Abbildung Und Anpassung: Das Türkenbild in Safawidisc: Das Türkenbild in Safawidisc [1., Aufl. ed.] 3879973431, 9783879973439

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Abbildung Und Anpassung: Das Türkenbild in Safawidisc: Das Türkenbild in Safawidisc [1., Aufl. ed.]
 3879973431, 9783879973439

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Tilmann Trausch Anpassung und Abbildung

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ISLAMKUNDLICHE UNTERSUCHUNGEN • BAND 277 begründet von Klaus Schwarz herausgegeben von Gerd Winkelhane

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ISLAMKUNDLICHE UNTERSUCHUNGEN • BAND 277

Tilmann Trausch

Anpassung und Abbildung Das Türkenbild in safawidischen Chroniken des 16. Jahrhunderts

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. British Library Cataloguing in Publication data A catalogue record for this book is available from the British Library. http://www.bl.uk Library of Congress control number available http://www.loc.gov

www.klaus-schwarz-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden.

© 2008 by Klaus Schwarz Verlag GmbH Erstausgabe 1. Auflage Layout und Herstellung: J2P Berlin Gedruckt unter Verwendung von chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-87997-343-9

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INHALTSVERZEICHNIS Vorwort.................................................................................................................. 7 1 Die Voraussetzungen eines Bildes ............................................................. 9 1.1 Wer waren die Schreiber? Ġeyāṯ ad-Dīn-e Ḫwāndamīr, Ḥasan Beyg-e Rūmlū, Eskandar Beyg-e Torkmān Monšī und ihre Werke........ 11 1.1.1 Ġeyāṯ ad-Dīn-e Ḫwāndamīr .................................................................... 11 1.1.2 Ḥasan Beyg-e Rūmlū .............................................................................. 13 1.1.3 Eskandar Beyg-e Torkmān Monšī........................................................... 15 1.2 Wer waren die Leser? Über die Reichweite safawidischer Chroniken..... 17 1.3 Wer war gemeint? torkī und torkmānī, rūmī und ʿoṯmānī ...................... 20 1.3.1 torkī und torkmānī .................................................................................. 21 1.3.2 rūmī ......................................................................................................... 23 1.3.3 ʿoṯmānī..................................................................................................... 25 2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3

Abbildung und Anpassung: Das Türkenbild in safawidischen Chroniken des 16. Jahrhunderts................................... 28 Die Darstellung der osmanischen Sultane............................................... 28 Die gerechten Sultane: Mehmed II., Bayezid II., Süleyman I. ............... 28 Nur wahrgenommen: Selim II. und Osman II........................................ 43 Die vertragsbrüchigen Sultane: Selim I., Murad III., Ahmed I. ............. 51 Zwischen Rolle, Furcht und Vertrautheit: Wie entsteht ein Sultansportrait?............................................................. 65 Die Darstellung der militärischen Macht der Osmanen ......................... 66 Wohlwollende Beurteilung aus dem Gleichgewicht der Kräfte: 1501-1514................................................................................................ 67 Anerkennung der drückenden osmanischen Überlegenheit: 1514-1587................................................................................................ 71 Aufbegehren gegen den nicht mehr übermächtigen Nachbarn: 1587-1629................................................................................................ 77 Die Eigenschaften der osmanischen Armee ............................................ 84 Von Soldaten und Wesiren: Der kompetente Einzelne........................... 84 Von Ketten und Kanonen: Das funktionierende Ganze......................... 90 Und dennoch: Der unverdiente Sieg....................................................... 96 Schwerwiegende Vorwürfe.................................................................... 101 Wortbruch............................................................................................. 102 Angriffe auf Muslime............................................................................. 106 Versklavung von Muslimen................................................................... 108

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2.5 2.5.1 2.5.2 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.6.5 3 3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.4 3.4.1 3.4.2 4 4.1 4.2 4.3

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Der Kampf gegen die Franken.............................................................. 111 ʿĪne-baḫtī, Mohács und andere Orte: Auf dem Balkan......................... 111 Der safawidische Kampf gegen die Franken: Baḥreyn und Hormūz ..... 117 Die Ausklammerung der Religion......................................................... 119 Fluch über ʿUmar: Was zu erwarten wäre ............................................ 119 Der ṣadr, der şeyhülislām und die kaukasischen Burgen....................... 121 Am Anfang war der Gegensatz ............................................................. 122 Selten und moderat: Die Erwähnungen der Glaubensspaltung in den Chroniken................................................................................... 123 došmanān-e dīn-o-dowlat: Die seltenen Ausnahmen ............................ 126 Der Kontrast zwischen Osmanen und Usbeken ................................... 128 Zu klein, böse und mit Stroh gefüllt: Die Darstellung der usbekischen Herrscher .................................................................... 129 Weil es ihre Sitte ist: Plündern und Morden ......................................... 133 Weil sie einen anderen Glauben haben: Der religiöse Gegensatz ......... 139 Tötet sie, wo immer ihr auf sie stoßt: Die Legitimation weltlicher Auseinandersetzungen .......................................................... 140 Und steht nicht schon bei al-Buḫārī ? Die theologische Auseinandersetzung............................................................................... 145 Ähnliche Voraussetzungen, andere Schlussfolgerungen: Mögliche Gründe für den osmanisch-usbekischen Kontrast................. 151 Macht Angst Chronisten doch gefügig? ................................................ 151 Beiße nie die Hand, die dir Seide abkauft? ........................................... 153 Zwischen ʿefrīt und Rostam: Der Osmane in safawidischen Augen...... 156 Die Intention safawidischer Geschichtsschreibung und ihre Auswirkung auf das Türkenbild ............................................................ 156 Historiographie als Abbild der Historie: Die steigende Bedeutung der Osmanen......................................................................................... 157 Woraus besteht ein Türke? Die Komponenten des safawidischen Türkenbildes.......................................................................................... 159 Literaturverzeichnis............................................................................... 163 Register.................................................................................................. 168

VORWORT Bei der hier vorliegenden Studie handelt es sich um meine im März 2007 an der Ludwig-Maximilians-Universität München eingereichte Magisterarbeit, die für die Veröffentlichung noch einmal überarbeitet wurde. Sowohl im Laufe der Abfassung der Magisterarbeit als auch bei den Vorbereitungen zur Veröffentlichung wurde mir von einigen Personen Hilfe zuteil. Zuerst sind hier meine beiden Professoren Prof. Dr. Hans-Georg Majer und Prof. Dr. Lutz Rzehak zu nennen, die maßgeblich zum Gelingen dieser Studie beigetragen haben. Die Treffen mit Prof. Dr. Majer waren jedes Mal sehr fruchtbar. Sie haben meinen Blick bezüglich verschiedener Herangehenswiesen an ein imagologisches Thema geschärft und mich so in die Lage versetzt, das safawidische Türkenbild genauer nachzeichnen zu können. Prof. Dr. Rzehak war für mich jederzeit ansprechbar und zur Unterstützung bereit und in der Lage, jede noch so kleine Nuance des Persischen des 16. Jahrhunderts so ins Deutsche zu übertragen, dass der Aussage nichts verloren ging. Auch möchte ich Prof. Dr. Davor Dukić herzlich danken, der mir seinen noch unveröffentlichten Artikel zum Thema „Das Türkenbild in der kroatischen literarischen Kultur vom 15. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts“ überließ. Dieser half mir sehr dabei zu verstehen, wie eine imagologische Auseinandersetzung mit den Osmanen aussehen kann. Des Weiteren danke ich Dr. Mehr Newid, der mir bei den teils schwierigen Übersetzungen der Gedichte eine große Hilfe war. Für die Lösung aller technischen Fragen und Probleme gebührt Dr. Yavuz Köse großer Dank. Die vielfältige und kreative Hilfe beim Recherchieren und Beschaffen der Literatur von Herrn Winfried Riesterer von der Orientabteilung der Bayrischen Staatsbibliothek hat mir die Arbeit ungemein erleichtert. Sophie Hildebrandt danke ich für ihre Hilfe, wo immer Not am Mann war. Ein besonderer Dank gebührt meiner Mutter Barbara, die durch ihre 30-jährige Erfahrung als Deutschlehrerin dabei half, meine imagologischen Überlegungen mit der deutschen Grammatik zu versöhnen. Die Transliteration der im Text vorkommenden persischen Wörter folgt den Regeln der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft von 1935. Die langen Vokale sind ā, ī und ū, die kurzen a, e und o, da das der persischen Aussprache am nächsten kommt. Auch das eḍāfe wird mit –e dargestellt. Die

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Wörter arabischer und türkischer Herkunft werden so geschrieben, wie sie im Persischen gesprochen werden, also qezelbāš und nicht qızılbaş. Die Vokalisation der Eigennamen richtet sich nach der Herkunft ihrer Träger. Ein persischer Würdenträger wird als Ḥoseyn wiedergegeben, ein osmanischer als Ḥüseyin und ein arabischer als Ḥusayn. Vereinzelt kommen Personen in den Quellen vor, die von der einen auf die andere Seite übergelaufen sind oder zwischen ihnen taktiert haben. In diesen Fällen ist die Seite entscheidend, auf der diese Leute bei ihrer ersten Erwähnung in den Quellen standen. Der zu den Osmanen geflüchtete persische Prinz Alqās Mīrzā wird also auch nach seiner Flucht nicht zu Ilqās Mīrzā. Das soll auch die Zuordnung einzelner Personen erleichtern. Der besseren Lesbarkeit halber werden eingedeutschte Eigennamen und Fachbegriffe sowie solche Begriffe, die im Text sehr häufig vorkommen, wie etwa Mohammad, Safawiden, Osmanen, Schah und Janitscharen, nicht klein und kursiv geschrieben. Das trifft auch auf die osmanischen Sultane zu. Erscheint ein solcher Name jedoch zwischen weiteren transliterierten Wörtern, wird auch er umschrieben, so zum Beispiel Mowlānā Moḥammad Moškak-e Rostamdārī. Noch heute existierende Städte in der Türkei werden in der modernen türkischen Schreibweise wiedergegeben. Die Arbeit basiert auf drei safawidischen Quellen. Zur besseren Übersicht werden sie in den Fußnoten nur als Abkürzungen angegeben. Die erste Quelle, der vierte Band der Tārīḫ-e Ḥabīb as-Siyar fī Aḥbār Afrād Bašar von Ġeyāṯ ad-Dīn b. Homān ad-Dīn al-Ḥoseynī Ḫwāndamīr, erscheint dort als HS. An einer Stelle im Text wird zudem der dritte Band dieser Chronik herangezogen und mit HS III gekennzeichnet. Die zweite Quelle, das Aḥsan at-Tawārīḫ von Ḥasan Beyg-e Rūmlū, hat das Kürzel AT. Die letzte Chronik schließlich, die dreibändige Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī von Eskandar Beyg-e Torkmān, wird mit TAAA I, TAAA II und TAAA III abgekürzt. Dann folgen jeweils nur noch die Seitenzahlen. Die Referenzen werden bei der ersten Erwähnung vollständig genannt, anschließend dann nur noch der Nachname des Autors, das Erscheinungsjahr in Klammern und die Seitenzahl.

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DIE VORAUSSETZUNGEN EINES BILDES

Das Osmanische Reich war eine große Herausforderung für die meisten seiner Nachbarn. Über die fünf Jahrhunderte seiner Existenz führte das beinahe zwangsläufig zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Osmanen. Sie bildete den Hintergrund für das Osmanenbild in der Geschichtsschreibung der direkten und indirekten Nachbarn des Osmanenstaates. Aus diesen schriftlichen Zeugnissen verschiedener Epochen ist in den europäischen Staaten inzwischen eine große Menge an imagologischen Publikationen zum Türkenbild entstanden.1 Auch für die Safawiden im Osten waren die Osmanen Herausforderung. Kleinere und größere militärische Konflikte, die über die 200 Jahre der Nachbarschaft nie für eine längere Zeit aufhörten, bildeten den Hintergrund für vielfältige und keineswegs immer nur kriegerische Beziehungen. Diese müssen auch in die persische Historiographie jener Zeit Eingang gefunden haben. Dennoch fehlen Arbeiten zur Wahrnehmung der Osmanen bei den Safawiden bisher weitestgehend. Ziel dieser Arbeit ist es, diese Lücke zumindest ein Stück weit zu schließen. Wie sieht das Bild der Osmanen in den safawidischen Chroniken aus? Zeichnen die Perser ein realistisches, lebendiges Bild ihrer Nachbarn. War das überhaupt ihre Intention? In jedem Fall wird es interne wie externe Faktoren gegeben haben, die die Art der Wiedergabe ihrer Nachbarn beeinflusst hat. Da die Darstellung des anderen ja immer auch in nicht geringem Maß der eigenen Abgrenzung dient, stellt sich die Frage, ob die Osmanen nur ein Mittel zur safawidischen Identitätsstiftung waren oder um ihrer selbst willen

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Hier sollen nur einige der neueren Studien genannt sein: Almut Höfert, Den Feind beschreiben. „Türkengefahr“ und europäisches Wissen über das Osmanische Reich 1450-1600, Frankfurt 2004; Petrea Lindenbauer, Der Fremde als „Der Andere“. Eine Studie zur diskursiven Konstruktion des Mauren und des Türken im Echo romanischer Volksliteraturen, Frankfurt 2001; Mustafa Soykut, Image of the “Turk” in Italy. A History of the “Other” in early modern Europe. 1453-1683, Berlin 2001; Nedret Kuran-Burçoğlu, Die Wandlungen des Türkenbildes in Europa vom 11. Jahrhundert bis zur heutigen Zeit. Eine kritische Perspektive, Zürich 2005; Nazan Ölçer, 17. yüzyıl Avrupasında Türk imajı, Istanbul 2005.

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dargestellt wurden. Auf der anderen Seite gibt es, damals wie heute, die politische Realität, die auf das Geschriebene Einfluss hat:

„Historiography is as much the result as it is the record of events, and should, therefore, be expected to react variously to the circumstances in which it is produced, in accordance with the temper of its times. In its prejudices and its assumptions, in its omissions no less than in its contents, it is the reflection of the inconstant human situation…” 2 Passten die Chronisten ihr Osmanenbild gar den Ansichten jener an, die ihre Werke lasen? In dieser Arbeit soll versucht werden, das Türkenbild in der Geschichtsschreibung Persiens unter Schah Esmāʿīl I. und seinen Nachfolgern nachzuzeichnen. Natürlich ist es im Rahmen einer Magisterarbeit nicht möglich, ein so umfassendes Thema angemessen zu behandeln. Daher beschränkt sich die hier vorliegende Arbeit auf das 16. Jahrhundert, genauer gesagt auf die Zeit zwischen der Thronbesteigung Schah Esmāʿīls I. und dem Tode seines Urenkels ʿAbbās I. Als Basis sollen drei Quellen dienen, die Tārīḫ-e Ḥabīb asSiyar fī Aḥbār Afrād Bašar des Ġeyāṯ ad-Dīn b. Homān ad-Dīn al-Ḥoseynī Ḫwāndamīr, das Aḥsan at-Tawārīḫ des Ḥasan Beyg-e Rūmlū und die Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī des Eskandar Beyg-e Torkmān. Die Auswahl dieser drei Werke aus den gut 15 safawidischen Chroniken des 16. Jahrhunderts ist nicht zufällig. Zum einen decken sie den gesamten zu untersuchenden Zeitraum zwischen 1501 und 1629 ab. Zum anderen sollte es durch die teils sehr unterschiedlichen politischen Standpunkte der drei Chronisten möglich sein, verschiedene Strömungen innerhalb der safawidischen Geschichtsschreibung einzufangen und so ein möglichst repräsentatives Bild zu bekommen. Ein Problem, das sich leider nicht umgehen ließ, ist die Tatsache, dass sich die Beschreibung des Türkenbildes ab 985 (1577-78) allein auf Monšīs Urteil stützen muss, weil die anderen beiden Quellen diese Zeit nicht mehr abdecken. Da die Unterschiede und Gemeinsamkeiten seiner Darstellung der Osmanen mit denen der anderen Chronisten in den frühen Epochen verglichen werden

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J.R. Walsh, „The Historiography of Ottoman-Safavid Relations in the Sixteenth and Seventeenth Centuries” in: Historians of the Middle East, hrsg. von Bernard Lewis und P.M. Holt, S. 197.

können, wird trotzdem deutlich werden, dass seine Ansichten auch für die späte Phase nicht absolut zu setzen sind.

1.1

Wer waren die Schreiber? Ġeyāṯ ad-Dīn-e Ḫwāndamīr, Ḥasan Beyg-e Rūmlū, Eskandar Beyg-e Torkmān Monšī und ihre Werke

Die Frage, die sich bei der Untersuchung historischer Werke gemeinhin am leichtesten beantworten lässt, ist die nach dem Verfasser. In aller Regel hat er sich selbst in seiner Schrift genannt. Im Falle der hier bearbeiteten safawidischen Chroniken sind alle drei Autoren zwar bekannt, die persönlichen Informationen über sie bleiben aber überschaubar. Ein genauer Lebenslauf der Schreiber ist hier aber ohnehin nicht von Belang, er soll daher nur kurz abgerissen werden. Entscheidend ist lediglich ihre Verbindung zur herrschenden Schicht der Safawiden. Sie alle waren auf die eine oder andere Art am persischen Staat des 16. Jahrhunderts beteiligt und hatten Einblick in die Anforderungen und Nöte desselben. Daher darf man ihre Chroniken als Ausdruck der offiziellen Geschichtssicht der Safawiden verstehen. 1.1.1

Ġeyāṯ ad-Dīn-e Ḫwāndamīr

So bekannt die Werke von Ḫwāndamīr sind, über den Autor selbst ist vieles bisher verborgen geblieben. Er wurde um 880 (1475-76)3 als Sohn des Ḫwāǧe

Homān ad-Dīn b. Ḫwāǧe Ǧalāl ad-Dīn b. Ḫwāǧe Borhān ad-Dīn Moḥammade Šīrāzī in Herāt geboren. Der Vater hatte hier lange Jahre hohe Positionen in der Verwaltung inne.4 Über seinen Großvater mütterlicherseits, den berühmten Historiker Moḥammad b. Ḫwāndšāh b. Maḥmūd, bekannt als Mīrḫwānd, stammte er aus einer Familie von seyyeds aus Boḫarā.5 Er wurde, wie sein 3

Dieses Datum gibt Roemer an (vgl. Hans Robert Roemer, “The Safavid Period”, in: The Cambridge History of Iran, Volume 6, S. 878). Beveridge nennt dasselbe Jahr (vgl. H. Beveridge, „Khwāndamīr“ in: Enzyklopaedie des Islams. Geogra-

phisches, ethnographisches und biographisches Wörterbuch der muhammedanischen Völker, Band II, S. 964) 4 5

vgl. Beveridge (1927), S. 964. vgl. Sholeh Quinn, Historical Writing during the Reign of Shah ʿAbbas. Ideology, Imitation and Legitimacy in Safavid Chronicles, S. 14.

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Großvater auch, von Mīr ʿAlī Šīr-e Nawāʾī, dem Wesir des Sultans von Herāt, protegiert.6 Dieser ermöglichte es ihm, sich mit Geschichte zu beschäftigen. Dafür schrieb Ḫwāndamīr später ein Buch über ihn. Der Chronist verbrachte seine gesamte Jugend in Herāt und war noch in der Stadt, als Schah Esmāʿīl sie 916 (1510-11) einnahm.7 Auch unter den neuen Herrschern blieb er noch lange in seiner Heimatstadt, bis er schließlich 935 (1528-29) nach Indien ging, an den Hof des zweiten Mogul-Herrschers Homāyūn.8 In dessen Diensten blieb er bis zu seinem Tod im Alter von ungefähr 60 Jahren, wahrscheinlich um das Jahr 941 (1534-35).9 Ḫwāndamīr hat viele Bücher aus verschiedenen Gattungen geschrieben,10 das bekannteste ist sicherlich das Ḥabīb as-Siyar, eine Weltgeschichte. Wie er selbst sagt, begann er auf ein Zeichen Esmāʿīls hin mit ihrer Anfertigung.11 Diese literarische Gattung erfreute sich in frühsafawidischer Zeit großer Beliebtheit. Der Autor beginnt mit frühen, oft auch mythischen Epochen und endet mit der Zeit, in der er lebt; das Ziel ist letztlich die Legitimierung der bestehenden Verhältnisse. Bis zur Zeit von Schah ʿAbbās waren im safawidischen Persien acht offizielle Chroniken entstanden. Sieben davon waren Weltgeschichten und nur eine einzige befasste sich ausschließlich mit der herrschenden Dynastie. Das 6 7 8 9

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Jan Rypka, History of Iranian Literature, S. 441. Von der Einnahme Herāts durch die Safawiden berichtet Ḫwāndamīr im Ḥabīb as-Siyar (vgl. HS, S. 514-517). vgl. Quinn (2000), S. 16. vgl. Roemer (1986). Neben 941 (1534-35) tauchen auch noch 942 (1535-36) [vgl. Rypka (1968), S. 441; Felix Tauer, İreç Afşâr, „İstanbul Kütüphanelerinde bulunan Farsça Tarih Yazmaları” in: Prof. Dr. Ramazan Şeşen Armağanı, S.295] und 943 (1536-37) [vgl. Beveridge (1927), S. 965] als mögliche Todesjahre in der Sekundärliteratur auf. Das Makārem al-Aḫlāq, das Ḫwāndamīr für seinen ersten Förderer Mīr ʿAlī Šīr-e Nawāʾī geschrieben hatte, preist die persönlichen Qualitäten dieses Mannes. Auch sein letztes Buch, das Homāyūn-Nāme, ist eine Biografie [vgl. Rypka (1968), S.449-451]. Das Nāme-ʾe nāmī hingegen ist eine Anleitung zum Briefeschreiben [vgl. Rypka (1968), S. 434]. Seine beiden anderen Werke, sein Erstlingswerk Ḫolāṣat al-Aḫbār und das Ḥabīb as-Siyar, sind Chroniken [vgl. Beveridge (1927), S. 965]. vgl. HS, S. 581.

änderte sich unter ʿAbbās. Während seiner Regierungszeit wurden sieben Chroniken verfasst, nur eine davon noch als Weltgeschichte.12 Zu diesem Zeitpunkt waren die Safawiden schon fest etabliert, eine aus ihrer Geschichte abgeleitete Legitimation der Macht scheint für die offiziellen Chronisten nicht mehr oberste Priorität gehabt zu haben. Ḫwāndamīr fängt in Abschnitt eins mit der vorislamischen Zeit an. In Abschnitt zwei beschreibt er die islamische Geschichte bis zum Ende des Kalifats von Bagdad. Der dritte Band handelt von den Mongolen und der Dynastie Tīmūrs. Der vierte und für die hier vorliegende Arbeit interessante Band beginnt kurz vor dem Regierungsantritt Esmāʿīls und endet im rabīʿ I 930 (8. Januar–6. Februar 1524).13 Das Ḥabīb as-Siyar ist nach Themen geordnet und nicht chronologisch. Es beschränkt sich auf die militärische und politische Geschichte, anderes findet kaum Platz. Neben der Geschichte Irans versucht Ḫwāndamīr auch die Vorgänge in den umliegenden Staaten, die die Safawiden nur mittelbar betrafen, zu berücksichtigen und darzulegen. So schildert er relativ ausführlich die Geschichte der osmanischen Sultane von Bayezid I. bis Selim I..14 Sie dient als Hintergrundinformation zu den Beschreibungen der Aktivitäten der Osmanen in dieser Epoche. Gleiches gilt auch für die östlichen Nachbarn der Safawiden. 1.1.2 Ḥasan Beyg-e Rūmlū Wie bei Ḫwāndamīr, so ist auch das Geburtsjahr Rūmlūs noch Gegenstand von Debatten. Quinn gibt das Jahr 938 (1531-32) an,15 Savory 937 (1530-31)16 und Roemer legt sich nicht fest. Er schreibt lediglich, der safawidische Chronist sei kurz nach 1530 geboren worden.17 Das ist umso erstaunlicher, als Ḥasan Beyg-e Rūmlū sein Geburtsjahr selbst angibt, und zwar mit 937 (153031).18 Er entstammte einer Familie mit militärisch-politischer Tradition. Schon 12 13 14 15 16 17 18

vgl. Quinn (2000), S. 25. vgl. HS, S. 602. vgl. HS, S. 543-545. Quinn (2000), S. 18. Roger Savory, „Ḥasan-i Rūmlū“ in: The Encyclopedia of Islam, New Edition, Band III (1971), S. 253. vgl. Roemer (1986), S. 345. vgl. AT, S. 313.

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sein Großvater, Amīr Solṭān-e Rūmlū, war Soldat gewesen, außerdem noch eine Weile lang Gouverneur von Qazwīn.19 Rūmlū selbst machte auch Karriere in der Armee und brachte es bis zum qūrčībāšī, dem Chef der königlichen Leibwache. In dieser Position begleitete er Schah Tahmāsb, nach eigenen Angaben war er seit 948 (1541-42) im königlichen Gefolge,20 auch auf vielen Feldzügen.21 Dies sollte ihm beim Schreiben des Aḥsan at-Tawārīḫ noch eine große Hilfe sein. Wie lange Ḥasan Beyg-e Rūmlū lebte, ist ebenfalls nicht geklärt. In jedem Fall starb er nach 985 (1577-78), da in diesem Jahr seine Chronik endet.22 Das Aḥsan at-Tawārīḫ, größtenteils geschrieben im Jahr 980 (1572-73),23 war ursprünglich als eine allgemeine, vergleichende Geschichte in zwölf Bänden angelegt. Davon sind allerdings nur zwei fertig gestellt geworden.24 Der erste umfasst die Zeit von 807 (1404-05) bis 899 (1493-94).25 Der zweite und hier interessante Band beginnt im Jahr 900 (1494-95) und endet 985 (157778).26 In ihm beschreibt Rūmlū die Geschichte Persiens und seiner Nachbarn. Er geht dabei streng chronologisch vor und handelt jedes Jahr wird einzeln ab.

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vgl. Savory (1971), S. 253.

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AT, S.389. Da Rūmlū, wenn wir seinen eigenen Angaben glauben, zu diesem

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Zeitpunkt aber erst 11 Jahre alt war, dürfte er zu Beginn noch keine wichtigen Posten inne gehabt haben. vgl. Quinn (2000), S.18. Floor hat die Entwicklung und Organisation der königlichen Leibwache bei den Safawiden genau untersucht. Er gibt auch eine Liste der qūrčībāšīs im 16. und 17. Jahrhundert an, so weit diese dem Namen nach noch bekannt sind. In dieser Liste fehlt Ḥasan Beyg-e Rūmlū. Zu den qūrčīs siehe: Willem Floor, Safavid Government Institutions, S. 137-144. Der Text endet hier recht abrupt mit einem Bericht über einen Feldzug des osmanischen Paschas von Erzerum Richtung Persien (vgl. AT, S. 657-658). Es ist also möglich, dass die Chronik ursprünglich noch weiter gehen sollte. AT, S. 389. Unklarheit besteht, um welche der ursprünglich zwölf geplanten Bände es sich bei den zwei fertig gestellten handelt. Während Rypka die Bände als elf und zwölf angibt [vgl. Rypka (1968), S. 441], finden sich bei Savory die Nummern zehn und elf [vgl. Savory (1971), S. 253]. Die in dieser Arbeit verwendete Ausgabe der Handschrift gibt im Vorwort ebenfalls Band 12 an (vgl. AT, S. 3). vgl. Savory (1971), S. 253. vgl. AT, S. 11, 657.

Entwicklungen, die sich über mehrere Jahre hinziehen, werden jeweils an der entsprechenden Stelle fortgesetzt. Rūmlū liefert auch zahlreiche Informationen zu den Nachbarn der Safawiden, allen voran den Osmanen und den Usbeken. Er beschränkt sich dabei nicht auf die Aktivitäten, die Persien betreffen, sondern bringt auch Hintergrundinformationen, die mit Iran direkt nicht sehr viel zu tun haben. Im Falle der Osmanen sind das vor allem teils sehr ausführliche Beschreibungen der Kriege gegen Venezianer und Habsburger. Am Stil des Schreibers erkennt man den Soldaten. Die eigentlich im Persischen obligatorischen Ausschmückungen fehlen. Inhaltlich beschränkt sich das Aḥsan at-Tawārīḫ, wie die anderen untersuchten Chroniken auch, nahezu ausschließlich auf das militärische und politische Geschehen. Zusätzlich dazu nimmt die Beschreibung der verschiedenen Waffengattungen bei Rūmlū deutlich mehr Raum ein als bei den anderen Werken.27 Charakterbeschreibungen dagegen versagt er sich fast vollständig. 1.1.3

Eskandar Beyg-e Torkmān Monšī

Eskandar Beyg beantwortet die Frage, wann er geboren wurde, ebenfalls selbst. Im Jahr 994 (1585-86) befand er sich nach eigener Aussage im Gefolge des Thronfolgers Ḥamza Mīrzā. Damals sei er, der Schreiber der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī, 26 Jahre alt gewesen.28 Da der Prinz am 22. ḏuʾl-ḥeǧǧa dieses Jahres (4. Dezember 1586) ermordet wurde,29 Monšīs Erwähnung also vor diesem Datum anzusiedeln ist, wurde der Chronist entweder 968 (156061) oder 969 (1561-62) geboren.30 Er machte, wie sein Titel monšī, der im Persischen Sekretär oder Schreiber bedeutet, zeigt, Karriere in der königlichen

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Zum Beispiel unterscheidet er als einziger, wenn er die Größe von Armeen abschätzt, konsequent zwischen sawār, Berittenen und piyāde, Fußsoldaten, so etwa bei der Beschreibung der Schlacht von Čalderān (vgl. AT, S.188). Auch bei der Zusammenstellung der osmanischen Flotte geht er sehr gerne ins Detail (vgl. AT, S. 55-59). vgl. TAAA I, S. 336. Die Ermordung des Kronprinzen Ḥamza Mīrzā schildert Monšī ebenfalls sehr ausführlich in seinem Werk (vgl. TAAA I, S. 346-350). Quinn gibt 968 (1560-61) an [vgl. Quinn (2000), S. 22], Savory ebenfalls [vgl. Roger Savory, „Iskandar Beg al-Shahīr bi-Munshī “ in: The Encyclopedia of Islam, New Edition, Band IV (1990 ), S. 130].

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Kanzlei. Über ihn selbst und seinen beruflichen Werdegang ist relativ wenig bekannt. Sicher ist nur, dass er nach seiner Anstellung bei Ḥamza Mīrzā ins Gefolge des Schahs selbst kam.31 Ab da war er also entweder Augenzeuge der hohen persischen Politik oder aber hatte zumindest direkten Zugang zu solchen. Des Weiteren dürften ihm durch seine Arbeit die königlichen Archive offen gestanden haben, er konnte sich also für die vergangenen Zeiten auf verlässliche Quellen stützen. Noch weniger genau als sein Geburtsjahr ist sein Todesjahr zu bestimmen. Sicher ist nur, dass es nach 1038 (1628-29) gewesen sein muss. In diesem Jahr, am 24. ǧomādā I (19. Januar 1629), endet mit dem Tod von Schah ʿAbbās seine Geschichte.32 Zu diesem Zeitpunkt muss er also noch gelebt haben. Rypka nimmt an, dass Eskandar Beyg noch im selben Jahr wie sein großer Förderer gestorben ist.33 Savory vermutet, er habe noch bis 1042 (1632-33) gelebt.34 Eskandar Beygs Werk, die Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī, besteht aus drei Bänden. Im ersten erzählt Monšī die Geschichte der Schahs Esmāʿīl I., Tahmāsb, Esmāʿīl II. und Mohammad Schah. Sie dient aber lediglich als ausführliche Vorgeschichte zum eigentlichen Thema. Am Ende dieses Bandes folgt die Beschreibung der guten Eigenschaften von Schah ʿAbbās.35 Der zweite Band beginnt mit dessen Thronbesteigung im Jahr 995 (1586-87). Während der erste Abschnitt noch nach Themen unterteilt war, geht Monšī von nun an chronologisch vor. Er beschreibt jedes Jahr einzeln, längere Entwicklungen werden dadurch immer wieder unterbrochen und an entsprechender Stelle fortgesetzt. Die ersten beiden Bände stellte Monšī 1025 (1616-

31

32 33 34 35

16

Seine genaue Beschreibung der positiven Eigenschaften von Schah ʿAbbās am Ende des ersten Bandes seiner Chronik, seien diese nun geschönt oder nicht, lassen darauf schließen, dass er einigen Umgang mit dem Herrscher hatte. vgl. TAAA III, S. 1077. vgl. Rypka (1968), S. 445. vgl. Savory (1990), S. 130. In der hier verwendeten Edition der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī, herausgegeben von Īraǧ-e Afšār, sind diese Kapitel hinten an Band III angehängt. Sie sind damit nicht mehr Teil des eigentlichen Textes und finden sich im zweiten Band der Ausgabe auf den Seiten 1099-1116.

17) fertig.36 Der dritte Teil setzt lediglich den zweiten fort. Er endet mit dem Tod von Schah ʿAbbās im Jahr 1038 (1628-29). Auch die Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī, in ihrer hier verwendeten publizierten Ausgabe ungefähr 1100 Seiten lang und damit die umfangreichste der verwendeten Quellen, beschäftigt sich nicht nur mit der Geschichte Irans. Die Nachbarstaaten, allen voran die Osmanen, Usbeken und die Herrscher Indiens finden ebenfalls Erwähnung. Teilweise sind die Informationen zu den anderen Dynastien sogar sehr detailliert.37 Unter anderem bei diesen Themenbereichen dürfte es Monšī zugute gekommen sein, dass er Zugang zu den königlichen Archiven und dem darin verwahrten diplomatischen Schriftverkehr hatte. Inwieweit er, was die benachbarten Herrscherhäuser betrifft, Zugang zu Augenzeugen bestimmter Ereignisse hatte, ist wohl nicht mehr zu rekonstruieren.

1.2

Wer waren die Leser? Über die Reichweite safawidischer Chroniken

Weit schwieriger als die Frage nach den Schreibern historischer Werke lässt sich im Allgemeinen die nach deren Lesern beantworten. Das trifft ebenfalls auf die safawidischen Chroniken zu. So wäre es auch hier interessant zu wissen, wer alles die in dieser Arbeit verwendeten Werke gelesen hat; für ihre abschließende Bewertung und Einordnung ist dieses Wissen sogar unabdingbar. Im Bezug auf das in ihnen enthaltene Türkenbild muss diese Frage aber nicht beantwortet werden. Hier ist lediglich von Bedeutung, ob Osmanen unter den potentiellen Lesern waren oder auch nur, ob die Schreiber davon ausgehen mussten, dass sie es sein könnten. Denn es stellt sich die Frage, ob allein die Möglichkeit, dass die Osmanen über den Inhalt der persischen Chroniken Bescheid wussten, nicht auch deren Inhalt beeinflusst hat. Beim Türkenbild in der kroatischen Literatur scheint nämlich genau das der Fall gewesen zu sein. So hat Davor Dukić herausgestellt, dass die Osmanen in der 36 37

Savory (1990), S. 130. Als Beispiel mag hier die Strangulation des ältesten Sohns des osmanischen Sultans Mehmed III. gelten. Dieser sei ermordet worden, weil eine Fraktion innerhalb des Harems seine Mutter nicht mochte (vgl. TAAA II, S. 647). Die Tatsache, dass Monšī von diesem Ereignis berichtet, zeigt, dass er relativ gute Quellen über die Vorgänge bei den Osmanen gehabt haben muss.

17

Literatur Dubrovniks zwar präsenter sind als anderswo in Kroatien, wegen der räumlichen Nähe und der politischen Abhängigkeit vom mächtigen Nachbarn wird dieses Thema dort aber sehr viel zurückhaltender behandelt als in weiter entfernten Landesteilen.38 Ob sich diese Situation von Kroatien, Dubrovnik war immerhin lange Zeit Teil des Osmanischen Reiches, auf Persien übertragen lässt, ist nicht sicher. Die Safawiden befanden sich in einer ungleich stärkeren Position als die Kroaten. Dennoch waren auch sie ihren Nachbarn militärisch nicht gewachsen, wovon die vielen osmanischen Feldzüge nach Persien beredtes Zeugnis ablegen. Insofern ist nicht auszuschließen, dass auch die Perser stets ein Auge auf potentielle Leser jenseits der Grenze hatten. Um die Ausbreitung safawidischer Chroniken zu bestimmen, insbesonders im Hinblick darauf, ob sie bis zu den Osmanen reichte, stellt sich zunächst einmal die Frage nach den Voraussetzungen, die jemand erfüllen musste, der diese Werke lesen und verstehen wollte. Sie lassen sich in zwei Kategorien einteilen, die man als persönliche und technische bezeichnen könnte. Des Lesens und Schreibens mächtig zu sein war nur die Grundvoraussetzung der persönlichen Qualifikation. Um die blumige Ausdrucksweise der Chroniken wirklich verstehen zu können, musste ein potentieller Leser das Persische sehr gut beherrschen, ebenfalls hilfreich waren Grundkenntnisse im Arabischen. Über die Alphabetenquote im Persien des 16. Jahrhunderts kann man bestenfalls begründete Vermutungen anstellen.39 Wie viele Perser diese 38

39

18

vgl. Davor Dukić, „Das Türkenbild in der kroatischen literarischen Kultur vom 15. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts“ in: Erinnern und Vergessen in den Kulturen Südosteuropas, hrsg. von R. Lauer, S.21. Das genaue Gegenteil hat er in den Schriftquellen Dalmatiens festgestellt. In ihnen fällt das Urteil über die Osmanen viel härter aus, Venedig dagegen steht in weit günstigerem Licht da als in der Literatur aus Dubrovnik. Dementsprechend gehen die Einschätzungen zu dieser Frage auch weit auseinander. Der deutsche Persienreisende des 17. Jahrhunderts Adam Olearius schreibt dazu: „ Man findet selten einen Perser, er sei auch wes Standes er wolle, der nicht lesen und schreiben könne“ (Adam Olearius, Vermehrte Newe Beschreibung der Muscowitischen vnd Persischen Reyse. Schleswig 1656, S. 613). Floor dagegen schätzt, es können kaum mehr als 5% gewesen sein, die des Lesens und Schreibens mächtig waren (vgl. Willem Floor, The Economy of Safavid Persia, S. 7-8). Golschani, der das persische Bildungssystem des 16. und 17. Jahrhunderts in Theorie und Praxis sehr ausführlich beschreibt, scheint sich gerade in dieser Frage

Werke also tatsächlich lesen konnten, ist heute nicht mehr zu sagen. Selbst hier dürften die Texte nur Teile der Oberschicht erreicht haben; selbst dass ein ranghoher qezelbāš das Ḥabīb as-Siyar verstanden hätte, darf bezweifelt werden. Im Hinblick auf potentielle osmanische Leser geben die persönlichen Voraussetzungen ebenfalls keinen Aufschluss. Da die osmanische Oberschicht eine Bildungselite war, darf man davon ausgehen, dass diese Leute Persisch und Arabisch in außreichendem Maß beherrschten. So beschreibt Cornell Fleischer, wie der spätere osmanische Gelehrte Mustafa Ali schon im Alter von sechs Jahren begann, Arabisch zu lernen. Bereits mit 15 Jahren habe er, neben Türkisch und einer neuen Form der osmanischen Hochsprache, gute Kenntnisse im Arabischen und Persischen gehabt.40 Dieser Junge war, wie Fleischer betont, keine Ausnahmeerscheinung. Er hatte lediglich begonnen, die Ausbildung eines Mannes zu durchlaufen, der später einmal zur literarisch gebildeten Schicht des Osmanenreiches gehören sollte. Daher müssen wir uns anderer Mittel bedienen, um die Frage nach möglichen osmanischen Lesern zu beantworten. Die zweite zu erfüllende Voraussetzung muss uns also der Antwort näher bringen. Unter den technischen Einschränkungen ist die Möglichkeit zu verstehen, an eine Abschrift der Chronik zu gelangen. In einer durch den iranischen Historiker Īraǧ-e Afšār überarbeiteten Liste des tschechischen Orientalisten Felix Tauer sind alle persischsprachigen Handschriften aufgeführt, die sich in Istanbuler Bibliotheken befinden. Soweit bekannt, ist dort auch das Datum der Abschrift und im Idealfall sogar der Abschreiber selbst vermerkt. In dieser Liste finden sich 23 Abschriften des Ḥabīb as-Siyar von Ḫwāndamīr,41 bei vieren davon ist der entscheidende vierte Band enthalten: Nr. 157, abgeschrieben 996 (1597-88); Nr. 162, abgeschrieben 1015 (1606-07); Nr. 164, abgeschrieben 1090 (1679-80); Nr. 173, Abschreibedatum unbekannt. Des Weiteren befinden sich drei Abschriften des Aḥsan at-Tawārīḫ von Rūmlū in Istanbul, die alle den entscheidenden zwölften Band enthalten;42 Nr. 191,

40 41 42

nicht festlegen zu wollen, siehe: Abdolkarim Golschani, Bildungs- und Erziehungswesen Persiens im 16. und 17. Jahrhundert. vgl. Cornell Fleischer, Bureaucrat and Intellectual in the Ottoman Empire. The Historian Mustafa Âli (1541-1600), S. 18-25. Tauer, Afşâr (2005), S. 295-296. Tauer, Afşâr (2005), S. 297.

19

abgeschrieben im 10. Jahrhundert (16. Jahrhundert.); Nr. 192, abgeschrieben am 16. šaʿbān 1012 (19. Januar 1604); Nr. 193, abgeschrieben im safar 1014 (18. Juni–16. Juli 1605). Interessant für die vorliegende Fragestellung ist vor allem die Nummer 192, da deren Abschreiber, Karīm b. ʿEyn-ʿAlī-ye Tabrīzī, ein Perser war. Von der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī schließlich sind zehn Abschriften in Istanbul vorhanden:43 Nr. 538-547. Bei allen handelt es sich um das komplette Werk, abgeschrieben sind sie zwischen 1050 (1640-41) und 1159 (1746-47). Auch hier sind bei drei der Handschriften, Nr. 538, Nr. 539 und Nr. 543 die Abschreiber eindeutig als Perser zu identifizieren. Bei Nr. 543 ist dazu noch der Ort, an dem die Abschrift angefertigt wurde, bekannt. Lorestān befindet sich in Persien. Zu jeder der Kopien ist angegeben, in welcher Bibliothek sie sich heute befindet. Das sagt natürlich nichts darüber aus, wo diese Werke im 16. und 17. Jahrhundert aufbewahrt wurden und wer Zugang zu ihnen hatte. Für die hier vorliegende Fragestellung ist das aber auch nicht so wichtig. Festzuhalten bleibt, dass die Osmanen schon im 16. und 17. Jahrhundert im Besitz von Kopien der safawidischen Chroniken waren und ebenfalls die sprachliche Kompetenz hatten, sie zu lesen. Unter den Abschreibern befanden sich auch Perser und diese offiziellen Chroniken konnten sicher nicht ohne Wissen von Amtsträgern kopiert werden. Daher darf man davon ausgehen, dass sich die persische Oberschicht, zu der gehörten alle drei Chronisten, dieser Tatsache auch bewusst war. Ob das, was in den Chroniken über die Osmanen geschrieben steht, dadurch beeinflusst wurde, ist zu untersuchen.

1.3

Wer war gemeint? torkī und torkmānī, rūmī und ʿoṯmānī

Um das Türkenbild der safawidischen Chronisten beschreiben zu können, muss man zuerst die verschiedenen Namen unterscheiden, die sie ihren Nachbarn gaben. Zum einen ist die Definition der Begrifflichkeit die Grundvoraussetzung jeder wissenschaftlichen Arbeit. Zum andern aber ist davon auszugehen, dass die Auswahl der Bezeichnungen nicht zufällig war. Deshalb ist es hier, im Falle einer imagologischen Analyse, von besonderer Bedeutung, ob jemand ein torkī war oder ein rūmī. 43

20

Tauer, Afşâr (2005), S. 317.

1.3.1

torkī und torkmānī

Die beiden Begriffe Türke und Turkmene haben heute eine unterschiedliche Bedeutung, in der Fachliteratur wie in der Umgangssprache. Der Grund dafür scheint die Übernahme älterer Terminologie zu sein, denn schon in den vorosmanischen Schriften taucht diese Unterscheidung auf. Ein türk war jemand, der in irgendeiner Form ein direktes Mitglied des organisierten Staatswesens war. Ein in aller Regel nomadisierender Stammesangehöriger dagegen, der sich oft auch dem Zugriff der Herrschenden entzog, wurde als türkmen bezeichnet,44 auch wenn dieser der Abstammung nach ebenfalls Türke war. In den osmanischen Quellen muss man also eine Unterscheidung treffen, die im Allgemeinen auch gleich eine Wertung impliziert. Im Falle der drei untersuchten persischen Chroniken dagegen scheint diese Trennung zwischen torkī und torkmānī unnötig, da ein Bedeutungsunterschied nicht zu erkennen ist. Torkmān taucht das erste Mal gleich zu Beginn des Ḥabīb as-Siyar auf, als w Ḫ āndamīr die Einnahme von Tabrīz durch Schah Esmāʿīl beschreibt.45 Er benutzt den Begriff an dieser Stelle als Bezeichnung für die Aq-Qūyunlū, die Herren Aserbaidschans, Ostanatoliens und Nordmesopotamiens. Das Vorgängerreich der Safawiden war sowohl mehrheitlich in einem Stammessystem organisiert als auch türkischen Ursprungs. Die Bevölkerung dieses Reiches hatte nomadische und sesshafte Elemente. Allein daran kann man also noch nicht festmachen, dass eine Unterscheidung der beiden Begriffe hier nicht nötig ist. Als Monšī den Maler Ṣādeqī Beyg-e Afšār beschreibt, nennt er ihn einen tork.46 Auch auf diesen Mann trifft wieder beides zu: Er ist türkischer Abkunft und gehört zu einem großen nomadisierenden Stamm, dem der Afšār. Dennoch ist er kein torkmān. Gleiches gilt für Emāmqolī Ḫān-e Ostāǧlū, den Monšī ebenfalls als tork bezeichnet.47 Schon anhand dieser drei Beispiele, denen weitere hinzuzufügen wären, kann man sehen, dass es in den safawidischen Geschichtswerken keine Unterscheidung zwischen tork und 44

45 46 47

Sehr deutlich wird diese Unterscheidung für die Zeit der Salǧūqen bei Cahen, siehe: Claude Cahen, Pre-Ottoman Turkey. A general Survey of the material and spiritual Culture and History c. 1071-1330, S. 19-50. vgl. HS, S. 467. vgl. TAAA I, S. 175. vgl. TAAA II, S. 503.

21

torkmān gibt. Die Erklärung dafür ist ganz einfach die, dass sie nicht nötig war. Ein Türke, der keinem der großen Stämme angehörte, kam im Persien des 16. Jahrhunderts praktisch nicht vor. Was die persischen Geschichtswerke dann wieder mit ihren osmanischen Gegenstücken gemein haben, ist, dass beide Begriffe in ihnen nahezu ausschließlich negativ belegt sind. Im zuerst genannten Beispiel, der Eroberung von Tabrīz, beendet Esmāʿīl sofort …die grausame Finsternis der Unterdrückung der Tyrannen der Turkmenen...

‫…ﻇﻠﻤﺖ زادی ﻇﻼم ﻇﻠﻢ ﻇﻠﻤﺔ‬ 48

…‫ﺗﺮاﮐﻤﻪ‬

Dieser Satz ist mehr als nur eine Schilderung turkmenischen Fehlverhaltens, durch die Wortwahl wird er zur Anklage. Ein weiteres Wort, das häufig im Zusammenhang mit tork vorkommt, ist sādeh, einfach, schlicht. So wird etwa Emāmqolī Ḫān-e Ostāǧlū als tork-e sādeh, als schlichter Türke beschrieben.49 Den Baumeister der Grabstätte von Allāhverdī Ḫān in Mašhad, auch er ein Türke, charakterisiert Monšī ebenfalls als einfachen, naiven Menschen, als tork-e sādeh-del.50 Besonders schlecht ist Darstellung der Türken, als Rūmlū einen erneuten Ansturm der Usbeken auf Herāt im Jahr 957 (1550-51) schildert. Hier unterteilt er die angreifende Armee in ozbekān-e nāmī, berühmte Usbeken und torkān-e ḥarāmī, betrügerische Türken.51 Bezeichnend ist, dass die torkān hier noch negativer dargestellt werden als die Usbeken, die sonst die Rolle des Erzfeindes übernehmen müssen. Dass auch sie eigentlich ein Turkvolk sind, spielt in den safawidischen Chroniken keine Rolle. Ein letztes Beispiel, wie das Wort tork in den Quellen benutzt wird, liefert ein Gedicht des Persers Moūlānā Omīdī, welches Ḫwāndamīr der Nachricht von dessen Tod am Ende des Ḥabīb as-Siyar angefügt hat: 48

49 50 51

22

HS. S.467. Der Gebrauch von gleich vier Stämmen der arabischen Wurzel „ẓ-l-m = Unrecht, Übles tun; Unrecht zufügen, jm. ungerecht behandeln, bedrücken, unterdrücken, tyrannisieren, schädigen, tyrannisch handeln, freveln“ zeigt, wie negativ der Autor hier die Turkmenen darstellen will. vgl. TAAA II, S. 503. vgl. TAAA II, S. 871. vgl. AT, S. 444.

Du bist ein halb betrunkener Türke; Ich bin ein halb

Du kannst mich leicht brechen; Ich kann schwer mit

‫ﮐﺎر ﺗﻮ از ﻣﻦ‬

‫ﺗﻮ ﺗﺮک ﻧﻴﻢ‬

‫ﺁﺳﺎن ﮐﺎم ﻣﻦ‬

‫ﻣﺴﺘﻲ ﻣﻦ ﻣﺮغ‬

52

‫از ﺗﻮ ﻣﺸﮕﻞ‬

‫ﻧﻴﻢ ﺑﺴﻤﻞ‬

unterwürfiger Vogel dir auskommen

Das Gedicht sagt nicht, wer genau mit dem halb betrunkenen Türken gemeint ist. Daher kann man davon ausgehen, dass der Dichter diese Aussage auf Türken im Allgemeinen bezogen hat. Da auch Ḫwāndamīr dazu keinerlei Angaben beisteuert, dürfte er diese Ansicht geteilt haben. Ein tork und ein torkmān, gleich welchen sozialen Ranges, Berufes oder gesellschaftlichen Umfeldes, ist also ein Angehöriger eines Turkvolkes. Zwischen Einwohnern des Osmanischen Reiches, Persiens oder anderer Staaten wird kein Unterschied gemacht. Die Beschreibung der so benannten Einzelpersonen und Gruppen ist in nahezu allen Fällen negativ, oft sogar sehr. Das haben die persischen Chroniken dann wieder mit den osmanischen gemein. 1.3.2 rūmī Das Wort rūmī hat durch die Zeit und in den verschiedenen islamischen Staaten viele unterschiedliche Bedeutungen gehabt.53 Für den Kontext der safawidischen Chroniken sind diese Unterschiede und Wandlungen aber nebensächlich, denn dort meint dieser Begriff eine klar umrissene Gruppe. Der erste Kontakt zwischen Osmanen und Safawiden im Ḥabīb as-Siyar fand gleich zu Beginn des 16. Jahunderts statt. Hier taucht dann auch das erste Mal der Begriff rūm auf. Ein Botschafter des qayṣar-e rūm, des osmanischen Sultans Yıldırım Bayezid, kam an den Hof von Schah Esmāʿīl.54 Ein paar Jahre später kämpften die Safawiden dann in der Ebene von Čalderān gegen

52 53 54

vgl. HS, S. 612. Zur Etymologie des Wortes rūmī siehe: Halil İnalcik, „ Rūmī“ in: The Encyclopedia of Islam, New Edition, Band VIII (1995), S. 612. vgl. HS, S. 480-481. Der Begriff qayṣar taucht immer wieder für den osmanischen Sultan auf. Die Annahme, die Bezeichnung des osmanischen Sultans als Kaiser von Rom impliziere eine besondere Bedeutung dieses Herrschers, ließ sich in den Quellen nicht bestätigen. Außerdem macht Ḫwāndamīr gleich zu Beginn seiner Auseinandersetzung mit den Osmanen einen Fehler. Yıldırım ist der laqab von Bayezid I., hier muss es sich aber um Bayezid II. handeln.

23

die ʿafārīt-e rūm, die osmanischen Dämonen.55 Zwar ist die Wortwahl in diesem Fall unüblich scharf, aber man sieht, wer mit rūmī gemeint ist: jemand, sei es ein einfacher Soldat oder der Sultan selbst, der Teil der osmanischen Armee ist. Besonders deutlich wird es, wenn Rūmlū den dritten Feldzug von Sultan Süleyman nach Aserbaidschan im Jahr 955 (1548-49) beschreibt. Dessen Armee, die aus Soldaten zusammengestellt war, zog Richtung Tabrīz und nahm die Stadt ein. …aus den Provinzen Ungarn, Wallachei, Bosnien Serbien, Peloponnes, Moldawien, Rhodos, Anatolien,

Menteşe-Īlī, Karaman, Maraş, Aleppo, Damaskus, Ägypten, Ḥicāz, Yemen, Diyarbakir, dem arabischen Irak und Kaffa…

‫…ﮐﻪ از وﻻﻳﺖ اﻧﮑﺮوس و اﻓﻼق و‬ ‫ﺑﻮﺳﻨﻪ و ﺳﺮب و ﻣﻮرﻩ و‬ ‫ﻗﺮاﺑﻐﺪان و اﻳﺮﻩ دوﺳﺖ و‬ ‫ﺁﻧﺎدوﻟﯽ و ﻣﻨﺘﺸﺎاﻳﻠﻲ و‬ ‫ﻗﺮاﻣﺎن و ﻣﺮﻋﺶ و ﺣﻠﺐ و ﺷﺎم و‬ ‫ﻣﺼﺮ و ﺣﺠﺎز و ﻳﻤﻦ و دﻳﺎر ﺑﮑﺮ‬ 56

…‫و ﻋﺮاق ﻋﺮب و ﮐﻔﻪ‬

Aus welcher Provinz jemand kommt, ob er Muslim ist oder nicht und welcher sozialen Klasse er angehört, spielt keine Rolle. Sie alle sind rūmīyān. Nachdem die Osmanen Tabrīz erobert hatten, blieben sie vier Tage in der Stadt. Die Soldaten, die vor ihrem Rückzug noch plünderten und brandschatzten, nennt Monšī ebenfalls rūmīyān.57 Weitere Differenzierungen nach Klasse, Herkunft oder Religion sind auch bei ihm nicht zu finden. Bis auf ganz wenige Male werden alle Personen, die in irgendeiner Weise am osmanischen Staat teilhaben, als rūmī bezeichnet. Einige dieser die Regel bestätigenden Ausnahmen finden sich bei Monšī. Im zweiten Band der Tārīḫe ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī beschreibt er die Eroberung der Festung von Nehāwand. Bevor die Safawiden angreifen, versucht ein osmanischer Unterhändler noch, die Besatzung zur Aufgabe zu überreden. Diesen nennt Monšī Mehmed Āqā-ye Tork.58 Ein weiteres Beispiel findet sich bei der Beschreibung des

55

vgl. HS, S. 546.

56

AT, S. 423-424. vgl. TAAA I, S. 71. vgl. TAAA II, S. 636.

57 58

24

osmanischen Sultans Ahmed I.. Einmal tituliert er diesen als pādešāh-e torkī, als türkischen Herrscher.59 Ob das Absicht des Autors war oder nicht, lässt sich schwer sagen. Über den osmanischen Unterhändler äußert sich Monšī nicht persönlich. Im Falle Ahmeds I. ist es aber nicht auszuschließen, dass er diesen Sultan, der in seiner Quelle auch sonst nicht den besten Ruf genießt, als tork diffamieren will. Das entspräche dem in den Quellen üblichen Gebrauch des Wortes. Als rūmī bezeichnete Einzelpersonen oder Gruppen werden, anders als tork und torkmān, keineswegs immer negativ dargestellt. Zwar kommt das vor, wie bei den osmanischen Dämonen gesehen, ist aber nicht die Regel. Vielen, besonders wenn sie namentlich genannt sind, wird sogar Tapferkeit und Mut zugestanden. Rūmī ist also lediglich ein Terminus technicus, um die Angehörigen der militärischen und politischen Klasse des Osmanenreiches unabhängig von sozialer Schicht, Herkunft oder Religion zu benennen. 1.3.3 ʿoṯmānī In der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī kommt, neben torkī und rūmī noch ein dritter Begriff vor, um Teile der osmanischen Gesellschaft zu benennen, ʿoṯmānī. Er steht fast nie allein, sondern immer in Verbindung mit Wörtern wie selsele, Dynastie, āl, Familie und ḫānewāde, Familie. Oft taucht dieser Begriff im Zusammenhang mit Gesandten des osmanischen Hofes auf, wenn die Briefe, die diese Leute überbrachten, direkt vom Sultan kamen. So schickte …der osmanische Herrscher Sultan Süleyman, der Erste unter den Kaisern der Zeit und der größte Herrscher der Familie Osmans…

‫…اول ﺳﺮور ﻗﻴﺎﺻﺮة زﻣﺎن و‬ ‫اﻋﻈﻢ ﭘﺎدﺷﺎهﺎن ﺁل ﻋﺜﻤﺎن‬ … ‫ﺳﺎﻃﺎن ﺳﻠﻴﻤﺎن ﺧﻮاﻧﺪﮔﺎر روم‬ 60

regelmäßig Gesandte nach Persien. Das blieb auch unter seinen Nachfolgern so. Im Jahr 1026 (1617) kam ein Bote aus Istanbul an den Hof von ʿAbbās, um ihm einen Brief zu übergeben. Dieses Schreiben unterrichtete den Schah

59 60

vgl. TAAA II, S. 789. TAAA I, S. 115.

25

…nach der Erklärung der Größe der Herrscher der Familie Osmans…

‫…ﺑﻌﺪ از اﻇﻬﺎر ﻋﻈﻤﺖ و ﺑﺰرﮔﻲ‬ ‫و ﺷﮑﻮﻩ و ﺟﻼل ﭘﺎدﺷﺎهﺎن ﺁل‬ 61

… ‫ﻋﺜﻤﺎن‬

vom Tod Sultan Ahmeds, vom Verzicht Sultan Mustafas und der Thronbesteigung von Sultan Osman II. Hier wird ʿoṯmānī nur für die direkten Nachfahren Sultan Osmans I. benutzt. Monšī weitet den Begriff dann aus und verwendet ihn auch für die höchsten Würdenträger des Staates, so etwa bei der Beschreibung von Ḫüsrew Pascha, einem Großwesir Süleymans. Er war …von den Erhabenen der osmanischen Dynastie…

62

…‫…از ﻋﻈﻤﺎء ﺳﻠﺴﻠﺔ ﻋﺜﻤﺎﻧﻲ‬

und außerdem ein weiser und erfahrener Staatsmann. Die Darstellung dieses Mannes ist damit symptomatisch für den Umgang Monšīs mit dem Wort ʿoṯmānī. Personen, die dieser Gruppe angehören, werden bis auf eine Ausnahme immer positiv beschrieben. Monšī war Hofchronist von Schah ʿAbbās. Er hat daher, gewissermaßen von Berufs wegen, fast immer wohlwollend von Mitgliedern der herrschenden Schicht gesprochen. In seinem Werk überträgt er diese Art der Darstellung auch auf die osmanische Elite. Manchmal scheinen die beiden Herrscherhäuser gar zu verschwimmen. Besonders deutlich wird das bei der einzigen Ausnahme der oben beschriebenen Regel, dem Prinzen Bayezid.63 Die Schilderung seiner Flucht nach Persien und des Verhaltens dort erinnern stark an die von Monšī ebenfalls ausführlich beschriebenen Ereignisse um den safawidischen Prinzen Alqās Mīrzā, den Bruder von Schah Tahmāsb.64 Monšī verurteilt beide aufs Schärfte. Bei seiner Charakterisierung Bayezids, er spart hier nicht mit harten Worten,65 kommt der

61 62 63 64 65

26

TAAA III, S. 931. TAAA I, S. 116. Die Vorgeschichte zur Flucht Bayezids nach seiner Absetzung als Thronfolger schildert Monšī selbst sehr ausführlich (siehe TAAA I, S. 100-104). vgl. TAAA I, S. 70-71. vgl. TAAA I, S. 102:

Eindruck auf, es gehe in Wahrheit weit mehr um den safawidischen als um den osmanischen Prinzen. Er schließt diese Beschreibung mit der Feststellung, Schah Tahmāsb habe Bayezid nicht geholfen, weil die Auflehnung gegen die Eltern nur Strafe bringe, in dieser Welt und der nächsten.66 Wenn es um Sultane und hohe Würdenträger geht, ist die Unterscheidung zwischen ʿoṯmānī und rūmī nicht unbedingt nötig. Bei Ḫwāndamīr und Rūmlū kommt sie daher auch nicht vor und Monšī hält sich nicht strikt daran.67 Ein Bereich, in dem die Benutzung des Wortes ʿoṯmānī durchaus sinnvoll scheint, ist die Beschreibung des qānūn-e ʿoṯmānī, des Gesetzes der osmanischen Dynastie. So lässt Monšī den Befehlshaber der Janitscharen dem jungen Sultan Osman II. erklären, dass es gegen dieses qānūn-e ʿoṯmānī sei, zwei Mal im Jahr mit der königlichen Armee ins Feld zu ziehen.68 Das Gesetz, hier mehr als Regel gemeint, ist spezifisch osmanisch. Die Salǧūqen etwa, auch sie von ihren Zeitgenossen als rūmī bezeichnet, mögen das anders gehandhabt haben. Daher ist die Unterscheidung von rūmī und ʿoṯmānī in diesem Fall sinnvoll. Der Begriff ʿoṯmānī, der nur bei Monšī vorkommt, bezeichnet die Familienangehörigen der osmanischen Dynastie und die höchsten Würdenträger ihres Staates.

Sultan Bayezid war ein arroganter, besessener und kalter Mensch. 66

‫ﺳﻠﻄﺎن ﺑﺎﻳﺰﻳﺪ ﻣﺮد ﻣﺘﺒﮑﺮ‬ ‫ﻣﻘﺒﻮض ﺳﺮداﺧﺘﻼط ﺑﻮد‬

vgl. TAAA I, S. 103. Der Grund für die harte Kritik an Prinz Bayezid könnte auch gewesen sein, dass man persisches Fehlverhalten verschleiern wollte. Einen schlechten Menschen auszuliefern ist eher zu verzeihen.

67

So bezeichnet er Sultan Süleyman als den schlauesten und rechtschaffensten der

68

salāṭīn-e rūm, nicht der salāṭīn-e āl-e ʿoṯmān (vgl. TAAA III, S. 948). vgl. TAAA III, S. 984.

27

2.

ABBILDUNG UND ANPASSUNG: DAS TÜRKENBILD IN SAFAWIDISCHEN CHRONIKEN DES 16. JAHRHUNDERTS

2.1

Die Darstellung der osmanischen Sultane

Eine zentrale Stellung bei der safawidischen Betrachtung der Osmanen nehmen die Sultane ein. Ihrer Beschreibung widmen die drei Chronisten besonders viel Raum. So lässt sich, mit der Ausnahme von Mehmed III., von jedem der Herrscher, die zwischen 1501 und 1629 das Osmanische Reich regierten, aus den safawidischen Quellen ein Bild zeichnen. Allerdings werden diese unterschiedlich scharf sein. Die Einteilung in drei Gruppen dient der Übersichtlichkeit. Zwar wird es Aspekte geben, die den einen oder anderen Sultan besser in eine andere Gruppe passen ließen, dennoch gibt die so getroffene Unterteilung das in den Chroniken vorgefundene Bild am besten wieder. Bei künstlichen Klassifizierungen lassen sich Zweifel an der Zuordnung nicht immer ganz vermeiden. Auch soll es ausdrücklich nicht darum gehen, wie die Sultane waren, sondern nur darum, wie die Safawiden sie gesehen haben.69 2.1.1

Die gerechten Sultane: Mehmed II, Bayezid II, Süleyman I

MEHMED II Der erste der osmanischen Sultane, von dem sich aus den untersuchten safawidischen Chroniken überhaupt ein Bild zeichnen lässt, ist Mehmed II. Besonders oft wird allerdings auch er nicht erwähnt. Ḫwāndamīr berichtet, dass Mehmed II., nachdem sein Vater Murad 33 Jahre an der Macht gewesen war, dessen Nachfolger und somit ṣāḥeb-e tāǧ wa afsar, Herr der Krone und des Diadems wurde.70 Ein Jahr nennt er nicht, dafür tut es Rūmlū. Mehmeds 69

70

28

Zu den einzelnen Sultanen und ihren Aktivitäten gibt es ohnehin eine kaum zu überblickende Menge an Fachliteratur. Eine sehr ausführliche und aktuelle Bibliographie aus dem Jahr 2007 hat Afyoncu herausgebracht, siehe: Erhan Afyoncu, Tanzimat Öncesi Osmanlı Tarihi Araştırma Rehberi, Istanbul 2007. Jedem Herrscher widmet er ein eigenes Kapitel. vgl. HS, S. 543.

Thronbesteigung sei 855 (1451-52) gewesen.71 Ḫwāndamīr zeigt gleich zu Beginn, auf welchem Feld sich Mehmed II. seine Meriten verdienen sollte: Er wurde ein Reisender auf dem Weg des ǧehād und seine Würde überstieg die seiner Ahnen.

‫ﺳﺎﻟﮏ ﻣﺴﺎﻟﮏ ﻏﺰ و ﺟﻬﺎد ﺷﺪﻩ‬ ‫ﻣﺮﺗﺒﺔ او از ﻣﺮاﺗﺐ ﺁﺑﺎ و‬ 72

‫اﺟﺪود در ﮔﺬﺷﺖ‬

Der Krieg gegen die Ungläubigen war es, der Mehmed zu etwas Besonderem in seiner Dynastie machte. Zwar hatten auch seine Vorgänger schon gegen Byzantiner und Europäer gekämpft, aber erst ihm war es gelungen, die alte Hauptstadt der Christenheit einzunehmen. Er bemühte sich immer gegen die Ungläubigen, die christlichen Könige und die fränkischen Ungläubigen, bis er Konstantinopel, das als Istanbul bekannt ist, erobert hat.

‫ﳘﻮارﻩ ﳘﺖ ﺑﺮ اﺳﺘﻴﺼﺎل اهﻞ ﻇﻼل‬ ‫ﻣﺼﺮوف داﺷﺘﻲ ﭘﻴﻮﺳﺘﻪ ﻧﻘﺶ‬ ‫ﳏﺎرﺑﻪ و ﺟﻨﮓ ﺑﺴﮑﻨﺖ ﻳﻤﻠﻮك‬ ‫ﻧﺼﺎری و ﮐﻔﺎر ﻓﺮﻧﮏ ﺑﺮﻟﻮح‬ ‫ﺿﻤﻴﺮ ﮐﺎﺷﺘﻲ ﺗﺎ ﺁﻧﮑﻪ ﻗﺴﻄﻨﻄﻨﻴﻪ‬ ‫را ﮐﻪ ﺑﺎﺳﺘﻨﺒﻮل ﻣﺸﻬﻮر اﺳﺖ‬ 73

‫ﻣﻔﺘﻮح ﺳﺎﺧﺖ‬

Das ist aus Ḫwāndamīrs Sicht ganz eindeutig der Höhepunkt von Mehmeds Karriere. Später eroberte er noch zwölf Inseln von den Franken,74 aber das alles scheint für den safawidischen Chronisten nur noch Beiwerk zu sein. Rūmlū ist hier, wie so oft, etwas genauer und listet alle Eroberungen Mehmeds II. genau auf.75 Abgesehen von dieser Aufzählung nimmt er bei Rūmlū aber relativ wenig Platz ein. Das ist insofern bemerkenswert, als dieser Autor dem Kampf gegen die ungläubigen Franken weit mehr Platz einräumt als seine

71 72 73 74 75

AT, S. 594. HS, S. 543-544. HS, S. 544. vgl. HS, S. 544. vgl. AT, S. 594-595.

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beiden Kollegen.76 Für die osmanischen Sultane, die vor seiner Zeit lebten, scheint sich Rūmlū über Statistiken hinaus nicht interessiert zu haben. So müssen wir uns beim Blick auf Mehmeds persönliche Eigenschaften wieder ganz auf Ḫwāndamīr verlassen. So sei der Eroberer Konstantinopels ein Mann ..mit der Eigenschaft der Gerechtigkeit, in der Rechtspflege qualifiziert und einem Reichtum an Wissen…

‫…ﺑﺼﻔﺖ ﻋﺪل و ﻧﺼﻔﺖ ﻣﻮﺻﻮف و‬ 77

…‫ﺑﻮﻓﻮر ﻋﻠﻢ‬

gewesen. Ḫwāndamīr schreibt Mehmed II. zu, er habe in seinem Reich Gerechtigkeit verbreitet. Das erlaubt allerdings kaum Rückschlüsse auf dessen tatsächlichen Charakter. Vielmehr ist es eine dem guten Herrscher immanente Eigenschaft, gerechte Verhältnisse für seine Untertanen zu schaffen. Da Mehmed, wie oben gesehen, ein solcher war, ist die Zuschreibung seines Gerechtigkeitssinns durch Ḫwāndamīr nur folgerichtig, aber nicht aussagekräftig. Mehmed II starb, nachdem er 38 Jahre regiert hatte,78 im Jahr 886 (1481-82).79 BAYEZID II. Nach dem Tode Sultan Mehmeds II. folgte ihm sein Sohn Bayezid II. auf den Thron.80 Die Beschreibung seiner politischen Aktivitäten fällt relativ knapp 76

77 78 79 80

30

Einem Feldzug Sultan Bayezids II. im Jahr 905 (1499-1500) gegen Venedig widmet Rūmlū vier Seiten. Dabei verzichtet er nicht auf Details zur osmanischen Flotte und zu den ungünstigen Winden (vgl. AT, S. 55-59). HS, S.544. vgl. HS, S. 544. AT, S. 594. Was diesen Herrscher anbetrifft, zeigt sich ein Phänomen besonders deutlich, das in allen drei Quellen immer wieder zu beobachten ist. In Bezug auf die osmanische Dynastie selbst weisen alle drei Chroniken regelmäßig Fehler auf, zum Beispiel was die Zuordnung der Ehrennamen zu den einzelnen Sultanen anbelangt. So taucht Bayezid II. regelmäßig als Yıldırım auf (vgl. HS, S. 480, 544; AT, S. 177), obwohl das der laqab von Bayezid I. ist (vgl. Mükrimin Halil Yınanç, “Bayezid I” in: İslâm Ansiklopedisi. İslâm Âlemi Tarih, Coğrafya, Etnografya ve Biyografya Lugati, S. 369). Aus welchem Grund hier oft der falsche Ehrentitel zugeordnet wurde, ist schwer zu sagen. Zumindest Rūmlū hätte es besser gewusst. So schreibt er im AT, S. 177:

aus. Nach Monšī habe Bayezid II. die Notwendigkeit enger Freundschaft und Zu neigung zwischen den Osmanen und Safawiden gesehen.81 Folglich hätten beide Reiche stets ein Bündnis gehabt und sich auch daran gehalten. An diesen beiden Aussagen lässt sich bereits einer der zentralen Punkte für die Bewertung Bayezids II. in den safawidischen Quellen erkennen, seine Appeasement-Politik gegenüber den Herrschern Persiens.82 Der Kampf zwischen Muslimen war nach dieser Darstellung für Bayezid II ein zu vermeidendes Übel. Das sieht man auch an den von ihm eroberten Provinzen, die Rūmlū nennt: Akkirmān, die Insel von Lepanto, Koron, Moton und die Festung von Kīlī.83 Keines dieser Gebiete befand sich in der safawidischen Interessenssphäre. So scheint es nur folgerichtig, dass, wie Ḫwāndamīr schreibt, das Verhältnis zwischen diesem Sultan und den Abgesandten des Schahs stets maḥabbat wa eḫlāṣ-e solūk, freundlich und aufrichtig gewesen sei.84 Als ein Gesandter von Bayezid II. zu Beginn des 16. Jahrhunderts an den Hof Esmāʿīls kam, brachte er einen Brief mit einer Erklärung az zabān-e qayṣar, aus der Zunge des Sultans.85 Diese Ausdrucksweise deutet darauf hin, dass Bayezid das Schreiben, oder zumindest Teile davon, selbst verfasst hat. Das lässt auf ein gutes Verhältnis zwischen Osmanen und Safawiden schließen. Die Bemerkung, der Inhalt des Briefes sei eḫlāṣ wa etteḥād, aufrichtig und ehrlich gewesen, verstärkt noch den oben gewonnenen Eindruck.86 Ein besonders guter Feldherr war Bayezid II. nach Rūmlūs Einschätzung aber nicht. Die In diesem Jahr (918) starb Sultan Bayezid b. Sultan Mehmed b. Sultan Murad b. Sultan Mehmed b. Yıldırım Bayezid b. Sultan Murad b. Orhan b. Osman b. Erṭuġrul.

81 82

83 84 85 86

‫ ﺳﻠﻄﺎن ﺑﺎﻳﺰﻳﺪ ﺑﻦ‬،‫در اﻳﻦ ﺳﺎل‬ ‫ﺳﻠﻄﺎن ﳏﻤﺪ ﺑﻦ ﺳﻠﻄﺎن ﻣﺮاد ﺑﻦ‬ ‫ﺳﻠﻄﺎن ﳏﻤﺪ ﺑﻦ اﻳﻠﺪرم ﺑﺎﻳﺰﻳﺪ‬ ‫ﺑﻦ ﺳﻠﻄﺎن ﻣﺮاد ﺑﻦ اورﺧﺎن ﺑﻦ‬ ‫ﻋﺜﻤﺎن ﺑﻦ ارﻃﻐﺮل…ارﲢﺎل ﳕﻮد‬

Zumindest in diesem Fall sieht man, dass Rūmlū der Unterschied zwischen den beiden Bayezids bekannt war. vgl. TAAA I, S. 41. Sydney Fischer beschreibt die Außenpolitik des Osmanischen Reiches unter Bayezid II. (siehe Sydney Fischer, The Foreign Relations of Turkey. 1481-1512, S. 93-111). vgl. AT, S. 595. vgl. HS, S. 544. vgl. HS, S. 480. vgl. HS. S. 480.

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Liste der von ihm eroberten Provinzen bleibt überschaubar und als wäre das noch nicht genug, hätten die Osmanen unter seiner Regentschaft viele Niederlagen erleiden müssen, vor allem durch die Armeen Ägyptens.87 Diese wenigen Anmerkungen geben einen Eindruck vom politischen Wirken Sultan Bayezids II., beziehungsweise von den Teilen, die den safawidischen Chronisten wichtig erschienen. Die Beschreibung seiner Persönlichkeit nimmt einen geringeren Platz ein, ist aber nicht weniger bemerkenswert. Rūmlū, sonst eher zurückhaltend in der Schilderung nichtmilitärischer Details, zitiert bei der Beschreibung von Bayezids Tod ein Gedicht von Ǧāmī:88 Würde Nūšīrwān heute noch leben

Seine Gerechtigkeit wäre noch mehr als früher

So dass er von dem Streit der Gerechtigkeit beschämt Verbreiter der Ehre, Stolz seines Reiches

Wäre er dem Herrscher von Rom ein Sklave Bayezid Yıldırım, Herr der Zeiten

‫ﻋﺪﻟﺶ از ﭘﻴﺸﺘﺮ‬

‫ﮐﺎش ﻧﻮﺷﻴﺮوان‬

‫ﻓﺰون ﺑﻮدی‬

‫ﮐﻨﻮن ﺑﻮدى‬

‫ﺗﺎ ز دﻋﻮی ﻋﺪل ﺧﺴﺮو روم را‬ ‫ﺷﺪی ﺑﻨﺪﻩ‬

‫ﺷﺮﻣﻨﺪﻩ‬

‫ﺑﺎﻳﺰﻳﺪ اﻳﻠﺪرم‬

‫ﻣﺒﺴﻂ اﻟﻌ ﺰ و‬

‫ﺷﻪ دوران‬

‫اﻟﻌﻼ ﺳﻠﻄﺎن‬

Ḫosrow-e Ānūšerwān ist der persische König schlechthin, das Musterbeispiel für den gerechten Herrscher.89 Allein dass Rūmlū ihn und Bayezid II. in Beziehung setzt, und dann noch auf eine Weise wie hier, muss als Adelung des Letzteren verstanden werden. Auch Ḫwāndamīr hebt den Gerechtigkeitssinn 87 88 89

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vgl. AT, S. 177. AT, S. 177. Der Herrscher aus der Familie der Sassaniden regierte von 531 bis 579 christlicher Zeitrechnung. Die Mitglieder dieser Dynastie sind, wie Wiesehöfer meint, im Laufe der Zeit in der persischen Überlieferung zum Sinnbild iranischer Könige par excellence geworden (vgl. Joseph Wiesehöfer, Das frühe Persien. Geschichte eines antiken Weltreichs, S.120). Was für seine Familie im Allgemeinen gilt, trifft für ihn im Speziellen zu. Ḫosrow-e Ānūšerwān wurde der Prototyp des gerechten Herrschers, an ihm haben sich die Könige messen lassen müssen. Die Bedeutung dieses Mannes zeigt sich unter anderem daran, dass sein Name im Neupersischen heute Machthaber, Gebieter und Herrscher bedeutet (vgl. Heinrich Junker, Bozorg Alavi, Wörterbuch Persisch-Deutsch, S.274).

Bayezids II. hervor und nennt ihn einen ḫosrow-e ʿādel-e moǧāhed, einen für seinen Glauben kämpfenden, gerechten Herrscher.90 Weitere persönliche Eigenschaften dieses Sultans bleiben Ḫwāndamīr, Rūmlū und Monšī aber schuldig. Die Bedeutung Bayezids II. für die Geschichte, die die safawidischen Chronisten erzählen, wird erst gegen Ende seines Lebens klar. 917 (1511-12) begann sein Sohn Selim mit Hilfe der Armee, insbesondere der Janitscharen, gegen seinen Vater zu rebellieren. Ein Jahr später, 918 (1512-13), stürzte er ihn. Aus Trauer über diesen Vorfall sei, wie Rūmlū und Monšī übereinstimmend berichten, Bayezid II. gestorben.91 Im Zusammenhang mit dem, was vor allem Monšī über das seiner Meinung nach richtige Verhältnis zwischen Vater und Sohn gesagt hat,92 erscheint Bayezid II. jetzt immer mehr als das Gegenmodell zu seinem Sohn Selim. Dieser wird später eines der meist kritisierten Mitglieder der osmanischen Dynastie. Die rundum positive Darstellung seines Vaters, dem ansonsten kaum eine Bedeutung in der safawidischen Geschichtsschreibung zukommt, dient hier gewissermaßen als Fundament für die spätere Kritik an Selim. SÜLEYMAN I. Der dritte osmanische Sultan, der in die Kategorie ´gerecht´ einzuordnen ist, ist Süleyman I., der von 926 (1519-20) bis 974 (1566-67) regierte.93 Allerdings 90 91

92 93

vgl. HS, S. 544. vgl. TAAA I, S.41; AT, S. 177. Schon dass ein Sohn seinen Vater stürzt und dieser aus Trauer darüber stirbt, klingt bei Monšī und Rūmlū wie ein harter Vorwurf. Dass Selim seinem Vater möglicherweise noch mehr als nur Grund zur Trauer gab, scheint ihnen nicht bekannt gewesen zu sein. vgl. TAAA I, S. 103. Diese Zahlen nennt Rūmlū (vgl. AT, S. 595). In seiner Aufzählung der osmanischen Herrscher findet sich eine Auffälligkeit. Emir Süleyman und Musā Čelebī, die Söhne Bayezids I., tauchen in dieser Liste und noch einmal an anderer Stelle als ehemalige Sultane auf (vgl. AT, S. 557, 594), trotzdem bezeichnet Rūmlū Qānūnī Süleyman als den ersten Sultan dieses Namens. Der Chronist scheint damit keine Absicht zu verfolgen, es dürfte sich vielmehr um eine der vielen Ungenauigkeiten handeln, die immer wieder im Bezug auf die osmanische Dynastie in den Quellen auftauchen. Die Tatsache, dass Rūmlū die beiden als Sultane erwähnt, wirft aber die Frage nach seinen Quellen auf. In aller Regel scheint sich der Chronist auf osmanische Informationen zu stützen. Emir

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unterscheiden sich bei ihm die Voraussetzungen deutlich. Anders als Mehmed II. war Süleyman ein Zeitgenosse des safawidischen Staates, seine Aktionen konnten direkten Einfluss auf Persien haben. Im Gegensatz zu Bayezid II. hat Süleyman von diesen Möglichkeiten auch reichlich Gebrauch gemacht, sein politisches Wirken hat enorme Auswirkungen gehabt. Die für seinen Urgroßvater geltende rückwirkende Milde der Chronisten ist für ihn nicht zu erwarten. Im Gegensatz zu seinem Großvater Bayezid II. wird es auch nicht politisch genehmes Handeln sein, das die Art seiner Darstellung positiv beeinflusst. Für die Bewertung von Süleymans politischem Wirken waren seine vier großen Feldzüge gegen Persien maßgebend. Während der meisten Zeit seiner Regentschaft musste er deswegen von den Persern als Bedrohung empfunden werden. Der erste dieser Kriegszüge begann im Jahr 940 (1533-34).94 Ausschlaggebend dafür war, wie Rūmlū und Monšī übereinstimmend berichten, der safawidische Renegat Olma Takkalū.95 Er überzeugte Süleyman vom politischen Nutzen eines Feldzuges gegen Persien. Bei der Bewertung des Überläufers sind sich die beiden Chronisten uneins. Rūmlū sagt, nach einer Rebellion seines Stammes habe Olma Takkalū noch versucht, den Schah milde zu stimmen und sei dann erst aus Furcht vor dessen Rache zu Süleyman geflohen.96 Monšī urteilt härter. Olma Takkalū habe nicht die Ämter bekommen, die er sich erwartet hatte und deshalb den Aufstand selbst begonnen.97 Ebenso unterscheiden sich die Einschätzungen der Rolle Süleymans

94

95

96 97

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Süleyman und Musā Čelebī in der Liste der Sultane zu nennen, war bei den Europäern üblich, nicht aber bei den Osmanen. So muss Rūmlū also auch noch andere als osmanische Quellen benutzt haben. Eine kurze auf osmanischen Quellen beruhende Beschreibung des ersten Feldzuges Sultan Süleymans nach nach Persien liefert Kılıç, siehe: Remzi Kılıç, XVI. ve XVII. Yüzyıllarda Osmanlı-İran Siyasî Antlaşmaları, S. 35-46. Nach einer Auseinandersetzung zwischen dem Takkalū-Stamm und der Zentralregierung hatte Schah Tahmāsb einen Großteil der Stammesmitglieder in Strafexpeditionen töten lassen. Olma Takkalū war daraufhin, nachdem er zuvor ǧāmeʾe zardūzī, goldbestickte Kleider und müǧevezze-ʾe ṭalādūzī, goldbestickte osmanische Turbane geschickt bekommen hatte, an den Hof Süleymans geflohen (vgl. AT, S.311-312; TAAA I, S. 49). vgl. AT, S. 311-312. vgl. TAAA I, S. 49. Es ging um die Ämter des amīr al-omarāʾ von Aserbaidschan, des wakīl und des moḫtār as-salṭane. Die Bedeutung dieser Ämter schildert Floor

in dieser Geschichte. Nach Rūmlū besteht nur ein zeitlicher Zusammenhang; während der Rebellion habe Süleyman Geschenke an Olma Takkalū geschickt, später hätten sich die beiden dann getroffen.98 Monšī hingegen behauptet, der Zusammenhang sei kausal gewesen. Süleyman habe den safawidischen Überläufer zu dessen Tat ermutigt.99 Den Feldzug selbst beschreibt Rūmlū wie gewohnt sehr detailliert, allerdings imagologisch wenig aussagekräftig.100 Schon im nächsten Jahr zog Süleyman wieder gen Osten, nachdem er in Bagdad überwintert hatte. Auch die Beschreibung dieses Feldzuges bei Rūmlū liefert wenig Erhellendes über Süleyman. Für den unglücklichen Verlauf trage er selbst keine Schuld, die Verantwortung habe letztlich bei seinen Untergebenen gelegen. So etwa war es Süleymans Großwesir Ibrahim Pascha selbst mit den ḫolāṣeh-ʾe laškar, den Besten der Armee, die der Sultan ihm zur Verfügung gestellt hatte, nicht gelungen, das von den Safawiden belagerte Van zu entsetzen.101 Monšī, der im ersten Band seines Werks noch nicht chronologisch vorgeht, berichtet an einigen Stellen über den Feldzug, Information zur Rolle des Sultans fehlen aber. Im Jahr 955 (1548-49) erreichte die Safawiden die Nachricht, dass die osmanische Armee sich erneut Richtung Aserbaidschan bewegte.102 Imagologisch interessant ist hier vor allem die Bezeichnung Süleymans im Aḥsan at-

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[vgl. Floor (2001), für amīr al-omarāʾ, S. 17-23, für wakīl, S. 6-17, für moḫtār assalṭane, S. 6-17]. Floor nennt das Amt des moḫtār as-salṭane, nicht aber Ǧūha Solṭān als dessen Inhaber. Der Mann, den Olma Takkalū laut Monšī ersetzen wollte, war hatte diese Stelle wohl mit der des wakīl in Personalunion inne. vgl. AT, S. 311-312. vgl. TAAA I, S. 49. vgl. AT, S. 324-331.Hier fällt das erste Mal auf, dass Süleyman trotz seines riesigen Heeres nicht in der Lage ist, Bagdad einzunehmen. Die Stadt muss ihm erst von einem safawidischen Überläufer übergeben werden. Zur Beschreibung des zweiten Feldzuges von Süleyman gegen Persien siehe AT, S. 335-339. Den dritten Feldzug Sultan Süleymans gegen Persien hat Posch in aller Ausführlichkeit analysiert, siehe: Walter Posch, Der Fall Alkâs Mîrzâ und der Persienfeld-

zug von 1548-1549. Ein gescheitertes osmansiches Projekt zur Niederwerfung des safawidischen Persiens.

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Tawārīḫ als solṭān-e ḥoseyn, der schöne Sultan.103 Dass Rūmlū dieses Wort benutzt, welches im schiitischen Kontext sicherlich eine besondere Wertschätzung ausdrückt, ist hier ebenso bemerkenswert wie unterwartet. In weit weniger gutem Licht erscheint Süleyman durch seine Gesellschaft, den safawidischen Prinzen Alqās. Dieser war vor seinem Bruder Tahmāsb an den osmanischen Hof geflohen und überzeugte Süleyman nun zum Angriff auf ihn.104 Auch wenn beide Chronisten die Verantwortung für den Angriff nicht bei Süleyman sehen, allein seine Zusammenarbeit mit einem Mann wie Alqās gereicht ihm nicht zur Ehre. Als sich Alqās Mīrzā einige Tage in Istanbul aufhielt, überredete er Sultan Süleyman mit lügenhaften Worten, absurden Reden und überheblichen Ratschlägen.

‫ﭼﻮن اﻟﻘﺎس ﻣﻴﺮزا روزی ﭼﻨﺪ در‬ ‫اﺳﺘﻨﺒﻮل اﻗﺎﻣﺖ ﳕﻮد ﺑﺴﺨﻨﺎن‬ ‫ﮐﺎذﺑﻪ و اﻗﺎوﻳﻞ ﺑﺎﻃﻠﻪ‬ ‫ﺷﻮراﻓﺰای دﻣﺎغ ﺧﻮاهﺶ ﺳﻠﻄﺎن‬ 105

‫ﺳﻠﻴﻤﺎن ﮔﺮدﻳﺪﻩ‬

Hätte sich ein wahrlich weiser Herrscher von so einem Mann überreden lassen? Kritik schwingt hier schon mit. Nachdem das osmanische Heer Tabrīz erobert hatte, zeigte Süleyman dann aber wieder seine Qualitäten. Die wegen des stockenden Nahrungsnachschubs hungernden osmanischen Soldaten begannen mit der ġārat, der Plünderung der Stadt.106 Sofort als Süleyman davon hörte, schickte er seinen Großwesir Rüstem Pascha, sie zu unterbinden. Als er selbst die Stadt betrat, verkündete er, …dass keinem der Untertanen ein Betrübnis geschehen solle.

‫…ﮐﻪ آﺴﻲ از رﻋﺎﻳﺎ زﲪﺖ ﻧﺮﺳﺎﻧﺪ‬ 107

103

AT, S. 423.

104

Von der Schuld des safawidischen Prinzen an der erneuten osmanischen Invasion ist vor allem Monšī überzeugt (vgl. TAAA I, S. 70-71). Rūmlū ist zurückhaltender und sagt lediglich, die beiden seien be ettefāq, gemeinsam gekommen (AT, S. 423). TAAA I, S. 71. vgl. AT, S. 426-427. AT, S. 427.

105 106 107

36

Süleyman kümmert sich um das Wohl seiner Untertanen, wie es ein guter Herrscher tun sollte. Dass Rūmlū diesen Anspruch des osmanischen Sultans auf die Einwohner von Tabrīz zumindest nicht völlig ablehnt, zeigt sich durch die Verwendung des Wortes raʿāyā. Hätte er zum Beispiel mardom, Bevölkerung benutzt, wäre der Ton ein anderer gewesen. Die letzte Invasion Aserbaidschans durch die Osmanen schließlich fand im Jahr 961 (1553-54) statt.108 Anders als bei den drei vorangegangenen Feldzügen ist in diesem nicht der Beginn am interessantesten, sondern das Ende. Da nämlich gelang es den Safawiden, Sultan Süleyman vom gegenseitigen Nutzen eines Friedensvertrages zu überzeugen. Denn Feindschaft habe eine zerstörerische Wirkung auf ein Reich, wohingegen der Wohlstand des Volkes Folge des Friedens sei.109 Dadurch wandelte sich auf beiden Seiten kodūrat, Missfallen in ṣafā, Aufrichtigkeit.110 Der Beginn der Friedensverhandlungen ist auch auf den guten Willen Sultan Süleymans zurückzuführen, was ihm noch viel Lob und Anerkennung einbringen wird. Ein Bereich, der hier nur kurz angeschnitten werden soll, ist der des Kampfes der Osmanen gegen die Christen Europas. Hier stehen die safawidischen Chronisten unisono und unabhängig vom jeweiligen Sultan klar auf Seite der Osmanen. Diese Beschreibungen sind daher kaum geeignet, um mit ihrer Hilfe ein Bild der einzelnen osmanischen Herrscher zu gewinnen.111

108 109 110 111

Eine kurze Beschreibung dieses Feldzuges aus osmanischen Quellen liefert wieder Kılıç, siehe: Kılıç (2001), S. 55-63. vgl. AT, S. 487. vgl. AT, S. 488. Im Falle Süleymans beschreibt Rūmlū etwa die Schlacht von Mohács gegen eine laškar-e kofr wa ḍalāl, eine Armee des Unglaubens und des Irrtums (vgl. AT, S. 265-267). Interessant ist hier lediglich die Frage nach den Quellen, die er benutzte. Im Aḥsan at-Tawārīḫ behauptet er, der Anführer der koffār sei ein Mann namens Āfrandīš Qarāl gewesen (vgl. AT, S. 265). Es ist nicht klar, wen er damit meint. Am wahrscheinlichsten steht Āfrandīš für Ferdinand von Habsburg, Qarāl für dessen Bruder Karl. Wieso Rūmlū beide Namen nennt, geht aus dem Text nicht hervor. In jedem Fall ist ihm hier ein Fehler unterlaufen, denn Ludwig II., König von Ungarn und Böhmen, kommandierte die Ungarn in dieser Schlacht. Dieser Irrtum ist insofern auffällig, als Rūmlū gemeinhin sehr gut über die Vorgänge auf dem Balkan unterrichtet war.

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Neben den militärischen Aktivitäten, die in beiden Quellen den Löwenanteil einnehmen, kommen immer auch die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten und deren Herrschern zur Sprache. 961 (1553-54) kam ein persischer Gesandter vom Osmanenhof zurück und hatte einen Brief Süleymans an den Schah dabei. Doch dieser Brief schadete mehr als er nützte. In ihm wurde dem pādešāh-ʾe mašreq-o-maġreb, dem Herrscher des Ostens und des Westens, so sah sich der Safawide selbst, nicht die nötige taʿẓīm wa takrīm, Ehrerbietung entgegengebracht.112 Zwar ist dem Aḥsan at-Tawārīḫ an dieser Stelle nicht zu entnehmen, ob Süleyman den Brief selbst geschrieben hat, aber das Schriftstück kam aus seiner Kanzlei und in seinem Namen.113 Der Vorwurf der Arroganz, der hier im Raum steht, fällt in letzter Konsequenz also auf ihn zurück. Bis auf diesen Fall wird der diplomatische Schriftverkehr aber positiv beschrieben. In den darauf folgenden Jahren, 964 (155657), 968 (1560-61) und 970 (1562-63) reisten regelmäßig Gesandte von einem Hof zum anderen. Der Ton scheint in aller Regel freundlich gewesen zu sein, zu sehen an der Wortwahl: mowaddat-āmīz, voll mit Freundschaft; soḫanān-e moḥabbat-angīz, Freundschaft erregende Reden; tabarrokāt, Wohlwollendes. Es wurden auch mehr und mehr Geschenke ausgetauscht, tansūqāt-e moraṣṣaʿ, mit Edelsteinen besetzte Kostbarkeiten und viele besyārī az nafāyes, sehr wertvolle Dinge.114 Diese an sich wenig aussagekräftigen Aufzählungen lassen kaum Schlüsse über Süleyman zu. Interessant ist aber manchmal die Wortwahl. Die osmanische Gesandtschaft unter Ilyās Beyg, die 970 (1562-63) an den Hof in

112 113

114

38

vgl. AT, S. 484. Es ist allerdings nicht anzunehmen, da das sonst in den Quellen in der Regel extra erwähnt wird. So geschehen bei einem Brief Bayezids II. an Esmāʿīl (vgl. HS, S. 480), der Unterzeichnung eines Friedensvertrages be dast-e ḫaṭṭ-e solṭān soleymān, in der Handschrift des Sultans Süleyman (vgl. TAAA I, S. 231) und einem Brief desselben aus dem Jahr 969 (1561-62), der ebenfalls be ḫaṭṭ-e ḫwāndegār, in der Handschrift des Herrschers war (vgl. AT, S. 535). Von einer besonders imposanten Gesandtschaft berichtet Rūmlū: Im Jahr 968 (1560-61) kamen 760 Mann, darunter auch ein Pascha, mit großen Mengen wertvoller Geschenke. Sie wurden vom Schah in einer königlichen Zeremonie empfangen und mit ebenso vielen Gaben ins Osmanische Reich zurückgeschickt (vgl. AT, S. 532).

Qazwīn kam, brachte Geschenke mit. Die Beschreibung gleicht der anderer Gesandtschaften, bis auf die Kapitelüberschrift: Der osmanische Sultan schickt Tribut

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‫ﺑﺎج ﻓﺮﺳﺘﺎدن ﺳﻠﻄﺎن روم‬

Dadurch, dass Rūmlū das Wort Tribut benutzt, stuft er Süleyman herab, unter den safawidischen Schah.116 Das tut er an anderer Stelle noch einmal. Die große osmanische Gesandtschaft von 968 (1560-61) habe, neben anderen Gaben, ḫalʿathā-ye fāḫer, prächtige Ehrengewänder erhalten.117 Ein ḫalʿat aber wird einem Untergebenen vom Herrscher überreicht.118 Ranggleiche Monarchen übergeben sich keine Ehrengewänder. Süleymans politische Bedeutung ist damit umrissen, von seiner Persönlichkeit erfahren wir bisher nichts. Wie also beschreiben die Quellen diese? Und tun sie es überhaupt? Das Ḥabīb as-Siyar ist für diesen Punkt nicht von Nutzen, da es im rabīʿ I 930 (8. Januar–6. Februar 1524) endet. Süleyman taucht nur ein Mal auf, und das nur am Rande.119 Keiner der beiden anderen Chronisten gibt Süleyman direkt die Schuld an den regelmäßigen Angriffen auf ihre Heimat. Er habe, sagt Monšī, von Beginn seiner Herrschaft an keine Feindschaft gegenüber den Safawiden gezeigt.120 Im Gegenteil, er sei nur von mofsedān, von Verführern zu den Angriffen auf 115

AT, S. 537.

116

Zwar erklärt ʿAbd al-Ḥosseyn-e Nawāʾī, der die hier benutzte Ausgabe des Aḥsan at-Tawārīḫ herausgegeben hat, in der Fußnote, dass es sich in diesem Fall natür-

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119

120

lich nicht um Tribut gehandelt habe. Das Geld war der Preis für die Übergabe des Prinzen Bayezid, der sich am Safawidenhof befand. An der Aussage im Text ändert das freilich nichts (vgl. AT, S.537, Fußnote 3). vgl. AT, S. 532. So hatte etwa der safawidische Überläufer Olma Takkalū das ḫalʿat Süleymans angezogen, als er zu ihm überlief (vgl. AT, S. 311). Nach Redhouse ist ein ḫalʿat „a robe of honor conferred; also, any honorific gift to an inferior” (Sir James W. Redhouse, A Turkish and English Lexicon, S. 978). Es geht in diesem Kapitel eigentlich um den Tod Sultan Selims (vgl. HS, S. 570). Die Krönungsfeierlichkeiten Süleymans sind Ḫwāndamīr keine Erwähnung wert, obwohl diese noch vor 930 stattgefunden haben. vgl. TAAA I, S. 43.

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Persien verleitet worden.121 Auf den zweiten Blick aber finden sich in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī Stellen, die doch etwas über Süleymans Charakter aussagen könnten. Als Alqās Mīrzā nach Istanbul kam, rechtfertigte Süleyman so sarmāyeʾ-e tasḫīr-e ʿaǧam, die Eroberung Persiens, woǧūd-e ū-rā moġtanem, dessen Anwesenheit ausnutzend.122 Bei genauerem Hinsehen war es nicht der Verräter Alqās, der den friedliebenden Sultan zum Krieg überredete, Süleyman benutzte den persischen Prinzen nur als casus belli. Einen zweiten Einblick in Süleymans Charakter erhielt Mīr Šams-e Walīḫānī. Er war als Botschafter nach Istanbul gekommen. Zuvor hatte ein freundlicher Brief vom osmanischen Hof die Vertiefung der Beziehungen in Aussicht gestellt. Als der Gesandte vor den Sultan trat, bekam er folgende Antwort: Von Beginn der Herrschaft der osmanischen Familie bis jetzt haben fremde Herrscher immer Gesandte und Geschenke an unser Haus geschickt, wir aber haben Gesandte und Geschenke an keinen anderen Herrscher geschickt. Das ist nicht die Regel bei der osmanischen Dynastie. Ob meine Minister eine Person oder Briefe geschickt haben, davon weiß ich nichts.

‫از ﺑﺪاﻳﺖ دوﻟﺖ ﺁل ﻋﺜﻤﺎﻧﻲ ﺗﺎ‬ ‫ﺣﺎل هﻤﻴﺸﻪ ﺳﻼﻃﻴﻦ ﺁﻓﺎق اﻳﻠﭽﻲ‬ ‫و ﲢﻒ و هﺪاﻳﺎ ﺑﺪر ﮔﺎﻩ ﻣﺎ‬ ‫ﻓﺮﺳﺘﺎدﻩ اﻧﺪ و ﻣﺎ اﻳﻠﭽﻲ و ﲢﻒ‬ ‫ﺑﻬﻴﭽﻴﻚ از ﺳﻼﻃﻴﻦ ﻧﻔﺮﺳﺘﺎدﻩ‬ ‫اﻴﻢ و ﻗﺎﻧﻮن ﺳﻠﺴﻠﺔ ﻋﺜﻤﺎﻧﻲ‬ ‫ﻧﻴﺴﺖ و ﻣﻦ ﺧﱪ از ﮐﺲ ﻓﺮﺳﺘﺎدن‬ ‫وزراء و ﻣﮑﺘﻮﺑﺎت اﻳﺸﺎن ﻧﺪارم‬ 123

Auch dieser an Überheblichkeit schwer zu übertreffende Satz lässt den Charakter Süleymans in keinem guten Licht erscheinen. Ein weiterer Hinweis auf die Persönlichkeit Süleymans findet sich im Zusammenhang mit Ḫüsrew Pascha, dem osmanischen Gouverneur von Van. Dieser stiftete, den Friedensvertrag von Amasya missachtend, fetne wa fesād, Unruhe im Grenzgebiet. Ob er das

121 122 123

40

vgl. TAAA I, S. 66. Für diese šaqāwat, Schurkerei, trage er keine Schuld. vgl. TAAA I, S. 70. TAAA I, S. 115.

… für sich selbst oder auf Befehl des Sultans…

‫…ﺑﺮای ﺧﻮد ﻳﺎ ﺑﺎﻣﺮ ﭘﺎدﺷﺎﻩ‬ 124

…‫روم‬

getan hat, möchte Monšī nicht entscheiden. Für ausgeschlossen hält er es aber nicht, dass Süleyman, obwohl er den Friedensvertrag unterzeichnet hat, dennoch feindliche Handlungen anordnete. Bei genauerer Betrachtung stellt man also fest, dass vor allem Monšī einiges über Süleymans Charakter zu sagen hätte, und nicht unbedingt Positives. Bei der Bewertung dieses osmanischen Sultans sind sich Monšī und Rūmlū dann wieder einig. Sie fällt alles in allem doch sehr gut aus. Süleyman sei der aʿaqel wa aʿadel-e salāṭīn-e rūm, der weiseste und rechtschaffenste aller osmanischen Sultane gewesen,125 ein pādešāh-e ḫoǧaste-šiyam, ein Herrscher mit gesegnetem Charakter.126 HEILIGER KRIEG, APPEASEMENT UND MACHT: WIE MAN GERECHT WIRD Es stellt sich nun die Frage, wie die Aussagen der safawidischen Chronisten über die ´gerechten´ Sultane einzuschätzen sind. In allen drei Fällen haben politische Umstände die Art der Darstellung beeinflusst, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Mehmed II. hatte die Gnade der frühen Geburt. Da er 20 Jahre vor der Etablierung des safawidischen Staates gestorben war, können Ḫwāndamīr, Rūmlū und Monšī seine Taten aus einer wohlwollenden Rückschau heraus betrachten. Keine Aktion dieses Herrschers betraf den Staat, dem ihre Loyalität gehört. Der zentrale Faktor für seine Bewertung ist der Kampf gegen die Christen Europas. Dieses Thema war und ist politisch unverfänglich, Osmanen und Safawiden werden hier im Großen und Ganzen dieselben Ansichten geteilt haben. Die Schreiber mussten also keine Verstimmungen auf osmanischer Seite fürchten, wenn ihre Werke in Istanbul gelesen wurden. Aus politischer Sicht stuften die safawidischen Chronisten Mehmed II. als guten Herrscher ein. Als einzige Charaktereigenschaft nennen sie seine besondere Gerechtigkeitsliebe. Diese aber wird im persischen Raum jedem guten 124 125 126

TAAA I, S. 231. vgl. TAAA III, S. 948. vgl. AT, S. 556.

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Herrscher zugeschrieben. Es bleibt daher festzustellen, dass Ḫwāndamīr, Rūmlū und Monšī kein persönliches Bild von Mehmed II. zeichnen. Charakterliche Eigenheiten, die ihn lebendig wirken ließen, kommen nicht vor. Das scheint auch nicht das Ziel gewesen zu sein. Sein politisches Wirken steht im Vordergrund, sein Charakter, so er überhaupt beschrieben wird, muss sich dem Stereotyp des gerechten orientalischen Herrschers anpassen. Auch das Bild Bayezids II. ist durch die äußeren Umstände beeinflusst, wietestgehend wurde es wohl sogar von ihnen kreiert. Die Appeasement-Politik dieses Herrschers gegenüber Persien hat die positive Darstellung bewirkt. Während seiner Regierungszeit kam es kaum zu kriegerischen Unternehmungen der Osmanen gegen die Safawiden. Das haben ihm die drei Chronisten sehr positiv angerechnet. Wie schon bei seinem Vater, so scheint es auch bei Bayezid II. nicht die Intention der drei Chronisten gewesen zu sein, ein persönliches Bild zu zeichnen, so sie es überhaupt gekonnt hätten. Seine Einordnung als gerechter Herrscher ist das Ergebnis seines politischen Handelns und nicht das seines Wesens. Dieses bleibt dem Leser der Chroniken fremd. Im Laufe der Untersuchung der Quellen auf Details zu diesem Herrscher wird zudem ein Eindruck immer stärker: Ḫwāndamīr, Rūmlū und Monšī scheinen Bayezid II. zu einem idealisierten Gegenbild seines Sohnes aufzubauen. Nach kritischen Äußerungen über den Sturz Bayezids durch Selim steht der neue Sultan noch schlechter da, je positiver der Vater erscheint. Der dritte der Gerechten ist Süleyman I. Er hatte nicht so günstige Voraussetzungen wie Mehmed und Bayezid, aber schlecht waren sie dennoch nicht. Nach den Erfahrungen mit Selim I. konnte es aus safawidischer Sicht eigentlich nur besser werden. Bei Süleyman kommen zwei Phänomene zum Vorschein, die bei seinen beiden Vorfahren nicht zu beobachten waren. Zum einen scheint eine möglicherweise negative Reaktion potentieller Leser das Geschriebene beeinflusst zu haben. Die Darstellung Süleymans ist ausnehmend positiv und das, obwohl er vier große Feldzüge gegen Persien führte. Das ist ungewöhnlich und passt nicht in das Bild, welches bei der Analyse der beiden anderen Sultane entstanden ist. Die Schuld für die Kriegszüge müssen in den Quellen, vor allem bei Monšī, andere auf sich nehmen. Am Sultan selbst bleibt auf den ersten Blick nichts hängen. Fürchtete man bei einer zu negativen Beschreibung des berühmten Nachbarn negative Folgen für Persien,

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falls eine Abschrift des Werks den Osmanen zukäme? Andere Herrscher, allen voran Selim I. und Murad III. wurden aber trotz alledem negativ dargestellt. Zum anderen zeichnen die safawidischen Chronisten bei Süleyman als einzigem der gerechten Sultane in begrenztem Umfang ein persönliches Bild. Die meist nur in Nebensätzen gemachten Aussagen vor allem Monšīs zeigen Charakterzüge des Herrschers, die keineswegs immer positiv sind. Der Chronist beschreibt einen kalt kalkulierenden, arroganten Mann, der nicht so fest zu seinem Wort steht, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Hier verbindet sich die erste mit der zweiten Neuerung bei der Darstellung. Monšī übt sehr wohl Kritik am osmanischen Herrscher, allerdings so, dass diese nicht auf den ersten Blick sichtbar wird. Bei Rūmlū überwiegen die positiven Aspekte im Hinblick auf Süleyman. Ihn, selbst Soldat und mit einer offenkundigen Begeisterung für alles Militärische, haben die Größe, Pracht und Organisation des Osmanischen Reiches unter Süleyman sehr beeindruckt. Dass Rūmlū das als Verdienst dieses Herrscher sieht, wird in seinem Werk deutlich. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die äußeren Umstände sehr großen Einfluss auf die Darstellung der ´gerechten´ osmanischen Sultane in den untersuchten safawidischen Chroniken haben. Das in ihnen entworfene Bild der osmanischen Herrscher scheint vor allem ihr politisches Handeln wiederzuspiegeln. Als Person bleiben sie dem Leser fremd. Inwieweit sich diese Erkenntnisse bei den anderen Kategorien von Sultanen bestätigen lassen, bleibt zu untersuchen. Von besonderem Interesse wird sein, ob Monšī auch bei weiteren Sultanen negative Aussagen über deren Charakter trifft. Dann lässt sich beurteilen, ob seine eher negative Darstellung Süleymans nur Folge von dessen Politik ist oder tatsächlich Einblick gibt, wie Monšī das Wesen dieses Mannes sah. 2.1.2 Nur wahrgenommen: Selim II. und Osman II. Ein zweite Kategorie, in die sich osmanischen Herrscher nach den safawidischen Quellen einordnen lassen, ist die der wahrgenommenen Sultane. Auf den ersten Blick bestätigt sich die oben gemachte Annahme, die politischen Umstände hätten weit mehr zu ihrer Darstellung beigetragen als ihr tatsächliches Wesen. Keiner der Herrscher, der in diese Kategorie fällt, hatte besonderen Einfluss auf das Persien des 16. und frühen 17. Jahrhunderts.

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Doch war das bei Bayezid II. nicht genauso? Wo aber liegt dann der Unterschied zwischen ihm, Selim II. und Osman II.? Ein genauerer Blick auf diese Herrscher soll Klarheit bringen. Fehlen wird hier Mehmed III. Er wurde zu selten erwähnt, um in irgendeine der Gruppen eingeordnet zu werden. Nicht einmal der Versuch einer Charakterisierung ist möglich. SELIM II. Die erste Erwähnung Selims II. im Aḥsan at-Tawārīḫ findet sich 966 (155859). In diesem Jahr setzte Süleyman seinen Sohn Bayezid als Statthalter von Kütahya ab und übergab diese Provinz stattdessen seinem ältesten Sohn Selim.127 Monšī erzählt dieselbe Geschichte, allerdings siedelt er sie in einem anderen Jahr an. Glaubt man der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī, ereignete sich die Entmachtung Bayezids im Jahr 961 (1553-54).128 Beide Chronisten stehen hier eher auf Seiten Selims, den sein pedar-e nām-dār, sein berühmter Vater, als designierten Nachfolger zu bevorzugen schien. Den daraufhin bei Bayezid entstehenden Neid empfindet vor allem Rūmlū als unangebracht gegenüber dem eigenen Bruder.129 An die Macht kam Selim dann 974 (1566-67), nach dem Tode seines Vaters. Hier zeigt sich wieder, dass Rūmlū ausnehmend gut über die Vor127

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vgl. AT, S. 521. Das persische Wort bozorg bedeutet alleine stehend groß, alt. Eine eindeutige Übersetzung ist in diesem Fall nicht möglich, mit farzand-e bozorg kann der ältere, aber auch der älteste Sohn gemeint sein. Selim war der Drittgeborene Süleymans. Zum Zeitpunkt dieser Auseinandersetzung zwischen ihm und Bayezid waren seine beiden anderen Brüder allerdings schon gestorben, er war damit der älteste überlebende Sohn [vgl. Christine Woodhead, „Selīm II“ in: The Encyclopedia of Islam, New Edition, Band IX (1997), S. 131]. In diesem Fall sind also beide möglichen Übersetzungen richtig. Welche davon Rūmlū gemeint hat, ist nicht sicher, aber letztlich auch nicht so wichtig. Monšī ist hier genauer und schreibt, Selim sei der barādar-e bozorg-tar, der ältere Bruder Bayezids gewesen (vgl. TAAA I, S. 100). vgl. TAAA I, S.100. Diese Jahreszahl ist sicher zu früh angesetzt. Nach Cornell Fleischer erreichte die Auseinandersetzung zwischen den beiden Brüdern am 22. šaʿbān 966 (30. Mai 1559) mit einer Schlacht, die auch Rūmlū und Monšī erwähnen, ihren Höhepunkt. Der offizielle Umzug Prinz Selims in seine neue Residenz fand nach Fleischer erst im Mai 1562 statt [vgl. Fleischer (1986), S. 34]. Bayezid habe, schreibt Rūmlū, die Gefühle der oḫowwat, Brüderlichkeit durch baġḍ, Zorn und ḥasad, Neid zerstreut (vgl. AT, S. 521).

gänge im Osmanischen Reich informiert ist. Er berichtet, wie Soqollū Mehmed Pascha den Tod des Sultans geheim hielt, während er nach Selim schickte. Dieser eilte daraufhin nach Edirne und ließ, sobald er Istanbul erreicht hatte, die ḫoṭbe in seinem Namen lesen.130 So wurde Selim, wie Monšī, schreibt, mālek-e molk-e qayṣarī, Eigentümer des kaiserlichen Landbesitzes und ṣāḥeb-e afsar wa deyhīm-e eskandarī, Herr der Krone und des Diadems von Alexander.131 Ein gewisses Maß an Bewunderung, das von Anfang an das Bild der osmanischen Sultane beeinflusst hat, bringen die safawidischen Chronisten also auch Selim entgegen. Viel mehr als seine Thronbesteigung haben Rūmlū und Monšī von seiner Regierung aber nicht zu berichten. Militärischer Höhepunkt dieses Sultans war die Eroberung Zyperns von den Venezianern im Jahr 978 (1570-71).132 Der diplomatische Verkehr zwischen Osmanen und Safawiden blieb auch unter dem neuen Herrscher freundlich. Der erste persische Gesandte, der Selim zur Thronbesteigung gratulieren sollte, wurde von ihm gleich malāqāt, persönlich in Edirne empfangen.133 Auch die Briefe nach Persien waren in höflichem Ton verfasst. Doch das alles sagt nichts über Selim persönlich. Als ein Gesandter 975 (1567-68) einen Brief Selims nach Qazwīn brachte, sprach dieser darin pedare farzandāne zum Schah, wie ein Sohn zu seinem Vater.134 Aus dieser Aussage auf einen unterwürfigen Charakter Selims zu schließen, wäre allerdings gewagt, zumal sonstige Aussagen sowohl bei Rūmlū als auch bei Monšī nicht zu finden sind. Keiner der beiden Chronisten hatte ein Bild dieses osmanischen Herrschers, nicht einmal ein abstraktes. Die Bewertung fällt ausgewogen aus. Seine positive Leistung war die Fortführung des Friedens von Amasya, den er erstmals im Jahr 975 (1567-68)

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vgl. AT, S. 556. vgl. TAAA I, S. 116. vgl. AT, S. 574-575. Monšī erwähnt diese Eroberung nicht. Eine ausführliche Beschreibung der osmanischen Eroberung Zyperns liefert Çevikel, siehe: Nuri Çevikel, Kıbrıs. Akdeniz’de bir Osmanlı Adası (1570-1878), S. 53-71. vgl. AT, S. 567. vgl. TAAA I, S. 116.

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durch einen Gesandten namens Mehmed bestätigen ließ.135 Negatives berichten die Chronisten aber auch. Maʿṣūm Beyg-e Ṣafawī, ein hoher Beamter der Schahs, war auf der Pilgerfahrt nach Mekka erschlagen worden, obwohl er sich dar miyāne-ʾe qāfele-ʾe ḥaǧǧ, inmitten der Pilgerkarawane befand und Pilgerkleidung trug. Die Osmanen beschuldigten arabische Beduinen der Tat, aber Monšī sagt, sie selbst hätten ihn ermordet.136 Rūmlū sieht das genauso.137 Selim schickte einen Gesandten, um sich zu entschuldigen. In dieser Geschichte sind zwei Vorwürfe enthalten. Der erste, er muss nicht einmal ausgesprochen werden: Selim II. ist der ḫadīm al-ḥarameyn und somit für die körperliche Unversehrtheit der Pilger verantwortlich. Zweitens werden die Osmanen des Mordes bezichtigt. Dass Selim sich für das Fehlverhalten der Araber entschuldigte, obwohl seine eigenen Leute für den Mord verantwortlich waren, lässt ihn zudem in keinem allzu guten Licht erscheinen. Hat nicht Monšī auch schon Süleyman vorgeworfen, manchmal nicht so ganz ehrlich gewesen zu sein? Selim starb im Jahr 982 (1574-75). Er bleibt in den safawidsichen Chroniken eine Randnotiz. OSMAN II. Für Osman II. wird die Quellenlage sehr dünn, seine Charakterisierung muss sich allein auf Monšīs Urteil stützen. Im 32. Jahr seiner Herrschaft, also 1027 (1618), erfuhr Schah ʿAbbās, die arkān-e doūlat-e selsele-ʾe ʿoṯmānī, die hohen osmanischen Würdenträger hätten Sultan Mustafa wieder abgesetzt, zu Gunsten seines Neffen Osman. Der Grund hierfür sei gewesen, dass bei der Ernennung Mustafas der Großwesir Ḫalīl Pascha nicht befragt worden sei, und das verstoße gegen die Regeln der osmanischen Dynastie. Es ist verwunderlich, dass Monšī diese offensichtlich vorgeschobene Erklärung glaubt. Aber er tut das, wenn er sagt, diese Begründung mowāfeq-e ʿaqel ast, passt 135

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vgl. AT, S. 558. Monšī erwähnt ebenfalls, dass Selim den Frieden fortführen wollte. Bei ihm findet sich hier wieder einer der kleinen Fehler in Bezug auf die osmanische Dynastie. Er schreibt, der Friede sei zwischen dem Schah und sulṭān selīm b. solṭān morād, gefestigt worden (vgl. TAAA I, S. 161). Selims II. Vater war aber Süleyman. vgl. TAAA I, S. 161. vgl. AT, S. 570.

dem Verstand.138 Dabei hatte er kurz vorher noch selbst berichtet, Mustafa sei be ḫabṭ-e damāġ wa šūreš-mazāǧ, schlicht verrückt gewesen.139 Die Idee, die osmanischen Würdenträger hätten hier lediglich die Reißleine gezogen, scheint ihm nicht gekommen zu sein. Wenig später kam dann ein offizielles Schreiben der Pforte. In ihm wurde die Nachfolge offiziell verkündet. Zugleich teilte Osman II. mit, dass er Ḫalīl Pascha alle Vollmachten gegeben habe, einen Frieden auszuhandeln und abzuschließen.140 Hier lässt sich ein möglicher Grund erkennen, warum die osmanischen Sultane nach Süleyman in den safawidischen Quellen insgesamt seltener vorkommen. Da alle diese Werke stark auf das Militärische fixiert sind, die Sultane auf diesem Sektor aber eine immer geringere Rolle spielten, ist es nur folgerichtig, dass die Großwesire ihren Platz in den persischen Geschichtswerken einnahmen. Unklar bleibt, ob die Chronisten weniger über die Sultane sagen wollten oder ob sie einfach nicht mehr so viele Informationen über sie beschaffen konnten, seit diese Istanbul nur mehr selten Richtung Persien verließen. Die politischen Unternehmungen Osmans II. sollen hier nicht beleuchtet werden, aus safawidischer Sicht waren die meisten ohnehin relativ belanglos. Interessant wird dieser Sultan erst zu Ende seiner Herrschaft wieder. Im Jahr 1030 (1620-21) unternahm Osman einen Feldzug gegen die Franken.141 Schah ʿAbbās schickte einen Botschafter. Als er zurückkam, berichtete der Gesandte von der šoūreš wa fasād, der Verderbtheit der osmanischen Armee. Diese 138 139

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vgl. TAAA III, S. 930. vgl. TAAA III, S. 925. Dennoch spricht Monšī nicht schlecht über Mustafa. Dieser sei dagegen gewesen, Armeen in Richtung Persien zu schicken, da sich Muslime nicht untereinander bekämpfen sollten. Ob das das Ergebnis seiner Intelligenz oder seines Wahnsinns sei, möchte Monšī aber nicht entscheiden. vgl. TAAA III, S. 931. Unter der Regierung Osmans II. fanden in den Jahren 1620 und 1621 zwei Feldzüge gegen Polen statt. Der erste endete mit einem Erfolg in der Schlacht, den Osman II. aber nicht zu nutzen wusste. Daher konnten sich die Polen neu formieren und siegten im nächsten Jahr (vgl. Stanford Shaw, History of the Ottoman Empire and modern Turkey. Volume I: Empire of the Gazis: The Rise and Decline of the Ottoman Empire, 1280-1808, S. 191-192). Da Monšī von einem erfolgreichen Feldzug spricht, muss er sich hier auf den ersten beziehen. Dann aber irrt er sich im Jahr. Die Schlacht, die er aller Wahrscheinlichkeit nach meint, fand nicht im muslimischen Jahr 1030, sondern am 22. šawwāl 1029 statt.

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habe den Sultan gestürzt und ermordet.142 Osman wollte, das bestätigten erst Reisende und später auch offizielle Gesandte, nach seinem sehr erfolgreichen Feldzug auf den Balkan im selben Jahr noch Richtung Ḥicāz aufbrechen.143 Die Janitscharen suchten das zu verhindern mit der Begründung, das schaffe nur Unruhe unter Arabern und qezelbāš. Es sei letztlich nicht zum Wohle des Staates. Monšī schildert das sehr ausführlich. Über den jungen Sultan urteilt er dabei kühl. Im Zentrum seiner Kritik aber steht der Großwesir Dilāwer Pascha. Dieser habe zusammen mit einigen anderen ḫwošāmad-gūyān, Schmeichlern, den jungen, hochmütigen Sultan in seiner Ahnungslosigkeit noch bestärkt.144 Monšī steht auf der Seite der Janitscharen, der wichtigsten Einheit der osmanischen Armee, wie er sagt. Mehrmals erwähnt er, dass das Handeln der Janitscharen in der Vergangenheit immer im Sinne des Staates gewesen sei. Monšī steht also im Zweifel zum Staat, nicht zum Herrscher. Dass das in Nachbarstaaten der Osmanen auch anders gesehen wurde, zeigt das Beispiel des Kroaten Ivan Gundulić. Er unterstützte in seinem erst 1826 veröffentlichten Epos über Osman Dilāwer Pascha und seine Anhänger. Einen legitimen Herrscher zu stürzen, kam für ihn nicht in Frage.145 Nachdem Osman II. um Verzeihung gebeten hatte und ihm diese auch in Aussicht gestellt worden war, entschlossen sich die Janitscharen letztlich doch, den ignoranten Jugendlichen, der sie im Herzen immer noch hasste, hinrichten zu lassen.146 Über Osmans Charakter macht Monšī relativ viele Angaben. Er sei arrogant und unwissend gewesen, außerdem ein Ignorant. Er habe die Gesetze der osmanischen Dynastie, seiner eigenen Familie also, nicht gekannt und ge142

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vgl. TAAA III, S. 983-984. Nebenbei versäumte es ʿAbbās natürlich nicht, die Osmanen über seine neuesten Eroberungen für den Islam zu unterrichten. Er hatte Qandahār und Hormūz, letzteres von den Portugiesen, erobert. Über die Versuche Osmans, die Armee zu reformieren und wieder schlagfertig zu machen [vgl. Shaw (1976), S. 192-193)], wusste Monšī offenbar nichts, sonst wäre sein Urteil möglicherweise anders ausgefallen. vgl. TAAA III, S. 984. Davor Dukić nennt das einen aristokratisch-konservativen Standpunkt [vgl. Dukić (2007), S. 13-14]. Ein eher konservativer Aristokrat war Monšī auch. Dennoch kam er zu einem anderen Schluss. vgl. TAAA III, S. 985.

achtet. Gleichzeitig aber verbesserte sich unter ihm der Ton gegenüber Persien wieder deutlich. Wenn er Briefe schickte, wurde ʿAbbās mit allen ihm zustehenden Ehrentiteln angesprochen.147 Das war unter Süleyman nicht immer die Regel gewesen, sehr zum Ärger der Chronisten.148 Jetzt war der Ton des diplomatischen Verkehrs freundlich, wie Monšī an mehreren Stellen erwähnt.149 Es finden sich also Licht und Schatten im Wesen dieses jungen Mannes. ZUR FALSCHEN ZEIT AM FALSCHEN ORT: WIE MAN ÜBERSEHEN WIRD Die zweite Gruppe osmanischer Sultane ist die, deren Beschreibung keine positive oder negative Wertung enthält. Die beiden Herrscher, die sich ihr zuordnen lassen, werden von den safawidischen Chronisten zwar wahrgenommen, mehr aber auch nicht. Das trifft vor allem auf Selim II. zu. Er ist, von Mehmed III. einmal abgesehen, der am wenigsten deutlich beschriebene Sultan des 16. Jahrhunderts. Erklären lässt sich das natürlich durch seine geringe militärische Aktivität. Es gab in seiner Regentschaft wenig, was einem safawidischen Chronisten der Erwähnung wert schien. Neben seinen eigenen potentiellen Unzulänglichkeiten als Herrscher hat sicher noch eine weitere Entwicklung zum verschwommenen Bild Selims beigetragen. Diese lag außerhalb seiner Reichweite. Er regierte zwischen 974 (1566-67) und 982 (1574-75), in einer Zeit, in der die Safawiden mehr als sonst mit sich selbst beschäftigt waren. Die innenpolitischen Probleme unter den zwei schwachen Herrschern Esmāʿīl II. und Mohammad Schah lenkten den Focus der Chronisten noch stärker auf Persien.150 Dabei scheint Selim II. einfach unter den Tisch gefallen zu sein. Und ein weiterer Eindruck drängt sich dem Leser der safawidischen Quellen auf. Selim regierte zwischen zwei Herrschern, die sehr viel persische Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben: Süleyman als die Lichtgestalt, der gerechteste und beste Herrscher seines Hauses, und Selims Nachfolger Murad

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vgl. TAAA III, S. 931. vgl. AT, S. 484. vgl. TAAA III, S. 948, 957-958. So werden im kompletten Kapitel über Esmāʿīl II. in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī (TAAA I, S. 192-222) die Osmanen nicht ein einziges Mal erwähnt.

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III., der Kriegstreiber. Zwischen diesen beiden Extremen scheint für ihn kein Platz gewesen zu sein. Wenn, wie schon im Falle Bayezids II. und Selims I. angenommen, der idealisierte Vorgänger den dämonisierten Nachfolger noch schlechter aussehen lassen sollte, so muss eine Beschreibung Selims II. den Chronisten eher hinderlich gewesen sein. Inwieweit sich die Tatsache, dass er als erster Sultan die osmanische Armee nicht mehr selbst ins Feld führte, auf seine Präsenz in den safawidischen Quellen ausgewirkt hat, wird sich erst durch einen Blick auf seine Nachfolger klären lassen. Für Osman II. ergibt sich bei Monšī ebenfalls nur ein starres Bild. Das ist wohl vor allem durch die kurze Regentschaft bedingt. Dafür sagt der Chronist sehr viel über dessen Charakter, ausschließlich Negatives. Osman sei ein arroganter, unwissender Ignorant gewesen, der sich für die Regeln seiner Dynastie nicht interessierte. Er habe sich Dinge herausgenommen, die einem Mann seines Alters nicht zustanden und das Wohl des Staates dadurch aus den Augen verloren. Liest man die Bemerkungen Monšīs über Osmans Charakter, könnte man diesen Mann für unsympathisch halten. Doch damit dürfte man ihm Unrecht tun. Denn wenn der persische Hofchronist von dem osmanischen Sultan spricht, so denkt er wohl in Wahrheit an jemand anderen.151 Der Vorwurf, sich nicht in ausreichendem Maße um das Wohl des Staates zu kümmern, dürfte eigentlich an Esmāʿīl II. gerichtet sein. Gleiches gilt für die Missachtung der dynastischen Regeln. Denn hatte nicht Esmāʿīl II., gegen alle praktische Vernunft, mehr oder weniger wahllos Mitglieder seiner eigenen Familie töten oder blenden lassen? Der Einwurf, Osman sei schwach gewesen und habe sich von schlechten Menschen bevormunden lassen, ruft einem Mohammad Schah ins Gedächtnis. Wenn also Monšī die persischen Verhältnisse in dieser Zeit durch den Umweg über die Osmanen kritisiert hat, ist es nur folgerichtig, dass er die Absetzung Osmans gutheißt. Denn die zwei safawidischen Herrscher, die er mit ihm gleichzusetzen scheint, haben ihren Staat fast ruiniert.152 151

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Ähnliches hat Monšī schon einmal gemacht. Bei seiner Beschreibung des osmanischen Prinzen Bayezid (vgl. TAAA I, S. 96-104) scheint es ihm ihn Wahrheit auch eher um den Safawiden Alqās zu gehen. Die Regierungszeiten Moḥammad-e Ḫodābandes und Esmāʿīls II. mit all ihren negativen Folgen für Persien beschreibt Roemer, siehe: Hans Robert Roemer, Der Niedergang Irans nach dem Tode Ismaʿīls des Grausamen 1577-81.

Dass Selim II. in den safawidischen Quellen undeutlich erscheint, hat weniger an ihm gelegen. Er traf einfach auf einen persischen Staat, der mehr mit seinen eigenen Problemen und deren Aufarbeitung beschäftigt war als sonst. Bayezid II. ist trotz seiner geringen Bedeutung positiv dargestellt worden. Der Grund dafür war das größere Selbstvertrauen seiner persischen Zeitgenossen. In der kurzen Regierungszeit Osmans II. ist Monšī vor allem damit beschäftigt, die Vorzüge von Schah ʿAbbās zu preisen, für den Osmanen bleibt da kaum Raum. 2.1.3 Die vertragsbrüchigen Sultane: Selim I, Murad III., Ahmed I. Der Eindruck, ihre politische Handlungsweise hätte mehr Einfluss auf das Bild osmanischer Herrscher in safawidischen Quellen als ihre Persönlichkeit, hat sich verfestigt. Letzte Klarheit soll der Blick auf die Sultane der letzten Gruppe bringen. Sie, allen voran Selim I., waren es, die den Safawiden schwer zusetzten. Seine Charakterisierung, aber auch die von Murad III. und Ahmed I. ist negativ. Aber sagt das im Gegenzug etwas über ihren wahren Charakter aus, oder wird uns auch hier wieder kein lebendiges Bild eines Herrschers vermittelt? Auf den ersten Blick passen nur Selim I. und Murad III. in diese Kategorie. Sie führten beide große Feldzüge gegen Persien, brachten dabei den Safawiden teils vernichtende Niederlagen bei. Aber warum gehört Ahmed I. in diese Gruppe? Zwar gab es auch unter seiner Führung Schlachten mit den Persern, doch mit Čalderān sind sie nicht zu vergleichen. Gibt es also, neben dem militärischen Handeln, noch weitere Faktoren, die das Bild der Sultane beeinflussten? SELIM I. Schon bevor Selim den Thron bestieg, tat er Dinge, die die safawidischen Chronisten kritisieren. Ab 916 (1510-11), berichtet Rūmlū, kämpfte er gegen seinen Vater um die Macht.153 Glaubt man Monšī, so begann die Rebellion zwar erst ein Jahr später,154 er missbilligt sie aber ebenso. Bereits der Anfang war also kein besonders günstiger. 918 (1512-13) dann stürzte er seinen von den Persern sehr wohlwollend betrachteten Vater und machte sich zum 153 154

vgl. AT, S. 162. vgl. TAAA I, S. 41.

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Sultan.155 Mit Hilfe einer Hinterlist tötete er seinen Bruder Ahmed, sein Neffe Murad floh nach Persien.156 Ḫwāndamīr beschreibt, wie sich dieser sehr gut mit dem Schah verstand und sogar zum Statthalter einiger Gebiete in Persien gemacht werden sollte.157 Selim verließ daraufhin den guten, geradlinigen Weg seiner Ahnen, begann einen Aufstand gegen die Abgesandten des Schahs und öffnete die Tore des Krieges.158 In den ersten zwei Jahren seiner Herrschaft scheint er aber erst einmal nichts getan zu haben, was den Chronisten eine Erwähnung wert gewesen wäre. Das änderte sich am 2. raǧab 920 (23. August 1514). Die Schlacht von Čalderān wird der bestimmende Faktor für seine Darstellung werden. Der Verlauf der Schlacht, detailliert nachzulesen bei Rūmlū, ist hier weniger von Bedeutung.159 Interessanter ist die Ursache dieser Auseinandersetzung aus Sicht der Perser.160 Ḫwāndamīr nennt keinen speziellen Grund. Er erwähnt lediglich, dass der Schah in Hamadān erfuhr, dass Selim mit einer Armee anrückte.161 Ein Streit mit Nūr ʿAlī Ḫalīfe-ʾe Rūmlū, dem safawidischen Gouverneur von Arzenǧān, stand nach Monšīs Meinung am Beginn der Auseinandersetzung.162 Am interessantesten ist die Ursachenforschung aber bei Rūmlū. Ḫān Moḥammad-e Ostāǧlū163 sei nach einem Sieg über den Sultan Ägyptens hochmütig geworden. Er schrieb drohende Briefe an Selim und schickte ihm Dinge, die ihn schließlich zum Krieg provozierten, unter anderem einen

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vgl. HS, S. 523. Ḫwāndamīr betitelt Bayezid II. an dieser Stelle wieder als Yıldırım. vgl. AT, S. 177. vgl. HS, S. 530-531. Allerdings starb er, bevor er sein Amt antreten konnte. vgl. HS, S. 544. vgl. AT, S. 187-196. Die Aktivitäten Sultan Selims im Vorfeld von Čalderān und die Ursachen der Schlacht aus heutiger Sicht beschreibt Remzi Kılıç sehr ausführlich. Er nennt ebenfalls die Auseinandersetzungen des jungen Sultans mit Nūr ʿAlī Ḫalīfe-ʾe Rūmlū als bedeutenden Faktor, siehe: Remzi Kılıç, Kânunî Devri. Osmanlı-İran Münasebetleri (1520-1566), S. 60-68. vgl. HS, S. 543. vgl. TAAA I, S. 42. Er war zu dieser Zeit der safawidische amīr al-omarāʾ [vgl. Floor (2001), S. 20; Table 1.2].

meʿǧar, einen Gesichtsschleier für Frauen.164 Auch das Aḥsan at-Tawārīḫ nennt Nūr ʿAlī Ḫalīfe-ʾe Rūmlū, allerdings in weit negativerem Zusammenhang. Dieser habe Tokat niedergebrannt und Selim so zum Krieg veranlasst.165 In der Schlacht selbst passierte wenig, aus dem man etwas über Selim erfahren könnte. Die Osmanen nahmen Solṭān ʿAlī-ye Afšār, der Esmāʿīl sehr ähnlich sah, gefangen und brachten ihn zu Selim. Als dieser den Irrtum seiner Männer erkannte, ließ er den unglücklichen Gefangenen auf der Stelle töten.166 So mutig er gegenüber Gefangenen war, so feige war er, wenn es um sein eigenes Leben ging. Als Selim einen Ausfall seiner Truppen befehligte, schreibt Ḫwāndamīr, habe er Esmāʿīl den Kopf eines osmanischen Kriegers spalten sehen. Nur jemand, der Wunder vollbringen kann, glaubte Selim, sei in der Lage, ein Schwert auf diese Weise zu führen. Er bekam es mit der Angst und zog sich hinter seine Stellungen zurück.167 Letztlich aber gewann die ḫeyl-e šaqāwat-e hoǧūm-e rūm, die Bande der Schurkerei der angreifenden Osmanen, so hatte Ḫwāndamīr sie bereits eingangs der Schlacht genannt.168 Wie genau Selim das bewerkstelligte, darüber schweigen sich die Chronisten aus. Verdient, da sind sie sich alle einig, hatte er den Sieg nicht. Einzig Monšī begründet die Niederlage der Safawiden. Gott selbst habe sie gewollt. Denn hätte Esmāʿīl gewonnen, er wäre von seinen Anhängern endgültig zum Gott erklärt worden. Für das Seelenheil der qezelbāš war die Niederlage also notwendig.169 Alle drei Schreiber unterstellen Selim mehr oder weniger deutlich militärisches Unvermögen. Über seinen Charakter äußern sie sich, wenn überhaupt, fast immer negativ. Selim ließ Gefangene hinrichten und lief, wenn es darauf ankam, davon. Weitere Belege für Selims Feigheit liefert Ḫwāndamīr. Der osmanische Sultan habe das safawidische Gebiet schon nach wenigen

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AT, S. 188. vgl. AT, S. 188. Diese Geschichte berichten sowohl Rūmlū (vgl. AT, S. 195) als auch Monšī (vgl.

TAAA I, S. 43). vgl. HS, S. 547. vgl. HS, S. 544. vgl. TAAA I, S. 43.

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Tagen aus Furcht vor dem Schwert Esmāʿīls wieder verlassen.170 Wenig später zog er Richtung Syrien, wo eine Schlacht zwischen den Osmanen und den Mamluken stattfand. Kurz bevor die beiden Heere aufeinander trafen, begann Selim sich extrem zu fürchten und stoppte seine Truppen.171 Auch hier macht er keine gute Figur, und das trotz seiner überlegenen Armee. Ḫwāndamīr, der von allen drei Chronisten mit Abstand am härtesten über Selim richtet, fasst danach sein Urteil in einem Absatz zusammen: Die Herrschaft ist wie Wein, nicht jeder kann das genießen. Herrschen und Wein hat eine Qualität. Wenn einer selbst eine gute Seele hat, dann wird er davon positiv beeinflusst, wenn er davon getrunken hat. Dadurch gehen die Türen von Glück und Freude auf. Aber diejenigen, die verzweifelt und arrogant sind, die werden einfach nur betrunken davon.

‫ﺳﺎﻏﺮ ﺳﻠﻄﻨﺖ و ﺟﻬﺎﻧﺒﺎﻧﻲ و ﺷﺮاب‬ ‫ﺧﻼﻓﺖ و ﮐﺎﻣﺮاﻧﻲ آﻴﻔﻴﺘﻲ دارد‬ ‫ﮐﻪ ﭼﻮن ﲟﺬاق ﺳﻠﻴﻢ و ﻣﺰاج‬ ‫ﻣﺴﺘﻘﻴﻢ ﺳﻌﺎدﲤﻨﺪی رﺳﺪ ﭼﻨﺎن‬ ‫ﻧﺸﺌﻪٴ اﻧﮕﻴﺰد ﮐﻪ اﺑﻮاب ﻓﺮح و‬ ‫ﺳﺮور ﺑﺮ روی روزﮔﺎر ﲬﺎرزدﮔﺎن‬ ‫ﺑﺰم ﺳﭙﻬﺮ ﺟﻔﺎﮐﺎر ﺑﮕﺸﺎﻳﺪ و اﮔﺮ‬ ‫ﻣﺸﺎم ﻏﻔﻠﺖ ﺳﺮ اﳒﺎم اهﻞ ﻏﺮور‬ ‫ﭘﻨﺪار از راﳛﺔ ﺁن ﺟﺎم ﲠﺠﺖ‬ ‫اﳒﺎم اﻧﺪک ﲠﺮة ﻳﺎﺑﺪ ﭼﻨﺎن‬ ‫ﻋﺮﺑﺪﻩ ﺳﺎزذ و ﻃﺮح ﺑﺪ ﻣﺴﺘﻲ‬ 172

‫اﻧﺪازد‬

Während sich Monšī dem Urteil Ḫwāndamīrs, wenn auch leicht abgemildert, weitgehend anschließt, zeichnet Rūmlū ein positiveres Bild. So ist im Aḥsan at-Tawārīḫ der Vorwurf der Feigheit bis auf ein Mal nicht zu finden. Im Gegenteil erscheint Selim hier eher als furchtlos und mächtig. Bei einer Auseinandersetzung zwischen Selim und ʿAlāʾ ad-Doūle-ʾe Ḏūʾl-Qadr wurde letzterer vernichtend geschlagen. Dazu bemerkt Rūmlū, dass, wer mit dem Rüssel 170

vgl. HS. S. 569. Monšī schreibt ebenfalls, die Furcht des Sultans vor dem Schah sei der Grund seines Rückzugs aus Aserbaidschan gewesen, und das nach nur sechs Tagen (vgl. TAAA I, S. 43). An dieser Stelle schließt sich sogar Rūmlū dem Urteil an, Selim sei feige gewesen. Allerdings lässt er es ihn acht Tage in Persien aushalten (vgl. AT, S. 195).

171

vgl. HS, S. 569.

172

HS, S. 545.

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eines Elefanten spiele oder mit einem Dorn die Stirn einer Schlange streichle, eben seine eigene Vernichtung riskiere.173 Folgerichtig findet sich die einzige uneingeschränkt positive Aussage über Selim im Aḥsan at-Tawārīḫ: Nach der Eroberung von Tabrīz habe Selim in der Moschee beten wollen. Der ḫaṭīb habe an der entsprechenden Stelle der ḫoṭbe Esmāʿīls Namen gelesen statt Selims. Die Osmanen hätten den Mann daraufhin sofort töten wollen, aber der Sultan habe es verboten. Er sei daran gewöhnt. Außerdem sei Selim betrübt gewesen, dass drei ranghohe seyyeds in der Schlacht gefallen waren.174 Wieder einig sind sich die drei Chronisten dann darin, dass alle Siege Selims letztlich unverdient gewesen seien. Die Schlacht von Čalderān war nach Monšī ohnehin von Gott entschieden worden. Ḫwāndamīr lässt Esmāʿīl einen taktischen Rückzug vollziehen, den Selim selbst, und die meisten Historiker nach ihm, allerdings als Flucht interpretieren werden. So habe der osmanische Sultan also auch hier keinen wahren Sieg errungen. Danach schlug Selim noch zwei Schlachten und auch diese gewann er nur bedingt durch eigenes Zutun. 922 (1516-17) kämpfte er gegen den Sultan von Ägypten. Aber kurz vor der entscheidenden Schlacht starb Sultan Qānṣaw eines natürlichen Todes. Nachdem Selim von diesem ḥādeṯe-ʾe āsemānī, diesem himmlischen Ereignis gehört hatte, nahm er, so schreibt Ḫwāndamīr, Syrien und Ägypten ohne Kampf ein.175 In diesem Fall pflegt der Chronist einen doch zu lockeren Umgang mit historischen Tatsachen, wie auch Rūmlū schon bemerkte. Er verstehe nicht, wie Ḫwāndamīr so etwas behaupten könne, obwohl er doch ein Zeitgenosse war. Natürlich habe eine Schlacht stattgefunden und während dieser sei der ägyptische Sultan gestorben, wenn auch an seinem Körper keine Wunde zu finden war.176 Bei Rūmlū schwingt aber 173

174 175 176

vgl. AT, S. 202. Vor einem weiteren geplanten Krieg gegen Esmāʿīl hatte Selim zur Versorgung der Armee Nahrungslager nahe der persischen Grenze anlegen lassen. Diese hatte ʿAlāʾ ad-Doūle-ʾe Ḏūʾl-Qadr geplündert. Daraufhin ging der Sultan gegen ihn vor. vgl. AT, S. 195. vgl. HS, S. 569. AT, S. 210-211. Der greise Mamlukenherrscher war am 24. August 1516 bei der Schlacht gegen die Osmanen einem Herzinfarkt erlegen (vgl. Ulrich Haarmann, „Der arabische Osten im späten Mittelalter 1250-1517“ in: Geschichte der arabischen Welt, hrsg. von ders., S. 252).

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ebenso mit, dass Selim durch den Verrat des mamlukischen Gouverneurs von Aleppo sehr gedient war. Nach der Eroberung Ägyptens im nächsten Jahr, die wieder durch einen Überläufer ermöglicht wurde,177 kehrte er nach Istanbul zurück. Er war mit Beute beladen und ġorūr, was im Persischen Stolz, aber auch Hochmut bedeuten kann.178 Bei der bisherigen Charakterisierung Selims kann man davon ausgehen, dass eher letzteres gemeint ist. Er starb dort 926 (1519-20), ohne Nutzen aus seiner Größe und seinem Ruhm gezogen zu haben,179 an der Pest.180 MURAD III. Der zweite in der Kategorie der vertragsbrüchigen Sultane ist Murad III, der 982 (1574-75) an die Macht kam. Zumindest zu Beginn seiner Herrschaft scheint das Verhältnis zu den Safawiden noch gut gewesen zu sein. Schah Esmāʿīl II. empfing kurz nach seiner Thronbesteigung, also 984 (1576-77), einen aus dem Osmanischen Reich zurückgekehrten Botschafter. Dieser hatte, schreibt Rūmlū, zahlreiche Geschenke und unbegrenzte Kostbarkeiten, …wunderschöne Sklaven mit gold-

‫…ﻏﻼﻣﺎن ﭘﺮی وش ﺑﺎ ﺧﻴﻤﻪ هﺎی‬ ‫زرﮐﺶ و اﺳﺒﺎن ﺗﺎزى و‬

geschmückten Zelten, Pferde aus Arabien, Syrien und dem Ḥicāz, vierzigspitzige Pavillons, königliche Teppiche, silberne und goldene Kästchen, wertvolle Bücher und edle Stoffe…

177

178 179 180 181

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‫ﺑﺎدﭘﻴﻤﺎﻧﻴﺎن ﺷﺎﻣﻲ و ﺣﺠﺎزی و‬ ‫ﺧﺮﮔﺎﻩ ﭼﻬﻞ ﺳﺮی و ﺑﺎرﮔﺎﻩ ﺷﺸﱰی‬ ‫و ﺻﻨﺪوﻗﻬﺎی ﺳﻴﻢ و زر و ﮐﺘﺐ‬ 181

…‫ﻧﻔﻴﺴﻪ و اﻗﻤﺸﺔ ﺷﺮﻳﻔﻪ‬

Auch davon berichtet Rūmlū sehr ausführlich. Ein übergelaufener ägyptischer Krieger habe Selim vor einem Hinterhalt gewarnt und so gerettet. Ein einfacher Soldat der gegnerischen Armee muss also dem osmanischen Sultan den Sieg sichern. In diesem Licht hat die dann folgende Aussage Rūmlūs, Selim habe daraufhin furchtlos in Ägypten überwintert, wieder einen anderen Unterton (vgl. AT, S. 213-216). AT, S. 216. vgl. HS, S. 570. AT, S. 221. AT, S. 629.

von Sultan Murad dabei. Diese Passage ist gleich in zweierlei Hinsicht interessant. Zum einen zeigt sie, dass, in den Augen Rūmlūs, ein würdevoller Umgang miteinander gepflegt wurde. Zum anderen lässt die Tatsache, dass die Osmanen den Safawiden wertvolle Bücher mitbrachten, darauf schließen, dass es umgekehrt genauso war. Da Chroniken vom Umfang des Ḥabīb as-Siyar mit Sicherheit zu den teuren Schriften zu rechnen sind, ist anzunehmen, dass die Perser selbst ihren westlichen Nachbarn einige der Chroniken zum Geschenk machten. Das stimmt auch mit den Erkenntnissen über die sich in Istanbul befindlichen Handschriften überein, die ja zum Teil von Persern abgeschrieben worden waren. Nach dieser kurzen Phase des Friedens verließ Murad III. den Weg seiner Vorväter und brachte Unglück über die einfachen Leute, wie Monšī schreibt.182 Kurz nach seinem Amtsantritt hatte der Sultan die chaotischen Zustände in Persien gesehen und ein Auge auf Aserbaidschan und Šīrwān geworfen.183 Zusammen mit den Truppen des dortigen Fürsten und einigen Kurden griffen die Osmanen Šīrwān an. So brach Murad III. den Vertrag, der be dast-e ḫaṭṭ-e solṭān soleymān, von Süleyman höchstpersönlich unterzeichnet worden war.184 Die safawidischen Verteidiger, die mit diesem Verrat nicht gerechnet hatten, wurden einfach überrannt. Dabei kam den Osmanen, wie Monšī schreibt, ihre mawāfaqat-e maḏhab, ihre Einmütigkeit der Religion mit den Kurden zugute.185 Dieser Angriff wird das bestimmende Thema im Zusammenhang mit Murad III. bleiben, es zieht sich durch sein ganzes Leben und weit darüber hinaus. Den Bruch des Vertrages von Amasya wird Monšī ihm nicht verzeihen. Sonst passierte in Murads Lebenszeit aus persischer Sicht kaum mehr etwas Bedeutendes. Er starb am 4. ǧomādā I 1003 (15. Januar 1595). Monšīs Nachruf auf ihn enthält zwar auch Anerkennung, so sei Murad

182 183 184 185

vgl. TAAA I, S. 79. vgl. TAAA I, S. 228. vgl. TAAA I, S. 231. vgl. TAAA I, S. 232. Das ist eines der ganz wenigen Male in allen drei untersuchten Quellen, dass das Thema Religion überhaupt im Zusammenhang mit den Osmanen vorkommt. Es macht auch hier nicht den Eindruck, dass es gezielt angesprochen worden ist. Die vielen anderen Male, wenn die Osmanen mit den Kurden zusammenarbeiten, erwähnen die Chronisten die Religion mit keinem Wort.

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III. der größte, mächtigste186 und unabhängigste aller osmanischen Sultane gewesen. Das entscheidende Kriterium zu seiner Beurteilung sind aber zwei omūr-e nāšāyeste, unwürdige Befehle seinerseits. Zum einen habe er den Frieden zwischen Tahmāsb und Süleyman gebrochen, ke lāyeq-e salāṭīn nīst, was eines Herrschers nicht würdig ist. Zum anderen befahl er ein Verbrechen, das in keiner islamischen Zeit und unter keinem islamischen Herrscher bisher vorgekommen war, die Versklavung muslimischer Frauen und Kinder. Diese seien dann, so Monšī, von Murads Leuten an Ungläubige, Juden und Christen verkauft worden.187 Das habe sogar einige Familien von seyyeds betroffen. Diesen Vorwurf erneuert er später noch einmal: Murad habe in Tabrīz Kinder von seyyeds gefangen genommen, was vor ihm undenkbar gewesen wäre, und sie in Istanbul an fränkische Ungläubige verkauft.188 Nachhaltiger blieb Monšī aber der Bruch des Friedensvertrages im Gedächtnis, den er mit schöner Regelmäßigkeit erwähnt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kam der osmanische Großwesir Ǧiġāl-Oġlū Sinān Pascha nach Kars und fragte den persischen Kommandanten dort, warum er Truppen in Aserbaidschan habe, die den Frieden gefährden? Der Perser fragte nur zurück, warum Sultan Murad nach dem Tod von Schah Tahmāsb den Frieden, der von den Schwüren seiner Vorfahren zementiert war, gebrochen habe, warum er das Land in Unruhe gestürzt und Hand gelegt habe an Gebiete, die erblich den Safawiden gehören.189 Sogar dem osmanischen Großwesir habe diese Antwort gefallen. Nicht besser erging es einem anderen Großwesir, Darwīš Pascha, einige Jahre später. Auch er kam mit einem neuen Friedensangebot an den safawidischen Hof, nur um zu erfahren, dass es ja schon einmal einen 186

187

188 189

58

vgl. TAAA II, S. 504. Hier ist nicht ganz sicher, was mit dem persischen Wort ʿaẓamat gemeint ist. Es kann Größe und Macht bedeuten, aber auch Hochmut und Arroganz [vgl. Junker (1986), S. 515]. Aufgrund der knappen Beschreibung Murads III. bei Monšī sind beide Bedeutungen denkbar. vgl. TAAA II, S. 504. Das Wort gabr bedeutet im Persischen eigentlich Zoroastrier [vgl. Junker (1986), S. 623; Redhouse (1890), S. 1521], soll hier aber wohl einfach Ungläubiger bedeuten. Da Juden und Christen dazu noch direkt erwähnt werden, ist nicht klar, wen genau Monšī damit meint. Möglichweise handelt es sich bei den tarsā um osmanische Christen und bei den gabr um europäische. Für den Vorwurf ist das ohnehin nebensächlich, der ist stark genug. vgl. TAAA II, S. 629. vgl. TAAA II, S. 668.

Frieden gab, bevor Murad III. ihn brach.190 Oft erwähnt Monšī dieses Ereignis auch nur in Nebensätzen. Bei der Rückeroberung Aserbaidschans durch Schah ʿAbbās gelang diesem auch die Einnahme von Kars. Fast nebenbei erwähnt der Chronist, dass es diese Festung nach dem Vertrag, den Murad brach, eigentlich gar nicht mehr geben dürfte.191 Diese Beispiele, denen weitere hinzuzufügen wären,192 schaffen beim Lesen der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī nach und nach das Gefühl, dass Sultan Murad III. ein Schurke war. Dies scheint genau das zu sein, was Monšī beabsichtigt hat. Er macht kaum Angaben zu Murads Leben oder seinem politischen Wirken, Erwähnungen zum Charakter fehlen vollständig. Dennoch erscheint Murad III. dem Leser als ein ausgesprochen negativer Vertreter seiner Familie. AHMED I. Der letzte Sultan, der hier behandelt werden soll, ist Ahmed I.. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Mehmed III. wird er immerhin so oft erwähnt, dass man etwas über ihn sagen kann. Im Winter des Jahres 1012 (1603-04) starb Sultan Mehmed III. und sein Sohn Ahmed wurde 16-jährig sein Nachfolger.193

190

vgl. TAAA II, S. 720.

191

vgl. TAAA II, S. 742.

192

So teilte Schah ʿAbbās den hohen osmanischen Würdenträgern einige Jahre später in einem Brief mit, dass die Osmanen die Kämpfer gegen die Ungläubigen seien, die unterstützt werden müssen. Aber auch hier lässt er es sich nicht nehmen, den Vertragsbruch Murads zu erwähnen (vgl. TAAA II, S. 789). In einer Abhandlung über einen kurdischen Stamm erwähnt Monšī die Geschichte ebenfalls noch einmal, auch hier eher beiläufig (vgl. TAAA II, S. 812).

193

vgl. TAAA II, S. 646-647. Zuvor war Mehmeds ältester Sohn stranguliert worden, weil eine Gruppe im Harem seine Mutter nicht mochte. Da der nächste Sohn Mustafa verrückt war, wurde Ahmed neuer Sultan. Hier scheinen einige Details in Monšīs Beschreibung nicht zu stimmen, über die in der neueren Forschung teilweise aber immer noch keine Einigkeit besteht. Sicher ist, dass Ahmed bei seiner Thronbesteigung nicht 16, sondern 13 Jahre alt war [vgl. Shaw (1976), S. 186; K. Mantran, „Aḥmad I“ in: The Encyclopedia of Islam, New Edition, Band I (1979), S. 267]. Während Mantran aber davon ausgeht, dass Ahmed der älteste Sohn Mehmeds III. war [vgl. Mantran (1979), S. 267], sagt Shaw, dass er lediglich der älteste überlebende Sohn gewesen sei, nachdem schon vier seiner Brüder gestor-

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Dieser scheint, nach Monšī, zunächst einmal in keiner besonders guten Position gegenüber den Safawiden gewesen zu sein. So schickte er im 23. Jahr der Herrschaft von Schah ʿAbbās, also 1017 (1608-9), einen Gesandten nach Persien. Dieser drängte regelrecht auf einen Friedensvertrag, da eine Fortführung des Krieges nur den Muslimen schade und die osmanischen Armeen, die gegen die Franken kämpfen, schwächen würde.194 ʿAbbās stimmte schließlich diesem Vorschlag zu, natürlich nicht ohne den Vertragsbruch Murads III. noch einmal zu erwähnen, und schickte einen Boten nach Istanbul. Dieser hatte, auf ḥasb al-eltemās, auf dringendes Bitten des Großwesirs Murad Pascha hin, einen Brief an Ahmed dabei. Kurz vor Istanbul traf er auf eben jenen Großwesir, der mit einer Armee Richtung Persien zog. Dieser wartete das Ergebnis der Verhandlungen nicht ab, sondern sagte lediglich, da des Sultans Geld für diese Armee schon ausgegeben sei, werde er seine Mission auch durchführen.195 So richtig ernst meinten es die Osmanen mit dem Frieden unter Muslimen offenbar immer noch nicht. Auch 1024 (1615-1616) schickte Ahmed I. wieder eine Armee Richtung Osten. Er war auf die soḫanān-e dorūġ, die verlogenen Worte zweier georgischer Prinzen hereingefallen, die ihn zum Angriff überredet hatten. Da zählten auch all die freundlichen Briefe und Geschenke nichts mehr, die regelmäßig aus Persien gekommen waren. Ganz abgesehen davon, dass die Safawiden sich nie etwas zu Schulden hatten kommen lassen, wie Monšī betont.196 Ahmed hatte völlig unbegründet den eben erst geschlossenen Friedensvertrag gebrochen und damit ġadrī-ye wāḍeḥ, offenkundigen Verrat begangen.197 Im nächsten Jahr wollte er noch einmal eine Armee schicken, aber weil Gott gerecht ist, wurde er krank und starb, so Monšīs kurzes Urteil.198 Der safawidische Chronist

194 195 196

197 198

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ben waren. Auch geht er anders als Monšī davon aus, dass Mustafa jünger war als Ahmed und nicht älter [vgl. Shaw (1976), S. 186]. vgl. TAAA II, S. 789. vgl. TAAA II, S. 817. vgl. TAAA II, S. 887. Neben den Georgiern bedrängten Ahmed auch noch einige Leute aus dem Harem. Diese rieten ihm vom Angriff ab, obwohl sie keine Ahnung von Politik hatten. Da verlor der Sultan die Geduld und schickte seinen Großwesir gegen Persien. vgl. TAAA II, S. 903. vgl. TAAA II, S. 911. Er wiederholt das noch einmal in Gedichtform:

erwähnt explizit den Zusammenhang zwischen diesem Vertragsbruch und Ahmeds frühem Tod. Ein solcher Akt sei man ǧāneb-e allāh mamnūʿ, von Gott verboten und beyn al-ḫalāyeq maḏmūm, unter den Menschen schimpflich.199 Schon mit Blick auf die Schilderung von Ahmeds militärischem Handeln fällt auf, dass Monšī ihm gegenüber sehr kritisch ist. Der angenommenen Verbindung nach zwischen politischem Leben und Darstellung des Charakters müsste nun also in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī auch Ahmeds Wesen negativ erscheinen. Die erste Auffälligkeit ist, dass Monšī ihn als pādešāh-e torkī bezeichnet,200 was er bei den früheren osmanischen Herrschern nie getan hat. Da das Wort torkī in den safawidischen Quellen äußerst negativ belegt ist, wird das nicht als Kompliment gemeint gewesen sein. Die Charaktereigenschaft, die bei Ahmed am deutlichsten erscheint, ist seine Arroganz. So verlangte der erste Gesandte, der unter seiner Herrschaft nach Persien kam, einen persönlichen Brief des Schahs an Ahmed als Voraussetzung für Friedensgespräche,201 er selbst hatte aber nur ein Schreiben des osmanischen Großwesirs dabei. Offenbar hatte es Ahmed seinerseits nicht für nötig erachtet, auch einen persönlichen Brief zu schreiben. Einen persischen Botschafter, der nach dem Friedensschluss von 1021 (1612-13) nach Istanbul kam und neben freundschaftlichen Briefen auch noch freigelassene osmanische Kriegsgefangene dabei hatte, empfing der Sultan erst gar nicht. Der Grund dafür seien ʿenād, Starrköpfigkeit und estekbār, Hochmut gewesen.202 Dass Ahmed die persischen Gesandten früher mit toūqīr wa eḥterām, mit größter Ehrerbietung zur persönlichen Audienz gebeten hatte, erwähnt Monšī immerhin beiläufig.203 Auch war Ahmed sehr von seinen Beratern abhängig, wie sich bei dem Vorfall mit den georgischen Prinzen gezeigt hatte. Dass er sich nicht zwischen Was dein Herz wollte, nicht das wird sein 199 200 201 202 203

Was Gott wollte, das wird sein

‫ﺁﳒﻪ ﺧﺪا ﺧﻮاﺳﺖ‬ ‫ﭼﻨﺎن ﻣﻴﺸﻮد‬

‫ﺁﻧﭽﻪ دﻟﺖ‬ ‫ﺧﻮاﺳﺖ ﻧﻪ ﺁن‬ ‫ﻣﻴﺸﻮد‬

vgl. TAAA III, S. 925. vgl. TAAA II, S. 656. vgl. TAAA II, S. 789. vgl. TAAA III, S. 926. vgl. TAAA II, S. 864.

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zwei schmeichlerischen Gruppen entscheiden kann und schließlich aus Ungeduld darüber einen Krieg beginnt, lässt Ahmed nicht gerade souverän erscheinen. Mehr noch als das, was Monšī über diesen osmanischen Sultan sagt, ist das, was er nicht sagt, von Interesse. So erwähnt er nicht einmal, dass Ahmed während seiner gesamten Regierungszeit noch sehr jung war. Da viele einem Jüngling wohl einige unvorteilhafte Entscheidungen nachgesehen hätten, scheint es kein Zufall, dass Monšī sein Alter nur ein Mal ganz zu Beginn erwähnt. WIE MAN EIN SCHLECHTER MENSCH WIRD Mit dieser letzten der drei Kategorien osmanischer Sultane müsste sich die Frage beantworten lassen, ob sie oder ihr Handeln den Ausschlag bei der Darstellung gaben. Geben die Chroniken ein lebendiges Bild der Herrscher oder müssen diese lediglich die Rolle des gegnerischen Befehlshabers in den Schlachten der Safawiden ausfüllen? Dass die Darstellung Selims negativ sein würde, war zu erwarten. Er beendete die politische Existenz der Mamluken, deren Staat ein Verbündeter der Safawiden war. Ihnen selbst hätte nach Čalderān beinahe dasselbe Schicksal geblüht. Nach dem Sieg ihrer Bewegung in Persien und dem daraus resultierenden Hochgefühl vor allem des Zeitzeugen Ḫwāndamīr, muss der Erfolg Selims geradezu wie ein Schock gewirkt haben. Die prägnanteste Charaktereigenschaft dieses Herrschers, die alle drei Chronisten immer wieder erwähnen, ist seine Feigheit. Er habe Angst vor wichtigen Schlachten gehabt, sei furchtsam im Kampf gewesen und zu zaghaft, um Siege zu nutzen. Wie er trotz dieser für einen Krieger besonders nachteiliger Wesenszüge immer wieder seine Schlachten gewinnen konnte, wissen die Chronisten auch innerhalb ihrer eigenen Argumentation nicht schlüssig zu erklären. Fest steht für sie nur, dass alle seine Siege unverdient waren. Syrien und Ägypten gewann er durch günstige Umstände und Verrat, auf dem Schlachtfeld von Čalderān hatte er das Glück, dass Gott die Perser vor Hochmut bewahren wollte. Und doch ist Selim bei weitem nicht so negativ dargestellt, wie man es erwartet hätte. Rūmlū gesteht ihm sogar zu, für seine Invasion nach Persien einen Grund gehabt zu haben. Von seinen Aktionen, die ihm den Beinamen Yāwuz einbrachten, ist in den Quellen überhaupt keine Rede. Während vor allem Ḫwāndamīr und Monšī kritisch sind, hält sich Rūmlū doch sehr zurück,

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weit mehr als zu erwarten war. Interessant ist bei letzterem vor allem, dass er Selim zwei Mal einfach weglässt. Bei der Beschreibung des Todes der Sultane Süleyman und Selim II., Rūmlū zählt jeweils die Namen ihrer Vorfahren auf, fehlt im Aḥsan at-Tawārīḫ der Sieger von Čalderān. Zu Süleymans Familie schreibt er: Aus dieser Familie haben 13 Personen ‫از اﻳﻦ ﻗﻮم ﺳﻴﺰدﻩ ﻧﻔﺮ ﺳﻠﻄﻨﺖ‬ geherrscht: Sultan Osman, … Sultan … ،‫ ﺳﻠﻄﺎن ﻋﺜﻤﺎن‬:‫ﮐﺮدﻩ اﻧﺪ‬ Bayezid, Sultan Süleyman, Sultan Selim.

،‫ ﺳﻠﻄﺎن ﺳﻠﻴﻤﺎن‬،‫ﺳﻠﻄﺎن ﺑﺎﻳﺰﻳﺪ‬ 204

‫ﺳﻠﻄﺎن ﺳﻠﻴﻢ‬

Im Jahr 982 (1574-75) starb Selim II. und Rūmlū berichtet auch von seinem Tod: Verstorbene Sultan Selim b. Sultan Süleyman b. Sultan Bayezid b. Sultan Mehmed…

‫ﻣﺘﻮﻓﻴﺎت‬ ‫ﺳﻠﻄﺎن ﺳﻠﻴﻢ ﺑﻦ ﺳﻠﻄﺎن ﺳﻠﻴﻤﺎن‬ ‫ﺑﻦ ﺳﻠﻄﺎن ﺑﺎﻳﺰﻳﺪ ﺑﻦ ﺳﻠﻄﺎن‬ 205

…‫ﳏﻤﺪ‬

Da das mehr als einmal vorkommt und Selim auch in der ausführlichen Beschreibung der osmanischen Sultane am Ende der Chronik wieder zu finden ist,206 darf man davon ausgehen, dass das kein Zufall war. Im Laufe der Auseinandersetzung mit diesem Herrscher kommt das Gefühl auf, die Chronisten versuchen seine Bedeutung herunterzuspielen, um die eigenen Niederlagen weniger schwerwiegend erscheinen zu lassen. Das verdeutlicht am besten ein Vers aus einem Gedicht Ḫwāndamīrs über das Ergebnis der Schlacht von Čalderān:

204 205 206

AT, S. 557. Zu Beginn dieses Kapitels hatte Rūmlū Selim noch als Süleymans Vater genannt (vgl. AT, S. 556). AT, S. 592. vgl. AT, S. 595.

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Gleich wie kräftig und Er kann nicht tapfer der Hirsch auch bleiben im Hain sein mag des Löwen

‫هﺮ ﮔﺰ ﻧﺸﻮد‬

‫هﺮ ﭼﻨﺪ ﺑﻮد‬

‫ﮔﻮزن ﭘﺮ زور و ﻣﻘﻴﻢ در ﺑﻴﺸﺔ‬ 207

‫ﺷﲑ‬

‫دﻟﲑ‬

Das Paradebeispiel für den ´angepassten´ Osmanen ist Murad III. Über seinen Charakter macht Monšī keinerlei Angaben. Sein Bild bleibt abstrakt. Das einzig Bedeutende an ihm: Er hat den Frieden von Amasya gebrochen. So etwas tut nur ein schlechter Mensch, folglich muss er einer gewesen sein. Da Monšī ein Zeitgenosse von Murad III. war und außerdem in gut informierten Kreisen verkehrte, ist es nahezu ausgeschlossen, dass er nicht mehr über diesen osmanischen Herrscher wusste. Es war für die Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī einfach nicht von Bedeutung. Ahmed I. ist der Gegenentwurf zu seinem Großvater. Seine politischen Handlungen geben kaum Grund für die so negative Darstellung in Monšīs Chronik. Er führte Kriege auf persischem Gebiet, gewann einige Schlachten gegen die Safawiden und verlor einige. Gerade nach dem vermeintlich zu wohlwollenden Bild Selims I. müsste Ahmed deutlich zurückhaltender gezeichnet worden sein. Dennoch klaffen politisches Handeln und charakterliche Darstellung bei ihm vielleicht am weitesten auseinander. Möglich ist, dass Monšī auf dem Höhepunkt safawidischer Macht und herrschaftlichen Glanzes unter Schah ʿAbbās einfach nur verächtlich auf diesen Jüngling herabschaute. Damit wären die Taten des persischen Herrschers ausschlaggebend für Ahmeds Beurteilung und nicht seine eigenen. Nur ist eben auch nicht auszuschließen, denn Monšī war ein Zeitgenosse von Ahmed I., dass dieser osmanische Sultan wirklich ein arroganter Mensch war, beziehungsweise der safawidische Chronist ihn so wahrgenommen hat. Alles in allem aber bleibt festzuhalten, dass der Eindruck, das Handeln der Sultane hätte mehr Einfluss auf ihre Darstellung gehabt als ihr Wesen, bei der Gruppe der Vertragsbrüchigen am stärksten ist.

207

64

HS, S. 548.

2.1.4 Zwischen Rolle, Furcht und Vertrautheit: Wie entsteht ein Sultansportrait? Nach der Analyse aller osmanischen Sultane in den persischen Quellen kann man bilanzieren, dass jedes ihrer Portraits stark politisch beeinflusst war. Es ging den persischen Schreibern dieser Zeit nie um eine wirklichkeitsgetreue Darstellung der Nachfolger Osmans I.: Diese hatten letztlich nur ihre Rolle zu spielen. Lediglich Maß, Muster und Intention, in denen das Handeln der Sultane ihr Bild beeinflusste, unterscheiden sich, teilweise sogar deutlich. Während man bei Süleyman den Eindruck gewinnt, zumindest einen kleinen Einblick in die Schattenseiten seines Charakters zu bekommen, ist das Bild Murads III. ein reines Produkt einer seiner politischen Entscheidungen. Doch es scheint noch einen weiteren Faktor zu geben, der die Darstellung der Osmanensultane beeinflusst hat. Wenn man davon ausgehen muss, dass der Charakter der Herrscher für ihre Darstellung kaum eine Rolle spielte, lassen sich die unterschiedlichen Bilder etwa von Bayezid II. und Selim II. sonst nicht schlüssig erklären, denn beide hatten relativ ähnliche Voraussetzungen. Die Chronisten wussten, dass die Osmanen Abschriften ihrer Werke besaßen und sich so ein Bild machen konnten, was in Persien über sie geschrieben wurde. Davor Dukić hat nachgewiesen, dass genau dieses Wissen die kroatischen Schreiber davon abhielt, sich allzu negativ über die Osmanen zu äußern. Ob diese Leute dabei nur Angst um das Wohlergehen ihres Staates hatten oder gar ihr eigenes Leben bedroht sahen, schreibt Dukić nicht. Zumindest letzteres kann man im Falle von Ḫwāndamīr, Rūmlū und Monšī ausschließen: Die Osmanen wären nicht in der Lage gewesen, ihrer habhaft zu werden. Dass sie aus Sorge um den safawidischen Staat allzu harsche Kritik vermieden, kann man freilich nicht ausschließen. Denn die Briefe Schah Esmāʿīls I. hatten gezeigt, wozu aggressive Rhetorik in Richtung Istanbul beitragen konnte. Aber wenn es Furcht vor Konsequenzen war, die das Bild der Sultane prägte, wieso dann Monšīs Kritik an Süleyman? Er war mehr als jeder andere in der Lage, sich an den Persern zu rächen, so er es wollte. Auch wenn also nicht sicher ist, warum, so fällt doch auf, dass der Chronist, der räumlich am weitesten von den osmanischen Sultanen entfernt war, Ḫwāndamīr, in aller Regel am schärfsten über sie urteilt. Die Erklärung dafür könnte aber auch genau das Gegenteil von Angst sein:

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Sympathie, entstanden durch räumliche Nähe. Rūmlū hatte viel eher Kontakt zu den Osmanen als etwa Ḫwāndamīr und so bestand für ihn eine geringere Wahrscheinlichkeit, Vorurteilen zu erliegen. Tatsächlich werden im Aḥsan atTawārīḫ die Osmanen meist recht positiv gesehen. Nähe schafft Sympathie! Diese wohl allgemein bekannte Feststellung hat der Soziologe George Caspar Homans experimentell nachgewiesen. Er kommt zu folgendem Schluss:

„Und je umfangreicher … die Interaktion zwischen Personen ist, um so stärker sind im allgemeinen auch die füreinander gehegten Zuneigungsgefühle.“208 Im soziologischen Kontext sind Begriffe wie Sympathie und Zuneigungsgefühle sicher weit eher angebracht als im historischen, hier sollte man eher von Vertrautheit, bei Rūmlū möglicherweise sogar einem gewissen Verständnis, sprechen. Kannte er die positiven Seiten der Osmanen einfach besser, weil er nicht so weit von ihnen entfernt lebte? Möglich ist es durchaus. Um der Antwort auf die Frage, ob Angst vor oder Vertrautheit mit den Osmanen deren Bild in den safawidischen Chroniken stärker beeinflusst hat, zumindest näher zu kommen, ist ein Blick auf die Usbeken hilfreich. Ist Zuneigung für den Nachbarn der Grund für das relativ positive Osmanenbild bei Rūmlū, müsste sich im Bezug auf die Usbeken etwas ähnlichen bei Ḫwāndamīr feststellen lassen. Er lebte in Herāt ja in ihrer direkten Nähe. War es Angst, so dürfte ihr Effekt auf das Ḥabīb as-Siyar weit geringer sein, denn die Ḫāne Zentralasiens waren für Persien nie dieselbe Bedrohung wie der Sultan aus Istanbul.

2.2

Die Darstellung der militärischen Macht der Osmanen

Die Vergangenheit in Epochen zu unterteilen hat immer etwas Künstliches. Auch wird man jedes Mal Entwicklungen finden, die über die gezogenen Grenzen hinweg konstant blieben. Dennoch ist es der Übersichtlichkeit halber sinnvoll, in gewissem Rahmen Unterteilungen vorzunehmen. Sie helfen die Geschichte zu strukturieren. Im Falle der Darstellung der militärischen Macht der Osmanen im 16. Jahrhundert in den safawidischen Chroniken lassen sich 208

66

George Caspar Homans, Theorie der sozialen Gruppe, S. 237.

zwei Punkte festmachen, an denen sich die Art und Weise, wie die Osmanen dem Leser vorgestellt werden, verändert. Natürlich ist der erste Wendepunkt nicht direkt im Jahr 1514 anzusiedeln, vielmehr geht es um die Zeit von Čalderān und die Jahre danach. Diese Schlacht, ohne weiteres als Wendepunkt in der safawidischen Geschichte zu bezeichnen, hat deutliche Spuren in deren Selbstwahrnehmung hinterlassen. Das spiegelt sich natürlich in den Chroniken. Der zweite Bruch in der Darstellung findet sich am Ende des 16. Jahrhunderts. Auch hier klingt die Festlegung auf das Jahr 1587 absoluter als gemeint. Irgendwann in dieser Zeit, nach etwa 75 Jahren drückender osmanischer Überlegenheit, stellten die Safawiden fest, dass ihre Nachbarn nicht mehr unbesiegbar waren, und das schrieben sie dann auch auf. 2.2.1 Wohlwollende Beurteilung aus dem Gleichgewicht der Kräfte: 1501-1514 Die Geschichte der Osmanen fing in den Augen von Ḫwāndamīr mit einer Niederlage an, der von Ankara. Erst danach beginnt er, mit Čelebī Mūsā, dem Sohn Bayezids I.209 Rūmlū geht etwas weiter zurück, bis zum Stammvater Osman und dessen Urgroßvater Qiyā-Alb der wiederum über einige Generationen von einem Mann namens Oġūz Ḫān abgestammt habe.210 Monšī äußert sich nicht zur Abstammung des Nachbarn, umso mehr hingegen zu den Vorfahren der Safawiden, gleich auf der ersten Seite der Tārīḫ-e ʿālamārā-ye ʿabbāsī. Hier führt er Schah ʿAbbās über 35 Generationen auf ʿAlī b. Abīṭālib zurück.211 Schon allein daraus ist ersichtlich, dass die Chronisten aus dynastischer Sicht die Safawiden den Osmanen als mindestens gleichwertig ansahen. Da beide Staaten zu Beginn ihrer Nachbarschaft in unterschiedliche Richtungen expandierten und so nicht in Konflikt gerieten, gingen die Safawiden davon aus, man könne es mit dem Nachbarn aufnehmen. Diese optimistische Einschätzung der Lage findet sich am deutlichsten beim Zeitzeugen Ḫwāndamīr. Rūmlū und Monšī sind deutlich zurückhaltender, sie schrieben ja auch aus einer Rückschau und wussten, dass der Eindruck getrogen hatte.

209 210 211

vgl. HS, S. 543. vgl. AT, S. 556. vgl. TAAA I, S. 7. Rūmlū ist etwas zurückhaltender und lässt die Ahnenkette des ersten Safawidenschahs bei Šeyḫ Ṣafī ad-Dīn enden.

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So wurden dem schon erwähnten Botschafter Sultan Bayezids, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts nach Persien kam, von Esmāʿīl eine Krone, ein ḫalʿat, ein Pferd und Gold überreicht. Dann durfte er noch der Hinrichtung zweier sunnitischer Perser beiwohnen.212 Auf diese Weise wollte man dem Gesandten wohl klar machen, dass die Beziehungen beider Staaten sich in die eine oder die andere Richtung entwickeln konnten. Die Perser litten jedenfalls, das zeigen Krone und Ehrengewand, nicht an mangelndem Selbstvertrauen gegenüber den Osmanen. Nachdem Esmāʿīl Ḫorāsān erobert hatte, schickten die Herrscher umliegender Reiche Gesandte, um ihm zu gratulieren. Namentlich erwähnen sowohl Ḫwāndamīr als auch Monšī nur den Botschafter der Mamluken und den der Osmanen.213 Das ist ein weiterer Beleg, dass sie nur diese beiden Länder auf Augenhöhe mit den Safawiden sahen. Dass die Osmanen überhaupt einen Gratulanten schickten, zeigt, dass es umgekehrt wohl genauso war. Auch im Jahr 910 (1504-05) kam ein Botschafter von Bayezid II., dieses Mal, um zur Eroberung von Fārs und Irak214 zu gratulieren. Er brachte pīš-kaš-e mowāfeq, angemessene Geschenke mit und erhielt dafür, nach Freundschaftsbekundungen seitens der Perser, wieder eine Ehrenrobe und raʿāyāt, Respektsbekundungen für den Sultan.215 Auch hier beweist die Wortwahl Ḫwāndamīrs wieder ausgeprägtes Selbstbewusstsein. So wird mit pīš-kaš ein Geschenk bezeichnet, das man einer höher stehenden Person macht.216 Dennoch bezeugt Esmāʿīl ebenfalls seinen Respekt vor dem osmanischen Sultan. Es wird der Eindruck vermittelt, zwei über kleinere Auseinandersetzungen erhabene Herrscher erkennten einander an. Einen Beleg, dass Ḫwāndamīr die Stärke der Safawiden teilweise sogar höher einschätzte als die der Osmanen, liefert er, als er die Geschichte ihrer Sultane beschreibt. Selim I. sei vom geraden Weg seiner Vorfahren abgekommen und habe einen ʿeṣyān,

212 213 214

215 216

68

vgl. HS, S. 480-481. vgl. HS, S. 521; TAAA I, S. 39. Zwar schreibt Rūmlū hier nicht wie sonst dazu, ob er den arabischen oder den persischen Irak meint, hier muss es sich aber um letzteren handeln. Denn Bagdad und Umgebung konnte Esmāʿīl erst vier Jahre später, 914 (1508-09), erobern (vgl. AT, S. 137). vgl. AT, S. 116. Junker (1986), S. 142.

einen Aufstand gegen die Abgesandten des Schahs begonnen.217 Aus der Rückschau ist offensichtlich, dass man, wenn überhaupt, Esmāʿīl als Aufständischen bezeichnen müsste. Aber selbst dem Zeitgenossen muss klar gewesen sein, dass das Osmanenreich der etablierte der beiden Staaten war. Dass solche Äußerungen die Ausnahme bleiben, darf als weiterer Beleg dafür gelten, dass die safawidischen Chronisten ihren Staat auf Augenhöhe mit den Osmanen sahen. Besonders positiv wird die osmanische Militärmacht beschrieben, wenn sie gegen die Ungläubigen zu Felde zieht. An dieser Einschätzung änderte sich auch nichts, als die Osmanen ihr Augenmerk nach Osten zu richten begannen. Selbst zu Zeiten härtester Auseinandersetzungen um Aserbaidschan sind die Chronisten immer sofort auf Seiten der Osmanen, wenn es gegen die Franken geht. So wie schon beim Bild der Sultane gesehen, kann der Kampf gegen die Ungläubigen auch zur Darstellung der osmanischen Militärmacht nichts Entscheidendes beitragen, da sich die Berichte über ihn nie verändern. Den Abschluss der ersten Phase bildet Čalderān. Bei den Erzählungen w Ḫ āndamīrs im Vorfeld der Schlacht bekommt man noch einen Eindruck vom Optimismus, der in Persien geherrscht haben muss. Sultan Selim kam 920 (1514-15) mit einer Armee, die sich wie eine lange Schlange hinzog, aus dem Osmanischen Reich. Er schickte einen Gesandten zum Schah, um Krieg zu erklären. Dieser antwortete, dass auch er, mit Gottes Hilfe, gegen die ḫeyl-e šaqāwat-e hoǧūm-e rūm, die Bande der Schurkerei der angreifenden Osmanen kämpfen wolle. Dann wurde dem Gesandten ein ḫalʿat überreicht und er durfte gehen.218 Die Wortwahl ist auch hier natürlich pro-safawidisch bis sehr osmanenkritisch, besonders wenn es um Selim persönlich geht.219 Dennoch unterscheidet sich die Darstellung der Osmanen deutlich von späteren Beschreibungen, besonders bei Monšī. So kommen Worte wie hoǧūm und tāḫt, 217 218 219

vgl. HS, S. 544. vgl. HS, S. 544. Ein weiteres Beispiel für den doch osmanenkritischen Ton liefert Rūmlū bei der Beschreibung einer Schlacht aus dem Jahr 917 (1511-12) zwischen Šāhqolī Bābāye Takkalū und einem osmanischen Pascha. Hier hätten mit dem Sieg der Perser die arbāb-e hedāyat, die Erleuchteten gegen die aṣḥāb-e ḍalālat, die Unwissenden gesiegt. Doch inhaltlich schreibt auch er hier wenig wirklich Negatives über die Osmanen (vgl. AT, S. 164-165).

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die beide Überfall bedeuten, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht vor. Auch das Wort ġārat, Plünderung, später im Bezug auf die Osmanen geradezu die Regel, wird man hier vergeblich suchen. Bei Čalderān treffen sich zwei souveräne Herrscher, die um Macht und Einfluss kämpfen. Es ist kein vorwurfsvoller Unterton in Ḫwāndamīrs Stimme: Auch das wird sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts ändern. Selim versucht nach seiner Darstellung nicht, safawidisches Gebiet zu okkupieren, er will lediglich seines ausweiten: Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. So sind in den Beschreibungen Ḫwāndamīrs und Rūmlūs die osmanischen Soldaten ihren safawidischen Gegnern auch weitestgehend ebenbürtig. Ersterer meint, beide Seiten hätten mit qolle-ʾe ǧelādat wa mardānegī, höchster Kraft und Kühnheit gekämpft.220 In einem in den Text eingefügten Gedicht führt er das noch einmal aus: Aus jeder Richtung wie brüllende Löwen

kommen auf das Kampffeld tapfere Männer

Mit Granit

geschützt durch

zerschlagenden

goldene

Schwertern

Brustplatten

Ein jeder ein Rostam in Kühnheit

‫ﺑﻤﻴﺪان رﺳﻴﺪﻧﺪ‬

‫ز هﺮ ﺳﻮی‬

‫ﻣﺮدان دﻟﻴﺮ‬

‫ﻣﺎﻧﻨﺪ ﻏﺮﻧﺪﻩ‬ ‫ﺷﻴﺮ‬

‫ﻓﮑﻨﺪﻩ ﺑﱪﺟﻮش‬

‫ﺑﮑﻒ ﲨﻠﻪ را‬

‫زرﻧﮕﺎر‬

‫ﺗﻴﻎ ﺧﺎراﮔﺪاز‬ ‫ﲟﺮداﻧﮕﯽ هﺮ‬ 221

‫ﻳﻜﻲ رﺳﺘﻤﻲ‬

Hier macht selbst Ḫwāndamīr, der sonst die safawidische Sache am vehementesten vertritt, keinen Unterschied zwischen Persern und Osmanen. Er setzt ihrer beider Tapferkeit in Beziehung zu einem der größten Kämpfer des Šāhnāme. Rūmlū lobt die kriegerischen Fertigkeiten der Osmanen, vor allem ihre mahārat, Geschicklichkeit und eqtedār, Kraft im Umgang mit Feuerwaffen.222 Ebenso hebt er die osmanische Schlachtordnung hervor, aber das wird auch in späteren Zeiten so bleiben. Der Chronist berichtet von der Tapferkeit des 220 221 222

70

vgl. HS, S. 546. HS, S. 546. vgl. AT, S. 189.

Schahs und lobt im gleichen Atemzug auch den Gegner. So habe Esmāʿīl an jenem Tag, sagt Rūmlū, viele rūmīyān-e bī-bāk, furchtlose Osmanen erschlagen.223 Ḫwāndamīr benutzt dasselbe Wort, um die Osmanen zu charakterisieren.224 Das Schwert des Schahs sei voll gewesen vom Wein des Blutes der Tapferen.225 Sobald einzelne Krieger der osmanischen Armee beschrieben werden, besonders wenn sie namentlich genannt sind, erscheinen sie fast ausschließlich positiv. Das wird über das gesamte 16. Jahrhundert so bleiben. Die osmanische Armee als Ganzes positiv darzustellen ist eine Eigenheit der frühen Epoche, die vor allem im persischen Selbstvertrauen dieser Zeit begründet scheint. 2.2.2 Anerkennung der drückenden osmanischen Überlegenheit: 1514-1587 Die Schlacht von Čalderān muss alle auf safawidischer Seite direkt und indirekt Beteiligten wie ein Schlag getroffen haben. Esmāʿīl, so wird oft angemerkt, habe von diesem Tag an keine Armee mehr persönlich ins Feld geführt.226 Dass die Bestürzung bei den politisch Beteiligten groß war, steht also außer Frage. Inwieweit sich diese auf die schreibende Zunft Persiens übertragen hat, bleibt zu untersuchen. Den Erfahrungen aus der ersten Phase folgend, müsste auch hier, zumindest in den ersten Jahren, der Wandel in der Einschätzung der Osmanen bei Ḫwāndamīr am deutlichsten zu sehen sein. Inwieweit sich Rūmlū und Monšī unterscheiden und ob das die Folge ihrer späteren Geburt ist, wird sich zeigen. Ḫwāndamīr schließt seine Beschreibung der Schlacht mit der Feststellung, die Safawiden hätten tapfer gekämpft. Aber Selims Heer sei so zahlreich gewesen, dass ein Sieg unmöglich war. Vor allem die 20 000 Janitscharen, von

223

vgl. AT, S. 193

224

vgl. HS, S. 546.

225

vgl. AT, S. 193.

226

So etwa bei Andrew Newman, Safavid Iran. Rebirth of a Persian Empire, S. 2 und Robert Hillenbrand, „The Iconography of the Shāh-nāma-yi Shāhī” in: Safavid Persia. The History and Politics of an Islamic Society, hrsg. von Charles Melville, S. 60.

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denen jeweils 5-6000 zur selben Zeit schießen konnten, waren nicht zu bezwingen.227 In den verbleibenden Kapiteln des Ḥabīb as-Siyar äußert er sich kaum mehr zur osmanischen Armee als Ganzes. Bei der Beschreibung der Eroberung Syriens und Ägyptens durch Selim steht der Sultan mehr als zuvor im Mittelpunkt. Seine Charakterisierung hat sich geändert, er erscheint noch schlechter als vorher. Die meisten negativen Bemerkungen zur Person des Sultans finden sich nach der Schlacht von Čalderān. Auch solidarisiert Ḫwāndamīr sich sehr stark mit den Mamluken. Als Selim Richtung Ägypten zog, sammelte der Mamlukensultan Qānṣaw um das rāyat-e saʿādat, das Banner der Glückseligkeit, seine Truppen zum Kampf.228 So geht es auf einmal nicht mehr um legitime Ausweitung osmanischen Territoriums, Selims Griff nach der Levante erscheint jetzt anmaßend und übertrieben. Denn er hatte ja schon ein riesiges Reich und wollte aus Gier bloß noch mehr.229 Ḫwāndamīrs Bericht über die osmanischen Siege und die immense Beute fällt dementsprechend knapp aus. In den wenigen Kapiteln, in denen sich das Ḥabīb as-Siyar nach Čalderān noch mit den Osmanen befasst, wird ein deutlich anderer Ton ihnen gegenüber angeschlagen. Dass das mit einem Meinungsumschwung des Verfassers zusammenhängt, ist klar. Ob dieser das Ergebnis von Respekt oder gar Angst vor den Osmanen ist, lässt sich schwer sagen. Respekt findet sich in den ersten Berichten Rūmlūs von der Schlacht. Auch sein Blick auf die Osmanen hat sich deutlich verändert. Besonders beeindruckt haben ihn, den Soldaten, die osmanischen Feuerwaffen und deren Wirkung: Die Muskete, weil ein Blitz aus sich selbst, zerschlägt Waffenrock, Panzer

‫ﺗﻔﻨﮓ ﭼﻮن ﺑﺮق از ﺧﻮد و ﺧﻔﺘﺎن‬ 230

‫و ﺟﻮﺷﻦ و ﺑﺮﮔﺴﺘﻮان ﻣﻲﮔﺬﺷﺖ‬

und Kettenhemd.

227 228

229 230

72

vgl. HS, S. 546-547. vgl. HS, S. 569. Zwar sind wie gesehen Ḫwāndamīrs Angaben zum Ablauf der osmanischen Eroberung Syriens und Ägyptens nicht ganz korrekt, das ist im Bezug auf seine stark anti-osmanische Tendenz in diesen Kapiteln aber unerheblich. Ob es nun eine Schlacht in Syrien gab oder nicht, Ḫwāndamīr hat sein Urteil über die Osmanen gefällt. vgl. HS, S. 569. AT, S. 193.

Hier erahnt man den Schock der safawidischen Soldaten, als sie sahen, wozu die Janitscharen mit ihrer modernen Ausrüstung in der Lage waren. Rūmlū berichtet weiter, wie 1000 Janitscharen auf einer Anhöhe die qezelbāš mit einem zaḫm-e tofang, einem Schlag der Muskete zurückschlugen.231 Er erkennt hier also an, dass die safawidische Armee letztlich keine Chance auf den Sieg gehabt hat. Ein Jahr nach Čalderān, also 921 (1515-16), nahm Selim die Festung von Kamāḫ ein.232 Nachdem sich die Verteidiger geweigert hatten sich zu ergeben, nahm er sie im Sturm. Die Verteidiger, von Rūmlū als ġāzīyān bezeichnet, zogen sich in die Moschee der Anlage zurück. Sobald die Osmanen diese umstellt hatten, kamen die Verteidiger heraus und wurden alle getötet.233 Zwar enthält sich der Schreiber des Aḥsan at-Tawārīḫ jeder Wertung, aber er erwähnt den Vorfall. Vielleicht am deutlichsten zeigt sich die veränderte Darstellung der Osmanen bei Rūmlū während der Schlacht gegen die Mamluken in Syrien. Nachdem sich die osmanischen Soldaten immer wieder zurückgezogen hatten, verfolgten die ägyptischen Reiter ihren Feind bis vor die Füße Selims. Als sie dort ankamen, wurden sie be ḍarb-e tofang, mit einem Schlag der Musketen aufgerieben. Rūmlū schildert diese Szene sehr eindringlich: Kurz: Die Speerspitze der ägyptischen Sklaven wurde entflammt durch solch einen durchschlagenden Feuerbrand aus der Richtung der osmanischen Dämonen. Die Musketen der Osmanen wehten durch die Panzer und die Waffenröcke der Ägypter wie ein nächtlicher Wind

‫اﻟﻘﺼﻪ ﺳﻨﺎن ﻏﻼﻣﺎن ﻣﺼﺮی ﳘﭽﻮن‬ ‫ﺷﻬﺎب ﺛﺎﻗﺐ ﺑﻪ ﺳﻮی ﻋﻔﺎرﻳﺖ‬ ‫روﻣﻴﺎن زﺑﺎﻧﻪ ﻣﻲآﺸﻴﺪ و ﺗﻔﻨﮓ‬ ‫روﻣﻴﺎن از درع و ﺧﻔﺘﺎن‬ ‫ﻣﺼﺮﻳﺎن ﭼﻮن ﺑﺎد ﺷﺒﮕﻴﺮ از‬ 234

‫ﻟﺒﺎس ﺣﺮﻳﺮ ﺑﻴﺮون ﻣﻲوزﻳﺪ‬

durch Seidenkleider.

231 232 233 234

vgl. AT, S. 193. Diese Festung lag im späteren osmanischen Verwaltungsbezirk ErzerumErzincan, vgl. Nuri Akbayar, Osmanlı yer adları sözlüğü, S. 96. vgl. AT, S. 200-201. AT, S. 209.

73

Nicht nur der Einsatz osmanischer Feuerkraft scheint den safawidischen Chronisten sehr beeindruckt zu haben, sondern auch deren Ergebnis. Dieses schildert er ebenfalls sehr bildlich: Der Weg war versperrt von den

‫از ﺟﻮارح و اﻋﻀﺎی ﭼﺮﮐﺴﺎن ﳎﺎل‬

Körperteilen und Gliedern der getöteten Tscherkessen. Ebenen, Hügel und Berge wurden durch sie gleich.

‫ﮔﺸﱳ و ﻃﺮﻳﻖ ﮔﺬﺷﱳ ﺗﻨﮕﻲ ﻳﺎﻓﺖ و‬ ‫زﻣﻴﻦ و هﺎﻣﻮن ﺑﺎ ﺗﻞ و ﮐﻮﻩ‬ 235

‫ﺗﺴﺎوی ﭘﺬﻳﺮﻓﺖ‬

Nach solchen Erlebnissen war der Blick auf die osmanische Kriegsmaschinerie nicht mehr derselbe, das umso mehr, als die mamlukische Taktik, die sich gegen die Osmanen als hoffnungslos unterlegen erwiesen hatte, die Perser stark an ihre eigene erinnern musste. Von jetzt an steht in den Berichten über die osmanischen Feldzüge, bis zum Regierungsantritt von Schah ʿAbbās sollten die Safawiden nie mehr selbst in die Offensive gehen können,236 immer der Kampf um Aserbaidschan im Mittelpunkt. Besonderes Interesse genießen dabei die Größe und die Organisation der osmanischen Armeen. Das zeigt sich schon bei Rūmlūs Beschreibung des ersten Feldzugs Süleymans. 938 (1531-32) hatte der osmanische Sultan Fīl Pascha mit 50 000 Mann nach Iran geschickt. Diesen Angriff konnte der Schah aber abwehren.237 Dass er die Armee gegen die Osmanen selbst kommandierte, ist ein weiterer Hinweis auf das geschwundene Selbstvertrauen der Safawiden. Fīl Pascha war nicht einmal der osmanische Großwesir. Zwei Jahre später zog Süleyman selbst mit seiner sepāh-ʾe ḫūn-rīz, seiner Blut vergießenden Armee Richtung Tabrīz. Den Großwesir Ibrahim Pascha hatte er bereits mit 90 000 Reitern vorausgeschickt.238 Auch Monšī berichtet in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī von dieser Auseinandersetzung. Tahmāsb marschierte in 21 Tagen von Transoxanien zurück nach Rey, um sich dem Großwesir zu stellen. Dieser schickte sofort nach dem Sultan, denn, so fand Ibrahim, Diener

235

AT, S. 210.

236

vgl. Adel Allouche, The Origins and Development of the Ottoman-Safavid Conflict (906-962 /1500-1555), S. 100. vgl. AT, S. 314. vgl. AT, A. 324.

237 238

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könnten der Macht von Königen nicht widerstehen.239 Der dreiwöchige Gewaltmarsch des Safawidenherrschers verdeutlicht vielleicht am besten den Respekt, den die osmanische Armee zu dieser Zeit in Persien genoss. Im nächsten Jahr musste Tahmāsb nach Van, einer osmanischen Entsatzarmee entgegen, die Monšī eine siyāhī-ye sepāh-ʾe rūm, eine dunkle osmanische Armee nennt. Seine eigene Streitmacht war wegen unglücklicher Umstände wieder sehr klein und durch einen erneuten Gewaltmarsch ausgelaugt, dennoch siegte er und konnte die Stadt retten.240 Im gleichen Jahr, im Laufe seines zweiten Feldzuges, machte sich Süleyman von Bagdad aus, das er zuvor erobert hatte, wieder auf den Weg nach Aserbaidschan. Also eilte Tahmāsb von Van aus sofort in seine Hauptstadt zurück.241 In diesem Jahr wirkt der safawidische Schah regelrecht als ein Getriebener der Osmanen. Er muss immer dort aushelfen, wo die Not am größten ist. Seine Armee ist durch die vielen Gewaltmärsche körperlich kaum mehr in der Lage, sich den Osmanen zu widersetzen. Von Überlegungen, wann der Schah welche Armee persönlich ins Feld führen solle, scheinen die Safawiden ohnehin gelassen zu haben. 955 (1548-49) kam Süleyman ein drittes Mal. Seine Armee, bī-qiyās, unvergleichlich groß, war mit allem ausgestattet, natürlich auch mit Kanonen und Musketen. Tahmāsb zog ihr entgegen und stellte sich zum Kampf. Obwohl die Safawiden mardāne, tapfer kämpften, konnten sie gegen die zahlenmäßige Überlegenheit242 des Gegners und deren stetigen Nachschub nichts ausrichten. Die Osmanen nahmen Tabrīz und plünderten die Stadt. Hier taucht dann auch das Wort ġārat, Plünderung auf, welches in der ersten Phase noch gefehlt hatte.243 Besonders im Aḥsan at-Tawārīḫ bekommt die Schilderung dieser Ereignisse einen deutlich schärferen Ton. Bei einer weiteren Auseinandersetzung ein paar 239 240 241 242

243

vgl. TAAA I, S. 67. In Monšīs Chronik hat der osmanische Großwesir nur 80000 Mann unter seinem Kommando. vgl. TAAA I, S. 69. vgl. AT, S. 335. Die zahlenmäßige Überlegenheit als größter osmanischer Vorteil zieht sich durch alle Chroniken (vgl. etwa TAAA I, S. 309; 313; AT, S. 657-658). Nur ganz selten scheint sich einer der Schreiber die Mühe zu machen zu überlegen, ob dies nicht eher ein Vorwurf an die eigenen Generäle sein müsste. Die Eroberung von Tabrīz durch die Osmanen beschreibt Rūmlū sehr ausführlich (vgl. AT, S. 423-435).

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Jahre später nennt Rūmlū die Osmanen nā-be-kār, Halunken, Schufte, Faulenzer, Nichtstuer.244 Von der tapferen, furchtlosen Armee ist wenig geblieben. Dieser Tonwechsel muss das Resultat eines Stimmungsumschwungs des Chronisten sein, Folge der immer schwierigeren militärischen Lage der Safawiden. Und diese verschlechterte sich weiter, ebenso der Ton in den Chroniken. Er wird im Verlauf des 16. Jahrhunderts den Osmanen und ihrer Armee gegenüber immer feindseliger. Nach dem Tode Esmāʿīls II., also nach 985 (157778), suchten laut Monšī ausländische Truppen zwei Jahre lang motawāter wa motawālī, ununterbrochen die persischen Provinzen Aserbaidschan und Šīrwān heim. Dabei qatl wa ġārat rawāǧ dāšt, mordeten und plünderten sie. Außerdem nahmen sie Muslime gefangen, was es noch nie zuvor gegeben hatte.245 Auch wenn Monšī die Plünderer nicht beim Namen nennt, unter Berücksichtigung von Zeit und Ort des Geschehens kann es sich nur um Osmanen gehandelt haben. Und noch eine weitere Veränderung gab es laut den Chronisten, eine im Verhalten der osmanischen Würdenträger: Sie wurden arrogant. Als Sinān Pascha, Großwesir unter Murad III, einen Brief an sein safawidisches Pendant Mīrzā Salmān schickte, strotzte dieser vor lāfhā-ye gazāf, zahlreichen Prahlereien. Inhalt und Wortwahl waren gleich provokant. Es sei gegen osmanisches Gesetz, Land, in dem einmal die ḫoṭbe im Namen des Sultans gelesen worden sei, wieder aufzugeben. Daher hätten die Safawiden die bis zu diesem Zeitpunkt besetzten Provinzen als osmanisch anzuerkennen, bevor an Frieden überhaupt nur gedacht werden könne.246 Ein weiterer osmanischer Brief an den safawidischen Großwesir hatte denselben Tenor. Diesmal beschreibt Monšī den Inhalt im Detail. Offiziell sollte es ein Friedensangebot sein. Es war an die laǧāǧ wa ʿenād, die hartnäckigen und starrsinnigen Kommandeure der Perser gerichtet. Wenn sie nicht endlich bereit seien aufzugeben, so werde man ihnen eine wichtige Provinz nach der anderen abnehmen. Daher sei es besser, den naṣīḥat-e ḫeyr-ḫwāhāne, den gütig gemeinten Rat anzunehmen und um Frieden zu ersuchen. Dazu müssten die qezelbāš lediglich alle bisher verlorenen Gebiete als osmanisch anerkennen und sich weiterhin dem Willen 244 245 246

76

vgl. AT, S. 445. vgl. TAAA I, S. 230. vgl. TAAA I, S. 261.

des Sultans beugen.247 In den Augen Monšīs, und wahrscheinlich nicht nur in seinen, war das kein Friedensangebot, sondern eine Aufforderung zur Kapitulation. Es ist bezeichnend für die Lage der Safawiden im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts, dass ihr Oberkommandierender, Kronprinz Ḥamza Mīrzā, das Angebot annehmen musste. Bevor das Aḥsan at-Tawārīḫ endet, bringt Rūmlū ein letztes Beispiel für den Hochmut der Osmanen. Nach der Thronbesteigung Mohammad Schahs zog der osmanische Gouverneur von Erzerum Richtung Persien. Seine Armee kam mit ʿoǧb wa ġorūr bīrūn az edrāk, mit unbegreiflicher Eitelkeit und Hochmut. Aber wie immer war sie hervorragend organisiert, was auch Rūmlū anerkennen muss.248 Jedoch anders als sonst gewannen die Safawiden diese Schlacht und so scheint es kein Zufall zu sein, dass sie das Ende des Aḥsan at-Tawārīḫ bildet. Zwei Dinge haben sich in der zweiten Phase im Osmanenbild verändert. Zum einen wird die osmanische Armee als Ganzes jetzt meist negativ dargestellt, als plündernde und raubende Bande. Von den tapferen Osmanen ist in den safawidischen Chroniken wenig geblieben. Zum anderen wird ihren Kommandeuren nun immer öfter der Vorwurf der Arroganz gemacht. Der Sultan als Person verschwindet nach Süleyman zusehends. An seine Stelle tritt der osmanische Großwesir. Diesem gegenüber sind die persischen Chronisten meist noch zurückhaltend, ob aus politischem Kalkül oder aus Anerkennung tatsächlicher militärischer Größe, bleibt zu untersuchen. Der Vorwurf des Hochmuts trifft ihn trotzdem. Vor allem ist er aber gegen rangniedere Paschas gerichtet. Beide Veränderungen haben letztlich dieselbe Ursache: die von den Chronisten gezwungenermaßen anerkannte Chancenlosigkeit gegen die hochmoderne osmanische Armee. Je weniger die Safawiden den Osmanen mit dem Schwert schaden konnten, desto mehr versuchten es ihre Chronisten mit der Feder. 2.2.3 Aufbegehren gegen den nicht mehr übermächtigen Nachbarn: 1587-1629 Ein Problem bei der Beschreibung der dritten Phase ist die Tatsache, dass sie allein auf der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī basiert. Die beiden anderen Quel247 248

vgl. TAAA I, S. 344-345. vgl. AT, S. 657-658.

77

len decken diesen Zeitraum nicht mehr ab. Es besteht daher die Gefahr, zu sehr Monšīs Meinung wiederzugeben. Der Beginn dieser Periode, die Thronbesteigung von Schah ʿAbbās, war ein militärischer Tiefpunkt. Die Usbeken hatten durch den Verrat eines der Kommandeure von Herāt die Stadt einnehmen können.249 Zu diesem Zeitpunkt muss den Safawiden klar geworden sein, dass ein Zweifrontenkrieg für sie nicht zu gewinnen war. Daher war ʿAbbās bereit, die demütigenden Bedingungen der Osmanen anzunehmen. Er schickte einen Gesandten nach Aserbaidschan, um einen Frieden auszuhandeln.250 Die Übernahme der Regierung durch Schah ʿAbbās fand also zu einer Zeit statt, als es aus militärischer Sicht nicht mehr viel schlechter werden konnte. Als Beispiel für diese Situation und Monšīs Blick darauf soll hier ein Abschnitt aus seiner Chronik dienen. Ǧaʿfar Pascha, der Gouverneur von Tabrīz, beschwerte sich während der Kämpfe in Aserbaidschan beim Schah, dass es nicht angemessen sei, über Frieden zu verhandeln, solange noch Krieg geführt werde.251 Nachdem die Safawiden die demütigenden Bedingungen der Osmanen hatten annehmen müssen, erklärt jetzt auch noch ein Provinzgouverneur, was dem Schah von Persien wohl anstehe. Der Zustand seines Staates zu dieser Zeit scheint Monšī sehr gestört zu haben und die Schuld daran sieht er vor allem bei den Osmanen. Der innen- und später auch außenpolitische Aufschwung, der sicher auch dem fähigen neuen Schah zuzuschreiben ist, bildet den Hintergrund für die dritte Phase und damit die Basis für das Osmanenbild jener Jahre. Von diesem Zeitpunkt an hat die Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī die Form einer Heilsgeschichte: Mit den Safawiden geht es stetig bergauf, die Osmanen müssen zwangsläufig einen konstanten Machtverlust hinnehmen. Diese Entwicklung wird damit enden, dass die Safawiden die erblichen Gebiete ihrer Vorfahren zurückerobern und somit wieder zu alter Größe finden.252 Inwieweit der osmanische Machtverlust, den Monšī nicht ohne Genugtuung schildert, der Wirk249 250 251 252

78

vgl. TAAA II, S. 387. vgl. TAAA II, S. 399-400. vgl. TAAA II, S. 416. Einen Plan mit diesem Fernziel hat ʿAbbās laut Monšī jedenfalls von Beginn an gehabt. So sei der Schah sich sicher gewesen, dass, so Gott wolle, die an die Osmanen verlorenen Provinzen eines Tages wieder den Safawiden zufallen würden (vgl. TAAA II, S. 417).

lichkeit entsprach oder was der Chronist seiner Sichtweise wegen abänderte, ist hier nicht von Belang. Eine weitere Konstante, neben dem Abstieg der Osmanen in dieser Phase, ist deren Betitelung. Auch wenn es immer wieder Jahre formellen oder informellen Friedens zwischen beiden Mächten gegeben hat, für Monšī bleiben sie immer moḫālef, feindlich.253 Der erste Hinweis auf den Machtverlust der Osmanen findet sich im Jahr 1004 (1595-96). Die Franken versuchten, an die Osmanen verlorenes Gebiet wieder zurückzugewinnen. Sultan Mehmed III. musste be nafs-e homāyūn, persönlich auf dem Schlachtfeld erscheinen, um den Sieg zu retten.254 Eines der Dinge, die Monšī immer gestört haben, war die Tatsache, dass der osmanische Sultan es nicht mehr für nötig erachtete, selbst nach Persien zu kommen. Regelmäßig erwähnt er, dass es unter der Würde des Schahs sei, gegen einen Pascha zu kämpfen. Dass die Paschas meist auch noch gewannen, dürfte es ihm nicht einfacher gemacht haben. Nun war es also das erste Mal seit langem erforderlich, dass der Sultan selbst an einer Schlacht teilnahm. Den Eindruck, die Osmanen seien nicht mehr unbesiegbar, scheint Monšī schon früh in seinem Werk verankern und ihn so an den Leser weitergeben zu wollen. Die Besatzung der osmanischen Festung von Nehāwand sei dar ṭoġyān wa bī-eʿtedālī mī-afzūdand, immer aufrührerischer und anmaßender geworden.255 Nach fehlgeschlagenen Versuchen der Osmanen, unter ihren Leuten für Ruhe zu sorgen, schickte ʿAbbās selbst Briefe an diese Garnison. Er ermahnte sie tark nā-fermānī karde, mit dem Ungehorsam aufzuhören und nicht an ʿeṣyān wa bī-doūlatī, Aufstand und Gesetzlosigkeit teilzunehmen.256 Spätestens hier hat man nicht mehr den Eindruck, dass vom übermächtigen Gegner die Rede ist. An dieser Stelle sehen die Osmanen eher aus wie unbotmäßige Untergebene. So taucht der Begriff ʿeṣyān, Aufstand hier das erste Mal nach langer Zeit wieder auf. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatte ihn Ḫwāndamīr im Zusammenhang mit Selim I. benutzt.257 Im Tenor der zweiten Phase wäre er kaum vorstellbar gewesen. Nun ist Monšī in seiner 253 254 255 256 257

So etwa bei TAAA II, S. 450; 658; 697; 902, TAAA III, S. 1018. vgl. TAAA II, S. 513. vgl. TAAA II, S. 635. vgl. TAAA II, S. 636. vgl. HS, S. 544.

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Wortwahl den Osmanen gegenüber immer kritischer gewesen als Rūmlū. Im Grundtenor waren sich beide Chronisten aber einig. Es ist daher anzunehmen, dass auch er diesen Meinungsumschwung zwar mit moderateren Worten ausgedrückt, aber geteilt hätte. Ḫwāndamīr war früher scharf im Ton, wenn die Osmanen aus seiner Sicht Angriffspunkte für Kritik boten, er dürfte es auch jetzt noch sein. Sicher wissen kann man das freilich nicht. Formal sah man sich auf safawidischer Seite auch auf Regierungsebene wieder auf Augenhöhe mit den Osmanen. So schickten die Perser im Jahr 1007 (1598-99) ein fatḥ-nāme nach Istanbul. In diesem wurde ihm die Eroberung von Ḫorāsān und der Sieg über die Usbeken mitgeteilt.258 Das erste Ziel des neuen Schahs war die Rückeroberung von Tabrīz. Dass das keine leichte Aufgabe werden würde, sagten ihm seine Berater gleich zu Beginn. Sie warnten ihn vor der šokūh wa ǧalāl-e qayṣarī, der osmanischen Größe und Pracht, der afzūnī, der Überlegenheit ihrer Armee und der bozorgī wa ǧāh, der Größe und Macht des osmanischen Sultans.259 Abseits aller militärischen Drohgebärden genoss die osmanische Armee also immer noch Respekt in Persien, das leugnet auch Monšī nicht. Die im Laufe der nun folgenden Auseinandersetzung mit den Osmanen in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī zu findende Kritik ist daher kein Frontalangriff. Er hätte mögliche osmanische Leser zu sehr vor den Kopf stoßen können. Kritisiert wird meist in Nebensätzen oder Anmerkungen. So gelingt es Monšī, dem Leser nach und nach das gewünschte Bild zu vermitteln: die Osmanen werden immer kleiner. ʿAbbās etwa beschwert sich über das Verhalten des aǧāmer wa oūbāš-e rūm, des Abschaums der osmanischen Gesellschaft und der akrād-e bī-doūlatī, der gesetzlosen Kurden. Bei diesen spiele sich jeder Pascha und Grenzgouverneur auf wie ein aufständischer Ǧelālī.260 Nun ist die Aussage an sich schon wenig schmeichelhaft, im Kontext der dritten Phase interessiert aber eher die Wortwahl. Monšī benutzt hier wieder nebeneinander die Wörter ʿeṣyān und ṭoġyān, beide im Sinne von Aufstand, Rebellion oder Ungehorsam gemeint. Ein Reich rebelliert aber nicht gegen ein anderes, das tut ein Untergebener

258 259 260

80

vgl. TAAA II, S. 587. Neben dem osmanischen Sultan bekam auch der Herrscher Indiens in diesem Jahr ein fatḥ-nāme geschickt. vgl. TAAA II, S. 637. vgl. TAAA II, S. 637.

gegen seinen Herrn. Das ist ein weiteres Beispiel für den veränderten Ton der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī. Kurz darauf begann der Sturm auf die Festung von Tabrīz. Prinzipiell hatten die Safawiden noch immer großen Respekt vor der osmanischen Festungsbaukunst. So stellt Monšī fest, dass die Perser während des gesamten Krieges noch keine Burg im Sturm genommen hätten, vielmehr schien ihnen ein solches Unterfangen moḥāl, unmöglich.261 Als der Schah den Befehl gab, den Angriff auf die letzte osmanische Besitzung in der Stadt zu beginnen, waren einige der Verteidiger gerade beim Handeln auf dem Markt.262 Wieder in einer eher beiläufigen Anmerkung erwähnt Monšī, dass Teile der osmanischen Verteidiger ihren Dienst nicht ganz so ernst nahmen, wie es ihnen gut getan hätte. Dass diese Festung für die Osmanen jedoch nicht zu halten war, lag aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht an mangelndem Pflichtbewusstsein. Nachdem das auch deren Kommandeur Šarīf Pascha so sah, schickte er im Jahr 1013 (1604-05) einen Mann namens Ḥasan Āqā, um die Übergabe zu verhandeln. Dieser entschuldigte sich für die taqṣīr, Vergehen und gostāḫī, Unverschämtheiten der Osmanen und bat um ʿenāyat, um Gnade.263 Die Begründung, man habe schließlich nur loyal für den Sultan gekämpft, scheint dem Monarchisten Monšī gefallen zu haben. Schließlich verließen die letzten osmanischen Verteidiger die Festung und waren froh um ihr Leben. Darüber hinaus erlaubte ihnen ʿAbbās sogar ihren Besitz, den sie selbst längst abgeschrieben hatten, zu behalten. Als Dank wollten die Geschlagenen dem Schah von Persien 12 000 tūmān-e ʿerāqī überlassen. Doch dieser antwortete, er habe ihnen ihr Leben nicht verkaufen wollen, es sei ein Geschenk gewesen. Daher werde er kein Geld annehmen, gleich wie hoch die Summe sei.264 Hier kehrt dann auch das Wohlwollen gegenüber den unbe-

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264

vgl. TAAA II, S. 645. Neben aller Euphorie und Aufbruchsstimmung scheinen weder die safawidischen Militärs noch Monšī den Blick für die Realität verloren zu haben. vgl. TAAA II, S. 639. vgl. TAAA II, S. 654. Zuvor war noch ein letzter Versuch, die Festung zu entsetzen, an der sefāhat, Dummheit und der ġaflat, Fahrlässigkeit des ʿAlī Pascha gescheitert. Dieser hatte die Macht des Schahs von Iran unterschätzt (vgl. TAAA II, S. 640). vgl. TAAA II, S. 656.

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darften Osmanen, die allen Ernstes meinten, der Schah von Persien werde das Geld eines türkischen Soldaten annehmen, in die Stimme Monšīs zurück. Mehr und mehr erscheinen die Osmanen auch als starrköpfig, vor allem aber re-alitätsfremd. So machten sie im selben Jahr wieder den Vorschlag, auf Basis des Status quo einen Frieden zu schließen. Fast etwas pikiert schreibt Monšī über dieses aus seiner Sicht unrealistische Angebot. Als der osmanische Großwesir denselben Vorschlag, den ʿAbbās schon einmal negativ beschieden hatte, noch einmal machte, begannen die Berater des Schahs zu glauben, dass die gerühmte Weisheit des Ǧiġāl-Oġlū Sinān Pascha möglicherweise ein Trugschluss sei.265 Am 24. ǧomādā II 1014 (6. November 1605) trafen sich beide Seiten bei Ṣūfīyān zur Schlacht. Hier schließt sich der Kreis der safawidischen Einschätzung der Osmanen. An diesem Tag hielt sich ʿAbbās nicht direkt auf dem Schachtfeld, sondern lediglich bei der Reserve auf, da es nicht monāseb-e rotbe-ʾe salṭanat, seinem Rang entspreche, sich mit dem osmanischen Großwesir zu messen.266 Ungefähr 90 Jahre nach Čalderān scheint das Selbstvertrauen Monšīs endgültig zurückgekehrt zu sein. Dass das aber nicht nur bei diesem Chronisten der Fall war, sondern eine allgemeine Stimmung in der persischen Oberschicht jener Zeit gewesen zu sein scheint, zeigt eine andere Begebenheit des Jahres 1014 (1605-05). Die Osmanen, die während der Kämpfe um Van gefangen genommen oder getötet worden waren, wurden dem Schah vorgeführt. Das geschah in seinem Sommerquartier in der Ebene von Čalderān. Selbst einen ranghohen Kriegsgefangenen behandelte ʿAbbās dabei sehr würdevoll.267 Die Parade der gefangenen Osmanen vor dem Schah von Persien auf der Ebene dieser berühmten Schlacht ist sicher kein Zufall gewesen. Sie scheint eher der Ausdruck eines neuen safawidischen Selbstvertrauens zu sein, das auch den Chronisten Monšī erfasste. Das aber lässt 265 266

267

82

vgl. TAAA II, S. 676. vgl. TAAA II, S. 696. Auch Mohammad Schah hatte sich geweigert, dem osmanischen Großwesir Lālā Pascha auf dem Schlachtfeld zu begegnen (vgl. TAAA I, S. 233). Dort hatte Monšī allerdings nur geschrieben, dass die Reichsgroßen beschlossen hätten, dass es unter der Würde des Schahs sei, gegen den osmanischen Großwesir zu kämpfen. Hier sagte er, es war gegen die Würde des Schahs zu kämpfen. Er teilt also diese Einschätzung, das ist bei Mohammad Schah nicht unbedingt der Fall. vgl. TAAA II, S. 686.

vermuten, die optimistische Einschätzung der Lage in der Tārīḫ-e ʿālam-ārāye ʿabbāsī sei nicht allein seine Meinung. Sie dürfte von anderen Chronisten seiner Zeit geteilt worden sein. Zu der Annahme, das Selbstvertrauen sei allgemein gestiegen, passen auch Briefe, die ʿAbbās an den Pascha, den qāḍī, den moftī und die Garnison der Festung Ganǧe schrieb. Er erinnerte sie daran, dass Aserbaidschan und Šīrwān erbliche Gebiete der Safawiden seien, die die Osmanen widerrechtlich an sich genommen hätten. Diese Provinzen werde er sich jetzt zurückholen.268 Der Tonfall, immerhin werden die Osmanen vor vollendete Tatsachen gestellt, erinnert hier schon fast an deren eigenen Tenor 50 Jahre zuvor. Auch im weiteren Verlauf des diplomatischen Verkehrs blieb der Ton des Schahs derselbe: Frieden zu den Konditionen von Amasya oder gar nicht.269 Manchmal treibt Monšī seine Kritik sehr weit. Im Jahr 1018 (1609-10) erließ Naṣūḥ Pascha, der Gouverneur von Diyarbakir, eine Amnestie für alle kurz zuvor nach Persien geflohenen Ǧelālīs. Viele Rangniedere folgten dem Ruf in die Heimat. Der Grund dafür sei vor allem gewesen, dass sie sich an ḫūd-sarī, Unabhängigkeit und ḫūd-rāʾī, Eigendünkel gewöhnt hatten. Während in Persien die maʿdalat, die Gerechtigkeit und die Macht des Schahs dies verhindere, könne man im Osmanischen Reich ohnehin machen, was man wolle.270 Solch harsche und relativ direkte Kritik bleibt aber die Ausnahme. Dennoch haben am Ende der dritten Phase Safawiden und Osmanen in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī die Plätze getauscht. So schickte Zeynal Beyg, der Anführer der safawidischen Aufklärer, einen Brief an Ḥāfiẓ Ahmed Pascha, als dieser Bagdad belagerte. Sie seien gekommen, um zu kämpfen. Es stehe den Osmanen nicht an, trotz ihrer Überlegenheit den Kampf zu verweigern. Täten sie es dennoch, so würde das den osmanischen Namen bad-nāmī, be-

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270

vgl. TAAA II, S. 709. So war auch die Antwort bei weiteren osmanischen Versuchen zu einer Vereinbarung zu kommen, kurz und schroff (vgl. TAAA II, S. 823; 912). Dabei kam den Persern zugute, dass die Osmanen den Frieden dringender gebraucht zu haben scheinen als sie selbst. Es müsse Frieden herrschen, so ein osmanischer Botschafter, zwischen den Muslimen. Nur so könne man sich den fränkischen Königen stellen, die ständig Krieg führen gegen die Muslime (vgl. TAAA II, S. 789). vgl. TAAA II, S. 801.

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schädigen.271 So also sagte gegen Ende der Regierungszeit von Schah ʿAbbās der Kommandeur einer safawidischen Aufklärungseinheit einem Mann, der kein geringerer war als der osmanische Großwesir, was dieser zu tun habe, um den Namen der Osmanen zu retten.

2.3

Die Eigenschaften der osmanischen Armee

Die Wahrnehmung der osmanischen Armee hat sich wie gesehen verändert. Ausschlaggebend hierfür war letztlich der Grad der Bedrohung, den diese für Persien darstellte. Einige Aspekte dieses Heer betreffend sind dabei aber immer gleich geblieben, wie die äußeren Umstände auch gewesen sein mögen. So fällt auf, dass einzelne Soldaten oder Würdenträger, besonders wenn sie namentlich genannt sind, fast immer positiv dargestellt werden. Dabei scheint deren Bedrohung für die Safawiden weitgehend ausgeklammert worden zu sein. Die zweite Konstante ist das Lob der Chronisten für die gute Organisation des osmanischen Heeres, sowohl in der Schlacht als auch außerhalb. Bei Rūmlū muss man es fast als Bewunderung bezeichnen. Dennoch kommen Ḫwāndamīr, Rūmlū und Monšī quer durch alle Phasen zu dem Ergebnis, dass die Siege der Osmanen ausnahmslos unverdient gewesen seien. Günstige Umstände, Glück und Gottes Wille hätten die Siege herbeigeführt, nicht aber die Krieger selbst. 2.3.1 Von Soldaten und Wesiren: Der kompetente Einzelne DER TAPFERE SOLDAT Das beste Beispiel für den tapferen Osmanen ist ein Soldat, der in der Schlacht von Čalderān kämpfte. Wenn auch alle drei Chronisten seinen Namen anders schreiben, Rūmlū als Mālġūč-Ūġlū, Monšī als Mālqūǧ-Oġlū und Ḫwāndamīr als Malqūč-Ūġlū, so ist doch klar, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt. Er war, nach Monšī, einer der del-āwarān-e nāmī, der berühmten Tapferen der Osmanen, mehr sogar noch ein šoǧaʿān-e rūzgār, ein Heldenmütiger seiner Zeit. Außer dem Schah höchstselbst, so habe er gesagt, sei kein

271

84

vgl. TAAA III, S. 1045.

Safawide würdig, gegen ihn zu kämpfen.272 Im Aḥsan at-Tawārīḫ trat MālġūčŪġlū, ke nahangī būd dar baḥr-e por-delī, der ein Hai war im Meer der Kühnheit, vor den Schah und prahlte: Ich bin derjenige,

Den Himmel auf

der am Tag der Schlacht und der Feindschaft Mit einem Pfeil hefte ich die Augen der Ameise

den Boden schlagen kann

zusammen Wenn ich den Feind mit zornigen Augen anschaue meine Speerspitze kommt an der

Und öffne sie mit dem nächsten Pfeil ohne Fehler zu machen Gibt er seinen süßen Geist auf wegen des Giftes (meiner) Augen Ich lüge nicht, jetzt das Gefecht

‫ﺗﻮاﱎ زدن ﺁﲰﺎن‬ ‫ﺑﺮ زﻣﲔ‬

‫ﻣﻦ ﺁﱎ ﮐﻪ در‬ ‫روز ﭘﻴﮑﺎر و‬ ‫ﮐﲔ‬

‫ﺑﺪوزم ز ﭘﻴﮑﺎن ﮔﺸﺎﱘ ﺑﻪ ﺗﲑ‬ ‫ﺑﻪ هﻢ ﭼﺸﻢ ﻣﻮر دﮔﺮ ﺑﻲ ﻗﺼﻮر‬

‫دهﺪ ﺟﺎن ﺷﲑﻳﻦ‬ ‫از ﺁن زهﺮ ﭼﺸﻢ‬

‫ﻧﻈﺮ ﮔﺮ ﮐﻨﻢ‬ ‫ﺳﻮی دﴰﻦ ﺑﻪ‬ ‫ﺧﺸﻢ‬

‫ﻠﻮ در دروﻏﻲ ﳕﻲ ﮔﻮﱘ‬ ‫ﺳﻨﺎﱎ ز‬ 273 ‫اﻳﻨﮏ ﻣﺼﺎف‬ ‫اﻳﺪ ﺑﻪ ﻧﺎف‬

Seite hinein und aus dem Bauchnabel wieder heraus

Noch bevor er allerdings zu Pfeil, Bogen, Schwert oder Speer greifen konnte, zog Esmāʿīl sein Schwert und teilte seinen Helm in zwei Teile.274 Ebenso kurz und lakonisch schildert Monšī den Tod des mächtigen osmanischen Kriegers. Der Schah habe diesen maḫḏūl, verächtlichen Mann, der ihn zum Zweikampf gefordert hatte, mit einem Schlag seines ḏūʾl-faqār-gleichen Schwertes getötet, obwohl es eigentlich unter seiner Würde gewesen sei. Daraufhin ging ein Aufschrei durch beide Armeen.275 Auch Ḫwāndamīr erwähnt die Geschichte. Aus der osmanischen Armee sei ein Mann namens Malqūč-Ūġlū, ke nahangī būd dar baḥr-e por-delī, der ein Hai war im Meer der Kühnheit, auf den Schah 272 273 274 275

vgl. TAAA I, S. 42. AT, S. 191. vgl. AT, S. 191. vgl. TAAA I, S. 42.

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zugetreten. Noch bevor er allerdings die Chance hatte, nach Schwert und Speer zu greifen, habe Esmāʿīl ihn erschlagen.276 Die Intention der safawidischen Chronisten in diesem Fall ist offensichtlich. Je mächtiger der Mann erscheint, den der Schah im Zweikampf erschlug, desto besser steht dieser selbst da. Dennoch ist diese Geschichte ein typisches Beispiel der positiven Beschreibung namentlich genannter Osmanen in den Quellen. In anderen Fällen ist der Grund dafür nicht so leicht zu erkennen wie hier. Im Verlauf der Schlacht von Čalderān kommt noch eine weitere Einzelperson auf osmanischer Seite vor, der be nīrū-ye ǧalādat, sehr mächtige Sinān Pascha. Dieser verteidigte die linke Flanke der Osmanen, musste sich hier aber auch den Safawiden geschlagen geben.277 Die Ursache für seine Beschreibung als mächtiger Krieger dürfte also dieselbe sein. Von jetzt an richten Rūmlū und Monšī ihr Augenmerk auf unterschiedliche Gruppen der Osmanen. Während Rūmlū, wenn überhaupt, weiterhin einzelne Krieger beschreibt, scheinen den Schreiber der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī eher die Würdenträger interessiert zu haben. Das Schema, Einzelcharaktere in aller Regel positiv zu beschreiben, bleibt aber bei beiden gleich. Nachdem Selim I. Kairo erobert hatte, schickte er Sinān Pascha und einige der del-āwarān, der Tapferen in die Stadt, während die Armee vor den Toren blieb. In der Nacht wurde der Pascha getötet, aber die anderen Emire kämpften mardāne, tapfer weiter.278 Zwar wird hier keine Einzelperson beschrieben, sondern eine kleine Gruppe, aber auch hier ist der Ton bei Rūmlū noch deutlich freundlicher, als wenn er die Armee als Ganzes darstellt. 959 (1551-52) kam Tahmāsb auf osmanisches Gebiet. In der Armee, die ihm entgegenzog, waren auch Mehmed Beyg und Ḫürrem Āqā, die unter den Emiren des Sultans moʿtabar, geachtet waren.279 Zwar schreibt Rūmlū hier nicht, dass die Safawiden oder er selbst diesen Männern Achtung entgegengebracht hätten, dennoch erwähnt er ihren Ruf bei den Osmanen. Da beide 276

277 278 279

86

vgl. HS, S. 547. Dieses Beispiel zeigt wieder, dass Rūmlū das Ḥabīb as-Siyar als Quelle benutzte. Anders als bei der Beschreibung der Schlacht gegen die Mamluken (vgl. HS, S.569; AT, S. 210-211) kritisiert er hier Ḫwāndamīr aber nicht, sondern übernimmt sogar wörtlich dessen Beschreibung des Malqūč-Ūġlū. vgl. AT, S. 192. vgl. AT, S. 215. vgl. AT, S. 460.

Emire gefangen genommen wurden, darf man auch hier davon ausgehen, dass es darum ging, die Bedeutung der Gefangenen hervorzuheben. Ein anderes Beispiel ist Bayezid, der nach Persien geflohene Sohn Süleymans. Bei ihm es ist sehr unwahrscheinlich, dass Rūmlū seine Bedeutung steigern wollte, denn der osmanische Prinz wird sonst, sowohl im Aḥsan at-Tawārīḫ als auch in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī, ausnehmend negativ dargestellt.280 Der Vorfall, um den es hier geht, ist die Schlacht zwischen Bayezid und seinem Bruder Selim im Jahr 966 (1558-59). Während dieses Kampfes habe er mit seinem tīġe ḫūn-afšān, seinem Blut verteilenden Schwert und dem senān-e ṯobʿān-nešān, dem Drachen unterdrückenden Speer gekämpft, dass man die Geschichten von Rostam und Esfandiyār vergisst.281 Das ist ein beachtliches Lob, denn diese beiden mythischen Figuren sind zwei der besten Kämpfer des Šāh-nāme. Auch Monšī erwähnt diese Schlacht. An jenem Tag habe Bayezid solche Wunder an Heldenmut vollbracht, dass man im Osmanischen Reich auch 50 Jahre danach noch mit Furcht darüber sprach.282 Es dürfte den Chronisten auch nicht darum gegangen sein, den Sieg Prinz Selims und damit den osmanischen Thronfolger besonders herauszustellen, denn dieser bleibt in der safawidischen Geschichte eine Randerscheinung. Es ist daher am wahrscheinlichsten, dass Prinz Bayezid an diesem Tag wirklich tapfer gekämpft hat und Rūmlū und Monšī auch keinen Grund sahen, das zu verschweigen. DER REDEGEWANDTE WESIR Der Fokus Monšīs liegt aber eher auf den hohen osmanischen Würdenträgern. Zu deren Persönlichkeit hatte sich Rūmlū nur ein einziges Mal geäußert. Iskender Pascha, den Selim II. im Jahr 975 (1567-68) geschickt hatte, einige

280

281 282

Bayezid sei, das schreiben sowohl Rūmlū als auch Monšī, ein arroganter, selbstgefälliger Mann gewesen. Als er, in voller Bewaffnung, nach Qazwīn einritt, habe er be hīč ṭaraf negāh na-karde motawaǧǧe-ye miyān-e dū gūš-e asb-e ḫūd, weder nach links noch nach rechts geschaut, sondern nur zwischen den Ohren seines Pferdes hindurch (vgl. AT, S. 524). Monšī formuliert den Satz etwas anders, sagt aber genau dasselbe (vgl.TAAA I, S. 102). Besonders er geht hart mit Bayezid ins Gericht, es ist daher auch bei ihm nicht anzunehmen, dass er seine Bedeutung durch die Erwähnung seiner Tapferkeit noch steigern wollte. vgl. AT, S. 523. vgl. TAAA I, S. 101.

87

Inseln im Persischen Golf zu erobern, sei ein besyār-dān, ein schlauer Mann gewesen.283 In der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī aber nimmt dieser Personenkreis einen zentralen Platz ein. Das dürfte auch daran liegen, dass die Paschas zu Monšīs Zeiten den Sultan als Kommandant abgelöst hatten. Einer dieser Würdenträger war Ǧiġāl-Oġlū Sinān Pascha, ein Großwesir. Er habe sich, schreibt Monšī, unter den Osmanen wegen seiner tahawwor wa mardānegī wa šoǧāʿat wa farzānegī, Kühnheit und Gelehrsamkeit einen Namen gemacht.284 Durch seine Schilderungen der osmanisch-safawidischen Auseinandersetzungen, die immer auch den Großwesir betreffen, bekommt man den Eindruck, dass Monšī ihn ebenfalls in sehr positivem Licht sieht. Viele andere Paschas kommen nur in Nebensätzen vor, erscheinen dort aber meist positiv. Köse Safar Pascha, der Gouverneur von Erzerum, wurde am 24. ǧomādā II. 1014 (4. November 1605) in der Schlacht bei Ṣūfīyān von den Persern gefangen genommen und hingerichtet. Auch er sei unter den Osmanen ein moʿtabar, ein geachteter Anführer gewesen und für seine šoǧāʿat, seine Tapferkeit berühmt.285 Zwei weitere Männer, die nach dieser Schlacht in persische Gefangenschaft gegangen waren, betrachtet Monšī ebenfalls sehr wohlwollend. Ḫandān Āqā war ein mard-e ʿāqel wa soḫandān, ein weiser und redegewandter Mann.286 Redegewandtheit ist das Talent, das Monšī bei den osmanischen Charakteren am häufigsten feststellt. So sei auch Mustafa Pascha, ein bei den Osmanen geachteter Emir, ein mard-e qābel-ḫūš, ein Mann mit angenehmem Temperament und soḥbat-e nīkū, guter Konversationskunst gewesen.287 Nun könnte man im Falle dieser drei Personen annehmen, Monšī habe ebenfalls deren Bedeutung etwas erhöhen wollen, um sie als Kriegsgefangene wertvoller erscheinen zu lassen. Allerdings sind sie wohl zu unwichtig für die safawidische Geschichte, als dass so ein Versuch wahrscheinlich erschiene. Viel eher dürfte hier in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī die Wahrheit stehen.

283

vgl. AT, S. 558.

284

vgl. TAAA II, S. 667. vgl. TAAA II, S. 699. vgl. TAAA II, S. 753. vgl. TAAA II, S. 756. Das in den Augen Monšīs möglicherweise größte Kompliment macht er ganz zum Schluss. Mustafa Pascha habe das eḫlāq-e monšī-ye ṭabīʿat, das Gemüt eines Sekretärs gehabt.

285 286 287

88

Die Osmanen als eine Art Bildungsadel hatten sicherlich rhetorische Fähigkeiten, die den qezelbāš gefehlt haben. Doch auch osmanische Wesire, denen der Vorwurf mangelnder Bedeutung für die safawidische Geschichte sicher nicht zu machen ist, erscheinen bei Monšī oft in einem positiven Licht. Im Jahr 1012 (1603-04) wurde ʿAlī Pascha bei dem Versuch, die Festung von Tabrīz zu entsetzen, gefangen genommen und als Unterhändler für die Safawiden eingesetzt. Er kam später noch öfter nach Persien und war dort ein gern gesehener Gast, weil er ein be ḥosn-e eḫtelāṭ wa kalemāt-e zengīn wa ẓarāyef wa laṭāyef, ein redegewandter, geistreicher und angenehmer Mann war.288 Murad Pascha, einen Großwesir Ahmeds I., charakterisiert Monšī als ʿāqel, schlauen, kār-āzmūde, erfahrenen und ʿāqebat-andīš, weit blickenden Mann.289 Ein letztes Beispiel sei hier Naṣūḥ Pascha, ein weiterer Großwesir Ahmeds I. Auch er wird positiv dargestellt. Er sei ein mard-e ṣalāḥ-andīš, ein ehrlich denkender Mann gewesen, kār-dān, erfahren und ein wāseṭe-ʾe ṣolḥ, ein Vermittler des Friedens.290 Das Gegenbeispiel und damit der Beweis, dass Monšī das politische Geschehen auch bei der Beschreibung einzelner Charaktere nicht völlig außer Acht lässt, ist Iskender Pascha. Er war in der Regierungszeit Süleymans Gouverneur von Erzerum. Seine Rolle in den Feldzügen des Sultans scheint Monšī nicht übersehen zu wollen oder zu können. Er sei ein mard-e mofsed, ein verderbter Mann und ein fetne-angīz, ein Aufrührer gewesen.291 Schon an den früheren Feldzügen hatte er teilgenommen, den letzten initiierte er sogar selbst. Schuld an dieser Militäraktion sei die šeyṭanat, die Teufelei und die efsād, die Verderbtheit des Iskender Pascha gewesen, schreibt Monšī.292 Bildung und Redegewandtheit dieses osmanischen Großwesirs erwähnt er nicht. Der Schreiber der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī war allerdings, anders als bei den oben beschriebenen Personen, kein Zeitgenosse Iskender Paschas. Möglicherweise hat er einfach 288 289 290

291 292

vgl. TAAA II, S. 643. vgl. TAAA II, S. 820-823. vgl. TAAA II, S. 887. Weitere Beispiele zur positiven Darstellung hoher osmanischer Würdenträger in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī wären Tekkelū Mehmed Pascha, der Gouverneur von Van (vgl. TAAA II, S. 922) und Soqollū Mehmed Pascha, der Großwesir Süleymans (vgl. TAAA I, S. 78). vgl. TAAA I, S. 76. vgl. TAAA I, S. 49.

89

nicht gewusst, ob der Gouverneur von Erzerum die sonst von ihm so geschätzten Tugenden ebenfalls besessen hat. Auffällt aber, dass auch Rūmlū, sonst sehr zurückhaltend bei Kritik an osmanischen Würdenträgern, nicht unbedingt positiv über diesen Mann urteilt. So habe er 955 (1548-49) viele Einwohner von Ḫūy getötet. Dass Rūmlū diese Leute nicht wie sonst mardom nennt, sondern raʿāyā, lässt den Vorwurf nicht geringer erscheinen.293 Im nächsten Jahr führte Iskender Pascha eine Armee gegen Īrewān. Er habe den Bazar in Brand gesteckt und sich dann sofort wieder zurückgezogen.294 Es scheint in diesem Fall also wahrscheinlich, dass der Gouverneur von Erzerum den Persern gegenüber tatsächlich feindlich eingestellt war. Was also bleibt über die Darstellung von Einzelcharakteren auf osmanischer Seite zu sagen? Sie ist in aller Regel positiv. Soldaten werden als tapfere Kämpfer beschrieben und Wesire als gute Staatsmänner. Wie schon bei den Sultanen lässt sich auch von deren Untergebenen kein lebensnahes Bild aus den Chroniken zeichnen. Der Grund dafür ist, dass es nie das Ziel der Chronisten war, diese Personen realistisch abzubilden. Die sehr spärlichen Informationen zur Persönlichkeit der Wesire und Soldaten des Osmanischen Reiches machen ein solches Vorhaben von vornherein unmöglich. Im Gegensatz zu den Sultanen gibt es hier überhaupt keinen Zweifel, dass die Wesire nur ihre Rolle zu spielen hatten. Die Chronisten haben hier auch nicht aus politisch missliebigen Entscheidungen einen schlechten Charakter abgeleitet. Es ist ganz offensichtlich, dass die persönlichen Züge der osmanischen Entscheidungsträger sie nicht interessierten. Die stete Betonung der Bildung der Wesire folgt auch keinem bestimmten Zweck, sie bildet wohl lediglich die Realität ab. Jeder hohe osmanische Würdenträger hatte eine Förderung genossen, die ihn im Gegensatz zu den meisten führenden qezelbāš gebildet erscheinen lassen musste. 2.3.2 Von Ketten und Kanonen: Das funktionierende Ganze DIE KOMPAKTE SCHLACHTORDNUNG Ein weiteres Charakteristikum der osmanischen Armee, dessen Darstellung in den safawidischen Quellen stets die gleiche bleibt, ist deren gute Organisation. 293 294

90

vgl. AT, S. 438. vgl. AT, S. 441.

Diese werden alle drei Chronisten immer mit einer gewissen Bewunderung betrachten. Im Zentrum des Interesses steht die osmanische Schlachtordnung. Schon in der Schlacht von Čalderān beschreibt Rūmlū die ṭarīq-e salāṭīn-e rūm, die Art der osmanischen Sultane, ihre Reihen zu ordnen. Wenn die Schlacht beginne, bauten sie eine Festung aus ʿarābe, Kanonen,295 die untereinander mit Ketten verbunden seien, innerhalb derer sie sich verschanzten. Aus der so entstehenden Festung schössen ihre tofangčīyān, ihre Musketiere, also die Janitscharen, mit Kanonen, Musketen und Mörsern nach draußen.296 Ihre Fähigkeiten an den Feuerwaffen seien dabei so groß, …dass sie selbst ein kleinstes Teil, dass sie auf eine Meile Entfernung sehen können,

‫…ﮐﻪ ﺟﺰءﻻ ﻳﺘﺠﺰارا در اﻣﺘﺪاد‬

treffen. Und was sie nicht mehr sehen auf ein farsang Entfernung, dann stimmt

‫اﺻﺎﺑﺖ ﻣﻲ ﺳﺎزﻧﺪ و ﻧﻘﻄﺔ ﻣﻮهﻮم‬

immerhin die Richtung ihrer Pfeile.

‫اﺷﻌﺔ ﻧﻈﺮی ﻳﮏ ﻣﻴﻞ ﺟﺎی هﺪف‬ ‫را ﺑﻪ ﺳﻬﺎم ﺧﻄﻮط ﺑﺼﺮی از ﻳﮏ‬ ‫ﻓﺮﺳﻨﮓ راﻩ ﺑﻪ ﻧﺸﺎﻧﻪ ﻣﻲ‬ 297

‫اﻧﺪازﻧﺪ‬

Diese Art der osmanischen Armee, sich vor der Schlacht aufzustellen, wird den Chronisten das gesamte 16. Jahrhundert über immer wieder regelrechte Bewunderung abnötigen. Die safawidische Armee war einer solchen Form der Kriegsführung in aller Regel nicht gewachsen. Überraschenderweise hat das Rūmlū und Monšī nicht davon abgehalten, anerkennend darüber zu urteilen. Besonders der Soldat Rūmlū kann seine Faszination teilweise nur schwer verbergen, vor allem die Art und Weise, wie die Osmanen mit ihren Feuerwaffen umgingen, hat es ihm angetan. Daher sind seine Beschreibungen auch bei

295

Das Wort ʿarābe wird meist mit Wagen übersetzt. Im hier vorliegenden Fall dürften damit aber wohl eher fahrbare Kanonen gemeint sein (vgl. Julius Theodor Zenker, Türkisch-Arabisch-Persisches Handwörterbuch, S. 626).

296

Eine Beschreibung der zentralen osmansichen Verteidigung auf dem Schlachtfeld um die Sultansschanze herum liefert Pittioni, siehe: Manfred Pittioni, Das osma-

297

nische Heerwesen im 15. und 16. Jahrhundert. Organisation, Taktik und Ausrüstung, S. 47-57.) AT, S. 189.

91

weitem am ausführlichsten. Vor diese Festung stellte Selim bei Čalderān noch 12 000 Janitscharen,298 teilt er uns etwa mit. Schon Ḫwāndamīr hatte vom maʿhūd-e molk-e rūm, vom Brauch des osmanischen Reiches berichtet, sich auf dem Schlachtfeld zwischen ʿarābe, Kanonen, die mit einem čapar, einem Zaun miteinander verbunden sind, zu verschanzen. Auch er nennt die 12 000 Janitscharen, die Selim davor aufstellte. Ihm war ebenfalls aufgefallen, dass immer 5-6000 auf einmal schossen, während die anderen nachluden.299 Das setzt organisatorischen Aufwand voraus. Schließlich beschreibt auch Monšī den rasm wa šeʿār, den Brauch der Osmanen, auf dem Schlachtfeld vor und hinter sich eine Festung zu bauen, bestehend aus ʿarrāde, Geschützlafetten und Ketten dazwischen. Bei den Kanonen seien außerdem 12 000 Janitscharen, die mit Feuerwaffen ausgerüstet waren, stationiert worden.300 Wann immer die qezelbāš in den folgenden Schlachten direkt auf diese Festung trafen, zeigte sich deren Effizienz. Schon bei Čalderān griffen sie, nach Rūmlū, das osmanische Zentrum direkt an, aber die Janitscharen schlugen sie mit Hilfe ihrer Kanonen und Musketen leicht zurück.301 Ḫwāndamīr berichtet, nachdem sie Zeugen der Tapferkeit Esmāʿīls geworden waren, hätten sich die Osmanen in ihre Festung zurückgezogen, aber aus ihr heraus sofort wieder angegriffen.302 Auch in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī ergeht es den Safawiden wenig besser. Hier greift Esmāʿīl mehrere Male direkt die Festung an und zerschlägt die Ketten zwischen den Kanonen. Die qezelbāš folgen ihm nach und töten 300 Janitscharen. Letztlich aber siegen die Osmanen doch und viele safawidische Krieger werden durch Musketen und Kanonen getötet.303 Das nächste Mal berichtet Rūmlū von der osmanischen Wagenburg im Zuge der Schlacht der Osmanen gegen die Mamluken in Syrien im Jahr 922 (1516-17). Dort habe Selim vor seine Reihen ʿarābe, hier tatsächlich als Wagen gemeint, gestellt, auf denen ḍarb-zan, leichte Kanonen und tūp,

298 299 300 301 302 303

92

vgl. AT, S. 190. vgl. HS, S. 546-547. vgl. TAAA I, S. 42. vgl. AT, S. 192. vgl. HS, S. 547. vgl. TAAA I, S. 42.

schwere Kanonen montiert waren. Davor standen, in fünf Reihen gestaffelt, die Janitscharen. Auch in dieser Schlacht flohen die Osmanen zwei Mal bis direkt vor ihre Artillerie, die dann die mamlukische Kavallerie niedermähte.304 Selbst der in militärischer Strategie versierte Rūmlū scheint nicht auf die Idee gekommen zu sein, dass das Teil der osmanischen Taktik war.305 Als Süleyman 955 (1548-49) nach Persien zog, war seine Armee ebenfalls mit allen aslaḥe, Waffen, ǧabe, Rüstungen und ǧoūšan, Harnischen ausgestattet, die sie brauchte.306 Ein letztes Mal taucht diese osmanische Taktik im Jahr 985 (1577-78) im Aḥsan at-Tawārīḫ auf. Bevor es zur Schlacht zwischen den qezelbāš und dem Pascha von Erzerum kommt, stellt dieser seine Männer in ṣaf-e qetāl wa ǧadāl, in Schlachtformation.307 Auch Monšī erwähnt immer wieder die gute Ordnung der Osmanen auf dem Schlachtfeld. So sei etwa die Vorhut der osmanischen Armee im Jahr 1012 (1603-04) in be qāʿede wa tūzūk-e šāyaste ṣaf wa ārāste, in hervorragender Ordnung und in Kampfaufstellung auf die Safawiden zumarschiert.308 Hier erscheint die osmanische Armee geradezu als Gegenmodell zu den relativ unorganisierten qezelbāš-Einheiten, die einfach auf die Osmanen zureiten und den Kampf verlieren. Das ist umso erstaunlicher, als Monšī sonst über den Vorwurf, die Safawiden zu kritisch zu beurteilen, erhaben ist. Am 24. ǧomādā II 1014 (6. November 1605), in der Schlacht von Ṣūfīyān, zogen die Osmanen einen Kreis aus Kanonen und Ketten um sich. Dazwischen stationierten sie die Janitscharen. Geblendet von ihrer eigenen Macht und Herrlichkeit verließen sie im Laufe der Schlacht ihre Festung und stellten sich den Safawiden auf offenem Feld.309 Da Monšī extra erwähnt, dass auch ʿAbbās diesmal seine Truppen geordnet aufgestellt hat, dürfte das seiner Meinung nach nicht unwesentlich zum Sieg beigetragen haben, den die Perser in dieser 304 305

306 307 308 309

vgl. AT, S. 208-209. Tatsächlich war aber genau das der Fall. Die vorgetäuschte Flucht, um den Gegner vor das eigene Zentrum zu locken, war fester Bestandteil der osmanischen Strategie des 16. Jahrhunderts [vgl. Pittioni (2004), S. 47; 53]. vgl. AT, S. 424. ʿAbd al-Ḥoseyn-e Nawāʾī ergänzt, dass es sich bei den Waffen natürlich um fahrbare Kanonen und Musketen gehandelt hat. vgl. AT, S. 657-658. vgl. TAAA II, S. 658. vgl. TAAA II, S. 697.

93

Schlacht errangen. Entscheidend aber war, dass die Osmanen ihre Festung verließen. Am deutlichsten wird der Unterschied zwischen Safawiden und Osmanen hinsichtlich der Schlachtordnung im Jahr 1025 (1616-17). Tekkelū Pascha, der Gouverneur von Van, zog nach Persien. Die qezelbāš, die ihm in zwei Gruppen entgegenkamen, wollten sich bei Salmās treffen und sich dort zum Kampf stellen. Die eine Gruppe aber kam einen Tag zu früh, die andere einen zu spät. Dazu war sie auch noch durch den Eilmarsch zum Treffpunkt erschöpft. Die Osmanen hingegen marschierten in tartīb-e qalb, in geschlossener Formation auf.310 Unter diesen Voraussetzungen war die Schlacht für die Safawiden vorbei, ehe sie begonnen hatte. Auch hier entsteht der Eindruck, Monšī präsentiere die osmanische Armee als Soldatenspiegel für die

qezelbāš. DIE SCHIERE MASSE Der zweite wichtige Aspekt, den alle drei Chronisten immer wieder hervorheben, ist die enorme Größe der osmanischen Armee. Die qezelbāš sind praktisch immer in Unterzahl, auch wenn nie ganz klar wird, warum. Schon bei Čalderān ist die osmanische Armee sehr groß gewesen: Mehr als Staubkörnchen

Mehr als Sterne am Himmel und

und Regentropfen an Zahl

Wellen auf den Meeren

‫ﺑﻴﺶ از ﳒﻮم در‬ ‫اﻓﺰون ز ذرﻩ‬ ‫در ﻋﺪد و ﻗﻄﺮﻩ ﻓﻠﮏ و ﻣﻮج در‬ 311 ‫ﲝﺎر‬ ‫در ﴰﺎر‬

Insgesamt, sagt Rūmlū, waren es 20 000 Mann.312 Auch Ḫwāndamīr hat diese Zahl genannt.313 Monšī nennt keine Zahl, sagt aber ebenfalls, die Armee sei sehr groß gewesen. Esmāʿīl kommandierte nach seinen Angaben lediglich 20 000 Mann,314 nach Meinung Ḫwāndamīrs sogar noch weniger. Er schätzt

310 311 312 313 314

94

vgl. TAAA II, S. 901-902. AT, S. 188. vgl. AT, S. 188. ʿAbd al-Hoseyn-e Nawāʾī ist der Meinung, dass es nur 100 000 osmanische Soldaten waren. vgl. HS, S. 546. vgl. TAAA I, S. 42.

die Größe der safawidischen Armee lediglich auf 10-12 000 Soldaten.315 Abseits aller Zahlenspiele sind sich jedenfalls alle drei Chronisten einig, dass die safawidische Armee deutlich kleiner war als die osmanische.316 Das wird in den nächsten Jahrzehnten so bleiben. Aber nicht nur wenn es gegen die Perser ging, scheint die Armee des Sultans sehr groß gewesen zu sein. Auch sonst erwähnen die Chronisten immer die personelle Übermacht der Osmanen. Als Süleyman 929 (1522-23) Rhodos eroberte, habe seine Armee 300 000 Mann gezählt, schreibt Rūmlū.317 Auch für die Feldzüge nach Osten mobilisierte der Herrscher viele Männer. Die Armee, die er 940 (153334) nach Aserbaidschan schickte, war ziyāde az ḥadd wa ḥaṣr, grenzenlos groß, schreibt Rūmlū.318 In der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī findet sich die Bezeichnung bī-karān, endlos für die Armee des Sultans.319 In Bezug auf die Größe des osmanischen Heeres werden ab jetzt die Superlative die Chroniken bestimmen. Die Armee auf Süleymans drittem Feldzug sei bī-qiyās, unermesslich gewesen, findet Rūmlū.320 Auch die vierte Invasion Aserbaidschans sei nur durch ambūh, zahlreiche Soldaten möglich gewesen, die im ganzen Reich ausgehoben worden waren.321 Im Aḥsan at-Tawārīḫ findet sich folgendes zur Größe dieser osmanischen Armee:

315 316

317 318 319

320 321

vgl. HS, S. 545. Selbst in der neueren Forschung besteht noch keine Einigkeit über die Größe beider Armeen. Sekundärliteratur, die auf osmanischen Akten fußt, gibt in aller Regel 140 000 Soldaten auf osmanischer Seite an [so etwa bei Shaw (1976) S. 81 und Joseph Matuz, Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte, S. 101]. Bei Publikationen, die auf persischen Quellen basieren, findet sich meist die Zahl 200 000 für die Größe der osmanischen Armee (vgl. Roger Savory, „The Consolidation of Ṣafawid Power in Persia“ in: Der Islam. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der islamischen Orients, Band 41, S.82). Auch Savory bezieht sich bei seiner Schätzung auf das Aḥsan at-Tawārīḫ]. vgl. AT, S. 230. vgl. AT, S. 326. vgl. TAAA I, S. 66-67. Zuvor hatte Süleyman bereits Fīl Pascha mit 50 000 Mann nach Aserbaidschan geschickt. Diese sind also der Hauptarmee noch hinzuzuzählen. vgl. AT, S. 423. vgl. TAAA I, S. 71.

95

…außerhalb der Berechnung, zahlreicher als Tropfen im Regen und Blätter am Baum…

‫…از ﺣﻴﺰ ﴰﺎر ﺑﲑون و از ﻗﻄﺮات‬ ‫اﻣﻄﺎر و اوراق و اﺷﺠﺎر‬ 322

…‫اﻓﺰون‬

Es fällt auf, dass die Chronisten die gute Organisation des Gegners nur auf dem Schlachtfeld erwähnen. Dass solch eine gut funktionierende kämpfende Truppe auch steten Nachschub brauchte und im Falle der Osmanen auch erhielt, ist allein Rūmlū einer Erwähnung wert.323 Von der Schlacht bei Čalderān zu Beginn des 16. Jahrhunderts über die Feldzüge Süleymans in dessen Mitte bis zu Ṣūfīyān am Beginn des 17. Jahrhunderts, die Wahrnehmung der osmanischen Armee als Ganzes hat sich wie gesehen mehrfach verschoben. Die Beschreibung ihrer Struktur hat es nicht. Das ist wohl am einfachsten damit zu erklären, dass sich die Art der osmanischen Schlachtordnung nicht geändert hat. Auch blieb ihre Bewertung von den innenpolitischen Veränderungen in Persien, die die Sicht auf die osmanische Militärmacht beeinflussten, unberührt. Im Vergleich zu anderen Bereichen der Darstellung erscheint die der Struktur der osmanischen Armee am ehesten intentions- und ideologiefrei. Die Chronisten geben wieder, was sie auf den Schlachtfeldern gesehen oder von ihnen gehört haben; Polemik gegen den Gegner fehlt. Trotz der bescheidenen Erfolge der qezelbāš gibt es weniger Kritik an deren Reaktion auf die geschlossene osmanische Formation als zu erwarten gewesen wäre. Die Anmerkungen Monšīs in diese Richtung sind zu wenige, um als Versuch gedeutet zu werden, bei Entscheidungsträgern, die die Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī gelesen haben, ein Umdenken zu bewirken. 2.3.3 Und dennoch: Der unverdiente Sieg Die dritte Konstante der osmanischen Armee ist, dass sie nach Meinung der safawidischen Chronisten trotz ihrer kampferprobten Soldaten, ihrer fähigen Würdenträger und ihrer ausgefeilten Taktik nicht in der Lage war, Schlachten aus eigener Kraft zu gewinnen. Die Gründe, warum sie trotzdem mit schöner 322 323

AT, S. 485. vgl. AT, S. 424. Mehr als eine Erwähnung ist es bei ihm nicht. Den kausalen Zusammenhang zwischen der guten Logistik und der kämpfenden Truppe erwähnt auch er zu selten.

96

Regelmäßigkeit gesiegt haben, lassen sich in drei Kategorien einteilen: zahlenmäßiges Übergewicht, Überläufer und überirdischer Beistand. Den dritten Grund kann man als den Bereich des safawidischen Türkenbildes bezeichnen, der am wenigsten von Realitätssinn berührt worden ist. UND WIEDER: DIE SCHIERE MASSE Die Osmanen haben viele Schlachten gegen die Safawiden gewonnen und die Chronisten haben davon berichtet. Sehr vielen dieser Beschreibungen folgt dann aber eine einschränkende Begründung. So berichtet Ḫwāndamīr, wie die Safawiden die Osmanen bei Čalderān schon weit zurückgedrängt hatten, was zum großen Teil dem Heldenmut Esmāʿīls zu verdanken war. Dann aber kamen die Soldaten des Sultans wieder in die Offensive, da sie zahlenmäßig so überlegen gewesen seien.324 Die Osmanen, allen voran ihr Anführer Selim, waren nicht Manns genug, gegen die Safawiden im Zweikampf anzutreten. Gewonnen haben sie die Schlacht schließlich nur, weil sie so viele waren. Monšī lässt die zahlenmäßige Überlegenheit der Osmanen wenn nicht als Ausrede, so doch als Erklärung gelten, warum die Safawiden das Feld oft als Verlierer verließen. Ungefähr 70 Jahre nach Čalderān machten sich die qezelbāš daran, ihre alte Hauptstadt Tabrīz von den Osmanen zurückzuerobern. Zwei Mal bereits hatten sie unter dem Kommando von Kronprinz Ḥamza Mīrzā im Jahr 993 (1585) den Gegner, kommandiert vom neuen Großwesir Osman Pascha, geschlagen und fast das gesamte Stadtgebiet wieder in Besitz genommen. Teile der osmanischen Armee flohen daraufhin. Die Safawiden mussten die Verfolgung der Fliehenden schließlich abbrechen, denn sogar im Davonlaufen waren die Osmanen noch zu zahlreich.325 Osman Pascha selbst verfügte trotz allem noch über genügend Männer. Er konnte nicht nur 4050 000 Soldaten auf Patrouille schicken, sondern gleichzeitig an der Festung, die die Osmanen bisher hatten halten können und deren Eroberung den Safawiden später noch so viel Mühe machen sollte, weiterbauen lassen.326 Auch in dieser Geschichte klingt die zahlenmäßige Überlegenheit der Os324 325

326

vgl. HS, S. 547. Auch hier verwendet Monšī wieder die Worte ziyāde az ḥayyez-e šomār, mehr als zu berechnen und bī-qiyās, unermesslich (vgl. TAAA I, S. 316). Er erwähnt auch, dass die qezelbāš mal wieder uneins waren. vgl. TAAA I, S. 313.

97

manen eher wie ein Vorwurf. In der Beschreibung der safawidischen Soldaten am Ende des 16. Jahrhunderts scheint schon das neu erwachte Selbstbewusstsein der Perser durch, doch so oft sie die Osmanen im Kampf auch besiegen, es kommen stets neue nach. Auch im Aḥsan at-Tawārīḫ findet sich eine solche Schilderung. Die Safawiden versuchten, den Vorstoß Süleymans 955 (154849) nach Aserbaidschan schon frühzeitig zu stoppen. Ihre Späher unter Šāhwerdī Sultan kämpften mardāne, tapfer und töteten zahlreiche Osmanen. Aber die zahlenmäßige Überlegenheit half den Osmanen wieder, dagegen konnten die Perser nichts ausrichten.327 Alle drei Chronisten setzen also die osmanischen Siege herab, weil diese stets durch Überzahl gewonnen wurden. Interessant dabei ist, dass weder Ḫwāndamīr noch Rūmlū noch Monšī diese personelle Überlegenheit mit der von ihnen durchaus respektierten Organisationsstruktur der Osmanen in Verbindung bringen. So hat auch nur Rūmlū einmal vom gut funktionierenden Nachschub berichtet, die anderen sagen dazu überhaupt nichts. Dass es ein großes Verdienst der Osmanen war, auf dem Schlachtfeld eine Überzahl erst zu schaffen, sehen sie nicht oder wollen sie nicht sehen. ÜBERALL VERRAT Der zweite Grund, warum die Osmanen ihre Schlachten gewinnen konnten, waren Überläufer. Nachdem Selim sich aus Aserbaidschan zurückgezogen hatte, richtete er sein Augenmerk auf Syrien und Ägypten, schreibt Ḫwāndamīr. Die Tür dorthin öffnete ihm Ḫayr Bayg, der malek al-omarāʾ von Aleppo, der sich aus Angst von dem Sultan Ägyptens Selim unterstellte. Er werde den Osmanen seine Stadt übergeben und außerdem bei der Vertreibung der Mamluken helfen.328 Am Beginn der Eroberungen Selims stand nach dem Ḥabīb as-Siyar also der Verrat. Rūmlū erzählt dieselbe Geschichte, geht aber noch ein Stück weiter. Kurze Zeit später, in der Schlacht von Marǧ Dābiq, die es ja laut Ḫwāndamīr nie gegeben hat, habe Ḫayr Bayg genau in dem Augeblick, als die Osmanen zum letzten Angriff bliesen, seine Reihen verwüstet und sei zu Selim übergelaufen. Daraufhin seien Sultan Qānṣaw und

327 328

98

vgl. AT, S. 425. vgl. HS, S. 569.

seine Männer geflohen.329 Im nächsten Jahr zog Selim nach Ägypten, und wieder half ihm ein Verräter, den Sieg zu erringen. Der neue Sultan der Mamluken, Tūmanī Bayg, hatte sich außerhalb Kairos verschanzt und mit seiner Artillerie einen Hinterhalt gelegt. Als Selim drauf und dran war, hineinzulaufen, floh ein ġolām der mamlukischen Armee zu den Osmanen und warnte ihn. Der Sultan ließ daraufhin seine Reiterei die Kanonen umgehen und von hinten angreifen.330 So gewann er auch diese Schlacht und konnte Kairo einnehmen. Im Aḥsan at-Tawārīḫ hilft der Verrat den Osmanen also in noch größerem Umfang, ein Überläufer rettet Selim sogar vor dem Untergang seiner Armee. In der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī finden sich ebenfalls viele Berichte von Auseinandersetzungen, die die Osmanen nicht ohne Verrat gewonnen haben. Nachdem die Safawiden Tabrīz erobert hatten, zogen sich die Osmanen in die Festung der Stadt zurück. Während der Belagerung begannen die Perser, von den Verteidigern vollkommen unbemerkt, einen Tunnel in die Burg zu graben. Früher oder später wären Ḥamza Mīrzā und seine Männer also erfolgreich gewesen. Kurz vor der Fertigstellung liefen Qolī Beyg-e Afšār und Ǧabbār Qolī Beyg zu den Osmanen über und verrieten Existenz und Lage des Tunnels. Da die Türken ihn schon als Ausfallpforte nutzten, mussten die Safawiden ihn zerstören.331 Durch diesen Verrat war die Arbeit von zwei bis drei Monaten umsonst gewesen und die Eroberung dauerte an. Überläufer sind der in den Quellen am häufigsten bemühte Grund für die politischen Erfolge der Osmanen. Die meisten dieser Männer dürfte es tatsächlich gegeben haben, aber ihre Taten waren wohl weit weniger verwerflich, als uns die Chronisten glauben machen wollen. Dass lokale Machthaber wie Ḫayr Bayg von Aleppo zwischen zwei großen Machtblöcken manövrieren, um für sich größtmögliche Unabhängigkeit zu behalten, ist weder ein Phänomen des 16. Jahrhunderts noch des persischen Raumes. Seitenwechsel hat es immer gegeben. Sie sind nach heutigem Verständnis auch nur bedingt als Verrat zu bezeichnen. Inwieweit Ḫwāndamīr, Rūmlū und Monšī tatsächlich glaubten, die Safawiden seien stets hintergangen worden, ist schwer zu sagen. In jedem 329 330 331

vgl. AT, S. 210. vgl. AT, S. 214. vgl. TAAA I, S. 320.

99

Fall erscheinen so die persischen Niederlagen weit weniger schwerwiegend, was sicherlich zu dieser Art der Darstellung beigetragen hat. HILFE VON OBEN Die dritte Erklärungshilfe, mittels derer die safawidischen Chronisten die osmanischen Siege ihren persischen Lesern begreiflich machen und den osmanischen verleiden wollten, könnte man als Hilfe von oben bezeichnen. Während manche dieser Argumentationslinien noch nachvollziehbar sind, darf man andere als frei erfunden annehmen. Kurz vor dem Aufeinandertreffen von Osmanen und Mamluken in Syrien im Jahr 922 (1516-17), Selim hat seine Truppen aus tars wa bīm, aus großer Angst vor den Ägyptern schon stoppen lassen, trägt sich ein ḥādeṯe-ʾe āsemānī, ein himmlisches Ereignis zu. Sultan Qānṣaw stirbt genau zur rechten Zeit und die Osmanen erobern Syrien und Ägypten.332 Es ist durchaus nachzuvollziehen, dass ein Mensch des 16. Jahrhunderts, der zudem die Schlacht nur aus Erzählungen kannte, den plötzlichen Tod des ägyptischen Herrschers nicht als Herzinfarkt begriff. Weil Ḫwāndamīr aber die Schlacht, während der Qānṣaw starb, einfach unterschlägt, darf man ihm hier Absicht unterstellen. Auch Rūmlū ist schon aufgefallen, dass Ḫwāndamīr bewusst historische Abläufe verändert hat. So wollte der Schreiber des Ḥabīb as-Siyar den Osmanen wohl noch den letzten eigenen Beitrag zur Eroberung Ägyptens entziehen. Im Aḥsan at-Tawārīḫ wird nicht auf Hilfe von oben verwiesen. Rūmlū, ohnehin sehr viel zurückhaltender den Osmanen gegenüber, beschränkt sich auf die zahlenmäßige Überlegenheit und die Niedertracht Einzelner, um die Siege des Nachbarn zu erklären. Monšī hingegen bringt gleich mehrere Beispiele, um zu zeigen, wieviel Hilfe die Osmanen hatten. Das mit Abstand aussagekräftigste ist die Schlacht von Čalderān. Die Niederlage Esmāʿīls habe Gott gewollt und daher den Osmanen den Sieg gegeben. Hätte der Schah auch diese Schlacht gewonnen, die qezelbāš hätten ihn endgültig zu Gott erklärt und damit den maslak-e mostaqīm, den geraden Pfad des Glaubens verlassen.333 Selbst göttliche Sorge um das Seelenheil ihrer Gegner brauchen die Osmanen also, um die Safa332 333

100

vgl. HS, S. 569-570. vgl. TAAA I, S. 43.

widen zu besiegen. Auch hier ist wieder schwer zu beurteilen, ob Monšī das selbst geglaubt hat. Zwar dürfte die Tatsache, dass die qezelbāš Esmāʿīl I. in der Tat schon vor Čalderān göttliche Eigenschaften zugeschrieben hatten,334 Monšī nicht verborgen geblieben sein. In sich ist seine Argumentation also zumindest logisch. Auf der anderen Seite tut sich der Verfasser der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī wie gesehen allgemein schwer, Siege der Osmanen anzuerkennen und das Argument göttlicher Vorbestimmung ist schon von vielen für so gut wie alles bemüht worden. Die Einstufung der Siege der Osmanen als unverdient, die sich quer durch alle drei Chroniken zieht, ist selbst innerhalb der Argumentation der safawidischen Chronisten nicht schlüssig. Alle drei erkennen die gute Organisationsstruktur des osmanischen Heeres an. Außerdem gab es in ihm viele tapfere Einzelkämpfer. In der Zeit zwischen den 20er und den 80er Jahren des 16. Jahrhunderts sprechen sie mit Respekt, wenn nicht sogar mit leiser Furcht von der militärischen Macht ihres Nachbarn. Dennoch sind sie nicht gewillt oder in der Lage, die daraus entstandenen Siege anzuerkennen. Hier mussten sich daher die historischen Fakten der Geschichte, die sie erzählen wollten, anpassen. Letzten Endes ging es natürlich darum, die safawidischen Niederlagen zu erklären, ohne dabei allzu viele eigene Fehler eingestehen zu müssen.

2.4

Schwerwiegende Vorwürfe

Wenn die drei Chronisten Kritik an den Osmanen üben wollen, so tun sie dies in aller Regel mittels Unterstellungen: Selim sei feige gewesen und einige der hohen Würdenträger anmaßend und arrogant. Abstrakte Vorwürfe, unabhängig von handelnden Personen, sind in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gar nicht zu finden. Sie wurden erst nach einigen Jahrzehnten der Nachbarschaft nach und nach erhoben. Dafür haben es diese späten Vorwürfe, die Osmanen hätten ihr Wort nicht gehalten, Muslime angegriffen und sie versklavt, dann aber in sich. Mit den beiden letzteren hätte der Sultan sogar gegen islamisches Recht verstoßen. Wie kommt es, dass die Safawiden erst

334

Wie weit die Verehrung Esmāʿīls durch die qezelbāš schon ging, hat Savory zusammengefasst, siehe: Savory (1965), S. 91-94.

101

einige Zeit brauchten, um diese Vorwürfe zu formulieren? Oder veränderte sich das Verhalten der Osmanen ihnen gegenüber tatsächlich? 2.4.1 Wortbruch Um es vorwegzunehmen, nur Monšī erhebt den Vorwurf des Wortbruchs. Das erste Mal findet er sich in seinen Beschreibungen zum Ende des 16. Jahrhunderts. Von da an beginnt er den Osmanen zu vorzuwerfen, ihr Wort sei nichts wert. Inwieweit die Tatsache, dass nur er dem Sultan solch ein Fehlverhalten unterstellt, auf seiner immer schon kritischeren Sicht auf den westlichen Nachbarn beruht, wird sich im Rahmen dieser Arbeit nicht prüfen lassen. Den Zeitraum, für den er den Osmanen nachsagt, auf ihr Wort sei kein Verlass, decken die beiden anderen Chroniken schon nicht mehr ab. Für das Ḥabīb as-Siyar ist zu berücksichtigen, dass es in der Zeitspanne des 16. Jahrhunderts, mit der sich diese Chronik beschäftigt, kaum Verträge zwischen beiden Staaten gab, die zu brechen gewesen wären. Insofern ist es wenig aussagekräftig, dass der Vorwurf des Wortbruchs bei Ḫwāndamīr nicht zu finden ist. Das Aḥsan at-Tawārīḫ endet erst 985 (1577-78), in ihm findet sich der Vorwurf des Wortbruchs ebenfalls nicht. Für diese Zeit aber hat auch Monšī ihn noch nicht erhoben. Ob Monšīs Bewertung der Ereignisse in ihrer Schärfe richtig war, ließe sich also nur durch die Auswertung anderer safawidischer Chroniken, die das späte 16. und frühe 17. Jahrhundert abdecken, prüfen. Ein westlicher Nachbar des Osmanenstaates hat diesem ebenfalls vorgeworfen, ihm sei jedes Mittel Recht, um sein Gebiet zu erweitern:

„Imagologisch interessant ist seine Bemerkung, dass die Türken im privaten Leben ihr Wort halten, im öffentlichen Leben aber nicht, besonders wenn ein Betrug zur Erweiterung und Festigung ihrer Herrschaft führen könnte.“335 Davor Dukić geht davon aus, dass dieser von den Kroaten an die Osmanen gerichtete Vorwurf keine Unterstellung war, sondern auf realem osmanischem

335

Dukić (2007), S. 11. Die Bemerkung stammt aus dem Werk „Commentarii de temporibus suis“ des kroatischen Geschichtsschreibers Ludovik Crijević Tuberon (1458–1527).

102

Handeln beruhte. Der Sultan habe sich aufgrund der modārā-Regelung legitimiert gesehen, sich nicht dauerhaft an Verträge gebunden zu fühlen.336 Auf den ersten Blick könnte das auch der Grund für das Verhalten sein, welches Monšī den Osmanen unterstellt. Allerdings gibt es zwei bedeutende Unterschiede. Zum einen waren die Safawiden Muslime, daran scheinen die Osmanen letztlich nicht gezweifelt zu haben. Zum anderen erwähnt Monšī den Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Leben nicht. Kurz nach dem Amtsantritt Mohammad Schahs liefen einige Kurden von den Safawiden zu Ḫüsrew Pascha, dem Osmanischen Gouverneur von Van, über. Sie versuchten, diesen für eine Invasion Persiens zu gewinnen. Schließlich hatten sie Erfolg und Ḫüsrew Pascha …für sich selbst oder auf Befehl des osmanischen Sultans…

‫…ﺑﺮای ﺧﻮد ﻳﺎ ﺑﺎﻣﺮ ﭘﺎدﺷﺎﻩ‬ 337

…‫روم‬

griff die Safawiden an. Er brach damit den Vertag, der zwischen Schah Tahmāsb und Sultan Süleyman geschlossen worden war. Zwar ist sich Monšī nicht sicher, auf wessen Initiative hin das Versprechen Süleymans gebrochen wurde, aber es war in jedem Fall ein ranghohes Mitglied des osmanischen Staates. Die Bedeutung dieses Abkommens hebt Monšī zusätzlich hervor, indem er betont, der Vertrag sei noch einmal be dast-e ḫaṭṭ solṭān soleymān, in der Handschrift Sultan Süleymans bekräftigt worden.338 Als er den Tod Sultan Murads III. am 4. ǧomādā I 1003 (15. Januar 1595) beschreibt, wiederholt Monšī den Vorwurf: der naqḍ-e ʿahd, der Bruch des Eides sei es gewesen, der einen Schatten auf das Ansehen dieses Mannes wirft.339 Jetzt hat er sich auch

336

337 338 339

Der šarīʿat-rechtliche Begriff modārā, der wörtlich Verstellung, Heuchelei, falsches Schmeicheln und ähnliches bedeutet, erlaubte es muslimischen Herrschern unter anderem, zur Erweiterung des dār al-eslām Verträge mit christlichen Herrschern zu brechen, wenn die Gelegenheit günstig war. Zur genauen Bedeutung des Begriffs und seiner Anwendung siehe: Hans Joachim Kissling, Rechtsproble-

matiken in den christlich-muslimischen Beziehungen, vorab im Zeitalter der Türkenkriege, S. 7-14. TAAA I, S. 231. vgl. TAAA I, S. 231. vgl. TAAA II, S. 504.

103

festgelegt, letzten Endes treffe den Sultan selbst die Schuld und nicht seinen Untergebenen. Im Jahr 1019 (1610-11) hatte die osmanische Glaubwürdigkeit dann schon stark gelitten. Wieder lag eine Armee, diesmal unter dem Großwesir Murad Pascha, vor Tabrīz. Nachdem diese aber geschwächt war, drängten die Emire der qezelbāš ʿAbbās zum sofortigen Angriff. Der Schah antwortete, dass die Osmanen zwar für ihre makr wa ḥiyal mašhūrand, ihre Hinterlist und Betrügereien berühmt sind, er aber sein Wort halten und den Frieden wahren werde. Dazu werde er sogar ḫobṯ-e bāṭen-e īšān, ihre innere Bosheit ignorieren.340 Gut 15 Jahre später ist die Unglaubwürdigkeit in den Augen Monšīs also schon zum festen Attribut der Osmanen geworden und wird es auch bleiben. 1020 (1611-12) kam Walī-Moḥammad Ḫān, der gestürzte Usbekenherrscher nach Persien. Der Schah wollte mit ihm nach Transoxanien ziehen und ihm wieder auf den Thron helfen. Da sich aber zur selben Zeit der osmanische Oberbefehlshaber in Diyarbakir aufhielt, hatte ʿAbbās Angst, seine Westflanke zu sehr zu entblößen. Zwar hätten sie von Frieden gesprochen, aber eʿtemādī bar aqwāl-e rūmīyān nīst, den Worten der Osmanen ist nicht zu trauen.341 Einige Jahre später, 1027 (1617-18), kam Ḫalīl Pascha nach Persien, um über Frieden zu verhandeln. In Ardabīl traf sein Gesandter Osman Pascha, während der Großwesir selbst weiter zog in Richtung Tabrīz, auf ʿAbbās. Der Schah sagte zu ihm: Es sind Gespräche über Frieden geführt

‫ﮔﻔﺘﮕﻮی ﻣﺼﻠﺤﺎﻧﻪ ﳕﻮدﻩ ﺑﻮد‬

worden, daher haben wir bis jetzt den Soldaten der qezelbāš nicht die Erlaubnis

‫ﺑﻨﺎﺑﺮﺁن ﻣﺎ ﻧﻴﺰ ﺗﺎﻏﺎﻳﺖ ﻋﺴﺎﮐﺮ‬

zu Krieg und Töten gegeben, aber Ihre

‫ﻧﺪادﻩ اﱘ اﻣﺎ ﮐﺮدار ﴰﺎ ﻣﻮاﻓﻖ‬

Taten passen nicht zu den Worten.

340 341 342

104

‫ﻗﺰﻟﺒﺎش را رﺧﺼﺖ ﺣﺮب و ﻗﺘﺎل‬ 342

‫ﮔﻔﺘﺎر ﻧﻴﺴﺖ‬

vgl. TAAA II, S. 825. vgl. TAAA II, S. 839. TAAA III, S. 933. Welche Konsequenzen Vertragsbruch haben kann, hatte Monšī ja zuvor schon am Beispiel Ahmeds I. geschildert. Der sei krank geworden und gestorben, weil er das Wort seines Vorfahren gebrochen hatte (vgl. TAAA III, S. 925).

Die Antwort des Gesandten, die osmanische Armee sei nur deshalb bis Tabrīz gekommen, weil es außer in der Umgebung der Stadt keine Nahrung mehr gebe und man während der Friedensverhandlungen nicht hungern wolle, vermag Monšī nicht so recht zu überzeugen. Die lakonisch abschließende Bemerkung des osmanischen Gesandten, …in der Tat werden wir in dieser Nähe

‫…ﰲ اﳊﻘﻴﻘﻪ درﻳﻦ ﻗﺮب ﺟﻮار ﭼﻨﺪ‬

einige Tage als Gäste der Hoheit glücklich sein,

343

‫روزی ﻣﻴﻬﻤﺎن ﻧﻮاب ﮐﺎﻣﻴﺎﺑﻴﻢ‬

lässt vermuten, dass der Chronist Recht hatte mit seiner Einschätzung. Im Laufe seines Lebens war Schah ʿAbbās zu der Erkenntnis gelangt, dass …die Osmanen Leute sind, die auf ihren langfristigen Vorteil bedacht sind und sehr hinterlistig sein können. Er hatte wiederholt erfahren, dass ihre Taten nicht zu den Worten passen.

‫…ﻃﺒﻘﺔ روﻣﻴﻪ ﻣﺮدم دور اﻧﺪﻳﺶ‬ ‫ﺣﻴﻠﻪ ورﻧﺪ و ﻣﮑﺮر ﺁزﻣﻮدﻩ ﺷﺪﻩ‬ ‫ﮐﻪ اﻃﻮار اﻳﺸﺎن ﺑﺎ ﮔﻔﺘﺎر‬ 344

‫ﻣﻮاﻓﻖ ﻧﻴﺴﺖ‬

Gegen Ende der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī ist der Vorwurf des Wortbruchs also von einzelnen Personen losgelöst worden. Die Eigenart anders zu handeln als zu reden schreibt Monšī jetzt allen Osmanen zu. Es bleiben drei Möglichkeiten, den Vorwurf des Wortbruchs einzuordnen. Da nur Monšī behauptet, auf ein Versprechen des Sultans und seiner Männer sei nichts zu geben, ist es möglich, dass er den Osmanen einfach etwas unterstellen wollte. Es ist aber auch nicht ganz auszuschließen, dass die Osmanen tatsächlich, durch modārā legitimiert, gegen die ketzerischen Schiiten in Persien vorzugehen gedachten. Monšī verwendet Begriffe wie List und langfristiger Vorteil. Das kann als Hinweis darauf gedeutet werden. So ähnelt das Fazit Monšīs doch sehr einigen Aussagen, die Hans-Joachim Kissling über diese Regelung der šarīʿat gemacht hat:

343 344

TAAA III, S. 933. TAAA III, S. 937.

105

„…der Begriff mudârâ, schließt in sich von vorneherein das Nicht-Endgültige, das nur durch die Praxis erzwungene Nebeneinander, das von der Lehre her unmöglich ist und daher jederzeit beendet werden darf.“345 „Richtig ist zwar, dass bei Eroberungen per mudârâ rein kriegstechnisch meist eine List im Spiele ist, aber diese List, das Stratagème, wird durch die mudârâ nicht zwingend bedingt und ist schon gar nicht mit ihr identisch.“346 Die dritte und wahrscheinlichste Möglichkeit ist aber, dass die Osmanen sich, mit der Macht ihrer modernen Armee im Rücken, schlicht in der Lage sahen zu bestimmen, wann Frieden und wann Krieg sei. 2.4.2 Angriffe auf Muslime Auf den ersten Blick mag es seltsam erscheinen, nach der Schilderung von etwa 100 Jahren kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Safawiden und Osmanen noch diesen Vorwurf zu erwähnen. Nichtsdestoweniger ist es nötig, denn die Chronisten erheben ihn. Vor allem Monšī ereifert sich des Öfteren darüber, dass die Osmanen gegen Muslime in den Krieg ziehen. Kurz nach Selims I. Tod, also schon relativ früh im 16. Jahrhundert, stellte sich nach Monšī das erste Mal die Frage nach der Legitimität eines direkten Angriffs aufs Osmanische Reich. Selim I. starb, gerade als Esmāʿīl einen neuerlichen Feldzug gegen ihn vorbereitete. Da Süleyman, der seinem Vater auf den Thron folgte, von Beginn an keinerlei Feindschaft gegen die Safawiden gezeigt hatte, erlaubten die persischen ʿolamāʾ dem Schah den Angriff auf den muslimischen Nachbarn nicht. Der Sultan wandte sich nach Europa.347 Innerhalb des safawidischen Staates funktionierten die Mechanismen, die Muslime davon abhalten sollen sich unter einander zu bekriegen, also noch. Jetzt, da sich auch der osmanische Sultan eines Besseren besonnen hatte als sein Vater, konnte wieder Frieden herrschen zwischen den Gläubigen. Schon bei dieser ersten Erwähnung wird deutlich, mit welcher Intention der Chronist diesen Vorwurf benutzte. Noch wird er aber in etwas 345 346 347

106

Kissling (1974), S. 7. Kissling (1974), S. 11. vgl. TAAA I, S. 43.

abgeschwächter Form verwendet. So erwähnt Monšī zwar, dass Esmāʿīl und Süleyman an Feindschaft unter den Muslimen nicht interessiert waren, was er nicht sagt, ist, dass Selim I. es war. Der Vorwurf ist also noch ein indirekter, das wird sich im Laufe des 16. Jahrhunderts ändern. Das nächste Mal begegnet er uns im Zusammenhang mit Prinz Bayezid. Dieser wollte, nachdem er in den Iran geflohen war, von Schah Tahmāsb eine Armee, um ins Osmanische Reich zurückzukehren und seinen Anspruch auf den Thron durchzusetzen. Der safawidische Herrscher lehnte dieses Ansinnen mit der Begründung ab, dass er keinen Krieg zwischen den Muslimen wolle.348 Auch hier ist noch kein direkter Vorwurf zu finden, indirekt schwingt aber einer mit. Für den Schah von Persien ist es selbstverständlich, dass es zwischen Muslimen keinen Krieg geben kann, der Osmanenprinz sieht das anders. Auch hielten die Osmanen mit ihrer kriegerischen Attitüde gegenüber den Safawiden diese von einer ihrer religiösen Pflichten ab, der des ǧehād. So sagt Monšī, wegen seiner Feinde im Westen und Osten, gemeint sind Osmanen und Usbeken, habe Tahmāsb nicht gegen die ungläubigen Georgier vorgehen können. Erst als Frieden herrschte zwischen den Muslimen, konnte er im Kaukasus für den wahren Glauben kämpfen.349 Auch hier entsteht wieder der Eindruck, die Osmanen seien mehr an der Verfolgung ihrer eigenen Ziele interessiert denn an der Einhaltung religiöser Richtlinien. Das erste Mal direkt erhoben wird der Vorwurf im Jahr 976 (1568-69). Maʿṣūm Beyg-e Ṣafawī, wakīl des Schahs, ging auf Pilgerfahrt nach Mekka. Dort wurden er und 48 seiner Männer von rūmīyān-e ġāfel, von sorglosen Osmanen getötet. Später streuten sie auch noch das Gerücht, arabische Räuber seien für den Mord verantwortlich, so berichtet Rūmlū.350 Auch Monšī schildert, wie der hohe safawidische Beamte zusammen mit seinem Sohn von Osmanen in Beduinenkleidern verraten und ermordet wurde. Er ergänzt noch, es sei moḥarram gewesen und die Opfer hätten sich dar miyāneʾe qāfele-ʾe ḥaǧǧ, inmitten der Pilgerkarawane befunden. Auch in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī wurden arabische Beduinen der Tat beschuldigt.351 348 349 350 351

vgl. TAAA I, S. 102-103. vgl. TAAA I, S. 84. vgl. AT, S. 570. vgl. TAAA I, S. 161.

107

Ob sie es nun selbst waren oder tatsächlich Beduinen, der Vorwurf trifft die Osmanen. Der osmanische Herrscher hatte die Aufgabe, für die Sicherheit der Pilger zu sorgen.352 Verstärkt wird der negative Eindruck noch durch die Reaktion von Schah Tahmāsb. Da ihm das Wohlergehen aller Muslime und der Frieden zwischen ihnen am Herzen lag, nahm er die Entschuldigung Sultan Selims II. an.353 Alles in allem bleibt der Vorwurf, die Osmanen hätten Muslime angegriffen, etwas verschwommen. Direkt erhoben wird er kaum je. Aber durch die regelmäßige Betonung, die safawidischen Herrscher hätten eben gerade den Frieden zwischen den Muslimen besonders im Auge gehabt, entsteht nach und nach der Eindruck, dieser habe bei den Osmanen nicht oberste Priorität genossen. Genau das scheint Monšī beabsichtigt zu haben. Es passt ins Bild der bisher gewonnenen Erkenntnisse, dass die Kritik sehr vorsichtig geübt wird. Den Osmanen direkt vorwerfen, sie verstießen gegen die šarīʿat, das wollte er dann doch nicht. 2.4.3 Versklavung von Muslimen Bei seinem dritten Vorwurf macht Monšī dann aber genau das, denn nach islamischem Recht ist es ausdrücklich verboten, Muslime zu versklaven.354 Es stellt sich natürlich auch hier die Frage, ob dieser einen realen Hintergund hatte oder ob es Monšī nur darum ging, den Osmanen ein schlimmes Verbrechen zu unterstellen. Zuerst fällt auf, dass in den ersten gut 80 Jahren der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī dieser Vorwurf nicht auftaucht. Zwar gab es hier für die Osmanen genug Gelegenheiten, einen ihrer Siege auf diese Weise auszunutzen, doch sie scheinen es nicht getan zu haben. Man darf davon 352

353 354

108

Die osmanischen Behörden hatten den Überfall tatsächlich inszeniert. Sie warfen dem safawidischen Wesir vor, während seiner Pilgerfahrt in Anatolien Kontakte mit Anhängern des Schahs geknüpft zu haben. Um den Frieden mit den Safawiden nicht zu gefährden, gab man arabischen Beduinen die Schuld dafür. Das schreibt Faroqhi, deren Abhandlung über die Pilgerfahrt auf osmanischen Akten fußt (vgl. Suraiya Faroqhi, Herrscher über Mekka. Die Geschichte der Pilgerfahrt, S. 179-80). Sie beschreibt ebenfalls die genauen Aufgaben des ḫadīm al-ḥarameyn in Bezug auf die Sicherheit der Pilger, siehe: Faroqhi (1990), S. 75-101. vgl. TAAA I, S. 116. Zum Thema Sklaverei im Islam siehe etwa: Hans Müller, „Sklaven“ in: Handbuch der Orientalistik, Sechster Band, Teil 1, hrsg. von Berthold Spuler, S. 53-83.

ausgehen, dass Ḫwāndamīr oder Monšī es ihnen sonst zum Vorwurf gemacht hätten. Die erste Erwähnung findet sich erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Nach dem Tode Esmāʿīls II. plünderten ausländische Truppen zwei Jahre lang die Provinzen Aserbaidschan und Šīrwān. Monšī nennt die Osmanen im Text nicht direkt, es ist aber klar, dass er sie meint. Diese Leute mordeten und plünderten, außerdem nahmen sie ahl-e eslām, Muslime gefangen, was es noch nie gegeben hatte.355 Viele der nesāʾ wa ṣabīyān-e sādāt wa ašrāf, Frauen und Kinder edelster Abstammung gerieten be ḏoll-e reqqiyat, in die demütigende Sklaverei.356 Allerdings waren es nicht nur Osmanen, die diese frevelhafte Tat begingen. Tataren nahmen ebenfalls viele muslimische Frauen und Kinder gefangen.357 Da diese aber zu jener Zeit mit den Osmanen verbündet waren und sich einer Armee unter dem Kommando Osman Paschas angeschlossen hatten, rückt Monšī des Sultans Leute in die Nähe auch dieses Verbrechens. Das nächste Mal taucht der Vorwurf beim Nachruf auf Murad III. auf. Es geht wieder um die osmanische Eroberung Aserbaidschans und Šīrwāns. Monšī beschreibt noch einmal in aller Ausführlichkeit, wie der Sultan muslimische Frauen und Kinder hat versklaven lassen. Zu keiner Zeit war so etwas vorgekommen, hatte einer der ḏū-šoūkat az salāṭīn-e eslām, der mächtigen islamischen Herrscher einen solch amr-e šanīʿ, schändlichen Befehl gegeben. Zu Murads Zeit aber war das šāyeʿ, verbreitet. Die Gefangenen wurden dann an Ungläubige, Juden und Christen verkauft. Auch hier vergisst Monšī nicht zu erwähnen, dass unter ihnen auch seyyeds waren.358 Ein letztes 355

vgl. TAAA I, S.230. Im Text muss Monšī die Osmanen gar nicht mehr namentlich nennen, das hat er schon in der Überschrift getan: …der osmanische Sultan schickt eine Armee in diese Region…

356 357 358

‫…ﻟﺸﮑﺮ ﻓﺮﺳﺘﺎدن ﺳﻠﻄﺎن روم ﺑﺂن‬ …‫ﻣﺮز و ﺑﻮم‬

vgl. TAAA I, S. 230. Mit den Frauen und Kinder edelster Abstammung sind Nachfahren ʿAlīs über Ḥasan und Ḥusayn gemeint. vgl. TAAA I, S. 253. siehe Fußnote 187: vgl. TAAA II, S. 504. Das Wort gabr bedeutet im Persischen eigentlich Zoroastrier [vgl. Junker (1986), S. 623; Redhouse (1890), S. 1521], soll hier aber wohl einfach Ungläubiger bedeuten. Da Juden und Christen dazu noch direkt erwähnt werden, ist nicht klar, wen genau Monšī damit meint. Möglicherweise handelt es sich bei den tarsā um osmanische Christen und bei den gabr um europäische. Für den Vorwurf ist das ohnehin nebensächlich, der ist stark genug.

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Mal taucht der Vorwurf bei der Beschreibung der Eroberung von Tabrīz durch Murads Großwesir Osman Pascha auf. Die osmanischen Soldaten, so ist in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī zu lesen, zogen durch die Straßen der Stadt und brachten alle Männer um, die sie fanden. Frauen und Kinder nahmen sie gefangen.359 Allein mit diesen Beispielen lässt sich die Frage nicht beantworten, ob der Vorwurf, die Osmanen versklavten Muslime, einen realen Hintergrund hatte oder ob es sich um eine Unterstellung Monšīs handelt. Erhellender sind hierzu diejenigen Textpassagen der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī, in denen beschrieben wird, wie die Safawiden Gefangene machten. Als etwa Schah ʿAbbās die Festung Andeḫūd von den Osmanen zurückerobert hatte, verschleppte er auch Frauen und Kinder in die Gefangenschaft. Zu dieser Tat, sagt Monšī, müsse er jedoch etwas ergänzen. Früher, wenn die Usbeken Ḫorāsān und die Osmanen Aserbaidschan angriffen, entweder be qaṣd-e mamlakat-gīrī, um zu erobern oder nahb wa ġārat, zu plündern, nahmen sie keine Gefangenen von schiitischen Ländern, so wie die qezelbāš keine aus sunnitischen machten. Aber als die Osmanen Tabrīz eroberten, nahmen sie viele Kinder von seyyeds, ke ḏorriye-ʾe ṭayyebe-ʾe rasūl-e hāšemī, die vom Propheten selbst abstammen, gefangen. In Istanbul verkauften sie diese dann an koffār-e farang, an fränkische Ungläubige. Die Usbeken übernahmen diese Praxis und brachten in Mašhad viele Nachfahren von Imam ʿAlī ar-Riḍā und andere ranghohe Mitglieder der Stadtgesellschaft in ihre Gewalt. Auch diese wurden später verkauft.360 Nun mag es ja Leute geben, stellt Monšī fest, die der Meinung seien, letztlich habe auch ʿAbbās gegen das Verbot des Korans verstoßen. Doch der Chronist nennt sofort vier Gründe, warum dem natürlich nicht so sei. Zum einen waren die Mitglieder zweier Stämme, die der Schah versklaven ließ mosalmānī be ǧoz-e nāmī na-dārand, allein dem Namen nach Muslime. Des Weiteren habe er die Genehmigung der religiösen Führer gehabt, da die Gefangenen, das ist er dritte Grund, nicht in die reqqiyat wa bandegī, die Sklaverei gebracht wurden, sondern lediglich den ḥāl-e asīrān, den Status von 359

360

110

vgl. TAAA I, S. 310. Doch das brachte Osman Pascha kein Glück, die Schreie der maẓlūmān, der Unterdrückten und der šīʿeyān-e ahl-e beyt, der Schiiten vom Haus des Propheten lenkten den göttlichen Zorn auf ihn. Er starb plötzlich an Diphtherie, ohne vorher ein Zeichen der Krankheit gehabt zu haben. vgl. TAAA II, S. 629.

Gefangenen hatten. Schließlich wurden einige tausend dieser Frauen und Kinder in schiitische Häuser gebracht und nahmen diesen Glauben an.361 Man darf bezweifeln, dass Monšī seine Begründung, warum die safawidische Praxis sich gänzlich von der der Osmanen unterscheidet, selbst geglaubt hat. Nichtsdestoweniger ist sie sehr interessant. Ein letztes Mal machte der Schah 1012 (1603-1604) osmanische Gefangene. Da die Gefangennahme muslimischer Frauen und Kinder aber šarʿan-e maḏmūm, den religiösen Gesetzen gemäß tadelnswert ist, ließ ʿAbbās sie sofort wieder frei.362 Es bleibt die Frage nach dem Wahrheitsgehalt von Monšīs Anschuldigung. Einiges spricht dafür, dass sie durchaus einen realen Hintergrund hatte. So erhebt zwar nur der Autor der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī diesen Vowurf, allerdings auch er nicht von Beginn an. Hätte er den Osmanen einfach den Bruch religiöser Gesetze nach einem für die Safawiden verlorenen Kampf unterstellen wollen, Čalderān wäre eine gute Gelegenheit gewesen. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts, das Ḥabīb as-Siyar und das Aḥsan at-Tawārīḫ berichten davon nicht mehr, beginnt Monšī den Osmanen dieses Verbrechen zu unterstellen. Auch wenn seine Begründung nicht überzeugen mag, er verschweigt immerhin nicht, dass die Safawiden ebenfalls Muslime gefangen nahmen. Man kann davon ausgehen, dass sich zu dieser Zeit der gegenseitige Umgang auf dem Schlachtfeld geändert hatte. Er war rauer geworden. Das dürfte der Hintergrund sein für die Veränderung des Türkenbildes bei Monšī. Für dieses bleibt festzuhalten, dass er den Osmanen nachsagt, unter Bruch der šarīʿat Muslime in die Sklaverei zu führen.

2.5

Der Kampf gegen die Franken

2.5.1 Īne-baḫtī, Mohács und andere Orte: Auf dem Balkan Schon an mehreren Stellen sind uns in den Chroniken Beschreibungen der osmanisch-europäischen Auseinandersetzungen begegnet. Dabei war vor allem eines festzustellen: Die Darstellung der beiden Seiten und ihre Rollenverteilung verändert sich nicht. Alle drei Chronisten sind ausnahmslos auf Seiten der Osmanen, sobald es gegen die Franken geht. Dabei spielt es für sie auch 361 362

vgl. TAAA II, S. 629. vgl. TAAA II, S. 660.

111

kaum eine Rolle, wenn der jeweilige osmanische Herrscher einer derjenigen ist, die sonst vor allem negativ dargestellt werden. Für die Charakterisierung einzelner Sultane sind diese Beschreibungen also mehr oder weniger nutzlos. Da das Bild der osmanischen Armee in diesem Zusammenhang immer auf dieselbe Art und Weise gezeichnet wird, machte es auch bei der Darstellung der militärischen Macht der Osmanen und der Eigenschaften ihrer Armee wenig Sinn, auf diese Kämpfe einzugehen. Dennoch zeigen die Auseinandersetzungen mit den Europäern eine weitere Facette des safawidischen Osmanenbildes. Deshalb ist es sinnvoll, diese gesondert zu betrachten. Ein Absatz, zu finden im Aḥsan at-Tawārīḫ, zeigt ganz besonders deutlich, wie die Osmanen in allen drei Quellen dargestellt werden, sobald sie gegen die Franken kämpfen: In diesem Jahr schickte der Herrscher von Venedig eine ungläubige Armee, um das Osmanische Reich anzugreifen. Der Gouverneur der Herzegowina Qāsim Beyg zog zusammen mit Ferhād Beyg den verlustbringenden Teufeln der Ungläubigen entgegen. Die verbrecherischen Ungläubigen wurden nach einer mörderischen Schlacht besiegt. Die Osmanen verfolgten sie und erbeuteten drei Galeeren, 20 Galleonen und zwei Barkassen. Währenddessen stellte sich einer der fränkischen Feldherren, mit dem verfluchten ungläubigen Namen Ḥasne, mit 30 000 irregeleiteten Ungläubigen den heiligen Kriegern der Religion, den Nachfahren des Propheten zum Kampf.

‫ ﭘﺎدﺷﺎﻩ وﻧدﻳﻚ‬،‫در اﻳﻦ ﺳﺎل‬ ‫ﻓوﺟﻲ از ﺟﻨود آﻔﺎر ﺑﻪ ﺗﺎﺧﺖ‬ ‫ ﺣﺎآﻢ دﻳﺎر‬.‫اﻟﮔﺎي روﻢ ﻓرﺳﺘﺎد‬ ‫ﺧرﺳﻚ ﻗﺎﺳﻢ ﺑﻴﮓ ﺑﻪ اﺗﻔﺎق‬ ‫ﻓرهﺎد ﺑﻴﮓ ﺑﻪ اﺳﺘﻘﺒﺎل ﺷﺘﺎﻓﺘﻩ‬ ‫ﺑﺎ ﺁن ﻣﻼﻋﻴﻦ ﺧﺎﺳرﻳﻦ و ﮔروة‬ ‫ آﻔﺎر‬.‫ﻣﺸﺮآﻴﻦ ﻣﻘﺎﺑﻠﻪ ﻧﻤودﻧﺪ‬ ‫ ﺑﻌﺪ از ﻗﺘﺎل و‬،‫ﺑﺪآﺮدار‬ ‫ روﻣﻴﺎن‬.‫ ﻣﻐﻠﻮب ﺷﺪﻧﺪ‬،‫ﺟﺪال‬ ‫اﻳﺸﺎنرا ﺗﻌﺎﻗﺐ ﳕﻮدﻩ ﭘﻧﺞ‬ ‫ﻗﺎدرﻩ و ﺑﻴﺴﺖ ﻗﺎﻟﻴﺎن و دو‬ ‫ در ﭐن‬.‫ﺑﺎرﺟﻪ را ﮔرﻓﺘﻨﺪ‬ ‫ از ﺳﺮدران ﻓﺮﻧﮓ ﺑﺎﺣﺴﻨﻪ‬،‫اﺛﻨﺎ‬ ‫ ﺑﺎ ﺳﻲ هﺰار‬،‫ﻧﺎم ﻟﻌﲔ ﺑﻲ دﻳﻦ‬ ‫ ﺑﻪ ﺟﻨﮓ‬،‫ﻧﻔﺮ آﻔﺎر ﺿﻼﻟﺖ ﭐﻳﲔ‬ ‫ﳎﺎهﺪان دﻳﻦ ﺳﻴﺪ اﳌﺮ ﺳﻠﲔ‬ 363

‫ﭐﻣﺪ‬

363

112

AT, S. 572-573.

Rūmlū beschreibt eine Schlacht aus dem Jahr 977 (1569-70) zwischen den Osmanen und den Venezianern. Zu dieser Zeit regiert Selim II., bisher sicher nicht besonders positiv charakterisiert. Des Weiteren liegt das Jahr der Schlacht in der zweiten Phase der Darstellung der militärischen Macht der Osmanen, in der diese von den Chronisten sonst eher negativ gesehen wurde. Hier aber wird schon aus der Wortwahl deutlich, dass der Schreiber des Aḥsan at-Tawārīḫ ganz eindeutig auf Seiten des Sultans und seiner Männer steht. Die Worte koffār, von der arabischen Wurzel „kufr = nicht glauben, ungläubig sein“ und mošrekeyn, von der arabischen Wurzel „širk = Polytheismus, Götzendienerei“ lassen einem Muslim beinahe keine andere Wahl, als auf der anderen Seite zu stehen. Weitere Begriffe, die Rūmlū im Zusammenhang mit den Venezianern benutzt, verstärken diesen Eindruck noch. Die Titulierung der Osmanen als moǧāhedān gereicht diesen zwar zur Ehre, ist im islamischen Kontext aber nur folgerichtig, sobald diese gegen koffār und mošrekeyn kämpfen. Dass ein safawidischer Chronist die Osmanen per se als seyyeds bezeichnet, überrascht dann aber wieder. Zudem ist die Auswahl interessant, die Rūmlū trifft. Der gesamte Bericht ist in etwa so lang wie jener über eine Seeschlacht, die etwa zwei Jahre später stattfand, am 17. ǧomadā I 979 (7. Oktober 1571).364 Die Antwort auf die Frage, warum diese Auseinandersetzung denselben Stellenwert genießt wie die Schlacht von Lepanto, bleibt das Aḥsan at-Tawārīḫ schuldig. Da die Osmanen in der von Rūmlū so drastisch geschilderten Schlacht die Venezianer schlugen, bei Lepanto aber gegen die Heilige Liga verloren, wird das der Grund für die an dieser Stelle besonders auffällige Gewichtung des Aḥsan at-Tawārīḫ sein.365

364 365

Die zweite Schlacht zwischen Venezianern und Osmanen in dieser Zeit beschreibt Rūmlū einige Seiten weiter, siehe: AT, S. 581-583. Anders als Ḫwāndamīr lässt Rūmlū Ereignisse, die nicht in die eigene Geschichte passen, nicht einfach weg. Dass der Wunsch, die vermeintlich eigene Seite in gutem Licht erscheinen zu lassen, auch heute noch aktuell sein kann, zeigen zwei neuere Publikationen zur Schlacht von Lepanto. Zu entnehmen ist diese tendenziöse Sicht Titel und Inhalt von Bichenos „Crescent and Cross. The Battle of Lepanto 1571“ (siehe: Hugh Bicheno, Crescent and Cross. The Battle of Lepanto 1571, London 2003), er schlägt auch einen Bogen zum 11. September 2001, und Capponis “Victory of the West. The Story of the Battle of Lepanto” (siehe: Niccolò Capponi, Victory of the West. The Story of the Battle of Lepanto, London

113

Zwar ist nicht jede Erwähnung der osmanisch-christlichen Auseinandersetzungen so deutlich pro-osmanisch formuliert, aber alle sind es letzten Endes. Dabei spielt es keine Rolle, aus welcher Epoche sie stammen: Er bemühte sich immer um die Entwurzelung der Leute der Schatten, er hatte immer den Krieg gegen die christlichen Könige und die fränkischen Ungläubigen im Blick, bis er Konstantinopel, das als Istanbul bekannt ist, erobert hat.

‫ﳘﻮارﻩ ﳘﺖ ﺑﺮ اﺳﺘﻴﺼﺎل اهﻞ ﻇﻼل‬ ‫وﺳﺘﻪ ﻧﻘﺶ ﭘﻴ ﻣﺼﺮوف داﺷﱵ‬ ‫ﳏﺎرﺑﻪ و‬

‫ﺑﺴﻜﻨﺖ ﳝﻠﻮك ﺟﻨﮓ‬

‫ﻧﺼﺎري و آﻔﺎر ﻓﺮﻧﻚ ﺑﺮ ﻟﻮح‬ ‫ﻧﻜﻪ ﻗﺴﻄﻨﻄﻨﻴﻪ ﺁ ﺿﻤﲑ آﺎﺷﱵ ﺗﺎ‬ ‫را آﻪ ﺑﺎﺳﺘﻨﺒﻮل ﻣﺸﻬﻮر اﺳﺖ‬ ‫ﻣﻔﺘﻮح ﺳﺎﺧﺖ‬

366

Das größte Verdienst Mehmeds II. sei es gewesen, so Ḫwāndamīr, gegen die fränkischen Ungläubigen zu kämpfen. Auch in diesem Abschnitt kommt das Wort koffār wieder vor. Die Bedrohung, die das durch Mehmed eroberte Istanbul später für Persien sein sollte, ist hier nicht zu spüren. Rūmlū berichtet, wie immer sehr detailliert, von einem weiteren Feldzug Bayezids II. gegen die Venezianer aus dem Jahr 905 (1499-1500). Dieser endete mit der Eroberung der Festung von Lepanto durch die Armee des Sultans. Die Beschreibung ist neutraler, auch wenn der safawidische Chronist wieder klar auf Seiten der Osmanen steht. Die Titulierung der Venezianer, sie werden durchgehend entweder als koffār oder als kāferān bezeichnet, bestätigt das.367 Im nächsten Jahr eroberte die osmanische Flotte zwei griechische Inseln von den Venezianern. Zuerst kam es zu einer Seeschlacht, in der die Osmanen trotz der großen fränkischen Flotte von 300 Schiffen siegen konnten. Sie verfolgten die Geschlagenen und belagerten sie in der Festung von Moton. Die venezianischen Verteidiger, die mošrekeyn, schickten einen Hilferuf an den Dogen von Venedig. Dieser setzte daraufhin Entsatz für die belagerte Festung in Marsch. Aber das half ihnen nichts, denn die Venezianer vernachlässigten banā bar-e eʿtemādī ke bolandī-ye dīwār dāštand, aufgrund des Vertrauens,

366 367

114

2006). Zwar sind beides narrative Werke, sie haben allerdings wissenschaftlichen Anspruch. HS, S. 544. vgl. AT, S. 55-59.

welches sie ihn die Höhe der Mauern hatten, die Wachen und es gelang den Osmanen, in die Festung einzudringen. Den Sturmangriff hatte Sinān Pascha befohlen und seine del-āwarān, seine tapfersten Kämpfer führten ihn aus. Nachdem die mošrekeyn gemerkt hatten, dass die Osmanen auf den Mauern waren, versteckten sie sich in ihren Häusern. Da aber die Stadt inzwischen in Flammen stand, verbrannten viele dieses ṭāyefe-ʾe bī-šokūh, dieses würdelosen Volkes.368 Neben der immer gleichen Wortwahl, auch in dieser Schilderung treten die Venezianer wieder ausschließlich als koffār und mošrekeyn auf, überraschen hier vor allem zwei Dinge. Zum einen ist das ganze Kapitel als eine Heilsgeschichte aus Sicht der Osmanen aufgebaut. Diese sahen sich zu Beginn der großen venezianischen Flotte gegenüber und siegten trotzdem. Durch den Einsatz ihrer tapfersten Krieger konnten sie die Festung erobern und den Feind niederwerfen. Die Struktur des ganzen Kapitels erinnert stark an spätere Schilderungen osmanisch-safawidischer Auseinandersetzungen, die, wenn sie mit einem persischen Sieg enden, immer nach demselben Schema aufgebaut sind: von einer schwierigen Ausgangssituation durch Tapferkeit zum Sieg. Als zweites fällt auf, dass die Venezianer verlieren, weil sie sich auf ihre Verteidigungsanlagen verlassen, anstatt wie Männer zu kämpfen. Den Vorwurf, zu sehr an die eigene Technik zu glauben anstatt sich im Zweikampf zu beweisen, machen Rūmlū und Monšī sonst den Osmanen. Geht es gegen die Christen, so scheint es, übernehmen diese aber in den persischen Chroniken ein Stück weit den Platz der Safawiden. In der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī wird den osmanischen Kämpfen auf dem Balkan und in der Ägäis weit weniger Platz eingeräumt als im Aḥsan at-Tawārīḫ. Wenn sie aber vorkommen, dann ist auch bei Monšī der Ton derselbe. Die einzige Schlacht gegen die Europäer, die er etwas genauer beschreibt, ist eine unter Mehmed III. im Jahr 1004 (1595-96). Zu Beginn erlangten die Christen die Oberhand und erzwangen sich den Zutritt ins osmanische Lager. Dort begannen sie mit der ġārat, der Plünderung desselben. Dann aber brach

368

vgl. AT, S. 73-75.

115

zwischen den Soldaten des Papstes und den Ungarn Streit um die Beute aus.369 In diesem Moment … begann der Wind der göttlichen Gnade durch das Banner des Islams zu wehen und das Banner des Unglaubens und der Dunkelheit wurde umgestürzt.

‫…ﻧﺴﻴﻢ ﻋﻨﺎﻳﺎت اﳍﻲ ﺑﺮ راﻳﺎت‬ ‫اﺳﻼم در وزﻳﺪن ﺁﻣﺪﻩ ﻋﻠﻢ آﻔﺮ‬ 370

‫و ﻇﻼم ﻧﮕﻮﻧﺴﺎر ﮔﺸﺖ‬

Dadurch wendete sich das Blatt zugunsten der Muslime. Die Allianz der Christen wurde zerschlagen und jeder fränkische König kehrte in sein Reich zurück.371 Auch Monšī, sonst den Osmanen gegenüber eher kritisch-distanziert, solidarisiert sich voll mit ihnen, wenn sie gegen die Franken kämpfen. Der Grund dafür geht aus dem Zitat hervor: Für den Perser verteidigen die Osmanen in diesen Momenten den Islam. Bei der Schlacht von Mohács kommen die Europäer wieder nicht gut weg. Im Jahr 933 (1526-27) zog Süleyman gegen die koffār-e farang. Ihm entgegen kam deren Herrscher, den Rūmlū nicht eindeutig identifizieren kann, mit seiner sepāh-e ḫūn-ḫwār, seiner blutgierigen Armee. Nach einem harten Kampf begann die laškar-e kofr wa ḍalāl, die Armee des Unglaubens und des Irrtums zu fliehen. Die Osmanen überrannten sie, töteten viele und zogen weiter nach Buda.372 Auch im Bezug auf diese Schlacht ist der Standpunkt des Chronisten wieder deutlich, die Wortwahl stimmt mit der ihn früheren Kapiteln überein. Die Beispiele aus den drei Quellen, denen weitere hinzuzufügen wären,373 zeigen klar die Wahrnehmung der Osmanen während ihrer Kämpfe gegen die

369

370 371

372 373

116

Der Papst, so erklärt Monši an dieser Stelle seinen Lesern, sei der ḫalīfe-ʾe mellat-e ʿīsā, der Kalif des christlichen Volkes, dem sich die fränkischen Könige unterwerfen (vgl. TAAA II, S. 513). TAAA II, S. 513. Monšī berichtet eher beiläufig von dieser Schlacht, eigenlich geht es in dem Kapitel um einen safawidischen Botschafter, der an den Hof Mehmeds III. kam (vgl. TAAA II, S. 512-513). vgl. AT, S. 265-267. Weitere Beispiele für den osmanischen Kampf gegen die Franken finden sich vor allem im Aḥsan at-Tawārīḫ, siehe: AT, S. 226; 230; 554-555; 574-575. In der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī wird nur noch einmal eine Auseinandersetzung

Herrscher Europas. Es stellt sich die Frage, woher Ḫwāndamīr, Rūmlū und Monšī ihre Informationen hatten. Persönlich auf den Schlachtfeldern anwesend war keiner von ihnen, dennoch ist vor allem Rūmlū in aller Regel sehr gut informiert.374 Die meisten Nachrichten dürften sie von den Osmanen selbst bekommen haben, ob durch schriftliche Belege oder mündliche Überlieferung, ist schwer zu sagen, hier aber auch nicht von Bedeutung. Fest steht, dass Süleyman Ungarn kurz nach der Schlacht wieder verließ, um Aufstände im Osten des Reiches zu unterdrücken. Seine Soldaten, die bei Mohács gekämpft hatten, nahm er mit sich.375 Informationen, die die Chronisten durch diese Leute bekamen, waren natülich durch osmanische Augen gefiltert. Es ist also gut möglich, dass die safawidischen Schreiber deren Sicht der Dinge einfach übernahmen. Wie die persische Einstellung den Franken gegenüber ohne die osmanische Brille aussieht, lässt sich an Aussagen zu persischeuropäischen Auseinandersetzungen überprüfen. Diese waren zwar selten, aber es gab sie. 2.5.2 Der safawidische Kampf gegen die Franken: Baḥreyn und Hormūz Die Safawiden und die Portugiesen, später ersetzt von den Engländern, kämpften um die Vorherrschaft über die der persischen Küste vorgelagerten Inseln. Im Jahr 1010 (1601-02) entriss Allāhverdī Ḫān Baḥreyn den Portugiesen, die es etwa 90 Jahre zuvor erobert hatten. Monšī beschreibt die persische Inbesitznahme zusammen mit einer kurzen Geschichte der Insel.376 In dem gesamten Kapitel kommen die Worte koffār und mošrekeyn nicht ein Mal vor, Polemik gegen die portugiesischen Verteidiger fehlt. Gut 20 Jahre später, 1031 (1621-22), eroberte Emāmqolī Ḫān, der Sohn von Allāhverdī

374

375 376

zwischen den Franken, in diesem Fall den Polen, und den Osmanen erwähnt, siehe: TAAA III, S. 983-984. Das fällt unter anderem in seiner Beschreibung der Schlacht von Mohács auf. Der christliche Kaiser habe versucht, seinen vom Schlachtfeld fliehenden Soldaten zu Hilfe zu kommen. Sie aber hielten seine Armee für eine weitere der Osmanen und gerieten vollends in Panik. Diese Information kann Rūmlū nur aus sehr gut informierter Quelle bekommen haben. vgl. Shaw (1976), S. 91-92. vgl. TAAA II, S. 614-616.

117

Ḫān, Hormūz von den Portugiesen zurück. Diese hatten oft mit ḥiyyal wa taḏwīr, mit List und Tücke gegen die Safawiden agiert, sich ungebührlich verhalten und ihre Versprechen gebrochen.377 Auch als Monšī beschreibt, wie sich Emāmqolī Ḫān auf seinen Angriff vorbereitete, fehlen die Worte koffār und mošrekeyn. Grund für den persischen Angriff ist portugiesisches Fehlverhalten, der Ton wirkt dennoch nicht reißerisch. Auf die Geschichte dieser Insel geht Monšī ebenfalls kurz ein. In der Regierungszeit Schah Esmāʿīls hatten die Portugiesen Hormūz durch ḫodʿe wa taġallob, durch Heimtücke und Usurpierung in ihren Besitz gebracht. Die Beziehungen zu den Safawiden blieben dennoch gut, bis sie sich weiter auszudehnen begannen. Da erst befahl ʿAbbās die Rückeroberung der Insel. Er nahm dazu die Hilfe der Engländer in Anspruch. Nach zweimonatiger Belagerung fiel die portugiesische Festung.378 In der ausführlichen Schilderung der safawidisch-englischen Militäraktion taucht das Wort kofr einmal auf, trotzdem ist der Ton auch hier nicht polemisch. Monšī spricht sogar voller Bewunderung von der fränkischen Artillerieund Festungsbaukunst. Am deutlichsten wird seine pragmatische Einstellung den Europäern gegenüber in einem in den Text der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī eingefügten Gedicht: Wenn das Wasser des christlichen

Wenn es (nur) einen toten Juden

Brunnens auch unrein ist

wäscht, was ist zu fürchten?

‫ﺟﻬﻮد ﻣﺮدﻩ‬

‫ﮔﺮ ﺁب ﭼﺎﻩ‬

‫ﻧﺼﺮأﻧﻲ ﻧﻪ ﭘﺎك ﻣﻴﺸﻮﻳﺪ ﭼﻩ ﺑﺎك‬ 379

‫اﺳﺖ‬

‫اﺳﺖ‬

Gegen die Europäer scheinen die Safawiden nichts gehabt zu haben. Der scharfe Ton, in dem über die osmanischen Kämpfe auf dem Balkan berichtet wird, ist also tatsächlich übernommen. Die unreflektierte Übernahme des osmanischen Selbstbildes in die eigenen Chroniken ist das, was bleibt von der Wahrnehmung der Türken in den Beschreibungen ihrer Kämpfe gegen die Franken.

377 378 379

118

vgl. TAAA III, S. 959-960. vgl. TAAA III, S. 979-982. TAAA III, S. 981.

2.6

Die Ausklammerung der Religion

2.6.1 Fluch über ʿUmar: Was zu erwarten wäre In der umfangreichen Literatur zu Osmanen und Safawiden wird immer wieder eine Reihe von Gegensätzen dieser beiden Staaten bemüht. Sehr viele davon laufen auf die Religion hinaus, auf den Unterschied zwischen dem sunnitischen Glauben der Osmanen und der safawidischen Emāmīye.380 Diese Ansicht basiert auf der Bearbeitung verschiedenster zeitgenössischer Quellen, etwa Reiseberichten, Kanzleiakten, Streitschriften, Gedichtsammlungen und dem diplomatischen Verkehr. So schrieb der deutsche Arzt Engelbert Kaempfer, der im 17. Jahrhundert Persien bereiste, eine Geschichte auf, die ihm Perser berichtet hätten:

„In seiner Klause hatte einmal ein Nachfahre der heiligen Imâme die ganze Nacht zu Allah gebetet, als ein nicht weitab schlummernder Zecher aus seinem Weinrausch emporfuhr und sich aus einer hastig ergriffenen Kanne einen ausgiebigen Trunk genehmigte. Indem er das leere Gefäß mit einem schweren Seufzer absetzte, murmelte er in seiner Benommenheit: ,Fluch über ʿOmar!’ Als der Imâmsproß dies vernahm, sagte er sich, jener Zecher habe sich durch diese drei Worte, wenn sie auch gedankenlos gemurmelt seien und seine Trunkenheit verrieten, bei Allah ein ebensolches Verdienst erworben wie er selbst durch seine die ganze Nacht über währenden Bußübungen.“381 Diese Geschichte, mag sie wahr sein oder nicht, zeigt, dass es eine breite Basis für religiösen Eifer im Persien des 17. Jahrhunderts gab. Zumindest für die

380

381

In Wirklichkeit dürfte im 16. Jahrhundert nur der geringste Teil der persischen Bevölkerung tatsächlich Schiiten gewesen sein und auch hinsichlich der religiösen Bildung der Oberschicht sind Zweifel angebracht. Einer kanonischen šīʿe hingen die qezelbāš in jedem Fall nicht an, diese entwickelte sich unter den Safawiden erst im Laufe der Zeit, siehe: Kathryn Babayan, “The Safavid Synthesis: From Qizilbash Islam to Imamite Shi´ism”, Iranian Studies 27, S. 135-161. Der tatsächliche Wandel der persischen Gesellschaft hin zu einer schiitischen vollzog sich erst im 17. Jahrhundert. Diesen Wandel beschreibt Abisaab, siehe: Rula Jurdi Abisaab, Converting Persia. Religion and Power in the Safavid Empire. Engelbert Kaempfer, Am Hofe des persischen Großkönigs.1684-1695, S. 35-36.

119

herrschende Schicht trifft das sicher auch auf das 16. Jahrhundert zu. Eine weitere Quelle berichtet ebenfalls über die Verfluchung der ersten Kalifen. Es ist eine Streitschrift des Šayḫ Sayyid Muṭaḥḥar b. ʿAbd al-Raḥmān b. ʿAlī b. Ismāʿīl b. ʿArab Qāḍī gegen die Safawiden. Dieser schreibt, er habe gehört,

„…daß die schamlosen Sünder, die man tabarrā’ī nennt, sich jeden Morgen und Abend bei Schah Ismāʿīl dem Elenden und bei Schah Ṭahmāsp dem verfluchten Tyrannen und bei anderen versammelten und die Prophetengenossen schmähten und verfluchten.“382 Auch von Seiten eines religiösen Gelehrten aus dem Osmanischen Reich gibt es also Berichte von dieser in Persien praktizierten religiösen Verfluchung. Gleichzeitig wird Kritik daran geübt. Nicht zuletzt bleibt das zerrüttete Verhältnis zu erwähnen, das einige der Herrscher zueinander hatten, allen voran Sultan Selim I. und Schah Esmāʿīl I..383 Neben kollidierenden Interessen in Anatolien und einer gehörigen Portion Antipathie dürfte auch der religiöse Eifer des Letzteren ein Grund dafür gewesen sein. Andrew Newman gibt ein Gedicht wieder, welches Esmāʿīl unter seinem Pseudonym Ḫaṭāʾī geschrieben hat:

1 2 3 4

382 383

384

120

My name is Shah Ismail. I am God’s mystery. I am the leader of all the ghazis. My mother is Fatima, my father is Ali; and I am the Pir of the Twelfe Imams. I have recovered my father’s blood from Yazid. Be sure that I am of Haydarian essence. I am living Khidr and Jesus, son of Mary. I am the Alexander of [my] contemporaries.384

Elke Eberhard, Osmanische Polemik gegen die Safawiden im 16. Jahrhundert nach arabischen Handschriften, S. 106-107. Das zeigt sich besonders an den Briefen, die diese beiden sich im Vorfeld von Čalderān schrieben. Auszüge der Korrespondenz hat Hammer veröffentlicht, siehe: Joseph von Hammer, Geschichte des Osmanischen Reiches. Grossentheils aus bisher unbenützten Handschriften und Archiven, Zweyter Band, S. 407-411. Newman (2006), S. 13-14. Dieser Mehrzeiler ist zudem ein Beispiel dafür, dass Schah Esmāʿīl kaum fundierte Kenntnisse des schiitischen Islam besaß. Die kom-

Diese ausführliche Einleitung soll eines verdeutlichen: Auf verschiedensten Feldern der safawidisch-osmanischen Beziehungen im 16. Jahrhundert spielte Religion eine Rolle. Nicht zuletzt konnte sie beiden Seiten die Legitimation zum Krieg liefern. Nun müsste man annehmen, dass diese Tatsache auch in den untersuchten safawidischen Historiographien zu finden wäre. Doch dem ist nicht so. In sie hat die Auseinandersetzung zwischen Osmanen und Safawiden um den rechten Glauben keinen Eingang gefunden. 2.6.2 Der ṣadr, der şeyhülislām und die kaukasischen Burgen Es gibt es einige Beispiele, in denen der Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten in den Chroniken durchaus eine Rolle spielt. Diese sollen im Nachfolgenden genannt werden. Trotzdem wird sich der Leser des Ḥabīb as-Siyar, des Aḥsan at-Tawārīḫ und der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī des Eindrucks nicht erwehren können, dass die große islamische Glaubensspaltung bei wietem zu selten erwähnt wird. Teilweise hat man gar den Eindruck, das Thema Religion werde von den Chronisten absichlich klein gehalten oder ganz weggelassen. Das beste Beispiel dafür findet sich in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī. Zu Beginn des raǧab 1020 (Anfang September 1611) schickte Schah ʿAbbās eine Gesandtschaft nach Istanbul. Der Botschafter war Qāḍī Ḫān Ṣadr al-Ḥasanī, ein ranghoher seyyed und safawidischer Würdenträger. Der Gruppe gehörten noch einige andere wichtige Männer an, so etwa Qāḍī Moʿezz-e Eṣfahānī, Moūlānā Solṭān Ḥosseyn Nadūšanī-ye Yazdī, beides sehr bedeutende Gelehrte, Qāḍī Moʾmen, der ehemalige qāḍī von Eṣfahān und Ḥakīm ʿAbdī Ṭabīb-e Ardabīlī. Darwīš Beyg, ein wichtiger seyyed der marʿašī-Linie aus Qazwīn, beaufsichtigte die vielen Geschenke an Sultan Ahmed I., die diese Gruppe mit sich nahm.385 Die Zusammensetzung der Gesandtschaft – die meisten der hier namentlich genannten Personen sind ranghohe Mitglieder

385

plette Sammlung seiner Gedichte haben Cavanşir und Ekber veröffentlicht, siehe: Babek Cavanşir und Necef N. Ekber, Şah İsmail Hatâ’î Külliyatı, Istanbul 2006. vgl. TAAA II, S.848-849. Die marʿašī-Linie von seyyeds stammte ursprünglich aus der gleichnamigen Stadt im Osmanischen Reich, kam aber erst ab dem 8. Jahrhundert (14. Jh.) in Māzandarān zu ihrer größten Bedeutung. Die Mutter von Schah ʿAbbās war ebenfalls ein Mitglied dieser Linie [vgl. Jean Calmard, „Marʿashis“ in: The Encyclopedia of Islam, New Edition, Band VI (1991), S. 510-518].

121

der safawidischen ʿolamāʾ – lässt vermuten, dass auch Gespräche über Religion mit den Osmanen geplant waren. Sonst hätte es wenig Sinn gemacht, solch hochrangige Vertreter der Geistlichkeit mitzuschicken. Persische Botschafter an den Hof des Sultans waren in aller Regel militärische Würdenträger. Als die Gesandtschaft zusammen mit dem osmanischen Großwesir Naṣūḥ Pascha in Istanbul eintraf, wurde sie von Sultan Ahmed persönlich empfangen. Am nächsten Tag trafen sich Qāḍī Ḫān Ṣadr al-Ḥasanī und seine Begleiter mit … den Wesiren und Paschas, dem şeyh-

‫…وزراء و ﭘﺎﺷﺎﻳﺎن و ﻣﻔﱵ و‬

ülislām, den ʿolamāʾ, qāḍīs und Juristen…

386

…‫ﻋﻠﻤﺎء و ﻗﻀﺎة و ﻣﺘﺸﺮﻋﲔ‬

und diskutierten den Frieden. Danach beschreibt Monšī noch ausführlich die zu lösende Situation an der safawidisch-osmanischen Grenze zwischen Georgien und Bagdad und was getan werden müsse, um dauerhaften Frieden zu schaffen. Damit endet seine Geschichte. Dass sich einige ranghohe seyyeds aus dem schiitischen Persien mit dem şeyhülislām, dem Oberhaupt der osmanischen ʿilmīye und Bewahrer der sunnitischen Orthodoxie, treffen und über nicht mehr zu reden haben als einige Festungen im Kaukasus, fällt schwer zu glauben. Von einer wie auch immer gearteten theologischen Diskussion ist in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī aber nichts zu finden. Daher muss man davon ausgehen, dass Monšī Berichte darüber weggelassen hat. Er wollte das Thema wohl klein halten. 2.6.3 Am Anfang war der Gegensatz Dabei wird zu Beginn der Chroniken die offizielle Einführung des schiitischen Islams durch Esmāʿīl sehr wohl erwähnt. Ḫwāndamīr schreibt, sofort nach der Einnahme von Tabrīz habe der Schah mit der taqwiyat-e maḏhab-e ʿalīye-ʾe emāmīye, mit der Stärkung der imamitischen Rechtsschule begonnen. Des Weiteren sei die ḫoṭbe fortan im Namen der zwölf Imame gelesen worden.387 Das Ḥabīb as-Siyar gibt auch einen Eindruck von der aufgeheizten Stimmung 386

TAAA II, S.864. Die Schreibweise des şeyhülislām verstößt gegen die sonst in die-

387

ser Arbeit benutzten Transliterationsregeln, im Zuge des Themas Religionskonflikt zwischen Safawiden und Osmanen erschien sie aber sinnvoller als šeyḫ al-eslām. vgl. HS, S. 467.

122

in diesen Wochen, die sich recht bald gegen Andersgläubige zu entladen begann. Nachdem Esmāʿīl bereits die ṭaʿn wa laʿn, dieVerhöhnung und Verfluchung der Feinde der Imame angeordnet hatte, ließ er sonnīyān-e motaʿabbed wa ḫwāreǧīyān-e motaʿaṣṣeb, fromme Sunniten und fanatische Ḫwāreǧīten, aus der Stadt vertreiben.388 Rūmlū beschreibt die Ereignisse zu Beginn des 16. Jahrhunderts ganz ähnlich. Der neue Schah befahl die ṭaʿn wa laʿn von Abū Bakr, ʿUmar und ʿUṯmān auf den Basaren der Stadt. Jeder, der sich nicht daran beteiligen wollte, wurde getötet. Zum ersten Mal seit 528 Jahren sei in diesen Tagen die ḫoṭbe im Namen der zwölf Imame gelesen worden. Von da an sei die Sonne des schiitischen Islams höher und höher gestiegen und habe die dunklen Plätze der Erde erleuchtet.389 In der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī fällt auch die Berichterstattung über dieses Ereignis sehr knapp aus. Esmāʿīl sei im Triumph in Tabrīz eingezogen und habe die Zwölfer-Schia zum offiziellen Glauben gemacht.390 Schaut man also auf den Beginn der drei Chroniken, so scheint die Religion durchaus einen wichtigen Stellenwert einzunehmen. Besonders Rūmlū sieht nach einem halben Jahrtausend sunnitischer Dominanz eine Wende gekommen. Umso erstaunlicher ist es, dass die Berichte über den Gegensatz zwischen sunnitischem und schiitischem Islam später sehr dünn gesät sind. 2.6.4 Selten und moderat: Die Erwähnungen der Glaubensspaltung in den Chroniken Der Abschnitt über die Safawiden der hier benutzten Ausgabe des Ḥabīb asSiyar ist 193 Seiten lang. Nach der oben zitierten Erwähnung der Religion im Zuge der Eroberung von Tabrīz findet sich das Thema nur noch ein Mal.

388 389

390

vgl. HS, S. 468. vgl. AT, S. 85-86. Diese Aussagen Rūmlūs beschreiben das Jahr 906 (1500-01). Zieht man die von ihm genannten 528 Jahre ab, kommt man auf das Jahr 378 (988-89). Auf wen genau sich Rūmlū hier bezieht, ist nicht klar. Am ehesten kommen die schiitischen Buyiden in Frage, allerdings herrschten sie offiziell, wie Heribert Busse in seiner großen Abhandlung über diese Dynastie schreibt, bis zum 23. Dezember 1055 [vgl. Heribert Busse, Chalif und Grosskönig. Die Buyiden im Iraq (945-1055), S. 124], was dem 30. ramaḍān 447 muslimischer Zeitrechnung entspricht. vgl. TAAA I, S. 28.

123

Kurz nachdem die Safawiden im Jahr 916 (1510-11) Herāt erobert hatten, stieg Ḥāfeẓ Zīn ad-Dīn-e Ziyāratgāhī auf die Kanzel der Freitagsmoschee, um das königliche fatḥ-nāme zu verlesen. Obwohl ihn die Krieger am Fuße des membar dazu drängten, verfluchte er nicht die moḥālefān-e šāh-e mardān, die Feinde ʿAlīs, also die ersten drei Kalifen. Er wurde dafür sofort umgebracht.391 Auch in dieser Geschichte spiegelt sich die Radikalität einiger Kreise des neu entstehenden safawidischen Staates und sie zeigt, welche Blüten diese treiben konnte.392 Doch von der einen Erwähnung abgesehen findet sich in der Ḥabīb as-Siyar nichts mehr über die Religion. Auch Ḫwāndamīr, sonst nie wortkarg, wenn es um die Unterschiede zwischen Osmanen und Safawiden geht, hält sich hier zurück. Dabei ist nicht anzunehmen, dass die Radikalität dieser Teile der safawidischen Gesellschaft merklich abgenommen hat. Nur wird sie in der Chronik nicht mehr erwähnt. Im Aḥsan at-Tawārīḫ, dessen in dieser Arbeit verwendete publizierte Ausgabe 649 Seiten lang ist, findet sich nur noch eine Erwähnung zu diesem Thema. 965 (1557-58) starb Šeyḫ Zīn ad-Dīn-e Ǧabal ʿĀmilī, ein schiitischer Gelehrter aus Mekka. Einige der ahl-e sonnat, der Sunniten hatten zu Rüstem Pascha, dem Großwesir Süleymans, gesagt, dass der šeyḫ versucht habe für die Schia zu missionieren. Daraufhin seien viele schiitische ʿolamāʾ zu ihm gekommen, um die schiitischen Schriften zu studieren. Dies aber, so sagten die Sunniten, sei kofr, Ketzerei. Daraufhin schickte der Großwesir jemanden, der den šeyḫ, den afḍal-e foqahā-ye doūrān, den vorzüglichsten Rechtsgelehrten jener Epoche in Mekka, verhaftete. Er wurde nach Istanbul gebracht und hingerichtet.393 Dieser Vorfall barg einige Brisanz. Dass weitere solcher Vorkommnisse in keiner der drei Chroniken erwähnt werden, ist ein zusätzlicher 391 392

393

124

vgl. HS, S. 515. In der Tat kam es bis weit ins 16. Jahrhundert hinein immer wieder zu Aktionen, auch gewalttätigen, gegen in Persien lebende Sunniten, siehe: Rosemary Stanfield Johnson, “Sunni Survival in Safavid Iran: Anti-Sunni Activities during the Reign of Shah Tahmasb I”, Iranian Studies 27, S. 123-133. Nur einen ähnlichen Namen zu haben wie ʿUmar und ʿUṯmān konnte ausreichen, um Gewalt ausgesetzt zu sein [vgl. Stanfield Johnson (1994), S.128]. Dennoch bilanziert sie, ein persischer Sunnit des 16. Jahrhunderts habe im Allgemeinen in relativer Ruhe leben können, solange er sich in der Öffentlichkeit bedeckt hielt [vgl. Stanfield Johnson (1994), S.133]. vgl. AT, S. 520.

Hinweis auf die These, das Thema Religion werde klein geschrieben. Schon die Wortwahl fällt auf. Die Sunniten beschuldigen die Schiiten des kofr. Der Vorwurf ist hart. Rūmlū verwendet für die Tätigkeit der Mission den Begriff dawʿā. Dieses Wort, abgeleitet von der arabischen Wurzel „daʿā = rufen, einladen“ wird im islamischen Kontext benutzt, um Leute zur richtigen Religion zu rufen.394 Die Wortwahl impliziert, die Osmanen hätten im Moment noch die falsche. Das macht sie problematisch. Die Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī ist die mit Abstand umfangreichste der hier benutzten Quellen. Die von Īraǧ-e Afšār herausgegebene Ausgabe umfasst 1116 Seiten. Auch in ihr spielt die Religion, wenn überhaupt, eine Nebenrolle. Monšī beschreibt, wie gesehen, schon die offizielle Einführung der Schia durch Esmāʿīl zurückhaltender als die beiden anderen Chronisten. Wenn er den Glauben erwähnt, dann bleibt er dabei in aller Regel pragmatisch. In der Regierungszeit Mohammad Schahs schickte Abū Bakr Mīrzā, ein Nachfahre der früheren sunnitischen Könige von Šīrwān, Boten nach Istanbul, um Murad III. um Hilfe gegen die qezelbāš zu bitten. Dabei versuchte er, so schreibt Monšī, möglichst großen Nutzen aus der mawāfaqat-e maḏhab, der Einmütigkeit des Glaubens zwischen ihm und dem Sultan zu ziehen.395 Der Hofchronist von Schah ʿAbbās stellt hier also lediglich fest, dass diese beiden Männer Sunniten sind, aber er urteilt nicht. Ganz im Gegenteil erscheint es hier geradezu als legitim, dass der Šīrwānī das Beste aus den ihm gegebenen Möglichkeiten macht. Das überrascht umso mehr, als diese Gesandtschaft nach Istanbul Murad III. dazu veranlasste, den Frieden von Amasya zu brechen. Jene Tat zu kritisieren wird später eines der Hauptanliegen Monšīs. Nachdem die Safawiden 1012 (1603-04) Tabrīz von den Osmanen zurückerobert hatten, konnten die dūstān-e ḫānedān-e ṣafawīye, die Freunde der safawidischen Familie und die Anhänger der ahl-e beyt, der Familie des Propheten, die taqiye, die sie jahrelang üben mussten, beenden.396 Zwar wird auch hier die 394

vgl. M. Canard, „Daʿwa“ in: The Encyclopedia of Islam, New Edition, Band II

(1965), S. 168. 395 396

vgl. TAAA I, S. 232. vgl. TAAA II, S. 639-640. Die taqiye wird mit dem Koranvers 16.106 begründet: „Wer Allah verleugnet, nachdem er an ihn geglaubt hatte – es sei denn, er sei dazu gezwungen und und sein Herz sei weiterhin fest im Glauben – wer also seine Brust dem Unglauben öffnet: auf sie soll Allahs Zorn kommen, und ihnen steht

125

Religion thematisiert, aber man hätte ein härteres Urteil über diejenigen erwartet, die die seyyeds Aserbaidschans 20 Jahre lang unterdrückt hatten. Neben den hier erwähnten finden sich nur noch einige wenige Beispiele, in denen Monšī das Thema Religion in Nebensätzen erwähnt, aber auch ihn ihnen ist der Ton sehr moderat.397 2.6.5 došmanān-e dīn-o-dowlat: Die seltenen Ausnahmen Aufgrund dieser Zurückhaltung fallen zwei Erwähnungen, in denen sein Ton eben nicht gemäßigt ist, besonders auf. Im Jahr 1005 (1596-97) starb Solṭān Ḥeydar Mīrzā, der Sohn von Ḥamza Mīrzā, in Istanbul. Er hatte keine Kinder gehabt, da sich das für einen …safawidischen Prinzen, Sohn eines

‫…ﺳﻴﺪ زادﻩ ﺷﻴﻌﺔ ﭘﺎك اﻋﺘﻘﺎد‬

seyyeds und Schiit reinen Glaubens im

‫از ﺷﺎهﺰادﮔﺎن ﺻﻔﻮي ﻧﮋاد در‬

Osmanischen Reich und mitten unter den Feinden des Glaubens…

‫ﺑﻼد روم و ﻣﻴﺎﻧﺔ ﳐﺎﻟﻔﺎن‬ 398

…‫ﻣﺬهﺐ‬

nicht geziemte. Dass er der Pest erlag, bevor er welche zeugen konnte, sei, so meint Monšī, daher eine glückliche Fügung gewesen. Die Schärfe im Ton sticht heraus. Allerdings darf man Monšīs Sorge um die schiitische Etikette als vorgeschoben bezeichnen. Durch diese Regel des Safawidenhauses sollte verhindert werden, dass persische Thronprätendenten in osmanische Hände

397

schwere Strafe bevor“ (vgl., Max Henning, Der Koran. Das heilige Buch des Islam, hrsg. von Murad Wilfried Hofmann, S. 227). Sofort nach der Einnahme von Tabrīz hätten schlaue Leute gemerkt, dass die

398

Osmanen den Bürgern der Stadt feindlich gegenüberstehen. Grund dafür sei der moġāyarat-e maḏhab, der Unterschied im Glauben (vgl. TAAA I, S. 310); Der Botschafter, der Anfang des Jahres 1021 (Beginn 1612) aus Istanbul nach Persien kam, war der qāḍī von Mardin. Er war, schreibt Monšī, ein besonnener und redegewandter Mann (vgl. TAAA II, S.848). Etwas Negatives hat der Chronist über den sunnitischen ʿālem nicht zu sagen; Gegen Ende der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī, die Safawiden haben gerade Naǧaf erobert, berichtet Monšī noch von drei Wundern ʿAlīs. Aber auch im Zusammenhang mit ihnen werden allenfalls einzelne Soldaten wegen ihres falschen Glaubens kritisiert, nie die Osmanen als Ganzes (vgl. TAAA III, S. 1051-1052). TAAA II, S. 530.

126

geboren würden. Möglicherweise erklärt das den aggressiven Ton des Chronisten, dem das Wohl des persischen Staates so sehr am Herzen lag. Die zweite Erwähnung des religiösen Gegensatzes zwischen Safawiden und Osmanen, in dem der Tonfall relativ hart ist, findet sich in einem kurzen Nebensatz: Monšī beschreibt hier eine für die Osmanen verlorene Schlacht: Sie seien geflohen, …weil das Herz der Feinde des Glaubens und des Reiches finster wurde.

‫… ﭼﻮن دل دﴰﻨﺎن دﻳﻦ و دوﻟﺖ‬ 399

‫ﺗﲑﻩ و ﺗﺎر ﺷﺪﻩ‬

Die Feindschaft der Osmanen zum dowlat, zum Reich der Safawiden, wird oft erwähnt. Als Gegner ihrer Religion bezeichnen die Chronisten sie aber höchst selten. Wenn auch hier der Vorwurf ein ungewohnter ist, seiner Linie, Kritik an den Osmanen fast nur in Nebensätzen zu üben, bleibt Monšī treu.

399

TAAA II, S. 700.

127

3

DER KONTRAST ZWISCHEN OSMANEN UND USBEKEN

Nachdem das Bild des Osmanen in den persischen Chroniken nun umrissen ist, lohnt es sich, noch ein Blick darauf zu werfen, wie die Safawiden ihre östlichen Nachbarn, die Usbeken, sahen. Anhand ihrer Darstellung sollte es möglich sein, das Türkenbild genauer zu beleuchten. Betraf die Ausklammerung der Religion etwa speziell die Osmanen oder wurde sie in der persischen Historiographie generell nicht thematisiert? So sollen die Erkenntnisse über die Osmanen an den Usbeken geprüft werden. Viele Fragen, die bei der Darstellung der Osmanen noch von Bedeutung waren, stellen sich hier nicht. Für die vorliegende Fragestellung ist es unerheblich, ob die Usbeken in den safawidischen Quellen um ihrer selbst willen abgebildet sind. Das werden sie auch von mir nicht. Immer mit Blick Richtung Osmanisches Reich finden bei ihnen ausschließlich Bereiche Beachtung, in denen sich ihre Darstellung von der der Osmanen unterscheidet. Das sind vor allem drei: das Bild der usbekischen Herrscher, der Umgang der Usbeken mit erobertem Gebiet und die Erwähnung des religiösen Gegensatzes zwischen Sunniten und Schiiten. Etwas fällt bei der Darstellung der Usbeken allgemein auf: Ein großer Teil des Respekts, der in der Darstellung der Osmanen immer enthalten war, fehlt, so zu sehen in einem Briefwechsel zwischen einem safawidischen Gelehrten und einem usbekischen. Letzterer hatte einen Doppelvers von Ǧāmī zitiert und dabei einen Rechtschreibfehler gemacht. Der Safawide bemerkt, der große persische Dichter drehe sich deshalb in seinem Grab. Letzten Endes sei dieser Fehler aber nicht verwunderlich, so stellt er lakonisch fest: Jedoch weil ihr alle Menschen von Ḫorāsān ausgeraubt und geplündert habt und ihre Häuser zerstört habt, und der ehrwürdige Mowlawī (Ǧāmī) auch aus Ḫorāsān war, ist es nicht überraschend, dass ihr auch einen seiner Verse zerstört habt.

400

128

‫ﻟﻴﻜﻦ ﭼﻮن ﻏﺎرت و ﺗﺎﻻن ﺑﺮ‬ ‫آﺎﻓﻪ اهﻞ ﺧﺮاﺳﺎن واﻗﻊ ﺷﺪﻩ‬ ‫ﺧﺎﻧﻪ هﺎ ﺧﺮاب ﺷﺪ و ﺣﻀﺮت‬ ‫ﻣﻮﻟﻮي ﻧﻴﺰ از ﺁن ﲨﺎﻋﺖ اﺳﺖ‬ ‫اﮔﺮﻳﻚ ﺑﻴﺖ او ﻧﻴﺰ ﺧﺮاب ﺷﺪﻩ‬ 400

‫ﺑﺎﺷﺪ ﺑﺎآﻲ ﻧﻴﺴﺖ‬

TAAA II, S.395. In dieser Aussage findet sich noch ein schönes Wortspiel, da das Wort beyt im Persischen sowohl Haus als auch Vers bedeuten kann.

Eine solch eher saloppe Ausdrucksform gab es im Zusammenhang mit den Osmanen nicht.

3.1

Zu klein, böse und mit Stroh gefüllt: Die Darstellung der usbekischen Herrscher

Allen osmanischen Sultanen, selbst Selim I., ist seitens der safawidischen Chronisten wenigstens ein Mindestmaß an Respekt entgegengebracht worden. Besonders der Aristokrat Monšī erkennt die edle Geburt der Osmanenherrscher an, auch wenn das bei manchen das einzige ist, was er positiv zu vermerken hat. Bei den Usbekenherrschern ist das anders. Die Chronisten kritisieren nicht nur ihre Handlungen, sie greifen die Ḫāne auch persönlich an. Am 10. moḥarram 935 (24. September 1528) kam es zur Schlacht zwischen Schah Tahmāsb und ʿObeyd Ḫān. Diese ging für die Usbeken verloren und ihr Herrscher musste fliehen.401 Die heillose Flucht des Geschlagenen beschreiben sowohl Rūmlū als auch Monšī und bei beiden kommt er sehr schlecht weg. Im Aḥsan at-Tawārīḫ findet sich folgende Variante: Als ʿObeyd Ḫān während der Schlacht floh, wurde er von einem qūrčī, einem Soldaten der Leibwache des Schahs, verfolgt. Als dieser ʿObeyd Ḫān, den Rūmlū hier sālek, Schüler nennt, erreichte, schlug er ihm mit dem Schwert auf den Rücken. Aber wegen der ġāyat-e ḥaqārat-e ǧoṯṯe, der höchsten Stufe der Wertlosigkeit seines Körpers, entkam er dennoch.402 Schon die Titulierung des Usbekenherrschers als Schüler zeugt nicht von gesteigertem Respekt und der Inhalt der Geschichte ist sogar beleidigend für ʿObeyd Ḫān. Warum er letzten Endes entkommen konnte, wird aber nicht ganz klar. Das erklärt Monšī in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī genauer. Auch er beschreibt, wie ʿObeyd Ḫān nach der Schlacht floh und von einem qūrčī verfolgt wurde. Als dieser sein Opfer erreichte, … schlug er mit einem Schwert auf seinen Rücken und dieser wurde durch den Schlag 401

402

‫…ﴰﺸﲑي ﺑﺮ ﭘﺸﺖ او زد آﻪ از‬ ‫و از ﺣﻘﺎرت‬

‫ﺿﺮﺑﺖ ﺁن ﺑﻴﺨﻮد‬

Eine kurze Beschreibung der Dynastie der Šeybānīden, die im 16. Jahrhundert über das Gebiet nord-östlich von Persien herrschten, liefert Soucek, siehe: Svat Soucek, The History of Inner Asia, S. 149-161. vgl. AT, S. 286.

129

ohnmächtig. Weil sein Körper so wertlos war, bemühte er (der qūrčī) sich nicht ihn gefangen zu nehmen und ließ von ihm ab, um sich etwas Besseres zu beschaffen.

‫و از ﺣﻘﺎرت‬

‫ﺿﺮﺑﺖ ﺁن ﺑﻴﺨﻮد‬

‫ﺟﺜﻪ آﻪ داﺷﺖ ﻣﺘﻮﺟﻪ ﮔﺮﻓﱳ ﺁن‬ ‫ﻧﺸﺪ ازو ﮔﺬﺷﺖ آﻪ ﲠﱰ از وي‬ 403

‫ﺑﺪﺳﺖ ﺁورد‬

Der Herrscher der Usbeken war nicht eimal als Geisel für einen safawidischen Soldaten von Wert.404 Eine Gefangennahme Selims I. hätten die beiden Chronisten sicher mit etwas mehr Pathos geschildert. Auch die persönlichen Qualitäten erscheinen bei den Usbekenherrschern besonders verkümmert. Im Jahr 935 (1528-29) ließ ʿObeyd Ḫān den persischen Dichter Mowlānā Helālī hinrichten, da dieser ihn in einem Gedicht beleidigt habe. Zuvor aber wurde der Poet noch auf Befehl des ḫān-e qabīḥ, des schändlichen Herrschers, īḏā-ye besyār schwer gefoltert und āzār-e bīrūn az šomār, unendlich beleidigt.405 Du plünderst und schaffst den Reichtum von Muslimen weg

Wenn du ein Muslim bist, bin ich ein Ungläubiger

‫آﺎﻓﺮ ﺑﺎﺷﻢ‬

‫ﻏﺎرت آﲏ و‬

‫اﮔﺮ ﻣﺴﻠﻤﺎن‬

‫ﻣﺎل ﻣﺴﻠﻤﺎن‬

406

‫ﺑﺎﺷﻲ‬

‫ﺑﱪي‬

Der Inhalt der Verse ist beleidigend, aber Rūmlū hätte von einem Herrscher wohl etwas mehr Souveränität erwartet. Der Vorwurf aber sei wahr und wie zum späten Beweis seiner These sei auch Mowlānā Helālī eigentlich hingerichtet worden, weil er reich war. Doch nicht nur ʿObeyd Ḫān war in den Augen der Chronisten kein angenehmer Zeitgenosse. ʿAbd al-Moʾmen Ḫān,

403

TAAA II, S. 56.

404

Aus beiden Quellen wird nicht klar, wieso ʿObeyd Ḫān den Safawiden so wenig wert war. Weder Rūmlū noch Monšī stellen ihn etwa als Emporkömmling dar, erster beschreibt sogar die Abstammung dieses Herrschers und führt seine Genealogie bis auf Čengīz Ḫān zurück (vgl. AT, S. 380). Ginge es nur darum, ʿObeyd Ḫāns Bedeutung herunterzuspielen hätte Rūmlū diese Information weggelassen. vgl. AT, S. 293-294. AT, S. 294. Monšī zitiert dasselbe Gedicht in etwas anderer Form, siehe: TAAA I, S. 57.

405 406

130

für wenige Monate am Ende des 16. Jahrhunderts Herrscher der Usbeken,407 …war ein blutdürstiger Herrscher und

‫…ﭘﺎدﺷﺎﻩ ﺳﻔﺎك ﺧﻮﻧﺮﻳﺰ و ﺑﻘﺴﺎوت‬

hartherzig. Für Verwandte hatte er keine Zuneigung.

‫ﻗﻠﺐ ﻣﻮﺻﻮف ﺑﻮد و ﺑﺎﻗﺮﺑﺎء و ﺑﲏ‬ 408

‫اﻋﻤﺎم ﺗﻮﺟﻬﻲ ﻧﺪاﺷﺖ‬

Mit dieser Aussage, besonders im zweiten Teil, dürfte Monšī darauf anspielen, dass, um ʿAbd al-Moʾmens Herrschaft zu sichern, seine Brüder rechtzeitig beseitigt wurden.409 Es ist eine Besonderheit in der Darstellung der Usbeken, dass die Aktion dem Herrscher persönlich angerechnet wird. Die Osmanen und selbstverständlich auch die Safawiden waren ebenfalls nicht zimperlich, wenn es darum ging, eine geregelte Thronfolge zu sichern. Dennoch ist das seitens der Chronisten keinem dieser Herrscher je angelastet worden. Der Vorwurf muss sich auf die Ermordung der Brüder ʿAbd al-Moʾmen Ḫāns beziehen, denn in den wenigen Monaten hätte er kaum Zeit gehabt, sich den Ruf übermäßiger Grausamkeit anders zu verdienen. Ein letztes Beispiel für den unterschiedlichen Umgang mit Osmanen und Usbeken liefert Ḫwāndamīr. Im Allgemeinen ist sein Ton den Usbeken gegenüber überraschend freundlich. Damit nimmt er die genaue Gegenposition zu Rūmlū ein, der von den drei Chronisten am härtesten über die Usbeken urteilt. Es ist nicht auszuschließen, dass die beiden Schreiber eine andere Einstellung den Usbeken gegenüber hatten und dies in ihren Werken ausdrücken. Dennoch hat man das Gefühl, dass Ḫwāndamīrs Milde nicht nur von innen kam: Ob sie, immerhin haben Rūmlū und er im Vergleich zu den Osmanen die Plätze getauscht, eher von Furcht oder Sympathie beeinflusst wurde, lässt sich auf den ersten Blick nicht sagen, es könnte beides gewesen sein. In jedem Fall liegt Boḫarā näher an Herāt als Istanbul. Im Falle des Mohammad Ḫān-e Šeybānī allerdings ist Ḫwāndamīr wenig wohlwollend. Dieser hatte im šaʿbān 916 (3. November–1. Dezember 1510) eine Schlacht gegen Schah Esmāʿīl verloren und danach versucht zu fliehen. 407

408 409

Auch zu ʿAbd al-Moʾmen Ḫān und zur Geschichte der Stadt Boḫarā im 17. Jahrhundert liefert Soucek Hintergrundinformationen, siehe: Soucek (2000), S. 177181. TAAA II, S. 556. vgl. Soucek, S. 177.

131

Dabei geriet er mit 500 seiner Leute in eine Ummauerung, aus der es kein Entkommen gab. Die Safawiden begannen auf die Eingeschlossenen zu schießen, diese fielen übereinander und viele wurden unter den Hufen ihre eigenen Pferde begraben. Die Leute des Schahs suchten unter den Toten den Körper des Mohammad Ḫān-e Šeybānī. Schließlich fanden sie ihn, unter vielen Leichen begraben. Sie schlugen den Kopf vom Körper, brachten ihn zu Esmāʿīl und legten ihn vor die Hufe seines Pferdes.410 Auch wenn sein Ton den Usbeken gegenüber wesentlich freundlicher ist als gegenüber den Osmanen, ein bisschen Häme kann sich Ḫwāndamīr hier doch nicht verkneifen. Wie mit den sterblichen Überresten des Mohammad Ḫān-e Šeybānī weiter verfahren wurde, findet sich sowohl im Aḥsan at-Tawārīḫ als auch in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī. Esmāʿīl befahl, …dass sein mit Bosheit gefüllter Kopf von seinem Körper getrennt und die Haut abgezogen werde. Diese wurde dann mit Stroh gefüllt und an Sultan Bayezid, den osmanischen Herrscher, geschickt.

‫…آﻪ ﺳﺮ ﭘﺮ ﺷﺮ او را از ﺑﺪن‬ ‫ﺟﺪا ﺳﺎﺧﺘﻪ ﭘﻮﺳﺖ آﻨﺪﻧﺪ و ﭘﺮ‬ ‫آﺎﻩ آﺮدﻩ ﺑﻪ ﺳﻠﻄﺎن ﺑﺎﻳﺰﻳﺪ‬ 411

‫ﭘﺎدﺷﺎﻩ روم ﻓﺮﺳﺘﺎدﻧﺪ‬

Der Schädel solle mit Gold verziert in Zukunft am persischen Hof als Trinkgefäß dienen, was dann auch geschah.412 Monšī erzählt genau dieselbe Geschichte und schmückt sie noch mit einem Gedicht: Der Schädel wurde mir zum Kelch durch den Lauf der Zeiten 410

411

412 413

132

Hält mich diese

‫دارد اﻳﻦ دﻳﺮ‬

‫آﺎﺳﺔ ﺳﺮ ﺷﺪ‬

schlecht erbaute Wohnstätte verwirrend

‫ﺧﺮاب ﺁﺑﺎد ﺳﺮ‬

‫ﻗﺪح از ﮔﺮدش‬

413

‫ﮔﺮدان ﻣﺮا‬

‫دوران ﻣﺮا‬

vgl. HS, S. 513. Auch den Grund für die Schlacht nennt Ḫwāndamīr an dieser Stelle: Der Kopf des Usbeken sei so mit Stolz gefüllt gewesen, dass er dachte, kein anderer sei würdig, eine Krone zu tragen. AT, S. 161. In der Frage, ob der Kopf des ʿObeyd Ḫān schon durch die Soldaten Esmāʿīls vom Rumpf getrennt wurde oder erst auf Befehl des Schahs, sind sich die Chronisten also nicht einig. vgl. AT, S. 161. TAAA I, S. 38. Mit der schlecht erbauten Wohnstätte ist die vergängliche Welt gemeint.

Es gibt also Unterschiede in der Behandlung osmanischer und usbekischer Herrscher, auf politischer wie auf literarischer Ebene. Man kann natürlich nicht wissen, wie die Safawiden mit einem gefangenen Osmanensultan umgegangen wären. Aber die Art, wie die Chronisten die Sultane und Ḫāne darstellen, lässt sich vergleichen. So fehlt bei den Osmanen jede Form von Häme und bei den Usbeken eben nicht. Während die Sultane nur ab und zu klein geschrieben wurden, etwa wenn Ḫwāndamīr Selim I. einen Aufstand gegen Esmāʿīl anzetteln lässt, ist diese Form der Kritik bei den Usbeken an der Tagesordnung, bis hin zur Aussage, ʿObeyd Ḫān tauge nicht mal als Geisel. Diese unterschiedliche Darstellung des Gegners dürfte vor allem auf die politische Situation zurückzuführen sein. Die Sultane kamen in aller Regel in einer Position der Stärke nach Persien, die die Usbekenherrscher, wenn überhaupt, nur für kurze Zeit hatten. Eine Möglichkeit, die Berichterstattung über einen Osmanensultan zu überprüfen, der alles andere als in einer Position der Stärke ist, gibt es natürlich doch. Am 19. ḏūʾl-ḥeǧǧa 804 (20. Juli 1402) wurde Bayezid I. in der Schlacht von Ankara von Tīmūr gefangen genommen. Sowohl der Kampf selbst als auch die Gefangennahme werden im dritten Band der Tārīḫ-e Ḥabīb as-Siyar ausführlich beschrieben.414 Es findet sich keine Spur von Häme Bayezid gegenüber. Möglicherweise liegt das aber auch daran, dass Tīmūr dieser Coup gelungen war und nicht den Safawiden.

3.2

Weil es ihre Sitte ist: Plündern und Morden

Der zweite Aspekt, in dem sich die Darstellung der Usbeken deutlich von der der Osmanen unterscheidet, betrifft ihren Umgang mit erobertem Gebiet, genauer gesagt, die Verwüstung desselben. Dieser Vorwurf traf zwar auch die Osmanen, aber auf eine andere Weise. Diese plünderten, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab. Die Usbeken tun es, čenānke ʿādat-e īšān ast, weil es ihre Sitte ist, wie Monšī feststellt.415 Da Sitten und Gebräuche aber ein inhärenter Bestandteil eines Volkes sind, müssen die safawidischen Chronisten den usbekischen Missbrauch militä414 415

vgl. HS III, S. 508-510. In diesem Kapitel wird er richtig als Yıldırım tituliert. vgl. TAAA II, S. 390.

133

rischer Erfolge nicht mehr beweisen. Sie setzen ihn voraus. Am 20. ramaḍān 916 (21. Dezember 1510) eroberte Esmāʿīl Herāt für sein neu entstehendes Reich. Die Noblen und die Bevölkerung kamen, ihn zu begrüßen. Sofort beendete er die ġolāmī, die Tyrannei und die Ungerechtigkeit in der Stadt. Zwar nennt Ḫwāndamīr die Usbeken in diesem Zusammenhang nicht direkt, es ist aber klar, wen er meint, denn von diesen hatten die Safawiden die Stadt ja erobert. Die Leute von Herāt wurden an diesem Tag aus der nāyere-ʾe ẓolm wa ḍalāl, aus der Flamme der Tyrannei und des Irrtums gerettet und waren von jetzt an im sāye-ʾe eqbāl-e lā-yazāl-e āsāyeš, im Schatten des ewigen Glücks der Stille, also in Sicherheit.416 Ein religiöser Gegensatz taucht hier nur sehr verklausuliert auf, die Ausrufung der Schia durch Esmāʿīl war ja noch frisch und die überwiegende Mehrheit der Einwohner der Stadt dürfte ohnehin sunnitischen Glaubens gewesen sein. Dennoch waren sie nach Ḫwāndamīr alle von den Usbeken unterdrückt worden und freuten sich über die safawidische Befreiung. Diese Art von Pauschalurteil begegnet uns im Zusammenhang mit den Osmanen eher selten.417 Nach der Rückeroberung von Tabrīz wird relativ genau beschrieben, was alles des Sultans Leuten vorzuwerfen sei. Das gilt vor allem für die zerstörte Bausubstanz. Eine so allgemein gehaltene Verurteilung gibt es aber nicht. Bei den Usbeken hingegen setzt sich das Pauschalurteil fort. Wenige Jahre später musste Esmāʿīl noch einmal nach Herāt eilen, um es vor den Usbeken zu schützen. Als die Einwohner ihn vor der Stadt lagern sahen, kamen sie, die so viel bī-dādī, Ungerechtigkeit hatten erdulden müssen, freudig zu ihm.418 Nicht nur, dass die Chronisten bei diesem Vorwurf stark verallgemeinern, es entsteht sogar eine Kausalität, nach der auf einen usbekischen Sieg fast zwangsläufig die Plünderung folgen muss. Sehr deutlich wird dies bei Ḫwāndamīr. Im Jahr 918 (1512-13) verloren die Safawiden eine Schlacht gegen die Usbeken. Die Beschreibung der Einzelheiten des Geschehens beschließt der Schreiber des Ḥabīb as-Siyar mit folgendem Fazit:

416 417 418

134

vgl. HS, S. 515-516. Nur Monšīs Vorwurf, man könne dem Wort der Osmanen nicht vertrauen, erscheint im Laufe der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī etwas pauschalisiert. vgl. HS, S. 539.

Als der Halbmond des Banners der Sultane der Usbeken zum Horizont der Eroberung und des Sieges aufstieg, begannen die Soldaten Transoxaniens zu morden und zu plündern.

‫از‬

‫اوزﺑﮏ‬

‫ﺳﻼﻃﲔ‬

‫راﻳﺖ‬

‫ﻣﺎهﭽﺔ‬

‫اﻓﻖ ﻓﺘﺢ و ﻇﻔﺮ ﻃﺎﻟﻊ ﺷﺪﻩ ﺳﭙﺎﻩ‬ ‫ﻣﺎوراءاﻟﻨﻬﺮ ﺁﻏﺎز ﻗﺘﻞ و ﻏﺎرت‬ 419

‫ﮐﺮدﻧﺪ‬

Ein zweiter Unterschied zeigt sich bei der Beschreibung des Umgangs der Eroberer mit den Eroberten. Während nur erwähnt wird, dass die Bevölkerung von den Osmanen einiges zu erdulden hatte, werden die Leiden, die die Usbeken verursachen, bis in Detail beschrieben. Im Jahr 934 (1527-28) belagerten die Usbeken Herāt erneut. Um die Stadt einnehmen zu können, beschloss ʿObeyd Ḫān, sie auszuhungern. Als die Usbeken einen Mann gefangen nahmen, der Salz in die Stadt schmuggeln wollte, wurde er dafür be aqbaḥ-e waǧahī, unter schlimmsten Schmerzen auf dem Bazar umgebracht.420 Besonders deutlich wird die Grausamkeit der Usbeken, als es ihnen endlich gelang, Herāt einzunehmen. Sofort begannen sie mit der ġārat, der Plünderung der Stadt. Sie folterten die Bevölkerung, damit diese ihre vergrabenen Schätze herausgab. Das nāle-ʾe ṣaġīr wa kabīr, das Geschrei der Kleinen und Großen stieg zum Himmel, als selbst vollkommen Unschuldige von den ġūlheyʾat, den dämonenhaften Usbeken gefangen genommen wurden.421 Besonders interessant ist der Vorwurf, die Usbeken würden nur vortäuschen, gegen abtrünnige Schiiten kämpfen zu wollen, in Wahrheit aber ginge es ihnen um die Reichtümer der Perser. Genau dasselbe wirft ihnen Monšī vor und auch er spart nicht an Details. 997 (1588-89) gelang es ʿAbdollāh Ḫān, Herāt erneut für die Usbeken zu erobern. Schon kurz zuvor hatte er gezeigt, dass die Safawiden von ihm nur wenig Gutes erwarten konnten. Eine Delegation, die über die Übergabe der Stadt gegen freien Abzug verhandeln sollte, hatte er kurzerhand hinrichten lassen. Botschafter umzubringen aber habe seit Anbeginn der Zeit als Verbrechen gegolten, sagt Monšī.422 Nachdem die Stadt dann gefallen war, gab der Ḫān den Befehl, jeden qezelbāš zu töten, der gefunden werde. Seine Soldaten aber brachten einfach jeden um, der dieselbe maḏhab 419 420 421 422

HS, S. 529 vgl. AT, S. 269. vgl. AT, S. 353. vgl. TAAA II, S. 387.

135

hatte wie die safawidischen Soldaten, also alle Schiiten der Stadt. Die einfachen Frauen und Kinder des Šamlū-Stammes etwa wurden nach Transoxanien verschleppt. Die Frauen der Stammesführer wurden gefoltert, damit sie verrieten, wo sie ihre Reichtümer versteckt hatten. Danach wurden sie nackt sich selbst überlassen, woraufhin die meisten gestorben seien. Einigen aber gelang es, sich in Erdlöchern und dunklen Ecken zu verstecken und nachts piyāde wa berahne, zu Fuß und nackt zu fliehen.423 Nicht nur, dass den Usbeken eine für Frauen besonders entwürdigende und grausame Vorgehensweise unterstellt wird, in Wahrheit seien sie doch wieder nur am Geld der Perser interessiert gewesen. Das Leiden der Bewohner war nicht zu Ende, denn noch einige Zeit lang wurden die rāfeḍī, die Schiiten der Stadt umgebracht. Jeder, der eine Rechnung offen hatte, konnte diese jetzt begleichen. Er beschuldigte denjenigen einfach, ein Schiit zu sein. Dann suchte er sich zwei ǧāhel-e nā-dān, zwei dumme Ignoranten und schleppte den armen Mann vor den hanafītischen qāḍī. Dieser ließ ihn dann, bī-taʾammol, ohne nachzudenken verbrennen oder auf eine andere Art hinrichten.424 Ein Jahr später, 998 (1589-90), erschienen die Usbeken vor Mašhad. Als sie in die Stadt eindrangen, flüchteten deren Bewohner in den Hof des Schreins von Iman ʿAlī ar-Riḍā. Die seyyeds, ʿolamāʾ, ḫoddām, die Bediensteten, modarresān, die Professoren und die frommen und heiligen Leute, alle beteten sie für ihre Rettung. Währenddessen umzingelten die Usbeken den Hof und begannen, mit Bogen und Musketen auf die Betenden zu schießen.425 Als die qezelbāš, die den Schrein verteidigten, gefallen waren, schossen die Usbeken auf die ṣalaḥā, die heiligen Männer, die ʿolamāʾ und die seyyeds.426 Die, die sich zu verstecken versuchten, wurden aus den Quartieren der seyyeds und der 423 424

425 426

136

vgl. TAAA II, S. 388. vgl. TAAA II, S. 388-389. Interessant ist hier vor allem die Wahl des Wortes rāfeḍī für Schiiten. Es bedeutet Ketzer [vgl. Redhouse (1890), S. 957] und wurde normalerweise von Sunniten benutzt, um Schiiten zu diffamieren. Es ist nicht ganz klar, warum der Schiit Monšī es an dieser Stelle benutzt. Möglich ist, dass er es von jemandem übernommen hat, der dann aber ein Sunnit gewesen sein müsste. Dass er mit dieser Wortwahl die Sichtweise der sunnitischen Usbeken betonen wollte, ist dagegen unwahrscheinlich. vgl. TAAA II, S. 412. vgl. TAAA II, S. 413.

Freitagsmoschee gezogen und erschlagen. Monšī geht sogar noch mehr ins Detail. Ein seyyed namens Mīr Moḥammad Ḥoseyn hielt sich mit einer Hand an dem Gitter, das das eigentliche Grabmal des achten Imams umschließt, fest. Ein usbekischer Krieger schlug ihm den Arm durch, zog ihn nach draußen und hackte ihn in Stücke. Die Hand blieb am Gitter hängen.427 Die Eroberer raubten die Juwelen, das Gold und das Silber des Schreins. Auch vor der Bibliothek, die Bücher aus allen Teilen der islamischen Welt enthielt, machten sie nicht halt. Doch nicht nur im Heiligtum selbst, in allen Teilen der Stadt plünderten und mordeten die Usbeken. Sie verschleppten Frauen und Kinder und verkauften sie als Sklaven nach Transoxanien. Wenn sie einen fanden, der sich versteckt hatte, folterten sie ihn und nahmen sich, was er besaß. Insgesamt drei Tage dauerte die Heimsuchung der Stadt.428 So endet in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī die Beschreibung der Eroberung von Mašhad. Ihr herausragendes Merkmal ist der Detailreichtum. Zwar war dieser Ort für die Safawiden ein besonders sensibler, aber es fällt doch auf, dass der Verlust von Tabrīz, immerhin die erste Hauptstadt, weit weniger herausgehoben wird. Dabei war es auch bei den Osmanen üblich, eine Stadt, die erstürmt worden war, drei Tage lang zu plündern. Dass sich das Verhalten von Osmanen und Usbeken in diesem Punkt also stark unterschied, ist nicht anzunehmen. Der Unterschied liegt in der Darstellung. Den Vorwurf, es sei den Usbeken eher um Geld als um die Unterdrückung der Schia gegangen, finden wir hier ebenfalls. Noch zwei weitere, besonders drastische Beispiele für das negative Bild der Usbeken sollen hier genannt sein. Im Jahr 1004 (1595-96) erstürmten sie Sabzawār. Nachdem sich die safawidischen Verteidiger in der Zitadelle verschanzt hatten, begannen sie, die muslimische Bevölkerung umzubringen. Nicht einmal die Kleinsten ließen sie am Leben. Monšī sah es, so berichtet er, mit eigenen Augen, als er im Gefolge der königlichen Armee in die Stadt einzog: die Körper stillender Mütter und ihrer Babys, entzweigeschlagen von usbekischen Schwertern.429 Nicht einmal im Tod bekamen die Safawiden

427 428 429

vgl. TAAA II, S. 413. Dieser Mann sei als mīr bālā-ye sar bekannt gewesen, da er stets hoch über dem Grab saß und den Koran las. vgl. TAAA II, S. 413. vgl. TAAA II, S. 511.

137

ihren Frieden. Als ʿAbd al-Moʾmen Ḫān im Jahr 1005 (1596-97) Mašhad ein letztes Mal für die Usbeken gewinnen konnte, versuchte er die Gräber Schah Tahmāsbs und der safawidischen Prinzen, die sich im Schrein befanden, ausgraben zu lassen. Die Usbeken wollten den königlichen Leichnam mit nach Boḫarā nehmen um ihm …jede Art von Missachtung anzutun, die sie sich in ihren Gehirnen ausdenken können.

‫…هﺮ ﮔﻮﻧﻪ اﺳﺘﺨﻔﺎﻓﯽ در ﺧﺎﻃﺮ‬ ‫اﻳﺸﺎن رﺳﻮخ ﻳﺎﻓﺘﻪ ﺑﺎﺷﺪ ﺑﻈﻬﻮر‬ 430

‫ﺁوردﻧﺪ‬

Es sind also zwei große Unterschiede zwischen Osmanen- und Usbekenbild festzustellen, wenn es um die Behandlung eroberter Städte und ihrer Einwohner geht. Zum einen werden die Usbeken pauschal verurteilt, die Plünderung sei fester Bestandteil ihrer Kultur. Ḫwāndamīr geht sogar so weit, einem safawidischen Gouverneur die Schuld an den Verfehlungen der Usbeken zu geben. Amīr Yusūf, der Gouverneur von Herāt, habe nichts unternommen, als seine Stadt belagert wurde, daher konnten die Angreifer ausgiebig deren Umgebung plündern.431 Es klingt fast so, als hätte der Perser wissen müssen, dass die Usbeken brandschatzen werden, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommen: die Lust an Raub und Mord als angeborene Eigenschaft. Etwas Derartiges ist für die Osmanen in den Chroniken nicht belegt. Zum anderen werden die Grausamkeiten der Usbeken bis ins kleinste Detail beschrieben, während die der Osmanen nur erwähnt werden. Obwohl die osmanischen Eroberungen in den Historiographien weit mehr Raum einnehmen als die der Usbeken, ist von Details wie entzweigeschlagenen Babys und in Stücke gehackten ʿolamāʾ bei ihnen nichts zu lesen. Es lässt sich, zieht man nur diese persischen Chroniken heran, nicht beurteilen, ob die westlichen Gegner der Safawiden tatsächlich weniger brutal vorgingen als die östlichen. Unbedingt anzunehmen ist das nicht. Das würde bedeuten, dass die 430 431

138

TAAA II, S. 527. vgl. HS, S. 573. Es finden sich noch weitere Beispiele für die Plünderungswut der Usbeken, siehe: AT, S. 353, 528; TAAA II, S.525, 527, 561. Monšī wird auch hier noch einmal sehr bildhaft: 1005 (1596-97) tauchten die Usbeken vor Yazd auf und plünderten ānče dar har ǧā be naẓar-e īšān dar āmad, absolut alles, was sie sahen (vgl. TAAA II, S. 525).

Chronisten nur anders darüber berichten? Wenn dem so ist, können wir über die Gründe nur Vermutungen anstellen. Welche sie auch gewesen sein mögen, in jedem Fall unterscheidet sich das Bild der Usbeken deutlich von dem der Osmanen. Eine Ausnahme gibt es: Auch die Usbeken waren nicht in der Lage, ihre Siege aus eigener Kraft zu erringen. Bei ihrer Belagerung von Herāt im Jahr 942 (1535-36) gelang den Usbeken kein Durchbruch. Erst als ein Safawide namens Amīr Ḥasan in einer Nacht 300 Usbeken einließ, um von ʿObeyd Ḫān später einen guten Posten zu bekommen, fiel die Stadt.432 997 (1588-89) verloren die Safawiden die Stadt noch einmal. Hier hieß der Verräter, der zu den Usbeken überlief und sie vom desolaten Zustand der Verteidiger in Kenntnis setzte, Mollā Mīr-e Bāḫarzī.433 In ihrer Unfähigkeit, militärische Erfolge aus eigener Kraft zu erringen, gleichen sich Osmanen und Usbeken in den Augen der safawidischen Chronisten dann also doch.

3.3

Weil sie einen anderen Glauben haben: Der religiöse Gegensatz

Die Safawiden hatten mit Osmanen und Usbeken verschiedenste Auseinandersetzungen. Sie werden in allen drei untersuchten Quellen dargestellt. Waren die Konflikte mit dem Sultan politisch begründet, so gibt es zahlreiche Berichte darüber. Je nach Standpunkt des Autors fällt die unterschiedliche Schärfe im Tonfall auf. Wurden sie religiös begründet, schweigen die Chronisten. Bei den Usbeken tun sie das gerade nicht. Der Kampf der Glaubensrichtungen findet dabei auf zwei Ebenen statt. Zum einen dient er einem ganz praktischen Zweck: der Legitimierung von Gewalt. Zum anderen wird die theoretische Grundlage geschaffen. Dafür schrieb Monšī in seiner Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī einen Briefwechsel zwischen einem sunnitischen und einem schiitischen ʿālem ab, in dem beide ihre grundlegen Differenzen herausstellen. Der Chronist übernahm damit zwei Polemiken, die auf Basis des Koran und der aḥādīṯ die jeweils andere Seite verteufeln. Er stellt den fundamentalen Unterschied zwischen Safawiden und Usbeken auf ein religiöses Fundament. 432 433

vgl. AT, S. 352. vgl. TAAA II, S. 387.

139

3.3.1 Tötet sie, wo immer ihr auf sie stoßt: Die Legitimation weltlicher Auseinandersetzungen Nach der Eroberung von safawidischen Städten, so wird von allen drei Chronisten betont, brachten die Usbeken Schiiten um. Oft aber nennen sie die Opfer einfach nur mosalmānān, schließen also auch Sunniten mit ein. Die oben genannten Beispiele bringen vor allem die allgemeine Grausamkeit der Usbeken gegenüber besiegten Gegnern zum Ausdruck. Im Folgenden geht es nicht um die Art der Verfehlungen, sondern um deren Legitimation: den Gegensatz zwischen Sunniten und Schiiten. Den grundlegenden Gegensatz erkannten sowohl Usbeken als auch Safawiden, und das schon relativ bald. So schrieb ʿObeyd Ḫān im Jahr (152930) einen Brief an Schah Tahmāsb, der mit folgender Ankündigung beginnt: Unsere Absicht ist es, die Religion, die Nation und die Lehre, die zu Zeiten des ehrwürdigen Propheten, der rechtgeleiteten Kalifen und der gottesfürchtigen Imame bis zum Ende auf der Erde und unter den Menschen ihre Ordnung fanden, nicht zu verändern.

‫ﻏﺮض ﻣﺎ ﺁن اﺳﺖ ﮐﻪ دﻳﻦ و ﻣﻠﺖ‬ ‫و ﻣﺬهﺐ ﮐﻪ از زﻣﺎن ﺣﻀﺮت‬ ‫رﺳﺎﻟﺖ و ﺧﻠﻔﺎی راﺷﻴﺪﻳﻦ و‬ ‫اﻣﺎﻣﺎن ﻣﺘ ﻘﻴﻦ اﻟﯽ ﻏﺎﻳﺖ در‬ ‫ﻋﺎﱂ و ﻋﺎﻟﻤﻴﺎن اﻧﺘﻈﺎم ﻳﺎﻓﺘﻪ‬ 434

‫ﺗﻐﻴﻴﺮ ﻧﭙﺬﻳﺮﺪ‬

Da aber die Einwohner Ḫorāsāns von den ahl-e bedʿat wa ḍalāl, den Leuten der Neuerung und des Abweichens gefangen und so zu Anhängern des tašayyoʿ, des Schiitentums und der rafḍ, der Ketzerei wurden, gebe es nun Probleme.435 Das usbekische Heer bezeichnet ʿObeyd Ḫān in diesem Brief als 434

435

140

AT, S. 296. Wieso der Sunnit ʿObeyd Ḫān hier neben dem Propheten und den rechtgeleiteten Kalifen die Imame erwähnt und wen genau er damit meint, geht aus dem Text nicht hervor. Es ist möglich, dass es Entgegenkommen signalisieren sollte, die schiitischen Imame ebenfalls zu nennen. Auf der anderen Seite gibt es den Titel Imam im sunnitischen Islam ebenfalls. Einer der berühmteren Männer, die diesen Titel für sich beanspruchten, war Muhammad al-Ġazālī [siehe: Montgomery W. Watt, „Al-Ghazālī, Abū Ḥāmid Muḥammad b. Muḥammad al-Ṭūsī“ in: The Encyclopedia of Islam, New Edition, Band II (1965). S. 1038-1041]. Sollte ʿObeyd Ḫān ihn mit seinem Hinweis auf die Imame gemeint haben, wäre das alles andere als entgegenkommend. vgl. AT, S. 296.

laškar-e eslām, als Armee des Islam. Interessant ist, dass Rūmlū diesen Text in seine Chronik übernommen hat. Mit der Wortwahl macht der Usbekenherrscher deutlich, dass die Safawiden für ihn keine Muslime mehr sind. Ob das nun seine wirkliche Meinung war oder eher der Einschüchterung des Gegners beziehungsweise der Motivation der eigenen Truppen diente, sei dahingestellt. Jedenfalls vergleicht er seinen Rückzug aus Herāt mit dem Auszug des Propheten aus Mekka. Nach seinem Abzug hätten die Safawiden die Moscheen der Stadt in Ställe und Tavernen umgewandelt. Er aber habe diese nun wieder hergestellt. Darauf folgte eine mehrseitige Abhandlung über die ersten drei Kalifen und darüber, dass auch ʿAlī ihnen gefolgt sei. Sie endet bei Šeyḫ Ṣafī ad-Dīn und damit, dass auch er schließlich ein Sunnit gewesen sei. Es ist äußerst verwunderlich, dass Sie (Tahmāsb) weder der Art und Weise

‫ﻣﺎرا ﺣﻴﺮت ﻋﻈﻴﻢ دﺳﺖ ﻣﻲ دهﺪ‬

ʿAlīs des Auserwählten folgen noch der

‫ﻋﻠﻲرا ﺗﺎﺑﻌﻴﺪ و ﻧﻪ روش ﭘﺪر‬

Art und Weise Ihres bedeutenden Vaters.

‫ﮐﻪ ﴰﺎ ﻧﻪ روش ﺣﻀﺮت ﻣﺮﺗﻀﻲ‬ 436

‫ﮐﻼن را‬

Er, ʿObeyd Ḫān, hatte also nicht von Anfang an ein Problem mit Schah Tahmāsb, sondern erst, als dieser der prophetischen šarīʿat nicht mehr folgte und ein Anhänger der Neuerungen und des Abweichens wurde.437 Dass Rūmlū diesen Brief in seine Chronik übernommen hat, zeigt, dass nicht nur die Usbeken in diesem Konflikt religiös zu argumentieren gedachten. Die Herrscher Transoxaniens sahen es also als ihre Pflicht an, die Zustände, die zur Zeit des Propheten geherrscht hatten, wiederherzustellen. Dazu schreckten sie auch vor Gewalt nicht zurück. Das griffen die Chronisten nur zu gerne auf, schon an ihrer Wortwahl wird das deutlich. Rūmlū beschreibt, wie ʿObeyd Ḫān 935 (1528-29) in Mašhad 300 qezelbāš hinrichten ließ.438 Die safawidischen Krieger bezeichnet er als ġāzīyān, als Glaubenskämpfer. Damit impliziert er, sie kämpften gegen Ungläubige. Diese Bezeichnung allerdings kommt bei der Beschreibung der Kämpfe gegen die Osmanen 436 437 438

AT, S. 303. vgl. AT, S. 304. vgl. AT, S. 290.

141

ebenfalls vor. Für den Tod der safawidischen Krieger benutzt er das Wort šahīd kardan, den Märtyrertod erleiden. Dieser Begriff taucht im Zusammenhang mit den Osmanen nicht auf. So entsteht der Eindruck, dass es auch für die Safawiden keineswegs eine ausgemachte Sache war, die Usbeken als Muslime anzusehen. Zuerst aber wiederholt und präzisiert Rūmlū noch einmal einen Vorwurf, den Monšī in allgemeinerer Form schon erhoben hat. Als die Usbeken Herāt besetzt hielten, unterjochten sie wieder einmal die komplette Bevölkerung, im Persischen melodiös mit tork-o-tāǧīk wa dūr-o-nazdīk ausgedrückt. Das sei sogar so weit gegangen, dass man jeden, der nur etwas Besitz hatte, vor den qāḍī schleppen konnte. Dort brauchte man nur zu behaupten, er habe in der Zeit der qezelbāš die ṣaḥābe, die Prophetengefährten verflucht. Dieser bad-baḫt, Elende, der Richter also, verurteilte ihn dann aufgrund der Aussagen zweier kaḏḏāb-e bī-saʿādat, zweier unseliger Lügner zum Tode. Dann wurde das Opfer auf den Bazar gebracht und wie ein gewöhnlicher Dieb hingerichtet.439 Rūmlū nennt im Gegensatz zu Monšī explizit den Zusammenhang zwischen Schiit sein und der Todesstrafe. Im weiteren Verlauf des Aḥsan at-Tawārīḫ töten Usbeken Menschen, einfach nur, weil diese Schiiten sind. Weitere Gründe, wirkliche oder vorgeschobene, werden nicht mehr diskutiert. So befahl ʿObeyd Ḫān, nachdem er 942 (1535-36) ganz Ḫorāsān erobert hatte, alle ġāzīs und tabarrāʾīyān, Schiiten umzubringen, die er finden konnte. Der ḫān-e bī-īmān, der ungläubige Herrscher, ließ dabei jeden Tag fünf bis sechs Menschen töten, bloß weil diese Schiiten waren.440 Insgesamt blieben die Usbeken, schreibt Monšī, 14 Monate in Herāt. Die meisten der gefangenen qezelbāš hatten sie bereits kurz nach der Eroberung nach Boḫarā getrieben und auf dem Weg dorthin umgebracht. Aber immer noch wurden jeden Tag einige Leute auf dem Basar hingerichtet. Eine konkrete Anschuldigung war nicht mehr nötig, es genügte, dass sie der rafḍ wa tašayyoʿ, der Schia anhingen und zwei ǧāhel-e nā-dān, unwissende Ignoranten das bezeugten.441 Die drei Chronisten, Ḫwāndamīr ist dabei etwas zurück439

440 441

142

vgl. AT, S. 291. Auch hier taucht wieder der Vorwurf auf, in Wahrheit sei es den Usbeken weit mehr um das Geld der Hingerichteten gegangen als darum, die Zustände zur Zeit des Propheten wiederherzustellen. vgl. AT, S. 354. vgl. TAAA I, S. 64-65. Da Monšī hier wieder das Wort rafḍ benutzt, darf man zumindest davon ausgehen, dass es beim ersten Mal kein Zufall war.

haltender als die beiden anderen, unterstellen den Usbeken also eine zunehmende Radikalisierung. Doch nicht nur ihnen. Auch auf Seiten der Safawiden hatte sich die Haltung gegenüber Sunniten offenbar verschärft und trieb bisweilen seltsame Blüten. So hatte schon Ḫwāndamīr berichtet, dass der Mann, der in Herāt die moḥālefān-e šāh-e mardān, die Feinde ʿAlīs, also die ersten drei Kalifen nicht verfluchen wollte, von den Anwesenden sofort umgebracht wurde.442 Es fällt auf, dass hier nicht Mitglieder der safawidischen Elite, sondern einfache Soldaten so radikal reagierten. Daher ist davon auszugehen, dass das Geschehen so abgelaufen ist. Eine Verbrämung dieser Geschichte hätte wenig Sinn gemacht, da sie nicht eine vom safawidischen Schah gelenkte Aktion beschreibt, um die es sonst in den Quellen in aller Regel geht. Solche Ausbrüche des Volkszorns bleiben in den Quellen aber die absolute Ausnahme. In aller Regel waren es Mitglieder der regierenden Schicht, denen die Chronisten radikales Vorgehen zuschreiben. Ḥoseyn Ḫān, der safawidische Gouverneur von Herāt, ließ 934 (1527-28) jeden, der kein Schiit war, aus der Stadt treiben. Zuvor hatte er ihnen alles genommen, was sie besaßen. Der Grund dafür sei gewesen, schreibt Rūmlū, dass während der usbekischen Belagerung der Stadt in diesem Jahr die Nahrungsmittel knapp geworden waren.443 Er betont extra, die Leute hätten nicht nur ihre Nahrungsvorräte, sondern auch ihren sonstigen Besitz abgeben müssen. Eine einleuchtende Erklärung, was genau der Gouverneur in so einer Situation mit den Reichtümern der Vertriebenen wollte, bleibt Rūmlū schuldig. Dass in dieser sieben Monate lang belagerten Stadt noch Nahrungsmittel gegen Geld zu kaufen waren, ist aber unwahrscheinlich. Eher kann man annehmen, dass die Sunniten den safawidischen Verteidigern als eine fünfte Kolonne der Usbeken erschienen, die man in so einer Situation nicht um sich haben wollte. Für die osmanischen Belagerungen von Tabrīz und anderer Orte in Aserbaidschan ist ein solcher Exodus der Sunniten in den Chroniken in jedem Fall nicht erwähnt, obwohl es davon im 16. Jahrhundert in dieser Gegend noch mehr als genug gegeben haben dürfte. Das extremste Beispiel für anti-sunnitische Ausfälle, so die Geschichte wahr ist, findet sich in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī. In einer Schlacht zwischen 442 443

vgl. HS, S. 515. vgl. AT, S. 270.

143

Schah Tahmāsb und ʿObeyd Ḫān am 10. moḥarram 935 (23. September 1528) starben 20000 dieser ferge-ʾe ašrār, dieser bösen Schar. Auf ihre Körper wurde ein Stück Papier gelegt, auf dem das Zitat einer Koransure stand: Töte sie, wo immer du sie findest!444 Es gibt zwei Verse mit einem ähnlichen Inhalt, auf die Monšī sich hier beziehen kann. In Sure 4.89

„Sie wünschen, daß ihr ungläubig werdet, wie sie ungläubig sind, und daß ihr ihnen (gleich) seid. Nehmt aber keinen von ihnen zum Freund, ehe sie sich nicht auf Allahs Weg begeben. Und wenn sie (in offener Feindschaft) den Rücken kehren, ergreift und tötet sie, wo immer ihr sie findet. Und nehmt keinen von ihnen zum Freund oder Helfer.“445 geht es um Leute, die nur vorgeben, Muslime zu sein, in Wahrheit aber keine sind. Sure 9.5 handelt von ´echten´ Ungläubigen, von Polytheisten.

„Sind die geschützten Monate aber verflossen, dann tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie findet, und ergreift sie und belagert sie und lauert ihnen aus jedem Hinterhalt auf.“446 Es ist nicht sicher zu sagen, auf welche er sich bezieht, wahrscheinlich aber auf die erste. In jedem Fall steht fest, dass zumindest Teile der staatstragenden Schicht in Persien die Usbeken zu dieser Zeit nicht als Teil der ahl-e eslām sahen. Entsprechende Aktionen waren damit gerechtfertigt. Die Radikalisierung von Teilen der safawidischen Elite ist zwar interessant, hier aber weniger von Belang. Für uns ist viel eher von Bedeutung, dass jeder der drei Chronisten relativ genau darüber berichtet. Sie alle heben die Auseinandersetzung mit den Usbeken damit auf eine Stufe, die sie bei den Osmanen zu vermeiden schienen: In ihren Augen ist es ein Glaubenskonflikt. Ein solcher kann, anders als ein Grenzkonflikt, nicht einfach durch einen Waffenstillstand gelöst werden. Auffällig ist, dass Ḫwāndamīr, Rūmlū und Monšī auch nicht verschweigen, wie Gewalt gegen Schiiten legitimiert wird.

444 445 446

144

vgl. TAAA I, S. 56. vgl. Hofmann (2001), S. 91-92. vgl. Hofmann (2001), S. 160.

3.3.2 Und steht nicht schon bei al-Buḫārī? Die theologische Auseinandersetzung Ein Kapitel, das in den drei untersuchten Quellen nicht seinesgleichen hat, findet sich in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī. Es geht dabei um einen Briefwechsel zwischen den ʿolamāʾ des Schreins von Imam ʿAlī ar-Riḍā aus Mašhad und denen aus Transoxanien, also den usbekischen. Interessant ist nicht nur dessen Inhalt, sondern vor allem, in welcher Ausführlichkeit Monšī darüber berichtet. Kernpunkt der theologischen Auseinandersetzung ist das Problem der Verfluchung der ersten drei Kalifen in Persien, die der usbekische ʿālem scharf verurteilt und theologisch widerlegt. Daraufhin stellt ein persischer Gelehrter die schiitische Sicht der Dinge dar. Wichtig für das Usbekenbild ist, dass Monšī dieses Streitgespräch nicht verschweigt, nicht sein genauer Inhalt. Dennoch ist es nötig, ihn kurz wiederzugeben. Der Schluss, den der usbekische ʿālem ausspricht, scheint der Grund zu sein, warum ein solcher Disput mit den Osmanen nicht erwähnt wird. DAS VERFLUCHEN ʿUMARS IST KETZEREI: DER STANDPUNKT DER SUNNITISCHEN ORTHODOXIE Nachdem die Usbeken weiterhin die Gegend um Mašhad plünderten, schickten die ʿolamāʾ der Stadt einen Brief nach Transoxanien mit der Bitte, die usbekischen Theologen mögen ihren Einfluss geltend machen, um das Plündern zu stoppen. Die Antwort fiel relativ klar aus. Natürlich sei es nicht in Ordnung, wenn das Hab und Gut von Muslimen, die das Glaubensbekenntnis abgelegt haben, geplündert werde. Solange sich ein Muslim nichts zu Schulden kommen lasse und nach den Sitten seiner Vorfahren lebe, sei sein Eigentum unantastbar. Aber wenn jemand …trotz des Sprechens des Glaubensbekenntnisses, die edle sunnitische Lehre

‫…ﺑﺎ ﺗﻜﻠﻢ ﺑﺎﻳﻦ آﻠﻤﺔ ﻃﻴﺒﺔ‬ ‫ﻣﺬهﺐ اهﻞ ﺳﻨﺖ و ﲨﺎﻋﺖ آﻼم‬

und die Gesellschaft der Theologie der ʿolamāʾ und der frommen Leute vollkommen verlassen hat und Gläubige von ihrem ersten Glauben abgebracht hat hin

‫ﻣﻬﺠﻮر ﮔﺮداﻧﺪ و ﻣﺆﻣﻨﺎﻧﺮا ﺑﺎ‬

zur Erklärung des niederträchtigen schiitischen Weges, wenn er die (rituelle)

‫ﻟﻌﻦ ﺣﻀﺮات ﺷﻴﺨﲔ و ذوي اﻟﻨﻮﻳﻦ‬

‫ﻋﻠﻤﺎء و اﺗﻘﻴﺎء را ﺑﺎﻟﻜﻠﻴﻪ‬ ‫اﳝﺎن اول ﻧﮕﺬاﺷﺘﻪ اﻇﻬﺎر‬ ‫ﻃﺮﻳﻘﻪ ﺷﻨﻴﻌﻪ ﺷﻴﻌﻪ ﳕﻮد ﺳﺐ و‬

145

Schmähung und Verfluchung der ehrwürdigen ersten drei Khalifen und einiger der unbefleckten Frauen (des

‫و ﺑﻌﻀﻲ از ازواج ﻃﺎهﺮات‬ 447

…‫رﺿﻮان اﷲ ﺗﻌﺎﱄ آﻪ آﻔﺮ اﺳﺖ‬

Propheten), Gottes Zufriedenheit sei über ihnen, was Unglaube ist…

erlaubt hat, dann seien alle muslimischen Herrscher, sogar die Gläubigen insgesamt, gehalten, ihn zu töten, als höchsten Akt der wahren Religion. So habe es Gott befohlen. Des Weiteren seien die Zerstörung ihrer Häuser und die Plünderung ihres Eigentums erlaubt. Jeder intelligente Mensch, so fährt der usbekische ʿālem fort, werde einsehen, dass die ersten drei Kalifen dadurch, dass sie Gefährten des Propheten waren, ihm Gehorsam schworen und treu dienten, ihm folgten im Kampf gegen die koffār, frei seien von allen Fehlern und das Paradies verdienten. Sie seien durch Heiraten mit dem Propheten verbunden gewesen und Gott habe sie dessen Gefährten genannt. Der Prophet selbst habe größte towqīr wa eḥterām, Hochachtung vor ihnen gezeigt und sie seien in vielen aḥādīṯ erwähnt. Der usbekische Gelehrte kommt zu folgender Schlussfolgerung: Ihre Vollkommenheit zu leugnen (ist) die Vollkommenheit des Abweichens (vom Wege) und des Verlassens (des Weges) und in der Tat die Verneinung des Koran.

‫… ﻣﻨﻜﺮ آﻤﺎل اﻳﺸﺎن در آﻤﺎل‬ ‫ﮔﻤﺮاهﻲ و ﺧﺬﻻن و ﰲ اﳊﻘﻴﻘﻪ‬ 448 …‫ﻣﻨﻜﺮ ﻗﺮﺁن‬

In diesem Zusammenhang, fährt er fort, muss noch der Amīr al-Muʾminīn ʿAlī erwähnt werden. Er war ein Zeitgenosse der ersten Kalifen und folgte und gehorchte diesen. Daher übersehen all jene Leute, die dem Propheten in diesem Punkt, in seinem Respekt gegenüber Abū Bakr, ʿUmar und ʿUṯmān, einen Fehler unterstellen, dass dann auch ʿAlī einen Fehler gemacht hat. Des Wieteren solle man ʿĀʾīša nicht verfluchen, denn der Prophet liebte sie und im Koran steht: „Schlechte Frauen sind für schlechte Männer, und schlechte Männer sind für schlechte Frauen! Und gute Frauen sind für gute Männer,

447 448

146

TAAA II, S. 390. TAAA II, S. 390-391.

und gute Männer sind für gute Frauen!“449 Damit sei klar, wohin Kritik an des Propheten Frau zwangsläufig führe. Selbst der niederste Mann auf dem Bazar ist entsetzt, wenn man seine Frau beleidigt. Wie kann man dann so etwas zur Frau des Propheten sagen, wie einige Schiiten es tun? Der usbekische ʿālem stellt fest, dass man aufgrund des safawidischen Standpunkts in dieser Frage nur zu einem Schluss kommen kann: Es ist wiederholt bewiesen worden, dass das, was die niederträchtige Gemeinschaft der Schiiten sagt, sie außerhalb der Muslime und des Glaubens wirft.

‫…ﺁﻧﭽﻪ ﺑﺘﻮاﺗﺮ ﺛﺎﺑﺖ ﺷﺪﻩ آﻪ‬ ‫ﲨﺎﻋﺖ ﺷﻨﻴﻌﺔ ﺷﻴﻌﻪ ﻣﻴﮕﻮﻳﻨﺪ از‬ ‫زﻣﺮة اهﻞ اﺳﻼم و اﳝﺎن‬ 450 ‫ﺑﲑوﻧﻨﺪ‬

Das führt den sunnitischen Gelehrten sofort zu einer konkreten Handlungsanweisung an alle gläubigen Sunniten. Es sei nach dem islamischen Gesetz klar, dass …das Töten und Plündern des Reich-

‫…ﻗﺘﻞ و ﻏﺎرت اﻣﻮال و ﺳﻮﺧﱳ و‬

tums und das Verbrennen und Zerstören der Felder, Häuser und Gärten der Ungläubigen gestattet ist.

451

‫وﻳﺮان آﺮدن زراﻋﺎت و ﻋﻤﺎرات‬ ‫و ﺑﺎﻏﺎت اهﻞ آﻔﺮ ﺟﺎﻳﺰ اﺳﺖ‬

Die Gärten der Stadt Mašhad, die die schiitischen ʿolamāʾ mit ihrem Brief zu schützen gesucht hatten, seien überhaupt kein islamisches Land, sondern dār al-ḥarb, mit allen Konsequenzen für die Handlungen der usbekischen Armee, auch hier als laškar-e eslām, als Armee des Islam bezeichnet.452 DAS VERFLUCHEN ʿUMARS ALS RELIGIÖSE PFLICHT: DIE SICHTWEISE DES MOWLĀNĀ MOḥAMMAD MOŠKAK-E ROSTAMDĀRĪ Die Antwort der ʿolamāʾ aus Mašhad ließ nicht lange auf sich warten. Formuliert wurde sie von einem seyyed des Schreins, Mowlānā Moḥammad Moškak-e Rostamdārī. Auch bei diesem Brief scheint Monšī nichts weg449

vgl. Hofmann (2001), Sure 24.26, S. 285.

450 451

TAAA II, S. 391. TAAA II, S. 391.

452

Für den kompletten Brief siehe: TAAA II, S. 390-392.

147

gelassen zu haben. Zuerst einmal gibt sich der Safawide konzilianter als sein Gegenüber und stellt fest, dass beide, der ṭarīq-e šīʿe wa sonnī, der schiitische und der sunnitische Weg mit Gottes Befehlen kompatibel seien. Jede Seite habe ihre eigenen aḥādīṯ, aber es gebe auch solche, die beiden gemeinsam seien. Diese solle man nicht vergessen zu Gunsten der inkompatiblen. Dann aber macht sich Rostamdārī daran, die usbekische Argumentation zu widerlegen. Diese sei folgendermaßen aufgebaut: der Prophet habe die ersten drei Kalifen gepriesen und seine Äußerungen seien von Gott inspiriert. Daher habe auch Gott Abū Bakr, ʿUmar und ʿUṯmān gepriesen und wer Muhammad in diesem Punkt widerspreche, der widerspricht Gott. Die Schiiten also stellen sich göttlichen Offenbarungen entgegen, was sie zum Feind aller Muslime mache, denn: Gegnerschaft zu göttlichen Offenbarungen ist Unglaube.

453

‫ﳐﺎﻟﻔﺖ وﺣﻲ آﻔﺮ اﺳﺖ‬

Dieselbe Argumention fordere es aber geradezu, die ersten drei Kalifen zu verfluchen und ihre Anspüche auf das Kalifat zurückzuweisen. Als Beweis dafür gibt Rostamdārī das Šarḥ-e Mowāqef des Āmidī an, eines der größten sunnitischen Gelehrten.454 In diesem Werk stehe, dass es, als Muhammads Tod absehbar war, Unstimmigkeiten bezüglich seiner Nachfolge gab. Daher befahl der Prophet auf seinem Totenbett, ihm etwas zu schreiben zu bringen. Er wollte verhindern, dass die Muslime nach seinem Tod wieder dem Irrtum anheim fallen. ʿUmar aber rāḍī na-šod, war damit nicht einverstanden. Er sagte, wir haben Gottes Buch, das ist genug für uns. Daraufhin fingen die Gefährten an zu diskutieren, bis der Prophet wütend wurde und sie fortschickte. Diese Geschichte, so Rostamdārī, findet sich auch im Ṣaḥīḥ von al-Buḫārī und 453

TAAA II, S. 393.

454

Es ist nicht klar, wen genau Monšī hier meint. Am ehesten dürfte es sich um den arabischen Theologen Sayf ad-Dīn al-Āmidī [551 (1156-57) - safar 631 (6. November–4. Dezember 1233)] handeln. Unter seinen Werken findet sich allerdings keines mit dem Namen Šarḥ-e Mowāqef, siehe: Brockelmann, Carl, Geschichte der arabischen Literatur. Erster Supplementband, S. 678. Aufgrund seiner Lebensgeschichte ist es des Weiteren fraglich, ob ein sunnitischer ʿālem ihn ebenfalls als einen der größten seiner Zunft bezeichnet hätte.

148

in nahezu allen anderen sunnitischen ḥadīṯ-Sammlungen.455 Bei einer weiteren Gelegenheit widersprach der spätere zweite Kalif dem Propheten noch einmal.456 Daraus folgert Rostamdārī: ʿUmars Weigerung ist die Zurückweisung göttlicher Offenbarung und die Zurückweisung göttlicher Offenbarung ist Unglaube.

‫ﻧﻔﻲ آﻪ ﻋﻤﺮ آﺮد رد وﺣﻲ اﺳﺖ و رد‬ ‫وﺣﻲ آﻔﺮ اﺳﺖ‬

457

Jemand, der Gottes Wort zurückweise, sei des Kalifats nicht würdig. Damit habe er den kofr-e ʿUmar bewiesen. Nun wendet sich Rostamdārī den beiden nächsten Kalifen zu. Jede sunnitische Rechtsschule sagt, so fährt er fort, dass alle drei Kalifen waren. Nach seinem hier geführten Beweis ist diese Annahme für ʿUmar aber falsch. Daher können auch Abū Bakr undʿUṯmān keine gewesen sein, denn das verstieße gegen den eǧmāʿ, den Konsens in der sunnitischen Welt, alle drei seien Kalifen gewesen.458 Dass auch ʿUṯmān nicht fehlerfrei war, habe er gezeigt, als er einen vom Propheten aus Medina verbannten Mann zurück in die Stadt holte. Das 455

vgl. TAAA II, S. 393. Das Ṣaḥīḥ des Abū ʿAbdallāh Muḥammad b. Ismāʿīl alBuḫārī ist die erste ḥadīṯ-Sammlung der islamischen Geschichte. Eine ausführliche Beschreibung liefert Goldziher, siehe: Ignaz Goldziher, Muhammedanische Studien. Zweiter Teil, S. 234-245.

456

Vor der Entsendung einer Armee nach Syrien kam es zum Streit zwischen Muhammad und einigen seiner Anhänger, unter ihnen Abū Bakr, ʿUmar und ʿUṯmān, die gegen den vom Propheten eingesetzten Heerführer protestierten, vgl. TAAA II, S. 393. TAAA II, S. 393. vgl. TAAA II, S. 394. Der sunnitische ʿālem hatte zuvor des Öfteren mit dem Konsens in der sunnitischen Welt argumentiert und die Schiiten damit außerhalb des Islams gestellt. An dieser Stelle ist ein Druckfehler im Text:

457 458

…dass, wenn ʿUmar kein Kalif sei und ʿUmar und ʿUṯmān Kalif(en) seien…

‫…اﻳﻨﻜﻪ ﻋﻤﺮ ﺧﻠﻴﻔﻪ ﻧﺒﺎﺷﺪ و‬ …‫ﻋﻤﺮ و ﻋﺜﻤﺎن ﺧﻠﻴﻔﻪ ﺑﺎﺷﻨﺪ‬

Anstatt des zweiten ʿUmar muss hier natürlich Abū Bakr stehen. Es gibt drei Möglichkeiten, wann dieser Fehler entstanden sein kann. Dass Rostamdārī selbst in seinem Brief den ersten mit dem zweiten Kalifen verwechselt hat, darf als ausgeschlossen gelten. Hätte Monšī es falsch in seine Quelle übernommen, müsste das in der publizierten Form eigentlich per Fußnote richtiggestellt sein. So ist es am wahrscheinlichsten, dass es sich nur um einen Druckfehler in der Edition handelt.

149

…ist Zurückweisung des Wortes des Propheten und (damit) Unglaube.

459

‫… رد ﺳﺨﻦ ﺣﻀﺮﺗﺴﺖ و آﻔﺮ اﺳﺖ‬

Gegen Abū Bakr schließlich führt Rostamdārī an, er habe Fāṭima schlecht behandelt. Der erste Kalif hatte nach dem Tode des Propheten dessen Tocher das ihr zustehende Erbe verweigert. Auch dazu gebe es einen passenden ḥadīṯ, zu finden wiederum im Ṣaḥīḥ des al-Buḫārī: Wer immer sie ärgert, ärgert mich.460 Damit schließt Rostamdārī seine Anklage gegen die ersten drei Kalifen, sein Fazit lautet: Der Gefährte des Propheten zu sein ist kein Beweis für gute Eigenschaften.

‫ﺻﺎﺣﺐ ﭘﻴﻐﻤﺒﺮ ﺑﻮدن دﻟﻴﻞ ﺧﻮﺑﻲ‬ 461

‫ﻧﻴﺴﺖ‬

Nachdem er noch kurz erklärt hat, warum all die Kritik an den Gefährten des Propheten ʿAlī nicht betrifft, kommt auch Rostamdārī zu seiner abschließenden, teils sogar überraschend versöhnlichen Feststellung: Die Namen der drei Kalifenwerden niemals einem Schiiten über die Lippen kommen und wenn unwissende Schiiten auf der Notwendigkeit der (rituellen) Verfluchung bestehen, sind ihre Worte nicht gültig. Genauso aber steht, wenn unwissende Sunniten auf der Notwendigkeit bestehen, Schiiten umzubringen, eine derartige Handlung nicht im Einklang mit den Gedanken der Vorfahren und Betrachtungen der Nachkommen.

459 460

461 462

150

‫ﻧﺎم ﺧﻠﻔﺎي ﺛﻼث هﺮ ﮔﺰﺑﺮزﺑﺎن‬ ‫ﺷﻴﻌﻪ ﺟﺎري ﻧﺸﻮد اﮔﺮ ﺟﺎهﻼن‬ ‫ﺷﻴﻌﻪ ﺣﻜﻢ ﺑﻮﺟﻮب ﻟﻌﻦ آﻨﻨﺪ ﺳﺨﻦ‬ ‫اﻳﺸﺎن ﻣﻌﺘﱪ ﻧﻴﺴﺖ هﻤﭽﻨﺎﻧﻜﻪ‬ ‫ﺟﺎهﻼن اهﻞ ﺳﻨﺖ ﺣﻜﻢ ﺑﻮﺟﻮب ﻗﺘﻞ‬ ‫ﺷﻴﻌﻪ ﻣﻴﻜﻨﻨﺪ و اﻳﻦ ﺣﻜﻢ ﻣﻄﻠﻘﴼ‬ ‫ﻣﻘﺘﻀﻲ ا ﻓﻜﺎرﺳﻠﻒ و اﻧﻈﺎرﺧﻠﻒ‬ 462

‫ﻧﻴﺴﺖ‬

TAAA II, S. 394. vgl. TAAA II, S. 395. Das ist die schiitische Sichtweise des Streits um das Erbe Muhammads. Die sunnitische beschreibt Rassoul, siehe: Muhammad Rassoul, Die Rechtgeleiteten Kalifen, S. 39-40. TAAA II, S. 395. Der Prophet Josef habe sogar zwei Männer, die bot-parast, Götzenanbeter waren, seine Gefährten genannt. TAAA II, S. 396.

3.4

Ähnliche Voraussetzungen, andere Schlussfolgerungen: Mögliche Gründe für den osmanisch-usbekischen Kontrast

Das Bild der Usbeken unterscheidet sich in einigen Punkten ganz wesentlich von dem der Osmanen. Woher kommt das? Durch einen Blick auf die östlichen Nachbarn der Safawiden ist es möglich, die Intention der persischen Geschichtsschreibung des 16. Jahrhunderts näher zu bestimmen. Ging es um die Abbildung bestehender Verhältnisse, so wie die Chronisten diese wahrnahmen, oder doch eher darum, die eigene Heilsgeschichte zu erzählen, um derentwillen das eine oder andere Detail angepasst werden musste? Des Weiteren ist die Berichterstattung der einzelnen Chronisten über die Usbeken von Interesse. Ḫwāndamīr urteilt zurückhaltend, teils sogar milde über Mohammad Ḫān-e Šeybānī und seine Nachfolger, wohingegen Rūmlū manchmal sehr scharfe Kritik übt. Damit präsentiert sich hier das genau umgekehrte Bild wie bei den Osmanen. Es scheint also tatsächlich weitere Faktoren gegeben zu haben, die die Schreiber safawidischer Chroniken zusätzlich beeinflussten. 3.4.1 Macht Angst Chronisten doch gefügig? Alle drei Chronisten begegnen den Sultanen mit einer gewissen Ehrfurcht. Selbst Selim I., sonst vor allem negativ dargestellt, wird von Rūmlū zugestanden, dass er die Beleidigung, einen Frauenschleier geschenkt zu bekommen, nicht hinnehmen könne.463 Ein solcher Umgang mit einem Herrscher gebührt sich seiner Meinung nach einfach nicht. Monšī geht sogar noch weiter. Teilweise lobt er etwa Süleyman in solchen Tönen, dass man das Gefühl bekommt, es gehe in Wahrheit um den Schah von Persien. Vor allem der Sekretär Schah ʿAbbās´, mehr als alle anderen ein Anhänger der Monarchie, scheint den osmanischen Sultanen aufgrund ihrer Geburt einen gewissen Nimbus zuzugestehen. Dieser fehlt bei den Usbekenherrschern völlig. Sie werden ausschließlich negativ dargestellt. Sie seien rachsüchtig, kleinkariert, es nicht einmal wert, gefangen genommen zu werden. Woher kommt diese Diskrepanz in der Darstellung? Einiges, was den Sultanen sehr positiv angerechnet wird, besaßen die Ḫāne aus Transoxanien ebenfalls. So beschreibt Rūmlū etwa die Herkunft

463

vgl. AT, S. 188.

151

ʿObeyd Ḫāns und führt seine Ahnenreihe bis auf Čengīz Ḫān zurück.464 Das Prädikat einer bedeutenden Abstammung konnte also auch dieser Herrscher für sich beanspruchen: Genützt hat es ihm wenig. Seine Darstellung bleibt negativ, auch wenn von den Chronisten sonst positiv bewertete persönliche Eigenschaften nicht verschwiegen werden. So lobt Rūmlū, ʿObeyd Ḫān sei unerreicht gewesen in der Poesie.465 Da in der perischen Gesellschaft diese Kunstform einen besonders hohen Stellenwert genießt, überrascht es doch, dass sich das kaum auf das Gesamtbild dieses Usbekenherrschers auswirkt. Selbst Sultan Selim I. wurde seine schöngeistige Seite positiv angerechnet. Während es den safawidischen Chronisten ein gewisses Bedürfnis gewesen zu sein scheint, den Stand der Sultane gewürdigt zu wissen, interessieren sie sich bei den Usbeken nicht einmal für deren körperliche Unversehrtheit. Alle drei beschreiben mit einer gewissen Häme die Schändung der Leiche des Mohammad Ḫān-e Šeybānī. Die Chronisten waren nie bereit, den Usbeken den Status einer Dynastie auf Augenhöhe der Safawiden zuzugestehen. Bei den Osmanen setzten sie diesen voraus. Die Usbeken, da sind sich alle drei Chronisten einig, waren wesentlich brutaler als die Osmanen. Dieser Vorwurf bleibt das gesamte 16. Jahrhundert hindurch konstant, unabhängig von den handelnden Personen auf beiden Seiten. Auf jeden Bericht über eine Stadt, die an die Usbeken verloren ging, folgen fast zwangsläufig Schilderungen von deren Grausamkeiten. Aufgrund seiner beinahe stereotypen Form sagt dieser Vorwurf kaum etwas über reales Verhalten aus. Es bleibt festzuhalten, dass uns die Usbeken in den Chroniken als deutlich grausamer erscheinen als die Osmanen. Von weit größerem imagologischen Interesse ist die angeführte Legitimation der ausufernden Gewalt: der religiöse Gegensatz. Bei den Osmanen praktisch nicht erwähnt, wird er bei den Usbeken gleich auf verschiedensten Ebenen behandelt. Es finden sich Berichte von ausbrechendem Volkszorn, Dispute zwischen dem Ḫān und dem Schah und schließlich eine Gelehrtendebatte. Den Chronisten scheint es ein gewisses Anliegen gewesen zu sein, die islamische Glaubensspaltung und ihre Bedeutung hervorzuheben.

464 465

152

vgl. AT, S. 380. vgl. AT, S. 381.

Doch war das Osmanische Reich der Vertreter der sunnitischen Orthodoxie und nicht die Usbeken. Wieso also wird in den Chroniken der Konflikt nicht mit ihnen ausgefochten? Die Antort darauf gibt keiner der Chronisten selbst, sondern der usbekische ʿālem, den Monšī zitiert. Dieser sagt, vom Standpunkt des sunnitischen Islam seien die Safawiden keine Muslime, ihr Gebiet Teil des dār al-ḥarb und sie müssten von allen Gläubigen bekämpft werden.466 Ein solches Urteil des şeyhülislām hätte eine ungleich größere Tragweite gehabt, die Chronisten scheinen es gefürchtet zu haben. Dieser Gegensatz zu den Osmanen hätte zu einem Problem geführt, das anders als Grenzstreitigkeiten nicht diplomatisch zu lösen gewesen wäre. Daher wollten die Chronisten es nicht zu stark in den Mittelpunkt rücken. Anders lässt sich nicht plausibel erklären, warum Monšī den ṣadr und den şeyhülislām lieber über Burgen im Kaukasus streiten lässt als über die Verfluchung ʿUmars. Die Usbeken flößten der safawidischen herrschenden Schicht, und die Chronisten waren ein Teil davon, niemals denselben Respekt ein wie die Osmanen. Das macht sich sowohl im Inhalt als auch in der Wortwahl der Chroniken bemerkbar. 3.4.2 Beiße nie die Hand, die dir Seide abkauft? Der Fokus der Schreiber liegt fast ausschließlich auf den militärisch-politischen Entwicklungen in Persien und seinen Nachbarstaaten, über etwas anderes berichten sie kaum. Dabei liefert einer dieser in den Quellen nie erwähnten Bereiche, der Handel, einen weiteren möglichen Grund, warum das Osmanenbild so ungleich milder ausfällt als das der Usbeken. Gemeint ist hier nicht der kleine Grenzverkehr, den hat es zu allen Zeiten und über alle Grenzen hinweg gegeben. Es geht um den internationalen Seidenhandel aus dem safawidischen Reich in das osmanische und weiter nach Europa.467 Die Bedeutung der Seidenstraße für die safawidische Wirt466 467

vgl. TAAA II, S. 390-392. Dem Seidenhandel zwischen Persien und Europa im 16. Jahrhundert wird in letzter Zeit mehr und mehr Aufmerksamkeit gewidmet, siehe: Ina Baghdiantz McCabe, The Shah´s Silk for Europe´s Silver. The Eurasian Trade of the Julfa Armenians in Safavid Iran and India (1530-1750), S. 22-34; Edmund M. Herzig, „The Rise of the Julfa Merchants in the Late Sixteenth Century“ in: Safavid Persia. The History and Politics of an Islamic Society, hrsg. von Charles Melville,

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schaft ist kaum zu unterschätzen, wie der Seidenboykott Sultan Selims nach der Schlacht von Čalderān zeigte.468 Im gesamten Verlauf des 16. Jahrhunderts hatten Kriege zwischen Osmanen und Safawiden immer einen direkten Einfluss auf die Einnahmen beider Seiten. Willem Floor hat nachgewiesen, wie Handelsvolumen und Erträge auf beiden Seiten der Grenze zurückgingen, wenn sich die Staaten im Krieg befanden.469 Als rohstoffarmes Land, in dem zusätzlich noch fruchtbarer Boden für den Ackerbau rar war, konnte Persien auf die Gewinne aus dem Seidenhandel nicht verzichten. Es ist anzunehmen, dass sich besonders Monšī als Hofschreiber dieser Tatsache bewusst war. Fraßen die Chronisten Kreide, um ihren Handelspartner nicht zu verärgern? Dass dieser ihre Werke lesen konnte, haben wir gesehen. Die Usbeken mit harten Worten zu verärgern bedeutete hingegen ein Risiko, das man eingehen konnte. Der Handel mit Zentralasien war im 16. Jahrhundert praktisch nicht existent.470 Zwar ist bisher nicht gesichert, inwieweit die safawidischen Chroniken im Usbekenreich verbreitet waren; da die Safawiden aber wenig Abhängigkeiten nach Zentralasien hatten, ist kaum anzunehmen, dass die Chronisten darauf Rücksicht genommen hätten. Sie urteilten über die, die sie militärisch weniger fürchteten und finanziell weniger brauchten, ungleich härter. Es ist allerdings mehr als fraglich, ob die Osmanen sich aufgrund verbaler Kritik dazu hätten hinreißen lassen, den Handel mit den Safawiden einzustellen. Denn dieser war auch für sie von Bedeutung.471 Die Summen, die dem

468 469 470 471

154

S. 316-318; Willem Floor, „The Dutch and the Persian Silk Trade“ in: Safavid Persia. The History and Politics of an Islamic Society, hrsg. von Charles Melville, S. 323-327. Spätestens im 17. Jahrhundert bekam dieser Handel auch eine politische Dimension, siehe: Rudi Matthee, „Anti-Ottoman Politics and Transit Rights. The Seventeenth-Century Trade in Silk between Safavid Iran and Muscovy”, Cahiers du Monde russe 35, S. 739-762; Willem Floor und Mohammad H. Faghfoory, The First Dutch-Persian Commercial Conflict. The Attack on Qeshm Island, 1645, Costa Mesa 2004. Die Auswirkungen dieses Boykotts beschreibt Floor, siehe: Floor (2000), S. 216219. vgl. Floor (2000), S. 219. vgl. Floor (2000), S. 228-232. Den Seidenhandel aus Persien über Bursa nach Europa im 16. Jahrhundert beschreibt İnalcik, siehe: Halil İnalcik, „Part I. The Ottoman State: Economy and

osmanischen Fiskus durch die Einnahmen aus dem Seidenhandel zukamen, waren beachtlich. Auf sie zu verzichten hätte auch den Sultan geschmerzt. Alles in allem erscheint es eher unwahrscheinlich, dass der Seidenhandel zwischen dem Osmanischen Reich und Persien einen ausreichenden Grund darstellte, das Osmanenbild in safawidischen Chroniken schönzufärben. Zwar war dieser Handel für die Perser von enormer Bedeutung, aber für die Osmanen eben auch. Die militärische Bedrohung dagegen ging, vor allem nach 1514, doch eindeutig von den Osmanen aus und nicht umgekehrt. Wenn also Ḫwāndamīr, Rūmlū und Monšī das Bild, das sie von den Osmanen zeichnen, den realen Gegebenheiten anpassen, dann eher aus militärischen als aus ökonomischen Interessen. Dass diese dabei eine Nebenrolle spielten, ist freilich nicht ausgeschlossen.

Society, 1300-1600” in: An Economic and Social History of the Ottoman Empire, 1300-1914, hrsg. von ders., S. 218-252.

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4

ZWISCHEN ‘EFRÌT UND ROSTAM: DER OSMANE IN SAFAWIDISCHEN AUGEN

4.1

Die Intention safawidischer Geschichtsschreibung und ihre Auswirkung auf das Türkenbild

Wer die drei untersuchten Chroniken geschrieben hat, ist bekannt und der Kreis der Leser für unseren Zweck zufriedenstellend eingegrenzt. Eine weitere Variable, ohne deren Beantwortung eine inhaltliche Beurteilung jeder historischen Quelle nicht abschließend möglich sein wird, ist die Intention. Warum wurden diese Chroniken geschrieben? Ohne eine Antwort darauf wird es nicht möglich sein, ihrem Inhalt gerecht zu werden. Das Hauptanliegen der drei Schreiber war die Legitimation der safawidischen Dynastie. Im Ḥabīb as-Siyar und im Aḥsan at-Tawārīḫ, beide als Weltgeschichten angelegt, erscheint die Machtergreifung Schah Esmāʿīls als historische Notwendigkeit, Monšī dagegen geht in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī, einer reinen Dynastiegeschichte, nicht ausführlich auf die Vorgänger der Safawiden ein.472 Er setzt die Legitimation ihrer Macht voraus, untermauert durch die Abstammung Schah ʿAbbās´ von ʿAlī b. Abīṭālib.473 Auf das Türkenbild der Chronisten hat es keinen Einfluss, ob es sich bei ihrem Werk um eine Welt- oder Dynastiegeschichte handelt. Das zeigt sich an den deutlichen Unterschieden bei Ḫwāndamīr und Rūmlū. Ohnehin spielt die Vergangenheit der Osmanen kaum eine Rolle. Eine hohe Geburt aber, Ergebnis ihrer großen Geschichte, gestehen ihnen die drei Chronisten mehr oder weniger zu. Auch behandeln sie das Thema Osmanisches Reich prinzipiell alle gleich, denn dieses hat den immer gleichen Zweck zu erfüllen. Seine Sultane erscheinen als Gegenstücke zu den Herrschern Persiens, seine Soldaten als deren Feinde auf dem Schlachtfeld. Eine umfassende Darstellung war dabei nie das Ziel, die Osmanen sollten reine Rollenspieler sein. Dies ist auch der Grund, weshalb es nicht möglich ist, ein lebendiges Bild wenigstens einzelner Sultane aus den Chroniken zu zeichnen. Diese beschränken sich ausschließlich 472 473

156

Zur Unterscheidung zwischen zwischen Welt- und Dynastiegeschichten in der safawidischen Historiographie siehe: Quinn (2000), S. 25-28. vgl. TAAA I, S. 7.

auf den militärisch-politischen Bereich, zu einer tiefer gehenden Auseinandersetzung mit der osmansichen Gesellschaft kommt es nicht. Folglich schrieben Ḫwāndamīr, Rūmlū und Monšī auch nur Dinge von den Osmanen nieder, die ihnen für diesen Bereich von Bedeutung schienen. Ob Selim II. ein netter oder kunstinteressierter Mensch war, spielte für sie schlicht keine Rolle. Das hat auf der anderen Seite natürlich zur Folge, dass die Figuren uns unbeweglich und leblos erscheinen. Diese Beschränkung betrifft allerdings nicht die Osmanen allein, auch von Tahmāsb wird uns über seine militärischen Aktivitäten hinaus kaum etwas mitgeteilt. Die drei Chroniken erzählen eine politische Geschichte Persiens und seiner Nachbarn von oben, gesellschaftliche und persönliche Entwicklungen interessierten die Schreiber nicht. „Geschichtsschreibung ist Weglassung, sie ist Auslassung und Selektion.“474 Diese Einschätzung, gegeben von Jörg Baberowski für die moderne Historiographie, beschreibt die Arbeitsweise der safawidischen Chronisten sehr genau. Sie haben sie allerdings, anders als moderne Geschichtsschaffende, nicht als Problem wahrgenommen. Vor allem Ḫwāndamīr hatte in dieser Hinsicht die Gnade der frühen Geburt. Denn die Aussage des berühmten amerikanischen Geschichtstheoretikers Hayden White, dass wir alle frei seien, die Geschichte so zu verstehen, wie es uns gefällt, so wie wir frei seien, mit ihr zu tun, was wir wollen,475 kann man beinahe als Grundkonstante des Ḥabīb as-Siyar bezeichnen. Gemessen an den Anforderungen an den heutigen Historiker und seine Werke, die nicht zuletzt Whites Buch Metahistory formuliert hat, erscheint Ḫwāndamīrs Osmanenbild eher als literarisches, denn als historiographisches Produkt. Das ist nicht zuletzt der Intention der safawidischen Geschichtsschreibung geschuldet.

4.2

Historiographie als Abbild der Historie: Die steigende Bedeutung der Osmanen

Historiographie sei, so sagte J.R.Walsh, genauso das Ergebnis wie auch das Aufschreiben von Ereignissen.476 Auf die in dieser Studie verwendeten Quellen 474 475 476

Jörg Baberowski, Der Sinn der Geschichte. Geschichtstheorien von Hegel bis Foucault, S. 209. Hayden White, Metahistory. Die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa, S. 563 vgl. Walsh (1962), S. 197

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trifft das nahezu uneingeschränkt zu. Letzteres zeigt sich gleich zu Beginn der safawidischen Geschichtsschreibung, ersteres natürlich erst im Laufe der Zeit. Im vierten Band des Ḥabīb as-Siyar spielen die Osmanen eine ungleich geringere Rolle als in den beiden späteren Chroniken. Das ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass es im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts in den für die persischen Schreiber interessanten Bereichen noch nicht so viele Kontakte zwischen Osmanen und Safawiden gab, über die zu berichten gewesen wäre. So bleibt das einzige Ereignis, über das Ḫwāndamīr ausführlich informiert, die Schlacht von Čalderān. Auch scheint sein Verhältnis zum westlichen Nachbarn im Vergleich zu Rūmlū und Monšī eher unverkrampft, was sich bei ihm vor allem durch scharfe Kritik äußert. Im Laufe des 16. und frühen 17. Jahrhunderts intensivierten sich die Beziehungen. Im Zuge dieses Wandels zeigt sich, dass bei den Safawiden Historiographie ebenfalls das Ergebnis von Ereignissen ist. Sowohl Rūmlū als auch Monšī kannten viel mehr Fakten über die Osmanen. Dieses Wissen schrieben sie auf und es beeinflusste gleichzeitig die Art und Weise, wie sie es taten. Der Leser des Aḥsan at-Tawārīḫ und der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī bekommt mehr und mehr den Eindruck, noch etwas wirke auf das Bild der Türken, der Umgang mit ihnen erscheint verkrampft. Vor allem aber nimmt als Ergebnis der Expansion der Osmanen nach Osten und Südosten auch der Platz, den sie in den safawidischen Chroniken einnehmen, kontinuierlich zu. Da Rūmlū und Monšī versuchen, alle Gebiete Persiens zumindest kurz zu beschreiben, kommen die Osmanen zwangsläufig gehäuft vor, denn ihre Präsenz betraf alle Provinzen zwischen Georgien und Ḫūzestān. In den Hochzeiten der osmanischpersischen Auseinandersetzungen um Aserbaidschan räumt Monšī beiden Seiten sogar fast gleich viel Raum ein. Als Gegenbeispiel kann man die Geschichte des Usbekenreiches und sein Bild in den safawidischen Chroniken heranziehen. Dessen Präsenz im Ḥabīb as-Siyar ist deutlich größer als die der Osmanen Das liegt vor allen an den Auseinandersetzungen dieser beiden Staaten um die reiche Provinz Ḫorāsān, was Ḫwāndamīr beinahe dazu zwang, sich intensiv mit den Usbeken auseinanderzusetzen. Im Aḥsan at-Tawārīḫ ebenfalls noch von Bedeutung, treten sie in der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī mehr und mehr in den Hintergrund. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts war die Macht der Ḫāne weitgehend gebrochen, ihre Einfälle auf safawidisches Gebiet wurden zusehends weniger.

158

Das Interesse Monšīs richtete sich, bedingt vor allem durch die politische Situation, mehr nach Westen. Ein Grund für das Verhalten der Schreiber im Umgang mit Osmanen und Usbeken dürfte sein, dass es sich bei allen drei Werken um offizielle Chroniken handelt. Ḫwāndamīr, Rūmlū und Monšī schrieben die offizielle Sicht der persischen Oberschicht, von der sie alle ein Teil waren, im Falle der Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī sogar fast die des Herrschers selbst nieder. Es ist anzunehmen, dass in inoffiziellen Chroniken der Zusammenhang zwischen politischer Situation und literarischem Erzeugnis nicht so eng ist. Die Zunahme an Bedeutung, die die Osmanen im Laufe des untersuchten Zeitraums durchlaufen, ist einer der ganz wenigen Bereiche des safawidschen Türkenbildes, der nicht zweckgebunden ist. Sie ist ein Abbild des Geschehenen.

4.3

Woraus besteht ein Türke? Die Komponenten des safawidischen Türkenbildes

Schon seit dem Beginn unserer Auseinandersetzung mit dem safawidischen Türkenbild taucht eine Frage immer wieder auf: Welche Faktoren haben es beeinflusst? Insgesamt, so hat sich gezeigt, sind es vier. Erster und wichtigster Faktor war die Rolle, die ein Sultan, ein Wesir oder ein einfacher Soldat zu erfüllen hatte. Sie war entscheidend für die militärische Einstufung dieses Mannes. Ein gutes Beispiel dafür ist Selim I. Er erscheint in allen drei Quellen als Gegenbild zu Esmāʿīl. Mit diesem aber beginnt die in den Chroniken erzählte Heilsgeschichte der Safawiden, damit ist die Rolle des Sultans darin gewissermaßen vorbestimmt. Da es nicht in dieses Bild passte, dass Selim Esmāʿīl schwer zusetzte und bei Čalderān schlug, wird seine Rolle konsequent kleingeschrieben. Damit sollen die persischen Niederlagen weniger schwerwiegend erscheinen. Das geht soweit, dass Ḫwāndamīr die Schlacht bei Marǧ Dābiq einfach weglässt, die Geschichte also glatt fälscht. Ein anderes Beispiel ist der Soldat Mālqūǧ-Oġlū. Seine Aufgabe in allen drei Quellen ist die, von Esmāʿīl bei Čalderān erschlagen zu werden. Danach richtet sich seine Beschreibung, er erscheint als einer der mächtigsten und tapfersten Krieger der Osmanen. Schließlich steht es dem Schah von Persien nicht gut zu Gesicht, einen Schwächling zu töten und so spaltet er einem kampferprobten

159

Hünen den Kopf. Für diesen Bereich war also vor allem das Bild der Perser entscheidend, dem man das der Osmanen dann anpassen musste. Der zweite und nicht minder wichtige Faktor, als Basis für die charakterliche Klassifizierung, war das politische Handeln des betroffenen Türken. Verhielt er sich Persien gegenüber zurückhaltend bis friedlich, hoben die Chronisten seine besondere Gerechtigkeitsliebe hervor und machten ihn somit zu einem guten Menschen. Das Paradebeispiel für dieses Muster ist Bayezid II. Seine oft beschworene Appeasement-Politik gegenüber Persien brachte ihm diesen Ruf ein. Da sich keiner der drei Chronisten über Bayezids Charakter eingehender äußert, ist kein anderer Weg ersichtlich, über den sie zu dessen Charakerisierung gekommen sein können. Das Gegenbeispiel ist Murad III. Er wird gar nicht näher beschrieben; das war auch nicht gewollt. Der einzig bedeutende Moment seines Leben war der, als er den Frieden von Amasya brach. So etwas tut nur ein schlechter Mensch, folglich muss er einer gewesen sein. Für den zweiten Bereich ist also vor allem das Handeln der Osmanen von Bedeutung, es betrifft auch eher Personen, die für Persien von geringerer Bedeutung sind, wie Murad III. und Ahmed I. Sultan Süleyman hätte ebenfalls in diese Gruppe gepasst, er aber fehlt. Der dritte Faktor, er lässt sich schon etwas schwerer nachweisen, ist Angst. Besonders im Umgang mit zwei Themen kommt man nicht umhin, Furcht als Ratgeber der Chronisten anzunehmen, bei Süleyman und Religion. Nach allen Kriterien, die die Schreiber sonst an Osmanen anlegen, hätte dieser Sultan als schlechter Mensch erscheinen müssen. Er marschierte vier Mal gegen Persien und setzte den Safawiden massiv zu. Während seiner kompletten Amtszeit wirken die Safawiden als Getriebene der Osmanen. Der Schah von Persien muss von einem Schlachtfeld zum anderen eilen, um seinen Thron zu retten. Trotzdem präsentieren Rūmlū und Monšī Süleyman als den großartigsten Vertreter seiner Dynastie. Anders als mit Furcht vor möglichen Konsequenzen, falls der Sultan ihre Chroniken zu lesen bekäme, kann man schwer erklären, warum die beiden Chronisten hier so von ihrer Linie abweichen. Auch der Umgang mit Religion verwundert. Man hätte erwartet, dass sie eine Rolle spielt, aber sie tut es nicht. Gut 15 Erwähnungen auf fast 2000 Seiten sind ganz sicher zu wenig, um dem sunnitisch-schiitischen Gegensatz gerecht zu werden. Dies fällt umso mehr auf, als die islamische Glau-

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bensspaltung im Zusammenhang mit den Usbeken ein zentrales Thema ist. Es wird auf allen Ebenen behandelt bis hin zur Feststellung, Abū Bakr habe Fāṭima schlecht behandelt. Dass die Chronisten die Perser die Glaubensspaltung mit den Usbeken ausfechten lassen und nicht etwa mit dem Osmanischen Reich, dem Sitz des Kalifats und Hüter der Orthodoxie, lässt sich wiederum nur durch Furcht vor möglichen Konsequenzen erklären. Nicht umsonst kommt der usbekische ʿālem zu dem Schluss, safawidisches Gebiet sei dār al-ḥarb. Ein Indiz dafür, dass bei den Schreibern Angst im Spiel war, ist die Art, wie sie Kritik an den Osmanen üben. Diese zieht sich als Konstante, mit Abstrichen beim Ḥabīb as-Siyar, durch alle Chroniken. Die Chronisten sind nicht aggressiv in ihrer Ausdrucksweise und so gut wie nie direkt. Kritik taucht nur in Nebensätzen auf. So wird Selims I. Bedeutung heruntergespielt, unter anderem indem er zwei Mal in den Annalen seiner Familie einfach weggelassen wird. Des Weiteren betonen alle drei immer wieder, dass die Safawidenschahs den Frieden zwischen Muslimen als das höchste Gut erachteten. Dabei unterstellen sie den Osmanen, ohne es je aussprechen zu müssen, eine andere Haltung in dieser Frage. Sobald einem der Sultane aus persischer Sicht eigentlich ein Vorwurf zu machen wäre, hat man besonders bei Monšī den Eindruck, er gebe lieber einem Rangniederen die Schuld, anstatt den osmanischen Herrscher direkt anzugreifen. Die safawidischen Chronisten üben insgesamt zu wenig Kritik. Der Bereich, in dem sie am ehesten zu erwarten gewesen wäre, ist die Religion. Ihn aber sparen sie aus. Als Grund dafür müssen wir ihre Angst vor Konsequenzen annehmen. Der vierte Faktor, vor allem er ist etwas verschwommen, könnte Vertrautheit sein. Von Beginn der Untersuchung an fiel auf, dass Rūmlū deutlich milder über die Osmanen urteilt als Ḫwāndamīr. Bei den Usbeken ist es umgekehrt. Nähe schafft Sympathie, so hat George Caspar Homans bewiesen. Beeinflusste sie auch das Urteil safawidischer Chronisten? Rūmlū, er verbrachte wohl die meiste Zeit in Qazwīn oder in Feldlagern weiter westlich, findet teilweise recht freundliche Worte über die Osmanen, gleichzeitig war er weitaus besser über sie im Bilde als Ḫwāndamīr, der in Herāt lebte. Auf der anderen Seite urteilt dieser, den man aufgrund seiner Äußerungen zu den Osmanen und anderen vor den Safawiden in Persien regierenden Dynastien für xenophob halten könnte, auffallend milde über die Usbeken. Das kann daher

161

kommen, dass er auch ihre positiven Seiten kannte. Er lebte schließlich nicht nur in ihrer Nähe, sondern bis 916 (1510-11) sogar unter ihnen. Ein Osmane in safawidischen Augen hatte also wenig mit dem Osmanen zu tun, wie er sich selbst sah oder wir ihn heute sehen. Auch wenn die moderne Forschung ebenfalls Vergangenheit nicht allumfassend rekonstruieren kann, so versucht sie es zumindest. Die safawidischen Chronisten taten das nie.

162

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REGISTER

ʿAbbās 10, 12f, 16f, 25f, 46ff, 51, 59f,

64, 67, 74, 78ff, 93, 104f, 110f, 118, 121, 125, 151, 156 ʿAbd al-Moʾmen Ḫān 130f, 138 ʿAbdollāh Ḫān 135 Abū ʿAbdallāh Muḥammad b. Ismāʿīl al-Buḫārī 148ff Abū Bakr Mīrzā 125 Abū Bakr, erster Kalif 123, 146, 148ff, 161 Ägypten 24, 32, 52, 55f, 62, 72, 98ff Ahmed b. Bayezid II. 52 Ahmed I. 25f, 51, 59ff, 64, 89, 104, 121f, 160 Aḥsan at-Tawārīḫ 8, 10, 14f, 19, 36ff, 44, 53ff, 63, 66, 73, 75, 77, 85, 87, 93, 95, 98ff, 102, 111ff, 115f, 121, 124, 129, 132, 142, 156, 158 ʿĀʾīša, Frau des Propheten 146 Akkirmān 31 ʿAlāʾ ad-Doūle-ʾe Ḏūʾl-Qadr 54f Alexander der Große 45 ʿAlī ar-Riḍā, achter schiitischer Imam 110, 136, 145 ʿAlī Pascha 81, 89 ʿAlī, vierter Kalif 67, 109, 124, 126, 141, 143, 146, 150, 156 Allāhverdī Ḫān 22, 117f Alqās Mīrzā 8, 26, 36, 40, 50 Amasya 40, 45, 57, 64, 83, 125, 160 Amīr Ḥasan 139 Amīr Solṭān-e Rūmlū 14 Amīr Yusūf 138 Andeḫūd 110 Ankara 67, 133

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Aq-Qūyunlū 21 Ardabīl 104 Arzenǧān 52 Aserbaidschan 21, 24, 34f, 37, 54, 57ff, 69, 74ff, 78, 83, 95, 98, 109f, 126, 143, 158 Bagdad 13, 35, 68, 75, 83, 122 Baḥreyn 117 Bayezid b. Süleyman 26f, 39, 44, 50, 87, 107 Bayezid I. 13, 23, 30f, 33, 67, 133 Bayezid II. 23, 30ff, 38, 42, 44, 50ff, 63, 65, 68, 114, 132, 160 Boḫarā 11, 131, 138, 142 Buda 116 Buyiden 123 Byzanz 29 Čalderān 15, 23, 51f, 55, 62f, 67, 69ff, 82, 84, 86, 91f, 94, 96f, 100f, 111, 120, 154, 158f Čelebī Mūsā 67 Čengīz Ḫān 130, 152 Dalmatien 18 Darwīš Beyg 121 Darwīš Pascha 58 Dilāwer Pascha 48 Diyarbakir 104 Dubrovnik 18 Edirne 45 Emāmqolī Ḫān b. Allāhverdī Ḫān 117f Emāmqolī Ḫān-e Ostāǧlū 21f Emir Süleyman 33f England 117f Erṭuġrul 31

Erzerum 14, 77, 88f, 93 Eṣfahān 121 Esfandiyār 87 Esmāʿīl I. 10, 12f, 16, 21ff, 31, 38, 53ff, 65, 68f, 71, 85f, 92, 94, 97, 100f, 106f, 118, 120, 122f, 125, 131f, 156, 159 Esmāʿīl II. 16, 49f, 56, 76, 109 Fārs 68 Fāṭima, Tochter des Propheten 150, 161 Ferhād Beyg 112 Fīl Pascha 74, 95 Ǧabbār Qolī Beyg 99 Ǧaʿfar Pascha 78 Ǧāmī 32, 128 Ganǧe 83 Georgien 122, 158 Ǧiġāl-Oġlū Sinān Pascha 58, 82, 88 Gundulić, Ivan 48 Ḥabīb as-Siyar 8, 10, 12f, 19, 21ff, 39, 57, 66, 72, 86, 98, 100, 102, 111, 121ff, 133f, 156ff, 161 Habsburg, Ferdinand von 37 Habsburg, Karl V. von 37 Habsburger 15 Ḥāfeẓ Zīn ad-Dīn-e Ziyāratgāhī 124 Ḥāfiẓ Ahmed Pascha 83 Ḥakīm ʿAbdī Ṭabīb-e Ardabīlī 121 Ḫalīl Pascha 46f, 104 Hamadān 52 Ḥamza Mīrzā 15f, 77, 97, 99, 126 Ḫān Moḥammad-e Ostāǧlū 52 Ḫandān Āqā 88 Ḥasan Āqā 81 Ḥasan, zweiter schiitischer Imam 109 Ḥasne 112 Ḫaṭāʾī 120 identisch mit Esmāʿīl I.

Ḫayr Bayg 98f Heilige Liga 113 Herāt 11f, 22, 66, 78, 124, 131, 134f, 138f, 141ff, 161 Ḫolāṣat al-Aḫbār 12 Homāyūn 12 Ḫorāsān 68, 80, 110, 128, 140, 142, 158 Hormūz 48, 118 Ḥoseyn Ḫān 143 Ḫosrow-e Ānūšerwān 32 Ḫürrem Āqā 86 Ḥusayn, dritter schiitischer Imam 109 Ḫüsrew Pascha 26, 40, 103 Ḫūy 90 Ḫūzestān 158 Ḫwāǧe Borhān ad-Dīn 11 Ḫwāǧe Ǧalāl ad-Dīn 11 Ḫwāǧe Homān ad-Dīn 11 Ḫwāndamīr 8, 10ff, 19, 21ff, 27ff, 39, 41f, 52ff, 62f, 65ff, 79f, 84ff, 92, 94, 97ff, 102, 109, 113f, 117, 122, 124, 131ff, 138, 142ff, 151, 155ff, 161 Ibrahim Pascha 35, 74 Ilqās Mīrzā 8 identisch mit Alqās Mīrzā Ilyās Beyg 38 Indien 80 Irak 24, 68 Īrewān 90 Iskender Pascha 87, 89f Istanbul 9, 19, 25, 28f, 36, 40f, 45, 47, 56ff, 60f, 65f, 80, 110, 114, 121, 124ff, 131, 163 Kaempfer, Engelbert 119 Kairo 99 Kamāḫ 73 Karīm b. ʿEyn-ʿAlī-ye Tabrīzī 20 Kars 58f

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Kīlī 31 Koca Sinān Pascha, Großwesir

Murads III. 76 Konstantinopel 29f, 114 Koron 31 Köse Safar Pascha 88 Kütahya 44 Lālā Pascha 82 Lepanto 31, 113f Lorestān 20 Ludwig II., König von Ungarn und Böhmen 37 Makārem al-Aḫlāq 12 Mālġūč-Ūġlū 84f Malqūč-Ūġlū 84f Mālqūǧ-Oġlū 84, 159 (die drei vorstehenden Namen bezeichnen die selbe Person)

Mamluken 54, 62, 68, 72f, 86, 92, 98ff Marǧ Dābiq 98, 159 Mašhad 22, 110, 136ff, 141, 145, 147 Maʿṣūm Beyg-e Ṣafawī 46, 107 Māzandarān 121 Medina 149 Mehmed Āqā-ye Tork 24 Mehmed Beyg 86 Mehmed I. 31 Mehmed II. 28ff, 34, 41f, 63, 114 Mehmed III. 17, 28, 44, 49, 59, 79, 115f Mekka 46, 107f, 124, 141 Mīr ʿAlī Šīr-e Nawāʾī 12 Mīr Moḥammad Ḥoseyn 137 Mīr Šams-e Walīḫānī 40 Mīrḫwānd 11 Mīrzā Salmān 76 Mohács 37, 116f

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Mohammad Ḫān-e Šeybānī 131f, 151f Mohammad Schah 16, 49f, 77, 82, 103, 125 Mollā Mīr-e Bāḫarzī 139 Monšī 8, 10, 15ff, 21f, 24ff, 31, 33f, 39, 41ff, 50ff, 57ff, 64, 65, 67ff, 71, 74ff, 91ff, 96ff, 115ff, 122, 125ff, 129ff, 142, 144ff, 148f, 151, 153ff Moton 31, 114 Moūlānā Omīdī 22 Moūlānā Solṭān Ḥosseyn Nadūšanī-ye Yazdī 121 Mowlānā Helālī 130 Mowlānā Moḥammad Moškak-e Rostamdārī 8, 147ff Muhammad al-Ġazālī 140 Murad b. Ahmed. b. Bayezid II. 52 Murad I. 31 Murad II. 28, 31 Murad III. 43, 50f, 56ff, 64f, 76, 103, 109f, 125, 160 Murad Pascha 60, 89, 104 Musā Čelebī 33f Mustafa Ali 19 Mustafa I. 26, 46f, 59f Mustafa Pascha 88 Naǧaf 126 Nāme-ʾe nāmī 12 Naṣūḥ Pascha 83, 89, 122 Nehāwand 24, 79 Nūr ʿAlī Ḫalīfe-ʾe Rūmlū 52f ʿObeyd Ḫān 129f, 132f, 135, 139ff, 144, 152 Oġūz Ḫān 67 Olearius, Adam 18 Olma Takkalū 34f, 39 Orhan 31

Osman I. 25f, 31, 63, 65, 67 Osman II. 26f, 43f, 46ff, 50f Osman Pascha, Großwesir Murads III. 97, 109f Osman Pascha, osmanischer Gesandter unter Osman II. 104 Polen 47, 117 Portugal 48, 117f Qāḍī Ḫān Ṣadr al-Ḥasanī 121f Qāḍī Moʿezz-e Eṣfahānī 121 Qāḍī Moʾmen 121 Qandahār 48 Qānṣaw 55, 72, 98, 100 Qāsim Beyg 112 Qazwīn 14, 39, 45, 87, 121, 161 Qiyā-Alb 67 Qolī Beyg-e Afšār 99 Rey 74 Rhodos 95 Rostam 70, 87 Rūmlū 8, 10, 13ff, 19, 22, 24, 27ff, 41ff, 51ff, 62f, 65ff, 80, 84, 86f, 90ff, 98ff, 107, 113ff, 123, 125, 129ff, 141ff, 151, 152, 155ff Rüstem Pascha 36, 124 Sabzawār 137 Ṣādeqī Beyg-e Afšār 21 Šāhqolī Bābā-ye Takkalū 69 Šāhwerdī Sultan 98 Salǧūqen 21, 27 Salmās 94 Šarīf Pascha 81 Sassaniden 32 Sayf ad-Dīn al-Āmidī 148 Šayḫ Sayyid Muṭaḥḥar b. ʿAbd alRaḥmān b. ʿAlī b. Ismāʿīl b. ʿArab Qāḍī 120

Selim I. 13, 33, 39, 42f, 50ff, 62ff, 68ff, 79, 86f, 92, 97ff, 106f, 120, 129f, 133, 151, 152, 154, 159, 161 Selim II. 43ff, 49ff, 63, 65, 87, 108, 113, 157 Šeybānīden 129 Šeyḫ Ṣafī ad-Dīn 67, 141 Šeyḫ Zīn ad-Dīn-e Ǧabal ʿĀmilī 124 Sinān Pascha, Wesir unter Bayezid II. und Selim I. 86, 115 Šīrwān 57, 76, 83, 109, 125 Solṭān ʿAlī-ye Afšār 53 Solṭān Ḥeydar Mīrzā 126 Soqollū Mehmed Pascha 45, 89 Ṣūfīyān 82, 88, 93, 96 Süleyman 24ff, 33ff, 46f, 49, 57f, 63, 65, 74, 75, 77, 87, 89, 93, 95, 96, 98, 103, 106, 107, 116, 117, 124, 151, 160 Syrien 54f, 62, 72f, 92, 98, 100, 149 Tabrīz 21, 22, 24, 36f, 55, 58, 74, 75, 78, 80f, 89, 97, 99, 104f, 110, 122, 123, 125, 126, 134, 137, 143 Tahmāsb 14, 16, 26f, 34, 36, 58, 74, 75, 86, 103, 107, 108, 129, 138, 140, 141, 144, 157 Tārīḫ-e ʿālam-ārā-ye ʿabbāsī 8, 10, 15ff, 20, 24f, 40, 44, 49, 59, 61, 64, 67, 74, 77f, 80f, 83, 86, 87ff, 92, 95f, 99, 101, 105, 107f, 110f, 115, 116, 118, 121ff, 125, 126, 129, 132, 134, 137, 139, 143, 145, 156, 158f Tataren 109 Tekkelū Mehmed Pascha 89, 94 Tīmūr 13, 133 Tokat 53 Transoxanien 74, 104, 135ff, 141, 145, 151

171

Tscherkessen 74 Tuberon, Ludovik Crijević 102 Tūmanī Bayg 99 ʿUmar, zweiter Kalif 123f, 146, 148, 149, 153 Ungarn und Böhmen 37 Usbeken 15, 17, 22, 66, 78, 80, 104, 107, 110, 128f, 151ff, 158f, 161

172

ʿUṯmān, dritter Kalif 123f, 146, 148f

Van 35, 40, 75, 82, 89, 94, 103 Venedig 15, 18, 45, 112ff Walī-Moḥammad Ḫān 104 Yazd 138 Zeynal Beyg 83 Zypern 45