Das Einpassen in den Ort: Der Alltag deutscher Finanzmanager in London und Singapur [1. Aufl.] 9783839411292

Sie gelten als Agenten und Treiber der Globalisierung: die in den Finanzmetropolen tätigen Manager. In diesem reich bebi

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Das Einpassen in den Ort: Der Alltag deutscher Finanzmanager in London und Singapur [1. Aufl.]
 9783839411292

Table of contents :
Inhalt
EINLEITUNG
Der städtische Ort wird sichtbar
Die Identitäten der Expatriates werden sichtbar
Alltägliche Identitätsbildungen und soziale Differenzierungen werden am Ort sichtbar
Aufbau der Arbeit
DAS EINPASSEN
Der gerichtete Blick – Dem Ort und den Anderen entgegengebrachten Images
Spezifische Perspektive
Der empfindende Körper – Das Einpassen in die Struktur des Ortes
Die Sinne des Körpers und die Strukturen des Ortes –
Der wahrnehmende und emotionale Körper
Die fordernden Materialitäten des Ortes
Die Identitätsgebundenheit des Einpassens
Fazit: Das Einpassen
DAS EINPASSEN ERFORSCHEN
Der Forschende als Erhebungsinstrument
Der fremde und doch bekannte Blick
Die Erhebung und Auswertung der Daten
Der Zugang zum Untersuchungsfeld
Die Datenerhebung
Das Einpassen analysieren – Die Auswertung der Daten
LONDON UND SINGAPUR ALS FINANZZENTREN UND ZIELE VONMANAGERN
Der Bedeutungszuwachs der Finanzindustrie und die Migration von Expatriates
Die Entwicklung von London und Singapur als Finanzzentren und Ziele von Expatriates
London als traditionelles Zentrum – Von der Imperial City zur Global City
Singapur als Colonial City – Von der Kolonie zum Finanzzentrum
Fazit: Die Geschichte und das Einpassen der deutschen Finanzmanager
ARBEITEN IM ZENTRUM–ARBEITEN IM AUSSENPOSTEN
Arbeiten in der City of London – Einpassen in das fordernde globale Zentrum einer geteilten Stadt
In die City eintreten – In die City blicken
In der City sein – Der rationale, fordernde Ort des Wettbewerbs
Fazit: Das Einpassen der deutschen Finanzmanager in die City of London
Arbeiten im Central Business District in Singapur – Den kolonialen Außenposten erfahren
Die entspannende Fahrt in den Central Business District
Den kolonialen Außenposten erleben
Der handlungsmächtige Weiße im CBD
Die Arbeit im CBD in Singapur als persönliche Auszeichnung? Das Gefühl begehrt zu sein
Das irritierte Image – Das Erleben des kolonialen Außenpostens
Die durchlässige Grenze des CBD spüren
Der Rhythmus des Ortes – Die Abhängigkeit vom Zentrum
Eine positive und unproblematische deutsche Identität erleben
Die deutsche Community und die Anderen – Der Aufbau von Netzwerken
Fazit: Das Einpassen der deutschen Finanzmanager in den CBD
Fazit: Das Einpassen der deutschen Finanzmanager in den Arbeitsort – Die City und den CBD erleben
WOHNEN IN DER GETEILTEN STADT –WOHNEN IN DER STADT DER SOZIALEN HARMONIE
Wohnen in London – Wohnen in der geteilten Stadt
Richmond upon Thames: Leben in der deutschen Community im Grünen – Die Ruhe jenseits der Grenze des Ortes
Die Docklands – Die Nähe der Grenze des Ortes spüren
Fazit: Wohnen in London – das Einpassen in den Wohnort
Wohnen in Singapur – Wohnen in der Stadt der sozialen Harmonie
Wohnen in einem Bungalow in Bukit Timah – Die Nähe zur Deutschen Schule
Wohnen in einem Condominium an der East Coast
Fazit: Wohnen in Singapur
Fazit: Das Einpassen der deutschen Finanzmanager in den Wohnort – Wohnen in der geteilten und Wohnen in der harmonischen Stadt
FAZIT: DAS EINPASSEN DER DEUTSCHEN FINANZMANAGER
LITERATUR
Danksagung

Citation preview

Lars Meier Das Einpassen in den Ort

Materialitäten | Hg. von Gabriele Klein, Martina Löw und Michael Meuser | Band 11

2009-01-26 11-20-32 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02b4200867328832|(S.

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Lars Meier (Dr. phil.), Soziologe und Geograph, arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am IAB in Nürnberg und lehrt Soziologie an der TU Darmstadt. Seine Forschungsschwerpunkte sind Stadt- und Raumforschung, Kultursoziologie, Migrationsforschung sowie qualitative Methoden.

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Lars Meier

Das Einpassen in den Ort Der Alltag deutscher Finanzmanager in London und Singapur

2009-01-26 11-20-32 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02b4200867328832|(S.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2009 transcript Verlag, Bielefeld zgl. Dissertation (erweiterte Fassung) an der Technischen Universität Darmstadt (D 17) Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: © Lars Meier Lektorat & Satz: Lars Meier Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1129-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

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Inhalt

EINLEITUNG Der städtische Ort wird sichtbar Die Identitäten der Expatriates werden sichtbar Alltägliche Identitätsbildungen und soziale Differenzierungen werden am Ort sichtbar Aufbau der Arbeit

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DAS EINPASSEN Der gerichtete Blick – Dem Ort und den Anderen entgegengebrachten Images Spezifische Perspektive Der empfindende Körper – Das Einpassen in die Struktur des Ortes Die Sinne des Körpers und die Strukturen des Ortes – Der wahrnehmende und emotionale Körper Die fordernden Materialitäten des Ortes Die Identitätsgebundenheit des Einpassens Fazit: Das Einpassen

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DAS EINPASSEN ERFORSCHEN Der Forschende als Erhebungsinstrument Der fremde und doch bekannte Blick Die Erhebung und Auswertung der Daten Der Zugang zum Untersuchungsfeld Die Datenerhebung Das Einpassen analysieren – Die Auswertung der Daten

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LONDON UND SINGAPUR ALS FINANZZENTREN UND ZIELE VON MANAGERN Der Bedeutungszuwachs der Finanzindustrie und die Migration von Expatriates Die Entwicklung von London und Singapur als Finanzzentren und Ziele von Expatriates London als traditionelles Zentrum – Von der Imperial City zur Global City Singapur als Colonial City – Von der Kolonie zum Finanzzentrum Fazit: Die Geschichte und das Einpassen der deutschen Finanzmanager

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ARBEITEN IM ZENTRUM – ARBEITEN IM AUSSENPOSTEN Arbeiten in der City of London – Einpassen in das fordernde globale Zentrum einer geteilten Stadt In die City eintreten – In die City blicken In der City sein – Der rationale, fordernde Ort des Wettbewerbs Fazit: Das Einpassen der deutschen Finanzmanager in die City of London

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Arbeiten im Central Business District in Singapur – Den kolonialen Außenposten erfahren Die entspannende Fahrt in den Central Business District Den kolonialen Außenposten erleben Der handlungsmächtige Weiße im CBD Die Arbeit im CBD in Singapur als persönliche Auszeichnung? Das Gefühl begehrt zu sein Das irritierte Image – Das Erleben des kolonialen Außenpostens Die durchlässige Grenze des CBD spüren Der Rhythmus des Ortes – Die Abhängigkeit vom Zentrum Eine positive und unproblematische deutsche Identität erleben Die deutsche Community und die Anderen – Der Aufbau von Netzwerken Fazit: Das Einpassen der deutschen Finanzmanager in den CBD

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Fazit: Das Einpassen der deutschen Finanzmanager in den Arbeitsort – Die City und den CBD erleben

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WOHNEN IN DER GETEILTEN STADT – WOHNEN IN DER STADT DER SOZIALEN HARMONIE

Wohnen in London – Wohnen in der geteilten Stadt Richmond upon Thames: Leben in der deutschen Community im Grünen – Die Ruhe jenseits der Grenze des Ortes Die Docklands – Die Nähe der Grenze des Ortes spüren Fazit: Wohnen in London – das Einpassen in den Wohnort

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Wohnen in Singapur – Wohnen in der Stadt der sozialen Harmonie Wohnen in einem Bungalow in Bukit Timah – Die Nähe zur Deutschen Schule Wohnen in einem Condominium an der East Coast Fazit: Wohnen in Singapur

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Fazit: Das Einpassen der deutschen Finanzmanager in den Wohnort – Wohnen in der geteilten und Wohnen in der harmonischen Stadt

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FAZIT: DAS EINPASSEN DER DEUTSCHEN FINANZMANAGER

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LITERATUR

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Danksagung

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Einleitung

Die Welt der Finanzen spielt sich nicht nur in den sich ständig nervös verändernden Kursdiagrammen auf Flachbildschirmen ab, die die internationalen Entwicklungen an den Finanzmärkten, die Aktienkurse, die Devisenwechselkurse und ähnliche, dem Laien kryptisch erscheinende Parameter dokumentieren und die sich vor die Wahrnehmung ihrer sozio-ökonomischen Konsequenzen drängen. Die Welt der Finanzen ist auch das Leben derer, die darin arbeiten, die das Rad des „Casino Kapitalismus“ (vgl. Strange 1986) in Schwung halten und die sich für ihre Arbeit, in einer Kombination zwischen dem Wunsch nach Karriere und der Angst vor dem beruflichen Absturz, auf den Weg machen, um als hoch qualifizierte Finanzmanager in den Finanzzentren der Welt zu arbeiten und zu leben. Sie verbinden in ihrer Person beides, einerseits repräsentieren sie mit ihrem Lebensstil beruflichen Erfolg und andererseits sind sie das Musterbeispiel eines flexiblen Menschen, der sein Leben mit einem Gefühl von Verunsicherung und Bedrohung den Anforderungen des flexiblen Kapitalismus unterwirft (vgl. Sennett 1998). Diese hoch qualifizierten Arbeitsmigranten der Finanzwirtschaft, die Manager der Banken und der Versicherungen, benutzen in ihrer alltäglichen Arbeit immer wieder Informationstechnologien und Verkehrsmittel, mit denen sie in andere Regionen der Erde fahren und mit denen sie von ihrem Arbeitsplatz aus in Kontakt zu entfernten Orten und Menschen stehen. Sie telefonieren, schreiben E-Mails, halten Videokonferenzen oder fliegen als Geschäftsreisende um die Welt. Nicht nur ihre beruflichen Entscheidungen haben – außerhalb des eigenen Büros oder Trading Floors – Auswirkungen auf Strukturen und Aktivitäten an entfernten Orten. Auch ihre beruflichen Tätigkeiten sind im besonderen Maße geprägt durch den häufigen Austausch mit Menschen, die an entfernten Orten in anderen Städten arbeiten. Wenn daher auch der Gedanke nahe liegt, die Finanzmanager wegen dieser zahlreichen den Ort überschreitenden Aktivitäten als Angehörige einer „global hightechnology professional culture“ (Knorr Cetina/Bruegger 2002: 906), als Musterbeispiel für eine globale Netzwerkgesellschaft (vgl. Castells 2000) zu betrachten und

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DAS EINPASSEN IN DEN ORT

ihr alltägliches routiniertes Handeln damit im wesentlichen als lokal entwurzelt – als den Ort übergreifende Verknüpfungsleistung – zu sehen, spüren auch die mobilen Finanzmanager im Alltag die Stadt und den Ort, an dem ihre Handlungen stattfinden. Sie treffen in jeder Stadt auf eine Vielzahl unterschiedlicher Orten, sie begegnen einer „world within cities“ (vgl. Allen 1999: 53ff.). Um dieser Differenzierung der Städte in unterschiedliche Orte gerecht zu werden, betrachte ich das alltägliche Handeln der Finanzmanager an verschiedenen Orten in London und Singapur. An jedem spezifischen Ort begegnen sie nicht nur dessen materieller Gestalt – wie einer Architektur, die Handlungen ermöglicht und einschränkt – sie kommen auch in Kontakt zu anderen Menschen und somit zu einer spezifischen sozialen Struktur des Ortes. In der Begegnung mit dem Ort erleben die Finanzmanager damit auch die Auswirkungen von besonderen politischen Regularien und kulturellen Aushandlungen. Für sie wird mit dem Kontakt zum Ort seine Spezifität umfassend spürbar. Eine Komplexität, die Henri Lefebvre mit dem Begriff des „oeuvre“ umfasst. “If one considers the city as oeuvre of certain historical and social ‚agents‘, the action and the result, the groups (or groups) and their ‚product‘ can be clearly identified without separating them. There is no oeuvre without a regulated succession of acts and actions, of decisions and conducts, messages and codes. Nor can an oeuvre exist without things, without something to shape, without practico-material reality, without a site, without a ‚nature‘, a countryside, an environment“ (Lefebvre 1996c: 103). Die Finanzmanager erleben das „oeuvre“ des Ortes körperlich: Sie riechen die Straße, berühren Gegenstände und spüren Hektik oder Gelassenheit. Das Erleben des Ortes dringt tief in die Empfindung ihrer Körper ein und erregt Emotionen wie ein Wohlsein oder Unwohlsein. Darüber hinaus konfrontiert der Ort die Finanzmanager auch noch auf eine andere Weise: Ihr alltägliches Handeln am Ort wird ebenso von bestimmten Images – Vorstellungen und Bedeutungszuschreibungen – mitgeprägt, mit denen sie dem Ort begegnen oder ihn sogar aufgrund dieser Images, ohne ihn jemals direkt körperlich erlebt zu haben, meiden. Der Ort und die Stadt können so für die Finanzmanager beispielsweise als gefährlich, interessant, primitiv, entspannend oder kulturell gelten – woher auch immer diese Images kommen mögen, sie sind im alltäglichen Handeln der Finanzmanager wirkungsmächtig und verschränken sich, indem sie als Emotion fühlbar werden, mit ihrem tatsächlichen körperlichen Erleben des Ortes. Das Empfinden des Ortes und die Images, die die Finanzmanager von dem Ort haben, sind jedoch kein universelles Erlebnis, sondern vielmehr abhängig von ihrer besonderen Perspektive; von dem Standpunkt, von dem sie blicken und von dem Körper, der fühlt. Beides, der fühlende Körper und der gerichtete Blick, ist gleichsam Produkt und Produzent der Identität des blickenden und fühlenden Individuums. Der Blick und das Gefühl der in dieser Arbeit betrachteten deutschen Finanzmana-

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EINLEITUNG

ger ist so auch ein besonderer Blick und ein besonderes Gefühl. Sie wandern als hoch qualifizierte Finanzmanager, als weiße, männliche 1 , deutsche Arbeitsmigranten 2 in das ehemalige Zentrum des britischen Empire, nach London, oder sie ziehen in die ehemalige britische Kolonie, in den südostasiatischen Stadtstaat Singapur. Dort verbringen sie jeweils an bestimmten Orten ihren Alltag. Um das Zusammenspiel zwischen dem alltäglichen Handeln – dem Blicken und Spüren – der deutschen Finanzmanager und den Orten in London und Singapur zu erfassen, wende ich in dieser Arbeit das Konzept des Einpassens an, das ich aus der Analyse des erhobenen empirischen Materials und der Theorie entwickelt habe. Als Einpassen verstehe ich das identitätsgebundene alltägliche Handeln in Wechselwirkung mit der gegebenen Struktur des Ortes und mit den diesem Ort entgegengebrachten Images. Die Wortschöpfung Einpassen deutet auf einen dynamischen Prozess hin, der sich beständig im alltäglichen Handeln vollzieht. Die besondere Struktur des Ortes wird in diesem Konzept als aktivierende Struktur verstanden, die die dort handelnden Finanzmanager auffordert, sich in den Ort aktiv einzupassen. In den Begriff der Struktur des Ortes schließe ich verschiedene Elemente ein, wie die materielle Ausstattung (z.B. die Architektur), die natürlichen Ressourcen (z.B. das Klima), die soziale Struktur – inklusive der sozialen und kulturellen Normen – den Tagesrhythmus und die Atmosphäre; also Elemente, die sowohl Ergebnis als auch Voraussetzung von spezifischen politischen und ökonomischen Regularien sind und infolge einer langen Geschichte den Ort geprägt haben. Die Handlungen der deutschen Finanzmanager und ihre Emotionen orientieren sich dabei an diesen von ihnen erlebten Strukturen des Ortes, aber auch an den Zuschreibungen – den Images – mit denen sie dem Ort begegnen. In ihrem alltäglichen Handeln vor Ort spüren sie nicht nur den Ort, sondern sie reproduzieren beständig durch spezifische Arten des Handelns und Blickens Dimensionen ihrer eigenen Identität als weiß, männlich, deutsch sowie als globale Elite. 3 Ich verwende in dieser Arbeit die Begriffe der Identitäts1

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Ich betrachte in dieser Arbeit männliche Finanzmanager, die sprachliche Verwendung der männlichen Form ist daher bewusst gewählt. Sind ausschließlich oder nach meinem Kenntnisstand im weit überwiegenden Maße Männer gemeint, so drücke ich dies ebenfalls in der männlichen Form aus. Geht es in meiner Untersuchung um Frauen und Männer verwende ich das große I. Sind nur Frauen gemeint, so benutze ich die weibliche Form. Es gibt keine exakten Daten über die Anzahl der für deutsche Unternehmen im Ausland tätigen Deutschen. Geschätzt wird je nach Quelle, dass zwischen 12.000 und über 40.000 Führungs- bzw. hoch qualifizierte Fachkräfte (nicht nur im Finanzsektor) zeitlich befristet im Ausland eingesetzt sind (vgl. Djanani/Lösel/Lösel 2003; Hummel/Zander 2005, Angabe aus Kreutzer 2006: 34). Als globale Elite verstehe ich in Anknüpfung an Michael Woods eine soziale Gruppe, die durch folgende Merkmale charakterisiert ist: Erstens durch ihren privilegierten Zugang zu Resourcen, zweitens durch ihre gegenseitige Verknüpfung durch soziale und berufliche Netzwerke und drittens durch eine diskursive Konstruktion als Elite, womit ein Diskurs gemeint ist, der sowohl durch sie selbst als auch durch andere erzeugt wird (vgl. Woods 1998: 2108). Die Identi9

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

dimensionen bzw. der Identitäten, um die Zugehörigkeiten der deutschen Finanzmanager zu den Weißen, Männern, Deutschen und zur globalen Elite zu benennen. Ich verstehe diese Zugehörigkeiten im Folgenden als einzelne Identitäten, um so die tiefe Einschreibung dieser Zugehörigkeiten in ihre Person, wie z.B. in ihren Körper, ihre Einstellungen, Handlungen und Emotionen, zu kennzeichnen. Mit der Benennung dieser Zugehörigkeiten als einzelne Identitäten folge ich Untersuchungen, die die Zugehörigkeit zur globalen Elite (vgl. Woods 1998), zu den Weißen (vgl. Frankenberg 1993; Dyer 1997), zu einer Nation (vgl. Anderson 1991; Billig 1995) und zu einem Geschlecht (vgl. Butler 1995; hooks 1994; Buchbinder 1998) jeweils als Identität konzipieren. Diese verschiedenen Identitäten vereinigen sich in den Personen der deutschen Finanzmanager und bilden wesentlich deren personale Identität. Die Identitätsbildung wird hier als ein dynamischer lebenslanger Prozess verstanden, der nicht wie in dem Modell von Erikson (1973) mit dem Erwachsenwerden abgeschlossen ist, sondern der sich immer wieder in der Interaktion zwischen der Person und der Gesellschaft bildet. 4 Die Identitäten entstehen in dem Prozess der eigenen Identifizierung mit einer solchen Gruppe wie den Weißen oder den Deutschen und mit den Zuschreibungen von Außen. Ähnlich wie Stuart Hall (1996) gehe ich nicht von festen uniformen Identitäten aus, sondern begreife diese stärker in ihrer Dynamik; sie werden beispielsweise durch Handlungen alltäglich gebildet und aufgeführt (vgl. Butler 1995). Diese Dynamik ist in dem Begriff des Einpassens ausgedrückt. Mit diesem Konzept wird der besondere Ort in seiner Rolle als Korrektiv der Ausbildung einzelner Identitätsdimensionen erforscht. Dabei werden Variationen, die es innerhalb der einzelnen Identitätsdimensionen gibt, in ihrer Abhängigkeit vom Ort ihrer Ausbildung und Aufführung analysiert. Die Variation, die sich in der Art der Bildung der einzelnen Identitäten ergibt, liegt jedoch innerhalb eines bestimmten Spektrums von Ausprägungen. Die einzelnen Identitäten lösen sich nicht auf (wie es beispielsweise bei Hall 1996 nahegelegt wird), sondern sie differenzieren sich auch in Abhängigkeit vom Ort ihrer Bildung aus. Die einzelnen Identitäten der deutschen Finanzmanager sind in differenziertem Maße bedeutsam und können sich in unterschiedlicher Weise überschneiden. So können sich beispielsweise Elemente der Männlichkeit mit denen des Weißseins decken, sie können sich aber auch widersprechen, wie das bei Elementen des Deutschseins und des globale Eliteseins der Fall sein kann.

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tätsdimension globale Elite wird in dieser Arbeit somit auch als Ergebnis einer diskursiven Konstruktion begriffen. George Herbert Mead beschreibt diesen interaktiven Prozess als einen, der sich zwischen dem „I“ und dem „Me“ vollzieht. Dabei geht er von einem inneren Kern des Subjekts aus (dem „I“), der in einem kontinierlichen Dialog mit dem „Me“ – den Erwartungen und Zuschreibungen von Außen – steht (vgl. Mead 1968). Mead vernachlässigt in seinem Modell jedoch bestimmte Faktoren, wie z.B. machtvolle Diskurse oder Institutionen in ihrem Einfluß auf die Identitätsbildung.

EINLEITUNG

Ich werde zeigen, wie diese Identitäten in Interaktion mit dem besonderen Ort hergestellt werden und lege dabei einen besonderen Fokus auf die Identitäten des Weißseins und des globale Eliteseins. Das besondere Blicken und Spüren des Ortes und der Stadt – das Einpassen – verstehe ich als Teil dieser Identitätsbildung. Mit dem Konzept des Einpassens wird es möglich, die Bedeutung des spezifischen Ortes in der besonderen Stadt für das alltägliche Handeln der Mitglieder einer ausgewählten sozialen Gruppe mit bestimmten Identitätsdimensionen zu betrachten. Das Einpassen kennzeichnet somit eine bestimmte Art des Fühlens, des Blickens und des Handelns der Finanzmanager, die in Abhängigkeit zu dem spezifischen städtischen Ort und ihren eigenen Identitäten steht. Daher ist es mit dem Konzept des Einpassens möglich zu zeigen, wie sich Identitäten im Zusammenwirken von alltäglichem Handeln mit den Strukturen und Images der Orte ausbilden. Dabei kann auch die Prägekraft der Handlungen der Finanzmanager auf die Orte sichtbar werden. In ihrem Einpassen in den Ort passen diese teilweise auch etwas von der Struktur des Ortes an sich und ihre Identitäten an und verändern so beispielsweise die Architektur ihrer Wohnung. Für das Konzept des Einpassens der Finanzmanager in London und in Singapur verzichte ich auf den Begriff der Landschaft und verwende stattdessen den Begriff des Ortes. Landschaft – man denkt dabei sofort an Landschaftsbilder – suggeriert eher einen distanzierten Blick auf ein dauerhaftes, unveränderbares, bereits gemaltes Bild (für eine kritische Analyse des Landschaftsbegriffs vgl. Cresswell 2003). Landschaft wird dabei zu „a way of seeing, a way of composing and harmonising the external world into a scene, a visual unity“ (Crosgrove 1989: 121). Der Ort ist hingegen greifbarer, er ist mit Materialitäten und Menschen ausgestattet und offen für konkrete Handlungen und Begegnungen. Der Begriff des Ortes vermeidet somit „the danger of reducing culture to a political struggle over language“ (Jackson 1989: 185) und bietet Einsichten in alltägliche Kämpfe, die sich auch vor Ort im alltäglichen Handeln der Finanzmanager in Interaktion mit den Anderen und mit der Struktur des Ortes ergeben. Die Einsichten, die in der Analyse von meist historischen Dokumenten (vgl. Barnes/Duncan 1992; Cosgrove/Daniels 1988) zum Landschaftsbegriff entwickelt wurden, also die Erkenntnis, dass machtvolle Images in Landschaften eingeschrieben sind, die den Blick ausrichten, werde ich in ihrer Übersetzung in das aktuelle alltägliche Handeln der Finanzmanager direkt vor Ort zeigen. Der Begriff des Ortes reflektiert somit die Ausrichtung meiner Arbeit auf die Erforschung der konkret erfahrbaren, alltäglichen Handlungsebene, die allerdings nur in Abhängigkeit zu den mitgebrachten Images der Orte, Städte und Menschen zu verstehen ist und daher auch in diesem Kontext von mir analysiert wird. Teil der Untersuchung des Einpassens ist es also auch, die von den Finanzmanagern mitgebrachten Images in ihrer konkreten Übersetzung in alltägliches Handeln vor Ort zu betrachten. Vor Ort kommen die Finanzmanager ausgestattet mit bestimmten Images in Kontakt zu den Strukturen des Ortes. Diese Images der Städte und Orte werden 11

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

beispielsweise in besonderen Formen des alltäglichen Handelns beständig produziert und reproduziert. Die Stadt, der Ort und die Anderen sind nicht auf ihr Image reduzierbar, sondern werden direkt erlebt. Die Images, mit denen die Finanzmanager den Orten und Städten begegnen, sind nicht unabhängig von Strukturen. Denn auch die Images benötigen eine solche Struktur, aus der sie sich ableiten lassen und in der sie sich konkretisieren (vgl. Shields 1991; King 1996). Orte sind daher „characterized by a spatiality that is in fact irreducible to the mental realm“ (Lefebvre 1991: 62). Sie sind „neither totally material nor completely mental; they are combinations of the material and mental and cannot be reduced to either“ (Cresswell 1996: 13). Mit dem Konzept des Einpassens wird die häufig vernachlässigte Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Images und Handlungen erfasst. Zum einen wird somit sichtbar, wie sich spezifische Images in konkretes Handeln übersetzen und zum anderen wird dabei die Wirkung der erlebten Struktur des Ortes auf das Handeln deutlich. Beides, das Image und die konkrete Struktur des Ortes, sind Aufforderung und Anleitung für die Finanzmanager sich in den konkreten Ort einzupassen. In dieser Arbeit wird das Einpassen deutscher Finanzmanager in verschiedene Orte in London und Singapur und damit in zwei Städten untersucht, in denen sich Einrichtungen des hoch entwickelten Dienstleistungssegments konzentrieren und die beide daher heute eine herausragende Position im internationalen Finanzmarkt haben. Dabei wird erstens erkennbar, mit welchen Images die deutschen Finanzmanager London und Singapur, den konkreten bestimmten Orten und den dort lebenden Menschen begegnen und wie sich die von ihnen mitgebrachten Images in ihr spezifisches alltägliches Handeln vor Ort übersetzen. Zweitens wird die Wirkung der Stadt und des Ortes auf das Handeln der Finanzmanager gezeigt. Beides, das Übersetzen der Images in Handlungen und das Fühlen des Ortes im Handeln, sind integrale Bestandteile des hier entwickelten Konzeptes des Einpassens. Damit zeigt diese Arbeit drittens die besondere Wirkung von spezifischen Orten und Städten auf das alltägliche Handeln auf. Grundlage hierfür ist, dass das alltägliche Handeln einer definierten sozialen Gruppe mit bestimmten Identitäten an konkreten Orten in zwei unterschiedlichen Städten – in London und Singapur – verglichen wird. Die Wirkung des Ortes in der besonderen Stadt auf das alltägliche Handeln gerät besonders durch den vorgenommenen Vergleich in das angemessene Licht der Aufmerksamkeit. Gerade in dem Vergleich von spezifischen Orten werden die Besonderheiten dieser Orte in ihrer Wirkung auf das Handeln deutlicher, denn die so herausgehobenen Besonderheiten des Ortes verhelfen dazu, den Ort nicht vorschnell als Teil eines ihn generalisierenden globalen Raums zu betrachten. Der spezifische Ort bleibt gerade durch den Vergleich zum anderen Ort im Besonderen verhaftet und gerät in greifbarer Weise in den Aufmerksamkeitsfokus des Forschungsprojektes. 12

EINLEITUNG

Viertens können somit die Identitätsbildungen als Deutsche (nationale Identität), als Männer (geschlechtliche Identität), als Weiße (ethnische Identität) und als globale Elite (Milieuidentität), also machtvolle und häufig unsichtbar bleibende Identitätsdimensionen, in der Abhängigkeit vom besonderen Ort ihrer alltäglichen ReProduktion sichtbar gemacht werden. Da Differenzierungen zwischen den Identitäten der deutschen Finanzmanager – den Identitätsdimensionen wie dem Weißsein, dem Deutschsein und dem globale Elitesein – zu den Anderen im alltäglichen Handeln vor Ort beständig erzeugt werden, wird mit der Untersuchung der alltäglichen Produktion und Reproduktion der Identitäten der Finanzmanager am Ort fünftens der Ort in seiner sozialen Umkämpftheit sichtbar. Ich werde mich dem alltäglichen Leben der Finanzmanager somit vom Ort und von der besonderen Stadt aus nähern und den Blick von den E-Mails, den Flugreisen und den Computerbildschirmen etwas abwenden. In den Blick geraten so die Orte, an denen die deutschen Finanzmanager arbeiten, wohnen und leben, und die besonderen Städte, London und Singapur, in denen sich diese Orte befinden.

Der städtische Ort wird sichtbar Mit dem Konzept des Einpassens bringe ich die alltäglichen Handlungen eben jener sozialen Gruppe in die Stadt zurück, die häufig als vom Ort entkoppelt betrachtet werden: Die Expatriates. Als solche werden „people who have chosen to live abroad for some period, and who know when they are there that they can go home when it suits them“ (Hannerz 1996: 106) bezeichnet. Ein Expatriate ist ein: „highly skilled individual who by his [sic!] qualifications is employed by a foreign country or sent by his employers from his home to perform certain specialised functions on a contract of at least six month“ (Chang 1995: 141). Gerade die Expatriates, die bis in die 1990-er Jahre fast völlig von der Forschung vernachlässigt wurden (vgl. Koser/Salt 1997), werden besonders aus einer Perspektive eines „transnationalism from above“ (vgl. Smith/Guarnizo 1998) gesehen (vgl. Willis/Yeoh/Fakhri 2002: 505). 5 5

Transnationale Migration gilt als neue Migrationsform, die nicht einmalig von Herkunfts- zu Zielregion abläuft, sondern durch mehrfaches Hin- und Herpendeln zwischen Herkunfts- und Zielregion gekennzeichnet sei (vgl. u.a. Glick Schiller/Basch/Szanton Blanc 1995; Vertovec 2003; Pries 2001; Kearney 1995). Dabei wird argumentiert, dass diese Form der Migration erst durch die erhöhte Quantität dieser Verbindungen, die durch die Entwicklung und Verbreitung der technischen Mittel zur geografischen Distanzüberwindung möglich wurde (vgl. Portes/Guarnizo/Landolt 1999; Vertovec/Cohen 1999) und eine besondere Qualität erhält, die den neuen Begriff Transnationalismus rechtfertigen soll (vgl. Foner 2001). Zu Recht wurde darauf hingewiesen, dass Transnationalismus kein 13

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

Die Finanzmanager werden dabei in erster Linie durch ihre die nationalstaatlichen Grenzen überschreitende Mobilität (vgl. Portes/Guarnizo/Landolt 1999: 224) und als Begleiter der internationalen Kapitalströme (vgl. Salt 1997) gekennzeichnet. Infolge dieser häufigen Wanderungsaktivitäten werden sie als eine soziale Gruppe bestimmt und durch ihre häufigen Arbeitswanderungen in andere Finanzstädte als „transient migrants“ (vgl. Beaverstock/Boardwell 2000) definiert. Betont wird nicht nur die Arbeitsmigration der Finanzmanager in Städte wie London oder Singapur, sondern darüber hinaus auch ihre häufigen Geschäftsreisen und grenzüberschreitenden Kommunikationen, sei es zu Geschäftspartnern, zu anderen Geschäftsstellen ihrer Arbeitgeber, zu Freunden oder zur Familie; wodurch schlussendlich ihre häufige Nutzung von Transport- und Kommunikationstechnologien zur geografischen Distanzüberwindung als entscheidendes Charakteristikum dieser sozialen Gruppe gilt. Zygmunt Bauman (2003) und Manuel Castells (2000) schätzen dies als so bedeutsam ein, dass sie es als Anlass für eine Zweiteilung nehmen. Auf der einen Seite sehen sie diejenigen, die aufgrund ihres geringen Zugangs zu diesen Techniken am Ort gefangen sind und auf der anderen Seite diejenigen, die sich – wie die Finanzmanager – durch ihre häufige Nutzung der technischen Mittel zur Distanzüberwindung vom Ort gelöst haben und in der Zeit leben. Diese Idee der Lösung vom Ort spiegelt sich darin wieder, das Handeln der Finanzmanager in einem die Orte und Nationalstaaten überspannenden „Space of Flows“ (Castells 2000) oder in „Ethnoscapes“ (Appadurai 1990: 297) zu denken und sie damit als Angehörige einer „global high-technology professional culture“ (Knorr Cetina/Bruegger 2002: 906) zu betrachten. Die Finanzmanager werden dabei als Teil von transnationalen Unternehmens- und Geschäftsnetzwerken gesehen (vgl. Yeung 1998, Beaverstock/ Boardwell 2000), die sich übergreifend zwischen bestimmten Finanzzentren, den so genannten Global oder World Cities (vgl. Sassen 1991; Taylor 2004 6 ) nationalstaatenübergreifend aufspannen (vgl. Beaverstock 2001a; Beaverstock/Smith/Taylor 1999). Sie gelten als Transfervermittler von Kapital und spezifischem Wissen zwischen diesen Städten (vgl. Beaverstock 2002; Beaverstock 2003) und damit als diejenigen, die mit ihren Aktivitäten der Ausweitung der internationalen Unternehmens- und Bankennetzwerke dienen (vgl. Findlay/Li/Jowett/Skeldon 1996) und in ihren alltäglichen Handlungen untereinander eine internationale Arena von sozialen Netzwerkverknüp-

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neues Phänomen sei, denn auch schon früher war für eine geringe Anzahl von hoch qualifizierten Menschen das Leben in zwei Nationalstaaten eine alltägliche Praxis. Beispielsweise gab es während der Kolonialisierung Enklaven von Geschäftsleuten (von Portugiesen, Holländern, Engländern und im geringeren Maße auch von Deutschen), die im internationalen Handel beschäftigt waren (vgl. Portes/Guarnizo/Landolt 1999: 225). Die Globalization and World City Research Group (GaWC) um Peter Taylor analysierte auf einer quantitativen Ebene anhand der Anzahl von ausgewählten international aktiven Dienstleistungsunternehmen in den einzelnen Städten deren Eingebundenheit in globale Netzwerke und ihre Position in einer Hierarchie der Städte (vgl. Taylor 2004; Beaverstock/Smith/Taylor 1999).

EINLEITUNG

fungen bilden (vgl. Vertovec 2002). 7 Damit wird in diesen Ansätzen ein globaler Bezugsrahmen ihrer alltäglichen Handlungen hervorgehoben 8 und in einer angenommenen Einheitlichkeit und lokalen Entbettung konzipiert, in der Besonderheiten des Ortes keine besondere Rolle für das alltägliche Handeln spielen (vgl. Sklair 2001, Bauman 2003, Lash/Urry 1994, Castells 2000). Daher verwundert es nicht, dass viele Studien das alltägliche Handeln der qualifizierten Dienstleistungsbeschäftigten ohne Bezug zum spezifisch Städtischen betrachten, wie dies z.B. in Forschungsarbeiten zu Diplomaten (vgl. Niedner-Kalthoff 2005), Architekten und Ingenieuren (vgl. Kennedy 2004), Investmentbänkern (vgl. Knorr-Cetina/Bruegger 2002), Auslandskorrespondenten (vgl. Hannerz 2004) oder Schweizer Expatriates in Japan (vgl. Zorzi 1999) der Fall ist. In diesen Studien scheint das Handeln der Expatriates unabhängig vom Ort der Handlung zu sein. Die Gruppe der international hoch mobilen und hoch qualifizierten Dienstleistungsbeschäftigten wird dementsprechend als ortlos beschrieben. Ihr alltägliches Handeln wird in erster Linie ohne lokale Bezüge gedacht und vorschnell in einen uniformen globalen Handlungsrahmen einer „Network Society“ (vgl. Castells 2000) gerückt. Der städtische Ort wird hierbei insofern als unbedeutend angesehen, da ihm keine eigenständige Wirkung auf die Handlung der Expatriates unterstellt wird. Die im Zusammenhang mit dem Alltagsleben der Expatriates aufgeführten Orte werden aufgrund dieses Zusammenhangs als globaler Ort konstruiert: Shopping Malls, Flughafenlounges, Gated Communities, Bürohochhäuser, Trading Floors und ExpatClubs werden in einer globalen Einheitlichkeit und einer Geschichts- und Identitätslosigkeit als Nicht-Orte (vgl. Auge 1994: 92ff.) konzipiert und scheinen in diesem Sinne exakt zu dem als einheitlich beschriebenen Handeln der globalen Elite zu passen. Das alltägliche Handeln der Expatriates vor Ort wird dabei als einheitlich, und als global determiniert gedacht. Es wird in ein „globales Netzwerk“ von Flüssen eingeordnet, in denen Orte und Städte (die Global Cities) als materialisierte Knotenpunkte konzipiert werden. Indem ich die Finanzmanager direkt vor Ort in London und Singapur in ihrem Einpassen betrachte, lege ich einen anderen Fokus, durch den der spezifische Ort in seinem Einfluss auf das alltägliche Handeln deutlich wird und eine Sichtbarkeit entsteht, die in anderen Studien durch das Unterordnen des Ortes unter einen als global konzipierten Raum systematisch eingetrübt ist. Es mag ungewöhnlich erscheinen eine soziale Gruppe mit gleichen Identitäten – d.h. einem einheitlichen Berufsmilieu sowie homogener nationaler, ethnischer und geschlechtlicher Identitäten – in ihrem Alltag in zwei verschiedenen Städten zu un7 8

Vgl. allgemein zur sozialen Netzwerkbildung von Geschäftsleuten Larsen/Urry/ Axhausen 2006 und von Professionals Nowicka 2006. So schreibt Leslie Sklair, die sich bildende transnationale kapitalistische Klasse sei „domiciled in and identified with no particular country but on the contrary, is identified with the global capitalist system“ (Sklair 2001: 10). 15

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

tersuchen. 9 Dominiert wird die Stadtforschung – sofern sie sich dem alltäglichen Leben in der Stadt nähert – von Fallstudien, die sich mit einer sozialen Gruppe in einer Stadt beschäftigen. Diese Studien konzipieren jedoch häufig die untersuchte Kultur als eingegrenzt, als ohne Kontakt zu dem Außen stehend. Die Stadt erscheint in diesen Studien als eine Art Gefängnis, in dem die untersuchte Kultur eingesperrt ist. Der graue Beton der Gefängnismauern, die Struktur des Ortes, wird dabei meist nicht als relevante Größe für das alltägliche Handeln erkannt. Der Fokus liegt wesentlich auf den Interaktionen verschiedener sozialer Gruppen und klammert die Wirkung der besonderen Struktur des Ortes auf das Handeln aus. Es scheint, dass Stadtforschungen sich vorwiegend entweder auf die Untersuchung von institutionellen Prozessen und deren Auswirkungen auf die bauliche Struktur beschränken oder aber eher kultursoziologisch vorgehen und die sozialen Beziehungen und Interaktionen an einem Ort nicht aber dessen Wirkung auf die alltäglichen Handlungen untersuchen. Der Zusammenhang zwischen dem konkret erfahrbaren Ort, seinen spezifischen Strukturen und den besonderen Handlungen ausgewählter sozialer Gruppen, dem körperlichen Spüren der Strukturen des Ortes, bleibt häufig vernachlässigt. Eine vergleichende Analyse der Wirkung des spezifischen Ortes und der Stadt auf das Handeln bringt einen Wechsel der Perspektive hervor: Im Rahmen des Konzepts des Einpassens, dem Spüren und Blicken, steht das Soziale nun im Kontakt zu dem Ort und der Stadt. In den meisten Fällen eines Vergleichs des alltäglichen Handelns ist dieser auf unterschiedliche soziale Gruppen in einer bestimmten Stadt fokussiert (als Beispiele vgl. Dürrschmidt 2000; die Arbeiten der Chicago School, z.B. Park/Burgess/ McKenzie 1925). Die Konsequenzen sind beachtlich: Die ausgewählte Stadt verliert in diesen Betrachtungen meist ihre Spezifika und ihre besondere Wirkung auf das Handeln, daher ist auch die Verlockung in solchen Studien groß, die Stadt, in der die Forschung angesiedelt ist, als paradigmatisches Modell darzustellen. Chicago ist nun nicht mehr Chicago, sondern ist „The City“ (vgl. Park/Burgess/McKensie 1925) und wird somit zu einem Modell, das sich auf andere Städte übertragen lassen soll. Auch die Arbeiten der sog. LA School, die Los Angeles als paradigmatisches Modell einer postmodernen Stadt betrachten und sie daher ebenfalls als „The City“ (vgl. Scott/ Soja 1996) benennen, gehen – ähnlich wie die Forschungen zur Global City – so vor. Die Spezifika der besonderen Strukturen und Images der Orte und Städte werden in ihrer Wirkung auf das Handeln dabei stark vernachlässigt (kritisch zur Global

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Die Irritationen, die dieses Forschungsdesign auslöst, wurden mir in zahlreichen ähnlichen Reaktionen auf mehrere meiner Konferenzvorträge deutlich. Meist wurde mir der Vorschlag unterbreitet, eine andere Perspektive einzuholen und neben den deutschen Finanzmanagern noch andere sozialen Gruppen zu befragen und deren Ortsnutzungen zu beobachten. Das Besondere des Städtischen, die von mir dargelegte differenzierte Wirkung des Ortes und der Stadt auf das Handeln einer sozialen Gruppe, wurden dabei fast ungläubig vernachlässigt.

EINLEITUNG

City Theorie und der notwendigen Differenzierung der einzelnen Städte, vgl. Meier 2002; Abu-Lughod 1999; Horvarth 2004; Robinson 2005; Fenster 2004). Indem in dieser Arbeit das alltägliche Handeln einer über ihre Identitäten definierten sozialen Gruppe an verschiedenen Orten in zwei Städten analysiert wird, wird die Stadt und der Ort als spezifisches Element zurückgeholt, das in den Forschungen zur Global City und der LA School verloren gegangen ist. 10 Mit dem Prozess des Einpassens und der Herausstellung seiner Identitätsgebundenheit wird eine andere Perspektive eingenommen: Statt von einem globalen, transnationalen Handlungsrahmen auszugehen und Lokalität als untergeordnet anzuhängen, wird von dem spezifischen Ort in der besonderen Stadt ausgehend das alltägliche Handeln der Expatriates untersucht. Dieser Wechsel der Untersuchungsperspektive im Konzept des Einpassens hin zu dem Ort und der Stadt ermöglicht es ganz entscheidend, die Konzeptionen des Transnationalismus zu öffnen. Zum einen gerät durch die Analyse der Wechselwirkung mit dem Ort dessen Besonderheit (seine Struktur und sein Image) in den Blick. Zum anderen werden durch die Betrachtung der alltäglichen Handlungen der so genannten globalen Elite im Ort die Bedeutungen sozialer Klassifizierungssysteme wie Geschlecht, Klasse und Ethnie vor Ort sichtbar. Die Auswahl einer über ihre Identitäten als deutsche, männliche und weiße Finanzmanager definierten Untersuchungsgruppe hilft es zu vermeiden, dass dabei dauerhafte soziale Klassifizierungsmuster aus dem Blick geraten, so wie es zu Recht an Konzepten von Transnationalismus bemängelt wurde (kritisch: vgl. Berking 2000; Jackson/Crang/Dwyer 2004; Goldring 2001; Mitchell 1997; Anthias 1998) und wie es sich in der tendenziellen Vernachlässigung der Untersuchung dominanter Identitäten und deren impliziter Setzung als Norm, von der die anderen Identitäten in ihren Abweichung für Untersuchungen interessant werden, zeigt. Indem das Einpassen der Finanzmanager in den Ort betrachtet wird, nimmt diese Arbeit eine Verknüpfung von Stadt-, Migrations- und Ungleichheitsforschung vor und macht den Ort in seiner sozialen Umkämpftheit und dominante Identitäten sichtbar.

10 Dabei kann an Untersuchungen angeknüpft werden, die Transnationalismus als verschiedenartigen, multilokalen Prozess sehen (vgl. Smith/Guarnizo 1998; Smith, M. 2001) und die beispielsweise eine Differenzierung in den lokalen Praktiken von kolumbianischen transnationalen Migranten zwischen New York und Los Angeles zeigen können (vgl. Guarnizo/Sánchez/Roach 1999). Diese Studie konzentriert sich jedoch auf einen Vergleich der soziokulturellen Zusammensetzung und der Verteilung der Kolumbianer in den beiden Städten, ihr alltägliches Handeln in Interaktion mit der Stadt wird dabei nicht umfassender in den Blick genommen. Untersuchungen, die eine mögliche Differenzierung von lokalen Praktiken zwischen unterschiedlichen Städten für Expatriates bzw. für eine soziale Gruppe mit definierten Identitäten vornehmen, fehlen bisher. 17

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

Die Identitäten der Expatriates werden sichtbar Da ich das Einpassen als identitätsgebunden konzipiere, betrachte ich die deutschen Finanzmanager nicht als Teil einer homogenen sozialen Gruppe transnationaler Dienstleistungseliten (vgl. Friedmann 1986; Castells 2000), als „transnational capitalist class“ (vgl. Sklair 2001) 11 , deren relative Homogenität sich in einem mehr oder weniger uniformen globalen Lebensstil zeigen soll, sondern als soziale Gruppe mit verschiedenen spezifischen Identitäten. Ich begreife die „transnational capitalist class“ als eine soziale Gruppe, die sich nicht nur in unterschiedliche Berufs- und Migrationskarrieren (vgl. Glebe/White 2001: 40f.), sondern auch in unterschiedliche Identitäten ausdifferenziert. Damit kann ich an einige identitätssensible Untersuchungen anknüpfen, die beispielsweise zeigen, dass sich die so genannte transnationale Klasse in verschiedene Berufsmilieus differenziert (vgl. Noller 1999) 12 , die Geschlechtsdifferenzen aufzeigen (vgl. Iredale 2005) oder deren Untersuchungsgruppe durch nationalstaatliche Zugehörigkeiten, z.B. als Briten (vgl. Beaverstock 2002; Beaverstock 2003; Scott 2004), definiert ist. Nur wenige Studien differenzieren die „transnationale Dienstleistungsklasse“ in mehr als eine Identitätsdimension, indem sie singapurische sowie britische Frauen und ihre Identitätsaushandlungen in China (vgl. Willis/Yeoh 2002; Yeoh/Willis 2005), britische Frauen in Dubai (vgl. Walsh 2006) oder japanische Bankbeschäftigte in London untersuchen (vgl. Sakai 2000). Studien, die jedoch ihre Untersuchungsgruppe sowohl durch eine spezifische nationalstaatliche Identität als auch durch Milieuidentität, ethnische Identität und geschlechtliche Identität bestimmen und dabei betrachten, wie solche Identitäten im alltäglichen Handeln in der Stadt re-produziert werden, fehlen bisher. Da die international mobilen Finanzmanager, wie oben gezeigt, in erster Linie in ihrem alltäglichen Handeln als entkoppelt vom spezifischen Ort im „island hopping from one expatriate enclave to another“ (Ley 2004: 157) betrachtet werden, gibt es nur wenige Studien, die ihr alltägliches Handeln an spezifischen Orten untersuchen. Wenn das Handeln der Expatriates mit Bezug zu einer Stadt betrachtet wird, so werden diese spezifischen Städte als Global Cities in einen globalen Rahmen gebunden 11 Sklair differenziert die „transnational capitalist class“ in vier sich teilweise überlappende Fraktionen: 1. die „corporate fraction“ (Geschäftsführung der transnationalen Unternehmen und ihrer lokalen Zweige), 2. die „state fraction“ (Bürokraten und Politiker), 3. die „technical fraction“ (Dienstleistungs-beschäftigte) und 4. die „consumerist fraction“ (Händler und Medien). Leslie Sklair hebt aber deren ähnliche Lebensstile (gleichartige Bildungswege, gleicher Konsum von Luxusgütern und Dienstleistungen) hervor und sieht damit einhergehend eine gleichförmige räumliche Ausgestaltung der Lebensräume dieser sozialen Gruppe (vgl. Sklair 2001: 10). 12 Peter Noller stellte in seiner Untersuchung von hoch qualifizierten Dienstleistungsbeschäftigten in Frankfurt/Main fest, dass sich deren Muster der Lebensführung und räumlichen Aneignungen entlang der Berufsgruppen Bankangestellte, Werbefachleute und EDV-Spezialisten milieuspezifisch differenzieren lassen. 18

EINLEITUNG

und verlieren in diesen Konzeptionen ihre Spezifität bezüglich des Handelns der Expatriates. Auch wenn Expatriates in Singapur (vgl. Beaverstock 2002), New York (vgl. Beaverstock 2003), London (vgl. Beaverstock/Smith 1996; White 1998), Hongkong (vgl. Findlay/Li/Jowett/Skeldon 1996) oder in Paris (Scott 2004) betrachtet werden, so sind auch diese Studien dominiert von einer Perspektive, die auf die transnationale Einbindung der Aktivitäten der Expatriates fokussiert ist. Die Städte werden dabei nicht als Paris, London oder Singapur betrachtet, sondern eben als mehr oder weniger uniforme und miteinander verknüpfte Global Cities. Die Wirkung der besonderen Stadt und der besonderen Orte auf das Handeln, das tatsächliche Erleben der Stadt und des Ortes sowie die alltäglichen Identitätsbildungen spielen dabei, anders als in dem hier vorgestellten Konzept des Einpassens, keine größere Rolle. Um die unterschiedlichen Identitätsdimensionen der Finanzmanager im Konzept des Einpassens sichtbar machen und so die alltägliche Re-Produktion ihrer Identitäten als Teil des Einpassens analysieren zu können, ist es notwendig, ihre alltäglichen Handlungen weniger als eine den Ort überbrückende, denn als in ihn eingebettete Aktivität zu sehen. Damit wird in dieser Arbeit gezeigt, dass der lokale Kontext, also die unterschiedlichen Geschichten, die die Städte zu erzählen haben (vgl. Massey 1999: 171), bedeutungsvoll für das Einpassen der Finanzmanager sind. Wie Identitätsbildungen in Interaktion mit den Orten in einer fremden Stadt und deren spezifischen Strukturen (wie dem besonderen Klassen-, Ethnizitäts- und Geschlechterverhältnis, der politischen Struktur, dem Wohlfahrtssystem, der besondere materiellen Ausstattung, der Infrastruktur und Geschichte usw.) erfolgen, bleibt bisher eine weitestgehend offene Frage, zu deren Beantwortung das Konzept des Einpassens und diese Untersuchung beiträgt. Dabei wird deutlich, wie die aus Deutschland mitgebrachten Identitätskonstruktionen im Prozess des Einpassens in die neue Stadt ausgehandelt werden und wie sie dabei in Abhängigkeit vom Ort der alltäglichen Handlungen stehen.

Alltägliche Identitätsbildungen und soziale Differenzierungen werden am Ort sichtbar Identitäten sind nicht auf einen einzigen geografischen Ort beschränkt, sie werden nicht nur an einem, sondern an verschiedenen, mitunter von einander weit entfernten Orten gebildet. Daher versteht sich das Konzept des Einpassens als eine „multi-sided ethnography“ (vgl. Marcus 1995) und betrachtet die Identitätsbildungen einer sozialen Gruppe in verschiedenen Orten und Städten. Dabei liegt der Schwerpunkt jedoch nicht darauf, sie als „travelling culture“ in der Überwindung von Orten und als „moving targets“ (vgl. Clifford 1997: 17ff.) zu sehen, sondern sie an verschiedenen Orten in ihrem Einpassen zu betrachten und dabei ihre Identitäten in Abhängigkeit vom spezifischen Ort ihrer Bildung zu zeigen. Auch wenn sich von einem „delinking of 19

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

locale and milieu“ (Dürrschmidt 2000) sprechen lässt, zeige ich, dass alltägliches Handeln und Identitätsbildungen im direkten Blicken und Spüren des Ortes stattfinden: Die Finanzmanager passen sich in den Ort ein. Durch die Untersuchung des Einpassens einer ausgewählten sozialen Gruppe mit spezifischen sozialen Klassifikationsmerkmalen (männlich, deutsch, weiß, globale Elite) in ausgewählte Orte in der spezifischen Stadt gerät nicht nur die Besonderheit von alltäglicher Handlung in Wechselwirkung mit einem spezifischen Ort in den Blick. Es werden auch Handlungsdifferenzen zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen und mögliche Konflikte am jeweiligen Ort sichtbar. Denn die Stadt ist nicht nur in abgrenzbare Orte aufgeteilt. Sie strukturiert sich in den Orten selbst durch differenzierte Formen des Handelns. Es konstituieren sich verschiedene Räume 13 an ein und demselben Ort (vgl. Löw 2001: 268). Die Stadt lässt sich daher nicht ausreichend als „Dual City“ (vgl. Mollenkopf/Castells 1991) oder „Quartered City“ (vgl. Marcuse 1989) beschreiben, sie ist vielmehr eine „Layerd City“ (vgl. Marcuse/van Kempen 2000). Diese Schichtung zeigt sich beispielsweise in den Arbeits-, Wohn- und Freizeitorten der Finanzmanager, die auch von niedrig qualifizierten Arbeitskräften (z.B. Reinigungspersonal, Kinderbetreuung, Küchenbedienstete) aufgesucht werden. Die Art der Nutzung der Orte steht auch in Abhängigkeit zur Tageszeit. Büroräume werden in den späten Abend- oder den frühen Morgenstunden gereinigt, während sie dazwischen von den Finanzmanagern genutzt werden. Die deutschen Finanzmanager begegnen an verschiedenen Orten daher auch Anderen. Das Einpassen in den Ort erfolgt somit auch in der besonderen Aushandlung dieser Begegnung durch die Finanzmanager: In den Emotionen, den Handlungen und Blicken, mit denen sie dem Ort und damit auch den Anderen begegnen und die sie in der tatsächlichen Begegnung erfahren.

Aufbau der Arbeit Im an diese Einleitung anschließenden Kapitel wird „Das Einpassens“ differenziert und entwickelt. Dabei wird zum einen die Rolle der mitgebrachten Images von Orten, Städten und von anderen sozialen Gruppen für das alltägliche Handeln vor Ort verdeutlicht. Zum anderen wird die Bedeutung von Strukturen – von Materialitäten, 13 Raum stellt eine Struktur dar, die zum einen handlungsleitend ist und zum anderen gleichzeitig im Handeln erzeugt wird (vgl. Giddens 1988). Indem ich Raum als prozesshaft im sozialen Handeln hergestellt verstehe (vgl. Massey 1994; Löw 2001; Lefebvre 1991) und als Verknüpfungsleitung von unterschiedlichen Orten im Handeln (z.B. durch Migration, Kommunikation oder durch Finanz und Warenströme) betrachte, wird es möglich, Identitäten in ihrer beständigen Re-Produktion in Wechselwirkung mit anderen sozialen Räumen und den Strukturen des Ortes zu sehen. Damit werden soziale Aushandlungsprozesse, die von unterschiedlichen sozialen Gruppen an einem Ort geführt werden, besser in den Blick genommen. 20

EINLEITUNG

Rhythmen, Atmosphären und den politischen, ökonomischen und sozialen Regimes – für das alltägliche Handeln vor Ort aufgezeigt. Dabei wird deutlich, dass das Einpassen der deutschen Finanzmanager ein spezifisches ist, das in Abhängigkeit von ihren besonderen Identitäten erfolgt und diese zugleich re-produziert. Mit dem Konzept des Einpassens ausgestattet nähert sich meine Arbeit dann in den folgenden Kapiteln dem alltäglichen Handeln der Finanzmanager an die ausgewählten Orte in London und Singapur an. In dem Kapitel „Das Einpassen erforschen“ wird dargelegt, mit welchem Forschungsverständnis und welchen Methoden ich mich den Finanzmanagern und den von ihnen im Alltag genutzten Orten angenähert und damit das Einpassen untersucht habe. Die Durchführung von Interviews und Feldbeobachtungen vor Ort ermöglichen es mir dabei, dreierlei in meiner Arbeit zu kombinieren: die Struktur des Ortes, die dort stattfindenden alltäglichen Handlungen sowie die Erzählungen dieser Handlungen und der Orte aus Sicht der Finanzmanager. Durch diese Kombination kann ich das Einpassen der deutschen Finanzmanager mit den notwendigen unterschiedlichen Daten zu den spezifischen Images, Handlungen und den tatsächlichen erlebten Strukturen des Ortes untersuchen. Eine Analyse der handlungsrelevanten Strukturen der Orte und Städte sowie der mitgebrachten Images, die Teil des Einpassens der Finanzmanager sind, erfordert eine tiefer gehende Betrachtung, die diese Strukturen und Images in ihrer historischen Verwurzelung erfasst. Wie sich in den darauf folgenden Kapiteln zeigen wird, sind die Wurzeln der gegenwärtigen Strukturen und Images für das heutige Einpassen der Finanzmanager in London und Singapur relevant. Ihr heutiges Handeln erfolgt weder in geschichtslosen Orten und Städten, noch ist die Geschichte von Ort und Stadt unbedeutend für ihr aktuelles Einpassen. Im Blicken und Spüren der Orte geraten die Finanzmanager auch in Berührung mit den historisch gewachsenen Strukturen und Images von Ort, Stadt und deren BewohnerInnen. Ich werde daher London und Singapur im Kapitel „London und Singapur als Finanzzentren und Ziele von Finanzmanagern“ in ihrer Entwicklung hin zu ihrer heutigen Rolle als internationale Finanzzentren und als Arbeitsplatz und Migrationsziel von hoch qualifizierten und mobilen Finanzmanagern und Deutschen beschreiben. Die Darlegung dieser historischen Wurzeln dient also dazu, die Analyse des Einpassens in den folgenden empirischen Kapiteln zu öffnen. Die empirischen Kapitel beginnen mit dem Weg des Forschers zu den einzelnen Orten in London und Singapur. Damit wird nicht nur das Gewicht der Perspektive des Forschers verdeutlicht, der Ort wird so auch in seiner Eingebundenheit, seiner geografischen Lage und Erreichbarkeit in der besonderen Stadt markiert und damit untersuchbar. Unterstrichen wird so der Blick auf die Finanzmanager, die nicht als eine auf den Ort begrenzte, sondern auch als „travelling culture“ (vgl. Clifford 1997) betrachtet werden, die jedoch weiterhin in Abhängigkeit vom konkreten Ort handelt. Der Weg zu dem Ort, die dabei gemachten körperlichen Erfahrungen, werden zu ei-

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DAS EINPASSEN IN DEN ORT

nem Bestandteil des Erlebens des Ortes. Das Einpassen in den Ort ist so auch durch den Weg zum Ort mitgeprägt. Die deutschen Finanzmanager kommen nach London und Singapur um dort zu arbeiten; ein Großteil ihres Alltags spielt sich an ihrem Arbeitsort in der City of London oder im Central Business District in Singapur ab. Gerade diese Orte gelten als Paradebeispiele für globale Knotenpunkte – eine spezifische Wirkung auf das Handeln der dort Arbeitenden bleibt dabei unberücksichtigt und wird diesen Orten abgesprochen. Ich werde im Kapitel „Arbeiten im Zentrum – Arbeiten im Außenposten“ zeigen, wie heterogen das Einpassen der deutschen Finanzmanager in diese beiden Orte ist und wie deutlich die Orte, die City of London und der Central Business District, auf das alltägliche Handeln der deutschen Finanzmanager wirken. Neben dem Arbeitsplatz ist es der Wohnort, wo die Finanzmanager die meiste Zeit verbringen. Aus einer Vielzahl von Wahlmöglichkeiten in den heterogenen Städten wählen sie diesen aufgrund von bestimmten Merkmalen (Images und Strukturen) aus; Merkmale, die ihr alltägliches Handeln an diesen Orten mitbestimmen. Durch die Auswahl von jeweils zwei Wohnorten in London und Singapur werde ich in dem Kapitel „Wohnen in der geteilten Stadt – Wohnen in der Stadt der sozialen Harmonie“ zeigen, wie sich die Differenzen zwischen den Orten innerhalb einer Stadt auf das alltägliche Handeln auswirken und wie das Einpassen der Finanzmanager daher von Ort zu Ort auch innerhalb einer Stadt differiert. In London werde ich das Wohnen im Grünen, in dem alten, ehrwürdigen Viertel Richmond und das Wohnen in der ehemals verrufenen und heute aufgewerteten Hafengegend, den Docklands, analysieren. In Singapur gerät das als „Expat-Viertel“ bekannte Bukit Timah und das Wohnen in so genannten Condominiums (singapurische Gated Communities) an der East Coast in den Blick. Zum Schluss werde ich im „Fazit: Das Einpassen der deutschen Finanzmanager“ die Ergebnisse der Arbeit konzentriert darstellen.

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Das Einpassen

Die deutschen Finanzmanager begegnen in London und Singapur Orten und Menschen mit anderen Identitäten. Damit kommen sie in Kontakt mit bestimmten Strukturen, die sich in den Orten und in den Anderen konkretisieren und so in alltäglichen Begegnungen spürbar werden. Die Anderen, der Ort und die Stadt sind mit bestimmten Zuschreibungen, Bedeutungen und Vorstellungen verbunden, die ich als Bilder bzw. als Images bezeichne. Diese Images sind für die Finanzmanager fühlbar. Sie realisieren sie als bestimmte Emotionen, die mit den Anderen und dem spezifischen Ort verbundenen sind. In der direkten Begegnung mit dem Ort werden diese relevant und fordern zu Verhaltensanpassungen an die eigenen Images und die erlebten Strukturen vor Ort auf; die Finanzmanager passen sich in den Ort mit ihren Emotionen und ihren Handlungen ein. Beides, sowohl die Images mit denen sie dem Ort und den Anderen begegnen, als auch die konkrete Begegnung mit den Strukturen des Ortes, erfolgt in Abhängigkeit von den eigenen Identitäten und ist in seiner spezifischen Ausprägung ein Teil der Identitätsproduktion. Daher verstehe ich das Einpassen als identitätsgebundenes alltägliches Handeln in Wechselwirkung mit der gegebenen Struktur des Ortes und mit den diesem Ort entgegengebrachten Images. Die erlebten Emotionen sind dabei das Bindeglied zwischen den unterschiedlichen Komponenten im Konzept des Einpassens: „Emotion simply indicates what might be called an experience of involvement. A person may be negatively or positively involved with something, profoundly involved or only slightly involved, but however or to what degree they are involved with an event, condition or person it necessarily matters to them, proportionately“ (Barbalet 2002: 1). Emotionen werden in Abhängigkeit von dem spezifischen Image der Orte, den Anderen und in der konkreten Begegnung mit dem Ort und den Anderen spürbar und sind in ihrer Spezifität Teil der Identitätsbildung. Die Emotionen werden daher in

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DAS EINPASSEN IN DEN ORT

dem in diesem Kapitel vorgestellten Konzept des Einpassens an verschiedenen Stellen relevant. Ich werde in einem ersten Schritt die Bedeutung der Images, also „den gerichteten Blick“ analysieren, in einem zweiten Schritt die direkte Begegnung mit dem Ort und den Anderen betrachten sowie in einem dritten Schritt die Identitätsgebundenheit des Einpassens herausstellen.

Der gerichtete Blick – Dem Ort und den Anderen entgegengebrachten Images Die deutschen Finanzmanager begegnen der Stadt, London und Singapur, und den verschiedenen Orten in diesen Städten mit unterschiedlichen Vorstellungen. Vorstellungen, die so machtvoll sind, dass sie die konkrete Wahrnehmung von der Stadt, den Orten und den dort handelnden Anderen beeinflussen: Ohne London oder Singapur körperlich erlebt zu haben, ohne jemals in den Londoner Orten wie den Docklands oder in der City gewesen zu sein, ist allein die Nennung dieser Namen ausreichend um eine bestimmte Vorstellung zu haben, in der diese Orte, die Städte und die dort handelnden Menschen mit bestimmten Eigenschaften und Bedeutungen versehen sind. Ihnen wird ein spezifisches Image zugeschrieben; sie gelten daher beispielsweise als freundlich, gefährlich, modern oder exotisch. Diese Images, die als „Representational Spaces“, als „space as directly lived through its associated images and symbols“ (Lefebvre 1991: 39), dem Raum einen Sinn verleihen und ihm bestimmte Eigenschaften zuweisen, sind allgegenwärtig und finden sich beispielsweise in unterschiedlichen Texten – in Literatur, Bildern, Gesprächen, Filmen, Karten, Reisesouvenirs und Landschaftsdarstellungen. Insofern: „Landscapes can be seen as texts which are transformations of ideologies in concrete form“ (Duncan/Duncan 1988: 117). Wie machtvoll diese einer geografischen Region und ihren BewohnerInnen zugeschriebenen Eigenschaften sind und wie diese einen bestimmten Blick darauf ausrichten, demonstriert Edward Said in seinem Buch „Orientalism“ (1978). Er zeigt am Beispiel westeuropäischer Literatur, dass die Kolonialisierung des Mittleren Ostens von einem spezifischen Image begleitet wurde. Die Erzeugung dieses Images, das diese Region als durch Exotismus und Mystik gestaltet darstellt und sie somit zum Orient und damit zum Gegenentwurf des Okzidents macht, ist ein machtvolles Produkt und Ausdruck der westeuropäischen Herrschaft und Kolonisierung dieser Region. Denn: „The Orient has helped to define Europe (or the West) as its contrasting image, idea, personality, experience“ (Said 1978: 1). Die koloniale Teilung der Welt in „the West and the Rest“ (vgl. Hall 1994) gründet sich auf diesen Zuschreibungen von Stereotypen. Der Westen (oder der Okzident) auf der einen Seite hat dabei ein Image, das ihn als modern entwickeltes zivilisiertes Zentrum darstellt. Auf der anderen Seite gilt der Osten (der Orient oder der Rest) als sein Gegensatz, als vormoderne, unentwickelte und unzivilisierte Periphe24

DAS EINPASSEN

rie. 1 Dieser koloniale Blick, „the imperial eye“ (vgl. Pratt 1992), der Kolonisatoren auf die Kolonie und die Zuschreibung von rassistischen, stereotypen Merkmalen auf die dortige Bevölkerung (vgl. Bhabha 1994: 70f.) wurde in Analysen von historischen Dokumenten in der Literatur (vgl. Said 1978), in Fotografien (vgl. Hight/Sampson 2002; Schwarz/Ryan 2003; Ryan 1997) und in Reiseberichten (vgl. Duncan/Gregory 1999; Pratt 1992) demonstriert. Diese Einschreibungen von Bedeutungen – also die Zuschreibung von Images – in Orte, Städte und Menschen mit anderen Identitäten ist Ausdruck ungleicher Machtverhältnisse und in ihrer alltäglichen Re-Produktion umkämpft. Dieser Kampf um Bedeutung (vgl. Hörning/Winter 1999: 9) findet beständig gerade auch in alltäglichen Praktiken statt. „Just as none of us is outside or beyond geography, none of us is completely free from the struggle over geography. That struggle is complex and interesting because it is not only about soldiers and cannons but also about ideas, about forms, about images and imaginings“ (Said 1994: 6). Das Image ist jedoch nicht nur eine Erfahrung, die in der Art des Lesens besteht, es ist auch ein Produkt des Schreibens bzw. des Bauens. Mit dem Strukturieren des Ortes, z.B. seiner Architektur, wird durch die Machtvollen, diejenigen, die planen und entscheiden – eine bestimmte Art des Lesens zumindest vorgeschlagen. Träger machtvoller sozialer Identitäten lassen sich – wie die weißen, männlichen Finanzmanager – als diejenigen betrachten, die eine dominante Ideologie und Definition des Normalen (des Weißen, Männlichen und der globalen Elite) in den Ort, die Stadt und die Anderen einschreiben (vgl. Jackson/Penrose 1993). Da die Images der Orte, Städte und sozialen Gruppen in alltäglichen Handlungen, den Verhaltens- und Betrachtungsweisen beständig produziert und reproduziert werden – Images also ein dynamisches und umkämpftes Gebilde sind – können sich diese mit der Zeit verändern. So hat sich beispielsweise nach den 1980-er Jahren das bürgerliche Image von den Docklands in East London zusammen mit der strukturellen Transformation der Docks von einem „symbol of the nation’s dark side“ (Eade 2000: 124), einem exotischen Anderen, exemplarisch charakterisiert durch Jack the Ripper, durch Gefahr und Schmutz zu einem sauberen und entwickelten „state of the art financial and commercial center“ (Eade 1997: 132) verändert. Die strukturelle Umgestaltung der Docks wurde dabei von einem Wechsel des Images begleitet (vgl. Crilley 1992). Was Said am Beispiel einer ganzen geografischen Region, dem Orient, zeigt, findet sich also auch in der Betrachtung der Darstellung kleinerer geografischer Einheiten wieder. Städte sind mit unterschiedlichen Eigenschaften und Bedeutungen 1

Die Mächtigkeit und Persistenz des Blicks auf die arabische Welt als das Andere, als Gegenstück zu einer von Rationalismus geprägten Zivilisation des Westens, verdeutlicht Said indem er zeigt, dass dieses Bild auch heute internationale politische Beziehungen prägt und damit das militärische Eingreifen des Westens im Golfkrieg (1990-1991) legitimiert wurde (vgl. Said 1994). 25

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

versehen (vgl. Cinar/Bender 2007) und versuchen sich selbst in Werbekampagnen bestimmte Images zu geben. New York wird so zum „Big Apple“, zu einer Stadt der Energie, der Hast und der Angst. Boston hingegen wird als relaxte, kulturelle und intellektuelle Stadt dargestellt (vgl. Suttles 1984). Die Wahrnehmung von bestimmten Orten erfolgt in Abhängigkeit zu solchen Stereotypen, die in einer Gesellschaft als „place myths“ zirkulieren (vgl. Shields 1991). Sie sind machtvoll genug um einen bestimmten Blick, wie den „Tourist Gaze“ (vgl. Urry 2002), 2 zu produzieren und auszurichten. In dem Einnehmen eines spezifischen Blickwinkels auf Orte, Städte, soziale Gruppen und in der Art wie über sie gesprochen wird, werden diese Images beständig reproduziert. 3 Die indische Stadt Kalkutta erscheint aus der Perspektive westlicher Reisender, die dorthin als freiwillige Helfer gehen, als Symbol von Elend und Zerfall. Dieser besondere Blick auf Kalkutta findet sich in unterschiedlichen Texten aus dem Westen, in Romanen, Reiseführern, Filmen und Fotografien, wieder und wird dort als „the Rumor of Calcutta“ (vgl. Hutnyk 1996) produziert. Dieses Image, „the Rumor“, ist stark genug um die Wahrnehmung der westlichen Touristen von Kalkutta zu lenken und die Erzählungen ihrer alltäglichen Erfahrungen danach auszurichten. Denn: „Decay is not simply there, it is sought out, foregrounded, represented, and becomes a tourist attraction“ (Hutnyk 1996: viii). „[Thus] Travellers come to Calcutta to experience, and hence to report on, something they expect to be extreme. Unusual and different from all other expectations and places – as a site of poverty, crowds, rickshaws etc.“ (Hutnyk 1996: 19). In Hutnyks Studie wird deutlich, dass das Image, mit dem die westlichen Reisenden Kalkutta begegnen, ihrem Aufenthalt dort einen besonderen Sinn gibt. Indem sie Kalkutta als Stadt des Elends imaginieren und ihre Wahrnehmung auf die Entdeckung von Faktoren richten, die dieses Image bestätigen, bekommt in ihren Erzählungen ihr Aufenthalt insofern einen Sinn, dass sie sich in der Stadt des Elends selbst in der Rolle des Wohltäters/der Wohltäterin sehen. Sie passen sich also in Kalkutta ein; sie begegnen der Stadt nicht nur mit einem bestimmten Image, sondern passen sich in ihrer Selbstreflexion und Identitätsproduktion, ihren Emotionen und ihren Handlungen an dieses Image an. Ihr spezifisches Handeln in Abhängigkeit von diesem Image ist dabei auch als Produktion ihrer Identität als Weiße begreifbar. Eine Identitätserzeugung, deren Abhängigkeit vom Ort ihrer Produktion somit deutlich wird. Anderen Städten wie New York oder Frankfurt werden sie vermutlich mit ei2

3

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Der durch Images von Landschaften geprägte touristische Blick wird in einer Reihe von Forschungen analysiert (vgl. u.a. verschiedene Aufsätze in den Sammelbänden: Crouch/Lübbren 2003; Crouch/Jackson/Thompson 2005). Die spezifische Präsentation von Städten, Orten und sozialen Identitäten in Texten und Bildern sowie die Art diese zu sehen lässt sich als Produkt und als Ausdruck eines bestimmten Diskurses begreifen. Auf diesen Begriff werde ich in dem nachfolgenden Methodenkapitel näher eingehen.

DAS EINPASSEN

nem anderen Image begegnen. Daher werden sie sich dort auch nicht mit dem Selbstbild der WohltäterIn einpassen und über diese Art des Einpassens diesen Identitätsbaustein des Weißseins reproduzieren können. Es lässt sich daher feststellen, dass die Einschreibung von spezifischen Bedeutungen in Orte mit der Herstellung von Identitäten verknüpft ist. Daher sind „der eigene Ort“ und „die eigene Identität“ oder „der andere Ort“ und „die andere Identität“ miteinander verbundene Konzepte. Die Stereotypisierung von Identitäten (zur Stereotypisierung am Beispiel des Rassismus, vgl. Meier 2008) interagiert mit der Einschreibung von äquivalenten Eigenschaften in bestimmte Orte. So deckt sich das den US-amerikanischen Gettos eingeschriebene Image als exotisch, gefährlich und sozial desorganisiert (vgl. Waquant 1998) mit den Eigenschaften, die der schwarzen Identität der Bewohner zugeschrieben werden (vgl. Jackson 1989). Alltägliche Begegnungen mit Orten und sozialen Gruppen erfolgen nicht, ohne dass diese mit spezifischen Bedeutungen versehen werden. Diese Bedeutungen werden sozial konstruiert, als spezifische Zuschreibungen von Eigenschaften zu Menschen mit anderen Identitäten und zu Orten und Städten. Wir begegnen nicht einfach anderen Menschen, wir begegnen Menschen, die wir über ihr Geschlecht, ihre Ethnizität, ihre Milieuzugehörigkeit und ihre nationalstaatliche Zugehörigkeit differenzieren und ihnen damit bestimmte Eigenschaften zuschreiben. Durch die Zuschreibungen von Eigenschaften zu den identifizierten anderen Identitäten ebenso wie zu Orten oder Städten werden die tatsächlichen Begegnungen mit den Anderen und dem Eigenen reguliert und in spezifischen Verhaltens- und Redeweisen reproduziert.

Spezifische Perspektive Wie Kevin Lynch in einer frühen Studie (1960), die sich auf von Untersuchungspersonen angefertigte Mental Maps 4 ihrer Wohnstädte stützt, deutlich macht, steht die Wahrnehmung von Städten in Abhängigkeit zu ihrer physischen Struktur. Die eher diffuse Vorstellung, die die Einwohner von Los Angeles von ihrer Stadt haben, resultiert für Lynch aus dem Urban Sprawl und der Uniformität der rechtwinkligen Straßenlage. Lynch zeigt auch, dass die gleiche Stadt sehr unterschiedlich von ihren Bewohnern imaginiert wird. Dies erklärt sich für den Sozialpsychologen Stanley Milgrim durch die unterschiedlichen persönlichen Erfahrungen, Interessen und das spezifische Wissen, das die einzelnen Versuchspersonen haben (vgl. Milgrim 1972). Soziologisch beschrieben gibt es also einen Zusammenhang zwischen den Identitäten der Betrachtenden und dem Image, das diese von dem Ort oder der Stadt haben (vgl. Kitchin 1996).

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Eine Mental Map ist eine von einem Individuum angefertigte Skizze, das die Aufgabe bekam seine Wohnstadt in den wichtigsten Strukturen zu zeichnen. 27

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

Orte, Städte und soziale Gruppen können also auf verschiedene Arten betrachtet und imaginiert werden. Der Blick auf die Stadt und auf den Ort, die Wahrnehmung dieser Images, erfolgt aus einer bestimmten Perspektive. Diese ist abhängig von den Identitäten der Person, die wahrnimmt und von der Position von der sie aus blickt. StadtplanerInnen erzählen daher andere Geschichten vom Leben in der Stadt als die BewohnerInnen (vgl. Finnegan 1998). Der „Orient“ wird ebenso wie das „elendige“ Kalkutta aus einer westlichen Perspektive gesehen und die „dreckigen und gefährlichen“ Docks aus einer bürgerlichen Perspektive. Diesen Zusammenhang zwischen den Identitäten der Betrachtenden und dem Image, mit dem sie Orten, Städten und sozialen Gruppen begegnen, verdeutlicht sich auch in der Angst vieler Frauen vor den von ihnen als gefährlich wahrgenommenen städtischen Orten (vgl. Smith 1989; Pain 1997) 5 . Die gleichen Orte werden möglicherweise von Männern mit anderen Emotionen verbunden und nicht als gefährlich empfunden. Die Blicke der deutschen Finanzmanager auf London und Singapur, deren städtische Orte und soziale Gruppen, sind daher auch besondere Blicke. Die Zuschreibungen von Bedeutungen, die Bildung von Images, erfolgen aus der Perspektive von Personen mit bestimmten Identitäten. Sie werden aus der Perspektive der männlichen, weißen, deutschen und den der globalen Elite angehörigen Finanzmanagern vorgenommen.

Der empfindende Körper – Das Einpassen in die Struktur des Ortes In die tatsächliche Begegnung mit dem Ort, der Stadt und den dort handelnden Menschen werden die Images und ihre spezifischen Bedeutungen von den Finanzmanagern mitgebracht. Diese sind so machtvoll, dass sie sich als Emotionen in den Körper einschreiben können. Der imaginiert gefährliche Ort wird so auch körperlich durch ein Gefühl des Unbehagens oder der Angst spürbar. Das beruhigende und Sicherheit gebende Gefühl der Zugehörigkeit lässt sich ebenso wie der Angstschweiß oder die Freudentränen, das Zittern oder die ungelenke Bewegung als Reaktion auf Eigenschaften sehen, die man spezifischen Orten, sozialen Gruppen oder Städten zuschreibt. „Emotionen entstehen als Folge der Bewertung von Situationen im Zusammenspiel mit physiologischen Erregungen. […] Emotionen wirken wieder auf Interaktionszusammenhänge zurück, indem sie diese auf eine spezifische Art und Weise strukturieren“ (Gerhards 1988: 17).

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Dies zeigt sich allgemeiner, ohne Bezug zu einem konkreten Ort, auch in einem geschlechtsspezifischen, weiblichen Unsicherheitsgefühl im öffentlichen Raum, das sich von dem Gefühl der Männer unterscheidet (vgl. Ruhne 2003).

DAS EINPASSEN

Da Emotionen als „Folge der Bewertung von Situationen“ entstehen, findet das Erleben des Ortes auch in der Übersetzung der Images in erlebbare Emotionen statt. Diese sind machtvoll genug, um die Wahrnehmung vom Ort und das alltägliches Handeln vor Ort zu beeinflussen und sind daher Teil des Einpassens. Das Einpassen der Finanzmanager in verschiedene Orte in London und Singapur findet auch in der Orientierung ihres alltäglichen Handelns an den aus ihrer identitätsgebundenen Perspektive wahrgenommenen Strukturen des Ortes statt. Diese spezifischen Strukturen der Orte bestehen aus einer Vielzahl von Elementen, wie aus seiner Materialität, Atmosphäre, sozialen Struktur und seinem Rhythmus, die für die Finanzmanager direkt vor Ort spürbar werden und die von ihnen bestimmte Handlungen im Einpassen in den Ort einfordern. In der tatsächlichen Begegnung mit dem Ort fühlen sie seine Strukturen, Materialitäten und seine Atmosphäre mit allen Sinnen des eigenen Körpers; die deutschen Finanzmanager begegnen Singapur und London, den dortigen Orten und den sozialen Gruppen.

Die Sinne des Körpers und die Strukturen des Ortes – Der wahrnehmende und emotionale Körper In der Begegnung mit dem Ort fühlen die Finanzmanager seine Struktur mit allen ihren körperlichen Sinnen. Diese sinnlichen Informationen, sind gleichzeitig Ausdruck des Einpassens und Ursache des Einpassens an die wahrgenommenen Strukturen des Ortes. Auch wenn gerade die visuelle Wahrnehmung in den letzten Jahrhunderten in den westlichen Kulturen eine herausgehobene Kraft bekommen hat und in der modernen Stadt der Augenkontakt mit den Anderen die direkteste Interaktion darstellt und der Blick eine vorausschauende Kontrolle der Umgebung vornimmt (vgl. Simmel 1903/1984), erfolgt das Einpassen in den Ort mit allen Sinnen des Körpers der Finanzmanager, mit dem Sehen, Hören, Fühlen, Riechen und Spüren (zur Bedeutung der Sinne bei der Wahrnehmung von Orten vgl. Simmel 1908/1992; Rodaway 1994; Urry 2000). Die vielfältigen sinnlichen Erfahrungen vor Ort bestimmen auch seine Wahrnehmung der Finanzmanager vom Ort (vgl. Merleau-Ponty 1966) und werden für sie zu mit dem Ort verknüpften Emotionen (vgl. Tuan 1974). Dieser so entstehende „Sense of place“ (Tuan 2004) ist daher nicht nur Ergebnis und Ausdruck eines dem Ort entgegengebrachten Images, sondern entwickelt sich prozesshaft auch durch direkte sinnliche Erfahrungen. Die Erfahrung des Ortes wird hier als identitätsgebunden, als in Abhängigkeit von erlebter Sozialisation stehend betrachtet und unterscheidet sich an diesem Punkt von der von Walter Benjamin entwickelten Figur des die Stadt durchwandernden und mit allen Sinnen wahrnehmenden Flaneurs (vgl. Benjamin 1983). Dessen männliche Identität und damit die identitätsgebundene spezifische Wahrnehmung und Reflexion des Flaneurs bleibt bei Benjamin verborgen (kritisch vgl. Amin/Thrift 2002: 13f.). 29

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

Mit dem Konzept des Einpassens wird die identitätsgebundene Wahrnehmung der Orte betrachtet. Die Finanzmanager nehmen den Ort als Männer, Weiße, Deutsche und globale Elite wahr; sie erleben ihn mit bestimmten Emotionen und orientieren ihre Handlungen an ihren spezifischen Wahrnehmungen (zur Beziehung zwischen Emotionen und Geografie vgl. Bondi 2005; Davidson/Bondi/Smith 2005). Da Emotionen in Abhängigkeit zu dem sozialen Kontext ihrer Bildung stehen (vgl. Kristeva 1991), sind sie nicht nur Ergebnis der Imaginierung von Orten, sondern auch identitätsabhängiges Ergebnis konkreter Erfahrungen, die im direkten Kontakt mit den Strukturen des Ortes gemacht werden. Bevor ich genauer analysiere was diese Strukturen ausmacht, gilt es zunächst die Verbindung zwischen innerer Wahrnehmung und dem äußeren Ort zu betrachten und den Körper als Platz der Erfahrungen (vgl. Merleau-Ponty 1966) des Ortes herzuleiten. 6 Der Körper der Finanzmanager gibt ihnen durch seine physikalische Struktur (oben – unten, hinten – vorne, links – rechts) Orientierung vor Ort. Er dient als Maßstab, um die Umgebung (Distanzen, Größen) abmessen zu können und erlaubt durch seine Beweglichkeit die Entdeckung der Umwelt. Als zusammenhängendes System integriert der Körper die verschiedenen sinnlichen Wahrnehmungen (vgl. Rodaway 1994: 31). Die Wahrnehmung des Ortes ist jedoch auch abhängig von der besonderen Struktur des Körpers. Für den alten und gebrechlichen Körper kann der Aufenthalt in einer gefüllten U-Bahn als gefährlich empfunden werden, während der junge Körper keine Gefahr verspürt. Für den großen Körper kann der Blick über eine Menschenmenge in einer Einkaufsstraße ein erhabenes und distanziertes Gefühl hervorrufen, während der kleine Körper sich in der Menschenmenge eingezwängt fühlt. Der gleiche Ort kann also im direkten Erleben unterschiedliche Emotionen hervorrufen, die auch in Abhängigkeit zu den Strukturen des Körpers stehen. Diese körperlichen Strukturen lassen sich in ihrer Gestalt als abhängig von bestimmten Identitäten begreifen. Sei es, dass sich die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Milieu als Habitus (als bestimmte Verhaltensformen, ein bestimmter Geschmack, aber auch als spezifische Körperhaltung, Gesten und die Form des Körpers) tief in den Körper einschreibt (vgl. Bourdieu 1982) oder dass die geschlechtliche Identität über spezifische körperliche Performances beständig erzeugt wird (vgl. Butler 1991; Butler 1995).7 Der Körper fungiert als Gedächtnis des Erlebten und Gefühlten, er ist identitätsabhängig und differenziert sich daher von anderen Körpern und anderen Identitäten.

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In dem Sammelband von Nast/Pile (1998) erforschen mehrere Beiträge die Beziehung zwischen dem erlebten Ort und dem Körper. Da sich in diesem erlebtes und soziales materialisiert sprechen sie davon, dass „places through the body“ gehen. Bourdieu versteht den Habitus als dynamische Identität, die den Körper verändert. Er zog aber nicht den von Judith Butler gezogenen Schluss, dass auch das Geschlecht eine dynamische Identität ist, die auf den Körper wirkt (vgl. McDowell 1999: 42).

DAS EINPASSEN

Da die Wahrnehmung des Ortes und die damit verbundenen Emotionen auch in Abhängigkeit zu den spezifischen Strukturen des Körpers stehen und dieser sich in Bezug zu den Identitäten befindet, lässt sich resümieren, dass Menschen in Abhängigkeit von ihren Identitäten den Ort vielfältig anders fühlen und emotional wahrnehmen. Die spezifischen Emotionen und Wahrnehmungen der Orte sind einerseits Teil der Produktion von Identitäten im alltäglichen Handeln und andererseits Teil der in den Körper, seine erlernten Gefühlsäußerungen und Emotionen eingeschriebenen Identitäten. Da mit dem Konzept des Einpassens der Körper und seine Empfindungen ebenso wie die Identitäten als dynamische Gebilde begriffen werden, werden durch den Körper die erlebten Strukturen des Ortes auch als Elemente in der Identitätsbildung betrachtbar. Da sich die körperliche Form als Ausdruck und Produkt der Identitäten betrachten lässt, stehen diese – vermittelt über die Form des Körpers – in Beziehung zum Ort. Der Ort und seine Strukturen werden differenziert wahrgenommen und erzeugen differenzierte Praktiken. Allerdings besteht der Ort auch zu einem anderen Teil aus Strukturen, die relativ identitätsunabhängige Handlungen provozieren oder bestimmte Handlungen nicht zulassen; so lässt eine Mauer keinen Durchgang zu und die Begrenzung des Bürgersteiges drängt zur Einhaltung der Spur.

Die fordernden Materialitäten des Ortes Jede Stadt ist durch eine Fülle von Strukturen geformt. Besondere politische, ökonomische und kulturelle Aushandlungen und Entscheidungen manifestieren sich in sozialen Strukturen (wie in einem spezifischen Wohlfahrtsregime vgl. EspingAndersen 1990 8 ) und Materialitäten (wie in einer bestimmten Architektur). Die besondere Geschichte jedes Ortes und jeder Stadt ist in den heutigen Strukturen präsent und damit weiterhin bedeutsam. Strukturen sind Ergebnisse sozialer Kämpfe (vgl. Castells 1983) und Ausdruck der Erfordernisse eines bestimmter Akkumulationsregimes (vgl. Harvey 1990) oder wie die spezifische Gestalt eines Gefängnisses (z.B. als Panoptikum) Produkt und Produzent von herrschenden Diskursen (vgl. Foucault 1976). Der Orient war und ist daher nicht nur als mächtiges Image vorhanden, sondern findet sich auch in den kolonialen Strukturen, die in den Städten des Orients von den Kolonialherren durchgesetzt wurden und sich in der baulichen Struktur ebenso wie

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Esping-Andersen hat gezeigt, dass es in Europa unterschiedliche Wohlfahrtsregime gibt, die sich entlang des national spezifischen institutionellen Umgangs mit gesellschaftlicher Arbeit und sozialer Sicherheit differenzieren. Die Regime haben sich in Abhängigkeit von spezifischen politischen Kräftekonstellationen und der Entstehungsgeschichte der staatlichen Wohlfahrt gebildet. Reguliert werden diese durch das besondere Zusammenspiel von Familie, Staat und Markt (vgl. Esping-Andersen 1990). 31

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

in der geplanten sozialen Segregation der ethnischen Gruppen zeigen (vgl. King 1996: 4). Warum auch immer sich eine bestimmte Struktur gebildet hat; ihre Manifestierung in einer bestimmten Architektur hat ihr eine gewisse Persistenz gegenüber Veränderungen verliehen. Dies demonstriert David Harvey in Anlehnung an Marx, indem er zeigt, dass in Abhängigkeit vom herrschenden Akkumulationsregime 9 eine bestimmte bauliche Umwelt entsteht, die sich im Falle von Veränderung des Akkumulationsregimes nur schwer umwälzen lässt. Das neue Akkumulationsregime muss sich in alte Strukturen einfügen und wird dabei durch die Zähigkeit der baulichen Struktur in seiner Entfaltung behindert (vgl. Harvey 1982). Die materielle Gestaltung eines Ortes, der Prozess des Bauens und Planens, ist das Ergebnis von politischen Entscheidungen, ökonomischen Interessen und kulturellen Dominanzen. Die materielle Gestalt des Ortes lässt sich daher als das Ergebnis von Auseinandersetzungen über die Art seiner Nutzung und damit als materialisiertes Herrschaftsverhältnis verstehen. Jede Stadt differenziert sich intern in einzelne Orte, die sich in ihren Strukturen differenzieren; sie ist geteilt. So teilt sich, in der Betrachtung von Peter Marcuse, sowohl die soziale als auch die materiellen Struktur New Yorks in unterschiedliche Quartiere: In die „luxury city“, die „gentrified city“, die „suburban city“, die „tenement city“ und das „ghetto“ (vgl. Marcuse 1989). Wenngleich Marcuses Ergebnisse nicht einfach auf andere Städte übertragbar sind (kritisch u.a. vgl. O`Loughlin/Friedrichs 1996; Hamnett 1996; Baum 1999), so dienen sie doch als Hinweis auf die sozialen und materiellen Differenzen, die es in Städten gibt und durch die sie in verschiedene Orte differenziert sind. Indem die Finanzmanager dem Ort begegnen und sich mit ihren Handlungen an ihm ausrichten, spüren sie die Macht, die in die Materialität des Ortes eingeschrieben ist: Die geschlossene Tür stoppt ihren Gang, das Fenster in einem Hochhaus im 47. Stockwerk erlaubt den Blick über die Stadt, lässt aber keinen Blick in die Gesichter der unten Vorrübergehenden zu, eine in Segmente geteilte Bank ermöglicht das Sitzen, macht aber das Liegen und Schlafen unmöglich. Die Wirkung von Materialitäten auf das Handeln und die erzeugten Emotionen sind unterschiedlich und stehen im Zusammenhang zu den Identitäten derjenigen, die mit ihnen in Kontakt kommen. Eine bestimmte Architektur kann so gleichzeitig Integration für die einen und Ausschluss für die anderen bedeuten. Dies erfolgt dadurch, dass die Architektur durch ihre besondere Gestalt, je nach identitätsgebundenen Geschmack, Signale der Zugehörigkeit oder der Ablehnung aussendet oder indem sie bestimmten sozialen Gruppen den Zugang direkt verweigert bzw. ermöglicht. So wird z.B. die Tür zu dem Bürohochhaus für den Finanzmanager geöffnet und für den Obdachlosen geschlossen und der Golfklub erlaubt nur den zahlenden

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Die besondere Form der Produktions- und Arbeitsorganisation – die wirtschaftliche Organisation – bildet das Akkumulationsregime.

DAS EINPASSEN

Mitgliedern Zutritt zu den grünen Rasenflächen. Die geschlossene Tür kann somit Durchgang bieten, vorausgesetzt man hat den Schlüssel oder bekommt aufgrund von Zugehörigkeit den Eintritt gewährt. Eine segmentierte Sitzbank hat für den nach einer Schlafstelle suchenden Obdachlosen eine andere Bedeutung als für den sich kurz beim Essen eines Sandwichs ausruhenden Finanzmanager. Materialitäten wirken jedoch nicht nur in spezifischer Weise auf das alltägliche Handeln von Menschen mit unterschiedlichen Identitäten, gleichzeitig werden auch Identitäten in Bezug zu bestimmten Materialitäten ausgebildet, so dass sich von „Material Cultures“ (vgl. Miller 1998) sprechen lässt. Personen mit unterschiedlichen Identitäten haben einen unterschiedlichen Geschmack (in Bezug auf unterschiedliche Milieus, vgl. Bourdieu 1982) und weisen daher gleichen Materialitäten, z.B. Dingen des Konsums (vgl. Jackson/Holbrook 1995), in Abhängigkeit zur Identität unterschiedliche Bedeutungen zu. Identitäten werden daher auch in Relation zu Materialitäten gebildet; deswegen wirkt auch die materielle Struktur des Ortes auf die alltägliche Identitätsbildung der deutschen Finanzmanager. Materialität ist somit nicht nur ein totes Produkt menschlicher Arbeit und Kultur, sondern nimmt in Form von Dingen als „Aktant“ (vgl. Latour 1995) aktiv an sozialen Beziehungen teil. Da es somit zwischen Materialität und Sozialem eine aktive Verbindung gibt, sie miteinander interagieren und die Materialität Bestandteil sozialer Praktiken und Beziehungen ist (vgl. Jackson 2000; Frers 2007), findet auch das alltägliche Handeln der Finanzmanager in Abhängigkeit von dem Materiellen statt. Es lässt sich feststellen, dass das Materielle des Ortes auf das alltägliche Handeln der Finanzmanager wirkt. „In actor network theory10 things other than human agency are given their due, with two main results. First, […] actor networks theorists argue for a ‚symmetrical anthropology‘ which is more likely to recognise (and value) the contribution of the non-human by shifting our cultural classification of entities. […] Second, […] actor network theory conjures up the idea of a world where ‚the human‘ must be redefined as highly decentred (or as reaching farther) and as unable to be placed in opposition to the non-human“ (Thrift 1996: 26). Ein Teil des Einpassens erfolgt somit in der Interaktion der handelnden Finanzmanager mit den spezifischen Materialitäten des Ortes: Die Finanzmanager passen sich in das Materielle des Ortes ein. Das Einpassen in einen Ort bedeutet somit einem bestimmten Ort mit einer spezifischen Geschichte, sozialen Struktur und konkreten Materialität zu begegnen und die Forderungen, die in seiner Struktur liegen, in die alltäglichen Handlungen und Identitätsbildung einzugliedern. Aber nicht nur die materielle Struktur des Ortes fordert die Finanzmanager zum Einpassen auf. Jeder Ort hat eine bestimmte Atmosphäre, die spezifische Gefühle anregen oder beeinflussen kann. Musik oder Farben können dabei ebenso wie ein bestimmtes Design eine beruhigende oder anregende Wirkung erzeugen. Die Atmo10 Für einen kurzen Überblick der Akteur-Netzwerktheorie vgl. Bosco 2006. 33

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

sphäre des Ortes wird von den Finanzmanagern emotional erlebt. Atmosphären entstehen durch bestimmte Strukturierungen des Ortes, die gewollt oder ungewollt ihre Wirkung entfalten. Eine Wirkung jedoch, die nicht allgemein (vgl. Böhme 1995), sondern identitätsgebunden und beispielsweise abhängig vom milieuspezifischen Geschmack ist (vgl. Löw 2001: 209). Die Finanzmanager passen sich identitätsgebunden in die Atmosphäre des spezifischen Ortes ein. Die Atmosphäre des Ortes wandelt sich mit der Zeit, nicht nur auf einer historischen Ebene, sondern auch im Laufe eines Tages. Die Dynamik des Ortes, sein spezifischer Rhythmus, ist in der Begegnung mit dem Ort spürbar. „By city rhythms, we mean anything from the regular comings and goings of people about the city to the vast range of repetitive activities, sounds and even smells that punctuate life in the city and which give many of those who live and work there a sense of time and location“ (Allen 1999: 56). Jeder Ort hat einen bestimmten Rhythmus, einen bestimmten zeitlichen Ablauf, sei es, dass sich in einer zentralen U-Bahn-Station in der Rush Hour viele Menschen hektisch und zielstrebig bewegen, während sie nachts zu einem ruhigen Ort wird. 11 Andere Orte hingegen haben einen anderen Rhythmus: Eine Diskothek wird nachts zu einem belebten Ort, tagsüber werden sich hier die Reinigungs- und Thekenkräfte in ruhigeren Bewegungen als die sich nachts austobenden Tanzenden durch den Ort bewegen. Der Rhythmus des Ortes wird auch im Wandel der Emotionen spürbar – ist der Ort tagsüber noch beruhigend und angenehm, so kann er nachts als unheimlich erlebt werden. Der Rhythmus des Ortes drängt sich schnell auf und verlangt ein Einpassen, der schnelle Gang der Anderen fordert ein Anpassen der Geschwindigkeit, um nicht selbst zu einem Hindernis zu werden. Daher lässt sich für Henri Lefebvre der Ortsrhythmus am Besten aus der Distanz, vom Fenster aus, analysieren (vgl. Lefebvre 1996b). Die unmittelbare Mitwirkung vermindert die Fähigkeit zu seiner Erkenntnis; er reißt den Forschenden mit sich, der sich in den Rhythmus des Ortes einpasst. In der Begegnung mit den besonderen Orten werden die Finanzmanager mit solchen besonderen Rhythmen konfrontiert. Ihr Einpassen in den Ort ist somit auch eine Orientierung an dem Rhythmus des Ortes. Diese Orientierung erfolgt in einer Anpassung der eigenen täglichen Routinen und in dem Wandel der Emotionen in Abhängigkeit vom Tagesrhythmus des Ortes.

11 Jane Jacobs beschreibt (1963) einen solchen täglichen Rhythmus der Straße am Beispiel der Hudson Street in Greenwich Village (New York). 34

DAS EINPASSEN

Die Identitätsgebundenheit des Einpassens Ich konzipiere das Einpassen als eine identitätsgebundene Aktivität. Ich zeige, wie sich die Finanzmanager als Deutsche, Weiße, Männer und als globale Elite in den Ort einpassen und wie sie diese Identitätsdimensionen durch spezifische alltägliche Praktiken und Erzählungen ausbilden. In dieser Arbeit werden so auch Identitäten sichtbar, die als dominante und normgebende Identitäten, wie beispielsweise das Weißsein, häufig unsichtbar bleiben und als quasi natürlicher Identitätsmaßstab und nicht als Produkt und Produzent von sozialer Klassifikation erscheinen. Dies führt Richard Dyer am Beispiel der Identität des Weißseins wie folgt aus: „As long as race is something only applied to non-white peoples, as long as white people are not racially seen and named, they/we function as a human norm. Other people are raced, we are just people“ (Dyer 1997: 1). Ethnische Identität ist nicht nur für die machtvolle soziale Unterordnung der NichtWeißen von Relevanz, sondern sie stellt im Fall des Weißseins auch ein Bündel sozialer Privilegien dar. Indem das Einpassen in seiner Identitätsgebundenheit betrachtet wird, werden die dominanten Identitäten der Finanzmanager und damit auch ihre sozialen Privilegien als Weiße, als Männer und als globale Elite sichtbar gemacht. Diese unterschiedlichen Identitätsdimensionen vereinigen sich in den Personen der in dieser Arbeit betrachteten Finanzmanager. Jede Person hat unterschiedliche Identitäten, sie hat eine geschlechtliche, ethnische, nationale und milieuspezifische Identität, die sich einander wechselseitig überlagern und widersprechen können (vgl. Gilroy 1987; Bhabha 1994). So ist beispielsweise eine weiße Frau anders als eine schwarze Frau mit ihrem Weißsein auch Angehörige einer dominanten Identität (vgl. hooks 1994). Infolge dieser Überschneidungen kann z.B. von multiplen männlichen (vgl. Koppetsch/Maier 2001; Brandes 2002), weißen (vgl. Frankenberg 1993) oder milieuspezifischen Identitäten ausgegangen werden (vgl. Roediger 1992). In dieser Arbeit wird darum das Einpassen in unterschiedliche Orte nicht anhand einer sozialen Gruppe untersucht, die nur über eine Identitätsdimension ausgewählt wurde. Vielmehr wird hier ausdrücklich eine soziale Gruppe betrachtet, die sich in vielfältigen Identitätsdimensionen gleicht. Die deutschen Finanzmanager passen sich als Weiße, Deutsche, Männer und globale Elite in den Ort ein. Damit lege ich einen anderen Schwerpunkt als Analysen, die die Differenzierung innerhalb von einzelnen Identitäten herausarbeiten und betonen (vgl. Bhabha 1994; Hall 1996). Das alltägliche Handeln der Finanzmanager erfolgt auf der Grundlage von Identitäten, die gleichzeitig in alltäglichen Handlungen re-produziert werden (vgl. u.a. Bourdieu 1982; Hall 1996). So lässt sich Männlichkeit beispielsweise als eine Performance verstehen, da durch bestimmte alltägliche Praktiken und Rituale Männlichkeit beständig aktiv und neu verkündet werden muss (vgl. Buchbinder 1998). Linda McDowell zeigt, dass diese Performances von geschlechtlicher Identität in

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Abhängigkeit vom Ort erfolgen, indem sie verdeutlicht mit welchen Performances Finanzbeschäftigte Männlichkeit und Weiblichkeit an den Arbeitsplätzen der City of London konstruieren (vgl. McDowell 1997).12 Das Einpassen umfasst somit auch die Art der Performance von Identitäten in Abhängigkeit vom Ort seiner Aufführung. Diesen Zusammenhang zwischen Ort und Art der Selbstpräsentation zeigt Erving Goffman (1969) in seiner Untersuchung über das Verhalten in Abhängigkeit von verschiedenen „Bühnen“ – also den verschiedenen Orten – auf denen ein Verhalten aufgeführt wird. Die verschiedenen Identitäten und die Differenzierung von Eigenem und Fremdem werden, wie z.B. das Weißsein (vgl. Frankenberg 1993; Thandeka 1999) beständig neu erlernt und basieren dabei auf historisch verfestigten Lernmustern (vgl. Lambert 2005; Bonnett 2000). Ein wichtiger Teil dieses Lernprozesses ist es, auch die spezifischen passenden Orte für die eigene Person und deren Identitäten zu erlernen, die Stadtteile der Weißen (vgl. Frankenberg 1993) oder der Wohlhabenden, die Bürohäuser der Dienstleistungsbeschäftigten, die Hobbykeller oder die nationalstaatlichen Grenzen; all diese Orte rufen je nach den Identitäten der Person ein Gefühl der Zugehörigkeit oder der Fremdheit hervor. Dabei sind es neben den Images der Orte auch deren Strukturen, die nicht nur Ausdruck der Identitäten der Bewohnenden sind, sondern die auch ein Gefühl von Zugehörigkeit hervorrufen können. Identitäten zeichnen sich durch eine Trennung von Eigenem und Fremdem aus; den Weißen kann es nicht ohne das Andere – den Schwarzen –, den Mann nicht ohne die Frau und den Angehörigen der globalen Elite nicht ohne den lokalen Proletarier geben. Diese Identitäten sind durch Differenzen gekennzeichnet. Der eine Teil zeichnet sich durch konträre Eigenschaften zu den Anderen aus und ist nicht ohne diesen anderen Teil denkbar. 13 In ihrer alltäglichen Produktion werden eigene Identitäten somit in Relation zu Menschen mit anderen Identitäten und auch zu anderen Orten gebildet; oder wie Stuart Hall es formuliert: „identities are constructed through, not outside, difference“ (Hall 1996: 4). Erst durch die Konfrontation mit den Anderen, einem anderen Geschmack, Lebensstil, anderen Verhaltensweisen und Körpern werden die eigenen Identitäten deutlich: „Soziale Identität gewinnt Kontur und bestätigt sich durch Differenz“ (Bourdieu 1982: 279). Identitätsbildung findet

12 Bisher gibt es nur wenige Forschungen zur Performance von Männlichkeiten oder anderen Identitäten in der Stadt. Als eine Ausnahme konnte Gutmann in einer ethnografischen Studie die Vielfältigkeit von Männlichkeit in Mexiko Stadt zeigen und somit kritisieren, dass westliche ForscherInnen lateinamerikanische Männer ausschließlich als Machos erfassen (vgl. Gutmann 1996). 13 Es gibt aber auch andere Identitätskonstruktionen, die etwas komplizierter liegen. Das Deutschsein der Finanzmanager stellt sich quer zu einer Fülle anderer nationalstaatlicher Identitäten. Aber selbst hierbei lassen sich Erzählungen ausmachen, die zwischen einer Gruppe von Nationalstaaten eine Dualität herstellen und somit die westliche Nationalstaaten als zivilisiert und die Nationalstaaten des Ostens als den unzivilisierten Orient darstellen. 36

DAS EINPASSEN

somit gerade auch in der Begegnung mit den anderen Menschen und dem anderen Ort statt. Der spezifische Blick und das tatsächliche Spüren und Fühlen in der Begegnung mit dem Ort und den dort handelnden Menschen – das Einpassen – wird daher als ein Prozess der Identitätskonstruktion betrachtet. Identitätsbildungen werden mit Hilfe des Einpassens in ihrer alltäglichen Produktion und Reproduktion in Interaktion mit dem besonderen Ort gesehen. Das Konzept des Einpassens ist identitätsgebunden, da es das alltägliche Handeln und Spüren des Ortes als Teil der Identitätsbildungen betrachtet und diese in ihrer Anpassung an die Strukturen und Images des Ortes untersucht. Da Identitäten in Abhängigkeit vom Kontext ihrer Produktion entstehen, werden sie mit dem Konzept des Einpassens auch in ihrem spezifischen Konstruktionskontext betrachtet. Denn: „Gendered, racialised, and classed identities are fluid and constituted in place – and therefore in different ways in different places“ (Pratt/Hanson 1994: 6). Historisch sich verändernde Bedingungen, wie z.B. das herrschende Akkumulationsregime, haben somit Auswirkung auf die Ausprägung von männlicher Identität und die Geschlechterordnung (vgl. Carrigan/Connell/Lee 1985; Böhnisch 2003). Die Konstruktion von Männlichkeit steht in Abhängigkeit von ihrem historischen und geografischen Kontext. Eine spezifische männliche Identität spiegelt daher auch die Charakteristika des Ortes, innerhalb dessen sie sich konstruiert (vgl. Phillips 1997: 45ff.), wider. Für die Entstehung von Männlichkeit lässt sich daher ebenso wie auch für andere Identitäten feststellen: „Masculinities come into existence at particular times and places and are always subject to change“ (Connell 1995: 185). Durch die Ausübung von bestimmten Praktiken und Ritualen im Alltag werden beständig Identitäten hergestellt. Diese enge Verbindung zwischen der nationalen Identität – dem Deutschsein – und dem alltäglichen Handeln wird von Nancy Reagin in einer historischen Studie gezeigt. Darin wird deutlich, dass nach der Vereinigung verschiedener Regionen und Identitäten im Jahr 1871 ein zentraler Teil der Bildung einer gemeinsamen deutschen Identität die Etablierung von besonderen Praktiken in der privaten Haushaltsorganisation war. Handlungen im Haushalt, die eine besondere Sparsamkeit, Ordnung und eine besondere Reinlichkeit ausdrückten, die Benutzung von bestimmten Gegenständen und die Ausübung bestimmter Urlaubsgewohnheiten galten nun als deutsche Eigenschaften und konstruierten eine deutsche Identität und damit Unterschiede zu anderen nationalen Identitäten. Wie oben gezeigt, stehen damit nationale ebenso wie andere Identitäten in einem sich überkreuzenden Beziehungsverhältnis. Daher ging mit der als typisch deutsch markierten Haushaltsführung auch eine besondere Erzeugung der weiblichen Geschlechterrolle, also eine spezifische deutsche Weiblichkeit, einher (vgl. Reagin 2007). Identitäten schreiben sich durch das Ausüben bestimmter Praktiken; sowohl in der Präsentation als auch in seiner Formung, die sich zum Beispiel in der Art der Bewegung, der Muskulatur, der Frisur oder den körperlichen Empfindungen zeigt, tief in 37

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den Körper ein (vgl. Valentine 1999). Wie sich Identitäten körperlich ausdrücken und entwickeln zeigt Pierre Bourdieu mit dem von ihm entwickelten Habituskonzept. Der besondere Geschmack, der Gebrauch des Körpers und die Körperhaltung sind so beispielsweise Ausdruck der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Milieu (vgl. Bourdieu 1982: 305-311). Demnach stellt die Gestalt des Körpers „eine ganz bestimmte, die tief sitzende Dispositionen und Einstellungen des Habitus offenbarende Weise, mit dem Körper umzugehen, ihn zu pflegen und zu ernähren“ (Bourdieu 1982: 307) dar. Auch andere Identitäten zeigen sich körperlich. Beispielsweise haben sich die sozial konstruierten Unterschiede zwischen den Geschlechtern in den Körper, in seine Form und seine Gestik, eingeschrieben (für Männlichkeit, vgl. Bourdieu 2005). Mit der identitätsgebundenen Gestalt des Körpers wird auch das Erleben des Ortes zu einem identitätsgebundenen Erleben, denn die Konstitution des Körpers (ob dick oder dünn, sportlich oder unbeweglich) prägt nicht nur die Art der Bewegungen, sondern auch die mit dem Ort verbundenen Emotionen (er wird beispielsweise in Abhängigkeit von der Körperkonstitution als anstrengend oder entspannend empfunden). Für die Herstellung von Identitäten sind neben alltäglichen Praktiken aber auch bestimmte Erzählungen bedeutsam. Dies demonstriert Benedict Anderson am Beispiel der nationalstaatlichen Identität. Obwohl sich untereinander nur sehr wenige Mitglieder der gleichen nationalstaatlichen Zugehörigkeit persönlich kennen, identifizieren sie sich gemeinsam als Mitglieder einer Nation und bilden somit eine Gemeinschaft, die eine „imagined community“ (Anderson 1991) ist. Anderson argumentiert, dass nationale Gemeinschaften weniger auf einem gemeinsames Territorium, als vielmehr auf einer mentalen Konstruktion basieren.14 Das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Nation entsteht durch bestimmte Praktiken und Erzählungen, die eine gemeinschaftliche nationale Identität – wie es das Deutschsein der Finanzmanager ist – erzeugen. Neben offensichtlichen Praktiken zur Herstellung einer nationalstaatlichen Identität wie dem gemeinsamem Singen der Nationalhymne, dem begeisterten Schwenken der Nationalflagge oder dem Wissen von nationalstaatlichen Gründungsmythen, werden nationalstaatliche Zugehörigkeiten und Identitäten gerade durch alltägliche, unspektakuläre und routinierte Praktiken, Überzeugungen und Erzählungen gebildet. Michael Billig fasst dies treffend mit dem Begriff „banal nationalism“ und führt aus, dass: „The metonymic image of banal nationalism is not a flag which is being con14 Anderson erklärt mit seinem Konzept, dass die Bildung von Nationalstaaten durch die Konstruktion einer Erzählung einer gemeinsamen Geschichte eines Nationalstaats erfolgt. Trotz seiner Zusammensetzung aus unterschiedlichen Regionen mit verschiedenen Geschichten wird der Nationalstaat somit nach Innen als gleich und nach Außen zu anderen Nationalstaaten als verschieden hergestellt. Erst mit dieser Konstruktion kann es eine Loyalität der BürgerInnen mit „ihrem“ Nationalstaat geben. So wurde z.B. Großbritannien nach Innen aus verschiedenen regionalen Gebieten geeint und nach Außen teilweise als Gegensatz zu Frankreich entworfen. 38

DAS EINPASSEN

sciously waved with fervent passion; it is a flag hanging unnoticed on the public building“ (Billig 1995: 8). Beispielsweise werde in den täglichen Nachrichten beständig Zuschreibungen von „uns“ als den Deutschen und den Anderen erzeugt. Zuschreibungen, die Deutschland als die Heimat der Rezipienten präsentieren und so eine nationale Zugehörigkeit und ein Wir-Gefühl erzeugen (vgl. für die britische Presse und das Britischsein, Billig 1995 und für die türkische Presse und das Türkischsein, Yumul/Özkirimli 2000). Allein in der Art des alltäglichen Sprechens, in dem wie über was gesprochen wird, wird eine nationale Identität produziert (vgl. Schneider 2001). Beispiele für die diskursive Erzeugung von Identitäten lassen sich ebenso für die Männlichkeit als auch für das Weißsein finden. So wurde beispielsweise die diskursive Herstellung von Männlichkeit in Männerzeitschriften (vgl. Benwell 2003; Meuser 2001), im Film (vgl. Hißnauer/ Klein 2002; Trice/Holland 2001) oder im Sport (vgl. Bonde 2003) gezeigt und das Weißsein im Zusammenhang mit seiner diskursiven Erzeugung im Film (vgl. Dyer 1997) und in der Literatur (vgl. Abbott 2002) betrachtet. Auch die Identität als globale Elite lässt sich in ihrer diskursiven Herstellung betrachten (vgl. Woods 1998). So werden deren Angehörigen in der Managementliteratur (und wie oben gezeigt in der wissenschaftlichen Literatur) als eine neue Generation von Managern konzipiert und in ihren Handlungen, Entscheidungen und Lebensentwürfen vornehmlich als globale Netzwerkbildner dargestellt (vgl. Boltanski/Chiapello 2003: 147-211). Die Angehörigen der globalen Elite entsprechen ihrem Status, indem sie ihr Leben in besonderem Maße den Ansprüchen und Versprechungen der Arbeit unterordnen; sie ziehen dafür sogar in andere Städte. Diese Unterordnung des Privaten unter das Berufliche und die Bereitschaft, für den beruflichen Erfolg Gefahren und Risiken in der Fremde einzugehen – „etwas Neues zu wagen“ – sind die dominanten Erzählungen, mit denen die Angehörigen der globalen Elite eine spezifische Identität herausbilden. Damit unterscheiden sie sich von der durch Thorstein Veblen (1899) untersuchten „leisure class“ oder der Gruppe der „super-rich“ (zu dieser Differenzierung, vgl. Short 2004: 110ff.), denn diese charakterisieren sich darüber, dass sie der gesicherte Wohlstand und Status ihrer Angehörigen von den Mühen und der Notwendigkeit der Lohnarbeit entbindet. Im Einpassen der deutschen Finanzmanager schimmert die Figur des Abenteurers durch, der mutig, handlungsmächtig und verantwortungsbewusst ist (vgl. Phillips 1997) und in dem sich damit verschiedene Identitätsmerkmale der globalen Elite, der Männlichkeit und des Weißseins überschneiden. Der Abenteurer weist somit, anders als die von Ulf Hannerz (1996: 104ff.) entworfene Figur des „Cosmopolitan“, spezifische Identitäten auf, mit denen er sich in den Ort einpasst.

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DAS EINPASSEN IN DEN ORT

Fazit: Das Einpassen Mit dem Konzept des Einpassens gelingt es, die Herstellung von Identitäten durch alltägliche Praktiken und Images in Abhängigkeit zu dem spezifischen Ort ihrer Ausbildung (seinen Strukturen und den Images) zu zeigen. Damit konzipiere ich Identitäten nicht über eine Auflösung in hybride Typen, sondern als sich im Einpassen in den konkreten Ort dynamisch konstituierende, spezifische soziale Klassifikationspraktiken, die jedoch in ihrer Substanz erhalten bleiben. Mit dem Handeln vor Ort stellen die Finanzmanager ihre eigenen Identitäten als Weiße, Männer, globale Elite und Deutsche her. Diese verschiedenen Identitätsdimensionen bilden zusammen im wesentlichen ihre personale Identität. Dabei passen die Finanzmanager gleichzeitig ihre Handlungen und Emotionen an die spezifischen Images, mit denen sie dem Ort begegnen, und an die mit ihren eigenen Sinnen gespürten Strukturen des Ortes an. Sie bilden daher ihre Identitäten auch in Abhängigkeit von den Images und Strukturen des Ortes aus.

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Das Einpassen erforschen

Um das Einpassen der deutschen Finanzmanager in London und Singapur zu untersuchen, müssen sowohl Handlungen als auch Images und Orte betrachtet werden. Für eine methodische Integration werde ich, dass Einpassen mittels Interviews und Feldbeobachtungen vor Ort untersuchen. Damit wird es möglich Daten zu erheben, mit denen die Strukturen des Ortes, die dort stattfindenden alltäglichen Handlungen und die Beschreibungen dieser Handlungen und Orte aus Sicht der Finanzmanager untersucht werden können. Um das Einpassen einer fremden sozialen Gruppe in ihrem „natural setting“ zu untersuchen, wende ich die auf das Entdecken ausgerichtete Forschungsperspektive der Ethnografie an. Auch wenn diese sich gerade durch Methodenpluralität auszeichnet und sich nur unscharfe Grenzen um sie ziehen lassen (vgl. Hammersly/Atkinson 1995: 1f.; Honer 1989), sind einige klare Merkmale auszumachen, die für die Erforschung des Einpassens der Finanzmanager leitend sind und im Folgenden dargestellt werden.

Der Forschende als Erhebungsinstrument Die Erstellung einer wissenschaftlichen Studie lässt sich als Konstruktionsprozess begreifen, der zu seiner Nachvollziehbarkeit eine Darstellung der ihm zu Grund gelegten Prinzipien verlangt. Dabei lässt sich die Erzeugung von Wissen nicht allein durch die Darlegung der in der Forschung verwendeten Instrumente – oder in meinem Fall der verwendeten empirischen qualitativen Methoden – aufdecken. Vielmehr muss auch die Person des Forschenden selbst betrachtet werden. Da der Forschende nicht in einem unmittelbaren Kontakt zur untersuchten Realität steht und sein Blick aus einer bestimmten Perspektive erfolgt, ist es im Sinne einer reflexiven Soziologie (vgl. Bourdieu/Wacquant 1996) nötig, diese spezifische Perspektive bewusst als Erhebungs- und Auswertungsinstrument für den Forschungsprozess zu

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DAS EINPASSEN IN DEN ORT

nutzen, zu reflektieren, kenntlich zu machen und somit die Perspektive des Forschers offensiv zu benennen (vgl. Lindner 1981). Für die Analyse der Perspektive muss die Person des blickenden Forschers, also meine eigenen Wahrnehmungen, Erfahrungen und Empfindungen, im Forschungsprozess reflektiert werden. Die Linsen der Brille, durch die ich meinen Blick werfe, sind geschliffen durch ein dominantes Forschungsparadigma (vgl. Kuhn 1969) und durch spezifische gesellschaftliche und wissenschaftliche Diskurse. Denn Wissenschaft steht in und nicht über historischen und linguistischen Prozessen (vgl. Clifford 1986: 2). Daher ist es erforderlich, beständig und soweit wie möglich das eigene Vorwissen, die Forschungsschule, die mich geprägt hat sowie die Wirkung gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Diskurse auf meine Wahrnehmung im Forschungsprozess zu reflektieren. Unzweifelhaft kann – das macht wohl gerade die machtvolle Zurichtung des Blickes und die feste Materialität dieser „Brille“ aus – diese Reflexion nicht vollständig erfolgen. Jedoch lässt sich nur in der Akzeptanz, dass wissenschaftliche und ethnografische Schriften Interpretationen sind – „Sie sind Fiktionen, und zwar in dem Sinne, dass sie ‚etwas Gemachtes‘ sind, ‚etwas Hergestelltes‘“ (Geertz 1983: 23) – zumindest etwas Licht in die wissenschaftliche Fabrikation von Erkenntnis (vgl. Knorr Cetina 1984) bringen. Aus der Erkenntnis, dass ich durch die Präsentation meiner Forschung selbst Kulturen herstelle, also „writing culture“ (vgl. Clifford/Marcus 1986) betreibe, lässt sich sinnvollerweise nur der Schluss der bewussten Selbstreflexivität im Forschungsprozess ziehen. Dabei gilt es jedoch, diese nicht zu übertreiben und eine „Hypochondrie“ (Geertz 1993: 11) zu vermeiden, durch die der Forscher das Ziel der Reflexivität aus den Augen verliert und die „Begegnung mit der rauen Wirklichkeit des ‚Feldes’ durch den Reiz der Selbstuntersuchung“ (Bourdieu 1993: 366) ersetzt wird. Schließlich ist es gerade Ziel meiner Forschung, diese Rauheit des Feldes bzw. das Unvertraute und Fremde zu erforschen. Dementsprechend werde ich in meiner Forschung mich selbst als Erhebungsinstrument und meinen spezifischen Blick in hoffentlich angemessener Auseinandersetzung mit der rauen Wirklichkeit reflektieren und kenntlich machen.

Der fremde und doch bekannte Blick In der Beschäftigung mit dem Untersuchungsfeld und seiner Fremdheit wurde mir zum einen das Feld vertrauter und zum anderen hat sich mein Begriff von Fremdheit entwickelt. Zu Beginn des Forschungsprojektes speiste sich mein fremder Blick aus Vorannahmen und geringem Vorwissen über das zu untersuchende Berufsmilieu (vgl. Noller 1999) der Finanzmanager und eröffnete mir so die Möglichkeit, alltägliche Routinen, die in ihrer Selbstverständlichkeit für die Mitglieder der untersuchten Kultur praktisch unsichtbar sind, als etwas bemerkenswert Fremdes zu entdecken und so zu untersuchen. Ziel meines Projektes ist es, einzelne Muster einer mir frem42

DAS EINPASSEN ERFORSCHEN

den Lebensweise aufzufinden und in ihrer kontextuellen Einbindung, z.B. in Diskursen, zu verstehen und so ihr Einpassen in den spezifischen städtischen Ort zu erforschen. Das Abenteuer beginnt in meiner Forschung zwar nicht um die Ecke (vgl. Bruckner/ Finkielkraut 1981); ich hatte ebenso wie meine Interviewpartner erst eine Flugreise von Deutschland aus nach London oder Singapur zurückzulegen. Aber trotz der geografischen Entfernung zu meinem Untersuchungsfeld lassen sich für einen deutschen Akademikers sicherlich exotischere Untersuchungsgruppen vorstellen als deutsche Finanzmanager, deren Mitglieder aus dem gleichen Nationalstaat wie der Forscher stammen, die wie der Forscher zu einem großen Teil akademisch gebildet, weiß und männlich sind. Neben der Fremdheit des Berufsmilieus der Finanzmanager begegnete ich also von mir selbst gelebten Identitäten. Die Alltäglichkeit dieser mir vertrauten und von mir geteilten Identitätsdimensionen zu untersuchen, erforderte es so, neben der Einbeziehung und Reflexion eigener Erfahrung auch die Forschungsstrategie künstlicher Naivität (vgl. Hitzler 1997) einzuschlagen. Hierbei versuchte ich, auch Bekanntes durch naive Nachfrage neu zu verstehen. Aus dieser kunstvollen Fremdheit, der „Befremdung der eigenen Kultur“ (Hirschschauer/Amman 1997), konnte ich so Alltägliches und mir Vertrautes besser entdecken und Einsichten in mir teilweise bekannte Identitäten und Lebensweisen erlangen. Damit ließ sich das als Problem der Ethnografie benannte Paradox, dass durch das Fortschreiten der Untersuchung die Fremdheit des Forschungsfeldes sukzessive aufgezehrt wird (vgl. Waldenfels 1999: 128), mit meiner künstlichen Befremdung etwas auflösen. Weitestgehend fremd waren mir vor der Untersuchung jedoch das berufliche Umfeld des Finanz- und Versicherungswesens und auch die dazugehörigen Alltagspraxen der Mitglieder dieses Berufsmilieus, deren Fremdheit sich für mich in einer kritischen Distanz gegenüber diesem Feld verdeutlicht. Fremd erschien mir auch das alltägliche Leben in den Städten Singapur und London. London, oder genauer den Tower, Oxford Street und Buckingham Palace kannte ich aus der Perspektive eines Touristen und Singapur aus der Perspektive eines Lesenden, der sich in seiner Magisterarbeit mit einer Kritik an globalen Stadtmodellen am Beispiel von Singapur beschäftigt hat (vgl. Meier 2002). Das heißt auf das, was mir zuerst fremd erschien, hatte ich doch einen spezifischen Blick; weder London noch Singapur sind mir vor meiner Untersuchung vollkommen fremd gewesen. Auch die Fremdheit der Finanzbeschäftigten stellt sich bei einem genaueren Blick so eher als Anschein von Fremdheit dar; denn auch diesem Milieu wies ich bestimmte Eigenschaften zu. Die Offenheit des ethnografischen Vorgehens, die sich im Gegensatz zu einer hypothesengeleiteten Forschung durch die induktive Entwicklung von Theorien aus dem Material heraus anbietet, gibt mir als Forschendem bessere Gelegenheit, nicht einfach nur gängige Klischees zu reproduzieren. Dies wurde überzeugend an einer Kritik von Forschungen zu einem gänzlich anderen Feld, dem der USamerikanischen Gettos, von Loïc Wacquant (1998) vorgeführt. Er legt in dieser Un43

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tersuchung dar, dass bestimmte Orte und ihre BewohnerInnen in hypothesengeleiteter Forschung durchgehend stereotyp mit immer gleichen Zuschreibungen und narrativen Strukturen dargestellt werden. Dies hat im Fall der Gettos und ihrer BewohnerInnen dazu geführt, dass diese in der Forschung fast ausschließlich mit einem negativen Bild als sozial desorganisiert dargestellt und untersucht werden. Das Leben dort wird somit fast ausschließlich exotisierend über die extremsten Lebensweisen beschrieben. Im Gegensatz dazu zeigte Wacquant, dass offenere ethnografische Forschungen, wie er sie in den Gettos betrieben hat, zu ganz anderen Ergebnissen kommen können (vgl. Wacquant 2003). Gerade das Unerwartete gerät durch die Offenheit der Forschungsfragestellung besser in den Blick. So ermöglichte mir die ethnografische Methode, die üblichen Images über die von mir untersuchte Gruppe der hoch qualifizierten und hoch mobilen Finanzbeschäftigten zu qualifizieren. Gängige Darstellungen in der Forschung zeigen diese Finanzbeschäftigten als Teil einer globalen Elite, deren einheitlicher Lebensstil sich in der Figur des Yuppies widerspiegelt. Ebenso finden sich Beschreibungen eines Milieus, dessen Angehörige nicht im Raum sondern in der Zeit leben und deren Leben als entkoppelt vom konkreten Ort konzipiert wird. Ein Leben, das sich in der Stadt durch ein defensives Desinteresse an der Außenwelt darstellt und in der baulichen Form der Gated Community ihren typischen Ausdruck findet (vgl. Castells 2000; Sklair 2001; Beaverstock 2001a; Marcuse 1989; Sassen 1991; Sassen 1996; Friedmann 1995; Bauman 2003). Jenseits dieser Darstellungen ist meine Untersuchung offen für überraschend Anderes. In meiner Beschäftigung mit dem Untersuchungsfeld wurde mir deutlich, dass das Fremde doch nicht so fremd ist wie es mein erster Blick nahe gelegt hatte. Auch ohne mich in einer bestimmten Stadt, einem Stadtteil aufgehalten zu haben, nie Mitglieder bestimmter Kulturen leiblich getroffen zu haben, bin ich doch selten frei von Wissen über diese. Dieses Wissen speist sich aus dem was ich gehört, gesehen oder gelesen habe. Es wird in ubiquitären, quasi frei fluktuierenden Images und Diskursen produziert, die das scheinbar unbekannte Fremde überhaupt erst als ein solches konstruieren. Das Fremde lässt sich also nicht nur in der Nähe entdecken, es ist meist gar nicht von einem entfernt und als Image, das man selbst vom anderen hat, Teil der eigenen Person. In Frage stellen möchte ich somit den Begriff der Fremdheit, sofern er durch das Unbekannte als eine reine Leerstelle des Wissens dargestellt wird. Wie ich in dieser Arbeit zeigen werde, hat gerade dieses Wissen Auswirkungen auf das Erleben, die Handlungen und Wahrnehmungen im konkreten Kontakt mit dem vermeintlichen Fremden. Ich werde daher Fremdheit nicht als Unbekanntes begreifen, sondern gerade das Bekannte, das in der Fremdheit liegt, betrachten und analysieren. Dies gilt nicht nur für meine Sicht als Forscher, mit der ich das mir scheinbar Unbekannte, den Alltag der Beschäftigten des Finanzwesens in London und Singapur erforsche, sondern eben gerade auch für meine Erforschung der Sicht der deutschen Finanzbe-

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schäftigten auf das Fremde in London und Singapur sowie für die Analyse ihrer Images und Vorannahmen über das doch so bekannte Fremde.

Die Erhebung und Auswertung der Daten Der Zugang zum Untersuchungsfeld Um meine Untersuchung in London und Singapur durchführen zu können, habe ich im Vorfeld der Feldaufenthalte von Deutschland aus Kontakt zu bereitwilligen Gesprächspartnern in diesen Städten aufgebaut. Die Schwierigkeit der Aufgabe, die viel beschäftigten Finanzbeschäftigten überhaupt erreichen und überzeugen zu können, einen Teil ihrer kostbaren Arbeitszeit einem Forscher zur Verfügung zu stellen, ließ mich an der Durchführbarkeit der Studie zweifeln. Wie oben gezeigt wies ich den Mitgliedern dieser globalen Elite bestimmte Eigenschaften zu, die sich in der Figur des Yuppies ausdrücken und eine erfolgreiche Kontaktaufnahme mit diesem Feld schwierig erschienen ließen. In meiner Perspektive waren sie beständig beschäftigt, verdienten viel Geld und unterwarfen sich in ihrer Persönlichkeit vollständig dem kapitalistischen Akkumulationsprozess, dem unbedingten, rücksichtslosen Streben nach Erfolg, sie betrieben in ihrer Freizeit einen Hedonismus par excellence und ihr alleiniges Interesse gelte dem Geld verdienen und Erfolg haben und sich dafür aalglatt in ihrer kulturellen Präsentation den Erfolg versprechenden Konventionen von gebügelten Hemden, teueren Krawatten, gegelten Haaren und schnellen Autos zu unterwerfen. Aufgrund meiner Voranahme ging ich davon aus, auf Menschen zu treffen, die Spiegelbilder von Figuren wie Gordon Gecko aus dem Oliver Stone Film „Wall Street“ seien, der in seinem völlig rücksichtslosen Handeln nur den eigenen Vorteil, den Profit im Blick hat. Ich imaginierte die Finanzmanager als ebenso ruhelos wie Eric Parker, der am Ende des Romans „Cosmopolis“ von Don DeLillo (2003) nach seinem Absturz auf seine Zeit als erfolgreicher Broker zurückblickt: „Er verstand, was fehlte, der Raubvogel-Impuls, das Gefühl mächtiger Erregung, das ihn immer durch seine Tage getrieben hatte, das pure und summende Bedürfnis zu sein“ (DeLillo 2003: 203). Ich erwartete eine Gruppe von Menschen, die sich zwar in so allseits sichtbaren, machtvollen Architekturen wie Hochhäusern aufhielten, deren glatte Aluminiumoder Glasfassaden das Außen jedoch bloß in einer abweisenden Spiegelung zeigten, die keinen Blick auf das Innere zuließe. Um es zu pointieren: Ich erwartet alles andere als einen leichten Zugang zu diesem Untersuchungsfeld. Diese Erwartung wurde unterfüttert durch wissenschaftliche Artikel, in denen über die Schwierigkeit des

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Feldzuganges zu den Eliten und deren Verschlossenheit berichtet wird (vgl. Moyser/Wagstaffe 1987). Ausgestattet mit diesen Erwartungen hatte ich gewisse Bedenken, überhaupt jemanden zu finden, der mir seine kostbare Zeit für meine Forschung zur Verfügung stellen würde. Durch mein Projekt selbstverschuldet in den Zwang gekommen diese Bedenken ignorieren zu müssen, wählte ich verschiedene Wege des Feldzugangs: Ich schickte verschiedenen deutschen Banken und Versicherungen, deren E-Mail Adressen ich im Internet recherchierte, eine aus meiner Sicht wohl formulierte Bitte um Unterstützung meiner Forschung. In dieser Anfrage bemühte ich mich, den von mir vermuteten Regeln des Feldes entsprechend dem Forschungsvorhaben Insignien von Seriosität und Erfolg zu verleihen. Da ich auf diese Anfragen keinerlei Antworten erhielt, überwand ich meine Scheu des direkten Kontakts zu dem mir ungemütlich erscheinenden Forschungsfeld und versuchte mein Glück durch Telefonate mit den Zentralen der Finanzunternehmen. Mehrmaliges Erläutern meines Projektes mit unterschiedlichen Abteilungen der Finanzbetriebe brachte mich in den Entscheidungshierarchien Schritt für Schritt nach oben und schließlich zu entscheidungskompetenten Personen in den Personalabteilungen. Diese erbaten für eine Entscheidung eine schriftliche Ausarbeitung meines Forschungsvorhabens. Daraufhin erhielt ich per E-Mail einige Absage mit der Begründung mangelnder Kapazitäten. Dabei wurde auch mein telefonisches Nachhaken und die Bitte mir die E-Mail Adressen ihrer Expatriates zu geben, so dass ich diese persönlich anschreiben könne, abgelehnt. Einige Entscheidungspersonen unterstützen mich aber und gaben mir ausgewählte Adressen von Expatriates, die offensichtlich von der Personalabteilung angeschrieben wurden und daraufhin ihre Unterstützung zusagten. Ich schrieb diese an und sprach mit ihnen per E-Mail Gesprächstermine in London und Singapur ab. Einen anderen, leichteren Zugang zu meinem Untersuchungsfeld bekam ich über private Kontakte, die mir Adressen und Interviewzusagen mir unbekannter Finanzmanager in London einbrachten. Außerdem gelang es mir zu meiner Überraschung, durch eine Internetrecherche auch einige wenige, direkte E-Mail Adressen aus Finanzhäusern zu finden, deren Inhaber bereitwillig auf meine Interviewanfragen eingingen. Durch eine Vermittlungsanfrage an die Deutschen Schulen in London und Singapur konnte ich außerdem Kontakt zu einer weiteren Interviewperson in Singapur herstellen. Nachdem ich die ersten Interviews in London und Singapur durchgeführt hatte, gaben mir meine Interviewpartner außerdem weitere Adressen anderer potenzieller Interviewpersonen. Zu meiner Überraschung waren sogar mehrere der an der Hierarchiespitze stehenden General Manager und CEO’s bereit, sich mit mir zu längeren Interviews zu treffen und mir in Stadtausflügen ihre Alltagsorte zu zeigen. Die meisten der Interviewten waren mir gegenüber zudem sehr offen, freundlich und hilfsbereit. Mit der Beschreibung der Kontaktaufnahme kann ich somit ein erstes Beispiel für das Überraschungspotenzial einer offenen ethnografischen Forschungsmethode geben. Durch die erfolgreiche Kontaktaufnahme geriet mein 46

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Image, dass die Beschäftigten der Finanzwirtschaft sich abschotten und ausschließlich am Geld verdienen interessiert sind, ins Wanken.

Die Datenerhebung Die Durchführung meines Forschungsvorhabens ist durch eine Methodenpluralität gekennzeichnet, die es mir erlaubt, gleichermaßen die alltäglichen Handlungsroutinen und die Orte, an denen diese Routinen verhandelt werden, zu untersuchen. Die Interviews werden durch Beobachtungen ergänzt, mit denen ich nicht nur alltägliches Verhalten, sondern auch Materialität in den Blick nehmen konnte. Gleichzeitig fungieren Interviews und Beobachtungen nicht nur als bloße wechselseitige Ergänzung. Da sie eine eingeschränkte Gegenüberstellung der persönlichen Sichtweisen der Interviewten (die jedoch aus der Perspektive des Forschers interpretiert wurden) und der Beobachtungsperspektive des Forschers auf Orte und Handlungen zulassen, können sie auch ein gegenseitiges Korrektiv bieten.

Die Erzählungen vom Einpassen – Interviewführung Während meiner Aufenthalte in London (März - April 2004) und in Singapur (Juli September 2004) führte ich jeweils 19 leitfadengestützte episodische Interviews (vgl. Flick 2002: 160) mit aus Deutschland kommenden Beschäftigten des Finanzwesens durch. 1 Die Gruppe der Interviewten setzt sich zusammen aus Beschäftigten elf deutscher Unternehmen des Banken- und Versicherungswesens. Sie arbeiteten in unterschiedlichen, tendenziell höheren Hierarchiestufen (vom Associate bis General Manager) und Arbeitsfeldern (Firmenkundenberater, Aktienanalysten) und gehörten verschiedenen Altersgruppen (von 24 bis 63) an. Die geschlechtsspezifische Zusammensetzung der Untersuchungsgruppe (in London 14 Männer, 5 Frauen; in Singapur 17 Männer und 2 Frauen) spiegelt das deutliche Übergewicht von Männern in dieser hohen beruflichen Statusgruppe wider. Obwohl in dieser Studie auch die alltägliche Konstruktion der männlichen Identität in London und Singapur untersucht wird, wurden auch Frauen befragt, da deren Aussagen als Perspektive des Anderen bzw. Weiblichen auf das Männliche die Analyse der Männlichkeit ergänzen. Ihre Aussagen sind durch die sprachliche Verwendung der weiblichen Form klar von denen der Männer unterscheidbar.

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Vorbereitet und ergänzt wurden diese Interviews durch in Deutschland geführte Vorabinterviews mit ehemals in London bzw. in Singapur arbeitenden deutschen Finanzmanagern. 47

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Fast alle Interviewten willigten nach der Versicherung von Anonymität in eine digitale Aufnahme der Interviews ein. Die Interviews wurden von mir auf Mini Disc aufgezeichnet und haben eine Aufnahmedauer von zumeist 1,5 bis 2 Stunden. Mit der episodischen Interviewform konnte ich spezielle Erzählungen erheben, die nicht im Kontext eines erzählbaren Ganzen wie im narrativen Interview, sondern auf episodisch-situative Formen des Erfahrungswissens fokussieren (vgl. Flick 2002: 160). In den Interviews stellte ich meinen InterviewpartnerInnen offene Fragen, die sie zum Erzählen über ihr alltägliches Leben in London bzw. in Singapur anregten. Ich gestand den Befragten so eine hohe Aktivität in den Interviews zu. Damit ermöglichte ich es ihnen, eigene Bedeutungen in die Interviews einbringen zu können. Der für die Interviews verwendete Leitfaden stellte sicher, dass allen Interviewten sowohl in London als auch in Singapur dieselben offenen Fragen, die als Erzählaufforderungen wirkten, gestellt wurden. Dies ermöglicht eine Vergleichbarkeit der von mir erhobenen Daten in London und in Singapur. Variabel war nur die Art der Nachfragen, die ich gestellt habe. Ich stellte Nachfragen aus drei Gründen: Erstens wenn mir noch wichtige thematische Aspekte, die ich vor der Untersuchung als interessant markiert hatte, in der Erzählung fehlten. Zweitens wenn mir etwas an der Erzählung unklar blieb. Oder wenn drittens ein angesprochener und für mich neuer Aspekt nur kurz erwähnt wurde und mir eine weitere Ausführung dazu aufschlussreich erschien. Wie die Nachfragen gestellt wurden und worauf sie sich bezogen, verändert sich daher während des Forschungsprozesses und war zu einem Teil abhängig von der fortlaufenden Analyse der erhobenen Daten und der ersten Auskristallisierung von als interessant bewerteten Aspekten im Fortgang des Projektes. Um interessante Erzählsequenzen auszuweiten, benutzte ich während der Interviews die Methode der Spiegelung von Satzsequenzen der Interviewten. Sofern sich aus meiner Sicht Widersprüche in dem Erzählten ergaben und mir eine Auflösung aufschlussreich erschien, konfrontierte ich die Interviewten vorsichtig mit diesen Widersprüchen, damit sie sich dazu erklärten. Die episodischen Interviews wurden durch ethnografische Interviews ergänzt (vgl. Spradley 1979). Diese wurden entweder als Fortsetzung (direkt nach dem Interview oder während eines weiteren Treffens) oder als Epilog zu den formaleren leitfadengestützten episodischen Interviews durchgeführt. Diese Gespräche wurden von mir zusammen mit einer Beschreibung der Interviewsituation und dem Interviewort als Feldnotizen aufgezeichnet. Vervollständigt wurden die Interviews durch ExpertInneninterviews mit Angehörigen der deutschen Botschaften und deutscher Wirtschaftsverbände in London und Singapur.

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Den Ort des Einpassens beobachten – Ortsbeobachtungen In dieser Arbeit stehen die alltägliche Erfahrung von London und Singapur durch die Finanzmanager im Mittelpunkt. Aber auch die alltäglichen Erfahrungen des Forschenden direkt in London und Singapur sind Teil der Datenerhebung und dienen dazu, das Einpassen der Finanzmanager in den Ort zu untersuchen. Denn: „Cities must be directly experienced. Writing about them is only the weakest substitute for being in them“ (Abu-Lughod 1999: 426). Neben dem Führen von Interviews stellt somit die Beobachtung und direkte Erfahrung von Orten, die meine Interviewpartner in London bzw. in Singapur in ihrem Alltag nutzen oder auch bewusst meiden, den zweiten Schwerpunkt meiner Datenerhebung dar. Ein Teil der Interviewfragen betraf die Benennung und Beschreibung von Arbeitsort, Wohnort, Freizeitorten (Sport, Restaurant, Café), Lieblingsorten und gefährlichen Orten. Ich führte an diesen Orten Beobachtungen durch und fertigte hierzu Feldnotizen und Fotografien an. Außerdem hatte ich mehrmals die Gelegenheit, mit den Interviewten zusätzlich abends ein Restaurant oder eine Kneipe zu besuchen oder von ihnen in ihre Wohnungen bzw. Häuser eingeladen zu werden. Auch dazu habe ich umfangreiche Feldnotizen über die besuchten Orte, die dabei geführten Gespräche und das Erlebte angefertigt. Um mir einen Neuigkeitseffekt in der Beobachtung zu erhalten, führte ich meine Beobachtungen zunächst frei durch. Ergänzend konzentrierte ich sie einem zweiten Schritt mit Hilfe eines verwendeten Beobachtungsleitfadens. Nach der Beendigung der Feldforschung in London und Singapur habe ich die aufgenommenen Interviews vollständig transkribiert, so dass ich inklusive der Feldnotizen ein Gesamtdatenkorpus von ca. 1.600 Seiten, ca. 600 Fotografien und etlichen materiellen Mitbringseln zur Analyse vorliegen hatte.

Das Einpassen analysieren – Die Auswertung der Daten Ich verstehe die Auswertung der Daten als fortlaufenden Prozess, in dem ein ständiger Austausch zwischen erhobenem Material und theoretischem Vor-verständnis erfolgt. Das bedeutet, dass die Auswertung der Daten schon während der Erhebungsphase bei der Anfertigung von Feldnotizen und während der langwierigen Transkription der Daten begann. Das Forschungsziel kristallisierte sich durch „progressive focussing“ (vgl. Hammersly/Atkinson 1995) nach und nach heraus. So legte ich während der Erhebung erste Notizen und Ideen an, die mir halfen, zusätzliche Informationen zu erheben und meine Beobachtungen weiter zu fokussieren. Der Auswertungsprozess orientiert sich insofern an der Grounded Theory (vgl. Glaser/Strauss 1967), dass ich meine Auswertungskategorien in einem beständigen und kreativen Prozess aus dem Material entwickle. Jedoch möchte ich das Postulat der theoretischen Offenheit insofern einschränken, da ich wie oben gezeigt in be49

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wusster Weise die Person des Forschers in meine Untersuchung mit einbinde. Das bedeutet zwangsläufig, dass ich in der Analyse den Rückgriff auf spezifisches theoretisches Vorwissen und den daraus resultierenden besonderen Blick, der den Auswertungsprozess mitleitet und den Auswertungsfokus schärft, so weit wie möglich kenntlich machen werde. Nach wiederholtem intensivem Studieren der Daten zerlegte ich diese in einem ersten Schritt in ihre Sinneinheiten und wies diesen Kodes zu. Dieses computerunterstützte Vorgehen wurde unterschiedlich detailliert angewendet; bei besonders aufschlussreichen Passagen erfolgte eine genauere Kodierung, während Passagen, die für die Fragestellung von geringerem Interesse sind, gröber kodiert wurden. Die entstehenden Codes habe ich in einem nächsten Schritt zusammenfassend kategorisiert und deren Beziehungen herausgearbeitet. Mittels einer Querschnittsanalyse von gleichen Kategorien bei unterschiedlichen Fällen habe ich eine vergleichende Themenanalyse durchgeführt, mit der ich Ähnlichkeiten oder Kontraste herausarbeiten konnte. Schließlich wurden anhand einiger Kernkategorien Konzepte ausformuliert. Die Auswertung meiner Daten, der Interviews und Ortsbeobachtungen, führte ich unter dem Fokus einer Diskursanalyse durch. Da die Diskursanalyse in ihrer methodischen Umsetzung ein Interpretationsprozess ist (vgl. Keller 2004: 10), greife ich für ihre Durchführung auf die von mir variierte Analysestrategie der Grounded Theory zurück. Da ich das Einpassen als identitätsgebundenen Prozess verstehe und in ihm auch die Images der Finanzmanager, mit denen sie den Orten und den Anderen begegnen, analysiere, werden Diskurse auf zwei Ebenen untersucht. Sie sind erstens als diskursive Praktiken in der Konstruktion der Identitäten (was wird als passend zum Eigenen, was als fremd bewertet) und zweitens in der Erzeugung von Images (bezüglich der Ausrichtung des Blicks) relevant. Meine Analyse der erstellten Feldnotizen, Interviewtranskripte und Fotografien hat daher das Ziel, übersubjektive, identitätsgebundene Wissens- und Handlungsstrukturen zu identifizieren, die im Einpassen der deutschen Finanzmanager in London und Singapur produziert und reproduziert werden. Damit betrachte ich einige der aus der Analyse der Beobachtungen und Interviews kondensierten Themen als Abbilder bestimmter Diskurse, als „eine Menge von Aussagen, die einem gleichen Funktionssystem zugehören“ (Foucault 1973: 156). Diskurse bestehen aus einem spezifischen Netz von Wissensformen, Denkmustern, Normen und Regeln, die disziplinierend wirken und gleichzeitig ein- und ausschließend sind. Sie umfassen das, was von Personen mit spezifischen Identitäten zu einer bestimmten Zeit über etwas gesagt und gedacht wird. Da sie auch festlegen was gesagt und gedacht werden darf, was als wahr und falsch, normal und unnormal definiert wird, sind Diskurse machtvolle und umkämpfte Gebilde. Sie beschränken sich jedoch nicht nur auf die Art wie und über was gesprochen wird. Diskurse sind auch produktiv, da sie: „als Praktiken zu behandeln [sind], die systematisch die Gegenstände bilden von denen sie sprechen. Zwar bestehen diese Diskurse aus Zeichen; aber sie benutzen Zei50

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chen für mehr als nur zur Bezeichnung von Sachen. Dieses mehr macht sie irreduzibel auf das Sprechen und die Sprache. Dieses mehr muss man ans Licht bringen und beschreiben“ (Foucault 1973: 74, Hervorhebungen im Original). Dieses „mehr“ sind für mich im Zusammenhang dieser Untersuchung besondere alltägliche Handlungen der Individuen. Ich gehe in meiner Analyse jedoch nicht von einer machtvollen Allumfassendheit der identifizierten Diskurse aus. Vielmehr möchte ich durch das Herausstellen des Spannungsverhältnisses zwischen spezifischem Diskurs und Widerspenstigkeiten, wie sie sich z.B. in dem Verlassen vorgegebener Wege beim Gehen durch die Stadt (vgl. de Certeau 1988) oder in der Erzeugung eines lesbischen Raums im Handeln in der heterosexuellen Straße (vgl. Valentine 1996) zeigen, Diskurs und damit Identitäten und Images als dynamisches und umkämpftes Gebilde fassen. Dieses Verständnis von Diskurs erlaubt es mir, die vielfältige Einbindung der deutschen Finanzbeschäftigten in unterschiedlich diskursiv strukturierte Kämpfe um Bedeutungen in London und Singapur als Teil ihres Einpassens zu untersuchen. Ziel dabei ist es, spezifische Diskurse in ihrer Einschreibung in das gesprochene Wort (Datenquelle hierfür sind die geführten Interviews) und in Handlungsweisen (Beobachtung und Interviews) zu bestimmen und offen zu legen. Durch die Identifikation dieser Diskurse arbeite ich in meiner Studie die Beziehung zwischen den Aussagen, alltäglichen Handlungen und Orten heraus und kann so das Einpassen der deutschen Finanzmanager umfassend analysieren.

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London und Singapur als Finanzzentren und Ziele von Managern

London gilt ebenso wie Singapur als Stadt, der aufgrund ihrer starken internationalen Bedeutung und Einbindung ein Spitzenplatz in unterschiedlichen städtischen Hierarchien zugewiesen wird. Beide gelten als World Cities, als Hauptknotenpunkte der internationalen Waren und Finanzströme, die in herausgehobendem Maße internationale Investitionsflüsse anziehen, ökonomische Prozesse außerhalb der Stadt kontrollieren und in das Weltsystem vermitteln (vgl. Friedmann 1986). Sie werden ebenso als „Alpha World Cities“ eingeordnet, deren herausgehobene Positionen sich aufgrund der Ansiedlung von Geschäftsstellen der miteinander verbundenen transnationalen Dienstleistungsunternehmen ergeben (vgl. Taylor 2004; Beaverstock/Smith/ Taylor 1999: 458). Wie oben bereits angedeutet steht meine Arbeit kritisch zu diesen Modellen und deren tendenzieller Vernachlässigung von Nationalstaat, Geschichte und allgemein der spezifischen Qualität der einzelnen Städte; allerdings vermitteln diese Untersuchungen einen guten Überblick über die internationale ökonomische Bedeutsamkeit und Eingebundenheit dieser Städte. Beide Städte, London und Singapur, gelten dabei als besonders stark miteinander durch Informationsströme, Finanzströme, Flugreisen und Migrationsströme verbunden. Durch die Konzentration von international aktiven Finanzinstitutionen in London und Singapur erhalten, sie in einem solchen globalen Stadt-Ranking Spitzenplätze. Rank

Global network connectivity

Bank network connectivity

1

London

London

2

New York

New York

3

Hong Kong

Tokyo

4

Paris

Hong Kong

5

Tokyo

Singapore

6

Singapore

Paris

Abbildung 1: Eingebundenheit in globale Netzwerke (vgl. Taylor 2004: 99) 53

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

London ist heute das wichtigste europäische Finanzzentrum in dem 2006 32% des weltweiten Devisenhandels und 70% des Anleihehandels getätigt wurden. Bei Termin- und Swapgeschäften und ähnlichen Finanzinstrumenten lag der weltweite Anteil Londons bei 40% (vgl. SZ 26.10.2006: 25). Hier befinden sich im weltweiten Vergleich die meisten ausländischen Bankensitze (vgl. Corporation of London 2003). Die herausragende Bedeutung der Londoner City in den internationalen urbanen Netzwerken wird übereinstimmend in den entsprechenden Studien festgestellt, sie gilt als Paradebeispiel einer Global City (vgl. Sassen 1991). Auch Singapur gilt durch seine Position als Dienstleistungszentrum und Warenumschlagplatz als zentrales urbanes Zentrum (vgl. Castells 1998: 244), als World City (vgl. Friedmann 1986: 72; Beaverstock/Smith/Taylor 1999), Global City (vgl. Baum 1999; Jordan 1997) und eine der am stärksten internationalisierten Ökonomien der Welt (vgl. Perry/Kong/Yeoh 1997: 15). Hier wurden im Jahr 2005 20 Mrd. US$ an ausländischen Direktinvestitionen getätigt (vgl. UNCTAD 2006). Auch in der Vermögensverwaltung ist Singapur ein sehr wichtiger Standort, denn durch ein rigides Bankgeheimnis und Steuerfreiheit gilt Singapur als die asiatische Alternative zur Schweiz, als Stadt, in der Steuerflüchtige ihr Geld sicher anlegen können (vgl. SZ 29.11.2006: V2/5).

Der Bedeutungszuwachs der Finanzindustrie und die Migration von Expatriates Der Finanz- und Versicherungssektor in dem meine Interviewpartner arbeiten, gilt als deutlichster Ausdruck von und als Antreiber der internationalen Austausch- und Verknüpfungsprozesse, die als Globalisierung beschrieben werden (vgl. u.a. Castells 2000). Auch wenn die Prozesse innerhalb der Finanzwirtschaft nicht so global sind wie es der Begriff der Globalisierung nahe legt und sie sich wesentlich auf das Zirkulieren von Kapital zwischen bestimmten Zentren und seinen Umlauf innerhalb einzelner regional getrennter Geldkreisläufe konzentrieren (vgl. Pollard 2001; Leyshon 1996), so ist der Finanzbereich doch durch Deregulierungen seit den 70-er Jahren, 1 die Ausbildung neuer Finanzinstrumente (Derivate) und die Entwicklung technischer Mittel zur leichteren geografischen Distanzüberwindung (Transport- und Kommunikationsmittel erlauben den Finanzhandel nun in Echtzeit) zu einem international stark verflochtenen Sektor geworden. Die Bedeutung der Finanzmärkte und ihrer internationalen Transaktionen hat in dieser Zeit enorm zugenommen. Beispielsweise stieg der weltweite Handel an Devisen zwischen 1986 und 1998 um das Achtfache an. Auch der Handel mit Anleihen und Aktien nahm rasant zu. Gemessen als Anteil am Bruttoinlandsprodukt stieg dieser zwischen 1970 und 1996 in den 1

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Als Meilenstein gilt hierbei die Aufkündigung des Bretton Woods Abkommens 1971 und damit die Abschaffung von der Dollar Gold Bindung, die nun Währungsspekulationen erleichterte (vgl. Leyshon/Thrift 1997).

LONDON UND SINGAPUR ALS FINANZZENTREN UND ZIELE VON MANAGERN

USA um das 54-fache und in Deutschland um das 60-fache (vgl. Castells 2000: 110). Dieser stärker internationalisierte Finanzmarkt begleitet auf der einen Seite eine zunehmende Internationalisierung der Produktion der in den 70-er Jahren einsetzenden „Neuen Internationalen Arbeitsteilung“ (vgl. Fröbel/Heinrichs/Kreye 1977), welche die Auslagerung industrieller Produktionsbereiche in Entwicklungs- und Schwellenländern bezeichnet. Mit den Auslagerungen ging eine deutliche Zunahme von ausländischen Direktinvestitionen einher, 2 der internationale Warenhandel nahm zu 3 und so genannte transnationale Konzerne gewannen erheblich an Bedeutung (vgl. Sklair 1995). Diese Industrie- und Dienstleistungsunternehmen (wie Versicherungen und Banken) zeichnen sich durch netzwerkartige Strukturen aus, in denen die Prozesse der Produktion und Vermarktung über verschiedene Standorte in unterschiedlichen Nationalstaaten aufgeteilt sind (vgl. Castells 2000). 4 Für bestimmte ökonomische Bereiche und für die persönliche Erfahrungswelt eines Teils der Weltbevölkerung kam es zu einer leichteren Überwindung von geografischen Distanzen und damit zu einer Verdichtung des Raumes und der Zeit, der „time-space compression“ (vgl. Harvey 1990). Einige Hyperglobalisierungstheoretiker folgerten daraus, dass infolge der Zunahme von internationalen Finanz-, Waren-, Informations- und Migrationsströmen sowie der Bildung einer „network society“ (Castells 2000) der geografische Ort an Bedeutung verloren habe; sie schrieben von einem „End of Geography“ (vgl. O’Brien 1992), einer „Borderless World“ (vgl. Ohmae 1990) und von einer virtuellen Geografie, die sich von tatsächlichen Orten und Städten entkoppelt habe (vgl. Virilio 1999). Entgegen dieser Annahmen, gegen die „Vernachlässigung der räumlichen Dimension der wirtschaftlichen Globalisierung“ (Sassen 1996: 17) erklären die Ansätze der Global City (vgl. Sassen 1991) 2

3 4

Die ausländischen Direktinvestitionen sind weltweit von einer Summe von 57 Mrd. US$ im Jahr 1982 auf 916 Mrd. US$ im Jahr 2005 angestiegen (vgl. UNCTAD 2006). Der weltweite Export hat von 157 Mrd. im Jahr 1963 auf 8975 Mrd. US$ im Jahr 2004 zugenommen (vgl. ebd.). Gleichzeitig entkoppelte sich der Finanzmarkt zu einem guten Teil von der Sphäre der realen Akkumulation, d.h. die Gewinne, die sich auf den Finanzmärkten erzielen ließen, lösten sich von der Produktionssphäre. Harvey erklärt diesen Prozess mit Bezug auf den zweiten Band des Kapitals von Marx durch eine Überakkumulationskrise im ersten Kapitalkreislauf (Produktion) mit der Umschichtung von Kapital aus einem Kapitalkreislauf in den anderen einher ging (vgl. Harvey 1982). Mit dem hohen Anteil spekulativer Momente am Finanzmarkt, der sich in dem Begriff des Casinokapitalismus (vgl. Strange 1986) widerspiegelt, wuchs auch die Krisenanfälligkeit dieses Finanzsystems, die sich in der Asienkrise von 1997, der platzenden Spekulations- und Aktienblasen am „Neuen Markt“ in Deutschland, der Immobilienblase in Japan und in der Finanzkrise im Jahr 2008 zeigt. Durch die erhöhte Mobilität des Finanzkapitals kam es zu einem Machtgewinn der Kapitaleigner gegenüber den Orten und Arbeitskräften (durch die Androhung von Verlagerungen und durch tatsächliche Verlagerungen) und zu einem verschärften Standortwettbewerb (vgl. Castells 2000; Harvey 1990; Sassen 1991). 55

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

und der World City (vgl. Friedman 1995), dass trotz entwickelter Telekommunikationstechnik und fortgeschrittener Marktliberalisierung die Finanzindustrie (so wie auch andere Dienstleistungsindustrien) keineswegs frei vom geografischen Ort sei. Sie argumentieren vielmehr, dass gerade die geografische Verteilung von Produktionsstätten zu einer Bedeutungszunahme von bestimmten Städten als Kontroll- und Steuerungszentralen der globalen Ströme führte, in denen sich Dienstleistungsunternehmen wie die Finanzindustrie konzentrieren. Einige besonders zentrale Städte wie New York, London oder Tokyo, in denen sich in einzelnen Stadteilen Einrichtungen der Finanzindustrie oder Bürozentralen der transnationalen Unternehmen konzentrieren, werden aus Perspektive der Global City-Forschung als neue Zentren des kapitalistischen Weltsystems konzipiert. Von hier aus sollen die Finanzströme gesteuert werden; hier befinden sich demnach die Knotenpunkte der als global konzipierten Netzwerke. Die Zunahme der internationalen Finanztransaktionen und des internationalen Warenhandels wurde begleitet von der Migration von hoch qualifizierten Beschäftigten des Dienstleistungssektors, den Expatriates. Aufgrund ihrer Fähigkeiten sollen sie den Bedarf an qualifiziertem Personal im entwickelten Dienstleistungssektor in bestimmten Städten befriedigen, die als Knotenpunkte der Dienstleistungsnetzwerke gelten. 5

Die Entwicklung von London und Singapur als Finanzzentren und Ziele von Expatriates Die hier dargestellte Geschichte Londons und Singapurs hilft, das Einpassen der deutschen Finanzmanager auch auf der Basis der historischen Entwicklung dieser Städte verstehen und somit untersuchen zu können. Dabei zeigt sich, dass die gegenwärtigen Strukturen dieser Städte – ihre spezifische Materialität, ihre soziale und politisch-ökonomische Struktur – auch Folge ihrer historischen Entwicklung, als „Imperial City“ und als „Colonial City“ (vgl. King 1990a) sind. Beide Städte haben sich auch in Abhängigkeit zueinander innerhalb des kapitalistischen Weltsystems entwickelt. London war das Zentrum des Britischen Empire und Singapur dessen kolonialisierte Stadt. Die koloniale Geschichte der beiden Städte verbindet sie auch heute noch miteinander und zeigt die Dauerhaftigkeit von Strukturen an, die für das gegenwärtige Einpassen der Finanzmanager relevant sind. „Not only are the ‚colonial city‘ and the ‚imperial city‘ umbilically connected in terms of economic linkages as well as cultural hybridization, but their ‚postequivalents‘ cannot be disentangled one from the other and need to be analysed within a single ‚postcolonial‘ framework of intertwining histories and relations“ (Yeoh 2001: 457). 5

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Zur Auswahl und Ausbildung der Expatriates durch die entsendenden Firmen und zu den Motivationen der Firmen Expatriates zu versenden vgl. Beaverstock 2001b.

LONDON UND SINGAPUR ALS FINANZZENTREN UND ZIELE VON MANAGERN

Indem die deutschen Finanzmanager in ihrem Handeln vor Ort mit diesen Strukturen in Kontakt treten, geraten sie, wie später in den empirischen Kapiteln deutlich wird, in unmittelbare Berührung mit den historisch gewachsenen Strukturen der beiden Städte. Die historische Entwicklung wird aber nicht nur in ihrer Dauerhaftigkeit als Gestalterin der städtischen Struktur relevant sondern auch als Image Produzierende. Wie ich später zeigen werde, richtet sich der heutige Blick der Finanzmanager auf London und Singapur, ihre Wahrnehmung dieser Städte, auf der Basis dieser Imageentwicklung aus und diese prägt ihr heutiges Handeln in der Stadt mit. Das Einpassen der Finanzmanager erfolgt in Abhängigkeit von diesen historisch gewachsenen Strukturen und Images. Ihr heutiges alltägliches Handeln und die damit einhergehende Herausbildung ihrer Identitäten – als Deutsche, Weiße, Männer und globale Elite – erfolgt auch in Beziehung zu der Geschichte des Ortes und der Stadt, die auch eine Geschichte der eigenen Identitäten ist. Die besondere Geschichte dieser spezifischen Identitäten wird, wie ich im empirischen Teil dieser Arbeit zeigen werde, im alltäglichen Handeln vor Ort bedeutungsvoll.

London als traditionelles Zentrum – Von der Imperial City zur Global City London entwickelte sich aus dem römischen Londinium durch seine bevorzugte geografische Lage an der Themse zu einem Handelszentrum mit einem wichtigen Hafen. Hier siedelten sich nicht nur römische Händler an, sondern im Laufe der Jahre auch Menschen aus verschiedenen anderen Regionen, die durch den Handel mit dem Londoner Hafen verknüpft waren. So entstand in London schon im 5. Jahrhundert auch eine Community aus deutschen Händlern (vgl. Think London 2006). Mit der Integration von Nordamerika in den Welthandel entwickelte sich London im 16. Jahrhundert zum Haupthandelsplatz der Welt, das damals gebaute Gebäude der Royal Exchange Bank (1572) ist materielles Zeugnis dieser Entwicklung. Die deutschen Händler der Hanse hatten zu dieser Zeit intensive Beziehungen zu London aufgebaut. Einige von ihnen ließen sich in London nieder, so dass im Jahr 1548 eine deutsche Community von mehr als 5000 Personen 6 entstanden ist (vgl. Kellenbenz 1978). Infolge von bemerkenswerten Einwanderungen aus Europa wuchs die EinwohnerInnenzahl von London rasant von 75.000 im Jahr 1550 auf 575.000 Menschen im Jahr 1700 an (vgl. Sheppard 1998: 126). Die aus den Kolonien geraubten Rohstoffe wurden nach London verschifft und dort industriell weiterverarbeitet. Eine Folge der Bedeutung von London als Handelszentrum war, dass sich in der City of London Banken und Finanzinstitute ansiedelten und nun von hier aus internationale Investitionen gesteuert wurden. London entwickelte sich zu einem herausragenden Handels- und Finanzzentrum, dessen Be-

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In dieser Zahl sind auch die in London lebenden Niederländer enthalten. 57

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

deutung sich mit dem Bau der London Docks (von 1799 bis 1828) und dem im Jahr 1694 gebauten Gebäude der Bank of England manifestierte. Vor dem Ende des 18. Jahrhunderts übernahm London die Rolle als führendes Finanzzentrum der Welt (vgl. King 1990b: 74). Mit der Expansion der Londoner Ökonomie und der Vereinigung des britischen Königreichs und dem Fürstentum Hannover wuchs auch die deutsche Gemeinschaft in London stark an und errichtete hier eine spezifisches Infrastruktur bestehend aus Kirchen, Schulen und einem deutschen Krankenhaus. Es wird geschätzt, dass um 1800 in London ca. 3.000 Deutsche lebten 7 (vgl. Kellenbenz 1978), deren Zahl bis zum Jahr 1891 auf 26.920 anwuchs (vgl. Thamer 1992: 235). Die heterogene deutsche Community bestand in dieser Zeit zu größten Teilen aus in der Zuckerindustrie beschäftigten Arbeitern, aus Händlern, Geschäftsleuten und Wissenschaftlern (vgl. London Metropolitan Archives 1998). Mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert und der Expansion des Britischen Empires unter Queen Victoria wurde London zur Imperial City (vgl. King 1990b: 75ff.), zum Zentrum des Empires, das auf seinem machtvollen Höhepunkt ein Viertel der Welt umfasste und 500 Millionen Menschen beherrschte. Die Ausbeutung der Kolonien deckte den mit der Industrialisierung entstandenen Bedarf an Rohstoffen in England. London wurde nicht nur zum politischen Zentrum, sondern in einer Zeit, in der sich der internationale Handel mit den britischen Kolonien massiv ausbreitete, auch zum ökonomischen Handelszentrum des Empires. Zur Integration der Peripherie etablierte die britische Kolonialmacht ein urbanes Netzwerk, in das urbane Zentren wie Singapur als zentrale Orte der Steuerung (Bürokratie, Militär, Handel) des Hinterlandes – als Colonial City – eingegliedert wurden (vgl. King 1990a: 13ff.).

London als Stadt der sozialen Gegensätze – Das Monster London Im Zuge der internationalen Einbindung und des Bedeutungszuwachses von London immigrierten zahlreiche Menschen aus unterschiedlichen Ländern des Britischen Empires und aus anderen Regionen und folgten so den entstandenen Handelsverknüpfungen. London wurde zu einer Stadt, in der große Anteile seiner Bevölkerung einen Migrationshintergrund hatten. Die Bevölkerungszahl stieg innerhalb des 19. Jahrhundert rasant von einer auf sechs Millionen an. In dieser frühkapitalistischen Entwicklung gab es in London enorme soziale Unterschiede und eine deutliche soziale Spaltung. In der Nähe der City entstanden Slums, deren elende Bedingungen in den Romanen von Charles Dickens beschrieben sind. Gleichzeitig zogen die wohlhabenderen Londoner in Suburbs außerhalb des Zentrums in viktorianische

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Genaue Statistiken von der Zahl der Deutschen die um 1800 in London lebten, gibt es nicht (vgl. Kellenbenz 1978).

LONDON UND SINGAPUR ALS FINANZZENTREN UND ZIELE VON MANAGERN

Reihenhäuser oder einzelstehende Villen, die durch den Bau der U-Bahn erreichbar wurden (vgl. Thompson 1982; Clapson 2003). Die sozial gespaltene Stadt, die wohlhabenden Villen am Stadtrand und die drastische Armut im Stadtinneren samt der dort ausbrechenden Krankheiten führten dazu, dass das London dieser Zeit als eine Art Monster betrachtet wurde. „Yet to most foreigners, London presented three overwhelming impressions, none of them romantic: its immensity, its materialism, and the extremes of riches and poverty. It was the ‚Monster City‘; to some also a ‚monstrous‘ city“ (Thorold 1999: 240). Sicherlich ließe sich auch eine Geschichte Londons erzählen, in der das funktionierende Zusammenwohnen unterschiedlicher Kulturen im Zentrum der Aufmerksamkeit stünde. Vorwiegend wird London jedoch bis in die heutige Zeit als eine Stadt dargestellt, in der es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den aus den Kolonien eingewanderten Menschen und den Ordnungsorganen (so in den Unruhen 1981 in Brixton und 1985 in Tottenham), zu Anschlägen und Anschlagversuchen durch die IRA (1992 und 1996) sowie durch radikale islamische Splittergruppen (2004-2007) kommt.

London als umkämpftes und bedrohtes Zentrum – Deutsche als Angreifer Die Geschichte Londons ist also nicht nur eine Geschichte des Aufstiegs und Machtzuwachses, sie ist auch geprägt durch Zerstörungen und Bedrohungen. Diese erfolgten durch politische Machtübernahmen und Kämpfe (z.B. mit den Römern, Normannen, Dänen und Sachsen), deren Zeugnisse mit dem Tower of London, den Fragmenten der London Wall und den gegenwärtigen Namen seiner ehemaligen Stadttore (z.B. Aldersgate, Aldgate, Bishopsgate) erkennbar sind. Auch Krankheiten wie die Pest, an der in den Jahren 1348 und 1665 viele Einwohner Londons starben, überschatteten die Entwicklung der Stadt. 1666 brannten 80% der Stadt nieder – das Monument nahe der London Bridge mahnt heute noch sichtbar an diese Zerstörung. Während des 2. Weltkrieges schließlich zerstörte die deutsche Luftwaffe große Teile der City of London und ein Drittel der Docklands und hinterließ 32.000 Tote. Dieses Ereignis führte in der englischen Bevölkerung zu einer bis heute nachhaltigen „Germanophobia“, die sich für die hier lebenden Deutschen oft als sog. „krautbashing“ (Weber-Newth/Steinert 2006: 19ff.) zeigt und zu Diskriminierungen, wie dem Ausschluss von Deutschen aus dem Baltic Exchange führte (vgl. Leyshon/Thrift 1997: 311). Die zentrale Funktion London scheint es mit sich zu bringen, dass London auch Ziel von Angriffen ist – Angriffe, die in der jüngeren Geschichte insbesondere auch von Deutschen durchgeführt wurden.

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DAS EINPASSEN IN DEN ORT

Aufschwung des internationalen Finanzsektors in einer sozial gespaltenen Stadt Durch die Bedeutung Londons als Handelszentrum im 19. Jahrhundert wurde die Stadt auch für internationale Banken attraktiv. Neben den Banken des Empires, die direkt mit der imperialen Expansion verbunden waren, ließen sich hier auch Filialen von deutschen, anderen europäischen und US-amerikanischen Banken nieder. 1914 gab es in der City of London Niederlassungen von ungefähr 30 ausländischen Banken, deren Zahl im Laufe der nächsten Jahrzehnte weiter anstieg. Die Ausrichtung der City verändert sich in der Nachkriegszeit von der Orientierung auf das Empire, in dem das Finanzgeschäft an die koloniale Produktion und den kolonialen Handeln ausgerichtet war zu einer stärkeren internationalen Orientierung: London entwickelte sich von einer „Imperial City“ zu einer „International Metropolis“ (vgl. King 1990b: 83ff.). Mit der Deregulierung der Finanzwirtschaft im Jahr 1986, dem so genannten Big Bang 8 und der Durchsetzung computerbasierter Handelsabschlüsse nahm die Bedeutung des Finanzsektors in der City massiv zu (vgl. King 1990b: 89). Dieser Bedeutungszuwachs und der damit einhergehend erhöhte Bedarf an Büroflächen materialisierte sich in dem in diesem Jahr erbauten ersten Hochhaus der Stadt, dem auffallenden Lloyds of London-Gebäude und in dem Bau weiterer Hochhäusern in den Docklands (Canary Wharf) außerhalb der City. Im Zuge der Liberalisierung wurde der Markt für ausländische Finanzinstitute weiter geöffnet, so dass deren Zahl von 100 im Jahr 1960 auf heute 450 anstieg und in der City ca. 40% aller Beschäftigten in ausländischen Unternehmen arbeiten (vgl. Corporation of London 2003). Mit der Ausweitung des Finanzsektors erhöhte sich auch der Bedarf an Finanzbeschäftigten. Dieser wurde zum einen durch die relative Öffnung dieses Beschäftigungssektors befriedigt, in dessen Folge nun nicht nur die traditionell beschäftigten AbsolventInnen der britischen Eliteuniversitäten in diesem Bereich arbeiteten. Er öffnete sich auch für andere, oft aus niedrigeren sozialen Schichten stammende Arbeitskräfte. Außerdem nahm in der Folge des Maastrichter Vertrags von 1993 die Zuwanderung junger qualifizierter Europäer in die City zu. Das „old boy network“ (vgl. McDowell 1997: 43ff.), das Netzwerk alter Bekannter aus der britischen Oberschicht, die ihre Geschäfte unter sich beim Mittagsessen in den traditionellen Klubs abschlossen, verlor an Bedeutung. Die City of London wurde nun zu einem Ort, in dessen Finanzsektor der englische Gentlemen als Banker an Bedeutung verlor – die8

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Der Big Bang am 27. Oktober 1986 bezeichnet die Einführung verschiedener Finanzmarktreformen. Dazu gehörte die Verlagerung des Handels im Londoner Stock Exchange vom Parkett auf den Bildschirm, mit dem Firmen an Stelle von Einzelpersonen als Börsenhändler auftreten, die Börsenhändler ihre Gebühren mit dem Kunden frei aushandeln konnten und die Trennung zwischen Händlern und Marktmachern (die vorher sicherstellten, dass Käufer und Verkäufer sich finden) aufgehoben wurde. Daraufhin stiegen ausländische Banken verstärkt in den Aktienhandel ein und vergrößerten ihre Niederlassungen in London.

LONDON UND SINGAPUR ALS FINANZZENTREN UND ZIELE VON MANAGERN

ser traf hier nun häufiger auch auf Frauen, Ausländer und auf Briten, die aus unteren sozialen Schichten stammen (vgl. McDowell 1997: 50ff.; Sakai 2000: 28ff.; Leyshon/Thrift 1997: 118ff.; Thrift 1996: 245ff.). Die deutschen Finanzmanager stellen in London einen Teil der angewachsenen qualifizierten Dienstleistungsschicht dar und tragen dazu bei, dass die Londoner City zu der reichsten Region in der Europäischen Union wurde: „Inner London, has become a middle-class city“ (Butler/Robson 2003: 7.) Eine Region, in der sich die Finanzmanager jedoch in direkter geografischer Nähe zu drei der ärmsten Stadtteilen (Newham, Hackney, Tower Hamlets) von England befinden (vgl. Hamnett 2003).

Singapur als Colonial City – Von der Kolonie zum Finanzzentrum Die Einbindung in das britische Empire – Die Kolonialherren formen die koloniale Stadt Die ehemals kleine Siedlung auf der heutigen Insel Singapur entwickelte sich im 14. Jahrhundert durch ihre geografisch günstige Lage an der Straße von Malakka, die Indien und China über den Seeweg miteinander verbindet, zu einem bedeutsamen Tiefseehafen (vgl. Borrell 2001: 18f.). Zur Sicherung des britischen Einflussbereichs im südostasiatischen Raum und zur Aufrechthaltung des britischen Indien-ChinaHandels bauten die Briten die Insel unter der Führung von Sir Thomas Raffles ab 1819 zu einem Flottenstützpunkt, Verwaltungssitz und einer Handelsfaktorei aus. Singapur wurde als urbanes Steuerungszentrum der Region, als „Colonial City“ (King 1990a), in das Britische Empire integriert und wie andere koloniale Städte auch 9 in der kolonialen Repräsentation als Insel einer von den Briten geschaffenen Zivilisation inmitten des direkt angrenzenden Gebietes der unkontrollierten Wilden betrachtet. Seine „Zivilisiertheit“ verdankt Singapur dieser Repräsentation zufolge allein der Re-Strukturierung der Stadt durch die britische Kolonialmacht. Diese baute nach dem Raffles-Plan von 1822 die Stadtstruktur von Singapur um, damit sie die britischen Handelsinteressen besser befriedigen und den Aufbau einer nach britischen Vorstellungen funktionierenden Verwaltung stützten konnte. Dieser Plan schrieb nicht nur die geometrische Lage von neuen Straßen vor, die nun rechtwinklig zueinander verliefen und schuf ein neues Stadtzentrum, in dem sich um einen zentralen Platz Kirchen und Verwaltungsgebäude gruppierten, sondern er legte auch die Nutzung des öffentlichen Raumes und Architekturmerkmale der Wohnhäuser fest (vgl. Yeoh 1996). 10 Die Stadt wurde von den britischen Kolonialherrschern in 9 Für die indische Stadt Kalkutta trifft dies ebenso zu (vgl. Chattopadhyay 2005). 10 Beispielsweise legten die Briten fest, wie breit der offene Durchgangsweg, der „five-foot way“ im Erdgeschoss vor den chinesischen Shophouses sein durfte (vgl. Home 1997: 104ff.). 61

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

klar gegliederte ethnische Wohnbereiche aufgeteilt; die europäischen Händler und britischen Regierungsbeamten lebten in dieser Zeit in der „European Town“ östlich des Stadtzentrums, während die Chinesen in der dicht besiedelten „Chinatown“ westlich des Stadtviertels wohnten (vgl. Home 1997: 118ff.). In dieser Zeit war die städtische Struktur von Singapur „symbolized by segregated European and indigenous quarters with their own distinct type of economic activities, land use patterns and architectural styles“ 11 (Perry/Kong/Yeoh 1997: 51). Diese in der Kolonialzeit angelegten Strukturen beeinflussen auch heute noch die städtische Struktur Singapurs. So lässt sich feststellen: „the form of the modern city is mainly derived from the European colonial influence“ (Perry/Kong/Yeoh 1997: 25). Die historisch entwickelten Strukturen sind damit weiterhin für den gegenwärtigen Prozess des Einpassens der deutschen Finanzmanager in Singapur bedeutsam. Die Dauerhaftigkeit der kolonialen Strukturen zeigt sich nicht nur in der baulichen Stadtstruktur, sondern auch in der sozialen Schichtung der singapurischen Gesellschaft, die in der Kolonialzeit über das Konstrukt der ethnischen Zugehörigkeit organisiert war. Die Planung von separierten Wohnvierteln für unterschiedliche Ethnien, die Stereotypisierung und Hierarchisierung verschiedener Gemeinschaften auf der Basis ethnischer Attributierungen und die generelle Abwertung der asiatisch stämmigen Bevölkerung unter den weißen britischen Machthabern waren ein wichtiger Bestandteil des kolonialen Lebens in Singapur (vgl. Perry/Kong/Yeoh 1997: 51) und sind (wie sich unten zeigen wird) auch heute noch von Bedeutung. Ein Teil der bevorzugten weißen Europäer wanderte auch aus Deutschland ein und folgte dem sich im 19. Jahrhundert entwickelnden Handel zwischen Deutschland (besonders Hamburg) und Singapur (vgl. Siddique 1977). Die deutschen Schiffe importierten Industriegüter und Eisenwaren nach Singapur und exportierten auf dem Rückweg Agrargüter und Rohstoffe wie Tee, Zinn und Gewürze. Einige deutsche Firmen eröffneten in dieser Zeit hier auch Handelshäuser, so dass sich eine kleine deutsche Community herausbildete (diese bestand im Jahr 1901 aus 236 Menschen), die sich im 1856 gegründeten Teutonia Club traf (vgl. Siddique 1977: 169, 179). Die Mitglieder der europäischen Communities in Singapur waren zu dieser Zeit vom Heimatland recht isoliert, denn eine Fahrt mit dem Schiff von Schottland nach Singapur benötigte mindestens 100 Tage. Da es Teil der kolonialen Erzählung und Perspektive war, die Kolonien als unzivilisiert und kulturlos zu betrachten und die eigene, kulturell interessante Gemeinschaft nur sehr klein war, ließ sich neben wenigen zu bestehenden Abenteuern aus der kolonialen Sicht der Weißen in Singapur nicht viel erleben. Für die hier wohnenden Deutschen stellte sich das alltägliche Leben daher als langweilig dar.

11 Die aus Malaysia stammende Bevölkerung lebte in palmbedeckten Holzhäusern auf Pfählen, den „attap“ Häusern. Die chinesischen Immigranten wohnten in schmalen tiefen Rheinhäusern, den „Shophouses“ und die Europäer in großzügig gestalteten einzelstehenden Häusern (vgl. Westerholt 1995: 305f.). 62

LONDON UND SINGAPUR ALS FINANZZENTREN UND ZIELE VON MANAGERN

„Das gesellschaftliche Leben der Stadt war wenig ereignisreich, das kulturelle Angebot begrenzt. Besuche im eleganten Hotel de l’Europe boten Abwechselung zu der Langeweile, die die koloniale Welt nah des Äquators regierte: Das Ereignis der Woche war die Ankunft und Abfahrt des Postschiffes“ (Schwabe 2001: 83). Allerdings wird das koloniale Leben der Weißen in Singapur von Erzählungen bestimmt, die den Aufenthalt und die Überfahrt als Abenteuer darstellen, sei es in Erzählungen von Auseinandersetzungen mit Piraten oder in den Gefahren einer als wild angesehen Umgebung. In diesen Berichten erscheint das Wilde als kulturlos und die weiße koloniale Ordnung als Gegensatz dazu, als rational gestaltet und zivilisiert. Die Durchsetzung der kolonialen Ordnung wird so aus der Perspektive der weißen Einwanderer zu einer Zivilisierung des Wilden. Illustriert wird diese Sichtweise durch die Legende, dass angeblich 1902 der letzte Tiger Singapurs unter dem Billardtisch des Raffles Hotels erschossen wurde. 12 Deutlich werden in der kolonialen Welt Singapurs auch die Arbeitsteilung und die Konstruktion von Geschlechtsidentitäten der weißen Expatriates, die sich in auffallender Weise in der heutigen geschlechtlichen Arbeitsteilung der Expatriates fortsetzt. Die weißen Männer waren und sind für die Lohnarbeit zuständig und die weißen Frauen für die soziale Netzwerkbildung. „Waren die Herren der Schöpfung in ihren Kontoren mit Umsätzen und Bilanzen beschäftigt, so organisierten ihre Frauen Tanztees, Konzerte und Theaterabende, trafen sich zum Kartenspiel, zeichneten und malten […] oder widmeten sich […] dem Shopping. […] Höhepunkt des Tagesablaufs der Damen war die nachmittägliche Flanierfahrt in Pferdegespannen die Esplanade auf und ab“ (Schwabe 2001: 83f.).

Singapur als Außenposten der britischen Interessen Die Bedeutung von Singapur als internationale Handelsstadt nahm mit der Entwicklung der Dampfschifffahrt und der Öffnung des Suez-Kanals 1869 weiter zu. Über den Hafen wurden Agrargüter und Rohstoffe, die auf der malayischen Halbinsel – dem kolonialen Hinterland – unter der britischen Beherrschung erbeutet wurden, verschifft. Da Singapur von den Briten als Freihafen ohne Handelsbeschränkungen und Zollabgaben gestaltet wurde, wurde es zur wichtigsten Handelsstation in Südostasien. Hier konzentrierten sich nicht nur europäische Handelsunternehmen, die das Import-Export Geschäft koordinierten, sondern auch für den Handel notwendige Dienstleistungen, wie Finanz- und Versicherungsunternehmen (vgl. Yeoh 1996: 35). Singapur übernahm in der Region die Rolle eines „outpost for London’s financial interests“ (Regnier 1991: 19). In der Folge von Prosperität und einer liberalen Einwanderungspolitik nahm die Bevölkerung rasch von 10.000 im Jahr 1824 auf 12 Das 1887 gegründete Raffles Hotel, das Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens der Weißen in Singapur war, lässt sich als baulicher Ausdruck der Kultur der Kolonialisten betrachten, die der Erzählung folgend, das Wilde besiegt. 63

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

137.722 im Jahr 1881 und 938.144 im Jahr 1947 zu (vgl. Perry/Kong/Yeoh 1997: 31). Dieser Bevölkerungszuwachs basierte wesentlich auf der Immigration aus Malaysia, Indien und China. Der Anteil der Chinesen machte seit dem Ende des 19. Jahrhunderts relativ konstant etwa 70%, der der Europäer dagegen nie mehr als 12% der Bevölkerung aus. Wenig überraschend ist, dass der Einfluss des europäischen Bevölkerungsanteils als Regierungs- und Handelselite wesentlich größer war als der kleine Anteil an der Bevölkerung vermuten ließe (vgl. Perry/Kong/Yeoh 1997: 31ff.). Die soziale Schichtung in Singapur war eben wesentlich durch ethnische Arbeitsteilung, in der die weißen Europäer meistens berufliche Positionen als politische oder als Dienstleistungseliten besetzten, bedingt. Die britischen Kolonialherren waren darauf bedacht, Singapur als Handelszentrum zu erhalten und befriedeten soziale Kämpfe, die Singapurs Funktion hätten schwächen können, erfolgreich mit unterschiedlichen Sozialprogrammen. Ganz anders agierten die Japaner, die im Zuge ihrer Machtübernahme im 2. Weltkrieg nach einer starken Bombardierung der Stadt in erster Linie eine politische Machtausdehnung erreichen wollten. Sie schnitten Singapur vom Weltmarkt ab und errichteten eine Gewaltherrschaft, in deren Folge sich die sozialen Verhältnisse massiv verschlechterten. „Die Phase der Besetzung war geprägt durch steigendes Elend, einen boomenden Schwarzmarkt, Krankheit und Arbeitslosigkeit“ (Westerholt 1995: 309). Nach der Kapitulation der Japaner 1945 übernahmen die Briten wieder die Kontrolle über Singapur. Sie förderten den Ausbau des Hafens und den sozialen Wohnungsbau, so dass sich die soziale Situation in der Stadt nach und nach verbesserte. Infolge der besonderen geopolitischen Situation und der strategischen Interessen der Briten nahmen in Singapur die weißen Kolonisatoren (anders als in anderen Kolonien) im besonderen Maße eine Rolle ein, in der sie auch positiv als Förderer und Wohltäter der sozialen Struktur Singapurs galten (vgl. Perry/Kong/Yeoh 1997).

Vom Erreichen der Unabhängigkeit zur Finanzmetropole Nach 140-jähriger Kolonialzeit erreichte Singapur 1965 die Unabhängigkeit. Mit der Trennung vom malayischen ruralen Hinterland war Singapur in seiner ökonomischen Entwicklung stark vom Außenhandel abhängig und setzte daher die Exportorientierung der Kolonialzeit fort. 13 International operierende Unternehmen wurden durch eine Reihe von Maßnahmen erfolgreich dazu animiert, arbeitsintensive Prozesse der industriellen Fertigung nach Singapur auszulagern. Nach und nach wurde

13 Durch die starke Außenhandelsorientierung der Ökonomie Singapurs war diese im besonderen Maße krisenanfällig. Die Binnennachfrage ist wegen der geringen Bevölkerungszahl zu unbedeutend um eventuelle Exportausfälle kompensieren zu können. Der Verbrauch in Singapur selbst macht nur etwa 20% des BIP aus (vgl. Far Eastern Economic Review 2001: 13). 64

LONDON UND SINGAPUR ALS FINANZZENTREN UND ZIELE VON MANAGERN

der Inselstaat zu einem Regionalsitz für ausländische (auch deutsche) Unternehmen in Südostasien. Seit dem Ende der 70-er Jahre betrieb die Regierung des Stadtstaates eine gezielte Hochlohnpolitik. Singapur entwickelte sich von einem Billiglohnland der arbeitsintensiven Massenproduktion zu einem Exportland für hochwertige Produkte. Durch massive Investitionen in die Ausbildung der heimischen Bevölkerung wurden nach und nach einfache Industrietätigkeiten durch solche Tätigkeiten ersetzt, für die eine hohe Qualifikation notwendig ist (vgl. Westerholt 1995; Jordan 1997). Als Konsequenz veränderte sich die Bildungs- und Beschäftigungsstruktur. Der Anteil der AkademikerInnen stieg zwischen den Jahren 1990 und 2000 von 4,5% auf 11,7% an (vgl. Singapore Department of Statistics 2000: 1f.). Seit Anfang der 90-er Jahre entwickelte sich Singapur aufbauend auf einer seit der Kolonialzeit bestehenden Tradition als regionales Dienstleistungs-, Steuerungs- und Bankenzentrum zu einem führenden Finanzzentrum in Südostasien. Günstig für den Ausbau dieser Position war auch der Zeitzonenvorteil, der sich aus der geografische Lage Singapurs zwischen Tokyo, London und New York ergibt und einen 24-stündigen Börsenhandel erleichtert (vgl. Jordan 1997).

Die ethnische Arbeitsteilung setzt sich fort Die ethnische Arbeitsteilung der Kolonialzeit findet heute, wenn auch in dem völlig veränderten Setting einer stärker sozial nivellierten Gesellschaft, in der auch Beschäftigte asiatischer Abstammung (zum größten Teil aus China) viele gesellschaftliche Spitzenpositionen einnehmen, eine Fortsetzung. Die Nachfolgerinnen der damaligen asiatischen Hausangestellten, deren Arbeitskraft für die weißen Europäer so günstig war, dass sie sogar zum Luftfächern eingestellt wurden, sind heute die asiatischen Maids, die häufig in den Haushalten der Expatriates (aber auch in den Haushalten der wohlhabenderen Singapurer) als Haushaltshilfen eingesetzt werden. Die Einwanderungspolitik Singapurs ist differenziert. Während niedrig qualifizierte Menschen restriktiven Aufenthaltsbestimmungen unterliegen, werden hoch Qualifizierten recht freizügige Möglichkeiten der Immigration und der Erlangung der singapurischen Staatsbürgerschaft zugestanden. 14 Letztere wandern – als „foreign talents“ bzw. Expatriates – aus Westeuropa, Nordamerika oder Japan nach 14 Die Möglichkeit der Einwanderung nach Singapur ist differenziert nach Ausbildungsstand und Einkommen. Mit einem hohen Bildungsabschluss und einem Einkommen von mehr als 3500 S$ im Monat können die Einwanderer einen Long Term Social Visit Pass bekommen,nach einiger Zeit Singapore Permanent Residents werden und schließlich die singapurische Staatsangehörigkeit erwerben (vgl. Yeoh 2006: 30f.). Der ehemalige Staatsminister von Singapur Lee Kuan Yew machte 1999 die Anstrengungen Singapurs, hoch qualifizierte zu einer Einwanderung zu bewegen, deutlich: „Getting foreign talent is the one critical factor that can make or break Singapore’s future“ (vgl. Albert 2002: 6). 65

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

Singapur ein. Infolge von Programmen zur Einreiseerleichterungen und Anwerbungen stieg ihre Zahl von 55.000 im Jahr 1997 auf 110.000 im Jahr 2000 stark an (vgl. Yeoh/Huang 2004: 317). Diese Gruppe hoch qualifizierter MigrantInnen wird gegenüber der deutlich größeren Zahl von niedrig qualifizierten MigrantInnen bevorzugt behandelt und kann beispielsweise Familienmitglieder mit nach Singapur bringen. Der größte Teil der ausländischen ArbeiterInnen in Singapur sind im unteren Arbeitsmarktsegment beschäftigt, sie kommen aus Indonesien und Indien oder als Tagespendler aus dem angrenzenden Malaysia. Als Haushaltshilfen wandern für eine begrenzte Zeit zumeist Frauen aus den Philippinen, Indonesien und Sri Lanka ein (Jordan 1997: 100ff.). Die ethnisch basierte soziale Klassifizierung der Kolonialzeit ist in Singapur von großer Dauerhaftigkeit und auch nach dem Ende der Kolonialzeit immer noch vorherrschend. Die Weißen gehen fast ausschließlich gut bezahlten Beschäftigungen als Professionals nach, während der aus Malaysia stammende Teil der Bevölkerung am stärksten benachteiligt ist: „De facto employment discrimination against Malays exist“ (Lee 2001: 58). Von ihnen waren 1998 30% in der unteren Einkommensschicht (500-999S$ pro Monat) vertreten, während im Vergleich dazu nur 19% der aus China und 25% der aus Indien Stammenden über ein vergleichbar geringes Einkommen verfügten. Demgegenüber sind unter der Bevölkerung mit einem monatlichen Einkommen von mehr als 3000$ 23% chinesischer und 20% indischer, aber nur 6% malaysischer Abstammung (vgl. ebd.). Schon bei der Einreise in den Inselstaat wird die Bedeutung der ethnischen Zugehörigkeit verdeutlicht: Im Antrag für ein Visum muss die „Race“ angegeben werden.

Abbildung 2: Auszug aus dem Visumsantrag (aus: Ministry of Foreign Affairs 2007)

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LONDON UND SINGAPUR ALS FINANZZENTREN UND ZIELE VON MANAGERN

Anhand von Tests haben sozialpsychologische Untersuchungen gezeigt, dass allein die Frage nach der ethnischen Zugehörigkeit dazu führt, dass Stereotype aktiviert werden, die auf das eigene Verhalten, wie auf das Abschneiden bei Leistungstests, rückwirken. 15 Mit dem Ausfüllen dieser Kategorie durch die deutschen und weißen Finanzmanager erfolgt somit schon bei der Einreise nicht nur eine Bestätigung der Identität als Weiße, sondern auch eine Aktivierung der damit in Zusammenhang gebrachten stereotypen Eigenschaften. Für die nationalstaatliche Entwicklung Singapurs wird die Bildung einer gemeinsamen singapurischen Identität der ethnisch gemischten Bevölkerung als bedeutsam herausgestellt. Diese gilt dabei als einzige Möglichkeit, sich einer außenpolitischen Bedrohungen zu erwehren (vgl. Brown 1998; Perry/Kong/Yeoh 1997: 8). Ziel der Politik Singapurs war es darum von jeher, „One People, One Nation, One Singapore“ 16 zu schaffen. Anders als in London ist somit die Erzählung der Geschichte von Singapur nicht von sozialen Konflikten geprägt, denn die Konstruktion einer singapurischen Nation ist gerade darauf ausgerichtet, solche Spannungen zu negieren und zu unterdrücken. Gerade der Wert der sozialen Harmonie, der sich auch heute noch in einer relativ egalitären Stadtstruktur ausdrückt, gilt dabei als identitätsbildend für die singapurische Nation (vgl. Beng-Huat 1998: 988f.).

Fazit: Die Geschichte und das Einpassen der deutschen Finanzmanager Die unterschiedlichen historischen Entwicklungen, die London und Singapur prägen, haben nicht nur Einfluss auf die Strukturen der beiden Städte, sondern erzeugen auch ein bestimmtes Image von beiden Städten. London erscheint so als sozial gespaltenes, umkämpftes Zentrum und Singapur als ein sozial befriedeter Außenposten. Die Finanzmanager passen sich, wie sich in den empirischen Kapiteln dieser Arbeit zeigen wird, mit ihren Handlungen und Emotionen in beides ein, in die erlebte Struktur und in die von ihnen dem Ort entgegengebrachte Images. London hat sich in seiner Geschichte als „Imperial City“ zu einem traditionellen und daher immer wieder angegriffenen und bedrohten Zentrum entwickelt, während Singapur als ehemalige „Colonial City“ als Außenposten des britischen Empire und

15 Claude Steele and Joshua Aronson (1995) weisen nach, dass die Frage nach der ethnischen Zugehörigkeit bei akademischen Tests dazu führt, dass schwarze USCollege-Studierende schlechtere Ergebnisse erzielen als wenn diese Frage nicht gestellt wird. Die Frage aktiviert negative Stereotype und führt zu einer die Stereotype bestätigenden Darbietung schlechterer akademischer Leistungen. Verschiedene Test demonstrierten, dass eine solche einfache Aktivierung von Stereotypen zu einer Selbstbestätigung dieser Stereotype führt (vgl. Shih/Ambady/ Richeson, et al. 2002). 16 Zitat von Lee Kuan Yew (vgl. Westerholt 1995: 370). 67

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

der „Imperial City“, nach den Bedürfnissen der kolonialen Macht ausgebildet und in seiner Stadtstruktur organisiert wurde. Sowohl London als auch Singapur sind segregierte Städte mit starken sozialen Gegensätzen; diese sind jedoch in London stärker mit einer Geschichte sozialer Auseinandersetzungen verbunden. Soziale Kämpfe und Differenzen scheinen in Singapur nur eine geringe Bedeutung zu haben. Hier treten diese inneren Gegensätze hinter einer Erzählung zurück, in der die nationalstaatliche Bildung des kleinen Inselstaates mit der Herstellung einer Einheit nach Innen und dem Schutz vor einer außenpolitischen Bedrohung der Nation möglich wurde und damit beständig gesichert werden muss. Die sozialen Gegensätze in Singapur stellen sich somit für die wohlhabenden Weißen als in geringerem Maße bedrohlich dar. Die ehemaligen kolonialen Herrscher sind in Singapur angesehen; sie gelten als diejenigen, die das Unzivilisierte zurückgedrängt haben und durch ihre rationale Ordnung der Stadt die Basis für deren späteren wirtschaftlichen Aufschwung gelegt haben. Der weiße Kolonisator in Singapur erscheint somit mehr als anerkannter Gentlemen und nicht so sehr als brutaler Eroberer, eine Rolle die eher die Japaner in ihrer Besetzung des Stadtstaates im 2. Weltkrieg eingenommen haben. Die wenigen Weißen in Singapur hatten hier im Wesentlichen eine Rolle als anerkannte und geachtete Wohltäter und Organisatoren, während sie in London als Arbeiter, Obdachloser oder Fabrikbesitzer völlig unterschiedliche Rollen einnahmen. Die Wohlhabenden befinden sich in der umkämpften Stadt London in einer ihren Wohlstand bedrohenden Situation vor der sie sich beständig schützen müssen. In London haben die Deutschen in der Geschichte die Rolle als Angreifer und Zerstörer im 2. Weltkrieg übernommen, eine Rolle die sie in Singapur jedoch nie hatten. London und Singapur konfrontieren die deutschen Finanzmanager mit jeweils spezifischen Geschichten, die sich in den Erzählungen, den Images und den Strukturen niederschreiben. Daher ist diese Geschichte für die Finanzmanager in ihrem Alltag spürbar und erfordert ihr Einpassen.

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Arbeiten im Zentrum – Arbeiten im Außenposten

Alle meine Interviewpartner sind auf Grund ihrer Lohnarbeit nach London oder Singapur gegangen. Wenn auch ihre genauen Motivationen unterschiedlich waren, so ebnete sich der Weg von Deutschland nach London oder nach Singapur in einer Mischung aus dem Angebot ihres Arbeitgebers, ins Ausland zu gehen, und aus ihren eigenen Bemühungen, sich selbst diesem Schritt näher zu bringen. Arbeiten ist für sie somit nicht nur eine der Haupttätigkeiten während der Wochentageszeit, sondern ist vielmehr die Hauptmotivation ihres Aufenthaltes in London bzw. in Singapur. Der Antrieb der deutschen Finanzmanager, für die Arbeit in eine andere Stadt zu gehen, lässt die beträchtliche Bedeutung des spezifischen Arbeitsortes für ihre Tätigkeit erahnen. Auch wenn ihr Arbeitsalltag zu einem Teil geprägt ist durch Aktivitäten, die sich nicht ausschließlich an dem konkreten Arbeitsort verorten lassen, sondern im Reisen, Telefonieren oder in anderen Formen ortsübergreifender Interaktion vollzogen werden, so ist der konkrete Arbeitsort in der City of London oder im Central Business District (CBD) in Singapur mehr als nur der Grund der Umsiedlung: Der Arbeitsort ist der Hauptaufenthalts- und Hauptbezugspunkt im Alltag der deutschen Finanzmanager. In diesem Kapitel wird die Tätigkeit des Arbeitens in Interaktion mit dem Arbeitsort untersucht. Dabei wird deutlich, dass sich der Prozess des Arbeitens nicht einfach abtrennen lässt von anderen Tätigkeiten, die auf den ersten Blick nichts mit der eigentlichen Lohnarbeit zu tun haben: Dem Essen, Trinken und dem Eingehen von sozialen Kontakten in den Arbeitspausen. Das Arbeiten wird hier umfassender verstanden, als eine Tätigkeit, die nicht nur im Büro stattfindet, sondern sich durch Kommunikations- und Netzwerkarbeit bis auf die Straße, in die Bars und Restaurants erstreckt. Diese Ausweitung der Arbeitssphäre hinein in das Private ist Ergebnis einer Vergesellschaftung, in der eine flexible Lebensweise – einerseits der Ausweitung der Arbeitssphäre in das Private und andererseits der Rückstellung des Pri-

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DAS EINPASSEN IN DEN ORT

vaten hinter den Anforderungen der Arbeitssphäre – mit einer Angst vor dem eigenen sozialen Abstieg einhergeht (vgl. Sennett 1998; Boltanski/Chiapello 2003). Die Arbeitsorte in den Finanzvierteln von London und Singapur könnten bei einer Betrachtung der Finanz-, der Informations- und Migrationsströme leicht als bloße, gestaltlose Knotenpunkte eines internationalen Netzwerkes erscheinen, deren Struktur keine besondere Wirkung auf das Handeln der dort Arbeitenden hat. Für die deutschen Finanzmanager, die in diesen Stadtvierteln arbeiten, stellt sich die alltägliche Situation jedoch komplizierter dar. Auch wenn sie über den Ort hinaus kommunizieren und so auch in London vernehmen, was in Singapur oder Frankfurt passiert, müssen sie vor Ort in der City of London bzw. im Central Business District in Singapur handeln. Dabei kommen sie in Kontakt mit einem Ort, der durch seine Struktur darauf ausgerichtet ist, ökonomisch produktive Körper zu erzeugen und sie damit zu arbeitenden Dienstleistungsbeschäftigten werden lässt (vgl. Blumen 2001). Wie sich in diesem Kapitel zeigen wird, hat auch ein Finanzviertel, fern der Rolle als Global City bzw. als urbaner Knotenpunkt von Strömen, seine spezifische Materialität, eine Atmosphäre und eine besondere soziale bzw. politische Struktur, die im Handeln vor Ort Relevanz bekommt und die die Finanzmanager zum Einpassen auffordert. Das Einpassen der deutschen Finanzmanager erfolgt, nicht nur im direkten Kontakt mit dem Ort, sondern es ist auch eine Übersetzung der mitgebrachten Images vom Ort und seinen Bewohnern in spezifische Handlungen und das emotionale Erleben des Ortes. In diesem Kapitel wird deutlich, dass die Büro- und Finanzviertel ein differenziertes Einpassen erfordern, sie also für die Finanzmanager nicht nur unterschiedliche Vorstellungen des Ortes – der City of London und des Central Business Districts in Singapur – hervorrufen, sondern auch spezifische Handlungen und Emotionen bewirken. Dabei werden ihre Identitäten, als Weiße, als Männer, Deutsche und globale Elite von ihnen alltäglich in Interaktion mit dem Ort herausgebildet 1 und sind Teil ihres Einpassens, sie werden daher in diesem Kapitel in ihrer in Abhängigkeit vom Ort ihrer alltäglichen Performance und Bildung, in der City of London und im Central Business District, betrachtet.

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Zur Bildung von geschlechtlicher Identität von Finanzbeschäftigten in der City of London, vgl. McDowell 1997.

ARBEITEN IM ZENTRUM – ARBEITEN IM AUSSENPOSTEN

Arbeiten in der City of London – Einpassen in das fordernde globale Zentrum einer geteilten Stadt In London konzentriert sich der Finanzbereich in so genannten lokalen Clustern: Im Westend, den Docklands und in besonderem Maße in dem zentralen Stadtteil „City of London“ (vgl. Cook/Pandit et al. 2003), dem historischen Zentrum Londons. In diesem zentral gelegenen Stadtteil, der umgangssprachlich auch einfach nur als die City oder die Square Mile benannt wird, befinden sich die Niederlassungen von 19 deutschen Banken (Information der Deutschen Botschaft in London, Juni 2003) und von einigen Versicherungen. In diesem Bereich arbeitet der größte Teil der Deutschen, die in London im Finanzbereich beschäftigt sind. 2 Die große Bedeutung, die diesem Stadtteil und damit dem sich hier konzentrierenden Finanzsektor zugewiesen wird, verdeutlicht sich allein schon in der Benennung des Stadtteils als The City. Dieser Name ist (in der Gegenwart) zu einem Synonym für das internationale Finanzwesen geworden und der Stadtteil präsentiert sich damit selbst nicht nur als das eigentliche Zentrum Londons sondern auch der internationalen Finanzwelt. Nicht nur für den Feldforscher geht dem Zutritt in die City of London zumeist eine längere und mühselige Fahrt mit der U-Bahn oder dem Bus vom Wohnort voraus. Die City nähert sich dabei auf unterschiedliche Weise: Fährt man mit dem Bus in die City, so ändert sich recht plötzlich die Szenerie, die sich beim Blick aus dem Fenster bietet. Bei einer Fahrt von meiner Unterkunft in Nord-London kommend ähnelt die Ankunft in der City dem Überschreiten einer Grenze, nach der sich der Stil der Gebäude und das Aussehen der Menschen verändern. Bei der Fahrt mit der U-Bahn wird die schwindende Distanz zur City zunehmend sichtbar, da sich nach und nach die Zusammensetzung der Mitfahrenden verändert und immer mehr Anzug- und Kostümtragende die anderen Fahrgäste ergänzen. Die Distanz verringert sich somit auch innerhalb der Zugabteile, von Station zu Station kommen immer mehr Fahrgäste hinzu und stehen schließlich dicht gedrängt nebeneinander. An der Zielstation in der City angekommen, tauche ich nach dem Verlassen der U-Bahn und dem Hochfahren mit der Rolltreppe aus dem Untergrund wieder auf und dabei gleichzeitig in eine zum Einstiegsort völlig verändert Szenerie ein.

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Da es keine Meldepflicht gibt, lässt sich (laut Auskunft der Deutschen Botschaft in London) die Anzahl der in London lebenden Deutschen nicht genau feststellen. Schätzungen über die Gesamtzahl der deutschen Einwohner in London variieren je nach Quelle zwischen 32.000 (vgl. London First Center 1998) und 80.000 Menschen, von denen rund ein Viertel im Londoner Finanzbereich arbeiten sollen (vgl. SZ 3./4.5.2003: V1/19). Insgesamt arbeiteten in Großbritannien im Jahr 2006 ca. 230.000 Deutsche (vgl. SZ 21./22.10.2006). 71

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

Abbildung 3: Bank Junction im Zentrum der City of London Plötzlich stehe ich – in einer mir ungewohnten Bekleidung in Hemd und Anzug –, überrascht von der nasskalten Märzluft, fröstelnd und etwas bange vor dem ersten Interview an einem Ausgang der U-Bahn-Station „Bank“. Mein Blick auf die massiven Mauern der festungsgleichen Bank of England, das traditionelle Mansion House aus dem 18. Jahrhundert (Sitz des Bürgermeisters von London) und das imposante durch Säulen in Szene gesetzte Royal Exchange Gebäude tragen nicht gerade dazu bei, dass sich meine Unsicherheit vor dem unbekannten Forschungsfeld verkleinert. Mitten im symbolischen Herz des britischen Empires (vgl. Jacobs 1996: 38) zu stehen, ist für mich nicht gerade entspannend. „The intersection has the look and the feel of a hub, and its grand buildings stand as monuments to the City’s historic centrality to financial and commercial practices in Britain“ (Jacobs 1996: 38). „The symbolic site which framed the idea of the City as the heart of the empire was Bank Junction, the public space where seven of the City’s key commercial streets converge, surrounded by the monumental architecture of the Bank of England, the Royal Exchange and the Mansion House. […] This site […] began to acquire the character of an imperial Roman forum in the 1840s […]“ (Black 1999: 96). Der Weg zu meinen Interviewpartnern ist gesäumt von hohen und massigen Gebäuden im modernen und klassischen Stil, an deren Eingängen die Schilder von internationalen und britischen Finanzunternehmen prangen. Auf der Straße sind viele Menschen in dunklen Anzügen und Kostümen zügig und zielstrebig unterwegs. Ich ordne mich in den Strom ein und finde nach einiger Zeit die richtige Abzweigung in das Bürogebäude meines Interviewpartners. Der Eintritt in das größtenteils von der 72

ARBEITEN IM ZENTRUM – ARBEITEN IM AUSSENPOSTEN

Straße uneinsehbare, massive Gebäude ist gleich einer Grenzüberquerung. Von dem Empfangsraum ausgehend fahren einige Fahrstühle hoch in die Büroräume. Der Weg zum Fahrstuhl jedoch ist durch Schranken, Drehkreuze oder uniformiertes Wachpersonal versperrt. Nur wenn man als Angestellter einen „Entrance Pass“ hat, oder wie ich als Besucher – nach der Aufnahme meiner Identifikationsdaten am Empfangstresen und der telefonischen Rückbestätigung meines Termins – einen temporären „Visitor Pass“ bekommt, kann mit einem solchen Pass das Drehkreuz und das Wachpersonal passieren und darf nun in die tiefer liegenden Bereiche des Gebäudes eintreten.

Abbildung 4: „Visitor Pass“ als temporäre Zutrittsberechtigung zu Finanzgebäuden Der Fahrstuhl hebt mich viele Meter hoch in das Stockwerk, in dem sich das Büro meines Interviewpartners befindet. Von hier aus blickt man durch große Scheiben auf die gegenüberliegenden Gebäude in der City, in denen andere Finanzbeschäftigte arbeiten. Der Blick in die City ist für mich hier auf zwei Weisen erforschbar, als mein eigener Entdeckerblick, z.B. aus dem Fenster eines Bankgebäudes in mein Forschungsfeld und als Blick der Finanzmanager auf die City, beispielsweise bei der täglichen Anfahrt zur Arbeit, von der sie mir berichten. Meine Erkundung des Blicks der Finanzmanager erlaubt mir, ihre Erwartungen und Charakterisierungen der City of London zu entdecken und so besser ihre alltäglichen Handlungen in der City zu verstehen.

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In die City eintreten – In die City blicken Der Blick auf die City of London: Das traditionelle und natürliche globale Zentrum des Empire „Wenn man über die London Bridge […] auf die City zugeht, […] man guckt nach rechts, sieht die Tower Bridge da, guckt nach vorne, sieht so die City vor sich gebaut und geht dann praktisch rein, das ist ein unheimlich motivierendes Gefühl. Das ist doch ziemlich beeindruckend, finde ich, die geballte City, die Square Mile sieht man so direkt kompakt vor sich. .. Und sieht dann noch so ein historisches Gebäude wie die Tower Bridge auf der einen Seite und St. Pauls links und dann geht man ins Zentrum der Wirtschaft“ (L18: 383-391). 3

Abbildung 5: Finanzmanager, die zum Arbeitstag über die London Bridge in die City gehen

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In den Interviewzitaten sind längere Schweigepausen mit Punkten gekennzeichnet. Besonders stark betonte Sequenzen sind unterstrichen. Hinter jedem Zitat ist zum einen die Person, z.B. L8 angegeben und zum anderen die Zeilenzahl der Sequenz im Gesamtinterview. Dabei kennzeichnet die Kürzung L, das der Interviewpartner in London (bzw. beim Kürzung S in Singapur) arbeitet. Für eine Verbesserung der Lesefreundlichkeit habe ich die von mir zur Unterstützung des Redeflusses eingesetzten Ermunterungen wie „ja“ oder „hmm“ weggelassen. In eckige Klammern gesetzte Punkte zeigen eine Auslassung von, für den entsprechenden Zusammenhang, uninteressanten Interviewpassagen an. So erklärt sich, dass teilweise die Zeilenangabe angibt, dass sich das Zitat über mehr Zeilen erstreckt, als es in dem Interviewzitat erkennbar ist. Die in eckigen Klammern eingesetzten Worte wurden von mir in das Zitat eingefügt um eine bessere Lesbarkeit zu gewährleisten.

ARBEITEN IM ZENTRUM – ARBEITEN IM AUSSENPOSTEN

In dieser Beschreibung seiner täglichen Ankunft in der City of London wird der Blick des Finanzmanagers auf die Skyline der City erkennbar. Er betrachtet die City als kompaktes und geballtes „Zentrum der Wirtschaft“ (L18: 391). Sein Blick richtet sich aber auch auf die „historischen Gebäude wie die Tower Bridge“ (vgl. L18: 391) und die St. Pauls-Kathedrale, Gebäude also, die keine direkte Funktion für das Finanzwesen haben. Es überrascht, dass solche historischen Bauten trotzdem häufiges Motiv in den Berichten der deutschen Finanzmanager über ihre Ankunft und ihren Alltag in der City sind. „Tower Bridge und Tower, das sind sehr beeindruckende Gebäude. Nicht dass ich da unbedingt gerne hingehe, aber es ist halt, wenn man denn da ist, beeindruckend“ (L18: 649). Die City kann von den Finanzmanagern nicht gesehen werden, ohne dass ihr Blick durch historische Gebäude „beeindruckt“ (vgl. L18: 649) wird. Diese Gebäude sind für sie jedoch nicht nur Zeugnisse einer gegenwärtigen Zentralität und Bedeutung der City als „das Zentrum der Wirtschaft“ (L18: 391). Wäre dies der Fall, dann ließe sich die City von Ihnen auch durch einen Blick auf die wenigen Hochhäuser Londons, auf das futuristische, von Renzo Piano entworfene gläserne Swiss ReGebäude, auf das nachts farbig beleuchtete Lloyds of London, auf den Tower 42 oder auf den Nat West Tower betrachten; Gebäude, die in den Erzählungen der deutschen Finanzmanager jedoch keine Erwähnung finden. Die Wahrnehmung der Skyline, der Blick auf die St. Pauls-Kathedrale, aber nicht auf das Swiss Re-Gebäude, deutet vielmehr darauf hin, dass die City von den Finanzmanagern besonders in ihrer Tradition als Zentrum des britischen Empires betrachtet wird. Ihr Blick konzentriert sich so auf Gebäude, die als materialisierte Zeugnisse, als Beweise einer historisch fundierten Bedeutsamkeit der City of London als ehemaliges Zentrum des britischen Empire identifiziert werden können. Sie blicken auf die Tower Bridge, eine Zugbrücke von 1894, deren komplizierte mechanische Hebe-Konstruktion Zeugnis der hohen technischen Entwicklung des britischen Empires ablegte und deren prunkvolle viktorianische Architektur von der erfolgreichen Ausbeutung der Kronkolonien zeugt. 4 Gleichzeitig weist diese Brücke auf die City als wichtigen Knoten4

Mit ihrer Betrachtung von Big Ben und den Houses of Parliament sind auch zwei Gebäude im Fokus der Finanzmanager, die nicht nur in ihrer Architektur prunkvolle Zeugnisse der britischen Imperialmacht darstellen. Auch wenn diese Gebäude nicht zum Stadtteil City sondern zum angrenzenden Stadtteil Westminster gehören, prägen sie sich in den Blick der Finanzmanager auf die Skyline ein. Ihr Blick auf die City ist so deutlich ausgerichtet auf das Erspähen der Zeugnisse historisch fundierter Zentralität, auch an die City angrenzende Gebäude dienen so als Beteuerung der besonderen Zentralität der City. Sie betrachten einen ehemaligen Königspalast und heutigen Sitz des Parlaments und eine Uhr, die von London aus nahe dem Nullmeridian die Zeit vorgibt, und deren charakteristischer Glockenklang über BBC um den Globus transportiert wurde. Wie beide als Zeichen der britischen Kolonialmacht in die ehemaligen Kolonien 75

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punkt hin, sie bietet nicht nur Durchfahrt für größere Handels- und Kriegsschiffe, sondern auch Überfahrt für den Landverkehr in die City.

Abbildung 6: Blick auf die St. Pauls-Kathedrale vom südlichen Ufer der Themse aus Mit dem Blick auf den Dom von St. Pauls sehen sie ein Gebäude, dass den deutschen Bombenangriffen im 2. Weltkrieg trotzen konnte und so zu einem Symbol des britischen Überlebens und der unbeugsamen Stärke und unverwüstlichen Dauerhaftigkeit der City wurde (vgl. Daniels 1993). Auch die Kathedrale stellt einen engen Bezug zum britischen Empire her: Hier ist die Grabstätte von Admiral Lord Nelson und der Hochzeitsort von Prinz Charles und Lady Diana. St. Pauls gilt als das „heart of the empire“ (Daniels 1993: 15). Der Blick der deutschen Bankmanager auf die City wird ihnen durch eine besondere Planung und Gestaltung der Skyline der City durch die Corporation of London nahe gelegt. Das Ziel dieser Planung ist es, nicht nur historische Gebäude zu erhalten, sondern auch eine bestimmte Skyline der City zu schützen. Dieses Ziel wurde durch das Erlassen von rigiden Vorschriften, die die Höhe und möglichen Stilausprägung neuer Gebäude begrenzten, erreicht. „The architecture, skyline and distinctive townscape“ wurde damit „preserved and enhanced“ (vgl. Corporation of London 1986; aus Jacobs 1996: 47). Durch diese Planung wurde sichergestellt, dasst von verschiedenen zentralen Punkten aus St. Pauls weiter im Blickfeld liegt. Die exportiert werden zeigt Arundhati Roy in ihrem Roman „Der Gott der kleinen Dinge“: Das Geschenk, das Sophie Mal ihrer indischen Cousine mitbringt, ist ein Souvenirstift, auf dem Buckingham Palace und Big Ben abgebildet sind (vgl. Roy 1997). Diese Gebäude aus dem 19. Jahrhundert sind Dokumente einer Zeitepoche, in der das britische Empire seine maximale Macht und Ausdehnung hatte (vgl. Ackroyd 2002). 76

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Kontrolle der Gebäudehöhe ermöglicht es, dass St. Pauls sich auch nach dem Bau einiger höherer Hochhäuser weiter in den Blick auf die Skyline der City of London drängt (vgl. Jacobs 1996: 49f). Die besondere Ausrichtung des Blickes der Bankmanager schult sich in ihren alltäglichen Konfrontationen mit der Selbstpräsentation der City. In ihrem Alltag begegnen sie beständig Zeichen, die die Traditionalität der City anzeigen. In den Eingangsbereichen zu ihren Bürohäusern kokettieren Messsingtafeln mit der herausragenden und daher erwähnenswerten Geschichte des Ortes, an dem sich nun das Bürogebäude, ihr Arbeitsplatz, befindet. Der Arbeitsort der deutschen Finanzmanager wird so sichtbar in eine Tradition des Ortes gestellt und gewinnt damit zusätzliche Relevanz. So findet sich im Eingangsbereich eines Bürohauses eine Steinplatte, deren Gravur auf die Einweihung des Gebäudes durch die Queen hinweist. Die so sichtbar gemachte (Ein-)Weihung des Bankgebäudes durch die Queen lässt den Ort direkt in Beziehung zu dem britischen Empire erscheinen. Auch wenn dieses längst untergegangen ist und die Queen in ihrer politischen Funktion nur ein Relikt einer früheren Zeit ist, so versinnbildlicht sie weiterhin die ehemalige Macht des britischen Empire. Die Schrift in der Steinplatte verleiht dem Bankgebäude so einen Hauch von exklusiver Bedeutung. Beim Betreten eines anderen Finanzgebäudes wird ein Blick auf eine Tafel direkt neben der Eingangstür nahe gelegt. Diese weist darauf hin, dass an dieser Stelle eine römische Villa stand. Noch etwas aufdringlicher trifft man beim Betreten eines Bürogebäudes zwangsläufig frontal auf eine Mosaikplatte, um die sich herum einige Treppenstufen winden, die man nach dem Betreten des Gebäudes überwinden muss, um zur Eingangshalle vorstoßen zu können. Eine Tafel weist die Mosaikplatte als den übrig gebliebenen Teil einer römischen Villa aus. Die City of London wird somit nicht nur als das Zentrum des britischen Empire markiert, seine Geschichte wird sichtbar bis auf das römische Reich zurückgeführt. Auch wenn das damalige Londinium nicht die Rolle des Zentrums des römischen Reichs hatte 5 , so werden die Wurzeln des Ortes sichtbar in die Tradition des römischen Imperiums gestellt. Die Markierung einer ehemaligen Villa erweckt unmittelbar den Eindruck, dass London auch im römischen Empire, also einem weiteren länder- und kontinentüber-greifenden Herrschaftsgebiet, sehr bedeutsam war. Die City of London erscheint so fast zwangsläufig als naturgegebener globaler Mittelpunkt, als unumstrittenes urbanes Zentrum, von dem aus die Geschicke der Welt gesteuert wurden und werden. Daher verwundert es auch nicht, dass dieser geografisch kleine Teil Londons die universale Bezeichnung The City trägt. Der in den Bankgebäuden sichtbar hergestellte Bezug bis in die Antike stellt die City als fortwährendes, bedeutsames, urbanes Zentrum dar, dessen Einflusssphäre sich auf vergangenen Weltreichen gründet. Die Skyline 5

Londinium wurde 43 n.Chr. von den Römern als Hafen und militärische Basis gegründet. Es war ein Geschäfts- und Handelszentrum, das nach dem Untergang des römischen Imperiums zwischenzeitlich an Bedeutung verlor (vgl. Ackroyd 2002). 77

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der City wird daher von den Finanzmanagern im Zusammenhang mit ausgewählten Gebäuden gesehen, die diese Tradition verkörpern und widerspiegeln und die sich in den Blick auf die City eindrängen. Aus dieser Perspektive betrachten sie die Bedeutsamkeit der City gerade in Differenzierung zu anderen Städten, deren Zentralität von ihnen nicht in eine besondere historische Tradition gestellt wird. Die City of London wird so als Ort inthronisiert, dessen Bedeutung dabei nicht einfach aus der Geschichte erwachsen ist, sondern dessen heutige Wichtigkeit sich in Anbetracht der Tradition noch weiter erhöht. In Vergleichen und hierarchischen Eingruppierungen urbaner Zentren verstärken die Finanzmanager somit ihre Wahrnehmung von der City als traditionelles und daher besonders bedeutendes globales Zentrum. „Frankfurt ist nicht der Nabel der Welt, das ist eher London“ (L8: 30). „Ja, wenn der gleiche Job mir in Frankfurt oder in London angeboten würde, würde ich mich für London entscheiden, weil es einfach beruflich die interessantere Stadt ist, hier ist das Finanzzentrum“ (L17: 282). „Ich dachte immer Berlin ist so, ja, ... Nabel der Welt oder wie man das so sagt. Ähm. Meine London-Erfahrung sagt mir oder mein Eindruck London sagt mir, dass Berlin eher Provinz ist, äh, ... das Berlin eher Provinz ist und London, hier tobt das Leben. Das heißt, hier ist wirklich, das ist eine Weltstadt. … Und das fasziniert mich schon“ (L19: 224-228). Aus der Sicht der deutschen Finanzmanager ist die City „das Finanzzentrum“ (L17: 282), „das Zentrum der Wirtschaft“ (L18: 391), „der Nabel der Welt“ (L8: 30), hier wurden und werden wichtige Entscheidungen getroffen, die internationale Auswirkungen haben. Die City wird für sie so zu dem globalen Zentrum. Sie betrachten die City in einer herausgehobenen, fast schon natürlichen Zentralität, die sich auf ihre Geschichte als Zentrum des britischen Empires gründet. Mit diesem Blick auf die City, der Betrachtung der City als natürliches, als das Zentrum, stellt sich die City für die Finanzmanager aber auch als ein bedrohter Ort dar. Die City wird von ihnen als bedroht wahrgenommen, da sie aufgrund ihrer Position als beherrschendes Zentrum ein beständiges Ziel von Angriffen ist und ihre Dominanz unter zu erbringenden Opfern ständig verteidigen muss. Zeichen dieser Angriffe und ihrer erfolgreichen Verteidigung sind in der City allgegenwärtig sichtbar und schreiben sich in den Blick der deutschen Finanzmanager auf die City ein. Sie zeigen sich durch die St. Pauls Kathedrale – die von der Unzerstörbarkeit des Zentrums durch die deutschen Bombenangriffe zeugt, durch das Monument – das Symbol des Überlebens der City nach dem verheerenden Brand von 1666, durch das in der Themse direkt vor der City liegende Kriegsschiff HMS Belfast aus dem zweiten Weltkrieg, die Festung des Towers, durch die nach einer Festungsbrücke gestaltete Tower Bridge, durch die römischen Stadtmauern und schließlich durch die massiven Festungsmauern der Bank of England. Alle diese Bauten drücken beides aus: Zum einen, dass das Zentrum beständiges Angriffsziel ist und seine Position unter Opfern stets verteidigen 78

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muss, und zum anderen stehen sie auch als sichtbare Zeugnisse für die Unbesiegbarkeit des natürlichen Zentrums die City, das trotz all der Angriffe fortbesteht.

Abbildung 7: In der Themse liegendes Kriegsschiff HMS Belfast, das aus dem 2. Weltkrieg stammt Indem diese Gebäude, die als Synonym der besonderen Zentralität der City stehen, von den deutschen Finanzmanagern immer wieder in den Blick genommen werden bzw. sich in ihren Blick auf die City eindrängen, spiegelt sich nicht nur die Vorstellung wieder, nun selbst im Zentrum zu sein, es drängt sich damit auch das Gefühl auf, als Teil der City – des Zentrums – nun selbst bedroht zu sein. „Sicher fühle ich mich nicht, nee. Sicher, also wenn man drüber nachdenkt, klar man versucht es natürlich immer auszuklammern, aber sicher im Sinne, ich mein hier direkt um die Ecke ist die Bank of England, dass ist mit Sicherheit ein prädestiniertes Anschlagsziel oder allgemein die City als solche, als einfach Repräsentanz dessen, was viele Globalisierungsgegner oder einfach Gegner von westlicher Lebenskultur als Hauptbrennpunkt sehen, ich mein da in der City zu arbeiten ist natürlich, ist natürlich prädestiniert dafür“ (L12: 360-362). Da sich die deutschen Finanzmanager selbst als Teil des natürlichen Zentrums sehen, fühlen sie sich in der City auch durch mögliche Angriffe, wie terroristische Anschläge, auf das Zentrum bedroht. Indem die Finanzmanager in der City arbeiten, sehen sie sich als Teil des machtvollen Zentrums. Durch ihren Aufenthalt in der City sehen sie ihre persönliche Position im Wettbewerb aufgewertet, sie profitieren ganz persönlich von dem Zentrum. Das Gefühl persönlich Teil des Zentrums zu sein geht für sie jedoch einher damit die Angriffsgefahr, der das Zentrum ausgesetzt ist, persönlich zu fühlen. Das Versprechen der City ist für die Finanzmanager somit gleichzeitig auch eine Bedrohung. 79

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Vom Erfolg in die City zu passen – Der Ort des Versprechens Die Ankunft der Finanzmanager in der City, der Arbeitsbeginn, ist aufgrund ihrer Wahrnehmung der City als das traditionelle Zentrum gleichbedeutend damit, persönlich von diesem Ort zu profitieren. Sie sehen sich nun in direkter Nähe zu den mächtigen Finanzinstitutionen und sind so auch selbst zu einem Teil des Zentrums geworden. „Also ich find London einen faszinierenden Platz, sagen wir mal vom geschäftlichen her, was ich hier auf dem Tisch sehe, das sehe ich so in den Volumina im Kreditgeschäft ... kaum an einem anderen Platz der Welt. Die Hausnummern mit denen wir hier uns umgeben, […] die Konzentration auf einem Platz, dass heißt die ganzen Meetings die wir hier haben mit wirklich hochkarätigen Vertretern anderer Institute sind ein Steinwurf entfernt ja. .. Sie müssen nicht hier groß durch die Stadt fahren, sondern das ist da vorne und das ist da und das ist da. ... Diese Konzentration habe ich eigentlich so noch nie gefunden, das finde ich faszinierend“ (L10: 404-410). Es geschafft zu haben, nun selbst „am Nabel der Welt“ (L8: 30) arbeiten zu können, wird von den deutschen Finanzmanagern als eine persönliche, hohe Leistung und als eigener, bemerkenswerter Aufstieg gesehen. In der City zu sein wird so in ihren Erzählungen zum Synonym vom Erfolgreich sein. Die Ankunft in der City wird daher zu einem persönlichen Erfolgserlebnis, zu einem Initiationsritus, durch den die eigene Person Teil des globalen Zentrums wird. Das Image von internationaler Bedeutung und traditioneller Zentralität, das die Finanzmanager in die Skyline der City einschreiben, fällt mit dem Eintritt in die City auch auf die eigene Person zurück. „Dann bin ich mal von Süden nach Norden über die Waterloo Bridge gefahren, […] du siehst auf der rechten Seite die City of London, auf der linken Seite siehst du Big Ben und The Houses of Parliament, das ist so ein Moment wo ich mir gedacht habe: Das ist toll in dieser Stadt zu arbeiten, das ist so beeindruckend, dass ich das geschafft habe, dass ich in der Stadt arbeiten kann. … Das war die Schlüsselerfahrung für mich und dann hab ich gesagt, genau in diese Stadt pass ich“ (L14: 72-76). Da die City von den deutschen Finanzbeschäftigten als besonders bedeutsam wahrgenommen wird, denken sie die eigene Person auch nur im Zusammenhang mit der City, wenn sie Eigenschaften aufweist, aufgrund derer sie „genau in diese Stadt pass[en]“ (vgl. L14: 76). Es sind persönliche Eigenschaften wie Mut, Zielstrebigkeit, Fleiß, Leistungsbereitschaft, soziale Kompetenz zur Netzwerkbildung und Einpassungsfähigkeit, die sich die Finanzbeschäftigten selbst zuschreiben, und mit denen sie erklären, warum sie es „geschafft haben“ (vgl. L14: 74), in die City zu passen und somit hier arbeiten zu können. Mit der Selbstzuschreibung dieser Eigenschaften nehmen die deutschen Finanzmanager eine Unterscheidung zu den in Deutschland gebliebenen vor: Zu denen, die diese nötigen Eigenschaften nicht haben, die nicht in diese Stadt passen und sich daher auch nicht im Wettbewerb um eine Arbeitsstelle in der City durchsetzen 80

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konnten. Die deutschen Finanzmanager sehen sich so nicht nur als Teilnehmer, sondern auch als Sieger eines Konkurrenzkampfes um einen der begrenzten Arbeitsplätze und damit auch um den beschränkten Eintritt in der City. Denn, so sagt ein Bankmanager: „Nach London will jeder ja. […] Das wird schon im Vorfeld genau ausgesucht, passt das Profil, passt die Anforderung“ (L10: 50-54). Es geschafft zu haben, in der City arbeiten zu können, damit selbst zum Zentrum zu werden, wird von den deutschen Finanzmanagern als Auszeichnung der eigenen Person und als Konkurrenzvorteil im Kampf um den beruflichen Erfolg gesehen. Der Aufenthalt in der City wird so zwangsläufig mit dem Erwerb einer höheren Qualifikation gleichgesetzt. Damit überträgt sich auch das eigene Image von der City als bedeutsames, traditionelles und natürliches Zentrum auf die eigene Person und manifestiert sich nach dem Verlassen der City im Lebenslauf als Konkurrenzvorteil. Dies führen zwei Interviewpartner so aus: „Natürlich ist es ein Karriereschritt gewesen und zwei Jahre oder ein Jahr London Berufserfahrung das zahlt sich immer aus im Lebenslauf“ (L16: 86). „Ich wollte ganz klar was für meinen CV tun, weil im Regelfall geht man für zwei Jahre weg und steigt dann automatisch höher wieder ein, wenn man zurückkommt. Ganz klar. Also für den CV ist das super wichtig, das wird aber auch jeder zugeben. Da stehe ich auch zu“ (L6: 119). Diese Aussicht bzw. die Gleichsetzung des Arbeitsaufenthaltes in der City mit beruflichem Erfolg ist verbunden mit der Versprechung, daraus für die berufliche Zukunft weiter zu profitieren. Denn der Cityaufenthalt „zahlt sich immer aus im Lebenslauf“ (L16: 86). Diesem Versprechen wird die bisherige Lebensplanung untergeordnet. So berichtet ein junger Finanzbeschäftigter, dessen Lebenspartnerin weiterhin in Deutschland wohnt, über seine Entscheidung nach London zu gehen: „Ich orientiere mich nach Frankfurt oder nach München, das war so meine Überlegung. Das ich noch mal zurück nach London gehe, das hatte ich gar nicht vor. Aber wie gesagt, das war dann eine nette Überraschung eben, dass da der Anruf kam, und dann war es ein bisschen Überzeugung und, äh, natürlich schwierig zu sagen. ... Okay, eigentlich wollten wir zusammen ziehen, eine Wohnung, meine Verlobte und ich, und stattdessen geht es dann genau in getrennte Richtungen auseinander“ (L1: 109-112). Die vielfältigen Einpassungen des alltäglichen Handelns der deutschen Finanzmanager an die Anforderungen der City erfolgen vor dem Hintergrund der Erwartung, dass die eigenen Mühen mit den Versprechungen der City entlohnt werden. Mit dem Blick auf die Skyline der City erleben die deutschen Finanzmanager so auch die Versprechungen der City und so auch die eigene Bedeutung als Teil des Zentrums. Dieses Erleben wird von den Finanzmanagern als Belohnung empfunden, die ihnen sogar zusätzliche Mühe und einen Umweg wert ist.

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„Wenn ich vom Haus mit dem Motorrad komme, ich könnte hier so einmal quer durch abschneiden, ... mach ich nicht, ja. .. Ich fahr schön Big Ben und dann Bankside mit runter. ... Weil ich es einfach schön finde, da vorbei zu fahren. […] Da fahr ich jeden Tag vorbei, finde ich einfach schön, da Big Ben, auch wenn Du abends nach Hause fährst und es ist dunkel ... und der Mond und dann der Big Ben, der da oben mit seiner großen Uhr leuchtet, das ist einfach schön, ist einfach schön“ (L8: 634-636).

Abbildung 8: Big Ben mit leuchtendem Ziffernblatt in der Nacht

Grenzüberschreitungen – die Grenze der exklusiven City Die deutschen Finanzmanager sehen sich selbst als passenden Teil der exklusiven und zentralen City of London. Ihr Blick auf die City als Ort, den jeder betreten will, aber in den nicht jeder passt und daher nicht jeder Zutritt bekommt, wird in ihren alltäglichen Begegnungen mit der materiellen Struktur der City zu einer fühlbaren Erfahrung. Die tägliche Einfahrt in die City „in das Zentrum der Wirtschaft“ (L18: 391), an den „Nabel der Welt“ (L8: 30), wird zu einem sinnlichen Erlebnis der Überschreitung einer Grenze, die eine Beschränkung des Zutritts absichert und ausdrückt.

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Den Ring of Steel überqueren Bei jeder Autofahrt in die City ist so die Grenze des Ortes durch die erzwungene Verringerung der Fahrgeschwindigkeit in der Grenzregion des „Ring of Steel“ 6 spürbar. Die Straßen sind an diesen Grenzeingängen, den so genannten „entry points“ (vgl. City of London 2004: 43) in die City durch plastikummantelte Betonblöcke verengt, ihre rote und weiße Signalfarbe zeigt zusammen mit entsprechenden Straßenschildern die geforderte Verringerung des Fahrtempos an.

Abbildung 9: Eingeengte, geschwindigkeitsbegrenzte Einfahrt in die City of London mit Polizeikontrollstation und Überwachungskameras Die Reduzierung der Geschwindigkeit kommt so einem kurzen, andächtigen Innehalten gleich, bevor man schließlich in die City eintaucht. Am Straßenrand stehen kleinere Unterstände, die als Kontrollstation der britischen Polizei dienen, um einfahrende Fahrzeuge stichprobenartig kontrollieren zu können. Auch wenn diese Eingänge in die City nicht immer von Polizisten mit ihren knallgelben Signaluniformen 6

Diese Sicherheitszone wurde seit Anfang der 1990er Jahre als Reaktion auf Bombenangriffe der IRA in der City errichtet (1992 der Angriff auf das Baltic Exchange, 1993 Beschädigung der Hongkong Bank und des Nat West Towers). Für einen kritischen Überblick über die Entwicklung des „Ring of Steel“ vgl. Coaffee 2004. 83

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besetzt sind, nehmen hier sichtbar angebrachte Kameras eine ständige Überprüfung der einfahrenden Personen und Autos vor. Für alle Einfahrenden jeden Tag neu erlebbar realisierte die City Corporation ihr Ziel, um die City of London eine deutliche Grenze zu errichten. „The City’s Security Zone (colloquially known as the ‚Ring of Steel‘), is a highly visible and much publicised means of deterring terrorists and criminals from entering the City of London“ (City of London 2004: 43). Da die materielle Struktur des Grenzpostens diejenigen, die nicht in die City passen von einem Eintritt abschrecken soll, wird auch seine Durchquerung zu einem Eintrittserlebnis in einen umgrenzten Ort. Das Image, das die deutschen Bankmanager von der City als exklusiven Ort haben, findet somit sein Gegenstück in der Selbstpräsentation der City. Sie präsentiert sich als abgeschlossener und umgrenzter Bereich und stellt ihre Grenzregion als polizeiliche Speerzone dar, die den Zutritt Unbefugter verhindern soll.

Abbildung 10: Grenze um die City of London (aus: City of London Police Annual Report 2002-2003: 13) Der Eindruck eines exklusiven Zutritts in die City entsteht nicht nur bei der Grenzfahrt an den Kontrollposten entlang. Infolge der Einführung der „Congestion Charge“ ist für jeden Auto fahrenden das Überschreiten der Grenze auch finanziell spürbar. Dass hier mit der Kameraerfassung des Autokennzeichens eine tägliche Ein-

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trittsgebühr von acht Pfund automatisch vom Konto abgebucht wird, hier also die „Congestion Zone“ beginnt, ist deutlich sichtbar über Schilder und rote Fahrbahnmarkierungen ausgewiesen. Die Grenzüberschreitung in die City bekommt somit für alle Einfahrenden eine deutliche weitere Markierung und einen besonderen Exklusivcharakter. Diese Erzeugung einer exklusiven Zufahrt mit dem Auto ist dabei ein Ziel der Gebührenerhebung, denn durch die Beschränkung des Autoverkehrs in die City soll sich dort der Verkehrsfluss verbessern. Das Wissen von der „Congestion Charge“, von der Eintrittsgebühr in die Stadt, ist für viele der deutschen Finanzmanager ein Grund, nicht mit dem Auto die „Congestion Charge“ Grenze zu überqueren. Ihr Wissen von der Grenze der City hat für sie somit direkte handlungsverändernde Folgen. „Ich fahre manchmal mit dem Auto, aber selten, ... erst mal musst Du mit dem Auto ja eine Congestion Charge bezahlen, fünf Pfund 7 am Tag, ja, und das ist eher, das hält schon mal ab, dann mit dem Auto zu fahren“ (L8: 452).

Abbildung 11: Straßenschild mit einem ‚C’ als Hinweis auf die „Congestion Charge Zone“ 7

Die Gebühr von fünf Pfund wurde im Jahr 2005 auf acht Pfund erhöht. 85

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Die Themse als Grenze im Süden Im Süden ist die City begrenzt durch die dort entlang fließende Themse. Einige Brücken überqueren hier den Fluss und verbinden so die City mit Süd-London. Gerade die von den Finanzmanagern immer wieder genannte Tower Bridge markiert die Grenze um die City in besonderem Maße. Ihr Hebemechanismus ist ein Zitat der Zugbrücke des sich in der direkten Nähe befindlichen, mittelalterlichen, von Mauern umschlossenen Towers (vgl. Petroski 1995: 123). Mit dieser Analogie erinnert die Tower Bridge an die Selektivität des Zutritts in die City. Nur wenn die Brücke geschlossen bzw. das Tor geöffnet ist, bekommt man Eingang in die City.8

Abbildung 12: Tower Bridge und Themse Für die deutschen Finanzmanager ist der Akt des Überschreitens der Themse ein besonderer Moment des Eintretens in die City. Der Weg in die City ist dabei für sie ein spürbares und genussvolles Erlebnis der Grenzüberquerung. Sie schauen während der Busfahrt über die breite Themse auf das Wasser oder spüren bei einem Fußweg über die Brücke den kühlen Wind, riechen und hören das Rauschen des Wassers. Die Grenze der City ist fühlbar.

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Heutzutage wird die Brücke nur noch selten für die Durchfahrt größerer Schiffe geöffnet, die Behinderung des Autoverkehrs in die City wäre bei einer Öffnung der Brücke zu groß. Die Tower Bridge wird jedoch dessen ungeachtet immer noch hinsichtlich der technischen Möglichkeit, die Hebebrücke zu öffnen, als besonders charakterisiert.

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„Ich kann jeden Morgen ganz gemütlich an der Themse entlang spazieren, dann kommt erst mal so ein bisschen Urlaubsgefühl auf. Ich weiß nicht, ob du das kennst, so Wasser, und ab und zu singen hier auch wirklich Vögel, ja. Das ist dann immer ganz toll, ist mein Highlight des Tages, und dann laufe ich dann ganz gemütlich ins Büro“ (L9: 170-172). „Ich lauf [jogge] auch ganz gerne an der Themse, das ist natürlich auch so ein Moment wo man sagt, da ist es natürlich auch wieder nett, und da merkt man, das man halt doch in ’ner irgendwie besonderen Umgebung ist, wenn man da entlang der Themse läuft, ... das ist dann wieder eines dieser Momente“ (L4: 419). „Morgens geh’ ich aus dem Haus, äh, nehme da den Bus in der Regel […] um, äh, zur Arbeit zu kommen. Genieße dann erstmal wie gesagt die Fahrt über die London Bridge mit wunderschöner Aussicht, äh, komme dann also mit […] sehr, sehr vielen Leuten. Wenn ich zu regulären Zeiten in die Stadt komme oder in die City, äh, kommen Menschenfluten“ (L4: 333-341). Mit dem Übertritt in die City, mit dem Überqueren der Grenze, verändert sich die Szenerie für die Finanzmanager. Der Moment des gemütlichen Erlebens der Themse wird zu einem kurzen Moment der Entspannung, zu einem Moment des Innehaltens und zu einer Verlangsamung des Bewegungstempos, bevor man schließlich in die hektische Atmosphäre der City übertritt. Die Themsebrücken drängen sich daher als bedeutsame Grenzübergänge in die Erzählungen der Finanzmanager von der Ankunft in der City ein. Dass die Finanzmanager dabei sogar ihre Namen benennen, sie als Tower Bridge, London Bridge, Waterloo Bridge ausweisen können, unterstreicht die Bedeutung der Grenzüberquerung, die erst mit Hilfe dieser Brücken möglich wird. Die City erscheint für die Finanzmanager als umgrenzter und exklusiver Ort; um sie zu erreichen, muss man Grenzen überwinden. Das Überwinden der Grenze für den Eintritt in die City wird für sie dabei zu einem sinnlichen Erlebnis, sie ist alltäglich sichtbar und spürbar. Die Grenzüberschreitung wird so auch zu einem wahrnehmbaren Zeugnis davon, selbst zum ausgewählten Kreis derjenigen zu gehören, die in die City, das Zentrum, passen und daher die Grenze überqueren dürfen.

In der City sein – Der rationale, fordernde Ort des Wettbewerbs Nach dem Überwinden der Grenze wird die City für die Finanzmanager auf vielfältige Art und Weise spürbar. Die City wird von ihnen dabei erfahren als Ort der Forderung, des Versprechens, der Exklusivität und der Distanzierung.

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Ort der Forderung Mit dem Eintritt in die City, der Überschreitung der Grenzregion, drängen sich für mich als Feldforscher sofort Fragen auf: Wie verhalte ich mich hier angemessen und passend? Bin ich richtig angezogen, bleibe ich nicht zu lange suchend auf dem engen Bürgersteig stehen? Ich fühle mich sofort von der City bedrängt, mein Verhalten anzupassen. Auch in den Berichten der Finanzmanager erscheint die City, das traditionelle Zentrum, als Ort der Bedrängung und der Forderung nach Einpassung. Sie verdeutlichen immer wieder, dass sich nicht die City an sie anpasst, sondern dass sie sich selbst einpassen müssen. Wer dazu nicht in der Lage sei, der schaffe es entweder gar nicht erst, einen Arbeitsplatz in der City zu bekommen, oder aber er scheitere schließlich hier. So erzählt ein Bankmanager von dem Scheitern eines ehemaligen Kollegen, der im Aktienhandel gearbeitet hat: „Die haben den nie richtig rein gelassen, ne, das war für die wie der Spion, ne, und der hat hier drei Jahre ich sage mal mitgearbeitet. Der konnte sich irgendwo gar nicht richtig frei schwimmen, […] im Handel geht es natürlich auch ein bisschen mehr Cockney zu und, äh, da hatte der schon Schwierigkeiten und der hat, sag ich mal, und das ist nicht nur ein Einzelfall, aus diesem Auslandsaufenthalt für sich persönlich nicht viel gewonnen“ (L13: 126). Mit dem Eintritt in die City muss man als Finanzmanager auch in der Lage sein, sich angemessen zu der besonderen sozialen Situation in der City zu verhalten. Seit dem Big Bang 9 müssen sich die deutschen Finanzmanager mit den Cockney 10 sprechenden, sozialen Aufsteigern aus dem East End, die nun in der City als Aktienhändler arbeiten, arrangieren und ihr Verhalten an diese besondere Situation einpassen. Schaffen sie das nicht, so können sie auch nicht in der City erfolgreich arbeiten. Wie ich oben gezeigt habe, werden die deutschen Finanzmanager aus ihrer Perspektive mit dem Aufenthalt in der City selbst zu einem Teil des Zentrums. Ihr alltägliches Handeln in der City stellt so einen vielfältigen Einpassungsprozess an das Zentrum dar. Nur infolge dieser vollbrachten Einpassungsleistung können die deutschen Finanzmanager „in die City passen“ (vgl. L14: 76) und zu einem Teil der City, zu einem Teil des Zentrums werden. Der Alltag in der City wird in ihren Erzählungen und in ihren Handlungen daher zu einem beständigen und vielfältigen Einpassungsprozess an die Struktur der City: An die Materialität, die Atmosphäre und den Rhythmus, aber auch an die mitgebrachten eigenen Vorstellungen von der City als dem Zentrum. 9

Der Big Bang zeichnete sich zum einen auch dadurch aus, dass nun stärker internationale Arbeitskräfte in der City arbeiteten und dass zum anderen angesichts eines Arbeitskräftemangels auch einige soziale Aufsteiger aus dem East End in der City als Investmentbanker Arbeit fanden (vgl. Leyshon/Thrift 1997: 136-148). 10 Die Mundart Cockney wird als klassischer Slang der Unterschicht wahrgenommen und gilt als Zeichen von Bildungsferne (vgl. Ackroyd 2002: 173ff.). 88

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Leben für die Arbeit – Erfolgreich im Wettbewerb bestehen Die Fähigkeit dazu, auch das private Leben der Tätigkeit in der City unterordnen zu können, erscheint aus der Perspektive der deutschen Finanzbeschäftigten als eine Haupteigenschaft, die sie aufweisen müssen, um in der City of London arbeiten zu können. Das Image der deutschen Finanzbeschäftigten von der City als dem globalen Zentrum übersetzt sich aus ihrer Perspektive in besondere Erwartungen, die sie erfüllen müssen, um so selbst Teil des Zentrums werden zu können. Daher erscheint eine Erzählung des Arbeitsalltags für die deutschen Finanzmanager nur vollständig, wenn sie auf ihre besonders hohe Arbeitsleistung hinweisen, die sie hier vollbringen müssen. In der City, also aus ihrer Perspektive im natürlichen Zentrum zu sein, ist für sie unmittelbar damit verknüpft, viel und lange zu arbeiten. „In Deutschland wird es mehr als Job gesehen, glaub ich, das ist eine Sache, die man machen muss und wichtiger ist die Zeit nach der Arbeit. ... Hier in London leben die Leute für die Arbeit unter der Woche“ (L14: 54). „Ich hab in Deutschland fünf Jahre bei der Bank gearbeitet, gut da haben wir auch viel gearbeitet, aber sicherlich nicht so viel wie hier. Also, ein Großteil des Lebens ist wirklich Arbeit. Man findet das auch so, dass Sie wirklich einen Großteil des Lebens im Büro verbringen oder mit beruflichen Dingen verbringen. Das Leben ist zum Teil anstrengender als in Deutschland“ (L11: 298). Aus ihrer Perspektive ist der Aufenthalt in der City nur denkbar, wenn man bereit ist, „für die Arbeit zu leben“ (vgl. L14: 54) und stärker als in Deutschland das Leben auf die Arbeitsanforderung auszurichten, die ihnen die City aus ihrer Sicht abverlangt. Das führt ein Interviewpartner so aus: I: „Gibt es denn etwas, das sie als besonders charakteristisch für ihr Leben hier in London beschreiben würden?“ L10: „Arbeit […] Deutschland war dagegen ein Spaziergang, muss ich Ihnen ganz klar sagen, und hier in London ist wieder Arbeit. Also allein, dass hier die Engländer keine Mittagspause machen spannt sie den ganz Tag ein“ (L10: 381-384). Mit dem häufig vorgenommenen Vergleich zu Deutschland nehmen die Finanzmanager eine ständige Legitimation des eigenen Erfolgs vor. Da man selbst, anders als die in Deutschland Zurückgebliebenen, bereit ist, „für die Arbeit zu Leben“ (vgl. L14: 54), und so „den ganzen Tag eingespannt ist“ (vgl. L10: 384), hat man es auch verdient, im Zentrum – in der City – beschäftigt zu sein. Dabei dient das Bild des Erfolgreichen, dessen Erfolg sich einstellt, weil er im Vergleich zu den nicht Erfolgreichen mehr Arbeitsleistung erbringt, zur Rechtfertigung des eigenen Aufenthaltes in der City. Da diese von den Finanzmanagern als zentraler und bedeutsamer imaginiert wird als andere Städte, sie in ihrer Tradition als Zentrum betrachtet wird, schließen sie daraus, dass man hier nur arbeiten kann, weil man bereit ist „für die Arbeit zu leben“ (vgl. L14: 54). 89

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Das Bild der deutschen Finanzmanager von der City als allgemeinem Zentrum scheint so geradezu zwingend eine Erzählung zu fördern, die besonders die eigene hohe Arbeitsleistung in den Mittelpunkt stellt. So sagt ein Interviewpartner: „Ich hab’ in meinem Arbeitsleben gelernt, dass die, die auch arbeiten, es zu was bringen“ (L10: 392). Mit der immer wiederkehrenden Erzählung von ihrer hohen Arbeitsleistung rechtfertigen sie den eigenen Erfolg, „es zu was gebracht zu haben“ (vgl. L10: 392), nämlich „in die City zu passen“ (vgl. L14: 76) und so selbst zum Zentrum dazuzugehören. Besonders diejenigen Deutschen, die nicht mit einem deutschen Arbeitsvertrag als Entsandte eines deutschen Finanzunternehmens, sondern mit einem lokalen Arbeitsvertrag (die im Vergleich zu den deutschen Arbeitsverträgen nur einen eingeschränkten Kündigungsschutz haben) in der City arbeiten, sehen sich hier in einem ständigen Wettbewerb, nicht nur mit den in Deutschland gebliebenen Kollegen um den Eintritt in die City, sondern auch mit den Kollegen vor Ort um den Verbleib in der City. Der Gewinn des Wettbewerbs ist der Eintritt bzw. die Erlaubnis hier bleiben zu dürfen. Dass man dafür Arbeitsbestleitungen bringen muss, ist ein immer wiederkehrendes Motiv in den Erzählungen der Finanzbeschäftigten. So sagte ein deutscher Finanzmanager, der einen lokalen Arbeitsvertrag hat, über die Arbeitssituation in der City: „Das, äh, ... Leistung erwartet wird, und wenn du keine Leistung bringst, dann kommen sie an und sagen: ‚Pass mal auf, wenn du so weiter machst dann sind wir bald nicht mehr zusammen.‘ Was in Deutschland nie käme“ (L8: 74). Wie stark das Bild von dem globalen Zentrum die Erzählung von der besonders arbeitsfordernden City erzeugt wird besonders deutlich wenn man sich die relevanten statistischen Daten ansieht. Denn diese belegen in erstaunlicher Weise das Gegenteil: So schreibt der „City Economy Digest“ nach der erwartungsgemäßen Feststellung, dass mit 51.600 Pfund im Jahr in der City das höchste Durchschnittseinkommen aller Regionen in London und Großbritanniens erzielt wird 11 , scheinbar selbst überrascht von dem Ergebnis des Vergleichs der durchschnittlichen Arbeitszeit: „The last set is controversial to Londoners since it shows that they may not be as chained to their desks as is claimed. […] Its 37.2 hour average is not just the lowest in London, it’s the lowest anywhere [in Großbritannien]“ (Corporation of London 2003: 4). Auch wenn hieraus keine Aussage über die Arbeitszeit der entsandten deutschen Finanzmanager abzuleiten ist, ist es doch interessant, dass das Bild, das die deutschen Finanzmanager von der City als Ganzes haben, nämlich das des besonders fordernden Zentrums, so stark ist, dass es ihre Wahrnehmung leitet und anscheinend auch 11 Das Durchschnittseinkommen in Großbritannien liegt bei 24.750 Pfund, das von Gesamt-London bei 33.100 Pfund. 90

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beengt. Ihr Bild von der hohen Arbeitsleistung in der City nehmen sie dabei gerade in Differenzierung zu anderen Orten vor. So beschreiben die Finanzmanager die Wohnbevölkerung in Brixton und dem East End gerade über Merkmale wie Arbeitslosigkeit und Verhaltensweisen wie dem Rumhängen auf der Straße (vgl. Meier 2007). Auch wenn die Bevölkerung hier längere Wochenarbeitsstunden arbeitet als in der City (vgl. Corporation of London 2003), wird ein Bild der Leistungsunwilligen erzeugt, das umgekehrt die eigene Leistungsfähigkeit bestärkt und damit den eigenen Erfolg in der City – dem Zentrum – arbeiten zu dürfen, legitimiert. Das starke Bild von der City als forderndem Zentrum erzeugt so gerade für die jüngeren Finanzmanager den Druck, das Leben der Arbeit unterzuordnen, sich dem Bild zu fügen und so den eigenen Aufenthalt in der City legitimieren zu können. In der City zu sein wird so zum Synonym zu der Erzählung „hier für die Arbeit zu leben“ (vgl. L14: 54). Im Einpassen in die City of London ist für die deutschen Finanzmanager das Gefühl sich den Forderungen der City anpassen zu müssen eine dominante Erzählung. Das Bild von der fordernden City setzt sich dabei aber aus vielen Bausteinen zusammen. Denn auch die besondere Struktur des Ortes, der Tagesrhythmus, seine Atmosphäre und seine Materialität wirken nicht nur auf die Wahrnehmung, sondern auch auf das alltägliche Handeln vor Ort.

Den Tagesrhythmus der City spüren: Hektik Während der Woche morgens ab 7 Uhr gehen schnell und sehr zielstrebig, ohne gegenseitigen Blickkontakt, Männer in dunklen Anzügen und Frauen in dunklen Kostümen aus den U-Bahn- und Zugstationen in die City hinein. Man kommt hier zusammen mit vielen Anderen an den zentralen Bahn- und U-Bahn-Stationen in der City an, um dann von der „Liverpool Street Station“, der „Cannon Street Station“ oder von der „Bank Station“ aus in die Bürogebäude zu gehen. Um diese Zeit scheint der Stadtteil dominiert von den Finanzbeschäftigten, die schnell und möglichst ohne sich von der Umgebung stören zu lassen ihre Büros erreichen wollen. Einer meiner Interviewpartner beschrieb dies so: „Versuchen Sie mal jemanden anzulächeln, sie bekommen selten ein Lächeln zurück“ (L1: 375).

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Abbildung 13: Zielstrebiges, auf sich konzentriertes Hineinströmen am Morgen Die Selektivität der Wahrnehmung wurde von Georg Simmel als grundsätzliches Charakteristikum des städtischen Lebens beschrieben. Durch die enorme Vielfalt von Begegnungen in der Stadt richtet der Einzelne, um eine Überwältigung der Sinneseindrücke zu vermeiden, seine Wahrnehmung selektiv aus. Das, was wichtig erscheint, wird wahrgenommen und das andere übersehen. Das Individuum in der Stadt, so Simmel, agiert daher berechnender und rationaler als auf dem Land. Denn in der Stadt ist „die Gleichgültigkeit gegen den räumlich Nahen einfach eine Schutzvorrichtung, ohne die man in der Großstadt seelisch zerrieben und zersprengt würde“ (Simmel 1908/1992: 721). Das rationale Verhalten auf der Straße in der City of London wird von den deutschen Finanzmanagern, denen städtisches Verhalten nicht fremd ist, in besonders erwähnenswerter Qualität wahrgenommen. Auf den Straßen der City fühlen sie sich selbst, in besonderem Maße, als ein von den Anderen nicht wahrgenommener Teil der sich in der City bewegenden Finanzmanager. Dass hier zwar 321.000 Menschen auf engstem Raum arbeiten (vgl. International Financial Services, London 2005), aber nur 7.000 Menschen wohnen 12 , ist für sie jeden Morgen und Abend wieder sichtbar und fühlbar:

12 Viele der hier Wohnenden sind als Sicherheitskräfte in den Bürogebäuden beschäftigt (vgl. Panton 2001: 101). 92

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„Ich komme dann mit [...] sehr, sehr vielen Leuten an, [...] wenn ich in die City komme. Es kommen Menschenfluten in die Stadt, weil ja die Leute auch von weit außerhalb kommen und London im Gegensatz zu Deutschland ist ja ne Metropole, das heißt alle Leute strömen in die Stadt morgens rein, abends raus“ (L4: 339-341).

Abbildung 14: Strömende Menschenfluten – Bänker am Morgen auf dem Weg zur Arbeit (Bank Station) Die deutschen Finanzmanager sehen sich selbst als Teil von in die City „strömenden Menschenfluten“ (vgl. L4: 339). Von diesen Fluten wird man mitgerissen, die eigenen Bewegungen passen sich so der Geschwindigkeit in der City an. Man geht zusammen mit tausenden Anderen zielstrebig und schnell die Gehwege entlang. Ein Innehalten scheint hier unpassend; durch die Enge der Fußwege und die weitestgehend fehlenden Buchten der Entspannung (wie Parks mit Parkbänken) würde man sich mit einer zögerlichen Bewegung oder gar einem Stehen bleiben zu einem Hindernis der „Menschenfluten“ (L4: 339) machen. Den ganzen Arbeitstag hindurch setzen sich die Bewegungen in den Straßen und Gebäuden der City vermindert, aber dennoch deutlich spürbar fort. In den Trading Rooms und Großraumbüros eilen Banker sprechend von Schreibtisch zu Schreibtisch, auf den Gehsteigen stehen dunkel gekleidete Menschen eng an die Gebäude gedrückt – damit sie nicht die Bewegung der Fußgänger behindern – und telefonieren. Manche versuchen hektisch winkend schnell ein Taxi für eine kurze Fahrt anzuhalten. Die meisten gehen zügig und konsequent auf den Fußwegen entlang. Die Fußgängerampeln werden von ihnen weitgehend ignoriert. Auch bei einer roten Ampel gehen die Finanzbeschäftigten und der sich daran rasch angepasste Feldforscher, sobald sich im Verkehr eine Lücke ergibt, schnell über die Straße. Es überrascht nicht, dass die deutschen Finanzmanager ihren Aufenthalt in der City daher immer wieder als aufregend und hektisch beschreiben: 93

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„In der City zu arbeiten, morgens zur Arbeit zu kommen, ich mein die U-Bahnen sind brechend voll, abends nach Hause sind die U-Bahnen brechend voll. Das trägt auch nicht besonders dazu bei, dass es ein sehr entspannter [lacht] entspannter Gang hier zur Arbeit ist, ähm, ansonsten, [...] also hektisch, stressig ist, glaub ich, eine sehr gute, ja eine sehr wichtige Beschreibung“ (L12: 267). Da die deutschen Finanzbeschäftigten in ihren Bewegungen und Aktivitäten die Schnelligkeit und die Unrast der Straße übernehmen und sich daran einpassen, wird die Hektik auf der Straße auch zur eigenen Hektik. Die Atmosphäre der geschäftigen, rastlosen Betriebsamkeit in der City bestimmt das Empfinden der deutschen Finanzmanager von der City und ihre alltäglichen Handlungen wie die schnellen Bewegungen und den zielstrebigen Gang.

Abbildung 15: Eilige Finanzmanager in schwarzen Anzügen Diese hektische Atmosphäre in der City und der typische Tagesrhythmus drängen die deutschen Finanzmanager zu einer Handlungsanpassung. Sie strömen mit all den Anderen zusammen morgens in die City und abends wieder hinaus. Mittags vermissen die Finanzbeschäftigten die deutsche Kantine, sie ist in der City durch die hier übliche, hektischere Mittagsverpflegung ersetzt, die sich in den unzähligen Filialen der Sandwich-Ketten materialisiert.

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„Da haben Sie hunderttausend Sandwich-Bars hier in der City, wo Sie sich schnell ein Sandwich reinziehen, muss man schon fast sagen. [...] Alleine, oder schnell ein Kollege der gerade Zeit hat, sagt: Kommst mit, ich hol’ mir ein Sandwich‘. [...] Im Sommer, da sitzt man schon mal draußen an ’ner grünen Ecke, wenn man sie irgendwo findet, oder man kommt wieder rein und isst am Arbeitsplatz. Leider, leider, das ist leider, leider ’ne Kultur hier. [...] Und wenn es dumm kommt schreiben Sie Ihre Emails nebenher, wenn Sie dann Ihr Sandwich essen“ (L11: 140-148). Die deutschen Finanzmanager orientieren sich an der hektischen Art des Mittagessens in der City. Wie stark sie sich dabei in einem Anpassungszwang an den Tagesrhythmus der City sehen, wie stark also die City auf ihren Alltag wirkt, verdeutlicht die folgende Erzählung eines älteren deutschen Finanzmanagers, der widerspenstig eine Mittagspause haben will und damit in eine Konfliktsituation kommt: „Ich mach ’ne Mittagspause, […] meine Erfahrungen sind, dass der Engländer am Arbeitsplatz keine Mittagspause macht. Der geht raus und holt sich sein Sandwich oder der, äh, holt sich sein warmes Essen, isst am Tisch. … Für mich ist Mittagsessen etwas ungemein Wichtiges. Für mich ist es auch wichtig, aus dem Büro raus zu gehen, und für mich ist das auch wichtig, eine Art von Kommunikation zu pflegen, die ich vielleicht im Büro nicht pflegen kann. Damit bin ich aber hier innerhalb dieses Bereichs ein absoluter Exot …, ähm. Hab’ damit auch meine Probleme, das zu leben, denn, äh, im Tagesdurchschnitt plane ich ja nicht nur, sondern ich werde auch verplant. Das heißt, es gibt eine Reihe von Meetings die anberaumt werden, ähm, ohne dass man da jetzt Rücksicht auf mein Mittagessen nimmt. Das heißt also, eine Besonderheit von London ist, da sind eigentlich auch während der Mittagszeit permanent, äh, Meetings oder Vorbereitungsgespräche für Meetings oder ähnliches. … Ähm. So dass eine Mittagspause als solches, wie wir sie kennen, eine Stunde mal Abstand nehmen, mal rausgehen oder so, hier im Tagesrhythmus in der City of London für meine Begriffe nicht vorgesehen ist“ (L10: 176-190). Es gibt einen deutlichen Konflikt zwischen dem Tagesrhythmus der City und der aus Deutschland mitgebrachten Gewohnheit des Mittagsessens, die sich tief bis zum Hungergefühl in die eigene Identität und den Körper der deutschen Finanzmanager eingeschrieben hat. Die Einpassung in den Tagesrhythmus der City droht für die deutschen Finanzmanager zu einem Erlebnis des Leidens zu werden. Ihre deutsche Identität, die sich für sie auch durch eine besondere Art des Mittagsessens auszeichnet, steht ebenso im Konflikt zu dem Tagesrhythmus, wie auch zu den materialisierten Strukturen der City. L10: „Weil es keine Nachfrage für diese Art von Mittagsessen gibt, gibt es auch kein Angebot. Sie könne also hier im Cityumfeld hervorragend essen gehen, äh, wenn sie das nötige Budget dafür haben, weil sie einen Kunden entertainen oder der Kunde sie einlädt. Aber es ist nicht ausgelegt auf den Mittagessenden, der aus einiger Tasche isst, so diesen Kantine-Approach gibt es nicht, ne. ... Das heißt, es gibt natürlich viele, die auch warm essen, aber die machen das dann als Take Away, äh, ob das eine Pizza ist oder ob das eine Suppe ist, das ist aber alles in Karton, äh, und das reizt mich nicht, ja. ... So, wenn ich also mittags etwas essen will, auf ’nem Porzellanteller, auch im Sitzen nicht im Stehen, dann wird die Auswahl sehr dünn. Es 95

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gibt diese Sachen hier, aber sie wird sehr dünn, muss ich sagen, da muss man immer einiges suchen, bis man was findet. … Und sie können auch nicht, äh, ich könnte hier auch meine Mitarbeiter nicht fragen, weil die das alle nicht machen.“ I: „Das mussten sie dann selbst rausfinden, oder?“ L10: „Ja, oder ich traf mehr oder weniger mal irgendwelche Deutschen oder andere, die das ähnlich pflegen, und dann entsteht das schon so von Mund zu MundPropaganda, geh mal da hin, guck mal da oder so; braucht ein bisschen Zeit, aber man läuft da schon warm und kommt da schon auf seine Kosten“ (L10: 208-224). Entweder erleiden und bedauern die deutschen Finanzmanager daher die Notwendigkeit der Einpassung an den fremden Tagesrhythmus, oder aber sie versuchen durch Widerspenstigkeit sich Handlungsfreiräume innerhalb der Strukturen, dem Tagesrhythmus der City, in „dem man auch verplant wird“ (vgl. L10: 176-190), zu schaffen um so das drohende Leiden zu vermeiden. Durch das Erkämpfen von Handlungsfreiräumen gelingt es ihnen so, ihr aus Deutschland mitgebrachtes Bedürfnis als Teil der eigenen Identitätskonstruktion befriedigen zu können. „Also ich hab in der Regel um zwölf Uhr Hunger. ... Wer das schon weiß, der ruft mich vorher an und sagt, äh, können wir uns um eins dann treffen, und wer das nicht weiß, ähm, der hat dann Pech gehabt. Aber damit bin ich in meiner relativ deutschen Mentalität ein warmes Mittagsessen zu haben, ähm, schon einzigartig hier. […] Sie müssen sich vorstellen, im englischen Kulturkreis gehört es auch nicht dazu, mittags warm zu essen. Dinner time ist Night time, ja. Ich leb’ in einer deutschen Familie, das heißt wenn ich abends um halb zehn nach Hause komme, wird sich meine Frau nicht hinstellen und mir das Essen warm machen. Ich hab auch keine Lust, dann zu essen, das heißt, ich krieg’ nach guter deutscher Sitte abends ein Brot, und wenn ich nicht den ganzen Tag mit Broten leben will, muss ich Mittags warm essen, ja [lacht]“ (L10: 191-206). Die deutschen Finanzmanager bringen ihre Identitäten mit in die City of London. Da diese Identitäten im Alltag ständig neu produziert und reproduziert werden müssen, ergeben sich im alltäglichen Handeln Reibungspunkte zu den Strukturen der City, die nicht der eigenen Identität entsprechen und die den alltäglichen Handlungen zur Identitätskonstruktion hinderlich sind. Die alltägliche Erzeugung einer deutschen Identität steht somit in einem Konfliktverhältnis zu den materialisierten Strukturen (dem Pappteller, den Sandwichbars ohne Sitzplätze), dem Tagesrhythmus (der nicht existierenden Mittagspause) und der hektischen Atmosphäre (den schnellen Bewegungen) der City of London. Sie widerspricht dem eigenen Bedürfnisstil: Dem Hungergefühl, dem Wunsch, Mittagsessen vom Porzellanteller zu essen, oder einen anderen Tagesrhythmus zu haben. Die Strukturen der City of London erschweren das Ausleben und somit auch die Reproduktion deutscher Identität und erfordern somit für diese Identitätsbildung entweder Erleidensstrategien oder widerspenstige Handlungsmuster. Die Finanzmanager passen sich in der alltäglichen Performance ihrer deutschen Identität in die Strukturen der City ein.

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Die eigene Gestalt einpassen: Tragen Sie die richtige Kleidung! In der City befindet man sich in einem Gewühl von recht einheitlich gekleideten Menschen, die Frauen tragen dunkle Kostüme, die Männer sind in dunkle Anzüge und Mäntel gehüllt. Auch wenn in der City niemand mehr eine Melone trägt, so wie es bis in die 1960er Jahre üblich war (vgl. Wilson 2004: 119ff.), wird man mit dem Cityeintritt immer noch mit den hier sichtbar geltenden, eher klassischen Bekleidungsnormen konfrontiert. In meinem braunen Anzug scheine ich auffällig anders und unpassend gekleidet zu sein. Mein Vorhaben, mich für ein leichteres Einfinden in die Lebenswelt der Finanzmanager in meinem Kleidungsstil etwas anzupassen und so das Gefühl einer mir unangenehmen, da auffälligen, Unpassendheit zu vermeiden, ist nicht so recht geglückt. Den deutschen Finanzmanagern geht es mit ihrem Eintritt in die City nicht anders. Wenn sie nicht schon vorher, ihrer Vorstellung von der traditionellen City folgend, sich eher traditionelle, streng formelle Bekleidung zugelegt haben, fühlen sie sich in der City zu einer Anpassung ihrer Kleidung an den hier vorherrschenden Stil gedrängt. So erzählte mir ein junger Bankmanager, dass er seine hellen Anzüge, die er an seinem Arbeitsplatz in Deutschland getragen habe, hier nun nicht mehr anziehen könne. Mit der Ankunft in der City wurden seine Anzüge für ihn unbrauchbar. Um dem Bekleidungscode in der City zu entsprechen, kaufte er daher nach seinen ersten Arbeitstagen neue Anzüge, diesmal in ausschließlich schwarzer und dunkelblauer Farbe. 13 Mit der Einpassung ihrer Kleidung erfüllen die deutschen Finanzmanager eine unausgesprochene, aber alltäglich sichtbare Forderung an die Bekleidungsnormen in der City. Neben den Bekleidungen der anderen Finanzmanager auf den Straßen, Büros und Pubs, werden sie bei einem Gang durch die City mit den in den Schaufenstern der Bekleidungsgeschäfte zur Schau gestellten passenden Bekleidungen konfrontiert.

13 Dass die City den eintretenden Bankbeschäftigten eine Kleidungsanpassung abfordert, wird auch in älteren Berichten deutlich. So erzählt ein englischer Broker 1951 von seinem Eintritt in die City und der Einpassung seiner Kleidung: „I caught an early morning train up to London Bridge, where I had to join the throng crossing the bridge on my way to Fenchurch Street. All the men were wearing hats, mainly bowlers, trilbies and some Anthony Edens, and carrying umbrellas. […] I soon learnt that a hat was de rigueur in the City and decided that I would also get a bowler“ (Kynaston 2001: 118). Fast unnötig erscheint es daher, dass die nötige Einpassung damals auch in einem Arbeitsvertrag festgehalten wurde: „Your salary will be ǧ300 per annum, your hours of work will be 8.45 a.m. to 5.30p.m. Monday to Friday […]. You will wear a bowler hat to and from the office“ (Kynaston 2001: 118). 97

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Abbildung 16: Bekleidungsgeschäft mit Auslage in der City Im Vorbeigehen wird das Angebot an passenden dunklen Anzügen, bunten Hemden, Krawatten und Manschettenknöpfen immer wieder sichtbar. Die Bekleidungsnormen in der City drängen sich den Bankmanagern und dem Feldforscher so auf unterschiedlichen Wegen auf und legen ein Einpassen nahe. Mit der Einpassung ihrer Kleidung geht auch eine Veränderung in der Wahrnehmung der deutschen Finanzmanager einher. Das Einpassen in die City erfolgt nicht nur mit dem Erlernen der passenden Kleidung, sondern auch in dem Erlernen der Ausrichtung der eigenen Wahrnehmung und dem Erarbeiten der Fähigkeit, die hier gezeigten Zeichen in den Kleidungen und Gestalten zu sehen und richtig zu dekodieren. Ihren Blick für die in die Kleidung eingeschriebene Hierarchie müssen die deutschen Finanzmanager in der City erst neu erlernen und schärfen. Das Erlernen dieser Ausrichtung des Blickes erfolgt im Prozess ihres Einpassens in die City. Die feinen Unterschiede und spezifischen Codes, die sich hier in der Kleidung lesen lassen, müssen für sie erst erkennbar werden. Der erste Eindruck, sich in der City in einem Gewühl recht einheitlich gekleideter „Menschenfluten“ (L4: 339) zu befinden, relativiert sich nach einem solchen Lernprozess. So berichtete ein Finanzmanager davon, dass er es erst mit der Zeit gelernt hat, in den unterschiedlichen, hier so üblichen Manschettenknöpfen – den farbigen Bommeln aus Seide, den Silber- oder Goldköpfen – die ungefähre Hierarchiestellung der Träger ablesen zu können. Erst mit einem genaueren, einem geschulten Blick werden die feinen Unterschiede unter den dunklen Mänteln sichtbar. Erst mit dem Erkennen dieser Unterschiede wird es für die deutschen Finanzmanager auch möglich, sich selbst dieser Differenzierungsmerkmale zu bedienen. 14 14 Die für die Finanzmanager sichtbare Differenzierung in der Bekleidung belegt auch das folgende Zitat aus einem Interview, dass Lisa McDowell mit einem 98

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Abbildung 17: Hemd mit Manschettenknöpfen im Schaufenster Mit einer längeren Arbeitserfahrung in der City nutzen einige der deutschen Finanzmanager auch die Variationsmöglichkeiten, die es bei der Auswahl ihrer Hemden gibt. Während die Neuankömmlinge sich eher darauf beschränken, einfarbige (weiße oder blaue) oder unauffällig gestreifte Hemden (weiße mit feinen roten Streifen) mit Schlips zu tragen, wählen die schon seit einigen Jahren in der City arbeitenden auch Hemden und Krawatten aus, die in der City aufgrund ihrer bunt gescheckten Musterungen (gemustertes Hemd in auffälligen Farben wie orange, gelb, rot oder/und bunte Krawatten mit Motivaufdrucken) als gewagt, etwas widerspenstig, aber noch als statthaft gelten. Meine erste Begegnung mit einem Interviewpartner, der ein solches Hemd trug, irritierte mein Bild vom traditionell gekleideten Bankmanager in London. Dass in der City jedoch das Tragen solcher Hemden im Rahmen des Möglichen ist, wurde mir und wohl auch den deutschen Finanzmanagern erst mit der Zeit deutlich. Wie in der City das Tragen dieser Hemden bewertet wird, zeigt sich in dem Werbetext von „Charles Tyrwhitt“, eines der Bekleidungsgeschäfte, das sich in der Bow Lane mitten in der City befindet:

Assistent Director einer Bank geführt hat: „There is an unwritten rule here about dress. Of course guys are going to come in here in suits, but there’s a lot about the sort of style and colour of the suits for example. I mean you, I don’t think you’d find anyone in here in a brown suit for example. But I mean even something like this, which is light grey, is a little bit different and causes a little bit of, well it’s just all little bit out of the ordinary, you know. Dark blues and greys are very acceptable, and anything else is noticeable really. Little things, like Barbour jackets, which basically are unofficial not allowed to be worn, because you’ve got to wear long overcoats and so on and so forth. So I think dress is a code, I mean the whole sort of image“ (McDowell 1997: 189). 99

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„The check shirt is a peculiarly English phenomenon – not for everybody and some might even consider it unseemly, even a little flamboyant. However, if you are eating cucumber and marmite sandwiches, and watching cricket at Lords, it would be rude NOT to wear one. Very English, very smart, very cucumber“ (vgl. Charles Tyrwhitt 2006). Um jedoch ein solches Hemd zu tragen bzw. den Tragenden richtig einzuschätzen, ist es nötig eine gewisse Erfahrung in der City zu haben. Nur der erfahrende Finanzmanager trägt ein solches Hemd und nur der erfahrende Feldforscher ist durch ein solches Hemd nicht irritiert. Erst mit der Zeit fühlen sich die deutschen Bankmanager sicherer mit den Konventionen in der City und sind nun in der Lage, ihre Selbstpräsentation auch mit widerspenstigen Merkmalen anzureichern. Denn um hier das Spiel der Widerspenstigkeit ohne Gefahr der Abweichung spielen zu können, bedarf es ausreichender Erfahrung im Umgang mit der City und den hier geltenden Normen. Nur wer diese Erfahrung hat, kann die Grenzen der möglichen zulässigen Widerspenstigkeit einschätzen und hat so die nötige Sicherheit, keine Überschreitungen zu begehen. Das Tragen eines solchen Hemdes, und damit die Fähigkeit des spielerischen Umgangs mit Widerspenstigkeit, ist so auch Ausdruck von Erfahrung in der City, die man den Neuankömmlingen voraushat. Das virtuose Spiel mit den Zeichen von traditioneller „Englishness“, (bunt karierte Hemden und Manschettenknöpfe) drückt dabei nicht nur die eigene Erfahrung aus, es ist auch Ausdruck des eigenen perfektionierten Einpassens in die City. Als deutscher Finanzmanager die Zeichen von „Englishness“ angemessen reproduzieren zu können bedeutet schließlich auch die Grenze des Andersseins zu überschreiten und so legitimer Teil des Zentrums zu werden.

Der gesunde, leistungsfähige Körper – Seien Sie fit! Auch die Körpergestalt drückt die Fähigkeit aus, in die City zu passen. Alle männlichen deutschen Bankmanager haben gepflegte Kurzharrschnitte und die jüngeren von ihnen zumeist recht sportliche, schlanke Figuren, die sie regelmäßig in den Fitnesscentern der City trainieren und formen. Teil des Einpassens in die City scheint es daher auch zu sein, den eigenen Körper an das Körperideal in der City anzugleichen. Wie dieses Ideal aussieht, wird in der Werbeanzeige für gestreifte Hemden ausgedrückt: „As the ‚large tummy‘ has become an increasing problem in the Western world, it has been strange to witness the decline in popularity of the striped shirt. If you enjoy a quality claret with your treacle tart (and cream), you’ll be pleased to hear that these striped shirts make you look ‚more Dean, less DeVito‘“ (Charles Tyrwhitt 2006). Mit der Gegenüberstellung der Körper von Danny DeVito und James Dean zeigt diese Anzeige wie der passende Körper in der City geformt oder zumindest vorteilhaft umhüllt sein muss, so dass er eben nicht einen „large tummy“ wie Danny DeVi100

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to zeigt, sondern schlank und durchtrainiert wie der Körper von James Dean erscheint. Dass ein solcher Körper in der City ein begehrenswerter Körper ist, drückt sich in einem Gespräch mit einer deutschen Finanzmanagerin in einer Kneipe aus. Sie erzählte, gerade mit zwei Kollegen aus dem Fitnessstudio kommend, davon wie sie den dortigen Trainer für dessen durchtrainierten Körper, „seine umwerfende Figur“, bewundert. Zur Unterstützung zeigte sie uns einen Werbeprospekt des Studios, in dem mit einem Photo des sportlichen Körpers des Trainers geworben wird. Betritt man eines der von Finanzmanagern bevorzugten Gyms in der City, das „Cannons“, so wird man im Eingangsbereich mit dem Ziel der Körperarbeit, mit dem passenden Körper, konfrontiert: Hier hängen gut sichtbar einige Körperskulpturen mit dem Namen „Archetypes“. Der schlanke, muskulöse und gesunde Körper wird hier als der Urtyp des Körpers präsentiert. Mit dieser Naturalisierung erhält diese spezifische Körpergestalt einen mächtigen Maßstabscharakter, sie erscheint als die natürliche Gestalt des menschlichen Körpers (oder genauer ausgedrückt des menschlichen Körpers in der City) und bildet so den Maßstab, an dem die hier trainierenden Finanzmanager ihren eigenen Körper in der City messen lassen müssen.

Abbildung 18: Körperskulpturen „Archetypes“ von David Begbie am Eingang des „Cannons“-Gyms

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Die jungen deutschen Finanzmanager werden somit in der City im besonderen Maße mit dem Leitbild eines leistungsfähigen, gesunden und aktiven Körpers konfrontiert. Auch wenn dieses Körperideal nicht auf die City beschränkt ist, so ist es doch auffallend, dass sich hier besonders viele männliche und weibliche Menschen zeigen, deren Körper diesem Bild entspricht. Der aktive, gesunde, schlanke Körper ist, wie sich in diesem Kapitel auf den Photos zeigt, auf den Straßen und in den Büros sichtbar allgegenwärtig. Geht man durch die Straßen der City, so wirkt der aktive, trainierte Körper durch diese Präsenz als Maßstab. Auch die für sein Training wichtigen Fitnesscenter sind allgegenwärtig und drängen sich auf unterschiedlichen Wegen in das Bewusstsein der deutschen Finanzmanager. Dies geschieht bei einem Fußweg in den Straßen durch Reklametafeln, die auf den Bürgersteigen stehen und den schnellen Durchgang irritieren, und in Form von Werbehandzetteln der Fitnesscenter, die an den Bahnstationen morgens und abends zur Rushhour verteilt werden.

Abbildung 19: Gym-Werbung auf dem Bürgersteig „Sie sehen auch oft in der Frühe im Zug Banker, die in die City fahren, die dann ihre Squashschläger dabei haben, oder ihr Fitness... wie sagt man, ihren Fitness-Gear, die dann alle noch irgendwie […] noch was machen, das muss man einfach, das ist man wahrscheinlich seinem Körper schuldig“ (L11: 222). 102

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Durch den Kontakt zu den Kollegen, die häufig nach der Arbeit in den Studios Fitness betreiben, wird das körperliche Trainieren in den Gyms den deutschen Finanzmanagern beständig als normale Tätigkeit in der City angezeigt. Häufig besuchen sie mit den Kollegen zusammen abends das Gym oder sie gehen allein mit dem Wissen, dort mit anderen Finanzmanagern zusammen zu treffen, da hin. So sagt ein Finanzmanager: „Das [Gym] ist gleich hier an der Themse. Heißt Cannons, da sind hier die meisten Bankangestellten, ist auch die größte in London“ (L6: 528). Nahe gelegt wird den Finanzmanagern ein Besuch des Gyms auch durch manche Arbeitgeber, die für ihre Beschäftigten preisgünstige Trainingsmöglichkeiten bei bestimmten Fitnessstudios ausgehandelt haben. „Ab nächste Woche will ich hier einen, wie sagt man, Gym testen. […] Da ist hier so eins bei uns um die Ecke, da kriegen wir jetzt angeblich Bankkonditionen, das will ich nächste Woche mal versuchen“ (L11: 158-160). „Entweder sie erfahren es von Kollegen wo die hingehen oder dann hat die Bank mit verschiedenen Gyms hier Verträge. Das heißt nicht, dass die Bank da was sponsort, aber einfach, dass sie den Mitarbeitern das erst mal vorschlägt und dann gibt es ein Corporate Membership, die dann eben günstiger ist. Das heißt in ihrem Welcome Pack sind dann da drei Adressen, hier mit denen haben wir Kooperation. Oder aber auch wenn sie morgens bei London Bridge aussteigen oder bei Cannon Street, da stehen dann meistens Leute die irgendwelche Flyer verteilen und dann, okay, hier gerade Neu-Eröffnung, wer im ersten Monat hier beitritt, dem erlassen wir die joining fee. […] Müssen Sie mal gucken, beim Zug oder in der Tube, da gibt es diese Zeitung Metro, und da sind teilweise, ähm, Coupons drin, und da war jetzt auch das drin, wer im März für eine Woche sieben aufeinander folgende Tage vorbeikommen möchte, kann dort frei trainieren, um einfach mal das Gym kennen zu lernen. Und in verschiedenen Sachen Mundpropaganda, das was in den Zeitungen ist, was sie über Flyer bekommen und dann eben über die Bank“ (L1: 341-347). Der Gang ins Fitnessstudio liegt auch im wahrsten Sinne des Wortes nahe, sie befinden sich meist unweit des Arbeitsortes direkt inmitten der City. Da diese so wie das „Cannons“ häufig direkt an den Bahnhöfen und U-Bahn-Stationen (so wie direkt an der Cannon Street Station) lokalisiert sind, befinden sie sich auch direkt auf dem Weg der deutschen Finanzmanager von der Arbeit nach Hause. Ein Besuch hier bietet sich an und wird von den Finanzmanagern in ihren Arbeitsalltag eingebunden. „Das Fitnesscenter ist bei mir direkt bei der Bahnstation, also das heißt, … wenn ich ins Fitnesscenter gehe, teile ich mir das von der Arbeit so ein, dass ich zeitig raus komme, genügend Zeit im Fitnesscenter hab’ und dann auch in die Bahn nach Hause steige. ... Also da lernt man dann nach Fahrplan zu leben. Aber es geht, es ist jetzt nicht so, dass ich gehetzt werde oder so etwas, man weiß einfach, man kennt die Abstände einfach und weiß wie lang man wofür braucht, dann sag ich halt okay, wenn ich jetzt geh’, dann hab ich genügend Zeit und dann erwische ich den Zug noch“ (L16: 382).

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Abbildung 20: Eingang zum Fitnessstudio „Cannons“ Auch wenn die Fitnesstätigkeit von den deutschen Finanzmanagern als entspannende Tätigkeit beschrieben wird, bleibt sie in den Erzählungen trotzdem in ihren Arbeitsablauf eingebunden. Die Besuche hier schließen sich direkt an die Arbeit an und werden in einen routinemäßig abzuarbeitenden Tageszeitplan gestellt. So erzählt ein Finanzmanager, der fünfmal in der Woche ins Fitnessstudio geht: L14: „Das ist wie eine Routine nach der Arbeit. Das entstresst, hält Dich fit und Du fühlst Dich dann ein bisschen besser, weil Du ja am Tag nur isst und dasitzt, wirklich.“ I: „Ja, und warum gerade ein Gym, warum keine andere Sportart?“ L14: „Weil ich das zeitlich flexibel planen kann. Das heißt, wenn ich länger arbeite mal, dann muss ich nicht erst irgendwen anrufen und sagen, okay, können wir das verschieben. Das ist ein relativ individueller Sport. Auf der anderen Seite kenn’ ich so viel Leute dort in diesem Club, dass ich zu jeder Zeit, egal wann ich hinkomme, jemand finde, der mit mir trainieren wird“ (L14: 296-304). Die Fitnesstätigkeit wird von den deutschen Finanzmanagern direkt als Folge ihrer Arbeit dargestellt. „Aber man merkt, wenn man in gewisse Altersgruppen kommt, man hat vorwiegend ’ne sitzende Tätigkeit, wenn man nicht grad auf Reisen ist, oder so. Man muss was für den Körper tun, sonst wenn man sich die Kollegen anschaut, die 50 sind, da denkst du, nee, da wollen wir nicht hinkommen“ (L11: 220). Sie erklären, dass sie ins Fitnessstudio gehen, da sie bei der Arbeit so viel sitzen müssen und Angst haben, damit ihre Fitness und ihre Leistungsfähigkeit einzubüßen. Da sie ihr Arbeitsende in der City nicht verlässlich planen können, ist es für die

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Bankmanager nicht möglich, Mannschaftssport mit festen Trainingsterminen zu machen. Sie bevorzugen stattdessen das zeitlich flexible Training in den Gyms, hier ist man nach ihren Aussagen niemandem verpflichtet und kann unabhängig und zeitlich flexibel nach dem Arbeitsende trainieren. Der Gang in das Fitnessstudio und die Formung des Körpers wird zumeist von den Finanzmanagern als Arbeit betrachtet, deren Erledigung eine Belohnung bedarf. So scherzt ein junger Finanzmanager: „Lieblingsrestaurant? Wir haben einen Lieblingsdöner, der ist bei uns um die Ecke [er lacht]. Das ist so als Belohnung, bevor man in den Gym geht, holt man sich erstmal einen dicken, fetten Döner. Döner gilt im allgemeinen als sehr gesund, weil da ist Salat bei [er lacht]“ (L6: 512). Die Fitnesscenter stellen für die Finanzbeschäftigten einen Ort dar, mit dem sie sich fast zwangsläufig, allein schon durch ihren Aufenthalt in der City, auseinandersetzen müssen. Auch wenn nicht alle dort zum trainieren hingehen, so ist doch das Gym für die anderen ein Ort des schlechten Gewissens, ein Ort, an dem sie eigentlich sein sollten. Dort nicht hinzugehen erscheint den Finanzmanagern in der City als Abweichung, die sie durch andere Anforderungen (wie hohe Arbeitsbelastung oder Familie) rechtfertigen müssen. I: „Machen sie Sport?“ L18: „Ich müsste eigentlich, ja, aber [lacht] ... aber ich spiel Tennis ... ab und zu mal, äh, geh viel zu wenig ins Gym, fahre jeden Tag Fahrrad zum Bahnhof und abends wieder zurück, ähm, und das war es eigentlich. ... Man hat eigentlich, der Tag hat nur 24 Stunden und die Woche nur sieben Tage und, ähm, man würde sicher vieles lieber anders machen, aber …“ (L18: 542-543). Es scheint, dass der Aufenthalt in der City, in dem Zentrum, eine Einpassung einfordert, die sich auch auf die Körperstrukturen auswirkt und so bestimmte Körper produziert. Hier einen passenden, trainierten und gesunden Körper zu haben, drückt nicht nur die eigene Arbeitsbereitschaft aus, sondern ist auch sichtbarer Ausdruck der eigenen Einordnung in das Anforderungsprofil der City und so Teil des Einpassens der deutschen Finanzmanager. Um zum Zentrum dazuzugehören, ist eine besondere Einpassung notwendig; eine Einpassung, die auf Merkmale der globalen Elite ausgerichtet ist. Diese Merkmale sind nicht nur besondere Arbeitsleistung, Mut und Flexibilität, sondern drücken sich auch in einem Körper aus, der diese Merkmale widerspiegelt. Da in der City in besonderem Maße diese Eigenschaften eingefordert werden, wird auch in besonderem Maße ein Körper gefordert, der Spiegelbild dieser Merkmale ist. Für die deutschen Finanzmanager besteht daher die Anforderung, auch den Körper nach der City auszurichten und so „more Dean“ und „less DeVito“ auszusehen. 15

15 Differenzen in der Körpergestalt gibt es zwischen den jüngeren und den älteren Finanzmanagern. Die älteren besuchen in der Regel keine Fitnessstudios, sie 105

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Der Auforderungscharakter zur Netzwerkbildung: Fügen Sie sich in das Netzwerk ein! Als Teil der Rastlosigkeit in der City erscheint in den Erzählungen der Finanzmanager der beständige kommunikative Austausch mit Anderen; sei es mit den Headquartern in Deutschland, mit Kunden weltweit oder gerade in dem direkten Kontakt vor Ort in der City. Dieser Austausch in der City erklärt auch die beständige Bewegung auf den Straßen, in den Großraumbüros und den Trading Rooms und trägt zur betriebsamen Atmosphäre der City bei. Mit der Präsentation eines trainierten, beweglichen Körpers drückt sich so auch die eigene Fähigkeit aus dieser hektischen Kommunikationsanforderung in der City gerecht werden zu können und so sich souverän in die Hektik des Ortes einzupassen. Die deutschen Finanzmanager werden in ihrem Arbeitsalltag in der City mit vielfältigen Anforderungen nach Kommunikation und Netzwerkbildung konfrontiert. Die Erfüllung dieser Anforderungen macht die Finanzmanager zu einem Teil der City.

In den Büros oder die Erwartung der Dinge zur Kommunikation An ihrem Arbeitsplatz angekommen wenden sich die Bankmanager als erstes den bereitstehenden Kommunikationsmitteln zu. Die eingetroffenen, abzurufenden und zu beantwortenden E-Mails erscheinen in ihren Erzählungen so, als warteten sie schon auf die Ankunft der Finanzmanager. „Dann gehe ich an meinen Arbeitsplatz, nehme mir meine Flasche und fülle sie mit den Wasserspendern voll. ... Ja, ja, das ist ganz wichtig. Dann checke ich meine Ewägen ab zwischen Familie und Körpergestalt. Und produzieren so auch eine andere Männlichkeit. Wie Linda McDowell analysierte, konstituieren die Finanzbeschäftigten in der City Männlichkeit in unterschiedlicher Weise über differenzierte Körpergestaltungen. Auf der einen Seite sieht sie den älteren, nüchtern gekleideten Patriarchen (einen englischen Gentlemen) und auf der anderen Seite den jungen, aktiven und aufstrebenden Bankbeschäftigten (der sich mehr für Kleidung, den eigenen Körper und die eigene Performance interessiert) (vgl. McDowell 1997: 182ff.). Auch Bourdieu analysierte, dass in der neuen Mittelklasse Frankreichs das Körperbild unterschiedlich ist. Der junge Angehörige der Bourgeoisie sieht anders aus als der alte Cadre (vgl. Bourdieu 1982). Mit einem genaueren Blick lassen sich in der City so auch Differenzierungen in der Bekleidung erkennen. Diejenigen der deutschen Finanzmanager ohne Kundenkontakt (wie in den nach außen abgeschlossenen Trading Rooms) sind vergleichsweise legerer gekleidet, sie haben ihr Sakko ausgezogen oder tragen keinen Anzug. Wenn diese jedoch nach außen, in Kontakt zu Kunden treten, so kleiden sie sich formeller. So berichtet ein Investmentbänker, der normalerweise in die City mit dem Motorrad direkt in das Parkhaus seines Arbeitgebers fährt, über die notwendige Anpassung seiner Kleidung und seines Transportmittels, wenn er nach außen tritt: „Wenn ich ein Termin hab mit einem Kunden und ich muss Krawatte und Anzug anhaben, […] und wenn es regnet, dann fahr ich mit dem Auto“ (L8: 454-456). 106

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mails, meinen Kalender und im Regelfall sind da mindestens drei Meetings drin für irgendetwas. […] Ich telefoniere mit meinem Frankfurter Pendant, ob irgendetwas ist. Meine Arbeit ist primär kommunikativ, ich produziere ja selbst nichts“ (L6: 149153). Der Eintritt in das Büro ist für die Finanzmanager der Eintritt in eine Kommunikationszentrale, in der sie mit vielfältigen Kommunikationserwartungen konfrontiert werden. An den Arbeitsplätzen warten mehr oder weniger zurückhaltend die Dinge zur Kommunikation auf ihre Benutzung. Das klingelnde Telefon und der piepende Computer, der eingegangene E-Mails anzeigt, locken die Finanzmanager mit Kommunikationsanforderungen, denen sie sich nicht entziehen können. „Es ist immer verlockend, wenn es mal wieder Kling macht, [er dreht sich zum Computerbildschirm] dann kommt ’ne E-Mail rein. Ist klar, dass man dann das Sandwich zur Seite legt und guckt was es neues gibt, das ist logisch, also mir geschieht das sicherlich so“ (L4: 367). „Wir haben hier […] in dem Staffroom so ein’ Automaten wo Kaffee frisch gebrüht wird, also das ist durchaus trinkbar. […] Auf dem Weg [dorthin] ein Chat oder so, das man wartet bis das durchläuft. Aber dann wieder zurück ins Büro, da steht so ein Ding rum [er lacht und zeigt auf den Computer]“ (L13: 304-306). Die jüngeren Finanzmanager, die sich auf mittleren Hierarchieebenen befinden, sehen sich durch die besondere Innenarchitektur ihrer Arbeitsplätze stärker als in Deutschland Kommunikationsanforderungen ausgesetzt. So berichtete ein Finanzmanager, dass durch die im Vergleich zu Deutschland üblicheren Großraumbüros in der City mehr Kommunikation verlangt wird. Durch diese Bürostruktur sollen aus seiner Sicht die Mitarbeiter dazu gebracht werden, mehr und leichter mit den gegenübersitzenden Kollegen zu kommunizieren. Dabei soll für den Einzelnen auch das Gefühl erzeugt werden, dass man bei der Arbeit ständig kontrolliert wird. Für den jungen Finanzmanager drückt die besondere Struktur des Ortes, seines Büros, so nicht nur die Anforderungen des Zentrums nach einer hohen Arbeits- und Kommunikationsleistung aus, vielmehr betrachtet er den Ort und seine Materialität auch als Produzent dieser Anforderungen und der vollbrachten Arbeitsleistungen. In den ruhigeren Einzelbüros, in denen die in der Hierarchie höher stehenden Finanzmanager arbeiten, zeigen sich andere Dinge der Kommunikationsforderung. Der neben dem Schreibtisch bereitstehende Stuhl für den Kollegen, der schnell etwas besprechen will, oder die neben dem Schreibtisch angeordnete Sitzgruppe für längere Gespräche mit mehreren Teilnehmern, all diese Dinge sind ständige Zeugnisse der geforderten und vollbrachten Kommunikationsleistungen. Häufig zeigt ein Fenster zum Großraumbüro die Erreichbarkeit der Person an, die von innen herunterzulassenden Jalousien können vertrauliche Gespräche in dem Büro sichtbar abtrennen. Zumeist sind die Jalousien jedoch hoch gezogen. Damit ist nicht nur ein leichter, kontrollierender Blick hinaus auf die Mitarbeiter in den Großraumbüros

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möglich, sondern es wird auch der Blick hinein möglich und damit die eigene Erreichbarkeit und Bereitschaft zur Kommunikation verstärkt präsentiert (im Vergleich zu einer undurchsehbaren Wand). Auch die häufig geöffnete Tür hin zum Großraumbüro zeigt die Bereitschaft zur Kommunikation an. Die hier sitzenden Finanzmanager sehen sich meistens als Ansprechperson für ihre Mitarbeiter, die besondere Materialität des Ortes präsentiert sie auch als solche. Ein Interviewpartner sagt dazu: „Ich bin […] hier präsent, damit die Mitarbeiter einen Ansprechpartner haben“ (L19: 68-70). Es überraschte daher nicht, dass oft direkt im Anschluss an das beendete Interview, mit dem Öffnen der Tür, Mitarbeiter für ein Gespräch in das Büro gingen. Die Anforderung des Ortes, die Anforderung seiner materiellen Struktur nach Kommunikation wird von den Finanzmanagern so beständig erfüllt. Nach dem Ende der Interviews richtet sich ihr Blick wieder auf den Bildschirm oder auf den im Anschluss an unser Gespräch in das Büro kommenden Mitarbeiter. In den großräumigen Trading Rooms, in denen die Investmentbanker arbeiten, herrscht großer Trubel. In engen Reihen stehen hier die Schreibtische direkt nebeneinander, so dass einige hundert (z.B. 400) Investmentbanker in einem solchen Raum Platz finden. Jeder von ihnen hat einen Computer mit zwei Flachbildschirmen, auf dem sie über E-Mail auf die aktuellen Kurse und Informationen reagieren können und ein Telefon, mit dem sie Informationen einholen oder Absprachen treffen. Hier ist es laut und unruhig, viele telefonieren mit den Headphones oder gehen mit einem Handy am Ohr sprechend durch die engen Schreibtischreihen, um sich dann mit ihren Kollegen direkt am Schreibtisch zu unterhalten. Einzelne Arbeitsgruppen sitzen hier in unmittelbarer Nähe, so dass man sich nicht nur schnell austauscht, sondern auch Telefonate des gerade abwesenden Nachbarn entgegen nimmt. Ein Interviewpartner hebt hervor, dass in der City of London die Schreibtische aufgrund lockerer Verordnungen, gerade im Gegensatz zu den Trading Floors in Deutschland, besonders dicht nebeneinander stehen. Die Enge und die Hektik sind in den Trading Floors der City so in besonderem Maße angelegt und spürbar.

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Abbildung 21: Trading Floor in der City of London (Photo von Servanne Sohier) Diese geschäftige Atmosphäre und die besondere materielle Struktur, die Enge und die dichten Schreibtischreihen, fordern eine Handlungsanpassung von den deutschen Finanzmanagern ein. Dies wird bei der Betrachtung der folgenden Interviewsequenz deutlich, in der ein Bankmanager von den Veränderungen seiner Handlungen in Abhängigkeit zu seinem Arbeitsort berichtet. Seine Einpassungsleistung an den Trading Floor kontrastiert er dabei mit seinen Handlungen an seinem anderen Arbeitsort, im eigenen Haus. „Ich habe ein eigenes Arbeitszimmer da, die Küche ist nebenan. Ich will nicht sagen, dass ich da nicht mal hin und her laufe. Aber ich bin mehr am PC, als wenn ich hier im Büro bin. Weil, hier laufe ich mehr rum, zu den Leuten und red mit dem und tu dies und tu das“ (L8: 440). Ein Café, das sich direkt neben dem Eingang am Rand des Trading Floors befindet, bietet um einige Tische herum Sitzplätze an. Aber die meisten holen sich hier einen „coffee to go“ zurück zum Schreibtisch. Die im Café Sitzenden werden häufig von heraneilenden Kollegen angesprochen, die kurz etwas besprechen wollen oder die ein wichtiges Telefonat mitteilen. Vom Café aus blickt man in die weite Welt, ein Monitor überträgt die neuesten Weltnachrichten von CNN, zwei Flachbildschirme zeigen live andere Trading Floors der Bank in New York und Frankfurt. Mit dem Eingang in den Trading Floor blickt man auf die Bildschirme. Wie eine Finanzbeschäftigte sagt, vermitteln die Live-Bilder ein Gefühl der Nähe zwischen den Trading Floors; eine Nähe, die nur fühlbar werden kann, wenn man sich selbst als Teil dieses Netzwerkes sieht und als ein solcher Teil auch beständig sichtbar präsentiert wird. So ist der Londoner Trading Floor auf Bildschirmen in New York und Frank-

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furt sichtbar. Der Eingang in den Trading Floor, der Blick auf die Bildschirme, konfrontiert den Eintretenden so mit der eigenen Verwobenheit, der Eingang wird so auch zu einem Eintritt in ein Netzwerk, das Arbeit zur eigenen Einbindung einfordert. Oben an den Wänden zeigen gut sichtbar Leuchtanzeigen die aktuellen Indizes des Netzwerkes an, die Uhrzeiten und Börsenkurse in Tokio, New York und Frankfurt. Ständig sichtbar erscheint den Finanzbeschäftigten so die eigene Einbindung in eine Kommunikationsstruktur, die sich zwischen einigen urbanen Zentren aufspannt. In der materiellen Struktur und Ausstattung der Einzelbüros, der Großraumbüros und der Trading Floors drückt sich die Erwartung nach Kommunikationsleistung und Netzwerkbildung aus, der die deutschen Finanzmanager in ihrem alltäglichen Handeln in der City entsprechen. Auffällig ist, dass die materiellen Strukturen in den Büros der City, also die besondere Enge in den Trading Floors, die hier üblichen Großraumbüros, aber auch die transparenten Wände noch stärker als in anderen Städten Kommunikation einfordern und so das alltägliche Handeln verändern.

Auf die Straße treten Auch wenn man aus den Bürohäusern auf die Straße tritt, erscheint die City als Ort der kommunikativen Interaktion und Netzwerkbildung. Geht man tagsüber entlang der Straßen, so sieht man hier in den Cafés, Restaurants, Pubs und Sandwichbars Gruppen von zumeist zwei oder drei dunkel gekleideten Menschen sitzen, die sich angeregt miteinander oder mit dem Feldforscher unterhalten. „Wir gehen auch mal für einen Kaffee, das mach ich auch ganz gern mit Mitarbeitern, zu einem der vielen Coffeeshops. Wo man dann mal ein, äh, persönliches Thema durchsprechen kann, äh, Leistungsbewertung auf einer informellen Ebene“ (L4: 413-415). Die kompakte Struktur der City ermöglicht es durch einen kurzen Fußweg vom Arbeitsplatz solche Treffpunkte zu erreichen. Für die deutschen Finanzmanager stellt die City durch ihre hohe Dichte und besondere infrastrukturelle Ausstattung die Bedingungen bereit, die sie als förderlich für eine soziale Netzwerkbildung vor Ort ansehen. „Dafür ist die City auch sehr gut geeignet, weil Sie hier ’zig Pubs haben, um die Ecke rum, und jetzt nicht unbedingt, dass Sie sich mit Bier vollaufen lassen, sondern dass Sie einfach in einer absichtlich non-business Atmosphäre sich mal treffen können und vielleicht einfach nur ein Sandwich essen und ein Glas Wein trinken, oder so. Ab und zu vielleicht auch mal das eine oder andere Geschäft besprechen, aber eben auch persönlich den Kontakt halten. Das ist relativ häufig“ (L11: 138). In ihren Erzählungen erscheint die City aber auch als Ort, an dem von den deutschen Finanzmanagern solche Treffen erwartet werden und zur Normalität des Ortes, zu seinem Rhythmus, dazugehören. Das sagt ein Finanzmanager so: „Dieses Sociali110

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sing, das ist unheimlich wichtig und hat eine großen Stellenwert hier“ (L1: 183). Der große Stellenwert des Socialising findet sichtbaren Ausdruck in den Pubs, Clubs und Restaurants, die abends mit vielen anzug- und kostümtragenden Menschen gefüllt sind. Gerade im Kontrast zu den ab 19 Uhr fast völlig verlassenen Büros und Straßen, rücken nun diese belebten Orte in das Zentrum der Aufmerksamkeit und werden für die deutschen Finanzmanager attraktiv. „Bei uns um die Ecke […] ist so ein kleiner Platz, drum herum da sind lauter Pubs und wenn im Sommer das Wetter schön ist, dann stehen da einhundert Banker auf dem Platz und trinken ihr Bierchen, ist ne nette Atmosphäre im Sommer“ (L17: 131133). Die Pubs und Bars sind stark gefüllt mit Gruppen von Finanzbeschäftigten, die sich locker bewegend, lebendig unterhaltend und Bier trinkend an die Kneipentische drücken. Gerade im Kontrast zur nun fast einsamen Straße fällt die Lebendigkeit an diesen Orten auf und fokussiert die Aufmerksamkeit.

Abbildung 22: Vor einer Kneipe in der City am Abend

Die Erwartung an einen ungezwungenen persönlichen Kontakt: Locker sein! Die Treffen in der City schildern die deutschen Finanzmanager gerade im Kontrast zu den als distanzierter empfundenen Verhältnissen an ihren Arbeitstellen in Deutschland. In der City hält man nicht nur geschäftlich, sondern „auch persönlich

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den Kontakt“ (L11: 138). Mit dem Arbeitsanfang werden die deutschen Finanzmanager mit dem Angebot und den Forderungen eines sozialen Netzwerkes konfrontiert. „Hier rein zu kommen beruflich ist natürlich sehr einfach, weil das ein ganz anderer Umgang ist unter den Kollegen, das fängt schon an, man redet sich mit Vornamen an, […] da ist eine Hürde weg. Dann ist es üblich, dass man hier abends einfach auch mal was trinken geht. […] Hier ist es üblich, das man Leaving Drinks hat, dass heißt meine Vorgängerin, ähm, war quasi gerade fertig mit ihrem Praktikum, ich bin dann rein gekommen. Sie hat ihren Leaving Drink am Mittwochabend gegeben, da war ich dann gleich mit dabei, und dann ist man natürlich in einer ungezwungenen Umgebung und kommt viel schneller an die Leute ran und kann sich mit denen austauschen. Da wurde man auch gleich am nächsten Tag gefragt: „Wie sieht es aus, ... wir gehen zum Lunch, möchtest Du mitgekommen?“ Kein Thema, dass dann Lunch im Endeffekt nur zwei Flaschen Rotwein waren und nichts zu essen, das musste ich erst mal lernen, aber es ist einfach, ähm, viel ungezwungener und man geht auf die Leute zu und der Einstieg ist beruflich sehr einfach gefallen“ (L1: 72-76). Die City wird in ihren Erzählungen als Ort beschrieben, an dem man sich abends regelmäßig mit Kollegen und Geschäftsfreunden/-partnern, in einer schwer trennbaren Vermischung aus privaten und geschäftlichen Kontakten, trifft. Ein Interviewpartner sagt: „Der ganze Bankensektor ist eine große Familie, wenn Du so willst“ (L9: 343). Der zu erfüllende Anspruch der Netzwerkbildung ist für die deutschen Finanzmanager in der City gleichzeitig mit der Anforderung der Ungezwungenheit der Kontaktaufnahme verbunden. Privates und berufliches soll sich dabei geradezu vermischen. Es erscheint wichtig, dass man in der Lage ist, die Anstrengungen der geschäftlichen Kontakte mit einer gewissen Lockerheit zu behandeln und so zu dem Geschäftspartner einen Kontakt herzustellen, der durch die Vermischung von Privatem und Beruflichem eine Dauerhaftigkeit und Verbindlichkeit schafft. Damit entsteht für die Finanzmanager ein Paradoxon: Ein Zwang zu Lockerheit. Es verwundert daher nicht, dass die Herstellung dieser Lockerheit von ihnen auch als Teil einer abzuarbeitenden Arbeitsaufgabe gesehen wird: „Das läuft dann so ab, man geht hin, hat einen Drink, ein bisschen was zu knabbern, und dann ist ein Vortrag zu irgendeiner Vortragsreihe, ... dann haben sie schon mal einen Anknüpfungspunkt, wo sie sich mit Leuten unterhalten können, dann haben sie eine ganze Guestlist, dann checken sie durch, okay, das wäre interessant, und dann gucken sie, ob sie den finden, und dann kommen sie ungezwungen ins Gespräch, und dann tauschen sie Karten aus. Was weiß ich. „Ich guck mal, ich ruf sie die nächsten Tage mal an, vielleicht können wir auch mal darüber hinaus was machen.“ ... Genau das sind so Möglichkeiten, wo sie auch Akquise machen können, aber sehr ungezwungen. Ein ganz anderes Moment mit den Kunden ist zum Beispiel auch die kleinen Events, die wir hier haben, die es in Deutschland in dem Sinne gar nicht gibt, dass heißt man geht mit Kunden zum Cartfahren, man lädt sie ein zum Beispiel, was ist das, Honda Tennis Challenge. Ich weiß nicht, wie es genau heißt, das ist in der Royal Albert Hall, wo dann die Becker, Stich und die ganzen Alten, McEnroe, gegeneinander spielen. Da gehen sie […] erst in ihre Loge, nehmen da ein 112

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paar Drinks, dann gehen sie hoch, haben da ihr Abendessen, ein paar Gänge, dann gehen sie runter in die Loge, gucken sich die Spiele an, können sich dabei mit dem Kunden sehr intensiv unterhalten in einem ungezwungenen Rahmen. Solche Sachen sind auch an der Tagesordnung, die auch sehr viel Zeit wieder wegnehmen, sehr schön sind sicherlich, das mitzunehmen, allerdings auch sehr viel Zeit wegnehmen und dadurch ein regelmäßiges Engagement in einem Verein relativ schwierig machen“ (L1: 361-365). Lockerheit wird in der City zu einer Eigenschaft, die nötig ist um die für den beruflichen Erfolg erforderlichen Netzwerke aufbauen zu können. Damit wird sie zu einer Fähigkeit, die Teil ihrer Identitätsbildung als globale Elite ist. Damit die aufgebauten Netzwerke eine gewisse Verbindlichkeit haben und so für die eigene Arbeit und die berufliche Karriere von Nutzen sind, ist es für die Finanzmanager erforderlich, Geschäftliches mit Privatem zu vermischen. Dafür werden die in der City bereitstehenden Orte und Veranstaltungen besucht, die auf der einen Seite den Schein von entspannter Privatheit vermitteln (wie der Besuch von Tennisspielen, Restaurants oder Pubs), aber auf der anderen Seite Orte der Arbeit und der Anforderung nach Lockerheit sind. Die deutschen Finanzmanager stellen diesen „ungezwungenen Rahmen“ (L1: 365), der zum Aufbau von Netzwerken und damit der erfolgreichen Arbeit in der City dient, unter zeitlichen aber auch körperlichen Anstrengungen her. Die Praktiken zur Netzwerkbildung werden von ihnen so auf zweierlei Arten erzählt, als lustvolles Versprechen der Entspannung und als einschränkendes Erleiden der Erwartungen und des vorgegebenen Rhythmus der City. Ein Rhythmus, der im Bezug auf die Freizeit – oder treffender formuliert: Im Bezug auf die Zeit nach dem Verlassen des Büros – daher in Form eines zu erfüllenden Wochen-Stundenplans erzählt wird: I: „Und wie oft gehen Sie dann abends noch weg ein Bier trinken?“ L6: „Mindestens einmal in der Woche, aber in jedem Fall mehr. Donnerstags ist so der Tag, wo sich die Londoner richtig die Kante geben, das Wochenende schon mal einläuten gehen. Ist wirklich so: Montags ist die Kneipe ziemlich leer und dann werden Sie sehen, wie es langsam voller wird. Montag ist so der typische Gym-Tag für die Londoner. Montags geht man zum Gym, mittwochs geht man zum Gym und freitags versucht man das wenigstens, aber macht keine Sau. Weil die wollen alle ins Wochenende und donnerstags geben sich alle die Kante. Oder ziemlich viele. […] Es wird grundsätzlich nicht negativ angesehen, wenn man sich hier die Kante gibt, solange man morgens kommt. Und wenn man sich mit Zahnstochern die Augen aufhält, das ist egal“ (L6: 186-189). Der Umgang mit dem Paradoxon, dem Zwang zur Lockerheit, wird in der City durch den hier üblichen Alkoholkonsum, der sich in der Ortsstruktur in den allgegenwärtigen Pubs widerspiegelt oder als Tätigkeit in einen Wochenplan, den Rhythmus des Ortes, eingebunden ist, erleichtert. Unterstützt wird dabei das Trinken größerer Mengen von Alkohol, und somit der mit zunehmender Berauschung gelockerte Umgang, auch durch ritualisierte Handlungsstrukturen, denen sich auch die 113

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deutschen Finanzmanager anpassen. So erzählte mir ein deutscher Finanzmanager, sich im Pub bei unserem Interview locker machend, davon, dass es in der City nicht so sei, dass man seine Getränke für sich selbst bezahlt, sondern dass reihum jeder für alle anderen die Getränke ausgibt. Er berichtete, dass er sich erstmal an diese Regel gewöhnen musste und diese dazu führt, dass er nun mehr Alkohol trinkt und er es schwerer findet, den eigenen Konsum zu steuern. Das Trinken von Alkohol erscheint in den Erzählungen der deutschen Finanzmanager somit immer wieder als Anforderung, der sie sich in der City stellen müssen. „Muss man sehen, dass 75% aller Mitarbeiter gehen regelmäßig nach Dienstschluss auf ein Social Drink, das hat Vor- und Nachteile. Der Nachteil ist halt das regelmäßige Trinken, du wirst Alkoholiker. Das ist halt London City“ (L7: 224-226). Ein in Singapur arbeitender Finanzmanager berichtet im Rückblick auf seine Zeit in London folgendes: „Aber wissen Sie, das gehört einfach so dazu, das ist genau, wie wenn ich morgens Kaffee trinke, für den Händler bedeutet das in London mittags ’ne Flasche Wein zu trinken“ (S10: 216-218). Um der Aufforderung zu folgen und die Cityinfrastruktur für die ungezwungene Netzwerkbildung zu nutzen, setzen die Finanzmanager somit nicht nur ihre Freizeit, sondern auch ihre Gesundheit – ihren Körper – ein. Dieser Einsatz zur Netzwerkbildung zahlt sich aus der Sicht der deutschen Finanzmanager für sie wieder aus. Der Aufbau von Netzwerken ist so gleich dem Aufbau von weiteren Karrieremöglichkeiten. Das erzählen zwei meiner Interviewpartner so: „Wenn man erstmal hier ist, ist es theoretisch relativ einfach, einen neuen Job zu finden“ (L6: 49). I: „Wie suchst du jetzt eigentlich? Du sagst, du bist gerade auf der Suche nach einem Job.“ […] L17: „Es gibt einerseits die persönlichen Kontakte, die man hat, wo man auch weiß, wenn man irgendwo am Markt das Gerücht gehört hat, die suchen zur Zeit und wenn man jemand gut kennt, leitet der den Lebenslauf weiter“ (L17: 138-140). Die Einpassung in die Struktur der City geht so Hand in Hand mit der Erwartung, von dieser Einpassung zu profitieren. Die City ist somit für die Finanzmanager beides, ein Ort der Forderung aber auch ein Ort des Versprechens.

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Die geografische Distanz als Erwartungsstruktur Mit dem Eintritt in die City sehen sich die deutschen Finanzmanager den vielfältigen Erwartungen der City nach ihrer Beteiligung an den Netzwerkbildungen ausgesetzt. Die Kommunikation mit anderen Finanzmanagern und ihre Beteiligung an der Bildung von Netzwerken ist daher aus ihrer Perspektive eine zwangsläufige Einpassung in die Strukturen in der City. Aus ihrer Sicht stellt die City die nötigen Vorraussetzungen bereit, damit sie diese Netzwerke bilden. Mit der spezifischen Struktur der City konfrontiert, fühlen sich die Finanzmanager auch mit der Erwartung konfrontiert, die Möglichkeit der direkten face to face-Kontakte, die ihnen die City bietet, auch wahrzunehmen. Die besondere Infrastruktur der City, die vielen Pubs, Restaurants und Bars nahe der Arbeitstelle, wird für sie somit gleichermaßen zu einer Struktur der Aufforderung und der Erwartung. Die geringe geografische Distanz zwischen den einzelnen Finanzinstitutionen hat dabei für die Finanzmanager unmittelbare Auswirkung auf ihr alltägliches Handeln, die Art ihrer alltäglichen Bewegung durch die City. „Der Kontakt hier in London unter den Banken ist intensiv ... und selbstverständlich sieht man sich dauernd und trifft sich, das ist keine Reise. … Sie wissen, hier in der City ist alles fußläufig normalerweise zu erreichen, also ist man auch zu Fuß viel unterwegs“ (L19: 72). Die Struktur der City drängt sich so in das alltägliche Handeln und führt zu ihrer Einpassung: Die deutschen Finanzbeschäftigten gehen mit all den anderen Bankbeschäftigten zu Fuß durch die City. Auch die geografische Distanz außerhalb der City, die weiten Entfernungen in London, wirken auf die Art der Abendgestaltung und die Art der Netzwerkbildung. Die Anfahrtswege von der City zu den Wohnorten und wieder zurück sind meistens zu lang, um nach der Arbeit zuerst in die eigene Wohnung zu fahren und dann dort, mit Abstand zur Arbeit, über die Gestaltung des Abends zu entscheiden. Auch weil die Sperrzeit um 23 Uhr droht 16 , gehen die Finanzbeschäftigten entweder gar nicht oder direkt im Anschluss an das Ende der Arbeit gemeinsam mit den Kollegen in der City aus. Den Kollegen nach dem gemeinsamen Ende der Arbeit nicht auf ihrem Weg zu folgen, wird (gerade für die jungen Finanzmanager) zu einer aktiven Entscheidung der Verweigerung, da es nahe liegender erscheint, sich treiben zu lassen und der bestehenden Route in die Pubs um die Ecke zu folgen. „Dadurch, dass London so groß ist, ist es eher untypisch, dass man Kollegen nach Hause einlädt. Hier ist es, man geht direkt nach der Arbeit los, trinkt ein Bier, weil dann wollen die nach Hause, meistens fahren die ’ne Stunde“ (L6: 185). „Wenn ich mit Kollegen so ein Bier trinken gehe, dann bleibe ich in der Nähe irgendwo“ (L6: 344). 16 Die Sperrzeit wurde nach dem Ende meiner Feldforschung abgeschafft. 115

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„Wenn ich in der Woche mit Kollegen was trinken gehe, gehen wir eigentlich immer in die gleiche Bar gegenüber vom Büro, sehr praktisch, sehr einfallslos. Aber es ist irgendwie so, ... na ja, es ist halt unsere Kneipe, dass ist ... jetzt zu sagen, es ist unsere zweite Heimat, würde gar zu traurig klingen, [lacht] ... aber wir werden da schon freundlich begrüßt, wenn wir da rein kommen“ (L9: 457-459). Die Struktur der City greift ineinander mit anderen institutionalisierten Prozessen, die eine Netzwerkbildung unter den Finanzbeschäftigten fördern. Mit dem Eintritt in die City sind die Finanzmanager so mit einem ganzen Bündel an unterschiedlichen Möglichkeiten und Notwendigkeiten von Vernetzungsmöglichkeiten konfrontiert. So werden die häufigen Arbeitsplatzwechsel in der City 17 von „Leaving Drinks“ begleitet, bei denen die Beschäftigten der Abteilung zusammen feiern. Zusammen mit anderen Anlässen ergibt sich so immer wieder die Möglichkeit, aber auch die Notwendigkeit, an solchen gemeinsamen Treffen teilzunehmen. „Wenn irgendwelche Geburtstage sind oder Weihnachten oder halt so was, dann gehen wir halt immer weg, oder oft auch mal nur für irgendwelche Drinks, oder wenn halt einer ... hier sind immer, wenn jemand die Bank verlässt, dann gibt es immer irgendwelche Leaving Drinks und dann geht man da mal hin, da trifft man auch immer noch mal ein paar Leute“ (L15: 282-284). Für die hierarchisch höher stehenden Finanzmanager werden Veranstaltungen von der Deutsch-Britischen Handelskammer, der Deutschen Botschaft oder von den traditionellen Vereinigungen der Finanzmanager in den Guildhouses organisiert. Dabei ist das „im großen und ganzen immer wieder der gleiche Klüngel der sich da traf, irgendwo die Senior Manager der Banken wurden dazu eingeladen von der Marktseite“ (L13: 120). L19: „Es gibt eine Vereinigung der Britischen oder der Bankerguild Bankers Club nennt sich das oder Guild der britischen Banker, ähm da bin ich Mitglied. Das ist eine persönliche Mitgliedschaft, das ist so eine Gilde kann man sagen. Weiß nicht so tausend Mitglieder hat das Ding.“ I: „Ja. .. Was macht man da?“ L19: „Da trifft man sich. .. Das sind also nur Banker die dort Mitglied sind, und da gibt es kulturelle Veranstaltungen, und da gibt es Zusammentreffen mit Vorträgen. […] Ist ja sehr traditionell London, äh, ist so eine traditionelle Sache, dass man in diesen, äh, in diesen berufständigen Vereinigungen, kann man sagen, Mitglied ist und sich dort trifft“ (L19: 324-332). Wie schon oben in einem anderen Zusammenhang beschrieben (siehe Kap: Der gesunde, leistungsfähige Körper) fördern und fordern einige Banken die Netzwerkbil17 Die Finanzbeschäftigten, die einen lokalen Vertrag in Großbritannien haben, sind kaum durch einen Kündigungsschutz geschützt. In der City sind somit Entlassungen und Arbeitsplatzwechsel häufiger als in Deutschland. Die deutschen entsandten Finanzmanager sind davon jedoch nicht selbst betroffen, sie haben deutsche Arbeitsverträge. 116

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dung ihrer Mitarbeiter nicht nur durch Businessclubmitgliedschaften, sondern auch durch die Vermittlung von Fitnessclubmitgliedschaften, in denen die deutschen Bankmanager dann in Kontakt zu anderen Managern kommen. „Das ist mehr so Social Event für mich inzwischen […] 1992 bin ich da beigetreten und, äh, nach diesen Jahren da kennste einfach fast die ganze Mannschaft dort und viele der Leute, die da mit trainieren. Wenn Du dort hingehst und trainierst, Du findest immer jemanden, der mit dir mitläuft oder, äh, die Gewichte mit dir macht, äh, und das macht Spaß. Das ist auch eine Riesen-Motivation auch für mich dort hinzugehen. […] Ich würd’ sagen, von den Mitgliedern her sind 90% im Bankbereich tätig. […] Aufgrund der Mitgliederbeiträge sind das wirklich nur professionelle Leute, die dort hingehen“ (L14: 316-318). Die deutschen Finanzmanager sind so in der City vielfältigen Anforderungen nach Netzwerkbildung, dem Aufbau von verlässlichen Kommunikations- und Informationsstrukturen ausgesetzt. Für die jungen Finanzmanager steht die Beteiligung an diesen Netzwerken nicht in Frage. Da sie Teil des Zentrums sein wollen, müssen sie sich für eine erfolgreiche Arbeit diesen Anforderungen auch fügen.

Aufgebaute Netzwerke ermöglichen Freiräume und Vermeidungen Mit zunehmender Dauer des Aufenthaltes in der City entstehen auf diesem Wege verbindliche und dauerhafte Netzwerke, die sich bei Bedarf nutzen lassen, sei es um nötige Informationen zu bekommen oder um sich eine neue Arbeitsstelle zu beschaffen. Hat man durch die intensive Zeit des Netzwerkaufbaus gute Geschäftsfreundschaften geschlossen und etabliert, so kann man auf diese auch nach einer längeren Zeit des Nichtkontaktes zurückgreifen. Die Notwendigkeit, sich an den anstrengenden Netzwerkneubildungen zu beteiligen, schwindet so mit einem längeren Aufenthalt in der City. Für die älteren, schon länger in der City arbeitenden deutschen Finanzmanager wird es eher möglich, diese Anstrengung zu vermeiden und sich seltener an diesen Treffen zu beteiligen. So berichtet ein Finanzmanager im Rückblick auf seine Anfangszeit in der City davon, dass er zuerst für den Aufbau eines Netzwerkes sein privates Leben unterordnete und schließlich auch belastete. Erst mit der Trennung von seiner Frau und der Notwendigkeit nun selbst die Kinder zu versorgen, aber auch mit der Feststellung, nun stabile Netzwerke aufgebaut zu haben, kann er sich von der Aufforderung der City nach Netzwerkbildung distanzieren. Wenig überraschend erscheint es dabei, dass diese Abwendung von der City für ihn auch einer Erklärung bzw. einer Entschuldigung bedarf, die er als logischen Schluss aus seinen veränderten Arbeitsanforderungen zieht. „Ich habe gerade in den ersten Jahren hier in London ganz schön malocht. […] Ich war sehr stark auf diesem Aufbau hier fokussiert und als wir als junges Team hier waren, da sind wir auch jeden zweiten Abend noch um die Häuser gegangen. Also 117

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da war ich reichlich unterwegs. […] Später dann als ich in diese andere Zwangslage kam da hab ich gesagt: ‚Äh, muss ich das? Was krieg’ ich davon? Was hat die Bank davon?’ Ne, also wir sind jetzt bekannt genug im Markt, so dass ich das habe sein lassen. […] Es gibt für jeden Anlass gab es hier Veranstaltungen, die von den Banken gemacht worden, in den Guildhalls traf man sich, weil, von dem einen der Vorstand zu Besuch war, und der andere feiert gerade fünf Jahre London mit seiner Bank und so weiter und so weiter, da gab es immer irgendwas und es war im Großen und Ganzen immer wieder der gleiche Klüngel, der sich da traf“ (L13: 108-120). Ein anderer deutscher Finanzmanager drückt dies so aus: „Wenn man wollte, könnte man jeden Abend weggehen mit Kollegen. ... Weil immer irgendwer weggeht, dass ist hier auch so eine Kultur, die gehen abends in den Pub, die jüngeren Alleinstehenden treffen sich, machen das, machen das, ... da mal in den Club oder machen das, aber wenn man Familie hat, ist das eher die Ausnahme, weil dann fährt man abends nach Hause, denn man war lange genug hier“ (L18: 527). Gerade in der anfänglichen Etablierungsphase ist es für die jungen Finanzbeschäftigten nötig, sich an vielen Treffen in der City zu beteiligen. Sind dann die notwendigen sozialen Netzwerke aufgebaut, bzw. „man war lange genug hier“ (L18: 527), so ist ein Großteil der Netzwerkarbeit getan und man kann dieser Anstrengung öfters entfliehen. So berichtet ein seit mehreren Jahren in London arbeitender deutscher Finanzmanager: „Und auch so unter der Woche wird relativ wenig geplant, man geht vielleicht nach der Arbeit gleich weg, auf ein Drink kurz, aber dann trennt man wirklich zwischen Arbeit und Privatleben. Also je älter man wird, am Anfang vielleicht als ich 24, 25 war, da macht man das vielleicht noch nicht so, aber alle ab 30, wenn ich jetzt mal die Leute hier anschaue, ... äh, man arbeitet zusammen als Team hier, aber dann ist es, dann trennt sich das genau, wenn man da die Tür verlässt“ (L14: 58). Arbeitet man dagegen erst für kurze Zeit in der City, so ist es besonders nötig, sich in den unterschiedlichen Maßnahmen der Netzwerkbildung zu engagieren, daher kann man abends gar nicht lange genug in der City sein. Die jungen Finanzmanager sind emsig bereit, für den Aufbau eines Netzwerkes ihre Arbeitszeit zu verlängern und sich so nach den Anforderungen des Zentrums zu richten. Die aufgebauten Netzwerke werden von den Finanzmanagern als Sicherheitsnetz gegen den eigenen Absturz dargestellt. Erst wenn man sich in den Netzwerken etabliert hat, sieht man die Möglichkeit durch Informationskontakte die derzeitige Arbeit erfolgreicher zu bewältigen und sich so den derzeitigen Arbeitsplatz zu sichern. Gleichzeitig erhoffen sich die Finanzmanager durch den Aufbau von Kontakten auch die Chance auf andere Arbeitsstellen, die sie über diese Kontakte erhalten.

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Ort der Distanz – Der rationale, irritationslose Funktionsort Geht man durch die City, so werden die Exklusivität der City und damit auch die notwendige Einpassung an die geforderten exklusiven Eigenschaften auf unterschiedliche Arten bewusst. Auf den Straßen drängen sich verschiedene Mechanismen der Ausschließung auf, die für die deutschen Finanzmanager einen rationalen und exklusiven Ort, einen kühlen Funktionsort, erzeugen. Einen Ort, an dem es so gut wie keine Irritationen des alltäglichen Ablaufs durch die Sichtbarkeit sozialer Randgruppen gibt. Die City wird auf vielfältige Arten für die Finanzmanager zu einem irritationslosen Ort. Zu einem Ort, an dem Begegnungen mit den Anderen auf unterschiedlichen Wegen verhindert werden. Geht man auf den Gehwegen entlang, so fällt es nicht weiter auf, dass sich hier keine Randgruppen aufhalten. Alles erscheint normal, bzw. dem eigenen Image der City entsprechend zu sein. Ein genauerer forschender Blick offenbart jedoch die Strukturen dieser Normalität der City. Die verdeckten und offenen Strukturen in der City werden sichtbar, die diese Normalität der City fühlbar im alltäglichen Handeln erzeugen. Sichtbar weisen so Messingschilder darauf hin, dass die schmalen Gehwege zu einem Teil im Privatbesitz der angrenzenden Gebäudebesitzer sind. Hier herumlungernde Menschen lassen sich ohne weiteres durch die allgegenwärtigen hauseigenen Sicherheitskräfte vertreiben. Durch diese Teil-Privatisierung der Gehwege vor den Bankgebäuden lassen sich in selektiver Weise Personen verdrängen, deren Erscheinungsbild oder Verhalten nicht erwünscht ist. Unerwünscht wie beispielsweise ein Feldforscher, dem ein Wachmann das Photographieren eines Gebäudes von dem Vorplatz untersagte. Auf meine Nachfrage, warum das nicht erlaubt sei, sagte er: „This is private property“ und machte so deutlich, dass infolge der Privatisierung des Ortes nicht nur eine aktive Kontrolle des alltäglichen Verhaltens erfolgt, sondern auch eine Einpassung des Verhaltens eingefordert wird. Durch die spezifische materielle Ausstattung der City werden Irritationen in der City verhindert und die City als rationaler bloßer Funktionsort erzeugt. Das Zentrum findet sich so auch in der Architektur wieder. So lässt die Architektur der Bürogebäude es nicht zu, dass es zu einer Interaktion zwischen dem Innen und dem Außen des Gebäudes kommt. Der Blick in das Gebäude ist von der Straße aus zumeist nicht möglich, entweder schaut man auf die massiven Steinmauern oder auf abweisend wirkendes, verspiegeltes Glas. Auch der Blick hinaus ist ein distanzierter Blick, der fast immer von oben erfolgt. Das Erdgeschoss ist meist soweit angehoben, dass man von den Fenstern aus nur einen unnahbaren Blick auf die Vorbeigehenden erhaschen kann. Eine Kommunikation zwischen dem Innen und dem Außen wird so verhindert. Auch der Gang durch die Straßen in der City ist daher zielstrebig, da rechts und links eingerahmt von uneinsehbaren Gebäuden keine Interaktionen, kein Blickkontakt und kein winkender Gruß zwischen denen, die auf dem Gehweg schreiten und denen, die sich in den Gebäuden aufhalten, möglich ist. 119

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Abbildung 23: Blick vom Gehweg auf Bürogebäude Die schmalen Gehwege zwischen den Gebäuden lassen keinen Platz zum Verweilen, beim Stehenbleiben würde man schnell, mangels Ruhebuchten vor den Gebäuden, zu einem Hindernis der strömenden Fluten werden. 18 Der Vorbeieilende wird in seinem Tempo nicht durch zum Verweilen einladende öffentliche Sitzplätze beirrt oder durch darauf sitzende Obdachlose irritiert. Die wenigen Grünflächen mit einzelnen öffentlichen Ausruhmöglichkeiten befinden sich fast ausschließlich an den Grenzbereichen der City (an der Themse). Wenig überrascht daher auch das Fehlen von öffentlichen Toiletten und somit die Möglichkeit, sich längere Zeit ohne zu konsumieren (und sich so den Zutritt zu einer Toilette, z.B. in einem Café, zu erkaufen) in der City aufzuhalten.

18 Dass schmale Bürgersteige eine soziale Vielfalt und Kontakte verhindern (bzw. breite Bürgersteige Vielfalt ermöglichen) wurde von Jane Jacobs in ihrer Studie „The Death and Life of Great American Cities“ gezeigt (vgl. Jacobs 1963). 120

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Abbildung 24: Metallspitzen auf einer Mauer in Sitzhöhe verhindern das Ausruhen Zur Ruhe kann man fast ausschließlich nur an kommerziell genutzten Orten kommen. Der Eintritt zu diesen Orten, die hohen Preise für ein Essen, einen Kaffee, ein Bier oder ein Sandwich, drücken die Einschränkung des Zutritts in die City aus. Ecken, hinter denen man sich der unmittelbaren Sichtbarkeit auf der Straße entziehen kann, in denen man sich nicht angemessen als Teil der Fluten präsentieren muss, gibt es fast nicht. Auch die auffällige Sauberkeit auf den Straßen und Fußwegen lässt die City als geordneten und kontrollierten Ort wirken. Nicht nur erscheint so die Abstimmung des eigenen Verhaltens an die Regeln der Sauberkeit als eine unmittelbare Folge. Durch die Sauberkeit präsentiert sich die City auch als Ort der Finanzmanager: Einem Milieu, dessen Habitus keine unsauberen Verhaltensweisen vorsieht. „Mittels Sauberkeit werden Räume symbolisch besetzt und angeeignet. Sauberkeit, die bestimmte Gruppen anzieht, soll gleichzeitig andere vom betreten abhalten“ (Wehrheim 2002: 103). Auch die exklusive Gestaltung der Gebäude in der City, die präsentierte Tradition als Zentrum des Empires über klassizistische Architektur und die glatten perfekten Oberflächen lässt die City als Ort wirken, der nur für etablierte Milieus passend ist, 121

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für Milieus, wie das der Finanzmanager, die sich in ihrem Geschmack mit einer solchen Ästhetik identifizieren und sich so selbst als angemessenen Teil des Ortes, als Teil des Zentrums, fühlen können. Daher lässt sich folgern, dass auch wenn ihr Blick auf die auf den Straßen der City allgegenwärtig sichtbaren Überwachungskameras fällt, sich für die Finanzmanager ihr Gefühl, selbst hier passend zu sein, bestätigt.

Abbildung 25: Überwachungskamera an einem Bürohaus in der City of London Die Überwachungskameras 19 zeugen für sie nicht nur davon, dass Bewegungen und Tätigkeiten auf den Straßen der City überwacht werden, sie sind für die Finanzmanager auch gleichzeitig stumme Zeugnisse der Exklusivität des Ortes und zeigen damit auch, dass man selbst in die City passt. Das Wissen der Finanzmanager von der umfassenden Kameraüberwachung durch CCTV 20 in der City ist auch ein Wissen davon, dass diese Überwachung selektiv ist. 19 In der City of London sind pro Quadratmeile 1200 Überwachungsobjektive angebracht (vgl. Seipp 2000), man kann hier von einer flächendeckenden Überwachung ausgehen (vgl. Wehrheim 2002: 84). Insgesamt gilt Großbritannien ebenso wie Singapur als Vorreiter der Videoüberwachung. 20 CCTV oder Close Circuit Television bezeichnet den geschlossenen Kreislauf von mehreren Überwachungskameras und -empfangsgeräten, die zusammen ein Überwachungssystem ergeben. Einige der Kameras können zoomen, erlauben eine Rundumsicht und sind durch Infrarottechnik und Restlichtverstärker auch nachts einsatzfähig. Durch die rasante technische Entwicklung in diesem Bereich ist es schwierig, die derzeitigen genauen Fähigkeiten der Kameras zu benennen, das automatische Verfolgen von Personen über mehrere Kameras ist in 122

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„Even the proliferation of CCTV cameras surveying the city streets do not represent a panoptic gaze, but a selective gaze, focused on those deemed to be ‚out of place‘ and ‘out of time‘“ (Clarke/Bradfort 1998: 875). Sie sehen sich, da sie sich selbst als in die City passend betrachten, nicht durch die Kameras bedrängt. Für die Finanzmanager drückt die Kamera eine Abwehr vor Gefahr und unangenehmen Begegnungen in der City aus. Aus ihrer Perspektive sind die sichtbar angebrachten Überwachungskameras, die Schilder, die auf die Kameraüberwachungen hinweisen und das allgemein gewordene Wissen von der umfassenden Überwachung der City, Ausdruck des eigenen Schutzes vor denjenigen, die nicht in die City gehören und die das Funktionieren des Finanzsystems stören könnten. „CCTV, das heißt Close Circular Television, glaub ich, und ist also eine Überwachung. Auch hier in der City müssen Sie mal drauf achten […] wie viele Kameras hier sind. Das heißt gerade bei den Eingängen von Gebäuden, aber auch, äh, irgendwie dunkle Ecken, das ist ausgeleuchtet teilweise mit Infrarotkameras, das heißt sie können, äh, jemanden der, äh, Cannon Street aussteigt, und sie wissen sie suchen den Mann, den können sie nachverfolgen, wo der lang gelaufen ist. ... Von daher, das nutzt in dem Fall, wenn man in der Situation ist, vielleicht nicht viel, aber es hilft Ihnen nachher bei der Aufklärung und gibt auch ein Gefühl von Sicherheit“ (L1: 216-217). Das Wissen von der Selektivität der Überwachung und der Annahme, selbst nicht von einer solchen Überwachung betroffen zu sein, lässt die Finanzmanager die Kameras nicht als offensichtliche Einschränkung begreifen. Die materiellen Strukturen – wie die Überwachungstechnik – wirken für sie als Erwartungsstruktur, die jedoch auch von ihnen ein angepasstes Verhalten einfordert. Da sich mit dem Gefühl, beobachtet zu werden, auch das Verhalten verändert und an die angenommene Erwartung einpasst (vgl. Goffman 1969), spüren auch die deutschen Finanzmanager in der City mit dem Blick auf die Überwachungskameras21 die Auforderung zur Verhaltensanpassung bzw. eine Bestätigung ihres „passenden“ (vgl. L14: 76) Verhaltens. Für sie ist es weder auf der Straße noch in den Großraumbüros möglich, sich dem Gefühl der Beobachtung zu entziehen. Jedoch empfinden die deutschen Finanzmanager diese nicht bewusst als Einschränkung ihrer alltäglichen Handlungen. Denn der City möglich, möglicherweise auch die automatische namentliche Identifizierung der aufgenommenen Menschen, und ein Überwachungssystem, das automatisch abweichendes Verhalten erkennt und meldet (vgl. Wehrheim 2002: 74ff). 21 Michel Foucault argumentiert, dass durch die materielle Struktur des Panoptikums, den von Bentham entworfenen Gefängnisbau, bei dem alle Zellen von einem zentralem Wachturm aus einsehbar sind, bei den Gefangenen das Gefühl der ständigen Überwachung erzeugt wurde und dies zu Verhaltensanpassungen führte (vgl. Foucault 1976). Die materielle Struktur der sichtbar angebrachten Überwachungskamera erzeugt den gleichen Effekt. 123

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für sie ist die City grundsätzlich ein Ort der Anpassung. Eine Anpassung, die nicht nur für einen Zutritt vorausgesetzt wird, sondern die mit dem Aufenthalt in der City immer wieder auf unterschiedlichen Wegen eingefordert wird. Das eigene Gefühl, in die City zu passen, ist somit direkte Konsequenz davon, die eigene Anpassung an die City erfolgreich absolviert zu haben. Die Anpassungen sind zur alltäglichen Routine geworden. Auch die Konfrontation mit der Überwachungskamera ist für die Finanzmanager die Konfrontation mit einer Struktur der Erwartung, einer Erwartung, deren Anpassung für sie jedoch selbstverständliche Notwendigkeit ist, um in der City, in dem Zentrum, arbeiten zu können. Die City präsentiert sich so für sie als kontrollierter Ort der Anpassung, an dem kleinste Abweichungen (unangepasstes Verhalten) sofort aufgedeckt und geahndet werden. „Auch in den Tubestations, wenn Sie da sind, da haben die einen ganzen Raum voll mit Monitoren und können da auch alles verfolgen. Was weiß ich, da lässt einer mal einen, was weiß ich, ... verschüttet die Cola, äh, kann zwei Sekunden später dann die Durchsage, ja, Putzkolonne da und da hin, und dann, urg, das war ich gerade“ (L1: 219). Die Finanzmanager nehmen die City als einen umfassend kontrollierten und regulierten Ort wahr, einen Ort, an dem nur bestimmte Verhaltensformen zugelassen werden und alles auf das Funktionieren des Finanzsektors ausgerichtet ist. Die City erscheint den Finanzmanagern so als umfassend homogener Ort, als ein von städtischer Heterogenität gereinigter Ort, den Lyn Lofland als Gegenort 22 beschreibt (vgl. Lofland 1973): „Counterlocales may be defined as locales to which both entry and behaviour are monitored and controlled so as to reduce the possibilities for discomforting, annoying, or threatening interactions. Stated another way, counterlocales are ‚purified‘ or ‚sanitized‘ locales“ (Lofland 1973: 209). Er erscheint als ein Ort, der die Finanzmanager in Komfort hüllt, sie vor den Anstrengungen, die in der Konfrontation mit dem Anderen liegen, verschont und lästige Reize einer komplexen urbanen Erfahrung unterdrückt. Es entstehen so „Wahrnehmungsmauern um das Ich“ (Sennett 1997: 451). Die besondere Struktur der City (ihre Materialität, ökonomische Regulation) bewirkt somit, dass die Finanzmanager nicht in ihrem schnellen Gang gestört werden und ihre Wahrnehmung von Menschen, die nicht in dem Finanzsektor beschäftigt sind, sehr eingeschränkt wird. Die City vermittelt den deutschen Finanzmanagern den Eindruck, dass hier alles darauf ausgerichtet ist, dem Funktionieren der City zu dienen. So führt ein Finanzmanager aus: „Es lebt halt von den Banken und den Leuten, die hier halt arbeiten, und es ist

22 Beispiele für solche Orte stellen Themenparks und Shopping Malls in den USA (vgl. Davis 1999; Zukin 1991; Sorkin 1992) oder auch der Marlene Dietrich Platz (Teil des Potsdamer Platzes) in Berlin (vgl. Frers 2006) dar. 124

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halt wirklich nur drauf ausgerichtet, dem zu dienen; also tagsüber und vielleicht noch für ein paar Drinks abends“ (L15: 298). Alles, sowohl die Struktur der City, als auch die Struktur der eigenen Person, ist in der Wahrnehmung der Finanzmanager dem Funktionieren des Finanzzentrums untergeordnet. Wer nicht der City dient, wird auf verschiedenen Wegen aus der City gedrängt, so wie die hier Funktionslosen. Selbst die Finanzmanager sind sich der Gefahr der Verdrängung aus der City bewusst – nur wenn sie selbst sich angemessen und angepasst verhalten, ist ihr Aufenthalt hier möglich. Der Andere bleibt in der City für die deutschen Finanzmanager ein unsichtbarer Teil der in die City strömenden Menschenfluten. An dieser Stelle möchte ich noch einmal die schon oben angeführten Interviewsequenzen benutzen. In ihnen wird nicht nur die mitreißende Hektik der City ausgedrückt, sie bezeugen auch gleichzeitig, dass die City für die deutschen Finanzmanager ein Ort des distanzierten Umgangs miteinander ist. Ein Ort, der darauf ausgerichtet ist, alles für das Funktionieren der Finanzwirtschaft zu tun, und der keine Störung des rationalen Ablaufs zulässt. Für die deutschen Finanzmanager entsteht so der Eindruck, dass sie sich hier an einem kühlen Ort der persönlichen Distanz befinden. Dies stellt sich für einen Interviewpartner, auf dem Weg zur Arbeit so dar: „Versuchen Sie mal jemanden anzulächeln, sie bekommen selten ein Lächeln zurück“ (L1: 375). Die Finanzmanager sehen sich selbst als Teil einer Masse, die alles für das Funktionieren des Finanzsektors macht. Das Individuum verschwimmt in ihren Beschreibungen in den bewegten Menschenfluten. „Ich komme dann mit [...] sehr, sehr vielen Leuten an, [...] wenn ich in die City komme, es kommen Menschenfluten in die Stadt, weil ja die Leute auch von weit außerhalb kommen und London im Gegensatz zu Deutschland ist ja ’ne Metropole, das heißt alle Leute strömen in die Stadt morgens rein, abends raus“ (L4: 339-341). Angehörige anderer Arbeitsgruppen, also die Differenz in der Sozialstruktur der City, werden von den Finanzmanagern nicht wahrgenommen, sie bleiben in ihren Erzählungen eine Leerstelle. Der Eindruck von der City als Ort, an dem alles auf das Funktionieren des Finanzsektors ausgerichtet ist, führt zu einer selektiven Wahrnehmung der Finanzmanager, die durch ihre Bekleidung und ihre Bewegungen sich differenzierenden Arbeitsgruppen werden von ihnen nicht wahrgenommen. Die blau gekleideten Männer, die im Trading Floor die Papierkörbe ausleeren, die hinter den Tresen stehenden mit grünen Kitteln bekleideten Beschäftigten der StarbucksFilialen, die Straßenreinigungskräfte, die Taxifahrer, Lieferanten, Fahrradkuriere, Bauarbeiter, Wachleute und die Pub- und Restaurantbediensteten bleiben für sie ausgeblendet. Obwohl diese für das Funktionieren der City ebenso nötig sind, verdeutlicht sich ihre Relevanz nicht im Alltagsbezug der deutschen Finanzmanager. In der City sieht man sich als Teil der Gruppe der erfolgreichen Finanzbeschäftigten: Haben diese am Abend oder am Wochenende die City verlassen, sind die Bars, Restaurants und Büros geschlossen, so wird sie demzufolge, trotz der ab 20 Uhr arbei125

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tenden Reinigungskräfte, Bauarbeiter und Umzugshelfer, als ausgestorben gesehen. Die wenigen auf den Straßen arbeitenden Reinigungskräfte werden so ausgeblendet. Die City erscheint in ihrer Wahrnehmung ausschließlich als Ort der Finanzmanager: „Das ist wie ausgestorben abends und am Wochenende auch, […] das ist schon ein bisschen unheimlich, schon ein bisschen merkwürdig, weil man hat, man kennt das anders aus anderen Großstädten, wo dann immer noch sehr viel los ist, aber wenn die Leute nach Hause gegangen sind, ist das ’ne reine Mutantenstadt im Prinzip“ (L4: 427). „Der Finanzbereich hier, der ist unter der Woche brechend voll und am Wochenende komplett ausgestorben, also da sehen sie keinen Mensch mehr auf der Straße. Da hat auch nichts geöffnet. Da hat kein Supermarkt, kein Sandwichshop auf. Also es ist wirklich tot hier“ (L12: 268-270).

Abbildung 26: Umzugshelfer in der City am Sonntag Da es in der Wahrnehmung der Finanzmanager in der City allein um das Geschäft geht, alles darauf ausgerichtet ist dem Funktionieren des Finanzwesens zu dienen, wird die City zu einem Ort der Distanz, zu einem Ort der rationalen Freundlichkeit, deren einziges Ziel es ist, sich in der City nutzbringende Netzwerke aufzubauen. 126

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L18: „Also das networking ist eigentlich sehr intensiv, hier wesentlich intensiver als in Deutschland, ist eine ganz andere ..., äh, ja, ... Kultur sowohl im geschäftlichen Sinne, wesentlich anders, äh, im privaten Bereich, ... muss man sich einfach nur an die englische Art und Weise gewöhnen, äh, und dann geht das auch.“ I: „Englische Art und Weise?“ L18: „Ich find die haben einen speziellen englischen „sense of humor“ der doch ziemlich, der ziemlich trocken manchmal ist, und woran man sich gewöhnen muss, dass die immer nett sind eigentlich und alles mögliche machen wollen mit einem, ... aber das gar nicht meinen, sondern einfach nur nett sind. Aber wenn ich zu einem sag, als Beispiel: „Mensch, wir müssen uns unbedingt treffen, wir müssen unbedingt was zusammen machen, das wäre ja so toll“ und das in Deutschland sage, dann wird das auch gemacht. Hier ist das aber eine Floskel, das ist genauso wie: „Wie geht’s, how are you“. Das interessiert eigentlich gar keinen, übertrieben. Es wird aber trotzdem, die Zeremonie wird aber immer wieder gemacht“ (L18: 315-323). Für die deutschen Finanzmanager ist in der City das Persönliche verborgen, die Wohnungen des Anderen sind unsichtbar, denn hier ist alles, auch die Freundlichkeit, auf das Funktionieren des Geschäfts ausgerichtet. „Ich denke, es gibt halt unterschiedliche Kulturen. Außerdem beschweren sich Engländer nicht so viel wie Deutsche. In Deutschland war es so, wenn es Probleme gab, oder es stand eine Veränderung bevor, dann wurde erstmal getuschelt, es wurde noch mehr Tee getrunken, als soundso schon Tee getrunken wurde, alle waren unzufrieden, haben sich aufgestachelt, alle waren njeee, und man hat’s jedem angesehen. Und hier sieht man denen das nicht an. […] Man verbirgt mehr. Und was jetzt das Interessante ist, dadurch, dass London so groß ist, ist es eher untypisch, dass man Kollegen nach Hause einlädt. Hier ist es, man geht direkt nach der Arbeit los, trinkt ein Bier, weil dann wollen die nach Hause, meistens fahren die ne Stunde. Wenn jetzt nicht grad ein Kollege in der Nähe wohnt, mit dem man sich trifft, lädt man die eigentlich nicht ein. Wegen der Distanzen“ (L6: 183-185). Nicht nur die geografischen Distanzen zwischen City und Wohnort verändern die Art der sozialen Beziehungen in der City. Distanzen lassen sich auch in den Beziehungen selbst finden. In der City verbirgt man mehr und ist auf fühlbarer Distanz zueinander. Auch in der City lässt sich eine gewisse soziale Heterogenität finden, die allerdings nicht von den Finanzmanagern wahrgenommen wird. Diese Wahrnehmung wird zum einen durch das Image, mit dem die deutschen Finanzmanager der City begegnen, verhindert: Die City als das Zentrum. Zum anderen verhindert die Selbstpräsentation der City, ihre Materialität und Struktur, nicht nur Heterogenität, sie schränkt auch die Sicht auf vorhandene Heterogenität ein. Die City wird so für die deutschen Finanzmanager zu einem kühlen Ort, einem Ort, der als reiner Funktionsort globaler Zentralität wirkt, an dem sich alles dieser Funktion unterordnet und daher auch nur diejenigen gesehen werden, die direkt seiner Funktionalität dienen. Die City ist voll von Zeichen, die die Anderen aus der Unterschicht zum Fortgehen auffordern (vgl. dies am Beispiel von Los Angeles bei Davis 1999: 261ff.). Gleichzeitig ist sie auch voll von Zeichen, die diejenigen, die in der City sind (die 127

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deutschen Finanzmanager) zum Anpassen auffordern und somit bedrängen. Damit erleben auch die Finanzmanager die Einschränkungen des nicht vorhandenen öffentlichen Raums. Sie müssen sich an die City anpassen, Verhaltensvariationen wie sie der öffentliche Raum akzeptiert, bzw. wie sie einen öffentlichen Raum entstehen lassen, sind hier nicht zulässig. Auch wenn die Finanzmanager sich nicht aus der City ausgeschlossen oder verdrängt fühlen, sondern ganz im Gegenteil diejenigen sind, die eingeschlossen werden sollen – die in die City passen –, sind auch sie der Anforderung nach Anpassung ausgesetzt. Diese wirkt in der City umso deutlicher, da die City fast monokulturell und rein funktional wirkt und so besonders der Eindruck entsteht, dass kleinste Abweichungen und Unangepasstheiten sofort sichtbar sind und geahndet werden. So lassen sich auch für die Finanzmanager in der City nicht die angenehmen Seiten des öffentlichen Raumes, oder wie Henri Lefebvre es sagen würde, die Möglichkeiten des Spieles und des Untertauchens in einer komplexen Umwelt erleben. Er führt aus, dass: „The human being has the need to accumulate energies and to spend them, even waste them in play. He has a need to see, to hear, to touch, to taste, and the need to gather these perceptions in a ‚world‘“ (Lefebvre 1996a: 147). Auch für die Finanzmanager stellt der kontrollierte Raum, die Ausrichtung auf das Funktionieren des Finanzwesens, eine Belastung dar, denn er fordert auch sie auf, sich anzugleichen und sich beständig der Struktur der City, aber auch ihrer Vorstellung von der City als dem Zentrum zu beugen. Die Finanzmanager nehmen die City somit als rein funktionalen Ort für das Tagesgeschäft der Bankbeschäftigten und ihrer Unternehmen wahr, als rationalen und kühlen Funktionsort globaler Zentralität. Ihre Handlungen und Emotionen passen sie in diesen Ort ein.

Fazit: Das Einpassen der deutschen Finanzmanager in die City of London Ich konnte in diesem Kapitel zeigen, wie die deutschen Finanzmanager ihr alltägliches Handeln und ihre Gefühle an die Strukturen und an das Image, mit dem sie der City begegnen, einpassen. Die deutschen Finanzmanager begegnen der City of London mit dem Image eines traditionell fundierten international mächtigen Zentrums. Dessen hohe Entwicklung und Bedeutung lässt die City in ihrer Perspektive zu dem Herz einer sie „faszinierenden“ „Weltstadt“ (L19: 224-228) werden. In ihrem Kontakt mit den Strukturen der City und in ihrem Erleben der Atmosphäre des Ortes werden sie alltäglich mit stilisierten historischen Bauten konfrontiert, die ihr Bild vom traditionell bedeutsamen, hochkulturellen Zentrum bestätigen. Mit ihrem eigenen Eintritt in die City fühlen die Finanzmanager sich beeindruckt und geehrt, dass sie es geschafft haben, nun selbst zu einem Teil dieses Zentrums geworden zu sein.

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Die Bedeutung, die sie der City beimessen, fühlen sie so als eigenen Konkurrenzvorteil im beruflichen Wettbewerb. Aber sie fühlen damit einhergehend auch eine Bedrängung der eigenen Person: Um in der mächtigen City dazugehören zu können und damit selbst zum Zentrum zu werden, sehen sich die Finanzmanager in der City der Erwartung ausgeliefert, sich in den eigenen alltäglichen Handlungen in die City anzupassen. Eine Erwartung, die sich auch in Wechselwirkung mit den im eigenen Handeln erlebten Strukturen der City ergibt. Der Tagesrhythmus der City und das Strömen der Menschen entlang der engen Bürgersteige – ohne Ablenkungen von der Seite, entlang der nichteinsehbaren Büros und der fehlenden Ruheplätze – treibt sie dazu, auch zu einem Teil der ruhelosen „Menschenfluten“ (L4: 339) zu werden. Die deutschen Finanzbeschäftigten passen sich nicht nur in ihrer Kleidung und in ihrem Tagesablauf dem Rhythmus und der Atmosphäre der City of London ein, sie spüren auch die hektische Atmosphäre des Ortes, die schnellen Bewegungen auf der Straße oder in den Trading Rooms und passen ihre Handlungen und Emotionen darin ein. Als Teil der in die City strömenden „Menschenfluten“ übernehmen sie die zügigen Bewegungen und spüren die Hektik, die das Überqueren roter Fußgängerampeln und den nicht auf das Individuum gerichteten Blick nahe legt und ein ruhiges Mittagessen nicht zulässt. Die eigene Identitätsbildung, das Deutschsein in der Performance des ruhigen Mittagessens, das sich als mittägliches Hungergefühl tief in den Körper eingeschrieben hat, ordnen sie den Anforderungen der mächtigen City unter oder sie versuchen sich durch widerspenstige Praktiken diesen Anforderungen zu widersetzen. Anforderungen, die sich sowohl aus ihrem Image von der City – die machtvolle Stadt erfordert ihre Einpassung – und aus den hier erlebten Strukturen, wie z.B. den fehlenden Mittagskantinen, ergeben. Ihre im alltäglichen Handeln ausgebildeten Identitäten der Männlichkeit und der globalen Elite scheinen mit den fordernden Strukturen und der Materialität der City in Einklang zu stehen. Hier können sie ihre Identität als flexible, arbeitsbereite, wagemutige, sozialkompetente, interessierte globale Elite ausleben, die City fordert sie geradezu auf, diese Identitätsmuster anzunehmen. Damit geraten die Finanzmanager jedoch in einen Konflikt zu ihrem Deutschsein. Wie gezeigt resultieren die Anforderungen zur Einpassung zum einen aus den Bildern, mit denen die Finanzmanager der City of London begegnen, und die ihre Begegnungen mit den Strukturen des Ortes beeinflussen, und zum anderen aus der Macht des Ortes, die in Form seiner materiellen Strukturen und Ausstattungen, seines Tagesrhythmus, seiner Atmosphäre, der Art seiner Regulation und seiner soziale Zusammensetzung für die Finanzmanager spürbar wird. Die City erscheint den Finanzmanagern somit als mächtig; Nach außen als traditionelles Zentrum des Empire, als das globale Steuerungszentrum und nach innen als machtvoller Ort, der von ihnen eine beständige Einpassung im Alltag einfordert. Die Exklusivität der City, des Zentrums, ist für die Finanzmanager nicht nur als Image, mit dem sie der City begegnen, vorhanden. Sie wird, wie gezeigt, auch mit dem Überschreiten der Grenze und dem Eintreten in die City für sie spürbar. Ist die 129

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Grenze überwunden, so beeindruckt die City sie durch die Darbietung von Exklusivität. Nicht nur in der formellen Bekleidung der Finanzmanager, ihren geschäftigen Bewegungen, den hohen Restaurantpreisen, der Ausrichtung aller geschäftlichen Aktivitäten auf den Finanzsektor, der Sauberkeit der Straßen oder den mächtigen Gebäuden, sondern auch in konkret eingeforderten Zugangsberechtigungen wird die City für die deutschen Finanzmanager ständig als Ort eines limitierten und exklusiven Zutritts erlebt. Das Bild von der City als Zentrum, aber auch die materielle Selbstpräsentation der City, wie die Allgegenwart von Zugangs- und Überwachungstechniken in der Form von sichtbaren Überwachungskameras auf den Straßen, Drehkreuzen am Eingang der Bankgebäude oder Eingangsberechtigungen in Form von Pässen sorgen dafür, dass die City von den Finanzmanagern als exklusiver Ort erlebt wird. Die Exklusivität des traditionellen Zentrums wird für die Finanzmanager damit nicht nur als ein beeindruckendes Gefühl spürbar, die City ist für sie emotional auch als ein kühler Ort spürbar, indem „alles nur darauf ausgerichtet ist, dem Finanzsektor zu dienen“ (vgl. L15: 298).

Arbeiten im Central Business District in Singapur – Den kolonialen Außenposten erfahren Der größte Teil des Finanzbereichs in Singapur und damit auch der Arbeitsort meiner Interviewpartner konzentriert sich im Central Business District (CBD), einem zentralen Bereich, der südlich an den Singapore River und den Colonial District anschließt, im Westen in den District Chinatown übergeht und im Osten an den Tanjong Pagar Container Terminal sowie den sich dort im Bau befindlichen New Central Business District angrenzt. Der CBD ist nicht so klar wie die City of London von den umliegenden Distrikten abgegrenzt. Auch in dem District Chinatown und dem Colonial District befinden sich Bürohochhäuser, in denen die deutschen Finanzmanager arbeiten, oder Gebäude, die sie in ihrem Arbeitsalltag besuchen. Ich werde mich daher in diesem Kapitel immer wieder auch diesen angrenzenden Orten nähern. Bei einem Gang durch den Central Business District begegnet man neben den in den Hochhäusern arbeitenden Dienstleistungsbeschäftigten beispielsweise auch den in den benachbarten restaurierten chinesischen Shophouses wohnenden Chinesen, indischen Bauarbeitern oder Touristen, die vom nah angrenzenden Colonial District die Brücke zum CBD überquert haben, am Ufer des Singapore River entlang und vorbei an den Restaurants und Kneipen am Boat Quay oder am Clark Quay entlangschlendern und dort ebenso wie einige der in den direkt dahinter angrenzenden Hochhäusern arbeitenden Dienstleistungsbeschäftigten etwas Essen oder Trinken. Auch bei einem Gang hinein in den CBD, weg vom erholsamen Ufer des Singapore Rivers, hin zu den Bürohochhäusern, bieten sich an den Straßen immer wieder kleinere bepflanzte Parkanlagen an, unter deren Schatten spendenden Gewächsen sich 130

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Schutz vor der hier nah des Äquators stechenden Sonne finden lässt. Entlang der Bürohochhäuser mit ihren glatten Fassaden und entlang der sauberen Straßen und Fußwege (deren Sauberkeit aus einem anderen Stadtviertel Singapurs kommend mir jedoch nicht besonders auffällt, da alle von mir besuchten Orte scheinbar beständig gereinigt werden) gibt es immer wieder die Möglichkeit, sich in ein so genanntes Hawker Center zum Essen zu begeben oder von einer schattigen Bank aus die sich in der Tageshitze recht langsam durch den CBD bewegenden Fußgänger und Finanzmanager zu beobachten. In diesem zentralen Stadtteil um den CBD konzentriert sich ein Großteil der über 700 Finanzinstitutionen, die sich in Singapur befinden. Blickt man auf die Firmenzeichen an den Bürohochhäusern oder sieht die Schilder der einzelnen Finanzunternehmen in den Eingangsbereichen der Hochhäuser, so wird offensichtlich, dass hier auch viele internationale Finanzunternehmen ihre Büros haben. Der Befund, dass von den 133 Banken, die es 2001 in Singapur gab, 125 ausländische Banken (vgl. Beaverstock 2002: 526) sind, überrascht daher nicht. Viele der im Jahr 2000 in Singapur lebenden 110.000 „foreign talents“ (vgl. Yeoh/Huang 2004: 317), die aus Europa, Nordamerika oder Japan zur Arbeit hierher kamen, arbeiten im CBD und in den umliegenden Bereichen als qualifizierte Dienstleistungsbeschäftigte. Von den ca. 3.800 Deutschen, die 2004 in Singapur leben (Auskunft der deutschen Botschaft in Singapur vom September 2004), arbeitet ein Teil als hoch qualifizierte Dienstleistungsbeschäftigte in diesem zentralen Bereich von Singapur. 23 Da Singapur eine kompakte Stadt mit einer hohen Einwohnerdichte ist 24 und über eine hoch entwickelte Infrastruktur verfügt, ist das Finanzviertel schnell erreichbar. Die Ankunft mit der hochmodernen und klimatisierten singapurischen U-Bahn, der Mass Rapid Transit (MRT) an der zentralen Station im CBD, dem Raffles Place, und das Verlassen der unterirdischen Station ist körperlich durch den enormen klimatischen Unterschied zwischen der angenehmen Kühle in der U-Bahn und dem heiß-schwülen tropischen Klima auf dem Raffles Place spürbar. Der schnelle Gang durch die kühlen Gänge wird hier zu einem behutsamen Schlendern unter freiem Himmel. An diesem Platz, der von hohen Bürohochhäusern eingerahmt ist, so dass der Himmel nur durch einen Blick in die senkrechte sichtbar wird, fallen neben den glatten Hochhäusern nicht nur die kolonialen Spuren in Form der neoklassischen 23 Über die genaue Anzahl der als Finanzmanager in Singapur arbeitenden Deutschen gibt es laut der Auskunft der Deutschen Botschaft in Singapur keine Daten. 24 Gegenüber einer Fläche von 1579 km² und 7,2 Millionen Einwohnern in Greater London im Jahr 2001 weist der Inselstaat Singapur im Jahr 2006 bei einer Einwohnerzahl von 4,5 Millionen eine Fläche von nur 699 km² auf, von der 23% als Wald oder als Naturreservat und damit nicht als Stadtgebiet einzuordnen sind (vgl. Singapore Department of Statistic 2007). Die Stadt Singapur weist also mit 538 km² etwa nur 30% der Fläche Londons, aber 63% der Einwohnerzahl auf. Die Bevölkerungsdichte Singapurs ist damit erheblich höher als in London (4559 Ew/km² in London gegenüber 6437 Ew/km² in Singapur). 131

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

U-Bahn-Ausgänge, sowie die modernen Kunstskulpturen und die grünen Pflanzen, sondern auch einige Geschäfte ins Auge. Anders als an der Tubestation Bank in London stehend, fühle ich mich trotz der Eingezwängtheit des Raffles Place in die enge Architektur der im Vergleich zur City of London viel höheren Bürogebäude, recht entspannt: Anders als im symbolischen Herz des britischen Empires (vgl. Jacobs 1996: 38) befinde ich mich hier am Rande, im CBD von Singapur.

Abbildung 27: MRT Station am Raffles Place

Die entspannende Fahrt in den Central Business District Vor dem Hintergrund meiner Erfahrung mit der Anfahrt in die City of London war die Fahrt zu meinem ersten Interviewpartner im CBD für mich in zwei Aspekten irritierend: Zunächst war ich von den klimatischen Bedingungen beeindruckt und versuchte mich möglichst lange in den angenehm kühlen Gängen des MRT und den daran anschließenden Shopping Malls zu dem Interviewort zu bewegen. Ich passte mich in meinen Handlungen in die Struktur des Ortes ein: Ich passte mich an das Klima, an die durch eine materielle Struktur geschaffene Möglichkeit durch klimatisierte Gänge zu gehen und an das Verhalten der Anderen an. Wie notwendig und gut dies möglich war, um dem heiß-schwülen Klima außerhalb des klimatisierten Bereichs zu entkommen, erschloss sich mir erst im direkten körperlichen Kontakt mit 132

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dem Ort. Der vorherige Orientierungsblick auf eine Karte stellte die Situation anders dar; das es möglich ist nicht unter freiem Himmel entlang der Straßen zu gehen wurde mir erst mit dem Verlassen der MRT und dem Strömen der Menschen durch die klimatisierten Gänge deutlich. Ein von mir nach dem Weg angesprochener Finanzmanager zeigte mir den 20-minütigen Weg durch die Gänge der Shopping Malls, entlang der Schaufenster und der Tische, der in den Kaffees verweilenden Menschen. Nur eine kurze Wegstrecke mussten wir unsere Körper dem freien Himmel und der Sonne aussetzen. Diese kurze Wegstrecke im Freien war nötig, da sich ein Teil der klimatisierten Gänge im Umbau befand, wie mir mein freundlicher Helfer etwas entschuldigend berichtete. Von den klimatisierten Gängen der Shopping Malls oder der MRT Unterführungen gelangte ich so meist direkt, ohne den klimatisierten Raum zu verlassen, zu den Arbeitsplätzen meiner Interviewpartner. In den Fällen, in denen ich einen Weg außerhalb der Gebäude nehmen musste, passte ich mich recht schnell an die Verhaltensformen der sich hier bewegenden Menschen und die bereitstehende Architektur ein. Die im Stil chinesischer Shophouses gebauten Hochhäuser, deren erste Etage über den damit schattengeschützten Gehweg hinausragen, bieten mir, den FußgängerInnen und deutschen Finanzmanagern, dankbar genutzte materielle Strukturen an, in die das alltägliche Handeln eingepasst wird: Klimatisierte Bereiche werden dem Freien vorgezogen, muss man sich doch einmal draußen aufhalten, so wird zielstrebig und möglichst dauerhaft der schützende Schatten aufgesucht.

Abbildung 28: Hochhausdurchgang im Shophousestil 133

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Neben dem beeindruckenden Klima war ich auch von der hoch entwickelten Infrastruktur überrascht, den sehr sauberen, klimatisierten und schnellen U-Bahnen, die hoch technisiert und ferngesteuert ohne FahrerIn pünktlich und schnell ihr Ziel erreichen. Diese Irritation ergab sich durch eine Unstimmigkeit zwischen dem von mir der Stadt Singapur entgegengebrachten Image als ein ehemals kolonialer, im Vergleich zu den urbanen Zentren des Westens weniger entwickelter Außenposten und den im direkten Kontakt mit dem Ort erlebten modernen Strukturen, die gerade im Vergleich zu den Erfahrungen in London einen hohen Entwicklungsstand Singapurs bezeugen. Im Einpassen in den Singapurer CBD wird für mich eine Irritation fühlbar, die sich auch für das Einpassen der deutschen Finanzmanager im weiteren Verlauf dieses Kapitels als wichtig erweisen wird: Das Image, mit dem sie Singapur begegnen, entspricht nicht den von ihnen im alltäglichen Handeln konkret erlebten Strukturen des Ortes. Die deutschen Finanzmanager fahren mit einem Taxi, dem Bus, dem MRT, einem eigenen Auto, einem Shuttlebus, der sie von der Wohnanlage (Condominium) abholt oder auch mit einem eigenen Chauffeur direkt zu ihrem Arbeitsort, parken dort das Auto in einer Garage in ihrem Bürohochhaus oder gehen vom klimatisierten Taxi nur einige Meter über den Bürgersteig in das Gebäude hinein. Für sie ist die Fahrt von ihrem Wohnort zum Arbeitsplatz im CBD, ganz anders als die Fahrten der deutschen Finanzmanager in London, eine eher kurzweilige und nicht weiter erwähnenswerte Aktivität. Keiner meiner Interviewpartner in Singapur hat eine Anfahrtzeit, die über eine Dauer von 30 Minuten hinausgeht. Einer sagt: „Ich brauche eine Viertelstunde, zwanzig Minuten. […] Das ist kein Problem, Singapur ist klein“ (S3: 155-157). Die Finanzmanager erleben die Überwindung der geografischen Distanz in Singapur eher als eine komfortable Angelegenheit. So berichtet ein Interviewpartner von seiner täglichen Anfahrt in den CBD: „Ich fahre morgens von meiner Wohnung. Ich fahre mit dem Shuttlebus, der hält direkt vor der Tür und ich komme direkt mit dem Shuttlebus ins Office. Das ist wunderbar, dauert in der Regel zwanzig Minuten“ (S6: 217-221). Die deutschen Manager passen sich in die Strukturen Singapurs, in die hohe bauliche Dichte der Stadt –„Singapur ist klein“ (S3: 157) – und die hoch entwickelte Infrastruktur ein. Für sie ist dieses Einpassen auch emotional und körperlich spürbar. Sie empfinden die Fahrten, im Gegensatz zu denen in London, nicht als nervige Anstrengung, sondern eher als eine entspannende Handlung. Dabei werden für sie die Fahrten in den klimatisierten Verkehrsmitteln gerade im Kontrast zu den als körperlich belastend empfundenen klimatischen Bedingungen unter freiem Himmel als körperlich entlastend spürbar. „[Dann] bestelle ich mir morgens ein Taxi, komme die Treppe runter, steige ins Auto rein und fertig, ja. Bei der Feuchtigkeit, bei den Temperaturen tue ich mir das nicht an, da noch eine Viertelstunde in der Gegend rum zu laufen oder irgendwo [auf einen Bus] zu warten, sonst kann ich grad ein frisches Hemd anziehen, wenn ich hier bin“ (S4: 153). 134

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Anders als ein morgendlicher Spaziergang entlang der Themse – von den Docklands in die City of London und der gerade im Gegensatz zu den anstrengenden Fahrten in der Tube wie ein Kurzurlaub empfunden wird, ist für die Finanzmanager in Singapur die Situation umgekehrt: Sie empfinden hier die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht als belastend – ganz im Gegensatz zu einem Gang unter freiem Himmel. Obwohl der MRT in der Rushhour stark gefüllt ist, berichten die deutschen Finanzmanager nicht davon, dass sie die körperliche Nähe zu den SingapurerInnen mit einem Gefühl des Unbehagens verbinden. Sie fühlen sich in dem MRT an einem hochregulierten Ort; die demonstrativ sichtbaren Verbotsschilder, die technisch hochgerüsteten Bahnen und ihre extreme Sauberkeit zeugen von der Ordnung und Kontrolle des Ortes. Dies führt dazu, dass die deutschen Finanzmanager ihren Aufenthalt in dem MRT als unproblematisch und „wunderbar“ (S6: 221) empfinden (zur Verbindung zwischen Sauberkeit und Ordnung, vgl. Douglas 1966; zur Verbindung von Sauberkeit und Kontrolle, vgl. Sibley 1995; Wehrheim 2002). Dass beispielsweise in dem MRT – anders als in den Londoner Vorortzügen – keine Graffitis sichtbar sind, weist den Ort als kontrolliert und geordnet aus (vgl. Cresswell 1996). Die Studie von Tim Cresswell zeigt aber auch, dass Graffitis in Abhängigkeit vom Ort wahrgenommen werden. So werden beispielsweise die Graffitis an der Berliner Mauer anders als solche in New York City empfunden: Während sie in Berlin als Zeichen von Freiheit gelesen werden, stehen sie in New York für Zeichen von Bedrohung. Das Gefühl, das an einem mit Graffiti versehenen Ort entsteht, erfolgt also auch in Abhängigkeit zu dem Image mit dem diesem Ort begegnet wird. Dieses Image, mit dem die deutschen Finanzmanager dem MRT, dem CBD und den Personen an diesen Orten in Singapur begegnen, ist ein anderes als das Image, mit dem sie der City of London, der Tube und den Menschen dort begegnen. Auch wenn es in dem MRT in Singapur keine Graffitis und keinen Dreck gibt, so sind doch die Anderen, denen die deutschen Finanzmanager in der Londoner Tube mit einem Unbehagen begegnen, auch in Singapur nicht immer frisch gewaschen. Die Anderen in Singapur werden jedoch trotz der körperlichen Nähe während der Rushhour von den Finanzmanagern nicht als besonders unangenehm oder bedrohlich dargestellt.

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Abbildung 29: Rushhour in dem MRT Für das unterschiedliche Empfinden der deutschen Finanzmanager in der Enge der Züge in London und in Singapur lassen sich verschiedene Ursachen finden, die in der Struktur des Ortes und in dem Image, mit dem die deutschen Finanzmanager dem Ort und den Anderen begegnen, liegen. Ihr Einpassen erfolgt in Abhängigkeit zu diesen Images und Strukturen. Sie passen sich in den Ort – der singapurische MRT – ein, ihr alltägliches Handeln erfolgt in Wechselwirkung mit der Struktur des Ortes und mit den diesem Ort entgegengebrachten Images. Dieses Einpassen erfolgt auch in Abhängigkeit von der den Ort regulierenden politischen Struktur, die sich auch aus den spezifischen Erzählungen nationaler Identität speist. Der Staat Singapur präsentiert sich als ein Nationalstaat, in dem es im Wesentlichen keine sozialen Kämpfe und Auseinandersetzungen gäbe. Gerade die Erzählung der ethnischen Konflikte zwischen malayisch und chinesisch Stämmigen zu Beginn der 1960er Jahre dient dazu, die Gefahr einer inneren Spaltung des Landes zu demonstrieren und damit autoritäre politische Strukturen mit dem Ziel einer inneren Befriedung und Sicherung des Nationalstaates zu legitimieren. Anders als in London werden soziale Kämpfe in Singapur daher nicht offen ausgetragen und Demonstrationen oder Streiks restriktiv verhindert. Der Staat Singapur steht zwar kapitalistischer Entwicklung offen gegenüber, lehnt aber, mit der Begründung einer Gefährdung der Gemeinschaftsorientierung und des sozialen Zusammenhalts, den mit dem Westen verknüpften liberalen Individualismus ab. Die Schaffung einer singapurischen Werteidentität über Prinzipien wie harte Arbeit, Sparsamkeit, Harmonie, Respekt vor Bildung und Autoritäten definiert sich somit in der Annahme, aber auch in der Abgrenzung zu westlichen Werten (vgl. Brown 1998: 42; Sie Kok Hwa 1997: 332). 136

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Damit präsentiert sich Singapur als ein Staat, der den kapitalistischen Marktkräften den asiatischen Wert einer sozialen Harmonie entgegensetzt (vgl. Beng-Huat 1998: 988f). Gerade die Herstellung dieser sozialen Harmonie, auch durch einen allgemeinen Wohlstandszuwachs, gilt als Basis für die Absicherung des politischen Führungsanspruchs der Regierungspartei PAP, denn „people with jobs and a full stomach, to rephrase Lee, do not throw barricades in the street“ (Yao 2007: 52). Der Diskurs von einer sozial harmonischen singapurischen Gesellschaft, der sich auch in dem Bau von staatlichen Wohnungen durch das Housing and Development Board (HDB) materialisiert, sowie in der staatlich festgelegten kleinräumigen Mischung unterschiedlicher Ethnien und Einkommensgruppen in den Wohnvierteln und in einem breiten Wohlstandsgewinn der Bevölkerung seinen Ausdruck findet (vgl. Perry/Kong/Yeoh 1997), leitet auch das Empfinden der deutschen Finanzmanager in Singapur: Sie fühlen sich hier sicher und unbedroht, der Geruch der Anderen wird somit in ihrer Wahrnehmung nicht zu einem unangenehmen Geruch, der sich zu einem Gefühl der Bedrohung zuspitzt. Zu dem Gefühl der Sicherheit und Unbedrohtheit, das die deutschen Finanzmanager in dem MRT und im CBD, aber auch allgemein in Singapur spüren, trägt vermutlich auch die Begegnung mit den Anderen in Gestalt der asiatisch Stämmigen, denen bestimmte Identitäten zugeschrieben werden, bei. Die deutschen Finanzmanager begegnen den Anderen in Singapur mit anderen Identitätszuschreibungen als den Anderen in London. Ihre Wahrnehmung und ihre Emotionen im Kontakt zu den Anderen in dem Singapurer MRT wird dabei gelenkt durch Stereotype, die häufig asiatisch stämmigen Männern zugeschrieben werden 25 , nämlich dass diese unmännlich, schüchtern sowie mit geringer körperlicher Leistungsfähigkeit ausgestattet seien (vgl. Frankenberg 1993: 76f.) 26 und sich deren Männlichkeit daher von der weißen Männlichkeit unterscheidet (zur hierarchischen Differenzierung von Männlichkeiten vgl. Connell 1995). So fühlen sich die deutschen Finanzmanager sicher, unbedrängt und nehmen Körpergerüche, anders als in London, nicht als Bedrängung wahr. Anders als der als bedrohlich und gewalttätig imaginierte Schwarze (zu einer solchen Stereotypbildung vgl. Eberhardt et al. 2004; Jones 1997), dem die deutschen Finanzmanager in der Londoner Bahn begegnen können, schreiben sie den asiatisch stämmigen Singapurern defensive Eigenschaften zu und fühlen sich im Kontakt zu diesen Anderen in dem MRT entspannt.

25 Stereotype existieren ebenso bezogen auf asiatisch stämmige Frauen, da allerdings Frauen von den Finanzmanagern allgemein kaum als bedrohlich wahrgenommen werden, ist dies für ihr Sicherheitsempfinden irrelevant. 26 In den USA werden Asiaten aber auch aggressive Merkmale zugeschrieben. Dieses Bild gründet sich in der besonderen US-amerikanischen Geschichte am Beispiel von Pearl Harbour (vgl. Delgado/Stefancic 1997: 174f.) und verdeutlicht, dass zugeschriebene Images nicht universal vorgenommen werden, sondern von Menschen mit spezifischen Identitäten in unterschiedlicher Weise erfolgen. 137

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Den kolonialen Außenposten erleben Die Emotionen, die sich für die deutschen Finanzmanager mit dem Aufenthalt in dem MRT und dem CBD im Unterschied zu dem Aufenthalt in der Tube oder der City of London verbinden, begründen sich auch durch ihren besonderen Blick auf die City und den CBD. Im CBD in Singapur sehen sich die Finanzmanager, anders als in der City of London, nicht als im traditionellen Zentrum befindlich, das aufgrund seiner herausgehobenen Position immer wieder Ziel von Angriffen ist. Im CBD von Singapur sehen und fühlen sie sich in einem traditionellen, kolonialen Außenposten, der in Abhängigkeit vom Zentrum steht. Dieses spezifische Image, mit dem die Finanzmanager dem CBD in Singapur begegnen, lässt ihren Aufenthalt in Singapur, in dem MRT und im CBD als weniger bedrohlich erscheinen. Der Blick der deutschen Finanzmanager auf den CBD in Singapur ist geprägt durch bestimmte Images, mit denen sie Singapur und dem CBD begegnen und durch eine bestimmte Struktur, die sie in direktem Kontakt mit dem CBD erleben und die einen bestimmten Blick nahe legt. Der Blick von einer Bar im 72. Stockwerk des Swissotel Stamford, in dem sich einige der deutschen Finanzmanager abends gelegentlich zu einem „Sun-Downer“ treffen, in den CBD hinein, verdeutlicht, dass sich die Hochhäuser im CBD in unmittelbarer geografischer Nähe zu völlig andersartig gestalteten Gebäuden befinden.

Abbildung 30: Blick auf den Central Business District, den Singapore River und den Boat Quay vom 72. Stockwerk des Swissotels Stamford Von hier aus sieht man die modernen Hochhäuser der Dienstleistungsunternehmen, die kleinen chinesischen Shophouses und am Horizont eine Fülle von hohen Wohn138

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blöcken des staatlichen Housing and Development Boards (HDB). Die hier zu sehende und zu erlebende städtische Struktur knüpft an die von den Engländern geformte Stadt an. So befinden sich die Hochhäuser des CBD zu einem Teil im ehemaligen kolonialen Geschäftszentrum, dem „Mercantile Square“, während die chinesischen Shophouses in dem von Raffles als „Chinese Campong“ ausgewiesenen Siedlungsbereich lokalisiert sind. Neben den Hochhäusern fallen im Besonderen einige restaurierte koloniale Gebäude der ehemaligen britischen Machthaber in den Blick der auf den CBD schauenden. Diese kolonialen Strukturen und Gebäude, mit denen die Finanzmanager in Singapur beständig konfrontiert werden, sind für ihr Einpassen in den CBD bedeutsam. Wie bereits oben gezeigt, werden die deutschen Finanzmanager auch in der City of London mit Zeichen der kolonialen Vergangenheit – als Zentrum des Britischen Empires – konfrontiert. Wie dargestellt zeugen diese für sie von der traditionellen Zentralität der City of London, die sich aus ihrer Perspektive bis in die heutige City fortsetzt. Im CBD von Singapur hingegen werden die kolonialen Zeugnisse von den Finanzmanagern als Zeugnisse einer abhängigen Entwicklung Singapurs als traditionell beherrschter, kolonialer Außenposten gesehen. Diese Rolle setzt sich aus der Perspektive der deutschen Finanzmanager im heutigen Central Business District von Singapur fort und führt für sie dazu, das heutige Singapur und die präsentierten historischen Zeugnisse in dieser Tradition zu sehen, emotional zu erleben und sich in ihrem Handeln und der eigenen Identitätsbildung entsprechend darin einzupassen. Singapurs koloniale Vergangenheit ist bei einem Gang durch das Zentrum der Stadt für die Finanzmanager präsent. „Dadurch, dass das hier vor langer Zeit englische Kolonie war, haben die Engländer eben sehr viele Spuren hinterlassen. Sie sehen es noch an den Straßennamen. Die [die Singapurer] haben ein gutes Verhältnis dazu, das ist nicht für die, wir müssen jetzt alles anders machen“ (S8: 39). Schon allein der Aussichtsort von dem Hotel Swissotel Stamford, von dem aus das Photo oben erstellt wurde, verweist mit seinem Namen Stamford auf den britischen Kolonialherren Stamford Raffles. Der Verweis auf diesen Kolonialherren findet sich wieder in Straßennamen, in der zentralen MRT-Station Raffles Place im CBD, in der lebensgroßen Statue am Ufer des Singapore River oder in dem Namen des Raffles Hotel, dem bekanntesten und traditionellsten Luxushotel Singapurs, das nahe dem CBD im Colonial District liegt. Auch durch die ausdrückliche Präsentation und Nutzung kolonialer Gebäude als touristische Attraktionen (vgl. Henderson 2004: 116ff.), wie z.B. der City Hall, der St. Andrews Church, dem Chijmes (einem ehemaligen Konvent, in dem sich jetzt Restaurants befinden), dem Asian Civilisation Museum oder dem Fullerton Building (der ehemaligen Post, die heute ein Luxushotel ist), ist für die deutschen Finanzmanager ein gutes Verhältnis Singapurs zu ihrer Geschichte als Kolonie ausgedrückt, oder wie der Interviewpartner oben sagt: „das ist nicht für die, wir müssen jetzt alles anders machen.“ Die Vergangenheit Singapurs als kolonialer Außenposten des Britischen Empires wird damit auch in den 139

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baulichen Repräsentationen dieser kolonialen Vergangenheit für die deutschen Finanzmanager deutlich; ihr Image vom kolonialen Außenposten bestätigt sich im Erleben dieser die koloniale Vergangenheit ausdrückenden Strukturen. So wird der Besuch des Raffles Hotel für sie durch den hier dargestellten Bezug zur kolonialen Vergangenheit, anders als der Besuch von anderen Luxushotels, zu einem Erlebnis exklusiver Anlässe. Sie nehmen damit die Repräsentation dieses Luxushotels als „grande dame of colonial hotels“ (Perry/Kong/Yeoh 1997: 257) an. S16: „Wenn ich einen Kunden hab, dann geht man auch hier in die Gegend. Dann geht man halt dort drüben ins Ritz Carlton oder ins Conrad Hotel. Die haben alle so Buffet Lunch. Oder, wenn ich mich mit meinen speziellen Freunden treffe, dann treffe ich mich immer im Raffles.“ ... I: „Spezielle Freunde [lacht]“ ... S16: „Ja, man hat halt Kunden und Kunden. Ja, mit verschiedenen Kunden treffe ich mich nur im Raffles. […] Das sind die besseren Kunden“ (S16: 257-263).

Abbildung 31: Haupteingang des Raffles Hotel Der Besuch von kolonialen Bauten, wie dem Raffles Hotel oder anderen Gebäuden im Umfeld des CBD, wird von den deutschen Finanzmanager als eine besondere Begegnung empfunden: Als eine Begegnung, bei der sie diese Gebäude als ihnen vertraut empfinden. „Das historische Zentrum von Singapur, da mit City Hall, mit St. Andrews Cathedral, mit Chijmes, das finde ich angenehm. Das ist schön zum Gehen, weil man da die Gebäude sieht im Raum, die Aussagen haben und ein bisschen Geschichte zeigen und nicht nur kaufen, kaufen, kaufen und essen, essen, essen, ja“ (S12: 258).

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Ihr eigenes Interesse an historischen Gebäuden stellen meine Interviewpartner, wie sich im Weiteren noch zeigen wird, als einen Gegensatz zu den Interessen der Singapurer dar. Die deutschen Finanzmanager sehen sich selbst im Unterschied zu den Singapurern als interessiert an Gebäuden, die „Aussagen haben und ein bisschen Geschichte zeigen“ (S12: 258). Solche Gebäude sind aus ihrer Perspektive gerade die Gebäude der ehemaligen, weißen, britischen Kolonialherrscher. Ihre eigene Identität als Weiße entsteht dabei gerade mit diesem gezeigten Interesse an historischen Gebäuden, die „Aussagen haben“ (S12: 258), die Interessen der Anderen sehen die Finanzmanager dabei als gegensätzlich zu den eigenen Interessen. Die deutschen Finanzmanager sehen sich in der Lage, die historischen Gebäude zu würdigen und die „Aussagen“ der Gebäude verstehen zu können. Diese Befähigung, die sich als ein Identitätsbaustein zum Weißsein verstehen lässt, sehen sie im Gegensatz zu den Fähigkeiten der Anderen, der asiatisch stämmigen SingapurerInnen, denen sie diese Fähigkeit nicht zuschreiben, denn: „kulturell spielen wir sowieso auf anderen Ebenen“ (S12: 192). Immer wieder stellen die deutschen Finanzmanager dabei ihre eigene Identität, ihre Interessen und Tätigkeiten, die sie als kulturell betrachten, gerade in Differenz zu den Konsumpraktiken der asiatisch stämmigen SingapurerInnen dar, die aus ihrer Perspektive immer „nur kaufen, kaufen, kaufen und essen, essen, essen“ (S12: 258) wollen. „Es ist die Frage des kulturellen Lebens, da hat man als Expat vielleicht andere Interessen, man sieht das schon, also, ich mein, ob das nun hier die Esplanade ist, oder ob das sonst irgendwelche Konzertveranstaltungen sind, sie werden nicht immer gut besucht. Die Singapuris haben letztendlich am kulturellen Leben weniger Interesse. […] Das Hauptinteresse des Singapuris, des Durchschnitts-Singapuris, ist wirklich das Einkaufen, ja. Das sieht man also ganz, ganz deutlich. Wenn man sich also am Wochenende, sollte man wirklich Abstand davon nehmen, irgendwo einkaufen zu gehen. Weil die ganzen Kaufhäuser überfüllt sind. Das ist furchtbar. Der Singapuri ist eigentlich faul ... für sich selbst zu kochen, sich selbst zu verpflegen, so, er geht am liebsten in die Hawker Center oder eben auch in Restaurants, ja. Das ist schon der Wahnsinn, wie die überfüllt sind. Der Singapuri ist verrückt nach Sonderangeboten, also wenn es irgendwo etwas frei gibt, dann sind die auch bereit sogar Nächte zu verbringen, um sich das zu erhaschen. Das ist unglaublich, es ist unglaublich. Das ist was, dass ich hier festgestellt habe, wo ich gedacht habe, es darf nicht wahr sein. Das darf nicht wahr sein“ (S13: 349-353). Das Image der kulturell uninteressierten und ungezügelt konsumierenden SingapurerInnen, dem die Finanzmanager in Singapur begegnen, basiert auf einer Dualität. Auf der einen Seite sehen sie sich selbst als aufgeklärt, selbstständig handelnd und kritisch abwägend und auf der anderen Seite sehen sie die asiatisch stämmigen SingapurerInnen als unselbstständig handelnd, affektgesteuert den Konsumbotschaften nachjagend, ohne dabei in der Lage zu sein, diese kritisch zu hinterfragen. Wie sich im Weiteren zeigt, wird diese Perspektive von den deutschen Finanzmanagern immer wieder eingenommen. Sie begegnen Singapur und den asiatisch stämmigen

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SingapurerInnen mit diesem spezifischen Image und erzeugen ihre eigene Identität als Weiße in Differenz dazu. „Woran ich Interesse habe, […] das wäre Kultur. Kultur, ähm, Singen, Tanzen, Lachen, also darstellende Kunst, aber dann auch Architektur. […] Architektur, da gibt es jetzt nicht so viel in Singapur, es gibt ein paar Gebäude, das ist ganz angenehm, da in der Innenstadt, ähm, .. aber das ist alles. Also das Moderne, was man hier sieht, diese Einkaufszentren, die machen auf mich ein sehr verstörenden Eindruck. Das ist so, der Papst hat gesagt, eine Kultur des Todes, das ist diese extrem überzogene Konsumkultur. Wenn sie hier die Zeitung aufmachen, die Idealvorstellung für einen Singapurer ist, dass er Essen und Einkaufen kann, und das ist zu wenig für mich. Das ist für mich kein Leben. Weil Essen und Einkaufen, das ist für mich unverständlich, wie ich mich besser fühlen kann, nur weil ich ein Wochenende jetzt eingekauft hab“ (S12: 184-186). Die Finanzmanager entdecken auch in der materiellen Struktur des CBD und der umliegenden zentralen Stadtbereiche eine Bestätigung dieses Bildes. Denn hier nehmen sie, vor dem Hintergrund des von ihnen gezogenen Vergleichs zu europäischen Metropolen, nur wenige kulturelle Attraktionen wahr. „Kulturell, wenn man da vergleicht, was sie jetzt in Paris machen konnten und Oper und was alles und hier, ich mein, das gibt’s hier halt einfach nicht so. Und das ist schon was, was mir auf Dauer abgehen würde. Oder auch Museen oder so. Ich mein es gibt hier das Asian Civilisation Museum, das lohnt sich, das anzugucken, aber im Vergleich zu Museen in europäischen Großstädten ist es halt trotzdem. Man kann’s eben nicht vergleichen“ (S1: 411). Neben den kolonialen Gebäuden werden von den deutschen Finanzmanagern nur wenige Einrichtungen (wie z.B. der Konzertsaal Esplanade) in Singapur als kulturelle Attraktion interpretiert. Diese neu errichteten Gebäude werden von ihnen zwar mit Hochachtung wegen ihrer technisch-baulichen Qualität erwähnt, sie gelten für sie aber als Gebäude, die in erster Linie für die kulturellen Bedürfnisse der Expatriates gebaut wurden und von den SingapurerInnen selbst mit nur wenig Interesse aufgenommen werden. Die Finanzmanager betrachten sich selbst in Singapur als diejenigen die, im Gegensatz zu den asiatisch stämmigen SingapurerInnen, in der Lage sind Kultur zu verstehen und dafür Interesse zu entwickeln. Das sich dabei das, was sie als Kultur ansehen, gerade auf die historischen Gebäude der weißen britischen Kolonialherren bezieht und die Finanzmanager sich selbst als diejenigen sehen, die diese verstehen und daher daran Interesse entwickeln können, zeigt auf, dass für ihre Produktion einer weißen Identität in Singapur die koloniale Geschichte der Stadt von eminenter Bedeutung ist. Für die deutschen Finanzmanager wird das heutige Singapur in dieser Tradition stehend betrachtet und erlebt. Ihr Einpassen und die Erzeugung einer weißen Identität erfolgt in Abhängigkeit zu der Geschichte Singapurs als koloniale Stadt; zu einer Stadt, der das „kulturelle“ aus Perspektive der weißen Finanzmanager 142

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von den weißen Kolonialherren eingeprägt wurde und heute zur Befriedigung ihrer kulturellen Bedürfnisse erstellt wird. Singapur wird von den deutschen Finanzmanagern in seiner historischen Rolle als kolonialer Außenposten betrachtet. Für sie hat daher der CBD im heutigen Singapur längst nicht die zentrale Position in der Weltwirtschaft, die sie der City of London beimessen. Singapur wird von ihnen zwar auch als ein Zentrum gesehen, aber eher als ein untergeordnetes, regionales Zentrum in Asien. Und Asien ist in ihrer Perspektive weit weg vom zentralen Geschehen und vom Headquarter des eigenen Finanzunternehmens. Daher positionieren sich meine Interviewpartner in Singapur als „hier draußen“ (S6: 28; S3: 17). Obwohl sie den wirtschaftlichen Aufschwung Singapurs bewundernd zur Kenntnis nehmen, begegnen die deutschen Finanzmanager Singapur mit dem Image einer vergleichsweise peripheren Region. Der üblichen Darstellung der Welt in der Weltkarte folgend, betrachten sie die Welt und sich in Singapur aus einer eurozentrischen Perspektive: In dieser befindet sich Westeuropa in der Mitte (Nullmeridian von Greenwich in London), im ökonomischen, politischen und kulturellen Zentrum, während Singapur am Rand der Weltkarte liegt und sie sich dementsprechend in Singapur auch selbst am Rand sehen und fühlen. 27 Da sie sich „hier draußen“ (S6: 28; S3: 17) am Rand sehen, fühlen sie sich in ihren beruflichen Entscheidungen im CBD unabhängiger vom – in ihrer Perspektive – weit entfernten Zentrum. Dieses Gefühl einer relativen Selbstständigkeit in Singapur drücken die folgenden Interviewzitate aus: „Das ist mehr so von den Lebensumständen, vom Arbeiten her ist es auch ein ganz anderes, denn hier draußen ist man so ein bisschen sein eigener Herr und sein eigener Chef, also, wie gesagt, meine Vorstände, die kommen einmal im Jahr, wenn es hoch kommt zweimal, und ansonsten hat man halt Video- und Telefonkonferenzen, aber man ist hier draußen doch sehr viel unabhängiger, als man das überhaupt im Haupthaus sein könnte“ (S3: 17). „Man kann eben viel freier agieren und kann seinen Arbeitgeber lenken und leiten, was man in Deutschland nicht kann“ (S11: 45). „Da ist ein Zeitunterschied von [sieben Stunden], da sind sie schon eine ganze Ecke selbstständiger hier draußen“ (S6: 28). Das Gefühl sich in Singapur „hier draußen“ zu fühlen, ist für die deutschen Finanzmanager auch mit einem Unbehagen verbunden. Die Furcht davor, durch einen zu langen Aufenthalt „hier draußen“ im Zentrum in Vergessenheit zu geraten und damit die eigene Rückkehr nach Deutschland – in eine angemessene berufliche Position – zu erschweren, wird von ihnen häufig geäußert.

27 Zu der machtvollen Darstellung/Produktion einer eurozentrischen Welt, bzw. eines kolonialen Blicks, am Beispiel der Konstruktion der Weltkarte und zur Macht der Karten allgemein, vgl. Wood 1998; Pinder 2003. 143

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„Das ist eine der Gefahren, wenn man zu lange im Ausland bleibt, dass man dann entweder nicht mehr integrierbar ist oder als nicht integrierbar wahrgenommen wird, ja. Das Arbeitsumfeld und die Arbeitsherausforderungen, der man sich hier gegenüber sieht, die sind dann doch anders als das Umfeld in Deutschland“ (S12: 35). Dass die deutschen Finanzmanager sich in Singapur „selbstständiger“ (S6: 28) und „ein bisschen [als] sein eigener Herr“ (S3: 17) fühlen, erinnert an die Rolle der von der britischen Krone in die Kolonien entsandte Kolonisatoren. Ähnlich wie die deutschen Finanzmanager wurden diese mit dem Auftrag, in ihren Handlungen und Entscheidungen die im Zentrum geplante politische Grundlinie einzuhalten, aber darüber hinaus autonom handeln und entscheiden zu können, in die Kolonien entsandt. Natürlich sind die deutschen Finanzmanager in Singapur keine Kolonisatoren, aber ihr Einpassen erfolgt in Abhängigkeit zu der Geschichte Singapurs als Kolonialstadt und zu der Geschichte der Ausbildung von weißer Identität in Singapur. Ebenso wie die Entwicklung der beiden Städte London (das imperiale Zentrum) und Singapur (die Kolonialstadt), wie oben gezeigt, im gegenseitigen Bezug aufeinander erfolgt (vgl. King 1990a), so steht auch die Ausbildung der Identität als Weißer in Abhängigkeit der Entwicklung von ihrem kontrastierenden Bezug zu den Identitätsmerkmalen der kolonisierten Anderen.

Der handlungsmächtige Weiße im CBD Im Gegensatz zu dem Erfolg, in London, also im Zentrum arbeiten zu dürfen, sehen die Finanzmanager ihren Schritt nach Singapur zwar auch als einen persönlichen Erfolg an, mit dem sie sich als Teil einer flexiblen und leistungsbereiten globalen Elite erweisen, der jedoch für sie eine andere Bedeutung als der Zutritt zur City of London hat. In London fühlen sie sich als Teil des Zentrums und im Zentrum arbeiten viele, denen sie eine Identität als globale Elite zusprechen. In der City of London – am Nabel der Welt – zu arbeiten, bedeutet für die deutschen Finanzmanager automatisch, Teil der hier Arbeitenden zu werden, die von ihnen zumeist als Mitglieder der globalen Elite eingeordnet werden. In Singapur hingegen sehen sich die deutschen Finanzmanager als Mitglied einer kleinen Gruppe von westlichen Expatriates, denen sie Eigenschaften der globalen Elite zusprechen und die sie von den Anderen, den hier arbeitenden asiatisch stämmigen Dienstleistungsbeschäftigten, differenzieren. Denn diese, die asiatisch stämmigen Manager, werden von den deutschen Finanzmanagern als unfrei, unkreativ und unflexibel gesehen und entsprechen mit diesem Image gerade nicht den Identitätsmerkmalen, denen sie sich selbst als Weiße und als globale Elite zuschreiben. „Die sind ja hier dermaßen fixiert auf das, was sie über die Zeitung, über die Regierung und so weiter jeden Tag drei- oder viermal eingeträufelt kriegen, ich meine, das macht die einen Großteil unselbstständig“ (S10: 392). 144

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„Ja, das ist diese Einstellung, das die Leute nicht so gerne Verantwortung übernehmen wollen und, äh, jetzt keine so hohen Erwartungen jetzt an ihre eigene Leistung stellen, das ist hier für mich hier ganz typisch in Singapur“ (S12: 200). Diese Unselbstständigkeit, die die deutschen Finanzmanager den asiatischen Managern zuschreiben, begründet und manifestiert sich aus ihrer Perspektive in einer langen Geschichte asiatischer Identitätsbildung. Die Geschichte der weißen Identitätsbildung in Singapur in der Form des kreativen, handlungsmächtigen Kolonialherren erscheint gerade in dazu kontrastierenden Identitätsmerkmalen. Für beide Stereotype, das des abhängig handelnden Asiaten und das des handlungsmächtigen Weißen, stellt die Entstehungsgeschichte eine Basis für die heutigen Identitätszuschreibungen der deutschen Finanzmanager in Singapur dar. „Singapur als chinesische Nation ist sehr stark geprägt vom Konfuzianismus, und der hat vor ein paar Tausend Jahren seine Beziehungen eingeführt, der Sohn zu seinem Vater und der ältere Bruder unter dem jüngeren Bruder und so so, und so ist es halt auch. Die Mandarine haben sich früher dadurch qualifiziert, dass sie den Konfuzius auswendig konnten. Das war’s. Eins, zwei, drei, vier, fünf und das war es dann. Hier an der Schule kriegt der die besten Noten, der alles auswendig kann, ja. Es gibt Kollegen, die gehen abends zu einer Fachbildung und machen Fortbildung. […] Machen das zwei Jahre lang, lernen wirklich hart und kriegen ein Degree und arbeiten danach genauso gut und genauso schlecht wie vorher, ja. Das ist für mich, ja also da würde ich sagen in Singapur grinsen ein die Leute an und haben keine Ahnung. Und in Deutschland sind dann die Leute ein bisschen unfreundlicher und wissen dann wenigstens, um was es geht“ (S12: 204-206). Da die deutschen Finanzmanager dem Bild von dem arbeitsamen, aber unselbstständigen Asiaten ihre eigene Identität als selbstständige und kreative Weiße gegenüberstellen, schlussfolgern sie, dass die wirtschaftliche Entwicklung Singapurs auch zu einem wichtigen Teil von den Fähigkeiten der weißen Expatriates abhängt. Aus ihrer Perspektive wurde durch deren Kreativität die Wettbewerbsfähigkeit Singapurs gesteigert und somit der wirtschaftliche Aufschwung möglich. Diesem Selbstverständnis zufolge fühlen sich die deutschen Finanzmanager in Singapur als so begehrt, dass der Staat Singapur für ihr Wohlbefinden einiges tut. So wird der Bau der Esplanade (eines Kulturzentrums mit Konzertsaal, in dem bekannte westliche Musikgruppen und Symphonieorchester auftreten) von ihnen als Versuch der singapurischen Regierung, für die begehrten Expats das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten, verstanden und erzählt. „Die wollen ja im Prinzip eigentlich gerade Foreign Talents, wie das hier heißt, sozusagen anziehen, auch den Platz für diejenigen ein bisschen heimisch machen, in Anführungsstrichen, so dass die Leute sich wohl fühlen und dann auch einfach hier bleiben“ (S3: 219).

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Zusammen mit den Erklärungen von hochrangigen Politikern, nach denen Singapur auf den Zustrom von „Foreign Talents“ angewiesen ist und sich darum bemüht, „Foreign Talents“ durch erleichterte Einreisebestimmungen (vgl. Yeoh 2006) anzulocken, entsteht ihr Gefühl in Singapur als weißer Expatriat begehrt zu sein, für die deutschen Finanzmanager schon bei der Ankunft in dem Land. Denn ihre Einwanderung in die Stadt ist, im Gegensatz zu der von schlechter verdienenden asiatisch Stämmigen, nicht von starken Restriktionen geprägt. Das Gefühl sich begehrt zu fühlen, entsteht auch im Alltag der Finanzmanager in Singapur. Sie empfinden den Umgang der asiatisch stämmigen SingapurerInnen mit ihnen, besonders im Vergleich zu deren Umgang mit anderen asiatisch stämmigen, als freundlich und zuvorkommend. Die deutschen Finanzmanager fühlen sich in Singapur aufgrund ihrer Identitäten als Weiße und als globale Elite im Gegensatz zu den Anderen, den asiatisch stämmigen Singapurern, als bevorzugt behandelt. Das führen einige Interviewpartner so aus: „Wir werden ganz anders behandelt, und darüber beschweren sich auch hier unsere singapurschen Kollegen. Wenn die Singapore Airlines fliegen und einsteigen, dann werden sie ignoriert, und wenn Expats in Asien einsteigen, dann werden die hofiert, ja“ (S12: 282). „Singapur, is very easy to live. Die Behörden und alles machen es einem auch sehr einfach, hier anzufangen, und ich rede nicht von den Einwanderungsbehörden, ich rede da nicht von echt dem Staat, sondern ich rede von solchen Sachen wie Telefon, Fernsehen, allem, alles ist Englisch hier. Die Leute sind gedrillt, wir werden ja bezeichnet als foreign talent hier. Die sind gedrillt, freundlich zu sein“ (S8: 39). „Im Vergleich zu den Locals, das Besondere? Dass man davon ausgehen kann, dass man nicht ins Gefängnis kommt, wenn man bei Rot über die Straße geht. Dass man nicht zahlen muss, ins Gefängnis kommt man ja eh nicht. Aber wenn die Locals zahlen müssen, hab ich gehört, ne“ (S5: 380). Das Gefühl, in Singapur aufgrund der kreativen, selbstbewussten Eigenschaften als „Foreign Talent“ begehrt zu sein und bevorzugt zu werden, ist Teil ihres Einpassens in den CBD von Singapur und begleitet die Ausbildung ihrer weißen Identität. Die von Ihnen als allgegenwärtig entdeckte Erzählung, in der sie selbst als „Foreign Talents“ und die asiatisch stämmigen Singapurerinnen als unkreativ Handelnde präsentiert sind, führt in ihrer Perspektive zu zweierlei: Erstens zu dem Gefühl, in Singapur begehrt zu sein, und zweitens zu dem Gefühl, das die nicht-weißen Anderen aufgrund der Identitätsmerkmale der Weißen, diesen mit einem „Minderwertigkeitsgefühl“ begegnen und sie daher mit äußerster Zurückhaltung behandeln. „Für mich haben alle, äh, die meisten Singapurer Minderwertigkeitskomplexe, ja, ähm. ... Meine Erklärung ist, das die Regierung, ... die einen guten Job gemacht hat im Aufbau von Singapur und der Positionierung von Singapur auf dem Markt, permanent den Einwohnern von Singapur erzählt, sie müssen vom Ausland lernen, und vom Ausland lernen heißt jetzt nicht, wie sie sich vorstellen können, jetzt von Indien 146

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und Malaysia lernen, sondern von den Vereinigten Staaten und von Europa und da speziell von dem Vereinigten Königreich lernen. Da wird also immer gesagt, schaut euch den Bill Gates an, schaut Euch den Richard Branson an, schaut Euch den an, schaut Euch den hier an. Was die alles tolles gemacht haben, so was sollten wir auch machen. […] Wenn sie das 30 Jahre hören und dann da aufwachsen, dann sitzen sie eines Tages da und denken, oh, das sind ja Halbgötter diese Typen. Ja und mit Halbgöttern verkehrt man nicht so gerne. Ja [lacht]“ (S12: 166). Die privilegierte Position, in der sich die deutschen Finanzmanager durch ihre Identitäten als Weiße und als globale Elite im CBD fühlen, erfährt in ihrem Alltag eine beständige Bestätigung. Zum einen in dem von ihnen als vorsichtig und anerkennend erlebten Umgang der asiatisch stämmigen SingapurerInnen mit ihnen und zum anderen in der spezifischen Sozialstruktur Singapurs, der die deutschen Finanzmanager im CBD alltäglich begegnen. Auch wenn die singapurische Regierung durch ihre Sozialpolitik für einen Ausgleich und eine Befriedung zwischen den unterschiedlichen ethnischen Identitäten in dem Stadtstaat beiträgt (vgl. Perry/Kong/Yeoh 1997), gibt es in Singapur dennoch eine deutliche ethnische Arbeitsteilung 28 , die die Finanzmanager hier in ihrem Alltag beständig erleben. Im Kontakt mit der ethnischen Arbeitsteilung im CBD, zu dem malayisch stämmigen Wachdienst und Pförtner, den indisch stämmigen Reinigungskräften, den chinesisch stämmigen EssensverkäuferInnen in den Hawker Centern und im Kontakt zu den anderen arbeitenden Weißen, die hier nahezu ausnahmslos in qualifizierten und gut bezahlten Dienstleistungsberufen beschäftigt sind, wird für die hier arbeitenden deutschen Finanzmanager ihre Identität als Weiße zu einer automatischen und selbstverständlichen Ausweisung einer hohen sozialen Position im CBD. Dies hat Konsequenzen für das Einpassen der deutschen Finanzmanager in den CBD. Da das Weißsein allein im CBD in Singapur eine hohe sozialen Stellung auszeichnet, ist für die deutschen Finanzmanager das Tragen einer besonderen Kleidung als Form einer alltäglichen sozialen Differenzierung zu dem Anderen (vgl. Bourdieu 1982) nicht so bedeutsam, wie sie für die deutschen Finanzmanager in London ist. Denn in der City of London ist das Weißsein allein nicht automatisch gleich der Auszeichnung einer hohen sozialen Position, dort können Weiße sowohl als Reinigungskräfte, Pförtner oder Vorstandsvorsitzende beschäftigt sein. Die differenzierte Wahl der Kleidung in Abhängigkeit vom Ort, dem CBD in Singapur oder der City of London, ist daher Teil des Einpassens der deutschen Finanzmanager in den Ort. In der City of London ist ihre Kleidung für sie als soziale Auszeichnung bedeutsamer, sie verwenden mehr Zeit 28 Besonders die aus Malaysia stammende Bevölkerung ist in Singapur sozial benachteiligt. Sie sind in den unteren Einkommensgruppen, während die aus China stammenden Menschen in den oberen Einkommensgruppen überrepräsentiert sind. 1998 waren 30% der arbeitenden MalayInnen in der unteren Einkommensgruppe (500-999S$ pro Monat) vertreten, während nur 19% der ChinesInnen und 25% der InderInnen dieser Einkommensgruppe angehörten. Nur 6% der arbeitenden Malayen haben ein monatliches Einkommen von mehr als 3000S$, aber 23% der ChinesInnen und 20% der InderInnen (vgl. Lee 2001: 58). 147

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auf die Auswahl ihrer Kleidung, die sie deutlich sozial von den Anderen differenziert. In dem CBD in Singapur hingegen wählen die deutschen Finanzmanager nicht unbedingt eine solche Kleidung aus; die Auszeichnung der hohen sozialen Position durch das Weißsein macht eine zusätzliche Auszeichnung der sozialen Position durch die Kleidungswahl nicht unbedingt notwendig. Dies wird in der Ausführung eines Interviewpartners deutlich, der früher auch schon in der City of London gearbeitet hat und so von seinem unterschiedlichen Einpassen berichtet: „In London hab ich immer schön weiße Hemden getragen, die so, mit so Doppelmanschetten hier. […] Wir geben wenig aus, für so Neuanschaffungen, wirklich wenig, jetzt neulich, okay, da haben wir eine neue Klubgarnitur gekauft, so, die alte war 17 Jahre alt, naja, dann gehen die auch mal kaputt. Das ist einfach nur so Ersatzbeschaffung. Eigentlich was Neues kaufen, oder eigentlich was, was wir noch nicht haben, das kommt eigentlich gar nicht vor. […] [Die Kleidung in Singapur ist] sagen wir mal sportlicher, statt eintönig weiß rumlaufen mit Doppelmanschetten. Okay, das ist genau so. Wenn ich nach Hause gehe, da werde ich die Krawatte abnehmen, die tue ich in die Lade, da hab ich noch fünf andere und morgen früh gucke ich mir eine an, die ich anziehen will. Ich gehe nicht abends mit ’ner Krawatte nach Hause, mich kennt hier sowieso keiner und wenn mich einer kennen würde, dann würde mir das auch egal sein [lacht]“ (S10: 318-332). Ein anderer deutscher Finanzmanager führt die Wahl seiner Berufskleidung in Singapur so aus: „Ich muss ganz ehrlich sagen, aufgrund der Tatsache, dass man nicht wie in Deutschland jeden Tag mit Schlips und Kragen und Anzug durch die Gegend läuft, ist, sagen wir mal, da der Anspruch nicht so groß wie in Deutschland. Ich laufe in der Regel, es sei denn es wird einmal erforderlich, dann lauf ich auch mit Schlips und Kragen durch die Gegend, aber Jackett ist normalerweise out, es sei denn man geht zu festlichen Anlässen, wo es halt gefordert wird, aber ansonsten, no need, und das hält Sie dann in Ihrem Bedarf, was zu kaufen“ (S6: 379). Manche der deutschen Finanzmanager sehen für sich selbst im CBD in Singpur „no need“ (S6: 379) für formelle Kleidung, es ist Ihnen „egal“ (S10: 332) wie ihre Kleidung auf der Straße wahrgenommen wird. Daher kleiden sich einige von Ihnen auch vergleichsweise leger: Neben gebügelten Hemden ohne Schlips lassen sich daher auch ausgewaschene Polohemden oder ausgetretene Sandalen entdecken. Anders als die hier arbeitenden asiatisch stämmigen SingapurerInnen, die sich recht formell kleiden, ist für die deutschen Finanzmanager ihr Weißsein allein ausreichend, um die eigene hohe soziale Position in Singapur zu demonstrieren. Für die deutschen Finanzmanager ist der Zusammenhang zwischen ihrem Weißsein und der hohen sozialen Position im CBD so selbstverständlich, dass sie anders als die sich formeller kleidenden, asiatisch stämmigen SingapurerInnen, nicht unbedingt die Notwendigkeit spüren, sich im CBD formell zu kleiden. Das Gefühl der deutschen Finanzma-

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nager im CBD als Weißer gebraucht zu werden, erlaubt diese selbstbewusste Performance des Weißseins im CBD.

Die Arbeit im CBD in Singapur als persönliche Auszeichnung? Das Gefühl begehrt zu sein Gerade im Vergleich zu den Erzählungen der Ankunft in der City of London fällt auf, dass die deutschen Finanzmanager in Singapur ihrer Ankunft und der alltäglichen Anfahrt in den CBD nur eine geringe Bedeutung beimessen. Dies erfolgt auf zwei Ebenen: Zum einen auf der Ebene einer körperlich spürbaren unbelastenden Anfahrt, die sich in der dichten geografischen Struktur, der gut ausgebauten Infrastruktur und der von den Finanzmanagern als befriedet empfundenen sozialen Struktur begründet. Zum anderen wird die Ankunft im CBD von meinen Interviewpartnern auch nicht besonders herausgestellt, da diese für sie – anders als in der City of London – nicht mit dem Gefühl einer persönlichen Aufwertung einhergeht. Für sie entsteht kein mit der Ankunft im CBD verbundenes Gefühl, von der eigenen Leistung beeindruckt zu sein und es geschafft zu haben, hier Zutritt zu bekommen. Ein ähnlicher Ausspruch wie derjenige eines deutschen Finanzmanagers, der im Zusammenhang mit der Ankunft in der City of London sagt: „Das ist so beeindruckend, das ich das geschafft habe, das ich in der Stadt arbeiten kann“ (L14: 76), wird von den deutschen Finanzmanagern in Singapur nicht formuliert. Denn anders als in der City of London, der sie mit einem ehrfürchtigen Gefühl begegnen, sehen und fühlen sie sich im CBD nicht im Zentrum der Wirtschaft. Da sie sich hier nicht im Zentrum fühlen, der Ort CBD für sie keine traditionell gewachsene Zentrumsfunktion hat, wird von ihnen sein technischer und nüchterner Name Central Business District nicht mit einer solchen Anerkennung ausgesprochen wie derjenige der City of London und grundsätzlich auch nur selten überhaupt mit seinem Namen benannt. Das es diese Bezeichnung Central Business District für diesen Bereich der Stadt gibt wurde auch mir nicht sofort deutlich, sondern erst im Laufe meines Aufenthaltes. Die Motivation der deutschen Finanzmanager für die Arbeit nach Singapur zu gehen, unterscheidet sich daher auch von ihrer Motivation, in der City of London zu arbeiten. Allgemein sehen sie ihre Entscheidung im Ausland eine Arbeitsstelle anzunehmen, in beiden Städten gleichermaßen als die Erzeugung von Konkurrenzvorteilen im Wettbewerb um einen guten Arbeitsplatz. Ihr Schritt ins Ausland ist für sie gleich dem Beweis der eigenen Leistungsfähigkeit, der Flexibilität und des Mutes. Durch das Gehen dieses Schritts sehen sie sich aufgestiegen in den Kreis der globalen Elite. Aber auch die globale Elite differenziert sich: Wie gezeigt empfinden die Finanzmanager den Aufenthalt in dem von ihnen imaginierten eigentlichen Zentrum in London als eine weitere Auszeichnung ihrer Leistungsfähigkeit. Daher ist für sie auch die City of London ein besonderes Wanderungsziel: Die deutschen Finanzmanager wollen nach London. Der Gang nach Singapur hingegen unterstreicht aus 149

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Sicht der Finanzmanager ihren Mut und ihre Flexibilität, und wird von ihnen weniger als eine berufliche Auszeichnung oder als Karriereschritt wahrgenommen: „Ich hab mich schon immer für andere Kulturen interessiert, wenn man dann noch eine Familie hat, die auch ein bisschen wagemutig ist, dann kannst du in deinem Leben das berufliche und private sehr gut zusammenbringen. Und, es war bestimmt nicht unbedingt karrieremäßig, dass das jetzt ein Riesenschritt vorwärts [ist], das war eigentlich seitwärts ein bisschen nach oben“ (S8: 15). Das Interesse der Finanzmanager an anderen Kulturen kann jedoch auch an anderen Orten gelebt werden. Für sie ist Singapur selbst meistens kein direktes Ziel des Weges ins Ausland. Die Finanzmanager wollen nach Asien gehen, wohin genau, das wissen sie nur selten: Das genaue Ziel hängt meist von den Angeboten ihrer Arbeitgeber ab: Hätte es für sie ein gutes Angebot in einer anderen asiatischen Stadt gegeben, so wären sie auch nach Tokyo, Seoul, Jakarta oder Hongkong gegangen. So berichten zwei Interviewpartner von Ihrer Motivation nach Singapur zu gehen: „Den Horizont zu erweitern, was Neues kennen zu lernen, andere Völker kennen zu lernen, andere Lebensweisen, finde ich einfach ganz spannend, und das ist dann noch spannender, wenn man sieht, wie die Geschäftsabläufe dann im Ausland sind“ (S4: 17). S2: „Ich wollte nach Asien, und in Singapur hat es dann eine Möglichkeit gegeben. Mir war Singapur sehr recht, weil mir die Stadt so vom Hörensagen ganz gut gefallen hat. Ich hab sie vorher nicht gesehen, aber was ich davon gehört habe und von der Arbeit her war das interessant für mich, und da hab ich gesagt: ‚Okay, für sechs Monate mach’ ich das.‘ Ich wollte definitiv nach Asien gehen. Das war mein Ziel.“ I: „Ah ja. Warum nach Asien?“ S2: „Asien ist unheimlich interessant. Also ich war vor vier Jahren das erste Mal in Asien. Ich fand auf jeden Fall Asien faszinierend. Die Menschen, die Kultur, Essen, alles drum herum“ (S2: 21-23). Immer wieder wird der Gang nach Singapur von den Finanzmanagern erklärt durch das eigene Bedürfnis, etwas Fremdes erleben zu wollen. Diese Verknüpfung des eigenen Bildes von Asien und Singapur mit Fremdheit und die daraus erwachsenen Motivation, dieser Fremdheit zu begegnen, stellt ein Finanzmanager so dar: „[Ich] hab schon eigentlich immer ein Faible für Asien gehabt, Erzählungen von meiner Großmutter und Filme und so, eigentlich von klein auf, ja. Chinesen, die Würmer essen und solche Sachen“ (S11: 31). Der Gang nach Asien drückt für die deutschen Finanzmanager beides aus; zum einen sehen sie sich in eine wirtschaftliche Boomregion kommend, zum anderen ist Asien für sie eine Möglichkeit sich Identitätseigenschaften der globalen Elite anzueignen: Sie zeigen Flexibilität und sind bereit Unannehmlichkeiten für den beruflichen Fortschritt in Kauf zu nehmen. Sie dokumentieren damit die eigene Begabung, 150

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sich auf Neues einlassen zu können und ihre Bereitschaft das private Leben dem beruflichen Vorrankommen unterzuordnen. Die Erzählung der Finanzmanager durch ihren Aufenthalt in Singapur „den Horizont zu erweitern, was Neues kennen zu lernen, andere Völker kennen zu lernen, andere Lebensweisen“ (S4: 17), ist von ihnen meist eingebunden in eine Erklärung der Nützlichkeit dieser Eigenschaften im beruflichen Wettbewerb 29 ; es sind Eigenschaften mit denen sie sich Identitätsmerkmale der globalen Elite aneignen. Die Erzählung des Mutes, nach Asien zu gehen, führt in ihren Erzählungen so gleichzeitig zu einer Steigerung der eigenen Fähigkeiten, zu einer Erweiterung des eigenen „Horizont[s]“. Die Horizonterweiterung durch ihre Fähigkeit zur Bewältigung der Herausforderungen der Fremdheit, wird dabei von den Finanzmanagern als eine Abenteuererzählung – also als eine Erzählung von der Begegnung mit dem Unbekannten (vgl. Phillips 1997) – dargestellt. Dieser eigene erweiterte Horizont wird von ihnen dabei im Gegensatz zu dem Horizont derjenigen gesetzt, die sich nicht den Abenteuern der Fremde stellen und in Deutschland bleibend keine der Eigenschaften der globalen Elite haben. „Ich finde diese Welt ist so was von hochinteressant heute und wird immer interessanter, dass so Auslandserfahrungen, im Ausland zu leben, andere Kulturen, eine andere Denke mitzukriegen, ich finde das ist das Tollste, was man machen kann. Und als Banker, wenn man da die Gelegenheit dazu hat, umso besser. Ich bedauere immer diejenigen, ich sage das natürlich nicht laut, die da in Frankfurt irgendwo vor sich hin kümmern und irgendwo nur warten, dass sie wirklich nur in die Rente gehen, grauenhaft“ (S3: 345). Mit dem produzierten Bild des Abenteurers liefern die Finanzmanager Beweise für das, was sie annehmen, was die in Deutschland gebliebenen – hoffentlich – über sie denken und was ihnen damit Eigenschaften zuweist, die für ihre berufliche Karriere als förderlich angesehen werden. Diese Unabhängigkeit ist auch Teil des eigenen Selbstbildes als Abenteurer. Aus ihrer Perspektive geht man nach Singapur, weil man „dort draußen“ eben Abenteuer bzw. „mal was anderes erleben will“ (S6: 22). „Ich mein’, wer einmal hier draußen war, den zieht’s halt wieder raus. […] Aber der Gedanke ist schon da, dass man dann auch mal was anderes erleben will und äh, Asien war für mich schon immer faszinierend in jeder Beziehung; deswegen also die Chance, dann wieder hier rauszukommen, die hat sich dann damit ergeben“ (S6: 2022). Ein Teil der von den Finanzmanagern mit Singapur verbundenen Abenteuererzählung – also dem Erleben des fremden und wilden „Orients“ – drückt sich auch in dem Erleben Singapurs als sexualisierte Stadt aus; ein Element, das in den Erzählungen meiner Interviewpartner in London keine besondere Rolle spielte. 29 Dieser Wettbewerbsgedanke findet sich auch in der Ausbildung der eigenen Kinder, die durch Vielsprachigkeit und den „weiten Horizont“, der sich aus der Auslandserfahrung ergeben soll, Vorteile im Konkurrenzkampf haben sollen. 151

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Es ist eine Erzählung, in der sie als weiße Männer in Singapur, als ständig der Versuchung des Eingehens möglicher sexueller Abenteuer ausgesetzt erscheinen. Immer wieder erlebte ich Gespräche mit meinen Interviewpartnern, in denen sie Andeutungen von diesen möglichen sexuellen Abenteuern in Singapur machten. In einem Feldgespräch, indem ich beim Mittagessen einen Finanzmanager im Beisein seiner Frau fragte, ob er denn mittags öfter zu Hause ist, antwortete dieser, dass er mittags immer direkt im CBD essen würde und dafür dort in so Einrichtungen geht. Seine Frau sagte daraufhin im Spaß, dass sie hoffe, dass es sich dabei um Einrichtungen zum Essen handeln würde. Eine ähnliche Andeutung von der Möglichkeit, sich in Singapur in einem Bordell aufzuhalten, nimmt auch ein Interviewpartner in dem folgenden Zitat vor: S16: „Orte, wo ich mich besonders gern aufhalte, das ist ja eine sehr tricky question [lacht].“ I: „Wieso?“ S16: „Das kommt drauf an, ob ich allein bin oder nicht … nein, Quatsch, äh. Ja natürlich gibt’s die“ (S16: 494-497). In einem Gespräch mit einem anderen Finanzmanager erzählte dieser von zwei Rotlichtvierteln in Singapur; eines, das eher von den Expatriates besucht wird (das ein Hochhaus an der Orchard Road ist) und ein anderes, das wohl eher die lokale Bevölkerung besucht. Das Gefühl der Finanzmanager mit ihren Identitätsmerkmalen des Weißseins und des globale Elite seins in Singapur begehrt zu sein, bekommt somit noch eine zusätzliche Qualität: das Gefühl mit diesen Eigenschaften begehrt zu sein überscheidet sich mit ihrer männlichen Identität; als weißer Mann der globalen Elite fühlt man sich in Singapur sexuell begehrt. Die deutschen Finanzmanager bekommen so eine Rolle, die an die sexuellen Aktivitäten der weißen Kolonialherren in den Kolonien erinnert (vgl. Stoler 2002) und damit zu dem Bild passt, das viele SingapurerInnen von ihnen haben. Die männlichen weißen Expatriates haben in Singapur durchaus auch einen kritischen Ruf. Sie gelten als arrogant und als diejenigen, die „enjoy the exclusive companionship of sarong party girls (SPGs), 30 a contemporary variant of the ‚sleeping dictionary’ of the colonial years“ (Yao 2007: 146). So deutete ein Finanzmanager, der mich in dem Auto mitnahm, auf eine vorbeigehende asiatisch stämmige Frau in kurzen Hosen. Er erklärte mir, dass im Vergleich zu Europa, wo man gleich denken würde „Oh hot pants“, in Singapur die Frauen so naiv seien und sich nichts beim Tragen so kurzer Hosen denken würden. Er führte weiter aus, dass selbst wenn viele Expats dann denken würden, dass sie diese Frau gleich mit ins Bett nehmen könnten, dem nicht unbedingt so wäre. Die deutschen Finanzmanager schreiben der Anderen in Singa30 Als Sarong Party Girls werden in Singapur Frauen bezeichnet, die sich auf der Suche nach einem weißen Partner in den typischen Expatriates Bars und Clubs aufhalten. 152

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pur, den asiatisch stämmigen Singapurerinnen, also eine Sexualität zu, die sie als unaufgeklärt und naiv erscheinen lässt, als eine, die den aufgeklärten und handlungsmächtigen weißen Mann der globalen Elite begehrt.

Das irritierte Image – Das Erleben des kolonialen Außenpostens Die Finanzmanager rechnen damit, dass der Preis, den sie für die Auszeichnung als globale Elite und Abenteuerer durch ihre Arbeit im CBD von Singapur zahlen müssen, in ihrem Aufenthalt in Asien selbst, also in dem alltäglichen Erleben einer fremden, für sie unbequemen Gegend liegt. Aber ihre Erwartungen, ihr Bild einer asiatischen Stadt (bzw. ihr Bild des Orients) wird mit ihrem Eintritt in die Stadt Singapur gestört. So berichtet ein Interviewpartner über seine Vorstellung von Singapur, die er hatte bevor er in direktem Kontakt mit der Stadt kam: „Vorher kannte ich das nur aus dem Erdkundeunterricht, die was weiß ich asiatischen Tiger, da wurde also Singapur immer erwähnt. Im Diercke Weltatlas immer, also ich hatte noch einen alten von ’78, da sind noch so Mangrovenwälder eingezeichnet und also das entspricht nicht mehr dem was Singapur heute ist“ (S12: 47). Die Begegnung mit Singapur wird für sie deshalb zu einer Überraschung. Ein anderer Finanzmanager erzählt von dieser Überraschung, die in seinem Erleben der Strukturen der Stadt liegt, so: „Da hat man sich gesagt, okay, man lebt vielleicht in ’ner Garage, oder so was, also relativ einfach, und war dann überrascht, wie doch komfortabel es ist“ (S4: 79). Und ein anderer erzählt von dem Erstaunen, dass sich für ihn in Singapur ergab: „Wir waren eigentlich eher erstaunt, auch da wieder, sie kriegen hier echt alles, also ich dachte eher, das es vielleicht eher nicht so die Produkte gibt, die wir jetzt so verwenden. Aber sie haben hier, also ich würd’ sagen, ein wesentlich breiteres Warenangebot als in einem europäischen Land. Weil sie kriegen deutsche Produkte, französische Produkte, alles plus diese ganzen asiatischen Sachen. Also man kriegt hier echt alles. Da waren wir eher überrascht, was es alles gibt“ (S1: 79-81). Diese Überraschung liegt in einer Störung des Asienbildes der deutschen Finanzmanager. In dem direkten Kontakt mit der Stadt Singapur erleben sie Strukturen, die nicht ihrem Image entsprechen, mit dem sie Singapur begegnen. Daher resümieren sie, dass Singapur „nicht richtig Asien“ sei, Singapur also nicht zum Orient dazugehöre. Mit ihrer Ankunft in Singapur, dem Erleben der Strukturen wird Singapur für sie so zu einer „westliche[n] Insel in Asien“ (S4: 45). Das führen zwei Interviewpartner so aus: 153

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S4: „Singapur ist Asien light für mich. Es ist auch nicht richtig Asien, muss man sagen, es ist eigentlich wie so eine westliche Insel in Asien.“ I: „Wieso das?“ S4: „Weil man sich umschaut, die ganzen Shoppingcenter, das ganze Moderne, die Hochhäuser, das ist eigentlich ausgelegt wie im Westen. Das Verständnis von Customer Service, […] wie Seminare ablaufen, das kommt sehr viel aus dem Amerikanischen in der Zwischenzeit. Oder Werbung, oder Schönheitsoperationen, also, es sind so viele Dinge, die in der Zwischenzeit so stark beeinflusst sind vom Westen, dass ich das eigentlich wie eine westliche Insel in Asien sehe. Oder zumindest hat die westliche Bedeutung im täglichen Leben, wie die Dinge funktionieren, ablaufen, ne sehr große Rolle bekommen. […] Also, und die Verhaltensweisen, Kulturen, die sind schon auch unterschiedlich, in den sag ich mal hardcore-asiatischen Ländern, wie jetzt Thailand, oder China, gegenüber hier, das sind einfach Welten. […] Die Verhaltensweise aufzustoßen oder ähnliches ist in China gang und gebe, weil es zur Kultur gehört. Es leben hier auch viele Chinesen, aber hier hat der westliche Einfluss so eine Rolle bekommen, dass sich die Leute das abgewöhnt haben, die sagen, okay, das gehört sich net. Insofern ist das hier natürlich viel einfacher, weil man nicht Angst haben muss, dass einem jemand auf den Fuß spuckt, wenn man gerade vorbei läuft“ (S4: 45-53). „Ich mein, das Einzige, wenn man nach Singapur kommt, da muss man sich schon ein bisschen bewusst sein, das ist ja trotzdem asiatische Kultur, das vergisst man dann leicht, jeder spricht Englisch und alles ist so, man kann alles kaufen, es ist alles super rein und super schön, dann nicht zu vergessen, dass man trotzdem in Asien ist“ (S5: 268). Für sie selbst unerwartet wird Singapur von den deutschen Finanzmanagern nicht als eine fremdartige – als chaotische asiatische Stadt – erlebt, sondern als Stadt, in der für sie das alltägliche Leben überraschend einfach ist und in der daher die Gefahr besteht, zu vergessen „dass man trotzdem in Asien ist“ (S5: 268). Denn hier begegnen die Finanzmanager, in für sie überraschender Weise, nicht den besonderen Herausforderungen des Orients, denen sie sich im Kontakt mit dem Ort stellen müssten, denn so ein Finanzmanager: „Singapore ist ja eine sehr pflegeleichte Stadt. Es gab jetzt [bei seiner Ankunft] keine besondere Herausforderung, die man meistern musste“ (S12: 39-41). Das führt ein anderer Interviewpartner weiter aus: S7: „Ich war vorher schon in Japan gewesen, auf Dienstreise in Hongkong, Vietnam, Indonesien, Singapur, Australien, und daher konnte ich es gut vergleichen, vom asiatischen Standpunkt aus, wie asiatisch oder wie fremdartig Singapur wohl überhaupt ist und was einen erwartet.“ I: „Und wie fremdartig ist dann Singapur?“ S7: „Pffft, Asia light. Das ist, wenn man es mit anderen asiatischen Städten vergleicht, ist es ein relativ einfaches Leben. Sie haben überall Englisch, Sie haben einen gewissen Lebensstandard hier in Bezug auf medizinische Versorgung, Hygiene, Sicherheit, Education, Grundversorgung an Gütern und Nahrungsmitteln, die seinesgleichen sucht. Super Infrastruktur, von daher, wenn man es jetzt mal mit ande154

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ren Städten, die sicherlich kulturell interessanter sein mögen – Bangkok, Hongkong oder auch Tokyo, weil es extrem fremdartig ist. Aber die Probleme, die das mitbringt, dadurch dass Sie die Sprache da eventuell nicht sprechen und Englisch da nicht so verbreitet ist, wenn man jetzt mal Seoul als Vergleich nimmt. Es ist ein relativ einfaches Leben in Singapur“ (S7: 33-35). Da sich für die Finanzmanager in ihrem alltäglichen Kontakt zu den Strukturen des CBD ihr Image, mit dem sie diesem Ort begegnen, als unpassend erweist, haben sie das Gefühl hier an einem Ort zu sein, an dem sie durch die Nichtbestätigung dieses Images vergessen können, „dass man trotzdem in Asien ist“. Hier, in dem von ihnen als komfortabel empfundenem CBD von Singapur, ist es für die Finanzmanager schwierig, sich selbst als Abenteurer zu fühlen und damit ihren Wagemut als Teil ihrer Identität als globale Elite gegenüber den in Deutschland Gebliebenen zu bestätigen.

Die durchlässige Grenze des CBD spüren Mit der Fahrt in den CBD und in die daran anschließenden Bereiche, in denen sich die Arbeitsplätze der deutschen Finanzmanager befinden, betritt man sichtbar einen anderen Ort, der sich durch eine besondere Materialität auszeichnet. Die weit sichtbar emporragenden Hochhäuser mit ihren glatten Oberflächen markieren deutlich den Bereich des CBD. Im Fenster eines in den CBD fahrenden Taxis, so wie es die deutschen Finanzmanager teilweise für ihre alltägliche Arbeitsanfahrt benutzen, ziehen die auffallend hohen Gebäude den Blick des Einfahrenden fast an.

Abbildung 32: Blick aus dem Fenster eines von der East Coast in den CBD fahrenden Taxis Auch wenn der Eintritt in den CBD deutlich durch die Bürohochhäuser sichtbar ist, ist für die deutschen Finanzmanager die Fahrt in den CBD, den sie als peripheren Satelliten betrachten, nicht als Überschreitung von einer durch Kontrollen ausgewie155

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sene Grenze spürbar. Die deutschen Finanzmanager begegnen dem CBD nicht nur mit einem anderen Image als der City of London, die sie als exklusives traditionelles Zentrum sehen, sie spüren in ihrer Einfahrt in den CBD, passend zu ihrem Image vom CBD als dem peripheren Satelliten, auch keine exklusiven Zutrittsbeschränkungen. Weder gibt es hier sichtbare Polizeikontrollpunkte wie an den „entry points“ in der City of London, noch eingeengte und geschwindigkeitsreduzierte Einfahrten. Der CBD präsentiert sich weder als eine Speerzone, wie die City of London, noch wird hier für die deutschen Finanzmanager eine Regulierung des Zutritts fühlbar. Wie schon erwähnt ist auch eine deutliche Abgrenzung des CBD zu den umliegenden Stadtteilen schwierig: Obwohl sich hier die Bürogebäude der deutschen Finanzmanager konzentrieren, so befinden sich auch in den angrenzenden Gebieten (Chinatown und Colonial District) Bürogebäude, in denen Finanzmanager arbeiten. Die Grenzen zwischen diesen Vierteln sind im Arbeitsalltag der Finanzmanager durchlässig und ihre Arbeitstreffen oder Mittagessen finden auch in diesen angrenzenden Vierteln statt. Diese Durchlässigkeit der Grenze wird für die deutschen Finanzmanager in Singapur auch auf einer anderen Ebene fühlbar. Der Finanzbereich ist eingebettet in einen Mix von Gebäuden, die nicht nur andere Funktionen als die der Finanzwirtschaft haben, sondern die neben den Finanzbeschäftigten auch andere Menschen zu einem Besuch locken. Auch in der City of London gibt es neben den Bürohäusern Einrichtungen wie Cafés, Restaurants, Kneipen und Bekleidungsgeschäfte. Diese werden allerdings nicht nur in erster Linie von den Beschäftigten des Finanzwesens besucht, sie sind auch eigens darauf ausgerichtet, deren spezielle Bedürfnisse nach passender Kleidung und Netzwerkbildung zu befriedigen. Wie oben gezeigt, sehen die deutschen Finanzmanager in der City of London daher, dass dort „alles darauf ausgerichtet ist dem [Funktionieren des Finanzwesens] zu dienen“ (L15: 298). In den zentralen Gebieten, in denen die Büros der Finanzmanager in Singapur eingebettet sind, erleben sie eine andere Konstellation. Mit dem Austritt aus ihren Bürogebäuden begegnen sie hier auch den Anderen, denjenigen, die nicht im Finanzbereich arbeiten. Sie erleben hier einen eher sozial gemischten Ort, der für sie nicht das Gefühl entstehen lässt, sich an einem exklusiven, zugangsbeschränkten Ort zu befinden. Auch wenn sich diese Situation in den Kerngebieten des CBD etwas anders darstellt als in den Randgebieten oder vor den Bürohäusern, die in Chinatown oder dem Colonial District liegen, so nehmen die deutschen Finanzmanager ihren Arbeitsort nicht als einen sozial homogenen Ort wahr, sie konfrontieren sich durch den üblichen kurzen Fußmarsch zur Mittagspause mit dem sozialen Mix, der sich ihnen in den nahe liegenden Hawker Centern oder Foodcourts bietet. „Es gibt hier ja einmal überall diese Hawker Stalls, und dann gibt es auch so vornehmere Hawker Stalls, die sind meistens in so Foodhalls, wo es Klimaanlage gibt und so weiter. […] Da esse ich meistens. […] Da gibt es zumindest fünf Stück, also sagen wir mal, fünfhundert Meter im Umkreis“ (S10: 166-172). 156

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Abbildung 33: Hawker Center in einer Shopping Mall In den Hawker Centern, die aus meist über zehn verschiedenen Essensständen mit einem unterschiedlichen Angebot an Speisen bestehen, sitzt man an Tischen oder längeren Bänken, die gemeinsam von den verschiedenen Essensständen bedient werden. Die hier angebotenen Speisen sind meist für 4-6 Singapur Dollar (2-3 Euro) zu erwerben; etwas teurer sind die Speisen in ähnlichen Centern, die sich in den klimatisierten Shopping Malls befinden. Die Hawker Center finden sich über die Stadt Singapur verteilt und haben meist bis tief in die Nacht (teilweise auch 24 Stunden lang) noch geöffnet. Aus meiner Perspektive und der Perspektive der deutschen Finanzmanager scheinen die Besucher der Hawker Center sozial deutlich gemischt zu sein. Gerade dieser soziale Mix aus unterschiedlichen Identitäten auf die sie in den Hawker Centern treffen, stellt für einige der deutschen Finanzmanager sogar eine besondere Motivation dar, diese Center zu besuchen. „Singapurer sind ja nun auch ein Gemisch aus vier Rassen, insofern, es gibt auch westliche Singapurer, indische Singapurer und so was, es ist ne schöne Mischung und es macht Spaß. Auch da wieder, man geht zu denen meistens nicht nach Hause, weil die eben, die Wohnungen sind zwar nicht klein, aber die haben eben auch die ganzen Familien da oft, Vater, Mutter und so weiter, das Leben ist einfach draußen. a) ist es nie kalt und b) ist das Leben, kann man sich, kann jeder, ob er arm, Gänsefüßchen, oder sagen wir mal, ob er wenig verdient, der kann auch raus gehen. Dann trifft man sich, sitzt eben am Hawker Stall und es macht auch Spaß, oder. Also, es ist auch leicht mit den Leuten zusammen zu sein und auszukommen und es macht Spaß“ (S11: 215).

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Die Hawker Center sind besonders in der Mittagszeit und zum Abend hin gut besucht, zwischen den Ständen und Tischen ist viel Bewegung, der Duft von Essen liegt in der Luft und man hört eine Mischung von Gesprächen und Küchengeräuschen. Das Erleben dieser sozialen Verschiedenheit, die die Finanzmanager in den Foodcourts im Umfeld des CBD sehen, ist für sie sogar eine besondere Motivation, sich dort auch nach der Arbeit aufzuhalten und auch ihren Besuchern zu präsentieren. So berichtet ein Interviewpartner über seine Besuche des Lau Pa Sat, eines großen Foodcourts, der aus im Jahr 1894 hierher verschifften verzierten Eisenträgern besteht und sich direkt im CBD befindet: „Also wenn wir abends weggehen, oder wenn wir Besuch bekommen, dann nehme ich die Leute immer mit nach Lau Pa Sat. Lau Pa Sat ist ein Foodcourt hier, direkt neben dem Financal District. Das ist wunderschön, weil da ist nebendran eine alte Markthalle, wo sie die ganzen Foodstores haben und ab 7 Uhr abends wird die Straße abgesperrt und dann kommen die ganzen Hawker raus und stellen ihre Stühle da hin und da bekommen sie ein traumhaftes Essen. Und da ist es ein Must ein Stingray zu essen und ein schönes Bierchen zu trinken. Das ist eine sehr schöne Atmosphäre, weil da sehr viele Einheimische sitzen und dann kommen die Schwaden von diesem Grill so rüber und dann sitzt man so direkt am Financial District, das ist eine tolle Atmosphäre. Da könnte ich stundenlang sitzen und die Leute beobachten und ein Bierchen trinken“ (S2: 364-366).

Abbildung 34: Der Lau Pa Sat Hawker Center Der Besuch von Hawker Centern oder von Shopping Malls und damit das Treffen mit den Anderen ist für die deutschen Finanzmanager im CBD nicht ungewöhnlich. Manche zelebrieren den Kontakt zu den Zerstreuungen und Ablenkungen, die der Ort ihnen bietet, sogar. Ganz anders als an dem irritationslosen Ort City of London 158

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wird hier der Blick durch die angebotenen Produkte in den Malls, die einsehbaren Cafés oder Hawker Center und durch die anderen FußgängerInnen, die sich unterhalten, essen oder einkaufen, abgelenkt. So berichtet ein Interviewpartner von solchen, durch die angebotene Zerstreuung als erfreulich empfundenen, Spaziergängen in seiner Mittagspause. „Heutzutage geh ich also meist in ein Foodcourt, also hier im Millenium Walk, ist eine schöne Foodcourt. […] Dann vertrete ich mir noch etwas die Beine, wie gesagt Carrefour. Es gibt ja hier den Millenium Walk, das ist ganz interessant und dann hier drüber der Marina Square, das ist auch ein Einkaufszentrum, wird zurzeit leider renoviert und dann gibt es da den Carrefour, also Suntech City. Das kann man alles sehr schön hier erreichen, da ist fast der gesamte Weg klimatisiert. Wenn man wirklich weit gehen will, dann kann man auch von hier zu Raffles City gehen. Da gehen sie hier rüber zu Suntech City und da gibt es eine Underground Shopping Mall, also auch klimatisiert und da kommen sie bis zu Raffles City und das ist so das Maximum, was sie gehen können. Das sie das dann auch in einer anständigen Zeit wieder zurück schaffen, ja“ (S12: 110-118).

Abbildung 35: Klimatisierter Durchgang durch eine Shopping Mall Auch wenn die geografische Nähe im Umfeld des CBD zu den Anderen überrascht, so ist doch der direkte Zutritt zu den Büroräumen der Finanzmanager reguliert. Ähnlich der Prozedur in der City of London musste ich mich an bewachten Schranken den Sicherheitskräften ausweisen und anmelden, um dann mit einem „Visitor Pass“ ausgestattet die Fahrstühle, die mich – anders als in den zumeist relativ niedrigen Finanzhäusern in London – weit hinauf zu dem Bürostockwerk meiner Interviewpartner fahren, betreten zu können. Dabei ist es im Vergleich zu der Struktur in der

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City of London überraschend, dass der Weg von der Büroetage auch direkt mit dem Fahrstuhl oder der Rolltreppe einige Stockwerke tiefer in eine gut besuchte Shopping Mall führen kann. Die Nähe zu den Shopping Bereichen, in denen die Finanzmanager direkt von der Arbeit in Kontakt zu den Anderen kommen und damit den CBD und sein Umfeld auch nicht als einen exklusiven, zutrittslimitierten Ort erleben, stellt eine deutliche Differenz zu der materiellen Struktur der City of London dar.

Der Rhythmus des Ortes – Die Abhängigkeit vom Zentrum Die Wege in das Büro in Singapur sind vielfältiger als diejenigen, die von den deutschen Finanzmanagern in die City of London genommen werden. Für sie entsteht auf dem Weg zu ihren Arbeitsplätzen in Singapur daher auch nicht das Gefühl ein Teil von „Menschenfluten“ (L4: 341) zu sein, die wie in der City of London morgens über die London Bridge hereinströmen. In das Umfeld des CBD fahren die deutschen Finanzmanager mit Anderen, die nicht im Finanzbereich arbeiten. Hier einzutreten wird anders als der tägliche Eintritt in die City of London von ihnen nicht als eine Art Initiation erzählt, mit der sie durch den Eintritt in den Ort – in das traditionelle Zentrum, die City of London – selbst zu einem Teil des Zentrums werden und damit die tägliche Ankunft zu etwas besonderem, einer Erinnerung an den eigenen Erfolg wird. Sie haben bei der Ankunft im CBD weder das Gefühl, nun das Zentrum der Wirtschaft zu betreten, noch fühlen sie sich als Teil von gemeinsam hierher strömenden Menschenfluten. Morgens kommen die deutschen Finanzmanager zusammen mit vielen anderen zwischen 8 und 9 Uhr an ihrem Büro an, sie fahren entlang der gut ausgebauten Straßen mit dem Auto, Bus oder Taxi direkt vor das Bürogebäude oder laufen ab den zentralen MRT-Stationen – wie der City Hall, dem Raffles Place oder Tanjong Pagar – zusammen mit vielen Anderen, die auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen unterwegs sind, durch die klimatisierten Gänge der Malls. Die deutschen Finanzmanager versuchen tagsüber möglichst Bewegungen unter freiem Himmel zu vermeiden und ihren Körper vor der hohen Temperatur zu schützen. Denn: „Ansonsten fängt man doch relativ schnell an zu schwitzen. Die Sonne scheint immer und dann kann einen natürlich der Regenguss überraschen und dann kommt man ins Büro zurück und ist ganz nass, das ist jetzt nicht so angenehm“ (S12: 124). Sofern es keine klimatisierten Gänge gibt und die Finanzmanager doch auf die Fußwege treten müssen, versuchen sie mit vorsichtigen Bewegungen ihre Körper nicht zu stark zum Schwitzen zu bringen. Anders als auf den Straßen in der City of London gehen die Finanzmanager hier behutsamer, sie rennen oder stürzen nicht über rote Fußgängerampeln, sondern versuchen sich möglichst in den schattigen Bereichen des Weges zu bewegen. So sagt ein Finanzmanager: „Aber laufen [er meint zur Arbeit gehen] tue ich nicht. Weil wenn Sie hier bei diesem Klima laufen, so 160

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stark nachschwitzen, ne, dass man sich wirklich ’ne halbe Stunde hinsetzen muss und warten muss, bis man aufhört zu schwitzen. Also anziehen oder duschen macht gar keinen Sinn, weil das Nachschwitzen so lange dauert“ (S17: 114).

Abbildung 36: Straße im CBD mit Fußgängern, die bei grüner Ampel die Kreuzung überqueren Den Tag über herrscht in den an den CBD angrenzenden Malls ein geschäftiges Treiben; die vielfältigen Abwechslungen, die Einkaufs- und Essensmöglichkeiten, die an den Seiten der Wege locken, werden genutzt. Auf den Straßen, die direkt im Kern des CBD sind, gibt es diese Ablenkungen weniger. Aber auch hier locken vereinzelte Geschäfte und Hawker Center zu einem Blick oder einem Besuch. Der Gang durch den CBD und sein Umfeld wird stärker durch Ablenkungen irritiert. Während man von den Fußwegen der City of London keinen Einblick in die Cafés oder die Büroräume hat, blickt man im CBD in die Geschäfte der Malls, die Cafés oder Foodcourts. Der CBD in Singapur erscheint anders als die City of London weniger als ein hektischer Ort: Die vielen Ablenkungen auf der Straße und das Image des untergeordneten, nicht ganz so wichtigen Ortes lassen den CBD als etwas gemächlicher erscheinen. Auch wenn die Finanzmanager sich hier stark in die Arbeit eingebunden fühlen, unterscheidet sich daher ihre Perspektive auf den CBD von derjenigen auf die City 161

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of London. Im Zentrum in London ist die Erzählung der eigenen hohen Leistungsbereitschaft zentral, um den eigenen Eintritt in das Zentrum zu erklären. Im CBD in Singapur, der ehemaligen kolonialen Peripherie, hat die Erzählung von den eigenen passenden Eigenschaften, die man für einen Eintritt in den CBD braucht, einen anderen Schwerpunkt: Um hier Zutritt zu bekommen und sich hier zurechtzufinden, muss man aus Perspektive der Finanzmanager Abenteurer sein. Die Zuschreibung einer hohen eigenen Leistungsbereitschaft, die die deutschen Finanzmanager mit ihrem Aufenthalt in der City of London verbinden, weicht im CBD eher dem Selbstbild von der eigenen Abenteuerfähigkeit. Anders als in der City of London, in der das Einpassen in den hektischen Ort auch durch den Einsatz des eigenen Körpers, dem regelmäßigen Trinken von Alkohol erfolgt, ist diese widerspenstige Strategie, sich der Hektik des Ortes zu erwehren, für die Finanzmanager im CBD nicht Teil ihres Einpassens. In dem als weniger hektisch empfundenen CBD gibt es keine solche Tradition zur Bewältigung von Hektik. „Als ich in London gearbeitet habe war das typisch, dass man mittags losging, schon was trinken, hier passiert das eigentlich nicht. Denn, ich glaube, ich habe hier noch kein einziges Mal einen Tropfen Alkohol getrunken. Während der Arbeitszeit, von morgens acht bis ...“ (S10: 216). In Singapur gibt es hingegen eine Tradition zur Bewältigung und Vermeidung des Schwitzens, einen ständigen Versuch, sich in den dafür bereitgestellten Strukturen (klimatisierte oder zumindest beschattete Bereichen) aufzuhalten und so den eigenen weißen Körper vor der Belastung des tropischen Klimas zu schützen. Diese Belastung erscheint den deutschen Finanzmanagern als körperliche Erfahrung und Bewältigung von Fremdheit. Der eigene weiße Körper, der aus Perspektive der Finanzmanager in Singapur fremd ist und in seiner Struktur nicht zu den Bedingungen der Tropen stimmig ist (denn „das ist für uns Europäer schon hammerhart hier“ [S8: 129]), passt sich in den Ort ein und kann dieser Belastung durch Hilfe der Anderen – in der sich ihre Rolle als benötigte Weiße bestätigt – bestehen. „Wenn wir mal über Nachteile von Singapur reden, ein Nachteil ist das Wetter hier, ja. Das ist für uns Europäer schon hammerhart hier und du bist schon froh, wenn du hier in dem Air-condition drin bist. Also, wir haben die sehr netten Damen, die kommen hier ins Haus, die liefern uns Kaffee oder Tee oder sonst was, und ich hab das Privileg hier, […] dieses schöne Zimmer zu haben. Also, ich bin immer ungestört, da muss ich nicht raus. Abends gehst du dann eventuell noch mal raus“ (S8: 129). Die Widersprüche zu dem Image und dem Erleben des Ortes sind deutlich, Singapur wird von den deutschen Finanzmanager als der gesündere und stressfreiere Arbeitsort erlebt und präsentiert, beides nicht gerade Elemente, mit denen sich der abenteuerliche und wagemutige Anteil der Identität der globalen Elite bestätigen lässt. 162

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Die Mittagspause Die deutschen Finanzmanager passen sich nicht nur mit ihren Bewegungen in den Ort ein, auch die Mittagspause wird – in anderer Ausprägung als in der City of London – im CBD von ihnen in Einpassung in den Rhythmus des Ortes vorgenommen. In dem CBD von Singapur machen alle meiner Interviewpartner, anders als diejenigen in der City of London, eine Mittagspause. In dieser Pause gehen sie zumeist in die nahe liegenden Restaurants oder Hawker Center zum Essen. So berichtet ein Interviewpartner: „Entweder geht man in den Foodcourt, da können sie für drei oder fünf Singapur Dollar was Tolles, also kriegt man ein vollständiges Essen, oder man geht in was anderes, was halt etwas mehr kostet, aber mit richtig schön hinsetzen und alles mit dabei ist. […]. Das ist alles in unmittelbarer Umgebung“ (S1: 183). Für die deutschen Finanzmanager im CBD fordert der Rhythmus des Ortes ihr Einpassen ein, sie gehen zusammen mit den hier arbeitenden SingapurerInnen und den anderen Expatriates um 12 Uhr zum Mittagessen. Denn „um 12 Uhr in Singapur geht man zum Mittagessen.“ (S12: 108). Ein anderer Interviewpartner führt dies aus: „Glockenschlag zwölf gehen hier die Mitarbeiter aus der Bank, da finden Sie hier nirgendwo einen. Die haben auch keine, wie man es in Deutschland kennt, Kantine oder so was, deswegen ist ’ne Stunde Mittag hier angesagt. Die Leute gehen alle, müssen alle anstehen, zum Essen irgendwo, also, das dauert alles ein bisschen länger. In Deutschland geht man in die Kantine, da wird schnell gefuttert und dann geht es wieder an den Arbeitsplatz. […] Sie gehen alle raus, das ist ein wichtiges Thema für die Singapurer. Da wird sich wochenlang vorher verabredet, wo man wie und wo und wann hingeht. Food ist ein großes Thema in Singapur“ (S3: 137-139). „Hier in Singapur, in Asien generell, ist ja das Treffen im Restaurant immer noch sehr verbreitet. Äh, wie man meinem Übergewicht auch ansehen kann. Also, es geht vieles durch den Magen, man trifft sich dann zum Essen, weniger zum Drink eigentlich, es ist viel mehr das Essen, das Mittagessen“ (S15: 89). Mein Interviewpartner betrachtet die Mittagspause in Singapur im Unterschied zu der in Deutschland: Anders als in der Bank in Deutschland geht man demnach in Singapur nicht schnell, für kurze Zeit in die Kantine, sondern verwendet etwas mehr Zeit für die Mittagspause. Denn wie der Interviewpartner (S3) oben sagt, ist Essen nicht nur ein „wichtiges Thema für die Singapurer“, er sieht die Situation allgemeiner, für ihn ist Essen „ein großes Thema in Singapur“ und wird in ihrem Einpassen in den CBD auch zu einem großen Thema für ihn und die anderen deutschen Finanzmanager. Das alltägliche Auswählen aus den Essensmöglichkeiten zur Mittagspause gehört für die deutschen Finanzmanager, wie sich in dem folgenden Interviewzitat zeigt, zu ihrem Alltag im CBD dazu. „Das ist eine unterschiedliche Mischung. Verschiedene Sandwich Places hier. Äh. O’Brians, Phyllis, Subway, dann gibt es ein indisches Restaurant, ein thailändisches Restaurant, ein Sushi-Japaner, einen Fast Food-Italiener, ein Nudelrestaurant, in 163

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dem es Nudeln aus allen asiatischen Gegenden gibt. Dann gibt es den Food Corner, da können wir chinesisch, oder indisch, oder malayisch essen. […] Bei diesem Brunnen, da gibt es auch noch einen Vietnamesen, oder Chinesen, zu dem wir öfter gehen“ (S14: 394-395). Ihre deutsche Identität, deren Performance für die Finanzmanager in der City of London auch in dem Bedürfnis nach einem Mittagessen und dem körperlichen Erleiden einer dort nicht vorhandenen Mittagspause spürbar wird, lässt sich für sie im CBD leichter ausleben. Sie betonen, dass hier ähnlich wie in Deutschland eine Mittagspause gemacht wird, in der am Tisch sitzend eine warme Speise eingenommen wird. Auch ihr Verlangen nach deutschen Speisen, von dem einige der deutschen Finanzmanager in Singapur immer wieder berichten, kann zur Mittagspause im Umfeld des CBD befriedigt werden. So berichtet ein Interviewpartner von seinem Bedürfnis nach westlichem Essen: „Einmal die Woche esse ich dann auch westlich, entweder dann so Sandwich oder Salat oder so was. Das mache ich schon, also ich mische es“ (S5: 170). Ein anderer führt dazu aus: I: „Und wo gehen sie dann hin zum Mittagessen?“ S12: „Da habe ich eine Entwicklung durchgemacht, also als ich ankam, hier es gibt ja diese Foodcourts. Die haben mir überhaupt nicht gefallen, nicht zur Mittagszeit. Denn zur Mittagszeit sind die gesteckt voll und ich habe es gerne etwas entspannt um mich herum, ja. Und da bin ich zu anfangs bin ich zu Mc Donalds gegangen oder zum Sushi Restaurant oder zum Nudelrestaurant. Also überall hin nur nicht zum Foodcourt. Und am Anfang muss ich sagen, hatte ich richtig Lust auf ein gutes Steak, denn hier in Asien ist alles so klein gehackt, und, na ja, das ist dann zum Anfang interessant, und man probiert auch neue Sachen, aber dann plötzlich will man auch Kartoffeln und Braten und ein zusammenhängendes Stück Fleisch, ja. Und das hat sich dann aber auch gegeben nach einiger Zeit. Und heutzutage geh ich also meist in ein Foodcourt“ (S12: 114-116). Mit der Wahl des Essens werden Identitäten ausgedrückt und produziert oder wie es Bell und Valentine (1997) auf den Punkt bringen: „We are what we eat“. Diese Verbindung demonstriert Pierre Bourdieu (1982) am Beispiel von verschiedenen Milieus und Gill Valentine (1999) am Beispiel von Frauen. Die deutschen Finanzmanager in Singapur erleben ihre deutsche Identität immer wieder körperlich in der „Lust auf ein gutes Steak“. Da sie mit der Motivation, etwas anderes zu erfahren und Abenteuer zu erleben, nach Singapur gegangen sind, die hier zu erlebenden Abenteuer aber eigentlich recht dürftig sind, wird es für sie umso wichtiger, sich über kleinere Erlebnisse als Abenteurer zu fühlen und zu präsentieren. Sie passen sie sich in den Ort ein, während sie exotisches Essen erfahren und diese Erfahrungen in immer wiederkehrenden Erzählungen des kulinarischen Erlebnisses von z.B. stinkenden Durian-Früchten, tausendjährigen Eiern, Hühnerfüßen oder Krokodilschnitzeln präsentieren und sich so als Abenteuerer und furchtlose und flexible globale Elite präsentieren und fühlen zu können. Das Bedürfnis an diesem Ort, an dem sie sich mit dieser exotisierenden Essensperformance als globale Elite 164

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präsentieren, ihre deutsche Identität zu produzieren, ist daher für die deutschen Finanzmanager überraschend: „Dann plötzlich will man auch Kartoffeln und Braten“.

Der ferne Ortsrhythmus des Zentrums als Taktgeber Nach der Mittagpause, in der sich die deutschen Finanzmanager an den Rhythmus des Ortes einpassen, wird für die deutschen Finanzmanager der Rhythmus entfernter Orte spürbar. Der Rhythmus des Ortes CBD wird dabei im Alltag der Finanzmanager überlagert durch den Rhythmus an entfernten Orten, wie dem Finanzviertel in Frankfurt oder der City in London. Ein Interviewpartner führt dies so aus: „Man kommt zurück in die Bank, dann beginnt eigentlich der hektische Teil des Tages, weil dann so langsam Frankfurt in die Strümpfe kommt, von der Zeitverschiebung her“ (S3: 134). Ihren Arbeitsalltag im CBD in Singapur passen die Finanzmanager infolgedessen auch an die zeitlichen Erfordernisse des entfernten Zentrums an. „Wir wollten schon mal einführen, dass wir freitags wenigstens nachmittags so um 3, 4 Uhr Schluss machen. Aber das geht einfach nicht, weil dann Deutschland noch nicht am Netz ist, wenn Sie so wollen. Und damit man wenigstens ein Zeitfenster von drei, vier Stunden hat, müssen wir immer bis 6 Uhr bleiben. Das ist schon ein Nachteil, weil das Wochenende ist dann sehr kurz, wenn man abends um sieben, halb acht nach Hause kommt am Freitagabend. Das bringt ein ganz anderes Lebensgefühl, wenn man am Freitagnachmittag schon um 3 Uhr oder 4 Uhr aufhört. Das Wochenende fühlt sich sehr viel länger an. Also, deswegen müssen wir darauf achten, wann die anderen anfangen und aufhören, das ist schon so“ (S17: 153-158). Die Entfernung zum Zentrum ist für die deutschen Finanzmanager damit nicht nur als Befreiung von den Anforderungen des Zentrums spürbar, gleichzeitig werden für sie im CBD die Erfordernisse des fernen Zentrums als eingeforderte Anpassung an die Zeitverschiebung, an den Tagesrhythmus im Zentrum, merklich. In ihrem Alltag ist für sie somit ihr Image des Zentrums in Westeuropa und der Peripherie im CBD in Singapur als eine von ihnen in der Peripherie geforderte Anpassungsleistung an die Erfordernisse des fernen Zentrums spürbar. Das entfernte Zentrum ist für sie ein mächtiger Taktgeber ihres Tagesrhythmus im CBD. „Es kann auch ohne weiteres sein, dass es auch mal bis acht, neun geht, wenn wie gesagt diese Videokonferenzen passieren. Denn wir dürfen nicht vergessen, die sechs Stunden Europa, bzw. sieben Stunden im Winter, die bestehen halt. Und wenn Frankfurt sagt, okay, wir machen um zwei Uhr nachmittags ’ne Videokonferenz, dann ist bei uns ja abends acht, neun Uhr. Da können wir nicht dran vorbei“ (S6: 271-273). „Wenn wir manchmal Konferenz haben, muss ich warten bis abends 9, 10 Uhr. […] Das heißt, hier wird ein sehr langer Arbeitsablauf verlangt, einfach durch die Zeitverschiebung“ (S9: 82).

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Auch wenn viele der Finanzbeschäftigten am Ende ihrer Arbeitszeit den CBD und sein Umfeld verlassen und einige Straßenzüge im Kern des CBD abends wenig belebt sind, treffen sich doch viele in den nahe liegenden Bars am Boat Quay, gehen in Restaurants oder Hawker Centern essen oder in den Malls einkaufen.

Abbildung 37: Ausruhen am Boat Quay Wenn die Sonne am Abend zusammen mit der Temperatur sinkt, ist auf den Fußwegen im Umfeld des CBD fast mehr Aktivität und Bewegung als am Tage. Die Finanzmanager fühlen sich hier anders als in der City of London am Abend nicht an einem ausgestorbenen Ort. Sie sehen sich im Umfeld des CBD nicht an einem Ort, an dem alles danach ausgerichtet ist, dem Funktionieren des Finanzwesens zu dienen, sondern an dem sich auch Aktivitäten verschiedener sozialer Gruppen mischen.

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Eine positive und unproblematische deutsche Identität erleben Die deutschen Finanzmanager sehen sie sich im CBD an einem Ort, an dem nicht nur das Weißsein begehrt ist, sondern auch das Deutschsein aufgrund der deutschen Geschichte keine Belastung darstellt. Dies demonstriert sich für die Finanzmanager in dem ahnungslosen Umgang der SingapurerInnen mit der deutschen Geschichte. So sagt einer: „Das kann dir dann passieren, dass dir im Taxi: ‚Ah, you are German‘, – langsam merken sie es nicht mehr vom Akzent, aber am Anfang haben Sie es gemerkt – da kommen dir dann Leute, die sagen: ‚Hitler gut‘, ja. Dann sag ich: ‚Komm, forget about it‘“ (S8: 293-295). Anders als in der City of London haben die deutschen Finanzmanager im CBD nicht das Gefühl, mit ihrer deutschen Identität als Angreifer und Kriegsverbrecher wahrgenommen zu werden. Daher spüren sie hier auch kein Unbehagen im Zusammenhang mit dieser Identität, ganz anders als in London, wo sie dieser eher verbergen. S8: „Wir Europäer haben ein unheimlich hohes Ansehen hier. Also, Skandinavier, Engländer, Deutsche, wir haben ein unheimlich hohes Ansehen.“ I: „Warum?“ S8: „Weil wir sie eigentlich ordentlich behandeln, weil viele auch aus den kleineren europäischen Ländern sich hier eigentlich recht gut einfinden. Die Engländer haben manchmal so ein bisschen Kolonialherrenmentalität und die Amerikaner lassen manchmal so ein bisschen Sensibilität vermissen“ (S8: 299-301). Ihr Deutschsein ist aus der Perspektive der Finanzmanager im CBD nicht nur unproblematisch, es ist für sie sogar mit dem Gefühl verbunden, ein höheres Ansehen zu erlangen, als Menschen mit einer britischen oder US-amerikanischen nationalen Identität. Ihr Einpassen in Singapur erfolgt in einer spezifischen Performance ihrer nationalen Identitäten, eine Performance von der sie das Gefühl haben, dass diese von den Singapurern positiv angesehen wird. Dieses höhere Ansehen wird von ihnen als eine verdiente Würdigung ihrer Performance der deutschen Identität beschrieben, „weil wir sie eigentlich ordentlich behandeln“. Mit der Konzeption der deutschen Identitätsperformance als sensibel und respektvoll im Umgang mit den Anderen und der Kontrastierung dieser Eigenschaften zu denen der britischen und USamerikanischen Identitäten, wird die eigene nationale Identitätsperformance in Singapur nicht nur als unproblematisch sondern sogar als positiv empfunden. Gerade in Kontrastierung zu der von ihnen aufgrund der Kolonialvergangenheit in Singapur als belastet betrachteten nationalen Identität der Briten, kann die eigene deutsche Identität durch deren historische Unbelastetheit in Singapur auch unbelastet aufgeführt werden. Die besondere Geschichte des Ortes wirkt auf das Einpassen der deutschen Finanzmanager.

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Die deutsche Community und die Anderen – Der Aufbau von Netzwerken Anders als in der City of London wird die soziale Netzwerkbildung, die auch im CBD von den Finanzmanagern als Teil des Arbeitsalltags beschrieben wird, von ihnen weniger als ein mühsamer Prozess des Knüpfens von Netzwerken dargestellt. Ihren Erzählungen folgend werden hier die deutschen Finanzmanager vielmehr mit der Ankunft im CBD in Singapur zwangsläufig zu einem Teil einer eng miteinander verbundenen deutschen Community von Expatriates. Es scheint, dass diese Community sie fast automatisch, ohne dass sie selbst größere Anstrengungen unternehmen müssen, aufnimmt. Dies führen zwei Interviewpartner so aus: „Ist relativ einfach hier, weil jeder weiß, sowohl aus der deutschen Community, sowohl aus den anderen Ausland-Communities, aber auch jeder weiß hier unter der Belegschaft, dass man halt frisch ist. Und Frischlingen wird hier geholfen“ (S15: 47). „Erstmal hatte ich einen sehr netten Kollegen, den ich eben kannte, nicht sehr. Aber im generellen können Sie sagen, dass die deutsche Community hier sehr hilfsbereit ist. Wir haben das alle durchgemacht und standen hier und ‚haaach‘, was ist denn hier los. Und das ist ein Phänomen, das Sie eben haben, dass Sie, auch wenn mich jemand anspricht, kannst du mir Tipps geben, kannst du mir, … sofort. Das ist einfach ein, ich würd’ mal sagen, ungeschriebenes Gesetz“ (S8: 39). Diese fast selbstverständliche enge Einbindung in die deutsche Community und damit auch in entsprechende Arbeitszusammenhänge bedeutet für die Finanzmanager aber auch eine Belastung. „Man ist hier auch im privaten Bereich sehr viel stärker auch mit dem Arbeitgeber verbunden. Läuft natürlich auch viel am Wochenende. Man kann sich hier nicht so richtig zurückziehen aus dem, aus der Tatsache, dass man hier als Mitarbeiter hier draußen ist. Das ist glaub ich in Deutschland anders, da geht man abends um sechs nach Hause und macht seinen Vereinskram, und das ist irgendwie Privatleben, und das ist hier eigentlich nicht so. […] Das ist irgendwie Teil der Entscheidung, hier raus zu gehen, dass man so ein Mitarbeiter im Ausland ist“ (S18: 380). Dem letzten Interviewzitat zu Folge empfinden es die deutschen Finanzmanager mit ihrer Ankunft im CBD in Singapur jedoch nicht nur als positiv, automatisch in die deutsche Community integriert zu sein. Gleichzeitig ist es für sie mit der „Entscheidung, hier raus zu gehen“ (S18: 380), schwer, diesem engen, stark von der Berufstätigkeit bestimmten Netzwerk und den daraus entstehenden Anforderungen zu entfliehen, sich in das Privatleben „zurückzuziehen“ (S18: 380). Viele der deutschen Finanzmanager versuchen gerade ihre zu enge Einbettung in eine Community von Expatriates in Singapur zu vermeiden und ordnen sich ausdrücklich nicht einer solchen Community zu.

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„Ich betrachte mich aber nicht als Expat in dem Sinne, dass ich einer ExpatCommunity zugehöre, das nicht. Ich betrachte mich als Expat einfach formell“ (S5: 100-102). Die Versuche, ob geglückt oder nicht, in Singapur in Kontakt zu SingapurerInnen zu kommen, ist eine zentrale Motivation in vielen ihrer Erzählungen. Das ausgedrückte Interesse für das Fremde und der Versuch, eine Nähe zum Unbekannten herzustellen, lässt sich als Herstellung eines Identitätsmerkmals verstehen, mit dem das globale Elitesein und auch das Weißsein konstituiert wird. Aus dieser Perspektive war die Entscheidung, beruflich nach Singapur zu gehen, gerade davon getragen, hier „etwas anderes zu erleben“ und „andere Erfahrungen zu machen“, also solche Abenteuer zu erleben mit denen man die Kennzeichen der globalen Elite in die eigene Person integrieren kann. Da aus dieser Perspektive das Erleben von Deutschsein in einer solchen Community dem eigenen Drang, „etwas anderes zu erleben“, widerspricht, versuchen manche sich von der deutschen Community in Singapur zu distanzieren. „Ich bin jetzt auch nicht so verquickt mit der deutschen Community, ähm, also wenn ich eine deutsche Community brauche, dann kann ich auch in Deutschland bleiben“ (S12: 216). Diese Distanzierung ist für die deutschen Finanzmanager gekoppelt mit einer bewussten Vermeidung des Besuchs von unter Expatriates beliebten Orten wie die an den CBD angrenzenden Kneipen und Restaurants am Boat Quay. 31 Erklären lässt sich diese Distanzierung dadurch, dass sonst das mit dem Aufenthalt im CBD in Singapur verbundene Selbstbild als Abenteurer, d.h. „den Horizont zu erweitern, was Neues kennen zu lernen“ (S4: 17) und dafür Deutschland in Richtung Asien zu verlassen, durch eine zu enge Einbindung in eine solche Community gestört wird. Ihre Beziehung zu der deutschen Community ist von Ambivalenz geprägt, einerseits betonen sie häufig ihre eigene Unabhängigkeit von der deutschen Community und anderseits werden sie mit ihrer Ankunft in Singapur fast automatisch in das Netzwerk dieser Community integriert: Sei es über die Arbeitsverbindungen, über die häufig im Rahmen des vom Arbeitgeber zugebilligten Expat-Packages der automatischen Mitgliedschaft in dem Deutschen Klub (der sich auf dem Gelände des Schweizer Klubs befindet) oder über die Verbindung zur Deutschen Schule. Das Einpassen in den CBD wird für die Finanzmanager somit zu einer Enttäuschung des eigenen Selbstbildes, ihr Streben, in Singapur als Abenteurer das Unbekannte und den Fremden kennen zu lernen, erweist sich im direkten Kontakt mit dem Ort als schwierig und steht den Strukturen im CBD gegenüber, die eine Integration in die deutsche Community und in die erweiterte Expat-Community fördern. 31 Auch andere bekannte Orte der Expatriates, wie das Holland Village oder der Deutsche Klub (Teil des Schweizer Klubs), die allerdings nicht im Umfeld des CBD liegen, werden von manchen Finanzmanagern bewusst gemieden. 169

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„Also es ist nicht so einfach, jetzt zu Lokalen Kontakt zu kriegen. Entweder sind’s Leute jetzt aus dem Büro, oder jetzt eben durch Schule, oder […] durch die ExpatCommunity“ (S1: 251). Es zu schaffen, auch mit dem Anderen – den asiatisch stämmigen SingapurerInnen – in einen engeren Kontakt zu kommen, wird von den Finanzmanagern als Folge ihres erfahrenen Einpassens in den CBD und einer Qualifizierung des eigenen Abenteurertums im gründlicheren Kontakt zu dem Ort beschrieben. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer wird es so für die deutschen Finanzmanager nicht nur besser möglich, dem eigenen Selbstbild als erfahrener Abenteurer – der auch in der Fremde und mit den Fremden zurechtkommt – besser zu entsprechen, sondern auch eine berufliche Qualifizierung durch die vertiefte Netzwerkbildung mit den Fremden zu erlangen. „Weil erstens mal der Informationsfluss und Datenfluss in Asien speziell ist, sind Kontakte extrem wichtig. Weil wenn sie in Asien, sag ich mal, als Neuling anfangen, mit Firmen oder Banken Geschäft machen wollen, das dauert erst mal, ich sag mal, zwei Jahre bis sie da einigermaßen, so ein bisschen den Marsch durch die Institutionen geschafft haben und dann auch eine gewisse Vertrauensbasis aufgebaut haben. Das ist sehr personenbezogen. Viele der Banken hier in der Region, die kennen mich inzwischen als [er sagt seinen Namen], nicht mehr als der Vertreter der [er nennt den Namen seiner Bank] oder was auch immer für eine Namenskarte ich trage. Das ist denen eigentlich egal, die wissen, der Mann erzählt keinen Unsinn. Wenn wir mit dem ein Geschäft machen und wenn er das verspricht, dann hält er das auch. Und das ist ein ganz entscheidender Faktor. Und vor allen Dingen gerade in kritischen Zeiten, wenn sie auch mal Informationen über Kreditnehmer in Thailand, in den Philippinen, in Indonesien brauchen, brauchen sie eine Person, der sie wirklich vertrauen können, die sie mal anrufen können und sagen: ‚Pass mal auf, kannst du mir nicht mal was mailen über die und die Firma, ich hab gelesen, das und das, was läuft da so ab und was spricht man so ein bisschen in der Local Community, unter den Banken auch?‘ […] Da brauchen sie ein Netzwerk von Beziehungen, für die es Zeit braucht in Asien, das aufzubauen. Und je länger man natürlich hier ist, desto größer wird dieses Netzwerk, umso tiefer geht’s. Also, ich sag nicht jetzt in der German International Community [sondern] in Beziehungsgeflechten in den einzelnen Ländern dieser Region hier“ (S3: 83). Das Einpassen ihrer eigenen weißen Identität in den CBD erfolgt für die deutschen Finanzmanager auch darin, diese verbunden mit den Eigenschaften des Abenteurers auszubilden. Denn im Kontakt zu den Anderen ist es für sie erforderlich, sich nicht als ein distanzierter weißer Halbgott zu präsentieren, sondern eher als interessierter und furchtloser Abenteurer, denn „mit Halbgöttern verkehrt man nicht so gerne“ (S12: 166). Der berufliche Erfolg wird aus ihrer Perspektive hier erst möglich, wenn sie die hiesigen Geschäftsrituale und besonderen Gepflogenheiten durch einen intensiven und offenen Kontakt zu den Anderen erlernen und sich so als mutige und flexible globale Elite erweisen. Dies stellt ein deutscher Finanzmanager so dar: S8: „Wir [die Expats] sind einfach reich. Also im Verhältnis zu den Möglichkeiten ist das schon - die meisten, die ich kenne, den geht es verdammt gut, also finanziell, 170

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ich rede über das Finanzielle. Da müssen wir auch aufpassen, dass wir das nicht zu stark raushängen.“ I: „Wie raushängen?“ S8: „Raushängen in dem Sinne, dass Sie nicht mit Ihrem Geld rumprotzen, dass Sie eine, ich nenne es eine moralische Bescheidenheit zeigen, dass Sie bescheiden bleiben. Ja, dass Sie, wenn Ihnen jemand anbietet, in ein einfaches Restaurant zum Hawker einzuladen, dass Sie sich freuen, dass Sie mitgehen, ja. Dass Sie nicht sagen, da gehe ich nicht hin. Oder, so Fragen stellen: ‚Ist das sauber hier?‘ Ne, das ist eine Gemeinheit, das ist, sie müssen nicht Hühnerfüße essen. Ja, Sie müssen nicht beim fish head curry das Auge nehmen. Aber, ich rede immer gerne in Beispielen – ich bin mal mittags hier raus und dann, bumm bumm bumm, standen wir am Aufzug und dann standen fünf Damen vom Accounting hier und ich hab, keiner wollte mit mir essen gehen, ich war schon richtig traurig, und sag: ‚Can I join you for lunch?‘ Das ist ohne weiteres ’ne Frage, die Sie hier tun dürfen, das ist nicht aufdringlich. Also, die sagen Ihnen auch, nein. [lacht] Wenn die, yes, und dann kriegen die so ein Grinsen und dann sag ich: ‚Was ist denn jetzt hier los?‘ ‚Aber we will have fish head curry.‘ Ich hatte davon gehört, na, musst du eigentlich nicht haben. Aber dann kannst du nicht mehr nein sagen. Da musst du mitgehen und da bin ich da mitgegangen und da hab ich fish head curry zu schätzen gelernt. Weil, die schneiden den Kopf anders, da ist so viel Fleisch dran und die waren dann auch so freundlich, die haben mir nur von dem Fleisch gegeben. Ich musste nicht die Kiemen essen, ich musste nicht das Auge essen. Und da müssen Sie mitmachen und wenn Sie da einfach mitmachen, das wird Ihnen wahnsinnig hoch angerechnet“ (S8: 289-295). Die Bereitschaft und Fähigkeit ein Abenteuer einzugehen und sich damit nicht als ein „Halbgott“ (vgl. S12: 166) zu präsentieren, drückt sich für einige der deutschen Finanzmanager in ihrer Fähigkeit aus mit den Anderen im CBD einen angemessenen Kontakt eingehen zu können. Die Auszeichnung, die die Finanzmanager durch ihren Schritt nach Singapur und der damit verbundenen Rolle als Abenteurer in Deutschland erhalten, wird so vor Ort ergänzt mittels einer Anerkennung durch die Anderen im CBD dafür, dass man hier „mitmacht“.

Fazit: Das Einpassen der deutschen Finanzmanager in den CBD In diesem Kapitel wurde die Abhängigkeit der Performance der Identitäten der deutschen Finanzmanager von ihrem Arbeitsort in Singapur, dem CBD, dargestellt. Nicht nur das tropische Klima, die starken Regenfälle und die hohe Temperatur lassen die Finanzmanager in ihren Handlungen in die Strukturen des CBD – seine materielle Struktur, die sich z.B. in den klimatisierten Gängen und Schatten spendenden Überdachungen ausdrückt – einpassen. Die deutschen Finanzmanager begegnen dem CBD und auch den asiatisch stämmigen SingapurerInnen mit einem bestimmten Image, in dem sich die abhängige Entwicklung der City of London und des CBD widerspiegelt. Sie betrachten den CBD von Singapur als einen Außenposten des Zentrums, der in der historischen Tradition einer kolonialen Stadt steht; oder wie 171

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

Edward Said sagen würde: Sie betrachten Singapur als Orient. Dieses dem Ort zugeschriebene Image hat Konsequenzen für die Performance ihrer Identität als globale Elite im CBD. Anstatt der Präsentation der eigenen Leistungsfähigkeit – wie in der City of London – liegt der Schwerpunkt hier stärker auf der Darstellung des eigenen Mutes, der Flexibilität und der Abenteuerfähigkeit. Teil dieses Abenteuers ist auch Singapur – anders als London – als eine Stadt, in der sich sexuelle Abenteuer erleben lassen, zu präsentieren. Immer wieder taucht in den Erzählungen der deutschen Männer eine solche Perspektive auf, in der sie vorsichtig solche sexuellen Abenteuermöglichkeiten mit asiatisch stämmigen Frauen andeuten und somit einen weiteren Baustein für ihr Bild des abenteuerlichen Singapurs liefern. Auch die Identität als Weiße erfolgt in Abhängigkeit zu dem Image, mit dem die Finanzmanager dem CBD und den hier arbeitenden asiatisch stämmigen Finanzmanagern begegnen. Sie präsentieren sich als handlungsmächtige, kreative und selbstständige Personen und Männer und sehen sich mit diesen Identitätsperformances in Kontrast zu den in Deutschland Gebliebenen und den asiatisch stämmigen SingapurerInnen. Aufgrund dieser Eigenschaften, die in Differenz zu den Images stehen, die sie den asiatisch stämmigen SingapurerInnen entgegenbringen, fühlen sie sich im CBD als gefragte Personen, die für die Entwicklung des CBD gebraucht werden. Die Strukturen des Ortes, wie die ethnische Arbeitsteilung, in der der hier beschäftigte Weiße fast ausschließlich eine qualifizierte Position innehat, ihre zuvorkommende Behandlung und die erleichterten Einreisebestimmungen bestätigen im alltäglichen Kontakt zu dem Ort ihr Gefühl als Weißer, aufgrund dieser spezifischen Identitätseigenschaften, im CBD gefragt und benötigt zu sein. Ihre Identität als Deutsche können sie hier selbstbewusst präsentieren, denn die Geschichte des Ortes lässt nicht als ehemalige Angreifer und Kriegsverbrecher erscheinen. Auch wenn im direkten Kontakt mit dem CBD das Image des abenteuerlichen Außenpostens durch die entwickelte Infrastruktur irritiert wird und sich daher im CBD für die deutschen Finanzmanager nur schwer Abenteuer erleben lassen, bestätigt sich im Kontakt mit dem Ort für sie ihr Image vom nicht exklusiven Außenposten auf vielfältige Weise. So erleben sie den CBD nicht als einen exklusiven Ort, denn in seinem Umfeld begegnen die Finanzmanager in den Shopping Malls oder Food Courts auch Anderen, die nicht im Finanzsektor arbeiten. Auch ihre eigene Performance, ihre häufig legere Kleidung, der lockere Aufenthalt in den allgemein zugänglichen Food Courts und das Erleben des CBD als vergleichsweise wenig hektischen und eine Ablenkung bietenden Ort ist Ausdruck ihres Gefühl, sich hier im Außenposten zu befinden. Im CBD können sie zwar eine gewisse Unabhängigkeit in den Arbeits- und Entscheidungsprozessen erfahren, stehen aber gleichzeitig in Abhängigkeit vom Tagesrhythmus des entfernten Zentrums.

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ARBEITEN IM ZENTRUM – ARBEITEN IM AUSSENPOSTEN

Fazit: Das Einpassen der deutschen Finanzmanager in den Arbeitsort – Die City und den CBD erleben Anhand der beiden Arbeitsorte, der City of London und dem Central Business District in Singapur, wurde in diesem Kapitel die Bedeutung der spezifischen Struktur des Ortes und des besonderen Images des Ortes für das alltägliche Handeln und die Identitätsbildungen der deutschen Finanzmanager deutlich. Die Finanzmanager begegnen der City of London mit dem Image als das exklusive, traditionelle Zentrum und dem Central Business District mit dem Image von einer peripheren, kolonialen Stadt. Beide Images sind verwurzelt in den besonderen historischen Entwicklungen beider Orte; sie sind heute zusammen mit den erlebten Strukturen des Ortes für ein spezifisches Handeln, die Emotionen und die Identitätsaufführungen der Finanzmanager an diesen Arbeitsorten wirkungsmächtig. In der City of London fühlen sich die Finanzmanager an einem Ort der Konkurrenz und der Forderung – dort zu sein ist für sie eine Auszeichnung der eigenen hohen Leistungsfähigkeit. Im CBD von Singapur fühlen sie sich dagegen an einem Ort, an dem sie als „Foreign Talents“ benötigt werden. Die City wird von ihnen als exklusiver und kühler Ort erlebt und der CBD eher als Ort der aufregenden sozialen Begegnung mit den Anderen. In der City begegnen sie stilisierten historischen Bauten, die das Bild vom traditionell verwurzelten Zentrum im Alltag bestätigen. Das Gefühl sich hier an einem Ort zu befinden, an dem aufgrund dieser Zentrumsfunktion von ihnen eine besondere Arbeitsleistung und Unterordnung unter die Anforderungen der City erwartet wird, mischt sich mit den alltäglichen Erfahrungen von Hektik, wie dem Ignorieren der Fußgängerampeln, den zielstrebigen Bewegungen auf der Straße und dem Verzicht auf ein deutsches Mittagsessen, zugunsten eines schnellen Essens am Arbeitsplatz. Die deutschen Finanzmanager fühlen sich als Teil einer ausgewählten Gruppe, die es geschafft hat, aufgrund ihrer Leitungsfähigkeit in die City zu passen, und die sich dafür den Anforderungen der City wie der Erzählung einer hohen Arbeitsleistung, der Hektik des Ortes, dem Zwang zur Netzwerkbildung, den Kleidungsregeln, der Formung des Körpers und dem Verbergen von Persönlichem fügen müssen. Das fehlende Lächeln auf der Straße, die fehlende Ablenkung und Irritation des Blicks durch den Anderen, der Mangel an Ruhebuchten und das Gefühl der Bedrohung machen die City für die deutschen Finanzmanager mit dem Überschreiten der Grenzen der City als exklusiven und kühlen Ort der Konkurrenz spürbar. Sie empfinden die City als Ort, an dem aus ihrer Perspektive alles darauf ausgerichtet ist, dem Funktionieren des Finanzwesens zu dienen. Auch in dem Central Business District von Singapur begegnen die deutschen Finanzmanager kolonialen Bauten, nehmen diese dort jedoch eher so wahr, dass sie ihr Image von dem kolonialen und abhängigen Außenposten bestätigen. Die Abhängigkeit des CBD von dem fernen Zentrum spiegelt sich für sie in dem eigenen Aufenthalt wieder: Sie arbeiten hier, da ihre besonderen Fähigkeiten in dieser ab173

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

hängigen Stadt benötigt werden. Die Begegnungen mit den Anderen sind für sie daher Teil ihrer zu bewältigenden Arbeitsaufgabe. Im Unterschied zur City of London wird eine Exklusivität des Ortes von ihnen so nicht gespürt, denn die Anderen sind hier allgegenwärtig, nicht nur als Finanzmanager, sondern auch als diejenigen, die im Umfeld des CBD in den Malls einkaufen, in den Hawker Centern essen oder sich am Boat Quay ausruhen. Die schattigen Ruhebuchten, die klimatisierten Gänge der Malls und die Mittagspause in den Hawker Centern lassen den CBD für die Finanzmanager weniger als stressigen Ort der Forderung erscheinen, sondern mehr als Ort an dem einiges für das eigene Wohlbefinden geboten wird; nicht nur gegen die Transpiration in den Tropen, sondern auch gegen das mittägliche Hungergefühl sind ihre Körper hier gut geschützt. Das Gefühl im CBD gebraucht zu sein, die machtvolle Erzählung von der sozialen Harmonie in Singapur und das Image des bedeutungsloseren Außenposten lässt die Finanzmanager sich hier nicht im Konkurrenzkampf sehen und die eigene soziale Position vor Ort nicht als bedroht empfinden. Ihre Identität als globale Elite wird in Abhängigkeit vom Arbeitsort unterschiedlich prononciert aufgeführt. Zum einen wird sie in der City of London deutlicher als Eigenschaft präsentiert, durch die sie überhaupt Zutritt in das Zentrum erlangt haben und durch die man hier die eigene Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit deutlich macht. Zum anderen wird die Identität als globale Elite im CBD stärker als die eigene Fähigkeit, die Herausforderungen der Fremdheit zu meistern, aufgeführt. Eine Aufführung, die sich jedoch im konkreten Kontakt zu den wenig abenteuerlichen Strukturen des CBD als etwas schwierig erweist. Ihre deutsche Identität in der City nehmen sie aufgrund der deutschen Geschichte als Belastung wahr und im CBD als eine von den Anderen geschätzte Identität. In der City of London haben sie das Gefühl, aufgrund der deutschen Angriffe auf die Stadt im zweiten Weltkrieg heute als Aggressoren wahrgenommen zu werden. In dem CBD von Singapur hingegen spüren sie keine historische Last ihrer nationalen Identität, diese erscheint ihnen hier, gerade im Vergleich zu der der ehemaligen britischen Kolonialherren, als harmlos. Ihr Weißsein in der City erscheint ihnen als normale Identität, deren Eigenschaften wie Vernunft, Kreativität und Handlungsfähigkeit von ihnen nicht weiter herausgestellt werden. In Abgrenzung und in Konkurrenz zu den anderen Weißen ist hier die Aufführung der Identitätsmerkmale der globalen Elite notwendiger. Im CBD von Singapur hingegen wird das Weißsein von ihnen im Kontrast zu den Anderen, den Nicht-Weißen, herausgestellt. Eigenschaften der globalen Elite wie eine hohe Arbeitsleistung und berufliche Flexibilität sind hier weniger wichtige Differenzierungsmerkmale als die Eigenschaften des Weißseins, die von den Finanzmanagern in Differenz zu den Nicht-Weißen hervorgehoben werden und die den eigenen Aufenthalt begründen. Mit dem Aufenthalt in Singapur werden einzelne Identitäten der Finanzmanager – das globale Elitesein, die Männlichkeit und ihr Weißsein – von ihnen in der Figur des Abenteuers aufgeführt, die dem unbekannten Fremden furchtlos, selbstbewusst und handlungsmächtig begegnet. 174

Wohnen in der geteilten Stadt – Wohnen in der Stadt der sozialen Harmonie

Auch wenn der Aufenthalt in London und in Singapur für die hochmobilen deutschen Finanzmanager zumeist ein temporärer ist und sie nach einigen Jahren, mit dem Ende des Entsendevertrages, London oder Singapur wieder – wohin auch immer – verlassen, ist der Wohnort für die Jahre des Aufenthaltes ein wichtiger Bezugspunkt ihres alltäglichen Lebens. An dem Wohnort verbringen sie viel Zeit und passen ihre alltäglichen Handlungen an dessen spezifische Struktur und die Images an, mit denen sie dem Wohnort begegnen: Sie passen sich in den Wohnort ein. Ihre alltägliche Identitätsbildung als Weiße, als Männer, als Deutsche und als globale Elite erfolgt somit auch in Abhängigkeit zu der Struktur des Wohnortes und dem Bild, das sie von ihm haben. „Homes and residential landscapes are primary sites in which identities are produced and performed in practical, material and repetitively reaffirming ways“ (Duncan/Lambert 2004: 387). Die baulichen Strukturen des Wohnortes sind materialisierte Strukturen, die sich beispielsweise aus dem Geschmack und den Handlungen des hier wohnenden Milieus ergeben und die gleichzeitig Handlungen provozieren, die wiederum milieukonstituierend sind (vgl. Bourdieu 1982). Je nach Milieuzugehörigkeit entstehen somit in Abhängigkeit von den Strukturen und Images des Wohnortes Emotionen, die wie ein Wohlbehagen oder ein Gefühl der Unsicherheit, eine Zugehörigkeit oder Zurückweisung ausdrücken. Die Struktur des Wohnortes ist auch Ausdruck und Produzentin von ethnischen, nationalstaatlichen und geschlechtlichen Identitäten. Die Produktion dieser unterschiedlichen, sich überschneidenden und widersprechenden Identitäten im Wohnort erfolgt in Abhängigkeit von der Einbettung des Wohnortes in seine Umgebung. Nicht überall und nicht immer lassen sich bestimmte Identitäten von außen sichtbar platzieren. An dem Wohnort findet so eine Aushandlung zwi-

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DAS EINPASSEN IN DEN ORT

schen der eigenen Identität und den äußeren materiellen, sozialen, politischen und ökonomischen Strukturen statt. Der Wohnort wird in Wechselwirkung mit der eigenen Identität emotional erlebt: Er kann als Ort der Sicherheit empfunden werden, als ein intimer Ort des Schutzes vor dem Außen (vgl. Madanipour 2003; Tuan 1974; Tuan 2004), als ein Ort der tiefen Gefühle, der das Verständnis der außen liegenden Welt prägt (vgl. Bachelard 1987) und ein Ort der Vergnügens ist. Für Frauen kann sich dieser Ort ganz anders als für Männer als ein gefährlicher und konflikthafter Ort darstellen (vgl. Rose 1993; Duncan 1996). Für schwarze Frauen kann er ein Ort der Solidarität und Sicherheit vor einer weißen und rassistischen Umgebung sein (vgl. hooks 1990). Der Wohnort wird somit nicht nur abhängig von der eigenen Identität erlebt und teilweise in seiner Struktur produziert; vielmehr erlangt er seine Bedeutung auch in Abhängigkeit von der spezifischen Umgebung, in die er eingebettet ist. Mit dem Konzept des Einpassens kann ich das alltägliche Handeln an dem Wohnort auch in seiner Einbettung in eine städtische Nachbarschaft und eine bestimmte Stadt untersuchen. Somit wird die Beziehung zwischen dem Handeln im Inneren der Wohnung und der Struktur ihrer Umgebung in dieser Untersuchung sichtbar. Das alltägliche Handeln ist so auch als ein Ausdruck des Images, mit dem die Finanzmanager ihrem Wohnort und seiner Umgebung begegnen, erkennbar. Anders als der Arbeitsort, der sich zwangsläufig, mit der Entscheidung der Finanzmanager in London bzw. in Singapur zu arbeiten, in den Büros des Arbeitgebers in der City oder im Central Business District befindet, ist die Bestimmung des Wohnortes Ergebnis einer komplexen Abwägung verschiedener Wahlmöglichkeiten. Die Auswahl des Wohnortes ist das Ergebnis der Auswertung vielschichtiger Informationen, die sich die Finanzmanager auf unterschiedlichen Wegen verschaffen und die sie aus der spezifischen Perspektive der deutschen, männlichen, weißen Finanzmanager betrachten. In der Gewissheit, dass das Einpassen in die Stadt einen längeren Prozess des Erlernens der Struktur und Images des Ortes umfasst, ermöglichen ihre Arbeitgeber den deutschen Finanzmanagern eine sorgfältige Wahl des passenden Wohnorts und stellen ihnen häufig für die ersten zwei oder drei Monate ihres Aufenthaltes ein Service Appartement zur Verfügung. Diese gut ausgestatteten Wohnungen befinden sich in einem Appartementhaus, das meist nah am Arbeitsplatz ist und sich in einer privilegierten Wohngegend befindet. Durch die Möglichkeit des direkten Einzugs in eine vom Arbeitgeber ausgewählte Wohnung wird die unmittelbare Arbeitsfähigkeit direkt nach der Ankunft in Singapur oder London hergestellt. So sagt ein Interviewpartner, der in Singapur arbeitet: „Das ist natürlich sehr wichtig, dass man im Prinzip aus dem Flugzeug steigt und man weiß wo man hingehen kann und wo man den Koffer auspacken kann und .. weil dieser ganze Service schon sehr gut ist kann man relativ schnell in den nächsten Tagen schon zur Arbeit gehen und man muss sich nicht da wieder um Sachen kümmern“ (S9: 66). 176

WOHNEN IN DER GETEILTEN STADT – WOHNEN IN DER STADT DER SOZIALEN HARMONIE

Ein in London arbeitender Finanzmanager sagt dazu: „Wenn Leute umgesiedelt werden, dann wird einem das zur Verfügung gestellt äh ... nix Rares, ne, war nur ein schöner Platz, war in Mayfair Berkeley Square, ... Nähe Piccadilly, also sehr zentral gelegen“ (L8: 216). Der unmittelbare Einzug in ein für die Finanzmanager ausgewähltes Service Appartement ermöglicht den Arbeitsanfang, ohne dass sich die Finanzmanager über die geografische Lage ihres Domizils Sorgen machen müssen. Ihnen wird so zugestanden, sich für die Auswahl der richtigen Wohnung und des richtigen Wohnviertels in London und in Singapur eine gewisse Erfahrung – ein Wissen – von der Stadt und ihren Orten anzueignen. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich dieses für die Wohnortwahl nötige Wissen erst mit der direkten Erfahrung vor Ort vervollständigt: Für seine Auswahl ist es erforderlich, den Wohnort gefühlt und seine Struktur erlebt zu haben. Mit dem vor Ort erworbenen Wissen, den hier gemachten Erfahrungen, wählen die Finanzmanager nach einiger Zeit den passenden Wohnort aus. Dabei eignen sich die Finanzmanager dieses Wissen nicht nur auf unterschiedlichen Wegen selbst an, ihnen wird auch aktiv ein bestimmtes Wissen über die Wohnorte vermittelt. Sie greifen beispielsweise zurück auf Informationsbroschüren von der Deutschen Botschaft, ihrem Arbeitgeber oder der Deutschen Schule. 1 Manchmal vermittelt der Arbeitgeber auch einen Makler, der den Finanzmanagern Wohnungen in den für sie passenden Vierteln zeigt. Besonders aber die Erfahrungsberichte und Einschätzungen von Kollegen und Freunden, die schon in London oder Singapur leben und denen die Finanzmanager daher eine gewisse Erfahrung im Umgang mit der Stadt und ihren Orten zusprechen, haben eine große Bedeutung für die Wahl ihres Wohnortes. So berichtet ein Finanzmanager in London von seiner Wohnortwahl: „Meine Kollegen mit denen ich gearbeitet habe, die haben uns mal bei einem dreitägigen Aufenthalt in London geholfen ein Haus zu finden, wo wir dann wohnen konnten. Die Überlegung die die sich damals gemacht haben; London ist ja groß, ne, wo willst Du so eine junge deutsche Familie hinstecken, ne“ (L7: 102). Ein Finanzmanager in Singapur erzählt von der Unterstützung durch die Kollegen und die Bank: „Kollegen, Mitarbeiter […] Expats, da findet schon eine regelmäßige Unterstützung statt, im Unternehmen auch. Ich krieg jetzt auch gerade wieder einen Kollegen, […] da werden wir das ähnlich machen. Der kommt allerdings alleine, das ist ein Youngster auch, der kriegt so einen Schnupperkurs jetzt hier spendiert. […] Der kriegt ein Service Appartement, das habe ich grad gestern mit ihm besprochen und dann fein, dann muss er hier anfangen. […] Wir werden das so mit ihm machen, 1

Die Deutsche Schule in London hat ein solches Handbuch auf der Internetseite http://www.dslondon.org.uk veröffentlicht. Die Deutsche Schule in Singapur informiert unter http://gess.sg. 177

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

wenn er auf seinen Schnupperkurs die Woche hier her kommt, fährt er auch mal im Prinzip dann mit Leuten von der Bank und guckt sich ein paar an und kann sich eins aussuchen. So handhaben wir das. Er hat ein Budget […] und von der Seite her kann er sich dann einfach was auswählen, was er möchte“ (S3: 47-49). Vor dem Hintergrund eines Bündels von Informationen, den so vermittelten Bildern von den Wohnorten und den konkreten eigenen Erfahrungen vor Ort – dem Besuchen der in Frage kommenden Bereiche – wird der Wohnort gewählt. Die Wahl des Wohnortes und die dabei berücksichtigten Kriterien sind Ausdruck der differenzierten Images und Erfahrungen von Orten. In den Erzählungen von der Art der Auswahl des Wohnortes wird so deutlich, mit welchen Bildern und Vorstellungen die Finanzmanager den unterschiedlichen Wohnorten begegnen und wie sie diese angenommenen Eigenschaften des Ortes bewerten. Die Auswahl des Wohnortes ist somit Ergebnis eines längeren Prozesses, in dessen Folge aus den durch vielfältige Informationen entstandenen Bildern vom Ort und seinen Bewohnern und aus den gemachten Erfahrungen vor Ort eine Wahl getroffen wird. Diese Wahl ist alles andere als folgenlos, denn der Wohnort wird für die Finanzmanager alltäglich in seiner Struktur und geografischen Lage spürbar und fordert ihr Einpassen ein. Die erste allgemeine Analyse der Wohnortwahl zeigt also beispielhaft auf, welche Images und Emotionen von deutschen Finanzmanagern mit verschiedenen Wohnorten in London und Singapur verbunden werden und welche Handlungsanpassungen die Finanzmanager vornehmen. Zudem zeigt sich, wie die Strukturen der Wohnorte mit dem alltäglichen Handeln an diesen Orten zusammenwirken und ein bestimmtes Handeln einfordern. Das Einpassen wird somit an den verschiedenen Wohnorten der deutschen Finanzmanager in London und Singapur verdeutlicht. Dementsprechend wird in diesem Kapitel das alltägliche Handeln der Finanzmanager an unterschiedlichen Wohnorten in London und Singapur ausführlich dargestellt. Es wird gezeigt, dass die Auswahl eines Wohnviertels mit bestimmten Handlungen in Abhängigkeit vom gewählten Wohnort einhergeht. Die Interaktion zwischen alltäglichem Handeln, dem Erlernen von Images und der Erfahrung der konkreten Struktur des Wohnortes wird hier untersucht. Es wird so deutlich, dass, da die Wohnorte in eine unterschiedliche Stadt – in London oder in Singapur – eingebunden sind, unterschiedliche Handlungen provoziert werden. Die Finanzmanager passen sich in unterschiedlicher Weise in die Wohnorte in London und Singapur ein. Daher sind ihre Handlungen in einem Villenviertel in London andere als in einem Villenviertel in Singapur.

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WOHNEN IN DER GETEILTEN STADT – WOHNEN IN DER STADT DER SOZIALEN HARMONIE

Wohnen in London – Wohnen in der geteilten Stadt Die deutschen Finanzmanager erfahren und betrachten London als eine geteilte und umkämpfte Stadt, die sie in einer besonders ausgeprägten baulichen, sozialen und kulturellen Heterogenität wahrnehmen und erleben. Sie sehen London als einen unübersichtlichen und chaotischen (vgl. L11: 184) „Riesenmoloch“ (L10: 612), in dem sie sich in Abhängigkeit zu ihren Identitäten mit dem Gefühl einer ständigen Gefahr der Überschreitung der Grenze zu den Anderen zurechtfinden müssen. „London hat im engeren Raum 5 Millionen, im größeren Raum glaub ich 11 Millionen mittlerweile. Und da, Großstädte bringen immer ein gewisses Chaos mit sich. Unorganisiertheit, auch Dreck, muss man wirklich sagen. Auch gewisse Spannungen in gewissen Gegenden“ (L11: 184). Für die Finanzmanager wird eine Begegnung mit diesem „Riesenmoloch“ nur möglich, indem sie lernen sich in ihm zu orientieren. Für sie wird es daher wichtig, den „Riesenmoloch“ übersichtlich und damit berechenbar zu machen. Dafür nehmen sie eine grobe geografische Kartierung vor, die eine soziale Vermessung Londons ist. So sagt einer: „Ein Südwesten, ein Westen ist schon eine finanzielle Aussage, das ist nicht wie der Osten“ (L8: 604). Hierdurch gelingt es den Finanzmanagern allein aufgrund der geografischen Lage des Stadtteils einzuschätzen, ob dieser für sie ein passender Wohnort sein kann. Die Wahl des Wohnortes erfolgt somit auch auf der Basis des Erlernens der Bedeutung der geografischen Lage innerhalb Londons. Mit Hilfe der Himmelsrichtungen lassen sich für die Finanzmanager jedoch nur grobe Klassifizierungen vornehmen, die ihnen eine Orientierungshilfe für eine erste Einschätzung der sozialen und baulichen Struktur der Stadtviertel sind. Für die Auswahl eines passenden Wohnviertels ist es für die Finanzmanager deshalb erforderlich, das „Chaos“ genauer zu ordnen und auch die feineren Differenzierungen zu erlernen. Wie schon ihre Charakterisierung Londons als chaotischer „Riesenmoloch“ ahnen lässt, erscheint diese Ordnung und Orientierung für die deutschen Finanzmanager als anspruchsvolle Aufgabe, die sie nur mit Hilfe von Kollegen und eines systematischen Auswahlprozesses bewältigen können. Ein Finanzmanager stellt diesen Prozess so dar: „Das mit dem Wohnen ist sehr schwierig, am Anfang wussten wir überhaupt nicht, wir wussten um ein paar Gegenden. Wir haben ja schon ein paar Freunde gehabt. In den ersten drei Monaten hab ich hier in einer Dienstwohnung gewohnt, das ist natürlich schon mal einfach. […] Da haben Sie schon mal irgendwo so eine Zentrale. Und dann habe ich halt Interviews geführt. Ich habe halt jeden, den ich einigermaßen kenne genommen und gefragt, was sind deine Top 5 Regionen, wo du hinziehen würdest und dann hab ich halt gezählt. Okay, das waren 2, das eine war Greenwich und das andere war Eastling und dann habe ich mir beides zeigen lassen, Greenwich 179

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über die Kollegin, Eastling über einen anderen Kollegen und darauf haben wir uns dann fokussiert, weil’s halt näher dran ist. Dann haben wir 2 Wochen Urlaub genommen und intensiv Wohnungen gesucht“ (L6: 75-79). Ein anderer erzählt: „Man kann doch ziemlich schnell über das Internet Dinge finden und wenn Sie Unterstützung von Kollegen haben, Erfahrungswerte auf was man achten soll. .. Gerade mit Wohngegenden, ich denk da müssen sie sich dann auf Kollegen verlassen, dass sie sagen, okay, wo würdest Du hinziehen wo eher nicht, wo sind Brennpunkte. Wobei es auch da wiederum Statistiken gibt von den einzelnen Councils, die dann veröffentlichen äh die Kriminalitätsrate, wie ist es mit der Müllabfuhr, wie regelmäßig ist das. Dass sie wissen wo sie in etwa sind und dann müssen sie einfach mal einen Spaziergang in der Gegend machen, am Besten auch abends, wem sie da so begegnen“ (L1: 100). Die Finanzmanager erlernen während des Auswahlprozesses bestimmte Images und Eigenschaften von Stadtvierteln. Mit der Benennung der Stadtviertel wie Eastling oder Greenwich und der Verbindung dieser Namen mit bestimmten Eigenschaften ordnen die Finanzmanager das „Chaos“ des „Riesenmoloch[s]“. Auf der Basis der erlernten Images entscheiden sie, ob ein leibliches Erleben, ein durch das Viertel Spazieren und ein direktes Erleben der Struktur des Stadtviertels sinnvoll erscheint, um den Auswahlprozess abzuschließen. „Wie gesagt Wohngebiet angeschaut, dann habe ich mir angesehen auf den Straßen was für Autos stehen da und je nachdem wie die Autos sind, wie gepflegt die sind, ist das Mittelklassewagen, höher oder sind das alles alte Schüsseln, können Sie sehr genau sagen was da für Leute wohnen und höchstwahrscheinlich auch welche Leute da durchlaufen. Das ist ein gutes Indiz. Dann äh wie gepflegt sind die Gärten, wie gepflegt sind die Häuser an sich. … Dann sehen Sie auch schon wie ist die Zusammensetzung von den Leuten. Ich will jetzt nicht sagen wie sind die verschiedenen Herkünfte, sondern vielmehr von dem Bekleidungsstil. Laufen da jetzt viele tagsüber in ihren Jogginghosen rum oder mit dicken Goldketten und sehen eher düster aus. Oder habe ich eben morgens die Leute, die in Krawatte, Anzug äh da aus dem Haus gehen. Dann können sie das in etwa grob abschätzen ähm, ja. Sicherlich irgendwie Erfahrung“ (L1: 237-245). Erst mit dem körperlichen Erleben der Struktur des Stadtviertels, dem Fühlen des Ortes, können die Finanzmanager entscheiden, ob sie mit ihren Identitäten in das Viertel passen. In dem Auswahlprozess des Wohnortes spielt auch die Familiensituation der Finanzmanager eine große Rolle und beeinflusst die Wohnortauswahl. In der Wahl der Wohnorte zeigt sich so eine deutliche Differenzierung der deutschen Finanzmanager. Diejenigen, die mit Kindern und Ehefrau und einer längeren Arbeitsperspektive nach London gehen, beziehen oft ein Haus in der Nähe der Deutschen Schule in Richmond upon Thames. Die deutschen Finanzmanager, die allein nach London kommen und häufig eine kürzere Aufenthaltsperspektive haben, ziehen oft in die 180

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Nähe der Innenstadt Londons, wie in die Docklands, nach Islington, Chelsea oder Kensington. Im Unterschied zu den deutschen Finanzmanagern die nah der City wohnen, zeichnen sich die in Richmond wohnenden Finanzmanager dadurch aus, dass sie älter sind, Kinder haben, seit längerer Zeit in London leben und in höheren beruflichen Hierarchiestufen angesiedelt sind. Die Entscheidung, weit außerhalb der City in dem grünen Stadtteil Richmond oder in der Nähe der City zu wohnen, spiegelt zum einen die jeweilige Lebenslage wider und produziert zum anderen ein unterschiedliches alltägliches Handeln der Finanzmanager, das in Abhängigkeit zum gewählten Ort steht. Mit ihrem Einpassen in den Wohnort resultiert ein differenziertes alltägliches Handeln der Finanzmanager an ihren Wohnorten. Die Auswahl der beiden Fallbeispiele, dem Wohnen deutscher Finanzmanager in Richmond einerseits und in den Docklands nah der City andererseits, erlaubt eine Darstellung ihrer unterschiedlichen Lebenssituationen und macht die Abhängigkeit des alltäglichen Handelns von dem Ort, an dem die Handlung stattfindet deutlich. Hierdurch zeigt meine Untersuchung, wie die Finanzmanager ihre Identitäten in Abhängigkeit zu den spezifischen Strukturen der Wohnorte und den Images mit denen sie den Wohnorten begegnen in spezifischen, ortsabhängigen Handlungen reproduzieren.

Richmond upon Thames: Leben in der deutschen Community im Grünen – Die Ruhe jenseits der Grenze des Ortes Der im Südwesten gelegene Londoner Stadtteil Richmond upon Thames erstreckt sich, wie sein Name schon andeutet, direkt entlang beider Ufer der Themse. Zwischen der City und Richmond liegt eine lange Fahrt, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis zu eine Stunde dauert. Bei einer gewissen Unerfahrenheit in dem Prozess des unerlässlichen Wechsels der Verkehrsmittel von der U-Bahn, der District Line, auf den Bus, fehlender Orientierung in den Bus- und Zugstationen und dem Versäumen der nächsten günstigen Anschlussmöglichkeit, kann sich diese Fahrt um einige Zeit verlängern. Eine Fahrt, deren alltägliche Bewältigung zum Erreichen des Arbeitsplatzes in der City in den Erzählungen der hier wohnenden deutschen Finanzmanager einen bedeutsamen Teil ihres Werktags darstellt. So führt ein in Richmond wohnender Finanzmanager aus: „Also londonspezifisch würde ich sagen ähm ist die An- und Abreise ein Riesenproblem, da ich im Einzugsbereich der Deutschen Schule wohne, wohne ich weit draußen von London, das sind von der Entfernung her 17 Meilen 25 Kilometer [...] reine Anfahrtszeit habe ich eine Stunde .. Abfahrtszeit auch, aber die teilt sich auf mit Bus, äh S-Bahn und U-Bahn. Das heißt ich bin auf drei verschiedene Arten von Verkehrsmitteln angewiesen, die alle relativ pünktlich unpünktlich verkehren und alle, alle absolut überfüllt sind zu den Zeiten wo ich an- und abreise. Ein normaler Arbeitstag bei mir im Büro dauert zwölf Stunden, plus An und Abreise, das heißt ich bin jeden Tag im Prinzip äh 14, 14 ein halb Stunden außer Haus“ (L10: 142-154). 181

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Ohne Auto von der City nach Richmond zu gelangen ist recht mühsam, wie die Interviewten berichten und wie auch der Feldforscher erfahren musste: In der Rushhour zusammen mit vielen Anderen die City mit der U-Bahn verlassen, hoffentlich einen Sitzplatz bekommen, nicht von Mitfahrenden nach einem langen Arbeitstag durch Geruch oder Lautstärke belästigt zu werden, die Fahrtzeit möglichst ohne Zeitverzögerungen und körperlichen Kontakt zum Anderen durchzustehen (vgl. Sennett 1997: 450f) 2 , ist die oft nicht erfüllte Hoffnung der Finanzmanager: „Was so Rushhour ist mich stört es abends weniger, aber morgens stört es mich, wenn man doch einigermaßen frisch geduscht rein kommt und man hat da so was gegenüber stehen was noch alle Gerüche des vorherigen Abends an sich hat [...] und wir sind ja nun auch sehr Multikulti und manche haben nun nichts gegen Knoblauch, ich ess das auch gerne, aber wenn sie das dann frühmorgens da haben oder noch einen Restalkohol ist nicht immer Sahne, ne“ (L13: 512).

Abbildung 38: U-Bahn in der Rushhour In der Bahn wird für die Finanzmanager London als traditionell sozial gespaltene Stadt, als „Riesenmoloch“ körperlich spürbar. Der wahrgenommene Geruch des Anderen ist für die Finanzmanager mit einem Gefühl der Abscheu gegenüber dem Anderen verbunden. Direkt mit dem Verlassen von Richmond und dem Eintritt in 2

Richard Sennett beschreibt in seinem Buch „Fleisch und Stein“ als Charakteristikum der heutigen Zeit, dass die Körper oft in einer passiven Weise ruhen und der körperliche Kontakt zum Außen im Vergleich zu anderen historischen Epochen stark reduziert ist.

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WOHNEN IN DER GETEILTEN STADT – WOHNEN IN DER STADT DER SOZIALEN HARMONIE

die U-Bahn wird für die Finanzmanager auch sensorisch der Ort Richmond verlassen: Sie sind nun konfrontiert mit dem Geruch-ausströmenden Anderen, über dessen schlechten Duft für sie die soziale Spaltung des „Riesenmolochs“ London spürbar wird, 3 einem „Moloch“, dem die Angehörigen der höheren sozialen Schichten traditioneller Weise mit dem Gefühl der Angst vor körperlichen Bedrohungen durch Krankheiten begegnen (vgl. Sibley 1995: 48-71). Die Finanzmanager empfinden daher die Fahrt nicht nur wegen ihrer langen Dauer als anstrengend. Während der Fahrt in den öffentlichen Verkehrsmitteln entsteht für sie durch die körperliche Nähe ein Gefühl der Bedrängung. Dieses ist für sie so spürbar, dass sie die Enge in der Londoner U-Bahn immer wieder als ein besonderes Charakteristikum der Stadt London darstellen. Da jedoch statistisch gesehen die Dichte in den Londoner U-Bahnen nicht so hervorstechend hoch ist wie sie von den Finanzmanagern empfunden wird, ist die Anstrengung der Fahrt nicht allein durch diese Erfahrung erklärbar. „Contrary to the impression which many Underground users may have, London is in fact a system with a lower ridership density (passenger’s km per route km) than the worldwide average for metro systems“ (Knowles/White 2003: 148). Die Anstrengung der Fahrt entsteht für die Finanzmanager gerade in dem Kontakt zum Anderen in dem engen Raum der U-Bahn. Dabei wird der Andere als Teil der als gespalten und umkämpft betrachteten Stadt London gesehen und wird so als Bedrohung der eigenen Identität wahrgenommen, die in einem körperlichen Unwohlsein und mit dem Riechen der Anderen fühlbar wird. Da das Zugabteil von den Finanzmanagern als ein beunruhigender Ort empfunden wird, ist das Gefühl der Belastung durch die Fahrt besonders stark. Denn die Bahn wird von den Finanzmanagern als ein Ort wahrgenommen, an dem sie ihre eigene Identität als Angehörige der globalen Elite möglichst vor den Anderen verbergen müssen und dazu genötigt sind, Einpassungsleistungen zu unternehmen. „Wenn es mir gelingt ein Sitzplatz zu kriegen, dann kann ich was weiß ich Zeitschriften lesen oder äh Tageszeitungen lese ich eigentlich auch im Zug nicht weil sie zu viel Platz brauchen oder Bücher ähm. .. Arbeiten tue ich nicht, weil es gibt eine natürliche Neugierde des Nachbarn, der schaut immer äh was man denn da jetzt liest und auf vielen unserer Papiere sind unsere Logos drauf, sind unsere Dienstzeichen drauf und äh damit erregen sie noch größeres Interesse noch größere Neugier. Also das ist eine vertane Zeit, es sei denn man konzentriert sich auf ein schönes Buch ein bisschen Belletristik oder so was“ (L10: 170-172).

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Die Verbindung zwischen den innerstädtischen Bezirken mit Bildern von Gefahr, Krankheit und Dreck wurde beispielsweise von Charles Booth in seiner sozialräumlichen Klassifikation Ende des 19. Jahrhunderts von London vorgenommen. Aber auch die radikale Umgestaltung von Paris durch Haussmann wurde mit dieser Verknüpfung legitimiert (vgl. Sibley 1995: 56f.). 183

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

Die Finanzmanager passen sich in das Zugabteil ein, sie vermeiden es mit ihren Bewegungen den anderen Körper zu berühren und bemühen sich daher, keine weiträumigen Handlungen, wie das Ausfalten der Tageszeitung, vorzunehmen. So weit wie möglich (die Kleidung kann nicht angepasst werden, da sie am Ziel der Fahrt – dem Arbeitsort – unbedingt zum Einpassen benötigt wird) wird die eigene Identität als globale Elite in der Enge des Zugabteils nicht zelebriert, das Logo der Bank verheimlicht, um nicht das Interesse und die Konfrontation mit dem Anderen zu provozieren. Für die meisten der in Richmond wohnenden deutschen Finanzmanager stellt sich die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln als alternativlos dar. Ihre Nutzung ist für sie Teil ihres Einpassens in die Stadt London. Eine Fahrt mit dem Auto ist für sie aufgrund der Struktur der City und der Verkehrswege nicht praktikabel: „[Da ist] überhaupt nicht dran zu denken. Weil ... erstmal habe ich hier in der Stadt keine Parkplatzmöglichkeit. Zweitens äh ist der Verkehr so dicht, dass Sie da mit dem Auto auch nicht vorankommen. Das ist in London auch nicht vorgesehen, ja. Wenn man in der City arbeitet wie wir hier ist eine Anreise mit dem Auto nicht vorgesehen. Dann haben sie die Congestion Charge, das sind noch mal 5 Pfund jeden Tag nur um in die City zu fahren, ähm ... ist nicht praktikabel muss man sagen, ja. Die einzige Möglichkeit ist das Sie was weiß ich gefahren werden, ähm aber auch das zwingt Sie in den Berufsverkehr und zwingt Sie damit auf unendlich lange Reisezeiten. Die Stadt hier ist schon so ausgelegt das man mit öffentlichen Verkehrsmitteln ein- und ausreist und die ganze Unbill in Kauf nimmt“ (L10: 156-166). Einige der Finanzmanager, deren Arbeitgeber ihnen direkt in dem Bürohaus eine Parkmöglichkeit anbieten, versuchen die öffentlichen Verkehrsmittel zu umgehen und so die Anstrengung der Distanzüberwindung zu mindern. Sie fahren dazu so früh morgens mit dem Auto in die City, dass sie noch vor der Rushhour schnell auf der Straße vorankommen oder benutzen für die Fahrt ein Motorrad, um so auch bei für den Autoverkehr verstopften Straßen zügig fahren zu können. Für die in Richmond wohnenden deutschen Bankbeschäftigten ist die Überwindung geografischer Distanz in ihrer Alltagsgestaltung deutlich spürbar. Dabei ist in der Darstellung der Interviewten die Distanz zwischen der City und Richmond und deren Überwindung mit mehr Anstrengung verbunden als die Überwindung der Strecke zwischen London und Deutschland. Da die engsten Familienmitglieder mit nach Richmond gekommen sind, fahren sie nur ein bis zwei Mal im Jahr zum Besuch nach Deutschland. Das alltägliche Pendeln in die City spielt für sie so im Alltag eine größere Rolle als die seltenen Fahrten nach Deutschland. Die Anstrengung der Fahrt von Richmond in die City und zurück ist für sie so gewichtig, dass sie diese unmittelbar mit dem Leben in Richmond verbinden. Eine Erzählung ihres Lebens in Richmond erscheint nicht vollständig ohne den Hinweis auf die Strapazen der werktäglichen Distanzüberwindung. Diese Anstrengung der Fahrt in die City wird dabei von ihnen gerade in den Gegensatz zu der für sie entspannenden Ruhe des Ortes Richmond gestellt und bekommt durch diese Kontrastie184

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rung eine besondere Schwere, während der Ort Richmond eine besondere Leichtigkeit erhält. „Das ist wunderschön mit dem Richmond Park, mit der Themse da draußen, nenn ich schon hohe Lebensqualität, wenn ich die genießen könnte und da spricht halt das commuten [das Pendeln in die City] dagegen“ (L7: 416-418). Die deutschen Finanzmanager passen sich mit der Entscheidung in Richmond zu wohnen in ihrem Handeln an die geografische Lage des Ortes an. Für sie ist es Teil des Einpassens in den Ort Richmond auch die Anstrengung der werktäglichen Fahrt in die City auf sich zu nehmen. Als anstrengend empfinden sie dabei sowohl die geografische Distanzüberwindung selbst, wie auch die Nähe zum Anderen, die für sie in der Begegnung mit Angehörigen niedrigerer sozialer Schichten als besondere körperliche Konfrontation empfunden wird.

Eintritt in die Deutsche Schule und in die Deutsche Community Die Entscheidung weit außerhalb der City in Richmond zu wohnen und somit die Last der werktäglichen Fahrt in die City auf sich zu nehmen, stellt für die Finanzmanager eine Zwangsläufigkeit dar: Haben sie schulpflichtige Kinder, so müssen sie aus ihrer Perspektive nach Richmond in die direkte Nähe zur Deutschen Schule in Richmond-Petersham ziehen, um so den Kindern lange und anstrengende Anfahrtswege zu ersparen, die stattdessen die Finanzmanager selbst auf sich nehmen. Eigene Kinder zu haben und Deutscher sein bedeutet aus ihrer Perspektive fast zwangsläufig in Richmond zu wohnen. Diese Zwangsläufigkeit führen zwei Interviewpartner so aus: „Da ich Kinder an der Deutschen Schule hab, war der Einzugsbereich der Deutschen Schule für mich vorgegeben“ (L10: 64). „Es ist nicht schwer sich zu organisieren als Deutscher hier denn ... Punkt eins: Du denkst an Deine Kinder, die müssen in die Schule und da gibt es keine großen Wahlen. [...] Du ziehst in den Westen, weil da ist die Deutsche Schule in RichmondPetersham, … das heißt da bist Du relativ schon eingeengt“ (L8: 206-210). Eine Motivation der Finanzmanager, die eigenen Kinder auf die Deutsche Schule zu schicken ist es, dass bei ihrer Rückkehr nach Deutschland somit eine Integration in das deutsche Schulsystem einfacher gewährleistet ist. „Du hast keine große Auswahl, es gibt nur eine Deutsche Schule ja. [...] Du bist auch nicht draußen [er meint aus dem deutschen Schulsystem], weil die Deutsche Schule London einen Gymnasialen Zweig von irgendeinem Bundesland verfolgt ja. Aber Du hast nicht mal die Wahl, ja, Du brauchst Dich gar nicht um den ganzen Quatsch mit Gesamtschulen und was es da alles gibt, äh. ... Ist nicht, ja. Deutsche 185

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

Schule, das ist es hier und fertig, ne ... peace of mind, ja. Zum anderen hast Du natürlich, ... auch in so einer Deutschen Schule da ist nicht jeder Hinz und Kunz da, ja. Da ist nicht, da sind nicht alle ... äh Schichten vertreten, was gut ist und was schlecht ist, ja. […] Hier hast du fast keine Kinder die nicht zwei, drei sprachlich sind und einen ganz anderen Horizont haben, ja. Was auch nicht falsch ist, aber auch nicht unbedingt gut, ja, weil Du ein bisschen mit der Nase so nach oben stehst am Ende der ganzen Zeit“ (L8: 52-60). In dieser Interviewsequenz wird deutlich, dass die Deutsche Schule auch deshalb gewählt wird, weil sie aus Sicht der Finanzmanager eine hochwertige Ausbildung ihrer Kinder in einem exklusiven und daher passenden Umfeld verspricht. Mit dem Eintritt in die Deutsche Schule ist nicht nur der Verbleib im deutschen Schulsystem sichergestellt, gleichzeitig ist die Deutsche Schule für sie auch eine elitäre Einrichtung, in die nicht jeder „Hinz und Kunz“ (L8: 54) geht. Die eigenen Kinder in diese Schule zu schicken ist verbunden mit der Hoffnung, dass sie von diesem Umfeld in dem alle „einen ganz anderen Horizont haben“ (L8: 58) profitieren und so Vorteile im späteren Konkurrenzkampf um die angestrebte soziale Position erlangen. Für die Finanzmanager versprüht die Deutsche Schule den Hauch des Elitären, nicht nur durch das hier zu entrichtende Schulgeld von jährlich 3.600 Pfund 4 oder durch die anderen Schulkinder, deren reiche und distinguierte Eltern, wie „die Flicks und Hannovers“ (L7: 364), ihnen bekannt sind, sondern auch durch das Schulgebäude und seine geografische Lage in Richmond selbst. Für sie ist die Deutsche Schule „wunderschön gelegen im Douglas House“ (L7: 707). Dass sich die Finanzmanager hier an einem ehemaligen Landsitz von Charles Douglas, dem Duke of Queensbury befinden, ist ihnen so allgegenwärtig, dass sie den Namen des Schulgebäudes benennen und so einen Bezug zur Traditionalität des Ortes herstellen. Mit dem Aufenthalt an der Deutschen Schule wird der Ort in seiner Tradition als Landsitz des britischen Adels sichtbar und fühlbar. Das Traditionelle des Ortes, seine wunderschöne Lage (vgl. L7: 707) zeigt sich in dem denkmalgeschützten Backsteingebäude von 1680, das direkt an ein weites, sich entlang der Themse erstreckendes, scheinbar naturbelassendes Gebiet aus Bäumen, Sträuchern und Grünland angrenzt.

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Das Schulgeld wird für die Finanzmanager häufig von ihren deutschen Arbeitgebern übernommen, es ist oft Teil des sog. Package, das die Expatriates mit ihrem Arbeitgeber aushandeln.

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Abbildung 39: Deutsche Schule in grüner Umgebung Mit der Entscheidung der deutschen Finanzmanager in Richmond zu wohnen und die Kinder in die Deutsche Schule einzuschulen, geht aus ihrer Sicht fast zwangsläufig der Eintritt in die deutsche Community einher. Das Wohnen in Richmond wird für sie somit gleichbedeutend mit dem Wohnen in der deutschen Community. Diese Zwangsläufigkeit führen zwei Interviewpartner so aus: „Jetzt sind die Kinder natürlich auch auf der Deutschen Schule, das heißt wir wohnen in der deutschen Community in Richmond“ (L7: 166). „Dadurch, dass ich eben Luftlinie nur 150 Meter von der Deutschen Schule entfernt bin, ist da so eine deutsche catchment area“ (L13: 452). „In diesem Umfeld Richmond leben und auf die Schule gehen 600 Schüler und da ist eben auch diese deutsche Szene [er zählt einige Namen von Deutschen auf] und wer da alles so lebt. Ich mein, die man hier von den Banken auch kennt, äh dass man doch eine Menge weiter Deutsch spricht“ (L13: 250). Die deutsche Schule bekommt in diesen Erzählungen eine zentrale Rolle als Kontaktort, als Ort an dem die deutsche Community sich konstituiert und an dem die Finanzmanager selbst zu einem Teil dieser Community werden. Der ehrenamtliche Freundeskreis der Deutschen Schule, die „Friends of Douglas House“, organisieren die lokale Netzwerkbildung über unterschiedliche Aktivitäten wie Gartenfeste, Weihnachtsbasare, Flohmärkte und Kochgruppen, die alle im Rahmen der Deutschen Schule stattfinden. Hier treffen sich die Familien der Finanzmanager, sie lernen sich bei der gemeinsamen Organisation von Festen und Veranstaltungen kennen 187

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und bilden so soziale Netzwerke aus, die für die Finanzmanager selbst Anknüpfungspunkte für ihre Freizeitgestaltung in Richmond sind. So erzählt einer der Finanzmanager in Singapur im Rückblick auf seine Londoner Zeit von den guten Kontaktmöglichkeiten, die sich in der Deutschen Schule ergeben: „Wesentlich schneller macht man Bekanntschaften, sagen wir mal wenn Sie Kinder in der Schule haben. Da läuft das sofort. Ich meine, jetzt, wenn ich mir mal überlege, ich habe ne Tochter und nen Sohn und die hatten vielleicht sechzig Kinder zusammen in den zwei Klassen und dann hat man schon mindestens vierzig verschiedene Elternpaare, mit denen Sie schon mal in Berührung kamen. Außerdem gab es in der Deutschen Schule einen Verein, Friends of Douglas House, die machen vornehmlich auch so’n bisschen Veranstaltungen, die machen so Bastelabende für was weiß ich da, dann hatten wir auch einen Fußballverein da, haben Fußball gespielt, dann auch mal mit anderen Mannschaften“ (S10: 334). Ein anderer in Richmond Wohnender sagt: „Es gibt zum Beispiel, sag ich mal, bei der Deutschen Schule gibt es eine Broschüre, die man sich holen kann, wie man sich hier in London etabliert. Was wichtig ist. Da gibt es auch ein Kränzchen von Frauen die, sag ich mal, die Alteingesessenen, die dann den Neuen helfen oder so, das ist ganz nützlich“ (L13: 182). Die Ausbildung dieser Netzwerke erfolgt in erster Linie über die Aktivitäten der Ehefrauen, als deren alltägliche Aufgabe von den Finanzmanagern immer wieder eben diese Netzwerkbildung in London und zur Familie und Freunden in Deutschland genannt wird. Die männlichen Finanzmanager schließen sich den von Ihren Ehefrauen geknüpften Kontakten an. 5 „Da ist mehr der Kontakt durch Frauen, Coffee Morning und Kinder, ne. Für uns Männer, die wir doch mehr in der Woche im Job sitzen, ist das etwas schwieriger“ (L13: 366). Die sozialen Kontakte, die die Finanzmanager in Richmond haben, bestehen somit in erster Linie zu denjenigen, deren Kinder auch die Deutsche Schule besuchen und sich so zwangsläufig in dem von den Frauen aufgebauten Aktivitätskreis um die Deutsche Schule herum befinden. Die so entstandenen sozialen Kontakte werden daher von den Finanzmanagern als Kontakte der Familie beschrieben. „Die reinen sozialen Kontakte sind Kontakte der Familie aus Richmond, Umfeld Deutsche Schule“ (L7: 350).

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Die Ehefrauen der von mir interviewten deutschen Finanzmanager in London gehen keiner Lohnarbeit nach, sie übernehmen in erster Linie Aufgaben zur sozialen Netzwerkbildung und Aufrechterhaltung der Netzwerke nach Deutschland.

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Für die Finanzmanager gibt es eine klare Aufteilung der Netzwerkaufgaben: Sie selbst bauen im Rahmen ihrer Arbeit in der City beruflich und für ihre Karriere nützliche Netzwerke auf; in Richmond bauen ihre meist nicht lohnarbeitenden Ehefrauen Netzwerke auf, die dem Wohle der Familie dienen sollen. Die Kontakte in Richmond werden von ihnen daher als „Kontakte der Familie“ (L7: 350) gesehen, als Kontakte, die nicht von ihnen im Rahmen der Netzwerkarbeit in der City hergestellt wurden, sondern die durch die alltägliche Netzwerkarbeit der Ehefrauen in Richmond gebildet wurden. Die von den Frauen organisierten abendlichen Treffen mit anderen Familien in Richmond, die organisierten Feste in der Deutschen Schule, werden von den Finanzmanagern als Kontakthof in die deutsche Community genutzt. „Dieses Zusammenspiel in der Deutschen Schule ist schon dass man in den jeweiligen Auslandsschulen einfach mehr tut. […] Dann gibt es da Schulfeste und dann zapft man da Bier und dann lernt man Leute da kennen. Da kommen da dann auch ein bisschen andere Farbe rein, es gibt ja nun alle Berufssparten aus dem deutschen Umfeld. Da gibt es dann auch die Hautevolee, diese Steuerleute die hier sind, die Flicks und die Hannovers und wer auch alles hier in London wohnt. Die lernt man dann auch oberflächlich durch die Kinder kennen“ (L13: 362-364). Es erscheint, dass zu dieser geschlechtsspezifischen Aufgabenteilung auch der Ort, an dem die Frauen ihre Aufgaben verrichten, passend ist. Dieser erlaubt die Netzwerkbildung nicht nur, sondern fordert sie durch seine erlebbaren Strukturen auch ein. Dieses wurde für die Finanzmanager und ihre Netzwerkarbeit in der City of London bereits oben gezeigt und wird nun auch in Richmond deutlich. Die Struktur des Ortes wird geprägt durch die Deutsche Schule als alltäglich erlebbarem Mittelpunkt der deutschen Community, die geografische Nähe zu anderen Deutschen, sowie durch das Gefühl, in Richmond die eigene Identität als Deutsche vor den alteingesessenen Locals (vgl. L13: 182) verbergen zu müssen. Diese Situation legt es für die hier wohnenden Deutschen nah, sich in das Netzwerk der deutschen Community zu begeben und sich dort zugehörig zu fühlen. Für die Bildung einer deutschen Community sind der Ort Richmond und seine spezifische Struktur somit förderlich. Teil des Einpassens in den Ort Richmond ist es für die deutschen Finanzmanager daher auch, sich mit der Entscheidung hierher zu ziehen in die eng miteinander verbundene deutsche Community vor Ort zu begeben. Durch die gemeinsamen Identitäten als Deutsche, Weiße und globale Elite, sowie durch die Struktur des Ortes entsteht in Richmond für die deutschen Finanzmanager ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und ein persönlicher Umgang untereinander. In Richmond bilden auch die hochmobilen Finanzmanager, die nur für einige Jahre nach Richmond ziehen, eine Gemeinschaft aus, die neben der Einbindung in weiterhin bestehende geografisch distanziertere Netzwerke zu Freunden und der Familie in Deutschland, auch an den Ort gebunden ist. Sie sind in Richmond Teil einer Gemeinschaft, die sich dadurch auszeichnet, dass ihre Mitglieder neben dem gemeinsamen Deutschsein noch andere 189

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gemeinsame Identitäten haben. Auch wenn die Finanzmanager betonen, dass sie über die Deutsche Schule London (Abk. DSL) auch in Kontakt zu anderen Berufsgruppen kommen, bestehen ihre Beziehungen in der deutschen Community in erster Linie zu anderen Deutschen aus höheren sozialen Schichten. Da Richmond die höchsten Wohnungspreise aller Außenbezirke Londons und die dritthöchsten aller Londoner Bezirke aufweist 6 , ist die deutsche Community, die in Richmond wohnt, eine besondere. Dies verdeutlicht sich bei einem Blick auf die Verteilung der Deutschen in London: im Jahr 2001 wohnten von den 40.000 Deutschen, die insgesamt in London lebten (vgl. Think London: German Community in London, Internetquelle mit unklarem Erscheinungsdatum), nur 1.991 Deutsche in Richmond (vgl. London Borough of Richmond upon Thames 2005). Die Deutschen in London verteilen sich insgesamt viel stärker über das Stadtgebiet als es in den Erzählungen der deutschen Finanzmanager in Richmond erscheint. „The German community is made up of several smaller clusters rather than one large community, with a fairly even spread across many London boroughs. Altogether, there are 22 boroughs with a population of more than 1,000 Germans“ (Think London, Internetquelle, unklares Erscheinungsdatum). Die deutsche Community in Richmond ist kein Abbild der durchschnittlichen deutschen Bevölkerung, sondern sie ist eine kleine Community, die sich dadurch auszeichnet, dass sie im Wesentlichen aus Deutschen der höheren und höchsten sozialen Schichten besteht. Die Finanzmanager sehen sich hier als Teil einer deutschen Community die sich, wie sich weiter unten zeigen wird, in dem Ort Richmond, seiner Tradition und Sozialstruktur, passend fühlen. Wie stark die Bindekraft der an der Deutschen Schule entstehenden Netzwerke unter den Deutschen in Richmond ist, verdeutlicht sich in dem Gefühl der Finanzmanager in Richmond in einer „deutschen catchment area“ (L13: 452) zu wohnen und hier Teil „der deutschen Szene“ (L13: 250), „der deutschen Community“ (L7: 166) zu sein. Denn obwohl die Deutschen nur 1,2% der Bevölkerung von Richmond ausmachen (vgl. London Borough of Richmond upon Thames 2005), ist diese Community für die deutschen Finanzmanager beständiger Identitikations- und Zugehörigkeitspunkt in ihrem Alltag. Mit dem Wohnen in Richmond sehen die Finanzmanager ihr alltägliches Handeln hier zwangsläufig eingebettet in die deutsche Community. Für sie erfolgt über die Deutsche Schule eine Integration in die deutsche Community, die eine Community von Deutschen der höheren sozialen Schichten ist. Deutsch sein und zur globalen Elite dazuzugehören ist für die Deutschen in Richmond somit identisch. Sie sehen die Deutsche Schule als Kontaktpool, als Netzwerkbildner zu anderen Deutschen aus höheren sozialen Schichten. Damit nehmen sie diese in einer Rolle wahr in der sie sich auch selbst darstellt: 6

Ein einzelstehendes Haus kostete hier im Jahr 2002 durchschnittlich 653.000 Pfund (vgl. Greater London Authority 2002).

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„The DSL helps both German and British companies attract high-quality German staff and attempts to ease the social integration of newcomers and their families into London“ (Deutsche Schule London, Internetquelle). Der Ort Richmond erhält mit der Deutschen Schule und den Aktivitäten die dort stattfinden einen Charakter als Netzwerkbildner für die deutsche Community. Nachdem sie hier die ersten Kontakte zu Anderen aus der Community aufgebaut haben, treffen sich die Deutschen auch außerhalb der deutschen Schule. Sie gehen zum Essen in die Restaurants in Richmond oder sie treffen sich, scheinbar für die deutschen Finanzmanager in London ungewöhnlich, bei jemandem aus der Community direkt zu Hause. „Also wegen dem Restaurant fahren sie nicht mehr in die Stadt rein. Also lokal probiert man auch mal was aus und es wird wieder […] zu Hause eingeladen“ (L7: 444446). Jemanden nach Hause einladen und so den privaten Ort für außen Stehende zu öffnen drückt aus, dass die Finanzmanager in Richmond enge soziale Beziehungen innerhalb der deutschen Community aufgebaut haben. Die so ausgedrückte Nähe innerhalb der Community ergibt sich auch aus der geografischen Nähe in dem Stadtviertel Richmond, in dem die Finanzmanager ohne größere Mühen der Distanzüberwindung zu anderen Mitglieder der Community in Kontakt kommen. In der geografischen Nähe hat sich hier auch eine soziale Nähe entwickelt. Für die deutschen Finanzmanager überträgt sich die Stärke des Netzwerkes um die Deutsche Schule herum, auf den gesamten Ort Richmond. Dieser Ort wird für sie somit zu einem Ort der deutschen Community. Die deutsche Community hat dadurch für die Finanzmanager auch eine geografische Verbindung. Wer als Deutscher hierher zieht wird aus dieser Perspektive fast automatisch zu einem Teil davon. „Diese deutsche Szene in der ich da lebe, die wechselt alle drei Jahre ne, das heißt da hat man gerade irgendwie ist man mit irgendwem warm geworden und dann werden die wieder wo anders hingeschickt. […] Dann heißt es immer, oh ich geh jetzt wieder zurück nach Frankfurt, wenn Du das nächste Mal nach Frankfurt kommst, ich sag ich komm, wenn ich mal das nächste Mal zum Handelsplatzseminar gehe mal nach Frankfurt. Aber derartige Freundschaften, das geht dann auch sehr schnell den Bach runter, wenn solche Leute weg gehen. Aber in erster Linie war es sicherlich durch das Wohnen der letzten zehn Jahre sehr stark deutsch geprägt durch die Deutsche Schule“ (L13: 348-350). Richmond bleibt für die Finanzmanager ein Ort der deutschen Community; auch wenn der einzelne Deutsche wegzieht, bleibt der Ort Richmond für sie deutsch markiert. Aus ihrer Perspektive ist Richmond und ihr Leben dort „sehr stark deutsch geprägt durch die Deutsche Schule“ (L13: 350). Richmond erscheint ihnen so als Ort, an dem sich beständig eine deutsche Community konstituiert, als Ort der scheinbar fast zwangsläufig die hier wohnenden 191

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

Deutschen zum Eintritt in diese Community drängt. Daher ist es für die deutschen Finanzmanager, die nicht Mitglied der deutschen Community sein wollen, auch ein notwendiger Schluss, den Ort Richmond als Wohnort zu meiden. So berichtet ein Finanzmanager von seinem ersten Aufenthalt in London, als seine Kinder noch nicht schulpflichtig waren und er sich daher noch nicht gezwungen sah in die Nähe der Deutschen Schule zu ziehen: „Wir kommen aus Deutschland, wir sind ... wegen der englischen Kultur da und wir würden hier gerne als Ausländer leben, also würden wir gerne in genau die andere Richtung gehen und das war die Entscheidung. Dann haben wir gesagt, wo sind die Deutschen am weitesten weg, ja, und Petersham ist eben Southwest und wir sind eben in den Norden gegangen“ (L7: 110). Ein anderer Finanzmanager erzählt, dass er den Kontakt zur deutschen Community vermeiden wollte und daher seine Kinder auf eine englische Privatschule geschickt hat und gerade nicht nach Richmond gezogen ist. Da die deutschen Finanzmanager Richmond als Ort der deutschen Community sehen, besteht für sie ein klarer Zusammenhang: Wer nicht Teil der deutschen Community sein will, der muss nicht nur die Deutsche Schule meiden, sondern auch den Wohnort Richmond. „Wir wussten wo wir nicht hin wollten. Wir wollten nicht zur Deutschen Schule, das hat dann schon mal eine damals bevorzugte Wohngegend ausgeschlossen“ (L18: 165). „Wir haben also auch versucht von Anfang an nicht in eine deutsche Gegend zu ziehen. ... Wir haben die Kinder nicht zur Deutschen Schule geschickt, weil wir halt, wenn wir schon mal in England sind, wir haben damals ausgerechnet wir sind drei bis fünf Jahre hier und dann gehen wir wieder zurück, äh also wollen wir wenigstens in den drei bis fünf Jahren England erleben oder London, oder die Kultur, oder die Menschen und sind halt in eine Gegend gezogen die rein Englisch ist und haben die Kinder auf eine englische Schule geschickt“ (L18: 133-135). Der Wunsch der Finanzmanager die deutsche Community und so notwendigerweise auch Richmond als Ort der deutschen Community zu meiden, lässt sich durch die Abenteuerlust der hochmobilen Finanzmanager erklären. Für sie ist die Entscheidung, zum Arbeiten ins Ausland zu gehen, auch deshalb so wertvoll, da sie aus ihrer Perspektive Eigenschaften unterstreicht, die sie zu Angehörigen der globalen Elite machen. Dazu gehört es aus ihrer Perspektive, dass sie flexibel und risikobereit sind. Eine Risikobereitschaft, die sich für sie gerade in der Ankunft in der neuen Stadt dadurch auszeichnen kann, das Bekannte, nichtabenteuerliche versuchen zu meiden. Gerade in dem Kontakt zum Unbekannten und dem damit einhergehenden Erleben der eigenen Abenteuerfähigkeit lässt sich die eigene Identität als globale Elite herausbilden. Ist diese erst einmal durch solche Aktivitäten hergestellt, so muss die Abenteuerlust nicht mehr beständig neu bewiesen werden und es wird besser möglich, sich in die deutsche Community in Richmond zu begeben. Das Meiden der 192

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deutschen Community in Richmond lässt sich aber auch als eine Strategie zur Vermeidung von Konflikten deuten, die die deutschen Finanzmanager durch die Produktion ihrer deutschen Identität in London befürchten. Einerseits sehen sie Richmond zwar als Wohngegend, in der sie sich selbst keinen großen sozialen Konflikten ausgesetzt sehen, als bevorzugte Wohngegend der Wohlhabenden, der globalen Elite, zur der sie sich selbst zählen. „Wer es sich erlauben kann zieht da hin, abgesehen von so einer Lokal-Klientel die da natürlich immer wohnt, tendenziell eher schon gehobene Klientel von London [...] aber es gibt natürlich auch down to earth, jedermann, jedermann wohnt da auch, ja“ (L10: 506-512). Andererseits sehen sich die deutschen Finanzmanager in Richmond durch ihre Zugehörigkeit zur deutschen Community in einem problematischen Verhältnis zum „Jedermann“ (L10: 512), den alteingesessenen Bewohnern Richmonds, zu denen sich ein ungezwungener Kontakt als „schwierig“ (L7: 354) darstellt. „Die reinen sozialen Kontakte sind Kontakte der Familie aus Richmond, Umfeld Deutsche Schule .. äh Halbengländer, Schweizer, Deutsche, Österreicher full stop. Reine Engländer ist schwierig“ (L7: 350-354). Für die deutschen Finanzmanager ist ihre Entscheidung in Richmond zu wohnen nicht nur identisch damit, sich für das Wohnen in der deutschen Community entschieden zu haben. Gleichzeitig bedeutet das Wohnen in Richmond für sie auch, dass sie in Richmond von der „Lokal-Klientel“ (L10: 506) als Deutsche identifiziert und so der deutschen Community zugeordnet werden. „Ich bin davon überzeugt, dass es nicht ganz so vorteilhaft ist in der deutschen Community zu leben, ... Enklave, weil da müssen sie sich vorstellen, da mach ich den Engländern jetzt auch keinen Vorwurf draus. Ich glaub in jeder deutschen Stadt wäre das genauso. Aber wenn ich 2500 Familien in meinem Umfeld leben habe, 2500 Mittelstand ja letztendlich. Es sind alle irgendwo versetzt [er meint von Deutschland nach London versetzt], allen wird das Leben in dieser Stadt versucht einigermaßen annehmlich zu gestalten, äh da haben die schon die Hassbrille auf und deswegen die Kinder sind innerhalb der deutschen Community, wenig englischen Kontakt und die Familie eigentlich auch selten. [...] Wenn Sie keine Kinder haben, wohnen sie nicht da und dann haben Sie ja mit Ihren Nachbarn dann auch ein normales Verhältnis, dann sind sie ja nicht der blöde Deutsche der hier die Preise kaputt macht oder sonst was, sondern da sind sie ja ein ganz normaler Nachbar“ (L7: 366380). Da sie es als zwangsläufige Konsequenz ihres Wohnens in Richmond ansehen von den reinen Engländern (vgl. L7: 354) der deutschen Community zugeordnet zu werden, sehen sie sich zwangsläufig als Teil einer Gruppe, die von der „Lokal-Klientel“ (L10: 506), nicht „geduldet“ (L7: 382) werden und mit denen man kein „normales

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Verhältnis“ (L10: 378) haben kann. Die Schwierigkeit des Umgangs mit der „LokalKlientel“ in Richmond begründet sich für die deutschen Finanzmanager mit dem Erkennen und der Zuordnung zur deutschen Community durch die „Locals“. Mit diesem Erkennen als Deutscher und der damit einhergehenden Zuschreibung deutscher Identitätsmerkmale fühlen sich die Finanzmanager von den Locals als aggressive Eindringlinge gesehen; „als der blöde Deutsche, der hier die Preise kaputt macht“ (L7: 380) und als jemand der von ihnen daher durch die „Hassbrille“ (L7: 370) betrachtet wird. Aus der Sicht der Deutschen haben die „Locals“ daher zu ihnen auch kein „normales Verhältnis“ (L7: 378), sondern begegnen ihnen mit Distanz. Einer Distanz, die sich für die deutschen Finanzmanager darin gründet, dass ihnen zugeschrieben wird, das Lebensumfeld in Richmond in negativer Weise zu verändern. Sie sehen sich in die Rolle des aggressiven Eindringlings gedrängt, was bei Ihnen vor dem Hintergrund der Rolle der Deutschen im 2. Weltkrieg in England unangenehme Assoziationen auslöst. Für die Finanzmanager bedeutet ihre Identifizierung als Deutsche im britischen Kontext ein gewisses Unwohlsein, weshalb sie es vermeiden, sich in Richmond außerhalb der Community als Deutsche zu präsentieren. Vor diesem Hintergrund erfolgt die deutsche Identitätsbildung in erster Linie nach innen. In den bewohnten Häusern werden z.T. massive Veränderungen vorgenommen, die sie von innen, aber von außen nicht sichtbar, als deutsches Haus markieren. „Wobei ich natürlich als ich da rein gezogen bin auch weitestgehend das Ding umgestaltet habe, Wände rausgerissen habe, weil ich eben nicht dieses klassische englische haben will. Mit zwei drei Reception rooms, die dann nur Kastengröße haben, sondern da hab ich die Wände raus genommen, so dass man von vorne bis hinten durch gucken kann“ (L13: 468). Nach außen erfolgt die deutsche Identitätsbildung eher passiv und zurückhaltend: Die gepflegten Gärten gleichen in ihrer Gestaltung den Gärten der Nachbarn. Auch wenn von den Deutschen vorwiegend Bungalows statt klassische englische Häuser gewählt werden, stellen diese in Richmond keine solche Besonderheit mehr dar, als dass sie sich hier als klare Merkmale von Deutschsein erkennen ließen. Diese eher passive alltägliche deutsche Identitätserzeugung steht in einer Tradition der deutschen Identitätsbildung in London nach dem zweiten Weltkrieg. Das Gefühl in London unwillkommen zu sein, führte nach dem Krieg dazu, das eigene Deutschsein im Alltag nach Außen hin zu verbergen oder sogar zu bestreiten (vgl. Weber-Newth/ Steinert 2006: 195).

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Abbildung 40: Wohnhaus mit Hecke in Richmond

Zielloses, freies Schlendern durch ein problemfreies soziales Umfeld im Grünen Obwohl die Performance deutscher Identität und die Einordnung als Deutsche für die Finanzmanager in Richmond mit dem Gefühl des Unwohlseins verbunden ist und mit der Annahme einhergeht damit nicht von den britischen „Locals“ akzeptiert zu werden, verknüpfen sie ihren Aufenthalt in Richmond mit der Empfindung, sich dort unbedroht und wohl zu fühlen. Für sie ist „Richmond […] ein problemfreies soziales Umfeld“ (L7: 693), in dem es „keinen sehr großen sozialen Abfall gibt, dass man dann von den Nachbarn wieder erleichtert [bestohlen] wird“ (L13: 452). Die Finanzmanager sehen Richmond als einen besonderen, einen sozial privilegierten Stadtteil innerhalb der geteilten Stadt London; als einen Stadtteil, der sich durch seine soziale Privilegiertheit und durch seine Tradition als Landsitz des britschen Königshauses von anderen Londoner Stadtteilen abhebt und der von den Finanzmanagern gerade auch aufgrund dieser Eigenschaften als Wohngebiet ausgewählt wurde. „Also wenn man hier in diesem Umfeld [er meint in der City of London] sagt, man wohnt in Richmond: ’oh, da würde ich auch gerne wohnen‘. Ich sehe mich als privilegiert an, dass ich da wohnen kann“ (L13: 438). In Richmond sehen sich die deutschen Finanzmanager in ihren eigenen Identitäten als Weiße und Teil der globalen Elite in einem sozialen Umfeld, in dem diese Identitäten zur Normalität des Ortes gehören. Sie befinden sich hier in einem Stadtviertel, 195

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in dem die vergleichsweise hohen Wohnungspreise die soziale Struktur der Bewohner widerspiegeln. Hier sind im Jahr 2001 überdurchschnittlich viele, nämlich 71% der in Lohnarbeit tätigen Bevölkerung als hoch qualifizierte im entwickelten Dienstleistungswesen beschäftigt. 7 Im Vergleich zu anderen Londoner Stadtteilen ist die Bevölkerung in Richmond ethnisch am wenigsten gemischt, der Anteil der Weißen an der Wohnbevölkerung ist hier besonders hoch; nur 9% der Bevölkerung Richmonds sind nicht weiß 8 und 79% der Bevölkerung bestehen aus britisch-stämmigen Weißen 9 (vgl. London Borough of Richmond upon Thames 2005). Die deutschen, weißen Finanzmanager sehen und erleben sich hier als gleichwertigen Teil innerhalb eines sozial relativ homogenen und aus ihrer Perspektive problemfreien Umfelds (vgl. L7: 693), indem sie sich in ihrem Besitz und mit ihrer Identität nicht bedroht fühlen. Mit ihren Identitäten als Weiße und als globale Elite fühlen sie sich in Richmond in einen Ort eingebettet, an dem diese Identitäten zur Normalität gehören und daher unauffällig sind. Dazu trägt nicht nur der hohe Anteil der weißen Bevölkerung in Richmond bei, sondern auch ein dominantes Bild, das die Suburbs (vgl. Clapson 2003: 8) und die Countryside (vgl. Morley 2000: 146f.) als Gebiete der Weißen darstellt. „The countryside in particular is still largely represented as the essence of white Englishness – as a stable, culturally homogeneous, historically unchanging territory in which racial differences can only be seen as an uncomfortable and destabilising presence“ (Morley 2000: 146). Beides zusammen, also die konkrete Erfahrung der deutschen Finanzmanager vor Ort in Richmond und das Bild, das den suburbanen und ländlichen Ort mit dem Weißsein verknüpft, lässt ihre Identität und ihr alltägliches Handeln in Richmond als normal und dem Ort angemessen erscheinen. Auch wenn sich die deutschen Finanzbeschäftigten in Richmond selbst als relativ wohlhabend sehen, relativiert sich für sie mit der Setzung ihrer sozialen Position in Bezug zu den anderen in Richmond Wohnenden ihre eigene soziale Position. In Richmond sehen sie sich in einem Gebiet, in dem sie ihre soziale Position als normal, als „Mittelstand“ (L7: 368), sehen. Infolge dieser Normalisierung ihrer gesellschaftlichen Position als Mittelstand, dem Gefühl in Richmond nichts Besonderes zu sein, erscheint den Finanzmanagern ihre eigene Position und ihr Wohlstand in Richmond als unbedroht. Dies zeigt sich für sie gerade in der Gegenüberstellung zum Wohnen in anderen Gegenden in London. So berichtet ein Finanzmanager davon, wie er vor seinem Umzug nach Richmond in einem anderen Stadtviertel, in dem die Wohlhabenden eine besondere Rolle in einem kleinen Teil des Viertels haben, durch diese exklusive Rolle exponiert und daher zum Ziel von Übergriffen wurde. 7 8 9

Der durchschnittliche Anteil dieser Gruppe liegt in Gesamt-London bei 50% (vgl. London Borough of Richmond upon Thames 2005). Für Gesamt-London liegt dieser Anteil bei 28%. Dieser Anteil liegt in Gesamt-London bei nur 60%.

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„Wir wohnten in einem wunderbaren Private Estate mit Schranke vorne, nobel geht die Welt zu Grunde. Aber rundrum das soziale Umfeld war völlig daneben und die wussten da in der Ecke kann man was holen und das war das Thema warum sie, was weiß ich, in den drei Jahren achtmal [das] Auto aufgebrochen [haben] und dreimal ins Haus eingebrochen [sind]“ (L13: 152-154). Von außen betrachtet, das heißt in Bezug zu der geteilten Stadt London gesehen, erscheint Richmond den Finanzmanagern als ein wohlhabendes Wohngebiet. In ihrem alltäglichen Erleben vor Ort und dem Betrachten der eigenen sozialen Position direkt in Richmond selbst jedoch verändert sich ihre Sicht und ist weniger auf die Besonderheit der eigenen sozialen Position in London, sondern auf die Normalität der eigenen Position in Richmond gerichtet. Mit dem Fühlen des Ortes, dem unbesorgten freien Schlendern entlang der freistehenden Villen, der großzügigen Grünanlagen, der gepflegten Grundstücke und Straßen, in dem Aufeinandertreffen mit den anderen Bewohnern Richmonds in dem als problemfrei (vgl. L7: 693) empfundenen Umfeld, in dem es „keinen sehr großen sozialen Abfall gibt“ (L13: 452), erscheint das Privileg, hier wohnen zu können (vgl. L13: 438) als Normalität, denn hier sieht man sich in direkter Nachbarschaft zu anderen, die zumeist als ähnlich wohlhabend oder sogar als noch wohlhabender wahrgenommen werden. Auch wenn es in dem Borough Richmond kein Gebiet gibt, das zu den 25% der benachteiligsten Gebiete in England gehört, 10 so lassen sich doch soziale Unterschiede innerhalb des Stadtteils ausmachen (vgl. London Borough of Richmond upon Thames 2005). Mit dem Wohnen in Richmond, dem Erleben des Ortes entwickeln die Finanzmanager ein genaues Gespür für diese feinen sozialen Grenzen innerhalb von Richmond, die es ihnen erlauben, Richmond in seiner feinen sozialen Differenzierung wahrzunehmen und die subtilen sozialen Grenzen innerhalb Richmonds zu lesen. Sie setzen dabei die eigene soziale Stellung in Beziehung zu den anderen in Richmond Wohnenden und sehen sich auf der einen Seite über dem lokalen „Jedermann“ (L10: 512) und auf der anderen Seite unter den auf dem Hügel wohnenden noch Reicheren. Dies formuliert ein Interviewpartner so: „The rich ones, aber die wohnen dann wieder in central Richmond oben auf dem Hill mit Blick auf die Themse, wo dann ein Herr was war es Herr Mick Jagger wohnt und solche Sachen, ... ne, die haben wir da auch“ (L13: 462-466). Die Finanzmanager betrachten sich in Richmond in einen Wohnort eingebettet, in dem die eigene soziale Position und ihr Wohlstand unauffällig normal und daher unbedroht ist. Sie sehen sich in einem Viertel, in dem selbst die noch Wohlhabenderen und Bekannteren nicht belästigt werden. 10 Die Indexierung von benachteiligten Gebieten erfolgt über Eigenschaften wie Einkommen, Beschäftigung, Bildung, Kriminalität usw. (vgl. London Borough of Richmond upon Thames 2005). 197

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„Die werden äh nicht begafft, die gehen da, die gehen da ganz normal und trinken Cappuccino oder gehen ganz normal einkaufen und keiner in diesem Gebiet auch keine Deutschen da kämen auf die Idee, ah Mick Jagger, jetzt brauch ich mal ein Autogramm. Das ist so diese Art von Zusammenleben ist das da“ (L7: 508). Dass sich die Finanzmanager in Richmond nicht bedroht fühlen und keine Furcht vor möglichen Belästigungen verspüren verdeutlicht sich nicht nur in den schlendernden Bewegungen auf der Straße, sondern auch in einer Betrachtung der von den deutschen Finanzbeschäftigten zumeist gekauften zweistöckigen Wohnhäuser: Auch wenn Hecken und Bäume hier und da die freie Sicht auf die freistehenden Gebäude und Grundstücke erschweren, so lässt sich doch ein Blick in die Vorgärten werfen, in denen Kinder spielen und Erwachsene im Garten den englischen Rasen pflegen. Die Tore zu den wenig befahrenen Straßen sind oft geöffnet und manchmal ist es sogar von der sauberen, frisch geteerten Straße aus möglich, direkt durch die Verandatür in das Erdgeschoss des Hauses zu blicken und dort jemand entspannt in einem Sessel sitzend zu sehen. Die Architektur dieser Häuser drückt so das Sicherheitsgefühl der Finanzmanager aus und reproduziert dies auch mit ihrer Nutzung.

Abbildung 41: Vorgarten und Haus in Richmond

Der ruhige Landsitz im Grünen – einen Hauch britischen Hochadels spüren Für die deutschen Finanzmanager ist Richmond nicht nur ein wohlhabendes Wohnviertel in einer ruhigen vorstädtischen Gegend, in dem sie sich in der Nähe von London entspannen können. Sie schreiben diesem Stadtviertel eine besondere Exklusivität zu, die sich für sie nicht allein durch den hier zu findenden Wohlstand be198

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gründet. Die Exklusivität der hier eingebetteten Deutschen Schule, in die „nicht jeder Hinz und Kunz“ (L8: 54) geht, zeichnet sich für die Finanzmanager nicht nur durch das zu zahlende Schulgeld aus. Ebenso bezeugt sich die Exklusivität von Richmond für sie nicht nur über die hohen Mieten. Richmond ist für die deutschen Finanzmanager auch ein Ort, an dem für sie eine bestimmte Geschichte und Kultur fühlbar und sichtbar ist, die das Wohnen an diesem Ort für sie zu etwas Besonderem macht. „Wir wohnen in der Nähe von Richmond ... äh höchst, höchst geschichtsbeladen und äh sehr weitläufig mit Parkanlagen, ähm eigentlich so ein bisschen die grüne Lunge der City of London [...]. Hampton Court daneben, einem riesigen alten Schloss was aktiv genutzt wird, zum Teil für Sommerkonzerte oder im Winter mit Eislaufbahnen oder was sie auch sonst so besuchen können, also sehr kulturell geschichtlich beladen. Ich würd’ sagen, dass ist mit Sicherheit der schönste Teil im Grüngürtel Londons“ (L10: 494-502). An jedem Ort haben vielfältige historische Ereignisse stattgefunden, die jedoch zum größten Teil in Vergessenheit geraten sind. Zumeist werden nur einige Aspekte der Geschichte des Ortes präsentiert oder von spezifischen sozialen Gruppen erinnert. Die deutschen Finanzmanager nehmen Richmond als Ort mit einer besonderen Geschichte wahr, als Ort, den sie in die Tradition des britischen Königshauses einordnen. Sie besuchen mit Hampton Court einen ehemaligen britischen Königspalast, der 500 Jahre Geschichte der britischen Monarchie repräsentiert und durchstreifen die ehemaligen Royal Botanic Gardens (Kew Gardens) und den großflächigen Richmond Park, der schon seit dem 13. Jahrhundert mit dem britischen Königshaus verbunden ist und als königliches Jagdgebiet genutzt und gestaltet wurde. Richmond hat sich seitdem zu einem königlichen Landgut mit Schloss, zu einem bevorzugten Erholungsgebiet der britischen Aristokraten entwickelt. Heute präsentieren sich Richmond Park, Hampton Court und Kew Gardens in Erinnerung an ihre königliche Tradition. Der Richmond Park wurde über die Jahrhunderte nur wenig verändert und erinnert so mit seiner seminatürlichen Gestaltung der Eichenwälder und Sumpfgebiete, den hier frei herumlaufenden Hirschen und der heutigen Nutzung zum Pferdereiten und Golfspielen immer noch erlebbar an seine frühere Funktion als königliches Jagd- und Erholungsgebiet. Die Wertschätzung für den Ort Richmond, die sich in der obigen Interviewsequenz ausdrückt, begründet sich für die deutschen Finanzmanager gerade darin, dass dieser von ihnen als „höchst geschichtsbeladen“ (L10: 494) betrachtet wird. Durch diese Hervorhebung weisen sie besonders daraufhin, dass die Geschichte, die hier stattgefunden hat, eine besondere ist, die auch das heutige Richmond in ihren Erzählungen zu etwas Besonderem macht. Richmond wird aus ihrer Sicht so zu einem Ort, der durch eine hervorragende und daher erwähnenswerte Geschichte geadelt ist; eine Geschichte, die von den Finanzmanagern als Distinktionsmerkmal des Ortes 199

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Richmond präsentiert wird. Mit dem gezielten Besuch der Einrichtungen des britischen Königshauses gerät dieses Distinktionsmerkmal ins Bewusstsein und wird als „so schön“ (L7: 713) für sie fühlbar. „Bei der [Deutschen] Schule, sollten Sie sich vielleicht angucken, ist wunderschön gelegen im Douglas House, ähm und da gibt es dann äh Ham House und es gibt Hampton Court. Hampton Court ist etwas, was man mit dem Fahrrad, also einmal vom Richmond Park entlang der Themse mit dem Rad erreicht und das ist so interessant und so schön, das können sie auch vierzehntägig machen“ (L7: 707-713). Für die Finanzmanager übertragen sich dabei die hier präsentierten materiellen Relikte des britischen Königshauses, die Schlösser und Parks an denen die edle Geschichte von Königen und Adeligen sichtbar wird, auf den gesamten Bereich Richmond. Sie sehen sich hier nicht nur in der unmittelbaren Nähe zu den historischen Einrichtungen des britischen Königshauses, sondern fühlen sich in Richmond mitten dabei. Der Glanz der einzelnen edlen königlichen Orte überträgt sich so auf den gesamten Ort Richmond und wird damit auch zu einem Bestandteil ihrer sich hier befindenden Wohnhäuser. Für die Finanzmanager ist das angenehme Andere, das als typisch britisch-königlich Empfundene, in ihrem alltäglichen Handeln in Richmond spürbar. In den Spaziergängen und Fahrradfahrten, in den als typisch britisch gesehenen weitläufigen Parkanlagen passen sie ihr Verhalten an die Struktur des Ortes an, die sie als materialisierte Auswirkung eines ehrwürdigen „Englishness“ erleben. „Es gibt zum Wohnen außerhalb Londons nichts Schöneres, als diese Gegend da unten. Dieser riesige Richmond Park, das können auch nur Engländer wie man den angelegt hat“ (L7: 514). „Da haben wir den Richmond Park … […] einfach mal durchgehen ... da läuft Wild rum und so was. Dieser Park ist anders gestaltet als wir das kennen, man geht da nicht auf den Wegen. […] Man geht einfach da quer durch über Stock und Stein, weil das muss auch sein“ (L7: 681-683). Sie passen ihre Bewegung („einfach mal durchgehen“) an diese Struktur des Ortes an „weil das muss auch sein“. Fast gewinnt man den Eindruck, dass sie selbst in ihrem alltäglichen Handeln zu einem Teil des aristokratischen Richmond werden. Sie passen sich an die hiesigen Geflogenheiten an, spielen Golf, pflegen den Garten, wandern und schauen auf die Themse. Richmond wirkt in dem angepassten Verhalten der Finanzmanager so unverwechselbar aristokratisch britisch, wie es Daniel Dafoe 1724 in seinem Buch „A Tour tho’ the Whole Island of Great Britain“ beschreibt: “From Richmond to London, the river sides are full of villages, and those villages so full of beautiful buildings, charming gardens, and rich habitants of quality, that nothing in the world can imitate it“ (Daniel Dafoe in Thorold 1999: 66ff.).

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Hier bewegen sich die deutschen Finanzmanager in einem Gebiet, in dem die Bevölkerung nicht nur traditionell recht wohlhabend und gebildet ist, sondern auch zu einem überdurchschnittlichen Anteil aus britisch-stämmigen Weißen besteht. Nicht nur durch die Nähe zu Einrichtungen der britschen Aristokratie drängt sich in Richmond so das Gefühl auf, an einem authentischen Ort der britischen Oberschicht, mitten unter britischen Gentlemen zu sein. Als weiße Bewohner Richmonds, die Nähe zur britischen Aristokratie spürend und das Deutschsein verbergend, werden die deutschen Finanzmanager in Richmond fast auch ein wenig selbst zu Gentlemen. Teil ihres Einpassens in Richmond ist es auch an diesem Ort der traditionellen Etablierten angemessene Freizeitaktivitäten wie Golf spielen oder durch das königliche Parkgelände zu spazieren, auszuüben. Die Anstrengung der Fahrt in den inneren Bereich der Stadt London, um dort die Oper, das Theater oder ein Museum zu besuchen muss daher nicht unbedingt auf sich genommen werden, sie ist durch die Nähe zur Aristokratie, das „Ambiente da draußen“ (L13: 310) ersetzbar. „Da hab ich das Ambiente da draußen und ob ich nun abends ins Kino gehen will oder Essen gehen will, das haben wir alles da“ (L13: 310). „Ich zucke immer mit Kultur, klar ist London Kulturhauptstadt und es gibt nichts was Du hier nicht hast, aber es bedeutet für mich dann immer wieder, ich bin in Richmond draußen, ich bin die ganze Woche rein und raus gefahren“ (L7: 430-434). Die Finanzmanager verbringen ihre Freizeit direkt in Richmond. Richmond erscheint in ihren Erzählungen als Ort, der ihre Ansprüche erfüllt und in den sie sich mit ihren Identitäten einpassen können. Hier treffen sie sich mit Mitgliedern der deutschen Community, sie spielen Golf im Richmond Park, Tennis in Sportklubs oder gehen entlang der Themse spazieren. Hier können sie in passenden Geschäften und Boutiquen einkaufen und in angemessenen Restaurants essen gehen. „Richmond ist so ein bisschen so’n posh Ort, da gibt es eine ganze Menge kleiner netter Geschäfte“ (L7: 460). „Die Themse zwischen Kingston und Richmond, weil man kann direkt an der Themse entlang gehen und kann sich übersetzen lassen. Es gibt Pubs, es gibt auch in Kingston selber […] so ein kleines Gebiet mit Pubs, mit einem französischen Restaurant mit einem Italiener, das ist so modern gestaltet, da denken Sie, Sie sind in Italien mit einem kleinen Flüsschen drüber“ (L7: 695).

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Abbildung 42: Themse und grüne Wiese in Richmond

Richmond als entspannter Ort des Kontrasts zur City of London Die in Richmond wohnenden deutschen Finanzbeschäftigten betonen besonders, dass sie die ausgedehnte ländliche und grüne Umgebung Richmonds, seine riesigen Parks 11 und die Themse als Orte der Entspannung empfinden. So führen zwei Interviewpartner aus: „Ich halte mich besonders gerne [...] im Richmond Park auf, wirklich kann ich stundenlang auch einfach nur sitzen und lesen oder Fahrrad fahren oder gehen und ähm dann gibt es da an der Themse, wenn man da noch fünf Minuten runter fährt, da gibt es einen Pub und wenn die Sonne scheint dann setzt man sich draußen hin ... direkt an der Themse. Das ist einfach, das ist nicht posh und das nenn ich dann Lebensqualität, weil ich kann ausspannen und das macht dann Spaß. Also wirklich dieses direkte Umfeld ist für mich Lieblingsort geworden“ (L7: 539-544). „Weil das überall nur einzeln stehende Häuser sind ist das auch eine angenehme Wohngegend“ (L13: 452). Bei schönem Wetter entlang des weiten Themseufers schlendern, die großräumige Weite genießen, im Richmond Park Golf spielen, Schlösser besichtigen, Picknicken, dem Zwitschern der Vögel lauschen, den frischen Wind der Themse spüren oder mit dem Fahrrad in die grüne Umgebung fahren: Für die hier wohnenden deutschen Finanzbeschäftigten ist Richmond ein weitläufiges und unproblematisches Gebiet, das

11 Ein Drittel der Gesamtfläche Richmonds ist offene Fläche (London Borough of Richmond upon Thames: Borough Profile 2005). 202

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ihnen eine entspannte, scheinbar grenzenlose Bewegung ermöglicht. Hier gehen die Finanzmanager „einfach da quer durch über Stock und Stein“ (L7: 683), spüren keine Grenze des Ortes und können sich entspannt vor ihren Häusern aufhalten. Nicht nur die oben angedeutete Anstrengung der Fahrt von Richmond in die City steht für sie in einem deutlichen Gegensatz zu der erholsamen Ruhe in Richmond. Besonders in der von den Finanzmanagern vorgenommenen Gegenüberstellung von dem unbeschwerten Alltag in Richmond und dem beschwerlichen Handeln nicht nur am Arbeitsplatz in der City of London sondern allgemeiner in der Stadt London, erscheint die Erholung in Richmond eine besondere Qualität für sie zu besitzen. Hier fallen die Last und der Stress der Arbeit von ihnen ab. Durch die Gegenüberstellung zu dem Empfinden der stressigen, dreckigen und chaotischen Stadt wird Richmond für die Finanzmanager zu einem besonders ruhigen, sicheren Gegenpol, zu einem Ort der Erholsamkeit und Leichtigkeit. Richmond erscheint in den Erzählungen der Finanzmanager als Rückzugsort vor dem von ihnen als chaotisch und konfliktreich empfundenen Urbanen. 12 Ein Blick auf die Erzählung der Entstehungsgeschichte macht die dauerhafte Tradition dieser Kontrastierung für den Ort Richmond deutlich. So präsentiert die Internetseite der Royal Parks die Schilderung, dass 1625 Charles I mit seinem Hof in den Richmond Palace zog „to escape the plague in London“ (Royal Parks, Internetseite ohne klares Veröffentlichungsdatum). Auch wenn in London heute nicht mehr die Pest wütet, so sehen die deutschen Finanzmanager London und Richmond immer noch in einem ähnlichen Kontrast. Für sie ist Richmond der gefahrlose, ruhige Ort an dem sie sich ausruhen und gemütlich im Freien an der Themse die Natur genießen können. London erscheint in den Erzählungen der Finanzmanager als das Gegenteil; hier muss man auf der Hut sein und fühlt sich bedroht. Für die Finanzmanager gilt: „London sucks“ (L11: 188). „London ist sicher als Stadt chaotischer als irgendeine andere deutsche Stadt, die ich kenne. Natürlich auch chaotischer als irgendeine andere englische Stadt, die ich kenne. Wahrscheinlich ist der Grund die Größe. London hat im engeren Raum 5 Millionen, im größeren Raum glaub ich 11 Millionen mittlerweile. Großstädte bringen immer ein gewisses Chaos mit sich. Unorganisiertheit, auch Dreck, muss man wirklich sagen. Auch gewisse Spannungen in gewissen Gegenden, wo dann also wirklich ein höherer Ausländeranteil ist, äh, Schwarze, Inder vielleicht nicht so sehr, aber Schwarze schon. Wenn Sie nach Brixton zum Beispiel gehen, da sehen Sie schon oftmals, ich will nicht sagen oftmals, aber da kann es schon passieren, dass Sie in der Minderheit sind. Und das ist mir in Deutschland so auch noch nie passiert. London ist, London, wie hab ich früher mal gesagt, London sucks. London kann wirklich Energie aus einem rausziehen. Keine Stadt, wo man angenehm leicht sich aufs Fahrrad setzen kann, und wo man ins Grüne radelt. Das gibt es einfach nicht hier“ (L11: 183-188).

12 Dass diese Kontrastierung der dreckigen, gefährlichen und krankmachenden Stadt und der sauberen gesunden Siedlung im Grünen zum Gründungsmythos des Suburbanen gehört zeigen u.a. Davis 1999; Silverstone 1997; Morley 2000. 203

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Zwischenfazit: Einpassen in Richmond Die deutschen Finanzmanager passen sich mit ihren Handlungen, Gefühlen und Identitätsbildungen in den Ort Richmond ein. Ihr Einpassen ist geprägt durch ihre Wahrnehmung von Richmond als Ort des Gegensatzes zum chaotischen und gefährlichen „Riesenmoloch“ (L10: 612) London, als einen friedlichen und ländlichen Ort mit einer weit entfernten sozialen Grenze, als Eintrittsort in die deutsche Community und als traditionellen Ort des britischen Hochadels. In Richmond treffen die Finanzmanager auf die deutsche Community, die sich um ihren Kristallisationsort – die Deutsche Schule – gruppiert. Der Ort Richmond fordert von ihnen ein Einpassen zu dem es auch gehört, dass sie sich in das Netzwerk der deutschen Community eingliedern. Diese Communitystruktur des Ortes ist aus ihrer Perspektive so mächtig, dass für sie mit einem Entschluss sich von der deutschen Community zu entfernen notwendigerweise auch der Wegzug aus Richmond einhergeht. In Richmond wohnend ist ihre Freizeit auf die Familie und die deutsche Community vor Ort gerichtet, Kontakte nach Deutschland finden eher seltener statt. Aufgrund der langen Aufenthaltsperspektive in London befürchten die hier Wohnenden sogar, dass sie privat den Kontakt zu den Freunden in Deutschland und beruflich den Kontakt zum Headoffice etwas verlieren könnten und so eine Rückkehr nach Deutschland sowohl beruflich als auch privat schwierig werden könnte. Richmond wird mit den Strukturen der deutschen Community für die deutschen Finanzmanager zu einem Ort, an dem sie sich sozial eingebunden, zugehörig und unterstützt fühlen. Die Herstellung ihrer deutschen Identitäten im alltäglichen Handeln, im Einpassen in den Ort, erfolgt in Richmond mit dem Gefühl, diese als heikel zu empfinden und sie daher nach außen hin möglichst zu verbergen. Zeichen von deutscher Identität werden hier nicht offen zur Schau gestellt. Als Mann sind sie hier meist eingebunden in eine Familie, in der sich die Ehefrau um die Herstellung der sozialen Netzwerke bemüht und die traditionellen Reproduktionsaufgaben übernimmt. Sie selbst können sich so, anknüpfend an die Arbeit der Ehefrau, ohne große eigene Anstrengung in die deutsche Community vor Ort einfügen. Aber Richmond ist für die Finanzmanager nicht nur ein Ort der deutschen Community, sie betrachten Richmond auch als traditionellen Ort des britischen Hochadels. Sie besuchen hier Bauwerke des Königshauses und sind davon beeindruckt, selbst an einem Ort dieser Tradition zu sein. Sie sehen Richmond, einen Ort, dessen soziale Struktur diesen als Ort der Wohlhabenden abbildet, als Ort, in den sie mit ihren Identitäten als Weiße und globale Elite passen und an dem sie diese daher auch nicht zu verbergen brauchen. Die Villen und Autos der Oberklasse sind hier frei sichtbar. In dem Einpassen in Richmond fühlen die Finanzmanager ihre Identitäten als Weiße und als globale Elite als eine ungefährdete Normalität. Die deutschen Finanzmanager passen ihre Handlungen und ihre Gefühle an ihr Image von Richmond und an seine Struktur an. Hier fühlen sie sich nicht bedroht und bewegen sich locker schlendernd in Freizeitkleidung auf den Straßen, in den riesigen Parks oder 204

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entlang der Themse. Die Architektur ihrer freistehenden Häuser drückt diese Unbekümmertheit dem Außen gegenüber aus. Von der Straße lässt sich ein Blick in den Vorgarten, durch das Fenster oder die Verandatür werfen. Es lassen sich spielende Kinder, Erwachsene beim Essen oder bei der Gartengestaltung beobachten. Das Gefühl der Entspannung finden die Finanzmanager hier nicht nur in der eigenen Wohnung sondern auch in den einsehbaren privaten Bereichen und dem öffentlichen Raum auf der Straße. Die Grenze des Ortes hin zu einem problematischen sozialen Umfeld ist für die Finanzmanager so weit entfernt, dass sie aus ihrem Blick gerät. Teil ihres Einpassens in den Ort Richmond ist es, beim ziellosen und weitläufigen Wandern und Fahrradfahren eine unbeschwerte Entspannung zu spüren und nicht das Gefühl zu haben, sich mit diesen Tätigkeiten in drohende soziale Konflikte zu begeben. Von dem friedlichen, wohlhabenden, traditionellen und grünen Richmond sind der bedrohliche „Riesenmoloch“ (L10: 610) London und seine städtischen Viertel, wie die Docklands, für die Finanzmanager nicht nur geografisch weit entfernt.

Die Docklands – Die Nähe der Grenze des Ortes spüren Aus der City of London kommend tritt man direkt hinter der Tower Bridge an beiden Seiten des Themseufers in das ehemalige innerstädtische Hafengebiet von London. Das Erreichen des ersten Hafenbeckens, des St Katharine’s Dock, bietet eine spürbare Entlastung von den hektischen Touristenströmen und dem lauten Autoverkehr um die Tower Bridge herum. Nun flaniert man zusammen mit einigen Touristen am Hafenbecken entlang, bewundert die umgebauten Lagerhäuser, genießt den frischen Wind, das Plätschern des Wassers und bei Sonnenschein eine fast schon mediterrane Atmosphäre, in der die hier wohnenden Finanzmanager in ihrer Freizeit in den Cafés oder Restaurants am Hafenbecken sitzen und dem Schwanken der dort liegenden Segelschiffe zusehen. „Das St Katharine’s Dock ist direkt neben dem Tower ein bisschen versteckt. Da hat man in den 80er Jahren ähm alte Lagerhäuser umgebaut und es gibt ein Abzweig, eine Schleuse von der Themse rein. Da liegen also verschiedene Jachten. Große Jachten also wirklich sehr große Motorjachten, Segler und so weiter. Da kommen von Frankreich zum Teil die Leute hingefahren die Themse runter, ... ist direkt an der Tower Bridge, aber sehr sehr versteckt. Also man muss sich das wirklich so vorstellen wie ein abgeteilter Fluss mit Liegeplatz und rundherum sind Häuser aber auch Kneipen, Lokale, Starbucks als Coffeeshop und da kann man im Sommer also wunder-, wunderschön sich hinsetzen und man hat das Gefühl man ist gar nicht in London“ (L5: 837-856).

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Abbildung 43: St. Katharine’s Dock Für die in den Docklands wohnenden deutschen Finanzmanager wird der Weg zur Arbeit durch die Docklands und entlang der Themse zu einem angenehmen Fußweg. Hier haben sie das Gefühl „man ist gar nicht in London“ (L5: 856) und befinde sich auch nicht in dem chaotischen „Riesenmoloch“ (L10: 612). Für sie ist nicht nur die geringe Distanz zur City, sondern auch die besondere Atmosphäre des Ortes, der in ihren Erzählungen den Charakter eines ruhigen mediterranen Freizeitortes bekommt, bedeutsam, damit sie seine Durchquerung als einen angenehmen Akt der geografischen Distanzüberwindung empfinden. „Ich wohn’ draußen an der Tower Bridge, das heißt, ich kann jeden Morgen ganz gemütlich an der Themse entlang spazieren, dann kommt erst mal so ein bisschen Urlaubsgefühl auf. Ich weiß nicht, ob du das kennst, so Wasser und ab und zu singen hier auch wirklich Vögel, ja das ist dann immer ganz toll, ist mein Highlight des Tages und dann laufe ich dann ganz gemütlich ins Büro, setze mich an meinen Platz“ (L9: 170-172). An der Themse entlang zu gehen ist für sie durch die Möglichkeit des weiten Blickes über das Wasser, das Erleben von Natur und durch die vergleichsweise wenig gedrängten Fußwege entlang der Docks entspannend. Hier haben sie nicht wie in der City das Empfinden, von einem Strom von Menschen mitgerissen zu werden, hier können sie vergleichsweise frei und „gemütlich […] entlang spazieren“ (L9: 170). Das „Urlaubsgefühl“ (L9: 170), das die Finanzmanager beim Schlendern entlang der 206

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Docks und der Themse haben, stellt sich für sie gerade in dem von ihnen gezeichneten Gegenbild zu den Fahrten mit dem öffentlichen Nahverkehr dar. L9: „[Es] war halt für mich das Hauptkriterium in der Nähe vom Arbeitsplatz zu wohnen. Weil ich es einfach hasse, morgens in eine überfüllte Tube einsteigen zu müssen. Oh, das ist schlimm wirklich.“ I: „Warum?“ … L9: „Ich hab’ die ersten drei Wochen in South Kensington gewohnt, das heißt ich bin jeden morgen mit der U-Bahn rein gefahren. Ich fang zwischen 8 und 9 an, hab ich zu der Zeit und zu der Zeit war der Andrang auf die öffentlichen Verkehrsmittel schon so groß, das ich zum Teil drei U-Bahnen durchgehen lassen musste, weil ich einfach nicht mehr reingekommen bin. … So, wenn Du dann reinkommst, strömen noch ganz viele Leute nach, das heißt Du stehst da wie in einer Sardinenbüchse, jeder rempelt Dich an“ (L9: 489-497). In der Tube oder den Vorortzügen fühlen sie sich eingezwängt und verspüren nicht nur durch die körperliche Nähe zu anderen Menschen ein unangenehmes Gefühl „wie in einer Sardinenbüchse“ (L9: 497). Eine Büchse in der, wenn sie geschlossen und in Fahrt ist, weder ein freier Blick aus dem Fenster noch ein Ausweg möglich ist. Sie fühlen sich hier, ähnlich wie in der City, als passiver Teil einer strömenden Menschenmasse, die durch das Drängen auf engstem Raum in den U-BahnWaggons und die so erzwungene Nähe für sie beständig mit dem als rücksichtslos empfundenen Anrempeln spürbar wird. Sie sehen sich dort zwischen anderen Menschen eingedrängt und empfinden durch die Enge und ihre unabwendbar passive Rolle ein starkes Unwohlsein. Das Gefühl, frei entlang der Themse zu schlendern, stellt sich für die Finanzmanager gerade als Gegenbild zu der Fahrt mit dem Nahverkehr dar und wird in diesem so häufig formulierten Gegensatz deutlich als entspannend wahrnehmbar. Die Vermeidung von langen Fahrten mit dem Nahverkehr ist so für die Finanzmanager auch gleich der Vermeidung des Unwohlseins in der Tube und wird von ihnen zu einer Motivation, sich in den Docklands, nah zum Arbeitsplatz in der City, eine Wohnung zu suchen. „Ich hab’ von Anfang an gesagt, ich will was suchen, was innerhalb Walking Distance zum Büro ist“ (L9: 62). Wenn auch nicht alle deutschen Finanzbeschäftigten in den Docklands regelmäßig zu Fuß zur Arbeit gehen können, wird die Anstrengung der Fahrt durch ihre Kürze gemindert und als nicht so anstrengend empfunden. „Also ich wohn schon so dicht sag ich mal, dass ich mit der Tube fahren kann. Ich muss nicht mit National Rail hier fahren, das ist schon sehr komfortabel“ (L5: 439443). Allerdings erfolgt die Entscheidung der Finanzmanager, in den Docklands zu wohnen, nicht allein aufgrund der geografischen Nähe zur City. Auch das entspannte Ur207

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laubsgefühl, das mit dem Schlendern an der Themse empfunden wird, wird nicht nur durch die breiten und wenig begangenen Gehwege bewirkt, auf denen sie entlang schlendern. Vielmehr hängt die Wohnortwahl und das entspannte Gefühl beim auf die Straße Gehen auch von der sozialen Zusammensetzung des Stadtviertels, seiner materiellen Struktur und dem Image, das die Finanzmanager von dem Stadtviertel haben, ab. Dieses spezifische Image des Ortes ergibt sich für sie bereits aus der geografische Lage des Ortes in London.

Eine neue Geografie des Ortes erlernen – Die Docklands sind nicht im Osten „Ich wohn’ in Wapping. ... Wapping ist, gehört auch schon mit zu den Docklands“ (L5: 693). Wie in dieser Interviewsequenz deutlich wird ordnen die Finanzmanager ihren Wohnort der Region Docklands zu. Mit dem Begriff Docklands bezeichnen sie den Bereich der ehemaligen Londoner Hafengegend, die aus Teilbereichen verschiedener Stadtteile (Southwark, Newham, Greenwich) besteht. Der größte Teil davon liegt am Nordufer der Themse, in dem östlich der City gelegenen Stadtteil Tower Hamlets. Mit Verwendung der Bezeichnung Docklands übernehmen die deutschen Finanzmanager für die ehemaligen Londoner Docks eine Neubenennung, die erst im Zuge der Umgestaltung dieser Region eingeführt wurde. Wie in oben gezeigt, sehen die deutschen Finanzmanager London als eine geteilte Stadt, deren deutlichste Teilung sich für sie schon durch die geografische Lage der Stadtteile, ausgehend von der City, „dem Nabel der Welt“, erkennen lässt. Dabei ordnen sie gerade die Gebiete, die östlich der City liegen als Gegenstück zu den für sich als passend betrachteten Vierteln im Westen und Südwesten ein (siehe Richmond). Die Finanzmanager übernehmen damit in ihrem Einpassen die Images die den Stadtteilen mit Hilfe ihrer geografischen Lage zugeschrieben werden: „The terms ‚West End‘ and ‚East End‘, therefore, conjure up two sharply different images of London – images shaped by realities of social and economic inequality“ (Eade 2000: 123). Die Übernahme dieser Images durch die Finanzmanager verdeutlicht sich in dem schon oben angeführten Zitat: „Ein Südwesten, ein Westen ist schon eine finanzielle Aussage, das ist nicht wie der Osten“ (L8: 604). Das Erlernen des Zusammenhangs zwischen geografischer Lage und Imagezuschreibung ist Teil ihres Einpassens in London. Es erscheint somit überraschend, dass die deutschen Finanzmanager für sich ein Wohngebiet auswählen, das östlich der City liegt. Dies wurde für sie erst durch den Wandel der ehemaligen Londoner Docks zu einem neuen Gebiet möglich: zu den Docklands. Dieser Wandel wird von 208

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den deutschen Finanzmanagern als so umfassend vollzogen angesehen, dass sie die Docklands nicht mehr als Teil des East End betrachten. Das Einpassen der Finanzmanager in die Docklands ist so auch die Übernahme eines neuen Bildes, das als Folge der Umgestaltung der Hafenregion im East End zu den Docklands entstand.

Das unpassende East End wird zu den passenden Docklands Der Londoner Hafen entwickelte sich aufgrund des zunehmenden internationalen Handels im frühen 19. Jahrhundert, am Höhepunkt des britischen Empires, östlich der Tower Bridge. Hier entstanden mehrere der so genannten Docks, die aus Hafenbecken und darum gruppierten Lagerhäusern bestanden. Es bildete sich ein Gebiet, in dem sich mit dem Schiffsbau und der Schwerindustrie laute und dreckige Industriezweige ansiedelten, die in anderen Bereichen Londons damals nicht toleriert wurden. Die hier arbeitende und lebende Arbeiterklasse war zu einem großen Teil verarmt und lebte teilweise in Slums. Wenn die Docks auch für den Handel und den Wohlstand der City of London und des Londoner West Ends von immenser Bedeutung waren, so wurde diese Region jedoch in ihrer Struktur, ihrer Lebenswelt und in ihrem Image deutlich von der City und dem West End abgegrenzt. Das East End, zu dem die Hafengegend gehörte, war in dieser Zeit ein Synonym für Armut, Schmutz, soziale Deprivation und Gefahr. Es war „a symbol of a nation’s dark side“ und wurde von außen als „another world“ (Eade 2000: 124) Londons betrachtet. Das gesamte East End hatte ein Image, das sich zum einen durch die realen sozialen Probleme und die soziale Ungleichheit zu den westlich gelegenen Regionen Londons ergab und das so zum Ausgangspunkt für die von Charles Booth zwischen 1889 und 1891 erstellte Armuts- und Sozialstudie wurde. 13 Zum anderen wurde das Image des East End durch Erzählungen von sozialen Problemen gespiegelt, wie sie beispielsweise in den Romanen von Charles Dickens und in der ersten große Pressesensation, den Berichten über die Morde von Jack the Ripper, miterzeugt wurden (vgl. Eade 2000: 123f.). So schrieb Jack London 1903: „Das East End ist nicht, wie viele meinen, eine Stadt der Slums – es ist ein riesiger Slum“ (London in Schubert 1997: 119) und auch Virginia Woolf beschrieb 1931 die Docks als hoffnungslosen, verarmten, dreckigen und düsteren Ort (vgl. Woolf 1931/2001: 13). Lange Zeit waren die Docks ein Ort, an dem es schlecht vorstellbar war, dass hier Finanzmanager „gemütlich […] entlang spazieren“ (L9: 170) würden.

13 Charles Booth differenzierte die Sozialstruktur Londons auf sozialstatistischer Basis in soziale Kategorien und übertrug diese farblich auf eine Karte der einzelnen Londoner Straßen und Wohnblöcke. Es entstand so die erste sozialräumliche Gliederung für eine Großstadt. Auf einen Blick erkennbar weist diese Karte das Londoner East End einschließlich der London Docks durch eine dunkle Farbmarkierung als Armutsgebiet aus. 209

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„Wenn wir […] an den ankernden Schiffen entlang auf London zugehen, bietet sich uns eine tief bedrückende Aussicht. Der Fluss ist hier gesäumt von schmuddeligen, baufälligen Lagerhäusern. Sie drängen sich hier auf dem flachen Uferstreifen zusammen, der hier zu glitschigem Schlammboden geworden ist. Sie alle haben diesen Anschein des Baufälligen, eilig und provisorisch Hochgezogenen. Wenn ein Fenster zerbrochen ist, bleibt es so. Das Feuer, das vor kurzem eines dieser Lagerhäuser mit schwarzen Schwären überzog, hat es kaum verlorener und freudloser zurückgelassen als die übrigen. Hinter Masten und Schloten liegt eine finstere Zwergenstadt aus Arbeiterhäusern. Im Vordergrund säumt eine Skelettarchitektur aus Kränen und Lagerhäusern, Baugerüsten und Gasometern die Ufer“ (Woolf 1931/2001: 13). Im zweiten Weltkrieg wurde durch deutsche Bombardements ein großer Teil der Docks zerstört. Ihr ökonomischer Niedergang begann jedoch erst in den 60er Jahren mit der Verringerung des Kolonialhandels und mit der Entwicklung von Containerschiffen, die zu groß für eine Abfertigung in den Docks waren und stattdessen in einem neu entwickelten Containerhafen, der weit flussabwärts in Tilbury liegt, abgefertigt wurden. Nach und nach schlossen zwischen 1960 und 1980 die Londoner Docks; die Bausubstanz wurde vernachlässigt und die Arbeitslosigkeit stieg in dieser Region stark an. Die Zahl der Hafenarbeiter fiel von 23.000 im Jahr 1967 auf 4.000 im Jahr 1981 (vgl. Hamnett 2003: 234). Die Bezeichnung dieser Gegend mit dem Namen Docklands, wie sie von den deutschen Finanzmanagern übernommen wird, entstand erst im Rahmen der Umgestaltung der Hafengebiete seit dem Jahr 1981 durch die London Docklands Development Corporation (LDDC), einer der Regierung unterstellten Behörde. Ziel war es, das Gebiet mittels öffentlicher Mittel aufzuwerten und schließlich an private Investoren zu verkaufen. Die LDDC verantwortete die physische Umgestaltung des Gebietes, es wurden Wohn- und Bürohäuser neu errichtet oder die alten Lagerhäuser in solche umgewandelt. Gegen die Umbauentscheidungen der LDDC gab es erheblichen Widerstand besonders von den in den Docks zu dem damaligen Zeitpunkt schon länger lebenden Menschen. Die hier etablierten Arbeiter-Communities engagierten sich weitestgehend erfolglos gegen den Umbau und den damit verbundenen Imagewechsel der Docks. Denn dieser bedeutete für sie einen Verlust ihrer Geschichte und somit ihrer im Zusammenspiel mit dem Ort erzeugten Identität als „Dockers“ (vgl. Rose 1992). Kritisiert wurde dabei besonders, dass die Entscheidungen der LDDC zuerst an Anforderungen des Immobilienmarktes ausgerichtet wurden und nicht an den Bedürfnissen der hier schon lebenden Menschen. Tatsächlich führte der Umbau der Docks dazu, dass es durch den Anstieg der Mieten und durch den zahlenmäßig geringfügigen Bau von Sozialwohnungen zu einer Veränderung in der Sozialstruktur der hier wohnenden Bevölkerung kam (siehe unten). “The once predominantly white working class area that people had rarely heard of, where no one really wanted to go, and which one newcomer said was ‚like going back in time‘, almost overnight had been transformed into an emerging city with a

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diverse and fragmented residential population (poor, affluent and ethnically diverse)“ (Foster 1999: 287). Gleichzeitig mit dem Umbau bekam das Gebiet mit der Benennung als Docklands eine Identität als eigenständiger Ort, der neben einer neu geschaffenen Struktur ein neues Image erhielt (vgl. Crilley 1992; Eade 2000: 133ff.). Die Docklands sollten nicht mehr als Teil des verrufenen East End scheinen und deshalb nicht mehr als das Gegenstück zu den wohlhabenden Gebieten des West End wahrgenommen werden. Sie sollten als Geschäfts- und Wohnort von den Finanzmanagern akzeptiert werden. Im Zuge der Neugestaltung wurde das Gebiet der Docklands auch infrastrukturell stärker an die City angebunden. So verknüpft die extra errichtete Docklands Light Railway in erster Linie die City of London mit den Docklands, ist aber nur in geringem Maße mit den anderen Gebieten im East End verbunden. Der in den Docklands errichtete City Airport stellt nicht nur mit seinem Namen einen engen Bezug zur City her, er ist auch durch einen Shuttlebus mit der City verbunden. “These [means of transportation] allow high-income Docklands inhabitants and investors to connect with value spaces elsewhere whilst allowing them at the same time to secede relationally from the poor communities that geographically surround them“ (Graham/Marvin 2001: 324). Die Docklands und die City rücken durch diese neu geschaffene Infrastruktur für die Finanzmanager näher zusammen, die Strecke zwischen diesen beiden Orten ist für sie leichter überwindbar geworden. Damit verschiebt sich die Einbindung der ehemaligen Docks, sie sind nun besser infrastrukturell mit der City verknüpft. Mit der Nutzung dieser Infrastruktur rücken hingegen die geografisch näher liegenden, aber schlechter angebundenen Regionen des East End weiter weg. Mit der Erzeugung eines neuen Images wurde eine symbolische Grenze zwischen den neu erschaffenen Docklands und dem übrigen East End geschaffen (vgl. Eade 2000: 123f.). Damit ging der Aufbau einer neuen materiellen Struktur einher, die sich u.a. durch eine andere Architektur und eine neue infrastrukturelle Anbindung ausdrückt. Auf der einen Seite der Grenze liegt demnach das wilde, dreckige und gefährliche East End und auf der anderen Seite die prosperierenden, befriedeten, hoch entwickelten und sauberen Docklands. Mit dem Image- und Strukturwandel der Docklands entwickelte sich dieser Bereich ab den 1980er Jahren zu einem gefragten Wohngebiet für Finanzmanager. Die Docklands sind zu einem Ort geworden, mit dem sich nun andere soziale Gruppen, nicht mehr die „Dockers“, sondern die Finanzmanager, identifizieren können und der sich in seiner Materialität deutlich zur City hin orientiert. Mit der Übernahme dieser Neubenennung der Londoner Hafenregion (siehe Zitat am Anfang des Kapitels) gliedern die deutschen Finanzmanager den eigenen Wohnort in ein Gebiet ein, dem durch die allgemeine Bezeichnung Docklands auf

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der einen Seite, nach innen 14 , eine verminderte Diversität zugeschrieben wird, die sich unter einem Namen fassen lässt: Alle Gebiete innerhalb der Docklands sind für die befragten Finanzmanager gleichermaßen zu einem Teil der Docklands geworden. Auf der anderen Seite heben sie damit zugleich eine Differenz nach außen hervor, zu den umliegenden Gebieten des East End, die sie nicht zu den Docklands zählen. Das Wohnen in den Docklands wird für die deutschen Finanzmanager möglich, da sie die Docklands nicht als Teil des Londoner East End einordnen. So sagt ein in den Docklands wohnender Finanzmanager über London: „Es gibt unheimlich große Gegensätze hier. ... Also architektonisch gesehen, es reiht sich hier alt an neu. ... Aber auch Gegensätze von den Leuten her, also Multikulti, das ist hier wirklich, das wird hier wirklich gelebt. Du kannst also Richtung Osten von London gehen, ... im Osten wenn Du da mit dem Bus fährst, hast Du das Gefühl die Leute haben alle kein Geld. Fährst Du in den Westen, hast Du das Gefühl die Leute die haben so viel Geld, die können das gar nicht ausgeben. Also Gegensätze doch, ... das ist sehr extrem“ (L5: 617). In seiner Perspektive hat sich der Osten verschoben; dieser umfasst nun gerade nicht mehr die Docklands, das ehemalige Hafengebiet Londons, das eigentlich als Sinnbild Ostlondons galt. Da der Finanzmanager die Docklands nicht als Teil des verruchten East Ends ansieht, ist es für ihn möglich geworden hier zu wohnen. Das Übernehmen der Neubenennung dieses Gebietes ist für die Finanzmanager somit nur ein kleiner Teil des Einpassens in den Ort. Wesentlicher für ihr alltägliches Handeln vor Ort ist es, dass sie durch diese Neubenennung eine geografische Neuorientierung der Docklands, weg vom East End, ausdrücken. Ein wesentlicher Teil ihres Einpassens in die Docklands ist somit die Übernahme der geografischen Neuorientierung der Docklands, die das Wohnen an diesem Ort für sie zu einer angenehmen und erstrebenswerten Option macht.

Grenzerfahrungen – Innen und Außen erleben Mit der geografischen Neuorientierung der Docklands geht für die hier wohnenden deutschen Finanzmanager eine Neudefinition des Innen und des Außen einher, mit der sie bestimmen was zu dem eigenen Wohngebiet dazu gehört und was nicht. Sie erleben und reproduzieren in ihrem alltäglichen Handeln beständig diese Neudefini14 Die Docklands lassen sich nach innen in vier Gebiete gliedern. Im direkt an die City angrenzenden Wapping befinden sich zu Wohnungen aufgewertete ehemalige Lagerhäuser. Die Isle of Dogs besteht zu einem großen Teil aus einem mit Bürohochhäusern neu bebautem Gebiet, die wie der Canary Wharf Tower weit sichtbar sind. In den Royal Docks wurden neue Wohnhäuser und der City Airport gebaut. Auf der anderen Seite der Themse wurden in den Surrey Docks, ähnlich wie in Wapping, Lagerhäuser zu Wohnungen umgebaut und damit aufgewertet. 212

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tion. Teil ihres Einpassens ist somit nicht nur das Erlernen und Bestimmen des Innen und Außen des Ortes, sondern auch aus dem alltäglichen Erleben und Reproduzieren dieses Gegensatzes ein passendes Handeln auszubilden. Ein Handeln, das sich für sie in den Docklands an die klare Benennung und Erfahrung der Grenze des Ortes anpasst. Eine Grenze die von ihnen, wie in der folgenden Interviewsequenz deutlich wird, mit großer Sorgfalt und Genauigkeit bestimmt wird. „Wenn man ein bisschen weiter Richtung Innenstadt kommt, also sagen wir mal nördlich geht, ... dann ist es doch eher so Massenwohnungen, große Blöcke, eher unschön. Aber genau die Ecke wo ich wohne, da schlängelt sich das da direkt an der Themse lang, dass da, sag ich mal, eher Leute wohnen die mehr Geld haben. [...] Aber das ist mehr wirklich nur die Straße an der ich wohne, wenn man ein Stück weiter weg geht gibt es eher auch so Reihenhäuser, wo doch auch Familien wohnen. Aber ich würde, wenn du mich direkt danach fragst wo ich wohne ... und ich meine Straße mal so als Areal bezeichnen würde, dann würde ich schon sagen, so wie ich eben gesagt hab, eher Paare, eher Leute mit Geld als wirklich Familien mit vier Kindern“ (L5: 675-709). Die deutschen Finanzmanager erleben den kleinen Bereich der aufgewerteten Docklands, der von ihnen bewohnt wird, in einer klaren Differenz zu den Wohngebieten des nördlich liegenden East Ends. Sie bestimmen ganz genau, wo die „Massenwohnungen“ sind und wo „die Leute wohnen, die mehr Geld haben“ (L5: 675). Die geografische Grenze des Ortes wird von ihnen klar definiert und erfahren, die Wohnstraße „als Areal“ (L5: 707), als kleinräumiger abtrennbarer Bereich wahrgenommen und bestimmt. In ihrem Verhalten, dem Unbehagen und der Vermeidung der Grenzüberschreitung reproduzieren die Finanzmanager diese Umgrenzung des Ortes. „Also in dem engeren Ring um die City gibt es, äh [in] East London gibt es auch Bereiche, wo ich abends nicht rumgehen würde. Selbst äh der nördliche Teil der Docklands, der high fashionable heute ist, aber da gibt es hohe Lagerhäuser noch aus der alten Zeit, da möchte ich abends hier nicht zu Fuß durchgehen“ (L13: 488). Für die Finanzmanager wird die Grenze auf unterschiedlichen Wegen erfahrbar. Das was hinter der Grenze ist, erscheint in ihren Erzählungen als gefährliches Gebiet, dessen Betreten sie daher meiden. Das Innen sehen sie dabei als befriedetes Gebiet, in dem sie sich wohl fühlen und frei bewegen können. Wie Neil Smith (1996) am Beispiel des Tompkins Square in New York zeigt, ist der Prozess der Aufwertung innerstädtischer Gebiete, die Gentrifikation 15 , unter anderem 16 auch von besonderen

15 Gentrifikation beschreibt den Prozess der Aufwertung innenstadtnaher Wohngebiete, dessen Verlauf durch einen Austausch der alteingesessenen Wohnbevölkerung durch neue höhere soziale Schichten charakterisiert ist (Zuerst wurde dieser Prozess von Ruth Glass 1963 beschrieben). Dieser Prozess wird begleitet von veränderten kulturellen Zuschreibungen der entsprechenden Viertel. Die Gentrifikationsgrenze bezeichnet dabei die Grenze zwischen den aufgewerteten 213

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Zuschreibungen begleitet. Zuschreibungen die, wie sie auch die Finanzmanager vornehmen, unaufgewertete Regionen als städtische Wildnis erscheinen lassen, die durch Verbrechen, Krankheit und Gefahr gekennzeichnet werden. Der Prozess der Gentrifizierung erscheint dabei als Prozess einer vorrückenden Grenze, als „urban frontier“ (Smith 1996). Die gentrifizierten Gebiete werden dabei als zivilisiert und befriedet dargestellt, während die hinter der Grenze liegenden Gebiete als unterentwickelt, unzivilisiert und gefährlich erscheinen. Für die deutschen Finanzmanager stellt so auch das unaufgewertete Alte im East End nicht nur eine architektonische Differenz im Gegensatz zu dem aufgewerteten und stilisierten Alten in den Docklands dar, sondern auch eine Differenz von Zivilisiertheit. Das Überschreiten dieser Grenze, sich der alten unaufgewerteten Architektur der „Lagerhäuser noch aus der alten Zeit“ (L13: 488) zu nähern, ist für sie somit gleichgesetzt damit sich selbst in Gefahr zu bringen. Um dem Gefühl der Gefahr zu begegnen, passen sie ihr Verhalten an und vermeiden das Überschreiten der Grenze. So sagt ein Interviewpartner: „Da möchte ich abends hier nicht zu Fuß durchgehen“ (L13: 488).

Differenz durch Architektur erfahren Die Grenze zwischen ihren Wohngebieten in den Docklands und den Gebieten des East End wird von den Finanzmanagern auch besonders durch ihre Wahrnehmung einer architektonischen Differenz zwischen den Gebieten erfahren. Schließlich haben sie nicht nur ein Wohngebiet gewählt, das geografisch nah an ihrem Arbeitsplatz in der City ist, sondern eines, das zusätzlich von ihnen geschätzte architektonischen Eigenschaften aufweist. Sie wählen ein Gebiet, in dem sich mit dem Wohnen in den ehemaligen Industrieanlagen die Ersetzung von Industrieproduktion durch postinund den nicht aufgewerteten Vierteln, zwischen befriedeten und unbefriedeten Orten (vgl. Smith 1996). 16 Gentrifizierung ist für Smith im Wesentlichen ein Reinvestitionsprozess, der sich dann vollzieht, wenn in einem Gebiet durch Desinvestition (Zerfall der Gebäude) ein „Rent Gap“ entsteht. Eine „Rent Gap“ liegt dann vor, wenn die tatsächliche Grundrente weit unterhalb der potenziellen Grundrente liegt, die bei einer Aufwertung des Gebietes erzielt werden könnte (vgl. Smith 1979). Auch wenn empirische Studien zeigen konnten, das ein „Rent Gap“ nicht automatisch zu einer Gentrifizierung führt und Smiths in den USA erhobene Ergebnisse nicht einfach auf andere Nationalstaaten übertragbar sind (vgl. Hamnett 1996), so lässt sich am Beispiel der Entwicklung der Docklands dennoch der Prozess der Reinvestition nach dem Entstehen einer „Rent Gap“ beobachten. Im Gegensatz zu Smith stellt sich für David Ley der Gentrifizierungsprozess als Konsequenz der Ausweitung der neuen Mittelklasse dar, für deren feinen Geschmack innerstädtische aufgewertete Wohngebiete passend sind, die in Folge einer erhöhten Nachfrage aufgewertet wurden. (vgl. Ley 1996, siehe auch Hamnett 1991). Warde integriert beide Sichtweisen in einer Typologie der Gentrifizierung. Dabei geht er davon aus, dass es unterschiedliche Formen von Gentrifizierung gibt, die mehr oder weniger stark von Kapitalinvestitionen oder von kollektiven sozialen Aktivitäten geprägt sind (vgl. Warde 1991). 214

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dustrielle Aktivitäten, also der Übergang zu einem Regulationssystem der flexiblen Akkumulation (vgl. Harvey 1990; Jameson 1991), konkretisiert (vgl. Zukin 1982). Hier finden sie eine Architektur vor, die für sie auch auf eine gewünschte soziale Zusammensetzung des Gebietes hinweist. Dies drückt der Finanzmanager in dem oben genannten Zitat mit einer Gegenüberstellung aus: Er sieht auf der einen Seite im East End die Massenwohnungen, die großen unschönen Blöcke und auf der anderen Seite die Leute, die mehr Geld haben. Für ihn schließt das eine das andere aus; mit einem Blick auf die Massenwohnungen, die großen unschönen Blöcke, wird für ihn somit deutlich, dass hier keine Leute wohnen, die Geld haben (vgl. L5: 675709).

Abbildung 44: Wohnblock an der Grenze zum East End Das eigene Wohngebiet, in dem die Leute mehr Geld haben, erscheint den Finanzmanagern so auch architektonisch als Gegenbild zu den unschönen „Massenwohnungen“ (L5: 675). Sie selbst sehen sich in einem Wohnviertel, das sich für sie gerade dadurch veredelt, dass es keine Wohnungen für die Masse bietet. Ihr eigenes Wohnviertel und ihre eigene Wohnung zeichnen sich für die Finanzmanager gerade 215

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durch eine besondere Architektur aus, die ganz postmodern (zur postmodernen Architektur, vgl. Harvey 1990: 66-98) Zitate des Alten aus der vorherigen Nutzung in einem neuen Kontext als Simulation des Alten präsentiert (vgl. Baudrillard 1983; Stanek 2007). Sie fühlen sich wohl beim Betrachten der ästhetisierten Industriearchitektur, der gepflegten Ziegelsteinmauern der ehemaligen Lagerhäuser, der mit Blumenkübeln verschönerten Docks, der Pflastersteinstraßen, der metallenen Hebewinden und der Flaschenzüge, die an den Lagerhäusern, ihrer praktischen Funktion beraubt, hängen.

Abbildung 45: Flaschenzug an einem zu Wohnungen umgebauten Lagerhaus „Ich wohn’ in Wapping, … Wapping ist, gehört auch schon mit zu den Docklands, heißt also meistens umgebaute Lagerhäuser, große Backsteinhäuser direkt an der Themse, ähm … Pflastersteinstraßen. […] Also ich würde eher sagen die Zeit ist ein bisschen stehen geblieben, da wo ich wohne, einfach wegen der Häuser und wegen der Straßen“ (L5: 693-694). Diese Architektur zeichnet für die Finanzmanager die Docklands aus; „Docklands, heißt also meistens umgebaute Lagerhäuser“ (L5: 693) und wird von ihnen als Gegensatz zu den unaufgewerteten „Lagerhäuser[n] noch aus der alten Zeit“ (L13: 488) im angrenzenden East End wahrgenommen. Der feine architektonische Gegensatz zwischen aufgewerteten und nicht aufgewerteten Lagerhäusern ist für sie gleichbedeutend damit, sich in deren Nähe anders zu fühlen. In der Nähe unaufgewerteter Lagerhäuser fühlen sie sich unwohl und in den umgebauten Lagerhäusern fühlen sie sich wohl. 216

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„Es ist ein umgebautes Lagerhaus, also massive Mauern, Laminat ... gelb gestrichene Wände ... also man fühlt sich sehr wohl, [...] man fühlt sich wohl da zu wohnen“ (L5: 794-798). „Mein erster Eindruck von der Gegend war halt ... gut, … man fühlte sich einigermaßen gut aufgehoben, ähm. Man fühlte sich subjektiv gesehen sicher und es war ansprechend. Die Wohnung war ansprechend“ (L5: 723-725). Wie Sharon Zukin 1982 in einer Studie zur Aufwertung von alten Fabrikgebäuden zu Wohnappartements in dem New Yorker Stadtteil Soho zeigen konnte, zeichnet sich das „Loft Living“ dadurch aus, dass die hier Wohnenden gerade das stilisierte postindustrielle, die alte Fabrik oder das alte Lagerhaus mit den historischen Zitaten an eine vergangene Zeit, als Distinktionsmerkmal nutzen und nachfragen. Gerade die scharfe Abgrenzung, die die Finanzmanager zwischen der unaufgewerteten Architektur der „alten Zeit“ (L13: 488) und dem „ansprechenden“ aufgewerteten Alten, den zu Wohnungen umgebauten Lofts, vornehmen und die sich in ihrem Geschmack, dem Gefühl und Verhalten vor Ort spiegelt, zeigt diese Bedeutung der Ästhetik des aufgewerteten Alten für ihre Auswahl der Docklands als Wohnort auf. Die Finanzmanager mögen die postindustrielle Architektur, fühlen sich in ihrer Nähe wohl und präsentieren dies gerne, so dass diese als Distinktionsmerkmal deutlich wird. I: „Kannst du deine Wohnung mal so beschreiben wie die so aussieht?“ L9: „Ja ja, also darüber rede ich jetzt gerne [lacht] ähm, ja. Das war auch noch eine zweite Komponente bei meiner Wohnungssuche, ich hab’ mir gesagt […] Du gönnst Dir eine schöne Wohnung und hast halt da so Deinen Zufluchtsort, […] sehr großzügig geschnitten, ähm. Gut, der Nachteil ist halt, [lacht kurz] dass die Wohnung im Badezimmer immer noch Teppichboden hat. Das scheint hier so ein englisches Ding zu sein. Ansonsten viel Parkett und das ist halt eins dieser umgebauten Lagerhäuser, das heißt, Du hast halt noch diese Backsteine in der Wohnung und das war halt das wo ich gedacht hab’ ah die Wohnung hat einfach auch Charakter. […] Ich kann wirklich sagen in der Wohnung fühle ich mich super wohl. Ich bin froh, dass ich die hab’, ja. Ja, kurzer Begeisterungsausbruch“ (L9: 526-555). Die Umgestaltung der Lagerhäuser zu Lofts und die ästhetische Stilisierung des Alten, das jedoch, wie die Flaschenzüge an den Außenmauern der Lagerhäuser, keinen praktischen Nutzen mehr hat, drückt eine Überwindung der Moderne an diesem Ort aus. Das Industrielle erscheint den Finanzmanagern hier insofern überwunden, als dass die dafür notwendige Materialität von ihnen zweckentfremdet genutzt werden kann. Die Architektur ist ihres ursprünglichen Zwecks beraubt und bietet nun Platz für etwas Neues. Die Finanzmanager können nun auf den Docks Boot fahren, an den Hafenbecken Kaffee trinken, auf den Schiffsanlegern sitzen, in den Lagerhäusern wohnen oder in den Spezialitätengeschäften einkaufen. Hier zu wohnen ist so auch Ausdruck davon, selbst nicht zu der „alten Zeit“ (L13: 488) dazuzugehören und gerade kein lokal verwurzelter Industrie- oder Hafenarbeiter, kein „Docker“, zu sein. 217

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„Docklands, da habe ich am Wochenende ein bisschen segeln können auf den Docks, ja. War wesentlich schöner die Bebauung, ja. Noch mal ein Stück weiter auseinander gezogen, mehr grün, schöner zum Joggen ähm, ... direkt dort Kino, also ein wichtiges Centre mit Sportgeschäften, alles mögliche haben sie dort gehabt“ (L1: 395). Die Präsentation der Flaschenzüge oder der blanken Backsteinwände erscheint so fast als die Präsentation von Trophäen der im Zuge der vorrückenden „urban frontier“ (vgl. Smith 1996) eroberten Gebiete. Ihr Anblick kann von den Finanzmanagern als Zeichen des eigenen Erfolges gesehen werden: Einerseits als Ausdruck davon, es geschafft zu haben und so an einem Ort wohnen zu können, der sich sichtbar von der „alten Zeit“ (L13: 488) der Hafenarbeiter differenziert und andererseits als Ausdruck der eigenen Zugehörigkeit zu der Gruppe der globalen Elite, die sich auch durch ihren feinen Geschmack, durch die Bevorzugung von gentrifizierten Wohngebieten, eine Wohnung die „einfach Charakter“ (L9: 551) hat, konstituiert (vgl. Rove 2003). Die Nähe zur postindustriellen Architektur lässt sich so als Zeugnis des eigenen Erfolgs wahrnehmen, des Erfolgs zur globalen Elite dazuzugehören und mit dem eigenen Lebensstil in diesen Ort zu passen. Dass sich die Finanzmanager an diesem Ort wohl fühlen deutet so auch an, dass die Ausbildung ihrer Identität als globale Elite in Interaktion mit der postindustriellen Architektur in den Docklands erfolgt. In der Nähe der passenden Gegend kommt für sie Urlaubsstimmung auf, den eigenen Erfolg vor Augen schmeckt das Essen in den Restaurants umso besser und die Wohnung lässt sich genießen. Die unaufgewertete Architektur der angrenzenden Gebiete ist hingegen für sie nicht nur Ausdruck einer vorherigen Zeit, ihre Nähe wirkt auf sie wie eine Beunruhigung der eigenen Identität als globale Elite: Denn diese Identität der Finanzmanager zeichnet sich gerade dadurch aus, nicht zur Epoche der Moderne mit ihren Klassengegensätzen, sondern zu einer neuen Zeit zu gehören. Die Nähe zur Architektur aus der „alten Zeit“ (L13: 488) ist für sie mit dem Gefühl verbunden, sich als globale Elite unpassend und gefährdet zu fühlen.

Das Außen droht – Die Nähe der Grenze erleben Geht man von den Wohngebieten der Finanzmanager im Süden von Wapping aus in den Norden und tritt nach Whitechapel ein, so ist das Gefühl, nun die Docklands verlassen zu haben und in einem anderen Stadtteil zu sein, deutlich spürbar. Das beruhigende Plätschern der Themse ist hier weit weg, die Straßen sind stärker befahren, lauter und belebter. Auf den Fußwegen sind viele Menschen unterwegs, das Leben spielt sich hier tagsüber merklich stärker auf der Straße ab als in den Wohngebieten der Docklands.

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Abbildung 46: Straße in den Docklands (Süden von Wapping)

Abbildung 47: Straße im angrenzenden East End 219

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In den Wohnvierteln der Docklands wohnen viele Alleinstehende in Einzelappartements, die Bevölkerungszahl im Verhältnis zur Wohnfläche ist hier daher viel geringer als in den angrenzenden Vierteln des East Ends und damit auch die Zahl der Menschen, die auf den Fußwegen unterwegs sind. 17 Hinzu kommt, dass diejenigen, die in den Wohngegenden der Docklands, im Süden von Wapping oder am anderen Ufer der Themse in den Surrey Docks wohnen, diese Gegenden tagsüber verlassen um in der City oder in den Bürohochhäusern von Canary Wharf arbeiten zu gehen. Die Fußwege in den Wohnvierteln der Docklands sind daher während eines Werktages fast menschleer, so dass die Gegend von den Finanzmanagern als beschaulich und ruhig wahrgenommen wird. „Also es ist doch schon sehr dörflich. Man kommt also da hin und hat das Gefühl ... man ist plötzlich auf dem Land, so’n bisschen. Also der Trubel und so von der Innenstadt ist plötzlich weg“ (L5: 691-693). Im Gegensatz dazu bleiben viele der im East End wohnenden Menschen auch tagsüber in ihren Vierteln und sind folglich häufiger auf der Straße anzutreffen. Das Gefühl mit dem Überschreiten der Grenze zwischen den Docklands und dem East End in ein belebteres Gebiet zu kommen mischt sich damit, dass auch die Menschen mit dem Wechsel des Viertels, dem Betreten einer angrenzenden Straße, von den Finanzmanagern als different wahrgenommen werden. Sie betrachten sich selbst als Teil der neuen Sozialstruktur der Docklands, die sich in Folge der Umgestaltung der Docklands hier angesiedelt hat und die von ihnen in deutlicher Differenz zu den umliegenden Gebieten gesehen wird. In den themsenahen Gebieten von Wapping, in denen die Finanzmanager wohnen, sehen sie sich in einem Gebiet, das für sie passend ist, da hier Menschen mit ähnlichen sozialen Eigenschaften in architektonisch ähnlich gestalteten Wohnhäusern, vor allem in umgewandelten Lagerhäusern, wohnen. „Also von meinen Eindruck her denke ich es wohnen da eher Leute ... Paare, wenig Familien, Paare oder Einzelpersonen und vom Eindruck her würde ich mal eher sagen ... also es stehen sehr viele interessante Autos in der Garage um das mal so auszudrücken. […] Aber ich würd’ doch schon sagen, das sind eher Leute ... zwischen ab 30 ... bis 45, 50 maximal, ... international. Es laufen viele Leute rum wo man denkt, also wo man von außen darauf schließt, dass es eher international ist, aber auch objektiv gesehen, weil man hört manchmal ganz viele verschiedene Sprachen wenn man da die Straße lang geht oder wenn man Leute an der Bushaltestelle warten sieht“ (L5: 697-705).

17 So wohnten im Oktober 2005 in Wapping 11.600 Menschen und in dem flächenmäßig kleineren Ward Whitechapel 12.300 Menschen. Insgesamt weist der Stadtteil Tower Hamlet die höchste Bevölkerungsdichte der Stadtteile in Inner London auf (vgl. Tower Hamlets Council 2006b). 220

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Die Finanzmanager betrachten sich als Teil eines Gebietes (der themsenahe Bereich von Wapping) in dem überwiegend Menschen mit höchstem Bildungsabschluss (61%) zu einem erheblichen Teil in Einpersonenhaushalten (43%) leben. Bemerkenswert ist hier im Vergleich zu den angrenzenden Gebieten im Londoner East End die geringe Zahl von aus Bangladesh stammenden Menschen (6%) und der hohe Anteil von hier wohnenden Weißen (vgl. Zehner 2004: 29, Daten auf der Basis des Census 2001). Sie wohnen in den themsenahen Bereichen von Wapping in einem Gebiet in dem sich, wie auf der Abbildung unten zu sehen, das Durchschnittseinkommen auffällig über dem der nördlich daran angrenzenden Gebiete des East Ends liegt. Es ist somit leicht für die weißen Finanzmanager, sich hier an einem Ort zu sehen, zu dem sie sich passend fühlen. Hier bleiben ihre Identitäten als weiße Angehörige der globalen Elite unauffällig. Mit ihrem Einzug sehen sie sich als Teil des Gebietes und damit gleichzeitig im Kontrast zu den nördlichen Wohngebieten und deren Bewohnern stehend.

Abbildung 48: Geografische Verteilung des Einkommensniveaus in Tower Hamlets im Jahr 2001 (aus: Tower Hamlets Council 2006a) Die nördlichen themsefernen Bereiche von Wapping stehen dazu in einem deutlichen Kontrast. In kommunalen Mietwohnungen lebend, besteht die Bevölkerung hier zu einem großen Teil aus Menschen, die aus Bangladesch stammen (52,5%), sie ist einkommensschwächer und lebt nur zu einem geringen Anteil in Einpersonenhaushalten (23,7%) (vgl. Zehner 2004: 29, Daten auf der Basis des Census 2001). Geht man noch weiter nördlich in den Ward von Whitechapel, so steigt der Anteil der aus Bangladesch Stammenden auf 57%, der Anteil der Weißen verringert sich auf einen Anteil von 36% an der Gesamtbevölkerung und auch der Anteil der Professionals verringert sich in Whitechapel auf 38,5% (vgl. Tower Hamlets Council 221

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2006a). Mit dem Überschreiten der Grenze befindet man sich hier in einem Gebiet, in dem man sich als weißer Feldforscher oder Finanzmanager in einer besonderen Rolle, als Fremder, fühlen kann. Die in den Docklands wohnenden deutschen Finanzmanager haben ein genaues Gespür für die Grenze des Ortes. Dies ergibt sich aus ihren alltäglichen Erfahrungen an ihrem Wohnort, seiner sozialen und materiellen Struktur und aus den konträren Images, mit denen sie den beiden angrenzenden Orten begegnen. Sie wissen und erleben genau, wo die Grenze zwischen den aufgewerteten Gebieten der Docklands und den nicht aufgewerteten Gebieten des East Ends verläuft. Dieses Wissen hat für sie nicht nur die Konsequenz, das Übertreten der Grenze zu vermeiden; für sie ist auch innerhalb der umgrenzten Region der Docklands die nahe Grenze spürbar. Dabei spüren sie nicht nur die geografische Nähe der Grenze, sondern haben auch ein Wissen über die historisch nahen sozialen Kämpfe um die Entstehung der Grenze. 18 „Da war Docklands auch noch sehr kritisch, weil diese Docklands ja, die ursprünglichen Bewohner aus den Docklands konnten da ja erst mal wohnen bleiben, die kriegten auch Vorkaufsrecht für das was da neu gebaut wurde und das war ein unheimlicher Konflikt da diese neuen City Yuppies reinzukriegen und diese alt gestandenen die keine Kohle hatten“ (L13: 178-180). Die Nähe der Grenze zum berüchtigten East End wird von den deutschen Finanzmanagern alltäglich innerhalb der Docklands erlebt. Denn hier befinden sie sich an einem Ort, der durch seine Struktur eine beständig lauernde, von außen kommende Gefahr heraufbeschwört. Gehen sie hier entlang der Straßen, so weisen sie die an den Häusern angebrachten allgegenwärtigen Überwachungskameras darauf hin, dass die Wohngebäude und die Plätze vor den Gebäuden beständig und umfassend überprüft werden. Zum Teil grenzen Schranken eine Einfahrt in bestimmte Gebiete ab und sorgen damit nicht nur für eine Verkehrsberuhigung, sondern zeugen auch von der hohen Regulierung des Ortes. Ein Ort, an dem alles planmäßig erscheint und so auch eine geplante Minimierung von Kriminalität angenommen werden kann.

18 Innerhalb der Docklands kam es zu Konflikten zwischen den neu zugezogenen Dienstleistungsbeschäftigten, die sich hier eine Wohnung mieteten oder kauften, zwischen Angehörigen der weißen lokalstämmigen Arbeiterklasse und der aus Bangladesh stammenden Bevölkerung (vgl. Foster 1999). 222

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Abbildung 49: Beschränkung der Zufahrt zu Butlers Wharf Da die Gebäude direkt an die Fußwege angrenzen, bietet sich hier kein Sichtschutz, der einen unerkannten Aufenthalt oder eine unerlaubte Aktivität erlaubt. Die wenigen von der Straße aus frei zugänglichen Hinterhöfe sind durch Schranken versperrt und durch sichtbar angebrachte Kameras überwacht.

Abbildung 50: Durch Kameras überwachter Innenhof 223

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Die meisten der neuen Wohnanlagen und der alten Lagerhäuser sind hier so gestaltet, dass sie nach innen, von außen unsichtbar und abgetrennt, einen kleinen Innenhof bieten, zu dem nur die hier Wohnenden Zutritt haben. „Das ist sozusagen Innenhof, wo man oben rausgucken kann. Ist wunderschön gestaltet innen drin mit Pflanzen ... und da geht man eben durch zu seinem Haus, zu seiner Wohnungstür und kommt direkt rein in die Wohnung“ (L5: 802-804). Entlang der Straße gehend bietet sich dem Passanten weder ein Einblick in die Appartements, noch lässt sich durch einen Blick auf ein Klingelschild der Name der Bewohner erkennen. Wer hier wohnt bleibt so völlig im Dunkeln.

Abbildung 51: Klingel ohne Namen und Hinweis auf Kameraüberwachung Die Abwendung der Wohnung von der Straße, ihre Uneinsehbarkeit, die Videoüberwachung und Eingangskontrollen zu den Wohnhäusern drücken in den Docklands einen aufmerksamen Umgang mit dem öffentlichen Raum vor dem Wohnhaus aus. Von den Finanzmanagern werden die Sicherheitsmaßnahmen, die ihnen Schutz vor der Gefahr der nahen Grenze bieten sollen, alltäglich erfahren. Dies erfolgt nicht nur in ihrem Blick auf die Materialität der Sicherheit, sondern auch in der Selbstverständlichkeit, mit der sie an diesem Ort mit Sicherheitsmaßnahmen konfrontiert werden. 224

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„Wir haben auch einen Portier rund um die Uhr, … das heißt [es] wird halt auch beobachtet wer so ein und aus geht. [...] Die Tür ist auch immer zu, dass heißt, du kommst entweder rein wenn du einen Schlüssel hast oder wenn du klingelst. […] Aber du musst immer auf jeden Fall beim Portier vorbei“ (L9: 557-571). Diese Schutzmaßnahmen erzeugen jedoch nicht nur ein Gefühl der Sicherheit; vielmehr sind sie gleichzeitig Ausdruck einer Bedrohtheit des Ortes. Sie sind sichtbarer Ausdruck einer Angst vor dem Außen und eines Bedrohungsgefühls, das zu einem Teil überhaupt erst durch das Erleben der Mittel zur Bedrohungsabwehr herbeigerufen wird. Wie durch eine solche gebaute Struktur auch Angst erzeugt wird, zeigt Mike Davis am Bespiel der „Festung L.A.“ (vgl. Davis 1999: 259ff.). Die Architektur der Angst in den Docklands erzeugt in dem alltäglichen Erleben der Finanzmanager ein Unwohlsein gegenüber dem Außen, daher wird für sie gerade die eigene Wohnung, das geschützte Innen zu einem Ort der Sicherheit, zu einem „Zufluchtsort“ vor der Bedrohung durch das Außen. „Du gönnst Dir eine schöne Wohnung und hast halt da so Deinen Zufluchtsort“ (L9: 531).

Abbildung 52: Wohnhaus in den Docklands und der Schutz gegenüber dem Außen 225

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

Die von der Straße abgekapselte Wohnung wird so als ein wichtiger Ort der Ruhe und Entspannung empfunden, als ein Ort des Schutzes vor dem Außen. Mit dem Verlassen der Wohnung begeben die Bewohner sich jedoch in einen Bereich der Stadt, den sie in seiner Begrenztheit – sowohl geografisch nah zum East End, als auch historisch nah zu der Zeit vor der Umgestaltung der Docklands – wahrnehmen. Das Handeln der deutschen Finanzbeschäftigten in den Docklands bestimmt sich durch das Wissen der genauen geografischen Lage und der sozialen Grenze des Ortes. Nur entlang der themsenahen Gebiete, an den Docks, lässt sich für sie ein ruhiges Schlendern realisieren, ein Schlendern, das jedoch mit dem Wissen von der Engräumigkeit der Docklands lebt. In den eigenen Wohnungen fühlen sie sich durch die klare Abtrennung vom Außen sicher, außerhalb verspüren sie ein Unbehagen, ein genaues Wissen von der nahen Grenze, die ihnen nur eine kleinräumige Beruhigung verspricht.

Keine Community? Sich in den Docklands auf der Durchreise fühlen Die Bezeichnung der eigenen Wohnung als „Zufluchtsort“ (L9: 531) drückt nicht nur einen vorsichtigen Umgang der Finanzmanager mit dem Außen aus. Gleichzeitig deutet sie auch an, dass sich ihr Leben in den Docklands stark nach innen, auf das Innere der eigenen Wohnung, richtet. Anders als für die Finanzmanager, die in Richmond wohnen, gibt es im Alltag der in den Docklands Wohnenden keinen Ort der sich außerhalb der eigenen Wohnung als institutionalisierter Rahmen für ein Kennlernen anderer Bewohner und für die Bildung einer Community eignet. Ohne einen solchen Ort, der wie die Deutsche Schule einen Anlass dafür bietet, miteinander in Kontakt zu treten, wird es von den Finanzmanagern als schwierig beschrieben, sich aus einem Gefühl der Vereinzelung in den Docklands zu befreien. „Ehrlich gesagt ist hier das da auch ein bisschen schwierig, ich scheu’ mich ein bisschen davor, wirklich Leute anzuquatschen, ähm, geschweige denn wirklich was mit denen zu machen. Sich so mal zu unterhalten klar im Studio, aber so richtig was zusammen machen, nee. Dann sind es doch mehr Kollegen mit denen man hier was zusammen macht. […] Die direkt in meiner Abteilung arbeiten, ja. Mehr ist das hier nicht, […] da die Leute ja auch überall verstreut wohnen. Aber ansonsten hab ich gar keine Kontakte“ (L5: 523-551). Auch wenn wie gezeigt in den Docklands viele Menschen wohnen, die über ähnliche soziale Merkmale verfügen (sie haben hohe Bildungsabschlüsse, sind jung, gut verdienend, arbeiten im entwickelten Dienstleistungsbereich, sie wohnen allein und haben eine weiße Hautfarbe), gibt es in den Erzählungen der deutschen Finanzmanager kaum Hinweise darauf, dass sie entwickelte soziale Beziehungen zu den anderen Bewohnern der Docklands haben. Ihre sozialen Kontakte in London beschränken sich im Wesentlichen auf die Arbeitskontakte in der City. Anders als in Richmond 226

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haben sie gerade nicht das Gefühl sich mit der Auswahl des Wohnortes auch für den Eintritt in eine Community entschieden zu haben, die am Ort durch einen sozialen Austausch miteinander verbunden ist. Dieser Mangel an sozialen Verbindungen in den Docklands erklärt sich auch durch den besonderen Gentrifizierungsprozess, der sich hier vollzogen hat und dessen soziale und bauliche Ergebnisse Auswirkungen auf das alltägliche Handeln an diesem Ort haben. Der soziale Wandel und Austausch der Wohnbevölkerung hat hier viel rasanter und schärfer stattgefunden und wurde nicht durch einen phasenweisen sozialen und baulichen Übergang, wie er sich in anderen gentrifizierten Gebieten vollzieht, geformt. 19 Das hat Konsequenzen für die hierher ziehenden deutschen Finanzmanager, denn anders als in allmählich aufgewerteten Gebieten sind in den Docklands die Konfliktlinien zwischen den ehemaligen und den neuen Bewohnern stärker ausgeprägt und die Grenze zu den unaufgewerteten Gebieten, wie oben gezeigt, für die Finanzmanager deutlicher spürbar. Für sie gibt es daher auch ein größeres Unbehagen beim Aufenthalt im öffentlichen Raum, denn hier sind für sie die Konflikte zwischen Innen und Außen präsent. Die vom Außen abgetrennte Wohnung erscheint ihnen so im besonderen Maße als isolierter „Zufluchtsort“ (L9: 531) und schränkt so den sozialen Austausch außerhalb der Wohnung ein. Die Gentrifizierung ist in den Docklands im Wesentlichen durch eine Kombination von politischen Entscheidungen und Kapitalinvestitionen geprägt und lässt sich daher gut durch das Modell von Smith (siehe oben) erklären. Anders als in vielen anderen gentrifizierten Gebieten wurde dieser Prozess hier nicht durch kollektive Aktivitäten von bestimmten sozialen Gruppen angetrieben. Die Docklands wurden vielmehr planmäßig umgestaltet und als innenstadtnahes Wohngebiet, versehen mit einem kulturellen Siegel und einer neuen Ortsidentität, als neues Wohngebiet für die 19 Der Verlauf der Gentrifizierung lässt sich nach den Ergebnissen einiger Untersuchungen in unterschiedliche Entwicklungsstadien (sog. Doppelter InvasionsSukzessions Zyklus) aufteilen. In ein abgewertetes innenstadtnahes Wohngebiet ziehen in einem ersten Schritt die sog. Pioniere ein, die einen alternativen Lebensstil pflegen und über hohes kulturelles und geringes ökonomisches Kapital verfügen. Dieses Milieu entdeckt für sich die ehemaligen Altbaugebiete zum Wohnen und zur Inszenierung des eigenen Lebensstils. Mit ihrem Einzug einher geht eine Veränderung in der Struktur des Gebietes, die sich nun an die Bedürfnisse der neuen Bewohner angleicht. Durch die damit verbundene Aufwertung des Gebietes ziehen nach einiger Zeit die sog. Gentrifier in das Gebiet ein. Dieses Milieu lässt sich auch unter dem Schlagwort Yuppies (young urban professionals) fassen und besteht aus Menschen die, wie die deutschen Finanzmanager, über ein hohes ökonomisches und kulturelles Kapital verfügen und deren Vorlieben sich von denen der Pioniere unterscheiden. Die Struktur des Wohngebiets verändert sich erneut mit den neuen Bewohnern und deren Geschmack. In beiden Prozessen der Invasion eines neuen Milieus kommt es zum Bevölkerungsaustausch, d.h. die vorher hier wohnenden verlassen das Gebiet (Sukzession) (vgl. u.a. Dangschat 1988). Die Entwicklung der Docklands und der direkte Austausch des Arbeitermilieus durch das der Yuppies (ohne eine Zwischenphase) deutet an, dass dieses Modell nicht einfach übertragbar ist. 227

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Dienstleistungselite vermarktet. Die hier wohnenden Menschen wurden, so stellen Butler und Robson in ihrer Untersuchung fest, daher auch in erster Linie durch die vermarktete Idee des innenstadtnahen Lebens angezogen und nicht durch die Aussicht hier eine eigene Community bilden zu können. Die beiden Forscher heben so besonders hervor, dass sich die in den Docklands Wohnenden von denen anderer gentrifizierter Gebiete unterscheiden (vgl. Butler/Robson 2003: 103f.). So stellen sie in ihrer Untersuchung für das Leben der neuen Bewohner der Docklands fest: “The flight from social obligations in most cases appears to be utter. It is apparently a way of living in the city without having to negotiate aspects of urban life“ (Butler/Robson 2003: 183). Für die deutschen Finanzmanager stellen die Docklands somit auch kein Stadtviertel dar, in dem sie etwas erleben können. Für sie gibt es hier keine erlebbare soziale Mischung von Pionieren und Yuppies, so wie in anderen Gentrifizierungsgebieten. Dort ist eine soziale Mischung erfahrbar, die für sie ein urbanes Gefühl erzeugen würde und ihnen das Gefühl gäbe, etwas erleben zu können. Die Docklands sind für sie hingegen von einer langweiligen Distanz geprägt, hier gehört man nicht zu einer Community oder kann soziale Milieus treffen, deren Differenzen nicht so deutlich sind, wie das zwischen ihnen und den hier übrig gebliebenen Dockers oder den aus Bangladesh kommenden Arbeitern der Fall ist. Um das Gefühl zu bekommen etwas zu erleben gehen daher die Finanzmanager aus dem Viertel heraus. Die Docklands erscheinen ihnen als uncool. L9: „Also ich würd sagen, dass sie einfach mal uncool ist.“ I: „Ja?“ [lacht kurz] L9: „Ja, also du lachst jetzt, aber ich kenn halt Deutsche mit diesem Ansatz. Wenn Deutsche nach London kommen, dann wollen sie in irgendeiner hippen Wohngegend wohnen, das heißt äh das was wahrscheinlich am bekanntesten ist, ist wahrscheinlich South Kensington und Chelsea oder Notting Hill, wo halt noch was ab geht oder halt Clapham hat sich inzwischen gemacht, wo du halt sehr junge Nachbarn hast, im Schnitt ich schätz da ist die Altersklasse einfach so Anfang Mitte Dreißig, eine Bar an der anderen und dann einfach easy going. Deshalb sag’ ich, dass die Gegend wo ich wohn’ uncool ist. Ich mein’, an der Uferpromenade gibt es durchaus ein paar nette Lokale und Kneipen. Allerdings, am Sonntag, am Wochenende ist da tote Hose“ (L9: 465-483). An einem Ort, an dem die Bewohner untereinander nur wenig soziale Verpflichtungen eingehen 20 , fühlen sich die hier wohnenden deutschen Finanzmanager stark auf 20 In den Docklands sind daher die sozialen Verpflichtungen, die von den Finanzmanagern für den Ort übernommen werden, besonders gering. Dies zeigt sich gerade im Vergleich zu dem Verhalten der Finanzmanager in anderen gentrifizierten Gebieten, in denen sie sich als Teil einer aktiven Community sehen, die sich den Ort erkämpft und so selbst Einfluss auf seine Gestaltung hat. In solchen Orten (z.B. Islington, Südlondon) ist es Teil des Einpassens der Finanzmanager 228

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sich selbst gestellt. Sie sehen sich nicht als Teil einer an den Wohnort gebundenen Community, so wie es in Richmond der Fall ist. Für sie sind die „Leute ja auch überall verstreut“ (L5: 549). In den Docklands gibt es für sie keine Community, die Neuankömmlinge integriert und dauerhafte soziale Netzwerke aufweist, die am Ort verbleiben auch wenn einzelne Personen diesen verlassen haben. Für die Ausbildung sozialer Kontakte fehlt den hier wohnenden Finanzmanagern nicht nur ein Ort, der wie die Deutsche Schule in Richmond als Kristallisationspunkt einer Community fungieren kann. Es fehlt auch an einer Familie, die mit ihnen in London wohnt und in der meist durch die Aktivitäten der Lebenspartnerin soziale Netzwerke am Ort aufgebaut werden. Die in den Docklands wohnenden Deutschen sind in der Regel vergleichsweise jung, zwischen 25 und 30 Jahren alt, und kinderlos. Sie sind für eine begrenzte Zeit von ein bis drei Jahren als Entsandte ihres deutschen Arbeitgebers allein nach London gekommen. Ihr sozialer Bezug ist zu einem großen Teil nach Deutschland ausgerichtet, die Fortführung der Liebesbeziehung in Deutschland erscheint eine soziale Einbindung vor Ort zu ersetzen und wird zu einem Mittelpunkt der Freizeitplanung. So führt ein Finanzmanager aus: „Man hangelt sich eigentlich wirklich immer von einem längeren Urlaub zum nächsten längeren Urlaub, wo man sich mal ne Woche oder zwei sieht“ (L5: 109-113). Die Vereinzelungen in den Docklands gehen mit einem engen Bezug zu dem Partner, der Familie und den Freunden in Deutschland einher. „Mit meiner Freundin telefoniere ich einmal am Tag abends. Mit meinen Eltern sag ich mal einmal die Woche“ (L5: 509). Abends nach der Arbeit telefonieren sie regelmäßig mit ihren in Deutschland gebliebenen Lebenspartnern. An den Wochenenden besuchen sie sich häufig gegenseitig und pendeln regelmäßig mit dem Flugzeug zwischen London und Deutschland hin und her. „Eine Woche flieg ich, eine Woche fliegt sie, so dass also im Zweiwochentakt jeder fliegt“ (L5: 91). Die Zeitverschiebung von einer Stunde und die geografische Nähe des City Airports ermöglichen es den Finanzmanagern sogar manchmal von Deutschland aus erst am Montag früh wieder nach London zu fliegen: „Deshalb sieht die normale Route so aus: Freitagabend nach Frankfurt, Sonntagabend dann mit dem letzten Flieger nach London zurück. Wenn ich es einrichten kann, nehm’ ich aber auch ganz gern den Montagmorgen Flug [...] 7 Uhr Abflug, dann sitze ich um halb 9 am Platz. […] Da ist ja noch eine Stunde Zeitverschiebung sich für den Ort und seine Umgestaltung zu engagieren und z.B. in Nachbarschaftsvereinigungen mitzuwirken. „Damit ich den Müll vor der Tür weg krieg‘“ (L6: 356-360). 229

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dabei [...] wenn du hier an dem sehr komfortablen City Flughafen landest ... und um die Uhrzeit ist der Verkehr noch nicht so schlimm, kommst Du mit dem Taxi ganz gut durch“ (L9: 287-297). Die deutschen Finanzmanager nutzen den in den Docklands liegenden kleinen City Airport, der schnell mit dem Taxi oder mit einem Shuttlebus von der Liverpool Street Station in 25 Minuten erreichbar ist und durch seine extrem kurzen Abfertigungszeiten 21 dazu beiträgt, dass die Finanzmanager den Rhythmus des zweiwöchentlichen Pendelns zwischen London und Deutschland realisieren können. Für sie wird es somit durch diese materielle Infrastruktur einfacher eine Fernbeziehung nach Deutschland aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig fungiert diese Infrastruktur aber auch als Erwartungsstruktur. Mit deren Bereitstellung wird nicht nur eine regelmäßige Nutzung ermöglicht, sondern diese wird auch von ihnen erwartet. So sagt eine Finanzmanagerin über ihren in Deutschland wohnenden Freund: „Der kriegt jeden Abend Schelte, wenn er nicht anruft“ (L9: 303). Die Überwindung geografischer Distanz wird für die in den Docklands wohnenden Deutschen besonders in dem regelmäßigen Telefonieren und dem Fliegen nach Deutschlands deutlich. Die Anstrengung der Distanzüberwindung ist für sie in dem regelmäßigen Pendeln zwischen London und Deutschland körperlich spürbar und steht in einem Gegensatz zu dem angenehmen Gefühl, das die Überwindung der Distanz zwischen den Docklands und der City begleitet. „Auf die Dauer ist das natürlich auch sehr, sehr anstrengend, ich denk mal auf der einen Seite physisch auf der anderen Seite psychisch [...] weil man ja doch immer nur mal eben zwei Tage hat, dann ist man wieder weg, und ich steh zum Teil montags morgens um halb 5 auf um dann rechtzeitig den Flieger zu kriegen, um dann montags früh um halb 9 hier auf der Arbeit zu sein. ... Oder andersrum meine Freundin fliegt spät freitags los wenn sie zu mir kommt und ist dann halb eins nachts, freitags nachts hier und dann wieder montags müssen wir beide um drei dann aufstehen um zu Fuß hier zum Bahnhof zu gehen, .. das sind so Faktoren wo ich sage, okay, das geht auf die Dauer auf die Substanz“ (L5: 75-85). Die Überwindung dieser Distanz ist für sie nicht nur körperlich belastend, sondern wird auch mit einer gewissen Dauer als potenzielle Gefahr für die Fortführung einer Liebesbeziehung betrachtet. „Sollte ich hier bleiben … wird es allerdings wahrscheinlich problematisch mit der Beziehung, weil Du kannst nicht über Jahre hinweg 'ne Wochenendbeziehung haben. Also daran glaub ich einfach nicht, dass das gut geht“ (L9: 655). Mit dem starken Bezug auf die sozialen Beziehungen in Deutschland, die durch die Nutzung technischer Mittel zu Distanzüberwindung erst möglich wurde, dem zwei21 An dem 1987 extra für innereuropäische Geschäftsreisen gebauten Flugplatz ist es möglich, bis zu 15 Minuten vor dem Abflug einzuchecken. 230

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wöchentlichen Pendeln, dem täglichen telefonischen Kontakt nach Deutschland, aber auch durch die geringe Bindungskraft infolge der Nichteinbettung in eine Community in den Docklands sehen sich die hier wohnenden Finanzmanager „auf der Durchreise“ (L5: 910). Für sie ist ihr Aufenthalt hier alltäglich merkbar temporär und unterscheidet sich so von denjenigen, die eine längere Aufenthaltsperspektive in London haben und zumeist nicht in den Docklands wohnen. „Das Leben eines Entsandten, dass man im Kopf ja weiß, dass die Zeit begrenzt ist. Das heißt also, man ist auf der Durchreise. Für mich persönlich muss ich sagen ich weiß es, das heißt manche Dinge sind halt nicht wichtig, also ich sag mal Freundschaften aufbauen hier. Man setzt vielleicht nicht so viel Kraft darein, weil man einfach weiß, okay, die Zeit ist begrenzt, ich komm’ mit den Leuten klar und wenn ich mal was machen will, okay. Aber ansonsten weiß ich, ich geh wieder zurück“ (L5: 910-920). Das Gefühl in den Docklands „auf der Durchreise“ (L5: 910) zu sein führt für die deutschen Finanzmanager in den Docklands in einem sich selbst verstärkenden Mechanismus dazu, dass ihr alltägliches Handeln sich hier durch Aktivitäten auszeichnet, die keine Abstimmung mit jemand anderem verlangen und so Ausdruck ihrer Vereinzelung sind. „Im Moment ist es so, hab’ ich eigentlich zwei wichtigste oder zwei Sachen die ich generell mache. Ist erstens, ich muss im Moment noch an meiner Diplomarbeit arbeiten, das heißt, oft geh’ ich nach Hause. Zweitens, äh, ich geh’ einkaufen für mich selber. Leider sind es jetzt doch drei Punkte. Drittens, ich hab’ also sehr früh mir 'ne Mitgliedschaft in einem Fitnessklub, äh, hab’ ich unterzeichnet und weil ich einfach was machen will wo ich selber entscheiden kann abends, hab ich noch Lust oder nicht“ (L5: 385-395). Anders als die Bewohner der Häuser in Richmond gestalten sie ihre Wohnungen nicht um und üben somit in ihrem Identitätsbildungsprozess als Deutsche keine Prägekraft auf die Struktur der Docklands aus. Hier wohnen sie in gemieteten und möblierten Wohnungen, die ihnen eine Veränderung der materiellen Umgebung nur in geringem Maße zugestehen. „Ich hab hier von Anfang an nach einer möblierten Wohnung gesucht weil ich halt von Anfang an wusste, dass ich Minimum also dass ich eventuell nur ein Jahr hier bin und dafür lohnt sich, … hat sich für mich nicht gelohnt meine ganzen Klamotten hier rüber zu bringen“ (L5: 762). Das Gefühl auf der Durchreise zu sein, entsteht so für die Finanzmanager nicht nur in der ständigen Verbindung nach Deutschland, sondern auch mit dem Blick auf die fremden Einrichtungsgegenstände, der auch ein Blick auf die fehlenden eigenen Gegenstände und damit auf die mangelnde eigene Prägung der Wohnung ist.

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Auf der Durchreise etwas erleben Die Entscheidung in den Docklands zu wohnen, ist nicht nur eine Entscheidung dem Arbeitsort in der City nah zu sein, man will in der eher kurzen Aufenthaltszeit in London auch mit dem Erlebnisort Innenstadt in Kontakt stehen. Dies drückt ein Interviewter gerade im Vergleich zu den längerfristig in London Arbeitenden so aus: „Ein Entsandter der drei Jahre hier ist wird wahrscheinlich eher gerne weiter raus ziehen wollen als einer der nur für ein Jahr hier ist, weil man will ja auch was erleben von der Stadt“ (L5: 934-936). Die Freizeitgestaltung der in den Docklands wohnenden deutschen Finanzbeschäftigten spiegelt dies wieder: Sie gehen nach der Arbeit mit Kollegen in der City auf einen Drink weg oder besuchen hin und wieder Klubs, sie treiben Sport in einem Fitnessstudio. Die Wochenenden werden zusammen mit dem Partner genutzt um Ausflüge zu unternehmen, in der Innenstadt Londons in Museen zu gehen, Spezialitätenmärkte zu besuchen, Shoppen zu gehen oder einfach nur entlang der Themse zu spazieren. Die leichte Erreichbarkeit und die Nähe zur City sind somit wesentliche Teile der Lebensgestaltung, gerade außerhalb der Arbeit. Die geringe Distanz zur City soll vermeiden, dass man es wegen der Anstrengung scheut dort etwas zu erleben. Dies beschreibt ein Interviewpartner so: „Ich wollte nämlich vermeiden, ... dass man hier … wenn man am Wochenende, wenn man mal was von London erleben möchte, dass man zwei Stunden nach London fahren muss, also wollte ich auch so dicht wie möglich, aber so günstig wie möglich halt wohnen“ (L5: 826-830). Die Lust etwas erleben zu wollen ist für die Finanzmanager aber auch gleichzeitig eine Belastung. Da sie London als Kulturstadt sehen fühlen sie sich selbst in der Pflicht während ihres kurzen Aufenthalts viele der Orte zu besuchen, die für sie den Charakter Londons als Kulturstadt prägen. So bekommen sie das Gefühl, ihren Aufenthalt richtig genutzt zu haben, d.h. mit diesen Besuchen das nötige kulturelle Kapital zu erwerben, das ihre Zugehörigkeit zur globalen Elite unterstreicht und ihnen so das Gefühl gibt, „etwas erlebt“ (vgl. L5: 826-830) zu haben. Mit dieser Ambition geraten die Finanzmanager jedoch in eine schwierige Situation. Da sie in den Docklands selbst nichts erleben können und der Bezug auf die sozialen Beziehungen in Deutschland ihnen viel Freizeit und körperliche Anstrengung abverlangt, sind sie mit einem Zeit- und Kraftdefizit belastet, das die Bewältigung der kulturellen Aufgaben in London schwierig macht. „Die ganzen Ausflüge die Du halt um London herum machen kannst und davon gibt es ja einige. Man muss es halt nur mal machen, also sagen wir so, ich find’ das Angebot ist sehr reichhaltig und ich muss es mehr nutzen“ (L9: 383-385).

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„Im zweiten Jahr muss ich mein Privatleben hier lebendiger gestalten. […] In dem Sinne von auch mal bis nach Cambridge zu kommen anstatt nur bis Oxford oder auch die Schlossanlagen anzuschauen oder einfach mal am Wochenende rauszugehen und nicht immer nur zu Hause sitzen und sich zu sagen: ach nächstes Wochenende“ (L9: 677-679). Die in den Docklands wohnenden Finanzmanager möchten die begrenzte Zeit in London zum einen nutzen, um sich beruflich weiter zu entwickeln und so für ihre Rückkehr nach Deutschland nicht nur Geld sondern auch Erfahrungen angespart zu haben, die sie hoffen lassen, dann in Deutschland mindestens einen kleinen Karrieresprung machen zu können. Durch die bewusste Wahl von kleinen Wohnungen wird es für die deutschen Finanzbeschäftigten möglich, Geld für ihre Zeit nach dem Ende des Aufenthaltes in London zu sparen. Sie wollen zwar etwas vor Ort erleben, denken aber gleichzeitig auch an das Leben nach der Rückkehr in Deutschland. „Ich will nur Erfahrungen sammeln und nicht meiner Heimat den Rücken kehren“ (L9: 663). „Der Unterschied ist, dass Leute die vielleicht auf zwei, drei Jahre hier sind, dass die tatsächlich hier ihr Budget haben und mit ihren savings dann zurück wollen. ... Und Leute die hier sind, die wollen das Leben dann auch so angenehm wie möglich gestalten und die geben wahrscheinlich mehr Geld aus als die, die in zwei drei Jahren wieder zurückgehen. [...] Ich habe mir auch gedacht, ich versuche so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich zu verdienen“ (L14: 572).

Zwischenfazit: Einpassen in die Docklands Die deutschen Finanzmanager passen sich in die Docklands ein und fühlen hier die Entspannung beim Fußweg entlang der Hafenbecken und der Themse. Das Gefühl in den Docklands und nicht in London zu sein, drückt diese erlebte Entspannung aus, die von ihnen tagsüber in den Gebieten der Docklands nah der Themse und fern zum East End im Gegensatz zu der Hektik der City of London empfunden wird, die jedoch mit zunehmender Entfernung von der Themse nach Norden dem Gefühl der Unsicherheit in der Nähe zur Grenze zum verrufenen East End weicht. Teil ihres Einpassens ist es, eine neue Geografie des Ortes zu erlernen und zu übernehmen. Sie spüren die Grenze der Docklands zum East End: Einerseits über eine differenzierte Struktur (in der Begegnung mit der Architektur und dem Anderen auf der Straße) und andererseits durch ein differenziertes Image der getrennten Orte, durch das die Docklands als neuer Ort der Wohn- und Geschäftswelt der qualifizierten Dienstleistungsbeschäftigten von dem dubiosen alten East End unterschieden ist. In den Docklands sind sie beständig mit Materialitäten konfrontiert die, wie die Überwachungskameras, Schranken und Schutzzäune, eine lauernde Gefahr heraufbeschwören, die für die Finanzmanager auch in einem Unbehagen im öffentlichen Raum fühlbar wird. Als Konsequenz des Erlernens und Erlebens der Grenze und des dro233

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henden Außen meiden die Finanzmanager die Überschreitung der Grenze und handeln mit Vorsicht innerhalb der Docklands. Sie passen sich in einen Ort ein, der für sie ein kühler Ort ohne engere soziale Bindungen und Verwurzelung in einer für sie passenden Community ist und sie konzentrieren sich eher auf ihre fernen sozialen Beziehungen nach Deutschland. Als Mann nehmen sie in den Docklands damit auch die Aufgabe des sozialen Netzwerkaufbaus nach außen auf sich und führen so eine besondere Form von Männlichkeit auf. Als Weiße und globale Elite fühlen sie die beunruhigende Nähe des Anderen. Da sie sich in den Docklands nicht eingebunden sehen und ihr privates Leben sich durch den häufigen Kontakt nach Deutschland auszeichnet, ist es für sie Teil des Abenteuers, sich nicht als Deutsche in den Docklands zu präsentieren und so das Gefühl zu haben etwas von London erleben zu können.

Fazit: Wohnen in London – das Einpassen in den Wohnort So wie sich die Stadt London in unterschiedliche Orte teilen lässt und von den Finanzmanagern als gespaltene Stadt wahrgenommen wird, so lässt sich auch nach dem Ende der Arbeit in der City of London das Einpassen der deutschen Finanzbeschäftigten in London in Abhängigkeit vom Wohnort differenzieren. Die deutschen Finanzmanager passen sich in die Docklands und in Richmond in unterschiedlicher Weise ein. Sie begegnen beiden Orten mit unterschiedlichen Images: die Docklands sind in ihrer Perspektive ein neuer Ort, der mit seiner Umwandlung zu einer Art urbaner Insel in direkter Nähe zu Orten des Verfalls und der Bedrohung geworden ist. Richmond ist in ihrer Perspektive ein traditioneller Ort der etabliert Privilegierten, ein Ort des britischen Adels und Königshauses. Ihre Wahrnehmung von Richmond als traditioneller Ort des Königshauses bringt für sie das Gefühl hervor, an einem besonderen Ort zu sein. Eine Besonderheit, die sie sich durch die Besuche der königlichen Orte selbst bestätigen. In ihrem alltäglichen Handeln werden die Finanzmanager an beiden Orten mit unterschiedlichen Ortsstrukturen konfrontiert und passen ihr alltägliches Handeln und ihre Emotionen, die sie an dem Ort verspüren, in die so erlebten Strukturen ein. Das grüne und ruhige Richmond mit seinen weitläufigen Parkgegenden, seiner wohlhabenden Bevölkerung, der nach außen teilweise geöffneten und einsehbaren Architektur der Wohnhäuser – ihrer Veranden und Vorgärten – und der Deutschen Schule als Kristallisationspunkt der Deutschen Community, lässt die Finanzmanager Gefühle von Gelassenheit, Unbeschwertheit, Entspannung, Ruhe und Sicherheit spüren. Diese Emotionen korrespondieren mit ihren Handlungen, sie spielen Golf, schlendern und fahren mit dem Fahrrad durch den Richmond Park oder an der Themse entlang, sie sitzen, wenn es warm ist, draußen in Restaurants und Cafés und halten sich für andere sichtbar in ihren Vorgärten auf.

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Die umgestalteten und aufgewerteten Docklands, die sich durch eine Architektur der historischen Zitate – die eine Überwindung des Alten darstellt – auszeichnet; die fußläufig an der City und fußläufig zu den niedrigeren sozialen Schichten und der unaufgewerteten Architektur des East End ist; die rasante Gentrifizierung der Docklands, die zu einem schnellen Austausch der Bevölkerung führte und eine Communitybildung der neu hingezogenen erschwerte; die Abwesenheit von relevanten Einrichtungen einer passenden Community, die wie die Deutsche Schule in Richmond zu einer Eingliederung auffordern, die Abtrennung der Wohnungen und Innenhöfe vom öffentlichen Raum der Straße, die sichtbare defensive Architektur der Schranken, Überwachungskameras und Sicherheitszäune und die als Freizeitgebiet gestalteten Gebiete an der Themse und den Docks, lässt die Finanzmanager aus der hektischen City kommend Gefühle von Entspannung an der Themse und den Docks spüren, die jedoch mit einer Empfindung des Unwohlseins und der Achtsamkeit angesichts der nahen Grenzen und der defensiven Architektur in den Docklands einhergeht. Sie spüren in den Docklands ein Gefühl der Langeweile und der eigenen Zurückgezogenheit in Wohnungen, die für sie gerade im Unterschied zum öffentlichen Bereich außerhalb der Wohnung ein Ort der Geborgenheit sind. Sie halten sich viel in der eigenen historisch stilisierten Wohnung auf und haben wenig Kontakt zu den Bewohnern der Nachbarschaft. Beim Spaziergang meiden sie die nahe Grenze zum East End und gehen entlang der Themse und der Docks. Ihre Identitäten als globale Elite, als Deutsche, Männer und Weiße werden von ihnen in Abhängigkeit zu den unterschiedlichen Strukturen, ihren Images und ihren Emotionen in den Docklands und in Richmond in differenzierter Weise reproduziert. Ihre Identität als globale Elite und als Weiße passt in Richmond zur Normalität des Ortes, so dass Insignien von Wohlstand hier offen zur Schau gestellt werden können, das teure Auto und die Villa sind von der Straße frei einsehbar und sie können unter freiem Himmel in feinen Restaurants mit Blick auf die Umgebung essen. Die Haushaltsführung, Kinderversorgung und die Sicherstellung der Einbindung in soziale Netzwerke vor Ort und über den Ort hinaus wird hier von den Ehefrauen sichergestellt. Damit wird auch die Männlichkeit der Finanzmanager in Richmond vornehmlich in der Rolle als Versorger hergestellt. In den Docklands sind sie meist alleinstehend und nicht eingebunden in soziale Netzwerke des Ortes, ihre männliche Identität wird hier auch durch Tätigkeiten der Haushaltsführung und der Aufrechterhaltung der sozialen Netzwerkbildung nach Deutschland erzeugt. Als globale Elite und als Weiße sind sie in den Docklands Teil der Normalität des Ortes, allerdings nur eines kleinen geografischen Bereiches. Die Nähe der Anderen lässt das Weißsein und globale Elitesein zu Identitäten werden, die in defensiver, vorsichtiger und verbergender Weise reproduziert werden. In Richmond produzieren sie ihre Identität als Deutsche mit Bedacht vor dem Außen, vor den ehemaligen Opfern der deutschen Angriffe im zweiten Weltkrieg, den britischen Bewohnern. In den Docklands, an einem Ort der rasanten Umwandlung, an dem die Finanzmanager nicht in deutsche Communitystrukturen eingebunden sind und sie nur geringe soziale Kontakte zur Nachbar235

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schaft haben, scheint ihr Deutschsein nicht sichtbar zu werden. An einem Ort, an dem das Verbergen und das Schützen vor dem Außen eine große Rolle spielt, bleibt das Deutschsein nahezu unsichtbar.

Wohnen in Singapur – Wohnen in der Stadt der sozialen Harmonie Anders als in London, wo ein Teil der jungen Finanzmanager die Lebenspartnerin in Deutschland regelmäßig besucht, gibt es aufgrund der geografischen Distanz nicht die Möglichkeit, eine Pendelbeziehung von Singapur nach Deutschland aufrecht zu erhalten. Ob allein oder mit der Familie nach Singapur gekommen, die deutschen Finanzmanager haben neben dem beruflichen auch ihren privaten Lebensmittelpunkt zumindest für einige Jahre nach Singapur verlegt. Die deutschen Finanzmanager wählen in Singapur, wie auch in London, Wohnorte aus, in deren Umgebung sie sich mit ihren Identitäten als passend empfinden. Auch wenn sie in beiden Städten häufig in bewachten Wohnkomplexen oder in frei stehenden Bungalows wohnen, differenziert sich ihr Einpassen in Abhängigkeit von der Stadt, in der sich der Wohnort befindet. Die deutschen Finanzmanager erleben und betrachten Singapur als eine sichere Stadt der sozialen Harmonie, in der sie sich mit ihren Identitäten als Weiße, Deutsche und globale Elite willkommen und sich nicht durch soziale Kämpfe bedroht fühlen. Anders als der „Riesenmoloch“ (L10: 612) London, den sie als sozial geteilte Stadt erleben und in dem sie es für die Wahl ihres Wohnortes als notwendig ansehen, erst das bedrohliche „Chaos“ (L11: 184) zu ordnen, um so die Gefährlichkeit des Ortes – in Abhängigkeit von der geografischen Lage, den zugewiesenen Images und der eigenen körperlichen Erfahrung – abzuschätzen, ist die Auswahl des Wohnortes in Singapur für die Finanzmanager nicht mit dem Gefühl verbunden, sich mit einer falschen Wahl möglicherweise in eine bedrohliche Situation zu bringen. Ihre Erzählungen von ihrer Wohnortauswahl in Singapur drücken – ohne die Aufregung, dass eine Fehlentscheidung einer Gefährdung der eigenen Sicherheit gleichkommt – daher einen vergleichsweise nüchternen Auswahlprozess von Wohnungsausstattung und geografischer Lage aus. „Wir wollten irgendwo im Grünen wohnen und haben uns einfach mal auf dem Stadtplan angeguckt, wo sind ganz schöne Condominiums und sind das selber mal abgefahren und haben dann einfach ein Maklerbüro beauftragt, gibt es da was, was frei ist“ (S3: 45). „Natürlich das erste ist ja, wie weit ich zur Arbeit fahren möchte und dann zweitens ob es sehr laut ist und ob Grünfläche, solche Sachen denke ich mal“ (S9: 48).

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Da Singapur von meinen Interviewpartnern als sichere und sozial harmonische Stadt betrachtet wird, sind in ihrer Auswahl des Wohnortes für sie Fragen der materiellen Ausstattung des Ortes bedeutsamer als der Aspekt der Abwehr einer sozialen Bedrohung. Einer meiner Interviewpartner drückt sein Gefühl, sich in Singapur unbedroht in einer Stadt der sozialen Harmonie zu fühlen, in der von ihm gewählten Kontrastierung zu der Situation in London so aus: „Wenn man Familie hat, ist das hier ein idealer Platz, weil es eben sicher ist, es ist grün, es ist alles organisiert, es ist ein goldener Käfig. Käfig deswegen, weil es eben nur Singapur, ein Stadtstaat eben sehr klein ist, aber nicht zu vergleichen mit. .. Es gibt halt kein echtes Hinterland. Und im Gegensatz zu London ist es eben eine Multikultistadt, die weder rassische Probleme kennt noch Armut noch ... ja, ... es gibt keine Probleme. Hier können sie Kinder in der Nacht durch die Straßen schicken, Frauen und was weiß ich was. Hier leben halt Hindus und Moslems und Inder und Westler, es gibt auch kein wirkliches Gefälle, das macht halt Spaß. Und es ist immer warm“ (S11: 25-27). Ein anderer sagt: „Für ’ne Familie ist Singapur ideal kann ich nur sagen, ist sehr schön. […] Es ist sehr sicher, in allen anderen asiatischen Ländern muss man auf seine Kinder aufpassen, wenn die blond sind, weil sonst werden die gekäscht von irgend jemand; auch das ist nicht der Fall“ (S17: 16-18). In ihrem Einpassen in ihre Wohnorte in Singapur fühlen sich die deutschen Finanzmanager mit ihren Identitäten sicher und nicht bedroht. Da in ihrer Perspektive Singapur, anders als London, keine sozial gespaltene Stadt mit sozialen Kämpfen ist, ist für sie die nahe Grenze zum anderen Ort nicht mit einem Gefühl des Unbehagens verbunden – oder wie der Interviewpartner oben sagt: „es gibt auch kein richtiges Gefälle, das macht halt Spaß“. Auch wenn es in Singapur soziale Differenzen und Armut gibt (vgl. Lee 2001), haben die deutschen Finanzmanager nicht das Gefühl, sich selbst hier in einer bedrohten Situation zu befinden. Sie schreiben den sozial Schwächeren in Singapur kein Bedrohungspotenzial zu, dies formulieren zwei deutsche Finanzmanager folgendermaßen: „Die Chinesen haben eigentlich nichts dagegen, wenn du was hast und wenn du auch reich bist, das ist für die eher ein Ansporn es selber zu erreichen. Die fragen dich, wie hast du das gemacht, wie bist du da hingekommen“ (S8: 293). „Das ist das spezielle in der singapurianischen Gesellschaft, keiner fühlt sich diskriminiert. Weil jeder für sich eine Nische sieht, sich da rein setzt und da ganz froh ist, dass er da drin sitzt. Weil es da ja noch jemanden gibt, dem es schlechter geht, ja. Und damit begründet ja auch die Regierung das System hier, wenn sie immer sagen, guckt doch mal da hin, guckt doch mal da hin, wie es dort ausschaut, ja. Willst du freie Wahlen haben, dann gehe nach Indien, guck mal, wo du dann wärst, ja. Hier, wähl mich und dir geht es mindestens so gut. Kriegst dein Haus, du hast deine Wohnung, du hast deinen Job, du hast deine Altersversorgung, hast deine medizini237

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sche Versorgung, was willst du denn eigentlich und 99,9% der Leute akzeptieren das, die sind auch politisch nicht engagiert. Und, die Leute, die wirklich politisch engagiert sind, die überleben entweder nicht lange oder sie geben auf oder sie wandern aus [lacht]. Da hast du keine Chance hier, keine Chance. Ist alles sehr sehr straff geführt. Und sehr gut geführt, muss man sagen. Ich sage immer, Singapur ist kein Staat, Singapur ist eine sehr gut geführte Gesellschaft“ (S16: 153-155). „Hier gibt’s keine Slums oder irgendwas. Sie haben nie das Gefühl, äh, ich mache irgendwas falsch. Sie haben nie das Bedürfnis irgendjemandem was zu geben, weil sie sehen keinen Bettler auf der Straße. Ja, sie fühlen sich nicht überprivilegiert. Privilegiert schon, aber nicht überprivilegiert, weil sie sehen, jeder hat sein Auskommen. […] Deswegen haben sie auch nicht das Gefühl, dass Sie irgendwie exposed sind, wenn sie in Manila und in Jakarta und auch in Thailand, in Bangkok sind, da gibt es Viertel, da würde ich jetzt nach 12 nicht mehr alleine rumlaufen. Sie sind [in Singapur] nicht irgendwie Target von irgendwas und es gibt Lokale, die noch stinkreicher sind als sie“ (S16: 555-559). Der fremde Ort und die fremde Person werden von ihnen, in der so imaginierten Stadt der sozialen Harmonie, nicht als bedrohlich empfunden. Die deutschen Finanzmanager fühlen sich hier mit ihren Identitäten nicht als „exposed“ oder gar als ein „target“, da Singapur von ihnen als eine sozial harmonische Stadt wahrgenommen wird und die autoritären Strukturen des Stadtstaates aus ihrer Perspektive Schutzstrukturen für ihre eigenen privilegierten Identitäten darstellen: Singapur wird von ihnen als „eine sehr gut geführte Gesellschaft“ betrachtet, in der sie mit ihren Identitäten benötigt werden: Sie fühlen sich in dieser Stadt willkommen nicht in einer bedrohten Situation. Aber auch in Singapur ist es für die Finanzmanager erforderlich, einen passenden Wohnort auszuwählen. Auch in der Stadt der sozialen Harmonie wählen sie – wie in London – Wohnviertel aus, in denen sie sich mit ihren Identitäten als passend fühlen. Dabei teilen sie die Stadt aber nicht in gefährliche oder weniger gefährliche Orte auf, sondern eher in Orte, an denen auch andere hoch qualifizierte Expatriates und hoch qualifizierte SingapurerInnen wohnen und in solche Orte, an denen dies vornehmlich nicht der Fall ist. „Hier gibt’s jetzt auch nicht so diese, ich mein es gibt natürlich diese Viertel wo mehr so diese HDB, diese Massenhochhäuser stehen. Aber sonst gibt’s eben verschiedene, also es gibt jetzt nicht die Wohngegend. Oder den Bezirk, so wie in der deutschen oder europäischen Großstadt, dass es so ist, da und da und da sollte man wohnen. Das ist hier, glaube ich, offener“ (S1: 65). „Von den vier Millionen [er meint die EinwohnerInnen von Singapur] wohnen glaub’ ich drei Millionen und neunhunderttausend in diesen HDB-Hochhäusern, die Singapur so schrecklich hässlich machen. Diese Gegend, wo die Ausländer wohnen, die Ausländer wohnen entweder in Condos, das finden Europäer oder Amerikaner besonders schön, weil ein Swimmingpool dazu gehört, Tennisplätze, Squash, all diese Facilities, die es bei uns nie gibt. Oder man wohnt in einem Privathaus und da gibt es nur ganz wenige Gegenden, die man ganz leicht eingrenzen kann. Wenn ich einen Stadtplan hätte, könnte ich das ganz genau umschreiben, wo das ist, diese Ge238

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genden hier, und das sind schon die Gegenden für die Reichen, weil sonst gibt’s keine Häuser hier. Sie sehen ja wie groß die Grundstücke sind, wie klein die Grundstücke sind, weil Grund eben das Wertvollste ist, deswegen sind die Häuser unglaublich teuer und deswegen haben es halt die Einheimischen weniger. Und wenn Chinesen hier wohnen, dann sind das auch Reiche. Denn die Häuser kosten ja alle viele Millionen, wenn man sie kaufen würde“ (S17: 331-332).

Abbildung 53: Wohnhäuser des HDB in der Nähe der East Coast In den HDB, den öffentlichen Wohnblöcken des staatlichen Housing Development Boards, wollen und können die deutschen Finanzmanager nicht wohnen. Die in Singapur weit verbreiteten großen Wohnblöcke, die im Jahr 2006 einen Anteil an allen Wohneinheiten von 78% ausmachen (vgl. Singapore Department of Statistics 2007), sind in ihrer Vergabe staatlich reguliert (vgl. Van Grunsven 2000; Siew Eng/Kong 1997). Ist man in Singapur als ausländischer Expatriat beschäftigt, so hat man keinen Anspruch auf eine solche Wohnung. Durch die staatliche Regulierung des Wohnungsmarktes kommen für die deutschen Finanzmanager somit auch nur bestimmte Gebiete in denen es einen privaten Wohnungsbau gibt überhaupt als Wohnorte in Frage. Die somit eingeschränkten Wahlmöglichkeiten führt ein Interviewpartner so aus: I: „Ja. Und warum haben Sie sich entschieden in einem Condominium zu leben?“ S7: „Man hat keine andere Wahl. Man kann Public Housing nicht mieten, darf man nicht als Foreigner, ist nicht erlaubt. Was soll man sonst nehmen? Landed property ist zu teuer, ja. Ein Haus zu mieten oder so, das kann ich mir nicht leisten. Bleibt nur das Condominium“ (S7: 198-199). 239

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Diese Regulierung deckt sich aber auch mit der Präferenz der Finanzmanager, denn sie haben kein Verlangen in den Wohnungen des HDB wohnen, die sie als „Massenhochhäuser“ (S1: 65), „die Singapur so schrecklich hässlich machen“ (S17: 331) wahrnehmen und damit in Differenz zu den für sich selbst passenden Wohngebieten, die im Gegensatz zu den Massenhochhäusern nicht für die Masse sind, betrachten. Alle meine Interviewpartner wohnen in den Gebieten, in denen sich Gebäude des privaten Wohnungsbaus in Form von Condominiums (Anteil an den gesamten Wohnungseinheiten betrug im Jahr 2006 14%) oder Bungalows (Anteil 6,2%) befinden (vgl. Singapore Department of Statistics 2007). Die Auswahl des Wohnortes aus diesen verschiedenen Gebieten erfolgt oft aufgrund der Ausstattung der Wohnung und des von dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Budgets. Als eine Grundregel gilt dabei, dass mit der zunehmenden Nähe zur Orchard Road, der zentralen Einkaufsstraße, die Mietpreise steigen. In Singapur wohnen die Finanzmanager daher in zwei unterschiedlichen Wohnformen, entweder in frei stehenden Villen oder in einer Wohnung, die in einen umzäunten und bewachten Wohnkomplex – einem so genannten Condominium –, integriert ist. Beide Wohnformen gibt es in unterschiedlichen Vierteln der Stadt. Die Entscheidung der Finanzmanager für eine der beiden Wohnformen ist weniger abhängig von der Familiensituation, sondern eher von den finanziellen Möglichkeiten verbunden mit der gewünschten Lage und Ausstattung der Wohnung bzw. des Condominiums. Die Auswahl des Wohnortes wird von den Finanzmanagern in Singapur, ähnlich wie in London, mit der Unterstützung von anderen Expatriates und dem eigenen Unternehmen vorgenommen. Durch das Bereitstellen von unterstützenden Strukturen, durch hilfsbereite deutsche Kollegen, Informationsbroschüren oder ausgewählte Makler, die ihnen in Abhängigkeit zu ihren Identitäten passende Wohnungen in für sie passenden Wohnvierteln zeigen, erlernen die deutschen Finanzmanager auch die Images, die den einzelnen Orten in Singapur zugesprochen werden: Wo in Singapur die als „Expat-Areas“ geltende Orte sind – wie das Holland Village (vgl. Chang 1995) oder Bukit Timah – lernen sie daher recht schnell. So berichten zwei Finanzmanager über den Prozess der Wohnungswahl folgendes: „Ja, wir haben hier Makler von Seiten der Firma, die hier letzten Endes dann einem Vorschläge machen und mit denen man sich zusammen dann auch Wohnungen anschaut“ (S13: 47). S4: „Singapur ist ja nicht so groß, das heißt, da ist jetzt die Frage, je mehr zentral ich leb’, desto teurer wird’s, wenn ich die entsprechenden Facilities hab’, gehe ich ein Stück zurück, krieg’ ich so was günstiger und, gut, ich hatte schon im Kopf dieses Holland Village, was es hier gibt. Ist etwas außerhalb, da gibt, da ist im Prinzip so ein Zentrum wo es alles gibt, wo es Restaurants gibt, wo man alles einkaufen kann in der Nähe und der Makler hat uns, ich sag mal, 35 Wohnungen gezeigt, da waren dann welche zentral, außerhalb. Von da aus, von dieser Basis aus haben wir uns dann entschieden.“

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I: „Ah ja, und woher wussten Sie, dass jetzt Holland Village eben interessant für Sie sein kann?“ S4: „Äh, gut, ich war da bei den früheren Besuchen schon mal zu Besuch und, aber auch von Bekannten, oder anderen Expatkollegen, die hier in Singapur schon lebten“ (S4: 85-87). Wie bereits in dem Kapitel „Arbeiten im Central Business District“ erwähnt, fühlen sich die deutschen Finanzmanager mit ihrer Ankunft beinahe automatisch in eine hilfsbereite deutsche Community integriert. Diese hilft ihnen auch bei der Wahl des Wohnortes bzw. bei der Vermittlung eines passenden Wohnungsmaklers, der sich mit Deutschen auskennt, also ihre besondere Performance der nationalen Identität in Singapur einschätzen kann. Dies verdeutlicht ein Interviewpartner so: „Da kriegen Sie einen Makler genannt, dann kriegen Sie jemanden, der Erfahrung mit Deutschen hat, weil wir sind schon ein bisschen spezifisch, ja [lacht]. wir sind schon a bisschen anders, ja, positiv und negativ. Dann kriegen Sie einen Makler genannt“ (S8: 39). Diese hilfsbereite deutsche Community, die die deutschen Finanzmanager mit der Ankunft integriert, wird von manchen auch als eine Last empfunden, die das Erleben der Fremde – ihr persönliches Abenteuer – erschwert. Sie präsentieren sich als ein Teil der deutschen Community, die insofern ein „bissele spezifisch“ (S8: 39) ist, da ihre Mitglieder nicht unbedingt als Teil dieser Community wahrgenommen werden wollen und auch den Kontakt zu dem Fremden, „den Locals“, suchen – also auch Abenteurer erleben wollen. Die Fähigkeit sich auf etwas Neues einlassen zu wollen und sich nicht vom Außen abzuschotten, schreiben sich die deutschen Finanzmanager selbst zu und verbinden dies mit ihrer spezifischen nationalen Identität als Deutsche. So berichtet ein Interviewpartner folgendes: „Ich denke mal was bei den deutschen Expats eine gute Eigenschaft ist, ich mein im Vergleich zu den englischen oder so, ich denke die Deutschen versuchen nicht unbedingt, äh, nur unter der Expat-Community da zu sein. Die Deutschen haben schon eine Einstellung, dass man mit den Locals mehr Kontakt haben will. Ich meine das kann auch mein Vorurteil sein, das die englischen oder australischen äh anders ...“ (S9: 48). Die Selbstpräsentation als deutscher Abenteurer, der sich von dem Bekannten distanziert um das Fremde zu erforschen, erfordert aber auch eine Distanzierung von der deutschen und von der westlichen Expat-Community. Einige der deutschen Finanzmanager versuchen bei der Wohnortwahl bestimmte Orte, die sie als typische Expat-Gebiete betrachten, zu meiden und suchen sich einen Wohnort, an dem neben einer geringeren Zahl von Expatriates als an anderen Orten auch mehr wohlhabende asiatisch stämmige SingapurerInnen wohnen. Neben Gebieten wie Holland Village oder Bukit Timah leben daher einige der deutschen Finanzmanager auch in Gebieten, die sie weniger als klare Wohngegenden der deutschen Expatriates definieren. 241

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Denn wie schon ein Interviewpartner oben ausgeführt hat: „Wenn ich eine deutsche Community brauche, dann kann ich auch in Deutschland bleiben“ (S12: 216). Diese Distanzierung zu anderen Expatriates ist jedoch für sie nur schwer realisierbar. Denn einer fast automatischen Aufnahme in die deutsche Community steht eine langwierigere Aufnahme von Beziehungen zu asiatisch stämmigen SingapurerInnen gegenüber. Auch die Wohnviertel, die für die deutschen Finanzmanager in Frage kommen, d.h. diejenigen in denen keine HDB-Wohnanlagen sondern privat gebaute Bungalows oder Condominiums stehen, sind Wohnviertel in denen neben wohlhabenden asiatisch stämmigen SingapurerInnen auch andere Expatriates wohnen. Der Kontakt zu anderen Expatriates erfolgt somit fast zwangsläufig, obwohl von den deutschen Finanzmanagern häufig die eigene Abenteuerlust und der Wunsch nach Distanzierung zu dieser Community ausgedrückt wird – realisiert wird dieser Wunsch nur teilweise. Wenn auch einige Viertel bei den Finanzmanagern ein Image als Expat-Viertel haben und sie sich mit der Meidung dieser Viertel als etwas abenteuerlicher präsentieren können, so speist sich die vorgenommene Trennung in Expat-Viertel und in private Wohnbauviertel eher aus der Vergangenheit dieser Viertel. Denn in den ehemaligen Expat-Enklaven wohnen heute infolge ihres sozialen Aufstiegs auch viele asiatisch stämmige SingapurerInnen. Wie auch bei der Wohnortwahl in London spielt die familiäre Situation der deutschen Finanzmanager eine wichtige Rolle; haben diese Kinder, so wohnen sie – zwar nicht wie in London primär in einem Stadtviertel wie Richmond, das direkt an die Deutsche Schule angrenzt – sondern in verschiedenen Stadtvierteln, die sich auf der Schulbusroute zur in Bukit Timah liegenden Deutschen Schule befinden, denn „Singapur ist ja nicht so groß“ (S4: 85). Für die Kinder ist der Weg zur Schule schnell und – in der Stadt der sozialen Harmonie – gefahrlos zu überbrücken. Die Lage der Schulbusroute ist für die Finanzmanager ein Hinweis auf die Lage der für sie passenden Wohngebiete. So führt ein Interviewpartner aus, wie er die für sich in Frage kommenden Wohnorte identifiziert hat: „Das sehen Sie ganz einfach am Preis und Sie sehen über, gehen Sie einfach über so Dinge, wie, deutsche Schule, wo fährt der Schulbus hin. Es gibt Bezirke, da fährt kein deutscher Schulbus hin, da wohnen keine Ausländer“ (S8: 57). Neben der Lage der Schulbusroute sind auch sonstige spezifische Ausstattungsmerkmale der Wohngebiete wie bestimmte Geschäfte für die Finanzmanager Zeichen, die diese Gebiete aus ihrer Perspektive als „typische Expatbereiche“ (S15: 57) ausweisen. „Es gibt typische Expat-Bereiche hier, die früher ausgeprägter waren, aber immer noch da sind, so. Holland Village zum Beispiel ist so ein Cluster, der nächste ist Postbezirk 23, der ist um die deutsche Schule herum. Dort die ganzen Condos, die entstanden sind, sind mittlerweile Expat-Area. Man kann es auch festmachen an Supermärkten, der Cold Storage war schon immer für Expats besonders geeignet, der Jasons in der Innenstadt ist halt ein Lebensmittelmittelpunkt und der Tierney’s an 242

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der Bukit Timah as well. Sie können also die Cluster daran identifizieren, indem Sie schauen, wo sind die Expatriat-Läden, oder wo sind die Expatriat-Restaurants. Da kommen Sie relativ schnell auf die richtigen Punkte“ (S15: 57). Die Familiensituation jedoch bestimmt nicht in welcher Wohnform, also ob Condominium oder Bungalow, die Finanzmanager in Singapur leben. Wenn auch die Wohnortlage für die Finanzmanager in Singapur nicht so deutlich wie für diejenigen in London von der eigenen Familiensituation abhängt – diejenigen, die Kinder haben wohnen nicht unbedingt in der unmittelbaren Nähe zur Deutschen Schule, sondern an der Schulbuslinie, die entlang der „typische[n] Expatbereiche“ verläuft – so gibt es doch einige, für die sich mit der Familiensituation auch die Wahl des Wohnortes verändert. Das führt ein Interviewpartner so aus: „Wo geht man hin, wo geht man besser nicht hin, kommt auch drauf an, haben sie Kinder, haben Sie keine, ich wohne jetzt mitten in der Stadt, weil eben ich von der Deutschen Schule weg bin und zur Internationalen und bin jetzt Single, also, für mich ist das die idealste Gegend, aber selbst da, wo Sie jetzt sind, okay, da kommt’s auch auf’s Budget drauf an. Fangen sie gerade an, ist ihr Budget für ein Housing wahrscheinlich nicht so hoch, okay, dann müssen sie halt auch gucken, da geht man entweder nach Eastcoast oder wenn man ein bisschen mehr Grün und Wasser haben will oder man geht in die Bukit Timah, oder sonst wo. Also, man fragt sich rum“ (S11: 111). Ich werde in diesem Kapitel die beiden Wohnformen der deutschen Finanzmanager in einem freistehenden Bungalow und in einem Condominium zeigen. Zum einen das Wohnen als Familie in einem Bungalow in Bukit Timah, nah der Deutschen Schule und zum anderen das Wohnen in einem Condominium, alleine, fern der Schule und näher zum Stadtzentrum, an der East Coast. Ausgewählt habe ich somit zwei Wohnviertel, die sich in ihrer Lage und der Wohnform den betrachteten Wohnviertel in London, dem nah der Deutschen Schule gelegene Richmond und den näher zum Zentrum im Osten Londons liegenden Docklands gleichen. In der Analyse des Einpassens der deutschen Finanzmanager zeigen sich jedoch die Spezifitäten der Orte: Das Wohnen in einem bewachten Wohnhaus in den Docklands und in einem bewachten Condominium an der East Coast differiert zusammen mit unterschiedlichen Identitätsausbildungen.

Wohnen in einem Bungalow in Bukit Timah – Die Nähe zur Deutschen Schule Der District elf, Bukit Timah, ist vom Arbeitsort der deutschen Finanzmanager im CBD aus mit einer ca. 15-minütigen Autofahrt Richtung Nordwesten über eine der mehrspurigen Hauptverkehrsstraßen – die Bukit Timah Road – entlang der üppig grünbewachsenen Seitenstreifen und der mir uniform erscheinenden Wohnblöcke 243

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erreichbar. Selbst entlang dieser wichtigen Verkehrsachse erscheint Singapur als eine grüne Stadt – die materielle Konsequenz der staatlich verordneten Umstrukturierung Singapurs zu einer Garden City (vgl. Yuen 1996), mit dem Ziel durch schattige Bereiche die möglichen Schutzräume vor der Sonne zu vergrößern, das Mikroklima zu kühlen und „to create an aesthetically pleasent environment“ (Perry/Kong/Yeoh 1997: 214), wird sichtbar.

Abbildung 54: Bukit Timah Road Die Neuordnung ist für die Finanzmanager bei der Fahrt zu ihrem Arbeitsplatz alltäglich erfahrbar. Für sie ist die Fahrt zu ihrem Wohnort in Bukit Timah unproblematisch und nicht weiter berichtenswert, die Strecke ist für sie schnell und leicht mit dem eigenen Auto, dem Taxi oder dem Motorrad bewältigt. Da dieser Wohnort mit der Singapurer U-Bahn, der MRT, nur schwer erreichbar ist – eine neue MRT Linie hierher ist gerade im Bau – bin ich mit dem Bus hierher gefahren, eine Fahrt die, angenehm klimatisiert, nach maximal 30 Minuten zu Ende geht. Der Austritt aus dem Bus verdeutlicht mir jedoch körperlich, dass es Vorteile hat, mit dem Taxi oder dem eigenen Auto direkt zum Zielort in Bukit Timah zu fahren. Auf der Straße gibt es nur wenig Schutz vor der stechenden Sonne, tagsüber sind hier nur wenige FußgängerInnen auf den Fußwegen unterwegs. Bis auf einige in einem Vorgarten arbeitende, vermutlich aus Bangladesh oder Indien stammende Bauarbeiter, einige Maids die sich im Vorgarten der Bungalows aufhalten und den in den Restaurants arbeitenden oder essenden Menschen, ist hier nicht viel los. Die Straßen fern der Hauptstraße sind nicht besonderes befahren, es ist ruhig und heiß. Erst zum Abend hin, wenn für die Finanzmanager der Arbeitstag vorbei ist, die Sonne verschwunden und die Temperatur unter 30 Grad Celsius gesunken ist, füllen sich die Restaurants und auf den Fußwegen zeigen sich vorbei schlendernde FußgängerInnen und einige locker laufende JoggerInnen. In den Abendstunden fällt hier 244

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im Vergleich zu anderen Stadtvierteln die relativ hohe Anzahl weißer Männer und Frauen auf, die in den Vorgärten oder den Restaurants sitzen oder sich auf den Straßen zeigen. Gerade der Wohnbereich in der Nähe der internationalen Schulen, wie der Schweizer Schule, der Kanadischen, Holländischen und Deutschen Schule und der internationalen Klubs, dem Swiss Club, dem British Club und dem Dutch Club, ist geprägt durch zweistöckige Bungalows mit Vorgarten und steht mit dieser Architektur im Kontrast zu derjenigen in den umliegenden Stadtvierteln, die durch die hohen Wohnblöcke des staatlichen HDB geprägt sind. Die Architektur in diesem Bereich von Bukit Timah fällt den Finanzmanagern als eine besondere auf und wird von ihnen in genauer sozialer Differenzierung zu den angrenzenden Gebieten erkannt. „Hier das heißt wohl Bukit Timah Area, das ist die zentrale Bukit Timah Straße, das ist jetzt nicht der obere Teil und nicht der Stadtteil, der mitten in der Stadt ist, sondern dieser mittlere Teil ist für die Expats, Holland, Bukit Timah, und noch so ein paar Areas, in denen am liebsten Expats wohnen oder eben reiche Chinesen“ (S17: 350).

Abbildung 55: Bungalow in Bukit Timah Mit Blick auf die Swimmingpools, die Palmen und die Liegestühle in den Vorgärten, die internationalen Restaurants und die abends hier locker entlang schlendernden, in T-Shirts und kurzärmligen Hemden gekleideten Menschen, erinnert dieser Ort etwas an ein tropisches Ferienresort und wird von den hier lebenden Finanzmanagern als „die schönste Gegend“ in Singapur betrachtet. 245

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„Diese Gegend in größerem Sinne ist ja die schönste Gegend in Singapur, in der Verbindung zur Innenstadt gesehen und in der Verbindung zu den Clubs, zu den Sachen, die man braucht. Zu den, zu meinen Cold Storage, wo ich als Expat hingehe, alles liegt nahe beieinander, alles ist bequem, zugänglich, convenient und deswegen wohnt man halt da“ (S17: 338). Die Wohngegend grenzt direkt an den 1,7 km² großen Bukit Timah Nationalpark an, einen stadtnahen tropischen Regenwald, der mit seinem 164 Meter hohen Berg namengebend für den Stadtteil ist. Dieser Nationalpark bietet mit seinen grünen, schattigen Bereichen eine angenehme Kühlung und wird von den deutschen Finanzmanagern in der Freizeit zum Wandern oder zum Joggen genutzt. Im Erleben der Struktur des Parks bestätigt sich jedoch das Image, mit dem die Finanzmanager dem Regenwald als solchem begegnen, nicht. So sagt ein Finanzmanager: „Dann gibt es Bukit Timah, das ist der höchste Berg hier in Singapur mit tropischem Regenwald. Das war eine Enttäuschung muss ich sagen, Regenwald habe ich immer gedacht sei mit viel bunten Vögeln und viel bunten Blumen. Haben sie denn schon mal gesehen? Ist ein bisschen langweilig, grün und braun und das ist es dann“ (S12: 89-91). Das Erleben des Wohnortes Bukit Timah durch die deutschen Finanzmanager widerspricht, ebenso wie das im CBD, ihrem Image mit dem sie dem Ort begegnen. Das Bild der abenteuerlichen und fremden Stadt, in der es für sie zum Bestehen der Abenteuer notwendig ist, Anstrengungen zu unternehmen, widerspricht ihrem Erleben von Bukit Timah, wo für sie „alles (…) bequem, zugänglich, convenient“ ist. Im Kontakt mit dem Ort fühlen sie sich entspannt; eine Entspannung, die sich auch in der Architektur der Bungalows zeigt. Von der Straße aus sind hier die Vorgärten oft gut einsehbar, weder die Zäune noch die Tore haben den Charakter von Schutzvorrichtungen, sie sind häufig niedrig und stehen nicht selten zur Straße hin offen. Selbst die Wohnungstüren werden nicht unbedingt verschlossen. Darüber berichtet die Frau eines Finanzmanagers 22 : „Es gibt hier soviel Sicherheit, wir haben die Türen und Fenster den Tag lang offen, es denkt hier niemand an was Böses. Wir haben eine praktische Haushaltshilfe, das ist eine unglaubliche Erleichterung, die es nur in solchen Teilen der Welt gibt, ja. Das Wetter ist schön, die Kinder müssen keine umständlichen Klamotten tragen, nicht mal Schuhe. Wir wohnen 2 Minuten von der Schule, 2 Minuten vom Club, convenient ist so ein singapurisches Wort, eines der ersten Wörter, wenn man kein Englisch spricht, lernt man ganz schnell, was das bedeutet, wie wichtig es ist in dieser Stadt, dass alles most convenient ist. Es muss bequem zugänglich sein, bequem machbar, alles muss bequem sein. Das ist für die Leute hier sehr wichtig und das ist unheimlich schön. Als Familie mit Kindern hat man es immer schwierig in allen Dingen, und wenn man so viele Erleichterungen hat, warum soll man dann freiwillig ... woanders hingehen“ (Frau von S17: 286). 22 An einem Interview, das in dem Haus eines Finanzmanager stattfand, beteiligte sich auch die sich dort aufhaltenden Ehefrau des Managers. 246

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Für viele der hier wohnenden Finanzmanager und ihre Familien scheint Bukit Timah fast wie ein bequemes Paradies zu sein, in dem ihnen für die Belange ihrer Familie alles geboten wird. Ein Paradies in dem auch die nahe Grenze zu den Wohngebieten der Anderen, den Gebäuden des HDB, kein Gefühl der Unruhe aufkommen lässt: hier in der sozial harmonischen Stadt fühlen sich die deutschen Finanzmanager unbedroht. Anders als die Finanzmanager, die in dem Londoner Wohnort Richmond leben, wird von den deutschen Finanzmanager Bukit Timah nicht als ein ruhiger Ort im Kontrast zu den konfliktreichen Orten im Zentrum der Stadt empfunden. Da sie die Stadt Singapur als eine sozial harmonische Stadt betrachten, werden die sozialen und architektonischen Differenzen zwischen den Stadtgebieten von ihnen anders bewertet. Anders als die Geschichte der Flucht in den suburbanen Ort vor den Gefahren des Urbanen, die mit der Entwicklung von Richmond verbunden wird, wird die Entwicklung von Bukit Timah mehr als eine von der Kolonialregierung forcierte Erweiterung des städtischen Raums zur Befriedung der gefährlichen Natur und der Verdrängung von Tigern beschrieben. Auch wenn die deutschen Finanzmanager Bukit Timah als einen Wohnort identifizieren, an dem neben Expatriates wohlhabende Chinesen wohnen, wird der Ort von ihnen weniger als besonders exklusiv benannt. Die deutschen Finanzmanager verbinden mit diesem Ort nicht das Gefühl, sich an einem durch seine Traditionalität ausgezeichneten Ort zu befinden. Anders als Richmond, den sie als einen traditionellen Ort der britischen Oberklasse und des Königshauses, als „kulturell geschichtlich beladen“ (L10: 502) betrachten, ist Bukit Timah für sie nicht durch eine solche Exklusivität charakterisiert. Auch wenn sich in Bukit Timah Einrichtungen der ehemaligen Kolonialherren befinden wie der von den Briten gegründete Singapore Turf Club oder der British Club, ist für die Finanzmanager „hier draußen“ (S6: 28; S3: 17), im Außenposten des Zentrums, keine solche exklusive Traditionalität wie in Richmond oder der City of London spürbar. Die hier zu betrachtenden kolonialen Gebäude erinnern eher an die abhängige Entwicklung Singapurs als kolonialer Aussenposten, in dem nicht nur die Klubs sondern auch die Bungalows, in denen die Finanzmanager wohnen, eine besondere koloniale architektonische Struktur sind, die ursprünglich vom Zentrum in Europa aus in die städtische Struktur der ehemaligen Kolonie eingeprägt wurde (zur Entwicklung und Verbreitung von Bungalows, vgl. King 1984).

Das bequeme Wohnen – die unsichtbare Maid Vom Erdgeschoss der zweistöckigen Bungalows haben die hier lebenden Finanzmanager meistens einen direkten Ausgang, der in den gepflegten Garten führt. Hier befindet sich manchmal ein Swimmingpool oder ein Teich mit darin schwimmenden Kois, fast immer gibt es einen Grill und damit die Möglichkeit, andere in Singapur 247

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Wohnende zum gemeinsamen Grillen einzuladen. Von den deutschen Finanzmanagern, die mit ihren Kindern in Singapur wohnen, haben fast alle eine eigene Hausangestellte – eine Maid – die jedoch anders als in Deutschland üblich direkt mit ihnen in dem Haus oder in der Wohnung wohnt. „Die wohnt hier, das ist in Singapur nicht anders möglich, in Shanghai war es möglich, dass die Maid abends nach Hause ging, weil sie die eigene Familie zu Hause hatte, ihre eigene Wohnung. Hier die Maids, die kommen in der Regel aus den Philippinen, aus Indonesien oder aus Sri Lanka, haben also keine eigene Bleibe hier, haben keine Familie hier, wohnen deshalb bei ihrem Arbeitgeber“ (S14: 257-260). „Jedes Haus hier hat einen Maids-Room, der meistens hinterm Backyard ist, da hat die ihr eigenes Badezimmer, hat ihr eigenes Zimmer und da ist der Backyard auch gleich hinten drin, wo die Waschmaschine und das ganze Zeug steht. Im Prinzip, das Haus hat ein Vorderhaus und ein Hinterhaus und die Küche ist dazwischen. Die Küche ist quasi die Verbindung vom Herrenhaus zum Gesindehaus, wenn Sie so wollen, hätte man früher gesagt. Das ist hier auch, die ganzen Wohnungen sind hier auch so angelegt. Es gibt in jeder Wohnung immer einen Maids-Room. Und der Maids-Room hat normalerweise immer einen direkten Zugang zur Küche“ (S16: 469). Die Architektur der Häuser und Wohnungen in Bukit Timah, das vom Rest der Wohnung separierte Maids-Quarter oder der Maids-Room, ist bereits auf die Beschäftigung einer solchen Maid ausgelegt. Ihre Anstellung wird von den deutschen Finanzmanagern als eine Aktivität empfunden, die einer selbstverständlichen Normalität entspricht; eine Normalität die sich für sie schon allein durch die spezifische Innenarchitektur der Häuser und Wohnungen ergibt. Dies drücken zwei Finanzmanager so aus: „Das ist hier in Singapur, sag ich mal, ein üblicher, äähm, ja, Bestandteil des Haushaltes, dass man hier ein Hausmädchen hat. Sogar der normale Singapurianer, meine Kollegen, die haben alle ein Hausmädchen zu Hause“ (S3: 173). „Das ist im Grunde genommen in jeder singapurianischen Wohnung, ob das nun ein Apartment ist oder ob das ein Haus ist, ist das automatisch mit vorgesehen. Man hat also immer einen Raum für die Maid. Und der ist immer außerhalb vom Haus, das heißt also, wenn ich zur Küche raus gehe, hab ich rechts noch ein Zimmer dran für die Maid. […] Also eigentlich lebt sie nicht im Haus drin sondern hat ein angebautes Zimmer“ (S13: 325-329). Die deutschen Finanzmanager betrachten in Singapur die Maid als „übliche[n] Bestandteil des Haushaltes“, eine Perspektive, die sich im Rahmen ihres Einpassens in den besonderen Ort, Bukit Timah, in Singapur ergibt. Auch wenn in Singapur die Beschäftigung von Maids üblicher ist als das in Deutschland der Fall ist, ist diese in Singapur im Wesentlichen der zahlungskräftigen oberen Mittelklasse und der Oberklasse vorbehalten; also denjenigen, die bevorzugt, wie die deutschen Finanzmanager, in Wohnungen bzw. Häusern des privaten Wohnungsmarktes in Stadtvierteln 248

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wie in Bukit Timah wohnen. So wurden im Jahr 2005 in Singapur insgesamt eine Zahl von 150.000 Domestic Workers – also Maids, die für die Zeit ihrer Anstellung meistens aus Indonesien, den Philippinen und Sri Lanka vorrübergehend nach Singapur einwandern – beschäftigt. Diese sind damit nur in einem Siebtel aller Haushalte (vgl. Singapore Institute of International Affairs 2007) ein „üblicher Bestandteil“. Die gefühlte Normalität der Beschäftigung von Maids ist mehr eine Normalität in den Wohnorten der wohlhabenden Bevölkerung, in denen die deutschen Finanzmanager wohnen. Trotz dieser lokalen Normalität und der materiellen Ausrichtung des Wohnungsraums auf eine Hausangestellte ist die Beschäftigung einer Maid für die deutschen Finanzmanager oft mit einem Gefühl des Unbehagens verbunden. Daher betonen sie immer wieder eben die Normalität und den fehlenden Luxuscharakter einer solchen Beschäftigung in Singapur. Dabei stellen sie in ihren Erzählungen besonders die Differenz zu der Situation in Deutschland heraus, wo aus ihrer Perspektive, anders als in Singapur, eine solche Beschäftigung als unangebrachter Luxus gilt. Aus dieser Perspektive heraus haben die Finanzmanager daher das Gefühl, dass sie diese Beschäftigung gegenüber den in Deutschland gebliebenen, die selbst keine eigene Erfahrung des Einpassens in Singapur haben, besonders rechtfertigen oder sogar verschweigen müssen. Das führt ein Finanzmanager so aus: S17: „Das ist aber kein großer Luxus, fast hätte ich gesagt, jeder Müllmann hat hier eine, das ist hier ganz normaler Lebensstil. Kein Luxus. Das wird einem am Anfang noch erklärt, hab kein schlechtes Gewissen, hab ein gutes Gefühl, weil du verschaffst einem Menschen Arbeit. Das ist schwer zu rechtfertigen und in Deutschland erzähle ich das nie jemandem, weil das in Deutschland falsch aufgefasst wird. Es ist wirklich schwer zu verstehen, nicht?“ I: „Ja, es ist was anderes zumindest.“ S17: „Und erweckt Neid, also ich erzähle es niemandem Zuhause, weil es ist ... aber es ist hier eine ganz normale Sache“ (S17: 370-372). Mit dem Unbehagen und Verschweigen der Beschäftigung einer Maid gegenüber den in Deutschland gebliebenen drückt sich eine besondere deutsche und weiße Identitätsperformance der Finanzmanager in Abhängigkeit vom Ort aus. Mit ihren deutschen Identitäten, deren Baustein auch eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte als Deutsche ist, stehen sie dieser Art der Beschäftigung, die von ihnen als „moderne Sklaverei“ (S3: 177) empfunden wird, distanziert gegenüber. Andeutungen die Hinweis darauf geben, dass es für die deutschen Finanzmanager Teil ihres Deutschseins ist, sich kritisch mit der deutschen Geschichte, der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinander zu setzen, gibt es hier immer wieder: sei es in dem sie in ihrem Haushalt Filme wie Schindlers Liste haben oder dass sie in den Gesprächen mit mir immer mal wieder solche Andeutungen machen. So sagte beispielsweise ein Interviewpartner im Spaß zu der Anonymisierung seines Namens in S8, das die Hauptsache wäre, dass ich nicht SS als Kürzel für ihn verwenden würde. 249

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Für die Finanzmanager in Singapur ist es Teil ihres Weißseins, sich gerade in Differenz zu den asiatisch stämmigen Singapurern als aufgeklärte und sozial verantwortungsvolle Personen zu präsentieren, die daher ihre kritische Haltung zu dieser „modernen Sklaverei“ verdeutlichen. „Das ist eigentlich ein bisschen moderne Sklaverei, in Anführungsstrichen. Die Mädels, also unser Mädchen, die kriegt 270 Singapurdollars für einen Monat. Ans Gouvernement muss man noch 350 zahlen, das ist so ein Maid-Level und gut, dann halt Essen und Trinken und so was, ist natürlich auch frei“ (S3: 177). Ein Interviewpartner beschreibt die Vermittlung der Maid über die Agenturen als „eine Art Fleischbeschau“ (S11, Feldnotizen) in der man über die Herkunft, die biometrischen Daten und die Fotographie in einem Katalog die eigene Wunschmaid auswählt. Ein anderer Finanzmanager führt aus, wie er an seine Maid gekommen ist und drückt seine Distanz zu dieser Art der Vermittlung so aus: „Da gibt es Agenturen. Das ist wie ein Reisebüro oder ein Friseurgeschäft, da geht man rein und sagt: „Guten Tag, ich bräuchte mal eben“ und dann werden einem ein paar Mädchen gezeigt, die guckt man sich an, die sagen dann einen Satz, dann sagt man: „Die nehm ich“. Unglaublich, ne? Komische Sache“ (S17: 387-389). Immer wieder präsentieren sich die deutschen Finanzmanager im Umgang mit den Maids als verantwortungsvolle soziale Wohltäter, deren eigenes Handeln sie in Kontrast zu dem aus ihrer Perspektive, als unverantwortlich empfundenen Umgang der asiatisch stämmigen Singapurer mit den Maids beschreiben. So führte ein Finanzmanager aus, dass er extra das Maid-Quarter mit einer Klimaanlage verbessert hat und andere betonen, dass sie im Unterschied zu den asiatisch stämmigen SingapurerInnen ihren Maids am Sonntag einen freien Tag geben würden. Ein Finanzmanager führt diesen Unterschied, den er zwischen sich als weißem Arbeitgeber und den asiatisch stämmigen Arbeitgebern sieht, so aus: „Bei Expats haben es diese Frauen besser, weil sie nicht so ausgebeutet werden. Aber wir können es auch nicht so machen, wie es unser Gewissen es uns sagen würde als Europäer, sondern wir müssen uns schon einigermaßen dran halten, sonst ist das immer schlecht, ne, die einen kriegen solche Luxusleistungen und die anderen nicht, ne. An sich haben die ein sehr hartes, schweres Leben. Die meisten chinesischen Maids arbeiten 7 Tage die Woche von 5 Uhr morgens bis 12 Uhr nachts. Unsere haben hier sonntags frei“ (S17: 377). „Das ist nicht so, dass sie irgendwie unterdrückt werden, also, bei uns jedenfalls, bei den meisten Leuten, weil das liegt nicht in unserer Natur, seit Sklaventagen gab es so was bei uns nicht mehr. Aber diese Mädchen, sie ist schon dreizehn Jahre hier in der Stadt, dreieinhalb Jahre hier bei uns. […] Sie hat vorher in chinesischen Familien gearbeitet und so, wie wir sie erhalten haben, weiß ich, wie sie da gelebt hat und das ist schwer, für so einen Europäer schwer zu verstehen, wie man das Menschen

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antun kann. Wir haben inzwischen kein schlechtes Gewissen mehr, wir leben gut mit ihr“ (S17: 394-396). Das anfängliche Unbehagen, das die Finanzmanager in der Beschäftigung der Maids haben und das ihrer Identitätskonstruktion als Weißer und als Deutscher widerspricht, löst sich im Kontakt zu den Strukturen in Singapur weitgehend auf. Die Beschäftigung einer Maid wird ihnen hier nah gelegt; die Architektur der Wohnung, die hier allgegenwärtigen Agenturen und die Normalität der Beschäftigung eine Maid in Bukit Timah sind zusammen mit den berichteten Erfahrungen und Vermittlungshilfen innerhalb der Expat-Community wirkungsmächtige Strukturen, die für die Finanzmanager eine Veränderung ihrer Identitätsperformance mit sich bringt. Mit der Betonung eines besonders verantwortungsvollen Umgangs mit den Maids, der in einen Gegensatz zu dem Umgang der asiatisch stämmigen SingapurerInnen gestellt wird, wird die Beschäftigung einer Maid wieder passfähig zu den eigenen Identitäten als Weiße und als Deutsche gemacht. Teil der weißen Identität der deutschen Finanzmanager ist es, sich in Singapur als ein Wohltäter zu präsentieren, sei es dass die deutschen Frauen sich in Wohlfahrtsvereinigungen engagieren oder das man mit den Maids verantwortungsvoll umgeht, sie nicht als moderne Sklavinnen behandelt, sondern als Angestellte, die auch am Sonntag frei bekommen. Mit dieser Übernahme der Rolle als Wohltäter führen die deutschen Finanzmanager somit eine spezifische Form des Weißseins und Deutschseins auf: Sie passen sich in Singapur ein. Für die deutschen Finanzmanager ist es Teil ihres Einpassens nicht nur diese Rolle als Wohltäter einzunehmen sondern sich an die Präsenz der Maid in der eigenen Wohnung zu gewöhnen und die Maid so „umzutrainieren“, dass sie sich den eigenen Identitätsbedürfnissen entsprechend in der Wohnung verhält. Das formuliert ein Interviewpartner so: „Man gewöhnt sich da ganz schnell dran, auch als Europäer, wo man das wirklich nicht gewöhnt ist. Das Problem haben die meisten. Aber das sind Menschen, die sind so unauffällig, so gewöhnt, also, wir mussten sie richtig umtrainieren, sie ist am Anfang hinter uns her gelaufen und hatte unsere Schuhe in der Hand und wollte die uns anziehen. Inzwischen ist sie freier und offener, traut sich zu reden, die würden einen auch niemals ansprechen, also, man hat überhaupt kein Problem, weil die sind immer hinter dir, die laufen hinter dir her und sagen nix, wenn sie nicht gefragt werden“ (S17: 381). Die Maids verhalten sich in den Wohnungen der Finanzmanager sehr unauffällig, sie vermeiden es, ihre Körper in den Vordergrund zu bringen, sie sprechen ihre weißen Arbeitgeber nicht direkt an – nicht nur auf mich entstand der Eindruck, dass sie wie unsichtbare Heinzelmännchen ihrer Tätigkeit nachgehen. So berichtet ein Interviewpartner über die Präsenz der Maid in dem privaten Umfeld:

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„[Das] stört insoweit nicht, als man klare Absprachen hat oder klare Absprachen machen kann. Wir haben zum Beispiel die Regelung, wenn keine Gäste da sind oder wenn kein größeres Dinner oder was war, dann verschwindet die Maid ab 8 Uhr in ihrem Bereich, die sehen wir nimmer, ja. Nach 8 Uhr kommt die vorne ins Wohnzimmer nicht mehr rein. Wir gehen nicht in ihren Bereich, sie kommt nicht in unseren Bereich. Ich mein, man trifft sich vielleicht in der Küche. Sie hat aber auch, sie muss noch nicht einmal um ihr Essen zu machen in unsere Küche, die hat ihre eigene Küche. Die hat im Prinzip eine eigene Wohnung. Ich mein, das hat nicht jeder, aber ich hab den Luxus, mein Backyard ist so groß, dass ich, da hab ich selber halt der ’ne Küche reingebaut. Die hat ihre Spüle, ihren Herd, eine Mikrowelle, Kühlschrank, die kann da hinten im Prinzip vier Wochen überleben ohne dass Sie es merken. Und so ist es eigentlich geregelt und am Wochenende, also Sonntags hat sie frei, da wollen wir sie dann auch nicht da haben, also, wenn sie am Wochenende frei hat, dann soll sie auch raus und ansonsten, man gewöhnt sich daran, das ist kein großes Problem. Ich seh’ sie sowieso nicht, ich mein, gut, ich seh sie zum Frühstück morgens, weil sie macht Frühstück, und dann gehe ich ins Büro und normalerweise, wenn ich aus dem Büro heimkomme um halb 8, 8, dann ist die schon weg. Ich sehe nur morgens, dass meine Schuhe glänzen oder nicht. Wenn die Schuhe nicht glänzen, dann, oh, wieder keine Maid da [lacht]“ (S16: 486-491). Ein anderer erzählt: „Das war eine ziemlich große Umstellung für uns, weil Privatsphäre und so weiter, hat sich dann aber recht gut eingespielt, weil ihr Zimmer dann doch so angelegt ist in der Wohnung, dass man abends die Türe zu machen kann und es ist ein separater Bereich. Weil sie ihren eigenen Aus- und Eingang hat“ (S14: 259). Die deutschen Finanzmanager fühlen sich daher in ihrer Privatsphäre nicht durch die Maids gestört, da diese durch eine spezifische Innerarchitektur und durch Anweisungen, bzw. „Umerziehung“ von ihnen dazu gebracht werden, sich den Identitätsbedürfnissen der weißen Deutschen angemessen zu verhalten. Dementsprechend soll sich die Maid weniger als eine moderne Sklavin verhalten, die ihnen beständig folgt und selbst nicht sprechen darf, sondern mehr als eine bezahlte Angestellte, der von den Finanzmanagern auch bestimmte Rechte eingeräumt werden.

Eine neue Männlichkeit aufführen – Die Rolle der Frau Für die Ehefrauen der deutschen Finanzmanager, die mit ihnen nach Singapur gegangen sind und die dort ohne eigene Arbeitserlaubnis nicht der Lohnarbeit nachgehen können, hat die Beschäftigung einer Maid eine neue Rolle zur Folge: Die der Arbeitgeberin. Sie übernimmt in Singapur nun die Aufgabe, die Haushaltsarbeit an die Maid zu delegieren. „Verschiedene Maids haben eine andere Auffassung von Sauberkeit als meine Frau. Und das passt nicht so richtig zusammen, manchmal“ (S16: 456-463).

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Mit dem Umzug nach Singapur leben die deutschen Finanzmanager, die mit ihrer Frau und ihren Kindern hierher gehen ähnlich wie diejenigen, die mit ihrer Familie nach London gehen, eine bestimmte Männlichkeit aus: Sie haben die Rolle als alleiniger Versorger der Familie. Die geschlechtliche Arbeitsteilung ist in den Familien der deutschen Finanzmanager klar verteilt. Die deutschen Frauen, die in Singapur nur schwer eine Arbeitserlaubnis bekommen, haben nicht die Möglichkeit, einer eigenen Lohnarbeit nachzugehen. Sie organisieren den Haushalt und die Kindererziehung, halten die sozialen Kontakte nach Deutschland aufrecht, knüpfen neue soziale Netzwerke in Singapur oder engagieren sich in sozialen Hilfsorganisationen. So sagt ein Interviewpartner über die Tätigkeit seiner Frau: „Jetzt macht sie mit ’ner Freundin, verkauft sie auf, wie soll ich das sagen, auf nicht professioneller Basis, also ohne Geschäft, verkauft sie so Klamotten, die aus Deutschland kommen, so Restposten und so was. Ist aber eher eine Beschäftigung, ist kein Job, in dem Sinne mit dem Ziel Geld zu verdienen sondern eher um Kontakte zu knüpfen oder zu pflegen, mit anderen Familien hier, mit anderen Expats oder ...“ (S17: 78). Die deutschen Finanzmanager passen sich in Singapur in eine besondere Form der geschlechtlichen Arbeitsteilung ein, die sich von derjenigen in Deutschland unterscheidet. In Singapur haben sie – als diejenigen mit einer Arbeitserlaubnis – noch deutlicher als in Deutschland in die Rolle des Familienernährers. Da aus ihrer Perspektive die Frauen in Singapur nur einen geringen Status haben, sind sie auch gleichzeitig das handlungsfähige Familienoberhaupt. Ein Finanzmanager berichtet über diese Rolle folgendes: „Als Frau in Singapur, das können Sie sich ja mal erzählen lassen, ist nicht so angenehm, weil als dependent, was die, wie soll ich das sagen, was der Status einer Frau hier ist, die ist nichts wert. Man kann auch nichts kaufen oder sie konnte nicht mal ihre mobile Subscription unterschreiben alleine, weil sie dependent ist. Weil ich das Geld verdiene, also muss alles der Mann unterschreiben“ (S17: 46-48). Mit der Veränderung der Rolle der Frau wandelt sich auch die männliche Identitätsperformance der deutschen Finanzmanager in Singapur gegenüber derjenigen in Deutschland – sie passen sich in Singapur ein. Ihre männliche Identitätsaufführung in Singapur erinnert an diejenige Form von Männlichkeit, die in den 1960er Jahren in Deutschland vorherrschend war und die sich dort mit der Ausbildung einer neuen männlichen Identität, zu der es auch gehören kann im Haushalt und in der Kindererziehung mehr Aufgaben zu übernehmen (vgl. Döge 2006), verändert hat. Die Einpassung ihrer männlichen Identität in Singapur drückt sich darin aus, dass die deutschen Finanzmanager hier die Rolle als verantwortliches Familienoberhaupt übernehmen, das allein das Familieneinkommen sichert und durch die besonderen sozioökonomischen Strukturen eine größere Machtfülle als in Deutschland hat. Verbunden mit dem Gefühl mit der eigenen weißen Identität und als globale Elite in Singa253

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pur begehrt zu sein, scheint sich mit zunehmender Länge des Aufenthalts in Singapur ihre Männlichkeit soweit einzupassen, dass ihre Aufführung in Deutschland eher befremdlich wirken würde. So berichtet ein Finanzmanager davon wie ein Freund eine solche veränderte Männlichkeit, die aus seiner Perspektive eine spezifische asiatische Männlichkeitsperformance ist, in Singapur aufführt: „Mit einem Deutschen, der hier mit einer Malayin verheiratet ist, der aber eigentlich auch schon sehr asiatisch ist, auch in seinem, sagen wir mal Machogehabe, auch gegenüber Frauen, das ist halt sehr asiatisch. Er ist, ja, eigentlich ist er da Asiat an der Stelle. […] Wir haben hier mal zusammen Essen gemacht, da gab’s Shrimps, da pult er nicht die Shrimps, sondern seine Frau pult sie für ihn. Oder wenn Frauen was sagen zu bestimmten Themen, dann lässt er das unter den Tisch fallen, dann ist das, dann ignoriert er das, das ist schon sehr asiatisch. Da gibt es viele Dinge. Wenn er Bauchschmerzen hat, darf seine Frau abends nicht in die Disco gehen alleine. Weil dann muss sie ihn pflegen“ (S17: 224-228). Das hier von einigen deutschen Finanzmanagern aufgeführte „Machogehabe“ korrespondiert mit ihrem Gefühl, durch die eigene weiße Identität in Singapur begehrt zu sein. Manche der Finanzmanager deuten an, dass sie sich hier auch besonders von den asiatischen Frauen begehrt fühlen, sie sehen diese Anstrengungen unternehmend um ihre Bedürfnisse – die des weißen Mannes – besser zu erfüllen. So berichtet mir ein Interviewpartner davon, dass er lieber mit asiatischen Frauen eine Beziehung eingeht, da diese sich mehr pflegen und auf ihren Körper achten und damit aus seiner Perspektive ihre körperlichen Zurichtungen mehr auf die Befriedigung seiner Bedürfnisse ausgerichtet ist und sie sich stärker mit den eigenen Bedürfnissen zurückhalten, als dies die Frauen in Deutschland tun. Er führt dies so aus: „Die Frauen sind eben, a sehen sie als Paket eigentlich immer netter aus als in Europa. Da kann eine hier 40, 50 sein, sieht immer noch attraktiv aus, ist gepflegt. Während in Deutschland haben sie dann irgendwelche Blunzen oder rauchen oder, ich sag ihnen jetzt mal, übertreib mal, einfach um das darzustellen, sind auch rechthaberisch und hier sind sie eben, wenigstens wenn sie draußen sind, geben ihnen sozusagen das Gesicht […] sagen nicht du blöder Hund oder was oder das war falsch, sondern die sagen mehr, das sagen sie ihnen dann in einer ruhigen Minute irgendwo zu Hause, ja“ (S11: 49-53). Die von diesem Interviewpartner als positiv empfundene, in ihrer Kritik zurückhaltende asiatische Frau scheint so passgenau zu dem „Machogehabe“ einiger weißer Männer, in der ehemaligen Kolonie Singapur zu sein; eine Konstellation von geschlechtlichen Identitäten, die an die der Kolonialzeit erinnert (vgl. Stoler 2002). Infolge dieser strikteren geschlechtlichen Arbeitsteilung innerhalb der Familien der deutschen Finanzmanager, also infolge ihres Einpassens der veränderten Performance von geschlechtlichen Identitäten in Abhängigkeit vom Ort, können für die Familie Spannungen entstehen. Aus der Perspektive der deutschen Finanzmanager entsteht die Notwendigkeit aus der Veränderung der geschlechtlichen Performances 254

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die richtigen Konsequenzen für eine Konfliktvermeidung zu ziehen und der eigenen Frau, beispielsweise auch über die Beschäftigung einer Maid, Entscheidungs- und Handlungsfreiräume zu schaffen. Das drückt ein Interviewpartner so aus: „Und hier ist es aus meiner Sicht kein Luxus eine Hausangestellte zu haben sondern eine Notwendigkeit, es sei denn, dass man fortlaufend Ärger mit seiner Frau haben will. Denn sie verbrauchen hier natürlicherweise wesentlich mehr Wäsche als in Deutschland. Ein Hemd einen halben Tag an, wenn ich dann nach Hause komme, wechsele ich das durchaus mal, am Wochenende mehrfach, wenn man spazieren geht, klar, und, mal Krümel vom Brot unterm Tisch liegen zu lassen und am nächsten Tag wegzukehren ist halt hier nicht angesagt, zumindest nicht empfehlenswert, weil von den Ameisen über Cockroaches bis hin zu den Geckos, freuen die sich natürlich alle ganz gewaltig darüber und wenn sie einmal zu viele Haustiere in der Gestalt haben kann das durchaus mal zu größeren Haustieren, die dann noch weniger freundlich sind, führen. Von daher gesehen: Es muss sofort weggespült werden, Krümel müssen beseitigt werden, hinter jedem Krümel mit dem Staubtuch oder dem Waschlappen hinterher zu gehen, mag für jemanden, der nicht in den Tropen geboren worden ist, nicht unbedingt so ganz erhebend sein. Es gibt sicherlich Expats, die versuchen es ohne die Maid, ähm, all due respect, ist die hygienische Qualität der Wohnung nicht so, wie ich sie mir vorstellen würde. Das kriegen Sie einfach nicht gebacken, es sei denn, dass Sie dann tatsächlich 100 Prozent Hausfrau sind. Aber auch da, von daher sind die 500-600 Singapurdollar, die man investieren muss in die Maid sicherlich gut angelegt“ (S15: 250-254). Ein anderer Finanzmanager führt aus, dass: S11: „Wenn man verheiratet ist, das gilt aber für jedes Land, lässt man die Frau die Wohnung aussuchen und suchen, weil sonst gibt es nur permanenten Ärger. Sie sind verheiratet oder nicht?“ I: „Ich nicht, nein.“ S11: „Freundin?“ I: „Ja, ’ne Freundin.“ S11: „Ja, gut, dann werden Sie das auch noch erleben [lacht]. Lassen sie die, also wenn sie ins Ausland gehen, lassen sie die suchen, ja? Weil sie die … die sitzt zu Hause und die muss happy sein“ (S11: 111-115).

Eintritt in die Deutsche Schule und in die Deutsche Community Die deutschen Frauen, die als Mütter in Bukit Timah wohnen haben über ihre Kinder, die sie zu der nahen Deutschen Schule bringen, einen engen Kontakt zu den Aktivitäten der deutschen Community, die sich in der Schule und dem angrenzenden Swiss Club konstituiert. Die deutschen Finanzmanager bringen ähnlich motiviert wie diejenigen in London ihre Kinder zumeist zur Deutschen Schule, um diesen so bei der Rückkehr nach Deutschland eine leichtere Integration in das deutsche Schulsystem zu ermöglichen.

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Abbildung 56: Eingang zur Deutschen Schule in Bukit Timah Von ihren Häusern in Bukit Timah erreichen die deutschen Finanzmanager in einer Fahrt von wenigen Minuten die Deutsche Schule, die direkt neben dem von ihnen häufig besuchten Swiss Club in Bukit Timah liegt. Auch wenn sich die relativ geringen geografischen Distanzen in Singapur schnell überbrücken lassen, heben die Finanzbeschäftigten die unmittelbare Nähe zur Schule als einen besonderen Vorteil des Wohnens in Bukit Timah hervor. Denn die Schule ist nicht nur eine Einrichtung, in die die Kinder einmal am Tag fahren müssen, sie ist für die in Bukit Timah wohnenden deutschen Frauen der Finanzmanager zusammen mit dem angrenzenden Swiss Club der Hauptanknüpfungspunkt zur Bildung von sozialen Netzwerken und ein zentraler Anker ihres Tagesablaufs. Durch die schnelle Erreichbarkeit und die geringe Distanz zu ihrer Wohnung können sie sich dort besonders leicht und häufig engagieren. Ein Interviewpartner drückt den Vorteil in der direkten Nähe zur Deutschen Schule zu wohnen so aus: S17: „Die Deutsche Schule ist hier um die Ecke. ... Und die Eltern oder die Mütter sind schon häufig überfordert da, das heißt, die bringen die Kinder hin und nach einer Stunde müssen sie die Kinder wieder abholen. Wenn diese Gurkerei dann entfällt, man fährt nach Hause und kann gleich wieder zurück fahren, war die Überlegung, nah zur deutschen Schule zu wohnen.“ I: „Wieso ist das so, dass man die so schnell wieder abholen muss, die Kinder?“ S17: „Wenn da gewisse Aktivitäten sind […] die Mütter werden sehr stark einbezogen, vielleicht auch weil wir im Ausland sind. Vielleicht ist das der Grund dabei,

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aber die Mütter sind sehr stark dabei, auch die Väter, nur die Väter sind meistens unterwegs“ (S17: 50-54). Durch ihre Aktivitäten in der Deutschen Schule und in dem Swiss Club, in den sich der Deutsche Klub integriert hat, bilden die deutschen Frauen recht schnell umfangreiche soziale Netzwerke aus. Weil für sie die Lohnarbeit hier nicht möglich ist und durch die Beschäftigung der Maid die Hausarbeit weitestgehend wegfällt, können sie sich besonders gut in der Schule engagieren. Ein Engagement, dass an der Deutsche Schule einer gewissen Normalität entspricht, die mit einem Forderungscharakter nach Anpassung einhergeht: Hier werden „die Mütter […] sehr stark einbezogen“ und können daher auch leicht untereinander soziale Netzwerke bilden. „Kennen tun wir unglaublich viele Leute. Die deutsche Gemeinde kennt sich, ich kenne alle Frauen, alle kennen mich, die Kinder kennen sich. Die Männer kennen sich seltener, die sehen sich eben seltener“ (Frau von S17: 232). Aus Perspektive der Frauen ist es hier leicht in Kontakt zu anderen Deutschen zu kommen. Die gemeinsame nationale Identität bietet ihnen bekannte Anknüpfungspunkte, die auch von vielen der anderen Deutschen gesucht werden. Wenig abenteuerlich ist die Suche nach vertrauten Identitäten in der Fremde für viele der deutschen Finanzmanager eine wichtige Aktivität. In der als fremd imaginierten Stadt, also „hier draußen“ (S6: 28; S3: 17), ist die deutsche Identität eine, die Zusammengehörigkeit und Vertrautheit vermittelt und so eine leichtere Kontaktaufnahme zulässt als dies in Deutschland der Fall wäre. Das führt die Frau eines Finanzmanagers so aus: „Alle Leute sind sehr viel zugänglicher als in Deutschland. Der Deutsche an sich ist auch eher ein etwas zurückhaltender Mensch Fremdem gegenüber, das habe ich jetzt noch ein wenig vorsichtig ausgedrückt. Aber wenn man im Ausland ist und weil alle in der gleichen Situation sind, hat man keine Probleme irgendeinen Fremden [sie meint andere Deutsche] direkt anzusprechen. Das würde ich in Deutschland niemals machen, was ich hier den ganzen Tag mache“ (Frau von S17: 241). Die Kontaktaufnahme zu den anderen Deutschen in der Deutschen Schule oder im Swiss Club bekommt für meine Interviewpartnerin eine besondere Leichtigkeit in der Kontrastierung zu der als schwer empfundenen Kontaktaufnahmen zu den asiatisch stämmigen SingapurerInnen aus der direkten Nachbarschaft. „Wir sind ja schon so lange hier und ich hab zwar eine malayische Freundin, aber die ist mehr deutsch als malayisch, sonst haben wir nur Expat-Freunde, keine Chinesen. Die, die Nachbarn grüßen einen nicht mal auf der Straße, man trifft schon mal einen, der „Guten Tag“ sagt, aber ansonsten wollen die mit uns nix zu tun haben, wir sind Gastarbeiter, die sind zwei, drei Jahre hier, die meisten und dann gehen sie wieder“ (Frau von S17: 198).

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„Die Kontakte, die wir haben, sind durch die Schule, durch die Kinder, durch den Klub, durch äh, das Motorradfahren, solche Sachen verbinden, aber Nachbarschaft verbindet einen hier gar nicht“ (Frau von S17: 204). Mit der Entscheidung, die Kinder in die Deutsche Schule in Bukit Timah einzuschulen geht aus ihrer Perspektive, wie auch in der Deutschen Schule in Richmond, automatisch eine Integration in die deutsche Community einher. Diese Community ist jedoch weniger an den Wohnort Bukit Timah gebunden sondern mehr an die Deutsche Schule und den Swiss Club. Das Netzwerk der miteinander verbundenen deutschen Community geht über den Wohnort Bukit Timah hinaus, in die anderen Wohngebiete der deutschen Expats. Diese Gebiete, wie das Holland Village, die Umgebung der Orchard Road, die West oder East Coast, sind aus der Perspektive der deutschen Expats schnell und unkompliziert erreichbar und hinterlassen bei ihnen einen gegeneinander weniger abgetrennten Eindruck als dies von ihnen in den Wohngebieten in der sozial geteilten Stadt London empfunden wird. Auch hier außerhalb von Bukit Timah wohnen Deutsche, die ihre Kinder in die Deutsche Schule bringen oder die Mitglieder im Swiss Club sind. In der folgenden Interviewsequenz wird diese besondere Kontaktaufnahme erläutert: Frau von S17: „Es sind durch die Deutsche Schule, an der mehr Deutsche sind, kennen wir mehr Deutsche. Aber, also erstmal suchen wir das nicht danach aus, das macht keiner. Jeder der bereit ist, wenn man sich sympathisch ist, dann ist das völlig egal. Man spricht sowieso Englisch miteinander, deshalb ist die Nationalität überhaupt nicht wichtig. Um die Sprache geht es nicht.“ I: „Aber sozusagen, weil man in diesem Klub ist, trifft man ...“ Frau von S17: „Ausnahmsweise mehr Deutsche, durch die Deutsche Schule hauptsächlich. […] Also erst mal verbringe ich vier Tage da. Vier Nachmittage verbringe ich in der Schule. […] Weil die Kinder nachmittags Unterricht haben, aber klar, die haben die Mütter dabei, da sitzen da schon mal 100 Mütter zusammen und schnattern.“ S17: „Hundert potenzielle Freundinnen.“ I: [lacht] „Das heißt, die Schule ist auch so eine Art Kindergarten dann? Das geht so ineinander über?“ Frau von S17: „Ja, die hat einen eingegliederten Kindergarten und Vorschule und dann die Schule, das gehört da alles zusammen und auch noch ganz kleine Kinder, Babygruppen und so was“ (S17: 256-266).

Der Swiss Club – Die entspannte deutsche Community In dem an die Deutsche Schule angrenzenden Gebiet des Swiss Clubs sind viele der in Singapur arbeitenden deutschen Finanzmanager Mitglieder. Diese Mitgliedschaft bekommen sie zumeist von ihren Arbeitgebern zugestanden, hier Mitglied zu sein wird von einigen als eine Zwangsläufigkeit geschildert.

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„Der Expatriot führt meist, wenn er ’ne Familie hat, ist er meist Mitglied im Swiss Club und da treffen sich dann alle. Ich meine, die Engländer sind im englischen Klub, die Amerikaner im amerikanischen Klub“ (S10: 392). Die Mitgliedschaft in diesem Klub kostet für eine zeitlich unbegrenzte Zeit eine einmalige Eintrittsgebühr von 9.600 S$ und eine monatliche Gebühr von 90 S$ (vgl. Swiss Club Singapore 2007), daher drückt sie in ihrer Höhe die Exklusivität des Klubs aus, die sich auch in seiner Architektur widerspiegelt. Das Klubgelände ist durch eine Mauer und einem undurchdringbar erscheinenden grünen Pflanzengürtel von der Umgebung abgetrennt. Eine asphaltierte Straße führt direkt durch ein Tor gehend auf das Gelände. Die hier anfahrenden Taxis und Privatautos der Klubmitglieder müssen kurz an dem Tor und einem die Geschwindigkeit drosselnden Buckel anhalten, sprechen mit den Wachkräften und können schließlich nach dem öffnen der Schranke durchfahren.

Abbildung 57: Einfahrt Swiss Club Das Klubgelände präsentiert sich mit der Beschränkung des Zutritts als ein exklusiver Ort, der jedoch auch ohne Mitgliedschaft betreten werden kann, zumindest als weißer und deutscher Feldforscher, der seine Staatszugehörigkeit den danach fragenden Wachkräften für die Erlaubnis, eintreten zu dürfen, mitteilen musste. Auf dem großzügigen Gelände des Swiss Club befindet sich neben der Schweizer Schule, einem großen Swimmingpool und Tennisplätzen ein altes Klubhaus, in dem man in zwei verschiedenen Restaurants mit anderen Klubmitgliedern oder mitgebrachten Gästen essen kann. Hier herrscht eine ruhige, entspannte Atmosphäre, das Gelände erinnert an einen tropischen Ferienklub. Zwei Interviewpartner beschreiben ihre Aktivitäten in dem Klub so: „Das ist, was haben die, die haben einen Fußballplatz, die haben sechs Tennisplätze, die haben zwei große Schwimmbecken, dann haben die ein Restaurant und dann 259

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mehr Cafeteria und ein anderes Restaurant und dann teilen sie sich die Sporthalle mit der Deutschen Schule, also ’ne richtig große Turnhalle, nicht so ’ne kleine Hütte, oder was, da haben wir vier Badmintonfelder drauf und anschließend trinken wir dann ein Bier noch. Man muss ja einen Grund haben, damit man Badminton spielt [lacht]“ (S10: 270). „Ich bin Mitglied im Schweizer Klub und da fahr ich dann doch auch regelmäßig hin, ja. Als mein Sohn jetzt hier war, war es sehr regelmäßig, weil dann sind wir auch Squash spielen gegangen, Schwimmen, Tennis spielen, ja. Ansonsten auch mit Gästen gehe ich gelegentlich auch dort hin, auch da ist es ganz angenehm. Das ist einer der schönsten Plätze in Singapur und da ist es also auch ganz angenehm abends zum Essen zu gehen, weil die haben auch ganz, recht anständiges Essen da und da kann man dann durchaus auch mit Gästen hin gehen. Weil man sitzt da auch draußen und mit den Ventilatoren ist das richtig angenehm, als eben, viel schöner, als eben in einem gekühlten Restaurant zu sitzen“ (S13: 163-165). Mit Blick auf den Swimmingpool und die dort spielenden Kinder sitzen hier tagsüber einige deutsch sprechende Weiße und entspannen sich miteinander redend beim Bier und Essen. Hier bekommt man schnell den Eindruck, dass man mit anderen einfach ins Gespräch kommen kann. Ich selbst fühle mich als Nicht-Klubmitglied etwas unter Beobachtung stehend, alle anderen scheinen sich untereinander zumindest vom sehen zu kennen. Auch wenn an einigen der Tischen einige asiatisch stämmige Personen sitzen, so fällt doch die große Zahl von deutsch sprechenden Weißen auf, die sich hier befinden. Dass sich hier, nach den Aussagen einiger meiner Interviewpartner, die Schweizer und die Deutsche Community trifft 23 , wird mir so anschaulich demonstriert. Die Mitgliedschaft in diesem Klub ist gleich der Integration in diese Community. Über seine sozialen Kontakte in Singapur sagt ein Finanzmanager: „Durch den Schweizer Klub sind’s in erster Linie auch noch immer Deutsche und Schweizer“ (S13: 217). Ein anderer erläutert die Differenzierung der verschiedenen Klubs für seine Zwecke: S15: „Ich hab zwei Klubs von meinem damaligen Arbeitgeber zugestanden bekommen, einen sozialen Klub und einen geschäftlichen Klub. Und damals habe ich mich für Tangin und für Swiss Club entschieden.“ I: „Welches ist welcher, welches ist der soziale und ...“ S15: „Der soziale ist der Swiss Club, weil man dort die deutsche Gemeinschaft trifft, insbesondere nachdem der deutsche Klub zugemacht wurde und der Tangin Club ist eher der lokale Klub, wo man die Singapurianer trifft“ (S15: 181-183). In einem der Restaurants in dem Klubhaus von 1927 genießen die deutschen Finanzmanager es besonders, abends unter freiem Himmel sitzend die Natur in dem 23 Im Swiss Club sind 400 Deutsche und 300 Schweizer Mitglieder (vgl. Swiss Club Singapore 2007). 260

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Grüngürtel zu erleben. In dem Restaurant, dass mit seiner Architektur an die Zeit der kolonialen Außenposten erinnert – es hat einen Holzventilator anstatt einer modernen Klimatisierung und ist mit dunklem Tropenholz ausgestattet – genießen es die Finanzmanager in einem spürbaren, nicht durch ein Fenster gefilterten, Kontakt zu dem angrenzenden Grüngürtel zu stehen. Zwei Interviewpartner drücken wie folgt ihre Empfindungen an diesem Ort aus: „Das ist schon schön da, wenn Sie da abends hingehen. Meinetwegen, gehen wir da vornehmlich hin zum Essen mit Bekannten, und wenn man da abends auf der offenen Veranda oder Terrasse sitzt und dann hören Sie nur noch so Zirpsen, oder Vögel, oder irgendwas, so den Urwald um sich rum, das ist ungefähr alles. Das ist richtig entspannend“ (S10: 268). „Im Schweizer Klub, da gibt es ein Open Air Restaurant im Dschungel, dort so um 20 Uhr, 21 Uhr zu speisen bei einem guten Rotwein, um 22 Uhr gehen dann die Lichter der Tennisplätze aus, und dann fängt der Dschungel an mit seinen Grillen etc. zu roaring, das ist auch schon etwas, was man zwölf Monate im Jahr in anderen Teilen dieser Welt nicht erleben kann“ (S15: 261). Die Finanzmanager können in dem Restaurant sitzend die Natur zwar hören, sehen und riechen, befinden sich aber doch in sicherer und daher entspannender Distanz dazu. An diesem Ort lassen sich für sie so auch die Ergebnisse der Kolonialisierung durch die Weißen erleben, mit der zurückgedrängten und befriedeten Natur auf der einen Seite und auf der anderen Seite den Weißen, die in dem von ihnen zivilisierten Ort sitzen. Ein Ort der, so die Beschreibung des Restaurants im Internet, „offers a commanding view of the Club’s surrounding“ (Swiss Club Singapore 2007). Diese mächtige Erzählung und Legitimation der Kolonisierung, die den weißen Mann als Zivilisator und Bezwinger der gefährlichen Natur darstellt (vgl. Dyer 1997, Young 1995) wird so für die Finanzmanager als positive Erinnerung ihrer weißen Identität als Zivilisatoren und damit als derjenigen Gruppe, der die Stadtgründung und Entwicklung Singapur zu verdanken ist, erlebbar.

Die deutsche Tradition – Oktoberfest in Singapur Auf dem Gelände des Klubs gibt es des Öfteren besondere Veranstaltungen mit deutlichen Bezügen zu deutschen Traditionen. Als ich den Klub besuchte fand in einem großen Zelt das Oktoberfest statt, für das schon an der Einfahrt zum Klub mit einem großen Banner geworben wurde. Markierungen deutscher Identität werden hier, anders als in London, offen zur Schau gestellt. So ist auch die Präsentation eines Wappens von einem deutschen Bundesland am Eingangstor zu dem Grundstück eines Finanzmanagers eine offene Markierung der deutschen Identität, die die deutschen Finanzmanager in London nicht aufführen.

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Abbildung 58: Werbung Oktoberfest im Swiss Club (aus: Swiss Club Singapur 2007) Für einige der deutschen Finanzmanager wird die eigene Teilnahme an einem solchen Ereignis wie dem Oktoberfest in Singapur zu einem Event, an dem sie zum einen ihre nationale Identität präsentieren können, aber an dem sie zum anderen teilweise selbst verwundert sind, dass sie hier in Singapur am Oktoberfest teilnehmen – etwas was sie in Deutschland nicht tun würden. [Kind schreit] S17: „Was hat er denn?“ Frau von S17: „Wir gehen jetzt zum Oktoberfest, er hat ’ne Lederhose, die soll er anziehen, das ist jetzt das Problem“ I: [lacht] „Oktoberfest jetzt hier, oder?“ Frau von S17: „Schweizer Club, Appenkirchener Blaskapelle eingeflogen extra, das Zelt ist klimatisiert. Da hätten sie hingehen müssen, wenn sie so, ich weiß nicht wie relevant das ist, aber da bekommt man einen guten Eindruck. Also jetzt nicht vom Oktoberfest, aber der Schweizer Club und die Schule, da kriegt man einen ganz schönen Eindruck, allein dadurch, dass man sich dort aufhält. […] Wenn man sonst nie aufs Oktoberfest geht, hier tut man’s dann, irgendwie wird man dann doch nationaler, als...“ I: [lacht] „Warum? Warum ist das dann hier anders, warum macht man das dann hier?“ Frau von S17: „Das weiß ich nicht, das ist halt so die Nostalgie“ (S17: 268-286). Die Teilnahme am Oktoberfest in Singapur wird für die Finanzmanager zu einem sozialen Event an dem deutsche Traditionalität in einer dafür nicht passenden Stadt zitiert wird. Erst durch diese ironische Brechung, es „witzig“ (S18: 156) zu finden, 262

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wird es für die Finanzmanager scheinbar möglich, an einem solchen Event teilzunehmen und dort die anderen Mitglieder der deutschen Community zu treffen. „Im Schweizer-Klub war jetzt von Donnerstag bis Sonntag das Oktoberfest im Schweizer-Klub. Haben Sie das nicht mitbekommen? Das war ne recht große Veranstaltung, Riesen Zelt aufgebaut mit 2500 Leuten. […] Die haben dann eine bayrische Blaskapelle, die Musikkapelle Patenkirchen kam dort und dann Erdinger Weißbier und alle möglichen bayrischen Schmankerl und das war eigentlich recht gut, ist echt witzig. […] Das machen die jetzt glaub ich seit vier, fünf Jahren im Schweizer-Klub und das ist echt gut. Und so gibt es eigentlich eine ganze Reihe von deutschen Geschichten hier, es gibt beispielsweise im Frühjahr, meistens Februar bis März das norddeutsche Grünkohlessen. […] Das ist, da treffen sich, das ist eigentlich so eine reine Männergeschichte, da treffen sich so 150 Männer in Fischerhemden und so’nem roten Halstuch zu Grünkohl und Pinkel und jeder Menge Aquavit oder Schnaps“ (S18: 154-160).

Abbildung 59: Feiern auf dem Oktoberfest 2006 im Swiss Club (aus: Swiss Club Singapur 2007) Einige der deutschen Finanzmanager, die ohne Kinder in Singapur sind, vermeiden jedoch nicht nur den Besuch von solchen Veranstaltungen wie dem Oktoberfest sondern auch den Kontakt zu dem Ort der deutschen Community, dem Swiss Club, der ein Ort ist, an dem sich aus ihrer Perspektive das Fremde und das Abenteuerliche kaum erleben lässt. „Da müssen sie eine Aufnahmegebühr bezahlen und dann müssen sie monatlich hingehen und so und so viel Essen und das müsste ich selbst bezahlen und das ist einfach nichts für mich ... hab ja auch kein Auto, müsste also extra ein Taxi bezahlen um da hin zukommen dann müsste ich dann Sachen essen obwohl ich kein Hunger habe. Ne, also da bin ich und ich bin jetzt auch nicht so verquickt mit der deutschen

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Community, ähm, also wenn ich eine deutsche Community brauche dann kann ich auch in Deutschland bleiben“ (S12: 216). Die Distanzierung zur deutschen Community wird dabei von denjenigen, die stärker das Fremde erleben wollen aktiv durch bestimmte Techniken durchgeführt. So berichtet ein Interviewpartner darüber: „Wir sind auch Member in einem Klub, aber wir sind keine großen Klubmeier, ich muss echt sagen, wir sind da auch nicht so oft. Es gibt hier einen deutschen Klub, Schweizer Klub, holländischen Klub, britischen Klub, wie es auch immer aussieht, da finden sich immer so die Nationalitäten. Mir war das immer ein Gräuel, weil, ein deutscher Klub, da sind die deutschen Skatmeier, dazu zähle ich mich halt nicht. Ich finde immer, Deutsche im Ausland in größeren Gemengelagen, finde ich immer meistens nicht so erstrebenswert mich dazu zu zählen, da sprechen wir meistens Französisch, ja“ (S3: 201). Diejenigen die versuchen sich möglichst von der deutschen Community zu distanzieren, wählen für ihre Kinder andere Schulen und wohnen nicht in den klassischen Expat Wohngebieten wie Bukit Timah oder Holland Village, sondern eher nah zur Orchard Road, an der East oder der West Coast. Ein Interviewpartner stellt diese Aufteilung der deutschen Bevölkerung in Singapur so dar: „Es gibt noch an der East Coast eine Ecke, wo Leute wohnen, das sind dann die alternativen Expats, die so nicht da wohnen wollen, wo all die anderen wohnen. […] Aber der Pulk, so die Masse an Expats, die wohnt so hier [in Bukit Timah]“ (S17: 340).

Wohnen in einem Condominium an der East Coast Das Wohnviertel dieser „alternativen Expats“ erreicht man vom CBD kommend recht schnell mit einer zehnminütigen Taxifahrt oder mit einem Shuttlebus, der die hier wohnenden Finanzmanager direkt von ihrer Wohnanlage zum CBD bringt. Die Finanzmanager wohnen hier in der direkten Nähe zu dem East Coast Park, einem mehrere Kilometer langen Strandstreifen, der sich an der östlichen Küste der Insel befindet. Entlang der Küste liegen Menschen am Strand, essen im East Coast Park Seafood Center, gehen spazieren, beobachten die vorbeifahrenden Containerschiffe oder machen Sport. Für die hier wohnenden Finanzmanager hat gerade die entspannende Ruhe des Parks, in dem sie Joggen oder Rollerblades fahren, die Nähe zum Arbeitsplatz im CBD und die Entfernung zur Deutschen Community zu ihrer Entscheidung geführt, hier zu wohnen. Das führen zwei Finanzmanager so aus: „Also East Coast das ist die Ecke da drüben, das ist am Meer gelegen. Da gibt es einen kleinen Park. Das hier ist das Business District, das ist also sehr sehr geschäftig und dann gibt es noch das Holland Village, das ist nur für die ganzen, da wo die Expats standardmäßig hingehen. Da wollte ich nicht hin, ja. Also ich hatte jetzt kein In264

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teresse mit den Leuten wieder zusammen zu sein, mit denen ich in Deutschland die ganze Zeit zusammen war, ne. […] Ich wollte also etwas Gemütliches haben, ein bisschen Natur, aber nicht so weit vom Arbeitsplatz und nicht so weit vom Flughafen weg. Weil ich damit gerechnet habe, dass ich regelmäßig Flüge machen muss und dann wollte ich auch noch gut eingebunden ins Transportsystem sein und das trifft auf das zu“ (S12: 51). „Zentral, trotzdem ein bisschen außerhalb. Ich wollte Richtung East Coast, wegen des Parks. Weil ich mich dort eher aufhalte, als Shopping in Orchard Road. Sollte auch nicht zu weit vom Office weg sein und es hat halt alles zusammen gepasst und so habe ich mich dafür entschieden“ (S7: 187).

Abbildung 60: Jogger im East Coast Park Viele der hier wohnenden Finanzmanager haben eine Wohnung in einem Condominium. Das ist eine Wohnanlage mit vielen (manchmal mehreren hundert) einzelnen Wohneinheiten. Die hier Wohnenden können dort gemeinsame Einrichtungen besuchen; je nach Ausstattung gehören Tennisplätze, Fitnesscenter, Swimmingpool und ein Grill zu einer solchen Wohnanlage. „Man hat alle Annehmlichkeiten in diesen Wohnanlagen wie Swimmingpool, Fitnessstudio, Squashcourt, Tennisplätze sind dort, Dampfbad, Minimarkt, also das ist eine kleine Stadt. Groß sind, ich glaub, 500 Leute wohnen dort, aber es verläuft sich halt, also es ist kein Ballungsgebiet“ (S2: 303). 265

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Abbildung 61: Spielende Kinder am Pool In einer solchen Wohnanlage herrscht eine entspannte und ruhige Atmosphäre, in den Pools spielen Kinder, Erwachsene schwingen den Tennisschläger oder Grillen zusammen. Nur die hier Angestellten, vermutlich malayisch stämmige, müssen arbeiten und säubern oder schützen die gepflegten Anlagen. Denn diese sind nach Außen hin als Gated Communities durch eine Mauer und ein bewachtes Tor abgetrennt.

Abbildung 62: Bewachte Einfahrt zu einem Condominium Auch wenn diese Sicherheitsarchitektur mich als nicht hier wohnende Person etwas unschlüssig vor dem Tor herumstehen lässt, so ist es doch für den Feldforscher, der die Eintrittskarte des Weißseins trägt, überraschend einfach möglich, ein solches Condominium zu betreten. Nachdem ich einige Zeit, die Situation beobachtend, vor einem bewachten Tor stand, ging einer der Wachkräfte auf mich zu und sprach mich an. Er fragte mich, ob ich nicht eintreten wolle und dass ich doch sicher den Supermarkt suchen würde, der sich in dem Condominium befinde. Er sagte mir dann noch 266

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wo dieser Markt ist und ließ mich herein. Damit machte ich eine Erfahrung, die – ähnlich wie die am Tor zum Swiss Club – mir meine privilegierte Rolle als Weißer in Singapur verdeutlichte. Eine Erfahrung, die für die in Singapur wohnenden Finanzmanager zu ihrem Alltag dazu gehört. Das führen zwei Interviewpartner so aus: „Ein Kollege macht ’ne Feier in seinem Condominium, ich geh’ rein, werde vom Guard nicht aufgehalten, hinter mir ist ein Singapurer, der wird aufgehalten und muss sich ausweisen“ (S12: 282). S2: „Sie haben überhaupt kein Problem da reinzukommen, also dort einzudringen in dieses Condominium ist überhaupt kein Problem. Also es ist offiziell Security Guarded. Da laufen Wache und es ist ein Zaun vorne dran, aber wenn sie da rein wollen, ist das .., also solange sie eine weiße Gesichtsfarbe haben und Europäer sind, würde der Guard sie durchwinken, dann können sie reinfahren, das ist überhaupt kein Thema. Also es ist eine pro forma Security.“ I: „Ja. Aber wenn man jetzt keine weiße Hautfarbe hat?“ S2: „Dann würde man natürlich schon kontrolliert“ (S2: 412-416). Die Finanzmanager die an der East Coast, fern der Deutschen Schule und dem Swiss Club, wohnen, wählten diesen Wohnort auch aus, da sie die Nähe zur Deutschen Community vermeiden wollen. Ihr Ziel ist es, in der Fremde Abenteuer zu erleben und in Kontakt zu asiatisch stämmigen SingapurerInnen zu kommen. Für viele der hier wohnenden erfüllt sich aber die Hoffnung nicht, dass sie mit der Wahl eines Wohnortes fern der Deutschen Schule in Kontakt zu den asiatisch stämmigen SingapurerInnen kommen. „Also mein Ziel war es am Anfang zu Singapurianern Kontakt aufzubauen, das ist aber ziemlich schwierig. Da .. ich sag mal so, wenn die Singapurianer nicht verheiratet sind, leben sie noch bei den Eltern und wenn sie verheiratet sind, wohnen sie zusammen und haben Familie. Das heißt, die haben keine Zeit und es gibt sehr wenige, die nach der Arbeit noch was mit, sag ich mal mit Deutschen oder anderen Nationalitäten machen, das heißt, die gehen nach der Arbeit nach Hause“ (S2: 221). Nicht anders als diejenigen die in Bukit Timah wohnen besuchen die Finanzmanager, die an der East Coast wohnen, lokale Essensstände, an denen sie sich zumindest in der Auswahl des Essens Elemente des Abenteuerseins anheften können. Das Image als Expat-Viertel, mit dem die Finanzmanager Bukit Timah und dem Holland Village begegnen, weisen sie der East Coast nicht zu. Die Abenteuererzählungen, die von den an diesen Orten lebenden Finanzmanagern in Singapur berichtet werden, unterscheiden sich jedoch nicht so voneinander, wie es das zugewiesene Image des Ortes versprechen würde. Der Besuch von lokalen Hawker-Ständen oder ein Ausflug in das von den Finanzmanagern als exotisch betrachtete Little India werden sowohl von denjenigen, die an der East End wohnen, wie auch von denjenigen die in Bukit Timah wohnen, vorgenommen. Ebenso wie die deutschen Finanzmanager für solche Art von Erlebnissen aus dem Villenviertel Bukit Timah ausbrechen suchen

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DAS EINPASSEN IN DEN ORT

auch die Finanzmanager, die in den mit Mauern und Wachdiensten separierten Condominiums an der East Coast wohnen hinter der Mauer nach solchen Erlebnissen. Auch wenn sie an der East Coast und an anderen Orten in Singapur in Condominiums – also in Gated Communities – wohnen, lässt sich daher ihr dortiger Aufenthalt nicht nur durch den in der Gestalt der Mauer und des bewachten Tors materialisierten Charakter der Abschottung vom Außen darstellen (zu einem solchen Fokus vgl. Graham/Marvin 2001: 283; Diken/Laustsen 2005; Glasze/Webster/Frantz 2006; Davis 1999; Low 2003). Gerade das Ausbrechen aus der engen Community und das Erleben der fremden Nachbarschaft ist für sie eine wichtige Aktivität, mit der sie sich als entdeckungsfreudige Weiße präsentieren können. So berichtet ein Interviewpartner, der in einem Condominium wohnt folgendes: „Diese East Coast Road [...] das ist sehr schön da zu gehen, da sind lauter kleine Restaurants lokaler Küche, lauter Einheimische, da gibt es dann Hainanese Chicken Rice, dann gibt es da Roti Prata, dann gibt es Taiwanesische Küche; lauter solche Sachen und die brutzeln da vor sich hin und freuen sich des Lebens. Das wird jetzt auch ein bisschen entwickelt als kulturell interessantes Zentrum von Singapur und da sind da auch japanische Restaurants, Peranakan Küche, das ist diese traditionelle Küche hier, ja. Dann gibt es einen schönen Laden der macht Bilderrahmen, das ist so ein typischer Singapurer mit Shorts und mit diesem grobripp Shirt und so mit grauen Haaren und der mir dann erzählt, das er nie zu schreiben gelernt hat, weil er hier immer nur Bilderrahmen machen musste und das finde ich ganz nett da lang zu gehen. Bis vor kurzem war die älteste Bäckerei Singapurs da in einem knallroten Gebäude, was man noch kennt von verschiedenen Reiseführer, das hat Atmosphäre“ (S12: 260).

Abbildung 63: Das lokale Restaurant „Hainanese Chicken Rice“ 268

WOHNEN IN DER GETEILTEN STADT – WOHNEN IN DER STADT DER SOZIALEN HARMONIE

Fazit: Wohnen in Singapur Die deutschen Finanzmanager empfinden Singapur als eine sozial befriedete Stadt, in der sie sich mit ihren Identitäten, als Weiße, als Männer und als globale Elite begehrt fühlen. Die Wahl ihres Wohnortes und der dortige Aufenthalt erfolgt daher in Singapur auch nicht unter dem Aspekt der Vermeidung einer Gefährdung; die Finanzmanager empfinden kein Unbehagen dabei, locker schlendernd soziale Grenzen zu überschreiten und lassen teilweise sogar ihre Wohnungstüren offen stehen: Sie fühlen sich in Singapur weder in ihrer körperlichen Integrität noch in ihrem Eigentum bedroht. Die Finanzmanager können und wollen in Singapur in den wenigen Gebieten wohnen, in denen der private Wohnungsbau eine architektonische Differenz zu den „Massenhochhäusern“ (S1: 65) des HDB ausdrückt. In Bukit Timah wohnen eher diejenigen, deren Kinder in die Deutsche Schule gehen und deren Frauen sich in der Deutschen Community besonders engagieren, während diejenigen an der East Coast eher eine Distanz zu dieser Community suchen um so Abenteuer erleben zu können, also um dem Fremden zu begegnen. Obwohl sich beide Wohnorte in ihrer Struktur und in ihrem Image, also das traditionelle Expat-Viertel gegenüber dem alternativen Expat-Viertel unterscheiden, differenzieren sich jedoch nicht die Abenteuererfahrungen der Finanzmanager. Diese beschränken sich für sie in Singapur auf das Erfahren von lokalen Speisen und den Besuch von einigen exotisierten Orten wie Little India. Auch wenn die Finanzmanager, die an der East Coast in den Condominiums wohnen, die Mauern ihrer Wohnanlage häufig übertreten und in der Umgebung ihre Freizeit mit Entdeckungen verbringen, gelingt es ihnen ebenso wenig das Selbstbild des Abenteurers mit überzeugenden Erlebniserzählungen anzureichern. Der von ihnen gewünschte Kontakt zu den asiatisch stämmigen SingapurerInnen stellt sich als schwer realisierbar heraus. Die historisch unbelastete deutsche Identität ermöglicht es den Finanzmanagern, Zeichen dieser Identität auch nach Außen zu zeigen und einen ironisierenden Umgang mit dieser Identität und den sie repräsentierenden Traditionen offen aufzuführen. So wird das Oktoberfest im Swiss Club für diejenigen, die sich zur deutschen Community hingezogen fühlen, zu einer Veranstaltung des ironisierenden Umgangs mit dieser Identität. Die Beschäftigung einer Maid, wie sie in erster Linie von denjenigen Finanzmanagern, die mit Familie nach Singapur kommen, vorgenommen wird und der Mangel einer Möglichkeiten zur Lohnarbeit ermöglicht es den deutschen Frauen, sich stark für den Aufbau von sozialen Netzwerken zu engagieren. Die Herausstellung eines besonders rücksichtsvollen Umgangs mit der Maid, die mehr als Angestellte denn als eine moderne Sklavin von den Finanzmanagern begriffen wird, ermöglicht eine Differenzierung der eigenen weißen und deutschen Identität zu den von ihnen als rücksichtslos betrachteten asiatisch stämmigen SingapurerInnen. Die Männlichkeit der Finanzmanager wird in Singapur zu einer besonderen, sie sind alleiniger 269

DAS EINPASSEN IN DEN ORT

Familienernährer und führen so oft eine andere geschlechtliche Rolle auf als in Deutschland. Da die deutschen Finanzmanager Singapur als sozial harmonische Stadt wahrnehmen, in der sie mit ihren Identitäten als Weiße und globale Elite gebraucht werden, verspüren sie kein Gefühl der Gefährdung, sie lassen die Fenster des Hauses auf und bewegen sie sich locker durch die Stadt. Mit ihrer deutschen Identität fühlen sie sich hier nicht belastet und präsentieren diese daher offen, in ironisierender Weise, mit stereotypischen Zeichen von Deutschsein.

Fazit: Das Einpassen der deutschen Finanzmanager in den Wohnort – Wohnen in der geteilten und Wohnen in der harmonischen Stadt In diesem Kapitel wurde mit der Verwendung des Konzepts des Einpassens das Wechselspiel zwischen alltäglichem Handeln, den mitgebrachten Images und der Erfahrung der konkreten Struktur an verschiedenen Wohnorten in London und Singapur dargestellt. Dabei wurde deutlich, dass ihr Wohnen an bestimmten Orten in diesen beiden Städten mit spezifischen Handlungen und Identitätsperformances der deutschen Finanzmanager einhergeht: Sie passen sich in den Wohnort ein. In beiden Städten wohnen die deutschen Finanzmanager in bestimmten Wohnorten, Teil ihres Einpassens ist es auch diese Wohnorte als passend für die eigenen Identitäten auszuwählen. Die deutschen Finanzmanager begegnen London und Singapur mit unterschiedlichen Images. Diese überschneiden sich mit den differenzierten Images der einzelnen Wohnorte in beiden Städten. London wird von den deutschen Finanzmanagern als das traditionelle und kulturelle Zentrum schlechthin sowie als chaotischer „Riesenmoloch“ betrachtet. London gilt für sie als sozial umkämpfte und geteilte und deshalb gefährliche Stadt. Daher wird es notwendig, den „Moloch“ exakt sozial zu vermessen, um einen für die eigenen Identitäten passenden und gefahrlosen Wohnort zu finden. Singapur gilt bei ihnen hingegen als eine Stadt ohne hochkulturelle Prägung, als ein sozial harmonischer Außenposten. Der Wahl des Wohnortes geht hier keine ebenso exakte soziale Vermessung und Orientierung voraus, einerseits da der andere Ort nicht mit einem Gefühl der Gefahr verbunden wird und andererseits da die Wahlmöglichkeiten für die Finanzmanager beschränkter sind, denn sie dürfen hier nur in den Häusern und Wohnungen des privaten Wohnungsbaus wohnen. In dem von der Londoner City nur mühsam erreichbaren Stadtviertel Richmond, das von den Finanzmanagern als Fluchtort aus dem „Riesenmoloch“ London betrachtet wird, sehen sich die Finanzmanager an einem Ort der „höchst geschichtsbeladen“ und ein elitärer, authentischer Ort der britischen Oberschicht ist. Hier fühlen sie sich mit ihren Identitäten als Weiße und als globale Elite passend, sie haben deshalb keine Befürchtungen, hier belästigt zu werden. Sie können sich ganz entspannt 270

WOHNEN IN DER GETEILTEN STADT – WOHNEN IN DER STADT DER SOZIALEN HARMONIE

schlendernd im Freien bewegen und fühlen sich in ihren oft von der Straße einsehbaren Häusern wohl. Durch die Netzwerkarbeit der Frau angebunden an die Deutsche Schule und damit an die sich hier konstituierende deutsche Community, übernehmen sie eine recht traditionelle männliche Rolle als Familienernährer und verbergen ihre deutsche Identität in der Präsentation nach außen, vor den von den Deutschen im zweiten Weltkrieg angegriffenen Briten. In der Nähe der Deutschen Schule in Singapur, in Bukit Timah, wohnen auch einige deutsche Familien. Noch deutlicher als in London sind die männlichen Finanzmanager hier in der Rolle des alleinigen Familienernährers, da die Ehefrau in Singapur keine Arbeitserlaubnis erlangen kann. Die deutschen Männer nehmen die Rolle des Haushaltsvorstandes ein, der hier im Gegensatz zur Frau allein geschäftsfähig ist. Eine Situation die, zusammen mit dem Gefühl mit den Identitäten als Weißer und als globale Elite in Singapur begehrt zu sein, im Einpassen bisweilen auch eine etwas andere Männlichkeitsperformance zur Aufführung bringt, die stärker einem hegominalen Männlichkeitskonzept entspricht. Als handlungsmächtiger und aufgeklärter Weißer gehört es hier auch zur Identitätsperformance, eine weitere Rolle einzunehmen, nämlich diejenige des sozialen Wohltäters. In dieser Rolle zeigen sie ihre Differenz zu den anderen Mitgliedern der globalen Elite, den asiatisch stämmigen, unaufgeklärten Singapurern. In der sozial harmonischen Stadt fühlen sich die Finanzmanager mit ihren Identitäten nicht bedroht, die Fenster ihrer Wohnungen stehen offen und der öffentliche Raum wird auch nachts locker betreten. Die fehlende historisch basierte Belastung ihrer deutschen Identität ermöglicht es den Finanzmanagern, in ironisierender Weise ihr Deutschsein offen zu verhandeln. Das Wohnen in den Docklands, nah der City, wurde für die deutschen Finanzmanager erst möglich, nachdem dieses Stadtviertel Londons nicht mehr als ein Teil des verrufenden East Ends identifiziert wurde. Die Umgestaltung dieses Ortes ging mit einem Wandel des Images einher, das die Finanzmanager im Anschluss daran erlernten. Hier wohnend spüren sie mit ihren Identitäten als Weiße und als globale Elite jedoch die Nähe der sozialen Grenze in einem spezifischen Unwohlsein. Sie gehen vorsichtig die Grenze taxierend entlang der Themse zum Arbeiten in die nahe City oder entspannen sich an den grenzfernen Docks. Oft allein wohnend und zur Partnerin nach Deutschland pendelnd ist es für die hier wohnenden deutschen Finanzmanager Teil der Aufführung von männlicher Identität, hier soziale Netzwerkund Reproduktionsarbeit zu verrichten. Ihr Deutschsein bleibt an diesem Ort, der den Finanzmanagern keine gewachsenen und passenden Communitystrukturen bietet, weitestgehend unsichtbar. An der Singapurer East Coast wohnend will ein Teil der deutschen Finanzmanager, ähnlich wie ihre Kollegen in den Londoner Docklands, weniger in einem engen Kontakt zur deutschen Community stehen, sondern vielmehr Abenteuer in der fremden Stadt erleben. Dafür überqueren die Finanzmanager in der Singapurer East Coast im Gegensatz zu den Managern in den Docklands die eingehegten Mauern der Condominiums und suchen das Fremde in der 271

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Umgebung. Denn in der sozial harmonischen Stadt werden von ihnen die sozialen Grenzen für ihre Identitäten nicht als bedrohlich empfunden. Einerseits ermöglicht dies ein unbeschwertes Gefühl, andererseits erschwert dies jedoch das Erleben von Abenteuern, die im fernen Außenposten zu ihrer Identitätsperformance als weiße Männer der globalen Elite gehören.

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Fazit: Das Einpassen der deutschen Finanzmanager

Mit dem in dieser Arbeit entwickelten Konzept des Einpassens, also dem identitätsgebundenen alltäglichen Handeln in Wechselwirkung mit der gegebenen Struktur des Ortes und mit den diesem Ort entgegengebrachten Images, wurde das alltägliche Handeln der deutschen Finanzmanager in Abhängigkeit zum besonderen städtischen Ort, an dem die Handlung stattfindet, untersucht. Mit der Verwendung dieses Konzeptes wurde der Ort in seiner Relevanz für das Handeln sichtbar und untersuchbar gemacht. Durch den vorgenommenen Vergleich des Handelns einer sozialen Gruppe mit ausgewählten gleichen Identitäten (Weiße, Deutsche, Männer, globale Elite) in zwei verschiedenen Städten wurde die spezifische Wirkung der jeweils besonderen städtischen Orte auf das Handeln und die Identitätsbildungen deutlich. Der Vergleich provozierte das Entdecken von Unterschieden und damit auch von Spezifitäten. Spezifitäten, die in Untersuchungen in einer einzelnen Stadt der Gefahr unterliegen würden, weniger als Besonderheiten, sondern mehr als paradigmatische Muster einer allgemeinen, womöglich modellhaften Stadt erkannt zu werden. Eine solche paradigmatische Verallgemeinerung zur modellhaften Stadt hat diese Arbeit durch das gewählte Forschungsdesign bewusst vermieden und die lokalen Besonderheiten städtischer Orte im alltäglichen Handeln einer Untersuchung zugänglich gemacht. Die Finanzmanager begegnen den Orten in Singapur und London mit bestimmten Images, die sie den Orten und ihren BewohnerInnen zuweisen und die zusammen mit ihrem Fühlen der Strukturen des Ortes, wie der materiellen Gestaltung, der sozialen Zusammensetzung, dem Klima, dem Tagesrhythmus und der besonderen Atmosphäre, als wirkungsmächtige Faktoren das Handeln der Finanzmanager vor Ort beeinflussen. Allerdings erfolgt dies nicht unabhängig von den Identitäten derjenigen, die in Kontakt zum Ort stehen. Nicht nur das Fühlen sondern auch der besondere Blick, die Images mit dem einem bestimmten Ort und den dort lebenden Menschen begegnet wird, sind abhängig von den Identitäten der fühlenden und blicken273

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den Personen. Die deutschen Finanzmanager fühlen und erblicken als Weiße, als Männer, als Deutsche und als globale Elite den Ort in der besonderen Stadt. Das besondere Erblicken des Ortes und seiner BewohnerInnen – also das Image mit dem sie dem Ort begegnen – ist zum einen abhängig von ihren Identitäten, zum anderen werden ihre Identitäten mit einem besonderen Blick, besonderen emotionalem Empfindungen und besonderen Handlungen am Ort produziert. Deutlich wurde, dass die besondere Geschichte von London und Singapur sowie der Orte in den beiden Städten bedeutsam für das Einpassen sind. Die jeweilige Geschichte der Orte ist prägend für die Ausbildung von bestimmten Images und für die Ausbildung von spezifischen Strukturen. Zusätzlich zu den materialisierten Strukturen, die als Architekturen sichtbar und erkennbar sind, sind auch die unsichtbaren Images, die in den Erzählungen der Finanzmanager identifiziert werden konnten, machtvolle Faktoren, die ihr Handeln und ihre Identitätsausbildung am Ort beeinflussen. Die ehemals koloniale Stadt Singapur sowie London als Zentrum des ehemaligen Empires sind in den erlebten Strukturen und den Images machtvoll genug, um das Handeln, die Emotionen und die Identitätsbildung der Finanzmanager zu beeinflussen. Mit der Darstellung der Differenzierung der hier vorgestellten Orte, einmal in ihren Strukturen und zum anderen in den Images, jeweils aus der identitätsspezifischen Perspektive und der des fühlenden Körpers der deutschen Finanzmanager, konnte gezeigt werden, dass der besondere Ort auch eine spezifische Identitätsperformance anregt. Die Spezifika des Ortes und ihre Wirkung auf die Identitätsperformance konnte jedoch erst im tatsächlichen Kontakt des Feldforschers mit den Orten und den dort Handelnden sichtbar und erfahrbar werden. Erst durch die „Begegnung mit der rauen Wirklichkeit des ‚Feldes‘“ (Bourdieu 1993: 366) ließ sich eine bloße Reproduktion von Stereotypen der Identitäten, der Orte und der Städte, vermeiden. Die Identitätsperformances der Finanzmanager, das Weißsein, die Männlichkeit, das globale Elite sein und das Deutschsein differenziert sich daher in Abhängigkeit vom spezifischen Ort an den Orten in London und Singapur aus. Auch wenn diese Städte miteinander beispielsweise durch Finanzströme verbunden sind und bei einer oberflächlichen Betrachtung eine gleiche Gestalt und Funktion haben (wie die Bürohochhäuser), sind sie in ihrer Spezifität wirkungsmächtige Akteure im alltäglichen Handeln und in den Identitätsausbildungen der Finanzmanager. Die abstrakten Kategorien der Identitätsperformances der Finanzmanager wie das Weißsein, die Männlichkeit, das globale Elite sein und das Deutschein werden in Interaktion mit den materiellen Strukturen und immateriellen Images des konkreten Ortes erfahrbar und sichtbar. Mit dem Konzept des Einpassens wurde die konkrete Realisierung und spezifische Bedeutung dieser abstrakten Identitätskategorien in ihrer Abhängigkeit zum Ort dargestellt.

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Literatur

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Danksagung

Glücklicherweise konnte diese Arbeit in einem auf vielfältige Weise unterstützenden sozialen Umfeld angefertigt werden. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken. Zuallererst bedanke ich mich für die Hilfe und die freundliche Bereitschaft meiner Interviewpartner in London und in Singapur, deren Offenheit die Erstellung dieser Arbeit überhaupt erst ermöglichte. Für die Betreuung dieser Arbeit danke ich Prof. Dr. Martina Löw, die mir immer wieder mit vielfältigen Unterstützungen, Inspirationen und Ermunterungen geholfen hat. Bedanken möchte ich mich auch bei Prof. Dr. Helmuth Berking, dessen kritischer Blick der Entwicklung meiner Arbeit sehr gut tat. Den TeilnehmerInnen im Oberseminar „Space, Place, Power“ und den Mitgliedern des Graduiertenkollegs „Technisierung und Gesellschaft“ an der Technischen Universität Darmstadt danke ich für Ihre engagierten Fragen und Hinweise, die für die Entwicklung dieser Arbeit immer so wichtig waren. Für die finanzielle Unterstützung des Forschungsprojektes möchte ich mich bei der DFG bedanken, die mein Stipendium am Graduiertenkolleg finanzierte. Für die Finanzierung meiner Feldforschungsaufenthalte in London und Singapur danke ich dem DAAD. Prof. Dr. Hellmuth Lange von der Universität Bremen danke ich für die Freiräume, die er mir für die endgültige Fertigstellung dieser Arbeit gewährte. Die lange Zeit der Doktorarbeit wurde mir mit dem Gewinn neuer Freundschaften versüßt, von denen mir besonders einige auf die eine oder andere Weise bei dieser Arbeit halfen. Bei Lars Frers bedanke ich mich für seine Korrekturarbeit, für die Inspirationen und für die so erfreuliche und leichte Zeit zwischen Arbeitsraum, 603 und sonst wo. Christian Chua danke ich für die Diskussionen über den richtigen Weg, die gemeinsame Zeit in der SUB und in Singapur. Ich bedanke mich bei Martin Koch für die Korrektur und sein kritisches Auge, das zuweilen sieht was eigentlich verborgen bleiben sollte. Für Korrektur- und/oder Ermunterungsarbeiten danke ich Sybille Frank, Ina Meier, Ansgar Weingarten, Silke Steets, Dörte Hein und Tina Klug. Für die uneingeschränkte Unterstützung danke ich meiner Mutter Renate Meier und meiner Schwester Ina Meier. Am meisten danke ich Pia Gries, nicht nur für das Anschieben eines Autos, sondern für ihre ausdauernde, umfangreiche Unterstützung und für die gemeinsame Zeit.

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Materialitäten Thomas Alkemeyer, Kristina Brümmer, Rea Kodalle, Thomas Pille (Hg.) Ordnung in Bewegung Choreographien des Sozialen. Neue Perspektiven der Körperund Raumforschung April 2009, ca. 160 Seiten, kart., ca. 18,80 €, ISBN 978-3-8376-1142-7

Lars Frers Einhüllende Materialitäten Eine Phänomenologie des Wahrnehmens und Handelns an Bahnhöfen und Fährterminals 2007, 302 Seiten, kart., zahlr. Abb., 30,80 €, ISBN 978-3-89942-806-3

Jürgen Funke-Wieneke, Gabriele Klein (Hg.) Bewegungsraum und Stadtkultur Sozial- und kulturwissenschaftliche Perspektiven 2008, 276 Seiten, kart., zahlr. Abb., 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1021-5

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

2009-01-22 10-34-15 --- Projekt: transcript.anzeigen / Dokument: FAX ID 02c3200518943368|(S.

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3) ANZ1129.p 200518943376

Materialitäten Gabriele Klein, Michael Meuser (Hg.) Ernste Spiele Zur politischen Soziologie des Fußballs 2008, 276 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN 978-3-89942-977-0

Bastian Lange Die Räume der Kreativszenen Culturepreneurs und ihre Orte in Berlin 2007, 332 Seiten, kart., 30,80 €, ISBN 978-3-89942-679-3

Imke Schmincke Gefährliche Körper an gefährlichen Orten Eine Studie zum Verhältnis von Körper, Raum und Marginalisierung April 2009, ca. 234 Seiten, kart., ca. 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1115-1

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3) ANZ1129.p 200518943376

Materialitäten Robert Gugutzer (Hg.) body turn Perspektiven der Soziologie des Körpers und des Sports 2006, 370 Seiten, kart., 20,80 €, ISBN 978-3-89942-470-6

Cedric Janowicz Zur Sozialen Ökologie urbaner Räume Afrikanische Städte im Spannungsfeld von demographischer Entwicklung und Nahrungsversorgung 2008, 438 Seiten, kart., zahlr. Abb., 42,80 €, ISBN 978-3-89942-974-9

Evelyn Lu Yen Roloff Die SARS-Krise in Hongkong Zur Regierung von Sicherheit in der Global City 2007, 166 Seiten, kart., 18,80 €, ISBN 978-3-89942-612-0

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3) ANZ1129.p 200518943376