.

2 0 1 ; Paefgen AG

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BT-Drucks 1 3 / 9 7 1 2 , S 13.

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Hüffer 19k; Peltzer W M 1 9 9 8 , 3 2 2 , 3 2 9 ; von Rosen/Helm AG 1 9 9 6 , 4 3 4 , 4 3 9 . Benckendorff S 2 4 5 f; Berrar/Schnorbus Z G R 2 0 0 3 , 5 9 , 6 5 ; Bezzenberger S 1 2 0 f; Bosse N Z G 2 0 0 0 , 16, 18 ff; Kindl DStR

186

1 9 9 9 , 1 2 7 6 , 1 2 7 9 ; Kopp S 38; Martens AG 1 9 9 6 , 337, 3 4 4 ; MünchKomm/Oecfcs/er 2 0 5 ; Paefgen AG 1 9 9 9 , 67, 7 0 ; ders ZIP 2 0 0 2 , 1 5 0 9 , 1511 f; Wastl DB 1997, 4 6 1 , 4 6 3 ; ders N Z G 2 0 0 0 , 5 0 5 , 5 0 8 f ; eine Ausnahme lässt in engen Grenzen zu Huber FS Kröpf 1997, S 101, 116. 187

BT-Drucks 1 3 / 9 7 1 2 , S 14.

Stand: 1 . 1 1 . 2 0 0 7

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Erwerb eigener Aktien

§71

Es sind verschiedene Sachgründe denkbar, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen: So dürfen zB - wie auch der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist - bei nicht börsennotierten Gesellschaften die Aktien einzelner Aktionäre im Rahmen eines Generationswechsels erworben werden, um Anteile ausscheidungswilliger Aktionäre zu übernehmen oder Patt-Situationen im Aktionärskreis der verschiedenen Stämme aufzulösen (siehe soeben Rdn 78); 188 Voraussetzung ist ein Ermächtigungsbeschluss gem § 71 Abs 1 N r 8, indem zugleich das Andienungsrecht mit qualifizierter Mehrheit ausgeschlossen wird (näher Rdn 69 ff). Ein sachlicher Grund ist ferner regelmäßig gegeben, wenn der Ausnahmetatbestand des § 71 Abs 1 Nr 1 erfüllt ist. In diesen Fällen ergibt sich aus der Natur der gesetzlichen Erwerbserlaubnis gem § 71 Abs 1 Nr 1, dass es ausnahmsweise darauf ankommt, gerade diejenigen Aktien zu erwerben, welche in der Hand ihres gegenwärtigen Inhabers oder eines etwaigen Erwerbers zu einem Schaden der Gesellschaft führen können. 1 8 9 So ist der Erwerb von Aktien einer bestimmten Person gem § 71 Abs 1 N r 1 denkbar im Falle der Forderungssicherung (näher Rdn 171), der Auseinandersetzung zwischen Aktionären (Rdn 172) und ganz ausnahmsweise beim Abkauf einer Anfechtungsklage (Rn 176). Außerdem kann ein ansonsten unverkäufliches Aktienpaket, dessen Präsenz auf dem Markt dem Ansehen der Gesellschaft schadet, gem § 71 Abs 1 Nr 1 erworben werden. 1 9 0 In den Fällen des § 71 Abs 1 Nr 1 besteht die Besonderheit, dass die Hauptversammlung ausnahmsweise nicht durch Beschluss das Andienungsrecht ausschließen muss, weil ansonsten der Vorstand an einer effektiven Gefahrenabwehr gehindert wäre. Der Kaufpreis unterliegt jedoch ebenfalls den Grenzen des § 57 Abs 1 (näher Rdn 173).

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Während das Andienungsrecht durch Beschluss einer qualifizierten Mehrheit ausgeschlossen werden kann, kann durch Zustimmung aller Aktionäre auch der Verzicht auf

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das Vorliegen eines die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Sachgrundes erklärt werden. 191 Dies wird allerdings nicht bei börsennotierten Gesellschaften, bei denen typischerweise nur ein Teil der Aktionäre an der Hauptversammlung teilnimmt, sondern bei geschlossenen Gesellschaften praktische Bedeutung erlangen. bb) Gleichbehandlung bei der Veräußerung. Im Rahmen der Veräußerung gilt eben- 81 falls der Gleichbehandlungsgrundsatz des § 53a. Dies wird von § 71 Abs 1 Nr 8 S 3, wonach § 53a auf Erwerb und Veräußerung anzuwenden ist, ausdrücklich klargestellt (Rn 255). Nach zutreffender Ansicht besteht im Rahmen der Veräußerung ein Bezugsrecht analog § 186 Abs 1, demzufolge jedem Aktionär auf sein Verlangen ein seiner bisherigen Beteiligungsquote entsprechender Teil der von der Gesellschaft veräußerten Aktien zugeteilt wird. 1 9 2 Die Aktionäre sind gleichermaßen schutzwürdig, ob nun neue Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung (§§ 182 ff) oder von der Gesellschaft gehaltene eigene (alte) Aktien ausgegeben werden. 1 9 3 Dieses Bezugsrecht bildet quasi die Kehrseite des im Rahmen des Erwerbs eigener Aktien bestehenden Andienungsrechts (näher Rdn 69 ff). Die Gegenmeinung lehnt das Bezugsrecht der Aktionäre bei der Veräußerung

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BT-Drucks 13/9712, S 14; Benckendorff S 246; Bosse N Z G 2000, 16, 18; MünchKomm/Oechsler 206. GeñedHefermehl/Bungeroth 125; KK/ Lutter 15. MünchKomm/Oecfcs/er 206. Bezzenberger S 121; Huber FS Kröpf, 1997, S 101, 116; MiinchKomm/Oecfes/er 206. Huber FS Kropff 1997, S 101, 118; Hüffer

19m; KK/Lutter § 71c Rdn 27; Martens AG 1996, 337, 342 f; ManchKamm!Oechsler 209; vgl dazu auch OLG Hamm, ZIP 1983, 1332, 1334, wonach eine bergrechtliche Gewerkschaft eigene Anteile an außenstehende Dritte nicht ohne qualifizierte Zustimmung der Gewerkenversammlung veräußern darf. 193

Martens AG 1996, 337, 342 f.

Hanno Merkt

§71

Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und Gesellschafter

eigener Aktien durch die Gesellschaft ab. 1 9 4 Nach ihrer Ansicht stellt die Veräußerung eigener Aktien eine Veräußerung von Gegenständen des Umlaufvermögens dar, weshalb sie als reguläres Umsatzgeschäft zu qualifizieren sei. 195 Außerdem sei die Situation bei der Veräußerung eigener Aktien nicht mit dem in § 186 geregelten Sachverhalt zu vergleichen. 196 Dem kann nicht gefolgt werden, denn der Vorstand kann sowohl bei einer Kapitalerhöhung (§§ 182 ff) als auch bei dem Erwerb eigener Aktien oder bei der Veräußerung eigener Aktien versucht sein, Einfluss auf die Beteiligungsstruktur der Gesellschaft zu nehmen, indem er die Aktien von bestimmten Aktionären kauft oder an bestimmte Aktionäre veräußert. 1 9 7 Die Interessenlage ist also in diesen drei Fällen durchaus vergleichbar. Auch der Gesetzgeber hält die Aktionäre bei der Ausgabe neuer Aktien und bei der Veräußerung eigener Aktien für gleichermaßen schutzwürdig. So heißt es in der Gesetzesbgründung: „Die Hauptversammlung kann auch Abweichungen vom Grundsatz gleichmäßiger Zuteilung bei Wiederveräußerung der eigenen Aktien vorsehen. Die Situation entspricht wirtschaftlich dem Bezugsrechtsausschluss bei neuen Aktien." 1 9 8 Außerdem wäre es widersprüchlich, wenn eine Einflussnahme auf die Beteiligungsstruktur durch den Vorstand beim Erwerb eigener Aktien verhindert würde (indem den Aktionären ein Andienungsrecht zugestanden wird), während man sie bei der Veräußerung eigener Aktien zuließe. 199 Eine Beeinträchtigung der Stimmrechtsmacht der Aktionäre droht beispielsweise, wenn die erworbenen Aktien zunächst breit gestreut waren und nunmehr als Paket auf einen schon maßgeblich beteiligten Aktionär übertragen werden. 2 0 0 Da das Gleichbehandlungsgebot des § 53a - als Grundlage des Andienungsrechts auf Erwerb und Veräußerung gleichermaßen anwendbar ist (vgl die Klarstellung in § 71 Abs 1 Nr 8 S 3), ist es konsequent, den Aktionären das Recht zuzugestehen, an der Veräußerung entsprechend ihrer Beteiligungsquote teilzunehmen. 82

Die Annahme eines Bezugsrechts analog § 186 Abs 1 lässt sich auch mit § 71 Abs 1 Nr 8 S 5 vereinbaren, der für eine Veräußerung ohne Bezugsrecht der Aktionäre einen Beschluss der Hauptversammlung gem § 186 Abs 3 S 1 voraussetzt, wobei die formellen und materiellen Anforderungen an den Ausschluss des Andienungsrechts zu beachten sind (näher Rdn 69 ff und Rdn 283 ff). Die Regelung des § 71 Abs 1 Nr 8 S 5 1. HS ist entsprechend auszulegen, dh die Hauptversammlung hat die Möglichkeit, eine „andere Veräußerung" unter Ausschluss des Bezugsrechts zu beschließen. Sofern ein solcher Beschluss nicht gefasst wird, besteht ein Bezugsrecht (näher Rdn 283 ff). Die Anforderungen des § 186 Abs 3 und 4 analog gelten grundsätzlich auch für den Ausschluss des Bezugsrechts in den anderen Ausnahmefällen des § 71 Abs 1, so etwa wenn die gem § 71 Abs 1 Nr 1 erworbenen Aktien wieder veräußert werden sollen. Daher hat § 71 Abs 1 Nr 8 S 5 insoweit nur klarstellende Funktion.

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(1) Veräußerung unter erneutem Zustimmungsvorbehalt. Die Hauptversammlung kann in dem Beschluss über den Ausschluss des Bezugsrechts verlangen, dass vor der Durchführung der Veräußerung erneut die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen ist. 201 Dies ergibt sich aus § 272 Abs 1 S 5 HGB, wo es heißt: „Ist der Erwerb der Aktien

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Benckendorff S 2 8 0 ff; G e ß l e r / H e f e r m e h l / Bungeroth § 71c Rdn 18; Piepenburg BB 1996, 2 5 8 2 , 2 5 8 4 . Benckendorff S 2 8 0 ff; Geßler/Hefermehl/ Bungeroth § 71c Rdn 18. Benckendorff S 281. Vgl zu dieser Gefahr bei der Kapitalerhöhung MünchKomm/Pe//